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CHRISTOPH PAULUS
Die Idee der postmortalen Persönlichkeit im römischen Testamentsrecht
Schriften zur Rechtsgeschichte Heft 55
Die Idee der postmortalen Persönlichkeit im römischen Testamentsrecht Zur gesellschaftlichen und rechtlichen Bedeutung einzelner Testamentsklauseln
Von
Christoph Paulus
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Paulus, Christoph:
Die Idee der postmortalen Persönlichkeit im römischen Testamentsrecht : zur gesellschaftlichen und rechtlichen Bedeutung einzelner Testamentsklauseln I von Christoph Paulus. - Berlin: Duncker und Humblot, 1992 (Schriften zur Rechtsgeschichte ; H. 55) Zug!.: München, Univ., HabiL-Sehr., 1991 ISBN 3-428-07357-6 NE:GT
Alle Rechte vorbehalten © 1992 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin 21 Druck: Color-Druck Dorfi GmbH, Berlin 49 Printed in Germany ISSN 0720-7379 ISBN 3-428-07357-6
Meinem David Philipp
Vorwort Diese Arbeit wurde im Wintersemester 1990/91 von der juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität in München als Habilitationsschrift angenommen. Ihr Zustandekommen hatte viele Helfer, denen ich an dieser Stelle ganz global meinen Dank sage. Einige von ihnen möchte ich aber dennoch namentlich hervorheben, weil sie mich in besonderem Maße gefördert und unterstützt haben. Ganz am (zeitlichen) Anfang steht Prof. Dr. W. Kunkel, als dessen "HiWi" ich in vielen, langen Gesprächen die Lebendigkeit des römischen Rechts habe erkennen können. Sodann Prof. Dr. D. Daube, der während meines Studienaufenthaltes 1983/84 in Berkeley/Calif. mein faculty advisor war und die Abfassung meiner thesis mit ungeheurer Anteilnahme betreute; Teile dieser thesis sind in das Kapitel VI 3 eingegangen. Herr Prof. Dr. D. Nörr ist der Erstkorrektor der Arbeit gewesen; ihm verdanke ich sowohl die ständige Unterstützung meines wissenschaftlichen Werdegangs als auch die Anregung zu dieser Arbeit, ihre Förderung durch Rat, Kritik und Hilfe sowie, als sein Assistent, das Vertrauen, mich an ein Thema wie dieses heranwagen zu können. Dasselbe gilt für den Zweitkorrektor, Herrn Prof. Dr. R. Wittmann: Er hat mich schon zu Studienzeiten, ganz besonders aber und nicht mehr mit dem Maß eines "normalen" Zweitkorrektors erfaßbar bei dieser Schrift beraten, gefördert und freundschaftlich unterstützt. Auch ihm danke ich aufrichtig. Schließlich nenne ich noch die Alexander von HumboldtStiftung, die mir ein Feodor-Lynen-Stipendium gewährt und damit einen 15monatigen Studienaufenthalt erneut in Berkeley ermöglicht hat, und Herrn Prof. N. Simon, der diese Arbeit in die vorliegende Schriftenreihe aufgenommen hat. Neben der wissenschaftlichen Hilfe, die mir angediehen ist, will ich aber auch die persönliche in Dankbarkeit nennen. Meine Mutter und meine Frau haben mir unter großen persönlichen Opfern die Freiräume geschaffen, die ich für diese Arbeit benötigte. Und mein Sohn hat, wenn auch bisweilen murrend, den Zustand des sich habilitierenden Vaters mit Großmut getragen. Schon früh trieb mich daher mein schlechtes Gewissen zu dem Versprechen, ihm dieses Buch- gewissermaßen als Kompensation- zu widmen; nichts tue ich nunmehr lieber. München, im Oktober 1991
Dr. Christoph Paulus
Inhaltsverzeichnis
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13
Teil] Das Testament im Kontext von UnsterblichkeitsvorsteUungen
I. Einige Bemerkungen über den "römischen Tod" . . . . . . . . . . . . . . . . .
20
1. Das Denken über den Tod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21
2. Todesbilder
22
3. Selbsttötung
25
4. Die antike Medizin und der Tod
28
5. Zusammenfassung
30
II. Die Unsterblichkeitsidee
32
1. Unsterblichkeitsglaube
32
2. Unsterblichkeitsmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
34
a) Städtebau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
35
b) Inschriften
... .. . .. .. .. ... .. . . .. ..... ... . .. ... ..
36
c) Denkmäler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37
d) Schriftstellerei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
39
e) Stiftungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
41
f) Testamente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43
111. Testamente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
44
1. D as römische Testament im Vergleich
44
2. Der letzte Wille
46
3. Erblassermotive
53
a) Kindesliebe, -versorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
54
b) D ankbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
58
c) Freundschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
68
Inhaltsverzeichnis
10
d) Entlohnung von Diensten
72
e) Verschiedene
. .. .. ... .. . .. .. .. .. .... .. .. ... .. ...
74
. .. ... . .. ..... .. .. . .. ..... . .. .... .. ...
77
f) Ergebnis
4. Exkurs über die gesellschaftliche Funktion des Testamentes
78
a) Familienvererbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vermögensstreuung c) Ergebnis
78
... . .. ... .. . .. .. .. .. .. ... . . ....
83
. .. ... . ... .... ... . .. . .. .. .. .... . . .. ...
85
IV. Zusammenfassung
87
Tei/2
Testament und Auslegung der Juristen V. Methodische Vorbemerkungen
89
VI. Die Princeps-Klausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Stellung des Princeps innerhalb der römischen Oberschicht
a) Primus inter pares
93
.. ...
93
. .. .... .. ... . . ... .. .. . ... .. . .. ..
93
b) Parens patriae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
94
c) Verflechtungen
95
. . . .. .... ... .. . .. .. .. .. .. ... . . .. ..
2. Die republikanischen Vorläufer der Princeps-Klausel . . . . . . . . . . . .
a) Princeps civitatis
. . .. .. .. .. .. .. .. . ... .. .. .. .. . .. ..
b) Bedenkungen republikanischer Principes Exkurs zur cretio libera
99 99
. . . . . . . . . . . . . . . . . 104
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
3. Die Princeps-Klausel in den literarischen und juristischen Quellen . . . . 114
a) Undankbarkeit
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114
b) D 31.56 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119
c) D 49.14.22.2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 d) PS 4.5 .3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131
e) D 36.1.31.4,5 f) Mündliche Fideikommisse
4. Zusammenfassung
136
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 142
VII. Weitere Testamentsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 1. Planung über den Tod hinaus
144
2. Denkmals-Klausel
183
Anhang . . ... .. . . . . . . . . . . ... ... . ..... . .. . . . ..... 209
Inhaltsverzeichnis 3. Gegenseitigkeitsklausel
11
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213
a) Dankbarkeit/Freundschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 Anhang ........ . .......... . ........ .. ..... . .. 224 b) Entgelt für geleistete Dienste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 c) Kaptatorische Bedenkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 4. Versorgung nahestehender Personen
251 a) Familienmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252
b) Ehefrauen c) Konkubinen
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 . . . .. . . ... . ...... . ............... . .. 281
5. Sicherung und Ehre der Erbeinsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 285 a) Sicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 b) Honos institutionis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 VIII. Zusammenfassung Quellenverzeichnis Stichwortverzeichnis
310
... . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . .. 312 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur Astolfi, Iex:
R. Astolfi: La Iex lulia et Papia2 , Padua 1986.
Biondi, Succ. :
B. Biondi: Successione testamentaria e donazioni2 , Mailand 1955.
Bruck, Römisches Recht: Grosso, I legati:
E. F. Bruck: Über römisches Recht im Rahmen der Kulturgeschichte, Berlin 1954.
Daube, Aspects:
D. Daube: Aspects of Roman Law, Edinburgh 1969.
G. Grosso: I legati I und II, Turin o.J.
Hopkins, Death:
K. Hopkins: Death and Renewal, Cambridge 1983.
Johnston, Trusts:
D. Johnston: The Roman Law ofTrusts, Oxford 1988.
Kaser, RPR: Kaser, RProzR:
M. Kaser: Das römische Zivilprozeßrecht, München 1966.
M. Kaser: Das römische Privatrecht2 , Bd. I, München 1971.
Kohlhaas, Iav.:
C. Kohlhaas: Die Überlieferung der libri posteriores des Antistius Labeo, Pfaffenweiler 1986.
Kunkel, Herkunft:
W. Kunkel: Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen2 , Graz 1967.
Müller-Eiselt, Pius:
K. P. Müller-Eiselt: Divus Pius constituit, Berlin 1982.
Nörr, Rechtskritik:
D. Nörr, Rechtskritik in der römischen Antike, 1974.
Tellegen, Pliny:
J. W. Te/legen: The Roman Law of Succession in the Letters of Pliny the Younger, Zutphen 1982.
Voci, DER I,II:
P. Voci: Diritto Ereditario Romano2 , Bd. I, Mailand 1967; Bd. II, Mailand 1963.
Waldstein, Operae:
W. Waldstein: Operae libertorum, Stuttgart 1986.
Watson, Succession:
A. Watson: The Law of Succession in the Later Roman Republic, Oxford 1971.
Wieacker, Rechtsgeschichte: Wieling, Testamentsauslegung:
F. Wieacker: Römische Rechtsgeschichte Bd. I, München 1988.
Woeß, Erbrecht:
F. v. Woeß: Das römische Erbrecht und die Erbanwärter, Berlin 1911.
H. J . Wieling: Testamentsauslegung im römischen Recht, München 1972.
Einleitung 1. Die vom Recht eröffnete Möglichkeit, ein Testament zu errichten, ist überaus bedeutsam. Der Einzelne wird dadurch in die Lage versetzt, über seinen Tod hinaus zu wirken- sei es in Gestalt von Bedenkungen, aufgrund derer er sich z. B. das dankbare Erinnern des Bedachten sichert, sei es durch Ermahnungen oder Hinweise, die zu befolgen die Pietät gegenüber dem Verstorbenen gebietet, oder sonstwie. Mit dem Testament steht ihm ein Medium zur Verfügung, mit dem er postmortalen Einfluß ausüben und sich selbst insoweit präsent halten kann1•
Die "Persönlichkeit" des Verstorbenen ist mit dieser Wirkungsweise freilich noch nicht erfaßt. Ohne eine umfassende Definition des Begriffes geben zu können, läßt sich aber so viel mit Sicherheit sagen, daß zur Persönlichkeit auch ihre Verwobenheit in das jeweilige gesellschaftliche Beziehungsnetz gehört. Erst die Wechselbezüglichkeit von Individuum und Außenwelt beschreibt den Menschen als soziales Wesen und damit als Persönlichkeit oder Person2. Wenn daher im Folgenden untersucht wird , inwieweit die Römer im Testament eine Verkörperung oder die Idee einer postmortalen Persönlichkeit3 gesehen haben, darf sich die Darstellung nicht auf die einseitige Kundgabe der testamentarischen Willensäußerungen beschränken, sondern sie muß zugleich jene Wechselbezüglichkeit miteinbeziehen. Die Annahme, daß sich dieses Erfordernis für Rom unschwer erfüllen läßt, liegt deshalb nahe, weil die Testamente dort eine herausragende gesellschaftliche und rechtliche Rolle spielten. 2. Der Stellenwert römischer Testamente innerhalb der damaligen Gesellschaft läßt sich exemplarisch anhand zweier Quellen darstellen. Die erste I Cf. Ps.-Quint. decl. 308 (solacium mortis) ; D 28.1.1, Mod. 2 pand. Zu dem im Text genannten Zusammenhang allgemein Gladigow, Naturae deus humanae mortalis, in: Stephenson (Hg.), Leben und Tod in den Religionen - Symbol und Wirklichkeit2 , Darmstadt 1985, S. 119ff. z S. nur MüllerNossenkuhl, in: Handbuch philosophischer Grundbegriffe Bd. 4, s. v. "Person", S. 1065: " ... (die Person) verhält sich immer zugleich zu sich und zum anderen." Ähnlich Trillhaas, in: Die Religion in Geschichte und Gegenwart, s. v. "Persönlichkeit", sub 5: "Der Mensch ist ein offenes System." 3 Gegenüber dem "postmortalen Persönlichkeitsrecht" der modernen Zivilrechtsdogmatik ist der hier verwandte Terminus einerseits enger, andererseits weiter: Enger ist er insofern, als er sich nur auf die Idee der Persönlichkeit im Testament beschränkt; weiter ist er, als er sich nicht auf die Erfassung von Rechtspositionen beschränkt, sondern die Person in ihrer Gesamtheit zu erfassen versucht.
14
Einleitung
stammt aus Ciceros Tusculanen4: Im ersten Buch beschreibt er das von Natur aus vorhandene Bestreben der Menschen, UnsterblichkeitS zu erlangen (1.31): Maxumum vero argurnenturnest naturam ipsam de immortalitate animorum tacitam iudicare, quod omnibus curae sunt, et maxumae quidem, quae post martern futura sint. ,serit arbores, quae alteri saeclo prosint', ut ait (Statius) in Synephebis, quid spectans nisi etiam postera saecula ad se pertinere? ergo arbores seret diligens agricola, quarum aspiciet bacam ipse numquam; vir magnus Ieges instituta rem publicam non seret? quid procreatio liberorum 6, quid propagatio nominis, quid adoptationes filiorum7, quid testamentorum diligentia, quid ipsa sepulcrorum monumenta elogia significant nisi nos futura etiam cogitare?B
Cicero sieht neben den von ihm angeführten Belegen (zum Teil wird auf sie zurückzukommen sein) auch die sorgfältige Abfassung von Testamenten als Ausdruck des individuellen Unsterblichkeitswunsches. Das Testament wird damit zum Unsterblichkeitsmal - vergleichbar einem Denk-Mal, das gerade den "Flecken"9 kennzeichnet, an dem man des Dargestellten ge-denken soll. Freilich darf man die Vergleichbarkeit nicht auf die Dauerhaftigkeit dieser Male erstrecken: Natürlich ist ein Denkmal haltbarer und hält die Erinnerung länger aufrecht als ein Testament. Doch ergibt sich aus Ciceros Auflistung, daß man in Rom Testamente durchaus mit einer entsprechenden Intention abfaßte; in diesem Kontext sind sie zu sehen und zu interpretieren. Zu diesem, gewissermaßen individualistischen Aspekt tritt ein kommunikativer hinzu, den schon Cicero andeutet, der aber seinen prägnantesten Ausdruck in einem Brief des jüngeren Plinius gefunden hat (8.18.1): VulgoW creditur, testamenturn hominum speculum esse morum.
Plinius zitiert hier einen Gemeinplatz der Antikell (auch wenn er ihn im konkreten Fall nicht bestätigt findet). Durch ihn verstehen wir, warum Cicero ~ Mit diesem Werk wollte Cicero den Weg für das Streben nach dem wahren Lebensglück weisen, vgl. Fuhrmann, Cicero, 1989, S. 227ff. s Im Kontrast dazu die Idee der peccans immortalitas in Tusc. V. 5; dazu etwa Hornmet, Ciceros Gebetshymnus an die Philosophie, Tusculanen V 5, SitzBer. Heidelb. Akad. Wiss., 1968. 6 Dieser Gedanke erscheint bereits bei Plautus, mil. glor., Z. 704. S. auch Plato, Symp. 208 B ff., wo Sokrates in seiner Rede noch weitere Formen des Unsterblichkeitswunsches thematisiert. 7 Zur Ubiquität dieser Idee etwa Bruck, Römisches Recht, S. 33 mwN in FN 33, S. 57; ders. in: Scr. in on. C. Ferrini IV, 1949, S. 9. s Zu dieser Stelle vgl. Costa, Cicerone Giureconsulto, Bologna 1927, S. 217. S. ferner Cic., de amic. 4.13, sowie Seneca, de ben. IV.11.4ff. 9 Zur Bedeutung "Fleck" des Wortes "Mal" s. nur Kluge, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache21 , 1975, s. v. "Mal", S. 456. 10 Zum Bedeutungsgehalt dieses Wortes in klassischer Zeit vgl. Mayer-Maly, Labeo 6, 1960, S. 7ff.; ders., HRG s. v. "Römisches Vulgarrecht" , Sp. 1135. S. auch Nörr, SZ 89, 1972, s. 62f. 11 Cf. Lukian, Nigrinus 30; Cic. ep. ad Att. 15.5(3).1; Dio Halic. IV.24.6; Fronto, ep. ad Pium 3.1.: Sed quoniam suum cuiusque ingenium vitam gubernat, fateor aegre ferre
Einleitung
15
nicht allein das Testament als Unsterblichkeitsmal gelten läßt, sondern zusätzlich die diligentia, d. h. dessen sorgfältige Abfassung, nennt. Es ist nicht bloß das Testament als letztwillige Äußerung, das die Unsterblichkeit im positiven Sinne gewährleistet, sondern zusätzlich die Anerkennung des letzten Willens durch die Überlebenden. Damit korrespondiert die Bedeutung des Wortes immortalitas. Anders als das durch die christlich-abendländische Tradition eschatologisch besetzte Wort "Unsterblichkeit" bezeichnet sein antikes Pendant (unter anderem, aber doch vornehmlich) die Erinnerung der Nachwelt an den Verstorbenen: Wer im Gedächtnis der Späteren gegenwärtig bleibt, ist unsterblichl2. Hierzu drängt sich assoziativ ein weiteres Phänomen auf, nämlich die (auch schon) in der Antike verbreitete Eigenheit, von äußeren Dingen auf das Wesen eines Menschen zu schliessenl3. Seneca etwa berichtet in dem ganzen Brief 114 an Lucilius über die verschiedenen, schlechten Sprachstile zu verschiedenen Zeiten und bietet dafür folgende Erklärung an (1): Hoc quod audire vulgo so/es, quod apud Graecos in proverbium cessit: talis hominibus fuit oratio qualis vita . ..
oder weiter unten (2): Quemadmodum autem uniuscuiusque actio dicenti similis est, sie genus dicendi aliquando imitatur publicos mores . . . 14
Wenn man also in realistischer Einschätzung ihrer Dauerhaftigkeit die Unsterblichkeitsidee des Testamentes auf die Idee des Fortwirkens der postmortalen Persönlichkeit beschränkt, läßt sich bereits jetzt so viel feststellen: Ein römisches Testament erfüllt die beiden eingangs genannten Voraussetzungen, die zur Definition der Persönlichkeit oder Personenhaftigkeit gehören: Der Einzelne darf sich nicht allein darauf beschränken, seinen höchst individuellen letzten Willen zu verlautbaren, sondern er muß darüber hinaus seine Anordnungen, Verfügungen und sonstigen Mitteilungen so fassen, daß sie vor me, quod amicus meus Niger Censorius testamento suo, quo me heredem instituit, parum verbis temperavit. Im Folgenden bemüht sich Fronto, den schlechten Eindruck des Testamentes seines Freundes zu korrigieren (auf diesen Brief hat mich freundlicherweise Prof. Salier aufmerksam gemacht). Weitere Nachweise bei Woeß, Erbrecht, S. 35f.; Joers, Römische Rechtswissenschaft I, Berlin 1888, S. 185. S. auch Plin. ep. 7.24.2: Decessit ( = Quadratilla) honestissimo(!) testamento, oder Val. Max. 7.8.5 - 9. 12 Ausführlicher dazu unten II. Obwohl im folgenden Text nicht immortalitas verwendet wird, ist mit dem deutschen "unsterblich, Unsterblichkeit" immer der antike Bedeutungsgehalt gemeint. 13 Vgl. Longi in: Arangio-Ruiz, Longi, Broggini, Marco Tullio Cicerone. Le orazioni pro Quinctio, pro Roscio Amerino, pro Roscio comoedo, Mondadori 1964, (Introduzioni e note) , S. 142. Zu den entsprechenden Anwürfen in Ciceros Rede für Q. Roscio comoedo vgl. Wieacker, Cicero als Advokat, 1965, S. 20. 14 S. auch noch ep. 115.2: Oratio cultus animi est, und ep. 52.12. Ferner auch Diogenes Laertius 1.58, Solon zitierend, oder Platon, Politeia 111, p. 400 D. Cicero berichtet Entsprechendes von Sokrates in Tusc. V.47. Epiktet, Encheir. 33.6.
16
Einleitung
dem Urteil der Überlebenden bestehen können. Bedenkt man das für die römische Oberschicht so typische Bestreben, Ehre zu erlangen, bzw. sie zu bewahren (d. h. also: ihre Ehrpusseligkeit), noch hinzu, so darf man aus der von Plinius mitgeteilten Gleichung: ,Testament ist gleich Charakterbild' einen Anpassungszwang folgern: Weil der jeweilige Testator die Erwartungshaltung kennt, wird er bestrebt sein, sein Testament den allgemeinen (vom Testator vermuteten) Erwartungen anzugleichen 15 . Das wiederum führt zu der Vermutung, daß dieser Zwang zu einer Konformität der allgemein anerkannten Werte, bzw. der gesellschaftlichen Ideale führt. Ein Gegenbeispiel bestätigt dies eindringlich, das Testament des Petronius. In ihm erteilt er Nero, entgegen den sonst üblichen Schmeicheleien, posthum eine so wirkungsvolle "gesellschaftliche Ohrfeige", daß wir heute noch darüber schreiben. Als Bruch mit dem Herkommen war Tacitus dieser Vorgang16 wichtig genug, ihn der Nachwelt mitzuteilen.
3. Ein Testament besitzt also eine bedeutende Aussagekraft sowohl hinsichtlich der Individualität des Testators, als auch hinsichtlich gesellschaftlicher Ideale17; Testieren ist in Rom mit anderen Worten Ausdruck des Sozialverhaltens. Ausgehend von dieser Feststellung stellt die vorliegende Arbeit einen Versuch dar, die sich aus dem so verstandenen Testament ergebenden Besonderheiten in eine rechtsgeschichtliche Fragestellung einzubinden. Diesem Unterfangen kommt der Umstand zustatten, daß das Erbrecht im Gesamtbau des römischen Rechts eine eminente Rolle spielt. Allein schon die große Masse der tradierten Juristenfragmente mit erbrechtlichem Inhalt legt davon Zeugnis ablB. Während die eingangs zitierten ÄußerungenCicerosund Plinius' ein Beleg für die Aussagekraft eines jeweiligen Testamentes sind, dokumentieren die vielen Rechtsquellen die weite Verbreitung von Testamenten und ihre gesellschaftlichel9 BedeutsamkeiL Zwar ist solch ein Schluß von 15 Vgl. hierzu auch P. Veyne in: Aries/Duby (Hg.) , A History of Private Life I, 1987, S. 30ff. AufS. 161ff. zur "Zensur" durch die öffentliche Meinung. S. allerdings auch noch unten, Kap. VIII, die Warnung, daß die Intensität dieses Zwanges nicht überbewertet werden sollte. Zu dieser auf der "Erwartung von Erwartungen" beruhenden Verhaltenssteuerung allgemein vgl. Luhmann, Rechtssoziologie\ Rheinbek 1983, s. 33ff. 16 Ann. XVI.19.3. 17 Michel Vovelle, Piete baroque et dechristianisation en Provence au XVIIIe siede, 1978, verwendet Testamente ebenfalls als Belege zur Mentalitätsgeschichte. Auf dieses wichtige Buch hat mich dankenswerterweise Dr. A. Bürge aufmerksam gemacht. In dieselbe Richtung geht auch die Untersuchung Boyers, La fonction sociale des legs d'apres Ia jurisprudence classique, RHDE 43, 1965, S. 333ff. 1s Zu den vielen Papyrus- und epigraphischen Funden römischer Testamente vgl. Amelotti, II testamento romano attraverso Ia prassi documentale I, 1966; Zingale, Le forme dassiehe di Testamento, 1984; dies. , I testamenti romani nei papiri e nelle tavolette d'Egitto, 1988. 19 Unter "Gesellschaft" ist hier wie im Folgenden die (prozentual gesehen: dünne) Oberschicht zu verstehen, die "upper ten". Zur "gesellschaftlichen Exklusivität" des
Einleitung
17
Quantität der Juristenschriften auf praktische Relevanz keineswegs selbstverständlich und immer zulässigzo, doch bestätigen die vielen literarischen Bemerkungen über Testamente, Erbschaften oder Vermächtnisse (beispielsweise von Cicero, Seneca, Tacitus oder Sueton), daß das Erben und seine juristische Handhabung als ein wichtiges gesellschaftliches Ereignis angesehen worden ist21 • Indem die Juristen so viel über erbrechtliche Fragen geschrieben haben, spiegeln sie Fragen oder Konflikte von aktueller, gesellschaftlicher Bedeutung wider22. Man darf daher annehmen, daß die juristischen Entscheidungen einen Teil der Sozialgeschichte repräsentieren, und zwar einen essentiellen Teil, weil das Recht nicht nur auf Einflüsse von außen reagiert, sondern auch seinerseits als Ordnungsfaktor einen wesentlichen Einfluß auf die sozialgeschichtliche Entwicklung ausübt. Dieses Wechselspiel zwischen normativer Gestaltungskraft und Widerspiegelung gelebter, gesellschaftlicher Realien, in dessen Spannungsfeld die Juristen ihre Entscheidung über die Bedeutung oder Wirksamkeit einzelner Testamentsklauseln zu treffen haben, wird im 2.Teil dieser Arbeit untersucht. Der Ablauf der ganzen Untersuchung sieht folgendermaßen aus: Im ersten Teil werden wir den von Cicero in dem einleitend wiedergegebenen Zitat gewiesenen Weg beschreiten und den für die Idee einer postmortalen Persönlichkeit wichtigen Kontext des Unsterblichkeitswunsches und der Todesvorstellungen ein wenig zu erhellen versuchen. Auf dieser Grundlage wird das Testament genauer zu untersuchen sein: insbesondere, was in ihm zum Ausdruck kommt, und was mit ihm bezweckt wird. Im zweiten Teil werden diverse Rechtfragmente - ausgehend von dem im ersten Teil gewonnenen Verständnis- untersucht und daraufhin überprüft, ob und inwieweit die Juristen mit ihren Entscheidungen Rücksicht auf die in den Testamenten sich ausdrückenden Persönlichkeiten und ihre sozialen Verflechtungen genommen haben. Der Leitfaden dieser Untersuchung wird dabei die Frage sein, wie das juristische Instrumentarium angesichts des als Ausdruck eines Sozialverhaltens verstandenen Testamentes eingesetzt wird.
Testierens etwa Daube, Aspects, S. 71 ff. Zur Gesellschaftsstruktur des römischen Reiches insgesamt Rilinger, Humiliores-Honestiores, München 1988. 2o Vgl. Kelly, Studies in Civil Judicature of the Roman Republic, Oxford 1976, S. 71ff., 81 (mit weiteren Nachweisen in FN 3), 86 (mit weiteren Nachweisen in FN 7). 21 Diese Aussage korreliert mit den von Kelly aufgezeigten historischen Wurzeln und der sozialen Bedeutsamkeit des Centumviralgerichts, S. lff., insbes. 20ff. Demzufolge war dieses Gericht deswegen mit Erbschaftssachen betraut, weil in ihm die gentes vertreten waren, und (damit zusammenhängend) weil die Urteile dieses Gerichts (in der uns interessierenden Zeit) von der condemnatio pecuniaria ausgenommen waren und folglich der gegenständlichen Bewahrung des Nachlasses dienten; s. auch S. 115f. 22 Vgl. auch Corbier, Index 13, 1985, S. 501ff. , oder Boyer (FN 17). 2 Paulus
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Einleitung
Dieser Teil gliedert sich wie folgt: In Kapitel VI wird die "Princeps-Klausel" erörtert, d. h. all diejenigen Bedenkungen, die zugunsten eines Princeps ausgesetzt worden sind. Da bei ihnen der Bedachte und insbesondere seine gesellschaftliche Stellung bekannt ist, läßt sich anband dieser Klausel besonders eindringlich die Ausdrucksvielfalt von Testamenten erkennen. Dabei ist am Rande zu vermerken, daß die juristische Handhabung dieser Klausel in den meisten Fällen zu einem Prüfstein "rechtsstaatlichen" Handeins wird. Denn die meisten Entscheidungen zu diesem Themenkomplex entstammen dem Kaiserrecht; damit entscheiden die Principes in eigener Sache23. Diese Klausel setzt übrigens zwangsläufig die zeitlichen Grenzen, innerhalb derer die ganze Untersuchung erfolgt: Nämlich der Principat, wobei jedoch wegen der ÜberlieferungsJage und der weitgehenden Konstanz des Sozialgefüges, genauer gesagt: des Sozialgebarens der Oberschicht24 , das Hauptgewicht auf den beiden ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung liegt. Das Ende dieser Periode bezieht sich dabei nicht so sehr auf die in ihrer Berechtigung umstrittene25 Dichotomie von Principat und Dominat, sondern auf den Einschnitt, der sich aus der Krise des 3. Jahrhunderts zur Zeit der Militäranarchie ergab. Spätestens seit dem Ende der Severerzeit war die Beziehung zwischen den Soldatenkaisern und den Mitgliedern der alten Oberschicht stark reduziert; deren einflußreiche Funktionen übte nunmehr eine kleine Gruppe von militärisch geschulten Rittern aus, denen ebenso wie vielen Principes dieser Epoche der Kontakt zu Rom und dessen überschichtsgebaren weitgehend fehlte26. Ob sich die Princeps-Klausel in der nachfolgenden Zeit erhalten hat27 und (bejahendenfalls) welche Funktion ihr innerhalb der neu konstituierten Oberschicht zukam, bedarf einer eigenen Untersuchung2s. Die republikanischen Verhältnisse werden dagegen gesondert zu untersuchen sein (Kap. VI 2) , weil sie die unmittelbaren Vorläufer der Pricipatszeit darstellen, die ohne erkennbaren Bruch weiterwirkten. In Kapitel VII werden weitere Digestenfragmente untersucht; dabei wird zugunsten der Vielfalt auf Vollständigkeit verzichtet. Eine Klassifikation nach 23 Sie wurden dabei freilich von Juristen beraten; s. nur Schutz, A History of Roman Legal Science, Oxford 1946, S. 113ff. ; Kunkel, SZ 85, 1968, S. 281ff.; ders., Herkunft, s. 293ff. 24 Alföldy, Römische Sozialgeschichte3 , Wiesbaden 1984, S. 85, lOlff. 25 Vgl. Bleicken, Prinzipal und Dominat - Gedanken zur Periodisierung der römischen Kaiserzeit, Wiesbaden 1978, (zustimmend etwa Waldstein in seiner Rez. , SZ 98, 1981, S. 417); oder- sehr differenzierend- Kunkel, Kleine Schriften, Weimar 1974, S. 521, 543; Volkmann in ,Kleiner Pauly' s. v. "Princeps" ; Wickert, RE XXII s. v. "Princeps", Sp. 2127ff.; Wieacker, Rechtsgeschichte, § 2 II 4. 26 S. neben Bleicken, S. 8ff., noch Alföldy, S. 137ff., 147ff. 27 Cf. etwa C 6.22.7 (a. 371) oder C 6.23.20 pr. (a. 416) . S. auch Miliar, The Emperor in the Roman World, London 1977, S. 157. 28 Das schließt freilich nicht aus, daß einzelne Reskripte aus der Krisenzeit Erwähnung finden, weil von einigen Kaisern, etwa Gordian , bekannt ist, daß sie bewußt an die klassische Juristentradition anzuknüpfen versuchten.
Einleitung
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Bedachten (sie werden ganz selten nur individualisiert) ist in diesem Kapitel nicht mehr möglich, so daß die Gruppierung der Quellen nach anderen Kriterien erfolgt, etwa nach den zugrunde liegenden Absichten. Daß diese Klassifikation mitunter willkürlich ist, wollen wir bereits hier konzedieren. Doch rechtfertigt der Ertrag den Versuch, zumal unsere Vorgehensweise über den eigentlichen Bereich der Fragestellung hinaus einen tiefen Einblick in die Grundstrukturen des römischen Lebens gewährt und damit die Rechtsquellen als einen höchst instruktiven Schatz sozialgeschichtlicher Fragestellungen erweist29.
29
z•
S. auch Strasburger, Zum antiken Gesellschaftsideal, 1976, passim.
Tei/1
Das Testament im Kontext von Unsterblichkeitsvorstellungen I. Einige Bemerkungen über den "römischen Tod" Wenn man die über das rein Rechtstechnische hinausgehende Bedeutung eines Testaments zu erfassen versucht, muß man sich das Besondere der damit eingeräumten Möglichkeit vergegenwärtigen: nämlich durch postmortale Verfügungsgewalt auf die Nachwelt einwirken zu können. Dazu haben wir bereits in der Einleitung festgestellt, daß das römische Testament in den Kontext des Unsterblichkeitswunsches gehört!. Die Tragweite dieses Wunsches erschließt sich freilich erst dann, wenn man sich vor Augen hält, in welch ungleich stärkerem Ausmaß als uns Heutigen den Römern das Phänomen Tod gegenwärtig war (dazu sub 5), was der Tod für einen Römer in der uns interessierenden Zeit bedeutet hat2, wie er damit umgegangen ist und welchen Stellenwert er ihm beigemessen hat. Dabei ist als selbstverständlich voranzustellen, daß die folgenden Bemerkungen zu dieser Thematik nichts weiter als kleine Streiflichter sind, deren hauptsächlicher Zweck darin besteht, die Spannweite zu skizzieren, die einer monographischen Erörterung dieses Problems zukommen müßte. Eine Geschichte des römischen Todes nach dem Vorbild von Aries' epochalem Werk3 kann hier nicht geschrieben werden, auch wenn sie erforderlich wäre. Überdies sind (zu Unrecht) die religiösen Aspekte weitgehend ausgeklammert4, wie auch nicht alle Themen erneut behandelt werden, die Hopkins - von einer ähnlichen Fragestellung über "Death in Rome"5 ausgehend - untersucht hat, nämlich: Gräbertypen, Begräbnisvereine, Begräbnistrauer, Totengedenken, Einwirken der Toten in den Bereich der Lebenden, Testierbefugnis und Stiftungen. Infolgedessen soll die Betonung in der obigen Kapitelüberschrift auf dem Wörtchen "einige" liegen.
' Ausführlich dazu unten Kap. II und 111. z Eindringlich etwa Bracher, Verfall und Fortschritt im Denken der frühen römischen Kaiserzeit, 1987, S. 127ff., insbes. 143ff. Für das 18./19. Jhdt. s. etwa Foucault, Überwachen und Strafen, deutsch 1977, S. 72 u.ö. 3 Geschichte des Todes, deutsch 1980. 4 Hierzu, wenn auch aus späterer Zeit (3. - 7. Jhdt.), Duval, Aupres des Saints, corps et äme, Paris 1988. s Death, S. 20lff. S. dazu auch meine Rezension in SZ 103, 1986, S. 514ff.
1. Das Denken über den Tod
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1. Das Denken über den Tod Jede Reflexion über das Leben kommt irgendwann einmal unweigerlich zu der Frage, ob das Leben als ein vorübergehender Zustand zwischen einem Nichts und einem anderen Nichts zu denken ist. Genau an dieser Stelle beginnen die Gedanken über den Tod6. Leben und Tod sind auf diese Weise untrennbar miteinander verknüpft?, und das Denken über das eine ist zugleich ein Denken über das andere. Der Tod- in welcher Erscheinung auch immerist die Fortsetzung des Lebens. Diese Aussage gilt selbstverständlich für die Moderne ebenso wie für die Antike: Darwins Evolutionstheorie setzt den individuellen Tod zwar als notwendig für die freie Mutierbarkeit voraus, aber eben im Dienste einer Anpassungsoptimierung des (Lebens?-)Stammes an die Umwelts. In der Antike schuf die griechische Kosmologie das Postulat, daß nichts von nichts komme. Parmenides stellte als Folge seiner "wahren" Lehre vom Sein fest, daß Seiendes nicht irgendwann Nichtseiendes gewesen sein könne9, und Aristoteles übernimmt diese Folgerung in seine Physik (1.4.187a 27ff.). Lukrez schreibt dann: nullam rem e nihila gigni divinitus umquam, bzw. nil passe creari de nihifalO, und Persius: gigni de nihila nihilum, in nihilum nil passe reverti11 , bevor Boethius diesen Satz auf die klassische Formel bringt: Nam nihil ex nihila existere vera sententia est (de cons. phil. 5.1). Die Wahrheit dieser Schlußfolgerung mag aus Beobachtungen und logischem Denken hergeleitet worden sein; sie könnte aber auch tiefer und unbewußt angelegt, bzw. "vorprogrammiert" sein. Wenn nämlich die von W. v. Humboldt begründete und von Lee Whorf zur radikalen Konsequenz vorangetriebene Thesel2 zutrifft, derzufolge die Sprache das Denken, das Erfassen 6 Vgl. Theunissen, Die Gegenwart des Todes im Leben, in: Winau I Rosemeier (Hg.), Tod und Sterben, Berlin 1984, S. 102ff. Cf. Mare Aurel, Selbstbetrachtungen, IV.50.6; s. dazu Benz, Das Todesproblem in der stoischen Philosophie, 1929, S. 106ff. Grabinschriftliche Belege hierzu bei Lattimore, Themes in Greek and Latin Epitaphs, 1962, s. 83ff. 7 Cf. die Äußerungen des Rhetors Musa bei Sen. Rhet. C 10 pr. 9: Quidquid avium volitat, quidquid piscium natat, quidquid ferarum discurrit, nostris sepelitur ventribus. Quaere nunc cur subito moriamur: mortibus vivimus. s Vgl. C. F. v. Weizsäcker, Der Garten des Menschlichen, 1977, S. 145ff.; W. Kaplan, Der Ursprung des Lebens, 1972; H. K. Erben, Leben heißt Sterben. Der Tod des Einzelnen und das Aussterben der Arten, 1981; M. Adler, Tod als Notwendigkeit, Töten als Alltäglichkeit, in: Winau I Rosemeier (FN 6), S. 266f. 9 Cf. F. Krafft, Geschichte der Naturwissenschaft I, Freiburg 1971, S. 76. 10 De rerum natura 1.150, 156f.; 1.205; II.287. (in III.870ff. ausführlich zum Unsterblichkeitsproblem). S. auch Diogenes Laertius 3.10. 11 Sat. 3.83f.; s. auch Mare Aurel, Selbstbetrachtungen IV.4; XII.2 .1. 12 Zu W. v. Humboldt, s. seine Schriften zur Sprachphilosophie (Bd. 3), Wiss. Buchgesellschaft, Darmstadt 1963; Lee Whorf, Sprache, Denken, Wirklichkeit, Harnburg
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I. Einige Bemerkungen über den ,,römischen Tod"
von Phänomenen und damit das Weltbild beeinflußt, ja sogar dirigiert, dann kann ein Nichts nicht erlaßt werden, weil es diese Kategorie in der bezeichneten Welt nicht gibt. Indem nämlich einem sprachlicherfaßten Phänomen das Attribut "Ein Nichts" verliehen wird, ist es kein Nichts mehr, weil die sprachliche Etikettierung zwangsläufig seine (materiellen) Grenzen mitbezeichnet13, und jede Beschreibung dieses Nichts zu einer per definitionem nicht zulässigen grammatikalischen Strukturierung führt. Kolakowski sagt daher zutreffend: "Es gibt keine gültige Übertragung des Unendlichen ins Endliche"' 4 • Diese grundsätzliche Undenkbarkeit des Nichts gilt besonders für den Tod's. Indem er als eine irgendwie geartete Fortsetzung des Lebens gedacht wird, hebt er die Isolation der Lebenden angesichtsdes Todes auf und gewinnt dadurch einen tröstenden Aspekt. An ihn versucht sich etwa Cicero zu klammern, wenn er- selbst in tiefem Schmerz über den Verlust seiner Tullia leidend16 - den Tod nicht als einen Untergang, sondern als einen Übergang "beweisend" in seinen Tusculanen beschreibt: Itaque unum i/lud erat insitum priscis illis ... esse in morte sensum neque excessu vitae sie deleri hominem, ut funditus interiret; idque cum multis aliis rebus, turn e pontificio iure et e caerimoniis sepulcrorum intellegi licet, quas maxumis ingeniis praediti nec tanta cura coluissent nec violatas tarn inexpiabili religione sanxissent, nisi haereret in eorum mentibus martern non interitum esse omnia tollentern atque delentem, sed quandam quasi migrationem commutationemque vitae (1.27).
2. Todesbilder
Die Gedanken über Leben und Tod stellen demnach nichts anderes als die beiden Seiten einer einzigen Medaille dar. Dementsprechend legen die Todesbilder17 Zeugnis ab von der Einstellung zum Leben. Natürlich gehören Testa1963; modifizierend etwa Gipper, Gibt es ein sprachliches Relativitätsprinzip?, Frankfurt/M. 1972. 13 Vor allem Hege! hat über diese Eigenschaft der Bezeichnungen, ihren Gegenstand negativ = abgrenzend und damit zwangsläufig vergegenständlichend zu erfassen, ausführlich reflektiert; vgl. Leisegang, Denkformen2 , Berlin 1951, S. 142ff. 14 In einem Vortrag, den er im November 1977 in München, Siemens-Stiftung, gehalten hat. Vgl. damit etwa Heidegger, Sein und Zeie, S. 245: "Das mit dem Tod gemeinte Enden bedeutet kein Zu-Ende-sein des Daseins, sondern ein Sein zum Ende dieses Seienden. Der Tod ist eine Weise zu sein, die das Dasein übernimmt, sobald es ist." 15 Cf. Horaz carm. III.30.6. S. aber auch die bei Friedlaender, Darstellungen aus der Sittengeschichte Roms III, 1923, S. 299ff. wiedergegebenen Grabinschriften. 16 Vgl. damit die weit weniger metaphysisch ausgerichtete Trauer Quintilians über den Tod seines letzten Sohnes, inst. or. VI. (vor I). 17 Damit sind die Vorstellungen über den Tod und deren Handhabung gemeint; zu diesem Begriff Fuchs, Todesbilder in der modernen Gesellschaft, 1973, passim. Zur griechischen Antike etwa Vernant, Feminine Figures of Death in Greece, Diacritics, 16. Jhrg., 1986, Heft 2.
2. Todesbilder
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mente zu den ganz speziellen Todesbildern, doch geht es hier vorerst allgemeiner um äußere Bilder. Bruck hat in lebendigen Farben das Gemälde eines Wanderers durch das antike Italien, etwa die via Appia entlang, entworfenls. Jedesmal, bevor dieser in eine Ortschaft kam, hatte er zunächst einmal eine Reihe von Gräbern abzuschreiten. An einigen mögen feiernde, zuprostende und schmausende Ortsansässige gesessen haben, die aufgrundvon Stiftungenl9 von (ihnen vielleicht unbekannten) Verstorbenen an bestimmten Tagen ihrer bei Speise und Trank gedachtenzo. Die ursprünglich wohl aus hygienischen Gründen eingeführte Norm21, derzufolge die Toten außerhalb der Stadtmauer und damit außerhalb des Lebensmittelpunktes der Ortschaft zu bestatten waren22, bewirkt mit zunehmender Mobilität der Menschen, daß dem Besucher als erstes die Verstorbenen "begegnen"23. Pointiert ausgedrückt24 bedeutet das, daß jener Wanderer das "Reich der Toten" durchqueren mußte, bevor er in das Reich der Lebenden eintreten konnte. Aber, um dieses Bild zu vervollständigen, auch die Bewohner der Stadt selbst waren diesem Hinweis auf die Todespräsenz ausgesetzt, wann immer sie die Stadt verließen. Diese Mahnung, des Todes eingedenk zu sein, findet sich in der Tat nicht nur in aller Ausführlichkeit in den philosophischen Traktaten - die Tusculanen des Cicero seien stellvertretend für viele genannt -, sondern auch in der übrigen Literatur25; darüber hinaus genauso im gelebten Alltag: sogar an den Tagen, die nach der Werteskala der Römer zu den glänzendsten Momenten einer erfolgreichen Karriere zählten- die eines Triumphes. Hinter dem Impe1s Römisches Recht, S. 46f. S. auch Walker, Memorials to the Roman dead, 1985, S. 10, 13, 16., sowie Häusle, Das Denkmal als Garant des Nachruhms, 1980, S. 41ff. 19 S. noch unten, Kap. II 2 e. Stiftung ist hier nicht im technischen Sinne zu verstehen; es handelt sich etwa um eine Zuwendung unter einer Auflage, vgl. Le Bras, Les fondations privees du Haut Empire, in: St. in on. di S. Riccobono III, 1936, S. 23, 67. 20 Vgl. nur D 30.122, Paul. 3 reg. Aus der in CIL X 5853 wiedergegebenen Inschrift ist ersichtlich, daß Gegenstand der Bedenkung beispielsweise auch Nüsse zum Spielen für die Kinder (puer plebeis sine distinctione libertatis) sein konnte; hierzu Bruck, Römisches Recht, S. 66 FN 37; Vetter in: St. Aquileisi, offerti a G. Brusin, 1953, S. 93ff. 2 1 Vgl. G. Klingenberg, RAC XII, s. v. "Grabrecht", S. 599. S. auch Franciosi in: Franciosi (Hg.), Ricerche sulla organizzazione gentilizia romana I, 1984, S. 48f. 22 A. A. etwa Winau, Tod und Sterben in der Geschichte, in: Winau I Rosemeier (FN 6) , S. 17: Er hält diese Norm für den Ausdruck "viel älterer" Vorstellungen, nämlich die Furcht vor dem Walten der Toten. Ob diese zeitliche Staffelung (erst Furcht, dann Hygiene) richtig ist, mag man im Hinblick auf entsprechendes Tierverhalten mit gutem Recht bezweifeln. 23 Cumont, After Life in Roman Paganism, 1922, S. 56ff. , sieht in diesem Phänomen einen Beleg dafür, daß die Toten mit den Lebenden in Kontakt gehalten werden sollten; sie sollten am Trubel der Straße teilhaben. 24 Die große Masse der Verstorbenen war freilich auch im Tode anonym, s. Eck, Aussagefähigkeit epigraphischer Statistik und die Bestattung von Sklaven im kaiserzeitlichen Rom, FS Christ, 1988, S. 130ff. 25 Cf. Horaz carm. 2.14 statt vieler.
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I. Einige Bemerkungen über den ,,römischen Tod"
rator stand nämlich ein Sklave, der jenen dazu aufzufordern hatte, zurückzublicken und sich sein Mensch-Sein, d. h. seine Sterblichkeit, zu vergegenwärtigen26. Der Hinweis auf die Vergänglichkeit alles Irdischen ist auch ein immer wiederkehrender Topos in den Grabinschriften. Brucks Wanderer durch das antike Italien wird auf den Grabinschriften direkt angesprochen27: Er solle etwa nicht das Grab schänden (CIL Vl.35 887) und dafür einst in Frieden ruhen (CIL Vl.7 579)28. Auch ohne direkte Anrede sind die Inschriften oder carmina auf den Rezipienten ausgerichtet und gemahnen, indem sie von dem Verstorbenen berichten, an das Sterben. Aber nicht nur die Epigraphik kommuniziert auf diese Weise mit dem Betrachter, sondern auch das, was wir heute unter dem Begriff Sarkophagkunst zusammenfassen29, teilt ihm - diesmal ganz wörtlich - Todesbilder mit. Sofern diese (zumindest im Zusammenhang mit den Inschriften) die lebenszeitige Stellung des Verstorbenen dokumentieren30, wird das zuvor als "Reich der Toten" bezeichnete Areal für den Vorbeikommenden sogar zu einer Art GesellschaftsspiegePt. Möglicherweise kann man sogar noch einen Schritt weitergehen und unterstellen, daß die Familienstruktur (erneut: die Oberschicht ist gemeint) der Ortschaften in den Gräberreihen getreulich abgebildet war; denn das sepulcrum familiare war in der uns interessierenden Zeit, obwohl an Bedeutung verlierend, immer noch der vorherrschende Grabestyp32. Diese geographische Einteilung von Leben und Tod war schon von alters her rechtlich festgelegt. Cicero gibt in de leg. II.23.58 das XII-Tafel26 Vgl. Marquardt, Römische Staatsverwaltung IJZ, 1884, S. 588 mit Nachweisen in FN 6, sowie C. Koch, Religio, 1960, S. 96. 27 Zum "Dialog" der Grabinschriften vgl. etwa Bracher, S. 142f. S. auch Walker, S. 61 f. (dort auch der aufschlußreiche Hinweis auf CIL XIV 356, wo die Inschrift nicht nur zum lauten Vorlesen der Inschrift auffordert, sondern das so gesprochene Wort auch noch als die Stimme der Toten ausgibt: vox tua nempe mea est; zusätzlich Häusle, S. 26ff. mwN in FN 70, sowie S. 44ff. 2s Die Beispiele sind Legion. Eine schöne Zusammenstellung von Grabinschriften bietet Bücheler, Carmina Latina epigraphica, 1895. S. auch E. Meyer, ZPE 14, 1974, s. 185ff. 29 Dazu etwa Altmann, Die römischen Grabaltäre der Kaiserzeit, 1905, S. 122, 212ff. 30 Zankerist dieser Frage im Zusammenhang mit Freigelassenen-Grabreliefs nachgegangen, JbDAI 90, 1975, 267ff. S. auch Alföldy, Römische Sozialgeschichte3 , 1984, S. 117 mit umfangreichen Nachweisen in FN 157; oder Kleiner, Women and Family Life on Roman Imperial Funerary Altars, Latomus 46, 1987, S. 545ff. 31 Vorsichtig abwägend zu dieser Frage Eck, Römische Grabinschriften - Aussageabsicht und Aussagefähigkeit im funerären Kontext, in: Römische Gräberstraßen, hg. von v. Resberg I Zanker, Abhandlgen der Bayrischen Akademie d. Wissenschaften, n. F. Heft 96, 1987, S. 78f. AufS. 65 verweist er auf den "Reihenhaus-Charakter" einzelner Gräberstraßen, deren Namensinschriften an die Namensschilder moderner Wohnhauskomplexe erinnern. 32 Vgl. Kaser, SZ 95, 1978, S. 19f.; Lazzarini, St. Biscardi V, 1982, S. 217ff.
3. Selbsttötung
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Gebot wieder (tab. X.1): Hominem mortuum in urbe ne sepelito neve urito33. Ulpian berichtet von einem entsprechenden, Geldbußen-bewehrten Reskript Hadrians (D 47 .12.3.5) und schließt aus der Allgemeingültigkeit von Reskripten34, daß das Gebot reichsweit gelten müsse; auch dann, si Iex municipalis permittat in civitate sepeliri35. In dieser weit zurückreichenden Tradition wird man vielleicht einen der Gründe für die Kompliziertheit des römischen Grabrechts zu suchen haben; denn sie vermag zu erhellen, warum Pontifikalrecht und ius civile in diesem Bereich in kaum entwirrbarer Weise zusammenwirken36. 3. Selbsttötung Ein weiteres Todesbild ergibt sich aus der Bewertung der Selbsttötung37. In dem Maße, in dem diese letzte Freiheit eingeschränkt wird, entstehen Machtoder Herrschaftsansprüche anderer, u. U. der Staatsgewalt38. So brandete etwa kurz nach der uns interessierenden Epoche eine Woge christlichen Märtyrertums hoch, die den "staatlichen" Todesstrafen-Vollstreckungsanspruch dadurch zu entkräften drohte, daß sie die Todesstrafe als mittelbare Art der Selbsttötung "mißbrauchte". Es kam daher zumindest gelegen, falls es nicht gar beabsichtigt war, daß der Selbstmord poenalisiert und auf der Grundlage christlicher Ethik verboten wurde39: Staat und Kirche verloren dadurch weniger Mitglieder. Eine Strafbarkeit der Selbsttötung gibt es im heutigen StGB grundsätzlich nicht40. Die Tat wird vielmehr mittelbar sanktioniert, über § 323 c StGB (unterlassene Hilfeleistung) und- besonders wirkungsvoll, weil auf materiellen Eigennutz abzielend-§ 169 VVG, demzufolge der Versicherer im Falle einer durch freie Willensbestimmung herbeigeführten Selbsttötung nicht verpflichtet ist. Eine Parallele zu solch einer Sanktion besteht im römischen Recht nicht41. Insbesondere gehören hierhin nicht diejenigen Fälle, in denen 33 Weitere Nachweise bei Marquardt-Mau, Das Privatleben der Römer ! 1 , 1886, S. 360 FN 12. 34 Cf. Gai. Inst. !.5: Constitutio principis ... nec umquam dubitatum est, quin id legis vicem optineat. 35 S. auch C 3.44.12 (a. 290): iam pridem vetitum est. 36 Cf. Cicero, de leg. II.18.45f. ; zum Grabrecht der Römer besonders Kaser, ebda. 37 Hierzu besonders Bracher, S. 145ff., oder Veyne, Latomus 40, 1981 , S. 217ff. Cf. zusätzlich Sen. Rhet., C 5.1. 38 Vgl. Fuchs, S. 184f. S. auch Foucaults Werk "Überwachen und Strafen", das ganz dieser Thematik gewidmet ist. 39 Vgl. Alvarez, The Savage God, 1972, S. 58ff. 40 Zur Frage , ob eine Mitwirkung an einem Selbstmord strafbar ist, etwa Dreher I Tröndle, 4 v. § 211; Schönke I Sehröder I Eser, 35ff. v. § 211. 41 Zum Folgenden Wacke, SZ 97, 1980, S. 26ff.; ders.in: St. Sanfilippo III, 1983, S. 679ff. , sowie Alvarez, S. 56f. Zur Selbsttötung vonSoldatenDe Pascale, Labeo 31, 1985, s. 57ff.
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I. Einige Bemerkungen über den "römischen Tod"
ein wegen eines kapitalen und mit Vermögenskonfiskation verbundenen Verbrechens Angeklagter sich selbst tötet. Wenn nämlich sein Vermögen eingezogen wird, beruht dies auf der ursprünglichen Strafandrohung, die mit der Beurteilung der Selbsttötung in keinem Zusammenhang steht. Ebensowenig gehören hierher die Fälle, in denen sich ein Sklavenkäufer vom Verkäufer versprechen läßt, der Sklave neige nicht zum Selbstmord; denn dies war eine Abmachung unter Außenstehenden42. Demgegenüber gab es damals wie heute gelegentlich eine sanktionierte Pflicht, von einer Selbsttötung abzuhalten. D 48.3 .14.3, Mod. 4 de poen., spricht sie für den Gefängniswächter aus und dokumentiert damit den staatlichen Machtanspruch: Der bewachende miles wird gezüchtigt (castigabitur), da es ihm zugerechnet wird, daß der Häftling se interfecit vel praecipitaverit. Dieser büßt damit seine letzte Freiheit - freilich nicht vollständig - ein, die Ulpian ansonsten sogar einem Sklaven zubilligt (D 15.1.9.7): licet enim etiam servis naturaliter in suum corpus saevire. Was der Sklave bei sich selber darf, hat er allerdings in analoger Anwendung des SC Silanianum bei seinem dominus nach Möglichkeit zu verhindern, vorausgesetzt, daß dieser in conspectu servorum handelt, D 29.5.1.22, Ulp. 50 ad ed.; ein augenfälliges Beispiel dafür, wie gesteigertes Schutzbedürfnis und Freiheitsverlust miteinander korrespondieren. PS 3.5.4 legt die Vermutung nahe, daß auch die Familienmitglieder43 eine (eingeschränkte: prohibere potuit) Garantenstellung gegenüber dem Selbstmordkandidaten traf. Trifft dies zu, so äußert sich darin eine gewisse "moralische Verurteilung des Suicids"44 • Daran ändern auchalldie berühmten Fälle nichts, in denen der "Selbstmord" auf Geheiß eines Princeps vollzogen wird (man denke nur an Seneca oder Petron). Denn sie stellen keine Ausnahmen zu den oben dargestellten Rechtsprinzipien dar45, sondern bilden eine eigene Kategorie der Todesstrafe46. Da die Bewertung der Selbsttötung in den literarischen, vornehmlich philosophischen Quellen47 uneinheitlich ist, kommt es darauf an, aus den Entschei42 Ulp. D 21.1.1.1 ff.; eod. 23.3; dazu etwa Honsell, Gedächtnis-Schrift Kunkel, Frankfurt/M. 1984, S. 59. 43 Zweifel ergeben sich daraus, daß familia üblicherweise die Sklavenschaft des Hauses bezeichnet; doch der Kontext der Stelle, nämlich der Erbschaftsantritt, macht wahrscheinlich, daß auch die Erben, also Familienmitglieder, gemeint sind. 44 Wacke, S. 52. 45 Unklar insoweit Wacke, S. 52 FN 116 und S. 68 FN 176. 46 Humphreys stellt für Selbsttötungen dieser "Todesstrafen-Art" eine interessante Hypothese auf: "Even the suicides of Roman senators who preferred death to exile from politicallife can be seen as a way of harmonising social and physical death" , Death and Time, in: The family, women and death, London 1983, S. 251. Ferner ist anwenigstens einigen- der Suicide auffallend, daß sie gewissermaßen zeremoniell begangen werden: cf. etwa Tac. Ann. 15.62ff. (Seneca), 15.70 (Lucan) oder 16.19 (Petronius). Zu dem schamkulturellen Hintergrund dessen Daube, ORITA III, 1969, S. 28.
3. Selbsttötung
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dungen der Juristen Anhaltspunkte herauszukristallisieren. Denen zufolge stand es grundsätzlich jedem einzelnen frei, Suicid zu verüben, ohne daß er mit postmortalen Sanktionen gegenüber seinen Angehörigen rechnen mußte. Eine aufgrunddes Schenkungsverbots unter Ehegatten zu Lebzeiten unwirksame Schenkung an die Ehefrau (dieser Fall ist am ehesten mit einem drittbegünstigenden Lebensversicherungsvertrag vergleichbar) wird geheilt, da der vom Ehemann begangene Selbstmord dessen testamenti factio nicht aufhebt. Eine Ausnahme hiervon besteht nach D 24.1.32.7, Ulp. 33 ad Sab., nur dann, wenn der Mann ob sceleris conscientiam gehandelt hatte. Dann allein beansprucht die Obrigkeit den Vorrang ihrer (fiskalischen) Interessen, indem sie die "überholende Kausalität" ( = der Täter tötet sich selbst, bevor er vom "Staat" zur Verantwortung gezogen werden kann) nicht beachtet. Doch tat sie das auch erst ab der hohen Principatszeit, spätestens ab Hadrian (Marcian lib. sing. de delat., D 48.21.3.5); bis dahin konnte ein Angeklagter den Nachlaß für seine Erben dadurch retten, daß er sich selber tötete und somit nicht als Verurteilter starb. Aber auch später, als diese Umgehungsmöglichkeit abgeschnitten war, waren einzelne Principes bestrebt, die Rechtsfolgen eines Suicids ob scientiam sceleris ebenso wie bei einer Verurteilung nicht zu einer Sippenhaft ausufern zu lassen4B: Die Kinder erhielten gnadenhalber eine Quote, deren Menge unter Umständen das ganze konfiszierte Vermögen aufzehren konnte, D 48.20.7.3, Paul. lib. sing. de port.49. Bemerkenswert ist ferner, daß (wenigstens) Florentin dem freilassenden Patron die ihm beim Tode des libertus zustehende Erbquote auch dann beläßt, wenn letzterer metu accusationis mortem sibi consciverit, D 38.2.28.1, 10 inst. Die Patronatsrechteso überwiegen also den Konfiskationsanspruch des fiscus. Eine der Verweigerung des christlichen Begräbnisses noch am ehesten vergleichbare, gesellschaftliche Schmach ist nur aus Lanuvium bekannt; in der Iex collegii funeraticii dieses Ortes5 1 heißt es nämlich: Quisquis ex quacumque causa mortem sibi adsciverit, eius ratio funeris non habebitur. Die Aufnahmegebühr von 100 HS und eine Amphore guten Weines sowie die monatlich zu entrichtenden 5 Asse waren damit verfallen und kamen der Vereinskasse zugute52 . 47 Nachweise bei Wacke, S. 45ff. Zusätzlich Walcot, Suicide, a question of motivation, in: St. in on. T. B. L. Webster, 1986, S. 231ff. zur griechischen Literatur. 48 Vgl. Wacke, S. 52ff. 49 S. auch SHA Hadrian 18.3. Hierzu ausführlich Waldstein, RE Suppl. X, s. v. "bona damnatorum", Sp. 114f. Zur Quote der Kinder und Frauen der freiwillig ins Exil Gegangenen oder Verurteilten vgl. Gnomon d. Id. 36. 50 Cf. Gai. inst. 3.41. 5t Dessau, Nr. 7.212 = FIRA III, Nr. 35. 52 Pag. II, Z. 5. Freilich sind die Sanktionsmotive völlig unterschiedlich; geht es beim christlichen Verbot um den ungestörten Ablauf des Schöpferplanes und das Ethos des
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I. Einige Bemerkungen über den "römischen Tod"
Sieht man einmal von den ohnedies nicht weit gespannten Garantenpflichten der Familienangehörigen und der bei der Tat anwesenden Sklaven ab, so zeigt sich in der rechtlichen Bewertung eine grundsätzliche Respektierung der Wahl des Freitodes. Der "römische Tod" wird damit um eine Facette bereichert: Die "staatlichen Organe" betrachteten es grundsätzlich nicht als ihre Aufgabe, das Individuum in seiner letzten Freiheit, sich selbst zu töten, durch Statuierung negativer Konsequenzen für die Hinterbliebenen einzuschränken. Von Rechtswegen steht der Tod damit zur Disposition des Einzelnen. Einer stoischen Selbstmordempfehlungs3 drohten demnach von dieser Seite keine rechtlichen Erschwerungen. 4. Die antike Medizin und der Tod
Die medizinische Entwicklung der letzten einhundert Jahre etwa bedingt die Notwendigkeit, wenigstens kurz den Tod auch aus der Sicht des Arztes zu erwähnen. Denn erst in dieser Zeitspanne haben die modernen Naturwissenschaften den Tod überhaupt und damit seine Notwendigkeit in Frage gestellt: Galt er bis dahin als unumstößliche Schranke des Lebens, die auch die Grenze ärztlicher Heilkunst bildete, wird er seitdem gewissermaßen als eine gesteigerte Form der Krankheit angesehen, die es zurückzudrängen gilt. Diese Entwicklung nahm ihren (ungefähren) Anfang mit der von Weismann 1882 aufgestellten Theses4, daß der Tod eine Eigenheit höher entwickelten Lebens sei; primitive Einzeller teilten sich zwar, stürben aber nicht in dem Sinne, daß sie eine Leiche hinterließen. Mit der daraufhin einsetzenden Suche nach "dem Tod" entzog sich dieser immer weiter einem Zugriff55 ; denn die Zellteilung bzw. die Herstellung neuer Zellverbände orientiert sich nicht an unserer "Schicksal-Ertragens", so steht bei dem lanuvischen Begräbnisverein wohl im Vordergrund, daß sich der Betreffende seiner monatlichen Zahlungsverpflichtung entzieht, s. auch pag. I, Z. 22ff. Doch das Ergebnis ist in beiden Fällen das gleiche: Das (wie auch immer vorgestellte) Heil nach dem Tode wird verwehrt. Der Römer mußte anstelle des ordentlichen Grabes wohl mit einem anonymen Massengrab (einem der sog. puticuli, zu ihnen Gladigow (s.o. FN 1 der Ein!., S. 126) vorlieb nehmen, das ihm die Unsterblichkeit in Gestalt des Erinnerns der Nachgeborenen erschwerte, wenn nicht gar verwehrte; zur inschriftlichen Nennung der Einzelpersonen auf den "Kollegien-Gräbern" vgl. Eck, FG Christ, 1988, S. 136. 53 Cf. etwa Sen., ep. ad Luc. 70.15; Epiktet, Diatr. III. 8.6; Stoicorum veterum fragm. III 757 - 768. Argumente für und gegen den Freitod bei Sen. Rhet. C 8.4. S. auch Pohlenz, in: Stoa und Stoiker (Artemis), 1964, S. 352ff. unter Hinweis auf Cato Uticensis; Sall., de coniur. Cat. 54; Cic., Tusc. I 74. Zum "Todesproblem in der stoischen Philosophie" allgemein s. die gleichnamige Schrift von Benz, 1929, passim, insbes. S. 54ff. zur Selbsttötung. 54 Nachweise bei Fuchs, S. 178. 55 Vgl. Leuenberger, Der Tod - Schicksal und Aufgabe, 1971, S. 39ff. Vgl. damit immerhin die von Epikur stammende (ep. ad Menoeceum, 125 b) und von Quintilian mitgeteilte Epichreme: Mors nihil ad nos, nam quod est dissolutum, sensu caret; quod autem sensu caret, nihil ad nos, inst. or. V.14.12.
4. Die antike Medizin und der Tod
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Dichotomie von Leben und Tod. Durch diese neue Sicht des Phänomens Tod wird er in der modernen Medizin zu einer Herausforderung, bzw. sein Eintritt zu einer Niederlage56. Ganz anders in der Antike. Natürlich versuchten auch ihre Ärzte57 , die Todesgrenze des individuellen Lebens zurückzudrängenSB; aber der Tod war ihnen kein erklärter Feind, schon gar nicht ein grundsätzlich bezwingbarers9. Er bedeutete das Ende des dem Einzelnen zugedachten Lebensfadens und stand daher mit dem Krank-Sein nicht auf einer Ebene, sondern war etwas qualitativ anderes. Er war die feste Größe, deren Macht auch die Medizin als selbstverständlich anerkannte60 und nicht als "Betriebsunfall" qualifizierte. Es kommt in diesem Zusammenhang nicht auf die im allgemeinen despektierliche Einstellung der römischen öffentlichen Meinung gegenüber den Ärzten an Horaz, Martial und Lukian seien stellvertretend für viele genannt61; von Bedeutung ist vielmehr, was die Medizin nach ihrem eigenen Anspruch zu bewirken versuchte. Denn der Anspruch steckt die weitesten Grenzen. Es ist daher aufschlußreich, wenn Plutarch Tod und Arzt als Brüder sieht, die beide heilen62 • Dieses Todesbild, das die sich streng naturwissenschaftlich gebende moderne Medizin zu beseitigen versucht, hat Konsequenzen für den Einzel56 Leuenberger, S. 25 FN 26, verweist auf die Bulletins zu den ersten Herztransplantationen: Anläßlich des Todes der Patienten sei immer darauf verwiesen worden, daß die technische Seite der Operation und Heilbehandlung funktioniert habe. Aus der Rechtsprechung mag folgendes, willkürlich herausgegriffene Zitat einer Entscheidung des LG Ravensburg zur Frage der Sterbehilfe als exemplarisch gelten: "Beim sterbenden Menschen(!), der nicht mehr gerettet werden kann, ist der Tod nichts Unnatürliches(!), das gleichsam wie eine Krankheit mit allen Mitteln bekämpft werden muß." (Hervorhebungen von mir), JZ 88, 207 r. Sp. S. auch Guardini, Die Lebensalter, 1967, s. 69. 57 Zum (rechtlichen) Arztbegriff cf. D 50.13.1.1 und 3, Ulp. 8 de omn.trib.; dazu Below, Der Arzt im römischen Recht, 1953; Visky, IURA 10, 1959, S. 24ff. Zur Todesvorstellung antiker Ärzte etwa Grmek in: Hinard, La mort, !es morts et l'au-dela, Actes du colloque de Caen, 1987, S. 129ff. AufS. 145ff. behandelt Ducos die Frage, wie die Juristen den Tod bestimmt haben. 58 Cf. Hippokrates, de flatibus 1: o[ Oe voaeovu:~ dJror!_Jenovrm Dti1 ri7v rixvrJV rwv
!-tEyiarwv xaxwv vovawv AVJrT)~ JrOl'Wl' Oavchov. näat ya!_) rovrot~ ävrtX!_)V~ l~r!_)!XT) EV!.Jiaxerm &vearo!_Ji~.
59 S. etwa, wie in den hippokratischen Schriften der Tod akzeptiert wird: Prognostikon, passim; Epidemien, Bücher I und III. Einen repräsentativen Überblick über die Schriften antiker Ärzte gibt Müri mit seiner Sammlung von Quellenstücken, Der Arzt im Altertum4 , München 1979. 60 S. etwa Deichgräber, Die Stellung des griechischen Arztes zur Natur, in: Ausgewählte Kleine Schriften, 1984, S. 179ff.: "Der Arzt ist ihr(= der Natur) Diener, ihr Nachahrner, ihr Helfer, nicht mehr" (197). 61 Nachweise zu diesen und vielen anderen bei Scarborough, Roman Medicine, London 1969, S. 94ff.; Blümner, Die römischen Privataltertümer, München 1911, S. 479f. S. auch D 29.5.5.3, Ulp. 50 ad ed; D 40.5.41.6, Scaev. 4 resp. Vgl. damit aber immerhin die Hinweise bei Waldstein, Operae, S. 303, insbes. FN 18. Allgernein dazu Kudlien, Die Stellung des Arztes in der römischen Gesellschaft, Stuttgart 1986. 62 Ep. ad Apoll . 12 (107 F); 10 (106 D). S. auch CIL V 4654.
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I. Einige Bemerkungen über den "römischen Tod"
nen. Den Tod als Heilenden sehen zu können , nimmt ihm - wenigstens abstrakt -viel von seiner Brutalität und ordnet ihm seinen gebührenden Platz im Leben zu. Die artes moriendi, die jeweiligen Auseinandersetzungen mit dem je individuellen Tod, haben hier ihren Platz, den die Medizin zu keiner Zeit verdrängen wollte: "The physician has some understanding of the mystery of death but the Roman fully senses that the doctor can only do so much"63. Tod und Heilkunst existieren nebeneinander, auch wenn sie im Randbereich miteinander zu tun bekommen. Dem Tod gebührt ein ureigener, unantastbarer Platz, oder - wie es Sallust dem Cotta in den Mund legt (fr. II 47 M 5): nam vita et mors iura naturae sunt. So sprechen denn auch die großen Ärzte ihrer Zeit wie Aretaeus von Kappadokien64 oder Galen6s immer wieder von den Grenzen der Medizin, bzw. davon, daß die Krankheit(!) überwunden werden müsse66. Und der hippokratische Eid erwähnt nicht den Tod, sondern gebietet allein die Hilfe gegenüber dem Kranken, ep opheleie kamnonton67. 5. Zusammenfassung
Versucht man, die voranstehenden, impressionsartigen Bemerkungen über den römischen Tod zu einem Gesamtbild zusammenzufügen, so ist dessen Hauptthema die gegenüber der heutigen Zeit ungleich aktuellere Präsenz des Todes; oder, anders gesagt, die ständige Gewöhnung an den Tod. Der Einzelne wurde so oft an ihn gemahnt, daß er sich zwangsläufig mit ihm auseinandersetzen mußte (was natürlich auch in der Negativ-Form, der Verdrängung, geschehen konnte). Das hängt, wie eingangs bereits erwähnt, natürlich vorrangig und in allererster Linie mit der (statistisch gesprochen) geringen Lebenserwartung der Römer, und hier wiederum besonders mit der hohen Sterblichkeitsrate jugendlicher Altersgruppen zusammen68, Sie haben es nicht zugelassen, daß jemand Jahrzehnte verleben konnte, ohne je eines Toten ansichtig geworden zu sein. Überdies verhinderte das auch noch die ungeheure Beliebtheit der Zirkusspiele69. Scarborough, S. 137f. De causis et signis acutorum 1.6. 65 Nachweise bei Scarborough, S. 134ff., insbes. 136. 66 Nachweise hierzu bei Friedlaender, Darstellungen aus der Sittengeschichte Roms I, 1922, S. 199. 67 S. auch allgemein Jones, General Introduction zu LCL Hippokrates I, XVI sub 6. 68 Vgl. Frier, Roman Life Expectancy: Ulpian's evidence, Harvard Studies in Classical Philology 86, 1982, S. 213ff. Kritisch gegenüber statistischer Feststeilbarkeit von antiken Lebenszeiterwartungen etwa Clauss, Chiron 3, 1973, S. 395ff. ; Duncan-Jones, Structure and Scale in the Roman Economy, 1990, S. 79. S. auch die Beiträge von Lassere und Salmon in: Hinard, S. 91ff. und 99ff. Ebda, S. 113ff. , auch Hopkins, der jegliche Hochrechenbarkeit aufgrund epigraphischer Angaben verneint. 69 Zu den Spielen ausführlich Hopkins, Death, S. lff. 63
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5. Zusammenfassung
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Der Tod war ständig gegenwärtig, wie übrigens auch die Toten. Die Manen führten ihr von den Lebenden kultisch zu respektierendes Dasein7o, dessen potentielle Bedrohlichkeit sich in der Sentenz: de mortuis nil nisi bene ausdrückt. Sie findet sich dem Sinn nach bei Cicero, ep. ad Att. 4.7.2, der aus Homers Odyssee zitiert (XXII.412) und deren Aussage, die sich auf erschlagene Feinde bezieht, auf alle Toten erweitert. Die griechische Version der Sentenz findet sich bei Diagenes Laertius71 , und Plutarch führt ihre Entstehung auf Solon zurück72. Der Tod war infolgedessen kein distanziertes oder gar abstraktes Phänomen einer allgemeinen Natur, sondern stellte ein höchst individuelles, allzeit gemahnendes und daher ständig präsentes Problem dar. Vergegenwärtigt man sich vor diesem Hintergrund den oben entwickelten Gedanken, daß die Einstellung zum Tode mit derjenigen zum Leben korreliert, wird die Intensität der zuvor erwähnten Feste an den Stiftergräbern erst richtig erkennbar. Durch eigens im Grabstein eingemeißelte Löcher wurde der Verstorbene sogar an der Verköstigung beteiligt. Angesichts dieser Todespräsenz ist Goethes Ausruf: "Die Asche da drinnen scheint im stillen Bezirk noch sich des Lebens zu freun"73, gerade wegen der in ihr mitschwingenden Unterschiedlichkeit der Einstellungen ebenso zutreffend wie bedeutsam.
S. etwa Cic. de leg. Il.9.22; II.22.55. De vitis, dogmatibus ... I. 70. n 21 ; cf. Plin . n.h. XXVIII.23. 73 Zitiert nach Friedlaender, Darstellungen aus der Sittengeschichte Roms III, 1923, S. 311. S. auch Schillers Gedicht "Die Götter Griechenlands" aus dem Jahr 1788. 70
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II. Die Unsterblichkeitsidee 1. Unsterblichkeitsglaube
Natürlich bedeutet die durch die ständige Todespräsenz verursachte Lebensintensität nicht, daß der Tod widerspruchslos hingenommen wird. Seine Ambivalenz liegt ja gerade darin, daß er auch größten Schmerz bereitet - man denke nur erneut an Ciceros Tusculanen als ein Beispiel von vielen. Dementsprechend hat es von alters her und überall den Versuch gegeben, den Tod zu überwinden und Unsterblichkeit zu erlangen; über verschiedene Varianten dieses Versuchs wird sogleich zu sprechen sein. Ihnen allen ist der mehr oder minder explizite Glaube an ein Fortexistieren nach dem Tode gemeinsam; was freilich nicht in einem christlich-eschatologisch ausgerichteten Sinn zu verstehen, aber gleichwohl als Unsterblichkeit zu bezeichnen ist. Die Vielfalt des Unsterblichkeitsglaubensi bei den Römern hat Friedlaender in seiner Sittengeschichte2 ausführlich dargestellt. Er kommt zu dem Ergebnis, daß dieser Glaube trotz einzelner Andersmeinender weit verbreitet, ja sogar vorherrschend gewesen sei - und zwar in allen Bevölkerungsschichten. In schauerlicher und populistischer Form schimmert etwas von diesem Glauben durch, wenn die im Wettkampf niedergemetzelten Gladiatoren abtransportiert wurden: Ein als Merkur verkleideter Sklave prüfte mit glühendem Eisen, ob der Gladiator wirklich tot war, und ein Charon oder Pluto trug die Gefallenen hinaus3. Dem wird man hinzufügen können, daß gerade in der uns interessierenden Zeit (die beiden ersten Jahrhunderten des Principats) die aus dem Osten eingeführten Kulte, Sekten4 und Religionen ihren immensen Anklang der VerI Zur Vorstellung einer Seelenwanderung in der Antike Hoheisl, JbAC 27/28, 1984/ 85, S. 25ff. S. auch Uhde, Psyche- Ein Symbol, in: Stephenson (Hg.), Leben und Tod in den Religionen2 , Darmstadt 1985, S. 115ff. 2 Bd. III, S. 298ff. S. auch Cumont, After Life in Roman Paganism, 1922, S. 1 - 43; Brelich, Aspetti della morte nelle iscrizioni sepolcrali dell' impero Romano, 1937, S. 76f. Man wird noch die vielen Sarkophage hinzuzufügen haben, auf denen der/die Verstorbene als Gott oder Göttin (etwa als Merkur oder Venus) dargestellt werden, s. Walker, Memorials to the Roman Dead, 1985, S. 37ff., sowie Häusle, Das Denkmal als Garant des Nachruhms, 1980, S. 120 mwN in FN 271, S. 132ft. Pfannmüller, Tod, Jenseits und Unsterblichkeit, 1953, gibt ebenfalls einen schönen Überblick über die Varianten der Unsterblichkeitsvorstellung in der Dichtung der augusteischen Zeit, S. 227ft. , sowie der römischen Philosophie, S. 261 ff. S. auch Lattimore , Themes in Greek and Latin Epitaphs, 1962, S. 21ff. 3 Tertull. Apol. 15.
1. Unsterblichkeitsglaube
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heißung eines Fortlebens "in den elysischen Feldern" verdankten. Das Angebot korreliert- auch hier- mit der Nachfrage. So ist es beispielsweise bezeichnend, daß Apuleius' Goldener Esel, als er die Göttin lsis darum bittet, wieder Menschengestalt annehmen zu dürfen, von ihr nicht nur dies, sondern auch Glückseligkeit im weiteren Leben und nach dem Tode verheißen bekommts. Auch das Christentum ist in diesem Zusammenhang zu nennen. Denn das Abendmahl wurde zum Teil als Heilmittel gegen die Sterblichkeit verstanden; die Gottwerdung des Menschen korrespondierte mit der Menschwerdung Gottes6. Doch unbeschadet solcher auf das Jenseits ausgerichteter Glaubensvorstellungen (oder vielleicht zusätzlich zu ihnen) hatte der Unsterblichkeitsglaube eine ganz diesseitig ausgerichtete Seite7: daß nämlich das Bewußtsein von der früheren Existenz des Verstorbenen bei den Späteren aufrechterhalten bleibt. Das Ideal ist das ewige Gedenken an den Toten, das wir in der Person des Herostratoss in seiner reinsten Form erstrebt - und erreicht - finden. Immortalitas ist das Fortleben in der Erinnerung der Nachwelt9. Die Hoffnung darauf kann so stark sein, daß sie trotz jahrzehntelangen Hinwegdiskutierens im Angesicht des Todes ihre unverminderte Präsenz dokumentiert: Bekanntestes Beispiel hierfür ist Epikur, der in seinem philosophischen Lehrgebäude einer der konsequentesten und mit rationaler Argumentation begründender Leugner der Unsterblichkeit warlO, dann aber in seinem Testament anordnete, daß sein Geburtstag und jeder 20. eines Monats zu seinem und seines Freundes Metrodor Andenken festlich begangen werdell. Zu ihnen jüngst Burkert, Ancient Mystery Cults, Cambridge/Mass. 1987. Metamorph. XI.6.4. 6 Graß, Die Religion in Geschichte und Gegenwart3 , s. v. "Unsterblichkeit", sub 2, und s. v. "Abendmahl", li 1 a. 7 Hierzu etwa Muth, Einführung in die griechische und römische Religion, Darmstadt 1988, S. 287ff. s Er zündete den Artemis-Tempel in Ephesus nach eigenem Bekunden zu diesem Zweck an, Val. Max. 8.14; dazu Plaumann, RE VIII.1, s. v. "Herostratos" 2.), Sp. 1145f. 9 S. etwa Sen. Rhet. C 1.8.5; Porph., Hor. carm. 4.2.23, 4.8.22. Zur Diesseitigkeit des römischen Unsterblichkeitswunsches etwa Augustinus, civ. 5.14: Sed cum illi essent in civitate terrena, quibus propositus erat Omnium pro illa officiorum finis, incolumitas eius, et regnum non in caelo sed in terra; non in vita aeterna, sed in decessione morientium et successione moriturorum; quid aliud amarent quam gloriam, qua volebant etiam post mortem tamquam vivere in ore laudantium? Vgl. damit aber immerhin Cic. de rep. VI. 19ff. (Scipios Traum (dazu etwa Martin, Providentia Deorum, 1982, S. 59ff.)). S. auch Humphreys, (Kap. I FN 46), S. 155, und Gladigow (Ein!., FN 1), S. 128ff. Die Universalität der genannten Vorstellungen mag ein Zitat aus der modernen Literatur belegen: Auf dem Sterbebett liegend sagt Consuelo, die Mutter von Eva Luna, zur Tochter: "Den Tod gibt es nicht, Kind. Die Menschen sterben nur, wenn sie vergessen werden", I. Allende, Eva Luna, dt. 1988, S. 60. w Cf. etwa Cicero, Tusc. I.llff.; Lael. 4.13. 11 Diagenes Laertius 10.18; zu dieser Widersprüchlichkeit cf. Cic. de fin. II.31.101; Tertullian, de resurrectione carnis c. 1 (Migne, Patrol. Latina 2, S. 795). Zu den Testa4
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3 Paulus
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II. Die Unsterblichkeitsidee
2. Unsterblichkeitsmale
Der Glaube an die Unsterblichkeit, vielleicht sogar die Gewißheit darüber, reicht nicht immer zur Beruhigung der Sorge hin. Zu jeder Zeit versuchen Menschen im Rahmen der ihnen gegebenen Möglichkeiten, ihre Unsterblichkeit ganz irdisch-diesseitig abzusichern 12 - indem sie zu Lebzeiten Gegenstände jedweder Art errichten, die die Erinnerung an sie in der Nachwelt wachhalten sollen. Herausragende Beispiele sind etwa Herrschergräber wie die ägyptischen Pyramiden wie die Architektur überhaupt. Diktaturen pflegen häufig ihren Ewigkeitsanspruch durch Monumentalbauten zu untermauern und zu suggerierenD. Der Kuriosität halber sei angemerkt, daß solche Unsterblichkeitsmale in bemerkenswerten Kontrast zu den auf ihnen zum Ausdruck kommenden Überzeugungen des Verfassers treten können- ganz so wie im Falle von Epikurs Testament. Wenn die Grabinschrift nämlich lautet: "Nach Verhöhnung des Wahns liege ich hier in unerwecklichem Schlaf"14 und damit die Unsterblichkeit in Abrede stellt, so hat Nicomedes sich auf diese Weise schon recht lange in Erinnerung gehalten. Ebenso etwa L. Maecius Marcus, der auf dem Grabstein schreibt: NON FU/ ET SO NON ERO NON MIHI DOLET, gleichwohl aber 2 Zeilen darüber erwähnt, daß er für sich und die Seinen eine aeterna domu(s) errichtet habe (CIL VI 9.258). Was bei den Inschriften dieser Art besonders deutlich zutage tritt , haftet mehr oder weniger allen im Folgenden darzustellenden Unsterblichkeitsmalen anls. Den religiösen Verheißungen schlägt ein letzter Zweifel entgegen, der in den entsprechenden Grabinschriften explizit geäußert wird. Darin liegt eine weitere Ambivalenz dem Tode gegenüber: Die weiter oben (Kap. I 1) bereits erwähnte grundsätzliche Undenkbarkeit des Todes oder Nichts' führt einerseits zur Vorstellung eines irgendwie gearteten Fortexistierens nach dem Tode; andererseits führt die Furcht vor dem unbenennbaren und daher nicht begreifbaren Zustand nach dem Leben zu der Rückversicherung, sich das Weiterleben wenigstens auf Erden in der Erinnerung der Hinterbleibenden zu erwirken. Die oben genannten Grabinschriften demonstrieren daher gerade durch ihre Negation den engen Zusammenhang von Unsterblichkeitsglauben, -malen und Todesverständnis. menten der griechischen Philosophen insgesamt Bruck, Totenteil und Seelgerät im griechischen Recht, 1926, S. 260ff. , 320. 12 Zur psychologischen Erklärung dieses Phänomens etwa Wilber, The Atman Project, Wheatonllll. 1980, S. 100ff. 13 Vgl. W. Kraus, Kultur und Macht, dtv 1978, passim. 14 Übersetzung von Friedlaender, Darstellungen aus der Sittengeschichte Roms III, 1923, S. 302 von IG III 1349. 15 Unbeschadet des jeweils im einzelnen zugrundeliegenden Glaubens bilden sie gewissermaßen ein materielles Pfand für das Weiterleben im Gedächtnis der auf Erden weilenden Späteren.
2. Unsterblichkeitsmale
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Cicero schreibt in dem oben in der Einleitung wiedergegebenen Zitat aus den Tusculanen (1.31) über den Zusammenhang von Unsterblichkeitswunsch des Menschen und seinen irdischen Manifestationen. Die Natur selbst habe es so eingerichtet, daß man Kinder zeuge, daß man für den Fortbestand des eigenen Namens Sorge trage, daß man Söhne adoptiere, daß man sorgfältig Testamente errichte und daß man Grabmäler erbaue. Die beiden letzten Beispiele sollen wegen ihrer über den Bereich der Familie hinausgehenden Breitenwirkungen aufgegriffen und neben weiteren Unsterblichkeitsmalen16 etwas eingehender untersucht werden. a) Städtebau
Sueton berichtet von Augustus, daß er die Stadt Rom so sehr restauriert habe, ut iure sit gloriatus marmorem se relinquere, quam laterciam accepisset (Aug. 28)17 • Eine entsprechende Lobpreisung legt Tacitus denjenigen in den Mund, die Augustus nach dessen Tod rühmen: Zur Rechtfertigung der von ihm eingeführten Staatsform führen sie unter anderem an, daß er Rom in einem großartigen Zustand (magnifico ornatu: Ann. 1.9.5) hinterlassen habe. Aber Augustus hat es nicht dem Zufall einer späteren Geschichtsschreibung überlassen, daß seine diesbezüglichen Handlungen in Erinnerung bleiben. In seinem reichsweit veröffentlichten Tatenbericht listet er seine baulichen Aktivitäten auflS. Von besonderem Interesse ist dabei , was er über die Restauration des Capitolium und Pompeiustheaters schreibt (20): Capitolium et Pompeium theatrum utrumque opus impensa grandi refeci sine ulla inscriptione nominis mei.
Abgesehen davon, daß Augustus mit diesem Satz gleichsam das nachholt, was unterlassen zu haben er als seine Bescheidenheit anpreist, kann man dieser Hervorhebung im Umkehrschluß entnehmen, daß die anderen Bauwerke seinen Namen trugen 19 . Indem er sie mit Marmor einkleidete, schaffte er sich ein Unsterblichkeitsmal hervorragender Güte, da dieses Gestein als besonders dauerhaft galt20 . Etwa 100 Jahre zuvor wurde Crassus noch von seinem Zensor-Kollegen dafür gerügt, daß er (u.a.) in seinem Atrium, also im Inneren seines Hauses, ca. 3 Meter hohe Säulen aus hymettischem Marmor aufgestellt hatte21. 16 Tacitus weist in Agr. 46.3 darauf hin, daß die größte Gewähr, Unsterblichkeit zu erlangen, darin liegt, zu Lebzeiten schon als Vorbild zu leben. S. auch Cic. pro Arch. poeta 12.30. 17 Umfassend zu Augustus' Bautätigkeit besonders in Rom Zanker, Augustus und die Macht der Bilder, 1987, passim, insbes. S. 157ff. 18 Mon. Anc. 19- 21. 19 Cf. auch SHA Hadrian 19.5 und 20.4. zo Cf. Horaz carm. Il.18.3f., 17f. ; III.l.41ff. ; Tibull carm.II.3.43; Plin. n.h. XXXVI.110. S. auch Walker (FN 2), S. 18ff.
3•
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II. Die Unsterblichkeitsidee
Der von Sueton mitgeteilte Satz des Augustus zeigt weiterhin, und das ist das Entscheidende in diesem Abschnitt, daß sich Augustus insgesamt als Stadtsanierer empfand. Stadtsanierung, oder allgemeiner: Städtebau, wird zum Unsterblichkeitsmal22. Auf diesen Zusammenhang spielt, um nur einige Beispiele zu nennen, Flavius Josephus an, wenn er berichtet23, daß nach Augustus' Tod Philippus24 die Städte Caesarea und Julia, und Herades Antipas25 Tiberias gründete. Ganz deutlich tritt dieses Motiv bei Hadrian26 hervor, der seinem Geliebten Antinoos nach dessen Tode die Stadt Antinoupolis errichtete und weihte; er selbst gab27 vielen Städten, u. a. Karthago, den Namen Hadrianopolis. b) Inschriften
Ein weiteres Mittel, sich Unsterblichkeit durch Erinnerung der Nachlebenden zu verschaffen, waren Inschriften. Sie waren nicht nur ein Vehikel zur "propaganda imperiale"28, wie sich auch aus dem oben wiedergegebenen Bericht Augustus' in seinen res gestae ergibt, sondern in Gestalt der Grabinschriften auch Kundgabe persönlicher, wenn auch häufig typisierter Ansichten, die man der Überlieferung als wert erachtete29. Zu den höchst individuellen Äußerungen dieser Art zählt etwa die berühmte Iaudatio Turiae30, in der die Treue, Tapferkeit und Standhaftigkeit der Ehefrau Turia verewigt wird. 21 Plin. n.h. XVII.l.2- 6; XXXVI.2.5f.; XXXVI.3.7f.; XXXVI.15.114. S. dazu Friedlaender, Darstellungen aus der Sittengeschichte Roms II, 1923, S. 331; Simshäuser, FS Coing, Frankfurt/M. 1982, S. 337. 22 S. etwa die vielen inscriptiones aquaeductum, CIL VI.1243ff., sowie CIL VI.872ff. Zu den Bauaktivitäten der Oberschicht etwa Shatzman, Senatonal Wealth and Roman Politics, 1975, S. 90ff., und Duncan-Jones (Kap. I FN 68) , S. 174ff. Zu Schauspielen (als Unsterblichkeitsmal) cf. Plin. ep. 6.34; dazu auch alsbald in Abschnitte . 23 BJ II.9.1. 24 =Sohn Herodes' des Gr., Tetrarch von Ituräa. 25 =Sohn Herodes' des Gr., Tetrarch von Galiläa und Peräa. 26 Zu Hadrians Beitrag zum Stadtbild Roms etwa Boatwright, Hadrian and the City of Rome, Princeton 1987, S. 19ff. 27 So SHA Hadrian 20.4; s. auch RE VII.2 s. v. "Hadrianopolis", Sp. 2173ff. Zu Traianopolis in Cilicien cf. D 50.15.1.11, Ulp. 1 de cens. 28 Vgl. L. Japolla Contardi, Propaganda imperiale e protezionismo commerziale nelle iscrizioni dei collegia professionali di Roma e di Ostia da Augusto ad Aureliano, 1980. S. auch Hölscher, Staatsdenkmal und Publikum, Xenia Heft 9, Konstanz 1984. 29 Zu ihrer Wertschätzung etwa Epiktet, Diatr. I.19.26ff. Freilich überwiegen zahlenmäßig die Grabinschriften, die lediglich den Namen des Verstorbenen enthalten. Doch sind diejenigen mit einer darüber hinausgehenden Aussage eindeutig auf den Unsterblichkeitswunsch ausgerichtet, vgl. Eck, Römische Grabinschriften - Aussageabsicht und Aussagefähigkeit im funerären Kontext, in: Römische Gräberstraßen, hg. von v.Hesberg I Zanker, München 1987, S. 76 unter Hinweis auf etwa Plin. ep. 6.10.3f.; ep. 7.29; zusätzlich S. 78. Vgl. auch die auf einem großen Quellenmaterial basierenden Aussagen von Salier I Shaw, Tombstones and Roman family relations in the Principate, JRS 74, 1984, S. 127.
2. Unsterblichkeitsmale
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Es geht aber bei den Inschriften nicht nur um die Mitteilung einer bestimmten Information, sei sie letztwilliger oder machtpolitischer Natur, sondern auch um den persönlichen Unsterblichkeitswunsch3I; dieses Motiv prangert etwa Tertullian an: Et tarnen illis omnibus et statuas defunditis et imagines inscribitis et titulos inciditis in aeternitatem! Quantum de monumentis potestis scilicet, praestatis et ipsi quodammodo mortuis resurrectionem. Hanc qui veram a Deo sperat, si pro Deo patiatur, insanus est!32
Ganz deutlich tritt dieses Motiv - gewissermaßen von Staats wegen - bei den Ehreninschriften auf, die vom Princeps, von einer Gemeinde oder von Privaten verfaßt werden33. Sie mußten vor allem im Rom der uns interessierenden Zeit an Bedeutung gewinnen, weil hier seit Augustus der monumentale Selbstdarstellungswunsch der römischen Oberschicht außerhalb des Herrschergeschlechts zunehmend zurückgestutzt wurde34 • Für unser Thema sind diejenigen Ehreninschriften besonders interessant, in denen aus dem Testament eines Verstorbenen zitiert wird: In der Inschrift CIL 114514 ( = Dessau 6957) etwa teilt die Gemeinde des heutigen Barcelona mit, daß Lucius Caecilius Optatus ihr ein Vermächtnis hinterlassen habe und fügt den genauen Wortlaut bei. Damit verbinden sich Testament und Inschrift zu einer Einheit, die dem Unsterblichkeitswunsch besonders zustatten kommt. c) Denkmäler
Denkmäler stehen häufig in engem Zusammenhang mit Inschriften, vor allem bei den für diese Arbeit besonders bedeutsamen Grabdenkmälern, bei denen Denkmal und Inschrift zu einer sich gegenseitig ergänzenden Einheit verschmelzen35. Über ihren Wert und ihre Wertschätzung als Unsterblich3° FIRA III, Nr. 69. Zu ihr etwa Flach, Antike Grabreden, in: Lenz (Hg.) , Leichenpredigten als Quelle historischer Wissenschaften, 1975, S. 12ff., oder Kierdorf, Laudatio Funebris, 1980, S. 33ff. 31 Hierzu vgl. die Zusammenstellung bei Lattimore (FN 2), passim. 32 Apo!. 50.11. 33 Literatur und Nachweise bei Häusle (FN 2), S. 87ff. , insbes. FN 189, sowie Eck, Senatorlai Self-Representation: developments in the Augustan period, in: Miliar I Segal, Caesar Augustus, Oxford 1984, S. 129ff. S. auch die Beispiele bei Walser, Römische Inschrift-Kunst, 1988, S. SOff. (auch S. 14ff., 108ff.) 34 Eck, ebda, passim; dort auch zu den zugelassenen Formen senatorischer Selbstdarstellung, S. 134ff., 140. 35 Laut Plinius, ep. 6.10.3f., war das Grabmal des Verginius Rufus, des Bezwingers des aufständischen Iulius Vindex im Jahre 68 n. Chr., eher bescheiden, so daß der angefügten Inschrift, die von seinem Ruhm berichtet, die Hauptaussagekraft zukommt. Tacitus berichtet, Hist. 2.49, daß Othos Grabmonument von bescheidenen Ausmaßen gewesen ist, um zu überdauern! Zu Sepulkralmulten s. außer Kaser, SZ 95, 1978, S. 82ff., Lazzarini, Atti III sem. rom. Gard. , Mailand 1988, S. 485ff.
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II. Die Unsterblichkeitsidee
keitsmal geben nicht nur die unendlich vielen Inschriftenfunde Auskunft, sondern auch die vielen Digestenfragmente, deren Streit- oder Problemfall sich auf den testamentarisch geäußerten Wunsch (Auflage oder Bedingung) bezieht, von dem Bedachten ein Monument errichtet zu bekommen36. Daß das vorherrschende Motiv zu diesem Wunsch tatsächlich der Versuch war, Unsterblichkeit zu erlangen, hat Helmut Häusle in einer eigenen Studie nachgewiesen37. Seine Ergebnisse sind daher kurz zu referieren. Das Grabmonument als Unsterblichkeitsmal ist keine spezifisch römische Errungenschaft; vielmehr finden sich Entsprechungen natürlich in Griechenland3s, aber es gibt auch solche mit phönizischen und neupunischen Inschriften, die ausdrücklich auf die ewig währende Erinnerung an den Toten abzielen (S. 84ff.). Mag auch das steinerne Mal selbst ursprünglich nicht diesem Zweck gedient haben, sondern gewissermaßen als Substitut für den Leichnam innerhalb (und nicht außerhalb und sichtbar) des Grabes fungiert haben (S. 70), so finden sich zwar noch Anklänge an den Glauben einer solchen Repräsentation in römischen Grabinschriften (S. 122ff.39); doch herrscht gerade in der Verbindung von steinernem Mal und Inschrift der ausdrückliche Hinweis auf die memoria aeterna vor (S. 86 und FN 186). Dies geht so weit, daß memoria und monurnenturn (oder gar tumulus) synonym gebraucht werden können (S. 33ff.). Varro etwa verweist zunächst auf die Zusammengehörigkeit von monurnenturn und monere40: ... sie monimenta quae in sepulcris et ideo secundum viam, qua praetereuntes admoneant et se fuisse et illos esse mortales4l,
um dann den Zusammenhang mit der memoria klarzumachen: ... ab eo cetera quae scripta ac facta memoriae causa monumenta dicta 42. Ausführlich unten Kap. VII 2. S. auch Salier I Shaw, S. 126ff. S.o. FN 2. 38 Eine geographisch trennende Behandlung etwa von römischen und griechischen Inschriften ist daher zumindest unter dem Aspekt des Nachruhms unergiebig; sofern es dennoch Nuancierungen geben sollte, brauchen sie uns angesichtsunserer grobmaschigeren Perspektive nicht zu interessieren. S. auch Humphreys (FN 9), S. 152ff. 39 Man könnte daran denken, die vielen Inschriften, die innerhalb eines Mausoleums angebracht waren und infolgedessen für kein, oder zumindest ein nur sehr eng begrenztes Publikum bestimmt waren (zu ihnen Eck, Römische Grabinschriften (FN 29), S. 61, 75), als ein Fortwirken dieser Vorstellung zu erklären. 40 De I. L. 6.49. Bei lsid., orig. V .24.2 wird dieser Zusammenhang für das Testament hergestellt. 41 Zur Verewigungsabsicht eines Monumentes schreibt Porph. Hor. carm. 1.2.15: monurnenturn non sepulcrum tantum dicitur, sed omnia quidquid memoria testantur. S. auch Petron . Sat. 71. 42 Weitere Nachweise in FN 77, 78, etwa die Schriften der römischen Feldmesser (Gromatici veteres), hg. von Blume I Lachmann I Rudorff, 1848, 271 Z. 12f., wo als Zweck eines Monuments angegeben wird: ad itinera publica propter testimonium perennitatis est constitutum. Oder Festus, 139: Monimentum est, quod et mortui causa 36
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2. Unsterblichkeitsmale
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Cicero legt im Einklang hiermit dem älteren Cato folgende Worte in den Mund: Equidem non modo eos novi, qui sunt, sed eorum patres etiam et avos, nec sepulcra legens vereor, quod aiunt, ne memoriam perdam; his enim ipsis Legendis in memoriam redeo mortuorum43.
Alles: Material, Inschrift und Bildnis des Verstorbenen (S. 100), ist also auf das ewige Gedenken hin ausgerichtet; da ist es ein hübscher, menschlicher Zusatz, daß das Denkmal in aller Regel nicht allein dem Verstorbenen zugedacht wird, sondern daß an ihm Stifter und Künstler zu partizipieren versuchen, indem sie ihren Namen, bzw. ihre Signatur ebenfalls auf dem Monument eingravieren (S. 84 FN 181). Zu den Unsterblichkeitsmalen gehören freilich nicht nur die Grabdenkmäler, sondern auch die Ehrenmonumente44 , die von Staats wegen dem bei einer Gesandtschaft Umgekommenen errichtet werden4s. Bei diesen Bauten verbindet sich ebenso wie bei den Ehreninschriften individueller Unsterblichkeitswunsch mit den Interessen des Gemeinwesens, die auf Nachahmung und Ansporn gerichtet sind. Diese Intentionen greift Augustus ausdrücklich auf46, als er die statuae triumphales auf seinem Forum nicht nur zum Gedenken an Roms bisherige Größe errichtete, sondern auch als Vorbild für künftige Herrscher47. d) Schriftstellerei
Der Topos, daß schriftstellerisches Wirken zumindest auch dem persönlichen Unsterblichkeitswunsch48 entspringt, ist vielfach belegt49 und auch hier wieder am nachhaltigsten von Cicero. In seiner Verteidigungsrede für den aedificatum est et quicquid ob memoriam alicuius factum est, ut fana, porticus, scripta et carmina. Dieses Beispiel zeigt, daß sich die Unsterblichkeitsmale nahezu beliebig erweitern lassen. S. auch Cic. ep. ad Att. 5.21.7; in Verr. II.2.150., sowie die Nachweise bei Eck, Senatorlai Self-representation (FN 33), FN 25. 43 De senect. 21. 44 Zum Ehrenbogen für Augustus Eck (FN 33), S. 138. 45 Zu ihnen allgemein Lahusen, Untersuchungen zur Ehrenstatue in Rom, Rom 1983; ders., Schriftquellen zum römischen Bildnis I, Bremen 1984; ders. , Labeo 31, 1985, S. 308ff. S. auch Horaz, carm IV.8.13ff.; Seneca, de brev. vitae 20.5; Plin., ep. X.70, 75. Zu Griechenlands. etwa Lys., Fr.14. 46 Suet. Aug. 31.5. 47 Vgl. Eck (FN 33), S. 142f. m. w. N. in FN 110. 48 H. Heine nennt in einem Brief an Varnhagen (vom 5. Februar 1840) seine literarische Hinterlassenschaft "Schriftmäler"; zit. nach Braun, NJW 1989, S. 329, I. Sp. 49 Aus der heutigen Zeit mag als Beispiel ein zufällig gewähltes Zitat gelten, mit dem Modrzejewski in einer Gedenkrede Hans Julius Wolff ehrt, SZ 105, 1988, S. 178: "Freilich ist es eine schöne Sache, sich selbst bei Lebzeiten ein Monument zu bauen in der Hoffnung- oder in der Überzeugung-, daß die künftigen Generationen es bewundern werden" . S. auch Schack, JZ 89, S. 614f.
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li. Die Unsterblichkeitsidee
Dichter Licinius Archias, die insgesamt den Stellenwert und die Bedeutung des Schreibens thematisiert, steigert er dieses Phänomen fast ins Paradoxe, 11.26: Neque enim est hoc dissimulandum, quod obscurari non potest, sed prae nobis ferendum: trahimur omnes studio laudis, et optimus quisque maxime gloria ducitur. ipsi illi philosophi etiam iis libellis, quos de contemnenda gloria scribunt, nomen suum inscribunt: in eo ipso, in quo praedicationem nobilitatemque despiciunt, praedicari de se ac nominari volunt50.
Den verschiedentlich von Cicero selbst genannten Wunsch, durch sein Schreiben Unsterblichkeit zu erlangensl, erfüllt ihm beispielsweise der ältere Seneca, der Cestius Pius in einer der Suasorien sagen läßt: lntellexit Antonius salvis eloquentiae monumentis non passe Ciceronem mori52.
Die wohl berühmteste Fassung dieses schriftstellerischen Anspruchs dürfte Horazens carmen 111.30 sein: Exegi monurnenturn aere perennius . .. Mit diesem Vergleich belegt er im übrigen das oben zum Monument als Garanten des Nachruhms Gesagte: Ihm attestiert er immerhin, daß es ewig überdauere (seine Schriften allerdings noch ewiger53). Eine weitere Verbindung zwischen Monument und Schriftwerk besteht darin, daß so, wie sich dort der Künstler durch seine Signatur mit verewigt, hier der Dichter seinen Unsterblichkeitsanspruch dadurch unterstreicht, daß allein durch ihn der Ruhm der "Tat-Menschen" auf die Nachwelt übertragen wird. Das Gedicht Propertius' III.l mag stellvertretend für viele genannt sein. In dieser Argumentation verbinden sich die individuellen Unsterblichkeitswünsche zu einer fast symbiotischen Einheit, die unter Umständen ihrerseits zu einem Antrieb zum Handeln werden: Es sei nur an Ciceros Rede für den genannten Arebias erinnert, in der er sich selbst nicht nur zu seinem schriftstellerischen Unsterblichkeitswunsch bekennt54 , sondern die er (auch) deswegen gehalten hat, um den Dichter zu einer griechischen Ode über sein, Ciceros, Konsulat zu verpflichten.
so Zu dieser Stelle wie auch "zur Problematik des römischen Ruhmesgedankens" allgemein Philipp, Gymnasium 62, 1955, S. 51ff. (58). 51 Cf. etwa Tusc. 1.31f. ; 11.8. 52 Suas. 7.2; s. auch suas. 6.5. Ähnliches findet sich bei Plin. ep. 6.16, in dem er über den Tod seines Onkels berichtet, insbes. sub 1. Zu diesem Brief Eco, Über Spiegel und andere Phänomene, München 1988, S. 223ff. 53 S. auch Ovid, Met. XV.869ff. Weitere Nachweise zur Literatur als Monument bei Häusle (FN 2), S. 37 FN 90. Als (freilich späterer: Anfang des 5. Jhdts) Beleg für das Bewußtsein dieses schriftstellerischen Motivs mag der Beginn der Einleitung des Eucharisticos von Paulinus Pellaeus dienen: (1) scio quosdam inlustrium virorum pro suarum splendore virtutum ad perpetuandam suae gloriae dignitatem ephemeridem gestorum suorum proprio sermone conscriptam memoriae tradidisse. 54 12.30.
2. Unsterblichkeitsmale
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e) Stiftungen
Ein eindeutiges Unsterblichkeitsmal stellenalldiejenigen testamentarischen Passagen dar, die man unter dem (nicht juristisch-technisch zu verstehenden) Begriff "Stiftungen" zusammenfaßt. Sie verbindet die Sorge oder das Bemühen der Testatoren, mittels letztwilliger Anweisungen das Gedenken an die eigene Person in Ewigkeit abzusichern55. Auch hierbei handelt es sich wieder um keine spezifisch römische Eigenheit; vielmehr setzt die entsprechende Entwicklung in Rom sogar ungewöhnlich spät ein, nämlich im ersten nachchristlichen Jahrhundert, nachdem es solche Stiftungen schon seit Jahrhunderten in Griechenland56 und zuvor schon in Ägypten gegeben hat57. Diese "Spätentwicklung" mag ein Indiz oder gar die unmittelbare Folge des religiösen Verfalls im Privatbereich58 sein, doch zeigt sie- wie immer ihr Einsetzen überhaupt, oder der späte Zeitpunkt im besonderen zu erklären sein mag59 -,daß unabhängig von der (schwindenden) Kraft des religiösen Glaubens die des Unsterblichkeitswunsches ungebrochen war. Im Hinblick auf die rechtlichen Folgen wird man diesen Wunsch sogar als einen der wesentlichen Motoren für die Entwicklung, bzw. Ausgestaltung des Fideikommiß-Rechts, der passiven Testierfähigkeit von Kollegien und politischen Einheiten wie vicus, oppidum, municipium etc. ansehen dürfen. Denn anstelle der Jahrhunderte alten Gepflogenheit, die Sorge um die eigene Unsterblichkeit seinen Nachfahren zu überantworten, und der Erwartung, hinsichtlich der Erfüllung (mehr oder minder) unbesorgt sein zu können, tritt nunmehr das Vertrauen, fides, gegenüber anderen, die natürliche Personen wie etwa Freigelassene sein können, ein collegium templi, oder gar transpersonale Einheiten wie etwa Ortschaften etc. 60. Von ihnen erhofft man sich nunmehr die Gewähr für ein ewiges Gedenken- auch wenn unter den Zeitge55 Zu den Stiftungen M. Weber, Rechtssoziologie, Neuwied 1960, S. 153; Laum, Stiftungen in der griechischen und römischen Antike, Leipzig 1914; Bruck, Poundations for the deceased in Roman law, religion and political thought, in: Scr. in on. di Ferrini IV, 1949, S. lff.; ders., Römisches RechtS. 46ff.; ders. , RIDA II (3. s.), 1955, S. 159ff. ; Hands, Charities and social aid in Greece and Rome, Lodon 1968; Hopkins, Death, S. 247ff. ; Johnston, Trusts, S. 76ff. 56 S. nur Wittenburg, 11 testamento di Epikteta, Triest 1990, S. 91ff. 57 Nachweise zu Ägypten bei Bruck, Römisches Recht, S. 90, insbes. FN 1; zu Griechenland ders. (FN 11), S. 157ff. 58 Zweifelnd gegenüber diesem Verfall Beard I Crawford, Romein the late Republic, London 1985, S. 25ff.; anders dagegen Bruck, Römisches Recht, S. 48ff. mit Nachweisen zu der überwiegenden Auffassung, derzufolge die Religion im Öffentlichen wie im Privaten gegen Ende der Republik einen steilen Niedergang erfahren haben (Mommsen, Wissowa, Solazzi u. a.). 59 Vorsichtig abwägend etwa Hopkins, S. 253. 60 Ausführlich dazu unten Kap. VII 2. Das juristische Quellenmaterial bietet ein komplettes Abbild des epigraphischen Befundes.
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II. Die Unsterblichkeitsidee
nossen diesbezügliche Skepsis zumindest nicht unbekannt war, wie sie etwa hinter den vordergründig wirtschaftlichen Überlegungen des Plinius in Brief 7.18 durchschimmern: Deliberas mecum, quem ad modum pecunia, quam municipibus nostris in epulum obtulisti, post te quoque salva sit. Honesta consultatio, non expedita sententia, numeres rei publicae summam: verendum est, ne dilabatur; des agros: ut publici neglegentur.
Dieselbe Skepsis liegt all den BuBzahlungsverpflichtungen zugrunde, die im Falle des Zuwiderhandeins an Dritte zu erfüllen sind6t. Hier wird das Vertrauen durch einen materiell ausgerichteten Kontrollmechanismus abgesichert. Gegenstand der Stiftungen sind nicht nur Verköstigungen wie die, denen der o. g. Bruck'sche Wanderer durch das antike Italien begegnete, sondern auch Gladiatoren- oder sonstige Schau-Spiele62 , oder gar Ahmentationen für die Bedürftigen63, Die Verbindung zum Stifter ergibt sich in den letztgenannten Fällen daraus, daß die Spiele oder die Verteilung an seinem dies natalis, an seinem Grabe oder vor seiner Statue stattfinden64. Doch wird man in einer Vielzahl von Fällen davon ausgehen dürfen, daß der Testator sich nicht mit einer solchen, nur mittelbar zu erschließenden Evidenz seines Unsterblichkeitswunsches begnügt hat. So schreibt etwa der (sogenannte) Dasumius in seinem berühmten Testament Z . 88: Memoriae meae colendae causa65, um dann eine Stiftung hinsichtlich seines Grabgrundstückes aufzusetzen. Mindestens ebenso deutlich verkündet der Gallier mit römischem Bürgerrecht, von dessen Testament uns nur der Ausschnitt über seine Stiftung überliefert ist66, in Z. 24ff. (pag. I): Loco autem huic Iex in perpetuum dicitur, neque quisquam post me dominium potestatemve eorum locorum habeto ... 67.
Angesichts der Vielzahl der inschriftlich und in den juristischen Quellen bezeugten Stiftungen ist es zulässig, bei den römischen Zeitgenossen das Verständnis dafür zu unterstellen, daß solche letztwilligen Äußerungen (zumindest: auch) dem persönlichen Unsterblichkeitswunsch entsprangen - und zwar selbst dann, wenn eine explizite Erklärung hierüber fehlte. Inwieweit die mit Nachweise bei Hopkins, S. 250f. Nachweise des epigraphischen Materials bei Bruck, Römisches Recht, S. 64 FN 22. S. auch Plin. ep. 1.8.10. Zur Stiftung des C. lulius Demosthenes Wörrle, Stadt und Fest im kaiserzeitlichen Kleinasien, München 1988. 63 Nachweise bei Bruck, S. 66, sowie bei Rands (FN 55), S. 49ff. 64 Hopkins, S. 248, sowie erneut Bruck, S. 67. 65 FIRA III, Nr. 48, S. 138. 66 FIRA III, Nr. 49, S. 144. S. dazu auch Borgolte, SZ (Kan. Abt.) 105, 1988, S. 71ff. (betrifft im übrigen hauptsächlich mittelalterliche Testamente). 67 Zu beiden Testamenten sowie noch der donatio des T. Flavius Syntrophus, FIRA Ill, Nr. 94, wiederum Bruck, S. 77ff. mwN. S. auch, an Eindeutigkeit nicht überbietbar: IG V 1 1208. 61
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2. Unsterblichkeitsmale
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entsprechenden Rechtsfällen beschäftigten Juristen dies berücksichtigen, wird bei den jeweiligen Exegesen zu erörtern sein. f) Testamente
Schließlich sind noch die auch von Cicero (Tusc. 1.31) genannten Testamente zu erwähnen, die jedoch im folgenden Kapitel eigens und ausführlich erörtert werden.
111. Testamente 1. Das römische Testament im Vergleich Um die Besonderheit des römischen Testamentes besser verstehen zu können, empfiehlt sich zunächst einmal seine rechtsvergleichende' Einordnung. Dabei gehen wir von der Prämisse aus, daß das Bestreben weit verbreitet war, das jeweils Seine postmortal zu verteilen und dabei die Grenzen des "lntestaterbrechts"2 zu überschreiten. Überdies unterstellen wir, daß sich an dem Ausmaß, in dem der Verwirklichung dieses Bestrebens ein rechtliches Instrumentarium zur Verfügung gestellt wurde, die gesellschaftliche Tolerierung des Bruchs mit dem "lntestaterbrecht" ablesen läßt. Denn letzten Endes stellt die Zulassung eines wie auch immer gearteten Testierens eine höhere Bewertung der Interessen des Verstorbenen als die der Erben dar3. Nach dem Recht des Codex Harnmurabi konnte ein Vater nur in beschränktem Umfang über das (der Familie als ganzer gehörende) Vermögen verfügen; nämlich nur zugunsten von Familienangehörigen\ die freilich auch adoptierte Fremde sein konntens. In solch einer Zuwendung steckt noch nicht das Konzept dessen, was wir als Testament zu bezeichnen gewohnt sind. Denn sie besteht nicht in einem einseitigen Rechtsakt, dessen Wirkung mit dem Tode ipso iure eintritt. Ebensowenig finden wir dieses Konzept im Ägypten der vorhellenistischen Zeit6. Doch hat es dort Stiftungen in der Gestalt gegeben, daß Güter an ein Priesterkollegium mit der Auflage verschenkt wurden, diese für Gedächtnisfeiern zu Ehren des Schenkers zu verwenden7 . Über das biblische "Testierrecht" wissen wir nur wenigB. Das jüdische Recht hat - in der uns interessierenden Epoche - hierfür das Rechtsinstitut des ' Zum Hindu-Rechts. etwa Mayne, A Treatise on Hindu Law and Usage, 1878, S. 7; zum germanischen Recht etwa Hagemann, HRG s. v. "Erbrecht" ; Zum arabischen Recht der vor-islamischen Zeit vgl. Russe! I Suhrawardy, Muslim Law - a historical introduction to the law of inheritance, 1925, S. 38ff. UmfassendE. Gans, Das Erbrecht in weltgeschichtlicher Entwicklung I, Berlin 1824. 2 D . h. also: die von Rechts wegen eintretende Nachfolgeordnung. 3 Cf. Plut. Sol. 21. 4 Vgl. auch AT, Gen. 24.36; 48.22. 5 Miles, RIDA 1, Ser. 3, 1954, S. 119ff. 6 Taubenschlag, The Law of Graeco-Roman Egypt in the Light of the Papyre, Warschau 1955, S. 190. 7 Taubenschlag, S. 64; Bruck, Römisches Recht, S. 90 mwN in FN 1. s S. nur Yaron, Gifts in Contemplation of Death, Oxford 1960, S. 4ff.
1. Das römische Testament im Vergleich
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Geschenks zur Verfügung gestellt. Das bedeutet bei aller damit verbundenen und an die Gestaltungen des römischen Rechts erinnernden "Testier"-Freiheit, daß der Erbvorgang auf einem zweiseitigen Geschäft beruhte; denn der Beschenkte mußte die Gabe annehmen9. Darin drückt sich eine für den Stellenwert des "Testierens" wichtige Besonderheit aus. Solange nämlich eine - wie auch immer gelockerte - Zweiseitigkeit existiert, fehlt es an einer wichtigen Voraussetzung dafür, den Hinterlassungsakt zu einem Ausdruck höchstpersönlicher Selbstdarstellung werden zu lassen. Überspitzt formuliert: Es bedarf der Testierfreiheit 10, um diesen Akt zu einem individuellen Unsterblichkeitsmal gestalten zu können. Jeder institutionalisierte Anpassungszwang stellt demgegenüber eine Beschränkung dar. Die demnach erforderliche Einseitigkeit des "Testierens" ist in Rom wie auch im hellenistischen Griechenland" gegeben. Dessen testamentsrechtliche Errungenschaften sind im Vergleich zu denen des republikanischen Rom zumindest nicht wesentlich geringer'2; doch ist das hellenistische Testament, soweit ersichtlich, zu keiner Zeit zu einer Plattform idealisierter Selbstdarstellung geworden13. Zwar haben insbesondere die uns überlieferten Philosophentestamente in Gestalt fiduziarischer Stiftungen das Bestreben gemeinsam, auf diese Weise Unsterblichkeit zu erlangen. Doch ist das noch nicht gleichbedeutend damit, in dem Testament selbst das Fortwirken der Persönlichkeit zu sehen' 4 • Über die Gründe, warum gerade die Römer diesen Schritt getan und daraufhin das Erbrecht in der Prinzipatszeit zu einem filigranen Meisterwerk ausgebaut haben, kann man bestenfalls spekulieren. Der Ausgangspunkt, den 9 Zu alledem Yaron, S. 32ff.; dort auch dazu, daß Dritte für den Beschenkten annehmen konnten. Auf S. 55 die Feststellung, daß die Schenkung ein Realvertrag war. w Hierzu- und zu der Kritik der Antike daran - Nörr, Rechtskritik, S. 78f. " Zur Entwicklung des Erbrechts in der klassischen Zeit MacDowell, The Law in Classical Athens, London 1978, S. 99ff. Zum Einfluß des hellenistischen Rechts auf Ägypten Taubenschlag, S. 1 ff. 12 Vgl. etwa Schulin, Das griechische Testament verglichen mit dem römischen, Basel 1882, S. 3, der dieses Urteil freilich auch auf das klassische Griechenland zu beziehen scheint. Dagegen MacDowell (FN 11). Zum sogenannten Testament der Epikteta jüngst Wittenburg, Il testamento di Epikteta, Triest 1990. 13 Zum griechischen Testament umfassend Bruck, Die Schenkung auf den Todesfall im griechischen und römischen Recht, Breslau 1909; ders., Zur Geschichte der Verfügungen von Todeswegen im altgriechischen Recht, Breslau 1909; Kühler, RE VA. 1, s.v. "Testament (juristisch)", Sp. 966ff.; MacDowell (FN 11); Miles, in: Zur Griechischen Rechtsgeschichte, Darmstadt 1968, S. 655f. S. auch Biscardi, Symposion 1979, S. 21 ff. Zur Praxis Kreller, Erbrechtliche Untersuchungen auf Grund der Gräko-Ägyptischen Papyrusurkunden, Leipzig 1919. 14 Der Unterschied wird daher in dem Stellenwert und der Aussagekraft zu suchen sein, die eine Gesellschaft den Testamenten zumißt. Zu der ,.übermäßigen Hochachtung" der Römer vor dem Testament Nörr, S. 78.
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111. Testamente
man bei den Griechen im Adoptions- und im Legatentestament sieht, kann bei den Römern nicht völlig verschieden gewesen seints, so daß man im Inhalt wohl keinen Grund für Roms Sonderstellung wird erkennen können. Das könnte eher möglich sein, wenn man die Formerfordernisse betrachtet: In Griechenland unterlag das Testieren wohl nie so striktL6 der Publizität wie in Rom das testamenturn in calatis comitiis oder später der Übertragungsakt auf den familiae emptor vor den versammelten Zeugen. Mit ihm war die Möglichkeit zur Selbstdarstellung vor einem Publikum im römischen Testament von Anfang an institutionalisiert. Hieraus ließe sich etwa der Anpassungszwang erklären, der das Testament zum Spiegel des Charakters hat werden lassen. Der Unterschied zu dem zuvor beschriebenen "institutionalisierten Anpassungszwang" der jüdischen Geschenke auf den Todesfall besteht einmal in der größeren Publizität in Rom; und zum anderen bringt es das Rechtsinstitut der Schenkung mit sich, daß bestimmte Rechtswirkungen sofort eintreten!?; infolgedessen muß der Schenker immer auch die lebzeitigen Konsequenzen berücksichtigen, ohne sich- wie der römische Testator- ganz auf die postmortale Wirkung der Hinterlassung konzentrieren zu können. Die weitere (und tiefere) Frage nach dem substantiellen Grund, der die Römer zu ihrer spezifischen, bedeutungsbeladenen Testamentsform geführt hat, muß zwangsläufig unbeantwortet bleiben. Jeder Versuch einer Antwort müsste im Gestrüpp psychologischer Unterstellungen und Annahmen stecken bleiben. 2. Der letzte Wille
Die Feststellung, daß das römische Testament einen einzigartigen Stellenwert innerhalb der antiken Erbrechtsordnungen einnimmt, führt zu der weiteren Frage, worin sich diese Besonderheit ausdrückt. Oder, anders formuliert: Was ist es, das den Anspruch eines römischen Testamentes zu rechtfertigen vermag, ein Unsterblichkeitsmal werden zu können? Um hierauf eine wenigstens einigermaßen zufriedenstellende Antwort geben zu können, ist es zunächst geboten, sich den hinter der Testamentsurkunde als solcher steckenden Bedeutungsgehalt zu vergegenwärtigen La. Das läßt sich - ganz allgemein - anband des Begriffspaares "letzter Wille" und "testamentarische Verfügung" darstellen. Während letztere hauptsächlich19 den rechtlichen Regelungsbereich beschreibt und damit die Urkunde auf Vgl. nur Wieacker, FS Siber, Leipzig 1941, S. 3ff., insbes. 6f. Zur Form des griechischen Testaments s. nur Kühler, Sp. 975. 17 Vgl. Yaron, S. 49, 64ff. Kritisch gegenüber dieser Annahme einer (strikten) Zweiseitigkeit allerdings Nörr in seiner Rez., SZ 78, 1961, S. 434. 18 Als zweites wird zu untersuchen sein, welcher Bedeutungsgehalt hinter den einzelnen Verfügungen steckt. Dazu unten im Text sub 3. 15
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2. Der letzte Wille
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den Aspekt der Verteilung des materiellen Hab und Guts20 beschränkt, erfaßt der Ausdruck "letzter Wille" eine wesentlich weitere Bedeutung. Denn die Kundgabe des letzten Willens dient keineswegs ausschließlich oder auch nur primär der Klärung dessen, wer welchen Gegenstand erhalten soll. Vielmehr impliziert dieser Begriff das Medium, das dem Sterbenden zur Verfügung gestellt ist, und mit dessen Hilfe er die Summe seines Lebens ziehen und, gegebenenfalls, als Lehre an seine Nachkommen weitergeben kann. Das ist die Situation, in der der Sterbende seine Familie an sein Sterbebett rief21. Zu diesem weiten Bedeutungsgehalt gehört auch, daß in der Literaturgeschichte etwa des Judentums unter der Rubrik "ethische Schriften" im Mittelalter eine eigenständige Gattung "ethischer Testamente"- zumeist auf dem Vorbild der testamentarischen "Sprüche" basierend- entstand22. Für diese weite Bedeutung des letzten Willens finden sich auch römische Belege23, in denen die Ethik allerdings nur selten im Vordergrund steht. Einen Prototyp gewissermaßen, in dem die Sterbende das (nicht nur materielle) Ihre ordnet, hat Terenz24 in der Komödie Andria der "Schwester" Glyceriums, Chrysis, in den Mund gelegt25: mi Pamphile, huius formam atque aetatem vides, nec clam te est, quam illi nunc utraeque inutiles et ad pudicitiam et ad rem tutandam sient. quod per ego te dextram hanc oro et genium tuom, per tuam fidem perque huius solitudinem te obtestor, ne abs te hanc segreges neu deseras. si te in germani fratris dilexi loco sive haec te solum semper fecit maxumi seu tibi morigera fuit in rebus omnibus, te isti virum do, amicum, tutorem, patrem. bona nostra haec tibi permitto et tuae mando fide. 19 Ausnahmen bestehen freilich; etwa die Bestellung eines Tutors. Ursprünglich oblag ihm tatsächlich die umfassende Sorge über die Person des Kindes; doch reduzierte sich diese Aufgabe bezeichnenderweise gerade in der uns interessierenden Zeit immer mehr auf die Verwaltungdes Mündelvermögens, vgl. nur Kaser, RPR, § 87 li 1. 20 Die Testamentsnormen werden unter diesem Aspekt zu einem speziellen Teil des Vermögensrechts. S. auch Aries, Die Geschichte des Todes (deutsch München 1980), s. 242ff. 21 Vgl. Aries, S. 24ff., sowie Winau, Tod und Sterben in der Geschichte, in: Winau I Rosemeier (Kap. I, FN 6), S. 15 - 26. 22 S. Encyclopaedia Judaica, vol. 16, s. v. "wills, ethical", sowie die von Abrahams zusammengestellte Sammlung: Hebrew Ethical Wills, Neudr. 1976. Zum Testament als literarische Gattungs. auch Aries, S. 254ff. 23 Über das Interesse der Antike an den ultima verba Gnilka, JbAC 22, 1979, S. 7ff. (vornehmlich über die christliche Antike). 24 Zum Einfluß griechischer Vorbilder auf die römischen Komödienschreiber jüngst Hunter, The New Comedy of Greece and Rome, Cambridge 1985, S. 13ff. mit Nachweisen aufS . 155. 25 I.5, z. 284ff.
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Ill. Testamente
Auf dem Totenbett liegend fleht Chrysis Pamphilus an, er möge Glycerium nicht verlassen, sondern sie zur Ehefrau nehmen; dabei appelliert sie an seine fides ebenso wie an seinen "Beschützer-Instinkt", indem sie Glyceriums Einsamkeit erwähnt und Pamphilus die Rolle eines Freundes, eines Tutors und gar eines Vaters anträgt. Erst ganz am Schluß, im letzten Satz, spricht sie über ihr materielles Gut. Chrysis' letzter Wille ist also der Wunsch, daß die beiden ihr nahestehenden Personen Glycerium und Pamphilus heiraten26; nach mancherlei Verwirrnissen geht er in Erfüllung. Auch Petronius' Wunsch, die ihm zu Lebzeiten auferlegten Fesseln abzustreifen und sich mittels seines Testamentes wenigstens postmortal an Nero zu rächen, gehört hierher, weil er außerhalb des vom juristischen Instrumentarium Erlaßbaren liegt. Einen gewissen Erfolg wird man ihm in seinem Bestreben nicht absprechen können, da Nero auf die Anschuldigungen reagierte und Silia, die Gattin eines Senators, verbannte27 • Tacitus kontrastiert in seinem Bericht Petrons Testament mit den sonst üblichen (19): ne codicillis quidem, quod plerique pereuntium, Neronem aut Tigellinum aut quem alium potentium adulatus est.
Demzufolge ließen sich andere Testatoren bei der Abfassung ihrer Testamente von dem Bedürfnis leiten, dem Princeps zu schmeicheln; hierauf wird zurückzukommen sein (3 c). Wenn auch nicht klar ist, ob diese Schmeichelei expressis verbis erfolgte oder allein dadurch, daß man den Princeps bedachte, zeigt der taciteische Bericht dennoch das Verständnis für den "letzten Willen" in seiner weiten Bedeutung. Nur auf dieser Basis konnte die in der Einleitung zitierte Sentenz des Plinius zum Gemeingut werden: Denn ein speculum morum ist weit mehr als ein speculum bonorum. Eine Folge dieser Ausweitung des Bedeutungsgehaltes ist es, daß der letzte Wille nicht nur im Testament ausgedrückt werden kann, sondern ebenso gut auch anderwärts2s. Soweit sich der letzte Wille etwa auf die conc/usio bezieht, die man aus seinem Leben oder Lebensstil zieht, sind uns davon endlos viele auf den Grabinschriften überliefert29. Die Inschrift konnte dann sogar ihrerseits wieder in Literatur eingebunden werden, so daß sich erneut die Unsterblichkeitsmale miteinander verbinden. Als Beispiel mögen einige Stellen aus den Deipnosophistai des Athenaios30 dienen: Demokrit etwa warnt Ulpian, er 26 Das Testament als ein Instrument, "Familienpolitik" zu betreiben , wird uns bei den Exegesen in Kap. VII 4 mehrfach beschäftigen. 27 Tac. Ann. 16.20. 28 Zu den letzten Worten etwa des Septimius Severus s. Cass. Dio LXXVII.15.2; SHA 23.3. Dazu Straub, Regeneratio Imperii, Darmstadt 1972, S. 327f. 29 Eine schöne Sammlung enthält die von Bücheler besorgte Ausgabe: Carmina Latina Epigraphica, Neuaufl. 1982. S. auch Walser, Römische Inschrift-Kunst, Stuttgart 1988, S. 240ff. (Beispiele mit Photographien der Inschriften). 30 Mag er auch Grieche sein, so wurde doch bereits oben, Kap. II FN 38, festgestellt, daß eine geographische Trennung - gerade von Griechenland und Rom - im Hinblick
2. Der letzte Wille
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werde mit seinen Sprach-Spitzfindigkeiten noch das gleiche Schicksal erleiden wie ein gewisser Philitas von Kos. Auf dessen Grabstein sei Lebensinhalt und die Todesursache verewigt31: ,;eive. cptAim~ eLflL. A.6ywv
o1/JfVOOfli?VO~ fll? wA.eae xamxTWV rp(;JOVT{Oe~ lulrE(!WL
(Fremder, Philitas bin ich. Die lügnerische Rede zerstörte mich und die nächtlichen Sorgen)
Eine weitere Lebenskonklusion auf dem Grab des Dichters und Fünfkämpfers Timokreon von Rhodas charakterisiert diesen als einen handfesten Esser, Trinker und Menschenverächter32: noA.A.a mwv xai noUa rpaywv xai noUa xax' dnwv avfJgwnov~ xelflat TLflOX(!ewv 'P6ow~
(Vieles gegessen und vieles getrunken und viel gelästert hab ich und liege nun hier, Rhodier Timokreon)
Eine geradezu idealtypische Demonstration der beiden Komponenten von Wunsch (oder Empfehlung) und Lebenssumme bieten die 5 Tafeln, die im Senat am Tage nach dem Tod des Augustus als dessen letzte Mitteilung verlesen wurden33. Auf der ersten stand das, was man auch heute im allgemeinen von einem Testament erwartet- die Verteilung, bzw. Zuteilung des Nachlasses. Auf der zweiten hatte Augustus Anordnungen für sein Begräbnis erteilt, auf der dritten - dem Monurnenturn Ancyranum - eine Darstellung seiner Taten, der vierten einen "Kassenbericht" und auf der fünften Anweisungen an seinen Nachfolger Tiberius und das Volk, wie in politischen Dingen verfahren werden sollte. Alle 5 Tafeln zusammen kann man mit gutem Recht als Augustus' letzten Willen bezeichnen. Zwar sind uns keine anderen derart vollständig verfassten letzten Willen aus der Antike überliefert -der Gallier etwa, dessen Testament in Teilen erhalten ist34 , sorgt sich einseitig intensiv um die Vervollständigung der zu seinem Gedenken zu errichtenden cella -, doch ist angesichts der Üblichkeit der Testamente dieser Kontext immer mitzuberlenken - etwa bei der juristischen Auslegung von Testamenten. Deren Klauseln sind nicht nur rechtstechnisch als Verfügungen, sondern auch als Ausdruck des jeweiligen letzten Willens zu verstehen. auf Unsterblichkeitsmale unstatthaft ist. Die in Abschnitt 1. dieses Kap. beschriebene Einzigartigkeit des römischen Testamentes wird sich ab der römischen Epoche Griechenlands auch dort zunehmend mit der Ausdehnung römischer überschichts-Gebräuehe und des römischen Rechts verbreitet haben. 31 IX. 401 e. 32 X. 415f. Weitere Beispiele etwa X. 434 d (Dareios); XI. 465 d (Pytheas von Phigaleia); XII. 529 e- 530 c (Saradanopal); XIV. 627 d (Aischylos). Cf. überdies etwa Properz, Eleg. 11.13a (nach LCL); Pfannmüller, Tod, Jenseits und Unsterblichkeit, 1953, S. 259, überschreibt dieses Gedicht: Mein letzter Wille. 33 Cf. Cass. Dio LVI.30.5- 33.5. Zu diesen Tafeln etwa H. Schmitt in: Heinen u. a. (Hg.), Althistorische Studien, Bengston zum 70. Geburtstag dargebracht, 1983, S. 179ff. 34 FIRA III, Nr. 49. S. auch oben Kap. II 2 e. 4 Paulus
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III. Testamente
Sieht man daher, eingedenk der in der Einleitung beschriebenen Wechselwirkung, im Testament das Fortwirken der Erblasserpersönlichkeit, gewinnen die vom Recht statuierten Beschränkungen eine allgemeinere, gesellschaftliche Bedeutung. Das (legitime) Bestreben des Individuums, sich selbst mit Hilfe seines letzten Willens ein Monument zu errichten, wird auf ein als allgemein akzeptabel anerkanntes Maß zurechtgestutzt. Vor diesem Hintergrund ist es daher gerechtfertigt, beispielsweise in der Entstehung der querela inofficiosi testamenti35 mehr als nur die "Geburt" eines neuen Rechtsinstituts zu sehen36: Sie offenbart eine Umstrukturierung familiären Denkens in wenigstens zweifacher Hinsicht: Erstens wird die Freiheit des testierenden paterfamilias dadurch eingeschränkt, daß sein Einflußbereich in die zukünftige, postmortale Zeit durch willkürliche Vermögenszuteilung beschnitten wird37. Und zweitens signalisiert die Zulassung der querela einen parallel zur "Entmachtung" des paterfamilias entstehenden "Machtzuwachs" der Abkömmlinge. Wenn z. B . Terenz im Heautotimoroumenos den Vater Chremes folgenden Satz zu seinem Sohn sagen läßt3B: ubi, quoi decuit prima, tibi non licuit per te mihi dare, abii ad proxumum tibi qui erat,
steckt dahinter eine zu der Zeit gewiß sehr effiziente und beliebte39 Drohung, den Sohn zu enterben. Daube sieht darin sogar eine der Wurzeln des römischen Konservativismus, weil der jeweils Älteste (und damit wohl häufig konservativste) die Richtlinien des familiären Handeins und Verhaltens aufstellte40 und deren Einhaltung mittels eines Winkes auf das Testament (oder durch Entziehung schon zu Lebzeiten) wirkungsvoll verwirklichen konnte41. Dieses Thema - das Drohen mit der Enterbung - greift Seneca in seiner Schrift de clementia auf, wenn er über gute Erziehung der Kinder durch die Eltern schreibt42: 35 Vgl. hierzu nur F. Eisele, SZ 15, 1894, S. 256ff.; Renier, Etude sur l'histoire de Ia querela inofficiosi en droit romain, 1942; Di Lella, Querela inofficiosi testamenti, 1972. Eine tiefe (ökonomische) Begründung für die Entstehung der querela beiM. Weber, Rechtssoziologie, Neuwied 1960, S. 131f. 36 Zu ihrer Üblichkeit D 5.2.1, Ulp. 8 ad ed. 37 Hierzu Johnston, SZ 102, 198 S. 220ff., über die perpetuities im römischen Recht. Die im Text angedeutete Konsequenz wird m.E. von Garnsey I Salier, The Roman Empire, 1987, S. 137 unterbewertet. S. auch S. 141ff. 38 z. 965. 39 Vgl. etwa Wurm, Apokeryxis, Abdicatio und Exheredatio, 1972, S. 26ff. 40 Überaus aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang eine Grabinschrift für einen Sohn, von dessen Vortrefflichkeit u.a. mitgeteilt wird: eximiam prolern testatus mente paterna (zit. nach Häusle, S. 69f.) . Das Handeln ganz im Sinne des Vaters ist das Ideal! 41 Aspects, S. 85. Differenzierender demgegenüber Salier, FS Christ, 1988, S. 405ff. Zum Vaterbild der Römer allgemein Wlosok, Vater und Vatervorstellungen in der römischen Kultur, in: H. Teilenbach (Hg.), Das Vaterbild im Abendland I, Stuttgart 1978, S. 18ff., insbes. 23ff. 42 1.14.1.
2. Der letzte Wille
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Numquid aliquid sanus filium a prima offensa exheredat? nisi magnae et multae iniuriae patientiam evicerunt, nisi plus est, quod timet, quam quod damnat, non accedit ad decretorium stilum; multa ante temptat, quibus indolem et peiore iam loco positam revocet; simul deploratum est, ultima experitur. Nemo ad supplicia exigenda pervenit, nisi quia remedia consumpsit.
Auch hier ein Hinweis auf die sanktionierende Enterbung, die sicherlich auch noch zu Senecas Zeiten ein probates Erziehungsmittel gewesen ist. Doch liegt zwischen den Entstehungszeiten beider Zitate die "Geburt" und Weiterentwicklung der querela, die - grob gesprochen - eine grundlose testamentarische Übergehung enger Anverwandter, insbesondere der Kinder, mit der Nichtigkeit des Testamentes und daraufhin einsetzender "gesetzlicher" Erbfolge sanktionierte. Mag auch Intention, Rezipientenkreis und Literaturgattung des "Heautotimoroumenos" und der "de clementia" völlig unterschiedlich sein, so hat trotz allem die Äußerung Senecas: nemo ad supplicia exigenda pervenit . .. einen ganz handfesten juristischen Hintergrund, den zu erwähnen er anläßtich seiner Themenstellung wahrscheinlich wohlweislich und verständlicherweise unterläßt: Er schrieb "de clementia" für Nero, um ihm das Ideal eines Herrschers vor Augen zu führen. Die zitierte Stelle ist nichts weiter als ein Vergleich für das unmittelbar anschließend empfohlene Verhalten eines gütigen Princeps43. Es mag daher sein, daß die Nichterwähnung der gestärkten Rechtsposition des filius, die eine machtherrliche Ignorierung seiner Ansprüche anprangert, ein subtil-dezenter Hinweis Senecas für Nero ist, daß zwischen Regierten und Regierendem eine auf gegenseitiger Rücksichtnahme basierende Interaktion erforderlich ist; und daß jene insofern eine Stärkung ihrer Position erfahren, als sie es in der Hand haben, nach dem Ableben des Princeps durch ihr Urteil dessen Ansehen oder Unsterblichkeitswunsch im Positiven wie im Negativen zu beeinflussen. Das wäre die Parallele zur querela; sie ermöglicht dem Geschützten, der angedrohten Enterbung entgegenzuhalten, daß sie das Testament zu Fall bringen werden. Die gesellschaftliche Akzeptanz individueller Bedürfnisse, hier: die in Rom anerkannte Möglichkeit, sich in Gestalt des Testamentes ein höchst individuelles Monument zu errichten, legt die Vermutung nahe, daß beide Seiten einen Nutzen haben. Für die Gesellschaft könnte er (unter anderem) darin bestanden haben, daß eine ständige Umverteilung des der Oberschicht insgesamt zur Verfügung stehenden Gesamtvermögens gewährleistet war. Auf diesen Aspekt wird zurückzukommen sein (Abschnitt 4), doch sei schon hier so viel vorab gesagt: Das typische römische Testament eines Angehörigen der "upper ten" zeichnet sich durch eine Unzahl von Vermächtnissen44 an 1.14.2. Dazu Wurm, S. 51f. Aus den juristischen Quellen mag als Beleg etwa D 30.14 pr., Ulp. 15 ad Sab. , dienen. In dem dort behandelten Testament rechnet der Testator mit der Möglichkeit, den Überblick über die Bedachten zu verlieren und statuiert deswegen: si cui legavero bis, semel heres ei dato. In D 30.16.1, Pomp. 5 ad Sab., verpflichtet der Testator gar jeman43
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III. Testamente
Verwandte, Freigelassene, Freunde und Standesgenossen aus. Im Falle des (noch? 45) sogenannten testamenturn Dasumii46 wissen wir von mehr als 120 Legaten. Man wird wohl - gerade angesichts der schon mehrfach erwähnten Plinius-Sentenz - annehmen dürfen, daß diese Besonderheit Einfluß auf die Beurteilung des Testator-Charakters in der Nachwelt hat. Bezieht man überdies die Sorgfalt bei der Errichtung des Testaments auf das Bestreben des Individuums, "ein Stück" Unsterblichkeit zu erlangen, und versteht man letzteres als das Bedürfnis, in der Erinnerung der Nachwelt zu verbleiben, so erkennt man, daß sich Gemeinnutz und Eigennutz ideal ergänzen. Denn die Erinnerung ist umso eher gewährleistet, als dafür eine materielle Gegenleistung (Vermächtnisse, etc.) erbracht wird. Auf diese Weise wirkt die Sitte, Vermächtnisse an Standesgenossen auszusetzen, der Gefahr entgegen, daß sich durch Anhäufung von Nachlässen im Laufe der Generationen familiäre Riesenvermögen ansammeln. Da vielmehr jedes Mitglied der Oberschicht Empfänger wie Geber ist, wirkt das Testieren der Römer als Umverteilungsmechanismus. Unter diesem Aspekt kommt dem Erbverhalten in der römischen Gesellschaft47 eine Funktion zu, die derjenigen des Wirtschaftslebens in der heutigen europäischen entspricht. Damit stimmt überein, daß in Rom große Vermögen ererbt und nicht durch Arbeit erworben wurden. Das ist zumindest die Regel48, die durch Ausnahmen teilweise märchenhaft reich gewordener Sklaven49 oder Freigelassenerso bestätigt wird. Auch der Reichtum einiger captatores51 wie insgesamt deren (Un-)wesen zeigt gerade durch die Verzerrung der Regel, daß der Zugang zu Reichtum am ehesten über das Erbrecht zu erreichen war. Daß jemand durch eigene Arbeit, z. B. Handel, reich wurde, ist demgegenüber selten.
den (versehentlich?), den er gar nicht zum Erben gemacht hat; in D 28.5.54, Mare. sing. resp., hat der Erblasser den Überblick über die Erben tatsächlich verloren. 45 Eck, ZPE 30, 1978, S. 277ff.; Syme, Chiron 15, 1985, S. 41ff.; Champlin, ZPE 62, 1986, s. 247ft. 46 FIRA III, Nr. 48. 47 Urbs Roma (zum Begriff Marcellus D 50.16.87) bildete wohl das- nachzuahmende - Modell. Für Larinum vgl. Moreau, RHD 64, 1986, S. 169ff. S. auch Miliar, The Emperor in the Roman World, 1977, S. 158. 48 Vgl. Finley, Economic History Review, 1965, S. 29ff. 49 Insbesondere Eunuchen, vgl. Guyot, Eunuchen als Sklaven und Freigelassene, 1980, S. 125; dazu meine Rez. in SZ 100, 1983, S. 711ff. 50 Z. B. Narcissus, zu ihm Cass. Dio LX.34.4, Callistus oder Pallas, Freigelassene des Claudius; zu letzterem Plin. ep. 8.6.1ff. Bescheidener, aber immer noch sehr reich etwa der Arzt Publius Decimus Eros Merula, ILS 7812. Vgl. zusammenfassend etwa Boulvert, Esclaves et affranchis imperiaux sous Je Haut-Empire romain, Aix-en-Provence 1964; Weaver, Familia Caesaris. A social study of the Emperor's Freedmen and Slaves, Cambridge 1972. S. auch Bund, FS Wieacker, Göttingen 1978, S. 54 FN 32. 51 Cf. bei Horaz serm. 11.5, sowie unten bei 3 c.
3. Erblassermotive
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3. Erblassermotive
Die Einsicht, daß das Testament die Verkörperung eines letzten Willens im vorbeschriebenen Sinne ist, führt zu der Feststellung, daß es ein höchst individuelles Monument ist und als solches einen die bloße Urkunde transzendierenden Sinngehalt aufweist. Er ergibt sich aus dem Testament als Ganzem. Doch braucht man bei dieser Einsicht nicht stehenzubleiben, sondern kann noch weiter fragen, ob nicht auch hinter den einzelnen Verfügungen ein transzendierender Sinn steckt und worin er zum Ausdruck kommt. Denn in vielen Fällen werden sich die Testamente darauf beschränkt haben, entsprechende Verfügungen aufzulisten, ohne eine Lebenssumme zu ziehen; das führte aber nicht dazu, daß sie deswegen von der "Charakter-Prüfung" ausgeschlossen worden wären. Damit ist die Frage nach dem "ob" bereits bejaht: Ein Testament wurde nicht auf der Grundlage seines Verteilungseffektes der Prüfung unterzogen, sondern nach Maßgabe seiner hinter den einzelnen Bedenkungen stehenden Gesinnung. So wie in der heutigen Zeit der negativ gefärbte Begriff "Geliebten-Testament" den Testator in ein trübes Licht rückt, war auch in Rom die jeweilige Bedenkung Ausdruck eines52 oder mehrerer Motive. Auch die Frage nach dem "worin" ist somit beantwortet. Man kann also - in der gebotenen Behutsamkeit - als ein Grundmotiv für die Errichtung eines Testamentes die Selbstdarstellung sehen; doch ist die Besonderheit dieses Motivs seine Interdependenz mit den speziellen Motiven, die den einzelnen Verfügungen zugrunde liegen. Dadurch wird das Testament zu einem Spiegel der Persönlichkeit, weil es den Erblasser in seiner Selbsteinschätzung und seiner Bezogenheit auf seine Umwelt reflektiert. Als herausragendes53 Beispiel für diese Wechselbezüglichkeit mag ein Briefwechsel zwischen Plinius und Trajan dienens4, der den Zusammenhang von egoistischem und altruistischem Motiv eindringlich beleuchtet und - vor allem - zu erkennen gibt, daß die Zusammenhänge zwar nicht genannt, aber doch sehr wohl erkannt wurden (75): 52 Cf. damit Quint. inst. or. V.l0.74: Quem quis heredem suum esse voluit, carum habuit, habet, habebit. 53 Weitere Beispiele sind etwa die vielen, dem Princeps vermachten Sklaven, deren Namen im kaiserlichen Haushalt Aufschluß über ihre Herkunft gibt, z. B. die vielen Maecenatiani des Augustus und der Livia nach 8 v.Chr., dem Todesjahr Maecenas. Nachweise bei Hülsen, Sopra i nomi doppi di servi e liberti della casa imperiale, Röm. Mitt. d. archeol. Instituts 3, 1888, S. 222ff., sowie Hirschfeld, Kleine Schriften, 1913, s. 517ff. 54 Ep. 10.75, 76. Ähnlich mag es sich bei dem Testator verhalten haben, derTiberius' Sklaven Parthenius in der Meinung, er sei ein Freier, als Erben bedacht hat , cf. I 2.15.4; D 28.5.41f.; dazu Wieling, Testamentsauslegung, S. 138ff.; Bund, S. 55. Vgl. auch C 6.24.3 (a. 223) . Sehr eng kann die Beziehung des Erblassers zu Parthenius nicht gewesen sein, wenn er dessen Status nicht kannte.
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III. Testamente
Iulius, domine, Largus ex Ponto nondum mihi visus ac ne auditus quidem (scilicet iudicio tuo credit) dispensationem quandam mihi erga te pietatis suae ministeriumque mandavit. rogavit enim testamento, ut hereditatem suam adirem cerneremque ac deinde praeceptis quinquaginta milibus nummum reliquum omne Heracleotarum et Tianorum civitatibus redderem, ita ut esset arbitrii mei, utrum opera facienda, quae honori tuo consecrarentur, putarem an instituendos quinquennales agonas, qui Traiani appelarentur. Quod in notitiam tuam perferendum existimavi ob hoc maxime, ut dispiceres, quid eligere debeam.
Trajan erwiedert daraufhin folgendermaßen (76): lulius Largus fidem tuam, quasi te bene nosset, elegit. quid ergo potissimum ad perpetuitatem memoriae eius faciat, secundum cuiusque loci condicionem ipse dispice et, quod optimum existimaveris, id sequere.
Der offensichtlich begüterte lulius Largus aus Pontus verfaßte ein Testament, in dem er Plinius zum Alleinerben einsetzte. Da sich beide nicht kannten, muß Largus den Plinius in seiner Eigenschaft als Beauftragter und Vertrauter des Princeps bedacht habenss; denn er sollte entscheiden, wie der Nachlaß am besten zu Trajans Ehren verwendet werden könne: entweder, um öffentliche Bauten zu errichten und dem Princeps zu weihen, oder um alle fünf Jahre Trajansspiele zu veranstalten. Plinius gibt diesen Auftrag weiter und erhält als Antwort von Trajan Entscheidungsdirektiven. Dabei ist in dem Antwortbrief das Wörtchen eius entscheidend. Denn Trajan nimmt die Ehrung entgegen und trägt Plinius auf, nach seinem ( = Plinius') Ermessen Ort und Art der Ehrenbezeugung auszuwählen- allerdings mit der Maßgabe, daß die Entscheidung dem Gedenken des Testators am förderlichsten ist. Von diesem Wunsch des Largus war in dem Plinius-Brief nicht die Rede; gleichwohl erkennt ihn der Princeps an. a) Kindesliebe, -versorgung
Unter den speziellen Motiven der testamentarischen Bedenkung kommt der Kindesversorgung (oder verklärter: der Kindesliebe, die gewissermaßen das Korrelat der dem paterfamilias gegenüber geschuldeten pietas 56 ist) die vorrangige Bedeutung zu. Wie sehr sie institutionalisiert ist, ergibt sich aus dem Intestat-Erbrecht, in dem die sui als heredes necessarii als die vorrangigen Cf. SylJl, 1077; dazu Miliar (FN 47), S. 449. Aus D 3.2.25, Pap. 2 quaest. und Fr. Vat. 321 etwa ergibt sich, daß diese Verpflichtung frei von materiellen Erwägungen sein soll, s. auch D 37.15.9, Ulp. 66 ad ed. In D 5.2.15 pr., Pap. 14 quaest. zur Wechselbezüglichkeit der einander geschuldeten pietas. Dazu ausführlich Salier, FS Christ, 1988, S. 395, 399ff. (aufS. 401 zu D 5.2.15 pr.). Zur Eigenständigkeit römischer Söhne auch Lacey, Patria Potestas, in: Rawson (Hg.), The Family in Ancient Rome, 1986, S. 127. D 7.1.46 pr. , Paul. 9 ad Plaut. gibt ein anschauliches Beispiel dafür, wie rechtliche Stringenz hinter Kindespietät zurückzutreten hat. Zum Verhältnis von rechtlicher Konsequenz und jeweiliger Fallentscheidung bei den römischen Juristen Horak, FS Kaser, 1976, S. 19ff. 55
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3. Erblassermotive
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Erben fungieren57 . Aber auch in dem der Willkür im Rahmen der querela inofficiosi testamenti freigehaltenen Bereich des Testierens bestand die moralische Pflicht58 - zumindest galt sie als gesellschaftliches Ideal -, die eigenen Kinder als Erben einzusetzen59. Mag dies bis in die Spätzeit der Republik auch damit zusammenhängen, daß ein familieninterner Erbe zur Fortsetzung des häuslichen Larenkultes benötigt wurde60; seit dem Ende der Republik war dies jedoch kein allgemein anerkannter Grund mehr61 • Und doch, unbeschadet des Fortfalls solch religiös-funktionaler Notwendigkeiten, forderten Elternliebe und öffentliche Meinung die Erbeinsetzung der Kinder62. Belege für diese Testiersitte oder -pflicht Ue nach persönlicher Zuneigung des Testators zu seinen Kindern) gibt es in großer Anzahl63; zur Veranschaulichung sollen einige vorgeführt werden. Chremes' resignativ-provokante Bemerkung seinem Sohn Klitipho gegenüber wurde bereits aus Terenz' Heautotimoroumenos zitiert (oben bei FN 38); sie impliziert als den normalen Vorgang die Erbeinsetzung des Sohnes. Bei Plautus findet sich Ähnliches: Im Prolog des Menaechmus gibt er einen denkbar knappen Überblick über den Lebenslauf des Epidamnus seit dessen Entführung bis hin zum Handlungszeitpunkt64: 57 Die Eigenschaft der sui, necessarii heredes zu sein, d. h. also, für den Erbschaftserwerb keine Antrittshandlung vornehmen zumüssen, bezieht sich sowohl auf Intestatwie auch testamentarische Nachfolge , cf. Gai 2.157. Zum ganzen Fragenkreis Corbier, Index 13, 1985, S. 501ff. 58 Wie sehr gesellschaftliche Übereinkünfte Pflichtcharakter aufweisen können, erkennt z. B. auch Seneca, der in de ben. V.21.1 schreibt: Multa Iegern non habent nec actionem, ad quae vitae humanae omni lege valentior dat aditum. S. auch Honsell, FS Coing, 1982, S. 135ff., sowie Heinze, Fides, in: Hermes 64, 1929, S. 140ff., und M. Weber, Die Wirtschaft und die gesellschaftlichen Ordnungen, in: Rechtssoziologie, Neuwied 1960, S. 70ff. Diesseihe Idee liegt auch der weiter unten eingehender zu erörternden Argumentation zugrunde, man solle kein die Undankbarkeit bestrafendes Gesetz erlassen. In de ben. III.16.1 schreibt Seneca, durch Prozesse würden die Untaten bekannt und würden so das Gewissen der jeweiligen Täter entlasten, weil sie erkennen würden, daß sie nicht die einzigen Missetäter seien. D.h.also, daß moralische Pflichten effektiver als Gesetze sind. 59 Vgl. etwa Boyer, RHDE 43, 1965, S. 355ff. Für dieses Ideal konnten im Einzelfall freilich auch ganz pragmatische Gründe sprechen - z. B. politische oder Fragen des Familienstatus, etc. Übrigens spricht die Entscheidung Ulpians in D 35.1.12, 24 ad Sab., für die Annahme, daß eine gleichmäßige Bedenkung von Söhnen wünschenswert war. S. auch D 33.1.21.5, Scaev. 22 dig. 60 M. Scaevola bei Cic. de leg. II.19- 21. Dazu Costa, Cicerone Giureconsulto, Bologna, S. 241 ff. 61 Vgl. oben Kap. 2 li e. 62 Kennzeichnend etwa D 38.2.47 pr., Paul. 10 resp.: Der Regelfall einer Enterbung ist notae gratia. Vgl. damit Publilius Syrus: Magis fidus heres nascitur quam scribitur, ed. H . Beckby, 1969, S. 38. Zur "Naturgesetzlichkeit" der Kindemachfolge cf. D 38.6.7.1, Pap. 29 quaest., sowie D 48.20.7 pr., Paul. lib. sing. de port . . . 63 S. zusätzlich Woeß, Erbrecht, S. 65ff.; Wieacker, FS Siber, Leipzig 1941, S. 44; Wieling, Testamentsauslegung, S. 99ff., 119 mwN. Cf. Gai 2.123; PS 4.1.11. Zu Cicero Costa, S. 213f.
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III. Testamente
Epidamniensis ill' quem dudum dixeram, geminum illum puerum qui surrupuit a/terum, ei liberorum nisi divitiae nihil erat: adoptat illum puerum surrupticium sibi filium eique uxorem dotatam dedit, eumque heredem fecit quom ipse obiit diem.
Bis auf den Raub (und die für den weiteren Verlauf wichtige Eigenschaft, Zwillingsbruder zu sein) ein ganz normaler Ablauf. Es wird als zwangsläufig dargestellt, daß Menaechmus als Sohn der Erbe seines Vaters wird - auch wenn dieser testamentarisch verfügt, heredem fecit. Mögen Terenz und Plautus auch in einer Zeit noch fester religiöser Bindungen geschrieben haben, so ist die Zeit Ciceros (wenigstens) die des Umbruchs65 der überkommenen Religionsvorstellungen. In "de officiis" 1.44 schreibt er über die bei Wohltaten zu beachtende Rücksichtnahme: ne benignitas maior esset, quam facu/tates, quod, qui benigniores volunt esse, quam res patitur, primum in eo peccant, quod iniuriosi sunt in proximos; quas enim copias his et suppeditari aequius est et relinqui, eas transferunt ad alienos66.
Wen Cicero mit den proximi alles erlaßt haben will, ist von nachrangiger Bedeutung gegenüber der Feststellung, daß die Kinder in jedem Fall dazugehören. Deren Erbeinsetzung (bzw. Enterbung) kehrt vor Gericht als Beweis oder Gegenbeweis für Kindesliebe oder Entzweiung immer wieder. Z . B. in 64 Men., Z. 57ff. S. allerdings Lenel, Essays in Legal History, 1913, S. 139, der die Erbeinsetzung als notwendige Folge der Adoption ansieht. 65 Cf. Cic. de leg. 11.19.48. 66 S. auch 42. Diese Aussage muß unbeschadet einer möglichen Vorlage in Panaitios (dazu etwa Holden, M. Tulli Ciceronis de officiis, Amsterdam 1966, S. XXVI f.) ein höchst aktuelles Problem betroffen haben. Sie wurde im Jahre 44 verfaßt und gehört in Ciceros Hauptwerk über die Ethik. Ihre Quintessenz: "Beraube deine Kinder nicht der ihnen zustehenden Erbschaft" korrespondiert in auffälliger Weise mit dem Regelungsgehalt der nur 4 Jahre später erlassenen Iex Falcidia, die zwar die Erben allgemein, der Testiersitte nach jedoch typischerweise die Kinder schützte. Der Apell an die Ethik genügte offenbar nicht mehr. Diese Iex mag zusätzlich einem Zweck gedient haben, den Daube, Aspects, S. 117ff. als ,Protection of the Non-Tipper' bezeichnet. D.h.: Die Motivation mag nicht nur in der Schutzbedürftigkeit der Erben zu suchen sein, die zu einer reinen Zahlstelle ohne Eigeneinnahmen degradiert worden waren, sondern auch in der Schutzbedürftigkeit der Testatoren. Denn wenn deren Freundschaftspflichten forderten, den ganzen Nachlaß durch Legate aufzubrauchen, so wird das diejenigen verdrossen haben, die ihren Erben, d. h. also hauptsächlich: ihren Kindern, etwas hinterlassen wollten. Die falcidische Quart erscheint da als einleuchtender Kompromiß zwischen Erblasser-, Erbenund Gesellschaftsinteresse. Überdies mag die Sorge (mit-)motivierend gewesen sein, den Bestand der Oberschichtsfamilien durch finanzielle Garantien zu gewährleisten. Denn in den vergangeneo Jahren hatte man die Proskriptionen des Triumvirats erlebt, und etwa in dieser Zeit handelte sich Octavian in Perugia (41 - 40; cf. Appian, bell. civ. V.32ff.) den Beinamen "Schlächter" ein. Die Zeit war also unsicher, und Roms Elite hatte allen Grund, die Mechanismen eines Selbsterhaltungstriebes in Bewegung zu setzen.
3. Erblassermotive
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pro Caecina 11: rnoritur Fulcinius . .. testarnento facit heredern quern habebat e Caesennia filiurn, oder in pro Sext. Rose. Ameriae 53: ... quo certius argurnenturn odi reperiri nullo potest: exheredare pater filiurn cogitabat, oder in pro Cluent. Hab. 13567: .. . quod elogiurn recitasti de testarnento Cn. Egnati patris, horninis honestissirni videlicet et sapientissirni, idcirco se exheredasse filiurn quod is ob Oppianici condernnationern pecuniarn accepisset. .. hoc testamenturn ipsurn quod recitas eius rnodi est ut ille, curn eurn filiurn exheredaret quern oderat, ei filio coheredes hornines alienissirnos adiungeret quern diligebat.
Horaz verspottet einen Greis, der sich aus lauter Habsucht auch im Alter nichts gönnt. Bewache er seine Güter, damit sein Sohn als Erbe schließlich alles versaufe?: filius aut etiarn haec libertus ut ebibat heres dis inirnice senex, custodis?68
Des weiteren zählt die ebenfalls bereits zitierte Passage aus Senecas "de clementia" hierher, in der er zur Beschreibung der einem gütigen Herrscher zukommenden Pflichten (officia) den Vergleich mit dem Familienbereich heranzieht und dadurch Zeugnis für die aktuelle Gültigkeit des Verglichenen ablegt (1.14.1ff.). Angesichts des Adressaten Nero würde jeder unstimmige Vergleich sein (pädagogisches) Ziel verfehlen; Seneca wird nämlich schwerlich die gefährlichen Neigungen seines Zöglings nicht gekannt haben; im Februar 55 hatte dieser seinen Bruder umgebracht. Geschrieben wurde de clementia im Jahre 55 oder 5669. Einleitend schreibt Seneca: quod ergo officiurn eius (= principis) est? Quod bonorurn parentiurn, qui obiurgare Iiberos non nurnquarn blande, non nurnquarn rninaciter solent, aliquando adrnonere etiarn verberibus. Nurnquarn aliquis sanus filiurn a prima offensa exheredat?
Das Kind ist selbstverständlich der primär in Frage kommende Erbe - selbst dann, wenn die exheredatio nicht immer und von allen als ultirnurn suppliciurn angesehen wurde7o. Plinius stellt in seiner allzeit dokumentierten Beflissenheit, das römische Gesellschafts- und Lebensideal zu verkörpern, ebenfalls einen tauglichen Zeugen für die Pflicht dar, die Kinder als Erben einzusetzen. In den Briefen 2.4; 6.33; 7.24 und 8.18 behandelt er, zumindest implizit, diesen Fragenkreis; im erstgenannten Brief übrigens unter gleichsam umgekehrten Vorzeichen. Dort beschreibt Plinius, wie er Calvina den Weg geebnet habe, damit sie trotz 67 S. auch 32. Zu den Erbvorgängen dieses Falles vgl. Moreau, RHD 64, 1986, S. 169ff.; sie bestätigen die hier untersuchte Testiersitte für das Umland Roms. S. ferner etwa Cic. de off. III.18.74; pro Quinct. 4.14; die causa Curiana (Cic. de orat. 1.39.180; Il.6.24; Il.33.141; de inv. Il.42.122; Top. X.44); de nat. deor. III.70,76. 68 Serm. 11.3, 122f. 69 Schanz I Hosius, Röm. Literaturgeschichte II, S. 695 . 10 De eiern. 1.14.2.
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III. Testamente
widriger Umstände (überschuldeter Nachlaß) die Erbschaft ihres Vaters habe antreten können. Plutarch gebietet- ganz allgemein- Brüdern, sich nach dem Tode des Vaters bei der Erbschaftsteilung nicht zu entzweien71. Eine vorsichtige Einschränkung etwa dergestalt, daß der Vater sie überhaupt zu Erben eingesetzt habe, fügt Plutarch nicht an. Diese willkürliche Auswahlläßt sich mit Hilfe der Historikerschriften beliebig aufstocken, sei es mit Suetonn , Tacitus73 oder der Historia Augusta74. Hinzuzurechnen sind die Berichte, in denen ein Princeps dafür gelobt wird, daß er Erbschaften nicht annahm, bzw. zurückerstattete7S, wenn noch Kinder des Erblassers lebten. Die letzgenannten Belege zeigen zusätzlich - wegen des lobenden Charakters -, daß der jeweilige Autor die Testiersitte (oder das gesellschaftliche Ideal) den Kindern gegenüber ebenfalls noch akzeptierte. Auf diese Weise dokumentieren die wenigen hier zusammengetragenen Quellenbelege die Konstanz des genannten Motivs für einen Zeitraum von fast 400 Jahren76. Eine weitere Beobachtung bestätigt unsere Überlegungen zumindest für die klassische Zeit: nämlich die Etymologie und Bedeutung des Wortes patrimonium, d. h. das vom Vater ererbte Gut, bzw. das Vermögen schlechthin77. Diese Gleichstellung impliziert ein gefestigtes Verständnis dafür, welchen Weg ein Vermögen nach Ableben seines Trägers zu gehen habe. b) Dankbarkeit
Ein weiteres Motiv von herausragender Bedeutung ist die Dankbarkeit (gratia), die in den Bedenkungen zum Ausdruck kommt. Dabei beschränkt sich die Verpflichtung zur Dankbarkeit nicht auf einen eng begrenzten Personenkreis, etwa die Familie oder nahestehende Freunde, sondern sie erstreckt sich insbesondere auf Standesgenossen in teilweise weitem Umfang7B. Dies Moralia, Peri Philadelphias 483 D . n Etwa Aug. 17.1; Tib. 76; Ca!. 38.2; Nero 6.3; Vitell. 6. 73 Etwa Agric. 43.4; Ann. 12.69; 13.43. 74 Etwa Ant. Pius 12.8; Pertinax 9.7. 75 Augustus: Suet. Aug. 66.4; Cass. Dio LVI.32.3 ; Tiberius: Cass. Dio LVII.17.8 (vgl. damit LVIII.l6.2); Claudius: Cass. Dio LX.6.3; Domitian: Suet. Dom. 9.2.; Hadrian: SHA 18.5; Antoninus Pius: SHA 8.5; Mare Aurel : SHA 7.1; Pertinax: SHA 7.3. 76 Vgl. etwa auch das Testament eines reichen Römers, in Pap. Oxy. XXVII.2474. 77 Vgl. nur Heumann I Seckel s. v. "patrimonium". Zur Bedeutungsentwicklung dieses Wortes etwa Kränzlein, RE Suppl. X, s. v., Sp. 493f. 78 Vgl. Bürge, Vertrag und personale Abhängigkeiten, SZ 97, 1980, S. 14lff. Einen besonders eindringlichen Fall von testamentarischer Bedenkung als Ausdruck von Dankbarkeit schildert Seneca in de eiern. !.9.1 -12: Augustus überführt Lucius Cinna der Beteiligung an einem Attentatsversuch, verschont ihn dennoch und wird deshalb von ihm als Alleinerbe eingesetzt. 71
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sieht man am klarsten an den Testamentsannullierungen durch Caligula und Nero, die als Begründung anführten, die - ihnen nicht etwa besonders nahestehenden - Erblasser hätten nicht die geschuldete Dankbarkeit in ihren Testamenten zum Ausdruck gebracht. Um diese Argumentation verstehen zu können, müssen wir ein wenig ausgreifen. Seneca hatte Freunde zu Besuch, als der auf Veranlassung von Nero ausgesandte Centurio den Todesbefehl überbrachte79. Er verwehrte dem Philosophen, Versäumtes nachzuholen und seine Freunde testamentarisch zu bedenken; möglicherweise, weil der Centurio befürchtete, Seneca werde sein Testament zu Lasten des Princeps ändernso. Daraufhin wendet sich Seneca an seine Besucher und drückt sein Bedauern aus, daß er daran gehindert werde, den ihnen geschuldeten Dank(!) abzustatten. Seneca findet einen Ausweg: (ac denegante centurione conversus ad amicos, quando meritis eorum referre gratiam prohibetur), quod unum iam et pulcherrimum habeat, imaginem vitae suae relinquere testatur, cuius si memores essent, bonarum artium famam tam constantis amicitiae laturos81.
Diese Szenes2 gewährt einen bedeutsamen Einblick in die Verhaltensschemata der römischen Gesellschaft und den Stellenwert, den die Dankbarkeit dabei einnahm. Sie war einer derjenigen Fäden, aus denen das Beziehungsgeflecht gewoben war, das die Oberschicht der römischen Gesellschaft vereinte und verband. Wörter wie gratia, gratiosus oder gratuserscheinen immer wieder, wenn in der lateinischen Literatur über Personenbeziehungen geschrieben wird - eine flüchtige Durchsicht allein der Empfehlungsschreiben Ciceros im 13. Buch seiner epistulae ad familiares bestätigt das83. Obwohl häufig erwähnt, ist die Dankbarkeit nur selten thematisert worden - etwa von Cicero84 oder Seneca (zu ihm alsbald). Das mag damit zusammenhängen, daß es sich bei ihr um eine Selbstverständlichkeit gehandelt hat, die dem internen Betrachter nur schwer als tragendes, gesellschaftliches Strukturprinzip aufgefallen ist85. In
79 Tac. Ann. 15.62. Das Zusammensein von Freunden zum Zweck letztwilliger Verfügungen bildet den Sachverhalt in D 32.39.1, Scaev. 20 dig. so Cass. Dio LXII.25. Seneca war immerhin einer der Reichsten seiner Zeit; cf. Tac. Ann. 13.42. Wenn man hiermit Senecas "Abschiedsrede" vor Nero (Tac. Ann . 14.53ff.) in Beziehung setzt, in der er die Rückgabe seines von Nero geschenkten Reichtums (unter Lebenden!) vergeblich anbietet, so läßt sich aus dem Testamentsänderungsverhot womöglich die gesellschaftliche oder moralische Pflicht ableiten, daß die Geschenke postmortal zurückzuerstatten waren (auf diesen Zusammenhang hat mich freundlicherweise Prof. Rilinger hingewiesen). 81 Auch hier ist wieder das Wechselspiel zwischen Egoismus und Altruismus, zwischen Nachruhm und fama amicitiae, zu beobachten wie im o. a. Fall des Iulius Largus. 82 Zu ihr s. auch M. Fuhrmann, Seneca, in: Exempla historica, Frankfurt/M. 1971 , S. 43ff., der von ihr ausgehend Senecas Leben und Wirken erfaßt. 83 Zum Thema vgl. Wistrand, Operae Selecta, S. 11 ff. 84 De off., passim, insbes. II.61ff.
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III. Testamente
nahezu jedweder Beziehung wurde Dank geschuldet; in der Beziehung des Menschen zu den Göttern, der Kinder zu den Eltern, des Freigelassenen zum Patron, des Ehemanns zu der jungfräulich in die Ehe eingetretenen Ehefrau86 oder der Freunde untereinander87. Hatte jemand eine gesellschaftliche oder politisch-administrative Position errungen, war er seinen Proteetoren zu Dank verpflichtetss, etc. Dabei beschränkte sich Dankbarkeit im Regelfall nicht nur auf die bloße Gesinnung, gratiam habere; vielmehr ging die allgemeine Erwartungshaltung dahin, daß Dank zurückzuerstatten war, gratiam reddereB9. Es bedurfte eines aktiven Vergeltens- sei es, daß man Proteges des Wohltäters unterstützte90, sei es, daß man den Wohltäter testamentarisch bedachte91. Dankbarkeit führte damit zu einem beständigen Hin und Her von Leistung und Gegenleistung92, von officium (oder beneficium) und gratia; sie erstreckte sich sogar über Generationen hin, weil Freundschaften oder "Relationen" auf die Kinder und Nachkommen übertragen wurden93. Bis auf die Einklagbarkeit hat daher die römische Dankbarkeit viel mit dem juristischen Begriff der Gegenleistung94 gemein - wobei jenes Defizit9S durch die nicht-juristische Sanktion gemildert wurde, daß der ingratus gesellschaftlich gebrandmarkt war96. Diese Sanktion war so effektiv, daß es sich Asinius Pollio leisten konnte, Octavian 85 Zum folgenden Salier, Roman Patronage under the early empire, Cambridge 1982, passim, sowie Gamsey I Salier (FN 37), S. 148ff. Aufschlußreich auch MacMullen, AJP 107, 1986, S. 512ff. 86 Apuleius, Apo!. 92. 87 Cf. etwa Fronto, ep. ad M. Caes. IV.2 = Loeb I, S. 74. ss Plin., ep. 6.11. 89 Cf. Krafft in: RAC s. v. "gratus animus", S. 735. S. auch Shatzman, Senatorlai Wealth and Roman Politics, 1981, S. 136. Cf. Ciceros Definition der Dankbarkeit in de inv. 11.53.161: gratia, in qua amicitiarum et officiorum alterius memoria et remunerandi voluntas continetur. 90 Vgl. Cicero, ep. ad fam. 7.30 und 13.30.30- 39; dazu Salier, Patronage, S. 16, sowie Gamsey I Salier, S. 152ff. Weitere Pflichten bei Bütler, Die geistige Welt des jüngeren Plinius, 1970, S. 97. 91 S. nur Seneca im obigen Fall, oder ders., de ben. IV.22.1; IV.l1.5; Plin., ep. 2.20. 92 Cf. Publilius Syrus: Beneficia plura recipit, qui seit reddere (ed. Beckby, 1969, s. 18). 93 Cf. etwa Plin. ep. 4.17.9; 7.11.3; dazu Bütler, S. 94ff. 94 Cf. D 5.3.25.11, Ulp 15 ad ed.: Consuluit senatus bonae fidei possessoribus, nein totum damno adficiantur, sed in id dumtaxat teneantur, in quo locupletiores facti sunt. quemcumque igitur sumptum fecerint ex hereditate, si quid dilapidaverunt perdiderunt, dum re sua se abuti putant, non praestabunt, nec si donaverint, locupletiores facti videbuntur, quamvis ad remunerandum sibi aliquem naturaliter obligaverunt. plane si antidora acceperunt, dicendum est eatenus locupletiores factos, quatenus acceperunt: velut genus quoddam hoc esset permutationis. 95 Sofern es denn tatsächlich ein solches war; cf. erneut Seneca in de ben. V.21.1. 96 Cf. Seneca, de ben. 111.16.1ff., insbes. 17.1. Publilius Syrus: Beneficium accipere libertatem est vendere (S.18), oder - noch deutlicher: Dixeris maledicta cuncta, cum ingratum hominem dixeris (S.24).
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die Gefolgschaft im Kampf gegen Mark Anton zu verweigern, da illius ( = Antonius) in me beneficia notiora97. Der drohende Makel, ingratus zu sein, verdrängt in diesem, freilich besonders gelagerten Fall den politischen Machtanspruch. Auch Seneca hat sich- wie Cicero- monographisch mit der Dankbarkeit in "de beneficiis" befaßt98. Den ethischen Gehalt und Wert eines beneficium sieht er in der Hingabe als solcher, d.h. losgelöst von der sich aus dem oben erwähnten Hin und Her ergebenden Erwartung einer Gegenleistung. Allerdings verstärkt gerade diese Konzentration des Wertes auf die Person des Gebenden die Pflicht des Empfangenden, gratus zu sein99. Erfüllt er sie nicht, so ist das schändlichiOO; noch verwerflicher wäre es, darüber hinaus auch noch zu vergessen, daß man überhaupt eine Dankespflicht abzutragen hat!Ol. An dieser Stelle erwähnt Seneca die Meinung einiger Leute, (quaeritur), derzufolge man Undankbarkeit bestrafenlü2, also ein Gesetz wider die Undankbarkeit erlassen müsse. Er erörtert ausführlich, ob dies ein gangbarer Weg ist, das angestrebte Ziel zu erreichen. Seine Überlegungen sind aus mehreren Gründen aufschlußreich. Einmal deswegen, weil hier ein antiker Autor demonstriert, wie er den potentiellen legislatorischen Eingriff in seinen Konsequenzen durchzuspielen vermagl03. So prophezeit Seneca, daß die von ihm so genannte actio ingratil04 nicht nur zu einer Entwertung des beneficium führen werde, weil die Gegenleistung der Freiwilligkeit beraubt und infolgedessen einem Darlehn gleichgestellt werdeiOs; darüber hinaus sei es auch unmöglich, das Maß der potentiell einklagbaren Gegenleistung zu bestimmen, weil selbst bei Hingabe zweier gleicher beneficia von zwei verschiedenen Personen je nach deren Gesinnung und Vermögen unterschiedliche Dankespflicht erwachse. Welcher Richter solle, oder besser: könne das beurteilen?- angesichtsdes herkömmlichen Auswahlverfahrens von Richtern; sie werden nach Stand, nicht aber nach Weisheit ausgesucht. Und schließlich, die Richter würden auch noch überrannt werden mit actiones ingratil06. 97 Vell. Pat. II.86.3; allerdings spricht dieser Vorfall auch für Augustus' Größe schon zu dieser Zeit; cf. Nepos, Att. 4.2. Vgl. damit Ciceros Rigorismus am 1. 1. 43 in Phi!. 5.6: Nullae istae excusationes sunt: meus amicus est; sit patriae prius! 98 Dazu jüngst auch Chaumartin, ANRW 36.3, 1989, S. 1712ff. 99 Vg!. damit Seneca, de vita beata 24 oder Cicero, de off. Il.61ff. 100 turpe, III.l.l. to1 III.lff. 102 III.6. IOJ S. auch de eiern. 1.23. Dazu Nörr, Rechtskritik, S. 68. 104 111.6. Zur actio ingrati in den rhetorischen Schriften alsbald im Text. Ebenso zu dem aktuellen Hintergrund der liberti ingrati. 10s Cf. auch Dio Chrys. Peri Basileias III.l23, der in der Freiwilligkeit das für die Tugend entscheidende Kriterium sieht. 106 III.7.4.
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An dieser so praxisbezogen wirkenden Argumentation ist zum zweiten aufschlußreich, daß sie Senecas Bedenken impliziert, ein entsprechendes Gesetz könne tatsächlich erlassen werden. Abwegig ist dies nicht, da Augustus nicht allzulange vor "de beneficiis" auf legislatorischem Wege sozialethische Normen mit seiner Familiengesetzgebung beeinflussen, bzw. korrigieren wollte107. Überdies wäre eine actio ingrati kein geschichtliches Novum gewesen, da es sie laut Seneca zu seiner Zeit in Macedonien gegeben hat lOS. Vor allem ergibt sich aber aus dem Verhalten Neros, daß Undankbarkeit tatsächlich sanktioniert wurde. Sueton berichtet nämlich109: instituit (=Nero) ... , ut ingratorum in principem testamenta ad fiscum pertinerent110. Nero zog also Nachlässe deswegen ein, weil sich die Testatoren ihm gegenüber als undankbar erwiesen; offensichtlich hatten sie ihm zu wenig vermachtlll. Allerdings besteht zwischen dieser neronischen Praxis und Senecas Überlegungen wohl kein direkter Zusammenhang112 . Denn Sueton stellt den zitierten Bericht als Folge der enttäuschten Hoffnung auf den afrikanischen Schatzfund dar. Laut Tacitus fiel diese Episode in das Jahr 65113, also das Todesjahr Senecas. Dieser hat "de beneficiis" zwar spät geschrieben, wohl sicher erst, als er sich in den "Ruhestand" zurückgezogen hatte11 4 ; aber daß die Entstehungszeit zumindest der Bücher III- VII in das Jahr 65 fällt , läßt sich schwerlich nachweisen. Gegen eine solche Annahme spricht freilich nicht die Erzählfolge des Tacitus, die Senecas Tod vor die Schatzfundepisode stellt. Denn Tacitus berichtet in Sachzusammenhängen und verknüpft daher den eingangs zitierten Bericht von Senecas Tod mit der Aufdeckung der pisonischen Verschwörung; im 16. Buch dagegen berichtet er von Neros zunehmenden Lastern, insbesondere seiner Geldgier. Doch ist immerhin zu bedenken, daß die Datierung allein auf Suetons Annahme einer Kausalität zwischen enttäuschter Schatzhoffnung und Undankbarkeitsargumentation beruht; das ist nicht notwendigerweise ein zuverlässiges Zeugnis 115. Aber selbst, wenn die von Tacitus berichtete zeitliche Abfolge richtig ist, legen wenigstens zwei Umstände die Vermutung nahe, daß Seneca in "de beneficiis" 111.6ff. auf vorhandene Pläne Neros anspielt: Einmal hatte Nero S. nur Nörr, FS Schelsky, 1977, S. 308ff.; dens., IJ 16, 1981, S. 350 ff. III.6.2. 109 Nero 32. 11o Cf. Cass. Dio LXIII.ll.2. 111 Dies folgt aus Tac. Ann. 16.11; zu der dem Princeps gegenüber geschuldeten Dankbarkeit s. auch Sen. de ben. Vl.19.2. Zur rechtlichen Beurteilung der hier geschilderten Maßnahmen unten, Kap. VI 3 a. 112 Cf. immerhin Tac. Ann. 14.31; a. d. 61! 113 Ann. 16.1 - 3. 114 S. nur Schanz I Hosius, Röm. Literaturgeschichte II, S. 696. 115 S. Wallace-Hadrill, Suetonius, 1983, S. 8ff. ; Bauman, Impietas in Principem, 1974, s. 142. 107
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mit seinerneuen Form der Geldbeschaffung einen Vorgänger in Caligula (1); zum zweiten macht die auf den Schulgebrauch verweisende Diskussion Senecas stutzig; denn dadurch entsteht der Eindruck, es handele sich um ein theoretisches Problem, das es de facto jedoch keineswegs war (2). (1) Sueton schreibt von Caligulall6: Testamenta primipilarumm, qui ab initio Tiberii principatus neque illum neque se heredem reliquissent, ut ingrata rescidit11B.
Auch Caligula hat sich also mit Hilfe des Undankbarkeilsarguments Nachlässe angeeignet. Woraus er die Pflicht herleitete, ihm gegenüber dankbar zu sein, ist freilich nicht rekonstruierbar. Zu denken ist vielleicht an den Kaisertitel pater patriae 11 9, bzw. pater exercituumtzo, aus dem eine den Kindern gegenüber dem Vater zukommende Pflicht zur Dankbarkeit12t abgeleitet worden sein mag, an das zwischen Princeps und Militär bestehende Klientelverhältnis122, oder - bei Caligula - der aus der eigenen Göttlichkeit resultierende Anspruch auf Dank dem Gotte gegenüber. Erstaunlicherweise erwähnt Seneca dieses vom Thema her so passende Verhalten Caligulas mit keinem Wort. Möglicherweise wußte er nichts davon; denn anderenorts hält er mit seiner Kritik an diesem Princeps durchaus nicht zurück123. Wenn allerdings Sueton von solchen Verhaltensweisen Caligulas erfuhr, liegt die Annahme nahe, daß der Zeitgenosse und Kritiker Seneca, der noch dazu aufgrund seiner Stellung einzigartige Informationsquellen besaß, von ihnen ebenfalls wußte. Freilich erließ Caligula kein Gesetz, und er beschränkte sich auf die Nachlässe von hochrangigen Soldaten, die aufgrund ihrer Stellung in einer Sonderbeziehung zum Princeps standen124 • Doch wird gerade darin wohl der Grund für Senecas Zurückhaltung liegen: Beide Principes wiesen Gemeinsamkeiten im Schlechten auf125, und Nero sah seinen Cou38.2. Zu ihrer engen Beziehung zum Princeps Dobson, The significance of the Centurion and "Primipilaris" in the Roman army and administration, ANRW II 1, S. 392ff., sowie v. Domaszewski, Die Rangordnung des römischen Heeres2 , 1967, S. 117ff. 118 Cf. Plin. Paneg. 43.4; Cass. Dio LIX.15.1. 119 Dazu unten Kap. VI 1 b. S. auch Cass. Dio LIII.3.2; 6.1. 12o Suet. Ca!. 22.1. 121 Für Nero s. Seneca, de eiern. 1.14.2; dazu v. Premerstein, Vom Werden und Wesen des Principats, München 1937, S. 174 f. 122 S. nur Bleicken, Prinzipal und Dominat, Wiesbaden 1978, S. 14: "Das soziale Band zwischen dem obersten Feldherren/Kaiser und den Soldaten nannten die Römer Clientel." S. auch v. Domaszewski, ebda. 123 S. etwa de con. sap. 18.1; cons. ad Helv. 10.4; de ira 11.33.6; III.l9.1. Dazu Clarke, Latomus 24, 1965, S. 62ff., insbes. FN 26 und 27; S~rensen, Seneca, München 1985, s. 87. 124 S. neben Dobson (FN 117) auch Rogers, TAPhA 78, 1947, S. 147. 125 Suet. Nero 7.1. Pötscher, Latomus 45, 1986, S. 619ff., unternimmt den Versuch einer psychiatrischen Klassifikation von Neros Persönlichkeit. 116
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sinl26 durchaus als vorbildlich anl27. Wollte Seneca durch das Verschweigen von Caligulas Taten vermeiden, Nero auf nachahmenswerte Vorbilder hinzuweisen? Griffinl28 denkt an solch eine Erklärung für die Nichterwähnungjenes Princeps in der Schrift "de clementia". Bedenkt man den anmaßenden Spruch Nerosl29: negavit quemquam principum scisse quid sibi Liceret, so ist die vorgetragene Erwägung nicht ganz lebensfremd - zumal Seneca Neros Anlagen kannte wie kaum ein Zweiter. (2) Seneca leitet die Diskussion des Undankbarkeit bestrafenden Gesetzes mit folgenden Worten ein: Hoc tarn invisum vitium an inpunitum esse debeat, quaeritur, et an haec Iex, quae in scholis exercetur, etiam in civitate ponenda sit, qua ingrati datur actio130.
Dies erweckt (abgesehen von dem o. a. Hinweis auf Macedonien) den Eindruck, als handele es sich bei dem Vorschlag um ein Produkt rhetorischen Schulunterrichts; Seneca mag dabei an die controversiaei31 seines Vaters gedacht haben, in denen ein entsprechendes Gesetz vorausgesetzt wurde. In den dem Quintilian zugeschriebenen dec/amationes minores 333 und 368 erscheint es wiederl32. In der controversia 2.5 geht es um die Anwendbarkeit der actio ingrati der Ehefrau, von der sich der Ehemann wegen 5-jähriger Kinderlosigkeit geschieden hat. Zuvor war die Frau von dem Tyrannen gefoltert worden, und hatte dabei aber standhaft verschwiegen, daß ihr Ehemann Pläne hegte, den Tyrannen zu ermorden. Der infolgedessen gerettete Ehemann konnte daher anschließend den Mord verüben. In der controversia 9.1 möchte ein Vater die actio ingrati gegen seinen Schwiegersohn erheben, weil dieser seine Tochter ( = dessen Ehefrau) nach Entdeckung eines Ehebruchs trotz Gnadeflehens des Schwiegervaters getötet hatte. Die Besonderheit des Falles ergibt sich daraus, daß der Schwiegersohn der Sohn des Miltiades war, der (um seinem im Gefängnis verstorbenen Vater ein Begräbnis zu ermöglichen) sich an dessen Statt ins Gefängnis hatte werfen lassen. In dieser Situation kaufte der Vater Miltiades' Sohn frei und gab ihm seine Tochter zur Frau. In beiden Fällen geht es mithin um die Anwendbarkeit der actio ingrati im Verhältnis zwischen Personen, die statusmäßig auf einer Stufe stehen. Man Durch die Adoption Neros durch Claudius, cf. Suet. Nero 5.2. 121 Suet. Nero 30.1; Cass. Dio LXI.5.1. 128 Seneca: a Philosopher in Politics, Oxford 1976, S. 213. 129 Suet. Nero 37.3. 130 III.6.1. 131 C.II.5; III praef.17; IX.l. 132 S. hierzu Bonner, Roman Declamations, Liverpool1969, S. 87f. ; vgl. zusätzlich Quint. inst. or. VII.4.37f.; Juv. Sat. 7.169. 126
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könnte daran denken, daß es dem jüngeren Seneca hierauf ankam, und er deswegen all die zu seiner Zeit geltenden Gesetze nicht erwähnt, in denen die actio ingrati dem Patron gegenüber seinem Freigelassenen zustand. Valerius Maximus nennt Athenmund Marseille134; auch in Persien gab es ein entsprechendes Gesetzm. Vor allem aber existierte in Rom selbst seit dem Jahre 4 n. Chr. die Iex Aelia Sentia, die - ganz im Rahmen der augusteischen Bevölkerungspolitik - Freilassungen einschränkte und dem Patron eine accusatio gegen den libertus ingratus136 zugestand. Worin deren Sanktionen bestandenm, ist nicht ganz sicher; schwerlich aber die revocatio in servitutem. Anderenfalls wäre es nämlich kaum zu verstehen, warum Sueton entsprechende revocationes durch Claudius für erwähnenswert gehalten haben sollteBB. Vor allem aber berichtet Tacitusl39 von einer Senatsdebatte aus dem Jahr 56, in der es gerade um die Revokabilität de lege ferenda geht. Der Senat scheint sich einmütig dafür ausgesprochen zu haben; doch hielten es die Konsuln- vielleicht wegen der politischen Tragweite der Frage- für angebracht, dem Princeps die Entscheidung zu überlassen. Nero beriet sich mit seinen engsten Beratern, inter paucos, und ließ sich die divergierenden Argumente vortragen. DieBefürwortereiner revocatio in servitutem verwiesen auf das zunehmend unverfrorene Benehmen der Freigelassenen gegenüber ihren Patronen. Letzteren bliebe allenfalls die Möglichkeit, die Freigelassenen über die 100Meilen-Grenze hinaus zu verweisen - an die Küste Campaniens! Für solche Fälle müßten dem Patron effektive Pressionsmittel an die Hand gegeben werden. Durch die Bestrafung erwiesenen Unrechts könne man überdies auf die Freigelassenen insgesamt generalpräventiv einwirken -man könne diejenigen durch Furcht erziehen, die die Wohltat der Freilassung nicht habe zum Besseren bekehren können: ut metu coerceantur, quos beneficia non mutavissent. Fragt man sich, auf welche crimina hier angespielt wird, die einer strengeren Sanktion bedürften, so liegt es nahe, auf die Iex Aelia Sentia zu verweisent40. Denn in jüngster Zeit war es vor allem dieses Gesetz, das bestimmte Verhaltenspflichtenl41 zwischen Patron und Freigelassenen normierte und sanktio2.6.7; s. auch Terenz, Andria !.1, Z. 44. 2.6.7. 135 Xen. Cyr. !.2.7; Them. Or. 98. 136 Cf. D 50.16.70, Paul. 73 ad ed. Zur Undankbarkeit der liberti in republikanischer Zeit Fabre, Libertus, Rom 1981, S. 77. 137 S. hierzu Buckland, The Roman Law of Slavery, Cambridge 1908, S. 422ff.; Kaser, SZ 58, S. 88ff., 128ff.; ders., RPR I, S. 293 mit A. 47. 138 A. A. Waldstein, Operae, S. 390. Suet. Claud. 25.2; vgl. damit D 37.14.5 pr., Mare. 13 inst. 139 Ann. 13.26 und 27. Zu letzterem Syme, Tacitus II, Oxford 1958, S. 612f., sowie Waldstein, S. 78f. , 390. 140 S. auch Waldstein, S. 62. 141 Z.B . Leistung versprochener Dienste. Dazu neben Waldstein Venturini, Scr. on. Guarino V, Neapel1984, S. 2455ff.; Jaubert, RHDE 34, 1965, S. 5ff. 133
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nierte142. Daß an diese Beziehung gedacht wurde und nicht etwa an eine allgemeine Strafe für Freigelassene schlechthin, folgt aus der Argumentation beider Parteien. Infolgedessen zielte die Anfrage der Konsuln aller Wahrscheinlichkeit nach darauf, den bereits vorhandenen Sanktionen der Undankbarkeitsklage noch die revocatio in servitutem anzufügen1 43. Dies erhellt zusätzlich aus der Klage der Revokationsbefürworter: ceteras actiones promiscuas et pares esse: tribuendum aliquod telum, quod sperni nequeat- bei den übrigen Klagen herrsche RechtsgleichheiL Werden die Freigelassenen als Freie behandelt, gilt für sie dasselbe Sanktionensystem wie für die Patrone. Wenn folglich nur Campaniens Küste als Strafe winkt, erscheint es aus der Sicht der Befürworter nur konsequent, für die das altehrwürdige "Gewaltverhältnis" Patron-Freigelassener betreffende actio ingrati eine nicht zu verachtende Strafe zu fordern. Vor allem droht die revocatio nur einer Seite! Genau hierauf allerdings zielen die Argumente der Gegenseite1 44 : Bis hin zu den Senatoren leiteten viele Römer ihre Herkunft von Freigelassenen ab; si separarentur libertini, manifestam fore penuriam ingenuorum. Darüber hinaus tragen sie vor, daß es unziemlich sei, eine Strafe wie die Entziehung der Freiheit einzuführen; die maiores hätten nicht von ungefähr die Freiheit zum Gemeingut gemacht: non frustra maiores, cum dignitatem ordinum dividerent, libertatem in communi posuisse. Und es gebe nicht ohne Grund zwei Formen der Freilassung, von denen die eine dem Patron die Möglichkeit belasse, den Status durch ein zusätzliches beneficium zu erhöhen145. Daraus folge der Grundsatz: dispiceret quisquis merita tardeque concederet quod datum non adimeretur. Dieser Ansicht schloß sich Nero an. Als ihren Urheber vermutet Crook 146 Seneca. Das liegt nahe, da er zu dieser Zeit (56) , in solch einem Kreis (inter paucos) und bei einem solchen, von den Konsuln als für eine reine Senatsangelegenheit zu wichtig angesehenen Problem wie kein anderer zum Wortführer prädestiniert war. Doch läßt sich diese Vermutung ein wenig erhärten. Denn der in jener Beratung obsiegende Grundsatz kehrt auffallend deutlich in "de beneficiis" wieder; gerade da, wo Seneca Sinn und Nutzen eines die 142 Es handelt sich dabei um eine Strafrechtsnorm, s. nur D 50.16.70, Paul. 73 ad ed. 143 S. dazu Buckland, S. 422f., auf den sich Kaser, S. 127, zu Unrecht beruft. Auch
Pernice, Labeo III 1, S. 80, vertritt eine abweichende Ansicht. 144 Ann. 13.27.1. 145 Gemeint ist die honorarrechtliche Freilassung: inter amicos, per epistu/am, etc. Aufgrund einer Iex lunia erhielten die so Freigelassenen den Status von Latini coloniarii, also nicht das römische Bürgerrecht. Das erhielten sie nur durch eine der zivilrechtlieh anerkannten Freilassungsformen. 146 Consilium Principis, Cambridge 1955, S. 120; ebenso Prechac, Vorwort, S. IX, zu seiner Übersetzung von "de beneficiis".
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Undankbarkeit bestrafenden Gesetzes diskutiert. So schreibt er (für den Fall, daß ein entsprechendes Gesetz nicht erlassen wird)I47: Tardiores, inquit, ad beneficia danda facimus non vindicando data nec infitiatores eorum adficiendo poena.
Und weiteri48: Deinde pauciora erunt beneficia, sed veriora; quid autem mali est inhiberi beneficiorum temeritatem? Hoc enim ipsum secuti sunt, qui nullam Iegern huic constituerunt, ut circumspectius eligeremus eos, in quos merita conferuntur. Etiam atque etiam, cui des, considera: nulla actio erit, nulla repetitio.
Ebenso 16.1: Plures, inquit, ingrati erunt, si nulla adversus ingratum datur actio. Immo pauciores, quia maiore dilectu dabuntur beneficia.
Der Kern der Schlußfolgerung ist also in beiden Fällen das Bestreben, die durch den Sittenkodex bestimmte Sphäre zwischen beneficium-Geber und -Empfangendem nicht weiter zu verrechtlichen. Der Geber allein soll vielmehr die Konsequenzen tragen, wenn er beneficia ungeprüft erteilt. Das Recht dürfe ihm dieses Risiko nicht abnehmen, indem es die (sittlich) geforderte Gegenleistung, und sei es auch mittelbar, einklagbar macht. Darin zeigt sich die Konsequenz, mit der Seneca den Wert des zur rechten Zeit und in der rechten Gesinnung hingegebenen beneficium in den Geber verlegt: Er darf sich über seine Handlung freuen, muß aber dafür das Risiko tragen, daß der Empfänger undankbar reagierti49. Das Argument, die Undankbarkeit würde damit um sich greifen, kann dann natürlich nicht mehr verfangen. Übrigens klingt in diesem Einwand wiederum die Argumentation der Revokationsbefürworter des taciteischen Berichts an: Sie wollen Wohlverhalten durch Furcht erzwingen und deuten damit einen Kausalzusammenhang zwischen Undankbarkeit und Fehlen einer effizienten Strafe an. Demzufolge sei zu befürchten, daß undankbares Verhalten Schule mache, sofern es nicht sanktioniert ist. Dem hält Seneca- diesmal wieder in "de beneficiis" 150- folgendes Argument entgegen: Deinde non expedit notum omnibus fieri, quam multi ingrati sint; pudorem enim rei tollet multitudo peccantium, et desinet esse probri loco commune maledictum.
Durch Prozesse werden die Untaten bekannt und tragen somit dazu bei, das Gewissen zu entlasten. Denn das Wissen, daß viele die gleiche Untat begehen, ist allemal eine moralische Beruhigung. Seneca verdeutlicht diesen Gedanken
III.13 .1. III.l4.1. 149 Erneut Publilius Syrus: Beneficium dando accepit, qui digno dedit. 1so II1.16.1. 147 148
s•
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III. Testamente
anband der gewachsenen (schamlosen) Bereitschaft der Frauen, sich scheiden zu lassen. All diese Gründe legen den Schluß doch sehr nahe, daß Seneca im consilium Neronis des taciteischen Berichts zu den Gegnern der Revokabilität gehörte. Deswegen ist umso erstaunlicher, daß er dessen Themenkreis - die Lex Aelia Sentia - aus der Diskussion in "de beneficiis" ausgeklammert hat. Der oben erwogene Gedanke, die Statusunterschiede der einander zu Dank Verpflichteten seien der Grund, verfängt deswegen nicht, weil Seneca nur wenig späterist nachdrücklich betont und belegt, daß auch ein Sklave seinem dominus beneficia erweisen kann. Eine Antwort wird sich schwerlich finden lassen. Vielleicht darf man aber vermuten, daß- vorausgesetzt, es gab tatsächlich Pläne zur Einführung einer allgemeinen actio ingrati - Seneca seine Kritik in eine abstrakte Form einkleidete, und es tunliehst vermied, konkrete Hinweise auf die Diskussion in der Zeit des Quinquennium zu geben. Möglicherweise waren aber auch die Andeutungen deutlich genug, um die Erinnerung an frühere Entscheidungen wachzurufen. c) Freundschaft
Der zuvor erwähnte taciteische Bericht von der Übermittlung des Todesbefehls an Seneca macht deutlich , wie problematisch und artifiziell das sezierende Auseinanderreißen eines Motivbündels isttsz. Zu seinen Freunden gewandt, sagt Seneca nämlich anläßlich der ihm verweigerten Testamentskorrekturts3: quando meritis eorum referre gratiam prohiberetur. Darin drückt sich einmal das Motiv der Dankbarkeit aus, zum anderen - wegen deren bereits erwähnter Besonderheit, "Gegenansprüche" auszulösen- das der Abgeltung für erwiesene Dienste (dazu unten sub d) sowie schließlich das Motiv der Freundschaft, auf das wir nunmehr eingehen wollent54 • Alle drei genannten Motive erscheinen in dem einen Zusammenhang, so daß der Hinweis geboten ist, daß die Isolierung im Grunde genommen lebensfremd ist, und eine Zuordnung der Quellenbelege zu den einzelnen Motiven sehr wohl auch abweichend vorgenommen werden könnte. Von Cicero ist uns eine in vielfacher Hinsicht interessante Stelle überliefert, die hier vorrangig deswegen zu erwähnen ist, weil sie die testamentarische Bedenkung als Freundschaftszeichen belegt. Mare Anton hatte ihm offenbar III.18ff. Hierzu etwa Vogt, Ancient Slavery and the Ideal of Man, 1974, S. 138ff. Zu einseitig daher etwa Bürge, SZ 105, 1988, S. 312ff., der die Testamentsklausel in familia nubere allein aus wirtschaftshistorischen Gesichtspunkten heraus erklärt. 153 Tac. Ann. 15.62.1. 154 Zur amicitia etwa Helleguarc'h, Le Vocabulaire Latin .. , Paris 1963, S. 41 ff. ; Gelzer, Die Nobilität der römischen Republik, 1912, S. 83ff. ; Shatzman, S. 135ff. -mit weiteren Nachweisen. 151
152
3. Erblassermotive
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öffentlich vorgeworfen, keine Erbschaftseinnahmen vorweisen zu können. Cicero antwortet darauf, daß er immerhin 20 Mio. HS durch Erbschaften erworben habe - und zwar von Freunden. Letzteres betont er, um sich von Mare Anton abzuheben, der von Leuten Bedenkungen annehme, die er gar nicht kennetss: Me nemo nisi amicus fecit heredem, ut cum illo commodo, si quod erat, animi quidam dolor iungeretur; te is quem tu vidisti numquam, L.Rubrius Casinas fecit heredem.
Mare Anton macht mit seinem Vorwurf den Stellenwert der Testamente in Rom ein weiteres Mal deutlich. Der Umfang des im Nachlaßwege erhaltenen Vermögens sollte Ciceros gesellschaftliche Isolation, bzw. Stellung als homo novus belegen und galt folglich als Statussymboll56. Damit korrespondiert das etwa von Plinius d. J. in einem Brief an Tacitus157 bezeugte Empfinden, daß seine ( = Plinius') Reputation als Schriftsteller an die des Tacitus heranreiche, da sie beide (von Ausnahmen abgesehen) im gleichen Maßetss, pariter, in Testamenten bedacht würden: quin etiam in testamentis debes adnotasse: nisi quis forte alterutri nostrum amicissimus, eadem legata et quidem pariter accipimus159,
Cicero pariert den Hieb des Mare Anton, indem er die Funktionen eines Testamentes auf den Aspekt reduziert, Ausdruck ganz individueller Zuneigung zu sein. Dabei klammert er wohlweislich etwa die Pflicht der liberti aus, ihren Patronen die debita portio zu hinterlassen160; eine Pflicht, die den ciceronianischen Gegenvorwurf einigermaßen entkräftet, da die gens Antonia groß war, und Mare Anton daher von einer Vielzahl von Freigelassenen bedacht wurde, so daß er gar nicht alle ihn bedenkenden Testatoren kennen konnte. Überdies impliziert die Reaktion Ciceros- selbstverständlich- ein Selbstlob, da reich zu werden oder zu bleiben allein durch Freundes-Testamente als positive Qualifikation gaJt161, Das ergibt sich etwa aus Suetons Bericht von Augustus' Verhaltenangesichts der Testamente seiner Freunde (66.4): 155 Phi!. 2.40. 156 Zur Erbeinsetzung als Ehrenerweis cf. D 37.5.3.2, Ulp 40 ad ed.; 5.1.52.2, Ulp 6 fideic. Zusätzlich etwa Cic. pro Quinct. 4.14. ; ep. ad Att. 13.45; pro Cluent. Hab. 162; pro Caecina 11. Der "Negativabdruck", daß nämlich testamentarisches Übergehen als Schmähung galt, findet sich etwa bei Tac. Ann. 3.76.1, oder Plutarch, Sulla 38.1; Pomp. 15.3. S. auch unten Kap. VII 5 b. 157 Ep. 7.20.6. 158 S. hierzu Tellegen, Pliny, S. 129ff. 159 Im sog. Testamenturn Dasumii, FIRA III, Nr. 48, Z. 17f., liegt keine gemeinsame Bedenkung vor (so etwa noch Bund, FG Wieacker, Göttingen 1978, S. 54), wie der ergänzende Fund zeigt; s. Eck, ZPE 30, 1978, S. 277. 160 Cf. Gai. lnst. 3.39ff. Zu dem von Cicero angesprochenen Fall des Rubrius Casina s. noch Cic. Phi!. 2, 62, 74, 103, sowie ep. ad Att. 16.11.2. 161 Cf. Cic. de domo sua 32.85.
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III. Testamente
Exegit et ipse in vicern ab arnicis benevolentiarn rnutuarn, tarn a defunctis quarn a vivis. Narn quarnvis rninirne appeteret hereditates, ut qui nurnquarn ex ignoti testarnento capere quicquarn sustinuerit, arnicorurn tarnen suprerna iudicia162rnorosissirne pensitavit, neque dolore dissirnulato, si parcius aut citra honorern verborurn, neque gaudio, si grate pieque quis se prosecutus fuisset. Legata vel partes hereditatiurn a quibuscurnque parentibus relicta sibi, aut statirn liberis eorurn concedere aut, si pupillari aetate essent, die virilis togae vel nuptiarurn16J curn incrernento restituere consueverat.
Oder aus dem taciteischen Lob von Tiberius' Einstellung164: neque hereditatem cuiusquam adiit nisi cum amicitia meruisset 165. Indem Freundschaft und testamentarische Bedenkung in eine Wechselbeziehung gebracht werden, wird jene quantifiziert oder gar materialisiert; dabei ist allerdings zu beachten, daß dieser Vorgang keineswegs verpönt war. Denn nicht nur Cicero spricht voller Stolz von seinen entsprechenden "Einkünften", sondern auch Augustus166, der durch testamentarische Bedenkungen 1.4 Mrd. HS erworben hat. Die Angaben dieser Summen wirken in ihrem jeweiligen Kontext (zumindest auch) wie ein Ausweis der eigenen Soziabilität167. Da diese möglichst vorbildlich sein (und erscheinen) soll, darf man vermuten, daß besagtes Zusammenspiel einen verstärkenden (Rückkopplungs-)Effekt auch für die Eingebung und Aufrechterhaltung bestehender Freundschaften hatte. Das bewirkte dann seinerseits die Stabilisierung des die römische "Gesellschaft" tragenden Beziehungsgeflechts, welches sich zu einem wesentlichen Teil aus Freundschaften zusammensetzte. Während der Gedanke an solch ein Quantifizieren oder Materialisieren von Freundschaften im Zusammenhang mit den Freundschaften eines Cicero oder Augustus möglicherweise deren wahre Emotionen zu einseitig-peiorativ beschreibt, zeigt das auch von den Zeitgenossen als Unwesen empfundene Treiben der captatoresl68 die grundsätzliche Berechtigung dieses Gedankens169. In seiner Reduktion von Freundesverhalten auf den erwarteten mate162 = letzter Wille; diesen Terminus verwendet etwa auch Paulus D 29.3.5 , 8 ad Plaut. 163 S. etwa Josephus, BJ 1!.6.3. 164 Ann. 2.48.2. 165 S. auch Plin. Paneg. 43.1; SHA Hadrian 18.5; Juv. Sat. 6, Z. 216ff. ; zusätzlich Polybios in Athenaios, Deipnosophistai, X.418 b. 166 Suet. Aug. 101. 167 Zu diesem Gedanken cf. Cic. Lael. 23.86ff. 168 Die literarischen Belege sind Legion; cf. daher nur beispielshalber Plautus, mil. glor., Z. 706ff. ; Horaz, serm. 1!.5, Z . 20ff., II.4.50ff. : Petronius, Sat. 116ff. ; Sen. ep. ad Luc. 19.4; Plin. ep. 2.20, 8.18; Plutarch, Moralia 48 E ; Lukian, Totengespräche VIX; Juv. sat. 12. In Tac. Ann. 13.42.4 Andeutungen auf ein entsprechendes Verhalten Senecas durch Pub!. Suillius. Vgl. Friedlaender, Darstellungen aus der Sittengeschichte Roms I, 1922, S. 246ff. 169 Wir werden ihm in Kap. VII mehrmals wieder begegnen, und zwar als Entscheidungskriterium für die Juristen(!) ; z. B. wenn es um die Bestimmung des Umfangs des Hinterlassenen geht.
3. Erblassermotive
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riellen Gewinn karikiert es gleichsam, indem es einseitig übertreibt, diesen Zug der "römischen Freundschaften". Daß hierbei ein Geben und Nehmen, ein do ut des, tatsächlich erwartet und praktiziert wurde, ergibt sich auch aus dem juristischen Verbot kaptatorischer Erbeinsetzungen, D 28.5.71 Pap. 6 resp.170: Captatorias institutiones non eas senatus improbavit, quae mutuis affectionibus iudicia provocaverunt, sed quarum condicio confertur ad secretum alienae voluntatis.
Das Senatus Consultum wollte also nicht alle gegenseitigen Erbeinsetzungen unterbinden, sondern nur solche, deren Bestand von einer dem Eingesetzten auferlegten Patestativbedingung abhängig war. Obgleich ein Sprung von einer Begründungsebene zur anderen vorliegt - hier die Motivation gegenseitiger Zuneigung, dort der formale Ansatzpunkt: Patestativbedingung - , wird die synallagmatische Abhängigkeit und damit die Motivation kaptatorischer Bedenkungen deutlich: Ich setze dich zum Erben ein, damit und sofern auch du mich zum Erben einsetzt171. Zwischen den beiden Polen freundschaftlicher Vermachung: einerseits aufrichtiges Gefühl, andererseits Erbschleicherei, läßt sich noch eine weitere Kategorie des Freundschaftsmotivs einordnen, nämlich die Schmeicheleil72. Sie erweckt den Anschein freundschaftlicher Beziehungen, ohne auf den materiellen Gewinn einer wechselseitigen Erbeinsetzung abzuzielen. Freilich ist Vorsicht geboten, im Einzelfall das Motiv der Schmeichelei zu konstatieren, da dies immer das Werturteil eines nicht beteiligten Dritten ist. Wenn also Tacitus in dem oben (sub 2) zitierten Bericht über Petronius' Testament173 die allgemein übliche Schmeichelei in Testamenten brandmarkt, so ist dies Tacitus' Interpretation, kaum aber die der Testatorenl74. Angesichts der Ehrpusseligkeit175 der römischen Oberschicht wird man jedoch auch dieses Motiv unterstellen können, zumal sich hierbei keine klaren Grenzen ziehen lassen: Was dem einen aufrichtiges Verhalten dünkt, ist dem anderen selbstaufgebende Unterwürfigkeit. In jedem Fall ist die Tatsache hervorhebenswert, daß es überhaupt möglich ist, mittels eines Testamentes zu schmeicheln. Denn dies setzt ein Eigeninteresse voraus, für das das Testament der ungünstigste Ort zu sein scheint. Doch läßt sich der Widerspruch auf wenigstens zweierlei Weise lösen: Einmal 11o S. auch Pomp D 28.5.29, 5 ad Sab.; Paul D 28.5 .72 pr. und 1, 5 ad leg. Iul. et Pap.; Iul. D 34.8.1, 78 dig.; Gai D 30.64, 15 ad ed. prov.; C 6.21.11 (246). 171 Zur praktischen Anwendungs. unten Kap. VII 3 c zu D 28.5.29. 172 Cf. Cic. Lael. 8.26; 24.89ff.; Plutarch, Moralia 48 E .; SHA Pert.7.3. S. auch Keenan, Bull. Am. Soc. Pap. 24, 1987, S. lff. 173 Ann. 16.19.3. Als weitere Ausnahme s. Tac. Ann. 6.38.2. 174 S. auch Ann. 14.29.1. 175 Vgl. hierzu etwa Kelly, Studies in Civil Judicature of the Roman Republic, Oxford 1976, S. 96ff.
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III. Testamente
bestand in Rom eine Sitte, die man mit dem Schlagwort ,Öffentlichkeit des Testaments' kennzeichnen kann (dazu unten 4 a). Sie beinhaltet die lebzeitige Bekanntmachung des eigenen Testaments. Sofern dies nach dem Urteil eines Dritten eine Schmeichelei enthält, kommt in der Bedenkung ein "Zugehörigkeitszeichen" zum Ausdruck: Der Testator maßt sich eine gesellschaftliche Stelh:mg an, die ihm eigentlich nicht zukommt, und die er durch Schmeichelei einzunehmen versucht. Die Zuwendung wird durch den Eigennutz verbrämt. Zum zweiten besteht die Möglichkeit, das Eigeninteresse von der individuellen Person zu abstrahieren und auf die Familie, die Nachfahren, zu übertragen. Dann erfolgt die Schmeichelei vielleicht zu dem Zweck, dem Sohn etwa eine bessere gesellschaftliche Startposition zu verschaffent76. d) Entlohnung von Diensten
Der Entschluß, jemanden testamentarisch zu bedenken, kann ferner auch auf dem Wunsch beruhen, den anderen für erwiesene Wohltaten, bzw. Dienste177, zu entlohnen. Daß diese Wohltaten aus Freundschaft resultieren und mit ihr zu einem Motivbündel verschmelzen können, wurde bereits erwähnt. Infolgedessen fallen hierher auch die unzähligen Hinweise auf Reichtum, der durch amouröse Beziehungen erlangt wurde178. Von vorrangigem Interesse ist jedoch die römische Besonderheit, derzufolge unentgeltlich erbrachte Dienste durch Vermächtnisse zu entgelten waren -nicht dem Rechte, als vielmehr dem Herkommen nach179. Das dabei verwendete Schema -zwei unentgeltliche Leistungen in kausaler, nicht aber synallagmatischer Beziehung - erinnert an den etwa aus dem Alten Testament bekannten Geschenk-Kauftso, bei dem die eine Seite das Kaufgesuch der anderen ablehnt und anstelle dessen den begehrten Gegenstand dieser zum 176 Vgl. beispielsweise die - nicht auf das Testieren beschränkten - Äußerungen Laelius' bei Cic. de amicitia 19.70, sowie die Bemerkungen unten (Kap. VI 2) zu der generationenverbindenden Funktion des Testamentes. 177 Dieses Motiv wird wohl den meisten testamentarischen Freilassungen zugrunde liegen, was freilich nicht hindert, diese Freilassungen trotzdem als beneficia zu qualifizieren, cf. D 28.5.85 pr. , Paul. 23 quaest. S. auch D 38.2.1 pr. , Ulp. 42 ad ed. Freilich ist zu bedenken, daß die Kennzeichnung des Freilassungsmotivs als Entlohnung für geleistete Dienste wiederum nur ein Kürzel ist, weil Freilassungen ebensogut zusätzlich von Freundschaft (vgl. Tiro) und/oder Dankbarkeit etc. motiviert sein können. Für weitere Motive Dio Halic., Rhom. Arch. IV.24; Suet. Aug. 42.2; Quint. inst. or. XI.l.88; dazu allgemein Vogt (FN 151), S. 103ff. 178 Z . B. Juv. sat. 2., Z. 58f. 179 S. vorläufig nur Bürge, SZ 97, 1980, S. 142f. ISO Exemplarisch der "Kauf" des Begräbnisplatzes für Sarah durch Abraham, 1. Mose, Kap. 23. Vgl. Daube, Studies in Biblical Law, Cambridge 1969, S. 34f. S. auch oben sub b, FN 80: Nero nimmt Senecas Geschenkangebot unter Lebenden nicht an, wohl aber das letztwillig Hinterlassene.
3. Erblassermotive
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Geschenk macht. Den dennoch angebotenen Kaufpreis lehnt sie ab und nimmt nach einiger Zeit des Verhandeins die dem Kaufpreis entsprechende Summe als Geschenk anl81. Diese Verbindung wird wieder einmal bei Cicero besonders deutlich; im 2. Buch ,de officii' schreibt er anläßlich eines allgemeinen Lobes auf den Gerichtsredner: Diserti igitur hominis et facile laborantis, quodque in patris est moribus, multorum causasetnon gravate et gratuito defendentis beneficia et patrocinia late patent 182•
Wichtig ist hierbei das Wort gratuito, das an der Stelle einen gewissen Bruch gegenüber dem kurz zuvor Gesagten bildet. Denn dort (19.65) schreibt Cicero: Nam in iure cavere, consilio iuvare atque hoc scientiae genere prodesse quam plurimis vehementer et ad opes augendas pertinet et ad gratiam1S3.
Die Tätigkeit mehrt also sehr wohl das Vermögen- und zwar auf eine Weise, die Cicero im Kontext legalen, dennoch aber anrüchigen Verhaltens andeutet184: Mihi quidem etiam verae hereditates non honeste videntur, si sunt malitiosis blanditiis, officiorum non veritate, sed simulatione quaesitae.
Erbschaften sind also durch redliche Dienste zu verdienen. Dabei ist nicht nur an Dienste im rechtstechnischen Sinne, etwa anwaltliehe Vertretung, zu denken, sondern eben auch Wohltaten, beneficia. Von einem solchen Fall berichtet der jüngere Plinius dem Annius Severus in dem ihm eigenen Ton zufriedenen Stolzesl85: Er, Plinius, hatte dem von seiner Mutter enterbten Asudius Curianus zu dem falcidischen Viertel des Nachlasses verholfen, obwohl der Sohn nach der Ansicht Plinius' zurecht enterbt worden war, und obwohl Curianus den anderen Erben mit der querela inofficiosi testamenti gedroht hattel86. Plinius hatte als Beauftragter der von der Drohung betroffenen Erben Curianus mit dem Viertel besänftigen können und erhielt nunmehr, nach dem Tode des Curianus, von diesem ein Vermächtnis. Plinius' Resümee:
1s1 Grundsätzlich zu solchen Mechanismen M. Mauss, Die Gabe, (deutsch: Frankfurt/M. 1965), passim. 182 19.66. Vgl. zusätzlich ep. ad Att. 11.17.5; pro Flacco 85. 183 In dem ersten Absatz, dem dieses Zitat entnommen ist, beschreibt Cicero das Gemeinsame der beneficia, quae opera, non largitione dantur. Anschließend beschreibt er den iuris consultus und in 66 den Gerichtsredner. Beide Professionen verbindet er mit: (66) atque huic arti finitima est . . . 184 De off. III.18.74. S. auch Il.20.69. t 8s Ep. 5.1. 186 Cf. Bauman, Impietas in Principem, München 1974, S. 139f.; Tellegen, Pliny, s. 88ff.
74
III. Testamente
tuli fructum non conscientiae modo, verum etiam famae. ille ergo Curianus legatum mihi reliquit et factum meum, nisi forte blandior mihi, antiquom notabili honore signavit.
e) Verschiedene
Darüber hinaus gibt es für testamentarische Bedenkungen freilich noch eine Fülle von zusätzlichen Motiven. Während die voranstehenden gewissermaßen als klassische Motive offen zutage liegen, gibt es andere, die weniger eindeutig und distinkt sind. Das zeigt sich etwa bei der Frage, was Testatoren dazu bewogen haben mag, den Princeps zu bedenken, obwohl sie ihn nicht persönlich kannten. Von Augustus etwa oder Tiberius, von Trajan und von Hadrian wird berichtetl87 , daß sie Erbschaften nicht angetreten hätten, deren Testatoren ihnen nicht bekannt waren . Man könnte daran denken, daß sich die Principes ihrer nicht mehr entsannen, obwohl sie ihnen vielleicht einmal eine Gunst erwiesen hatten. Dann wäre die Zuwendung von dem Motiv der Dankbarkeit oder des Entgeltens bestimmt. Eine andere Möglichkeit wäre, daß jene Testatoren prahlen wollten und mit ihrem Testament demonstrieren wollten, daß sie - aus welchen Gründen auch immer - zu dem Zirkel um den Princeps gehörten. Diese Erwägungen sind keineswegs abwegig, wie sich etwa aus PS 5.12.9 (dazu unten Kap . VI 3 f) ableiten läßt, oder, wenn auch indirekt, aus Suet. Vit. 14.3: Vitellius empört sich darüber, Miterbe gerade eines Freigelassenen des Testators zu sein. Er empfand es offenbar als unverschämt, auf eine Stufe mit diesem Miterben gestellt zu werden. Seine Reaktion ist gewiß nicht verallgemeinerungsfähig (Vitellius ließ Testator und Freigelassenen umbringenl88), doch weist sie einerseits darauf hin, welche Vorsicht der Testator bei der Abfassung seines Testamentes aufbringen mußte. Andererseits belegt sie, daß testamentarische Bedenkungen ein Näheverhältnis zwischen Testator und Bedachten sowie zwischen den Miterben untereinander schafften und sich infolgedessen als Zugehörigkeitszeichen eigneten. Dieses Ziel braucht nicht notwendigerweise mit einer Erbeinsetzung des Princeps erstrebt zu werden, sondern kann auch mittels testamentarischer Bedenkung eines anderen Oberklasse-Mitglieds erfolgen, das seinerseits Beziehungen zum Princeps unterhält. So lag der Fall bei Iulius Largus aus Pontus (s. oben vor a). Das Motiv des Testators war, so wird man vermuten dürfen, auch darauf gerichtet, erhoffte Dienste zu vergelten. Doch ist es ziemlich wahrscheinlich, daß darüber hinaus das Motiv des Zugehörigkeitszeichens eine Rolle spielte; zumindest verabsäumt Plinius nicht - dabei seine eigene Suet. Aug. 66.4; Tac. Ann. 2.48.2; Plin. Paneg. 43.1; SHA Hadrian 18.5. Vgl. damit Trimalchio, der- ebenfalls als Freigelassener- neben dem Princeps Miterbe seines Patrons ist, Petron. Sat. 76.2. 187
188
3. Erblassermotive
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Position ins rechte Licht rückend- auf die Verbindung Largus-Plinius-Trajan hinzuweisen, indem er schreibt: scilicet iudicio tuo credit. Auch Trajan akzeptiert diese Interpretation (sich selbst dabei freilich dezent zurückhaltend) indem er antwortet: Iulius Largus fidem tuam, quasi te bene nosset, elegit, und dann auf den ihn betreffenden Teil des Testaments eingeht. Ferner gibt es befremdend anmutende, aber für die herausgehobene Stellung von Testamenten als Kommunikationsmittel kennzeichnende Motive wie: den Bedachten der Lächerlichkeit preisgeben, D 30.71 pr., Ulp. 51 ad ed., oder gar ihn zu beschimpfen. Letzteres berichtet Tacitus von einigen Schriften des Fabricius Veiento, die dieser als Kodizille bezeichnete: Haud dispari crimine Fabricius Veiento conflictatus est, quod multa et probrosa in patres et sacerdotes composuisset iis libris, quibus nomen codicillorum dederat189.
Wenn dies auch keine Kodizille im strengen, rechtlichen Sinn des Wortes gewesen sind, so ist doch die Tatsache, daß Fabricius seine Schmähschriften als letztwillige Verfügungen apostrophierte, hinreichend aussagekräftigt90. Dann finden sich pragmatische Motive, deren eines etwa auf den Gewinn eines laufenden Prozesses abzielt (dazu unten Kap. VI 3 c). Nicht auf den eigenen, sondern auf den Familienvorteil ist ein Motiv gerichtet, von dem die Autoren vornehmlich im Zusammenhang mit den negativ qualifizierten Principes berichten: Man bedenkt eine hochgestellte Person, etwa den Princeps, um wenigstens einen Teil des Nachlasses für die Familie, die erbenden Kinder, zu retten. In Tacitus' Annalen finden sich die deutlichsten Belege, z. B. 16.10f., wo er von Vetus' erzwungenem Tod berichtet. Von der Zeit, als dessen Tochter Politta von Nero noch Hilfe ersuchte, berichtet Tacitusl91; nec defuere qui monerent magna ex parte heredem Caesarem nuncupare atque ita nepotibus de reliquo consulere.
189 Ann. 14.50. Zur Stelle Kelly, Princeps Iudex, Weimar 1957, S. 59. Eine zivilrechtlicherfaßte Variante ähnlichen Verhaltens beschreibt Ulpian in D 47.10.15 .27, 57 ad ed.; dazu Daube, ne quid infamandi causa fiat, the Roman Law of Defamation, in: Atti Cong. int. Dir. Rom. III, Verona 1948, 1951 , S. 421ff. 190 S. auch D 30.54 pr., Pomp. 8 ad Sab., und D 28.5.9.8, Ulp. 5 ad Sab. Daß der Name codicilli hier mit Testament (und nicht etwa nur Schriftstück) zu verbinden ist, nehmen auch Gerber I Greef an, Lexicon Taciteum I s. v. "codicillus" sub c. S. auch die Anm. in Baiter I Orellius, C. Cornelii Taciti opera ... , 1846, zur Stelle, S. 517; K. Nipperdey in der von ihm besorgten Ausgabe, 1852, FN 1 aufS. 145; Furneaux, ebenfalb als FN zu seiner Ausgabe: 1907. Letzterer stellt die Verbindung zu Augustus' Verbot, die Redefreiheit in Testamenten einzuschränken (Suet. Aug. 56.1), her. Obgleich hier von Codicillen, dort von Testamenten die Rede ist, erklärt sich die Hervorhebung von Veientos Namensgebung durch Tacitus nur dann, wenn damit nicht allein ein Schriftstück, sondern eine letztwillige Verfügung assoziiert ist. Anders freilich TLL sub II B 1: iSv pugillares. Eindeutig in diesem Sinn etwa Dosithei liber III continens Adriani imperatoris sent. et epist.: Codicillos quis Adriano tradidit . . . 191 16.11.1.
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III. Testamente
Interessant ist dabei das die Finalität ausdrückende ita. Vetus lehnte dieses Ansinnen ab - im Gegensatz zu Senecas Bruder Mela, von dessen Testament Tacitus schreibt192: at Meta, quae tum pramptissima martis via, exsalvit venas, scriptis cadicillis, quibus grandem pecuniam in Tigellinum generumque eius Cassutianum Capitanem eragabat, qua cetera manerent.
Dieses Motiv beschränkte sich nicht auf stadtrömische Testatoren, wie das Beispiel des lcener-Königs Prasutagus verdeutlicht: Rex lcenarum Prasutagus, langa apulentia clarus, Caesarem heredem duasque filias scripserat, tali absequia ratus regnumque et damum suam pracul iniuria fare 193.
Diese Anhäufung taciteischer Excerpte läßt den Verdacht aufkommen, die Existenz des Motivs sei eine Unterstellung gerade dieses Autors; eine zusätzliche Bestätigung ergäbe sich aus seinem ,Agricola', wo er anläßlich Domitians Reaktion auf die Eröffnung des Agricola-Testaments und seine Bedenkung schreibt 194 : (Domitianus) nesciret a bono patre non scribi heredem nisi malum principem, sowie aus dem ,dialogus de oratoribus' 195 : nec futuri testamenturn pro pignore scribam. "Pfandgläubiger" ist offenbar der als Erbe zu bedenkende Princepst96. Doch auch Sueton erwähnt das Motiv in seiner Biographie des Caligula197: Qua metu iniecto cum iam et ab ignotis inter familiares et a parentibus inter Iiberos palam heres nuncupatur.
Vor dem Hintergrund solcher Praktiken werden die vielfachen Erwähnungen verständlich, denenzufolge einzelne Principes Erbschaften nicht annahmen, sofern die Testatoren nahe Angehörige, insbesondere Kinder, hatten. Auf diese Weise werden etwa Augustus, Tiberius, Claudius, Domitian, Hadrian, Antoninus Pius, Mare Aurel oder Pertinaxt9s gelobt. Hinter solchen Bedenkungen steckte womöglich besagtes nachlaßerhaltende Motiv, das bei einzelnen Principes geboten war. Die Nichtannahme solcher Erbschaften brachte für den bedachten Princeps den (wenigstens zusätzlichen) positiven Effekt, 192 Ann. 16.17.5. Zusammenfassende Darstellung der Testamente, von denen Tacitus im Zusammenhang mit der pisonischen Verschwörung berichtet, bei Keenan, Bull. Am. Soc. Pap. 24, 1987, S. lff. 193 Tac. Ann. 14.31.1. 194 43.4. Rogers weist zurecht darauf hin, daß sich Domitian über seine Bedenkung freut- von der Annahme des Vermachten schreibt Tacitus nichts, TAPhA 78, 1947, s. 151. 195 13.6. 196 So Güngerich, Kommentar zum Dialog, Göttingen 1980, S. 56. 197 38. 198 S. schon oben FN 75. Belege in der dem Text entsprechenden Reihenfolge: Suet. Aug. 66.4; Tac. Ann. 2.48.2; Cass. Dio LX.6.3; Suet. Dom. 9.2; SHA Hadrian 18.5; SHA Antoninus Pius 8.5; SHA Mare Aurel7.1; SHA Pertinax 7.3.
3. Erblassermotive
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sich selbst von den "schlechten" Principes abzuheben und seine Einstellung zu seiner eigenen gesellschaftlichen Position demonstrieren zu können. Es ist gut denkbar, daß auch Augustus und Tiberius sich diesen Effekt zunutze machten, obgleich erst ihr Nachfolger Caligula die Reihe der "schlechten" Principes einleitet. Das ließe sich einmal so erklären, daß die Berichterstatter, Sueton und Tacitus, gewissermaßen aus verzerrter historischer Perspektive schreiben und deswegen durchaus den Vorgänger vom Nachfolger positiv abzuheben trachten können. Doch ist eine andere Erklärung plausibler; daß nämlich das zweckgebundene Testieren, um wenigstens einen Teil des Nachlasses zu konservieren, keine Innovation des Principats gewesen ist, sondern auch früher schon hochgestellten Persönlichkeiten gegenüber geboten war. So hat denn auch die Bereicherung mit Hilfe von Erbschaften und erzwungener testamentarischer Bedenkung Vorläufer beispielsweise in Verres 199 oder Mark Antonzoo. Darin liegt erneut ein kleiner Hinweis auf die von Augustus in Gang gesetzte politische und gesellschaftliche Umwälzung, die sich eingefahrener Bräuche bediente und ihren ursprünglichen Stellenwert erst allmählich durch die Konzentration auf das eine Amt des Princeps veränderte201 . f) Ergebnis
Versucht man, aus den vorgestellten Motiven einen Gesamteindruck zu gewinnen, so steht die in der überwiegenden Zahl der Fälle sicherlich einem aufrichtigen Bedürfnis entspringende Erbeinsetzung der Kinder oder Familienangehörigen im Vordergrund. Sie wird derart als selbstverständlich wieder und wieder erwähnt, daß sich daraus eine moralische Verpflichtung ergeben haben wird, die ihrerseits Konformität von schwankenden Vätern erzwingen konnte. Wo diese Verpflichtung nicht mehr als bindend empfunden wurde, half schließlich die querela inofficiosi testamenti nach. Mit Hilfe dieses vorrangigen Motivs - sei es als solches empfunden oder als aufoktroyiert - wurde ein Trend gefördert, der im Nachfolgenden kurz erörtert werden soll: Das Familiengut ist in der Familie zu halten. Des weiteren lassen sich bei den Motiven Pflicht und persönliches Anliegen nur schwer trennen. Dankbarkeit, Freundschaft oder Ehrenbezeugung umfassen beide Aspekte; den des aufrichtigen Gefühls genauso wie den der Anpassung an gesellschaftliche Pflichten oder - wie mitunter im letzteren Fall Wunschvorstellungen; denn über die Ehrenbezeugung konnte man Zugehörigkeit zu demonstrieren versuchen. 199
2oo 2o1
Cic. in Verr. 11.1.127. Cic. Phi!. 2.62. S. dazu noch unten Kap. VI 1.
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III. Testamente
Zusammengeiaßt erscheint das Testament als persönliches Monument wie ein Abbild des zu Lebzeiten gepflogenen Beziehungsnetzwerkes, in das der Testator einbezogen war. Die Bedenkungen spiegeln, postmortal, Freundschaften, nützliche und notwendige Beziehungen wieder: Eine Eigenschaft, die das testamenturn porcelli recht makaber karrikiert202. 4. Exkurs über die gesellschaftliche Funktion des Testamentes a) Familienvererbung
In zwei Fragmenten rekurrieren Gaius, bzw. Paulus auf Überlegungen, die sich von der Stringenz der Fachterminologie abheben. Sie geben damit einen interessanten Einblick in allgemeinere Vorstellungen über Wesen und Funktion des Eigentums, Gai 2.157: Sed sui quidem heredes ideo appellantur, quia domestici heredes sunt et vivo quoque parente quodam modo domini existimantur; unde etiam si quis intestatus mortuus sit, prima causa est in successione liberorum.
sowie D 28.2.11, Paul. 2 ad Sab.: In suis heredibus evidentius apparet continuationem dominii eo rem perducere, ut nulla videatur hereditas fuisse, quasi olim hi domini essent, qui etiam vivo patre quodammodo domini existimantur. unde etiam filius familias appellatur sicut pater familias, sola nota hac adiecta, per quam distinguitur genitor ab eo qui genitus sit. itaque post martern patris non hereditatem percipere videntur, sed magis liberam bonorum administrationem consequuntur. hac ex causa licet non sint heredes instituti, domini sunt: nec obstat, quod licet eos exheredare, quod et occidere licebat203.
Daß das primäre Thema der Stellen erbrechtlicher Natur ist, ändert nichts an ihrer Bedeutsamkeit für die Frage nach dem Eigentumsbegriff, da das Erbrecht dem Eigentum erst seine zeitliche Tiefendimension gibt. Beide Juristen -und wohl auch Sabinus204- sprechen von Vorstellungen über das Eigentum, die offenbar zu ihrer Zeit herrschten, existimantur20S, von denen sie sich aber doch vorsichtig distanzieren: quodam modo ... existimantur, videatur. .. quasi, videntur. Letzteres ist verständlich, da in Rom gewaltunterworfene Kinder kein Eigentum im Rechtssinne haben konnten206; der Sohn, war er auch Sena2o2 Bücheler, Petronii Saturae, S. 346f.; s. auch Daube, Aspects, S. 77ff.; D'Ors, RIDA 2, 1956, S. 219ff. 203 Vgl. zu diesen Stellen Strachan-Davidson, Problems ofthe Roman Criminal Law, Oxford 1912, S. 87; Rabe!, Ges. Aufsätze IV, 1971, S. 409ff. 204 S. Voci, DER I, S. 33. 20s Das Subjekt dieses Verbs können nicht die Juristen sein, weil sie den Kindern gerade keinerlei Eigentumsrechte zugestehen. Mögen daher auch die Erklärungen von Gaius und Paulus metaphorisch zu verstehen sein (in diese Richtung etwa Hölder, SZ 16, 1895, S. 277ff.), so begründen sie doch ihre Legitimation dazu mit dem Hinweis auf die Laienvorstellungen.
4. Exkurs über die gesellschaftliche Funktion des Testamentes
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torund 60 Jahre alt, hatte nicht einmal seine Kleidung zu Eigentum207. Es ist daher zu vermuten, daß Gaius und Paulus auf das Eigentumsverständnis verweisen, das man umgangssprachlich hatte - so wie man heutzutage etwa von der "Leihbibliothek" spricht208. Bei ihm spielt weniger die sachenrechtliche Zuordnung eine Rolle, als vielmehr die Verfügungsmöglichkeit oder Verwaltungsbefugnis, administratio2f'fi. Der in der juristischen Terminologie (und Relevanz) schroffe Übergang von Nichteigentümer zu Eigentümer stellt sich damit in der umgangssprachlichen Vorstellung wesentlich milder dar: nämlich von der gebundenen zur freien Verwaltungsbefugnis. Ein solches Eigentumsverständnis basiert wohl auf der (alten210) Idee, daß ein Vermögen nicht einer Einzelperson gehört, sondern (idealiter ohne zeitliche Schranken) seiner Familie. Einen Beleg dafür ist nicht nur das IntestatErbrecht, in dessen erste Rangklasse die sui als heredes necessarii fallen , sondern auch und besonders die zuvor (3 a) beschriebene moralische oder gesellschaftliche Verpflichtung, die Kinder im Bereich der gewillkürten Erbfolge als Erben einzusetzen. Daß die von den Juristen Gaius und Paulus angedeuteten Vorstellungen tatsächlich existierten, ergibt sich aus literarischen Quellen, von denen einige zum Nachweis der Verbreitung und zeitlichen Konstanz aneinandergereiht werden sollen. Sie alle beschreiben, bzw. verstehen den rechtlichen Eigentümer als bloßen Inhaber der (aktuellen) Verwaltungsbefugnis 211. In der Vertei206 Von der Ausnahme der Soldaten einmal abgesehen. Der Aufsatz von Salier, FS Christ, 1988, S. 393ff., lehrt freilich, daß bei der Darstellung dieses römischen Phänomens immer betont werden muß, daß damit seine rechtliche Seite beschrieben wird; die faktische sah anders aus; s. auch ders., Cl. Phil. 82, 1987, S. 21 ff. Dazu sogleich im Text. 207 Vgl. statt vieler Sohm, Institutionen des römischen Rechts 16 , München 1920, S. 381; kritisch hinsichtlich der absoluten, bindungsfreien Verfügungsgewalt auch etwa Simshäuser, FS Coing, 1982, S. 329ff.; ders. , Scr. in on. A.Guarino IV, 1984, S. 1793ff.; Mayer-Maly, FS Hübner, 1986, S. 145ff. 208 Eine ähnliche Divergenz zwischen rechtlichem Terminus und umgangssprachlichem Verständnis decken Garnsey I Salier, The Roman Empire, London 1987, S. 128, anläßtich des Wortes familia auf. S. auch Dixon, Family Finances, in: Rawson (Hg.), The Family in Ancient Rome, 1986, S. 96 mit Nachweisen in FN 7 zum Begriff dos. Zur "realite sociologique" in Rom etwa Michaelides-Nouaros, RHDE 55, 1977, S. 329ff. 209 Zur Bedeutungs. nur Heumann I Seckel s. v. "administratio". 210 Cf. Plut. Cato 21.8. S. auch Varro Sat. Men. p. 228.3 zum griechischen testamenturn physicon, oder Gen. 48.22; dazu Yaron (FN 8), S. 9f. m Vgl. auch noch v. Lübtow, St. in onore di de Francisci I, Mailand 1956, S. 427ff., insbes. FN 2; Voci, DER I, S. 36, der aufCic. in Verr. III.44.113, Plin. Paneg. 37.2 und Ulp D 38.9.1.12 verweist. Als Beispiel aus unserer Zeit mag das nordgriechische Volk der Sarakatsani fungieren, von denen Campbell schreibt: "The property of the family is owned corporately. Although the father and, later, the elder brother administer it, it is never, in Sarakatsan thought, the individual "dominion" of the head of the family. When the elder brother takes the place of his father, he does not succeed to an estate, but only to an office", Honour, Family and Patronage, 1964, S. 187. Aus dem antiken Griechenland cf. Aischines, kata timarchou, 30, 97ff. S. ferner Manigk, RE VIII.1 s. v.
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III. Testamente
digungsrede für Caelius greift Cicero zu einer von tiefem psychologischen Einfühlungsvermögen zeugenden Argumentation. Der Angeklagte ist ein junger Mann, der der Beteiligung an einem mörderischen Komplott gegen einen fremden König bezichtigt wird. Früher hatte er sogar einmal zum catilinarischen Kreis gehört, über dessen Beurteilung durch Cicero es keiner erklärenden Worte bedarf. In dem laufenden Prozeß stellt sich Cicero mit den zuhörenden Richtern auf eine Ebene - die des vorgerückten Alters -, von der aus er das jugendliche Verhalten Caelius' voll verständiger Nachsicht beurteilt; dabei aber zugleich wohlweislich die Grenzen ziehend, jenseits derer Nachsicht nicht mehr geübt werden kann212: Detur aliqui Ludus aetati; sit adulescentia liberior; non omnia voluptatibus denegentur; non semper superet vera illa et decreta ratio; vincat aliquando cupiditas voluptasque rationem, dum modo illa in hoc genere praescriptio moderatioque teneatur. Parcat iuventus pudicitiae suae, ne spoliet alienam, ne effundat patrimonium.
Der letzte Satz ist bedeutsam. Was einem jungen Mann nicht ansteht , ist die Vergeudung väterlichen Gutes213 . Es liegt daher die Annahme nahe, daß solch ein Jüngling- juristisch gesprochen- sui iuris ist, da er anderenfalls kein patrimonium haben könnte. Doch erfahren wir in eben derselben Rede, daß Caelius in potestate patris sui214 warm. Juristische Stringenz spielt hierbei also keine Rolle. Cicero führt überdies an, daß Caelius besagte Grenzen jugendlicher Ausgelassenheit nicht überschritten habe. Vor diesem Hintergrund kommt seiner Grenzziehung allgemeine Gültigkeit zu: kein Jüngling, sei er sui iuris oder in potestate, darf das Patrimonium vergeuden. Positiv gewendet bedeutet das, daß selbst den jugendlichen Vermögensinhaber eine Konservierungspflicht216 trifft. Mag er auch eine überschießende Rechtsmacht innehaben; den Stamm des Vermögens hat er zu bewahren, und zwar für die kommenden Generationen. Letzteres ergibt sich aus zwei Stellen in "de officiis", in denen Cicero ebenfalls über (wenn auch anders motivierte) Vermögensvergeudung schreibt:
"hereditarium ius", Sp. 631 f. S. auch Crook, Women in Roman Succession, in: Rawson (FN 208), S. 77, oder M.Weber, Rechtssoziologie, Neuwied 1960, S.l08. 212 18.42. Zu dieser Nachsicht gegenüber Jugendlichen allgemein Quint. inst. or. I.l.20ff., und P. Veyne in: Aries I Duby (Hg.), A History of Private Life I, 1987, s. 23f. 213 Cf. Athenaios über Demokrit IV.168 b; Quint. inst. or. 111.11.13. 214 17. Diesen Hinweis verdanke ich Prof. Salier. S. auch seine Bemerkungen zu dieser Rede in JRS 74, 1984, S. 137 (Salier I Shaw). 215 S. auch Cic. pro Rose. Amerino 24.68; dazu Daube, SZ 65, S. 261ff. Den Unterschied von juristischer Stringenz und faktischem Geschehen betonen auch Garnsey I Salier, S. 140. 216 "Pflicht" wieder im Sinne einer gesellschaftlichen Obliegenheit. Eine (gewisse) Abschwächung dieser Pflicht im Laufe der uns interessierenden Zeit kann man vielleicht Quint. inst. or. VI.3.44 entnehmen.
4. Exkurs über die gesellschaftliche Funktion des Testamentes
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ne benignitas maior esset quam facultates, quod qui benigniores volunt esse, quam res patitur, prima in eo peccant, quod iniuriosi sunt in proximos; quas enim copias his et suppeditari aequius est et relinqui, eas transferunt ad alienos 211 •
Die zweite Stelle steht im Kontext des richtigen Gebens und Forderns: Habenda autem ratio est rei familiaris, quam quidem dilabi sinere flagitiosum est, sed ita, ut inliberalitatis avaritiaeque absit suspicio. Posse enim liberalitate uti non spoliantem se patrimonio nimirum est pecuniae fructus maximus21B.
Der Vermögensinhaber hat also den Balanceakt zu vollbringen, einerseits seinen Abkömmlingen, d. h. seinen Erben, den Stamm der Güter zu erhalten219, andererseits seinen eigenen gesellschaftlichen Pflichten unter Lebenden nachzukommen. Denn auch dazu hat das Vermögen zu dienen. Diese Gebote hat Helvia, die Mutter des Philosophen Seneca, bei der Verwaltung des Vermögens ihrer Söhne beachtet. In der Trostschrift für seine Mutter beschreibt Seneca zunächst übles Verhalten von Müttern220: viderint il/ae matres, quae potentiam liberorum muliebri inpotentia exercent, quae, quia feminis honores non licet gerere, per i/los ambitiosae sunt, quae patrimonia filiorum et exhauriunt et captant.
Davon hebt er das Gebahren seiner Mutter ab221: tu liberorum tuorum bonis plurimum gavisa es, minimum usa; tu liberalitati nostrae semper imposuisti modum, cum tuae non inponeres; tu filia familiae locupletibus filiis ultra contulisti; tu patrimonia nostra sie administrasti, ut tamquam in tuis laborares, tamquam alienis abstineres.
Die Gegenüberstellung der beiden Stellen macht deutlich, worin das Verdienst der Helvia liegt: Sie hat das patrimonium ihrer Söhne nicht verschwendet. Versteht man darunter das vom Vater erebte Vermögen, so liegt auch diesem Text der Konservierungsgedanke zugrunde. Denn auch wenn der Mutter als Verwalterio eines fremden Vermögens zusätzliche (wenigstens moralische) Sorgfaltspflichten auferlegt sind, gibt Seneca mit seiner Wortwahl- patrimonium anstelle von etwa bona - zu erkennen, daß auch er sich dem patrimonium verpflichtet fühlt. Im 88. Brief an Lucilius äußert er sich allgemeiner über sein Eigentumsverständnis222: 1.44; s. bereits oben unter 3 a. 11.64. 219 Zu der Verbindung von Ruhmsucht und Größe der Hinterlassenschaft an die Kinder Philipp, Gymnasium 62, 1955, S. 59ff. Dazu, daß Kinder durch ihr Verhalten zum Ruhm der Eltern beitragen können- und umgekehrt, Quint. inst. or. 111.7.26. 220 14.2. 221 14.3. Allgemein zur Rolle der Frau alsHüterindes Vermögens Kierdorf, Laudatio Funebris, 1980, S. 46. 222 Weitere Nachweise für Seneca bei Motto, Seneca sourcebook: Guide to the thought of L.Aennaeus Seneca, Amsterdam 1970, s. v. "possession" und "fortune". 211
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6 Paulus
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III. Testamente
Quid? ante avum tuum istum agrum tenuit? cuius, non dico hominis, sed populi fuerit potes expedire? Non dominus isto, sed colonus intrasti. Cuius colonus es? si bene tecum agitur, heredis. Negant iurisconsulti quicquam usu capi publicum: hoc quod tenes, quod tuum dicis, publicum est et quidem generis humanj223.
Hierin klingt ein weiterer Gedanke an, auf den sogleich zurückzukommen sein wird. Horaz äußert sich in den sermones zweimal in völligem Einklang mit dem, was Cicero anläßlich der Caelius-Prozeßrede vorgetragen hat: rem patris oblimare malum est ubicumque hält er mahnend dem Marsaeus, dem Geliebten einer Schauspielerin, vor224 ; und angesichts eines Albius-Sohnes und eines Baius', die beide ein heruntergekommenes Leben führen, sagt Horaz: magnum documentum, ne patriam rem perdere quis vefit225. Plinius d. J. begründet in seiner Lobrede auf Trajan, warum die Erbschaftssteuer nur fremden Erben (heredes extranei) auferlegt werde, nicht aber nahen Verwandten (heredes domestici): letztere würden das Erbe nicht als fremdes, ihnen zugefallenes Gut betrachten, sondern als etwas schon lange in ihrem Besitz Befindliches, das sie ihrerseits ihren nächsten Verwandten weiter zu übertragen hätten: itaque il/is inrogatum est, his remissum, videlicet quod manifestum erat, quanto cum dolore laturi seu potius non laturi homines essent destringi aliquid et abradi bonis, quae sanguine, gentilitate, sacrorum denique societate meruissent, quaeque numquam ut aliena et speranda, sed ut sua semperque possessa ac deinceps proximo cuique transmittenda cepissent226.
Immer steht in diesen Fällen der Konservierungsgedanke im Vordergrund, und damit ein Eigentumsverständnis, das dem Vermögensinhaber keine unbeschränkte Verfügungsfreiheit gewährt227 • Als Zwischenergebnis läßt sich daher festhalten: Rechtliche Terminologie und Umgangssprache stimmen hinsichtlich des Ausdruckes proprietas in ihrem Begriffsfeld nicht überein. Der rechtliche Ausdruck kennzeichnet eine besondere Beziehung zwischen einer Sache und einer Person; der umgangssprachliche beschreibt dagegen den Eigentümer lediglich als einen Verwalter seiner Güter, der in seiner Entscheidung, was er mit seinem Vermögen tun soll und darf, stark eingeschränkt ist. Er hat den Vermögensstamm für seine Erben zu bewahren, die wiederum seine Kinder sein sollen. Der Konzeption nach kann ein Familienvermögen 88.12. Senn. 1.2.61. 22s Senn. l.4.110. S. auch die weiteren Nachweise bei Corbier, Index 13, 1985, S. 501 FN3. 226 Paneg. 37.2. 227 S. auch noch I 3.1.3; Collat. 14.3.6; Juv. Sat. 14., Z. 92ff.; Plut. Crassus 2.1ff. Veyne, S. 140 gibt ein einschlägiges Zitat Senecas wieder, doch leider ohne Referenz; s. noch S. 156. 223
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4. Exkurs über die gesellschaftliche Funktion des Testamentes
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auf diese Weise seinen Weg durch alle Generationen antreten228, so daß der momentane, tatsächliche Eigentümer zu einer bloßen "Durchlaufstation" im Zeitablauf wird. Die diesem Eigentumsverständnis innewohnende Dynamik wird durch die im folgenden zu beschreibenden Phänomene noch verstärkt. b) Vermögensstreuung
Zu der vorbeschriebenen, gewissermaßen vertikalen Eigentumsstruktur (durch die Generationen hindurch) gesellt sich die schon mehrfach erwähnte, spezifisch römische Testiersitte, mittels Vermächtnissen an Freunde und einflußreiche Personen den Nachlaß aufzuzehren. Wie viele Erben mögen leer ausgegangen sein, bevor ihnen die Lex FaLcidia wenigstens ein Viertel bewahrte? Die immer wiederkehrende Beschäftigung der römischen Juristen mit den Problemen dieser Lex ist ein starkes Indiz dafür, daß auch weiterhin Legate bis an die Grenze des Nachlasses ausgesetzt worden sind. Diese Sitte erweitert den vertikalen Bewegungsablauf um eine zusätzliche, sozusagen horizontale Flußrichtung. Denn der über den für die Erben zu konservierende Teil des Vermögens hinausreichende Betrag diente der postmortalen Gunsterweisung. Damit trat neben diekraftrechtens garantierte Vererbbarkeil und die dadurch eröffnete Möglichkeit, im Laufe der Generationen Riesenvermögen anzusammeln, das gleichsam gesellschaftliche Korrektiv, das Vermögen umzuverteilen229. Es kommt hinzu, daß man seinerseits wieder Empfänger von Legaten war, so daß der Eindruck entsteht, daß sich das Gesamtvermögen der römischen upper dass in einem ständigen Kreislauf befand23o. Der jeweilige, juristische Eigentümer schrumpftangesichtsdessen noch mehr zu einer bloßen Durchgangsstation der jeweiligen Güter zusammen. Wie sehr in diesem Bereich des horizontalen Eigentumsverständnisses gesellschaftliche Zwänge vorherrschten, beleuchtet schlaglichtartig ein weiteres Phänomen, das man als "Öffentlichkeit des römischen Testaments" 228 Das ist freilich nur das Ideal! Die Realität kann ganz anders aussehen, cf. etwa D 4.4.24.2, Paul. 11 ad ed. 229 Dieser Umverteilungsmechanismus wird in D 36.1.65.4, Gai. 2 de fideic., deutlich. Der mit einem Erbschaftsfideikommiß belastete Erbe trägt dem als Erben einer weiteren Erbschaft eingesetzten servus hereditarius noch vor der Restitution auf, seine Erbschaft anzutreten. Ist diese zweite Erbschaft mitzurestituieren? Cf. D 36.1.28.1, Iul. 40 dig. S. zu dem im Text beschriebenen Phänomen auch Corbier, Index 13, 1985, S. 514ff.; auch sie gebraucht das Bild einer vertikalen und horizontalen Streuung. 23° Eine ähnliche Vorstellung über das Bodeneigentum verwendet auch Elena Staerman, Das römische Bodeneigentum, in: Eigentum -Beiträge zu seiner Entwicklung in politischen Gesellschaften, hrsgg. v. J. Köhn und B. Rode, FS Werner Sellnow, 1987, S. 88f. u. ö. - wenn auch mit der Annahme einer das "Obereigentum" beanspruchenden Rechtspersönlichkeit der "Gemeinde".
6•
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III. Testamente
bezeichnen kann231. Damit ist zweierlei gemeint: Einmal die Eigenart, das eigene Testament noch zu Lebzeiten publik zu machen, zum anderen die Gewißheit eines jeden Testators, daß man unmittelbar nach seinem Ableben und der alsbald stattfindenden Testamentseröffnung über sein Testament reden wird. Für beides gibt es prominente Beispiele. (1) Am bekanntesten für die lebzeitige Verlautbarung des eigenen Testaments232 ist die wohl parodierende, gerade deswegen aber im Kern realistische Darstellung Petrons, der seinen Trimalchio nach dem Gelage vor der vollständig versammelten Gästeschar sein Testament vorlesen läßt233. Ferner sei an das oben (3 c) bereits erwähnte Unwesen der römischen captatores erinnert, das besonders von dieser Form der testamentarischen Publizität lebte234 • Aber auch das Sieben-Zeugen Testament implizierte die Chance, zu Lebzeiten bereits bekannt zu werden: Cicero trägt nämlich anläßlich seiner Rede für Milo vor, er habe als Zeuge bei der Testamentserrichtung des Kyros fungiert und dabei erfahren, daß er als Miterbe bedacht sej23S: Testamenturn simul obsignavi, una fui; testamenturn autem palam236 fecerat et illum heredem et me scripserat.
Auf dem Hintergrund dieses sicherlich nicht singulären Falles237 mit seiner "institutionellen Publizität" stellt sich übrigens die Frage, ob der Geltungsgrund des von den Juristen öfters zur Begründung herangezogenen Satzes plus
231 Cf. Moreau, S. 182. Zur Publizität gehört auch das bereits erwähnte Mitteilen der im Erbschaftswege erzielten Summen: Cic. Phi!. 2.40; Suet. Aug. 101. S. auch das extensive Einsichtsrecht in eröffnete Testamentstafeln, D 29.3.1, Gai. 17 ad ed. prov. Zu ähnlichen Zwängen (im Bereich der Sohnesversorgung) Salier, FS Christ, 1988, s. 407f. 232 Die Öffnung des Testamentes eines anderen war dagegen durch die Iex Cornelia de falsis strafbewehrt, D 48.10.1.5, Marcian 14 inst. 233 Satyricon, Gastmahl des Trimalchio, 7l.lff. 234 S. nur D 28.5.72.1, Paul. 5 ad leg. Iu!. et Pap. 235 18.48. S. auch Horaz, serm. 11.5.51ff.; Gai 2.108. 236 Palam (zur Bedeutung D 50.16.33, Ulp. 21 ad ed.; sowie ders. D 28.1.21 pr., 2 ad Sab.) verwendet Cicero auch in einem Brief an Atticus (7.2.3)- Cicero schreibt über Curius' Testament: fecit palam te ex libella, me ex terruncio. Cf. überdies Suet. vita Horatii a.E.: decessit . . . herede Augusto palam nuncupato. Cf. D 29.7.20, Paul. 5 ad leg. Iu!. et Pap. 237 Cf. überdies Cic. ad Att. 12.16.2 (18.6): illa (= Terentia) eos non adhibuit (als Zeugen der Testamentserrichtung), quos existimavit quaesituros, nisi scissent, quid esset. Und Cicero schreibt ebenda über sein Testament: Dabo meum testamenturn legendum, cui voluerit. Dazu Costa, Cicerone, S. 218f., FN 3. Über seinen Inhalt wissen wir nur, daß er seinen Enkel, den Sohn Tullias, bedachte; ep. ad Att. 12.18a.2. Dazu Dixon (FN 208) , S. 93ff. Zur (testamentarischen) Versorgung von Enkeln cf. D 28.6.39 pr. , lav. 1 ex post. Lab. S. überdies D 16.3.1.38, Ulp. 30 ad ed. In dem Tatbestand von D 28.1.27, Cels. 15 dig., fungiert ein Zeuge zugleich als Schreiber des Testamentes. Die Klausel: hic mihi heres esto ist wirksam, cf. D 28.5.59 pr., Paul. 4 ad Vit.; Hor. Sat. 11.5.51ff.
4. Exkurs über die gesellschaftliche Funktion des Testamentes
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nuncupatum minus scriptum238 wirklich nur in der "verkümmerten" 239 Reminiszenz an längst vergangene Nuncupations-Zeiten zu suchen ist, oder ob sich diese juristische Vermutung nicht vielmehr auf die auch noch in klassischer Zeit herrschenden Realien stützen konnte240.
Etwas andere Motive bestimmte Octavian zur Publizität, als er dem Volk das Testament des Marcus Antonius vorlas241; er wollte ihn als Verräter desavouieren. Caligula dagegen muß von den ihn betreffenden Bedenkungen gewußt haben, da er ein Weiterleben der Testatoren mit Hilfe von vergifteten Spezereien abzukürzen trachtete242 . Vitellius scheint aus Machthybris Publizität erzwungen zu haben243, während Galba offenbar schon vor dem politischen Akt der Nachfolgerwahl Piso Frugi Licinianus als seinen Erben bezeichnet hatte244. (2) Für die zweite Form der Publizität, man könnte sie die postmortale nennen, steht exemplarisch erneut Petron: diesmal allerdings mit seinem eigenen Testament. Wie in der Einleitung bereits erwähnt, bezweckte er eine Vergeltung gegenüber Nero und erreichte sie; er konnte darauf im Hinblick auf die postmortale Publizität vertrauen. Hierher gehören aber auch all diejenigen Briefe, in denen der jüngere Plinius über die Inhalte von Testamenten jüngst Verstorbener berichtet, oder auch die sich überall in den literarischen Quellen findenden Berichte über Testamentsinhalte oder einzelne Bedenkungen245. c) Ergebnis
Wir können also zusammenfassen: Unter Eigentum verstand der sich nicht im juristischen Kontext unterhaltende Römer vorrangig einen Zustand, in dem der Eigentümer die Verfügungsgewalt über die zum Vermögen gehören238 Dieser Satz dient dazu, Auslassungen des Testamentstextes, die zur Unwirksamkeit führen müßten, mittels der Unterstellung, die nuncupatio sei vollständig, zu überbrücken. Cf. Ulp. D 28.5.1.5; C 6.23.7 (a. 290); zu diesem Topos zuletzt Müller-Eiselt, Pius, S. 30ff. mit umfangreichen Nachweisen in FN 25 und 28. 239 Müller-Eiselt, S. 31. Zur herkömmlichen Einschätzung der Zeugenfunktion etwa Kaser, RPR, § 160 II 2. 240 Vgl. nur D 28.1.21 pr., Ulp. 2 ad Sab.; D 28.1.25, Iav. 5 post. Lab. Zu diesen Stellen v. Bolla, SZ 68, 1951, S. 504. Geändert wurde dieser Zustand der (möglichen) Publizität erst im Jahr 439 durch eine Iex der Kaiser Theodosius und Valentinianus, C 6.23.21. 241 Suet. Aug. 17.1. Daß diese Taktik nicht singulär war, macht D 9.2.41 pr. , Ulp. 41 ad Sab., deutlich; s. auch D 16.3.1.38, Ulp. 30 ad ed . Zu diesen Stellen Daube (FN 189), s. 432f. 242 Suet. Ca!. 38.2. 243 Suet. Vit. 14.3. 244 Suet. Galba 17. 245 Z.B. Cic. pro Cluent. Hab. 48.135; Philostrat, vit. Soph. 549 (Herodes Att.); Donatus, Vergi137; Ovid, Fast. 6.639ff.; Suet. vita Hor. a.E.
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III. Testamente
den Sachen zwar hatte, sie aber nicht schrankenlos, d. h. bis zur Neige ausüben durfte- wobei "dürfen" als ein moralischer Appell zu verstehen ist. Vielmehr mußte er wenigstens den Stamm des Vermögens für seine Erben, vorrangig also seine Kinder, bewahren, so daß der Eigentümer insoweit die Funktion eines Verwalters ausübte. Der dadurch drohenden Konzentration der jeweiligen Vermögen auf die einzelnen Familien wirkte die Testiersitte entgegen, derzufolge Nachlässe bis zu einem verbleibenden Rest durch Vermächtnisse aufzuzehren waren. Dadurch spaltet sich der lineare Fluß der Güter in eine Streubewegung auf, die (auf einen längeren Zeitraum bezogen) bewirkte, daß sich das römische Oberklassenvermögen gleichsam wie ein sich vorwärts drehendes Rad in ständigem Kreislauf befand; denn die gebende Familie war ihrerseits auch wieder Empfänger von Legaten246.
246 Neben dem hier behandelten Aspekt des römischen Vermögensumlaufs gibt es freilich noch einen anderen (potentiell und aktuell: ruinösen) Kreislauf: Der nämlich, den etwa Veyne, S. 107ff. , als Euergelismus bezeichnet, d.h. die Pflicht, zur öffentlichen Unterhaltung immense Summen beizutragen. Der dadurch erlittene Vermögensverlust wurde andernorts (in den Provinzen oder aber bei der Landbevölkerung) nach Kräften wieder gutgemacht. Bei Veyne, ebda, auch eine aufschlußreiche Darstellung der gegenseitigen Abhängigkeit von Wohltäter und Empfänger.
IV. Zusammenfassung Wir begannen mit einigen grundlegenden Überlegungen zu dem Problem des Todes im allgemeinen, und - im speziellen - seine Einordnung in das Weltbild der Römer (1). Daran schloß sich die Frage nach der Existenz eines Unsterblichkeitswunsches an und, da diese Frage (freilich in einem pauschalen Sinne) zu bejahen war, die weitere Prüfung, worin sich dieser Wunsch manifestierte (II). Das führte zwangsläufig zu dem letzten Schritt der Untersuchung: worin nämlich die Besonderheit des Testamentes besteht, die seine Aufnahme in Ciceros Katalog von Unsterblichkeitsmalen rechtfertigt (111) . Die dabei gewonnenen Einsichten verdienen, noch einmal hervorgehoben zu werden, da sie den Fortgang der Arbeit bestimmen. Wir haben zwar keine weiteren, mit der ciceronianischen Aussage über die Wichtigkeit der sorgfältigen Abfassung von Testamenten korrespondierenden Belege gefunden; man wird daher nicht ohne weiteres die Testamente in eine Kategorie mit Monumenten oder Inschriften zusammenfassen können. Doch läßt sich dem einen Zitat immerhin eine Tendenz oder die Intention und "Zielvorstellung" eines Testamentes entnehmen. Erst durch dieses Streben nach Unsterblichkeit wird die Bedeutung, die, wie wir oben (Kap. 111 1) festgestellt haben, gerade die Römer dem Testament beigemessen haben, so recht verständlich. Fragt man aber weiter, worin die besagte Tendenz oder Intention zum Ausdruck kommt, so drängt sich der Gedanke auf, daß die Urkunde über ihren konkreten Inhalt hinaus Ausdruck einer dahinter steckenden Idee (oder Wertes) ist. Es liegt nahe, diese in dem weiten Konzept des "letzten Willens" zu sehen sowie in der in den Bedenkungen verkörperten Gesinnung, die sich in den jeweiligen Motiven manifestiert. Das ist besonders aufschlußreich: Denn es stellt eine direkte Beziehung zwischen dem (mehr oder minder) abstrakten Unsterblichkeitswunsch und der konkreten Form individueller testamentarischer Verfügungen her. Das mit der von Cicero anempfohlenen Sorgfalt lebzeitig aufgezeichnete soziale Beziehungsgeflecht wird durch das Testament zu einer Gruppierung, in deren Zentrum der Testator steht, und in dem er nach seinem Tode weiterwirkt. Da dieses "Wirken", genauer gesagt: die letztwilligen Zuwendungen, seinerseits eine Gegenwirkung auslöst in Gestalt der postmortalen "Charakterprüfung" (im Sinne von Plinius) durch die Überlebenden, wird das Testament zu einem Medium, in dem sich die Persönlichkeit des Erblassers fortsetzt. In diesem beschränkten Sinne ist es ein Unsterblichkeitsmal.
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IV. Zusammenfassung
Dieser Aspekt bringt eine erhöhte Verantwortung für den Juristen mit sich, der über die Wirksamkeit etwa eines Vermächtnisses oder gar über die des ganzen Testamentes zu entscheiden hat; denn er hat mit seinem ludiz nicht nur ein rechtliches Problem zu lösen, sondern hat zugleich auch über das dahinter steckende ideelle Konzept zu entscheiden, das seinerseits auf einer großen gesellschaftlichen Akzeptanz beruht. Der Topos des favor testamenti erscheint in diesem Kontext als zwangsläufige Konsequenz und Bestätigung dieser allgemeinen Anerkennung.
Teil2
Testament und Auslegung der Juristen V. Methodische Vorbemerkungen Im Anschluß an die soeben genannte Verantwortung der Juristen geht es in diesem Teil um das bereits angedeutete Verhältnis von ideeller Werthaltigkeit des Testamentes, die in ihm sich widerspiegelnden sozialen Vernetzungen und der juristischen Entscheidungsfindung. Dies und die anzuwendende Methode sind zu präzisieren. In keiner ihrer ohnedies spärlichen Begründungen1 thematisieren die Juristen den Aspekt des Testamentes, den wir im folgenden schlagwortartig mit "Idee einer postmortalen Persönlichkeit" oder mit "Unsterblichkeitsmal" umschreiben werden. Doch zeigt schon allein der für das römische Testaments-Erbrecht so fundamentale Grundsatz des favor testamenti, daß die Fragestellung als solche gerechtfertigt ist; erhält er doch, wie schon erwähnt, erst durch diesen Bedeutungshintergrund seine materielle, innere Rechtfertigung. Die folgenden Ausführungen stellen den Versuch dar, nachzuweisen, daß sich die Juristen jener Verantwortung bewußt waren und ihr nach Möglichkeit gerecht zu werden trachteten. Dabei ist von der oben gewonnenen Einsicht auszugehen, daß sich die uns interessierende Besonderheit des Testamentes weitgehend2 in dem durch die Bedenkungen geflochtenen Beziehungsnetz und den jeweils dahinter steckenden Motiven ausdrückt. Indem die Juristen auf den Bestand oder den (partiellen) Fortfall des Testamentes Einfluß nehmen, verändern sie jedoch zwangsläufig dieses Flechtwerk. Daher ist für uns die Frage entscheidend, ob und wie sie die Einflußnahme gerade im Sinne des Testators ausüben. Durch diese Fragestellung rückt die Absicht des Erblassers ins Zentrum des Interesses; und zwar die Absicht, die er mit der jeweiligen Testamentsklausel verfolgt und die keinesfalls mit dem Willen aus dem herkömmlichen Gegensatzpaar verba-voluntas gleichzusetzen ist. Während dieser gemeinhin isoliert aus der jeweiligen Zuwendung erschlossen wird, bezieht die Frage nach der Absicht auch den ideellen und gesellschaftlichen Kontext mit ein. Zu den Gründen der Begründungskargheit etwa Wieacker, FS Kaser, 1976, S. 4f. Abgesehen vom "letzten Willen" in der Form, in dem wir ihn in Kap. 111 2 erörtert haben. I
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V. Methodische Vorbemerkungen
1. Methode und Fragestellung bedingen mehrere Konsequenzen: Erstens zwingen sie dazu, hauptsächlich solche Fälle zu untersuchen, in denen die Sachverhaltsmitteilungen hinreichend ausführlich sind, um das Beziehungsgefüge des in Frage stehenden Testamentes rekonstruieren zu können. Je besser dies gelingt, desto klarer lassen sich die Testatormotive erkennen, und desto aussagekräftiger sind die Quellen für unsere Zielsetzung. Eine Folge dieser Ausrichtung auf den Sachverhalt ist es, daß die einzelnen Exegesen zum Teil recht tiefe Einblicke einerseits in das Sozialgeschehen des römischen Alltags, und andererseits- wegen der idealisierenden Tendenz des Testaments- in das Wertesystem römischer Testatoren3 gewähren. Exemplarisch hierfür wie für die im zweiten Teil insgesamt zu verfolgende Methode ist die im nachfolgenden Kapitel zu erörternde "Princeps-Klausel", d. h. diejenige Klausel, in der der Princeps der Bedachte ist. Sie eignet sich deswegen besonders gut zur Demonstration, weil bei ihr der Bedachte und, insbesondere, seine gesellschaftliche Position bekannt ist; infolgedessen sind die Bedenkungsmotive leichter zu erkennen.
2. Eine weitere Konsequenz besteht darin, daß der Stoff nach inhaltlichen Gemeinsamkeiten der zugrunde liegenden Testamentsklauseln zu ordnen ist4 • Darin liegt der wesentliche Unterschied dieser Arbeit etwa zu der von Wieling über die" Testamentsauslegung im römischen Recht". Auf diese Weise wird in einzelnen Fällen die Dichotomie von Wortlaut- oder Willensentscheidung aufgehobens, weil man die juristische Lösung im Gesamtkontext der zugrunde liegenden Lebenssachverhalte sieht. 3. Die Konzentration auf den konkreten Einzelfall bedingt des weiteren, daß die zu untersuchenden Quellen auch danach auszuwählen sind, ob der den Fall erörternde Jurist ihn selbst entschieden hat, oder ob er nur die Entscheidung eines anderen Juristen kommentiert. Obwohl Letzteres mitunter auch von Interesse sein kann, besteht doch generell die Gefahr, daß die Argumentation des kommentierenden Juristen größeres Gewicht auf juristische Stringenz und Folgerichtigkeit legt als es die des erstentscheidenden Juristen tut6. Dieser Annahme liegt die Vorstellung zugrunde, daß für den Entscheidungsprozeß des Juristen in einem konkreten Fall eine Vielzahl von Faktoren eine Rolle spielt, von denen in der endgültigen Entscheidung selbst aber, aus welchen Gründen auch immer, nur die juristischen genannt und damit zur Diskussion und Kommentierung durch andere Juristen "freigegeben" werden?. 3 Die man, wie bereits erwähnt, etwas vereinfachend als "Oberschicht" qualifizieren kann. 4 Entgegen etwa Schulz, Prinzipien des Römischen Rechts, München 1934, S. 106f. werden die Testamentsklauseln hier als unmittelbare und authentische Äußerungen damaliger Lebensumstände verstanden. Das "Krause und Wunderliche" sehen wir als durch die geänderten Zeiten bedingt. s Zurcausa Curiana etwa unten Kap. VII 5 a; s. auch 5 b bei D 28.5.69 a.E. 6 Vgl. M. Weber, Rechtssoziologie, Neuwied 1960, S. 178f., 183.
V. Methodische Vorbemerkungen
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Durch diese Beschränkung der entscheidungserheblichen Topoi auf die spezifisch juristischen tendieren die Erörterungen nicht erstentscheidender Juristen zwangsläufig in mehr oder minder starkem Ausmaß dazu, den einst konkreten Sachverhalt als generalisierbares Rechtsproblem zu behandeln. Aufgrund der besonderen Bedeutung, die dem Sachverhalt nach der Zielsetzung dieser Arbeit zukommt, ist es aber geboten, mit Kommentierungen, wenn überhaupt, nur sehr vorsichtig zu argumentieren. Die Folge dieser Annahme ist freilich, daß die folgenden Untersuchungen mehr unterstellen, als daß sie explizit zu erweisen versuchen, daß die römischen Juristen bei ihrer Entscheidungstindung gesellschaftliche Realien berücksichtigt haben. Frier etwa hat diesen Nachweis für die Behandlung des stadtrömischen Wahnraum-Mietrechts erbrachtSundeine solche Berücksichtigung in hohem Maße festgestellt. Auch wir werden diesen Befund ständig erkennen können, ohne ihn eigens hervorzuheben. Dies ist umso mehr statthaft, als Wieling der Benachteiligung sozial Niedrigstehender (Sklaven, Freigelassene) die Bedeutung eines eigenen Topos zumißt9 und damit die Berechtigung unserer Unterstellung unterstreicht. 4. Schließlich bedeutet der Versuch, herauszufinden, ob und inwieweit die Juristen ihre Verantwortung gegenüber Testamenten wahrgenommen haben, zugleich den Verzicht auf ein entwicklungsgeschichtliches Vorgehen. Denn eine Fragestellung etwa dergestalt, ob im Verlauf der uns interessierenden Epoche ein Trend hin zu oder weg von einer entsprechenden Einstellung festzustellen ist, erscheint wegen der weitgehenden Konstanz und Statik der zugrunde liegenden Phänomene wenig erfolgversprechend: Der Unsterblichkeitswunsch blieb (nicht nur während der Principatszeit) ungebrochen, und das Testament behielt seine spezifisch römische EigenartlO, das lebzeitige 7 S. auch Wieacker, S. 4: "Auch gilt ein solches stet pro ratione voluntas mehr für das konkrete Responsum als für die in die literarische Fachdiskussion gelangte, problematisierte quaestio"; ders. , SZ 94, 1977, S. 25, 28f.; Andeutungen auch bei Nörr, SZ 89, 1972, S. 25, 79. Zum modernen Recht etwa Kriele, FS 600 Jahre Universität Köln, Köln 1988, S. 714. s Landlordsand Tenants in Imperial Rome, Princeton 1980, S. 174ff.; dazu meine Rezension in SZ 100, 1983, S. 665f. Von allgemeiner, grundlegender Bedeutung für die Ablehnung einer Trennung von juristischer und sozialer "Sphäre" G. Paulus, Die juristische Fragestellung des Naturrechts, Berlin 1979. 9 S. 27 u. ö. Vgl.allerdings mit dem Fragment D 35.1.40.3, Iav. 2 ex post. Lab. , auch D 32.30.2, Lab. 2 post. a Iav. epit., oder D 32.29.4, Lab. 2 post. a Iav. epit. Die Bezeichnung dieses Phänomens ist eine Frage des Standpunktes: "Benachteiligung sozial Niedrigstehender" korreliert mit einer "Bevorzugung sozial Höherstehender" . Je nach verwendeter Terminologie drückt sich implizit das Verständnis des "Normalmaßes" rechtlicher Behandlung aus. 1o Über den Zusammenhang von Unsterblichkeitsmal und Gesellschaftsstruktur (aus anthropologischer Perspektive) etwa M. Bloch, Tombs and States, in: Humphreys I King (Hg.), Mortality and Immortality, 1981, S. 137ff. Auch der Antike war der Zusammenhang von Gesellschaftsstruktur und (etwa) Ehre und Ruhm durchaus geläufig, cf. Quint. inst. or. Ill.7.23ff.
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V. Methodische Vorbemerkungen
Beziehungsgeflecht des Testators idealisierend nachzuzeichnen. Angesichts des fundamentalen, fast religiösen Aussagegehalts des Testamentes sind daher keine, zumindest keine grundsätzlichen Änderungen zu erwarten.
VI. Die Princeps-Kiausel 1. Die Stellung des Princeps innerhalb der römischen Oberschicht
In diesem Abschnitt sind einige 1 Eigenheiten der Principatsordnung hervorzuheben, die im Zusammenhang mit der Princeps-Klausel von Bedeutung sind. a) Primus inter pares
Dazu zählt vorrangig das Phänomen, das Hopkins2 als den Gründungsmythos (foundation myth) des Principats bezeichnet: Zu dem bereits erwähnten allmählichen Hinübergleiten republikanischer Institutionen und Gepflogenheiten in einen neuen, revolutionierenden Bedeutungskontext gehörte die Idee, daß der Princeps primus inter pares3 ist, oder, wie es Augustus formuliert4: Post id tempus auetoritote omnibus praestiti, potestatis autem nihilo amplius habui quam ceteri qui mihi quoque in magistratu conlegae fuerunt 5•
Das soll besagen, daß er zwar ein überragendes Sozialprestige besaß, die Amtsgewalten jedoch nur in demselben Maße wie seine Amtskollegen. Freilich hatte er aufgrund der einzigartigen Bündelung von Rechtsmacht in seiner Person eine zweifiellos jedem erkennbare Machtposition inne, die de facto einer monarchischen Stellung sehr nahe kam. Als Gegengewicht fungierte jedoch die Selbstbeschränkung auf die tradierten Rechtsbefugnisse und die für die gesellschaftlichen Empfindlichkeiten der Oberschicht überaus bedeutsame, weil schonende Einordnung seiner Person in den Senatorenstand; Augustus vermied es geflissentlich, eine Position über dem Senatorenstand einzunehmen6. Durch diese, auch für die Nachfolger mehr oder minder verI Für eine umfassende Darstellung s. Miliar, The Emperor in the Roman World, London 1977. 2 Death, S. 121. 3 Zu dem Kreis der pares rechnet eine rechtlich nicht faßbare Gruppe des Senatorenstandes; vgl. Alföldy, Römische Sozialgeschichte3 , Wiesbaden 1984, S. 107ff. S. auch Martial, ep. 10.92, Z . 8f. (dazu Kunkel, Kleine Schriften, Weimar 1974, S. 528f.): Non est hic dominus, sed imperator, Sed iustissimus omnium senator, .. . 4 Mon. Anc. 34. s Hierzu etwa Magdelain, Auctoritas Principis, 1947, sowie Kunkels Rezension dieses Werkes in: Kleine Schriften, S. 587ff. 6 Hierzu und zum folgenden etwa Bleicken, Prinzipat und Dominat (s.o. Einleitung FN 25), S. 8ff.; Kunkel, S. 387, 516f., 520f., 591f. Zum Principat des Augustus allge-
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VI. Die Princeps-Klausel
bindlieh wirkende Diskrepanz7 von tatsächlichem Machtumfang und freiwilliger Selbstbeschränkung ergab sich eine Spannung, die Probleme mit sich brachte: Der Princeps war nämlich gehalten, "in seinem Auftreten und in seinen Handlungen unterhalb der Schwelle dessen zu bleiben, was er aufgrund seiner tatsächlichen Macht zu tun fähig war"S. Die auf diese Weise zur Schau gestellte, den Realitäten jedoch widersprechende Gleichheit konnte dazu führen, daß sich jedes ambitionierte Mitglied der römischen Machtelite zumindest insgeheim Hoffnungen auf das höchste Amt machen konnte, da es im Grunde genommen keine weiteren Voraussetzungen für die Qualifikation als Princeps gab als eben die Zugehörigkeit zu diesem Zirkel. Daraus ergab sich das vor allem zu Zeiten der jeweiligen Nachfolgeregelung besonders stark hervorbrechende Moment der Instabilität, von dessen Berichten die Werke des Tacitus, Sueton und Cassius Dio voll sind, und dastrotzmehrfacher Versuche der Installation einer dynastischen Nachfolgeregelungniemals völlig beseitigt wurde. b) Parens patriae
Freilich gab es Gegenmechanismen, die den "Alleinvertretungsanspruch" der Principes untermauern sollten9. Einer von ihnen ist hier wegen seiner Bedeutung für die Testamente der Oberschicht eingehender zu erörtern, nämlich die Kaisertitulatur pater oder parens patriae 1o. Sie impliziert eine ganz direkte Übertragung des Familienbildes auf den Staat, an dessen Spitze der Princeps als Vaterll oder- was in einem weiter unten zu behandelnden Kontext wichtig ist- zumindest als Patron steht12. Dieses Bild ergibt sich besonders klar aus Senecas "Fürstenspiegel" de clementia; dem Werk also, durch das er Nero als Herrscher zum Guten beeinflussen wollte. Er schreibt dortB: mein Kienast, Augustus: Princeps und Monarch, 1984, passim; ders., SZ 101, 1984, S. 115ff., oder Syme, A Roman Post-Mortem, in: Dunston (Hg.), Essays on Roman Culture, 1976, S. 139ff. 7 Vgl. Kunkel, S. 404, 507f., 537, 549f. s Bleicken, S. 11; Kunkel, S. 504. Vgl. damit Neros Ausspruch in Suet. 37.3; dazu oben Kap. III 3 b (1) . 9 S. etwa Kienast, Augustus, S. 164ff.; ders., SZ, S. 139. Zu den mit der Verleihung des Augustus-Titels verbundenen religiösen Implikationen Koch, Religio, 1960, S. 110ff. w S. bereits oben Kap. III 3 b. Zusätzlich A . Alföldi, Der Vater des Vaterlandes im römischen Denken, 1971 (auf S. 41ff. zu der republikanischen Herkunft des Titels) ; Garnsey I Salier, The Roman Empire, S. 149ff.; Bauman, lmpietas in Principem, 1974, S. 74, der auf die strafrechtliche Sanktionierung dieses Titels bei Caesar hinweist; Martin, Providentia Deorum, Aspects Religieux du Pouvoir Romain, 1982, S. 74f. 11 Eine - stark vereinfachende - Darstellung des römischen Staates als (der Idee nach) einer Familie gibt Lacey, Patria Potestas, in: Rawson (Hg.), The Family in Ancient Rome, 1986, S. 121 ff. Differenzierter etwa Rilinger, Humiliores-Honestiores, 1988, s. 274ff. 12 S. etwa Mattingly, The Man in the Roman Street, New York 1966, S. 103 u. ö.
l. Die Stellung des Princeps innerhalb der römischen Oberschicht
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Hoc, quod parenti, etiam principi faciendum est, quem adpellavimus Patrem Patriae non adulatione vana adducti .. . Patrem quidem Patriae adpellavimus, ut sciret datam sibi potestam patriam, quae est temperantissima liberis consulens suaque post illas reponens ... (15.3) Hoc ipso exemplo dabo, quem conpares bono patri, bonum principem.
Dem Princeps wird also dieselbe Pietät geschuldet wie die der Kinder dem Vater gegenüber. Freilich macht Seneca subtil erkennbar, daß darin auch eine Verpflichtung für den Herrscher steckt. Denn indem er wiederholt von adpellavimus spricht, verweist er auf die Übertragung, oder besser: Verleihung durch "uns". Damit macht er deutlich, daß diese Qualifikation dem Princeps nicht qua Person zukommt, sondern als eine zugeteilte Würde. Hierin kommt eine Bedeutungsnuance der Kindespietät zum Ausdruck, die lange Zeit unter dem Eindruck der juristischen Machtvollkommenheit eines Vaters übersehen worden ist und erst in jüngster Zeit wieder stärker betont wird 14 : daß nämlich auch der Vater den Kindern gegenüber Pietät schuldet; daß also wechselseitige Verpflichtungen bestehen. Der Anspruch, als "Landesvater" erhöhte Reverenz beanspruchen zu können, verringerte bis zu einem gewissen Grade- wenigstens zu Lebzeiten des Princeps -die zuvor genannte Gefahr des Gründungsmythos. Augustus, der möglicherweise durch die Zulassung des Genius Augusti-Kultes seine "VaterPosition" bestärktet\ kam denn auch ebenso wie Tiberius seinen Gegenverpflichtungen nach, indem er testamentarisch jeden Römer bedachtet6. Dies stellt gewissermaßen die "staatliche" Variante der oben (Kap. 111 3 a) beschriebenen Kindesliebe oder -Versorgung dar. c) Verflechtungen
Als primus inter pares war der Princeps in das schon mehrfach erwähnte Beziehungsgeflecht der römischen Gesellschaft eingewoben - mit allden Verpflichtungen und Freundschaftsdiensten, die sich daraus ergaben. Es ist naheliegend, daß diese Eigenheit bei Augustus, dem "Begründer" 17 des Principats, am deutlichsten hervortritt, und in den nachfolgenden 2 Jahrhunderten mit zunehmender Etablierung dieses Systems sukzessive, wenn auch nicht voll13 De eiern . l.14.2 (s. schon oben Kap. III, bei FN 42). Vgl. zusätzlich Dio Chrysostomus' Adresse an Trajan ,Peri Basileias' 1.40. Die lange Tradition des ehrenhaften Vatertitels belegt etwa Plutarch, Fab. Max. 13.3 ff. Zur Gleichstellung von parentes und patria s. auch D 1.1.2, Pomp. lib. sing. ench. 14 S. bereits oben Kap. III 3 FN 41. ts Wlosok, Vater und Vatervorstellungen in der römischen Kultur, in: H . Teilenbach (Hg.), Das Vaterbild im Abendland I, Stuttgart 1976, S. 39f. 16 Suet. Aug. 101.2; zu Tiberius Suet. Tib. 76 und Cal. 16.3. 17 Zu den notwendigen historischen Vorbedingungen dieses Gründungsaktes etwa Christ, Scr. in on. Guarino III, Neapel1984, S. 1003ff.
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VI. Die Princeps-Klausel
ständig schwindet. Marksteine der Entwicklung dürften etwa Claudius' Einrichtung eines aus Freigelassenen bestehenden Beamtenapparates gewesen sein und Hadrians grundlegende Rechts-, Verwaltungs- und Militärreformen. Diese Maßnahmen schafften Distanz zwischen dem primus und den pares, indem sie zwischen beide eine (de facto) mächtige Schicht ergebener Diener, bzw. Beamter, plazierte. Doch geht damit nicht - wenigstens nicht innerhalb des in dieser Arbeit zu untersuchenden Zeitraums - eine Abkapselung des Herrschers einherts. Gemessen an den mit dem deutschen Wort "Kaiser" verbundenen Assoziationen19 bleibt der Princeps überraschend eng mit den Geschehnissen der anderen Gesellschaftsmitglieder verbundenzo. Darauf wird weiter unten (sub 3) noch mehrere Male gesondert zurückzukommen sein. Für eine summarische Darstellung eignet sich eine in Iustinians Institutionen teilweise überlieferte oratioZI des Pertinax, die zu einem Zeitpunkt gehalten wurde, zu dem die hadrianischen Reformen schon längst abgeschlossen waren, I 2.17.8: Eadem oratione expressit non admissurum se hereditatem eius, qui litis causa principem heredem reliquerit, neque tabulas non legitime factas, in quibus ipse ob eam causam heres institutus erat, probaturum neque ex nuda voce heredis nomen admissurum neque ex ulla scriptura, cui iuris auetoritos desit, aliquid adepturum.
Der Princeps hält es für erforderlich, nicht nur sein Verhalten hinsichtlich der ihn bedenkenden Testamente zu verkünden, sondern auch noch darüber hinaus Machenschaften mit Hilfe solcher Zuwendungen von vornherein zu unterbinden. So impliziert die Ankündigung, er werde solche Erbschaften nicht antreten, die ihm aufgrund eines Rechtsstreites zufallen22, daß streitende Römer den Princeps dergestalt in ihr Privatleben einbezogen, daß sie ihn aus Schädigungsabsicht gegenüber ihrem Gegner(!) bedachten. Oder wenn sich Pertinax dagegen verwahrt, etwas aus rechtlich nicht einwandfreien Testamenten, tabulas non legitime factas, entgegenzunehmen, und hinzufügt, daß seine Bedenkung dabei gewissermaßen als "Heilung der Nichtigkeit" fungieren soll, so hat das nicht nur Tradition23, sondern belegt auch die (wenigstens grundsätzliche) Verfügbarkeit der Person des Princeps für eine ganz persönliche Vorteilssuche. 1s Sie trat mehr oder minder rigoros wohl erst ab dem 4. Jhdt. auf. Das zeigt sich besonders deutlich an der Machtfülle des Praepositus sacri cubiculi; dazu Guyot, Eunuchen als Sklaven und Freigelassene in der griechisch-römischen Antike, Stuttgart 1980, s. 130ff. 19 Zur Kritik an der anachronistischen Konzeption eines "Kaisers" etwa Schmitthenner, Gnomon 37, 1965, S. 153ft. 20 Vgl. etwa die schöne Geschichte in Quint. inst. or. VI.3.63 und 64, oder etwa die in Cass. Dio LXIX.6.3. 21 Hierzu Alba Musca, Labeo 31 , 1985, S. 35. 22 Einzelheiten dazu unten Abschnitt 3 c. 23 Cf. Cic. de oft. III.73f. (zu Crassus und Hortensius), dazu noch unten Abschnitt 2.
1. Die Stellung des Princeps innerhalb der römischen Oberschicht
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Die gleiche Tendenz liegt auch der Aussage zugrunde, er werde aus einer bloß mündlichen Verlautbarung, den Princeps bedenken zu wollen, keinerlei Rechte ableiten. Primär soll ihn das wohl von den entsprechenden Untaten früherer Principes abheben24, doch zeigt allein die Tatsache dieser Aussage die (mitunter bedrohliche oder verfängliche25) Präsenz des Princeps im Alltag. Sie war keinesfalls auf die Zeit des Pertinax beschränkt, sondern ist, wie allein schon die häufige Wiederkehr der von ihm erwähnten Machenschaften26 beweist, ein dauerhaftes Phänomen des Principats. Man wird hierher auch den Sachverhalt zählen dürfen, von dem der Verfasser der Paulussentenzen berichtet, 5.12.9 b = D 1.19.2: Quod si ea bona, ex quibus imperator heres institutus est, solvendo non sint, re perspecta consulitur imperator: heredis enim instituti in adeundis vel repudiandis huiusmodi hereditatibus voluntas exploranda est.
Der Princeps konnte also durchaus auch einmal Erbe insolventer Nachlässe sein. Wenn die Insolvenz dem Testator bewußt war27, muß darin keine Mißachtung oder Gehässigkeit gegenüber dem Princeps liegen; vielmehr wird man sich die Fälle ähnlich gelagert zu denken haben wie denjenigen, von dem der jüngere Plinius berichtet28: Dort ist die Tochter Erbin eines überschuldeten Nachlasses, und Plinius "rettet" das Testament (und damit die Reputation des Testators), indem er die Schulden begleicht. Es ist daher denkbar, daß auch diejenigen Erblasser auf entsprechende "Rettungen" durch den Princeps gehofft haben, die ihn zum Erben ihres insolventen Nachlasses gemacht haben. Aus der in dem Fragment angeordneten Vorgehensweise wird man schließen dürfen, daß diese Hoffnung nicht ganz unbegründet war: Denn anstelle einer klaren und eindeutigen, ökonomisch sinnvollen Absage, überschuldete Nachlässe anzutreten, steht das Gebot einer Einzelfall-Entscheidung des Princeps29. Auch hierin zeigt sich also die enge Einbeziehung des Herrschers in die privaten Belange der Beherrschten. Von Augustus berichtet Sueton in der oben (Kap. 111 3 c) zitierten Stelle (Aug. 66.4), daß er sehr viel Wert auf das Urteil seiner Freunde legte. Daran ist bezeichnend, daß der ca. 100 Jahre später schreibende Historiker die Freundschaftspflege gerade dieses Princeps3o hervorhebt. Überdies verweist Etwa Caligula oder Domitian; dazu unten Abschnitt 3f. S. unten Abschnitt 3f. 26 Dazu Rogers, TAPhA 78, 1947, S. 140ff., sowie unten Abschnitt 3f. 27 Es sind freilich auch Fälle denkbar, in denen die Insolvenz erst nach Testamentserrichtung eintrat, und der Testator aus Nachlässigkeit kein neues Testament aufsetzte. 2s Ep. 2.4; s. bereits oben Kap. III 3 a. 29 Eine weitere Erklärung b\~tet Siber, Zur Entwicklung der römischen Princ!patsverfassung, 1933, S. 39, an: "Uber das Privatvermögen des Kaisers wurde bei Uberschuldung in keiner Form ein Konkursverfahren eröffnet, weshalb der dazu gehörige große Grundbesitz auch aus Bankerotten unversehrt hervorging." 30 S. aber auch etwa SHA Hadrian 9.6ff. Zur amicitia Caesaris und der renuntiatio amicitiae Kelly, Princeps Iudex, 1957, S. 8ff. 24
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7 Paulus
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VI. Die Princeps-Klausel
das Zitat auf die Bedeutung der Testamente, indem sie deren Zweck betont, die postmortale Verwobenheil unter Freunden zu gewährleisten. Das ergibt sich ebenfalls aus einer korrespondierenden Passage in Senecas Traktat ,de clementia'JI . In ihr berichtet Seneca, wie Augustus als Mitglied eines Hausgerichtskonsiliums in weiser Rücksichtnahme auf seine überragende Autorität erstens eine schriftliche Abstimmung anregt; anderenfalls hätte ihm als Ranghöchstem die erste mündliche Verlautbarung des Urteils oblegen, der die anderen voraussichtlich gefolgt wären. Zweitens verkündet er, daß er die Erbschaft des dem Konsilium vorsitzenden Paterfamilias nicht annehmen werde, um den Vorwurf der Eigennützigkeit seines Urteils auszuschließen. Hoc ipso exemplo dabo, quem conpares bono patri, bonum principem. Cogniturus de filio Tarius advocavit in consilium Caesarem Augustum; venit in privatos penates, adsedit, pars alieni consilii fuit, non dixit: , Immo in meam domum veniat'; quod si factum esset, Caesaris futura erat cognitio, non patris. Audita causa excussisque omnibus, et his, quae adulescens pro se dixerat, et his, quibus arguebatur, petit, ut sententiam suam quisque scriberet, ne ea omnium fieret, quae Caesaris fuisset; deinde, priusquam aperirentur codicilli, iuravit se Tarii, hominis locupletis, hereditatem non aditurum. Dicet aliquis: ,Pusillo animo timuit, ne videretur locum spei suae aperire velle filii damnatione'. Ego contra sentio; quilibet nostrum debuisset adversus opiniones malignas satis fiduciae habere in bona conscientia, principes multa debent etiam famae dare. Iuravit se non aditurum hereditatem. Tarius quidem eodem die et alterum heredem perdidit, sed Caesar libertatem sententiae suae redemit.
Augustus kommt seiner Freundschaftspflicht nach und fungiert als Beisitzer im Consilium des Tarius. Aus dem letzten Satz wird man folgern dürfen, daß Augustus zusammen mit dem Sohn als Erbe des Tarius eingesetzt war. Und auch hier wird durch Augustus' Schwur die eigentümliche Beziehung zwischen Freundespflichten und testamentarischer Bedenkung deutlich: Um seine Pflicht unbefangen ausüben zu können, verzichtet er auf das von Tarius gesetzte Freundschaftszeichen. Und schließlich ist noch Justinians Bericht über die "Geburtsstunde" der Kodizille zu nennen, die ebenfalls die Eingebundenheit des Princeps in den Freundeskreis belegt, I 2.25 pr. : Ante Augusti tempora constat ius codicillorum non fuisse, sed primus Lucius Lentulus, ex cuius persona etiam fideicommissa coeperunt, codicillos introduxit, nam cum decederet in Africa, scripsit codicillos testamento confirmatos, quibus ab Augusto petiit per fideicommissum, ut faceret aliquid: et cum divus Augustus voluntatem eius implesset, deineeps reliqui auetoritatem eius seeuti fideieommissa praestabant et filia Lentuli legata, quae iure non debebat, solvit. dicitur Augustus eonvoeasse prudentes, inter quos Trebatium quoque, euius tune auetorilas maxima erat, et quaesisse, an possit hoe recipi nee absonans a iuris ratione eodicillorum usus esset: et Trebatium suasisse Augusto, quod dieeret utilissimum et necessarium hoe civibus esse propter magnas et Iongas peregrinationes, quae apud veteres fuissent, ubi, si quis testamenturn faeere non passet, 31
I.15.4f. Zu dieser Stelle Kunkel, SZ 83, 1966, S. 221 FN 5.
2. Die republikanischen Vorläufer der Princeps-Klausel
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tarnen codicillos passet. post quae tempora cum et Labeo codicillos fecisset, iam nemini dubium erat, quin codicilli iure optimo admitterentur32.
L. Lentulus33 bot sich die einzigartige Chance, in Augustus nicht nur einen Freund zu haben, auf dessen fides er vertrauen konnte, sondern in ihm zugleich diejenige Person anzusprechen, die die Macht hatte, seinem ( = Lentulus) Anliegen allgemeine Geltung zu verschaffen. Indem es Augustus seinem Consilium vortrug, unterstreicht er die Bedeutsamkeit dieses Anliegens, und indem er sich Trebatius' Ansicht anschloß, legt er Zeugnis von der Wichtigkeit des Testierens für einen Römer ab34 • Denn offensichtlich bestand das Bedürfnis, mittels codicilli testamento confirmati das Testament jederzeit und jedenorts ändern und an neue Gegebenheiten anpassen zu können. Augustus' Verhalten erscheint damit wie eine Metapher der neuen politischen und gesellschaftlichen Struktur: Die Erfüllung der Freundesbitte reicht als exemplum weit über diese Beziehung hinaus und wirkt rechtsetzend35. 2. Die republikanischen Vorläufer der Princeps-Kiausel a) Princeps civitatis
Die Genialität der - auch von ihrem Schöpfer Augustus so empfundenen grundlegenden und damit eine neue Epoche einleitenden Neuordnung des Staatswesens36 besteht unter anderem darin, daß er die überkommenen Ämter37 und Institutionen nicht etwa abschaffte, sondern beibehielt. Dadurch erschienen die dennoch eintretenden inhaltlichen Änderungen, die sich aus der erstmaligen, dauerhaften Konzentration auf eine einzelne Person ergaben, weniger schroff und erlaubten den Zeitgenossen ein allmähliches Umgewöhnen an die veränderte Lage3s. Zu diesen "Verbindungsmechanismen" gehörte auch die soeben (1 a) erwähnte Reduktion der faktischen Machtfülle auf die Rolle eines primus inter pares, der die Amtskollegen allein an Autorität über32
Kelly, S. 86ff.; Watson, Index 1, 1970, S. 178ff. Zur Datierung Kaser, Ant. Giur. I,
s. 176f.
33 Zu seiner Person Groag, RE IV.1, Sp. 1372f. s. v. "Cornelius" (Nr. 198), sowie Champlin, ZPE 62, 1986, S. 249ff. 34 Vgl. einerseit Daube, Aspects, S. 71ff. , und Crook andererseits, Proc. of the Camb. Phi!. Soc. 199, 1973, S. 38ff. Zu dem Fragment auch Wieacker, TR 37, 1969, s. 335f., 346. 35 Zur Verwobenheit von Privat- und öffentlicher Sphäre bei Augustus Kelly, S. 5ff.; s. auch M. Weber, Rechtssoziologie, Neuwied 1960, S. 153. 36 Res gestae 8: Legibus novis me auctore latis multa exempla maiorum exolescentia iam ex nostro saeculo reduxi et ipse multarum rerum exempla imitanda posteris tradidi. 37 S. vornehmlich Kunkel, Über das Wesen des augusteischen Principats, in: Augustus, Darmstadt 1969, S. 311ff. 38 Mitgliedschaft im Senat oder gar das Konsulat war noch für Jahrhunderte das ehrgeizige Ziel großer Karrieren.
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traf. Denn mit dem Begriff auetorilas spielte Augustus auf Konnotationen an, die bereits zu republikanischen Zeiten geprägt worden waren: Auetorilas war das, was principes in erster Linie auszeichnete39; Princeps aber ist ein Begriff, der, auch wenn er niemals Bestandteil der offiziellen Kaisertitulatur wurde, an eine republikanische Tradition anknüpft. Und zwar nicht nur an den princeps senatus- als solchen bezeichnet sich Augustus selber40 -, sondern vornehmlich an den princeps civitatis, der nicht mit dem ersteren gleichgesetzt werden kann41 . Für den princeps senatus existierte ein mehr oder minder vorbestimmtes Auswahlkriterium: er mußte einer der gentes maiores (Aemilii, Claudii, Cornelii, Fabii und Valerii) angehören, sowie gleichzeitig Doyen unter den Censoriern sein42. Für den oder die principes civitatis gab es dagegen solche Determinanten nicht. Vielmehr führte das Zusammentreffen einer Fülle von Merkmalen, etwa von dignitas, virtus, nobilitas, pecunia, prudentia, gravitas, auctoritas43 und- für eine lange Zeit- Rechtsgelehrsamkeit44 , zu diesem Ehrentitel. Einige der genannten Eigenschaften implizieren bereits, daß noch ein weiteres, sehr äußerliches Kriterium erforderlich war, um aus einer wichtigen Person des öffentlichen Lebens einen princeps civitatis werden zu lassen: Es bedurfte der Anerkennung dieses Status' durch die öffentliche Meinung45 • Daraus ergibt sich, daß mit dem "Titel" princeps civitatis weniger eine staatsrechtlich irgendwie faßbare Befugnis oder Position verbunden war, als vielmehr die Charakterisierung und Lokalisierung derjenigen Rolle , die die betreffende Person innerhalb des gesellschaftlichen Beziehungsgeflechts einnahm. Freilich war diese Rolle nicht ohne eminenten politischen, wirtschaftlichen und persönlichen Einfluß zu erreichen, so daß die principes zugleich auch innerhalb des staatsrechtlichen Gefüges von außerordentlicher Bedeutung waren. Es wird gerade die Ambivalenz des Begriffes gewesen sein - einerseits soziologische Definition einer herausragenden Position, andererseits und de facto Verkörperung von entscheidender politischer Macht -, die Augustus 39
Vgl. Wickert, RE XXII, 2047 s. v. "Princeps". S. aber auch Kienast, SZ 101, 1984,
s. 117.
40 RG 7. Zur Funktion dieser Institution sowie zu deren persönlichen Voraussetzungen Meier, Die Ersten unter den Ersten des Senats, Gedächtnisschrift Kunkel, Frankfurt/M. 1984, S. 185ff. 41 Cf. Liv. XXVII.ll; Cic. de orat. 11.197. Zu diesen Stellen Meier, S. 192, 200 FN 48 a; Kunkel, Kleine Schriften, 1974. S. 513. 42 Meier, S. 192. Dort auch zu den Durchbrechungen und Anderungen dieses Kriteriums in den Jahren 209, 125 und 115 v. Chr. Zu den historischen Vorbedingungen für die Schaffung der Princeps-Bezeichnung Koch, Religio, 1960, S. 98. 43 Nachweise bei Wickert, 2046ff. 44 Dazu Kunkel, Herkunft, S. 38ff.; Bauman, Lawyers in Roman Republican Times, 1983, S. 5ff., 351ff. S. auch Cic. de fin. 1.4.12. 45 Wickert, 2037.
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veranlaßt hat, an die Tradition des princeps civitatis anzuknüpfen. Sie paßt zu dem schillernden, bzw. begrifflich nicht faßbaren Gebilde, das Augustus am Ende der Republik errichtet hat. Der princeps civitatis genoß, gewissermaßen als Kompensation für die ständig und in jeder Lage zu erfüllende Pflicht, Vorbild zu sein, allseitige Ehrerbietung. Eine von Valerius Maximus tradierte Episode macht deutlich, welches Ausmaß die Pflicht zu solcher Ehrerbietung schon früh angenommen hatte: P. Servilius consularis, censorius, triumphalis, qui maiorum suorum titulis lsaurici cognomen adiecit: (. . . ) "i/lud tantum scio, cum occurrisset mihi Laurentina via iter facienti admodum angusto loco, equo descendere noluisse. quod an aliquid ad religionem vestram pertineat ipsi aestimabitis: ego id supprimendum non putavi". iudices reum vix auditis ceteris testibus damnarunt: valuit enim apud eos cum amplitudo viri, turn gravis neglectae dignitatis eius indignatio, eumque qui venerari principes nesciret, in quodlibet facinus procursurum crediderunt46.
Isauricus47 war einst auf der Straße einem Reiter begegnet, der ihm nicht nur nicht ausgewichen, sondern sogar noch auf ihn zugesprengt war48. Später stand dieser Reiter (in einem anderen Zusammenhang) vor Gericht, wo ihn Isauricus wiedererkannte und die von Valerius mitgeteilte Aussage vor den Richtern traf. Jene Respektlosigkeit genügte, um den Reiter in dem vorliegenden Verfahren zu verurteilen. Angesichts einer solchen Position der principes civitatis und dem damit einhergehenden Anspruch auf Respektsbezeugung liegt die Vermutung nahe, daß ganz so wie in den folgenden Jahrhunderten der Principatszeit die testamentarische Bedenkung zu dem anerkannten und praktizierten Repertoire der Ehrerbietungen gehörte. Doch läßt sich diese Annahme nicht näher belegen, weil in den Geschichtswerken die Berichte über Erbfolgen allgemein und über Bedenkungen von principes im Besonderen sehr spärlich sind. Die wenigen Mitteilungen sind, soweit ersichtlich, nur beiläufige Bemerkungen. Ganz anders als in Historikerschriften über die Principatszeit, wo Testieren, Empfang von Nachlässen und das rechtliche Verhalten gegenüber Testamenten zu dem festen Bestand des zu Berichtenden gehört, schweigen die republikanischen Quellen49 weitgehend.
8.5.6. Konsul 79, Censor 55. Auch er war ein princeps civitatis, wie sich aus dem Zitat ergibt. 48 So lautet die von Cass. Dio XLV.l6.2 wiedergegebene Version derselben Episode. 49 Nicht nur sie; wie eine Durchsicht etwa der Plutarchischen Lebensbeschreibungen von Fabius Maximus, Crassus, Aemilius Paullus oder Lucullus u. a. m. erweist. Doch s. immerhin zu Polybios etwa Boyer, Mel. De Visscher III, 1950, S. 169ff. (zu 31.27 speziell) , und zur Iex Voconia zusätzlich Pomeroy, Ancient Society 7, 1976, S. 215ff.); Plut. Cato 4.4, 9.6; Plut. Numa 10. 46 47
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Besonders auffällig ist dieser Bruch bei Sueton: Während in der Caesar-Biographie der erbrechtliche Bereich nur einmal thematisiert wird - nämlich anläßlich der durch seinen Schwiegervater L. Piso veranlaßten Eröffnung des Caesar-Testamentsso -,spielt dieses Thema bereits in der nachfolgenden Vita des Augustus eine bedeutsame Rolle51, Dieser erstaunliche Befund, der durch die Historiker-Schriften etwa des Tacitus oder Cassius Dio bestätigt wird, soll hier nicht eingehender erörtert werden. Vielmehr wollen wir es bei der Vermutung bewenden lassen, daß sich bei diesen Autoren, die immerhin auf eine wenigstens 100-jährige "PrincipatsGeschichte" zurückblicken konnten, der Erfahrungssatz oder die Erkenntnis durchgesetzt hatte, daß das erbrechtlich relevante Verhalten der Principes Rückschlüsse auf deren Herrscher-Selbstverständnis und ihre allgemeine Akzeptanz zuließ und damit die Einbindung in das gesellschaftliche Beziehungsgeflecht reflektierte. In republikanischer Zeit dagegen konnten sich solche Probleme schon grundsätzlich nicht ergeben, weil die Machtfülle der principes civitates gerade nicht institutionalisiert war. Sie war vielmehr, wie gezeigt, in ihrer Stellung (anders als bei den "kraft Amtes" mit diesem Etikett versehenen Kaisem52) im wesentlichen von der Einschätzung ihrer Umwelt abhängig, so daß eine Manipulation der erbrechtliehen Vorschriften und Gepflogenheiten kaum oder zumindest nicht auf Dauer durchführbar war. Die Vorsicht und Zurückhaltung, die von den principes in diesem Zusammenhang erwartet wurde, mag der (tadelnde) Bericht Ciceros von dem Verhalten des M. Crassus und des Q. Hortensius53 belegen. Im Zusammenhang mit seinen Ausführungen über das grundsätzliche Gebot, secundum naturam agere, berichtet Cicero von den Umständen, unter denen die beiden principes an der Erbschaft eines Basilus partizipiert hatten: L. Minuci Basili locupletis hominis falsum testamenturn quidam e Graecia Romam attulerunt. Quod quo facilius obtinerent, scripserunt heredes secum M. Crassum et Q. Hortensium, homines eiusdem aetatis potentissimos. Qui cum illud falsum esse suspicarentur, sibi autem nullius essent conscii culpae, alieni facinoris munusculum non repudiaverunt. Quid ergo? Satin est hoc, ut non deliquisse videantur? Mihi quidem non videtur, quamquam alterum vivum amavi, alterum non odi mortuum. (74) Sed cum Basilus M.Satrium sororis filium nomen suum ferre voluisset eumque fecisset heredem - hunc dico patronum agri Piceni et Sabini, o turpe illorum temporum - non erat aequum principes cives rem habere, ad Satrium nihil praeter nomen pervenire54 • 50 Caes. 83.1. Vgl. hierzu Schmithenner, Octavian und das Testament Caesars, 1952. S. auch Düll, SZ 93, 1976, S. 6 (S. 3ff. insgesamt zur testamentarischen Adoption). 51 Aug. 17: Desavouierung des M. Anton mittels öffentlicher Verlesung von dessen Testament; 56: Freiheit der testamentarischen Meinungsäußerung; 66: Testamente von Freunden; 101: Testament des Augustus. S. auch Aug. 33 und 59. ZurTiberius-Biographie cf. 6, 15, 23, 31, 37, 48, 49, 50, 51, 57, 76. 52 Es hat freilich auch noch während der Principatszeit principes civitatis gegeben; vgl. Wickert, 2027ff., ab No. 71 in der Liste der principes. 53 Beide sind principes civitatis gewesen, Wickert, sub No. 56 und 57.
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Ciceros Vorwurf geht dahin, daß es für principes cives bei der Annahme einer Erbschaft nicht genügt, kein Schuldbewußtsein zu haben. Vielmehr hätten beide allein wegen des Verdachts der Testamentsfälschung die Annahme ablehnen müssen. Auch wenn dieses Postulat ciceronianiseher Rigorismus und nicht allgemeines Ethos gewesen sein solltess, zeigt die Stelle doch wenigstens, daß für die Ersten Bürger Sonderverhaltenspflichten bestanden, bzw. unterstellt wurden. Das legt die Schlußfolgerung nahe, daß in solchen republikanischen Verhältnissen die Höhe des durch Erbschaften erworbenen Vermögens einen besonderen Wert als Statussymbol gehabt hat (auch wenn er nicht thematisiert worden ist); denn wenn es einem Gebot entsprach, daß die principes keine Manipulationen hinsichtlich testamentarischer Zuwendungen vornehmen durften, so müssen die tatsächlich erfolgten Bedenkungen zumindest den Eindruck aufrichtiger Motivation erweckt habens6. Vielleicht ist es deswegen kein Zufall, daß uns gerade aus dieser Zeit der bereits oben (Kap. III 3 c) zitierte Streit zwischen Mare Anton und Ciceros7 anläßtich der Höhe seiner Erbschaftseinkünfte erhalten ist. Auch Augustus scheint noch ganz in dieser republikanischen Tradition verwurzelt, wenn er in seinem Testament seine testamentarischen Einkünfte angibtss. Selbst wenn die Quellen für die republikanische Zeit weitgehend unergiebig sind, läßt sich dem Bericht Ciceros über Crassus' und Hortensius' Erbschaftsannahme immerhin entnehmen, daß testamentarische Bedenkungen solch herausgehobener Persönlichkeiten auch zu dieser Zeit keineswegs immer reiner Selbstzweck waren. Zwar wissen wir nichts über den Testator Basilus und über seine Beziehungen zu den beiden principes, doch selbst wenn Ciceros Aussage, das Testament sei gefälscht gewesen, nicht zuträfe, wäre seine Unterstellung dekuvrierend genug, um die Existenz und die Kenntnis solcherlei Bedenkungsmotive in republikanischer Zeit unterstellen zu können. Ein Unterschied zur Principatszeit besteht somit nicht. 54 De off. III.18.73f. Vgl. damit Tac. Ann. 2.48.1: Tiberius lehnt unbeschadet der Tatsache, daß er zur Hälfte als Miterbe von einem Ritter namens Pantuleius bedacht worden ist, die Annahme ab, weil er das Testament offensichtlich für gefälscht hielt. Er übergibt die Erbschaft daher M. Servilius, der von Pantuleius in einem früheren , aber unverdächtigen Testament bedacht worden war. 55 Doch s. (aus späterer Zeit) I 2.17.8; dazu oben sub 1 c. 56 Der Klarheit wegen ist zu betonen, daß hier von principes die Rede ist. Es hat selbstverständlich auch zu republikanischen Zeiten erbrechtliche Manipulationen zu Bereicherungszweken gegeben; es genügt hier der Hinweis auf Ciceros Reden in Verrem II, nahezu passim, und pro Cluent. Hab. 41 und 125. 57 Cicero war ebenso wie M. Anton ein princeps civitatis: Wickert, sub No. 60 und 70. 58 Suet. Aug. 101. Aus der Prinzipatszeit sind uns, soweit ersichtlich, keine entsprechenden Angaben überliefert; zur Rekonstruktion von Plinius' d. J. Vermögen und dessen Zusammensetzung vgl. Duncan-Jones, The Economy of the Roman Empire, 1974, s. 17ff.
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Er scheint auch insoweit nicht zu bestehen, als es um die Bedeutsamkeit erbrechtlicher Vorgänge sowohl aus der Sicht der Testatoren als auch der Empfänger geht. Das ist auch nicht anders zu erwarten; jedoch ist ein kleiner Vorbehalt insoweit anzufügen, als unsere Kenntnis darüber nahezu ausschließlich auf den Mitteilungen einer einzigen Person, nämlich Cicero, basierts9. Wenn er allerdings in seiner für die Öffentlichkeit bestimmten zweiten Philippika60 schreibt: (In publicis nihil est lege gravius); in privatis firmissimum est testamentum61, so steckt darin-trotzaller gegen M. Anton gerichteten propagandistischen Pointierung - sicherlich eine für die Allgemeinheit "konsensfähige" Aussage. Testamentarische Verfügungen spiegeln (wenigstens dem Anspruch nach) die am stärksten verpflichtende und ehrende Form zwischenmenschlicher Anerkennung wider. b) Bedenkungen republikanischer Principes
An einigen der uns überlieferten republikanischen Princepsbedenkungen soll im folgenden gezeigt werden, daß sie auch schon in dieser Zeit eine gewichtige Rolle für die gesellschaftliche Vernetzung62 spielten. Von einer Bedenkung Caesars erfahren wir durch Cicero63, der in einem Brief an Atticus schreibt, daß sich sein früherer praefectus fabrum64 Lepta mit einer Bitte an ihn gewandt habe: mortuus enim Babul/ius. Caesar, opinor, ex uncia, etsi nihil adhuc; sed Lepta ex triente, veretur autem, ne non liceat tenere hereditatem, omnino, sed veretur tarnen.
Über Babullius ist nichts Näheres bekannt. Es wäre wünschenswert zu wissen, worauf Lepta seine Besorgnisse stützte; ob allein auf die Tatsache, daß er eine größere Portion des Nachlasses erhalten sollte als der Alleinherrscher Caesar65, oder (zusätzlich) auf rechtliche Überlegungen. Je nachdem wäre das non liceat unterschiedlich zu verstehen. So wie Cicero jedoch von Leptas Befürchtungen berichtet, scheint er sie als auf das Faktische bezogen zu verstehen. Mag er sie auch als unsinnig empfinden, so ist doch bezeichnend, daß diese Art der Angst offenbar existierte. Sie impliziert die weitreichende Aussage des Testamentes, daß Babullius gegenüber Lepta (summenmäßig) eine höhere 59 S. aber immerhin Nepos Att. 5.2 (zu der dort erwähnten Erbschaft auch Cic. ep. ad Att. 3.20.1); 13.2; 21.1 , wo der durch Cicero vermittelte Eindruck bestätigt wird. 60 Cf. ep. ad Att. 16.8 (15.13). 61 2.42.109; dazu Costa, Cicerone Giureconsulto, Bologna 1927, S. 217. 62 Cf. Cic. pro Arch. poeta 5.11, wo Cicero als Nach- und Ausweis für Archias' existierendes Bürgerrecht darauf verweist, daß dieser in den römischen Erbschaftskreislauf einbezogen ist: et testamenturn saepe fecit nostris legibus et adiit hereditates civium Romanorum. 63 Ep. 13.45(48).1; dazu Costa, S. 244. 64 Cf. ep. ad fam. 3.8(7).4. 65 Den Brief hat Cicero am 21. August 45 geschrieben.
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Wertschätzung66 als gegenüber Caesar ausdrückt. Ähnliches haben wir schon oben für die Principatszeit festgestellt: die Erbeinsetzung des Princeps, um wenigstens einen Teil des Nachlasses für die Vertrauten zu retten67 . Der ausführlichste Nachweis republikanischer Princeps-Bedenkungen sind Ciceros Bemerkungen über die ihn begünstigenden Erbschaften6B, obgleich auch sie durchwegs wenig mehr als beiläufig sind. Dieser Mangel an weiterer Information ist umso bedauernswerter, als zu vermuten ist, daß Cicero als homo novus nicht repräsentativ ist; zumindest nicht in dem Maße, wie es die Bedenkungen von Mitgliedern altehrwürdiger Familien wären. Trotz dieser Einschränkung lassen sich wohl einige vorsichtige, verallgemeinernde Schlüsse aus den 12 oder 1369 Bedenkungen ziehen, von denen Cicero berichtet. Besonders aufschlußreich ist dabei das Testament des Curius, in dem dieser Cicero zu einem Vierzigste! und Atticus zu einem Zehntel als Erben einsetzt?O. In Patras lebend hat sich Curius als Freund des Atticus71 des krank zurückgelassenen Tiro angenommen, des von Cicero so hoch geschätzten Freigelassenen72. Daraus entwickelte sich zwischen Cicero und Curius eine Freundschaft73, in deren Verlauf sich Cicero (wenigstens) zweimal für Curius mittels Empfehlungsschreiben an zwei griechische Statthalter (S. Sulp. Rufus, Acil. Glabrio) verwandte74 . Damit reiht sich diese testamentarische Bedenkung, in deren Genuß übrigens Cicero wegen seines eigenen Todes nicht hat 66 Zur testamentarischen Bedenkung als Zeichen der Wertschätzung cf. Cic. ad fam. 13.46: L. Nostius Zoilus est ... heres autem patroni sui ... (Zoilus) qui patroni iudicio ornatus (est). ' 67 S. oben Kap. III 3 e. Unbeschadet seiner Fiktionalität ist der Bericht Malalas' aufschlußreich, demzufolge sich Antoninus Pius die Hälfte eines jeden Senatorennachlasses erbeten hat, p. 280, llff., dazu Miliar (FN 1), S. 153. S. auch unten 3 a. 68 In dem Brief3.7.8 an seinen Bruder Quintuserfahren wir von einer -mißlungenen - Bedenkung dessen durch einen gewissen Felix. 69 In dem Brief 11.2.1 an Atticus nennt er nicht den Namen des Testators: ex multis meis et miserrimis curis est una levata, si, ut scribis, ista hereditas fidem et famam meam tueri potest. Costa, S. 236, denkt an das Testament des Fufidius, das allerdings namentlich erst in ad Att. 11.13(14).3 (s. auch 14(15).3 und 15(16).4) erwähnt wird. Hieraus folgt die im Text angedeutete Unsicherheit. S. hierzu und zum Folgenden Mohler, Cicero's Legacies, TAPhA 63, 1932, S. 73ff., sowie Drumann I Groebe, Geschichte Roms VJZ, 1929, S. 331ff. . 70 Ep. ad Att. 7.2.3. Aus 7.3.9 ergibt sich, daß Hortensius ebenfalls mit einem Vermächtnis bedacht worden ist. Mohler, S. 84, nimmt an, daß Hortensius auch im Testament des Cluvius, ep. ad Att. 14.10.3, bedacht worden sei, indem er in ep. ad Att. 16.2.1 Hortensius (statt: Hordeonius) liest. Nachdem aber Hordeonius in ep. ad Att. 13.46(52).3 als Miterbe genannt ist, spricht nichts für Mohlers Vermutung. 71 Cicero schreibt in eben dem Brief: Curius autem ipse sensit, quam tu velles se a me diligi, et eo sum admodum delectatus, 7.2.3. n Cf. ep. ad fam. 16, passim. 73 Cf. ep. ad fam. 7.28-31. 74 Ep. ad fam. 13.17 und 50. S. zusätzlich 7.29.1; 30.3; 3l.lf. Dazu Mommsen, Historische Schriften I, S. 173.
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kommen können, in die Fallgruppen des Freundschaftszeichens, aber auch der posthumen Entgeltung von geleisteten Diensten ein. In zwei Fällen schreibt Cicero Empfehlungsschreiben, deren Motivation er selber damit begründet, daß er von einer dem Empfohlenen nahestehenden Person testamentarisch bedacht worden sei. Hierbei handelt es sich um eine generationenüberschreitende75 Erstreckung der Dankbarkeit (s.o. Kap. III 3 b). Dies wird besonders deutlich in dem Brief76 an den Proprätor in Bithynien Silius: T.Pinnio familiarissime me usum esse scire te arbitror; quod quidem ille testamento declaravit, qui me cum tutorem turn etiam secundum heredem instituerit.
Im folgenden erbittet Cicero für seinen Mündel von Silius, die Stadt Nicaea zu veranlassen, si dederis operam, eine Schuld in Höhe von 8 Millionen HS zu begleichen. In dem anderen Fall schreibt Cicero ein Einführungsschreiben an den Proquästor Appuleius in Asia Minor zugunsten eines Freigelassenen Zoilus77 : L.Nostius Zoilus est coheres meus, heres autem patroni sui. ea re utrumque scripsi, ut et mihi cum illo causam amicitiae scires esse et hominem probum existimares, qui patroni iudicio ornatus esset ...
Während im vorgenannten Brief Cicero immerhin auch als Tutor handelte, gibt er hier als Begründung für sein Schreiben lediglich die Tatsache an , Miterbe zu sein. Von einigen Testatoren ist nur der Name bekannt, ohne daß sich die Beziehung, in der sie zu Cicero gestanden haben, rekonstruieren ließe. Infolgedessen lassen sich den genannten Erbschaften keine weiteren Schlüsse entnehmen. So schreibt Cicero in ep.ad Att. 15.5(3).1 lediglich: tabula Demonici quod tibi curae est, gratum. Von einem Brinnius ist er als Miterbe neben wenigstens zwei weiteren Personen bedacht worden: De Brinniana auctione accepi a Vestorio litteras .. . dices igitur vel amico tuo S. Vettio coheredi meo78, sowie: Brinni libertus coheres noster scripsit ad me velle, si mihi placeret, coheredes, se et Sabinum Albium, ad me venire. id ego plane nolo. hereditas tanti non est79. Von der Erbschaft des Galeo scheint Cicero nichts erhalten zu 75 Ein schönes Beispiel für die generationenüberschreitende (und damit -verbindende) Funktion testamentarischer Bedenkungen liefert die Entscheidung Papinians in D 26.2.28, 4 resp. Im übrigen läßt sich mit diesem Phänomen die von Hopkins (Death, preface IX) gestellte Frage, wie die Römer (gesellschaftlich gesehen) die durch den Tod eines Senators gerissene Lücke füllten, beantworten: Der Verstorbene wies als Testator selbst den Weg dazu und setzte, sofern er etwa einen Sohn mit Karriereabsichten hinterließ, den honos institutionis gewissermaßen als "flankierende Maßnahme" ein. Indem er die für das weitere Fortkommen seines Sohnes wichtigen Personen bedachte, verpflichtete er sie auf die Förderung von dessen Karriere. 76 Ep. ad fam . 13.61. In den juristischen Quellen s. etwa D 42.5.23, Paul. 60 ad ed. 11 Ep. ad fam. 13.46. 78 Ep. ad Att. 13.24(12).4.
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haben: Galeonis hereditatem crevi; puto enim cretionem simplicem fuisse, quoniam ad me nulla missa estBO; mit der cretio simplex ist also wohl gemeint, daß sich Ciceros Erbschaft in der Vornahme dieses Aktes erschöpfte. Eine andere cretionsrechtliche Besonderheit ist mit der Erbschaft des Cluviussl verbunden. Tum ex eo (= Ba/bus) cognovi cretionem Cluvi (o Vestorium neglegentem) liberam cretionem testibus praesentibus sexaginta diebus. metuebam ne ille arcessendus esset. nunc mittendus est, ut meo iussu cernat. idem igitur Pol/ex. etiam de hortis Cluvianis egi cum Balbo. nil liberalius, se enim statim ad Caesarem82 scripturum, Cluvium autem a T. Hordeonio Iegare et Terentiae HS I))) et sepulcro multisque rebus, nihil a nobis83,
Aus diesem schwer verständlichen Brief wird immerhin soviel klar, daß Hordeonius Miterbe des Cicero und allein zur Zahlung gewisser Ausgaben verpflichtet ist. Hinsichtlich der uns interessierenden cretio ist zu vermerken, daß die juristischen Quellen nichts von der Notwendigkeit verlautbaren, eine cretio müsse vor Zeugen vorgenommen werden. Nichtsdestoweniger hat Cluvius dies in seinem Testament zur Bedingung gemacht84 • Möglicherweise handelt es sich dabei um die kautelarjuristische Festschreibung eines ohnedies eingehaltenen Brauches, da ja an die cretio weitreichende Folgen geknüpft warenss. Exkurs zur cretio libera
Ganz besonders erstaunlich ist es, daß Cicero die cretio als libera bezeichnet; die Bedeutung dessen ist sehr umstrittens6. Costa versteht sie so, als han79 Ebda. 13.25.4(14.1); s. noch 13.55(50).2. Es mag Überlieferungszufall sein, daß wir von so vielen Freigelassenen als Bedachten erfahren. Die geringe Anzahl der republikanischen Quellen zu Erbschaften verbietet, weitere Schlüsse aus diesem Phänomen zu ziehen- etwa im Hinblick auf Vitellius' Reaktion, Suet. Vit. 14.3 (dazu oben Kap. III3 e). BO Ep. ad Att. 11.13(12).4; dazu Costa, S. 236. 81 Zu seiner Person Münzer, RE IV 1, 120 s. v. "M. Cluvius". Zu seiner Beziehung zu Cicero Bürge, SZ 104, 1987, S. 490f. m. w. N., sowie weiter unten im Text. 82 Costa, S. 237, entnimmt diesem Hinweis die Vermutung, daß auch Caesar testamentarisch bedacht war. S. auch ep. ad Att. 13.47: /dem Pollex remittendus est ut ille cernat. Plane Puteolos non fuit eundem cum ob ea quae ad te scripsi tum quod Caesar adest. 83 Ep. ad Att. 13.52(46).3; s. auch ebda 53(47).1; Costa, S. 237, 245 ; Voci, DER I, S. 544; Kaser, RPR, § 175 li 1. 84 S. auch Varro, de I. L. 6.81; dazu Kaser, RPR, § 175 II 1. 85 Cf. nur FIRA III, Nr. 59 und 60. Allerdings stammen diese cretiones aus dem zweiten nachchristlichen Jahrhundert. S. auch Buckland, cretio and connected topics, TR 3, 1922, S. 249f. 86 Statt vieler Costa, S. 237; Buckland, S. 246ff.; Voci, DER I, S. 589f.; Watson, Succession, S. 191 ff.; Beduschi, La cretio nelle fonti litterarie, in: St. mem. di Donatuti I, 1973, S. 62ff.- jeweils mit umfangreichen Nachweisen.
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dele es sich dabei um eine cretio certorum dierum87. Der Gegensatz hierzu wäre eine cretio vulgaris, deren Besonderheit darin besteht, daß der testamentarischen Cretionsformel der Passus beigefügt wird: (diebus) quibus scies poterisque. Diese Version ist für den Erben günstiger, weil sie die (im Falle des Cluvius-Testaments ohnedies recht kurz) angesetzte Frist so berechnet, daß nur die Tage eingerechnet werden, in denen der Erbe von dem Anfall Kenntnis hat und an der cretio faktisch nicht verhindert ist. Nach Costas Ansicht bezeichnet die Phrase das Freisein der Cretionsformel von der "Vulgarbedingung"88. Doch legt der Kontext der Stelle eine andere Bedeutung nahe. Cicero schreibt im Folgesatz, er befürchtete, daß er jenen, ille, kommen lassen müsse; nun aber sei er froh darüber, lediglich die Nachricht übermitteln zu müssen, ut meo iussu cernat. Anschließend ist von Ciceros Sklaven Pollex die Rede, der allerdings mit dem ille des vorliegenden Briefes nicht gemeint sein kann, weil Cicero im darauf folgenden Brief an Atticus schreibt: /dem Pollex remittendus est, ut ille cernat. Atticus soll Pollex herschicken, damit "jener" die cretio vornehme. Also kann Pollex nicht derjenige sein, der den Erbschaftsantritt vorzunehmen hat; zumal Cicero im vorigen Brief seine Erleichterung darüber geäußert hatte, daß jener nicht(!) zu kommen brauche, ... ille arcessendus esset, nunc mittendum est. Infolgedessen wird man annehmen dürfen, daß die Besonderheit der cretio libera89 gerade in der Person liegt, die die cretio vornehmen kann, d. h. also in der Bestimmung des ille. Denn Cicero ist erfreut, daß er jemand anderen die cretio vornehmen lassen kann. Daraus ergeben sich freilich neue Probleme, weil die aditio ein actus legitimus90 und ein persönlich9I vorzunehmender Akt ist92. Immerhin besteht die Möglichkeit, ihn iussu dominidurch einen Sklaven ausführen zu lassen93. Das folgt- entgegen Buckland94 - nicht aus D 29.2.26, Paul. 2 ad Sab.: Gai 2.171 ff. Beduschi, S. 63, hingegen nimmt- genau umgekehrt- an, es handele sich um eine cretio vulgaris. Der Name cretio vulgaris leitet sich von ihrer Üblichkeil ab, Gai 2.173. In den juristischen Quellen setzt der Gebrauch des Adjektivs vulgaris in der Tat erst ab Celsus ein, cf. VIR s. v. "volgaris". 89 Dies braucht kein Terminus Technicus zu sein; denn der Adressat Atticus hatte offenbar Einblick in die Umstände des Testaments, so daß sich Cicero in Kürzeln äußern konnte. 90 D 50.17.77, Pap. 28 quaest.; dazu Flume, SZ 92, 1975, S. 72. 91 S. nur Kaser, RPR I, § 175 I m. w. N. in FN 21. S. aber vor allem D 29.2.36, Pomp. 3 ad Sab. 92 Zur Frage, ob die aditio ein Rechtsgeschäft ist, Beduschi, Hereditatis aditio, 1976, s. 16f. 93 Zu der nachfolgenden Diskussion ist freilich anzumerken, daß sie auf Quellenbelegen aus späterer Zeit beruht und daher möglicherweise an der Rechtslage der Ciceronianischen Zeit vorbeigeht; für diese jedoch fehlen uns Belege. Zur- fundamentalen Kritik an solch einem VorgehenD . Cohen, SZ 106, 1989, S. 95ff. 94 s. 248. 87
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Si ego et servus meus vel filius heres institutus sit, si iussero filio vel servo adire, statim et ex mea institutione me heredem esse Pomponius scribit: idem et Marcellus probatet lulianus.
Ein Paterfamilias ist als Miterbe neben seinem Sklaven oder (nicht emanzipierten) Sohn bedacht worden. Er beauftragt seinen Miterben, er solle seine ( = des Sklaven oder Haussohnes) Erbschaft antreten. Hätte er zusätzlich befohlen, der Miterbe solle seine (=des Paterfamilias) Erbschaft antreten, so wäre die Rechtsfolge: statim me heredem esse eine Selbstverständlichkeit. Vielmehr stellt das iussum für den Erbteil des Miterben zugleich eine pro herede gestio hinsichtlich des eigenen Erbteils dar9s. Das wird aus dem spiegelbildlichen Fall D 29.2.36, Pomp. 3 ad Sab., klar: Si ex sua parte dominus vel pater adierit, necessarium est iussum, ut fi/ius vel servus coheredes adeant96.
Infolgedessen geht es nicht an, die Paulus-Stelle als Beleg für die Zulässigkeit einer Sklavenvertretung bei der aditio heranzuziehen. Sie ergibt sich vielmehr im Umkehrschluß aus folgendem lulian-Text D 29.2.43, 30 dig.: Heres per servum hereditarium eiusdem hereditatis partem vel id, quod eiusdem hereditatis sit, adquirere non potest97.
Der Erbe kann die Erbschaft (oder genauer: den Besitz an den einzelnen Erbschaftsgegenständen98) nicht durch einen der Erbschaft zugehörenden servus hereditarius erwerben. Daß diese Frage überhaupt als Problem erörtert wurde, impliziert, daß ein nicht zu dieser Erbschaft gehörender Sklave die Erbschaft erwerben konnte99. Ist demzufolge die "Stellvertretung" durch Gewaltunterworfene bei der aditio zulässig, ist auf Ciceros Verweis auf jene Person, ille, zurückzukommen. Watson nimmt im Anschluß an Levy-BruhllOO an , daß damit Chrysippus gemeint sei - ein Sklave Ciceros, der in de facto Freiheit in Puteoli lebte. Chrysipp soll aber auch als Erbe in dem Testament genannt sein, so daß es für Watson und Levy-Bruhl nicht um das Problem der Stellvertretung bei der aditio geht, sondern um das adire iussu domini. Dies stimmt mit der von Cicero verwendeten Formulierung überein, ut meo iussu cernat; doch bleibt zweifelhaft, ob damit "Cicero's behaviour is explicable and sensible". Denn in welchen Unklarheiten soll sich Cicero befunden haben (o Vestorium neglegenBeduschi, Hereditas aditio, S. 174f. S. auch D 29.2.35.2, Ulp. 9 ad Sab. 97 S. auch D 41.2.1.16, Paul. 44 ad ed. Zu diesen Stellen etwa L. Mitteis, SZ 32, 1911, s. 4. 98 Vgl. Mitteis, a.a.O. 99 Cf. D 41.2.38.2, Iul. 44 dig. 100 Succession, S. 192; Etude sur Ia cretio, NRHD 38, 1914, S. 153ff. Zum sozialen Status Chrysipps verweist Watson auf den in ep. 7.2.8 angedeuteten Widerruf der Freilassung durch Cicero. 95
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tem), wenn er von Chrysipps testamentarischer Bedenkung wußte? Der als Erbe eingesetzte Sklave oder Haussohn erwirbt die Erbschaft für seinen dominus oder pater familias und kann daher eine aditio wirksam nur vornehmen, wenn er dazu ermächtigt worden ist 101 • Cicero schreibt aber ausdrücklich, daß er von Baibus über die cretio Cluvi informiert worden sei; nicht aber über die testamentarische Bedenkung selbst. Ciceros Erleichterung hinsichtlich der cretio ist aber wohl nur verständlich, wenn er selbst (und damit als Erbe) von einer ihm lästig erschienenen Frist befreit worden istioz. Für Watsons Ansicht könnte noch sprechen, daß Cicero im Zusammenhang mit den Legatsverpflichtungen schreibt: nihil a nobis (legare). Das "uns" könnte sich auf Chrysipp und Cicero beziehen. Doch gebraucht Cicero auch andernorts den Pluralis maiestatis, wenn er von seinen Erbschaften sprichtl03.
Nachdem die Identifikation des ille mit Pollex aus grammatikalischen Gründen scheitert, die mit Vestorius aus rechtlichen 104, ist auch die Annahme LevyBruhls und Watsons abzulehnen, derzufolge es sich um einen servus et heres scriptus handelt. Bucklandl05 schlägt vor, daß es sich bei dem ille um einen Sklaven Ciceros gehandelt haben müsse, der jedoch nicht als Erbe eingesetzt war: "lt is possible that Pollex was to carry authorisation to cern if Chrysippus, after looking at the property, thought it worth accepting"l06. Die Cretionsformel muß dabei allerdings als besondere Kautel enthalten haben, daß sie nicht nur vor Zeugen, sondern auch an einem bestimmten Ort vorzunehmen war. Dann aber fragt sich, was die cretio zu einer libera gemacht haben sollte. Für Beduschi liegt der Grund dafür in seiner Annahme, mit diesem Terminus sei die cretio vulgaris gemeint. Hinsichtlich der Identifikation schließt er sich der Ansicht Levy-Bruhls an107, so daß auf die oben gegen Watson vorgetragenen Bedenken verwiesen werden kann. Infolgedessen müssen wir angesichts dieser Widersprüchlichkeiten und der Einzigartigkeit des verwendeten Ausdrucks die Frage nach der Bedeutung der cretio libera mit einem non liquet beantworten und die Briefe 46 und 47 mit Beduschi als piu oscure bezeichnen.
Der Anteil an der Cluvius-Erbschaft, den Cicero - unbelastet von Vermächtnissen (anders als bei seinem Miterben Hordeonius) - erhielt, muß Gai 2.87; D 29.2.6 pr., Ulp. 6 ad Sab. ; D 29.2.25.4ff., Ulp. 8 ad Sab. Ein dominus konnte nicht selbst die Erbschaft seines Sklaven antreten, vgl. D 29.2.36 (s. o .), sondern konnte nur das iussum dazu erteilen. 103 Ep. ad Att. 13.25.4(14.1): Brinni libertus coheres noster, oder ebda 2.20.6: Diodotus ... reliquit nobis HS. 104 Er war ein Freier und konnte daher Cicero bei dem actus legitimus nicht "vertreten" , s. nur Buckland, S. 246f.; Beduschi, S. 63 f. 105 s. 249. 106 Ebda FN 3. 107 s. 64 ff. 101 102
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beträchtlich gewesen sein!OB. Denn er brachte im ersten Jahr HS 80.000 ein109 und versprach, noch mehr zu ergeben: De Cluviano, quoniam in re mea me ipsum diligentia vincis, res ad centena perduciturlto. Ein möglicher Anlaß für die Bedenkung könnte der Brief Ciceros an den Proprätor Thermus in Asia Minor zugunsten Cluvius' sein: Cluvius Puteolanus valde me observat valdeque est mihi familiaris. is ita sibi persuadet, quod in tua provincia negotii habeat nisi te provinciam obtinente meis commendationibus confecerit, id se in perditis et desperatis habiturum. nunc, quoniam mihi ab amico officiosissimo tantum oneris imponitur, ego quoque tibi imponam pro tuis in me summis officiis . . JII.
Es folgt ein ausführlicher Bericht über Forderungen, die Cluvius gegen die Mysilaner und Alabander hat. Der Brief endet mit einem bemerkenswerten Zusatz: His de rebus eo magis laboro, quod agitur res Cn. Pompei etiam, nostri necessarii, et quod is magis etiam mihi Iaborare videtur quam ipse Cluvius. cui satis factum esse a nobis valde volo.
Hier werden die Forderungen des Cluvius nicht nur mit Ciceros Interessen, sondern auch mit denen des mächtigen Pompeius verknüpft112. Man wird daher annehmen dürfen, daß Motiv für die testamentarische Bedenkung Ciceros neben der bestehenden Freundschaft113 auch Dankbarkeit für solch massive Hilfe war. Ein solches Zusammenspiel von Motiven werden auch die Bedenkungen durch Alexio und Diodotus bestimmt haben. Ersterer war der Arzt und Freigelassene Ciceros114. Von seinem Tod schreibt Cicero an Atticuslls: 0 factum male de Alexione. incredibile est, quanta me molestia adfecerit, nec mehercule ex ea parte maxime, quod plerique mecum "ad quem igitur te medicum conferes?" quid mihi iam medico? aut, si opus est, tanta inopia est? amorem erga me, humanitatem suavitatemque desidero116.
tos Aus ep. ad Att. 14.16.1 ergibt sich, daß Gärten zu der Erbschaft gehört haben, und aus ep. 16.6.3, daß Cicero Anteile von Miterben aufgekauft hat. t09 Ep. 14.10.3. 110 Ebda 14.11.2; nur 2 Tage nach dem zuvor genannten Brief verfaßt! 111 Ep. ad fam. 13.56. 112 Zu dieser Verbindung von "big business" mit Politik Mohler, S. 85. 113 Cf. ep. ad Att. 6.2.3. Zur Freundschaft zwischen Gleichgestellten Salier, Personal Patronage in the early Principate, 1982, S. 11ff. 114 Die Freilassung ist aus der Existenz des Testaments zu schließen. Vgl. allerdings Plin. ep. 8.16. 115 15.1.1. 116 S. auch den Brief ebda 3(2).4: De Alexione doleo, sed quoniam inciderat in tarn gravem morbum, bene actum cum illo arbitror. Quos tarnen secundos heredes scire velim et diem testamenti. Möglicherweise war Atticus Miterbe des Cicero. Denn bezüglich der zuletzt erwähnten Unkenntnis, wer sein Substitut sei, ergänzt Cicero selber in ep. 15.5(3).2: Cognovi de Alexione, quae desiderabam. Hirtius est tuus.
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Diese Zeilen legen, da sie von dem Patron Cicero selbst stammen, die Vermutung nahe, daß die Erbeinsetzung Ciceros nicht allein als Ausdruck rechtlich geschuldeten Verhaltens gewertet werden darf, sondern darüber hinaus auch von Freundschaft und Dankbarkeit motiviert warm. Ähnlich könnte es sich im Falle des Diodotus verhalten haben, obgleich sich Cicero bei der Mitteilung von dessen Tod wesentlich kürzer faßt: Diodotus mortuus est; reliquit nobis HS fortasse centies 118. Dieser stoische Philosoph war der Lehrer Ciceros und lebte bis zu seinem Tode in Ciceros Hausll9. Über die Herkunft einer weiteren Erbschaft läßt sich allenfalls spekulieren. Denn Cicero nennt nicht einmal den Namen des Testators, sondern spricht von der hereditas Precianaizo, bzw. von einem Precianum cum iis rationibus!Zl. Nach der üblichen Form der Bezeichnung eines Nachlasses mit der dem Testator-Namen angehängten Endsilbe -iana122 könnte der Erblasser sowohl Precius als auch Precianus geheißen haben. Im letzteren Falle bestünde die Möglichkeit, daß es sich um den iuris consultus gehandelt hat, den Cicero mehrfach dem Trebatius anempfohlen hattei23: Quod scribis de illo Preciano iure consulto, ego te ei non desino commendare, scribit enim ipse mihi te sibi gratias agere debere.
Zu dieser Wertschätzung würde es passen, was Cicero in dem Brief an Terentia124 über den Verstorbenen schreibt: De herditate Preciana- quae quidem mihi magno dolori est; valde enim illum amavi. Schließlich ist noch die bereits im anderem Zusammenhang erwähnte (Kap. 1114 b (1)) Erbeinsetzung Ciceros durch den Architekten Cyrus anzuführen125: Nam quid de Cyro nuntiaret, quem Clodius Roma proficiscens reliquerat morientem? Una fui, testamenturn Cyri simul obsignavi cum Clodio; testamenturn autem palam fecerat et illum heredem et me scripserat126.
Abgesehen von der Publizität der Testamentserrichtung ist an Cyrus' letztem Willen bemerkenswert, daß er zwei Personen, von denen seit Jahren stadtbe117 Dieser Schluß ist freilich mit aller Vorsicht zu ziehen; denn wir wissen nichts darüber, bis zu welchem Grad ein Freigelassener wie Alexio darin frei war, nicht dankbar oder freundschaftlich zugeneigt zu sein. 118 Ep. ad Att. 2.20.6. Zur vermachten Summe Moh1er, S. 77. 119 Cf. ep. ad fam. 13.16.4; Tusc. V.l13; de nat. deor. 1.2; Ac. 2.115. 120 Ad fam . 14.5.2; ad Att. 6.9.2. 121 Ad Att. 7.1.9. 122 Z. B. ep. ad Att. 11.16(15).4: De Fufidianis für die Erbschaft des Fufidius, oder ebda 13.24(12).4: De Brinniana für die des Brinnius. 123 Ep. ad fam. 7.8.2. 124 S.o. ep. ad fam. 14.5.2. 12s Zur Person ep. ad tarn. 7.18(14).1; ad Att. 2.3.2; 4.11(10).2; ad Qu. fr. 2.2.2. Zur Einschätzung des Berufs durch Cicero cf. de oft. 1.42.151. 126 Pro Milone 18.48.
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kannt war, daß sie einander aufs heftigste bekämpften, nicht nur gemeinsam als Zeugen, sondern sogar als Erben ernanntem. Für Cicero hat Cyrus wenigstens zwei Villen gebaut128; ob auch noch eine für den Bruder Quintus, ist ungewiß129. Was Cyrus für Clodius getan hat, ist unbekannt; und ob- umgekehrt- Clodius dem Cyrus zu Dank Verpflichtendes geleistet hat, läßt sich allenfalls spekulierend erahnen. In dem Brief Ciceros an seinen Bruder (2.2.2) heißt es nämlich: De aedificatione tua Cyrum urgere non cesso; spero eum in officio fore. sed omnia sunt tardiora propter furiosae aedilitatis exspectationem.
Sollte dies eine Anspielung auf die Aedilenwahl des Clodius seiniJO? und sollte er für sein Amt Bauaufträge in Aussicht gestellt habenl31? Doch sind dies zu vage Vermutungen, als daß sie weitere Schlüsse tragen könnten. Betrachtet man Ciceros Bedenkungen insgesamt, so überrascht die Tatsache, daß unter den Erblassern keiner der von ihm verteidigten Mandanten ist 132. Doch mag dies an den Zufällen der Überlieferung liegen, so daß hieraus keine weiteren Folgerungen zu ziehen sind133; vielleicht sollte man aber das Argument vorsichtiger handhaben, daß die Arbeit der Juristen für ihre Mandanten deswegen "unentgeltlich" war, weil sie auf posthume, testamentarische Abgeltung ausgerichtet wart34. In Ciceros Schriften begegnen uns bereits die gleichen Vererbungsmuster wie die der nachfolgenden Principatszeit. Die Erbeinsetzung konnte Ausdruck der verschiedensten Motive - kumulativ oder alternativ- sein: von Freundschaft, von Dankbarkeit, von dem Wunsch, geleistete Dienste zu entgelten oder einfach zu demonstrieren, daß man "dazu gehörte", daß man Beziehungen zu den wichtigsten Männern im Staat pflegte. Das etwa mag Cyrus dazu bewogen haben, zwei Todfeinde zu Testamentszeugen und -erben zu machen.
127 Zur Feindschaft zwischen Clodius und Cicero s. nur ep. ad Att. 1.16; Mommsen, RG III, 218f., 307f.; S. 335ft. zum Sachverhalt des Milo-Prozesses. 128 Ep. ad Att. 2.3.2; 4.11(10) .2. Mohler zufolge, S. 78 FN 12, bezieht sich letzterer Brief auf das Haus auf dem Palatin. 129 Ep. ad Qu. fr. 2.2.2. 130 Clodius war 56 Aedil; den Brief schrieb Cicero am 17.1.56, oder 26.12. 57. 131 Vgl. Kubitschek, RE 1.1 s. v. "Aedilis", Sp. 454f. zu den Amtsbefugnissen eines Aedils, die auch den Tempelbau umfassten, Sp. 455. 132 Mohler, S. 86. 133 Dies wäre nur dann zulässig, wenn man mit Mohler, S. 77, die von Diodotus vermachte Summe mit HS 10 Millionen angibt. Denn dann wäre allein mit dieser einen Erbschaft die Herkunft der Hälfte der von Cicero im Nachlaßwege erworbenen Einkünfte erklärt. 134 Etwa Bürge, SZ 97, 1980, S. 139ff., insbes. S. 142; ders., SZ 104, 1987, S. 507.
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VI. Die Princeps-K1ause1
3. Die Princeps-Kiausel in den literarischen und juristischen Quellen
Auf der Grundlage der bisherigen Erörterungen können wir nunmehr diejenigen literarischen und juristischen Quellen prüfen, die die Princeps-KlauselBS erwähnen. Sie werden uns das Abbild der Position des Princeps innerhalb der Gesellschaft liefern, weil das römische Testament als Ausdrucksmittel sowohl inter vivos als auch post mortem diente und in letzterem Fall eine Art Fortsetzung des zu Lebzeiten praktizierten Umgangs war. Das wird nicht nur aus einem Testament wie dem des Iulius Largus (Kap. 1113 vor a) deutlich, der auf diese Weise mit dem Princeps in Verbindung treten kann, sondern auch aus dem noch(?)136 sogenannten testamenturn Dasumii, in dem Trajan etwa neben Tacitus und ca. 120 weiteren Legataren bedacht wird. Eine hier nicht zu erörternde und daher nur im Vorbeigehen zu erwähnende Überlegung ist, ob nicht die Princeps-Klausel als Vorbild für Zuwendungen im kleineren Rahmen diente. So deutet etwa das Testament des Antonius Silvanusm, in dem er seinem Präfekten 50 Silberdenare vermacht, die Möglichkeit an, in militärischen Einheiten solch ein Nachahmungsmuster zu sehen138. a) Undankbarkeit
Als erstes ist die zuvor (Kap. 1113 b) aufgeschobene Frage nach der juristischen Qualifikation von Caligulas und Neros Undankbarkeits-Argument zu erörtern. Gaudemet139 ist der Herkunft dieser postulierten Dankespflicht nachgegangen. Er vermutet, daß die Nichtigkeit der Testamente mit dem Rechtsgedanken der querela inofficiosi testamenti begründet wurde; und zwar wegen eines Verstosses gegen die pietas erga principem, bzw. die dem pater patriae geschuldete Dankbarkeitl40. Gaudemet stützt seine Ansicht auf Suetons Berichte über Augustusl4 1, Caligulal42 und Nero. In dem erstgenannten beschreibt Sueton Augustus' Verhalten gegenüber den testamentarischen Bedenkungen seiner Freunde und anderer; in dem zweiten erwähnt er, daß Zum Erbschaftserwerb des Princeps in praxi cf. D 1.19.1.2, Ulp. 16 ad ed. S.o. Kap. III 2, FN 45. m FIRA III Nr. 47, S. 129ff. 138 Der Digestentitel29.1 behandelt allerdings keine entsprechende Klausel, sondern vorrangig solche, in denen der Vater des Soldaten bedacht ist. Doch finden sich Inschriften, auf denen eine Stiftung zugunsten des Kaiserhauses durch Soldaten verzeichnet wird; cf. etwa CIL III 5938. 139 St. Arangio-Ruiz III, 1953, S. 121 ff. 140 Noch weitergehend Marquardt, Römische Staatsverwaltung li, S. 293f. , der eine Rechtspflicht zur testamentarischen Bedenkung annimmt. 141 66.4. Zitiert oben Kap. III 3 c bei FN 162. 142 38.2. Zitiert oben Kap. III 3 b (1) bei FN 116. 135
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3. Princeps-Klausel in literarischen und juristischen Quellen
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Caligula die Testamente bestimmter Primipilaren wegen Undankbarkeit eingezogen habe, und von Nero berichtet er143: ante omnia instituit ut e libertorum defunctorum bonis pro semisse dextans ei cogeretur, si qui sine probabili causa eo nomine essent quo fuissent ullae familiae quas ipse contingeret; deinde ut ingratorum in principem testamenta ad fiscum pertinerent, ac ne impune essent studiosi iuris, qui scripsissent vel dictassent ea; deinde, ut lege maiestatis facta dictaque omnia, quibus modo delator non deesset, tenerentur (zum letzten Teil alsbald).
In diesen drei Berichten sieht Gaudemet Gemeinsamkeiten, die seine Schlußfolgerungen rechtfertigen sollen: einmal die Verbindung von Dankbarkeit und letztwilliger Verfügung, zum anderen eine Verbindung im Rahmen einer Sonderbeziehung. Eine solche bestand seiner Ansicht nach auch im Falle Neros; der habe nicht etwa die Nachlässe aller eingezogen, sondern nur diejenigen seiner eigenen Freigelassenen, die ihn nicht ausreichend bedacht hatten. Denn Gaudemet versteht die zitierte Passage so, daß Nero die fünf sechstel der Nachlässe von seinen Freigelassenen einforderte, diese Quote jedoch nicht als ein für alle geltendes Gesetz festschrieb. Die Einziehung der Testamente Undankbarer zum Fiskus ist nach Ansicht Gaudemets ebenfalls auf diese Freigelassenen zu beziehen. Die Grundaussage Gaudemets ist sicherlich zutreffend: Despoten selbst der schlimmsten Couleur bemühen sich im allgemeinen um den Anschein einer rechtlichen Begründung ihrer Willkürakte144 • Soweit diese auf die Annulierung von Testamenten gerichtet sind und mit der Begründung mangelnder Dankbarkeit gerechtfertigt werden, drängt sich allerdings ein Rechtsinstitut wie die querela auf. Doch bestehen gegen diese Ansicht Bedenken. Die Aussagen über Augustus' Einstellung besagen lediglich, daß eine Form des gratiam referre unter Freunden die testamentarische Bedenkung ist 145 . Sueton betont kurz zuvor, daß Augustus Freundschaften nicht leicht einging, sie dann aber gewissenhaft pflegte146. Dazu gehörte es, daß er die offenen Worte in den Testamenten seiner Freunde forderte und ernst nahm. Sueton knüpft dabei an zuvor Gesagtes ant47. Augustus hat nämlich einen Senatsbeschluß verhindert, der die "freie Meinungsäußerung" in Testamenten unterbunden hätte. Augustus bemühte sich also um Gleichstellung unter Freunden; 32.2. Cf. Cass. Dio LIX.15.1 für Caligula; er erwirkte ein Senatus consultum, das ihm die passive Testierfähigkeit trotz Ehe- und Kinderlosigkeit zusprach. Zu dem berühmten Satz princeps legibus solutus etwa Daube, St. in mem. Koschaker, 1954, S. 463ff.; D. Simon, Gedächtnisschrift Kunkel, Frankfurt/M. 1984, S. 449ff.; Astolfi, Iex, S. 86f. S. des weiteren etwa Quint. inst. or. III.8.47. 145 S. oben Kap. III 3 b. 146 66.1. 147 56.1. Beispiele für Offenheit in Testamenten etwa bei Cass. Dio LVIII. 25.2, oder Tac. Ann. 6.38.2. 143
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VI. Die Princeps-Klausel
einen rangbedingten Unterschied sollte es gerade nicht geben. Der Assoziation, daß amicus principis (lediglich) ein Titel war148, wollte Sueton offenbar entgegenwirken. Hiergegen läßt sich auch nicht das von ihm gewählte Wort pieque anführen, da pietas keineswegs nur "von unten herauf" möglich war; schließlich wurde Pietas auf Augustus' Schild abgebildet149. Überdies erscheint die Auffassung Gaudemets von Neros Selbstbeschränkung auf Freigelassene fraglich. Sprachlich sind die beiden von Sueton genannten Verfügungen getrennt; ante omnia bezieht sich auf die Freigelassenen, deinde auf die testamenta ingratorum; ein Bezugswort fehlt. Aber auch inhaltlich entlastet Gaudemet Nero womöglich über Gebühr: Ob sich Neros bereits erwähnte Bemerkung, kein Princeps vor ihm habe seine Möglichkeiten ausgeschöpft, gerade auf die testamenta ingratorum bezieht, ist zweifelhaft. Doch ist daran zu erinnern, daß Tacitus im Zusammenhang mit dem Tod des L. Antistius Vetus berichtet, daß Freunde ihm rieten, Nero zu einem großen Teil seines Vermögens als Erben einzusetzen, um auf diese Weise wenigstens den Rest für seine Enkel zu sichernlso: nec defuere qui monerent magna ex parte heredem Caesarem nuncupare atque ita nepotibus de reliquo consulere.
Vetus war kein Freigelassener Neros! Zwar waren solche Zweckmäßigkeitserwägungen - wie gezeigt - bei mehreren Principes geboten, aber unter Nero scheinen die Schmeicheleien im Testament (und dazu gehört ja ganz besonders die Hinterlassung materieller Güter) große Ausmaße angenommen zu haben. Tacitus hebt diesangesichtsder Offenheit hervor, die sich Petronius in seinem Testament herausnahmlsl. Schließlich erscheint es fraglich, ob ein Queret-ähnliches Vorgehen den gewünschten Erfolg herbeigeführt hätte. Denn auf diese Weise wird nur die Nichtigkeit des Testaments erreicht und Intestaterbfolge herbeigeführt. Der Princeps hätte dann, um den erwünschten Nachlaß zu bekommen, die zusätzliche Fiktion begründen müssen, vorrangig gegenüber den "gesetzlichen Erben" zu sein. Freilich ist denkbar, daß solch eine Fiktion gar nicht erforderlich war, weil die Intestaterben de facto so eingeschüchtert waren, daß sie von ihrer facultas abstinendi "freiwillig" Gebrauch machten152 • Doch läßt sich solch eine Vermutung aus Tacitus' Bericht nicht erhärten153. 148 So wohl Gaudemet in FN 16. Zur Funktion des "Titels" amicus Caesaris vgl. etwa Syme, Roman Revolution, 1939, S. 276ff.; G. Alföldy, Römische Sozial~eschichte3 , Wiesbaden 1984, S. 90. S. auch Mommsen, Römisches Staatsrecht III.1 , S. 555f., sowie oben sub 1 c FN 30. 149 S. dazu Ulrich, Pietas als politischer Begriff, 1930, passim. AufS. 17, ein umfassender Versuch, die Vielschichtigkeit dieses Begriffes zu erfassen; sie beschränkt sich keinesfalls auf die pielas gegenüber dem Adoptivvater. 150 Ann. 16.11. S. bereits oben Kap. III 3 e. 151 Ann. 16.19.5; dazu Bradley, Sueton's Life of Nero, 1974, S. 191.
3. Princeps-Klausel in literarischen und juristischen Quellen
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Angesichts dieser Aporie wird man Baumans Vorschlag154 zuneigen, daß die Verfahren strafrechtlicher Natur waren. Den gewünschten Erfolg erzielte der Princeps dann mit der Konfiskation der bona caducorum. Bauman argumentiert nicht ausdrücklich für die testamenta ingratorum, sondern konzentriert sich auf (weiter unten eigens zu besprechende) Entscheidungen des Caligula und Nero (sowie Domitian), von denen Sueton im Zusammenhang mit dem Undankbarkeitsargument berichtet. Gerade diesen Zusammenhang sieht Bauman als Beleg dafür, daß die zum Einzug der Nachlässe führende Strafnorm die Iex lulia maiestatis aus den Jahren 6 und 8 n. Chr. war. Das Ungeheuerliche an den Fällen sei gewesen, daß der Anwendungsbereich der maiestasVerbrechen auf eine postmortale Verurteilung ausgedehnt worden sei. So einleuchtend die Idee Baumans von der Rechtsfolge her gesehen ist, so fraglich ist sie es doch vom Tatbestand her. Bauman sieht die bei Nero genannten testamenta ingratorum nur als einen vorab genannten Sonderfall der von Sueton anschließend erwähnten Iex maiestatis (s.o.). Doch ist es nicht zwingend, hieraus zu folgern, daß "in fact the third measure Iooks much more like a tendentious generalisation from the first two"tss. Und noch weniger stringent ist diese Ansicht bei Caligulas Primipilaren. Warum sollen sie allein der maiestas-Norrn unterworfen worden sein? Und warum dann der Hinweis auf die Undankbarkeit und nicht auf eine Verletzung der maiestas? Hinsichtlich dieses Widerspruchs- von der Rechtsfolge her Strafrecht, von der Begründung her Querel-ähnliches Privatrecht- weist Bauman auf Plinius' Brief 5.1. hin, in dem von einem geplanten Querel-Prozeß berichtet wird, von dessen Durchführung die Erben jedoch befürchteten: verebantur, quod videbant multis accidisse, ne ex centumvirali iudicio capitis rei exirent. Die in diesem Brief beschriebenen Ereignisse fielen in die Jahre 93- 96, die letzten Regierungsjahre Domitianst56. Asudius Curianus war von seiner Mutter Pomponia Galla enterbt worden. Curianus wollte deswegen gegen einige der 152 Vgl. immerhin die von Rechtswegen offenbar unbegründete Furcht von Plinius' Miterben vor einem Prozeß mit Curianus- zur Zeit Domitians! Ep. 5.1. Dazu sogleich im Text ausführlicher. 153 Sie ließe sich allenfalls auf das cogere der 1. Alternative stützen; doch sprechen dagegen die im Text angegebenen Gründe, denen zufolge die Maßnahmen gesondert zu verstehen sind. Es fehlen auch Anhaltspunkte dafür, daß die Principes im Kognitionsverfahren eine bonorum possessio zu ihren Gunsten angeordnet hätten; zu dieser Möglichkeit Kunkel, SZ 81, 1964, S. 374; Kaser, RProzR, § 67 li FN 13 (dort auch allgemeiner§ 25 li 2; § 66 V;§ 67 II). 154 Impietas in Principem, 1974, S. 138ff. 155 S. 139. Über die drohende Strafe läßt sich nur spekulieren. Man könnte etwa an einen Vorläufer des von Mark Aurel eingeführten, außerordentlichen crimen expilatae hereditatis denken, dazu Mommsen, StrafR, S. 779, oder an ein peculatus publicus, Mommsen, S. 764ff. 156 Sherwin-White, Commentary, 1966, S. 312; Tellegen, Pliny, S. 82; Corbier, Index 13, 1985, S. 512f.
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VI. Die Princeps-Klausel
Erben die Querel anstrengen, die sich ihrerseits in ihrer Furcht, im Laufe des Prozesses zu Angeklagten eines Kapitalverbrechens gestempelt zu werden, an Plinius wandten. Da diese Erben offenbar zu dem Umkreis der sogenannten stoischen Opposition gehörteni57, mag sich deren Furcht noch durch eine spezielle Sanktionsnorm in dem Verbannungsspruch Domitians gegenüber den Philosophen verschärft haben. Dennoch ist der Mechanismus aufschlußreich: Die ohnehin nicht exakte Trennung von Zivil- und StrafverfahreniSS scheint sich bei Domitian in einer Vermischung des Prozeßgegenstandes fortgesetzt zu haben 159 • Möglicherweise geht der Rechtshistoriker aber auch fehl, wenn er sich bei geldgierigen Despoten vom Schlage eines Caligula oder Nero um eine exakte Einordnung ihrer Rechtsetzungs- oder Rechtsprechungsakte bemüht. Womöglich wurde zielgerichtet judiziert, ohne sich allzusehr um juristische Distinktionen zu bemüheni60. Sueton könnte allerdings mit seinen Berichten über die "Undankbarkeitsnichtigkeit" auch etwas anderes aussagen wollen: Caligulas Maßnahme gegenüber den Primipilarennachlässen ist zwar ungeheuerlich, aber wegen der engen Beziehung immerhin erklärbar: "they ( = Primipilaren) owed everything to the emperor"I6I. Die Primipilaren hatten den Princepsi62 nicht zum Erben eingesetzt und sich damit nicht an den Verhaltenskodex der gesellschaftlichen Oberschicht gehalten, in die sie kraft ihrer Stellung hineingerückt waren. Ein (freilich schwaches) Indiz dafür könnte man aus Suetons Bericht über Nero herauslesen. Dann nämlich, wenn man die dort verwandte Formulierung ernst nimmt: ... ut ingratorum in principem testamenta ad fiscum pertinerent ... Wenn nämlich die Betonung auf dem ad fiscum liegt, könnte Sueton damit Folgendes zum Ausdruck bringen wollen: Die Einziehung der Primipilarennachlässe wegen Undankbarkeit hat Caligula eingeführt; sie ist in der Folgezeit beibehalten worden. War aber die Einziehung von Nachlässen tatsächlich die Konfiskation bonorum damnatorum, flossen sie als solche in den Aerar. Nero hätte dann den weiteren Schritt unternommen, diese Nachlässe mit Hilfe der von Claudius eingerichteten Fiskalgerichtsbarkeiti63 an den 157 Die Erben fürchteten sich wegen ihrer Freundschaft mit Gratilla und Rusticus, Mitgliedern der "stoischen Opposition"; s. Tellegen, S. 90. Zur Opposition gegen Domitian insgesamt Bengtson, Die Flavier, München 1979, S. 226ff.; zur Philosophenvertreibung speziell ebda, S. 232ff. 158 Dazu generell Kaser, RProzR, § 67 Il. 159 Zur ("rechtswidrigen") Eigenmächtigkeit einiger Principes bei Gerichtsverfahren etwa Kunkel, SZ 85, 1968, S. 255ff. Phaedrus erwähnt in fab. III.lO einen augusteischen Fall, in dem möglicherweise ähnliche Verwischungen befürchtet wurden ; zu der Stelle Kelly, Princeps iudex, Weimar 1957, S. 32ff. 160 Vgl. immerhin Suet. Cal. 38.3. 161 Dobson, ANRW Il.1, S. 397. 162 ••• und seinen Vorgänger! Suet. Cal. 38.2.
3. Princeps-Klausel in literarischen und juristischen Quellen
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Fiskus zu ziehen. Dies entspräche der zu Beginn des Pricipats einsetzenden, langsamen Aushöhlung des Aerars zugunsten des Fiskus hinsichtlich der bona damnatorumt64. Im Rahmen der Fiskalgerichtsbarkeit bestand eine Verknüpfung von Kläger- und Richterrolle -ein für Nero günstiger Umstand, wie man einer Bemerkung Senecas entnehmen kann 165: Caesar omnia habet, fiscus eius privata tantum ac sua. Jedoch impliziert diese Interpretation, daß Caligula die bona damnatorum dem Aerar belassen hat. Das paßt nur schwer in das Bild, das Sueton von dessen Geldbeschaffungspolitik gezeichnet hat; denn er sammelte das Geld für sich, nicht für den Senatt66. Dabei ist aber immerhin zu bedenken, daß Caligula Zugriffsmöglichkeiten über die praetores aerarii 167 offenstanden, die auszunützen gerade ihm durchaus zuzutrauen sind. b) D 31.56
D 31.56 Gai. 14 ad leg. Iul. et Pap.: Quod principi relictum est, qui ante, quam dies legati cedat, ab hominibus ereptus est, ex constitutione divi Antonini successori eius debetur168.
Der Sachverhalt erscheint eindeutig und Antoninus' Bruch mit dem allgemein geltenden Recht evident: Ein Testator setzt dem Princeps Hadrian ein Damnationslegat, debetur, aus. Doch bevor jener stirbt, also noch vor dem dies cedens, stirbt Hadrian, und Antoninus Pius wird sein Nachfolger. Im Normalfall, in dem kein Princeps in die Nachlaßabwicklung involviert ist, führt das Vorversterben des Legatars dazu, daß das Legat unwirksam wird und der Erbe davon profitiertt69. Antoninus Pius entscheidet entgegengesetzt, indem er das Legat für sich beansprucht. Damit scheint ausgerechnet dieser Princeps, der "Rechsstaatlichkeit" nach Kräften fördertet 70 und besonders das Erbrecht erheblich liberalisierte, ein kaiserliches, rechtlich nicht herleitbares Privileg geschaffen zu haben m. 163 Tac. Ann. 12.60; Suet. Claud. 12. S. dazu Pflaum, RE XXIII s. v. "Procurator", Sp. 1269; G. Klingenberg, Scr. in on. Guarino IV, Neapel1984, S. 1705ff. S. auch Corbier, L'Aerarium Saturni, 1974, S. 643ff. 164 Vgl. Fuhrmann, RE XXIII s. v. "publicatio", S. 2508. 165 De Ben. VII.6.3. 166 Über die Verwendung der Aerargelder s.Kubitschek, RE 1.1 s.v. "Aerarium", Sp. 669f. 167 Zur Leitung des Aerars vgl. Kubitschek, RE Suppl. X. s. v. "aerarium", S. 670f. S. aber auch Tac. Ann. 13.29; Suet. Aug. 36; Cass. Dio LIII.32.2, sowie Enßlin, RE XXII s. v. "Praefectus", Sp. 1258ff. 168 Grosso, I Jegati, S. 295; Müller-Eiselt, Pius, S. 257ff. 169 S. nur Kaser, RPR I,§ 186 I. Zu dem ähnlichen Fall in D 35.1.40.2, Iav. 2 ex post. Lab, s. unten Kap. VII 4 a. 170 S. jüngst Marotta, Multa de iure sanxit, Mailand 1988; dazu Bürge, RJ 8, 1989, s. 61 ff. 171 Darüber, daß Antoninus in finanziellen Nöten war, unterrichtet Hüttl I, S. 338ff.
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VI. Die Princeps-Klausel
Angesichts einer solchen, eher unwahrscheinlichen Schlußfolgerung ist es angebracht, den Gaius-Text genauer zu betrachten. Dabei fällt vor allem die "blumige" Umschreibung von Hadrians Verstorben-sein auf: ex hominibus ereptus est, er ist den Menschen entrissen, aus dem Leben gerissenl72. Solch ein Eulogismus ist einem- auch heute noch- vertraut aus Todesanzeigen173; die Hinterbliebenen trauern über das "Dahinscheiden" des Verstorbenen, das "Entschlafen"174, oder der Verstorbene "ist von uns gegangen". Ganz selten, daß man liest: "X ist gestorben", oder daß Y als "tot" genannt wird. Diese Worte sind für eine neutrale Berichterstattung geeignet175, nicht aber für den Gebrauch der Hinterbliebenen oder Betroffenen. Sei es aus Selbstschutz176,sei es aus Trostbedürfnis oder Betroffenheit neigen diese dazu, das Versterben als ein Alltagsphänomen zu umschreiben: entschlafen, gehen, dahinscheiden, etc.177; immer handelt eine Person, sei es der Verstorbene oder "Bruder Tod" oder eine nicht verbalisierte Größe17B. Übertragen auf unseren Text ergibt sich aus diesen Beobachtungen: Gaius kommentiert die iulischen Ehegesetze, und zwar zu einer Zeit, als Antoninus Pius bereits tot ist, divus Antoninus; zu der Zeit war Hadrian also schon mindestens 23 Jahre tot. Daher wäre ein Ton neutraler Berichterstattung zu erwarten -etwa: princeps mortuus est179. Daß Gaius dennoch die "Betroffenenformulierung" wählt, legt die Vermutung nahe, daß er den Originaltext der Konstitution verwendetlBO. Denn das Amt- a libellis oder ab epistulis- war 172 Entsprechende Beispiele für die hellenistische Zeit Griechenlands gibt Bruck, Totenteil und Seelgerät, S. 202 FN 1. Zur Bedeutung von eripere vgl. D 2.7.4 pr., Paul. 4 ad ed. (s. auch etwa D 10.2.8.2 oder 41.1.44, Ulp. 19 ad ed.). m Etwa in Zeitungen. Zum folgenden Fuchs (Kap. I 2, FN 17), S. 83ff. 174 In Grabinschriften findet sich bisweilen die Gleichsetzung von Tod und Schlaf, vgl.Lattimore, Themes in Greek and Latin Epitaphs, 1962, S. 164f. 175 Cf. Festus, de verb. sign. 139 (Linds.) s. v. "mortuus": ab emerita vita dictus. 176 Cf. Cic. Tusc. 1.92: quam qui leviorem (= martern) faciunt, somni simillimam volunt esse. 177 "Versterben" ist ein für Betroffene angemessener Ausdruck, nicht aber "Sterben"; in dem Praefix "ver-" steckt hierbei die nuancierende Bedeutung des Verarbeitens oder Aufbrauchens, also auch einer Tätigkeit. S. hierzu W. Henzen, Der heutige Bestand der Verben mit Ver-, FS Frings, Akademie-Verlag Wien, 1956, S. 173ff., insbes. S. 182. ns Etwa: "Z wurde aus segensreicher Tätigkeit entrissen." Zur Metapher: ,Der Tod als Bruder des Schlafes' vgl. Homer, Ilias XVI.676ff. ; Hesiod, Theogonie V.759; dazu Lessing, Wie die Alten den Tod gebildet, 1769, sowie Bemer, Der Tod als Bruder des Schlafes, in: Winau I Rosemeier (Kap.l1, FN 6), S. 144ff. mit weiteren Nachweisen. Solche Euphemismen, die sich auf das Sterben einer konkreten Person beziehen, hindern freilich nicht, den Tod als Abstraktum mit düsteren Epitheta zu versehen: cf. Hor. Sat. II.l. v. 58; Statius Theb. I. v. 633; ebda VIII. v. 377ff. 179 Oder, wie es etwa in den Fasti Ostiensis am Tage des Todes der Trajansschwester Marciana heißt: excessit (Z. 40). S. dazu Vidman, Scr. in on. Guarino I, Neapel1984, s. 404. 1so S. auch Beseler, Juristische Miniaturen, S. 143; Siber, Principatsverfassung, s. 38.
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sozusagen von Amts wegen zur Betroffenheit verpflichtet1Bl; vor allem im Hinblick auf die mit der Entscheidung verfolgte Zielrichtung (dazu sogleich). Denn hier umschreibt der Sohn eines Gottes - divi Hadriani filius - den Tod seines Gott gewordenen Vaterstsz, was möglicherweise komplementär-assoziativ in dem Wort ab hominibus (gedanklich ist anzufügen: ad deos) anklingt. Sollte es sich demnach um den Originaltext der Konstitution handeln, können wir das juristische Problem genauer erfassen. Dann nämlich hatte der Testator den "Princeps" und nicht "Princeps Hadrian" als Legatar bestimmt. Das Problem liegt somit in der Frage (zum Problem der persona incerta s. sogleich 1B3), ob ein mehrdeutiger Begriff im Testament nach dem Verständnis auszulegen ist, das der Testator zur Zeit der Testamentserrichtung hatte oder das der Erbe zur Zeit der Testamentseröffnung hat. Das ist ein Problembereich, der zu dieser Zeit ausführlich erörtert wurde und alle erdenklichen Lösungsvorschläge gefunden hat184, und innerhalb dessen Antoninus Pius selbst schon zugunsten einer großzügigeren Interpretation entschieden hattss. Im vorliegenden Fall liest er die mehrdeutige Personenbezeichnung princeps als "der jeweilige Princeps"; eine sehr wohl mögliche und plausible Auslegung. Aber selbst wenn der Testator den "Princeps Hadrian" bedacht haben sollte, kann Antoninus Pius' Entscheidung mit Hilfe allgemeiner juristischer Auslegungsmaßstäbe gerechtfertigt werden, nämlich gemäß dem mutmaßlichen Erblasserwillen. Diesem Kriterium wohnt eine objektivierende Tendenz inne, weil in die Mutmaßung immer auch die Lebenserfahrung des Auslegenden einfließt. Eine solche Auslegung, geleitet von der Lebenserfahrung, wendet Antoninus Pius etwa in D 31.67.8186 an; möglicherweise auch in der vorliegenden Entscheidung: Vor dem Hintergrund des zuvor über die Testatormotive und die Bedeutung eines Princeps-Legats Gesagten ist sie die für die mutmaßlichen Intentionen des Testators günstigste. Denn sie erlaubt es dem Testator, postmortal mit dem Princeps in Verbindung zu treten. Das spezifisch juristische Problem eines vorverstorbenen Legatars rückt damit in den Hintergrund.
181 Das gilt im verstärkten Maße dann, wenn der Princeps selbst die Konstitution verfaßt haben sollte. Zur "libellus-Procedure" etwa Williams, JRS 64, 1974, S. 86ff.; ders., ZPE 40, 1980, S. 283ff.; Honore, Emperor and Lawyers, 1981 , S. lff.; Nörr, SZ 98, 1981, s. 2. 182 Vgl. auch die Verwendung des eripere im Zusammenhang mit Alexanders Tod in Curtius Rufus X.5.10; s. auch Val. Fl. Argon. III.316. 183 Cf. Gai 2.238. UE 24.18. S. auch Siber, Principatsverfassung, S. 38f. 184 Vgl. nur Wieling, Testamentsauslegung, S. 107ft., insbes. S. 111f. 185 D 34.1.13.1, Scaev. 4 resp. = C 6.37.1. 186 S. Wieling, S.l18, der aus I 2.20.4 schließt, daß es sich um Antoninus Pius handelt.
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VI. Die Princeps-Klausel
Doch hat sich Antoninus Pius mit großer Wahrscheinlichkeit auch noch von anderen Erwägungen leiten lassen, indem er in die Auslegung imperiale Gesichtspunkte hat einfließen lassen187 . Hatte der Erblasser "den Princeps" als Legatar bestimmt, dann hatte das oben genannte Interpretationsproblem einen zusätzlichen Aspekt, nämlich die Einsetzung einer persona incerta; hatte er dagegen den "Princeps Hadrian" bedacht, so war die Person zwar certa, aber nicht mehr vorhanden. Mag es so oder so gewesen sein, Antoninus löst die Dichotomie auf einer höheren Ebene, indem er den Princeps als etwas Transpersonales auffaßt, gleichsam als eine Institution, der durch den jeweiligen Princeps lediglich Personalität verliehen wird 188. Man befindet sich damit bei einem, wenn nicht gar dem Grundproblem des Principats: dem der Nachfolge189. Theoretisch war für das römische Reich jeder Tod eines Princeps ein Sturz ins Ungewisse. Praktisch hat sich insbesondere in der Zeit der "guten Principes" eine Art dynastisches Denken durchgesetzt, das der Adoption. Doch hat bezeichnenderweise gerade Antoninus Pius die größten Probleme mit seinem Nachfolgeantritt gehabt190. Es ist daher nicht verwunderlich, daß er die vorliegende Gelegenheit eines "überlappenden" Legats wahrnimmt, um eine transpersonale (und damit certa) Identität der Principes als künftig bindendes Recht191 festzulegen. Daß diese Erwägungen für Antoninus Pius eine wesentliche Rolle gespielt haben, kann man daraus schließen, daß er das von ihm geschaffene Princepsprivileg nicht auf seine Ehefrau Faustina ausgedehnt hat192, D 31.57, Mauficianus 2 ad leg. lul. et Pap.: Si Augustae legaveris et ea inter homines esse desierit, deficit quod ei relictum est, sicuti divus Hadrianus in Plotinae et proxime imperator Antoninus in Faustinae Augustae persona constituit, cum ea ante inter homines esse desiit, quam testator decederet.
187 S. zum folgenden Müller-Eiselt, S. 297ft. S. auch Suet. Ca!. 38.2, wo Caligula Bedenkungen für seinen Vorgänger fordert, und Cass. Dio LIX.15.1; Tac. Hist. 4.58.3: pecunia nuper etiam donativo suffecit, quod sive a Vespasiano sive a Vitellio datum interpretari mavultis, ab imperatore certe Rarnano accepistis. Vgl. Rogers, S. 147; Astolfi, Iex, S. 86f. 188 Zu der Idee der Aeternitas Principis Bracher, Verfall und Fortschritt im Denken der frühen römischen Kaiserzeit, 1987, S. 324ft. S. auch die bereits im frühen Principat einsetzenden Münzprägungen mit der Aeternitas Augusti, vgl. Aust, RE 1.1 s. v., Sp. 694ft., oder Mattingly, The Man in the Roman Street, New York 1960, S. 93, 107. Die einer solchen Idee zugrundeliegende Denkkategorie war auch den Juristen zumindest nicht unvertraut: cf. D 5.1.76, Alf. 6 dig. zur translatio iudicii. 189 S. schon oben Kap. VI 1 a. 190 SHA 1.27. Zu dem bereits problematischen Regierungsantritt Hadrians etwa den Boer, Ancient Society 6, 1975, S. 203ft. 191 Cf. Gai 1.5. 192 Hierin äußert sich erneut Pius' "Rechtsstaatlichkeit", weil -laut Ulpian- andere Principes die ihnen zustehenden Privilegien auf ihre Frauen ausgedehnt haben, D 1.3.31, 13 ad leg. Iu!. et Pap.
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Aus der Gegenüberstellung dieser beiden Stellen ergibt sich, daß Antoninus Pius die "Durchbrechung" des Rechts auf ein Minimum beschränkte. Möglicherweise handelte er auch vollkommen im Rahmen seiner rechtlichen Befugnisse, indem er den Freiraum ausfüllte, den ihm der in seinem Anwendungsgebiet immer weiter um sich greifende Satz princeps legibus solutus193 schuf. Darüber hinaus ist zu bedenken, daß Erbschaften zugunsten des Princeps in das patrimonium Caesaris gefallen sind194, das seit Caligula195 dem jeweiligen Nachfolger übertragen wurde. Zwei Anmerkungen sind der Vollständigkeit wegen noch anzufügen. Einmal Mauricians Umschreibung des Todes der Faustina: inter homines esse desiit. Auch hier nicht das "Sterben" einer neutralen Berichterstattung, doch auch keine "Betroffenenformulierung". Denn der Tod wird nicht durch personale Handlungsweise verklärt oder gemildert, sondern Faustina "hörte auf, unter den Lebenden zu weilen"196. Maurician wählt hier eine der Nähe des Ereignisses (proxime) und der Bedeutung der Verstorbenen angemessene, geziemende Umschreibung der nüchternen Tatsache des Gestorben-Seins. Er ist also Berichterstatter. Darüber hinaus legt der ganze Text die Vermutung nahe, daß Plotina, bzw. Faustina namentlich als Legatare eingesetzt wurden. Und schließlich ergaben die Augustae keine zusammenhängende Reihe, so daß die Annahme einer transpersonalen Institution in diesem Falle arge Leerstellen aufweisen würde197. Zum zweiten ist die von Antoninus Pius in dem ihn selbst betreffenden Fall, D 31.56, getroffene Entscheidung zugunsten einer Verknüpfung von imperialen Erwägungen mit einer testamentarischen Bedenkung nichts Außergewöhnliches. Während der Principatszeit, auch gerade während der Regierungsjahre des Pius haben, wie gezeigt, wohlhabende Römer immer wieder Stiftungen ins Leben gerufen, die eine Verbindung von Totenkult und Kaiserkult darstellen 198. Der Stiftungszweck ist dabei, daß zum Gedenken an den Verstorbenen sei es Gastmähler'99 veranstaltet, sei es Gelder verteilt werden. Dabei wird als Tag des Ereignisses oftmals der Geburtstag des lebenden oder eines verstorbenen Princeps bestimmtzoo. Das heißt für die Schmausenden Nachweise oben in FN 144. Kränzlein, S. 496; a. A. Kaser: fiscus Caesaris, RPR I, § 72 III 2, FN 21. 195 Bellen, ANRW II.1, S. 91ff. 196 S. auch D 15.2.3, Pomp. 4 ad Q.Muc.: servus in rerum natura esse desiit. Zum Tod der Faustina vgl. Martin, Providentia Deorum, 1982, S. 312ff. 197 Zu der Abfolge der Augustae im 2. Jhdt. etwa Temporini, Die Frauen am Hofe Trajans, 1978, S. 229ff. 198 s.o. Kap. II 2 e. 199 Wie oben, Kap. I 2, "gezeichnet", z.B. direkt neben dem Grab. Cf. Cic. pro Flacco 95. 200 Cf. etwa FIRA III, Nr. 36 uti ... die felicissimo n(atali) Antonini Aug(usti) n(ostri) Pii .. . ; CIL III Suppl. I, Nr. 6998 (Hadrian); CIL VI, Nr. 9254 (divus Augustus). Petz!, ZPE 14, 1974, S. 83f. 193
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VI. Die Princeps-Klausel
oder Geld Empfangenden, daß sie am Geburtstag dieses oder jenes Princeps dem verstorbenen Spender X diese Wohltaten verdanken. Diese Kombination wird den Spendenempfängern selbstverständlich mitgeteilt20l, schon um dem Stiftungszweck zu genügen. Ähnlich wie bei dem Testament des Iulius Larguszoz verbindet der Stifter seinen Wunsch, in Erinnerung gehalten zu werden, mit der imperialen Größe des Princeps. Dies wiederum verschmilzt mit dem kaiserlichen Bedürfnis nach einer von der Gesellschaft akzeptierten Legitimität in eins. Daraus folgt, daß Antoninus Pius mit seiner Konstitution D 31.56 eine Entscheidung getroffen hat, die mit den Vorstellungen seiner Zeit harmoniert. c) D 49.14.22.2
D 49.14.22.2, Marcianus lib.sing.de delat.: Lites donatas se non suscipere divus Pius rescripsit, licet bona relicturum se quis profiteatur: vel partem bonorum donatam non suscipere. et adiecit er illum dignum fuisse puniri pro tarn turpi tamque invidioso203 commento, et nisi durum esse videbatur in ultra venientem poenam statuere204.
Der überlieferte Text ist ebenso wie der dem Reskript zugrunde liegende Sachverhalt so verstümmelt wiedergegeben, daß die folgende Exegese nicht weit über den Bereich des Hypothetischen hinaus gelangen wird. Festen Boden verspürt man eigentlich nur bei der Einordnung in das juristische Problemfeld: Der Princeps lehnt es ab, eine streitbefangene Sache, oder Teile derselben als Geschenk anzunehmen - sei es inter vivos oder von Todes wegenzos. (1) Bevor wir auf den Sachverhalt eingehen wollen, ist die in FN 204 gegebene Übersetzung zu erläutern: Die Verbindung von lis mit donareerscheint in den (juristischen) Quellen noch in C 2.17.2: lmp. Gordianus A. Tertullo (a. 241): Cum adlegas partem rerum vel actionum dimidiam fisco, quo magis viribus eius protegaris, velle te donare, huiusmodi litium donationem admitti temporum meorum disciplina non patitur. unde ius tuum, si quod tibi competit, citra invidiam fisci mei tueri sollemniter cura. S. VI non. Aug206. Nachweise bei Bruck, Römisches Recht, S. 61, FN 12 und öfter. S. oben Kap. III 3 vor a: Plin. ep. X.75f. 203 Zu invidiosus cf. Gellius, NA IX.12. 204 Kaser, SZ 60, 1940, S. 119f. De Marini Avonzo, I limiti alla disponibilita della "res litigiosa" nel diritto romano, 1967, S. 366ff.; Müller-Eiselt, S. 292ff. Die Übersetzung dieses schwierigen Textes lautet etwa folgendermaßen : Divus Pius hat reskribiert, er werde im Rechtsstreit befangene Gegenstände, die ihm geschenkt werden, nicht annehmen; auch dann nicht, wenn jemand erklärt, er werde die Güter vermachen: noch werde er ein Teil der Güter als Geschenk annehmen. Und er fügte hinzu, daß jener einerseits strafwürdig für solch eine schändliche und perfide List sei, wenn es nicht andererseits als hart erschiene, eine Strafe gegen den zu verhängen, der ein freiwilliges Anerbieten macht. 205 Zu ergänzen sind C 2.13ff. und D 5.1.17, Ulp. 22 ad ed. 206 Zu dieser Stelle Spagnuolo Vigorita, Secta Temporum Meorum, 1978, S. 106. 2o1
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Aus beiden Stellen ergibt sich, daß unter lis der Streitgegenstand, nicht aber der Rechtsstreit als solcher zu verstehen ist207; denn die konkretisierenden Begriffe bona, bzw. partem rerum beziehen sich auf Sachen. Der Satzteillicet - suscipere in der Digestenstelle erweckt den Eindruck, als wären die beiden in ihm enthaltenen Fallvarianten der Vollständigkeit halber in den Text eingefügt worden. Es läßt sich nämlich nur schwer vorstellen, daß eine Partei im Laufe eines Prozesses alle drei Angebote gemacht hatzos. Doch spricht das nicht gegen die Authentizität der Einschübe - und nicht einmal gegen die Autorenschaft Marcians209. Denn für die drei Verhaltensweisen gibt es anderweitige Belege (dazu alsbald), so daß Beselers Echtheitszweifel der Sache nach unbegründet sind2to. Das doppelte et (et illum .. et nisi) im letzten Satz bereitet Schwierigkeiten: Will man nicht annehmen, daß die Stelle verkürzt ist - etwa um einen dem letzten Satz (et- statuere) nachfolgenden Konsekutiv-Satz, so läßt sich das et ... et nisi wohl am besten mit "einerseits - wenn nicht andererseits" übersetzen. Damit gibt diese Passage eine vollständige Begründung (wenn auch nicht notwendigerweise die einzige) für Pius' Entscheidung wieder, die ihrerseits jedoch mehr Fragen aufwirft als sie beantwortet. Auch darauf wird zurückzukommen sein. Das Verständnis der Passage: in ultro venientem poena statuereist ebenfalls nicht einfach. Ultro wird man wohl mit "freiwillig, aus freien Stücken" zu übersetzen haben; doch fragt es sich, was venire hier heißt, bzw. worauf es sich bezieht. Denn es ist denkbar, daß der ultro veniens derjenige ist, der als delator dem Fiskus die notwendigen Informationen erteilt; also derjenige, der aus freien Stücken zu den Fiskalbeamten kommt. Dann aber steht dieser Satz (et illum-statuere) in keinem Zusammenhang mit dem zuvor genannten Reskriptinhalt. Denn obgleich der delator die Klägerrolle zu übernehmen hatte, gebührte ihm nicht etwa die res litigiosa, sondern nur die gesetzliche Prämie211; er konnte also gar nicht die im Marcian-Fragment genannten Offerten abgeben. Da aber der Satzbeginn: et adiecit ... eine Verknüpfung beider Sätze vornimmt, wird man das ultro venientem als freiwilliges Anerbieten zu verstehen So aber wohl Heumann I Seckel s. v. "lis" sub 1, und Kaser (FN 204). Wie eine "echte Schenkung des Streitgegenstandes, der lediglich das motivverschleiernde Mäntelchen der angekündigten Erbeinsetzung des Kaisers umgehängt wird" in praxi aussehen oder erklärt werden soll, ist unerfindlich. So aber Müller-Eiselt, s. 294. 209 Müller-Eiselt, S. 293 FN 36, erwägt, daß das partem bonorum von Marcian aus Gordians Konstitution (dimidia) übernommen worden ist. Das ist nicht auszuschließen, würde jedoch die gemeinhin angenommene Wirkungszeit Marcians verlängern; vgl. Kunkel, Herkunft, S. 251. 210 Beitr. 5.86. 211 Nachweise bei Kaser, RProzR, S. 356 FN 22. 207
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VI. Die Princeps-Klausel
haben. Die Konsequenz dieser Übersetzung ist allerdings, daß Antoninus Pius deswegen von einer Strafe absieht, weil die Prozeßpartei ohne äußeren Zwang handelte. Das Frappierende daran ist, daß mit diesem Argument jede Richterbestechung2I2 etwa entschuldigt werden könnte.
(2) Der Versuch, die konkrete Prozeß-Situation zu rekonstruieren, ist unbeschadet der Tatsache, daß Marcian das Reskript in seinem liber singularis de delatoribus erwähnt, und unbeschadet des dortigen Kontextes, Spekulation. Denn variae causae sunt, ex quibus nuntiatio ad fiscum fieri solet, Call. D 49.14.1 pr., 1 de iure fisci. Aus den im folgenden von Callistrat angegebenen Gründen verlockt es, die thematisch nächstliegende auszuwählen: quod princeps heres institutus et testamenturn sive codicilli subrepti esse nuntiatur. Man könnte sich dann einen Prozeß vorstellen, in dem sich fiscus und ein Erbe gegenüber stehen213. Freilich kann dem Reskript ebensogut eine Anfrage von Fiskalbeamten zugrundeliegen; dann nämlich, wenn ihnen die Schenkung und/oder beabsichtigte Erbeinsetzung einer streitbefangenen Sache gemeldet wurde. Callistrat zählt in der angegebenen Stelle als weiteren Grund für Mitteilungen auf: vel rem litigiosam venumdari. In solch einem Fall ist die Anfrage, ob unter venumdari auch besagte Sachverhaltskonstellationen zu verstehen sind, durchaus verständlich . Unsere Unsicherheit bezüglich der Prozeßsituation läßt sich auch nicht durch die Feststellung verringern, daß der Rechtsstreit anhängig gewesen sein mußte; denn anderenfalls würde das Angebot des Schenkers den Tatbestand der alienatio iudicii mutandi causa (zu ihr alsbald) erfüllen21 4 , da der Princeps vor allen anderen ein Potentior215 ist2I6.
Dazu Mommsen, StrafR, S. 674. Auf den ersten Blick läßt sich in dieser Konstellation allerdings nicht einsehen, was den Erben, bzw. Anbietenden zu der Ankündigung veranlaßt haben könnte, wo er doch die Sache dem anbietet, der sie ohnehin durch den Prozeß zu erhalten scheint. Doch selbst wenn man von der Befriedigung an sich absieht, die der durch das Angebot erhoffte Prozeßgewinn vermittelt, könnte der Anbietende auf den in Kap. III 3 b beschriebenen Gegenleistungsmechanismus spekuliert haben. 214 Allerdings würde der Hinweis auf die geplante testamentarische Bedenkung nicht von der Ediktsklausel erlaßt werden, D 4.7.8.3, Paul. 12 ad ed.; wohl aber die beiden anderen Fallvarianten. 21s Allgemein zu deren Einfluß auf Prozesse Wacke, ANRW 11.13, S. 562ff. S. auch Luig, Studien zur europäischen Rechtsgeschichte, 1972, S. 208ff., oder Nörr, Rechtskritik, S. 150f. (bei FN 55 - 57), sowie Ivo Pfaff, Über den rechtlichen Schutz der wirthschaftlich Schwächeren, 1897, S. 11 , 47ff. Cf. Boethius ad Cic. Top. IV.10.41 = Bruns, Fantes 1114 , S. 320, oder den Sachverhalt in Sen. Rhet. C 10.1. 30, dazu Daube, Ne quid infamandi causa fiat, the Roman Law of Defamation, in: Atti Congr. lnt. Dir. Rom., Verona 1948, Bd. III, 1951, S. 433ff. 216 S. etwa Tac. Ann. 16.19.3: . . . Neronem aut Tigellinum aut quem alium poten212
213
tium ...
3. Princeps-Klausel in literarischen und juristischen Quellen
127
Aufgrund des Titels pater patriae oder des klientelähnlichen Verhältnisses zwischen Bevölkerung und Princeps ist es verständlich, auf den Einfluß des Princeps zu rekurrieren21 7 . Er war gewissermaßen der Potentior, auf den jedermann zurückgreifen konnte21 B. Daß andererseits auf ihn bezogen der Satz potentiori pares esse non possumus (Gai D 4.7.3 pr., 4 ad ed.prov.) zutrifft, zeigen allein schon solche Reskripte wie die in D 5.2.8.2219, in denen Principes eigens statuieren müssen, daß gegen sie (wegen testamenturn inofficiosum) geklagt werden könne. Ferner kann man diese Ungleichheit auch daraus erschließen, daß ein Erbe bei dem mit einem Vermächtnis bedachten Hadrian nachfragen zu müssen glaubte, ob die falcidische Quart auch in Ansehung des kaiserlichen Legats Anwendung finde, C 6.50.4: Et in legatis principi datis Legern Falcidiam locum habere merito divo Hadriano placuit (a. 222); oder aus PS 4.1.3, wo die Machtvollkommenheit des Princeps direkt erwähnt wird: Ab imperatore herede instituto legatum et fideicommissum dari potest220. Entgegen Provera221 lassen sich aus Augustus' ediktalem Kaufverbot einer streitbefangenen Sache222 wohl ebenfalls keine Rückschlüsse auf die vorliegende Prozeßsituation ziehen. Dieses Edikt wendet sich nämlich gegen den Käufer, der die streitbefangene Sache von der nicht besitzenden Partei kauft, indem es neben der Nichtigkeit des Kaufes eine Strafe für den Käufer von 50.000 HS statuiert. Diese, gegen einen Dritten, eine Nicht-Partei, gerichtete Sanktion, kann schwerlich die Grundlage für Pius' Reskript abgegeben haben: Hätte er sie nämlich mit diesem Fall auf Schenkungen ausgedehnt223, wäre er selbst von der Sanktion betroffen. Diese Abgrenzungen vermögen den Ausgangsfall nicht wesentlich zu erhellen. Für die Annahme eines Prozesses zwischen einer Privatperson und dem Fiskus spricht lediglich noch die psychologisch-prozeßtaktische Erwägung, daß bei einem Prozeß zwischen Privaten die Ankündigungen entsprechender Offerten schwerlich Erfolg haben dürften; denn die Gegenpartei könnte hierauf unmittelbar mit einem entsprechenden Angebot aufwarten und auf diese Weise den erhofften Vorteil neutralisieren. Folglich kann man für den dem Pius-Reskript zugrunde liegenden Falllediglich festhalten, daß (wenigstens) 217 Numismatische Hinweise auf die Patron-Klienten Beziehung zwischen Princeps und "dem Volk" ergeben sich beispielsweise aus der Verbindung des Princeps mitfides (Otto, RE VI s. v. , Sp. 2284f.) oder pietas; vgl.etwa Grant, Roman Imperial Money, 1954, S. 79, 189f. Beide Begriffe sind konstitutiv für die Beziehung, cf. v. Premerstein, RE IV.1 s. v. "clientes", Sp. 51f. 218 Aufgrund seiner einzigartigen sozialen Stellung fungiert er damit zugleich als Schutz vor den (anderen) Potentiores. 219 Zu ihnen ausführlicher unten sub d. 22o Cf. D 36.1.5, Maec. 6 de fideic. 221 La vindicatio caducorum, 1964, S. 149. 222 Fr. de iure fisci 8 = FIRA II, 628. 223 S. auch Müller-Eiselt, S. 295.
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VI. Die Princeps-Klausel
eine Partei im Verlauf eines schwebenden Verfahrens erklärte, sie wolle den Streitgegenstand (oder einen Teil davon) dem Princeps schenken, bzw. vermachen. Auf diese Weise wollte sie offenbar den Richter zu ihren Gunsten beeinflussen. (3) Pius' Reskript bezweckt demgegenüber, die Objektivität richterlicher Entscheidungstindung zu gewährleisten. (a) Allgemein gesehen stellt es damit einen Beitrag zu dem immerwährenden Konflikt zwischen faktischer Beeinflussung der Rechtsfindung und theoretischem Anspruch objektiver Rechtsanwendung dar224 . Für die praktische Seite mag als ein Beispiel unter vielen Martial Zeugnis ablegen225: Lis mihi cum Balbo est, tu Balbum offendere non vis, Pontice; cum Licinio est, hic quoque magnus homo est. Vexat saepe meum Patrobas confinis agellum, Contra libertum Caesaris ire times ... 226
Die Namen der Personen sind nicht sicher belegbar. Doch ergibt sich aus der zuletzt zitierten Zeile, daß es sich um einflußreiche Leute, wenn nicht gar Mitglieder der familia Caesaris handeln muß227. So mag Baibus - im allgemeinen ein Cognomen vieler römischer Familien - eine Anspielung auf den ersten ausländischen Konsul228 und engen Vertrauten Caesars Cornelius Balbus229 sein; und Licinius, der auch bei Juvenal als Inhaber eines großen Vermögens erwähnt wird23o, mag sich auf den Freund und Freigelassenen Augustus' beziehen23I. Patrobas scheint eine familiäre Form des Namens Patrobius zu sein232 und verweist damit auf den mächtigen Freigelassenen Neros233. Gegen Mächtige solchen Schlages zu prozessieren (und sich vielleicht auf die Gleichheit aller vor dem Gesetz berufen zu wollen, Leges omnibus hominibus aequaliter securitatem tribuant234 ), ist nach Martial zu fürchten. Die lange Tradition solchen Schreckens, gegen Mächtige streiten zu müssen, belegt etwa die Anklage S. nur Gessner, Recht und Konflikt, Tübingen 1976, S. 192ff. Epigr. 2.32. Zum folgenden vgl. Friedlaender in seinen "Erklärenden Anmerkungen" zuM. Valerii Martialis, Epigrammaton libri, Bd. I, S. 254f. 226 Cf. zusätzlich etwa Cic. de imp. G. Pomp. 70; in Verr. 1.15; in Verr. 11.2.107. Sen. de eiern. 1.15.4, wo Augustus durch die öffentlich verkündete Nichtannahme der Erbschaft seine Objektivität als Beisitzer unter Beweis stellt; zu der Stelle Kunkel, SZ 83, 1966, s. 220ff. 227 S. auch Epigr. 2.15. 22s Er stammte aus Gades. 229 Cf. Suet. Caes. 78, 81; Aug. 29; zur zuletzt genannten Stelle auch Tac. Ann. 3.72. 230 Sat. 14.306. 231 Cf. Suet. Aug. 67. 232 Nachweise bei Friedlaender (FN 225). 233 Cf. Tac. Hist. 1.49.1; 2.95.2; Plin. N. H . XXXV.168; Suet. Galba 20.2; Nero 45.1. 234 D 48.19.28.7, Call. 6 de cognit. 224 22s
3. Princeps-Klausel in literarischen und juristischen Quellen
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gegen Sextus Roscius im Jahre 80 v. Chr.: Die Ankläger hatten sich offenbar deswegen mit ihrer Anklage wegen parricidium sicher gefühlt, weil der Freigelassene Sullas, Chrysogonus, hinter ihnen stand. In der Tat fand sich kein Mitglied des Adels, der die Verteidigung zu übernehmen sich getraut hätte 235. Die theoretische Seite, d. h. also: den Anspruch objektiver Rechtsfindung, beschreibt Cicero folgendermaßen236: Quod enim est ius civile? quod neque inflecti gratia neque perfringi potentia neque adulterari pecunia possit.
Im Voranstehenden (70) spricht Cicero über den hohen Stellenwert, der dem ius civile gebührt: nihil esse in civitate tarn diligenter quam ius civile retinendum. Etenim hoc sublato nihil est quare exploratum cuiquam possit esse, quid suum aut quid alienum sit, nihil est quod aequabile inter omnis atque unum omnibus esse possit.
Daran knüpft Cicero die Unterscheidung zwischen Tatsachenmaterial, bei dem Täuschung und Irrtum im Prozeß möglich sei, und Rechtsfragen, die unverrückbar und ohne Einflußmöglichkeiten feststünden: non est aditus ad huiusce modi res neque potentiae cuiusquam neque gratiae. Als letzte Steigerung dieser Preisung des ius civile erscheint dann die oben wiedergegebene Sequenz. Ihre - generelle - Berechtigung mag dahinstehen, da im vorliegenden Zusammenhang Ciceros Hinweis genügt, daß vor Gericht potentia, gratia und Geld237 zur Beeinflussung eingesetzt wurden, und ein Bereich bei der Rechtsfindung (theoretisch) vorstellbar war, innerhalb dessen diese Faktoren keine Wirkung entfalten konnten. Kelly hat die Klagen und Sarkasmen über solcherlei Einflußnahmen in der lateinischen Literatur zusammengetragen23s. Sie zeigen, daß es zu keiner Zeit gerechtfertigt war, von einer pauschalen Rechtsgleichheit vor Gericht auszugehen. Wenn also Mitteis einen gaianischen Satz: potentiori pares esse non possumus (D 4.7.3 pr.) als zu banal für einen Juristen der klassischen Zeit und daher für interpoliert hält239, geht er von falschen Prämissen der Rechtstatsachen aus. So verwundert es nicht, daß die drei von Marcian erwähnten 235 Zu diesem (machtpolitischen) Hintergrund etwa Buchheit, Chiron 5, 1975, S. 193ff. S. auch Valerius Maximus 8.1.10; er berichtet von Marcus Aemilius Scaurus, der nicht wegen erwiesener Unschuld, sondern propter vetustissimam nobilitatem et recentem memoriam patris freigesprochen wird. 236 Pro Caecina 73. 237 Quint. inst. or. 11.15.6, nennt ebenfalls Geld als eines der Mittel, die überzeugen ( . . . et pecunia persuadet) können . Noch deutlicher Publilius Syrus: Bene perdit nummos, iudici cum dat nocens (ed. Beckby, 1969, S. 18). Hinsichtlich der Glaubwürdigkeit von Zeugen cf. erneut Quint. inst. or. V.7.33. 238 Roman Litigation, S. 22ff. 239 In: Melanges Girard II, 1912, S. 229: " ... daß niemand einem Klassiker, der doch das Bewußtsein hat in einem Rechtsstaat zu leben, die groteske Behauptung zutrauen wird, gegen mächtige Leute könne man vor den Gerichten nicht aufkommen."
9 Paulus
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VI. Die Princeps-Klausel
Offerten auch in anderen Quellen erwähnt werden240; Tertullus bietet dem Fiskus die Hälfte an und wird deswegen von Gordian zurechtgewiesen (C 2.17.2; s.o.). Der Verfasser der Paulus-Sentenzen berichtet, PS 5.12.7: Litern in perniciem privatorum fisco donari non oportet nec ab eodem donatam suscipi.
und PS 5.12.8
= D 28.5.92
Imperatorern litis causa heredem institui invidiosum est: nec enim calumniandi facultatem ex principali maiestate capi oportet.
Entsprechendes Verhalten brandmarkt auch Pertinax in einer oratio, I 2.17.8 Eadem oratione expressit non admissurum se hereditatem eius, qui litis causa principem heredem reliquerit.
Auch der Verfasser seiner Biographie berichtet von dieser Ablehnung, SHA Pert.7.3: lpseque professus est nullius se aditurum hereditatum, quae aut adulatione alicuius delata esset aut lite perplexa, ut legitimi heredes et necessarii privarentur.
Die Stellen drücken übereinstimmend aus, daß entsprechende Prozeßtaktiken mißbilligt werden. Außerdem können wir ihnen den erneuten Befund241 entnehmen, daß die aus moderner Historikersicht so herausgehoben erscheinende Position des Princeps von seinen Zeitgenossen hemmungslos für private Streitereien benützt wurde. (b) Im konkreten Fall verweigert Pius, entsprechende Offerten anzunehmen. Seine Unsicherheit bezüglich einer Bestrafung läßt an eine Parallele mit dem ähnlich gelagerten Fall der alienatio iudicii mutandi causa denken. Solch eine Veräußerung bewirkte, daß die geschädigte Partei eine actio erhielt, über die Ulpian in 13 ad ed. schreibt: Haec actio non est poenalis, sed rei persecutionem arbitrio iudicis continet ... Auch bei ihr war der Strafcharakter noch nicht endgültig geklärt, und der Unrechtsgehalt war in beiden Fällen entsprechend: Der Gegner soll durch die Weggabe der umstrittenen Sache um seinen Erfolg gebracht werden. Im Wirkungsbereich der alienatio iudicü mutandi causa geschieht dies dadurch, daß die Sache noch vor Beginn des Prozesses in Schädigungsabsicht einem Potentior242 übertragen wird, während im "Pius-Fall" die Übertragung in einem laufenden Prozeß geschah, bzw. geschehen sollte. Die Prozeßfairneß ist beide Male im gleichen Maß gefährdet. Trotz dieser Parallelen ist es aber unwahrscheinlich, daß Pius den ultro venientem auf der Grundlage der alienatio-Sanktion beurteilte. Denn diese 240 S. auch Tac. Ann. 13.52: Silvanus scheint den Richtern Vermächtnisse ausgesetzt zu haben, dazu Corbier, Index 13, 1985, S. 501. 241 S. schon oben sub 1 c. 242 Etc.; cf. D 4.7.3, Gai 4 ad ed.prov. Zur alienatio etwa P. Kretschmar, SZ 40, 1919, S. 136ff.; Kaser, RProzR, § 42116.
3. Princeps-Klausel in literarischen und juristischen Quellen
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sucht der benachteiligten Partei zu Hilfe zu kommen, während sich Pius (zumindest nach Maßgabe der überlieferten Begründung) allein über das Verhalten der offerierenden Partei empört. Infolgedessen mag man diesen (negativen) Befund als ein weiteres Indiz für unsere oben geäußerte Vermutung verstehen, daß es sich bei dem Marcian-Fragment um einen Prozeß zwischen einem Privaten und dem Fiskus handelt. Dann wären nämlich die Offerten der einen Partei lediglich als der Versuch zu beurteilen, Waffengleichheit im Prozeß herzustellen, da der Streitgegenstand ohnehin "Krongut" war, das diese Partei dem Princeps zu "entreißen" trachtete243. Hier wäre Pius' Milde verständlich. (4) Zusammenfassend ist daher festzuhalten, daß die rechtliche Einordnung des von Marcian mitgeteilten Reskripts außerordentlich schwierig ist und über die Aufstellung von Hypothesen kaum hinauskommt. Sozialgeschichtlich legt es jedoch ein gewichtiges Zeugnis dafür ab, wie wenig isoliert die Stellung des Princeps innerhalb der Gesellschaft war. Er stand als Patron und Potentior gewissermaßen für jedermann zur Verfügung. d) PS 4.5.3 PS 4.5.3: Testamentum, in quo imperator heres scriptus est, inofficiosum argui pofest; eum enim qui Ieges facit pari maiestate legibus obtemperare convenit.
Ganz ähnlich heißt es in D 5.2.8.2, Ulp. 14 ad ed.: Si imperator sit heres institutus, posse inofficiosum dici testamenturn saepissime rescriptum est.
Die zuvor erwähnte Einbeziehung des Princeps in persönliche Streitereien setzt sich im folgenden fort: Der Princeps erkennt dies und reagiert darauf, indem er ausdrücklich seine Erbenstellung als mit der querela inofficiosi testam enti244 angreifbar bezeichnet. Ein potentieller Erbe kann also auch in dieser Richtung sein Glück versuchen ; die Tatsache, daß sein Opponent Princeps ist, ist für ein Gerichtsverfahren kein Hinderungsgrund. Daß aber die Zulassung der Querel gegen den Princeps dennoch als etwas Besonderes empfunden wurde, bringen beide Fragmente zum Ausdruck: Die Paulus-Sentenzen dadurch , daß sie auf den vornehmlich in dieser Zeit verwendeten Topos des Gesetzesgehorsams der Principes rekurrieren245; denn mit dieser Begründung postulieren sie eine Selbstverständlichkeit, die - so zumindest der Eindruck- dem Vorgang gar nicht zukam. Zur denkbaren Motivation erneut oben FN 213. Zu ihrer Häufigkeit generell cf. D 5.2.1, Ulp. 14 ad ed. 245 Cf. etwa PS 5.12.9 = D 32.23; Ulp D 1.3.31, 13 ad leg. Iul. et Pap.; C 6.23.3 (a. 232), dazu Gallo, Scr. in on. Guarino II, Neapel1984, S. 655ft.; I 2.17.8. Dazu Nörr (FN 215), S. 148f., 150; D. Simon, Gedächtnisschrift Kunkel, Frankfurt/M. 1984, s. 449ff. 243
244
9*
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VI. Die Princeps-Klausel
Und in Ulpians Fragment scheint das Exzeptionelle in dem saepissime rescriptum durch. Sofern man die vorhergehenden Reskripte überhaupt kannte, wagte man offenbar nicht, ihnen eine wie auch immer geartete Bindungswirkung (sei sie legis vicem246 oder als exempfa247) zu unterstellen, sondern vergewisserte sich immer wieder248 erneut über die Haltung der Principes. Das ist deswegen verständlich, weil Erwerbungen des Princeps von Todes wegen nicht etwa den Princeps als Privatperson bereicherten, sondern in das Patrimonium fielen249. Das aber war spätestens seit dem Jahr 54, wahrscheinlich sogar schon seit 372so zu einer Art Krongut geworden, in die der Princeps sein ganzes Eigenvermögen einbrachte, und gewissermaßen verlor - Antoninus Pius hatte Anlaß, dies seiner Gemahlin klar zu machen251. Im Gegensatz zur res privata, die etwa seit Pius dem Princeps als Privatperson zur Verfügung stand, hatten die Vermögensgegenstände des patrimonium dem Wohl des Gemeinwesens zu dienen, d. h . jede Ausgabe mußte dem "Staatswesen" oder dem "Volk" gegenüber gerechtfertigt sein - idealiter. Die Erlaubnis, dem Princeps gegenüber die Querel erheben zu dürfen, bedeutet daher immerhin, daß Privatpersonen das Recht eingeräumt wird, die Rechtsgrundlage "öffentlicher Güter" in Frage zu stellen252 und, gegebenenfalls, sie an sich zu nehmen253. Die den Reskripsfällen zugrundeliegenden Sachverhalte werden etwa derart gewesen sein, daß ein Testator den Princeps als Erben bestimmt und beispielsweise seine Kinder übergangen oder nur als Ersatzerben eingesetzt hatte254. Das ist eine Art des Testierens, die- wie gezeigt (Kap. 111 3 a)- auf eine lange Tradition im Principat (beginnend mit Augustus bis hin zu Pertinax) zurückblicken konntezss. Dabei ist es, das sei am Rande vermerkt, besonders bedauerlich, daß die entsprechenden Berichte nur von Augustus' Einnahmen aus Erbschaften genaueZahlen enthalten, nämlich 1400 Millionen HS256. Doch vermitteln die Gai 1.5. Zu der (bewußt in kauf genommenen) Unsicherheit einer entsprechenden Zuordnung Nörr, SZ 98, 1981, S. 37ff. 248 Dieser Umstand erweist ein weiteres Mal, wie verbreitet und konstant die Testiersitte war, den Princeps zu bedenken. 249 Kränzlein, RE Suppl. X, Sp. 495. S. auch oben bei FN 196. 250 Vgl. Bellen, ANRW II 1, S. 91ff. 251 SHA Pius 4.8. 252 D 5.2.8.16, Ulp. 14 ad ed. 253 S. auch PS 4.1.3; C 6.50.4 (a. 222); C 6.22.7 (a. 371). 254 Zu den Querelvoraussetzungen im einzelnen Di Lella, Querela inofficiosi testamenti, 1972, S. 126ff. 255 S. oben Kap. III 3 a, FN 75. 256 Suet. Aug. 101. Zur Einordnung der Größenordnung s. etwa Mon. Anc. 16 mitsamt Appendix 1; dazu Finley, The Ancient Economy, 1973, S. 35. 246 247
3. Princeps-Klausel in literarischen und juristischen Quellen
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Quellen bei allen Principes den Eindruck, als sei die Einnahmequelle "Erbschaft" ein ansehnlicher Posten des Budgets gewesen257; daher erscheint bei all diesen Principes die strikte Durchführung des Grundsatzes, Kindern der Erblasser den Vortritt zu lassen, fraglich. Es mag sein, daß einige spektakuläre Fälle258 zum Ausdruck grundsätzlicher Einstellung hochstilisiert worden sind; oder aber, daß die jeweiligen Historikerstellen mit den Hinweisen, die jeweiligen Principes hätten Erbschaften von Testatoren mit Kindern nicht angenommen, die Möglichkeit umschreiben, die Quere! anzustrengen. Dann könnte man annehmen, daß sich wenigstens einige der dort erwähnten Principes mit denjenigen decken, auf die Ulpian mit dem saepissime rescriptum est verweist. Hinsichtlich der Frage, was die Erblasser dazu bewogen haben mag, ihre nächsten Angehörigen zugunsten des Princeps zu übergehen, können wir auf die im Vorangegangenen schon genannten Motive verweisen. Etwa dasjenige, einen Teil des Nachlasses retten zu wollen. Die Gewährung der Quere! bedeutet dabei, daß die Erwägungen des Testators nicht von vornherein mißachtet, sondern gewissermaßen einem prozessualen Wettstreit259 und damit der Initiative der Quereisberechtigten überantwortet werden. Ein anderes Motiv wäre, daß der Erblasser postmortales Wohlverhalten erzwingen wollte, indem er den Princeps zum Begünstigten eines Poenallegats oder einer poenalen Erbeinsetzung machte. Freilich nahmen einzelne (bedauerlicherweise wieder nicht genannte) Principes solche Bedenkungen nicht an, I 2.20.36: et in tantum haec regula observabatur, ut perquam pluribus principalibus constitutionibus significetur nec principem quidem agnoscere, quod ei poenae nomine legatum sit.
Das Motiv ist in diesen Fällen eindeutig, und die Principes berücksichtigen es - wenn auch in negativer Form. Sie weigern sich, zu privaten und postmortalen Erziehungsversuchen mißbraucht zu werden260. Die in solchen Testamenten durchschimmernde, angespannte Familieneintracht wurde durch die bedingte Bedenkung des mächtigen Princeps sicherlich verfestigt und perpetuiert. Es muß daher eine erfreuliche Lösung des Konflikts gewesen sein, wenn die Principes die ihnen ausgesetzten Vermächtnisse den allgemein geltenden, zivilrechtlichen Regeln unterwarfen. Denn Gaius schreibt ebenda: Poenae quoque nomine inutiliter legatur. Daß diese Regel, derzufolge Poenallegate unwirksam sind, zumindest in die Anfänge der Principatszeit zurückreicht, wenn nicht gar noch älter ist, ergibt S. nur Bund, FS Wieacker, 1978, S. Slff. Cf. Tac. Ann. 2.48.1. 259 Anschaulich dazu (neben Di Lella) Kaser, RPR, § 173 I 1. 260 Poenae autem nomine legari videtur, quod coercendi heredis causa reliquitur, quo magis heres aliquid faciat aut non faciat, Gai 2.235. Zum Poenallegat Horak, Labeo 24, 1979, S. 199ff. ; Voci, DER II, S. 793ff.; Knütel, Stipulatio poenae, 1976, S. 43f. 257 258
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VI. Die Princeps-Klausel
sich aus dem Bericht über die Kontroverse um die Wirksamkeit einer poenalen Miterben-Ernennung, Gai 2.243: Cetera vero, quae supra diximus, ad legata proprie pertinent. Quamquam non inmerito quibusdam placeat poenae nomine heredem institui non posse: nihil enim interest, utrum legatum dare iubeatur heres, si fecerit aliquid aut non fecerit, an coheres ei adiciatur261, quia tarn coheredis adiectione quam legati datione compellitur, ut aliquid contra propositum suum faciat aut non faciat.
Aus dem bereits zitierten Institutionen-Fragment I 2.20.36 ergibt sich, daß diese in ihrer materialen Überzeugungskraft schwerlich widerlegbare Argumentation von Sabinus stammt262. Indem Sabinus mit dem Verbot des Poenallegats argumentiert, bestätigt er indirekt dessen schon zu seiner Zeit existierende Geltung. Dazu steht allerdings eine Aussage in Widerspruch, die sich in der Lebensbeschreibung des Antoninus Pius findet. Dort wird von diesem Princeps berichtet, daß er: primus constituit, ne poenae causa legatum relictum maneret263. Müller-Eiselt schlägt vor, diese Diskrepanz dadurch aufzulösen, daß die zitierte Passage inhaltlich mit der Aussage des voranstehenden Satzes verbunden wird. Dort heißt es nämlich: Hereditates eorum qui filios habebant repudiavit. So wie Antoninus Pius Erbschaften nicht angenommen hat, wenn es überlebende Kinder des Erblassers gab, habe er auch Poenallegate abgewiesen, die ihn als Begünstigten auswiesen. Darin sei er Erster gewesen, daß er als Princeps solche Legate nicht angenommen hat. Dieser Vorschlag impliziert, daß bereits vor Pius Principes als Poenalbegünstigte bedacht worden waren, die sich jedoch nicht an das von Gaius und Sabinus referierte zivilrechtliehe Verbot eines Poenallegates gehalten, sondern für sich eine privilegierende Ausnahme in Anspruch genommen hatten. Diese Interpretation leuchtet eher ein als etwa die von Voci, der dem Verfasser der Pius-Biographie schlicht unterstellt: inesatta. Doch ist ihre historische Rechtfertigung zumindest fragwürdig, weil die literarischen Quellen von Tiberius264 und Trajan265 berichten, sie hätten solche Erbschaften nicht angenommen, die sie allein der Feindschaft des Erblassers gegenüber einem Dritten (und wohl vorrangigem Erben) verdankten. Hier liegt ebenfalls eine poena zugrunde, mag sie auch nicht mit der für ein formal "einwandfreies" Poenallegat erforderlichen (Erziehungs-)Potestativbedingung verknüpft gewesen sein. Zur bedingten Erbeinsetzung Nachweise bei Kaser, RPR, § 162 III. Eo amplius nec heredem poenae nomine adici posse Sabinus existimat . . . nihil enim intererat, qua ratione Titius coerceatur, utrum legati datione an coheredis adiectione. 263 SHA Ant. Pius 8.5. Dazu Forzieri Vanucchi, Studi sull' interpretazione giurisprudenziale romana, 1973, S. 19; Ormanni, Penus legata, St. Betti IV, 1962, S. 626; Horak, S. 199; Müller-Eiselt, Pius, S. 289f. 264 Tac. Ann. 2.48.1. Ein Beispiel, in dem Tiberius das Opfer einer entsprechenden Feindschaft ist, Tac. Ann. 3.76. 265 Plin. Paneg. 43.1. 261
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3. Princeps-Klausel in literarischen und juristischen Quellen
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Wenn diese Principes aber schon solche Erbschaften ausschlugen, fällt die Annahme schwer, sie hätten Poenallegate angenommen. Denn beiden Fällen liegt der gleiche Unrechtsgehalt zugrunde: Der Princeps, bzw. seine überragende Position wird dazu mißbraucht, das Verhalten von Dritten zu sanktionieren. Freilich besteht der- rechtserhebliche- Unterschied, daß dieses Verhalten in dem einen Fall bereits ein vergangenes war, d. h. ein vor dem Erbfall abgeschlossenes, in dem anderen Fall dagegen ein zukünftiges266, doch gehen Tiberius und Trajan nichtsdestoweniger mit ihrer Ablehnung weit über das vom ius civile Geforderte hinaus. Denn daß das Poenallegat verboten ist, ist eine Wertungsentscheidung innerhalb des Spannungsgefüges von Testierfreiheit einerseits und Handlungsfreiheit andererseits, indem solcherlei Einflußnahmen "von toter Hand" unterbunden werden. Das testamentarische Austragen von Feindschaften war dagegen prinzipiell zulässig und wurde von Tiberius zu seinen Ungunsten vereitelt. Demnach ist es unwahrscheinlich, daß Antoninus Pius als erster den Princeps begünstigende Poenallegate abgelehnt hat. Will man sich hinsichtlich des primus constituit aber nicht mit einem ,non liquet' begnügen, so mag man daran denken, daß Pius als erster seine ablehnende Haltung in einer Konstitution zum Ausdruck gebracht hat , während frühere Principes dies noch auf inoffiziellem Weg getan haben könnten. Immerhin war erst kurz zuvor, durch Hadrian, die Struktur der imperialen Erbschaftsverwaltung267 geändert worden26s. Procuratores hereditatium konstituierten sich nunmehr aus dem Ritterstand, hatten ein festes Einkommen von 200 000 Sesterzen und verfügten (wohl) über einen wesentlich erweiterten Kompetenzbereich. In der Nachfolge dieser Neuerung ist eine offizielle Anfrage etwa eines Unterbeamten durchaus denkbar. Unabhängig jedoch von dieser Frage ist an den Stellen über die Handhabung von Poenalbedenkungen zugunsten der Principes erneut hervorhebenswert, wie sehr der Princeps in die Privatsphäre seiner Untertanen integriert war. Testatoren bedachten ihn, um anderen269 ihre Abneigung zu demonstrieren, bzw. um die Erben zu ihnen(= den Testatoren) wunschgemäßem Verhalten zu verpflichten. Wenigstens einige der Principes erkannten dieses Motiv und richteten ihre ablehnende Entscheidung an ihm aus.
Cf. D 35.1.12, Ulp. 24 ad Sab. Über den Zusammenhang der hadrianischen Ediktsreform mit dem Einsetzen der kaiserlichen Reskriptenpraxis Wesener, RE Suppl. X s. v. "Reskriptenprozeß" , Sp. 431. 268 Vgl. Hirschfeld, Die kaiserlichen Verwaltungsbeamten2 , 1905, S. 114, insbes. FN 2. Pflaum, Les procurateurs equestres SOUS Je Haut-Empire Romain, 1950, s. 56, denkt demgegenüber an eine trajanische Innovation. 269 In der Regel wohl einen nahestehenden Angehörigen. 266
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VI. Die Princeps-Klausel e) D 36.1.31.4,5
D 36.1.31.4 und 5, Marcian 8 inst.: Et heres institutus rogatusque hereditatem restituere praecepta aliqua summa vel re, etiamsi in praeceptione minus quam quarta pars esset, non amplius principem pati vindicaturum. (5) Sed et si sine ulla praeceptione rogatus fuerit hereditatem restituere, plerumque quarta donata est a principibus: et ita divus Traianus et Hadrianus et Antoninus rescripserunt270.
Den von Marcian berichteten Fällen ist gemeinsam, daß ein Princeps als Erbe eingesetzt271 und mit einem Universal-Fideikommiß272 belastet worden war. Das vom Princeps zu restituierende Gut betrug jeweils mehr als 3/4 der Erbschaft. Zum besseren Verständnis der Quellen ist es erforderlich, die Entwicklungsgeschichte dieses Fideikommisses kurz zu rekapitulieren273. Augustus hatte einige Male, semel iterumque, die Durchsetzung von Fideikommissen rechtlich sanktioniert, nachdem solch ein fideikommissarisches Ersuchen bis zu diesem Zeitpunkt nicht mehr als ein Appell an das Anstandsgefühl, pudor274, des Erben gewesen war, der Bitte des Testators Folge zu leisten: I 2.23.1. Im Anschluß an Augustus' Reaktion setzte sich alsbald die Rechtsverbindlichkeit der Fideikommisse durch. Damit konnte jeder einen Nachlaß erhalten, selbst wenn er die nach ius civile erforderliche testamenti factio passivanicht hatte, also etwa ein Peregrine. Insbesondere konnten jedoch mit Hilfe eines Fideikommisses all diejenigen Kaduzitätsvorschriften umgangen werden, die Augustus zur Stärkung des Familienbewußtseins in seinen Reformgesetzen als vermeintlich wirksamste Sanktion erlassen hatte. Erstaunlicherweise hat Augustus selbst mit der Verrechtlichung der Fideikommisse die Umgehungsmöglichkeit geschaffen275. Diesem Mißstand half erst das SC Pegasianum ab, indem es die Kaduzitätsvor21o Lenel 135; zu fr. 5 Müller-Eiselt, S. 296; Schwarz, SZ 68. 1951, S. 285; J. G. Wolf, Politik und Gerechtigkeit bei Trajan, Berlin 1978, S. 18. 271 In fr. 4 ergibt sich dies hauptsächlich aufgrund der Unterstellung des Sachzusammenhanges mit fr. 5. Der nicht sehr klare Wortlaut des fr. 4 für sich allein genommen könnte auch bedeuten, daß der Princeps Legatar ist, der dem Erben den vollen Abzug der Quart gestattet und somit die Reduktion hinnimmt. So verstanden läge ein Parallelfall zu C 6.50.4 (a. 222) vor. Doch dann wäre freilich das nachfolgende: sed et si sine ulla praeceptione unverständlich. m Dies ergibt sich aus dem Kontext der Stelle D 36.1.31. 273 Vgl. Kaser, RPRI, § 190; Voci, DER II, S. 344ff. , sowie-vorallem-Johnston, Trusts, passim (dazu meine Rez. in Gnomon 62, 1990, S. 710). 274 Hierzu Manthe, Das senatus consultum Pegasianum, 1989, S. 182 FN 1. 21s Hieraus läßt sich jedoch sicherlich nicht der Schluß ziehen, das planende Denken in die Zukunft sei in der Antike nicht beherrscht worden: S. nur Seneca, de ben. 111.6ff. (dazu oben Kap.III 3 b); zur "Kontrafinalität" mancher moderner Gesetzesplanungen Wittmann, Prolegomena zu einer Philosophischen Anthropologie des Rechts, in: Scholler I Philipps (Hg.), Jenseits des Funktionalismus, Heidelberg 1989, S. 31ff. , insbes. 40. Überdies ist anzumerken, daß der Mißbrauch nicht übermäßig gewesen sein dürfte, da der "Gesetzgeber" erst Jahrzehnte später, nämlich unter Vespasian, dagegen einschritt.
3. Princeps-Klausel in literarischen und juristischen Quellen
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schriften auf Fideikommisse erstreckte276. Zuvor277 beseitigte noch das SC Trebellianum278 ein anderes Problem, das sich aus der Verrechtlichung der Fideikommisse ergeben hatte. Da nämlich der Erbe, der den (u. U. gesamten) Nachlaß an den Fideikommissar herausgegeben hatte, weiterhin Erbe blieb, waren alle die Erbschaft betreffenden Klagen gegen ihn zu richten. Lediglich im Innenverhältnis zwischen Erben und Fideikommissar war letzterer verpflichtet, bei entsprechenden Klagen als cognitor oder procurator in rem suam dem Erben beizustehen, defendere279. Doch scheint sich dieser Mechanismus als unzureichend herausgestellt zu haben, weil es des SC Trebellianum bedurfte, um dem Fideikommissar eine Position heredis loco und damit eine Klagenlegitimation zu verschaffen. Schließlich ergab sich noch ein weiteres Problem für die Effizienz der Fideikommisse daraus, daß ihr Bestand davon abhängig war, daß der Erbe die Erbschaft überhaupt antrat. Der Reiz dazu mußte in dem Maße schwinden, in dem dieser zur Restitution verpflichtet war: Im Falle eines Universalfideikommisses war daher ein Erbschaftsantritt nurmehr altruistisch motiviert. Folgerichtig erklärte das SC Pegasianum die Vorschriften der Iex Falcidia für anwendbar auf den mit einem Fideikommiß belasteten Erben, um ihm damit wenigstens die Quart zu garantieren und den Entschluß zum Erbschaftsantritt zu erleichtern. Hatte der Erblasser dem Erben jedoch weniger als das Viertel belassen, kam es zu einer komplizierten2BO Konkurrenzregelung, deren Probleme den Hintergrund für die oben wiedergegebenen Fragmente Marcians abgeben. In fr.4 gibt Marcian nicht an, welchen Princeps er meint, der die weitergehende Forderung unterläßt. Obgleich man ein princeps noster2Bi erwarten würde, wenn er sich auf Alexander Severus oder Elagabal bezögezsz, ist diese Annahme wahrscheinlicher als die einer generalisierenden Ausdrucksweise aller Principes. Mit Antoninus in fr.5 ist wohl Pius gemeint283. Die dort bezeichneten Principes verzichten auf die ihnen gemäß dem SC Pegasianum zustehende falcidische Quart - zum Teil oder vollständig, und begünstigen284 276 Gai 2.286, 286 a. Zum Senatus consultum Peagasianum umfassend das gleichnamige Buch von Manthe. 277 Cf. Gai 2.253: Trebellius Maximus et Aenneas Seneca consulibus =56 oder 57. 278 Text: D 36.1.1.2, Ulp. 3 fideic. 279 Gai 2.252. 280 Zur- antiken- Kritik daran Nörr, Rechtskritik, S. 107ff., sowie Manthe, S. 20ff. 2s1 Wie z.B. in D 37.14.5.1. 282 Kunkel, Herkunft, S. 251. 283 Müller-Eiselt, S. 296f. 284 Hadrian freilich hat diese Vergünstigung insofern beschränkt, als er die an Peregrine auszuhändigenden Fideikommisse für den Fiskus beschlagnahmte (dazu Astolfi, Iex, S. 251), Gai 2.285 (vgl. damit D 36.1.27). Zu Hadrians Haltungs. aber auch C 6.50.4 (a. 222).
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VI. Die Princeps-Klausel
dadurch den Fideikommissar (unbeschadet dessen höherer Erbschaftssteuerpflicht). Die Qualifikation dieser Vergünstigung durch die Juristen ist aufschlußreich, weil sie unsere oben, Kap.III 3 e angestellten Überlegungen ergänzen. Dort hatten wir festgestellt, daß Bedenkungen an einige Principes notwendig waren, um die Wirksamkeit des Testamentes insgesamt zu gewährleisten, daß aber andererseits etliche Principes unter bestimmten Voraussetzungen entsprechende Zuwendungen abgelehnt habenzss. Diese Bedenkungen hatten also nach der Absicht der Testatoren die Funktion eines Pfandes, das die Aufrechterhaltungdes Testamentes garantieren sollte. In Ergänzung hierzu ergibt sich nun aus D 24.1.5.15, Ulp. 32 ad Sab., daß der Verzicht auf dieses "Pfand" jedoch keineswegs als Geschenk, sondern als Erfüllung des letzten Willens angesehen wird: Si quis rogatus sit praecepta certa quantitate uxori suae hereditatem restituere et is sine deductione restituerit, Celsus libro decimo digestorum scripsit magis pleniore officio fidei praestandae functum mariturn quam donasse videri: et rectam rationem huic sententiae Celsus adiecit, quod plerique magis fidem exsolvunt in hunc casum quam donant ...
Dem fügt Ulpian hinzu: quae sententia habet rationem magis in eo, qui non erat deducta quarta rogatus restituere et tarnen integram fidem praestitit ommisso senatus consulti commodo.
Unabhängig jedoch von dieser Frage gestaltete sich die Rechtslage für die verzichtenden Principes folgendermassen286: Wer die Erbschaft insgesamt restituierte, war mit einer Regelung konfrontiert, die derjenigen entsprach, die noch vor dem SC Trebellianum gegolten hatte. D. h.: die Fideikommissare standen nicht heredis loco, sondern die Principes waren weiterhin als Erben für die Erbschaftsschulden haftbar und hatten die ausschließliche Klaglegitimation. Um die Schroffheit dieses Ergebnisses zu mildern, hatte der Fideikommissar die stipulationes emptae et venditae hereditatis abzugeben, aufgrund derer er im Falle von Klagen gegen den Erben zum procurator in rem suam bestellt wurde287. Daß dieser rechtliche Schutz für den Erben nicht vollkommen war, mußte sich etwa dann herausstellen, wenn der Fideikommissar insolvent gewesen ist. Für die Principes, bzw. die Erben blieb damit ein gewisses288 Risiko289. Noch größer war das Risiko für den in fr.4 genannten Princeps, dem S. oben FN 255 . Vgl. Schwarz, SZ 68, 1951, S. 281ff. 287 Gai 2.257, 252. 288 Vgl. Nörr, S. 108 FN 31, sowie oben sub 1 c zu PS 5.12.9b. Freilich war speziell dieses Risiko, das die heutige Dogmatik des geltenden Vermögensrechts allerorts berücksichtigt, für die Römer sicherlich vernachlässigbar gering. Denn die Insolvenz führte nur ein peripheres Dasein , gleichsam am Rande der Rechtsordnung, weil ihr Eintritt nach Kräften verhindert wurde; vgl. Daube, Aspects, S. 93ff. 285
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ein Teil vermacht war, der aber nicht den Wert eines Viertels der Erbschaft ausmachte. Denn er behielt ebenfalls nach außen hin die volle Erbenstellung und konnte sich nur im Innenverhältnis durch stipulationes quasi partis et pro parte mit dem Fideikommissar absichern. Das folgt im Umkehrschluß aus D 36.1.65.3, Gai. 2f.ideic. (Si quis maiorem partem restituerit quam rogatus est, in eam partem quae excedit non tranferuntur actiones) sed cum praecepta aliqua re aut summa rogatus sit heres restituere et ommissa retentione totam hereditatem restituerit, recte dicitur transferri actiones290.
Diese Risiken gingen die besagten Principes jedoch willentlich ein, wobei sie allerdings - rein faktisch - darauf vertrauen konnten, daß unbeschadet der durch die rechtliche Konstruktion drohenden Gefahr wohl selten ein Gläubiger beim Princeps als Erben Rückgriff nehmen würde291 . Die Rolle als Potentior (s.o. sub c) gewährte dem Princeps wohl hinreichenden Schutz, so daß er den populären Effekt seiner Vergünstigung ungeschmälert genießen konnte. Stellt man sich auch bei den beiden Marcian-Fragmenten die Frage, welcher Lebenssachverhalt dem Rechtsproblem zugrunde gelegen haben mag, so fällt ein weiteres Mal die so gar nicht exzeptionelle, gesellschaftliche Position des Princeps' auf. Es gab Erblasser, die sich durch die Stellung des Princeps nicht gehindert fühlten, ihn nicht nur als "Mittelsmann" eines Fideikommisses einzusetzen, sondern ihm auch weniger als das ihm von Rechtswegen gebührende Viertel zu hinterlassen. Gegen diese Interpretation des "Sitzes im Leben" läßt sich (wohl) nicht einwenden, daß Marcian möglicherweise nur von Testamenten allerengster Vertrauter der Principes berichtet. Denn erstens ist die Häufung der Fälle überraschend, und zweitens, daß wenigstens 3 Principes diesbezügliche Reskripte erlassen haben. Diese wird man sich wohl als epistulae vorzustellen haben, d. h. als Antwortschreiben auf entsprechende Anfragen der für die kaiserliche Erbschaftsverwaltung zuständigen Beamten. Dann liegt aber die Annahme nicht fern , daß die jeweiligen Erblasser nicht zum Freundeskreis der Principes gehörten, da anderenfalls wohl nicht der formelle Behördenweg eingeschlagen worden wäre.
289 Offenbar war umstritten, ob dieses Risiko nicht durch entprechende Anwendung des SC Trebellianum beseitigt werden konnte: cf. PS 4.3.2: Totam hereditatem restituere rogatus si quartam retinere nolit, magis est, ut eam ex Trebelliano debeat restituere: tune enim omnes actiones in fideicommissarium dantur. S. auch D 36.1.65.3 (Wortlaut sogleich im Text); abweichend Schwarz, S. 283f. 290 Hierzu Manthe, S. 129. 291 Es sei erneut daran erinnert, daß Alexander Severus von Hadrian berichtet, er habe Erben reskribiert, daß sie von ihm als Legatar den Anteil für ihre falcidische Quart verlangen dürften, C 6.50.4 (a. 222).
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VI. Die Princeps-Klausel f) Mündliche Fideikommisse
Eine weitere Gruppe von Quellen verlautbart zwar nichts über die Motive der Testatoren; doch demonstriert sie recht eindringlich den gesellschaftlichen Stellenwert der Princeps-Klausel. Einige Principes haben nämlich Erbschaften an sich gezogen, obwohl sie testamentarisch gar nicht bedacht waren; sie beriefen sich vielmehr darauf, daß der Erblasser irgendwann einmal mündlich erklärt habe, er werde den Princeps bedenken. Sueton berichtet von Caligula: item (rescidit testamenta) ceterorum ut irrita et vana quoscumque quis diceret herede Caesare mori destinasse292,
und von Domitian: confiscabantur alienissimae hereditates vel uno existente, qui diceret audisse se ex defuncto, cum viveret, heredem sibi Caesarem esse293.
Man wird wohl Commodus in die Reihe dieser Principes miteinbeziehen müssen, weil Pertinax in seiner bereits weiter oben (Kap. VI lc) wiedergegebenen Rede , in der er seine Verhaltensmaximen gegenüber testamentarischen Bedenkungen darlegt, auch erwähnt: neque ex nuda voce heredis nomen admissurum294.
Mit dieser Bemerkung wird er sich wohl von seinem Vorgänger abgesetzt haben. Etwas später greift der Verfasser der Paulus-Sentenzen das Thema ebenfalls auf und stellt dabei folgende Regel auf: Ex nuda pollicitatione nulla actio nascitur; ideoque eius bona, qui se heredem imperatorem facturum esse iactaverat, a fisco occupari non possunt295.
Ähnlich wie bei den Nachlaß-Konfiskationen durch Caligula und Nero besteht auch in diesen Fällen das Problem, wie diese Maßnahmen rechtlich abgesichert oder von den betreffenden Principes deklariert werden konnten. Dabei ist Rogers gewiß insoweit zuzustimmen296, als er (wenn auch ein wenig drastisch) Suetons Berichte als "malicious fabrications of (an) anti-imperial writer" bezeichnet; denn in der Darstellung dieses Historikers wirken Caligulas und Domitians Erbeinziehungen wie ein politisches Programm. Die Einteilung in "the white and the black Emperors" geht sicherlich an den historischen Gegebenheiten vorbei (wenn auch nicht weit im Falle Caligulas). Doch unter Hinweis auf diese Tendenz Suetons den zitierten Passagen die GlaubwürdigCal. 38.2. Dom. 12.2. Zu beiden Stellen Rogers, TAPhA 78,1947, S. 147,151, 156 mit dem Hinweis auf C 6.23.20 (Honorius und Theodosius II, a. 416); Bauman, Impietas, 1974, S. 138ff.; Gaudemet, St. in on. Arangio Ruiz III, 1953, S. 123f. ; Bund, FS Wieacker, Göttingen 1978, S. 53 FN 23. 294 I 2.17.8. 295 PS 5.12.9; D 28.1.31. 2% s. 156. 292 293
3. Princeps-Klausel in literarischen und juristischen Quellen
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keit völlig abzusprechen297, verträgt sich nur schwer mit den angegebenen Zeugnissen aus späterer Zeit. Vermutlich sind Fälle dieser Art vorgekommen, und Sueton hat sie verallgemeinert. Die Erklärungsversuche von Gaudemet, der als Hintergrund dieser Passagen die Schöpfung einer Sonderform der querela inofficiosi testamenti erwägt, und Bauman, der die Maßnahmen von Caligula und Domitian als Strafen auf der Grundlage der Iex Iulia maiestatis sieht, begegnen den oben (a.) bereits geäußerten Bedenken. Diese Principes werden ihr Ziel, nämlich den Erwerb der Nachlässe, auf direktem Weg anvisiert haben und nicht über den Umweg einer Testamentsnichtigkeit oder eines Strafverfahrens. Dafür bot sich eine fideikommissarische Bedenkung an298; sie war nämlich grundsätzlich an keine Form gebunden und konnte auch mündlich299 oder konkludent, nutu300, erfolgen. Die Belege hierfür stammen allerdings aus einer späteren Zeit als Caligula und Domitian. Möglicherweise liegt daher die für Sueton erwähnenswerte Ungeheuerlichkeit ihres Tuns in der zu deren Zeit rechtlich noch gar nicht bestehenden Zulässigkeit, auf diese Weise zustandegekommene Fideikommisse an sich zu ziehen30I . Doch ist damit nicht erklärbar, warum etwa Pertinax glaubt, sich vom diesbezüglichen Verhalten des Commodus abheben zu müssen. Die Lösung könnte sich aus der Regel der Paulus-Sentenzen ergeben: ex nuda pollicitatione nulla actio nascitur. In PS 4.1.6 heißt es mit ganz ähnlichen Worten in einem Zusammenhang, in dem es um die richtige Wortwahl für die Bestimmung eines Fideikommisses geht: ,relinquo' vero et ,commendo' nullam fideicommissi pariunt actionem. Da Worte wie ,rogo, peto, volo, mando, deprecor' , etc. 302 verwandt werden müssen, reicht ein polliceor303 nicht; es drückt nicht hinreichend bestimmt den rechtlichen Bindungswillen aus. Noch deutlicher ist dies dann, wenn sich jemand damit brüstet, iactare, daß er den Princeps bedenken werde. Das ist bloße Prahlerei, nicht aber ein rechtlich verbindlicher Ausdruck. Bei der Zulässigkeit von mündlichen Fideikommissen ist die Gefahr des Mißbrauchs gewiß sehr groß304, zumindest muß die Absicht des Testators, etwas fideikommissarisch hinterlassen zu wollen, besonders eindeutig formuliert und bezeugt sein. Von Caligula und Domitian erfahren wir, daß sie sich insoweit mit dem bloßen Zeugnis von So Rogers (FN 293). Vgl. Bund, in FN 23, wenngleich er dort Suetons Bericht über Domitian als "phantastisch" bezeichnet . S. auch J. G . Wolf (FN 270), S. 14. 299 D 40.5.47.4, Iul. 42 dig. (fideik . Freilassung); D 42.1.5.1, Ulp. 59 ad ed. 300 D 32.21 pr. =PS 4.1.6a. 301 Eine Zusammenstellung der einschlägigen Stellen bei Johnston, Trusts, S. 169ff. Sie stammen durchwegs aus dem 2. Jhdt. n. C. 302 PS 4.1.6; s. auch Gai 2.249; UE 24.1. Dazu Voci , DER Il, S. 233. 303 S. auch PS 5.12.9. Zu der (von der privaten zu unterscheidenden) öffentlichen, und damit verbindlichen pollicitatio Düll, SZ 61 , 1941 , S. 19ff. 304 Vgl. Kaser, RPR, § 189 II 1. 297
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VI. Die Princeps-Klausel
Dritten begnügt haben. Sueton könnte dies für seine tendenziöse Darstellungsform genügt habenJos. Es ist noch zu erwähnen, daß die Formulierung se heredem imperatorem facturum esse iactaverat kennzeichnend für die Motivation der Princeps-Klausel ist. Ähnlich dem Trimalchio, der vor seinen Gästen damit prahlt, von seinem Herrn testamentarisch bedacht worden zu sein - und zwar zusammen mit dem Princeps306, konnte man dies auch (oder sogar: besonders) dann tun, wenn man selber den Princeps bedachte. Der Kern der Prahlerei lag wohl darin, sich auf diese Weise mit dem Princeps in Verbindung bringen zu können307. Damit findet unsere Mutmaßung, die testamentarische Bedenkung des Princeps habe auch als Zugehörigkeitszeichen verwandt werden können, eine eindrucksvolle Bestätigung. 4. Zusammenfassung
Die Untersuchung der römischen Eigenart, den Princeps testamentarisch zu bedenken, und insbesondere die juristische Behandlung entsprechender Klauseln hat eine Reihe hervorhebenswerter Erkenntnisse zutage gefördert. Zunächst einmal darf man trotz der wenigen Quellenbelege die Vermutung wagen, daß die Princeps-Klausel eine Fortsetzung republikanischer Traditionen ist; Ciceros Bericht von der Basilus-Erbschaft (de off. III.l8.73f.) oder von der des Cluvius etwa (ad tarn. 13.56) weisen zumindest ganz entsprechende Verhaltensmuster bzw. Intentionen auf. Dadurch erscheint die Klausel weniger exzeptionell, und wenigstens Augustus und Tiberius haben durch ihre Einordnung in die gesellschaftliche Hierarchie als primusinter pares diese Kontinuität begünstigt. Für die gesellschaftliche Stellung des Princeps folgt daraus, daß sie für den modernen Betrachter bemerkenswert eng mit derjenigen des "Normalbürgers" verwoben bleibt. Bezeichnungen wie "Kaiser" oder "Monarchie" lösen wegen ihrer modernen Konnotationen Überraschung aus, wenn das "Staatsoberhaupt" etwa aus prozeßtaktischen Gründen, oder weil die Erben zu konformem Verhalten angehalten werden sollen, testamentarisch bedacht wird. Für das Begriffsfeld des "Princeps" gilt das nicht; der Princeps war sogar der Potentior des Mannes auf der Straße, auf den dieser bei Bedarf zurückgreifen konnte. Der Titel parens patriae mit seiner Beschwörung des Familienbildes legte diesen Rückgriff sogar besonders nahe. 305 Vgl. damit seinen Bericht über Horaz, der decessit . .. herede Augusto palam nuncupato; vita Hor. a.E. Handelt es sich hierbei um ein mündliches Testament? So Rogers, S. 142. 306 Petron. Sat. 71 .3. 307 Vgl. Bund, S. 53.
4. Zusammenfassung
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Aber auch die juristischen Antworten auf klauselspezifische Fragen verweisen recht häufig auf diese Verwobenheit: etwa wenn der Princeps erklärt, er werde Kürzungen seines Vermächtnisses hinnehmen, die durch die Iex Fa/cidia bedingt sind (C 6.50.4). Oder wenn er bestätigt, daß die querela inofficiosi testamenti auch gegen ihn als Erben angestrengt werden darf (PS 4.5.3). Doch darf diese Einordnung nicht im Sinne einer demokratischen Gleichmacherei verstanden werden. Der parens patriae ist das "Familienoberhaupt" , der eine zwar verantwortliche, aber doch herausgehobene Stellung einnimmt. Mit zunehmender Gewöhnung an die Konzentration der Machtfülle auf die eine Person wird die Betonung immer stärker auf dem primus als auf dem inter pares geworden sein. Dadurch etwa läßt sich Pius' Entscheidung in D 31.56 rechtfertigen, mit der er ein ihm nach der Dogmatik seiner Zeit nicht zustehendes Vermächtnis beansprucht, gleichwohl aber den Absichten des Testators entspricht. Wir können demgemäß zusammenfassen, daß der Princeps im Regelfall keine juristische Sonderbehandlung beansprucht hat. Die Undankbarkeitsargumentation von Caligula und Nero wirken wie die Ausnahmen, die die Regel bestätigen. Auch Pius hat seine Entscheidung nicht auf die Augustae ausgedehnt (D 31.57). Die überwiegende Anzahl der Entscheidungen bemüht sich vielmehr um die Durchsetzung des letzten Willens. Das wird am eindrucksvollsten dadurch dokumentiert, daß insolvente Nachlässe keinesfalls von vornherein abgelehnt werden (PS 5.12.9 b), und daß der mit einem Universal-fideikommiß belastete Princeps in vielen Fällen sogar auf die ihm zustehende pegasianische Quart verzichtet (D 36.1.31.4, 5). Damit erweist sich der Princeps als recht hilfreich für das Fortwirken der erblasserischen Persönlichkeit; denn er beläßt es häufig bei den geschriebenen Anordnungen, ohne sie nach Maßgabe der ihm von Rechts wegen zustehenden Möglichkeiten zu beschränken. Wenn er aber einmal von ihnen Gebrauch macht und beispielsweise ihn begünstigende Poenalvermächtnisse ablehnt, scheint in dem Testament selbst immer noch die Vorstellung einer postmortalen "Kommunikation" durch: Der Testator will seine Vorstellungen Dritten aufzwingen und bedenkt zum Nachdruck seines Anliegens den mächtigen Princeps. Das Testament ist hier eine Plattform, auf der der Erblasser fortzuwirken versucht. Damit hängt die für unsere Zwecke wichtige Erkenntnis zusammen, daß die untersuchten Klauseln tiefe Einblicke in das Sozialgebaren dieser Zeit und in die Persönlichkeiten der jeweiligen Testatoren gestatten. Die Plattform ist ein Spiegel ihrer Verfasser.
VII. Weitere Testamentsklauseln Die Einordnung einer Klausel nach der Person des Bedachten ist im folgenden nicht mehr möglich, da die weitaus überwiegende Zahl der entsprechenden Quellen darüber keine Angaben enthält. Infolgedessen ist das entscheidende Einteilungskriterium nunmehr aus dem Inhalt der Klauseln abzuleiten. Das ist nicht so zu verstehen, daß hier sämtliche Fragmente, die beispielsweise ein penus-Legat zum Gegenstand haben, zusammengestellt und untersucht würden: Denn erstens ist Vollständigkeit im Rahmen dieses Buches nicht angestrebt; und zweitens sind die Inhalte, so wie sie für unsere Fragestellung Aussagekraft entwickeln, zumindest nicht notwendigerweise an den Vermachungsgegenstand gebunden. Vielmehr sind es die sich in den einzelnen Bedenkungen ausdrückenden Testatormotive, die die Einordnung zwar nicht ausschließlich, aber doch im wesentlichen bestimmen werden. Es versteht sich von selbst und soll hier nur der Klarheit wegen erwähnt werden, daß die Zuordnung der Quellen zu den einzelnen Abschnitten keineswegs immer zwingend ist; eine Eindeutigkeit läßt sich wegen der Komplexität eines Motivbündels (s. bereits Kap. Ill 3 c) niemals erreichen. Eben diese Komplexität bedingt außerdem, daß im folgenden auf eine genauere Untergliederung der einzelnen Abschnitte verzichtet wird. Sie wollen vielmehr als Ganzes gelesen sein, um der schillemden Vielfalt einer Persönlichkeit gerecht werden zu können. 1. Planung über den Tod hinaus
Aus der Perspektive des einzelnen Testators legt die Idee einer über den Tod hinaus währenden Persönlichkeit den Versuch nahe, in postmortale Geschehnisse gestalterisch einzugreifen. Obwohl er zu dieser Zeit bereits verstorben sein wird, möchte er auf zukünftige, von ihm erhoffte oder befürchtete Ereignisse einwirken und versucht, diesen Plan mit Hilfe seines Testamentes zu erreichen. Die in Kap. Ill 2 erwähnten jüdischen ethischen Testamente sind vielleicht der reinste Ausdruck solch eines Planens über den Tod hinaus, weil sie sich darauf beschränken, den Kindem eine gottgefällige Lebensführung eindringlich nahezulegen. Aber auch der ebenfalls in jenem Zusammenhang berichtete Heiratswunsch der Chrysis in Terenz' Andria, den wir dort unter dem Stichwort "letzter Wille" angeführt haben, beinhaltet eine solche Planung, auch wenn deren Verwirklichung durch materielle Zuwendungen gewährleistet werden sollte. Sie stellen eine der Möglichkeiten dar,
1. Planung über den Tod hinaus
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mit denen ein Testator versuchen kann, seinen Plan zu verwirklichen. Eine andere ist die Bedenkung unter einer Bedingung, mit der dem Erblasser ein juristisch höchst wirkungsvolles Instrument zur Verfügung steht, um seine Vorstellungen durchzusetzen. Diese Möglichkeit scheint häufig verwendet worden zu sein; zumindest werden wir ihr nachfolgend immer wieder begegnen. Denn das postmortale Fortwirken der Persönlichkeit läßt sich kaum anders so gut nachweisen wie an dem Zwang (oder Druck), den eine Bedingung auf den Bedachten ausübt: Mit ihr steuert der Verstorbene gewissermaßen "von toter Hand" die Überlebenden. D 45.1.107, lav. 8 epist.: Utrum turpern talern Stipulationern putes an non, quaero. pater naturalis filiurn, quern Titius habebat in adoptionern, heredern instituit, si patria potestate liberatus esset: pater eurn adoptivus non alias ernancipare voluit, quarn si ei dedisset, a qua stipularetur certarn surnrnarn, si eurn rnanurnisisset: post ernancipationern adiit heres filius: petit nunc pecuniarn pater ex stipulatione supra relata. respondit: non puto turpern esse causarn stipulationis, utpote curn aliter filiurn ernancipaturus non fuerit: nec potest videri iniusta causa stipulationis, si aliquid adoptivus pater habere yoluerit, propter quod a filio post ernancipationern rnagis curaretur l,
Der Erblasser war der natürliche Vater des Erben, welcher zur Zeit der Abfassung des Testaments Adaptivsohn des Titius war2 • Dieser ließ sich von seinem Adaptivsohn die Präsentation eines Dritten3 zusagen, der ihm, dem Titius, eine bestimmte Summe Geldes verspreche - als Gegenleistung für die Emanzipation, um die ihn der Sohn offenbar gebeten hatte. Denn sein leiblicher Vater hatte ihn unter der Bedingung zum Erben ernannt, daß er nicht alieni iuris ist. Der Sohn bringt einen Dritten, wird freigelassen und tritt die Erbschaft an. Die Rechtsfrage, über die Iavolen zu entscheiden hat, lautet, ob die Stipulation sittenwidrig, turpis, und damit nichtig ist. Die uns an der Stelle interessierende Besonderheit, der Inhalt der Testamentsklausel, steht für Iavolen nicht zur Entscheidung an. Das ist immerhin insofern bemerkenswert, als Iavolen durch eine Erstreckung der Rechtsfrage auf die Klausel das Problem der Stipulation gewissermaßen im Vorfeld hätte bereinigen können. Da sich nämlich die Bestimmung dessen, was turpis, bzw. contra bonos mores ist, häufig nach dem "Schutz der Familie" ausrichtet4 , hätte der Jurist die in der Klausel steckende, familienzerstörende Wirkung entweder damit ahnden können , daß er die Erbeinsetzung insgesamt als 1 Eckardt, Iavoleni Epistulae, 1978, S. 194ff.; Kaser, RPR, § 128 li 3, § 60 II 2; ders., Über Verbotsgesetze und verbotswidrige Geschäfte im römischen Recht, 1977, S. 89; Wolf, Causa stipulationis, 1970, S. 22ff., 77f. Zur Rückkehr des durch Adoption in eine andere Familie gekommenen natürlichen Sohnes in seine ursprüngliche Familie Quint. inst. or. III.6.96. 2 Vgl. diesen Fall mit dem des Casseolanus, von dem Val. Max. berichtet, 7.7.2. 3 Die Begründung für diesen "Umweg" gibt Eckardt in FN 15. 4 Kaser, RPR, § 60 II 2.
lO Paulus
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VII. Weitere Testamentsklauseln
unwirksam oder die Bedingung als nicht geschrieben behandeltS. Nachdem er beides nicht erwägt, wird man Iavolens Schweigen dahingehend verstehen dürfen, daß das Interesse des leiblichen Vaters als legitim erachtet wurde6. Aber auch dem Interesse des Adaptivvaters verhilft Iavolen zum Erfolg7 • Dabei ist seine Begründung in ihrer jetzigen Form freilich in sich widersprüchIich8, weil mit der Emanzipation des Adaptivsohnes dessen Sorgepflicht gegenüber dem Vater wohl endet9. Doch nötigt dies nicht unbedingt dazu, den zweiten Teil der Begründung, nec potest - curaretur, als nicht-iavolenisch anzusehen, oder gar dieses Argument als "hausbacken moralisierend" und damit eines Iavolen unwürdig zu bezeichneniO. Diesem Argument könnte vielmehr eine Besonderheit des Falles zugrunde liegen, die urprünglich von Iavolen vielleicht berichtet worden war, von den Kompilatoren aber weggelassen worden ist und nunmehr allein an dem mitgeteilten Faktum der Adoption erkennbar ist. Adoptionen dienten nämlich im allgemeinen dazu, die eigene Familie vor dem Aussterben zu bewahren 11 . Unter diesem Aspekt nennt sie auch Cicero in dem oben in der Einleitung zitierten Abschnitt der Tusculanen, wo er Beweise für den von Natur aus bestehenden Unsterblichkeitswunsch der Menschen zusammenträgt. Deshalb wurde das Adoptivkind im Regelfall auch zum Erben gemacht. Insoweit ist Titius' Planung für die Familienzukunft durch das Testament des natürlichen Vaters gefährdet. Doch scheint es Titius nicht auf diesen ewigkeilsbezogenen Aspekt anzukommen, sondern auf den irdischen der Altersversorgung. Das ergibt sich aus dem letzten Satz der iavolenischen Begründung, wenn man ihn nur als die Antwort auf ein Argument des Titius versteht. Seine Besorgnis um den Verlust dieses praktischen Aspekts der Adoption, nämlich jemanden zu haben, der für ihn Sorge zu tragen hat12, ist nachvollziehbar. Zwar wissen wir über die von den Kindern dem Vater zu erbringenden Leistungen, bzw. Sorgepflichten nicht allzuviel, doch erfahren wir hinsichtlich der Unterhaltsverpflichtung des Vaters gegenüber emanzipierten Kindern von Ulpian, D 25.3.5.1, 2 de off.cons., daß sie noch zu dessen Zeit s Diese Frage war umstritten, vgl. Kaser, RPR, § 61 I 2 mit Nachweisen in FN 12. Vgl. die Kategorie der naturalis aequitas in diesem Zusammenhang in I 3.1.9. 7 Vgl. damit auch D 45.1.97.2, Ce1s. 26 dig. ; dort ist ein auf die (gegenseitige) Heirat bedingtes Zahlungsversprechen wegen der dotal-rechtlichen Besonderheiten unwirksam, ansonsten: nec raro probabilis causa eiusmodi stipulationis est. s S. etwa So1azzi, Scritti di diritto Romano Il, 1957, S. 469; Wolf, S. 23; Eckardt, s. 196. 9 Zum Unterhaltsrecht allgemein Sachers, FS Schulz I, 1951, S. 310ff. AufS. 347ff. speziell zur Pflicht der Kinder gegenüber den Eltern. w Wolf (FN 1). 11 Crook, Law and Life of Rome, 1967, S. 111. 12 Die Übersetzung von curare als "pflegen" eines Kranken (Georges, s. v. II 1 c; Heumann I Seckel, s. v. 2) macht Titius' Anliegen noch verständlicher. 6
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umstritten warB. Infolgedessen ist der Rückschluß wohl nicht allzu gewagt, daß die umgekehrte Frage nach einer Versorgungsverpflichtung des emanzipierten Sohnes gegenüber dem vormaligen Adaptivvater zur Zeit lavolens ebenfalls noch offen war. Sollte Titius demgemäß seinen Adaptivsohn nicht nur zum Erben gemacht haben, sondern ihn auch noch durch die Emanzipation als Sorgeverpflichteten verlieren müssen, sollte die Stipulation wohl eine Art Druckmittel sein, mit dem er den emanzipierten Sohn zur weiteren Sorge anhalten wollte. Laut lavolen ist das ein rechtlich zulässiges Vorgehen. Der mit dem Testament des leiblichen Vaters verfolgte Plan ist offensichtlich auch im Einklang mit dem vorerwähnten Cicero-Zitati4. Der Vater will die immerhin von ihm mitzuverantwortende (rechtliche) Entfremdung seines Sohnes rückgängig machen. Auf diese Weise versucht er den Fortbestand seiner Familie zu sichern und, vor allem, das Familiengut davor zu bewahren, in fremde Hände zu kommen. Damit gibt er ein praktisches Exempel für das, was wir oben (Kap. 111 4 a) als die Aufgabe des jeweiligen Vermögensinhabers (oder -verwalters, administrator) bezeichnet haben, den Stamm des Vermögens der (zukünftigen) Familie zu konserviereniS. Eine Planung muß nicht notwendig und nicht immer auf einer "edlen" Gesinnung beruhen. Daß sie dennoch (für den modernen Betrachter überraschend) rechtlich geschützt wurde16, macht die folgende Quellengruppe deutlich, D 40.4.17 pr., lul. 42 dig. (cf. eod. 61 pr., Pomp. 11 epist.; D 40.7.4.1, Paul. 5 ad Sab.): Libertas, quaein ultimum vitae tempus confertur, veluti ,Stichus cum morietur, liber esto ', nullius momenti existimanda est. haec autem scriptura , Stichus si Capitolium non ascenderit, liber esto' ita accipienda est ,si, cum primum potuerit, Capitolium non ascenderit': isto enim modo perveniet Stichus ad libertatem, si facultate data ascendendi Capitolium abstinuerit 17.
Der zweite Fall, der eine negative Patestativbedingung enthält und dessen Lösung als Erleichterung gegenüber der sonst für Fälle dieser Art häufig verHierzu Sachers, S. 324; s. auch S. 353. Tusc. !.31. 1s Die Klausel belegt überdies das oben, Kap. III 3 a, zu den Kindern als den primären Erben Gesagte. S. auch D 29.2.60, Iav. 1 ex post. Lab. 16 Vgl. allgemein dazu etwa Wieacker, der anläßlich der Apocolocynthosis schreibt: " ... A. erinnert einen allzu billigen Humanismus an die tiefe Verschiedenheit der moralischen und ästhetischen Standards zumindest des frühen Principats", SZ 94, 1977, s. 343. 17 Donatuti, Lo Statulibero, 1940, S. 49f.; Voci, DER Il, S. 408; Grosso, I legati, S. 445; Masiello, Scr. in on. Guarino V, Neape11984, S. 2347ff. Zum Themenkreis allgemein Buckland, The Roman Law of Slavery, Cambridge 1908, S. 485f. 13
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wendeten cautio M uciana 18 auch juristisch aufschlußreich ist 19, soll hier nur aufgrund seiner gedanklichen Parallelisierung mit dem ersten Fall interessieren. Denn das Motiv, das den Erblasser zu dieser "Bedenkung" veranlaßt hat, ist (aus moderner Sicht) zynisch. Pomponius umschreibt es folgendermaßen: scio quosdam efficere valentes, ne servi sui umquam ad libertatem perveniant ... , 40.4.61 pr.; der Erblasser will verhindern, daß der Sklave je freigelassen wird. Zwar wäre es dem Erben als Eigentümer wohl20 möglich, den Sklaven freizulassen; doch käme dasangesichtsder Publizität der Testamente und der infolgedessen allgemein bekannten Absicht des Testators einem offenen Bruch mit dem in der besagten Klausel deutlich zum Ausdruck kommenden Erblasserwillen gleich21. Dieser Wille ist die Bestrafung des Sklaven, da er ihm die Hoffnung auf Änderung seines Status nimmt22. Die Juristen behandeln die auf den Todeszeitpunkt des Sklaven ausgesprochene Freilassung als unwirksam23. Darin wird man nicht ohne weiteres ein stillschweigendes Einverständnis mit den Intentionen des Erblassers erblicken dürfen als vielmehr die Einsicht in die rechtlichen und faktischen Gegebenheiten. Denn indem Iulian den zweiten Fall anfügt, zeigt er nicht nur, daß er das Testatormotiv in beiden Fällen für vergleichbar hält, sondern auch, daß er sich um die Verwirklichung der Zuwendung bemüht (dazu alsbald). Mit dieser Schlußfolgerung steht in - wenigstens scheinbarem - Widerspruch, was Pomponius über diese Lösung Iulians schreibt: D 40.4.61 pr. : ... sed et Julianus ait libertatem, quae in ultimum vitae tempus conferatur, nullius momenti esse, cum testator impediendae magis quam dandae libertatis gratia ita scripsisse intellegitur. et ideo etiam si ita sit scriptum: , Stichus si in Capitolium non ascenderit, liber esto', nullius momenti hoc esse, si apparet in ultimum vitae tempus conferri libertatem testatorem voluisse, nec Mucianae cautioni locum esse 24 •
Man könnte daran denken, daß bereits der erste Satz, sed et- intellegitur, eine Modifikation der in 40.4.17 pr. getroffenen Aussage enthält. Versteht man Zu ihr etwa Levy, SZ 24, 1903, S. 122ff.; Biondi , Succ., S. 544ff. Vgl. D 36.1.67.1, Maec.5 fideic. S. auch D 35.1.77.2, Pap. 7 resp. 2o Für den Fall eines ausdrücklichen Verbotes D 40.9.9.2, Marcian 1 inst. Ein solches wirkte (wohl) dinglich, Kaser, FS Sontis, 1977, S. 22f. Doch in den vorliegenden Fällen fehlt es gerade an einem ne manumittatur, das die Dinglichkeit begründen könnte. Es ist fraglich, ob allein der (erkennbare) Wille des Testators dieses Defizit beheben kann. 21 Eine entsprechende Bindungswirkung liegt etwa D 31.11 pr., Pomp. 7 ex Plaut. zugrunde. S. allerdings Octavenus' Lösung für den Fall, in dem der Testator ausdrücklich hinzufügt: ,ante condicionem nolo eum ab herede liberum fieri' ; Octaven: nihil valere hanc adiectionem, D 40.4.61.2, Pomp. 11 epist. 22 Dazu Aristoteles, Oikon. 1.5; Cic. Phil. 8.11.32; Suet. Aug. 21. Vgl. Fabre, Libertus, 1981, S. 81ff. Die Frage, warum der Testator kein direktes Manumissionsverbot geschrieben hat, ist im Hinblick auf die jeweilige Psyche des Testators unbeantwortbar. 23 Daß Stichus deswegen nicht zum statuliber wird, besagt rechtlich nicht allzu viel: cf. D 40.7.29 pr., Pomp. 18 ad Q. Muc. S. auch Kaser (FN 20), S. 20ff. 24 Biondi, Succ., S. 544f.; Voci, DER II, S. 408, 606. 18
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nämlich das cum des Begründungssatzes nicht als ein "weil ... ",sondern als ein konditionales "wenn (nur) . .. ", so bestünde die (freilich unwahrscheinliche) Möglichkeit, daß der Sklave doch unter Umständen die Stellung eines statuliber erhalten könnte; Voraussetzung dafür wäre, daß festgestellt würde, daß der Testator dandae libertatis gratia so geschrieben hätte25. Dem widerspricht freilich die eindeutige Aussage des Paulus in D 40.7.4.1, so daß die größere Wahrscheinlichkeit dafür spricht, daß Iulian eine unbedingte Entscheidung getroffen hat. Möglicherweise liegt der Unterschied der Lösungen der "Kapitolsbesteigungs-Klausel" von Iulian einerseits (ita accipienda est ... ) in D 40.4.17 pr. und Pomponius andererseits (nullius momenti esse . .. ) in D 40.4.61 pr. nur in der Formulierung. Vergegenwärtigt man sich nämlich die zur Bedingung gemachte Handlung, könnte es durchaus sein, daß Pomponius nur explizit formuliert, was Iulian meint, wenn er schreibt, die Freiheit trete beim erstmaligen Unterlassen der sich bietenden Möglichkeit ein (facultate data), das Kapitol zu besteigen. Handelt es sich nämlich bei dem Sklaven um einen faktisch an die Scholle gebundenen Landarbeiter etwa eines gallischen Gutes, wird er schwerlich je Gelegenheit haben, die Kapitolsbesteigung zu unterlassen26. Wie in diesem Fall die testamentarische "Freilassungsklausel" zu bewerten ist, schreibt lulian nicht; wohl aber Pomponius. Fürbeideist jedoch der Strafcharakter der Klausel kein Grund, die Bedingung zu streichen. Diese zuletzt getroffene Feststellung gibt Anlaß, gewissermaßen im Vorbeigehen auf eine Besonderheit des Pomponius einzugehen, die sich dem modernen Betrachter zeigt. Aus anderen Fragmenten seines Werkes läßt sich nämlich erschließen, daß er ohne Inkonsequenz auch zu einem anderen, die Freiheit des Sklaven herbeiführenden Ergebnis hätte kommen können. So schreibt er (wenn auch im Zusammenhang mit Vermächtnissen, dazu alsbald) in D 30.54 pr., 8 ad Sab.: Turpia legata, quae denotandi magis legatarii gratia scribuntur, odio scribentis pro non scriptis habentur27.
25 Ein schwaches Indiz für dieses Verständnis von Pomponius könnte man in dem einleitenden et ideo des zweiten Falles sehen. Damit parallelisiert er nämlich beide Fälle, wobei vom zweiten klar ist (si apparet), daß die Freilassung von einer Interpretation des erblassensehen Willens abhängt. Möglicherweise hat Pomponius darin das Gemeinsame der beiden Fälle gesehen. 26 Hieran ändert sich auch dann nichts, wenn die Unterlassung der Kapitolsbesteigung nicht wörtlich zu nehmen ist, sondern nur als Blankett-Fall für eine negative Potestativbedingung. Bezogen auf einen in Rom weilenden Sklaven könnte eine konkrete Freilassungsbedingung etwa so lauten: "Wenn er nicht die Pyramiden in Ägypten besteigt". Auch hier wäre der E rblasserwille erkennbar. Zu dem Fall, in dem der heresdaminus den Bedingungseintritt vereitelt, cf. D 40.4.39.5, Paul. 16 ad Plaut. 27 Kaser, RPR, § 61 I 2; Biondi, Succ., S. 210, 540; Voci, DER II, S. 796; MacCormack, RIDA 21, 1974, S. 279.
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Ist ein Vermächtnis unter einer sittenwidrigen Bedingung ausgesetzt, erhält der Legatar das Vermachte unbedingt; die Bedingung wird als nicht geschrieben behandelt. Zwei weitere Fragmente, ebenfalls aus dem Sabinus-Kommentar (lib. V), bekräftigen dies, D 7.8.8.1, Ulp. 17 ad Sah.: Sed si usus aedium mulieri Iegaius sit ea condicione ,si a viro divortisset', remittendam ei condicionem et cum viro habitaturam, quod et Pomponius libro quinto probat.
und D 28.7.7, Pomp. 5 ad Sah.: Si quis sub condicione heredes instituisset, si invicem cavissent se legata eo testamento relicta reddituros, placet remitti eis condicionem, quia ad fraudem legum respiceret, quae vetarent quosdam legata capere: quamquam et si cautum esset, in ipsa actione exceptione tuendus esset promissor2B.
In diesen Fällen streicht Pomponius die Bedingung. Dabei ist das Perfide der "Scheidungserzwingungsklausel" aus heutiger Sicht durchaus vergleichbar mit demjenigen der "Freilassungsklausel"; beide Male nutzt der Erblasser das Forum seines Testamentes, um seinen Unwillen kund zu geben29. Im ersteren Falle will der Testator freilich zugleich etwas erzwingen, was (in klarer Erkennung der der Zuwendung zugrundeliegenden Motivation) als Prototyp des (verbotenen) Poenallegats gilt30: nämlich die Einflußnahme auf das Eheverhalten. Gaius nennt folgende zwei Beispiele, 2.235: SI HERES MEUS FILIAM SUAM TITIO IN MATRIMONIUM COLLOCAVERIT, X SE/0 DATO, vel ita: SI FILIAM TITIO IN MATRIMONIUM NON COLLOCAVERIS, X MILIA TITIO DAT031 • Die Ehefreiheit wurde so sehr geachtet, daß der Versuch, postmortalen Einfluß darauf zu nehmen, (oftmals32) als strafend bzw. schändlich gebrandmarkt und infolgedessen als rechtlich nicht existent behandelt wurde. Da sich aber die Annahme eines Poenallegats nicht auf Fälle dieser Art beschränkt33, ließe sich von ihnen die Brücke zu der "Kapitolsklausel" schlagen. Gerade wenn der Erblasserwille dort so zu verstehen ist, daß mit der "Bedenkung" die Freilassung verhindert werden soll, ist das Strafende daran ebenso evident wie hart. Ein ähnlicher Brückenschlag ließe sich aus der Behandlung der in D 28.7.7 behandelten Klausel ableiten, die ein Exempel juristischer Verbotsumgehung34 darstellt. Sie bestimmt nämlich angesichts der mannigfachen LegatsKaser (FN 1), S. 96f., 104. Allgemein hierzu Veyne, in Aries I Duby (Hg.) , A History of Private Life I, 1987, s. 31. 30 Zur Abgrenzung des Poenallegats von einem bedingten Vermächtnis cf. D 34.6.2, Marcian 6 inst. S. auch D 35.1.12, Ulp. 24 ad Sab, wo es um die Abgrenzung von poena und causa geht. 31 Cf. UE 24.17; s. auch PS 3.4b.2, dazu Behrends, Die Fraus Legis, 1982, S. 102. 32 Vgl. Bürge, SZ 105, 1988, S. 320. 33 Cf. Gai, ebda. 34 Hierzu allgemein Honsell, FS Kaser, München 1976, S. lllff.; Behrends, passim. 28
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verbote35, von denen auch die in diesem Testament ausgesetzten Vermächtnisse betroffen sind, daß die Erben nur unter der Bedingung des gegenseitigen Versprechens von Strafzahlungen eingesetzt werden. Die mit dieser Bestimmung verfolgte Absicht ist klar: Die im Testament eingesetzten Vermächtnisse sind -je nach verletztem Recht - entweder unwirksam oder werden vom Fiskus eingezogen. Wenn sich aber vor Erbschaftsantritt die Erben gegenseitig versprochen haben, die im Testament aufgeführten Vermächtnisse auszufolgern, so ist damit ein vom Testament unabhängiger, neuer Rechtsgrund geschaffen36. Aber auch dessen Erfüllung sichert der Erblasser noch weiter ab, indem er die Erben durch das gegenseitig abzugebende Versprechen37 in eine den Erfüllungsdruck erhöhende Konkurrenzsituation bringt, und indem er sein Anliegen zusätzlich durch die Strafzahlung materiell verstärktJB. Das juristische Problem dieses Falles läßt sich auf die Frage reduzieren, ob der durch das gegenseitige Versprechen geschaffene Rechtsgrund abstrakt von testamentarischen Bestimmungen gelten kann, oder ob die rechtlichen Verbote der letztwilligen Zuwendungen auf das neue Versprechen durchschlagen. Die Antwort zeigt die widerstreitenden Interessen; Pomponius sieht die Klausel als einen unzulässigen Umgehungsversuch an und behandelt daher die Erbeinsetzung als ohne Bedingung erfolgt - und nicht wie bei der "Freilassungsklausel" als insgesamt unwirksam. Das soll nicht heißen, daß es für die Entscheidung in D 28.7.7 keine materialen Gründe gäbe; Pomponius erhält mit der Erbeinsetzung das Testament aufrecht, und er bewahrt die Erben vor unter Umständen empfindlichen finanziellen Verlusten, zu deren Aufbürdung dem Testator kein Recht zusteht: Angenommen, die Vermächtnisse werden allesamt vom Fiskus eingezogen, so verbleibt den Erben im ärgsten Fall die falcidische Quart. Nachdem sie 3/4 des Nachlasses auf diese Weise "verloren" haben, müßten sie die entsprechende Summe aus ihrem Vermögen aufbringen; dabei würde nicht nur die Quart konsumiert, sondern auch noch die Hälfte des Nachlaß-Wertes aus ihrem Eigenvermögen. Die Entscheidung des Pomponius ist also sehr wohl zu rechtfertigen, doch verwundert an ihr, daß der Jurist diesen angemessenen, d. h. geringst belastenden Lösungsweg nicht auf die "Freilassungsklausel" in D 40.4.61 pr. übertragen hat39. Dies umso 35 Die Testamentsklausel wird man als Konsequenz der Angleichung von Vermächtnisrecht und Recht der Fideikommisse ansehen können, da dem Testator offenbar auch der Weg über fideikommissarische Bedenkungen versperrt war. 36 Hierauf wird der Testator vertraut haben, so daß er die durch die Publizität der Testamente drohende Gefahr der Delatoren glaubte nicht fürchten zu müssen. 37 Hierin unterscheidet sich die vorliegende Klausel von der etwa in D 30.84 pr., Iul. 33 dig., in der nur der Vermächtnisnehmer dem Erben zu versprechen hat. 38 Ein eindringliches Beispiel dafür, wie sehr rechtliche Hindernisse, die sich dem Eigennutz in den Weg stellen, die juristische Phantasie zu beflügeln vermögen, beschreibt Daube in der Gedächtnisschrift Kunkel, Frankfurt/M. 1984, S. 37ff., A Corrupt Judge sets the Pace. 39 Zu den - ex ante - bestehenden Schwierigkeiten, einen - expost-auf der Hand liegenden, sich sogar aus der Konsequenz des eigenen Denkens ergebenden Schluß
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mehr, als Pomponius in D 30.54 pr. über die Lösung von Einzelfällen hinausgeht und eine allgemeine Regel aufstellt. Doch ist dieser Blickwinkel anscheinend der eines "billigen Humanismus"40. Der Topos des favor libertatis war nach dem Urteil Iulians, Pomponius' und Paulus' nicht so verpflichtend, daß er dem letzten Willen des Testators eine Grenze hätte ziehen müssen. Anders als bei den Vermächtnissen, die die Handlungsfreiheit von Freien einzuschränken versuchen, handelt es sich bei den Sklaven-"Freilassungen" um eine Verfügung über persönliches Eigentum. Die schlagwortartige Aussage, im 2. nachchristlichen Jahrhundert sei eine zunehmende Erleichterung des Sklavenloses eingetreten41, erfährt hier (wie auch anderweitig42) eine Einschränkung. Die Tatbestandsmerkmale turpis, denotare und odium, die sich dem modernen Betrachter im Zusammenhang mit den "Freilassungen" aufdrängen, waren nach dem Urteil der genannten Juristen offenbar für die Bedenkungen Freier reserviert. Zur Ergänzung des denotare ist abschließend ein Ulpian-Fragment zu zitieren, das erneut zeigt, womit man bei Bedenkungen alles zu rechnen hat, D 28.5.9.8, Ulp. 5 ad Sab.: Si quis nomen heredis quidem non dixerit, sed indubitabili signo 43 demonstraverit, quod paene nihil a nomine distat, non tarnen eo, quod contumeliae causa solet addi44, valet institutio.
Es scheint vorgekommen zu sein: Man bedachte jemanden letztwillig unter seinem Schimpfnamen45. Das war wohl die komprimierteste Form des denotare, die konsequenterweise ebenso zur Unwirksamkeit der Einsetzung führte46. zu ziehen Gipper, Wechselwirkungen zwischen sprachlichem Weltbild, wissenschaftlichem Weltbild und ideologischer Weltanschauung in Forschungsprozessen (Fallstudie: Johannes Kepler), in: Denken ohne Sprache2 , 1978, S. 125ff. Ebenso Stephen W. Hawking, Eine kurze Geschichte der Zeit - Die Suche nach der Urkraft des Universums, dt. Reinbek 1988, S. 58f. zu Newtons Entdeckung in Relation zu einem expandierenden Universum. 40 Wieacker, oben FN 16. S. aber immerhin D 41.1.54.1 u. 2, Pomp. 31 ad Q. Muc., wo Pomponius die Grundidee der gefahrengeneigten Arbeit vorträgt; dazu Wacke, RdA 87, S. 324f. 4 ' S. etwa Horsmann, Historia 35, 1986, S. 309f. m.w.N. in FN 9 und 10, oder Castello, Scr. in on. Guarino V, Neapel1984, S. 2175ff. 42 Zu den Verschärfungen des SC Silanianum mit Nachweisen Kaser, RPR, § 67 I FN8. 43 Zum römischen Doppelnamen, bzw. Supernomen, Kubitschek, RE li a 2, s. v. "signum", Sp. 2448ff. 44 GI. ord hat hier die Interpunktion":". 45 Diese Stelle zeigt besonders deutlich, daß wir unter den römischen Testatoren mitunter recht boshafte Naturen finden können. A. A. bezüglich D 28.7 .16, Marcian 4 inst. Wacke, FS der Rechtswissenschaftlichen Fakultät zur 600-Jahr-Feier der Universität Köln, 1988, S. 341ff.; wie hier Backhaus, Casus Perplexus, 1981, S. 54f. 46 Ein weiterer Beleg dafür, daß letztwillige Verfügungen gern als Forum für Beschimpfungen benutzt wurde , ist der oben (Kap. III 2 e) bereits erwähnte taciteische
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Die soeben behandelten Freilassungsklauseln waren offenbar durch die Bestrafung des Sklaven motiviert. Die (mildere) Unterstellung, es handele sich dabei vielleicht um die fürsorgende Absicht, den Sklaven im unmittelbaren Familienverband zu behalten und ihm hier seinen Platz zu garantieren, ist demgegenüber weniger wahrscheinlich, da sich hierfür Klauseln der in D 40.5.10 pr., Mare. 16 dig., behandelten Art eher anbieten: Quidam in testamento scripserat: ,illum et illum servos meos venire nolo'. si ideo eos noluit venumdari, ut, si veneant, ad libertatem perveniant, praestanda erit libertas: nam et illi videtur libertas relicta, de quo scripturn est: ,nolo alii quam tibi serviat'. secundum haec igitur si quoquo modo vendere temptaverit servum, confestim peti poterit libertas nec, quaminus praestet libertatem, proderit heredi, si eum redemerit, quia semel exstitit condicio41.
Ein Erblasser trägt seinem Erben auf, bestimmte Sklaven nicht zu verkaufen. Marcellus hat darüber zu entscheiden, welche rechtliche Bedeutung dieser Klausel beizumessen ist, oder - anders formuliert - welche Absicht der Testator mit ihr verfolgte. Offensichtlich hat sich der Erbe nicht (oder zumindest nicht hinreichend eindeutig) an das Gebot gehalten, sondern hat auf irgendeine Weise, quoquo modo, versucht, seinen Sklaven zu verkaufen. Diese unbestimmte Ausdrucksweise, quoquo modo vendere temptaverit, verleitet zu der freilich nicht belegbaren Annahme, daß der Erbe keinen regulären Kaufvertrag abschließen wollte, sondern irgendwelche Umgehungs- oder Vertuschungsabsichten hegte48; in diesem Fall wäre auch das redimere in einem untechnischen Sinne zu verstehen. Wie auch immer die vertragsrechtliehe Ausgestaltung der Sklaven-Entäußerung gewesen sein mag: Der Vorgang selbst wirft die (testamentsrechtliche) Frage auf, was die Sanktion für dieses Zuwiderhandeln gegen die erblasserische Anordnung ist. Marcellus stellt darauf ab, welche Absicht der Erblasser mit der Klausel verfolgt hat. Er untermauert seine Lösung mit einem Parallelfall, der freilich eindeutiger als der Ausgangsfall ist. In der dortigen Testamentsklausel heißt es über den Sklaven, daß er allein dem Bedachten dienen solle. Ein Umkehrschluß auf die Freilassung liegt in diesem Fall näher als in der ersten Klausel, die im Einzelfall durchaus auch Schikane implizieren kann49. Wenn aber FreiBericht von Fabricius Veiento, der seine Schmähschriften als Kodizille bezeichnete, Ann. 14.50. 47 Buckland (FN 17), S. 468; Morabito, Les realites de l'esclavage d'apres Je digeste, 1981, s. 250. 48 Der Kontext der Stelle im Marcellus-Werk macht die Annahme fraudulösen Verhaltens des Erben- zu denken wäre etwa an das faktische "Umfeld" der actio Pauliana -unwahrscheinlich. Hier wäre freilich ein von vornherein geplanter Rückkauf und die Ansicht des Erben, der Sklave sei durch den temporären Verkauf nicht freigeworden, sehr wohl verständlich. 49 Vgl. die lehrbuchartige Aufzählung anderer denkbarer Motive für diese Klausel in D 40.5.24.8, Ulp. 5 fideic. In ihr erscheint erneut etwas von der denkbaren Gehässigkeit einiger römischer Testatoren.
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lassung als Sanktion gemeint sein sollte, so ist sie, da eine auflösende Bedingung nicht in Frage kommt, als eine (aufschiebend bedingte) fideikommissarische Freilassung zu qualifizieren. Im Einklang mit deren grundsätzlicher ErzwingbarkeitSO schreibt Marcellus: praestanda erit libertas, bzw. peti poterit libertas. Den Rückkauf des betreffenden Sklaven durch den Erben bezeichnet er dagegen als nutzlos: Die Freilassung wird geschuldet, quia semel exstitit condicio. Diese Begründung besagt, daß die Bedingung nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, nachdem sie einmal eingetreten ist. Mareeil scheint im konkreten Fall dahin zu tendieren, daß dem Sklaven die Freiheit gebührt, auch wenn er seine Lösung mit einem konditionalen si ideo einleitet. Denn in seiner Begründung schimmert eine kaum verhohlene KritikSI am Verhalten des Erben durch: Es nütze nichts, proderit, wenn er den Sklaven zurückkaufe, um ihn nicht freilassen zu müssen, quaminus praestet libertatem. Ob dieses Vorgehen bereits ein Fall übermäßiger asperitas oder saevitia eines dominus gegenüber seinem Sklaven wäre, die vor allem seit Antoninus Pius geahndet wird52, ist zweifelhaft und wird von Marcellus nicht erörtert. Bemerkenswert ist jedoch die Überlegung, daß die Freiheit überhaupt auf eine solch verklausulierte Weise versprochen werden kann. Denn in der Klausel, die den Sklaven als Sklaven an eine bestimmte Person bindet, ihn aber im übrigen als Freizulassenden ansieht, steckt etwas von dem Idealbild der engen, höchstpersönlichen Beziehung zwischen Herrn und Sklaven53, deren Aufrechterhaltung die Testamentsklausel zu gewährleisten versucht. Der Sklave wird insoweit nicht zum Vermögensobjekt degradiert, das wie jedes andere Gut disponibel ist, sondern wird als Subjekt einer höchstpersönlichen Beziehung behandelt. Die Aufhebung der Verkehrsfähigkeit gewährt dem Sklaven eine feste Position im Familienverband und ist somit Ausdruck eines erhöhten Vertrauens. Marcellus zeigt, daß die Juristen das im Einzelfall nicht nur respektieren, sondern sich auch zu fördern bemühen. An das soeben über das Ideal einer besonderen Beziehung zwischen Herrn und Sklaven Gesagte knüpft das folgende Fragment 33.2.32 pr., Scaev.lS dig.: GeneraU capite praeposito quidam in testamento suo ita adiecit: ,Felici, quem liberum esse iussi, usum fructum fundi Vestigiani lego: cuius proprietatem puto te consecuturum, si non contenderis cum herede meo, sed potius concordaveris: sed et tu, heres, 50 Zur libertas fideicommissa allgemein Krüger, SZ 48, 1928, S. 170ff. (aufS. 171 FN 1 Nachweise zum Forderungsrecht des Sklaven; aufS. 173f. zum Zwang des Belasteten); s. auch Kaser, RPR, § 69 II 2d. 51 Vgl.damit seine "Nachsicht" in D 40.5.9, 15 dig. 52 Cf. Gai 1.53; I 1.8.2; D 1.6.2, Ulp. 8 off. proc.; Coll. III.3.1 - 3. 53 Hierzu nachdrücklich Strasburger, Zum antiken Gesellschaftsideal, Heidelberg 1976, S. 1- 102. S. auch Vogt, Ancient Slavery and the Ideal of Man, 1974, S. 103ff.
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omnia fac, ut amici sitis: hoc enim vobis expedit': quaesitum est, an vivente herede exigere possit Felix fundi proprietatem. respandir nihil proponi, cur Felici proprietas fundi legata videretur54.
Ein Testator vermacht Felix, dessen Freilassung er zuvor in dem "allgemeinen Teil" des Testamentes, generali capite praeposito, angeordnet hat, den Nießbrauch am vestigianischen Grundstück. Über das Eigentumdaranschreibt er, daß er denke, puto, Felix werde es wohl auch erhalten, sofern er nur ein einträchtiges, streitfreies Verhältnis mit dem Erben pflege. Dementsprechend trägt der Testator dem Erben auf, daß dieser alles zur Erhaltung der Freundschaft unternehme55 . "Denn dies frommt euch" , fügt er noch hinzu. Felix scheint, nachdem er einige Zeit dem Erblassergebot entsprochen hat, die Testamentsklausel so verstanden zu haben, daß er aus diesem Testament auch das Eigentum an dem Grundstück verlangen könne56, Sei es, daß er meinte, das Vermächtnis spalte sich in zwei Teile- einen bedingten und einen unbedingten- auf, oder sei es, daß er an ein Fideikommiß glaubte; beide Male fehlt es schon an den formalen Bedingungen der Zuwendung. Denn die Formulierung: puto te consecuturum erfüllt nicht einmal die Voraussetzung der Wortwahl precativo modo für ein Fideikommiß57, geschweige denn die für ein Vermächtnis, nihil proponi ... Wenn man aber in der Klausel die Bedenkung auch mit dem Eigentum erblicken wollte, käme das von den streitenden Parteien gesehene Problem der Zeitbestimmung hinzu, ab wann nämlich der "Freundschafts-Zustand" zu einem Forderungsrecht erstarkt58. Doch braucht Scaevola hierauf nicht einzugehen, weil er die Frage schon damit beantwortet, daß keine rechtstechnische Zuwendung vorliege59. So wahrt er einen rechtsfreien Raum in dem Testament, der dem Erben die allenfalls moralische Verpflichtung auferlegt, zu irgendeiner Zeit, spätestens testamentarisch, das Eigentum an dem Grundstück dem Felix zu übertragen. Diese Lösung entspricht dem Plan des Erblassers wohl am besten. Denn er wollte offenbar seine Freundschaftsbeziehung mit Felix auf seinen Erben 54 Voci, DER Il, S. 234; Boyer, RHDE 43, 1965, S. 363. S. auch die Klauselformulierung in D 32.39 pr., Scaev. 20 dig. 55 Zum Begriff amicitia s. nur R. Salier, Personal Patronage under the early Empire, 1982, S. 11 ff. Das vorliegende Fragment belegt eindringlich die eine der dort herausgearbeiteten Nuancen, derzufolge Freundschaft ein neuer Begriff für ein Klientelverhältnis geworden ist. 56 Bei diesem Verständnis des Testamentes war die Lage für Felix schwierig: Riskierte er, seine Ansicht durchzusetzen, bedeutete das den gleichzeitigen Bruch mit dem Erblassergebot. Riskierte er es dagegen nicht, konnte er den ihm seiner Meinung nach zustehenden Anspruch nicht verwirklichen. Zu den entsprechenden Dilemmata des kretischen Lügners, des Krokodils, etc. Wacke (FN 45), S. 325ff. 57 Hierzu Johnston, Trusts, S. 156ff., bes. 165ff. 58 Zu Ermessensregelungen etwa D 30.75 pr., Ulp. 5 disp. 59 Zur Vertauschung und Vertauschbarkeit der Begriffe legatum und fideicommissum Voci (FN 54).
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VII. Weitere Testamentsklauseln
übertragen. Deswegen setzt er ein rechtlich gerade nicht erzwingbares, seiner Intention nach daher umso wirkungsvolleres60 "Pfand" zur Verwirklichung seines Anliegens aus. Die Übereignung des Grundstücks soll Zeichen der Freundschaft, nicht aber eine Entlohnung für vorangegangene Bemühungen sein. Damit erweist sich dieser Auszug aus dem Testament nicht nur als ein besonders deutliches Beispiel dafür, wie ein Erblasser gestalterischen Einfluß auf zukünftige Beziehungen zu nehmen versucht, sondern er belegt auch nachdrücklich, daß der letzte Wille weit über den Bereich des rechtlich Regelbaren hinausgeht. African, D 35.1.31, 2 quaest.: In testamento ita erat scriptum: ,Stichus et Pamphila liberi sunto et si in matrimonium coierint, heres meus his centum dare damnas esto': Stichus ante apertas tabulas decessit. respondit partem Stichi defectam esse: sed et Pamphilam defectam condicione videri ideoque partem eius apud heredem remansuram. sed et si uterque viveret et Stichus nollet eam uxorem ducere, cum mulier parata esset nubere, illi quidem legatum deberetur, Stichi autem portio inutilis fiebat. nam cum uni ita legatum sit: , Titio, si Seiam uxorem duxerit, heres meus centum dato', si quidem Seia moriatur, defectus condicione intellegitur: at si ipse decedat, nihil ad heredem suum eum transmittere, quia morte eius condicio defecisse intellegitur: utroque autem vivente si quidem ipse nolit uxorem ducere, quia ipsius facto condicio deficit, nihil ex legato consequitur, mutiere autem nolente nubere, cum ipse paratus esset, legatum ei debetur6l. Das Rechtsproblem des Falles ist allgemeiner Natur und wird uns noch öfters begegnen: Besteht ein Anspruch auf die unter einer Bedingung ausgesetzte letztwillige Zuwendung, wenn die Bedingung aus einem Grund ausfällt, der nicht zum Einflußbereich des Bedachten gehört? Im vorliegenden Fall hat der Erblasser Stichus und Pamphila testamentarisch (unbedingt) freigelassen und ihnen für den Fall, daß sie anschließend heiraten, ein Vermächtnis über Hundert ausgesetzt. Stichus ist offenbar nach dem Erblasser, aber vor der Testamentseröffnung, d. h. dem dies cedens, verstorben. Doch hat diese Besonderheit des Todeszeitpunktes keinen Einfluß auf die Lösung; denn Iulian I African teilen in dem von ihnen zum Vergleich herangezogenen Fall lediglich mit: si Seia moriatur. Bedeutsam ist hingegen, daß es nicht zu der vom Erblasser erhofften, oder doch unterstützten Heirat kommt. Pamphila fragt an, ob sie dennoch einen Anspruch auf die Hundert oder zumindest auf ihre Hälfte davon habe.
60 Denn hierbei entsteht kein Anspruch; erforderlich ist vielmehr ständiges Wohlverhalten. Es sei noch darauf hingewiesen, daß der Erblasser Felix mit einer materiellen Belohnung, dem Eigentum an dem Grundstück, lockt, seinen Erben jedoch unter Hinweis auf das expedire verpflichtet. Darin steckt ein subtiler Hinweis auf die unterschiedliche soziale Schichtung von Freigelassenem und Erben. 61 Voci, DER II, S. 598; Astolfi, Iex, S. 207f.; MacCormack, RIDA 21, 1974, s. 280.
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Der Anspruch auf das Ganze wird ihr generell verwehrt und im konkreten Fall auch der auf ihre Hälfte. Die würde sie nur dann erhalten, wenn Stichus noch lebte, jedoch nicht heiraten wollte, obwohl sie dazu bereit wäre. Die hinter dieser Unterscheidung steckende Ratio verdeutlicht der Vergleichsfall62: Er unterscheidet sich vom Ausgangsfall einmal darin, daß er keine Angaben über den Status von Titius und Seia enthält; doch ist das nicht ausschlaggebend, da Stichus und Pamphila unbedingt freigelassen worden sind. Entscheidend ist in dem Vergleichsfall vielmehr, daß in ihm lediglich einer der beiden Eheaspiranten Bedachter ist. Auch hier wird sowohl der Tod der Seia als auch sein eigener als ein Ausfall der Bedingung angesehen. Der bedachte Titius kann seinen Anspruch nur geltend machen, wenn er bereit ist, Seia zu heiraten, diese aber ihrerseits nicht möchte63. Aus der Parallelisierung der Fälle folgt , daß lulian I African danach unterscheiden, ob der Ausfall der Bedingung auf einem objektiven Umstand (Tod) beruht oder auf einem subjektiven (Nicht-wollen)64. Dagegen spielt die Frage, wer bedacht ist, nur insoweit eine Rolle, als sie darüber entscheidet, ob die vermachte Summe zu teilen ist, bzw. wer sie im Falle des Eintritts der Bedingung erhält. Diese Differenzierung nach objektiven und subjektiven Kriterien bewirkt, daß die durch das Testament geschaffene Beziehung zwischen Erblasser und Bedachtem frei von willkürlichen Einflüssen Dritter gehalten wird65. Objektive Geschehensabläufe dagegen gehören zum Risiko des Bedachten66. Das kann freilich im Einzelfall zu zufälligen Ergebnissen führen , etwa wenn Stichus noch kurz vor seinem Tod erklärt, er wolle nicht heiraten, oder wenn er zu dieser Aussage nicht mehr kommt; doch liegt diese Risikoverteilung in der Konsequenz eines auf Selbstdarstellung ausgerichteten Testaments. Würde nämlich Pamphila ihren Vermächtnisanteil auch dann erhalten, wenn Stichus stirbt, wäre die vom Erblasser aufgestellte Bedingung praktisch bedeutungslos, und das Testament wäre "degradiert" zu einer Anweisung zur Vermögensverteilung. Die Zuordnung objektiver Ereignisse zum Risikobereich des Bedachten bewirkt demgegenüber, daß dem Erblasser insoweit Gestaltungsfreiheit verbleibt. Sie ist vorliegend darauf gerichtet, ähnlich dem oben, Kap. 111 2, zitier62 Daraus, daß in dem Vergleichsfall die Geschlechter nicht angeglichen sind: hier Pamphila als Anspruchssteiler, dort Titius, wird man vielleicht folgern dürfen, daß auch dieser Fall tatsächlich vorgekommen und verbeschieden worden ist. 63 Cf. D 28.7.23, Mare. 12 dig. 64 Dieser Unterscheidung nach objektiven und subjektiven Umständen werden wir im folgenden immer wieder begegnen; ausführlich zu dieser Regel Voci, DER II, S. 597ff. Sie unterscheidet sich von der regula Sabiniana, derzufolge eine unmögliche Bedingung als nicht geschrieben gilt (Wieling, SZ 87, 1970, S. 212ff.), darin, daß die Erfüllung der Bedingung von einer dritten Person abhängt. Zu einer Modifikation der Regel unten sub 4 a zu D 28.5.46. 65 Zu der Ausnahme von dieser Regel etwa in D 28.5.69 unten sub 5 b. 66 Eine Ausnahme hiervon etwa in D 30.92.1, Iul. 39 dig.
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VII. Weitere Testamentsklauseln
ten Wunsch der Chrysis in Terenzens "Andria", eine Ehe zu stiften. Freilich kommt hier die Besonderheit hinzu, daß die beiden Partner die (ehemaligen) Sklaven des Ehestifters sind. Unbeschadet der Möglichkeit, daß auch wirtschaftliche Erwägungen, etwa um den Zusammenhalt der familia zu gewährleisten67, die Klausel mitmotiviert haben können, spiegelt der altruistische Teil der Testatorabsichten etwas von dem Verantwortungsbewußtsein und der besonderen persönlichen Sorge einesdominusgegenüber den Sklaven wider, die etwa Plinius' Metapher vom "Staat im Staate" evoziert68. Nachdem die Ehe zwischen Stichus und Pamphila jedoch nicht mehr zustandekommen kann, überwiegt der testatarische Gestaltungswunsch die Schuldlosigkeit der Pamphila an dem Ausfall der Bedingung, so daß ihr ein Anspruch auf das Vermachte, bzw. einen Teil davon, versagt wird. Schließlich unterstreicht die geschilderte Grenzziehung hinsichtlich der testatarischen Gestaltungsfreiheit (d. h.: der auf subjektiven Umständen beruhende Ausfall einer Bedingung) die Bedeutung, die die Juristen der durch eine testamentarische Bedenkung hergestellten "Sonderbeziehung" zwischen Testator und Bedachtem zumessen. Indem nämlich Iulian I African überhaupt eine Teilbarkeit des Vermächtnisses erwägen, räumen sie der Nennung der Bedachten in bestimmten Fällen einen höheren Stellenwert ein als dem mit der Bedingung verfolgten Ziel. Das ist umso hervorhebenswerter, als die testamentarische Anordnung selbst eine Teilbarkeit keineswegs nahelegt: Denn sie verknüpft die Zahlung der Hundert mit der Heirat; beide Ehepartner zusammen sollen also von dem Vermächtnis profitieren. Die Verweigerung eines Anspruchs in jedem Fall der Nicht-Heirat läge daher recht nahe. Wenn aber Iulian I African demgegenüber differenzieren und im Falle des subjektiven Bedingungshindernisses Pamphila wenigstens Fünfzig zugesprochen hätten, stellen sie den testatarischen Gestaltungswunsch hinter die Tatsache zurück, daß Pamphila im Testament als (Mit-)Bedachte genannt ist. D 33.1.13 pr., Scaev. 4 resp.: Maevia nepotem ex Maevio puberem heredem instituit et Lucio Titio ita legavit: , Lucio Titio viro bono, cuius obsequio gratias ago, dari volo annuos quamdiu vivat aureos decem, si rebus nepotis mei interveniat omnemque administrationem rerum nepotis mei ad sollicitudinem suam revocaverit'. quaero, cum Lucius Titius aliquo tempore Maevii negotia gesserit et per eum non stet, quo minus gerat, Publius autem Maevius nollet eum administrare, an fideicommissum praestari debeat. respondi, si non propter fraudem aliamve quam iustam causam improbandae operae causa remotus esset a negotiis, quae administrare secundum defuncti voluntatem vellet, percepturum legatum69.
Der Plan, den die Erblasserirr mit der vorliegenden Klausel verfolgt, ist mit dem in 0 33.2.32 pr. vergleichbar, in dem der erbende Sohn freundschaftlich 67 68
69
Hierzu Bürge, SZ 105, 1988, S. 305ff. Ep. 8.16. Voci, DER Il, S. 234; Grosso, I legati, S. 460.
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mit dem freigelassenen Felix verkehren sollte. Das juristische Problem des Falles entspricht dagegen demjenigen der vorangegangenen Stelle, D 35.1.31. Denn auch hier scheitert die Erfüllung einer Bedingung an Umständen, die (möglicherweise) außerhalb des Einflußbereiches des bedingt Bedachten liegen. Lucius Titius soll ein Vermächtnis in Gestalt einer lebenslänglichen, jährlichen Auszahlung von 10 000 HS erhalten, wenn er die gesamte Vermögensverwaltung des Enkels und Erben Publius Maevius betreuen wird. Nachdem er das einige Zeit getan hat, quittiert ihm Maevius den Dienst, so daß die Frage entsteht, ob damit auch die bedingte Zahlungsverpflichtung hinfällig geworden ist. Scaevola trifft eine Differenzierung, die feiner ist als die objektiv-subjektiv Unterscheidung von African I Iulian, die aber, wie noch zu zeigen sein wird, in der Klauselformulierung selbst angelegt ist. Scaevola antwortet nämlich, daß Lucius Titius das Vermächtnis nur dann weiterhin erhalten werde, wenn er keine Veranlassung gegeben hat, daß Publius hat gerechtfertigter Weise "kündigen" können. Als Beispiel nennt er Hintergehung, fraus, und verallgemeinert dies zu der iusta causa, aufgrundderer die Dienstleistungen zu mißbilligen sind. Scaevolas Differenzierung bezieht sich also allein auf die subjektiv verursachte Unmöglichkeit des Bedingungseintritts und stellt darauf ab, wer der zurechenbare Verursacher dieser Unmöglichkeit ist. Freilich legt die Testamentsklausel selbst diese Unterscheidung nahe. Denn aus ihr ergibt sich ein doppeltes Motiv der Zuwendung. Einmal bedenkt Maevia den Titius mit dem nicht geringen Vermächtnis ausdrücklich deswegen, um ihm den Dank für seine ihr erwiesenen Dienste, obsequia, abzustatten70. Zusätzlich zu diesem retrospektiven Motiv versucht sie zum zweiten, mit Hilfe der juristischen Bedingung, si- revocaverit, die enge Beziehung, die zwischen ihr und Titius offenbar bestanden hat, auf ihren Erben Publius zu übertragen und zu konservieren. Ähnlich dem oben, im Zusammenhang mit Ciceros Empfehlungsschreiben an Bithyniens Proprätor Silius7I festgestellten Versuch einer Generationen-übergreifenden Dankbarkeit dient auch der Maevia des vorliegenden Falles das Testament einem solchen Zweck; auch hier soll das Testament die Lücke, die der Tod in das Netzwerk einer sozialen Beziehung reißt72, dergestalt schließen, daß an die Stelle der Maevia ihr Enkel tritt. Hinsichtlich des zweiten Motivs läßt sich der Plan unabhängig davon , ob Maevius mit oder ohne rechtfertigenden Grund gekündigt hat, nicht mehr verwirklichen; hinsichtlich der Dankbarkeit dagegen sehr wohl noch. Wir können dabei das vorliegende Scaevola-Fragment als eine praktische Fortsetzung 70 Sofern man aus diesem Wort schließen darf, daß Titius ein früherer Sklave der Maevia war, cf. Heumann I Seckel, s. v. 1, 2 a (s. auch Waldstein, Operae, S. 51ff.), wäre eine Einordnung dieser Stelle in den Abschnitt über die Dankbarkeit ebenso gerechtfertigt gewesen. 71 Ep. ad fam. 13.61. Oben Kap. VI 2. 72 S. dazu auch meine Bemerkungen in SZ 103, 1986, S. 514f.
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VII. Weitere Testamentsklauseln
dessen ansehen, was wir in Kap. 111 3 b bezüglich des Hin und Her der Dankbarkeitsbezeugungen festgehalten haben. Indem sich die Bedenkung des Lucius nämlich aus einem retrospektiven und einem zukunftsorientierten Motiv zusammensetzt, sind beide in einen Zusammenhang gebracht, der die Vermögensverwaltung für den Enkel als eine (geforderte) Dankbarkeitsbezeugung für Maevias Dankbarkeitsbezeugung gegenüber Titius erscheinen läßt. Scaevolas Differenzierung nach dem Verursacher impliziert demnach nichts anderes als die Frage, ob Titius sich als dankbar erwiesen hat oder nicht. Im ersten Fall behält er konsequenterweise das Vermächtnis, im zweiten nicht; der Plan, den Maevia mit ihrem Testament verfolgt hat, wird also soweit wie möglich verwirklicht. Papinian berichtet von einer weiteren Variante des in den beiden voranstehenden Stellen behandelten Rechtsproblems; in ihr ist die Erfüllung der letztwilligen Bedingung zwar objektiv unmöglich, doch kann der Bedachte trotzdem den Plan der Erblasserio zumindest noch teilweise verwirklichen, D 33.1.10 pr., 8 resp.: ,Seio amico fidelissimo, si voluerit, sicut meis negotiis interveniebat, eodem modo filiorum meorum intervenire, annuos senos aureos et habitationem qua utitur praestari volo'. non ideo minus annua Seio pro parte hereditaria viventis filiae deberi placuit, quod ex tribus filiis Titiae duo aliis heredibus institutis vita decesserunt, cum tarn Iabor quam pecunia divisionem reciperent13.
Seius hat die Geschäfte der Titia zu ihren Lebzeiten geführt. Auch sie möchte -wie die Erblasserio Maevia des Scaevola-Falles - diese Dienste ihren erbenden drei Kindern angedeihen lassen und setzt daher Seius ein Fideikommiß in Höhe von jährlich 6.000 HS und (weiterhin) freies Wohnrecht aus, bedingt durch seine Bereitschaft, si voluerit, zukünftig die Geschäfte ihrer Kinder in bewährter Manier abzuwickeln. Anders als in dem Scaevola-Fall gelingt es der Erblasserio Titia hier, das freundschaftliche Verhältnis auf die nächste Generation zu übertragen; jedenfalls nehmen die Erben die Dienste des Seius in Anspruch. Zu dem Rechtsproblem hinsichtlich der teilbaren Leistung, der Jahresrente, kommt es erst, als zwei der Erben sterben. Papinian muß entscheiden, ob, bzw. in welchem Umfang, Seius noch Zahlung beanspruchen kann. Seine Lösung lautet, daß Seius Zahlung in einer der Erbquote der überlebenden Tochter entsprechenden Höhe verlangen kann; denn der durch den Tod der beiden Miterben bedingten Reduzierung seiner "Dienstverpflichtungen" entspreche diejenige der ebenfalls teilbaren Geldleistung (das Wohnrecht ist nicht Gegenstand des Rechtstreits). Insoweit korrespondiert diese Entscheidung mit der von African I Iulian in D 35.1.31 getroffenen Differenzierung, 73
Voci, DER Il, S. 598.
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derzufolge objektive Unmöglichkeitsgründe zu Lasten des Bedachten gehen; freilich war in jenem Fall der gewünschte Plan, die Heirat, anders als hier die Geschäftsbesorgung, unteilbar. Die Qualifikation des Seius als amicus fidelissimus, die die Zuwendung der Erblasserin auch als ein Freundschafts- und Dankbarkeitszeichen erscheinen läßt, reicht Papinian nicht aus, um eine Fortsetzung des Fideikommisses in voller Höhe zu rechtfertigen zu können. D 33.1.7, Pomp. 8 ad Q.Muc.: Quintus Mucius ait: si quis in testamento ita scripsit: ,filii filiaeque meae ibi sunto, ubi eos mater sua esse volet, eisque heres meus in annos singulos inque pueros puellasque singulas damnas esto dare cibarii nomine aureos decem': si tutores eam pecuniam dare nolunt ei, apud quem pueri atque puellae sunt, nihil est, quod ex testamento agere possit: nam ea res eo pertinet, uti tutores sciant, quae voluntas testatoris fuit, uti possint eam pecuniam sine periculo dare. POMPONIUS. In testamentis quaedam scribuntur, quae ad auctoritatem dumtaxat scribentis referuntur nec obligationem pariunt. haec autem talia sunt. si te heredem solum instituam et scribam, uti monurnenturn mihi certa pecunia facias: nullam enim obligatio· nem ea scriptura recipit, sed ad auetoritotem meam conservandam poteris, si velis, facere. aliter atque si coherede tibi dato idem scripsero: nam sive te so/um damnavero, uti monurnenturn facias, coheres tuus agere tecum poterit familiae herciscundae, uti facias, quoniam interest illius: quin etiam si utrique iussi estis hoc facere, invicem actionem habebitis. ad auctoritatem scribentis hoc quoque pertinet, cum quis iussit in municipio imagines poni: nam si non honoris municipii gratia id fecisset, sed sua, actio eo nomine nulli competit. itaque haec Quinti Mucii scriptura: ,liberi mei ibi sunto, ubi mater sua esse volet' nullam obligationem parit, sed ad auctoritatem defuncti conservandam id pertinebit, ut ubi iusserit ibi sint. nec74 tarnen semper voluntas eius aut iussum conservari debet, veluti si praetor doctus sit non expedire pupillum eo morari, ubi pater iusserit, propter vitium, quod pater forte ignoravit in eis personis esse, apud quas morari iussit. si autem pro cibariis eorum in annos singulos aurei decem relicti sint, sive hoc sermone significantur, apud quos morari mater pupillos voluerit, sive ita acceperimus hunc sermonem, ut ipsis filiis id legatum debeatur, utile erit: et magis enim est, ut providentia filiorum suorum hoc fecisse videatur. et in omnibus, ubi auetorilas sola testatoris est, neque omnimodo spernenda neque omnimodo observanda est. sed interventu iudicis haec omnia debent, si non ad turpem causam feruntur, ad effectum perduci75.
74 Der ab diesem Satz beginnende Rest des Fragments ist insofern problematisch, als er möglicherweise den praetor tutelarius voraussetzt; zu ihm Jörs, FS Jehring der Giessener Juristischen Fakultät, 1892, S. 31ff. Mare Aurel hat dieses Amt im Jahr 161 geschaffen. Es umfaßte die Überwachung des Vormunds, Jörs, S. 39, und würde somit auf das vorliegende fr. passen. Demgegenüber entspricht es h. A ., daß Pomponius' libri ad Q. Mucium spätestens in der Regierungszeit Antoninus Pius' abgefaßt worden sind, Nörr, ANRW 11.15, S. 540ff. m.w.N . Damit läge eine Nachbearbeitung vor. Auf dieses Problem brauchen wir jedoch nicht näher einzugehen, weil wir die Grundaussage der Stelle- selbst wenn sie überarbeitet sein sollte - , als klassisch ansehen können . Für eine Beantwortung wäre zu beachten, daß sehr wohl Pomponius selbst sein Buch "nachgebessert" haben könnte, vgl. Nörr, S. 540 (Latte zitierend), und daß eine exakte Aufgabenteilung zwischen praetor urbanus und tutelarius zu dieser Zeit nicht bestanden zu haben scheint, Jörs, S. 36.
II Paulus
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Pomponius referiert und kommentiert einen von Mucius verbeschiedenen Fall in einer Weise, die Kunkels Vermutung von Pomponius' Beschränkung auf eine vornehmlich literarisch-pädagogische Tätigkeit76 verständlich macht; er geht mit der Kommentierung des Falles weit über dessen Grenzen hinaus und liefert auf diese Weise wertvolle Einblicke in die verschiedensten Aspekte römischen Testierens, von denen hier vornehmlich derjenige zu behandeln ist, wie die Rechtsordnung bestimmte Pläne von Erblassern behandelt77. Ganz allgemein geht es in dem Fragment um die Schwäche der Erzwingbarkeit von testamentarischen Auflagen78 und damit um das für unseren Aspekt entscheidende Problem, ob und wie der Testator seine Planung verwirklichen kann. Quintus Mucius hatte folgenden Fall zu entscheiden: Der Erblasser bestimmte bezüglich seiner Söhne und Töchter zweierlei; erstens sollen sie sich dort aufhalten, wo es ihre Mutter ihnen vorschreibt, und zweitens bekommen sie ein Unterhaltsvermächtnis, das ihnen der Erbe alljährlich auszahlen soll. Beide Regelungen stehen nicht in einem Bedingungsverhältnis zueinander. Hieraus wird der Plan des Testators erkennbar: Die Mutter soll das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder haben. Wenigstens dieser Teil der potestos sollte nach dem Wunsch des Vater auf die Mutter übergehen- wenn schon nicht von Rechts wegen79, so doch wenigstens kraft letztwilliger, d.h. moralisch bindender AutoritätBO. Nachdem jedoch die Mutter von ihrem letztwillig zugedachten Recht Gebrauch gemacht hatte, weigerten sich die Tutoren der Kinders' , das ihnen ausgehändigte Geld an deren Betreuungsperson weiterzuleiten. Als Begründung für diese Weigerung wird neben dem bloßen nolint mitgeteilt, daß die Tutoren offenbar befürchteten, sie könnten das Geld nicht ohne Gefahr hingeben, pecuniam sine periculo dareB2 • Worin diese Gefahr bestanden haben 75 Kaser, RPR, § 61 III; Biondi, Succ., S. 569; Voci, DER Il, S. 620, 623 ; Grosso, I legati, S. 469f.; Di Salvo, Illegato modale in diritto romano, 1973, S. 216, 320ff. , 430f. Zu Pomponius' Kommentar allgemein etwa Wieacker, Rechtsgeschichte, S. 597ff. ; Nörr, S. 547f. 76 Herkunft, S. 171. 77 Zum mitgenannten Monumentsbau s. den nächsten Abschnitt. 78 Über die Erzwinbarkeit von Auflagen etwa Pernice, Labeo III 1, 1892, S. 156ff. ; Mitteis, RPR I, 1908, S. 196ff.; Johnston, Trusts, S. 238ff. Epigraphische Beispiele für die Erzwingung mit Hilfe des "Staates" bei Bruck, Römisches Recht, S. 89 FN 19. 79 Frauen konnten keine potestas über Kinder haben, s. nur Gardner, Women in Roman Law and Society, Bloomington 1986, S. 146ff. so Der Erblasser war mit diesem Ansinnen am Anfang des 1. vorchristlichen Jahrhunderts seiner Zeit voraus (cf. das Reskript des Antoninus Pius in D 43.30.1.3, Ulp. 71 ad ed.; 43.30.3.5,6, eod. S. auch D 25.3.5.14, Ulp. 2 de off. cons.); Mucius korrigiert es dementsprechend. Dazu im Text. 81 Zur Tutel in dieser Zeit allgemein Kaser, RPR, § 21; sub II 2, ebda., speziell zur Vermögenssorge. Über die Bestellung der Tutoren, von Gesetzteswegen oder testamentarisch, verlautet im Sachverhalt nichts.
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mag, wird nicht spezifiziert; man könnte an die auch schon dem Mucius bekannte actio tutelaeBJ denken. Doch ist das unwahrscheinlich, da Pomponius den mucianischen Fall als Beispiel für seine generelle Aussage anführt, derzufolge einige Bestimmungen allein auf der auctoritas des Testators beruhen. Die Pointe dieses Satzes wäre gewissermaßen dahin, wenn eine ganz konkrete Rechtsgefahr das Zuwiderhandeln gegen die letztwillige Anordnung ausgelöst hätte. Folglich wird die von den Tutoren angeführte Gefahr außerrechtlicher, etwa sittlicher Natur gewesen sein84. Dafür spricht außer der genannten systematischen Überlegung auch die mudanisehe Begründung. Sie stellt darauf ab, daß die Tutoren wüßten, was der Testator wollte. Entscheidend ist mithin der Erblasserwille und nicht eine rechtliche Gefahr. Das Hindernis, daß besagter Erblasserwille expressis verbis entgegengesetzt lautete, ist mit dieser "Begründung" offenbar überwunden, und Pomponius kann den (geäußerten) letztwilligen Plan als Exempel dafür anführen, daß seine Verwirklichung allein von der auetorilas des Erblassers abhängt. Erwähnenswert ist immerhin, daß Quintus Mucius die Verweigerung des Aufenthaltsbestimmungsrechts der Mutterss nicht offen als Bruch mit dem letzten Willen deklariert, sondern, im Gegenteil, als mit ihm in Einklang stehend, da die Tutoren ja wissen, was der Testator wollte. An dem mucianischen Fall ist eine weitere faktische Besonderheit zu erwähnen, über die weiter unten ausführlicher zu handeln sein wird86. Wir hatten in Kap. 111 3 a bereits festgestellt, daß Kinder als die primären Erben angesehen wurden - auch im Rahmen der testamentarischen Erbfolge. Abgesichert wurde dies durch die ausdrückliche Enterbungspflicht87. Der Erblasser des vorliegenden Falles bedenkt zwar seine Kinder, aber "nur" mit Vermächtnissen, während der Erbe für uns nicht näher spezifiziert ist. Zu dieser Eigenheit tritt hinzu, daß der Vater den Adressaten des Aufenthaltsbestimmungsrechts als "deren Mutter" (mater sua) bezeichnet, nicht aber etwa als "meine Frau". Natürlich kann dies auf den individuellen Gepflogenheiten der konkreten 82 Den mitgeteilten Fakten läßt sich nicht entnehmen, ob die Weigerung mit einer Interpretation der Klausel gerechtfertigt wurde. 83 Cic. de off. III.17.70. 84 Allein der Anschaulichkeit wegen, um sich die Diskrepanz der Ansichten vorstellen zu können, mag als Beispiel auf die Lebensweise der Ummidia Quadratilla verwiesen werden, die in ihrem Haus dem Enkel nicht nur Unterkunft gegeben, sondern auch sittlich gefährdet hat, Plin. ep. 7.24. Zu diesem BriefTellegen, SZ 105, 1988, S. 263ff. 85 Es ist wohl eine realistische Annahme, daß der von den Tutoren ausgeübte materielle Druck einer solchen Weigerung gleichkommt. Daß auf diese Weise die beiden testamentarischen Anordnungen in eine bedingte Abhängigkeit geraten (Zahlung nur, wenn sich die Kinder an den befohlenen Orten aufhalten), ist eine weitere Verfälschung des Erblasserwillens. 86 Abschnitt 4 a. 87 Gai 2.123, 127.
tt•
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Familie beruhen, doch ist nicht auszuschließen, daß der Testamentsklausel ein verbreitetes Phänomen der römischen Gesellschaft zugrunde liegt: Die Versorgung nichtehelicher Kinder, die mit einer Konkubine oder etwa einer Freigelassenenss gezeugt waren. Ihre Versorgung mit einem Vermächtnis schont den Anspruch und das Ehrgefühl der legitimen Kinder, als Erben bedacht zu werden89, trägt aber vorhandenen Affekten Rechnung. Inwieweit diese Konstellation, sollte sie zutreffend sein, Mucius' Entscheidung beeinflußt hat, ist freilich eine unbeantwortbare Frage. Pomponius dient der mudanisehe Fall als Ausgangspunkt für die Erörterung von testamentarischen Anordnungen, die keine rechtliche Verpflichtung begründen, deren Befolgung oder Erfüllung vielmehr allein auf der auetoriras des Erblassers90 beruhen. Mit dieser Charakterisierung decken sich unsere einleitenden Bemerkungen über die Eigenheit letztwilliger Planungen: Auch deren Verwirklichung hängt (in vielen Fällen) von der Autorität des Erblassers ab, und auch sie implizieren ein Anliegen, das über den Bereich des rechtlichErzwingbaren hinausgeht. Das Pomponius-Fragment gehört daher in den Kontext von Aussagen wie denen des jüngeren Plinius: sed ego propriam quandam Iegern mihi dixi, ut defunetorum voluntates, etiam si iure defieerentur, quasi perfeelas tuerer, oder: hoe, si ius adspicias, inritum, si defuneti voluntatem, ratum et firmum est91; oder die Sterberede des Germanicus, die den Intentionen des Tacitus entsprechend92 ein besonders nachdrückliches Bild von dem "guten Römer" zeichnet. Dort sagt er unter anderem: non hoe praeeipuum amieorum munus est, prosequi defunetum ignavo questu, sed quae voluerit meminisse, quae mandaverit exsequi. Für unsere Fragestellung ist dieser Kontext deswegen so aufschlußreich, weil Pomponius in dem Fragment erklärt, daß der Plan des Erblassers erkannt wird, auch wenn er nicht immer verwirklicht werden kann. Daraus darf man den Schluß ziehen, daß die Juristen die Absichten eines Testators sehr wohl erkannten und infolgedessen die gesellschaftlichen Realien in ihre Entscheidungstindung einfließen Iiessen (s. bereits oben, Kap. V 3). Daß Pomponius 88 Die mater sua kann freilich auch die geschiedene Ehefrau des Erblassers sein. Dann wäre allerdings die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts erstaunlich. 89 Dazu vorläufig Gardner, S. 143. S. noch unten Abschnitt 4 c. 90 Zur Definition dieses in Antithese zur obligatio stehenden Begriffs können wir auf Schönbauers Beschreibung von Augustus' auetoriras verweisen, SZ 47, 1927, S. 291f.: "Das Wesen der auctoritas .. . ist es gerade, daß sie eine Macht darstellt, die nicht mit äußeren Mitteln eine Befolgung erzwingt, sondern die einen inneren Zwang schafft, die das Gefühl erzeugt, daß die Befolgung eine selbstgewählte freiwillig übernommene Pflicht darstelle." Anstelle des staatlichen Bereichs, von dem Schönbauer schreibt, haben wir nur die Ehrfurcht vor den Toten zu setzen. 91 Ep. 2.16; 5. 7.1; s. auch 4.10. Weitere Nachweise zu diesen Stellen etwa bei Tellegen, Pliny,S. 30ff. 92 Vgl. Koestermann, Tacitus- Annalen Bd. I, S. 387: " . .. soll dazu beitragen, die Bedeutung der Persönlichkeit des Germanicus zu steigern" .
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die letztgültige Entscheidung über die Erzwingbarkeit dem Richterspruch zugesteht, sed interventu - perduci, muß nicht notwendigerweise zu einer Interpolationsannahme verleiten93, sondern kann auch einfach daher rühren, daß Pomponius die Perspektive des mit Streitfällen agierenden Juristen innehat. Er steckt den Grenzbereich der erzwingbaren und nicht erzwingbaren Auflagen ab und liefert für beide Seiten eindeutige Beispiele. Die generalisierende Aussage, daß die exakte Grenze im konkreten Streitfall letzten Endes vom Richter gezogen wird, ist zumindest der Sache nach kein Bruch der Argumentation. Pomponius kommentiert den mucianischen Fall, indem er ihn der Rechtslage seiner94 Zeit95 anpaßt. Auch in ihr ist die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts nichts weiter als ein rechtlich unverbindlicher Wunsch. Doch nennt Pomponius anstelle der Tutoren den Praetor als denjenigen, der die Aufenthaltsbestimmung vornimmt. Das Beispiel für praetorisches Einschreiten, das Pomponius dabei gibt, erscheint freilich als verfehlt. Denn in ihm ist es der (verstorbene) Vater, der den Aufenthaltsort bestimmt: pupillum morari, ubi pater iusserit. Wenn dies kein Schreibfehler96 ist, wird man vielleicht unterstellen dürfen, daß Pomponius die Mutter nur als ein Ausführungsorgan des väterlichen, von seiner auetorilas getragenen und daher zum Imperativ verdichteten Willen versteht. Dennoch bestätigt der Beispielsfall die oben angestellten Überlegungen zum periculum: Auch hier ist die Gefahr nicht rechtlicher, sondern sittlicher Natur: vitium, quod in eis personis (est) . Das Beispiel ist schließlich noch insofern interessant, als es ein Vorverständnis des Pomponius offenbart: nämlich die Idealisierung der Vater-Kind-Beziehung. Sie drückt sich nicht nur in dem entschuldigenden Einschub vitium, quod pater forte ignoravit aus, sondern auch in der nachfolgenden Erörterung, wem im Zweifel das Forderungsrecht hinsichtlich des Versorgungsvermächtnisses zustehen soll. Indem er es wegen der zu vermutenden Fürsorge des Vaters den Kindern zuspricht, bestätigt er (zumindest indirekt) das oben, Kap. III 3 a zu der Eltern-Kinder-Beziehung Gesagte97. Damit ist Pomponius' Fallbehandlung zugleich ein Exempel für unsere Annahme, daß das römische Testament als ein Ort idealisierender Selbstdarstellung gesehen wurde. Etwa Kaser, RPR li, § 203 FN 25; Johnston, S. 244. Hierzu Kaser, RPR, § 88 IV 1 bei FN 32. 95 S. oben FN 74. 96 Pater statt mater. Allerdings erscheint pater in dem Satz: si- iussit, zweimal. Erst im ansebliessenden Satz wird die Mutter wieder als Bestimmende erwähnt. 97 Es muß kein Gegenargument gegen die Überlegung sein, daß die Kinder hier möglicherweise nichtehelich sind. Das wäre es nur, wenn deren Vorhandensein einen gesellschaftlichen Makel bedeuten würde, was in Rom schon allein wegen der Üblichkeil nichtehelicher Kinder ausscheidet, vgl. Gardner, S. 143; s. auch Castello, Mel. De Visscher III, 1950, S. 267ff. Zum Rechtsstatus von nichtehelichen Kindern allgemein Voß, Symp. Wieacker, 1985, S. 126ff. 93
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VII. Weitere Testamentsklauseln
Die von Pomponius angeführten weiteren Beispiele betreffen eine spezielle Form letztwilliger Planung, über die im nächsten Abschnitt gesondert zu handeln sein wird. Das erste ist die einem Alleinerben erteilte schlichte Auflage, dem Erblasser ein Monument zu errichten9s. Für sie gibt es keinen Rechtsbehelf, mit dessen Hilfe man den sich weigernden Erben zum Bauen zwingen könnte99. Der Erblasser hat es nämlich unterlassen, ein Rechtssubjekt zu bestellen, das den Bau erzwingen könnte. Gemessen an dem zuvor dargestellten Kontext des römischen Ideals, ein Freund erfülle den letzten Willen des Verstorbenen allein aufgrundseines ethischen Antriebs, erscheint diese Aussage wie ein (wenn auch nur allzumenschlicher) Bruch. Denn gegen die rechtliche Absicherung, die im Regelfall eine materielle Sanktion impliziert, sprechen all die Gründe, die Seneca gegen ein die Undankbarkeit bestrafendes Gesetz anführtiOO: Durch sie wird beispielsweise die Freundes- oder Kindespflicht gewissermaßen erkauft; ebenso wie die Suche nach einer vertrauenswürdigen und verläßlichen Person aufgegeben wird zugunsten derer nach einer habgierigen. Eine solche sicherlich zu jeder Zeit (zurecht) geführte Klage über die Verrechtlichung von Handlungsweisen, die ihrem Anspruch nach allein der Moral und deren Sanktionen vorbehalten bleiben sollten, zeigt aber im Falle der Monumentserrichtungspflicht, wie wichtig den Römern solch ein Unsterblichkeitsmal ist. Indem Pomponius den Beispielsfall ausdehnt und Lösungsmöglichkeiten vorführt, wie die Auflage erzwingbar gestaltet werden kanni0 1, verweist er implizit auf das diesbezügliche Bedürfnis nach Sicherheit. In ihm kommt ja nicht nur das Mißtrauen gegenüber dem Beauftragten zum Ausdruck, sondern auch der unbedingte Wunsch nach dem Monument als Garant des Nachruhms. Das ist besonders augenfällig, wenn die Auflage - wie im zweiten Beispielsfall- darin besteht, in einem Municipium eine Statue zu errichten. Die Unterscheidung, die Pomponius hier trifft, und von der die Erzwingbarkeit abhängt, weist das römische Testament einmal mehr als eine Art "Kommunikationsforum" aus: Es muß eine Wechselbeziehung zwischen Ort und Testator bestehen, damit das Recht helfend eingreift. So wie lulius Largus das Vermächtnis als zu Ehren Trajans ausgesetzt formuliert hat, und Trajan den dahinter stekkenden Selbstdarstellungswunsch erkannte und respektiertelü2, verlangt auch 98 Die ausdrückliche Erwähnung: certa pecunia dient allein dem Bestimmtheitsgebot der Auflage. 99 Cf. D 35.1.17.4, Gai. 4 ad ed. praet. urb. 10o De ben. III.13ff.; s.o. Kap. III 2 b. 101 Zu der letztgenannten Alternative: quin etiam si utrique iussi estis hoc facere ... vgl. auch D 35.1.112 pr. , Pomp . 12 epist. et var. lect.: Tales condiciones ,si monumentum' puta ,fecerint' pluribus propositae non possunt nisi in omnibus simul personis existere. Mit diesen generellen Aussagen ist die konkrete Fall-Lösung des Servius in D 28.5.45 (s. nächster Abschnitt) zu vergleichen. 102 Plin. ep. 10.75; s.o. Kap. III 3 vor a.
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Pomponius, daß die Statue zu Ehren des Municipiums errichtet werden muß103, wenn die Auflage erzwingbar sein soll. Eine solche Wechselbeziehung ist es, die den Juristen auch andernorts als Grundlage für die Bemessung oder gar Bestimmung einer Zuwendung dient 104. Freilich könnte der Testator auch ohne diese Wechselbeziehung die Errichtung der Statue erzwingen - etwa mit Hilfe einer entsprechend bedingten Zuwendung; doch spricht das nicht gegen unsere Überlegungen. Denn das Bezeichnende an Pomponius' Ausführungen ist, wie er den rechtsfreien Raum ausfüllt, den die Auflagen im römischen Recht weitgehend darstellen. Das geschieht anband eines Maßstabes, der dem Bild eines typischen Testamentes entspricht und somit die allgemeine Erwartungshaltung gegenüber dem letzten Willen offenbart. D 28.5.47, Afric. 2 quaest.: Quidam cumfiliumfamilias heredem instituere vellet, ne ad patrem eius ex ea hereditate quicquam perveniret, voluntatem suam exposuit filio: filius cum patris offensam vereretur, petit a testatore, ne sub condicione ,si a patre emancipatus esset' heredem eum institueret, et impetravit ab eo, ut amicum suum heredem institueret: atque ita testamento amicus filii ignotus testatori heres institutus est nec quicquam ab eo petitum est. quaerebatur, si ille amicus aut adire nollet aut aditam nol/et restituere hereditatem, an fideicommissum ab eo peti possit aut aliqua actio adversus eum esset et utrum patri an filio competeret. respondit, etiamsi manifestum sit scripturn heredem fidem suam interposuisse, non tarnen aliter ab eo fideicommissum peti posse, quam si et ipsum testatorem fidem eius secutum esse probaretur. si tarnen, cum a filio familias rogaretur, amicus et aditurum se hereditatem recepisset et restituturum patri familias facto, non absurde dici possit mandati actionem futuram: et eam actionem patri inutilem fore, quia non sit ex bona fide id ei restitui, quod testator ad eum pervenire noluerit: sed nec filio vulgarem competituram, verum utilem, sicuti dare placeret ei, qui, cum filius familias esset, pro aliquo fideiiussisset ac pater familias factus solvisset105.
Das Besondere an diesem Fragment ist, daß sich die letztwillige Planung des Erblassers nicht aus dem Testament selbst ergibt; das nennt ohne weiteren Zusatz A (amicus) als Erben. Der Plan wird dem Juristen vielmehr durch den Parteivortrag des F (filius) unterbreitet, demzufolge er, F, der letzten Endes Bedachte sein sollte. Nach Aussage des F hatte der Erblasser ursprünglich vor, ihn als Erben einzusetzen. Doch habe der Testator verhindern wollen, daß der Vater des F etwas von der Zuwendung erhält. Schließlich kann ein filius familias kein Eigentum (im Rechtssinne) haben; vielmehr fällt grundsätzlich alles, was er Vgl. auch D 42.5.29, Paul. 5 ad leg. Iul. et Pap.; D 30.122, Paul. 3 reg. Nachweise dazu im nächsten Abschnitt. 105 Kaser, RPR, § 161 IV 1; Biondi, Succ. , S. 109, 289; Johnston, Trusts, S. 167. Da Africans Quaestioneo eine Sammlung von Responsen sind (Schulz, Geschichte der römischen Rechtswissenschaft, S. 291), wird man den Fall für authentisch halten dürfen; s. auch Lenel, SZ 51, 1931, S. 2. 103
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"erwirbt", ins Eigentum des Paterfamilias. Daher ist es nicht einmal gesichert, daß dem Sohn wenigstens die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Erbschaft verbleibt, wenn er als Erbe eingesetzt wirdl06. Um diese Unsicherheit auszuschalten, habe sich der Erblasser des vorliegenden Falles an F mit der Frage gewandt, wie er die genannte Gefahr umgehen solle. Die sich hierfür anbietende rechtliche Möglichkeit, den Erben unter der Bedingung einzusetzen, daß er emanzipiert werde, habe er (F) abgelehnt, weil er den darin enthaltenen Affront gegen seinen Vater vermeiden wollte. Was immer an Konkretem (etwa Mißtrauen oder Familienzwist) hinter dieser Aussage stecken mag; aus der Tatsache, daß F sie zur Erklärung seines Anliegens vorträgt, wird man wohl schließen dürfen, daß eine si emancipatus-Bedingung den Gewalthaber unter einen gewissento? moralischen Druck gesetzt hat, der Bedingung nachzukommen. Immerhin überbürdet sie ihm die Pflicht, dem letzten Willen des Testators zum Erfolg zu verhelfen. Und dieser wiederum kann damit gewissermaßen "Familienpolitik" betreiben -wobei die Publizität des Testamentes diesmal dem Testator zu Hilfe kommt; denn sie erst gibt dem Emanzipationsanliegen den gehörigen Nachdruck. Es sei im Vorbeigehen bemerkt, daß man unter dem Stichwort "Familienpolitik" auch die entgegengestzte Bedingung einzuordnen haben wird, die ebenfalls vorgekommen ist, und von der African im selben Buch berichtet, D 35.1.42. : Filio familias legatum est sub hac condicione ,si in potestate patris mansisset': magis patri legatum videri ait et patrem suo nomine legatum petere. idem iuris esse et si servo similiter legetur ... 108.
Hier stellen African I Iulian darauf ab, was gemeint, aber nur zwischen den Zeilen erkennbar ist: der Vater ist der eigentlich Bedachte, so daß ihm sogar ein eigenes Forderungsrecht, suo nomine, zusteht. Welches Motiv dieser Klausel zugrundeliegt, wird sich kaum mit Sicherheit ergründen lassen. Doch ist auf alle Fälle aufschlußreich, daß Testatoren auf diese Weise in die Familieninterna anderer Familien nicht nur einzugreifen versuchten, sondern dies laut African I Iulian auch durften. Die Klausel ist damit ein weiterer Beleg für die gesellschaftliche Bedeutung des Testamentes; konnte man doch mit seiner Hilfe Einfluß auf die Familien Dritter nehment09. 106 Dieses Fragment ist daher ein eindrucksvoller Beleg für die faktischen Schwierigkeiten, die sich aus der römischen Eigentumsordnung ergeben konnten. 107 Vgl. freilich damit D 38.6.8, Pap. 6 resp.: nec facile pater emancipare filium cogi poterit. to8 Cf. D 39.6.23, Afric., ibid. 109 Hierher zählen auch die unzähligen Bedenkungen unter der Bedingung der Heirat (etwa D 32.14 pr., Gai. 1 fideic.), der Nicht-Heirat, der Scheidung (s.o. D 7.8.8.1) , des Heiratenseiner bestimmten Person (etwa D 35.1.71.1, Pap. 17 quaest.) oder gar des Nicht-Heiratens in einem bestimmten Ort (zu den letzten beiden Varianten cf. D 35.1.64, Ter. Cl. 5 ad leg. Iu!. et Pap).
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In dem Ausgangsfall erklärt F, er habe zur Vermeidung einer solchen Beeinflussung vorgeschlagen, an seiner Stelle seinen Freund A als Erben einzusetzen. Der Testator habe diesem Vorschlag entsprochen und habe, wie African eigens betont und damit das Außergewöhnliche daran hervorhebt, den ihm unbekannten A zum Erben eingesetzt. Die Einsetzung erfolgte, ohne daß eine fideikommissarische Bitte hinzugefügt worden wäre. Nach dem Tode des Testators fragt F Iulian nach der Rechtslage. Denn zwischenzeitlich scheint der testamentarische Erbe A nicht mehr bereit zu sein, sich an das Abkommen zu halten. Zumindest befürchtet F, A werde entweder die Erbschaft gar nicht antreten oder aber, falls er das doch tue, sie nicht aushändigen. F will daher wissen, ob er einen fideikommissarischen Anspruch oder sonst eine Klage gegen A habe und, bejahendenfalls, wem dieser Anspruch zustehe: ihm oder seinem Vater? Die Antwort Iulians hierauf ist zweistufig und stellt ein Musterbeispiel dafür dar, wie er juristische Stringenz mit dem Bestreben, dem Plan des Erblassers gerecht zu werden, in Einklang zu bringen versucht. Auf der ersten Stufe behandelt Iulian, da er nur den Sachvortrag des F kennt, die beweisrechtlichen Probleme. Diese müssen für den Beweisbelasteten wie bei jedem fideicommissum tacitum, einem vornehmlich im Zusammenhang mit den Ieges lulia et Papia erörterten Rechtsinstitut 11ü, naturgemäß gravierend gewesen sein. Dementsprechend fordert Iulian den Nachweis, daß sich der Testator tatsächlich auf das Treuwort des Erben hinsichtlich der Erfüllung der (verschwiegenen) Bitte verlassen hat111. Die (unterstellte: etiamsi ... sit) Offenkundigkeit allein, daß der Erbe sich mit seiner Treue verbürgt habe, genüge dafür nicht. Sofern der Nachweis aber gelinge, könne das Erbschaftsfideikommiß herausverlangt werden. Allerdings teilt die Stelle nicht mit, von wem; doch unterstellt sie wohl den Vater, weil er unter den gegebenen Bedingungen der nicht umgehbare Vermögensträger ist. Diese Konsequenz versucht Iulian auf der zweiten Stufe zu korrigieren, weil sie nicht dem Erblasserwillen entspricht. Die Vorsicht, mit der er seine Lösung vorträgt, non absurde dici possit, belegt den Nachdruck, mit dem er sich (unbeschadet der durch die Rechtsordnung vorgegebenen Hindernisse) um die Verwirklichung des letzten Willens bemüht. Iulian erwägt nämlich als "Anspruchsgrundlage" fürFeine actio mandati, die er in recht kühner Analogie112 aus dem von ihm gebildeten Beispielsfall ableitetm. Der Inhalt des ManHO S. nur Astolfi, Iex, S. 289ff. Das vorliegende stillschweigende Fideikommiß dient nicht der Umgehung der Kaduzitätsgesetze und löst daher keinen lndignitätstatbestand aus; hierzu Müller-Eiselt, Pius, S. 263ff. lll Zum Ausdruck fidem a/icuius sequi Heumann I Seckel s. v. "sequi"(e ); Feenstra, St. Paoli, 1955, S. 278. 112 Im Beispielsfall ändert der Mandatar seinen Status, im Ausgangsfall der Mandant. Zur contraria in factum actio cf. D 17.1.12.6, Ulp. 31 ad ed. Zur Freimütigkeit,
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dats müßte sein, daß A die Verpflichtung übernommen hat 114, die Erbschaft anzunehmen, adire, und sie F auszuhändigen, sobald dieser sui iuris geworden ist. Mit dieser Lösung sind die beiden, von F als möglich vorgetragenen Verhaltensalternativen des A (Nichtantritt oder Nichtherausgabe) abgesichert: F kommt, sofern er nur zu Lebzeiten sui iuris wird, in jedem Fall zu dem ihm zugedachten Nachlaß(wert). Denn die fides der actio mandati ermöglicht es, die Klage des Vaters, sollte er sie anstrengen wollen, abzuweisen. Ihm gebührt nach dem Willen des Erblassers die Erbschaft ja gerade nicht. Die Vorsicht Iulians, mit der er seine Überlegungen vorträgt, resultiert wohl nicht nur daraus, daß F filius familias ist, und daß mit dem Auftrag eine von Rechts wegen eintretende Vermögenszuordnung verhindert werden soll, sondern auch daraus, daß fraglich ist, ob der Auftrag zum Erbschaftsantritt ein rechtsgültiges mandatum ist. Gaius schreibt nämlich anläßlich des möglichen Inhalts von Aufträgen: si tua gratia tibi mandem, supervacuum est mandaturn (3.156). Damit stellt sich die Frage, ob F's sekundäres Interesse an dem primär "in Auftrag gegebenen" Erbschaftsantritt des A ausreicht, um ein Mandat annehmen zu können. Aus einer anderen Stelle Iulians ergeben sich Anhaltspunkte für seine Ansicht zu diesem Problem, D 17.1.32, 3 ad Urs. Fer.: Si hereditatem aliter aditurus non essem quam cautum mihi fuisset damnum praestari et hoc mandatum intercessisset, fore mandati actionem existimo. si quis autem mandaverit alicui, ne legatum a se repellat, longe ei dissimile esse: nam legatum adquisitum numquam illi damno esse potuit: hereditas interdum damnosa est. et in summa quicumque contractus ta/es sunt, quicumque eorum nomine fideiussor obligari posset, et mandati obligationem consistere puto: neque enim multo referre, praesens quis interrogatus fideiubeat an absens vel praesens mandet. praeterea vulgo animadvertere licet mandatu creditorum hereditates suspectas adiri, quos mandati iudicio teneri procul dubio est115,
Neben dem uns vornehmlich interessierenden letzten Satz gewährt dieses Fragment aufschlußreiche Einblicke in mögliche Geschehensabläufe bei der Adition von Erbschaften: Gläubiger drängen den Erben zur Annahme von suspekten Erbschaften; letzterer läßt sich das damit verbundene Risiko abkaufen116; oder ein Legatar wird beauftragt, ein ihm ausgesetztes Vermächtnis mit der Iulian bisweilen Analogieschlüsse zieht, Behrends, Die Fraus Legis, 1982, S. 102, und besonders Bund, Untersuchungen zur Methode lulians, 1965, der unsere Stelle in die Rubrik einordnet: Argumentation mit Fällen ohne überlegene Evidenz, s. 196. 113 Zu der Besonderheit, daß eine actio utilis gewährt wird, Lenel, EP § 108, demzufolge diese Klage nicht im Album proponiert war. 11 4 Zu dieser Bedeutung von recipere Bürge, SZ 104, 1987, S. 529. 115 Watson, Contract of Mandate in Roman Law, 1961 , S. 121. 116 Ein Beispiel für einen Gläubiger, der ein in diesem Fall allerdings nicht materielles Interesse am Erbschaftsantritt der Tochter hat und diese auch in diese Richtung drängt, liefert Plinius' Brief an Calvina; ep. 2.4.
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nicht abzuschlagen. Und im letzten Satz ist die Rede vom Antritt einer suspekten Erbschaft, zu dem "zweifelsfrei" der Auftrag erteilt werden könne. Die Interessenlage ist hier dem Ansinnen des Fan den Freund durchaus vergleichbar117. In beiden Fällen geht es nämlich um die Verwirklichung des sekundären (Eigen-)Interesses; A hat den Nachlaß anschließend an F herauszugeben, und die Gläubiger erhoffen sich eine vergrößerte HaftungsmassellB. Laut Iulian sind Vereinbarungen dieser Art ganz allgemein als Aufträge zu behandeln, mandati obligationem consistere puto. Wenn also lulian in D 28.5.47 überraschenderweise so vorsichtig argumentiert, so könnte das daher rühren, daß die Erbschaft dort als solvent bekannt war und somit dem Empfang eines Vermächtnisses ähnelte. Damit wäre nämlich ein entsprechendes Mandatum nach Aussage der vorliegenden Stelle unwirksam: nam legatum adquisitum numquam illi damnoesse potuit: hereditas interdum damnosa est. Doch indem Iulian in D 28.5.47 die Mandatsklage als Möglichkeit erwägt, kommt es ihm offenbar nicht auf eine Beurteilung des Einzelfalls an, sondern auf eine Typisierung. Da Erbschaften grundsätzlich nachteilig sein können, sind Aufträge zu deren Antritt rechtswirksam. Zu Beginn dieses Abschnitts und anläßtich der Exegese von D 33.1.7119 haben wir bereits festgestellt, daß sich eine testamentarische Planung auch in rechtlich unverbindlichen Äußerungen niederschlagen kann. Im Regelfall wird es sich dann um Empfehlungen handeln, deren Verwirklichungschance allein von der Autorität des Erblassers abhängt. Die beiden nachfolgenden Stellen geben Beispiele für die Grenzziehung zwischen rechtlicher Verbindlichkeit und "bloßer" Empfehlung ab, D 40.5.41.6, Scaev. 4 resp.: Lucius Titius ita testarnento cavit: , rnedicos tibi cornrnendo illurn et illum: in tuo iudicio erit, ut habeas bonos libertos et rnedicos. quod si ego libertatern eis dedissern, veritus surn, quod sorori rneae carissirnae fecerunt rnedici servi eius rnanurnissi ab ea, qui salario expleto reliquerunt earn': quaero, an fideicornrnissa libertas supra scriptis cornpetere potest. respondit secundum ea quae proponerentur non necessitatern heredibus irnpositam, sed arbitriurn permissum 120.
Der Testator Ludus Titius hinterläßt seinem Erben121 mehrere Sklaven, von denen er ihm einige wegen ihrer ärztlichen Fähigkeiten besonders anempfiehlt. Doch beschränkt er sich nicht nur hierauf, sondern fügt noch seine 117 Freilich hat im Falle einer solventen Erbschaft der Erbe den ihm durch das SC Pegasianum gewährten Anspruch auf die falcidische Quart. 11s Hierzu Watson (FN 115). 119 S. oben bei FN 75. 12o Kaser, RPR, § 115 II 3; Voci, DER li, S. 883; Grosso, I legati, S. 117; Visky, IURA 10, 1959, S. 35f. Allgemein zu Ärzten als Freigelassene Waldstein, Operae, s. 279ff., 300ff. 121 Der Plural heredibus der Scaevola-Antwort steht im Kontrast zu dem in tuo iudicio, doch hat dies keinen Einfluß auf den uns interessierenden Teil des Fragmentes.
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Erfahrungen mit der Freilassung von Ärzte-Sklaven an: Seine Schwester habe zu Lebzeiten ihre Ärzte freigelassen, worauf diese nach Ausbezahlung ihres Lohnes122 verschwunden seien. Aus Furcht vor dem gleichen Schicksal habe er, Titius, seine Sklaven nicht freigelassen. Der Erbe habe also zu entscheiden, ob er nicht nur gute Ärzte, sondern auch gute Freigelassene haben wolle123. Der Erblasser legt seine Motive für die Nichtfreilassung dar und will auf diese Weise dem Erben gewissermaßen eine Entscheidungshilfel24 geben. Angesichts dieser klaren Beschränkung verwundert es, daß die Klausel überhaupt Anlaß zu einem Streit geben konnte. Zwar bedeutet commendare eine starke Hervorhebungl25- so sehr sogar, daß der Verfasser der Paulus-Sentenzen eigens betonen muß, daß dieses Wort keinen fideikommissarischen Anspruch zu begründen vermag126; und überdies steht dieses Wort in der Klausel in einem Kontext, der von Freilassungen handelt, doch bezieht sich die Empfehlung grammatikalisch eindeutig'27 auf die Eigenschaft der Sklaven als Ärzte, nicht dagegen auf ihre Freilassung. Dennoch beanspruchen diese Erfüllung der ihrer Meinung nach fideikommissarisch auferlegten Freilassungsverpflichtung12B. Zur Begründung mögen sie sich auf das Beispiel der Schwester berufen haben, in dem die Freilassung auch erfolgt ist; oder aber auf die Tatsache, daß der Erblasser in seinem Testament den Gedanken an die Freilassung überhaupt erwähnt, obwohl dies für die bloße Übertragung der Rechte an den Sklaven von keinerlei Bedeutung ist. Dabei mag der Gedanke an den favor libertatis mitgespielt haben. Doch läßt sich Scaevola hierauf nicht ein. Er stellt klar, daß der Erblasser keine Verpflichtung habe schaffen wollen, sondern die Freilassung allein dem Ermessen des Erben anheimgestellt habe. Damit ist wiederum klargestellt, daß das Testament im Einzelfall mehr sein kann als eine Ansammlung rechtlich verbindlicher Anordnungen. Indem Scaevola der vorliegenden Klausel eine solche Verbindlichkeit abspricht, bewahrt 122 Über die Bedeutung dieser Aussage wird man angesichts der Unentgeltlichkeit der operae, Waldstein, S. 279f., wohl nur spekulieren können. Herrn Dr. Bürge verdanke ich den Hinweis, daß salaria nicht einklagbar waren und gegebenenfalls jährlich bezahlt wurden, D 2.15.8.23, Ulp. 5 de omn. trib.; 44.7.61.1, Scaev. 28 dig. 123 Vgl. damit Ciceros Erfahrung mit der Freilassung seines Arztes Alexio, ep. ad Att. 15.1.1; seine(?) allgemeine Einstellung in ep. 7.2.8. 124 Insoweit ist die Planung des Erblassers nicht auf ein Ergebnis, wie z. B. eine Heirat gerichtet, sondern auf die Vermittlung von Denkalternativen. 12s Cf. VIR, s. v. 1: laudare, significare aliquem ... apud alterum favoris ei petendi vel pretii augendi causa. 126 4.1.6. 127 D .h.: Auch eine veränderte Interpunktion würde das Ergebnis nicht beeinflussen. 12s Zu ihrer diesbezüglichen Streitbefugnis cf. D 40.5.44, Pomp. 7 ad Sab.
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er dem Testator den Freiraum, den ihm der letzte Wille in seiner in Kap. 111 2 dargestellten Idealform als Medium der Selbstdarstellung (und dazu gehört auch die Vermittlung von persönlichen Erfahrungen) gewähren soll. Das zweite Beispiel ist D 34.3.30, Paul. 10 quaest.: Petitor vel possessor damnavit heredem suum, ne centumvirale iudieium exereeat: de effeetu legati quaeritur. et dieturn ita demum utile videri legatum esse, si malam eausam adversarius testatoris habuit, ut litigante herede vinci debuerit: tune enim non tantum litis emolumentum, sed etiam sumptus heres legatario praestare eogitur. nam in bona eausa nihil videtur esse in legato nee propter sumptus, quod quidam existimaverunt 129.
Paulus scheint diesen Fall nicht selbst entschieden zu habenBo. Und obwohl nicht einmal sicher ist, ob es sich bei ihm gar um einen Schulfall 13 1 handelt, soll er deswegen erörtert werden, weil er besonders eindringlich die Grenzziehung zwischen rechtlicher Verbindlichkeit und autoritätsabhängiger Durchsetzungschance aufzeigt. Eine der in einen Erbschafts-m oder Grundstückseigentumsprozeß133 verwickelten Parteien setzt ein Testament auf, in dem sie ihrem Erben aufträgt, den Prozeß nicht fortzuführen. Die naheliegende Frage, warum nicht der Erblasser selbst den Prozeß beendet, wird man vielleicht analog dem nachfolgend zu erörternden Papinian-Fall D 31.77.20 beantworten können, in dem ebenfalls (erst) der Erbe das Streitobjekt herausgeben soll: Es soll wohl gerade dem Erben ein Dankbarkeits-"Anspruch" verschafft werden. Beide Male geht damit der Plan des Erblassers einher, wenigstens posthum den Streit beizulegen. Der von dem Juristen festzustellende effectus dieses Testamentsgebotes, ob nämlich ein Forderungsrecht entstanden ist, bemißt sich nach einer Unterscheidung. Nachdem vorausgesetzt zu sein scheint, daß die Testamentsklausel ein Vermächtnis darstellt134, muß die Zuwendung nämlich grundsätzlichl35 einen Vorteil für den Bedachten beinhalten. Das führt zwangsläufig zu der von Paulus aufgezeigten Differenzierung nach der mala, bzw. bona causa. Darunter wird man wohl nicht die bloße Beurteilung des damals, zu Prozeßbeginn bestehenden guten oder schlechten Grundes zu verstehen haben, da auch Voci, DER II, S. 322; Kaser, RProzR, § 7 I,§ 54 VI. Dies wird man aus der unpersönlichen Präsentation des Falles schließen dürfen: dieturn statt respondi, und existimaverunt. 131 Dagegen spr-icht der Gesamtcharakter des Quaestionenwerks; hierzu Schulz, Geschichte der römischen Rechtswissenschaft, S. 302. Dafür spricht die fehlende Festlegung des Testators. 132 Zur Parteibezeichnung D 5.1.62, Ulp. 39 ad ed. 133 Letzteres nimmt (wohl) Kaser an. 134 Bei der Annahme einer Auflage wäre die Situation nicht wesentlich anders, weil auch bei ihr die Erzwingbarkeit das Entscheidende ist. m S. allerdings D 30.84 pr., Iul. 33 dig., oder D 34.4.3.5, Ulp. 24 ad Sab. 129 130
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der beste Grund bei nachlässiger Prozeßführung zu einem Prozeßverlust führen und sich dadurch in einen Nachteil verwandeln kann. Weil es vielmehr um den Vorteil des Vermächtnisses geht, wird man untercausawohl die Erfolgschancen des Erben zur Zeit der Vermächtnisentstehung zu verstehen haben136. Sind diese Chancen gut, kann die Gegenpartei den letzten Willen durch ihren Anspruch verwirklichen. Sind sie dagegen schlecht, kann sie es nicht, und die Verwirklichung des Erblasserwillens hängt von der auctoritas testatoris ab; das juristische Instrumentarium vermag hier nicht weiterzuhelfen. Eine weitere, durch trübe Erfahrungen zustandegekommene "Lebenssumme" liegt wohl, wie auch schon bei dem Testator, der die Ärzte-Sklaven hinterlassen hat, in der folgenden Testamentsklausel, D 31.77.20, Pap. 8 resp.: ,Dulcissimis fratribus meis, avunculis autem tuis quaecumque mihi supersunt in Pamphylia Lycia vel ubicumque de maternis bonis concedi volo, ne quam cum his controversiam habeas'. omnia corpora maternae hereditatis, quae in eadem causa dominii manserunt, ad voluntatem fideicommissi pertinent: ex isdem igitur facultatibus percepta pecunia et in corpus proprii patrimonii versa, item iure divisionis res propriae factae non praestabuntur, cum discordiis propinquarum sedandis prospexerit, quas materia communionis solet excitare.
Eine Mutterm setzt in ihrem Testament ihr Kind als Erben ein; desgleichen bedenkt sie ihre Brüder mit einem Fideikommiß in einer Weise, die nicht nur ihre Motive offenlegt, sondern auch auf eine bewegte Vorgeschichte schließen läßt. Denn die verklärende Charakterisierung als dulcissimi fratres wird man angesichts der von ihr vorgetragenen - und dann auch tatsächlich realisierten - Befürchtung als bestenfalls formelhaft, wenn nicht gar höchst ironisch zu verstehen haben. Nimmt man den Gegenstand der Bedenkung hinzu, daß nämlich die Brüder alles zugestanden haben sollen, was sich von der mütterlichen Erbschaft noch im Vermögen, bzw. Nachlaß befindet, drängt sich die Annahme auf, daß die Erblasserirr einen nachhaltigen Streit mit ihren Brüdern um die Erbschaft ihrer Mutter geführt hat. Dabei konnte sie, die jetzige Erblasserin, nicht die allein Bedachte und ihre Brüder etwa enterbt gewesen sein; denn Papinian erwähnt in seinem Responsum eine Erbteilung. Der Plan der Erblasserirr ist, ihr erbendes Kind vor diesem Streit zu verschonen. Vergeblich: Denn die avunculi beanspruchen mehr als das ihnen Konzedierte. Zur Begründung werden sie sich auf den weiten Wortlaut der 136 Im geltenden Prozeßrecht entspräche dem die vom Richter vorzunehmende Prüfung der Erfolgschancen, wenn der Prozeß durch beiderseitige Erledigungserklärungen beendet wurde und nunmehr allein über die Prozeßkosten entschieden werden muß. Zu den römischen Prozeßkosten vgl. Kaser, § 54 VI. t37 Avunculus ist der Onkel mütterlicherseits, also der frater meus der Bruder der Erblasserin. Watsons Übersetzung ist daher zu korrigieren: Er schreibt nämlich "since he intended". Es muß heißen: "since she intended".
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Klausel berufen haben: quaecumque, ubicumque. Aus Papinians Antwort läßt sich erschließen, was sie anscheinend zusätzlich haben wollten: Folgevorteile aus der Verwendung des (seinerzeit von der Mutter) ererbten Geldes, das beispielsweise zur Verbesserung oder Reparatur von Eigengut hergenommen worden ist; aber auch Nachlaßgegenstände, die im Wege der Auseinandersetzung der (mütterlichen) Erbschaft der Schwester (und jetzigen Erblasserin) zugeteilt worden waren. Papinian verweigert ihnen diese Ansprüche mit der Begründung, daß sich der Umfang des Fideikommisses, voluntas fideicommissi, allein auf diejenigen Gegenstände beziehe, deren Eigentumslage, causa dominii, sich nicht verändert habe. Folglich (igitur) scheidet ein Anspruch auf die Surrogate des mütterlichen Geldes aus. Daß damit allerdings ebenso (item) der Anspruch auf die durch die Auseinandersetzung in das Alleineigentum der Schwester übergegangenen Gegenstände ausgeschlossen sein soll, ist nicht ohne weiteres einsichtig. Denn wenn zwischen den Geschwistern eine Erbengemeinschaft nach dem Tod ihrer Mutter bestanden hat, und diese Gemeinschaft zu einer Teilung geführt hat, d. h. also: aufgelöst worden ist, dann müssen alle Nachlaßgegenstände davon betroffen gewesen seinl38. Die Konsequenz dessen wäre freilich, daß die Onkel einen Anspruch auf keinen einzigen Nachlaßgegenstand der Schwester hätten. Wenn man Papinian solch eine, die Ironie der Erblasserio nicht nur fortsetzende, sondern auch noch auf die Spitze treibende Antwort nicht unterstellen will, sondern in ihr eine reale Grundlage annimmt - immerhin ist es der erklärte Wille der Erblasserin, ihren Brüdern etwas zu hinterlassen -, so wird man das wohl nur mit einer weiteren Unterstellung tun können: Daß nämlich die seinerzeitige Erbteilung nicht durch einen Richter, d. h. streitigi39, vorgenommen worden ist, sondern einverständlich, und daß dabei einige Dinge im gemeinschaftlichen Eigentum belassen worden sind - wie etwa die in Pamphylia und Lykien gelegenen Güter. Um diese scheint sich dann im Laufe der Zeit zwischen den Geschwistern der Streit entbrannt zu haben, den die Erblasserin nach der Interpretation Papinians mit der vorliegenden Testamentsklausel beilegen wollte1 4D. Denn Papinian begründet die Reduzierungt4J des fideikommissarischen Anspruchs damit, daß die Erblasserio die Notwendigkeit einer Streitschlichtung vorhergesehen hat, weil unter Verwandten typischerweise (solet) um Gegenstände gestritten wird, die im gemeinschaftlichen Eigentum 138 Cf. D 10.2.25.20, Paul. 23 ad ed: Iudex familiae erciscundae nihil debet indivisum relinquere. Vgl. Voci, DER I, S. 680. 139 In diesem Fall wäre alles aufgelöst worden, s. vorige FN. 140 S. auch Accursius in der GI. ord. 141 Der Standpunkt der Brüder wird deutlich, wenn man sich vorstellt, daß der verstorbenen Schwester bei der damaligen Aufteilung etwa wertvoller mütterlicher Schmuck zugeteilt worden war. Auch er ist vom Wortlaut der Klausel erfaßt und auch um ihn gibt es Streit.
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VII. Weitere Testamentsklauseln
stehen. Damit knüpft Papinian an das an, was die Erblasserirr geplant hat. Sein Bemühen um dessen Verwirklichung wird man wohl aus dem tadelnden Unterton heraushören dürfen. Indem er nämlich den Umfang des Anspruchs auf die typischen Streitobjekte begrenzt, schreibt er den Onkeln gewissermaßen vor, worum sie sich "vernünftigerweise" streiten dürfen. Für die ideelle Bedeutung des Testamentes ist aufschlußreich, daß sich die Erblasserirr an die Form hält, indem sie ihre Brüder überhaupt (und nicht etwa Dritte) bedenkt. Dies ist wohl auch der Versuch, wenigstens posthum den Streit beizulegen und das Kind davon profitieren zu lassen. In demselben Fragment findet sich eine weitere Testamentsklausel, in der eine Lebenserfahrung weitergereicht wird, D 31.77.24.: ,Mando filiae meae pro salute sollicitus ipsius, ut, quoad Iiberos tollat, testamenturn non faciat: ita enim poterit sine periculo vivere'. fideicommissariam hereditatem sorori coheredi non videri relictam apparuit, quod non de pecunia sua testari, sed optentu consilii derogare iuri testamenturn fieri prohibendo voluit 142.
Ein Erblasserl43 hinterläßt zwei Töchter als Erben, von denen er einer aufträgt (mandare) kein Testament aufzusetzenl44, quoad Iiberos tollat. Da die andere Schwester hierauf ihren (vermeintlichen) fideikommissarischen Anspruch stützt, und da die Bedeutung der Klausel nicht eindeutig ist, ist sie vorab zu übersetzen, um Klarheit über den Sachverhalt zu gewinnen. Es scheint allgemeine Meinung zu seinl45, daß die Klausel lautet: "bis sie Kinder hat" . Unter diesen Umständen hat die angesprochene Tochter kein Kind. Während sie dann, wenn die Bedeutung der Klausel ist: "solange sie Kinder aufzieht"146, wenigstens ein minderjähriges Kind hat. Je nachdem ist der Plan des Vater ein anderer: Im letzteren Fall sieht er die Gefahr in heranwachsenden Kindern gegenüber einem Testament, im ersteren sieht er sie in Fremden. Wenngleich sich auch hier die Gefahr nicht leicht vorstellen läßt, ist dies dort noch schwieriger. Denn die Furcht vor heranwachsenden Kindern, die an das faktische Geschehen im Umkreis des Senatus consultum Macedonianum147 erinnert, wird durch die Existenz eines Testamentes als solchem nicht verringert. Demgegenüber mögen die Fremden captatores oder einfach 142 Biondi, Succ., S. 484, Johnston, Trusts, S. 176f. 143 Daß es sich hier um eine Testamentsklausel handelt, läßt sich freilich nur mittel-
bar erschließen. Einmal aufgrund des systematischen Zusammenhangs, der auf Fideikommisse verweist. Und zum zweiten daraus, daß der Erblasser seine Tochter nicht direkt anspricht (dies wäre etwa in einem persönlichen Schreiben zu erwarten), sondern in der 3. Person: non faciat. 144 Zur Testierfähigkeit der Frauen allgemein Voci, DER I, S. 393f. 145 Cf. Accursius in GI. ord.; Heumann I Seckel, s. v. "tollere" 5; VIR ibid. li; Watson in der von ihm besorgten Übersetzung; Johnston, ebda. 146 Zu tollere als erziehen, aufziehen Lewis I Short, A Latin Dictionary s. v. I 2. 147 Zu diesem SC Daube, SZ 65, 1947, S. 308ff.
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nur Schmeichler sein, die von ihrem Treiben ablassen, sobald oder sofern ein Kind und damit ein natur-gegebener Erbe vorhanden ist. Folglich liegt es näher, mit der allgemeinen Meinung anzunehmen, daß die Tochter kein Kind hat. Worauf auch immer der Erblasser seine Ängste gestützt haben mag, und unabhängig auch davon, welche Bedeutung er der Klausel zugrunde gelegt hat: Für uns ist sie aufschlußreich, weil hier erneut ein Testator das Testament als ein Medium zur Vermittlung seiner Lebenserfahrungen für die kommende Generation benutzt. In diesem rechtlich unverbindlichen Sinne versteht auch Papinian die Klausel, während die miterbende Schwester in dem väterlichen "Mandat" ein ihr ausgesetztes Fideikommiß erblickt. Nun kann im Einzelfall ein Testierverbot tatsächlich einmal eine entsprechende Zuwendung implizieren; das ergibt sich aus einer Entscheidung eines Princeps wohl aus dieser Zeit, D 36.1.76 pr., Paul. 2 decr.: Qui filium et filiam habebat, testamenturn fecit et ita de filia sua caverat: 'evr:O..).opa[ am 11~ Ötar:We~m, lrQiv r:ixva aot yeve~m' pronuntiavit imperator fideicommissum ex hac scriptura deberi, quasi per hoc, quod prohibuisset eam testari, petisset, ut fratrem suum heredem faceret: sie enim accipiendam eam scripturam, ac si hereditatem suam rogasset eam restituere148.
Die fehlende Konkretisierung des Imperators läßt darauf schließen, daß es sich um einen der Zeitgenossen des Paulus handelt; um einen der Severer149 also. Dieser sah in dem Testierverbot zugleich das Gebot an die Tochter, im Falle ihrer Kinderlosigkeit das vom Vater Ererbte dem Bruder fideikommissarisch zu hinterlassen. Doch liegt die Unvergleichbarkeit dieser Klausel mit der des Papinian-Falles auf der Hand. Denn die jeweiligen Formulierungen weisen auf unterschiedliche Zielrichtungen hin. Der Testator des "Imperator-Falles" hat die Tochter offensichtlich unter der Voraussetzung bedacht, daß sie das Patrimonium auf künftige (Familien-)Generationen überträgt; nachdem sie diese nicht hervorgebracht hat, liegt die Annahme eines Fideikommisses zugunsten der noch lebenden Familie (hier: des Bruders) recht nahe. Die Annahme deckt sich mit der oben (Kap. III 4 a) beschriebenen, allgemeinen Vaterspflicht, den Vermögensstamm der Familie zu erhalten. Der Testator des "Papinian-Falles" dagegen erklärt ausdrücklich, daß es ihm um das Wohlergehen seiner Tochter gehe: pro salute sollicitus ips'ius. Allein schon dies hebt die Vergleichbarkeit der Fälle auf. Darüber hinaus 148 Sanfilippo, Pauli Decretorum libri tres, 1938, S. 84ff.; Voci, DER II, S. 921; Biondi, Succ., S.484; Wieling, Testamentsauslegung, S.179f. ; Woeß, Erbrecht , S.102; Johnston, Trusts, S.177ff. 149 Wieling, S. 180, spricht denn auch von dem "Kaiser Severus" . Gualandi schreibt die Konstitution Sept. Severus zu, Legislazione imperiale e giurisprudenza, 1963, S. 172, während Sanfilippo, S. 85 FN 1, diese Frage offen läßt.
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macht die zusätzliche Betonung des Vaters, worin seine Sorge begründet istnämlich in der (Lebens-)Gefahr testierender Kinderloser-, vollends klar, daß es ihm nicht um ein Vermögensinteresse geht. Papinian lehnt daher das Begehren der Schwester ab. Dabei geht er jedoch nicht soweit, daß er der Klausel jeden rechtlichen erfaßbaren Inhalt abspricht und sie im nicht-juristischen Bereich ansiedelt. Vielmehr hält er den Ratschlag nur für einen Vorwand, der ein ausdrückliches Testierverbot kaschieren soll. Weil das aber unwirksam isttso, läuft Papinians Lösung auf dasselbe hinaus: Die Tochter hätte (oder hat) trotzihrer Kinderlosigkeit ein Testament errichten dürfen. D 28.5.93, Paul. 2 decr.: Pactumeius Androsthenes Pactumeiam Magnamfiliam Pactumeii Magni ex asse heredem instituerat, eique patrem eius substituerat. Pactumeio Magno occiso151 et rumore perlato, quasi filia quoque eius mortua, mutavit testamentum Noviumque Rufum heredem instituit hac praefatione: ,quia heredes, quos volui habere mihi contingere non potui, Novius Rufus heres esto'. Pactumeia Magna supplicavit imperatores nostros et cognitione suscepta, licet modus institutioni contineretur, quia152 falsus non solet abesse, tarnen ex voluntate testantis putavit imperator ei subveniendum, igitur pronuntiavit hereditatem ad Magnam pertinere, sed legata ex posteriore testamento eam praestare debere, proinde atque si in posterioribus tabulis ipsa fuisset heres scripta153.
Die Einordnung dieses Fragmentes in den vorliegenden Kontext rechtfertigt sich daraus, daß es in einzigartiger Deutlichkeit die Motive einer Erbeinsetzung offenlegt. Der Plan geht nicht über die Bedenkung hinaus, sondern fällt mit ihr zusammen. Der Testator setzt Pactumeia Magna als alleinige Erbin ein und substituiert ihr ihren Vater. Nach dessen Ermordungts4 gelangt ein Gerücht zu Androsthenes, demzufolge auch die Tochter (und Alleinerbin) umgekommen sei. Daraufhin verfaßt er nunmehr ein neues Testament, in dem er Novius Rufustss mit folgendem Vorspann als Alleinerben bedenkt: "Da ich diejenigen nicht als Erben haben kann, die ich ursprünglich wollte, soll Novius Rufus mein Erbe sein". Androsthenes verstirbt, noch bevor der Irrtum aufgeklärt wird, so daß 150 Wieling, a.a.O. Zur Testierfreiheit cf. D 30.114.6, Marcian 8 inst.; D 36.1.18 pr., Ulp. 2 de fideic.; Kübler, SZ 29, 1908, S. 184ff.; Voci, DER I, S. 473ff., insbes. 476. 1s1 Cf. SHA Commod. 7.6. Zur Person Stein, Der Römische Ritterstand, 1927, S. 243f.; sowie ders. RE XVIII 2, Sp. 2155f. 152 Cuiaz: qui. 153 Sanfilippo, S. 67ff.; Wieling, Testamentsauslegung, S. 189f.; Voci, DER II, S. 861f.; Kaser, RProzR, § 67 II; ders., RPR, §58 II 3, § 160 I, § 162 II 1; Biondi., Succ., S. 30, 197, 515; Grosso, I legati, S. 379; Schulz, Ged.-Schr. Seckel, Neudr. 1979, S. 96ff. (dort eine Parallelisierung mit C 3.28.3 (a. 197)). Zu demselben Problemkreis eines Motivirrtums im jüdischen Recht Yaron, Gifts in Contemplation of Death, Oxford 1960, S. 221 ff. 154 In der vita Commodi wird der Mord dem Commodus zugeschrieben. 155 Vgl. die auf unserer Stelle beruhenden Vermutungen zu seiner Person bei Stein, RE XVII.1, Sp. 1220.
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sich Pactumeia an das Kaisergericht wendet, um doch noch die Erbschaft zu erhalten. Der (leicht spitzen (dazu alsbald)) Darstellung des Paulus zufolge "glaubte der Imperator", dem Erblasserwillen - und damit der Bittstellerio müsse unbeschadet dogmatischer Bedenken geholfen werden. Er erläßt daher ein Urteil zu ihren Gunsten, wobei er zugleich die Vermächtnisse des zweiten Testamentes aufrecht erhält. Bei dieser Entscheidung handelt es sich wohl um eine nicht verallgemeinerungsfähige, allein dem konkreten Fall gerecht werdende Korrektur des rigiden Rechts. Vielleicht spielten politische Erwägungen eine Rolle: Schulz zieht in Erwägungi56, daß Novius Rufus identisch ist mit demjenigen, von dem die Vita Septimii Severi berichteti57, er sei von diesem Princeps hingerichtet worden. Darüber hinaus (oder statt dessen) könnte man auch an eine Geste imperialer Wiedergutmachung denken, mit der Septimius Pactumeia vor einem zusätzlichen Schaden neben dem Verlust des Vaters bewahren wollte. Allein schon diese faktischen Besonderheiten verbieten es, Septimius' Dekret allzu sehr mit einer anderen, von Hadrian erlassenen Entscheidung zu parallelisieren, die in diesem Zusammenhang öfter genannt wird, D 5.2.28, Paul. lib.sing.de sept.iud.: Cum mater militem filium fa/so audisset decessisse et testamento heredes alios instituisset, divus Hadrianus decrevit hereditatem ad filium pertinere ita, ut libertates et legata praestentur. hic illud adnotatum quod de libertatibus et legatis adicitur: nam cum inofficiosum testamenturn arguitur, nihil ex eo testamento valet15B.
Auch hier wird aufgrund eines Irrtums über die tatsächliche Lagel59 der eigentlich gewollte Erbe nicht bedacht. Doch handelt es sich im hadrianischen Fall nicht nur um eine Mutter-Sohn-Beziehung 160, die wegen des zu dieser Zeit noch nicht erlassenen Senatus consultum Orfitianumi6I nur "unorthodox" gerettet werden konnte. Vielmehr wird von dem Sohn noch zusätzlich mitgeteilt, daß er ein Soldat gewesen isti62. Wenn das kein überflüssiges Beiwerk, sondern ein entscheidungserheblicher Umstand sein sollte 163, könnte als EntS.99. SHA 13.7. 158 Schulz, S. 93ff.; Wieling, Testamentauslegung, S. 146; Nörr, Rechtskritik in der römischen Antike, 1974, S. 115; Voci, DER li, S. 861; Biondi, Succ., S. 515. Cf. D 5.2.27.4, Ulp. 6 opin. 159 S. auch noch D 28.2.25 pr., Paul. 12 resp.; 29.1.36.2, Pap. 6 resp.; C 6.21.10 pr. (a. 246); dazu Yaron, S. 225f. 160 Eine solche liegt auch in D 5.2.27.4, Ulp. 6 opin., vor. 161 Erst durch dieses Senatus consultum erben die Kinder vor allen Agnaten, wenn ihre Mutter ohne Testament verstirbt; s. nur Meinhart, Die Senatusconsulta Tertullianum und Orfitianum in ihrer Bedeutung für das klassische römische Erbrecht, 1967, s. 139ff., 297ff. 162 Vgl. auch den Fall in Cic. de orat. 1.38.175, 57.245. 163 A. A. Schulz, S. 96. 156 157
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Scheidungsgrundlage eine Rolle gespielt haben, daß der Sohn rei publicae causaabwesend wart64. So wie dieser Umstand eine in integrum restitutio prozessual zu rechtfertigen vermagt65, könnte der gleiche Gerechtigkeitsgehalt für die Wirksamkeit des ursprünglich geplanten, dann aber aufgegebenen Testamentes sprechent66. Während sich also Hadrian bei seiner Entscheidung zumindest an einem anerkannten Rechtsinstitut orientieren konnte, ist das Septimius Severus im Falle der Pactumeia Magna nicht mehr möglich. Das heißt freilich nicht, daß seine Entscheidung willkürlich wäre. Vielmehr richtet sie sich gerade in recht rigoroser Manier an dem letzten Willen des Androsthenes aus, wie er in dem der Erbeinsetzung beigefügten Vorspann zum Ausdruck kommt. Demzufolge stellt die Erbeinsetzung Rufus' lediglich eine Notlösung dar; der eigentliche Wunsch war die Einsetzung der Pactumeia. Das für den heutigen Betrachter Befremdliche an dieser Klarstellung schwindet, wenn man sich die Publizität des Testaments, die ihm nach dem Tod des Testators zuteil wird, erneut vor Augen führt. Unter solchen Bedingungen erscheint der Vorspann der Klausel wie eine Rechtfertigung, die das Charakterbild des Androsthenes nicht gefährden soll. Daher wird man unterstellen können, daß- entgegen Voci, und mit Stein und Wielingt67- der Testator ein Freigelassener war, und zwar der Pactumeia. Denn ihre Einsetzung als Alleinerbin bedeutete den stärksten Ausdruck der Verbundenheit des Androsthenes mit seiner patrona, und damit zugleich die postmortal fortwirkende Dokumentation der in dieser Beziehung geschuldeten Dankbarkeit. Das Bemerkenswerte an dieser Entscheidung ist, wie sie sich über die dogmatischen Bedenken hinwegsetzt. Paulus faßt sie in dem licet-Satz dergestalt zusammen, daß normalerweise (solet) ein der Einsetzung ausdrücklich beigefügter Beweggrund unbeachtlich ist, auch wenn er falsch sein sollte. Angesichts der zuvor genannten Hadrian-Entscheidung16B erscheinen diese Bedenken allerdings strikter formuliert als sie in Wirklichkeit waren. Vielleicht darf man aus dieser Formulierung und dem putavit imperator schließen, daß Paulus an der Entscheidung beteiligt war und überstimmt worden ist; zumindest die Cf. D 4.6.7, Ulp. 12 ad ed.; Fr. Vat. 222. Zur Übernahme dieses Rechtsinstituts in das Kognitionsverfahren Kaser, RProzR, § 73 V. 166 Es braucht nicht gegen diese Überlegung zu sprechen, daß Cicero (FN 162) in seinem Beispielsfall, in dem der Sohn ebenfalls Soldat ist, hierauf nicht eingeht. Denn in 1.245 will der vortragende Antonius gerade belegen, daß der Rhetor keine juristischen Spezialkenntnisse benötigt, und in I.175 wird im wesentlichen nur der Sachverhalt und seine rechtliche Kernfrage: die Möglichkeit einer Erbeinsetzung e silentio dargestellt. 167 Nach Wieling ist er ein Freigelassener des Hauses (so auch Stein, RE, Sp. 2156), nach Voci ein Onkel der Pactumeia. 168 Auch sie wird in einem Werk des Paulus mitgeteilt. 164
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Beteiligung ist sehr wohl möglich, da er offensichtlich zusammen mit Papinian dem kaiserlichen Consilium angehörtei69. Darüber hinaus ist die Entscheidung auch insoweit erstaunlich, als sie die Erbeinsetzung der Pactumeia in dem ersten Testament in das zweite hineinprojiziert, um dieses als Grundlage der Vermächtnisse aufrechterhalten zu können. Denn hinsichtlich dieser wendet Septimius die Grundregel an, nach der der letzte Wille, und nicht der vorletzte, der ausschlaggebende ist170. Damit kommt dieser Entscheidung des Septimius trotz ihrer Singularität eine exemplarische Bedeutung für den vorliegenden Sachzusammenhang zu, da sie den eigentlichen Willen des Testators in das Zentrum ihrer Begründung rückt. D 36.1.23 pr.; Ulp. 5 disp.: Mulier, quae duobus filiis in potestate patris relictis alii nupserat, posteriorem mariturn heredem instituit eumque rogavit liberis suis post martern patris eorum hereditatem suam restituere vel ei qui eorum superesset: eisdem emancipatis a patre suo vitricus restituisse hereditatem dicebatur, mox alter ex filiis vivo patre decessisse: quaerebatur, an is, qui supererat ex filiis, partem fratri suo restitutam petere possit quasi praemature datam. Scaevola divum Marcum in auditorio de huiusmodi specie iudicasse refert: Brasidas quidam Lacedaemonius vir praetorius, cum filiis suis ab uxore divortio separata, si morte patris sui iuris fuissent effecti, fideicommissum relictum esset, eos emancipaverat: post emancipationem fideicommissum petebant. decrevisse igitur divum Marcum refert fideicommissum eis repraestandum intellecta matris voluntate, quae quia non crediderat patrem eos emancipaturum, distulerat in martern eius fideicommissum, non dilatura id in mortalitatem, si eum emancipaturum sperasset. secundum haec dicebam et in proposita quaestione decretum divi Marci esse trahendum et recte fideicommissum utrisque solutuml71 .
Die beiden in diesem Fragment behandelten Testamentsklauseln verbindet ein jeweils gleich lautender Plan, der uns (sozialgeschichtlich gesehen) in den bisweilen172 emotionsgeladenen Bereich der Scheidungsfolgen führt. Dabei legt der in beiden Fällen deutlich zum Ausdruck kommende Wunsch, das eigene Vermögen strikt vom Einflußbereich des früheren Gatten fernzuhalten, es aber gleichwohl den gemeinsamen Kindern zukommen zu lassen, die Vermutung nahe, daß hier Affekte im Spiel sind, die in einem deutlichen Gegensatz zu vielen Abhandlungen über "die römische Scheidung" stehen, in denen vornehmlich das Politische und damit das nüchtern-kühl Kalkulierende dieser Trennungen erwähnt wird173. Kunkel, Herkunft, S. 244, insbes. FN 503. no S. ausdrücklich in D 37.11.1.1, Ulp. 39 ad ed. 171 Voci, DER II, S. 903; Wieling, Testamentsauslegung, S. 147f. S. auch die weiteren Ulpian-Fragmente D 36.2.15, 5 disput. und D 32.11.11, 2 fideic., sowie- zum gesellschaftlichen Kontext- Veyne, in: Aries I Duby (Hg.) , A History of Private Life I, 1987, S. 150. m Cf. D 48.19.39, Tryph. 10 disp. 173 S. etwa Gardner, Women in Roman Law and Society, S. 81ff.; Cantarella, Pandora's Daughters, 1987, S. 136f. S. auch Dixon in: Rawson (Hg.), The Family in Ancient Rome, London 1986, S. lllff. Andeutungen zu den möglichen psychologi169
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VII. Weitere Testamentsklauseln
In dem Fall, über den das Kaiserkollegium des Mare Aurel zu entscheiden hatte, hatte die geschiedene Ehefrau eines Spartaners namens Brasidas174 den gemeinsamen Kindern fideikommissarisch etwas hinterlassen; es sollte erst ausgehändigt werden, wenn die Kinder durch den Tod des Vaters sui iuris geworden seien. Doch nach dem Tod der Mutter emanzipiert der Vater die Kinder, die daraufhin das Fideikommiß mit der Begründung einfordern, sie seien nunmehr sui iuris.
Die Entscheidung über den Anspruch hängt von der Einschätzung dessen ab, ob die Betonung in der Bedingung auf dem Tod des geschiedenen Vaters liegt oder auf dem Erreichen der Gewaltfreiheit der Kinder. Die Handhabe dazu bietet der letztwillige Plan, der angesichts der vorangegangenen Scheidung offensichtlich ist: Die Mutter wollte verhindern, daß ihre Güter je dem Vermögen ihres geschiedenen Mannes einverleibt werdenm, und hat dabei -aus welchen Gründen (oder Unterstellungen) auch immer- an die Möglichkeit einer Emanzipation nicht gedacht. Demgemäß sieht Mare Aurel das Erreichen der Gewaltfreiheit als das entscheidende Moment und billigt infolgedessen den Kindern bereits zu Lebzeiten des Vaters den Anspruch auf das Fideikomiß zu. Die Scheidung der Eltern spiegelt sich damit in der Auslegung des Testamentes dergestalt wider, daß der Wortlaut der Klausel korrigiert wird176. Den zweiten Fall hatte Ulpian wohl selbst, dicebam177, zu entscheiden. Er unterscheidet sich nach Maßgabe der mitgeteilten Fakten nur geringfügig von dem des Brasidas: Nämlich darin, daß die Mutter wieder geheiratet und ihren neuen Mann, den Stiefvater der Kinder, als Fideikommittenten eingesetzt hat; sowie darin, daß sie der im übrigen ganz entsprechenden Klausel angefügt hat: vel ei qui eorum (sei!: filiorum) superesset. Letzteres verstärkt den Eindruck, daß die Testatorin tatsächlich den Tod des früheren Gatten als ausschließlichen dies cedens verstanden hatte. Denn das Wort superesse bedeutet zumindest auch "überleben"178, in diesem Fall also den Vater. Auf dieses Argument wird sich das überlebende der beiden Kinder berufen haben, als er, offenbar nach dem Tod auch seines Vaters, vom Stiefvater das ganze Fideikommiß verlangte, weil die Aushändigung nach der Emanzipation verfrüht erfolgt sei. Dennoch entscheidet Ulpian in Parallele zu dem Brasidas-Fall, daß der Stiefvater rechtens gehandelt habe, als er das Fideikommiß schon nach Eintritt der Gewaltfreiheit beiden Brüdern erfüllt hat. Dabei könnte ihm als sehen Problemen, die die freie Scheidbarkeil im römischen Recht für Frauen mit sich brachte, etwa bei Rawson, ebda, S. 35f. 174 Zu ihm Groag, PIR II, S. 185. 11s Vgl. damit etwa Pap. Oxy. VI.968. 176 S. auch die Nachweise bei Wieling, S. 192, 128f. 177 Vgl. Schulz, Geschichte der römischen Rechtswissenschaft, S. 306 FN 1. 11s Heumann I Seckel, s. v. Nr.2.
2. Denkmals-Klausel
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Argument gegen die Ansicht des Sohnes die Sachverhaltsbesonderheit gedient haben, daß die Mutter wiederverheiratet war und ihren neuen Ehemann als "Vorerben" bedacht hat. Wenn er nämlich die Erbschaft nur bis zu dem ohnehin ungewissen Zeitpunkt des Vatertodes erhalten hat, ist diese Vermögenszuordnung evidentermaßen als nur vorübergehend gedacht, so daß hieraus auf die stärkere Betonung des Erreichens der Gewaltfreiheit geschlossen werden kann. Auch Ulpian legt also dem letzten Willen ein solches Gewicht bei, daß er den Wortlaut der Klausel korrigieren kann. 2. Denkmals-Klausel
Im vorigen Abschnitt hatten wir bereitsanläßlich der Exegese von D 33.1.7 die Bedeutsamkeitl79 derjenigen Testamentsklauseln hervorgehoben, in denen dem Bedachten aufgetragen wird, dem Erblasser ein Denkmal zu errichten, sei es in Gestalt eines Grabmonuments, einer Statue oder einer Inschrift. In ihnen steigert sich gewissermaßen die Idee einer postmortalen Persönlichkeit: Der Erblasser begnügt sich nicht nur mit der Abfassung des Unsterblichkeitsmales "Testament", sondern er benützt es darüber hinaus, ein weiteres und dauerhafteres Monument seiner selbst zu erhalten. Von ihm erhofft er sich, daß es die Erinnerung der Überlebenden an ihn bewahre. D 28.5.45(44), Alf. 5 dig.: Paterfamilias testamento duos heredes instituerat: eos monumentum facere iusserat in diebus certis: deinde ita scripserat: ,qui eorum non ita fecerit, omnes exheredes sunto': alter heres hereditatem praetermiserat, reliquus heres consu/ebat, cum ipse monurnenturn exstruxisset, numquid minus heres esset ob eam rem, quod coheres eius hereditatem non adisset. respondit neminem ex alterius facto hereditati neque a/ligari neque exheredari posse, sed uti quisque condicionem implesset, quamvis nemo adisset praeterea, tarnen eum heredem essei80.
Die Rekonstruktion des Sachverhaltes bereitet Schwierigkeiten: Der Erblasser setzt zwei extranei181 unter der Bedingung zu Erben ein, daß sie 182 ihm binnen einer bestimmten Frist ein monumentum, ein Grab- oder Denkma}l83, 179 S. zusätzlich zu den Nachweisen oben Kap. li 2 c Düll, Studien zum römischen Sakralrecht 2, Atti Congr.int. Verona 3, 1951, S. 168f.; Kaser, SZ 95, 1978, S. 23 FN 31 ; G. Klingenberg, RAC XII s. v. "Grabrecht", S. 598f. 180 Pernice, Labeo III 1, 1892, S. 43f.; Scialoja, Diritto Ereditario Romano, Rom 1914, S. 41; Woeß, Erbrecht, S. 157; Watson, IJ III, S. 377ff.; ders., Succession, S. 112f.; Voci, DER li, S. 621; Kaser, RPR, § 162 III . 181 Dies wird man aus den Begriffen hereditatem praetermittere und adire schließen dürfen; sie sind so sehr auf den Erbschaftsantritt eines heres extraneus bezogen, daß Alfen schwerlich mit ihnen das ius abstinendi eines heres suus umschreiben wollte. Die ausdrückliche "Exheredation" ist demgegenüber laienhafte Diktion, die den Ausfall der Bedingung umschreibt. 1s2 Cf. D 35.1.112 pr., Pomp. 12 epist. et var. lect. 183 Cf. D 11.7.2.6, Ulp. 25 ad ed.; D 11.7.42, Flor. 7 inst.
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VII. Weitere Testamentsklauseln
errichteniB4. Die weitere zeitliche Abfolge ist unklar; der heres alter unterläßt die Adition, und der heres consulens baut das Monument. Daraufhin fragt er den Juristen, ob er die Erbschaft trotzdem erhalte. Der bejaht, und zwar mit folgender Begründung: Die den Erben auferlegte Pflicht sei als aufschiebende Bedingung für die Erbeinsetzung zu verstehen; und sie sei jedem Erben gesondert auferlegt. Denn niemand könne durch das Tun eines anderen enterbt werdenlss. Diese Aussage ist zweifelsfrei zu allgemein geraten; denn wenigstens im Hinblick auf Substitutionen ist der Begründungssatz unzutreffend186. Er dient dem Juristen aber dazu, sich über die testamentarische Anordnung ,omnes exheredes sunto' hinwegzusetzen. Die verpflichtende Klausel verlangte offenbar von den Erben ein gemeinsames Vorgehen. Denn es sollte nur ein Monument errichtet werdeni87. Wie konnte dann aber der heres alter die Erbschaft ausschlagen, bevor der Zeitpunkt des Bedingungseintritts gekommen war, d. h. vor der Fertigstellung des Monumentes 188? Vermutlich war es so, daß alter heres von vornherein seine Mitwirkung am Monumentsbau verweigert und damit seine ablehnende Haltung gegenüber der Adition unmißverständlich klar gemacht hat. Wie auch immer der konkrete Ablauf gewesen sein mag: Sicher ist, daß auch in diesem Fall wieder die testamentarische Bedenkung an der verweigerten Mitwirkung einer anderen Person zu scheitern drohte. Im Einklang mit unserem bisher erzieltem Ergebnis entscheidet (bereits) Servius, daß die aufgrund subjektiver Umstände eintretende Unmöglichkeit189 die Zuwendung nicht vereitelt. Und das, obwohl sich aus dem Klausel-Wortlaut des vorliegenden Falles besonders deutlich die Vorstellung ergibt, wenn nicht gar die Absicht des Erblassers, daß beide Erbprätendenten gemeinsam zu handeln haben. Denn die "Exheredation" aller, omnes exheredes sunto, ist als Sanktion für das Unterlassen (des Baus) auch nur eines der beiden Erben vorgeschrieben, qui non fecerit. Über diese Formulierung setzt sich Servius, wie schon erwähnt, hinweg und bezeichnet die Bedingung als jedem der beiden Erben gesondert auferlegt.
184 Zur Üblichkeit der Verbindung von Erbe und Pflicht zum Monumentsbau Salier I Shaw, JRS 74, 1984, S. 126f. 185 Cf. D 10.2.44.8, Paul. 6 ad Sab. Zur Formulierung hereditati neque alligari neque exheredari Solazzi, Iura 3, 1952, S. 26, und Watson, S. 378. 186 Vgl. Watson, S. 383. 187 Cf. D 35.2.80.1, Gai. 3 de leg. ad ed. praet. 188 Zum Verhältnis von Bedingungseintritt zur aditio D 28.7.13, Iul. 30 dig.; D 12.4.1.1, Ulp. 26 ad ed.; dazu Fadda, Diritto Ereditario Rarnano II, 1902, S. 62f. ebda auch zur Abgrenzung Bedingungserfüllung und pro herede gestio ; zusätzlich Kaser, RPR, § 175 I. 189 S. oben bei FN 64.
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Nichtsdestoweniger ist die Entscheidung plausibel, wenn man sich nur die widerstreitenden Interessen vergegenwärtigt. Der Erblasser hat das Interesse, die Wohltat der testamentarischen Bedenkung von der Erfüllung der Bedingung abhängig zu machen. Der Jurist berücksichtigt das insoweit, als er die "Enterbung" gegenüber dem Untätigen wirksam sein läßt. Der tätige heres scriptus hat das Interesse, die Erbschaft zu erhalten, nachdem er seinerseits das von ihm Verlangte getan hat. Servius erkennt dies an, indem er die dem Erben auferlegte "Einstandspflicht" für die Mithilfe des anderen aus dem Testament "hinausinterpretiert". Auf diese Weise erhält jeder, was er billigerweise fordern kann: Der Testator sein Monument, der tätige heres scriptus die Erbschaft, und der Untätige nichtst9o. Die servianische Entscheidung ist wahrscheinlich durch die Tatsache beeinflußt gewesen, daß zur Zeit der Anfrage das Monument bereits errichtet gewesen war, so daß die Kriterien der subjektiv verursachten Unmöglichkeit oder des favor testamentil9t lediglich unterstützende Bedeutung hatten. Das wird durch eine weitere Entscheidung des Servius nahegelegt, von der Alfen in demselben Buch berichtet, D 35.1.27: In testamento quidam scripserat, ut sibi monurnenturn ad exemplum eius, quod in via Salaria esset Publii Septimii Demetrii, fieret: nisi factum esset, heredes magna pecunia multare et cum id monurnenturn Publii Septimii Demetrii nullum repperiebatur, sed Publii Septimii Damae erat, ad quod exemplum suspicabatur eum qui testamenturn fecerat monurnenturn sibi fieri voluisse, quaerebant heredes, cuiusmodi monurnenturn se facere oporteret et, si ob eam rem nullum monurnenturn fecissent, quia non repperirent, ad quod exemplum facerent, num poena tenerentur. respondit, si intellegeretur, quod monurnenturn demonstrare voluisset is qui testamenturn fecisset, tametsi in scriptura mendum esset, tarnen ad id, quod ille se demonstrare animo sensisset, fieri debere: sin autem voluntas eius ignoraretur, poenam quidem nullam vim habere, quoniam ad quod exemplum fieri iussisset, id nusquam exstaret, monurnenturn tarnen omnimodo secundum substantiam et dignitatem defuncti exstruere debere 192,
Ein Testator hatte seinen Erben zur Auflage gemacht, sie sollten ihm ein Monument errichten nach dem Vorbild desjenigen des Publius Septimius Demetrius an der via Salaria; für den Fall ihres Nichtstuns erlegte er den Erben eine Bußzahlungt93 auf. Diese suchten vergebens nach dem vorge190 Der Begründungssatz: neminem ex alterius ... exheredari passe ist also auf gleichrangige Erben, coheredes, anzuwenden; s. auch D 40.4.13 pr., Ulp. 5 disp. Er gilt wiederum nicht ausnahmslos im Verhältnis Erbe-Dritter: etwa D 28.5.69; dazu unten im Abschnitt 5 b. 191 Er ist dieser Entscheidung inhärent. Diesen Topos vernachlässigen Alfen I Servius etwa in D 28.1.25, lav. 5 post. Lab. 192 Wieling, Testamentsauslegung, S. 55; Grosso, I legati, S. 468; Voci, DER II, S. 929f.; Kaser, RPR, § 61 111; Watson, Succession, S. 107ff.- dort auch zu den lnterpolationsannahmen. 193 Hierzu Huschke, Die Multa und das Sacramentum, 1874, S. 303ff.
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schriebenen Monument des entsprechenden Namensträgers. Was sie fanden, war lediglich das Monument des Publius Septimius Dama. Deshalb fragen sie, welches Monument sie errichten sollen, bzw. ob sie zur BuBzahlung verpflichtet seien, wenn sieangesichtsder im Testament enthaltenen Unklarheit untätig blieben. Die Antwort des Servius zeigt deutlich, wie sehr er das Motiv oder Interesse des Testators an der Selbstdarstellung durch ein Monument respektiert. Seine Lösung ist zweigestuft: In erster Linie sollen die Erben herauszufinden versuchen, an welches Monument der Testator gedacht haben mag- unbeschadet der falschen Namensangabe. Sofern sich das klären lasse, sei dieses Monument zu errichten. Servius berücksichtigt also den Erblasserwillen auch bei einer objektiv unrichtigen Bezeichnung; laut Celsus hat er das ausdrücklich bei Legaten vorgeschrieben, D 33.10.7.2, Cels. 19 dig.: Servius fatetur sententiam eius qui legaverit aspici oportere, in quam rationem ea solitus sit referre ...
In zweiter Linie, wenn also die Erben das dem Erblasser vorschwebende Monument nicht ausfindig machen können, sei die Auferlegung der Buße unwirksam. Damit liest sich diese zweite Lösung wie ein Exempel zu der generellen Aussage, die Alfen- laut Lenell94- direkt vor unserer Stelle getroffen hat, D 34.8.2: Quae in testamento scripta essent neque intellegerentur quid significarent, ea perinde sunt ac si scripta non essent: reliqua autem per se ipsa valent.
Unauflösbare Unklarheiten im Testament gelten als nicht geschrieben, während das Weitere wirksam bleibt. Können also die Erben aus entschuldbarer Unkenntnis das Monument nicht errichten, entfällt auch ihre Bußzahlungsverpflichtung, weil diese akzessorisch mit der Baupflicht verknüpft ist. Umso erstaunlicher ist es, daß Servius in diesem Fall den Erben gleichwohl die Verpflichtung auferlegt, gleichwohl ein Monument secundum substantiaml9S et dignitatem defuncti zu errichten. Für sie gilt freilich nach Maßgabe des vorhergehenden Satzes (poenam nullam vim habere) die Bußensanktion nicht. Das ist deswegen bemerkenswert, weil die von Servius statuierte Bauverpflichtung dogmatisch nur so herleitbar ist, daß allein die nähere Kennzeichnung des zu errichtenden Monuments (ad exemplum eius ... ) wegen ihrer Fehlerhaftigkeit als nicht geschrieben behandelt wird. Dann aber dürfte die Sanktionsnorm ihre Wirksamkeit nicht verloren haben. Unbeschadet dieser konstruktiven Schwierigkeiten verdeutlicht die getroffene Entscheidung, welches Gewicht den im Spiele stehenden Interessen einPalingen. 21. An die Singularität dieses Wortes in den Juristenschriften der vor-tiberianischen Zeit knüpft Watson seine EchtheitszweifeL 194 195
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geräumt wird: Der Testator soll ein Unsterblichkeitsmal erhalten, und die Erben sollen die Auflage (wenn auch mit geändertem Inhalt) erfüllen; für einen von ihnen nicht zu vertretenden und nicht beeinflußbaren Irrtum wird ihnen das Risiko abgenommen 196. Hierin gleichen sich die beiden Entscheidungen in D 35.1.27 und D 28.5.45: Im letzteren Fall sollte der heres scriptus nicht leer ausgehen, weil der vorgesehene Miterbe untätig blieb, im ersteren sollte der Erbe nicht büßen müssen, daß der Testator Unmöglichesl97 vorschrieb. In beiden Fällen ist jedoch sichergestellt, daß der Erblasser sein Monument erhält. Man wird daher wenigstens den sachlichen Gehalt der von Alfen in D 35.1.27 mitgeteilten Begründung für echt halten dürfeni98. Der letzte Satz ist noch in weiterer Hinsicht überaus aufschlußreich: Er impliziert eine Wechselbezüglichkeit zwischen Art und Größe eines Grab- und Denkmals und der substantia et dignitas des Stifters, also seines Vermögens und seiner gesellschaftlichen Stellung (Rang)I99. Das ist eine weitere Bestätigung für das oben (Kap. I 2) über den Wanderer durch das antike Italien Gesagte; daß er nämlich, wenn er an den Gräbern vor den Toren der jeweiligen Stadt entlang geht, gewissermaßen in den Spiegel der ihn erwartenden Gesellschaftsstruktur blickt200. Zu diesem Kontext gehört eine weitere Stelle aus Alfens Digestenwerk D 50.16.202, Alf. 2 dig.: Cum in testamento scripturn esset, ut heres in funere aut in monumento ,dumtaxat aureos centum' consumeret, non licet minus consumere: si amplius vellet, licet, neque ob eam rem contra testamenturn facere videtur2ot.
Das juristische Problem entsteht aufgrund der Mehrdeutigkeit des Wortes dumtaxat; es kann "nur" oder "wenigstens" bedeuten, bezeichnet also eine Ganz deutlich in D 35.1.14, Pomp. 8 ad Sab. In der objektiv-subjektiv Dichotomie (s. oben bei FN 64) liegt hier freilich eher eine objektive Unmöglichkeit vor, die nach Maßgabe der Regel zum Verlust der Bedenkung führen müßte. 198 Zu den Interpolationsannahmen vgl. Ind. Itpl., tom. II, S. 307f. 199 Cf. Diog. Laert. 2.10; Cic. de leg. II.27. 67f.; D 11.7.12.5, Ulp. 25 ad ed.; D 11.7.14.6, Ulp. eod. S. auch im Zusammenhang mit der actio funeraria D 11.7.21, Paul. 27 ad ed. Wie hilfreich für Allgemein-Historiker der Blick in die Digesten sein kann, mag folgendes Zitat von Eck belegen: "(Man) könnte ... die Kategorie der sozialen Angemessenheil in Erwägung ziehen, ob also das Überschreiten einer bestimmten Größe bei der Errichtung eines Mausoleums von der Mitwelt nicht abgelehnt oder dehonestiert worden wäre- nicht im Sinne einer umfassenden Verhinderung solcher Bauwerke, aber doch einer weitgehenden Einschränkung auf akzeptierte Dimensionen. Grundsätzlich abzulehnen ist eine solche Überlegung nicht, doch sehe ich keine Möglichkeit, dafür stringente Argumente vorzubringen." (Römische Grabinschriften- Aussageabsieht und Aussagefähigkeit im funerären Kontext, in: Römische Gräberstraßen, hg. von v. Resberg und Zanker, München 1987, S. 64). Wenn auch nicht Argumente, so doch zumindest Anhaltspunkte geben diese und die folgenden juristischen Quellen. 200 Zur Semiotik der Begräbnisstätten etwa M. Frascari, The iconic relationship between cemetery and town, in: Steiner (Hg.), Image and Code, Ann Arbor 1981, S. 147ff. 201 Watson, Succession, S. 113. 196 197
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Grenze202. Somit ergibt sich das Problem, ob dumtaxat aureos centum als Ober- oder Untergrenze zu verstehen ist. Indem sich Alten für die letztere Alternative entscheidet, folgt daraus für die substantia et dignitas defuncti, daß der Erblasser gewissermaßen die Mindesteinschätzung seiner Stellung bestimmen darf. Nachdem dieses Kriterium jedoch in hohem Maße auch von der Beurteilung durch die Umwelt abhängig ist, ist es nur konsequent, daß Alten es nicht als einen Verstoß gegen das Testament ansieht, wenn der mit der Errichtung des Monuments (oder der Durchführung des Begräbnisses) beauftragte Erbe mehr aufwendet als gefordert203. Die folgende Entscheidung von Trebatius steht ganz im Einklang mit diesen AUen-Grundsätzen, D 35.1.40.5, Iav. 2 ex post. Lab. : Thermus Minor quorum arbitratu monurnenturn sibi fieri vellet testamento scripserat, deinde ita legaverat: , Luciis Publiis Corneliis ad monurnenturn meum aedificandum mille heres meus dato'. Trebatius respondit pro eo habendum ac si ita legatum esset, si satisdedissent se ita id monurnenturn ex ea pecunia facturos. Labeo Trebatii sententiam probat, quia haec mens testantis fuisset, ut ea pecunia in monurnenturn consumeretur: idem et ego et Proculus probamus204.
Ein Testator namens Thermus Minor205 überließ die Auswahl des ihm zu errichtenden Monuments bestimmten Personen und ordnete im Wege eines Damnationslegates an, daß die Legatare tausend zum Zwecke des Baus, ad aedificandum, ausbezahlt bekommen sollten206. Zwischen dem Erben und den Vermächtnisnehmern scheint ein Streit über die Frage der Vorleistung entstanden zu sein: Sollte der Erbe die Summe gleich ausbezahlen, oder erst nach Vollendung des Monumentes, bzw. ratenweise mit Fortgang des Baus? Trebaz behandelt die Klausel im Ergebnis wie eine Bedingung - dergestalt, daß die Legatare Sicherheit zu leisten haben207; und das, obgleich die Formulierung recht eindeutig auf eine bloße Auflage schließen läßt. 2o2 S. nur Georges, Lexikon der lateinischen Sprache, s. v. "dumtaxat" ; Watson, a.a.O. 203 Die Überlegungen von Eck (FN 199) sind freilich insoweit berechtigt, als wir nicht rekonstruieren können, ob etwa die berühmte Pyramide als einem Cestius Epulo angemessen empfunden wurde. 204 Kaser, RPR, § 61 III; Horak, Rationes decidendi, S. 217ff.; Wieling, Testamentsauslegung, S. 55, 67, 93; Watson, Succession, S. 115; Voci, DER II, S. 621f.; Grosso, I legati, S. 469; Kohlhaas, Iav., S. 158ff. 2os Vgl. Kohlhaas, S. 159 mit Hinweis auf CIL Vl.7809. 206 Zum Auseinanderfallen von arbiter und der zur Bauleistung verpflichteten Person auch D 35.1.6 pr., Pomp. 3 ad Sab.; D 12.4.11, Iu!. 10 dig. Im Iavolen-Fall des obigen Textes ist freilich nicht auszuschließen, daß Schiedsrichter und Legatare identisch sind; doch deutet das Fehlen etwa eines eis ( = quorum arbitratu) legaverit eher auf eine Trennung hin. Das Hauptergebnis unserer Exegese wird hiervon freilich nicht berührt: Die Bedachten haben die gesamte Summe zum Bau zu verwenden. 207 Zu solchenVermächtnissenD 30.84.1, Iu!. 33 dig.
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Der Einklang dieser Entscheidung mit der des Alfen ergibt sich aus einer eingehenderen Untersuchung der mitgeteilten Fakten. Das gilt insbesondere für die Erwähnung der Ermessensklausel, die bei oberflächlicher Betrachtung keine Bedeutung für die Lösung des Trebaz zu haben scheint. Doch bezieht er die Sicherheitsleistung auf ita id monurnenturn ex ea pecunia (facturos). Das ita verweist auf die Ermessensentscheidung, und ea pecunia auf die Summe des Vermächtnisses. Das legt die Vermutung nahe, daß der Streit über die Vorleistung deswegen entstanden ist, weil die Legatare eine andere Summe für ein anderes Monument entrichten wollten. Nimmt man die Begründung Labeos hinzu, derzufolge es dem Willen des Testators entsprochen habe, daß die gesamte Summe für den Bau des Monuments verwandt werde, consumereturzos, so wird der Streit von den Legataren um eine weniger aufwendige Bauleistung geführt worden sein. Die eingesparte Summe wäre dann ihr "Verdienst"209. Das juristische Problem ist in diesem Fall eine praktische Variante dessen, was Alfen in D 50.16.202 mit der Klausel dumtaxat aureos centum zu beurteilen hatte. Die Lösungen sind in beiden Fällen identisch, indem sie die für den Bau des Monuments bestimmte Summe als in jedem Fall aufzuwendenden Betrag festlegen. Aus der Sachverhaltsrekonstruktion folgt überdies, daß die von Labeo gebilligte Lösung des Trebaz nur mit Vorbehalten als (frühester) Beleg für die Erzwingbarkeit von Auflagen gelten kann210, Denn die Sicherheitsleistung sollte nicht die von den Legataren im Grundsatz gar nicht angezweifelte Erfüllbarkeit garantieren, sondern nur die den Anordnungen des Erblassers entsprechende Durchführung. Die juristische Problematik des folgenden Falles, die falcidische Quart, liegt zwar außerhalb unseres Sachzusammenhangs, doch gewährt die Begründung weitere Einblicke in die Wertigkeit von Monumenten, D 35.2.1.19, Paul. lib. sing. ad leg. Fal. : De impensa monumenti nomine facta quaeritur, an deduci debeat. et Sabinus ita deducendum putat, si necessarium fuerit monurnenturn extruere. Marcellus consultus, an funeris monumentique impensa, quantam testator fieri iussit, in aere alieno deduci debeat, respondit non amplius eo nomine, quam quod funeris causa consumptum est, deducendum. nam eius, quod in extructionem monumenti erogatum est, diversam esse causam: nec enim ita monumenti aedificationem necessariam esse, ut sit funus ac sepultura. idcirco eum, cui pecunia ad faciendum monurnenturn legata sit, Falcidiam passurum211. 208 Die Echtheit der Begründung wird von Horak, S. 217, angezweifelt, weil sich ihr kein vernünftiger Sinn entnehmen lasse. Doch vgl. den folgenden Text. 209 Ähnlich Kohlhaas, S. 160. Hinsichtlich vermachter Begräbniskosten vgl. die Rechtsfrage in D 31.88.1, Scaev. 3 resp. 210 So Kaser, Kohlhaas, je a.a.O. 211 Nicosia, Iura 8, 1957, S. 87ff.; Kaser, RPR, § 188 II; Voci, DER II, S. 760.
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Die Iex Falcidia schränkt die testamentarische Verfügungsgewalt der Erblasser dergestalt ein, daß wenigstens ein Viertel des Nachlasses den Erben erhalten bleiben muß212. Die Berechnung des Viertels richtet sich nach dem Wert der Erbschaft zum Zeitpunkt des Erbfalles- allerdings nach Abzug der Schuldenm. Die Frage, über die Sabinus zu entscheiden hat, zielt auf die Abzugsmöglichkeit, bzw. -fähigkeit der Monumentskosten. Sabinus (wie auch Marcellus; dazu alsbald) macht die Antwort von der Notwendigkeit der Monumentserrichtung abhängig. Eine Notwendigkeit im juristischen Sinne wird man hierbei ausschließen können: Den Unterschied von verpflichtendem Vermächtnis und der auetoriras testatoris überantworterter Auflage wird Sabinus schwerlich mit dem Kriterium der necessitas umschrieben haben. Nach den Ergebnissen der vorhergehenden Exegesen und dem ita des vorletzten Satzes (dazu alsbald) liegt es nahe, in der necessitas erneut einen Verweis auf die Relation Monument und substantia et dignitas zu sehen. Nicht nur, daß etwa auch Papinian in D 5.3.50.12 14 auf diese Relationbezug nimmt: si probabilern modum faciendi monumenti sumptus, vel quantum testator iussit!; sondern auch der Umstand, daß Sabinus den Monumentsbau als notwendig bezeichnet, und nicht etwa die Impensen, berechtigt zu der Annahme, daß sich die necessitas nach der sozialen Stellung des Erblassers richtet. Obgleich sich also diese Anknüpfung der juristischen Lösung mit derjenigen des Servius in D 35.1.27 deckt , ist die Problem- und Interessenlage unterschiedlich. Während Servius nämlich den Konflikt zwischen Erben und Erblasser2I5 zu beurteilen hatte, richtet sich die Anfrage an Sabinus auf die Geltungskraft der Iex Falcidia. Folglich geht es bei ihr nicht um die Realisierung von Erblassermotiven - über die Verpflichtung zur Monumentserrichtung hat Sabinus nicht zu entscheiden-, sondern um den vom Gesetz beabsichtigten Erbenschutz. Daß die von Sabinus gegebene Antwort (setzt man sie als allgemeingültige Regel) diesen Schutz nur unvollkommen erfüllt, zeigt sich, wenn man die vier denkbaren Fallvarianten durchspielt: Ist der Erbe und Quartberechtigte zugleich mit der Monumentserrichtung belastet, so ist der dem Erben verbleibende "Nettobetrag" dann umfangreicher, wenn die Errichtung als notwendig qualifiziert werden kann . Denn dann kann er die Kosten des Monumentes als abzugsfähige Schulden behandeln, während er sie in dem entgegengesetzten Fall, in dem der Monumentsbau nicht notwendig ist, allein aufzubringen hat. Der Erbe des sozial "Niederrangigen" ist also benachteiligt. S. nur Gai 2.227. Dazu Wesel, SZ 81, 1964, S. 308ff. I 2.22.3; zu den Details Voci, S. 760f. 214 6 quaest. Dort geht es um die Erstattungsfähigkeit der Monumentserrichtungskosten des bonae fidei possessor. Zu dieser Stelle Bürge, Retentio im römischen Sachenund Obligationenrecht, Zürich 1979, S. 43. 21s Allenfalls noch die des Mitbegünstigten. 212
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Entsprechend verhält es sich, wenn nicht der Erbe, sondern ein Legatar beauftragt ist. In dem Fall hat dieser ein Interesse an der hinreichenden Notwendigkeit der Errichtung; denn dann ist die aufgrund der falcidischen Quart hinzunehmende, anteilige Kürzung geringer als dann, wenn er die Kosten allein aus dem (gekürzten) Vermächtnis bestreiten muß. Aufgrund dieser Interessenlage eines Legatars hat der letzte Satzteil, idcirco - passurum, seinen ganz praktischen Sinn; ihn mit Nicosia als "un balordo glossema"216 zu bezeichnen, weil nicht ersichtlich sei, "quale potesse essere Ia ratio dubitandi del caso decisa nella chiusa"217 , ist daher nicht nötig21B. Denn wenn nach der Lösung des Sabinus die Monumentskosten unter bestimmten Umständen abzugsfähig sind, kann es kaum einen Unterschied machen, wer mit ihnen belastet ist. Dieser alternierenden Lösung des Sabinus scheint Marcellus nach dem, was Paulus mitteilt, eine eindeutige Entscheidung entgegenzusetzen. In seinem Fall war ein Erbe mit den Begräbnis- und Monumentserrichtungskosten belastet worden. Marcellus antwortet auf die Frage nach der Abzugsfähigkeit, daß nur die Bestattungskosten abzugsfähig seien; die Monumentskosten hingegen nicht. Paulus verbindet diese Entscheidung des Marcellus mit der des Sabinus, ohne einen Gegensatz (sed, autem o. ä.) anzudeuten. Infolgedessen ist die Frage zulässig, ob sich dieser Gegensatz auflösen läßt. Die mögliche Handhabe dazu bietet der von Lenel rekonstruierte Kontext des Marcellus-Falles. Lenel plaziert den Fall in das 22. Digestenbuch, in dem Marcellus die Iex Falcidia behandelt, und läßt ihm unmittelbar D 35.2.2, Mare. 22 dig., folgen 219: Nec amplius concedendum erit, quam quod sufficiat ad speciem modicam monumenti220,
Auch hier scheint sich zunächst ein Gegensatz aufzutun: denn nunmehr ist wenigstens ein bescheidenes Monument zuzugestehen. Doch läßt sich der 216 S. 92. Er begründet dies mit dem Themenwechsel: Während das fr. ansonsten von der Berechnung der "Soll-Masse" des Nachlasses handelt, von der aus die falcidische Quart zu berechnen ist, geht der letzte Satz von einem Legatar aus, der möglicherweise eine Kürzung seines Vermächtnisses zu gewärtigen hat. Nicosia glaubt, diese Zweifel hätten klassische Juristen nicht haben können; eine solche Ausnahme zugunsten von Vermächtnissen habe es nicht gegeben. Doch dagegen überzeugend Rodger, SZ 89, 1972, S. 345ff., der die Vereinbarkeit der beiden Problembereiche in den Augen der Römer nachweist und davon ausgeht, daß die Stelle verkürzt worden ist. S. auch F. Schwarz, SZ 63, 1943, S. 365. 217 s. 90. 21s Gegen die Grundannahme Nicosias, die klassischen Juristen könnten die Frage dieser Abzugsfähigkeit im Zusammenhang mit der Iex Falcidia unmöglich diskutiert haben, auch Rodger, S. 345. 219 Lenel, Paling., Mare. 240. 22o Hierzu Rodger, S. 344ff.
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Zusammenschau beider Marcellus-Entscheidungen ein denkbarer Zusammenhang entnehmen, der überdies ihr Verhältnis zur Entscheidung des Sabinus klärt: Sie wird nicht ignoriert, sondern nur leicht modifiziert. Sabinus hält entweder alle oder keine Monumentskosten für abzugsfähig. Die beiden Marcellus-Fälle zusammen zeigen, daß Marcellus ebenfalls dieser Ansicht ist - freilich mit der Einschränkung, daß dann, wenn dem Testator (aufgrund seines Ranges) ein Monument zusteht, nicht alle Kosten abzugsfähig sind, sondern nur die für ein maßvolles, bescheidenes. Dies klingt in fr. 1.19 in dem vorsichtigen nec ita necessariam an, das keineswegs einen grundsätzlichen Ausschluß der Notwendigkeit ausdrücken muß. Eine entsprechende Regelung hatte übrigens Hadrian im Zusammenhang mit der lex vicesima hereditatium angeordnet, D 11.7.37.1. Man wird also unterstellen können, daß der Testator des ersten, d. h. des von Paulus zitierten MarcellFalles, die gesellschaftlichen Voraussetzungen für ein Monument nicht erfüllt hatte. Bei ihm sind daher die Monumentskosten nicht so wichtig, daß sie als Schulden von dem Nachlaß abgezogen werden müssen. Auch wenn sich somit die drei Entscheidungen zu einem leidlich widerspruchsfreien Bild zusammenfügen lassen, stellt sich doch die zusätzliche Frage, warum sie in der vorliegenden verstümmelten Form wiedergegeben werden. Die (freilich unbefriedigende) Antwort wird wohl lauten, daß es sich um die verkürzte Wiedergabe eines längeren Textes handelt221, Doch vermitteln die Texte die für unsere Fragestellung aufschlußreichen Informationen unabhängig von der zuletzt erörterten Frage und dem Zusammenhang der Fälle. Denn die Tatsache, daß einem Testator entweder kein, oder ein bescheidenes, vielleicht auch das (von ihm gewünschte) ganze Monument zugebilligt wird, wirkt wie eine wesentliche Einschränkung der von uns zuvor postulierten Bedeutsamkeit der Monumente222. Das ist im Hinblick etwa auf die Aussage Marcells, ein Monumentsbau sei nicht so wichtig wie das Begräbnis und die Leichenbestattung, zweifellos zutreffend. Es ist aber zu bedenken, daß die Juristen Probleme der lex Falcidia diskutieren und sich mithin im Spannungsfeld der Interessen des Erben und der Vermächtnisnehmer befinden. Die Interessen des Erblassers selbst sind dagegen nicht Bestandteil dieser Spannungen, weil die Pflicht zur Monumentserrichtung vorausgesetzt ist. Die fehlende Abzugsfähigkeit beeinträchtigt in keiner Weise die testamentarisch auferlegte Pflicht, ein Monument zu bauen. Doch darf man der Kategorie der necessitas vielleicht soviel entnehmen, daß dieses Monument in 221
S. auch Rodger, S. 346f.
m Rodger, S. 345, bezeichnet, ausgehend von einem ähnlichen Gedanken, die
Annahme, das Monument sei ein Unsterblichkeitsmal, als "a priori speculation". Vgl. aber immerhin die eigenartige Verbindung, die D 11.7.1, Ulp. 10 ad ed. zwischen Begräbniskosten, Aufwendendem und Verstorbenen(!) herstellt; dazu Manigk, RE VIII.l s. v. "hereditarium ius", Sp. 626.
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dem Urteil der Zeitgenossen mit einem gewissen Makel behaftet war223. Das Monument sollte dem Rang des Verstorbenen entsprechen, was erneut die Spiegelgleichheit der "Sozialstrukturen" der Lebenden innerhalb und der Toten vor den Toren der Stadt (s.o. Kap. I 2) belegt. D 35.1.14, Pomp. 8 ad Sab.: ,Titius si statuas in municipio posuerit, heres esto'. si paratus est ponere sed locus a municipibus ei non datur, Sabinus Proculus heredem eum fore et in legato idem iuris esse dicunt224.
Titius solllaut testamentarischer Verfügung Erbe werden, sobald er Statuen in der Stadt aufgestellt haben wird. Titius ist zwar willens, doch erhält er von der Stadt keinen Grund und Boden für die Statuen. Im Einklang mit der "Unmöglichkeits-Regel" (s. oben bei FN 64) entscheiden Sabinus und Proculus, daß die in der fehlenden Bereitschaft des Municipiums, einen Platz zur Verfügung zu stellen, liegende subjektiv bedingte Unmöglichkeit den Erwerb des Nachlasses oder Vermächtnisses nicht hindert. Die Bedingung wird damit im Ergebnis als nicht geschrieben behandelt. Bietet der Fall mithin juristisch gesehen nichts Neues, so ist doch vom Tatsächlichen her die Frage für unser Thema von Interesse, warum die Juristen nicht wie in D 35.1.27 eine Ersatzleistung statuieren. Denn auch Statuen sind Emanationen des U nsterblichkeitswunschesm, und zwar unabhängig davon, ob es sich um Portraitstatuen handelt oder nicht; in letzterem Fall verweist nämlich eine Inschrift etwa im Sockel der Statue auf denjenigen , der die Figur hat errichten lassen226. Die Entscheidung des Sabinus und Proculus bedeutet daher eine Ausnahme von der bislang festgestellten Tendenz, Monumente nach Möglichkeit bauen zu lassen. Doch besteht ein entscheidender Unterschied zwischen den Monumentsfällen und der Statuenerrichtung, der die divergierenden Ergebnisse plausibel macht. Während das Monument nämlich als Grabmal an die Grabstätte und damit an die Bodenberechtigung des Einbringenden227 oder des defunctus gebunden ist228, also die Verfügungs- oder Verwaltungsbefugnis über den Vgl. Ecks Vermutung, oben FN 199. Grosso, I legati, S. 460; Voci, DER II, S. 598; Kaser RPR, § 61 I 5. 22s S. bereits oben Kap. II 2 c, a. E. 226 Zur Veranschaulichung der Zeitlosigkeit dieses Phänomens mag folgende Beobachtung mitteilenswert sein: Eine solche Form des Unsterblichkeitswunsches, die Gemeinnutz und Eigennutz verbindet, erscheint dem heutigen Besucher eines amerikanischen Universitäts-Campus als dort dominierend. An Gebäuden, an Bibliotheken bis hin zu Erholungsbänken finden sich allerorten solche Stiftungsplaketten; s. auch Schack, JZ 89, S. 613. Zur Unterscheidung Eigennutz-Gemeinnutz s. bereits Pomponius in der im vorigen Abschnitt behandelten Stelle D 33.1.7; zusätzlich D 50.12.14, Pomp. 6 epist. 227 Gai 2.6. 228 S. nur G. Klingenberg, FS Baltl, 1988, S. 343ff., insbes. 345f. 223
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betreffenden Grund und Boden von vornherein außer Frage steht, muß diese bei einer Statue erst erworben werden. Eine Statue sollte das Andenken des Verstorbenen im allgemeinen innerhalb der Stadtmauern wahren, und nicht außerhalb wie die Grabmäler229; das tritt besonders deutlich bei den ehrenhalber von Staatswegen gewährten Statuen zutage230. Infolgedessen waren die öffentlichen Wege und Plätze ein begehrter Standort, der allerdings normalerweise im Eigentum des "Staates" stand231. Titius war daher im Beispielsfall hinsichtlich der Erfüllung der Bedingung abhängig vom Verhalten des Municipiums. Einen Kompromiß, der den Absichten des Erblassers gerecht wird, kann es in diesem Fall also nicht geben. Mögen auch die Statuengalerien in den Atrien einiger Häuser vergleichbar mit denen der Öffentlichkeit gewesen sein232: verallgemeinern läßt sich das wohl nicht. Eine Statue im Haus des Titius stellt keinen gleichwertigen Ersatz dar. Im folgenden geht es nicht mehr um Monumente, sondern um Denkmäler im weiteren Sinne. Dazu gehören, wie schon erwähnt, auch solche Statuen, die nicht den Verstorbenen repräsentieren (nächste Stelle233); sogar Bedenkungen an Gemeinden können dem Zweck dienen, ein "Mal"234 zu erhalten, an dem man des Testators gedenken soll (übernächste Stelle). Zunächst D 50.8.6, Valens 2 fideic.: Legatam municipio pecuniam in aliam rem quam defunctus voluit convertere citra principis auctoritatem non licet. et ideo si unum opus fieri iusserit, quod Falcidiae legis interventu fieri non potest, permittitur summam, quae eo nomine debetur, in id, quod maxime necessarium rei publicae videatur, convertere: sive plures summae in plura opera legantur et legis Falcidiae interventu id quod relinquitur omnium operum exstructioni non sufficit, permittitur in unum opus, quod civitas velit, erogari. sed municipio pecuniam legatam, ut ex reditu eius venatio aut spectacula edantur, senatus in eas causas erogari vetuit: et pecuniam eo legatam in id, quod maxime necessarium municipibus videatur, conferre permittitur, ut in eo munificentia eius qui legavit inscriptione notetur235. S. auch Plin., n.h. XXXIV.4.9. Zu den Ehrenstatuen insgesamt oben, Kap. ll, FN 45. Zu den einfachen Statuen finden sich vielfache Hinweise bei Plin., n.h. XXXIV, passim. 231 S. nur Kaser, RPR, § 92 II 3. 232 Plin., n.h. XXXIV.4.9. 233 Zusätzlich D 50.10.7.1, Call. 2 de cogn. (s. auch eod. tit. 2.2, Ulp.3 opin.), oder (zusätzlich und erneut) Plin. ep. 10.75f. Ein letzterem vergleichbares Wechselspiel von Princeps-Verehrung und persönlichem Unsterblichkeitswunsch wird man auch D 50.10.3.2, Macer 2 de off. praes. unterlegen dürfen. 234 S. oben Einleitung, FN 9. 235 Voci, DER I, S. 404; Messina Vitrano, St. Riccobono Ill, 1936, S. 99ff.; Biondi, Succ., S. 573f. ; Grosso, I legati, S. 472f. Zum Verhältnis des Princeps zu den civitates allgemein Miliar, The Emperor in the Roman World, London 1977, S. 375ff. 229
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Das Problem, um das es in dieser Stelle geht - nämlich die Änderung der Zweckbestimmung, die der Bedenkung an eine Gemeinde236 beigefügt worden ist- begegnet in den Quellen erstmalig in der Regierungszeit des Tiberius. Sueton berichtet237, der Princeps habe sich im Senat mit seiner Ansicht nicht durchsetzen können, daß den Einwohnern von Trebiae gestattet werden solle, die für den Neubau eines Theaters hinterlassene Summe für den Erhalt einer Straße zu verwenden. Man widersprach ihm mit dem Hinweis auf die Unumstößlichkeit des Erblasserwillens238. Hundert Jahre später239, so zeigt das vorliegende Digestenfragment, darf der Princeps diesen Willen doch übergehen. Das ergibt sich aus dem ersten Satz, demzufolge der Princeps eine Inhaltsänderung erlauben kann. Die von Valens angeführten Fälle, et ideo- erogari, sind wohl Beispiele solcher Princepserlaubnisse sein. So durfte die Gemeinde, der eine Summe für ein opus vermacht, aber wegen einer durch die Iex Falcidia bedingten Kürzung nicht vollständig ausbezahlt worden war, die gekürzte Summe für das ihr am notwendigsten erscheinende Projekt verwenden, da die Ausführung des erblasserischen Vorhabens nicht hätte finanziert werden können. Ganz entsprechend durfte sich eine Gemeinde auf ein einziges Vorhaben beschränken, als wiederum Quartbedingt mehrere Summen für mehrere opera gekürzt wurden240. Obgleich also insoweit diese Stellen gerade die Nichtbeachtung des erblasserischenWillens zum Gegenstand haben, ergibt sich aus dem von Valens im letzten Satz, sed municipio- notetur, mitgeteilten Senatus consultum241, daß der Wunsch des Erblassers, sich selbst ein Denkmal zu setzen, sehr wohl berücksichtigt wurde. Dabei kommt es nicht auf die Voraussetzungen des Verbots der Tierjagden und Schauspiele an242, und auch nicht darauf, daß die "Zweckbestimmung" von der Gemeinde vorgeschlagen werden darf, sondern darauf, daß das Municipium durch das Senatus consultum zugleich verpflichtet wird, mittels einer Inschrift von der Freigiebigkeit des Testators Zeugnis abzulegen. Diese Rechtsfolge, die dem äußeren Erscheinungsbild nach in keinerlei Beziehung zu den ersetzten Schaustellungen steht, spiegelt die klare Einsicht wieder, daß Zuwendungen an Gemeinden von wenigstens drei Motiven getragen sind: einmal von dem Wunsch, die "Attraktivität" (im weitesten Sinne243) 236 Zur Bedenkung von Gemeinden Biondi, Succ., S. 124ff. Zum vicus legatarius Müller-Eiselt, Pius, S. 231ff.; Johnston, JRS 75, 1985, S. 105ff. 237 Tib. 31.1. 238 S. zusätzlich D 50.8.1, Ulp. 10 disp.; D 50.8.7.1, Paul. 1 sent. 239 Zu Valens' Lebensdaten Kunkel, Herkunft, S. 151f. , s. auch D 1.2.2.53, Pomp. lib. sing. ench . 240 D 50.10.7 pr. , Call. 2 de cogn. , gibt einen Einblick in die "Änderungspolitik" des Antoninus Pius. Ein Beispiel für einopus etwa D 35.2.80.1, Gai. 5 ad ed. praet. urb. 241 Zum Verhältnis Senat zu Provinzstädten erneut Miliar, S. 421. 242 Zu der Praxis und Verbreitung der Spiele vgl. Hopkins, Death, S. 1 ff. 243 S. etwa D 50.10.2 pr., Ulp. 3 opin. ; eod. tit. 3, Macer 2 de off. praes.
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der Gemeinde zu erhöhen; zweitens: mit der Zuwendung die eigene Verbundenheit mit der Gemeinde zum Ausdruck zu bringen, und drittens: durch oder für die Zuwendung ein Unsterblichkeitsmai244 zu erhalten. Alle diese Motive werden unbeschadet der Inhaltsänderung berücksichtigt. Der Grundgedanke des von Valens mitgeteilten Senatus consultum liegt der folgenden Entscheidung Modestins zugrunde, D 33.2.16, Mod. 9 resp.: Legatum civitati relictum est, ut ex reditibus quotannis in ea civitate memoriae conservandae defuncti gratia spectaculum celebretur, quod illic celebrari non licet: quaero, quid de legato existimes. respondit, cum testator spectaculum edi voluerit in civitate, sed tale, quod ibi celebrari non licet, iniquum esse hanc quantitatem, quam in spectaculum defunctus destinaverit, lucro heredum cedere: igitur adhibitis heredibus et primoribus civitatis dispiciendum est, in quam rem converti debeat fideicommissum, ut memoria testatoris alio et licito genere celebretur245.
Ein Erblasser hat einer civitas ein Vermächtnis dergestalt hinterlassen, daß es periodisch einen Ertrag einbringt. Die auf diese Weise gewonnene Summe soll, so das ausdrückliche Anliegen des Erblassers, zu seinem Gedenken für alljährlich stattfindende spectacula verwendet werden246. Insoweit gleicht der von Modestin mitgeteilte Sachverhalt auffallend dem von Valens referierten Tatbestand des Senatus consultum, demzufolge spectacu/a, die aus dem Ertrag des Vermachten finanziert werden, verboten sind. Dennoch heißt es bei Modestin, daß es sich um ein örtliches, illic, Verbot solcher Spiele handelt, ohne daß auf den von Valens berichteten Senatsbeschluß Bezug genommen würde. Der schwierigen Frage, in welchem Verhältnis das lokale Verbot und das "reichsrechtliche" des Senats zueinander stehen, brauchen wir, da es uns nur auf die von Modestin statuierte Rechtsfolge ankommt, nicht im Detail nachzugehen. Doch läßt sich immerhin eine mögliche Antwort (wenn man nicht überhaupt eine zwischenzeitliche Derogation des Senatsbeschlusses annehmen will) in den Unterschieden beider Regelungen vermuten: Das Senatus consultum bezieht sich lat_It Valens auf Vermächtnisse an Municipien, und es ordnet eine Rechtsfolge an (die Inhaltsänderung). Demgegenüber handelt der Modestin-Fall von einem Vermächtnis an eine civitas247 , und das örtliche Verbot scheint eine Iex imperfecta gewesen zu sein. Letzteres wird einmal durch die Anfrage an Modestin überhaupt nahegelegt, und zum zweiten durch dessen Entscheidung, die er ausdrücklich als Billigkeitsentscheidung apostrophiert. Darin scheint der stricto iure anzuwendende Grundsatz: (testamento S. oben Kap. II 2 b. Boyer, RHDE 43, 1965, S. 367 m.w.N. in FN 26; Grosso, I Iegati, S. 471. 246 Cf. D 33.1.21.3, Scaev. 22 dig. 247 Zu diesem Begriff Kornemann, RE Supp.l, Sp. 300ff. S. allerdings auch Nörr, RE Supp.X s.v. "origo", Sp. 449, 453 dazu, daß den Begriffen municipium, colonia und civitas ab dem 2. Jhdt n. Chr. keine exakte Unterscheidungskraft mehr zukommt. 244
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scriptum) non valet, veluti si quis scripserit contra legem24B anzuklingen, über den er sich unter Hinweis auf dessen iniquitas im konkreten Fall hinwegsetzt.
Die Entscheidung Modestins ähnelt der Rechtsfolge des Senatsbeschlusses, da auch sie ausdrücklich dafür Sorge trägt, daß der Erblasser unbeschadet der Änderung des Vermächtnisses das von ihm gewünschte Unsterblichkeitsmal erhält. Das weist auf ein weiteres Abgrenzungsproblem hin, das die Valensund die Modestin-Stelle aufwirft. Wenn nämlich Modestin nicht das Senatus consultum anwendet, müßte nach dem Regel-Ausnahme-Schema die von Valens einleitend genannte Regel eingreifen, nach der citra principis auetoritotem eine Inhaltsänderung nicht zulässig ist. Vielleicht hat Modestin allein die Rechtsfolge des Senatsbeschlusses auf seinen Fall übertragen -vorausgesetzt, daß der Unterschied zwischen Municipium und civitas unbeachtlich ist. Das ist nicht schon deswegen ausgeschlossen, weil er ein Zusammenwirken von primores civitatis und Erben fordert; denn Valens teilt nicht mit, wer die Entscheidung zu treffen hat, sondern nur, in welche Richtung der Inhalt des Vermächtnisses zu ändern ist. Von letzterem erfahren wir aber aus Modestins Lösung nichts, so daß ein Fragezeichen hinter der Berechtigung zu seiner Entscheidung verbleibt. Für unsere Zwecke ist jedoch die gesicherte Aussage bedeutsam, daß spectacula (ebenso wie Statuen, die keine Portraits darstellen) Denkmäler sind und daß Modestin (ebenso wie das von Valens mitgeteilte Senatus consultum) das mit ihnen verfolgte Ziel verwirklicht, auch wenn er den Inhalt des Vermächtnisses ändert. D 33.2.17, Scaev. 3 resp.: Quidam praedia rei publicae legavit, de quarum reditu quotannis ludos edi voluit, et adiecit: ,quae legata peto, decuriones, et rogo, nein aliam speciem aut alias usus convertere velitis'. res publica per quadriennium continuum ludos non edidit: quaero, an reditus, quos quadriennio res publica percepit, heredibus restituere debeat vel compensare in aliam speciem legati ex eodem testamento. respondit et invitis heredibus possessione adprehensa perceptos fructus restituendos esse et non erogatum secundum defuncti voluntatem in alia quae deberentur compensari249.
Diese Stelle ist hier nur kurz und vornehmlich deswegen zu erörtern, weil sie, rein faktisch, demonstriert, wie ein Testator die Änderungsmöglichkeiten der Gemeinden auszuschließen versucht2SO. Ein Erblasser vermacht einer Gemeinde mehrere Grundstücke, aus deren Ertrag diese wiederum Spiele2SI (zum Gedenken an den Stifter, wie wir nach D 30.112.3, Marcian 6 inst.; Kaser, RPR, § 185 IV 1. Grosso, I legati, S. 468f. 250 Diese Stelle und die weitere, von Scaevola zu beurteilende Testamentsklausel in D 33.1.21.3, 22 dig., indizieren übrigens, daß die von Valens in D 50.8.6 mitgeteilte Regel über die ausschließliche Änderungsbefugnis des Princeps offenbar nicht durchwegs eingehalten wurde. 251 Zu den Iudi etwa Habe!, RE Supp.V, Sp. 608ff. 248 249
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den bisherigen Ergebnissen zu unterstellen berechtigt sind) zu veranstalten hat. Er fügt der testamentarischen Anordnung ausdrücklich hinzu, daß eine Inhaltsänderung seines Wunsches durch die Gemeinde nicht vorgenommen werden solle. Der Erblasser unterstellt also- der weitere Verlauf des Streites gibt ihm recht-, daß es diese Gemeinde mit der Erfüllung solcher testamentarischer Verpflichtungen nicht allzu ernst nahm. Mit der Klausel macht der Testator nachdrücklich klar, daß es ihm nicht nur auf das Denkmal als solches, sondern gerade auf die Spiele ankommt. Ähnlich wie bei den Verköstigungen am Grabe des Stifters, denen der oben Kap. I 2 beschriebene Wanderer immer wieder begegnet, wird man hinsichtlich der Iudi annehmen dürfen, daß der Kreis der dankbar des Wohltäters Gedenkenden (und damit Unsterblichkeit Garantierenden) hier größer ist als wenn etwa eine Straße repariert wird, und eine Inschrift anbei den Geldgeber benennt. Die Geschehnisse nach dem Tode des Erblassers und vor allem die zugrunde liegenden Kausalitäten sind unklar. Die Gemeinde veranstaltet vier Jahre lang hintereinander keine Spiele, hat jedoch auch noch nicht alle vermachten Gegenstände von den Erben erhalten; und die, die sie besitzt (oder einige davon), besitzt sie wider deren Willen. Der Streit, der zwischen den Erben und der Gemeinde entbrannt ist und über den Scaevola zu entscheiden hat, dreht sich um die zwischenzeitlich gezogenen und zum Teil schon anderweitig verwendeten (non erogatum secundum defuncti voluntatem) Früchte. Die Erben beanspruchen sie für sich, und die Gemeinde will sie mit einem Vermächtnis anderer Art aus demselben Testament aufrechnen. Scaevola spricht sie, ganz im Einklang mit dem Erblasserwunsch, den Erben zu, gestattet aber der Gemeinde hinsichtlich der bereits verbrauchten Früchte die Aufrechnung mit ihren Forderungen. Dies ist wohl eine Billigkeitslösung, die dem säumigen Verhalten beider Parteien Rechnung trägt. Die folgende Stelle belegt den Zusammenhang von Unsterblichkeitswunsch und Bedenkung einer Gemeinde, D 36.1.33 pr., Cels. 20 dig.: Ballista filium familias heredem instituit ita: , Rebe/lianus si caverit coloniae Philippensium, si sine liberis morietur, quantacumque pecunia ex hereditate deve bonis meis ad eum pervenit, eam pecuniam omnem ad coloniam Philippensium perventuram'252. respondi: ex his verbis quae proponis, id est ,pecuniam', existimo etiam fructus, quos ex hereditate percepit, restituere eum debere, perinde quasi specialiter hoc testator expressisset253.
Ballista254 hat seinen Sohn Rebellianus unter der Bedingung zum Erben eingesetzt, daß er der Kolonie der Philippenser Sicherheit dafür leistet, daß er ihr 252 Vgl. D 50.15.6, Cels. 25 dig.: Colonia Philippensis iuris ltalici est. D 50.15.8.8, Paul. 2 de cens. 253 Voci, DER li, S. 363. 254 Der Name läßt darauf schließen, daß es sich um einen (ehemaligen) Soldaten handelt, der sich seine Waffengattung {nämlich Wurfgeschosse) als Namen zugelegt hat; zu
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alle pecunia aus dieser Erbschaft zukommen lassen werde, falls er kinderlos sterben sollte2ss. Dieser Fall tritt ein, und der Streit - wohl zwischen den Erben des Rebellianus und der Kolonie- rankt sich um die Frage, wem die Früchte aus der Erbschaft des Ballista gebühren. Celsus spricht sie der Kolonie mit der Begründung zu, der Wortlaut der KlauseF56 sei so zu interpretieren, als ob der Testator diese Rechtsfolge ausdrücklich angeordnet hätte. Darin klingt nicht nur sprachlich, sondern vor allem inhaltlich der Grundsatz an, den offenbar bereits Sabinus formuliert hat, D 36.1.19 pr, Ulp. 15 ad Sab.: In fideicommissaria hereditatis restitutione constat non venire fructus, nisi ex mora facta est aut cum quis specialiter fuerit rogatus et fructus restituere25?.
Früchte werden grundsätzlich nicht geschuldet; es sei denn, der Erblasser hat dies besonders angeordnet. Freilich impliziert die Gleichsetzung der konkreten mit einer fiktiven Testamentsklausel, die Celsus mit dem perinde quasi vornimmt, daß die entgegengesetzte, von Sabinus als Regel apostrophierte Lösung ebenso vertretbar gewesen wäre258. Doch wenn man sich die Intentionen des Erblassers vergegenwärtigt, zeigt sich, daß allein die celsinische Entscheidung ihnen gerecht wird. Wir hatten bereits bei Cicero und ausführlicher noch in Kap. III 3 a und 4 a gesehen, daß die Vererbung des Familienvermögens an die Kinder eine der möglichen Manifestationen des Unsterblichkeitswunsches ist. Im Falle des Ballista tritt dieser Wunsch besonders klar zutage: Einmal deswegen, weil er als Alternative zu dem Aussterben seiner Familie die Gemeinde der Philippenser bedenkt und damit das uns hier beschäftigende DenkmaF59 erstrebt. Zum anderen deswegen, weil er die "Nacherbschaft" zusätzlich durch die Kautionsleistung absichern läßt. Nachdem die primäre Alternative aufgrund der Kinderlosigkeit des Rebellianus gescheitert ist, legt es gerade die Dringlichkeit des Erblasserwunsches260 nahe, die zweite Alternative an die Stelle der ersten treten und sie (rechtlich gesehen) ab dem Erbfall des Testators laufen zu lassen. Denn die Zuordnung der Früchte zu der einen oder der anderen Partei ist im wesentlichen die Festlegung des Anfangs-Zeitpunktes der "Nachdieser Möglichkeit Groag I Stein, PIR I, 1933, S. 351. Dort auch zu individualisierbaren Namensträgern. 255 Zur Zulässigkeit einer solchen fideikommissarischen "Nacherbschaft" Gai 2.277. 256 S. die Anm . zu id est "pecunia" in der Mommsen'schen Digestenausgabe. 257 S. zusätzlich D 36.1.65.4, Gai . 2 fideic. Ulpian kommentiert diesen Grundsatz in den folgenden Paragraphen. 258 Cf. D 36.1.19.2. Freilich ist die vorliegende Klausel mit ihrem quantacumque und pecuniam omnem recht eindeutig. 259 Aus der unendlichen Fülle der inschriftlichen Nachweise von Dankbarkeitsbezeugungen von Gemeinden s. nur etwa FIRA III, Nr. 55 c; CIL XIV 2.112; XI 970. Dessau, ILS 2927 i. V. m. Plin. ep. 1.8. 260 Cf. damit D 36.1.56, Pap. 19 quaest., sowie aus dessen 20. Buch D 22.1.3.2 und D 31.70.3.
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erbschaft". Indem Celsus ihn auf den Todesfall legt, entspricht er dem Anliegen Ballistas; deswegen kann er der Testamentsklausel zurecht unterstellen, daß sie (zwischen den Zeilen, perinde quasi) diese Anordnung enthält. D 31.30, Cels. 37 dig.: Quidam in testamento ita scripsit: ,rei publicae Graviscanorum lego in tutelam viae reficiendae, quae est in colonia eorum usque ad viam Aureliam': quaesitum est, an hoc legatum valeat. luventius Celsus respondit: propemodum quidem inperfecta est haec scriptura in tutelam Aureliae viae, quia summa adscripta non est: potest tarnen videri tanta summa legata, quanta ei rei sufficeret: si modo non apparet aliam fuisse defuncti voluntatem aut ex magnitudine eius pecuniae aut ex mediocritate facultatium, quam testatrix reliquit: tune enim officio iudicis secundum aestimationem patrimonii et legati quantitas definiri potest26l.
Eine Erblasserio bedenkt die Kolonie der Graviscaner262 mit einem Vermächtnis zur Restaurierung einer bestimmten Straße, unterläßt es aber dabei, Angaben über die vermachte Summe hinzuzufügen. Celsus muß daher die Frage beantworten, ob das Legat wirksam ist263. Er bejaht und schließt damit inzident eine Möglichkeit aus, deren Erwähnung zu banal wäre, wenn sie nicht anderenorts, doch ebenfalls im Zusammenhang mit der Bestimmbarkeit des Legatsinhalts, in den Quellen genannt und für den Kontext dieser Arbeit von Interesse wäre, D 30.71 pr., Ulp. 51 ad ed.: Si domus alicui simpliciter sit legata neque adiectum, quae domus, cogentur heredes quam vellent domum ex his, quastestatorhabebat, legatario dare: quod si nullas aedes reliquerit, magis derisorium est quam utile legatum264.
Wie schon bei der Princepsbedenkung aus Schädigungsabsicht und bei der Freilassung auf den Todesfall des Bedachten tritt einem in dem Ulpian-Fall eine schadenfrohe Species von Testatoren entgegen; sie legt ein zusätzliches Zeugnis für den oben zitierten Ausruf Goethes ab, demzufolge sich noch die Asche in den Urnen des Lebens zu erfreuen scheint. Da jedoch anders als in dem Ulpian-Fall hier der Vermächtnisgegenstand, Geld, in dem Nachlaß überhaupt vorhanden ist, wenn auch möglicherweise nicht in einem für die Aufgabe hinreichenden Umfang, geht Celsus davon aus, daß sich die Testatorin nicht lustig machen wollte. Vielmehr trifft er folgende 261 Voci, DER II, S. 916, 960; Biondi, Succ., S. 333; Boyer, RHDE 43, 1965, S. 366; Johnston, Trusts, S. 182; zu den Interpolationsannahmen Wieling, Testamentsauslegung, S. 157. 262 Ein Städtchen an der Via Aurelia in der Nähe des heutigen Porto Clementino, vgl. Weiss, RE XIV, Sp. 1847f. 263 Cf. immerhin PS 3.6.13. Um die Anwendbarkeit der dort formulierten, jedoch lange schon geltenden Regel drehen sich die sc~ier endlosen, schon aus der republikanischen Zeit stammenden Fragmente, in denen 01, Hausrat, Gold etc. vermacht worden ist, bei denen jedoch der Umfang des Vermachten unklar ist; vgl. nur Biondi, Succ., S. 331ff. Zum zweiten Unwirksamkeitsgrund der Sentenzen cf. D 34.4.3.7, Ulp. 24 ad Sab. 264 Cf. D 23.3.69.4, Pap. 4 resp.; D 28.7.14, Marcian 4 inst.
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Unterscheidung: Grundsätzlich seien sämtliche Reparaturkosten von dem Vermächtnis erfaßt- es sei denn, der Wille der Testatorin habe sich nur auf einen geringeren Betrag bezogen. Dieser Wille ist entweder aus der Gesamtsumme der Reparatur oder aus dem unzureichenden Umfang des Nachlasses zu erschließen. Dabei ist jedoch festzuhalten, daß beide Alternativen dem Wunsch der Erblasserinnach einem Denkmal gerecht werden. Denn in den vorhergehenden Stellen haben wir gesehen, daß jede Zuwendung inschriftlich festgehalten zu werden pflegte265. Die (immerhin mögliche) Annullierung des Vermächtnisses hätte dagegen die Erblasserin um die Erfüllung ihres Anliegens gebracht. Celsus' Entscheidung ist für uns aus einem weiteren Grund von Interesse. Sie überträgt dem Richter nämlich für den Fall, daß das Vermächtnis nicht die gesamten Reparaturkosten erfaßt, die Festlegung der reduzierten Summe anband einer Schätzung des Nachlasses, patrimonium266. Sofern dieser Auftrag an das officium iudicis267 nicht nur inhaltsloses Gebot ist, bezieht er sich auf eine Besonderheit des römischen Testamentes, die uns schon mehrfach begegnet ist26B: Es gilt nicht nur die Tatsache der Bedenkung, sondern auch der Umfang des Hinterlassenen als Wertmesser der Testatorempfindungen. Dadurch kommt es zu dem verächtlichen Unterton in dem Anwurf Mare Antons, Cicero habe ja nichts durch Erbschaften erworben. Und ebenso entsteht daraus der Stolz des jüngeren Plinius, daß er nunmehr das Gleiche wie Tacitus erhalte269 - denn dies weise ihn in den Augen der Öffentlichkeit als ebenbürtig aus. Infolgedessen scheint es für die Römer wenigstens idealiter möglich gewesen zu sein, die Beziehung zwischen Testator und Bedachtem zu quantifizieren. Als Berechnungsgrundlage diente ihnen wohl eine irgendwie herzustellende Relation mehrerer Faktoren: etwa von der Intensität der Testatorzuneigung, der Enge der Beziehung, dem Betrag des Testatorvermögens und dem Sozialprestige des Bedachten. Den beiden zuletzt genannten Komponenten sind wir bereits anläßlich der von Servius in D 35 .1.27 statuierten Pflicht zur Monumentserrichtungs secundum substantiam et dignitatem defuncti begegnet, während Celsus sich bei dem ihm zur Entscheidung vorliegenden "Denkmal" allein mit dem Umfang des Nachlasses begnügt270. Als Ausdruck dieser Besonderheit des römischen Testamentes oder Erbens wird man das Fragment D 50.10.7.1, Callist. 2 de cogn. Krueger fügt in der von ihm besorgten Digestenausgabe Kommata hinter officio iudicis und legati ein. Die Schätzung müßte sich demzufolge am Nachlaß und an dem Vermächtnis ausrichten. Doch ist gerade der Umfang des letzteren festzulegen. S. demgegenüber Mommsens Originalausgabe. 267 Hierzu allgemein Kaser, RProzR, §52. 268 S. noch D 34.1.22 pr. (dazu im Anhang an diesen Abschnitt). 269 Cic. Phi!. 2.40; Plin. ep. 7.20. 270 Zu weiteren Komponenten etwa D 30.122 pr., Paul. 3 reg. 265
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insgesamt für echt celsinisch halten dürfen; Lenels Annahme, si modo- definiri potest sei tribonianisch27 1 , ist daher abzulehnen. Das folgende Fragment soll eine ganze Gruppe von Stellen repräsentieren, denen eine weitere Erscheinungsform des Denkmales in dem hier zugrunde gelegten weiten Sinne gemeinsam ist: die Vermachung eines Grundstückes, das in alle Zukunft innerhalb des Namens des Erblassers verbleiben soll. Das Grundstück soll also innerhalb seiner Familie und auf diese Weise mit seinem Namen verbunden bleiben. Die Beschränkung auf eine Stelle rechtfertigt sich daraus, daß diese Quellen erst kürzlich einer gründlichen Untersuchung durch Johnston unterzogen worden sind272 , so daß wir uns hinsichtlich der Gruppe als ganzer auf folgendes Zitat beschränken können (S . 289): "While we may early on encounter some negativeness towards prohibitions ( = testamentarisch auferlegte Veräußerungsverbote hinsichtlich des vermachten Grundstückes), we never find any towards settlements within the nomen." Darin kommt mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck, daß sich auch hier die Juristen um die Verwirklichung von Unsterblichkeitsmalen bemühen. D 32.94, Valens 2 fideic.: /s, qui complures libertos relinquebat, tribus ex his fundum legaverat et petierat, ut curarent, ne de nomine suo exiret. quaerebatur, ex tribus qui primus moriebatur utrum utrique vel alteri ex his, qui sibi in legato coniuncti essent, relinquere parfern suam deberet, an possit vel alii conliberto suo eam relinquere. placuit, etsi voluntatis quaestio esset, satis illum facturum et si alii reliquisset. quod si nulli dedisset, occupantis an omnium conlibertorum et num eorum tantum, quibus pariter legatum esset, petitio fideicommissi esset, dubitabatur. et Julianus recte omnibus debere putavit273 •
Der Erblasser hatte aus der Menge seiner Freigelassenen dreien coniunctim ein Grundstück vermacht und ihnen die als Fideikommiß zu qualifizierende Auflage gemacht, daß sie für den Fortbestand seines Namens in Verbindung mit diesem Grundstück Sorge tragen sollten. Die "Kontinuität" des Grundstückes soll als Garant für den zukünftigen Erhalt des Namens fungieren. Daß solcherlei Wünsche eine lange Tradition haben, zeigt beispielsweise das ca. 150 Jahre zurückzudatierende Testament des Vedius Pollio, der Augustus seine stadtrömische Villa mit der Auflage vermacht hatte, dort ein Monument mit Pollios Namen zu errichten. Auch hier sollte der Name die Kontinuität des Hausgrundstückes übernehmen. Augustus ließ das Gebäude jedoch niederreißen und errichtete auf dem Grundstück die Porticus Liviae274 • Aber Lenel 252. SZ 102, 1986, S. 220. Ders., Trusts, S. 76ff., insbes. 88ff. 273 Voci, DER Il, S. 245; Boyer, RHDE 43, 1965, S. 349, 355; Johnston, Trusts, S. 89ff.; ders., SZ, S. 237ff.; dort auch allgemein zu dieser Klausel. Ähnliche Fallkonstellationen etwa in D 30.114.15 u.16, Marcian 8 inst.; D 35.2.54, Mare. 15 dig. 271
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gerade im riesigen kaiserlichen Grundbesitz befinden sich unzählige Immobilien, die über Jahrhunderte hinweg den Namen ihrer ursprünglichen Donatoren tragen, und deren bekannteste wohl die Gärten des Sallust sind275. Auf diese Weise entsteht ein Denkmal, das aufgrund des allgemeinen Bedürfnisses, Grundstücke mit Hilfe eines konkreten Namens zu kennzeichnen (und dadurch die Orientierung zu erleichtern), ähnlich dauerhaft ist wie eine Inschrift. Die juristische Durchsetzung dieses Motivs steht bei dem von Valens, bzw. lulian zu beurteilenden Fall nicht zur Debatte. In ihm geht es vielmehr um die Frage einer gewissermaßen fideikommissarischen, d. h. obligatorischen Akkreszenz. Der Erblasser hatte die drei Freigelassenen und Vermächtnisnehmer zu einer Einheit zusammengeiaßt und sie so von den übrigen conliberti abgesondert. Als einer von den dreien stirbt, entsteht die Frage, auf welche Weise er mit seinem Testament dem fideikommissarischen Gebot Rechnung tragen kann: Entweder, indem er seinen Anteil einem beliebigen, weiteren Freigelassenen seines Patrons hinterläßt, oder nur so, daß er wenigstens einen der beiden Mitvermächtnisnehmer bedenkt276. Valens läßt die erste Alternative genügen, sofern sich nicht ein abweichender Testatorwillen ermitteln läßt, etsi voluntatis quaestio esset. Er erweitert damit die Testierbefugnis des Freigelassenen; denn die Verwirklichung der erblasserischen Intentionen ist in jedem Fall sichergestellt. Derselbe Gedanke liegt wohl Julians Entscheidung in dem Fall zugrunde, in dem der erstversterbende Freigelassene keine explizite Regelung trifft, und irgendjemand Besitz vom Nachlaß (und damit von dem Grundstücksteil) ergreift. Mit dem vorangegangenen Valens-Fall, in dem eine Verbindung zwischen einem Grundstück und dem Namen hergestellt wurde, ist die folgende Testamentsklausel vergleichbar, durch die eine entsprechende Verbindung zwischen einem Tempel und dem Erblasser geschaffen wird, D 34.1.17, Scaev. 19 dig.: Servos ad custodiam templi reliquerat et his ab herede legaverat his verbis: ,peto fideique tuae committo, ut des praestes in memoriam meam pedisequis meis, quos ad curam templi reliqui, singulis menstrua cibaria et annua vestiaria certa'. quaesitum est, 274 Cass. Dio LIV.23.5f.; Ovid, fasti Vl.639ff. Vgl. Hirschfeld, Der Grundbesitz der römischen Kaiser in den ersten Jahrhunderten, Kleine Schriften, 1913, S. 518f. 275 Nachweise bei Hirschfeld, S. 526ff. Zu den Gärten des Sallust etwa Gregorovius, Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter, Bd. 1.1, S. 18 (der TB Ausgabe dtv-Bibliothek). 276 An die letztere Alternative wäre etwa dann zu denken, wenn das Grundstückper vindicationem vermacht gewesen sein sollte. Dann nämlich hatte zwischen den drei Vermächtnisnehmern zur Zeit des ersten Erbfalles Akkreszenz gegolten , deren (obligatorische) Fortsetzung beim zweiten Erbfall angemessen wäre, Gai 2.199. Anders beim Damnationslegat, Gai 2.205, 208. Zur coniunctio beim Vermächtnis Voci, DER I, s. 654.
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VII. Weitere Testamentsklauseln
cum templum nondum esset extructum, ex die mortis an vero ex eo tempore, quo templum explicitum fuerit, percipere servi debeant legatum. respondit officio iudicis heredem compellendum servis relicta praestare, donec templum exstrueretur217 •
Ein Testator hinterläßt einige seiner Sklaven, die pedisequi278, als TempelschützeT oder -pfleger und vermacht279 ihnen eine monatliche Verpflegung und eine alljährliche Neubekleidungzso. Da Sklaven weder Empfänger von Vermächtnissen noch solche von Fideikommissen sein können, sie vielmehr testamentarisch Zugewendetes ihren Eigentümern erwerben, wird es sich bei dem Tempel vielleicht nicht um ein Mausoleum des Testators handeln281. Denn bei einem solchen ist der Erbe als "Träger" der Stätte zu erwarten, so daß eine Vermächtnisverpflichtung aufgrund einer "apriorischen Konfusion" gar nicht hätte entstehen können282. Nachdem es also näher liegt, daß der Tempel einer Gottheit geweiht ist, verbindet sich die Gabe an den Gott mit dem Wunsch an das eigene Gedenken, in memoriam meam, ganz ähnlich wie die Festessen, die am Geburtstag eines Princeps am Grabe des Stifters veranstaltet wurden2s3. Aber auch, wenn der Tempel das Mausoleum des Testators sein sollte, gehört die vorliegende Klausel in unseren Kontext, da sie ein eigenes Denk-Mal setzen soll284 . Das Rechtsproblem ergibt sich daraus, daß der Tempel zur Zeit des Erbfalls noch nicht fertiggestellt ist. Da die Sklaven somit noch nichts zu schützen oder zu pflegen haben, hält sich der Erbe nicht für verpflichtet, das Vermächtnis 277 Voci, DER Il, S. 234, 308; Biondi, Succ., S. 462; Astolfi, Studi sull' oggetto dei legati in diritto romano III, 1979, S. 116f. 278 Das sind diejenigen Personen, die "das Gefolge" des dominus bildeten, wenn dieser das Haus verließ. Das Gegenstück bilden die anteambulones: vgl. Marquardt I Mau, Das Privatleben der Römer, S. 147ff. 279 Zu der Vermengung von Iegare undfidei tuae committo Johnston, Trusts, S. 261. 280 Die gennaten Bedenkungen verbinden sich mit der Gewährung von Unterkunft, habitatio, zu dem Oberbegriff Alimentationsvermächtnis, s. Voci, ebda, S. 308, sowie Boyer, RHDE 43, 1965, S. 343ff.; Astolfi, S. 91 ff. Der Tempel gestellte wohl in Scaevolas Fall die Unterkunft, s. auch D 34.1.23, Paul. 4 ad Ner. 281 So aber Bruck, Römisches Recht, 1954, S. 58, unter Heranziehung von D 33.1.6, Mod. 11 resp. Cf. das Testament des Galliers, pag. II, Z. 14f. ( = FIRA III, Nr. 49; s.o. Kap. II 2 e. S. auch Astolfi, S. 117, 128. 282 Zur Art und Weise, wie einem Tempel testamentarisch zugewendet werden kann, D 33.1.20.1, Scaev. 18 dig. In D 32.38.6, Scaev. 19 dig., ist Fideikommissar das collegium templi. Deren testamenti factio passivaschuf ein Senatus consultum unter(? temporibus divi Marci) Mare Aurel, D 34.5.20, Paul. 12 ad Plaut. Zur Erbeinsetzung von Göttern UE 22.6; dazu Biondi, Succ., S. 128ff., sowie Miliar (FN 235), S. 447f. 283 S. oben Kap. I 2. 284 Eine nicht beantwortbare Frage ist, wie das in memoriam meam in concreto beschaffen war. Sei es, daß die jeweiligen Auszahlungen oder Vergabungen an den Hinweis geknüpft wurden, dies stamme vom Erblasser; dann wäre das Gedenken der Sklaven an ihren früheren Herren gemeint. Oder sei es, daß die Kleidung etwa so kostbar war, daß sich die Tempeldiener deswegen von ihresgleichen abhoben und so das Andenken an den Erblasser förderten, d. h. also: eine Art Schweizer Garde.
2. Denkmals-Klausel
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bereits jetzt zu erfüllen. Darüber kommt es zu einem Streit285, anläßtich dessen Scaevola entscheidet, daß das Vermachte auch zu leisten sei, solange der Tempel noch nicht errichtet ist286. Biondi erklärt das damit, daß es bei Alimentationsvermächtnissen aufgrund ihrer besonderen Funktion ohnehin Abweichungen von den allgemeinen Prinzipien gebe287. Die Richtigkeit dieser Annahme läßt sich allerdings bezweifeln. Denn erstens macht der Testator die Alimentation nicht, oder zumindest nicht explizit, vom "Dienstantritt" der Sklaven abhängig; das quos ad curam templi reliqui dient allein der Konkretisierung der Bedachten. Zum zweiten ergibt sich aus der Formulierung der Klausel, daß Scaevola nur den Absichten des Testators gerecht zu werden versucht: Indem sich dieser nämlich mit der betreffenden Bedenkung ein eigenes, zusätzliches Denkmal geschaffen hat, liegt es nahe , dies gleich nach dem Erbfall in Kraft treten zu lassen. Auf diese Weise dient bereits die erste Aushändigung der Verpflegungsleistung dem Gedenken an den Erblasser. Es ist daher festzuhalten, daß sich das Ergebnis des Falles auch ohne die Annahme einer Ausnahmeentscheidung erklären läßt; sie bemüht sich allein um die Verwirklichung der erblasserischen Intentionen. Nachdem wir schon öfter iri diesem Abschnitt die Verbindung zwischen Denkmal und den Ciceronianisehen Unsterblichkeitsmanifestationen hergestellt und damit auf die große Spannweite der möglichen Erscheinungen angespielt haben, ist es zulässig, die folgende Stelle auch in diesen Kontext einzubeziehen, D 28.7.11, Iu!. 29 dig.: Si quis testamento hoc modo scripserit: ,filius meus si Titium adoptaverit, heres esto: si non adoptaverit, exheres esto' et filio parato adoptare Titius nolit se adrogandum dare, erit filius heres quasi expleta condicione288.
Ein Erblasser setzt seinen Sohn unter der Bedingung ein, daß er Titius an Kindesstatt annimmt. Der Sohn unternimmt die erforderlichen Schritte, doch verweigert Titius seine Bereitschaft zur Adoption. Im Einklang mit der RegeJ289, daß eine auf subjektiven Faktoren beruhende Unmöglichkeit nicht zu Lasten Mit dem collegium templi? Diese zeitliche Begrenzung in Scaevolas Antwort: praestare, donec templum exstrueretur, erklärt sich aus dem Streitgegenstand des Prozesses. Seine Leistungspflicht für die Zeit ab Tempelerrichtung wird der Erbe nicht in Frage gestellt haben. 287 "In qualehe caso si costringe l'onerato a prestare il fedecommesso a favore di schiavi, senza pero attribuir loro alcuna azione". 288 Kaser, RPR, § 61 I 5, § 171 I; Grosso, I legati, S. 460; Biondi , Succ. , S. 540; Voci, DER II, S. 598, 635 , 638. Zur bedingten Erbeinsetzung von Söhnen Meinhard in: Medicus (Hg.), Studien zum römischen Recht zu Ehren von Kaser, 1973, S. 111ff. Dieses Fragment hätte ebenfalls im vorhergehenden Abschnitt (Planung über den Tod hinaus) erörtert werden können; s. aber schon oben, Einleitung a. E. 289 Oben bei FN 64. 285
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VII. Weitere Testamentsklauseln
des Bedachten geht, daß diesem also nicht das Mitwirkungsrisiko übertragen werden darf, behandelt Iulian die Bedingung so, als wäre sie erfüllt290, und gewährt dem Sohn die Erbschaft. Das juristisch Neue an diesem Fall ist, daß die Regel sogar die Enterbungsformel und damit den ausdrücklichen Willen des Testators ignoriert. Denn man wird unterstellen dürfen, daß der Erblasser an die korrekte Exheredation291 eine Substitution292 angefügt hat. Das macht die Stelle für uns aufschlußreich, weil sie eine Grenze der testamentarischen Lenkungsbefugnisse aufdeckt. Aus der Sequenz nolit se adrogandum dare ergibt sich, daß Titius sui iuris war; der Sohn sollte eine Arrogation vornehmen 293, Das ist insofern bedeutsam, als die Arrogation ein natürliches Kindschaftsverhältnis ersetzen294 und infolgedessen tunliehst vermieden werden sollte, wenn Kinder bereits vorhanden waren29S. Der Testator wird daher von der fortbestehenden Kinderlosigkeit seines Sohnes ausgegangen sein. Das Testament, bzw. die der Erbeinsetzung beigefügte Bedingung stellt mithin den Versuch dar, den Fortbestand der Familie über die nächste Generation hinaus zu gewährleisten. Daß der Erblasser mit seinem Anliegen scheitert, führt wegen der angeordneten Exheredation die Ratio der Regel noch deutlicher vor Augen als etwa die oben behandelte Entscheidung in D 35.1.14, in der Sabinus und Proculus dem ebenfalls handlungsbereiten, bedingt eingesetzten Erben die Erfüllung der Bedingung erläßt. Der Erblasser darf die Gefahr für das (aus subjektiven Gründen) Untätigbleiben eines Dritten nicht auf den Bedachten überwälzen. Das durch eine testamentarische Bedenkung hergestellte Näheverhältnis zwischen Erblasser und Bedachtem soll und darf in seiner Existenz nicht von dem Willen eines Dritten abhängig gemacht werden. Demgegenüber wird man ausschließen dürfen, daß lulians Entscheidung in irgendeiner Weise296 durch den Umstand beeinflußt worden ist, daß der von der Enterbung Bedrohte der Sohn des Testators war. Vielmehr könnte man daran denken, daß Iulian den Fall als Beispiel oder gar Grenzfall für eine regula iuris heranzog, von der er in demselben Buch seiner Digesten berichtet; er erläutert sie anhand eines Freilassungsfalles, D 28.2.13.1: 290 Es kommt für die Entscheidung freilich nicht nur auf das Nichtwollen des Titius an, sondern ebenso auch auf die Bereitschaft des Sohnes zur Adoption, filio parato adoptare. 291 Hierzu die in FN 64 angegebene Literatur. 292 Auch wenn es reine Spekulation ist, verdeutlicht es doch die Bedeutung der iulianischen Entscheidung: Die von uns vermutete Substitution mag ein alternatives Unsterblichkeitsmal analog dem Testament Ballistas in D 36.1.33 pr. angestrebt haben. 293 Adoptio ist der Oberbegriff gegenüber adrogatio, s. nur Gai 1.99. 294 Cf. D 1.7.16, Iav. 6 ex Cassio: Adoptio enim in his personis locum habet, in quibus etiam natura potest habere. S. auch I 1.11.4; Kaser, RPR, § 83 II 1. 295 D 1.7.17.3, Ulp. 26 ad Sab. 296 Zum favor heredum legitimerum Wieling, Testamentsauslegung, S. 99.
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Regula est iuris civilis, qua constitutum est hereditatem adimi non passe: propter quam liber et heres esse iussus, quamvis dominus ademerit eodem testamento libertatem, nihilo minus et libertatem et hereditatem habebit297.
Der Regelungsgehalt der regula iuris ist nach Maßgabe des Freilassungsbeispiels der, daß eine einmal formgültig formulierte testamentarische Rechtsposition in demselben Testament nicht wiederrufen werden kann298. Dem entspricht die TestamentsklauselinD 28.7.11 insoweit, als auch sie eine Exheredation der Erbeinsetzung nachschalteL Da letztere jedoch bedingt ist, stellt sie einen Grenzfall für den Anwendungsbereich der Regel dar. Denn der Erbe hat aufgrund der unerfüllten Bedingung gerade noch keine Rechtsposition erworben. Weil aber die Bedingung aufgrund eines anderen Grundsatzes (Verbot der Abwälzung des Mitwirkungsrisikos) unbeachtlich ist, findet die in D 28.2.13.1 genannte Regel Anwendung. Infolgedessen kann die Exheredation keine Wirkung entfalten. Sollte diese Vermutung bezüglich des Zusammenhanges zutreffen, wäre Lenels Palingenesie geringfügig zu ändern: Die regula listet er als Nr. 421 auf und den zweiten Fall als Nr. 426 - anstatt als Nr. 422. D 34.2.38.2, Scaev. 3 resp.: Seia testamento ita cavit: ,si mihi per condicionem humanam contigerit, ipsa faciam: sin autem, ab heredibus meis fieri volo: iubeoque signum dei ex libris centum in illa sacra aede et in patria statui subscriptione nominis mei'. quaesitum est: cum in eo templo non nisi auf aerea aut argentea tantum sint dona, heredes Seiae utrum ex argento an ex auro signum ponere compellendi sunt an aereum? respondit secundum ea quae proponerentur argenteum ponendum299.
Seiaschreibt in ihrem Testament von einem Plan, den sie selbst zu verwirklichen gedenke, sofern es die Lebensumstände ihr vergönnten; widrigenfalls300 sollten ihn die Erben ausführen: Nämlich die Errichtung eines Gottesstandbildes von 100 Pfund in einem näher bestimmten Tempel ihrer Heimatstadt. Sie fügt noch hinzu, daß das Götterbild den Stiftungsvermerk mit ihrem Namen enthalten müsse. Wieder einmal geht es um den Wunsch, das Gedenken an die eigene Person zu perpetuieren. Dabei zeigt der Vorspann der Klausel das starke Interesse Seias an diesem Monument. Denn indem sie die Aufgabe zur Errichtung des Götterbildes - wenn auch subsidiär - auf die Erben überträgt, gibt sie zu 297 Stein, Regulae luris, 1972, S. 95f.; Schmidlin, Die römischen Rechtsregeln, 1970, S. 24ff., 66f.; Nörr, SZ 89, 1972, S. 52f. 298 Stein, Nörr, je a.a.O. 299 Kaser, RPR, § 61 III; Biondi, Succ., S. 570; Voci , DER II, S. 624; Grosso, I legati, S. 470. 300 Sin autem heißt gewöhnlich: wenn aber, s. nur Heumann I Seckel, s.v. "sin". Doch ergibt die logische Struktur des Satzes, daß eine Negation gemeint sein muß. Vielleicht entsprach es dem Sprachgebrauch der Seia, sin als si non zu verwenden. Für das Rechtsproblem des Falles ist das freilich nicht entscheidend.
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VII. Weitere Testamentsklauseln
erkennen, daß es ihr nicht so sehr um die Ehre der Stifterirr geht, die sie unter Lebenden genießen könnte. Vielmehr verknüpft sie, vergleichbar dem Erblasser in der zuvor behandelten Stelle D 34.1.17, ihren inschriftlich bezeugten Nachruhm mit der Ewigkeit des Gottes30l. Da Seia überdies das Götterbild in ihrer Heimatstadt errichtet haben will, spielt für die Bedenkung auch noch die Verbundenheit mit dem 0r(302 sowie dessen Interesse an dieser Gabe eine Rolle. Sie hat es unterlassen, der Gewichtsangabe303 das Material, aus dem das
signum zu fertigen sei, hinzuzufügen. Der Streit, der sich wohl zwischen den
Erben und dem Begünstigten304 darüber entspann, mündet in die dem Scaevola vorgelegte Frage, ob es Gold, Silber oder Bronze sein sollte. Das wertvollste dieser Materialien, GoJd3os, scheint von dem Begünstigten vorgeschlagen worden zu sein, weil bislang lediglich bronzene und silberne Donationen in dem Tempel vorhanden waren. Doch schließt Scaevola diese Alternative aus, was freilich kein vollständiger Erfolg für die Erben ist, weil er sich zwischen den beiden vorhandenen Materialien für das kostbarere Silber306 entscheidet. Die Lösung einer "Rechtsfrage" wie die des vorliegenden Falles liegt näher bei einem Losentscheid als bei der Anwendung spezifisch juristischer Fähigkeiten307. Angesichts des nichtsdestoweniger zu unterstellenden Bestrebens nach Rationalität der Entscheidungstindung dürfen wir davon ausgehen, daß Scaevola die mutmaßlichen Interessen der Seia berücksichtigt hat. In der Tat 301 Diesem Bestreben der Seia kamen die Kompliatoren paradoxerweise auch noch dadurch entgegen, daß sie die ursprüngliche Götterbezeichnung "entsaecularisierten" und der neuen Staatsreligion anpaßten. Auf diese Weise "überlebte" Seias Unsterblichkeitswunschdie "Entthronung" der alten Götter. Freilich ist nicht auszuschließen, daß Seia ein Blankettnamen ist. 302 Exemplarisch Plinius d. J. mit seinen (gebührend betonten) Donationen an Comum und Tifernum, ep. 5.7.3; 7.18.2ff.; 10.8.2ff. Vgl. Duncan-Jones, The Economy of the Roman Empire, 1974, S. 27ff. 303 Zu deren Einordnung Plin., n. h. 33.145, wo von einen 100-pfündigen Silberschüssel aus der vorsullanischen und von einer 500-pfündigen aus der Claudius-Zeit berichtet wird. Zur Üblichkeil derartiger Gewichtsangaben auch auf den Statuen selbst Chantraine, RE IX A 1 s.v. "uncia", Sp. 624f. 304 Voci nimmt an, daß es sich hierbei um eine fideikommissarische Bedenkung handelt. Unterstellt man aber die Vollständigkeit der mitgeteilten Testamensangaben, fehlt es an der Bestimmtheit des Begünstigten: das collegium templi, die patria? Infolgedessen wird man mit Biondi und Kaser an eine Auflage zu denken haben. 305 Der Anlaß zu diesem Vorschlag könnte gewesen sein, daß Libra laut Heumann I Seckel "das Goldpfund der Kaiserzeit" war; doch s. auch Regling, RE Xlll.1 s. v., S. 116. Zur Wertschätzung des Goldes s.nur Lukrez, derer. nat. V.1275, sowie Blümner, RE VII.2s.v. "Gold" , Sp. 1555ff. 306 Dazu erneut Blümner, RE III A.1 s. v. "Silber", Sp. 13ff. 307 S. aber immerhin im Vergleich dazu die Regelung zum Gattungsvermächtnis in D 30.37 pr. , Ulp. 21 ad Sab.: Legato generaliter relicto, veluti hominis, Gaius Cassius scribit id esse observandum, ne optimus vel pessimus accipiatur.
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sind diese mit der Entscheidung zugunsten des Silbers besser gewahrt, weil wir bereits anläßlich der Exegese von D 31.30 festgestellt hatten, daß nicht nur die Bedenkung als solche, sondern auch deren Umfang einen Gradmesser der Verbundenheit und des Sozialprestiges3os ist. Nachdem Seia ihr Monument nicht nur dem Gotte geweiht haben, sondern auch noch als Ausdruck ihrer Verbundenheit mit der Vaterstadt verstanden wissen will, wird Silber diesem Anliegen besser gerecht. Ihre Verbundenheit mit der Stadt und das Ausmaß ihrer Frömmigkeit wird in den Augen der Betrachter des Standbildes durch Silber effektiver repräsentiert. Den Wunsch nach Extravaganzen dagegen, wie es Gold in dem Tempel dargestellt hätte, wollte Scaevola der Seia offenbar nicht unterstellen. Anläßlich der Verweisung auf D 31.30 fragt sich noch hinsichtlich der Scaevola-Entscheidung, warum sie nicht wie jene zur Bestimmung der Quantität auf eine aestimatio patrimonii verweist. Für eine Antwort bietet der Sachverhalt jedoch keinerlei Anhaltspunkte, so daß man sich mit der Vermutung begnügen muß, daß zu dem ea quae proponerentur die Gewißheit gehörte, daß, materiell gesehen, alle drei Varianten möglich waren.
Anhang Die soeben wieder in Bezug genommene Entscheidung in D 31.30 hatte die Idee einer Quantifizierbarkeit testamentarischer Verfügungen nahegelegt. Die folgende Stelle präzisiert diese Möglichkeit anläßlich einer persönlichen309 Bedenkung, D 34.1.22 pr., Valens 1 fideic.: Cum alimenta per fideicommissum relicta sunt non adiecta quantitate, ante omnia inspiciendum est, quae defunctus solitus fuerat ei praestare, deinde quid ceteris eiusdem ordinis reliquerit: si neutrum apparuerit, tum ex facultatibus defuncti et caritate eius, cui fideicommissum datum erit, modus statui debebit310.
Gegenstand des vom Erblasser angeordneten Fideikommisses sind alimenta, der Lebensunterhalt. Demgemäß ist nicht nur eine einzelne Sache, sondern eine Gesamtheit von Leistungen geschuldet wie Nahrungsmittel, Kleidung und Wohnraumm; auch Wasser kann je nach den regionalen Besonderheiten zu den zu erbringenden Leistungen gehören312. Auch wenn der Erblasser den In Fällen wie diesem fällt es auf den Geber - nicht den Empfänger. Im Gegensatz zur Monumentserrichtung; s. schon oben zu D 35.1.27. 310 Voci, DER II, S. 308f. (zum alimenta-Vermächtnis allgemein ebda., S. 307ff.); Biondi, Succ., S. 461; Johnston, Trusts, S. 184. 311 Cf. D 34.1.6, Iav. 2 ex Cass.: Legatis alimentis cibaria et vestitus et habitatio debebitur, quia sine his ali corpusnon potest ... ; dazu Boyer, RHDE 43, 1965, S. 343ff. 312 D 34.1.1, Ulp. 5 de omn. trib. Ulpian macht diese Pflicht davon abhängig, ob in der entsprechenden Gegend Wasser verkauft zu werden pflegt. Die einzelnen Leistungen des Alimentationsvermächtnisses müssen also einen Verkehrswert haben. 308
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14 Paulus
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VII. Weitere Testamentsklauseln
Umfang der Pflichten beschränken kann (etwa allein auf die Versorgung mit Lebensmitteln3B), ist dennoch evident, daß bei einem Alimentationsvermächtnis die Bedürftigkeit der bedachten Person im Vordergrund steht. Es ist daher nicht überraschend, daß die rechtliche Handhabung dieser Bedenkungsform "(e) ispirato ad un alto senso di umanita"314. Doch für die uns interessierende Frage, inwieweit der auslegende Jurist die durch die testamentarische Bedenkung festgelegte Sonderbeziehung zwischen Erblasser und Bedachten bei seiner Beurteilung berücksichtigt, steht die Valens-Entscheidung in einer Linie mit denjenigen des Celsus in D 31.30 und Alfen in D 35.1.27. Im Kontrast zu einem Ulpian-Fragment wird das besonders augenscheinlich, D 34.1.14 pr., 2 fideic.: Meta ait, si puero vel puellae alimenta relinquantur, usque ad pubertatem deberi. sed hoc verum non est: tamdiu enim debebitur, donec testator voluit, aut, si non paret quid sentiat, per totum tempus vitae debebuntur.
Ulpian behandelt keinen ihm vorgelegten, konkreten Fall, sondern nimmt zu einer Entscheidung Melas Stellung und braucht daher keine Sachverhaltsbesonderheiten zu berücksichtigen. Doch ist die Situation mit der des ValensFalles vergleichbar. Denn wenn dort nicht die gegenständlichen Grenzen im Testament genannt wurden, so fehlt hier das zeitliche Limit. Beide Male ist daher der Umfang des Geschuldeten unklar. Ulpian verficht die klare Lösung, daß bis an das Lebensende des Alimentationsbegünstigten geschuldet werde. Er legt also die Klausel allein nach der Interessenlage des Bedachten aus. Demgegenüber sind Valens' Anweisungen präziser: Während Ulpian schreibt, vorrangig sei der Wille des Testators zu ermitteln, gibt er Handhaben, wie dieser Wille festgestellt werden kann: nach dem Umfang desjenigen, was der Erblasser schon zu seinen Lebzeiten dem Begünstigten gewährt hat, sowie danach, was er anderen Leuten desselben Standes hinterlassen hat. Valens bemüht sich also darum , diejenige Einschätzung aufrechtzuerhalten, die der Erblasser von der Bedürftigkeit hatte, bzw. in welchem Umfang er ihr abhelfen konnte. Der Jurist behält diesen doppelten Aspekt, wieviel kann und wieviel will der Erblasser geben, auch für den Fall bei, in dem es keinerlei Anhaltspunkte für die Vorstellung des Testators vom Umfang des Fideikommiß gibt: Dann ist Berechnungsgrundlage die Zusammenschau der verfügbaren Masse,facultates, und der Zuneigung zu dem Bedachten. Unterstellt man wie schon in dem celsinischen Fall, daß diese Anweisung nicht nur inhaltsloses Gebot ist, sondern dem Richter tatsächlich- wenn auch grobe- Anhaltspunkte gibt, so erkennt man erneut das römische Verständnis einer Quantifizierbarkeit der Testator-Bedachter Beziehung. Dabei folgt aus D 34.1.21, Ulp. 2 fideic. Zu D 34.1.17 s. o. sub 2. Biondi, S. 462. Dort auch eine Aufzählung der Bevorzugungen gegenüber anderen Vermächtnissen. 313
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2. Denkmals-Klausel
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der Gegenüberstellung der beiden Fälle, daß dies keine Besonderheit des ohnehin großzügigeren Fideikommißrechts ist, sondern sehr wohl auch bei Vermächtnissen eine Rolle spielen kann315. Das Entscheidende daran ist nicht so sehr die Exaktheit der zur Verfügung gestellten Berechnungsmethode; sie überließ dem zur Entscheidung Berufenen gewiß einen großen Spielraum für die konkrete Festlegung des Umfangs. Vielmehr ist für uns von Bedeutung, daß die Juristen diese Formeln überhaupt als Lösungsweg anbieten konnten. Sie implizieren die grundsätzliche Achtung und das Bemühen um die Aufrechterhaltungder je individuellen Testamentsbeziehungen316, Darüber hinaus machen diese Formeln auch das allgemeinere Phänomen deutlich, wie stark die Wechselbezüglichkeit von Testierverhalten und gesellschaftlicher Erwartungshaltung ist. Denn die Annahme einer wie auch immer im Einzelfall erfolgenden Quantifizierbarkeit einer Beziehung ist ihrer Tendenz nach typisierend und damit nicht-individuell. Sie geht (wenn auch unter Vorbehalt eines abweichenden Testatorwillens) von der Möglichkeit aus, das Maß einer durch ein Testament hergestellten Beziehung von außen bestimmen zu können. Das ist aber nur dann praktizierbar und vom betroffenen römischen Rechtsempfinden akzeptabel, wenn die Testamente ohnehin typischerweise den in den Lösungsformeln aufgestellten Relationen entsprechen. Als Beleg mag ein weiteres Mal der Stolz des Plinius gegenüber Tacitus dienenm, der damit die Praxisnähe der römischen Juristen, bzw. deren Bereitschaft zeigt, Realien gesellschaftlichen Lebens in ihre Lösungen einzubinden. Der Klarstellung wegen ist noch anzufügen, daß die in der Valens-Lösung festgestellte Doppeldeutigkeit, nämlich einmal Respektierung der individuellen Beziehungen, zum anderen Typisierbarkeit des Bedenkungsumfanges, kein Widerspruch in sich zu sein braucht. So könnte man immerhin entgegenhalten, daß die Individualität einer Beziehung nur dann gewahrt werde, wenn die Bedenkung unwirksam sei, sofern die Quantitätsangabe fehlt; sie könne und müsse allein der Testator vornehmen. Doch auch wenn man von der nur in der Theorie exakt durchführbaren Trennung von Individualität und Konformismus absieht: Der Testator ist frei in der Auswahl der Bedachten31B. Nur 315 Zum Einfluß der Fideikommißauslegung auf das Vermächtnisrecht Biondi, Succ., S. 298f.; Riccobono, Mel. Corni! Il, 1926, S. 352ff. Johnston beschreibt den entgegengesetzten Einfluß. 316 Der Lösungsvorschlag Ulpians in D 34.1.14 pr. (s. o.) widerspricht dieser Aussage deswegen nicht, weil er, wie erwähnt, nicht die Lösung eines konkreten Falles bezweckt. Der Jurist als Dogmatiker kann andere Postulate aufstellen als in seiner Eigenschaft als Fallentscheider, s.o. Kap. V 3. Auch in D 33.1.14, Ulp. 2 de fideic., beschränkt sich Ulpian unter Hinweis auf Nervaallein auf die Maßgeblichkeit der digni-
tas (testatoris? ).
Ep. 7.20. Daß auch hier gesellschaftliche Zwänge herrschten, zeigt etwa die PrincepsKlausel. 317 318
14*
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VII. Weitere Testamentsklauseln
wenn er sich entschieden hat, wollen die entsprechenden Lösungsansätze die Gültigkeit und Wirksamkeit der Entscheidung aufrechterhalten. Die Überlegungen zur Quantifizierbarkeit testamentarischer Beziehungen lassen sich anhand einer iulianischen Entscheidung fortführen, D 34.5.13.1, Iul. lib. sing. de ambig.: Si quis leget: ,fundum Seianum heres meus Attio cum Dione Maevii servo dato', dubitatur quidem, Dioni quoque fundus legatus sit an Dio cum fundo legatus sit. sed magis dicendum est non solum fundum, sed etiam servum Dionem esse legatum, maxime si nutlas iustas causas habuit Dioni legandi.
Der Erblasser hat ein Vermächtnis ausgesetzt, demzufolge der Erbe das seianisehe Grundstück dem Attius mitsamt Dio, dem Sklaven des Maevius, geben soll. Auch in der Übersetzung der Klausel wird die Doppeldeutigkeit erkennbar: Dio kann sowohl als Bedachter als auch als Gegenstand der Bedenkung gemeint sein. Die Vermachung eines fremden Sklaven bietet für die zweite Alternative kein Hindernis, weil ein Versehaftungsvermächtnis im Rahmen des hier vorliegenden Damnationslegats zulässig ist319. Iulian entscheidet, daß Dio mitsamt dem Grundstück vermacht sei. Er begründet das insbesondere, maxime si, mit dem Fehlen der dem Dio gegenüber bestehenden iusta causa legandi. Dies ist ein deutlicher Hinweis darauf, daß er seine Entscheidung im Einklang mit den erblasserischen Motiven gefunden hat. Aus welchen Gründen auch immer Iulian den bei seiner Lösung eigentlich zu erwartenden Vorbehalt zugunsten der voluntas testatoris nicht erwähnt320:Er geht eine Stufe weiter, indem er sein Ergebnis mit den iustae causae legandi begründet. Anstatt zu fragen, ob der Erblasser dem Dio ein Vermächtnis hinterlassen wollte, untersucht er, ob für solch einen Wunsch überhaupt ein Anlaß besteht. Dabei ist gerade die Tatsache, daß in diesem Zusammenhang das Adjektiv iusta verwandt wird, aufschlußreich: Denn anders als beispielsweise im Mietrecht, wo es ebenfalls auf iustae causae ankommen kann - dann nämlich, wenn der Mieter das Mietobjekt aus Furcht verläßt und deswegen die Frage nach der weiteren Zahlungspflicht des Mietzinses entsteht, iusta causa timoris 321 -,handelt es sich im Rahmen des Testierens um ein einseitiges Rechtsgeschäft, bei dem es der juristischen Konstruktion nach keinen Ausgleich divergierender Interessen gibt- und damit keinen Anwendungsbereich für iustum im Sinne von "gerecht"322. Die Testierfreiheit 319 Gai 2.202. Im Falle eines Vindikationsvermächtnisses wäre das Ergebnisaufgrund der durch das Senatus consultum Neronianum gebotenen Umdeutung das gleiche. 320 Man könnte ihn allenfalls in das vorsichtige magis dicendum est hineinlesen. 321 Cf. D 19.2.27.1, Alf. 2 dig.; hierzu etwa Frier, Landlordsand Tenants in Imperial Rome, 1980, S. 94ff. 322 Man könnte allenfalls an die ulpianische Definition denken, nach der Gerechtigkeit im ius suum cuique tribuere besteht, D 1.1.10 pr., 1 reg.; also an die iustitia distributiva, vgl. Senn, De Ia iustice et du droit, 1927; Wieacker, Rechtsgeschichte, S. 508f. Doch gibt es gerade kein ius hinsichtlich letztwilliger Zuteilungen.
3. Gegenseitigkeitsklausel
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impliziert gerade die Freiheit zur Willkür, und die Rechtsordnung verneint konsequenterweise jeden (noch so gerechten) Anspruch auf den Nachlaß einer lebenden Person. Die Grenzen der Willkür kommen erst post mortem testatoris in Gestalt etwa der falcidischen Quart, der quarta divi Pii oder der querela inofficiosi testamenti zur Entfaltung und schützen nur den kleinen Kreis der engsten Angehörigen, bzw. im Falle der Lex Falcidia, den testamentarisch bereits unabänderlich und unter Umständen willkürlich festgelegten Erben, ohne nach der iusta causader Erbeinsetzung zu fragen. lulian verweist daher mit seiner Begründung nicht auf rechtliche Kategorien, sondern auf soziale Gepflogenheiten. Es genügt, hierzu auf die obigen Ausführungen zur Dankbarkeit zu verweisen (Kap. 111 3 b); dort haben wir die Pflicht, Dank zurückzuerstatten, gratiam reddere, mit der juristischen Figur der Gegenleistungspflicht verglichen. Seneca erläutert in de beneficiis ausführlich, daß und warum ein entsprechendes Gegenseitigkeitsverhältnis auch gegenüber Sklaven möglich ist323. Deswegen hätte es sich bei der testamentarischen Bedenkung des Maevius-Sklaven Dio sehr wohl um die Erfüllung einer- moralischen- Pflicht handeln können, so daß die Wortwahl des iusta durchaus gerechtfertigt ist. Das Wortcausa wäre mit "Grund" zutreffend wiedergegeben, wenn lulian allein an das Motiv der Dankbarkeit gedacht hätte: Dann wäre damit nämlich gesagt, daß Dio dem Testator gegenüber keine Handlung vorgenommen hat, die diesen zu einer Gegenleistung verpflichtet hat. Da es jedoch nicht nur diesen Grund für testamentarische Bedenkungen gibt, wird man unter den iusta causa legandi am treffendsten "hinreichende Motive zur Aussetzung eines Vermächtnisses"324 zu verstehen haben32s. 3. Gegenseitigkeitsklausel
Unter diesem, bewußt auf die assoziativen Anklänge an das synallagmatische do ut des anspielenden Begriff werden verschiedene Klauseltypen zusammengefaßt: nämlich (a) Dankbarkeit und Freundschaft, (b) Entgelt für geleistete Dienste und (c) kaptatorische Bedenkungen. a) Dankbarkeit/Freundschaft
Wir hatten bereits in Kap. 111 3 c festgestellt , daß das Auseinanderreißen eines Motivbündels zu unrealistischen Ergebnissen führt. Zum Zwecke der De ben. III.18.1ff. Zu dieser Übersetzung auch Voci, DER Il, S. 857ff., insbes. sub I. (S. 857). Ebenso Nörr, Causa mortis, 1986, S. 81f. unter Hinweis (u. a.) auf das Senatus consultum Macedonianum, D 14.6.1 pr. 325 Das Fehlen von hinreichenden Motiven kennzeichnet also auf der "Skala der Quantifizierbarkeit" testamentarischer Beziehungen den Nullpunkt. 323
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VII. Weitere Testamentsklauseln
Systematisierung kann man das hinnehmen, doch hier, wo es um die Untersuchung konkreter Fälle geht, würde jeder "Monismus" eine in Wirklichkeit nicht vorhandene Trennbarkeil vorgaukeln. Das gilt insbesondere für das Motivpaar ,Freundschaft' und ,Dankbarkeit', dessen Verwobenheil besonders eng ist: Dankbarkeit impliziert freundschaftliche Gefühle wie umgekehrt Freundschaft dankbare Gefühle. Mit beiden Motiven dokumentiert der Testator die Sozialbezogenheil seiner Personenhaftigkeit. Seine Zuwendungen bestärken postmortal die Beziehungen, die er mit Freunden und anderen nahestehenden Menschen zu Lebzeiten hatte. Dabei kommt die Vielschichtigkeit des römischen Testamentes in wünschenswerter Klarheit zum Ausdruck, wenn - wie etwa in der nächsten Stelle - diese testamentarischen Bedenkungen einen lebzeitigen Erfolg zeitigen sollen. Auch wo dies nicht der Fall ist, unterliegen Vermächtnisse, Fideikommisse und Kodizille, mithin all die Zuwendungsformen, die typischerweise durch Freundschaft oder Dankbarkeit motiviert sind, einem besonderen juristischen Schutz; er garantiert die Aufrechterhaltung der durch das Testament bekräftigten Beziehung und wahrt so das Andenken an die Persönlichkeit des Erblassers. Dieser Schutzmechanismus wird im Anhang an diesen Abschnitt behandelt. Ein für unsere Zwecke geradezu exemplarisches Fragment ist D 34.5.5 pr., Gai. 1 fideic .: Quidam relegatus facto testamento post heredis institutionem et post legata quibusdam data ita subiecit: ,si quis ex heredibus ceterisve amicis, quarum hoc testamento mentionem habui, sive quis alius restitutionem mihi impetraverit ab imperatore et ante decessero, quam ei gratias agerem: volo dari ei qui id egerit a ceteris heredibus aureos tot'. unus ex his, quos heredes scripserat, impetravit ei restitutionem et antequam id sciret, decessit. cum de fideicommisso quaereretur, an deberetur, consultus Julianus respondit deberi: sed etiam si non heres vellegatarius, sed alius ex amicis curavit eum restitui, et ei fideicommissum praestari326.
Relegation bedeutete Verbannung, ohne daß damit der Verlust der Bürgerrechte verbunden war327; folglich blieb auch die testamenti factio erhalten328. Das Testament, über das Iulian zu befinden hatte, war mithin rechtsgültig. In ihm ordnet der Testator an, daß derjenige, der seine Begnadigung329 beim Biondi, Succ., S. 291. D 48.1.2, Paul. 15 ad ed. praet.: ... tune enim civitas retinetur. Ausführlich zur Relegation Garnsey, Social Status and Legal Privilege in the Roman Empire, 1970, s. 114ff. u . ö . 328 D 28.1.8.3, Gai. 17 ad ed.prov.: .. (relegati) testamenti faciendi ius retinent. Im Gegensatz dazu der deportatus : D 32.1.5, Ulp. 1 fideic. Der Fiskus hat bisweilen freilich die Vermögen von Relegierten eingezogen; vgl. das Reskript Trajans in D 48.22.1, Pomp. 4 ad Sab., sowie Waldstein, RE Supl.X s. v. "bona damnatorum", Sp. 112. 329 Zum Ausdruck restitutionem impetrare D 4.6.40.1, Ulp. 5 opin.; s. auch Waldstein, Untersuchungen zum römischen Begnadigungsrecht, 1964, S. 16. 326
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Princeps erreicht, von den Erben eine bestimmte Summe ausbezahlt erhalten solle. Einer der Erben erwirkt tatsächlich die Aufhebung der Strafe und erbittet nunmehr die Auszahlung des Fideikommisses. Dem halten offenbar die anderen Erben entgegen, daß der Testator verstorben sei, bevor er von der Begnadigung erfahren hat. Iulian entscheidet, daß der Anspruch auf das Fideikommiß bestehe und selbst dann zu erfüllen wäre, wenn nicht der jetzige Anspruchsinhaber, sondern ein anderer aus dem Freundeskreis die restitutio erwirkt hätte. Um dieses Ergebnis erreichen zu können, müssen zwei juristische "Hürden" überwunden werden: Die erste besteht in dem spezifischen Erfordernis der Fideikommisse, daß sie - unabhängig von ihrer lediglich der Beweisbarkeit dienenden Fixierung in einem TestamentJ30- (noch) zum Zeitpunkt des Erbfalles vom Erblasserwillen getragen sein müssen33t . Das folgt aus D 32.1.1 und 5, Ulp. 1 fideic.: (1) Sed si filius familias vel servus fideicommissum reliquerit, non valet: si tarnen manumissi decessisse proponantur, constanter dicemus fideicommissum relictum videri, quasi nunc datum, cum mors contingit, videlicet si duraverit voluntas post manumissionem. haec utique nemo credet in testamentis nosesse probaturos, quia nihil in testamento valet, quotiens ipsum testamenturn non valet, sed si alias fideicommissum quis reliquerit .. . (5) Si quis plane in insulam deportatus codicillos ibi fecerit et indulgentia imperatoris restitutus isdem codicillis durantibus decesserit, potest defendi fideicommissum valere, si modo in eadem voluntate duravit.
Ein Fideikommiß gilt als zum Todeszeitpunkt gegeben, so daß der Wille in diesem Moment vorhanden sein muß. Bei dem relegatus des iulianischen Responsum kann man an dem Vorliegen dieses Erfordernisses zweifeln, da er seine Begnadigung nicht mehr erfährt. Das Rechtsproblem besteht also darin, daß das Fideikommiß bedingt ist und der Erblasser den Eintritt der Bedingung nicht erfährt; infolgedessen kann er seinen Willen nicht mehr konkretisieren. Iulians Entscheidung bedeutet demnach, daß ein bedingter Wille für die Gültigkeit eines Fideikommisses ausreicht332 • Dabei kann er sich zusätzlich auf die Wortwahl der Klausel stützen: Denn der Testator macht die Bedenkung davon abhängig, daß er seine Dankbarkeit nicht zuvor erweisen kann. Damit belegt er den Nachdruck seines generellen Willens für das Fideikommiß. Während sich dieses Rechtsproblem nur aus Iulians Lösung erschließen läßt, spricht er das zweite wenigstens beiläufig an. Er dehnt die Verbindlichkeit seines Responsums auch auf den Fall aus, in dem alius ex amicis curavit eum restitui, und grenzt damit zugleich den Anwendungsbereich der Testa33° Cf. UE 25.4: Fideicommissum relinquere possunt, qui testamentumfacere possunt, licet non fecerint: nam etiam intestato quis moriturus fideicommissum relinquere potest. 331 Hierzu Biondi. 332 Aus D 34.4.3.11; 4 folgt, daß eine freundschaftliche Gesinnung zum Zeitpunkt des Erbfalles bestehen muß.
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VII. Weitere Testamentsklauseln
mentsklausel ein. In ihr heißt es nämlich, daß für das Fideikommiß seine im Testament aufgelisteten Freunde in Frage kommen sollen und zusätzlich sive quis alius. Mit dieser Formulierung ist potentiell jeder bedacht, und damit wäre das Fideikommiß unwirksam. Denn ein Senatus consultum des Hadrian übertrug die Unwirksamkeit von Vermächtnissen, die an incertae personae ausgesetzt waren, auf Fideikommisse, Gai 2.287333. Auch wenn sich dieser Quelle nicht entnehmen läßt, ob das Senatus consultum vor Julians Responsum erlassen wurde, macht die genannte Eingrenzung der Klausel dies wahrscheinlich334. Denn mit ihr bewahrt sie lulian vor der Unwirksamkeit, über die Gaius (im Zusammenhang mit Legaten) folgendermaßen berichtet, Gai 2.238335: Incertae personae legatum inutiliter relinquitur. Incerta autem videtur persona, quam per incertam opinionem animo suo testator subicit, veluti cum ita legatum sit: QUI PRIMUS AD FUNUS MEUM VENERIT, EI HERES MEUS X DATO . . . Sub certa vero demonstratione incertae personae recte legatur, veluti: EX COGNATIS MEIS QUI NUNC SUNT QUI PRIMUS AD FUNUS MEUM VENERIT, EI X MILIA HERES MEUS DATQ336.
Unwirksam ist die Zuwendung an jemanden, der einem ex ante nicht umgrenzbaren Personenkreis entstammt. Das trifft auf die Klausel des relegatus zu, weil sie den Kreis seiner Freunde sprachlich auf die im Testament von ihm Bedachten bezieht und dem "die anderen" gegenüberstellt. Iulian dagegen interpretiert das vel alius so, daß es sich auf den (erweiterten) Freundeskreis bezieht und erreicht damit eine certa demonstratio . Das Fideikommiß ist daher gültig. Die Überwindung dieser juristischen Hürde ermöglicht eine letztwillige Verfügung, wie sie für die Ziele dieser Arbeit kaum aussagekräftiger sein könnte. Denn die Formulierung et ante decessero, quam ei gratias agerem demonstriert die Anerkennung oder sogar Selbstverständlichkeit des Dankbarkeitsmotivs für testamentarische Bedenkungen. Aus ihr ergibt sich der gleiche Rang von Dankesbezeugung unter Lebenden und im Wege letztwilliger Zuwendung. Überdies rekurriert die Formulierung auf den von Cicero und Seneca festgelegten Verhaltenskodex, demzufolge eine Pflicht zum Dankbarkeitserweis besteht (Kap. III 3 b). Freilich hatte der relegatus zusätzlich allen Grund, seine Dankbarkeit mit einer konkreten Summe anzukündigen, da sie ja - wie eine Auslobung - den Anreiz für entsprechende Bemühungen bilden sollte. Aber weil sich ein Tun niemals auf nur ein Motiv reduzieren läßt, und weil sich das Motivbündel nicht exakt aufspalten und (insbesondere) in egoistische oder altruistische Motive einteilen läßt, ist die Bezeichnung graS. auch UE 25.13. Über eine gerrauere Datierung ist nichts bekannt. Zu der unter Hadrian einsetzenden und bis Mare Aurel andauernden Wirkungszeit lulians Bund, ANRW II. 15, S. 408ff. 335 Zur Abfassungszeit der Institutionen etwa Honore, Gaius, 1962, S. 46ff. 336 Cf. UE 24.18. 333
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3. Gegenseitigkeitsklausel
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tias agere auch richtig und bedeutet mehr als das merkantil gefärbte Wort "Belohnung" . Die Unterstellung, daß das Fideikommiß auch als Anreiz dienen sollte, sich für die Begnadigung beim Princeps einzusetzen, macht überdies die lebzeitige Publizität des Testamentes wahrscheinlich. Denn nur durch sie kann die Klausel sozusagen als Zielvorgabe wirken, um bereits zu Lebzeiten des Testators ein bestimmtes Verhalten zu erwirken. Anders jedoch als beim Versuch der Prozeßbeeinflussung durch die angekündigte testamentarische Bedenkung des Richters oder des Princeps (Kap. VI 3 c) verfolgt der relegatus hier kein verwerfliches Ziel. Schließlich ist noch auf die Kennzeichnung der Bedachten als Freunde hinzuweisen, quis ex heredibus ceterisve amicis . . . Alle Zuwendungen sind Freundschaftszeichen und als solche durch Dankbarkeit, Zuneigung oder andere der in dieser Arbeit genannten Affekte motiviert. Der Testator gebraucht diese Kennzeichnung nicht bei den einzelnen Bedenkungen, sondern post heredis institutionem et post legata quibusdam data - als zusammenfassenden Begriff. Somit ist an diesem Testament deutlicher als an den sonst in den Digesten wiedergegebenen erkennbar, daß es ein Abbild des Beziehungsgeflechts ist, in das der Erblasser eingebunden war. Inwieweit alle diese Besonderheiten für die juristische Lösung des Falles entscheidend sind, ob sich mit anderen Worten lulian speziell um die Aufrechterhaltung des testamentarischen Freundschafts-, bzw. Dankbarkeilszeichens bemüht hat, oder ob sich diese nur gleichsam als Reflex seiner juristischen Überzeugungen ergeben hat, ist eine kaum beantwortbare Frage. Doch ist immerhin zu erwägen, daß, erstens, Iulian das Rechtsproblem wesentlich kürzer und prägnanter hätte darstellen können; und daß, zweitens, das gegenteilige Ergebnis wegen der oben genannten juristischen Hürden (dogmatisch gesehen) näher gelegen hätte. Auch die folgende Stelle bietet einen eindeutigen Beleg für das testamentarische Motiv der Freundschaft, D 38.5.9, Iul. 64 dig. : Vivus libertus donare bene merentibus amicis potest: Iegare vero nec bene merentibus amicis potest, quo patroni partem minuat337.
Der Hintergrund dieses Falles ist die Pflicht des Freigelassenen, seinem Patron einen Pflichtteil, die debita portio, zu hinterlassen. Sie betrug die Hälfte des Vermögens338. Da der Freigelassene durch diese Verpflichtung nur testamentsrechtlich gebunden war339, konnte er den Pflichtteil des Patrons Schwarz, SZ 68, 1951, S. 305. Gai 3.41. Dort auch allgemein zu den Voraussetzungen der Pflicht. 339 Der libertus konnte seiner Pflicht freilich auch mittels einer donatio m ortis causa nachkommen, D 38.2.3.17, Ulp. 41 ad ed. 337
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VII. Weitere Testamentsklauseln
ungehindert durch Verfügungen unter Lebenden aushöhlen. Sofern diese Verfügungen jedoch fraudulös waren, durfte der Patron unter hier im Detail nicht interessierenden Umständen34o die Ergänzung seines Pflichtteils vom Verfügungsempfänger verlangen. Als Handhabe und Anspruchsgrundlage diente ihm dazu die actio Fabiana, sofern der Freigelassene ein Testament hinterlassen hatte. In diesem Kontext stellt Iulian fest, daß solche Schenkungen unter Lebenden, die an Freunde gemacht worden sind, die sich wohlverdient gemacht haben, keinen Pflichtteilsergänzungsanspruch begründen. Vermächtnisse an diese Freunde kann der Freigelassene hingegen nicht aussetzen, sofern der Pflichtteil durch sie gemindert wird34 l. Die Stelle ist für uns aus mehreren Gründen aufschlußreich. Zunächst bestätigt auch sie die Feststellung, daß Freundschaftsdienste eine "Gegenleistungspflicht" auslösten. Die lebzeitige Schenkung des Freigelassenen war remuneratorisch342 und schließt damit fraudulöses Verhalten aus. Infolgedessen tritt der Anspruch des Patrons hinter diese "Pflichterfüllung" zurück. Darin liegt eine ähnliche Abstufung des Wertgefüges wie in dem oben, Kap. 111 3 b, berichteten Fall, in dem Asinius Pollio Augustus seine Gefolgschaft verweigert, weil er anderenfalls sich undankbar gegenüber Mare Anton erweisen würde343. Darüberhinaus zeigt die Parallelisierung von Schenkung und Vermächtnis, daß beide gleichwertige Mittel sind, Freundschaftsdienste oder Dankbarkeit abzutragen. Und schließlich belegt das Fragment noch unsere These, daß man Vermächtnisse an Freunde aussetzte344. Die Zurücksetzung testamentarisch bedachter Freunde bedeutet, daß dem Freigelassenen insoweit ein Weiterwirken seiner Persönlichkeit verwehrt wird. Hierin liegt eine standesbedingte Zurücksetzung, weil ab dem Erbfall die Interessen des Patrons überwiegen. D 34.2.40.2, Scaev. 17 dig.: Mulier decedens omamenta legaverat ita: ,Seiae amicae meae omamenta universa dari volo'. eodem testamento ita scripserat: ,funerari me arbitrio viri mei volo et inferri mihi quaecumque sepulturae meae causa feram ex omamentis lineas duas ex margaritis et viriolas ex smaragdis': sed neque heredes neque maritus, cum humi corpus daret, ea omamenta, quae corpori iussus erat adici, dederunt: quaesitum est, utrum ad eam, cui omamenta universa reliquerat, pertineant an ad heredes. respondit non ad heredes, sed ad legatariam pertinere345.
Ausführlich zu ihnen etwa Schulz, SZ 48, 1928, S. 254ff. Das nec potest wird man wohl so zu verstehen haben, daß der Patron durch entsprechende Vermächtnisse nicht belastet wird. Für den Fall der bonorum possessio contratabulas D 35.1.43 pr., Paul. 8 ad Plaut. 342 Schwarz, a.a.O. 343 Vell. Pat. II.86.3. 344 S. auch D 31.8.3, Paul. 9 ad Plaut.; D 34.2.35 pr., Paul. 14 resp. 345 Taubenschlag, SZ 38, 1917, S. 247. Zur römischen Bestattung allgernein etwa Stornrnel, RAC, s.v. "Bestattung", sub A II. 340
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3. Gegenseitigkeitsklausel
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Die Erblasserio vermacht ihrer Freundin Seia ihren gesamten Schmuck. Zusätzlich trifft sie Bestimmungen über ihr Begräbnis. Es solle nach den Vorstellungen ihres Mannes erfolgen, doch müßten ihr bestimmte Schmuckstücke beigegeben werden. Weder die Erben noch ihr Ehemann halten sich an die letztgenannte Bestimmung. Sie begraben die Erblasserin, ohne ihr die Schmuckstücke angelegt zu haben. Daraus entsteht die Rechtsfrage, ob diese nunmehr der Vermächtnisnehmerio Seia gebühren, oder ob die Erben sie behalten dürfen. Scaevola entscheidet zugunsten der erstgenannten Alternative: Der Anspruch der Freundin erstreckt sich auch auf die zurückbehaltenen Schmuckstücke. Angesichts der weitgefaßten Formulierung des Vermächtnisses ist die Entscheidung naheliegend. Doch konnten die Erben immerhin vortragen, daß der Anspruch nicht bestünde, wenn sie der erblasserischen Anordnung Folge geleistet hätten. Warum also sollte die Vermächtnisnehmerio von ihrem, der Erben, Fehlverhalten profitieren? Die Ablehnung dieses in sich schlüssigen Gedankengangs durch Scaevola implizizert den Nachdruck, mit dem der Jurist auf die Erfüllung nicht erzwingbarer Auflagen im Testament drängt. Die Entscheidung besagt, daß die Nichtbeachtung erblasserischer Anordnungen den Beauftragten keinen Gewinn bringen soll; sie können also ebenso gut befolgt werden. So gesehen liegt die Entscheidung auf einer Linie mit der des Trebaz in D 35.1.40.5, wie wir sie oben (bei FN 203ff.) interpretiert haben. Auch dort wollten die zur Bauleistung Verpflichteten weniger als angeordnet aufwenden; um das zu verhindern, hatten sie Sicherheit dafür zu leisten, daß sie die gesamte Summe zum Bau des Monuments verwenden werden. D 34.5.14, Marcian 6 inst.: Si quis ita scripserit: ,illis, qui testamenturn meum signaverint, heres meus decem dato', Trebatius utile legatum esse putat: quod Pomponius verius esse existimat, quia ipsum testamenturn confirmatur testibus adhibitis, quod verum esse existimo.
Ein Erblasser hatte Damnationslegate346 zugunsten der Zeugen ausgesetzt, die "mein Testament gesiegelt haben werden"347. Die Wirksamkeit dieser Klausel könnte wegen der Unbestimmtheit der Bedachten zur Zeit der Testamentserrichtung an der regula Catoniana scheitern, doch entscheidet Trebatius, daß die Vermächtnisse gültig sind. Dabei scheint er allerdings die Vertretbarkeil der entgegengesetzten Lösung nicht ausschließen zu wollen, putat. Bevor die juristischen Probleme eingehender erörtern werden, ist es angezeigt, die Einordnung dieses auf den ersten Blick nüchternen Sachverhalts in 346
Zur Formulierung dato gegenüber damnas esto cf. Gai 2.201; Watson, Succession,
s. 124.
347 Zu dieser Möglichkeit D 28.1.20 pr., Ulp. 1 ad Sab. Hierzu Kübler, RE VA 1 s. v. "Testament", Sp. 988; dort auch weitere Quellen zur Zulässigkeit der Zeugenstellung von Legataren.
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VII. Weitere Testamentsklauseln
den vorliegenden Kontext zu begründen: Das Bezeugen und Siegeln von Testamenten war Freundespflicht. Das ergibt sich nicht nur aus der oben, Kap. 1114 b, bereits zitierten Passage aus Ciceros Rede pro Milone348, sondern vor allem aus Plinius' berühmten Brief an Minicius Fundanus, in dem er allgemein über das Dahinschwinden der Tage in Rom klagt und speziell erwähnt: ille me ad signandum testamenturn ... rogavit349. Aber auch, wenn der Testator bei der Abfassung der Klausel nicht an bestimmte Freunde gedacht haben sollte, gehört das Fragment hierher, weil die Bedenkung dann höchstwahrscheinlich von Dankbarkeit motiviert war. Das wird man aus der von Pomponius mitgeteilten Begründung folgern dürfen, nach der das Testament durch die zugezogenen Zeugen confirmatur. Um zu verstehen, was damit gemeint sein könnte, ist die Unterscheidung zwischen dem zivilrechtliehen Mancipationstestament und dem vom Praetor geschützten Sieben-Zeugen-Testament in Erinnerung zu rufen3so: Bei jenem bedingte die formgültige Mancipation und Nuncupation die juristische Wirksamkeit, bei diesem die Tatsache, daß sieben Zeugen die Urkunde gesiegelt haben, si septem signis testium signaturn sittestamenturn (Gai 2.119) . Folglich dienten die Zeugensiegel beim zivilen Testament zum Beweis351 , während sie beim praetorischen konstitutiv waren. Wenn also Pomponius das Wort confirmare gebraucht, um die Wirksamkeit der Vermächtnisse zu belegen, liegt die Annahme nahe, daß dem Fall ein praetorisches Testament zugrunde liegt. Denn die Begründung betont die Mitwirkung der Zeugen. Nachdem der Marcian-Text keinerlei Anhaltspunkte dafür gibt, daß Pomponius die Voraussetzungen des Trebaz-Falles abgeändert hätte, wird man auch für den Originalfall ein praetorisches Testament annehmen können. Das ist kein Anachronismus, weil dessen Entstehungszeit gerade in diese Zeit, das Ende der Republik, fällt 352 . Sind also die Zeugen in unserem Fall notwendig, um dem Testament zur juristischen Wirksamkeit zu verhelfen und den Testator davor zu bewahren, als intestatus zu versterben, können wir die Vermächtnisse zugleich als Ausdruck von Dankbarkeit verstehen353. Mag es Freundschaft oder Dankbarkeit gewesen sein: Alle drei Juristen verhelfen dem Erblassermotiv zum Erfolg, und gewähren den Legataren-Zeugen die Vermächtnisse. Das bereits erwähnte juristische Problem, das dabei zu meistern war, besteht aus einer Kombination der regula Catoniana und dem 348 18.48: Cicero als Erbe und Zeuge von Cyrus' Testament. S. auch D 32.39.1, Scaev. 20 dig. 349 Ep. 1.9; dazu Tellegen, Pliny, S. llff. 350 S. nur Kaser, RPR, § 160 li, III m.w.N. 351 Zu der späteren Änderung dieser Eigenheit Kaser, II 2 mwN in FN 16. 352 Kühler, Sp. 989. 353 Ein weiteres Beispiel für ein Dankbarkeitsmotiv ist D 32.10, Val. 2 fideic.: Dort sollen die Kinder etwas erhalten, wenn sie zum Begräbnis des Erblassers kommen.
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Bestimmtheilsgrundsatz von Vermächtnissen. Die celsinische Definition der regula lautet, D 34.7.1 pr., 35 dig.: Catoniana regula sie definit, quod, si testamenti facti tempore decessisset testator, inutile foret, id legatum, quandocumque decesserit, non valere354.
Ein Vermächtnis, das testamenti facti tempore unwirksam ist, bleibt unwirksam, auch wenn die Unwirksamkeit noch vor dem Erbfall geheilt wird. Und das Bestimmtheilsgebot von Vermächtnissen hatten wir bereits oben, bei FN 335, in seiner gaianischen Fassung (2.238) zitiert. Die Geltung dieses Gebotes dürfen wir für die republikanische Zeit unterstellen; denn die Problematik ist dieselbe wie bei einer Erbeinsetzung, über die Trebaz selbst zu entscheiden hatte3ss. Infolgedessen mag die Frage, über die Trebaz im vorliegenden Fall zu entscheiden hatte, gelautet haben, ob der für die Anwendbarkeit der regula Catoniana maßgebliche Zeitpunkt die Niederschrift oder die Perfektion, d. h. die Siegelung, ist. Angesichts der Neuheit des praetorischen Testamentes sowie der Parallele zum zivilen Testament, wo gerade bei einem schriftlich abgefaßten Testament356 der Zeitpunkt der Nuncupation entscheidend war, ist eine solche Frage recht naheliegend. Indem Trebaz die Vermächtnisse für gültig erklärt, bestätigt er, daß die Siegelungen bei dem neuen Testamentstyp konstitutiv sind. Zur Zeit der Siegelung waren die Vermächtnisnehmer certae personae, so daß die regula Catoniana nicht zur Unwirksamkeit der Vermächtnisse führt. D 29.5.2, Call. 5 de cognit.: Divus Marcus Commodus Pisoni rescripsit in haec verba: , Cum constiterit apud te, Piso carissime, Iulium Donatum, posteaquam conterritus adventu latronum profugerat villam suam, vulneratum esse, mox testamento facto purgasse officium servorum suorum, nec pieras pro servis nec sollicitudo heredis optinere debet, ut ad poenam vocentur, quos absolvit dominus ipse'357,
Das Problem des Falles, um dessentwegen Piso bei den Principes3ss um Rechtsentscheid gebeten hatte, liegt in der Anwendbarkeit des berüchtigten Senatus consultum Silanianum359. Seine Sanktion anläßlich der Ermordung einesdominusbesteht darin, daß sämtliche Sklaven, die zur Zeit des Mordes 354 Zur regula Hausmaninger, TR 36, 1968, S. 469ff.; Voci, DER li, S. 998ff.; Watson, S. 158ff.; Stein, Regulae luris, 1966, S. 33, 66, 91ff. u.ö.; Nörr, SZ 89, 1972, s. 55f. 355 D 28.5.70. Dazu sogleich im Text. 356 Hierzu Kaser, Il2. 357 Dalla, Senatus consultum Silanianum, 1980, S. 72f., 89, 106. 358 Mommsen liest zurecht: divus Marcus cum Commodo. 359 Zu diesem SC zusätzlich zu Dalla noch Nörr, C. Cassius Longinus: der Jurist als Rhetor, in: FS Bengtson, 1983, S. 187ff., sowie J. G. Wolf, Das Senatusconsultum Silanianum, 1988.
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VII. Weitere Testamentsklauseln
im Haus oder in der Nähe waren, zu töten sind, sofern sie ihm nicht unter eigener Lebensgefahr beigestanden haben. Im vorliegenden Fall war lulius Donatus36(J auf offener Straße von Räubern überfallen und offenbar so schwer verletzt worden, daß er an den Folgen verstarb. Daß das Senatus consultum auch unter diesen, außerhalb des Hauses und sogar außerhalb dervillastattfindenden Umständen anzuwenden ist, und zwar auf alle ihren Herrn begleitenden Sklaven, ergibt sich aus D 29.5.1.31, Ulp. 50 ad ed. Donatus konnte sich in seine villa retten36 1 , wo er noch sein Testament verfasste362 und darin das Verhalten seiner Sklaven bei dem Überfall rechtfertigte, d. h. von einem Schuldvorwurf reinigte. Obwohl es nach dem SC gerade nicht auf das Verschulden der Sklaven ankommt363, befreien die Principes die Sklaven von dessen Sanktion. Dieses Ergebnis wird man wohl aus der Struktur der Begründung, genauer: aus dem finalenutableiten dürfen. Übersetzt man nämlich den Satz nec - debet folgendermaßen: "weder darf Mitgefühl mit den Sklaven noch die Fürsorglichkeit des Erben rechtfertigen", so würde man aus dieser Prämisse das entgegengesetzte Ergebnis, die Anwendung des Silanianum, erwarten. Doch widerspricht dem der nachfolgende utSatz: "daß364 diejenigen bestraft werden, die der dominus selbst(!) freigesprochen hat". Dies liest sich wie eine teleologische Reduktion: Indem das Senatus consultum die Sklaven zum unbedingten Schutz ihrer Herren anspornen sollte365, verfehlt die Sanktion dann ihr Ziel, wenn der dominus selbst den Sklaven pflichtgemäßes Verhalten attestiert. Da auch schon die Einleitung der Sachverhaltsschilderung mit dem cum constiterit apud te auf diese Consecutio hinzielt, wird man unter pietas das Pflichtgefühl zu verstehen haben und unter sollicitudo die Sorge des Erben. Für unseren Themenbereich ist der Sachverhalt doppelt aufschlußreich: einmal, weil der tödlich verwundete Römer seine Sklaven von aller Schuld freispricht, und zum zweiten, weil er als Medium hierfür sein Testament wählt. Er ist nicht näher individualisierbar. Der Wortlaut des Reskripts läßt auch an einen anderen Ablauf denken: Donatus erschrickt auf der Straße vor den Räubern, flieht in seine villa, verletzt sich dort und stirbt nach der Testamentsabfassung. Obgleich für unsere Fragestellung der exakte Hergang unerheblich ist, scheint mir der im Text unterstellte Ablauf wahrscheinlicher. Warum sonst hätten die Räuber überhaupt erwähnt werden sollen? Vielleicht soll der eigenartige Ausdruck profugere (ad?) villam suam besagen, daß die Verletzung anläßlich der Flucht zur villa stattfand. 362 Rein faktisch mag es sich um eine Testamentsergänzung gehandelt haben, oder lulius hat einem bereits vorhandenen Testamentsentwurf den letzten Schliff gegeben. Das facere könnte dann in der Nuncupation oder in der ZeugensiegeJung liegen. 363 S. nur Kaser, RPR, § 67 I. Hinsichtlich der Mitwisser s. allerdings etwa D 29.5.1.26, Ulp. 50 ad ed . 364 Gesprächsweise äußerte Prof. S. Kuttner die Vermutung, ut bedeute hier vielleicht: daß dennoch. Dann wäre das Silanianum hier doch anwendbar. Aber gegen diese Übersetzung sprechen die im Text genannten strukturellen Überlegungen. 365 Cf. Tac. Ann. 14.42ff. 360
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3. Gegenseitigkeitsklausel
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Das erste ist ein Zeichen freundlicher, angesichtsder drohenden Gefahr sogar freundschaftlicher Gesinnung. Denn Donatus hat die Exculpation, so wird man annehmen dürfen, im Hinblick auf das drohende silanianische Verfahren in sein Testament aufgenommen, das damit zum Spiegel einer idealen HerrSklaven-Beziehung wird366.0bgleich das Reskript hierauf nicht eingeht, wird man nach allen bisherigen Erkenntnissen über die Bedeutung des römischen Testamentes annehmen dürfen, daß die Entscheidung auch durch den Umstand beeinflußt wurde, daß die Exculpation in den letzten Willen aufgenommen worden war367 und dadurch gewissermaßen eine erhöhte Autorität genoß. Anderenfalls hätte dies in der Sachverhaltsangabe nicht eigens erwähnt werden müssen. Folglich verband sich bei der Entscheidung dieses Falles der strafrechtliche Aspekt mit demjenigen der Berücksichtigung des letzten Willens. Es ist bezeichnend, daß letzterer den Ausschlag gegeben hat. Obgleich die folgende Bedenkung unmittelbar weder mit Freundschaft noch mit Dankbarkeit zu tun hat, erörtern wir sie dennoch hier, weil ihre Motivation (Ansporn, bzw. Belohnung) durch den Onkel nah genug mit jenen Motiven verwandt ist, D 35.1.36 pr., Mare. lib. sing. resp.: Publius Maevius testamento suo ita cavit: ,quisquis mihi heres heredesve erunt, do lego fideique eorum committo, uti dent Gaio Seio sororis meae filio in honorem consulatus quadringenta': vivo Maevio Seius consul designatus est et munus edidit: deinde ex calendis Ianuariis consulatum ingressus est atque ita Maevius decessit: quaero, an quadringenta Seio debeantur. Marcellus respondit deberi368.
In diesem wohl authentischen Fall369 bedenkt Maevius seinen Neffen Seius mit vierhundert- allerdings mit dem Zusatz: zu Ehren (s)eines Konsulates37o. Das stellt Uuristisch gesehen) eine Bedingung37l und (familienpolitisch gesehen) eine Belohnung für eine große politische Karriere dar. Die Klausel gewährt daher einen kleinen Einblick in den großen Themenkomplex der Vererblichkeit von Senatsmitgliedschaft, von konsularischer Genealogie und der Berufswahl römischer Oberschichtssöhne372. An die Stelle von mehr oder minder mechanisch vorgestellten Entwicklungen tritt hier ein Onkel, der seinen Neffen anspornen (sofern er sein Testament publik gemacht hat) oder doch belohnen möchte. Das zeigt den Onkel in seinem Ehrgeiz; es zeigt aber auch den Hierzu Strasburger, Zum antiken Gesellschaftsideal, 1976, S. 51ff. Vgl. damit allerdings Ulpian, D 29.5.3.17, 50 ad ed. 368 Kaser, RPR, § 189 I; Voci, DER II, S. 588; Boyer, RHDE 43, 1965, S. 372, 404; Johnston, Trusts, S. 200. 369 Zur Werkgattung der Responsen und ihrer (überwiegenden) Authentizität Schulz, History of Roman Legal Science, 1946, S. 224, 232. 370 S. auch D 5.3.58, Scaev. 3 dig. 371 Zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung war der Neffe noch nicht designiert. Der Konsulat war daher ein zukünftiges, ungewisses Ereignis. 372 Dazu Hopkins, Death, S. 130ff. 366 367
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VII. Weitere Testamentsklauseln
Neffen als autonomen Entscheider über den eigenen beruflichen Werdegang. Letzteres hindert freilich nicht, sich den Neffen als in der Familientradition verfangen vorzustellen. Da er nämlich sein Amt ex calendis lanuariis antritt, mithin consul ordinarius ist, ist die Wahrscheinlichkeit groß, daß er einer konsularischen Familie entstammtJ73. Was jedoch der Anlaß zu der Anfrage an Marcellus gewesen ist, läßt sich kaum ergründen. Denn die juristischen Probleme sind marginaler Natur. Mommsen postuliert ein solches, in dem er das atque ita als ein Schreibversehen gegenüber dem originalen ante quas vorschlägt374. Demzufolge wäre der Onkel nach Designation und der Veranstaltung der bej375 Antritt eines Konsulates üblichen Festivitäten, aber noch vor dem eigentlichen Amtsantritt am l.Januar verstorben. Doch ist dieser Korrekturvorschlag, auch wenn er wegen der Erwähnung der Entwicklungsstufen einleuchtet, willkürlich. Denn auch in der vorliegenden Version mag der Nichtjurist ein Problem sehen, das der Jurist freilich in der knappest möglichen Form376 beantwortet: nämlich ob das Vermächtnis geschuldet wird, obieich der Erblasser den Bedingungseintritt erlebt hat. Er hätte ja auch (und vielleicht hat er es tatsächlich) die Belohnung inter vivos ausbezahlen können. Unabhängig jedoch von der Richtigkeit der einen oder der anderen Variante erhält Marcellus mit seiner Entscheidung die testamentarische Belohnung des Onkels an den Konsul-Neffen aufrecht. Anhang
Die Wichtigkeit, die die Römer und insbesondere ihre Juristen den testamentarisch begründeten Beziehungen (und hierbei insbesondere den Vermächtnissen und Fideikommissen) beimaßen, ergibt sich besonders deutlich aus deren von Rechts wegen statuierter Aufrechterhaltung etwa in D 29.4.22, Iu!. 31 dig.: Si in testamento ita scripturn fuerit:, Titius heres esto: si Titius heres erit, Maevius heres esto' et Titius omissa causa testamenti hereditatem legitimam possederit, Maevio adversus eum petitio hereditatis dari non debetpro parte, quam habiturus esset, si testamenti causa omissa non fuisset. cum enim omisso testamento hereditas possidetur, legatorum quidem et libertatium ratio habenda est, quia aliter quam ab herede dari non potuerunt: hereditatis vero quae ita data est rationem habere praetor non debet: sua enim 373 Zu der (in dem konkreten Fall wenig aussagekräftigen) statistischen Wahrscheinlichkeit Hopkins, S. 136f. : Tab. 3.4 und 3.5. 374 S. seine Digestenausgabe sowie etwa Watsons Übersetzung der von ihm besorgten Edition: (Maevius) predeceased. 375 So Kühler, RE IV.l s. v. "Consul", Sp. 1126. Doch zeigt unsere Stelle, daß diese Spiele auch einmal vor Amtsantritt stattfinden konnten . 376 Damit ist natürlich nicht die Frage beantwortet, warum Marcellus überhaupt den Fall in sein Responsenwerk aufgenommen und den komplizierten Geschehensablauf so exakt dargestellt hat.
3. Gegenseitigkeitsklausel
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culpa testatorsub hac condicione hereditatis partem dedit, quam potuit pure dare. (1) Quare et si ita scripturn fuisset: , Titius heres esto: quisquis mihi ex supra scriptis heres erit, Stichus liber heresque esto' et Titius omisso testamento hereditatem possideat, libertatem praetor Stichi tueri non debet nec hereditatis petitionem ei dare. (2) Si quis hoc modo testamenturn scripserit: , Titius heres esto: si Titius heres non erit, Maevius heres esto: quisquis mihi ex supra scriptis heres erit, Maevio, si mihi heres non erit, centum dato', deinde Titius omisso testamento legitimam hereditatem possideat, an Maevio, cuius in potestate fuit, ut ex substitutione adeundo totam hereditatem haberet, legatorum actio dari debeat, quaeritur. et placet dari, quia nihil prohibet Maevium iustam causam habuisse, propter quam nollet negotiis hereditariis implicari377 •
Dieses iulianische Fragment soll der Darstellung der für unser Thema überaus wichtigen Ediktsklausel si quis omissa causa testamenti ab intestato possideat hereditatem37B dienen. Deren Zweck und Schutzrichtung beschreibt Ulpian in seiner Laudatio edicti, D 29.4.1 pr., 50 ad ed.: Praetor voluntates defunctorum tuetur et eorum calliditati occurrit, qui omissa causa testamenti ab intestato hereditatem partemve eius possident ad hoc, ut eos circumveniant, quibus quid ex iudicio defuncti deberi potuit, si non ab intestato possideretur hereditas, et in eos actionem pollicetur.
Das Edikt37 9 schützt demnach den Willen der verstorbenen Testatoren dergestalt, daß es Umgehungsversuche unterbindet, die testamentarische Erben dann vorzunehmen geneigt sein werden, wenn sie zugleich die nächsten Intestaterben sind. Schlagen sie nämlich die deferierte Erbschaft aus, und kommt daraufhin das Intestat-Erbrecht zur Anwendung, würden sie den Nachlaß frei von testamentarischen Belastungen erwerben. Das Edikt verwehrt diesen Umweg, indem es den so um ihre Zuwendung gekommenen Bedachten eine actio ex testamento gewährt, die auf der Fiktion eines wirksamen Erbschaftsantritts beruht3BO. 377 Zu § 1 Wieling, Testamentsauslegung, S. 112; zum Pr. Müller-Eiselt, Pius, S. 132f.; zu§ 2 Grosso, I legati, S. 378. 378 Zum Digestentitel29.4 Lenel, EP, S. 363f.; Biondi, Succ., S. 192f.; Kaser, RPR, § 185 II; Müller-Eiselt, a.a.O. 379 Es hat mit großer Wahrscheinlichkeit schon in spätrepublikanischer Zeit existiert, da es bereits von Labeo kommentiert worden ist: D 29.4.1.12, Ulp. eod. Hinsichtlich der Entstehungszeit der Ediktsklausel ist zu bedenken, daß das sanktionierte Verhalten des testamentarischen und Intestaterben genau demjenigen entspricht, das zu der Einführung der den Erben schützenden Iex Falcidia geführt hat: nämlich der Nichtantritt der Erbschaft, weil durch die Belastungen zu wenig oder gar kein Profit zu erwarten ist. Mag der Anwendungsbereich der Iex auch weiter gespannt sein, indem sie jeden Testamentserben schützt, so bestand doch nach ihrem Erlaß auch weiterhin die Gefahr, daß diejenigen Testamentserben, die auch noch die nächsten Intestaterben waren, sich nicht mit der falcidischen Quart zufrieden geben wollten. Selbst wenn ihnen der Erblasser die Hälfte des Nachlasses hinterließ, konnten sie durch die Ausschlagung nur gewinnen. Als Reaktion hierauf (und zur Absicherung der mit der Iex Falcidia verfolgten Intentionen) wird der Praetor das Edikt wohl um den Titel si quis omissa causaergänzt haben. 380 Biondi, S. 193; D 29.4.18 pr., Gai. 2 ad ed. pr. urb. : . . . perinde habetur atque si ex testamento hereditatem adisset. S. auch D 29.4.1.10, Ulp. eod.
15 Paulus
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VII. Weitere Testamentsklauseln
Wie bei jedem Versuch, rechtlich zulässige, aber nichtsdestoweniger "kontra-produktive" Vorgehensweisen3Sl einzudämmen oder zu unterbinden, sprechen für das Edikt wegen seiner die Gleichbehandlung der testamentarisch Bedachten382 herbeiführenden Wirkung "ovvie ragioni di equiüt"383. Demgemäß wird nicht nur die (in Benachteiligungsabsicht384 vorgenommene) Ausschlagung dessen, der zugleich Testaments- und Intestaterbe ist, sanktioniert, sondern der Kreis wird weiter gesteckt385: Ein Reskript Hadrians läßt auch denjenigen nach dem Edikt haften, der aufgrund einer "Abschlagszahlung" den Erbschaftsantritt unterläßt, D 29.4.2 pr., Ulp. 7 ad Sab. Ebenso haftet, wer aufgrund einer bloßen Absprache zugunsten des gesetzlichen Erben ausschlägt, D 29.4.1.13, Ulp. 50 ad ed., wer dies in Absprache mit einem Miterben tut, D 29.4.6.8, Ulp. eod., oder mit einem Substituten, D 29.4.10.2; 12 pr., Ulp. eod., und schließlich auch der, der die Erbschaft allein aus Schädigungsabsicht gegenüber den anderen Bedachten nicht annimmt, D 29.4.4 pr. u. 1, Ulp. eod.386. Das von uns zu untersuchende lulian-Fragment macht in diesem Zusammenhang deutlich, wo die Grenzen der equita liegen, und legt damit ein gewichtiges Zeugnis für die Schutzrichtung der Ediktsklausel ab. Denn das Pricipium stellt klar, daß Begünstigte des Edikts Vermächtnisnehmerund freizulassende Sklaven, nicht aber Miterben sind. Iulian gibt für diese unterschiedliche Behandlung eine Erklärung, deren Begründungswert bei genauerem Hinsehen nicht allzu hoch ist387 und gerade deswegen die allgemeine Akzeptanz der dem Edikt zugrunde liegenden Idee offenlegt. Er sagt nämlich, daß die Vermächtnisnehmer und Freizulassenden ihre Rechtsposition nur dann verwirklichen können, wenn der Erbe als Testamentserbe antritt. Die Miterbenstellung hänge demgegenüber nicht vom Willensentschluß des anderen ab, sondern unterliege der freien Entscheidung des Erblassers; verknüpfe letzterer jedoch - wie im vorliegenden Fall - das eine mit dem anderen, so habe er selber schuld, wenn der eine Erbe omissa causa testamenti leer ausgehe. Das ist insofern einleuchtend, als der Schutz eines (Mit-)Erben vom Testator gewährt werden kann; der Schutz der "Außenbeziehungen" dagegen haupt381 Zur Behandlung von Umgehungsgeschäften allgemein Honsell, FS Kaser, 1976, S. lllff.; Behrends, Die fraus legis, 1982; Fascione, Fraus legi, 1983, S. 13ff. 382 Es sollen diejenigen keinen Nachteil erleiden müssen, die von solchen testamentarischen Erben etwas verlangen können, die zugleich rangnächste Intestaterben sind. 383 Biondi, a.a.O. 384 D 29.4.1.12, Ulp. eod.; s. allerdings unten zu D 29.4.22.2. 385 Zum Folgenden Müller-Eiselt. 386 Allerdings haftet dann auch derjenige, der die Erbschaft besitzt. 387 Zur geringen Erheblichkeit solcher Iaudationes etwa Wieacker, SZ 94, 1977, s. 36.
3. Gegenseitigkeitsklausel
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sächlich nur durch "die Rechtsordnung". Doch mißt man Julians Begründung an dem von Ulpian mitgeteilten Anliegen des Edikts, es wolle den Willen ( voluntas, iudicium) des Verstorbenen schützen, so muß man zugleich die Einschränkung hinzufügen, daß nur der Wille hinsichtlich der Legate und Freilassungen gemeint ist. Denn in dem Sachverhalt des Principium kommt der Wille, Maevius als Miterben einzusetzen, sehr dezidiert zum Ausdruck. Nimmt man noch hinzu, daß die Hauptstoßrichtung des Edikts gegen die Schädigungsabsicht des omittierenden Erben zielt, so hilft die von Iulian vorgenommene Differenzierung kaum weiter. Denn der Unrechtsgehalt der Handlung des Intestaterben, der das Testament etwa gerade deswegen nicht angetreten haben mag, um seinen (bedingt eingesetzten) Miterben leer ausgehen zu lassen, ist in beiden Fällen der gleiche. Wie schon erwähnt: Daß Iulian diese Begründung genügen kann , läßt auf die Selbstverständlichkeit des damit erreichten Ergebnisses schließen. Und tatsächlich stimmt es weitgehend388 mit den Funktionen überein, die ein römisches Testament nach allunseren bisher getroffenen Feststellungen zu erfüllen hat. Indem das Edikt dem Erben die Freiheit der Nichtannahme beläßt, bewirkt es, daß der Vermögensstamm der Familie erhalten bleibt, so wie es die Testiersitte mit dem Vorrang der Kinder als Erben fordert389. Das wird besonders deutlich an dem Miterben-Fall unseres Fragmentes, wenn man sich unter Maevius einen extraneus vorstellt; sein Anteil verbleibt nunmehr der Familie des Erblassers. Ist er dagegen auch Familienangehöriger, ändert sich insofern nichts an der generellen Zuordnung des Vermögens zur Familie. Auch Kinder, die noch bis zum Erbfall unter väterlicher Gewalt standen, unterfallen dem Edikt, obgleich sie als heredes necessarii, Gai 2.156, streng genommen keinen Erbschaftsantritt unterlassen können. Doch kann der gleiche, vom Edikt mißbilligte Effekt eintreten, wenn sie von ihrem ius abstinendi Gebrauch machen, D 29.4.1.7, Ulp. 50 ad ed. Aber auch wenn keine Kinder existieren, ist der Intestaterbe des ius civile ebenso Familienangehöriger wie der honorarrechtliche der zweiten, unde legitimi, und dritten Klasse , unde cognati39o. Man wird davon ausgehen dürfen, daß die Zahl der die gewillkürte Erbschaft ausschlagenden Ehegatten, die zugleich die nächsten Intestat-Erben waren (in der vierten Klasse, unde vir et uxor), vernachlässigbar gering war391. Über diesen familieninternen Effekt hinaus erhält das Edikt dadurch, daß es für die Vermächtnisse die Fortexistenz des Testamentes fingiert, die S. allerdings D 37.5.1 pr., Ulp. 40 ad ed. Cf. D 37.11.2 pr., Ulp. 41 ad ed.: A e q u iss im um ordinem praetor secutus est: voluit enim prima ad Iiberos bonorum possessionem contra tabulas pertinere . .. ; s. zusätzlich D 38.6.1.5, Ulp. 46 ad ed. 390 Zum Zusammenhang von Familienstruktur und Erbrecht Franciosi, Clan gentilizio e strutture monogamiche3 , 1983, S. 282ff. (dazu Knothe, SZ 102, 1985, S. 532f.). 391 Der Titel D 29.4 enthält keinen solchen Fall. 388 389
15*
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"Außenbeziehungen" aufrecht; sie wurden typischerweise392 mit Legaten honoriert. Auf diese Weise wird das Fortwirken der postmortalen Persönlichkeit in seiner Beziehung zur außerfamiliären Umwelt gerettet. Daß darüber hinaus auch Freilassungen von der ediktalen Sanktion erfaßt werden, verleitet zu Mutmaßungen, deren schwankender Boden nicht in Abrede gestellt werden soll. Sicherlich kann man dieses Phänomen mit dem favor libertatis umschreiben, doch ist spätestens seit der Iex Fufia Caninia (2 v. Chr.393) mit ihrer testamentarischen Freilassungsbeschränkung klar ersichtlich, daß Freilassungen der (prahlerischen) Selbstdarstellung dienen konnten. Sie verhalfen dem Testator bei der "Charakterprüfung" sicherlich zu dem Attribut der Humanität- neben dem des Reichtums und der Generosität394 • Überdies vergrößerten sie für die nachfolgende Generation den mittels der operae libertorum verbundenen Anhang der Familie395, der außerdem noch deren Namen trug und somit dem von Cicero genannten Wunsch nach der propagatio nominis Rechnung trug (Tusc. 1.31). Infolgedessen kommt die Einbeziehung der Freilassungen in die ediktale Sanktion den Interessen der Erblasser in jeder Hinsicht entgegen. Damit ist bei geringstmöglichem Eingriff in die Rechte der Beteiligten die größtmögliche Wirkung erzie!t396: Dem Erben ist die Freiheit unbenommen, die Erbschaft anzunehmen, und die Bedachten können wie bei testamentarischer Erbfolge ihre Ansprüche notfalls im Klagewege durchsetzen. Die Konsequenz, mit der dieses Konzept beibehalten wird, wird durch Iulians Entscheidungen belegt. Das Principium und § 1 führen Beispiele dafür an, in denen der Erblasser "selber Schuld" daran hat, daß die von ihm projektierte Erbfolge scheitert: In den Fällen eben, in denen er die Miterbenstellung von dem Antritt des testamentarisch bedachten Intestat-Erben abhängig macht. Laut § 1 hilft es dann auch nichts, wenn die Gewährung der Miterbenstellung mit einer Freilassungsklausel kombiniert wird. Dieser Fall bedarf deswegen eigener Erwähnung, weil in ihm der Aspekt desfavor libertatis hinzutritt, der ausweislich des 392 In Kap. V 4 haben wir bereits auf die Konstanz der von uns untersuchten Phänomene innerhalb der imperialen Zeit hingewiesen, so daß wir die Typik auf die ganze Epoche erstrecken dürfen. Im übrigen zeigen Fälle wie D 31.77.23 oder 26, Pap. 8 resp. , daß auch Familienangehörige gelegentlich mit Legaten bedacht wurden. 393 Zur Iex Daube , LQR 80, 1964, S. 225ff. 394 Cf. Dio Halik., Rhom. Arch. IV.24.6. S. auch Hopkins, Death, S. 248. Eine Zusammenstellung der Quellen, die belegen, daß der Umfang des Sklavenbesitzes ein Statussymbol darstellte, bei Wiedemann, Greek and Roman Slavery, Haitimore 1981, s. 78ff. 395 Zu dessen wirtschaftlicher Bedeutung etwa Waldstein, Operae, S. 69ff. ; 123ff.; Bürge, SZ 105, 1988, S. 312ff. 396 Fideikommisse liegen ebenfalls im Schutzbereich des Edikts: D 29.4.4.2, Ulp. eod. S. auch Iavolens Parallelisierung von Vermächtnissen und Freilassungen in D 32.77, 1 ex Plaut.
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Principium zum Schutzbereich des Edikts gehört. Dessen Grenzen ergeben sich aus dem Sachverhalt des § 1, weil die Klausel/iber heresque esto nicht einmal im Wege der geltungserhaltenden Reduktion auf die Freilassung beschränkt wird. Die (ungeschützte) Erbeinsetzung des Sklaven steht so sehr im Vordergrund, daß die (an sich geschützte) Freilassung ihre eigenständige Bedeutung verliert. Es ist freilich zutreffend, wenn Wieling diesen Fall als ein Beispiel für eine iulianische Entscheidung gegen den Testatorwillen anführt397, doch ist dafür weniger Iulian als vielmehr das oben beschriebene Konzept des Edikts verantwortlich. Das wird ganz besonders deutlich aus dem in § 2 mitgeteilten Fall. In ihm wird Maevius als Erbe eingesetzt und mit einem Vermächtnis bedacht. Der Unterschied zu dem Sachverhalt des Principium besteht darin, daß Maevius hier Substitut und nicht Miterbe ist, und zu dem des § 1, daß Maevius die zwei Bedenkungen nicht kumulativ398, sondern alternativ: si mihi heres non erit, centum dato. Die Besonderheit des Falles liegt damit in dem Umstand , daß die vom Edikt sanktionierte Situation nicht vom Intestat-Erben herbeigeführt worden ist. Denn als Substitut hatte es Maevius in der Hand, die testamentarische Erbfolge herbeizuführen, nachdem Titius als heres primus die Erbschaft nicht angenommen hatte. Infolgedessen ist kaum vorstellbar, auf welche Weise gegen Titius der für die Anwendung des Edikts notwendige Vorwurf der Benachteiligungs- oder Schädigungsabsicht erhoben werden könnte. Einen Anhaltspunkt für die Beantwortung dieser Frage läßt sich allenfalls dem letzten Satz et placet dari implicari mit seiner Begründung für die Gewährung des Vermächtnisses entnehmen: Nichts hindere den Maevius daran, eine iusta causagehabt zu haben, aufgrund derer er sich nicht in die Erbschaftsgeschäfte habe verwickeln lassen wollen. Da der Antritt einer Erbschaft grundsätzlich dem persönlichen Gutdünken überlassen ist, ohne daß die Gründe für die jeweilige Entscheidung dabei eine Rolle spielen würden, wird man unter der iusta causa wohl eine objektiv nachvollziehbare und billigenswerte Ursache des Nichtantritts zu verstehen haben. Die in unserem Fall an sich naheliegende Idee, an eine nach Abzug der Erbschaftsschulden vermögenslose Erbschaft zu denken, deren Antritt Titius nichts und Maevius zusätzlich um das Vermächtnis gebracht hätte, verfängt deshalb nicht, weil die Iex Falcidia dem Erben ein Viertel bewahrt hätte. Infolgedessen mag es vielleicht an der Eigenart der den Nachlaß ausmachenden Güter gelegen haben, die den Nichtantritt haben verständlich erscheinen lassen. Damit ist freilich noch keine Umgehungsabsicht des Titius und infolgedessen auch nicht die Anwendbarkeit des Edikts erklärt. Dafür ist vielmehr 397 398
AaO.
Hierzu etwa noch D 31.5 und 27 .1.32, beide Paul. 7 quaest.
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VII. Weitere Testamentsklauseln
zusätzlich zu bedenken, daß Titius zur Familie des Erblassers gehört. Iulian mag daher folgende Überlegung angestellt haben: Wenn es eine "Zumutung" ist, die betreffende Erbschaft anzunehmen, hat Titius als Familienangehöriger redlicherweise nicht darauf vertrauen dürfen, daß Maevius dies tut und ihn, Titius, damit von den Belastungen befreit. Unter diesen Umständen läßt sich dem Titius zumindest annäherungsweise ein dem Edikt entsprechender Unrechtsgehalt seines Tuns vorwerfen. Ist das Edikt einmal für diesen Fall als anwendbar erklärt, ist die weitere Frage, ob nämlich Maevius das Vermächtnis soll fordern dürfen, leicht zu beantworten. Nachdem ihm die in dem Nichtantritt der Erbschaft liegende "Selbstschädigung" ausdrücklich zugebilligt wird, gehört er nunmehr - als Vermächtnisnehmer- zu dem vom Edikt geschützten Personenkreis. Aus dem Gegensatz zu dem in § 1 referierten Fall folgt, daß Maevius deswegen sein Vermächtnis einfordern darf, weil ihm dieses unabhängig von der Erbenstellung zugedacht ist; er soll es dann erhalten, wenn er nicht Erbe wird, während der Sklave die Freiheit deswegen erlangen sollte, damit er Erbe werden konnte. Zusammenfassend ergibt sich also, daß lulian anband der drei Fälle des gesamten Fragmentes den Anwendungsbereich der Ediktsklausel dokumentiert: Sofern es um die Erbenstellung eines anderen geht, darf der Testamentserbe, der zugleich nächster Intestat-Erbe ist, die deferierte Erbschaft ungehindert ausschlagen; hinter dieser Freiheit muß sogar der favor libertatis zurückstehen. Das Edikt findet dagegen erst und nur dann Anwendung, wenn unabhängig von einer Erbeinsetzung (auch) ein Vermächtnis ausgesetzt worden ist. Der Versuch, angesichtsdieser Schematik die Frage nach der Berücksichtigung der je individuellen Erblasser-Motive zu stellen, führt in die Irre; das ius cogens läßt dafür keinen Raum. Wohl aber haben die voranstehenden Untersuchungen gezeigt, daß die Regelung selbst die Motive dergestalt berücksichtigt, daß sie sie typisiert und danach ihren Schutzbereich bestimmt. In ihrer Funktion weist die Ediktsklausel eine auffallende Ähnlichkeit mit der Iex Falcidia auf, da beide die testamentarische Erbfolge399 und- insbesondere- die für die Fortdauer der gesellschaftlichen Vernetzung so wichtigen Vermächtnisse aufrechterhalten wollen. Dasselbe Konzept der soeben behandelten Ediktsklausel (nämlich die "Außenbeziehungen" aufrecht zu erhalten) können wir auch im Recht der Kodizille erkennen400, D 29.7.19, MareeiL 14 dig.: 399 Die Ediktsklausel si quis omissa causa wird allein durch ihre Existenz viele von dem Plan des Nichtantritts abgehalten haben. 400 Eine "Rettung" von Vermächtnissen, Fideikommissen und Freilassungen findet sich schließlich auch im Falle der Kaduzität, UE 17.3. S. auch D 28.4.2, Ulp. 4 disp.,
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ls qui unum filium habebat, cum codicillos ad eum scripsisset, decessit intestatus herede eo et quem postea procreavit. adgnatione sui heredis nemo dixerit codicillos evanuisse: igitur si nihil turn de postumis speravit, et codicilli non evanescent et quae relicta sunt, pro parte dimidia filius, ad quem codicillus factus est, solvere compellitur, non etiam postumus. sed et si codicillos reliquisset duobus superstitibus filiis decedens, cum putaret alterum ex his prius decessisse, simili modo dici polest omnia perinde debere filium, ad quem scripti sunt codicilli, atque si solus heres exstitisset patri. immo dumtaxat partem debet: eorum tarnen, quae pro parte praestari non possunt, nihil eorum praestandum, quoniam illi non fuerit filio ablaturus, nisi so/um putaret successorem sibi futurum401.
Das Fragment ist wohl stark überarbeitet worden402. Infolgedessen wollen wir die Erörterung auf die uns interessierende, in jedem Fall authentische Frage nach der Aufrechterhaltung der "Außenbeziehungen" beschränken, ohne auf das Hauptproblem des Falles in seiner vorliegenden Gestalt403 einzugehen, zumal für uns ohnedies das "ob" , und nicht so sehr das "wie" entscheidend ist. Kodizille dienen hauptsächlich dazu, die in einem Testament getroffenen Bestimmungen zu ergänzen; denn bis auf Erbeinsetzungen, bzw. Enterbungen404 können sie alle Varianten letztwilliger Verfügungen enthalten. Freilich ist es generell notwendig, daß der Testator die Kodizille konfirmiert, id est nisi in testamento caverit testator, ut quidquid in codicillis scripserit, id ratum sit (Gai 2.270a). Auf diese Weise wird zwischen Testament und Kodizill eine Verbindung hergestellt, die letzteres in ihrer Wirksamkeit vom rechtlichen Schicksal des Testamentes abhängig macht405. Nichtsdestoweniger gestattet das Erbrecht, wirksame Kodizille auch ohne Konfirmierung, d. h. also abstrakt von der Wirksamkeit des Testamentes aufzusetzen; dann allerdings können sie nur Fideikommisse enthalten, Gai 2.270 a. Während man angesichts des gaianischen Berichts noch zweifeln könnte, ob nicht trotz fehlender Konfirmation wenigstens überhaupt ein Testament vorhanden sein muß, zeigt das vorliegende Marcellus-Fragment eindeutig, daß wo Vermächtnisse zu leisten sind, wenn der Erbenname im Testament durchgestrichen worden ist; zu der Stelle P. Krüger, SZ 1, 1880, S. 58, 63. S. überdies D 31.77.23, 26, Pomp. 8 resp. 401 Biondi, Succ., S. 518; Voci, DER li, S. 93, 230. 402 S. nur Schulz, Ged.-Schr. Seckel, Neudr. 1979, S. 122; Kaser, SZ 58, 1938, S. 99; Beseler, SZ 66, 1948, S. 286, 329. 403 Es besteht darin, wie groß die "Haftungsmasse" ist, aus der der Intestaterbe zu leisten verpflichtet ist, bzw. ober er die Fideikommisse ganz oder nur zur Hälfte zu erfüllen hat. Ausgelöst ist dieses Problem durch die Fallbesonderheit, daß der Erblasser das Kodizill verfaßt hat, ohne an die Existenz eines zweiten Erben zu denken. 404 Gai 2.273. S.aber auch die von Papinian erörterten Probleme in D 29.7.13.1 , 19 quaest. 405 Zu den Einzelheiten Biondi, Succ., S. 611ff.; Voci, S. 84ff., insbes. 86ff. Den umgekehrten Fall, in dem ein Kodizill die Wirksamkeit eines Testamentes begründet, behandelt Papinian in D 37.11.11.2, 13 quaest.
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diese Kodizille selbst dann wirksam sind, wenn deren Verfasser als intestatus verstirbt406. Funktional gesehen wird damit der Grundsatz durchbrochen: nemo pro parte testatus, pro parte intestatus decedere potest. Das ist umso bemerkenswerter, als die Kodizille ab intestato "hanno un regime, ehe in qualehe punto imita quello del testamento"407. Wie weit diese Imitation geht, zeigt der Zusatz des Marcellus, mit dem er eigens betont, daß die Geburt eines heres suus nach Abfassung eines Kodizills an den Sohn nicht zur Unwirksamkeit führt40S; die insoweit fehlende Parallele zum Testament, in dem eine Exheredation erforderlich wäre, verdient also eine ausdrückliche Hervorhebung. Dieses Defizit führt jedoch im vorliegenden Fall gerade dazu, die in dem Kodizill angeordneten letztwilligen Verfügungen, die "Außenbeziehungen", aufrecht zu erhalten. Denn der Sohn ist laut Marcellus verpflichtet, die Fideikommisse auszufolgern. Damit ist die Situation vergleichbar derjenigen, die nach dem Edikt nach erfolgter Ommission eintritt; der einzige Unterschied besteht darin, daß die Verfügungen des Kodizills ab intestato lediglich als Fideikommisse wirksam sein können . Abschließend ist noch ein Fragment zu erörtern, das sehr deutlich zum Ausdruck bringt, in welchem Ausmaß die römischen Juristen die zwischen einem Testator und seinem Erben bestehende Beziehung als eine Verbindung besonderer Art behandeln, D 31.67 .8, Pap. 19 quaest.: Si rem tuam, quam existimabam meam, te herede instituto Titio Iegern, non est Neratii Prisci sententiae nec constitutioni locus, qua cavetur non cogendum praestare legatum heredem: nam succursum est heredibus, ne cogerentur redimere, quod testator suum existimans reliquit: sunt enim magis in legandis suis rebus quam in alienis comparandis et onerandis heredibus faciliores voluntates: quod in hac specie non evenit, cum dominium rei sit apud heredem409.
Das vorliegende Problem stellt eine Steigerung gegenüber dem unstreitigen Fall dar, in dem der Testator in dem Wissen, daß es sich um eine fremde Sache handelt, über diese letztwillig verfügt. Das ist sowohl in Gestalt eines Verschaffungsvermächtnisses möglich410 als auch in Gestalt der Verpflichtung zur unmittelbaren Weggabe eigenen Gutes411. Demgegenüber behandelt Papinian den Fall, in dem ein Erblasser einen Gegenstand in dem Glauben vermacht, es handele sich dabei um eine ihm gehörige Sache, die in Wirklichkeit jedoch 406 Nachweise bei Voci, S. 93. Zu Fideikommissen bei Iotestat-Erbschaft Johnston, Trusts, S. 117ff. 407 Voci, ebda. 408 S. auch D 29.7.3 pr. u. 1, Iul. 39 dig. 409 Grosso, I Iegati, S. 252; Kaser, RPR, § 185 IV 1; Wieling, Testamentsauslegung, S. 118; Voci, DER II, S. 254, 256; Biondi, Succ., S. 419; Müller-Eiselt, Pius, S. 311. 410 In dem Fall gehört die Sache einem Dritten; doch hat sie der testamentarisch Bedachte mit seinem Vermögen zu erwerben, um sie dann ausfolgern zu können. 411 Zu dieser und der ersten Möglichkeit ganz deutlich Gai 2.261.
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seinem Erben gehört. Das ist insofern eine Komplikation gegenüber einem bewußt handelnden Testator, als sich hierbei nicht ausschließen läßt, daß er bei Kenntnis der wahren Sachlage die Verfügung nicht getroffen haben würde. Der Vermächtnisnehmer kann von Glück reden: Er kann das Vermachte vom Erben fordern, während er dann, wenn der vermachte Gegenstand nicht dem Erben, sondern einem beliebigen Dritten gehört, leer ausgehen würde. Das ist die Lehre des Neraz und der Konstitution, auf die Papinian verweist. Letztere ist in I 2.20.4 erwähnt: Non solum autem testatoris vel heredis res, sed et aliena legari potest: ita ut heres cogatur redimere eam et praestare vel, si non potest redimere, aestimationem eius dare. sed si talis res sit, cuius non est commercium, nec aestimatio eius debetur, sicuti si Camp um Martium vel basilicas vel templa vel quae publico usui destinata sunt legaverit: nam nullius momenti legatum est. quod autem diximus alienam rempasse legari, ita intellegendum est, si defunctus sciebat alienam rem esse, non et si ignorabat: forsitan enim, si scisset alienam, non legasset. et ita divus Pius rescripsit ... 412 .
Hier sehen wir die Unterscheidung, derzufolge sich die Wirksamkeit des Vermächtnisses nach der Kenntnis, bzw. Nichtkenntnis des Erblassers von der Fremdheit der Sache richtet413. Die Begründung des Neraz und der Konstitution greift Papinian auf, indem er auf den "Satz der Lebenserfahrung" 414 verweist, demzufolge ein Erblasser primär und vorrangig sein Eigentum aufteilen und erst in zweiter Linie einen belastenden Kaufzwang dem Erben aufbürden wolle415: Ein Testament wird also so verstanden, daß in ihm vorrangig das Seine geordnet wird , und nicht das Fremde. Eben deswegen ist aber die Aussage des Papinian-Fragmentes bemerkenswert. Sie hat nämlich zur Folge, daß das Vermögen des Erben nicht als fremdes behandelt wird4 16. Ganz in diesem Sinne unterscheidet denn auch die Institutionenstelle zwischen testatoris vel heredis res einerseits, und res aliena andererseits. Nur auf letztere bezieht sich die weitere, auf Kenntnis, bzw. Unkenntnis abstellende Unterscheidung: quod autem diximus alienam rem posse legari ...
Es folgt eine BeweislastregeL Die weitere Unterscheidung zwischen res extra commercium und dem Handel zugänglichen Gegenständen soll uns nicht interessieren. 41 4 Wieling, ebda. 415 Vgl. die ähnliche Begründung bei Scaevola, D 33.2.36.1, 25 dig.: ... potius quod habere se crederet, quam quod onerare heredes vellet, legasse. 416 Insofern ist also eine Formulierung wie etwa die von Voci, DER II, S. 229, mißverständlich: "L'erede non e tenuto con mezzi propri"; s. auch Kaser, RPR, § 185 II: "Der Beschwerte kann nicht über seinen Erbteil hinaus mit Legaten bedacht werden". Ein entsprechender Irrtum des Testators hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse eines von ihm belasteten Legatars hat die Unwirksamkeit des Vermächtnisses zur Folge, vgl. Wieling, ebda. 412 413
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VII. Weitere Testamentsklauseln
Die Gleichbehandlung von Eigenvermögen und Erbenvermögen417 scheint so selbstverständlich zu sein, daß Papinian als Begründung für seine von der Neraz-Regel abweichende Entscheidung der Hinweis genügt, daß die vermachte Sache im Eigentum des Erben stehe. Dabei erscheint- wenigstens aus vermögensrechtlicher Sicht - gerade dieser Hinweis wenig aussagekräftig. Denn hinsichtlich der Vermögenseinbuße macht es keinen Unterschied, ob der Erbe gehalten ist, einen ihm gehörenden Gegenstand wegzugeben, oder aber sein Geld dafür aufzuwenden, um den Gegenstand von einem Dritten zu kaufen. Zwar könnte er im letzterem Fall die Summe aus der Erbschaft aufwenden, doch erhält er dann nur einen entsprechend verminderten Nachlaß; während er im ersten Fall zwar sein bisheriges Vermögen schmälert, dafür aber den gesamten Nachlaß erhält. Die Begründung Papinians zeigt jedoch, daß die wirtschaftliche Vergleichbarkeit unbeachtlich ist. Die Betonung liegt vielmehr allein darauf, daß der Erbe der Eigentümer der Sache ist: cum dominium rei sit apud heredem. Die darin liegende Vermischung beider Vermögensmassen belegt in eindrucksvoller Weise den herausgehobenen Stellenwert, den die Juristen der durch das Testament hergestellten Beziehung zwischen Erben und Erblasser zumessen. Dabei ist noch hervorzuheben, daß eine an sich naheliegende Erklärung für die Vermögensvermischung nicht verfängt. Man könnte nämlich daran denken, daß beide Vermögen deshalb als Einheit behandelt werden, weil typischerweise die Kinder Erben sind und infolgedessen diese Behandlung Ausdruck der oben, Kap . 111 4 a, beschriebenen Familienkontinuität des Vermögens ist. Doch paßt dieser Gedanke nicht zu dem Papinian-Fall, weil er als Erben gerade einen extraneus, d. h. also: allenfalls ein emanzipiertes Kind, voraussetzt; denn ein Kind in potestate kann kein Eigentum haben, so daß ein Irrtum des Erblassers ausgeschlossen ist. Mithin bleibt das allein Entscheidende der Umstand, daß der Bedachte vom Testator mit der Erbenstellung bedacht worden ist. b) Entgelt für geleistete Dienste
Die Berechtigung, ein solches Motiv testamentarischer Zuwendungen bei den Römern annehmen zu dürfen, ergibt sich aus kaum einer Stelle so gut wie aus D 32.37.6, Scaev. 18 dig. : Titia honestissima f emina cum negotiis suis opera Callimachi semper uteretur, qui ex testamento capere non poterat, testamento facto manu sua ita cavit: Ttr[a ou:iJEt-tTJV "ai ßovA.ot-tat oo{}fjvat KaUtt-taxcp t-ttaiJofl xa~w OTJvcipta t-tvpw: quaero, an haec pecunia ex causa mercedis ab heredibus Titiae exigi possit. respondi non idcirco quod scripturn est exigi passe in fraudem legis relictum418. 417 Hätte ego im vorliegenden Fall von dem Eigentum des tu gewußt, darf man im Wege eines Erst-recht-Schlusses von der Wirksamkeit des Vermächtnisses ausgehen.
3. Gegenseitigkeitsklausel
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Die "hochehrwürdige" Titia, die sich zur Erledigung ihrer Angelegenheiten ständig der Hilfe des Callimachus bedient hat, möchte diesem fideikommissarisch419 eintausend Denare hinterlassen, und zwar - wie sie ausdrücklich hinzufügt- als Lohn für die Mühewaltungen. Zu einem juristischen Problem wird diese Klausel dadurch, daß Callimachus die testamenti factio passiva fehlt, daß er also aus dem Testament nichts empfangen kann420. Infolgedessen stellt sich die Frage, ob es möglich ist, die Testamentsklausel nicht als eine eigenständige letztwillige Zuwendung zu verstehen, sondern als rein deklaratorisch im Sinne einer Erinnerung an eine bereits existierende (Dienstvertrags-) Schuld421 . Scaevola sieht die "Dienstlohn-Alternative" als ein unzulässiges Umgehungsgeschäft. Seine Begründung besagt, man könne das Gesetz nicht deswegen umgehen, quod scripturn est; niedergeschrieben ist das Motiv oder der Zweck dessen, warum die Testatorin Callimachus in ihrem Testament erwähnt. Auch das unterstellt er dem Regime des Testamentsrechts und bestätigt indirekt damit unsere oben angestellten Überlegungen zu den einzelnen Motiven (Kap. III 3). Dort hatten wir festgestellt, daß die Entlohnung für geleistete Dienste ein typisches Erblassermotiv ist, das infolgedessen nicht aus dem Kontext des Testaments gerissen werden kann. In Kap. 111 3d war bereits davon die Rede, daß Freilassungen und Bedenkungen von Sklaven unbeschadet weiterer Motive422 als eine Entlohnung für geleistete Dienste verstanden werden können. Die Möglichkeit hierzu wurde durch die Ieges Fufia Caninia (2 v. Chr.) und Aelia Sentia (4 n. Chr.)423 erheblich eingeschränkt; doch hat es offenbar auch schon vorher Tendenzen gegeben, in diesem Bereich restriktiv zu argumentieren424. Das wohl bekannteste Beispiel dürfte D 35.1.40.3, Iav. 2 ex post. Lab., sein: Dominusservo aureos quinque legaverat: ,heres meus Sticho servo meo, quem testamento liberum esse iussi, aureos quinque, quos in tabulis debeo, dato'. nihil servo legatum esse Namusa Servium respondisse scribit, quia dominus servo nihil debere potuisset: ego puto secundum mentem testatoris naturale magis quam civile debitum spectandum esse, et eo iure utimur425. Krüger I Kaser, SZ 63, 1943, S. 146; Johnston, Trusts, S. 54, 67. Das folgt schon daraus, daß die Anordnung in griechischer Sprache geschrieben ist, Gai 2.281. 420 Auch nicht fideikommissarisch, Gai 2.285. 421 S. auch D 31.88.10, Scaev. 2 resp. 422 S. Anhang zum vorigen Abschnitt zu D 29.4.22. 423 Vgl. nur Kaser, RPR, § 69 ll4. 424 Watson, Tulane Law Review 42, 1968, S. 295ff.; Backhaus, Casus perplexus, 1981, s. 77. 425 Wieling, Testamentsauslegung, S. 27f.; Watson, Succession, S. 94; ders., Persons, S. 205ff.; Astolfi, Studi sull' oggetto dei legati in diritto romano III, 1979, S. 21, 45f.; Mantello, Beneficium servile- debitum naturale, 1979, S. 10, u.ö. ; Kohlhaas, S. 183ff. mit umfangreichen weiteren Nachweisen in FN 46; Voci, DER II, S. 336, 855f. 418
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VII. Weitere Testamentsklauseln
Ein Testator hatte seinen Sklaven Stichus testamentarisch freigelassen. In dem (durchaus üblichen426) Bestreben, dem Freigelassenen eine finanzielle Starthilfe mitzugeben, vermacht er ihm einen Geldbetrag in Höhe von 5000 HS. Er "erklärt" den Betrag, indem er anfügt, daß er ihn nach den Rechnungsbüchem427 Stichus schulde, quos in tabulis debeo 428. Diese Formulierung greift Servius auf und begründet mit ihr seine ablehnende Entscheidung: Ein dominus könne seinem Sklaven nichts schulden. Er versteht mithin den nur erläuternden Zusatz quos - debeo als ein konstituierendes Moment der Legatsschuld und läßt im Ergebnis dem Testator seine (nach strengen, juristischen Maßstäben bemessen) ungenaue Diktion zum Nachteil gereichen. Daß die Formulierung nur ungenau, nicht aber falsch ist, zeigt Iavolen (oder Labeo?429): Seiner Meinung nach müsse dem Erblasserwillen dadurch zum Erfolg verholfen werden, daß man das Schulden als Naturalobligation und nicht als streng-rechtlichen Begriff versteht43o. Auch dieser Jurist geht also wie Servius von der rechtlichen Relevanz der Erblasserformulierung aus, modifiziert sie aber mittels Auslegung so, daß sie den juristischen Anforderungen zu genügen vermag. Es könnte freilich sein, daß Servius' Entscheidung in ihrer Isolation dramatischer und unverständlicher wirkt als sie es im tatsächlichen Fall war. Denn wenn von einer Schuld in tabulis die Rede ist, darfman die Vermutung wagen, daß der Testator dem Stichus als Peculium ein Geschäft überlassen hatte43l und es ihm als die zuvor genannte Starthilfe ebenfalls vermacht hat. Sollte es auch in Servius' Fall so gewesen sein, hat Servius nur den Umfang des Legats begrenzt, nicht dagegen das Ganze abgesprochen. Dennoch hat er sich über den Willen des Testators hinsichtlich der Summe und das dahinter stehende Motiv, Stichus (auch) in dieser Höhe zu entlohnen, hinweggesetzt. Wieling ist der Ansicht, daß diese Entscheidung des Servius auf dem Umstand beruht, daß der Vermächtnisnehmerein ehemaliger Sklave war, daß es sich also um eine sozial niedrigstehende Person handelte432. Das ist gewiß insoweit zutreffend, als sich die Entscheidung mit den einleitend angedeuteten Tendenzen der Zeit deckt; doch erlaubt eine andere Entscheidung des Servius die Vermutung, daß er den Ausgangsfall ebenso entschieden hätte, wenn 426 S. nur Titel 33.8 der Digesten sowie etwa Boyer, RHDE 43 , 1965, S. 342ff. , 360ff.; Astolfi, S. lff.; Mantello, S. 203, u. ö. 427 Zu solchen tabulae, insbes. dem codex accepti et expensi, Sachers, RE IV A, s. v., S. 1883; Marquardt I Mau, Das Privatleben der Römer, S. 802. 428 Cf. D 15.1.49.2, Pomp. 4 ad Q. Muc. 429 Zum Streitstand Kohlhaas, S. 186ff. 430 S. auch D 15.1.41, Ulp. 13 ad Sab.; D 33.8.6.4, Ulp. 25 ad Sab.; D 50.17.32, Ulp. 43 ad Sab. 431 Generell hierzu Morabito, Les realites de l'esclavage apres Je digeste, 1981, s. 113f. 432 Ebenda.
3. Gegenseitigkeitsklausel
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anstelle des Sklaven, bzw.Freigelassenen, etwa der gewaltunterworfene Sohn mit einer "geschuldeten" Summe bedacht worden wäre; ein Fall also, in dem der Statusunterschied keine Rolle spielt. Gai 2.244: An ei, qui in potestate sit eius, quem heredem instituimus, recte legemus, quaeritur. Servius recte legari putat, sed evanescere legatum, si quo tempore dies legatorum cedere solet, adhuc in potestate sit; ideoque sive pure legatum sit et vivo testatore in potestate heredis esse desierit, sive sub condicione et ante condicionem id acciderit, deberi legatum. Sabinus et Cassius sub condicione recte legari, pure non recte, putant: licet enim vivo testatore possit desinere in potestate heredis esse, ideo tarnen inutile legatum intellegi apartere, quia quod nullas vires habiturum foret, si statim post testamenturn factum decessisset testator, hoc ideo valere, quia vitam longius traxerit, absurdum esset. Sed diversae scholae auctores nec sub condicione recte legari, quia, quos in potestate habemus, eis non magis sub condicione quam pure debere possumus433.
Uns soll vornehmlich der erste Teil der gaianischen Ausführungen interessieren, in dem der Servius-Fall referiert wird. Die Entscheidung des Sabinus und Cassius ist freilich insofern bemerkenswert, als sie sich in der nachfolgenden Zeit gegenüber der "dogmatischeren" Meinung der Proculianer durchgesetzt hat434 und damit das Bedürfnis dokumentiert, Gewaltunterworfene neben ihren Gewalthabern auf irgendeine Weise bedenken zu können43s. Das von Gaius gestellte Problem besteht darin, ob und (bejahendenfalls) wie man zugunsten eines Gewaltunterworfenen ein Vermächtnis aussetzen kann, wenn man den Gewalthaber als Erben eingesetzt hat436. Auch hier also geht es um die Frage, ob innerhalb eines Gewaltverhältnisses ein Schulden möglich ist, ohne daß Servius oder Gaius eine Unterscheidung nach Kind oder Sklave treffen würden. Die auf der Grundlage der regula Catoniana 437 "richtige" und von den Proculianern verfochtene Lösung muß die Frage verneinen, weil in dem entscheidenden Moment der Testamentsperfektion das Gewaltverhältnis besteht. Bei einem Vindikationsvermächtnis kann daher in diesem Zeitpunkt keine Eigentumsverschiebung eintreten, und bei einem Damnationsvermächtnis entsteht wegen Konfusion keine Forderung. Damit entspricht die proculianische Lösung der servianischen Entscheidung in fr. 40.3. Und dennoch vertritt Servius - auf den ersten Blick überraschend - eine abweichende Meinung438, 433 De Zulueta, Inst. II, 1963, S. 106; Grosso, I legati, S. 306; Kaser, RPR II, § 185 III 1, § 186 I;§ 187 I 2; Voci, DER II, S. 246, 999; Flume, SZ 92, 1975, S. 105ff. ; Nörr, sz 89, 1972, s. 55f. 434 UE 24.23; I 2.20.32. S. auch Liebs, ANRW II .l5, S. 256 m.w.N. 435 Einmal mehr ist hier das Testament ein Spiegel und ein Mittel generationenüberschreitender, gesellschaftlicher Verflechtungen. 436 Zum umgekehrten Fall cf. Gai.2.245. 437 S. die Nachweise oben FN 354. 438 Hinsichtlich Freilassungen cf. D 40.4.35, Paul. 50 ad ed.; dazu Voci, DER II, s. 409.
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VII. Weitere Testamentsklausein
indem er das fragliche Vermächtnis in jedem Fall zuläßt; sei es bedingt ausgesetzt oder unbedingt. Trotzdem harmoniert diese Entscheidung mit der vorigen: Denn aus der beigefügten und in den Beispielen verdeutlichten Einschränkung wird erkennbar, daß die Beendigung des Gewaltverhältnisses nicht mit dem dies cedens zusammenfallen darf, sondern schon vorher eingetreten sein muß, evanescere, si ... adhuc in potestate sit. Im Falle eines unbedingten Legats muß also der Gewaltunterworfene bereits zu Lebzeiten439 des Testators gewaltfrei geworden sein, und im Falle eines bedingten vor Bedingungseintritt. Da der Sklave des in 40.3 behandelten Falles jedoch nur testamentarisch freigelassen worden ist, quem testamento liberum esse iussi, ist es konsequent, daß Servius die Vermächtnisschuld verneint. Die servianische Konsistenz mindert freilich nur geringfügig die Härte seiner Entscheidung in 40.3440. Anders als Iavolen und die zu dessen Zeit herrschende Ansicht verwehrt er dem dominus, die Dienste des Sklaven insoweit zu entgelten. Dabei wird aus dem Vergleich mit Gai 2.244 deutlich, daß Servius' ablehnende Haltung auf seiner Ansicht über die Möglichkeit einer Schuld zwischen Gewalthaber und -unterworfenen beruht. Hätte der Testator in 40.3 den erklärenden Zusatz weggelassen, hätte Servius (wohl) an der Gültigkeit des Vermächtnisses nichts auszusetzen gehabt. Infolgedessen brauchen wir diese Entscheidung nicht als eine grundsätzliche Einschränkung erblasserischer Möglichkeiten anzusehen, testamentarisch Freigelassene zusätzlich zu bedenken. D 40.7.21 pr., Pomp. 7 ex Piaut. : Labeo libro posteriorum ita refert: ,Calenus dispensator meus, si rationes diligenter tractasse videbitur, liber esto suaque omnia et centum habeto'. diligentiam desiderare eam debemus, quae domino, non quae servo fuerit utilis. erit autem ei diligentiae coniuncta fides bona non solum in rationibus ordinandis, sed etiam in reliquo reddendo, et quod ita scripturn est , videbitur', pro hoc accipi debet , videri poterit': sie et verba legis duodecim tabularum veteres interpretati sunt ,si aqua pluvia nocet', id est ,si nocere poterit'. et si quaereretur, cui eam diligentiam probari oporteat, heredum arbitratum viri boni more agentium sequi debebimus, veluti si is, qui certarn pecuniam dedisset, liber esse iussus est, non adscripto eo, cui si dedisset, eo modo poterit liber esse, qua passet, si ita fuisset scripturn ,si heredi dedisset' 441 .
Der Erblasser ordnet die Freilassung seines dipensator-Sklaven Calenus442 unter der Bedingung an, daß sich herausstellt, daß er die Rechnungsbücher sorgfältig geführt hat. Hieraus und aus der zusätzlichen Bedenkung all des Seinen443 sowie zusätzlicher Hundert wird deutlich, daß der Erblasser den 439 Der dies cedens wurde erst durch die Iex Papia Poppea vom Todeszeitpunkt auf den der Testamentseröffnung verlegt; Astoifi, Iex, S. 206ff. 440 In D 40.7 .3 .2, Aif. 4 dig., argumentiert Servius ebenfalls sehr wortlautbezogen zu Lasten eines Sklaven. 441 Voci, DER II, S. 917f.; Waldstein, Operae, S. 122. 442 D.h.: "der Kalener". Er stammte offenbar aus Cales, einer Stadt in Kampanien.
3. Gegenseitigkeitsklausel
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Sklaven in Dankbarkeit entlohnen will - vorausgesetzt freilich, daß Calenus sich loyal verhalten hat. Um die Erfüllung der Bedingung scheint es zum Streit gekommen zu sein, in dessen VerlaufLabeo um eine Auslegung gefragt wird. Labeo legt einen strengen Maßstab an444. Er fragt nicht, welchen Freiraum oder Pflichtenkreis Calenus konkret hatte445, sondern interpretiert das diligenter so, daß sich die Sorgfalt auf den Vorteil des Herrn beziehen müsse. Darüber hinaus "verstärkt" er die Sorgfalt um die bona fides (und unterwirft sie damit einem allgemeineren Urteil) und erstreckt sie überdies auf die Ausfolgerung des Abschlußsaldos. Der Klarstellung halber sei angefügt, daß beide Anordnungen Labeos verständlich sein mögen. So mutet es wie eine Selbstverständlichkeit an, daß die Sorgfalt dem Herrn gegenüber geschuldet wird. Und die Rechnungsführung hat nicht um ihrer selbstwillensorgfältig zu sein, sondern deswegen, um einen konkreten Abschluß zu erhalten446. Nur, diese Feststellungen würden besser zu einer allgemeinen Beschreibung der Pflichten eines dispensator passen als zu der Auslegung einer ganz individuell ausgerichteten TestamentsklauseL Eine gewisse Erleichterung bedeutet allerdings die Gleichstellung von videbitur mit videri poterit, auch wenn damit auf den ersten Blick gemeint zu sein scheint, daß der Anschein sorgfältiger Rechnungsführung nicht genügen solle, sondern daß man sie erkennen müsse. In diesem Erfordernis läge dann (gemäß Voci) die Einräumung einer objektiven Kontrollmöglichkeit (und damit eine wesentliche Erschwernis) 447. Doch ist bei solch einem Verständnis Labeos Vergleich mit der Interpretation der 12-Tafel-Sentenz (tab. VII.8 a) nicht nachvollziehbar. Denn wenn die Parallele lautet: si nocet und si nocere poterit, dann liegt darin eine zeitliche Vorverlagerung des mit dem Verbum ausgedrückten Geschehens; in diesem Falle anstelle der Schädigung, nocere, die bloße Gefährdung, nocere passe. Überträgt man das auf die DispensatorKlausel, so soll bereits die Möglichkeit der Überprüfung ausreichen. Der Sklave kann infolgedessen schon zu diesem Zeitpunkt die Freiheit erlangen.
443 Im Hinblick auf die vorbehandelte Servius-Entscheidung lohnt die Feststellung, daß Labeo, bzw. die eine der streitenden Parteien, nichts an dieser Formulierung auszusetzen hat. 444 Voci behandelt diese Stelle denn auch unter der Überschrift: interpretazione oggetiva, und indiziert damit zutreffend, daß sich Labeo von den konkreten Absichten des Testators entfernt. 445 S. auch D 40.4.8, Pomp. 5 ad Sab., wo Pomponius offenbar dieselbe Klausel wie in D 40.7.21 pr. heranzieht. Sklaven konnten und durften bisweilen ihr Peculium vermehren: D 15.1.39, Flor. 11 inst.; D 15.1.40, Mare. 5 reg. 446 Cf. D 11.3.16, Alf. 2 dig., wo einem dispensarar auch nicht die unsorgfältige Rechnungsführung vorgeworfen wird, sondern das Fehlen des Geldes. S. auch D 35.1.50, Ulp. 1 de off. cons, sowie D 40.4.8 (vgl. vorige FN). 447 s. 918.
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VII. Weitere Testamentsklauseln
Diese Möglichkeit soll aber wiederum nicht abstrakt festgestellt werden, sondern konkret im Hinblick auf die Erben; ihnen nämlich soll Calenus den Beweis seiner Rechtschaffenheit liefern. Freilich läßt sich eine solche Pflicht nicht mehr der Testamentsklausel entnehmen, und zwar unbeschadet des von Labeo herangezogenen Vergleichfalles, in dem er diese Beweispflichtigkeit mit einer Zahlungsverpflichtung gleichsetzt. Vielmehr erstreckt er die anfänglich aufgestellte Forderung, die Sorgfalt nach dem Nutzen des Dominus zu bemessen, de facto auf den Nutzen der Erben. Dabei zeigt die von Labeo angefügte Einschränkung, derzufolge sich die Erben bei der "Beweiswürdigung"448 an den Maßstab eines vir bonus zu halten haben449, daß er sich dieser, für den Sklaven unter Umständen gefährlichen Konsequenz bewußt war. Es liegt nahe, Labeos objektivierende und damit strenge Auslegung mit dem Hinweis auf die soziale Stellung des Sklaven, bzw. Freigelassenen zu begründen und in der Entscheidung einen Anwendungsfall des Topos ,Benachteiligung sozial Niedrigstehender' zu sehen . Allerdings widerspricht dem die Tatsache, daß Labeo bei anderen, Sklaven freilassenden Testamentsklauseln den Grundsatz des favor libertatis nicht nur anwendet, sondern sich zu dessen Durchsetzung sogar über den Wortlaut der Testamentsklausel hinwegsetzt, D 40.7.3.11, Ulp. 27 ad Sab.: Si quis heredi in diebus triginta proximis mortis testatoris dari iussus fuerit, deinde heres tardius adierit, Trebatius et Labeo, si sine dolo malo tardius adierit, dantem eum intra dies triginta aditae hereditatis ad libertatem pervenire.
Labeo deutet hief'ISO die eindeutige Klausel "innerhalb von 30 Tagen nach meinem Tod" um in "innerhalb von 30 Tagen nach Erbschaftsan tritt" , um die Freilassung zu ermöglichen. Und auch im folgenden Fall entscheidet er sich für die aus der Sicht des freizulassenden Sklaven günstigste Interpretation, D 40.4.41.2, Pomp. 7 ex Plaut.: Labeo scribit, si sie libertas relicta sit: ,Stichus intra annum, postquam mortuus ero, liber esto', statim eum liberum esse: nam et si ita sit: ,si intra annum decimum heredi meo dederit, liber esto ', statim solvendo eo liberum esse sine mora futurum45! , 448 Möglicherweise hatte der Streit zwischen Erben und Calenus bereits die Stufe eines Prozesses erreicht. 449 Zu diesem Maßstab und - erneut - der ihm innewohnenden, objektivierenden Tendenz D 32.43, Cels. 15 dig. : Si filiae pater dotem arbitratu tutorum dari iussisset, Tubero perinde hoc habendum ait ac si viri boni arbitratu legatum sit. Labeo quaerit, quemadmodum apparet, quantam dotem cuiusque filiae boni viri arbitratu constitui oportet: ait id non esse difficile ex dignitate, ex facultatibus, ex numero liberorum testamenturn facientis aestimare. S. auch K. Nehlsen-von Stryk, Die boni hominesdes frühen Mittelalters, 1981, S. 258ff. Zu Interpolationsannahmen s. nur Schulz, SZ 48, 1928, s. 691 ff. 450 Der nachfolgende Text des Fragments erörtert den Fall, in dem der Erbe absichtlich den Antritt verzögert hat. Es wird nicht klar, ob die Fiktion des Bedingungseintritts labeonisch ist. 451 S. auch D 40.7.29.1 , Pomp. 18 ad Q. Muc.; D 15.1.7.5, Ulp. 29 ad ed.
3. Gegenseitigkeitsklausel
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Folglich wird man, innere Konsistenz im Gesamtwerk Labeos vorausgesetzt, nach einem anderen Grund für die Strenge der Dispensator-Entscheidung zu suchen haben. Dafür bietet sich die Mitteilung an, daß Calenus dispensator gewesen ist. Dieses Amt, das praktisch die gesamte Verwaltung des Geldes umfaßt, setzt wegen der mit ihm verbundenen Gefährdungen452 eine besondere Vertrauensstellung zwischen Sklaven453 und Herrn voraus4s4. Damit wird die Entscheidung Labeos verständlich, auch wenn sie die individuellen Motive des Testators im konkreten Fall vernachlässigt: Labeo nutzt die Calenus-Klausel dazu, exemplarisch und damit für die Zukunft berechenbar den Pflichtenkreis des dispensator festzulegen455. Daraus erklärt sich die Ausführlichkeit, mit der Labeo begründet; und auch der Vergleich mit dem Verständnis des 12-Tafel-Satzes verleiht der Auslegung den Anschein ehrfurchtgebietender Anciennität. Die Folge einer solchen Verbindlichkeit könnte gewesen sein, daß künftige Freilassungen von dispensatores erleichtert wurden, da der von ihnen noch zu erfüllende Pflichtenumfang festgelegt war456 und somit keiner testamentarischen Klarstellung bedurfte457. Eine gewisse Bestätigung der soeben angestellten Überlegung kann man vielleicht dem Principium des folgenden Fragments entnehmen. In ihm wird ebenfalls ein Sklave unter der Bedingung bedacht (und somit entlohnt), daß er einen Rechnungsabschluß vorweist, D 40.7.31, Gai. 13 ad leg. Iu!. et Pap.: Si servo sub condicione rationurn editarurn legaturn sit, per earn condicionern eurn iussurn esse legaturn accipere, ut pecuniarn reliquorurn reddat, non dubitatur. (1) Et ideo curn quaesiturn est ,Stichus curn rationes dederit, curn contubernali sua liber esto' an rnortuo Sticho ante condicionern contubernalis eius libera esse possit: Julianus dixit quaestionern esse in hac specie, quae et in legatis agitatur ,illi curn illo do', an altero deficiente alter ad legaturn adrnittatur: quod rnagis sibi placere, perinde ac si ita scripturn esset ,illi et illi'. aliarn etiarn esse quaestionern, an contubernali quoque condicio iuncta sit: quod rnagis esset. itaque si nulla reliqua Stichus habuerit, statirn earn liberarn esse, si habuerit reliqua, debere earn nurnerare pecuniarn: nec tarnen licitururn ex suo peculio dare, quia id illis perrnissurn sit, qui principaliter pro sua libertate pecuniarn dare iubentur458.
S. erneut D 11.3.16. Häufig waren dies im Haus Geborene, vernae (zu ihnen Rawson , in Rawson (Hg.), The Family in Ancient Rome, 1986, S.186ff.); Liebenam, RE IX. 1, s.v. "Dispensator", S. 1191. 454 Cf. Mart. Ep. 5.42; Iuv. Sat. 1.91 , 7.219; Suet. Galba 12. S. auch D 40.5.41.15, Scaev. 4 resp. Zusammenfassend Liebenam, S. 1190 m.w.N. 455 Cf. D 40.4.8, Pomp. 5 ad Sab. 456 Cf. D 40.7.31 pr., Gai. 13 ad leg. lul. et Pap. 457 S. auch D 40.7.12, Iul. 8 dig.; aber dagegen D 35.1.82, Callist. 2 quaest. 458 Astolfi, Iex, S. 221f. ; Voci, DER II, S. 849. 452
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VII. Weitere Testamentsklauseln
Ist ein Sklave freigelassen459 und unter der Bedingung rationum editarum mit einem Vermächtnis bedacht, so ist nach Gaius die Pflicht zur Herausgabe des Saldos unzweifelhaft mit eingeschlossen. Hieran knüpft der Julian-Fall an, bei dem allerdings die Freilassung selbst unter eine entsprechende Bedingung gestellt ist. Die uns schon wiederholt begegnete Regel460, derzufolge allein der aus objektiven Gründen verursachte Bedingungsausfall schadet, wird erneut und diesmal explizit erörtert. Die Testamentsklausel setzt dem Sklaven mitsamt seiner Gefährtin die Freiheit aus; vorausgesetzt, er legt Rechnung ab und gibt den überschießenden Betrag heraus. Bevor der Sklave die Bedingung erfüllen kann, stirbt er. Damit erhebt sich die Frage, ob die Sklavin frei geworden ist; denn der Wortlaut der Klausel ist so gewählt, daß deren Freilassung wie eine Folge der (bedingten) Freilassung ihres contubernalis erscheint. Überträgt man auf diesen Fall Julians Lösungsweg in D 35.1.31 461, demzufolge bei einem objektiven Unmöglichkeitsgrund die Bedingung als nicht erfüllt und die Zuwendung als verfallen gilt, dürfte die Sklavin nicht frei werden. Denn der Erblasser hat ausdrücklich den Sklaven zur Herausgabe der rationes verpflichtet. Doch Iulian entscheidet entgegengesetzt: Die Sklavin wird frei. Zur Begründung beruft sich lulian nicht ausdrücklich462 auf den Topos des favor libertatis; er stellt diese Lösung vielmehr in einen anderen systematischen Zusammenhang. Er parallelisiert nämlich die Freilassung illi cum illo mit der gleichlautenden Zuwendung illi et illo ; in diesem Fall erscheine es ihm angemessener, das Vermächtnis als einem jeden von beiden ausgesetzt zu sehen. Freilich hätte er mit dieser Ansicht der in D 35.1.31 freigelassenen Pamphila trotz Stichus' Tod wenigstens 50 zukommen lassen können. Ein gewisser Widerspruch besteht also zwischen den Entscheidungen. Und das, obwohl es sich beide Male um Sklavenpaare handelt, die füreinander bestimmt sind. Denn das ist wohl die Absicht, die der Testator mit der von Gaius mitgeteilten Klausel verfolgt hat. Er wollte, daß der Sklave die ihm anvertrauten Geschäfte noch in Ordnung bringe, bevor er mit seiner "Frau" freigelassen werde. Auch in der vorliegenden Klausel kommt somit die Respektierung einer nach dem Recht nicht existierenden Ehe zum Ausdruck; und Iulian verhilft diesem fürsorgenden Aspekt der testamentarischen Beden459 Man wird dem Textzusammenhang entnehmen dürfen, daß Gaius, wenn er von servo . . . legatum spricht, die vorhergehende testamentarische Freilassung implizit mitverstanden wissen will. 460 S. oben bei FN 64. 461 S. vorige FN. 462 Implizit spielt dieser Grundsatz wohl doch eine Rolle: Denn der Unterschied beider Fälle liegt darin, daß in D 35.1.31 das Vermächtnis bedingt ist und in D 40.7.31 die Freilassung.
3. Gegenseitigkeitsklausel
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kung zum Erfolg463. Dabei verfährt er so, daß die Interessen des Testators im vollen Umfang gewahrt werden. Nachdem lulian nämlich die Freilassungen als voneinander unabhängige Bedenkungen qualifiziert hat, benutzt er die vom Testator vorausgesetzte Zusammengehörigkeit des Sklavenpaares, um die dem Mann auferlegte Bedingung auf die Frau übertragen zu können. Damit wird sie zur Rechnungslegung verpflichtet, um ihre Freiheit zu erlangen. lulian behandelt die Bedingung also nicht so, als wäre ihr Eintritt durch Stichus' Tod objektiv unmöglich geworden; sondern er behandelt sie als nunmehr von dessen Frau zu erfüllen. Aber hierbei bleibt die Wahrung der Interessen des Testators nicht stehen. Wie schon Labeo in D 40.7.21 pr. fordert im Ergebnis auch Iulian, daß die Rechnungsführung sorgfältig gewesen ist; denn der Kassenbestand muß der Rechnungsdifferenz entsprechen. Im konkreten Fall ist es wohl zu einem Streit darum gekommen, ob der Bestand wirklich gleich null war, itaque si nulla reliqua Stichus habuerit . . . si habuerit. lulian entscheidet nämlich, daß die contubernalis sofort frei wird, wenn keine Differenzsumme auszubezahlen ist, bzw. daß diese beglichen werden muß, wenn eine Differenz festgestellt wird. Im letzteren Fall helfe es der Sklavin allerdings nicht, wenn sie den Betrag aus ihrem (ihr offenbar mitvermachten) Peculium zu zahlen bereit sei. Denn solche Zahlungen dienten grundsätzlich dem "Freikauf" , nicht aber einer Rechnungskorrektur; auch dann nicht, wenn das die Vorstufe zur Freilassung ist. Damit ist die Übertragung der zur Bedingung gemachten Pflicht auf die contubernalis vollkommen. Letztere hat für die fehlende Sorgfalt ihres "Mannes" einzustehen, ohne daß sie die Möglichkeit hätte, eine eventuelle Differenz mit eigenen Mitteln auszugleichen. Daran zeigt sich, daß Iulian die Freilassung als Entlohnung für die geleisteten Dienste verstanden hat. Stichus hatte die Rechnungsbücher sorgfältig zu führen, so daß dabei ein korrekter Rechnungsabschluß herauskommt. Wenn er aber unsorgfältig gearbeitet hat, kann auch der materielle Ausgleich der Einbuße dieses Defizit nicht heilen. Iulians Lösung stellt sich damit als ein Exempel juristischer Argumentationskunst dar, das unter Wahrung der Erblassermotive und -interessen den veränderten Umständen Rechnung trägt. Mit der Übertragung der Bedingung auf die contubernalis umgeht er die Anwendung der genannten Regel und legt damit aber zugleich ein indirektes Zeugnis ihrer Geltungskraft ab. D 32.29.4, Iav. 2 ex post. Lab.: ,Si Stichus et Dama servi mei in potestate mea erunt cum moriar, turn Stichus et Dama liberi sunto etfundum illum sibi habento'. si alterum ex hispost testamenturn factum dominus alienasset vel manumisisset, neutrum liberum 463 Die Fürsorge liegt in der gemeinsamen Freilassung; sie allein ist schon ein Gunsterweis, D 28.5 .85 pr. , Paul. 23 quaest.
16*
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VII. Weitere Testamentsklauseln
futurum Labeo putat: sed Tubero eum, qui remansisset in potestate, liberum futurum et legatum habiturum putat. Tuberanis sententiam voluntati defuncti magis puto convenire464.
Neben der von Iavolen mit vorsichtigen Worten, magis puto convenire, vorgetragenen Korrektur der labeonischen Entscheidung hält es beispielsweise Wieling für "selbstverständlich", daß der Wille des Erblassers so zu interpretieren sei, wie es Tubero und Iavolen getan haben; die Entscheidung des Labeo, der in den griechischen Künsten bewandert gewesen sei, spreche "dem Willen des Tetstators in einer Weise Hohn, daß man sich nicht vorstellen kann, Labeo habe eine Auslegung nach dem Willen überhaupt in Betracht gezogen" 465. Sofern dieses strenge Urteil zutrifft, stellt die Labeo-Entscheidung ein markantes Gegenbeispiel für unsere Vermutung dar, daß die Juristen Testatormotive berücksichtigt haben. Daher ist die Berechtigung des Urteils, mit dem Wieling keineswegs allein steht466, zu prüfen. Ein Testator bestimmt hinsichtlich seiner Sklaven Stichus und Dama, daß sie frei sein und ein näher bezeichnetes Grundstück vermacht erhalten sollen, sofern sie zum Zeitpunkt des Testatortodes noch in seiner Gewalt stehen sollten. Aus dieser Bedingung folgert Labeo, daß dann, wenn der Testator nach Testamentserrichtung einen der beiden Sklaven freiläßt oder veräußert, der andere nicht in den Genuß der testamentarischen Bedenkung kommt. Im Hinblick auf den favor libertatis ist die Entscheidung Tuberos und lavolens sicherlich humaner und einleuchtender; doch ist damit keineswegs gesagt, daß Labeo die Motive des Erblassers ignoriert467. Die mitgeteilten Sachverhaltsdaten implizieren nämlich einen vorsätzlich handelnden Testator: Erstens muß es sich um einen Verkauf oder die Freilassung des Sklaven handeln; also nicht um ein vom Dominus nicht beherrschbares Geschehen wie etwa der Tod eines Sklaven. Und zweitens muß das betreffende Rechtsgeschäft nach der Testamentserrichtung erfolgt sein. Wenn man der Klauselbedingung si in potestate mea erunt cum moriar einen Sinn unterstellt468 und nicht als bloße Rechtsbedingung qualifiziert469 (eine Unterste!464 Wieling, Testamentsauslegung, S. 17f.; Grosso, I legati, S. 448f. ; Wubbe, FS Feenstra, 1985, S. 112f.; Kohlhaas, Iav., S. 142ff. mit weiteren Nachweisen in FN 41; Yaron, RIDA 2, 1955, S. 381 f. 465 S. 118. Es wird nicht deutlich, warum Wieling in seiner Argumentation gerade in diesem Zusammenhang auf Labeos Kenntnisse der griechischen Künste verweist. Zur Skepsis der Römer gegenüber griechischen Kunstfertigkeiten vgl. etwa Cic. ep. ad Qu. fr. 1. 1.16. Zur Persönlichkeit Labeos Stein, BIDR III 19, 1977, S. 55ff. 466 Z.B. Yaron: "Absurd". 467 Angesichts der Lebensdaten Tuberos (zu ihnen Kunkel, Herkunft, S. 37) läßt sich nicht ausmachen, wer erstentscheidender Jurist ist. Möglicherweise hatten beide entsprechende Klauseln in verschiedenen Testamenten zu begutachten. 468 Labeo scheint das bevorzugt getan zu haben, s. nur D 40.7.39 pr. und 4, Iav. 4 ex post. Lab.
3. Gegenseitigkeitsklausel
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lung, der der mitgeteilte Sachverhalt keinerlei Hindernisse entgegenstellt), so liegt die Annahme nicht fern, der Erblasser habe mit seinem Verhalten die Gültigkeit des Legats widerrufen wollen. Schließlich hat er Stichus und Dama zusammen mit dem Vermächtnis des Grundstücks bedacht47o. Wenn er in' Kenntnis seines letztwillig formulierten Wunsches etwa Stichus veräußert oder freiläßt, so kann man nicht ohne weiteres unterstellen, er wolle nach wie vor Dama testamentarisch freilassen und mit dem ganzen Grundstück bedenken47I. Wenn danach der Testator Stichus und Dama, aus welchen Gründen auch immer, als Einheit angesehen hat, stellt sich das juristische Problem als eine interessante Variante des formlosen Widerrufs eines Legats dar. Dessen "Normalfall" beschreibt etwa Gaius 2.198: Sed si quis rem suam legaverit, deinde post testamenturn factum eam alienaverit, plerique putant non solum iure civili inutile esse legatum, sed nec ex senatusconsulto confirmari. Quod ideo dieturn est, quia et si per damnationem aliquis rem suam legaverit eamque postea alienaverit, p/erique putant, licet ipse iure debeatur /egatum, tarnen legatarium petentem posse per exceptionem doli mali repelli, quasi contra voluntatem defuncti petarm.
Gaius schreibt dies im Zusammenhang mit dem Vindikationslegat. Die post testamenturn factum vollzogene Veräußerung des vermachten Gegenstandes führt zur Unwirksamkeit iure civile des Legats. Nach der laut Gaius herrschenden Ansicht stellt dieser Akt einen so endgültigen Widerruf des ursprünglichen Testierwillens dar, daß sogar die nach dem Senatus consultum Neronianum an sich mögliche Umdeutung in ein Damnations-, genauer: in ein Verschaffungsvermächtnis ausgeschlossen ist. Auch wenn Gaius von nachlabeonischen Zeiten referiert, war das Problem wohl auch schon zu Labeos Lebzeiten bekannt473; und das Stichus und Dama ausgesetzte Vermächtnis ist ein Vindikationslegat474. Die Besonderheit des vorliegenden Falles besteht darin, daß nicht der vermachte Gegenstand, sondern einer der Empfänger veräußert, bzw. freigelassen wird. Nachdem sich aber der Erblasser mit der beigefügten Bedingung den Gebrauch seiner Dispositionsbefugnis über die bedachten Legatare "vorbehalten" hat, ist die Annahme eines Widerrufs auch in diesem Fall sehr naheliegend, zumal er das 469
So etwa Kohlhaas, S. 144.
470 Darin unterscheidet sich dieser Fall von D 28.7. 2.1 , Ulp. 6 ad Sab.
471 Im Hinblick auf die durchwegs gezielte "Verteilungspolitik" im Testament ist nicht beides gleich zu stellen. Das verkennt auch Yaron, der das vel manumisisset für interpoliert erklärt. S. auch D 32.11.12, Ulp. 2 fideic. 472 S. zusätzlich den Digestentitel 34.4: de adimendis vel transferendis /egatis etc.; Kaser, RPR, § 187 II 1 m.w.N. 473 Immerhin stammen auffallend viele Excerpte des Digestentitels 34.4 aus libri ad Sabinum. 474 Zur Formulierung sibi habento cf. Gai 2.193; UE 24.3.
246
VII. Weitere Testamentsklauseln
rechtliche Schicksal von Dama und Stichus miteinander verknüpft hat. Die Gegenansicht des Tubero indessen führt hinsichtlich eines konkludent geäußerten Widerrufs des Vermächtnisses dazu, daß der Testator beide verkaufen oder freilassen muß, um seinen diesbezüglichen Willen kundzutun. Somit ist die Schlußfolgerung berechtigt, daß der Vorwurf, Labeo habe sich bei seiner Entscheidung ausschließlich von grammatikalischen Gesichtspunkten leiten lassen, nur deren äußeres "Erscheinungsbild", nicht aber den materialen Kern trifft. Denn es ist sehr wohl denkbar, daß Labeogerade den Testatormotiven gerecht zu werden versuchte; der Erblasser wollte seine Dankbarkeit, die Entgeltung für geleistete Dienste oder die Treueprämie, expressis verbis nur beiden zusammen zukommen lassen. Angesichts der sonstigen Entscheidungen Labeos475 erscheint dieses Verständnis seiner Entscheidung plausibler als das engstirniger (griechischer?) Wortklauberei. c) Kaptatorische Bedenkungen
Auch im Falle kaptatorischer letztwilliger Zuwendungen hatten wir bereits oben (Kap. 111 3 c) die Gegenseitigkeit dieser Bedenkungsart erwähnt; sie ist bei ihnen sogar das tragende Bestimmungselement. Schon vor der Erörterung einiger Fragmente aus diesem Themenbereich istangesichtsder Tatsache, daß die römischen Juristen diesem Phänomen einen eigenen, peiorativ gefärbten Namen gegeben haben, der Schluß zulässig, daß sie die erblasserischen Motive sehr genau untersucht haben. Dabei ist das schließlich durch ein Senatus consultum erlassene Verbot für uns besonders aufschlußreich, weil es unsere Überlegungen zu der Individualität des Testamentes belegt: Ihnen zufolge müssen Zuwendungen originärer und definitiver Ausdruck erblasserischer Absichten sein; sie dürfen sich nicht darauf beschränken, - vertragsgleich das Angebot zu einer gegenseitigen, testamentarischen Bedenkung zu sein. Zukünftige Dienste (etwa eines Freigelassenen) darf man im Testament entlohnen, nicht aber eine zukünftige testamentarische Bedenkung, die auf Gegenseitigkeit zielt. Daß auch schon vor Erlaß des Senatus consultum kaptatorische Bedenkungen von den Juristen beargwöhnt wurden, wird man der folgenden Labeo-Entscheidung entnehmen dürfen, D 28.5.29, Pomp. 5 ad Sab.: Hoc articulo ,quisque' ornnes significantur: et ideo Labeo scribit, si ita scripturn sit: , Titius et Seius quanta quisque eorurn ex parte heredern rne habuerit scripturn, heres rnihi esto', nisi ornnes habeant scripturn heredern testatorern, neutrurn heredern esse posse, quoniarn ad ornniurn facturn serrno refertur: in quo puto testatoris rnentern respiciendarn. sed hurnanius est eurn quidern, qui testatorern suurn heredern scripserit, 475 Vgl. aber immerhin D 33.1.17, lav. 2 ex post. Lab. Dagegen D 34.5.28, lav. 3 ex post. Lab.; D 28.1.25, ibid. 5; D 32.30.4, Lab. 2 post. a Iav. epit.
3. Gegenseitigkeitsklausel
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in tantam partem ei heredem fore, qui autem eum non scripserit, nec ad hereditatem eius admitti476.
Ein Erblasser hat Titius und Seius auf denjenigen Teil zu seinen Erben eingesetzt, zu dem jeder von ihnen ihn, den Erblasser, eingesetzt haben wird477. Die differenzierende und - wegen ihrer Übereinstimmung mit der Unmöglichkeitsregel478- auf den ersten Blick einleuchtendere Lösung des Pomponius für den Fall, daß nicht beide Bedachte, sondern nur einer von ihnen den Erblasser seinerseits bedenkt, ist wegen des "Primats" des erstbearbeitenden Juristen479 für uns von geringerem lnteresse4so. Labeo entscheidet jedoch in diesem Fall strikt, daß Titius und Seius den Erblasser bedenken müssen, wenn sie ihrerseits vom Erblasser bedacht werden wollen; denn quisque bedeute das gleiche wie omnes. Damit erweitert er die an die jeweiligen Erbeinsetzungen geknüpften Potestativbedingungen um die zusätzliche, nunmehr echte Bedingung, daß auch der andere den Erblasser bedenkt und "verstößt" somit gegen die Unmöglichkeitsregel. Um die möglichen Gründe für den Verstoß48t erkennen zu können, ist der Frage nachzugehen, welche Zwecke der Erblasser mit dieser Formulierung verfolgt haben mag. Die Antwort hängt davon ab, ob er sein Testament bis zu seinem Tode geheim gehalten hat, oder ob er es so, wie wir in Kap. 111 4 b als üblich festgestellt haben, bereits zu Lebzeiten publik gemacht hat. War die Klausel nur zur postmortalen Veröffentlichung bestimmt, d. h. hatte der Erblasser sie nicht Titius und Seius vor seinem Ableben bekannt gegeben, ist · sie nicht verwerflich. Sie zeichnet sich nur dadurch aus, daß sie für die Erben eine Art Lotteriespiel enthält. Haben sie den Erblasser nicht bedacht, gehen auch sie leer aus- und sind unter Umständen beschämt. Doch mag auf diesen Effekt ein etwas schulmeisterlicher Erblasser abzielen. Für ihn wäre nur die Entscheidung des Pomponius verständlich, der quisque in diesem Fall nicht mit omnes gleichsetzt. Wenn Labeo dennoch die Unwirksamkeit beider Erbeinsetzungen und damit gegebenenfalls die des ganzen Testamentes propagiert, so spricht das für eine andere Motivation des Erblassers, insbesondere wenn man mit seiner Fallösung diejenige in D 35.1.6.1 , Pomp. 3 ad Sab. vergleicht: 476 Voci, DER li, S. 814, 921; Nörr, ANRW II.l5 , S. 546; zum folgenden insbes. Wieling, Testamentsauslegung, S. 36f. 477 Habuerit scripturn ist Futur li (Wieling, S. 37); demgegenüber verwenden freilich die Basiliken, 35.9.29, den Aorist: egrapse, d.h.: Vergangenheit. 478 S. oben bei FN 64. 479 S. oben Kap. V 3. Obwohl Titius und Seius wohl Blankettnamen sind, braucht dies nicht gegen die Authentizität der Labeo vorgelegenen Testamentsklausel zu sprechen. 480 S. allerdings weiter unten im Text. 481 Es ist daran zu erinnern, daß sich bereits Servius in D 28.5.45 (s. oben Abschnitt 2, bei FN 179ff.) an diese Regel gehalten hat.
248
VII. Weitere Testamentsklauseln
... Servius respondit, cum ita esset scripturn ,si filia et mater mea vivent' altera iam mortua, non defici condicione. idem est et apud Labeonem scriptum482.
Hier verstehen Servius und Labeo das Bindewort et nicht in einem kumulativen Sinn483, obgleich das zumindest ebenso nahe wie bei dem quisque der uns beschäftigenden Klausel gelegen hätte. Der Erblasser in D 28.5.29 scheint daher mit der Abfassung der Klausel einen recht eigennützigen Plan verfolgt zu haben; vorausgesetzt, er hat ihren Inhalt zu seinen Lebzeiten Titius und Seius bereits mitgeteilt. In diesem Fall übt die Klausel auf die Bedachten den Druck einer Vorgabe aus. Damit bekommt die Bedenkung einen merkantilen Beigeschmack, der die Annahme einer gegenseitigen Zuneigung ausschließt: sie aber wäre laut Papinian entscheidend für eine rechtswirksame gegenseitige Bedenkung; ihr Fehlen macht die Zuwendung zu einer kaptatorischen484. Paulus bezeichnet demgemäß eine Klausel: ,qua ex parte Titius me heredem instituit, ex ea parte Maevius heres esto' deswegen als wirksam, weil sie ihren Umfang aus einem vergangenen und nicht aus einem zukünftigen Faktum ableitet48S. Freilich schreiben die beiden letztgenannten Juristen fast zwei Jahrhunderte nach Labeo und- vor allem- in Kenntnis des Senatus consultum, das kaptatorische Erbeinsetzungen verboten hat4B6. Doch ist das Problem alt, wie bereits ein flüchtiger Blick durch die lateinische Literatur zeigt487. So läßt bereits Plautus den senex Periplectomenus von den Vorzügen schwärmen, die sich für ihn aus den einschmeichlerischen Zuwendungen der auf sein Erbe spekulierenden Kognaten ergeben488. Schon dieses frühe Beispiel zeigt überdies, daß sich das moralische Unwerturteil über kaptatorisches Verhalten keineswegs einseitig und allein auf die captatores bezieht; es gehörte vielmehr, salopp gesagt, zu deren Berufsrisiko, auf Personen zu treffen, die sich das Verhalten der Erbschleicher zunutze machten489 und sich damit auf eine Stufe mit ihnen stellten. Infolgedessen dürfen wir davon ausgehen, daß Labeo das Phänomen nicht nur kannte, sondern die Klausel auch als kaptatorisch eingeschätzt hat. Das Kaser, RPR, § 61 I 9. S. auch D 28.7.2.1, Ulp. 6 ad Sab. (Celsus). 484 D 28.5.71, 6 resp. S. etwa Kübler, RE VA, s. v. "Testament", Sp. 1006. Kaptatorische Bedenkungen sind nach Papinian solche, deren Bedingung von der geheimen Wahl eines fremden Willens abhängt: secretum alienae ~·oluntatis. 485 D 28.5.72 pr., 5 ad leg. Iul. et Pap. 486 D 28.5.72.1. Paul. 5 ad leg. lul. et Pap. 487 Die nach wie vor klassische Darstellung bietet Friedlaender, Darstellungen zur Sittengeschichte Roms I, 1882, S. 246ff. Zusätzlich Marquardt I Mau, Das Privatleben, S. 74f.; Hopkins, Death, S. 238- jeweils mit vielen Nachweisen auf die Primärquellen. S. auch oben Kap. 111 3 c. 488 Mi!. glor. 704ff.; s. auch Horaz, serm. II 5. 489 In Lukians Totengesprächen V - IX finden sich die prallsten Beschreibungen solcher Strategien. 482 483
3. Gegenseitigkeitsklausel
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Eigennützige der Klauselliegt darin, daß die Absicht des Testators ausschließlich auf den eigenen Vorteil zielt. Denn erstens schafft sie ein Konkurrenzverhalten zwischen den Erben, das dem Erblasser (wiederum im Hinblick auf die Publizität) höhere Quoten einzubringen verspricht. Und zweitens soll sie ihm für den Fall des Vorversterbens des Titius oder Seius einen Erbfall garantieren. Daß diese Absicht nicht verwirklicht wurde, da offenbar einer der Erben den Erblasser nicht bedacht hatte, steht der Verwerflichkeit der Klausel nicht entgegen. Damit stellt sich Labeos Entscheid als ein Vorläufer des späteren Senatus consultum über kaptatorische Erbeinsetzungen dar490. Eine Argumentation auf der Grundlage des favor testamenti, der (auch) der Entscheidung in D 35.1.6.1 zugrunde gelegen haben mag, scheidet daher aus. Diesem Ergebnis widerspricht auf den ersten Blick eine andere Entscheidung Labeos, nämlich D 28.7.20.2, Lab. 2 post a lav. epit.: Si quis te heredem ita instituit, si se heredem instituisses aut quid sibi legasses, nihil interest, qua gradu is a te heres institutus vel quid ei legatum sit, dummodo aliquo gradu id te fecisse probes49!.
Der Streit zwischen dem Konsulenten und vielleicht den Miterben geht darum, ob die mit der Testamentsklausel geforderte reziproke Erbeinsetzung, bzw. Vermächtnisbedenkung492 auch dann vorliegt, wenn der Erblasser von Tu lediglich als heres secundus (oder gar tertius) eingesetzt wurde. Labeo läßt sie genügen und erhält somit die Wirkung der Klausel aufrecht- im Gegensatz zu D 28.5.29. Doch fragt es sich, ob die Prämissen die gleichen sind. Das hängt davon ab, ob sich der Testator des Fragmentes D 28.7.20.2 mit der von ihm aufgestellten Bedingung auf ein zukünftiges oder vergangenes Ereignis bezog; nur im ersteren Fall läge eine kaptatorische Erbeinsetzung vor493. Trotz den Zweifeln Vocis494 spricht eine- freilich vage- Vermutung zugunsten der letztgenannten Alternative. Der letzte Halbsatz, dummodo - probes, macht es wahrscheinlich, daß in dem Rechtsstreit die Beweisfrage eine Rolle spielte; ein Befund, der bei einer kaptatorischen Bedenkung kaum zu erwarten ist. Wäre nämlich Tu (auch) ein captator, dürfte man wohl unterstellen, daß er gerade den von 490 Der juristisch stringente Einwand, daß Labeo entgegengesetzt entschieden hätte (oder hätte entscheiden müssen), wenn beide Erben den Erblasser bedacht hätten, muß nicht notwendigerweise gegen unsere Lösung sprechen. Denn für den fallentscheidenden Labeo war nur die Interpretation der konkreten Klausel bedeutsam. 491 Voci, DER II, S. 795. 492 Die Substitution bei einem Vermächtnis ist zulässig, D 31.50 pr., Mare. 28 dig. 493 D 28.5.72 pr., Paul. 5 ad leg. Iu!. et Pap. 494 "Ia dizione e tale, ehe il riferimento puo essere tanto a una disposizione gUt presa quanto a una da prendere."
250
VII. Weitere Testamentsklauseln
Labeo geforderten Beweis schon längst erbracht hätte. Aber auch wenn er kein Erbschleicher ist, und die Klausel sich auf ein zukünftiges Ereignis bezöge, ist nur schwer vorstellbar, welche Rechtfertigung sich Tu zu seinem Erbschaftsantritt vorgestellt haben könnte, ohne zugleich sein eigenes Testament vorzuweisen. Daher liegt die Annahme näher, daß es sich um eine vergangene Erbeinsetzung durch Tu gehandelt hat, weil erwartungsgemäß nur hier Beweisprobleme auftreten. Dazu paßt auch der von Labeo verwendete Perfekt: id te fecisse. Innerhalb der Schriften Labeos besteht also kein Widerspruch bezüglich kaptatorischer Bedenkungen. Doch ist es erstaunlich und bedarf der Erwähnung, daß Pomponius in D 28.5.29 Labeos Ansicht nach dem Maßstab des Erblasserwillens korrigiert. Denn auch ihm konnte das Unwesen der Kaptatoren nicht unbekannt sein, zumal sein Zeitgenosse495 Iulian sich über entsprechende Bedenkungen äußert, D 34.8.1, Iul. 78 dig.: Si quis hereditatem vel legatum sibi adscripserit, quaeritur, an hereditas vel legatum pro non scripto habeatur. et quid, si substitutum habeat huiusmodi institutio? respondit: pars hereditatis, de qua me consulisti, ad substitutum pertinet: nam senatus cum poenas legis Corneliae constitueret adversus eum, qui sibi hereditatem vel legatum scripsisset, eodem modo improbasse videtur, quo improbatae sunt illae: ,qua ex parte me Titius heredem scripturn in tabulis suis recitaverit, ex ea parte heres esto ', ut perinde haberentur, ac si insertae testamento non fuissent 496 .
Wieling sieht in diesem Fragment den frühesten Beleg für die Existenz des die kaptatorischen Erbeinsetzungen verbietenden Senatus consultum, von dem wir expressis verbis jedoch erst von Papinian, D 28.5.71 und Paulus, D 28.5.72, erfahren497. Träfe diese Annahme zu, wäre entweder Pomponius' Hinweis auf die "menschlichere Auslegung", humanius est, unverständlich, weil gegen den Senatsbeschluß verstoßend; oder die Annahme, es handele sich bei der von Labeo verbeschiedenen KlauselinD 28.5.29 um eine kaptatorische Bedenkung, wäre falsch . Doch deckt sie sich inhaltlich mit der von Iulian als Vergleich herangezogenen Klausel498, so daß letztere Alternative außer Betracht bleiben kann. Da man andererseits Pomponius schwerlich Unkenntnis eines Senatus consultum oder dessen bewußte Ignorierung unterstellen darf, liegt die Annahme näher, daß der Senatsbeschluß erst später erlassen worden ist. In der Tat spricht Iulian499 in D 34.8.1 nicht von einem Senatus consultum, das kaptatoriZu den Lebensdaten des Pomponius Kunkel, Herkunft, S. 170f. Grosso , I legati, S. 315; Voci, DER II, S. 795; Kaser, RPR, § 178 I 2. 497 Wieling, S. 36. 498 Auch in ihr erscheint das Futur II: recitaverit. 499 Zum (umstrittenen) zeitlichen Verhältnis von Pomponius' libri ad Sabinum zu Iulians Digesten Nörr, ANRW 11.15, S. 540. 495
496
4. Versorgung nahestehender Personen
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sehe Einsetzungen pro non scripto behandelt, sondern von einem solchen, das Bedenkungen des Erblassers an sich selbst bestrafte. Es ist Iulians Zusatz, daß er das von ihm vermutete (videtur) Gesetzgebungsmotiv auf eine Stufe stellt mit demjenigen, das zur Mißbilligung kaptatorischer Testamentsklauseln führt. Ein Beleg für die Existenz des besagten Senatus consultum ist das ebenso wenig wie D 30.64, Gai. 15 ad ed. prov., die Wieling ebenfalls zitiert500: Captatoriae scripturae simili modo neque in hereditatibus neque in legatis valent.
Dassimili modo kann auf zweierlei Weise zu verstehen sein. Entweder setzt es das rechtliche Schicksal beider Bedenkungsformen gleich. Dann läßt sich der Stelle allein entnehmen, daß kaptatorische Erbeinsetzungen zur Zeit der Niederschrift durch Gaius unwirksam waren. Für die Annahme, daß diese Unwirksamkeit gerade durch ein Senatus consultum konstituiert wurde, gibt der Text jedoch nichts hersol. Oder Gaius knüpft mit dem simili modo- ähnlich lulians Parallelisierung - an zuvor Behandeltes an. Zwar gibt die von Lenel vorgenommene Einordnung dieser Stelle unter der Rubrik ,De bonorum possessione secundum tabulas•soz nur wenig Aufschluß über den Kontext, doch bedeutet dann diese Formulierung die Verweisung auf eine zuvor gezogene Schlußfolgerung oder logische Deduktion, nicht aber auf ein Verbotsgesetz. Denn worin sollte die Ähnlichkeit bestehen? Folglich sind D 34.8.1 und D 30.64 als Belege dafür, daß zur Zeit ihrer Abfassung das fragliche Senatus consultum bereits erlassen war, nicht geeignet. Pomponius' Stellungnahme indiziert eher das Gegenteil, so daß sein von Labeo abweichender Lösungsvorschlag als eine Sondermeinung gegenüber der (auch) von Iulian und Gaius vertretenen herrschenden Meinung zu qualifizieren ist. 4. Versorgung nahestehender Personen
Unter dieser Überschrift werden wir vorrangig solche Testamentsklauseln erörtern, in denen Familienmitglieder503 bedacht werden. Dabei beschränken wir uns nicht auf den rechtlichen Familienbegriff, sondern ziehen auch die Bedenkung nichtehelicher Kinder in Betracht. Die Zuwendungen an Ehefrauen und Konkubinen werden in weiteren Abschnitten behandelt.
AaO. Daß das Senatus consultum später trotz der laut Gaius eindeutigen Rechtslage erlassen worden ist, mag damit zusammenhängen, daß etwa Pomponius gegen die herrschende Ansicht opponierte; dazu sogleich im Text. 502 Paling. Nr. 286, 287. 503 Zu einer Bedenkung unter Geschwistern etwa D 31.75 pr., Pap. 6 resp. 500
5°1
252
VII. Weitere Testamentsklauseln
Auch in der Bedenkung dieses Personenkreises, dem die enge Beziehung zum Testator gemeinsam ist, kommt die Idee einer postmortalen Persönlichkeit zum Ausdruck. Denn faktisch wie rechtlich endet die Verpflichtung zur Versorgung, wenn sie überhaupt besteht, mit dem Tod des Erblassers. Nachdem es aber nichtsdestoweniger eine moralische Pflicht oder vielleicht auch nur die Sitte gibt, diesen Personenkreis versorgend zu bendenken, scheint darin die Idee eines Fortwirkens des Testators durch. Insbesondere die Pflicht, den Kindern den Stamm des familären Vermögens zu erhalten und zu übertragen, sowie die Pflicht der Kinder, diesen Stamm zu konservieren (Kap. 111 4 a), drückt die fortdauernde (mahnende) Präsenz der vorverstorbenen Familienmitglieder aus. a)
Familienmitglieder
D 28.5.46, Alf. 2 dig. a Paulo epit.: ,Si Maevia rnater rnea et Fulvia filia rnea vivent, turn rnihi Lucius Titius heres esto'. Servius respondit, si testator filiam numquam habuerit, mater autem supervixisset, tarnen Titium heredem fore, quia id, quod impossibile in testamento scripturn esset, nullarn vim haberet504.
Der Erblasser bestimmt Lucius Titius als Erben unter der Voraussetzung, daß seine Mutter und Tochter im Zeitpunkt seines Todes leben. Mit dieser Klausel befinden wir uns höchstwahrscheinlich innerhalb der ersten Zensusklasse; denn die Umständlichkeit der Bedenkung impliziert die Umgehungsabsicht des Testators hinsichtlich der Lex Voconiasos. Infolgedessen wird man unterstellen dürfen, daß dem Erben fideikommissarisch aufgetragen war, die Erbschaft an diese Frauen auszuhändigen. Demnach war das Testatormotiv Versorgung oder Kindesliebe, bzw. Elternpietät. Servius verhilft ihm zum Erfolg, indem er die zwei Voraussetzungen für die Erbeinsetzung des Lucius Titius, nämlich das Überleben sowohl der Mutter als auch der Tochter506, voneinander isoliert507 und damit je für sich genügen läßt, anstatt sie zu kumulieren. Titius kann also Erbe werden und die Erbschaft an die Mutter aushändigen. Mit dieser Entscheidung haben wir eine Korrektur unserer anläßlich der Exegese von D 35.1.31 formulierten Unmöglichkeitsregel (bei FN 64) vorzunehmen. Denn nachdem wir dort festgestellt haben, daß eine Bedingung dann als unerfüllt behandelt wird, wenn der Eintritt der Bedingung aus objektiven Gründen vereitelt wird, entscheidet Servius hier entgegengesetztsos. Obgleich 504 Woeß, Erbrecht, S. 94; Grosso, I legati, S. 437ff.; Watson, Succession, S. 102ff.; Voci, DER II, S. 610f.; Wieling, Testamentsauslegung, S. 55; MacCormack, RIDA 21, 1974, S. 265ff.; Kaser, RPR, § 61 I 2. S. auch D 35.1.6.1, dazu sogleich im Text. 505 Zu ihr- mit weiteren Nachweisen- Wieacker, Rechtsgeschichte, S. 417 u. ö . 506 Wieling, SZ 87, 1970, S. 214. 507 MacCormack, nimmt an, Servius habe die Bedingungpro non scripta behandelt. 5os Cf. D 50.17.202, Iav. 11 epist.; dazu Stein, Regulae luris, 1966, S. 70.
4. Versorgung nahestehender Personen
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nämlich die Tochter offenbar gar nicht geboren ist, läßt er Titius dennoch Erbe werden, weil die Mutter noch lebt. Infolgedessen drängt sich die Frage auf, ob zwischen den beiden Fällen ein entscheidungserheblicher Unterschied besteht, oder ob sich Servius schlicht nicht an diese Regel hält. Letzteres ist natürlich nicht auszuschließen, doch läßt sich die erste Alternative plausibel machen. Sofern unsere Ausgangsthese zutreffen sollte, derzufolge die Einsetzung des Titius der Gesetzesumgehung diente5o9, besteht nämlich ein Unterschied: In dem Iulian-Fall ist die Überlebende unmittelbare Nutznießerin der Bedenkung, während der Titius des vorliegenden Servius-Falles nur eine Art Mittelsperson ("Strohmann") ist. Anders als Pamphila in D 35.1.31 hätte Titius keinen Gewinn davon gehabt, wenn die Tochter des Erblassers existieren würde. Eine weitere Stelle zeigt, daß dieses Unterscheidungskriterium tatsächlich entscheidend ist, D 35.1.6.1, Pomp. 3 ad Sab.: Si servos certos quis manumisisset, heres esse iussus erat. quibusdam ex his ante mortuis Neratius respondit defici eum condicione nec aestimabat, parerepasset condicioni nec ne. sed Servius respondit, cum ita esset scripturn ,si filia et mater mea vivent' altera iam mortua, non defici condicione. idem est apud Labeonem scriptum. Sabinus quoque et Cassius quasi impossibiles eas condiciones in testamento positas pro non scriptis esse, quae sententia admittenda est510.
Der Bedachte des Neraz-Falles ist kein (freizulassender) Sklave, sondern soll, um Erbe zu werden, seinerseits Sklaven freilassen. Nachdem einige von diesen bereits verstorben sind, entscheidet Neraz, daß der Bedachte nicht mehr Erbe werden kann - ohne Rücksicht darauf, nec aestimabat, daß er auch beim besten Willen der Bedingung nicht nachkommen kannsll. Dieser Lösung stellt Pomponius die Servius-Entscheidung entgegen512. Beide Fälle unterscheiden sich allein durch die "Fremdnützigkeit", die die Bedenkung des Strohmannes charakterisiert, und die im Neraz-Fall anders als im servianischen Vergleichsfall gerade nicht vorliegt. Dem naheliegenden Einwand, weder Servius noch Pomponius bezeichnen Titius als Mittelsperson, sondern stellen ihn lediglich als nicht weiter verpflichteten Erben dar, läßt sich entgegenhalten, daß den damaligen Juristen der weitere Zweck dieser S. auch noch Wieling, SZ 87, 1970, S. 214f. Lit. wie in der vorhergehenden Stelle, insbes. Voci, DER II, S. 612f. 511 Vgl. damit den entsprechenden Fall, bei dem die Erfüllung der Bedingung aus subjektiven Gründen unmöglich wird, in D 30.92.1, Iu!. 49 dig. 512 Ob es sich um den gleichen Fall wie in D 28.5.46 handelt, istangesichtsder Tatsache, daß hier eine Tochter existierte, die allerdings vorverstarb, wohl zu verneinen, wenn auch nicht völlig auszuschließen. Immerhin haben Labeo und dann Sabinus abgeschrieben, bevor sie Pomponius übernommen hat, von dem überdies nicht sicher ist, ob er nicht seinerseits noch einen Mittelsmann benutzt hat (Vgl. Nörr, ANRW Il .15, S. 545). Eine formelhafte Reduktion der ursprünglichen Originalklausel wäre daher nicht verwunderlich. 509
510
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VII. Weitere Testamentsklauseln
Testamentsklausel (nämlich Umgehung der Iex Voconia) wohl auch ohne ausdrückliche Hervorhebung erkennbar war513 • Sollte diese Vermutung zutreffen, wäre die Servius-Entscheidung ein Beleg für die Berücksichtigung erblasserischer Motive514. Faktisch enthielte sie freilich eine Bevorzugung sozial Höherstehender, weil das Problem des Strohmannes spezifisch für die Iex Voconia und damit für die oberste Gesellschaftsschicht ist. Doch welche Erwägungen auch immer tragend gewesen sein mögen: Servius verwirklicht die in dem Testament zum Ausdruck kommende Elternpietät. D 35.1.40.2, Iav. 2 ex post. Lab.: Quidam Titio centum legaverat, deinde infra ita iusserat: ,quas pecunias cuique legavi, eas heres meus, si mater mea moritur, dato ': mortuo patre familias Titius vixerat et viva matre familias decesserat. mortua matre heredibus Titii legatum deberi Ofilius respondit, quoniam non sub condicione esset legatum, sed ante legatum pure, deinde dies solvendi adiecta. videamus, inquit Labeo, ne id falsum sit, quia nihil intersit, utrum ita scribatur: ,quas pecunias cuique legavi, eas heres meus, si mater mea moritur, dato' an ita: ,nisi mater mea moritur, ne dato': utrubique enim sub condicione vel datum vel ademptum esse legatum. Labeanis responsum probo515.
Ein Erblasser ordnet hinsichtlich der von ihm im Testament ausgesetzten Vermächtnisse an, daß sie der Erbe erst nach dem Versterben seiner Mutter516 auszahlen solle. Zu den Bedachten gehört Titius, der nach dem Tode des Erblassers, aber vor dem demjenigen der Mutter selber stirbt. Die Erben des Titius fragen Ofilius, ob sie vom Erben des ersten Testators die Auszahlung des Legats verlangen können, nachdem dessen Mutter gestorben ist. Der Jurist gesteht ihnen diesen Anspruch zu, indem er die Klausel mit der aufschiebenden Zahlungsverpflichtung als Fälligkeitstermin und nicht als Bedingung qualifiziert. Dabei wird aus seiner Argumentation erkennbar, daß ihm klar ist, daß ein dies incertus (=der Todeszeitpunkt der Mutter) sehr wohl als Bedingung interpretiert werden kann517. In diesem Sinne hatte vor ihm immerhin Q . Mucius schon einmal entschieden, D 36.2.22 pr., Pomp. 5 ad Q.Muc.: 513 Eine entsprechende testamentarische Bedenkung wird immerhin etwa von Cicero, de fin. II.55, 58, diskutiert. 514 Zur Sonderbehandlung von bedachten Mittelspersonen s. auch D 31.17 pr., Mare. 15 dig. Dazu ausführlich weiter unten sub 5 b . 515 Grosso, I legati, S. 426f.; Voci, DER II, S. 619; Watson, Succession, S. 113f.; Kohlhaas, Iav., S. 214 m.w.N. in FN 99, 105, 106. 516 Ihre Bezeichnung als mater familias ist hervorhebenswert, da dies vornehmlich die Kennzeichnung der Ehefrau des pater familias ist, vgl. Kaser, RPR § 13 II. Doch kann damit auch allgemein die besondere Ehrbarkeit einer Frau gekennzeichnet werden, Kaser, § 146 II 1. 517 Vgl. Watson. Zur Regel, daß ein Vermächtnisanspruch erst und nur vererblich ist, wenn der Bedachte den dies cedens erlebt, Kaser, RPR, § 186 I mit FN 8.
4. Versorgung nahestehender Personen
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Si Titio , cum is annorum quattuordecim esset factus', legatum fuerit et is ante quartum decimum annum decesserit, verum est ad heredem eius legatum non transire, quoniam non so/um diem, sed et condicionem hoc legatum in se continet ,si effectus esset annorum quattuordecim ', qui autem in rerum natura non esset, annorum quattuordecim esse non intellegeretur. nec interest, utrum scribatur, ,si annorum quattuordecim factus erit' an ita, cum priore scriptura per condicionem tempus demonstratur, sequenti per tempus condicio, utrubique tarnen eadem condicio est518.
Mag diese Stelle auch im wesentlichen den Stand der Jurisprudenz hinsichtlich der Behandlung eines dies incertus zur Zeit des Pomponius wiedergeben519, darf man doch aus dem verum est im ersten Satz folgern, daß Pomponius eine Entscheidung des Mucius zustimmend heranzieht und kommentiertszo. Die Testamentsklauseln sind vergleichbar. Denn obgleich die Bestimmung: "wenn meine Mutter stirbt" auf ein sicheres Ereignis verweist, dessen Zeitpunkt ungewiß ist, und die Bestimmung: "wenn X 14 Jahre alt geworden sein wird" auf ein unsicheres Ereignis, dessen Zeitpunkt gewiß ist, ist beiden Varianten die Unmöglichkeit gemeinsam, ihren Eintritt vorherzusagen52t. Nichtsdestoweniger geht Ofilius auf diese Argumentation nicht ein, sondern stellt auf die räumliche Trennung von Vermächtnis und Terminierung innerhalb des Testamentes ab. Dabei ist für einen Testator, der mehrere Vermächtnisse aussetzt (quas pecunias cuique legavi), diese Trennung die ökonomischste Form, wenn er alle Vermächtnisnehmer gleich behandeln will! Die fragwürdige Tragbarkeit einer solchen juristischen Distinktion (besonders vor dem Hintergrund der von Mucius getroffenen Entscheidung) drängt geradezu die Frage auf, ob es Ofilius nicht um die seiner Meinung nach befriedigende Lösung des Einzelfalls geht anstatt um die pauschale Anwendung des Grundsatzes, demzufolge ein Vermächtnisanspruch nur dann vererblich ist, wenn und sofern der Bedachte den dies cedens erlebt. Damit kommen wiederum die Erblassermotive ins Spiel, deren Ergründung an dem Faktum ansetzen kann, daß der Testator die Auszahlung aller Legate von dem Versterben seiner Mutter abhängig macht. Sofern darin keine willkürliche Terminierung steckt, wird man annehmen dürfen, daß die Mutter zu ihren Lebzeiten in den Genuß der vermachten Summen, bzw. Gegenstände Eckardt , lavoleni Epistulae, 1978, S. 22; Voci, DER II, S. 618. Ein dies incertus wurde allgemein als Bedingung behandelt: neben Labeo und lavolen in D 35.1.40.2 Papinian D 35.1.75, 34 quaest.; id. D 35.1.79.1, 1 def.; D 30.68.3, Gai. 18 ad ed. prov.; D 30.104.6, lul. 1 ad Urs. Fer. Zu dem Pomponiuswerk ad Q. Mucium allgemein Nörr, ANRW 11.15, S. 547f. 520 A. A. Kohlhaas, S. 216. 521 Wie schon bei unseren medizinhistorischen Bemerkungen oben Kap. I 4 ist auch hier der Hinweis auf die jüngste medizinische E ntwicklung angebracht, die uns die enorme Kindersterblichkeit in früheren Zeiten allzu leicht vergessen läßt. Vor deren Hintergrund ist das Erleben des 14. Geburtstages ein höchst ungewisses E reignis. Zur Gleichbehandlung beider Bedingungen Kaser, RPR, § 61 II 1. 518 519
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VII. Weitere Testamentsklauseln
kommen sollte. Da sie jedoch nicht als Erbin bedacht worden ist, haben wir wohl erneut mit einer Umgehungsabsicht der Iex Voconia zu tun. Die Mutter war also ein Mitglied der ersten Zensusklasse, was ihre Kennzeichnung als mater familias verständlicher macht522. Damit könnte die testamentarische Konstruktion etwa so ausgesehen haben: Dem Erben war fideikommissarisch aufgetragen, der Mutter einen Ususfructus am Vermögen einzuräumen523 , und die im Fragment zitierte Klausel diente der Klarstellung, daß von dem Nießbrauch auch das (vermachte) Gelderfaßt sein sollte. Zwar ist der früheste Beleg für den Ususfruct an Geld eine Äußerung des Sabinus, D 7.5.5.1 Ulp. 18 ad Sab., doch wird man schwerlich aus Cic. Top. 111.17 schließen können, daß er zu Ciceros Zeiten unbekannt gewesen sei524. Cicero geht es nämlich an dieser Stelle um ein Beispiel für ein Argurnenturne contrario, nicht aber um die Definition des rechtlich zugelassenen Kreises von verbrauchbaren Sachen für den Nießbrauch. Der Erblasser, dessen Testament Ofilius auszulegen hat, hatte also die Auszahlung der Legate nicht von einem Ereignis in der Person des Bedachten abhängig gemacht (so war es in dem von Q. Mucius zu beurteilenden Testament gewesen), sondern von der von ihm als vorrangig erachteten Versorgung seiner Mutter. Damit haben wir in dieser Klausel gewissermaßen ein Musterbeispiel pietätvollen Kindesverhaltens, hinter dem das Interesse des Erblassers zurückstand, seine Freunde und Bekannte mit Vermächtnissen sogleich nach seinem Tod zu bedenken. Infolgedessen erscheint die Entscheidung des Ofilius wie ein Kamprarniß zwischen den Erblasser- und Bedachteninteressen: Wenn schon der Sohn voller Pietät die Aushändigung der Bedenkung zurückstellt, sollen die Bedachten nicht auch noch das (Verlust-)Risiko tragen müssen. Demgegenüber stellen Labeo und Iavolen als kommentierende Juristen (Kap.V 3) diese auf Einzelfall-Gerechtigkeit zielende Entscheidung dogmatisch "richtig". D 30.123 pr., Mare. lib. sing. resp. : Lucius Titius cum duos filios heredes relinqueret, testamento ita cavit: ,quisquis mihi liberorum meorum heres erit, eius fidei committo, ut si quis ex is sine liberis decedat, hereditatis meae bessern cum morietur fratribus suis restituat': frater decedens fratrem suum ex dodrante fecit heredem: quaero, an fideicommisso satisfecerit: Marcellus respondit id, quod ex testamento Lucii Titii fratri S.o.FN517a.E. Daß ein Ususfructus am Vermögen in spätrepublikanischer Zeit vermacht werden konnte, folgt aus Cic. Top. III.17: Nondebet ea mulier cui vir bonorum suorum usum fructum legavit cellis vinariis et oleariis plenis relictis, putare id ad se pertinere . . . (hierzu Crifo, RIDA 24, 1977, S. 177ff.). Wenn also ein Vermächtnis diesen Inhalt haben konnte, dann sicher auch ein zu dieser Zeit noch rechtlich nicht einklagbares Fideikommiß. 524 So aber Kaser, RPR, § 106 FN 16; Volterra, NNDI XVI, S. 1064, s. v. "Senatus consulta", Nr. 71 . 522 523
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testator debuisset, pro ea parte, qua alius heres exstitisset, peti passe, nisi diversum sensisse eum probaretur: nam parvum inter hanc speciem interest et cum alias creditor debitori suo exstitit heres. sed plane audiendus erit coheres, si probare possit ea mente testatorem heredem instituisse fratrem suum, ut contentus institutione fideicommisso abstinere deberet525.
Ein Erblasser setzt seine beiden Söhne526 zu Erben ein und trägt ihnen fideikommissarisch auf, dem jeweils anderen Bruder zwei Drittel des väterlichen Erbgutes zu hinterlassen, wenn sie kinderlos sterben sollten. Diese Klausel macht deutlich, daß der Großteil des Vermögens (der Verrnögensstarnrn) innerhalb der Familie bleiben soll527; die Söhne sind die Erben, und ihre Kinder sollen das Vermögen später einmal übernehmen. Durch das Fideikornrniß erhöht sich die Chance zur Verwirklichung dieses Planes, weil von zwei Söhnen nur einer Kinder zu haben braucht. Darüber hinaus ist aber auch aufschlußreich, daß der vorversterbende Sohn nicht die ganze, sondern nur einen bestimmten Teil der väterlichen Erbschaft dem überlebenden Bruder hinterlassen soll. Den Rest darf er wohl anderweitig vermachen. Ihm verbleibt also die Möglichkeit, mit seinem Testament seinen gesellschaftlichen Verpflichtungen nachzukommen und die "Außenbeziehungen" zu honorieren. Auf diese Weise ermöglicht der Vater den Söhnen die Lösung des oben, Kap. 111 4, beschriebenen Dilemmas eines Vermögensinhabers, den Vermögensstamm einerseits der Familie zu erhalten und andererseits (innerhalb der Grenzen Geiz und Verschleuderung) großzügig zu sein; die Rolle des kinderlosen Sohnes als administrator des juristisch ihm gehörenden Vermögens wird dabei sehr deutlich. Das Rechtsproblern des Falles resultiert aus der Diskrepanz zwischen der fideikommissarischen Anordnung, zwei Drittel der väterlichen Erbschaft zu restituieren, und der Erbeinsetzung des Bruders in Höhe von drei Vierteln528. Freilich ist angesichts dieses größeren Bruchteils die Frage überraschend, ob der Bruder eine Nachforderung habe, bzw. ob ihm ein Verzicht nahegelegt worden sei. Doch läßt sich das mit Hilfe der (durchaus nicht abwegigen) Unterstellung erklären, daß das Vermögen des verstorbenen Sohnes gegen525 Voci, DER li, S. 959f.; Torrent, Fideicommissum Familiae Relictum, 1975, S. 40, 55f. Dort auch allgemein zur Testamentsklausel si sine liberis decesserit, S. 52ff. Zu einem praktischen Beispiel dieser Testamentsklausel cf. Pap. Oxy. XXVII.2474, Z . 25ff. 526 Dem Plural fratribus suis in der Klausel wird man wohl nicht entnehmen dürfen, daß der Erblasser mehrere Söhne hatte (es sei denn, das quisquis liberorum meorum bezöge sich auf einen weiteren Kreis als die zuvor genannten 2 Söhne; was sich freilich aus dem Sachverhalt nicht ergibt); es wäre allerdings auch nicht entscheidungserheblich. S. auch Torrent, S. 40, 56. 527 Vgl. Torrent, S. 55. Eine entsprechende Absicht liegt auch der Klausel in D 36.1.59.1, Pap. 9 resp., zugrunde . 538 Mommsen, Römisches Strafrecht, 1899, S. 1009; s.auch Bund, FS Wieacker, 1978, s. 59. 17 Paulus
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VII. Weitere Testamentsklauseln
über dem Zeitpunkt des väterlichen Todes geschrumpft ist; und zwar so sehr, daß die drei Viertel der Sohnes-Erbschaft einen geringeren Betrag ausmachen als die zwei Drittel dessen, was er vom Vater erhalten hat. Damit spitzt sich das Problem auf die Frage zu, wie die Konkurrenzzweier sich widersprechender letzter Willen zu beurteilen ist. Marcellus bietet in seiner Antwort keine definitive Lösung an, sondern differenziert. Vorrangig ist der im väterlichen Testament ausgedrückte letzte Wille, weil in ihm das umstrittene Fideikommiß enthalten ist. Dementsprechend beginnt Marcellus das Responsum damit, daß der (überlebende) Bruder das Forderungsrecht aus dem väterlichen Fideikommiß habe und infolgedessen die Aufstockung des fehlenden Differenzbetrages vom Miterben verlangen könne. Zwar heißt es nicht: ex ea parte, sondern: pro ea parte peti posse. Doch ist das Subjekt dieses Satzes id quod debuisset, d. h. die zwei Drittel, die nach dem väterlichen Testament geschuldet werden. Von dieser fixen Summe hat der Bruder schon einen Prozentsatz erhalten, der selbstverständlich nicht mehr eingefordert werden kann. Gefordert werden kann nur noch "in Gemäßheit"529 des Miterben-Anteils. Mareeil umschreibt damit also nicht den Schuldner, sondern die Haftungsmasse. Doch er fügt hinzu: nisi diversum sensisse eum probaretur. Eum bezieht sich auf den testator des voranstehenden Relativsatzes. Demnach ist zu fragen, ob der (verstorbene) Bruder nicht andere Absichten mit seinem Testament verfolgt. Diese Entscheidung, die von repondit id- probaretur reicht, wird im nachfolgenden Satz nam- deberet begründet. Dabei dient der Vergleich mit dem erbenden Gläubiger als Beleg für das Nachforderungsrecht des erbenden Bruders, und der Teil sed plane- deberet erläutert, wie die Verfügung des Bruders aufrechterhalten werden könnte. Die Begründung des Nachforderungsrechts mit dem erbenden Gläubiger ist freilich auf den ersten Blick überraschend. Wird ein Gläubiger nämlich Erbe seines Schuldners, so ist es anerkannte Rechtsfolge, daß die Forderung durch Konfusion erlischt530. Bezogen auf den Ausgangsfall des erbenden Bruders würde diese Rechtsfolge gerade die entgegengesetzte Entscheidung implizieren; daß nämlich der Bruder kein Nachforderungsrecht gegen den Miterben hat, weil seine Forderung eben durch Konfusion als erloschen gilt. Da man solch einen Irrtum weder Marcellus noch einem nachklassischen Bearbeiters3I ohne Not unterstellen sollte, empfiehlt es sich, die Vergleichbarkeit der Fälle zu prüfen. Dabei erkennt man, daß der Vergleichsfall um eine nicht mitgeteilte Sachverhaltsbesonderheit zu ergänzen ist, um überhaupt als Begründungsgrundlage zu taugen. Im Ausgangsfall ist die Forderung des erbenden 529 Zu dieser Übersetzung von pro vgl. Heumann I Seckel s. v., Nr. 4.
D 18.4.2.18, Ulp. 49 ad Sab.; 46.3.75, Mod. 8 reg.; 35.2.1.18, Paul. lib. sing. ad leg. Iul. et Pap.; 34.3.21.1, Ter. Cl. 12 ad leg. Iul et Pap.; Kaser, RPR, § 150 III. 531 Zu den Interpolationsannahmen etwa Voci, ebda. sJo
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Bruders in Höhe seines Erbteils erloschen; da aber ein Miterbe existiert (und demzufolge noch Haftungsmasse vorhanden ist), kann der Bruder von ihm nachfordern. Schließlich ist seine Forderung durch das 3f4·Erbteil nicht vollständig erfüllt. Wird dagegen ein Gläubiger Erbe seines Schuldners, erlischt, wie gezeigt, seine Forderung. Doch fragt sich, was geschieht, wenn er nur Miterbe wird - und zwar zu einem Teil, der nicht die Höhe seiner Forderung erreicht? Führt die Konfusion zum Erlöschen der ganzen Forderung oder nur bis zu der Höhe, in der die Erbschaft die Forderung erfüllt? Dieses Problem wird Mareeil vor Augen schweben; denn nur dann liegt eine Vergleichbarkeit beider Fälle vor. Die vorliegende Stelle legt nahe, daß die Forderung nur teilweise erlischt. Eine Bestätigung hierfür läßt sich einem speziell gelagerten Fall entnehmen, über den Papinian zu entscheiden hatte, D 46.1.50, 37 quaest.: Debitori creditor pro parte heres extitit accepto coherede fideiiussore: quod ad ipsius quidem portionem attinet, obligatio ratione confusionis intercidit aut (quod est verius) solutionis potestate: sed pro parte coheredis obligatio salva est non fideiiussoria, sed hereditaria, quoniam maior tollit minorem.
In diesem Fall werden Gläubiger und Bürge Miterben des Schuldnerischen Nachlasses. Auch hier erlischt die Forderung des Gläubigers nicht als Ganze, sondern nur hinsichtlich des erfüllten Teils, so daß auch dieser Gläubiger eine (uns in ihrer besonderen Ausformung als Erbschaftsanspruch nicht weiter beschäftigende) Nachforderung gegen den Miterben hat. Die Vergleichbarkeit der beiden Fälle im Marcellus-Fragment geht noch weiter: Auf den ersten Blick könnte man nämlich einwenden, daß eine Konfusion eine vor dem entscheidenden Ereignis (hier: Erbfall) existierende Forderung voraussetze, an der es jedoch im Ausgangsfall des erbenden Bruders gerade fehle. Denn seine Forderung entsteht erst mit dem Erbfall aus dem Testament des verstorbenen Bruders. Doch zeigt der Wortlaut der Klausel: restituat, daß der (Vater-)Erblasser (im Einklang mit dem in D 36.1.18 pr., Ulp. 2 fideic., genannten Senatus consultum) über seinen Nachlaß (weiter-) verfügt anstatt (unzulässigerweise) über den Nachlaß seines Erben. Damit ist die Forderung des erbenden Bruders nicht originär durch das Testament seines Bruders entstanden, sondern er hatte bereits die durch das Vorversterben seines Bruders bedingte Forderung aus dem Testament des Vaters erlangt532. Mareeil bleibt aber bei dem durch die Analogie erreichten eindeutigen Ergebnis nicht stehen, sondern eröffnet dem Miterben (genauer: dessen Erben) die Möglichkeit eines Gegenbeweises533. Hieraus kann man den hohen 532
Zu D 36.1.18 pr. und den im Text dargestellten Konsequenzen Johnston, Trusts,
533
Zur Interpolationsannahme des letzten Satzes von Suman vgl. Ind. Itpl.
s. 184f. 17*
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VII. Weitere Testamentsklauseln
Stellenwert erkennen, der letztwilligen Verfügungen in den Augen Marcells zukommt. Denn anstatt die Bedenkung des Bruders mangels Übereinstimmung mit dem väterlichen Testament zu korrigieren, gestattet Marcellus den Nachweis, daß der verstorbene Bruder mit seiner %-Erbeinsetzung den überlebenden zum Verzicht auf die fideikommissarische Bedenkung ( = die des Vaters) bewegen wollte. In diesem Fall darf der zweite Testator im Ergebnis das Testament des ersten Testators ändern. In moderner Diktion heißt das, daß für die Anwendung des ersten Testaments eine widerlegliehe Vermutung spricht. Sofern sich der überlebende Bruder den Erlaß jedoch nicht aufzwingen lassen will, steht ihm als heres extraneus frei, die aditio zu unterlassen . Damit hat er es in der Hand, seine nunmehr unbedingte fideikommissarische Forderung aus dem väterlichen Testament von dem Erben einzufordern534. D 34.4.31.2, Scaev. 14 dig.: Seia testamento suo legavit auri pondo quinque: Titius accusavit eam, quod patrem suum mandasset interficiendum: Seia post institutam accusationem codicillos confecit nec ademit Titio privigno legatum et ante finem accusationis decessit: acta causa pronutiatum est patrem Titii scelere Seiae non interceptum. quaero, cum codicillis legatum, quod testamento Titio dederat, non ademerit, an ab heredibus Seiae Titio debeatur. respondit secundum ea quae proponerentur non deberi 535 •
Titius ist der Stiefsohn der Seia, die ihn in ihrem Testament mit einem Vermächtnis bedenkt. Noch zu ihren Lebzeiten erhebt Titius Anklage gegen sie mit der Behauptung, sie habe den Auftrag dazu erteilt, ihren Mann, bzw. seinen Vater zu töten. Im Anschluß daran verfaßt Seia Kodizille, in denen sie jedoch nichts an dem zugunsten des Titius ausgesetzten Vermächtnis ändert. Ihren Freispruch erlebt Seia nicht mehr, da sie zuvor verstirbt. Scaevola wird daraufhin gefragt, ob die Erben der Seiazur Auszahlung des Vermächtnisses an Titius verpflichtet sind; Scaevola verneint das. Finanziell gesehen steht er mit diesem Ergebnis nicht anders da , als wenn seine Anklage zur Verurteilung der Stiefmutter geführt hätte. Der Straftatbestand bemißt sich nämlich nach der Iex Pompeia de parricidiis536, die nicht nur die Ehegattentötung, sondern auch die Anstifung zu einer entsprechenden Tötung unter Strafe stellt537. Die Folge der Verurteilung wäre die Vermögenseinziehungs3s zugunsten des Fiskus gewesen539. Dieser gewährte zwar in bestimmten Fällen den Kindern des oder der Verurteilten einen bestimmten S. nur Gai 2.277 a. E. Nardi, I casi di indignita nel diritto successorio romano, 1937, S. 80. 536 Zur Datierung Kunkel, RE, s. v. "quaestio", S. 746. 537 D 48.9.1, Marcian 14 inst. 538 Mommsen, Römisches Strafrecht, 1899, S. 1009; s.auch Bund, FS Wieacker, 1978, s. 59. 539 Tac. Ann. 6.19; Cass. Dio LVII.10.5. 534 535
4. Versorgung nahestehender Personen
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ProzentsatzS40 als Subsistenzminimum, um die Strafe nicht auf Unschuldige zu erstrecken541; doch wäre Titius als Stiefsohn von dieser Vergünstigung wohl nicht betroffen gewesen542. Denn diese Regelung knüpft offenbar an die natürliche Verwandtschaft an543, die zwischen Stiefsohn und -mutter nicht besteht, D 38.10.4.3, Mod. 12 pand. Folglich hat sich Titius, indem er sich zur Erhebung der Anklage entschloß, von vornherein nicht mehr auf den erbrechtlichen Erwerb einstellen dürfens44 • Der juristische Grund, auf den Scaevola seine Entscheidung gestützt haben wird, ist wohl die Erbunwürdigkeit545, auch wenn die Kompilatoren dieses Fragment nicht in dem speziellen Digestentitel 34.9 aufgenommen haben. Von den drei möglichen Kategorien der IndignitätS46 begeht Titius eine Verfehlung gegenüber der Erblasserin. Immerhin hat er sie der Gefahr der Todesstrafe, bzw. Verbannung (und damit dem Verlust der BürgerrechteS47) ausgesetzt. Gleichwohl stellt Scaevolas Entscheidung eine aus wenigstens zwei Gründen bemerkenswerte Härte dar: Erstens entzieht Scaevola das Vorliegen eines Indignitätsgrundes der Parteidisposition. Deswegen läßt er das naheliegende Argument nicht gelten, mit der der Anklage nachfolgenden Kodizill-Abfassung habe Seia inzident Titius verziehen und die Zuwendung mit einem erneuten Willensentschluß in ihrem Testament bestätigts4s. Und zweitens konnte die schuldhafte Unterlassung der Verfolgung des Mörders durch Titius gegebenenfalls auch Indignität auslösen549 . Allerdings beträfe das nur das (Erb-) Verhältnis zwischen Titius und seinem Vater, doch zeigt die Sanktion, welche Zwänge (zumindest moralischer Art) hier herrschen, ohne daß das Risiko eines Fehlschlagessso gemindert würde. S. o.Kap. I 3. Für unsere Zeit wohl ein Zehntel, cf. Gnom.Id.36; Antoninus Pius. D 48.20.7 pr. , Paul. lib. sing. de port. 542 Zur Praxis der Anklägerbelohnungen Mommsen, S. 504ff. 543 S. nur D 48.20.1.2, Call. 1 de iure fisci et populi; Liberis autem ita demum portio tribuitur, si iustis nuptiis nati sint. Oder Paulus, eod. 7 pr.; Cum ratio naturalis quasi Iex quaedam tacita liberis parentium hereditatem addiceret .. . 544 S. auch D 34.9.1, Marcian 6 inst. 545 Zur Indignität allgemein Nardi; Voci, DER I, S. 465ff. ; Kaser, RPR, § 17811 mit FN 33. S. auch Müller-Eiselt, Pius, S. 244ff., der in Antoninus Pius den Begründer der lndignitätslehre glaubt ausmachen zu können. Dazu meine Bemerkunge n in SZ 102, 1985, s. 636. 546 Verfehlungen gegen den Erblasser, gegen dessen letzten Willen oder gegen die Gesetze; vgl. Müller-Eiselt, S. 244. 547 S. Mommsen, S. 957f. 548 Zu dem Problem, ob die Verzeihung eines lndignitätsgrundes möglich ist, allgemein Nardi, S. 53ff. 549 Rilinger, Humiliores - Honestiores, 1988, S. 93ff.; zum tergiversari allgemein Levy, Ges. Sehr. li, 1963, S. 417ff. S. auch Kunkel, Untersuchungen zur Entwicklung des römischen Kriminalverfahrens in vorsullanischer Zeit, 1962, S. 129 FN 468. Vgl. mit unserem Fall noch D 34.9.1, Marcian. 6 inst. 540 541
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VII. Weitere Testamentsklauseln
Titius geht das Risiko mit der Anklageerhebung ein - und verliert. Scaevola schließt daraus auf die Indignität. Damit bewertet er den letzten Willen und die Motive, die Seia zu dem Vermächtnis und dessen Aufrechterhaltung veranlaßt haben, als nachrangig gegenüber dem in dem Unwürdigkeilsurteil zum Ausdruck kommenden Makel: der Bruch der Familieneintracht. Freilich gestattet die Sachverhaltsdarstellung nicht, aus Scaevolas Entscheidung den allgemeinen Schluß zu ziehen, die einmal begründete Indignität stelle eine unumstößliche Grenze der Testierfreiheit dar. Denn obgleich dies das Ergebnis des vorliegenden Falles ist, hebt Scaevola doch den Umstand hervor, daß die Errichtung der Kodizille zu einer Zeit erfolgte, in der der Ausgang des Prozesses noch ungewiß war. Infolgedessen läßt dieser Fall keine Rückschlüsse auf die Entscheidung von Fällen zu, in denen - bei sonst gleichem Sachverhalt- die Kodizille nach Freispruch verfaßt werden, oder in denen die Kodizille während eines schwebenden Verfahrens ausdrücklich den Ankläger bedenken. Der nachfolgende kleine Exkurs behandelt eine weitere Scaevola-Entscheidung, die mit der voranstehenden insofern verbunden ist, als es auch bei ihr um die Frage geht, ob die Testamentsklausel eine "dynamische Verweisung"55I enthält. Scaevola verneint diese Frage erneut, D 34.3.28.1, 16 dig.: Testamento facto debitoribus Iiberationern reliquerat, post inciso lino et recognito testamento aliud testamenturn fecit, in quo repetit legatum his verbis: ,quibusque legata in eo testamento quod incideram dedi, omnia rata esse et quaequae scripta sunt volo'. quaesitum est, adita ex sequenti testamento hereditate an debitores, quibus priori testamento liberatio relicta erat, consequi possint, ut etiam eius quantitatis nomine, quam post prius testamenturn debere coeperant, liberarentur, et si ab his heredes petere coeperint, an doli mali exceptione summoverentur. respondit non liberari552.
Ein Testator hatte in seinem Testament Befreiungsvermächtnisse553 zugunsten seiner Schuldner ausgesetzt und nach Fertigstellung des Testaments die nach dem Senatus consultum Neronianum erforderliche Verschnürung wieder aufgelöst554. Das allein hebt die zivile Wirksamkeit des Testamentes nicht auf555; dazu ist vielmehr die Errichtung eines neuen, wirksamen Testaments erforderlich556. Ein solches hat der Testator des vorliegenden Falles auch aufgesetzt 550 Vgl. allerdings die mahnenden Worte Quintilians zu Prozessen zwischen Söhnen und Eltern, inst. or. XI.l.61ff. 551 Damit ist das Problem gemeint, ob die Interpretation einer Klausel durch der Abfassung nachfolgende Umstände beeinflußt werden kann und darf. 552 DeVilla, La liberatio legata, 1939, S. 61; Biondi, Succ., S. 510; Voci, DER li, s. 87. 553 Zu diesem Vermächtnistyp allgemein Astolfi, Studi sull' oggetto dei legati in diritto romano I, 1964, S. 30ff.; sowie ders. , Labeo 12, S. 338ff. 554 Zum testamenturn incisum Müller-Eiselt, Pius, S. 184ff. 555 Gai 2.151; dazu Kaser, RPR, § 163 li 2. 556 Gai 2.144.
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und in ihm recognito (superiore) testamento, d. h. wohl: nach nochmaliger Überprüfung der im ersten Testament ausgesetzten Bedenkungen, dessen Vermächtnisse bestätigt- und zwar dergestalt, daß er das dort Geschriebene ausgeführt haben will. Nach dem Tod des Erblassers verstehen diejenigen Schuldner, denen im ersten Testament Befreiung von ihrer Schuld vermacht worden war, und die im Anschluß daran - aber noch vor Errichtung des zweiten Testamentes neue Schulden beim Testator gemacht hatten, die Verweisungsklausel so, daß sie auch die neuen Forderungen erfasse und von ihnen befreie. Entsprechend dem Problem des vorangegangenen Fragmentes entsteht auch hier die Frage, ob die zwischenzeitlich eingetretenen, faktischen Änderungen (dort Verzeihung der Anklageerhebung durch die Belassung des Vermächtnisses, hier Entstehung neuer Schulden) Einfluß auf die Interpretation der neuen letztwilligen Verfügung haben. Scaevola verneint das, indem er die Neuschulden als nicht von der Klausel erfaßt sieht. Durch ihre Verweisung auf das ehemals gültige Testament übernimmt die Klausel dessen Stichdatum. Scaevolas Auslegung erfordert also im Umkehrschluß, daß der Testator die Befreiungsvermächtnisse neu formulieren muß, wenn er die Neuschulden auch erlassen will. D 36.1.80.12, Scaev. 21 dig. : Heredum fidei commisit, ut, quidquid ex parte tertia hereditatis pervenerit ad eos, id redderent Gaio Maevio alumno testatoris, cum fuerit annis quindecim, et subiunxit haec verba: ,interim ex refectu paupertatis, qui ad vos pervenerit, alatis eum ex usuris pro quantitate nummorum redactis. hoc amplius eidem alumno meo hominem Caletanum et vernam sutorem, qui eum artificio suo mercede data alere poterit'. quaesitum est, cum alimenta multo minora praestiterint heredes scripti, quam usurae summae redactae competebant, an et residuas praestare compelli debeant totius temporis an ex die, quo quintum decimum explesset? et cum servi legati ei specialiter, ut ex mercedibus aleretur, statim venierint, utrum mercedes an usuras petere debeat? respondit secundum ea quae proponerentur testatorem videri de omni reditu et mercede servorum restituenda sensisse557.
Gegenstand der Klausel ist die Versorgung eines Pflegesohns, den wir im Einklang mit dem einleitend genannten weiten Verständnis zu der Familie hinzuzählen wollensss. Scaevola hatte häufig über Klauseln dieser Art zu entscheiden (oder gerade er hat sie bevorzugt seinem Schriftwerk einverleibt)559. Kübler, SZ 11, 1890, S. 51f. ; Ferrini, SZ 17, 1896, S. 330. Eine Begründung, sofern es derer bedarf, kann man der Auflistung des alumnus in dem Manumissions-Rechtfertigungskatalog in Gai 1.19 entnehmen. Zum Verhältnis von Pflegevater zu -kind Marquardt I Mau, S. 82f. 559 S. nur D 32.102.2, 17 dig. ; 33.1.18.1, 14 dig. ; 33.1.21.4, 22 dig. ; 33.2.34.1, 18 dig. ; 33.7.20.2, 3 resp.; 34.1.15 pr., 17 dig.; 34.2.18.1, 22 dig.; 36.1.64.1, 4 resp. - gegenüber 34.1.9, Pap. 8 resp.; 35.1.71 pr., Pap. 17 quaest.; 36.2.26.1, Pap. 9 resp.; 32.27.2, Paul. 2 decr. 557 558
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Die vorliegende Klausel trifft eine komplizierte Regelung hinsichtlich der Versorgung des Gaius Maevius, die zusätzlich zu der exakten Aufschlüsselung der Versorgungsquellen560 noch zeitlich gestaffelt ist: Der Erblasser trifft folgende Unterscheidung: die Zeit, bis der Pflegesohn 15 Jahre alt geworden ist, und die Zeit danach. Hinsichtlich der letzteren trägt er seinen Erben fideikommissarisch auf, daß sie den gesamten Ertrag56t eines Drittels der Erbschaft Maevius an dessen 15. Geburtstag herausgeben. Das wird in dem vorliegenden Rechtsstreit nicht in Frage gestellt. Der Streit dreht sich vielmehr um die Auslegung der Klausel, die in schwer verständlicher Sprache562 die Versorgung des Pflegesohnes bis zu seinem 15. Geburtstag regelt. Auch hier liegt eine zweifache Unterscheidung vor; diesmal nach den Versorgungsquellen. Was die erste dieser Quellen betrifft, so ist einzig soviel eindeutig, daß es Zinsen sein sollen. Unklar ist dagegen, was der Testator mit ex refectu paupertatis meint und mit usuris pro quantitate nummorum redactis563, für das Mommsen redacta vorschlägt. Die erste Phrase wird ein wenig durch den nachfolgenden Relativsatz qui ad vos pervenerit präzisiert. Das dort verwendete Futur II impliziert, daß der Erhalt erst nach dem Erbfall stattfinden wird. Wenn der Relativsatz dagegen die Erbschaft selbst umschreiben sollte564, wäre entweder Futur I oder Perfekt zu erwarten. Demnach wird man ex refectu, auf das sich das pervenerit bezieht, als Ertrag zu verstehen haben; denn nur er gelangt noch nach dem Erbfall an die Erben. Damit bleibt die eigenartige Umschreibung der (Ertrag-abwerfenden) Sache als paupertas zu klären. Es muß sich dabei um den Nachlaß handeln, der sei es klagend565, sei es ironisch-snobistisch566 als "Armseligkeit" bezeichnet wird; denn der Erblasser kann nur über den Nachlaß und dessen Ertrag verfügen 56?. Ist somit geklärt, daß die Versorgungsleistung aus dem Ertrag der Erbschaft erfolgen soll, ist nunmehr das Verständnis der zweiten Phrase zu erhellen, die mit dem erneuten Gebrauch des ex eine neue Untermasse aufzustellen S. hierzu auch noch die nachfolgende Exegese von D 30.96 pr. Kübler nimmt (ohne Begründung) an, daß die Erben das Drittel selbst herauszugeben hätten. 562 Kübler schreibt über den Satz interim-redactis: "Wenn der Erblasser lateinisch verstand, kann er die angeführten Worte nicht geschrieben haben." 563 Bas. 35.11.75: ek ton tokon ton synagomenon noummon. 564 Ex refectu paupertatis wäre dann etwa in dem Sinne zu verstehen: "Mit den Mitteln, die eure Armut beseitigt haben." Angesichts der Einzigartigkeit dieses Ausdrukkes liegt es nahe, hierin eine Anspielung auf eine spezifische Vorgeschichte zu sehen. 565 Etwa weil der Testator auf diese Weise sein Bedauern ausdrücken will, viele Vermächtnisse aussetzen zu müssen. 566 Immerhin reicht für die Alimentation ein kleiner Bruchteil, multo minora(!), der Zinsen(!) eines Drittels(!) des Ertrages(!) der Erbschaft; dazu sogleich im Text. 567 Die Basiliken, 35.11.80, lesen für paupertatis pragmaton, d.h. Vermögen. 560 561
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scheint. Obgleich die Diktion nicht sonderlich klar und vor allem die Erwähnung zurückbehaltener Zinsen überraschend ist56B, kann man dies einem nicht nach juristisch exakter Terminologie strebenden Testator nachsehen, wenn nur der Sinn des Gemeinten deutlich wird. Das scheint der Fall zu sein, so daß man nicht auf eine Interpolationsannahme zu rekurrieren braucht. Denn nachdem wir bereits festgestellt haben, daß die Erben dem Pflegesohn an dessen 15. Geburtstag den Ertrag eines Teils der Erbschaft herauszugeben haben, ergibt sich aus ex usuris .. . , daß der Testator anordnete oder unterstellte, daß die Erträge zinsbringend anzulegen waren. Man kann sogar noch einen Schritt weitergehen und aus dem pro quantitate nummorum folgern, daß wenn nicht alle569, so doch ein Großteil der Gesamterträge entsprechend anzulegen waren. Pro quantitate bedeutet dann die Begrenzung der Versorgungsquelle auf das dem Pflegesohn reservierte Drittel. Zusammenfassend können wir also festhalten, daß die Alimentation des Maevius bis zu seinem 15. Geburtstag aus den Zinsen bestritten werden sollte, die der Ertrag der Erbschaft abwirft. Dadurch jedoch, daß der Testator noch hinzufügt, es sollten: die Zinsen nur einer begrenzten Menge (pro quantitate) verwendet werden, kommt es zum Streit. Denn offenbar verstanden die Erben - durchaus nachvollziehbar- die Begrenzung lediglich als eine "Quellenangabe", während Maevius sie als eine "Mengenangabe" sah. Dementsprechend fühlten sich die Erben berechtigt, lediglich einen Bruchteil der Zinsen zur Alimentation herzugeben, während Maevius den Anspruch auf alle Zinsen geltend macht, die das Drittel abgeworfen hat. Das wird noch zusätzlich durch die Frage bestätigt: an et- explesset; denn sie impliziert die Ansicht der Erben, daß die Zinsen dem Pflegesohn erst ab seinem 15. Geburtstag zustehen. Was die zweite der vom Erblasser in seinem Testament vorgesehenen Versorgungsquellen anbelangt, so ist sie von besonderem wirtschaftsgeschichtlichem Interesse, weil sie sich auf das Einkommen zweier Sklavens7o bezieht. Zwar erweckt die Anfrage mit der Formulierung servi legati ei specialiter den Anschein, als seien die Sklaven selbst (sc. fideikommissarisch) vermacht. Doch ist das wohl nur die unpräzise Diktion des Anfragenden. Denn wären sie tatsächlich vermacht, könnte sich die Haftung der Erben für den Verkauf nicht nur auf den Lohn erstrecken, sondern müßte den Wert der Sklaven erfassen571. Vermutlich haben die Erben diese Versorgungsquelle nicht als Gegenstand einer eigenen Bedenkung verstanden, sondern nur als eine (partielle) Konkretisierung des dem Maevius zugedachten (abstrakten) Drittels. 568 Wesentlich einleuchtender ist die Lesung des Palimpsestes aus der Ambrosiana mit: redactorum; cf. Ferrini. 569 Dafür spricht, daß die Erben die Sklaven verkauft haben. 570 Das singularische poterit wird ein (Ab-)Schreibfehler sein. Scaevola spricht von servi in der Sachverhaltsdarstellung. 571 Zur Erbenhaftung Voci, DER II, S. 394ff.; Kaser, RPR, § 187 I 1.
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Das läßt sich nicht nur daraus entnehmen, daß sie die Sklaven verkauft haben, sondern auch daraus, daß sie offenbar die Meinung vertreten, sie müßten nur die aus dem Kaufpreis erzielten Zinsen herausgeben. Scaevola erkennt demgegenüber dem Pflegesohn sowohl den gesamten Zinsertrag als auch den Werklohn zu, indem er sich darauf beruft, was der Erblasser nach Maßgabe des Vorgetragenen sich vorgestellt zu haben scheint. Da der Vortrag jedoch keineswegs eindeutig ist, wird man als tieferen Grund für die Entscheidung annehmen dürfen, daß mit der Zuwendung die Versorgung einesalumnusbezweckt ist. Die Versorgung von Kindern, auch wenn sie nicht leibliche sind, rechtfertigt allemal eine benigna interpretatio. Doch ist sie im vorliegenden Fall weniger Ausdruck des individuellen Willens, videri, als vielmehr Manifestation des Üblichen, das sich seinerseits aus demjenigen zusammensetzt, was typischerweise gewollt wird, und was man typischerweise soll. Die Qualifikation, es handele sich bei Scaevolas Entscheidung um eine solche nach dem Willen572, ist daher nicht sehr ertragreich, weil sie einen Gegensatz zu einer hier gar nicht möglichen Wortlaut-Entscheidungm impliziert. Ertragreicher erscheint demgegenüber unsere Fragestellung, welche Interessen mit der Berufung auf das sensisse videri befriedigt werden; denn sie verweist über die Testatormotivation auf die Grundlagen des römischen Sozialverhaltens. Als Ergänzung zu der detaillierten Anweisung hinsichtlich der Versorgungsquellen lohnt sich eine wenigstens kurze Untersuchung der folgende Stelle, in der die Klausel ebenso wie die Rechtsfrage ein bezeichnendes Licht auf die "Verteilungsstrategie" mancher Testatoren wirft, D 30.96 pr., lul. 39 dig.: Quidam testamento vel codicillis ita legavit: ,Aureos quadringentos Pamphilae dari volo ita ut infra scripturn est: ab Julio actore aureos tot et in castris quos habeo tot et in numerato quos habeo tot': post muttos annos eadem voluntate manente decessit, cum omnes summae in alios usus translatae essent: quaero, an debeatur fideicommissum. respondi: vero similius est patrem familias demonstrare potius heredibus voluisse, unde aureos quadringentos sine incommodo rei familiaris contrahere possint, quam condicionem fideicommisso iniecisse, quod initio pure datum esset, et ideo quadringenti Pamphilae debebuntur514.
Die Klausel vermittelt einen Einblick in die Streuung des Erblasservermögens. Auch wenn sich nicht rekonstruieren läßt, welchen Vermögensteil oder -gegenstand Iulius verwaltet haben mag, oder welche in seinem Vermögen befindliche Summe der Erblasser (im Castor-Tempel) deponiert hat575, zeigt das Wieling, Testamentsauslegung, S. 140. Der Wortlaut der Klausel erlaßt den durch den Verkauf der Sklaven eingetretenen Sachverhalt gar nicht. 574 Biondi, Succ. , S. 334; Voci, DER II, S. 854, 896. 575 S. die Anmerkung Mommsens in seiner Digestenausgabe, in der er in castris durch in Castoris ersetzt- unter Hinweis auf D 16.3.1.36. 572 573
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jeweils angefügte tot dennoch, daß das Fideikommiß das Vermögen keineswegs erschöpfte. Dabei ist aufschlußreich, daß der Erblasser nicht seine gesamten, in bar vorhandenen Mittel576 für die Auszahlung verwendet wissen will; denn angesichts der vornehmlich aus Immobilien zusammengesetzten Vermögen wird ein ständiger Bedarf an flexibel einsetzbarem Barvermögen vorhanden gewesen sein577. Ein Teil des Baren sollte wohl den Erben erhalten bleiben. Das Rechtsproblem des Falles rührt daher, daß sich die Vermögenszusammensetzung noch zu Lebzeiten des Erblassers geändert hat, ohne daß die nunmehr obsolet gewordene Auszahlungsanordnung korrigiert wurde. Die Erben argumentieren nämlich, sie seien zur Auszahlung nicht verpflichtet. Sie sehen also mit anderen Worten die Konstanz der Vermögenszusammensetzung als Bedingung der Zahlungsverpflichtung578. Dem widerspricht Iulian, indem er erklärt, der Erblasser habe mit der Anordnung lediglich aufzeigen wollen, wie die Erben das Geld sine incommodo rei familiaris zusammenbekommen könnten. Das klingt beinahe wie ein Lob des Erblassers, weil er das oben (Kap. III 4) beschriebene Dilemma eines Testators so zu lösen versucht, daß den Erben keine Unannehmlichkeiten aus der Zuwendung an Pamphila entsteht. Daranläßt sich eine weitere, freilich schon ins Spekulative führende Erwägung anknüpfen: Die Formulierung sine incommodo rei familiaris in Verbindung mit der Kennzeichnung des eingangs als quidam vorgestellten Testators als pater familias erweckt den Eindruck, als gehe es hier um den Schutz von Familiengut, das der Vater tunliehst nicht einem Familienfremden übertragen sollte579. Angesichts der vermachten Summe580 ist das Anliegen der Erben ebenso verständlich, wie sie die Enge der Beziehung des Testators mit Parnphila dokumentiert. Diese Faktoren: enge Beziehung, Widerwillen der Erben und "keine Unannehmlichkeiten" werden wir weiter unten (sub c bei der Exegese von D 31.29 pr.) anläßlich der Bedenkung einer Konkubine wiederfinden. Doch mehr als solch eine "atmosphärische" Ähnlichkeit läßt sich beiden Fällen nicht entnehmen, so daß offen bleiben muß, ob Pamphila die Konkubine des Testators war. 576 So wird das numerato zu verstehen sein; vgl. Heumann I Seckel, s. v. "numerare", Nr. 2. 577 Vgl. die differenzierenden Bemerkungen Bürges hierzu, SZ 104, 1987, S. 476, dessen Schluß von den mittels tesserae nummulariae feststellbaren Aktivitäten der nummularii auf den Bargeldbedarf im Alltag allerdings gewagt ist; s. auch S. 483 ("in Rom notorisch knappe Liquidität"). 578 Die Tatsache, daß eingangs nicht spezifiziert ist, ob die Klausel in einem Testament oder in einem Kodizill steht, braucht nicht gegen die Authentizität des Falles zu sprechen. Denn es könnte sich um ein Testament mit Kodizillarklausel handeln, so daß die Urkunde so oder so wirksam ist. 579 Voraussetzung dafür wäre, daß der pater familias Kinder hat, und diese die Erben sind. 580 Sie entspricht dem Ritter-Zensus.
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D 30.87 und 90, Pap. 18 quaest. : Filio pater, quem in potestate retinuit, heredi pro parte instituto legatum quoque relinquit. durissima sententia est existimantium denegandam ei legati petitionem, si patris abstinuerit hereditate: non enim impugnatur iudicium ab eo, qui iustis rationibus noluit negotiis hereditariis implicari. (fr .90) Quid ergo si ita legaverit ,hoc amplius filio meo'? non dubie voluntatis quidem quaestio erit, sed non absimilis est prioris casus circa filii providentiam, nisi evidens voluntas contraria patris probetur. (1) Plane si pluribus filiis institutis inter eos verbis legatorum bona diviserit, voluntatis ratione legatorum actio denegabitur ei, qui non agnoverit hereditatem581.
In Fr. 87 setzt der Erblasser seinen gewaltunterworfenen Sohn neben anderen zum Erben ein und bedenkt ihn darüber hinaus mit einem Vermächtnis. Gefragt wird, ob der Sohn letzteres soll fordern dürfen, wenn er sich der Erbschaft im übrigen enthalten hat. Papinian weist die Meinung derer, die das Forderungsrecht in diesem Fall verweigern, wegen ihrer Härte zurück. Denn die aus einem gerechtfertigten - das heißt wohl: objektiv nachvollziehbaren und billigenswerten - Grund erfolgende Ablehnung der Erbschaft bedeute nicht eine pauschale Anfechtung des letztwilligen Urteilsssz. Biondi nimmt an583, daß die Gegenmeinung mit der Diskrepanz zwischen ius civile und prätorischem Recht argumentiert habe. Die Besonderheit des Papinian-Falles gegenüber ähnlich gelagerten Fällen besteht nämlich darin, daß in ihm ein heres suus ausschlägt. Während normalerweise584 der ausschlagende Erbe immer das Vermächtnis verlangen kann , verhält es sich beim heres suus anders: Nicht nur, daß er notwendigerweise (vorbehaltlich einer Exheredation) Erbe wirdsss, sondern er bleibt es gemäß ius civile auch, wenn er sich mittels des prätorisehen Rechtsbehelfs der Abstinenz von der Erbschaft fernhält586. Nach ius civile wirft aber die Erfüllung des Vermächtnisses deswegen Probleme auf, weil es ein Praelegat ist, für das der Satz gilt: Heredi a semet ipso legari non potest581. Demgemäß kann ein Erbe nur insoweit Begünstigter eines solchen Vermächtnisses sein, als seine Miterben belastet sind. Sofern auch er selbst zu den Belasteten gehört, wird sein Anspruch quotenmäßig 581 Bernstein, SZ 15, 1894, S. 126; v. Lübtow, SZ 68, 1951, S. 515; Voci, DER Il, S. 906; Biondi, Succ., S. 465, 469f. S. auch C 6.37.12 pr. Gord. (a. 240). Pernice, Labeo IIl 1, S. 69 FN 2, und Beseler, Beiträge 3, 1910, S. 53, halten iustis rationibus für interpoliert. Doch spricht die Parallelität mit D 29.4.22.2 (oben Anhang zu 3 a) dagegen: Der Entschluß, vom ius abstinendi Gebrauch zu machen, wirkt sich auf die Erbschaft ebenso aus wie die Nichtannahme der dem Substituten deferierten Güter. 582 ludicium wird wohl die Anspielung auf den letzten Willen sein, ultimum iudicium. 583 AaO. S. auch D 30.88, Marcian 6 inst. 584 S. nur D 30.17.2, Ulp. 15 ad Sab. ; D 30.18, Iu!. 31 dig.; D 30.91.2, Iu!. 36 dig. Zum Schulenstreit darum, wer mit einem Praelegat bedacht werden kann, Liebs, ANRW Il.15, S. 257. 585 Gai 2.152ff. 586 Sein Anteil wächst den übrigen Erben an. 587 UE 24.22; D 30.116.1, Flor. 11 inst.; v. Lübtow, S. 512.
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gekürztSBB. Hätte also die von Papinian angegriffene Meinung tatsächlich mit der Diskrepanz der "beiden Rechte" argumentiert, hätte sie dem Sohn allein den Anspruch auf das ungeschmälerte Vermächtnis verwehren dürfen; sie verweigert es aber insgesamt, denegandam legati petitionem. Infolgedessen wird sich die Auseinandersetzung um die Frage gedreht haben, ob der "Zuwendungswille" des Vaters teilbar ist. Dabei wird die Gegenmeinung etwa im Sinne eines "venire contra factum proprium" vorgetragen haben, die Ablehnung der Erbschaft stelle eine Anfechtung des Erblasserurteils dar, aufgrund derer der Erbe das Praelegat nicht verlangen dürfe. Diese Ansicht sieht das Testament ganz offensichtlich als das von uns wiederholt beschriebene Monument eines einheitlichen (letzten) Willens. Denn indem sie einen "ganzheitlichen" Zuwendungswillen des Erblassers postuliert oder voraussetzt, ignoriert sie die formaljuristische Trennung von Erbeinsetzung und Vermächtnis. Überdies spiegelt sich in dieser Ansicht die Vorstellung einer Wechselbezüglichkeit von testamentarischer Zuwendung und Kindespietät widerSB9; denn der Sohn bekommt entweder gar nichts, wenn er den väterlichen Vorstellungen zuwiderhandelt, oder alles, wenn er sich ihnen beugt. Dabei ist zu betonen, daß Papinian diese Meinung grundsätzlich teilt; denn er begründet die vorliegende Entscheidung mit der Besonderheit, daß der Erbe eine iusta ratio für die Ablehnung der Erbschaft nachweisen kann. Freilich kann die von Papinian mitgeteilte Begründung nicht allein ausschlaggebend sein. Das folgt aus einer Zusammenschau der 3 Fälle, die nach Lenel590 zusammengehören. Denn im letzten dieser Fälle, in dem mehrere Söhne zu Erben eingesetzt worden sind (fr. 90.1591), spielt der Grund der Abstinenz auch für Papinian keine Rolle: das Vermächtnis wird verweigert592. Doch kann man dieser Konstruktion den Hinweis auf denjenigen Grund von Papinians Entscheidung in fr. 87 entnehmen, um dessentwillensie im vorliegenden Kontext zu erörtern ist. In§ 1, fr. 90, werden die Miterben nämlich als Geschwister spezifiziert; d. h. sowohl der Erbteil als auch das mittels Praelegat Zugewandte bleibt innerhalb der Familie, wenn sich einer der Brüder der Erbschaft enthält. Die Ratio dieser Entscheidung gehört also zu dem ideellen Konzept, das wir in Kap. III 4 a als die (grundsätzliche) Notwendigkeit bezeichnet haben, das Vermögen der Familie zu erhalten. D 30.104.3, Iul. 1 ad Urs. Fer. Da die Kindesbedenkung gesellschaftliche Norm ist (s.o. Kap. III 3 a) , gehört sie zur Elternpietät gegenüber den Kindern, cf. D 5.2.15 pr., Pap. 14 quaest. 590 Paling. , Nr. 269. 591 Das dividere dieses Textes läßt eine Teilungsanordnung vermuten; hierzu Rabe!, Labeo 7, 1961, S. 62. Dann allerdings läge nur eine Bedenkung vor und nicht zwei. 592 Diese Entscheidung gibt wohl nur dann einen Sinn, wenn man das Verhalten des Bruders als illoyalen Akt gegenüber seinen Geschwistern wertet. Wenn der Nachlaß etwa überschuldet ist, überläßt er die Last der Familie. 588 589
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Überträgt man diese Ratio auf die in fr. 87 getroffene Entscheidung, wird die generelle Besonderheit eines Praelegats bedeutsam, daß der Bedachte "vor den anderen Erben materiell bevorzugt werden" sollte593. Bedachter ist hier der Sohn, von dem zusätzlich gesagt wird, ihn habe der Testator nicht emanzipiert. Darin liegt ein Hinweis auf die allgemeine römische Übung, den Kindern bei ihrer Emanzipation beispielsweise das Peculium als finanzielle "Starthilfe" mitzugeben. Papinian versteht offensichtlich das Praelegat als Kompensation für den Nichterhalt einer solchen Hilfe. In einem dem fr. 87 ähnlichen Fall entscheidet lulian ganz in diesem Sinne ausdrücklich unter Hinweis auf die gebotene Gleichbehandlung von emanzipierten und nicht emanzipierten Söhnen, D 30.89, 36 dig. Indem also Papinian nicht nur auf die iusta ratio abstellt, sondern offensichtlich auch den Umstand für entscheidend erachtet, daß der Bedachte der nicht emanzipierte Sohn des Testators ist, erweist sich seine Entscheidung als ein fairer Kompromiß im Rahmen der bereits erwähnten Wechselbezüglichkeit von Vater- und Sohnespietät: Der Sohn darf nicht zu Unrecht wider den väterlichen Willen aufbegehren (impugnare), weil er sonst seinen Anspruch auf das Familiengut verwirkt; tut er es jedoch berechtigterweise, soll er das erhalten, was ihm der Vater vor den anderen Erben als "Mitgift" für das Leben als sui iuris zugedacht hat594. Diesen vom Vater geschuldeten Akt der Pietät gegenüber einem Sohn "rettet" Papinian mit seiner Fall-Lösung. Der folgende Fall behandelt möglicherweise die Bedenkung eines nichtebeliehen Sohnes, D 36.1.26 pr., Iul. 39 dig.: Quidam in testamento scripserat: ,a te, heres, peto fideique tuae committo, ut quidquid ex hereditate mea ad te pervenerit, filio meo prima quaque die aut, si prius quid ei acciderit595, matri eius des reddas'. quaeritur, cum antequam adeatur hereditas puer decesserit, an fideicommissum matri debeatur. respondi, si puer, antequam dies f ideicommissi cedat, decessisset, fideicommissum translatum esse ad matrem , postea autem quam dies fideicommissi cessit si decesserit, ad heredem pueri fideicommissum pertinere. sed an ea voluntas fuit patris familias, ut, si ante restitutum fideicommissum puer decessisset matri potius quam heredibus praestaretur, praetor aestimabit ex persona matris et ex persona heredis pueri. MARCELLUS: sed testatoris voluntas congruum est, quandocumque puer decesserit, sive antequam dies fideicommissi cedit sive postea, ad matrem transferri fideicommissum, si non iam puer hoc acceperit, eoque iure utimur596.
V. Lübtow, S. 513. Der in fr. 90 pr. erwähnte Fall steigert noch diesen Kompromiß, indem er eine Vermutung für die in fr. 87 getroffene Entscheidung aufstellt. Dabei ist in ihm das Praelegat durch das hoc amplius filio meo noch enger als im Ausgangsfall mit der Erbschaft verbunden, so daß sich der einheitliche, unteilbare Zuwendungswille besonders aufdrängt. 595 Zum Bedeutungsgehalt des accidere D 50.16.162.1, Pomp. 2 ad Sab. 596 Kaser, RPR, § 185 III 1 FN 26; Biondi, Succ., S. 341; Voci, DER li, S. 370, 550. 593
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Ein Erblasser hinterläßt seinem Sohn fideikommissarisch den gesamten Nachlaß und bestellt für den Fall, daß diesem zuvor etwas zustößt, dessen Mutter zum Substituten. Der Sohn stirbt in der Tat, bevor der Erbe die Erbschaft antritt. Es ist wohl dieser Termin, der mit dem prima quaque die umschrieben wird597; d. h. also, der Erbe soll unmittelbar nach Erhalt der Erbschaft diese weiterreichen. Iulian wird gefragt, ob das Fideikommiß der Mutter geschuldet werde. Vom juristischen Problemgehalt her gesehen ist die Frage, zumindest aber ihre Einordnung in Iulians Digestenwerk überraschend, da sie sich mit Hilfe des fixen Termins des dies cedens klar beantworten läßt und auch von Iulian zunächst, respondi- pertinere, dementsprechend verbeschieden wird598: Stirbt der Sohn vor diesem Zeitpunkt, kommt die Substitutin zum Zuge, stirbt er danach, so hat er bereits eine Anwartschaft auf das Fideikommiß erworben, die in seinen Nachlaß fällt und infolgedessen seinem Erben übertragen wird599. Und dennoch erwägt Iulian eine abweichende Lösung für den Fall, daß der Erblasser etwas anderes wollte. Noch großzügiger entscheidet Marcellus, indem er ausdrücklich den dies cedens als für das Ergebnis unbeachtlich bezeichnet, congruum sive antequam dies fideicommissi cedit sive postea. Nach seiner Ansicht erhält die Mutter in jedem Fall den Nachlaß, sofern nicht der Sohn bereits Besitz ergriffen hat. Aus dem Dictum des Marcellus ,eoque iure utimur' darf man schließen, daß die Fallkonstellation nicht einmalig ist, sondern daß bei Klauseln dieser Art grundsätzlich die Mutter als Substitut bevorzugt werden soll, und daß dies dem Willen des Testators entspreche. Um daher das Allgemeine der von Iulian mitgeteilten Klausel erkennen zu können, sind ihre Besonderheiten zu erörtern. Dabei unterstellen wir, daß der Testator die Klausel mit Bedacht in der vorliegenden Form verfaßt hat, um das von ihm konkret gewünschte Ergebnis zu erreichen. Vier Eigentümlichkeiten lassen sich feststellen: Erstens, daß trotz eines existierenden Sohnes ein Außenerbe bedacht wird, obwohl der Sohn offensichtlich nicht enterbt worden ist; zweitens, daß der Sohn ein Fideikommiß und kein Vermächtnis erhält600, drittens, daß die Mutteralsmater eius601 , nicht aber als uxor mea bezeichnet wird; und viertens, daß die Rechtsfragetrotz der dies cedens-Regel nicht nur diskutiert, sondern auch abweichend von dieser Regel gelöst wird. Cf. Gai 2.250. S. zusätzlich- freilich bezogen auf ein Vermächtnis- D 34.4.10.1, Iul. 37 dig. 599 Bei der Exegese von D 35.1.40.2 oben hatten wir bereits gesehen, daß Labeo und Iavolen diesen Grundsatz billigen, und auch, daß Ofilius durch einen "Ausweg" seine Geltung anerkennt. Cf. auch D 36.2.5 pr., Ulp. 20 ad Sab., zur Vererblichkeit einer Legatsanwartschaft. In D 34.4.3.2, Ulp. 24 ad Sab., wird der vorliegende Fall entsprechend der klaren Rechtslage verbeschieden (zu dieser Stelle unten im Text). Allgemein zu diesem Fragenkreis Grosso, I legati, S. 295f., 223f. ; Flume, SZ 92, 1975, S. 103ff. 600 S. auch D 32.39 pr. , Scaev. 20 dig. 601 S. auch D 31.77 pr. , Pap. 8 resp.; 33.1.21.5, Scaev. 22 dig. 597 598
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Es ist verlockend, diese Eigenheiten als Mosaiksteine eines Gesamtbildes zu begreifen und dementsprechend zusammenzusetzen. Wenn wir dies im Folgenden unternehmen, so ist freilich angesichts der "Gleichung" mit vier "Unbekannten" das Provisorische und Hypothetische der Überlegungen besonders hervorzuheben. Sie wollen allein dem Anspruch genügen, einen in sich stimmigen Realitätsausschnitt darzustellen, der sich in das römische Leben, soweit wir es beurteilen können, einfügen läßt. Die letzte der genannten Eigentümlichkeiten, die des Rechtsproblems, deutet mit seiner tendenziellen Bevorzugung der Mutter auf das Bestreben der Juristen hin, die Mutter zu versorgen. Da die Juristen sich in diesem Zusammenhang auf den Willen des Erblassers berufen, dürfen wir weiter schließen, daß auch diese jenes Bestreben verfolgten oder (nach Ansicht der Juristen) verfolgen sollten. Hier ist eine weitere Besonderheit der Rechtsfrage bereits zu erwähnen, auf die wir alsbald zurückkommen werden: Wer nämlich die Erben des Sohnes sein können, wenn nicht die Mutter? Diese Frage legt die Vermutung nahe, es handele sich um einen Schulfall, bei dem das Ergebnis uninteressant ist, weil es allein auf den konkreten Lösungsweg ankommt. Doch spricht dagegen die abwägende Vorsicht, mit der Iulian den Fall löst, und vor allen das eoque iure utimur des Marcellus. Infolgedessen ist es zulässig, diesen Fall als authentisch anzusehen und davon auszugehen, daß Substituten- und Erbenstellung auseinanderfallen. Daß der Erblasser mater eius schreibt, ist für sich allein genommen nicht aussagekräftig. Er könnte ebensogut mehrfach verheiratet gewesen sein und mehrere Kinder von verschiedenen Frauen haben602, wie er damit eine gewisse Distanz etwa gegenüber seiner Konkubine oder Geliebten ausdrücken wollte. Doch im Zusammenhang mit den beiden erstgenannten Eigentümlichkeiten fügt sich diese Beschreibung zu einem Bild zusammen, dessen Existenz in einer Sklavenhaltergesellschaft naheliegt603 : nämlich die Bedenkung eines (natürlichen) Sohnes, den der Testator von seiner ehemaligen Sklavin hat604. So wohl D 33.1.21.5, Scaev. 22 dig., oder D 31.77 pr., Pap. 8 resp. S. etwa D 40.2.11, Ulp. 6 de off. proc.; 41.10.2.15, Paul. 54 ad ed.; D 25 .7.2, Paul. 10 ad leg. Iul. et Pap.; D 25.7.1 pr., Ulp. 2 ad leg. Iul. et Pap.; zur (ehelichen) Variante unseres Falles etwa D 23.2.48 pr., Ter. CI. 8 ad leg. lul. et Pap. S. auch Quint. inst. or. V.11.35; Dio Chryst., Peri doul. kai eleuth. 5. Von grundsätzlicher Gültigkeit sind die Ausführungen Freyres hierzu über die Portugiesen in Brasilien, Herrenhaus und Sklavenhütte (deutsch bei Klett-Cotta), 1982, S. 251ff. In dieselbe Richtung weisen wohl auch die Andeutungen von Marquardt I Mau, Privatleben der Römer, 1886, S. 66ff. Vor allem Kolendo, L'esclavage et Ia vie sexuelle des hommes libres a Rome, Index 10, 1981, S. 288ff.; Lattimore, Themes in Greek and Latin Epitaphs, 1962, S. 284, 298; Veyne in Aries I Duby (Hg.), A History of Private Life I, 1987, S. 77ff. 604 Warum Iulian das nicht explizit mitteilt, läßt sich freilich nicht zu beantworten. Vielleicht waren diese Begleitumstände dem von Iulian mit seinem Werk angesprochenen Rezipienten klar, sobald er die Klausel sah. S. auch die KlauselinD 30.109 pr., Afric. 6 quaest.: quae uxori manumissionis causa donavero. Zu dem genannten Phänomen bereits oben, sub 1, zu D 33.1.7. 602 603
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Hierzu paßt zunächst einmal die Nichteinsetzung des Sohnes als Erbe. Erzeuger und nichteheliche Kinder gelten in Rom als weder agnatisch noch kognatisch verwandt605. Folglich konnte die Testiersitte, seine Kinder als Erben einzusetzen, in diesem Fall keine Anwendung finden. Freilich bräuchte dieser Umstand den Testator nicht daran zu hindern, seinen natürlichen Sohn dennoch als Erben einzusetzen; zumal dann nicht, wenn er- wie hier- ohnehin einen Außenerben bestimmt. Daß er seinen Sohn trotzdem "nur" fideikommissarisch bedenkt, hat daher wohl weniger mit dem honos institutionis zu tun, der einem nichtehelichen Kind vielleicht nicht gebührt haben mag, als vielmehr mit rechtlichen Gegebenheiten oder Hindernissen. Fideikommisse sind bekanntlich ein anerkanntes Mittel dazu, Grenzen der Testierfreiheit, die hinsichtlich der Erbeinsetzungen und Vermacbungen bestehen, zu umgehen606. Daher drängt sich der Gedanke auf, daß Sohn und Mutter peregini sind607. Doch dürfen ausweislich Gai 2.285 Peregrine keine Fideikommisse mehr empfangen; dennoch ausgesetzte Fideikommisse werden seit Hadrian zum Fiskus eingezogen. Somit bleibt nur noch als Möglichkeit, in Mutter und Sohn Latini Iuniani608 zu sehen. Als solche sind sie nämlich von dem Verbot, Fideikommisse zu erhalten, ausgenommen, können aber andererseits - mangels der testamenti factio passiva - weder Erben noch Vermächtnisnehmer sein, Gai 2.275: Latini quoque, qui hereditates /egataque directo iure lege lunia capere prohibentur(i.)9, ex fideicommisso capere possunt.
Die Iex Iunia des Jahres 19 n. Chr.6to gewährte solchen Freigelassenen, die nicht auf eine der nach ius civile anerkannten Weisen, sondern nur in prätorisch geschützter Form freigelassen wurden, die Rechtstellung von Latinern611. Ist also die Mutter- sei es vor oder während der vom Testator verursachten Schwangerschaft- etwa inter amicos612 freigelassen worden, so war sie Latina Iuniana und ihr daraufhin geborener Sohn ebenso613 • Kaser, RPR, § 84 II mit Nachweisen. Sehr deutlich Gai 2.268ff. Zum Erbenschutz des Senatus consultum Pegasianum Manthes gleichnamiges Buch, 1989. 607 Zur Mutterfolge bei Erwerb der staatsbürgerlichen Rechte Gai 1.89 sowie Voß in: Römisches Recht in der europäischen Tradition, 1985, S. 123ff. 608 Gai 1.22; 3.56. (i.)9 Cf. Gai 2.110; UE 25.7 (Zur Erbrechtsstellung der Latini Iuniani insgesamt ebda 20.8; 20.14; 22.3); Grosso, I legati, S. 208. 610 Das Datum ist heftig umstritten, s. nur Steinwenter, RE XII.1, Sp. 910ff., oderjüngst - Knothe, SZ 105, 1988, S. 826ff. ( = Rez. Balestri Fumagalli, Lex Iunia de Manumissionibus, 1985). 611 Ausführlich hierzu die Disputatio Forensis de Manumissionibus, §§ 4ff., ed. Böcking, CIRA I, S. 218ff. 612 Die wohl typischste Form der prätorisehen Freilassung, Gai 1.41, 44. 613 Wenn er als Sohn einer Sklavin geboren wurde, mußte auch er freigelassen werden. Zur Mutterfolge des Status' bei Latini Juniuni Gai 1.79; dazu Voß, S. 124; David I 605
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VII. Weitere Testamentsklauseln
Ergibt sich somit aus der Erklärung der vier Eigentümlichkeiten bereits ein recht stimmiger Realitätsausschnitt, so läßt er sich durch einige weitere Überlegungen noch ein wenig verfestigen. Wenn es auch für den Fall nicht entscheidend ist, ob die Mutter bloße Geliebte oder Konkubine war, ist jedoch festzuhalten, daß auch eine Sklavin Konkubine sein konnte6t4. Und die Zuneigung des Vaters zu dem Sohn, die sich aus dem Familienfideikommiß erschließen läßt- denn der Vater ist rechtlich nicht zum Unterhalt verpflichtet6t5, wohl aber nichtehelicher Sohn und Mutter untereinander616 -, korrespondiert mit der Einschätzung, die beispielsweise den natürlichen Sohn wegen der affectio von der Verfangenheil einer Generalhypothek ausnimmt6t7. Einen wichtigen Beleg für unsere Rekonstruktion erhalten wir, wenn wir die zuvor bereits aufgeworfene Frage nach der Erbfolge des Sohnes vertiefen. Erbe eines spurius ist dessen Mutter oder ein Bruder, D 38.8.4, Ulp. 6 reg.618. Die Erbfolge eines Latini luniani619 dagegen ist der "Rückfall" des Vermögens gleich einem Peculium620 an den Patron, Gai 3.55ff. Ist er zwischenzeitlichwie im vorliegenden Fall - gestorben, tritt nach Maßgabe des Senatus consultum Larginianum621 der von ihm eingesetzte Erbe an seine Stelle. Folglich zielt die von diesem aufgeworfene Rechtsfrage darauf ab, ob er, der Erbe des Testators, die Güter behalten kann; tatsächlich heißt es an dieser Stelle auch nur: an fideicommissum matri debeatur, ohne daß etwa hinzugefügt würde an heredibus filii o. ä. Worauf der Erbe auch immer seine Ansicht gestützt haben mag, die Substitution sei nicht wirksam622: Marcellus sieht ihn grundsätzlich bis zur realen Übergabe und Iulian unter bestimmten Umständen623 sogar ausschließlich als bloße Durchgangsstation des Nachlasses an. Ein solches VerNelson, Gaius-Kommentar (Text), 1954, S. 101f. S. auch Gardner, Women in Roman Law and Society, 1986, S. 223. 614 S. nur Treggiari in: Schiavitu, Manomissione e classi dipendenti nel mondo antico, 1979, S. 192. Dort auch Hinweis aufD 25.3.7, Mod. 5 resp., der eine Verwechslung des Status zum Gegenstand hat. Die Tatsache, daß die Mutter des vorliegenden Falles nicht als Konkubine bezeichnet wird, spricht dafür, daß sie die Geliebte des Testators war. 615 Vgl. Kaser, RPR, § 84 II unter Hinweis auf D 25.3.5.6, Ulp. 2 de off. Zum Unterhaltsrecht s. schon oben FN 9. 616 Ulp. eod. 5.4. Zur Unterhaltspflicht Renier, Etude sur l'histoire de Ia querela inofficiosi en droit romain, 1942, S. 65ff. S. auch Weaver in: Rawson (Hg.), The Family in Ancient Rome, 1986, S. 145ff. 617 D 20.1.6,8, Ulp. 73 ad ed.; dazu Treggiari, S.193f. Weitere Beispiele etwa D 9.2.33 pr., Paul. 2 ad Plaut.; 17.1.54 pr., Pap. 27 quaest. ; Gellius, NA Il.23.8; dazu Kelly, Studies in the Civil Judicature of the Roman Republic, 1976, S. 30. 618 S. auch eod. 2, Gai. 16 ad ed. prov.; eod. 8, Mod. 14 resp. 619 Sie ist immer ab intestato, weil Latini luniani nicht die testamenti factio haben, Gai 1.23; UE 20.14. 620 Kaser, RPR, § 166 I 4. 621 Gai 3.63. Es ist aufgrund der Testamentsklausel unwahrscheinlich, daß der Erblasser eheliche Kinder hatte; sie wären vorrangig vor dem Erben ihres Vaters Erben des Latini luniani. Doch kommt es uns hierauf nicht an.
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ständnis wird durch die Eile, die das prima quaque die ausdrückt, besonders nahegelegt. Aus dem Lösungsunterschied zwischen Iulian und Marcellus läßt sich freilich keine Entwicklungslinie ableiten, auch wenn Marcells apodiktisches Dictum eoque iure utimur zu dieser Annahme verführt. Denn Ulpian erörtert ebenfalls eine entsprechende Testamentsklausel und verbescheidet sie so, wie es lulian bei seinem Fall zunächst auch darstellt, D 34.4.3.2, Ulp. 24 ad Sab.: /dem dicendum est et fideicommissa hereditate puero data aut, si ante restitutam decessisset, matri eius relicta: ut, si puer ante diem legati cedentem decessisset, matri debeatur, si postea, ad pupilli heredes fideicommissum transmittatur utpote re ipsa mora subsecuta624.
Der Fall ist wohl62S der gleiche wie der zuvor von lulian mitgeteilte. Ulpian entscheidet, daß die Anwartschaft auf die Erben übergeht, wenn nur der Knabe den dies cedens erlebt hat626. Die von ihm gegebene Begründung utpote re ipsa mora subsecuta wendet sich offensichtlich gegen die von Mareeil vertretene Ansicht, derzufolge der für die Transmission entscheidende Stichtag der der gegenständlichen Übergabe des Nachlasses ist. Mit seiner Begründung verweist Ulpian nämlich auf eine Konstitution des Septimius Severus, (D 40.5.26.1, Ulp. 5 fideic), deren Tendenz, mit Hilfe der "Verzugs-Argumentation" einen möglichst frühen Leistungstermin zu erzielen627 , er dort auch schon auf fideikommissarische Freilassungen anwendet, um einen sofortigen Anspruch zu erreichen. In der vorliegenden Stelle überträgt er dieses Argument auf Familienfideikommisse und begründet damit, daß der dies cedens der entscheidende Stichtag für die Transmission ist. Aus der Diskussion der Fälle und insbesondere aus der von Iulian erwogenen mutterbegünstigenden Entscheidung können wir aber einmal mehr erkennen, daß die Juristen die erblassensehen Motive berücksichtigen. Denn anstatt die schon seit spätrepublikanischer Zeit (Ofilius) anerkannte Regel anzuwenden, derzufolge der für die Transmission entscheidende Stichtag der dies cedens ist, überlegen sie zumindest, ob nicht die in der Substitution zum 622 Man könnte daran denken, daß er glaubte, das Senatus consultum "überwinde" die Substitution. 623 Die Auswahl nach der jeweiligenpersonawerden wir eingehender unten sub 5 b , anläßlich der Exegese des MareeU-Fragmentes D 31 .17 pr. , erörtern. 624 Siber, SZ 29, 1908, S. 76f. 625 Obgleich der Bedachte nicht als Sohn, sondern nur als puer bezeichnet wird, wird man wegen des Fideikommisses der gesamten Erbschaft und wegen des mater eius auf die entsprechende Sachverhaltskonstellation schließen dürfen. 626 Voci, DER li, S. 550 FN 69, spricht davon, daß Ulpian "estendesse il criterio della mora ex re, e favorisse cosi Ia madre del minore" . Eine Bevorzugung der Mutter ist aber- vor allem im Vergleich mit lulian und Marcellus- bei Ulpian nicht zu erkennen. 627 Severus bezeichnet die einem Minderjährigen geschuldete, fideikommissarische Geldschuld als in re moram esse.
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VII. Weitere Testamentsklauseln
Ausdruck kommende Bestätigung oder Fortsetzung der lebzeitigen, engen Beziehung zwischen Erblasser und freigelassener Freundin eine Sonderbehandlung erfordert. Vielleicht darf man sogar weiterschließen, daß diese Überlegungen zugleich ein Zeugnis für die gesellschaftliche Respektierung einer solchen Beziehung darstellen. b) Ehefrauen
D 32.29.1 Lab.2 post. a Iav. epit.: Cum ita legatum esset, ut Titia uxor mea tantandem partem habeat quantulam unus heres, si non aequales partes essent heredum, Quintus Mucius et Gallus putabant maximam partem legatam esse, quia in maiore minor quoque inesset, Servius Ofilius minimam, quia cum heres dare damnatus esset, in potestate eius esset, quam partem daret. Labeo hocprobat idque verum est62B.
Die angesichts der knappen Sachverhaltsdarstellung auffallende Bezeichnung der Bedachten als uxor mea legt die Vermutung nahe, daß Q. Mucius einen konkreten Fall zu entscheiden hatte, der in der Folgezeit als "Schulfall" diskutiert wurde. Dabei teilt lediglich Aquilius Gallus629 die Ansicht seines (erstentscheidenden) Lehrers, daß nämlich das der Ehefrau ausgesetzte Vermächtnis gleich dem größten Erbteil sein muß, wenn es laut testamentarischer Anordnung gleich einem Erbteil sein soll. Denn das Größere umfasse das Kleinere. Bevor wir versuchen, den "Sitz" des Falles "im Leben" ein wenig aufzuhellen, können wir bereits hier die Entscheidung als eine Bevorzugung der Ehefrau charakterisieren, da sie apodiktisch festlegt, daß die uxor mea den gleichen Anteil wie der Haupterbe erhält. Das ist umso bedeutsamer, als wir in Kap. II 3 c bereits festgestellt haben, daß die Summe des testamentarisch Erlangten ein Statussymbol darstellte. Die von Servius vertretene und von den Späteren geteilte Ansicht630 klingt mit dem minimam partem apodiktischer als sie de facto ist. Denn die Begründung besagt nur, daß der Erbe die Auswahl des entsprechenden Erbteils vornehmen darf631; ihm ist unbenommen, der Ehefrau dennoch ein dem größten Erbteil entsprechendes Vermächtnis auszuhändigen. Die außerrechtlichen Erwägungen, die der Erbe hierbei anstellen kann, unterbindet Mucius mit seiner Entscheidung; sie impliziert ein Verständnis der Klausel, demzufolge das tantandem-quantulam unus heres zu verstehen ist als: soviel wie ein jeder 628 Grosso , I legati, S. 80,270, 273; Voci, DER li, S. 343; Wieling, Testamentsauslegung, S. 22ff.; Watson, Succession, S. 130; Kohlhaas, Iav. , S. 96ff. 629 Zu seiner Person Kunkel, Herkunft, S. 21f.; Frier, The Rise of the Roman Jurists, 1985, S. 140ff. 630 S. auch D 33.1.14, Ulp. 2 fideic. , sowie D 31.43.1, Pomp. 3 ad Q. Muc. 631 Insofern ist die Aussage, diese Entscheidung sei in favorem heredis, zwar nicht falsch , so etwa Wieling, S. 23, aber zu einseitig. Quintus Mucius war dieser Topos bereits bekannt: s. etwa D 34.2.34 pr. , Pomp. 9 ad Q. Muc., oder D 33.9.3.9, Ulp. 2 ad Sab.
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Erbe. Da das Größere das Kleinere umfaßt, ist das Vermächtnis in der Tat nur dann erfüllt, wenn die Frau gleichviel wie der Haupterbe erhält. Das Teilungsvermächtnis verleitet zu weiteren Überlegungen über den Sachverhalt. Denn ein legatum partitionis, bei dem der Umfang eines Vermächtnisses lediglich im Verhältnis zur Gesamterbschaft632 bestimmt wird, deutet auf ein aufwendiges Testament hin, wenn wir nur wieder einen rational und zweckvoll handelnden Testator unterstellen; wenn nämlich die Ehefrau mit ihrer "Erbquote" auf diese Weise mit den Erben in Verbindung gebracht wurde, ist anzunehmen, daß äußere Umstände eine Erbeinsetzung verhindert haben. Man wird sie erneut in der Iex Voconia vermuten dürfen. Somit befinden wir uns in einem Umfeld, in dem das Testieren Standespflicht und wegen der Vielzahl von Bedenkungen aufwendig war. Wir können uns angesichts des "rationalen Testators" sogar noch einen Schritt weiter wagen und annehmen, daß das Testament nicht nur eine Regelung hinsichtlich erstrangiger Erben gehabt hat. Denn eine Unsicherheit über die tatsächliche QuoteJung seines Nachlasses (und damit einen Grund für seine Wortwahl) konnte der Erblasser wohl nur dann haben, wenn er wenigstens Ersatzerben ersten Grades bestellt und ihnen andere Quoten als den Erben zugedacht hatte633. Eine weitere Schlußfolgerung ist dagegen bereits Spekulation: In vier anderen Stellen seiner Bücher de iure civile benennt Mucius Scaevola den Testator ausdrücklich als pater familias634 , und entscheidet dabei in D 34.2.34 pr. anläßlich der Auslegung eines Goldlegats, das der Erblasser seiner Ehefrau vermacht hatte, zugunsten der (wohl) erbenden Kinder und mithin zu Lasten der Ehefrau. Demgegenüber wird in unserer Stelle der Testator ganz neutral umschrieben: cum ita legatum esset. Wenn man hieraus schließen wollte, es seien zumindest nicht alle Erben Kinder des Testators gewesen, so ergäbe sich daraus ein einleuchtender Grund für Mucius' Entscheidung: Die EhefrauBedenkung hat Vorrang vor der Bedenkung von extranei. Einleuchtend ist dies deshalb , weil die Sonderbehandlung von Ehefrauen bereits Q . Mucius der Sache nach bekannt war63S, bevor Labeo sie als ius uxorium apostrophiert hat636. D 28.2.13 pr., Iu!. 29 dig.: Si ita scripturn sit: ,si filius rnihi natus fuerit, ex besse heres esto: ex reliqua parte uxor m ea heres esto. si vero filia rnihi nata fuerit, ex triente heres esto: ex reliqua parte uxor heres esto', et filius et filia nati essent, dicendurn est assern Zum Partitionsvermächtnis insgesamt Grosso, I legati, S. 272ff. Zu dieser Möglichkeit etwa Voci, DER II, S. 162 mit FN 12. 634 D 34.2.34 pr. Pomp. 9 ad Q. Muc.; D 28.5.35.3, Ulp. 4 disp.; D 34.2.10, Pomp. 5 ad Q. Muc. ; D 40.7.29.1, Pomp. 18 ad Q. Muc. Diese Stellen sind also nicht nur von Pomponius überliefert. 635 Wieling, S. 20, 26f. 636 D 32.29 pr. ; dazu alsbald sub c. 632 633
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VII. Weitere Testamentsklauseln
distribuendum esse in septem partes, ut ex his filius quattuor, uxor duas, filia unam partem habeat: ita enim secundum voluntatem testantis filius altero tanto amplius habebit quam uxor, item uxor altero tanto amplius quam filia: licet enim suptili iuris regulae conveniebat ruptum fieri testamentum, attamen cum ex utroque nato testator voluerit uxorem aliquid habere, ideo ad huiusmodi sententiam humanitate suggerente decursum est, quod etiam luventio Ce/so apertissime placuit637.
Das vorliegende Fragment gehört zu einer ganzen Reihe weiterer, aus denen sich anband von Testamentsklauseln die faktische Bevorzugung der Söhne gegenüber den Töchtern ablesen läßt638. Der Erblasser ging dabei so vor, daß er zwei Alternativen regelte: Sollte er einen Sohn haben, so solle dieser zwei Drittel und seine ( = des Testators) Ehefrau ein Drittel erhalten. Für den Fall, daß er eine Tochter haben werde, solle diese hingegen nur ein Drittel und die Frau den Rest bekommen. Zur Zeit des Erbfalles hat der Testator jedoch einen Sohn und eine Tochter, so daß die juristische Frage entsteht, ob das Testament wirksam ist, und - bejahendenfalls - die arithmetische, welche Bruchteile den Bedachten zustehen. Iulian löst das Problem, indem er sofort die zweite Frage beantwortet639; und zwar dergestalt, daß er die zwei im Testament mitgeteilten Relationen aufrechterhält und in eine Reihe fügt. So erhält die Ehefrau das Doppelte der Tochter und zugleich die Hälfte des Sohnes640. Die juristische Vorfrage ist damit zugleich beantwortet; das Testament ist wirksam. Die Begründung hierfür zeigt, wie sehr die Berücksichtigung der Erblassermotive bestimmend war: Der Streit wurde offenbar zwischen den Kindern einerseits und der Ehefrau andererseits vor Celsus, bzw. Iulian getragen. Das ergibt sich aus dem Satzteil von attamen- aliquid habere, der eine Begründung für die Nichtanwendung der regula iuris liefert. Das Interesse der Ehefrau ist dabei auf die Wirksamkeit des Testamentes gerichtet, da sie nur dann eine Chance hat, an dem Nachlaß beteiligt zu werden. Demgegenüber konnten die Kinder zweierlei vorbringen641: Erstens zehrten die ihnen von dem Erblasser zugedachten Quoten den gesamten Nachlaß auf, Woeß, Erbrecht, S. 97; Voci, DER II, S. 91; Nörr, Rechtskritik, S. 114. Hierzu als praktisches Beispiel noch D 31.34.6, Mod. 10 resp., sowie generell Woeß mitsamt den Nachweisen. Eine ähnliche QuoteJung zwischen Sohn und Tochter findet sich in D 28.5.82, Paul. 9 quaest. 639 Zu diesem Argumentationsstil Julians Daube, Iura 12, 1961, S. 81ff. Da es demzufolge typisch für lulian ist, zunächst seine fertige Lösung zu präsentieren und erst dann abweichende Lösungsalternativen zu verwerfen, wird man Lenels Annahme, licet enim - placuit stamme nicht von Julians Hand (Nr. 115 bei Celsus; Nr. 420 bei Iulian: dort Tribonian als Urheber genannt), nicht zustimmen können. 640 Cf. D 30.80, lul. 32 dig. (Sabinus). Philipps verweist (in einem gänzlich anderen Zusammenhang) auf eine andere- gerechte- Verteilungsmodalität: nämlich 2 Teile für die Tochter, 3 für die Mutter und 4 für den Sohn; Jur-PC 90, S. 820ff. 641 Zu dem Argumentationsmuster in Fällen dieser Art vgl. Cic. de inv. 11.42.122f., wo ein Sachverhalt diskutiert wird, in dem der testierende Vater ebenfalls den Wirklichkeitsverlauf falsch erlaßt hat. 637
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so daß es keine pars reliqua für die Ehefrau gebe. Der Erblasser habe seinen Kindern eine feste Größe des Nachlasses zuteilen wollen, seiner Frau dagegen "nur" den Rest. Wenn daher Sohn und Tochter insgesamt drei Drittel erhielten, verbleibe für die uxor nichts (dazu alsbald). Zweitens konnten die Kinder vortragen (und taten es offenbar auch), das Testament sei unwirksam. Dann träte die Iotestat-Erbfolge ein, bei der die beiden Kinder als sui und somit Erben ersten Grades die uxor von der Erbfolge ausschließen würden. Der Unwirksamkeitsgrund, d. h. die iuris regula, auf die lulian verweist und zugleich allerdings durch das hinzugefügte suptilis als eine logische "Spielerei" abtut642, ergibt sich aus dem ruptum fieri testamentum. Damit ist im allgemeinen gesagt, daß das Testsament einen suus übergangen hat und infolgedessen unwirksam ist643. Im vorliegenden Fall fehlt es jedoch an einer klaren Festlegung der Erben, da der Erblasser die tatsächlich eingetretene Alternative, daß er nämlich Tochter und Sohn hat, testamentarisch nicht erfaßt hat644. Anders als bei der typischen Erbenbestellung eines postumus, bei der der postumus lediglich als Erbe vorgesehen ist und infolgedessen hinsichtlich der Quote der strengrechtlich notwendige Spielraum bei der Existenz mehrerer postumi besteht, hat sich der Testator hier hinsichtlich Geschlecht und Quote festgelegt. Celsus und lulian halten das für unschädlich, da sich aus den testamentarisch erfaßten Alternativen die vorgesehenen Erben ergeben. Zu ihnen gehöre auch die Ehefrau, da sie beide Male bedacht sei und sich daraus der Wille des Erblassers erschliessen lasse, ihr in jedem Fall etwas zukommen zu lassen. Diese Ansicht rechtfertigen die Juristen mit dem Hinweis auf die humanitas645. Dieses Kriterium ist freilich allgemeingültig und sagt auf den ersten Blick wenig über die konkreten Motive des Erblassers. Doch indem die Erbeinset642 Von Iulian ist in den Digesten noch in 2 weiteren Fragmenten der Gebrauch des Wortes subtilis, bzw. subtilitas überliefert: D 9.2.51.2, 86 dig.; 12.1.20, 18 dig. In allen 3 Fällen dient der Hinweis auf die Subtilität des jeweiligen Arguments dazu, "praktiziertes" Recht von logischem Scharfsinn abzuheben. S. auch Bund, Untersuchungen zur Methode Iulians, 1965, S. 23. 643 Kaser, RPR, § 163 I 1. 644 Der Sachverhalt gibt bemerkenswerterweise keinerlei Hinweise darauf, wann das Testament errichtet wurde. Infolgedessen kann auch der Fall erlaßt sein, in dem der Testator noch lange Zeit mit seinen Kindem lebt, ohne sein Testament den Gegebenheiten anzupassen. 645 Nörr, S. 115, denkt an eine Übernahme dieses Arguments durch Iulian von einer Pius-Entscheidung, ohne sich allerdings festzulegen, ob darin allein ein Zitat oder eine Bestätigung des selbst Gemeinten liegt. Der Verweis auf Celsus legt jedoch die Vermutung näher, daß Iulian von ihm übernimmt und nicht von dem nicht genannten Pius (in FN 81, wohl ein Druckfehler: Der angekündigte Parallelfall, in dem Iulian ebenfalls eine Entscheidung Pius' referiere, ist der Ausgangsfall D 28.2.13 pr.). Freilich haben wir in den vorhandenen Quellen keinen Beleg für den Wortgebrauch von humanus, etc. durch Celsus.
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VII. Weitere Testamentsklauseln
zung der Ehefrau nunmehr als ein Akt derhumanitasbehandelt wird, erfährt das für diese testamentarische Bedenkung typische Motiv, nämlich für die Versorgung der Ehefrau nach dem eigenen Ableben zu sorgen, eine Aufwertung. Sie drückt sich darin aus, daß der mit der Testamentseröffnung einsetzenden "Charakterprüfung" durch die Hinterbliebenen und die interessierte Öffentlichkeit der Aspekt der humanitas angefügt wird646. Die allgemeine Akzeptanz dieser Sicht wird man nicht nur dem Umstand entnehmen dürfen, daß zwei einflußreiche Juristen wie Celsus und Iulian sie propagieren, sondern vor allem auch daraus, daß das Argument mit der humanitas nach Ansicht der beiden Juristen den Anwendungsbereich der regula iuris zurückzudrängen vermag. Daß es überdies die testamentarische Bedenkung der Ehefrau rechtfertigt, ist aus einem weiteren Grund aufschlußreich: Wie bereits erwähnt, wird man aus der Hervorhebung des Umstandes, daß die uxor in den beiden vom Testator erfaßten Fällen als Bedachte genannt ist, schließen können, daß die Kinder den ersten Einwand (neben den Kindesbedenkungen gebe es keine reliqua pars) vorgetragen haben. Demzufolge liegt der Begründungszwang für eine wirksame Bedenkung auf Seiten der Ehefrau. Die Bedenkung der Kinder dagegen ist nicht in Frage gestellt, auch wenn Sohn und Tochter nur alternativ in dem Testament genannt sind. Hierin zeigt sich zum wiederholten Male die Richtigkeit der Aussage, daß bei den Römern die Kinder als die primären Erben galten. Die zuvor festgestellte Bevorzugung von Ehefrauen hatte freilich ihre Grenzen; eine davon, gewissermaßen die patriarchalische647 , können wir sehr plastisch einem Responsum Papinians entnehmen, D 29.6.3, 15 resp.: Virum, qui non per vim nec dolum, quo minus uxor, contra eum mutata voluntate, codici//os faceret, intercesserat, sed ut fieri adso/et, offensam aegrae mulieris maritali sermone placaverat, in crimen non incidisse respondi, nec ei quod testamento fuerat datum auferendum648.
Die Stelle gewährt einen Einblick in den "Willensbildungsprozeß" einer testamentarischen Zuwendung, und Papinians Lösung ruht auf dem Fundament einer nach ihm noch Jahrhunderte währenden Familienordnung649. 646 Papinian weist in einem ähnlichen Zusammenhang auf die utilitas hin, D 31.67.10, 19 quaest. 647 S. zu dieser Haltung beispielsweise noch D 47.10.2., Paul. 55 ad ed. 648 Biondi, Succ., S. 529; Tellegen, RIDA 26, 1979, S. 390ff.; Salier, FS Christ, 1988, s. 408f. 649 Vgl. etwa C 6.34.3 (a. 294). Ein entsprechender Sachverhalt würde im Geltungsbereich des BGB nach § 2339 I Nr.2 zu beurteilen sein. Dabei wäre die entscheidende Frage die nach der Rechtswidrigkeit des "Gattengesprächs"; vgl. BGH, FamRZ 65, s. 495f.
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Die verärgerte6so Ehefrau erklärt ihrem Ehemann, daß sie ihr Testament zu seinen Ungunsten zu ändern beabsichtige. Daraufhin wendet er, wie es in der Sachverhaltsschilderung ausdrücklich heißt, weder Gewalt noch List an, um den Gesinnungswandel seiner Gattin rückgängig zu machen. Das bedarf deshalb der Hervorhebung, weil anderenfalls (wohl) der Tatbestand der Iex Cornelia de falsis65l erfüllt wäre. Dieses Gesetz (in Verbindung mit den daraufhin später erlassenen Senatus consulta und Konstitutionen652) schützt in völligem Einklang mit unseren wiederholten Feststellungen zur Höchstpersönlichkeit des Unsterblichkeitsmales die Authentizität des Testamentes und dessen Zustandekommen frei von unerlaubten Eingriffen, bzw. Einflußnahmen Dritter653. Der Gatte beschwichtigt vielmehr den Groll, offensa, seiner Gemahlin in einer Weise, in der ein Ehemann mit seiner Frau zu sprechen pflegt654 . Mit Erfolg- wie man aus Papinians Responsum entnehmen kann, demzufolge das dem Gatten testamentarisch Hinterlassene ihm nicht wegzunehmen sei. Die Art, in der Papinian maritalis sermo von vis et dolus unterscheidet, indiziert, daß zwischen beiden weniger ein qualitativer, als vielmehr ein gradueller Unterschied besteht. Indem das "Gattengespräch" jedoch als eigene, straffreie Kategorie der Testamentsbeeinflussung behandelt wird, bedeutet Papinians Entscheidung zugleich den Verzicht auf eine Bewertung von Eheinterna. Damit geht sie sogar über den als erstes ins Auge springenden patriarchalischen Standpunkt hinaus; denn das "ehemännliche Gespräch" war die Reaktion auf den geänderten Willen der Ehefrau, der seinerseits einen - nicht genannten - Grund gehabt haben wird, etc. c) Konkubinen
D 32.29 pr. Lab. 2 post a Iav. epit. Qui concubinam habebat, ei vestem prioris concubinae utendam dederat, deinde ita legavit: , vestem quae eius causa empta parata esset'. Cascellius Trebatius negant ei deberi prioris concubinae causa parata, quia alia condicio esset in uxore. Labeo id non probat, quia in eiusmodi legato non ius uxorium sequendum, sed verbarum interpretatio esset facienda idemque vel in filia vel in qualibet alia persona iuris esset655. Zu Aeger iSv "ärgerlich, verdrießlich" Heumann I Seckel, s. v. Str. , s. die Nachweise bei Tellegen, S. 391 ff. Zur lex Cornelia Mommsen, Strafrecht, 1899, S. 670ff. ; Kunkel, RE s.v. "Quaestio", Lex Cornelia testamentaria nummaria, Sp. 742; Rilinger, Humiliores-Honestiores, 1988, S. 142. 652 Zu nennen ist etwa das SC Libonianum, D 48.10.15.1 ,3, Call. 1 quaest.; D 48.10.11, Mare. 1 de iud. publ. Hierzu- mit weiteren Nachweisen- Rilinger, S. 143ff. 653 Cf. C 6.34.1 (a. 229): sua sponte. 654 Zum Gesprächsstil zwischen Ehegatten Quint. inst. or. VII.3.2: non est male tractare uxorem verbis laedere. Dieser Satz erscheint im Kontext wie ein Gemeinplatz, auf den man notfalls rekurrieren kann . 655 Dazu Wieling, Testamentsauslegung, S. 20ff. , 49; Boyer, RHDE 43, 1965, S. 407; Astolfi, Studi sull'oggetto dei legati in diritto romano II, 1969, S. 263, 272. Vgl. mit diesem Fall auch D 32.33.1 , Scaev. 15 dig. 650 651
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VII. Weitere Testamentsklauseln
Aus der Begründung, die Cascellius und Trebatius für ihre Entscheidung geben, läßt sich entnehmen, daß sie entgegengesetzt ausgefallen wäre, wenn anstelle einer Konkubine eine Ehefrau die Kleider ihrer "Vorgängerin" vom Erben herausverlangt hätte. Die den Fall auslösende Konkubine begehrt mithin, hinsichtlich der Auslegung entsprechender Testamentsklauseln den Ehefrauen gleichgestellt zu werden . Spätestens mit Ulpian war dieses Ziel generell erreicht, D 32.49.4, 22 ad Sab.6S6. Indem Cascellius und Trebatius das Begehren jedoch ablehnen, verweisen sie inzident auf die zu ihrer Zeit noch größere Kluft des gesellschaftlichen Ansehens, dignitas , zwischen Konkubine und Ehefrau6S7. Nach Ansicht von Wieling6ss entscheidet bereits Labeo anders, indem er auf die Maßgeblichkeil des Willens abstellt. Das stimmt zumindest nicht mit dessen mitgeteilter Begründung überein: sed verborum(!) interpretatio esset facienda. Nach Ansicht Labeos kommt es gerade auf den Wortlaut der Verfügung an. Doch wird damit noch keineswegs erkennbar, welches Ergebnis Labeo favorisiert. Denn lavolens Zusammenfassung von Labeos Meinung läßt nicht erkennen, worauf sich dessen Mißbilligung bezieht: auf das Ergebnis oder auf die Begründung. Kaser geht ebenso wie Wieling von ersterem aus, indem er diese Stelle im Zusammenhang mit der Maßgeblichkeil eines persönlichen Sprachgebrauchs aufführt659. Doch unterrichtet Iavolen uns nicht über die sprachlichen Besonderheiten jenes Testators. Ebensowenig wird die Ansicht durch den Text gestützt, daß die von Labeo befürwortete Wortinterpretation sich auf das parare beziehe660. Das parare, so lautet diese Argumentation, interpretiere Labeo in einem weiten Sinne, so daß das für die Vor-Konkubine Gekaufte mit erfaßt werde66t. S. auch D 32.47 pr., Ulp. eod. Es ist allerdings zu konzedieren, daß dies ein mittelbarer Schluß ist. Er ergibt sich nämlich nicht aus der Tatsache, daß Cascellius und Trebatius als Individuen so urteilen; ihre private Meinung bräuchte nicht unbedingt gesellschaftlichen Realien zu entsprechen. Vielmehr ergibt sich der Schluß aus dem Umstand, daß eine normative (und als solche gedachte und späterhin- Labeo, Iavolen- diskutierte) Entscheidung getroffen wurde. Daraus folgt, daß sie akzeptabel, wenn nicht gar Ausdruck der vorherrschenden Überzeugungen war. 658 s. 49. 659 RPR I,§ 58 II 3 FN 38. In D 33.10.10, lav. 3 ex post. Lab., lehnt Labeo die Maßgeblichkeit individuellen Sprachgebrauchs ausdrücklich ab. 660 So Kohlhaas, lav., S. 93ff., 213. Der Gedankengang von Kohlbaas kann als allgemeine Warnung für das Argumentieren mit Zeitströmungen dienen. Die Verf. bettet ihr Ergebnis, demzufolge Labeo der Konkubine alles zusprechen wolle, in die allgemeine rechtspolitische und gesellschaftliche Lage unter Augustus ein. Durch dessen Ehegesetzgebung seien nicht wenige Ehen nur mehr als Konkubinate weiterführbar gewesen: Damit erliegt sie der Versuchung, den Wandel des Auslegungsergebnisses in der Person des auf der "Schwelle" stehenden Juristen Labeo festzumachen . 661 Prof. Wittmann macht mich gesprächsweise darauf aufmerksam, daß ein weiter Wortsinn von pararegar nicht erforderlich ist; denn der Testator hatte die der Vorkon656 657
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Ein unbefangenes Lesen der Testamentsklausel: vestem quae eius causa empta parata esset gibt jedoch gerade dem von Cascellius und Trebatius gefundenen Ergebnis recht. Denn die Personenbestimmung eius causa "regiert" die Partizipien empta parata. Nachdem letztere gerade nicht gesondert hervorgehoben werden, liegt die Betonung des Satzes auf eius causa. Dann aber weicht Labeo von den beiden republikanischen Juristen nicht im Ergebnis, sondern allein in der Begründung ab662. Und zwar dergestalt, daß die enge Interpretation nicht aus einem Umkehrschluß zum ius uxorium abzuleiten sei. Dieses Sonderrecht habe vielmehr mit der vorliegenden Rechtsfrage nichts zu tun (non ius uxorium sequendum), sondern es sei, wie bei allen anderen Vermächtnisnehmern auch, der allgemeine Grundsatz der verborum interpretatio anzuwenden. Daß diese Auslegungsmethode nach Ansicht Labeos zu dem auch von Cascellius und Trebatius befürworteten Ergebnis kommt, ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit aus dem genannten Vergleichsfall der filia . Es ist nicht ganz einfach, für sie eine Parallel-Situation zu der der Konkubine zu finden: Etwa, wenn die Tochter geboren wurde, nachdem eine Schwester vorverstorben ist. Es liegt auf der Hand, daß die Tochter nur das erhält, was allein eius causa angeschafft worden ist. Vollends klar wird das, wenn man Labeos Zusatz vel in qualibet alia persona auf- beispielsweise - die Mutter oder einen Onkel konkretisiert , auf Personen also, bei denen eine "Nachfolge" wie bei der Ehefrau oder Konkubine ausgeschlossen ist. Bei ihnen ist es völlig eindeutig, was eius causa empta parata bedeutet, und bei ihnen bildet das ius uxorium in der Tat keine tragbare Vergleichsgrundlage. Aus dieser Argumentation folgt, daß Labeo noch konservativer als seine Vorgänger entscheidet, indem er die Vergleichbarkeit von Ehe und Konkubinat ablehnt. Da sich Javolen der Ansicht Labeos anschließt (Labeonis sententia vera est), bewerten die vier Juristen das Interesse der Konkubinen, hinsichtlich der Auslegung entsprechender Testamentsklauseln den Ehefrauen gleichgestellt zu werden, als nachrangig. Wir dürfen also aus diesem Urteil einen Schluß auf den Stellenwert jenes Interesses ziehen. Erst von Ulpian erfahren wir - ganz generell - , daß insoweit eine Angleichung stattgefunden habe - allerdings auch dann mit dem Zusatz, daß trotzdem ein Unterschied im Ansehen bestehe, D 32.49.4 Ulp. 22 ad Sab.: Parvi autem refert uxori an concubinae quis leget, quae eius causa empta parata sunt: sane enim nisi dignitate nihil interest.
Das folgende Fragment stellt einen Kontrast zu dem eben festgestellten Defizit gesellschaftlicher Anerkennung dar. Anläßlich der Exegese von D kubine gehörenden Kleider der Nachkonkubine bereit gestellt; zu parare iSv "verschaffen" Georges, s. v., II, sowie D 32.47.1, Ulp. 22 ad Sab. 662 S. auch Woeß, Erbrecht, S. 60.
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30.96 pr. (s.o. sub a)) hatten wir bereits darauf verwiesen, weil wir dort an die Rücksichtnahme hinsichtlich der Bedenkung einer Konkubine erinnert wurden, die vorliegend ganz offensichtlich Testatormotiv ist, D 31.29 pr., Celsus 36 dig.: Pater meus referebat, cum esset in consilio Duceni Veri consulis, itum in sententiam suam, ut, cum Otacilius Catulus filia ex asse herede instituta liberto ducenta legasset petissetque ab eo, ut ea concubinae ipsius daret, et libertus vivo testatore decessisset et quod ei reUeturn erat apud filiam remansisset, cogeretur filia id fideicommissum concubinae reddere663.
Otacilius Catulus664 hat seine Tochter zur Alleinerbin eingesetzt und einem seiner Freigelassenen ein Vermächtnis in Höhe von zweihundert ausgesetzt, belastet mit einem Fideikommiß zugunsten der Konkubine des Otacilius665. Noch zu Lebzeiten des Otacilius stirbt der Freigelassene, so daß der Schuldner des Fideikommisses nicht mehr existiert, als Otacilius' Testament ausgeführt werden soll. Die Ansicht des Celsus, von der er das Kollegium hat überzeugen können, lautet, daß nunmehr die alleinerbende Tochter das Geld der Konkubine auszuhändigen habe. Die Aussage, dieses Ergebnis entspreche dem mutmaßlichen Willen des Testators666, ist nur dann zutreffend, wenn man unterstellt, daß es dem Erblasser allein auf das Ergebnis, d. h. die Aushändigung der Summe an die Konkubine, ankam. Doch gebietet der Sachverhalt, so wie er mitgeteilt wird, eine Differenzierung667. Denn Catulus hat seine erbende Tochter von dem Zuwendungsvorgang an seine Konkubine fernhalten wollen, was auf eine wie auch immer begründete Rücksichtnahme schließen läßt. Ein Indiz für deren Notwendigkeit ergibt sich aus dem cogeretur des letzten Halbsatzes: Catulus wollte gerade nicht, daß seine Tochter zur Zahlung verpflichtet ist und hat deswegen den Umweg über den fideikommissarisch belasteten Legatar und Freigelassenen gewählt; nunmehr dagegen ist die Tochter "gezwungen" zu zahlen. Als Motiv für die testamentarische Klauselläßt sich daher wenigstens zweierlei ausmachen. Zum ersten wollte der Erblasser seine Zuneigung, Dankbarkeit oder sonst ein Empfinden der Konkubine gegenüber zum Ausdruck bringen. Zum zweiten war die Art und Weise dieser Gabe von dem Bedürfnis getragen, seine Tochter zu schonen. Da der jüngere Celsus diesen Fall seines 663
Wieling, Testamentsauslegung, S. 90f. ; Astolfi, Iex, S. 60, 270; Johnston, Trusts,
s. 195ff.
664 Über seine Person ist nichts bekannt. Ducenius Varus war Konsul im Jahre 95 n.Chr. 665 Das ipsius verweist auf den Erblasser zurück. Ein concubinae suae wäre mißverständlich gewesen, weil es sich dann- sprachlich- um die Konkubine des Freigelassenen hätte handeln können. 666 Wieling, ebda. 667 S. auch Johnston, S. 196.
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Vaters in seinem Digestenwerk und unter namentlicher Kennzeichnung des Testators anführt, liegt die Vermutung nahe, daß es sich bei Otacilius Varus um einen bekannten Senator gehandelt hat. Sie würde das zweite Motiv plausibel machen, da sich Catulus' Konkubinat dann nicht auf das fehlende conubium zwischen den Partnern zu gründen bräuchte, sondern eine Folge des Eheverbotes der Lex lulia de maritandis ordinibus sein könnte. War etwa die Konkubine eine Freigelassene, so ist das Bestreben, die Tochter nicht zur Verpflichteten zu machen, einleuchtend. Mit dem Vorversterben des Freigelassenen war die Realisierung diese Bestrebens unmöglich geworden. Ob Catulus von dem Tod wußte, ist zwar anzunehmen, ergibt sich aber nicht aus dem Text. Aber selbst wenn er es wußte, und man hieraus den Schluß ziehen wollte, die Beibehaltung des unveränderten Testamentes belege seine Entschlossenheit, der Konkubine etwas zuzuwenden, ist damit für die Entscheidung des Verus-Konsiliums nichts präjudiziert. Denn auch wenn das Recht der Fideikommisse freier handhabbar ist als das der Legate, ist die Ersetzung des Fideikommittenten keineswegs eine selbstverständliche Rechtsfolge. Da der Legatar den dies cedens nicht erlebte, und das Vermächtnis somit hinfällig wurde, hätte das Ergebnis ebensogut lauten können, die fideikommissarische Schuld sei ebenfalls nicht entstanden. Celsus Pater "rettet" demgegenüber das erste CatulusMotiv und legt damit zugleich ein Zeugnis von der Anerkennung des Konkubinats ab. Die gegenüber einer Ehefrau fehlende dignitas wird in bezugauf die Tochter nicht als Manko behandelt. 5. Sicherung und Ehre der Erbeinsetzung
Die bisherigen Exegesen dienten dazu, einzelne Motive testamentarischer Bedenkungen zu erhellen und nachzuweisen. Dabei zeigte sich immer wieder, daß die Zuwendungen Ausdruck eines Sozialverhaltens sind und als solche die Idee einer fortwirkenden Persönlichkeit belegen. Die Betrachtung der Fälle konzentrierte sich auf den individuellen Vorstellungsrahmen der jeweiligen Erblasser. Diese Blickrichtung ändern wir nunmehr zugunsten der Frage nach der dem "römischen Testieren" zugrundeliegenden Sozialnorm, derzufolge die testamentarische Erbfolge sichergestellt werden mußte. Es steht also nicht mehr der einzelne Testator im Vordergrund, sondern die im Testament sich ausdrückende Wechselbeziehung zwischen Erblasser und "Gesellschaft". Dabei geht es nicht darum, einen Grund für jene Sozialnorm zu suchen; er liegtzusätzlich zu dem bekannten sakralen (Fortführung des Götterkultes) und rechtlichen (Vermeidung der hereditas iacens)- in der Idee der postmortalen Persönlichkeit. Vielmehr soll untersucht werden, worin sich die Norm in einem Testament manifestiert. Entsprechend der genannten Wechselbezie-
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VII. Weitere Testamentsklauseln
hung unterteilen wir nach dem erblasserischen und dem "gesellschaftlichen" Aspekt in Sicherung der Erbeinsetzung und die Ehre, die mit ihr verbunden war. a) Sicherung
Der Aufwand, mit dem durch testamentarische Klauseln sichergestellt werden sollte, daß der Nachlaß überhaupt einem Testamentserben zufällt, war beträchtlich. Sein Stichwort ist die Substitution, sein berühmtestes Beispiel wohl die causa Curiana668, Sie ist für unsere Fragestellung deshalb von besonderem Interesse, weil sich bei ihr die beiden Aspekte dieses Abschnitts: Sicherung und honos institutionis miteinander verbinden. In diesem Prozeß ging es- verkürzt669- um die Frage, ob eine Pupillarsubstitution zugleich eine Vulgarsubstitution darstellen kann, auch wenn letztere im Testament nicht mitformuliert ist. Die Parteien des Prozesses sind der einem Pupill bestellte Substitut Curius (vertreten durch Licinius Crassus) und der Intestaterbe Coponius (vertreten durch Q. Mucius Scaevola). Der Erblasser verstarb kinderlos. Bei der Entscheidung konnte also die gesellschaftliche Konvention, derzufolge die Kinder670 primär als Erben einzusetzen waren (s.o. Kap. 111 3 a), keine Rolle spielen. Vielmehr ging es nur mehr um das Gegensatzpaar verba - voluntas. Verständlicherweise vertrat Scaevola als Anwalt des Intestaterben den Standpunkt, den man als Faktizität des Normativen bezeichnen könnte671: Cum is hoc probare vellet, M. Curium, cum ita heres institutus esset, "si pupillus ante mortuus esset quam in suam tutelam venisset", pupillo non nato heredem esse non posse: quid ille non dixit de testamenturn iure? de antiquis formulis? quem ad modum scribi oportuisset, si etiam filio non nato heres institueretur? ... quam ille multa de auctoritate patris sui, qui semper ius illud esse defenderat? quam omnino multa de conservando iure civiii?612.
Scaevola beruft sich mithin auf die Rechtssicherheit und -klarheit, die am besten gewährleistet sei, wenn man auf die geschriebenen Worte abstelle, und nicht auf das, was hätte geschrieben werden können. Mit diesem Formalismus verfolgt Scaevola das- erzieherische- Ziel, jeder, der einen rechtserheblichen 668 Zu der schier unendlichen Literatur zu diesem Prozeß s. nur die Nachweise bei Kunkel I Honsell, § 167 III 3, FN 23 und § 40 li 2, FN 13, sowie Wieacker, Rechtsgeschichte, § 36 FN 45. 669 Ausführliche Darstellung etwa bei Wieling, Testamentsauslegung, S. 9ff., oder Torrent, BIDR 28, 1986, S. 145ff. 670 Seit der Iex Voconia d. J. 169 v. Chr. vornehmlich die Söhne, Woeß, Erbrecht, s. 70ff. 671 C. Paulus, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (ZIP) 85, S. 1457 sub III.1.2: Als Gegensatz zu der geläufigen Normativität des Faktischen soll damit der realitätsbildende Einfluß des Normativen auf das Verhalten der Rechtsgenossen beschrieben werden. 672 Cic. Brut. 195ff.; de orat. !.57.244.
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Akt vornimmt, solle sich zuvor über dessen Bedeutung und exakte Formulierung genauestens informieren. Das Normative forme, so lautet Scaevolas Postulat, das Faktische. Das spezifisch Juristische an dieser Argumentation darf man freilich nicht einer verengten Sichtweise des Juristen Mucius zuschreiben. Vielmehr war dies bei seinem Mandat die (auch rhetorisch gesehen) gebotene Vorgehensweise673. Gegen diesen Anspruch wehrt sich Crassus. Er verweist süffisant auf die praktischen Probleme, die Mucius' Postulat mit sich bringt. ltaque illud ego, quod in causa Curiana Scaevotae dixi, non dixi secus ac sentiebam. nam "si" inquam "Scaevota, nullum erit testamenturn recte factum, nisi quod tu scripseris, omnes ad te cives cum tabulis veniemus, omnium testamenta tu scribis unus. Quid igitur?" inquam "quando ages negotium publicum? quando amicorum? quando tuum? quando denique nihil ages?"674.
Darüber hinaus führt er die Usancen an, plädiert also für die Narrnativität des Faktischen: ita scribere plerosque et id valere atque valuisse semper675. Für ihn geht es darum, den Willen, mens, des Testators zum Erfolg zu verhelfen: Quom Q. Scaevota ... negaret, nisi postumus et natus et, ante quam in suam tutetarn veniret, mortuus esset, heredem eum esse non posse, qui esset secundum postumum natum et mortuum heres institutus; ego autem defenderem eum hac turn mente fuisse, qui testamenturn fecisset, ut si filius non esset, qui in suam tutetarn veniret, M. Curius esset heres676.
Crassus drang mit seiner Auffassung bei den Richtern durch und verhalf damit in diesem Fall nicht nur dem individuellen Willen des Testators zum Sieg, sondern auch wenigstens zwei weiteren, überindividuellen Prinzipien oder Motiven. Einmal dem Testamentserbrecht, das im Falle einer Niederlage des Curius dem lotestaterbrecht hätte weichen müssen, und zu dessen Verwirklichung eben die Substitution dienen soll. Entgegen der Meinung Daubes677 war die Abfassung eines Testaments Standespflicht nicht nur für die Reichsten der 673 Vgl. nur Wieacker, Antol. Giur. Rom. ed Antiqu. , 1968, S. 109ff. ; aber auch dens., SZ 94, 1977, S. 24f. 674 Cic. de orat. Il.24. 675 Cic. Brutus 197; zu diesem Passus Wieling, S. 65. 676 Cic. de orat. !.39.180. 677 RHDE 4, 1936, S. 341ff.; Tulane Law Review 49, 1965, S. 253ff. ; Aspects, S. 71ff. Daube spricht sich übrigens nicht in der Striktheit gegen das Überwiegen von Testamenten aus, wie es manche Zitate glauben machen . In der zweiten der genannten Abhandlungen, S. 253, schreibt er: "My guess is that testacy did preponderate in the very highest property bracket." Der durch ihn ausgelöste Streit geht wohl im wesentlichen um die Frage, wie weit der Kreis des "very highest property bracket" zu ziehen ist. Daubes Argument, die Passage in Plautus' Curculio, 622: intestatus vivito sei nicht so zu verstehen, der Angesprochene solle ohne Testament leben (! nicht etwa sterben!), sondern ungleich derber und un-rechtlich, wird übrigens durch einen Brief Ciceros an Paetus insoweit gestärkt, als Cicero die Doppeldeutigkeit des Wortestestes hervorhebt; ad fam. 9.25(22).4.
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VII. Weitere Testamentsklauseln
Reichen, sondern wohl für die erste Zensusklasse insgesamt678 und wegen deren Vorbildfunktion, d. h. dem Bedürfnis nicht ganz so begüterter Kreise, zu leben und zu agieren wie jene, auch darüber hinaus. Ohne Testament zu versterben, so der Umkehrschluß, war daher nicht standesgemäß und daher tunliehst zu vermeiden679. Die Entscheidung der causa Curiana stimmt mit dieser gesellschaftlichen Tendenz überein (favor testamenti). Das zweite Prinzip oder Motiv ist der honos institutionis. Daß er auch für die Einsetzung als Substitut gilt, zeigt sich etwa an Ciceros Frage anläßlich des Alexio-Testaments: Quos tarnen secundos heredes scire velirn (s. o. Kap. VI 2) oder an seinem Empfehlungsschreiben an Silius: quod quidern ille (= Pinnius) testarnento declaravit, qui rne tutorern turn etiarn secundurn heredern instituerit. Infolgedessen bewirkt die Entscheidung der causa Curiana, daß Curio die ihm vom Erblasser zugedachte Ehrbezeugung erhält. Damit erweist sich das Ergebnis der causa Curiana als wesentlich vielschichtiger als es die Aussage, die Rhetorik habe in diesem Fall über die Juristerei gesiegt, glauben macht680. Denn die Rhetorik war keineswegs ausschließlich die "Methode", mit der dem Willen zum Erfolg verholfen werden konnte; vielmehr lehrte sie ebenso das Gegenteil: Wie man zugunsten des Wortlauts zu argumentieren habe. Aber auch die Klassifizierung des Rechtsproblems, daß es hier um die Frage gehe, ob nach dem Wortlaut oder nach dem Willen zu entscheiden sei68I, ist zwar nicht unzutreffend, aber zu eng682. Denn sie versperrt den Blick auf den soeben angedeuteten, gesellschaftlichen Kontext, der das "Exeptionelle" der Entscheidung zumindest sehr stark relativiert. Die folgende Stelle scheint den voranstehenden Überlegungen zu widersprechen, weil in ihr der erstentscheidende (und daher uns vorrangig interessierende) Jurist Trebaz eine Substitutionsanordnuung nach dem Wortlaut auslegt. Doch ist bei genauerer Betrachtung zu erkennen, daß die verba-voluntasDichotomie aufgrund ihrer Reduktion auf den Begründungstopos Gemeinsamkeiten sieht, die sich als nur scheinbar erweisen, sofern man nur, wie schon bei der causa Curiana, den gesellschaftlichen Kontext miteinbezieht, D 26.2.33 lav. 8 ex post. Lab.: Tutoribus ita datis: "Luciurn Titiurn tutorern do. si is non vivit, turn Gaiurn Plautiurn tutorern do" Titius vi.xerat et tutetarn gesserat, deinde rnortuus erat. Trebatius negat ad Plautiurn pertinere tutelarn, Labeo contra, Proculus quod Labeo. ego Trebatii sententiarn probo, quia illa verba ad rnortis ternpus referuntur683. 678 679 680 681 682 683
Vgl. Wieacker, FS Siber, Leipzig 1941, S. 50 m.w.N. S. nur Kaser, RPR, § 157 II 1. Hiergegen auch Wieling, S. 13f. So etwa Wieling, S. 13. S. noch unten subbanläßlich der Exegese von D 28.5.69 a. E. Wieling, S. 15ff.; Wubbe, FS Feenstra, 1985, S. 114f.
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Der Erblasser bestellte Titius zum Tutor. Sollte er nicht leben, dann solle Plautius die Tutel übernehmen. Titius übte das Amt eine Zeit aus und verstarb, bevor das Mündel mündig wurde. Die Rechtsfrage lautet, ob nunmehr Plautius Tutor werde. Das Problem entsteht durch die mehrdeutige Formulierung im Testament si is non vivit. Trebaz entscheidet, daß Plautius nicht Tutor wird. Iavolen schließt sich dem mit der Begründung an, die genannte Bedingung beziehe sich auf den Zeitpunkt des Testatortodes, während Labeo und Proculus die Substitutionsklausel so verstehen, daß Plautius Tutor wird. Wieling sieht in diesem Rechtsproblem Ähnlichkeiten mit demjenigen der
causa Curiana684 und konstatiert daher anläßlich der von Trebaz getroffenen
Entscheidung nicht nur ein Abweichen von Exempel der Curiana-Entscheidung, sondern sogar einen Widerspruch zu ihr. Die Berechtigung dazu erscheint jedoch zweifelhaft, wenn man zu den Voraussetzungen, unter denen eine Entscheidung exemplarische Wirkung entfaltet685, auch Sachverhaltsbesonderheiten zählt. Dann erkennt man nämlich, daß in dem von Trebaz zu entscheidenden Fall nicht die Gültigkeit eines Testamentes auf dem Spiel steht. Denn die Tutorenbestellung ist weder dessen caput, noch dessen fundamentum.
Wenn also das Testament bei jeder Entscheidungsalternative bestehen bleibt, unterscheidet sich der Trebaz-Fall in einem ganz wesentlichen Punkt von der causa Curiana. Nimmt man noch hinzu, daß gerade in spätrepublikanischer Zeit die Übernahme eines Tutorenamtes zunehmend als Last empfunden wurde686, ergibt sich ein weiterer Unterschied zwischen beiden Fällen: die divergierende Wertschätzung von Erbeinsetzung und Tutorenbestellung. Folglich gibt es hinreichende Gründe dafür, daß sich Trebaz der Entscheidung der causa Curiana nicht anschließt und die Pflicht zu unmißverständlicher, testamentarischer Nachtutor68?_ (anstatt Ersatztutor-) Bestellung statuiert688. Eine Opposition gegen die Vorentscheidung läßt sich nicht feststellen. D 28.6.31, Iul. lib. sing de ambig.689: In substitutione filio ita facta: ,quisquis mihi ex supra scriptis heres erit, idem filio heres esto', quaeritur, quisquis heres quandoque 684 s. 16ff. 685 Die von Nörr, SZ 98, 1981, S. 45 zusammengetragenen, im System changierenden Koordinaten einer bindenden Rechtswirkung von Reskripten wird man mit geringfügigen Modifikationen hierher übernehmen können. S. auch unten sub b bei D 28.5.69. 686 S. etwa FIRA III.31. Allgemein dazu Sachers RE VII A 2 s. v. "tutela", Sp. 1535f. unter Hinweis auf I 1.20.3. 687 Cf. D 26.2.11 pr. und 4, Ulp. 37 ad Sab. 688 Zur Formenstrenge nur Kaser, RPR, § 86 II 2. 689 Zu diesem Buch Miquel, SZ 87, 1970, S. 103 ff.; Torrent, Salvius Iulianus, liber singularis de ambiguitatibus, 1971 ; Nörr, in "Daube Noster", 1974, S. 251 FN 107; Mayer-Maly, FS Herdlitczka, 1972, S. 184; Bund, ANRW II.15, S. 438f.- jeweils mit weiteren Nachweisen. Jüngst auch Wacke (FN 235) , S. 340ff.
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VII. Weitere Testamentsklauseln
fuerit intellegatur an quisquis heres turn erit, cum filius moriatur. placuit prudentibus, si quandoque heres fuisset: quamvis enim vivo pupillo heres esse desisset, forte ex causa de inofficioso, quae pro parte mota est, futurumtarnen eum heredem ex substitutione creditum est. (1) Nonsimili modo in hac specie dicendum est, si quis, cum filios duos haberet, Gaium puberem, Lucium impuberem, ita filio substituisset: ,si Lucius filius meus impubes decesserit neque mihi Gaius filius heres erit, tune Seius heres esto': nam ita prudentes interpretati sunt, ut ad impuberis martern condicio substitutionis esset referenda690.
Zwar handelt es sich bei den hier von Iulian wiedergegebenen Fällen nicht um solche, die ihm selbst zur Entscheidung vorgelegen haben, sondern um solche früherer Juristen, prudentes; doch kann man aus der Gegenüberstellung beider Fälle in dem Einzelwerk de ambiguitatibus Rückschlüsse auf Julians Ansicht ziehen können. In beiden Fällen geht es um eine Pupillarsubstitution, deren Abfolge der Sache nach vergleichbar ist, deren unterschiedliche Formulierungen jedoch zu abweichenden Begründungen führen. Im Fall des Principium bestimmt der Testator, daß alle, die seine Erben sind, zugleich (Pupillar-)Substituten für seinen Sohn sein sollen. Als der Erbfall eingetreten ist, und der Sohn minderjährig stirbt, entsteht die Frage, wer zu den Substituten zählt. Denn zwischen Erbfall und Tod des Sohnes war einer der Erben entfallen. Als Beispiel,forte, wird eine gegen ihn allein gerichtete querela inofficiosi testamenti angeführt691. Folglich würde dieser Erbe als Substitut dann ausfallen, wenn der für die Qualifikation als Ersatzerbe maßgebliche Zeitpunkt der Todesfall des Sohnes wäre. Wenn es dagegen nur darauf ankäme , daß der Substitut überhaupt einmal Erbe des Vaters gewesen ist, würde die zwischenzeitliche Aufhebung, desinere, der Erbenstellung nicht schaden. In dem letztgenannten Sinne entscheiden die prudentes. Der letzte Satz des Principium, quamvis enim- creditum est, enthält keine Begründung, sondern nur eine Zusammenfassung dessen, was die prudentes angenommen haben (creditum est). Ob darin eine Distanzierung Julians von diesem Ergebnis liegt, läßt sich dem Fragment schwerlich entnehmen und spielt im vorliegenden Zusammenhang auch keine Rolle. Die den Fall entscheidenden prudentes haben mit dieser Lösung jedenfalls dem Willen und den damit verbundenen Motiven zum - wenigstens teilweisen - Erfolg verholfen, weil sie dem ursprünglich Bedachten die Rechtsposition als Substitut und folglich die damit verbundenen ideellen und materiellen Vorteile des honos institutionis erhalten haben. 690 Bund, Untersuchungen zur Methode lulians, 1965, S. 86f. Zum Principium Voci, DER II, S. 687f. 691 Zu dieser Konstellation D 5.2.24, Ulp. 48 ad Sab.; Plin. ep. 6.33, s. auch ep. 5.1. Ein Vorversterben des Erben würde die Voraussetzungen des Falles nicht erfüllen, da die Anwartschaft auf eine künftige Erbschaft nicht vererblich ist, Kaser, RPR, § 177 IV.
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Im Fall des § 1 hatte ein Erblasser zwei Söhne, von denen der eine noch minderjährig war. Er setzt beide zu Erben ein und fügt als Pupillarsubstitution die zitierte Klausel an. Derzufolge soll Seius Substitut sein, wenn der unmündige Lucius als Unmündiger stirbt, und wenn nicht Gaius heres erit. Im Principium heißt es ganz ähnlich: quisquis heres erit. Dennoch entscheiden die prudentes anders als dort, daß der für den Bedingungseintritt maßgebliche Zeitpunkt derjenige des Unmündigen-Todes sei. Die Rekonstruktion des Sachverhalts ist nicht einfach und läßt sich wegen der überaus gestrafften Mitteilung der Fakten nur ansatzweise vornehmen. Immerhin wird aus dem letzten Satz, nam ita- referenda, so viel klar, daß es bei dem Rechtsstreit um die Frage nach dem Eintritt des Substitutionsfalles geht: Seius beansprucht den Erbteil, der ihm nach dem Testament zugedacht ist. Folglich muß der unmündige Lucius gestorben sein. Aber auch der mündige Gaius muß zwischenzeitlich als Erbe ausgefallen sein: Denn wenn er zum Zeitpunkt des Substitutionsfalles noch Erbe wäre, wäre die Substitutionsbedingung, neque ... heres erit, nicht erfüllt. Die Frage ist infolgedessen, ob Gaius noch vor seinem Vater verstorben ist692 oder nachher, aber vor seinem Bruder Lucius. Für die erste der genannten Alternativen spricht die Tatsache, daß im Principium der Umstand hervorgehoben wird, der Substitut müsse irgendwann einmal Erbe gewesen sein. Das legt für § 1 den Umkehrschluß nahe, die fragliche Person, d. h. also Gaius, dürfe zu keiner Zeit Erbe gewesen sein. Doch fragt sich, ob Iulian tatsächlich auf solch einen Gegensatz der Fakten anspielt, indem er den neuen Fall mit: non simili modo in hac specie dicendum est einleitet693. Übersetzt man dies nämlich wörtlich mit: "In einer dem nicht entsprechenden Weise ist im folgenden Fall zu entscheiden", so besteht ebenso die Möglichkeit, daß sich nicht die Fakten (abgesehen von der einmal positiven, das andere Mal negativen Bedingung), sondern die Begründungen unterscheiden. Dann aber ist es notwendig, einen parallelen Fall zu konstruieren: Im Principium wird X Erbe, verliert diese Stellung jedoch aufgrund der Quere! und wird dennoch Substitut. Dem entspricht im Fall des§ 1, daß Gaius nach dem Testator verstirbt, weil er dann Erbe wurde , bevor er als solcher ausfiel. Non simili modo dicendum est, daß Seius Substitut wird, weil Gaius quandoque heres fuisset. Vielmehr (nam ita) haben die prudentes bei dieser Klausel entschieden, daß die Substitutionsbedingung auf den Todeszeitpunkt des Substitutionsfalles zu beziehen sei. Damit weist Iulian auf eine ambiguitas der Begründungen der prudentes hin694 • Anstatt entweder die Tatsache genügen zu lassen, daß die entscheiSo Bund, S. 86. Bund übersetzt: "Anders ist folgender Fall zu entscheiden" und bemängelt insofern zurecht das Jugend-bedingte Fehlen der Eleganz. 692
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dende Person überhaupt einmal Erbe war, oder die Maßgeblichkeit eines Todeszeitpunktes festzulegen, begründen sie einmal so und das andere Mal anders; und das, obgleich beide Male dasselbe Ergebnis erzielt wird: der Eintritt der Substitution. Ob Iulian im Anschluß an dieses Fragment, ohne daß die Kompilatoren dies übernommen hätten, seine Vorstellungen von der Auflösung der ambiguitasetwa so wie in D 34.5.13 pr., h . t. -niedergeschrieben hat, oder ob er mit dem indikativen dicendum est des ersten Satzes in § 1 seine Zustimmung zu dieser Lösung zum Ausdruck bringt695, läßt sich nicht erschließen. Allerdings ist auf eine Gemeinsamkeit beider Fall-Lösungen hinzuweisen, um derentwillen das Fragment zu dem vorliegenden Fragenkreis gehört. Sie besteht darin, daß beide Male der Eintritt der Substitution, d. h. also der "zweitrangigen" Erbfolge, davon abhängig gemacht wird, daß zuvor die "erstrangige" (und sei es auch nur vernichtbar) eingetreten ist696. Die prudentes haben angenommen, daß die Substitution erst und nur dann Platz greifen solle, wenn der jeweilige heres primus zuvor zum Zug gekommen ist. Die Kennzeichnung als heres secundus wurde ganz wörtlich genommen; die Zweifel ergaben sich aus dem jeweils verwandten erit, dessen zeitlicher Bezug nicht eindeutig ist. Diese Wertung des Nachrangs eines heres secundus übernimmt und verdeutlicht Iulian an anderer Stelle desselben Werkes, D 34.5.13.6: ltem si pater familias in testamento ita scripserit: ,si quis mihi filius aut filia genitur, heres mihi esto: si mihi filius aut filia heres non erit, Seius heres esto', non satis voluntatem suam declaravit, si non aliter extraneum heredem esse volet, quam si neque filius neque filia heres sit: hoc enim modo concipi oportet: ,si mihi neque filius neque filia heres erit'. potest autem interdum superior scriptura esse necessaria, si quis, cum filium et filiam habeat, utrumque heredem instituere velit, sed sive alter heres futurus sit, extraneum miscere, sive neuter, extraneum substituere. sed proclivior est sententia testatoris sie esse interpretanda, ut, sive filius sive filia nati ei fuerint, extraneus non admittatur, nisi specialiter hoc testator expresserit697.
Es geht hier wie auch schon in dem zuvor behandelten Fragment D 28.6.31.1 um die Frage nach dem Eintritt der Substitutionsbedingung. Die ambiguitas, um derentwillen lulian den Fall in seinem Buch darstellt, resultiert weniger aus der sprachlichen Fassung der Testamentsklausel: Sie ist mit ihrem, die Alternative jeweils ausdrückenden aut recht eindeutig. Vielmehr ergab sie sich entweder aus der von den Parteien mitgeteilten Vorstellung des Testators, 694 A. A. Voci, der eine perplessita in der Anerkennung der Erbenstellung einerseits und die Rückwirkung der Quere! andererseits sieht , S. 688. Zweifel hieran auch bei Torrent, S. 46f. 695 So Bund , S. 86. 696 S. auch D 28.6.30, Iu!. 78 dig.; dazu Cosentini, IURA 1, 1950, S. 277. 697 Wieling, Testamentsauslegung, S. 108f., 220f.; Voci, DER II, S. 956f.; Miquel, sz 87, 1970, s. 117f.
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oder aus der iulianischen Unterstellung dessen, welche Absichten typischerweise von Testatoren mit einer Substitution verfolgt werden698. Der Testator setzt sein erhofftes Kind zum Erben ein, sei es ein Sohn oder eine Tochter. Er behält den Sprachduktus dieser Institutionsformel, filius aut filia, in der anschließenden Substitutionsbestimmung bei und bewirkt damit, daß Seius dem Wortlaut nach bereits dann Substitut wird, wenn entweder ein Sohn oder eine Tochter Erbe des Testators wird. Von der Beteiligung am "Familienerbe" ist Seius alsextraneusnur dann ausgeschlossen, wenn sowohl ein Sohn als auch eine Tochter geboren und Erben werden. Dieses Ergebnis stellt Iulian anband des mutmaßlichen Willens des Testators in Frage und rekurriert damit auf die Motivation der in dem Testament getroffenen Erbfolgeregelung. Denn die Herleitung dieser ambiguitas setzt all das voraus, was oben bereits zu dem Testatormotiv der Kindesliebe, bzw. -versorgung (Kap. 111 3 a) gesagt worden ist. Demzufolge sind die Kinder die primären Erben, die als nunmehr freie "Verwalter"699 des Vermögens ihrerseits den Nachlaß ihren Kindern weiter zu übertragen haben, damit der Stamm des Vermögens der Familie erhalten bleibt. Aus der iulianischen Postulierung einer ambiguitas folgt aber auch, daß der Graduierung von Erben eine Abstufung der Wertschätzung- bezogen auf die Zuordnung der vererbten Güter- gegenüber den Bedachten zugrundeliegt700 • Ein extraneus war als heres secundus, selbst wenn ihm eine noch so enge Freundschaft oder gegenseitige Dankbarkeit mit dem Testator verbunden hatte, zumindest nach dem Maßstab gesellschaftlicher Konventionen nachrangig gegenüber dem eingesetzten Kind. Das "Familiengut" sollte möglichst unvermischt erhalten bleiben - sei es für die Kinder, sei es für den extraneus. Vor diesem Hintergrund werden Iulians Darlegungen verständlich. Daß sie von seiner "glänzenden philosophischen Bildung"70t Zeugnis ablegen, hat MiqueF02 nachgewiesen; sie entsprechen den Kategorien der stoischen Logik. Iulian formuliert nach der Exposition des Problems zunächst die Klausel so, wie sie der Erblasser in der Situation, in der er sich zur Zeit der Testamentsabfassung befunden hatte: nämlich kinderlos, hätte abfassen müssen, um den (vermutlich) angestrebten Erfolg zu erzielen. Dem stellt er diejenige Situation gegenüber, in der die Intentionen des Testators durch die gegebene Klausel verwirklicht worden wären, potest autem- substituere. Dann müßte der Testa698 Wegen dieser zweiten Möglichkeit (sie impliziert die Berücksichtigung von Erblassermotiven durch die Juristen) ist es m. E. zu gewagt, wenn Wieling, S. 108, den Willen des Testators erkennen zu können glaubt. 699 Cf.libera bonorum administratio, D 28.2.11, s.o. Kap. III 4 a. 700 Ein anschauliches Beispiel hierfür bietet die KlauselinD 30.113.2, Marcian 7 inst. 701 Nörr, Daube Noster, 1974, S. 243. 702 Ebda.
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tor bereits Sohn und Tochter haben, beide zu Erben einsetzen und die Substitution so gestalten wollen, daß der Substitut schon bei Vorversterben des einen Erben an dem Nachlaß beteiligt wird. Beide Alternativen sind von Iulian streng logisch deduziert und lassen allein schon deswegen Zweifel an der Meinung aufkommen, der nachfolgende Satz, sed proclivior, sei durch Interpolation angefügt worden703. Denn es ist eine durchgängig eingehaltene Eigenschaft der uns aus dem liber de ambiguitatibus überlieferten Fragmente704, daß ihre Lösungen im Wege der Interpretation gewonnen werden, und nicht etwa aus "tüftelig, logischer Auslegung"705. So hat sich bei den beiden Fällen der D 28.6.31 gezeigt, daß die (unterschiedlichen) Interpretationen zu einem einheitlichen, den gesellschaftlichen Vorstellungen von Substitution entsprechenden Ergebnis führen. In D 32.62, wo es sich um die Frage handelt, ob unter vermachten Maultieren, duos mulos, auch weibliche Maultiere verstanden werden können, beruft sich Iulian auf die durch Auslegung erzielte (quia appellatione continentur) bejahende Antwort des Servius und formuliert anschließend die generelle Regel: semper sexus masculinus etiam femininum sexum continet. Im vorliegenden Fragment, D 34.5.13, besteht sogar die formelle Parallele, daß Iulian seine Lösung mit: sed dicendum est, bzw.: sed magis dicendum est, einleitet. Infolgedessen ist der letzte Satz des § 6 kein aus der Darstellungsweise des Buches herausfallender Fremdkörper. Gegen die Interpolationsannahme läßt sich aber auch noch ein inhaltliches Argument anführen: Die in dem proc/ivior-Satz gefundene Lösung entspricht den Wertungen, die Iulian in D 28.6.31 bei der Antwort auf die Frage nach dem Bedingungseintritt einer Substitution als zugrundeliegend mitgeteilt hat. Denn so, wie die prudentes dort den Substituten mit Hilfe der Interpretation erst dann zum Zuge kommen lassen, wenn die Erbschaft zuvor den primären Erben zugefallen war, verhilft lulian auch hier dem mutmaßlichen oder wahrscheinlichen Willen zum Erfolg. Auch er benützt die Auslegung, sie esse interpretanda, um die Nachrangigkeit des Substituten durchzusetzen. Somit liegt allen drei Fällen der gleiche Gedanke zugrunde, daß nämlich der Vorrang den vom Erblasser vorgestellten heredes primi gebührt. Überdies enthält der sed proclivior-Satz klassisches Gedankengut706, C 6.26.10:
So Wieling, S. 109 mit weiteren Nachweisen in FN 5. Neben D 34.5.13 noch D 28.6.31 und D 32.62. 705 So Wieling, ebda. 706 Wieling verweist selbst hierauf; er schließt aus C 6.26.10 (a. 531), daß die Kompilatoren mit der Interpolation eine Anpassung an die geltende Rechtslage bezweckt haben. Warum aber haben sie dann nicht Sabinus selbst zitiert, sondern die Gegenmeinung? 703
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Imp. Iustinianus A.Iohanni pp.: Cum quidam duobus impuberibus filiis suis heredibus institutis adiecit, si uterque impubes deeesserit, illum sibi esse heredem, et dubitabatur apud antiquos legum auetores, utrumne tune voluit substitutum admitti, eum uterque filius eius in prima aetate deeesserit, an alterutro deeedente ilieo substitutus in eius partem sueeedat, plaeuit Sabino substitutionem tune loeum habere, cum uterque deeesserit: eogitasse enim patrem primo deeedente fratrem suum in eius portionem sueeedere. (1) Nos eiusdem Sabini veriorem sententiam existimantes non aliter Substitutionern admittendam esse eensemus, nisi uterque eorum in prima aetate deeesserit. D VI k. Aug. Constantinopoli post eonsulatum Lampadii et Orestis vv. ee. (a. 531)707.
Bereits Sabinus hat also in einem Substitutionsfall70s durch die Interpretation, placuit, einer mißverständlichen Klausel die Miterbschaft von heres primus und secundus verhindert und den Substituten auf die ausschließliche, Primärund Sekundärebenen streng auseinanderhaltende "Nacherbschaft" verwiesen. Auch er stand vor der von Iulian formulierten Alternative: extraneum miscere oder extraneum substituere. Folglich wird man die in dem sed proclivior-Satz gefundene Lösung für genuin iulianisch halten dürfen. M. E. gilt das auch für das von Voci und MiqueF09 in seiner Echtheit angezweifelte nisi specialiter hoc testator expresserit. Denn in seiner Antithetik nimmt es gerade auf den von Iulian zuvor entworfenen Fall bezug, in dem der Testator die gegebene Testamentsklausel zielgerichtet einsetzen kann. Bei der Erörterung von D 28.6.31 haben wir gesehen, daß sich das Verhältnis von Primärerben und heredes secundi etwa wie zwei übereinanderliegende Schichten darstellt, die voneinander gesondert sind und deren Vermengung tunliehst zu vermeiden ist. An der Schnittstelle diese Problems behandelt Paulus folgenden Fall, D 28.6.43.3, 9 quaest.: lulius Longinus pater eos, quos sibi heredes instituerat, filio ita substituit: ,quisquis sibi heres esset': unus ex heredibus institutis, qui tacitam fidem aeeomodaverat, ut non eapienti partem ex eo quod aeeeperat daret, ad substitutionem impuberis admissus utrum pro ea parte, pro qua seriptus fuit, veniat, an vero pro ea quam eepit, ita ut augeatur eius pars in substitutione? respondi: qui in fraudem legum fidem aeeomodat, adeundo heres efficitur nee desinet heres esse, lieet res quae relietae sunt auferuntur. unde et ex seeundis tabulis in tantum heres esse potest, in quantum scriptus esset: satis enim punitus est in eo, in quo fecit eontra Ieges. quin immo etsi desineret heres esse, idem dieerem: quemadmodum intellegendum est in eo qui, eum scriptus esset heres, postquam adisset hereditatem in servitutem redaetus est et postea libertate donatus, eui Schindler, lustinians Haltung zur Klassik, 1966, S. 154ff.; Wieling, S. 92. Auf die Unterscheidung von Pupillar- und Vulgarsubstitution wird es schwerlich ankommen (vgl. Schindler, S. 156), da es bei der Frage nach dem extraneum- was ein Substitut im Regelfall ist - miseere nicht um altersspezifische Unterschiede, sondern um den gesellschaftlich akzeptierten, bzw. zugebilligten Stellenwert des heres seeundus geht. 7CF.I Jeweils a.a.O. 707
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VII. Weitere Testamentsklauseln
permissum est ad substitutionem venire, quae ei in testamento fuerat relicta: licet enim hereditatem ex institutione amisit, tarnen ex substitutione istam portionem, quantum amisit, percepturum110.
Der Vater eines pupillus setzt diesem ein Testament auf, in dem er ihm diejenigen als (Pupillar-)Substituten bestellt, die seine(= des Vaters) Erben sein würden711. Nachdem Testator und Sohn gestorben sind, entsteht ein Problem aus der Substitutionsquote eines der Erben. Dieser hatte nämlich dem Vater in Umgehungsabsicht der Kaduzitätsgesetze das stillschweigende Versprechen erteilt, einem incapax einen Teil seines (vom Vater stammenden) Erbes zu übertragen. Damit ist dieser Teil dem Fiskus712 verfallen. Als es nach der Konfiskation zum Substitutionsfall kommt, wird Paulus gefragt, ob die Quote nach dem Wortlaut des (väterlichen) Testamentes zu berechnen sei, oder nach dem effektiven (d. h. um den konfiszierten Anteil verringerten) Erhalt. Um diese dem Paulus vorgelegtem Frage verständlich zu machen, bedarf es einer kurzen Darstellung des Problemhintergrundes. Er scheint in dem Fragment durch, weil das Testament des Pupills (gemäß dem klassischen Sprachgebrauch) als tabulae secundae bezeichnet wird. Dessen Verhältnis zu dem des pater familias war, zumindest bis in die hochklassische Zeit hinein, wenigstens insoweit unklar, als es um die Frage ging, ob nur ein Testament vorlag oder zwei714, cf. Gai 2.180: Quam ob rem duo quodammodo sunt testamenta, aliud patris, aliud filii, tamquam si ipse filius sibi heredem instituisset; aut certe unum est testamenturn duarum hereditatum.
Knapp 50 Jahre später schreibt Ulpian in D 28.6.2.4, 6 ad Sab.: Constat enim unum esse testamentum, licet duae sint hereditates.
Wahrscheinlich beschreibt Ulpian damit die herrschende Ansicht (constat) seiner Zeit715, derzufolge die tabulae secundae kein eigenes Testament darstellen, sondern Bestandteil des väterlichen sind. Demzufolge sind die Erben in dem Testament durch ihre Einsetzung als Substituten zweimal bedacht worden. Das ist insofern bedeutsam, als unter dieser Voraussetzung die Unterstellung naheliegt, daß ein rechtlicher Unwirksamkeitsgrund, der die eine Beden710 Voci, DER II, S. 197; Biondi, Succ., S. 174; Kaser, RPR, § 178 II; Johnston, Trusts, S. 48. 711 Zum Bedeutungsgehalt einer solchen Klausel D 28.6.8.1, Ulp. 4 ad Sab. 71 2 Das wird man wohl bei einem von Paulus entschiedenen Fall annehmen dürfen, vgl. Kaser. 713 Von Iulius Longinus? So Röhle, Iulius Paulus, Gelehrte Untersuchungen, 1975, s. 140ff. 714 Zum Problem etwa Solazzi, Labeo 1, 1955, S. 190ff. 715 Kaser, RPR, § 162 IV 2.
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kung betrifft, auf die zweite durchschlägt. Wie bereits erwähnt, erfüllt derjenige Erbe, der das fideicommissum tacitum übernommen hat, einen Indignitätstatbestand7I6, als dessen Folge der vom Fideikommiß erfaßte Teil seines Erbes konfisziert wird. Die Unterstellung, die diesen Unwirksamkeitsgrund auf die "zweite Stufe" überträgt, erweist sich damit als eine durchaus einleuchtende Berücksichtigung des Erblasserwillens: Denn wenn der Testator dem betreffenden Erben entgegen dem Testamentswortlaut nur eine geringerwertige Zuwendung angedeihen lassen wollte, mag geradeangesichtsder Einheitlichkeit des Testamentes bei der Substitution das Gleiche gelten. Im Ergebnis läuft diese Ansicht auf einen "Gleichlauf" von Substitution auf der einen, Institution und Fideikommiß auf der anderen Seite hinaus. Paulus widerspricht dem und führt eine klare Trennung durch, die in ihrem Ausgangspunkt an die oben genannten Grundsätze Iulians anknüpft. Denn er stellt klar, daß der betreffende Erbe unbeschadet der Konfiskation des Fideikommisses (testamentarischer) Erbe ist. Da die Bedingung der Substitution allein hierauf abstellt, wird der Erbe Substitut in voller Höhe. Paulus verdeutlicht das anband des Vergleichsfalles, in dem der Erbe und Substitut die Erbschaft antritt, offenbar noch vor Aushändigung der Güter in Sklaverei fällt, befreit wird und anschließend den Substitutionsfall als Freier erlebt: Er wird Substitut. Freilich ist damit für die Antwort auf die vorgelegte Frage nur insoweit etwas gewonnen, als sich daraus die Rechtfertigung für die Substitution überhaupt ergibt- nicht aber für die Substitutionsquote. Deren vollen, d. h. geschriebenen Umfang begründet er mit der hinreichenden gesetzlichen Strafe, die auf der ersten Stufe, der Erbeinsetzung, vollzogen worden ist und auf der zweiten Stufe, der Substitution, offenbar nicht fortwirken darf. Diese völlige Eigenständigkeit der beiden Einsetzungen unterstreicht auch noch einmal der Vergleichsfall, in dem die Substitution trotzzwischenzeitlichem Verlust der Freiheit wirksam wird. Aber auch diesem Argumentationsschritt des Paulus läßt sich noch immer nicht mit Sicherheit entnehmen, warum die Substitutionsquote dem geschriebenen und nicht dem effektiven ( d. h.: um das Fideikommiß verkürzten) Erbteil entsprechen soll. Denn die Erwägung, daß der Erblasser dem Erben nur den geringeren Teil zukommen lassen wollte, ist noch nicht entkräftet. Dies wird erst aufgrund der weiteren Überlegung möglich, was nämlich geschehen wäre, wenn das stillschweigende Fideikommiß nicht aufgedeckt worden wäre: Dann hätte der Erbe (ebenfalls) seinen vollen Substitutionsteil erhalten, so daß sich eine Beschränkung der Substitutionsquote wie eine Folgestrafe auswirken würde. Damit stellt sich Paulus' Responsum als hinreichende Antwort auf die Anfrage dar. 716 Zu dessen Einführung durch Antoninus Pius in D 49.14.49, Paul. lib. sing. de tac. fideic. , Müller-Eiselt, Pius, S. 263ff. Allgemein zum fideicommissum tacitum und dessen Konsequenzen Johnston, S. 42ff.
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VII. Weitere Testamentsklauseln
Für uns ist dieses Responsum deshalb aufschlußreich, weil es die von Iulian in D 28.6.31 verfolgte Methode bestätigt, derzufolge die "Schicht" der primären Erben von der der sekundären Erben zu trennen ist. Abgesehen davon, daß damit im vorliegenden Fall die gewillkürte Erbfolge im weitest möglichen Umfang aufrecht erhalten wird, zeigt das Bemühen um die Durchführung dieser Trennung, daß die "Schichten" Ausdruck der Testatorzuneigung waren, oder zumindest als solche empfunden werden konnten. D 34.5.9 pr., Tryph. 21 disp.: Qui duos impuberes filios habebat, ei qui supremus moritur Titium substituit: duo impuberes simul in nave perierunt: quaesitum est, an substituto et cuius hereditas deferatur. dixi, si ordine vita decessissent, priori mortuo frater ab intestato heres erit, posteriori substitutus: in ea tarnen hereditate etiam ante defuncti filii habebit hereditatem. in proposita autem quaestione ubi simul perierunt, quia, cum neutri frater superstes fuit, quasi utrique ultimi decessisse sibi videantur? an vero neutri, quia comparatio posterioris decedentis ex facto prioris mortui sumitur? sed superior sententia magis admittenda est, ut utrique heres sit: nam et qui unicum filium habet, si supremum morienti substituit, non videtur inutiliter substituisse: et proximus adgnatus intellegitur etiam qui solus est quique neminem antecedit: et hic utrique, quia neutri eorum alter superstes fuit, ultimi primique obierunt717 •
Das Problem des Falles resultiert aus der Kommorienz der Erben; seine Lösung liegt aus der Sicht des Erblassermotivs so nahe, daß der für römische Verhältnisse überdimensionale Begründungsaufwand überraschCIS. Ein Erblasser setzt seine beiden unmündigen Söhne zu Erben ein und bestellt dem letztversterbenden einen (Pupillar-)Substituten Titius. Tryphonin erläutert die mit dieser Regelung verbundene Vorstellung: Der Nachlaß des erstversterbenden Sohnes sollte auf den überlebenden ab intestato übergehen und von diesem testamentarisch auf den Substituten. Diese Reihenfolge, ordo, ist jedoch durch den gleichzeitigen Tod der Söhne gestört, so daß die Substitution wegen des im Testament verwendeten Wortes supremus in Frage gestellt ist. Der Jurist stellt die denkbaren Alternativen hierzu vor, daß nämlich entweder beide als letztversterbende zu behandeln sind - mit der Folge, daß der Substitutionsfall eingetreten ist; oder aber, daß das Wort supremus, letzter, seine Bedeutung erst aus einem vorangegangenen Ereignis erhalte, das hier gerade nicht eingetreten sei, und infolgedessen die Substitution verhindere. Letztere Ansicht, so Tryphonin, sei jedoch zu verwerfen, weil auch 717 Lambertini, La problematica della commorienza nell' elaborazione giuridica romana, Mailand 1984, S. 41 f. Ein Beispiel für einen praktischen Fall der Kommorienz bietet die Iaudatio Turiae 1.3 - 4. 718 Das mag mit dem Charakter des Disputationenwerkes zusammenhängen, in dem sich Tryphonin häufiger lehrbuchartig breit erklärt (oder überarbeitet worden ist: vgl. Schulz, History of Roman Legal Science, 1946, S. 234; Wieacker, Textstufen klassischer Juristen, 1960, S. 175f.). Doch deutet das quaesitum est und dixi an, daß es sich um die tatsächlich gegebene Antwort auf einen praktischen Fall handelt. V gl. allerdings die ungleich knappere Antwort Papinians auf einen ganz entsprechenden Fall, D 37.11.11 pr., 13 quaest.
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ein Testator, der nur einen einzigen Sohn habe, in rechtlich unschädlicher Weise vom letztversterbenden Sohn sprechen könne. Den weiteren Vergleichsfall, der die Bedeutung des Wortes "nächster Agnat" erhellen soll, scheint er von African übernommen zu haben 719, D 28.6.34 pr., 4 quaest.: Ex duobus impuberibus ei, qui supremus moreretur, heredem substituit. si simul morerentur, utrique heredem esse respondi, quia supremus non is demum qui post aliquem, sed etiam post quem nemo sit, intellegatur, sicut et e contrario proximus non so/um is qui ante aliquem, sed etiam is ante quem nemo sit intellegitur120.
Letzter ist nicht nur, wer nach den anderen kommt, sondern auch, nach dem niemand mehr kommt; ähnlich wie "nächster" nicht nur der ist, dem Entferntere nachfolgen, sondern auch der, dem niemand Näheres vorangeht. Hieraus schließt Tryphonin, daß die Kommorienz den Eintritt des Substitutionsfalles nicht hindert, da beide Söhne ebensogut als erst- wie als letztversterbende gelten können. Die primäre Absicht des Erblassers war, gemäß der überkommenen Erbsitte das Patrimonium den Söhnen zu übertragen. Wäre einer der Söhne nach dem Tod des Testators vorverstorben, so wäre sein Teil auf den Bruder gekommen, und das Vermögen hätte sich wieder in einer Hand befunden. Für diesen Fall beabsichtigte der Testator die Substitutionm, bei der Titius alles bekommen sollte. Gemessen an diesem Plan kann die Tatsache der Kommorienz keine abweichende Lösung begründen. Die Entscheidung stellt somit eine Verwirklichung des Testatorwillens dar. b) Honos institutionis
Wir werden hier nichtalldie Fragmente untersuchen, in denen die Juristen von dieser Art der Ehrbezeugung ausdrücklich sprechen722, sondern behandeln Entscheidungen, bei denen dieser Topos eine unausgesprochene, aber doch wahrscheinliche Rolle spielt. Die folgende Stelle ist unter mehreren Aspekten interessant, doch wollen wir den des (verweigerten) honos institutionis betonen, D 30.104.1, Iul. 1 ad Urs. Fer.: 719 Dies wird der adgnatus proximus des XII-Tafel Gesetzes sein, tab. V.4. Die Diskussion als solche dürfte daher alt sein. 720 Cf. D 50.16.92, Paul. 7 quaest.; D 50.16.162 pr., Pomp. 2 ad Sab.; D 38.16.2.4, Ulp. 13 ad Sab. 721 Damit haben wir erneut eine strikte Trennung der zuvor beschriebenen Schichten von Primär- und Sekundärerben. 722 S. etwa D 26.2.28, Pap. 4 resp.; 1.2.2.45, Pomp. lib. sing. ench.; 34.9.16.1, Pap. 8 resp.; 37.5.5.6, Ulp. 40 ad ed.; 32.11.21, Ulp. 2 fideic. Literarische Quellen zum honos institutionis sind etwa Cic. pro Quinct. 4; Phi!. 2.16; ad Att. 1.15; Tac. Ann. 3.76. Dazu Manigk, RE VIII.1 s.v. "hereditarium ius", Sp. 639.
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VII. Weitere Testamentsklauseln
In testamento sie erat scriptum: ,Lucio Titio, si is heredi meo tabe/las, quibus ei pecuniam expromiseram, dederit, centum dato': Titius deinde antequam tabellas heredi redderet, decesserat: quaesitum est, an heredi eius legatum deberetur. Cassius respondit, si tabulae fuissent, non deberi, quia non redditis his dies legati non cessit. Julianus notat: si testamenti faciendi tempore tabulae nullae fuerunt, una ratione dici potest legatum Titio deberi, quod c1t:5vvaw~ condicio pro non scripta habetur 723 .
Der Erblasser macht das Vermächtnis an Lucius Titius davon abhängig, daß dieser die Urkunde über eine expromissio724 an den Erben aushändigt. Dazu kommt es jedoch nicht, da Titius zwar nach dem Erbfall, aber noch vor der Übergabe der Urkunde stirbt. Der Erbe des Titius fragt nun, ob er das Vermächtnis beanspruchen kann, wenn er der Bedingung nachkommt. Cassius verneint diesen Anspruch mit der Begründung, daß die Rechtsposition des Bedachten noch nicht vererblich geworden sei, weil Titius vor dem dies cedens verstorben ist. Iulian wandelt den Fall dergestalt ab, daß die Bedingung dann als nicht geschrieben zu gelten habe, wenn die Urkunde zur Zeit der Testamentserrichtungns nicht oder nicht rechtswirksam existierte. Angesichts der klaren Rechtslage726 und der eindeutigen Formulierung der Testamentsklausel kann das von Cassius gefundene Ergebnis nicht überraschen. Doch aus der Sicht des Erben des Titius lassen sich wenigstens zwei gewichtige Gegenargumente gegen die Entscheidung denken. Erstens ließe sich der in der Klausel angefügte Satzteil si - dederat ebenso gut nicht als Bedingung, sondern als eine Art727 Verpflichtung zur Leistung Zug-um-Zug qualifizieren, die somit von der Person des Bedachten unabhängig ist. Damit fiele der dies cedens mit der Testamentseröffnung zusammen, und der Anspruch würde auf den Erben übergehen. Das Argument kann sogar eine gewisse Praxisnähe für sich beanspruchen, da die Rückgabe einer Schuldurkunde im Regelfall wichtiger ist als die Person des Zurückgebenden. Zweitens kann der Erbe des Titius aller Wahrscheinlichkeit darauf verweisen, daß ihm der Erbe (des ersten Erblassers) ohnedies etwas schulde728; denn auch wenn es sich aufgrund der wörtlichen Wiedergabe der Testamentsklausel um die Formulierung eines juristischen Laien handeln wird, hat sie der Jurist Iulian ohne weitere Erläuterung in sein Werk übernommen. Daher liegt es nahe, in der expromissio eine Urkunde zu vermuten, durch die der Schuldner die Erfüllung einer Verbindlichkeit verspricht729. Wenn es sich bei dieser Voci, DER II, S. 610f. Zur expromissio als Bürgschaft oder Schuldübernahme Pringsheim, SZ 50, 1930, s. 358ff. 725 Dieser Zeitpunkt ist gemäß der regula Catoniana der entscheidende. 726 S. oben sub 4 a zu D 35.1.40.2. 727 In diese Richtung zielt der Lösungsvorschlag des Ofilius in dem in der vorigen FN genannten Fall. 728 Möglicherweise weniger als 100. Das würde das Interesse an dem Vermächtnis erklären. 723 724
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Schuld nicht um eine höchstpersönliche gehandelt hat - dafür spricht das Indiz, daß der Erblasser die Urkunde zurückfordert -, so besteht sie nach wie vor zwischen den jeweiligen Erben. Der Erbe des Titius könnte daher das Vermächtnis vielleicht als eine Änderung des Schuldgrundes verstanden730 und dieses Verständnis (im Gegensatz zu der bedachten Person Titius) in den Vordergrund gerückt haben. Die Entscheidung des Cassius impliziert die Ablehnung dieser Argumente und damit die Ansicht, daß der honos institutionis allein dem Titius gebühre. Freilich wäre der Vermächtnisanspruch vererblich gewesen, wenn Titius noch vor seinem Tod die Urkunde herausgegeben hätte, ohne das Vermachte entgegengenommen zu haben; doch indem Cassius die Herausgabeverpflichtung als die höchstpersönliche Pflicht des Titius ansieht, erhält er die durch die Expromission hergestellte Sonderbeziehung zwischen Versprechendem und Versprechensempfänger zumindest insoweit aufrecht, als sie durch das Vermächtnis noviert ist. Denn die ursprünglich expromittierte Schuld ist nach wie vor von den Erben des ersten Erblassers den Erben des Titius zu begleichenund auch dann wohl nur gegen Herausgabe der Urkunde. Infolgedessen erscheint es gerechtfertigt, diese Entscheidung des Cassius als eine Verweigerung des honos institutionis für die Titius-Erben anzusehen. Die voranstehenden Überlegungen gelten bis zu einem gewissen Grad auch für das nachfolgende Fragment, D 30.84.7, Iul. 33 dig.: Si ita cui legatum esset: ,si tabulas chirographi mei heredi meo reddiderit, heres meus ei decem dato', huiusmodi condicio hanc vim habet ,si heredem meum debito liberaverit'. quare et, si tabulae exstabunt, non intellegetur condicioni satisfecisse creditor, nisi acceptum heredi fecerit, et, si tabulae in rerum natura non fuerint, existimabitur inplesse condicionem, si heredem liberaverit, nec ad rem pertinebit, iam tune cum testamenturn fiebat tabulae interciderint an postea vel mortuo testatore73l.
Der Testator setzt dem Bedachten ein Damnationslegat unter der Bedingung aus, daß dieser "die Tafeln meines Chirographums"732 dem Erben aushändigt. Auch hier ist die schuldrechtliche Sonderbeziehung zwischen Testator und Vermächtnisnehmer durch eine Urkunde dokumentiert - diesmal durch ein Chirographum. Anders jedoch als in dem zuvor behandelten Fragment 104.1 geht es in 84.7 nicht um das Problem der Vererblichkeit, sondern- in der Dik729 Vgl. Macqueron, Histoire des Obligations - Le droit romain2 , 1975, S. 425; Kaser, RPR, § 152 III 3 a FN 48. 730 Vgl. Macqueron, ebda. 731 Pernice, SZ 13, 1892, S. 276; Voci, DER Il, S. 226, 318, 320, 610; MacCormack, RIDA 21 , 1974, S. 284. S. auch D 30.104.1, Iul. 1 ad Urs. Fer. 732 Zu dieser Beweisurkunde Cic. ad fam. 7.18.1; Gell. NA XIV.2.7; Beispiele in FIRA III, Nr. 130. Lit.: Mitteis, Römisches Privatrecht, 1908, S. 296ff.; Wenger, Die Quellen des römischen Rechts, 1953, S. 736f.; Macqueron , S. 61.
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tion des uns interessierenden Problemzusammenhanges- um die Realisierung des honos institutionis. Iulian diskutiert nämlich die Möglichkeiten, unter denen der Bedachte das Vermächtnis erhält. Dabei löst er sich vom Wortlaut der Klausel und stellt seine Antwort ganz auf die mit dem Vermächtnis verfolgte Absicht des Erblassers ab: Sie bestehe darin, daß der Vermächtnisnehmer den Erben von der Schuld zu befreien habe. Infolgedessen spielt es für die Erfüllung des Vermächtnisses keine Rolle, ob das Chirographum existiert oder nicht. Denn selbt im ersteren Fall genügt zum Eintritt der Bedingung nicht die bloße Übergabe der Urkunde; vielmehr muß auch hier der Gläubiger die Erfüllung der Schuld noch quittieren733. Da er dies auch machen kann, wenn keine Urkunde vorhanden ist, muß folgerichtig auch der Zeitpunkt, zu dem sie vernichtet wurde, unerheblich sein. Iulian sieht also die Erfüllung des Testatorwillens, seinen Erben von der besagten Schuld zu befreien, als das maßgebliche Kriterium an und kommt damit wohl einem praktischen Bedürfnis entgegen, das sich in der Häufigkeit dieser und ähnlicher Testamentsklauseln734 ausdrückt. Wenn wir daher einmal mehr die Frage stellen, welche Absichten die Testatoren mit solchen Bedenkungen verfolgt haben mögen, können wir an unsere zuvor bei fr. 104.1 angestellten Überlegungen anknüpfen. Vermacht der Erblasser weniger als geschuldet, gibt es für den Legatar wenig Anreiz, sich darum zu bemühen: Ebenso verhält es sich, wenn das Vermächtnis genau die Schuldsumme ausmacht. Denn dann findet lediglich eine Umschuldung stattm. Folglich bleibt nur der Fall, in dem mehr als geschuldet vermacht wird. Doch ist an ihm überraschend, daß der Erblasser nicht sofort, d. h. noch zu Lebzeiten, seine Schuld begleicht, sondern seinen Erben mit einer Mehrleistung belastet. Infolgedessen ist wohF36 die Annahme zulässig, daß diese Vermächtnisse als besonderer Ausdruck der Dankbarkeit für den Kredit verstanden wurden. Aufgrund des mit jeder Bedenkung verbundenen honos institutionis wird die zuvor geschäftliche, mit einem Chirographum beweisbar gemachte Kreditbeziehung gewissermaßen auf die höhere Ebene letztwilliger und ein Näheverhältnis implizierender Selbstdarstellung gehoben.
733 Zu acceptum facere als quittieren, bzw. (da der Empfang nur fingiert wird) erlassen Heumann-Seckel, s. v. "accipere" sub 1. 734 Nachweise bei Voci, S. 610 FN 98f. 735 S. etwa D 30.49.6, Ulp. 23 ad Sab. Freilich könnte man an den Vorteil einer nunmehr unbestrittenen und einredefreien Forderung denken. Doch beantwortet das nicht die für uns entscheidende Frage, warum ein Schuldner (!) diesen klärenden Akt vornimmt - und doch nicht selbst erfüllt? 736 Schamkulturelle Gründe, wie etwa das Unbehagen an dem Chirographum, das die eigene Schuld publik machen könnte, sind angesichts der Publizität der Testamente (s.o. Kap. III 4 b) so gut wie ausgeschlossen.
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In den beiden folgenden Exegesen steht die mit dem honos institutionis eng verknüpfte materielle Zuwendung737 im Vordergrund, D 31.17 pr., Mare. 10 dig.: Si quis Titio decem legaverit et rogaverit, ut ea restituat Maevio, Maeviusque fuerit mortuus, Titii commodo cedit, non heredis, nisi dumtaxat ut ministrum Titium elegit. idem est et si ponas usum fructum legatum 738.
Titius ist mit einem Vermächtnis von zehn bedacht, die er allerdings als Fideikommiß dem Maevius auszubezahlen muß. Da dieser zwischenzeitlich verstorben ist, entscheidet Marcellus, daß Titius die zehn erhält, bzw. daß er sie für sich behalten kann. Diese Rechtsfolge bedürfte angesichtsder Regel, derzufolge Vermächtnis und Fideikommiß verfallen, wenn der Bedachte den dies cedens nicht erlebt739, keiner gesonderten Hervorhebung. Für uns ist jedoch die von Marcellus als Möglichkeit genannte Ausnahme bedeutsam, derzufolge nicht der Legatar, Titius, die zehn erhält, sondern der Erbe. Das ist ausnahmsweise (nisi) dann anzunehmen, wenn der Legatar nur als Überbringer oder Bote fungieren sollte740. Um dies bestimmen zu können, sind die Motive des Erblassers zu ergründen - etwa ob es in der Beziehung zwischen Erblasser und Titius Anlässe gegeben hat, aufgrund derer Titius die Ehre einer Bedenkung "verdient" hat741. Beschränkt sich das Motiv aber ausschließlich darauf, Titius als Zahlstelle zu benutzen (ohne ihn darüber hinaus zu bedenken), so wird es unbeschadet der genannten Regel berücksichtigt, indem das Vermächtnis als nicht geschrieben behandelt wird. Diese Alternative zeigt, daß es Abstufungen des honos institutionis gibt; überdies ist sie für das Charakterbild aufschlußreich, das sich aus dem Testament ergibt. Denn offenbar gibt es Bedenkungen, von denen klar ist, daß sie nicht die Person des Bedachten meinen742; vielmehr wollen sie (das ist wohl die nächstliegende Folgerung) allein die Zahlungsverpflichtung dem Erben nicht aufbürden. Als Grund hierfür lassen sich Rücksichtnahme auf persönliche Empfindlichkeiten des Erben (Maevius ist etwa sein Feind) ebenso denken wie allgemeine Konventionen (Maevius gehört etwa einer anderen sozialen Schicht an und ist nicht Mitglied der familia des Erblassers743). Der Es sei nur an das Statussymbol "Umfang des testamentarisch Erlangten" erinnert. S. auch D 32.38.6, Scaev. 19 dig.; D 35.1.77.2, Pap. 7 resp. Grosso, I legati, S. 51, 54f.; Voci, DER II, S. 942; Biondi, Succ., S. 316, 572. 739 Beziehungsweise wenn der vorzunehmenden Handlung, z. B. einer Freilassung, das Recht widerspricht: cf. D 35.1.37, dazu alsbald im Text. 740 Vgl. auch den "Strohmann", dem wir oben sub 4 a anläßlich der Exegese von D 28.5.46 begegnet sind. S. überdies die Anfrage in D 32.38.6, Scaev. 19 dig. 74 1 S. bereits oben sub 4 a anläßlich der Exegese von D 36.1.26 pr., wo der Praetor ex persona matris et ex persona heredis schätzen soll, wer den Nachlaß erhält. Vgl. auch D 7.1.21, Ulp. 17 ad Sab.: cuius gratia (... ) heres institutus. 742 Cf. D 35.1.77.2, Pap. 7 resp. 743 S. bereits oben sub 4 c anläßlich der Konkubinenbedenkung in D 31. 29 pr. 737
738
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Erblasser, der nicht gehindert wäre, die fideikommissarische Verpflichtung dem Erben selbst aufzuerlegen, will den Erben schonen. Bezogen auf den Charakter des Testators ist das positiv - und bezogen auf das Testament bezeichnend. Denn solcherlei Rücksichtnahmen belegen wieder einmal, daß ein Testament das getreue Abbild desjenigen Beziehungsgeflechts darstellt, in dessen Zentrum sich der Testator (zur Zeit der Abfassung des Testaments) befindet. D 35.1.37, Paul. lib. sing. ad leg. Fuf. Can.: Si quis eurn, quern ipse rnanurnittere non poterat, legaverit ita, ut eurn legatarius rnanurnitteret, etsi a iegato non repellatur, non est cornpellendus, ut rnanurnittat, quoniarn totiens secundurn voluntatern testatoris facere cornpellitur, quotiens contra Iegern nihil sit futururn. idque Neratius scripsit, et tarnen a legato non esse eurn repellendurn, quoniarn rnagis legatariurn aliquid cornrnodurn testator in hoc servo quarn heredern habere voluisset744.
Das juristische Problem des Falles resultiert aus den Freilassungsbeschränkungen der Lex Fufia Caninia145,deren Regelungen Paulus in seinem Buch kommentiert. Es sei am Rande vermerkt, daß dieses Gesetz, indem es der "Prahlsucht"746 mittels testamentarischer Freilassungen Einhalt zu gebieten versucht, die Motive des Erblassers aufgreift und in abstrakt-genereller Weise auf ein sozialverträgliches Maß zurechtstutzt747. Der von Paulus erörterte Fall hat einen Umgehungsversuch der Lex zum Gegenstand: Der Erblasser, der die zulässige Anzahl von (testamentarischen748) Freilassungen bereits vorgenommen hat, versucht eine weitere in der Weise zu erreichen, daß er den betreffenden Sklaven mit der Auflage vermacht, daß er (vom Legatar) freigelassen werden solle. Paulus läßt diese Gesetzesumgehung zu, jedoch mit der Maßgabe, daß die Erfüllung der Auflage nicht erzwungen werden kann, da Erzwingbarkeit des Erblasserwillens nur im Rahmen der Gesetze gewährt werde. Vergleichbar dem von Marcell im zuvor behandelten Fragment angestellten Gedankengang stellt auch Neraz die Frage, ob der (unmittelbar) Bedachte einen Vorteil aus der (ihn nur als "Zwischenstation" benützenden) Bedenkung haben sollte. Seiner Ansicht nach muß der Sklave dem Legatar verbleiben, weil er laut Testament einen Vorteil erhalten sollte. Wenn dies nicht sarkastisch gemeint ist - immerhin ist das vom Testator angestrebte Ziel nicht über den Erben als Verpflichteten zu erreichen749 -,dann kommt hierin erneut 744 Grosso, I legati, S. 59; Voci, DER II, S. 805. Zur Iex Fufia Caninia allgemein Daube, LQR 80, 1964, S. 225ft., sowie Buckland, The Roman Law of Slavery, 1908, s. 546ff. 745 Zu den Details Gai 1.42ff. S. auch schon oben sub 3 (Anhang zu a) anläßlich der Exegese von D 29.4.22. 746 Kaser, RPR, § 69 II 4. 747 Hierzu Daube. 748 Gai 1.44.
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der grundsätzliche Respekt gegenüber Vermächtnissen zum Ausdruck. Selbst wenn der Legatar nur als Durchgangsstation zur Erreichung eines gesetzwidrigen Ziels bedacht wird, ist damit gegebenenenfalls750 eine Beziehung geknüpft, die es nach Möglichkeit aufrechtzuerhalten gilt. Das dem Legatar zugedachte Minimum, an das Neraz in seiner Begründung mit den Worten aliquid commodum in hoc servo anknüpft, ist nach der Intention des Erblassers die Stellung eines Patrons. Das Motiv, das dieser Zuwendung zugrunde liegt, erstreckt Neraz auf die Zuwendung des Sklaven - unbeschadet der aus der Iex Fufia Caninia resultierenden Umgehungsmotivation. Im Laufe unserer bisherigen Untersuchung hatten wir anläßlich der Regel, nach der eine testamentarische Bedenkung nicht an der subjektiv bedingten Unmöglichkeit eines Tuns Dritter scheitern darf oder soll, immer wieder festgestellt, daß das Testament Ausdruck eines klaren und eindeutigen Charakters und einer höchstpersönlichen Einstellungm zu sein hat752. Im Zusammenhang mit der Exegese von D 29.6.3753 hatten wir gesehen, daß die strafrechtlichen Sanktionen der Iex Cornelia de falsis diese Eigenheit sogar verstärken. Und dennoch hat es Ausnahmen von dieser Regel gegeben, über deren Gründe wir im Folgenden einige Vermutungen wagen wollen, D 28.5.69, Pomp. 7 ad Q. Muc.: Si quis Sempronium heredem instituerit sub hac condicione ,si Titius in Capitolium ascenderit', quamvis non alias heres esse possit Sempronius, nisi Titius ascendisset in Capitolium, et hoc ipsum in potestate sit repositum Titii: quia tarnen scriptura non est expressa voluntas Titii, erit utilis ea institutio. atquin si quis ita scripserit: ,si Titius voluerit, Sempronius heres esto', non valet institutio: quaedam enim in testamentis si exprimantur, effectum nullum habent, quando, si verbis tegantur, eandem significationem habeant quam haberent expressa, et momentum aliquod habebunt. sie enim filii exheredatio cum eo valet, si quis heres existat: et tarnen nemo dubitat, quin, si ita aliquis filium exheredaverit: , Titius heres esto: cum heres erit Titius, filius exheres esto', nullius momenti esse exheredationem754.
Den nicht leicht zu verstehenden Beispielsfall sie enim- exherdedationem, der wohl auf eine beim Leser als bekannt vorausgesetzte Fallkonstellation ver749 Gegen Sarkasmus spricht freilich das vorsichtig abwägende magis quam des Neraz. 750 Diese Einschränkung ist wegenD 31.17 pr. anzufügen. 751 Ein eindringliches Beispiel für die geforderte Eindeutigkeit ist eine Klausel wie: ,Aurelius Claudius natus ex illa mutiere, si filium meum se esse iudici probaverit, heres mihi esto', D 35.1.83, Paul. 12 resp.; sie macht das Testament unwirksam, weil keine Potestativbedingung vorliegt. 752 Vgl. auch die gaianische Fassung der Regel in D 28.5.32 pr., 1 test. ad ed. pr. urb.: nam satis constanter veteres decreverunt teslamentarum iura ipsa per se firmaesse oportere, non ex alieno arbitrio pendere. 753 S.o. sub 4 b. 754 Voci, DER li, S. 615, 881. Zum Problemkreis Grosso, I legati, S. 432ff. S. auch D 28.5.23.2, Pomp. 1 ad Sab.; D 31.3, Paul. 4 ad Plaut.
20 Paulus
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weist, vernachlässigen wir zugunsten der uns vornehmlich interessferenden "Kapitols-Klausel". Doch bevor wir uns um die Exegese bemühen, erscheint es im Hinblick auf die Zielrichtung, nur praktische Fälle zu erörtern (Kap. V 3), erforderlich, die Aktualität dieser Klausel nachzuweisen. Denn Pomponius referiert sie in einem "Lehr-Traktat"75s, und nicht in einer Fallsammlung o. ä. Die praktische Relevanz ergibt sich etwa aus D 35.1.52, Mod. 7 diff.: Nonnumquam contingit, ut quaedam nominatim expressa officiant, quamvis omissa tacite intellegi potuissent nec essent offutura. quod evenit, si alicui ita legatur: , Titio decem do lego, si Maevius Capitolium ascenderit'. nam quamvis in arbitrio Maevii sit, an Capitolium ascendat et velit efficere, ut Titio legatum debeatur, non tarnen poterit aliis verbis utiliter legari: ,si Maevius voluerit, Titio decem do': nam in alienam voluntatem conferri legatum non potest. inde dieturn est: expressa nocent, non expressa non nocent156.
Darüber hinaus folgt aus Ulpians Frage in D 31.1 pr., 9 ad Sab.: quid enim interest, ,si Titius in Capitolium ascenderit' mihi legetur an ,si voluerit'?, ~aß er das von Modestin in eine Sentenz gefaßte Formulierungsproblem: expressa nocent, non expressa non nocent (s. noch D 50.17.195) als artifiziell erkennt und zugunsten der allgemeinen Zulassung entsprechender Bedingungen als unerheblich behandelt. Er hält beide Klauselvarianten für zulässig757. Infolgedessen dürfen wir davon ausgehen, daß die "Kapitols-Klausel"758 eine in praxi verwendete, testamentarische Bestimmung war. Als solche legt sie die Frage nahe, woraus sich das offensichtlich bestehende faktische Bedürfnis für die Delegation der Entscheidungsbefugnis über Erbeinsetzung oder Vermächtnisbedenkung ergibt. Dabei ist anzumerken und hervorzuheben, daß dieses Bedürfnis von den Juristentrotz klarer und erkannter Umgehungsabsicht anerkannt wird. Den Zusammenhang zwischen juristischen Erfolgsbemühungen und tatsächliche Bedürfnis nach Klauseln der si Titius voluerit-Art beschreibt Biondi folgendermaßen: "Ma Ia vigilante interpretazione dei giuristi, coscienti ehe il diritto non e esercitazione logica, ma arte ehe serve ai bisogni della vita, procede a distinzioni, ehe appaiono sottili, talvolta illogiche, ma ehe soddisfano Je esigenze pratiche"759. Auch wenn diese Erklärung das einzig halbwegs Sichere ist, was angesichts der Quellenlage über die Behandlung dieser Klausel gesagt 755
Zu dieser Charakterisierung des Buches ad Q. Mucium Nörr, ANRW 11.15,
s. 548.
756 Biondi, Succ., S. 505; dort auch zum ganzen Themenkomplex, S. 501ff., inbes. mit dem Hinweis auf den konsequenteren Ulpian, D 31.1 pr. , 9 ad Sab. 757 S. auch D 30.43.2, Ulp. 21 ad Sab. 758 Es kommt dabei freilich nicht auf exakt diesen Wortlaut an. Die "Kapitols-Klausel" mag stellvertretend für alle Bedingungen genannt sein, deren Eintritt von dem Tun eines Dritten abhängt. 759 s. 504.
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werden kann, provoziert sie doch zu der Frage, worin denn "Je esigenze pratiche" bestehen mögen. Das Spekulative der folgenden Überlegungen ist gleich vorab zu betonen. Da nämlich die Quellen auf die Hintergründe der Klausel nicht einmal andeutungsweise eingehen, baut die Frage nach dem Bedürfnis, d. h. konkret: nach den Erblassermotiven, von vornherein auf Hypothesen auf. Da ihre Beantwortung aber zur Erhellung der sozialen Bedeutung der Klausel beizutragen vermag, ist der Versuch zulässig. Der Klarstellung halber ist anzumerken, daß in den von Pomponius, Ulpian und Modestin berichteten TestamentsklauseJn760 die Bedenkung selbst in das Belieben des Dritten gestellt ist und sich dadurch von einer (etwa von Cicero erörterten) Klausel ähnlicher Aufmachung unterscheidet; in ihr ist die Bedenkung selbst feststehend und fraglich ist allein, auf wessen Willen hinsichtlich der Konkretisierung des vermachten Gegenstandes es ankommen soll, de inv. 11.39.116; (cf. 51.120f.):
Paterfamilias, cum filium heredem faceret, vasorum argenteorum pondo centum uxori suae sie legavit: heres meus uxori meae vasorum argenteorum pondo centum, quae volet, dato. Post martern eius vasa magnifica et pretiose caelata petit a filio mater. Ille se, quae ipse vellet, debere dicit16l.
Während in diesem Beispiel die Person des Wollenden unbestimmt ist, verhält es sich im Pomponius-Fall wohl so, daß die Person des Erben unbestimmt ist, nicht aber, ob überhaupt ein Erbe existieren soll. Denn angesichts der Bedeutung der römischen Testamente und infolge der Bemühungen, die der Erblasser für die Errichtung des Testamentes aufgewendet hat, erscheint es höchst unwahrscheinlich, daß Titius mit der Erbeinsetzung des Sempronius darüber sollte bestimmen dürfen, ob der Erblasser als testatusoder intestatus gestorben ist. Näher liegt die Annahme, daß für den Fall, in dem sich Titius gegen Sempronius als Erben entscheidet, ein Dritter als Substitut bereitstand. Und bei den Vermächtnissen, über die Ulpian und Modestin berichten, mag es sich ähnlich verhalten haben. Diese Annahme führt zu der Schlußfolgerung, daß in dem Testament mehr Personen genannt als tatsächlich bedacht sind. Aus der Zulässigkeit dieser vermehrten Namensnennung ergibt sich, daß sich in ihr ein als positiv anerkannter Wert ausdrückt. Als solcher drängt sich der honos institutionis auf, der in dem Testament großzügiger verteilt wird, als der Nachlaß selbst zuläßt. Sofern dies der entscheidende Punkt istJ62, läßt sich eine Verbindung zu einer anderen Besonderheit juristischer Argumentationskunst herstellen und der Weitere Nachweise bei Biondi, S. 503ff.; Voci, S. 881. Weitere Nachweise erneut bei Biondi, S. 502. 762 Cf. D 32.11.21, Ulp. 2 fideic. S. auch Veyne in: Aries I Duby (Hg.), A History of Private Life I, 1987, S. 31. 760 761
zo•
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Erklärung, die Daube diesem Phänomen gegeben hat. Er untersucht763 die immer wiederkehrende Behandlung des folgenden Falles: Ein Schuldner, der dem Gläubiger tausend schuldet, gibt diesem hundert (erfüllungshalber); anschließend schenkt der Gläubiger dem Schuldner die soeben erhaltenen hundert, woraufhin dieser erneut (erfüllungshalber) übergibt. Nach weiterem achtmaligen Hin und Her stellt sich die Frage, ob der Schuldner auf diese Weise seine gesamte Schuld über tausend beglichen hat. Aus der seit Servius anerkannten Bejahung leitet Daube ab, daß den ärmeren Mitgliedern der römischen Elite, die gleichwohl zu den Geehrten dieser Schicht gehörten, die Schmach der Zahlungsunfähigkeit erspart werden sollte. Die Zulassung einer solchen Erfüllung wirkte mithin wie ein Netz über dem Abgrund des Konkurses und stabilisierte so den Zusammenhalt der entsprechenden Schicht. Übertragen auf den Pomponiusfall ergibt sich aus Daubes Darlegungen: Der Erblasser darf im Extremfall doppelt so viele Personen testamentarisch erwähnen wie er im Ergebnis bedenkt. Auf diese Weise kann er seinen Standespflichten nachkommen, die nach seinem Tode eben in Gestalt von testamentarischen Benennungen fortleben. Aufgrund des von ihnen ausgehenden Zwanges, der durch die Erwartungshaltung der Standesgenossen verstärkt wird, wird ja erst verständlich, daß die Ignorierung einer Person, die zu den zu bedenkenden Standesgenossen zählt, einen Affront darstellt; es sei nur an lunias Testament erinnert, das deswegen Anlaß zu Gerede gab, weil es Tiberius überging764. Für denjenigen aber, der sich standesgemäß verhalten will, der jedoch nicht hinreichend verteilungsfähige Masse hat, um den an ihn gestellten Erwartungen gerecht zu werden, stellt die von Pomponius und den anderen Juristen gefundene Distinktion einen praktikablen und "ehrerhaltenden" Ausweg dar. Er kann seine Bemühungen unter Beweis stellen und damit sein Andenken bewahren helfen. Daß dies in der römischen Welt ein hinreichendes praktisches Bedürfnis darstellt, dem die Juristen eine "esercitazione logica" (Biondi) zu opfern bereit sind765, braucht nicht mehr eigens hervorgehoben zu werden. Abschließend ist auf eine weitere Besonderheit der Pomponius- und Modestin-Stelle hinzuweisen. Mit ihren feinsinnigen Unterscheidungen von primär Gesagtem und sekundär Gemeinten demonstrieren die Juristen, daß die heute so oft formulierte Alternative bei der Testamentsauslegung: verba-voluntas766 763 Aspects, S. 93 f., sowie ders. , Proceedings of the Classical Association 61 , 1964, S. 28 ff.; cf. D 46.3.67, Mare. 13 dig. 764 Tac. Ann. 3.76. 765 Erneut: Ulpian ist konsequent, indem er das tatsächlich vorhandene Bedürfnis anerkennt und dessen rechtliche Behandlung dementsprechend anpaßt. Ganz allgemein zu dieser Aufgabe des Juristen Wittmann, in: Scholler I Philipps (Hg.), Jenseits des Funktionalismus, Heidelberg 1989, S. 31ff. 766 Als ein Beispiel von vielen etwa Talamanca in: Quaestioni di giurisprudenza tardo-repubblicana. Atti di un seminario, 1983, a cura di G.Archi, 1985, S. 88 ff.
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leicht zu falschen Schlußfolgerungen führen kann und wohl auch zu eng ist. Denn wenn man diese Fragmente unter dem Status der Wortinterpretation einordnen wollte, so ist das- vordergründig- gewiß zutreffend, würde aber die Interpretationsleistung etwa des Pomponius in einen falschen Kontext stellen. Denn sein Lösungsweg basiert gerade auf der Erkenntnis dessen , was der Testator will; diesem Willen möchte der Jurist zum Erfolg verhelfen. Aber auch eine Einordnung der Stelle in die Willensinterpretation würde dem Pomponius-Fragment deswegen nicht gerecht, weil die -laut Ulpian- auf das Gleiche abzielende Formulierung si Titius voluerit nicht den gewünschten Effekt hat. Der Bewertungsvorgang läßt sich am anschaulichsten als das Arbeiten mit einem System darstellen, das sich aus einer Vielzahl von Koordinaten zusammensetzt; deren Spannweite beginnt bei den Normen und reicht vom Erblassermotiv und -willen bis hin zum Allgemeininteresse oder Gruppenzwang, von der Rechtssicherheit und Entscheidungskonstanz bis hin zur Einzelfallgerechtigkeit. Freilich ist zuzugeben, daß auch das Erklärungsmodell eines variablen Koordinatensystems den Entscheidungsvorgang zwar besser als das Gegensatzpaar von verba und voluntas zu beschreiben vermag, aber keineswegs hinreichend für den Einzelfall ist. Wenn nämlich die oben augestellen Überlegungen zu der Zulässigkeit der "Kapitols-Klausel" zutreffen: Ist das Erblassermotiv, ein Testament zu erhalten, entscheidend oder die Erwartungshaltung der zu Bedenkenden? Gewiß passen in diesem Fall beide Koordinaten zusammen und ergänzen sich, doch zeigt das Beispiel, daß die Zuordnung zu verschiedenen Koordinaten eine Trennung vornimmt, die in Wirklichkeit nicht existiert. Angesichts des in dieser Arbeit schon häufig erwähnten Wechselspiels zwischen Erblasserverhalten und Gesellschaftsforderung ist jede trennende Zuordnung artifiziell- wenn auch notwendig für die Beschreibung der Phänomene.
VIII. Zusammenfassung Wenn wir nunmehr ein Resümee des 2. Teils dieser Arbeit zu geben versuchen, empfiehlt es sich, die in Kapitel V statuierte Zielrichtung noch einmal in Erinnerung zu rufen. Denn den dort gegebenen Hinweis, daß die römischen Juristen an keiner Stelle explizit zu verstehen geben, ob überhaupt und, bejahendenfalls, inwieweit sie die ihnen zur Entscheidung vorliegenden Testamente als individuelle Unsterblichkeitsmale oder auch nur als Ausdruck der Idee einer postmortalen Persönlichkeit betrachten, finden wir nunmehr bestätigt. Da es jedoch ein Anliegen dieser Arbeit ist, das Vorliegen dieses Verständnisses des Testamentes auch bei den Juristen aufzuzeigen, haben wir in den "Methodischen Vorbemerkungen" einen Weg aufgezeigt, auf dem sich wenigstens mittelbar jenes Verständnis wenn nicht beweisen, so doch zumindest plausibel machen läßt. Er führte uns in den Kapiteln VI und VII zunächst einmal zu der Einsicht, daß die Testamentsklauseln einen nicht nur den Rechtshistoriker interessierenden, einzigartigen Zugang zum Alltagsleben 1 und Wertesystem der Römer darstellen. Das gilt sogar für die auf den ersten Blick so elitär erscheinende Princepsklausel, durch die wir in D 49.14.22.2 erfahren (VI 3 c), daß der Princeps gewissermaßen als der Potentior des Mannes auf der Straße verstanden wurde, oder in I 2.20.36 (VI 3d), daß man den Princeps zu ganz familieninternen Strafzwecken benützte. Dem Variantenreichtum der Motive letztwilliger Bedenkungen können wir überdies entnehmen, daß der in der Einleitung erwähnte Anpassungszwang der Testatoren auch nicht überschätzt werden darf. Wichtiger als eine verklärende Selbstdarstellung schien wenigstens einigen Testatoren die Dokumentation ihrer höchst eigenen Gefühle, Ansichten und Meinungen zu sein. Zum zweiten aber können wir zusammenfassend sagen, daß innerhalb des Wertesystems der Römer das rechtlich-konkrete Fortwirken der Persönlichkeit nach dem Tod einen besonderen Platz einnimmt. Exemplarisch für die Princeps-Klausel ist das in D 31.56 (VI 3 b) referierte Pius-Reskript, dessen volle Tragweite erst dann richtig zu ermessen ist, wenn man sich die für den Unsterblichkeitswunsch so wichtige Aufrechterhaltung der Testator-PrincepsBeziehung vergegenwärtigt. Die Juristen bemühen sich, den Absichten der Testatoren gerecht zu werden, postmortale Gegenleistungsverpflichtungen im weitest möglichen Umfang t
Insbesondere Scaevolas Schriften liefern hierzu reichhaltiges Material.
VIII. Zusammenfassung
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aufrecht zu erhalten, das im Testament aufgezeichnete Beziehungsgeflecht zu bewahren und die "Abzeichen" (sei dies ein Monument, oder der Umfang einer Bedenkung) des gesellschaftlichen Ranges der Testatoren zu sichern. Natürlich lassen sich alldiese Bemühungen mit den juristischen Besonderheiten des Testamentes begründen: Da es sich bei ihm um eine- in moderner Diktion- einseitige, nicht einmal empfangsbedürftige Willenserklärung handelt, kann man die Verkehrsinteressen vernachlässigen; überdies sind testamentarische Zuwendungen grundsätzlich unentgeltlich, so daß auch schon deswegen die Interessen der Bedachten kaum schützenswert sind2 . Infolgedessen sind die Juristen so gut wie ungehindert , einseitig auf die Intentionen des jeweiligen Testators zu achten. Dennoch: Unsere Überlegungen zeigen den wertungsmäßigen Horizont auf, innerhalb dessen sich die für die Auslegung römischer Testamentsklauseln bedeutsamen rechtlichen Argumente bewegen. Sie zeigen ein grundsätzliches Verständnis für das erblasserische Bemühen , das nach dem Leben einsetzende Nichts mit dem "Netzwerk" des irdischen Beziehungsgeflechts abzudekken. In diesem durch und durch diesseitigen Sinne verstanden und behandelten die Juristen das Unsterblichkeitsmal ,Testament' .
2
Hierzu Kaser, RPR, §58 I 2.
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5.1.17: s. 124 5.1.52.2: s. 69 5.1.62: s. 173 5.1.76: s. 122 5.2.1: s. 50, 131 5.2.8.2: s. 127, 131 5.2.8.16: s. 132 5.2.15 pr.: S. 54,269 5.2.24: s. 290 5.2.27.4: s. 179 5.2.28: s. 179f. 5.3.25.11 : s. 60 5.3.50.1 : s. 190 5.3.58: s. 223 7.1.21: s. 303 7.1.46 pr.: s. 54 7.5.5.1: s. 256 7.8.8.1: s. 150, 168 9.2.33 pr.: s. 274 9.2.41 pr.: s. 85 9.2.51.2: s. 279
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s. 213
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23.2.48 pr.: s. 272 23.3.69.4: s. 200
s. 138 s. 27 25 .3.5.1: s. 146 25.3.5.6: s. 274 25.3.5.14: s. 162 25.3.7: s. 274 25.7 .1 pr.: s. 272
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s. 272
s. 289 s. 106, 299 s. 288f. 27.1.32: s. 229
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35.2.1.19: s. 189ff. 35.2.2: S. 191 f. 35.2.54: s. 202 35.2.80.1: s. 184, 195 36.1.1.2: s. 137 36.1.5: s. 127 36.1.18 pr.: S. 178, 259 36.1.19 pr.: s. 199 36.1.19.2: s. 199 36.1.23 pr.: S. 181ff. 36. 1.26 pr.: S. 270ff., 303 36.1.27: s. 137 36.1.28.1: s. 83 36.1.31.4f. : s. 136ff., 143 36.1.33 pr.: s. 198ff., 206 36.1.56: s. 199 36.1.59.1: s. 257 36.1.64.1: s. 263 36.1.65.3: s. 139 36.1.65.4: s. 83, 199 36.1.67.1: s. 148 36.1.76 pr.: s. 177 36.1.80.12: s. 263ff. 36.2.5 pr. : s. 271 36.2.15: s. 181 36.2.22 pr.: S. 254f. 36.2.26.1: s. 263 37.5.1 pr.: s. 227 37.5.3.2: s. 69 37.5.5.6: S. 299 37.11.1.1: s. 181 37.11.2 pr.: s. 227 37.11 .11 pr.: s. 298 37.11.11.2: s. 231 37.14.5 pr: S. 65 37.14.5.1: 137 37.15.9: s. 54
s.
38.2.1 pr.: s. 72 38.2.3.17: s. 217 38.2.28.1: S. 27 38.2.47 pr.: s. 55 38.5.9: s. 217f. 38.6.1.5: s. 227 38.6.7.1: s. 55 38.6.8: s. 168 38.8.4: s. 274 38.9.1.12: s. 79
38.10.4.3: s. 261 38.16.2.4: s. 299
s. 168 40.2.11: s. 272 40.4.8: s. 239, 241 40.4.13 pr.: s. 185 39.6.23:
40.4.17 pr.: S. 147ff. 40.4.35: s. 237 40.4.39.5 : s. 149 40.4.41.2: s. 240 40.4.61 pr. : s. 147ff. 40.4.61.2: s. 148 40.5.9: s. 154 40.5.10 pr.: S. 153f. 40.5.24.8: s. 153 40.5.26.1: s. 275 40.5.41.6: s. 29, 171 ff. 40.5.41.15 : s. 241 40.5.44: s. 172 40.5.47.4: s. 141 40.7.3.2: s. 238 40.7.3.11: s. 240 40.7.4.1: s. 147ff. 40.7.12: s. 241 40.7.21 pr. : s. 238ff., 243 40.7.29 pr.: S. 148 40.7.29.1: s. 240,277 40.7.31: s. 241ff. 40.7.39 pr.: s. 244 40.7.39.4: s. 244 40.9.9.2: s. 148 41.1.44: s. 120 41.1.54.1f.: s. 152 41.2.1.16: s. 109 41.2.38.2: s. 109 41.10.2.15: s. 272 42.1.5.1: s. 141 42.5.23: s. 106 42.5.29: s. 167
43.30.1.3: s. 162 43.30.3.5f. : s. 162 45.1.97.2: s. 146 45 .1.107: s. 145 46.1.50: 46.3.67: 46.3.75:
s. 259 s. 308 s. 258
Quellenverzeichnis 47.10.2: s. 280 47.10.15.27: s. 75 47.12.3.5: s. 25
48.1.2: s. 214 48.3.14.3: s. 26 48.9.1: s. 260 48.10.1.5: s. 84 48.10.11: s. 281 48.10.15.1: s. 281 48.19.28.7: s. 128 48.19.39: s. 181 48.20.1.2: s. 261 48.20.7 pr.: s. 55, 261 48.20.7.3: s. 27 48.21.3.5: s. 27 48.22.1: s. 214 49.14.1 pr.: s. 126 49.14.22.2: s. 124ff., 310 49.14.49: s. 297
50.8.1: s. 195 50.8.6: s. 194ff., 197 50.8.7.1: s. 195 50.10.2 pr.: s. 195 50.10.3.2: s. 194, 195 50.10.7 pr.: s. 195 50.10.7.1: s. 194,201 50.12.14: s. 193 50.13.1.1: s. 29 50.13.1.3: s. 29 50.15.1.11: s. 36 50.15.6: s. 198 50.15.8.8: s. 198 50.16.33: s. 84 50.16.70: s. 65, 66 50.16.87: s. 52 50.16.92: s. 299 50.16.162 pr. : S. 299 50.16.162.1: s. 270 50.16.202: s. 187f., 189 50.17.32: s. 236 50.17.77: s. 108 50.17.195: s. 306 50.17.202: s. 252 Codex: 2.13ff.: s. 124 2.17.2: s. 124, 130 3.44.12: s. 25
317
6.21.10pr.: S. 179 6.21.11: s. 71 6.22.7: s. 18, 132 6.23.3: s. 131 6.23.7: s. 85 6.23.20 pr.: s. 18, 140 6.23.21: s. 85 6.24.3: s. 53 6.26.10: s. 294 6.34.1 : s. 281 6.34.3: s. 280 6.37.12 pr. : s. 268 6.50.4: s. 127, 132, 136, 137, 139, 143
GAIUS INST.: 1.5: s. 25, 122, 132 1.19: s. 263 1.22: s. 273 1.23: s. 274 1.41: s. 273 1.42ff. : s. 304 1.44: s. 273 1.53: s. 154 1.79: s. 273 1.89: s. 273 1.99: s. 206 2.6: s. 193 2.87: s. 110 2.108: s. 84 2.110: s. 273 2.119: S. 220 2.123: s. 55, 163 2.127: s. 163 2.144: s. 262 2.151: s. 262 2.152ff. : s. 268 2.156: s. 227 2.157: s. 55, 78 2.171ff.: s. 108 2.189 s. 296 2.193: s. 245 2.198: s. 245 2.199: s. 203 2.201: s. 219 2.202: s. 212 2.205: s. 203 2.208: s. 203 2.227: s. 190 2.235: s. 133, 150
318 2.238: s. 121, 216, 221 2.243: s. 134 2.244: s. 237f. 2.245: s. 237 2.249: s. 141 2.250: s. 271 2.252: s. 137, 138 2.257: s. 138 2.261: s. 232 2.268ff.: s. 273 2.270 a: S. 231 2.273: s. 231 2.275: s. 273 2.277: s. 199, 260 2.281: s. 235 2.285: s. 137, 235, 273 2.286: s. 137 2.286 a: S. 137 2.287: s. 216 3.39ff.: s. 69 3.41: s. 27, 217 3.55ff.: s. 274 3.56: s. 273 3.63: s. 274 LEX XII TAB. : V.4: S. 299 VII.8a: S. 239 X.1: S 25
Quellenverzeichnis
PAULI SENTENTIAE: 3.4b.2: s. 150 3.5.4: s. 26 3.6.13: s. 200 4.1.3: s. 127, 132 4.1.6: s. 141, 172 4.1.6 a : S. 141 4.1.11: s. 55 4.3.2: s. 139 4.5.3: s. 131ff., 143 5.12.7: s. 130 5.12.8: s. 130 5.12.9: s. 74, 131, 140, 141 5.12.9 b: s. 97, 138, 143 ULPIANI EPIT.: 17.3: s. 230 20.8: s. 273 20.14: s. 273, 274 22.3: s. 273 22.6: s. 204 24.1: s. 141 24.3: s. 245 24.17: s. 150 24.18: s. 121, 216 24.22: s. 268 24.23: s. 237 25.4: s. 215 25.7: s. 273 25.13: s. 216
Nichtjuristische QueUen AISCHINES kata timarchou: 30.9/ff.: s. 79 ALTES TESTAMENT Genesis: 23: s. 72 24.36: s. 44 48.22: s. 44, 79 APPIAN bell. civ.: V.32ff.: S. 56
APULEIUS Metamorph.: Xl.6.4: S. 33 Apo/. 92: s. 60 ARETAEUS de causis et signis acut. 1.6: s. 30 ARISTOTELES Phys.: 1.4.187a: S. 21
Quellenverzeichnis oikon.: 1.5: s. 148 ATHENAIOS Deipnosoph. IV.168 b: S. 80 IX.401 e: S. 49 X.415f: S. 49 X.418 b: S. 70 X.434 d: S. 49 Xl.465 d: S. 49 XII.529 e ff.: S. 49 XIV.627 d: S. 49 AUGUSTINUS de civ. Dei: 5.14: s. 33 BOETHIUS de cons. phil.: 5.1: s. 21 CASS. DIO XLV.16.2: S. 101 LIII.3.2: S. 63 LIII.6.1: S. 63 LIII.32.2: S. 119 LIV.23.5f.: S. 203 LVI.30.5 ff.: S. 49 LVI.32.3: S. 58 LVII.10.5: S. 260 LVII.17.8: S. 58 LVIII.16.2: S. 58 LVIII.25.2: S. 115 LIX.15.1: S. 63, 115, 122 LX.6.3: S. 58, 76 LX.34.4: S. 52 LXI.5.1: S. 64 LXII.25: S. 59 LXIII.11.2: S. 61 LXIX.6.3: S. 96 LXXVII.15.2: S. 48 CICERO Epistulae (ed. Kasten): ad Att. 1.15: s. 299 1.16: s. 113 2.3.2: s. 112, 113
2.20.6: s. 110, 112 3.20.1 : s. 104 4.7.2: s. 31 4.11.2: S. 112, 113 5.21.7: s. 39 6.2.3: s. 111 6.9.2: s. 112 7.1.9: s. 112 7.2.3: s. 84, 105 7.2.8: s. 109, 172 7.3.9: s. 105 11.2.1: s. 105 11.13.3: s. 105 11.14.3: s. 105 11.15.4: s. 105 11.16.4: s. 112 11.17.5: s. 73 12.16.2: s. 84 12.18a.2: S. 84 13.24.4: s. 112 13.25.4: s. 110 13.45: s. 69, 104 13.46.3: s. 105 14.10.3: s. 105, 111 14.11.2: s. 111 14.16.1: s. 111 15.1.1: s. 111, 172 15.3.4: s. 111 15.5(3).1: s. 14, 106 15.5.2: s. 111 16.2.1: s. 105 16.6.3: s. 111 16.8: s. 104 16.11.2: s. 69 ad fam. 3.8.4: s. 104 7.8.2: s. 112 7.18.1: s. 112, 301 7.28ff.: s. 105 7.30: s. 60 9.25.4: s. 287 11.13.4: s. 107 13.16.4: s. 112 13.17: s. 105 13.24: s. 106 13.25.4: s. 107 13.30ff.: s. 60 13.46: s. 105, 106
319
320 13.47: s. 107 13.50: s. 105 13.52.3: s. 107 13.53.1: s. 107 13.55.2: s. 107 13.56: s. 111, 142 13.61: s. 106, 159 14.5.2: s. 112 16 ff.: s. 105 ad Quin. fr.: 1.1.16: s. 244 2.2.2: s. 112, 113 3.7.8: s. 105
Quellenverzeichnis pro Cluent: Hab.: 41: s. 103 125: s. 103 135: s. 57, 85 162: s. 69 pro Flacco: 85: s. 73 95: s. 123 pro Milo 18.48: s. 84, 112. 220 pro Quinct.: 4.14: s. 57, 69,299
Orationes: de domo sua 32.85: s. 69
pro Sext. Rose. Am.: 24.68: s. 80 53: s. 57
de imp. G. Pomp.: S. 128
Philosophica: acad.: s. 112
in Verr.: 1.15: s. 128 II.1.127: S. 77 11.2.107: s. 128 II.2.150: S. 39 11.44.113: s. 79 Phi!.: 2.16: s. 299 2.40: s. 69, 84, 201 2.62: s. 69, 77 2.74: s. 69 2.103: s. 69 2.109: s. 104 5.6: s. 61 8.32: s. 148 pro Arch. poeta: 5.11: s. 104 11.26: s. 40 12.30: s. 35, 40 pro Caecina: 11: s. 57,69 70 ff. : s. 129 pro Cael. 18.42: s. 80
Brutus: 195 ff.:
s. 286ff.
de inv. : 11.39.116: 11.42.122: 11.53.161:
s. 307 s. 57, 278 s. 60
de leg.: 11.9.22: s. 31 11.18.45f.: s. 25 11.19 ff.: s. 55 11.19.48: s. 56 Il.22.55: s. 31 11.23.58: s. 24 Il.27.67f. : s. 187 de nat. deor.: 1.2: s. 112 III.70: S. 57 III. 76: S. 57 de off.: 1.42: s. 56 1.44: S.56, 81 Il.19.65f.: s. 73
Quellenverzeichnis 11.20.69: s. 73 11.61ff.: s. 59, 61 11.64: s. 81 III.17.70: S. 163 III.18.73f.: S. 57, 73, 96, 102f., 142 de orat.: 1.38.175: s. 179 1.39.180: s. 57,287 1.57.244: s. 286ff. 1.57.245: s. 179 11.6.24: s. 57, 287 11.33.141: s. 57 11.179:S.100 de rep.: Vl.19ff.: S. 33 de senect.: 21: s. 39 Lael. (de amicit.): 4.13: s. 14, 33 8.26: s. 71 19.70: s. 72 23.86ff.: s. 70 24.89ff.: s. 71 top.: III.17: S. 256 X.44: S. 57 Tusc.: 1.1lff.: s. 33 1.27:S. 22 1.31: s. 14, 35, 40, 43, 147, 228 1.74: s. 28 1.92: s. 120 11.8: s. 40 V.5: S. 14 V.47: S. 15 V.l13: S. 112 de fin.: 11.31.101:
s. 33
CURTIUS RUFUS hist. Alex.: X.5.10: S. 121 21 Paulus
DIOCHRYS. peri basil.: 1.40: s. 95 III.123: S. 61
peri doul. kai eleuth.: 5: s. 272 DIOGENES LAERTIUS de vitis, dogm.: 1.58: s. 15 1.70: s. 31 2.10: s. 187 3.10: s. 21 10.18: s. 33 DIOHALIC. Rhom. arch.: IV.24.6: S. 14, 72, 228 DONATUS vita Verg.: 37: s. 85 EPIKTET Diatr.: 1.19.26ff. : s. 36 111.8.6: s. 28
encheir.: 33.6: s. 15 EPIKUR ep. ad Menoeceum: 125 b: s. 28 FESTUS: de verb. sign.: 139: s. 38, 120 FLAVIUS JOSEPHUS bel/um lud.: Il.6.3: s. 70 11.9.1: s. 36 FRONTO: ep. ad Pium: 3.1 : s. 14
321
322 ep. ad M. Caes.: IV.2: S. 60
Quellenverzeichnis 11.3: s. 57 11.4.50ff.: s. 70 11.5: s. 52, 70, 84, 248
GELLIUS noctes Atticae: 11.23.8: s. 274 IX.12: S. 124 XIV.2.7: S. 301
sat.: 11.1.58: s. 120 11.5.51 ff.: s. 84
HADRIANI EPIST: S. 75
ISID. orig.: V.24.2: S. 38
HESIOD Theogon.: V.759: S. 120 HIPPOKRATES: de flat.: 1: s. 29 Prognost.: s. 29 Epidem.: 1: s. 29 III: S. 29 orkos: s. 30 HOMER Ilias: XVI.676ff.: S. 120 Odyssee: XXII.412: S. 31
lUVEN AL sat.: 1.91: s. 241 2.58f.: s. 72 6.216ff.: s. 70 7.169: s. 64 7.219: s. 241 12: s. 70 14.92ff.: s. 82 14.306: s. 128 LIVIUS XXVII.ll : S. 100 LUKIAN: Nigrinus: 30: s. 14 Totengespr.: V ff.: S. 70, 248 LUKRETIUS de rerum natura: 1.150: s. 21 1.156f.: s. 21 1.205: s. 21 11.287: s. 21 III.870ff. : S. 21 V.1275: S. 208
HORATIUS carm.: 11.14: s. 23 11.18.3f.: s. 35 11.18.17f.: s. 35 III.l.41ff.: S. 35 111.30.1: s. 40 111.30.6: s. 22 IV.8.13ff.: S. 39
L YSIAS Fr. 14: S. 39
serm.: 1.2.61: s. 82 1.4.110: s. 82
MARCAUREL IV.4: S. 21 Xll.2.1: S. 21
Quellenverzeichnis
MARTIAL 2.15: s. 128 2.32: s. 128 5.42: s. 241 10.92: s. 93 NEPOS Att.: 4.2: s. 61 5.2: s. 104 13.2: s. 104 21.1: s. 104 OVID Metamorph.: XV. 869ff.: S. 40 Fast.: 6.639ff.:
s. 85, 203
PAUL. PELLAEUS Eucharist.: Einl.: S. 40 PERSIUS Sat.: 3.83f.: s. 21 PETRONIUS Sat.: 71: s. 38, 84, 142 76.2: s. 74 116 ff.: s. 70 PHAEDRUS fab.: 111.10: s. 118 PHILOSTRAT de vitis Soph.: 549: s. 85 PLATON Symp.: s. 14 Polit.: III 400 D: S. 15 21•
PLAUTUS: Curcul.: 622: s. 287 mil. glor.: 704: s. 14, 248 706 ff.: S. 70 Menaechmus: 57 ff.: s. 55f.
PLINIUS d.Ä. nat. hist.: XVII.l.2ff.: S. 36 XXVIII.23 : S. 31 XXXIII.145: S. 208 XXXIV.4.passim: S. 194 XXXV.168: S. 128 XXXVI.2.5f.: S. 36 XXXVI.3.7f.: S. 36 XXXVI.15.114: S. 36 XXXVI.110: S. 35 PLINIUS d.J. Epist.: 1.8.10: s. 42, 199 1.9: s. 220 2.4: s. 57, 97, 170 2.16: s. 164 2.20: s. 60, 70 4.10: s. 164 4.17.9: s. 60 5.1: s. 73, 117, 290 5.7.1: s. 164 5.7.3: s. 208 6.10.3f.: s. 37 6.11: s. 60 6.16: s. 40 6.33: s. 57, 290 6.34: s. 36 7.11.3: s. 60 7.18: s. 42,208 7.20: s. 201, 211 7.20.6: s. 69 7.24: s. 57, 163 7.24.2: s. 15 8.6.1ff. : s. 52 8.16: s. 111, 158
323
Quellenverzeichnis
324
8.18: s. 57, 70 8.18.1: s. 14 10.8.2ff.: s. 208 10.70: s. 39 10.75: s. 39, 53f., 114, 166, 194 10.76: s. 54
Paneg.: 37.2: s. 79, 82 43.1: s. 70, 74, 134 43.4: s. 63 PLUTARCH Cato: 4.4: s. 101 9.6: s. 101 21.8: s. 79
Crassus: 2.1ff.:
s. 82
ep. ad Apo/1.: 10 (106 D): S. 29 12 (107 F): S. 29 Fab. Max.: 13.3ff.: s. 95 moralia: 483 D (peri philad.): S. 58 48 E (kol. kai phil.): S. 70, 71 Numa: 10.3:
s. 101
PROPERTIUS eleg.: II.13 a: S. 49 III.l: S. 40 QUINTILIAN inst. or.: 1.1.20ff.: s. 80 Il.15.6: s. 129 III.6.96: S. 145 III.7.23ff.: S. 91 111.7.26: s. 81 III.8.47: S. 115 III.l1.13: S. 80 V.7.33: S. 129 V.l0.74: S. 53 V.11.35: S. 272 V.l4.12: S. 28 VI (vor 1): S. 22 VI.3.44: S. 80 VI.3.63f.: S. 96 VII.3.2: S. 281 VII.4.37f.: S. 64 Xl.1.61ff.: S. 262 Xl.1 .88: S. 72 (QUINTILIAN) decl. min.: 308: s. 13 333: s. 64 368: s. 64 SALLUST de coniur. Cat.: 54: s. 28
Pompeius: 15.3: s. 69
fragm.: II 47: S. 30
Solon: 21: s. 31,44
SHA Hadrian: 9.6ff.: s. 97 18.3: s. 27 18.5: s. 58, 70, 74, 76 19.5: s. 35 20.4: s. 35, 36
Sulla: 38.1:
s. 69
PORPH. Hor. carm.: 1.2.15: s. 38 4.2.23: s. 33 4.8.22: s. 33
Ant. Pius: 1.27: s. 122 4.8: s. 132
Quellenverzeichnis 8.5: s. 58, 76, 134 12.8: s. 58
Mare Aurel: 7.1: s. 58, 76 Pertinax: 7.3: s. 58, 71, 76, 130 9.7: s. 58 Commod. : 7.6: s. 178 Sept. Sev.: 13.7: s. 179 SENECA Phil. cons. ad Helv.: 10.4: s. 63 14.2f.: s. 81
de ben.: 11.7.4: s. 61 III.l.l ff.: S. 61 111.6: s. 61f., 136 111.13ff.: s. 166 III.13.1: S. 67 III.14.1: S. 67 111.16.lff.: s. 55, 60,67 III.l8ff.: S. 68, 213 IV.11.4ff.: S. 14,60 IV.22.1: S. 60 V.21.1 : S. 55, 60 Vl.19.2: S. 61 Vll.6.3: S. 119 de brev. vitae: 20.5: s. 39 declem.: 1.9.1ff.: s. 58 1.14.1: s. 50f., 57 1.14.2: s. 51, 57, 63, 95 1.15.4f.: s. 98, 128 1.23: S. 61 de cons. sap. : 18.1: s. 63
de ira: 11.33.6: s. 63 111.19.1: s. 63 de vita beata: 24: s. 61 ep. ad Luc.: 19.4: s. 70 52.12: s. 15 70.15: s. 28 88.12: s. 81 114.1f. : S.l5 115.2: s. 15 SENECA Rhet. Controv. : 1.8.5: s. 33 2.5: s. 64 3 pr. 17: S. 64 5.1: s. 25 8.4: s. 28 9.1: S. 64 10 pr. 9: S. 21 10.1.30: s. 126
Suas.: 6.5: s. 40 7.2: s. 40 STATIUS Theb. : 1.633: s. 120 VIII.377ff.: S. 120 STOICORUM VET. FR.: II1 757- 768: S. 28 SUETON Caesar: 78: s. 128 81: s. 128 83.1: s. 102
Augustus: 17.1: s. 58, 85, 102 21: s. 148 28: s. 35
325
326
Quellenverzeichnis
29: s. 128 31.5: s. 39 33: s. 102 36: s. 119 42.2: s. 72 56.1: s. 75, 102, 115 59: s. 102 66.1: s. 115 66.4: s. 58, 69f., 74, 76, 97, 102, 114 67: s. 128 101:S. 70,84, 95, 101,103,132 Tib.: 31.1: s. 195 76:S. 58,95 Ca/.: 16.3: 22.1: 38.2: 38.3:
s. 95
s. 63 s. 58, 63, 76, 85, 114, 118, 122, 140
s. 118
Claudius: 12: s. 119 25: s. 65 Nero: 5.2: s. 64 6.3: s. 58 7.1: s. 63 30.1: s. 64 32: s. 61 32.2: s. 115 37.3: s. 64, 94 45.1: s. 128 Galba: 12: s. 241 17: s. 85 20.2: s. 128 Vitell.: 6:S. 58 14.3: s. 74, 85, 107 Domitian: 9.2: s. 58, 76 12.2: s. 140
vita Hor. : s. 85, 142 TACITUS Agricola: 43.4: s. 58, 76 46.3: s. 35 Annales: 1.9.5: s. 35 2.48.1: s. 103, 133, 134 2.48.2: s. 70, 74, 76 3.72: s. 128 3.76.1: s. 69, 134, 299, 308 4.19: s. 260 6.38.2: s. 71, 115 12.60: s. 119 12.69: s. 58 13.26f.: s. 65f. 13.29: s. 119 13.42: s. 59, 70 13.43: s. 58 13.52: s. 130 14.29.1: s. 71 14.31: s. 61, 76 14.42ff.: s. 222 14.50: s. 75, 152f. 14.53 ff.: s. 59 15.62ff. : S. 26, 59,68 15.70: s. 26 16.1ff.: s. 61 16.10f.: s. 75 16.11: s. 61, 75, 116 16.17.5: s. 76 16.19: s. 16, 26, 48, 71, 116, 126 16.20: s. 48 dialog. de orat.: 13.6: s. 76 hist. : 1.49.1: s. 128 2.49: s. 37 2.95.2: s. 128 4.58.3: s. 122 TERENTIUS Andria: I.l, z. 44: s. 65 1.5, z. 284ff.: s. 47, 144
Quellenverzeichnis Heautotim.: z. 965: s. 50, 55 TERTULLIAN Apo/.: 15: s. 32 50.11: s. 36 de resurr. carn.: s. 33 THEMISTIOS or.: 98: s. 65 TIBULLUS carm.: 11.3.43: s. 35 VAL. FL. 111.316: s. 121
327
VAL. MAX. 2.6.7: s. 65 7.7.2: s. 145 7.8.5ff.: S. 15 8.1.10: s. 129 8.5.6: s. 101 8.14: s. 33 VARRO de ling. /at.: 6.49: s. 38 6.81: s. 107 sat. men: 228.3: s. 79 VELL. PAT. 11.86.3: s. 61, 218 XENOPHON cyropaed.: 1.2.7: s. 65
Sonstige Quellen BRUNS FONTES 111.320: s. 126 CIL: II 4514: S. 37 III 5938: S. 114 II1 (Suppi.I) 6998: S.123 V 4654: S. 29 VI 872ff.: S. 36 VI 1243ff.: S. 36 VI 7579: S. 24 VI 7809: S. 188 VI 9254: S. 123 VI 9258: S. 34 VI 35887: S. 24 X5853: S. 23 XI 970: S. 199 CIRA 1.185: s. 257 I. 218ff.: s. 273
DESSAU 2927: s. 199 6957: s. 37 7212: s. 27f. FIRA II, Nr. 628 (fr. de iure fisc.): S. 127 III, Nr. 31: S. 289 III, Nr. 35: S. 27 III, Nr. 36: S. 123 III, Nr. 47: S. 114 III, Nr. 48: S. 42, 52, 69, 114 III, Nr. 49: S. 42, 49, 204 III, Nr. 55 c: S. 199 III, Nr. 59f.: S. 107 III, Nr. 69: S. 37 III, Nr. 94: S. 42 FRAGMENTA VAT. 321: s. 54 GNOMON d. Id. 36: s. 27' 261
328
Quellenverzeichnis
GROMATICI VET. 271: s. 38 IG II1 1349: S. 34 V 11208: S. 42 ILS 7812:
s. 52
MONUM. ANCYR. (RES GESTAE) 7: s. 100 8: s. 99 16: s. 132 19 ff.: s. 35 34: s. 93 Appendix 1: S. 132 PAP. OXY. VI.968: S. 182 XXVII.2474: S. 58, 257
Stichwortverzeichnis AdoptionS. 145ff., 205ff. Adoptions- und Legatentestament S. 46 alienatio iudicii mutandi causa S. 126, 130 alumnus S. 263ff. Auflagen, testamentarischeS. 162ff., 185ff., 188f., 218f., 304 Außenbeziehungen S. 228ff., 230ff. Bedingungsausfall S. 156ff., 158ff., 184f., 193f., 199ff., 205ff., 224ff., 242 ff., 244ff., 252f. , 305 Befreiungsvermächtnis S. 262 f. Begräbnisriten S. 23ff., 31 captatores S. 52, 70f., 84, 246ff. causa Curiana S. 57, 90, 286ff. cautio Muciana S. 148 chirographum S. 301f. Dankbarkeit, generationenüberschreitende S. 60, 106 dies cedens S. 119ff., 156, 238, 270ff., 300,303 dispensator S. 238ff. Eigentumsverständnis S. 78ff. emancipatio S. 145ff., 167ff., 182 Empfehlungen, unverbindlicheS. 171 ff., 176ff. Erbunwürdigkeit S. 260ff., 297 Erwartungshaltung, gesellschaftliche s. 16, 51, 101ff. Ethische Schriften S. 47 expromissio S. 300f. Familienordnung, patriarchalische s. 280f. Familienschutz S. 75f., 105, 138, 145, 257ff. favor libertatis S. 152, 172, 228, 230, 240, 242 favor testamenti S. 88f. fideicommissum tacitum S. 169, 295ff. Freilassungsklausel S. 147ff., 153ff. , 171ff., 235ff. Geschenk-KaufS. 72f.
Historikerberichte (über Erbverhalten) s. lOlf. honos institutionis S. 106 immortalitas S. 15, 33 Insolvenz S. 97, 138 IrrtumS. 178ff. Kapitols-Klausel S. 305ff. Kommorienz S. 298f. Konsulatsbelohnung S. 223f. Lanuvium S. 27 Latini Iuniani S. 273f. Iaudatio Turiae S. 36 Iex Aelia Sentia S. 65, 235 Iex Cornelia de falsis S. 281, 305 Iex Falcidia S. 56, 83, 137, 189ff., 213, 225, 229f. Iex Fufia Caninia S. 228, 235, 304 Iex Pompeia de parricidiis S. 260 Iex Voconia S. 252, 254, 256, 277 nichteheliche Kinder S. 164, 270ff. patrimonium Caesaris S. 123, 132 persona incerta S. 121, 216 plus nuncupatum minus scripturn S. 84f. Poenallegate S. 133ff. , 150 potentior S. 127, 131 Prozeßfairneß S. 128ff. querela inofficiosi testamenti S. 50f., 55, 73, 77, 114, 131ff., 141,213 regula Catoniana S. 219ff., 237 regula Sabiniana S. 157 relegatio S. 214ff. revocatio in servitutem S. 65ff. Schädigungsabsicht S. 147ff. , 200 Scheidung S. 181 ff. Schmähung S. 200 Schmeichelei S. 16, 48, 71 f. SchimpfnamenS. 152 SC Macedonianum S. 176 SC Neronianum S. 212 SC Orfitianum S. 179 SC Pegasianum S. 136ff.,
330
Stichwortverzeichnis
SC Silanianum S. 26, 221ff. SC Trebellianum S. 137ff. si quis omissa causa S. 224ff. Sohnesbevorzugung S. 278ff. Sprache S. 21 f. StatussymbolS. 69, 103, 142, 187, 189, 201, 303 Streitbeilegung S. 173f., 174ff. Substitution S. 289ff., 292ff. Teilungsvermächtnis S. 276f. Tempel, ErbeS. 203ff., 207ff. Testamentspublizität S. 83ff. testamenturn porcelli S. 78 Testierfreiheit S. 178
Todesvorstellungen S. 29f., 120 Tutorenbestellung S. 288f. Universal-Fideikommiß S. 136ff. Wettkämpfe, SchauspieleS. 32, 42, 196f., 197f. verba-voluntas S. 89f., 235 ff., 282f., 286ff., 288, 308f. Vermächtnisumfang S. 200ff., 209ff., 212 f., 218f. Vermögensumverteilung S. 52, 82ff. Verteilungsstrategie S. 266f. Zuwendungswille, Teilbarkeit S. 268ff. Zweckbestimmung, Änderung der s. 194ff.