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German Pages 30 [32] Year 1889
Haftpflicht der Geuosfen und das
Umlageversahren. Bon
Ludolf Parisius. Entgegnung auf die unter gleichem Titel erschienene Schrift des Herrn Prof. Dr. Goldschmidt.
Abdruck aus: „Blätter für Genossenschaftswesen" 1888.
Berlin und Leipzig.
Verlag von. I. Guttentag ($>. eemn).
1880.
Die Haftpflicht der Genossen und das Umlage verfahren. l.
So lautet der Titel einer am 1. November 1888 in Druck gegebenen Schrift des Professor Dr. Goldschmidt, welche eine Beilage der Petition der Herren E. Morgen stern, C. I. Matthies, Franz Werner und Genossen an den deutschen Reichstag betreffend den Entwurf des neuen deutschen Genossenschaftsgesetzcs bildet. Die Schrift des ausgezeichneten Rechtslehrers verdient allgemeine Aufmerksamkeit, bei den Juristen sowohl, wie bei den praktischen Genossenschaftern, und wird sie gewiß auch bei den Reichstagsmitgliedcrn finden. Ihre Auseinandersetzungen sind lehrreich und förderlich für unser Gcsellschaftsrecht. Der praktische Zweck derselben ist die Unterstützung jener Peti tion, die mit der Bitte an den Reichstag endet, den Genossen schaftsgesetzentwurf dahin abzuändern, „daß der Einzelangriff der Gläubiger gegen die Genossen beseitigt, die ausgeschiedenen noch haftbaren Mitglieder zum Nachschußverfahren für die zur Zeit ihres Austritts schon vorhandenen Verbindlichkeiten herangezogen werden." Dem praktischen Zweck entsprechend behandelt Goldschmidt nach einem einleitenden Abschnitte von 5 Seiten den Einzel angriff der Genossenschaftsgläubiger auf 19 Seiten und die Heranziehung ausgeschiedener Genossen zum Umlageverfahren auf 12 Seiten. Gerade jener praktische Zweck veranlaßt mich zu einer Entgegnung auf mehrere Ausführungen des Verfassers. Diese wird mir erleichtert durch einige allgemeine Sätze der Ein leitung. Goldschmidt bemerkt (Seite 4), meines Erachtens mit Recht, die beiden Fragen — die Statthaftigkeit des Ein zelangriffs von Genossenschaftsgläubigern gegen die noch haf tenden Genossen und die Betheiligung ausgeschiedener,' aber den Gcnossenschaftsgläubigern noch hastender. Genossen am Umlageverfahren — stünden zwar in einem gewissen Zusam-
4 menhang, aber derselbe sei nicht ein logisch nothweniger; man könne die eine verneinm und die andere bejahen. Er fährt dann wörtlich fort: „Kür die Entscheidung beider Fragen sind, da eS sich um eine durchgreifend reformirende, zum er heblichen Theil ganz neues Recht schaffende Gesetz gebung handelt, in erster Linie Erwägungen der Zweckmäßigkeit oder wirthschaftlichen Nothwendigkeit maßgebend; die sogen, „juristische Konsequenz", wenngleich sicherlich zu erstreben, und die Anforderungen sog. „juristi scher Konstruktion" stehen dabei überall in zweiter Linie. Sogar für das einzelne Gesetz ist auS Zweckmäßigkeitsgründen eine Abweichung von den leitenden Prinzipien dieses Gesetzes unter Umständen geboten. Noch weniger schwer würde eine Abweichung einzelner, ja vieler Bestimmungen dieses Gesetzes von sog. „allgemeinen juristischen Prinzi pien" wiegen ..." Er führt dies noch weiter in trefflicher Begründung aus, die ich Jedermann, der sich um Gesetzgebungs-Fragen küm mert, dringend empfehlen möchte. Aber bei Anwendung dieser Sätze — bei den Erwägungen der Zweckmäßigkeit oder wirthschaftlichen Nothwendigkeit, bei der Prüfung der Vorgänge, wie sie sich tnt Konkurse einer Genossenschaft nach den in Frage stehenden Bestimmungen des Gesetzentwurfes abspielen würden, gerade hierbei irrt sich, meine ich, der Vorfasser mehrfach in so erheblichem Maße, daß mir nach Kor rektur dieser Irrthümer die Erwägungen der Zweckmäßigkeit zu dem entgegengesetzten Ergebniß führen zu müssen scheinen. 2. Goldschmidt's Auseinandersetzungen über die Geschichte der Frage des Einzelangriffs »nd seine Darstellung der Fehler der jetzigen Bestimmungen geben mir zu keinen Bemerkungen Anlaß. Von dem Gesetzentwurf erkennt er an (Seite 14), daß das Umlageverfahren in geeigneter Weise geordnet sei und jetzt dafür gesorgt werde, daß „die mindestens theilweise Befriedigung der Gläubiger in einem früheren Stadium des Konkursverfahrens erfolgt, später eintretende Zahlungs unfähigkeit einzelner Genossen somit in der Regel die Befrie digung der Gläubiger nicht verhindern wird, und die zum Ein zelangriff noch »erstattete Ausfullsforderung (Entwurf § 22, 110, 121) in der Regel einen nicht allzu erheblichen Bruch theil der ursprünglichen Genossenschaftsschuld beträgt; endlich
5 daß. so weit (noch in der Genossenschaft sichende) Genossen dem Einzelangriff unterliegen, sie hinsichtlich des Gezahlten den Rückgriff gegen die Genossenschaft haben. (Entwurf § 112, S. 200.)“ Nachdem Goldschmidt so die Vorzüge des neuen Ent wurfs dargestellt, geht er zur Veranschaulichung der praktischen Wirkungen des Systems über — und hierbei treten die bereits erwähnten Irrthümer zu Tage. Ich muß die folgenden Absätze wörtlich mittheilen: „Um die praktischen Wirkungen dieses Systems, dessen sorgfältig ausgearbeitete Einzelheiten (Entw. § 85—106) als bekannt vorausgesetzt werden dürfen, zu veranschau lichen, sei der Fall gesetzt, daß zur Zeit der Konkurs eröffnung das bilanzmäßige Aktivvermögen der Genossenchaft 500 000 JL, dagegen die bilanzmäßige Genoffenschafts chuld 1 Million Mk. beträgt und daß — ein sehr güntiger Fall — die fehlenden 500 000 JL oder, wie sich bei lerichtigter Bilanz ergiebt, 550000 Ji im Wege des vor läufigen Umlagcverfahrens (sog. „Vorschußverfahrens“ §§ 95—101 bezw. 102) bis auf 300000 J& beigetrieben sind, endlich daß von diesem Fehlbeträge weitere 100000 JL alsbald oder doch bis znm Ablauf der zweimonatlichm Frist