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German Pages 54 Year 2023
Pädagogik
Alina Finkeldey
Die Heilung eines Blinden bei ]ericho im Religionsunterricht der Grundschule. Eine exegetische Auslegung und Unterrichts entwurf zu Mk 10,46-52
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Alina Finkeldey
Die Heilung eines Blinden bei Jericho im Religionsunterricht der Grundschule. Eine exegetische Auslegung und Unterrichtsentwurf zu Mk 10, 46-52
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Universität Bielefeld Sommersemester 2022
Bachelorarbeit im Schwerpunktfach Evangelische Theologie zum Thema
Die Heilung eines Blinden bei Jericho im Religionsunterricht der Grundschule
Eine exegetische Auslegung und Unterrichtsentwurf zu
Mk 10, 46-52
Name: Alina Finkeldey Fachsemester: 6.0
Inhaltsverzeichnis
l. Einleitung ................................................................................................... 1 2. Sachanalyse: Exegese zu Mk 10, 46-52 ................................................................. 2 2.l. Text: Abschrift des zugrunde gelegten Textes .............................................. 2 2.2. Analyse des Textes ............................................ . .... . .......... ... . .... . ......... 3 2.2.l. Abgrenzung und Kontext .......................................................... .3 2.2.2. Ausfonnulierte Gliederung ..... . .... .. ... .... .... . .... ... .. ... ... .... .... . .... .... .4 2.2.3. Abgrenzung von Tradition und Redaktion ....................................... 6 2.2.4. Gattungsbestimmung der vonnarkinischen Überlieferung ..................... 8 2.2.5. Begriffsbestimmung bzw. religions geschichtliche Analyse ................... 9 2.3. Interpretation ......................................................................... ... . ....... 11 2.3.l. Interpretation der vonnarkinischen Überlieferung ............................. 12 2.3.2. Interpretation des markinischen Textes .......................................... 14 2.3.2.l. Interpretation des Textes an sich . .... . .... .. ... .... .. .... .... 14 2.3.2.2. Interpretation des Textes im Gesamtrahmen des Mk ...... 17 2.4. Die Bedeutung des Textes heute ............................................................ 19 3. Bedingungsanalyse ....................................................................................... 21 4. Unterrichtsentwurf. ....................................................................................... 23 4.1 Aufbau der Unterrichtsreihe ................................................................... 23 4.2 Didaktische und methodische Analyse zur Unterrichtseinheit ........................... 28 4.3 Aufbau der Unterrichtsstunde ................................................. . .... . .......... 30 4.4 Didaktisch und methodische Analyse zur Unterrichtsstunde ............................ 34 5. Fazit .... .... . .... .. ... .... .... . .... .. ... .... .... . .... .. ... .... .... . .... .. ... .... .... . .... ...... ..... ... ..... .36
Literaturverzeichnis
Anhang
1. Einleitung
Nicht nur in der Bibel, sondern auch in unserem Alltag stoßen wir immer wieder auf Themen wie Leid, Krankheit und den damit verbundenen Glauben. Gerade in den vorherigen zwei Jahren, durch die herrschende Corona-Pandemie, kommt den Themen eine besondere Bedeutung zu. Auch privat spielen diese Themen derzeit in meiner Familie eine wichtige Rolle. Meine Oma ist seit einigen Monaten schwer krank, genauer gesagt unheilbar krank, weswegen Krankheit, Vertrauen und vor allem der Glaube im Fokus meines Lebens stehen und somit auch die Frage nach der Heilung. In dieser Bachelorarbeit möchte ich eine Unterrichtseinheit im Fach Religion, ausgehend von der Perikope Mk 10, 46-52, darstellen. Das Ziel dabei ist es, die inhaltlichen Aspekte durch die zentralen Aussagen der neutestamentlichen Wundergeschichte zur Heilung eines Blinden bei Jericho aufzuzeigen. Den Schülerinnen und Schüler! der Grundschule soll dabei die Wundererzählung der Heilung des blinden Bartimäus, in einer praxisnahen Unterrichtseinheit, auf die von ihnen vorhandenen Voraussetzungen, nähergebracht werden. In der von mir ausgewählten Perikope aus dem Markusevangelium geht es dabei um das Blindsein und die Heilung durch Jesus Christus.
Die vorliegende Arbeit ist in zwei Hauptteile eingeteilt. Der erste große Teil umfasst die Sachanalyse in Form einer Exegese. Weil die spätere Unterrichts einheit auf der Erzählung Mk 10,46-52 basiert, beginnt die Arbeit mit dieser ausführlichen Sachanalyse. Zum einen möchte ich durch die neutestamentliche Exegese "zu einem tieferen Verständnis des Gotteswortes führen, wie es sich in der geschichtsgebundenen Gestalt des Neuen Testaments darbietet, dessen theologischen Gehalt zu erfassen und seine Botschaft für den heutigen Menschen zum Sprechen zu bringen. ,,2 Zum anderen soll neben der historischen Ebene aufgezeigt werden, welche Elemente der damaligen Botschaft noch heute von Bedeutung sind. Mögliche Besonderheiten, den Entstehungshintergrund sowie eventuelle Zusammenhänge untereinander, möchte ich mit einer historisch- kritischen Methode darstellen. Nachdem die Ergebnisse der Sachanalyse in einem Zwischenfazit gesammelt wurden, beginnt der zweite große Teil meiner Arbeit, der religionspädagogische Teil. Zunächst wird in einer Bedingungsanalyse erläutert, mit welchen SuS die konzipierte Unterrichtseinheit durchgeführt wird. Dabei werden Alter, Schule, soziales Umfeld und religiöse Sozialisierung näher beschrieben. Die Erkenntnisse aus der Sachanalyse sollen nun in einem Unterrichts entwurf verwertet werden. Konkret soll dies anhand einer von mir konzipierten Unterrichtseinheit deutlich werden. Danach wird diese didaktisch kommentiert, indem Bezug zum Lehrplan genommen wird
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Im Folgenden mit SuS abgekürzt. Zimmermann, Heimich: Neutestamentliche Methodenlehre. Darstellung der historischen Methode. Stuttgart 1982,
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und Lernziele erläutert werden. Als Letztes wird eine Unterrichtsstunde genauer dargestellt und ebenfalls kommentiert. Ein Fazit soll meine Arbeit abrunden.
2. Sachanalyse: Exegese zu Mk 10, 46-52 2.1. Text: Abschrift des zugrunde gelegten Textes
Die Heilung eines Blinden bei Jericho
Mk 10,46-52; Mt 20,29-34; Lk 18,35-43
46 Und sie kamen nach Jericho. Und als er aus Jericho hinausging, er und seine Jünger und eine
große Menge, da saß ein blinder Bettler am Wege, Bartimäus, der Sohn des Timäus. 47 Und als er hörte, dass es Jesus von Nazareth war, fing er an zu schreien und zu sagen: Jesus, du Sohn Davids, erbarme dich meiner! 48 Und viele fuhren ihn an, er sollte schweigen. Er aber schrie noch viel mehr: Du Sohn Davids, erbarme dich meiner! 49 Und Jesus blieb stehen und sprach: Ruft ihn her! Und sie riefen den Blinden und sprachen zu ihm: Sei getrost, steh auf! Er ruft dich! 50 Da warf er seinen Mantel von sich, sprang auf und kam zu Jesus. 51 Und Jesus antwortete ihm und sprach: Was willst du, dass ich für dich tun soll? Der Blinde sprach zu ihm: Rabbuni, dass ich sehend werde. 52 Und Jesus sprach zu ihm: Geh hin, dein Glaube hat dir geholfen. Und sogleich wurde er sehend und folgte ihm nach auf dem Wege.
Es wurde sich in dieser Arbeit für die Übersetzung von Luther 2017 entschieden. Dies hat den Grund, da die eigentliche Übersetzung der Bibel in die deutsche Sprache auch von Martin Luther durchgeführt wurde. Liest man seine Übersetzung, wird einem schnell bewusst, dass seine Ausdrucksweise, also sein mündlich gesprochenes Deutsch, durch die gewählten Worte und der Bildhaftigkeit von jedem Menschen in Deutschland, unabhängig vom Bildungs stand verstanden werden kann. Er wählte eine Sprache, die in die Lebenswirklichkeit der Menschen zu seiner Zeit passte. Da sie nach wie vor die offizielle Bibelausgabe der protestantischen Kirche ist, passt sie aus meiner Sicht am besten zu dieser Arbeit.
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2.2. Analyse des Textes Im folgenden Kapitel werden Kontext und Bibelstelle der vorliegenden Perikope herausgearbeitet. Ich werde aufzeigen, in welchem Mikrokontext der Text aus Markus 10, 46-52 verortet ist und welchen Stellenwert dieser im Gesamtwerk des Markusevangeliums einnimmt. Darüber hinaus werde ich die Verse in eine sinnvolle Gliederung bringen und anschließend eine Literarkritik vornehmen. Des Weiteren beschäftige ich mich mit der Gattung des Textes, bevor ich abschließend eine Begriffsbestimmung bzw. eine religions geschichtliche Analyse darlege.
2.2.1. Abgrenzung und Kontext Die Perikope Die Heilung des blinden bei Jericho ist die letzte Wundergeschichte des Markusevangeliums und stellt den Übergang zur Passionsgeschichte dar. Mit ihr schließt Markus den zweiten Hauptteil seines Evangeliums mit dem Thema Jünger Belehrung über die Leidensnachfolge ab, bevor im anschließenden Kapitel II im letzten Hauptteil über Jesu Wirken in Jerusalem berichtet wird. Grundsätzlich ist die Perikope Mk 10, 46-52 nach vorne und hinten abgegrenzt, allerdings auch mit dem Vorausgehenden verbunden. Sowohl im ersten als auch im letzten Vers der vorliegenden Perikope ist der Weg benannt, auf dem Nachfolge geschieht und der schlussendlich nach Jerusalem führt. Somit handelt es sich um Jesu letzte Wegstrecke 3, also den Weg von Jericho hinauf nach Jerusalem. Zu Beginn der Perikope, dem Ankommen in Jericho, beginnt eine neue Erzählhandlung, weil die vorherige Leidensankündigung mit Mk 10, 46 abgeschlossen ist. Am Ende der Perikope findet ein reibungsloser Übergang statt, da der erste Vers des Il. Kapitels noch auf dem im Vers 52 genannten Weg spielt und es sich bereits um den Einzug nach Jerusalem handelt. Dadurch liegt mit der Einzugsgeschichte nach Jerusalem die Übergangs geschichte zur eigentlichen Passionsgeschichte vor 4 Das Ende der Perikope ist dadurch gekennzeichnet, dass der geheilte, sehende Bartimäus sich dem Weg Jesu anschließt. Auf das Vorherige wird hierbei zum letzten Mal Bezug genommen. Mk 11, I beginnt anschließend wieder mit einer neuen Erzählhandlung. Grundsätzlich stellen die Kapitel I, I - 8,26 den ersten Teil des Markusevangeliums dar. Am Anfang wird die Wirksamkeit Jesu erläutert, wozu die Berufung der zwölf Jünger (1,16-1,45) und die Streitgespräche mit den Pharisäern (2,1-3,12) gehören. Es folgt die Überlieferung der Gleichnisse (4,1-34) sowie die Wundergeschichten (4,35-5,43), welchen eine besondere Bedeutung zukommen. Mit der Aussendung der Jünger (6,7-13) und dem Wirken außerhalb Galiläas endet der erste Teil des Evangeliums. Der erste Teil des Markusevangeliums wird daher auch Jesu Wirken in Galiläa und unter den Heiden genannt. Die Kapitel 8, 27 - 10, 3 4
Vgl. Rienecker, 1989, 195. Vgl. Fesch, 1984, 296.
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52, in welcher sich auch die vorliegende Perikope befindet, bilden die Jünger Belehrung über die Leidensnachfolge Jesu und gehören zu dem zweiten Teil des Markusevangeliums. "Am Schluss dieses Hauptteils (10, 46-52) folgt Markus wie zu Beginn (8, 27-33) der vormarkinischen Passionsgeschichte, welche mit ihren Reisenotizen die Gliederung bestimmt. "5 Die letzten Kapitel 11,25-13,37 befinden sich im letzten Teil des Evangeliums und beinhalten Jesu Wirken in Jerusalem und den Tod und Auferstehungserzählung (14,1-16,20)6 In anderen Worten auch Jesus Weg zur Passion. Dadurch lässt sich darauf schließen, dass Die Heilung des blinden Bartimäus somit der Leidensankündigungen zuzuordnen ist. Die vorliegende Perikope Die Heilung eines
Blinden bei Jericho steht mit der Heilung eines Blinden in Mk 8, 22-26 in einem Zusammenhang für den Weg von Galiläa nach Jerusalem. 7
2.2.2. Ausfonnulierte Gliederung des Textes Im Folgenden soll die vorliegenden Perikope Mk 10, 46-52 ausführlich gegliedert werden. Die Perikope lässt sich insgesamt in drei Teile einteilen, Einleitung, Exposition, Schluss, wobei die Exposition auch wiederum dreiteilig gesehen werden kann. Der erste Teil stellt die Einleitung in Vers 46 dar. Dabei wird in den neuen Ort des Geschehens, Jericho, eingeleitet, sodass ein neuer Erzählabschnitt herrscht und die Geschichte eigenständig zu betrachten ist. Bezüglich des Ortes ist auffallig, dass die Stadt Jericho in der Einleitung gleich zweimal benannt wird, wobei "er" im darauffolgenden Satz die Stadt Jericho wieder verlässt. Über das Geschehen in der Stadt wird nicht berichtet. Des Weiteren fallt es auf, dass Jesus und seine Jünger im ersten Satz durch das Personalpronomen "sie" ersetzt werden. Erst in Vers 46b werden die handelnden Personen, Jesus, seine Jünger, eine große Volksmenge sowie erstmals der hilfsbedürftige Sohn des Timäus, Bartimäus, namentlich benannt. Für eine Wundergeschichte ist die Nennung eines Namens eher untypisch, sodass dieser Perikope dadurch einen biografischen Klang verliehen wird 8 Eine weitere Auffalligkeit der Einleitung ist der Tempuswechsel von Präsens und Präteritum. Für Zimmermann rückt das Präsens das vergangene Ereignis nahe an die Gegenwart heran 9 Der Tempuswechsel von der Gegenwart in die Vergangenheit ist für den Evangelisten typisch, wobei der Wechsel ins Präteritum in Vers 47, bis auf die eine Ausnahme in Vers 49, anhält. Die Exposition
Fesch, Rudolf: Das Markusevangelium. In: Herders theologischer Kommentar zum Neuen Testament, Band lI/I, Herder, Freiburg im Br. Aa. 1976 (HThK), S 36. 6 Vgl. Bayer, Hans F.: Das Evangelium des Markus. In: Historisch- Theologische Auslegung: Neues Testament, SeM Brockhaus, Willen! Brunnen, Giessen 2008 (HTA), S.64-65. 7 Vgl. Ebd. 8 Vgl. Zimmermann, Ruben. Dormeyer Detlev: KOMPENDIUM der frühchristlichen Wundererzählung. Band I: Die Wunder Jesu, Gütersloh 2013, S. 360. 'Vgl. Ebd. 5
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beginnt ab Vers 47, welche sehr umfangreich und dynamisch erzählt wird. Während die Begegnung des Blinden mit Jesus sehr ausführlich erzählt wird, ist die Heilung nur sehr knapp geschildert. Auffallig hierbei ist, wie der Blinde Jesus anspricht. In Vers 47 und Vers 48 spricht er Jesus mit "Sohn Davids" an, bevor er schließlich noch in Vers 51 das Wort "Rabbuni" benutzt. Nach Zimmermann wird der Name Bartimäus in der Perikope zum "Pendant" des Davidsohn- Titel Jesu.!O Die Hinführung zur Heilung erfolgt dialogisch. Dabei findet in Vers 47 ein Hilferuf des Bartimäus statt, im darauffolgenden Vers eine Hinderung des Hilferufes durch die Volksmenge, gefolgt von einem weiteren, verstärkten Hilferuf des Sohns Timäus (V 48). Der Höhepunkt der Perikope, sowie der dreiteiligen Exposition, wird durch das Umdrehen des Sohn Davids in Vers 49 beschrieben. Durch diese Reaktion Jesu, geht die Wende des Geschehens hervor. Bartimäus wird von Jesus herbeigerufen, wodurch der Höhepunkt der Perikope vorbereitet wird. Es folgt eine stürmische Reaktion des Blinden in Vers 50, sodass nun ein direkter Kontakt zwischen Jesus und dem Kranken herrscht. Im Fokus steht dabei die komplette Erschwernis, die Bartimäus bei dieser Annäherung zu Jesus besitzt. Auch die Begegnung mit Jesus endet in einem Dialog.!! Es findet eine direkte Kontaktaufnahme in Vers 51 statt, in der Jesu nach der Erwartung des Kranken fragt. Auf die zweifachen Hilferufe des Blinden folgt ebenfalls ein zweifacher Zuspruch, zum einen aus der Volksmenge in Vers 49c und zum anderen von Jesus selbst. Der Blinde spricht seine Bitte um Heilung aus, sodass in Vers 52 die Entlassungsformel zum Ausdruck gebracht wird. Die Entlassungsformel ist hierbei als Heilungswort zu verstehen, die zugleich auch die Pointe beinhaltet: die Wirksamkeit des Glaubens.!2 Dadurch wird dem Glauben eine neue wundersame Wirkung zugeschrieben. Es folgt die Heilung, welche durch den geheilten Bartimäus veranschaulicht wird. Der Glaube des Bartimäus rückt währenddessen in den Fokus und die Heilung in den Hintergrund der Perikope, wodurch die TextsteIle keine klassische Wundererzählung ist. Nach Theißen und Pesch weist die vorliegende Perikope trotz alle dem noch Merkmale eines Heilungswunders in ihrem Aufbau und ihren enthaltenden Motiven auf. Deswegen ist diese Perikope als eine veränderte christliche Form einer Wundergeschichte zu verstehen. 13 Am Schluss fallt ebenfalls auf, dass die Heilungsgeste selbst sowie die Reaktion der Menge in dieser Perikope fehlen. Mit Vers 52b wird die Geschichte durch das Weitergehen des Pfades nach Jerusalem beendet. Jesus verlässt ohne weitere Handlungen und Ereignisse die Stadt
vgl. Ebd., S. 360. Vgl. Kertelge, Kar!: Die Wunder Jesu im Markusevangelium. S. 180. 12 Vgl. Dschulnigg, Peter: Das Markusevangelium, S. 289. 13 Vgl. Gnilka, Joachim: Das Evangelium nach Markus. In: Evangelisch- Katholischer Kommentar zum Neuen Testamen~ Band 11/2, Benziger u.a., Zürich [u.a.] 1979 (EKK), S. 109. 10 11
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Jericho, wodurch eine Parallele zur Einleitung festzustellen ist, da Jesus dort ebenfalls handlungslos die Stadt Jericho betritt. Nach Zimmennann wird dadurch aufgezeigt, dass sich Jericho noch im Ungleichgewicht befindet, was durch den blinden Bettler veranschaulicht wird. 14
2.2.3. Abgrenzung von Tradition und Redaktion In diesem Abschnitt soll überprüft werden, ob es für die vorliegende Perikope schriftliche Vorstufen, also vormarkinische Texte, gibt. Dabei gibt es drei verschiedene Möglichkeiten, die Texte zu verändern: Umgestaltung, Ergänzung und Kombination. Aus diesen drei unterschiedlichen Veränderungsmöglichkeiten ergibt sich das Markusevangelium (markinisch), so wie es uns heute vorliegt. Grundsätzlich liegt in den Wunderberichten überwiegend "Traditionsmaterial vor, das der Evangelist redaktionell bearbeitet und seinen Zweck dienstbar gemacht hat. "15
Bereits zu Beginn sind Dopplungen zu erkennen. In Vers 46 fällt, wie bereits angeschnitten, auf, dass der Ort Jericho gleich zweimal benutzt wird. Zwischen "Und sie kommen nach Jericho." und "Und als er aus Jericho hinausging mit seinen Jüngern und einer zahlreichen Volksmenge [ ...
r
kann von einer Lücke ausgegangen werden. Zuerst kamen "sie" nach Jericho, wäh-
rend im darauffolgenden Satz "er" ohne jegliche Handlungen die Stadt Jericho wieder verlässt. Bezüglich redaktioneller Motive könnte es sein, dass Markus den Fokus auf den Weg von Jericho nach Jerusalem setzten wollte, um auf die darauffolgende Passionsgeschichte hinzuleiten. Ein weiterer Gedanken wäre, dass der Satz "Und sie kamen nach Jericho" sekundär von Markus eingefügt wurde, wenn die Personenvorstellung betrachtet wird. Es wird erzählt, dass "seine Jünger und eine zahlreiche Volksmenge" mit ihm zog. Hätte Markus tatsächlich den Satz "Und sie kamen nach Jericho" sekundär eingefügt, hätte ohne diese Information der Bezug zum Satz "Und als er aus Jericho wegging" gefehlt. Markus hat womöglich absichtlich Ereignisse in der Stadt Jericho mit Hinblick auf seine Theologie und der Relevanz nicht erzählt. Die Erwähnung der Jünger und einer zahlreichen Volksmenge in V 46 schreibt Gnilka der Redaktion des Evangelisten
ZU.
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Pesch ist der Meinung, dass Jesus den Sabbat in Jericho verbracht haben könnte. Dieser
ist dann wahrscheinlich an einem Freitag in Jericho angekommen und hat am Sonntag seinen Weg nach Jerusalem fortgesetzt 17 Weil die Blindenheilung auf dem Weg zwischen Jericho und
Vgl. Zimmermann, Ruben: KOMPENDIUM der frühchristlichen Wundererzählung, S. 360. Vgl. K. Kertelge, Wunder Jesu im Markusevangelium, S. 46. 16 Vgl. Gnilka, Joachim: Das Evangelium nach Markus, S. 108. 17 Fesch, Rudolf: Das Markusevangelium 11. Teil. Kommentar zu Kap. 8, 27-16, 20 S. 299. 14 15
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Jerusalem stattfindet, was die Notwendigkeit erklärt, wieso das Verlassen der Stadt Jericho erwähnt wurde, geht Pesch ebenfalls davon aus, dass Ankunft und Verlassen Jerichos vormarkinische Tradition sind. 18 Der Name des Geheilten sowie der Ort Jericho sind überliefert worden und gelten als ursprünglich. 19 Markus benutzt den Namen "Bartimäus" sekundär als "Sohn des Timäus"20 Markus bereitet auf darauf folgende Einzugsgeschichte vor, indem er in Vers 46a den Ort explizit benennt, den Titel "Sohn Davids" in Vers 47 und in Vers 52b den Weg erwähnt 21 Die Anrede "Sohn Davids" in Vers 47 kann nach Gnilka weder als "markinisches Anliegen noch als Vorbereitung der Einzugzugsperikope angesprochen werden", weshalb er diese als vormarkinisch sieht 22 Nach Grundmann gehört jedoch der Titel "Sohn Davids" zum "Messiasgeheimnis des Markus", weil dieser in keinem anderen Evangelium, weder bei Lukas noch bei Matthäus, auftaucht 23 Dies hebt den Wert dieser Perikope im gesamten Markus Evangelium auf. Die Formulierung "schweigen" in Vers 48 unterstreicht die Erschwernis auf dem Weg des Bettlers, sein Vertrauen zu Gott und den damit verbundenen Glauben zu prüfen. Die bereits erwähnte Annahme, dass die vorliegende Perikope keine übliche Wundergeschichte ist, da spezifische Elemente wie die Heilungsgeste oder das Heilungswort fehlen, wird durch diesen Vers bestätigt. Es wird zum Ausdruck gebracht, dass es Markus in dieser Perikope viel mehr um den Glauben des Bettlers als um das Wunder selbst ging24 , wobei davon ausgegangen werden kann, dass die Geschichte nicht komplizierter abgeändert wurde und genauso erzählt wurde. 25 Auch Vers 49 ist vormarkinisch zu deuten, was auch an der einfach gehaltenen Sprache zu erkennen ist. Das Wegwerfen des Mantels in Vers 50 ist hingegen als eine markinisch. Bartimäus springt auf, wirft seinen Mantel weg, um zu Jesus zu gelangen. Er eilt "wie ein Spalier" zu Jesus, während er "wie von einem Magneten angezogen" wird 26 Der Bettler wirft seinen gesamten Besitz mit seinem Mantel weg, was zum einen seine Armut unterstreicht, zum anderen auch, als griechischer Brauch zu deuten ist, damit er schneller zu Jesus kommt. 27 Bartimäus handelt wie jemand, der noch sehen kann und nicht erblindet ist, was ebenfalls der Glaube des Bettlers hervorhebt. Bisher gab es in der vorliegenden Perikope keine wörtliche Rede von Jesus. Dies ändert sich ab Vers 51. Die Worte von Jesu sowie sein Handeln stehen im direkten Zusammenhang. Des Weiteren
Vgl. Ebd., S 298. Vgl. Gnilka, Joachim: Das Evangelium nach Markus, S. 108. 20 Vgl. Ebd. 21 Vgl. Schmilhals, Waller: Das Evangelium nach Markus., S. 473. 22 Vgl. Gnilka, Joachim: Das Evangelium nach Markus, S. 108. 23 Grundmann, Waller: Das Evangelium nach Markus S. 296. 24Vgl. Gnilka, Joachim: Das Evangelium nach Markus, S. 109 25 Vgl. Ebd., SIlO. 26 Grundmann, Waller (1984): Das Evangelium nach Markus. ThHK 2, Berlin. S. 298. 27 Ebd. 18 19
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wird in Vers 51d die Anrede "Rabbuni" benutzt. Diese aramäische Anrede ist nach Gnilka aristokratisch und kann als markinischer Einschub gedeutet werden. Nach Schmithals hebt dies den markinischen Charakter hervor. da Markus den Sohn Davids Titel Jesus nicht würdig ist und ihn deshalb für unangemessen hält 28 Wie bereits erwähnt. steht der Glaube im Fokus dieser Perikope. Dies ist in Vers 52 zentral. da Jesus dem Bettler mitteilt. dass der Glaube ihm geholfen hat sehen zu können. Durch seine Haltung gilt Bartimäus für Markus als ein Glaubender. Am Ende des Vers 52 wird die Nachfolge des Bettlers bekundet. indem dieser Jesus auf dem Weg folgt. An dieser Stelle ist es erneut wichtig zu beachten. dass die Blindenheilung die letzte Wundergeschichte im Markusevangelium ist und an der Schwelle zur Passion steht. also unmittelbar vor dem Einzug in Jerusalem. da die Nachfolge auf dem Weg Jesu zwangsläufig in der Passion mündet. Während die anderen Jünger weiterhin blind sind. obwohl sie sehen können und nach dem Besten. Größtem und Tollsten streben und sich untereinander streiten. schließt Bartimäus von sich aus Jesus an und folgt ihm auf seinem Wege (V 52). der Weg hinauf nach Jerusalem. Zusammenfassend lässt sich nun sagen. dass Markus die vorliegende Perikope zu Beginn sowie am Ende überarbeitet hat. Dies kann damit begründet werden. dass die Erzählung als keine typische Wundergeschichte zu deuten ist. sondern vielmehr als Nachfolgegeschichte zu verstehen ist. in der der Glaube im Fokus steht. Aus dem am Straßenrand sitzenden. blinden Bettler wird ein sehender Nachfolger bzw ein vorbildhafter Jünger. Die Änderungen am Anfang und Ende der Perikope geben ebenfalls den Eindruck. dass es Markus wichtig war. bei den Leser*innen den Eindruck eines gut organisierten Reisezuges nach Jerusalem zu erwecken.
2.2.4. Gattungsbestimmung der vormarkinischen Überlieferung Bei der Erzählung Die Heilung eines Blinden (Mk 4.35-41) handelt es sich ihrer Gattung nach um eine Wundergeschichte. wobei allerdings zu erwähnen ist. dass nicht alle Wundergeschichten dieselbe Struktur in der Erzählung aufweisen. Das Wunder selbst spielt in der vorliegenden Erzählung keine zentrale Rolle. sondern vielmehr der daraus resultierende Glaube selbst. Somit ist die Mitteilung des Wunders. der Glaube. der eigentliche Zweck der Erzählung. Vergleichen möchte ich die vorliegende Perikope allerdings kurz mit anderen Wundergeschichten. zum einen die Bibelstelle Heilung eines Taubstummen (Mk 7.31-37) und die Erzählung der Sturmstillung (Mk 4.35-41). Bei diesen beiden Erzählungen lässt sich eine fast identische Struktur. wie zu der vorliegenden Erzählung. erkennen. Bei allen drei Wundergeschichten tritt zunächst eine Notsituation auf. Die Exposition wird entweder weiter ausgeschmückt oder nicht. bis schließlich Jesus
28
Vgl. Schmithals. Walter: Das Evangelium nach Markus .• S. 478.
8
oder ein anderer Wundertäter eingreift und das Wunder vollzieht 29 Zum Schluss folgen Auswertung bzw. Reaktionen seitens der Geheilten bzw. der beteiligten Personen oder des Wundertäters selbst. Durch diese Struktur der Wundererzählungen lassen sich viele mündliche Überlieferungen erklären. weil sie einen einfachen Aufbau besitzen und auf fast alle Wunder anzuwenden sind. Bultmann unterteilt die Wundergeschichten in Heilungs- bzw. Naturwunder 30 Bei Heilungswundern rückt für ihn die Güte Jesu in den Vordergrund. während Naturwundern die Macht und Stärke des "Täters" ausdrücken (z.B. Sturmstillung (Mk 4.35-41».31 Demnach handelt es sich bei der Geschichte die Heilung eines Blinden Bartimäus um ein Heilungswunder. da die Gnade Jesus hervorgehoben wird und das Wunder aus einer Heilung besteht. Pesch und Schmithais sind sich über den Grundaufbau der Wundergeschichte einig: Es gibt eine Einleitung. die Notsituation. die Hilfe und abschließend der Chorschluss. Die Funktion der Wundergeschichten als Teil der mündlichen Überlieferungen sollen die Macht Gottes darstellen. Dabei soll hauptsächlich die Allmacht Jesu bzw. Gottes deutlich werden. Jesus wirkt als Wundertäter jedoch nur dort. wo er glaubendem Vertrauen von in Not geratenen Menschen begegnet 32 "Wo Jesus keinen Glauben findet. wirkt er keine Wunder"und so kann er. wie in der vorliegenden Erzählung sagen: ,,Dein Glaube hat dir geholfen. "33 Leser*innen soll durch diese Erzählung gezeigt werden. dass der Glaube sie retten kann. Die Perikope ist als Lehrbeispiel zu deuten. da Bartimäus als Vorbild agiert. Nur wer sich von Jesus "die Augen öffnen lässt" ist in der Lage ihm auf seinem Weg zu folgen und den Leidensweg zu begreifen 34
2.2.5. Begriffsbestimmung bzw. religions geschichtliche Analyse In diesem letzten Absclmitt sollen einige Begriffe der Perikope Mk 4, 35-41 genauer erläutert werden. Als Erstes möchte ich dazu auf den Begriff "Glaube" näher eingehen, weil zum einen dieser eine zentrale Rolle in der vorliegenden Erzählung spielt und zum anderen auch dem Verfasser sehr wichtig gewesen sein muss. Der Begriff "Glaube" kommt in der Bibel insgesamt 337mal vor 35 "Glaube" ist sowohl im alten als auch im neuen Testament von großer Bedeutung. Allgemein gilt ein Christ als ein Glaubender. Im Kontext der Bibel ist dieser Glaube notwendig, um das Heil zu erfahren. "Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht dessen, was man hofft, und
Beispiele sind hierfür einige Propheten im alten Testament, sowie die Jünger Jesu im neuen Testament. (Rettung Jonas im AT). 30 Vgl. Bultmann. Die Geschichte des synoptischen Tradition. 31 Vgl. Ebd. 32 Vgl. B. Kollmann. NTL. Wundergeschichten. S. 40. 33 Ebd .• S. 40. 34 Vgl. Kerte1ge. Kar!: Die Wunder Jesu im Markusevangelium. S. 183. 35 Vgl. bib1eserver.com. Luther 2017. 29
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ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht", ist eine Definition von "Glaube" im Hebräerbrief, Kapitel 11. In der griechischen Übersetzung des AT wird der Begriff "Glaube" als "sich fest machen", ,,festen Halt und Stand gewinnen" verstanden. 36 Glaube wird zudem oft mit den Begriffen "Vertrauen" oder auch "Hören" gleichgestellt. In Bezug auf die vorliegende Erzählung hängt "Glaube" mit "Vertrauen" zusammen. Der Glaube allein ist verantwortlich und somit die Grundlage für das menschliche Vertrauen. Wir Menschen sind auf der Welt so vielen Gefahren und Krankheiten ausgesetzt, welche durch den Glauben und dem Vertrauen auf Gott schützen. Markus möchte damit ausdrücken, dass sich der Glaube auf Jesus Christus und seine Auferstehung gründet37 und dem Wort des Evangeliums geglaubt werden soll. Der Glaube wird durch das Vertrauen bestimmt, wodurch das Vertrauen mit dem Glauben einhergeht. Als" Vertrauen" wird die auf der Treue basierende Sicherheit des Bundesverhältnisses Gottes zu den Menschen bezeichnet. In den Wundererzählungen, bei der Kreuzigung sowie der Auferstehung wird im Neuen Testament Bezug zum Vertrauen, der Hoffnung und der Zuversicht genommen 38 In anderen Worten beschreibt das Vertrauen einen "Grundvorgang zwischen Menschen und Gott. ,,39 Das Verhältnis zwischen Menschen und Gott fallt und steht ganz allein mit dem Gottesvertrauen. "Aller Glaube kommt allein von Gott. "40 Doch ob wir glauben, hängt von den Erfahrungen mit der Wirklichkeit ab. In der vorliegenden Perikope hat das Vertrauen auf Hilfe den Bettler geheilt. Bei Markus bezieht Glaube schon seine Bedeutung aus dem Objekt des Vertrauens, nicht aus dem Vertrauen selbst 41 Das Vertrauen resultiert in der Erzählung Heilung eines Blinden bei Jericho aus dem Glauben, weshalb es erneut bestätigt, dass der Glaube allein im Fokus der Perikope liegt. Einen letzten Begriff, welcher neben "Glaube" und "Vertrauen" in der Erzählung eine tiefere Bedeutung verleiht wird, ist die "Blindheit". In Mk 10, 46-52 wird der Bettler als blind beschrieben ("blinder Bettler", "der Blinde"). Aus medizinischer Sicht ist die Blindheit eine Beeinträchtigung der Augen, in anderen Worten auch "Sehbehinderung". Menschen gelten als blind, wenn das Augenlicht vollständig fehlt. Blindheit kann allerdings auch viel mehr sein. Menschen können sprichwörtlich "blind durchs Leben gehen" oder "blind vor Liebe sein". Ersteres zeigt auf, dass Menschen keine Gefahren sehen können oder sich keine Gedanken um das machen, was um sie herum passiert. Des Weiteren können solche Menschen ebenfalls nicht die
Herders Neues Biblellexikon, S. 260. Vgl. Schlatter, Theodor: Art. Glaube. In: Gutbrod, Kar! (Hg.): Calwer Bibellexikon, S. 414. 38 Vgl. Ebd., S 1078. 39 Weimer, Martin: Art. Vertrauen. In: Fahlbusch, Erwin (Hg.): Evangelisches Kirchenlexikon, bandII. Vandhoeck & Ruprecht, Göttingen 1989, S. 1169. 40 Schäfer, Heinrich: Glaubensleben. In: Neues Handbuch Theologischer Grundbegriffe, 2005, S. 38. 41 Weimer, Martin: Art. Glaube. In:. Fahlbusch, Erwin (Hg.): Evangelisches Kirchenlexikon, bandII. Vandhoeck & Ruprecht, Göttingen 1989, S. 1169. 36
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kleinen, schönen Dinge dieser Welt sehen oder verschließen die Augen vor der Realität. Oft hängt dies auch damit zusammen, dass diese Menschen auch nicht ihre Chancen und die Lösungen, die sich ihnen bieten, sehen können und es ihnen z. B. an Weitsicht oder Menschenkenntnisse fehlt. "Blind sein" kann auch Naivität mit sich führen, indem solche Menschen leicht übers Ohr gehauen werden können. Gerade dies kann auch der Grund dafür sein, dass der ,,richtige" Weg nicht gefunden werden kann, um eine Erschwernis zu entkommen. Menschen, die die Augen vor der Realität verschließen, übersehen bei sich selbst bestimmte Charaktereigenschaften, Schwächen, aber auch Stärken sowie Eigenschaften und Gefühle, weil sie beschämend sind, ihnen missfallen oder auch nicht zur eigenen Idealvorstellung passen. Sind Menschen "blind vor Liebe" kann dies bedeuten, dass sie nicht in der Lage sind, die Fehler und Schwächen des Gegenübers zu erkennen. Menschen können darüber hinaus auch blind für die Liebe Gottes sein, indem sie nicht begreifen, dass Jesus für unsere Sünden gestorben und auferstanden ist. In der vorliegenden Erzählung ist Bartimäus blind, weil er nicht sehen kann. Er ist ein Bettler, wodurch auch der Begriff des "Bettelns" in dieser Perikope eine Bedeutung findet. Bettler gelten als arm, machtlos und abhängig vom Wohlwollen ihrer Mitmenschen. Der blinde Bartimäus verkörpert dieses Bild, ein Bild des verlorenen Menschen, die auf die Hilfe anderer angewiesen sind. Auch Sünder sind blind und arm. Sie erkennen nicht die Botschaft Gottes und sitzen im Dunklen. Sie sind arm in Bezug auf Gott und es gibt für sie keine Hoffnung sowie ein Blinder keine Aussicht hat, wieder sehen zu können. In der Perikope bedeutet die Blindenheilung symbolisch die Öffnung der Augen, zum einen für die leibliche Gesundheit, zum anderen für den Glauben an JeSUS 42
3. Interpretation
Im folgenden Kapitel werde ich sowohl die vormarkinische Überlieferung als auch den markinischen Text interpretieren. Dazu wird bei der Interpretation des markinischen Textes zuerst der Text an sich näher untersucht und anschließend der Text im Gesamtrahmen des Markusevangeliums.
42
Zimmermann, Ruben. Dormeyer Detlev: KOMPENDIUM der frühchristlichen Wundererzählung, S. 87.
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3.1 Interpretation der vonnarkinischen Überlieferung
In diesem Abschnitt soll zunächst die vonnarkinische Fassung der vorliegenden Perikope näher interpretiert werden. Wie in Kapitel 2.2.4 herausgefunden, stellt die vonnarkinische Überlieferung der Heilung des blinden Bartimäus aufgrund ihres Aufbaus und ihrer Motive eine Wundergeschichte dar. Die vorliegende Heilungserzählung ist nach Pesch fest mit der Reise nach Jerusalem verbunden und ebenfalls im Zusammenhang mit der darauffolgenden Einzugsgeschichte steht 43 Da es sich um eine kontextgebundene überlieferte Wundergeschichte handelt, die sich von den missionarischen Einzelerzählungen grundlegend unterscheidet, geht Pesch ebenfalls davon aus, dass Markus nicht redigierend in die vorliegende Perikope eingegriffen hat. 44 Es fallt auf, dass Mk 10, 46-52 sehr dialogisiert und anschaulich beschrieben wurde und dass die expositionellen Motive sehr breit, die zentralen und finalen Motive hingegen knapper ausfallen 45
(46a) Und sie kamen nach Jericho. Im ersten Vers der Perikope werden Handlungsort und Handelnde benannt. Jericho ist besonders bei den jährlichen Paschafestzügen nach Jerusalem als Zollstation und Sammelpunkt der galiläischen Festpilger bekannt und somit ein zentraler Ort der Begegnung. Bei der Ankunftszeit in Jerusalem kann man davon ausgehen, dass es sich um einen Sonntag gehandelt haben muss, dem ein Sabbat-Ruhetag vorausgeht. Die Ankunft in Jericho könnte somit am Freitag erfolgt sein.
(47c) [. . .] er und seine Jünger und eine große Menge [. . .] Die Erwähnung der Begleitpersonen und der Menge ist nach Pesch kein sekundärer Einschub, sondern ein von den Tradenten diktierter erzählerischer Zug 46 Es wird von einer großen Menge erzählt, wodurch davon ausgegangen werden kann, dass sich Festpilger dem ,,zug Jesu"47 angeschlossen haben. Die Menschen wussten daher genau, auf was für einem Weg sie sich befinden und wo die Reise hinführen wird.
(47d) [.] da saß ein blinder Bettler am Wege, Bartimäus, der Sohn des Timäus. Ein Bettler am Wegrand sitzen zu sehen, war zu der damaligen Zeit nichts Ungewöhnliches. Nach Pesch gehörten "Blindheit und Bettelei zu allen Zeiten zusammen."48, wodurch Blinde
43 Fesch, Rudolf: Das Markusevangelium. In: Herdes theologischer Kommentar zum Neuen Testament, Band IIIII, Herder, Freiburg im Br. Aa. (HThK), S. 167. 44 Vgl. Ebd., S 168. 45 Vgl. Ebd., S 168. 46 Vgl. Ebd., S 170. 47 Ebd., S. 170. 48 Ebd., S. 170.
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nichts Außergewöhnliches für die Menschen waren. Nichtsdestotrotz konnte sich niemand, der nicht selbst blind war, in den Blinden hineinversetzten, um so die Furcht und Hoffnung in Jesu von Bartimäus nachzuvollziehen. Der Bettler saß am Wegrand nach Jerusalem, wo ihn die Pilger passieren mussten. Er nutzte seine Chance, Almosen zu sammeln, was vor dem Passafest für fromme Juden verpflichtend war.
(48) Und viele fuhren ihn an, er sollte schweigen. Er aber schrie noch viel mehr:
r]
Dieses Schweigegebot wird von der Menge selbst erteilt, welches die Annäherung an Jesus erschwert. Warum die Menschenmenge den Bettler davon abhalten wollte, zu Jesus zu gelangen, ist unklar. Zum einen wollten die Menschen wolmöglich Jesu die Belästigung des Bettlers ersparen. Zum anderen könnte es nach einer historischen Erklärung sein, dass "Sohn David wie Christus national-politisch interpretierbar und damit gegen Jesu Sendungsanspruch undeutbar war. "49 Es ist gut möglich, dass Jesus durch den Trubel der Menge die Schweigegebote nicht mitbekommen hat. Die anschließende Überwindung der Hürde, ist das Thema dieser Erzählung. Nach Fesch ist ,,Die Steigerung der Hilferufe Ausdruck des Vertrauens
= Glaubens des Hilfesuchen-
den. "50 Sein Vertrauen in Jesus ist so groß, dass der den Widerstand der Menschenmenge überwinden kann. Es verdeutlicht, dass Bartimäus jederzeit auf Gott vertraut und sich daher auch nicht fürchtet. Bei der Menge sowie den Jüngern ist dieses Vertrauen noch nicht vorhanden, da sie verhindern wollen, dass er zu Jesus kommt. Das Bild des Bettlers soll aufzeigen, dass man sich bei Gott sicher fühlen kann und mit seiner Kraft auch Hürden überwindet. Der Blinde wird nicht wie in anderen Wundererzählungen zu dem Wundertäter gebracht, sondern er selbst ist es, der zu J esus geht.
(4&)
r ] "Du Sohn Davids,
erbarme dich meiner!"
In dieser Wiederholung des Hilferufs erkennt man das Glaubensmotiv des Bettlers 51 Erst daraufhin reagiert Jesus selbst und ergreift die Initiative, wobei das Gesandschaftsmotiv zum Vorschein kommt.
(49) Und Jesus blieb stehen und sprach: Ruft ihn her! Und sie riefen den Blinden und sprachen zu ihm: Sei getrost, steh aufl Er ruft dich!
49 50 51
Ebd., S. 172. Ebd., S. 172. Vgl. Ebd., S 169.
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Dieser Vers zeigt, dass Jesus die Not wahrnimmt. Er nimmt in der Menge den einzelnen Menschen wahr und lässt Bartimäus zu sich rufen. Erst ab diesem Zeitpunkt ermutigen ihn die anderen Menschen. Es wird hervorgehoben, dass Mut auch ein Kennzeichen des Glaubens und des Vertrauens ist. Der blinde Bettler wird fahig, aufzuspringen und zu Jesus zu finden.
(51) Und Jesus antwortete ihm und sprach: Was willst du, dass ich für dich tun soll? [ .. ] Interessant ist hierbei, dass Jesus den blinden Bettler nicht einfach schnell heilt, sondern er sich seinem Wunsch bzw. seinen Willen selbst im Klaren sein muss und dies konkret aussprechen muss. Jesus handelt nicht voreilig oder übergriffig. Er achtet vielmehr die Würde und den Willen des Menschen.
(52) Und Jesus sprach zu ihm: Geh hin, dein Glaube hat dir geholfen. Und sogleich wurde er sehend und folgte ihm nach auf dem Wege. Diese Entlassungsformel, die der breiten Exposition folgt, besteht aus den Worten Jesu. Dabei fehlt die Wunderhandlung als solche komplett, was nach Pesch auf ,,konkrete Überlieferungsvorgaben einer Begebenheit auf der Anabasis Jesu nach Jerusalem hinaufweisen, welche die Tradenten der Passionsgeschichte festgehalten haben. "52 Markus muss demnach die Perikope weitgehend unberührt gelassen haben. Es rückt nicht das wunderwirkende Wort Jesu in den Mittelpunkt der Perikope, sondern die Initiative, der Glaube und das Vertrauen des blinden Bartimäus.
Abschließend kann festhalten werden, dass diese Heilungswundergeschichte die Macht des Glaubens und des Vertrauens würdigt, mit dem der blinde Bartimäus das Wunder bewirkt. Zusätzlich soll den damaligen Rezipienten mit der vorliegenden Perikope aufgezeigt werden, was der Glaube bewirken kann.
2.3.2. Interpretation des markinischen Textes 2.3.2.1. Interpretation des Textes an sich
Bevor die vorliegende Erzählung im Gesamtrahmen des Mk interpretiert wird, soll nun zuerst der markinische Teil näher untersucht werden. Wie bereits herausgefunden, hat Markus seinen Text mit besonderem Interesse an dem Glauben und dem Nachfolgegedanken überliefert.
52
Vgl. Ebd., S 169.
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Der vorbildliche Glaube des Bartimäus, aber auch die Nachfolge und das Weg-Motiv stehen im Mittelpunkt der Perikope. Es ist wichtig, den Kontext der Perikope zu betrachten, damit die markinische Intention verstanden werden kann. Mk 10, 46-52 befindet sich am Ende des Weges Jesu nach Jerusalem, wodurch sich die letzte Wundergeschichte des Evangelisten an einer bedeutsamen Stelle des Evangeliums abspielt. Da die Perikope eng mit dem Weg Jesu nach Jerusalem verbunden ist, steht diese im Zusammenhang mit der darauffolgenden Einzugsgeschichte.
(46) Und sie kamen nach Jericho. Und als er aus Jericho hinausging,
r]
Jericho, der Ort des Geschehens, gehört zweifellos schon zur vormarkinischen Vorlage, obwohl der nachfolgende Vers 46b als markinische Redaktion verstanden werden kann, was sich durch die sehr umständliche Angabe erklären lässt. Der Evangelist hat den eigentlichen Handlungsort vom Orts eingang an den Ortsausgang verlegt, um so die Nachfolge des Bartimäus zu verdeutlichen. Markus lenkt so den Fokus der Perikope auf den Nachfolgegedanken. Nach Kertelge wird "die Blindenheilung zu einer vorösterlichen, vorwegnehmenden bildhaften Darstellung des österlicheschatologischen Wirkens Jesu. ,,53 Die Wegleitung der Jünger wird damit ein ganz neuer Ausdruck verliehen und ermöglicht ihre Nachfolge auf dem Weg. 54
Markus bringt im gesamten Kontext gesehen indirekt das Jüngerunverständnis zum Ausdruck, das ein Thema des gesamten Markusevangeliums ist. Auf dem Weg nach Jerusalem hat Jesu die Jünger dreimal über sein bevorstehendes Leid unterrichtet: Mk 8, 31-33; Mk 9,30-34; Mk 10, 32-41. Die Jünger reagierten dabei allerdings jedes Mal mit Unverständnis gegenüber Jesu und konnten sein Leid nicht realisieren. Die Heilung eines Blinden bei Jericho lässt sich somit unter anderem als eine Belehrung der Jünger interpretieren. Die Jünger sollen aus ihrem Unverständnis heraus und hin zum Glauben geführt werden. Nicht nur äußerlich soll der Weg mit Jesus gegangen werden, sondern auch innerlich soll die Bereitschaft der Nachfolge begriffen werden, wodurch der vorbildliche Glaube des Bartimäus große Bedeutung in der Erzählung gewinnt. Bartimäus steht dabei im Kontrast zu den Jüngern. Für Gnilka ist es nicht notwendig, die umständliche Umformung einer Wundergeschichte anzunehmen. 55 Um das Nachfolgemotiv in die traditionelle Überlieferung mit einzubauen, hat Markus mit hoher Wahrscheinlichkeit diesen Kontrast genutzt. In der Perikope liegt der Fokus auf dem blinden Bartimäus, da überwiegend aus der Perspektive des Bettlers erzählt wird. Der Leser/die Leserinnen bekommt dadurch Anteil an der
53 54 55
Kertelge, Kar!: Die Wunder Jesu im Markusevangelium, S. 181. Vgl. Ebd., S 181. Vgl. Gnilka, Joachim: Das Evangelium nach Markus, S. 109.
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Verzweiflung des Bartimäus. Die Handlungen Jesu sowie das Wunder selbst werden kaum beschrieben, wodurch das Interesse des Erzählers komplett auf der Person des blinden Bartimäus ruht.
(52) Und Jesus sprach zu ihm: Geh hin, dein Glaube hat dir geholfen. Und sogleich wurde er sehend und folgte ihm nach auf dem Wege. Auch am Ende der Perikope ruht das Interesse weiterhin auf Bartimäus. Weder eine Lobpreisung noch eine Verkündigung durch den Geheilten finden statt. In diesem Vers wird lediglich eine Demonstration aufgezeigt, dass Bartimäus Jesu auf seinem Weg nach Jerusalem folgt. Es kann davon ausgegangen werden, dass das Interesse an der Person Bartimäus vormarkinischer Tradition zu verdanken ist und Markus diese in der Perikope vermutlich noch verstärkt hat. Außerdem lässt sich in diesem Vers besonders der Nachfolgegedanke erkennen. Gnilka schließt hierbei die redaktionelle Hinzufügung des Markus nicht aus 56 Auch der Chorschluss fehlt, wodurch der Nachfolgegedanke verstärkt wird. Mit hoher Wahrscheinlichkeit war der Chorschluss in der vormarkinischen Vorlage vorhanden.
Wie bereits erläutert, erfolgt die Belehrung der Jünger durch den Glauben und der Nachfolge das Bartimäus. Das Wunder selbst hingegen stellt in der vorliegenden Perikope nur das Mittel für die Belehrung der Jünger dar. Der Bettler allein wird aktiv, während das Handeln Jesu in den Hintergrund rückt. Dies verdeutlicht, dass die Belehrung selbst in den Vordergrund treten soll und eben nicht die Handlung Jesu.
(50) Da warfer seinen Mantel von sich, sprang auf und kam zu Jesus. Dieser Vers zeigt, dass Bartimäus selbst derjenige ist, der die Initiative in dem Geschehen ergreift. Diese Geste dient der Veranschaulichung des Glaubens und kann als markinischer Einschub verstanden werden. Weder bei Lukas noch bei Matthäus kommt dieser Einschub in der Perikope vor 57 Es kann ebenfalls bedeuten, das Bartimäus einen Neuanfang beginnt. Mit dem Mantel warf er als armer Bettler sein komplettes Hab und Gut weg und beginnt auf seinem neuen Weg ein neues Leben.
56 57
Ebd. Vgl. Fesch, Rudolf: Das Markusevangelium, S. 173.
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Abschließend lässt sich festhalten, dass die Erzählung Heilung eines Blinden bei Jericho die Chronologie der Wundergeschichten im Markusevangelium beendet. Durch die markinische Redaktion kommt der Nachfolgegedanke klar zum Ausdruck. Allerdings steht auch fest, dass die Perikope Markus zum größten Teil schon vorlag. Mk 10, 46-52 wird benutzt, um den Einzug in Jerusalem vorzubereiten, wodurch er das Weg-Motiv stärker anpreisen muss. Des Weiteren möchte der Evangelist gegen den Unglauben der Jünger lehren, was er durch den vorbildlichen, lehrhaften und gläubigen Charakter Bartimäus verdeutlicht. Der Glaube allein auf die Macht Gottes, die in Jesus wirkt, ist notwendig, um den Weg zur Erkenntnis der Person Jesu zu vollziehen. Hätte Bartimäus kein Vertrauen in Gott gehabt, hätte er nicht geheilt werden können, wodurch die Perikope von Markus zu einer christlichen Glaubensgeschichte umformuliert wurde. 58
2.3.2.2 Interpretation des Textes im Gesamtralnnen des Mk
In diesem Abschnitt werden Gründe aufgezeigt, die Markus dazu bewegt haben, Veränderungen an der Perikope vorzunehmen. Die markinischen Einschübe sind Ausdruck seiner Theologie und entsprechen somit der Ausrichtung des Evangeliums nach Markus, in welchem Rahmen sie auch zu analysieren sind. Das erste Motiv, welches Markus in der Perikope betont, ist der Nachfolgegedanke. Nach Gnilka ist eine Erzählung, die auf einer Bemerkung endet, Jesus auf seinem Weg nach Jerusalem zu folgen, exemplarisch für die Nachfolge und auf das Jüngertum verwiesen 59 Mit der Anweisung der Jünger und somit mit dem Jüngerunverständnis, was im Markusevangelium immer wieder hervorgehoben wird, verknüpft er diesen Gedanken. Damit kommt auch das zweite Motiv zum Vorschein, die des JÜngerunverständnisses. Das Motiv des Jüngerunverständnisses steht bei Markus in Bezug zur christologischen Frage: Wer ist Jesus?60 Das Leid gehört zu der Passion Christi, doch die Jünger empfinden das Leid Jesu als unnötig und reagieren mit Unverständnis, sodass damit ein Mangel an ihrem Glauben in Verbindung stehen muss. "Mit dem Jüngerunverständnis verdeutlicht Markus, wie die Person Jesu nicht verstanden werden darf. Ein ganzheitliches Verstehen der Person Jesu kann sich nicht auf seine Hoheit und Herrlichkeit beschränken und das Leiden ausklammern. "61 Die Heilung eines Blinden bei lericho ist die letzte Wundergeschichte des Markusevangeliums. Sie bildet zusammen mit der Perikope Die Heilung
" Vgl. Gnilka, Joachim: Das Evangelium nach Markus, S. 111. "Ebd., S. 107. 60 Vgl. Schnelle, Theologie des Neues Testaments, S. 375. 61 Ebd., S. 381.
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eines Blinden Mk 8, 22-26 einen Rahmen um die Leidensvoraussagen mit der Jüngerunterweisung. Beide Erzählungen stehen unter dem Blickpunkt des Glaubens und der Belehrung. Die zu Belehrenden sind dabei die Jünger, wobei Markus diese Lehre nicht nur auf die Jünger beschränkt, sondern auch die Kirche mit einbezieht. Damit ist die Lehre für die Jünger eine Lehre für alle62 , sodass die vorliegende Perikope den Jüngern somit als ein gutes Beispiel dient. Die Jünger aus Mk 10, 46-52 haben die Macht und die Botschaft, die Gott Jesus gegeben hat noch nicht begriffen, da ihnen der Glaube und das Verständnis fehlt. Durch diesen Unglauben, das mangelnde Vertrauen sowie Unverständnis, können sie die Bereitschaft der Nachfolge und die Botschaft der Nächstenliebe noch nicht verstehen. Die Erzählung Die Heilung eines Blinden bei
lericho soll den Jüngern und den damaligen Rezipienten die Augen öffnen, darüber "wer dieser Jesus von Nazareth ist: Der leidende Gottessohn, der in die Leidensnachfolge ruft. "63 Der eigentliche Fromme in der Erzählung ist der Blinde, "während die Nachfolger Jesu die Nachfolge verleugnen"64 Trotz der geschlossenen Augen des Blinden sieht er besser als die Sehenden und seine Einsicht reicht tiefer als "die Einsichten der Jesus sehenden Auges Nachfolgenden"65 Das Markusevangelium stellt eine Erzählung des Weges Jesu Christi von der Taufe bis zum Kreuz dar. Der Evangelist möchte seine damaligen Rezipienten zu einer sachgemäßen Erkenntnis der Person und des Werkes Jesu Christi, sowie zum praktischen Nachvollzug des Weges führen. 66 Der Glaube des blinden Bettlers soll die Jünger belehren und aus dem Unverständnis herausführen. Als Bartismäus Jesus begegnet, ist dieser demnach frei von der Blindheit des Glaubens. Bartimäus folgt ohne Blindheit des Glaubens und ohne die leibliche Blindheit Jesus auf seinem Weg nach. Nur wer sich von Jesus die Augen öffnen lässt, kann den Leidensweg Jesu begreifen. Der Weg Jesu wird erst mit seinem Tod vollendet, was für die Überwindung des Unverständnisses als wesentlich gedeutet werden soll. Bei Markus läuft alles auf das Kreuz hinaus, da seine Theologie vom Kreuz her verdeutlicht werden soll. Demzufolge hat Markus sein Evangelium somit auf den Tod Jesu ausgerichtet. Auch in der Perikope lassen sich Indizien hierfür finden, die auf die Situation am Kreuz hindeuten. Wie bereits herausgefunden steht Bartimäus im Fokus der gesamten Perikope67 und nicht die Jünger oder Jesus selbst. Bartimäus allein hat den vollendeten Glauben, um Jesus nachzufolgen, während die Jünger dagegen nur an sich denken und dem Bettler sogar den Weg zu Jesus versperrten. Auch bei der Gefangennahme Jesu, vor
Vgl. Kertelge, Kar!: Die Wunder Jesu im Markusevangelium, S. 183. Ebd., S. 387. 64 Schmithals, Walter: Das Evangelium nach Markus, Bd. 11. S. 473. 65 Ebd., S. 473. 66 Vgl. Schnelle, Udo: Theologie des Neuen Testaments. 11. Auflage. Göttingen 2014. 67 Vgl. Ebd., S 109. 62 63
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dem Hohen Rat und bei seiner Kreuzigung, erfährt Jesu keinen Beistand durch die Jünger. Damit wollte Markus das Leiden und den Tod Jesu herausstellen. Die Jünger haben Jesus nicht nur nicht geholfen, sondern sind geflohen (vgl. Mk 14, 50) und Judas verrät ihn an den Hohepriester und den Schriftgelehrten (vgl. Mk 14,10- 11,43-46), da die Jünger die Bereitschaft der Nachfolge nicht begriffen haben. Dies unterstreicht erneut, dass Markus mit seinen Änderungen an der Perikope auf das vorbildliche Verhalten des Bartimäus aufmerksam machen wollte. "Der Glaube an den Auferstandenen erschließt das Geheimnis seines Leidens. "68 Nur durch den Glauben und das Vertrauen können die Jünger die Frage nach dem Wer ist Jesus? begreifen und ihn als ganzheitliche Person verstehen, die das Leid Jesu mit einbezieht. Nur das Leid Jesu führt zu Jesu Auferstehung.
2.4. Die Bedeutung des Textes heute
Im Folgenden soll die Bedeutung der Perikope gegenwärtig betrachtet werden. Der blinde Bettler muss auf seinem Weg Schicksale und Rückschläge überwinden, welche für die Hürden des Lebens eines Christen stehen können. In dieser Situation wird der Glaube bewährt 69 Die Jünger stehen in der Perikope dabei exemplarisch für die Kirche und damit für jedes einzelne Mitglied von uns. Für Schmithals ruft der Bettler "dem Zug der selbstvergessenen Kirche entgegen"70 und erfährt nur die Abwehr der Kirche. Die Kirche nimmt jeden auf, zieht auf ihrem Weg durch die Welt und vergisst dabei einen, der sich außerhalb des Weges befindet. Jesus als Mensch, der wie alle anderen den Weg geht und Jesus, dessen göttliche Kraft von einem Mann mit geschlossenen Augen erkannt und gesehen wird. Jesus selbst heilt in der vorliegenden Perikope nicht den Blinden, sondern einzig und allein der Glaube und das Vertrauen des Blinden in Gottes Kraft. Glaube bedeutet, sich selbst vor Gott und durch Gott als das zu erkennen, was man ist. 71 Nur wer das tut "kehrt in die Wahrheit seines Daseins zurück". nDie Heilung eines Blinden bei Jericho zeigt uns heute, wie wir Vertrauen in Jesus geschenkt bekommen und dass das Gottvertrauen auch als Wunder zu erkennen ist, um das wir uns auch bemühen müssen. In der Perikope fällt auf, dass der "Geheilte" einen Namen, nämlich Bartimäus, besitzt. Gott möchte nicht, dass wir uns für andere anpassen, uns verstellen und uns unterwerfen, wenn wir ihm vertrauen und nachfolgen wollen. Gott möchte unser Vertrauen. Interessant an der Perikope aus heutiger Sicht ist, dass Barti-
Fesch, Das Markusevangelium, S. 276. Vgl. Gnilka, Joachim: Das Evangelium nach Markus, Bd. 11, S. 108. 70 Schmithals, Walter: Das Evangelium nach Markus, Bd. 11., S. 475 . 71 Vgl. Ebd. , S 477. 72 Vgl. Ebd. , S 477. 68 69
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mäus selbst seinen Willen kundtun darf. Er darf schreien und sich bemühen, worauf Jesus hin sogar konkret nachfragt: "Was soll ich Dir tun?". In die heutige Zeit übersetzt bedeutet dies, dass wir uns nicht vollkommen seinem Willen unterwerfen sollen, sondern Gott möchte, dass wir Menschen auch noch vor ihm unsere Würde zum Ausdruck bringen lassen können. Wenn wir uns, wie Bartimäus für die Nachfolge entscheiden, soll dies mit klarem einem Willen geschehen. Wir Menschen sollen dann wie Bartimäus bereit sein, "Überflüssiges" abzuwerfen, um uns dann für ihn die Augen öffnen zu lassen. Die Perikope zeigt allerdings auch, dass Jesus uns Menschen nicht vor Enttäuschung bewahren will, was wir bei Bartimäus ebenfalls erkennen können. Es gibt Rückschläge, bei denen wir am Glauben zweifeln und uns nach dem Sinn Fragen. Bartimäus hingegen zeigt Durchhaltevermögen und besitzt eine Kraft, welche es ihm ermöglicht diese Rückschläge zu überwinden. Er kommt schließlich zum Ziel und Jesus nimmt ihn mit, weil er sehend ist. Das Agieren des Blinden kann in den Glaubenden der heutigen Zeit wiedergefunden werden. In der Perikope wird der Glaube selbst und nicht Jesus zum Retter in unserer Not. Unglaube entsteht nur, wenn der Mensch nicht bereit ist, Jesus als das zu sehen, was er ist und mit ihm zusammen den Weg bis zum Ende zu gehen, mit allen Konsequenzen. Es gibt Menschen, die Schwierigkeiten mit den biblischen Heilungserzählungen haben, vor allem weil es viele Menschen gibt, deren Krankheit nicht geheilt wurde, trotz des heutigen medizinischen Standes und der medizinischen Möglichkeiten und auch trotz festem Glauben und des Betens. Für mich persönlich erteilt Gott nie Krankheiten oder jegliche Art von Leid. Nach dem ersten Johannesbrief 4, 16 wird der komplette christliche Glaube nur von der Absicht oder dem Bewusstsein, dass Gott Liebe ist und dass Gott für das Leben steht, also das Wohlergehen der Menschen und der gesamten Schöpfung, getragen. Die Erzählung die Heilung eines Blinden bei lericho zeigt, dass Gott sich inmitten der Welt der Hürden, der Angst und des Todes an die Seite des Hilfsbedürftigen stellt und ihnen hilft, diese Rückschläge zu überwinden, wenn der Hilfsbedürftige in Gott vertraut. Ein Glaubender ist der, der die richtige Orientierung durch seinen Glauben gewinnt.?3
73
Vgl. Gnilka, Joachim: Das Evangelium nach Markus, Bd. 11., S. 112.
20
3. Bedingungsanalyse
Die dargestellte Unterrichtseinheit ist für eine dritte Klasse einer staatlich öffentlichen Grundschule in Nordrhein-Westfalen konzipiert. Die Klasse besteht aus 21 SuS, wovon 12 Kinder Mädchen und neun Kinder Jungen sind. Am evangelischen Religionsunterricht7 4 nehmen 15 SuS teil, von denen wiederum sechs evangelisch sind und vier katholisch. Fünf Kinder dieser Gruppe sind konfessionslos. Die sechs fehlenden SuS gehören dem muslimischen Glauben an und besuchen parallel den muslimischen RU. Die SuS kommen vor allem aus der mittleren bis oberen sozialen Schicht. Etwa ein Drittel der SuS besucht regelmäßig die Kirche. Die katholischen Kinder der Klasse besuchen derzeit die Vorbereitung auf die Erstkommunion, weshalb sie auch außerhalb der Schule Kontakt mit religiösen Themen haben und gewisses Vorwissen mitbringen. Der RU findet jede Woche am Dienstag in der dritten Stunde und am Freitag in der fünften Stunde in jeweils einer Einzelstunde statt. Die Raumsituation ist so arrangiert, dass der RU für sowohl die Lehrkraft75 als auch den SuS in einem gleichbleibenden, spezifischen Fachraum stattfindet. Dies bringt zum einen den Vorteil, dass den SuS eine räumliche Abwechslung gegeben wird. Es ist ein Umfeld geschaffen, in denen nicht wie in herkömmlichen Stunden lesen, schreiben und rechnen gelehrt wird, sondern das Gefühl des Religionsunterrichtes spirituell vermittelt und veranschaulicht wird. Religiöses Lernen wird dabei nicht nur als Vermittlung von Lern- und Glaubensinhalten angesehen, sondern das Kind steht selbst im Mittelpunkt. Im Religionsunterricht geht es in meinen Augen dabei vielmehr um die Befahigung, die Welt, das Leben und sich selbst sensibel wahrzunehmen, zu bestaunen, zu befragen und zu deuten. Zum anderen stellt dieser Fachraum die Möglichkeit, gemeinsam erarbeitete Ergebnisse sowie Unterrichtsmaterialien festzuhalten und aufzubewahren. Die L kann selbst entscheiden, wie die SuS sitzen sollen und wie der Raum aufgeteilt und gestaltet ist. Der Raum, in dem der RU stattfindet, verfügt über eine Sitzecke, Gruppentische sowie genügend Platz an den Wänden für Ergebnisse, Schaubilder, Plakate oder ähnlichem. Jede RU beginnt und endet im Sitzkreis des Fachraumes. Materialien wie z. B. Stifte, Kleber, Schere etc. sollen von den SuS immer selbstständig mitgebracht werden, was den SuS und Eltern auch bekannt ist. Im RU zeigen sich die SuS allgemein sehr interessiert und motiviert. Die erkennende Motivation der SuS erleichtert dabei erheblich die Durchführung des RU. Auch Kinder, bei denen in herkömmlichen Stunden schnell die Konzentration nachlässt, zeigen im RU nur selten Probleme, da es nicht konkret auf Leistung ankommt und sichjeder gut einbringen kann. Die SuS dieser Klasse befinden sich in einer entwicklungspsychologischen Phase, in der sie die Merkmale der Selbstbeschreibung
74 75
Im Folgenden abgekürzt mit RU. Im Folgenden abgekürzt mit L. 21
miteinander verknüpfen. 76 Sie sind in der Lage ihr Selbstkonzept, anhand von sozialen Beziehungen zu Gleichaltrigen, zu beschreiben. 77 Jedes Kind nimmt seinen eigenen Standpunkt ein und es nimmt auch andere Standpunkte wahr. "Von da an beginnt der Standpunkt anderer selbst leitend als self-guide. "78 Peers werden besonders in der Grundschulzeit eine wichtige Bedeutung zugeschrieben. Freundschaften sind geprägt von Akzeptanz und Zugehörigkeit.!o! Damit die Kinder ihr Selbstkonzept erweitern können, ist es also wichtig, dass die SuS nicht nur ihre eigenen Überzeugungen verarbeiten, sondern auch die der anderen SuS. Im Religionsunterricht nehmen die SuS religiöse Phänomene wahr, versuchen andere Rollen zu übernehmen und Emotionen und Handlungen anderer nachzuvollziehen. Nach dem Stufenmodell des Glaubens von James W. Fowler befinden sich die SuS aus dieser Klasse auf der Stufe zwei des "Mythisch-wörtlichen" Glaubens, welcher auch "Buchstabenglaube" genannt wird. Für SuS auf dieser Stufe können z. B. Götter die Welt regeln und ordnen, wobei diese Regeln strikt wörtlich genommen und Symbole eindimensional wörtlich verstanden werden. SuS sind in der Lage ihren Glauben bildlich zu beschreiben. Über die Vielfalt der Deutungen und Bedeutungen der Glaubensinhalte, der Lehren und Dogmen, Mythen und moralischen Regeln wird noch nicht nachgedacht. 79 Dies entspricht der "Konkret-Operationalen Stufe" von J. Piaget. Diese bedeutet, dass SuS in der Lage sind, Schlussfolgerungen zu ziehen und Gedanken neu zu ordnen. Die Logik wird entdeckt, sowie Gespräche, Aktivitäten und Schreiben gelernt. SuS sind dabei jedoch auf Augenschein bzw. konkreten Beispielen angewiesen, welche in der Unterrichteinheit gegeben werden sollen. 80 Des Weiteren stehen diese Stufen im Einklang mit der zweiten Stufe "Orientierung an do ut des" des Modells von F. Os er und P. Gmünder. Gott wird von den SuS als extern und allmächtig angesehen, als ein Wesen, das belohnen oder aber auch bestrafen kann. Zudem ist Gott beeinflussbar. Es ist möglich, mit Gott "Geschäfte" zu machen, indem etwas gegeben, getan oder geopfert wird. Dadurch kann präventiv auf Gott eingewirkt werden, sodass SuS eine beschränkte Autonomie besitzen. 81 Nach L. Kohlberg befindet sich die Klasse in der präkonventionellen Ebene. Auf dieser Ebene agieren Autori-
Vgl. Oerter, Rolf: Entwicklungspsychologie, Beltz Verlag, Weinheim u.a. 2008 S. 23l. Ebd., S. 23l. 78 Ebd., S. 23l. 79 Fowler, James W: Stufen des Glaubens. Die Psychologie der menschlichen Entwicklung und die Suche nach Sinn, Gütersloh 2000. 80 Textor, Martin R: Piagets Theorie der kognitiven Entwicklung, 2005. 81 Oser, Fritz/Gmünder Paul: Der Mensch - Stufen seiner religiösen Entwicklung. Ein Ein strukturgenetischer Ansatz, Gütersloh 4. Aufl. 1996. 76
77
22
tätspersonen zwar weiterhin als Vorbilder, jedoch lernt das Kind, dass es auch weitere Sichtweisen als die eigenen geben kann. 82 In meiner Unterrichtseinheit werden dazu elementare Erfahrungen konkret angewendet, um einen Transfer zur LebenswirkIichkeit der SuS zu schaffen.
4. Unterrichts entwurf
Die Erzählung Die Heilung eines Blinden bei lericho (Mk 10, 46-52), die im Lehrplan dem Bereich Jesus Christus begegnen zugeordnet ist, im RU der Grundschule zu thematisieren, erscheint aus unterschiedlichen Gründen sinnvoll. Im Fokus der Erzählung stehen der Glaube und das Vertrauen von Bartimäus in Gott, um seine Hürde, die Blindheit, zu überwinden. Hier knüpft die geplante Unterrichtseinheit an die Lebenserfahrungen und Welt der Kinder an. Jeder wird in seinem Leben auf Rückschläge treffen; welche Gefühle wie Angst oder Hoffnung mit sich ziehen. Die Erzählung bietet durch ihre Anschaulichkeit Identifikationsmöglichkeiten, sodass die SuS in das Geschehen der Perikope mit hineingenommen werden. Durch die Identifikationsmöglichkeiten soll es den SuS leichter fallen, über ihre Hürden im Leben zu sprechen. Der Religionsunterricht soll den SuS einen stabilen Rahmen bieten, um über Ängste und Hoffnungen sprechen zu können. Die SuS lernen auf der einen Seite Bartimäus in der Wundererzählung als Blinden kennen, der durch sein Gottvertrauen seine Notsituation überwindet. Zum anderen lernen die SuS Jesus kennen, der den Aussätzigen beachtet und ihm so Sicherheit und Hoffnung schenkt. Die SuS sollen sich näher mit den Personen der Erzählung beschäftigen, um so ihren eigenen Standpunkt zu entwickeln und um zu erkennen, was es heißt blind zu sein. Sie sollen begreifen, dass sehende Menschen auch blind sein können und sich Wegen aneignen, die einen Menschen wieder "sehend" machen. Dass man auch mit dem Herzen sehen kann, ist das Ziel der Einheit.
4.1 Aufbau der Unterrichts reihe
Im Folgenden wird die vollständige Unterrichtseinheit83 in einer Tabelle kurz beschrieben. Das Ziel der Unterrichts einheit ist es, dass die SuS lernen, dass man nicht nur mit den Augen sehen kann, sondern dass es möglich ist, mit dem Herzen zu sehen und zu handeln, wenn man sich dem anderen zuwendet. Sie erfahren, dass Jesus nicht nur die Krankheit eines Menschen geheilt hat, sondern ihm auch Ansehen und Würde wiedergegeben hat und dass wir Menschen dies auch können. Durch die kreative und erfahrungsorientierte Auseinandersetzung mit dem Symbol Augen finden die SuS Annäherung an das Gleichnis von Die Heilung des blinden Bartimäus. Die Kinder
Kohlberg, Lawrence: Die Psychologie der Moralentwicklung, (Hgg.): Wolfgang Althof, FrankfurtlM. 1996.
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83
Im Folgenden mit UE abgekürzt. 23
lernen, dass Menschen ohne Augen trotzdem sehen können und in der Lage sind mitzubekommen, was um sie herum geschieht. Dem gegenüber erfahren sie, dass auch Menschen mit Augen blind sein können. In der UE sind 6 Unterrichtsstunden geplant, mit jeweils verschiedenem Schwerpunkt. In der ersten Stunde ist das Thema Unsere Augen - Wir lernen unsere Augen kennen. In den darauffolgenden Stunden wird die Blindenheilung in vier Teile gesplittet und den SuS nähergebracht. Dazu folgt in der zweiten Stunde Die Blindenheilung (Teil 1) - unseren 5 Sinnen auf der Spur. Im Anschluss daran wird in der dritten Stunde Die Blindenheilung (Teil 2) - 1m Herzen blind sein vorgestellt. Die darauffolgende Stunde thematisiert Die Blindenheilung (Teil 3) - Mut und Befrei-
ungfür einen Neuanfang. In der 5. Stunde wird die Blindenheilung (Teil 4) -Mit dem Herzen sehen durchgenommen. Die letzte Stunde soll den SuS zeigen, wie Gottes Augen sind.
24
Stunde
Thema
I Inhalt
1.
Unsere Augen - Wir lernen unsere Augen kennen
I Die SuS werden in das Thema der Augen eingeführt und reflektieren, für welche Handlungen sie ihre Augen im Alltag nutzen. Dazu wird eine Mind-Map erstellt Sie machen sich darüber bewusst, was man mit den Augen sehen kann und was nicht Im zweiten Teil der Stunde werden Redewendungen und Zitate über Augen gesammelt, vorgestellt und besprochen. Beispiele hierfür sind:
"einlbeide Auge zudrücken" "seinen Augen vor etwas verschließen" "vier Augen sehen mehr als zwei" "jemandem die Augen öffnen" "vor Liebe blind sein" Die SuS lernen Bartirnäus kennen. Sie hören dazu einen ersten kleinen Teil der
2. Die Blindenheilung (T eil I) - unseren 5 Sinnen
Geschichte vom Blinden Bartimäus durch eine Lehrererzählung. Der Fokus liegt
auf der Spur
dabei auf der Person Bartimäus und seine Blindheit. Die SuS lernen, durch was man mitbekommt was um einen herum passiert, auch wenn man blind ist. Dazu verbinden die SuS sich die Augen und erfahren durch verschiedene Übungen, welche als Lemzirkel angeordnet sind, die Phänomene der 5 Sinne kennen (Hören, Schmecken, Sehen, Tasten und Riechen). Danach wird über die Empfindungen und Wahrnehmungen der Kinder gesprochen.
25
3.
Die SuS hören einen weiteren Abschnitt der Geschichte. Sie erfahren, wie die Die Blindenheilung (I eil 2) - Im Herzen blind
Menschen auf Bartirnäus reagieren. Die SuS lernen, dass auch sehende Menschen
sem
manchmal blind sein können. In einem AA sollen die SuS sich überlegen, was Bartimäus mit seinen Worten "Du bist auch blind, nur anders. Da im Herzen bist du blind" gemeint haben könnte. Darüber hinaus kann das Spiel" Ich sehe was, was du nicht siehst" als Hilfe gespielt werden. Einer sieht es, die anderen nicht. Sehen die anderen es nicht, weil sie Bild sind? Nein, sie haben es nur noch nicht entdeckt. Wir kann man ihnen helfen? Man muss ihnen zeigen, was man meint.
Die SuS hören einen nächsten Teil der Geschichte von Bartirnäus, indern er sich
4.
Die Blindenheilung (I eil 3) - Mut und Befreiung
Laut zu Wort meldet, aufspringt, seinen Mantel wegwirft und zu Jesus eilt
für einen Neuanfang
In dieser Stunde lernen die SuS im gemeinsamen Sitzkreis das Gefühl von Mut und Befreiung kennen. Befreiung soll anhand einer gemeinsamen Aktion im Sitzkreis vennittelt werden. Ein Kind sitzt dabei auf dem Boden und bekommt von den anderen nach und nach immer mehr Jacken, Decken und Sandsäckchen umgehängt (es kann ggf getauscht werden). Es werden sich über die Empfindungen ausgetauscht Im Anschluss daran sollen die Kinder von ihren persönlichen Entwicklungsschritten berichten. Sie sollen reflektieren, wie sich ein Entwicklungssprung anfühlt, wie sie sich dabei gefühlt haben (z. B. Angst) und wie sie es dennoch geschafft haben (->Mut).
26
Im ersten Teil der Stunde lernen die Kinder das Herzauge kennen. Dazu stellt die
5.
L. das Bild von Hap Grieshaber "Herzauge" (s. Anhang) vor. Die besondere Ge-
staltung regt zu vielfältigen Äußenmgen an: Was ist ein Herzauge und was ist das Blindenheilung (I eil 4) - Mit dem Herzen sehen
Besondere? Was haben Menschen mit einern Herzauge? Kennt ihr Menschen mit einern Herzauge? Wie kann ein Mensch mit dem Herzen sehen? Geht das überhaupt? Sieht das Herz mehr oder anderes als das Auge? Im Anschluss hören die SuS den letzten Teil der Geschichte, in dem Bartimäus wiedersehend wird. Die SuS sollen das Herzauge lllm auf Bartimäus übertragen lllld lernen, inwiefern Bartimäus auch ein Herzauge besitzt. Die SuS sollen sich dazu überlegen, was Jesus mit seinen Worten gemeint haben könnte. Sie sollen festhalten, warum Bartimäus mit dem Herzen sehen karm lllld wie er Jesus finden konnte.
6.
Gottes Augen sind wie ..
Die SuS reflektieren die vorherigen Stunden und begreifen, dass Jesus und Bartimäus ein Vorbild für "sehende Menschen" sind. Die SuS sollen sich überlegen, ob und wie bei den anderen Menschen und auch bei uns selbst sehen wieder neu beginnen kann. Darüber hinaus sollen sich die SuS auch über die Folgen auf das Leben und das Zusammenleben der Menschen Gedanken machen. Mithilfe eines Bibelzitat lernen die SuS, dass die wichtigsten Dinge für das Auge unsichtbar sind und wie Gottes Augen zu sehen.
"Ein Mensch sieht, was er vor Augen hat Der Herr aber sieht das Herz an" 1. Samuel16.7
27
4.2 Didaktische und methodische Analyse zur Unterrichtseinheit Jesus hat besonders für Arme, Kranke und ausgestoßene Menschen, welche am Rande der Gesellschaft stehen, ein sehendes Auge und ein offenes Ohr. Unter anderem zeigt dies die Geschichte des blinden Bartimäus. Wie im exegetischen Teil herausgefunden, handelt es sich bei dieser Geschichte um eine Berufungsgeschichte, eine Erzählung, in der einem Menschen in Not durch die Begegnung mit Jesus eine neue Welt, neues Leben eröffnet wird. In dieser Geschichte beleuchten sich die Aspekte Heilung und Berufung gegenseitig. Dadurch sollte die Blindheit nicht ausschließlich als körperliche Behinderung interpretiert werden, sondern eher als Blindheit, die auch sehenden Menschen zu eigen ist. Dies ist Grundlage der konzipierten UE. Kinder haben vielleicht aus eigener Erfahrung oder durch Begegnung mit anderen Menschen Krankheit und Behinderung erlebt. Sie haben sicher auch schon blinde Menschen gesehen, die durch die Stadt gehen und mit Blindenhund oder Orientierungsstab ihren Weg suchen. So haben sie konkrete Vorstellungen davon, was es heißt, auf dem Auge blind zu sein. Demnach können Kinder bereits gut nachempfinden, was es bedeutet anders zu sein als die Mehrheit und was es heißt vielleicht auch ausgeschlossen zu sein aus der Gemeinschaft. Kinder verstehen aber auch genauso, dass es in übertragenem Sinn ein "blind sein" gibt. Grundsätzlich ist die UE in 6 Unterrichtsstunden 84 aufgeteilt, in welchen immer wieder das Symbol der Augen thematisiert werden. In der ersten Stunde lernen die Kinder ihre Augen kennen. Die SuS sollen reflektieren, für welche Handlungen sie ihre Augen im Alltag nutzen und sich darüber bewusstwerden, was sie mit ihren Augen sehen können und was nicht. Dies dient als Einführung in die UE, damit im weiteren Verlauf der Einheit beurteilt werden kann, ob die Dinge, die für unser Augen nicht zu sehen sind, tatsächlich nicht zu sehen sind. Im zweiten Teil der ersten US werden Redewendungen und Zitate über Augen gesammelt, vorgestellt und besprochen. Wie bereits erwähnt wissen Kinder schon gut im übertragenen Sinn was es heißt "blind zu sein". Die Frage an jemand "Bist du blind?" ist geläufig, der etwas, was offensichtlich ist, anscheinend nicht sieht. Auch die Spiele "Ich sehe was, was du nicht siehst" oder "blinde Kuh" sind bei Kindern sehr beliebt. Sich mit Redewendungen auseinanderzusetzen, fördert das metasprachliche Bewusstsein der SuS. Kinder merken, dass die Sprache beeinflussbar ist, was ebenfalls auch die Sprachintelligenz fördert. In den darauffolgenden vier Stunden wird die Geschichte Heilung eines blinden Bartimäus gesplittet und nacherzählt. Es wurde sich in dieser Einheit dazu entschieden, die Geschichte detaillierter zu erzählen, um die Geschehnisse und Ereignisse für SuS tiefer zu thematisieren und einen roten Faden zu kreieren. Mit der Methode, dass die Geschichte unterteilt wird, wird immer wieder ein neuer wichtiger Fokus gesetzt. In der zweiten
84
Im Folgenden mit US abgekürzt
28
Stunde, in der der erste Teil der Geschichte vorgestellt wird, lernen die Kinder Bartimäus und sein Schicksal kennen. Wenn dabei bereits die gesamte Geschichte erzählt werden würde, würde der Fokus woanders liegen. Der Fokus liegt in dieser US auf Bartimäus und seiner Blindheit. Die Kinder sollen lernen, wie es ist blind zu sein und ihre 5 Sinnen noch besser kennen und einsetzen lernen. Durch einfaches Schließen der Augen über eine kleine Zeitspanne wird schon ein wenig deutlich, was es heißt, auf dem Auge nicht sehen zu können. In der dritten Unterrichtsstunde geht es darum, mit dem Herzen blind zu sein bzw. nur mit Kopfaugen zu sehen. Konkret geht es um das Sehen und das Gesehen-werden sowie das Übersehen, also um das Sehen mit den Augen. Die SuS lernen durch die Reaktionen der anderen Menschen auf Bartimäus, dass Menschen blind sein können, auch wenn sie zwei gesunde Augen haben. Durch das Spiel "Ich sehe was du nicht siehst" lernen die Kinder dies nachzuempfinden. Einer sieht es, die anderen nicht. Sehen die anderen es nicht, weil sie blind sind? Nein, sie haben es nur noch nicht entdeckt. Die SuS sollen lernen, wie man ihnen helfen kann. Man muss ihnen zeigen, was man meint. Die nächste Stunde thematisiert Mut und Befreiung für einen neuen Lebensschritt. Die SuS sollen lernen, was man unter Selbstwirksamkeit versteht. Wenn man weiß, was man will, kann man seinen Vorstellungen Ausdruck verleihen und auch gegen Widerstände ankämpfen. SuS sollen lernen, dass sie Einfluss nehmen können und etwas bewirken können. Sie sollen sich darüber bewusstwerden, dass das Vertrauen in die eigene Handlungsfahigkeit, wesentliche Ressourcen in schwierigen Lebenssituationen sind. In der fünften Stunde sollen die Kinder lernen, was es nun bedeutet, mit dem Herzen nicht mehr blind zu sein, sondern mit dem Herzen sehen zu können, wodurch ebenfalls der rote Faden erneut deutlich wird, da alles Stunde in einem Zusammenhang stehen aber dennoch einzeln zu betrachten sind. Diese Stunde wird im weiteren Verlauf der Arbeit noch näher beleuchtet. In der letzten Stunde soll die Thematik der UE vollständig gesichert werden. Dabei soll untersucht werden, wie Gottes Augen sind. Die SuS lernen, dass durch Wertschätzung und Nähe anderer Menschen, wir unser menschliches Potenzial entfalten können. Dazu gehören auch Selbstvertrauen und Selbstwirksamkeit. Der Vers "Ein Mensch sieht, was er vor Augen hat. Der Herr aber sieht
das Herz an" l. Samuel16.7 soll dies unterstreichen. Gott sieht, hört und begegnet den Menschen. Die SuS sollen lernen, dass aber die Wahl Gottes nicht auf Äußerlichkeiten beruht, sondern auf einem Blick in das Herz, in das innerste Wesen des Menschen. Die Kinder sollen mitnehmen, dass es für Gott nicht darauf ankommt, wie schön, stark, beliebt oder erfolgreich jemand ist, sondern dass er das Innere des Menschen wertschätzt. Er gibt uns Selbstvertrauen und hat uns gut im Blick. Allgemein zusammengefasst sollen die Kinder mit dieser UE lernen, blind sein und sehen können voneinander zu unterscheiden. Sie sollen wissen, dass Menschen, obwohl sie sehen können, blind sein können und blind sehend. Sie lernen, dass der blinde Bartimäus mit dem Herzen gut sehen
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kann und deshalb hellhörig wird, als Jesus kommt. Er "sieht" ihn mit den inneren Augen und realisiert, dass Jesus Licht ins Dunkel bringt: Wärme, Vertrauen, Menschlichkeit, Heil. Auch Jesus sieht mit dem Herzen gut. Er erkennt und würdigt Bartimäus in dessen offenem Wesen, gegenüber anderen Menschen, sich selbst und Gott. Bartimäus wird für die Umstehenden zum Vorbild für einen "sehenden Menschen".
4.3 Aufbau der Untemchtsstunde Im Folgenden wird die fünfte Unterrichtsstunde der UE zu der Thematik "Augen" genauer vorgestellt. Das Thema der Stunde ist, dass man auch mit dem Herzen sehen kann. Das Bild von Hap Grieshaber "Herzauge" stellt in dieser Stunde die Grundlage. Ziel dieser Stunde ist es, dass die SuS lernen, warum und inwiefern Bartimäus ein "Herzauge" besitzt, was es bedeutet, mit dem Herzen sehen zu können und dies auf ihren eigenen Alltag zu beziehen. Es handelt sich in der Tabelle um eine Einzelstunde von 45 Minuten. Wie in jeder Stunde treffen sich die SuS zuerst im Sitzkreis und die L begrüßt die Kinder. Seit der ersten Stunde dieser UE wird zu Beginn das Lied Gib uns Ohren die hören und Augen die sehen von Simone Sommerland gemeinsam gesungen und passende Handbewegungen gemacht. Die L fragt die SuS nun was sie in der letzten Stunde alles entdeckt haben, um den Inhalt der letzten Stunde zu wiederholen und zu festigen. Danach leitet die L in die Forscherfrage der heutigen Stunde über und kündigt an, dass es auch noch ein ganz anderes Auge gibt als das Auge in unserem Kopf. Die Forscherfrage lautet dabei konkret: Wie kann man mit dem Herzen sehen? Die Bildbetrachtung als Hinführnng zum Thema. Dazu legt die L das Bild von Hap Grieshaber "Herzauge" in die Mitte des Sitzkreises und deckt die Schrift "Herzauge" ab. Die SuS sollen zuerst beschreiben, was zu sehen ist. Als Nächstes soll der Fokus mehr auf Position des Auges liegen. Die konkrete Impulsfrage könnte sein: Wo hat die Figur sein Auge? Was ist das für ein Auge? Die Kinder sollen im Sitzkreis Vermutungen äußern und mit ihren Händen zeigen, wo sich die Augen der Figur befinden. In einer ersten Arbeitsphase sollen die Kinder in Einzelarbeit85 überlegen, was das Besondere an einem "Herzauge" ist. Die L teilt dazu ein AB aus, auf dem die SuS notieren, was Menschen mit einem Herzauge haben und sehen können und ob sie Menschen kennen, die ein "Herzauge" haben. Tiefer sollen Überlegungen äußern, ob und wie sich ein "Herzauge" von "normalen" Augen unterscheidet. Im zweiten Teil der Stunde trifft sich die Klasse erneut im Sitzkreis. Die Kinder stellen ihre Ergebnisse vor, während das ganze Bild "Herzauge" in der Mitte des Sitzkreises liegt. Im Anschluss daran erzählt die L den vierten, somit den letzten Teil der Blindenheilung. Die SuS sollen das Bild von Hap Grieshaber
85
Im FolgendenmitEA abgekürzt.
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nun aufBartimäus übertragen und lernen, ob und inwiefern Bartimäus auch ein "Herzauge" besitzt. Die L fragt die SuS, was Jesus mit seinen Worten "Bartimäus, du kannst schon immer sehen: Mit dem Herzen kannst du sehen." gemeint haben könnte und leitet das Unterrichtgespräch. Konkrete Beispiele für Impulsfragen sind: "Wie konnte Bartimäus Jesus finden, ohne etwas mit dem Auge zu sehen?" Was alles kann Bartimäus nach seiner Heilung mit ganz neuen Augen sehen? Wie ist das, wenn sehen neu beginnt? Zum Schluss sollen die Kinder in Partnerarbeit 86 auf einem großen roten Herz aus Pappe sammeln, was es in ihrem Alltag heißt, mit dem Herzen zu sehen. Auf dem Pappherz steht in der Mitte groß "Mit dem Herzen sehen, das ist ... ". Die SuS sollen dazu die Geschichte von Bartimäus auf ihre eigene Lebenswelt beziehen. Am Ende hängt die L die Herzen aus Pappe im Raum auf und gibt den Ausblick auf die nächste Stunde.
86
Im Folgenden mit PA abgekürzt.
31
Zeit
Phase
Handlung
Sozialfonn & Methode
3Min
Begrüßung Eingangsritual
Die L begrüßt die SuS im Sitzkreis und sie singen gemeinsam das Lied "Gib und Ohren, die hören und Augen, die sehen".
SitzkreisiPlenum
8Min
SitzkreisiPlenum Einstieg
Die L legt das Bild "Herzauge" von Hap Grieshaber in die Mitte. Die SuS sollen das Bild beschreiben und sich überlegen, wie man ohne Augen noch sehen kann.
8Min
Hinführung
Die SuS sollen nun selbst überlegen was Menschen mit einem "Herzauge" haben und sehen können und ob sie Menschen kennen, die ein "Herzauge" haben. Dabei wird das Herzauge dem normalen Auge gegenübergestellt
4Min
Ergebnispräsentation
Es wird sich kurz über die Ergebnisse der SuS ausgetauscht
32
Lied "Gib und Ohren, die hören und Augen, die sehen" von Sirnone Sornrnerland
SitzkreisiPlenum Bildbetrachtung
Einzelarbeit Arbeitsblatt
12Min
IOMin
Themenfixierung
Ergebnis Sicherung
Die SuS hören den letzten Teil der Geschichte der Blindenheilung. Die SuS sollen das Bild aus der Einstiegsphase nun auf die Geschichte übertragen und lernen, ob und inwiefern Bartirnäus auch ein "Herzauge" besitzt und was Jesus mit seinen Worten gemeint haben könnte.
Die SuS sollen ihre Erkenntnisse aus die-
ser Stunde nun auf ihren Alltag beziehen. Das tun sich die SuS in PA zusammen und sammeln auf einern großen Pappherz, was es in ihrem Alltag heißt, mit dem Herzen zu sehen.
1 Min
Ausblick
Die L gibt einen Ausblick auf die nächste Stunde.
Sie hängt die Herzen im Raum auf.
33
SitzkreislPlenum Geschichte der Blindenheilung + Bilder
Partnerarbeit Herz aus Pappe
Frontal
4.4. Didaktische und methodische Analyse der Unterrichtsstunde In der aufgeführten Stunde geht es darum, dass die SuS lernen, was es bedeutet, mit dem Herzen zu sehen. Die Kinder haben vorherigen Stunden bereits viel über Augen, ihre 5 Sinne sowie über Bartimäus und den Menschen um ihn herum erfahren. In einer vorherigen Stunde haben die Kinder bereits gelernt, was es heißt, mit dem Herzen blind zu sein. Dies steht im direkten Zusammenhang zu der angeführten Stunde, in der es darum gehen soll, mit dem Herzen zu sehen. Die vorliegende Stunde ist die vorletzte der beschriebenen Einheit. Sie dient als Sicherung und Vorarbeit der letzten Stunde, in der es darum geht, mit Gottes Augen zu sehen. Die Symbolik der Augen gewährt den SuS Zugang zu der Geschichte Heilung eines Blinden Bartimäus. Die Kinder treffen sich wie immer im Sitzkreis und werden begrüßt. Dies ist ein Ritual an, welches sich die SuS bereits gewöhnt haben. Die Kinder haben die Möglichkeit, ruhig zu werden und sich zu sammeln. Des Weiteren haben im Sitzkreis die SuS die Chance Stellung zu nehmen und etwas zum Unterrichtsgeschehen beizutragen. Alle können sich auf Augenhöhe anschauen. Es wird gemeinsam ein Lied gesungen, welches zum einen die Gemeinschaftsfahigkeit stärkt, die Situation auflockert und thematisch zur Unterrichts einheit passt. Die L legt das Bild in die Mitte, was als stiller Impuls dient. Die Kinder werden sofort aktiviert, indem sie das Bild beschreiben sollen und erste Vermutungen aufstellen sollen. Der Titel des Bildes bleibt verdeckt, damit die SuS nicht voreingenommen sind und selbst überlegen können, was das Bild für sie persönlich bedeutet. Hier kommt das Leitmedium Sprache in Form des Erzählens zum Einsatz. Diese verbal-auditive Grundform eröffnet den SuS eine Vorstellungswelt87 Durch die Bildbegegnung sollen vor allem die Bildwahrnehmung und die Bilddeutung der SuS gefördert werden. Durch das individuelle Betrachten des Bildes können Farben, Formen, Bildaufbau und Personen beschrieben werden. Zum anderen kann in der Bilddeutung die Entstehung, die Wirkungsgeschichte oder die Bedeutung an sich analysiert werden. 88 Da unter anderem der Ort der Augen (beim Herz) eine entscheidende Rolle in der Stunde spielt, sollen die Kinder einmal selber ihre Hand zum Herzen führen, damit sie eine noch deutlichere Vorstellung vom neuen Ort der Augen bekommen. Didaktisch gesehen ist dies sinnvoll, da die Kinder mit ihren eigenen Körperteilen eine Aufgabe erhalten, Abwechslung bekommen und nicht die ganze Zeit still auf ihrem Platz sitzen müssen. Des Weiteren wird durch das Klassengespräch eine offene Atmosphäre geschaffen, in der sich alle SuS einbringen können. In der Hinführungsphase, welche mit einer ersten kleinen Arbeitsphase verbunden ist, machen sich die Kinder noch einmal selbst Gedanken über das "Herzauge" und halten dies schriftlich fest. Das AB beinhaltet die verbal87 88
Mendl, Hans: Religionsdidaktik Kompakt, S. 207. Ebd., S. 210.
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schriftliche Aktionsfonn. Dies gewährt Abwechslung, damit die SuS nicht die ganze Zeit still auf ihrem Platz sitzen müssen und die Konzentration erhalten bleibt. Die Fonn der Einzelarbeit, oder auch Stillarbeit, wurde hier gewählt, damit den SuS ennöglicht wird, Subjekte ihres eigenen Glaubens zu sein 89 Nach der Sammlung der Ergebnisse findet der eigentliche Hauptteil der US statt. Die SuS hören den letzten Teil der Geschichte die Heilung eines Blinden Bartimäus. Die Geschichte ist kinderfreundliche Erzählung und wird von der Lehrerin mithilfe von passenden Bildern erzählt. Durch das Bild werden Dinge sichtbar gemacht, die nur durch das Erzählen nicht sichtbar werden. Verschiedenes Legematerial unterstützt die SuS, die biblische Geschichte mit verschiedenen Sinnen wahrzunehmen, sie zu deuten und einen anderen Zugang zur Geschichte zu erhalten. Die Materialien helfen den Kindern, die Geschichte zu strukturieren, und dienen als Erinnerungsanker zum Wiederholen einer Geschichte. Für sie selbst stellen die Hilfsmittel ein Gerüst dar, mit dem Sie die biblische Geschichte nacherzählen können. Der vorherige Teil der Geschichte wird von den Kindern und der L kurz und knapp wiederholt, damit die SuS passend abgeholt werden und einen einfachen Zugang zur Geschichte bekommen. Die Kinder sollen nun das Bild "Herzauge" aus der Einstiegsphase auf die Geschichte beziehen, wodurch ein roter Faden der US zu erkennen ist. Die SuS haben sich vorab bereits Gedanken darüber gemacht, was es bedeuten könnte, mit dem Herzen sehen zu können und bekommen nun eine noch genauere Vorstellung darüber anhand einer biblischen Beispiel-Geschichte. Das Sprechen im Sitzkreis fördert die Kommunikationsfahigkeit der SuS. Die SuS bekommen dabei die Möglichkeit das Thema der gesamten UE sowie das Thema der heutigen Stunde zu reflektieren und mit anderen in Kontakt zu treten. Es wird ebenfalls die Kompetenz gefördert vor der Gemeinschaft zu sprechen, zuzuhören und zu erklären. Die letzte Arbeitsphase in PA unterstreicht dies. PA erhöht den Lernanreiz und die Motivation der Kinder. Des Weiteren wird durch die Partnerarbeit ein respektvoller Umgang geschult. 90 Die Kinder können nun selbst gemeinsam in sich gehen und sich darüber klar werden, was es in ihrem eigenen Leben heißt, mit dem Auge zu sehen. Es soll zeigen, wie vielfaltig die Ergebnisse sein können. Dabei gibt es kein richtig oder falsch, sondern es wird aufgezeigt, dass mit den Augen sehen bei vielen etwas anderes bedeuten kann oder es auch Überschneidungen gibt. Im Ausblick gibt die L transparent Informationen darüber, was in der nächsten Stunde geschehen wird. Die SuS wissen dadurch, was sie konkret erwartet und können das Thema Beschützen abspeichern. Die L hängt die Ergebnisse in den Raum, sodass immer wieder daran zurückerinnert werden kann und die Ergebnisse von allen gesehen werden.
89 90
Mendl, Hans: Religionsdidaktik Kompakt, S. 205. Mendl, Hans: Religionsdidaktik Kompakt, S. 205.
35
5. Fazit Die ausführliche Sachanalyse in Form einer Exegese hat gezeigt, was Markus den damaligen Rezipienten sagen wollte und führt zu einem tieferen Verständnis des Gotteswortes. Markus zeigt den Menschen zum einen, durch die Perikope Mk 10, 46-52, was es heißt zu glauben. Das Wunder in der Perikope wird hier nicht von Jesus bewirkt, sondern allein durch das Vertrauen und den Glauben Bartimäus. So steht zum einen der vorbildliche und lehrhafte Glaube des Bartimäus im Mittelpunkt der Erzählung. Zum anderen wird dem Weg Jesu nach Jerusalem eine wichtige Bedeutung zu geteilt. Durch den Weg ist die Perikope mit der nachfolgenden Einzugsgeschichte verzahnt. Markus möchte die Rezipienten darauf aufmerksam machen, dass es nicht wichtig ist, dass man jemandem folgt, sondern dass man ihm folgt, da man ihm vertraut. Das Wunder verdeutlicht den Weg zur Erkenntnis der Person Jesu. Es soll aufgezeigt werden, was ein wahrer Glaube bewirken kann. Die christliche Glaubensgeschichte würdigt die Macht des Glaubens und des Vertrauens. Durch die Perikope wird der Zyklus der Wundergeschichten im Markusevangelium beendet. Dass die Wundergeschichte die Heilung des blinden Bartimäus Einzug in den Religionsunterricht der Grundschule finden sollte, zeigt sich durch die Bedeutsamkeit von Vertrauen und Hoffnung im Alltag der SuS. Die Erzählung gibt den Menschen, damals wie heute, Hoffnung. Der Glaube allein und das Vertrauen in einer Notsituation schenkt den Menschen Zuversicht. Die Erkenntnisse aus der Sachanalyse wurden hinsichtlich der Lernziele in die UE übertragen und auf die SuS abgestimmt. Den SuS wird ermöglicht, die Erfahrungen und Gefühle des Bartimäus nachzuempfinden und zu begreifen. Auch das Gefühl, blind zu sein, durften die SuS erfahren. Die SuS sollen in der vorliegenden UE erfahren, dass man nicht alles mit den Augen sehen kann und dass es möglich ist, mit dem Herzen zu sehen. Sie begreifen nach der UE, dass man die wichtigsten Dinge besser mit seinem Herzen als mit seinen Augen sehen kann. Die Heilungswundergeschichte Mk 10, 46-52 bietet viele Möglichkeiten, den SuS die Wirksamkeit Gottes, sowie die Person Jesu, im praxisnahen Religionsunterricht näherzubringen.
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https:/Iwww.rpi-Ioccum.de/material/pelikan/peI2-97Ibartim [Zugriff: 25.09.2022] https:11 edidact.de/downloadable/download/sample/sample id/12751 https:llwww.erzbistum-muenchen.de/kinderlfastenbuechlein-basteln-fuer-die-fastenzeitlandachten -fuer -die-fastenzeitlvierte-fei er- herz/90978 [Zugriff: 27.09.2022] https:llopen.spotify.com/track/6IkjgigdADZwgJCzocvHZO [Zugriff: 20.10.2022] 38
Anhang Kindgerechte Erzählung von Die Heilung eines blinden Bartimäus
Ist das eine gros se, schöne Stadt! Viele Leute sind in der Stadt unterwegs. Sie sehen schöne Häuser. Sie sehen große Bäume. Sie sehen bunte Blumen. Die Leute sehen sich an, wenn sie einander begegnen. Sie sagen zueinander: «Salü, wie geht's?» Nur einer sieht kein Haus. Das ist Bartimäus. Bartimäus sieht keinen Baum. Er sieht auch keine Blumen. Bartimäus sieht keinen Menschen. Bartimäus sieht nichts, rein gar nichts. Vor Bartimäus' Augen ist immer Nacht. Bartimäus ist blind. Bartimäus war einer, dem es wirklich schlecht ging. Das Leben war mühsam für ihn. Er war arm, so arm, dass er sich keine eigene Wohnung leisten konnte. Er musste im Freien übernachten, hinter den Büschen, am Straßemand. Arbeit fand er nicht, denn keiner wollte ihn anstellen, weil er blind war. Das Licht seiner Augen war dahin, er sah nicht, was um ihn herum passiert, wie die Welt aussah. Du kannst dir bestimmt vorstellen, wie Bartimäus dort am Wegrand sitzt, einsam und elend. Seine Kraft hat ihn verlassen, er ist hungrig und müde. Er hat kein Geld für schöne Kleidung, er trägt dreckige, braune Lumpen, eine zerrissene Decke als Mantel. Er bettelt. Aber Bartimäus hatte Hände, ganz feine Hände. Die spüren alles genau, was er anfasst. Das ist eine Hauswand. Bartimäus' Hand spürt, wie rau sie ist. Und dies ist ein Baum. Bartimäus spürt die harte Rinde. Bartimäus hatte auch Ohren, ganz große Ohren. Die hörten alles ganz genau. Die hörten vor allem auch die Menschen. Er hörte wie viele Leute lachten, wenn sie ihn sehen. Die Menschen zeigten mit dem Finger auf ihn und verspotten ihn. Er sieht sie nicht, aber er hört und spürt, wie sie um ihn herumstehen. Bartimäus geht es dreckig. Mit seiner Hand kann er jeden einzelnen seiner Knochen fühlen. Er liegt am Boden, seine Kräfte sind vertrocknet. Bartimäus sieht nicht, wenn es Nacht wird, er hört nur, dass dann niemand mehr auf der Straße ist. Oder doch? Dann ruft er, er schreit mit heiserer Stimme: Hallo, ist da jemand? Mit aller Kraft schreit er und hält sich die Hände an die Ohren dabei. Aber keiner antwortet. Er weint 1. Teil Ende (2. Stunde) 39
Ein Tages hört Bartimäus jemanden kommen. Er kennt die Schritte genau. Er wendet den Kopf in die Richtung der Schritte. Er weiss es: Das ist Aaron, sein Freund. Sicher ist Aaron heute wieder traurig. Bartimäus weiss, warum. Bartimäus ruft: «Aaron, komm, setz dich zu mir. Erzähle mir: Wie geht es heute deiner Frau? Ist sie noch krank?» Aaron erzählt: «Ja, immer noch. Es tut ihr überall weh.» Aaron erzählt alles von der Krankheit, und was der Doktor gesagt hat. Bartimäus hört zu. Er hört lange zu. Dann sagt er: «Es tut mir leid, dass sie so krank ist. Aber jetzt geh lieber wieder heim. Sie wartet sicher schon auf dich. Und danke, dass du gekommen bist.» Aaron nimmt noch ein Geldstück aus der Tasche und legt es in die Schale, damit Bartimäus sich heute etwas besonders Feines kaufen kann. Bartimäus hört schnelle Schritte, erschrickt, rutscht schnell näher zum Haus. Doch schon stolpert eine Frau über Bartimäus' Füsse. «Musst du auch immer hier sitzen, wo alle Leute vorbeigehen! Immer bist du im Weg, du Nichtsnutz», schimpft sie. Bartimäus bekommt eine grosse Wut. «Ich bin doch blind! Ich kann doch nicht sehen! Aber du, du kannst sehen. Und was siehst du? Nur dich! Mich siehst du nicht. Du bist auch blind, nur anders. Da im Herzen bist du blind.» 2. TeilEnde (3. Stunde) Es ist Tag. Bartimäus sitzt wie immer am Wegrand vor den Stadttoren von Jericho, seiner Heimatstadt. Da hört er, dass Menschen vorbeigehen, er hört ihre Stimmen, es sind viele, sie klingen anders als sonst. "Was ist los?", fragt er einen, der ihm gerade eine Münze zugeworfen hat. "Weißt du es nicht? Jesus ist da, dort kommt er". Jesus ist da, denkt er, der darf nicht vorübergehen! Der wird mich hören! Der hat doch gesagt, alles wird anders werden! Bartimäus bekommt auf einmal ganz viel Mut. Er denkt: Vielleicht hilft Jesus auch mir? Er fragt die Leute: «Wo ist Jesus?» Aber niemand gibt ihm Antwort. Niemand hört ihm zu. Jetzt hört Bartimäus eine fremde Stimme. Diese Stimme hat er noch nie gehört. Das muss Jesus sein! Ganz bestimmt! Bartimäus schreit: «Jeeesuuus, Jeeesuuus, hilf mir!» Die Leute kommen gerannt. Sie schimpfen. Ein Mann sagt: «He, was fällt dir ein, so zu schreien, du tust ja unseren Ohren weh!» Bartimäus aber schreit nur noch lauter: «Jeeeesuuuus, Jeeeesuuuus, hilf mir!» Die Leute schimpfen: «Still, hör auf!» 40
Bartimäus lauscht. Jetzt hört Bartimäus eine Stimme: Jesus: "Ruft ihn!" Das ist ER! Bartimäus weiss es ganz sicher. Da berührt ihn jemand. "Freu dich, Bartimäus, komm schnell", sagt der, "Jesus ruft dich." Das lässt er sich nicht zweimal sagen. Im Nu springt er auf, wirft seine schmutzige Decke und den Mantel weg und damit alles was er hat und läuft zu Jesus. Teil 3 Ende (4. Stunde) Einfach so - ohne etwas zu sehen. Er spürt einfach, wo Jesus ist. Es ist, wie wenn er mit dem Herzen sehen könnte. Da steht er vor ihm. Bartimäus steht da. Und vor ihm Jesus. Bartimäus steht mit zitternden Knien. Außer Atem. Da hört er eine Stimme, eine warme, liebe Stimme. Jesus fragt ihn: "Was kann ich für dich tun? Bartimäus schluckt. Daraufhatte er so lange gewartet. dass jemand ihm zuhört. dass jemand ihn anspricht. dass jemand ihn fragt. Mit Tränen in den Augen flüstert er: "Ich möchte sehen. Ja, Herr, ich möchte wieder sehen." Und da hört er die Stimme von Jesus . Und die sagt zu ihm: "Bartimäus, du kannst schon immer sehen: Mit dem Herzen kannst du sehen. Mit dem Herzen sehen, das ist: Zeit haben für den Freund Aaron und seine Sorgen mit der Frau. Zeit haben für die Menschen. Und zuletzt: Mich finden." Bartimäus öffnet die Augen. Er staunt: Er sieht Jesus. Er sieht Kinder. Er sieht die Menschen. Er sieht ihre leuchtenden Augen. Er sieht die Häuser. Er sieht die Bäume. Bartimäus kann vor Freude kaum sprechen. Er sagt nur zwei Worte - immer wieder sagt er sie: «Danke, Jesus, danke, Jesus.» Die Menschen sehen sich an. Sie staunen: Scheint die Sonne heute nicht besonders hell? Leuchten die Farben der Häuser heute nicht viel stärker als sonst? Seht das Grün des Baumes! Glänzten die Blätter je so stark im Sonnenlicht? Und erst die Augen der Kinder! Wie sie glänzen! Was für eine schöne Welt.
Teil 4 Ende (5. Stunde)
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Gebet Gott, unser Vater! Oft sind wir wie blind. Wir sind wie blind für all das Schöne auf der Welt. Wir sind wie blind für die Menschen neben uns. Jesus war für die Menschen wie ein helles Licht. Guter Gott, hilf uns, für andere wie Licht zu sein. Gib uns Augen, wie Jesus, die auf andere schauen. Gib uns Hände wie Jesus, die andere zärtlich berühren. Gib uns Füße wie Jesus, die zum anderen hingehen. Gib uns ein Herz wie Jesus, das für die Menschen schlägt. Darum bitten wir. Amen
Bild Herzauge von HAP Grieshaber
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Lied der gesamten UE:
Anmerkung der Redaktion: Die Abbildung wurde aus urheberrechtlichen Gründen entfernt.
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Der Sinne-Parcours Hören 1: Auf dem Tisch liegen verschiedene Gegenstände aus dem Alltag. Dein Partner verbindet dir die Augen. Anschließend verursacht er mithilfe der Gegenstände Geräusche. Welche kannst du erkennen? Hören 2: Auf dem Tisch liegen verschiedene Musikinstrumente. Dein Partner verbindet dir die Augen. Anschließend bringt er die Instrumente zum Klingen. Welche kannst du erkennen? Riechen 1: Auf dem Tisch stehen verschiedene Duftöle. Dein Partner verbindet dir die Augen. Anschließend hält er dir die Duftöle unter die Nase. Welche kannst du erkennen? Riechen 2: Auf dem Tisch stehen verschiedene Filmdöschen. In jeder Dose ist ein Gewürz oder ein Stück Obst. Dein Partner verbindet dir die Augen. Anschließend hält er dir die verschiedenen Döschen unter die Nase. Was kannst du erkennen? Sehen 1: Auf dem Tablett liegen zugedeckt verschiedene Alltagsgegenstände. Dein Partner nimmt das Abdecktuch für eine Minute weg. Versuche dir einzuprägen. was auf dem Tablett liegt. Dann wird das Tuch wieder über die Gegenstände gelegt. An welche kannst du dich erinnern? Sehen 2: Halte deine Augen geschlossen. Dein Partner führt dich durch das Klassenzimmer. Du bist sein ••Fotoapparat". Wenn ihr stehen bleibt. öffne kurz deine Augen. Schließe sie danach wieder und erzähle deinem Partner. was du ..fotografiert". also gesehen hast.
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Bilder für die Geschichte (Beispiele):
Anmerkung der Redaktion: Die Abbildungen wurden aus urheberrechtlichen Gründen entfernt.
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Was du sehen kannst
Was du nicht sehen kannst Was du atmest. die Luft. von einer Rose den Du fl . A.u s der Erde die Kraft.
die Süße vom Apfelsaft. Die Schmerzen des Kranken . deine Gedanken. de:nen guten 'killen und die S'tille.
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