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German Pages 222 Year 2021
Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Band 175
Die gesamtschuldnerische Innenhaftung von Vorstandsmitgliedern im Aktienrecht Die Inanspruchnahme Einzelner gem. § 93 II 1 AktG i.V.m. § 421 BGB, ihre Folgen und Maßnahmen zu deren Korrektur
Von
Kathrin Groß
Duncker & Humblot · Berlin
KATHRIN GROSS
Die gesamtschuldnerische Innenhaftung von Vorstandsmitgliedern im Aktienrecht
Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Herausgegeben von Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Hamburg Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., Freiburg Professor Dr. Gerald Spindler, Göttingen
Band 175
Die gesamtschuldnerische Innenhaftung von Vorstandsmitgliedern im Aktienrecht Die Inanspruchnahme Einzelner gem. § 93 II 1 AktG i.V.m. § 421 BGB, ihre Folgen und Maßnahmen zu deren Korrektur
Von
Kathrin Groß
Duncker & Humblot · Berlin
Die Fakultät III Wirtschaftswissenschaften, Wirtschaftsinformatik und Wirtschaftsrecht der Universität Siegen, Fachrichtung Deutsches und Europäisches Wirtschaftsrecht hat diese Arbeit im Jahre 2019 als Dissertation angenommen.
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© 2021 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Rimpar Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 1614-7626 ISBN 978-3-428-18181-0 (Print) ISBN 978-3-428-58151-8 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
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Vorwort Die Vorstandshaftung ist lebendiger denn je. Aufsehenerregende Regressfälle mit Schadensersatzforderungen in Millionen- oder gar Milliardenhöhe sind Realität. Die gesetzlich angeordnete Haftung als Gesamtschuldner ermöglicht es der Aktiengesellschaft aus mehreren pflichtwidrig und schuldhaft handelnden Vorstandsmitgliedern einzelne auszuwählen und von diesen den gesamten ihr entstandenen Schaden ersetzt zu verlangen. Für die einzelnen in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieder ergeben sich daraus vielfältige Risiken und Nachteile. Die Arbeit widmet sich dieser Inanspruchnahmesituation, ihren Folgen und Maßnahmen zu deren Korrektur. Sie hat dem Fachbereich Wirtschaftswissenschaften, Wirtschaftsinformatik, und Wirtschaftsrecht der Universität Siegen im Wintersemester 2018/2019 als Dissertation vorgelegen. Literatur und Rechtsprechung sind bis zu diesem Zeitpunkt berücksichtigt. Die Disputation fand im August 2020 statt. Insbesondere danke ich meinem Doktorvater, Prof. Dr. Torsten Schöne, der die Arbeit angenommen, betreut und immer unterstützt hat. Für seine wertvollen Anmerkungen und Anregungen sowie den bereichernden fachlichen Austausch bin ich sehr dankbar. Ihm und Prof. Dr. Tobias Fröschle danke ich zudem für den jederzeit freundlichen Empfang in Siegen. Weiterer Dank gilt Prof. Dr. Peter Krebs für die Erstellung des Zweitgutachtens. Bei den Herausgebern der „Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht“ bedanke ich mich für die Aufnahme in die Schriftenreihe. Dr. Kai-Guido Schick danke ich sehr für seine Unterstützung in der letzten Bearbeitungsphase und dabei insbesondere für die sorgfältige und kritische Durchsicht der Arbeit. Auch Evelyne Roth gebührt mein Dank für die Mühen, die mit dem Korrekturlesen verbunden waren. Ein besonderes Dankeschön richtet sich an all meine Kollegen, meine Freunde und meine Familie, die mir während der Promotionszeit wann immer es nötig war mit offenen Ohren, motivierenden Worten und starken Schultern zur Seite standen. Von ganzem Herzen danke ich schließlich Tobias Risel, der mich ermutigt hat, mein Promotionsvorhaben in die Tat umzusetzen und mich auf diesem Weg immerzu mit der notwendigen Portion Herz und Humor begleitet hat. Seine Geduld, seine Rücksichtnahme, und sein uneingeschränkter Beistand hatten einen großen Anteil am Gelingen der Arbeit. Ihm ist die Arbeit gewidmet. Berglen, im Februar 2021
Kathrin Groß
Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
1. Teil Darstellung der Ist-Situation
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A. Das Haftungsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 I. Voraussetzungen der Innenhaftung von Vorstandsmitgliedern . . . . . . . . . . . . . . . . 21 1. Pflichten der Vorstandsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 a) Sorgfaltspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 b) Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 aa) Herleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 bb) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 2. Nichterfüllung von Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 3. Pflichtenmaßstab und Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 4. Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 5. Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 6. Zwischenergebnis: Voraussetzungen der Innenhaftung von Vorstandsmitgliedern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 II. Haftung als Gesamtschuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 1. Wortlaut und grammatikalische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 2. Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 3. Gesetzgebungsgeschichte und konkreter Sinn und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 a) Vom Gesetzgeber festgelegte Gesetzeszwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 aa) Sinn und Zweck der Rechtsfolge in § 421 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 bb) Sinn und Zweck der Gesamtschuldanordnung in § 93 II 1 AktG . . . . . . 34 b) Durch Auslegung ermittelter Gesetzeszweck des § 93 II 1 AktG . . . . . . . . . 35 4. Zwischenergebnis: Haftung als Gesamtschuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 III. Rechtsverfolgung und Möglichkeiten der Eindämmung des Haftungsrisikos . . . . 37 1. Zuständigkeit für die Verfolgung der Innenhaftungsansprüche . . . . . . . . . . . . . 37 2. Rechtsverfolgungspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 a) Prüfung und Verfolgung der Innenhaftungsansprüche (Exemplarisch: Der Fall ARAG/Garmenbeck und seine Folgen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
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Inhaltsverzeichnis b) Vergleichs- und Verzichtsvereinbarungen über Innenhaftungsansprüche (Exemplarisch: Der Fall Siemens) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 3. Versicherung des Haftungsrisikos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 4. Ansätze zur Haftungserleichterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 5. Die freie Schuldnerauswahl bei der Innenhaftung von Vorstandsmitgliedern 44 IV. Risiken und Nachteile für Vorstandsmitglieder aus der Inanspruchnahme im Haftungsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 1. Verteidigungsrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 a) Streitverkündung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 aa) Voraussetzungen nach §§ 72, 73 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 (1) Streitverkündungsgrund, Streitverkünder, Streitverkündeter und Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 (2) Beitritt zum Haftungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 bb) Auswirkungen der Streitverkündung im Haftungsprozess . . . . . . . . . . . 48 (1) Prozessrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 (2) Kostenfolge im Haftungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 cc) Bewertung als Verteidigungsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 b) Erheblicher Tatsachenvortrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 aa) Beweislastumkehr in § 93 II 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 bb) Bewertung als Verteidigungsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 c) Einrede der Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 aa) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 bb) Bewertung als Verteidigungsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 2. Kostenrisiko, Liquiditätsrisiko, Risiko eigener Zahlungsunfähigkeit und Insolvenzrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 V. Ergebnis: Das Haftungsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
B. Das Rückgriffsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 I. Allgemeines zum Rückgriff nach § 426 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 II. Rückgriffsansprüche nach § 426 I 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 1. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 a) Vor Befriedigung der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 aa) Anspruch auf Zahlung oder Ausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 bb) Anspruch auf Befreiung, Freistellung oder Mitwirkung . . . . . . . . . . . . . 64 (1) Bei unberechtigter Inanspruchnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 (2) Bei berechtigter Inanspruchnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 b) Nach Befriedigung der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 c) Art und Umfang der Schuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 2. Materiell-rechtliche Durchsetzbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 a) Einwendungen aus dem Rückgriffsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 aa) Erheblicher Tatsachenvortrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
Inhaltsverzeichnis
9
bb) Einrede der Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 (1) Anspruchsentstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 (2) Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 (3) Tatsächliche Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 b) Einwendungen aus dem Haftungsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 aa) Existenz als Einwendung tauglicher Tatsachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 bb) Wirkung der als Einwendung tauglichen Tatsachen . . . . . . . . . . . . . . . . 75 (1) Erlass gem. § 423 BGB durch Verzicht oder Vergleich . . . . . . . . . . 75 (2) Verjährung gem. § 425 II, I BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 (3) Rechtskräftiges Urteil gem. § 425 II, I BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 cc) Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 3. Prozessuale Durchsetzbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 a) Richtige Klageart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 b) Formulierung eines bestimmten Klageantrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 aa) Ausführungen zum ursprünglichen Anspruch aus § 93 II 1 AktG . . . . . 87 bb) Weitere Anforderungen an den Klageantrag aus der Art der begehrten Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 c) Schlüssiger Vortrag, Darlegung und Beweis des Anspruchs aus § 426 I 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 aa) Grund des Anspruchs aus § 426 I 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 (1) Inanspruchnahme oder Befriedigung aufgrund eines begründeten Anspruchs aus § 93 II 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 (a) Darlegung und Beweis des Bestehens eines Anspruchs aus § 93 II 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 (b) Möglichkeiten zur Beschaffung beweisrelevanter Informationen
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(c) Anwendbarkeit der Beweislastumkehr aus § 93 II 2 AktG . . . . . 92 (2) Inanspruchnahme oder Befriedigung aufgrund eines unbegründeten Anspruchs aus § 93 II 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 bb) Höhe des Anspruchs aus § 426 I 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 cc) Verstoß gegen die prozessuale Wahrheitspflicht gem. § 138 I ZPO . . . . 97 d) Tatsächliche Folgen der Klageerhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 4. Inhalt des Leistungsurteils und Vollstreckbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 5. Zwischenergebnis: Rückgriffsansprüche nach § 426 I 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . 100 III. Rückgriff nach § 426 II 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 1. Inhalt, Art und Umfang der Schuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 2. Materiell-rechtliche Durchsetzbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 b) Einrede der Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 3. Prozessuale Durchsetzbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 a) Richtige Klageart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 b) Wirkungen nach § 265 ZPO und § 325 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
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Inhaltsverzeichnis c) Formulierung eines bestimmten Klageantrags, schlüssiger Vortrag, Darlegung und Beweis des nach § 426 II 1 BGB übergegangenen Anspruchs aus § 93 II 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 4. Inhalt des Leistungsurteils und Vollstreckbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 5. Zwischenergebnis: Rückgriff nach § 426 II 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 IV. Maßnahmen zum Erhalt der gesetzlichen Rückgriffsmöglichkeiten nach § 426 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 1. Streitverkündung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 a) Prozessuale Wirkung im Rückgriffsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 aa) Objektive Reichweite der Interventionswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 bb) Subjektive Reichweite der Interventionswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 b) Materiell-rechtliche Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 c) Kostenfolge im Rückgriffsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 d) Zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 2. Verjährungshemmende Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 V. Schadensersatz bei Verletzung der Pflichten aus dem Rückgriffsverhältnis . . . . . . 119
C. Gesamtergebnis: 1. Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
2. Teil Korrekturbedarf der Ist-Situation
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A. Konkreter Gegenstand und Inhalt der Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 I. Rechtstatsachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 II. Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 1. Gemeinschaftliche Haftung nach § 93 II 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 2. Rückgriff nach § 426 BGB und wechselseitige Auswirkungen der Schuldverhältnisse gem. §§ 422 – 425 BGB und § 412 BGB i.V.m. § 404 BGB . . . . . . . . 126 3. Inanspruchnahme als Gesamtschuldner gem. § 93 II 1 AktG i.V.m. § 421 S. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 III. Prüfungsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 B. Normenkollisionen und Wertungswidersprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 I. Verstoß gegen das Vergleichs- und Verzichtsverbot aus § 93 IV 3 AktG . . . . . . . . 128 1. Regelungsgehalt des § 93 IV 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 2. Anwendbarkeit des § 93 IV 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 a) Rechtserheblichkeit der Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 b) Verzichtswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 3. Wertungswiderspruch zu § 93 IV 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 4. Zwischenergebnis: Verstoß gegen das Vergleichs- und Verzichtsverbot aus § 93 IV 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
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II. Kollision mit der Prüfungs- und Überwachungspflicht des Aufsichtsrats . . . . . . . 135 1. Gesetzliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 a) § 111 I AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 aa) Verpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 bb) Überwachungsgegenstand und Überwachungstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . 136 cc) Kollision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 b) § 112 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 c) Aktienrechtliche Legalitätspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 d) Zwischenergebnis: Gesetzliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 2. Kollision mit den Grundsätzen der ARAG/Garmenbeck-Rechtsprechung . . . . . 140 a) Die höchstrichterliche Rechtsprechung als Rechtsquelle . . . . . . . . . . . . . . . . 141 b) Vergleichbarkeit mit dem Fall ARAG/Garmenbeck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 aa) Besondere Prägung der ARAG AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 bb) Anzahl der haftenden Vorstandsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 cc) Situation der Inanspruchnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 dd) Art und Weise der Nichtgeltendmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 ee) Zwischenergebnis: Vergleichbarkeit mit dem Fall ARAG/Garmenbeck 145 c) Grundsätze der ARAG/Garmenbeck-Rechtsprechung und ihre Rezeption in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 aa) Die Prüfpflicht nach ARAG/Garmenbeck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 (1) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 (2) Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 (3) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 (4) Wertungswiderspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 bb) Die Verfolgungspflicht nach ARAG/Garmenbeck . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 (1) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 (2) Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 (a) Handlungsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 (b) Erkenntnisebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 (3) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 (4) Wertungswiderspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 d) Zwischenergebnis: Kollision mit den Grundsätzen der ARAG/GarmenbeckRechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 e) Auswirkungen der ARAG/Garmenbeck-Grundsätze auf die aktienrechtliche Legalitätspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 3. Zwischenergebnis: Kollision mit der Prüfungs- und Überwachungspflicht des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 III. Widerspruch zu aktienrechtlichen Treuepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 1. Treuepflicht der Aufsichtsratsmitglieder gegenüber der Gesellschaft . . . . . . . . 159 a) Anwendbarkeit, Herleitung und Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 b) Widerspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162
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Inhaltsverzeichnis 2. Treuepflicht der Gesellschaft gegenüber den Vorstandsmitgliedern . . . . . . . . . . 163 a) Herleitung und Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 b) Anwendbarkeit und Widerspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 3. Zwischenergebnis: Widerspruch zu aktienrechtlichen Treuepflichten . . . . . . . . 167 IV. Widerspruch zu einem allgemeinen Gebot der Gleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . 168 V. Aufhebung der Normenkollisionen und Wertungswidersprüche durch Hauptversammlungsbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
C. Vergleich zu ähnlich gelagerten Fällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 I. Fallgruppenbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 II. Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 1. Vertretungsbefugnis und Entscheidungskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 a) Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 b) Gesellschaft mit beschränkter Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 2. Möglichkeiten der Verfügung über die Ansprüche der Gesellschaft . . . . . . . . . 175 III. Ergebnis: Vergleich zu ähnlich gelagerten Fällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 D. Erreichung des konkreten Normzwecks in Vorstandshaftungsfällen . . . . . . . . . . . . . . . 177 E. Gesamtergebnis: 2. Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178
3. Teil Korrektur der Ist-Situation und ihre Folgen
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A. Korrekturmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 I. Enge Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 II. Teleologische Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 B. Folgen der Korrektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 I. Materiell-rechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 1. Inhalt der Regelung in § 93 II 1 AktG i.V.m. § 421 S. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . 181 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 b) Sonderfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 aa) Gründe außerhalb des Unternehmenswohls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 bb) Uneinbringlichkeit der Forderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 cc) Alleinverantwortlichkeit im Innenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 2. Ergänzung von Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 3. Bewertung als Verteidigungsmittel in materiell-rechtlicher Hinsicht . . . . . . . . . 184 II. Prozessuale Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 1. Einwand der unzulässigen Rechtsausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 a) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185
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b) Wirkung des Einwands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 c) Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 2. Bewertung als Verteidigungsmittel in prozessualer Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . 189 C. Gesamtergebnis: 3. Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220
Einleitung Die aktienrechtliche Innenhaftung von Organmitgliedern hat im Laufe der Zeit stark an Bedeutung gewonnen. In den achtziger Jahren des vorherigen Jahrhunderts sprach man noch von einer „Bißsperre des Aufsichtsrats“1 und davon, dass sie „kein lebendes Recht“2 verkörpere. In den darauf folgenden neunziger Jahren galt sie nach wie vor als „totes Recht“3, das „nur auf dem Papier“4 bestehe. Der Haftungsandrohung solle es an „praktischer Relevanz“5 gefehlt haben, weshalb sie als „rein theoretisch“6 beklagt wurde. Teilweise wurde sie noch zu Beginn dieses Jahrtausends als „vernachlässigbares Restrisiko“7 ausgewiesen. In der wissenschaftlichen Diskussion nahm sie ebenfalls lange Zeit nur wenig Raum ein,8 obwohl sie bereits in den Vorgängernormen des Aktiengesetzes zu finden war und damit seit über 150 Jahren geltendes Recht ist. Auch in der Rechtsprechung hat die Organhaftung in der Vergangenheit lange Zeit kaum eine Rolle gespielt. So wurde in den ersten 131 Bänden BGHZ nur ein einziger Organhaftungsfall ausgemacht.9 Der Fall ARAG/Garmenbeck10 und das hierzu ergangene letztinstanzliche Urteil11 aus dem Jahr 1997 änderten diesen Befund grundlegend.12 Darin stellte der BGH die Pflicht des Aufsichtsrats auf, Schadensersatzansprüche der Aktiengesellschaft gegen ihre Vorstandsmitglieder eigenverantwortlich zu prüfen und, wenn diese bestehen, 1
Peltzer, WM 1981, 346, 348 f. Wiedemann, GesR Bd I, 1980, § 11 III 2 (S. 624). 3 Lutter, JZ 1998, 50, 51; Adams, AG Sonderheft 8/1997, 9, 10; Bachmann, E18. 4 Baums, F246. 5 So rückblickend Paefgen, AG 2014, 554, Fn. 1. 6 So rückblickend Dietz-Vellmer, NZG 2011, 248, Fn. 1. 7 Dreher, ZHR 165 (2001), 293, 294. 8 Vgl. Casper, ZHR 176 (2012), 617, 618 mit Verweis auf § 93 und § 116 AktG in GKAktG/Schilling, 3. Auflage (1973), worin die Organhaftung im Vergleich zu heute kaum behandelt wird; so auch Ek, S. 1; Kossen, DB 1988, 1785 ff.; Peltzer, WM 1981, 346 ff.; Raiser, NJW 1996, 552; zu den Anfängen der intensiven wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Innenhaftung Semler, AG 1983, 141; Theisen, BB 1988, 705; Bea/Scheurer, DB 1994, 2145; Dreher, ZHR 158 (1994), 614; Dreher, ZIP 1995, 628 f.; Fischer, BB 1996, 225; Gehrlein, BB 1995, 1965; Jäger/Trölitzsch, ZIP 1995, 1157 ff.; Lutter, ZIP 1995, 441; Thümmel/Sparberg, DB 1995, 1013; Semler, Rn. 221 s.a. Rn. 206, 217; Thümmel, DB 1997, 1117. 9 So Lutter, JZ 1998, 50, 52 mit Verweis auf BGHZ 100, 228. 10 Zu allen Verfahren und Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Sachverhalt ausführlich Grooterhorst, ZIP 1999, 1117 ff. 11 BGHZ 135, 244 ff. 12 Vgl. Goette, in: Liber amicorum Winter, 2011, 153; Paefgen, AG 2014, 554 f. 2
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Einleitung
sie grundsätzlich auch zu verfolgen. Dieses Urteil des BGH führte dazu, dass die aktienrechtliche Innenhaftung zu einem viel diskutierten Thema wurde und das Interesse daran ungebrochen ist. Noch heute, fast zwanzig Jahre später, besteht keine Einigkeit darüber, wie die Pflichten konkret ausgestaltet sind, die den Aufsichtsrat bei der Prüfung und Verfolgung von Schadensersatzansprüchen aus § 93 II 1 AktG treffen. Daher stellt sich für den Aufsichtsrat regelmäßig die Frage, wie er vorgehen soll, wenn ein schadensstiftendes Verhalten der Vorstandsmitglieder im Raum steht. Da die Aufsichtsratsmitglieder bei einer Verletzung ihrer Prüfungs- und Verfolgungspflichten selbst gem. § 116 S. 1 AktG i.V.m. § 93 II 1 AktG haften,13 empfiehlt es sich, jedenfalls im Zweifel, etwaige Ansprüche geltend zu machen.14 Diese Entwicklung wirkt sich unmittelbar auf die Vorstandsmitglieder aus, die sich infolgedessen vermehrt einer Inanspruchnahme gegenübersehen.15 Oft betrifft die Inanspruchnahme dabei nur einzelne Vorstandsmitglieder, obwohl die Pflichtverletzung von mehreren begangen wurde.16 Somit hat die ARAG/Garmenbeck-Entscheidung, auch ohne dass in Bezug auf ihren Inhalt sowie ihre konkrete Auslegung Einigkeit besteht, einen Wandel in der Rechtsverfolgungspraxis eingeleitet. Daneben haben weitere Impulse maßgeblich dazu beigetragen, wie sich die aktienrechtliche Organhaftung heute darstellt. So lockerten sich nach und nach die Beziehungen zwischen den Hauptakteuren der deutschen Wirtschaft.17 Lange Zeit waren sowohl das Kapital als auch das Personal deutscher Kapitalgesellschaften eng miteinander verwoben. Dieses als „Deutschland AG“ bezeichnete Phänomen lieferte soziologische Gründe für die Hemmungen bei der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegen Mitglieder von Gesellschaftsorganen.18 Seit den 1990er Jahren findet eine Entflechtung statt, die insbesondere auf die Internationalisierung der Kapitalmärkte zurückgeführt wird, durch die die Kapitalverknüpfungen aufbrachen und mit diesen auch die personellen Verknüpfungen abnahmen.19 Flankiert durch gesetzgeberisches Tätigwerden, das die Professionalisierung des Aufsichtsrats und die Stärkung der Aktionärsrechte mit sich brachte,20 trug diese Entwicklung dazu bei, dass die Aufsichtsräte zunehmend „verfolgungsfreudiger“ wurden.21 Daneben ließ die Wirtschafts- und Finanzmarktkrise die Innenhaftung in der Aktiengesellschaft 13
Vgl. zuletzt BGH NZG 2018, 1301 ff. So auch Freund, NZG 2018, 1361, 1362. 15 So auch Ek, S. 1; Zieglmeier, ZGR 2007, 144, 145. 16 Vgl. Wiesner, in: Münch Hdb GesR Bd IV, § 26 Rn. 25; Baums, ZHR 174 (2010), 593, 599; Deilmann/Otte, BB 2011, 1291; Foerster, ZHR 176 (2012), 221, 223 f.; Freund, NZG 2015, 1419; Freund, GmbHR 2009, 1185, 1187; Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 794; Koch, GmbHR 2004, 18, 21; Lutter, AG Sonderheft 8/1997, 52, 55; Rieger, in: FS Peltzer, 2001, 339, 351; Sieg, DB 2002, 1759, 1762 f. 17 Ek, S. 1; Goette, DStR 2009, 51, 56. 18 Goette, DStR 2009, 51, 56. 19 Ehren/Gros, Der Konzern 2011, 277, 280; Fehrenbach, AG 2015, 761, 763. 20 Fehrenbach, AG 2015, 761, 763; s.a. Ehren/Gros, Der Konzern 2011, 277, 278 ff. 21 Vgl. Bachmann, E18; Fehrenbach, AG 2015, 761, 767. 14
Einleitung
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Ende der 2000er Jahre erneut hochaktuell werden.22 Denn als eine ihrer Ursachen wurde die fehlende Kontrolle der Leitungsorgane von Unternehmen ausgemacht.23 Auch diese Feststellung setzte einen Anreiz für Aufsichtsräte, pflichtwidriges Vorstandshandeln zu untersuchen und zu verfolgen. Spätestens seit diesem Zeitpunkt ist das einst tot gesagte Recht der aktienrechtlichen Innenhaftung lebendiger denn je. Die Unternehmen reagierten darauf, indem sie Vermögensschadens-Haftpflichtversicherungen für ihre Organmitglieder abschlossen. Diese Policen haben ihren Ursprung in den US-amerikanischen „Directors’ & Officers’ Liability Insurances“, die in Deutschland erstmals im Jahr 1986 angeboten wurden und infolge des steigenden Bedarfs inzwischen ein versicherungsrechtliches Standardprodukt darstellen.24 Die Versicherbarkeit der Haftpflichtrisiken von Organmitgliedern führte zu einem Effekt, der mit der Formel „Deckung schafft Haftung“ umschrieben wird,25 und ebenfalls die Verfolgungspraxis beeinflusste. Denn eine solche Versicherung erhöht die Chance, dass der geltend gemachte Schaden in voller Höhe oder zumindest in einem gewissen Umfang ersetzt wird, und erweckt den Anschein, dass die Vorstandsmitglieder in vielen Fällen letztlich kaum belastet werden. Auch dies spricht aus der Sicht eines Aufsichtsrats für eine Verfolgung der Ansprüche. Mit der Verfolgungspraxis veränderte sich auch die Art der Fälle, die in die Öffentlichkeit gelangten. Diese zeichnen sich vielfach durch exorbitant hohe Ersatzforderungen aus.26 So sind Schadenssummen in dreistelliger Millionenhöhe nicht selten.27 Die zwar hohen Gehälter der Vorstandsmitglieder reichen gewöhnlich nicht aus, um diese Beträge aufzubringen. Daher wird im Zusammenhang mit der aktienrechtlichen Innenhaftung teilweise auch von einem „nicht abschätzbaren Existenzrisiko“28 für die Organmitglieder gesprochen. Die Diskussionen in Wissenschaft und Praxis zum Umgang mit dieser Entwicklung sind kontrovers. Die Voraussetzungen und Folgen der aktienrechtlichen Innenhaftung stehen in Streit. Zum Teil wird noch immer davon ausgegangen, dass sie in der Praxis kaum Anwendung findet,29 zum Teil wird die Forderung erhoben, sie wegen ihrer existenzbedrohenden Wirkung de lege lata30 oder de lege ferenda31 zu beschränken.
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Meyer, CCZ 2011, 41; Rieder/Holzmann, AG 2011, 265 ff.; Spindler, AG 2013, 889. Peltzer, in: FS Hofmann-Becking, 2013, 861 f. 24 Ihlas, Organhaftung, S. 1; Spindler/Stilz/Fleischer, § 93 Rn. 225; Fleischer, in: Hdb VorstR, § 12 Rn. 5; Daftari/Franzen, VW 2011, 340 ff. 25 Ihlas, D&O, S. 620 ff.; Sieg, DB 2002, 1759; Fehrenbach, AG 2015, 761, 764. 26 Dazu ausführlich Lange, § 2 Rn. 255 ff. 27 Vgl. Daftari/Franzen, VW 2011, 340; s.a. Ihlas, D&O, S. 159 ff. 28 Ihlas, Organhaftung, S. 324. 29 Vgl. Lutter, in: Hdb Managerhaftung, § 1 Rn. 1.22; Leuering, in: Arbeitshdb HV, § 47 Rn. 38. 30 Vgl. Koch, AG 2012, 429 ff. 23
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Einleitung
Auch der Gesetzgeber wurde im Laufe der Zeit punktuell tätig und widmete sich der aktienrechtlichen Organhaftung in verschiedenen Reformgesetzen. Dabei stellte er einerseits die Konturierung des zu erfüllenden Pflichtenprogramms in den Mittelpunkt.32 Andererseits passte er Einzelvorschriften an, die sich auf die Verfolgung und Durchsetzbarkeit der Ansprüche auswirkten. So wurde mit den §§ 147, 148 AktG die Aktionärsklage eingeführt,33 der Wechsel vom Vorstand in den Aufsichtsrat durch § 100 II Nr. 4 AktG erschwert34 und die Verjährungsfrist der Innenhaftungsansprüche von börsennotierten Aktiengesellschaften in § 93 VI AktG von fünf auf zehn Jahre verlängert.35 Dabei ist die Zielrichtung dieser Anpassungen in mancher Hinsicht gegenläufig. Denn sie dienen zum Teil dazu, die Haftung zu begrenzen, zum Teil dazu, die Verfolgung zu erleichtern. Dieser kleine Ausschnitt aus der Rechtsprechung, den tatsächlichen Entwicklungen, den fachlichen und öffentlichen Diskussionen sowie dem gesetzgeberischen Tätigwerden verdeutlicht, in welchem Spannungsfeld sich die aktienrechtliche Innenhaftung bewegt. Auf der einen Seite steht das Bedürfnis, Fehlverhalten von Mitgliedern der Leitungsorgane zu ahnden, um sowohl präventiv als auch repressiv auf diese einzuwirken, mit dem Ziel die Gesellschaft vor Schäden zu bewahren. Auf der anderen Seite steht die Gefahr, dass die Organmitglieder über Gebühr belastet werden, und damit die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft beeinträchtigt wird. Die vorgeschlagenen und teilweise umgesetzten Korrekturen der als unbefriedigend empfundenen Ist-Situation bei der Innenhaftung betreffen vorwiegend das Aktienrecht und die Beschränkung der Vorstandshaftung als solcher. Wenig Beachtung erfährt dagegen die Tatsache, dass § 93 II 1 AktG mit der Anordnung der Haftung als Gesamtschuldner auf die §§ 421 ff. BGB verweist, die auch alle weiteren Rechte und Pflichten enthalten, die die Vorstandsmitglieder im Haftungsfall treffen. Dieses Zusammenspiel von sonderrechtlicher Haftungsnorm und allgemeinem Schuldrecht bringt aber Risiken und Nachteile mit sich, die zu der Frage führen, ob die aktienrechtliche Innenhaftung sachgerecht ausgestaltet ist. So hängt die Ist-Situation der Vorstandsmitglieder maßgeblich davon ab, ob sie als Gesamtschuldner von der Gesellschaft ausgewählt und auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden oder nicht. Hierbei können sich vielgestaltige Konstellationen ergeben. Ausgehend von der Situation, dass alle Mitglieder eines Vorstands den Haftungstatbestand erfüllt haben, indem sie ein schadensstiftendes Ereignis pflichtwidrig und schuldhaft verursacht haben, kommen verschiedene Szenarien der Inanspruchnahme in Betracht. So ist zum Beispiel der Fall möglich, dass der Aufsichtsrat gegen keines der Vorstandsmitglieder vorgeht. Denkbar ist daneben der Fall, 31 Vgl. Scholz, S. 244 ff.; Hoffmann, NJW 2012, 1393 f., 1396, 1398; s.a. Tröger, ZHR 179 (2015), 453, 462 m.w.N. zur uneinheitlichen Beurteilung der tatsächlichen Lage. 32 Ausführlich dazu Mack, S. 18; Thümmel, Rn. 11 ff. 33 Mit dem UMAG vom 22. 09. 2005, BGBl. I, S. 2802, 2809. 34 Mit dem VorstAG vom 31. 07. 2009, BGBl. I, S. 2509. 35 Mit dem Restrukturierungsgesetz vom 09. 12. 2010, BGBl. I, S. 1900, 1929 f.
Einleitung
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dass der Aufsichtsrat nur gegen einzelne Vorstandsmitglieder ermittelt und auch nur diese auf Schadensersatz in Anspruch nimmt und verklagt. Denkbar ist ferner der Fall, dass der Aufsichtsrat gegen alle Vorstandsmitglieder ermittelt, anschließend aber ebenfalls nur einzelne Vorstandsmitglieder auf Schadensersatz in Anspruch nimmt und verklagt. In Betracht kommt auch der Fall, dass der Aufsichtsrat gegen alle ermittelt, alle in Anspruch nimmt, alle verklagt und nach dem Erhalt eines rechtskräftigen Urteils gegen alle Vorstandsmitglieder die Schadenssumme jedoch nur von einzelnen Vorstandsmitgliedern begehrt oder gegen diese vollstreckt. Schließlich ist es auch möglich, dass mit Zustimmung der Hauptversammlung Vergleichs- oder Verzichtsvereinbarungen mit einzelnen oder allen Vorstandsmitgliedern über die Schadensersatzansprüche abgeschlossen werden. Daneben kann die Situation gegeben sein, dass bereits unklar ist, ob alle Vorstandsmitglieder an der Verursachung des schadensstiftenden Ereignisses beteiligt waren. So können einzelne Vorstandsmitglieder den Innenhaftungstatbestand nicht erfüllt haben, beispielsweise weil sie die Pflichtverletzung nicht zu verantworten haben, da sie erst später ihr Amt angetreten haben, oder bereits zuvor aus dem Vorstand ausgeschieden sind. Überdies ist die Situation denkbar, dass ein einzelnes Vorstandsmitglied ihm obliegende Pflichten durch aktives Tun vorsätzlich verletzt hat und die übrigen Vorstandsmitglieder in diesem Zusammenhang nur ihre Überwachungspflichten vernachlässigt haben. Entsprechend sind auch in diesen Situationen unterschiedliche Inanspruchnahmeszenarien denkbar. Die Untersuchung setzt an diesem bislang wenig beachteten Aspekt der unterschiedlichen Behandlung der haftenden Vorstandsmitglieder an. Sie unterscheidet in den maßgeblichen Stadien der Prüfung, Verfolgung und Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen jeweils zwischen den in Anspruch genommenen und den übrigen mithaftenden Vorstandsmitgliedern, wobei Inanspruchnahme dabei je nach Kontext sowohl die außergerichtliche als auch die gerichtliche Geltendmachung meint. Die Arbeit ist in drei Teile gegliedert. Der erste Teil der Arbeit beschreibt die Ist-Situation der aktienrechtlichen Innenhaftung von Vorstandsmitgliedern. Dabei geht sie jeweils von der herrschenden Meinung in der Rechtsprechung und in der Literatur aus, da diese die Ist-Situation maßgeblich prägt. Soweit sich eine solche nicht feststellen lässt oder soweit ihr gewichtige Gründe entgegen gehalten werden können, erfolgt eine Zusammenfassung des jeweiligen Streitstands. Die Darstellung beginnt mit einem kurzen Überblick über die Voraussetzungen des § 93 II 1 AktG, deren Erfüllung das Haftungsverhältnis zwischen den Vorstandsmitgliedern und der Gesellschaft begründet. Danach wird die Rechtsfolge der Haftung als Gesamtschuldner näher geprüft, bevor Einzelheiten der Rechtsverfolgung und Ansätze zur Eindämmung des Haftungsrisikos skizziert werden. Nachfolgend werden die Risiken und Nachteile erörtert, die sich für die in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieder im Vergleich zu den übrigen mithaftenden Vorstandsmitgliedern aus ihrer Inanspruchnahme im Haftungsverhältnis ergeben. Im
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Einleitung
Anschluss an die Darstellung des Haftungsverhältnisses wird das Rückgriffsverhältnis untersucht, das mit der Haftung als Gesamtschuldner zwischen den haftenden Vorstandsmitgliedern entsteht. Dieses hält mit den Ansprüchen aus § 426 I 1 BGB und § 426 II 1 BGB i.V.m. § 93 II 1 AktG ebenfalls Maßnahmen bereit, die die in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieder gegen die übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder ergreifen können. Im Mittelpunkt der Untersuchung steht die Frage, ob diese die Risiken und Nachteile ausgleichen können, die die einzelnen in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieder im Vergleich zu den übrigen mithaftenden Vorstandsmitgliedern tragen. Dies hängt davon ab, welchen Inhalt und welchen Umfang die Rückgriffsansprüche haben, um welche Art von Schuld es sich bei ihnen handelt, ob sie materiell-rechtlich und prozessual durchsetzbar sowie vollstreckbar sind, inwiefern ihre Verjährung gehemmt werden kann und welche Folgen ihre Nichterfüllung haben kann. Auf der Grundlage dieser umfassenden Bestandsaufnahme kann die Situation der Vorstandsmitglieder beurteilt werden, die aus mehreren mithaftenden Vorstandsmitgliedern ausgewählt und gem. § 93 II 1 AktG in Anspruch genommen werden. Der zweite Teil der Arbeit widmet sich den Möglichkeiten zur Korrektur der IstSituation der in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieder. Um festzustellen, ob ein Korrekturbedarf besteht, wird daher untersucht, ob die Anwendung der §§ 421 ff. BGB auf die Vorstandshaftungsfälle mit den Normen des Aktienrechts kollidiert oder deren Wertungen widerspricht. Anschließend folgt ein Vergleich mit dem ähnlich gelagerten Fall der spezialgesetzlichen Innenhaftung im GmbH-Recht. Zuletzt wird überprüft, ob der konkrete Zweck der Gesamtschuld in den Vorstandshaftungsfällen überhaupt erreicht werden kann. Danach steht fest, ob und inwiefern die Ist-Situation der aktienrechtlichen Innenhaftung korrekturbedürftig ist. Im dritten Teil der Arbeit folgt ein eigener Lösungsvorschlag für die Korrektur der Innenhaftung von Vorstandsmitgliedern, der auf den im zweiten Teil der Arbeit gewonnenen Erkenntnissen beruht. Zudem werden sowohl die materiell-rechtlichen als auch die prozessualen Folgen geschildert, die die vorgeschlagene Korrektur der Ist-Situation mit sich bringt.
1. Teil
Darstellung der Ist-Situation A. Das Haftungsverhältnis § 93 II 1 AktG bildet die grundlegende Anspruchsnorm für die Haftung von Vorstandsmitgliedern gegenüber der Aktiengesellschaft. Soweit eine Pflichtverletzung nicht von einem speziellen Haftungstatbestand des Aktienrechts erfasst wird, greift § 93 II 1 AktG. Liegen dessen Voraussetzungen vor, so wird zwischen den Vorstandsmitgliedern und der Gesellschaft ein Haftungsverhältnis begründet und sie haften dieser als Gesamtschuldner.
I. Voraussetzungen der Innenhaftung von Vorstandsmitgliedern Der Tatbestand des § 93 II 1 AktG liegt vor, wenn Vorstandsmitglieder schuldhaft ihre Pflichten nicht erfüllt haben und der Gesellschaft hieraus adäquat kausal ein Schaden entstanden ist. Zentral für das Eingreifen dieser Haftungsnorm ist damit, welche Pflichten die Vorstandsmitglieder treffen, welche Handlungen eine Nichterfüllung dieser Pflichten darstellen können und welcher Sorgfaltsmaßstab von ihnen verlangt wird. 1. Pflichten der Vorstandsmitglieder Unter die Pflichten nach § 93 II 1 AktG fällt eine kaum zu überblickende Zahl an Normen und Verhaltensgeboten,36 die in unterschiedlichen Quellen zu finden sind. Diese können gesetzlich geregelt sein, aber auch aus dem Anstellungsvertrag der Vorstandsmitglieder, aus der Satzung der Gesellschaft sowie aus der Geschäftsordnung des Vorstands folgen.37 Sie lassen sich grob einteilen in Sorgfalts- und Treuepflichten.38 36
S. Daftari/Franzen, VW 2011, 340, die von über 84.000 Einzelpflichten sprechen; Lange, § 2 Rn. 21; Lutter, in: Hdb Managerhaftung, § 1 Rn. 1.11 mit Verweis auf die §§ 18 – 34; Wellhöfer, in: Wellhöfer/Peltzer/Müller, Die Haftung, § 4 Rn. 1 – 350; Goette, in: II. RöpkeSymposium, 13, 15; Fleischer, NZG 2010, 121. 37 Thümmel, Rn. 104a; Ihrig/Schäfer, Rn. 1521; Lange, § 2 Rn. 19, 21; MüKo-AktG/ Spindler, § 93 Rn. 21.
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1. Teil: Darstellung der Ist-Situation
a) Sorgfaltspflichten § 93 I 1 AktG beschreibt die allgemeine Sorgfaltspflicht.39 Danach haben Vorstandsmitglieder bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Unter diese Formulierung fallen alle aus der Funktion des Vorstands und seinen Aufgaben folgenden Verhaltensgebote.40 Dabei handelt es sich vor allem um Pflichten, die die Leitung der Gesellschaft betreffen. Für diese gilt der Grundsatz der Gesamtverantwortung,41 aus dem zwei Prinzipien folgen. Zum einen gilt das Prinzip der Gesamtleitung, wonach die Vorstandsmitglieder grundsätzlich gemeinschaftlich zur Geschäftsführung berufen sind.42 Von diesem Grundsatz darf nur abgewichen werden, wenn die Leitungsaufgabe nicht in ihrem Kern berührt ist.43 Soweit eine Geschäftsverteilung zulässig ist, wird von dieser Möglichkeit in der Praxis durch Geschäftsverteilungspläne oder Regelungen in Geschäftsordnungen regelmäßig Gebrauch gemacht. In diesem Fall ändert sich das Pflichtenprogramm und das Vorstandsmitglied, das für einen bestimmten Bereich verantwortlich ist, trägt die volle Verantwortung für diesen.44 Im Übrigen gilt dann das Prinzip der gegenseitigen Überwachung.45 Danach kommt den anderen Vorstandsmitgliedern die Auswahl, Aufsicht, Überwachung und Kontrolle des bereichsverantwortlichen Vorstandsmitglieds zu.46 Ferner müssen sich die Vorstandsmitglieder bei der Ausübung ihres Amtes an Recht und Gesetz halten. Neben der rechtmäßigen Geschäftsführung zählt zu dieser Legalitätspflicht, dass sie die gesetzliche Zuständigkeitsordnung befolgen, sich innerhalb des festgelegten Unternehmensgegenstands bewegen und die von der Gesellschaft als Rechtssubjekt zu beachtenden Vorschriften einhalten.47 38 Wiedemann, S. 12; Fleischer, in: Hdb VorstR, § 11 Rn. 35; Hüffer/Koch, § 93 Rn. 4; Grigoleit/Grigoleit/Tomasic, § 93 Rn. 24; Hopt, in: FS Mestmäcker, 1996, 909, 917; nach GKAktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 52 entspricht dies der Unterscheidung zwischen den allgemeinen Verhaltenspflichten nach § 276 I BGB und den Pflichten nach Treu und Glauben § 242 BGB. 39 Wiedemann, S. 12; MüKo-AktG/Spindler, § 93 Rn. 21; Wiesner, in: Münch Hdb GesR Bd IV, § 26 Rn. 11. 40 Schlechtriem, in: Kreuzer, Haftung, 9, 18 f. 41 Patzina/Bank/Schimmer/Simon-Widmann, Kap. 6 B I Rn. 2; Fleischer, NZG 2003, 449, 450; Martens, in: FS Fleck, 1988, 191, 194; Spieker, DB 1962, 927. 42 Hüffer/Koch, § 77 Rn. 18; KK-AktG/Mertens/Cahn, § 93 Rn. 67, § 77 Rn. 22 ff. 43 Patzina/Bank/Schimmer/Simon-Widmann, Kap. 6 B I Rn. 3 ff.; Spieker, DB 1962, 927, 928; MüKo-AktG/Spindler, § 76 Rn. 18; KK-AktG/Mertens/Cahn, § 77 Rn. 22 ff., § 76 Rn. 45. 44 KK-AktG/Mertens/Cahn, § 93 Rn. 92. 45 Ihlas, D&O, S. 196; Fleischer, NZG 2003, 449, 450; Spieker, DB 1962, 927, 928. 46 Ihlas, D&O, S. 209; Hübner, S. 10; Ihrig/Schäfer, Rn. 1509; Wiesner, in: Münch Hdb GesR Bd IV, § 22 Rn. 24. 47 Fleischer, in: Hdb VorstR, § 7 Rn. 10, 11, 13; Spindler/Stilz/Fleischer § 93 Rn. 14 ff.; K. Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer-Coceani, § 93 Rn. 7; Schlechtriem, in: Kreuzer, Haftung, 9, 20 ff.; MüKo-AktG/Spindler, § 93 Rn. 73 f.
A. Das Haftungsverhältnis
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b) Treuepflicht aa) Herleitung Anders als die Sorgfaltspflicht, ist die Treuepflicht als solche nicht ausdrücklich im Gesetz genannt. Sie soll jedoch unter anderem in den §§ 88, 89, 93 I 3 AktG positivrechtlich Ausdruck gefunden haben.48 Sie ist als allgemeingültiges Prinzip für die Organmitglieder der Aktiengesellschaft in der Literatur anerkannt49 und hat auch Eingang in die aktienrechtliche Rechtsprechung gefunden.50 Dogmatisch gründet sie auf der Organstellung.51 Sie wird jedoch auf unterschiedliche Aspekte derselben gestützt. So wird vertreten, dass sie aus einer Analogie zu der Treuepflicht der Aktionäre herzuleiten ist.52 Nach einem anderen Ansatz folgt die Treuepflicht aus der engen persönlichen Beziehung in einem Gemeinschaftsverhältnis,53 bzw. aus der Vertrauensstellung des Organs, da in diesem auch die Machtbefugnisse des Organs ihre Berechtigung finden.54 Diese Auffassung hat auch in der älteren Rechtsprechung Berücksichtigung gefunden.55 Inzwischen verbreitet ist ein Modell der Lehre, wonach die Treuepflicht aus der Verfügungsgewalt über fremdes Vermögen, also der jeweils bestehenden Einwirkungsmacht abgeleitet wird.56 Rechtsökonomisch betrachtet liefert dieses Modell eine Antwort auf das Problem der Trennung zwischen Eigentum und Kontrolle, bekannt als die Prinzipal-Agenten-Theorie.57 Denn die Aktiengesellschaft ist darauf 48
Abeltshauser S. 334; Thümmel, Rn. 210; GK-AktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 224. A. Hueck, Treuegedanke, S. 9, 13; Grundmann, S. 269; Wiedemann, S. 12; Thümmel, Rn. 210; Roth, S. 58 ff.; HK-AktG/Bürgers, § 93 Rn. 6; Henssler/Strohn/Dauner-Lieb, § 93 AktG Rn. 8; Grigoleit/Grigoleit/Tomasic, § 93 Rn. 44; Fleck, in: FS Heinsius, 1991, 89, 90 ff.; GK-AktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 52, 224 ff., 228; Hüffer/Koch, § 93 Rn. 28, § 84 Rn. 10 f.; K. Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer-Coceani, § 93 Rn. 21; KK-AktG/Mertens/Cahn, § 93 Rn. 95 ff.; MüKo-AktG/Spindler, § 93 Rn. 108 ff.; Wiesner, in: Münch Hdb GesR Bd IV, § 25 Rn. 4, 41 ff.; Möllers, in: Hdb Corporate Governance, 427; Lutter, DZWiR 2011, 265, 266; Fleischer, ZGR 2001, 1, 7 f.; instruktiv zu den Grundlagen der organschaftlichen Treuepflicht Fleischer, WM 2003, 1045 ff.; Spindler/Stilz/Fleischer, § 93 Rn. 113. 50 Für Vorstandsmitglieder: RGZ 96, 53, 54; BGHZ 20, 239, 246; BGHZ 47, 341, 352; BGHSt 50, 331, 338; für Aufsichtsratsmitglieder: OLG Stuttgart AG 2012, 298, 302 f. 51 BGHZ 13, 188, 192; Ek, S. 96; Möllers, in: Hdb Corporate Governance, 429; Hüffer/ Koch, § 93 Rn. 28, § 84 Rn. 10; K. Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer-Coceani, § 93 Rn. 21; MüKo-AktG/Spindler, § 76 Rn. 13; Fleischer, WM 2003, 1045, 1046. 52 Kühlewein, NJW 1954, 621. 53 A. Hueck, Treuegedanke, S. 1 ff., 12. 54 Vgl. Fleischer, WM 2003, 1045, 1046, Spindler/Stilz/Fleischer, § 93 Rn. 116 f. 55 BGHZ 13, 188, 192 f.; BGHZ 20, 239, 246. 56 So bereits Fechner, S. 76 f.; Mestmäcker, S. 214 f.; Zöllner, S. 342 f.; s.a. Thümmel, Rn. 211; Möllers, in: Hdb Corporate Governance, 427; GK-AktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 224; Fleischer, WM 2003, 1045, 1046. 57 Ausführlich dazu Fleischer, WM 2003, 1045, 1048 f. m.w.N.; Fleischer, ZGR 2001, 1, 7 f.; Möllers, in: Hdb Corporate Governance, 427 f. 49
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1. Teil: Darstellung der Ist-Situation
ausgerichtet, das Kapital einer großen Anzahl von Aktionären zu bündeln, mit diesem zu wirtschaften und Gewinne zu erzielen.58 Aus dieser Struktur folgt, dass ein direkter Austausch zwischen den Aktionären und der Unternehmensleitung nicht stattfindet. Als Ersatz hierfür dient das gesetzliche Pflichtenprogramm, das den Sorgfaltsmaßstab festlegt, den die Vorstandsmitglieder im Umgang mit dem Kapital der Aktionäre einzuhalten haben.59 Aufgrund der Trennung von Eigentum und Kontrolle ist dabei tendenziell ein strengerer Maßstab anzulegen als bei Personenhandelsgesellschaften oder Kapitalgesellschaften mit enger personeller Verknüpfung zwischen den Gesellschaftern und der Unternehmensführung.60 Die Treuepflicht wirkt dabei als Bindeglied zwischen den Interessen der Aktionäre als Kapitalgeber und den Interessen der Organmitglieder als Verwalter dieses Kapitals.61 Kraft einer Art Treuhand- oder Geschäftsbesorgungsverhältnis wird den Organmitgliedern dabei fremdes Vermögen zur Verwaltung und Mehrung anvertraut.62 Sie werden als Treuhänder der Aktionäre tätig, wenn sie über deren Gelder verfügen und Geschäftschancen für diese wahrnehmen.63 Die Vorstandsmitglieder haben hierdurch spezielle Einwirkungsmöglichkeiten auf die Wirtschaftsgüter der Gesellschaft, hinter der die Aktionäre als wirtschaftlich Berechtigte stehen. Diese herausgehobene Stellung erlegt den Vorstandsmitgliedern eine erhöhte Sorgfalt im Umgang mit den anvertrauten Gütern auf.64 Aus diesem Gefüge ergibt sich ein besonderes Vertrauensverhältnis, durch das sich die Einwirkungsmacht rechtfertigt.65 Zudem folgt daraus eine enge persönliche Bindung zwischen dem Vorstandsmitglied und der Gesellschaft.66 Dieses Verhältnis führt zu verschiedenen Rechten und Pflichten, so
58
Gabrysch, in: Kompendium GesR, § 3 Rn. 440; Grigoleit/Grigoleit, Einl. Rn. 1; MüKoAktG/Habersack, Einl. Rn. 5. 59 Vgl. Wiedemann, S. 22; s.a. Wiedemann, in: FS Heinsius, 1991, 949, 951. 60 Vgl. Wiedemann, S. 22. 61 Fleischer, ZGR 2001, 1, 7, 8; Fleischer, WM 2003, 1045, 1048 f.; Wiedemann, in: FS Heinsius, 1991, 949, 951. 62 Lutter, in: Hdb Managerhaftung, § 1 Rn. 1.1; Witte/Gossen, in: Hdb GesR Streitigkeiten, § 9 Rn. 55. 63 OLG Hamm AG 1995, 512, 514; OLG Düsseldorf AG 1997, 231, 235; OLG Frankfurt AG 2011, 462, 463; Wiesner, in: Münch Hdb GesR Bd IV, § 25 Rn. 41; Witte/Gossen, in: Hdb GesR Streitigkeiten, § 9 Rn. 55; HK-AktG/Bürgers, § 93 Rn. 3; Henssler/Strohn/Dauner-Lieb, § 93 AktG Rn. 8; Spindler/Stilz/Fleischer, § 93 Rn. 114; GK-AktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 224; Hüffer/Koch, § 84 Rn. 10; GK-AktG/Kort, § 84 Rn. 280; MüKo-AktG/Spindler, § 93 Rn. 108; Lutter, Hdb Managerhaftung, § 1 Rn. 1.1; KK-AktG/Mertens/Cahn, § 93 Rn. 95; K. Schmidt/ Lutter/Seibt, § 84 Rn. 19, § 76 Rn. 7; Wiedemann, FS Heinsius, 1991, 949, 951; Fleischer, WM 2003, 1045; kritisch Dubovitskaya, NZG 2015, 983, 984. 64 RGZ 64, 254, 257; OLG Koblenz ZIP 1991, 870, 871; Möllers, in: Hdb Corporate Governance, 428; Lutter, in: Hdb Managerhaftung, § 1 Rn. 1.1.; K. Schmidt/Lutter/Krieger/ Sailer-Coceani, § 93 Rn. 6 ff. 65 Wiesner, in: Münch Hdb GesR Bd IV, § 21 Rn. 17. 66 Casper, ZHR 176 (2012), 617, 637; KK-AktG/Mertens/Cahn, § 84 Rn. 37; GK-AktG/ Kort, § 84 Rn. 280; Peltzer, in: FS Hofmann-Becking, 2013, 861, 865.
A. Das Haftungsverhältnis
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auch zur gegenseitigen Pflicht sich zu schützen und Rücksicht zu nehmen, also einer Treuepflicht.67 Letztlich betonen alle Ansichten zum Anknüpfungspunkt für die Treuepflicht in der Organstellung damit nur unterschiedliche Aspekte des Verhältnisses zwischen der Gesellschaft und den Mitgliedern ihrer Organe, ohne sich gegenseitig auszuschließen. Daher liegt das Augenmerk vielmehr darauf, ihren konkreten Inhalt zu bestimmen. bb) Inhalt Da sich die Treuepflicht aus der Organstellung ergibt, bemisst sich ihr Inhalt jeweils nach ihrem Adressaten,68 soweit es um die Pflichten der Mitglieder des Vorstands geht, also nach diesen. In ihrer Funktion entspricht die Treuepflicht dem Prinzip von Treu und Glauben nach § 242 BGB, ist aber umfangreicher und strenger.69 Sie verlangt von den Vorstandsmitgliedern, keine Handlungen vorzunehmen, die dem Wohl der Gesellschaft entgegenstehen.70 Sie verpflichtet die Vorstandsmitglieder zu einem loyalen Einsatz für die Gesellschaft.71 Ein Vorstandsmitglied darf keinesfalls den Anschein erwecken, dass seine Entscheidungen von eigenen oder fremden Interessen geleitet sein könnten.72 Die Ziele, die mit der Pflichtenbindung verfolgt werden, sind damit klar erkennbar. Es sollen Interessenkonflikte vermieden und Sondervorteile ausgeschlossen werden.73 In Grundsatz 19 des Deutschen Corporate Governance Kodex74 ist die Treuepflicht für die börsennotierten Aktiengesellschaften ausformuliert.75 Danach sind Organmitglieder dem Unternehmensinteresse verpflichtet. Sie dürfen bei ihren Entscheidungen keine persönlichen Interessen verfolgen und Geschäftschancen, die dem Unternehmen zustehen, nicht für sich nutzen. 67
Wiesner, in: Münch Hdb GesR Bd IV, § 21 Rn. 18. MüKo-AktG/Habersack, § 116 Rn. 44; GK-AktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 228; A. Hueck, Treuegedanke, S. 15 ff.; Wiedemann, in: Lutter/Wiedemann, Gestaltungsfreiheit, S. 20; vgl. auch Hüffer/Koch, § 116 Rn. 7. 69 H.M. OLG Frankfurt AG 2011, 462, 463; Mestmäcker, S. 214; Fleischer, WM 2003, 1045, 1046; Spindler/Stilz/Fleischer, § 93 Rn. 115; GK-AktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 52, 227; Hüffer/Koch, § 93 Rn. 28, § 84 Rn. 10; KK-AktG/Mertens/Cahn, § 93 Rn. 95. 70 Wiedemann, S. 16. 71 Thümmel, Rn. 210; K. Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer-Coceani, § 93 Rn. 21; GK-AktG/ Hopt/Roth, § 93 Rn. 227, 238 ff.; KK-AktG/Mertens/Cahn, § 93 Rn. 95; Kübler, in: FS Werner, 1984, 437, 438. 72 KK-AktG/Mertens/Cahn, § 93 Rn. 95. 73 Fleischer, WM 2003, 1045, 1049. 74 Deutscher Corporate Governance Kodex in der Fassung vom 16. Dezember 2019, abrufbar unter https://www.dcgk.de//files/dcgk/usercontent/de/download/kodex/191216_Deut scher_Corporate_Governance_Kodex.pdf (zuletzt abgerufen am 02. 09. 2020). 75 So Fleischer, WM 2003, 1045 in Bezug auf die ähnlich lautenden Ziffern 4.3.1 – 4.3.5 der 2003 geltenden Fassung des Deutschen Corporate Governance Kodex. 68
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1. Teil: Darstellung der Ist-Situation
Dies entspricht auch der ständigen Rechtsprechung. Danach gebietet die Treuepflicht, dass Geschäftsleiter in allen Angelegenheiten, die das Interesse der Gesellschaft berühren, allein deren Wohl und Wehe und nicht den eigenen Nutzen oder den Vorteil Anderer im Auge haben dürfen.76 So deutlich findet sich diese Aussage zwar vor allem in Entscheidungen zu GmbH-Geschäftsleitern,77 sie ist in der Rechtsprechung zur Aktiengesellschaft aber ebenfalls angedeutet78 und gilt demzufolge auch für Vorstandsmitglieder.79 2. Nichterfüllung von Pflichten Die haftungsauslösende Verletzungshandlung erfolgt durch eine Nichterfüllung der genannten Pflichten. Sie kann entweder darin bestehen, dass Vorstandsmitglieder aktiv pflichtwidrige Maßnahmen ergreifen oder darin, dass sie gebotene Handlungen unterlassen. So kann es vorkommen, dass einzelne Vorstandsmitglieder ein unmittelbar schadensstiftendes Verhalten an den Tag legen, wohingegen die übrigen Vorstandsmitglieder sich nur bei den ihnen obliegenden Überwachungspflichten nachlässig zeigen. In beiden Verhaltensweisen liegt jeweils eine Nichterfüllung von Pflichten. In der Praxis sind Pflichtverletzungen häufig bei Unternehmensentscheidungen zu finden. Stellen sich diese im Nachhinein als nachteilig für die Gesellschaft heraus, so werden sie daran gemessen, ob die handelnden Vorstandsmitglieder alle ihnen obliegenden Pflichten erfüllt haben, als sie diese getroffen haben. Eine weitere Verletzungshandlung kann in der Überschreitung der innerorganschaftlichen Kompetenzordnung aus § 82 II AktG liegen.80 Ein einzelnes Vorstandsmitglied verhält sich beispielsweise dann pflichtwidrig, wenn es in einer Angelegenheit, bei der die Gesamtgeschäftsführung vorgeschrieben ist, allein handelt, ohne dass die übrigen Vorstandsmitglieder dieses Handeln billigen.81 Werden im Bereich der Gesamtverantwortung Beschlüsse gefasst, so können sich Pflichtverletzungen beim Vorgang der Willensbildung ergeben.82 So haften einerseits diejenigen Vorstandsmitglieder, die für eine pflichtwidrige Maßnahme gestimmt 76
BGH WM 1967, 679; BGH WM 1977, 361, 362; BGH WM 1983, 498; BGH WM 1985, 1444, 1445; BGH NJW-RR 1989, 1255, 1257. 77 Vgl. nur GK-AktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 224 Fn. 880, Rn. 237 ff.; Wiedemann, S. 16, 17 Fn. 26. 78 Vgl. RGZ 96, 53, 54; BGHZ 20, 239, 246 (wonach sich die Treuepflicht allerdings aus dem Anstellungsvertrag ergeben soll); BGHSt 50, 331, 339; BGHZ 47, 341, 352; BGHZ 135, 244, 255. 79 Vgl. GK-AktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 224. 80 Abeltshauser, S. 210; Fleischer, in: Hdb VorstR, § 7 Rn. 10; Paefgen, S. 18 f. 81 OLG München AG 1993, 285, 286; GK-AktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 373. 82 Zu möglichen Mängeln Fleischer, BB 2004, 2645; Hüffer/Koch, § 77 Rn. 6; Hölters/ Weber, § 77 Rn. 22 ff., 26; Wiesner, in: Münch Hdb GesR Bd IV, § 22 Rn. 6.
A. Das Haftungsverhältnis
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haben.83 Andererseits kann aber auch eine Enthaltung oder Gegenstimme zu einer Haftung führen, wenn das Vorstandsmitglied nicht versucht, die Umsetzung einer pflichtwidrigen Maßnahme zu verhindern.84 Daneben ist es haftungsrechtlich relevant, wenn sich einzelne Vorstandsmitglieder an einer Beschlussfassung nicht beteiligen, für die ein bestimmtes Quorum erforderlich ist.85 Zuletzt kann auch ein Handeln durch ein vorschriftswidrig unterbesetztes Organ eine Pflichtverletzung darstellen.86 Damit kann die haftungsauslösende Pflichtverletzung in ganz unterschiedlichen Verhaltensweisen liegen. 3. Pflichtenmaßstab und Verschulden Die Haftung von Vorstandsmitgliedern setzt ein Verschulden voraus. Dieses ist gegeben, wenn die Mitglieder des Vorstands vorsätzlich oder fahrlässig ihre Pflichten verletzt haben. Der Begriff der Pflicht ist damit auch auf der Ebene des Verschuldens bedeutsam, weshalb von einer Doppelfunktion gesprochen wird.87 Hier bestimmt er in subjektiver Hinsicht das Maß an Bemühungen, das von den Vorstandsmitgliedern bei der Erfüllung der Verhaltensvorschriften erwartet wird.88 Fahrlässigkeit liegt dabei vor, wenn sie die im Verkehr erforderliche Sorgfalt missachtet haben. Dabei gilt jedoch nicht der allgemeine Pflichtenmaßstab, vielmehr ist dieser in § 93 I 1 AktG objektiv typisiert.89 Danach haben die Vorstandsmitglieder die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Hierfür müssen sie die Fähigkeiten und Kenntnisse mitbringen, die ihre Aufgaben von ihnen verlangen.90 Ihr Verhalten wird demnach an dem Verhalten eines selbständigen Unternehmensleiters gemessen, der ähnlich einem Treuhänder fremde Vermögensinteressen wahrnimmt und dabei jederzeit den Gesellschaftszweck berücksichtigt.91 Dieser hohe Maßstab ist zwingend und eine Beschränkung der Anforderungen wird über83
Fleischer, in: Hdb VorstR, § 11 Rn. 40. Spindler/Stilz/Fleischer, § 93 Rn. 204, § 77 Rn. 29, 31 ff.; Fleischer, in: Hdb VorstR, § 11 Rn. 56 ff.; MüKo-AktG/Spindler, § 77 Rn. 29, § 93 Rn. 166; GK-AktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 370; Patzina/Bank/Schimmer/Simon-Widmann, Kap. 6 B I Rn. 12. 85 MüKo-AktG/Spindler, § 93 Rn. 170. 86 BGHZ 149, 158, 160. 87 Ek, S. 96; Fleischer, in: Hdb VorstR, § 7 Rn. 1; Hüffer/Koch, § 93 Rn. 5; Thümmel, Rn. 238; Witte/Gossen, in: Hdb GesR Streitigkeiten, § 9 Rn. 75; kritisch Hüffer, in: FS Raiser, 2005, 163, 176. 88 Ek, S. 96; Hüffer/Koch, § 93 Rn. 5 f.; Schlechtriem, in: Kreuzer, Haftung, 9, 19; Thümmel, Rn. 238. 89 OLG Düsseldorf AG 1997, 231, 235. 90 RGZ 163, 200, 208 f.; OLG Düsseldorf AG 1997, 231, 235; Fleischer, in: Hdb VorstR, § 11 Rn. 55; Krieger, in: Hdb Managerhaftung, § 3 Rn. 3.35; Patzina/Bank/Schimmer/SimonWidmann, Kap. 6 B III Rn. 50. 91 OLG Düsseldorf AG 1997, 231, 235; vgl. OLG Koblenz, GmbHR 1991, 416, 417; GKAktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 52. 84
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1. Teil: Darstellung der Ist-Situation
wiegend abgelehnt.92 Demnach liegt bei jeder Abweichung ein Verschulden vor, auch wenn die Vorstandsmitglieder nur leicht fahrlässig gehandelt haben.93 Ein anderer Maßstab gilt dagegen bei unternehmerischen Entscheidungen. Bei diesen liegt nach § 93 I 2 AktG eine Pflichtverletzung dann nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Durch diese Formulierung wurde die Business Judgement Rule teilweise kodifiziert,94 die bereits zuvor allgemein anerkannt war.95 Haben die Vorstandsmitglieder zudem im guten Glauben ohne Sonderinteressen und sachfremde Einflüsse gehandelt,96 kommt ihnen ein Entscheidungsspielraum zu, der der richterlichen Kontrolle entzogen ist.97 Allerdings ist dessen Anwendungsbereich begrenzt. Denn er betrifft nur die Sorgfaltspflichten, nicht aber die Treuepflichten.98 Zudem besteht stets die Gefahr, dass ein Richter die getroffene Entscheidung in der Rückschau als ermessensfehlerhaft einstuft.99 4. Schaden Der Schaden wird nach den §§ 249 ff. BGB mit der Differenzhypothese bestimmt.100 Danach ist die geschädigte Gesellschaft wieder in den Zustand zu versetzen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Diese Naturalrestitution umfasst jede Beeinträchtigung des Gesellschaftsvermögens. Dazu zählen unter anderem Aufwendungen, die ihren Zweck verfehlen, Gewinne, die der Gesellschaft entgangen sind, und Verbindlichkeiten, die
92 Henssler/Strohn/Dauner-Lieb, § 93 AktG Rn. 32; K. Schmidt/Lutter/Krieger/SailerCoceani, § 93 Rn. 39; GK-AktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 392 f.; Spindler/Stilz/Fleischer, § 93 Rn. 206. 93 Henssler/Strohn/Dauner-Lieb, § 93 AktG Rn. 32; GK-AktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 392; Spindler/Stilz/Fleischer, § 93 Rn. 206. 94 Eingeführt durch Art. 1 Nr. 1a des Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) vom 22. 09. 2005, BGBl. I, S. 2802. 95 S. Begr. RegE UMAG, BR-Drs. 3/05, S. 22; zuvor bereits BGHZ 135, 244, 253; BGHZ 152, 280, 286 ff.; Henze, NJW 1998, 3309; s.a. KK-AktG/Mertens/Cahn, § 93 Rn. 12. 96 Zu den ungeschriebenen Merkmalen der Business Judgement Rule vgl. Begr. RegE UMAG, BR-Drs. 3/05, S. 23; GK-AktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 90; Hüffer/Koch, § 93 Rn. 15; Wiesner, in: Münch Hdb GesR Bd IV, § 25 Rn. 59. 97 GK-AktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 61 ff. 98 Fleischer, in: FS Wiedemann, 2002, 827, 843 f.; GK-AktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 227; Patzina/Bank/Schimmer/Simon-Widmann, Kap. 6 B III Rn. 55; Roth, S. 58 ff. 99 So auch Ihlas, D&O, S. 208; zum Phänomen der Rückschaufehler („hindsight bias“) bei der Vorstandshaftung ausführlich Ott/Klein, AG 2017, 209 ff. 100 Ganz h.M., s. nur OLG Düsseldorf AG 1997, 231, 237; GK-AktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 406; MüKo-AktG/Spindler, § 93 Rn. 171; Spindler/Stilz/Fleischer, § 93 Rn. 211; Witte/ Gossen, in: Hdb GesR Streitigkeiten, § 9 Rn. 105.
A. Das Haftungsverhältnis
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für die Gesellschaft begründet wurden.101 Da oft eine Naturalrestitution aus tatsächlichen Gründen nicht möglich ist, greift § 251 I Alt. 1 BGB, wonach der Vermögensschaden in Geld auszugleichen ist.102 5. Kausalität Die Nichterfüllung der Pflichten muss für den Schaden der Gesellschaft zudem kausal gewesen sein. Lag die Verletzungshandlung in einer Kollegialentscheidung, können die Vorstandsmitglieder nicht einwenden, dass ihre Stimme nicht notwendig war, um den Beschluss zu fassen.103 Dies wird für die Innenhaftung von Vorstandsmitgliedern in der Aktiengesellschaft aus §§ 93 II 1 AktG abgeleitet, wonach jedes Vorstandsmitglied für den gesamten von ihm (mit-)verschuldeten Schaden haftet.104 Bei Kollegialentscheidungen ist das jeweilige Abstimmungsverhalten damit kausal für Schäden, die aus einem Beschluss folgen, durch den die Vorstandsmitglieder ihre Pflichten verletzen. Der Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens ist daneben nur denkbar, wenn die Verletzung keine Kompetenz-, Organisations- oder Verfahrensregel betrifft.105 Dann genügt es aber nicht, nur die Möglichkeit darzulegen, dass der Schaden auch bei pflichtgemäßem Verhalten entstanden wäre, vielmehr muss dahingehend ein sicherer Nachweis erbracht werden.106 6. Zwischenergebnis: Voraussetzungen der Innenhaftung von Vorstandsmitgliedern Das Haftungsverhältnis entsteht, wenn die Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft schuldhaft ihre Pflichten nicht erfüllen und diese Tatsache kausal dafür ist, dass der Gesellschaft daraus ein Schaden entsteht. Die Gefahr einer Haftung nach § 93 II 1 AktG ist groß, da sehr viele Pflichten einzuhalten sind, der Pflichtenmaßstab hoch ist und für den Nachweis, dass ein Schaden nicht eingetreten ist oder es an der Kausalität fehlt, hohe Hürden zu überwinden sind. 101
Thümmel, Rn. 223 ff. Witte/Gossen, in: Hdb GesR Streitigkeiten, § 9 Rn. 105. 103 Witte/Gossen, in: Hdb GesR Streitigkeiten, § 9 Rn. 110; Grigoleit/Grigoleit/Tomasic, § 93 Rn. 64; MüKo-AktG/Spindler, § 93 Rn. 175; GK-AktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 414; Röckrath, NStZ 2003, 641 ff.; Fleischer, BB 2004, 2645, 2646. 104 Fleischer, BB 2004, 2645, 2647; so entschieden für die GmbH in BGH NJW 1983, 1956; OLG Oldenburg BB 2007, 66, 70; für die Aktiengesellschaft wird dies RG JW 1920, 1032, 1033 entnommen. 105 Fleischer, in: Hdb VorstR, § 11 Rn. 65; Grigoleit/Grigoleit/Tomasic, § 93 Rn. 64; GKAktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 416; MüKo-AktG/Spindler, § 93 Rn. 174. 106 KK-AktG/Mertens/Cahn, § 93 Rn. 55; MüKo-AktG/Spindler, § 93 Rn. 174; GK-AktG/ Hopt/Roth, § 93 Rn. 415. 102
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1. Teil: Darstellung der Ist-Situation
II. Haftung als Gesamtschuldner Ist der Tatbestand erfüllt, haften die Vorstandsmitglieder der Gesellschaft gem. § 93 II 1 AktG gesamtschuldnerisch. Diese Rechtsfolge ist in § 421 BGB geregelt. Ihr Inhalt ergibt sich durch Auslegung nach dem Wortlaut, der Historie, der Systematik und dem Sinn und Zweck,107 wobei sich diese Methoden ergänzen und in einer Gesamtschau das Ergebnis begründen.108 1. Wortlaut und grammatikalische Auslegung § 93 II 1 AktG sieht eine Haftung der Vorstandsmitglieder als Gesamtschuldner vor. § 421 S. 1 BGB enthält die Legaldefinition dieses Begriffs. Als solche ergänzt sie diejenigen Normen, in denen auf den Begriff Gesamtschuldner verwiesen wird,109 und ist damit der Ausgangspunkt für seine nähere Bestimmung.110 Demnach schulden die Vorstandsmitglieder der Gesellschaft als Gläubigerin die Leistung in Form von Schadensersatz gem. § 93 II 1 AktG in der Weise, dass jedes die ganze Leistung zu bewirken verpflichtet, die Gesellschaft aber die Leistung nur einmal zu fordern berechtigt ist. Im Anschluss an die Legaldefinition regelt § 421 BGB, wie die Inanspruchnahme von Gesamtschuldnern erfolgt. Indem § 93 II 1 AktG die Haftung als Gesamtschuldner anordnet, nimmt die Norm Bezug auf diese Rechtsfolge in § 421 BGB. Danach kann der Gläubiger die Leistung nach seinem Belieben von jedem der Schuldner ganz oder zu einem Teil fordern. Unklar ist, wie die Formulierung „kann […] nach seinem Belieben“ zu verstehen ist. Die Vorentwürfe und der Erste Entwurf des BGB enthielten anstelle des Begriffs des Beliebens noch den Begriff der Wahl,111 der allerdings als besetzt galt. Denn zur Zeit der Schaffung des BGB stand vor allem die Konstruktion der Gesamtschuld im Streit.112 Dabei wurde unter anderem eine Theorie vertreten, die das Gesamtschuldverhältnis als subjektives Wahlschuldverhältnis einordnete.113 Um nicht den Anschein zu erwecken, dass dieser Wahltheorie gefolgt werde, wurde im Laufe des Gesetzgebungsprozesses der Begriff der Wahl durch den Begriff des Beliebens ersetzt.114 Damit stand eine Abgrenzung von einem besetzten Begriff durch eine andere Formulierung im Vordergrund, nicht dagegen ein anderer Bedeutungsgehalt. Dieser 107
Vogel, S. 96 Fn. 3; Wank, S. 41. BVerfGE 11, 126, 130; Larenz/Canaris, S. 149, 163 f.; Schmalz, Rn. 303 f.; Vogel, S. 119 f. 109 Bydlinski, Methodenlehre, S. 441; Vogel, S. 75 f. 110 Vogel, S. 114; Zippelius, S. 37. 111 Meier, S. 233 Fn. 14 mit Verweis auf VorlE und TeilE § 4, E I § 324. 112 Meier, S. 53 ausführlich zu den verschiedenen Ansätzen S. 41 – 104. 113 Prot. S. 875 abgedruckt bei Mugdan II, S. 605; Meier, S. 59. 114 Prot. S. 875 abgedruckt bei Mugdan II, S. 605; Meier, S. 59. 108
A. Das Haftungsverhältnis
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Umstand legt nahe, dass der Austausch der Begriffe keine inhaltliche Änderung bedeuten sollte. Die Norm selbst enthält keine Regel zur rechtsverbindlichen Sprachverwendung.115 Daher ist zu prüfen, ob der Begriff des Beliebens in der Fachsprache speziell gebraucht wird. Im BGB ist er an weiteren sechs Stellen zu finden. So wird er im allgemeinen Schuldrecht in den §§ 319 II, 428 BGB, im Kaufrecht in § 454 BGB, im Sachenrecht in den §§ 903 S. 1, 1132 I 2 BGB sowie im Erbrecht in § 2181 BGB erwähnt. Dabei ist das Belieben entweder rechtsgeschäftlich vereinbart oder gesetzlich begründet. Eine spezielle juristische Bedeutung lässt sich daraus jedoch nicht ableiten. Der Begriff des Beliebens stellt sich vielmehr als umgangssprachlicher dar, der vom Gesetzgeber anstelle des Begriffs der Wahl bewusst untechnisch eingesetzt wurde.116 Als Redensart wird der Ausspruch „nach Belieben“ verwendet, wenn ausgedrückt werden soll, dass etwas nach eigenem Wunsch oder Geschmack geschehen soll, also „wie man will“.117 Im allgemeinen Sprachgebrauch bedeutet Belieben auch Geneigtheit oder Ermessen.118 Der Begriff des Ermessens ist wiederum ein rechtstechnischer, der vor allem im öffentlichen Recht große Bedeutung hat. Grammatikalisch ausgedrückt wird er durch die Formulierung „kann“, „darf“, „ist befugt“ in Verbindung mit einer Rechtsfolge.119 Er beschreibt die Möglichkeit, bei der Verwirklichung eines gesetzlichen Tatbestandes wählen zu können, ob eine bzw. welche Maßnahme ergriffen werden soll.120 Daneben findet sich der Hinweis auf ein Ermessen auch im Zivilrecht121 sowie speziell im Aktienrecht im Zusammenhang mit der Frage, ob Vorstandsmitgliedern bei ihren Entscheidungen, die die Leitung der Gesellschaft betreffen, ein Spielraum zukommt.122 Danach könnte es sich bei § 421 BGB wegen der Formulierung „kann nach seinem Belieben“ ebenfalls um eine Ermessensnorm handeln. Im Verwaltungsrecht haben Behörden gem. § 40 VwVfG ihr Ermessen 115
Vgl. zu den Stufen der Wortlautauslegung Vogel, S. 114 f. Prot. S. 875 abgedruckt bei Mugdan II, S. 605; Meier, S. 59. 117 Dudenredaktion, „Belieben“, abrufbar unter http://www.duden.de/node/659502/revisi ons/1916153/view (zuletzt abgerufen am 24. 02. 2019). 118 Dudenredaktion, „Belieben“, abrufbar unter http://www.duden.de/node/659502/revisi ons/1916153/view (zuletzt abgerufen am 24. 02. 2019). 119 Springer Gabler Verlag, „Ermessen“, online abrufbar unter http://wirtschaftslexikon.gab ler.de/definition/ermessen-32994/version-256523 (zuletzt abgerufen am 24. 02. 2019); Erbguth/ Guckelberger, § 14 Rn. 37; Peine, Rn. 210; Wallerath, § 7 Rn. 53; Voßkuhle, JuS 2008, 117. 120 Springer Gabler Verlag, „Ermessen“, abrufbar unter http://wirtschaftslexikon.gabler.de/ definition/ermessen-32994/version-256523 (zuletzt abgerufen am 24. 02. 2019); Erbguth/ Guckelberger, § 14 Rn. 39; Wallerath, § 7 Rn. 53; Engisch/Würtenberger/Otto, S. 203 ff.; Voßkuhle, JuS 2008, 117 ff. 121 Vgl. Diakonis, S. 91; Schöpflin, S. 146 ff. für das Zivilprozessrecht. 122 Sog. „unternehmerisches Ermessen“, vgl. BGHZ 135, 244, 254; Hölters/Hölters, § 93 Rn. 33; GK-AktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 116 ff.; MüKo-AktG/Spindler, § 93 Rn. 54. 116
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1. Teil: Darstellung der Ist-Situation
entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzliche Grenze des Ermessens einzuhalten. Auch § 93 I 2 AktG beschreibt einen Spielraum, in dem sich Vorstandsmitglieder bei einer unternehmerischen Entscheidung bewegen müssen, um ihr Ermessen nicht zu überschreiten. Demnach zeichnet sich Ermessen dadurch aus, dass einem Entscheidungsträger ein Bereich zur Verfügung steht, in dem er frei darin ist, ob und wie er entscheidet. Mehrere Entscheidungen stehen dabei gleichwertig nebeneinander, ohne dass sie auf ihre Zweckmäßigkeit überprüft werden können. Jedoch hat dieser Bereich auch Grenzen. Werden diese überschritten, so liegt ein rechts- oder pflichtwidriges Handeln vor. Liegen entsprechende Voraussetzungen vor, so ist eine Ermessensreduzierung auf null möglich.123 Dies bedeutet, dass einzelfallbezogene Umstände dazu führen können, dass nur noch eine Entscheidung rechtlich möglich ist und die Anwendbarkeit der Norm damit faktisch eingeschränkt ist. Unklar ist, ob dieser Mechanismus auch in § 421 BGB angelegt ist. Dies ist denkbar, wenn auch der freien Schuldnerauswahl entsprechende Grenzen gesetzt wären. Inhaltlich gesteht die Formulierung dem Gläubiger einen Spielraum zu. Denn er kann die Person des Schuldners und die Höhe der von ihr verlangten Leistung bestimmen. Jedoch bestehen für das Handeln des Gläubigers keinerlei Vorgaben. Er kann einen Schuldner nach allen denkbaren Kriterien auswählen und handelt dabei stets rechtmäßig und pflichtgemäß. Eine Grenze bildet nur das in § 242 BGB verankerte Prinzip von Treu und Glauben. Als solches gilt es aber für das gesamte Zivilrecht und stellt keine spezielle Ermessensgrenze dar. Nach dem Wortlaut der Regelung ist der Begriff des freien Beliebens demnach sehr weit zu verstehen. 2. Systematik Auch die Systematik des Normengefüges spricht für eine weite Auslegung. § 93 II 1 AktG ist ein spezialgesetzlicher Haftungstatbestand. Mit der Rechtsfolgenanordnung der gesamtschuldnerischen Haftung verweist er auf das allgemeine Schuldrecht. Soweit keine spezialgesetzlichen oder sonstigen Einschränkungen greifen, sind die allgemeinen Grundsätze des Zivilrechts anwendbar. Darunter fällt auch der Grundsatz der Privatautonomie. Dieser ist in Art. 2 I GG verankert und verbürgt für natürliche Personen die Möglichkeit, ihre Rechtsverhältnisse selbstbestimmt und eigenverantwortlich zu regeln.124 Danach kann der Einzelne auch frei über seine Rechtspositionen verfügen. Dem entspricht die ausdrückliche Regelung in § 421 BGB, wonach die Forderung einer Leistung gegen mehrere Schuldner im freien Belieben des Gläubigers steht. Dieser Grundsatz der Privatautonomie gilt auch für die Aktiengesellschaft. Denn der personale Schutzbereich des Art. 2 I GG erfasst 123
Bürkle, BB 2005, 565, 570; Kling, DZWiR 2005, 45, 47 f.; K. Schmidt/Lutter/Seibt, § 76 Rn. 15. 124 BVerfGE 89, 214 232; BVerfGE 115, 51, 52 f.; Maunz/Dürig/Di Fabio, Art. 2 Rn. 101 ff.; Jarass/Pieroth, Art. 2 Rn. 22; Paulus/Zenker, JuS 2001, 1.
A. Das Haftungsverhältnis
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gem. Art. 19 III GG auch juristische Personen wie die Aktiengesellschaft.125 Ferner ist allgemein anerkannt, dass Art. 2 I GG, der die allgemeine Handlungsfreiheit schützt, auch die Freiheit im wirtschaftlichen Verkehr umfasst.126 Damit unterfallen auch juristische Personen seinem sachlichen Schutzbereich, wenn sie in ihrem Recht auf freie Entfaltung im Sinne der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit betroffen sind.127 Dies ist der Fall, wenn eine Gesellschaft gegen die Mitglieder ihres Leitungsorgans Schadensersatzansprüche aus einer Verletzung der Organpflichten geltend macht. Damit spricht auch die Systematik für eine vollkommen freie Schuldnerauswahl nach § 421 BGB. 3. Gesetzgebungsgeschichte und konkreter Sinn und Zweck Nach den Materialien zum BGB, das gleichzeitig mit der erstmaligen Gesamtschuldanordnung für die aktienrechtliche Innenhaftung in § 241 HGB a.F. in Kraft trat, hat der Gesetzgeber die gesamtschuldnerische Haftung immer dann ausdrücklich angeordnet, wenn zweifelhaft war, ob jeder Schuldner unmittelbar für den ganzen Schaden haften soll.128 Aus diesem Hinweis lässt sich ableiten, dass es auch bei der Innenhaftung von Vorstandsmitgliedern zweifelhaft war, ob die Gesamtschuldanordnung mit ihren Folgen sachgerecht ist. Denn auch diese wurde ausdrücklich kodifiziert. Daraus ergibt sich zugleich jedoch auch, dass die Rechtsfolge der gesamtschuldnerischen Haftung bei der aktienrechtlichen Innenhaftung dem Willen des historischen Gesetzgebers entsprach, da er sie andernfalls nicht geregelt hätte. Eine andere Interpretation des Regelungsgefüges kann sich nur noch aus ihrem Sinn und Zweck ergeben. Vielfach verfolgen Regelungen mehrere Zwecke.129 Der konkrete Sinn und Zweck einer Norm wird oft durch den Gesetzgeber im Gesetz selbst ausdrücklich bestimmt oder in den Gesetzgebungsmaterialien genannt.130 Ist dies nicht der Fall, so kann er aus der Regelung selbst erschlossen werden. Denn der gesetzgeberischen Festlegung von Tatbestand und Rechtsfolge liegt eine Bewertung der zu regelnden Interessenlage zugrunde.131 Daneben treten abstrakte, für alle
125
BVerfGE 50, 290, 319; Jarass/Pieroth, Art. 19 Rn. 17; Sachs/Sachs, Art. 19 Rn. 60. Vgl. BVerfGE 73, 261, 270; Dreier/Dreier, Art. 2 I Rn. 36; Jarass/Pieroth, Art. 2 Rn. 25. 127 BVerfG DB 1994, 1350; MüKo-AktG/Heider, § 1 Rn. 34; Sachs/Sachs, Art. 19 Rn. 67, 70. 128 Vgl. Mot. S. 153 f., S. 156 abgedruckt bei Mugdan II, S. 84 f., 86; Meier, S. 909; Baums, S. 211. 129 Larenz/Canaris, S. 151; Schmalz, Rn. 275 f.; Vogel, S. 124; s.a. Wank, S. 71. 130 Schmalz, Rn. 275; Vogel, S. 125; Wank, S. 71. 131 Hassold, in: FS Larenz, 1983, 211, 228 ff., 235 f.; Schmalz, Rn. 273, 276; vgl. auch Vogel, S. 125 f. 126
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1. Teil: Darstellung der Ist-Situation
Normen geltende Zwecke, die sich aus der Tatsache ergeben, dass jede Norm Teil der Rechtsordnung ist.132 a) Vom Gesetzgeber festgelegte Gesetzeszwecke aa) Sinn und Zweck der Rechtsfolge in § 421 BGB Die Motive zum BGB machen sehr deutliche Ausführungen zum Sinn und Zweck der Gesamtschuld. Diese sei praktisch und wirtschaftlich darauf gerichtet, dem Gläubiger die Vorteile größerer Sicherheit und leichterer und bequemerer Verfolgung seines Rechtes zu verschaffen.133 Dem Gläubiger müsse die Möglichkeit gegeben werden, je nachdem, wie er es mit Rücksicht auf die Solvenz und die Belangbarkeit der einzelnen Gesamtschuldner für seine Befriedigung am zweckmäßigsten erachtet, alle Gesamtschuldner oder nur einen derselben zugleich oder nacheinander auf das Ganze oder einen Teil zu belangen, auch hierin wieder zu wechseln und die Verfolgung in dieser Weise bis zur vollständigen Befriedigung der Forderung fortzusetzen.134 Ferner gehen die Motive zum BGB klar davon aus, dass dem Gläubiger damit ein unbeschränktes Wahlrecht zusteht.135 Dieses rechtfertige sich aus dem wesentlichen Zweck des Gesamtschuldverhältnisses, der fordere, dass der Gläubiger den Zahlungsfähigsten unter den Gesamtschuldnern auswählen und mit einer Klage das Ganze fordern oder verlangen kann.136 bb) Sinn und Zweck der Gesamtschuldanordnung in § 93 II 1 AktG In den Gesetzesmaterialien zu den Vorgängernormen des § 93 II 1 AktG sind dagegen nur vereinzelt Hinweise auf deren Sinn und Zweck zu finden. § 93 II 1 AktG in der aktuellen Fassung lässt sich auf § 241 des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches (ADHGB) aus dem Jahr 1869 zurückführen.137 Diese Regelung wurde im Jahr 1884138 durch das Gesetz betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften neu gefasst. Dessen § 241 ordnete an, dass „Mitglieder, welche ihre Obliegenheiten verletzen, […] der Gesellschaft solidarisch 132 133 134
S. 87. 135
Schmalz, Rn. 285 f.; Vogel, S. 126; Wank, S. 71 ff. Mot. S. 155 f. abgedruckt bei Mugdan II, S. 86. Mot. S. 156 abgedruckt bei Mugdan II, S. 86; Mot. S. 158 abgedruckt bei Mugdan II,
Mot. S. 158 abgedruckt bei Mugdan II, S. 87. Mot. S. 158 f. abgedruckt bei Mugdan II, S. 87. 137 In diesem Gesetzbuch wurde das Handelsrecht umfassend kodifiziert und galt erstmals allgemein für die Einzelstaaten des Deutschen Bundes. Es trat am 1. 1. 1870 als Bundesgesetz des Norddeutschen Bundes in Kraft und wurde gem. Art. 3 EGHGB im Jahr 1871 Reichsgesetz, s. RGBl. S. 63, 87; MüKo-HGB/K. Schmidt, Vorb. § 1 Rn. 19, 24; Hefermehl, in: FS Schilling, 1973, 160. 138 RGBl., S. 123 ff.; Hadding/Kießling, in: Der praktische Nutzen der Rechtsgeschichte, 2003, 159, 189 f. 136
A. Das Haftungsverhältnis
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für den dadurch entstandenen Schaden“ haften.139 Diese Regelung wurde zu diesem Zeitpunkt als „bereits bestehendes Recht“ bezeichnet.140 Darüber hinaus hat sich der Gesetzgeber seinerzeit nicht weiter mit dieser Haftungsregelung auseinandergesetzt.141 Bei der Ersetzung des ADHGB durch das grundlegend neubearbeitete HGB von 1897 wurde die Haftungsregelung geändert. Der Begriff „solidarisch“ in § 241 ADHGB von 1884 wurde durch die Formulierung „Haftung als Gesamtschuldner“ in § 241 HGB von 1897 ersetzt. Darin war erstmals ausdrücklich die Gesamtschuldanordnung bei der Haftung von Vorstandsmitgliedern zu finden. Allerdings äußerte sich der Gesetzgeber im Zusammenhang mit dieser Gesetzesänderung nicht zu seiner Entscheidung für diese Rechtsfolge. Dasselbe gilt für die nachfolgenden Haftungsregelungen in § 84 AktG von 1937 und in § 93 AktG von 1965, die eine wortgleiche Rechtsfolge enthielten. In Betracht kommt, dass der Gesetzgeber bewusst davon abgesehen hat, für die aktienrechtliche Organhaftung einen speziellen Sinn und Zweck zu formulieren, da er auf den allgemeinen Sinn und Zweck des § 421 BGB verweisen wollte, da das BGB zeitgleich mit dem HGB von 1987 am 1. 1. 1900 in Kraft getreten war.142 Hierauf lassen die Motive zum BGB schließen. Denn danach sei es absichtlich vermieden worden, sich über die juristische Auffassung der Vorschriften über die solidarische Haftung im HGB auszusprechen, wie sie u. a. in § 241 II HGB zu finden ist,143 was für eine einheitliche Gestaltung aller Gesamtschuldverhältnisse spreche.144 Festgehalten werden kann, dass der Gesetzgeber den Zweck der Gesamtschuldanordnung in § 93 II 1 AktG jedenfalls nicht ausdrücklich bestimmt hat. b) Durch Auslegung ermittelter Gesetzeszweck des § 93 II 1 AktG Fehlt es an einer ausdrücklichen Bestimmung des Gesetzeszwecks durch den Gesetzgeber, so kann er durch Auslegung ermittelt werden.145 Denn der Zweck einer Regelung ergibt sich auch aus der Festlegung von Tatbestand und Rechtsfolge bei der Schaffung der Norm selbst, da diesem Vorgang eine Bewertung der zu regelnden Interessenlage zugrunde liegt.146
139
Abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff, S. 600. Allg. Begr. zum Entwurf eines Gesetzes, betreffend die KGaA und AG (1884) abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff, S. 508. 141 Allg. Begr. zum Entwurf eines Gesetzes, betreffend die KGaA und AG (1884) abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff, S. 504. 142 Art. 1 I EGHGB. 143 Mot. S. 155 abgedruckt bei Mugdan II, S. 85, s.a. Prot. ADHGB, Teil III, S. 1309. 144 Mot. S. 155 abgedruckt bei Mugdan II, S. 85. 145 Wank, S. 71. 146 Schmalz, Rn. 273, 276. 140
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Eine Zusammenschau der Voraussetzungen147 und der Folgen148 der aktienrechtlichen Innenhaftungsnorm ergibt, dass sie in erster Linie den Interessen der geschädigten Gesellschaft Rechnung trägt. Denn die Anordnung der gesamtschuldnerischen Haftung erleichtert die Rechtsverfolgung. Will die Gesellschaft einen Schaden geltend machen und steht die Haftung mehrerer Vorstandsmitglieder im Raum, so genügt es, wenn sie die Haftung eines Vorstandsmitglieds und einen Gesamtschaden darlegen und beweisen kann. Gegen dieses kann sie dann allein vorgehen, obwohl weitere Vorstandsmitglieder ebenfalls den Tatbestand des § 93 II 1 AktG erfüllt haben. Wegen der besonderen Rechtsfolge in § 421 BGB muss sie damit weder die Haftung aller möglicherweise mithaftenden Vorstandsmitglieder nachweisen, noch muss sie den jeweiligen Anteil eines jeden haftenden Vorstandsmitgliedes an der Schuld feststellen,149 um den gesamten Schaden ersetzt verlangen zu können. Die Verpflichtung aller bis zur Bewirkung der ganzen Leistung schützt sie auch vor dem Ausfall einzelner Vorstandsmitglieder. Parallel dazu bedeutet die Gesamtschuldanordnung eine Benachteiligung der Schuldnerinteressen im Haftungsverhältnis. Wie alle Schuldner haben auch Vorstandsmitglieder ein Interesse daran, nicht über das von ihnen zu vertretende Maß in Anspruch genommen zu werden, sodass sich ihre Verpflichtungen in Grenzen halten. § 421 BGB trägt diesem Interesse jedoch nicht Rechnung. Über die Verweisung in § 93 II 1 AktG kann die Gesellschaft danach von jedem Vorstandsmitglied den gesamten Schadensersatz verlangen. Dies legt nahe, dass der Gesetzgeber die Interessen der Gesellschaft bei der aktienrechtlichen Innenhaftung als schutzwürdiger bewertet hat, als die Interessen der Vorstandsmitglieder. 4. Zwischenergebnis: Haftung als Gesamtschuldner Die Auslegung der Regelung in § 93 II 1 AktG i.V.m. § 421 BGB führt zu einem weiten Verständnis des „freien Beliebens“ bei der Auswahl des Vorstandsmitglieds, von dem die Gesellschaft gem. § 93 II 1 AktG Schadensersatz fordert. Hierfür sprechen sowohl der Wortlaut der Normen, als auch die Systematik, in die sie eingebunden sind, ihre Historie sowie der Sinn und Zweck, der mit ihnen verfolgt werden soll.
147 148 149
S. o. 1. Teil A. I., S. 21 ff. S. o. 1. Teil A. II., S. 30 ff. Vgl. Costede, JR 2005, 45.
A. Das Haftungsverhältnis
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III. Rechtsverfolgung und Möglichkeiten der Eindämmung des Haftungsrisikos 1. Zuständigkeit für die Verfolgung der Innenhaftungsansprüche Die Zuständigkeit für die Prüfung und Geltendmachung der Innenhaftungsansprüche aus § 93 II 1 AktG gegen Vorstandsmitglieder ergibt sich aus den §§ 112 I 1, 78 I 1 AktG. Im Rahmen der aktienrechtlichen Kompetenzordnung vertritt der Aufsichtsrat die Gesellschaft gegenüber den Vorstandsmitgliedern gerichtlich und außergerichtlich. Dies gilt auch im Verhältnis zu ausgeschiedenen Vorstandsmitgliedern.150 Hierdurch soll der Interessenkonflikt vermieden werden, der entsteht, wenn der Vorstand gegen aktuelle oder ehemalige Vorstandskollegen vorgehen muss.151 Dies gilt zudem für die Geltendmachung von Ansprüchen gegen ein Vorstandsmitglied, das nach seinem Ausscheiden aus dem Vorstand in den Aufsichtsrat eingetreten ist.152 Daneben kann auch die Hauptversammlung oder eine qualifizierte Aktionärsminderheit gem. § 147 II AktG besondere Vertreter zur Geltendmachung des Ersatzanspruchs bestellen. Zuletzt kommt gem. §§ 148, 149 AktG auch die sog. Aktionärsklage in Betracht, wenn die Voraussetzungen von § 148 I Nr. 1 – 4 AktG erfüllt sind und ein Klagezulassungsverfahren durchgeführt wurde.153 Dann können die Aktionäre die Ansprüche der Gesellschaft gegen Vorstandsmitglieder im eigenen Namen geltend machen. Die Verfolgungszuständigkeit des Aufsichtsrats umfasst auch die Entscheidung darüber, ob und, wenn ja, welche Vorstandsmitglieder in Anspruch genommen werden. Will der Aufsichtsrat im Hinblick auf die Schadensersatzansprüche allerdings eine Verzichts- oder Vergleichsvereinbarung abschließen, so ist er in seiner Verfolgungskompetenz beschränkt. Diese Rechtsgeschäfte bereitet er zwar vor und handelt diese gegebenenfalls auch aus.154 Sie bedürfen für ihre Wirksamkeit aber gem. § 93 IV 3 AktG der Zustimmung der Hauptversammlung. Diese hat damit die Letztentscheidungsbefugnis darüber, ob auf den Schadensersatzanspruch insgesamt oder teilweise endgültig verzichtet wird. Davon zu unterscheiden ist die Entschei150
BGH NJW 1989, 2055, 2056; BGH AG 1991, 269 f.; BGHZ 130, 108, 111 f.; BGH WM 2009, 702, 703; BGHZ 157, 151, 153 f.; BGH AG 2013, 257, 258; BGH AG 2013, 562, 564; MüKo-AktG/Habersack, § 112 Rn. 13; Hüffer/Koch, § 112 Rn. 2; KK-AktG/Mertens/Cahn, § 108 Rn. 85 ff.; Spindler/Stilz/Spindler, § 112 Rn. 14; Thümmel, Rn. 298; a.A. noch BGHZ 13, 188, 191; BGHZ 41, 223, 227 f. 151 BGHZ 103, 213, 216; BGH NJW 1989, 2055, 2056; BGH AG 1991, 269 f.; BGHZ 130, 108, 111 f.; BGH WM 2009, 702, 703; Ek, S. 134; ; Witte/Gossen, in: Hdb GesR Streitigkeiten, § 9 Rn. 62; MüKo-AktG/Habersack, § 112 Rn. 1; Hüffer/Koch, § 112 Rn. 2; Spindler/Stilz/ Spindler, § 112 Rn. 1. 152 Vgl. GK-AktG/Hopt/Roth, § 112 Rn. 37; MüKo-AktG/Habersack, § 112 Rn. 14; KKAktG/Mertens/Cahn, § 112 Rn. 16 m.w.N. in Fn. 55; Spindler/Stilz/Spindler, § 112 Rn. 18, der diese Situation allerdings als „rechtspolitisch wenig befriedigenden Zustand“ bezeichnet; a.A. Behr/Kindl, DStR 1999, 119, 123 ff., 126; Lange, NZG 2004, 265, 267. 153 Ausführlich dazu Thümmel, Rn. 312 ff. 154 Vgl. Dietz-Vellmer, NZG 2011, 248, 250.
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1. Teil: Darstellung der Ist-Situation
dung, Ansprüche gegen Vorstandsmitglieder nicht geltend zu machen. Bei der reinen Nichtgeltendmachung von Ansprüchen handelt es sich gerade nicht um einen förmlichen Verzicht.155 Er wird damit grundsätzlich auch nicht als solcher behandelt, da der Aufsichtsrat sonst jede Entscheidung gegen eine Anspruchsverfolgung der Hauptversammlung vorlegen müsste und seine primäre Zuständigkeit für die Prüfung und Verfolgung von Schadensersatzansprüchen damit stark beschränkt wäre. Dies widerspräche der Kompetenzverteilung innerhalb der Aktiengesellschaft, wie sie de lege lata vorgesehen ist.156 Damit bleibt der Aufsichtsrat nach ganz überwiegender Ansicht auch für die Entscheidung über das Absehen von einer Inanspruchnahme von Vorstandsmitgliedern zuständig, obwohl diese rein faktische Nichtinanspruchnahme, insbesondere wenn der Anspruch infolgedessen verjährt, eine verzichtsähnliche Wirkung haben kann.157 Konsequent ist daher auch die Regelung, dass der Aufsichtsrat durch einen Hauptversammlungsbeschluss gem. § 147 I 1 AktG zur Geltendmachung von Haftungsansprüchen gezwungen werden kann, wenn er keine Tätigkeit entfaltet. Die Initiative für einen solchen Beschluss kann von Seiten des Vorstands, des Aufsichtsrats oder der Aktionäre unter den Voraussetzungen des § 122 II AktG ausgehen. 2. Rechtsverfolgungspraxis a) Prüfung und Verfolgung der Innenhaftungsansprüche (Exemplarisch: Der Fall ARAG/Garmenbeck und seine Folgen) Die Frage, ob eine Pflicht des Aufsichtsrats zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen der Aktiengesellschaft besteht, entschied der BGH im Jahr 1997 in seinem ARAG/Garmenbeck-Urteil.158 Dieses Urteil wurde in der Literatur vielfach besprochen. Da es an verschiedenen Stellen nicht eindeutig ist, wird es unterschiedlich interpretiert. Noch heute, mehr als zwanzig Jahre nach der Entscheidung, ist unklar, wie die Pflichten konkret ausgestaltet sind, die den Aufsichtsrat
155 Unmuth, S. 100; Reichert, in: FS Hommelhoff, 2012, 907, 917; Habersack, NZG 2016, 321, 325; Paefgen, AG 2008, 761, 765; Schnorbus/Klormann, NZG 2015, 938, 944; Casper, ZHR 176 (2012), 617, 644; Goette, ZHR 176 (2012), 588, 597 f.; s.a. GK-AktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 530. 156 So auch Wilsing, in: FS Maier-Reimer, 2010, 889, 896. 157 Vgl. BGHZ 135, 244, 256 sowie die überwiegende Ansicht in der Literatur Unmuth, S. 100 ff.; Wilsing, in: FS Maier-Reimer, 2010, 889, 895, 897, 898; Habersack, NZG 2016, 321, 325; Paefgen, AG 2008, 761, 765; Schnorbus/Klormann, NZG 2015, 938, 944; Casper, ZHR 176 (2012), 617, 632 ff.; Goette, ZHR 176 (2012), 588, 597 f.; Hasselbach/Seibel, AG 2008, 770, 772 ff.; kritisch Spindler, AG 2013, 889, 898 f.; zu der hieraus folgenden unbefriedigenden Situation bei der Durchsetzung der Vorstandshaftung und entsprechendem Reformbedarf Tröger, ZHR 179 (2015), 453 ff. 158 BGHZ 135, 244 ff.
A. Das Haftungsverhältnis
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bei der Prüfung und Verfolgung von Ansprüchen aus § 93 II 1 AktG treffen.159 Die Unsicherheiten, die sich aus dem ARAG/Garmenbeck-Urteil ergeben, haben einen Wandel in der Rechtsverfolgungspraxis eingeleitet. Da eine Verletzung der in der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung formulierten Pflichten eine Haftung der Aufsichtsratsmitglieder auslöst, entscheiden sich diese im Zweifelsfall oft für die Prüfung und Verfolgung von Schadensersatzansprüchen.160 Die Vorstandsmitglieder sehen sich daher vermehrt einer Inanspruchnahme gegenüber.161 Zwar gibt es keine belastbaren Fallzahlen.162 Ein Blick auf die Fälle, die in den letzten Jahren in die Öffentlichkeit gelangten und die Gerichte beschäftigten sowie das Bewusstsein, dass eine hohe Dunkelziffer besteht,163 bestätigen diesen Eindruck jedoch.164 b) Vergleichs- und Verzichtsvereinbarungen über Innenhaftungsansprüche (Exemplarisch: Der Fall Siemens) Neben den Fällen, in denen die Innenhaftungsansprüche verfolgt werden, gibt es in der Praxis auch Fälle, in denen Vergleichs- oder Verzichtsvereinbarungen über die Schadensersatzansprüche abgeschlossen werden.165 Ein bekanntes Beispiel bildet der Vergleich der Siemens AG mit ehemaligen Organmitgliedern, die wegen Schäden aus und im Zusammenhang mit Korruptionsvorgängen in Anspruch genommen wurden.166 Hierbei stimmte die Hauptversammlung der Siemens AG im Jahr 2010 Vergleichen mit insgesamt acht ehemaligen Vorstandsmitgliedern und Aufsichtsratsmitgliedern zu.167 Ein ehemaliges Vorstandsmitglied war dagegen nicht zu einem Vergleich bereit und wurde von der Siemens AG verklagt und in erster Instanz zur Zahlung von 15 Millionen Euro verurteilt.168 In der Berufungsinstanz erfolgte sodann 159 S. in der Vergangenheit dazu Faßbender, „18 Jahre ARAG Garmenbeck – und alle Fragen offen?“, NZG 2015, 501 ff.; Habersack, „19 Jahre ARAG/Garmenbeck – und viele Fragen offen“, NZG 2016, 321 ff. 160 So auch Freund, NZG 2018, 1361, 1362. 161 Deilmann/Otte, BB 2011, 1291; Fehrenbach, AG 2015, 761. 162 Bachmann, E12; Fehrenbach, AG 2015, 761; so auch Tröger, ZHR 179 (2015), 453, 462. 163 Ihlas, D&O, S. 121, der schätzt, dass nur 5 % aller Fälle bekannt werden. 164 Vgl. Bachmann, E12 ff.; Bachmann, BB 2015, 771 ff.; Fehrenbach, AG 2015, 761; GKAktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 40; Hopt, ZIP 2013, 1793, 1794; Mack, 2015, S. 13 ff. 165 Zu Vergleichsbestrebungen bei der Infineon AG vgl. Einladung zur Hauptversammlung am 24. 02. 2011, S. 8 ff. abrufbar unter http://www.infineon.com/dgdl/Inf_Einladung_ HV_2011_dt.pdf?fileId=db3a3043324cae8c01325dc996d90aac (zuletzt abgerufen am 24. 02. 2019) sowie bei der Constantin Medien AG vgl. Einladung zur Hauptversammlung am 15./ 16. 12. 2009 abrufbar unter http://www.constantin-medien.de/dasat/images/3/100973-to-neuconstantinmedien1109-web.pdf (zuletzt abgerufen am 24. 02. 2019). 166 Vgl. Einladung zur Hauptversammlung der Siemens AG am 26. Januar 2010, S. 13, abrufbar unter http://www.siemens.com/investor/pool/de/investor_relations/events/hauptver sammlung/2010/einladung_hv2010_d.pdf (zuletzt abgerufen am 24. 02. 2019). 167 Vgl. Rieder/Holzmann, AG 2011, 265, 269. 168 Vgl. LG München I NZG 2014, 345 ff.
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1. Teil: Darstellung der Ist-Situation
ein Vergleich auf eine Summe in Höhe von 2,5 Millionen Euro, dem die Hauptversammlung der Siemens AG, im Einklang mit § 93 IV 3 AktG und gemäß der Empfehlung von Aufsichtsrat und Vorstand,169 im Januar 2015 zustimmte.170 3. Versicherung des Haftungsrisikos Für die Fälle der Innenhaftung schließen Aktiengesellschaften inzwischen regelmäßig Vermögensschaden-Haftpflichtversicherungen für ihre Vorstandsmitglieder ab. Dabei handelt es sich um eine Versicherung auf fremde Rechnung gem. §§ 43 ff. VVG,171 die überwiegend auch als D&O-Versicherung bezeichnet wird.172 Diese hilft den Vorstandsmitgliedern jedoch nur bedingt weiter. Ein eigener direkter Anspruch der Gesellschaft gegen die Versicherung entsprechend § 115 VVG besteht nicht.173 Ferner greift sie nur, wenn auch ein Versicherungsfall gegeben ist.174 Hierfür muss ein versichertes Ereignis innerhalb des Versicherungszeitraums eingetreten sein, wofür die Beweislast bei den versicherten Vorstandsmitgliedern liegt.175 Ferner greift die Versicherung nicht automatisch und in voller Höhe. Die entsprechenden Policen enthalten zumeist Ausschlüsse176 für vorsätzliches Handeln177 und die jeweiligen Deckungssummen sind begrenzt.178 Zudem müssen die Vorstandsmitglieder in vielen Fällen Deckungsprozesse gegen die Versicherung führen, deren Er169
Vgl. Einladung zur Hauptversammlung der Siemens AG am 27. Januar 2015, S. 19, abrufbar unter http://www.siemens.com/investor/pool/de/investor_relations/events/hauptver sammlung/2015/hv2015_einberufung_de.pdf (zuletzt abgerufen am 24. 02. 2019). 170 Vgl. Fleischer, NZG 2018, 241. 171 Sieg, in: Hdb Managerhaftung, § 18 Rn. 18.4. 172 Zum Begriff Ihlas, D&O, S. 43; Sieg, in: Hdb Managerhaftung, § 18 Rn. 18.2. 173 Lange, § 1 Rn. 38, § 21 Rn. 1 ff.; Sieg, in: Hdb Managerhaftung, § 18 Rn. 18.22 f. 174 Lange, § 1 Rn. 17, § 9 Rn. 1 ff.; Sieg, in: Hdb Managerhaftung, § 18 Rn. 18.33, 18.35 ff. 175 Lange, § 9 Rn. 2. 176 Lange, § 1 Rn. 22, § 11 Rn. 1 ff. 177 Vgl. Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V., Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von Aufsichtsräten, Vorständen und Geschäftsführern (AVB-AVG) Musterbedingungen des GDV, Stand: Mai 2011, Ziff. 5 Ausschlüsse, Ziff. 5.1.; Lange, § 11 Rn. 12 ff. 178 Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V., Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von Aufsichtsräten, Vorständen und Geschäftsführern (AVB-AVG) Musterbedingungen des GDV, Stand: Mai 2011, Ziff. 4.5 a.E.; so z. B. berichtet die Süddeutsche Zeitung am 15. 02. 2012, dass im Fall Kirch/ Breuer, in dem der geltend gemachte Schaden bei ca. 3,5 Mrd. Euro lag, eine Deckungssumme bei Breuer i.H.v. nur 500 Mio. Euro bestand, abrufbar unter http://www.sueddeutsche.de/wirt schaft/schadenersatz-fuer-kirch-erben-neuer-aerger-fuer-ex-spitzenbanker-breuer-1.1284317 (zuletzt abgerufen am 24. 02. 2019); ähnlich berichtet die Süddeutsche Zeitung am 29. 09. 2005, dass im VW Abgasskandal, in dem Schadensersatz in Milliardenhöhe im Raum steht, die Deckungssumme sich ebenfalls nur auf 500 Mio. Euro beläuft, abrufbar unter http://www.sued deutsche.de/wirtschaft/abgas-affaere-vw-manager-sind-mit-millionenversichert-1.2669618 (zuletzt abgerufen am 24. 02. 2019).
A. Das Haftungsverhältnis
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folgsquoten als gering gelten.179 Schließlich sieht § 93 II 3 AktG einen Selbstbehalt von mindestens zehn Prozent des Schadens bis mindestens zur Höhe des Eineinhalbfachen der festen jährlichen Vergütung der einzelnen Vorstandsmitglieder vor.180 Zwar können die Vorstandsmitglieder auch dieses Risiko versichern.181 Da in diesem Zusammenhang viele Fragen ungeklärt sind,182 bleibt es jedoch häufig ungewiss, ob die Versicherung im Schadensfall eintritt. 4. Ansätze zur Haftungserleichterung Da die Gefahr einer Haftung im Innenverhältnis groß ist und ihre Rechtsfolgen für ein Vorstandsmitglied erhebliche Risiken mit sich bringen können, wurden bereits vielfach Haftungserleichterungen diskutiert. Unweigerlich stößt man dabei jedoch auf Beschränkungen des Aktienrechts. Teilweise vorgeschlagene Erleichterungen der Vorstandshaftung durch individuelle Vereinbarungen183 oder Satzungsklauseln184 im Voraus sind aufgrund des zwingenden Charakters der Regelung in § 93 II 1 AktG nach geltendem Recht nicht möglich.185 Daneben kann auch der Pflichten- oder Verschuldensmaßstab nicht vermindert werden.186 Dies folgt aus der eigenverantwortlichen Organstellung des Vorstandsmitglieds,187 dem Zweck der Leitungsfunktion,188 und dem Gedanken des Gläubigerschutzes.189 Zudem entspricht diese Interpretation auch dem Willen des Ge179
Ihlas, D&O, S. 52, 645 ff., s.a. Hendricks, VW 2006, 1813; Lier, VW 2006, 1531. Eingefügt durch Art. 1 Nr. 2 VorstAG vom 31. 7. 2009, BGBl. I, S. 2509. 181 Spindler/Stilz/Fleischer, § 93 Rn. 254; MüKo-AktG/Spindler, § 93 Rn. 205; R. Koch, AG 2009, 637, 645 f.; Thüsing, AG 2009, 517, 526 f. 182 Ausführlich dazu MüKo-VVG/Ihlas, Teil 2, Bd. 3, Kap. 3, Nr. 320 Rn. 127 ff., 292 f. 183 Dies fordernd Hoffmann, NJW 2012, 1393, 1395, 1398 f.; Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115, 2125; Seibt, NZG 2015, 1097, 1102; Seibt, NZG 2016, 361. 184 Dies fordernd Bachmann, E58 ff.; Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 803 f.; Hoffmann, NJW 2012, 1393, 1395, 1398 f.; Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115, 2125. 185 Bastuck, S. 95; Baums, F235; Voß, S. 31; Wiesner, in: Münch Hdb GesR Bd IV, § 26 Rn. 2; Hölters/Hölters, § 93 Rn. 11; GK-AktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 47 f.; Hüffer/Koch, § 93 Rn. 2; K. Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer-Coceani, § 93 Rn. 3; K. Schmidt/Lutter/Drygala, § 116 Rn. 51; Sailer-Coceani, in: Verhandlungen des 70. DJT, 2015, N11, N16; KK-AktG/ Mertens/Cahn, § 93 Rn. 8; MüKo-AktG/Spindler, § 93 Rn. 11, 27; Heidel/U. Schmidt, § 93 Rn. 5; Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 794; Schneider, in: FS Werner, 1984, 795, 803; Vetter, NZG 2014, 921, 922 f. 186 Voß, S. 31; Fleischer ZIP 2014, 1305 f.; Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 794; Hölters/ Hölters, § 93 Rn. 12 ff.; K. Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer-Coceani, § 93 Rn. 3; KK-AktG/ Mertens/Cahn, § 93 Rn. 8; Schneider, in: FS Werner, 1984, 795, 802 ff.; MüKo-AktG/Spindler, § 93 Rn. 27; Spindler, AG 2013, 889, 890; Vetter, NZG 2014, 921, 922 f. 187 Bastuck, S. 95; Spindler/Stilz/Fleischer, § 93 Rn. 4; MüKo-AktG/Spindler, § 93 Rn. 11, 27. 188 Hölters/Hölters, § 93 Rn. 12. 189 Spindler/Stilz/Fleischer, § 93 Rn. 4; Fleischer, WM 2005, 909, 914; s.a. GK-AktG/ Hopt/Roth, § 93 Rn. 47, 29; Heidel/U. Schmidt, § 93 Rn. 5. 180
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1. Teil: Darstellung der Ist-Situation
setzgebers.190 Ferner kann auch die Verjährungsfrist nicht individuell verkürzt werden.191 Normativ spiegeln sich diese Beschränkungen in der Satzungsstrenge des § 23 V 2 AktG wider.192 Dennoch gab es eine Zeit lang die Tendenz, Anpassungen der aktienrechtlichen Innenhaftung bereits de lege lata vorzunehmen oder jedenfalls de lege ferenda zu fordern, um eine Haftungsprivilegierung zu erreichen.193 Die Gründe, die für die vorgeschlagenen Anpassungen herangezogen wurden, waren vielfältig. So wurden die Strenge194 und die existenzbedrohende Wirkung der Haftung195 ins Feld geführt. Ferner wurde die Disproportionalität zwischen dem Haftungsumfang und der Schwere der Pflichtverletzung beklagt.196 Daneben wurde die Diskrepanz zwischen den sehr hohen Schadenssummen und der eingeschränkten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Vorstandsmitglieder genannt.197 Zudem 190 S. bereits Bericht der IX. Kommission über den Entwurf eines Gesetzes betreffend die KGaA und die Aktiengesellschaften, in: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, 5. Legislaturperiode, IV. Session 1884, 4. Band, Anlage 128, S. 1009, 1020, abrufbar unter http://www.reichstagsprotokolle.de/Blatt3_k5_bsb00018448_00338.html (zuletzt abgerufen am 24. 02. 2019). 191 Bastuck, S. 95 f.; HK-AktG/Bürgers, § 93 Rn. 54; Henssler/Strohn/Dauner-Lieb, § 93 AktG Rn. 54; Spindler/Stilz/Fleischer, § 93 Rn. 303g; Harbarth/Jaspers, NZG 2011, 368, 370; Hüffer/Koch, § 93 Rn. 88; KK-AktG/Mertens/Cahn, § 93 Rn. 199; Hölters/Hölters, § 93 Rn. 336; MüKo-AktG/Spindler, § 93 Rn. 29.; a.A. Schnorbus/Klormann NZG 2015, 938, 941. 192 Henssler/Strohn/Dauner-Lieb, § 93 AktG Rn. 54; Spindler/Stilz/Fleischer, § 93 Rn. 3 f.; GK-AktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 47; Hüffer/Koch, § 93 Rn. 88; KK-AktG/Mertens/ Cahn, § 93 Rn. 199. 193 Vgl. Sailer-Coceani, in: Verhandlungen des 70. DJT, 2015, N11, N14 f.; im Einzelnen Bachmann, E32, E41 ff.; Bachmann, ZIP 2017, 841 ff.; Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 927 ff.; Heyers, WM 2016, 581, 582 ff.; Koch, NZG 2014, 934; Köndgen, in: Karlsruher Forum 2009, 96, 97; Bayer, in: FS K. Schmidt, 2009, 85, 86 f., 97; Casper, ZHR 176 (2012), 617, 637; Brommer, AG 2013, 121, 124; Fleischer, ZIP 2014, 1305 ff.; Heyers, WM 2016, 581 f.; Hauger/ Palzer, ZGR 2015, 33, 61 ff.; Hoffmann, NJW 2012, 1393, 1398; Hüffer/Koch, § 93 Rn. 51 f.; Koch, AG 2014, 513 f.; Koch, AG 2012, 429; KK-AktG/Mertens/Cahn, § 93 Rn. 38, 56; GKAktG/Kort, § 84 Rn. 461b; Peltzer, in: FS Hofmann-Becking, 2013, 861, 863 f., 865; Reichert, ZHR 177 (2013), 756, 772 f., 777 f.; Schnorbus/Ganzer, WM 2015, 1877, 1878; Scholz, S. 68 ff.; Spindler, AG 2013, 889, 894; Thole, ZHR 173 (2009), 504, 533 f.; Paefgen, AG 2014, 554, 568 ff.; sympathisierend: Hopt, ZIP 2013, 1793, 1805 f.; Vetter, NZG 2014, 921, 922 ff., 926; Goette, ZHR 176 (2012), 588, 591; Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 802 f.; MüKo-AktG/ Habersack, § 111 Rn. 38a; speziell zu Kartellgeldbußen Dreher, in: FS Konzen, 2006, 85, 103 ff.; Fleischer, BB 2008, 1070, 1073; Lotze, NZKart 2014, 162, 167; Übersichten bei Fehrenbach, AG 2015, 761, 764 ff.; Hoffmann, NJW 2012, 1393, 1395 ff.; Seibt/Cziupka, DB 2014, 1598, 1599, Fn. 10; Fleischer, DB 2014, 345, 348 f.; dagegen ausdrücklich Schöne/ Petersen, AG 2012, 700 ff.; Wackerbarth, Corporate BLawG vom 28. 12. 2012, abrufbar unter http://blog.fernuni-hagen.de/blawg/2012/12/28/wer-tragt-das-unternehmerische-risiko-in-deraktiengesellschaft/ (zuletzt abgerufen am 24. 02. 2019). 194 Koch, NZG 2014, 934. 195 Scholz, S. 244 ff.; Hoffmann, NJW 2012, 1393 f., 1396, 1398. 196 Seibt, NZG 2016, 361 ff. 197 Heermann, AG 1998, 201, 210; Spindler, AG 2013, 889, 894.
A. Das Haftungsverhältnis
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wurde darauf verwiesen, dass § 87 AktG die Höhe der Vergütung von Vorstandsmitgliedern begrenzt und diese als Fremdorgane auch nicht im vollen Umfang am Gewinn der Gesellschaft beteiligt sind, sodass auch eine Beschränkung im Hinblick auf denkbare Verluste angezeigt erscheine.198 Auch rechtsökonomische und rechtspolitische Gesichtspunkte haben Eingang in die Diskussion um den Korrekturbedarf der Ist-Situation gefunden. So wurde die Abschreckung geeigneter Kandidaten für das Vorstandsamt angeführt.199 Auch wurde befürchtet, dass sich in der bestehenden Rechtslage übermäßige Anstrengungen zur Haftungsvermeidung entwickeln, die flächendeckend zu einer Vermeidungskultur führen200 und die rechtsökonomischen Anliegen der haftungsbeschränkten Rechtsform der Aktiengesellschaft unterlaufen könnten.201 So vielfältig, wie ihre Begründungen waren auch die Vorschläge zur Korrektur der Ist-Situation bei der aktienrechtlichen Innenhaftung von Vorstandsmitgliedern. Insbesondere bemüht wurde die im Arbeitsrecht entwickelten Haftungsbeschränkung bei betrieblich veranlasster Tätigkeit,202 die auf der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gründet.203 Zwar wurde ihre direkte Übertragung ganz überwiegend abgelehnt.204 Dennoch wurde vielfach auf das dahinter stehende Konzept zurückgegriffen, wobei als dogmatischer Anknüpfungspunkt die organschaftliche Fürsorgepflicht, die Rücksichtnahmepflicht oder die aktienrechtliche Treuepflicht dienten.205 Hiernach wurde angenommen, dass eine Sonderbeziehung zwischen der Gesellschaft und dem Vorstandsmitglied besteht, die fordert, dass nicht der ganze Schadensersatz gegen ein Vorstandsmitglied geltend gemacht wird, wenn dessen Existenz hierdurch bedroht ist.206
198
Scholz, S. 240 ff.; Schnorbus/Ganzer, WM 2015, 1877, 1878; Goette, DStR 2009, 51, 56. Scholz, S. 227 ff.; Paefgen, AG 2004, 245, 247; Peltzer, in: FS Hadding, 2004, 593, 599. 200 Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 927 ff.; Dreher, JZ 1997, 1074, 1076; Koch, AG 2012, 429, 434; Schnorbus/Ganzer, WM 2015, 1877, 1878; Scholz, S. 233 ff. 201 Paefgen, AG 2004, 245, 247; Schnorbus/Ganzer, WM 2015, 1877, 1878; Scholz, S. 236 ff.; Brommer, AG 2013, 121, 123; Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 257 ff.; s.a. Fleischer, ZIP 2004, 685 f.; Fleischer, in: FS Wiedemann, 2002, 827, 830; Fleischer, ZGR 2001, 1, 24. 202 Vgl. BAGE 78, 56, 58 ff.; BAG NJW 2011, 1096, 1097. 203 Heyers, WM 2016, 581, 582 f.; Hoffmann, NJW 2012, 1393, 1396 f.; Spindler, AG 2013, 889, 894 f.; Scholz, S. 268 ff. 204 So bereits BGH WM 1975, 467, 469 (für die Genossenschaft); OLG Düsseldorf ZIP 1995, 1183, 1192 (für die AG); Bachmann, E56 ff.; Fleck, in: FS Hilger und Stumpf, 1983, 179, 215 ff.; GK-AktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 395 ff. m.w.N. in Fn 1510; Scholz, S. 267 m.w.N. in Fn. 741. 205 Bayer, in: FS K. Schmidt, 2009, 85, 97; Brommer, AG 2013, 121, 128 f.; Hüffer/Koch, § 93 Rn. 51, § 84 Rn. 11; Koch, AG 2012, 429, 435; Koch, AG 2014, 513 ff.; Koch, in: Liber amicorum Winter, 2011, 327 ff., 336 ff.; zustimmend Hopt, ZIP 2013, 1793, 1804; Spindler, AG 2013, 889, 894; Thole, ZHR 173 (2009), 504, 533. 206 Bayer, in: FS K. Schmidt, 2009, 85, 96 f.; Casper, ZHR 176 (2012), 617, 637. 199
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1. Teil: Darstellung der Ist-Situation
Auch die Folgen einer Haftungsreduzierung wurden unterschiedlich beurteilt. Konkrete Vorschläge lauteten auf eine Begrenzungen des Sorgfaltsmaßstabs zum Beispiel auf grobe Fahrlässigkeit207 oder auf eine Beschränkung der Ersatzpflicht der Höhe nach.208 Daneben wurde vertreten, erst bei der Durchsetzung der Innenhaftungsansprüche anzusetzen und den Spielraum des Aufsichtsrats bei seiner Entscheidung über die Anspruchsverfolgung zu erweitern.209 Auch die Übertragung allgemeiner schadensrechtlicher Härteklauseln wurde erwogen.210 Zum Teil wurde eine Befugnis der Gerichte gefordert, Erleichterungen bei der Leistungserbringung gewähren oder die Forderung auf einen zumutbaren Betrag herabsetzen zu können.211 Letztlich hat sich jedoch keine dieser Ansichten durchgesetzt. Neben der Tatsache, dass Haftungserleichterungen de lege lata nicht im Einklang mit den aktienrechtlichen Normen und Wertungen stehen, gibt es auch de lege ferenda aktuell keine Anzeichen für entsprechende Gesetzesänderungen. Ausdrücklich gegen gesetzliche Beschränkungen bei der Organhaftung hat sich der 70. Deutsche Juristentag ausgesprochen und von einer entsprechenden Empfehlung an den Gesetzgeber abgesehen.212 Auch in der Rechtsprechung haben die vorgeschlagenen Haftungserleichterungen bislang keinen Niederschlag gefunden. 5. Die freie Schuldnerauswahl bei der Innenhaftung von Vorstandsmitgliedern Wie bereits dargestellt wurde, ist eine Vielzahl von Konstellationen denkbar, in denen nur einzelne Vorstandsmitglieder von der Gesellschaft auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden.213 Die Auswahl bestimmter Vorstandsmitglieder kann im Haftungsgrund als solchem liegen, weil den Vorstandsmitgliedern zum Beispiel unterschiedliche Verschuldensbeiträge zukommen. Sie kann aber auch darin begründet sein, dass es schlicht einfacher, schneller und mit weniger Aufwand zu bewerkstelligen ist, nicht alle, sondern nur einzelne Vorstandsmitglieder in Anspruch zu nehmen.
207
Spindler, AG 2013, 889, 894 ff.; Hoffmann, NJW 2012, 1393, 1397 ff. Bachmann, E62 ff.; Bayer, NJW 2014, 2546, 2548 f.; Casper, ZHR 176 (2012), 617, 640 ff.; Gaul, AG 2015, 109, 117; Schnorbus/Ganzer, WM 2015, 1877, 1880; Peltzer, in: FS Hadding, 2004, 593, 598 ff., Lotze, NZKart 2014, 162, 168 f.; Thole, ZHR 173 (2009), 504, 534; Marsch-Barner, ZHR 173 (2009), 723, 730; Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 278 ff. 209 Goette, in: Liber amicorum Winter, 2011, 153, 164 f.; Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 801 f.; Paefgen, AG 2008, 761, 766 ff.; Paefgen, AG 2014, 554, 571 f.; Reichert, in: FS Hommelhoff, 2012, 907, 916, 924; Schnorbus/Ganzer, WM 2015, 1877, 1880 Fn. 204. 210 Heyers, WM 2016, 581, 584. 211 Bachmann, E58, E32; Baums, F238. 212 Ständige Deputation des Deutschen Juristentags, Verhandlungen des 70. DJT, 2015, N211. 213 S. o. Einleitung, S. 16 f. 208
A. Das Haftungsverhältnis
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Daraus folgt eine Spaltung der haftenden Vorstandsmitglieder in zwei Gruppen. Gegenüber stehen sich diejenigen Vorstandsmitglieder, gegen die der Aufsichtsrat Maßnahmen ergreift, und diejenigen Vorstandsmitglieder, gegen die er keine Maßnahmen ergreift. Diese Spaltung ist beliebig und hängt grundsätzlich von der „Willkür“ des Aufsichtsrats als zuständigem Vertretungsorgan der Gesellschaft ab. Damit muss die externe Lastentragung regelmäßig nicht der internen Lastenverteilung entsprechen, die sich nach Kopfteilen oder Verschuldensbeiträgen bemisst. Denn der Gesellschaft steht es jedenfalls nach § 421 BGB frei, das solventeste oder das am ehesten greifbare Vorstandsmitglied beliebig auszuwählen.214 Als Gläubigerin hat sie damit also eine „Paschastellung“ inne.215 Wegen ihrer Zufälligkeit wird die aus der gesamtschuldnerischen Haftung folgende Lastenverteilung daher auch als Glücksspiel216 oder Lotterie217 bezeichnet. Bei der aktienrechtlichen Innenhaftung wird in diesem Zusammenhang allerdings beobachtet, dass regelmäßig bevorzugt ausgeschiedene ehemalige Vorstandsmitglieder ausgewählt werden.218 Eine Begründung könnte sein, dass diese nicht mehr so eng mit dem Unternehmen verbunden sind, wie die nach wie vor amtierenden Vorstandsmitglieder. Möglicherweise stand ihr Ausscheiden auch mit der haftungsauslösenden Pflichtverletzung im Zusammenhang. In dieser Situation ist die Tendenz nachvollziehbar, die anderen Vorstandsmitglieder zu schonen, die noch immer dem Vorstand angehören oder zwischenzeitlich in den Aufsichtsrat gewechselt sind. Ein Vorgehen gegen ehemalige, bereits ausgeschiedene Vorstandsmitglieder ist stets das kleinste Übel. Damit verschiebt sich in den Vorstandshaftungsfällen das Glücksspielargument zulasten dieser Gruppe. Diese Konstellationen, in denen der Aufsichtsrat nur einzelne Vorstandsmitglieder ins Visier nimmt, obwohl weitere Vorstandsmitglieder den Innenhaftungstatbestand ebenfalls erfüllt haben, bilden als Anwendungsbeispiele die Grundlage für die Untersuchung der gesamtschuldnerischen Innenhaftung von Vorstandsmitgliedern im Aktienrecht. An ihnen zeigen sich die Auswirkungen der gesamtschuldnerischen Haftung gem. § 93 II 1 AktG i.V.m. § 421 BGB besonders deutlich.
214
Vgl. Bentele, S. 7. Heck, SchuldR, 1929, S. 234. 216 Von Savigny, Obligationenrecht I, S. 216. 217 Schwedhelm, Rn. 129. 218 So auch Baums, ZHR 174 (2010), 593, 599; Deilmann/Otte, BB 2011, 1291; Foerster, ZHR 176 (2012), 221, 223 f.; Freund, NZG 2015, 1419; Freund, GmbHR 2009, 1185, 1187; Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 794; Koch, GmbHR 2004, 18, 21; Lutter, AG Sonderheft 8/1997, 52, 55; Rieger, in: FS Peltzer, 2001, 339, 351; Sieg, DB 2002, 1759, 1762, 1763; Wiesner, in: Münch Hdb GesR Bd IV, § 26 Rn. 25. 215
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1. Teil: Darstellung der Ist-Situation
IV. Risiken und Nachteile für Vorstandsmitglieder aus der Inanspruchnahme im Haftungsverhältnis Wenn die Gesellschaft nur einzelne von mehreren mithaftenden Vorstandsmitgliedern nach § 93 II 1 AktG i.V.m. § 421 BGB in Anspruch nimmt, folgen daraus verschiedene Risiken und Nachteile für die in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieder. Diese offenbaren sich, wenn man die Situation der in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieder mit der Situation der übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder vergleicht. 1. Verteidigungsrisiko Jedes einzelne Vorstandsmitglied, das ausgewählt, in Anspruch genommen und verklagt wird, steht der Gesellschaft in einem Haftungsprozess als Partei gegenüber. Ihm obliegt es dann, sich in dieser Konfliktsituation zur Wehr zu setzen. Da ihm keine besonderen Verteidigungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, kann es den übrigen, aus seiner Sicht mithaftenden Vorstandsmitgliedern den Streit verkünden und diese so zu seiner Verstärkung in den Haftungsprozess einbeziehen. Im Übrigen verbleiben ihm zu seiner Verteidigung nur der Vortrag erheblicher Tatsachen und die Erhebung von Einreden und Einwendungen. a) Streitverkündung Die Streitverkündung ist eine prozessuale Maßnahme, die in einem Erstprozess erhoben wird. Hauptsächlich dient sie dazu, Vorsorge für einen Folgeprozess zu treffen.219 Allerdings kann sie auch schon im Erstprozess Wirkungen entfalten, da sie es in diesem ermöglicht, dass sich der Streitverkünder der Unterstützung durch die Streitverkündeten bedient. Insoweit stellt sie in den Vorstandshaftungsfällen auch eine Verteidigungsmöglichkeit gegen die Inanspruchnahme durch die Gesellschaft im Haftungsprozess dar. Die Streitverkündung ist gem. § 72 I ZPO nach einer Klageerhebung bis zur rechtskräftigen Entscheidung in einem Erstprozess möglich. Dabei müssen die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen der §§ 72, 73 ZPO vorliegen. Ist dies der Fall, so tritt die Wirkung der Streitverkündung im Erstprozess ein. Nach § 74 I ZPO bestimmt sich das Verhältnis des Streitverkündeten zu den Parteien nach den Grundsätzen der Nebenintervention gem. §§ 66 ff. ZPO.
219 OLG München MDR 1989, 548; s.a. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Einf. §§ 72 – 74 Rn. 2.
A. Das Haftungsverhältnis
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aa) Voraussetzungen nach §§ 72, 73 ZPO (1) Streitverkündungsgrund, Streitverkünder, Streitverkündeter und Form § 72 ZPO setzt voraus, dass die streitverkündende Partei für den Fall, dass der Rechtsstreit für sie ungünstig ausgeht, einen Anspruch auf Gewährleistung oder Schadloshaltung gegen einen Dritten erheben zu können glaubt oder den Anspruch eines Dritten besorgt. Es liegt nur dann ein Streitverkündungsgrund vor, wenn dieser jeweilige Anspruch durch den ungünstigen Ausgang des Vorprozesses bedingt ist.220 Diese Voraussetzung ist stets gegeben, wenn ein Gesamtschuldner verklagt wurde.221 Dies gilt auch in den Vorstandshaftungsfällen, da die Rückgriffsansprüche aus § 426 I 1 BGB und § 426 II 1 BGB i.V.m. § 93 II 1 AktG in Betracht kommen, wenn das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied im Haftungsprozess gegen die Gesellschaft unterliegt. Diese Ansprüche gegen die übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder sind Ansprüche um sich schadlos zu halten,222 und ihr Bestand ist abhängig vom Ausgang des Haftungsprozesses. § 73 ZPO regelt die Form der Streitverkündung. Danach hat das streitverkündende Vorstandsmitglied einen Schriftsatz bei Gericht einzureichen, der den Streitverkündungsgrund und die Lage des Rechtsstreits enthält. Zudem muss es diesen Schriftsatz dem Vorstandsmitglied, dem es den Streit verkünden will, zustellen und ihn der Gesellschaft als gegnerischer Partei in Abschrift mitteilen. (2) Beitritt zum Haftungsprozess Die Streitverkündung hat nur dann Auswirkungen im Haftungsprozess, wenn der Streitverkündete diesem beitritt. Gem. § 74 I ZPO bestimmt sich das Verhältnis desjenigen, dem der Streit verkündet wurde, zu den Parteien im Haftungsprozess nach den Grundsätzen der Nebenintervention. Der Beitritt erfolgt nach Maßgabe der §§ 66 und 70 ZPO.223 Danach muss die Form des § 70 ZPO gewahrt sein. In einem Vorstandshaftungsfall muss das beitretende Vorstandsmitglied zudem gem. § 66 ZPO ein rechtliches Interesse224 daran haben, dass eine Partei in dem im Haftungsverhältnis anhängigen Rechtsstreit obsiegt und es zur Unterstützung dieser Partei beitritt. Dieses Interesse wird teilweise bereits bejaht, wenn der Grund der
220
BGH Urt. v. 07. 05. 2015 – VII ZR 104/14, Anm. Toussaint FD-ZVR 2015, 369527. Vgl. RGZ 163, 361, 363 f.; BGH WM 2015, 1875, 1876; OLG München NJW 1986, 263; Kocher/Freiherr von Falkenhausen, AG 2016, 848; Schmidt, JA 2015, 627, 629; MüKo-ZPO/ Schultes, § 72 Rn. 11; Stein/Jonas/Jacoby, § 72 Rn. 10; Zöller/Althammer, § 72 Rn. 7; Vollkommer, NJW 1986, 264. 222 Vgl. BGH WM 2015, 1875, 1876; OLG München NJW 1986; OLGR Celle 2008, 448, 451 f.; Wieczorek/Schütze/Mansel, § 72 Rn. 52; Schmidt, JA 2015, 627, 629; MüKo-ZPO/ Schultes, § 72 Rn. 1, 263; Stein/Jonas/Jacoby, § 72 Rn. 10; Vollkommer, NJW 1986, 264. 223 MüKo-ZPO/Schultes, § 74 Rn. 3; Wieczorek/Schütze/Mansel, § 74 Rn. 23. 224 Ausführlich dazu Stein/Jonas/Jacoby, § 66 Rn. 16 ff.; Wieczorek/Schütze/Mansel, § 74 Rn. 24. 221
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1. Teil: Darstellung der Ist-Situation
Streitverkündung nach § 72 I ZPO gegeben ist,225 teilweise wird eine gesonderte Prüfung unabhängig vom Streitverkündungsgrund gefordert.226 Dagegen muss noch nicht abschließend feststehen, dass tatsächlich ein Rückgriffsanspruch besteht.227 Der Beitritt zum Haftungsprozess hängt demzufolge vom Willen des Streitverkündeten ab. In einem Vorstandshaftungsfall bemisst sich die Entscheidung, dem Rechtsstreit beizutreten, nach der Taktik, die das jeweilige Vorstandsmitglied verfolgt. Dabei hat es neben dem Beitritt auf Seiten des streitverkündenden Vorstandsmitglieds noch zwei weitere Möglichkeiten. Es kann dem Haftungsprozess überhaupt nicht oder auf Seiten der klagenden Gesellschaft beitreten.228 bb) Auswirkungen der Streitverkündung im Haftungsprozess Im Haftungsprozess kann sich die Streitverkündung auf die Rolle des streitverkündeten Vorstandsmitglieds im Prozess und auf die Kostentragung auswirken. (1) Prozessrolle Lehnt das streitverkündete Vorstandsmitglied den Beitritt ab oder erklärt es sich nicht, so wird der Rechtsstreit gem. § 74 I ZPO ohne Rücksicht auf das streitverkündete Vorstandsmitglied fortgesetzt. Dies bedeutet, dass es in dem anhängigen Haftungsprozess nicht beteiligt wird. Es besitzt darin keine Befugnisse und keine Funktion.229 Die Streitverkündung stellt in diesem Fall keine wirksame Verteidigungsmaßnahme gegen die Inanspruchnahme durch die Gesellschaft im Haftungsprozess dar. Denn in diesem erfolgt dann keine Unterstützung des in Anspruch genommenen, streitverkündenden Vorstandsmitglieds durch das streitverkündete Vorstandsmitglied. Tritt das streitverkündete Vorstandsmitglied dem Rechtsstreit dagegen bei, bestimmt sich sein Verhältnis zu den Parteien gem. § 74 I ZPO nach den Grundsätzen über die Nebenintervention. Nach § 67 ZPO ist es dann dazu berechtigt, Angriffsund Verteidigungsmittel geltend zu machen und alle Prozesshandlungen wirksam vorzunehmen, soweit diese nicht mit Erklärungen und Handlungen der Hauptpartei in Widerspruch stehen. Diese Befugnisse sind sehr weitreichend. Sie umfassen zum Beispiel die Stellung von Anträgen, die Behauptung, das Bestreiten und den Beweis von Tatsachen, die Erhebung von Einreden und Einwendungen oder die weitere
225 OLG Frankfurt VersR 2016, 1010; OLG Düsseldorf BeckRS 2007, 19697; OLG Koblenz BeckRS 2011, 24849; ähnlich bereits RG JW 1900, 468; s.a. MüKo-ZPO/Schultes, § 74 Rn. 3. 226 BGH NJW-RR 2011, 907; Stein/Jonas/Jacoby, § 72 Rn. 4; Wieczorek/Schütze/Mansel, § 74 Rn. 24 ff. 227 OLG Frankfurt NJW 1970, 817. 228 MüKo-ZPO/Schultes, § 74 Rn. 3. 229 MüKo-ZPO/Schultes, § 74 Rn. 5; Musielak/Voit/Weth, § 74 Rn. 3.
A. Das Haftungsverhältnis
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Streitverkündung.230 Das Verhältnis des streitverkündeten Vorstandsmitglieds zu dem streitverkündenden Vorstandsmitglied bestimmt sich danach, welcher Partei es beigetreten ist.231 Nur ein Beitritt auf Seiten des streitverkündenden Vorstandsmitglieds stärkt dessen Position gegenüber der Gesellschaft. Denn dann hat es einen weiteren Beteiligten an seiner Seite, der es im Haftungsprozess unterstützen kann. Zudem kann das streitverkündete Vorstandsmitglied dann gem. § 67 Hs. 2 ZPO auch keine Prozesshandlungen gegen den Willen des streitverkündenden Vorstandsmitglieds vornehmen, da diese keine Wirkung entfalten.232 Tritt das streitverkündete Vorstandsmitglied dagegen auf Seiten der Gesellschaft bei, kann dies die Position des streitverkündenden Vorstandsmitglieds in gleichem Maße schwächen, da ein weiterer Prozessbeteiligter gegen ihn Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend machen kann. (2) Kostenfolge im Haftungsprozess Die Streitverkündung löst verschiedene Kosten aus. Ein großes Risiko bergen dabei die zusätzlichen Prozesskosten, die entstehen, wenn das streitverkündete Vorstandsmitglied dem Rechtsstreit beitritt. Dann bestimmt sich gem. § 74 I ZPO die Kostenverteilung zwischen den Parteien nach den Grundsätzen über die Nebenintervention gem. § 101 ZPO.233 Über die Verweisung in § 74 Abs. 1 ZPO erfasst § 101 ZPO nur die durch die Streitverkündung verursachten Kosten. Darunter sind die außergerichtlichen Kosten des streitverkündeten Vorstandsmitglieds ab dem Zeitpunkt seines Beitritts zu verstehen.234 Dessen Rechtsanwaltskosten machen regelmäßig den größten Anteil aus. Zwar sind sie im Rahmen des prozessualen Erstattungsanspruchs auf die Gebührenhöhe nach dem RVG beschränkt.235 Allerdings ist für die Berechnung der Gebühren236 gem. § 2 I RVG der Wert des Streitgegenstands maßgeblich, in den Vorstandshaftungsfällen also der Schaden, der exorbitant hoch sein kann.237 Unklar ist, ob sich der Gegenstandswert nach dem Streitgegenstand in der Hauptsache oder nach
230 231 232
286. 233
Zu weiteren Befugnissen Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 67 Rn. 11 ff. MüKo-ZPO/Schultes, § 74 Rn. 3. BGH MDR 2007, 1442, 1443; OLG Köln NJW 1975, 2108 f.; OLG Hamm MDR 1998,
Knöringer, JuS 2007, 335, 341. Vgl. Krüger/Rahlmeyer, JA 2014, 202, 206; MüKo-ZPO/Schultes, § 66 Rn. 26. 235 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 91 Rn. 41; MüKo-ZPO/Schulz, § 91 Rn. 137, 59; Stein/Jonas/Bork, § 91 Rn. 125. 236 In Betracht kommt jeweils eine 1,3 Verfahrensgebühr nach RVG VV Nr. 3100, ggf. eine 1,2 Terminsgebühr nach RVG VV Nr. 3104 i.V.m. Vorbem. 3 III und eine 1,0 Einigungsgebühr nach RVG VV Nr. 1003, sofern der Prozessvertreter des Streitverkündeten an der Erledigung des Rechtsstreits mitwirkt. 237 Lange, § 2 Rn. 255 ff.; s.a. Hoffmann, NJW 2012, 1393 f.; Scholz, S. 244 ff. 234
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1. Teil: Darstellung der Ist-Situation
dem eigenen Interesse des Streitverkündeten am Obsiegen der unterstützten Partei bestimmt.238 Dieser Unterschied kann ebenfalls erheblich sein. § 101 ZPO regelt zudem, zwischen welchen Parteien die Kosten verteilt werden. Diese Kostentragungsnorm betrifft nur den beigetretenen Streitverkündeten und den Gegner der von diesem unterstützten Partei. Die unterstützte Partei wird dagegen nicht erfasst, da zwischen ihr und dem Streitverkündeten kein Rechtsstreit besteht, aus dem sich ein Kostenerstattungsanspruch ergeben könnte.239 Es gilt der Grundsatz der Kostenparallelität, wonach der Streitverkündete in Bezug auf seine Kosten so gestellt wird, wie die Partei, die er durch seinen Beitritt unterstützt.240 Die Kostentragungspflicht gem. § 101 I Hs. 1 ZPO i.V.m. § 74 I ZPO ergibt sich dann aus den §§ 91 – 98 ZPO, wonach das Obsiegen und das Unterliegen der Parteien im Erstprozess maßgeblich ist. Damit ist auch für das Kostenrisiko des streitverkündenden Vorstandmitglieds entscheidend, auf wessen Seite der Beitritt im Haftungsprozess erfolgt. Das streitverkündende Vorstandsmitglied trägt im Haftungsprozess ein erhebliches Kostenrisiko, wenn das streitverkündete Vorstandsmitglied der Gesellschaft beitritt und diese obsiegt. Denn dann muss es neben den Kosten des Rechtsstreits nach § 91 I ZPO auch die Kosten der Streitverkündung gem. § 101 I ZPO i.V.m. § 74 I ZPO tragen. Unterliegt die Gesellschaft dagegen, so trägt diese gem. § 91 I ZPO die Kosten des Rechtsstreits. Das streitverkündete Vorstandsmitglied trägt in diesem Fall gem. § 101 I ZPO i.V.m. § 74 I ZPO seine Kosten selbst. Das streitverkündende Vorstandsmitglied trägt dann keine Kosten. Dasselbe gilt, wenn das streitverkündete Vorstandsmitglied nicht, oder auf Seiten des streitverkündenden Vorstandsmitglieds beitritt. cc) Bewertung als Verteidigungsmittel Die Wirkkraft der Streitverkündung als Verteidigungsmaßnahme im Haftungsprozess ist beschränkt. Denn sie zwingt die übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder nicht dazu, am Haftungsprozess teilzunehmen. Im besten Fall kann sie dazu führen, dass das Vorstandsmitglied, dem der Streit verkündet wird, freiwillig auf Seiten des Vorstandsmitglieds beitritt, das den Streit verkündet hat. Dann kann es im eigenen Namen und aus eigenem Recht Angriffs- und Verteidigungsmittel gegen die Gesellschaft geltend machen. Tut es dies, so kann sich die Position des in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieds verbessern. Demgegenüber kann die Streitverkündung im Haftungsprozess auch stark zu seinen Lasten wirken. Dies ist der Fall, wenn das streitverkündete Vorstandsmitglied auf Seiten der Gesellschaft beitritt. Der 238
Vgl. MüKo-ZPO/Schultes, § 66 Rn. 26 mit Nachweisen zum Streitstand in Fn. 103. OLG Köln NJW-RR 2002, 1726; Musielak/Voit/Flockenhaus, § 101 Rn. 2; MüKo-ZPO/ Schulz, § 101 Rn. 12. 240 Musielak/Voit/Flockenhaus, § 101 Rn. 3; Saenger/Gierl, § 101 Rn. 5; Zöller/Herget, § 101 Rn. 3; MüKo-ZPO/Schulz, § 101 Rn. 2. 239
A. Das Haftungsverhältnis
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denkbar ungünstigste Fall tritt ein, wenn die Gesellschaft zudem obsiegt, da das streitverkündende Vorstandsmitglied dann auch die Kosten des streitverkündeten Vorstandsmitglieds tragen muss. Betrachtet man ihre Auswirkungen auf den Haftungsprozess isoliert, so verbessert eine Streitverkündung die Situation des in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieds gegenüber der Gesellschaft nicht maßgeblich. b) Erheblicher Tatsachenvortrag Das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied hat die Möglichkeit, sich im Haftungsprozess durch das Vorbringen eines erheblichen Tatsachenvortrags gegen seine Inanspruchnahme zu verteidigen. Denn grundsätzlich obliegt es der Gesellschaft als Klägerin zunächst, das Bestehen ihres Anspruchs schlüssig vorzutragen. Dies kann das in Anspruch genommene und verklagte Vorstandsmitglied durch den Vortrag erheblicher Tatsachen streitig stellen. Anschließend sind die Beweislastregeln anwendbar. Deren ungeschriebenes Grundprinzip lautet, dass es jeder Partei obliegt, die ihr günstigen Tatsachen darzulegen und zu beweisen.241 Allerdings wird dieser Grundsatz durch die Beweislastumkehr in § 93 II 2 AktG erheblich modifiziert. aa) Beweislastumkehr in § 93 II 2 AktG Ist streitig, ob Vorstandsmitglieder die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewandt haben, so trifft sie gem. § 93 II 2 AktG die Beweislast für diese Tatsache. Dabei handelt es sich um eine Beweislastumkehr zugunsten der anspruchsberechtigten Gesellschaft, die dieser ihren Vortrag im Prozess in wesentlichen Punkten erleichtert. Diese Beweislastumkehr bezieht sich über ihren Wortlaut hinaus bereits auf das Tatbestandsmerkmal der Pflichtwidrigkeit der infrage stehenden Handlung.242 Danach genügt es, dass die Gesellschaft ein konkretes, möglicherweise pflichtwidriges
241 Dies war als Grundregel in § 193 des ersten Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich von 1888 enthalten, so auch ständige Rechtsprechung, s. BGHZ 113, 222, 224 f.; BGH NJW-RR 2008, 1722, 1722; 2010, 1378, 1379; 2014, 1172, 1173; instruktiv Rosenberg, S. 98 f.; s.a. Kommentarliteratur Musielak/Voit/Foerste, § 286 Rn. 35; MüKo-ZPO/ Prütting, § 286 Rn. 110 f; Saenger/Saenger, § 286 Rn. 58; Zöller/Greger, Vorbem zu § 284 Rn. 17a; speziell zur Beweislastverteilung bei der Innenhaftung von Organmitgliedern Krieger, in: Hdb Managerhaftung, § 3 Rn. 3.39. 242 Vgl. BGH AG 2011, 378, 379; BGHZ 152, 280, 284 f.; Grigoleit/Grigoleit/Tomasic, § 93 Rn. 69; K. Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer-Coceani, § 93 Rn. 31, s.a. Rn. 41; KK-AktG/ Mertens/Cahn, § 93 Rn. 140; MüKo-AktG/Spindler, § 93 Rn. 108 ff.; zum früheren Streitstand noch Fleck, GmbHR 1997, 237; Krieger, in: GesellschaftsR 1995, 149, 157 ff.; ausführlich zur Entwicklung in der Rechtsprechung Goette, ZGR 1995, 648 ff., 671 ff.; ablehnend GK-AktG/ Hopt/Roth, § 93 Rn. 427 ff.
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1. Teil: Darstellung der Ist-Situation
Verhalten eines Vorstandsmitglieds substantiiert darlegt.243 Tut sie dies, so greift die Vermutung, dass dieses Verhalten auch pflichtwidrig war. Das Vorstandsmitglied muss sodann darlegen und beweisen, dass sein Handeln nicht pflichtwidrig gewesen ist.244 Begründet wird die Ausdehnung der Beweislastumkehr auf das Tatbestandsmerkmal der Pflichtwidrigkeit mit der Interessenlage in der Haftungssituation und der größeren Sachnähe der Vorstandsmitglieder.245 Für die Gesellschaft sei es regelmäßig schwierig, alle anspruchsbegründenden Tatsachen vorzutragen, dagegen hätten die Vorstandsmitglieder leichteren Zugang zu Beweisen, die ihr pflichtgemäßes Handeln belegen.246 Teilweise wird erkannt, dass dies für ausgeschiedene Vorstandsmitglieder so nicht zutrifft. Denn diese wissen zwar grundsätzlich um die tatsächlichen Gegebenheiten, die sich im Zusammenhang mit dem Pflichtwidrigkeitsvorwurf zugetragen haben. Allerdings können sie in der Regel nicht mehr auf beweiserhebliche unternehmensinterne Dokumente zugreifen, mit denen sie den erforderlichen Entlastungsbeweis führen können.247 Denn nach dem Grundgedanken in §§ 675, 666, 667 BGB müssen sie der Gesellschaft nach ihrem Ausscheiden alle Unterlagen, die ihnen im Rahmen ihrer Amtstätigkeit überlassen wurden, zurückgeben.248 Insoweit besteht auch kein Zurückbehaltungsrecht, wenn ihnen eine Inanspruchnahme aus § 93 II 1 AktG droht.249 Daher wird teilweise vorgeschlagen, in diesen Fällen § 93 II 2 AktG teleologisch zu reduzieren,250 Beweiserleichterungen zuzulassen,251 eine abgestufte Beweislastverteilung nach Gefahrensphären vorzunehmen252 oder die Beweislastregel dynamisch zu begreifen.253 Daneben wird auch 243
BGHZ 152, 280, 284; K. Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer-Coceani, § 93 Rn. 41; Krieger, in: FS Schneider, 2011, 717; KK-AktG/Mertens/Cahn, § 93 Rn. 142; strenger OLG Nürnberg AG 2015, 91, 92, wonach ein völlig wertneutrales Verhalten nicht genügen soll; zustimmend Bachmann, BB 2015, 771, 774 f.; ähnlich bereits Paefgen, AG 2014, 554, 565 f.; Paefgen, NZG 2009, 891, 893 f.; ablehnend Fleischer/Bauer, ZIP 2015, 1901, 1907 f. 244 BGHZ 152, 280, 282 ff., 284 f.; Bachmann, E34 ; Deilmann/Otte, BB 2011, 1291; K. Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer-Coceani, § 93 Rn. 41; KK-AktG/Mertens/Cahn, § 93 Rn. 140. 245 Grigoleit/Grigoleit/Tomasic, § 93 Rn. 69; GK-AktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 447; MüKoAktG/Spindler § 93 Rn. 180 ff. 246 Grigoleit/Grigoleit/Tomasic, § 93 Rn. 69; MüKo-AktG/Spindler, § 93 Rn. 180 ff. 247 Foerster, ZHR 176 (2012), 221, 223 ff.; Grigoleit/Grigoleit/Tomasic, § 93 Rn. 70; Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 794 f.; Hopt, ZIP 2013, 1793, 1803; GK-AktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 448; HK-AktG/Israel, § 93 Rn. 29; Krieger, in: FS Schneider, 2011, 717, 718 f. 248 BGH AG 2008, 743, 744; OLG Düsseldorf AG 2007, 747, 748 f.; Deilmann/Otte, BB 2011, 1291, 1292; Grooterhorst, AG 2011, 389, 390; Hoffmann, NJW 2012, 1393, 1398; MüKo-AktG/Spindler, § 93 Rn. 108. 249 BGH AG 2008, 743, 744; OLG Düsseldorf AG 2007, 747, 748 f. 250 Foerster, ZHR 176 (2012), 221 , 225; Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 795; HK-AktG/ Israel, § 93 Rn. 29; sympathisierend Hopt, ZIP 2013, 1793, 1803; GK-AktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 448. 251 Grigoleit/Grigoleit/Tomasic, § 93 Rn. 70. 252 Heermann, ZIP 1998, 761, 767 ff.
A. Das Haftungsverhältnis
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eine kritische Überprüfung, Anpassung oder gar Streichung der Beweislastregelung gefordert.254 Nach geltendem Recht wird jedoch überwiegend davon ausgegangen, dass es auch für ausgeschiedene Vorstandsmitglieder bei der Beweislastumkehr bleibt.255 Andernfalls könnte jedes Vorstandsmitglied die Beweislast zu seinen Gunsten beeinflussen, indem es sein Amt niederlegt.256 Zudem habe das bereits ausgeschiedene Vorstandsmitglied ein umfassendes Recht auf Information und Einsicht in die Bücher, das aus § 810 BGB oder der Treuepflicht der Gesellschaft folge.257 Wird dieses nicht freiwillig gewährt, könne ein ausgeschiedenes Vorstandsmitglied Auskunftsund Informationsansprüche geltend machen.258 Auf diesem Weg kann es sich Zugang zu dem Beweismaterial verschaffen, das die Gesellschaft in Besitz hat.259 Dies gleiche die Nachteile aus, die das bereits ausgeschiedene Vorstandsmitglied bei dem Beweis seines pflichtgemäßen und sorgfältigen Handelns treffen. Da wahrscheinlich ist, dass diese überwiegende Ansicht auch in einem Haftungsprozess Anwendung findet, ist sie für die Beurteilung der Ist-Situation des in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieds maßgeblich. In Bezug auf das Tatbestandsmerkmal des Verschuldens gilt die Beweislastregel in § 93 II 2 AktG bereits nach ihrem Wortlaut, wonach sie Anwendung findet, wenn streitig ist, ob die erforderliche Sorgfalt beachtet wurde. Die Gesellschaft muss danach nur schlüssig vortragen, dass das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied seine Sorgfaltspflichten schuldhaft verletzt hat. Beweisen muss sie dies dagegen zunächst nicht. Vielmehr obliegt dem in Anspruch genommenen Vorstandsmitglied der Beweis des Gegenteils. Die Beweislastumkehr verbessert damit die Aussicht der Gesellschaft darauf, mit ihrer Klage zu obsiegen, deutlich. Nach herrschender Ansicht bestehen damit erhebliche Beweiserleichterungen in Bezug auf die Tatbestandsmerkmale der Pflichtverletzung und des Verschuldens zu Gunsten der Gesellschaft. Die Darlegungs- und Beweislast für die Kausalität und den 253
Bachmann, E34 f. Bachmann, ZIP 2014, 579, 582; Freiherr von Falkenhausen, NZG 2012, 644, 651; Paefgen, NZG 2009, 891 ff.; Paefgen, AG 2004, 245, 256 ff., 261; Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 805; Hopt, ZIP 2013, 1793, 1799 f., 1803; GK-AktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 448; Rieger, in: FS Peltzer, 2001, 339, 351 f.; Roth, S. 141 ff. 255 Bachmann, E35 f.; Spindler/Stilz/Fleischer, § 93 Rn. 224; Hüffer/Koch, § 93 Rn. 56; KK-AktG/Mertens/Cahn, § 93 Rn. 147; MüKo-AktG/Spindler, § 93 Rn. 188; K. Schmidt/ Lutter/Krieger/Sailer-Coceani, § 93 Rn. 44. 256 Hüffer/Koch, § 93 Rn. 56. 257 BGHZ 152, 280, 285; OLG Stuttgart WM 2010, 120, 122, 125; Krieger, in: FS Schneider, 2011, 717, 719 ff.; K. Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer-Coceani, § 93 Rn. 44; KKAktG/Mertens/Cahn, § 93 Rn. 147; Spindler/Stilz/Fleischer, § 93 Rn. 224; Wiesner, in: Münch Hdb GesR Bd IV, § 26 Rn. 25. 258 Spindler/Stilz/Fleischer, § 93 Rn. 224; Wiesner, in: Münch Hdb GesR Bd IV, § 26 Rn. 25. 259 Vgl. Hüffer/Koch, § 93 Rn. 56; MüKo-AktG/Spindler, § 93 Rn. 188. 254
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1. Teil: Darstellung der Ist-Situation
Schaden trägt die Gesellschaft zwar dennoch,260 § 287 ZPO lässt es aber ausreichen, dass Tatsachen vorgetragen werden, die es dem Gericht ermöglichen, den Schaden zu schätzen.261 Auch insoweit ist der Gesellschaft ihr Vortrag erleichtert. bb) Bewertung als Verteidigungsmittel Das Vorbringen erheblicher Tatsachen im Prozess stellt keine spezielle Maßnahme zur Verteidigung in Vorstandshaftungsfällen dar. Vielmehr handelt es sich um die grundlegendste aller Möglichkeiten, sich gegen eine Inanspruchnahme zur Wehr zu setzen. Wegen der Beweislastumkehr in § 93 II 2 AktG genügt ein solches Vorbringen allein jedoch nicht, um sich in einem Vorstandshaftungsfall zu verteidigen. Da die prozessuale Durchsetzbarkeit von Ansprüchen regelmäßig entscheidend von der Frage ihrer Beweisbarkeit abhängt, ist dies ein spürbarer Nachteil für ein in Anspruch genommenes Vorstandsmitglied. Denn dieses muss seinen erheblichen Tatsachenvortrag auch direkt beweisen. Den Zugang zu den hierfür erforderlichen Beweismitteln in Form von unternehmensinternen Dokumenten, Notizen, Entscheidungsvorlagen, E-Mail-Korrespondenzen muss es bei der Gesellschaft einfordern und im Zweifel einklagen. In der Praxis kann dies zu langwierigen und ressourcenintensiven Verfahren führen, in denen das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied auch die Darlegungs- und Beweislast für das Bestehen von Informations- und Einsichtsrechten trägt.262 In Anbetracht dieser Hindernisse ist es sehr wahrscheinlich, dass es dem in Anspruch genommenen Vorstandsmitglied nicht gelingt, die Pflichtgemäßheit seines Verhaltens zu beweisen. Aus einer solchen non-liquet-Situation folgt aber nicht etwa die Abweisung der Klage der Gesellschaft im Haftungsprozess. Vielmehr führt sie aufgrund der Beweislastumkehr zu der Annahme, dass das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied der Gesellschaft zum Schadensersatz verpflichtet ist. Die Erfolgschancen der Gesellschaft, mit ihrer Klage im Haftungsprozess durchzudringen, erhöhen sich damit deutlich. c) Einrede der Verjährung aa) Voraussetzungen § 93 VI AktG regelt die Verjährung der Ansprüche aus dem Haftungsverhältnis. Danach verjähren die Ansprüche aus § 93 II AktG bei Aktiengesellschaften, die zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung börsennotiert sind in zehn Jahren, bei anderen Aktiengesellschaften in fünf Jahren.
260 261 262
Hüffer/Koch, § 93 Rn. 53. BGHZ 152, 280, 287; Spindler/Stilz/Fleischer, § 93 Rn. 221. Deilmann/Otte, BB 2011, 1291, 1293.
A. Das Haftungsverhältnis
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Der Beginn der Verjährungsfrist ist nicht sonderrechtlich geregelt. Daher ist § 200 BGB maßgebend und die Verjährungsfrist beginnt mit der Entstehung des Anspruchs.263 Auf die Kenntnis der anspruchsberechtigten Gesellschaft von den anspruchsbegründenden Umständen kommt es dagegen nicht an.264 Ein Anspruch ist entstanden, wenn er erstmals geltend gemacht und eingeklagt werden kann.265 Hierfür müssen alle Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sein. In der Regel ist der Schaden die chronologisch zuletzt eintretende anspruchsbegründende Tatsache und deshalb zumeist maßgeblich für den Verjährungsbeginn. Die Rechtsprechung lässt es ausreichen, dass ein Schaden dem Grunde nach vorliegt, seine Höhe muss dagegen noch nicht bezifferbar sein.266 Es genügt also, dass die Voraussetzungen für die Erhebung einer Feststellungsklage gem. § 256 ZPO gegeben sind.267 Inzwischen haben sich verschiedene Fallgruppen herausgebildet, in denen die Rechtsprechung das Vorliegen eines Schadens und damit den Verjährungsbeginn bejaht.268 So können eine Vermögensverschlechterung oder ein endgültiger Teilschaden den Lauf der Verjährungsfrist auslösen, obwohl ein konkreter oder endgültiger (Gesamt-) Schaden noch nicht erkennbar ist.269 Die einzige Voraussetzung hierfür ist, dass entweder bei verständiger Würdigung mit der nicht entfernt liegenden Möglichkeit seines Auftretens gerechnet werden konnte oder, dass ein solcher Schaden als spätere schädigende, vorauszusehende oder zu erwartende Folge des zum Schadensersatz verpflichtenden Verhaltens eintritt.270 Treten diese Schäden später tatsächlich ein, so beginnt keine neue Verjährungsfrist zu laufen.271 Treten dagegen später Schäden ein,
263 Harbarth/Jaspers, NZG 2011, 368, 369; GK-AktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 587; MüKoAktG/Spindler, § 93 Rn. 291; Hüffer/Koch, § 93 Rn. 87; Schmitt-Rolfes/Bergwitz, NZG 2006, 535, 536 ff.; Begr. RegE BT-Drs. 15/3653, 12. 264 BGHZ 73, 363, 365; BGHZ 100, 228, 231; Spindler/Stilz/Fleischer, § 93 Rn. 303a; Hölters/Hölters, § 93 Rn. 335; MüKo-AktG/Spindler, § 93 Rn. 291; KK-AktG/Mertens/Cahn, § 93 Rn. 200. 265 St. Rspr. RGZ 83, 354, 356; BGHZ 55, 340 , 341; BGHZ 73, 363, 365; BGHZ 79, 176, 177 f., BGH NJW-RR 2000, 647, 648; MüKo-BGB/Grothe, § 200 Rn. 3, § 199 Rn. 4 ff.; Harbarth/Jaspers, NZG 2011, 368, 369; Hölters/Hölters, § 93 Rn. 336; Heidel/U. Schmidt, § 93 Rn. 181. 266 St. Rspr. seit RG JW 1907, 302 Nr. 5; vgl. BGHZ 79, 176, 178; BGHZ 100, 228, 231. 267 RGZ 153, 101, 107; BGH BauR 1979, 62; BGHZ 79, 176, 178; BGHZ 100, 228, 231; BGH DStR 2005, 659, KK-AktG/Mertens/Cahn, § 93 Rn. 200. 268 Zu den Fallgruppen im Überblick BGHZ 100, 228, 231 f.; KK-AktG/Mertens/Cahn, § 93 Rn. 200; Harbarth/Jaspers, NZG 2011, 368, 369. 269 Vgl. BGHZ 100, 228, 231. 270 RG HRR 1940, Nr. 980; RGZ 83, 354, 360; RGZ 87, 306, 312, BGHZ 100, 228, 231 f.; BGHZ 124, 27, 29; MüKo-AktG/Spindler, § 93 Rn. 292. 271 RGZ, 83, 354, 360; RGZ 87, 306, 312; Vgl. BGHZ 100, 228, 232; BGHZ 124, 27, 29 f.; KK-AktG/Mertens/Cahn, § 93 Rn. 202; GK-AktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 595.
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1. Teil: Darstellung der Ist-Situation
die ursprünglich nicht vorhersehbar waren, beginnt eine neue Frist zu laufen.272 Danach sind regelmäßig zwei Zeitpunkte für den Beginn der Verjährungsfrist denkbar, derjenige, in dem der Schaden vorhersehbar war und derjenige, in dem der Schaden tatsächlich eingetreten ist. Schwierig ist dabei regelmäßig die Abgrenzung anhand des Kriteriums der Vorhersehbarkeit. Auch besondere Konstellationen bei der Pflichtverletzung werfen die Frage nach dem Verjährungsbeginn auf. Liegen mehrere Verletzungshandlungen vor, so löst jede einzelne den Lauf einer neuen Verjährungsfrist aus.273 Dauert die Pflichtverletzung über den Zeitpunkt des Schadenseintritts hinaus an, ist der spätere Zeitpunkt der Beendigung der Verletzungshandlung maßgeblich.274 Verschweigt das Vorstandsmitglied eine pflichtwidrige Handlung, so liegt darin keine Pflichtverletzung mit eigenem Verjährungslauf.275 Ergreift es dagegen Maßnahmen, um sie zu verdecken, stellt dieses Verhalten eine eigene Verletzungshandlung dar.276 Schwierig zu bestimmen ist auch der Beginn der Verjährungsfrist bei einem Handeln durch Unterlassen, das im Zusammenhang mit der Überwachungs-, Kontroll-, bzw. Aufsichtsverantwortung der Vorstandsmitglieder bei der Geschäftsverteilung besonders relevant wird.277 Dabei soll der Zeitpunkt maßgeblich sein, in dem die gebotene Handlung spätestens hätte vorgenommen werden müssen und ihre Nachholung den Schadenseintritt nicht mehr verhindern kann.278 Wird ein bereits eingetretener Schaden dadurch größer, dass das Vorstandsmitglied fortwährend eine gebotene Handlung unterlässt, so gilt der Grundsatz der Schadenseinheit.279 Waren danach zum Zeitpunkt des Eintritts eines Schadens weitere Schadensfolgen vorhersehbar, so erstreckt sich der bereits eingetretene Schaden auch auf die weiteren Schadensfolgen, die dann mit dem ersten Schaden als eingetreten gelten.280 bb) Bewertung als Verteidigungsmittel Die in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieder können der Gesellschaft die Verjährung des Haftungsanspruchs aus § 93 II 1 AktG entgegenhalten. Als pe272 Vgl. BGHZ 100, 228, 232; RGZ, 83, 354, 360; Fleck, WM 1994, 1957, 1963; GK-AktG/ Hopt/Roth, § 93 Rn. 595; KK-AktG/Mertens/Cahn, § 93 Rn. 202. 273 GK-AktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 595; KK-AktG/Mertens/Cahn, § 93 Rn. 202; MüKoAktG/Spindler, § 93 Rn. 292. 274 Harbarth/Jaspers, NZG 2011, 368, 369; MüKo-AktG/Spindler, § 93 Rn. 292; KKAktG/Mertens/Cahn, § 93 Rn. 201; Hölters/Hölters, § 93 Rn. 336. 275 Spindler/Stilz/Fleischer, § 93 Rn. 302; GK-AktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 588; MüKoAktG/Spindler, § 93 Rn. 293; KK-AktG/Mertens/Cahn, § 93 Rn. 201, 166. 276 GK-AktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 589; KK-AktG/Mertens/Cahn, § 93 Rn. 201. 277 S. o. 1. Teil A. I. 1. a), S. 22. 278 GK-AktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 591; KK-AktG/Mertens/Cahn, § 93 Rn. 203; MüKoAktG/Spindler, § 93 Rn. 293; Hölters/Hölters, § 93 Rn. 337. 279 GK-AktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 595; s.a. MüKo-AktG/Spindler, § 93 Rn. 292. 280 RGZ, 83, 354, 360; MüKo-BGB/Grothe, § 199 Rn. 9 ff.
A. Das Haftungsverhältnis
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remptorische Einrede hindert sie dessen Geltendmachung dauerhaft. Damit ist diese Einrede grundsätzlich eine starke Verteidigungsmöglichkeit. Sie erscheint auch berechenbar, da der Beginn der Verjährungsfrist gem. § 200 BGB objektiv bestimmt wird. Im Vergleich zur Regelverjährung nach § 199 I BGB mit ihrem subjektiven Fristbeginn ist dies von Vorteil. Diesen hat der Gesetzgeber auch bezweckt, als er sich im Zusammenhang mit der Schuldrechtsreform dazu entschied, den kenntnisunabhängigen Verjährungsbeginn beizubehalten.281 Er ging davon aus, dass die Vorstandsmitglieder für ihre unternehmerische Tätigkeit nach objektiven Kriterien Gewissheit darüber benötigen, ab wann ihnen für ein bestimmtes Verhalten keine Inanspruchnahme mehr droht.282 Diese Gewissheit tritt aber in der Praxis vielfach nicht ein, da häufig unklar ist, ob und wann die Anspruchsvoraussetzungen vorliegen. Die genannten Fallgruppen bilden bei weitem nicht alle Konstellationen ab, in denen sich die Frage des Verjährungsbeginns stellt. Vielmehr zeigt sich an diesen, dass eine Einzelfallbetrachtung notwendig ist. Darunter leidet die Bestimmbarkeit des Verjährungszeitpunkts. Letztlich kann das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied die Einrede der Verjährung im Haftungsprozess auch erheben, ohne den Verjährungszeitpunkt zu kennen. Es muss in diesem Fall allerdings ihre Voraussetzungen und damit auch den Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs aus § 93 II 1 AktG darlegen und beweisen. Es muss damit Tatsachen vortragen, die seiner Verteidigung schaden können. Zwar kann es sich hilfsweise den Vortrag der klagenden Gesellschaft zu Eigen machen. Aber diese wird kaum Tatsachen vortragen, die auf eine Verjährung des Innenhaftungsanspruchs schließen lassen. Daher muss sein Vortrag das Gericht davon überzeugen, dass das chronologisch letzte Tatbestandsmerkmal zu einem frühestmöglichen Zeitpunkt erfüllt war und der Anspruch nun verjährt ist. Dabei trägt das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied das Risiko, Informationen preiszugeben, die die Gesellschaft gegen es verwenden kann. 2. Kostenrisiko, Liquiditätsrisiko, Risiko eigener Zahlungsunfähigkeit und Insolvenzrisiko Neben dem Verteidigungsrisiko trägt jedes in Anspruch genommene Vorstandsmitglied auch das volle Kostenrisiko im Haftungsprozess. Bei einem Unterliegen trägt es gem. § 91 I 1 ZPO die gesamten Kosten des Rechtsstreits. Weitere Risiken und Nachteile ergeben sich aus dem zeitlichen Versatz, den eine Inanspruchnahme auslöst. Dieser wird vor dem Hintergrund des chronologischen Ablaufs eines Vorstandshaftungsfalls deutlich. Denn greift die Gesellschaft vertreten durch den Aufsichtsrat gem. § 421 BGB nach ihrem Belieben auf einzelne Vorstandsmitglieder zu, so wird deren Vermögen bereits mit der gesamten Schadens281
BegrRegE BT-Drs. 15/3653 S. 12; Spindler/Stilz/Fleischer, § 93 Rn. 302. BegrRegE BT-Drs. 15/3653 S. 12; s.a. Thiessen, ZHR 168 (2004), 503, 538; MüKoAktG/Spindler, § 93 Rn. 291. 282
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1. Teil: Darstellung der Ist-Situation
ersatzforderung der Gesellschaft belastet. Im Vergleich zu den übrigen mithaftenden Vorstandsmitgliedern tragen sie zu diesem Zeitpunkt ein erhöhtes Risiko dahingehend, dass ihre Zahlungsfähigkeit in Höhe der Schadensersatzforderung eingeschränkt wird. Ersetzen die außergerichtlich in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieder den gesamten Schaden nicht freiwillig, so kommt es zur Erhebung einer Leistungsklage im Haftungsverhältnis. Kommt ein Gericht zu dem Ergebnis, dass der Anspruch aus § 93 II 1 AktG besteht, so verurteilt es einzelne Vorstandsmitglieder zur Leistung des Schadensersatzes an die Gesellschaft. Nach Eintritt der Rechtskraft ist diese Verpflichtung letztverbindlich festgestellt. Sie müssen dann die Forderung der Gesellschaft befriedigen. Erfolgt dies nicht freiwillig, so kommt eine Zwangsvollstreckung in Betracht und die in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieder haben der Gesellschaft den gesamten Schaden zu ersetzen. Mit der Befriedigung der Gesellschaft verwirklicht sich ihr Liquiditätsrisiko. Denn sie müssen zu diesem Zeitpunkt in Vorleistung gehen. Im Ergebnis gewähren sie den übrigen mithaftenden Vorstandsmitgliedern wirtschaftlich gesehen ein zinsloses Darlehen.283 Ihr Kapital ist in Höhe der gesamten Forderung gebunden, ihre Liquidität damit beschränkt. Daraus folgt für sie auch das Risiko, zahlungsunfähig zu werden. Denn im Zusammenhang mit der aktienrechtlichen Organhaftung stehen regelmäßig Schäden im Raum, die die Versicherungssummen und das Privatvermögen der Vorstandsmitglieder bei Weitem übersteigen. Zudem tragen sie das Risiko, dass die übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder zwischenzeitlich insolvent werden und sich ihr eigener Haftungsanteil daher gem. § 426 I 2 BGB bis hin zur vollen Schadenssumme erhöht. Diese mit der Risikotragung verbundene Ungleichheit benachteiligt die in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieder im Verhältnis zu den übrigen mithaftenden Vorstandsmitgliedern stark.
V. Ergebnis: Das Haftungsverhältnis 1. Voraussetzung der Haftung nach § 93 II 1 AktG ist, dass Vorstandsmitglieder ihre Pflichten schuldhaft verletzen und der Aktiengesellschaft hieraus adäquat kausal ein Schaden entsteht.284 2. Die Rechtsfolgen der Haftung als Gesamtschuldner sind weitreichend. Nach § 421 S. 1 BGB kann die Gesellschaft als Gläubigerin die Leistung nach ihrem Belieben von jedem einzelnen Vorstandsmitglied als Schuldner ganz oder zu einem Teil fordern.285 3. Der Aufsichtsrat ist für die Prüfung und Verfolgung der Schadensersatzansprüche gegen die Vorstandsmitglieder originär zuständig, bedarf jedoch für den Ab283 284 285
Meier, S. 626. S. o. 1. Teil A. I., S. 21 ff. S. o. 1. Teil A. II., S. 30 ff.
B. Das Rückgriffsverhältnis
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schluss von Verzichts- und Vergleichsvereinbarung der Zustimmung der Hauptversammlung.286 In der Rechtsverfolgungspraxis war infolge der ARAG/ Garmenbeck-Rechtsprechung des BGH eine vermehrte Inanspruchnahme von Vorstandsmitgliedern erkennbar.287 Daneben sind auch Bestrebungen dahingehend zu beobachten, Vergleichs- und Verzichtsvereinbarungen mit den Vorstandsmitgliedern abzuschließen.288 4. Die Leistung der für Vorstandshaftungsfälle vielfach abgeschlossenen D&OVersicherungen hängt vom Eintritt des konkret versicherten Falles ab und ist stets der Höhe nach beschränkt.289 Überlegungen, die Haftung von Vorstandsmitgliedern generell zu beschränken, konnten sich bislang nicht durchsetzen.290 5. Obwohl die Inanspruchnahme auf ganz unterschiedliche Art und Weise erfolgen kann, hat sich zum Teil eine Praxis herausgebildet, nach der nicht alle, sondern nur einzelne Vorstandsmitglieder in Anspruch genommen werden. Hierdurch ergibt sich eine Spaltung der haftenden Vorstandsmitglieder in zwei Gruppen: Die in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieder und die übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder.291 6. Aus ihrer Inanspruchnahme im Haftungsverhältnis tragen die in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieder verschiedene Risiken und Nachteile, denen die übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder nicht ausgesetzt sind. Sie stehen im Haftungsprozess der Gesellschaft als Partei gegenüber, müssen sich gegen ihre Inanspruchnahme verteidigen und sind allein mit der Prozessführung belastet.292 Ferner tragen sie das Kostenrisiko des Haftungsprozesses, das Risiko, in ihrer Liquidität eingeschränkt zu sein, das Risiko infolge der Vorleistungsverpflichtung zahlungsunfähig zu werden, sowie das Risiko, dass die übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder zwischenzeitlich insolvent werden.293
B. Das Rückgriffsverhältnis Mit dem Haftungsverhältnis zwischen der Gesellschaft und den gesamtschuldnerisch haftenden Vorstandsmitgliedern entsteht auch ein eigenständiges Schuldverhältnis zwischen den einzelnen gesamtschuldnerisch haftenden Vorstandsmit-
286 287 288 289 290 291 292 293
S. o. 1. Teil A. III. 1., S. 37 f. S. o. 1. Teil A. III. 2. a), S. 38 f. S. o. 1. Teil A. III. 2. b), S. 39 f. S. o. 1. Teil A. III. 3., S. 40 f. S. o. 1. Teil A. III. 4., S. 41 ff. S. o. 1. Teil A. III. 5., S. 44 f. S. o. 1. Teil A. IV. 1., S. 46 ff. S. o. 1. Teil A. IV. 2., S. 57 f.
60
1. Teil: Darstellung der Ist-Situation
gliedern.294 Da das Aktienrecht keine Sonderregelung für dieses Rückgriffsverhältnis bereithält, bemisst es sich nach den Regelungen des allgemeinen Schuldrechts in den §§ 421 ff. BGB. Dabei ist § 426 BGB bedeutsam. Denn § 426 BGB stellt dem in Anspruch genommenen Vorstandsmitglied verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, um auf die übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder zuzugreifen. Diese könnten ausgleichen, dass das einzelne in Anspruch genommene Vorstandsmitglied bei der aktienrechtlichen Innenhaftung zunächst auf sich allein gestellt ist. Die Wirksamkeit dieser Rückgriffsmöglichkeiten bestimmt sich danach, inwieweit sie zur Verringerung der Risiken und Nachteile beitragen, die die in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieder im Vergleich zu den übrigen mithaftenden Vorstandsmitgliedern tragen.295 Maßgeblich sind daher der Inhalt, die materiell-rechtliche und prozessuale Durchsetzbarkeit, die Vollstreckbarkeit, der Erhalt durch verjährungshemmende Maßnahmen sowie die Folgen der Nichterfüllung der aus § 426 BGB folgenden Ansprüche.
I. Allgemeines zum Rückgriff nach § 426 BGB § 426 BGB enthält zwei unterschiedliche Möglichkeiten des Rückgriffs. Gemäß § 426 I 1 BGB sind Gesamtschuldner im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist, was nicht selten der Fall ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH und der überwiegenden Ansicht in der Literatur entsteht der Anspruch aus § 426 I 1 BGB mit der Entstehung der Gesamtschuld.296 In einem Vorstandshaftungsfall setzt ein Rückgriff gem. § 426 I 1 BGB demnach voraus, dass der Tatbestand des § 93 II 1 AktG erfüllt ist.297 Dagegen ist § 426 II 1 BGB selbst keine Anspruchsgrundlage. Die Norm regelt, dass die Forderung des Gläubigers gegen die übrigen Schuldner auf einen Gesamtschuldner übergeht, soweit dieser den Gläubiger befriedigt und von den übrigen Schuldnern Ausgleichung verlangen kann. Sie beschreibt damit einen gesetzlichen Forderungsübergang, der neben dem Bestehen der Gesamtschuld die Befriedigung der Gesellschaft voraussetzt. Der Rückgriffsanspruch folgt damit aus der Verknüpfung von § 426 II 1 BGB mit § 93 II 1 AktG als ursprünglicher Forderung. 294
Vgl. Staudinger/Looschelders, § 426 Rn. 2; Erman/Böttcher, § 426 Rn. 1; HK-BGB/ Schulze, § 426 Rn. 1; Klutinius/Karwatzki, VersR 2008, 617 ff. 295 S. o. 1. Teil A. IV., S. 46 ff. 296 BGHZ 17, 214, 221; BGHZ 35, 317, 325; BGHZ 114, 117, 122; BGH NJW 1981, 1666, 1667; BGH NJW-RR 1991, 499; BGH NJW-RR 2008, 256, 257; BGH WM 2009, 1854, 1856; BGHZ 181, 310 Rn. 12 ff.; BGH WM 2015, 1875; BGH NZG 2017, 753, 754 f.; aus der Literatur Esser/Schmidt, SchuldR Bd I AT Teilbd 2, § 39 III 2 (S. 350); Erman/Böttcher, § 426 Rn. 8; MüKo-BGB/Bydlinski, § 426 Rn. 12; Soergel/Gebauer, § 426 Rn. 14; Palandt/Grüneberg, § 426 Rn. 4; Looschelders, SchuldR AT, Rn. 1287; Staudinger/Looschelders, § 426 Rn. 7; HK-BGB/Schulze, § 426 Rn. 3; Schwedhelm, Rn. 134; Jauernig/Stürner, § 426 Rn. 14. 297 Zu den Voraussetzungen der Haftung ausführlich unter 1. Teil A. I., S. 21 ff.
B. Das Rückgriffsverhältnis
61
Beide Rückgriffsmöglichkeiten aus § 426 BGB stehen selbständig nebeneinander298 und damit in Anspruchskonkurrenz.299 Der Anspruchsinhaber kann frei zwischen ihnen wählen.300 Er kann aus der Norm vorgehen, die ihm eine bessere Aussicht auf Erfolg bietet.301 Die Ansprüche aus § 426 I 1 BGB sind dabei grundsätzlich unabhängig von dem Anspruch § 426 II 1 BGB i.V.m. § 93 II 1 AktG und stehen selbstständig neben diesem.302 Allerdings ist § 426 II 1 BGB darauf gerichtet, den Anspruch aus § 426 I 1 BGB zu sichern, wodurch sich eine Verknüpfung zwischen den Normen ergibt.
II. Rückgriffsansprüche nach § 426 I 1 BGB 1. Inhalt Nach dem Wortlaut des § 426 I 1 BGB sind die Gesamtschuldner im Verhältnis zueinander grundsätzlich zu gleichen Anteilen verpflichtet. Worin diese Verpflichtung konkret besteht, dazu schweigt die Norm. Daher kommen unterschiedliche Deutungsmöglichkeiten in Betracht. Ihre Formulierung legt nahe, dass die Verpflichtung aus der Gesamtschuld entspringt. Legt man den Tatbestand weit aus, so folgt daraus die Verpflichtung der Gesamtschuldner untereinander, sich in allen Belangen, die sich aus der Eigenschaft als Gesamtschuldner ergeben, gegenseitig zu unterstützen. Diese Belange sind vielfältig und unterliegen begrifflich keiner Grenze. Sie können die Mitwirkung bei der Erfüllung oder bei der Abwehr von Ansprüchen umfassen. Ferner können sie die anteilige Zahlung des geschuldeten Betrags, die (Vor-)Leistung an den Gläubiger oder an die übrigen Mitschuldner sowie eine Freistellung oder eine Befreiung von der Schuld betreffen. Zudem können sie sich entweder nur auf den Teil der Schuld, den der einzelne Gesamtschuldner im Innenverhältnis zu tragen hat, oder auf den gesamten geschuldeten Betrag beziehen. Der äußerste Wortsinn der Norm ist erst dann 298
BGH NJW 1981, 681; BGHZ 103, 72, 77 f.; BGH NJW 1991, 98; Esser, SchuldR, § 98 3. a) (S. 451 f.); Palandt/Grüneberg, § 426 Rn. 16; Schwedhelm, Rn. 202; Stamm, S. 69; Soergel/ Gebauer, § 426 Rn. 52. 299 BGHZ 59, 97, 102; BGHZ 20, 371, 374; Schwedhelm, Rn. 202; Selb, Regress, S. 115; Dauner-Lieb/Langen/Völzmann-Stickelbrock, § 426 Rn. 18; Denck, JZ 1976, 669 ff.; Klutinius/ Karwartzki, VersR 2008, 617. 300 Vgl. BGHZ 59, 97 102; BGHZ 20, 371, 374; Selb, Regress, S. 115; Jauernig/Stürner, § 426 Rn. 17; Palandt/Grüneberg, § 426 Rn. 16; Dauner-Lieb/Langen/Völzmann-Stickelbrock, § 426 Rn. 18. 301 Vgl. BGHZ 20, 371, 374; Esser, SchuldR, § 98 3. a) (S. 451 f.). 302 RGZ 69, 422, 426 f.; BGHZ 58, 216, 218; BGHZ 103, 72, 77 f.; BGH NJW 1991, 97, 98; BGH NJW 2010, 435, 436; OLG München NJW 2008, 3505, 3507; Meier, S. 640 f.; Selb, Regress, S. 115; Stamm, S. 69; Schwedhelm, Rn. 135; Esser, SchuldR, § 98 3. a) (S. 451 f.); Dauner-Lieb/Langen/Völzmann-Stickelbrock, § 426 Rn. 18; MüKo-BGB/Bydlinski, § 426 Rn. 25b; Wandt, in: FS Kollhosser, 2004, 769, 774.
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1. Teil: Darstellung der Ist-Situation
überschritten, wenn der Inhalt der Verpflichtung nicht mehr im Zusammenhang mit der Gesamtschuldanordnung steht. Eine systematische Betrachtung bezieht § 426 II BGB ein. Diese Norm regelt, dass die Forderung des Gläubigers gegen die übrigen Schuldner auf einen der Gesamtschuldner übergeht, soweit er den Gläubiger befriedigt und von den übrigen Schuldnern Ausgleichung verlangen kann. Daraus folgt eine Unterscheidung zwischen den Zeiträumen vor und nach der Befriedigung. Da § 426 I BGB keine entsprechende Einschränkung enthält, ist sie jedenfalls auch vor der Befriedigung des Gläubigers anwendbar. a) Vor Befriedigung der Gesellschaft Der Zeitraum vor der Befriedigung wird durch das Ereignis der Inanspruchnahme einzelner Vorstandsmitglieder nochmals unterteilt. Bevor eine Inanspruchnahme stattgefunden hat, stehen sie sich als mithaftende Gesamtschuldner gegenüber. Jedes Vorstandsmitglied hat zu diesem Zeitpunkt jedenfalls ein Interesse daran, nicht über Gebühr in Anspruch genommen zu werden. Diesem Interesse trägt § 426 I 1 BGB Rechnung, wonach von vornherein eine Verpflichtung der Gesamtschuldner untereinander grundsätzlich im gleichen Verhältnis besteht, von dem nur abgewichen wird, soweit etwas anderes bestimmt ist. Hierdurch veranlasst § 426 I 1 BGB die Gesamtschuldner schon vor ihrer Inanspruchnahme zu einem Zusammenwirken und beugt so bereits in einem frühen Stadium Interessenkonflikten vor. Diese Zielrichtung wurde auch in den Motiven zum Ersten Entwurf des BGB beschrieben.303 Danach sollte die Bedeutung des neu gefassten § 426 I 1 BGB über das nach empfangener oder bewirkter Leistung in Frage kommende Ausgleichungsund Regressrecht hinausgehen.304 Die Norm sollte das Prinzip über das innere Verhältnis überhaupt enthalten.305 Sie sollte verdeutlichen, dass mehrere Gesamtschuldner von vornherein mit der Begründung des Gesamtschuldverhältnisses als in einem inneren Schuldverhältnisse stehend anzusehen sind.306 Das verpflichte sie, so zu handeln, dass es überhaupt nicht zu einem Regress kommt.307 Kraft dieses inneren Schuldverhältnisses seien die Gesamtschuldner einander zu der erforderlichen Mitwirkung und Beitragung bei der Leistung verpflichtet.308 Ist gemäß der Regelung in § 426 I 1 BGB „etwas anderes bestimmt“ und entfällt der gesamte Schaden im Innenverhältnis auf einen Gesamtschuldner, so folge aus dem inneren Schuldverhältnis, dass die übrigen Gesamtschuldner gegen diesen einen Anspruch darauf
303 304 305 306 307 308
Mot. S. 169 abgedruckt bei Mugdan II, S. 93. Mot. S. 169 abgedruckt bei Mugdan II, S. 93. Mot. S. 169 abgedruckt bei Mugdan II, S. 93. Mot. S. 169 abgedruckt bei Mugdan II, S. 93. Mot. S. 169 f. abgedruckt bei Mugdan II, S. 93 f. Mot. S. 170 abgedruckt bei Mugdan II, S. 93 f.
B. Das Rückgriffsverhältnis
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haben sollen, vor der Inanspruchnahme durch den Gläubiger bewahrt zu werden.309 In allen anderen Fällen gilt unabhängig von den Haftungsquoten die gegenseitige Verpflichtung zum Zusammenwirken. Der BGH geht in ständiger Rechtsprechung von einem ähnlichen Verständnis aus. Danach ist jeder Gesamtschuldner dazu verpflichtet, die Inanspruchnahme der übrigen mithaftenden Gesamtschuldner jedenfalls insoweit zu verhindern, als sie über den jeweils intern von diesen zu tragenden Anteil hinausgeht.310 In diesem Zusammenhang verwendet der BGH verschiedene Formulierungen, die einen unterschiedlichen Anspruchsinhalt andeuten. So spricht er von einer Verpflichtung zur Befreiung,311 zur Mitwirkung an der Befriedigung des Gläubigers312 oder zur Zahlung an den Gläubiger zur anteiligen Tilgung der Schuld.313 Diese und ähnliche Formulierungen werden auch in der Literatur verwendet.314 So ist auch dort von der Mitwirkung bei der Abwehr des spezialgesetzlichen Haftungsanspruchs oder bei der Befriedigung des Gläubigers die Rede. Ferner soll § 426 I 1 BGB auf eine Ausgleichung, eine Zahlung, eine Freistellung oder eine Befreiung des in Anspruch genommenen Gesamtschuldners gerichtet sein. Allerdings werden diese Begriffe nicht immer im gleichen Zusammenhang und auf der Grundlage eines einheitlichen Verständnisses verwendet. Es ist daher notwendig, die hinter ihnen liegenden Konzepte zu betrachten. Dabei sind die Zahlung und der Ausgleich von der Befreiung, der Freistellung und der Mitwirkung bei der Erfüllung sowie bei der Abwehr von Ansprüchen zu unterscheiden. aa) Anspruch auf Zahlung oder Ausgleich Ein Anspruch auf Zahlung oder Ausgleich wird vor der Befriedigung des Gläubigers mehrheitlich abgelehnt.315 Denn der Anspruch könne vor der Befriedigung der Gesellschaft noch nicht auf die Erstattung des zum Zwecke der Befriedigung Geleisteten gerichtet sein.316 Dies entspricht auch der Systematik innerhalb des § 426 BGB. Denn der in § 426 II 1 BGB beschriebene Rückgriff ist auf eine Zahlung gerichtet. Hierfür muss 309
Mot. S. 169 f. abgedruckt bei Mugdan II, S. 93 f. RGZ 79, 288, 290; BGHZ 23, 361, 363; BGH NJW 1958, 497; BGH NJW 1981, 1666, 1667 f.; BGH NJW 1986, 978, 979. 311 BGH NJW 1958, 497; BGH NJW 1981, 1666, 1667; BGH NJW 1986, 978, 979. 312 BGHZ 23, 361, 363; BGH NJW 1981, 1666, 1668; BGH NJW 1986, 978 f. 313 BGHZ 23, 361, 363; BGH NJW 1957, 747. 314 Vgl. Bischof, ZIP 1984, 1444; Soergel/Gebauer, § 426 Rn. 15; Erman/Böttcher, § 426 Rn. 1, 7, 8, 12; Zahn, ZfBR 2007, 627 ff. 315 MüKo-BGB/Bydlinski, § 426 Rn. 12; Görmer, S. 16; s.a. Erman/Böttcher, § 426 Rn. 8; a.A. noch RGZ 79, 288, 290; BGHZ 23, 361, 363. 316 Vgl. MüKo-BGB/Bydlinski, § 426 Rn. 12, deutlicher noch in der Vorauflage MüKoBGB/Bydlinski, 6. Auflage (2012), § 426 Rn. 12 Fn. 26; Görmer, S. 26, 27. 310
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1. Teil: Darstellung der Ist-Situation
jedoch die Befriedigung des Gläubigers erfolgt sein. § 426 I 1 BGB enthält dagegen keine entsprechenden Voraussetzungen. Vielmehr verpflichtet er ganz allgemein Gesamtschuldner im Verhältnis zueinander grundsätzlich zu gleichen Anteilen. Lautete der Anspruch in § 426 I 1 BGB auch schon vor der Befriedigung auf Zahlung oder Ausgleich, würde § 426 II 1 BGB kaum mehr Bedeutung zukommen. Ein Anspruch auf Zahlung oder Ausgleich vor der Befriedigung hätte ferner zur Folge, dass die übrigen Gesamtschuldner mit einer Forderung belastet würden, obwohl der anspruchstellende Gesamtschuldner gerade noch nicht mit einer solchen in seinem Vermögen betroffen ist. Daraus ergäbe sich eine ungleichmäßige Belastung, der § 426 I 1 BGB gerade entgegenwirken soll. Dies gilt sowohl für eine Leistung an den anspruchstellenden Gesamtschuldner als auch für eine Leistung an den Gläubiger. In beiden Fällen schießt eine Zahlung oder ein Ausgleich vor der Befriedigung über den Regelungszweck des § 426 I 1 BGB hinaus. Damit wird die Auslegung von § 426 I 1 BGB, die eine Zahlung oder einen Ausgleich vor der Befriedigung ablehnt, auch dem Interesse der übrigen Gesamtschuldner vor der Befriedigung gerecht. Sie ist demnach auch auf die Vorstandshaftungsfälle anzuwenden. bb) Anspruch auf Befreiung, Freistellung oder Mitwirkung Zwar ergibt die Auslegung des § 426 I 1 BGB, dass vor der Befriedigung eine Zahlung nicht das Ziel des Anspruchs sein kann. Im Übrigen reicht die Verpflichtung zu gleichen Anteilen nach ihrem Wortlaut aber sehr weit. Sie kann damit sowohl die Befreiung als auch die Freistellung oder die Mitwirkung bei der Erfüllung oder bei der Abwehr von Ansprüchen umfassen. Denn all diese Anspruchsziele entsprechen dem Sinn und Zweck des § 426 I 1 BGB. Sie zielen darauf ab, die gegenseitigen Interessen der Gesamtschuldner zu wahren und verleihen dem Gemeinschaftsverhältnis zwischen diesen bereits vor der Inanspruchnahme Geltung, ohne zu viel zu gewähren. Dies gelingt, so lange sie sich auf die Beseitigung der jeweils zum Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruchs aus § 426 I 1 BGB bereits bestehenden Beeinträchtigung richten. (1) Bei unberechtigter Inanspruchnahme Unklar ist, ob § 426 I 1 BGB auch auf Befreiung, Freistellung oder Mitwirkung gerichtet sein kann, wenn der die Gesamtschuld auslösende Tatbestand nicht feststeht, d. h. in den Vorstandshaftungsfällen die Inanspruchnahme aus § 93 II 1 AktG unberechtigt ist.317 Der BGH hat bereits mehrfach über ähnlich gelagerte Fälle der unberechtigten Inanspruchnahme entschieden und eine ständige Rechtsprechung dazu ausgebildet. Er unterscheidet grundsätzlich zwischen gesetzlichen und vertraglichen Ansprüchen 317
Instruktiv dazu Schweer/Todorow, NJW 2013, 2072, 2073, 2074.
B. Das Rückgriffsverhältnis
65
auf Freistellung und Befreiung. Bei den gesetzlichen Ansprüchen handelt es sich um Schadensersatzansprüche, bei denen der Schaden in einer Belastung mit einer Verbindlichkeit besteht und Befreiung oder Freistellung von dieser geschuldet ist. Dabei setzt der BGH regelmäßig das tatsächliche Vorliegen einer Beschwer in Form des Anspruchs voraus, von dem befreit oder freigestellt werden soll.318 Die vertraglichen Ansprüche auf Freistellung oder Befreiung beruhen dagegen auf individuellen Vereinbarungen. Bei diesen nimmt der BGH grundsätzlich an, dass sie auch das Recht enthalten, die Abwehr unbegründeter Ansprüche verlangen zu können.319 Eine berechtigte Inanspruchnahme ist bei diesen demnach nicht erforderlich. Neben den gesetzlichen und den vertraglichen Ansprüchen bildet der auf Befreiung oder Freistellung gerichtete Anspruch aus der Gesamtschuld gem. § 426 I 1 BGB eine dritte Kategorie. Als der BGH über einen solchen Anspruch zu entscheiden hatte, ging er davon aus, dass dieser auch die Abwehr unbegründeter Ansprüche umfasst.320 Er begründete dies mit dem Sinn und Zweck der Freistellung. Danach soll der Freizustellende gerade der Gefahr enthoben werden, eine unbegründete Forderung zu erfüllen oder sich wegen einer begründeten Forderung mit einer Klage überziehen zu lassen.321 Dabei zitierte er ältere BGH-Urteile, wies jedoch darauf hin, dass diese jeweils zum vertraglichen Befreiungsanspruch ergangen sind.322 Diese Vorgehensweise lässt darauf schließen, dass die bei den vertraglichen Ansprüchen geltenden Erwägungen aus der Sicht des BGH auch für die gesamtschuldnerischen gelten sollen.323 Nach dem BGH sollen danach alle Gesamtschuldner die Folgen der unbegründeten Inanspruchnahme tragen. Insoweit ist die Rechtsprechung des BGH eindeutig. Unklar ist allerdings, ob eine so weite Interpretation dogmatisch zulässig ist.324 Denn im Gegensatz zu den Freistellungsansprüchen aus einem Vertrag knüpfen die Freistellungsansprüche aus einer Gesamtschuld an die gesetzliche Regelung des § 426 I 1 BGB an. Diese lautet, dass Gesamtschuldner grundsätzlich zu gleichen Anteilen verpflichtet sind. Damit ist die einzige Voraussetzung dieser Norm, dass es sich um Gesamtschuldner handeln muss. Diese ist aber in den Vorstandshaftungsfällen nicht erfüllt, wenn der Anspruch der Gesellschaft aus § 93 II 1 AktG gegen das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied nicht besteht und dessen Inanspruchnahme damit unberechtigt ist. Auch wenn andere Vorstandsmitglieder der Gesellschaft nach § 93 II 1 AktG haften, so haftet jedenfalls das in unberechtigter Weise in 318 BGH NJW-RR 1987, 43, 44; BGH NJW 1988, 3013, 3015; BGH NJW 1991, 634, 635; BGH NJW 2001, 155, 156. 319 BGH NJW 1970, 1594 f.; BGH NJW 1983, 1729; BGH NJW 2002, 2382. 320 BGH NJW-RR 2008, 256, 258. 321 BGH NJW-RR 2008, 256, 258. 322 BGH NJW-RR 2008, 256, 258 mit Verweis auf BGH NJW 2002, 2382; BGH NJW 1983, 1729. 323 Zustimmend Palandt/Grüneberg, § 426 Rn. 4. 324 Kritisch Schweer/Todorow, NJW 2013, 2072, 2073, 2075.
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1. Teil: Darstellung der Ist-Situation
Anspruch genommene Vorstandsmitglied gerade nicht mit diesen zusammen als Gesamtschuldner. Damit fehlt es an der einzigen Voraussetzung des Anspruchs aus § 426 I 1 BGB, der Eigenschaft als Gesamtschuldner. Die Annahme des BGH, dass in diesen Fällen dennoch ein Anspruch auf Mitwirkung bei der Abwehr besteht, bewegt sich demnach außerhalb der Wortlautgrenze des § 426 I 1 BGB. Streng dogmatisch ist ein Rückgriff nach § 426 I 1 BGB bei einer unberechtigten Inanspruchnahme dann nur möglich, wenn die Voraussetzungen einer analogen Anwendung des § 426 I 1 BGB gegeben sind. Allerdings muss hierfür neben einer planwidrigen Regelungslücke auch eine vergleichbare Interessenlage vorliegen. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, ist ungeklärt. Daneben ist denkbar, dass sich eine Verpflichtung nach § 426 I 1 BGB konkludent aus einem besonderen Rechtsverhältnis zwischen den Mitgliedern des Vorstands ergibt. Ob ein solches besteht, ist regelmäßig unsicher. Denn eine konkrete vertragliche Verbindung besteht zwischen ihnen nicht. Ihre Anstellungsverträge können insoweit jeweils eine Schutzwirkung für die übrigen Vorstandsmitglieder haben. Allerdings ist zu bezweifeln, dass es sich dann noch um den gesetzlichen Rückgriff nach § 426 I 1 BGB handelt, da der Anspruchsgrund sich dann aus einer vertraglichen Verbindung ergibt. Auch bei der Frage nach dem Inhalt des Anspruchs vor der Befriedigung der Gesellschaft ist die Rechtsprechung des BGH maßgeblich, der die Abwehr unbegründeter Ansprüche in der Vergangenheit für umfasst hielt. Da es sich dabei jedoch um eine Einzelfallentscheidung handelte und die Herleitung dieser Auffassung Schwächen aufweist, besteht jedenfalls die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Rechtsprechung im Hinblick auf diese Frage künftig auch ändern kann. Daraus folgt für die Vorstandshaftungsfälle die Unsicherheit, ob und wenn ja, in welchem Umfang ein Vorstandsmitglied, das von der Gesellschaft unberechtigterweise aus § 93 II 1 AktG in Anspruch genommen wird, den Anspruch aus § 426 I 1 BGB gegen die übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder geltend machen kann und diese zur Abwehr der unberechtigten Inanspruchnahme verpflichten kann. (2) Bei berechtigter Inanspruchnahme Bei einer berechtigten Inanspruchnahme ist der die Gesamtschuld auslösende Tatbestand tatsächlich erfüllt, in Vorstandshaftungsfällen der Anspruch aus § 93 II 1 AktG also gegeben. Dieser lastet zunächst in Form einer Verbindlichkeit latent auf dem Vermögen aller,325 und manifestiert sich mit der Inanspruchnahme einzelner Vorstandsmitglieder. In diesem Fall umfasst § 426 I 1 BGB die Freistellung und die Befreiung von dem Anspruch aus § 93 II 1 AktG oder die Mitwirkung bei dessen Erfüllung.
325
Vgl. Görmer, S. 13, 24 f., der so die Befreiung definiert.
B. Das Rückgriffsverhältnis
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b) Nach Befriedigung der Gesellschaft Der Anspruch auf Befreiung, Freistellung oder Mitwirkung wandelt sich nach der Befriedigung der Gesellschaft in einen Anspruch auf Zahlung oder Ausgleich.326 Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH und der herrschenden Meinung in der Literatur handelt es sich bei den Ansprüchen aus § 426 I 1 BGB vor und nach der Befriedigung um einen einheitlichen Anspruch.327 Denn der Sinn und der Zweck der Norm besteht darin, die Ungleichheiten, die sich durch die Inanspruchnahme einzelner auf die gesamte Leistung ergeben, auszugleichen. Nach der Befriedigung der Gesellschaft ist insoweit eine andere Ausgangslage gegeben, an die sich die gegenseitige Verpflichtung inhaltlich anpasst. Denn nun tritt regelmäßig das Ungleichgewicht ein, das einen Ausgleich erforderlich macht. Die Befriedigung der Gesellschaft in den Vorstandshaftungsfällen erfolgt dadurch, dass einzelne in Anspruch genommene Vorstandsmitglieder die Schadensersatzforderung aus § 93 II 1 AktG in voller Höhe begleichen. Leisten sie zu diesem Zweck eine Summe, die über denjenigen Anteil hinausgeht, der intern im Verhältnis zu den übrigen Gesamtschuldnern auf sie entfällt, ergibt sich daraus ein Minus in ihrem Vermögen. Dieses stellt eine Benachteiligung dar, die sie ausgleichen können, indem sie das Überzahlte von den übrigen mithaftenden Vorstandsmitgliedern einfordern. Daher ist der Anspruch aus § 426 I 1 BGB in diesem Zeitpunkt regelmäßig auf Zahlung oder Ausgleich gerichtet. Auch nach der Befriedigung der Gesellschaft ist unklar, ob der Anspruch aus § 426 I 1 BGB voraussetzt, dass die Inanspruchnahme und die Befriedigung berechtigt waren.328 Diese Frage kann nicht anders beantwortet werden als für die Ansprüche aus § 426 I 1 BGB vor der Befriedigung.329 Danach ist aktuell mit dem BGH davon auszugehen, dass der Anspruch aus § 426 I 1 BGB auch die Mitwirkung bei der Abwehr einer unberechtigte Inanspruchnahme umfasst. c) Art und Umfang der Schuld Daneben ist unklar, um welche Art der Schuld es sich bei den Ansprüchen aus § 426 I 1 BGB handelt und in welchem Umfang diese geltend gemacht werden können. 326 BGHZ 181, 310, 313; Erman/Böttcher, § 426 Rn. 7; MüKo-BGB/Bydlinski, § 426 Rn. 12; Palandt/Grüneberg, § 426 Rn. 6; Staudinger/Looschelders, § 426 Rn. 8; Jauernig/ Stürner, § 426 Rn. 14; HK-BGB/Schulze, § 426 Rn. 4; Schwedhelm, S. 123; a.A. Stamm, NJW 2004, 811, der aus systematischen Gründen eine Beschränkung des Anwendungsbereich auf den Zeitraum vor Befriedigung der Gläubigerin fordert. 327 BGHZ 181, 310 Rn. 12 f.; BGH NZG 2017, 753, 754 f.; OLG Karlsruhe WM 2009, 407, 409 f.; Staudinger/Looschelders, § 426 Rn. 8; a.A. nur Stamm, S. 71; Stamm, NJW 2004, 811; Stamm, BauR 2004, 240, 244. 328 Vgl. Görmer, S. 41 ff. 329 Dazu soeben unter 1. Teil B. II. 1. a) bb) (1), S. 64 ff.
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1. Teil: Darstellung der Ist-Situation
Gibt es mehr als zwei Gesamtschuldner, so ist unsicher, ob der in Anspruch genommene Gesamtschuldner die übrigen mithaftenden Gesamtschuldner ebenfalls als Gesamtschuldner in Anspruch nehmen darf. Davon geht die Rechtsprechung nur in Ausnahmefällen aus.330 Im Übrigen stimmt sie mit der herrschenden Lehre darin überein, dass die Ansprüche aus § 426 I 1 BGB keine gesamtschuldnerischen sind, sondern nur teilschuldnerische.331 Eine Begründung hierfür wird nur teilweise gegeben. So soll die Teilschuld im Wortlaut des § 426 I BGB angelegt sein, der von einer anteilsmäßigen Haftung spricht.332 Nach dem Sinn und Zweck der Gesamtschuld sei es auch nicht notwendig, im Innenverhältnis eine gesamtschuldnerische Haftung anzunehmen.333 Denn die Gründe, die das Privileg rechtfertigen, dass der ursprüngliche Gläubiger auf seine Schuldner als Gesamtschuldner zugreifen darf, lägen bei dem in Anspruch genommenen Gesamtschuldner nicht vor.334 Daher soll dieses Privileg auch nicht auf ihn entfallen, wenn er infolge seiner Leistung an den Gläubiger den Anspruch aus § 426 I 1 BGB geltend machen kann.335 Diese Argumentation erschließt sich, wenn man die Situation des ursprünglichen Gläubigers mit der Situation des leistenden Gesamtschuldners vergleicht. Wäre der Anspruch des ursprünglichen Gläubigers ein teilschuldnerischer, so könnte er im Falle der Insolvenz eines (Teil-)Schuldners seinen Anspruch gegen diesen nicht mehr realisieren und den auf diesen entfallenden Betrag auch von keinem anderen (Teil-)Schuldner einfordern. Vor diesem Szenario schützt ihn die Gesamtschuld. Kommt dagegen der leistende Gesamtschuldner, der im Innenverhältnis gem. § 426 I 1 BGB Ausgleich verlangen will, in dieselbe Situation, so mildert § 426 I 2 BGB die Folgen der Zahlungsunfähigkeit eines der übrigen Gesamtschuldner ab. Denn danach wird der Betrag, der von einem mithaftenden Gesamtschuldner nicht erlangt werden kann, im Innenverhältnis auf alle übrigen mithaftenden Gesamtschuldner verteilt. Somit trifft den leistenden Gesamtschuldner die Zahlungsunfähigkeit des anderen, mithaftenden Gesamtschuldners nur insoweit, als dass sich sein eigener Anteil an der Gesamtschuld im In330
Bei Haftungseinheit der Schuldner, vgl. BGHZ 6, 3, 27; BGH NJW-RR 1989, 918, 920; BGH NJW 2006, 896 f.; BGHZ 55, 344, 349; BGHZ 61, 213, 220 und bei Haftungsfreistellung und vollem Ausgleichsanspruch im Innenverhältnis, vgl. RGZ 87, 64, 68; RGZ 136, 275, 287; BGHZ 17, 214, 222; dazu auch Reinicke/Tiedtke, S. 78; Dauner-Lieb/Langen/VölzmannStickelbrock, § 426 Rn. 4; Palandt/Grüneberg, § 426 Rn. 7. 331 RGZ 92, 143, 146; RGZ 136, 275, 286 ff.; RGZ 142, 264, 266 f.; BGHZ 6, 3, 25; BGHZ 203, 193 Rn. 111 f.; Erman/Böttcher, § 426 Rn. 2; Esser/Schmidt, SchuldR Bd I AT Teilbd 2, § 39 III 1 (S. 348); Soergel/Gebauer, § 426 Rn. 36; Palandt/Grüneberg, § 426 Rn. 7; Harke, SchR AT, 2010, Rn. 455; Larenz, SchuldR AT, § 31 II (S. 644); Staudinger/Looschelders, § 426 Rn. 38; Selb, Regress, S. 101, 115; HK-BGB/Schulze, § 426 Rn. 4; Schwedhelm, Rn. 144; differenzierend Wandt, in: FS Kollhosser, 2004, 769, 775, 776 ff.; kritisch MüKo-BGB/ Bydlinski, § 426 Rn. 29 ff. 332 Vgl. Harke, SchR AT, 2010, Rn. 455; Staudinger/Looschelders, § 426 Rn. 38. 333 Staudinger/Looschelders, § 426 Rn. 38. 334 Staudinger/Looschelders, § 426 Rn. 38; Schwedhelm, Rn. 144. 335 Staudinger/Looschelders, § 426 Rn. 38; a.A. MüKo-BGB/Bydlinski, § 426 Rn. 30a.
B. Das Rückgriffsverhältnis
69
nenverhältnis gem. § 426 I 2 BGB erhöht. Im Übrigen kann er seine Rückgriffsansprüche gegen die übrigen mithaftenden Gesamtschuldner geltend machen, deren Anteile sich aufgrund der Regelung in § 426 I 2 BGB ebenfalls erhöht haben. Damit kann der leistende Gesamtschuldner sowohl nach dem Wortlaut als auch nach dem Sinn und Zweck des § 426 I 1 BGB gegen jeden der übrigen mithaftenden Gesamtschuldner nur den auf diesen jeweils entfallenden Anteil geltend machen.336 Diese sind ihm gegenüber damit nur als Teilschuldner pro rata und nicht als Gesamtschuldner verpflichtet. Daraus folgt für Vorstandshaftungsfälle, dass die einzelnen in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieder die jeweilige Höhe der Rückgriffsansprüche gegen jedes einzelne der übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder selbst ermitteln müssen. Da nur im Zweifel die Haftung zu gleichen Anteilen aus § 426 I 1 BGB gilt, obliegt es ihnen zunächst die Haftungsquoten selbst festzustellen. Dies ist schwierig, wenn die einzelnen mithaftenden Vorstandsmitglieder jeweils einen unterschiedlichen Beitrag zur Entstehung des Schadens geleistet haben. Dies kommt in der Praxis häufig auch deshalb vor, weil sich die Pflichtenprogramme der Vorstandsmitglieder infolge interner Geschäftsverteilung unterscheiden.337 So können Handlungspflichtverletzungen der direkt verantwortlichen und Überwachungspflichtverletzungen der übrigen Vorstandsmitglieder aufeinander treffen. § 254 BGB ist entsprechend anwendbar.338 Danach hängt die Höhe der Ersatzverpflichtung insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Es kommt also maßgeblich auf die Verursachungsbeiträge an, wobei auch das Verschulden eine Rolle spielt.339 2. Materiell-rechtliche Durchsetzbarkeit Die Ansprüche aus § 426 I 1 BGB sind materiell-rechtlich durchsetzbar, wenn ihnen keine rechtshemmenden oder rechtsvernichtenden Einwendungen entgegenstehen. Solche können sich aus dem Rückgriffsverhältnis zwischen dem in Anspruch genommenen und den übrigen mithaftenden Vorstandsmitgliedern oder aus dem Haftungsverhältnis zwischen den übrigen mithaftenden Vorstandsmitgliedern und der Gesellschaft ergeben.
336
Vgl. BGHZ 59, 214, 222. S. o. 1. Teil A. I. 1. a), S. 22. 338 St. Rspr. seit RGZ 75, 251, 256; vgl. BGHZ 12, 213, 217 ff., 220; BGHZ 17, 214, 222; BGHZ 43, 227, 231; BGHZ 59, 97, 103; BGH NJW 2003, 2980, 2981; BGH NJW 2014, 2730, 2732; BGHZ 203, 193 Rn. 41; OLG Hamm NJW 2001, 1054; Larenz, SchuldR AT, § 37 III (S. 645 f.); MüKo-BGB/Bydlinski, § 426 Rn. 21; Soergel/Gebauer, § 426 Rn. 30; Dauner-Lieb/ Langen/Völzmann-Stickelbrock, § 426 Rn. 13; Palandt/Grüneberg, § 426 Rn. 14; Staudinger/ Looschelders, § 426 Rn. 63. 339 Staudinger/Looschelders, § 426 Rn. 65. 337
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1. Teil: Darstellung der Ist-Situation
a) Einwendungen aus dem Rückgriffsverhältnis Das Rückgriffsverhältnis ist ein eigenständiges Schuldverhältnis.340 In einem Vorstandshaftungsfall besteht es zwischen dem in Anspruch genommenen Vorstandsmitglied und jedem einzelnen der übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder. In diesem können Einwendungen bestehen, die die übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder gegen ihre Inanspruchnahme aus § 426 I 1 BGB erheben können. Dabei ist ein erheblicher Tatsachenvortrag denkbar, der bereits die Entstehung des Anspruchs streitig stellt. Daneben ist vor allem die Einrede der Verjährung bedeutsam. aa) Erheblicher Tatsachenvortrag Die übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder können gegen ihre Inanspruchnahme aus § 426 I 1 BGB einwenden, dass eine Gesamtschuld nicht oder jedenfalls nicht mit ihnen entstanden ist. So können sie einerseits vortragen, dass der Anspruch aus § 93 II 1 AktG gegen keines der Vorstandsmitglieder besteht. Daneben können sie vortragen, dass jedenfalls sie den Tatbestand des § 93 II 1 AktG nicht erfüllt haben. In beiden Fällen wäre damit keine Gesamtschuld mit ihnen entstanden, die der Anspruch aus § 426 I 1 BGB voraussetzt. bb) Einrede der Verjährung Die Einrede der Verjährung kann die materiell-rechtliche Durchsetzbarkeit der Ansprüche aus § 426 I 1 BGB dauerhaft hindern. Da diese aus einem eigenen Schuldverhältnis zwischen den haftenden Gesamtschuldnern entspringen, sind sie grundsätzlich unabhängig von der Verjährung des ursprünglichen Anspruchs aus dem Haftungsverhältnis.341 Mangels besonderer Regelung gilt die regelmäßige, dreijährige Verjährungsfrist aus § 195 BGB. Gem. § 199 BGB beginnt diese mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangt haben müsste. (1) Anspruchsentstehung Nach ständiger Rechtsprechung ist der Anspruch entstanden, wenn er erstmalig geltend gemacht und notfalls im Klagewege durchgesetzt werden kann.342 Teilweise wird daraus gefolgert, dass die Verjährungsfrist der nach Befriedigung auf Zahlung und Ausgleich gerichteten Ansprüche aus § 426 I 1 BGB erst später beginnt als 340
Dazu bereits unter 1. Teil B., S. 59 f. BGH WM 1971, 101, 103; BGHZ 58, 216, 218; MüKo-BGB/Bydlinski, § 426 Rn. 25 f.; Palandt/Grüneberg, § 426 Rn. 4; s.a. BT-Drs.14/7052, S. 195. 342 RGZ 83, 354, 356; RGZ 153, 101, 107; BGHZ 55, 340, 341; BGHZ 73, 363, 365; BGH NJW-RR 2000, 647, 648; BGH NZG 2017, 753, 755; MüKo-BGB/Grothe, § 199 Rn. 4. 341
B. Das Rückgriffsverhältnis
71
diejenige der vor Befriedigung auf Befreiung, Freistellung oder Mitwirkung gerichteten Ansprüche aus § 426 I 1 BGB.343 Denn erst nach der Befriedigung des Gläubigers könne der Anspruch aus § 426 I 1 BGB gegen die übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder auf Zahlung oder Ausgleich lauten.344 Danach könnte aber auch erst mit dem Ende des Jahres, in dem die Befriedigung erfolgt ist, die Verjährungsfrist des auf Zahlung oder Ausgleichung gerichteten Anspruchs zu laufen beginnen. Nach der überwiegenden Ansicht in der Literatur sowie der ständigen Rechtsprechung, die für die Bewertung der Ist-Situation in den Vorstandsfällen maßgeblich ist, unterliegen die auf verschiedene Anspruchsziele gerichteten Ansprüche aus § 426 I 1 BGB einer einheitlichen Verjährung.345 Eine andere Beurteilung würde die Einheitlichkeit des Anspruchs aus § 426 I 1 BGB nicht ausreichend berücksichtigen.346 Auch würde die Verjährung andernfalls von der Zahlung abhängen und könnte somit beliebig verzögert werden.347 Für einen gemeinsamen Beginn der Verjährungsfrist spricht zudem der Rechtsgedanke des § 213 BGB. Denn danach gelten die Hemmung, die Ablaufhemmung und der erneute Beginn der Verjährung auch für Ansprüche, die aus demselben Grunde an der Stelle eines Anspruchs gegeben sind. Dies trifft auf den Anspruch auf Zahlung oder Ausgleich zu, der nach Befriedigung des Gläubigers den Anspruch auf Befreiung, Freistellung oder Mitwirkung ersetzt.348 Die Verjährungsfrist beginnt danach in dem Zeitpunkt, in dem der einheitliche Anspruch aus § 426 I 1 BGB erstmals entstanden ist. Wie bereits ausgeführt, entsteht der Anspruch aus § 426 I 1 BGB gemeinsam mit der Gesamtschuld,349 in einem Vorstandshaftungsfall also dann, wenn die Haftung der Vorstandsmitglieder als Gesamtschuldner eintritt. Dies ist der Zeitpunkt, in dem die Tatbestandsmerkmale des § 93 II 1 AktG erfüllt sind, die Vorstandsmitglieder also schuldhaft ihre Pflichten 343 Hartmann/Lieschke, WM 2011, 205, 207 ff., 209; Klutinius/Karwatzki, VersR 2008, 617 ff.; Staudinger/Peters/Jacoby, § 204 Rn. 8; Peters, NZBau 2007, 337, 341 f.; HK-BGB/ Schulze, § 426 Rn. 4; sympathisierend MüKo-BGB/Bydlinski, § 426 Rn. 12; Kniffka, BauR 2005, 274, 286; ähnlich auch die Auffassung des Rechtsausschusses des Bundestags in BTDrs. 14/7052, S. 195, wonach „die regelmäßige Verjährungsfrist […] bei diesem Anspruch nicht vor dem Zeitpunkt [beginnt], in dem der begünstigte Gesamtschuldner an den Gläubiger geleistet hat“. 344 Dollmann, GmbHR 2004, 1330, 1331; Peters, NZBau 2007, 337, 341 f. 345 Vgl. BGHZ 181, 310 Rn. 11 ff.; BGH NJW 2012, 3777, 3778; OLGR Karlsruhe 2007, 231, 233; OLGR Rostock 2009, 304; OLG Bremen NJW 2916, 1248, 1249; Binnewies/ Wollweber, ZEV 2008, 517, 518; Fischer ZIP 2014, 406, 407; Palandt/Grüneberg, § 426 Rn. 4; Klutinius/Karwatzki, VersR 2008, 617, 628; Staudinger/Looschelders, § 426 Rn. 10; Pfeiffer, NJW 2010, 23, 25, der allerdings davon ausgeht, dass das subjektive Element einen späteren Fristbeginn auslöst. 346 BGHZ 181, 310 Rn. 14. 347 BGHZ 181, 310 Rn. 15. 348 S. OLG Stuttgart Urt. v. 06. 08. 2008 – 4 U 52/08 –, juris; s.a. Peters, ZGS 2010, 154, 155, der jedoch annimmt, dass der Zahlungsanspruch erst später fällig wird. 349 S. o. 1. Teil B. I., S. 60.
72
1. Teil: Darstellung der Ist-Situation
verletzt haben und der Gesellschaft daraus adäquat kausal ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.350 Die Feststellung der Tatbestandsverwirklichung birgt dieselben Schwierigkeiten, denen sich das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied gegenüber sieht, wenn es sich mit der Einrede der Verjährung gegen die Inanspruchnahme durch die Gesellschaft verteidigen will.351 Hier wirken sich diese jedoch zu seinem Vorteil aus. Denn nun obliegt es den übrigen mithaftenden Vorstandsmitgliedern, festzustellen und im Rückgriffsprozess darzulegen und zu beweisen, wann der Anspruch aus § 93 II 1 AktG entstanden und dann letztlich verjährt ist. Allerdings enden damit auch die Gemeinsamkeiten zwischen dem Haftungsprozess und dem Rückgriffsprozess. (2) Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis Anders als die Ansprüche aus § 93 II 1 AktG, die gem. § 93 VI AktG kenntnisunabhängig verjähren,352 verjähren die Ansprüche aus § 426 I 1 BGB gem. §§ 195, 199 BGB kenntnisabhängig. Hierfür setzt die Rechtsprechung voraus, dass der leistende Gesamtschuldner Kenntnis von den Umständen hat, die einen Anspruch des Gläubigers gegen die übrigen mithaftenden Gesamtschuldner begründen, zudem von denjenigen, die einen Anspruch des Gläubigers gegen ihn selbst begründen, ferner von denjenigen, die das Gesamtschuldverhältnis begründen und zuletzt auch von denjenigen, die im Innenverhältnis eine Ausgleichspflicht begründen.353 Da hierfür die persönliche Wahrnehmung eine Rolle spielt, wird das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied in die Lage versetzt, den Zeitpunkt des Verjährungsbeginns abschätzen zu können. Dies schützt es jedenfalls davor, dass seine Ansprüche verjähren, ohne dass es von diesen überhaupt wusste.354 Theoretisch müsste der Lauf der Verjährungsfrist der Ansprüche aus § 426 I 1 BGB damit erst später beginnen als der Lauf der Verjährungsfrist der Ansprüche aus § 93 II 1 AktG. Praktisch entfaltet der Schutz, den ein kenntnisabhängiger Verjährungsbeginn vermittelt, in den Vorstandshaftungsfällen allerdings kaum eine Wirkung. Denn eine Kenntnis der Vorstandsmitglieder liegt zumeist schon bei der Entstehung des Anspruchs aus § 93 II 1 AktG vor. Sobald die Vorstandsmitglieder von den haftungsbegründenden Umständen wissen, sind ihnen auch die übrigen Umstände bekannt, die für den Beginn der Verjährungsfrist notwendig sind. Denn die Gesamtschuld bei der aktienrechtlichen Innenhaftung besitzt eine feste Form.355 So kommen als weitere Gesamtschuldner nur die übrigen Organmitglieder in Betracht, als Haftungsgrund 350 351 352 353 354
23, 25.
S. o. 1. Teil A. IV. 1. c) aa), S. 54 ff. S. o. 1. Teil A. IV. 1. c), S. 54 ff. S. o. 1. Teil A. IV. 1. c), S. 54 ff. BGHZ 181, 310 Rn. 21; Pfeiffer, NJW 2010, 23, 25. Dollmann, GmbHR 2009, 1092, 1093; Fischer, ZIP 2014, 406, 407; Pfeiffer, NJW 2010,
355 Vgl. Fischer, ZIP 2014, 406, 407, der mit Verweis auf Hartmann/Lieschke, WM 2011, 205, 211 den Begriff der „instiutionalisierten Gesamtschuld“ verwendet.
B. Das Rückgriffsverhältnis
73
nur die Verletzung von Organpflichten, als Ausgleichsgrund jedenfalls § 426 I 1 BGB. Spätestens mit dem ersten Anspruchsschreiben der Gesellschaft ist die Kenntnis von diesen Umständen nachweisbar und löst den Lauf der Verjährungsfrist der Ansprüche aus § 426 I 1 BGB aus. Diese beginnt daher regelmäßig parallel zur Verjährungsfrist der Ansprüche aus § 93 II 1 AktG. (3) Tatsächliche Auswirkungen Nach Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist kann den Ansprüchen aus § 426 I 1 BGB die Einrede der Verjährung entgegenstehen. Dies gilt, wegen der Einheitlichkeit dieser Ansprüche sowohl für diejenigen, die auf Freistellung, Befreiung oder Mitwirkung gerichtet sind, als auch für diejenigen, die auf Zahlung oder Ausgleich lauten. Nicht selten kommt es vor, dass es innerhalb der dreijährigen Frist nicht zur Befriedigung der Gesellschaft kommt.356 Grund dafür ist, dass die Innenhaftungsansprüche der Gesellschaft aus § 93 II 1 AktG gem. § 93 VI AktG einer fünf- bzw. zehnjährigen Verjährungsfrist unterliegen und daher insoweit keine Eile geboten ist. Dies führt dazu, dass die Regressansprüche der in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieder gegen die übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder auf Befreiung, Freistellung oder Mitwirkung bereits verjährt sein können, bevor sie sich in Ansprüche auf Zahlung oder Ausgleich gewandelt haben.357 b) Einwendungen aus dem Haftungsverhältnis Denkbar ist auch, dass die übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder ihrer Inanspruchnahme aus § 426 I 1 BGB Einwendungen aus dem Haftungsverhältnis entgegenhalten, das zwischen ihnen und der Gesellschaft besteht. Die §§ 422 – 425 BGB regeln, inwiefern Tatsachen aus dem Verhältnis zwischen dem Gläubiger und den Gesamtschuldnern im Verhältnis unter den Gesamtschuldnern Bedeutung erlangen können. Der Tatsachenbegriff umfasst dabei alle rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten, die sich auf die Schuld auswirken können.358 Für die Vorstandshaftungsfälle folgt aus den §§ 422 – 425 BGB damit, inwiefern Gegebenheiten aus dem Haftungsverhältnis die Anspruchsdurchsetzung im Rückgriffsverhältnis hindern können. Nach § 425 BGB wirken Tatsachen grundsätzlich nur für und gegen den Gesamtschuldner, in dessen Person sie eintreten. Diese sogenannte Einzelwirkung soll die Gesamtschuldner vor den Rechtsfolgen aus den Schuldverhältnissen der anderen
356
Vgl. Fischer, ZIP 2014, 406, 407. Vgl. Dollmann, GmbHR 2004, 1330; Fischer, ZIP 2014, 406, 407. 358 Erman/Böttcher, § 425 Rn. 4; Staudinger/Looschelders, § 425 Rn. 3; Soergel/Gebauer, § 426 Rn. 1; ausführlich zum Tatsachenbegriff Prediger, S. 15 ff. 357
74
1. Teil: Darstellung der Ist-Situation
Gesamtschuldner mit dem Gläubiger schützen.359 Liegen die in den §§ 422 – 424 BGB genannten Tatsachen vor oder ergibt sich aus dem Schuldverhältnis ein anderes, kann dagegen auch eine Gesamtwirkung vorliegen. Ob eine Einwendung gegen die Inanspruchnahme aus § 426 I 1 BGB erhoben werden kann, hängt also davon ab, welche Art von Tatsache vorliegt und wie deren Wirkung im Einzelfall auszulegen ist. aa) Existenz als Einwendung tauglicher Tatsachen Wie bereits dargestellt, sind im Vorhinein vereinbarte Haftungserleichterungen, die bei der aktienrechtlichen Vorstandshaftung bereits die Entstehung der Gesamtschuld hindern würden, de lege lata weitgehend unzulässig.360 Soweit solche de lege ferenda gefordert wurden, konnten sich diese Tendenzen bislang nicht durchsetzen.361 Einwendungen, die auf entsprechenden Vereinbarungen oder Rechtsauffassungen beruhen, versprechen damit aktuell keine Aussicht auf Erfolg. Damit stellen diese jedenfalls gegenwärtig auch kein Risiko dar, das der materiell-rechtlichen Durchsetzbarkeit der Rückgriffsansprüche nach § 426 I 1 BGB entgegenstehen könnte. Rechtsgeschäftliche Haftungserleichterungen, die nach der Entstehung der Gesamtschuld vereinbart werden, sind in Vorstandshaftungsfällen dagegen grundsätzlich möglich und kommen durchaus vor. Auf diesem Weg kann die Gesellschaft diejenigen mithaftenden Vorstandsmitglieder begünstigen, die sie schonen und nicht in Anspruch nehmen will. So sind beispielsweise Verzichts- und Vergleichsvereinbarungen über die ursprüngliche Forderung, wie dies § 93 IV 3 AktG mit Zustimmung der Hauptversammlung für Schadensersatzansprüche gegen die Vorstandsmitglieder zulässt, denkbar.362 Als Erlass gem. § 397 BGB gilt dabei sowohl der Verzicht auf Forderungen363 als auch der Vergleich über eine Forderung im Hinblick auf das Nachgeben des Gläubigers, das als Teilerlass eingeordnet wird.364 Damit sind diese Vereinbarungen vom Wortlaut des § 423 BGB erfasst.365 Daneben können Einwendungen aus dem Haftungsverhältnis auch daraus folgen, dass die Verjährung des Anspruchs der Gesellschaft aus § 93 II 1 AktG oder ein 359
Erman/Böttcher, § 425 Rn. 2; Esser/Schmidt, SchuldR Bd I AT Teilbd 2, § 39 II 1 (S. 345); Staudinger/Looschelders, § 425 Rn. 2; ausführlich dazu in historischer Perspektive, HistKritKo-BGB/Meier, §§ 420 – 432/I Rn. 34 ff. 360 S. o. 1. Teil A. III. 4., S. 41 ff. 361 Ebda. 362 S. exemplarisch 1. Teil A. III. 2. b), S. 39 f. der Fall Siemens. 363 Vgl. Staudinger/Rieble, § 397 Rn. 1 ff.; Erman/Wagner, § 397 Rn. 1; MüKo-BGB/ Schlüter, § 397 Rn. 1. 364 MüKo-BGB/Bydlinski, § 423 Rn. 5; Erman/Wagner, § 397 Rn. 2; s.a. Bentele, S. 12 ff.; Voß, S. 123. 365 Vgl. Bentele, S. 10 ff., 12 ff.; Voß, S. 123 f.; Esser/Schmidt, SchuldR Bd I AT Teilbd 2, § 39 II 2 c) (S. 348).
B. Das Rückgriffsverhältnis
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rechtskräftig ergangenes Urteil gegen eines der Vorstandsmitglieder im Raum steht. Beide Tatsachen sind in § 425 II, I BGB ausdrücklich genannt. Damit richtet sich ihre Wirkung jeweils nach dieser Regelung. bb) Wirkung der als Einwendung tauglichen Tatsachen (1) Erlass gem. § 423 BGB durch Verzicht oder Vergleich Nach § 423 BGB wirkt ein zwischen dem Gläubiger und einem Gesamtschuldner vereinbarter Erlass der Schuld auch für die übrigen Gesamtschuldner, wenn die Vertragschließenden das ganze Schuldverhältnis aufheben wollten. Die Wirkung eines Erlasses richtet sich also nach dem Willen der Parteien der jeweiligen Vereinbarung, der gem. §§ 133, 157 BGB durch Auslegung zu ermitteln ist.366 Ist die Gesamtwirkung gewollt, so werden auch die übrigen Gesamtschuldner dem Gläubiger gegenüber von der Schuld frei. Diese Auslegung würde in den Vorstandshaftungsfällen sämtlichen Vorstandsmitgliedern zugutekommen, da auch diese dann gegenüber der Gesellschaft nicht mehr zum Schadensersatz verpflichtet wären. Ferner bestehen dann auch zwischen den Vorstandsmitgliedern untereinander keine Ausgleichspflichten mehr. Allerdings wird ein Erlöschen der Forderung gegenüber allen Vorstandsmitgliedern weder dem Willen des zu begünstigenden Vorstandsmitglieds noch dem Willen der Gesellschaft bzw. der diese vertretenden Organe bei der Vereinbarung eines Verzichts oder Vergleichs entsprechen. Da Rechte der Gesellschaft aufgegeben werden, ist vielmehr eine enge Interpretation nahe liegend,367 was auf eine Einzelwirkung hindeutet. Dies dürfte auch dem Ansinnen des Aufsichtsrats entsprechen, der in einem Vorstandshaftungsfall einen Verzicht oder einen Vergleich mit Zustimmung der Hauptversammlung nur mit einzelnen Vorstandsmitgliedern vereinbart und nicht mit allen, was ebenfalls möglich wäre. Liegen keine anderen Anhaltspunkte vor, so ist der Wille der Gesellschaft am ehesten darauf gerichtet, auch nur das an der Vereinbarung beteiligte Vorstandsmitglied von seiner Haftung zu befreien. Dies kommt auch ihren Interessen am Nächsten, da ein Zugriff auf die übrigen, nicht an der Vereinbarung beteiligten Vorstandsmitglieder so weiterhin vollumfänglich möglich bleibt. Das Interesse des an dem Verzicht oder Vergleich beteiligten Vorstandsmitglieds reicht dagegen noch darüber hinaus. Denn es wird regelmäßig darauf gerichtet sein, dass ihm alle Vorteile aus seiner Begünstigung zugutekommen. Dies ist nur dann der Fall, wenn es den Verzicht oder Vergleich auch im Rückgriffsverhältnis gegen seine Inanspruchnahme aus § 426 I 1 BGB einwenden kann. Dann müssten jedoch die übrigen Vorstandsmitglieder inklusive demjenigen Vorstandsmitglied, das seinen Anspruch aus § 426 I 1 BGB geltend machen will, gem. § 426 I 2 BGB den Anteil 366 Voß, S. 124; Erman/Böttcher, § 423 Rn. 1; Staudinger/Looschelders, § 423 Rn. 1; zu den Erlasswirkungen und den relevanten Auslegungsgesichtspunkten ausführlich Bentele, S. 14 ff. 367 Vgl. Bentele, S. 12.
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1. Teil: Darstellung der Ist-Situation
tragen, der vor der Verzichts- bzw. Vergleichsvereinbarung auf das begünstigte Vorstandsmitglied entfiel. Darin läge eine zusätzliche Belastung der Vorstandsmitglieder, mit denen im Namen der Gesellschaft keine entsprechende Vereinbarung abgeschlossen wurde. Würde man dem Erlass in Form eines Verzichts oder Vergleichs eine solche Wirkung zumessen, so läge ein Vertrag zu Lasten Dritter vor,368 der nach geltendem Recht unzulässig ist.369 Denn ein solcher widerspricht dem Grundsatz der Privatautonomie,370 verstößt gegen die Regel von der Relativität der Schuldverhältnisse371 und ist damit nach § 138 BGB nichtig.372 Damit kann sich der Erlass rechtlich nicht in dieser Art auswirken.373 Da davon auszugehen ist, dass die Parteien auch diesen Aspekt wirksam regeln wollten, wird die Auslegung, die vollumfänglich die Interessen des begünstigten Vorstandsmitglieds berücksichtigt, aber bedeutet, dass die Vereinbarung nichtig wäre, nicht dem Willen der Parteien entsprechen. Damit verbleiben drei Möglichkeiten der Auslegung, die sich jeweils darin unterscheiden, zu wessen Ungunsten es sich auswirkt, dass die nicht begünstigten Vorstandsmitglieder infolge der Verzichts- oder Vergleichsvereinbarung nicht belastet werden können. So kann die Vereinbarung dahingehend interpretiert werden, dass sie sich ausschließlich auf das Verhältnis zwischen den an ihr beteiligten Parteien erstrecken soll. Die Folge wäre, dass die Gesellschaft ihren Anspruch aus § 93 II 1 AktG zwar nicht mehr gegen das begünstigte Vorstandsmitglied geltend machen könnte, jedoch weiterhin in voller Höhe auf die übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder zugreifen könnte.374 Diese wären anschließend wiederum nicht gehindert, ihre Ansprüche aus § 426 I 1 BGB gegen das begünstigte Vorstandsmitglied durchzusetzen. Bei Annahme einer solchen rechtlich zulässigen Einzelwirkung erscheinen dem begünstigten Vorstandsmitglied auf den ersten Blick keine Vorteile zu verbleiben. Jedoch treffen ihn die Risiken und Nachteile nicht, die mit einer Inanspruchnahme durch die 368 BGH NJW 1992, 2286, 2287; OLG Hamm BauR 1997, 1056; Voß, S. 124; Martens, AcP 177 (1977), 113, 124 f.; Bentele, S. 39 f.; Danweth, NJW 2017, 2869; Esser/Schmidt, SchuldR Bd I AT Teilbd 2, § 39 II 2 b) (S. 347); Staudinger/Looschelders, § 423 Rn. 20. 369 BGH WM 1970, 99; BGHZ 54, 145, 147; BGHZ 58, 216, 220; BGHZ 61, 359, 361; BGHZ 158, 354, 365; Böhmer, MDR 1968, 13, 14; MüKo-BGB/Gottwald, § 328 Rn. 258; Hager, NJW 1989, 1640, 1643; Staudinger/Klumpp, Vor §§ 328 ff. Rn. 53; Medicus, JZ 1967, 398. 370 Palandt/Grüneberg, Vor § 328 Rn. 10; Staudinger/Klumpp, Vor §§ 328 ff. Rn. 53; ähnlich Jauernig/Stadler, § 328 Rn. 7. 371 Vgl. Staudinger/Olzen, § 241 Rn. 340. 372 Vgl. Staudinger/Looschelders, § 426 Rn. 176. 373 Vgl. RGZ 69, 422, 426; BGHZ 11, 170, 174; BGHZ 47, 376, 379; BGHZ 58, 216, 218 ff.; BGH NJW-RR 1991, 499, 500; BGH NJW 1992, 2286, 2287; LG Flensburg NJW-RR 1987, 440, 441; Bentele, S. 39 f.; Selb, Regress, S. 71; Esser/Schmidt, SchuldR Bd I AT Teilbd 2, § 39 II 2 b) (S. 347); MüKo-BGB/Bydlinski, § 423 Rn. 3; Soergel/Gebauer, § 423 Rn. 1. 374 Vgl. Staudinger/Looschelders, § 423 Rn. 19.
B. Das Rückgriffsverhältnis
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Gesellschaft in voller Höhe gem. § 421 BGB einhergehen.375 Damit trägt es weder das Verteidigungs-, noch das Kosten- oder das Liquiditätsrisiko sowie auch nicht das Risiko, dass es selbst zahlungsunfähig wird, oder die übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder zwischenzeitlich insolvent werden.376 Daher birgt auch diese Auslegung eine Begünstigung und ist grundsätzlich denkbar.377 Die Rechtsprechung geht im Zweifel auch von dieser Auslegung aus, wenn sich aus den Umständen der Vereinbarung des Erlasses keine andere Auslegung ergibt.378 Allerdings sind oft Anhaltspunkte dafür auszumachen, dass diese im Ergebnis den Interessen der Parteien einer Erlassvereinbarung nicht entspricht.379 Denn die an dem Erlass beteiligten Schuldner müssten so ihren Anteil im Innenverhältnis letztlich in gleicher Weise tragen, wie dies der Fall gewesen wäre, wenn mit ihnen kein Verzicht oder Vergleich vereinbart worden wäre. In den Vorstandshaftungsfällen soll sich die Vereinbarung eines Verzichts oder Vergleichs oft jedoch weitestmöglich zu Gunsten des Vorstandsmitglieds auswirken, das an dieser beteiligt wird.380 Denn dessen Verschonung ist gerade Sinn und Zweck einer entsprechenden Vereinbarung. Damit ist in den Vorstandshaftungsfällen eine ausschließliche Einzelwirkung in der Regel nicht gewollt. Der Effekt der ausschließlichen Einzelwirkung kann abgemildert werden, indem die Erlassvereinbarung weiter ausgelegt wird und darin auch eine Verpflichtung der Gesellschaft gesehen wird, das privilegierte Vorstandsmitglied von den Ansprüchen aus § 426 I 1 BGB freizustellen.381 Daraus würde folgen, dass die anderen Vorstandsmitglieder ihren Regressanspruch gegen das begünstigte Vorstandsmitglied zwar nach wie vor geltend machen und durchsetzen könnten. Das begünstigte Vorstandsmitglied könnte sich nach seiner Inanspruchnahme durch diese aber an die Gesellschaft halten, und von dieser Freistellung verlangen oder den Betrag einfordern, den es zuvor gem. § 426 I 1 BGB leisten musste.382 Allerdings ergeben sich aus einem solchen „Regresskreisel“383 ebenfalls Nachteile für das zu begünstigende Vorstandsmitglied. Denn es ist zunächst dem Anspruch aus § 426 I 1 BGB ausgesetzt. Um die Freistellung zu erreichen oder sich letztlich den geleisteten Betrag
375 Larenz, SchuldR AT, § 37 II Fn. 22 (S. 639); Muscheler, JR 1994, 441; Segna, ZIP 2015, 1561, 1565; Wacke, AcP 170 (1970), 42, 46. 376 Zu diesen Risiken s. o. 1. Teil A. IV., S. 46 ff. 377 Bentele, S. 43; kritisch Thiele, JuS 1968, 149, 157; s.a. v. Kübel Vorentwurf S. 41, in: Schubert, Vorlagen für Entwurf eines BGB, S. 93. 378 Vgl. BGH NJW 2000, 1942, 1943; BGH NJW-RR 2005, 34, 36; BGH NJW 2012, 1071, 1073; s.a. Staudinger/Looschelders, § 423 Rn. 26. 379 Diese Einschätzung teilend Staudinger/Looschelders, § 423 Rn. 26. 380 Vgl. Voß, S. 125. 381 Vgl. Bentele, S. 46; MüKo-BGB/Bydlinski, § 423 Rn. 4. 382 Vgl. MüKo-BGB/Bydlinski, § 423 Rn. 4. 383 Zum Begriff im Rahmen der Diskussion um die gestörte Gesamtschuld Hanau, VersR 1967, 516, 517.
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1. Teil: Darstellung der Ist-Situation
zurückzuholen, muss es sich anschließend an die Gesellschaft halten und kommt erst so in den Genuss seiner Begünstigung. Daher ist regelmäßig die noch verbleibende Möglichkeit der Auslegung nahe liegend, die sich von vorneherein zu Lasten der Gesellschaft auswirkt und dem Erlass eine beschränkte Gesamtwirkung zuerkennt.384 Danach wird die ursprüngliche Forderung bereits anfänglich um den Erlassbetrag gekürzt.385 Dies kommt dem Interesse des begünstigten Vorstandsmitglieds am nächsten und ist für dieses am günstigsten.386 Insbesondere, wenn es im Rahmen der Verzichts- oder Vergleichsvereinbarung eine Gegenleistung für seine Haftungsentlassung erbringt,387 wird diese Auslegung als interessengerecht eingeordnet.388 Zwar kommt es auf die Umstände des Einzelfalles sowie auf das Gewicht der jeweiligen Partei im Rahmen der Verzichts- oder Vergleichsvereinbarung an, welche Auslegung den Parteiinteressen entspricht. In Vorstandshaftungsfällen wird jedoch regelmäßig diejenige Interessenlage gegeben sein, die zu einer (beschränkten) Gesamtwirkung des Erlasses führt, da die zu verschonenden Vorstandsmitglieder, mit denen eine Verzichts- oder Vergleichsvereinbarung geschlossen wird, auch weitestgehend begünstigt werden sollen. Auf die Vorstandsmitglieder, die von der Gesellschaft in Anspruch genommen wurden, kann auch die Annahme einer (beschränkten) Gesamtwirkung des Erlasses einen ungünstigen Effekt haben. Denn das begünstigte Vorstandsmitglied kann den in Anspruch genommenen Vorstandsmitgliedern die beschränkte Gesamtwirkung der Verzichts- oder Vergleichsvereinbarung entgegen halten, wenn diese ihren Anspruch aus § 426 I 1 BGB geltend machen wollen. Damit wirkt sich der Erlass im Haftungsverhältnis auf das Rückgriffsverhältnis aus. Er gibt den begünstigten Vorstandsmitgliedern eine Einwendung an die Hand, die sie der materiell-rechtlichen Durchsetzbarkeit der Ansprüche aus § 426 I 1 BGB entgegen halten können. Über das Hindernis der materiell-rechtlichen Durchsetzbarkeit hinaus, kann die Begünstigung einzelner Vorstandsmitglieder im Haftungsverhältnis für die in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieder noch weitere Nachteile mit sich bringen. Denn lassen die Vertretungsorgane der Gesellschaft außer Acht, dass die beschränkte 384
Vgl. Staudinger/Looschelders, § 423 Rn. 26; kritisch Bentele, S. 65 f. Zu dieser Auslegungsmöglichkeit Staudinger/Looschelders, § 423 Rn. 26; s.a. MüKoBGB/Bydlinski, § 423 Rn. 4; Erman/Böttcher, § 423 Rn. 5; Einsiedler, MDR 2009, 1369. 386 Vgl. Bentele, S. 60. 387 Wie vorgesehen in den Vergleichsvereinbarungen der Siemens AG vgl. Einladung zur Hauptversammlung der Siemens AG am 26. Januar 2010, S. 13 f. i.V.m. Anlage 1 – 9 jeweils § 1 abrufbar unter http://www.siemens.com/investor/pool/de/investor_relations/events/ hauptversammlung/2010/einladung_hv2010_d.pdf (zuletzt abgerufen am 24. 02. 2019) und Einladung zur Hauptversammlung der Siemens AG am 27. Januar 2015, S. 19 i.V.m. Anlage zu Punkt 11 § 1, abrufbar unter http://www.siemens.com/investor/pool/de/investor_rela tions/events/hauptversammlung/2015/hv2015_einberufung_de.pdf (zuletzt abgerufen am 24. 02. 2019). 388 Vgl. Erman/Böttcher, § 423 Rn. 5; Wacke, AcP 170 (1970), 42, 52. 385
B. Das Rückgriffsverhältnis
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Gesamtwirkung eine Anspruchskürzung im Vorhinein vorsieht, und verlangen sie den kompletten Schadensbetrag, so obliegt es den in Anspruch genommenen Vorstandsmitgliedern, sich im Haftungsverhältnis dagegen zu verteidigen. Dies gelingt ihnen nur, wenn sie der Gesellschaft die beschränkte Gesamtwirkung der Verzichtsoder Vergleichsvereinbarung entgegen halten können, die die Gesellschaft mit den begünstigten Vorstandsmitgliedern abgeschlossen hat. Haben die in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieder keine Kenntnis von der Begünstigung und der daraus folgenden Anspruchskürzung und befriedigen sie die Gesellschaft in voller Höhe, so können sie das Überzahlte von der Gesellschaft nur aus ungerechtfertigter Bereicherung zurückfordern.389 Dies belastet sie mit einer weiteren Anspruchsdurchsetzung. (2) Verjährung gem. § 425 II, I BGB Für die Verjährung gilt § 425 II, I BGB. Danach wirkt sie nur für und gegen den Gesamtschuldner, in dessen Person sie eintritt, soweit sich nicht aus dem Schuldverhältnis ein anderes ergibt. Sie hat damit im Zweifel nur Einzelwirkung. Ist der ursprüngliche Anspruch verjährt, wirkt sich dies nach herrschender Ansicht nicht auf den Anspruch aus § 426 I 1 BGB aus.390 Danach kann ein Gesamtschuldner den Anspruch aus § 426 I 1 BGB auch gegen Gesamtschuldner geltend machen, gegen die der ursprüngliche Anspruch des Gläubigers bereits verjährt ist.391 Dies gilt auch für den Fall, dass der ursprüngliche Anspruch des Gläubigers gegen denjenigen Gesamtschuldner bereits verjährt ist, der den Anspruch aus § 426 I 1 BGB geltend machen will, gegen die übrigen Gesamtschuldner dagegen noch nicht.392 Begründet wird dieses Ergebnis damit, dass es keine Pflicht oder Obliegenheit gibt, die Einrede der Verjährung zu erheben.393 Zudem hat die Verjährung auch nur rechtshemmende Wirkung und berührt daher den Anspruch nicht in seinem Bestand.394 Wegen dieser Einzelwirkung ist in den Vorstandshaftungsfällen die Wirkung der Verjährung des ursprünglichen Anspruchs der Gesellschaft gegen eines der haf389
Vgl. Stamm, BauR 2004, S. 230, 246. RGZ 69, 422, 426; BGH WM 1971, 101, 103; BGHZ 58, 216, 218 ff.; BGH VersR 1972, 587; BGH WM 2009, 1854, 1855; BGH NJW 2010, 435, 436; OLG München NJW 2008, 3505, 3507; MüKo-BGB/Bydlinski, § 425 Rn. 22, § 426 Rn. 25a, 44; Cziupka, ZGS 2010, 63, 64 ff.; Palandt/Grüneberg, § 426 Rn. 4; Kniffka, BauR 2005, 274, 280 f.; Staudinger/Looschelders, § 426 Rn. 14; Peters, NZBau 2007, 337, 340; Pfeiffer, NJW 2010, 23, 24; Wandt, in: FS Kollhosser, 2004, 769, 775; ausführlich dazu Meier, S. 640 ff. 391 BGH NJW 2010, 62, 63; BGH NJW 2010, 435 f.; OLG München NJW 2008, 3505, 3507; Staudinger/Looschelders, § 426 Rn. 19. 392 Palandt/Grüneberg, § 426 Rn. 4; Staudinger/Looschelders, § 426 Rn. 20; differenzierend Pfeiffer, NJW 2010, 23, 24; a.A. OLG Zweibrücken NJW-RR 1993, 1237; Müller, VersR 2001, 429, 431 ff. 393 Staudinger/Looschelders, § 426 Rn. 20; Pfeiffer, NJW 2010, 23, 24. 394 Ernst, in: Individuum und Verband, 2006, 175, 187 f.; kritisch Meier, S. 657. 390
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1. Teil: Darstellung der Ist-Situation
tenden Vorstandsmitglieder auf das Haftungsverhältnis beschränkt und das Rückgriffsverhältnis bleibt davon unberührt. In den Vorstandshaftungsfällen kann das in Anspruch genommene bzw. leistende Vorstandsmitglied gegen die übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder demnach auch dann aus § 426 I 1 BGB vorgehen, wenn der ursprüngliche Anspruch der Gesellschaft aus § 93 II 1 AktG gegen es selbst oder die übrigen haftenden Vorstandsmitglieder bereits verjährt ist. Damit birgt die Einzelwirkung der Verjährung jedoch Nachteile für die Gesamtschuldner, gegen die der ursprüngliche Anspruch bereits verjährt ist, in den Vorstandshaftungsfällen also möglicherweise für die übrigen mithaftenden, jedoch nicht in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieder. Dies wird deutlich, wenn man sie mit Schuldnern vergleicht, die nicht gesamtschuldnerisch haften. Bei diesen wirkt die Einrede der Verjährung umfassend rechtshemmend. Mangels Gesamtschuldeigenschaft können allein haftende Schuldner im Gegensatz zu den Gesamtschuldnern daneben nicht auch noch aus einem Rückgriffsverhältnis in Anspruch genommen werden. Insoweit sind wegen der Einzelwirkung der Verjährung die Gesamtschuldner schlechter gestellt als einzeln haftende Schuldner. Ob diese praktische Folge auch der Interessenlage in den Fällen der gesamtschuldnerischen Haftung entspricht, wird vielfach bezweifelt.395 Denn hier stellt sich die Situation wie folgt dar. Die Vorteile, die aus der Unabhängigkeit des Rückgriffsverhältnisses vom Haftungsverhältnis folgen, kommen dem Gesamtschuldner zugute, der die Einrede der Verjährung des ursprünglichen Anspruchs nicht gegen sich gelten lassen muss, wenn er die übrigen Gesamtschuldner aus § 426 I 1 BGB in Anspruch nimmt. Dahinter steht ein Schutzgedanke. Das Rückgriffsverhältnis, aus dem die eigenständigen Ansprüche aus § 426 I 1 BGB entspringen, ist darauf gerichtet, auszugleichen, dass jeder Gesamtschuldner im Haftungsverhältnis in voller Höhe in Anspruch genommen werden kann.396 Soweit mit der Befriedigung des Gläubigers auch eine Befreiung der übrigen Gesamtschuldner von der Forderung aus dem Haftungsverhältnis einhergeht, soll § 426 I 1 BGB zudem davor schützen, dass der von einem Gesamtschuldner geleistete Zahlbetrag endgültig von diesem zu tragen ist. Nun kann die Schutzbedürftigkeit des leistenden Gesamtschuldners im Falle der Verjährung der Ansprüche im Haftungsverhältnis kritisch gesehen werden.397 Dies gilt auch für die Vorstandshaftungsfälle. Betrifft die Verjährung danach den Anspruch der Gesellschaft gegen das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied, so könnte das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied diese als Einrede gegen seine Inanspruchnahme durch die Gesellschaft fruchtbar machen. Dann ist es aber auch 395 Vgl. OLG Koblenz Urt. v. 16. 01. 2008 – 1 U 1753 –, juris Rn. 71; Ehmann, S. 322; Glöckner, S. 99; Keuk, AcP 168 (1968), 175, 180; Keuk, JZ 1972, 528, 529 f.; Medicus, JZ 1967, 398, 399; Müller, VersR 2001, 429, 431; dazu auch Schulz, Rückgriff, S. 78 f.; vgl. Esser/ Schmidt, SchuldR Bd I AT Teilbd 2, § 39 III 2 a) (S. 351); Spiro, § 209; Wahle, VersR 1966, 790, 792; Weise, BauR 1992, 685, 692; ausführlich dazu Cziupka, ZGS 2010, 63, 65; Meier, S. 642 f. 396 Vgl. Meier, S. 642. 397 Vgl. Meier, S. 642; Müller, VersR 2001, 429, 431.
B. Das Rückgriffsverhältnis
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nicht mehr in der Pflicht, den Anspruch aus § 93 II 1 AktG zu befriedigen.398 Leistet es dennoch den gesamten Schadensersatz an die Gesellschaft, so kann ihm unterstellt werden, dass es dies freiwillig tut, da es jedenfalls die Möglichkeit hatte, die Leistung zu verweigern.399 Betrifft die Verjährung dagegen die Ansprüche gegen die übrigen Vorstandsmitglieder, so bewahrt die Möglichkeit der Verjährungseinrede auch sie vor einer Inanspruchnahme durch die Gesellschaft. Wenn sie danach aber die Leistung dauerhaft verweigern können, ist aus ihrer Sicht eine Befriedigung der Gesellschaft nicht geboten und sie wird ihnen vielmehr aufgedrängt, wenn das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied den Schadensersatz in voller Höhe leistet. In beiden Fällen trifft der uneingeschränkte Rückgriff durch das leistende Vorstandsmitglied daher auf berechtigte Bedenken.400 Hinzu tritt, dass aus der Möglichkeit des eigenständigen Rückgriffs nach § 426 I 1 BGB faktisch eine Gesamtwirkung der für den in Anspruch genommenen Gesamtschuldner geltenden längeren Verjährungsfrist folgt.401 Denn jeder Gesamtschuldner kann die Wirkung der Verjährung der Ansprüche gegen die übrigen Gesamtschuldner letztlich jederzeit aufheben, indem er die Gesellschaft befriedigt und anschließend Rückgriff nimmt. Dies gilt auch in den Vorstandshaftungsfällen. Aus diesen Befunden folgt, dass die strikte Einzelwirkung der Verjährung im Haftungsverhältnis jedenfalls angreifbar ist. So wird sie vereinzelt auch von der Rechtsprechung infrage gestellt,402 und löst teilweise Korrekturbestrebungen aus.403 Dabei kommen die zur gestörten Gesamtschuld entwickelten Lösungswege in Betracht.404 So wird teilweise vertreten, dass die Verjährung auch im Verhältnis zu den übrigen Gesamtschuldnern Wirkung entfalten müsse,405 beispielsweise indem die Einrede der Verjährung von Ansprüchen aus dem Haftungsverhältnis auch im Rückgriffsverhältnis durch eine analoge Anwendung der §§ 412, 404 BGB zugelassen wird.406 Allerdings würde sich dies zu Lasten des in Anspruch genommenen, leistenden Gesamtschuldners auswirken und es ergäbe sich eine Parallele zu einem Vertrag zu
398
Vgl. Meier, S. 658. Vgl. Meier, S. 658; Müller, VersR 2001, 429, 431. 400 Vgl. Meier, S. 642, 657 f.; Müller, VersR 2001, 429, 431. 401 Meier, S. 642 f. 402 OLG Koblenz Urt. v. 16. 01. 2008 – 1 U 1753 –, juris Rn. 63 ff.; OLG Zweibrücken NJWRR 1993, 1237. 403 Esser/Schmidt, SchuldR Bd I AT Teilbd 2, § 39 III 2 a) (S. 351); Keuk, JZ 1972, 528 ff.; Meier, S. 642 ff. 404 Vgl. BGH JZ 1972, 525, 526; Palandt/Grüneberg, § 426 Rn. 18; Keuk, JZ 1972, 528 ff.; Weise, BauR 1992, 685, 691; dazu ausführlich Meier, S. 645 ff. 405 Vgl. zu den Ansätzen Glöckner, S. 112 f.; Schulz, Rückgriff, S. 78 f.; Rüßmann, JuS 1974, 296; Stamm, S. 71; Stamm, NJW 2004, 811; Stamm, BauR 2004, 240, 244 f. 406 Stamm, S. 71; Stamm, NJW 2004, 811; Stamm, BauR 2004, 240, 244 f. 399
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1. Teil: Darstellung der Ist-Situation
Lasten Dritter.407 Da es sich bei der Verjährung jedoch um eine gesetzliche Regelung handelt, verbietet sich eine solche Wirkung nicht von vornherein, wie bei entsprechenden vertraglichen Vereinbarungen.408 Soweit die Wirkung von Tatsachen zu Lasten der übrigen Gesamtschuldner jedoch von der Rechtsprechung in Betracht gezogen wird, handelt es sich um Fälle, in denen eine Erleichterung der Haftung gegeben ist, indem sie auf die eigenübliche Sorgfalt beschränkt ist.409 Diese Beschränkungen drücken eine besondere Schutzbedürftigkeit der Begünstigten aus und sind daher mit den Fällen der Verjährung, die in allen Gesamtschuldverhältnissen eintreten kann, nicht vergleichbar. Damit spricht in den Vorstandshaftungsfällen grundsätzlich nichts dafür, von einer so umfassenden Verjährungswirkung auszugehen. Daneben ist bei der Verjährung auch eine beschränkte Gesamtwirkung zu Lasten des Gläubigers denkbar. Soweit eine solche angenommen wird, ist der ursprüngliche Anspruch des Gläubigers um den Anteil zu kürzen, der auf den Gesamtschuldner entfällt, gegen den dieser bereits verjährt ist.410 Hieraus ergeben sich in den Vorstandshaftungsfällen dieselben Nachteile für das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied, die es auch trägt, wenn dem Erlass eine beschränkte Gesamtwirkung zugesprochen wird.411 Da hier die Verteidigungssituation des in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieds zu beurteilen ist, kommt es darauf an, welche Wirkung der Verjährung in einem Haftungsprozess wahrscheinlich zugemessen würde. Liegen keine Besonderheiten des Einzelfalls vor, so ist von dem Grundsatz in § 425 BGB auszugehen, wonach eine Einzelwirkung anzunehmen ist. Danach kann dem Anspruch aus § 426 I 1 BGB die Verjährung des ursprünglichen Anspruchs aus § 93 II 1 AktG nicht entgegengehalten werden. Dies wirkt sich zugunsten des in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieds aus, das gem. § 426 I 1 BGB bei den übrigen mithaftenden Vorstandsmitgliedern Rückgriff nehmen will. Allerdings handelt es sich dabei nur um eine Zweifelsregel, von der im Einzelfall jederzeit abgewichen werden kann.
407
Vgl. Stamm, BauR 2004, 240, 250 f.; Stamm, NJW 2004, 811, 812 f. S. dazu soeben unter 1. Teil B. II. 2. b) bb) (1), S. 76. 409 So BGHZ 103, 338, 344 ff.; BGHZ 159, 318, 323 zu § 1664 BGB; dasselbe soll nach HK-BGB/Schulze, § 426 Rn. 16 auch für § 1359 BGB (§ 708 BGB) gelten; vgl. Palandt/ Grüneberg, § 426 Rn. 22. 410 OLG Koblenz Urt. v. 16. 01. 2008 – 1 U 1753 –, juris Rn. 71, worin die Frage aber letztlich offen bleibt; Esser/Schmidt, SchuldR Bd I AT Teilbd 2, § 39 III 2 a) (S. 351); Keuk, AcP 168 (1968), 175, 181, 196; Keuk, JZ 1972, 528, 529; Prölss, JuS 1966, 400, 402 f.; Thiele, JuS 1968, 149, 157; Weise, BauR 1992, 685, 692; ausführlich zur Kritik Meier, S. 646 ff. 411 S. dazu soeben 1. Teil B. II. 2. b) bb) (1), S. 75 ff., 78 f. 408
B. Das Rückgriffsverhältnis
83
(3) Rechtskräftiges Urteil gem. § 425 II, I BGB Ergeht ein rechtskräftiges klageabweisendes Urteil im Haftungsprozess zwischen dem Gläubiger und einem der Gesamtschuldner, so ist nach § 425 II BGB ebenfalls die Zweifelsregelung des § 425 I BGB anwendbar. Danach wirkt auch ein rechtskräftiges Urteil nur für und gegen den Gesamtschuldner, der Beklagter war.412 Dies bedeutet zweierlei. Einerseits kann der Gläubiger im Anschluss an das klageabweisende Urteil noch jeden der übrigen Gesamtschuldner in Anspruch nehmen. Andererseits können die übrigen Gesamtschuldner weiterhin gem. § 426 I 1 BGB bei dem Gesamtschuldner, zu dessen Gunsten das klageabweisende Urteil erging, Rückgriff nehmen, obwohl der Gläubiger auf diesen wegen der Rechtskraftwirkung des Urteils nicht mehr zugreifen kann.413 Dieses Ergebnis entspricht auch dem Grundsatz in § 325 I ZPO, wonach Urteile nur zwischen den Parteien eines Prozesses bindend wirken. Eine Gesamtwirkung kann auch nicht durch eine Streitverkündung erreicht werden.414 Denn diese wirkt gem. § 72 I ZPO nur für den Fall des ungünstigen Ausganges des Rechtsstreits, nicht dagegen für den Fall des günstigen.415 Soweit die strikte Einzelwirkung wegen der Nachteile für den durch das Urteil privilegierten Gesamtschuldner als nicht sachgerecht empfunden wird, wird ebenfalls eine (beschränkte)416 Gesamtwirkung vorgeschlagen.417 Damit sind sodann dieselben Nachteile für den in Anspruch genommenen Gesamtschuldner verbunden, die mit der beschränkten Gesamtwirkung des Erlasses oder der Verjährung einhergehen.418 Allerdings ist auch im Hinblick auf ein rechtskräftiges Urteil gem. § 425 BGB regelmäßig von einer Einzelwirkung auszugehen, wenn keine Anhaltspunkte für eine anderweitige Beurteilung gegeben sind.
412
RGZ 69, 422, 426; RGZ 146, 97, 101; Zu den Diskussionen vor der Schaffung des § 425 BGB vgl. Meier, S. 659 f. 413 Ganz herrschende Ansicht in Rechtsprechung und Literatur, RGZ 69, 422, 423 ff.; RGZ 146, 97, 101; RGZ 159, 86, 89; BGH VersR 1969, 1039; BGH NJW 2001, 218, 220; Selb, Regress, S. 136; Schwedhelm, Rn. 126, 136; Baumgärtel, in: GS Rödig, 1978, 315, 317; Erman/ Böttcher, § 425 Rn. 14; MüKo-BGB/Bydlinski, § 425 Rn. 29; Esser/Schmidt, SchuldR Bd I AT Teilbd 2, § 39 III 3 a) (S. 353); Soergel/Gebauer, § 425 Rn. 19; Jürgens, S. 207; Staudinger/ Looschelders, § 425 Rn. 70 ff. 414 Vgl. Meier, S. 660 f., s.a. Fn. 442; Selb, Regress, S. 136. 415 Vgl. MüKo-ZPO/Schultes, § 68 Rn. 6; Musielak/Voit/Weth, § 72 Rn. 4, 6; s.a. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 72 Rn. 4. 416 Keuk, AcP 168 (1968), 175, 196 f. 417 Schulz, Rückgriff, S. 79; so für alle Einreden und Einwendungen über die analoge Anwendung von §§ 412, 404 Stamm, S. 71; Stamm NJW 2004, 811, 812; dazu auch Meier, S. 659 f. 418 S. dazu soeben unter 1. Teil B. II. 2. b) bb) (1), S. 75 ff. und unter 1. Teil B. II. 2. b) bb) (2), S. 79 ff.
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1. Teil: Darstellung der Ist-Situation
cc) Schlussfolgerung Die pauschale Aussage, dass sich Einreden und Einwendungen aus dem Haftungsverhältnis nicht auf die Ansprüche aus § 426 I 1 BGB auswirken, gilt so nicht. Vielmehr kann die Durchsetzbarkeit der Ansprüche nach den §§ 422 – 425 BGB direkt betroffen sein. § 426 I 1 BGB gewährt in dieser Situation bereits materiellrechtlich nicht den Schutz, den die Norm wegen ihrer Unabhängigkeit von dem ursprünglichen Anspruch des Gläubigers eigentlich verspricht. In den Vorstandshaftungsfällen folgen daraus Nachteile für diejenigen Vorstandsmitglieder, die ihre Ansprüche aus § 426 I 1 BGB gegen die übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder geltend machen wollen. 3. Prozessuale Durchsetzbarkeit Da der Anspruch aus § 426 I 1 BGB bereits mit der Entstehung der Gesamtschuld einheitlich entsteht,419 kommen verschiedene Zeitpunkte für seine prozessuale Durchsetzung in Betracht. So kann theoretisch jedes mithaftende Vorstandsmitglied Klage gegen die übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder sowohl bereits vor seiner Inanspruchnahme durch die Gesellschaft als auch in dem Zeitraum zwischen seiner Inanspruchnahme und der Befriedigung der Gesellschaft sowie auch nach der Befriedigung der Gesellschaft erheben. Der Anspruch kann auf Befreiung, Freistellung, Mitwirkung, Zahlung oder Ausgleich gerichtet sein.420 Da alle Ansprüche aus § 426 I 1 BGB einheitlich innerhalb von drei Jahren verjähren,421 und insbesondere der zeitliche Versatz zwischen der Inanspruchnahme im Haftungsverhältnis und dem Rückgriff auf die übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder Risiken und Nachteile mit sich bringt,422 besteht das Bedürfnis, möglichst frühzeitig auf diese zuzugreifen. Bedeutsam ist daher insbesondere die prozessuale Geltendmachung vor der Befriedigung der Gesellschaft. Damit stehen die Ansprüche aus § 426 I 1 BGB im Fokus, die auf Befreiung, Freistellung, Mitwirkung oder Abwehr gerichtet sind. a) Richtige Klageart Unsicher ist bereits, welche Klageart das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied wählen kann, um zu einem möglichst frühen Zeitpunkt Rückgriff zu nehmen. Hierfür würde sich eine isolierte Drittwiderklage auf anteilige Freistellung von der Schadensersatzforderung aus § 93 II 1 AktG im Haftungsprozess gegen jedes der übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder anbieten.423 Die Rechtsprechung hat eine 419 420 421 422 423
Dazu bereits unter 1. Teil B. II. 1. b), S. 67 und 1. Teil B. II. 2. a) bb) (1), S. 70 f. S. o. 1. Teil B. II. 1., S. 61 ff. S. o. 1. Teil B. II. 2. a) bb), S. 70 ff. Dazu 1. Teil A. IV., S. 46 ff. Vgl. Schweer/Todorow, NJW 2013, 3004, 3006 ff.
B. Das Rückgriffsverhältnis
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solche Klage jedoch bislang nur in Ausnahmefällen zugelassen.424 Die Tatsache, dass eine Gesamtschuld oder die Möglichkeit eines Rückgriffs besteht, fällt nicht unter diese Ausnahmen.425 Daher eignet sich eine isolierte Drittwiderklage grundsätzlich nicht zur prozessualen Durchsetzung der Ansprüche aus § 426 I 1 BGB. Es bedarf vielmehr eines gesonderten Rückgriffsprozesses. Dieser kann auch parallel zum Haftungsprozess geführt werden. Die Rechtshängigkeit der Streitsache im Haftungsprozess hindert das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied nicht daran, bei den übrigen mithaftenden Vorstandsmitgliedern nach § 426 I 1 BGB Rückgriff zu nehmen. § 261 III Nr. 1 ZPO, wonach während der Dauer der Rechtshängigkeit die Streitsache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden darf, ist nicht einschlägig. Denn weder sind die Parteien identisch, noch handelt es sich um dieselbe Streitsache. Damit besteht diese von Amts wegen zu beachtende negative Prozessvoraussetzung426 nicht und eine Klageerhebung ist möglich. Unsicher ist, welche Klageart in Betracht kommt. Die Klage auf künftige Leistung nach § 259 ZPO bietet eine Möglichkeit, frühzeitig einen Vollstreckungstitel zu erlangen. Diese kann erhoben werden, wenn den Umständen nach die Besorgnis gerechtfertigt ist, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werde. Zwar liegt die Besorgnis der nicht rechtzeitigen Leistung bereits dann vor, wenn die Anspruchsgegner den Anspruch ernstlich bestreiten.427 Daneben muss es sich jedoch auch um eine künftige Leistung handeln. Hierfür muss der Anspruch bereits entstanden,428 darf aber noch nicht fällig sein.429 Dies ist in den Vorstandshaftungsfällen jedoch regelmäßig nicht der Fall. Denn der Anspruch auf Zahlung oder Ausgleich aus § 426 I 1 BGB entsteht als einheitlicher Anspruch zusammen mit dem Anspruch auf Befreiung, Freistellung oder Mitwirkung bereits mit der Gesamtschuld,430 und wird auch mit dieser fällig.431 Somit kommt eine Klage auf künftige Leistung in den Vorstandshaftungsfällen nicht in Betracht. 424
V. a. bei sog. „Zedentenwiderklagen“, vgl. BGH NJW 2014, 1670; OLG München NJWRR 2013, 84 und OLG Köln NZBau 2013, 375; Segger, NZBau 2017, 397, 399; Pfuhl, NJOZ 2015, 521 ff. 425 Saenger/Bendtsen, § 33 Rn. 16; Segger, NZBau 2017, 397, 399. 426 MüKo-ZPO/Becker-Eberhard, § 261 Rn. 42; Musielak/Voit/Foerste, § 261 Rn. 9; Saenger/Saenger, § 261 Rn. 1. 427 RGZ 132, 338, 340; BGHZ 5, 342, 344; BGHZ 43, 28, 31; BGH NJW 1999, 954; MüKoZPO/Becker-Eberhard, § 259 Rn. 13; Zöller/Greger, § 259 Rn. 5; Saenger/Saenger, § 259 Rn. 4. 428 Wieczorek/Schütze/Assmann, § 259 Rn. 5; MüKo-ZPO/Becker-Eberhard, § 259 Rn. 4; Musielak/Voit/Foerste, § 259 Rn. 3; Zöller/Greger, § 259 Rn. 2. 429 MüKo-ZPO/Becker-Eberhard, § 259 Rn. 3; Saenger/Saenger, § 259 Rn. 1; Schweer/ Todorow, NJW 2013, 3004, 3005. 430 S. o. 1. Teil B. I., S. 60 und 1. Teil B. II. 1. b), S. 67. 431 BGH NJW 1986, 978; Staudinger/Looschelders, § 426 Rn. 98; Erman/Böttcher, § 426 Rn. 12; MüKo-ZPO/Becker-Eberhard, § 426 Rn. 12.
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1. Teil: Darstellung der Ist-Situation
Zuletzt sind eine Leistungsklage gem. § 253 ZPO und eine Feststellungsklage gem. § 256 ZPO denkbar. Die umfassendste Wirkung hat die Leistungsklage gem. § 253 ZPO. Ist diese erfolgreich, so ergeht ein Urteil, das jedes der übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder vor der Befriedigung der Gesellschaft zur Befreiung, zur Freistellung oder zur Mitwirkung und nach der Befriedigung zur Zahlung oder zum Ausgleich verpflichten kann. Soweit die Erhebung der Leistungsklage möglich ist, kommt eine Feststellungklage gem. § 256 ZPO nicht in Betracht, da es für eine solche dann an einem besonderen Feststellungsinteresse fehlt.432 Dies ist bei den Ansprüchen aus § 426 I 1 BGB regelmäßig der Fall. Die Leistungsklage ist damit in der Regel die richtige Klageart. Unsicherheiten bestehen allerdings in Bezug auf die Anforderungen an die Formulierung eines bestimmten Klageantrags, den schlüssigen Vortrag sowie die Darlegung und den Beweis in Bezug auf die Ansprüche aus § 426 I 1 BGB insbesondere im Zeitpunkt vor der Befriedigung der Gesellschaft. b) Formulierung eines bestimmten Klageantrags Dem in Anspruch genommenen Vorstandsmitglied obliegt es, einen bestimmten Klageantrag zu formulieren. Die Anforderungen, die § 253 II Nr. 2 ZPO an einen Klageantrag stellt, folgen aus dessen Sinn und Zweck. Ein Klageantrag soll unter anderem festlegen, worüber das Gericht gem. § 308 I ZPO entscheiden darf, und bestimmt damit die materielle Rechtskraft des Urteils.433 Ferner soll er den Beklagten in die Lage versetzen, sich gegen die Klage zu verteidigen.434 Daher muss der Kläger den begehrten Rechtsschutz konkret in seiner Art und in seinem Umfang beschreiben, wobei vor allem die Rechtsfolge bedeutsam ist.435 Dabei kann genügen, dass das Begehren durch Auslegung bestimmbar ist,436 der sicherste Weg ist es aber, die angestrebte Urteilsformel zu beantragen.437 Bei der Leistungsklage ist der Klageantrag dann bestimmt genug, wenn im Fall einer antragsgemäßen Verurteilung die Zwangsvollstreckung daraus möglich ist.438 In den Vorstandshaftungsfällen ergeben 432
St. Rspr. BGHZ 5, 314, 315; BGHZ 134, 201, 208 f.; BGH NJW 2014, 939; und h.M. MüKo-ZPO/Becker-Eberhard, § 256 Rn. 54; Musielak/Voit/Foerste, § 256 Rn. 12; Zöller/ Greger, § 256 Rn. 7a. 433 Vgl. BGH NJW 1991, 1114, 1115; Wieczorek/Schütze/Assmann, § 253 Rn. 52, 74; MüKo-ZPO/Becker-Eberhard, § 253 Rn. 66, 88; Saenger/Saenger, § 253 Rn. 13. 434 BGH NJW 2003, 668, 669; Wieczorek/Schütze/Assmann, § 253 Rn. 76; MüKo-ZPO/ Becker-Eberhard, § 253 Rn. 88; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 253 Rn. 2. 435 BGH NJW 1999, 954; BGHZ 153, 73, 75; MüKo-ZPO/Becker-Eberhard, § 253 Rn. 88; Saenger/Saenger, § 253 Rn. 13. 436 MüKo-ZPO/Becker-Eberhard, § 253 Rn. 91; Wieczorek/Schütze/Assmann, § 253 Rn. 78; Saenger/Saenger, § 253 Rn. 13. 437 MüKo-ZPO/Becker-Eberhard, § 253 Rn. 90; Stein/Jonas/Roth, § 253 Rn. 26; Wieczorek/Schütze/Assmann, § 253 Rn. 75; Saenger/Saenger, § 253 Rn. 13. 438 BGH NJW 1999, 954; BGHZ 153, 73, 75; Wieczorek/Schütze/Assmann, § 253 Rn. 75; Stein/Jonas/Roth, § 253 Rn. 26.
B. Das Rückgriffsverhältnis
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sich in diesem Zusammenhang zwei Fragen. Einerseits ist unklar, inwiefern Ausführungen zum ursprünglichen Anspruch aus § 93 II 1 AktG im Klageantrag erfolgen müssen. Andererseits ist unklar, welche weiteren Anforderungen sich aus der jeweiligen Art der begehrten Leistung für die bestimmte Formulierung des Klageantrags ergeben. aa) Ausführungen zum ursprünglichen Anspruch aus § 93 II 1 AktG Das mit § 426 I 1 BGB verfolgbare Klageziel kann nicht für sich allein stehen, sondern bezieht sich immer auf einen anderen Anspruch, in den Vorstandshaftungsfällen auf § 93 II 1 AktG. Daher muss der entsprechende Klageantrag auch diesen Anspruch umfassen. Bei berechtigter Inanspruchnahme lautet dieser demnach vor der Befriedigung der Gesellschaft auf die anteilige Befreiung oder die Freistellung von dem ursprünglichen Anspruch der Gesellschaft aus § 93 II 1 AktG oder auf die Mitwirkung bei dessen Erfüllung. Nach der Befriedigung der Gesellschaft lautet er auf die Zahlung oder den Ausgleich des Betrags, den das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied über den intern auf ihn entfallenden Haftungsanteil gem. § 93 II 1 AktG hinaus an die Gesellschaft geleistet hat. Da sich der Anspruch aus § 426 I 1 BGB nach der Rechtsprechung des BGH auch auf die unberechtigte Inanspruchnahme erstreckt, kann das Klageziel auch auf die Mitwirkung bei der Anspruchsabwehr beziehen. Welchen konkreten Klageantrag das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied formulieren muss, folgt daraus, welches konkrete Begehren es verfolgen will. Unklar ist, ob der Antrag in Bezug auf die unberechtigte Inanspruchnahme auf Abwehr gerichtet sein muss, oder ob er auch auf Befreiung, Freistellung oder Mitwirkung bei der Erfüllung lauten kann.439 Ein entsprechend lautendes Urteil gerichtet auf Freistellung oder Befreiung von einem nicht bestehenden Anspruch, könnte jedenfalls nicht zwangsweise durchgesetzt werden. Daher ist dem in Anspruch genommenen Vorstandsmitglied zu raten, das Bestehen des ursprünglichen Anspruchs aus § 93 II 1 AktG im Klageantrag zu behaupten, auch wenn es seine Inanspruchnahme für unbegründet hält. Dies erscheint der sicherste Weg, wenn sich seine Klage auf die Befreiung, Freistellung oder Mitwirkung bei der Erfüllung richten soll. Dasselbe gilt, wenn das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied nach der Befriedigung Ansprüche auf Zahlung oder Ausgleich geltend machen will, jedoch ebenfalls unsicher ist, ob seine Inanspruchnahme berechtigt war. Vielfach wird jedoch in der Situation, in der sich das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied im Haftungsprozess gegen den Anspruch aus § 93 II 1 AktG 439 Dies bejahend Rimmelspacher, JR 1976, 89 ff., 183 ff.; Bischof, ZIP 1984, 1444, 1448 ff. jeweils für noch nicht fällige oder noch unbestimmte Freistellungsansprüche, a.A. Görmer, S. 77 f.
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1. Teil: Darstellung der Ist-Situation
verteidigt, der nachvollziehbare Wunsch bestehen, die übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder zur Mitwirkung bei dessen Abwehr zu verklagen.440 In diesem Fall muss das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied den aus seiner Sicht unbegründeten Anspruch aus § 93 II 1 AktG im Klageantrag ebenfalls hinreichend bestimmen. Denn auch bei diesem Klageziel muss klar sein, worauf sich der Anspruch § 426 I 1 BGB bezieht. Nur dann ist auch dessen Vollstreckung und aus Sicht des Beklagten eine Verteidigung möglich sowie dem Bestimmtheitserfordernis gedient. bb) Weitere Anforderungen an den Klageantrag aus der Art der begehrten Leistung Die weiteren Voraussetzungen an den Klageantrag richten sich danach, um welche Art der Leistung es sich bei dem begehrten Rechtsschutzziel handelt. Vor der Befriedigung der Gesellschaft ist der Anspruch aus § 426 I 1 BGB auf eine Unterstützungshandlung in Bezug auf den ursprünglichen Anspruch aus § 93 II 1 AktG gerichtet. Dieser lautet auf Schadensersatz, wobei gem. § 249 I BGB der Zustand herzustellen ist, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Der Befreiungs-, Freistellungs-, bzw. Mitwirkungsanspruch zielt damit zu diesem Zeitpunkt auf eine vertretbare Handlung ab, die auf verschiedene Weise erbracht werden kann.441 Sie kann durch eine Zahlung als Dritter gem. § 267 BGB, durch die Vereinbarung eines Erlasses oder eines Verzichts oder durch eine befreiende Schuldübernahme nach §§ 414, 415 BGB vorgenommen werden.442 Die Abwehr unbegründeter Ansprüche kann zum Beispiel durch die Übernahme der Prozessführung oder die Leistung einer Sicherheit erfolgen.443 Welchen Weg sie wählen, bleibt grundsätzlich den übrigen mithaftenden Vorstandsmitgliedern überlassen. Letztlich kommt es nur darauf an, dass sie die Verbindlichkeit aufheben, die über Gebühr auf dem in Anspruch genommenen Vorstandsmitglied lastet. Bei einer solchen vertretbaren Handlung ist es für die Bestimmtheit des Klageantrags grundsätzlich erforderlich, dass der Kläger diese so genau beschreibt, dass sie im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzbar wäre.444 Dies ist in den Vorstandshaftungsfällen jedoch deshalb nicht möglich, weil es den übrigen mithaftenden Vorstandsmitgliedern freisteht, wie sie den Anspruch erfüllen. In solchen Fällen soll
440
Zu dieser Möglichkeit 1. Teil B. II. 1. a) bb) (1), S. 64 ff. Vgl. MüKo-BGB/Krüger, § 257 Rn. 4; Schweer/Todorow, NJW 2013, 2072, 2076; Bischof, ZIP 1984, 1444, 1445. 442 Vgl. MüKo-BGB/Krüger, § 257 Rn. 4; Schweer/Todorow, NJW 2013, 2072, 2076. 443 Schweer/Todorow, NJW 2013, 2072, 2076 ff. 444 Vgl. BGH NJW 1978, 1584 f.; BGH NJW 1980, 1450; BGHZ 79, 76, 77 f.; BGH NJW 1981, 1318; BGH NJW 1991, 635, 635; BGH NJW 1996, 2725, 2726; Kappelhoff, NJW 2014, 2775, 2776. 441
B. Das Rückgriffsverhältnis
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es genügen, dass der Kläger den begehrten Erfolg benennt.445 Dazu zählt allerdings auch die konkrete Bezeichnung des Anspruchs, von dem freizustellen oder zu befreien ist bzw. bei dessen Erfüllung oder Abwehr der Beklagte mitwirken soll, in den Vorstandshaftungsfällen also des § 93 II 1 AktG. Neben der Naturalrestitution nach § 249 BGB kommt unter den weiteren Voraussetzungen der §§ 250, 251 BGB auch ein Schadensersatz in Geld in Betracht. Ist dies der Fall, so kann sich der Befreiungs-, Freistellungs-, bzw. Mitwirkungsanspruch ausnahmsweise auch auf die Erbringung einer Geldleistung richten. Auch nach der Befriedigung der Aktiengesellschaft liegt das Rechtsschutzziel regelmäßig in einer Geldleistung, wenn sich der Anspruch aus § 426 I 1 BGB auf Zahlung und Ausgleich richtet. Bei einer solchen Zahlungsklage muss die Art der Leistung in Form einer Geldleistung nach Grund und Höhe genau bezeichnet werden, um dem Bestimmtheitserfordernis zu genügen.446 c) Schlüssiger Vortrag, Darlegung und Beweis des Anspruchs aus § 426 I 1 BGB Die Unsicherheiten, die bei der Formulierung eines bestimmten Klageantrags bestehen, setzen sich bei den weiteren Fragen zur prozessualen Durchsetzbarkeit des Anspruchs aus § 426 I 1 BGB fort. So ist unklar, wie das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied seinen Anspruch aus § 426 I 1 BGB dem Grunde nach schlüssig vortragen, darlegen und beweisen kann. Dabei ist zwischen der Geltendmachung des Anspruchs aus § 426 I 1 BGB infolge einer Inanspruchnahme oder Befriedigung aufgrund eines begründeten Anspruchs aus § 93 II 1 AktG und aufgrund eines unbegründeten Anspruchs aus § 93 II 1 AktG zu unterscheiden. Ferner ergeben sich auch Unsicherheiten in Bezug auf den schlüssigen Vortrag zur Höhe des jeweiligen Anspruchs aus § 426 I 1 BGB, sowie zu dessen Darlegung und Beweis. Zuletzt ist unklar, inwiefern das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied die prozessuale Wahrheitspflicht einhalten kann. aa) Grund des Anspruchs aus § 426 I 1 BGB (1) Inanspruchnahme oder Befriedigung aufgrund eines begründeten Anspruchs aus § 93 II 1 AktG Erstrebt das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied vor der Befriedigung der Gesellschaft die Befreiung, Freistellung oder Mitwirkung, so muss sich sein Vortrag auch auf den Anspruch aus § 93 II 1 AktG beziehen. Dies gilt auch, wenn seine Klage auf eine Zahlung oder einen Ausgleich nach der Befriedigung abzielt. In beiden
445
Wieczorek/Schütze/Assmann, § 253 Rn. 83; Musielak/Voit/Foerste, § 253 Rn. 32. Vgl. BGHZ 76, 249; BGH NJW 1996, 2725, 2726; OLG Düsseldorf MDR 1982, 942; Fischer, ZIP 2014, 406, 408; Stein/Jonas/Roth, § 253 Rn. 31; Zahn, ZfBR 2007, 627, 631. 446
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1. Teil: Darstellung der Ist-Situation
Fällen muss es darlegen und beweisen, dass der Anspruch aus § 93 II 1 AktG tatsächlich bestand bzw., dass es dazu berechtigt war, diesen zu erfüllen. (a) Darlegung und Beweis des Bestehens eines Anspruchs aus § 93 II 1 AktG Das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied muss vortragen, dass es gem. § 93 II 1 AktG selbst schuldhaft Pflichten verletzt hat und der Gesellschaft daraus ein Schaden entstanden ist. Es muss insoweit dieselben Tatsachen darlegen und beweisen, die die Gesellschaft im Haftungsprozess darlegen und beweisen muss. Dass es sich hierbei um den Vortrag belastender Tatsachen handelt, ändert nichts an den Möglichkeiten, die ihm zur Verfügung stehen, um die hierfür erforderlichen Informationen und Beweismittel zu beschaffen. Vielmehr sind es dieselben, die es im Haftungsprozess hat, um sich gegen seine Inanspruchnahme durch die Gesellschaft zu verteidigen.447 Daneben obliegt es dem in Anspruch genommene Vorstandsmitglied ferner, vorzutragen, dass auch diejenigen Vorstandsmitglieder, gegen die es den Rückgriffsprozess führt, den Tatbestand des § 93 II 1 AktG erfüllt haben, indem sie schuldhaft ihre Pflichten verletzt haben und der Gesellschaft daraus ein Schaden entstanden ist. Dies bereitet dem in Anspruch genommenen Vorstandsmitglied, das möglicherweise bereits aus seinem Amt ausgeschieden ist, regelmäßig noch größere Schwierigkeiten. Denn es muss sich zu unternehmensinternen Vorgängen äußern, die nicht sein eigenes Handeln betreffen. Entsprechende Unterlagen oder Dokumente um den Sachverhalt aufzuarbeiten stehen ihm dabei in der Regel nicht zur Verfügung. (b) Möglichkeiten zur Beschaffung beweisrelevanter Informationen Soweit Informationsansprüche und Einsichtsrechte bestehen, kann das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied diese gegen die Gesellschaft geltend machen und so die für seinen Vortrag erforderlichen Auskünfte erlangen.448 Daneben ist denkbar, dass das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied selbst Aktien erwirbt und sich durch die Teilnahme an der Hauptversammlung als Aktionär die Informationen verschafft, die in dieser preisgegeben werden. Allerdings ist auch dabei nicht sicher, dass das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied die Informationen erlangt, die es für einen schlüssigen Vortrag oder gar dessen Beweis benötigt. Zwar sind die Aufsichtsratsmitglieder gem. § 171 II 2 AktG dazu verpflichtet, einen Bericht über ihre Überwachungstätigkeit anzufertigen und der Hauptversammlung vorzulegen. Dieser hat unter anderem das Ziel, die Hauptversammlung im Hinblick auf die gem. § 120 AktG sowie 270 II 2 AktG vorzunehmenden Entlastungsbeschlüsse darüber zu informieren, ob und inwieweit der Aufsichtsrat die ihm 447
Zu diesen unter 1. Teil A. IV. 1. b) aa), S. 51 ff. sowie zu deren Bewertung im Rahmen der Verteidigung unter 1. Teil A. IV. 1. b) bb), S. 54. 448 Ebda., dazu zudem ausführlich Deilmann/Otte, BB 2011, 1291 ff.; Foerster, ZHR 176 (2012), 221 ff.; Freund, NZG 2015, 1419 ff.
B. Das Rückgriffsverhältnis
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obliegenden Prüfungs- und Überwachungspflichten erfüllt hat.449 Daher sind darin grundsätzlich auch Angaben zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen Vorstandsmitglieder zu machen.450 Insofern wird angenommen, dass sich die Intensität der Berichtspflicht und die Intensität der Überwachungspflicht entsprechen sollen.451 In welchem Umfang und welcher Detailtiefe diese jedoch bestehen, ist unklar.452 Die im Hinblick auf die Vorstandshaftungsfälle relevante Frage, ob die Berichtspflichten auch greifen, wenn die erforderlichen Informationen nicht das laufende Geschäftsjahr oder amtierende Vorstandsmitglieder betreffen, wurde in der Rechtsprechung bereits beantwortet. So hat das OLG Stuttgart entschieden, dass ein Ermittlungsverfahren gegen frühere Mitglieder des Vorstands und gegen frühere und derzeitige Mitglieder des Aufsichtsrats nicht in den Überwachungsbericht des Aufsichtsrats aufgenommen werden musste.453 Zudem lasse sich eine Verpflichtung zur Berichterstattung über die Prüfung möglicher Schadensersatzansprüche aus abgeschlossenen Lebenssachverhalten früherer Geschäftsjahre weder aus der gesetzlichen Vertretungszuständigkeit nach § 112 AktG noch aus der Prüfungspflicht des Aufsichtsrats aus § 111 AktG ableiten.454 Daraus folgt, dass auch die Informationsverpflichtung aus § 171 II 2 AktG beschränkt ist. Daneben können auch weitere Informationslücken entstehen, weil der Aufsichtsrat sich bei der Erstellung seines Berichts regelmäßig in einem Spannungsfeld zwischen seiner Informationsverpflichtung gegenüber der Hauptversammlung und dem Geheimhaltungsinteresse der Gesellschaft bewegt. In diesem muss er abwägen, ob und wenn ja, welche Informationen er in welcher Art und Weise preisgibt.455 Dies gilt in den Vorstandshaftungsfällen insbesondere, solange er sich noch nicht für die Verfolgung von Schadensersatzansprüchen gegen pflichtwidrig handelnde Vorstandsmitglieder entschieden hat. Denn das Öffentlichwerden entsprechender Informationen kann Nachteile für die Gesellschaft begründen, weshalb bisweilen eine nur rudimentäre Berichterstattung geboten sein kann.456 Ferner kommt in Betracht, dass das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied sich die benötigten Informationen verschafft, indem es Aktien erwirbt und anschließend als Aktionär von seinen Auskunftsrechten in der Hauptversammlung Gebrauch macht. Nach § 131 I 1 AktG ist jedem Aktionär Auskunft über die An449 GK-AktG/Vetter, § 171 Rn. 205; Priester, ZIP 2011, 2081, 2082; Wilsing, in: FS MaierReimer, 2010, 889, 899. 450 Liese/Theusinger, BB 2007, 2528, 2531; s.a. Wilsing, in: FS Maier-Reimer, 2010, 889, 899. 451 OLG Stuttgart WM 2006, 861, 864; Wilsing, in: FS Maier-Reimer, 2010, 889, 900. 452 So auch Wilsing, in: FS Maier-Reimer, 2010, 889, 898 f.; GK-AktG/Vetter, § 171 Rn. 218. 453 OLG Stuttgart WM 2006, 861, 864 f. 454 OLG Stuttgart WM 2006, 861, 864 f. 455 Spindler/Stilz/Euler/Klein, § 171 Rn. 75; MüKo-AktG/Hennrichs/Pöschke, § 171 Rn. 210, 195; GK-AktG/Vetter, § 171 Rn. 220. 456 Vgl. Freund, NZG 2018, 1361, 1364; Wilsing, in: FS Maier-Reimer, 2010, 889, 902.
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1. Teil: Darstellung der Ist-Situation
gelegenheiten der Gesellschaft zu geben, soweit sie zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung erforderlich ist. Sollen daher Informationen im Hinblick auf Vorstandshaftungsfälle preisgegeben werden, so müssen sie in der jeweiligen Hauptversammlung auch relevant werden. Diese Voraussetzung kann erfüllt sein, insbesondere weil das Bestehen von Schadensersatzansprüchen gegen die Vorstandsmitglieder und der entsprechende Stand der Ermittlungen für die Beschlüsse zur Entlastung sowohl der Vorstandsmitglieder nach § 120 AktG als auch der Aufsichtsratsmitglieder nach § 270 II 1 AktG bedeutsam sein kann.457 Allerdings kann eine Auskunft nach § 131 I 1 AktG ausschließlich vom Vorstand als dem die Gesellschaft vertretenden Organ gefordert werden.458 Der Aufsichtsrat dagegen ist weder zur Auskunft verpflichtet, noch funktionell für die Erteilung von Auskünften zuständig,459 auch wenn eine Frage ausdrücklich an ihn gerichtet ist und seine Handlungen betrifft.460 Nun ist es möglich, dass der Vorstand beim Aufsichtsrat Erkundigungen einholt um eine entsprechende Anfrage zu beantworten. Ob und inwiefern der Aufsichtsrat jedoch umfassende Informationen preisgibt, bemisst sich wiederum danach, ob er seinen dahingehenden Verpflichtungen nachkommt und inwiefern er sich zur Geheimhaltung angehalten fühlt. Letztlich kann das einzelne, auf Informationen des Aufsichtsrats angewiesene Vorstandsmitglied dessen Verhalten nicht beeinflussen. Wenn und soweit die Erteilung der Auskunft geeignet ist, der Gesellschaft einen nicht unerheblichen Nachteil zuzufügen, hat sodann auch der Vorstand gem. § 131 III 1 Nr. 1 AktG die Möglichkeit, die Auskunft zu verweigern. Auch diese Regelung kann in den Vorstandshaftungsfällen einschlägig sein. (c) Anwendbarkeit der Beweislastumkehr aus § 93 II 2 AktG Neben den Hindernissen, die dem in Anspruch genommenen Vorstandsmitglied bei der Informationserlangung begegnen, ist zudem unklar, ob § 93 II 2 AktG auch im Rückgriffsprozess anwendbar ist. Diese Norm regelt die Beweislast bei der Geltendmachung des Anspruchs aus § 93 II 1 AktG im Haftungsprozess.461 Danach trifft die Vorstandsmitglieder die Beweislast, wenn streitig ist, ob sie die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewandt haben. Ob diese Beweislastumkehr auch zugunsten des Vorstandsmitglieds gilt, dem es obliegt, die anspruchsbegründenden Voraussetzungen des § 426 I 1 BGB zu beweisen, ist offen.462 Dies wird teilweise bejaht, da der in Anspruch genommene Gesamtschuldner im Rückgriffsprozess nicht schlechter gestellt werden dürfe als die kla457
So auch Wilsing, in: FS Maier-Reimer, 2010, 889, 904 f. Vgl. MüKo-AktG/Kubis, § 131 Rn. 19. 459 BVerfG, NJW 2000, 349, 351; OLG Celle AG 2005, 438, 440; OLG Stuttgart AG 1995, 234, 235; Groß, AG 1997, 97, 99; Hüffer/Koch, § 131 Rn. 7; MüKo-AktG/Kubis, § 131 Rn. 22; Spindler/Stilz/Siems, § 131 Rn. 17. 460 Hölters/Drinhausen, § 131 Rn. 6. 461 Dazu unter 1. Teil A. IV. 1. b) aa), S. 51 ff. 462 So Spindler/Stilz/Fleischer, § 93 Rn. 263; Meier, S. 433, Fn. 203. 458
B. Das Rückgriffsverhältnis
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gende Gesellschaft im Haftungsprozess.463 Nach einer differenzierenden Betrachtung soll die Beweislastumkehr jedenfalls insoweit gelten, als die Haftung des in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieds gegenüber der Gesellschaft infrage steht, im Übrigen soll es bei der allgemeinen Beweislastverteilung bleiben.464 Teilweise wird § 93 II 2 AktG dagegen nicht für anwendbar gehalten.465 Dies folge vor allem aus dem Sinn und Zweck der Beweislastumkehr, die der Beweisnot der Gesellschaft und den besseren Erkenntnismöglichkeiten der Vorstandsmitglieder in Bezug auf die Haftung nach § 93 II 1 AktG Rechnung trägt.466 Die Interessenlage im Haftungsprozess sei mit der Interessenlage im Regressprozess nicht vergleichbar.467 Zudem fehle es an der größeren Sachnähe der übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder im Vergleich zum Rückgriff nehmenden Vorstandsmitglied.468 Ein Informationsgefälle könne sich zwischen diesen allenfalls aus einer Geschäftsverteilung ergeben. Da ein solches nicht an dasjenige heranreiche, das im Verhältnis der Gesellschaft zu den Vorstandsmitgliedern besteht, genüge das prozessuale Instrument der sekundären Darlegungslast gem. § 138 ZPO, um es auszugleichen.469 Da die Anwendbarkeit der Beweislastumkehr vor diesem Hintergrund unsicher ist, muss das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied bei der prozessualen Geltendmachung seiner Ansprüche aus § 426 I 1 BGB damit rechnen, dass ihm die Beweiserleichterungen aus § 93 II 2 AktG nicht zugutekommen. Bleibt es bei der allgemeinen Beweislastverteilung, so obliegt dem in Anspruch genommenen Vorstandsmitglied, im Rückgriffsprozess vollumfänglich darzulegen und zu beweisen, dass seine Ansprüche aus § 426 I 1 BGB bestehen. Denkbar ist, dass das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied die rechtskräftige Feststellung des Anspruchs aus § 93 II 1 AktG im Haftungsprozess abwartet, bevor es aus § 426 I 1 BGB gegen die übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder prozessual vorgeht. Jedoch erleichtert ihm auch dies die Darlegung und den Beweis des Anspruchsgrundes nicht maßgeblich. Das Gericht im Rückgriffsprozess kann eine andere Beurteilung vornehmen, es ist an die Feststellungen im Urteil des Haftungsprozesses nicht gebunden.470 Denn dieser wirkt sich regelmäßig weder sachlich noch persönlich auf den Rückgriffsprozess aus. Es ist nicht zwingend erforderlich, dass im Haftungsprozess die Haftung aller Vorstandsmitglieder geprüft und fest463
KK-AktG/Mertens/Cahn, § 93 Rn. 50, 138 ff. GK-AktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 467 f. 465 Dazu ausführlich Guntermann, AG 2017, 606, 608 ff.; HK-AktG/Israel, § 93 Rn. 31, s.a. Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 43 Rn. 29 für die GmbH, auf die § 93 II 2 AktG analog angewandt wird. 466 Dazu bereits unter 1. Teil A. IV. 1. b) aa), S. 51 ff. 467 Guntermann, AG 2017, 606, 608 ff. 468 HK-AktG/Bürgers/Israel, § 93 Rn. 31; GK-AktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 467; Guntermann, AG 2017, 606, 608. 469 Guntermann, AG 2017, 606, 608, 609. 470 Schack, NJW 1988, 865, 869; Schweer/Todorow, NJW 2013, 2072, 2074; zu den Auswirkungen des Urteils im Haftungsprozess s. 1. Teil B. II. 2. b) bb) (3), S. 83. 464
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1. Teil: Darstellung der Ist-Situation
gestellt wird.471 Damit klärt der Haftungsprozess nicht zwangsläufig alle Vorfragen, die für den Rückgriffsprozess bedeutsam sind. Für eine Rechtskrafterstreckung fehlt es damit bereits an der Vorgreiflichkeit. Gem. § 325 I ZPO wirkt ein rechtskräftiges Urteil zudem nur für und gegen die Parteien und die Personen, die nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit Rechtsnachfolger der Parteien geworden sind. Dazu zählen die übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder in den Vorstandshaftungsfällen in der Regel nicht. Denn sie sind weder mitverklagt und damit Partei des Rechtsstreits, noch folgen sie im Zusammenhang mit dem Anspruch aus § 426 I 1 BGB in eine Rechtsstellung nach. Auch unabhängig von der gesetzlichen Regelung kann die Rechtskraft des Urteils gegenüber Dritten, die an der Entscheidung nicht mitwirken konnten, keine bindende Wirkung haben. Im älteren Schrifttum gibt es zwar Ansichten, die unter verschiedenen weiteren Voraussetzungen von der Möglichkeit einer ungeschriebenen Erstreckung472 oder einer Drittwirkung473 der Rechtskraft ausgehen. Die Rechtsprechung474 und die heute überwiegende Ansicht in der Literatur475 lehnen eine Bindungswirkung ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung dagegen ab. Sie widerspricht dem Wortlaut des § 325 ZPO, der in dieser Norm liegenden Wertentscheidung und damit auch dem Willen des Gesetzes sowie dem Grundsatz auf rechtliches Gehör aus Art. 103 I GG.476 Für Gesamtschuldner regelt § 425 BGB diese Einzelwirkung zudem ausdrücklich materiell-rechtlich.477 Danach wirken Tatsachen nur für und gegen den Gesamtschuldner, in dessen Person sie eintreten, was insbesondere auch für das rechtskräftige Urteil im Haftungsprozess gilt.478 Soweit die Entscheidung im Haftungsprozess überhaupt vorgreiflich ist, bindet sie im Rückgriffsprozess weder das Gericht noch hat sie materiell-rechtliche Auswirkungen. Das bedeutet, dass das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied im Rückgriffsprozess neben der Haftung der im Haftungsprozess nicht verklagten, mithaftenden Vorstandsmitglieder seine eigene Haftung sowie die Haftung der im Haftungsprozess ebenfalls verklagten, mithaftenden Vorstandsmitglieder aus § 93 II 1 471 Dies folgt aus dem Sinn und Zweck des § 93 II 1 AktG, dazu bereits unter 1. Teil A. II. 3. b), S. 35 ff. 472 Bettermann, S. 43 ff., 79 ff.; Blomeyer, ZZP 75 (1962), 1, 8, 10; Huber, JuS 1972, 621, 624 ff.; ähnlich Zöller/Vollkommer, § 325 Rn. 41 ff. 473 Schwab, ZZP 77 (1964), 124 ff., 142 ff., 160; s.a. Koussoulis, S. 114 ff., 125 ff., 140 ff.; Martens, ZZP 79 (1966), 404, 428 f. 474 BGHZ 3, 385, 388 ff.; BGH NJW 1996, 395, 396; BGH NJW-RR 2005, 338, 339; BGH NJW 2011, 2048 f. 475 Wieczorek/Schütze/Büscher, § 325 Rn. 4; MüKo-ZPO/Gottwald, § 325 Rn. 8a, 9; Musielak/Voit/Musielak, § 325 Rn. 2 f.; Stein/Jonas/Althammer, § 325 Rn. 104; Schack, NJW 1988, 865, 872 f. 476 Wieczorek/Schütze/Büscher, § 325 Rn. 4; MüKo-ZPO/Gottwald, § 325 Rn. 8a. 477 S. o. 1. Teil B. II. 2. b) bb) (3), S. 83. 478 Vgl. BGH NJW-RR 1989, 1055; BGH NJW 1984, 793, 794; BGH NJW 1992, 2413; BGH NJW-RR 2006, 1628, 1629.
B. Das Rückgriffsverhältnis
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AktG auch dann vollumfänglich darlegen und beweisen muss, wenn im Haftungsprozess ein rechtskräftiges Urteil gegen ihn oder weitere mithaftende Vorstandsmitglieder vorliegt. Denn ein solches muss das Gericht im Rückgriffsprozess nicht als Bestätigung dafür gelten lassen, dass dessen Inanspruchnahme und damit auch die Befriedigung der Gesellschaft berechtigt war. Vielmehr kann es sich ein eigenes Urteil darüber bilden. Die Entscheidung im Haftungsprozess hilft dem in Anspruch genommenen Vorstandsmitglied allenfalls dadurch weiter, dass es sie bei seinem Vortrag im Rückgriffsprozess informatorisch berücksichtigen kann.479 Hierdurch kann es jedoch allenfalls einzelne anspruchsbegründende Tatsachen leichter darlegen und beweisen. (2) Inanspruchnahme oder Befriedigung aufgrund eines unbegründeten Anspruchs aus § 93 II 1 AktG Geht man mit dem BGH davon aus, dass § 426 I 1 BGB auch den Rückgriff bei einer Inanspruchnahme oder Befriedigung aufgrund eines unbegründeten Anspruchs zulässt,480 so bestehen ebenfalls Unklarheiten in Bezug auf den klägerischen Vortrag. Denn dann muss das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied zwar nicht darlegen und beweisen, dass der ursprüngliche Anspruch der Gesellschaft aus § 93 II 1 AktG begründet und berechtigt war. Dennoch obliegt es ihm vorzutragen, dass die übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder in Bezug auf die vom Gläubiger geltend gemachte Forderung zur Abwehr bzw. hilfsweise zur Befreiung, Freistellung oder Mitwirkung bei deren Erfüllung verpflichtet sind.481 In den Vorstandshaftungsfällen ist allerdings unklar, woraus sich diese Verpflichtungen ergeben sollen, wenn nicht feststeht, dass der Anspruch der Gesellschaft aus § 93 II 1 AktG tatsächlich entstanden ist. Denn nur in diesem Fall haften die pflichtwidrig handelnden Vorstandsmitglieder überhaupt als Gesamtschuldner und die Verweisung auf die allgemeinen zivilrechtlichen Gesamtschuldvorschriften greift. Andernfalls kann sich eine Verpflichtung nach § 426 I 1 BGB nur aus einer analogen Anwendung der Norm oder konkludent aus einem besonderen Rechtsverhältnis zwischen den Mitgliedern des Vorstands ergeben. Ob sich dies in den Vorstandshaftungsfällen begründen lässt, ist unsicher. Eine erfolgreiche prozessuale Geltendmachung der Ansprüche aus § 426 I 1 BGB erfordert in jedem Fall, dass das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied das Bestehen eines Gesamtschuldverhältnisses aufgrund einer dieser rechtlichen Konstruktionen darlegt und beweist.482
479 480 481 482
Vgl. MüKo-ZPO/Gottwald, § 325 Rn. 9. S. o. 1. Teil B. II. 1. a) bb) (1), S. 64 ff. Vgl. Schweer/Todorow, NJW 2013, 2072, 2073. Vgl. Grüneberg, in: Hdb Beweislast, § 426 Rn. 1; Schwedhelm, Rn. 140.
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1. Teil: Darstellung der Ist-Situation
bb) Höhe des Anspruchs aus § 426 I 1 BGB Schwierigkeiten ergeben sich ferner bei dem Vortrag, der Darlegung und dem Beweis der Höhe der Ansprüche aus § 426 I 1 BGB. Denn wie bereits dargestellt, handelt es sich bei den jeweiligen Verpflichtungen der übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder um teilschuldnerische.483 Nach § 426 I 1 BGB bestehen sie im Verhältnis der Gesamtschuldner untereinander zu gleichen Teilen, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Strebt das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied eine andere Haftungsverteilung an, so muss es zur Höhe der Ansprüche schlüssig vortragen, diese darlegen und im Streitfall beweisen.484 Dies wird häufig der Fall sein, wenn die Geschäftsführung arbeitsteilig erfolgt und die Pflichtverletzung einem Geschäftsbereich zugeordnet werden kann, der im Wesentlichen von einzelnen Vorstandsmitgliedern verantwortet wird.485 Denn dann kann sich die Situation ergeben, dass das bereichsverantwortliche Vorstandsmitglied seine Leitungspflicht verletzt und die übrigen Vorstandsmitglieder gleichsam ihren Überwachungspflichten nicht nachkommen.486 Bei den Feststellungen zur jeweiligen Anspruchshöhe gelten auch keine die Begründung erleichternden Vermutungen.487 Vielmehr dürfen ausschließlich Umstände berücksichtigt werden, die tatsächlich feststehen.488 Die Verschuldens- und Verursachungsbeiträge, die gem. § 254 BGB zu einer Abweichung von der Kopfteilregelung führen, müssen daher schlüssig vorgetragen werden. Unsicher ist, ob sie darüber hinaus auch vollumfänglich bewiesen werden müssen oder ob hier die Beweislastumkehr des § 93 II 2 AktG greift. Grundsätzlich verbietet es sich, die Frage nach der Übertragung der Beweislastumkehr bei der Anspruchshöhe anders zu beurteilen, als beim Anspruchsgrund. Dort ist ihre Beantwortung streitig, ohne dass eine Ansicht als überwiegend bezeichnet werden könnte.489 In Bezug auf den Vortrag zu den Haftungsanteilen gem. § 254 BGB ist das Meinungsbild dagegen klarer. Denn nach ganz herrschender Ansicht sind in diesem Zusammenhang die Beweisregeln, die für die Haftungsbegründung im Verhältnis des Schädigers zum Geschädigten gelten, auf das Verhältnis 483
S. o. 1. Teil B. II. 1. c), S. 67 ff. Vgl. zu diesem Grundsatz RGZ 88, 122, 125; MüKo-BGB/Bydlinski, § 426 Rn. 14; Grüneberg, in: Hdb Beweislast, § 426 Rn. 1 m.w.N. in Fn. 2; Rosenberg, S. 296; Selb, Regress, S. 100; HK-BGB/Schulze, § 426 Rn. 6. 485 Dazu bereits unter 1. Teil A. I. 1. a), S. 22. 486 Vgl. Bezzenberger, ZGR 1996, 661, 671 f.; Henssler/Strohn/Dauner-Lieb, § 93 AktG Rn. 37; KK-AktG/Mertens/Cahn, § 93 Rn. 92; Wiesner, in: Münch Hdb GesR Bd IV, § 26 Rn. 26. 487 Dazu eingehend Weitnauer, in: FS Klingmüller, 1974, 499, 506 ff. 488 So ausdrücklich auch BGH VersR 1966, 164. 489 S. soeben 1. Teil B. II. 3. c) aa) (1) (c), S. 92 ff. 484
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der Schädiger untereinander nicht anwendbar.490 Damit trägt das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied die volle Darlegungs- und Beweislast in Bezug auf die interne Haftungsverteilung unter den Vorstandsmitgliedern und damit die Höhe des einzuklagenden Anspruchs. Lässt sich positiv keine bestimmte Quote feststellen, so gilt im Zweifel nach § 426 I 1 BGB eine Haftung nach gleichen Anteilen. Dies ermöglicht dem in Anspruch genommenen Vorstandsmitglied zumindest einen Vortrag in dieser Höhe. Allerdings trifft es in jedem Fall das Risiko, zu viel oder zu wenig zu fordern, und es trägt gem. § 91 ZPO die Rechtsverfolgungskosten, wenn es einen Betrag einklagt, der zu hoch ist. Daneben trägt es auch das Risiko, seine Ansprüche in der Höhe nicht mehr verwirklichen zu können, in der es einen zu geringen Betrag eingeklagt hat. cc) Verstoß gegen die prozessuale Wahrheitspflicht gem. § 138 I ZPO In den Vorstandshaftungsfällen wird das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied regelmäßig den Rückgriffsprozess einleiten, während der Haftungsprozess noch rechtshängig ist. Dies ist teilweise sogar erforderlich, damit seine Ansprüche aus § 426 I 1 BGB nicht zwischenzeitlich verjähren. Dabei läuft es Gefahr gegen seine prozessuale Wahrheitspflicht aus § 138 I ZPO zu verstoßen. Denn in dieser Situation muss es sich sowohl gegen seine Inanspruchnahme durch die Gesellschaft verteidigen, als auch seine Ansprüche gegen die übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder begründen. Daraus folgen gegenteilige Vorträge, von denen nur einer richtig sein kann. Denn das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied muss einerseits im Haftungsprozess die den gesamtschuldnerischen Anspruch aus § 93 II 1 AktG begründenden Tatsachen bestreiten. Andererseits muss es im Rückgriffsprozess gerade das Bestehen der Gesamtschuld als Rechtsfolge des § 93 II 1 AktG und Voraussetzung des Anspruchs aus § 426 I 1 BGB darlegen und beweisen. In dieser Situation können seine Erklärungen nur so lange als wahrheitsgemäß i.S.d. § 138 I ZPO gelten, wie die Tatsachen ungeklärt sind und die Sachlage ungewiss ist und beide Vorträge der Wahrheit entsprechen können. Die Grenze ist allerdings erreicht, wenn bewusst wahrheitswidrig vorgetragen wird.491 Denn die Wahrheitspflicht setzt voraus, dass Parteien im Prozess nicht Tatsachen behaupten, die sie selbst nicht für wahr halten.492 Erlaubt ist ihnen dagegen, Tatsachen zu behaupten, die sie nur für möglich halten.493 Dabei handelt es sich aber nur dann nicht 490
Weitnauer, in: FS Klingmüller, 1974, 499, 506 ff. mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung; s.a. GK-AktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 467. 491 BGH NJW 1995, 2843, 2846; Wieczorek/Schütze/von Gerken, § 138 Rn. 4, 7; MüKoZPO/Fritsche, § 138 Rn. 2; Zöller/Greger, § 138 Rn. 2 f.; Stein/Jonas/Kern, § 138 Rn. 4; Saenger/Wöstmann, § 138 Rn. 2. 492 Wieczorek/Schütze/von Gerken, § 138 Rn. 8, 13; Kappelhoff, NJW 2014, 2775, 2776; Stein/Jonas/Kern, § 138 Rn. 4. 493 Wieczorek/Schütze/von Gerken, § 138 Rn. 8, 13; Kappelhoff, NJW 2014, 2775, 2776; Stein/Jonas/Kern, § 138 Rn. 4.
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1. Teil: Darstellung der Ist-Situation
um einen unzulässigen Vortrag ins Blaue hinein,494 wenn sie auch entsprechende Anhaltspunkte für jeden ihrer Vorträge geben können und diese nicht aus der Luft gegriffen sind.495 Diese Anforderungen muss das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied bei seinem Vortrag also ebenfalls erfüllen. d) Tatsächliche Folgen der Klageerhebung Tatsächlich schwächt ein Vortrag des in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieds im Rückgriffsprozess, in dem es die anspruchsbegründenden Tatsachen des § 93 II 1 AktG darlegen und beweisen muss, seine Verteidigungsposition im Haftungsprozess deutlich. Denn die Gesellschaft kann so an Informationen zu pflichtwidrigen Handlungen aller Vorstandsmitglieder gelangen, die sie dann im Haftungsprozess gegen einzelne in Anspruch genommene Vorstandsmitglieder verwenden kann. Dies geschieht in den Vorstandshaftungsfällen fast zwangsläufig. Denn der Zivilprozess ist gem. § 169 GVG öffentlich. Zudem haben die übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder als Anspruchsgegner im Rückgriffsprozess regelmäßig noch Ämter in der Gesellschaft inne und sind damit noch immer in deren Organisation eingebunden. Eine Weitergabe der Informationen aus dem Rückgriffsprozess an den Aufsichtsrat als Vertreter der Gesellschaft im Haftungsprozess ist damit zu erwarten, wenn nicht sogar einzelne der mithaftenden Vorstandsmitglieder diesem inzwischen selbst angehören. 4. Inhalt des Leistungsurteils und Vollstreckbarkeit Ergeht im Rückgriffsprozess ein rechtskräftiges Urteil zugunsten des von der Gesellschaft in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieds, so richtet sich dessen Inhalt gem. § 308 ZPO nach dem Antrag der Leistungsklage. Es lautet dann auf die Verwirklichung des jeweiligen Anspruchsziels, allerdings nur in dem Umfang, den das einzelne mithaftende Vorstandsmitglied im Innenverhältnis zu tragen hat. Den verurteilten mithaftenden Vorstandsmitgliedern steht es frei, wie sie das Anspruchsziel verwirklichen, denn das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied hat keinen Anspruch auf eine bestimmte Art der Erfüllung.496 Die Vollstreckung von Urteilen richtet sich gem. §§ 803 ff. ZPO nach dem zu verwirklichenden Anspruch.497 Wie bereits dargestellt, bezieht sich § 426 I 1 BGB grundsätzlich auf eine vertretbare Handlung und nur ausnahmsweise auf eine 494 Dazu Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 138 Rn. 17; MüKo-ZPO/Fritsche, § 138 Rn. 8. 495 Kappelhoff, NJW 2014, 2775, 2776. 496 Vgl. für den Anspruch auf Befreiung, Freistellung oder Mitwirkung RGZ 70, 257, 261; Musielak/Voit/Foerste, § 253 Rn. 32; Görmer, S. 72; MüKo-BGB/Krüger, § 257 Rn. 4; ausführlich zu den Erfüllungsmöglichkeiten Schweer/Todorow, NJW 2013, 2072, 2076 f. 497 Vgl. Rosenberg/Gaul/Schilken, § 9 II (S. 137).
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Geldleistung.498 Nach ganz herrschender Ansicht kommt eine Geldvollstreckung allerdings auch dann nicht in Betracht, wenn die Verbindlichkeit, auf die sich die Verpflichtung zur Befreiung aus dem Urteil bezieht, in einer Geldleistung besteht.499 Denn die nach § 426 I 1 BGB geschuldeten Handlungen können nicht oder nicht nur durch eine Zahlung sondern auch durch andere Maßnahmen bewirkt werden.500 Für die Vorstandshaftungsfälle gilt nichts anderes. Damit werden die Ansprüche aus § 426 I 1 BGB im Wege der Handlungsvollstreckung nach § 887 ZPO vollstreckt. Dabei sind zwei verschiedene Anträge möglich. Gem. § 887 I ZPO kann das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied beantragen, die von den übrigen mithaftenden Vorstandsmitgliedern nach § 426 I 1 BGB geschuldete Handlung auf deren Kosten vornehmen zu lassen.501 Zudem kann es nach § 887 II ZPO beantragen, diese zur Vorauszahlung der Kosten zu verurteilen, die durch die Vornahme der Handlung entstehen werden. Der Beschluss über den Kostenvorschuss ist gem. § 794 Nr. 3 ZPO sofort vollstreckbar. Da es sich um eine Geldforderung handelt, gelten für diesen die §§ 803 ff. ZPO.502 Den so erlangten Vorschuss kann es dann zur Befriedigung einsetzen.503 Für die Vollstreckung der vertretbaren Handlung nach § 887 ZPO müssen die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen vorliegen.504 Der Titel muss einen vollstreckbaren Inhalt haben. Hierfür muss jedenfalls der Titel die Anforderungen erfüllen, die an einen zulässigen Klageantrag in Bezug auf die Bestimmtheit gestellt werden.505 So müssen im Titel entweder der Grund und die Höhe des Anspruchs aus § 93 II 1 AktG,506 oder jedenfalls der mit der Klage aus § 426 I 1 BGB begehrte Erfolg konkret bestimmt sein.507 Unklar ist, ob der Vollstreckungsgläubiger die Handlung im Antrag nach § 887 ZPO noch näher bestimmen muss, wenn der Titel die Art und Weise der Erfüllung des 498
S. o. 1. Teil B, II. 3. b) bb), S. 88 f. RGZ 150, 77, 80; BGHZ 25, 1, 7; BGH NJW 1958, 497; BGH NJW 1983, 2438, 2439; BGH NJW 1986, 978; Bischof, ZIP 1984, 1444, 1445; Görmer, S. 135; MüKo-ZPO/Gruber, § 887 Rn. 4; Musielak/Voit/Lackmann, § 887 Rn. 3, 10; Rosenberg/Gaul/Schilken, § 48 II 4. c) (S. 912); Zöller/Seibel, § 887 Rn. 3; ausführlich zum Streitstand Görmer, S. 124 ff. 500 Stein/Jonas/Bartels, § 887 Rn. 17; vgl. auch Bischof, ZIP 1984, 1444, 1445; MüKoBGB/Krüger, § 257 Rn. 4; Schweer/Todorow, NJW 2013, 2072, 2076. 501 MüKo-BGB/Bydlinski, § 426 Rn. 71. 502 BGH NJW 1958, 497 mit Anmerkung Lange; HK-ZV/Bendtsen, § 887 ZPO Rn. 55; Rosenberg/Gaul/Schilken, § 71 II 1. (S. 1184); MüKo-ZPO/Gruber, § 887 Rn. 40; Musielak/ Voit/Lackmann, § 887 Rn. 24; Wieczorek/Schütze/Rensen, § 887 Rn. 67. 503 BGH NJW 1958, 497 mit Anmerkung Lange; OLG Karlsruhe WM 2009, 407, 409; Schweer/Todorow, NJW 2013, 2072, 2073 f. 504 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 887 Rn. 3; MüKo-ZPO/Gruber, § 887 Rn. 23; Musielak/Voit/Lackmann, § 887 Rn. 7. 505 S. o. 1. Teil B. II. 3. b), S. 86 ff.; s.a. OLGR Köln 2002, 20; Zöller/Seibel, § 704 Rn. 2 ff. 506 S. o. 1. Teil B. II. 3. b), S. 86 ff.; MüKo-ZPO/Gruber, § 887 Rn. 4, 23. 507 S. o. 1. Teil B. II. 3. b), S. 86 ff. 499
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Anspruchs aus § 426 I 1 BGB offen lässt.508 Da es weder eine gesicherte Rechtsprechungspraxis gibt, noch eine Ansicht in der Literatur als herrschend bezeichnet werden kann, besteht insoweit Unsicherheit. Um der Gefahr entgegen zu wirken, dass der Antrag nach § 887 ZPO als unzulässig zurückgewiesen wird, ist dem in Anspruch genommenen Vorstandsmitglied zu raten, im Antrag nach § 887 ZPO auch die Handlung näher zu bestimmen. 5. Zwischenergebnis: Rückgriffsansprüche nach § 426 I 1 BGB 1. Das Ziel, die Nachteile und Risiken aus der Inanspruchnahme einzelner von mehreren mithaftenden Vorstandsmitgliedern zu verringern, kann mit der Geltendmachung der Ansprüche aus § 426 I 1 BGB nicht vollumfänglich erreicht werden. Ihr Inhalt richtet sich vor der Befriedigung der Gesellschaft nur auf Befreiung, Freistellung oder Mitwirkung, nicht dagegen auf Zahlung oder Ausgleich; zudem handelt es sich bei den Ansprüchen aus § 426 I 1 BGB nur um teilschuldnerische.509 2. Der materiell-rechtlichen Durchsetzbarkeit können Einwendungen aus dem Rückgriffsverhältnis, wie ein erheblicher Tatsachenvortrag oder die Verjährung der Ansprüche aus § 426 I 1 BGB entgegenstehen.510 Daneben kommen Einwendungen aus dem Haftungsverhältnis in Betracht.511 Einer Verzichts- oder Vergleichsvereinbarung zwischen einem der übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder und der Gesellschaft kommt regelmäßig eine beschränkte Gesamtwirkung zu, die der materiell-rechtlichen Durchsetzbarkeit des Anspruchs nach § 426 I 1 BGB entgegen steht.512 Die Verjährung und das rechtskräftige Urteil haben gem. § 425 II, I BGB zwar im Zweifel Einzelwirkung, teilweise wird jedoch ebenfalls eine beschränkte Gesamtwirkung erwogen, aus der sich ebenfalls Nachteile zu Lasten des in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieds ergeben.513 3. Zur prozessualen Durchsetzung der Ansprüche aus § 426 I 1 BGB kommt nur eine Leistungsklage in Betracht.514 Es obliegt dem in Anspruch genommenen Vorstandsmitglied, für sein konkretes Begehren einen bestimmten Klageantrag zu formulieren,515 sein Klagebegehren schlüssig vorzutragen und die Tatsachen, 508 Zum Streitstand BGH NJW-RR 2000, 358, 359; OLG Bamberg NJW-RR 2000, 358; OLG Stuttgart NJW-RR 99, 792; HK-ZV/Bendtsen, § 887 ZPO Rn. 27. 509 S. o. 1. Teil B. II. 1., S. 61 ff. 510 S. o. 1. Teil B. II. 2. a), S. 70 ff. 511 S. o. 1. Teil B. II. 2. b), S. 73 ff. 512 S. o. 1. Teil B. II. 2. b) bb) (1), S. 75 ff. 513 S. o. 1. Teil B. II. 2. b) bb) (2) S. 79 ff. und 1. Teil B. II. 2. b) bb) (3), S. 83. 514 S. o. 1. Teil B. II. 3. a), S. 84 ff. 515 S. o. 1. Teil B. II. 3. b), S. 86 ff.
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die seine Ansprüche aus § 426 I 1 BGB begründen, darzulegen und zu beweisen, wofür ihm oft die Einsicht in unternehmensinterne Vorgänge fehlt und Beweiserleichterungen nicht greifen.516 Den Anspruch aus § 426 I 1 BGB muss es als teilschuldnerischen gegen jedes einzelne mithaftende Vorstandsmitglied pro rata einklagen.517 Soweit das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied sich im Haftungsprozess gleichzeitig gegen seine Inanspruchnahme verteidigen muss, läuft es Gefahr, gegen die prozessuale Wahrheitspflicht aus § 138 ZPO zu verstoßen.518 4. Tatsächliche Nachteile können daraus folgen, dass das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied zur prozessualen Durchsetzbarkeit seiner Ansprüche aus § 426 I 1 BGB im Rückgriffsprozess Informationen preisgeben muss, die in einem noch stattfindenden Haftungsprozess zu seinen Lasten verwendet werden könnten.519 5. Das der Klage auf Erfüllung der Ansprüche aus § 426 I 1 BGB stattgebende Urteil im Rückgriffsprozess wird gem. § 887 ZPO im Wege der Handlungsvollstreckung vollstreckt, in Bezug auf deren konkrete Voraussetzungen allerdings Unsicherheiten bestehen.520
III. Rückgriff nach § 426 II 1 BGB 1. Inhalt, Art und Umfang der Schuld § 426 II 1 BGB ordnet nach der Befriedigung des Gläubigers einen gesetzlichen Forderungsübergang an. Der Rückgriff erfolgt durch die Geltendmachung des ursprünglichen Gläubigeranspruchs, den § 426 II 1 BGB auf den leistenden Gesamtschuldner in seinem jeweiligen Bestand überleitet.521 Damit bestimmt sich der Rückgriff nach § 426 II 1 BGB grundsätzlich nach dem ursprünglichen Anspruch des Gläubigers, in den Vorstandshaftungsfällen also nach § 93 II 1 AktG und der Rückgriffsanspruch folgt aus der Verbindung von § 426 II 1 BGB mit § 93 II 1 AktG. Allerdings geht die Forderung nach dem Wortlaut des § 426 II 1 BGB nur soweit über, wie der Gesamtschuldner, der sie erfüllt, von den übrigen Schuldnern Ausgleichung verlangen kann. Inwieweit dies der Fall ist, regelt § 426 I 1 BGB. Obwohl der Rückgriff nach § 426 II 1 BGB also grundsätzlich selbständig neben dem An-
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S. o. 1. Teil B. II. 3. c) aa), S. 89 ff. S. o. 1. Teil B. II. 3. c) bb), S. 96 f. S. o. 1. Teil B. II. 3. c) cc), S. 97. S. o. 1. Teil B. II. 3. d), S. 98. S. o. 1. Teil B. II. 4., S. 98 ff. MüKo-BGB/Bydlinski, § 426 Rn. 40.
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1. Teil: Darstellung der Ist-Situation
spruch aus § 426 I 1 BGB steht,522 ergibt sich aus dieser Formulierung eine Verknüpfung zwischen ihnen. Dabei ist § 426 II 1 BGB darauf gerichtet, den Anspruch aus § 426 I 1 BGB zu sichern, weshalb die Norm auch als bestärkende Legalzession bezeichnet wird.523 Das Verhältnis zwischen den beiden Möglichkeiten des Rückgriffs ist damit akzessorisch,524 denn das Bestehen und der Inhalt des Rückgriffs nach § 426 II 1 BGB richten sich nach dem Anspruch aus § 426 I 1 BGB.525 Daher bestimmt sich auch der Umfang, in dem die Forderung übergeht, nach dem Anspruch aus § 426 I 1 BGB.526 Danach erfasst § 426 II 1 BGB den Anteil nicht, der intern auf den leistenden Gesamtschuldner entfällt. Vielmehr erlischt der ursprüngliche Anspruch des Gläubigers in dieser Höhe, und nur im Übrigen bleibt er zum Zwecke des Rückgriffs erhalten.527 Wegen der engen Verknüpfung der Regelungen bemisst sich auch die Art der Schuld bei dem übergegangenen Anspruch nach dem Anspruch aus § 426 I 1 BGB.528 Dieser besteht, wie bereits dargestellt, nur als Teilschuld.529 Damit zerfällt die ursprünglich als gesamtschuldnerischer Anspruch geltend gemachte Forderung des Gläubigers nach ihrem Übergang im Innenverhältnis auf den leistenden Gesamtschuldner ebenfalls zu einer Teilschuld.530 Hiergegen wird zwar vereinzelt eingewandt, dass dies weder zwingend aus dem Sinn und Zweck des § 426 II 1 BGB folge,531 noch dem Grundsatz von der Identität der Forderungen bei einer Zession 522
RGZ 69, 422, 426 f.; BGHZ 58, 216, 218; BGHZ 103, 72, 77 f.; BGH NJW 1991, 97, 98; BGH NJW 2010, 435, 436; OLG München NJW 2008, 3505, 3507; Selb, Regress, S. 115; Stamm, S. 69; Dauner-Lieb/Langen/Völzmann-Stickelbrock, § 426 Rn. 18; Esser, SchuldR, § 98 3. a) (S. 451 f.); MüKo-BGB/Bydlinski, § 426 Rn. 25b; Meier, S. 640 f.; Schwedhelm, Rn. 135; Wandt, in: FS Kollhosser, 2004, 769, 774. 523 BGHZ 103, 72, 76; BGH NJW-RR 2010, 831, 832; Erman/Böttcher, § 426 Rn. 46; MüKo-BGB/Bydlinski, § 426 Rn. 44; Fischer, ZIP 2014, 406, 407; Staudinger/Looschelders, § 426 Rn. 135; Selb, Regress, S. 113, 115; Looschelders, SchR AT, Rn. 1290; Wandt, in: FS Kollhosser, 2004, 769, 774; ausführlich dazu Meier, S. 389 ff. 524 Esser, SchuldR, § 98 3. b) (S. 452); Esser/Schmidt, SchuldR Bd I AT Teilbd 2, § 39 III 3 b) (S. 353); Jürgens, S. 208; Staudinger/Looschelders, § 426 Rn. 139, 144; Looschelders, SchR AT, Rn. 1290; Meier, S. 430; Reinicke/Tiedtke, S. 83. 525 Esser, SchuldR, § 98 3. b) (S. 452); Meier, S. 430; Schwedhelm, Rn. 201. 526 BGH NJW-RR 2010, 831, 832; Meier, S. 431; Palandt/Grüneberg, § 426 Rn. 16; Staudinger/Looschelders, § 426 Rn. 139; HK-BGB/Schulze, § 426 Rn. 12. 527 BGHZ 103, 72, 76; BGH NJW 1991, 98; Selb, Regress, S. 113; Erman/Böttcher, § 426 Rn. 46; MüKo-BGB/Bydlinski, § 426 Rn. 38, 40; Palandt/Grüneberg, § 426 Rn. 16; Staudinger/Looschelders, § 426 Rn. 135. 528 Vgl. BGHZ 46, 14, 16; Soergel/Gebauer, § 426 Rn. 50; Meier, S. 431; ähnlich Larenz, SchuldR AT, § 37 III (S. 649). 529 S. o. 1. Teil B. II. 1. c), S. 67 ff. 530 Erman/Böttcher, § 426 Rn. 47; Soergel/Gebauer, § 426 Rn. 50; Larenz, SchuldR AT, § 37 III (S. 649); Staudinger/Looschelders, § 426 Rn. 137; Schwedhelm, Rn. 199; Wandt, in: FS Kollhosser, 2004, 769, 776 ff.; Meier, S. 433, weiterführend dazu S. 431 Fn. 198. 531 MüKo-BGB/Bydlinski, § 426 Rn. 40, der aber auch bereits die Teilschuld bei § 426 I 1 BGB infrage stellt.
B. Das Rückgriffsverhältnis
103
entspreche.532 Dennoch bemisst sich die Ist-Situation des in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieds auch hier nach der überwiegend vertretenen Ansicht. Aufgrund der akzessorischen Verknüpfung der Rückgriffsmöglichkeiten nach § 426 I 1 BGB und § 426 II 1 BGB ist zudem unsicher, wie es sich auf das Bestehen des Rückgriffs nach § 426 II 1 BGB auswirkt, wenn die Ansprüche aus § 426 I 1 BGB untergegangen sind oder nicht mehr durchgesetzt werden können. Denn dann kann das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied insoweit keine Ausgleichung mehr von den übrigen Vorstandsmitgliedern verlangen. Dies ist jedoch nach dem Wortlaut des § 426 II 1 BGB eine Voraussetzung für den Rückgriff. Daher wird teilweise angenommen, dass der Rückgriff nach § 426 II 1 BGB auch vom Schicksal der Ansprüche aus § 426 I 1 BGB abhängt.533 Vielfach wird abstrakt festgestellt, dass der Rückgriff nach § 426 II 1 BGB damit auf den Anspruch aus § 426 I 1 BGB beschränkt ist.534 Danach könnte die ursprüngliche Forderung des Gläubigers bereits nicht mehr oder nur noch zusammen mit dem bestehenden Durchsetzbarkeitshindernis auf den Leistenden übergehen.535 Die Frage nach den Auswirkungen der Verknüpfung von § 426 I 1 BGB und § 426 II 1 BGB stellt sich vor allem für den praktisch bedeutsamen Fall, dass der Anspruch aus § 426 I 1 BGB bereits verjährt ist. Zwar unterliegen beide Rückgriffsmöglichkeiten des § 426 BGB unterschiedlichen Verjährungsregeln.536 Allerdings kann aus ihrer akzessorischen Verknüpfung folgen, dass sich die Verjährung der Ansprüche aus § 426 I 1 BGB schon auf das Bestehen des Rückgriffs nach § 426 II 1 BGB auswirkt.537 Damit würde faktisch die Verjährungsfrist des Anspruchs aus § 426 I 1 BGB gelten. Diese Konsequenz wurde bislang vereinzelt mit dem Hinweis darauf abgelehnt, dass sich die Akzessorietät des § 426 II 1 BGB allein auf das Bestehen des Anspruchs aus § 426 I 1 BGB beziehe, das von der Verjährung jedoch nicht berührt werde, da diese gem. § 214 I BGB nur ein Leistungsverweigerungsrecht darstelle.538 Zwar überzeugt dieses Argument in dogmatischer Hinsicht und hat auch in der Rechtsprechung bereits vereinzelt Zustimmung gefunden.539 Dennoch besteht für das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied aktuell ein Risiko, dass diese Streitfrage in der Praxis mit dem Hinweis auf die Akzessorietät auch anders beantwortet werden kann. 532
Wolf, SchuldR AT, § 10 C II. f) (S. 538). Esser, SchuldR, § 98 3. b) (S. 452); Meier, S. 430 f.; Staudinger/Looschelders, § 426 Rn. 142; Schwedhelm, Rn. 202; Selb, Regress, S. 115. 534 Erman/Böttcher, § 426 Rn. 53; Soergel/Gebauer, § 426 Rn. 49. 535 Vgl. MüKo-BGB/Bydlinski, § 426 Rn. 44; Palandt/Grüneberg, § 426 Rn. 16. 536 Ganz einhellige Ansicht, s. nur BGHZ 20, 371, 374; Palandt/Grüneberg, § 426 Rn. 16; Dauner-Lieb/Langen/Völzmann-Stickelbrock, § 426 Rn. 18; MüKo-BGB/Bydlinski, § 426 Rn. 44. 537 So Meier, S. 431 f.; § Spiro, § 204, Fn. 1; vgl. Ernst, in: Individuum und Verband, 2006, 175, 181 f. 538 OLGR München 2009, 673, 674 f.; dazu auch MüKo-BGB/Bydlinski, § 426 Rn. 44. 539 OLGR München 2009, 673, 674 f. 533
104
1. Teil: Darstellung der Ist-Situation
2. Materiell-rechtliche Durchsetzbarkeit a) Allgemeines Die materiell-rechtliche Durchsetzbarkeit des Rückgriffsanspruchs aus § 426 II 1 BGB i.V.m. § 93 II 1 AktG wird nach § 412 BGB durch die entsprechende Anwendung der §§ 399 – 404 BGB und §§ 406 – 410 BGB bestimmt. Dabei ist vor allem § 404 BGB von Bedeutung, wonach der Schuldner dem neuen Gläubiger die Einwendungen entgegensetzen kann, die zur Zeit des Übergangs der Forderung gegen den bisherigen Gläubiger begründet waren. Die Verteidigungsmittel der übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder sind dieselben, die dem in Anspruch genommenen Vorstandsmitglied zur Verteidigung gegen die Gesellschaft im Haftungsprozess zustanden.540 Ob sie mit diesen letztlich durchdringen und wenn ja, mit welchem Erfolg, hängt jedoch immer von dem ursprünglichen, individuellen Verhältnis des einzelnen mithaftenden Vorstandsmitglieds zur Gesellschaft ab. b) Einrede der Verjährung Die Verjährungsfrist des ursprünglichen Anspruchs beginnt mit seinem Übergang nach § 426 II 1 BGB nicht neu zu laufen. Sie ist zudem unabhängig von der Verjährungsfrist des § 426 I 1 BGB.541 In den Vorstandshaftungsfällen kommt es für die materiell-rechtliche Durchsetzbarkeit daher auf die Verjährungsfrist des Anspruchs aus § 93 II 1 AktG an. Diese beträgt gem. § 93 VI AktG bei börsennotierten Aktiengesellschaften zehn, im Übrigen fünf Jahre und beginnt gem. § 200 BGB mit der Entstehung des Anspruchs.542 Da dieser Zeitpunkt kenntnisunabhängig bestimmt wird, beginnt die Verjährungsfrist für alle gesamtschuldnerisch haftenden Vorstandsmitglieder zunächst gleichzeitig zu laufen. Anschließend entwickelt sie sich jedoch in den einzelnen Verhältnissen zwischen der Gesellschaft und den gesamtschuldnerisch haftenden Vorstandsmitgliedern individuell. So können gem. §§ 203 ff. BGB Ereignisse stattfinden oder Maßnahmen ergriffen werden, die die Verjährung hemmen. Diese wirken dann aber nur für das jeweilige Haftungsverhältnis. Nahe liegt, dass einzelne Vorstandsmitglieder gem. § 203 BGB mit der Gesellschaft in Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände treten. In den eingangs beschriebenen Vorstandshaftungsfällen ist oft die Konstellation gegeben, dass die Gesellschaft gem. § 204 BGB Maßnahmen der Rechtsverfolgung nur gegen einzelne von mehreren mithaftenden Vorstandsmitgliedern einleitet. Dies hat zur Folge, dass die Verjährung der Ansprüche aus § 93 II 1 AktG gegen die einzelnen in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieder
540
Vgl. dazu 1. Teil A. IV. 1., S. 46 ff. BGHZ 20, 371, 374; MüKo-BGB/Bydlinski, § 426 Rn. 44; Palandt/Grüneberg, § 426 Rn. 16; Dauner-Lieb/Langen/Völzmann-Stickelbrock, § 426 Rn. 18. 542 Dazu bereits unter 1. Teil A. IV. 1. c), S. 54 ff. 541
B. Das Rückgriffsverhältnis
105
gehemmt wird. Die Verjährungsfrist der Ansprüche aus § 93 II 1 AktG gegen die übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder läuft dagegen ungehemmt weiter. Dies erschwert die materiell-rechtliche Durchsetzbarkeit des Rückgriffsanspruchs nach § 426 II 1 BGB i.V.m. § 93 II 1 AktG stark. Denn es vergeht regelmäßig viel Zeit zwischen der ersten Inanspruchnahme einzelner Vorstandsmitglieder und der Befriedigung der Gesellschaft, wenn diese nicht freiwillig erfolgt. Denn die Gesellschaft kann eine Zwangsvollstreckung gegen das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied erst einleiten, nachdem der Anspruch aus § 93 II 1 AktG im Haftungsprozess rechtskräftig festgestellt und tituliert wurde. Indessen rückt der Zeitpunkt immer näher, in dem der ursprüngliche Anspruch der Gesellschaft gegen die übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder verjährt, wenn in deren Verhältnis keine verjährungshemmenden Maßnahmen wirken. Je länger also die Verteidigung gegen die Inanspruchnahme durch die Gesellschaft dauert, umso größer ist die Gefahr, dass die Einrede der Verjährung dem Rückgriffsanspruch aus § 426 II 1 BGB i.V.m. § 93 II 1 AktG gegen die übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder entgegensteht. Zwar kann das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied die Gesellschaft jederzeit freiwillig befriedigen, und so den Forderungsübergang nach § 426 II 1 BGB beschleunigen. Jedoch schneidet es sich damit die Verteidigungsmöglichkeiten vor der Befriedigung ab und trägt anschließend automatisch die Risiken und Nachteile daraus.543 3. Prozessuale Durchsetzbarkeit a) Richtige Klageart Auch bei der prozessualen Durchsetzbarkeit des gem. § 426 II 1 BGB übergegangenen Anspruchs aus § 93 II 1 AktG stellt sich die Frage nach der richtigen Klageart. Unklar ist insbesondere, ob das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied gegen die übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder schon vor der Befriedigung der Gesellschaft aus § 426 II 1 BGB i.V.m. § 93 II 1 AktG prozessual vorgehen kann. Eine Klage auf künftige Leistung gem. § 259 ZPO setzt voraus, dass der Anspruch, der eingeklagt werden soll, bereits entstanden, jedoch noch nicht fällig ist. Dies trifft auf den ursprünglichen Anspruch der Gesellschaft aus § 93 II 1 AktG nicht zu. Denn dieser ist naturgemäß schon vor seiner Erfüllung und seinem anschließenden Übergang nach § 426 II 1 BGB fällig. Zu diesem Zeitpunkt wird er bereits von der Gesellschaft gegen einzelne Vorstandsmitglieder geltend gemacht. Er kann daher nicht gleichzeitig von einem dieser Vorstandsmitglieder gegen die übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder geltend gemacht werden. Dies widerspräche dem Sinn und Zweck der Klage aus § 259 ZPO. Denn diese soll bei einer Besorgnis der nicht rechtzeitigen Leistung ermöglichen, bereits vor der Fälligkeit der Forderung
543
Zu diesen ausführlich unter 1. Teil A. IV., S. 46 ff.
106
1. Teil: Darstellung der Ist-Situation
einen Vollstreckungstitel zu erwirken.544 Das Vorstandsmitglied, das gegen die übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder den ursprünglichen Anspruch der Gesellschaft aus § 93 II 1 AktG geltend machen will, kann durch deren Befriedigung jedoch den Forderungsübergang nach § 426 II 1 BGB auslösen und sich damit selbst formal zum Anspruchsinhaber machen. So kann es direkt eine Leistungsklage erheben. Daher sind die Voraussetzungen einer Klage auf künftige Erfüllung der gem. § 426 II 1 BGB mit der Befriedigung des Gläubigers auf ihn übergehenden Forderung aus § 93 II 1 AktG nicht erfüllt. Zur prozessualen Durchsetzung des gem. § 426 II 1 BGB übergegangenen Anspruchs aus § 93 II 1 AktG kommt damit eine Leistungsklage nach § 253 ZPO in Betracht. Mit der Befriedigung folgt das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied der Gesellschaft in ihren Rechten nach. Da der Rückgriff nach § 426 II 1 BGB grundsätzlich unabhängig von den Ansprüchen aus § 426 I 1 BGB ist,545 kann es den ursprünglichen Anspruch aus § 93 II 1 AktG auch gesondert einklagen. Da eine Leistungsklage erhoben werden kann, kommt daneben die Feststellungsklage als Klageart mangels Feststellungsinteresses nicht in Betracht.546 b) Wirkungen nach § 265 ZPO und § 325 ZPO Für die prozessuale Durchsetzbarkeit bedeutsam ist, dass gem. § 426 II 1 BGB die ursprüngliche Forderung auch prozessual in ihrem jeweiligen Bestand übergeht.547 Inwiefern sich dies auf den Rückgriffsprozess auswirkt, bemisst sich danach, in welchem Stadium sich der Haftungsprozess zum Zeitpunkt des Übergangs befand. Zudem ist bedeutsam, gegen wen der Anspruch eingeklagt worden war. Geht die Forderung gem. § 426 II 1 BGB auf eines der Vorstandsmitglieder über, während die Gesellschaft noch mit einzelnen anderen mithaftenden Vorstandsmitgliedern einen Prozess im Haftungsverhältnis führt, so gilt § 265 ZPO.548 Nach § 265 II 1 ZPO hat der Forderungsübergang grundsätzlich keinen Einfluss auf diesen laufenden Prozess. Der ursprüngliche Inhaber des Anspruchs wird kraft Gesetzes Prozessstandschafter seines Rechtsnachfolgers.549 In den Vorstandshaftungsfällen führt dann der Aufsichtsrat als Vertretungsorgan der Gesellschaft den Prozess für das in Anspruch genommene bzw. leistende Vorstandsmitglied gegen die anderen ebenfalls verklagten Vorstandsmitglieder weiter. Die Klage muss anschließend auf 544
Vgl. MüKo-ZPO/Becker-Eberhard, § 259 Rn. 1; Saenger/Saenger, § 259 Rn. 1. S. o. 1. Teil B. I., S. 60 f. 546 Vgl. st. Rspr. BGHZ 5, 314, 315; BGHZ 134, 201, 208 f.; BGH NJW 2014, 939; sowie die h.M. MüKo-ZPO/Becker-Eberhard, § 256 Rn. 54; Musielak/Voit/Foerste, § 256 Rn. 12; Zöller/Greger, § 256 Rn. 7a. 547 Erman/Böttcher, § 426 Rn. 53, 48; Soergel/Gebauer, § 426 Rn. 52. 548 Vgl. BGH NJW 1963, 2067; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 265 Rn. 10; Staudinger/Looschelders, § 426 Rn. 140; Stein/Jonas/Roth, § 265 Rn. 15. 549 Zöller/Greger, § 265 Rn. 6; Stein/Jonas/Roth, § 253 Rn. 18; ähnlich auch Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann, § 265 Rn. 16. 545
B. Das Rückgriffsverhältnis
107
Leistung an das leistende Vorstandsmitglied als Rechtsnachfolger der Gesellschaft umgestellt werden, damit sie nicht als unbegründet abgewiesen wird.550 Daneben kann das leistende Vorstandsmitglied auch gem. § 265 II 2 ZPO den Prozess anstelle der Gesellschaft übernehmen, wenn alle Prozessbeteiligten zustimmen.551 Ist dies der Fall, so ist es auch an die jeweilige Prozesslage gebunden und muss die Prozesshandlungen der Gesellschaft als ursprünglicher Gläubigerin sowie bereits erfolgte Beweisaufnahmen gegen sich gelten lassen.552 Diese Einschnitte muss das leistende Vorstandsmitglied als Rechtsnachfolger hinnehmen. Denn gem. § 325 ZPO wirkt auch das in diesem Haftungsprozess ergangene rechtskräftige Urteil für und gegen den Rechtsnachfolger.553 Je nachdem, in welcher Lage sich der Haftungsprozess im Zeitpunkt der Übernahme befindet oder zu welchem Ergebnis das Gericht in dessen Verlauf letztlich gelangt ist, wirken § 325 ZPO und § 265 ZPO in den Vorstandshaftungsfällen damit zu Gunsten oder zu Lasten des leistenden Vorstandsmitglieds. Allerdings kann sich der Haftungsprozess jeweils nur im Verhältnis zwischen dem Rechtsnachfolger der Gesellschaft und den Parteien auswirken, die auch an diesem beteiligt waren. Damit wirken sich § 325 ZPO und § 265 ZPO nur in einem ganz besonderen Fall auf den Rückgriffsprozess aus. Dieser ist gegeben, wenn mehrere Vorstandsmitglieder am Haftungsprozess beteiligt waren oder in diesem verurteilt wurden, letztlich aber nur dasjenige Vorstandsmitglied die Gesellschaft befriedigt hat, das gem. § 426 II 1 BGB nun auf die übrigen Beteiligten oder Verurteilten zugreifen will. In den Vorstandshaftungsfällen erstreckt sich das Prozessrechtsverhältnis damit nicht auf die übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder, die geschont werden sollten und daher schon nicht außergerichtlich in Anspruch genommen und auch nicht verklagt wurden. Insoweit ergeben sich keine prozessualen Auswirkungen des Haftungsverhältnisses auf das Rückgriffsverhältnis. c) Formulierung eines bestimmten Klageantrags, schlüssiger Vortrag, Darlegung und Beweis des nach § 426 II 1 BGB übergegangenen Anspruchs aus § 93 II 1 AktG Auch für die Geltendmachung des nach § 426 II 1 BGB übergegangenen Anspruchs aus § 93 II 1 AktG bedarf es eines bestimmten Klageantrags. Da dieser auf Schadensersatz gerichtet ist, lautet er regelmäßig nach § 249 I BGB darauf, den 550 Vgl. BGH NJW 1986, 3207; Zöller/Greger, § 265 Rn. 6a; Reinicke/Tiedtke, JZ 1985, 892; Stein/Jonas/Roth, § 265 Rn. 21; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 265 Rn. 17, 29. 551 Vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 265 Rn. 23; MüKo-ZPO/BeckerEberhard, § 265 Rn. 93; Zöller/Greger, § 265 Rn. 7, § 263 Rn. 30; Stein/Jonas/Roth, § 265 Rn. 35. 552 Vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 265 Rn. 24; Musielak/Voit/Foerste, § 265 Rn. 14; MüKo-ZPO/Becker-Eberhard, § 265 Rn. 99; Stein/Jonas/Roth, § 265 Rn. 35. 553 MüKo-ZPO/Becker-Eberhard, § 265 Rn. 99; Stein/Jonas/Roth, § 265 Rn. 35; Erman/ Böttcher, § 426 Rn. 48.
108
1. Teil: Darstellung der Ist-Situation
Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Der Anspruch aus § 93 II 1 AktG zielt damit auf eine vertretbare Handlung ab, die auf verschiedene Weise erbracht werden kann. Insoweit ergeben sich dieselben Unklarheiten, wie bei den Ansprüchen aus § 426 I 1 BGB.554 Soweit der Haftungsprozess nach den §§ 265, 325 ZPO keine Auswirkungen auf den Rückgriffsprozess hat, muss der Vortrag des in Anspruch genommenen bzw. leistenden Vorstandsmitglieds alle Voraussetzungen des § 426 II 1 BGB umfassen. Es muss also darlegen und beweisen, dass und inwieweit es die Gesellschaft als Gläubigerin des gegen ihn gerichteten Anspruchs aus § 93 II 1 AktG befriedigt hat. Daneben muss es darlegen und beweisen, dass und inwieweit es von den übrigen mithaftenden Vorstandsmitgliedern Ausgleichung verlangen kann. Zuletzt muss es darlegen und beweisen, dass die ursprüngliche Forderung der Gesellschaft aus § 93 II 1 AktG gegen es selbst und diejenigen Vorstandsmitglieder bestand, bei denen es gem. § 426 II 1 BGB Rückgriff nehmen will.555 Dabei muss das in Anspruch genommene bzw. leistende Vorstandsmitglied unter anderem diejenigen Anforderungen erfüllen, die die Gesellschaft im Haftungsprozess erfüllen muss, um die Innenhaftungsansprüche aus § 93 II 1 AktG prozessual durchzusetzen. Hat im Vorfeld der Befriedigung ein Haftungsprozess stattgefunden, kann sich das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied auf das entsprechende Vorbringen der Gesellschaft in diesem stützen. Dies kann für ihn eine tatsächliche Erleichterung seines Rückgriffs nach § 426 II 1 BGB bedeuten. Allerdings kann sich diese Erleichterung nur insofern unmittelbar auswirken, als es um die Haftung nach § 93 II 1 AktG derjenigen Gesamtschuldner geht, die mit ihm zusammen im Haftungsprozess in Anspruch genommen worden sind. Die pflichtwidrigen und schuldhaften Verletzungshandlungen der übrigen Vorstandsmitglieder, die kausal zu einem Schaden der Gesellschaft geführt haben und diese mit ihm gemeinsam gesamtschuldnerisch zum Ersatz verpflichten, muss es dagegen unabhängig davon darlegen und beweisen. In diesem Zusammenhang stellt sich wiederum die Frage, ob § 93 II 2 AktG anwendbar ist. Denn der Übergang der Forderung in ihrem jeweiligen Bestand könnte auch die prozessualen Erleichterungen in Form der Beweislastumkehr erfassen. So wird teilweise angenommen, dass mit dem Übergang der ursprünglichen Forderung der Gesellschaft aus § 93 II 1 AktG auch die Beweislastverteilung nach § 93 II 2 AktG übergehe.556 Dagegen wird argumentiert, dass § 93 II 2 AktG nur auf das spezielle Verhältnis zwischen der Gesellschaft und den Vorstandsmitgliedern
554
S. o. 1. Teil B. II. 3. b), S. 86 ff. Vgl. zur ähnlich gelagerten Konstellation bei der Bürgschaft MüKo-BGB/Habersack, § 774 Rn. 27. 556 Schwedhelm, Rn. 199, 201; Selb, Regress, S. 113; KK-AktG/Mertens/Cahn, § 93 Rn. 50, 138; Soergel/Gebauer, § 426 Rn. 52; Erman/Böttcher, § 426 Rn. 46. 555
B. Das Rückgriffsverhältnis
109
anzuwenden sei.557 Unabhängig von der Entscheidung dieser Streitfrage ist der Vorteil, der sich daraus für das in Anspruch genommene bzw. leistende Vorstandsmitglied ergibt, wegen des akzessorischen Verhältnisses zwischen § 426 II 1 BGB und § 426 I 1 BGB letztlich beschränkt.558 Denn die Beweislastumkehr aus § 93 II 2 AktG ist auf die Ansprüche aus § 426 I 1 BGB voraussichtlich nicht anwendbar.559 Können aber die Ansprüche aus § 426 I 1 BGB nicht bewiesen werden, die ebenfalls das Bestehen der gesamtschuldnerischen Haftung umfassen, so kann das leistende Vorstandsmitglied danach auch keine Ausgleichung verlangen. In diesem Fall geht die Forderung aus § 93 II 1 AktG aber wegen der akzessorischen Verknüpfung des § 426 II 1 BGB mit § 426 I 1 BGB schon nicht auf das leistende Vorstandsmitglied über. Würde man eine Beweiserleichterung konkret nur für das Bestehen des Anspruchs aus § 93 II 1 AktG im Rahmen der Geltendmachung der nach § 426 II 1 BGB übergegangenen Forderung annehmen, so läuft diese jedenfalls leer. 4. Inhalt des Leistungsurteils und Vollstreckbarkeit Ergeht ein rechtskräftiges Urteil zugunsten des in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieds, so lautet es auf Schadensersatz in dem Umfang, den der einzelne mithaftende Gesamtschuldner im Innenverhältnis zu tragen hat. Dieser kann auf Naturalrestitution gem. § 249 BGB lauten. Ist dies der Fall, so findet die Handlungsvollstreckung nach § 887 ZPO statt. Ist unter den Voraussetzungen der §§ 250, 251 BGB nach dem Urteil Schadensersatz in Geld geschuldet, so findet die Vollstreckung nach den §§ 803 ff. ZPO statt. Dem in Anspruch genommenen bzw. leistenden Vorstandsmitglied erleichtert es die Vollstreckung nicht, wenn im Haftungsprozess bereits eine rechtskräftige Verurteilung weiterer mithaftender Vorstandsmitglieder vorliegt, die gem. § 325 ZPO für ihn wirkt. Denn eine vollstreckbare Ausfertigung des Urteils kann ihm nur unter den Voraussetzungen des § 727 ZPO erteilt werden. Danach muss seine Rechtsnachfolge offenkundig sein oder durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen werden. Dies umfasst nicht nur den Beweis der Befriedigung des Gläubigers, sondern auch den Beweis der jeweiligen Höhe des pro rata Anspruchs, der auf diesem Wege allerdings regelmäßig nicht möglich ist.560
557 HK-AktG/Bürgers, § 93 Rn. 31; MüKo-BGB/Bydlinski, § 426 Rn. 39 Fn. 221; GKAktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 467 ff. 558 Staudinger/Looschelders, § 426 Rn. 136; Meier, S. 433, Fn. 203. 559 S. o. 1. Teil B. II. 3. c) aa) (1) (c), S. 92 ff. 560 Meier, S. 433; Selb, Regress, S. 114; MüKo-BGB/Bydlinski, § 426 Rn. 39; Fischer, ZIP 2014, 406, 407; Soergel/Gebauer, § 426 Rn. 52; Staudinger/Looschelders, § 426 Rn. 141; ähnlich Erman/Böttcher, § 426 Rn. 48.
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1. Teil: Darstellung der Ist-Situation
5. Zwischenergebnis: Rückgriff nach § 426 II 1 BGB 1. Nach § 426 II 1 BGB kann das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied den Anspruch aus § 93 II 1 AktG nur in dem Umfang, in dem er nicht auf ihn entfällt, und nur pro rata gegen die übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder geltend machen. Der Rückgriff nach § 426 II 1 BGB ist mit dem Anspruch aus § 426 I 1 BGB akzessorisch verknüpft und damit auf diesen in seinem Bestehen und seiner Höhe nach beschränkt, woran sich die Schwäche des Rückgriffs nach § 426 II 1 BGB zeigt, der nicht weiter reichen kann als der Rückgriff nach § 426 I 1 BGB.561 2. Materiell-rechtlich können diejenigen Einwendungen erhoben werden, die zur Zeit des Forderungsübergangs gegen die Gesellschaft bereits begründet waren.562 Die Verjährungsfrist beginnt nicht neu zu laufen, wodurch das Risiko besteht, dass die Ansprüche gegen die übrigen mithaftenden aber nicht in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieder, die gerade nicht durch den Haftungsprozess gehemmt werden, zwischenzeitlich verjähren.563 3. Prozessual kann der nach § 426 II 1 BGB übergegangenen Anspruch mit der Leistungsklage geltend gemacht werden,564 auf die sich ein bereits durch die Gesellschaft angestrengter Haftungsprozess gem. § 265 ZPO und § 325 ZPO auswirken kann.565 Der Klagevortrag muss alle Voraussetzungen des § 426 II 1 BGB umfassen, wobei Beweiserleichterungen aufgrund einer Beweislastumkehr nicht gegeben sind.566 4. Ein Leistungsurteil erstreckt sich inhaltlich regelmäßig nur auf den Anteil, den das jeweilige Vorstandsmitglied im Innenverhältnis zu tragen hat. Bei dessen Vollstreckung greifen keine Erleichterungen zugunsten des in Anspruch genommenen bzw. leistenden Vorstandsmitglieds.567
IV. Maßnahmen zum Erhalt der gesetzlichen Rückgriffsmöglichkeiten nach § 426 BGB Die Ist-Situation des in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieds ist vor allem durch das Risiko geprägt, dass dem gesetzlichen Rückgriff nach § 426 BGB Einwendungen entgegenstehen, die dessen Durchsetzbarkeit hindern. Da der Haftungsprozess, mit Ausnahme der genannten Konstellationen,568 keine Auswirkungen 561 562 563 564 565 566 567 568
S. o. 1. Teil B. III. 1., S. 101 ff. S. o. 1. Teil B. III. 2. a), S. 104. S. o. 1. Teil B. III. 2. b), S. 104 f. S. o. 1. Teil B. III. 3. a), S. 105 f. S. o. 1. Teil B. III. 3. b), S. 106 f. S. o. 1. Teil B. III. 3. c), S. 107 ff. S. o. 1. Teil B. III. 4., S. 109. S. o. 1. Teil B. II. 2. b) bb) (3), S. 83 und 1. Teil B. III. 3. b), S. 106 f.
B. Das Rückgriffsverhältnis
111
auf den Rückgriffsprozess hat, läuft das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied Gefahr, in beiden Prozessen zu unterliegen. Die Ist-Situation in den Vorstandshaftungsfällen bemisst sich daher auch danach, welche Maßnahmen dem in Anspruch genommenen Vorstandsmitglied zur Verfügung stehen, um sich den Rückgriff nach § 426 BGB zu erhalten und die Ansprüche daraus zu sichern. Hier ist die Streitverkündung im Haftungsprozess von Bedeutung, die prozessuale und materiellrechtliche Wirkungen im Rückgriffsprozess entfalten kann. Daneben besteht die Möglichkeit, weitere verjährungshemmende Maßnahmen zu ergreifen. 1. Streitverkündung Wie bereits dargestellt, ist eine Streitverkündung gegenüber den übrigen mithaftenden Vorstandsmitgliedern gem. § 72 I ZPO möglich, zur Verteidigung gegenüber der Gesellschaft im Haftungsprozess jedoch wenig wirksam.569 Aus dem Blickwinkel des in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieds betrachtet, das seine Risiken in Bezug auf den Rückgriffsprozess verringern will, erscheint die Streitverkündung jedoch unverzichtbar. Denn im Rückgriffsprozess kann die Streitverkündung sowohl in prozessualer Hinsicht, mit ihrer Interventionswirkung, als auch in materiell-rechtlicher Hinsicht, mit der Verjährungshemmung, erhebliche Wirkung entfalten. Insoweit kann sie eine wirksame Maßnahme darstellen, um die Risiken und Nachteile zu verringern, die ein in Anspruch genommenes Vorstandsmitglied infolge seiner alleinigen Inanspruchnahme treffen. a) Prozessuale Wirkung im Rückgriffsprozess Prozessual wirkt sich die Streitverkündung gem. § 74 III ZPO i.V.m. § 68 ZPO vor allem dadurch aus, dass der Streitverkündete in einem Folgeprozess im Verhältnis zu der Hauptpartei mit der Behauptung nicht gehört wird, dass der Rechtsstreit, wie er dem Richter in einem Erstprozess vorgelegen habe, unrichtig entschieden sei. Diese Interventionswirkung bindet den Richter in einem Folgeprozess an Feststellungen in einem diesem vorangegangenen Erstprozess. Damit ist sowohl ihre objektive als auch ihre subjektive Reichweite bedeutend. aa) Objektive Reichweite der Interventionswirkung Die Interventionswirkung erfasst neben der Rechtsfolge im Tenor der Entscheidung auch alle tatsächlichen und rechtlichen Elemente, auf denen das Urteil im Erstprozess beruht,570 nicht dagegen überschießende Feststellungen, auf denen das 569
S. o. 1. Teil A. IV. 1. a), S. 46 ff. St. Rspr. BGHZ 16, 217, 229; BGHZ 85, 252, 255; BGHZ 100, 257, 262; BGHZ 103, 275, 278; BGHZ 116, 95, 102; BGHZ 157, 97, 99; BGH NJW 2004, 1521 f.; OLG Hamm NJWRR 1988, 155, 156 f.; sowie h.M. Saenger/Bendtsen, § 68 Rn. 6 f.; MüKo-ZPO/Schultes, § 68 Rn. 15; Zöller/Althammer, § 68 Rn. 9; Musielak/Voit/Weth, § 68 Rn. 4. 570
112
1. Teil: Darstellung der Ist-Situation
Urteil nicht beruht.571 Umfasst ist auch die Unaufklärbarkeit von Tatsachen, wenn im Erstprozess eine Beweislastentscheidung getroffen wurde.572 Denn dem Streitverkündeten kann entgegengehalten werden, dass er den Beweis schon im Erstprozess hätte erbringen können. Der Beweis im Folgeprozess ist ihm dann nicht mehr möglich, wenn er auch in diesem beweisbelastet ist.573 In den Vorstandshaftungsfällen kommt damit bei einer Streitverkündung im Haftungsprozess als dem Erstprozess den in diesem getroffenen Feststellungen eine Interventionswirkung für den Rückgriffsprozess als dem Folgeprozess zu. Soweit das Gericht im Haftungsprozess Feststellungen zur Organangehörigkeit, zur Nichterfüllung von Pflichten, zum Verschulden, zum Schaden und zur Kausalität trifft, kann deren Unrichtigkeit im Rückgriffsprozess nicht mehr geltend gemacht werden. Dies gilt dann nach der Regelung in § 68 ZPO für alle übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder, denen das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied im Haftungsprozess den Streit verkündet hat, unabhängig von ihrem Beitritt. Insoweit ist die Streitverkündung grundsätzlich ein starkes Verteidigungsmittel. Unklar ist jedoch, ob die Interventionswirkung die Position des in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieds tatsächlich stärkt. Denn letztlich ergeben sich nur dann Auswirkungen auf den Rückgriffsprozess, wenn das Gericht im Haftungsprozess Feststellungen getroffen hat, die für den Ausgang des Rückgriffsprozesses erheblich sind. In den Vorstandshaftungsfällen sind dies jedenfalls die Feststellungen zur Haftung des in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieds nach § 93 II 1 AktG. Diese sind für den Rückgriffsprozess jedoch kaum von Interesse. Denn sie könnten nur den Einwand verhindern, dass das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied gegenüber der Gesellschaft nicht haftet. Diese Feststellung ist allenfalls im Zusammenhang mit dem Tatbestandsmerkmal Gesamtschuldner in § 426 I 1 BGB und § 426 II 1 BGB i.V.m. § 93 II 1 AktG relevant. Die übrigen Vorstandsmitglieder werden sich aber nicht mit dem Einwand verteidigen, dass das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied, das nun gem. § 426 BGB bei ihnen Rückgriff nehmen will, nicht gemeinsam mit ihnen nach § 93 II 1 AktG gesamtschuldnerisch haftet. Vielmehr werden sie vortragen, dass sie selbst den Tatbestand des § 93 II 1 AktG nicht erfüllt haben und sie daher auch die Rechtsfolge der Haftung als Gesamtschuldner nicht trifft.574 Dieser Einwand ist ihnen jedoch nur dann abgeschnitten, wenn das Gericht hierzu tragende Feststellungen im Urteil des Haftungsprozesses getroffen hat. Dies ist denkbar, wenn sich der Klageantrag der Gesellschaft im 571
BGHZ 157, 97, 99; OLG Köln NJW-RR 1992, 119, 120; Bischof, JurBüro 1984, 1141, 1143; Saenger/Bendtsen, § 68 Rn. 7; Zöller/Althammer, § 68 Rn. 10; Musielak/Voit/Weth, § 68 Rn. 4. 572 H.M. BGHZ 16, 217, 229; BGHZ 85, 252, 258; MüKo-ZPO/Schultes, § 68 Rn. 16; Zöller/Althammer, § 68 Rn. 10; Musielak/Voit/Weth, § 68 Rn. 4. 573 Vgl. BGHZ 16, 217, 229; BGHZ 85, 252, 258; OLG Düsseldorf NJW 1992, 1177; Saenger/Bendtsen, § 68 Rn. 8; Zöller/Althammer, § 68 Rn. 10; Musielak/Voit/Weth, § 68 Rn. 4; zum Streitstand Wieczorek/Schütze/Mansel, § 68 Rn. 115 f. 574 Vgl. dazu 1. Teil B. II. 2. a) aa), S. 70.
B. Das Rückgriffsverhältnis
113
Haftungsprozess darauf erstreckte. Davon ist in den Vorstandshaftungsfällen allerdings nicht auszugehen, in denen die Gesellschaft ihre Klage nur gegen einzelne Vorstandsmitglieder richtet und die übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder schonen will. Damit ist durch die Formulierung des Klageantrags bereits im Voraus festgelegt, ob und wenn ja, in welchem Rahmen eine Streitverkündung das Risiko des doppelten Prozessverlusts vermeiden kann. Das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied hat darauf keinen Einfluss. bb) Subjektive Reichweite der Interventionswirkung Die Interventionswirkung erstreckt sich gem. § 74 ZPO i.V.m. § 68 ZPO subjektiv nur auf das Verhältnis zwischen dem Streitverkündeten und der Hauptpartei, der er beigetreten ist, nicht dagegen auf die Gegenpartei.575 Damit erscheint es auch für die Interventionswirkung relevant, ob und wenn ja, welcher Partei der Streitverkündete beitritt. Erfolgt ein wirksamer Beitritt zum Streitverkünder, so tritt die Interventionswirkung unabhängig davon ein, ob die Streitverkündung zulässig war oder nicht.576 Unklar ist dagegen, wie sich die Streitverkündung auswirkt, wenn der Streitverkündete nicht dem Streitverkünder, sondern dessen Gegner, in den Vorstandshaftungsfällen also der Gesellschaft beitritt. Im Verhältnis zum Streitverkünder stellt sich der Beitritt des Streitverkündeten zur gegnerischen Partei als Nichtbeitritt dar.577 Größtenteils wird angenommen, dass die Interventionswirkung dann in gleicher Weise eintritt, wie wenn kein Beitritt erfolgt wäre.578 Erfolgt kein Beitritt, so ist § 68 ZPO über die Verweisung in § 74 III ZPO anwendbar, wenn die Streitverkündung gem. § 73 ZPO formal wirksam und gem. § 72 ZPO zulässig war.579 Daher obliegt es dem in Anspruch genommenen Vorstandsmitglied bei der Streitverkündung darauf zu achten, dass alle ihre Voraussetzungen wirksam erfüllt sind, damit die Interventionswirkung unabhängig vom Beitritt der streitverkündeten Vorstandsmitglieder eintreten kann. Nur dann greift die Streitverkündung in jedem Fall. Unklar ist auch, ob die Interventionswirkung im Folgeprozess nur zu Gunsten des Streitverkünders als Hauptpartei oder auch zu dessen Lasten und damit zu Gunsten des Streitverkündeten geltend gemacht werden kann. Teilweise wird vertreten, dass generell eine Wirkung zu Lasten des Streitverkünders als Hauptpartei möglich sein
575
BGH NJW-RR 1990, 121 f.; Musielak/Voit/Weth, § 68 Rn. 5; Zöller/Althammer, § 68 Rn. 6; Wieczorek/Schütze/Mansel, § 68 Rn. 140; MüKo-ZPO/Schultes, § 68 Rn. 7. 576 Wieczorek/Schütze/Mansel, § 74 Rn. 32. 577 Saenger/Bendtsen, § 68 Rn. 4; Musielak/Voit/Weth, § 74 Rn. 3. 578 BGHZ 85, 252, 255; BGHZ 103, 275, 278; BGH NJW 2004, 1521, 1522; Saenger/ Bendtsen, § 68 Rn. 6. 579 Zur Zulässigkeit bereits oben 1. Teil A. IV. 1. a) aa), S. 47 f.
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1. Teil: Darstellung der Ist-Situation
soll,580 was sich nach § 242 BGB aus Gründen der prozessualen Chancengleichheit ergebe.581 Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung, die für die Beurteilung der Ist-Situation maßgeblich ist, greift die Interventionswirkung dagegen prinzipiell nur zu Gunsten der Hauptpartei, also des Streitverkünders.582 Dies wird aus dem Zweck der Streitverkündung gefolgert, der darin liege, das Risiko des Streitverkünders zu vermeiden, einen doppelten Prozessverlusts zu erleiden.583 Allerdings wird die Interventionswirkung als unteilbar angesehen,584 wodurch der Grundsatz, dass die Interventionswirkung nur zugunsten des Streitverkünders eintritt, erheblich relativiert wird. Denn tritt die Interventionswirkung ein, so müssen auch Feststellungen zu Gunsten des Streitverkündeten und zu Lasten der streitverkündenden Hauptpartei berücksichtigt werden, wenn sie mit denjenigen zu Gunsten der streitverkündenden Hauptpartei zusammenhängen.585 b) Materiell-rechtliche Wirkung Materiell-rechtlich hemmt die Zustellung der Streitverkündung gem. § 204 I Nr. 6 BGB die Verjährung. Gem. § 204 II BGB endet die Hemmung sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens. Gem. § 209 BGB wird der Zeitraum, in dem die Verjährung gehemmt ist, nicht in die Verjährungsfrist eingerechnet. Die Verjährungshemmung tritt auch dann ein, wenn der Streitverkünder im Erstprozess obsiegt.586 Sie richtet sich nach dem Streitverkündungsgrund und erstreckt sich daher auf alle in der Streitverkündungsschrift erfassten Ansprüche, für deren Bestehen es tatsächlich oder rechtlich auf den Ausgang des Erstprozesses
580
Gerhardt, ZZP 108 (1995), 546, 551; Häsemeyer, ZZP 84 (1971), 179, 198 f.; Stein/ Jonas/Jacoby, § 68 Rn. 19 ff.; Wieczorek/Schütze/Mansel, § 68 Rn. 141 f.; für den Fall des Beitritts auch Schneider MDR 1961, 3, 7 f. 581 Gerhardt, ZZP 108 (1995), 546, 551; Wieczorek/Schütze/Mansel, § 68 Rn. 142; Stein/ Jonas/Jacoby, § 68 Rn. 20. 582 RG JW 1933, 1064 f.; RG JW 1937, 1434; RGZ 153, 271, 274; BGHZ 100, 257, 260; BGH NJW 1987, 2874; BGH NJW 1997, 2385, 2386; BGH NJW 2015, 1824, 1825; OLG Köln NJW-RR 1995, 1085; zustimmend MüKo-ZPO/Schultes, § 68 Rn. 9 ff.; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 68 Rn. 2; Zöller/Althammer, § 68 Rn. 6; Musielak/Voit/Weth, § 68 Rn. 5. 583 BGH NJW 2009, 1488, 1490; BGHZ 116, 95, 100; Zöller/Althammer, § 72 Rn. 1; Knöringer, JuS 2007, 335, 336, 337; Wieczorek/Schütze/Mansel, § 72 Rn. 4. 584 Zöller/Althammer, § 68 Rn. 6; MüKo-ZPO/Schultes, § 68 Rn. 13. 585 Vgl. RGZ 153, 271, 274; BGH NJW-RR 1989, 766, 767; OLG Köln NJW-RR 1995, 1085; Zöller/Althammer, § 68 Rn. 6; MüKo-ZPO/Schultes, § 68 Rn. 13. 586 BGHZ 36, 212, 214 ff.; BGHZ 65, 127, 131; OLG Hamburg VersR 1984, 1049; Stein/ Jonas/Jacoby, § 72 Rn. 16; MüKo-ZPO/Schultes, § 74 Rn. 11; Zöller/Althammer, § 74 Rn. 8.
B. Das Rückgriffsverhältnis
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ankommt.587 Die hemmende Wirkung tritt danach nur dann ein, wenn die fraglichen Ansprüche bei der Streitverkündung auch benannt wurden.588 So hemmt die Geltendmachung von Ansprüchen aus eigenem Recht nicht die Verjährung der Ansprüche aus fremdem oder abgetretenem Recht.589 In den Vorstandshaftungsfällen muss das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied bei der Streitverkündung daher sowohl den Anspruch aus § 426 I 1 BGB als auch den Anspruch aus § 426 II 1 BGB i.V.m. § 93 II 1 AktG als Streitverkündungsgrund anführen. Uneinigkeit besteht darüber, ob die Verjährungshemmung auch eintritt, wenn die Streitverkündung unzulässig oder unwirksam war. Teilweise soll ihr jedenfalls dann die verjährungshemmende Wirkung versagt werden, wenn die Streitverkündung als unzulässig zurückgewiesen wurde.590 Dagegen wird vertreten, dass es für die Hemmungswirkung auf die Zulässigkeit gerade nicht ankomme,591 da dies auch der geltenden Rechtslage bei den übrigen Hemmungstatbeständen des § 204 I BGB entspricht.592 Nach der Rechtsprechung tritt die Verjährungshemmung nur dann ein, wenn die Streitverkündung nach den §§ 72, 73 ZPO zulässig war.593 Da diese für die Beurteilung der Ist-Situation der Innenhaftung in der Praxis maßgeblich ist, ist den in Anspruch genommenen Vorstandsmitgliedern zu raten, bei der Streitverkündung darauf genau zu achten. Dies ist insbesondere deshalb wichtig, da die Streitverkündung zwar bereits im Erstprozess, in den Vorstandshaftungsfällen also im Haftungsprozess erklärt wird, ihre Zulässigkeit aber erst im Folgeprozess, hier also im Regressprozess, geprüft wird,594 wenn sich die Frage stellt, ob die Ansprüche verjährt sind. Anders als bei der Interventionswirkung macht ein Beitritt zum Erstprozess die Prüfung der Zulässigkeit auch nicht entbehrlich.595 Ob und wie eine Heilung erfolgen kann, ist unklar. Vor der Schuldrechtsreform wurde § 212 BGB a.F. analog heran587 Vgl. BGHZ 175, 1 Rn. 27 f.; BGHZ 179, 361 Rn. 22, 31; BGH WM 2010, 372, 373; BGH NJW 2012, 674, 675; BGH NJW-RR 2015, 1058, 1059; Musielak/Voit/Weth, § 74 Rn. 5; Erman/Schmidt-Räntsch, § 204 Rn. 20. 588 Vgl. BGHZ 175, 1 Rn. 28; BGH WM 2000, 1764, 1766. 589 BGHZ 175, 1 Rn. 28. 590 Zöller/Althammer, § 74 Rn. 9, 3; dagegen MüKo-ZPO/Schultes, § 74 Rn. 12. 591 BGHZ 65, 127, 130 f.; MüKo-ZPO/Schultes, § 74 Rn. 12; Althammer/Würdinger, NJW 2008, 2620 ff. 592 Vgl. BGHZ 160, 259, 261 ff.; MüKo-ZPO/Schultes, § 74 Rn. 12. 593 BGHZ 65, 127, 130 f.; BGH NJW 2002, 1414, 1416; BGHZ 160, 259, 263; BGHZ 175, 1 Rn. 22 ff., 23 mit Verweis auf BT-Drs. 14/6040 S. 114; BGHZ 179, 361 Rn. 19 ff.; BGH WM 2010, 372, 373; diese Ansicht teilend Zöller/Althammer, § 72 Rn. 9; Stein/Jonas/Jacoby, § 72 Rn. 16; Staudinger/Peters/Jacoby, § 204 Rn. 76; Erman/Schmidt-Räntsch, § 204 Rn. 19; MüKo-BGB/Grothe, § 204 Rn. 40; Palandt/Ellenberger, § 204 Rn. 21; Musielak/Voit/Weth, § 74 Rn. 5. 594 BGHZ 36, 212, 217; BGHZ 65, 127, 130 f.; BGHZ 100, 257, 259; BGHZ 160, 259, 263; BGHZ 179, 361 Rn. 18; Erman/Schmidt-Räntsch, § 204 Rn. 19; MüKo-ZPO/Schultes, § 72 Rn. 17; Zöller/Althammer, § 72 Rn. 1a. 595 BGHZ 175, 1 Rn. 14; BGHZ 179, 361 Rn. 21; Wieczorek/Schütze/Mansel, § 73 Rn. 17; dazu auch Zöller/Althammer, § 74 Rn. 9.
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1. Teil: Darstellung der Ist-Situation
gezogen, wonach die Verjährungsunterbrechung trotz unzulässiger Streitverkündung als mit dieser eingetreten angesehen wurde, wenn binnen sechs Monaten nach Feststellung ihrer Unzulässigkeit eine Klage gegen den Streitverkündeten erhoben wurde.596 Allerdings entfiel diese Norm mit der Schuldrechtsreform. Nunmehr ist zweifelhaft, ob eine Heilung gem. § 295 ZPO im Haftungs- oder Rückgriffsprozess eintreten kann. Teilweise wird dies für möglich gehalten, wenn die streitverkündeten Vorstandsmitglieder in der ersten auf den Beitritt folgenden Verhandlung im Haftungsprozess oder, falls kein Beitritt erfolgt, in der ersten Verhandlung im Rückgriffsprozess keine Rüge erheben.597 Die Heilung von Formmängeln hängt insoweit von der rügelosen Einlassung der übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder ab. c) Kostenfolge im Rückgriffsprozess Anders als im Haftungsprozess wirkt sich die Streitverkündung im Rückgriffsprozess nicht auf den prozessualen Kostenerstattungsanspruch aus. Denn sie verursacht in diesem regelmäßig keine zusätzlichen Kosten. Allerdings kommt ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch des Streitverkündeten gegen den Streitverkündenden in Betracht. Dieser ist gegeben, wenn dem Streitverkündeten aufgrund der Streitverkündung außergerichtliche Kosten entstanden sind, die er im Rahmen des Erstprozesses selbst tragen musste. Da § 101 I ZPO i.V.m. § 74 I ZPO nur die Kosten erfasst, die nach dem Beitritt zum Rechtsstreit entstanden sind, fallen unter einen solchen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch die außergerichtlichen Kosten, die dem Streitverkündeten bereits davor entstanden sind.598 Damit sind beispielsweise die Anwaltsgebühren umfasst, die für die Hinzuziehung eines Anwalts bereits vor dem Beitritt des Streitverkündeten im Erstprozess angefallen sind.599 Erfolgt die anwaltliche Vertretung des Streitverkündeten auf Grundlage einer Vergütungsvereinbarung nach Zeitabschnitten, so kommen auch diejenigen Rechtsanwaltskosten in Betracht, die die Gebührenhöhe des RVG übersteigen. Ferner kann sich ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch ergeben, wenn der Streitverkündete dem Rechtsstreit auf Seiten des Streitverkünders beigetreten ist und dieser im Vorprozess ganz oder teilweise unterlag, mit der Folge, dass gem. § 101 I Hs. 2 ZPO i.V.m. § 74 I ZPO die durch die Streitverkündung verursachten Kosten dem Streitverkündeten ganz oder teilweise auferlegt wurden.600
596
Vgl. BGH NJW 1976, 292, 293; BGHZ 96, 50, 53; Wieczorek/Schütze/Mansel, 3. Auflage (1994), § 68 Rn. 173. 597 Vgl. Zöller/Althammer, § 73 Rn. 4; Bischof, JurBüro 1984, 1310, 1314. 598 Musielak/Voit/Flockenhaus, § 101 Rn. 2; BeckOK-ZPO/Jaspersen, § 101 Rn. 5. 599 So für den Nebenintervenienten Jaspersen in: BeckOK-ZPO/Jaspersen, § 101 Rn. 5. 600 Zur Kostenfolge der Streitverkündung im Haftungsprozess s. o. 1. Teil A. IV. 1. a) bb) (2), S. 49 f.
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Diese Kosten kann der Streitverkündete gegen den Streitverkünder nicht bereits im Erstprozess geltend machen, sondern es bedarf hierfür eines gesonderten Rechtsstreits.601 Damit stellen sie eine Schadensposition dar, die im Rahmen des Folgeprozesses zum Beispiel durch eine Aufrechnung oder eine Widerklage geltend gemacht werden kann. Sie ist im Unterschied zu dem prozessualen Kostenerstattungsanspruch nicht auf die Gebühren nach dem RVG beschränkt und kann damit sehr hoch ausfallen. In den Vorstandshaftungsfällen besteht für das streitverkündende Vorstandsmitglied damit die Gefahr, dass das streitverkündete Vorstandsmitglied das gesamte Honorar durch Aufrechnung oder widerklagend geltend macht, das es seinem Anwalt aufgrund der Verteidigung infolge der Streitverkündung schuldet. Damit wird die Verteidigungswirkung der Streitverkündung durch ihr Kostenrisiko getrübt. d) Zeitlicher Anwendungsbereich Die Streitverkündung ist auf den Zeitraum nach der Klageerhebung im Haftungsprozess beschränkt. Da die Ansprüche aus § 93 II 1 AktG erst in fünf bzw. zehn Jahren nach ihrer Entstehung verjähren, kann sich die Gesellschaft regelmäßig Zeit lassen, diese einzuklagen. Die Ansprüche aus § 426 I 1 BGB unterliegen dagegen einer Verjährungsfrist von drei Jahren. Somit besteht die Gefahr, dass diese bereits verjährt sind, bevor eine Streitverkündung im Haftungsprozess überhaupt möglich ist. Dasselbe gilt auch für den Rückgriff nach § 426 II 1 BGB. Denn der Anspruch aus § 93 II 1 AktG unterliegt zwar einer fünf bzw. zehnjährigen Verjährungsfrist. Diese beginnt aber mit dem Übergang nach der Befriedigung der Gesellschaft nicht neu zu laufen. Zudem läuft sie auch in jedem Verhältnis zwischen der Gesellschaft und den mithaftenden Vorstandsmitgliedern gesondert ab. Greift die Gesellschaft erst zu einem späten Zeitpunkt prozessual auf das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied zu, so ist die Verjährung im Verhältnis zu diesem gehemmt. Im Verhältnis zu den übrigen mithaftenden Vorstandsmitgliedern ist sie dagegen nicht gehemmt. Sie kann daher unmittelbar im Anschluss gegen diese auch ablaufen. Für die Streitverkündung bleibt dann wenig Zeit. Ist im Verhältnis zu dem in Anspruch genommenen Vorstandsmitglied zuvor bereits ein anderes Ereignis eingetreten, das verjährungshemmende Wirkung hatte, so kann die Streitverkündung auch bei einem Rückgriff nach § 426 II 1 BGB ganz ins Leere gehen.
601
Musielak/Voit/Flockenhaus, § 101 Rn. 2; MüKo-ZPO/Schulz, § 101 Rn. 12.
118
1. Teil: Darstellung der Ist-Situation
2. Verjährungshemmende Maßnahmen Neben der Klageerhebung602 und der Streitverkündung603, die gem. § 204 I Nr. 1 BGB jeweils verjährungshemmende Wirkung besitzen, sind weitere verjährungshemmende Maßnahmen in den Grenzen des § 202 BGB denkbar. Im Haftungsverhältnis allerdings kommen individualvertragliche Regelungen, wie Vereinbarungen oder Verzichtserklärungen über die Verjährung, nur mit den Vorstandsmitgliedern in Betracht, die geschont werden sollen. Mit den Vorstandsmitgliedern, die der Aufsichtsrat als Vertretungsorgan der Gesellschaft in Anspruch nimmt, beabsichtigt er entsprechende Vereinbarungen dagegen regelmäßig gerade nicht. Dasselbe gilt für die weiteren Maßnahmen, die gem. §§ 203 ff. BGB die Verjährung von Ansprüchen hemmen, für die ebenfalls ein gewisser Verfolgungswille seitens der Gesellschaft erforderlich ist. Da dieser in den Vorstandshaftungsfällen in Bezug auf die zu schonenden Vorstandsmitglieder jedoch regelmäßig nicht gegeben sein wird, kommt als Hemmungstatbestand allenfalls noch das Schweben von Verhandlungen zwischen den Vorstandsmitgliedern und der Gesellschaft gem. § 203 BGB in Betracht. Auch dafür ist jedoch eine gewisse Gesprächsbereitschaft notwendig. Denn die Norm setzt voraus, dass sich die Parteien jedenfalls auf eine Erörterung über die Berechtigung des Anspruchs einlassen.604 Ob dies der Fall ist, hängt wiederum vom Willen des Aufsichtsrats ab. Letztlich kann das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied keinen Einfluss darauf nehmen, dass die Ansprüche der Gesellschaft gegen die übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder im Haftungsverhältnis nicht verjähren. Im Rückgriffsverhältnis hat das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied dagegen grundsätzlich die Möglichkeit, weitere verjährungshemmende Maßnahmen zu ergreifen. So kann es versuchen, Verjährungsvereinbarungen oder Verjährungsverzichtserklärungen mit den übrigen mithaftenden Vorstandsmitgliedern hinsichtlich der Ansprüche aus § 426 I 1 BGB und § 426 II 1 BGB i.V.m. 93 II 1 AktG abzuschließen. Allerdings ist es dabei auf deren Kooperationsbereitschaft angewiesen. Ferner kommen auch die in § 203 ff. BGB genannten alternativen Methoden der Streitbeilegung, wie eine Mediation oder ein Schiedsverfahren in Betracht. Allerdings ist bei diesen ebenfalls ein gewisses Zusammenwirken erforderlich. So muss die alternative Methode der Streitbeilegung im Vorhinein bereits vereinbart oder in der Konfliktsituation gemeinsam beschlossen werden. Denn für die Durchführung einer Mediation müssen sich die Parteien gem. § 278a II ZPO übereinstimmend 602 Zu den Voraussetzungen der Klage bzgl. des Anspruchs aus § 426 I 1 BGB s. o. 1. Teil B. II. 3., S. 84 ff., bzgl. des Anspruchs aus § 426 II 1 BGB i.V.m. § 93 II 1 AktG s. o. 1. Teil B. III. 3., S. 105 ff. 603 S. soeben 1. Teil B. IV. 1. b), S. 114 ff. sowie bereits unter 1. Teil A. IV. 1. a), S. 46 ff. 604 BGHZ 182, 76 Rn. 16; HK-BGB/Dörner, § 203 Rn. 2; Jauernig/Mansel, § 203 Rn. 2; MüKo-BGB/Grothe, § 203 Rn. 5.
B. Das Rückgriffsverhältnis
119
entscheiden.605 Auch ein Schiedsverfahren zeichnet sich durch Freiwilligkeit aus,606 weshalb nach §§ 1029 II ZPO eine entsprechende Vereinbarung oder Klausel vorliegen muss.607 Allenfalls mit einem Güteverfahren kann im Rückgriffsverhältnis Zeit gewonnen werden.608 Denn bereits die Veranlassung eines Güteantrags nach § 204 I Nr. 4 BGB hat verjährungshemmende Wirkung. Nach der Rechtsprechung des BGH ist es auch grundsätzlich legitim, wenn ein Antragsteller eine Gütestelle ausschließlich zum Zwecke der Verjährungshemmung anruft.609 Die Verjährung beginnt mit Veranlassung der Bekanntgabe des Güteantrags und endet sechs Monate nach der Beendigung des Güteverfahrens.610 Allerdings ist die Hemmung der Verjährung auch auf diesem Weg nur möglich, wenn nicht bereits vor der Einreichung des Güteantrags feststeht, dass der Antragsgegner nicht bereit ist, an einem Güteverfahren mitzuwirken und sich auf eine außergerichtliche Einigung einzulassen.611 Denn hat er dies schon im Vorfeld in eindeutiger Weise mitgeteilt, so ist die Antragstellung bei der Gütestelle rechtsmissbräuchlich.612 Eine Berufung auf die Verjährungshemmung durch Bekanntgabe des Güteantrags ist dann nach § 242 BGB verwehrt.613 In den Vorstandshaftungsfällen ist daher darauf zu achten, dass die übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder insoweit noch keine endgültige Aussage getroffen haben, dann kann jedenfalls die Einleitung eines Güteverfahrens einen kurzfristigen Zeitgewinn bedeuten.
V. Schadensersatz bei Verletzung der Pflichten aus dem Rückgriffsverhältnis Kommen die übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder ihren Pflichten aus § 426 I 1 BGB nicht nach, haften sie dem in Anspruch genommenen Vorstandsmitglied nach den §§ 280 ff. BGB.614 Sie schulden den Ersatz der Schäden, die vor der 605 Musielak/Voit/Foerste, § 278a Rn. 2; Saenger/Saenger, § 278a Rn. 9; MüKo-ZPO/ Ulrici, § 278a Rn. 13. 606 MüKo-ZPO/Münch, Vor. § 1025 Rn. 13. 607 Musielak/Voit/Voit, § 1029 Rn. 1 ff.; Saenger/Saenger, § 1029 Rn. 1, 7 ff.; MüKo-ZPO/ Münch, § 1029 Rn. 44. 608 Vgl. zu dieser Möglichkeit ausführlich Assies/Faulenbach, BKR 2015, 89 ff.; Duchstein, NJW 2014, 342 ff.; Friedrich, NJW 2003, 1781 ff.; May/Moser, NJW 2015, 1637 ff.; Wagner, BKR 2013, 108 ff. 609 BGHZ 123, 337, 345; BGH NJW 2016, 233, 235. 610 Zum Beendigungszeitpunkt vgl. BGH NJW 2016, 236 ff. 611 BGH NJW 2016, 233, 235. 612 BGH NJW 2016, 233, 235. 613 BGH NJW 2016, 233, 235; BGH NJW 2015, 3162. 614 Vgl. RGZ 79, 288, 291; BGH NJW 1971, 884; BGH NJW 2003, 2980, 2981; Staudinger/ Looschelders, § 426 Rn. 100; Erman/Böttcher, § 426 Rn. 1, 12; Soergel/Gebauer, § 426 Rn. 15.
120
1. Teil: Darstellung der Ist-Situation
Befriedigung durch die verzögerte oder ausgebliebene Befreiung, Freistellung oder Mitwirkung oder nach der Befriedigung durch unterlassene Zahlung oder Ausgleichsleistung entstanden sind. Der Schaden des in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieds liegt insbesondere in der Bereitstellung der gesamten Schadenssumme. Wenn es einen Kredit aufnehmen musste, um den Betrag vorzustrecken, sind die hierfür angefallenen Zinsen ersatzfähig.615 Der Schadensersatzanspruch kann daneben auch die Prozesskosten des Haftungsprozesses umfassen.616 Hierfür müssen die Verzugsvoraussetzungen617 oder § 280 I BGB erfüllt sein.618 Insoweit geht der Anspruch weiter als der ursprüngliche Anspruch aus § 426 I 1 BGB.619 Allerdings stehen der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nach §§ 280 ff. BGB dieselben Hindernisse entgegen, wie der Geltendmachung der Ansprüche aus § 426 I 1 BGB. Denn das Bestehen der Pflicht aus § 426 I 1 BGB ist eine Voraussetzung für den Schadensersatzanspruch nach den §§ 280 ff. BGB. Kann diese nicht schlüssig vorgetragen, dargelegt und bewiesen werden, so ist auch ein Schadensersatzanspruch nicht realisierbar. Zudem ordnet § 217 BGB einen Gleichlauf der Verjährung von Nebenleistungen an, zu denen auch Verzugsschäden zählen.620 Danach verjährt der Anspruch aus §§ 280 II, 286 BGB mit dem Hauptanspruch aus § 426 I 1 BGB, mit dessen Erfüllung die übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder in Verzug sind.621 Insoweit besteht dasselbe Verjährungsrisiko, wie bei den Ansprüchen aus § 426 I 1 BGB. Nur, soweit die Schadensersatzansprüche nicht auf die Restitution eines Verzugsschadens gerichtet sind, kann aus ihrem späteren Verjährungsbeginn ein späteres Verjährungsende folgen. Hinzu tritt, dass sich die Risiken der Inanspruchnahme für die einzelnen in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieder in dem Zeitpunkt bereits verwirklicht haben, in dem eine Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nach § 280 ff. BGB in Betracht kommt. Denn Schadensersatzansprüche wirken naturgemäß immer erst nachträglich. Einen frühen Zugriff gewähren sie nicht und können so auch nicht dem Risiko der Insolvenz der übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder entgegen wirken. Auch der Liquiditätsnachteil ist bei dem in Anspruch genommenen Vor615
MüKo-BGB/Bydlinski, § 426 Rn. 71; Staudinger/Looschelders, § 426 Rn. 100. BGH VersR 1969, 1039, 1040; BGH NJW 1971, 884, 885; BGHZ 155, 265, 270 f.; OLG Neustadt NJW 1963, 494; MüKo-BGB/Bydlinski, § 426 Rn. 24; differenzierend Stamm, NJW 2003, 2940, 2943. 617 Erman/Böttcher, § 426 Rn. 12. 618 Staudinger/Looschelders, § 426 Rn. 100, 46, 131. 619 Vgl. BGH NJW 1971, 884, 885; BGHZ 155, 265, 270 f.; Staudinger/Looschelders, § 426 Rn. 45; Erman/Böttcher, § 426 Rn. 12; Palandt/Grüneberg, § 426 Rn. 6; Soergel/Gebauer, § 426 Rn. 29; Prediger, S. 161. 620 Begr. RegE, BT-Drs. 14/6040 S. 124; BGHZ 128, 74, 77 f.; MüKo-BGB/Grothe, § 217 Rn. 1; Staudinger/Peters/Jacoby, § 217 Rn. 5; für eine analoge Anwendung Palandt/Ellenberger, § 217 Rn. 1. 621 Vgl. ausführlich dazu Ostendorf/von Laer, NJW 2013, 1479 ff. 616
C. Gesamtergebnis: 1. Teil
121
standsmitglied zu diesem Zeitpunkt regelmäßig schon eingetreten und das Rechtsverfolgungsrisiko besteht ebenfalls fort. Damit können auch die Schadensersatzansprüche aus §§ 280 ff. BGB die Risiken und Nachteile aus der Inanspruchnahme nicht maßgeblich verringern und sind als Verteidigungsmittel in den Vorstandshaftungsfällen daher wenig geeignet.
C. Gesamtergebnis: 1. Teil 1.
Voraussetzung der Haftung nach § 93 II 1 AktG ist, dass Vorstandsmitglieder ihre Pflichten schuldhaft verletzen und der Aktiengesellschaft hieraus adäquat kausal ein Schaden entsteht.622
2.
Die Rechtsfolgen der Haftung sind weitreichend. Nach § 421 S. 1 BGB kann die Gesellschaft als Gläubigerin die Leistung nach ihrem Belieben von jedem einzelnen der mithaftenden Vorstandsmitglieder ganz oder zu einem Teil fordern.623
3.
Für die Rechtsverfolgung ist der Aufsichtsrat originär zuständig, wobei er nur mit Zustimmung der Hauptversammlung auf die Ansprüche verzichten oder sich über sie vergleichen darf.624 Die Rechtsverfolgung in Vorstandshaftungsfällen nahm nach dem ARAG/Garmenbeck-Urteil merklich zu,625 wobei teilweise auch der Abschluss von Vergleichs- und Verzichtsvereinbarungen mit den Vorstandsmitgliedern in Betracht gezogen wurde.626 Die D&O-Versicherung deckt das Haftungsrisiko nicht in allen Fällen und oft nicht in voller Höhe ab.627 Überlegungen, die Haftung von Vorstandsmitgliedern generell zu beschränken, konnten sich bislang nicht durchsetzen.628 Teilweise hat sich eine Praxis herausgebildet, wonach die Innenhaftungsansprüche nicht gegen alle, sondern nur gegen einzelne Vorstandsmitglieder geltend gemacht werden.629
4.
Die in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieder tragen in dieser Konstellation Risiken und Nachteile, denen die übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder nicht ausgesetzt sind, darunter das Verteidigungsrisiko, das Kostenrisiko, das Liquiditätsrisiko, das Risiko eigener Zahlungsunfähigkeit, sowie das Risiko, dass die übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder zahlungsunfähig werden und ein Regress nicht möglich ist.630 622 623 624 625 626 627 628 629 630
S. o. 1. Teil A. I., S. 21 ff. S. o. 1. Teil A. II., S. 30 ff. S. o. 1. Teil A. III. 1., S. 37 f. S. o. 1. Teil A. III. 2. a), S. 38 f. S. o. 1. Teil A. III. 2. b), S. 39 f. S. o. 1. Teil A. III. 3., S. 40 f. S. o. 1. Teil A. III. 4., S. 41 ff. S. o. 1. Teil A. III. 5., S. 44 f. S. o. 1. Teil A. IV., S. 46 ff.
122
1. Teil: Darstellung der Ist-Situation
5.
Die Ansprüche aus dem Rückgriffsverhältnis können die Risiken und Nachteile, die sich aus der ungleichen Inanspruchnahme ergeben, nur unzureichend ausgleichen. Die Ansprüche aus § 426 I 1 BGB und § 426 II 1 BGB i.V.m. § 93 II 1 AktG sind zeitlich und inhaltlich in ihrer Anwendung und Wirkung begrenzt.631
6.
Der materiell-rechtlichen Durchsetzbarkeit der Rückgriffsansprüche können Einreden und Einwendungen entgegenstehen. Tatsachen und Ereignisse aus dem Haftungsverhältnis können dem Anspruch aus § 426 I 1 BGB gem. §§ 422 – 425 BGB und dem Anspruch aus § 426 II 1 BGB i.V.m. § 93 II 1 AktG gem. § 412, 404 BGB entgegengehalten werden.632
7.
Die Rückgriffsansprüche aus § 426 I 1 BGB und § 426 II 1 BGB i.V.m. § 93 II 1 AktG werden mit der Leistungsklage geltend gemacht.633 Bei beiden Rückgriffsmöglichkeiten ergeben sich Hürden bei der Formulierung des bestimmten Klageantrags634 und beim schlüssigen Vortrag sowie der Darlegung und dem Beweis der den Anspruch begründenden Tatsachen.635 Die prozessuale Geltendmachung des Rückgriffsanspruchs aus § 93 II 1 AktG i.V.m. § 426 II 1 BGB ist überdies dadurch gekennzeichnet, dass der Anspruch aus § 93 II 1 AktG gem. § 426 II 1 BGB auch prozessual in seinem jeweiligen Bestand auf das leistende Vorstandsmitglied übergeht.636
8.
Eine Streitverkündung im Haftungsprozess verbessert die Ist-Situation nur teilweise. Sie hat zwar Interventionswirkung, jedoch können die in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieder auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen, und sie kann zur Folge haben, dass Feststellungen zu ihren Lasten berücksichtigt werden müssen.637 Die verjährungshemmende Wirkung der Streitverkündung tritt nur ein, wenn die Zulässigkeitsvoraussetzungen in §§ 72, 73 ZPO erfüllt waren, wobei dies erst im Rückgriffsprozess gerichtlich übergeprüft wird.638 Das mit ihr verbundene Kostenrisiko ist hoch,639 sie ist zudem auf den Zeitraum nach Klageerhebung beschränkt, sodass ihre verjährungshemmenden Wirkung teilweise ins Leere geht.640
9.
Andere verjährungshemmende Maßnahmen kommen grundsätzlich in Betracht, setzen jedoch im Haftungsverhältnis einen entsprechenden Verfolgungswillen der Gesellschaft, im Rückgriffsverhältnis mit Ausnahme der des Gütetrags einen 631 632 633 634 635 636 637 638 639 640
S. o. 1. Teil B. II. 1., S. 61 ff. und 1. Teil B. III. 1., S. 101 ff. S. o. 1. Teil B. II. 2., S. 69 ff. und 1. Teil B. III. 2., S. 104 f. S. o. 1. Teil B. II. 3. a), S. 84 ff. und 1. Teil B. III. 3. a), S. 105 f. S. o. 1. Teil B. II. 3. b), S. 86 ff. und 1. Teil B. III. 3. c), S. 107 ff. S. o. 1. Teil B. II. 3. c), S. 89 ff. und 1. Teil B. III. 3. c), S. 107 ff. S. o. 1. Teil B. III. 3. b), S. 106 f. S. o. 1. Teil B. IV. 1. a), S. 111 ff. S. o. 1. Teil B, IV. 1. b), S. 114 ff. S. o. 1. Teil B. IV. 1. c), S. 116 f. S. o. 1. Teil B. IV. 1. d), S. 117.
C. Gesamtergebnis: 1. Teil
123
Konsens mit den übrigen mithaftenden Vorstandsmitgliedern voraus. Auf beides hat das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied in der Konfliktsituation der Vorstandshaftungsfälle regelmäßig keinen Einfluss.641 10. Erfüllen die übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder ihre Pflichten aus § 426 I 1 BGB nicht, so stehen dem in Anspruch genommenen Vorstandsmitglied in den Vorstandshaftungsfällen Schadensersatzansprüche gegen diese zu, die jedoch immer erst nachträglich geltend gemacht werden können und denen mitunter dieselben Hindernisse entgegenstehen, wie der Geltendmachung des Anspruchs aus § 426 I 1 BGB.642
641 642
S. o. 1. Teil B. IV. 2., S. 118 f. S. o. 1. Teil B. V., S. 119 ff.
2. Teil
Korrekturbedarf der Ist-Situation A. Konkreter Gegenstand und Inhalt der Prüfung Eine Rechtslage ist korrekturbedürftig, wenn die Anwendung einer Regelung auf die Ist-Situation unsachgerecht ist. Um dies festzustellen, müssen zunächst die Rechtstatsachen und Normen bestimmt werden, die den konkreten Prüfungsgegenstand ausmachen.
I. Rechtstatsachen Die entscheidungserheblichen Rechtstatsachen wurden im ersten Teil der Arbeit bereits ausführlich dargestellt.643 Die zu prüfende Regelungsmaterie ist die Situation einzelner Vorstandsmitglieder, die von den jeweiligen Vertretern der Aktiengesellschaft aus mehreren mithaftenden Vorstandsmitgliedern ausgewählt und in Anspruch genommen werden. Damit einher geht regelmäßig auch die Entscheidung, die Ansprüche gegen die übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder nicht geltend zu machen.
II. Normen Reicht das Störgefühl, das nach der Darstellung der Ist-Situation aufkommt, allein nicht aus, um einen Korrekturbedarf zu bejahen, so ist es dennoch ein Anknüpfungspunkt für dessen Ermittlung. Normativ bietet die aktienrechtliche Vorstandshaftung verschiedene Anknüpfungspunkte für eine Korrektur. Denn die Ist-Situation der Vorstandsmitglieder folgt aus einem Zusammenspiel der spezialgesetzlichen Innenhaftungsnorm in § 93 II 1 AktG mit den Gesamtschuldregelungen des allgemeinen Schuldrechts in den §§ 421 ff. BGB. So ergeben sich die Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Haftung aus § 93 II 1 AktG i.V.m. § 421 S. 1 BGB. Der Regress ist in § 426 I 1 BGB und § 426 II 1 BGB geregelt und die wechselseitigen Auswirkungen von Tatsachen und Ereignissen auf die verschiedenen Schuldverhältnisse zwischen den Vorstandsmitgliedern und der Gesellschaft folgen aus den 643
S. o. 1. Teil, S. 21 ff.
A. Konkreter Gegenstand und Inhalt der Prüfung
125
§§ 423 – 425 BGB bzw. aus § 412 BGB i.V.m. § 404 BGB. Daraus resultiert ein umfassendes System, das sowohl das Haftungsverhältnis zwischen geschädigter Gesellschaft und schädigenden Vorstandsmitgliedern als auch das Rückgriffsverhältnis der haftenden Vorstandsmitglieder untereinander regelt. In diesem gilt es zunächst diejenigen Regelungen herauszufinden, die im Verdacht stehen, den Gegebenheiten nicht gerecht zu werden, die sie erfassen und regeln. 1. Gemeinschaftliche Haftung nach § 93 II 1 AktG So kann die gemeinschaftliche Haftung der Vorstandsmitglieder als Gesamtschuldner ein Anknüpfungspunkt für Korrekturen sein. Dass allerdings aus einer verschuldeten Pflichtverletzung, die adäquat kausal zu einem Schaden führt, ein Ersatzanspruch folgt, ist ein dem allgemeinen Schuld- und Deliktsrecht immanentes Prinzip. Wenn für diesen Schaden mehrere nebeneinander verantwortlich sind, so haften sie auch nach der allgemeinen Regelung in § 840 BGB als Gesamtschuldner. Einhellig anerkannt ist dabei auch der Grundsatz der Totalreparation, wonach immer der gesamte Schaden zu ersetzen ist, wenn ein Haftungsgrund vorliegt.644 Wie bereits dargestellt, wird dieser Grundsatz bei der Innenhaftung von Vorstandsmitgliedern vielfach infrage gestellt.645 Jedoch kann das Risiko der Haftung für die Existenz eines Schuldners noch keine Enthaftung begründen.646 Nur in besonderen Fällen sieht die Rechtsordnung eine Ausnahme vor, wenn ein außergewöhnliches Schutzbedürfnis besteht.647 Im Übrigen gilt das Prinzip der unbeschränkten Vermögenshaftung, das im Recht der Zwangsvollstreckung und in der Insolvenzordnung zum Ausdruck kommt und nach dem jeder für seine finanzielle Leistungsfähigkeit einzustehen hat.648 Übersteigt die Haftungssumme das Vermögen eines Schuldners, und ist er daher zahlungsunfähig, so kann über sein Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet werden. Die Rechtsordnung bietet ihm nach den §§ 286 ff. InsO die Möglichkeit, mit dem Ablauf einer sechsjährigen Wohlverhaltensphase eine Restschuldbefreiung zu erlangen.649 Eine Korrektur dieses Mechanismus ist deshalb nicht angezeigt, weil sich die Vorstandshaftungsfälle an dieser Stelle nicht von anderen Haftungsfällen unterscheiden. Dass dabei regelmäßig hohe Schadenssummen ein644 Statt vieler Palandt/Grüneberg, Vor § 249 Rn. 3; Larenz, SchuldR AT I, § 31 I e) (S. 551). 645 S. o. 1. Teil A. III. 4., S. 41 ff. 646 Henssler, S. 73 ff.; Scholz, S. 227; in dieselbe Richtung Lange, Haftungsbegrenzung, S. 44 f.; sowie letztlich auch der Wille des Gesetzgebers, der den Vorschlag des 43. DJT, bei leichter Fahrlässigkeit aus Billigkeitsgründen eine Haftungserleichterung zuzulassen, nicht aufgenommen hat. 647 Vgl. Palandt/Grüneberg, Vor § 249 Rn. 3. 648 BT-Drs. 14/6040, 132; BGH NJW 2015, 1296; BGHZ 107, 92 102; BGHZ 150, 187, 194; Staudinger/Caspers, § 275 Rn. 74; Fikentscher/Heinemann, § 29 I (S. 163); Palandt/ Grüneberg, § 276 Rn. 28; Medicus, AcP 188 (1988) 489, 493, 501. 649 Ähnlich K. Schmidt/Lutter/Drygala, § 111 Rn. 12.
126
2. Teil: Korrekturbedarf der Ist-Situation
gefordert werden, ändert nichts an dieser Beurteilung. Denn ob der Schuldner diese aufbringen kann, richtet sich nicht nur nach ihrer Höhe. Daneben ist auch seine persönliche Leistungsfähigkeit ausschlaggebend. Eine Anpassung an diese würde die Ausgleichsfunktion650 des Schadensersatzes jedoch konterkarieren. Unabhängig von den sachlichen Gesichtspunkten spricht insbesondere ein persönlicher Aspekt gegen eine Korrektur der gemeinschaftlichen Haftung der Vorstandsmitglieder auf die komplette Schadenssumme. Denn diese beträfe das Verhältnis zwischen der Gesellschaft und dem in Anspruch genommenen Vorstandsmitglied. Korrekturen in diesem Verhältnis bestimmen die Verteilung des Haftungsrisikos zwischen Geschädigter und Schädigern. Jede Korrektur zu Gunsten des in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieds wäre ein Eingriff zu Lasten der Gesellschaft. Die im ersten Teil dargestellten Risiken und Nachteile wirken sich jedoch zwischen dem in Anspruch genommenen und den übrigen mithaftenden Vorstandsmitgliedern aus. Damit muss auch der Korrekturbedarf in diesem Verhältnis verortet werden. 2. Rückgriff nach § 426 BGB und wechselseitige Auswirkungen der Schuldverhältnisse gem. §§ 422 – 425 BGB und § 412 BGB i.V.m. § 404 BGB Das Verhältnis der haftenden Vorstandsmitglieder untereinander ist in den §§ 421 ff. BGB normiert. § 426 BGB regelt den Rückgriff. Die Wirkungen von Tatsachen und Ereignissen in den verschiedenen Schuldverhältnissen bestimmen sich für den Anspruch aus § 426 I 1 BGB nach den §§ 422 – 425 BGB und für den gem. § 426 II 1 BGB übergegangenen Anspruch aus § 93 II 1 AktG nach § 412 BGB i.V.m. § 404 BGB. Dabei handelt es sich jeweils um ein Regelungsgefüge des allgemeinen Schuldrechts. Als solches gelten diese Normen grundsätzlich für alle Gesamtschuldverhältnisse. An ihnen anzuknüpfen würde eine Folgenkorrektur ausschließlich im allgemeinen Zivilrecht bedeuten. Die Ursache für die unsachgerechte Ist-Situation des einzelnen in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieds liegt jedoch im Spezialgesetz. Denn die §§ 421 ff. BGB sind bloß die Konsequenz der Gesamtschuldanordnung bei der aktienrechtlichen Innenhaftung. Der Anknüpfungspunkt für die Prüfung des Korrekturbedarfs ist daher vorrangig im Aktiengesetz zu suchen. 3. Inanspruchnahme als Gesamtschuldner gem. § 93 II 1 AktG i.V.m. § 421 S. 1 BGB Die spezialgesetzliche Haftungsregelung in § 93 II 1 AktG verpflichtet die Vorstandsmitglieder als Gesamtschuldner. Damit verweist sie auf § 421 S. 1 BGB, 650 Erman/Ebert, Vor §§ 249 – 253 Rn. 1; Dauner-Lieb/Langen/Magnus, Vor §§ 249 – 255 Rn. 8 ff.; Palandt/Grüneberg, Vor § 249 Rn. 2; MüKo-BGB/Oetker, § 249 Rn. 8.
B. Normenkollisionen und Wertungswidersprüche
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wonach die jeweiligen Vertreter der Gesellschaft nach Belieben von jedem der Vorstandsmitglieder ganz oder zu einem Teil den Schadensersatz nach § 93 II 1 AktG fordern können. Daraus folgt die Teilung der Vorstandsmitglieder in zwei Gruppen, die in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieder und die übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder. Die Regelung in § 93 II 1 AktG i.V.m. § 421 S. 1 BGB ist damit der Auslöser für die Nachteile und die Risiken, die die in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieder im Gegensatz zu den übrigen mithaftenden Vorstandsmitgliedern tragen. Damit ist sie auch der normative Anknüpfungspunkt für die Frage nach dem Korrekturbedarf.
III. Prüfungsinhalt Inhaltlich befasst sich die Prüfung des Korrekturbedarfs damit, ob die Anwendung der freien Schuldnerauswahl gem. § 93 II 1 AktG i.V.m. § 421 S. 1 BGB auf die Fälle der Innenhaftung von Vorstandsmitgliedern in der Aktiengesellschaft den abstrakten, für jede Art von Gesetzen geltenden Zwecken entspricht,651 mithin die erfassten Fälle sachgerecht entscheidet und die gegenläufigen Interessen in Einklang bringt. Dies ist dann nicht der Fall, wenn sie gegen gesetzliche Vorschriften verstößt, wenn sie einzelnen Wertungen der Rechtsordnung widerspricht, oder, wenn sich Widersprüche im Vergleich mit gleichgelagerten Fällen ergeben. Zudem spricht für eine Korrektur, wenn die Normen des § 93 II 1 AktG i.V.m. 421 S. 1 BGB in den Vorstandshaftungsfällen ihren konkreten Zweck nicht erreichen können.
B. Normenkollisionen und Wertungswidersprüche Unklar ist, ob die Anwendung der freien Schuldnerauswahl in den Fällen der Innenhaftung von Vorstandsmitgliedern in der Aktiengesellschaft gem. § 93 II 1 AktG i.V.m. 421 S. 1 BGB mit der Rechtsordnung im Einklang steht. Dies muss bezweifelt werden, wenn sich dabei Kollisionen oder Wertungswidersprüche ergeben.652 Denn dann liegt nahe, dass die gesetzliche Rechtsfolgenanordnung nicht fehlerfrei gebildet ist. In Betracht kommen Kollisionen mit der Verbotsnorm des § 93 IV 3 AktG, mit den Prüf- und Verfolgungspflichten des Aufsichtsrats und der daraus folgenden Legalitätspflicht, mit den Grundsätzen der ARAG/GarmenbeckEntscheidung des BGH, mit der aktienrechtlichen Treuepflicht als Ausprägung des allgemeinen Gebots von Treu und Glauben sowie mit dem Gleichbehandlungsgebot.
651 652
Zur Methodik Wank, S. 71 ff. Allgemein zum Umgang mit Widersprüchen Vogel, S. 60 ff.
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2. Teil: Korrekturbedarf der Ist-Situation
I. Verstoß gegen das Vergleichs- und Verzichtsverbot aus § 93 IV 3 AktG Die uneingeschränkte Anwendung des § 421 S. 1 BGB bei der Schuldnerauswahl in den Vorstandshaftungsfällen könnte gegen die Regelungen in § 93 IV 3 AktG verstoßen. 1. Regelungsgehalt des § 93 IV 3 AktG Gem. § 93 IV 3 AktG kann die Gesellschaft erst drei Jahre nach der Entstehung des Anspruchs und nur dann auf Ersatzansprüche verzichten oder sich über sie vergleichen, wenn die Hauptversammlung zustimmt und eine bestimmte Minderheit keinen Widerspruch erhebt. Daraus folgt, dass Verzichte und Vergleiche innerhalb der Dreijahresfrist nichtig,653 nach Ablauf der Dreijahresfrist bis zur Zustimmung der Hauptversammlung schwebend unwirksam sind.654 Ist die Norm anwendbar, so hat § 93 IV 3 AktG als spezialgesetzliche Regelung des Aktienrechts Vorrang vor der Regelung des allgemeinen Schuldrechts in § 421 S. 1 BGB. Dies resultiert aus dem lex specialis-Gebot, wonach bei einer Konkurrenz von verschiedenen sich widersprechenden Normen die inhaltsreichere Sonderordnung vor der allgemeineren Ordnung anzuwenden ist.655 Die freie Schuldnerauswahl in § 421 S. 1 BGB würde dann durch die Verbotsnorm in § 93 IV 3 AktG beschränkt. 2. Anwendbarkeit des § 93 IV 3 AktG § 93 IV 3 AktG setzt voraus, dass ein Vergleich oder ein Verzicht vorliegt. § 779 BGB bestimmt den Begriff des Vergleichs per Legaldefinition als einen Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird. Die Nichtgeltendmachung von Ansprüchen ist von dieser Definition daher nicht gedeckt.656 Der Verzichtsbegriff dagegen ist nicht legaldefiniert. Im juristischen Kontext wird er immer dann verwendet, wenn ein Inhaber von Rechten diese durch eine Erklärung aufgibt, ohne sie auf einen anderen zu übertragen, und dies zum Erlöschen dieser
653 BGHZ 202, 26 Rn. 32; Spindler/Stilz/Fleischer, § 93 Rn. 288; Fleischer, in: Hdb VorstR, § 11 Rn. 107; GK-AktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 533; KK-AktG/Mertens/Cahn, § 93 Rn. 174; Hölters/Hölters, § 93 Rn. 316; MüKo-AktG/Spindler, § 93 Rn. 254. 654 Spindler/Stilz/Fleischer, § 93 Rn. 288; Fleischer, in: Hdb VorstR, § 11 Rn. 107; von Godin/Wilhelmi, § 93 Anm. 25; GK-AktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 535 a.A. Heidel/U. Schmidt, § 93 Rn. 138, der auch hier Nichtigkeit annimmt. 655 Vogel, S. 61 f., 63. 656 So auch Unmuth, S. 100.
B. Normenkollisionen und Wertungswidersprüche
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Rechte führt.657 Dies entspricht dem allgemeinen Sprachgebrauch, wonach verzichten bedeutet, dass eine Position nicht oder nicht länger geltend gemacht wird, aufgegeben wird oder auf eine Verwirklichung oder Erfüllung nicht länger bestanden wird.658 Daher fallen unter anderem der Erlassvertrag gem. § 397 I BGB sowie das negative Schuldanerkenntnis gem. § 397 II BGB unter den Verzichtsbegriff.659 Überwiegend wird von einem weiten Verständnis des Verzichtsbegriffs in § 93 IV 3 AktG ausgegangen, wonach § 93 IV 3 AktG neben dem ausdrücklichen Verzicht auch andere Rechtshandlungen erfassen soll, die den Ersatzanspruch ausschließen oder schmälern.660 Sie müssen einem Verzicht nur tatsächlich oder wirtschaftlich entsprechen.661 Nach der Rechtsprechung des BGH sind die Vorgaben des § 93 IV 3 AktG immer dann einzuhalten, wenn der Bestand oder die Durchsetzbarkeit des Schadensersatzanspruchs durch die Rechtshandlung des Aufsichtsrats unmittelbar berührt wird.662 Unklar ist, ob die freie Schuldnerauswahl nach § 421 S. 1 BGB vom Wortsinn und Zweck der Norm des § 93 IV 3 AktG erfasst ist. Hierfür muss sie durch eine rechtserhebliche Handlung erfolgen, die verzichtsähnliche Wirkung besitzt. Dies ist der Fall, wenn die freie Schuldnerauswahl dazu führt, dass eine grundsätzlich einbringbare Forderung der Aktiengesellschaft nicht mehr oder nicht mehr vollständig zufließen kann. a) Rechtserheblichkeit der Handlung Der Aufsichtsrat als gem. § 112 I 1 i.V.m. § 78 I 1 AktG zuständiges Vertretungsorgan der Gesellschaft kann nach § 421 S. 1 BGB aktiv durch Beschluss auswählen, welche Vorstandsmitglieder er in Anspruch nimmt. Daneben kann die Schuldnerauswahl auch passiv durch bewusstes Unterlassen erfolgen, indem mögliche Ansprüche auf Schadensersatz nicht thematisiert, ein infrage stehendes Verhalten nicht geprüft oder nicht weiter verfolgt wird. Beide Arten der Schuldnerauswahl können eine rechtserhebliche Handlung i.S.d. § 93 IV 3 AktG darstellen.
657 Springer Gabler Verlag, „Verzicht“, abrufbar unter http://wirtschaftslexikon.gabler.de/de finition/verzicht-50179/version-178385 (zuletzt abgerufen am 24. 02. 2019). 658 Dudenredaktion, „verzichten“, abrufbar unter http://www.duden.de/node/804474/revisi ons/1940900/view (zuletzt abgerufen am 24. 02. 2019). 659 Spindler/Stilz/Fleischer, § 93 Rn. 286; Hölters/Hölters, § 93 Rn. 308; Hüffer/Koch, § 93 Rn. 76; GK-AktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 527; KK-AktG/Mertens/Cahn, § 93 Rn. 170; MüKo-AktG/Spindler, § 93 Rn. 250; Fleischer, WM 2005, 909, 918. 660 GK-AktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 528. 661 Spindler/Stilz/Fleischer, § 93 Rn. 287; K. Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer-Coceani, § 93 Rn. 64; GK-AktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 528; KK-AktG/Mertens/Cahn, § 93 Rn. 171; Wilsing, in: FS Maier-Reimer, 2010, 889, 895. 662 BGHZ 202, 26 Rn. 11 ff., 18 ff. mit Verweis auf Rehbinder, ZHR 148 (1984), 555, 570; Fleischer, WM 2005, 909, 917; s.a. Habersack, NZG 2016, 321, 325 f.
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2. Teil: Korrekturbedarf der Ist-Situation
b) Verzichtswirkung Diese rechtserheblichen Handlungen entsprechen jedoch regelmäßig weder tatsächlich noch wirtschaftlich einem Verzicht. Denn gem. § 421 S. 2 BGB ist jeder Schuldner, bis die Leistung vollständig bewirkt ist, in vollem Umfang zur Bewirkung der Leistung verpflichtet. Damit hat die Gesellschaft jederzeit die Möglichkeit, von jedem der Vorstandsmitglieder den gesamten Schadensersatz zu verlangen. Das Verhalten des Aufsichtsrats als ihrem Vertretungsorgan hat in Bezug auf die Prüfung und Geltendmachung der Ansprüche zu keinem Zeitpunkt bindende Wirkung. Damit fehlt es bei einer einfachen Nichtverfolgung von Ansprüchen durch den Aufsichtsrat auch an einer verzichtsähnlichen Verfügung.663 Dies gilt nicht nur in dem Fall, in dem es der Aufsichtsrat unterlässt, die Ansprüche geltend zu machen, sondern auch, wenn der Aufsichtsrat aktiv beschließen würde, davon abzusehen, Schadensersatz von einzelnen Vorstandsmitgliedern zu fordern. Ein solcher, in der Praxis wohl selten anzutreffender Beschluss, hätte nur Bindungswirkung gegenüber den Mitgliedern des Aufsichtsrats, die ihn gefasst haben.664 Dasselbe gilt für den wohl häufiger anzutreffenden Beschluss mit dem Inhalt, den Anspruch aus § 93 II 1 AktG nur gegen einzelne Vorstandsmitglieder geltend zu machen. Zwar liegt darin auch die negative Entscheidung, den Anspruch gegen die übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder jedenfalls zu diesem Zeitpunkt nicht geltend zu machen. Das Verhältnis zu den haftenden Vorstandsmitgliedern als Schuldner berühren diese Beschlüsse dagegen nicht und sie besitzen auch keine endgültige Wirkung. Denn es kann jederzeit ein neuer oder abändernder Beschluss über denselben Gegenstand gefasst werden. Der Aufsichtsrat kann sich im Namen der Gesellschaft daher jederzeit dazu entscheiden, die Ansprüche überhaupt oder gegen die bis dato nicht in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieder geltend zu machen.665 Diese Entscheidung kann von seinem jeweiligen Ermittlungs- und Kenntnisstand abhängen,666 oder beliebig sein. Diese fortwährende Freiheit im Handeln unterscheidet die Schuldnerauswahl gem. § 421 S. 1 BGB in ihrer Wirkung von einem Vergleich oder einem Verzicht, die jeweils durch einen zweiseitigen Vertrag vereinbart werden, der die Parteien bindet. Entgegen der Verwendung des Verzichtsbegriffs im allgemeinen Sprachgebrauch als einseitige Erklärung, etwas nicht mehr zu wollen, kann ein rechtsverbindlicher Verzicht auf eine Forderung auch nicht einseitig erklärt werden.667 Auf die freie
663
So auch Unmuth, S. 101. Vgl. Axhausen, S. 14 f.; Baltzer, S. 91 ff.; Spindler/Stilz/Spindler, § 108 Rn. 9; MüKoAktG/Habersack, § 108 Rn. 11; s.a. Hölters/Hambloch-Gesinn/Gesinn, § 108 Rn. 3. 665 Vgl. BGH NZG 2018, 1301, 1302. 666 M. Zimmermann, DB 2008, 687, 688. 667 H.M. vgl. Mot. II S. 116: Der Gesetzgeber sah dies „weder durch die juristische Konsequenz […] noch durch den praktisches Bedürfnis oder das Interesse des Gläubigers geboten“ s.a. RGZ 72, 168, 171; RGZ 110, 409, 418; BGH NJW 1987, 3203; vgl. auch MüKo-AktG/ 664
B. Normenkollisionen und Wertungswidersprüche
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Schuldnerauswahl als solche ist § 93 IV 3 AktG daher grundsätzlich nicht anwendbar.668 Der freien Schuldnerauswahl kann allenfalls dann eine verzichtsähnliche Wirkung zukommen, wenn zusätzliche Umstände vorliegen, die die Gesellschaft an ihre Entscheidung gegenüber den übrigen Vorstandsmitgliedern bindet. Diese müssen zudem zumindest teilweise eine endgültige Einbuße des Anspruchs bewirken, die für die Gesellschaft auch wirtschaftlich nachteilig ist.669 Dies ist in den Vorstandshaftungsfällen nur dann denkbar, wenn der Aufsichtsrat eine getroffene Auswahl aufrechterhält, bis die Ansprüche aus § 93 II 1 AktG nicht mehr gegen alle der haftenden Vorstandsmitglieder verwirklicht werden können und dies zur Folge hat, dass der Schaden künftig nicht mehr in voller Höhe ersetzt wird. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die Ansprüche aus § 93 II 1 AktG im Übrigen zwischenzeitlich verjährt sind670 oder wegen des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit der haftenden Vorstandsmitglieder gegen diese nicht mehr geltend gemacht werden können. Allerdings betreffen diese Ereignisse nicht den Bestand der Ansprüche selbst, sondern nur ihre Realisierbarkeit. Zudem handelt es sich dabei um gesetzliche Durchsetzungshindernisse, die gerade nicht unmittelbare Folge der Entscheidung des Aufsichtsrats sind, die Ansprüche nicht geltend zu machen.671 Im Gegensatz zu einem Verzicht oder Vergleich ist die Aufrechterhaltung der freien Schuldnerauswahl mit nachfolgender Undurchsetzbarkeit der Ansprüche eine rechtserhebliche Handlung in mehreren Akten und unterscheidet sich damit auch im Übrigen grundlegend von Vergleichs- und Verzichtsvereinbarungen. Damit ist § 93 IV 3 AktG auf die Nichtgeltendmachung von Ansprüchen infolge der freien Schuldnerauswahl gem. § 421 S. 1 BGB nicht direkt anwendbar.672 Eine analoge Anwendung des § 93 IV 3 AktG ist ebenfalls ausgeschlossen.673 Bereits die maßgeblichen Unterschiede zwischen der Nichtgeltendmachung und einem Verzicht und Vergleich lassen Zweifel daran aufkommen, dass eine gleiche rechtliche Bewertung geboten ist.674 Jedenfalls fehlt es aber an einer planwidrigen Regelungslücke, da die Hauptversammlung gem. § 147 I 1 AktG den Aufsichtsrat jederzeit per Beschluss zur Geltendmachung der Ersatzansprüche anhalten, gem. Pentz, § 50 Rn. 11; Palandt/Grüneberg, § 397 Rn. 4; Soergel/Schreiber, § 397 Rn. 1; Jauernig/ Stürner, § 397 Rn. 1; Erman/Wagner, § 397 Rn. 1. 668 So auch Unmuth, S. 100 ff.; Wilsing, in: FS Maier-Reimer, 2010, 889, 896. 669 Vgl. Mertens, FS Fleck, 1998, 209, 214; Hasselbach, DB 2010, 2037, 2040. 670 Zur Verjährung der Ansprüche aus § 93 II 1 AktG s. o. 1. Teil A. IV. 1. c), S. 54 ff. 671 Unmuth, S. 100 f.; Habersack, NZG 2016, 321, 325 f. 672 Vgl. Unmuth, S. 100 f.; Haas/Wiegand, in: Hdb Managerhaftung, § 20 Rn. 20.63; Habersack, NZG 2016, 321, 325 f.; Bieder, NZG 2015, 1178, 1183; Spindler/Stilz/Spindler, § 116 Rn. 166; Hasselbach/Seibel, AG 2008, 770, 773. 673 Unmuth, S. 100 f.; Habersack, NZG 2016, 321, 325 f.; s.a. Casper, ZHR 176 (2012), 617, 644. 674 Vgl. Unmuth, S. 100; Seibt/Cziupka, DB 2014, 1598, 1601; ausführlich Wilsing, in: FS Maier-Reimer, 2010, 889, 895 ff.
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2. Teil: Korrekturbedarf der Ist-Situation
§ 147 II AktG einen besonderen Vertreter hierzu bestellen oder gem. § 148 AktG selbst Klage erheben kann.675 Damit hält das Gesetz Regelungen für den Fall bereit, dass der Aufsichtsrat sich gegen eine Inanspruchnahme entscheidet. Eine Rechtsfortbildung durch Analogie kommt damit nicht in Betracht. 3. Wertungswiderspruch zu § 93 IV 3 AktG Ungeachtet dessen, dass die Regelungen in § 93 IV 3 AktG auf die freie Schuldnerauswahl gem. § 421 S. 1 BGB weder direkt noch analog anwendbar sind, könnte die freie Schuldnerauswahl in den Vorstandshaftungsfällen dennoch den Wertungen widersprechen, die in § 93 IV 3 AktG Ausdruck gefunden haben. Denn aus der ex post-Perspektive kann es dahin stehen, ob die Undurchsetzbarkeit der Innenhaftungsansprüche auf dem Abschluss einer entsprechenden Verzichts- oder Vergleichsvereinbarung beruht, oder auf dem Unterlassen der Anspruchsgeltendmachung und anschließender Verjährung der Ansprüche oder Insolvenz der Anspruchsgegner. Welche Wertungen dies sind, ergibt sich aus der Historie und dem Sinn und Zweck der Norm. Die Vorgängerregelung des § 93 IV 3 AktG fand als § 84 IV 3 AktG mit der Reform im Jahr 1937 Eingang in das Aktiengesetz. Der Gesetzgeber äußerte sich damals nicht zu ihrem Sinn und Zweck. Er ging bei ihrer Schaffung vielmehr davon aus, dass die Verzichts- und Vergleichsbeschränkungen bereits geltendes Recht gewesen sind.676 Dies war jedoch nicht der Fall, da diese bis dato nur für Ansprüche aus der Gründerhaftung bestanden.677 In Anbetracht dieser unzutreffenden Annahme könnte der Gesetzgeber bei der Innenhaftung von Vorstandsmitgliedern jedoch von denselben Erwägungen ausgegangen sein, die ihn zu Beschränkungen bei der Gründerhaftung veranlasst haben. Dies ist insbesondere deshalb denkbar, weil es sich bei der Gründerhaftung um den Ausgleich vergleichbar gelagerter Interessen handelt. Denn das in der Vorgängerregelung des § 50 AktG enthaltene Verfügungsverbot sollte die Aktiengesellschaft davor bewahren, dass die strenge Gründerhaftung durch Vergleiche oder Verzichte hinfällig wird.678 Entsprechende Rechtsgeschäfte sollten erst zulässig sein, wenn ein Überblick über die möglichen Ansprüche besteht und davon ausgegangen werden kann, dass der Einfluss der Gründer auf die Gesellschaft nicht mehr besteht oder nur 675 Vgl. bereits unter 1. Teil A. III. 1., S. 37 f.; so auch Unmuth, S. 101 f.; Bieder, NZG 2015, 1178, 1183; Hasselbach/Seibel, AG 2008, 770, 773; Spindler/Stilz/Spindler, § 116 Rn. 166. 676 Bei Klausing, Gesetz über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien, 1937, S. 72: „Verzichte oder Vergleiche der Gesellschaft auf entstandene Ersatzansprüche sind, wie nach geltendem Recht, nur unter erschwerten Bedingungen zulässig.“ 677 Erstmals eingeführt für die AG in § 213d ADHGB 1884 abgedruckt bei Schubert/ Hommelhoff, S. 589, dazu Cahn, S. 35; s.a. Spindler/Stilz/Fleischer, § 93 Rn. 277; Harbarth, in: Liber amicorum Winter, 2011, 215, 226. 678 RGZ 133, 33, 38.
B. Normenkollisionen und Wertungswidersprüche
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noch gering ist.679 Diese sollten sich nicht quasi selbst enthaften und der Gesellschaft damit die ihr zustehenden Ansprüche entziehen können.680 Da die Gründer aber auch nach der Eintragung der Gesellschaft oft noch Aktien halten oder in den Organen direkt oder mittelbar vertreten sind, wurde dahingehend eine Gefahr gesehen.681 Das Verfügungsverbot sollte diese abwenden und so der Sicherung der Kapitalaufbringung und dem Minderheitenschutz dienen.682 Die Interessenlage bei der Innenhaftung von Vorstandsmitgliedern ist weitgehend vergleichbar. Als Innenhaftungsnorm soll § 93 II 1 AktG dafür sorgen, dass der Nachteil, der der Gesellschaft durch eine pflichtwidrige Handlung eines Organmitglieds entsteht, ausgeglichen wird.683 Verzicht und Vergleich widersprechen dieser Zielsetzung, da sie zu einer dauerhaften Vermögenseinbuße der Gesellschaft führen.684 Wie bei den haftenden Gründern steht auch bei den haftenden Vorstandsmitgliedern ein Misstrauen hinsichtlich der Einflussmöglichkeiten auf ihre Enthaftung im Raum.685 Zudem besteht auch bei der Innenhaftung von Vorstandsmitgliedern die Gefahr, dass durch einen Mehrheitsbeschluss der Hauptversammlung die Interessen der Aktionärsminderheit übergangen werden. Auch die Systematik der Normen spricht für eine vergleichbare Zwecksetzung. Denn die Regelungen sind parallel gefasst. Nach beiden Normen ist in den ersten drei Jahren nach Anspruchsentstehung keine Verfügung über die Ersatzansprüche möglich. Ein Verstoß gegen dieses Verbot führt gem. § 134 BGB jeweils zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts.686 Nach dem Ablauf von drei Jahren ist die Verfügung dann möglich, allerdings bedarf es der Zustimmung der Hauptversammlung. Daraus folgt, dass § 93 IV 3 AktG die Gesellschaft und die Aktionäre davor schützen soll, dass der Vorstand und der Aufsichtsrat sich gegenseitig verschonen und von der Haftung befreien.687 Ein Verzicht soll daher erst erfolgen, wenn klar ist, 679 RGZ 133, 33, 38; Cahn, S. 35; Hüffer/Koch, § 50 Rn. 1; MüKo-AktG/Pentz, § 50 Rn. 7; K. Zimmermann, in: FS Duden, 1977, 773, 776. 680 Allg. Begr. zum Entwurf eines Gesetzes betr. die KGaA und AG (1884), abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff, S. 498, 452 f.; s.a. Fleischer, AG 2015, 133, 134; Hüffer/Koch, § 50 Rn. 1; Henssler/Strohn/Wardenbach, § 50 AktG Rn. 1; MüKo-AktG/Pentz, § 50 Rn. 7; K. Zimmermann, in: FS Duden, 1977, 773, 776. 681 MüKo-AktG/Pentz, § 50 Rn. 7; K. Zimmermann, in: FS Duden, 1977, 773, 776. 682 RGZ 133, 33, 37 ff. und die Allg. Begr. zum Entwurf eines Gesetzes betr. die KGaA und AG (1884), abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff, S. 498, 452 f. 683 BGHZ 202, 26 Rn. 18; vgl. M. Zimmermann, DB 2008, 687, 688. 684 BGHZ 202, 26 Rn. 19; vgl. M. Zimmermann, DB 2008, 687, 688. 685 K. Zimmermann, in: FS Duden, 1977, 773, 776. 686 Hüffer/Koch, § 50 Rn. 4; GK-AktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 533; MüKo-AktG/Spindler, § 93 Rn. 254. 687 BGHZ 202, 26 Rn. 20; Bayer/Scholz, ZIP 2015, 149, 150; Fleischer, AG 2015, 133, 135; Harbarth, in: Liber amicorum Winter, 2011, 215, 225; GK-AktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 354; Hüffer/Koch, § 93 Rn. 78; Mertens, in: FS Fleck, 1988, 209, 210; KK-AktG/Mertens/Cahn, § 93 Rn. 161; MüKo-AktG/Spindler, § 93 Rn. 252; M. Zimmermann, DB 2008, 687, 688; ähnlich Hölters/Hölters, § 93 Rn. 306.
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2. Teil: Korrekturbedarf der Ist-Situation
in welchem Umfang Ersatzansprüche bestehen. Zudem sollen nur die Aktionäre einen Verzicht beschließen können, da auch sie es sind, die wirtschaftlich hinter dem Vermögen der Gesellschaft stehen.688 Der Gesetzgeber räumt hier dem Erhalt der Ansprüche der Gesellschaft sowie dem Schutz der Aktionärsminderheit einen höheren Stellenwert ein als der Verfügungsfreiheit der Vertretungsorgane der Gesellschaft. So berücksichtigt er die Interessen der hinter der Gesellschaft als Gläubigerin stehenden Aktionäre. Sinn und Zweck der Norm ist demnach die Abwendung vermögensmindernder Verfügungen, einerseits zum Schutz der Gesellschaft, andererseits zum Schutz der Aktionäre unter besonderer Berücksichtigung der Aktionärsminderheit.689 Zum Sinn und Zweck der Dreijahresfrist des heutigen § 93 IV 3 AktG hat der Gesetzgeber im Regierungsentwurf zum Aktiengesetz von 1965 eine Begründung nachgeliefert.690 Danach soll sie verhindern, dass über einen Verzicht oder Vergleich zu einem Zeitpunkt entschieden wird, in dem sich noch kein abschließendes Bild über die Auswirkungen der schädigenden Handlungen gewinnen lässt.691 Dies entspricht der Zwecksetzung von § 50 AktG und bekräftigt deren Übertragung auf § 93 IV 3 AktG damit auch im Übrigen. Bei der Anwendung der freien Schuldnerauswahl auf die Vorstandshaftungsfälle drohen gerade die Gefahren, die § 93 IV 3 AktG nach dieser Zwecksetzung zu verhindern sucht. Denn bei der Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Innenhaftungsverhältnis liegt es nahe, dass die Gesellschaftsorgane oder die Mehrheit der Organmitglieder sich gegenseitig verschonen. Denn § 421 S. 1 BGB lässt eine Verfügung über die Innenhaftungsansprüche nach freiem Belieben zu. Hierdurch kann die Gesellschaft jedoch Vermögenseinbußen erleiden. Dies ist nicht nur der Fall, wenn der Aufsichtsrat es vollständig unterlässt, Ansprüche geltend zu machen. Vielmehr kommen Vermögenseinbußen auch in Betracht, wenn die Ansprüche nur gegen einzelne Vorstandsmitglieder geltend gemacht werden und dabei nicht der volle Schadensersatz verwirklicht werden kann. Diese Gefahr besteht jederzeit. Denn die Schadenssummen sind sehr hoch, die Versicherungspolicen sind häufig gedeckelt und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Vorstandsmitglieder ist begrenzt. Damit widerspricht die freie Auswahl bei der Inanspruchnahme von Vorstandsmitgliedern dem Vermögensschutz der Gesellschaft, der aufgrund des 688
Vgl. BGHZ 202, 26 Rn. 20; Bayer/Scholz, ZIP 2015, 149, 151. Vgl. BGHZ 202, 26 Rn. 20; Spindler/Stilz/Fleischer, § 93 Rn. 276; Hüffer/Koch, § 93 Rn. 76; GK-AktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 503; Mertens, in: FS Fleck, 1988, 209, 210; MüKoAktG/Spindler, § 93 Rn. 250; Wilsing, in: FS Maier-Reimer, 2010, 889, 895; Harbarth, in: Liber amicorum Winter, 2011, 215, 227 f. 690 BT Drs. IV/171, S. 132. 691 BT Drs. IV/171, S. 132; RGZ 133, 33, 38; Casper, ZHR 176 (2012), 617, 644 ff.; Hasselbach, DB 2010, 2037, 2040; Hasselbach/Seibel, AG 2008, 770, 772; Hölters/Hölters, § 93 Rn. 311; KK-AktG/Mertens/Cahn, § 93 Rn. 164; MüKo-AktG/Spindler, § 93 Rn. 251; K. Zimmermann, FS Duden, 1977, 773, 774; M. Zimmermann, DB 2008, 687, 688; kritisch GKAktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 518, 505, der de lege ferenda eine schnellere Erledigung von streitigen Ansprüchen anstrebt; ebenso Dietz-Vellmer, NZG 2011, 248, 249 de lege lata. 689
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Minderheitenquorums nicht einmal durch Mehrheitsbeschlüsse der Hauptversammlung umgangen werden können soll. 4. Zwischenergebnis: Verstoß gegen das Vergleichsund Verzichtsverbot aus § 93 IV 3 AktG Die in § 93 IV 3 AktG niedergelegten Regelungen sind auf die freie Schuldnerauswahl nach § 421 S. 1 BGB zwar nicht direkt oder analog anwendbar. Aufgrund ihrer verzichtsähnlichen Wirkung aus einer ex post-Perspektive widerspricht die Anwendung der freien Schuldnerauswahl auf die Vorstandshaftungsfälle jedoch den Wertungen aus § 93 IV 3 AktG, die mit dem Vermögensschutz und dem Minderheitenschutz allgemeine aktienrechtliche Prinzipien widerspiegeln.
II. Kollision mit der Prüfungs- und Überwachungspflicht des Aufsichtsrats Die Anwendung der Regelungen in § 93 II 1 AktG i.V.m. § 421 S. 1 BGB auf die Innenhaftung von Vorstandsmitgliedern könnte auch den Prüfungs- und Überwachungspflichten des Aufsichtsrats widersprechen. Dies ist der Fall, wenn dem Aufsichtsrat auferlegt ist, jederzeit Innenhaftungsansprüche gegen alle möglicherweise mithaftenden Vorstandsmitglieder zu prüfen und zu verfolgen. Denn dies könnte der Freiheit aus § 421 S. 1 BGB entgegenstehen, wonach der Aufsichtsrat als Vertretungsorgan der Gesellschaft die Leistung nach seinem Belieben von jedem der mithaftenden Vorstandsmitglieder ganz oder nur zu einem Teil fordern kann. 1. Gesetzliche Regelungen Eine Prüfungs- und Überwachungspflicht des Aufsichtsrats kann aus § 111 I AktG, aus § 112 AktG oder aus der aktienrechtlichen Legalitätspflicht folgen. a) § 111 I AktG Gem. § 111 I AktG hat der Aufsichtsrat die Geschäftsführung zu überwachen. Der Wortlaut der Norm ist sehr weit. Unklar ist, ob die Norm eine entsprechende Verpflichtung des Aufsichtsrats enthält, und wenn ja, ob diese bei der Anwendung der freien Schuldnerauswahl gem. § 93 II 1 AktG i.V.m. § 421 S. 1 BGB auf die Innenhaftung von Vorstandsmitgliedern berührt wird. Nur in diesem Fall ist eine Kollision mit § 111 I AktG denkbar.
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2. Teil: Korrekturbedarf der Ist-Situation
aa) Verpflichtung Die Norm trägt die Überschrift Aufgaben und Rechte des Aufsichtsrats. Diese deutet auf eine bloße Kompetenzzuordnung hin. Die Formulierung „hat zu überwachen“ im Wortlaut der Norm legt jedoch auch nahe, dass die Überwachung zwingend vorzunehmen ist. Historisch ging die Überwachungsaufgabe aus der Trennung von Geschäftsführung und Kontrolle hervor.692 In der Abgrenzung zum Vorstand und zur Hauptversammlung ist sie daher die Hauptaufgabe des Aufsichtsrats,693 der nach dem Wegfall der Staatsaufsicht die Interessen der Aktionäre gewährleisten sollte.694 Er kann sie daher gem. § 111 VI AktG auch nicht durch andere wahrnehmen lassen. Allenfalls kommt eine Übertragung einzelner Aufgaben auf Ausschüsse in Betracht, die allerdings gem. § 107 III 1 AktG ebenfalls nur aus Mitgliedern des Aufsichtsrats bestehen können. Daraus folgt, dass es sich bei der Überwachung nach § 111 I AktG nicht nur um eine Aufgabe, sondern auch um eine Pflicht des Aufsichtsrats handelt.695 Ob die freie Schuldnerauswahl mit dieser kollidiert, ergibt sich aus dem Gegenstand, auf den sie sich bezieht und aus der Art und dem Umfang der Tätigkeit, die sie fordert. bb) Überwachungsgegenstand und Überwachungstätigkeit Nach dem Wortlaut der Norm bezieht sich die Überwachung nach § 111 I AktG auf die Geschäftsführung. Dieser Begriff hat jedoch unterschiedliche Bedeutungen.696 Er kann einerseits funktionsbezogen verstanden werden und die Überwachung der Geschäftsführungstätigkeit meinen.697 Daneben kann er auch organbezogen verstanden werden.698 In diesem Fall umfasst er die gesamte Tätigkeit des Vorstands, dem über die Geschäftsleitung nach § 76 AktG hinaus auch die Geschäftsführung nach § 77 AktG obliegt. Aus den alten Fassungen des § 111 AktG folgen keine Anhaltspunkte für die eine oder die andere Interpretation. Vielmehr enthielten die Vorgängerregelungen des § 111 AktG unterschiedliche Formulierungen im Hinblick auf den Überwachungs692 Fleischer, in: Aktienrecht im Wandel, Bd II, Kap. 9 Rn. 6 ff.; MüKo-AktG/Spindler, Vor § 76 Rn. 7 ff. 693 Allg. Begr. zum Entwurf eines Gesetzes, betr. Die KGaA und AG (1884), S. 288 ff. abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff, S. 404 ff., 459 ff.; MüKo-AktG/Habersack, § 111 Rn. 1; s.a. Hölters/Hambloch-Gesinn/Gesinn, § 111 Rn. 4; Hüffer/Koch, § 111 Rn. 1; GK-AktG/ Hopt/Roth, § 111 Rn. 24; Möllers, in: Hdb Corporate Governance, 425. 694 Schubert, ZGR 1981, 285, 305 f.; Kindler, ZHR 162 (1998), 101, 110; Kling, DZWIR 2005, 45, 46; Raiser, NJW 1996, 552, 554; Zempelin, AcP 155 (1956), 209, 210; s.a. GK-AktG/ Assmann, Einl Rn. 80 ff. 695 Vgl. BGHZ 135, 244, 252; Krieger, in: Hdb Managerhaftung, § 3 Rn. 3.20. 696 GK-AktG/Hopt/Roth, § 111 Rn. 159; Spindler/Stilz/Spindler, § 111 Rn. 6 ff. 697 So Semler, Rn. 111. 698 Spindler/Stilz/Spindler, § 111 Rn. 6.
B. Normenkollisionen und Wertungswidersprüche
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gegenstand.699 So verwies Art. 225 ADHGB 1884 auf die Geschäftsführung durch „den Vorstand“ selbst, Art. 225 ADHGB 1869, Art. 225a ADHGB 1870 sowie § 246 I HGB 1897 nannten die „Geschäftsführung der Gesellschaft“ mit dem Zusatz „in allen Zweigen der Verwaltung“. Ein so umfassender Überwachungsgegenstand wurde jedoch bereits damals als zu weitgehend bemängelt.700 Im Aktiengesetz von 1937 und den folgenden Fassungen verzichtete der Gesetzgeber daher auf diese Formulierung. Trotz dieser Einschränkung beschreibt auch der Begriff der Geschäftsführung selbst einen sehr großen Tätigkeitsbereich. Die Führung von Geschäften kann alle tatsächlichen und rechtsgeschäftlichen Handlungen einschließen, die in irgendeiner Art und Weise einen Bezug zur Wahrnehmung der Gesellschaftsinteressen haben.701 Auch die Überwachung all dieser Vorgänge ist realistisch nicht möglich.702 Noch weniger ist sie möglich, wenn alle Handlungen des Vorstands als Organ erfasst sein sollen. Daher muss der Gegenstand der Überwachung durch Auslegung ermittelt werden. Der Sinn und Zweck der Regelung in § 111 I AktG liegt darin, eine Überwachung des Vorstands als Leitungsorgan zu gewährleisten. Dabei soll jedoch auch die Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats erhalten bleiben. Demnach umfasst die Überwachung jedenfalls die originären Leitungsmaßnahmen sowie die wesentlichen Einzelmaßnahmen des Vorstands.703 Einen Anhaltspunkt für deren Bestimmung geben die Berichtspflichten aus § 90 AktG.704 Da sie die Überwachungsaufgabe gerade ermöglichen und erleichtern sollen, bilden sie ihr Gegenstück.705 Die Berichtspflichten beziehen sich sowohl auf bereits geschehene als auch auf künftige Sachverhalte. Entsprechend hat auch die Überwachungspflicht sowohl Vergangenheits- als auch Zukunftsbezug.706 699
GK-AktG/Hopt/Roth, § 111 Rn. 159. MüKo-AktG/Habersack, § 111 Rn. 19 Fn. 34 mit Verweis auf Rathenau dort S. 13 f.: „Wollte ein Aufsichtsrat auch nur von den wichtigeren Geschäften einer Großunternehmung Kenntnis nehmen – geschweige sie beraten – so würde es nicht genügen, dass er in Permanenz tagte, und zwar jeden Tag, einschließlich Sonntags, vierundzwanzig Stunden lang.“; s.a. Hüffer/ Koch, § 111 Rn. 2; Lutter/Krieger/Verse, § 3 Rn. 65; KK-AktG/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 26. 701 Semler, Rn. 102; Spindler/Stilz/Fleischer, § 77 Rn. 3; GK-AktG/Hopt/Roth, § 111 Rn. 159; Hüffer/Koch, § 77 Rn. 3; GK-AktG/Kort, § 77 Rn. 3; MüKo-AktG/Spindler, § 77 Rn. 6. 702 Lutter/Krieger/Verse, § 3 Rn. 65. 703 OLG München AG 2009, 745, 747; OLG Stuttgart AG 2012, 762, 763 f.; MüKo-AktG/ Habersack, § 111 Rn. 20 ff.; GK-AktG/Hopt/Roth, § 111 Rn. 160, 262; Hüffer/Koch, § 111 Rn. 2 f.; Lohse, S. 106 ff.; Lutter/Krieger/Verse, § 3 Rn. 65 ff.; KK-AktG/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 16; Vetter, in: Hdb börsennotierte AG, § 26 Rn. 3. 704 K. Schmidt/Lutter/Drygala, § 111 Rn. 12; MüKo-AktG/Habersack, § 111 Rn. 22; GKAktG/Hopt/Roth, § 111 Rn. 162; KK-AktG/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 35, 53; Hüffer/Koch, § 111 Rn. 3; Lutter/Krieger/Verse, § 3 Rn. 72; Mutter, S. 37 ff.; Semler, Rn. 103 ff.; Spindler/ Stilz/Spindler, § 111 Rn. 8. 705 MüKo-AktG/Habersack, § 111 Rn. 49; GK-AktG/Hopt/Roth, § 111 Rn. 162. 706 BGHZ 114, 127, 129 f.; BGHZ 135, 244, 255; Dreher, ZHR 158 (1994), 615, 618 f.; MüKo-AktG/Habersack, § 111 Rn. 22, 29 ff., 39 ff.; Henze, NJW 1998, 3309; GK-AktG/Hopt/ 700
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2. Teil: Korrekturbedarf der Ist-Situation
Die Überwachungstätigkeit ist eine Daueraufgabe, die ständig ansteht.707 Sie hält den Aufsichtsrat dazu an, jederzeit die Ordnungsmäßigkeit, Rechtmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der jeweiligen Maßnahmen zu überprüfen.708 Durch einen Vergleich des Ist-Zustands mit dem Soll-Zustand kann er Mängel in der Geschäftsführung feststellen.709 Damit sind sowohl der Überwachungsgegenstand als auch die Überwachungstätigkeit weit zu verstehen. cc) Kollision Eine Kollision mit der freien Schuldnerauswahl liegt vor, wenn § 111 I AktG den Aufsichtsrat verpflichtet, bei Anhaltspunkten das Bestehen von Schadensersatzansprüchen gegen jedes möglicherweise mithaftende Vorstandsmitglied zu prüfen. Diese Pflicht kann § 111 I AktG wegen seines weitreichenden Charakters zwar erfassen. Jedoch macht § 111 I AktG keine Angaben dazu, welche Detailtiefe diese Prüfung haben soll, ob dem Aufsichtsrat dabei ein Spielraum zukommt, und wenn ja, wie dieser ausgestaltet ist und welchen Maßstab er dabei einhalten muss. Betrachtet man § 111 I AktG für sich genommen, so ist unklar, woran die Anwendung der freien Schuldnerauswahl gem. § 93 II 1 AktG i.V.m. § 421 S. 1 BGB auf die Fälle der Innenhaftung von Vorstandsmitgliedern in der Aktiengesellschaft konkret zu messen ist. Eine Normenkollision kann so nicht festgestellt werden. Allenfalls ergeben sich Indizien für einen Wertungswiderspruch. b) § 112 AktG Gem. § 112 AktG vertritt der Aufsichtsrat die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich gegenüber den Vorstandsmitgliedern. Ob sich auch daraus eine Pflicht ergibt, die Innenhaftungsansprüche aus § 93 II 1 AktG zu prüfen und zu verfolgen, ist unklar. In erster Linie handelt es sich bei § 112 AktG um eine Norm, die die Vertretung der Gesellschaft gegenüber dem Vorstand als ihrem eigentlichen Vertretungsorgan regelt. Daraus, dass sie die Vertretung dabei allein und ausschließlich dem Aufsichtsrat zuweist, könnte sich aber eine besondere Pflichtenstellung ergeben. Denn Roth, § 111 Rn. 204; Hüffer/Koch, § 111 Rn. 5 ff., 13; Hoffmann-Becking, in: Münch Hdb GesR Bd IV, § 29 Rn. 35; KK-AktG/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 11, 34. 707 MüKo-AktG/Habersack, § 111 Rn. 18; KK-AktG/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 17, 18; für regelmäßig anfallende Aufgaben auch Semler, Rn. 111. 708 BGHZ 114, 127, 129 f.; LG Stuttgart AG 2000, 237, 238; K. Schmidt/Lutter/Drygala, § 111 Rn. 20 f.; Henze, NJW 1998, 3309, 3310; Hoffmann-Becking, in: Münch Hdb GesR Bd IV, § 29 Rn. 31; GK-AktG/Hopt/Roth, § 111 Rn. 271, 301 ff.; Hüffer/Koch, § 111 Rn. 14; Kiethe, WM 2005, 2122, 2124; Kindler, ZHR 162 (1998), 101, 107; Lutter/Krieger/Verse, § 13 Rn. 986, 73 ff.; KK-AktG/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 14; Roth/Wörle, ZGR 2004, 565, 567; Semler, Rn. 250; Spindler/Stilz/Spindler, § 111 Rn. 16; Thümmel, Rn. 245; Thümmel, AG 2004, 83, 86. 709 GK-AktG/Hopt/Roth, § 111 Rn. 280.
B. Normenkollisionen und Wertungswidersprüche
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gegenüber den Vorstandsmitgliedern wird der Aufsichtsrat als Sachwalter der Aktionäre tätig.710 Ein Sachwalter hat regelmäßig die Interessen derjenigen, deren Sache er verwaltet, vorrangig zu behandeln.711 Bei den Aktionären sind diese Interessen auf die Erhöhung von Gewinnen bzw. die Verminderung von Verlusten gerichtet. Denn die Aktiengesellschaft fungiert klassisch als Kapitalsammelbecken und der Zusammenschluss in einer Aktiengesellschaft erfolgt regelmäßig mit dem Zweck, das Gesellschaftsvermögen durch wirtschaftliche Betätigung zu mehren.712 § 112 AktG könnte daher eine entsprechende Pflicht umfassen. Allerdings enthält auch diese Norm keine weiteren Anhaltspunkte für ihre nähere Ausgestaltung. Damit kann auch insoweit keine konkrete Kollision festgestellt werden. c) Aktienrechtliche Legalitätspflicht Die Anwendung der freien Schuldnerauswahl auf die Vorstandshaftungsfälle könnte auch der aktienrechtlichen Legalitätspflicht widersprechen. Dann müsste den Aufsichtsrat eine entsprechende Rechtspflicht zum Handeln treffen. Er müsste also gesetzlich dazu verpflichtet sein, bei Anhaltspunkten das Bestehen von Schadensersatzansprüchen gegen jedes möglicherweise mithaftende Vorstandsmitglied zu prüfen und zu verfolgen. Ausdrücklich ist eine solche Pflicht im Gesetz nicht zu finden. Sie könnte sich allenfalls aus einer Zusammenschau von § 396 I AktG und § 130 OWiG ergeben.713 Nach § 130 OWiG ist das Unterlassen von Aufsichtsmaßnahmen ordnungswidrig, wenn diese erforderlich sind, um in einem Unternehmen Zuwiderhandlungen gegen Pflichten zu verhindern, die dessen Inhaber treffen und deren Verletzung mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist. Eine solche tatbestandsmäßige Zuwiderhandlung enthält § 396 I AktG. Danach ist die Auflösung einer Aktiengesellschaft möglich, wenn das Gemeinwohl durch gesetzwidriges Verhalten ihrer Verwaltungsträger gefährdet wird und auch der Aufsichtsrat nicht für deren Abberufung sorgt. Allerdings liegt eine solche Gemeinwohlgefährdung in den Vorstandshaftungsfällen regelmäßig nicht vor. Darüber hinaus ist diese Legalitätspflicht auch nicht verallgemeinerungsfähig. Denn § 396 I AktG bezieht sich nur auf gemeinwohlgefährdendes Verhalten, § 130 OWiG betrifft ausschließlich sanktionierte Pflichtverletzungen.714 Darin sind somit Sonderfälle genannt, die möglicherweise eine andere Behandlung erfordern oder rechtfertigen, als der Normalfall. Die Anwendung der freien Schuldnerauswahl nach 710
Kindler, ZHR 162 (1998), 101, 110; Lutter, in: Hdb Managerhaftung, § 1 Rn. 1.1. Gabrysch, in: Kompendium GesR, § 3 Rn. 440; Hoffmann-Becking, in: Münch Hdb GesR Bd IV, § 1 Rn. 3; Hölters/Weber, § 76 Rn. 22; K. Schmidt/Lutter/K. Schmidt, Einl Rn. 2. 712 Vgl. RGZ 59, 423, 425. 713 Casper, ZHR 176 (2012), 617, 630 f.; s.a. Bieder, NZG 2015, 1178, 1179; Reichert, in: FS Hommelhoff, 2012, 907, 914 f., 920 f. 714 So auch Bieder, NZG 2015, 1178, 1179; Reichert, in: FS Hommelhoff, 2012, 907, 920 ff. 711
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2. Teil: Korrekturbedarf der Ist-Situation
§ 93 II 1 AktG i.V.m. § 421 S. 1 BGB auf die Vorstandshaftungsfälle kann damit nicht abstrakt an einer aktienrechtlichen Legalitätspflicht gemessen werden. Vielmehr bedarf es vorgelagert einer konkreten Pflicht im Gesetz, in der Satzung oder aber in den Verhaltensstandards des Aufsichtsrats als Organ der Gesellschaft. d) Zwischenergebnis: Gesetzliche Regelungen Deutlich wird, dass eine konkrete Pflicht, die einer Anwendung der freien Schuldnerauswahl auf die Vorstandshaftungsfälle entgegensteht, nicht ausdrücklich gesetzlich formuliert ist. Denn § 111 I AktG beschreibt grundsätzlich nur die Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats, § 112 AktG weist ihm die Kompetenz zur Vertretung der Gesellschaft gegenüber den Vorstandsmitgliedern zu. Zwar besteht Einigkeit darüber, dass sich daraus auch Pflichten für die Aufsichtsratsmitglieder ergeben, wie diese konkret ausgestaltet sind, ist dagegen unklar. Die aktienrechtliche Legalitätspflicht bedarf gerade einer vorgelagerten Rechtspflicht. 2. Kollision mit den Grundsätzen der ARAG/Garmenbeck-Rechtsprechung Wie die Pflichten des Aufsichtsrats in Bezug auf die Prüfung und Verfolgung von Innenhaftungsansprüchen ausgestaltet sind, war Gegenstand der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung.715 Der BGH bestimmte diese Pflichten darin näher, indem er abstrakte Rechtssätze aufstellte. Diese Rechtssätze stehen daher im Mittelpunkt der Kollisionsprüfung. Da der BGH davon ausging, dass die Nichtgeltendmachung eines Anspruchs einem Verzicht auf diesen Anspruch „außerordentlich nahe kommt“,716 befasst sich die Entscheidung zudem mit der Verfügung über die Innenhaftungsansprüche der Gesellschaft. Dabei konkretisiert sie die Pflichten des Aufsichtsrats im Zusammenhang mit der Prüfung und Verfolgung von Innenhaftungsansprüchen und geht auf die Gründe des Unternehmenswohls ein, die für und gegen eine Verfolgung sprechen. Die Anwendung der freien Schuldnerauswahl gem. § 93 II 1 AktG i.V.m. § 421 S. 1 BGB auf die Fälle der Innenhaftung von Vorstandsmitgliedern in der Aktiengesellschaft könnte den ARAG/Garmenbeck-Grundsätzen damit entgegenstehen. Hierfür muss die Entscheidung eine allgemein zu berücksichtigende Rechtsquelle darstellen. Zudem müssen die Vorstandshaftungsfälle mit dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall vergleichbar sein.
715 716
BGHZ 135, 244 ff. BGHZ 135, 244, 256; Hinweis bei Wilsing, in: FS Maier-Reimer, 2010, 889, 895.
B. Normenkollisionen und Wertungswidersprüche
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a) Die höchstrichterliche Rechtsprechung als Rechtsquelle Die höchstrichterliche Rechtsprechung ist eine Rechtsquelle, die dem Gesetz nachrangig ist.717 Jedoch ist es die Aufgabe des BGH als oberstem Gerichtshof, Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu beantworten und hierdurch zur Fortbildung und Vereinheitlichung des Rechts beizutragen, vgl. § 543 II ZPO. Nach dem Beachtlichkeitsgebot ist die Rechtsprechung des BGH auch bei der Rechtsanwendung zu berücksichtigen.718 Ihre Verbindlichkeit ergibt sich aus der Regelungsdichte im Gesetz.719 Je weiter und älter die normativen Vorgaben sind und je stärker sich die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse weiterentwickelt haben, desto stärker ist die Bindungswirkung der Rechtsprechung.720 Die Regelungen in den §§ 93 II 1, 116 S. 1 AktG waren bereits in den Vorgängernormen des AktG von 1965 angelegt721 und die Regelung des § 421 S. 1 BGB besteht schon seit der Schaffung des BGB. Damit sind die Normen, auf die sich die ARAG/Garmenbeck-Entscheidung bezieht, älteren Datums. Sie haben zudem einen weiten Anwendungsbereich. Denn § 93 II 1 AktG ist als Generalklausel722 ein Auffangtatbestand für alle Formen der Verletzung von Pflichten, die Vorstandsmitglieder im Innenverhältnis zur Gesellschaft treffen.723 Gem. § 116 S. 1 AktG gelten diese Pflichten sinngemäß auch für Aufsichtsratsmitglieder. Sie ergeben sich wiederum aus unterschiedlichen Rechtsquellen, so aus dem Gesetz, der Satzung oder individuellen Vereinbarungen. Wie bereits dargestellt, sind § 111 AktG und § 112 AktG, die die entsprechenden Pflichten hinsichtlich der Prüfung und Verfolgung von Innenhaftungsansprüchen enthalten, sehr weit formuliert.724 § 421 S. 1 BGB erfasst daneben alle Arten von Gesamtschuldverhältnissen und hat damit einen sehr weiten Anwendungsbereich. Damit kann die höchstrichterliche Rechtsprechung hier als Rechtsquelle maßgeblich sein. Denn das Gesetz schweigt dazu, welche Grundsätze der Aufsichtsrat als Vertretungsorgan der Gesellschaft bei seiner Entscheidung über die Geltendmachung von Innenhaftungsansprüchen gegen die gesamtschuldnerisch haftenden Vorstandsmitglieder konkret berücksichtigen muss.
717
Vogel, S. 85. Vogel, S. 85 f. 719 Vogel, S. 86. 720 Vogel, S. 86 ff., 135, 139. 721 Vgl. Art. 241, Art. 226 ADHGB (1884), § 241, § 249 HGB a.F. (1897); § 84, § 99 AktG 1937 s. dazu Lutter, in: Hdb Managerhaftung, § 1 Rn. 1.2. 722 Witte/Gossen, in: Hdb GesR Streitigkeiten, § 9 Rn. 89. 723 KK-AktG/Mertens/Cahn, § 93 Rn. 11; s.a. Doralt/Doralt, in: Arbeitshdb AR, § 14 Rn. 46 Fn. 56; kritisch Hüffer, in: FS Raiser, 2005, 163, 165 ff. 724 S. o. 2. Teil B. II. 1. a) und b), S. 135 ff. 718
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2. Teil: Korrekturbedarf der Ist-Situation
b) Vergleichbarkeit mit dem Fall ARAG/Garmenbeck Eine Anwendbarkeit der ARAG/Garmenbeck-Grundsätze kommt allerdings nur dann in Betracht, wenn die Vorstandshaftungsfälle i.V.m. der freien Schuldnerauswahl mit dem Fall ARAG/Garmenbeck vergleichbar sind.725 Unsicher ist dies in Bezug auf die Anzahl der haftenden Vorstandsmitglieder, die Situation ihrer Inanspruchnahme sowie die Art und Weise der Nichtgeltendmachung von Ansprüchen. aa) Besondere Prägung der ARAG AG Im ARAG/Garmenbeck-Fall handelte es sich um einen Konflikt innerhalb einer familiär geprägten Aktiengesellschaft, in der zwei Familienstämme unterschiedliche Interessen verfolgten.726 Somit lag keine anonyme Publikumsgesellschaft vor, in der die Haftung von Fremdorganen und deren Umgang mit den Geldern der Anleger infrage stand.727 Unklar ist, ob diese Unterschiede einer Vergleichbarkeit der Fälle entgegenstehen. Dies ist nur denkbar, wenn sich diese Besonderheit auf die Entscheidung des ARAG/Garmenbeck-Falles ausgewirkt hat. Eine konkret auf die besondere Prägung der ARAG AG abstellende Beurteilung lässt sich jedoch aus der Entscheidung des BGH nicht entnehmen.728 Er formuliert vielmehr sehr allgemein, was den Schluss zulässt, dass die darin entwickelten Grundsätze für alle Arten von Innenhaftungssituationen in Aktiengesellschaften gelten sollen. bb) Anzahl der haftenden Vorstandsmitglieder Der BGH musste im ARAG/Garmenbeck-Fall entscheiden, ob der Aufsichtsrat als Vertretungsorgan der Gesellschaft verpflichtet war, gegen den Vorstandsvorsitzenden vorzugehen, der sich möglicherweise gegenüber der ARAG AG schadensersatzpflichtig gemacht hat.729 Die Feststellung, dass auch die Nichtverfolgung von Ansprüchen gegen die übrigen Vorstandsmitglieder rechtswidrig war, wurde von den Klägern dagegen nicht begehrt. Diese Entscheidungssituation legt zunächst nahe, dass sich das ARAG/Garmenbeck-Urteil speziell auf einen Fall bezog, in dem nur ein einzelnes haftendes Vorstandsmitglied existierte, von dem der Schadensbetrag verlangt werden konnte. Dann hätte die Entscheidung des Aufsichtsrats, über die der BGH zu befinden hatte, eine Alles-oder-Nichts-Entscheidung bedeutet. Denn der Aufsichtsrat hätte nur beschließen können, entweder den Innenhaftungsanspruch gegen dieses eine Vorstandsmitglied geltend zu machen, oder abzuwarten, bis er verjährt ist. Wäre dies die 725 Vgl. zur Methode des Falldenkens s. Vogel, S. 145 ff.; zur Bedeutung der Fakten des Falles und zur Subsumtion ausführlich Langenbucher, S. 78, 94. 726 Vgl. LG Düsseldorf ZIP 1994, 628; OLG Düsseldorf ZIP 1995, 1183. 727 So Goette, ZHR 176 (2012), 588, 593. 728 Vgl. BGHZ 135, 244, 250 ff. 729 LG Düsseldorf ZIP 1994, 628 ff.
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Grundlage der ARAG/Garmenbeck-Rechtsprechung, so wären nur zwei besonders ausgeprägte Fälle der Vorstandshaftung vergleichbar. So der Fall, in dem das Vertretungsorgan gar keinen Schuldner auswählt und möglicherweise auch in dem Fall, in dem nicht die volle Höhe der Leistung von wenigstens einem Schuldner gefordert wird. Diese Betrachtungsweise ist aber zu kurz gegriffen. Denn im ARAG/Garmenbeck-Fall stand auch die Haftung weiterer Vorstandsmitglieder im Raum.730 Der Vorstand bestand aus mehreren Mitgliedern, über deren Inanspruchnahme im Aufsichtsrat Uneinigkeit herrschte.731 Dies kommt auch in den Urteilen zum Ausdruck. So hielt das Landgericht im Tatbestand seines erstinstanzlichen Urteils fest, dass die Kläger die Auffassung vertreten, der Vorstand der ARAG AG in seiner damaligen Besetzung, insbesondere aber deren Vorsitzender, hafte für den entstandenen Schaden gem. § 93 AktG.732 Das Oberlandesgericht verweist im Tatbestand seines zweitinstanzlichen Urteils ebenfalls auf die Klagebegründung, wonach der damalige Vorstand der Beklagten und (nur) namentlich deren Vorsitzender gegen die ihnen obliegenden Sorgfaltspflichten verstoßen haben soll.733 Die in der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung des BGH aufgestellten Grundsätze beschränken sich damit ebenfalls nicht auf die Existenz nur eines möglicherweise haftenden Vorstandsmitglieds. Dass die ARAG/Garmenbeck-Klage sich nur auf die Frage bezog, ob der Aufsichtsrat zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Vorstandsvorsitzenden verpflichtet war, hat vielmehr prozessuale Gründe. Denn es lagen Anträge mit dem Inhalt vor, der Aufsichtsrat möge beschließen, die der Gesellschaft gegen den Vorstandsvorsitzenden zustehenden Schadensersatzansprüche aus dem Komplex Garmenbeck gerichtlich und außergerichtlich geltend zu machen. Diese Anträge hat der Aufsichtsrat per Abstimmung mehrheitlich abgelehnt.734 Damit waren Beschlüsse in der Welt, die durch eine Klage auf Feststellung ihrer Nichtigkeit angegriffen werden konnten.735 Entsprechende Beschlüsse, die die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen die übrigen Vorstandsmitglieder ablehnten, gab es dagegen nicht. Damit ist die Beschränkung des Sachverhalts in der ARAG/ Garmenbeck-Entscheidung dem Zustand geschuldet, dass nur Rechtsakte für nichtig erklärt werden können, nicht dagegen das bloße Unterlassen einer Beschlussfassung. 730
Gegen diese wurde ebenfalls eine Schadensersatzklage in Gang gesetzt, die zwar abgewiesen wurde, vgl. LG Düsseldorf ZIP 1995, 1985 f. s.a. Grooterhorst, ZIP 1999, 1117, 1119, jedoch zum Zeitpunkt des ARAG/Garmenbeck-Urteils des BGH noch nicht rechtskräftig war, vgl. BGHZ 135, 244, 250 f. 731 OLG Düsseldorf ZIP 1995, 1183, 1185 f. 732 LG Düsseldorf ZIP 1994, 628, 629. 733 OLG Düsseldorf ZIP 1995, 1183, 1186. 734 Vgl. BGHZ 135, 244, 247; OLG Düsseldorf ZIP 1995, 1183, 1186; nach LG Düsseldorf ZIP 1994, 628 in den Sitzungen vom 25. Juni 1992 und 15. Juni 1993. 735 Zur Zulässigkeit s. BGHZ 135, 244, 247 ff.; OLG Düsseldorf ZIP 1995, 1183, 1186 ff.; LG Düsseldorf ZIP 1994, 628, 629.
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2. Teil: Korrekturbedarf der Ist-Situation
Die Rechtssätze aus der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung sind damit auch auf Fälle übertragbar, in denen mehrere, mithaftende Vorstandsmitglieder existieren. Somit sind sie auch auf die verschiedenen Konstellationen in den eingangs beschriebenen Vorstandshaftungsfällen anwendbar. cc) Situation der Inanspruchnahme Unklar ist zuletzt, ob nur dann ein vergleichbarer Fall gegeben ist, wenn gegen keines der haftenden Vorstandsmitglieder Ansprüche geltend gemacht werden. Dies ist ebenfalls zu verneinen. Denn auch im ARAG/Garmenbeck-Fall waren bereits Maßnahmen gegen die übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder eingeleitet worden. So hatte der Aufsichtsrat der ARAG AG beschlossen, Schadensersatzansprüche gegen den ehemaligen Finanzvorstand in seiner Funktion als unmittelbar handelndes und bereichsverantwortliches Organmitglied im Klagewege geltend zu machen.736 Zum Zeitpunkt der ARAG/Garmenbeck-Urteils des BGH war über diese Klage bereits in zweiter Instanz entschieden worden.737 Das Oberlandesgericht verurteilte den früheren Finanzvorstand dazu, den seitens der ARAG AG geltend gemachten Schaden in voller Höhe zu ersetzen.738 Es stand zudem noch die Revision an, die allerdings nach der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung des BGH zurückgenommen wurde.739 Diesem Verfahren lag derselbe Lebenssachverhalt zugrunde, der auch die Haftung des Vorstandsvorsitzenden begründen sollte, die Schadenssache Garmenbeck.740 Um Ersatz des daraus resultierenden Schadens zu erlangen, hatte der Aufsichtsrat selbst also bereits einen anderen Prozess angestrengt. Daneben war auch ein weiterer von einem der Familienstämme veranlasster Rechtsstreit gegen die Vorstandsmitglieder anhängig, in dem ein besonderer Vertreter die Gesellschaft vertrat.741 Trotz dieser laufenden Schadensersatzprozesse nahm der BGH an, dass der Aufsichtsrat eine Pflicht verletzt hat, indem er die Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Vorstandsvorsitzenden abgelehnt hat. Dies spricht dafür, dass auch dann ein vergleichbarer Fall vorliegt, wenn es andere, mithaftende Vorstandsmitglieder gibt, gegen die auch bereits die Geltendmachung von Ansprüchen eingeleitet wurde oder erfolgt ist, jedoch nicht alle mithaftenden Vorstandsmitglieder in Anspruch genommen worden sind.
736
Vgl. OLG Düsseldorf ZIP 1997, 29 f. OLG Düsseldorf ZIP 1997, 27 ff. 738 Grooterhorst, ZIP 1999, 1117, 1118 Fn. 9; 2. Instanz OLG Düsseldorf ZIP 1997, 27 ff. mit Verweis auf LG Düsseldorf Urt. v. 23. 11. 1994 – 33 0 204/93 (nicht veröffentlicht). 739 Vgl. Grooterhorst, ZIP 1999, 1117, 1118 Fn. 10. 740 Vgl. LG Düsseldorf ZIP 1994, 628. 741 LG Düsseldorf ZIP 1995, 1985. 737
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dd) Art und Weise der Nichtgeltendmachung Zuletzt stellt sich die Frage, ob die Art und Weise der Nichtgeltendmachung vergleichbar ist. Denn im ARAG/Garmenbeck-Fall lagen aktive Beschlüsse des Aufsichtsrats vor, in denen er die Anträge auf Geltendmachung der Schadensersatzansprüche gegen den Vorstandsvorsitzenden ablehnte.742 Dagegen erlaubt die freie Schuldnerauswahl gem. § 421 S. 1 BGB verschiedene Handlungsformen. So kann das Vertretungsorgan der Gesellschaft die Person und die Höhe der Forderung sowohl durch bewusstes Unterlassen als auch durch aktives Handeln bestimmen. Unklar ist daher, ob nur bei aktiven Beschlüssen über die Nichtverfolgung eine Übertragung der ARAG/Garmenbeck-Grundsätze in Betracht kommt. Dies ist zu verneinen. Wie bereits dargestellt, war der prozessuale Aufhänger der ARAG/ Garmenbeck-Entscheidung der Beschluss des Aufsichtsrats die Verfolgung von Ansprüchen gegen den Vorstandsvorsitzenden abzulehnen. Darin eingebettet hat der BGH ganz grundsätzlich die Frage behandelt, welche Pflichten den Aufsichtsrat im Zusammenhang mit der Prüfung und Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen die Vorstandsmitglieder treffen.743 Diese beziehen sich gerade auch auf das Unterlassen. Damit besteht auch insoweit eine Vergleichbarkeit. ee) Zwischenergebnis: Vergleichbarkeit mit dem Fall ARAG/Garmenbeck Die Vorstandshaftungsfälle i.V.m. der freien Schuldnerauswahl sind mit dem Fall ARAG/Garmenbeck vergleichbar. Die im ARAG/Garmenbeck-Urteil des BGH enthaltenen Rechtssätze können damit auch auf diese Fälle übertragen werden. c) Grundsätze der ARAG/Garmenbeck-Rechtsprechung und ihre Rezeption in der Literatur Ob auch ein Wertungswiderspruch vorliegt, bemisst sich danach, welche verallgemeinerungsfähigen Rechtssätze im ARAG/Garmenbeck-Urteil des BGH tatsächlich enthalten sind. Dabei sind nur diejenigen Teile subsumtionsfähig, die rechtliche Ergebnisse oder Schlussfolgerungen enthalten und diese mit Geltungsanspruch feststellen.744 In der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung formulierte der BGH allgemeine Anforderungen im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Innenhaftungsansprüchen der Gesellschaft durch die Aufsichtsratsmitglieder.745 Er sieht dabei ein zweistufiges Prüfprogramm vor. Kommt die Prüfung auf erster Stufe zu dem Er742 Vgl. BGHZ 135, 244, 247; OLG Düsseldorf ZIP 1995, 1183, 1186; nach LG Düsseldorf ZIP 1994, 628: in den Sitzungen vom 25. Juni 1992 und 15. Juni 1993. 743 BGHZ 135, 244, 252 ff. 744 Vgl. Vogel, S. 161. 745 BGHZ 135, 244.
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2. Teil: Korrekturbedarf der Ist-Situation
gebnis, dass der Gesellschaft Schadensersatzansprüche gegen eines ihrer Vorstandsmitglieder zustehen, könne sich auf der nächsten Stufe die Frage stellen, ob der Aufsichtsrat gleichwohl von einer Verfolgung des Anspruchs absehen kann.746 Darin sind zwei Grundsätze angelegt, der Grundsatz der Prüfpflicht und der Grundsatz der Verfolgungspflicht. Der Inhalt dieser Grundsätze ist allerdings an vielen Stellen unklar. Daher bedürfen sie einer Auslegung.747 Damit beschäftigte sich die Literatur bereits ausführlich.748 Die Meinungen hierzu sind mannigfaltig, denn es unterscheiden sich bereits die Interpretationen der BGH-Entscheidung, daneben werden auch Abwandlungen, Ergänzungen und Fortentwicklungen vorgeschlagen. Diese werden hier insoweit behandelt, als sie zur Konkretisierung der ARAG/GarmenbeckGrundsätze beitragen und für die Feststellung eines Wertungswiderspruchs relevant sind. aa) Die Prüfpflicht nach ARAG/Garmenbeck (1) Grundsatz Nach dem ARAG/Garmenbeck-Urteil hat der Aufsichtsrat die Pflicht, das Bestehen von Schadensersatzansprüchen der Aktiengesellschaft gegenüber ihren Vorstandsmitgliedern eigenverantwortlich zu prüfen.749 Diese Verpflichtung ergebe sich einerseits aus der Aufgabe des Aufsichtsrats, gem. § 111 I AktG die Geschäftsleitung zu überwachen, andererseits daraus, dass der Aufsichtsrat die Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern gem. § 112 AktG vertritt.750 Der BGH geht somit klar davon aus, dass im Grundsatz eine Prüfpflicht besteht. Die Rechtsprechung751 und die Literatur752 haben sich diesem Grundsatz nahezu einhellig 746
Vgl. BGHZ, 135, 244, 253. Zur Auslegung von Richterrecht vgl. Langenbucher, S. 63 ff., Vogel, S. 163 ff. 748 Bereits zum Urteil des OLG Düsseldorf Dreher, ZIP 1995, 628 f.; Fischer, BB 1996, 225 ff.; Jaeger/Trölitzsch, ZIP 1995, 1157 ff.; Lutter, ZIP 1995, 441 f.; Nirk, in: FS Boujong, 1996, 393 ff.; Priester, EWiR 1997, 677, 678; Raiser, NJW 1996, 552 ff.; zum BGH-Urteil s. exemplarisch Cahn, WM 2013, 1293, 1295 ff.; Faßbender, NZG 2015, 501 ff.; Goette, in: FS Hofmann-Becking, 2013, 379 ff.; Goette, ZHR 176 (2012), 588, 591 ff.; Goette, in: Liber amicorum Winter, 2011, 153 ff.; Götz, NJW 1997, 3275, 3276 ff.; Habersack, NZG 2016, 321 ff.; Henze, NJW 1998, 3309 ff.; Ihrig, WM 2004, 2098, 2099 ff.; Koch, NZG 2014, 934 ff.; Mertens, in: FS K. Schmidt, 2009, 1183, 1184 ff.; Paefgen, AG 2012, 554, 571 ff.; Paefgen, AG 2008, 761 ff.; Reichert, ZIP 2016, 1189 ff.; Reichert, in: FS Hommelhoff, 2012, 907 ff.; Thümmel, DB 1997, 1117 ff. 749 BGHZ 135, 244 (Ls. 2), 252 so auch schon das OLG Düsseldorf ZIP 1995, 1183, 1190 in der Vorinstanz. 750 BGHZ 135, 244, 252. 751 BGHZ 180, 9 Rn. 23; BGH AG 2009, 404, 406. 752 K. Schmidt/Lutter/Drygala, § 116 Rn. 10; Goette, in: Liber amicorum Winter, 2011, 153, 156 ff.; Grigoleit/Grigoleit/Tomasic, § 111 Rn. 5 ff.; MüKo-AktG/Habersack, § 111 Rn. 35; Hüffer/Koch, § 111 Rn. 8; Kindler, ZHR 162 (1998), 101, 108 ff.; Kling, DZWiR 2005, 45 f.; Spindler/Stilz/Spindler, § 111 Rn. 27, § 116 Rn. 47 f.; GK-AktG/Hopt/Roth, § 111 747
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angeschlossen. Auch die als kritisch geltenden Ansichten753 lehnen eine Pflicht des Aufsichtsrats, das Bestehen von Schadensersatzansprüchen zu prüfen, nicht generell ab, vielmehr fordern sie eine bestimmte Handhabe. Damit unterscheiden sie sich nicht grundsätzlich von den Ansichten in der Literatur, die dem BGH zustimmen, sondern allenfalls darin, welche Intensität und Detailtiefe sie bei der Prüfung fordern. Endete die Diskussion um die Prüfpflicht also an dieser Stelle, so wäre die Anwendung der freien Schuldnerauswahl in § 93 II 1 AktG i.V.m. § 421 S. 1 BGB auf die Vorstandshaftungsfälle an einem strengen Grundsatz der Prüfpflicht zu messen. Dies ist jedoch nicht der Fall. Der BGH macht in seinem ARAG/Garmenbeck-Urteil vielmehr weitere Ausführungen zur Ausgestaltung der Prüfpflicht, die in der Literatur heftig diskutiert werden. (2) Ausgestaltung Die Frage nach der Ausgestaltung der Prüfpflicht ist für die Feststellung eines Wertungswiderspruchs insoweit bedeutsam, als sie den Grundsatz der Prüfpflicht infrage stellt. Teilweise hat der BGH in seinem ARAG/Garmenbeck-Urteil ausdrücklich formuliert, wie die Prüfpflicht des Aufsichtsrats konkret ausgestaltet ist. Danach obliegt dem Aufsichtsrat zunächst die Feststellung des zum Schadensersatz verpflichtenden Tatbestands in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht, sowie eine Analyse des Prozessrisikos und der Beitreibbarkeit der Forderung.754 Der BGH bestimmt damit den Inhalt und die Reihenfolge der dreiteiligen Prüfung. Zur Intensität der Prozessrisikoanalyse führt er aus, dass sie sorgfältig und sachgerecht vorzunehmen sei, Gewissheit beim Ergebnis nach Lage der Dinge aber insoweit nicht verlangt werden könne.755 Zu den anderen beiden Prüfungspunkten schweigt der BGH dagegen. Im Wortlaut des Urteils ist damit nicht angelegt, in welcher Detailtiefe die weitere Prüfung auf der ersten Stufe vorgenommen werden muss. Insoweit bestehen Unsicherheiten. Die weiteren Ausführungen des BGH zur Prüfpflicht betreffen den Maßstab, den der Aufsichtsrat bei der Prüfung anlegen muss. Diesen beschreibt er zunächst als streng. Eine Entscheidungsprärogative könne der Aufsichtsrat danach nicht in Anspruch nehmen.756 Denn bei der Prüfung stehe ihm keine andere Aufgabe zu, als jedem anderen, der in eigener oder fremder Sache ein Urteil über das Bestehen eines Rn. 361; Arnold, in: Hdb börsennotierte AG, § 22 Rdn. 53; Lutter/Krieger/Verse, § 7 Rn. 447; Kindler, ZHR 162 (1998), 101, 109 ff.; Thümmel, DB 1997, 1117, 1118. 753 S. MüKo-AktG/Habersack, § 111 Rn. 35 Fn. 71 und KK-AktG/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 44, Fn. 156, die auf Cahn, WM 2013, 1293, 1295 ff.; Dreher, ZHR 158 (1994), 614, 637 ff.; Dreher, ZIP 1995, 628 f.; Götz, NJW 1997, 3275, 3276; GK-AktG/Hopt/Roth, § 111 Rn. 353 ff.; Mertens, in: FS K. Schmidt, 2009, 1183, 1187 ff.; Paefgen, S. 145 ff.; Paefgen, AG 2008, 761, 762 ff.; Schneider, in: FS Hadding, 2004, 621, 635 verweisen. 754 BGHZ 135, 244, 253. 755 BGHZ 135, 244, 254. 756 BGHZ 135, 244, 254.
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Anspruchs und die Aussichten einer gerichtlichen Geltendmachung desselben abzugeben hat.757 Die Haltbarkeit und Richtigkeit seines Ergebnisses seien im Streitfall voll gerichtlich nachprüfbar.758 Denn bis hierher gehe es nicht um Fragen des Handlungs- sondern allein des Erkenntnisbereichs.759 Allerdings gibt der BGH anschließend zu, dass für diesen Bereich immerhin die Zubilligung eines „begrenzten Beurteilungsspielraums“ in Betracht kommen könne.760 Wie dieser Spielraum ausgestaltet ist, dazu schweigt der BGH jedoch. Damit bestimmt das ARAG/Garmenbeck-Urteil des BGH nur teilweise, wie der Grundsatz der Prüfpflicht konkret ausgestaltet ist. Infrage gestellt wird er jedoch nur, wenn der dabei anerkannte Spielraum sehr weit zu fassen ist und der Aufsichtsrat vollkommen frei entscheiden könnte, welchen Maßstab er anlegt. Ob dies der Fall ist, ergibt sich durch eine Auslegung der richterrechtlichen Rechtssätze.761 Der Begriff des Beurteilungsspielraums beschreibt kein konkretes dogmatisches Konzept des Aktienrechts. Im Verwaltungsrecht wird er verwendet, wenn die Exekutive einen eigenständigen Entscheidungsfreiraum bei der Frage hat, ob der Tatbestand einer Norm erfüllt ist, die einen unbestimmten Rechtsbegriff enthält.762 Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch meint das zusammengesetzte Wort Beurteilungsspielraum, dass ein Spielraum bei der Beurteilung gegeben sein soll. Diese bezieht sich nach dem BGH auf die Erfolgsaussichten einer gerichtlichen Anspruchsverfolgung763 und erfasst damit die gesamte erste Prüfungsstufe, was zunächst einen weiten Anwendungsbereich nahe legt. Allerdings ergibt sich aus dem Zusatz „begrenzt“ eine Einschränkung, die sich sowohl auf den Gegenstand der Beurteilung als auch auf den Spielraum selbst beziehen kann. Danach ist die Beurteilung jedenfalls nicht vollkommen frei. Hierfür spricht auch der Sinn und Zweck der Prüfpflicht. Sie ist der Verfolgung der Innenhaftungsansprüche vorgelagert und ermöglicht diese erst. Dabei gewährleistet sie, dass die Entscheidung des Aufsichtsrats über die Verfolgung auf einer angemessenen Informationsgrundlage getroffen wird. Danach besteht ein Spielraum bei der Prüfpflicht, allerdings nur in gewissen Grenzen. In der Literatur wird der Beurteilungsspielraum bei der Prüfpflicht teilweise sehr weitreichend ausgelegt und geht bis hin zu einer Neukonzeption der ersten Prüfungsstufe. Teilweise wird dabei die Prüfungsreihenfolge infrage gestellt, teilweise wird gefordert, den Prüfungsmaßstab aus ex-post oder ex-ante Sicht abzuändern.
757 758 759 760 761 762 763
BGHZ 135, 244, 254. BGHZ 135, 244, 254. BGHZ 135, 244, 254. BGHZ 135, 244, 254. Vgl. Langenbucher, S. 63 ff., Vogel, S. 163 ff. Vgl. Bachof, JZ 1955, 97, 99 f.; Maurer/Waldhoff, § 7 Rn. 31 ff. (S. 157 ff.). BGHZ 135, 244, 254.
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So wird eine Bindung an die vom BGH vorgesehene Prüfungsreihenfolge teilweise abgelehnt.764 Im Rahmen der ersten Stufe dürften die Prozessrisiken und die Vollstreckungschancen nicht erst nach der Feststellung der Schadensersatzansprüche, sondern müssten bereits während der gesamten Prüfung beachtet werden.765 Dies ergebe sich aus der Verpflichtung auf das Unternehmenswohl und der Verantwortung für das Gesellschaftsvermögen, die den alleinigen Maßstab für das Handeln der Organmitglieder bilden sollen.766 Diesem könne der Aufsichtsrat regelmäßig nur gerecht werden, wenn er zuerst die Fragen prüft, die einfach zu beantworten sind und bei komplizierteren Fragen immer das ganze Prüfprogramm im Blick hat.767 In Anbetracht des immensen Aufwands, den die Prüfung und Aufklärung mit sich bringen kann, sei es jederzeit erforderlich diesen ins Verhältnis zum eingetretenen Schaden zu setzen.768 Daraus folgt die Forderung nach einem flexiblen Maßstab bei der Prüfung auf der ersten Stufe dergestalt, dass ihre Detailtiefe vom Aufwand und der Höhe des in Aussicht stehenden Ersatzanspruchs abhängig gemacht werden soll. Dies führt dazu, dass sich der Inhalt der Prüfpflicht vom Einzelfall abhängig bestimmt. In der Theorie ist damit auch denkbar, dass angesichts der vorgefundenen Umstände überhaupt keine Prüfung erfolgen dürfte. Allerdings müssten selbst in diesen Fällen jedenfalls grundlegende Feststellungen zu den Umständen getroffen werden, die diese Entscheidung stützen. Der Grundsatz der Prüfpflicht wird also selbst hiernach in seinem Bestand nicht berührt. Ferner steht in der Kritik, dass der BGH der Prüfung auf der ersten Stufe den Charakter einer unternehmerischen Entscheidung abspricht769 und damit einen hohen Prüfungsmaßstab anlegt. Auch die strenge Zuordnung der Entstehung, Durchsetzbarkeit und Beitreibbarkeit zu einem vergangenheitsbezogenen Erkenntnisbereich und die scharfe Grenzziehung zu einem zukunftsbezogenen Handlungsbereich werden beanstandet.770 Denn, ob das Verhalten der Vorstandsmitglieder tatbestandsmäßig war, ob ein Haftungsprozess einen positiven Ausgang haben wird, und wie es um die Realisierung der Ansprüche steht, könne nicht rein rückblickend beantwortet werden.771 Vielmehr seien Prognosen zu erstellen und Einschätzungen abzugeben, wenn eine unklare Rechtslage überprüft oder die Erfolgsaussichten einer 764 Cahn, WM 2013, 1293, 1296; Eichner/Höller, AG 2011, 885, 886; Goette, in: Liber amicorum Winter, 2011, 153, 162 ff.; MüKo-AktG/Habersack, § 111 Rn. 38c; Hüffer/Koch, § 111 Rn. 10; Mertens, in: FS K. Schmidt, 2009, 1183, 1190 ff.; KK-AktG/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 46; s.a. Reichert, ZHR 177 (2013), 756, 763 „nur Prüfungshilfe“; Goette, ZHR 176 (2012), 588, 592 „Segelanweisung für das Berufungsgericht“. 765 Eichner/Höller, AG 2011, 885, 886; Goette, in: Liber amicorum Winter, 2011, 151, 159. 766 Cahn, WM 2013, 1293, 1296; Goette, in: Liber amicorum Winter, 2011, 153, 159, 162 ff. 767 Goette, in: Liber amicorum Winter, 2011, 153, 159, 162 ff. 768 Cahn, WM 2013, 1293, 1297; Goette, in: Liber amicorum Winter, 2011, 153, 159, 162 ff.; Mertens, in: FS K. Schmidt, 2009, 1183, 1190 ff.; KK-AktG/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 46; ähnlich Kropff, in: FS Raiser, 2005, 225, 232. 769 Vgl. Cahn, WM 2013, 1293, 1296; Mertens, in: FS K. Schmidt, 2009, 1183, 1190. 770 Cahn, WM 2013, 1293, 1296; KK-AktG/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 46. 771 Cahn, WM 2013, 1293, 1296.
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Klage analysiert und die Vollstreckbarkeit einer Forderung festgestellt werden sollen.772 Teilweise wird daraus eine unternehmerische Entscheidung auf der Erkenntnisebene hergeleitet, die einen entsprechenden Spielraum erfordere.773 Dessen Notwendigkeit wird auch darauf gestützt, dass der Aufsichtsrat eine unternehmerische Ermessensentscheidung des Vorstands nur überprüfen könne, wenn ihm dabei ebenfalls ein Ermessen zukomme.774 Daneben wird die Ausgestaltung der Prüfpflicht teilweise auch ex post betrachtet und an die gerichtliche Überprüfbarkeit angeknüpft. In diesem Zusammenhang wird vorgeschlagen, den Verschuldensmaßstab anzupassen,775 oder statt dem Ergebnis den Vorgang der Prüfung durch den Aufsichtsrat der gerichtlichen Kontrolle zu unterstellen.776 Ein anderer Vorschlag lautet dahingehend, die volle gerichtliche Kontrolle der Aufsichtsratsentscheidung einzuschränken.777 Im Verhältnis zu der soeben geschilderten ex ante-Betrachtung handelt es sich dabei allerdings nur um einen anderen Blickwinkel. Das Ziel ist letztlich dasselbe. Es soll ein Spielraum in Bezug auf die Prüfpflicht eingeräumt werden. Unabhängig davon, welche Ausgestaltung gefordert wird, die Prüfpflicht selbst wird in ihrem Grundsatz nicht infrage gestellt. Denn der Ausgangspunkt jeder Interpretation ist gerade eine strenge und voll gerichtlich überprüfbare Prüfpflicht. Mit hohem Aufwand wird vielfach versucht, eine flexiblere Ausgestaltung dieser Pflicht zu begründen. Dass die Prüfung, ob Schadensersatzansprüche gegen Organmitglieder bestehen, in das freie Belieben der Vertretungsorgane der Aktiengesellschaft gestellt sein soll, wird dagegen nicht vertreten. Eine solche Interpretation würde zudem die Wortlautgrenze überschreiten. Daraus folgt der allgemeine Rechtssatz, dass grundsätzlich eine Prüfpflicht besteht. Zudem kann der Spielraum, der dem Aufsichtsrat dabei zukommen soll, jedenfalls nicht so weit ausgelegt werden, dass dieser Grundsatz infrage gestellt würde. (3) Zusammenfassung Der konkrete Inhalt der Prüfpflicht ist unsicher. Insbesondere der Anwendungsbereich und der Umfang des Beurteilungsspielraums sind unklar. Der BGH liefert keine eindeutige Beschreibung und auch in der Literatur ist ihre Kontur umstritten, ohne dass eine Ansicht als herrschend bezeichnet werden könnte. 772 Cahn, WM 2013, 1293, 1296 f.; Goette, in: Liber amicorum Winter, 2011, 153, 158 f.; Heermann, AG 1998, 201, 203; KK-AktG/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 46. 773 KK-AktG/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 46, 15; Cahn, WM 2013, 1293, 1296 f.; Götz, NJW 1997, 3275, 3276 „kognitives Ermessen“; Heermann, AG 1998, 201, 203; Horn, ZIP 1997, 1129, 1137 f.; nach Goette, in: Liber amicorum Winter, 2011, 153, 155 ist dieser bereits in der BGH-Entscheidung angelegt. 774 Horn, ZIP 1997, 1129, 1137 f. 775 Hüffer/Koch, § 111 Rn. 6, 11. 776 Thümmel, DB 1997, 1117, 1119. 777 Kling, DZWiR 2005, 45, 53; KK-AktG/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 46.
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Dennoch lässt sich eine verallgemeinerungsfähige Regel ableiten, die für die Vorstandshaftungsfälle maßgeblich ist. So wird deutlich, dass der Grundsatz der Prüfpflicht einhellig anerkannt ist. Jedes nach der Auslegung des Urteils mögliche Konzept in Bezug auf den Inhalt, die Reihenfolge, die Detailtiefe bzw. den Spielraum und den Maßstab der Prüfung geht zudem davon aus, dass grundsätzlich eine Pflicht besteht, allen Anhaltspunkten für das Bestehen von Schadensersatzansprüchen nachzugehen. (4) Wertungswiderspruch Die Anwendung der freien Schuldnerauswahl auf die Vorstandshaftungsfälle widerspricht dem Grundsatz der Prüfpflicht ganz unabhängig von seiner konkreten Ausgestaltung jedenfalls dann, wenn sie diesen in seinem Bestand betrifft. Vertreten durch den Aufsichtsrat kann die Gesellschaft gem. § 93 II 1 AktG i.V.m. § 421 S. 1 BGB die Leistung in Form von Schadensersatz nach Belieben von jedem der mithaftenden Vorstandsmitglieder ganz oder zu einem Teil fordern. Der Wortlaut des § 421 S. 1 BGB bezieht sich jedoch nur auf die Forderung der Leistung. Eine solche setzt in den Vorstandshaftungsfällen das Vorliegen eines Anspruchs aus § 93 II 1 AktG voraus. Ob sich das Belieben daneben auch auf die Prüfung der Voraussetzungen dieses Anspruchs beziehen soll, ist darin nicht geregelt. A maiore ad minus folgt aus § 93 II 1 AktG i.V.m. § 421 S. 1 BGB jedoch, dass auch das Absehen von der Prüfung im Belieben des Gläubigers stehen muss. Denn dieses ist dem Absehen von der Verfolgung typischerweise vorgelagert und wiegt als solches schwächer. Auch der allgemeine Grundsatz der Handlungsfreiheit stützt diese Auslegung. Denn dieser verbürgt, dass sich das einzelne Rechtssubjekt im Rechtsverkehr frei bewegen kann. Darunter fällt auch die Entscheidung über die Prüfung der Ansprüche. Damit erlaubt die Regelung in § 93 II 1 AktG i.V.m. § 421 S. 1 BGB dem Aufsichtsrat grundsätzlich, auch auf die Prüfung von möglichen Ansprüchen auf Schadensersatz gegen Vorstandsmitglieder vollständig zu verzichten. Ein solcher Verzicht widerspricht in jedem Fall dem Grundsatz der Prüfpflicht, wenn die Anhaltspunkte für das Vorliegen von Schadensersatzansprüchen ausnahmslos ignoriert werden und damit gegen keines der möglicherweise haftenden Vorstandsmitglieder eine Prüfung eingeleitet wird. Unklar ist aber, ob auch ein Verstoß gegen die Prüfpflicht vorliegt, wenn die Ansprüche, wie dies in verschiedenen Konstellationen von Vorstandshaftungsfällen vorkommt, nur gegen einzelne von mehreren, möglicherweise mithaftenden Vorstandsmitgliedern geprüft werden. Dies ist nur dann der Fall, wenn sich der Grundsatz der Prüfpflicht darauf erstreckt, dass das Verhalten aller möglicherweise haftenden Vorstandsmitglieder zu untersuchen ist. In der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung formuliert der BGH die Pflicht des Aufsichtsrats, das Bestehen von „Schadensersatzansprüchen“ der Gesellschaft ge-
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genüber Vorstandsmitgliedern eigenverantwortlich zu prüfen.778 Die Formulierung im Plural legt bereits eine umfassende Prüfpflicht nahe. Gestützt wird dieses Wortlautargument durch den tatsächlichen Hintergrund des Sachverhalts in dem vom BGH zu entscheidenden Fall ARAG/Garmenbeck. Denn dabei ging es zwar nur um die Frage, ob der Aufsichtsrat dazu verpflichtet war, Ansprüche gegen den Vorstandsvorsitzenden zu prüfen und zu verfolgen. Gegen weitere möglicherweise mithaftende Vorstandsmitglieder der ARAG AG waren jedoch bereits anderweitig Verfahren eingeleitet worden.779 Der Aufsichtsrat war in Bezug auf diese seiner Prüfpflicht also nachgekommen. In Bezug auf den Vorstandsvorsitzenden stand ihre Erfüllung dagegen noch aus. Dies macht deutlich, dass die Pflicht sich auf die Überprüfung aller infrage kommenden Vorstandsmitglieder erstreckt. Eine der Schuldnerauswahl vorgelagerte selektive Überprüfung nur einzelner Vorstandsmitglieder widerspricht dagegen dem Grundsatz der Prüfpflicht als Rechtssatz der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung. bb) Die Verfolgungspflicht nach ARAG/Garmenbeck (1) Grundsatz Im ARAG/Garmenbeck-Urteil stellt der BGH zudem fest, dass sich bei einem positiven Ergebnis auf der ersten Prüfungsstufe, auf der nächsten Prüfungsstufe die Frage stellen kann, ob der Aufsichtsrat von einer Verfolgung des Anspruchs absehen kann.780 Entgegen der Ansicht der Vorinstanz,781 soll dem Aufsichtsrat dabei kein autonomer unternehmerischer Ermessensspielraum zustehen.782 Denn dieser sei die Kehrseite der Führungsaufgabe, die originär dem Vorstand obliegt und den Aufsichtsrat nur trifft, wenn das Gesetz dies anordnet oder er die Vorstandstätigkeit begleitend mitgestaltet.783 Die Entscheidung des Aufsichtsrats, Ansprüche gegen die Vorstandsmitglieder geltend zu machen, zählt nach dem BGH jedoch zu dessen nachträglicher Überwachungstätigkeit.784 Deren Ziel sei darauf gerichtet, den Vorstand zur Erfüllung seiner Pflichten anzuhalten und Schäden von der Gesellschaft abzuwenden.785 Dabei habe der Aufsichtsrat die unternehmerische Handlungsfreiheit der Vorstandsmitglieder zu berücksichtigen, für seine eigene Entscheidung könne er jedoch ein unternehmerisches Ermessen nicht in Anspruch nehmen.786 778
BGHZ 135, 244, 252. Gegen den Finanzvorstand siehe zweitinstanzliches Urteil OLG Düsseldorf ZIP 1997, 27; gegen die übrigen Vorstandsmitglieder siehe LG Düsseldorf ZIP 1995, 1985. 780 BGHZ 135, 244, 254. 781 OLG Düsseldorf ZIP 1995, 1183, 1190. 782 BGHZ 135, 244, 254. 783 BGHZ 135, 244, 255. 784 BGHZ 135, 244, 255. 785 BGHZ 135, 244, 255. 786 BGHZ 135, 244, 255. 779
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Bis hierher lässt das ARAG/Garmenbeck-Urteil darauf schließen, dass der BGH klar von einer strengen Verfolgungspflicht ausgeht. Jedoch führt er sodann aus, dass die Verfolgung der Schadensersatzansprüche zwar die Regel sei, es allerdings auch Ausnahmen gebe.787 Unklar ist, wie die Verfolgungspflicht danach konkret ausgestaltet ist. (2) Ausgestaltung Die Ausgestaltung der Verfolgungspflicht gehört zu den umstrittensten Themen bei der aktienrechtlichen Organhaftung. Grob können dabei zwei Anknüpfungspunkte unterschieden werden. Denn einerseits werden die Spielräume und Regeln diskutiert, die die Verfolgungspflicht auf der Handlungsebene ausgestalten. Andererseits werden die notwendigen Voraussetzungen auf der Erkenntnisebene erörtert, die eine Ausnahme von der Verfolgungspflicht rechtfertigen. (a) Handlungsebene Nach dem ARAG/Garmenbeck-Urteil des BGH kann dem Aufsichtsrat ein Entscheidungsermessen für die Frage zuzubilligen sein, ob er trotz Erfolgsaussicht einer Haftungsklage aus übergeordneten Gründen des Unternehmenswohles ausnahmsweise von der Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs absehen möchte.788 Unklar ist, was der BGH mit dem Begriff des Ermessens meint. Bereits das Landgericht ging in seinem erstinstanzlichen Urteil davon aus, dass der Aufsichtsrat bei der Verfolgungsentscheidung ein Ermessen hatte, dieses aber auf null reduziert war.789 Das Oberlandesgericht in zweiter Instanz wandte das Konzept des verwaltungsrechtlichen Ermessens parallel zu § 114 VwGO an, mit der Folge, dass die Entscheidung des Aufsichtsrats nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegen sollte.790 In der Revisionsinstanz nennt sodann auch der BGH den Begriff des Entscheidungsermessens.791 Er weist jedoch darauf hin, dass die vom Oberlandesgericht hierzu aufgestellten Maßstäbe nicht eindeutig bestimmt oder unzutreffend sind.792 Jedenfalls könne der Aufsichtsrat für seine eigene Entscheidung ein unternehmerisches Ermessen in dem vom Oberlandesgericht angenommenen Sinne nicht in Anspruch nehmen.793 Wie das Ermessen dagegen konkret ausgestaltet sein soll, folgt aus der ARAG/ Garmenbeck-Entscheidung nicht zweifelsfrei. Denn darin verwendet der BGH Formulierungen, hinter denen unterschiedliche dogmatische Konzepte stehen. So 787 788 789 790 791 792 793
BGHZ 135, 244, 255 f. BGHZ 135, 244, 256. LG Düsseldorf ZIP 1994, 628, 630. OLG Düsseldorf ZIP 1995, 1183, 1190. BGHZ 135, 244, 256. BGHZ 135, 244, 253. BGHZ 135, 244, 255.
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2. Teil: Korrekturbedarf der Ist-Situation
spricht er von einem Regel-Ausnahme-Verhältnis, einer Rechtfertigung sowie einer Abwägung.794 Obwohl es sich dabei um rechtstechnische Begriffe handelt, können sie aufgrund ihres unspezifischen Gebrauchs in diesem Zusammenhang nicht dazu dienen, die konkreten Voraussetzungen des Spielraums zu erschließen. Aus dem ARAG/Garmenbeck-Urteil selbst lassen sich allenfalls die Grenzen ablesen. So soll die Handlungsfreiheit des Aufsichtsrats einerseits enger sein als die des Vorstands, dessen Handeln er überprüfen soll. Andererseits sieht der BGH Ausnahmen vor, sodass die Verfolgungspflicht auch nicht um jeden Preis gelten soll. In der Literatur wurde und wird das ARAG/Garmenbeck-Urteil des BGH vielfach kritisch gewürdigt, interpretiert, ergänzt oder weiterentwickelt. Aus vielfältigen Begründungsansätzen795 werden unterschiedliche Regeln für die Ausgestaltung der Verfolgungspflicht abgeleitet. So wird einerseits von einer gebundenen Entscheidung über die Verfolgung ausgegangen, die sich aus einem zwingenden RegelAusnahme-Mechanismus ergibt.796 Danach muss das Vertretungsorgan von einer Verfolgung absehen, wenn die Voraussetzungen vorliegen, die eine Ausnahme verlangen.797 Ein Ermessen auf der Handlungsebene soll danach gerade nicht bestehen.798 Letztlich handelt es sich hierbei aber auch nur um einen Zwischenbefund. Denn diese Interpretation gewährt dem Aufsichtsrat einen Spielraum bei der Feststellung der Ausnahmegründe.799 Damit verschwimmt jedoch die Unterscheidung zwischen der Handlungsebene und der Erkenntnisebene und es ergeben sich starke Ähnlichkeiten zu verschiedenen Forderungen, nach denen dem Vertretungsorgan von vornherein eine irgendwie geartete Entscheidungsfreiheit zustehen soll. Danach wird dem Aufsichtsrat teilweise ganz abstrakt ein weiter Spielraum,800 ein Beurteilungsspielraum801 oder ein irgendwie geartetes Ermessen802 zugestanden, das von 794
BGHZ 135, 244, 256. Dazu exemplarisch Fleischer, in: FS Wiedemann, 2002, 827, 829 ff.; Lohse, 60 ff. 796 Kindler, ZHR 162 (1998), 101, 113 f.; Kling, DZWiR 2005, 45, 47; Thümmel, DB 1997, 1117, 1119; Priester, EWiR 1997, 677, 678. 797 Kindler, ZHR 162 (1998), 101, 113 f.; Thümmel, DB 1997, 1117, 1119 798 Kindler, ZHR 162 (1998), 101, 113 f.; Thümmel, DB 1997, 1117, 1119. 799 Kindler, ZHR 162 (1998), 101, 113 f.; Kling, DZWiR 2005, 45, 47 f.; Thümmel, DB 1997, 1117, 1119. 800 Goette, in: Liber amicorum Winter, 2011, 155. 801 Bachmann, E80 f. „beachtlicher Beurteilungsspielraum“; KK-AktG/Mertens/Cahn, § 111 Rn. 46 „Anerkennung eines gewissen unternehmerischen Beurteilungsspielraums“; K. Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer-Coceani, § 93 Rn. 46 „Beurteilungsspielraum nach den Grundsätzen der Business Judgement Rule“; Cahn, WM 2013, 1293, 1297 „gewisser unternehmerischer Beurteilungsspielraum“; Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115, 2124 „erheblicher Beurteilungsspielraum“. 802 Roth, S. 122 f. „beschränktes [unternehmerisches] Ermessen“; Lohse, S. 166 f. „Evaluationsermessen“; MüKo-AktG/Habersack, § 111 Rn. 38 „bei anderweitig eingeräumtem Ermessen“; HK-AktG/Israel, § 111 Rn. 5 „ausnahmsweise unternehmerisches Ermessen“; Bieder, NZG 2015, 1178, 1184, 1185 „weites Ermessen, einheitliche und umfassende Ermessensausübung“; Götz, NJW 1997, 3275, 3277 „begrenzter Ermessensspielraum“. 795
B. Normenkollisionen und Wertungswidersprüche
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einer engen bis zu einer weiten Auslegung reicht. Dabei wird teilweise die Business Judgement Rule gem. §§ 93 I 2, 116 S. 1 AktG für anwendbar gehalten,803 die dem Aufsichtsrat einen Entscheidungsspielraum gewähren soll, der einer richterlichen Kontrolle entzogen ist.804 Dagegen wird auch vertreten, dass ein sehr weiter Spielraum bestehe,805 dessen Grenze nur Missbrauch und Willkür bilden könnten.806 (b) Erkenntnisebene Die Diskussion um die Ausgestaltung der Verfolgungspflicht betrifft neben der Handlungsebene auch die Erkenntnisebene. Sie dreht sich darum, welche Gründe eine Ausnahme von der Verfolgungspflicht rechtfertigen können. Je höher die Hürden für ein Absehen von der Verfolgung sind, umso strenger ist die Verfolgungspflicht einzuordnen und umso eher liegt in der Anwendung der freien Schuldnerauswahl auf die Vorstandshaftungsfälle ein Widerspruch zu dieser. Kommt ein Absehen von der Verfolgung dagegen schon in Betracht, wenn nur irgendwelche Gründe dafür sprechen, so ist die Anwendung der freien Schuldnerauswahl auf die Vorstandshaftungsfälle mit dem Grundsatz der Verfolgungspflicht eher vereinbar. Der BGH stellt in seinem ARAG/Garmenbeck-Urteil die Vorbedingung auf, dass die Entscheidung des Aufsichtsrats allein dem Unternehmenswohl verpflichtet ist, das grundsätzlich die Wiederherstellung des geschädigten Gesellschaftsvermögens verlange.807 Daher werde der Aufsichtsrat von der Geltendmachung von Ansprüchen nur dann ausnahmsweise absehen dürfen, wenn gewichtige Interessen und Belange der Gesellschaft dafür sprechen, den Schaden ersatzlos hinzunehmen.808 Diese Voraussetzung werde nur dann erfüllt sein, wenn die Interessen und Belange der Gesellschaft, die für ein Absehen sprechen, die Gesichtspunkte, die für eine Rechtsverfolgung sprechen, überwiegen oder ihnen zumindest annähernd gleich803 Goette, ZHR 176 (2012), 588, 595, 615; Goette, in: FS Hofmann-Becking, 2013, 379, 387; Hoffmann-Becking, in: Münch Hdb GesR Bd IV, § 28 Rn. 38; Paefgen, AG 2008, 761, 762 ff., 769; Paefgen, AG 2014, 554, 572; zustimmend K. Schmidt/Lutter/Krieger/SailerCoceani, § 93 Rn. 46 und Reichert, ZHR 177 (2013), 756, 768, 781, 762 mit Verweis auf Reichert, in: FS Hommelhoff, 2012, 907 dort jedoch weniger deutlich, vgl. S. 924 „weiten Beurteilungsspielraum einzuräumen, der nur dann gerichtlich korrigiert werden kann, wenn er als unvertretbar erscheint“; s.a. Horn, ZIP 1997, 1129, 1138, der zwar den gleichen Spielraum annehmen will, der auch dem Vorstand zusteht, diesen aber wiederum einschränkt; nicht weit davon entfernt auch Casper, ZHR 176 (2012), 617, 636; a.A. Lutter, in: FS Hofmann-Becking, 2013, 747, 748 ff., der seit der Einführung des § 93 I 2 AktG durch das UMAG von der Anwendbarkeit der Business Judgement Rule ausgeht, diese aber eindämmen will. 804 Vgl. Begr. RegE UMAG, BR-Drs. 3/05, 21 f. 805 Vgl. Dreher, JZ 1997, 1074 ff. mit Verweis auf Dreher, ZIP 1995, 628 f. und Dreher, ZHR 158 (1994), 614, 621 f., 637 ff.; bereits vor der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung des BGH, jedoch unter Berücksichtigung des zweitinstanzlichen Urteils des OLG Düsseldorf; zust. Nirk, in: FS Boujong, 1996, 393, 402 ff. 806 Dreher, JZ 1997, 1074 ff. mit Verweis auf Dreher, ZHR 158 (1994), 614, 621 f., 629. 807 BGHZ 135, 244, 255. 808 BGHZ 135, 244, 255.
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2. Teil: Korrekturbedarf der Ist-Situation
wertig sind.809 Hingegen werde der Aufsichtsrat anderen Gesichtspunkten als denen des Unternehmenswohls, nur in Ausnahmefällen Raum geben dürfen.810 Nach dem BGH können also sowohl Gründe des Unternehmenswohls als auch außerhalb des Unternehmenswohls liegende Gründe eine Ausnahme rechtfertigen. Hierdurch wird der Grundsatz der Verfolgungspflicht zunächst infrage gestellt. Denn danach scheint jeder Grund das Potential zu besitzen, ein Absehen von der Verfolgung zu rechtfertigen. In der Literatur wird jedoch bereits dieser Punkt überwiegend strenger bewertet und ausschließlich den Gründen des Unternehmenswohls eine rechtfertigende Wirkung beigemessen.811 Zudem genügt es auch nach der Rechtsprechung des BGH nicht, dass Gründe vorliegen, die generell eine Ausnahme rechtfertigen können, vielmehr muss eine Abwägung vorgenommen werden.812 Dabei müssen die Umstände, die gegen eine Verfolgung sprechen, die Umstände, die für eine Verfolgung sprechen, überwiegen oder ihnen zumindest gleichwertig sein.813 Hiernach darf einerseits das pflichtwidrige Verhalten nicht allzu schwerwiegend gewesen sein und die der Gesellschaft zugefügten Schäden müssen verhältnismäßig gering gewesen sein.814 Andererseits müssen aus der Verfolgung einschneidende Folgen für das ersatzpflichtig gewordene Vorstandsmitglied drohen.815 Da der BGH darüber hinaus keine weiteren konkreten Leitlinien formuliert und auch keine Anforderungen an den Darlegungs- und Substantiierungsumfang gestellt hat, werden verschiedentlich Versuche unternommen, die ARAG/Garmenbeck-Rechtsprechung in diesem Punkt weiter zu konkretisieren.816 Diese unterscheiden sich zwar in ihrem Inhalt und ihrer Detailtiefe, ihnen ist allerdings allen gemein, dass sie bestimmte Anforderungen an die Ausnahmegründe und deren Gewicht stellen. Eine freie Entscheidung über die Verfolgung, wenn nur irgendein Ausnahmegrund vorliegt, ist dagegen nicht erfasst. Diese Erkenntnis ist damit auch maßgeblich für die Beurteilung der Vorstandshaftungsfälle. (3) Zusammenfassung Das ARAG/Garmenbeck-Urteil des BGH ist auch im Hinblick auf den Grundsatz der Verfolgungspflicht an mehreren Stellen unklar. Dennoch lassen sich die notwendigen Eckpunkte festmachen, an denen die Anwendung der freien Schuldner809
BGHZ 135, 244, 255. BGHZ 135, 244, 255 f. 811 Heermann, AG 1998, 201, 207 f.; Hüffer/Koch, § 111 Rn. 10; Kling, DZWiR 2005, 45, 50 ff.; Paefgen, S. 146; Paefgen, AG 2008, 761, 763; weniger deutlich Lutter, ZIP 1995, 441, 442. 812 BGHZ 135, 244, 245, 256. 813 BGHZ 135, 244, 245, 256. 814 BGHZ 135, 244, 256. 815 BGHZ 135, 244, 256. 816 Vgl. Scholz, S. 152 ff., 155; Götz, NJW 1997, 3275, 3277 f.; Wilsing, in: FS MaierReimer, 2010, 889, 891 ff.; Heermann, AG 1998, 201, 208; Hüffer/Koch, § 111 Rn. 9, 11; Koch, AG 2009, 93, 96; Redeke, ZIP 2008, 1549, 1551 ff.; Jaeger/Trölitzsch, ZIP 1995, 1157, 1162 f. 810
B. Normenkollisionen und Wertungswidersprüche
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auswahl auf die Vorstandshaftungsfälle gemessen werden kann. So ist die Verfolgungspflicht zwar nicht als zwingende Pflicht ausgestaltet, der Aufsichtsrat soll jedoch auch nicht völlig frei über die Geltendmachung von Ersatzansprüchen der Aktiengesellschaft entscheiden können. Denn alle im ARAG/Garmenbeck-Urteil dogmatisch angelegten Konzepte schnüren die Entscheidung des Aufsichtsrats in ein engeres Korsett und lassen das Absehen von der Verfolgung nur zu, wenn gewisse Voraussetzungen erfüllt sind. Daraus ergibt sich, dass der Grundsatz der Verfolgungspflicht gilt. (4) Wertungswiderspruch Die Anwendung der freien Schuldnerauswahl auf die Vorstandshaftungsfälle steht im Widerspruch zum ARAG/Garmenbeck-Grundsatz der Verfolgungspflicht. Zwar hat der Aufsichtsrat auch nach dem ARAG/Garmenbeck-Grundsatz der Verfolgungspflicht Spielräume bei seiner Entscheidung. Allerdings müssten diese entsprechend weit sein, damit die freie Schuldnerauswahl nach § 421 S. 1 BGB noch im Einklang mit dem Grundsatz der Verfolgungspflicht stehen könnte. Dies ist jedoch nicht der Fall. Denn für eine Ausnahme von der Verfolgungspflicht müssen Gründe vorliegen. Eine andere Interpretation der Entscheidung ist nicht vom Wortlaut gedeckt. Zwar ist unklar, ob dabei nur Gründe des Unternehmenswohls oder auch andere Gesichtspunkte in Betracht kommen können. Jedenfalls aber besteht ein abstraktes Begründungserfordernis gegenüber der Gesellschaft bzw. den hinter ihr stehenden Aktionären. Dieses steht bereits im Widerspruch zu einer Schuldnerauswahl nach freiem Belieben. Allenfalls, wenn die erforderlichen Gründe auch beliebiger Natur sein könnten, wäre eine andere Beurteilung denkbar. Dies ist aber nicht der Fall. Sowohl im Hinblick auf die Qualität als auch auf die Intensität der Gründe bestehen gewisse Anforderungen, die erfüllt sein müssen, damit ein Absehen von der Verfolgung zulässig ist. Handelt es sich dabei um Gründe des Unternehmenswohls, so sind diese im Verhältnis zu allen Vorstandsmitgliedern zu berücksichtigen. Denn es sind keine unternehmensbezogenen Gründe denkbar, die eine Verfolgung von Schadensersatzansprüchen nur gegen einzelne Vorstandsmitglieder rechtfertigen. Daher muss entweder jedes oder es darf keines der Vorstandsmitglieder in Anspruch genommen werden. Ein Rosinenpicken dagegen widerspricht stets dem Unternehmenswohl. Soweit außerhalb des Unternehmenswohls liegende Gründe ein Absehen von der Verfolgung einzelner Vorstandsmitglieder überhaupt rechtfertigen können, handelt es sich nach dem BGH um eine absolute Ausnahme.817 Als solche bestätigt sie letztlich den Grundsatz der Verfolgungspflicht und stellt ihn nicht in seinem Bestand in Frage, sondern beschreibt die Ausnahme von einer Regel. Nur in diesem Ausnahmefall kollidiert die Ungleichbehandlung nicht mit den Normen und Wertungen des Aktienrechts. Entscheidungen über die Verfolgung, die nach freiem Belieben 817
BGHZ 135, 244, 245, 255 f.
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2. Teil: Korrekturbedarf der Ist-Situation
getroffen werden, stehen dagegen regelmäßig im Widerspruch zum ARAG/Garmenbeck-Grundsatz der Verfolgungspflicht. d) Zwischenergebnis: Kollision mit den Grundsätzen der ARAG/Garmenbeck-Rechtsprechung Trotz des umstrittenen Inhalts der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung gibt es innerhalb der Grenzen ihres Wortlauts einen gemeinsamen Ausgangspunkt. Dieser besteht in der Anerkennung des Grundsatzes der Prüfpflicht und des Grundsatzes der Verfolgungspflicht bei der Innenhaftung von Vorstandsmitgliedern in der Aktiengesellschaft. Die Anwendung der freien Schuldnerauswahl auf die Vorstandshaftungsfälle widerspricht dabei beiden ARAG/Garmenbeck-Grundsätzen. e) Auswirkungen der ARAG/Garmenbeck-Grundsätze auf die aktienrechtliche Legalitätspflicht Soweit nach den ARAG/Garmenbeck-Grundsätzen des BGH Prüf- oder Verfolgungspflichten bestehen, sind dies bindende Rechtspflichten.818 Verstößt der Aufsichtsrat gegen diese, indem er eine vollkommen freie Schuldnerauswahl trifft, ist davon auch die aktienrechtliche Legalitätspflicht berührt, die in § 116 S. 1 AktG i.V.m. § 93 II 1 AktG zum Ausdruck kommt. 3. Zwischenergebnis: Kollision mit der Prüfungsund Überwachungspflicht des Aufsichtsrats Die ARAG/Garmenbeck-Rechtsprechung bestimmt die gesetzlichen Pflichten zur Prüfung und Verfolgung von Innenhaftungsansprüchen näher. Damit liegt mit dem Widerspruch zu den darin formulierten Grundsätzen gleichsam ein Widerspruch zu den Pflichten aus § 111 I AktG, § 112 AktG sowie der aktienrechtlichen Legalitätspflicht und damit ganz allgemein zu den Prüfungs- und Überwachungspflichten des Aufsichtsrats vor.
III. Widerspruch zu aktienrechtlichen Treuepflichten Die Anwendung der freien Schuldnerauswahl nach § 93 II 1 AktG i.V.m. § 421 S. 1 BGB auf die Vorstandshaftungsfälle kann auch gegen die aktienrechtlichen Treuepflichten verstoßen. Diese verpflichten nicht nur, wie bereits dargestellt, die Vorstandsmitglieder gegenüber der Gesellschaft,819 sondern auch die Aufsichts-
818 819
Goette, in: Liber amicorum Winter, 2011, 153, 156; Paefgen, AG 2008, 761. S. o. 1. Teil A. I. 1. b) S. 23 ff.
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ratsmitglieder gegenüber der Gesellschaft sowie die Gesellschaft gegenüber den Vorstandsmitgliedern.
1. Treuepflicht der Aufsichtsratsmitglieder gegenüber der Gesellschaft a) Anwendbarkeit, Herleitung und Inhalt Parallel zur Treuepflicht der Vorstandsmitglieder, ist auch für die Mitglieder des Aufsichtsrats eine Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft allgemein anerkannt.820 Allerdings besteht bei diesen im Vergleich zum Amt des Vorstands ein höheres Potential für Konflikte. Denn für die Mitglieder des Aufsichtsrat gilt gem. § 105 II 4 AktG kein Wettbewerbsverbot und die Aufsichtsratstätigkeit hat den Charakter eines Nebenamts, was zusammengenommen zu vielfältigen Interessenverflechtungen führt.821 Da die Mitglieder des Aufsichtsrats danach mehrere Mandate innehaben können, ist es notwendig, zunächst den Anwendungsbereich der Treuepflicht festzulegen. Dabei ist unsicher, in welchen Fällen sie einer Treuebindung gegenüber der jeweils geschädigten Gesellschaft unterliegen und in welchen Fällen ihre eigenen oder fremde Interessen vorgehen. Bereits das Reichsgericht hatte mehrfach sowohl aus strafrechtlicher als auch zivilrechtlicher Perspektive darüber zu entscheiden. Die Strafsenate räumten den Gesellschaftsinteressen jederzeit Vorrang ein.822 Sie begründeten dies mit dem Argument, dass die Organeigenschaft dem Aufsichtsratsmitglied unablöslich anhafte, auch wenn es nicht in dieser tätig werde.823 Die Zivilsenate dagegen entschieden differenzierter und berücksichtigten, ob und wie sich ein möglicherweise von eigenen oder fremden Interessen geleitetes Verhalten des Aufsichtsratsmitglieds situationsbezogen überhaupt auswirken kann.824 Auch in der Literatur wird überwiegend davon ausgegangen, dass die Treuepflicht jedenfalls dann gelten muss, wenn das infrage stehende schädigende Verhalten mit der Amtsausübung zusammenhängt.825 820 K. Schmidt/Lutter/Drygala, § 116 Rn. 25 ff.; Grigoleit/Grigoleit/Tomasic, § 116 Rn. 10 ff.; MüKo-AktG/Habersack, § 116 Rn. 43 ff.; Henssler/Strohn/Henssler, § 116 AktG Rn. 8; KK-AktG/Mertens/Cahn, § 116 Rn. 24 ff.; v. Schenck, in: Semler/v. Schenck, Der Aufsichtsrat, § 166 Rn. 178; Seibt, in: FS Hopt, 2010, 1363 ff.; Spindler/Stilz/Spindler, § 116 Rn. 74; s.a. Fleischer; WM 2003, 1045 ff. 821 MüKo-AktG/Habersack, § 116 Rn. 43 ff.; GK-AktG/Hopt/Roth, § 116 Rn. 173, 190 ff.; GK-AktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 228; Spindler/Stilz/Spindler, § 116 Rn. 75; Ulmer, NJW 1980, 1603, 1604. 822 S. exemplarisch RGSt 26, 136, 137; RGSt 58, 391, 392. 823 S. exemplarisch RGSt 26, 136, 137; RGSt 58, 391, 392. 824 RGZ 105, 392, 393 (Aufsichtsrat in einer AG); RGZ 148, 357, 361 (Aufsichtsrat in einer Genossenschaft); RGZ 165, 68, 82 (Aufsichtsrat in einer GmbH). 825 Grigoleit/Grigoleit/Tomasic, § 116 Rn. 10 ff.; MüKo-AktG/Habersack, § 116 Rn. 44, 46; KK-AktG/Mertens/Cahn, § 116 Rn. 25, 29; Thümmel, Rn. 276; kritisch zur praktischen Umsetzung Wiedemann, S. 24 ff.
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2. Teil: Korrekturbedarf der Ist-Situation
Damit greift die Treuepflicht in jedem Fall auch in den Vorstandshaftungsfällen. Denn die Aufsichtsratsmitglieder handeln bei der Prüfung und Entscheidung über die Geltendmachung von Ansprüchen gem. § 93 II 1 AktG i.V.m. § 421 S. 1 BGB in ihrer Funktion. Sie handeln als Instanz, die die Geschäftsführung gem. § 111 I AktG überwacht und die Gesellschaft gegenüber den Vorstandsmitgliedern gem. § 112 AktG vertritt. Fremdgeleitete Interessen wirken sich bei ihrer Tätigkeit somit direkt aus. Der konkrete Inhalt der Treuepflicht folgt für die Mitglieder des Aufsichtsrats ebenfalls aus ihrem Amt,826 und bemisst sich danach, welcher ihrer Handlungsbereiche betroffen ist. In der Stellung als Organ im Gefüge der Aktiengesellschaft nimmt auch der Aufsichtsrat ein besonderes Vertrauen in Anspruch. Dies ergibt sich bereits historisch aus seinen Funktionen, die Interessen der Aktionäre zu vertreten,827 und das Handeln des Vorstands zu überwachen und zu kontrollieren.828 Vertritt der Aufsichtsrat die Gesellschaft gegenüber den Vorstandsmitgliedern, besitzt er gleichsam eine besondere Möglichkeit, auf fremdes Gesellschaftsvermögen einzuwirken. Denn ihm obliegt es, die Ansprüche, die der Gesellschaft zustehen und damit Teil ihres Vermögens sind, geltend zu machen. Infolge der Trennung zwischen Eigentum und Kontrolle in der Aktiengesellschaft ist dem Aufsichtsrat diese Verfügungsmacht grundsätzlich allein zugeordnet.829 Durch gesetzliche Vorgaben, wie beispielsweise das Zustimmungserfordernis nach § 93 IV 3 AktG, werden die im Übrigen vielfältigen Möglichkeiten zur Einwirkung auf das Gesellschaftsvermögen nur punktuell beschränkt. Neben dem Aufsichtsrat können zwar auch andere Akteure zur Vertretung der Gesellschaft berufen sein. So können die Aktionäre gem. § 147 AktG besondere Vertreter zur Geltendmachung des Ersatzanspruchs bestellen oder gem. §§ 148, 149 AktG eine Aktionärsklage anstrengen.830 Diese Möglichkeiten sind jedoch an hohe Voraussetzungen geknüpft. Daher kann der Aufsichtsrat in den Vorstandshaftungsfällen kraft seiner originären Verfolgungskompetenz jederzeit besonderen Einfluss auf das Vermögen der Gesellschaft nehmen. Eine derartige Einwirkungsmöglichkeit begründet mithin auch seine Treuebindung.831 826 Fleck, in: FS Heinsius, 1991, 89, 90 ff.; MüKo-AktG/Habersack, § 116 Rn. 44; Hüffer/ Koch, § 116 Rn. 7; Spindler/Stilz/Spindler, § 116 Rn. 75. 827 Fischer, BB 1996, 225, 227; Kindler, ZHR 162 (1998), 101, 110; Raiser, NJW 1996, 552, 554; Schubert, ZGR 1981, 285, 306; Zempelin, AcP 155 (1956), 209, 210. 828 Allg. Begr. zum Entwurf eines Gesetzes, betr. die KGaA und AG (1884), S. 288 ff. abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff, S. 404 ff., 459 ff.; MüKo-AktG/Habersack, § 111 Rn. 1; Hölters/Hambloch-Gesinn/Gesinn, § 111 Rn. 4; GK-AktG/Hopt/Roth, § 95 Rn. 10, § 111 Rn. 24; Hüffer/Koch, § 111 Rn. 1. 829 Fischer, BB 1996, 225, 227. 830 S. o. 1. Teil A. III. 1., S. 37 f. 831 Vgl. Fleischer, WM 2003, 1045, 1046; GK-AktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 224; Mestmäcker, S. 214 f. mit Verweis auf Fechner, S. 75 ff., der die Treuepflicht hieraus allerdings für die Aktionäre entwickelt.
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In Anbetracht der Vorstandshaftungsfälle folgt die Treuepflicht der Aufsichtsratsmitglieder gegenüber der Gesellschaft damit einerseits aus dem Recht und der Kompetenz, die Ansprüche gegen die Vorstandsmitglieder geltend zu machen.832 Andererseits folgt sie aus seiner Aufgabe, das Vermögen der Gesellschaft als fremdes zu betreuen.833 Die Treuepflicht verlangt, dass die Aufsichtsratsmitglieder jederzeit den Vorrang der Gesellschaftsinteressen vor eigenen oder fremden Interessen uneingeschränkt wahren und ihr Handeln am Gesellschaftswohl ausrichten.834 Weicht das Verhalten der Aufsichtsratsmitglieder davon ab, so kann dies durch das Bestehen anderweitiger Interessen weder gerechtfertigt noch entschuldigt werden.835 Damit obliegt es den Aufsichtsratsmitgliedern, Konflikte zwischen unvereinbaren Interessen zu erkennen,836 sie abzuwenden oder im Sinne des Unternehmensinteresses zu lösen.837 In den Vorstandshaftungsfällen verlangt die Treuepflicht von den Aufsichtsratsmitgliedern daher konkret, dass sie ihre eigenen Interessen und die Interessen der Vorstandsmitglieder mit den Interessen der Gesellschaft in Einklang bringen. Aus dem Recht und der Kompetenz, die Innenhaftungsansprüche geltend zu machen, folgt auch die Pflicht, die Interessen der hinter der Gesellschaft stehenden Aktionäre zu vertreten.838 Deren Interessen richten sich auf den Erhalt und die Mehrung des Gesellschaftsvermögens, wozu auch der Ausgleich von eingetretenen Verlusten zählt.839 Auch seine treuhänderische Stellung verpflichtet ihn dazu, ausschließlich und uneingeschränkt im Interesse der Aktionäre zu handeln und das ihm anvertraute Vermögen nicht nutzlos hinzugeben.840
832
Fischer, BB 1996, 225, 227. BGHSt 50, 331, 338 f.; BGHZ 149, 10, 17 f.; Dreher, AG 2006, 213, 218. 834 BGHZ 36, 296, 306; BGH NJW 1980, 1629, 1630; MüKo-AktG/Habersack, § 116 Rn. 44, 46; GK-AktG/Hopt/Roth, § 116 Rn. 174; Hüffer/Koch, § 116 Rn. 8; Lutter, ZHR 145 (1981), 224, 239 ff.; KK-AktG/Mertens/Cahn, § 116 Rn. 25; Ulmer, NJW 1980, 1603, 1605; Wiedemann, ZIP 1997, 1565, 1566. 835 So jedenfalls für die Interessen anderer Gesellschaften, vgl. RGZ 165, 68, 82 f.; BGH NJW 1980, 1629 f.; GK-AktG/Hopt/Roth, § 116 Rn. 174; Hüffer/Koch, § 116 Rn. 8; Lutter/ Krieger/Verse, § 13 Rn. 1007; Lutter, ZHR 145 (1981), 224, 240; Ulmer, NJW 1980, 1603, 1605, was dann erst recht für die Interessen des Aufsichtsrats gelten muss. 836 Spindler/Stilz/Spindler, § 116 Rn. 85. 837 K. Schmidt/Lutter/Drygala, § 116 Rn. 27; Hoffmann-Becking, in: Münch Hdb GesR Bd IV, § 33 Rn. 78; Seibt, in: FS Hopt, 2010, 1363, 1372 ff. „fünfstufige Reaktionsleiter“; Thümmel, Rn. 276; kritisch v. a. zur praktischen Umsetzung Roth/Wörle, ZGR 2004, 565, 616 f. 838 Fischer, BB 1996, 225, 227. 839 Fischer, BB 1996, 225, 227. 840 Dreher, AG 2006, 213, 218 mit Verweis auf BGHSt 50, 331, 338 f.; BGHZ 149, 10, 17 f. 833
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2. Teil: Korrekturbedarf der Ist-Situation
b) Widerspruch Unklar ist, ob die Anwendung der freien Schuldnerauswahl nach § 93 II 1 AktG i.V.m. § 421 S. 1 BGB auf die Vorstandshaftungsfälle der aktienrechtlichen Treuepflicht des Aufsichtsrats widerspricht. § 421 S. 1 BGB stellt die Geltendmachung der Schadensersatzansprüche in das Belieben der Gesellschaft als Gläubigerin, in deren Vertretung der Aufsichtsrat gem. § 112 AktG handelt. Wählt dieser nun frei aus, ob er Anhaltspunkte für einen Schadensersatzanspruch gegen mehrere Mitglieder des Vorstands überhaupt überprüft und verfolgt, und wenn ja, gegen welche und in welcher Höhe, so können sich Widersprüche zum Gesellschaftsinteresse ergeben. So verringert eine entsprechende Auswahl die Aussichten der Gesellschaft darauf, den gesamten Schaden ersetzt zu bekommen. Dies liegt auf der Hand, wenn nur ein Teil des Schadens verlangt wird. Aber auch wenn in den Vorstandshaftungsfällen nur einzelne Vorstandsmitglieder in Anspruch genommen werden, liegt ein Widerspruch zum Gesellschaftsinteresse vor. Zwar ist gem. § 93 II 1 AktG i.V.m. § 421 S. 1 BGB auch jedes Vorstandsmitglied dazu verpflichtet, die gesamte Leistung zu bewirken. Jedoch können verschiedene Gründe dazu führen, dass die Gesellschaft von demjenigen Vorstandsmitglied, auf das die Wahl fällt, nicht die gesamte Leistung erhält. Denn dem Anspruch können Einreden und Einwendungen entgegenstehen.841 Ferner kann die Forderung nicht beitreibbar sein, da die Versicherungssumme nicht greift oder nicht ausreicht um allein oder zusammen mit dem Vermögen des einzelnen Vorstandsmitglieds den gesamten Schaden zu ersetzen.842 Zwar legt sich der Aufsichtsrat mit seiner zunächst getroffenen Auswahl nicht fest und er kann bis zur Verjährung der Ansprüche die Leistung jederzeit auch noch von anderen mithaftenden Vorstandsmitgliedern fordern. Aber er schafft auch nicht die bestmöglichen Bedingungen für den Ersatz des Schadens der Gesellschaft. Denn im Laufe der Zeit können sich auch die Erfolgsaussichten in Bezug auf die erfolgreiche Geltendmachung der Ansprüche gegen die übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder verschlechtern. Damit fordert das Gesellschaftsinteresse regelmäßig, dass die Ansprüche gegen alle mithaftenden Vorstandsmitglieder geprüft und geltend gemacht werden. Denn nur so kann ein möglichst vollständiger Schadensausgleich erzielt werden. Die konkrete Treueverpflichtung, die dies fordert, folgt dabei aus der Vertrauensbeziehung zwischen dem Aufsichtsrat und den hinter der Gesellschaft stehenden Aktionären sowie aus der Einwirkungsmacht, die er dabei auf deren Vermögen hat. Die Anwendung der freien Schuldnerauswahl nach § 93 II 1 AktG i.V.m. § 421 S. 1 BGB auf die Vorstandshaftungsfälle widerspricht damit der aktienrechtlichen Treuepflicht der Mitglieder des Aufsichtsrats gegenüber der Gesellschaft. 841 842
Zur Einrede der Verjährung s. o. 1. Teil A. IV. 1. c), S. 54 ff. S. o. 1. Teil A. III. 3., S. 40 f.
B. Normenkollisionen und Wertungswidersprüche
163
2. Treuepflicht der Gesellschaft gegenüber den Vorstandsmitgliedern Die aktienrechtliche Treuepflicht ist auch als Pflicht der Gesellschaft gegenüber ihren Organmitgliedern anerkannt.843 Teilweise wird sie dabei auch Fürsorgepflicht oder Rücksichtnahmepflicht genannt, ohne dass daraus inhaltlich ein Unterschied folgt.844 a) Herleitung und Inhalt Als Gegenstück zur Treuepflicht der Vorstandsmitglieder gegenüber der Gesellschaft entspringt auch die Treuepflicht der Gesellschaft gegenüber den Vorstandsmitgliedern aus der Organstellung.845 Allerdings ist ihre dogmatische Herleitung in diesem Verhältnis nicht eindeutig.846 Da die Verpflichtungen aus dem Treuhandverhältnis nur die Vorstandsmitglieder als Treugeber treffen, kann sie jedenfalls nicht auf diesem beruhen.847 Allerdings eignet sich die Vertrauensstellung848 als konkreter Anknüpfungspunkt, da auch die Vorstandsmitglieder gegenüber der Gesellschaft die Erwartung haben dürfen, von dieser nicht benachteiligt zu werden.849 Darüber hinaus ist es auch der Gesellschaft möglich, auf die Rechtsgüter und Interessen der Mitglieder ihres Vorstands einzuwirken. Diese Einwirkungsmacht850 begründet letztlich auch die Treuepflicht in diesem Verhältnis. Sie zeigt sich besonders deutlich an der Regelung in § 93 II 1 AktG, die bei der Verletzung von Pflichten der Vorstandsmitglieder gegenüber der Gesellschaft spezialgesetzlich eine Haftung anordnet. Dabei handelt es sich um einen Sondertat843 HK-AktG/Bürgers, § 84 Rn. 2; Hüffer/Koch, § 84 Rn. 11; MüKo-AktG/Spindler, § 84 Rn. 67, 107; Spindler/Stilz/Fleischer, § 84 Rn. 31; GK-AktG/Kort, § 84 Rn. 279 f.; KK-AktG/ Mertens/Cahn, § 93 Rn. 41; Bayer, in: FS K. Schmidt, 2009, 85, 97; Fleck, in: FS Hilger und Stumpf, 1983, 197, 212 f.; Fleischer, DB 2014, 345, 349; Reichert, ZHR 177 (2013), 756, 776. 844 So schon Casper, ZHR 176 (2012), 617, 636 Fn. 67, der auf die unterschiedlichen Formulierungen u. a. bei Koch, in: Liber amicorum Winter, 2011, 327, 338 f.; Koch, AG 2012, 429, 435; Bayer, in: FS K. Schmidt, 2009, 85, 97; Thole, ZHR 173 (2009), 504, 533 hinweist, die sich alle auf dasselbe dogmatische Konzept beziehen, s.a. Fleck, in: FS Hilger und Stumpf, 1983, 197, 199 f.; Reichert, ZHR 177 (2013), 756, 778. 845 S. o. 1. Teil A. I. 1. b) aa), S. 23 ff. 846 Vgl. Koch, AG 2012, 429, 435, nach dem es sich dabei um ein „amorphes dogmatisches Gebilde mit äußerst verschwommenen Konturen“ handelt. 847 So auch GK-AktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 225. 848 Ältere Rechtsprechung und Literatur BGHZ 13, 188, 192 f.; BGHZ 20, 239, 246; s.a. Fleischer, WM 2003, 1045, 1046, Spindler/Stilz/Fleischer, § 93 Rn. 116 ff. jeweils mit Verweis auf A. Hueck, Treuegedanke, der allerdings auf die enge Beziehung zwischen Beteiligten in einem Gemeinschaftsverhältnis abstellt, vgl. S. 12. 849 Vgl. Springer Gabler Verlag, „Vertrauen“, abrufbar unter http://wirtschaftslexikon. gabler.de/definition/vertrauen-50461/version-170272 (zuletzt abgerufen am 24. 02. 2019). 850 S. zu diesem Kriterium im Verhältnis der Organmitglieder zur Gesellschaft Mestmäcker, S. 214 f.; s.a. Fleischer, WM 2003, 1045, 1046; GK-AktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 224; Thümmel, Rn. 211.
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2. Teil: Korrekturbedarf der Ist-Situation
bestand, der nur dann greift, wenn Mitglieder des Vorstands eine oder mehrere der vielfältigen Pflichten verletzen, die diese gegenüber der Gesellschaft einzuhalten haben.851 Darunter fällt auch die Treuepflicht, die sie dazu anhält, jederzeit die Interessen der Gesellschaft zu wahren und sich loyal zu verhalten.852 So folgt auch die Haftung der Vorstandsmitglieder im Innenverhältnis maßgeblich aus ihrer Organstellung. Diese beruht auf einem ungleichseitigen Verhältnis. Denn die Gesellschaft zieht den vollen wirtschaftlichen Nutzen aus der Tätigkeit der Mitglieder des Vorstands.853 Diese selbst haben dagegen nicht unmittelbar teil an den Gewinnen, die sie für die Gesellschaft erwirtschaften.854 Zudem besteht für die Vorstandsmitglieder regelmäßig ein hohes Haftungsrisiko, wenn sie für die Gesellschaft handeln und deren Vermögen mehren.855 Dabei hat es die Gesellschaft in der Hand, Schäden, die sich auf pflichtwidriges Handeln der Vorstandsmitglieder zurückführen lassen, von diesen gem. § 93 II 1 AktG ersetzt zu verlangen. Damit sind auch die Chancen und Risiken ungleich verteilt.856 Aus dieser besonderen Beziehung, die einerseits auf einer persönlichen Bindung der Vorstandsmitglieder an die Gesellschaft, andererseits auf der Dauerhaftigkeit der Rechtsbeziehung beruht, folgt auch eine begrenzte Schutzbedürftigkeit der Vorstandsmitglieder. Dieser trägt die Treuepflicht Rechnung. Aus ihr folgt ganz abstrakt, dass auch die Gesellschaft dazu verpflichtet ist, die Vorstandsmitglieder zu schützen und auf deren Interessen Rücksicht zu nehmen.857 Die Anwendung der freien Schuldnerauswahl auf die Vorstandshaftungsfälle kann diese Treuepflicht dann berühren, wenn sie ein Handlungsgebot enthält, dem die Regelung des § 93 II 1 AktG i.V.m. § 421 S. 1 BGB entgegensteht. Unklar ist, ob dies der Fall ist. Denn der Treuepflicht der Gesellschaft gegenüber den Vorstandsmitgliedern fehlt es inhaltlich an einer klaren Kontur.858 Sie muss daher anhand einer Zusammenschau der Rechte und Pflichten aus der Organstellung und dem Anstellungsvertrag i.V.m. § 242 BGB ermittelt werden.859 Anhaltspunkte hierfür ergeben sich, soweit die Treuepflicht der Gesellschaft im Aktienrecht bereits punktuell eine nähere Bestimmung erfahren hat. So liegt sie den Regelungen zur Bestellung und Abberufung des Vorstands in § 84 III AktG sowie den Arbeitnehmerschutzvorschriften zu Grunde und tritt damit zum Vorschein, wenn diese auf die Vorstandsmitglieder Anwendung finden.860 Ferner soll die Treuepflicht der Gesellschaft, gestützt auf ihre dienstvertragliche Komponente, eine Pflicht zur 851 852 853 854 855 856 857 858 859 860
S. o. 1. Teil A. I. 1., S. 21 ff. Vgl. 1. Teil A. I. 1. b) bb), S. 25 f. Vgl. Casper, ZHR 176 (2012), 617, 637. Vgl. Koch, in: Liber amicorum Winter, 2011, 327, 340. Casper, ZHR 176 (2012), 617, 637. Vgl. Koch, in: Liber amicorum Winter, 2011, 327, 340. Wiesner, in: Münch Hdb GesR Bd IV, § 21 Rn. 18. Vgl. Koch, AG 2012, 429, 433; Casper, ZHR 176 (2012), 617, 637. Fehrenbach, AG 2015, 767; KK-AktG/Mertens/Cahn, § 84 Rn. 41. Hüffer/Koch, § 84 Rn. 11, 24.
B. Normenkollisionen und Wertungswidersprüche
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Gewährung eines angemessenen und bezahlten Urlaubs begründen, auch wenn eine solche im Anstellungsvertrag der Vorstandsmitglieder nicht geregelt ist.861 Ein Recht auf Treue und Fürsorge der Gesellschaft soll den Vorstandsmitgliedern überdies im Rahmen von Versorgungsansprüchen zustehen.862 Im Übrigen wird die Treuepflicht der Gesellschaft auch bemüht, um gegenseitige Rechte und Pflichten zu begründen, wenn das Anstellungsverhältnis fehlerhaft war, das Vorstandsmitglied aber bereits als solches tätig geworden ist.863 Im Zusammenhang mit der aktienrechtlichen Organhaftung wird sie vielfach vorgeschlagen, um die Haftung der Vorstandsmitglieder gegenüber der Gesellschaft zu beschränken.864 Um die Treuepflicht dabei mit einem konkreten Inhalt zu füllen, werden die Grundsätze der betrieblich veranlassten Tätigkeit im Arbeitsrecht übertragen.865 Zwar wird die Treuepflicht der Gesellschaft gegenüber den Vorstandsmitgliedern von der Anwendung der freien Schuldnerauswahl in ihren vorgenannten, speziellen Ausprägungen nicht berührt. An diesen wird jedoch deutlich, dass die Treuepflicht immer dann greift, wenn eine Beeinträchtigung der Interessen der Vorstandsmitglieder aus der Sphäre der Gesellschaft droht. Daraus folgt, dass ihr Sinn und Zweck darin liegt, die Nachteile auszugleichen, die sich daraus ergeben, dass die Verbindung zwischen der Gesellschaft und den Vorstandsmitgliedern eine Einwirkung auf die gegenseitigen Rechtsgüter zulässt. Soweit sie nicht in der Lage sind, ihre Interessen dabei ausreichend zu wahren, besteht ein Bedürfnis nach Schutz und Sicherung. Dieses ist vor allem dann ausgeprägt, wenn es sich aus der wirtschaftlichen Ab861
Spindler/Stilz/Fleischer, § 84 Rn. 62, 31; K. Schmidt/Lutter/Seibt, § 84 Rn. 33; MüKoAktG/Spindler, § 84 Rn. 96; GK-AktG/Kort, § 84 Rn. 421; Thüsing, in: Hdb VorstR, § 4 Rn. 77; Hölters/Weber, § 84 Rn. 49; Wiesner, in: Münch Hdb GesR Bd IV, § 21 Rn. 18. 862 BGHZ 12, 337, 345; BGHZ 22, 375, 380 f.; BGHZ 50, 378, 383; Wiesner, in: Münch Hdb GesR Bd IV, § 21 Rn. 18. 863 Beiner/Braun, Rn. 249; Thüsing, in: Hdb VorstR, § 4 Rn. 137; MüKo-AktG/Spindler, § 84 Rn. 246; Spindler/Stilz/Fleischer, § 84 Rn. 31, 86; K. Schmidt/Lutter/Seibt, § 84 Rn. 38. 864 Dazu bereits unter 1. Teil A. III. 4., S. 41 ff., speziell für Bußgelder im Kartellrecht Bayer, in: FS K. Schmidt, 2009, 85, 97; Eufinger, WM 2015, 1265, 1271; Fleischer, DB 2014, 345, 349; Koch, in: Liber amicorum Winter, 2011, 327, 338 ff.; MüKo-AktG/Spindler, § 93 Rn. 172; im Allgemeinen für die Innenhaftung Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 928; Brommer, S. 260 ff.; Brommer, AG 2013, 121, 128 ff.; Hopt, ZIP 2013, 1793, 1804, 1806; GK-AktG/Hopt/ Roth, § 93 Rn. 398, 419; Hüffer/Koch, § 84 Rn. 11, § 93 Rn. 51 f.; Koch, AG 2014, 513, 514; Koch, AG 2012, 429, 432 ff., 434; GK-AktG/Kort, § 84 Rn. 461b; Reichert, ZHR 177 (2013), 756, 775 ff.; Schnorbus/Ganzer, WM 2015, 1877, 1878 ff.; Scholz, S. 278 ff., 307 ff., 414; Seibt, NZG 2016, 361, 362; Seibt/Cziupka, DB 2014, 1598, 1600; Spindler, AG 2013, 889, 894; Thole, ZHR 173 (2009), 504, 533 f.; Wiesner, in: Münch Hdb GesR Bd IV, § 21 Rn. 18, § 26 Rn. 55. 865 So erstmals Bayer, in: FS K. Schmidt, 2009, 85, 97; ausführlich dazu Koch, in: Liber amicorum Winter, 2011, 327, 338 ff.; Koch, AG 2012, 429, 435 ff.; Koch, AG 2014, 513, 514 ff.; s.a. Brommer, AG 2013, 121, 128 ff.; Casper, ZHR 176 (2012), 617, 638 ff.; Hüffer/Koch, § 93 Rn. 51 f.; Hoffmann, NJW 2012, 1393, 1396 f.; Reichert, ZHR 177 (2013), 756, 778 ff.; MüKoAktG/Spindler, § 84 Rn. 67; Spindler, AG 2013, 889, 894 ff.; Wilhelmi, NZG 2017, 681 ff.; dies ablehnend GK-AktG/Kort, § 84 Rn. 461b, GK-AktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 395 ff.; ausdrücklich dagegen Schöne/Petersen, AG 2012, 700 ff.
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2. Teil: Korrekturbedarf der Ist-Situation
hängigkeit der Vorstandsmitglieder zur Gesellschaft ergibt und sich auf die persönliche und wirtschaftliche Existenz des jeweiligen Vorstandsmitglieds bezieht.866 Diese Schutzbedürftigkeit ist überdies anerkannt in Fällen, in denen eine Ungleichbehandlung zwischen den Vorstandsmitgliedern droht.867 Aus der Treuepflicht ergibt sich damit auch eine Pflicht, Vorstandsmitglieder gleich zu behandeln, wenn diese andernfalls unsachgerecht benachteiligt sind.868 Danach verlangt die Treuepflicht von der Gesellschaft, keine Handlungen vorzunehmen, die dem Wohl des anderen Teils entgegenstehen, wenn dieser schutzbedürftig ist. b) Anwendbarkeit und Widerspruch Das Bestehen einer Treuepflicht im Verhältnis der Gesellschaft zu ihren Vorstandsmitgliedern setzt ein Schutzbedürfnis voraus. Ein solches besteht in den Vorstandshaftungsfällen. Denn die Vorstandsmitglieder sind durch ihre Anstellung bei der Gesellschaft wirtschaftlich von dieser abhängig. Sie stellen dieser ihre Arbeitskraft hauptberuflich zur Verfügung.869 Aus dieser hauptberuflichen Tätigkeit als Geschäftsleiter folgt auch ihre Inanspruchnahme durch die Gesellschaft gem. § 93 II 1 AktG. Ferner betrifft die Geltendmachung von Innenhaftungsansprüchen sowohl die persönliche als auch die wirtschaftliche Existenz der Vorstandsmitglieder. Ihr Ruf ist in Gefahr, und dies umso mehr, wenn sie allein in Anspruch genommen werden, obwohl auch andere Vorstandsmitglieder ihre Pflichten verletzt haben und der Gesellschaft daraus ein Schaden entstanden ist. Ihnen wird die Rolle des Sündenbocks auferlegt, das Ansehen der anderen, mithaftenden Vorstandsmitglieder wird gewahrt. Dies wirkt umso gravierender, wenn die Verantwortung an dieser Stelle faktisch nur auf Einzelpersonen abgewälzt wird. In der öffentlichen Wahrnehmung erfolgt eine Verknüpfung zwischen der Personalie und dem negativen Ereignis, das die Innenhaftung ausgelöst hat. Nicht zuletzt trägt hierzu auch die Presseberichterstattung bei, in der solche Ereignisse oftmals eine reißerische Aufmachung erhalten. Auch in der Fachwelt werden die Beiträge rund um die aktienrechtliche Innenhaftung vielfach mit dem Hinweis auf verschiedene Skandalfälle870 versehen. Dabei werden regelmäßig einzelne Akteure herausgegriffen, in den Mittelpunkt gerückt und namentlich
866
MüKo-AktG/Spindler, § 84 Rn. 67; ähnlich Casper, ZHR 176 (2012), 617, 638. Vgl. KK-AktG/Mertens/Cahn, § 84 Rn. 41. 868 So ausdrücklich für die Erstreckung von Ruhegehältern auf alle Vorstandsmitglieder BGH AG 1995, 188 f.; Spindler/Stilz/Fleischer, § 84 Rn. 28; GK-AktG/Kort, § 84 Rn. 281; KK-AktG/Mertens/Cahn, § 93 Rn. 41; K. Schmidt/Lutter/Seibt, § 84 Rn. 31; MüKo-AktG/ Spindler, § 84 Rn. 66, 28; Thüsing, in: Hdb VorstR, § 4 Rn. 56; Wiesner, in: Münch Hdb GesR Bd IV, § 21 Rn. 10; auch im Hinblick auf andere Verpflichtungen der Gesellschaft Beiner/ Braun, Rn. 249. 869 Thüsing, in: Hdb VorstR, § 4 Rn. 56. 870 Bachmann, E11. 867
B. Normenkollisionen und Wertungswidersprüche
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erwähnt.871 Daraus ergibt sich, ob man dies für gerechtfertigt halten will oder nicht, ein Stigma, das auch wirtschaftliche Folgen hat. Wenn es sich, wie in einigen Konstellationen der Vorstandshaftungsfälle, um bereits ausgeschiedene, ehemalige Vorstandsmitglieder handelt, dann hängt auch ihre berufliche Perspektive von dieser Auswahl ab. Denn der Ruf desjenigen, der ein Vorstandsamt bekleiden soll, ist ein sehr bedeutender Faktor bei der Entscheidung über die Einstellung einer neuen Führungskraft mit Leitungsfunktion. Dies ergibt sich nicht zuletzt aus denselben Gründen, die seine Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft begründen, seiner Vertrauensstellung und seiner Einwirkungsmacht. Daneben sind die Vorstandsmitglieder, auf die die Schuldnerauswahl fällt, auch bedeutenden wirtschaftlichen Nachteilen und Risiken ausgesetzt. Sie tragen dann ein Liquiditätsrisiko, das Risiko, dass sie selbst oder die übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder zahlungsunfähig werden, ein Verteidigungsrisiko sowie ein Kostenrisiko.872 Diese Risiken treffen sie ungleich mehr, als bei einer gemeinsamen Inanspruchnahme. Damit sind die übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder besser gestellt, als die in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieder. Ersteren wird damit ein Sondervorteil gewährt. So führt die vollkommen freie Schuldnerauswahl gem. § 93 II 1 AktG i.V.m. § 421 S. 1 BGB zu einer Ungleichbehandlung. Diese widerspricht der aktienrechtlichen Treuepflicht der Gesellschaft gegenüber ihren Vorstandsmitgliedern, wenn kein Grund vorliegt, der diese rechtfertigen könnte. Ein solcher kommt in der Konstellation in Betracht, in der von vorneherein feststeht, dass das einzelne in Anspruch genommene Vorstandsmitglied den Schaden im Innenverhältnis der Vorstandsmitglieder untereinander nach dem Rechtsgedanken aus § 254 BGB allein zu tragen hat.873 Denn in diesem Fall unterscheidet es sich von den übrigen mithaftenden Vorstandsmitgliedern in einem Maße, das seine andere Behandlung durch die Gesellschaft rechtfertigen kann. Liegen dagegen nur verschiedene, graduell unterschiedliche Verursachungsbeiträge vor, kann vor dem Hintergrund der weitreichenden Folgen der unterschiedlichen Inanspruchnahme eine Ungleichbehandlung dagegen nicht gerechtfertigt sein. 3. Zwischenergebnis: Widerspruch zu aktienrechtlichen Treuepflichten Die Anwendung der freien Schuldnerauswahl gem. § 93 II 1 AktG i.V.m. § 421 S. 1 BGB auf die Fälle der Innenhaftung von Vorstandsmitgliedern widerspricht der aktienrechtlichen Treuepflicht der Aufsichtsratsmitglieder gegenüber der Gesellschaft.874 Zudem steht sie grundsätzlich auch der Treuepflicht der Gesellschaft ge871
Beispielhaft bei Gaul, AG 2015, 109: „ehemaligen Vorstandschef Breuer“, „MAN-Chef Samuelsson“; Grunewald, AG 2013, 813: „Breuer“; Paefgen, WM 2016, 433: „Hans Joachim Neubürger“, „ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Winterkorn“. 872 S. o. 1. Teil A. IV., S. 46 ff. 873 Zur Anwendbarkeit von § 254 BGB bereits unter 1. Teil B. II. 1. c), S. 67 ff. 874 S. o. 2. Teil B. III. 1., S. 159 ff.
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2. Teil: Korrekturbedarf der Ist-Situation
genüber ihren Vorstandsmitgliedern entgegen und kann nur ausgeschlossen sein, wenn ein Rechtfertigungsgrund vorliegt.875
IV. Widerspruch zu einem allgemeinen Gebot der Gleichbehandlung Da im einfachen Recht kein generelles Gebot der Gleichbehandlung gilt,876 muss es als Ausnahme von der umfassenden Handlungs- und Entscheidungsfreiheit eines jeden Rechtssubjekts speziell begründet werden.877 Einheitliche Grundsätze für die Annahme von Gleichbehandlungspflichten im Zivilrecht gibt es nicht. Da die gesetzlich geregelten und die darüber hinaus anerkannten Fälle sehr unterschiedlich sind, lassen sich daraus auch kaum allgemeingültige Merkmale ableiten.878 Soweit dieser Versuch dennoch unternommen wurde,879 sind die gefundenen Kriterien für die Begründung neuer Gleichbehandlungspflichten kaum leistungsfähig.880 Letztlich leiten sie sich aus der jeweiligen Rechtsbeziehung zwischen den Akteuren ab.881 Damit muss eine Gleichbehandlungspflicht der Gesellschaft gegenüber den Mitgliedern ihres Vorstands gerade in dem Verhältnis zwischen diesen anknüpfen. Dieses Verhältnis beruht auf der Organstellung, die einerseits rechtsgeschäftlich durch den Anstellungsvertrag, andererseits korporationsrechtlich durch den Bestellungsakt begründet wird. Sie beruht damit auf denselben Grundsätzen, wie die aktienrechtliche Treuepflicht,882 besteht jedoch nicht unabhängig von dieser. Vielmehr stellt sich die Gleichbehandlungspflicht nur als besondere Ausprägung derselben bei der Prüfung und Verfolgung von Innenhaftungsansprüchen dar.883 Über die aktienrechtliche Treuepflicht hinaus gehende Wertungen lassen sich aus ihr zwar nicht ableiten. Durch die Schuldnerauswahl nach freiem Belieben ist sie in den Vorstandshaftungsfällen jedoch in dem Maße verletzt, in dem sie durch diese begründet wird.
875
S. o. 2. Teil B. III. 2., S. 163 ff. Vgl. G. Hueck, Gleichmäßige Behandlung, 169 ff.; Bydlinski, Gleichheitsgrundsatz, S. 7 f. 877 Grünberger, S. 521. 878 Grünberger, S. 516 ff. 879 S. dazu die verschiedenen Ansätze bei G. Hueck, Gleichmäßige Behandlung, S. 127 ff., 151 f.; Raiser, ZHR 111 (1948), 75, 92 ff.; Raiser, JZ 1959, 421, 422; Cohn AcP 132 (1930), 129, 152 ff.; Bydlinski, Gleichheitsgrundsatz, S. 21 ff., 46 ff. 880 Vgl. Verse, S. 70 ff.; Grünberger, S. 516 f. 881 So für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, Verein und Vereinsmitglieder sowie Gesellschaft und Gesellschafter BeckOK-BGB/Sutschet, § 242 Rn. 24. 882 S. soeben 2. Teil B. III. 2., S. 163 ff. 883 Ebda. 876
C. Vergleich zu ähnlich gelagerten Fällen
169
V. Aufhebung der Normenkollisionen und Wertungswidersprüche durch Hauptversammlungsbeschluss Denkbar ist, dass sich ein umsichtiger Aufsichtsrat auch die reine Nichtinanspruchnahme der Vorstandsmitglieder bestätigen lässt und eine entsprechende Zustimmung der Hauptversammlung einholt. Soweit dies der Fall ist, wären jedenfalls nach Ablauf der Dreijahresfrist die Wertungen des § 93 IV 3 AktG berücksichtigt. Daneben wären auch die Grundsätze der ARAG/Garmenbeck-Rechtsprechung sowie die Pflichten aus §§ 111 I, 112 AktG und die Legalitätspflicht beachtet, die den Aufsichtsrat bei der Prüfung und Verfolgung der Schadensersatzansprüche der Gesellschaft an das Gesellschaftsinteresse binden. Denn dieses Interesse würde die Hauptversammlung als Gremium der Aktionäre durch einen Beschluss ihrer Mehrheit für diesen Einzelfall speziell formulieren, sodass auch die Treuepflicht der Aufsichtsratsmitglieder gegenüber der Gesellschaft nicht verletzt wäre. Insoweit, als dass die genannten Normen und Wertungen dem Vermögensschutz der Gesellschaft dienen, wären Kollisionen und Widersprüche mit der Einholung eines Hauptversammlungsbeschlusses damit weitgehend ausgeschlossen. Soweit dagegen die aktienrechtliche Treuepflicht der Gesellschaft gegenüber den Vorstandsmitgliedern in Form der Gleichbehandlungspflicht durch die beliebige Inanspruchnahme nur einzelner Vorstandsmitglieder verletzt wird, bestehen die Normenkollisionen und Wertungswidersprüche dagegen fort. Denn die willkürliche Ungleichbehandlung der Vorstandsmitglieder kann nicht durch einen Beschluss der Hauptversammlung geheilt werden, hierfür bedarf es vielmehr eines Rechtfertigungsgrundes.
C. Vergleich zu ähnlich gelagerten Fällen Der Vergleich mit anderen Fällen kann ergänzend herangezogen werden, um festzustellen, ob ein zu untersuchender Fall in seinen generellen Merkmalen in den Begriffsumfang der Gesetzeswortlauts aufzunehmen ist.884 Hier dient der Fallvergleich dazu, festzustellen, ob die Anwendung der freien Schuldnerauswahl gem. § 93 II 1 AktG i.V.m. § 421 S. 1 BGB auf die Vorstandshaftungsfälle sachgerecht ist. Er erfolgt, indem Fälle identifiziert werden, die ebenfalls in den Anwendungsbereich der Haftungsregelung fallen.885 Diese sind dann mit dem infrage stehenden Fall zu vergleichen. Dabei werden die übereinstimmenden Merkmale der Fälle gegenüber gestellt und die Unterschiede betrachtet.886 Im Ergebnis ist dann festzustellen, ob die
884 Bydlinski, Methodenlehre, S. 548 ff., Zippelius, S. 58; Hassold, in: FS Larenz, 1983, 211, 235. 885 Bydlinski, Methodenlehre, S. 548 f., Vogel, S. 145. 886 Zippelius, S. 58 f.
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2. Teil: Korrekturbedarf der Ist-Situation
Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Fälle eine gleiche oder ungleiche Behandlung rechtfertigen.887
I. Fallgruppenbildung Ausgangspunkt für einen Fallvergleich ist zunächst das Auffinden einer geeigneten vergleichbaren Fallgruppe. Die Bildung von Fallgruppen innerhalb des § 93 II 1 AktG ist nicht möglich, da § 93 II 1 AktG mit der Innenhaftung von Vorstandsmitgliedern in der Aktiengesellschaft nur eine Fallgruppe enthält. Verschiedene Anwendungsbereiche dieser Norm, die zum Zweck eines Vergleichs herangezogen werden könnten, gibt es nicht. Denn entweder haben mehrere Vorstandsmitglieder ihre Pflichten verletzt und haften daher gesamtschuldnerisch, oder nicht. Als Anknüpfungspunkt für den Fallvergleich könnte man alternativ zu der Regelung in § 93 II 1 AktG auch die Regelung in § 421 S. 1 BGB heranziehen, die über die Verweisung in § 93 II 1 AktG zur Anwendung kommt. § 421 S. 1 BGB gilt als allgemeiner Tatbestand der Gesamtschuld.888 Die Bildung von Fallgruppen gestaltet sich hier jedoch ebenfalls schwierig, da die Norm unzählige Fallgestaltungen erfasst und für alle Arten von Gesamtschuldverhältnissen gilt.889 Diese sind so vielfältig, dass bereits eine Einteilung in Kategorien schwer fällt.890 Denn ein Gesamtschuldverhältnis kann sowohl vertraglich vereinbart werden, als auch gesetzlicher Natur sein, zu Sicherungszwecken bestehen oder sich aus einer gemeinschaftlichen Haftung ergeben.891 Aufgrund der Vielzahl der Gestaltungsformen der Gesamtschuld ist die Gesamtschuld als solche nicht geeignet, eine entsprechende Vergleichsgruppe zu bilden. Allerdings weist die Gesamtschuldanordnung bei der aktienrechtlichen Innenhaftung die Besonderheit auf, dass sie eine Rechtsfolgenverweisung von einer Norm des Kapitalgesellschaftsrechts in das allgemeine Schuldrecht enthält. Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, diese mit anderen Innenhaftungsnormen des Kapitalgesellschaftsrechts zu vergleichen, die ebenfalls eine gesamtschuldnerische Haftung anordnen. 887
Vogel, S. 145 ff. „distinguishing“; Zippelius, S. 59. So ausdrücklich Erman/Böttcher, § 421 Rn. 15; Staudinger/Looschelders, § 421 Rn. 1, 8; s.a. Jürgens, S. 20 f., 95; Reinicke/Tiedtke, S. 20 ff.; Schwedhelm, Rn. 11, 16; ähnlich Looschelders, SchuldR AT, Rn. 1278. 889 Vgl. Erman/Böttcher, § 421 Rn. 15 ff.; Staudinger/Looschelders, § 421 Rn. 8; Jürgens, S. 20 f., 95; Larenz, SchuldR AT, § 36 II b) (S. 628 f.), § 37 I, Fn. 1 (S. 632), wonach sich die Aufzählung solcher Vorschriften endlos verlängern lässt; Looschelders, SchuldR AT, Rn. 1277 ff.; Reinicke/Tiedtke, S. 20 f.; Schwedhelm, Rn. 11, 16; Selb, Mehrheiten, S. 44 ff. 890 Zu verschiedenen Ansätzen Ehmann, S. 193 ff.; Meier, S. 1 f.; Selb, Mehrheiten, S. 43 mit Verweis auf weitere Autoren, 44 ff. 891 Vgl. Ehmann, 125 ff.; Soergel/Gebauer, § 421 Rn. 27 ff.; Palandt/Grüneberg, § 421 Rn. 2, 10 f.; Hillenkamp, S. 116 ff.; 130; Meier, S. 1 f.; Schwedhelm, Rn. 23 ff.; Selb, Mehrheiten, S. 44 ff. 888
C. Vergleich zu ähnlich gelagerten Fällen
171
Naheliegend ist daher ein Vergleich mit der Geschäftsführerhaftung in der GmbH. Denn die GmbH ist, wie die Aktiengesellschaft, eine Kapitalgesellschaft.892 Als Körperschaft besitzt sie ebenfalls eine eigene Rechtspersönlichkeit und ihr Bestehen hängt nicht von ihren Mitgliedern ab.893 Beide Gesellschaftsformen regeln ihre innere Organisation per Satzung, vgl. § 23 AktG, § 53 GmbHG und besitzen eine interne Kompetenzordnung. Die Haftung für Verbindlichkeiten der Gesellschaft ist in der GmbH gem. § 13 II GmbHG, in der Aktiengesellschaft gem. § 1 I 2 AktG jeweils auf das Vermögen der Gesellschaft beschränkt. In Bezug auf die Innenhaftung der Mitglieder ihres Leitungsorgans gilt in der GmbH mit § 43 II GmbHG ebenfalls eine spezialgesetzliche Innenhaftungsnorm. Diese eignet sich dann zu einem Vergleich mit der aktienrechtlichen Vorstandshaftung nach § 93 II 1 AktG, wenn § 43 II GmbHG ebenfalls eine gesamtschuldnerische Haftung gegenüber der Gesellschaft anordnet. Da sowohl der Tatbestand als auch die Rechtsfolge in § 43 II GmbHG eine von § 93 II 1 AktG abweichende Formulierung enthalten, ist dies nicht sicher. Nach dem Wortlaut des § 43 II GmbHG haften die Geschäftsführer der Gesellschaft solidarisch. Das Wort solidarisch bedeutet in der Rechtssprache gemeinsam verantwortlich bzw. gegenseitig verpflichtet.894 Im allgemeinen Sprachgebrauch wird es benutzt, wenn zum Ausdruck gebracht werden soll, dass jemand mit jemandem übereinstimmend und für ihn einstehend oder eintretend handelt.895 Ob damit ebenfalls eine gesamtschuldnerische Haftung wie nach § 93 II 1 AktG angeordnet wird, ist unklar. Nach der Legaldefinition des § 421 S. 1 BGB besteht eine Gesamtschuld, wenn mehrere eine Leistung in der Weise schulden, dass jeder die ganze Leistung zu bewirken verpflichtet, der Gläubiger aber die Leistung nur einmal zu fordern berechtigt ist. Der Begriff „solidarisch“ und der Gesamtschuldbegriff haben demzufolge jedenfalls eine Schnittmenge. Eindeutig für eine Vergleichbarkeit der Innenhaftungsregelungen spricht die historische Auslegung. § 43 II GmbHG wurde im Jahre 1892 geschaffen und seither inhaltlich nicht geändert. Ein Rückblick zeigt, dass die Vorgängernormen des § 93 II 1 AktG ebenfalls eine solidarische Haftung anordneten. Erst mit der Ersetzung des ADHGB durch das Handelsgesetzbuch vom 10. 5. 1897896 am 1. 1. 1900 wurde der Begriff „solidarisch“ durch die Formulierung „als Gesamtschuldner“
892
Zur GmbH Baumbach/Hueck/Fastrich, Einl. Rn. 3; MüKo-GmbHG/Fleischer, Einl. Rn. 8 ff.; Lutter/Hommelhoff/Lutter/Hommelhoff, Einl. Rn. 3; Scholz/Westermann, Einl. Rn. 2 zum Vergleich mit der AG Schüppen, in: MAH Aktienrecht, § 2 Rn. 3. 893 Für die AG MüKo-AktG/Heider, § 1 Rn. 14; Für die GmbH Michalski/Lieder, § 13 Rn. 1 ff.; für beide Gesellschaften Schüppen, in: MAH Aktienrecht, § 2 Rn. 1 ff. 894 Dudenredaktion, „solidarisch“, abrufbar unter http://www.duden.de/node/642610/revisi ons/1962620/view (zuletzt abgerufen am 24. 02. 2019). 895 Dudenredaktion, „solidarisch“, abrufbar unter http://www.duden.de/node/642610/revisi ons/1962620/view (zuletzt abgerufen am 24. 02. 2019). 896 RGBl. Band 1897, Nr. 23, S. 219 ff.
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2. Teil: Korrekturbedarf der Ist-Situation
ersetzt. Die Anordnung der solidarischen Haftung in § 43 II GmbHG ist demnach im Sinne einer gesamtschuldnerischen Haftung zu verstehen.897 Möglicherweise widerspricht aber die von § 93 II 1 AktG abweichende Formulierung des Tatbestands in § 43 II GmbHG einer Vergleichbarkeit der Normen. Denn § 43 II GmbHG verlangt für den Eintritt der Haftung die Verletzung einer Obliegenheit, während sich § 93 II 1 AktG auf eine Pflichtverletzung bezieht. Im juristischen Sprachgebrauch werden die beiden Begriffe grundsätzlich nicht synonym verwendet. Zumeist wird die Obliegenheit als Rechtspflicht minderer Zwangsintensität eingeordnet.898 Die Obliegenheit gilt als Verhaltensanforderung, deren Nichterfüllung für eine Partei eine rechtlich nachteilige Folge auslöst, ohne dass der anderen Partei eine Erfüllungs- oder Schadensersatzpflicht eingeräumt wird.899 Eine Haftungsnorm, die ausdrücklich eine Schadensersatzhaftung anordnet, aufgrund des Wortlauts ihres Tatbestandes so auszulegen, dass dessen Erfüllung gerade keine Haftung nach sich ziehen würde, wäre jedoch widersprüchlich. Daher ist der Obliegenheitsbegriff in § 43 II 1 GmbHG weit auszulegen. Das Maß an Verbindlichkeit ist dabei mit den in § 93 II 1 AktG genannten Pflichten gleich zu setzen. Hierfür spricht auch die Tatsache, dass in § 241 II ADHGB von 1884, einer Vorgängerregelung des § 93 II 1 AktG, bis zum Inkrafttreten des HGB vom 10. 5. 1897 am 1. 1. 1900 der Obliegenheitsbegriff im Rahmen der aktienrechtlichen Organhaftung ebenfalls verwendet wurde. Der Begriff der Obliegenheit in § 43 II GmbHG ist damit als echte Verbindlichkeit zu verstehen. Systematisch ist zudem augenfällig, dass § 43 II GmbHG wie § 93 II 1 AktG denselben Gegenstand regeln. Dabei ähneln sich die Vorschriften stark im Aufbau und in Ihrer Ausgestaltung. Organmitglieder erfüllen den Tatbestand jeweils bei Verletzung von Verpflichtungen, die aus ihrer Organstellung resultieren, als Rechtsfolge ist eine gemeinschaftliche Haftung angeordnet. Bei einer Gesamtschau ergibt die Auslegung des § 43 II GmbHG, dass der Begriff solidarisch dem Begriff gesamtschuldnerisch i.S.d. § 93 II 1 AktG entspricht und der Begriff Obliegenheit eine Verpflichtung i.S.d. § 93 II 1 AktG meint. Die Innenhaftung von Geschäftsführern in der GmbH stellt damit eine mit der Innenhaftung von Vorstandsmitgliedern in der Aktiengesellschaft vergleichbare Fallgruppe dar.
897 So die allgemeine Ansicht allerdings ohne nähere Begründung, vgl. Drescher, Rn. 295 mit etlichen Verweisen in die Rspr.; Sudhoff/Sudhoff, S. 141; Wicke, § 43 Rn. 10; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 43 Rn. 115; MüKo-GmbHG/Fleischer, § 43 Rn. 318; Michalski/Haas/ Ziemons, § 43 Rn. 225; Henssler/Strohn/Oetker, § 43 GmbHG Rn. 45; Baumbach/Hueck/ Zöllner/Noack, § 43 Rn. 25. 898 R. Schmidt, S. 315. 899 R. Schmidt, S. 315.
C. Vergleich zu ähnlich gelagerten Fällen
173
II. Vergleich Ein Vergleich der Fallgruppen zeigt, ob in Bezug auf die Prüfung und Verfolgung von Innenhaftungsansprüchen bei der Aktiengesellschaft eine wesentlich andere Interessenlage gegeben ist, als bei der GmbH. Ist dies der Fall, so ist auch keine gleiche Behandlung geboten. Dies zeigt sich an den jeweiligen Regelungen in Bezug auf die Vertretungsbefugnis, die Entscheidungskompetenzen sowie die jeweiligen Möglichkeiten über die Ansprüche der Gesellschaft zu verfügen. 1. Vertretungsbefugnis und Entscheidungskompetenz a) Aktiengesellschaft Gem. § 111 I AktG hat der Aufsichtsrat den Vorstand zu überwachen. Daraus folgt auch seine Zuständigkeit für die Prüfung und Verfolgung von Ansprüchen der Gesellschaft gegen die Vorstandsmitglieder aus § 93 II 1 AktG. Hiernach liegt es in der Entscheidungsmacht des Aufsichtsrats, ob er Maßnahmen zur Geltendmachung und Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen einleitet.900 Eine Grenze bildet das Erfordernis der Zustimmung der Hauptversammlung zu Verzichts- und Vergleichsvereinbarungen aus § 93 IV 3 AktG. Allerdings obliegt ihm auch in diesen Fällen die Vorbereitung und Verhandlung im Hinblick auf das Absehen von Schadensersatzansprüchen.901 Neben der Zuständigkeit des Aufsichtsrats, über das „Ob“ der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen der Aktiengesellschaft zu entscheiden, fällt gem. § 112 AktG auch die Rechtsverfolgung im Außenverhältnis in dessen primäre Zuständigkeit. Er vertritt danach die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich gegenüber den Vorstandsmitgliedern. Die Aktionäre selbst werden dagegen nur in Ausnahmefällen gem. §§ 147, 148 AktG tätig. b) Gesellschaft mit beschränkter Haftung Die innergesellschaftliche Kompetenzordnung der GmbH in § 46 GmbHG sieht dagegen eine umfassende originäre Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung vor. Nach § 46 Nr. 6 GmbHG bestimmt sie die Maßregeln zur Prüfung und Überwachung der Geschäftsführung. Ferner regelt § 46 Nr. 8 Hs. 1 GmbHG, dass es der Bestimmung der Gesellschafter unterliegt, Ersatzansprüche, die der Gesellschaft gegen Geschäftsführer zustehen, geltend zu machen. Die Gesellschafterversammlung ist damit zur internen Willensbildung über das „Ob“ der Prüfung und Verfolgung von Schadensersatzansprüchen berufen. Nach § 46 Nr. 8 Hs. 2 GmbHG bestimmen die Gesellschafter zudem über die Vertretung der Gesellschaft in Prozessen, die diese gegen die Geschäftsführer zu führen hat. Hinter den Regelungen in § 46 Nr. 8 GmbHG steht das Anliegen, dass die Gesellschafterversammlung als oberstes 900 901
S. dazu bereits unter 1. Teil A. III. 1., S. 37 f. Ebda.
174
2. Teil: Korrekturbedarf der Ist-Situation
Organ der GmbH dazu befugt sein soll, über die Inanspruchnahme wegen einer Verletzung von Pflichten im Innenverhältnis unter Abwägung der Vor- und Nachteile für die Gesellschaft zu entscheiden,902 und durch die Auswahl eines Prozessvertreters eine neutrale Rechtsverfolgung zu erreichen.903 Die Zuweisung dieser Kompetenzen an die Gesellschafterversammlung gilt bei der GmbH ohne Aufsichtsrat uneingeschränkt. Sie ist in der Praxis weit überwiegend anzutreffen, da die meisten Gesellschaften mit beschränkter Haftung keine weiteren Aufsichtsorgane besitzen. Ist ein fakultativer Aufsichtsrat oder Beirat eingerichtet, so kann diesem über den Verweis in § 52 I GmbHG auf die §§ 111, 112 AktG oder über eine Regelung im Gesellschaftsvertrag zwar die Befugnis übertragen sein, die GmbH bei der Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen die Geschäftsführer zu vertreten,904 oder gar die Entscheidung zu treffen, ob die Ansprüche verfolgt werden sollen.905 Originär liegen diese Kompetenzen jedoch gem. § 46 Nr. 8 GmbHG auch in diesen Fällen bei der Gesellschafterversammlung. Schließlich ist die Stellung von fakultativen Aufsichtsorganen in der GmbH im Regelfall schwächer ausgestaltet, als die Stellung des Aufsichtsrats in der Aktiengesellschaft und es findet gerade keine vergleichbare Delegation von Aufgaben und Entscheidungsbefugnissen statt. Letztlich zeigt sich auch daran die Letztentscheidungsbefugnis der Gesellschafterversammlung, die gerade frei entscheiden kann, welche Kompetenzen dem fakultativen Aufsichtsrat zukommen sollen, und jederzeit, jedenfalls mit satzungsändernder Mehrheit, auch eine andere Kompetenzzuweisung beschließen kann. Nur in dem Sonderfall der GmbH, die gem. §§ 1 I, 6 I MitbestG einen Aufsichtsrat einzurichten hat, ist der obligatorische Aufsichtsrat dagegen nach § 25 I 1 Nr. 2 MitbestG i.V.m. § 112 AktG zwingend vertretungsbefugt.906 Dies bedeutet, dass er die GmbH bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nach außen hin gegenüber den Geschäftsführern vertritt. Uneinheitlich wird dagegen beurteilt, ob ihm auch die Kompetenz zukommt, über das „Ob“ der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen zu entscheiden. Teilweise wird vertreten, dass der obli-
902
BGHZ 28, 355, 357; BGH NJW-RR 2004, 1408, 1410; Michalski/Römermann, § 46 Rn. 390; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 46 Rn. 57; MüKo-GmbHG/Liebscher, § 46 Rn. 227 f.; GK-GmbHG/Hüffer/Schürnbrand, § 46 Rn. 100. 903 MüKo-GmbHG/Liebscher, § 46 Rn. 229; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 46 Rn. 42; Michalski/Römermann, § 46 Rn. 466 f. 904 Vgl. dazu BGH NJW-RR 2004, 330 f.; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 52 Rn. 128 mit Verweis auf § 46 Rn. 94; MüKo-GmbHG/Spindler, § 52 Rn. 290. 905 Scholz/K. Schmidt, § 46 Rn. 143. 906 Vgl. Kleindiek, in: FS Graf von Westphalen, 2010, 387, 388; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 46 Rn. 43; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 52 Rn. 250, 305; nach § 25 MitbestG auch Wicke, § 46 Rn. 20; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 46 Rn. 83; nach § 1 I Nr. 3 DrittelbG ausdrücklich Lutter/Hommelhoff/Lutter/Hommelhoff, § 52 Rn. 37.
C. Vergleich zu ähnlich gelagerten Fällen
175
gatorische Aufsichtsrat auch darüber eigenständig entscheiden können soll.907 Begründet wird dies damit, dass ein Sachzusammenhang mit der in § 31 MitbestG geregelten Abberufungskompetenz bestehe, da sich die Entscheidung über die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen auf die Fortdauer der Amtszeit der Geschäftsführer auswirken könne.908 Überwiegend wird dagegen auch bei der mitbestimmten GmbH nach dem MitbestG angenommen, dass der Gesellschafterversammlung die Letztentscheidungsbefugnis über die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen zukommt.909 Dem ist auch zuzustimmen, da der Sachzusammenhang zur Abberufungskompetenz doch sehr lose erscheint. Bei einer Gesamtbetrachtung wird deutlich, dass sich die innere Kompetenzordnung der Aktiengesellschaft von derjenigen der GmbH bereits in ihrer Grundstruktur maßgeblich unterscheidet. So ist bei der Aktiengesellschaft der Aufsichtsrat das Organ, das originär zuständig ist für die Prüfung und Geltendmachung von Ersatzansprüchen. Bei der GmbH ist hierzu grundsätzlich die Gesellschafterversammlung berufen. Nur, wenn man für den Sonderfall der nach dem MitbestG mitbestimmten GmbH etwas anderes annimmt, ergibt sich eine Parallele zur Aktiengesellschaft. 2. Möglichkeiten der Verfügung über die Ansprüche der Gesellschaft Ein weiterer wesentlicher Unterschied zwischen der Aktiengesellschaft und der GmbH liegt in den Möglichkeiten, über die Innenhaftungsansprüche der jeweiligen Gesellschaft zu verfügen. Die zwingende Kompetenzverteilung im Aktienrecht überantwortet dem Aufsichtsrat die eigenverantwortliche Prüfung der Ansprüche aus § 93 II 1 AktG und die Entscheidung über deren Geltendmachung. Damit gilt grundsätzlich eine Trennung zwischen den Aktionären als wirtschaftlich Berechtigten und dem Aufsichtsrat als verfügendem Organ. Verschiedene Pflichtenbindungen des Aufsichtsrats sollen daher sicherstellen, dass er nicht zu Lasten der Aktionäre handelt. So verpflichtet ihn die aktienrechtliche Treuepflicht auf das Gesellschaftsinteresse.910 Zudem trifft ihn nach den ARAG/Garmenbeck-Grundsätzen eine Prüfungs- und Verfolgungspflicht, wonach er nur in Ausnahmefällen einen Spielraum bei der Entscheidung über die Geltendmachung von Ersatzansprüchen hat.911 Die Grenze seiner Verfügungsmög907 Krieger, in: GesellschaftsR in der Diskussion 1998, 1999, 111, 113; GK-GmbHG/ Hüffer/Schürnbrand, § 46 Rn. 114; zweifelnd Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 46 Rn. 35. 908 Krieger, in: GesellschaftsR in der Diskussion 1998, 1999, 111, 113; GK-GmbHG/ Hüffer/Schürnbrand, § 46 Rn. 114. 909 Kleindiek, in: FS Graf von Westphalen, 2010, 387, 389; Scholz/K. Schmidt, § 46 Rn. 144; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 46 Rn. 59; Hasselbach/Seibel, GmbHR 2009, 354, 356; Hasselbach, DB 2010, 2037, 2038 f.; Henssler/Strohn/Mollenkopf, § 46 Rn. 40. 910 S. o. 2. Teil B. III. 1. a), S. 159 ff. 911 S. o. 2. Teil B. II. 2. c) bb), S. 152 ff.
176
2. Teil: Korrekturbedarf der Ist-Situation
lichkeiten bildet das gem. § 93 IV 3 AktG in den ersten drei Jahren nach Anspruchsentstehung geltende Verzichts- und Vergleichsverbot und das anschließend greifende Erfordernis eines Hauptversammlungsbeschlusses. Daneben können die Aktionäre nur gem. §§ 147, 148 AktG aktiv werden. In der GmbH dagegen ergibt sich ein anderes Bild. Ihre Gesellschafter können analog zu § 46 Nr. 8 GmbHG selbst jederzeit und grundsätzlich frei über ihre Ersatzansprüche verfügen.912 Eine Beschränkung enthält § 30 I GmbHG, wonach das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der Gesellschaft nicht an die Gesellschafter ausgezahlt werden darf. Diese Beschränkung kann bei der Innenhaftung greifen, wenn der Geschäftsführer auch Gesellschafter war. In diesem Ausnahmefall gilt ein Verzicht auf Schadensersatzansprüche gegenüber diesem als Auszahlung im Sinne des § 30 I GmbHG.913 In diesem Zusammenhang kann auch § 9b I GmbHG greifen, auf den § 43 III 2 GmbHG verweist. Danach ist ein Verzicht oder ein Vergleich der Gesellschaft über Ersatzansprüche der Gesellschaft, die auf einem Verstoß gegen § 30 I GmbHG oder § 33 GmbHG beruhen, unwirksam, soweit der Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft erforderlich ist. Dieses Verfügungsverbot ist jedoch bei weitem nicht so umfassend und streng,914 wie das aktienrechtliche in § 93 IV 3 AktG, nach dem der Aufsichtsrat drei Jahre lang keinerlei Verfügung vornehmen darf. Denn es bezieht sich nur auf bestimmte Ersatzansprüche und greift auch nur, wenn die Gläubigerbefriedigung in Gefahr ist. Im Übrigen bildet das Gesellschaftsinteresse die Grenze der Entscheidungsfreiheit in der GmbH.915 Die Gesellschafter entscheiden damit originär über die Ersatzansprüche gegen ihre Geschäftsführer als allein wirtschaftlich Berechtigte,916 wohingegen bei der Aktiengesellschaft originär der Aufsichtsrat dazu berufen ist. Auch hierin liegt ein maßgeblicher Unterschied zur Aktiengesellschaft.
III. Ergebnis: Vergleich zu ähnlich gelagerten Fällen 1. Die Kompetenzordnung in der Aktiengesellschaft unterscheidet sich von der Kompetenzordnung in der GmbH in wesentlichen Punkten. Parallelen können
912 BGHZ 28, 355, 357; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 43 Rn. 121; Haas/Wigand, in: Hdb Managerhaftung, § 20 Rn. 20.20; Hasselbach, DB 2010, 2037, 2038 f.; Scholz/Schneider, § 43 Rn. 264; Schneider, in: Hdb Managerhaftung, § 2 Rn. 2.48 f. 913 BGH GmbHR 2000, 330; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 43 Rn. 136; Haas/Wigand, in: Hdb Managerhaftung, § 20 Rn. 20.26; Hasselbach/Seibel, GmbHR 2009, 354, 357; Lutter/ Hommelhoff/Hommelhoff, § 30 Rn. 8. 914 Ausführlich zum Anwendungsbereich von § 9b I GmbHG Haas/Wigand, in: Hdb Managerhaftung, § 20 Rn. 20.03 ff. 915 Haas/Wigand, in: Hdb Managerhaftung, § 20 Rn. 20.02; Hasselbach/Seibel, GmbHR 2009, 354, 356 f. 916 Hasselbach, DB 2010, 2037, 2039.
D. Erreichung des konkreten Normzwecks in Vorstandshaftungsfällen
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sich nur in Sonderfällen bei der mitbestimmten GmbH nach dem MitbestG ergeben.917 2. Infolge der originär unterschiedlichen Kompetenzordnung unterscheiden sich auch die Möglichkeiten der Verfügung über die Ansprüche der Gesellschaft, die bei dem Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft viel enger ausgestaltet sind als bei der GmbH.918 3. Diese maßgeblichen Unterschiede in den für die Innenhaftung relevanten Punkten, erlauben eine andere Ausgestaltung bei der Aktiengesellschaft als bei der GmbH. Dass bei der GmbH eine weitgehend freie Verfügung über die Schadensersatzansprüche gegen die GmbH-Geschäftsführer möglich ist, bedeutet nicht, dass dasselbe für die Vorstandshaftung in der Aktiengesellschaft gelten muss. Eine unterschiedliche Behandlung der Fallgruppen ist aufgrund der unterschiedlichen Verteilung der originären Kompetenzen in beiden Gesellschaftsformen nicht unsachgemäß.
D. Erreichung des konkreten Normzwecks in Vorstandshaftungsfällen Unsicher ist, ob die Anwendung der freien Schuldnerauswahl aus § 421 S. 1 BGB auf die Haftung nach § 93 II 1 AktG in den Vorstandshaftungsfällen dem konkreten Zweck dieser Normen entspricht. Dieser besteht darin, die Situation aufzulösen, in der die geschädigte Gesellschaft mehreren schädigenden Vorstandsmitgliedern gegenübersteht. Die daraus folgenden Nachteile sollen durch die praktische und wirtschaftliche Bevorzugung der Geschädigten ausgeglichen werden.919 Dadurch, dass die Gesellschaft die gesamte Schadenssumme von einem Vorstandsmitglied verlangen kann, soll ihr ein möglichst schneller und unkomplizierter Ersatz ihres Schadens ermöglicht werden.920 Dieser Normzweck geht im Haftungsverhältnis grundsätzlich zu Lasten aller mithaftenden Vorstandsmitglieder. In diesem Verhältnis erscheint die Regelung auch sachgerecht. Der Gesellschaft soll auch in dieser Situation ihr wirtschaftlicher Entscheidungsfreiraum erhalten bleiben. Denn grundsätzlich soll sie als Geschädigte nicht dadurch schlechter stehen, dass sie nicht nur durch die Handlung eines einzelnen, sondern durch die Handlung mehrerer geschädigt wurde. Unklar ist allerdings, ob dieser Zweck durch die Anwendung der freien Schuldnerauswahl in den Vorstandshaftungsfällen überhaupt erreicht werden kann. Denn der Schutz, den die freie Schuldnerauswahl der Gesellschaft vermitteln soll, ist 917 918 919 920
S. o. 2. Teil C. II. 1., S. 173 ff. S. o. 2. Teil C. II. 2., S. 175 f. S. o. 1. Teil A. II. 3. a), S. 34 f. S. o. 1. Teil A. II. 3. b), S. 35 f.
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2. Teil: Korrekturbedarf der Ist-Situation
ohnehin gewährleistet. Die möglichen Schuldner sind ihr nicht unbekannt, es handelt sich immer um eines oder mehrere der Mitglieder ihres Vorstands. Zwar kann die freie Schuldnerauswahl die Feststellung der Ansprüche erleichtern, da nur die Haftung der ausgewählten Vorstandsmitglieder nachgewiesen werden muss. Soweit der Aufsichtsrat als originäres Vertretungsorgan der Gesellschaft nach den ARAG/ Garmenbeck-Grundsätzen des BGH zur Prüfung und Verfolgung der Ansprüche verpflichtet ist, kann jedenfalls er von dieser Erleichterung schon nicht profitieren. Zudem ergibt sich durch die freie Schuldnerauswahl vielfach auch kein wirtschaftlicher Vorteil für die Gesellschaft. Denn die exorbitant hohen Schadenssummen in den Vorstandshaftungsfällen können von einem Vorstandsmitglied allein regelmäßig nicht aufgebracht werden. Damit trägt die freie Schuldnerauswahl auch nicht dazu bei, dass der Schaden vollständig ersetzt wird. Dies gewährleistet nur die Inanspruchnahme aller mithaftenden Vorstandsmitglieder. Vielmehr besteht die Gefahr, dass ein Teil der Schadenssumme nicht realisiert werden kann, wenn nicht alle Vorstandsmitglieder in Anspruch genommen werden. Eine Besserstellung der Gesellschaft als Gläubigerin kann durch die freie Schuldnerauswahl damit nicht in dem Maße erreicht werden, das von § 421 S. 1 BGB bezweckt wird. Im Gegenzug hat sie eine gravierende Reflexwirkung auf das Rückgriffsverhältnis. Denn die ausgewählten und in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieder tragen Risiken und Nachteile, die die übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder nicht treffen.921 Dies ist aber nicht der Sinn und Zweck der freien Schuldnerauswahl, sondern ihre unausweichliche Folge.
E. Gesamtergebnis: 2. Teil 1. Die Prüfung des Korrekturbedarfs bezieht sich auf die Situation des Vorstandsmitglieds, das von den jeweiligen Vertretern der Aktiengesellschaft aus mehreren mithaftenden Vorstandsmitgliedern ausgewählt und in Anspruch genommen wird.922 Der normative Anknüpfungspunkt ist die Regelung in § 421 S. 1 BGB, die wegen der Anordnung der gesamtschuldnerischen Haftung in § 93 II 1 AktG auf die Innenhaftung von Vorstandsmitgliedern in der Aktiengesellschaft Anwendung findet.923 2. Ein Korrekturbedarf ist gegeben. Die Anwendung der Regelung in § 421 S. 1 BGB auf die Vorstandshaftungsfälle gem. § 93 II 1 AktG steht nicht im Einklang mit den Normen und Wertungen des Aktienrechts. So widerspricht sie dem Rechtsgedanken des in § 93 IV 3 AktG niedergelegten Vergleichs- und Verzichtsverbots.924 Ferner verstößt die freie Schuldnerauswahl sowohl gegen die 921 922 923 924
Vgl. 1. Teil A. IV., S. 46 ff. S. o. 2. Teil A. I., S. 124. S. o. 2. Teil A. II., S. 124 ff. S. o. 2. Teil B. I., S. 128 ff.
E. Gesamtergebnis: 2. Teil
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Prüfpflicht als auch gegen die Verfolgungspflicht des Aufsichtsrats aus §§ 111 I, 112 AktG i.V.m. den ARAG/Garmenbeck-Grundsätzen des BGH und damit auch gegen die aktienrechtliche Legalitätspflicht.925 3. Zudem kollidiert die freie Schuldnerauswahl mit der aktienrechtlichen Treuepflicht sowohl im Verhältnis der Aufsichtsratsmitglieder gegenüber der Gesellschaft als auch im Verhältnis der Gesellschaft gegenüber den Mitgliedern ihres Vorstands, wenn kein Rechtfertigungsgrund gegeben ist.926 In diesem Fall berührt sie auch das aus der Treuepflicht folgende Gleichbehandlungsgebot.927 Auch ein Hauptversammlungsbeschluss kann die Normenkollisionen und Wertungswidersprüche nicht vollständig aufheben.928 4. Bei einem Vergleich mit der Innenhaftung von Organmitgliedern in der GmbH gem. § 43 II GmbHG zeigen sich maßgebliche Unterschiede, woraus folgt, dass eine eigenständige Regelung der aktienrechtlichen Vorstandshaftung nicht unsachgemäß ist.929 5. In den Vorstandshaftungsfällen erreicht die freie Schuldnerauswahl ihr Schutzziel nicht in vollem Umfang und bringt zudem nachteilige Folgen mit sich, die von der Regelung in § 93 II 1 AktG i.V.m. 421 S. 1 BGB nicht bezweckt sind.930
925 926 927 928 929 930
S. o. 2. Teil B. II., S. 135 ff. S. o. 2. Teil B. III., S. 158 ff. S. o. 2. Teil B. IV., S. 168. S. o. 2. Teil B. V., S. 169. S. o. 2. Teil C., S. 169 ff. S. o. 2. Teil D., S. 177 f.
3. Teil
Korrektur der Ist-Situation und ihre Folgen Es besteht der Bedarf, die Ist-Situation der aktienrechtlichen Innenhaftung von Vorstandsmitgliedern zu korrigieren. Unklar ist, welche Methode hierfür anzuwenden ist und welche Folgen sich aus einer Korrektur ergeben.
A. Korrekturmethode I. Enge Auslegung Der Fall der Innenhaftung von Organmitgliedern in einer Aktiengesellschaft ist gerade der einzige Anwendungsfall der Verweisung in § 93 II 1 AktG auf § 421 S. 1 BGB. Auch die folgende Formulierung „kann nach seinem Belieben“ ändert daran nichts. Denn der Begriff „kann“ deutet hier nicht auf ein einschränkbares Ermessen hin, vielmehr beschreibt er ein freies Wahlrecht.931 Die Formulierung „kann nach seinem Belieben“ enthält damit eine inhaltliche Abwandlung der Leistungsverpflichtung, die für alle Fälle der Innenhaftung von Organmitgliedern ihrem Wortlaut nach ausnahmslos gilt. Eine enge Auslegung ist daher nicht möglich.932
II. Teleologische Reduktion Als Korrekturmethode kommt deshalb die teleologische Reduktion in Betracht. Diese erlaubt es, eine Norm nicht auf einen Fall anzuwenden, obwohl der Wortlaut ihn eindeutig erfasst.933 Sie setzt voraus, dass der Anwendungsbereich der Norm zu weit ist.934 Zieht man die Parallele zur Analogie, so liegt die planwidrige Regelungslücke darin, dass eine Ausnahmeregelung fehlt.935 Dies hat die vorangegangene Prüfung gezeigt. Die Anwendung der freien Schuldnerauswahl in § 421 S. 1 BGB auf die Innenhaftung gem. § 93 II 1 AktG widerspricht aktienrechtlichen Normen und 931 932 933 934 935
Dazu ausführlich unter 1. Teil A. II., S. 30 ff. Vgl. Schmalz, Rn. 453. Schmalz, Rn. 402. Schmalz, Rn. 402; Vogel, S. 134. Bydlinski, Methodenlehre, S. 480; Larenz/Canaris, S. 210.
B. Folgen der Korrektur
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Wertungen.936 Ein Vergleich mit der Innenhaftung in der GmbH gem. § 43 II GmbHG zeigt, dass es sich bei der Innenhaftung in der Aktiengesellschaft gem. § 93 II 1 AktG um eine wesentlich andere Fallgruppe handelt und eine parallele Behandlung nicht zwingend ist.937 Zuletzt wird auch der konkrete Zweck der freien Schuldnerauswahl in § 421 S. 1 BGB bei der Anwendung auf die Innenhaftung gem. § 93 II 1 AktG nicht erreicht.938 Damit ist eine teleologische Reduktion möglich. Diese hat zur Folge, dass der infrage stehenden Norm die sinngemäß geforderte Einschränkung hinzugefügt wird.939
B. Folgen der Korrektur I. Materiell-rechtliche Folgen 1. Inhalt der Regelung in § 93 II 1 AktG i.V.m. § 421 S. 1 BGB a) Allgemeines Der Inhalt der Regelung in § 93 II 1 AktG i.V.m. § 421 S. 1 BGB stellt sich nach der teleologischen Reduktion wie folgt dar. Haben mehrere Vorstandsmitglieder gem. § 93 II 1 AktG ihre Pflichten verletzt, so haften sie der Gesellschaft für den daraus entstandenen Schaden als Gesamtschuldner. Obwohl die freie Schuldnerauswahl nach dem Wortlaut des § 421 S. 1 BGB eine eindeutige Rechtsfolge der Gesamtschuldanordnung ist, wird sie bei der aktienrechtlichen Innenhaftung gem. § 93 II 1 AktG sodann eingeschränkt. § 421 S. 1 BGB ist in Verbindung mit § 93 II 1 AktG so zu verstehen, dass zwar jedes haftende Vorstandsmitglied gegenüber der Gesellschaft zur Bewirkung der ganzen Leistung verpflichtet ist, diese aber nicht beliebig von jedem der mithaftenden Vorstandsmitglieder ganz oder nur zu einem Teil gefordert werden kann. Vielmehr müssen die Ansprüche der Gesellschaft aus § 93 II 1 AktG grundsätzlich gegen alle mithaftenden Vorstandsmitglieder in voller Höhe geltend gemacht werden, oder es darf gegen keines der mithaftenden Vorstandsmitglieder vorgegangen werden. b) Sonderfälle Der Grundsatz, dass jedes der mithaftenden Vorstandsmitglieder oder keines in Anspruch zu nehmen ist, greift nur in besonderen Ausnahmefällen nicht, in denen Gründe vorliegen, die eine selektive Inanspruchnahme rechtfertigen. Darüber hinaus ist auch das Gesellschaftsinteresse zu beachten, soll ein Absehen von der Verfolgung 936 937 938 939
S. o. 2. Teil B., S. 127 ff. S. o. 2. Teil C., S. 169 ff. S. o. 2. Teil D., S. 177 f. Larenz/Canaris, S. 210.
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rechtmäßig erfolgen. Dieses ist i. d. R. auf möglichst vollständigen Schadensersatz gerichtet und daher gewahrt, wenn sichergestellt ist, dass der Schaden von den übrigen Vorstandsmitgliedern bzw. der D&O-Versicherung beglichen wird oder soweit ein Anspruchsverzicht erfolgen soll, ein wirksamer Hauptversammlungsbeschluss hierzu eingeholt wurde. aa) Gründe außerhalb des Unternehmenswohls Wie bereits dargestellt können innerhalb des Unternehmenswohls liegende Gründe nicht rechtfertigen, dass der Aufsichtsrat als Vertretungsorgan der Gesellschaft nur einzelne aus mehreren mithaftenden Vorstandsmitgliedern auswählt und in Anspruch nimmt.940 Denn sprechen gewichtige Interessen und Belange der Gesellschaft dafür, von der Verfolgung abzusehen, können sich diese nur auf alle mithaftenden Vorstandsmitglieder beziehen. Sie liegen in der Sphäre der Gesellschaft und sind damit unabhängig von der Person des Vorstandsmitglieds, über dessen Inanspruchnahme der Aufsichtsrat entscheidet. Zudem kann ihnen bei der Abwägung der Gründe für und gegen eine Verfolgung, nicht ein unterschiedliches Gewicht zukommen, je nachdem welches Vorstandsmitglied die Entscheidung betrifft. Daher darf der Aufsichtsrat in diesem Fall nicht nur einzelne Vorstandsmitglieder verschonen, sondern ist verpflichtet, gegenüber allen Vorstandsmitgliedern von der Verfolgung des Anspruchs abzusehen. Auf die Geltendmachung des Anspruchs aus § 93 II 1 AktG darf aus Gleichbehandlungsgesichtspunkten demnach nur verzichtet werden, wenn der Sonderfall vorliegt, dass außerhalb des Unternehmenswohls liegende Gründe gegeben sind, die ein Absehen von der Verfolgung eines einzelnen Vorstandsmitglieds rechtfertigen.941 Da dann insoweit auch keine Verfolgungspflicht besteht und es sich gerade nicht um ein gleich zu behandelndes Vorstandsmitglied handelt, liegt darin auch kein Verstoß gegen die aktienrechtliche Treupflicht. Insoweit erfolgt daher auch keine teleologische Reduktion. Allerdings hat der Aufsichtsrat bei seiner Verfolgungsentscheidung auch in diesen Fällen das Gesellschaftsinteresse zu beachten. bb) Uneinbringlichkeit der Forderung Sind einzelne der übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder zahlungsunfähig, haben sie einen unbekannten Aufenthaltsort, oder sind sie sonst dauerhaft unerreichbar, so greift § 426 I 2 BGB.942 Danach ist der Ausfall von den übrigen zur Ausgleichung verpflichteten Gesamtschuldnern zu tragen, wenn von einem Gesamtschuldner der auf ihn entfallende Beitrag nicht erlangt werden kann. Liegt diese Situation im Zeitpunkt der Inanspruchnahme durch die Gesellschaft vor, so ist das 940 941 942
S. o. 2. Teil B. II. 2. c) bb) (4), S. 157 f. Ebda. Vgl. MüKo-BGB/Bydlinski, § 426 Rn. 36; Staudinger/Looschelders, § 426 Rn. 128.
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Absehen von der Verfolgung des ausgefallenen Vorstandsmitglieds ebenfalls zulässig. Darin liegt kein Widerspruch zu den Normen und Wertungen des Aktienrechts, da das Vorstandsmitglied, von dessen Inanspruchnahme abgesehen wird, gem. § 426 I 2 BGB keinen Haftungsanteil mehr trägt. Daher ist auch diese Situation nicht von der teleologischen Reduktion erfasst. cc) Alleinverantwortlichkeit im Innenverhältnis Unter ganz engen Voraussetzungen sind Ausnahmen von der Inanspruchnahmeverpflichtung auch in der Konstellation denkbar, in der zwar mehrere Vorstandsmitglieder der Gesellschaft gegenüber haften, ein Vorstandsmitglied aufgrund seiner Alleinverantwortlichkeit im Innenverhältnis den Schaden nach dem Rechtsgedanken aus § 254 BGB jedoch allein zu tragen hat.943 Damit besteht sodann ein Unterschied zu den übrigen mithaftenden Vorstandsmitgliedern, der seine andere Behandlung durch die Gesellschaft und auch die damit einhergehende Stigmatisierung rechtfertigen kann. Ob eine entsprechende Alleinverantwortlichkeit jedoch gegeben ist, kann nur ein Gericht entscheiden. Nach denjenigen Normen und Wertungen des Aktienrechts, die dem Schutz des Gesellschaftsvermögens dienen, kann sich der Aufsichtsrat aber auch in diesem Fall nur dann für eine alleinige Inanspruchnahme dieses Vorstandsmitglieds entscheiden, wenn gewährleistet ist, dass die Gesellschaft ihren kompletten Schaden ersetzt bekommt. Dahingehend wird allerdings gerade in Fällen, in denen die Pflichtverletzung in einem vorsätzlichen Handeln lag, regelmäßig keine Gewissheit bestehen. Denn dann greift die D&OVersicherung oftmals nicht944 und der Ersatz des Schadens der Gesellschaft hängt davon ab, ob das Vorstandsmitglied selbst den vollen Betrag aufbringen kann. Damit ist von den konkreten Umständen des Einzelfalles abhängig, ob ein entsprechender Sonderfall angenommen werden kann. Aus Sicht des Aufsichtsrats ist vor dem Hintergrund der dargestellten Unwägbarkeiten und seiner Verpflichtung auf das Gesellschaftsinteresse insoweit allerdings Zurückhaltung geboten. 2. Ergänzung von Pflichten Durch die teleologische Reduktion des § 421 S. 1 BGB i.V.m. § 93 II 1 AktG werden die Pflichten der Gesellschaft gegenüber ihren Vorstandsmitgliedern ergänzt. In ihrem Namen darf keine freie Schuldnerauswahl mehr getroffen werden, sondern es sind grundsätzlich alle gesamtschuldnerisch haftenden Vorstandsmitglieder im Innenhaftungsfall gleich zu behandeln, wenn kein Grund vorliegt, der eine Ungleichbehandlung rechtfertigt. Die Existenz einer solchen Gleichbehandlungspflicht der Gesellschaft gegenüber den Vorstandsmitgliedern betrifft auch das Pflichtenprogramm der Aufsichtsrats943 944
Zum Rechtsgedanken aus § 254 BGB bereits unter 1. Teil B. II. 1. c), S. 67 ff. S. o. 1. Teil A. III. 3., S. 40 f.
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mitglieder. Denn die aktienrechtliche Legalitätspflicht wälzt die Pflichten, die die Gesellschaft im Außenverhältnis treffen, auf die Organe über, durch die sie handelt. Im Fall der Prüfung und Verfolgung von Innenhaftungsansprüchen aus § 93 II 1 AktG gegen Mitglieder des Vorstands vertritt der Aufsichtsrat die Gesellschaft als Gläubigerin gem. § 112 AktG. Dabei obliegt es ihm auch, deren Pflichten umzusetzen und somit auch, die Vorstandsmitglieder gleich zu behandeln. Diese ergänzen seine Pflichten, die sich aus den §§ 111 I, 112 AktG i.V.m. den Grundsätzen der ARAG/Garmenbeck-Rechtsprechung, der Legalitätpflicht sowie seiner Treueverpflichtung gegenüber der Gesellschaft ergeben. Gibt es danach Anhaltspunkte für das Bestehen von Innenhaftungsansprüchen gegen mehrere Vorstandsmitglieder, so darf der Aufsichtsrat nicht nach seinem Belieben einzelne auswählen und eine Prüfung und Verfolgung nur gegen diese einleiten. Vielmehr muss er den zum Schadensersatz verpflichtenden Tatbestand tatsächlich und rechtlich hinsichtlich aller möglicherweise mithaftenden Vorstandsmitglieder feststellen. Zudem muss er das Prozessrisiko und die Beitreibbarkeit der Forderung im Hinblick auf alle möglicherweise mithaftenden Vorstandsmitglieder analysieren. Kommt er dabei zu dem Ergebnis, dass der Gesellschaft Schadensersatzansprüche gegen mehrere Vorstandsmitglieder zustehen, ist er dazu verpflichtet, bei der Entscheidung über die Verfolgung der Schadensersatzansprüche alle Vorstandsmitglieder gleich zu behandeln. So sind die Ansprüche grundsätzlich gegen jedes mithaftende Vorstandsmitglied außergerichtlich bzw. gerichtlich zu verfolgen. Ein Absehen von der Verfolgung im Hinblick auf einzelne mithaftende Vorstandsmitglieder ist nur in den genannten Sonderfällen nicht gleichheitswidrig.945 3. Bewertung als Verteidigungsmittel in materiell-rechtlicher Hinsicht Die Folgen der Korrektur beschränken die Regelung in § 93 II 1 AktG i.V.m. § 421 S. 1 BGB inhaltlich. Die sich daraus ergebende Pflicht zur Gleichbehandlung aller mithaftenden Vorstandsmitgliedern ergänzt sowohl das Pflichtenprogramm der Gesellschaft als auch mittelbar das Pflichtenprogramm des Aufsichtsrats. Den Vorstandsmitgliedern kommt damit bereits durch ihr Bestehen der Schutz zu, den Pflichten ganz allgemein durch ihre präventiv verhaltenssteuernde Wirkung vermitteln.
II. Prozessuale Folgen Neben ihren materiell-rechtlichen Konsequenzen erweitert die Korrektur der IstSituation auch die Möglichkeiten der einzelnen in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieder, sich im Haftungsverhältnis prozessual gegen ihre alleinige Inanspruchnahme verteidigen zu können. 945
S. soeben 3. Teil B. I. 1. b), S. 181 ff.
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1. Einwand der unzulässigen Rechtsausübung a) Voraussetzungen Infolge der Ungleichbehandlung können sich die einzelnen in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieder bereits im Haftungsprozess durch den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung gegen ihre alleinige Inanspruchnahme zur Wehr setzen. Ein solcher Einwand kann erhoben werden, wenn eine Partei bei der Geltendmachung eines Rechts nicht die gebotene Rücksicht auf die Interessen der anderen Partei wahrt.946 Vor allem wenn zwischen diesen Parteien ein Rechtsverhältnis mit besonderer Treueprägung gegeben ist, ist eine erhöhte Rücksichtnahme geboten.947 Ferner ist der Einwand gegeben, wenn die Rechtsausübung im konkreten Fall zu Ergebnissen führt, die mit dem Recht nicht zu vereinbaren sind.948 Diese Voraussetzungen sind erfüllt, wenn der Aufsichtsrat als Vertretungsorgan der Gesellschaft in Vorstandshaftungsfällen beliebig nur einzelne von mehreren mithaftenden Vorstandsmitgliedern auf Schadensersatz gem. § 93 II 1 AktG in Anspruch nimmt. Denn die Gesellschaft und die Vorstandsmitglieder sind durch ein Treueverhältnis miteinander verbunden. Die willkürliche Inanspruchnahme einzelner Vorstandsmitglieder führt zu einer ungerechtfertigten Privilegierung der Vorstandsmitglieder, die nicht in Anspruch genommen werden. Das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied dagegen wird stark belastet. Darin liegt ein Verstoß gegen die aus der teleologischen Reduktion des § 93 II 1 AktG i.V.m. § 421 S. 1 BGB folgende Gleichbehandlungspflicht, die die Gesellschaft gegenüber ihren Vorstandsmitgliedern in den Vorstandshaftungsfällen einzuhalten hat. Die Gesellschaft selbst ist im Hinblick auf die Rechtsausübung in Form der freien Schuldnerauswahl auch nicht schutzbedürftig, da ihr regelmäßig das sachliche Eigeninteresse949 an der Ausübung der freien Schuldnerauswahl fehlt. Denn ihr ist auch ohne diese eine schnelle und effektive Anspruchsverfolgung möglich.950 Das Recht, beliebig auszuwählen, von welchem der mithaftenden Vorstandsmitglieder der Schadensersatz gefordert wird, ist für sie damit objektiv nutzlos. Nur in den genannten Sonderfällen, wenn Gründe außerhalb des Unternehmenswohls oder die Uneinbringlichkeit der Forderung die Verschonung einzelner mithaftender Vorstandsmitglieder rechtfertigen und in dem Fall, in dem das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied den Schaden im Innenverhältnis nach § 254 BGB allein zu tragen hat,951 kann der Einwand der unzulässigen Rechtsaus946
Vgl. Looschelders, SchuldR AT, Rn. 78. MüKo-BGB/Schubert, § 242 Rn. 240. 948 Palandt/Grüneberg, § 242 Rn. 2. 949 Zur Erforderlichkeit dieses Merkmals vgl. Palandt/Grüneberg, § 242 Rn. 50; Looschelders, SchuldR AT, Rn. 79; Staudinger/Olzen/Looschelders, § 242 Rn. 258; Jauernig/ Mansel, § 242 Rn. 37 f. 950 S. dazu bereits unter 2. Teil D., S. 181 ff. 951 S. o. 3. Teil B. I. 1. b), S. 181 ff. 947
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3. Teil: Korrektur der Ist-Situation und ihre Folgen
übung nicht greifen. Die alleinige Inanspruchnahme ist in diesen Fällen auch nicht willkürlich, sodass die aktienrechtliche Treuepflicht auch keine Gleichbehandlung gebietet. Ob einer dieser Sonderfälle einschlägig ist, entscheidet das Gericht im Haftungsprozess auf den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung hin. b) Wirkung des Einwands Die Pflichten der Gesellschaft, aus denen die Gleichbehandlungspflicht folgt, sind ein Ausfluss des Prinzips von Treu und Glauben. Dieses Prinzip dient nicht nur der Begründung von Pflichten und Ansprüchen, sondern auch der Begrenzung von Rechten und bildet insoweit eine diesen Rechten immanente Schranke.952 Wird diese Schranke durchbrochen, so ist die entsprechende Rechtsausübung missbräuchlich und unzulässig.953 Die Rechtsfolge der unzulässigen Rechtsausübung ist, dass dem Rechtsinhaber die seinem Recht entsprechenden Wirkungen oder Folgen verwehrt bleiben.954 Aus § 242 BGB i.V.m. der Gleichbehandlungspflicht folgt in den Vorstandshaftungsfällen damit eine Beschränkung der Rechte der Gesellschaft in Bezug auf die freie Schuldnerauswahl nach § 93 II 1 AktG i.V.m. § 421 S. 1 BGB. c) Darlegungs- und Beweislast Der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung ist grundsätzlich von Amts wegen zu berücksichtigen.955 Dies bedeutet, dass das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied zunächst nur die erheblichen Tatsachen in den Prozess einführen muss und das Gericht sie dann zu seinen Gunsten zu berücksichtigen hat.956 Werden diese Tatsachen allerdings streitig gestellt, gelten die allgemeinen Beweislastregeln.957 Als Partei, der die Beschränkung der Rechtsausübung günstig ist, muss das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied die erheblichen Tatsachen in das Verfahren einführen, ihre Unaufklärbarkeit geht zu seinen Lasten.958 Der Einwand unzulässiger Rechtsausübung folgt daraus, dass die Gesellschaft vertreten durch ihren Aufsichtsrat aus mehreren mithaftenden Vorstandsmitgliedern einzelne ausgewählt und in Anspruch genommen hat. Das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied muss 952
BGHZ 19, 72, 75; Erman/Böttcher, § 242 Rn. 101; Palandt/Grüneberg, § 242 Rn. 38; Looschelders, SchuldR AT, Rn. 78; Staudinger/Olzen/Looschelders, § 242 Rn. 200; MüKoBGB/Schubert, § 242 Rn. 82, 84; HK-BGB/Schulze, § 242 Rn. 21. 953 BGHZ 12, 154, 157; Palandt/Grüneberg, § 242 Rn. 38. 954 MüKo-BGB/Schubert, § 242 Rn. 226. 955 BGHZ 3, 94, 103 f.; BGHZ 37, 147, 152; BGH NJW 2011, 3149, 3150; Jauernig/Mansel, § 242 Rn. 36; MüKo-BGB/Schubert, § 242 Rn. 88; Palandt/Grüneberg, § 242 Rn. 21. 956 MüKo-BGB/Schubert, § 242 Rn. 88. 957 Repgen, in: Hdb Beweislast, § 242 Rn. 26; Rosenberg, S. 36 f., 51 f., 382 f.; Palandt/ Grüneberg, § 242 Rn. 21. 958 BVerfG NJW 88, 2233; Palandt/Grüneberg, § 242 Rn. 21; Rosenberg, S. 98 f.; MüKoBGB/Schubert, § 242 Rn. 90.
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also darlegen und beweisen, dass weitere Vorstandsmitglieder gemeinsam mit ihm gem. § 93 II 1 AktG haften, und, dass Ansprüche gegen diese nicht ebenfalls geltend gemacht worden sind. Die Darlegung und der Beweis der Tatsache, dass andere Vorstandsmitglieder gem. § 93 II 1 AktG gesamtschuldnerisch mithaften, obliegen dem in Anspruch genommenen Vorstandsmitglied auch, wenn es seine Rückgriffsansprüche gegen die übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder geltend machen will. Damit stehen ihm hier auch nur dieselben Möglichkeiten der Informationsbeschaffung zur Verfügung, die es im Rahmen der Geltendmachung seiner Rückgriffsansprüche hat.959 Im Unterschied dazu ist hier jedoch der Rechtsgedanke der Beweislastumkehr aus § 93 II 2 AktG übertragbar. Denn der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung bezieht sich auf die Situation, in der sich der Aufsichtsrat befand, als er entschieden hat, gegen welche Vorstandsmitglieder er einen Haftungsprozess einleitet. Um der Gleichbehandlungspflicht zu genügen, war der Aufsichtsrat dazu verpflichtet, den Innenhaftungsanspruch gegen alle mithaftenden Vorstandsmitglieder geltend zu machen. Hat er dennoch nur einzelne Vorstandsmitglieder in Anspruch genommen, entsteht daraus die Verteidigungssituation, in der sich diese mit dem Einwand der unzulässigen Rechtsausübung zur Wehr setzen. Sie ergibt sich damit unmittelbar aus der Entscheidung der Aufsichtsratsmitglieder über die Verfolgung der Ansprüche. Für die Darlegung und den Beweis, dass diese Entscheidung der Gleichbehandlungspflicht widersprach, muss das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied daher auch die Perspektive des Aufsichtsrats einnehmen. Es muss dessen Entscheidung nachzeichnen und vortragen, dass dieser nur einzelne in Anspruch genommen hat, obwohl eine Prüfung und Verfolgung auch anderer Vorstandsmitglieder in Betracht kam. Dabei spielt es auch eine Rolle, dass dem Aufsichtsrat der Beweis der anspruchsbegründenden Tatsachen wegen § 93 II 2 AktG maßgeblich erleichtert war. Denn es oblag ihm auch in Bezug auf die übrigen Vorstandsmitglieder zunächst nur, schlüssig vorzutragen, dass diese ihre Pflichten gegenüber der Gesellschaft verletzt haben. Dass die Tatsache der Mithaftung im Rahmen des Einwands der unzulässigen Rechtsausübung nun von dem in Anspruch genommenen Vorstandsmitglied dargelegt und bewiesen werden muss, rechtfertigt es nicht, einen anderen Maßstab anzulegen. Vielmehr muss es genügen, dass das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied die Mithaftung der übrigen Vorstandsmitglieder auch nur in dem Umfang darlegt und beweist, in dem dies auch dem Aufsichtsrat oblegen hätte, wenn er diese im Haftungsprozess ebenfalls in Anspruch genommen hätte. Daher kommt dem in Anspruch genommenen Vorstandsmitglied im Hinblick auf den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung die Beweislastumkehr in § 93 II 2 AktG zugute. Es muss sodann nur schlüssig vortragen, dass weitere Vorstandsmitglieder ebenfalls ihre Sorgfaltspflichten verletzt haben, darlegen und beweisen muss es diese Tatsache dagegen im ersten Schritt nicht. Vielmehr obliegt es den Auf959 Zum Anspruch aus § 426 I 1 BGB, s. 1. Teil B. II. 3. c) aa) (1) (a)-(c), S. 90 ff., zum Anspruch aus § 426 II 1 BGB i.V.m. § 93 II 1 AktG, 1. Teil B. III. 3. c), S. 107 ff.
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3. Teil: Korrektur der Ist-Situation und ihre Folgen
sichtsratsmitgliedern, den Gegenbeweis zu erbringen, dass keine Anhaltspunkte für die Prüfung und Verfolgung von Schadensersatzansprüchen gegen weitere Vorstandsmitglieder bestanden und in der Inanspruchnahme der einzelnen Vorstandsmitglieder keine Auswahl lag. Diese kommt nur in den genannten Sonderfällen in Betracht, in denen die teleologische Reduktion nicht greift bzw. ein Rechtfertigungsgrund gegeben ist und damit kein Verstoß gegen die Gleichbehandlungspflicht vorliegt.960 Daneben obliegt es dem in Anspruch genommenen Vorstandsmitglied allerdings auch darzulegen und zu beweisen, dass die Ansprüche aus § 93 II 1 AktG gegen die übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder nicht ebenfalls geltend gemacht worden sind. Dabei handelt es sich um den Beweis einer negativen Tatsache, der schwierig zu führen ist, grundsätzlich aber keine Abweichung von den allgemeinen Beweislastregeln begründet.961 Die Darlegungs- und Beweislast trägt damit nach wie vor das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied. Dieses hat jedoch von den relevanten Vorgängen im Aufsichtsrat regelmäßig keine Kenntnis. Die Möglichkeiten, sich entsprechende Informationen zu verschaffen, sind beschränkt. Zwar kann sich das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied durch einen Aktienerwerb den Zugang zu den in der Hauptversammlung mitgeteilten Informationen eröffnen, sowie das Auskunftsrecht nach § 131 AktG wahrnehmen.962 Inwiefern es ihm dadurch erleichtert wird, seiner Darlegungs- und Beweislast nachzukommen, bemisst sich danach, welche Auskünfte der Aufsichtsrat in diesem Zusammenhang preisgibt. Denkbar ist beispielsweise, dass der Aufsichtsrat in seinem Bericht über seine Überwachungstätigkeit gem. §171 II 2 AktG über das Bestehen von Vorstandshaftungsfällen berichtet und, um seine Entlastung nicht zu gefährden, detailreiche Ausführungen macht. So ist es möglich, dass er erläutert und begründet, welches Ereignis zu einem Schaden bei der Gesellschaft geführt hat und wer nach seinen bisherigen Ermittlungen für diesen verantwortlich ist. Ferner ist denkbar, dass sich der Aufsichtsrat dazu äußert, dass und warum er wegen dieses Schadens gegen einzelne Vorstandsmitglieder Maßnahmen eingeleitet hat oder einzuleiten beabsichtigt, oder warum er davon absieht, aktuell oder künftig Maßnahmen einzuleiten. Kommt der Aufsichtsrat seinen Berichts- und Auskunftspflichten aus § 131 AktG und § 171 II 2 AktG dagegen nur rudimentär nach oder überwiegt in diesem Zusammenhang sein Geheimhaltungsinteresse gegenüber der Gesellschaft, befindet sich das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied in einer Darlegungs- und Beweisnot. Da diese Situation beim Negativbeweis jedoch regelmäßig vorkommt, gelten die Grundsätze über die sekundäre Behauptungs- und Darlegungslast. Danach 960
S. o. 3. Teil B. I. 1. b), S. 181 ff. BGH NJW 1985, 1774, 1775; BGH NJW-RR 2009, 1142, 1144; BGH NJW 2011, 2130, 2132; Zöller/Greger, Vor § 284 Rn. 24; Saenger/Saenger, § 286 Rn. 83, 92; ausführlich dazu Stieper, ZZP 123 (2010), 27 ff., 32, 35. 962 Dazu bereits unter 1. Teil B. II. 3. c) aa) (1) (b), S. 90 ff. 961
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ist es der gegnerischen Partei im Verfahren zuzumuten, der beweisbelasteten Partei die Darlegung und den Beweis von Tatsachen zu ermöglichen, die im Wahrnehmungsbereich der gegnerischen Partei liegen.963 Daraus folgt, dass die gegnerische Partei das Vorbringen der beweisbelasteten Partei nicht einfach bestreiten kann, sondern vielmehr im Einzelnen darlegen muss, dass und warum das bestrittene Vorbringen unrichtig ist.964 Ferner kann es ihr obliegen, nähere Angaben zu den beweiserheblichen Umständen zu machen,965 oder gar die entsprechend positiven Tatsachen zu behaupten, deren Unrichtigkeit dann die beweisbelastete Partei darlegen und beweisen muss.966 Erfüllt die gegnerische Partei diese Pflichten nicht, gilt die behauptete Tatsache gem. § 138 III ZPO als zugestanden.967 In den Vorstandshaftungsfällen genügt es danach, dass das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied zunächst nur vorträgt, dass der Aufsichtsrat die übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder nicht auch gem. § 93 II 1 AktG in Anspruch genommen hat. Damit hat es seiner primären Darlegungslast bereits genüge getan. Dem Aufsichtsrat obliegt es sodann, dieser einfachen Behauptung mit einem konkreten Vortrag entgegenzutreten. Er muss also vorbringen, dass, wann und gegen welche Vorstandsmitglieder er die Innenhaftungsansprüche ebenfalls geltend gemacht hat bzw. dies zu tun beabsichtigt oder, dass einer der Sonderfälle vorliegt, die ein Absehen von der Verfolgung rechtfertigen. Anschließend obliegt es dem in Anspruch genommenen Vorstandsmitglied diesen Vortrag zu widerlegen. Hierfür kann es die genannten Vorstandsmitglieder als Zeugen benennen. Trägt der Aufsichtsrat dagegen nicht entsprechend konkret vor, so gilt die Tatsache, dass die Ansprüche aus § 93 II 1 AktG gegen die übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder nicht ebenfalls geltend gemacht wurden, nach § 138 III ZPO zu Gunsten des in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieds als zugestanden. 2. Bewertung als Verteidigungsmittel in prozessualer Hinsicht Der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung hat als Verteidigungsmittel eine hohe Wirkkraft. Die Ist-Situation der in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieder verbessert sich hierdurch maßgeblich, ohne dass die Haftung selbst infrage gestellt wird. Denn das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied kann diesen Einwand bereits im Haftungsprozess geltend machen. So verhindert er bereits, dass die Innenhaftungsansprüche der Gesellschaft nur gegenüber einzelnen von mehreren mithaftenden Vorstandsmitgliedern durchgesetzt werden. 963 BGHZ 140, 156, 158 f.; BGH MDR 1991, 226, 227; Brose, MDR 2008, 1315; Foerster, ZHR 176 (2012), 221, 230; Zöller/Greger, § 138 Rn. 8b, Vor § 284 Rn. 34. 964 Vgl. BGH NJW 1996, 522, 523; BGH NJW 1961, 826, 828; Beckhaus, S. 139; MüKoZPO/Prütting, § 286 Rn. 131; Saenger/Saenger, § 286 Rn. 93. 965 Foerster, ZHR 176 (2012), 221, 230. 966 Vgl. BGH NJW 1985, 1774, 1775; BGH NJW 2003, 1039; BGH NJW 2011, 2130, 2132. 967 BGH NJW 1996, 315, 316 f.; Beckhaus, S. 141; Zöller/Greger, § 138 Rn. 8b, Vor § 284 Rn. 34c; Saenger/Saenger, § 286 Rn. 93; Stieper, ZZP 123 (2010), 27, 37.
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3. Teil: Korrektur der Ist-Situation und ihre Folgen
Damit entfallen auch die Risiken und Nachteile, die sich aus dem zeitlichen Versatz bei der alleinigen Inanspruchnahme ergeben. Darunter fallen die Risiken und Nachteile, die damit einhergehen, dass das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied in Vorleistung gehen muss und unsicher ist, ob es bei den übrigen mithaftenden Vorstandsmitgliedern anschließend Rückgriff nehmen kann. Sowohl das Liquiditätsrisiko als auch das Insolvenzrisiko ist damit gebannt. Daneben verringert sich auch das Verteidigungsrisiko des in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieds im Haftungsprozess maßgeblich. Es muss auf sich allein gestellt zunächst lediglich den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung darlegen und beweisen, nicht dagegen sich gegen das Vorbringen der Gesellschaft vollumfänglich allein verteidigen. Zudem ist auch das Kostenrisiko des Haftungsprozesses eingedämmt. Die Pflicht, die Kosten des Rechtsstreits bei Unterliegen tragen zu müssen, trifft das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied nicht mehr ungerechtfertigt allein. Denn zuvor entscheidet das Gericht des Haftungsprozesses auf den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung hin darüber, ob andere mithaftende Vorstandsmitglieder ebenfalls in das Verfahren einzubeziehen sind. Die Entscheidung des Gerichts über den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung hat weitergehende Auswirkungen. Fällt diese Entscheidung negativ aus, so ist gerichtlich festgestellt, dass die einzelnen in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieder die alleinigen Anspruchsgegner sind. Dann liegt jedoch auch keine Ungleichbehandlung vor, da die übrigen Vorstandsmitglieder nicht mithaften bzw. einer der Sonderfälle vorliegt. Fällt die Entscheidung dagegen positiv aus, so ergeben sich praktisch verschiedene Szenarien. Zunächst ist denkbar, dass der Aufsichtsrat gegen die übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder ebenfalls Klage erhebt und gesonderte Verfahren einleitet. Allerdings würden das Verteidigungs- sowie das Kostenrisiko der in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieder hierbei fortbestehen. Denn die Vorstandsmitglieder müssten sich dann in den einzelnen Verfahren allein gegen ihre Inanspruchnahme durch die Gesellschaft verteidigen. Eine Verfahrensverbindung liegt gem. § 147 ZPO im Ermessen des Gerichts, kann aber prozessual nicht erzwungen werden. Angesichts der Risiken und Nachteile, die hiernach verbleiben, ist der Aufsichtsrat jedoch dazu verpflichtet, einen anderen Weg einzuschlagen. Diese Verpflichtung folgt aus der aktienrechtlichen Treuepflicht der Gesellschaft gegenüber ihren Vorstandsmitgliedern. Denn vor allem im Hinblick auf die verbleibenden Risiken, die bei einer gesonderten Inanspruchnahme letztlich für alle Vorstandsmitglieder entstehen, realisiert sich die Einwirkungsmacht der Gesellschaft auf deren Rechtsgüter. Diese fordert wiederum einen rücksichtsvollen Umgang mit den Vorstandsmitgliedern, der in diesen Fällen vom Aufsichtsrat als Vertreter der Gesellschaft umzusetzen ist. Daher ist der Aufsichtsrat angehalten, die Ansprüche nicht in gesonderten Verfahren geltend zu machen, sondern die Vorstandsmitglieder in die bereits erhobene Klage einzubeziehen.
B. Folgen der Korrektur
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Eine solche Parteierweiterung ist im Haftungsprozess prozessual grundsätzlich möglich. Unklar ist nur, ob es sich dabei um eine Klageänderung handelt und der bisherige und neue Beklagte zustimmen oder das Gericht diese für sachdienlich halten muss,968 oder ob es genügt, dass die Voraussetzungen einer Streitgenossenschaft nach den §§ 59, 60 ZPO vorliegen.969 Da der Beitritt der übrigen haftenden Vorstandsmitglieder als weitere Beklagte regelmäßig sachdienlich ist und durch die Haftung als Gesamtschuldner eine Rechtsgemeinschaft in Ansehung des Streitgegenstandes gem. § 59 ZPO besteht, ist die Parteierweiterung in den Vorstandshaftungsfällen nach beiden Ansichten möglich. Erforderlich ist nur, dass der Aufsichtsrat einen gegen die übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder gerichteten Schriftsatz einreicht, der die Voraussetzungen einer Klage nach § 253 II Nr. 2 ZPO erfüllt.970 Gem. § 261 II ZPO sind dann auch gegen diese die Ansprüche aus § 93 II 1 AktG rechtshängig. Damit werden das Verteidigungsrisiko und das Kostenrisiko des Haftungsprozesses gleichmäßig auf alle mithaftenden Vorstandsmitglieder verteilt. Die Gefahr der Verjährung der Rückgriffsansprüche aus § 426 II 1 BGB i.V.m. § 93 II 1 AktG entfällt, da die Klageerhebung im Haftungsprozess hemmende Wirkung hat. Lautet das Urteil im Haftungsprozess dann auf den Ersatz des Schadens der Gesellschaft, so erstreckt es sich auf alle mithaftenden Vorstandsmitglieder. Damit sind sowohl die Haftung der übrigen Vorstandsmitglieder als auch das Bestehen des Gesamtschuldverhältnisses rechtskräftig festgestellt. Sollten anschließend nicht alle Vorstandsmitglieder die Gesellschaft in der Höhe des auf sie entfallenden Kopfteils befriedigen, sind jedenfalls die Anspruchsvoraussetzungen von § 426 I 1 BGB nicht mehr streitbar. Daneben ist denkbar, dass der Aufsichtsrat die gegen die in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieder erhobene Klage nach § 296 BGB zurücknimmt. Der Aufsichtsrat ist insoweit jedoch nicht frei in seiner Entscheidung. Vielmehr muss er sich an die Grundsätze der Prüfungs- und Verfolgungspflicht halten bzw. das Gesellschaftsinteresse wahren. Danach ist er dazu verpflichtet, die Ansprüche geltend zu machen, wenn nicht eine Ausnahme greift, bzw. überwiegende Gründe des Unternehmenswohls dagegen sprechen, der vollständige Schadensersatz anderweitig gesichert ist oder ein zustimmender Hauptversammlungsbeschluss vorliegt. Zuletzt ist denkbar, dass der Aufsichtsrat die Klage aufrechterhält, ohne die übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder einzubeziehen. In diesem Fall wird ein Gericht die Klage jedenfalls als derzeit unbegründet abzuweisen haben. Die Rechtskraft dieses Urteils steht dann einer neuen Klage, in der alle Vorstandsmitglieder in Anspruch genommen werden, nicht entgegen. Denn in diesem Fall fällt die Ungleichbehandlung als Grund für die fehlende Begründetheit der Klage weg.
968 So BGHZ 131, 76, 79; BGH NJW 1989, 3225 f.; MüKo-ZPO/Becker-Eberhard, § 263 Rn. 84; Musielak/Voit/Foerste, § 263 Rn. 23. 969 Zöller/Greger, § 263 Rn. 21; Saenger/Saenger, § 261 Rn. 20. 970 Musielak/Voit/Foerste, § 263 Rn. 25; Saenger/Saenger, § 261 Rn. 20.
192
3. Teil: Korrektur der Ist-Situation und ihre Folgen
C. Gesamtergebnis: 3. Teil 1. Die Regelung in § 421 S. 1 BGB geht in den Vorstandshaftungsfällen zu weit. Eine enge Auslegung des § 93 II 1 AktG kommt jedoch nicht in Betracht.971 2. Korrigiert wird die Ist-Situation daher mithilfe einer teleologischen Reduktion der freien Schuldnerauswahl aus § 93 II 1 AktG i.V.m. § 421 S. 1 BGB, wodurch die Normenkollisionen und Wertungswidersprüche aufgelöst werden, die sich durch deren uneingeschränkte Anwendung ergeben.972 3. Materiell-rechtlich besteht danach eine Pflicht der Gesellschaft alle gesamtschuldnerisch haftenden Vorstandsmitglieder im Fall der Innenhaftung gleich zu behandeln, wenn keine Sonderfälle vorliegen, in denen bereits keine Ungleichbehandlung gegeben oder diese jedenfalls gerechtfertigt ist. Diese Gleichbehandlungspflicht hat der Aufsichtsrat als Vertretungsorgan der Gesellschaft zu beachten.973 4. Zudem ergänzt die Gleichbehandlungspflicht die Verteidigungsmöglichkeiten der in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieder im Haftungsprozess um ein wirksames Mittel, durch das sie die Risiken und Nachteile ihrer alleinigen Inanspruchnahme maßgeblich verringern können: Den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung.974
971 972 973 974
3. Teil A. I., S. 180. 3. Teil A. II., S. 180 f. 3. Teil B. I., S. 181 ff. 3. Teil B. II., S. 184 ff.
Zusammenfassung der Ergebnisse 1.
Voraussetzung der Haftung nach § 93 II 1 AktG ist, dass Vorstandsmitglieder ihre Pflichten schuldhaft verletzen und der Aktiengesellschaft hieraus adäquat kausal ein Schaden entsteht. Die Rechtsfolgen der Haftung sind weitreichend. Nach § 421 S. 1 BGB kann die Gesellschaft als Gläubigerin die Leistung nach ihrem Belieben von jedem einzelnen der mithaftenden Vorstandsmitglieder ganz oder zu einem Teil fordern.
2.
Für die Rechtsverfolgung ist der Aufsichtsrat originär zuständig, wobei er nur mit Zustimmung der Hauptversammlung auf Ansprüche verzichten oder sich über sie vergleichen darf. Die Rechtsverfolgung in Vorstandshaftungsfällen nahm nach dem ARAG/Garmenbeck-Urteil merklich zu, wobei teilweise auch der Abschluss von Vergleichs- und Verzichtsvereinbarungen mit den Vorstandsmitgliedern in Betracht gezogen wurde. Die D&O-Versicherung deckt das Haftungsrisiko nicht in allen Fällen und oft nicht in voller Höhe ab. Überlegungen, die Haftung von Vorstandsmitgliedern generell zu beschränken, konnten sich bislang nicht durchsetzen. Teilweise hat sich eine Praxis herausgebildet, wonach die Innenhaftungsansprüche nicht gegen alle, sondern nur gegen einzelne Vorstandsmitglieder geltend gemacht werden.
3.
Die in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieder tragen in dieser Konstellation Risiken und Nachteile, denen die übrigen mithaftenden jedoch nicht in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieder nicht ausgesetzt sind, darunter das Verteidigungsrisiko, das Kostenrisiko, das Liquiditätsrisiko, das Risiko eigener Zahlungsunfähigkeit, sowie das Risiko, dass die übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder zahlungsunfähig werden und ein Rückgriff bei diesen anschließend nicht mehr möglich ist.
4.
Die Ansprüche aus dem Rückgriffsverhältnis können die Risiken und Nachteile, die sich aus der ungleichen Inanspruchnahme ergeben, nur unzureichend ausgleichen. Die Ansprüche aus § 426 I 1 BGB und § 426 II 1 BGB i.V.m. § 93 II 1 AktG sind zeitlich und inhaltlich in ihrer Anwendung und Wirkung begrenzt.
5.
Der materiell-rechtlichen Durchsetzbarkeit der Rückgriffsansprüche können Einreden und Einwendungen entgegenstehen. Tatsachen und Ereignisse aus dem Haftungsverhältnis können dem Anspruch aus § 426 I 1 BGB gem. §§ 422 – 425 BGB und dem Anspruch aus § 426 II 1 BGB i.V.m. § 93 II 1 AktG gem. § 412, 404 BGB entgegengehalten werden.
6.
Die Rückgriffsansprüche aus § 426 I 1 BGB und § 426 II 1 BGB i.V.m. § 93 II 1 AktG werden prozessual mit der Leistungsklage geltend gemacht. Bei beiden Rückgriffsmöglichkeiten ergeben sich Hürden bei der Formulierung des be-
194
Zusammenfassung der Ergebnisse
stimmten Klageantrags und beim schlüssigen Vortrag sowie der Darlegung und dem Beweis der den Anspruch begründenden Tatsachen. Die prozessuale Geltendmachung des Rückgriffsanspruchs aus § 426 II 1 BGB i.V.m. § 93 II 1 AktG ist überdies dadurch gekennzeichnet, dass der Anspruch aus § 93 II 1 AktG gem. § 426 II 1 BGB auch prozessual in seinem jeweiligen Bestand auf das leistende Vorstandsmitglied übergeht. 7.
Eine Streitverkündung im Haftungsprozess verbessert die Ist-Situation nur teilweise. Sie hat zwar Interventionswirkung, jedoch können die in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieder auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen, und sie kann zur Folge haben, dass Feststellungen zu ihren Lasten berücksichtigt werden müssen. Die verjährungshemmende Wirkung der Streitverkündung im Haftungsprozess tritt nur ein, wenn die Zulässigkeitsvoraussetzungen in §§ 72, 73 ZPO erfüllt waren, wobei dies erst im Rückgriffsprozess gerichtlich übergeprüft wird. Das mit ihr verbundene Kostenrisiko ist hoch, die Streitverkündung ist zudem auf den Zeitraum nach Klageerhebung beschränkt, sodass ihre verjährungshemmende Wirkung teilweise ins Leere geht.
8.
Andere verjährungshemmende Maßnahmen kommen grundsätzlich in Betracht, setzen jedoch im Haftungsverhältnis einen entsprechenden Verfolgungswillen der Gesellschaft, im Rückgriffsverhältnis mit Ausnahme des Gütetrags einen Konsens mit den übrigen mithaftenden Vorstandsmitgliedern voraus. Auf beides hat das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied in der Konfliktsituation der Vorstandshaftungsfälle regelmäßig keinen Einfluss.
9.
Erfüllen die übrigen mithaftenden Vorstandsmitglieder ihre Pflichten aus § 426 I 1 BGB nicht, so stehen dem in Anspruch genommenen Vorstandsmitglied in den Vorstandshaftungsfällen Schadensersatzansprüche gegen diese zu, die jedoch immer erst nachträglich geltend gemacht werden können und denen mitunter dieselben Hindernisse entgegenstehen, wie der Geltendmachung des Anspruchs aus § 426 I 1 BGB.
10. Die Prüfung des Korrekturbedarfs bezieht sich auf die Situation des Vorstandsmitglieds, das von den jeweiligen Vertretern der Aktiengesellschaft aus mehreren mithaftenden Vorstandsmitgliedern ausgewählt und in Anspruch genommen wird. Der normative Anknüpfungspunkt ist die Regelung in § 421 S. 1 BGB, die wegen der Anordnung der gesamtschuldnerischen Haftung in § 93 II 1 AktG auf die Innenhaftung von Vorstandsmitgliedern in der Aktiengesellschaft Anwendung findet. 11. Ein Korrekturbedarf ist gegeben. Die Anwendung der Regelung in § 421 S. 1 BGB auf die Vorstandshaftungsfälle gem. § 93 II 1 AktG steht nicht im Einklang mit den Normen und Wertungen des Aktienrechts. So widerspricht sie dem Rechtsgedanken des in § 93 IV 3 AktG niedergelegten Vergleichs- und Verzichtsverbots. Ferner verstößt die freie Schuldnerauswahl sowohl gegen die Prüfpflicht als auch gegen die Verfolgungspflicht des Aufsichtsrats aus §§ 111 I,
Zusammenfassung der Ergebnisse
195
112 AktG i.V.m. den ARAG/Garmenbeck-Grundsätzen des BGH und damit auch gegen dessen aktienrechtliche Legalitätspflicht. 12. Zudem kollidiert die freie Schuldnerauswahl mit der aktienrechtlichen Treuepflicht sowohl im Verhältnis der Aufsichtsratsmitglieder gegenüber der Gesellschaft als auch im Verhältnis der Gesellschaft gegenüber den Mitgliedern ihres Vorstands, wenn kein Rechtfertigungsgrund gegeben ist. In diesem Fall berührt sie auch das aus der Treuepflicht folgende Gleichbehandlungsgebot. Auch ein Hauptversammlungsbeschluss kann die Normenkollisionen und Wertungswidersprüche nicht vollständig aufheben. 13. Bei einem Vergleich mit der Innenhaftung von Organmitgliedern in der GmbH gem. § 43 II GmbHG zeigen sich maßgebliche Unterschiede, woraus folgt, dass eine eigenständige Regelung der aktienrechtlichen Vorstandshaftung nicht unsachgemäß ist. 14. In den Vorstandshaftungsfällen erreicht die freie Schuldnerauswahl ihr Schutzziel nicht in vollem Umfang und bringt zudem nachteilige Folgen mit sich, die von der Regelung in § 93 II 1 AktG i.V.m. 421 S. 1 BGB nicht bezweckt sind. 15. Die Regelung in § 421 S. 1 BGB geht in den Vorstandshaftungsfällen zu weit. Eine enge Auslegung des § 93 II 1 AktG kommt jedoch nicht in Betracht. 16. Korrigiert wird die Ist-Situation daher mithilfe einer teleologischen Reduktion der freien Schuldnerauswahl in § 93 II 1 AktG i.V.m. § 421 S. 1 BGB, die die Normenkollisionen und Wertungswidersprüche auflöst, die sich durch deren uneingeschränkte Anwendung ergeben. 17. Materiell-rechtlich besteht danach eine Pflicht der Gesellschaft alle gesamtschuldnerisch haftenden Vorstandsmitglieder im Fall der Innenhaftung gleich zu behandeln, wenn keine Sonderfälle vorliegen, in denen bereits keine Ungleichbehandlung gegeben oder diese jedenfalls gerechtfertigt ist. Diese Gleichbehandlungspflicht hat der Aufsichtsrat als Vertretungsorgan der Gesellschaft neben dem Gesellschaftsinteresse zu beachten. 18. Zudem ergänzt die Gleichbehandlungspflicht die Verteidigungsmöglichkeiten der in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieder im Haftungsprozess um ein wirksames Mittel, durch das sie die Risiken und Nachteile einer alleinigen Inanspruchnahme maßgeblich verringern können: Den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung.
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Stichwortverzeichnis Aktionärsklage 18, 37, 160 Akzessorietät 102, 103, 109 Alleinverantwortlichkeit 183, 185 Anspruch auf Befreiung, Freistellung, Mitwirkung 64 ff., 71, 85 Anspruch auf Zahlung oder Ausgleich 63 f., 70 f., 85 ARAG/Garmenbeck 15 f., 38 f., 127, 140 ff., 175, 178, 184 Besondere Vertreter 37, 160 Bestimmter Klageantrag 86 ff., 107 Beurteilungsspielraum 148, 154 f. Beweislastumkehr 51 ff., 92 ff., 108 f., 187 f. Business Judgement Rule 28, 155 Darlegung und Beweis 53, 54, 86, 89 ff., 107 ff., 186 ff. D&O-Versicherung 17, 40 f., 182, 183 Einwand unzulässiger Rechtsausübung 185 ff. Einwendungen aus dem Haftungsverhältnis 73 ff. Einwendungen aus dem Rückgriffsverhältnis 70 ff. Enge Auslegung 180 Erheblicher Tatsachenvortrag 51 ff., 70 Erlass 74, 75 ff., 129 Ermessen 28, 31 f., 150, 152, 153 ff. Existenzbedrohung 17, 42, 43, 125, 166
Gleichbehandlungspflicht 168, 169, 183, 184, 185, 186, 187, 188 GmbH-Geschäftsführerhaftung 171 f., 173 ff. Gründe außerhalb des Unternehmenswohls 156, 157, 182, 185 Güteverfahren 119 Haftungserleichterung 41 ff. Haftungsquote 63, 69, 96 f. Haftungsverhältnis 21 ff. Hauptversammlungsbeschluss 176, 182, 191
38, 169,
Informationsbeschaffung 53, 54, 90 ff., 98, 187, 188 Insolvenzrisiko 77, 190 Interessenkonflikte 25, 37, 62 Interventionswirkung 111 ff., 113 f. Ist-Situation 21 ff. Kopfteile 45, 96, 191 Kostenrisiko 50, 57 f., 77, 117, 167, 190, 191 Legalitätspflicht 22, 127, 135, 139, 158, 183 Legalzession 102 Liquiditätsrisiko 57 f., 77, 167, 190 Materiell-rechtliche Durchsetzbarkeit 69 ff., 104 f.
Fallgruppenvergleich GmbH 173 ff. Freie Schuldnerauswahl 44 f. Fürsorgepflicht 43, 163
Nichtverfolgung von Ansprüchen 130, 142, 145 Normenkollisionen und Wertungswidersprüche 127 ff. Normzweckerreichung 177 f.
Gesellschaftsinteresse 137, 159, 161, 162, 169, 175, 176, 181, 182, 183, 191 Gestörte Gesamtschuld 77
Paschastellung 45 Prinzipal-Agenten-Theorie Prozessstandschaft 106
23
Stichwortverzeichnis Prozessuale Durchsetzbarkeit 84 ff., 105 ff. Prüf(ungs)pflicht 16, 135 ff., 146 ff., 158 Rechtskrafterstreckung 83, 93 ff., 107 Rechtsverfolgungspraxis 16, 38 ff. Regresskreisel 77 Risiken und Nachteile aus der Inanspruchnahme 46 ff. Rückgriffsverhältnis 59 ff. Rücksichtnahmepflicht 43, 163 Schlüssiger Vortrag 89 ff., 107 ff. Siemens-Fall 39 Sorgfaltspflichten der Vorstandsmitglieder 22 Streitverkündung 46 ff., 111 ff. Szenarien der Inanspruchnahme 18 f. Teilschuld 68 f., 96, 102 Teleologische Reduktion 180 ff., 188 Treuepflicht (Aktiengesellschaft) 163 ff. Treuepflicht (Aufsichtsratsmitglieder) 159 ff. Treuepflicht (Vorstandsmitglieder) 23 ff., 43
221
Überwachungspflicht des Aufsichtsrats 91, 135 ff., 158 Uneinbringlichkeit der Forderung 183, 185 Ungleichbehandlung 157, 166, 167, 169, 183, 185, 190, 191 Ungleichheit 58, 67 Verfolgungspflicht 16, 152 ff. Vergleich 19, 37, 39, 74, 75 ff., 128 ff., 173, 176 Verjährung 54 ff., 70 ff., 79 ff., 104 f. Verjährungshemmende Maßnahmen 118 f. Verschuldensbeiträge 44, 45, 69, 96 Verschuldensmaßstab 27, 41, 150 Verteidigungsrisiko 46 ff., 77, 167, 190, 191 Vertretung der AG 37 f., 160, 173 Verzicht 19, 37, 38, 39, 74, 75 ff., 128 ff., 140, 151, 173, 176, 182 Vollstreckbarkeit 98 ff., 109 Wahrheitspflicht
97 f.
Zahlungsunfähigkeit 58, 77, 167, 182 Zuständigkeit des Aufsichtsrats 37 f., 91, 173