Die Gerichtsverhandlungen über die Gelsenkirchener Typhusepidemie im Jahre 1901 9783486732238, 9783486732221


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INHALT
Einleitung
I. Aus der Zeit der Voruntersuchung
II. Das Epidemiegebiet und seine Wasserversorgung
III. Tatsächliche Ermittlungen vor und in den Gerichtsverhandlungen
IV. Aus den Gerichtsverhandlungen
V. Anhang
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Die Gerichtsverhandlungen über die Gelsenkirchener Typhusepidemie im Jahre 1901
 9783486732238, 9783486732221

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Die Gerichtsverhandlungen über die

Gelsenkirchener Typhusepidemie im Jahre 1901. Von

E.

GRAHN,

Zivil-Ingenieur in Hannover.

Mit einem Anhang:

Die Bedeutung des Jahres 1901 für die Wasserwerke.

Sonderabdruck aus dem „Journal für Gasbeleuchtung und Wasserversorgung". Herausgegeben von

Dr. H. BUNTE.

Munchen und Berlin. Druck und Verlag von R. Oldenbourg.

1905.

INHALT. I. Aus der Zeit der Voruntersuchung. 1. 2. 3. 4. 5.

Das Die Das Die Die

Obergutachten der wissenschaftlichen Deputation für das Medizinalwesen vom 1. Dez. 1902 Anklageschrift vom 25. September 1903 Nahrungamittelgesetz vom 14. Mai 1879 dem Gerichte von Schmitt gemachten Erklärungen von Angust und Dezember 1903 . . . . lokalistische Theorie von Pettenkofer . . . :

Seite 5 9 12 13 14

II. Das Epidemiegebiet und seine Wasserversorgung. 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Seine Lage und Bodenbeschaffenheit Die Verteilung der Erkrankungen in den einzelnen Bezirken und im ganzen Die Entstehung und einige Personalien der dortigen Wasserwerke Die Pumpstation bei Steele und ihre Verteilungsanlagen Das Wassergeschäft von 1873 bis 1902 Die Verteilung des Stichrohrwassers in den verschiedenen Bezirken nach Holz

16 17 18 19 22 24

III. Tatsächliche Ermittlungen vor und in den Gerichtsverhandlungen. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

Das Stichrohr Der Ingenieur Schmitt Die neuen Direktoren Die neuen Wassererschliefsungen Die Zeit vom 24. September bis zum 17. Oktober 190! Die Zeit vom 17. Oktober 1901 bis zum 4. Juli 1904 Die Zeit vom 14. Juli bis zum 25. November 1904 Vom 28. und 29. November 1904

26 29 30 32 34 37 40 42

IV. Aus den Gerichtsverhandlungen. 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Äufserungen der Gutachter in der Periode vom 4. bis 15. Juli 1904 Beschlufs eines von Professor Holz zu bearbeitenden Gutachtens Äufserungen der Gutachter in der Periode vom 14. bis 29. November 1904 Der Staatsanwalt und die Verteidiger Rückblicke Zur Bochumer Epidemie im Jahre 1900

44 54 55 67 69 72

Y. Anhang. Die Bedeutung des Jahres 1901 für die Wasserwerke. (Vortrag am 1. Juli 1905 auf der Versammlung des Vereins von Gas- und Wasserfachmännern in Koblenz gehalten von E. Grahn)

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1*

Die Gerichtsverhandlungen über die Gelsenkirchener Typhusepidemie im Jahre 1901. Von E. G r a h n . Unter diesem Titel ist bereits im Journ. f. Gasbel. u. Wasservers. 1904, S. 1108 u. 1109 ein kurzer Bericht aus diesen Gerichtsverhandlungen über » A n k l a g e u n d U r t e i l e von mir erschienen. Ich beabsichtigte damit, den Fachgenossen für ihre Information kurze sachliche Mitteilungen über die gegen H e g e l e r , P f u d e l , S c h m i t t und K i e s e n d a h l erhobenen Beschuldigungen und deren strafrechtliche Begründung, über die Zusammensetzung des zur Entscheidung berufenen Gerichtshofes und die zeitliche Verteilung der Verhandlungen, über die Namen der Verteidiger und der geladenen Sachverständigen, über den vom Staatsanwalt gestellten Strafantrag und das vom Gerichtshofe gefällte Urteil mit seiner Begründung der Bemessung des Strafmaises recht schnell zu unterbreiten. Nachdem ich das mir zu Gebote stehende umfangreiche Material über die Prozefsverhandlungen, denen ich während 23 Tagen angewohnt, durchgearbeitet habe, gehe ich an die Erledigung des zweiten Teiles der von mir übernommenen Aufgabe, eingehend über den ganzen Prozefs und meine darüber im Interesse unseres Faches gewonnenen Anschauungen zu berichten und zwar getrennt in vier Abschnitten: I. Aus der Zeit der Voruntersuchung. IL Das Epidemiegebiet und seine Wasserversorgung. III. Tatsächliche Ermittelungen vor und in den Gerichtsverhandlungen. IV. Aus den Gerichtsverhandlungen.

I. Aus der Zeit der Voruntersuchung. In diesem Abschnitte werden besprochen: 1. Das Obergutachten vom 1. Dezember 1902. 2. Die Anklageschrift vom 25. September 1903. 3. Das Nahrungsmittelgesetz vom 14. Mai 1879. 4. Die dem Gerichte gemachten Erklärungen S c h m i t t vom August und Dezember 1903. 5. Die lokalistische Theorie von P e t t e n k o f e r . I. Das Obergutachten der wissenschaftlichen

von

Deputation

für das Medizinalwesen.

Der Untersuchungsrichter hatte sich vor dem Abschlüsse der Voruntersuchung an den Minister für geistliche etc. An-

gelegenheiten mit dem Gesuche gewandt, auf grund des von ihm gesammelten Aktenmaterials durch die wissenschaftliche Deputation für das Medizinalwesen ein schriftliches Gutachten über die Entstehung der Gelsenkirchener Typhusepidemie von 1901 ausarbeiten zu lassen, dem der Minister auch entsprochen hat. Dieses Obergutachten ist vom 1. Dezember 1902 datiert. Es ist von dem Geh. Medizinalrat Dr. R u b n e r vertatst und von sämtlichen Mitgliedern der wissenschaftlichen Deputation für das Medizinalwesen in dem Ministerium für geistliche etc. Angelegenheiten unterzeichnet, nämlich von den Herren: A l t h o f f , J o l l y , S c h m i d t m a n n , K i r c h n e r , H e u b n e r , Pistor, R u b n e r , König, F ö r s t e r , O r t h , O l s h a u s e n , N o e l i , L a n d o l t , D i e t r i c h und Kraus. Das Obergutachten wird eingeleitet durch eine Geschichtserzählung von dem Seuchegebiete, seiner Wasserversorgung und dem Umfange der Epidemie, an welche sich das eigentliche Gutachten anschliefst. Die Gutachter haben bei ihrer Beurteilung alle Momente ausgeschieden, welche auf dem Gebiet der tatsächlichen Feststellung und der rein juristischen Beantwortung liegen und ihre Information über den vorliegenden Fall ausschliefslich aus dem Inhalt der damaligen Untersuchungsakten geschöpft. Die Schlüsse, zu welchen dieses Gutachten gelangt, sind wie folgt zusammenzufassen: I. Das Wasser der Pumpstation bei Steele war geeignet, die Gesundheit zu schädigen. a) Das Ruhrwasser ist unzweifelhaft als gesundes Wasser nicht zu bezeichnen; die Beimengung von solchem zu dem übrigens ordnungsmäfsig filtriertem Wasser ist gleichfalls gesundheitsschädlich. b) Die starke Verschmutzung der Röhren vor dem Einbau mufs als gesundheitsschädigend angesehen werden. c) Der lange dauernde Aufenthalt des Wassere im Leyther Erdbehälter konnte wohl auf die gesundheitsschädigende Beschaffenheit des Wassers einwirken. H. Die Typhusepidemie ist durch den Gebrauch dieses Wassers verursacht, und es ist, wenn auch nicht sicher, so doch immerhin sehr wahrscheinlich, dafs der Infektionsstoff, nämlich die Typhusbazillen, durch die Beimengung von rohem Ruhrwasser vermittelst des Stichrohrs in das Wasser eingeführt worden ist, und zwar:

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Die Gerichtsverhandlungen über die Gelsenkirchener Typhusepidemie im Jahre 1901. a) weil das Wasser die Typhusepidemie verursacht hat. 1. Es handelt eich um eine durch Trinkwasser verbreitete Typusepidemie. 2. An derselben ist das Wasser des Steeler Werks ausschlieMich beteiligt. b) weil das Ruhrwasser als Quelle der Infektion anzusehen ist. 1. Gegen den Rohrbruch als Ursache der Epidemie spricht auiser anderen Gründen, dafs das Wasser des 314 mm-Rohres nach dem Frillendorfer Behälter gegangen ist und dessen Versorgungsgebiet typhusfrei blieb. 2. Die Infektion des Leitungswassers ist mit grofser Wahrscheinlichkeit vom Stichrohr aus erfolgt und für das Eintreten von Ruhrwasser durch das Stichrohr spricht folgendes: «) Das gepumpte Wasser wurde nicht wahllos durch das Rohrsystem gepumpt. ß ) Das Eindringen von Ruhrwasser für einen abgegrenzten Teil war möglich, y) Das starke Abpumpen aus dem Brunnen II beginnt mit der Häufung der Infektionen. ä) Der Weg für die Typhusbazillen führt mit grofser Wahrscheinlichkeit durch Brunnen II, Maschine X, nach dem Leyther Behälter, t) Die Dauer der Epidemie stimmt mit der Dauer der Benutzung des Sichrohrs zusammen. t) Der Leyther Erdbehälter war kaum eine geeignete Brutstätte für Typhusbazillen.

III. Das Wasser war minderwertig, verfälscht.

verdorben

und

Weil in diesem Obergutachten die Anschauungen der höchsten Kapazitäten für die Beurteilung des für öffentliche Wasserversorgungen geeigneten Wassers und der Möglichkeit seiner Schädigung in gesundheitlicher Beziehung sowohl in dem speziellen Fall als auch im allgemeinen auf Grund des dafür heute von diesen Herren als gültig angenommenen Mafsstabes zum Ausdruck gelangt sind, so ist die genauere Kenntnis der Begründung der einzelnen Punkte des Urteils dieser Männer für alle Fachgenossen von der weittragendsten Bedeutung für unser ferneres Wirken in Bau und Betrieb, und das veranlagt mich, das Obergutachten hier wörtlich mitzuteilen. A. Geschichtserzählung.

In den Kreisen Gelsenkirchen, Essen, Hattingen, Recklinghausen hatte eich im Sommer 1901 eine sehr ausgedehnte Typhusepidemie entwickelt, welche im wesentlichen auf den Bezirk des nördlichen westfälischen Wasserwerks im Gebiete der Steeler Wasserkunst beschränkt blieb. Die Erkrankungen wurden im September sehr zahlreich; die Verbreitung war eine sehr gleichmäfaige. Als die Ursache der Erkrankungen wurde in erster Linie das vom Steeler Wasserwerk gelieferte Wasser angesprochen. Das Wasserwerk wird gewöhnlich als Grundwasserwerk angesehen; es entnimmt aus dem grobkiesigen und grobschotterigen Alluvium in der Nähe der Ruhr Wasser aus einer Reihe von etwa 15 m tiefen, gröfstenteils gemauerten Brunnen, welche in wechselnden Abständen 10 m bis 150 m entfernt von der Ruhr zu beiden Seiten derselben sich befinden und beiderseits durch Düker verbunden sind. Das gelieferte Wasser besteht aber nur zum Teil aus Grundwasser, zum Teil dagegen aus filtriertem Flufswasser. Die natürliche Filtration scheint zeitweise gut gewesen zu sein, da nach Angabe des Kreisarztes bisweilen nur 14 bis 21 Keime im ccm Wasser gefunden wurden. Zur kritischen Zeit war daB Wasser allerdings nicht so rein, da nach den Untersuchungen des Dr. T e n h o l t die Keimzahl in mehrtägigen Zwischenräumen vom 1. August bis 27. September 1901 zwischen 66 und 128 schwankte und im Durchschnitt 103 betrug. Die Untersuchungen sind wenig zahlreich gewesen; sie geben auch keinen vollgültigen Aufschlufs über die Beschaffenheit des gelieferten Wassers. Während des Sommers 1901 wurden in der Bevölkerung über das Wasser aus der Steeler Leitung lebhafte Klagen laut. Nicht nur die quantitative Leistung des Werks liefa viel zu wünschen übrig, indem aufser in industriellen Anlagen auch in den höheren Stockwerken der Wohnungen Wassermangel eintrat; sondern auch die

Beschaffenheit des Wassers wurde beanstandet. Zeitweise war es trübe, soll aasbaft gerochen, schlecht geschmeckt haben; in den Zapfhähnen sollen Würmer erschienen sein. Ungeachtet des offenbaren Mangels an Wasser wurden auch während dieser Zeit noch weitere Konsumenten angenommen. Dafs dabei das Werk durch einen direkten Zuflafs von der Ruhr gespeist wurde, stellten die Wasserwerksdirektoren auch zu der Zeit noch in Abrede, als die Ausdehnung der Typhusepidemie auf die schlechte Beschaffenheit des Wassers zurückgeführt wurde. Erst allmählich konnte festgestellt werden, dafs tatsächlich unerlaubte Manipulationen behufs Lieferung des benötigten Wassers seit langer Zeit stattgefunden hatten, frwiesen ist, dafs ohne Genehmigung der Behörden eine S i c k e r g a l e r i e angelegt worden war: ein Graben, mit Bruchsteinen gefüllt und mit Erde bedeckt, führte Wasser direkt aus der Kühr in die Nähe einiger der bezeichneten Brunnen bis auf 8,5 m Entfernung heran. Aufserdem aber wurde Rubrwasser zugeführt, welches durch ein S t i c h r o h r seit 1888 oder 1889 in der Ruhr in einer Steinpackung oder im Flusse selbst lag und von dort in einen Brunnen leitete, der seinerseits durch Heber mit zwei anderen Brunnen verbunden in die gesamte Leitung gelangte und den Wasserstand des ganzen Werkes regelte. Das Stichrohr bestand also etwa seit dem Jahre 1890 und wurde von den jetzigen Direktoren des Steeler Werks mit übernommen; zeitweilig soll es durch einen Schieber geschlossen gewesen sein; eB war aber während des hier in Betracht kommenden Zeitraums in Benutzung und deckte nach Angabe der Direktoren schätzungsweise öfter ein Drittel des ganzen täglichen Wasserbedarfs — 20000 cbm. Das Wasser strömt durch das angeblich zwischen 30 bis 40 cm weite Stiebrohr mit grofser Geschwindigkeit. Aus diesem Einleiten von Ruhrwasser erklären sich die Veränderungen des Aussehens, des Geschmacks und des Geruchs und die bakteriologische Beschaffenheit des Steeler Leitungswassers; denn die Ruhr soll stets suspendierte Stoffe mit sich führen und von sehr schmutzigem Aussehen sein. Die Zuführung von ungereinigtem Ruhrwasser hat wöchentlich von Mittwoch bis Sonnabend bis zum 25. September 1901 stattgefunden. Nicht unerwähnt darf bleiben, dafs ein kleiner Wasserlauf, der E i b e r g b a c h , über dessen Wasserführung aus den Akten nichts zu ersehen ist, der im wesentlichen zur Entwässerung eines ziemlich ausgedehnten Wohnbezirks dient und BO ziemlich alles aufzunehmen hat, was ein Schwemmkanal gewöhnlich führt, nur 300 m oberhalb von dem Punkte in die Ruhr fliefst, von welchem das Stiebrohr ausging und mit seinem Inhalte die Ruhr verunreinigte. Das Wasserwerk besafs drei Hochreservoire, eines bei Frillendorf und zwei bei Leytlie, alle in verschiedenem Niveau, von welchen zwei aus Eisen hergestellt waren, während der dritte Behälter — in den Akten als E r d b e h ä l t e r bezeichnet — zementiert und überdeckt war. Letzterer Behälter war jahrelang aufser Betrieb, ist aber, weil die schwachen Leitungsrohre dem Druck ai» Sonntagen nicht gewachsen waren, wieder in Betrieb gesetzt worden. Er lag wesentlich tiefer als der Leyther Metallbehälter. In dem Erdbehälter, der von 1886 bis 1899 nur einmal im Jahre 1886 gereinigt war, wurde während der ganzen Woche Wasser aufgespeichert. Sonntags schlofs man den Behälter an die Leitung an, während der höher stehende Behälter abgesperrt wurde, so dafs ein grofser Teil der Konsumenten aus dem Erdbehälter Wasser erhielt. Das Wasser dieses Behälters wurde am 2. Oktober 1901 trübe und schlammig gefunden und roch modrig; die Hochbehälter waren mit Schlamm überzogen, die Wände, soweit sichtbar, schmutzig und defekt, das Wasser war reich an Bakterien (2960 Keime im ccm). Im Sommer 1901 hatten noch ziemlich umfangreiche R o h r l e g e a r b e i t e n im Werke nach Bedarf stattgefunden.. Die verlegten Rohre lagerten seit langer Zeit frei und ungeschützt im Freien, dienten Kindern als beliebtes Spielzeug und Landstreichern als Unterschlupf, waren durch Abgänge aller Art in sichtbarster Weise verunreinigt. Ob eine sachverständige Reinigung vor dem Verlegen stattgefunden hat, ist aus den Akten nicht sicher zu entnehmen. Die wesentlichsten Arbeiten am Wasserwerk waren einem Unterbeamten Namens K i e s e n d a h l übertragen; die Direktoren haben sich nach Lage der Akten um die gesundheitsgemäfse Beschaffenheit des Wassers nicht gekümmert. (Eigene Angaben der Angeklagten.) Die Wasserleitung für das nördliche westfälische Kohlenrevier» welche mit dem Steeler Werk gemeinschaftlich verwaltet wurde,, hat sich seit 1885, der Ausdehnung der Industrie entsprechend, aufserordentlich entwickelt. Ein Bedürfnis. nach Trink- und Nutzwasser machte sich im ganzen Revier von Jahr zu Jahr in steigendem Mafse geltend. Durch den Kohlenbergbau wird dem Boden mehr und mehr Wasser entzogen; Brunnen können daher mit Erfolg nur noch ausnahmsweise geschlagen werden; die kleinsten Ortschaften haben das lebhafteste Interesse, sich einer zentralen Wasserversorgung anzuschließen. 1897 wurden von der Gesellschaft im ganzen 91 Ortschaften mit 511000 E. aus den vereinigten Werken versorgt. Die Aktiengesellschaft hat zwei von einander entfernt belegene Pumpstationen in H e v e n bei W i t t e n und bei S t e e l e ; nur die letztere kommt hier in Betracht, da beide Werke im vorliegenden Falle durch Ventile angeblich voneinander getrennt gehalten wurden. Im übrigen beziehen wir uns auf die Einzelangaben in den Akten. Auf Gruud dieser Sachlage ist gegen die Direktoren der Aktiengesellschaft, nämlich den Gerichtsassessor a. D. Dr. H e g e l e r und den Direktor P f u d e l die Voruntersuchung eröffnet worden wegen der Beschuldigung:

Die Gerichtsverhandlungen über die Gelsenkirchener Typhusepidemie im Jahre 1901. innerhalb der letzten zwei Jahre, insbesondere aber in der zweiten Hälfte des Jahres 1901 im Landgerichtsbezirke Essen and daran angrenzenden Gemeinden durch ein und dieselbe Handlung: 1. vorsätzlich einen Gegenstand, welcher bestimmt ist, andern als Nahrungs- oder Genufsmittel zu dienen, nämlich Trinkwasser, derart hergestellt zu haben, dafs der Genufs desselben die menschliche Gesundheit zu beschädigen geeignet ist, — nämlich mit ( i n f i l t r i e r t e m Ruhrwasser vermischtes Trinkwasser — als Nahrungs- oder Genufsmittel verkauft oder sonst in Verkehr gebracht zu haben, und zwar mit der Fo!ge, dafs durch die Handlung schwere Körperverletzungen und der Tod vieler Menschen verursacht worden ist. 2. in der Absicht, sich oder dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen anderer, nämlich derjenigen Gemeinden und Gemeinde-Insassen, welche auf Grund von Verträgen von der Wasserwerksgesellschaft für das nördliche westfälische Kohlenrevier Wasser käuflich erhalten, dadurch beschädigt zu haben, dafs sie durch Vorspiegelung falscher und durch Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregten, indem sie filtriertes gutes Trinkwasser zu liefern versprachen, während sie mit unmittelbar der Ruhr entnommenem Wasser vermischtes, der Gesundheit schädliches oder minderwertiges Wasser unter Verschweigung dieses Umstandes geliefert haben, (Verbrechen bzw. Vergehen strafbar nach dem § 12 Nr. 1 und Absatz 3 des Nahrungsmittelgesetzes vom 14. Mai 1879 un den §§ 263, 75 47 R. Str. G. Bs.) In dieser Voruntersuchung hat Dr. S p r i n g f e l d zu den Tatbestand der Anklage und zu verschiedenen von dem Untersuchungsrichter ihm vorgelegten Einzelfragen sich gutachtlich geäufsert. Diese Einzelfragen lauten: Bestehen besondere sanitätspolizeiliche Bestimmungen, welche verbieten, unfiltriertes Ruhrwasser in die Leitung zu pumpen? Ist unfiltriertes Ruhrwasser — abgesehen von der Frage der Verursachung der letzten Typhusepidemie — in jedem Falle als geeignet anzusehen, die menschliche Gesundheit zu beschädigen? Ist das durch die Filteranlagen filtrierte Wasser durch den Zusatz von unfiltriertem Ruhrwasser als verdorben oder verfälscht im Sinne des Nahrungsmittelgesetzes anzusehen? Ist es minderwertiger? War der Leyther Erdbehälter eine geeignete Brutstätte für Typhusbazillen? Der Untersuchungsrichter hat sodann den Minister der geistlichen etc. Angelegenheiten ersucht, die wissenschaftliche Deputation für das Medizinalwesen mit der Abgabe eines Gutachtens unter Berücksichtigung der Beschuldigung und der vorstehenden Einzelfragen zu beauftragen. B. Obergutachten. Die demgemäfs mit Auftrag versehene Deputation sieht sich der Fragestellung des Untersuchungsrichters gegenüber veranlafst, u n t e r A u s s c h e i d u n g a l l e r M o m e n t e , w e l c h e auf dem Gebiete der t a t s ä c h l i c h e n F e s t s t e l l u n g und rein jurist i s c h e n B e a n t w o r t u n g l i e g e n , ihre Aufgabe auf die Beantwortung folgender Fragen zu beschränken: I. War das Wasser des Steeler Wasserwerks geeignet, die Gesundheit zu beschädigen? II. Hat das Wasser die Typhusepidemie verursacht, und auf welchem Wege ist der Infektionsstoff in das Wasser gekommen? III. War das Wasser minderwertig, verdorben oder verfälscht ? ad I. Zur ersten Frage: » W a r d a s W a s s e r d e s S t e e l e r W a s s e r w e r k s g e e i g n e t , d i e G e s u n d h e i t zu b e s c h ä d i g e n ? « sind die Momente, welche dem Wasser eine dementsprechende Beschaffenheit verleihen konnten, die folgenden: a) Die Beimischung von ungereinigtem Flufswasser der Ruhr zu dem übrigen ordnungsmäfsig filtrierten Wasser. b) Die ungenügende Sorgfalt bei dem Legen von Leitungsrohre, die mit menschlichem Unrat beschmutzt waren. c) Die Magazinierung eines Teiles des Wassers während je einer Woche in dem jahrelang nicht gereinigten Erdbehälter zu Leythe. a d a. D a s R u h r w a s s e r i s t u n z w e i f e l h a f t a l s g e s u n d e s W a s s e r n i c h t z u b e z e i c h n e n . Ein offener Flurslauf, der durch ein dicht bebautes Land fliefst, kann unter keinen Umständen ein Wasser führen, was man als gesundes Wasser bezeichnen kann. Denn der Wasserlauf ist jeder beliebigen Verunreinigung mit krankmachenden Stoffen auegesetzt, die nur von den Zufälligkeiten des täglichen Lebens abhängt. Ober die tatsächliche Anwesenheit von Krankheitskeimen im Flufswasser kann irgendein Zweifel nicht obwalten. Für die Ruhr bei Steele steht fest, dafs sie die Abgänge von verschiedenen Orten des Oberlaufes aufnimmt, menschliche Abgänge, ferner solche von Zechen, Fabriken, die Abwässer von gedüngten Feldern etc. Von W i t t e n bis Essen kann die Ruhr wegen ihres trüben Wassers als Trinkwasser nicht mehr benutzt werden; bei Steele führt die Ruhr 2000 bis 10000 Keime im ccm; das Wasser ist nie geruchlos; es enthält übermäfsige Mengen von Ammoniak, Ghlor, salpetriger und Salpetersäure, lebende Würmer und Parasiten; sein Geschmack ist schal, bei grofser Hitze widerlich. Die Fäkalien, welche in den meisten Orten in Gruben gesammelt werden, kommen auch zu Düngerzwecken auf die dem Flusse nahen Wiesen und Ländereien. Die Ruhr stellt die natür-

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liche Drainage eines dicht bevölkerten Landes dar, deshalb auch namentlich der Regenfall von allen dem oberflächlichen und verborgenen Unrat erhebliche Mengen abschwemmt. Durch verunreinigtes Flufswasser, darüber besteht kein Zweifel, können Störungen des Verdauungskanals, gastroenteritische Erscheinungen, Typhus, Cholera verursacht werden. Selbst durch ein ungenügend filtriertes, aber durchaus noch nicht grobsinnlich verunreinigtes Flufswasser können Gesundheitsstörungen herbeigeführt werden. Eine besondere, gerade im Hinblick auf die Typhusepidemie wichtige Verunreinigungsquelle stellt der schmutzige Eibergbacb, ein Abwasserlauf für die Bezirke Horst und Eiberg dar, der 300 m oberhalb des früheren Stichrohrs mündet. Das schmutzige Wasser mischt sich an derselben Flufsseite, wo das Wasserwerk liegt, mit der Ruhr; der am Eibergbach lagernde Schlamm wird zeitweise weiter geschoben. Von dem mitgeschwemmten Unrat kann sich ein Teil ablagern; aber auch dieser abgelagerte Schlamm wird noch durch den Strom langsam weiter befördert; nichts war günstiger, um gerade solche Substanzen in das Rohrnetz zu führen, als das am Boden des Flusses liegende Stichrohr in grober Steinpackung; denn der lebhafte Wassereinstrom an dieser Stelle hat vor allem die SinkBtoffe in die Brunnen geführt, wo sie in die Leitung bzw. in die anderen Brunnen geraten konnten. Von besonderer Wichtigkeit ist die Tatsache, dafs in dem Bezirke, dessen Schmutzwässer der Eibergbach aufnimmt, während der dem Ausbruche der Epidemie vorhergebenden Zeit eine Reihe von Typhusfällen vorgekommen sind. Die Entleerungen dieser Kranken sind, wie nach der Sachlage ohne weiteres anzunehmen, in einem Falle aber auch aktenmäbig belegt wird, nach dem Eibergbache gelangt. Die Möglichkeit der Verbreitung von Typhusbazillen im Flusse und bis zu dem Stichrohr wird man daher anerkennen müssen. Es darf nicht eingewendet werden, dafs das rohe Ruhrwasser trotzdem nicht gesundheitsschädlich sein könne, da es von manchen Menschen ohne schädliche Folgen genossen werde, z. B. unterhalb der Steeler Entnahme, wo 500 Personen in der Ruhr zu baden pflegen. Kein verschmutztes Flufswasser stellt eine so gleichmäfsig konzentrierte Aufschwemmung von Krankheitserregern dar, dafs jeder, der zeitweise davon geniefst, krank werden mufs. Nach allen unseren Erfahrungen Bind die Krankheitserreger immer in grofser Verdünnung vorhanden, die sich nur vorübergehend ändert. Trinken einige hundert Menschen solches Wasser oder baden sie darin, so wird es leicht möglich sein, dafs auffällige Erkrankungen innerhalb einer gewissen Frist gar nicht zur Beobachtung kommen. Werden aber wie beim Steeler Werke 60000 cbm täglich in menschliche Haushaltungen eingeführt und partizipieren zirka 200000 Menschen am Genüsse dieses Wassers, so finden die hier und da vorhandenen Krankheitserreger in einer Anzahl von Konsumenten immer eine geeignete Ansiedlungsstätte. Der Einwand, dafs, wenn das Ruhrwasser oder das Leitungswasser Typhusbazillen enthalten hätte, dieselben dem bakteriologischen Nachweise nicht hätten entgehen können, ist hinfällig. Die Auffindung der Typhusbazillen im Wasser gelingt sehr schwer; es bedarf dazu besonderer Methoden, die bei der Untersuchung des Ruhrwassers nicht zur Anwendung gelangt sind. J e nachdem gerade Entleerungen oder mit diesen verunreinigte Gefäfse oder Wäschestücke mit dem Wasser des Eibergbaches oder anderer Zuflüsse in Berührung gebracht sind, werden Schübe von Bazillen im Ruhrwasser aufgetaucht sein, um dann wieder für kürzere oder längere Perioden zu verschwinden. a d b. M i t B e z u g a u f d i e e r w ä h n t e s t a r k e V e r s c h m u t z u n g der R ö h r e n vor dem E i n b a u in d e n Erdboden k a n n man sagen, dafs ein solcher V o r g a n g , auch abgesehen von der a l l e n f a l l s i g e n A n w e s e n h e i t von T y p h u s b a z i l l e n , gleichfalls als g e s u n d h e i t s schädigend a n g e s e h e n werden mufs. a d c. D e r l a n g d a u e r n d e A u f e n t h a l t d e s W a B s e r s im L e y t h e r H o c h b e h ä l t e r k o n n t e , weil d a s W a s s e r dabei während der w a r m e n Augusttage e i n e h o h e T e m p e r a t u r a n n a h m , b e g ü n s t i g e n d auf die g e s u n d h e i t s s c h ä d i g e n d e B e s c h a f f e n h e i t des Wassers einwirken. Wir kommen daher zum Schlüsse, d a f s d i e H e r s t e l l u n g s weise des Wassers geeignet war, die m e n s c h l i c h e G e s u n d h e i t zu s c h ä d i g e n . ad II. Die zweite Frage lautet: a) H a t d a s W a s s e r d i e T y p h u s e p i d e m i e v e r u r s a c h t und b) a u f w e l c h e m W e g e i s t d e r I n f e k t i o n s s t o f f i n das Wasser gekommen? a d a. Der Kreis G e l s e n k i T c h e n hat in den letzten 10 Jahren wiederholt sehr schwere Typhusepidemien durchgemacht; 1890/91 erkrankten 497 Personen (15 »/o Mortalität), 1895/96 1291 Personen (16«/0 Mortalität), 1898/1900 1527 Personen (20% Mortalität) und 1901 innerhalb etwa zweier Monate 3000 Personen (8°/o Mortalität).») ') S p r i n g f e l d s Buch gibt für die einzelnen Jahre a n : 155 P. 1890 und 567 P. 1891, zusammen 722 P. 1890/91 (nicht497 P.) 73 P. 1895 und 66 P. 1896, zusammen 139 P. 1895/96 (nicht 1291P.) 49 P. 1898, 105 P. 1899 und 172 P. 1900, zusammen 326 P. 1898/1900 (nicht 1527 P.) 89 P. 1901 exkl. Epidemie und im ganzen 2555 P. (nicht 3000 P. innerhalb etwa zwei Monaten).

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Die Gerichtsverhandlungen über die Gelsenkirchener Typhusepidemie im Jahre 1901.

Die eigentlich hier in Frage kommende Epidemie beginnt erst im September. Als Vorläufer zeigten sich wohl vereinzelt Typhusfälle; indes sind in den letzten zwei Monaten vor Beginn der Epidemie in den späterhin hauptsächlich betroffenen Orten mit insgesamt 2300 Erkrankungen kaum 22 Fälle zu verzeichnen gewesen. Die e r s t e n v e r e i n z e l t e n K r a n k h e i t s f ä l l e fanden sich vielfach in den Arbeitervierteln in den schmutzigen, nicht kanalisierten Strafsen. Aber sehr bald nahmen die Erkrankungen einen anderen Charakter an, indem massenweise Typhusfälle zur Beobachtung kamen. Es erkrankten während der ganzen Epidemie von 100 Lebenden in: Wattenscheid Stadt 13,97, Ückendorf 15,8, 1Gelsenkirchen Stadt 11,7, Schalke 16,8, Bismark 11,7 °/0 der Lebenden ), während Wattenscheid Land, Wanne, Eickel wenige Fälle aufzuweisen hatten. Die Epidemie war also eine schwere. Über die r ä u m l i c h e A u s d e h n u n g d e r E p i d e m i e sagt der Bericht des Dr. S p r i n g f e l d folgendes: Im September ist die Seuche beschränkt gewesen: 1. auf die Bürgermeisterei Stoppenberg. 2. auf den Stadt- und Landkreis Gelsenkirchen. 3. auf das Amt Buer. Gegen Ende September und Anfang Oktober hat sich, durch die Fluktuation der Arbeiterbevölkerung und ihre Beziehung zu auswärtigen Arbeitsstätten bedingt, die Epidemie ausgedehnt: 4. auf die Bürgermeisterei Altenessen und das Amt Borbeck. 5. auf die dem Seuchenherde benachbarten Teile des Kreises Hattingen: Königsteele, Horst, Freisenbruch mit ca. 164000 E. Insgesamt umfafst somit das ergriffene Gebiet 120 qkm mit rund 300000 Einwohnern. Im Gesamtgebiet der Typbusepidemie entfallen an Erkrankungen : auf den 29./8. 3 Fälle auf den 7./9. 2 Fälle 1 Fall . » 8./9. 9 » » > 30./8. > » 31./8. 0 » » • 9.19. 6 > . » 1./9. 2 Fälle » . 10./9. 23 » . > 2./9. 6 » » » 11./9. 8 » 3./9. 1 Fall » . 12./9. 27 » . > 4./9. 1 . > 13./9. 29 . . » Ö./9. 1 » • » 14./9. 41 • > » 6./9. 2 Fälle » . 15./9. 86 > Hieraus würde sich etwa der 8. S e p t e m b e r a l s B e g i n n d e r E p i d e m i e bestimmen lassen. Auch die aktenmäfsig vorliegenden Zahlen für eine Reihe von Gemeinden stimmen gut hierzu. Das E n d e d e r E p i d e m i e läfst sich nicht auf ein paar Tage scharf begrenzen. Die Epidemie hatte binnen wenigen Tagen am 15. September schon ihr Maximum erreicht und hielt sich in wechselnder Stärke bis 7. Oktober. Die Massenerkrankungen nahmen zwischen dem 20. und 28. Oktober in so auffälliger Weise ab, dafs um diese Zeit sich der Charakter als Epidemie verliert, wenn sich auch Einzelerkrankungen noch bis zum 20. November hingezogen haben. Gelsenkirchen, Ückendorf, Schalke und Bismark weichen unter sich im Endtermin der Seuche nicht voneinander ab. (1.) Was die U r s a c h e d e r E p i d e m i e betrifft, so lenkte die öffentliche Meinung das Augenmerk sehr bald auf die Wasserversorgung. Die Erfahrungen der früheren Jahre hatten oft schon Miisstände in dieser Hinsicht erkennen lassen. Schon in den Jahren 1890 bis 1898 kamen mehrfach tote Wassertiere in den Leitungen zur Beobachtung. Mitte August sah es wie das Wasser eines schmutzigen Grabens aus und roch übel. D i e A n n a h m e , d a f s die G e l s e n k i r c h e n e r E p i d e m i e d u r c h den Gen u f s des WasBers vor a l l e m h e r v o r g e r u f e n w o r d e n i s t , k a n n k e i n e m Z w e i f e l u n t e r w o r f e n s e i n , wenn daneben in einzelnen Fällen auch andere Verbreitungsweisen des Typhus vorgekommen sein mögen, worauf hier nicht näher einzugehen ist (2.) Die Beziehungen einer V e r b r e i t u n g d e s T y p h u s e r r e g e r s m i t d e m W a s s e r ergeben sich: aus dem völlig gleichsinnigen Verhalten der Epidemien der einzelnen Orte, deren Anfang nahezu auf den Tag in den einzelnen Fällen übereinstimmt; aus dem gleichartigen Verlaufe in den einzelnen Teilen der Epidemie; aus dem faBt gleichzeitigen Aufhören derselben in einzelnen und räumlich weit getrennten Orten. Die Akten erwähnen ferner, dafs die Seuche nicht langsam von Haus zn Haus weiter gegangen sei; die Ausbreitung des Typhus war derart, dafs gleichzeitige Erkrankungen vorkamen und die Zahl der Häuser gleich der der Typhusfälle war. Es ist oben erwähnt, dars die beiden Schöpfstellen der Gesellschaft den Kreis Bochum umfassen. Bei Wanne können die Leitungen des Wittener Werks mit der von Steele in Verbindung gesetzt werden ; sie waren aber zur Zeit der Epidemie durch Rückschlagventile geschlossen. Das Wasserwerk Steele versorgt den westlichen Teil des Versorgungsgebiets Die Epidemie hat sich nur in diesem Teile der Leitungsanlage abgespielt. Die Nachbargebiete der Wasserversorgungszone des Wasserwerks waren in der fraglichen Zeit frei von Typhus, so Essen, Becklinghausen, Bochum ') Nach den in S p r i n g f e l d s Buche gegebenen Zahlen erhält man: Wattenscheid St. 15,7; Ückendorf 16,1; Gelsenkirchen St. 12,4; Schalke 18,4 und Bismarck 12,4 von 100 Lebenden.

Stadt und Land. Die Epidemie hielt sich innerhalb der Grenzen des Werks von Steele; doch kamen einzelne Fälle bei Personen vor, die aufserhalb des WasserverBOrgungsgebiets wohnten, aber ihre Arbeitszeit in diesen Gebieten zubrachten. Orte, welche nur mit wenig Häusern an das Werk bei Steele angeschlossen waren, hatten auch wenig Typhusfälle. Innerhalb des befallenen Gebietes beziehen einzelne Ämter ihr Wasser aus anderen Quellen. Diese sind gar nicht oder nur sehr schwach vom Typhus ergriffen. So hatten Günnigfeld, Eppendorf etc. mit 28600 E. bis 1. Oktober nur drei Erkrankungen. Ebenso zeigte sich in Wanne der Einflufs des dort teilweise eingeführten Wittener Wassers. In Eickel und Wattenscheid, wo verschiedene Wasserversorgungen bestehen (Steeler Leitung, Brunnen, Bochumer Leitung), sind nur die an die Steeler Wasserleitung angeschlossenen Hänser ergriffen. Somit handelt es sich: 1. u m e i n e d u r c h d a s T r i n k w a s s e r v e r b r e i t e t e T y p h u s e p i d e m i e , und 2. a n d e r s e l b e n i s t d a s W a s s e r d e s S t e e l e r W e r k s ausschliefslich beteiligt. ad b. Es ergibt sich nun weiter die Frage: W o d u r c h i s t die I n f e k t i o n des Wassers e n t s t a n d e n ? D a s R u h r w a s s e r a l s d i e Q u e l l e d e r I n f e k t i o n anz u s e h e n , lag alle Veranlassung vor, da für dieses aus verschiedenen schon oben angeführten Gründen die Anwesenheit von Typhusbazillen durchaus gegeben war. Gewifs ist, da/s um den 20. bis 24. August starke Verunreinigungen des Trinkwassers bemerkt wurden. Die Anschauung, dafs das rohe Ruhrwasser schuld sei, wurde aber fallen gelassen; man hob hervor, dafs unter den in der Ruhr Badenden keine Ansteckungen vorgekommen seien, was allerdings, wie oben schon dargelegt, als ein Gegenbeweis nicht angesehen werden kann. Das Hauptargument bildete aber der Umstand, dafs mehrere Brunnen des Werks durch unterirdische Heber so verbunden waren, dafs Ruhrwasser in alle Teile der Leitung hatte gelangen müssen, während doch Altenessen und Borbeck, sowie wichtige Teile von Königsteele, Hattingen, Eiberg und Horst keine Septemberepidemie hatten. 1. Dagegen wird a l s U r s a c h e d e r E p i d e m i e ein R o b r b r u c h angesehen, der in der Druckrohrleitung (314 mm Durcbm.) am 15. August passierte und am 18. August durch Reparatur wieder hergestellt war. Das Wasser überflutete die Häuser und Aborte; der Ersatz des Rohres machte Schwierigkeiten; es mufste geradezu unter Wasser gearbeitet werden. Die Strafsen besitzen nur Gossen, in welche aller flüssiger Unrat hineingeschüttet wird. Im Hause Nr. 67 war im Juli ein Typhusfall vorgekommen, und daran anschliessend bei anderen Personen Durchfälle; die Wäsche des Erkrankten wurde gewaschen, das Waschwasser in die Gosse geschüttet, die Fäkalien gelangten in die Schwindgruben. Das Gutachten deB Dr. S p r i n g f e l d kommt zu dem Schlufs, dafs bei den Rohrlegearbeiten der Infektionsstoff in die Leitung gelangt ist. Nimmt man die Anwesenheit der InfektionsBtoffe hier als wahr an, so sollte nach der Auffassung des Vorbegutachters beim Anlassen des Wassers dasselbe nach dem Erdbehälter in Leythe gelangen. Hier sollen die Typhusbazillen sich dann während 42 Tagen gehalten und die fortgesetzte Infektion verursacht haben, bis die gründliche Desinfektion der Röhren ausgeführt wurde. Gegen eine solche Infektion von der Rohrbruchstelle aus kann aber, abgesehen von anderen Gründen, geltend gemacht werden, dafs dieses durch Bruch beschädigte Rohr von 314 mm Durchmesser, wie aus den Plänen sowie aus den Aussagen des Werkmeisters K i e s e n d a h l hervorgeht, das Wasser wohl nach dem Frillendorfer Behälter, nicht aber nach dem Leyther Hochbehälter bringen konnte. Es hätten also gerade Altenessen und Borbeck in erster Linie infiziert werden müssen, während sie tatsächlich typhuBfrei blieben. 2. So wird man gezwungen, doch wieder das Augenmerk d e m E i n d r i n g e n v o n R u h r w a s s e r d u r c h d a s S t i c h r o h r zuzuwenden, denn hier war durch den naheliegenden schmutzigen Eibergbach und durch die Ausdehnung einer, wenn auch kleinen Epidemie im Entwfisserungsgebiete desselben ein Weg für eine mehrmalige Infektion gegeben. Das Stichrohr ist je nach Bedarf durch den Schieber geöffiiet worden, meist von Mittwoch ab. Es soll nach der Angabe der Angeklagten zum letzten Male am 25. September Wasser zugeführt haben: entfernt wurde es allerdings aber erst am 17. Oktober. Die Behauptung, dafs das Stichrohr nicht der Ort des Eindringens von Infektionserregern sein könne, geht von der Annahme aus, dafs das Wasser aus dem Stichrohre in alle Brunnen gelangt sein müsse. Dies ist aber nicht zu beweisen, vielmehr sprechen f ü r die B e t e i l i g u n g des S t i c h r o h r s f o l g e n d e G r ü n d e : a) D a s a u s d e m W a s s e r w e r k e d u r c h d i e D r u c k r o h r e abgepumpte Wasser wurde offenbar nicht wahllos durch das R o h r s y s t e m gepumpt. In den amtlicherseits beigelegten Protokollen des Wasserwerksbetriebs wird täglich für das nach dem Behälter in Frillendorf und nach Leythe gepumpte Wasser, dessen Menge und Druck, welch letzterer in beiden Fällen oft sehr verschieden ist, angegeben. Es hat also eine solche T r e n n u n g n a c h V e r s o r g u n g s g e b i e t e n tatsächlich stattgefunden. Von den Maschinen aus wurden vier Druckrohre gespeist. Die beiden von 700 mm Durchmesser für Leythe kommen getrennt nach dem Leyther Wasserturm, geben aber vorher Zweigleitungen nach dem Erdreservoir ab, wenigstens in der hier in Frage kommenden Zeit. D i e b e i d e n R o h r e b r a c h t e n a l s o m i t U m -

Die Gerichtsverhandlungen über die Gelsenkirchener Typhusepidemie im Jahre 1901. g e h n n g von H a t t i n g e n und A l t e n e s s e n das Wasser n a c h dem R e s e r v o i r und von dort nach dem s t a r k e r g r i f f e n e n G e l B e n k i r c h e n u n d S t o p p e n b e r g . Manchmal arbeitete nur die eine- Maschine X, manchmal aber beide Maschinen IX und X zusammen. Die Versorgung für das Frillendorfer Bassin geht von einem Wasserrohre aus, das von der Maschine VI gespeist wird. Dieses teilt sich in zwei Rohrstränge. Der Strang von 400 mm geht nach den Plänen in ein Rohr von 700 mm Durchmesser, ist dort aber abgeschlossen, da dieses Stück des Rohres von 700 50m Durchmesser bis zu dem Leyther Hochbehälter die Fortsetzung des 700 mm östlichen Stranges bildet nnd unter anderem Drucke steht D a s 400 mmR o h r , m e h r f a c h m i t d e m 314 m m - R o h r v e r b u n d e n , f ü h r t n a c h F r i l l e n d o r f in den H o c h b e h ä l t e r ; das 314 m m - R o h r i s t e i n e w i c h t i g e W a s s e r v e r s o r g u n g f ü r die ganzen Bezirke H a t t i n g e n , Königsteele, Eiberg und Horst. Mitte August wurden diese Orte von der Leitung, welche an der Berliner Strafse aus dem Rohre von 314 mm D. abgeht, versorgt. Es hat k e i n e Fortsetzung nach dem Leither Behälter und auch, wie angegeben, keine unmittelbare nach Frillendorf; denn im wesentlichen fungiert es ja nur als einfaches Druckrohr und erschöpft seine Wasserführung im allgemeinen mit der Versorgung des Hattinger Bezirks etc. Mit dieser Trennung der Rohrleitung deckt sich das Epidemiegebiet. Das e p i d e m i e f r e i e G e b i e t A l t e n e s s e n , B o r b e c k , Hatt i n g e n etc. e r h i e l t W a s s e r a u s d e r F r i l l e n d o r f e r L e i t u n g u n d das E p i d e m i e g e b i e t s o l c h e s aus den Leyther Rohren des Wasserwerks. ß) G e l a n g t e d a s R u h r w a s s e r i n a l l e T e i l e d e s R o h r n e t z e s ? Das ist nicht bewiesen, denn es bat gar keine gerichtliche Feststellung darüber stattgefunden, ob jene die Brunnen verbindenden Heber voll und ganz funktioniert haben. Aber auch wenn sie ganz in Ordnung waren, läTst sich mit gröfeter Wahrscheinlichkeit erweisen, dafs das Ruhrwasser nur in einen Teil der Leitung und zwar i n j e n e n , i n w e l c h e m s i c h d i e T y p h u s e p i d e m i e a b g e s p i e l t h a t , gelangt ist. Dies ergibt sich aus folgendem: Das gesamte Reinwasser der Anlage stammt aus den Brunnen der rechten Ruhrseite und einer Reihe ähnlicher Anlagen aaf dem andern Ufer, von wo es durch einen Dücker in den Brunnen III fliefst. Es ist zweifellos, dafs die Wassermenge, welche unter normalen Verhältnissen Brunnen I und II liefern konnten, klein gewesen sein mufs im Verhältnis zur Wassermenge aller übrigen Brunnen zusammengenommen. Wenn Brunnen II mittels einer kräftigen Pumpe, welche mehr fördern konnte als der Ersatzergiebigkeit des ersteren entsprach, in Betracht genommen wurde, so mufs ein ständiger Zulauf von reinem Wasser durch die Heber nach Brunnen II eingetreten sein. Ebenso lagen aber auch die Verhältnisse, wenn Wassermangel herrschte und das Stichrohr benutzt wurde. Das Ruhrwasser flofs nicht in solchen Mengen ein, dafs dadurch die Brunnen überflutet wurden; es deckte, wie aus den Akten ersichtlich ist, nur einen Teil des Bedarfs. Aus dem Wasserjournal läfst sich beweisen, dafs auch unter diesen Umständen die durch das Abpumpen bewirkte Depression der Brnnnenspiegel stets eine sehr bedeutende gewesen ist. Somit lag kein Grund vor zum Übertreten des Ruhrwassers in die anderen, reines Wasser führenden Brunnen; es gelangte durch den pumpenlosen Brunnen I nach Brunnen II und nahm von da direkt seinen Weg nach Maschine X, welche durch das östliche Druckrohr den Leyther Hochbehälter füllte, während Maschine VI für Frillendorf und Maschine IX für das westliche Leyther Druckrohr aus anderen Brunnen, hauptsächlich aus Brunnen III Wasser erhielten. Somit kann man mit grofser Wahrscheinlichkeit annehmen, dafs ein E i n d r i n g e n d e s R u h r w a s s e r s in e i n e n a b g e g r e n z t e n T e i l d e r L e i t u n g m ö g l i c h w a r , auch wenn sonst keine besonderen Verschlüsse zwischen den Brunnen vorlagen. y) D i e M a s c h i n e X h a t w e i t e r t a t s ä c h l i c h e i n e a u f s e r o r d e n t l i c h g r o f s e F ö r d e r u n g g e l e i s t e t . Untersucht man nach den Protokollen die Inanspruchnahme des Brunnens II, der also in dieser Zeit zugegebenermafsen mit der Ruhr in Verbindung war und die von Maschine X geförderte Wassermenge im Verhältnis zur ganzen Förderung, so findet man folgendes: Eine sehr geringe Förderung zeigte sich am 3. August (10%), und mehr zwischen dem 6. bis 10. August (20 bis 32°/o) und noch mehr zwischen dem 13. bis 17. August (22 bis 42 »/)• Mit dem 19. August beginnt eine fortdauernde Periode starken Abpumpens aus dem Brunnen II mit RuhrwaBBerzufuhr und 42 bis 48°/o Beteiligung der durch Maschine X geförderten Wassermenge an der Gesamtleistung. Für den September sind leider die Protokolle der Pumpstation bei Steele den Akten nicht beigefügt, so dafs die Dauer des Abpumpens aus Brunnen U über den 1. September hinaus nicht zu ersehen ist. Die Periode starken Abpumpens aus dem verdächtigen Brunnen beginnt demnach in derselben Zeit, während welcher auch die Häufung der Infektionen durch das Wasser angenommen werden mufs. S) Es ist behauptet worden, dafs, f a l l s d i e W a s s e r e n t n a h m e a u s B r u n n e n II d u r c h S t i l l s t a n d d e r Mas c h i n e X a u f h ö r t e , e i n Ü b e r s t r ö m e n d e s R u h r w a s s e r s in d i e a n d e r e n B r u n n e n m ö g l i c h u n d u n v e r m e i d l i c h war. Das WasBerjournal läfst in der kritischen Zeit nach dem 18. August nur ein einziges Mal ein etwa einstündiges Stillstehen in den Vor-

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mittagsstunden des 25. August, einem Sonntage, nachweisen. Auch wenn kleine Mengen von Wasser aus Brunnen II in die übrigen getreten sein sollten, beweist dies nichts gegen die Schlußfolgerung; denn es k o m m t e b e n a u f d i e M e n g e n u n d d i e D a u e r d e r s c h ä d l i c h e n B e i m e n g u n g e n an. Der Weg, den somit Typhusbazillen nehmen konnten, führt mit gröfster Wahrscheinlichkeit durch das Stichrohr nach Brunnen II, durch die Maschine X und im östlichen Druckrohre nach dem Leyther Hochbehälter. t) D i e D a u e r d e r E p i d e m i e s t i m m t m i t d e r D a u e r d e r B e n u t z u n g des S t i c h r o h r s g l e i c h f a l l s in s e h r bem e r k e n s w e r t e r W e i s e ü b e r e i n . Da man den Beginn der Epidemie etwa auf den 8. bis 11. September legen kann, so läfst sich auch annähernd ableiten, wann die Infektion mit Typhusbazillen erfolgt sein mufs. Die Inkubationszeit schwankt etwa zwischen 14 Tagen und 3 Wochen. Somit wird im Durchschnitt ein dreiwöchentliches Inkubationsstadium zugrunde gelegt werden dürfen and etwa der 18. A u g u s t a l s w a h r s c h e i n l i c h s t e r T e r m i n e r s t e r a l l g e m e i n e r I n f e k t i o n a n z u s e h e n sein. Die MasBenerkrankungen traten in ganz auffälliger Weise vom 19. Oktober ab im Durchschnitt zurück und erreichten schon am 29. Oktober eine höchst unbedeutende Frequenz. Die wesentlichen Ursachen der Infektion müssen sich also um den 28. September etwa bereits erschöpft haben. Somit würde d i e I n f e k t i o n e t w a z w i s c h e n d e n 11. b i s 18. Augus't b i s g e g e n d e n 28. S e p t e m b e r h i n sich hingezogen haben, gleich 44 Tage. Wenn man das Wasser der Ruhr als die Ursache der Erkrankungen ansieht, so könnte als Endtermin der Ansteckungen frühestens der 25. September, wo das Rohr geschlossen wurde, angesehen werden. Wenn aber Brunnen II, worüber nichts angegeben ist, weiter benutzt wurde, so konnten sich möglicherweise solche Infektionen auch noch einige Zeit bzw. Tage weiter hinausziehen. Aus dem Verlauf der Epidemie erfolgt ein ganz gleicher Termin für die Beendigung der Mässeninfektion (etwa den 28. September). Somit deckte sich der seit dem 18. August einsetzende starke Gebrauch des Brunnens U und des Stichrohrs bis zu dessen Schlufs am 25. September auch mit der Zeit der berechneten Infektion, 17. August bis 28. September. Wir k o m m e n s o m i t zu d e r Anschauung, dafs mit g r o f s e r W a h r s c h e i n l i c h k e i t die Inf e k t i o n des L e i t u n g s w a s s e r s der G e s e l l s c h a f t vom S t i c h r o h r a u s e i n g e t r e t e n ist. S) Mit Rücksicht auf die Fragestellung des Untersuchungsrichters, ob der Leyther Erdbehälter eine geeignete Brutstätte für Typhusbazillen war, ist hier noch zu bemerken: Aus den Akten geht zwar deutlich hervor, dafs der am Sonntag zur Aushilfe dienende Leyther Erdbehälter in unverantwortlicher Weise verwahrlost war, so dafB eine Verschlechterung und eine weitere Entwertung des in ihm aufbewahrten Wassers die Folge sein mufste. Ob indes die im Wasser enthaltenen Typhusbazillen während des Aufenthalts im Behälter eine Vermehrung erfahren haben, darüber läfst sich eine begründete Vermutung nicht aussprechen. Die gewisse Steigerung der festen Bestandteile, der organischen Stoffe etc. des Wassers im Erdbehälter kann für eine Vermehrung der Typhusbazillen v i e l l e i c h t günstig gewesen sein; der erheblich höhere Gehalt an anderen Bakterien kann dagegen ungünstig gewirkt haben; eine Abschätzung des schliefslichen Effekts ist angesichts der vielen sonstigen hier in Betracht kommenden Einflüsse nicht möglich. Bestimmte Anhaltspunkte für die Annahme, d a f s d e r L e y t h e r E r d b e h ä l t e r e i n e g e eignete Brutstätte für Typhusbazillen war, können d a h e r nicht als vorliegend e r a c h t e t werden.

ad. n i . Die dritte Frage: »War d a s W a s B e r m i n d e r w e r t i g , v e r d o r b e n o d e r v e r f ä l s c h t ? « ist in allen Punkten zu bejahen. So weit es sich um die Minderwertigkeit bandelt, bedarf es keiner näheren Begründung. V e r d o r b e n mufs das Wasser genannt werden wegen der Beimengung von r o h e m R u h r w a s s e r und der vor allem a n S o n n t a g e n b e o b a c h t e t e n Trübheit und des üblen Geruchs und Geschmacks, sowie wegen der Erhöhung der Temperatur, die durch die A u f b e w a h r u n g d e s W a s s e r s i m L e y t h e r E r d b e h ä l t e r eintreten mnfste. Im Hinblick auf die Tatsache der Beimengung von rohem Ruhrwasser ist das Wasser auch als verfälscht zu bezeichnen.«

2. Die Anklageschrift vom 25. September 1903. Die Ermittelungen über die Entstehung und die zeitliche und räumliche Verbreitung der Epidemie, welche den Untersuchungsrichter fast zwei Jahre beschäftigt haben und die Staatsanwaltschaft dazu führten, als Ursache des Ausbruchs der Epidemie Handlungen der Direktoren und des Betriebsleiters zu erkennen und diese in Anklagezustand zu versetzen, sind in der Anklageschrift niedergelegt. Aus dieser sind im nachfolgenden die wesentlichen Punkte auszugsweise mitgeteilt oder kurz zusammengefafst erwähnt, um einen Überblick über die

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Die Gerichtsverhandlungen über die Gelsenkirchener Typhusepidemie im Jahre 1901.

Tatsachen und Anschauungen, welche zu der Klageerhebung geführt haben, zu gewähren. »Die Typbusepidemie ist in der ersten Hälfte des Monats September 1901 in einem Teile des rheinisch-westfälischen Kohlenreviers ausgebrochen. Nach sachverständigen Gutachten war diese Epidemie die bei weitem umfangreichste Wasserepidemie, welche jemals geherrscht hat. Insgesamt sind 3231 Typhusfälle festgestellt, und die Zahl der an der Epidemie Gestorbenen war damals (am 25. September 1903) aktenmäfsig noch nicht festzustellen. Nach dem Berichte des Reg.- und Med.-Rats Dr. S p r i n g f e l d , welcher sich am 24. September 1901 im Auftrage seines Regierungspräsidenten in das Seuchengebiet begeben und die Seuche an Ort und Stelle längere Zeit hindurch studiert hat, waren 2294 Erkrankungen und 2L3 Todesfälle in folgenden Bezirken konstatiert: Amt Bismark . . . 38 681E. vom 2./ 9. 01 bis 23./1. 02 zus. 482 Fälle » Eickel . . . 23423 . » 10./9. 01 » IM./ 3. 02 » 28 . Stadt Gelsenkirchen 36937 > » 29./9. 01 » 25/3.02 » 456 » Amt Schalke . . . 31657 » » 7./ 9. 01 » 16./ 3. 02 » 581 » Stadt Wattenscheid. 20299 » > 8./9. 01 » 24./3. 02 » 319 » Amt Wattenscheid. 20374 » » 10./8. 01 » 30 / 3. 02 » 61 > » W a n n e . . . 31755 » » 30./8. 01 » 24./1.02 » 214 » » Ückendorf. .21890 » .» 29./8. 01 » 30./3. 02 » 352 » » Buer. . . .30266 » » 23./9. 01 » 1 5 / 2 . 0 2 » 81 » » Rotthausen .16691 » » 1 1 / 9 . 0 1 »31/12.01 » 259 » » Altenessen .28680 » > 20 /9. 01 > 15./1. 02 » 56 » • Camap . . . 4755 » > 4./10.01 » 3./2. 02 » 25 » » Caternberg .15386 » > 13./9. 01 » 28 /2. 02 » 103 > » Kray. . . . 8525 » » 14./9. 01 » 28./2. 02 » 134 » > Stoppenberg . 8 0 1 4 » » 1./10.01 » 28./2. 02 » 11 » » Leythe . . . 447 » » 30./9. 01 » 28./2. 02 » 9 » » Frillendorf . 1 3 6 9 » » 29./9 01 » 28./2. 02 » 5 » » Huttrop . . 2932 » » 7./10.01 » 28./ 2. 02 » 3 » » Schonnebeck. 6448 » > 26/9. 01 » 28./2. 02 » 10 » » Königsteele .16388 » » 5./10.01 » 31./12.01 » 12 » » Horst . . .11283 » » 2./10.01 » 31./12.01 » 10 » » Eiberg . . . — » » 23./10.01 » 31./12.01 > 1 • » Freisenbruch. 5 295 » > 30.19.01 » 31./12.01 » 20 » » Hattingen . 23100 » » — > — > kein > » Steele . . . 12243 » » 15./ 9. 01 » 12./11.02 » 19 » » Heven . . . 6159 » » 27./10.01 — 1 » » Linden . . . 7123 » » 6./10 01 » 12./11.02 » 5 » » Niederwenigen — » » 27./10.01 » — » 1 » Diese Zahlen sind meistens der bekannten Schrift Dr. S p r i n g f e i ds über die Typhusepidemie im Regierungsbezirke Arnsberg entnommen. In den letzten 17 Jahren hat der Kreis G e l s e n k i r c h e n wiederholt schwere Typhusepidemien durchgemacht. Die Sterblichkeit am Typhus betrug auf je 10000 E. im Jahre 1886 23,9, während auf E s s e n 7,6, auf M ü l h e i m 2,8, auf O b e r h a u s e n 1,0, auf D u i s b u r g 3,7, auf K ö l n 1,4, auf D ü s s e l d o r f 1,4, auf E l b e r f e l d 2,4, auf B a r m e n 3,7, auf H a g e n 6,3, auf W i t t e n 4,6, auf D o r t m u n d 3,4, auf B o c h u m 3,6 auf je 10000 E. nach Dr. K r u s e (Zentralblatt für allgemeine Gesundheitspflege Bd. 19, S. 132) entfielen. Im Jahre 1889 betrug diese Zahl in G e l s e n k i r c h e n 17,7 und in E s s e n 20,3; in den anderen Städten blieb sie auf obigem Satze. Im Jahre 1890/91 erkrankten im Kreise G e l s e n k i r c h e n ' ) 497Personen mit 15%Mortalität, 1895/96 1291 mit 16 »/„, 1898/00 1527 mit 20 •/„. Als B e g i n n der Krankheitserscheinungen im Herbst 1901 nimmt S p r i n g f e l d etwa den 5. September an und sagt, dafs sie in der zweiten Septemberwoche so überhand genommen hätten, dafs die Kranken den Arzt aufsuchen mufsten. Dr. L i n d e m a n n datiert den Ausbruch der Seuche auf die Zeit vom 13. bis 15. September. Das E n d e der Epidemie läfst sich nicht scharf begrenzen. Am 20. September sind 127 Neuerkrankungen gemeldet, und die Epidemie hatte ihren Höhepunkt damit erreicht. Sie fiel nach dem 20. September mehr oder weniger steil ab und strebte dann einem neuen Höbepunkte zu, den sie zwischen dem 5. bis 8. Oktober in B i s m a r k , S c h a l k e , Ü c k e n d o r f , W a n n e , G e l s e n k i r c h e n Stadt und am 1. Oktober in W a t t e n s c h e i d Stadt erreichte; die Steigerung am 1. Oktober ist übrigens auch in den erstgenannten Bezirken deutlich erkennbar. Zwischen dem 20. und 28. Oktober nahmen die Massenerkrankungen ab, so dafs die Seuche um diese Zeit den Charakter als Epidemie verloren hat. R ä u m l i c h ist sie im September beschränkt gewesen auf B i s m a r k , G e l s e n k i r c h e n Stadt, S c h a l k e , W a t t e n s c h e i d Stadt, W a n n e , Ü c k e n d o r f , R o t t h a u s e n , K r a y , C a t e r n b e r g und E i c k e l . Durch die Fluktuation der Arbeiterbevölkerung und ihre Beziehungen zu den auswärtigen Arbeitsstätten bedingt, hat Bie sich auch auf die Bürgermeisterei A l t e n e s s e n , das Amt B o r b e c k und die dem Seuchenherde benachbarten Teile des Kreises H a t t i n g e n : K ö n i g s t e e l e , H o r s t und F r e i s e n b r u c h gegen Ende September und Anfang Oktober ausgedehnt. Das Seuchengebiet umfafst insgesamt 121 qkm mit rund •) Nach S p r i n g f e l d s Buche S. 25 sind erkrankt: 1890 91 92 93 94 95 96 97 98 99 L900 1901 155 567 153 77 57 73 66 63 49 105 170 2644.

300000 E. Es ist kongruent mit dem Versorgungsgebiete der Gesellschaft mit der Mafsgabe, dafs die Seuche an keiner Stelle die Grenze dieses Versorgungsgebietes überschritten hat. Es unterliegt nicht dem geringsten Zweifel, dafs die Epidemie durch den Genufs des Wassers des Wasserwerks hervorgerufen ist, und zwar aus folgenden Tatsachen: 1. Die verseuchten Gebiete sind Bämtlich mit Wasser aus den Leitungen der Gesellschaft versorgt. 2. Innerhalb der einzelnen Ämter waren die mit Bochumer Wasser versorgten Orte anfangs ganz seuchenfrei. 3. Nur in den wenigen Häusern in den Ämtern Eickel und Wattenscheid, welche an die Gesellschaftsleitung angeschlossen sind, waren Arbeiter erkrankt. 4. Vorwiegend sind grofse Wasserkonsumenten, als Schulkinder, Dienstmädchen, Personen, die in der Hitze arbeiten, Bergleute und sonstige Arbeiter erkrankt. 5. Die Seuche ist nicht langsam von Haus zu Haus weitergegangen, sondern hat sich explosionsartig ausgebreitet. Fast auf den Tag beginnend, ist sie in den einzelnen Orten völlig gleichartig verlaufen und hat fast gleichzeitig aufgehört. Nach S p r i n g f e l d s Bericht ist jeder einzelne Fall auf seine Entstehungsursache untersucht; aber bei keinem war eine andere Ursache als die einer Infektion durch die Wasserleitung auch nur wahrscheinlich; bei einzelnen Personen, die in den letzten vier Wochen bettlägerig gewesen sind, konnte man mit Sicherheit jede andere Ursache ausschliefen. Sämtliche Gutachten stimmen darin überein, dafs die Epidemie durch das Trinkwasser der Gesellschaft verursacht ist; so Dr. K o c h in seinem Berichte an den Kultusminister vom 21. Oktober 1901; so S p r i n g f e l d s gleichlautender Bericht über die von ihm einberufene Konferenz, dem auch die Vertreter des Wasserwerks zugestimmt haben sollen. Ein Gegengrund kann weder darin erblickt werden, dafs Typhusbazillen im Leitungswasser nicht nachgewiesen sind, noch darin, dafs zum Versorgungsgebiete des Wasserwerks gehörige Gebiete seuchenfrei geblieben sind, weil nach den technischen Einrichtungen nicht gleiches Wasser überall zugeführt wurde. Nach den übereinstimmenden Äufserungen der Gutachter sind Typhusbazillen im Wasser sehr schwer aufzufinden, ganz abgesehen davon, dafs die Seuche dafür in der Regel zu spät kommt. < Die Anklageschrift bespricht dann weiter d i e A n l a g e n etc. d e s W a s s e r w e r k s , und zwar: 1. Die F ö r d e r a n l a g e n (Brunnen, Zubringerleitung, Stichrohr), 2. die S a u g e r o h r l e i t u n g e n und die H e b e r l e i t u n g zwischen Brunnen II und III, 3. das R o h r n e t z , 4. die W a s s e r r e s e r v o i r e , 5. die A k t i e n g e s e l l s c h a f t als solche, 6. deren A n g e s t e l l t e , nämlich die jetzigen H e g e l e r und K i e s e n d a h l und die früheren S c h m i t t und P f u d e l , und 7. den A u f s i c h t s r a t der Gesellschaft. Über die Punkte Nr. 1 bis 4 sind in ds. Journ. 1904, S. 433, Mitteilungen enthalten, und ich werde auf deren Einzelheiten an anderer Stelle näher eingehen. Über die Punkte 5 bis 7 mache ich auf Grund der Anklageschrift hier die folgenden allgemein interessierenden Mitteilungen, welche natürlich mit der eigentlichen Anklage nur in geringem Mafse in Beziehung stehen. »Die Gesellschaft » W a s s e r l e i t u n g f ü r d a s n ö r d l i c h e w e s t f ä l i s c h e K o h l e n r e v i e r « ist als Aktiengesellschaft am 29. Dezember 1887 zum Fortbetriebe des früher der G e l s e n k i r c h e n e r B e r g w1 e r k s a k t i e n g e s e l l s c h a f t und der Gew e r k s c h a f t E r i n ) gehörigen und ferner des der A k t i e n g e s e l l s c h a f t »Gelsenkirchen-Schalker Gas- und Wasserw e r k e « gehörigen Werkes, erBteres bei Witten und letzteres bei Steele mit einem Aktienkapital von M. 10 Mill. gegründet. Beide Werke haben 1898 zusammen 24 Mill., 1899 26 Mill., 1901 29,5 Mill. cbm Wasser abgegeben, und zwar im März 1900 an 512000 Personen. Von dem Steeler Werke allein sind 1899 16 Mill., 1900 17,6 Mill., 1901 bis November 18,5 Mill. cbm abgegeben. Das gesamte Verteilungsnetz der Gesellschaft hatte am 1. Januar 1901 eine Länge von 671,5 km, und die Versorgung erstreckte sich über 92 Gemeinden der Landkreise Bochum, Dortmund, Gelsenkirchen, Hattingen, Recklinghausen und Essen. Mit 72 Gemeinden waren Verträge von 10- bis 99 jähriger Dauer abgeschlossen, welche vielfach Monopolverträge in der Art sind, dafs die Gemeinden keinen anderen Werken die Dnrchlegung von Rohrleitungen gestatten dürfen. Auf Grund dieser Verträge soll auch die Gesellschaft unter S c h m i t t s Direktion gegen den Bau eines von den Gemeinden der Kreise Bochum, Hattingen und Gelsenkirchen projektierten Gemeindewasserwerks seinerzeit protestiert haben. Ferner bestehen mit den an das Versorgungsgebiet der Gesellschaft angrenzenden städtischen Wasserwerken Demarkationsverträge, welche deren Versorgungsgrenzen feststellen und es den eingeschlossenen und landeinwärts gelegenen Gemeinden unmöglich machen, die Ruhr oder angrenzende Werke für VerBorgungszwecke zu erreichen. •) Hiernach ist die Angabe ds. Journ. 1904, S. 1035 richtig zu stellen.

Die Gerichtsverhandlungen über die Gelsenkirchener Typhusepidemie im Jahre 1901. Während eines jeden der zehn J a h r e von 1891 bis 1900 hat das Anlagekapital, der Gesamtgewinn nach Abzug der Abschreibungen, die Höhe der an die Aktionäre verteilten Dividende und die Tantieme des Aufsichtsrats der Gesellschaft betragen: Jahr

Anlagekapital Gesamtgewinn in Millionen M. M.

Dividende M.

Tantieme M.

530823 495000 = 11'7„ 31849 1891 4,5 1892 4,5 r e s p . 6,0 558 543 525000 = 10 » 33512 1893 6,0 720000 = 12 » 46370 772 836 1894 6,0 r e s p . 7,5 806 829 742000 = l t » 43966 1895 7,5 991 982 900000 = 12 » 57268 1040302 1896 7,5 975000 - 13 » 62418 1897 7,5 1 119 873 1050000 = 14 » 67192 1898 7,5 1 196 590 1125000 = 15 » 71795 7,5 1282395 1899 1200000 = 16 » 76943 1900 7,5 r e s p . 1 0 1 377 982 1225 000 = 14 > 95 908 In 10 Jahren zusammen : 9 678155 8957 500 590281. Im Geschäftsjahr 1901 sind 9°/„ Dividende verteilt, trotzdem M. 250000 an die vom Typhus betroffenen Gemeinden überwiesen und aufseT den gewöhnlichen Abschreibungen von M. 221142 noch M. 293767 für aufserordentliche Abschreibungen verwendet sind. Im Jahre 1902 sind wieder 1 2 % Dividende zur Verteilung gelangt und Ende 1902 betrug der Reservefonds 1 Mill. Mark. In der Anklageschrift heilst es ferner noch zur Würdigung dieser materiellen Erfolge, »dafs mit dem Betriebe des Werks ein nennenswertes Risiko nicht verbunden wäre und von einem schwierigen Handelsbetrieb dabei nicht die Bede sein könne«. Vom Jahre 1887 ab war bis zum 1. Januar 1900 S c h m i t t und dann H e g e l e r alleiniger Direktor des Werks. Letzterer war von der Gesellschaft im Februar 1898 als Justitiar engagiert und ist vorher Gerichtsassessor und zuletzt Grundbuchrichter gewesen. Am 1. April 1900 trat P f u d e l , der bis dahin Gas- und Wasserwerksdirektor bei verschiedenen städtischen Werken und zuletzt bei der Stadt Bochum gewesen war, koordiniert mit H e g e l e r in den Vorstand der Gesellschaft ein. Er hat diesen Posten im Jahre 1902 aufgegeben. Zwischen beiden Direktoren war eine Geschäftsverteilung während ihres Zusammenarbeiten nicht festgesetzt. Als eigentlich technischer Leiter des Wasserwerksbetriebs soll während dieser Zeit auf dem Steeler Werke der Angeklagte K i e s e n d a h l gewirkt haben, der seit 1885 als Maschinenmeister auf diesem Werke im Dienste der Gesellschaft steht. Der Aufsichtsrat der Gesellschaft bestand im Jahre 1901 aus dem Kommerzienrat B e e r in Essen, dem Geh. Kommerzienrat K i e r d o r f in Rheinelbe und den Kommerzienräten M o s e r in Dortmund, M ö n t i n g in Wiesbaden, K l ö n n e in Berlin, C o l s m a n n in Langenberg, G. W a l d t h a u s e n in Essen, A u g . v o n W a l d t h a u s e n in Düsseldorf und dem ersten Bürgermeister M a c h e n s in Gelsenkirchen.«

Die Anklageschrift äulsert sich dann über die in Frage kommenden Verseucbungsquellen und über die Ruhrwasserqualität. »Das eigentliche Seucbegebiet wurde von Leythe aus gespeist, und die Eingangsmöglicbkeit der Typhusbazillen bot sich : 1. durch die Hochbehälter, 2. durch Bohrbrüche, 3. durch Rohrverlegungsarbeiten, 4 durch das Dükerrohr, 5. durch Ruhrhochwasser, 6. durch Überschwemmungen, 7. durch die Zubringerleitung, 8. durch die Filteranlagen, 9. durch Bauarbeiten auf der linken Ruhrseite und 10. durch das Stichrohr. Ferner wird das Stiebrohr speziell 1. betreffs seiner Benutzung, 2. seiner Leistungskraft, 3. seines Einflusses bei der Tätigkeit einzelner Maschinen (III, IV und X), 4. seiner Verheimlichung und 5. seiner Beseitigung besprochen. Es werden dann über die Qualität des rohen RuhrwaBsers, des Eibergbaches und des Leitungswassers nähere Mitteilungen gemacht und für letzteres 1. seine Verunreinigungen nnd die darüber geführten Beschwerden, 2. seine Untersuchungen, 3. seine Gesundheitsschädlichkeit in der Herstellung durch die Zubringerleitung, durch das Stichrohr und durch die Magazinierung im Leyther Behälter eingehend erörtert.«

Ich unterlasse es hier, darauf näher einzugehen, weil diese Punkte iast sämtlich sowie auch noch andere beachtenswerte Punkte in dem vorstehenden O b e r g u t a c h t e n bereits besprochen wurden, allerdings nur soweit, als solche durch die Voruntersuchung damals bereits angeregt waren. Nur über die beiden letzten, im Obergutachten nicht berührten Punkte der Anklageschrift mufs ich hier noch eingehendere Mitteilungen machen, nämlich über den Kausalzusammenhang zwischen Stichrohrwasser und E p i d e m i e und über das V e r s c h u l d e n der Angek l a g t e n . Nach den Angaben im Obergutachten waren, wie früher bemerkt, dies damals nur He g e l er und P f u d e l und erst nachher ist die Anschuldigung in der Anklageschrift auch auf S c h m i t t und K i e s e n d a b i ausgedehnt. Die den beiden letzteren zur Last gelegten Vergehen sind in meinem früheren Berichte bereits erwähnt.

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»Den Angeklagten H e g e l e r und P f u d e l wird vorgeworfen, »vorsätzlich« (conf. § 12 des N. M. G.) die menschliche Gesundheit beschädigt zu haben, weil sie die Zubringerleitung und das Stichrohr als ungenügend und ungehörig bezeichnet und doch benutzt hätten, weil diese Anlagen nicht konzessioniert gewesen wären, weil sie nicht in die Werkskarten eingetragen wären und weil sie von ihnen überhaupt und selbst dem Wasseruntersucher T e n h o l t gegenüber verheimlicht wären. Auch K i e s e n d a h l hätte das Stichrohr verheimlicht und sein Vorhandensein sogar ausdrücklich bestritten. Demgegenüber hätten H e g e 1 e r und P f o d e 1 bestritten, dafs sie die Gesundheitsschädlichkeit unfiltrierten Ruhrwassers überhaupt gekannt hätten. Sie hätten behauptet angenommen zu haben, die Selbstreinigung des Eibergbaches und der Ruhr hätte bis zu der Pumpstation die gesundheitsschädlichen Stoffe beseitigt, und hätten als Beweis ihres Glaubens angeführt, dafs sie und ihre Familien das Leitungswasser stets ungekocht genossen hätten, was auch von deren Dienstmädchen bestätigt wäre. Trotzdem müfste den Angeklagten Kenntnis von der Gesundheitsschädlichkeit des rohen oder des mangelhaft filtrierten Ruhrwassers zugeschrieben werden. Insbesondere seit der Choleraepidemie in H a m b u r g kannte jeder Laie die Gefährlichkeit unfiltrierten Flufswaseera, besonders wenn es sich um derartiges Flufswasser, wie es die Ruhr führte, gehandelt hätte. »Um wieviel mehr kannten das die Angeschuldigten als Direktoren eines Wasserwerks, wo alle wassertechnischen Zeitschriften unausgesetzt darüber handelten, wo gerade an der Ruhr die Typhusepidemien nicht aufhörten und wo diese Epidemien stets auf die Benutzung unfiltrierten Ruhrwassers zurückgeführt wurden«, sagt die Anklageschrift. ( B a r m e n Ende 1898; V o l m e r s t e i n desgl.; M ü l h e i m a. Ruhr 1899/1900 im Infanterie-Regiment Nr. 169; D u i s b u r g 1900 mit direktem Zuflusse aus der Ruhr; B o c h u m auf P f u d e l s Tätigkeit zurückgeführt) H e g e l e r wäre durch die Schrift » G r u n d w a s s e r l e i t u n g u n d T y p h u s « von Dr. L i n d e m a n n (1900) erneut auf den Zusammenhang von Typhus und Wasserleitung hingewiesen. Nach Lage der Sache müfste im Sinne des § 13 des N. M. G. verneint (bejaht?) werden, ob den Angeklagten die »gesundheitszerstörende« Eigenschaft des Leitungswassers auch tatsächlich bekannt gewesen wäre. Zu ihrer Verteidigung hätten H e g e l e r und P f u d e l angeführt, ihr Bestreben wäre es von vornherein gewesen, durch Erweiterung der Anlagen den Gebrauch des Stichrohrs überflüssig zu machen. Hauptsächlich wären sie durch die Verzögerung der Konzessionserteilung für die Ausführung der geplanten Erweiterungen daran gehindert worden. Bei S c h m i t t s Fortgang wären nur 500 m Filterleitungen vorhanden gewesen; 1900 hätten sie 120 m und 1901 700 m neu angelegt. Es wäre die Benutzung des Stichrohrs erforderlich gewesen, weil bei mangelhaftem Drucke von allen Seiten Reklamationen gekommen wären und die industriellen Werke telephonisch oder schriftlich mitgeteilt hätten, es wären Kesselexplosionen u. dgl. zu befürchten. Lediglich um derartigen Mißständen vorzubeugen, hätten sie die früher gegebene Anordnung beBtehen lassen, dafs bei mangelhaftem Druck das Stichrohr benutzt würde. Im Sommer 1901 wäre aber auch der Gebrauch des Stichrohrs um so mehr erforderlich gewesen, weil am linken Ufer durch die Erweiterungsarbeiten einzelne Teile der alten Anlage vorübergehend aufser Benutzung gekommen wären. H e g e l e r hätte angeführt, im Sommer 1901 wären häufig Klagen über trübes Wasser geführt worden. S c h m i t t , welcher zugegeben hätte, dafs 1899 unter seiner Direktion das Stiebrohr auch in Benutzung genommen wäre, hätte behauptet, durch dieses wären höchstens 6 % der Gesamtförderung geliefert. Nur aus Gründen der Betriebssicherheit hätte er es beibehalten; nur in Notfällen hätte es vorübergehend für kurze Zeit Aushilfe gewähren sollen. Dadurch, dafs der Konsum sich nach seinem Austritte so aufserordentlich vermehrt hätte, wäre die längere Benutzung des Stichrohres nötig geworden. Betreffs des Leyther Erdbehälters hätte S c h m i t t erklärt, dafs bis Ende 1899 daB ganze Wasser für das G e l s e n k i r c h e n e r Versorgungsgebiet durch diesen Behälter gepumpt wäre; dadurch wäre dessen beständige Spülung nnd Reinhaltung gesichert gewesen. Nicht nur im Jahre 1886, sondern auch 1895/96 wäre er gereinigt und dann vorschriftsmäßig wieder hergestellt. Dafs durch die Handlung von H e g e l e r und P f u d e l nach dem letzten Absatz des § 12 des N. M. G. eine schwere Körperverletzung oder der Tod eines Menschen verursacht ist, und dafs daher z w i s c h e n i h r e r s t r a f b a r e n H e r s t e l l u n g d e s L e i t u n g s w a s s e r s u n t e r B e n u t z u n g des S t i c h r o h r s und d e r T y p h u s e p i d e m i e e i n K a u s a l z u s a m m e n h a n g bes t e h t , hält die Anklageschrift für erbracht Die Typhusepidemie wäre durch das Leitungswasser verursacht und die anderen Möglichkeiten des Eindringens von Typhusbazillen wären in Wegfall gekommen und für die Schuld des Stichrohrwassers sprächen folgende Gründe: 1. Die Epidemie ist vom Leyther Behälter ausgegangen und zwischen diesem und dem Stichrohre besteht eine isolierte Verbindung. 2. Für eine mehrmalige Infektion ist der Weg durch das Stichrohr gegeben. 3. Die Dauer der Epidemie stimmt unter Berücksichtigung der Inkubationszeit mit der Benutzung des Stichrohrs überein. (Beginn der Epidemie, 8. bis 11. September und dreiwöchentliche 2*

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Die Gerichtsverhandlungen über die Gelsenkirchener Typhusepidemie im Jahre 1901.

Inkubationszeit gibt die erste allgemeine Infektion am 18. bis 20. August. — Schliifs des Stichrohrs, 25. September gibt Rückgang der Massenerkrankungen gegen Ende Oktober, weil die Infektion über den 25. September infolge der Verseuchung des Brunnens II mit Typhusbazillen noch einige Tage gewährt hat; als Endtermin ist der 28. September anzunehmen.) 4. Erfahrungsgemäß hat an der Ruhr bei Benutzung eines Stichrohrs stets eine Erhöhung der Typhusskala stattgefunden (Duisburg). 5. Die Zeit der Typhusfälle am Eibergbache pafst zu der des Epidemieausbruches. Dagegen wäre aufgeführt, dafs das Wasser der Brunnen II und III sich notwendig durch die Heberleitung und die Sangleitung hätte mischen müssen, so dafs auch in den Brunnen III und damit in das aus diesem versorgte Gebiet durch das Stichrohr zugeführte Typhysbazillen hatten gelangen müssen. Das wäre aber nicht der Fall gewesen. Die von Brunnen I und II gelieferte Wassermenge wäre im Verhältnis zu der von Brunnen III gelieferten klein gewesen. Beim starken Pumpen durch Maschine X (seit dem 19. August 42 bis 48 ®/0 der Gesamtförderung) ans Brunnen II mufste aus Brunnen III viel Wasser in Brunnen II durch das Heberrohr fliefsen und nur bei den seltenen Stillstandspausen von Maschine X (8. bis 14. August nicht gearbeitet; 25. August and 16. September 1 Stunde; 7. September 1B Stunden; 14. September 5 -Stunden) konnten aus Brunnen II kleine Mengen davon nach Brunnen III und IV übertreten. Aber nach dem Obergutachten bewiese das nichts, »da e s a u f d i e Menge und die Dauer der s c h ä d l i c h e n B e i m e n g u n g a n k ä m e « . Durch Saugrohrleitungen konnte nach Brunnen III nur Wasser überströmen, wenn die Maschinen III und IV gearbeitet hätten; das wäre in der kritischen Zeit für Maschine III nur am 9. September und für Maschine IV nur am 25. August und am 9. und 30. September der Fall gewesen. Ein fernerer Gegengrund wäre aus der viel benutzten Badestelle an der TJhr unterhalb der Station, ohne dafs Erkrankungen eingetreten wären, hergeleitet, was das Obergutachten für unerheblich erklärt hätte, » w e i l e i n v e r s c h m u t z t e s F l u f s w a s s e r k e i n e gleichmäfsig konzentrierte Aufschwemmung von K r a n k h e i t s e r r e g e r n b i l d e , so dafs jeder davon Geniefsende krank werden müsse < Der dritte Grund, Typhusbazillen wären bei den Wasseruntersuchungen nicht aufgefunden, wäre gleichfalls nach dem Obergutachten hinfällig, »weil d a s s e h r s c h w e r w ä r e u n d b e s o n derer M e t h o d e n b e d ü r f t e , die bei den R u h r w a s s e r u n t e r s u c h u n g e n n i c h t a n g e w e n d e t w ä r e n etc.« Schliefelich wird in der Anklageschrift nochmals auf den nach dem Obergutachten m i t s e h r h o h e r W a h r s c h e i n l i c h k e i t a l s nachgewiesen angenommenen Kausalzusammenhang z w i s c h e n S t i c h r o h r u n d E p i d e m i e hingewiesen und darauf, dafs K o c h am 21. Oktober 1901 in seinem Berichte an den Minister gesagt hätte: ». . . so findet die Annahme, dafs die Infektion des Leitungswassers durch Verschleppung von Typhusentleerungen von H o r s t in den E l b e r g b a c h , von da in die R u h r und durch das N o t r o h r in die L e i t u n g gekommen ist, eine ausreichende Begründung.!

3. Das Nahrungsmittelgesetz vom 14. Mai 1879.

Von der Staatsanwaltschaft war gegen die Angeschuldigten am 25. September 1903 eine Klage wegen der von ihnen gegen das N a h r u n g s m i t t e l g e s e t z begangenen Handlungen erhoben. Sie hatte also angenommen, dafs das Trinkwasser ein Nahrungs- und Genufsmittel ist. Darüber, ob das zulässig wäre, wurden mehrfach sowohl in der Presse als auch im Publikum sowie auch in juristischen Kreisen Zweifel laut, weil Wasser ebenso wie Luft keinen Nährstoff für den Menschen enthält, sondern nur einen Faktor bei der Ernährung und bei dem Stoffwechsel bildet. Diese Zweifel mögen später den Vorsitzenden bei den Gerichteverhandlungen veranlafst haben, eine dahingehende Frage an die sämtlichen medizinischen und hygienischen Sachverständigen gelegentlich der Erstattung ihres Gutachtens zu stellen, über deren Antworten im Abschnitte IV berichtet wird. Das Vergehen der Angeschuldigten soll nach dem § 12 des Nahrungsmittelgesetzes darin bestanden haben, dafs das von ihnen »hergestellte u n d in V e r k e h r g e b r a c h t e Wasser< geeignet gewesen sein soll* »die m e n s c h l i c h e G e s u n d h e i t zu s c h ä d i g e n « . Weil die eigentliche Herstellung des Wassers fast ausnahmslos der Natur überlassen wird, so konnte vom Staatsanwalt unter »Herstellen des Wassers«

wohl nur dessen Fassung, Magazinierung, eventuell künstliche Filtrierung, Leitung etc. verstanden sein. Aber auch das scheint für den angenommenen Begriff der Wasserherstellung noch zu weit gegriffen. Denn die Herstellung des Wassers mittels Filtration wurde als ein Geschäft der Natur angenommen und nur das Mischen eines solchen filtrierten Wassers mit unfiltriertem Wasser wurde als W a s s e r h e r s t e l l u n g durch Menschen angesehen, für welche diese eventuell strafbar sein sollten. Dafür sowie für alle anderen Punkte menschlicher Tätigkeit zum Zwecke der Wasserversorgung haben aber bis zur Zeit der Indienststellung der Kreisärzte im Jahre 1901 aufser den vom Reiche 1899 publizierten » G r u n d s ä t z e n f ü r k ü n s t l i c h e S a n d f i l t r a t i o n v o n O b e r f l ä c h e n wasser« und der im Reichsseuchengesetz von 1900 in § 35 geforderten »Überwachung der zum a l l g e m e i n e n G e b r a u c h e dienenden Einrichtungen für Versorgung mit Trink- und Wirtschaftswasser durch staatliche B e a m t e « in P r e u f s e n weder Verordnungen etc. noch staatliche Prüfungen überall nicht oder doch wenigstens nicht einheitlich bestanden. Früher wurde das direkt dem Flusse entnommene Ruhrwasser von den Wasserversorgungsanlagen ohne Bedenken irgend eines Konsumenten oder eines Arztes verwendet, wenn es nicht den Geschmack, das Auge oder die Nase unangenehm berührte, — ich erinnere nur daran, dafs nach ds. Journ. 1904, S. 973, auf der Kruppschen Gufsstahlfabrik von 1875 bis 1892 anstandslos für die Arbeiter und die Wohnungen für diese und für die Beamten ausschliefslich rohes Ruhrwasser benutzt ist. Während der letzten Jahrzehnte haben die meisten der Ruhrwasserwerke freilich nach und nach überwiegend sogenanntes natürlich filtriertes Wasser oder künstlich erzeugtes Flufsgrundwasser allerdings mehr des sinnlichen Aussehens als der Gesundheit wegen benutzt. In Notfällen haben sie sich trotzdem bei vorübergehendem Wassermangel, wenn die örtlichen Filtrationsanlagen einmal nicht ausreichten, meistens nicht gescheut, ausnahmsweise ein zeitliches Manko an filtriertem Wasser durch rohes Ruhr wasser zu ersetzen, weil ihnen das weniger gefährlich erschien als eine völlige Unterbrechung oder eine empfindliche Reduktion der Wasserlieferung für ihre Abnehmer, indem diese sonst zur Benutzung von unreinem Wasser aus verlassenen Brunnen etc. gezwungen wären. Aus offiziellem Munde sind meines Wissens im Dezember 1902 zum erstenmal, und zwar von der »wissenschaftlichen Deputation für das Medizinalwesen« in dem Obergutachten, folgende allgemeine Prädikate für das Wasser erteilt: a) Unfiltriertes Ruhrwasser allein i s t u n z w e i f e l h a f t n i c h t gesund; b) Zusatz von solchem zu filtriertem Ruhr wasser ist g e s u n d heitsschädlich; c) Filtriertes Ruhrwasser allein ist ohne weiteres n i c h t gesundheitsschädlich. Dafs bei Erlais des Nahrungsmittelgesetzes am 14. Mai 1879 oder wenigstens doch von der 1877 im Kais. Gesundheitsamte tagenden Kommission, welche die Feststellung eines Normalstatuts für technische Nahrungsmittel-Untersuchungsanstalten beriet, das »Wasser« nicht als unter die »Nahrungsmittel« fallend betrachtet ist, geht wohl daraus hervor, dafs diese Kommission die technischen Aufgaben solcher Stationen für Nahrungsmittel als innig zusammenhängend mit denen »für a n d e r e z u r H a n d h a b u n g d e r G e s u n d h e i t s pflege erforderlichen technischen Untersuchungen, z. B. » d e r U n t e r s u c h u n g d e s Wassers« etc. erklärte. Ich erwähne femer, dafs freilich nur durch den »Deutschen Verein für öffentliche Gesundheitspflege« zur Aufstellung von Normen für die Stoffe, welche im Wasser

Die Gerichtsverhandlungen über die Gelsenkirchener Typhusepidemie im Jahre 1901. als gesundheitsschädlich zu betrachten sind, und für die Art, wie diese zu bestimmen sind, eine aus zwölf Hygienikern und Chemikern bestehende Kommission im Jahre 1876 eingesetzt war, die sich 1882 auflöste, »weil d a s i h n e n g e s t e c k t e Z i e l n i c h t zu e r r e i c h e n wäre». Die Publikation des Nahrungsmittelgesetzes fällt sonach in die Mitte der Zeit dieser Kommissionsarbeiten, und selbst wenn die Wasserwerksleiter das von ihnen gelieferte Wasser für ein Nahrungsmittel gehalten hätten, so mufste ihnen eine entscheidende gesundheitliche Untersuchung desselben zu jener Zeit doch als nicht möglich erscheinen. Verschiedene Jahre später ist ein solcher Malsstab für die Gesundheitsscbädlichkeit des Wassers durch den Maximalkeimgehalt von 100 Keimen im ccm für das durch Sand filtrierte Oberflächenwasser durch ReichsveTordnung allerdings offiziell geschaffen. Es ist deshalb entschuldbar, wenn die Wasserwerksleiter denselben Maßstab später auch für wirkliches Grundwasser und für natürlich filtriertes Flufswasser in Ermangelung eines besseren noch 1901 als richtig gehalten haben, und das um so mehr, weil heute noch für die Werke im Reg.-Bez. A r n s b e r g als Maximalzahl der Keime in zur Abgabe geeignetem Wasser 500 im ccm gilt. Wenn auch 1901 das Leitungswasser des Werkes bei Steele nach den von einem früheren Medizinalbeamten vorgenommenen Untersuchungen einige Male mehr als 100 Keime enthalten hat, so konnten die Direktoren dieses Wasser doch nach dem Nahrungsmittelgesetze nicht für gesundheitsschädich halten, weil, abgesehen von einer in der Anklageschrift herangezogenen Reichsgerichtsentscheidung, die sich übrigens gar nicht auf das Wasser bezogen hat, nämlich » d a f s j e d e r i n d e n g e w e r b l i c h e n V e r k e h r g e b r a c h t e N ä h r s t o f f dad u r c h zu e i n e m N a h r u n g s t o f f w ü r d e « , doch erst 1902 durch das Obergutachten jede Beimengung von rohem Ruhrwasser zu filtriertem Ruhrwasser als eine » V e r f ä l s c h u n g « bezeichnet ist. Wenn das Wasser nun wirklich ein Nahrungsmittel oder Genufsmittel ist, so kann nach dem Gesetze bestraft werden: § 10 mit Gefängnis bis 6 Monaten und Geldstrafe bis M. 1500: 1. wer zum Z w e c k e d e r T ä u s c h u n g verfälschtes Wasser in Handel und Verkehr bringt; 2. wer w i s s e n t l i c h v e r f ä l s c h t e s W a s s e r unter Vers c h w e i g e n dieses Umstandes verkauft oder unter einer zur Täuschung geeigneten Bezeichnung feilhält; § 11 mit Geldstrafe bis zu M. 150: wer aus F a h r l ä s s i g k e i t Handlungen nach § 10, 2 begeht; § 12 mit Gefängnisstrafe und daneben eventuell auch Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte: wer v o r s ä t z l i c h Wasser derart h e r s t e l l t , dafe sein Genufs d i e m e n s c h l i c h e G e s u n d h e i t zu s c h ä d i g e n g e e i g n e t ist oder w i s s e n t l i c h Wasser verkauft oder in den Verkehr bringt, dessen Genufs die m e n s c h l i c h e G e s u n d h e i t zu b e s c h ä d i g e n geeignet ist; desgl. mit Zuchthausstrafe bis zu fünf Jahren: wenn durch diese Handlung eine s c h w e r e K ö r p e r v e r l e t z u n g oder der T o d eines Menschen verursacht ist; § 13 mit Zuchthausstrafe bis zu zehn Jahren: wenn dem Täter die Eigenschaft des Wassers nach § 12 b e k a n n t war; desgl. mit Zuchthausstrafe nicht unter zehn Jahren odeT lebenslänglicher Zuchthausstrafe: wenn das Vorstehende der Fall war und der T o d eines Menschen verursacht ist; § 14 mit Geldstrafe bis zu M. 1000 oder Gefängnisstrafe bis zu 6 Monaten: wenn aus F a h r l ä s s i g k e i t durch die Handlungen nach § 12 und § 13 ein Schaden an der Gesundheit eines Menschen verursacht ist; desgl. mit Gefängnisstrafe von einem Monat bis zu drei Jahren: wenn das Vorstehende der Fall war und der T o d eines I Menschen verursacht ist.

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(Nach den A n m e r k u n g e n zu d e m G e s e t z e ist die Bedeutung nachstehender Worter folgende: G e s u n d h e i t s s c h ä d l i c h k e i t ist davon unabhängig, ob eine Schädlichkeit eintritt oder nicht, sie ist also objektiv. — B e s c h ä d i g u n g d e r G e s u n d h e i t heilst vorübergehende Störung, ohne schwere danernde Folgen hervorzurufen. — Z e r s t ö r e n der G e s u n d h e i t heifst den Tod herbeiführen oder durch die Handlung den Tod herbeiführen können. — W i s s e n t l i c h oder V o r s ä t z l i c h setzt die Absicht und die Erkenntnis einer Verschlechterung voraus. — F a h r l ä s s i g k e i t kann das Verkennen des Begriffes der Verfälschung bezeichnen, aber auch im Gegensatz zur Wissentlichkeit die Nichterfüllung der PBicht, sich über das abgegebene Wasser die genügende Kenntnis zu verschaffen. Für die Fahrlässigkeit ist es n i c h t e n t s c h e i d e n d , ob durch Gesetz oder Verordnung eine Handlung geboten ist. — E k e l h a f t e Bes c h a f f e n h e i t ist ein objektiver Begriff, der unabhängig vom Geschmack, Wohlstand etc. des einzelnen ist. — V e r f ä l s c h u n g beifst der Zusatz von Stoffen, die eine Verschlechterung bewirken. — T ä u s c h u n g nimmt im Gegensatz zum Betrug das Fehlen einer gewinnsüchtigen Absicht oder eine VermögenBbeschädigung an.)

4. Die schriftlichen Erklärungen von Schmitt.

Gegen den Ingenieur S c h m i t t war erst im Jahre 1903, nachdem er im Januar vom Untersuchungsrichter verantwortlich vernommen war, am 28. Juli die Anschuldigung erhoben, in seiner früheren, bereits Ende 1899 verlassenen Stellung als Direktor der Wasserwerksgesellschaft Handlungen begangen zu haben, die gegen das Nahrungsmittelgesetz von 1879 verstolsen. Wie ich in meinem früheren Berichte mitgeteilt habe, sollten diese Handlungen nicht in Gemeinschaft mit H e g e l e r und P f u d e l begangen sein, und sie sollten auch nicht eine Körperverletzung oder den Tod eines Menschen herbeigeführt haben. Trotzdem hat S c h m i t t sich für verpflichtet gehalten; in den Erklärungen, welche er dem Gerichte zur Widerlegung der gegen ihn erhobenen Anschuldigungen schriftlich einreichte, weitergehende Behauptungen über die Ursache der Epidemie aufzustellen und Bich zu erbieten, den Beweis ihrer Richtigkeit zu erbringen, durch welche eventuell die ganzen Annahmen des Obergutachtens und die Behauptungen der Anklageschrift über die Entstehung der Typhusepidemie von 1901 hinfällig gemacht werden konnten, die aber damals fast ganz unberücksichtigt geblieben sind und erst während der Verhandlungen teilweise zu sehr eingehenden Untersuchungen geführt haben. Im Gegensatz zu diesen beiden offiziellen Schriftstücken führte S c h m i t t die Entstehung der Epidemie auf eine Verseuchung der Wassererschliefsungsanlagen am linken Ruhrufer infolge der hier 1901 ausgeführten Arbeiten und in weiterer Verbindung damit auf die Verschlammung des Erdbehälters bei Leythe infolge der damaligen Betriebsweise des Werkes zurück. Er ging also mit der Anklageschrift, welche seine Erklärung unter VI, g, als nicht zutreffend abfertigte, darin überein, dals die Epidemie infolge der Übertragung von Typhuskeimen durch das Wasser entstanden war, bestritt aber, dafs diese Krankheitserreger durch das geöffnete Stichrohr aus dem Ruhrwasser und dem Eibergbache in die Wasserleitung überführt wären. Er schrieb darüber am 21. August 1903: »Nachdem die Vergrößerung der Filteranlagen im Jahre 1900 nicht in genügender Weise vorgenommen war, mufste man 1901 schon wieder vergröbern. Hierbei wurde eine breite und lange Baugrube ausgeschachtet, auf welcher Pumpen standen, die das Grundwasser niedrig hielten und etwa 20 bis 30000 cbm Wasser täglich hoben. Dieses Wasser war verunreinigt durch Schlamm und Mutterboden, der von oben in die Baugrube fiel, und zudem arbeiteten in dem Wasser eine Anzahl Arbeiter. Die Erfahrung lehrt, dafs beim Aufgraben der oberflächlichen Erdschichten sich Typhus häufig einstellt. Statt dieses frisch aufgeschlossene Wasser direkt in die Kohr zu leiten, flofs es anscheinend infolge des Bruches einer Abflafsleitung Ober die grobe Weide und auch durch frisch aufgeworfene flache Gräben, schwemmte die ganzen Fäkalien von Kühen, Schweinen und Hühnern und von einer

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Die Gerichtsverhandlungen über die Gelsenkirchener Typhusepidemie im Jahre 1901.

großen Zahl von auf der Baustelle beschäftigten Arbeitern mit and stürzte wochenlang unbemerkt am Ende der fertigen Filteranlagen in dieselben hinein, verschlammte gleichzeitig die ganzen fertigen Filteranlagen und flofs nach der rechten Ruhrseite in den Hauptschopfbrunnen. Von hier aus gelangten die Typhuskeime in die Erdbassins nach Leythe, wo sie im Laufe der Wochentage durch Nichtbenutzung der Bassins Zeit hatten, sich bei Abschlufs von Licht und Sonne ins TTngemessene zu vermehren. Dieser unglückliche Zufall ist die Ursache des Ausbruches der Epidemie . . .
DieBodenoberfiäche des Epidemiegebiets besteht aus mehrereil Meter mächtigen, auf Mergel gelagerten Sand-, Lehm- und lehmigen Sandschichten, die nach ihrer mechanischen Beschaffenheit geeignet sind, eine Typhusepidemie hervorzurufen, wozu, solange sie sich in reinem jungfräulichen Zustande befinden, aber keine Ursache vorliegt, weil ausgesäte TyphuBbazillen im Sande in etwa vier und in Lehmboden in höchstens zehn Tagen zugrunde gehen. Der Boden war aber durch Abfälle von Menschen und Tieren stark verunreinigt, und dadurch konnten diese Bazillen sich hier nicht nur monatelang lebend erhalten, sondern unter geeigneten Verhältnissen auch üppig vermehrend >Die ganze Konfiguration ¡Bt für die Entstehung von Epidemien sehr günstig, und die Verschiedenheit der Verunreinigung und der Bodenverseuchung schafft eine grofse Mannigfaltigkeit für deren Lokalisierung. Den Boden durchziehen in 0,5 bis 2 m Tiefe unter der Oberfläche mächtige Grundwasserströme, die wechselnde Überschwemmungen weiter Bodenstrecken in G e l s e n k i r c h e n Stadt und Land verursachen und die Entstehung einer Epidemie für gewöhnlich zurückhalten. Die Foren des Bodens sind dann mit einer Flüssigkeit gefüllt, welche für die Ernährung der Bazillen nicht konzentriert genug ist und Fäulnisgase statt der Luft enthält.« •Im Frühjahr 1901 hatte die anhaltende Regenzeit (am 12. März betrug die Begenhöhe 24 mm) in vielen Teilen des Emschertales den Inhalt von Abortgruben und Abwasserkanälen über weite Landstrecken geschwemmt, und eine Periode der Trockenheit folgte dann, wie sie seit 25 Jahren nicht beobachtet war. Vom ') »Beiträge zur experimentellen Begründung der P e t t e n k o f e r s c h e n lokalistischen Cholera- und Typhuslehre« von Prof. Dr. Rud. E m m e r i c h und Privatdozent Dr. W. G e m ü n d .

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Die Gerichtsverhandlungen über die Gelsenkirchener Typhusepidemie im J a h r e 1901.

Anfang Mai bis Ende August hatte es nicht geregnet, und der Grundwasserstand war bis August immer tiefer hinabgesunken.« »Schon Ende Mai war deshalb die absinkende in eine aufsteigende Bichtung des Grundwassers infolge der Kapillarität umgewandelt. Die Wandungen der mit Luft gefüllten Bodenporen wurden dadurch benetzt und dem Boden dadurch Feuchtigkeit aus dem tiefen Grundwasser zugeführt, welche alle löslichen Stoffe aus den Bodentiefen nach oben und bis zur Oberfläche führte, deren Lösung durch Verdunstung immer konzentrierter wurde, so dafs allmählich in den oberen Poren eine Vermehrung der Bazillen eintreten konnte. Dieser ganze Prozefs konnte sich freilich nur sehr langsam entwickeln, so dafs die Vermehrung erst Anfang August begann, zu welcher Zeit, weil abkühlender Regen fehlte, die Bodentemperatur in unter 1 cm Tiefe unter der Oberfläche ca. 30° C betragen haben wird.« »Im Verlaufe weniger Tage sind daher in mehreren tausenden der vorher infizierten Bodenstellen in S c h a l k e und Ü c k e n d o r f die Typhuskeime in unendlicher Zahl aus der Erde an die Oberfläche gestiegen. Im Verlauf einer Woche vielleicht waren die 10000 Infektionsstellen von je etwa 2 qm Gröfse mit Keimen überzogen; unzählige Insekten: Fliegen, Ameisen, Asseln, Bussen und Schwaben sowie auch Mäuse und Batten verschleppten solche auf die menschlichen Nahrungsmittel (Milch, Butter, gekochtes Fleisch etc.), wo sie in wenigen Stunden sich zu Massenkulturen entwickelten und das explosionsartige Auftreten der Epidemie in G e l s e n k i r c h e n , S c h a l k e und Ü c k e n d o r f hervorgerufen haben. Tausende von Arbeitern und anderen Passanten strömten täglich in die infizierten Zentralstellen hinein und heraus und verschleppten an ihren Schuhen die Keime auf die angrenzenden Landdistrikte bis an die Peripherie des Seuchegebiets.« »Die zeitliche und örtliche Verbreitung ging hiernach von einem Zentrum aus und schritt von hier, in dessen weiterer Umgebung bis zu der äufseren Peripherie des Seuchegebietes immer spärlicher werdend, fort. Die verschleppten Typhusbazillen riefen sekundäre Infektionsherde hervor, und die Krankheit wurde von diesen aus als neuen Zentren in die einzelnen Orte des Emschertales auf immer weiterer Entfernung übertragen, bis Ende August ein stärkerer Begen die Epidemie milderte und am 15. September ein Gewitterregen, wie er seit 15 Jahren hier nicht vorgekommen war, den giftigen Boden reingefegt hat. Dieser Begen überführte die Bazillen und deren Nährstoffe in die WasserlSufe und schlemmte sie in die tiefen Bodenschichten ein, deren Temperatur rasch unter die für ihre Vermehrung erforderliche Temperatur von 15° C abfiel. Die übrig gebliebenen Beste erzeugten dann später noch neue Infektionen, bis Anfang Oktober der Begen, der periodisch bis in den Januar 1902 anhielt, auch diese beseitigt hat.«

II. Das Epidemiegebiet und seine Wasserversorgung. I n diesem Abschnitte wird das Epidemiegebiet und seine Wasserversorgung in folgenden sechs Unterabteilungen einer eingehenden Besprechung unterzogen: 1. Seine Lage und Bodenbeschaffenheit. 2. Die Verteilung der Erkrankungen in seinen einzelnen Bezirken und im ganzen. 3. Die Entstehung und einige Personalien der dortigen Wasserwerke. 4. Die Pumpstation bei Steele und ihre Verteilungsanlagen. 5. Das Wassergeschäft von 1873 bis 1902. 6. Die Verteilung von Stichrohrwasser in den verschiedenen Bezirken.

I. Lage und Bodenbeschaffenheit des Epidemiegebietes. Das Epidemiegebiet liegt nördlich von einem Höhenzuge, dem H a a r s t r a n g , der sich von Osten nach Westen zwischen Ruhr und Emscher hinzieht und sich bis zur Rheinebene verläuft. Der Haarstrang ist ein Wellgebirge von mäfsiger

Erhebung, das die Wasserscheide zwischen beiden Flüssen bildet; er steigt aus dem Ruhrgebiete am Flufsrande ziemlich steil bis zu seiner höchsten Erhebung an und fällt auf der anderen Seite mit mälsigem Gefälle in einer 10 bis 15 km breiten Abdachung zu einer Ebene ab, welche quer davor liegt und in der die Emscher von Osten nach Westen bis nach A l s u m flielst, wo sie in den Rhein mündet. Zahlreiche von der Wasserscheide nach Norden zu abströmende Bäche und Rinnsale münden in die Emscher ein. Auf der Karte (Fig. 1) ist die weifs gelassene Fläche der Teil dieser Ebene, welcher das Epidemiegebiet von 1901, das fast vollständig mit dem Wasserversorgungsgebiete der Pumpstation bei Steele zusammenfiel, gebildet hat. Im Norden geht dieses Gebiet in dasjenige über, welches die Pumpstationen der Gesellschaft bei Witten versorgt, und das Amt B u e r sowie ein Teil von W a t t e n s c h e i d werden aus beiden Stationen, deren Leitungen hier miteinander verbunden, aber durch stets geschlossene Schieber getrennt sind, versorgt. Von der die weifse Fläche zu beiden Seiten und unten umgebenden gepunkteten Fläche wird der östliche Teil durch das städtische Wasserwerk von B o c h u m und der westliche Teil durch das von E s s e n versorgt. Zu dem Epidemiegebiete gehört der Stadt- und Landkreis G e l s e n k i r c h e n mit seinen beiden Städten und sechs Ämtern. Vom Amte W a t t e n s c h e i d fällt jedoch nur die Gemeinde L e i t h e hinein, während E p p e n d o r f , G ü n n i g feld, Höntrop, Munscheid, Sevinghausen und W e s t e n f e l d , welche das B o c h u m e r Werk versorgt, davon ausscheiden. Vom Amte E i c k e l hat nur die Gemeinde E i c k e l Anschlufsleitungen an die Station bei Steele, während H o l s t e r h a u s e n hauptsächlich aus Brunnen versorgt wird. Von dem Landkreise E s s e n werden von der Station bei Steele versorgt und fallen in das Epidemiegebiet in der Bürgermeisterei S t o p p e n b e r g die Gemeinden C a t e r n b e r g , K r a y , R o t h a u s e n und L e y t h e , während S t o p p e n b e r g selbst, S c h o n n e b e c k , F r i l l e n d o r f und H u t t r u p , welche vom Essener Werke versorgt werden, ausscheiden. Von der Bürgermeisterei A l t e n e s s e n fallen die Gemeinden A l t e n e s s e n und K a r n a p hinein. Von der Bürgermeisterei B o r b e c k , die aus drei verschiedenen Wasserwerken versorgt wird, fallt nur der Teil, welcher Wasser von der Station bei Steele erhält, hinein. Aus dem Kreise H a t t i n g e n endlich gehören als von der Station bei Steele versorgt zum Epidemiegebiete K ö n i g s t e e l e , H o r s t , F r e i s e n b r u c h und Eiberg. Das von der Station bei Steele versorgte Epidemiegebiet teilte sich während der kritischen Zeit in zwei Teile, entsprechend zwei verschiedenen Druckzonen der Wasserverteilung. Die eine Zone wurde aus dem Hochbehälter und dem Erdbehälter Leythe versorgt. E s sind die Namen der hierauf angewiesenen Gemeinden auf der Karte (Fig. 1) unterstrichen. Die anderen Gemeinden, deren Namen auf der Karte von einem Rechteck umgeben sind, werden aus dem Hochbehälter Frillendorf und direkt aus einer dahin führenden Druckleitung versorgt. Der Boden des Emschertales besteht aus den gewaltigen Kohlenlagern, welche von einer zum Pläner gehörenden Mergelschicht überdeckt sind, die unter der Emscher eine Stärke von 150 bis 250 m hat; sie ist wasserdicht und auf ihr ruht das Grundwasser. Die Bodenoberfiäche besteht am Fufse des Haarstranges bis zur eigentlichen Emscherebene aus einer mehrere Meter starken Diluvialschicht, welche aus Geröll, Lebm und Sand besteht und die sehr porös ist. Die Bodenfläche der Emscherebene selbst bildet eine mehrere Meter starke Alluvialschicht, welche aus sandigem Ton und Lehm, mit Geröll und m i t F l i e f s gemischt, besteht. Dieser Fliefs ist ein feiner Sand von wechselnder Korngröfse und Farbe; er enthält mitunter tonige Beimengungen. Die Ober-

Die Gerichtsverhandlungen über die Gelsenkirchener Typhusepidemie im Jahre 1901.

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fläche selbst bildet vorherrschend Sand sowie ein Gemisch 2. Die Verteilung der Erkrankungen in den einzelnen von Sand und Lehm. Diese Schichten sind sämtlich sehr Bezirken und im ganzen. wasserdurchlässig und porös. In dem ganzen Drainagegebiete der Emscher ist der Wegen spezieller Angaben über die Entstehung, die AusGrundwasserstand ein sehr hoher und das Epidemiegebiet, breitung und den Ablauf der ganzen Epidemie verweise ich auf soweit es nicht auf die Abhänge des Haarstranges hinauf- S p r i n g f e l d s Schrift und den im Journ. f. Gasbel. u. Wasservers. steigt und auf das Höhengelände entfällt, ist infolgedessen 1904, S. 67, enthaltenen Aufsatz. Ich beschränke mich hier meistens völlig durchfeuchtet. Es erscheint versumpft und darauf, durch die graphischen Darstellungen (Fig. 2) den Verlauf auch wechselnd überschwemmt und zeigt vielfach tiefe Boden- der Epidemie in den einzelnen neun Wochen vom 1. September senkungen infolge des Bergbaues. Fast überall ist es durch bis zum 2. November 1901 und im ganzen für die einzelnen parallele Gerinne und Wasseradern durchschnitten, die zur Distrikte und deren Gruppierungen nach den beiden VerEmscher führen. Der südliche Teil von G e l s e n k i r c h e n sorgungsgebieten zur Anschauung zu bringen, um darauf geund ein kleiner Teil von Ü c k e n d o r f besais damals ein stützt durch den Augenschein die Angabe der Anklageschrift regelmäfsiges System von Kanälen, jedoch ohne ausreichende zu prüfen, die sich in ähnlicher Form in allen hygienischen Spülung und Eeinigung. Eine vor Seuchen wirklich Schutz und sanitätspolizeilichen Gutachten, mit Ausnahme des von gewährende Kanalisation fehlte noch im ganzen Seuchegebiete, und die vorhande: Wasserversorvunpis - GeA/et HertM^äß^^C nen unterirdischen Abwasser- und Regen1 Wasserleitungen entsprachen auch nicht GlAüfeackV ^N^cfer Station betSteej€~. den bescheidensten sanitären Ansprüchen. Sie waren namentlich meistens viel zu eng, um bei starken Regenfällen genügen zu Bismarck '^.rS^Xy Horst. können. Gleiches war bei den Strafsenkreuzungen und Bahnunterführungen der Fall. Die einfach aufgeworfenen offenen Gräben, welche zu Wasserabführungen hergestellt waren, bildeten ein weit verzweigtes Netz fast ohne jedes regelmäfsige ipn. Gefälle. In diesen Gräben flössen durch heim:kesseni Strafsenrinnen alle flüssigen Abgänge aus den Häusern zusammen, welche dadurch aus einer Gemeinde in andere geleitet wurden. Bei Verstopfungen der Durchlässe oder bei starken Regenfällen fanden Überschwemmungen statt, durch welche ÄlfcnJiV der Schlamm in die Keller der Häuser olrirF A: ••'* drang und sich Schmutzteiche von bis zu 500 qm Fläche mitten in den Ortschaften bildeten. Der Inhalt der Gräben versank meistens in den Untergrund, und nur ganz wenig davon fand den Weg zu den von Frillendorf von Leytha natürlichen Wasserläufen etc. Ich kann EU versorgtsKm. versorgt. hier nur sagen: »So war es«, und weils Flg. 1. nicht, ob es jetzt besser geworden ist. Unterlassen kann ich es jedoch nicht, hierüber aus der von E m m e r i c h abgegebenen, in den Verhandlungen wiederfindet, Schulz-Briesen 1904 erschienenen Broschüre: »Die Rege- nämlich: l u n g d e r V o r f l u t v e r h ä l t n i s s e im E m s c h e r g e b i e t e « »dafs die Ausbreitung d e r E p i d e m i e nicht langsam etwas aus der Einleitung mitzuteilen: von H a u s zu H a u s e r f o l g t i s t , Bondern dafs sie s i c h »Den meisten Bewohnern des rheinisch-westfälischen Bergbaubezirkes dürfte bekannt sein, dafs sich schon seit einer Reihe von Jahren die allgemeinen VorflutverhältnisBe im gesamten Niederschlagsgebiete der EmBCher in einem Zustande befinden, der tatsächlich jeder Beschreibung spottet. Die trüben, von den Abgangen der grofsen Bevölkerungsmittelpunkte völlig verjauchten Gewässer wälzen sich an vielen Orten bei geringem Gefälle und bedeckt von schlammigen mit giftigen Gasen erfüllten Gebilden, schwerfällig talabwärts. Die in den ersten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts noch von munteren Scharen schmackhafter Fische und Krebse belebten Wasserläufe bergen heute keine Lebewesen mehr; schwarz und schaumig verpesten und verunzieren sie das Gelände, in welchem eine schaffensfrohe, stetig wachsende Bevölkerung bienenemsig dem Erwerbe nachgeht . . . . Eine wesentliche Bolle spielt bei den geplanten Mafsnahmen die Verbesserung der gesundheitlichen Verhältnisse im gesamten Emschergebiete, eine Aufgabe, deren Lösung bei den in regelmäßiger Folge sich wiederholenden Typhus-, Ruhr- und anderen Epidemien, sowie den durch die Verseuchung der Wasserläufe sich entwickelnden latenten Krankheitskeimen, die den Boden für die Verbreitung der ersteren vorbereiten, unaufschiebbar erscheint.«

e x p l o s i o n s a r t i g a u s g e b r e i t e t h a t u n d d e r e n Verlauf i n d e n e i n z e l n e n O r t e n , f a s t auf d e n T a g b e g i n n e n d , ein völlig g l e i c h a r t i g e r und a u c h f a s t g l e i c h z e i t i g a u f h ö r e n d e r g e w e s e n ist.« Jedes der Diagramme gibt für die eigentliche Epidemiezeit, weil ihr späterer Ablauf nach dem 2. November 1901 bis Ende März 1902 für meine Beurteilung hier nicht von Einfluls ist, in der äufseren K o n t u r die Gesamtzahl der Erkrankungsfälle und. in der g e k r e u z t s c h r a f f i e r t e n Fläche deren Verhältnisse für je 20000 Bewohner an. Die g e b r o c h e n e L i n i e zeigt für jeden Bezirk die Verteilung der hier vorgekommenen Gesamtfalle auf die einzelnen Wochen unter der Annahme, dafs sie in gleichem Wochenverhältnisse wie die der in G e l s e n k i r c h e n St. und Ld. im ganzen vorgekommenen Erkrankungen stattgefunden hätte. Auf den Diagrammen für G e l s e n k i r c h e n St. und Ld. und seine Teile ist in den oberen p u n k t i e r t e n F l ä c h e n t e i l e n jeder Woche die Zahl der Fälle dargestellt, welche als durch Kontakt oder Nahningsmittelinfektion entstanden ange nommen sind, und der übrige weifse Flächenteil gibt den 3

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Die Gerichtsverhandlungen über die Gelsenkirchener Typhusepidemie im Jahre 1901.

Best als durch Wasserinfektion entstanden an. Im Diagramm 2 sind abweiohend von den übrigen Diagrammen die Gesamtfälle jeder Stadt und jedes Amtes von G e l s e n k i r c h e n in den neun Wochen im ganzen und pro 20000 Bewohner dargestellt, deren Gesamtzahl die gekreuzt und punktierte Linie in Hunderten angibt. Das Diagramm 11 gibt in der Fläche A von Null bis zur oberen Begrenzung die Zahl der Fälle in dem Teile an, welcher aus dem Hoch- und dem Erdbehälter Leythe versorgt ist, und in der Fläche B die Zahl der Fälle in dem Teile, welcher aus dem Behälter Frillendorf und direkt durch dessen Druckleitung versorgt ist. In dem Teile A entsprechen die mit X bezeichneten Flächen den nicht in G e l s e n k i r c h e n Stadt und Land liegenden Bezirken S t o p p e n b e r g und B u e r mit den Diagrammen 12 und 13. Die Diagramme 14 und 15 geben A l t e n e s s e n etc. und K ö n i g s t e e l e etc., und die Diagramme 3 bis 10 geben die einzelnen Städte und Ämter des Gesamtdiagramms 1 für G e l s e n k i r c h e n Stadt und Land. Entsprechend dem Diagramm 2 entfallen in der Zeit vom 1. September bis 2. November: in Schalke (Dgm. 3) . . . . im ganz. » > Ueckendorf (Dgm. 6) » Wattenscheid St. (Dgm. 7) i > > Bismark (Dgm. 4) . . . » > Gelsenkirchen St. (Dgm. 5) » » Wanne (Dgm. 8) . . . . > > Wattenscheid Ld. (Dgm. 7) > > Eickel (Dgm. 10) . . . .

504 u. auf 312 > 285 > 434 > 405 > 828 > 48 > 25 >

10000 Bew. 10000 » 10000 » 10000 » 10000 » 10000 > 10000 > 10000 »

151 Falle 141 > 131 > 109 » 107 > 62 > 23 > 1 >•

während Dgm. 3 (Stoppenberg) 399, Dgm. 12 (Buer) 81, Dgm. 14 (Altenessen) 83 und Dgm. 15 (Königsteele etc.) 49 Fälle im ganzen angeben. Eine spezielle Vergleichung der einzelnen Linien der Diagramme würde hier zu weit führen. Ich mufs es daher dem Beschauer überlassen, die Form der einzelnen Diagrammlinien der verschiedenen Bezirke miteinander zu vergleichen. Ich zweifle nicht, dafs er ebenso wie ich dabei auch kaum den oberflächlichen Schein von einer gesetzmäfsigen Zusammengehörigkeit gleichartiger Linien entdecken wird und dafs ihm dadurch der Glaube an eine in allen Bezirken gleichzeitig und gleichartig in Funktion getretene a l l e i n i g e Ursache der Epidemie entstehen wird, die nach der Überzeugung der Wassertheoretiker das von allen Bewohnern des Seuchegebiets Tag für Tag gewifs annähernd gleichgrofse Quantum von genossenem Trinkwasser gewesen sein soll, welches sie der gemeinschaftlichen Wasserleitung mit gewifs annähernd gleicher Wasserqualität entnommen haben. Als Wasserfachtechniker bin ich natürlich nicht berechtigt, d i e s e m Glauben an e i n e U r s a c h e einen a n d e r e n Glauben gegenüberzustellen, dessen Fundament sich bei spezieller Prüfung möglicherweise gleichfalls als nicht haltbar erweisen könnte. Wir werden daher nach wie vor in Bau und Betrieb von Wasserversorgungsanlagen allen uns gestellten hygienischen Forderungen an das zu liefernde oder gelieferte Wasser auf das gewissenhafteste Rechnung zu tragen suchen müssen, wenn sie uns klar und verständlich und ohne subjektive Hypothesen zu Kenntnis kommen. Uns aber, wie das in den E s s e n e r Gerichtsverhandlungen geschah, Handlungen zur Last zu legen, wenn die Hygieniker eist nachträglich zu der Vermutung gelangt sind, dafs sie Schädlichkeiten hätten zur Folge gehabt haben können, ist unbillig, weil sie uns doch v o r h e r nicht davor warnen konnten. Eine weitere Gefahr liegt für uns darin, dafs der Richter geneigt sein wird, diese vor der Tat uns unbekannten Gründe hinterher als »der gebildeten Welt allgemein bekannt« seiner Entscheidung zugrunde zu legen, weil die Anschauungen selbst der berufenen Sachverständigen, wie ich es S. 973 d. Journ. f. Gasbel. u. Wasservers. 1904 nachgewiesen habe, über etwaige Schädlichkeiten des Wassers

und deren Erkennung so schnell wechseln, dats sie heute vergessen haben können, was sie vor wenigen Jahren als Wahrheit verkündet hatten. 3. Die Entstehung und einige Personalien der Gesellschaftswerke.

Die gegen Ende der 60er Jahre gegründete »rheinischwestfälische Industriegesellschaft« hat anfangs der 70 er Jahre für die Wasserversorgung des von ihr geschaffenen Ortes S c h a l k e , und der Nachbarorte G e l s e n k i r c h e n etc. bei S t e e l e an der Ruhr nach den Plänen des späteren B a r me n e r Stadtbaurates S c h ü l k e unter Assistenz des Ingenieurs P a h d e , der später Direktor der städtischen Gasund Wasserwerke in W i t t e n war, ein Wasserwerk und gleichzeitig für deren Gasversorgung ein Gaswerk bei S c h a l k e erbaut. Diese Werke sind 1873 in den Besitz einer dafür gegründeten Gesellschaft »Gelsenkirchen-Schalker Gas- und Wasserwerke« übergegangen. Den Betrieb beider Werke hat von 1875 ab der frühere Gasdirektor in H o m b u r g , M. C . S c h m i t t bis Ende 1886 geleitet. Dessen Sohn Max S c h m i t t wurde im Jahre 1876, nachdem er das Realgymnasium absolviert und dann ein halbes Jahr praktisch gearbeitet hatte, 19 Jahre alt, ohne vorherige technische Spezialstudien von der Gesellschaft als Assistent seines Vaters angestellt. Wie im Journ. f. Gasbel. u. Wasservers. 1904, S. 1035, m i t geteilt ist, wurde im Jahre 1884 die Zeche E r i n , weil sie verschiedenen südlich von der Zeche zwischen B o c h u m und D o r t m u n d gelegenen Ortschaften das Wasser entzogen hatte, vom Oberbergamte in D o r t m u n d verurteilt, entweder ihre Arbeiten einzustellen oder durch den Bau eines Wasserwerks für die Orte Abhilfe zu schaffen. Ein solches Werk wurde dann nach den Plänen und unter Leitung des Ingenieurs M a x S c h m i t t für Rechnung der Bergwerksaktiengesellschaft E r i n und der »Gelsenkirchener Bergwerksgesellschaft« in H e v e n bei W i t t e n an der Ruhr erbaut und ist im April 1886 in Betrieb gekommen. , Am 1. Januar 1887 trat an die Stelle von M. C . S c h m i t t senior der frühere Direktor W i n d e c k der städtischen Gasund Wasserwerke in B o c h u m . Am 1. Juli 1887 gingen dann das Wasserwerk bei S t e e l e und das bei W i t t e n , dessen Betrieb bislang von M. S c h m i t t jun. geleitet wurde, sowie das Gaswerk S c h a l k e in den Besitz einer neuen Aktiengesellschaft: » W a s s e r l e i t u n g f ü r d a s n ö r d l i c h e w e s t f ä l i s c h e K o h l e n r e v i e r « über. Nach dem am 1. Januar 1888 erfolgten Austritte W i n d e c k s wurde S c h m i t t zum alleinigen Direktor der gesamten Anlagen dieser Gesellschaft ernannt. 1897 wurde die Gasanstalt der Gesellschaft an eine Kölnische Gesellschaft verkauft. Auf Grund der 1895/96 erworbenen Konzessionen hatte die Gesellschaft Ende der 90er Jahre unter S c h m i t t s Leitung auch die Wasserwerke für E m d e n , L e e r und O l d e n b u r g erbaut und darauf für ihre Rechnung betrieben. Am 31. Dezember 1899 gab S c h m i t t aus gesundheitlichen Gründen nach zwölfjähriger Dienstzeit seine Stellung bei der Gesellschaft auf und hat dann seinen Wohnsitz in W i e s b a d e n genommen. Sein anfängliches festes Gehalt bei der Gesellschaft von M. 6000 und 5°/o Tantieme vom Reingewinn hatte sich später bis auf M. 15000 und 2 '/ 2 °/0 Tantiemen erhöht. Im Februar 1898 trat der Gerichteassessor H e g e l e r , der bis dahin Grundbuchrichter gewesen war, als Justitiar bei der Gesellschaft ein. Auf Grund eines zehnjährigen Vertrags bezog er M. 10000 als Gehalt, das sich jährlich um M. 1000 bis auf M. 15000 steigern sollte und wovon M. 6000 während seiner Dienstzeit pensionsfähig waren, aber keine Tantieme. Speziell technische und kaufmännische Vorbildung

Die Gerichtsverhandlungen über die Gelsenkirchener Typhusepidemie im Jahre 1001. hatte dieser natürlich nicht genossen. Mitte Mai 1899 wurde er trotzdem neben S c h m i t t zum MitdirektOT der Gesellschaft ernannt, und am 1. Januar 1900 wurde ihm nach 22 monatlicher Dienstzeit bei der Gesellschaft die alleinige Direktion übertragen, wobei ihn im Bedürfnisfalle anfangs der Zivilingenieur W i p p e r m a n n in E s s e n unterstützen sollte. Am 1. April 1900 trat der bisherige Direktor P f u d e l der städtischen Gas- und Wasserwerke in B o c h u m bei der

1. Gelsenkirchen St.u Ld

3. Schal He

19

ihm erfolgter Kündigung seine Stellung auf, und seitdem ist Hegel er wieder alleiniger Direktor der Gesellschaft*werke. Den speziellen Betrieb der Pumpstation bei Steele hat seit 1885 der Maschinenmeister K i e s e n d a h l , ein gelernter Schlosser und Monteur ohne weitere technische Ausbildung, geleitet. Er bezog anfangs ein Jahresgehalt von M. 2700, das später bis auf M. 4000 gestiegen ist. Alle Arbeiten für die Brunnen und Leitungen zur Wassergewinnung, für den

Vattenscheid' FI*. 2.

Gesellschaft als Vorstandsmitglied und als zweiter Direktor neben H e g e l e r ein; er erhielt M. 10000 Anfangsgehalt, das sich jährlich um M. 1000 steigern sollte. P f u d e l hatte früher das Polytechnikum in H a n n o v e r besucht; er war dann in verschiedenen Fabriken tätig und später auch Betriebsleiter einiger Gas- und Wasserwerke (z. B. in Mülheim a. d. Ruhr etc.) gewesen. Zwischen diesen beiden Direktoren bestand keine offizielle Teilung der Geschäfte, und jedem von ihnen war es überlassen, nach seiner besonderen Vorbildung selbst die Art seiner Tätigkeit zu begrenzen, wobei >keiner dem andern ins Handwerk gepfuscht haben soll», wie H e g e l e r bei seiner im Jahre 1904 erfolgten Vernehmung sagte. Schon Ende 1902 gab P f u d e l nach von

Maschinenbetrieb und an den Sauge- und Druckleitungen sowie teils auch an den Hochbehältern waren ihm unterstellt, während für die Fallrohrleitungen und die Wasserverteilung andere Beamte tätig waren. Von K i e s e n d a h l s Hilfskräften waren der Maschinenwärter W a g e n e r I seit 1873 und der Schlosser Q u i t z o w seit 1885 auf der Station bei Steele tätig. 4. Die Pumpstation bei Steele und ihre Verteilungsanlagen.

Die Fig. 3 gibt eine schematische Übersicht der Pumpstation bei Steele bezüglich ihrer Wassergewinnungsanlagen und ihrer Pumpmaschinen mit deren Saugeleitungen in dem 3*

20

Die Gerichtsverhandlungen über die Gelsenkirchener Typhusepidemie im Jahre 1901.

Zustande, in welchem sie sich in den verschiedenen Jahren von 1872 bis 1904 befunden haben, und zwar in sieben verschiedenen Zeitperioden, von denen die eine vom Jahre 1901 den Zustand während der Epidemiezeit darstellt. Auf diesem Bilde für 1901 sind auch die damals von den Maschinen abgehenden Druckleitungen bis an die verschiedenen Behälter in Leythe und Frillendorf, sowie die von diesen abgehenden Fallrohrleitungen nach den beiden Versorgungsbezirken G e l s e n k i r c h e n etc. und A l t e n e s s e n etc., sowie die von der Druckleitung von 314 mm Durchmesser abgehenden Versorgungsleitungen für K ö n i g s t e l e etc. angedeutet. Punktiert ist darauf auch eine später ausgeführte Filterleitung am rechten Ruhrufer schematisch angedeutet, deren wirkliche Situation jedoch eine andere ist. Ich bespreche zuerst unter A die Wasserfassungen und die Maschinen in den verschiedenen Perioden und dann unter B die Druckleitungen, die Hochbehälter und die Fallrohrleitungen bis zum Jahre 1901.

Revisionsbrunnen der Brunnen VI eingeschaltet. Die ungenügende Lieferung des Brunnens IV veranlaiste gleichzeitig 8,5 m weiter landeinwärts parallel dazu eine zweite Leitung aus Schlitzrohren, die mit groben Steinen umgeben sind, als Sickerleitung herzustellen. Zwischen den Brunnen IV und VI wurde von dieser aus eine direkt in die Ruhr führende Zubringerleitung von 600 mm Durchmesser verlegt, die, mit einen Schieber abschliefsbar und mit einem Siebe versehen, in einen gemauerten Schacht von 1 m mal 1,5 m Querschnitt mündete, von dem nach beiden Seiten die erwähnten Schlitzrohre abgehen. In den Brunnen IV führte ein Abzweig des Saugerohres der Maschine VI, der mit ihrem zu Brunnen 4 führenden Saugerohre verbunden war. Von ersterem ging auch das Saugerohr der Maschine VII ab.

7. Die mit 1901 bezeichnete Darstellung zeigt das 1892 hergestellte dritte Hilfsrohr aus der Ruhr, welches in den Brunnen I mündet. Dessen Anlage erfolgte, um während der in Ausführung begriffenen gröüseren Arbeiten an beiden Ruhrufern zur Aushilfe zu dienen, weil die Benutzungsmöglichkeit A. Die Wasserfassungen und die Maschinen. des ersten Hilfsrohres zu Brunnen 1 damals aufhörte, indem 1. Im Jahre 1872 sind die Maschinen I und II (je die Brunnen 3 und 4 entfernt werden mulsten. Das 1901 35 Sek.-l) aufgestellt und mit den Brunnen II und 1 auf dem der von S p r i n g f e l d » S t i c h r o h r < getaufte neue Hilfsrohr von 1 3 Gesellschaft gehörenden Grundstücke von / 2 bis /« Morgen 314 mm D. führte über dem Flufsbett entlang ca.'2 m weit in Gröfse am rechten Ufer der Ruhr zwischen dem ca. 400 m die Ruhr hinein. An seiner Mündung war es hier mit einem oberhalb einmündenden E i b e r g b a c h e und dem ca. 1500 m Drahtsiebe versehen, und der im Wasser hegende Teil des unterhalb einmündenden G r e n d b a c h e in Betrieb gekommen. Rohres war mit Steinen und Kies buhnenartig umfüllt, um Der Brunnen 1 war mit der Ruhr durch ein Rohr direkt es vor Beschädigungen zu schützen und um dadurch grobe Unverbunden, und vom Brunnen 1 führte nach Brunnen II reinlichkeiten vom Eintritt zurückzuhalten. Vor dem Brunnen I eine Sickerleitung, die in der Form eines mit Bruchsteinen war ein Schieber in das Rohr eingeschaltet, und es mündete und Ziegeln ausgesetzten und oben geschlossenen Grabens heberartig mit seinem nach unten gerichteten Schenkel in gebildet war, das Ruhrwasser dem Brunnen II zu. den Brunnen I ein. Dieser Schenkel war mit einem zylindri2. Im Jahre 1874 sind die Maschinen III und IV (je schen Siebe von 3 mm Maschenweite, wie Fig. 4 zeigt, 65 Sek.-l) aufgestellt, und für deren Saugerohre sind die mantelförmig umgeben. Brunnen 3 und 4 hergestellt, die mit Brunnen 1 ähnlich 8. Ende der 80 er Jahre hatte die Gesellschaft am Unken wie Brunnen II durch Sickerleitungen verbunden waren. Ruhrufer ein Grundstück von 65 Morgen Gröfse für neue 3. Im Jahre 1885 ist die Maschine V (160 Sek.-l) auf- Wassererschliefsungen angekauft. Im Jahre 1891 war damit gestellt; deren Saugeleitung führte in den Brunnen 4, und begonnen, am rechten Ufer den Brunnen H I und am Unken das Saugerohr von Maschine IV wurde in den Brunnen 3 Ufer die Brunnen VII und VIII von 5 m D. in 10 m Abstand umgelegt, östlich von Brunnen 1 wird auch um diese Zeit am vom Ufer herzusteUen. Ferner war ein ca. 1,5 m tief unter Ruhrufer entlang eine den angeführten ähnliche flachliegende das Flufsbett versenkter Düker von 1000 mm D. verlegt, welcher Sickerleitung hergestellt sein, über welche mir nähere Mit- die Brunnen VII und III verbindet. Es war beabsichtigt, die teilungen fehlen. 1892 hergesteUte Filterleitung von 800 mm D. und 150 m Länge 4. Im Jahre 1887 ist unter W i n d e c k s Leitung eine von Brunnen VII ostwärts in den Brunnen VIII zu führen; sie zwischen Brunnen 1 und II beginnende und mit letzterem mufste aber wegen der Eisenbahnbrücke auf Verlangen der verbundene ca. 8 m tiefliegende Filterleitung aus gelochten Bahnverwaltung von dem Brunnen VHI und vom Ufer weiter Rohren von 800 mm D. ausgeführt, welche sich auf ca. 45 m abgerückt werden, so dafs der Brunnen VHI Beitlich mit dieser Länge nach Osten am Ufer entlang erstreckte und in die Leitung durch einen Abzweig verbunden ist. Während der Auswahrscheinlich schon damals der Brunnen I eingeschaltet führung dieser Arbeiten wurde vorübergehend Wasser aus sein wird. Gleichzeitig ist dafür der Brunnen II tiefer ge- dem Stichrohre in den Brunnen I eingelassen. senkt und die alte hochliegende Verbindung mit Brunnen 1 9. Im Jahre 1893 ist die Maschine VIH (180 Sek.-1) aufbeseitigt. Der Brunnen 1 selbst ist damals mit groben Steinen gestellt. Ihre Saugeleitung von 700 mm D. wurde in den neuen ausgefüllt und in seinem oberen Teile abgebrochen, während Brunnen III geführt. Das Saugerohr von Maschine VI von das zur Ruhr führende Rohr für die Brunnen 3 und 4 500 mm D. war 14,5 m hinter der Maschine wie erwähnt in zwei belassen ist. Zu dieser Zeit sind die Saugeleitungen der Arme gegabelt. Der eine Zweig von 17,5 m Länge war durch Maschinen I und II in Brunnen I und die der Maschinen den Schieber XabsteUbar und wurde damals in den Brunnen III III und IV in Brunnen II verlegt, während die Saugeverlegt. Der andere Zweig war durch den Schieber W abstellleitung für Maschine V nach den Brunnen 3 und 4 gegabelt bar und führte zum Brunnen IV; 15 m vor seinem Eintritt wurde. in den Brünnen IV schlofs sich an dieses Rohr, wie erwähnt, 5. Im Jahre 1889 wurde Maschine VI (160 Sek.-l) auf- das Saugerohr von Maschine VH als Abzweig an. gestellt; deren Saugerohr führte ebenso wie das von Ma10. Die drei Brunnen II, III und IV waren durch eine schine V in den Brunnen 4. Heberleitung von 400 mm D. und 53 m Länge miteinander ver6. Im Jahre 1891 ist die Maschine VII (160 Sek.-1) auf- bunden. 31 m von Brunnen I I entfernt zweigte von dieser, gestellt. Ferner wurde auf einem westlich vom Werke ange- durch den Schieber Y absperrbar, ein 5 m langer Arm in kauften Grundstücke von 2 1 / 2 Morgen Gröfse eine Filter- den Brunnen III ab. Das andere 22 m lange Ende der leitung und eine Sickerleitung neu hergestellt. Von dem Heberleitung konnte vor Brunnen IV durch den Schieber 7 hier erbauten Brunnen IV führte erstere nach Westen zu von diesem Brunnen abgesperrt werden. am Ufer entlang. Sie lag 10 m davon entfernt und 11. Im Jahre 1896 wurden auf dem Grundstücke am hatte ca. 100 m Länge und 800 mm D. In diese war als linken Ruhrufer die Brunnen IX und X hergesteUt und. hier

Die Gerichts Verhandlungen über die Gelsenkirchener Typhusepidemie im Jahre 1901. 380 m lange neue Filterrohre verlegt. Diese Brunnen haben ebenso wie die späteren 3 m D., und die Filterleitungen haben 800 mm D. In die Brunnenwandungen sind konische Gülsröhre zum Anschlüsse an innerhalb derselben eingebaute Schieber (Fig. 5) eingesetzt Dadurch können fertiggestellte Filterrohrstrecken zwischen zwei Brunnen sofort in Betrieb genommen werden, und weitere Verlegungsarbeiten sind ohne

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Filterleitungen verlegt. In dieser Zeit soll nach K i e s e n d a h l s Aussage die Benutzung von Stichrohrwasser für Brunnen I ebenso häufig wie im folgenden Jahre stattgefunden haben. 15. Im Jahre 1901 ist an Stelle der Maschinen I und I I die Maschine X (300 Sek.-1) gekommen. Für diese ist im Brunnen I I ähnlich wie für Maschine I X (Fig. 6) ein Saugwindkessel aufgestellt, von dem ein Saugerohr von 700 mm D. in

Schematische

Darstellung

der Station bei

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• • (Gtlsertkirchen St., Wattenscheid Jf.u.Ld., Schalte, Bismarck, Ueckendorf, Wanne, Eickel)

Pror.

eine quantitative Störung der bereits benutzten auszuführen möglich. Während dieser Bauarbeiten wurde zeitweise Stichrohrwasser in Brunnen I eingelassen. 12. Im Jahre 1898 ist die Zwillingsmaschine I X (300 Sek.-l) aufgestellt Ob der Brunnen V vor dem Maschinenhause dafür neu angelegt oder ob dieser identisch mit dem alten Brunnen 4 ist, weils ich nicht Zu einem darin aufgestellten Saugewindkessel (Fig. 6) führen die beiden Saugeleitungen dieser Maschine. Von dessen Boden geht ein Saugerohr von 700 mm D. in diesen Brunnen hinunter und ein zweites gleichgroßes Saugerohr führt zu Brunnen III. 13. Im Jahre 1899 wurden die Sickerleitungen auf dem westlichen Teile des rechten Ruhrufers gereinigt und auch verlängert, um ihre Lieferung zu erhöhen. Während dieser Zeit wurde vorübergehend auch Wasser durch das Stichrohr in den Brunnen I eingelassen. 14. Im Jahre 1900 wurde auf dem linken Ruhrufer der Brunnen X I hergestellt, und gleichzeitig sind hier 140 m neue

fttm/t*

Brunnen I I hinunterreicht, und ein gleichgroßes 27 m langes Saugerohr führt von hier in Brunnen H L 16. In demselben Jahre wurden die Filteranlagen am linken Ruhrtifer durch 750 lfd. m neue Filterrohre mit 6 Brunnen fertiggestellt. Am 16. Juli sind bereits 200 m Filterrohre und die Brunnen XII, X I I I und X I V und am 27. August 400 m Filterrohre und die Brunnen X V und X V I in Betrieb genommen. Endlich ist am 9. September durch die Herstellung von 150 m Filterrohren und von Brunnen X V I I die ganze Anlage fertig in Benutzung gekommen. Anfangs September mufste jedoch schon, weil der Wasserabfluß durch die Filterleitung zwischen den Brunnen V I I und I X sich als ungenügend erwies, dieser durch ein provisorisch angelegtes Heberohr zwischen Brunnen I X und V I I unterstützt worden. Zu dem gleichen Zweck wurde im Oktober 1901 neben dem Brunnen X I V eine Zentrifugalpumpe aufgestellt, und von hier wurde das Wasser auch noch anfangs 1902 direkt nach Brunnen V I I durch eine Druckleitung von 600 mm D. überführt.

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Die Gerichtsverhandlungen über die Gelsenkirchener Typhusepidemie im J a h r e 1901.

17. Die Benutzung des Stichrohres für den Brunnen I ist am 25. September 1901 durch Zerstörung seiner Verbindung mit dem Brunnen I dauernd unmöglich gemacht, und am 17. Oktober 1901 ist das Rohr vollständig beseitigt. Im Frühjahr 1902 wurde auch das Zubringerrohr für die Sickerleitung an der Ruhr durchgehauen und das Rohr selbst zugemauert. Im Anfang des Jahres 1902 wurde die zweite Dükerleitung von Brunnen IX nach Brunnen XXIII verlegt. 18. Über die später ausgeführten ferneren Wassererschliefsungen am rechten Ruhrufer ist nach den H o l z sehen Gutachten in diesem Abschnitte unter 6 berichtet. B. Die Druckleitungen der Maschinen und die Hochbehälter mit den Fallrohrleitungen.

Für die erste Anlage hat eine Druckleitung von 314 mm D., und der bei Leythe erbaute Erdbehälter von 2000 cbm Inhalt gedient. Letzterer ist 1876 durch eine 800 cbm haltende fernere Abteilung vergröfsert. Aus diesem Behälter erfolgte bis Anfang 1900 die Abgabe des Wassers für G e l s e n k i r c h e n St. und Lid. etc., während direkt aus der Druckleitung damals

Brunnenl. Filterbrunnen.

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H g . 4.

Flg. 6.

und auch heute noch die Ortschaften K ö n i g s t e e l e , F r e i s e n b r u c h , E i b e r g , H o r s t und die Zeche Eintracht Tiefbau das Wasser erhalten. 1876 ist eine zweite Druckleitung von 400 mm D. vom Maschinenhause zu dem Erdbehälter verlegt. Im Jahre 1880 ist von der Druckleitung von 314 mm D. eine Leitung von 400 mm D. nach K r a y abgezweigt, und als sich 1887 auch für A l t e n e s s e n und B o r b e c k Konsumenten meldeten, ist von letzterer Leitung ferner eine solche von 400 mm D. für dieses Gebiet über Frillendorf abgezweigt. Zugleich ist die erstere durch eine neue Leitung von 400 mm D. direkt mit dem Erdbehälter verbunden. Eine seit 1893 in Betrieb gekommene dritte Druckleitung von 700 mm für den Erdbehälter liefs es zu, für diesen auf die Druckleitung von 314 mm D. zu verzichten, und der Schlufs des Schiebers zwischen den nach K r a y und nach A l t e n e s s e n führenden Leitungen gestattete, durch Drosseln eines Schiebers in der Druckleitung von 314 mm D. den Druck für das höher liegende Gebiet in A l t e n e s s e n entsprechend zu steigern. Im Jahre 1895 ging man dazu über, in Frillendorf einen eisernen Hochbehälter von 800 cbm Inhalt für dieses Versorgungsgebiet zu erbauen, dessen Wasserspiegel 20 m höher als der des Erdbehälters hegt. Dieser neue Behälter ist mit der Leitung nach A l t e n e s s e n von 400mm D. verbunden. Später ist noch ein zweites Fallrohr von 500 mm D. von diesem Behälter für das von ihm einheitlich mit K ö n i g s t e e l e etc. unter gleichem Drucke versorgte Gebiet verlegt. Die Verbindungsleitung von 400 mm D. zwischen den Versorgungsgebieten von Leythe und von Frillendorf ist später stet» geschlossen gehalten, und die beiden kleinen Druckleitungen dienten nur noch für den Frillendorfer Behälter. Auch für einen Teil des aus dem Leyther Erdbehälter versorgten Versorgungsgebietes reichte dessen Druck Ende

der 90 er Jahre nicht mehr aus, und das führte 1899 dazu, neben dem Erdbehälter auch für das von Leythe aus versorgte Gebiet einen eisernen Hochbehälter von 1200 cbm Inhalt in 6 m gröfserer Wasserhöhe, als sie der Erdbehälter hat, zu erbauen. Gleichzeitig wurde nach dort eine vierte Druckleitung, die mit 1000 mm D. an der Pumpstation beginnt und dann mit 700 mm D. fortgesetzt ist, in Angriff genommen. Auiser der bereits von Leythe abgehenden Fallrohrleitung von 600 mm D. ist später noch ein zweites Fallrohr von 700 mm D. von hier aus verlegt. Nach S c h m i t t s Projekte sollte der neue Hochbehälter Leythe nur den Teil des Leyther Abgabegebietes versorgen, der bislang unter einem nicht mehr genügenden Drucke gestanden hatte, so dafs für die Versorgung von Leythe aus zwei getrennte Druckzonen entstanden wären. Die neue Direktion, unter welcher im Laufe des Jahres 1900 diese Neüanlagen in Betrieb gekommen sind, änderte die Ausführung resp. Benutzung aber in der Weise, dafs sie die einheitliche Abgabe für das ganze Leyther Gebiet beibehielt. Diese hat von Frühjahr 1901 ab an den Wochentagen unter dem Drucke des Hochbehälters stattgefunden. An den Sonntagen jedoch wurde, Um infolge des geringeren Konsums keinen zu hohen Leitungsdruck zu erhalten und nicht unter Wasserverlusten und Rohrbrüchen zu leiden, durch entsprechende Schieberstellungen der Erdbehälter Leythe mit 20 m geringerem Druck eingeschaltet. Schon am 17. August 1901 veranlafste jedoch die Lästigkeit dieses häufigen Wechsels in den Schieberstellungen auf den verminderten Sonntagsdruck und damit auf die periodische Benutzung des Erdbehälters zu verzichten, und seitdem steht das ganze Fallrohrnetz Leythe konstant unter dem hohen Drucke des Hochbehälters. Nur etwa nötige Reinigungen des Hochbehälters veranlassen, vorübergehend den sonst nicht mehr benutzten Erdbehälter einzuschalten und sich während dieser Zeit mit dem geringen Leitungsdrucke zu begnügen. In der kritischen Zeit wurden die beiden Druckleitungen von 700 mm D. für die Leyther Behälter durch die Maschinen VIII, IX und X aus Brunnen H I versorgte; teilweise diente für Maschine X auch der Brunnen II, und Maschine VII wurde ganz aus Brunnen IV, der mit Brunnen n durch das Heberrohr verbunden war, gespeist. Die Druckleitungen von 314 mm und 400 mm für den Frillendorfer Behälter etc. erhielten das Wasser durch die Maschinen VI und III aus den Brunnen II und IV; denn die gleichfalls für dort bestimmten Maschinen IV und V, die aus Brunnen III schöpften, haben während dieser Zeit nur wenige Stunden gearbeitet. 5. Das Wassergeschäft 1873 bis 1902. Die graphische Darstellung (Fig. 7) der durchschnittlichen Tagesabgabe in jedem der 30 Jahre von 1873 bis 1902 durch die beiden Gesellschaftswerke bei Steele und bei Witten zusammen und für die Station bei Steele allein, sowie ferner für die 16 Jahre von 1887 bis 1902 für die Station bei Witten allein und endlich die Maximaltagesabgabe für beide Stationen zusammen für die 10 Jahre von 1893 bis 1902 geben ein Bild von der ungeheuren und in immer zunehmendem Verhältnisse wachsenden Wasserlieferung der Gesellschaftswerke und damit vor der Ausdehnung ihres Versorgungsgebietes. Im Jahre 1902 ist 30 mal mehr Wasser im ganzen und 18 mal mehr Wasser durch die Station bei Steele allein gefördert als im Jahre 1873, also 30 Jahre früher. Von 1888 ab bis 1902, also in 15 Jahren ist die Förderung im ganzen auf das 4fache, die von der Station bei Steele auf das 3,3 fache und die von der Station bei Witten auf das 6 fache gestiegen. Für beide Stationen hat sich nach nachstehender Tabelle in der 15 jährigen Periode von 1888 bis 1902 die Zahl der versorgten Personen verdreifacht. Die Zahl der Anschlüsse

Die Gerichtsverhandlungen über die Gelsenkirchener Typhusepidemie im Jahre 1901. ist auf das 6,4 fache, die Zahl der Wassermesser auf das 8,9 fache und die Länge der Rohrleitungen auf das 3,7 fache gestiegen. Die Pumpenleistung betrug nach dem vorstehenden Teile 4 unter A im Jahre 1872 im ganzen 70 Sek.-l, 1888 360 Sek.-l und 1900 1390 Sek.-1. Sie hat sich also in den ersten 17 Jahren verfünffacht und in den folgenden 13 Jahren fast vervierfacht, sowie in den 31 Jahren fast verzwanzigfacht. Dafs Werke, welche in solchem Mafse in wenigen Jahren ihre Absatzmengen vergröfsern und daher fortlaufend ihre Anlagen zu erweitern gezwungen sind, letztere aus pekuniären Gründen einzuschränken bemüht sein könnten, ist nicht anzunehmen. Sollten sie trotzdem zeitweise mit ihren Wasserbezugsquellen in Rückstand geraten, so mufs die Ursache dafür in anderen inneren oder äufseren Verhältnissen gesucht werden. Für die Pumpstation bei Steele geben die drei letzten Kolumnen obiger Tabelle die mittlere jährliche Fördermenge in Sek.-l und deren Zunahme gegen jedes Vorjahr im ganzen und in Prozenten für die Jahre 1888 bis 1902 an. Es zeigt sich hier ein aufserordentliches Wachsen für die Periode 1891/92 und für die Periode 1894/96. In beiden Fällen war es nach den Angaben dieses Abschnitts unter 4 A nötig, Stichrohrwasser zur Aushilfe zu benutzen. Gleiches war in der Periode 1900/01 der Fall. Das erklärt sich daraus, dafs in der Periode 1896/99 die Zunahme 52 Sek.-l und in der Periode 1899/1902 160 Sek.-l oder mehr als das Dreifache der vorhergegangenen Periode betragen hat. Können für ein solches Geschäft auch einmal unvorherzusehende Ursachen die Zuflufsmenge der Quellen vermindern, auf die man bei Annahme neuer Konsumenten glaubte sicher rechnen zu können, so hat doch auch ohne eine solche Verminderung und ohne neue Konsumenten die Fördcrmenge nach 1899 sich durch die Einführung des erhöhten Drucks für das von Leythe aus versorgte Gebiet wesentlich erhöhen müssen; das konnte die Wasserwerksleitung aber aufschieben, bis sie ihre neuen Wassererschliefsungen durchgeführt hatte. Verteilt man die mittlere Tagesabgabe im Jahre 1888 von 23658 cbm und im Jahre 1902 von 94817 cbm auf die Zahl der versorgten Bewohner, so erhält man 1181 resp. 1581 pro Tag und Kopf. Rechnet man davon 75% als für industrielle Zwecke benutzt, so bleiben pro Kopf und Tag der angeschlossenen Bevölkerung 30 bis 40 1 übrig, gewifs eine ausreichende Wassermenge für die dortigen Bedürfnisse. Da für die Ausdehnung der Anlagen überwiegend der Wassergebrauch für industrielle Zwecke bestimmend gewesen ist, so betragen trotz der grofsen Entfernung der für das Wasser einzig erreichbaren Quelle, der Ruhr, von den Wohnstätten der Konsumenten die Anlagekosten der Werke doch nur ca. M. 20 pro Bewohner. Dabei beträgt das Wassergeld pro Kopf bei 10 Pf. pro cbm und 35 1 pro Tag nur M. 1,30 im Jahr, also für eine Familie nur etwa M. 4 bis 6; das ist gewifs ein sehr mäfsiger Preis. Wenn die in der Anklageschrift mitgeteilten Dividendenzahlungen an die Aktionäre das Unternehmen als ein sehr rentables Geschäft erscheinen lassen, das finanziell ganz anders als ein Gemeindebetrieb abschlielsen mufs, so würden die dortigen Konsumenten doch schwerlich auf einem anderen Wege das Wasser billiger erhalten können. Zu der Zeit, als die Gesellschaftswerke entstanden sind, hätte sich gewifs keine der heute versorgten Gemeinden in die Kosten für die Herstellung einer eigenen Anlage gestürzt. Auch die erste dortige Gesellschaft konnte nicht ahnen, zu welch aufserordentlicher Ausdehnung ihr Geschäft durch die Intelligenz ihres späteren Leiters berufen war. Nur das schrittweise Heranziehen der industriellen Unternehmungen als Konsumenten in dem immer weiter wachsenden Gebiete liefs auch das der Bewohner desselben ermöglichen, und zwar auf Grund eines Tarifs, der hier unter anderen Verhältnissen gar nicht denkbar gewesen wäre. Die spätere Prosperität des Geschäfts läfst es leicht erklären, wenn manche Gemeindevorstände

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darin eine ihnen entgangene Erwerbsquelle vermutet und die Gesellschaft um so mehr mit ungünstigen Augen angesehen hätten, weil sie sich auf Grund langjähriger Verträge vielfach das Monopol zu sichern gewufst hat. Nicht überraschen würde es, wenn hier Klagen der Konsumenten über Wasser-

Jahr

S t a t i o n e n b e i Ste ele u n d bei W i t t e n Vorhandene Anschlüsse Länge der im mit ohne RohrleiOrte Personen ganzen Messern Messer tungen m

1888 1889 1890 1891 1892 1893 1894 1895 1896 1897 1898 1899 1900 1901 1902

Versorgte

200 000 221000 236 000 248 000 265 000 280 000 305 000 350 000 350000 573 000 573 000 600 000 600 000 600 000 600 000

? ? ? ? ?

61 66 70 70 91 91 91 91 91 91

1800 2047 2635 3068 3729 4175 4615 5083 5730 6410 7350 8000 9000 10500 11500

1200 1410 1712 1854 1990 2386 2725 3202 3872 4786 5775 6373 7486 9382 10679

606 637 623 1414 1739 1789 1891 1881 1858 1624 1575 1627 1514 1118 821

Station bei S t e e l e Ab- Zunahme geg. gabe i. das Vorjahr Sek.-l Sek.-l in »/„

180000 198 000 217 550 256 740 275 090 286 730 313 220 348 670 377 510 459 280 497 430 533 310 580 830 639 530 674 920

199 208 225 265 307 325 356 399 458 472 488 510 558 604 650

.

4,5 8,0 17,7 12,8 5,9 9,5 12,1 14,8 3,1 3,4 4,5 9,0 8,2 7,6

9 17 40 42 18 31 43 59 14 16 22 48 46 46

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Fig. 7.

qualität, die ja an allen Orten vorkommen, bei den Ortsvorständen ein williges Ohr gefunden hätten, was aber nach den Verhandlungen kaum in begründeter Weise der Fall gewesen zu sein scheint. Dafs es der Gesellschaft bei ihrem Betriebe mehr auf das Herausschlagen hoher Dividenden und weniger auf die Erfüllung der hygienischen Forderungen als Gemeinden bei ihren eigenen Anlagen angekommen sein soll,

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D i e G e r i c h t s v e r h a n d l u n g e n ü b e r d i e G e l s e n k i r c h e n e r T y p h u s e p i d e m i e i m Jahre 1901.

dürfte nach den Verhandlungen jetzt auch kaum noch v o n S p r i n g f e l d angenommen werden. 6 . Die V e r t e i l u n g d e s S t i c h r o h r w a s s e r s n a c h d e n verschiedenen Distrikten. Nachdem in ¡dem Stichrohrwasser die Ursache der Epidemie festgestellt erschien, wurden verschiedene Vermutungen über dessen Menge laut, für welche jedoch die damals völlig veränderten Zustände auf der Pumpstation einen Anhalt u m so weniger liefern k o n n t e n , weil man auch weiter zu wissen wünschte, ob u n d in welchen Mengen das Stichrohrwasser in die beiden verschiedenen Versorgungszonen Leythe und Frillendorf gelangt sein könnte. Diese Schwierigkeit wurde durch die Zweifel, ob die früher erwähnten Schieber X und Y während der kritischen Zeit offen oder geschlossen gewesen waren, noch vermehrt. Die v o n Professor H o l z in der ersten Periode der Verhandlungen geäufserte Möglichkeit der Lösung dieser Frage durch eingehendere Untersuchungen auf der Pumpstation in deren heutigem Zustande nähertreten zu können, veranlalste am 15. Juli 1904 den Gerichtshof, zu beschließen, ein schriftliches Gutachten darüber durch H o l z ausarbeiten zu lassen, worüber im Abschnitte I V unter 2 das Weitere mitgeteilt ist. Die Verhandlungen wurden deshalb auf vier Monate bis zum 14. November vertagt, und am 20. Oktober 1904 hat H o l z das verlangte Gutachten eingereicht, welches die schon im voraus sehr schwachen Hoffnungen der technischen Sachverständigen nur in geringem Malse befriedigte. Trotzdem ist es jedenfalls eine hochinteressante Arbeit, die ihre rechnerischen Schlüsse freilich nur auf gröistenteils nicht zweifelsfreien oder nicht näher zu erweisenden Annahmen aufbauen mutete. Die Arbeit selbst zerfüllt in vier verschiedene Teile. I m e r s t e n T e i l e hat H o l z das Quantum des zugeflossenen Stichrohrwassers berechnet. I m z w e i t e n T e i l e hat er für das Werk in dem Zustande von 1904 dessen Wasserzuflüsse aus den verschiedenen Saugfeldern ermittelt und deren Verteilung in die Schöpfbrunnen und zu den Maschinen resp. nach ihren Vereorgungsgebieten berechnet. I m d r i t t e n T e i l e hat er gleiches für den Zustand i m Jahre 1901 auf Grund der Ermittlungen im zweiten Teile versucht, und im v i e r t e n T e i l e hat er endlich für verschiedene Stellungen der SchieberX und Y die Stichrohrwassermenge, welche nach Leythe und nach Frillendorf überhaupt und prozentual v o n dem ganzen nach jeder der beiden Stellen in der kritischen Zeit gelangten Wassermenge gekommen ist, durch Rechnung festgestellt. I m nachfolgenden gebe ich einen Auszug aus diesem sehr umfangreichen u n d mit einer grofsen Zahl schematischer Zeichnungen ausgestatteten Gutachten. A. Stichrohrwassermenge. Für seine Berechnungen hat H o l z die Zahlen der Betriebstabellen des Werkes vom 16. J a n i bis 11. November 1901 in drei Perioden geteilt: P e r i o d e 1 von 5 Wochen bis zum 21. Juli, dem Tage der ersten Einlassung von Wasser aus den Neuanlagen von 1901 am linken Ufer in Brunnen III; P e r i o d e II von 10 Wochen bis zum 29. September, dem Tage der Beseitigung des Stichrohrs; P e r i o d e i i i von 5 Wochen (nach Ausschaltung derZeit vom 7. bis 18. Oktober wegen Hochwasser der Kühr) bis zum 14. November. Für die Berechnung von Mittelzahlen sind die Zahlen in der Periode H doppelt in Rechnung gestellt. Aus seinen Zusammenstellungen fand er als mittlere Tagesmenge des geförderten Wassers f ü r jede Periode: Periode I > II > m im Mittel

Wochentags

Sonntags

Differenz

60000 cbm 62000 » 59000 > 60750 »

42000 cbm 45000 » 44000 » 44000 .

18000 cbm 17000 » 15000 » 16750 »

und als Mafee für die Wasserstande: Periode Ruhr Br. III Wochent. dgl. Sonnt. Wochent. ab Ruhr. dgl. ab Sonnt.

I II . III i. Mittel

1,24+« 1,26 » 1,09 » 1,21 .

4,54+0 4,01 » 4,63 > 4,30 »

3,47 + 0 3,28 » 3,53 » 3,39 i

3,30 2,75 3,54 3,10

m > » >

1,07 0,73 1,10 0,91

m » » »

Aus der mittleren Differenz der Wassermenge und der Absenkung von Werktag und Sonntag von 16750 cbm und 0,91 m berechnete er für eine Absenkung von 1,0 m eine Wassermenge von 18400 cbm unter Annahme der Proportionalität beider Mittelwerte. Die Prüfung und Vergleichung dieser Zahl mit verschiedenen anderen Absenkungen und Was9ermengen nach obigen Zahlen führten ihn schlieislich zur Annahme von 13000 cbm als tagliche Werktagslieferung des Stichrohrs im Sommer 1901. Er hielt diesen Wert auch für tatsächlich glaubwürdig, weil seine Berechnung für das offene glattwandige Stichrohr von 314 mm D. und 10 m Länge und das 20 m lange Filterrohr von 800 mm D. bei 3,0 m Absenkung des Brunnen II gegenüber der Ruhr, wie er sie als zur Zeit seiner Benutzung als vorhanden gewesen ermittelt haben wollte, als Tagesmenge 32000 cbm ergeben hat. Aus obiger Menge von 13 000 cbm berechnete er dann weiter unter der Annahme, dafs 550/0 der Förderung von 24 Stunden auf die 12 Tagesstunden entfallen, als S t i c h r o h r l e i s t u n g 162 8ek.-l. B. Wasserverteilung im Jahre 1904. Schon 1902 hatte die Gesellschaft stromaufwärts am rechten Flufsufer eine Fläche von 65 Morgen Gröfse, von H o l z das Saugefeld B genannt, angekauft und hier, nachdem der Eibergbach kanalisiert war, Wassererschliefsungen ausgeführt, welche auf Fig. 467 der schematischen Darstellung im Jahre 1901 punktiert angedeutet sind, während die dortige Skizze vom Jahre 1904 den Zustand des Werkes nach den bis dahin erfolgten Änderungen an den Schöpfbrunnen und Saugeleitungen in Verbindung mit der Zuführung des neuerschlossenen Wassers andeutet Es sind hier zwischen den Brunnen V und II zwei neue Brunnen XXIV und XXV hergestellt. Diese beiden, sowie der Brunnen II haben Zuleitungen vom Brunnen X X I I I des Saugefeldes B erhalten. In Brunnen III mündet die Dükerleitung I vom linken Ufer, welches er das Saugefeld C nennt. Endlich hat er auch für 1904 noch als Saugefeld A die frühere Sickerleitung mit dem Brunnen IV mit in Rechnung gezogen, trotzdem schon 1902 dessen Zubringerrohr zerstört war. Von den sechs Brunnen vor dem Maschinenhause (wenn man vom Brunnen VI absieht) waren 1904 durch Heberleitungen miteinander verbunden: Brunnen V durch die Leitung a mit IV, durch b mit III, durch c mit XXIV; ferner Brunnen XXIV durch d mit III, durch e mit X X V und letzterer durch f mit II. Die drei alten, ca. 3 m höher als die neuen liegenden Maschinen III, IV und V hat H o l z bei seiner Berechnung nicht berücksichtigt; sie werden wohl, wenn sie überall noch vorhanden sind, kaum mehr benutzt worden sein. Von den übrigen Maschinen haben 1904 die Maschinen VHI und I X aus Brunnen V,. die Maschinen VI und VII aus Brunnen XXIV und die Maschine X aus Brunnen II das Wasser entnommen. Bei den von H o l z am 23. Juli vorgenommenen Versuchen haben die fünf Maschinen geliefert: Maschine VHI 153 Sek.-I und Maschine I X 287 Sek.-1, beide zusammen 440 Sek.-l aus Brunnen V; Maschine VI 148 Sek.-l und Maschine VII 150 Sek.-l, beide zusammen 298 Sek.-l aus Brunnen XXIV, und Maschine X 292 Sek.-l aus Brunnen II. Durch alle fünf Maschinen sind also zusammen 1030 Sek.-1 gefördert. Bei diesen Versuchen sind die Druckdifferenzen in den verschiedenen in der folgenden Tabelle mit a bis f bezeichneten Verbindungsleitungen zwischen den verschiedenen Brunnen durch Beobachtungen ermittelt. Durch Rechnung sind dementsprechend dann die DurchlaCsmengen in Sek.-l in jeder Leitung aus Länge, Durchmesser und Gefälle festgestellt, wie sie die vorletzte Kolumne der nachstehenden Tabelle angibt. Die berechneten Tabellenwerte für die Durchlafsmengen von a + b + c ergeben als berechneten Zuflufs zu Brunnen V 599 Sek.-l, während die Maschinen VHI und I X nur 440 Sek.-l oder 7 1 % davon daraus schöpften. Weil H o l z hiernach die berechneten DurchlaTsmengen zu hoch erschienen, so hat er sie sämtlich auf

Die Gerichtsverhandlungen über die Gelsenkirchener Typhusepidemie im Jahre 1901. des Verbindungsweges Leitung m mm Länge D.

a b c d

e f

15 37 30 10 11 12

400 700 800 1000 1000 800

Bewegungsrichtung von nach Brunnen Brunnen

IV HI XXIV III XXV II

V V V XXIV XXIV XXV

Zwlsch. Sek.-l Durchbeiden lafsmenge Brunn. Gefälle berech- korrimm net giert

48 38 32 6 7 8

89 221 289 240 255 134

65 162 213 176 187 98

71 °/o dieses Wertes reduziert, und dieBe korrigierten Mengen der letzten Kolumne sind von ihm für seine weiteren Berechnungen benutzt. Ich bemerke hier noch, dais dadurch fttr das 1904 gewiTs sehr reduzierte Saugefeld A noch 65 Sek.-l oder 5600 Tages-cbm angenommen sind. Nach den korrigierten Werten erhalt nunmehr Brunnen V aufser 65 Sek.-1 durch a aus Brunnen IV femer 162 Sek.-l durch b aus Brunnen III und 213 Sek.-l durch c aus Brunnen XXIV. Aus Brunnen III fliefeen auiser durch b 162 Sek.-l ferner durch d 176 Sek.-1 ab, so dafs das Saugefeld C im ganzen hiernach nur 338 Sek.-l liefert. Der Brunnen XXIV hat aber 298 Sefc-1 für die Maschinen VI nnd VII abzugeben und ferner 213 8ek.-l nach Brunnen V zu liefern, also zusammen 511 Sek.-l. Dabei erhalt er nur 176 Sek.-l aus Brunnen I I I , so dafs ihm noch 335 Sek.-l fehlen. Hiervon werden ihm 187 Sek.-l von Brunnen X X V geliefert und den Rest von 184 Sek.-l mufs er aus dem Saugefelde B direkt erhalten. Dem Brunnen XXV fliefsen aus Brunnen II nur 98 Sek.-l zu; weil er 187 Sek.-l an Brunnen XXIV abgeben mufs, so mufs ihm das Saugefeld B ferner 89 Sek.-l direkt liefern. Der Brunnen II soll 292 Sek.-l für Maschine X abgeben; aufserdem hat er noch 98 Sek.-l an Brunnen XXV abzugeben; er mufs also aus dem Saugefelde B direkt 390 Sek.-l erhalten. Dazu die 89 Sek.-l für Brunnen XXV und die 148 Sek.-l für Brunnen XXIV gerechnet, erhalt man 627 Sek.-l als Lieferung des Saugefeldes B. Es stellt sich somit die gesamte Lieferung für das Feld A auf 65 Sek.-l, für das Feld B auf 627 Sek.-l und für das Feld C auf 338 Sek.-l oder zusammen auf 1030 Sek.-l, übereinstimmend mit der Lieferung der fünf Maschinen. Auf dem Felde C befanden sich bereits 1901 im ganzen 1420 lfd. m Filterrohre von 800 mm Durchmesser und 11 Brunnen für die Wassererschliefsung. Von den -Bohren liegen 620 lfd. m am Kuhrufer entlang und 800 lfd. m davon liegen weiter landeinwärts. Für das Feld B sind 8 Brunnen hergestellt und 580 lfd. m Filterrohre sämtlich am Ufer entlang verlegt, welche zwar etwas weiter als erstere vom Ufer ab liegen, aber Durchmesser von 1000 mm und von 1200 mm haben, so dafs H o l z ihre Lieferung pro lfd. m gleich der auf dem Felde C annimmt, während er für die 800 lfd. m auf letzterem Felde, welche weiter landeinwärts liegen, nur die Hälfte der ersteren als Lieferung pro lfd. m annimmt, so dafs er sie gleichwertig mit 400 lfd. m der anderen Bohrart in Rechnung setzt. Für den Gesamteffekt in den Feldern B und C, der (338 + 627) Sek.-l oder 965 Sek.-l betragen soll, setzt er daher (580 + 620 + 400) lfd. m oder 1600 lfd. m Uferrohre in Rechnung und erhält damit als Lieferung pro lfd. m dieser Rohre 0,6 Sek.-l und sonach pro lfd. m der landeinwärts liegenden Rohre 0,3 Sek.-l. Die ganze Lieferung des Feldes B beträgt hiernach 350 Sek.-l und die des Feldes C 615 Sek.-l. Nach der obigen Berechnung von H o l z hat der Düker I in den Brunnen H I 338 Sek.-l geliefert; es müssen also am 28. Juli 1904 616 weniger 338 oder 277 Sek.-l durch den Düker H in den Brunnen X X I I I geflossen sein, damit das Abflufsrohr von Brunnen XXIII zum Maschinenhause 350 + 277 Sek.-l oder 627 Sek.-l liefern, konnte. Diese ganze Betrachtung ist, wenn sie auch von zweifelhaftem praktischen Werte ist, jedenfalls durch ihre Eigenartigkeit technisch sehr interessant. C. Wasservertellung vom Jahre 1901. Aus den Betriebszahlen der Monate August und September hat H o l z - als mittlere Werktagsförderung in 12 Tagesstunden 33500 cbm oder 776 Sek.-l berechnet. Hat davon nach seiner früheren Annahme das Stichrohr bis zum 29. September 162 Sek.-l oder 2 2 % geliefert, so müssen die übrigen 614 Sek.-l oder 79°/,, filtriertes Ruhrwasser gewesen sein.

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Nach dem 29. September, also nach Beseitigung der Möglichkeit eines Zuflusses von Stichrohrwasser hat H o l z unter A fttr die Bich anschliefsenden fünf Wochen als mittlere tägliche Werktagsabgabe 59000 cbm oder 683 Sek.-l aus den Betriebszahlen ermittelt. Bei seiner früheren Annahme des 12 stündigen Verbrauchs zu 55 % vom Tagesverbrauche entsprächen den 59000 cbm 32500 cbm oder 752 Sek.-l in den 12 Tagesstunden, so dafs er daher 69 Sek.-l zu wenig für diese Zeit in Rechnung gesetzt hat. Als Herkunftstelle für das filtrierte Ruhrwasser vor und nach dem 29. September rechnet er ebenso wie für 1904 wieder das Saugefeld A mit 65 Sek.-l und nimmt ferner für die 1901 noch in Benutzung gewesene Filterleitung des Brunnens II ein Saugefeld D an, welches damals nach seiner Annahme 42 Sek.-1 oder 3 630 Tages-cbm geliefert haben soll. Dieses Feld hatte im Jahre 1888 noch ca. 200 Sek.-1 geliefert, und der Grund der raschen Verstopfung liegt für diese Filterleitung gewifs nicht in ähnlichem Umfange wie für die Sickerrohrleitung vor. Ich glaube daher, dafs er das Saugefeld D für 1901 mit einer Lieferung von 150 Sek.-l ausreichend reduziert haben würde. Damit fiele freilich die gleichzeitige S t i c h r o h r w a s s e r m e n g e a u f 54 S e k . - l oder 4650 Tages-cbm, also auf den dritten Teil der von ihm dafür berechneten Menge von 162 Sek.-l. Ich bin der Ansicht, dafs unter Festhalten seiner sonstigen Annahmen meine Herleitung des Stichrohrwasserquantums mehr Wahrscheinlichkeit bietet und glaubwürdiger ist, als die H o l z sehe Berechnung. Der Wasserzuflufs wahrend der kritischen Zeit durch die Saugefelder A und B (nach H o l z 107 Sek.-l, nach mir 315 Sek.-l) und durch das Stichrohr (nach H o l z 162 Sek.-l, nach mir 54 Sek.-1) betrug bis zum 29. September (nach beiden Annahmen) 269 Sek.-l, und bei 776 Sek.-1 Verbrauch waren daher durch das Dükerrohr I vom Felde C 507 Sek.-l zuzuführen; dies macht gegenüber 1904, wo 338 Sek.-l von H o l z als Zuflufs ermittelt sind, 150% aus. Nach dem 29. September, also nach beseitigtem Stichrohre, entfielen als Lieferung auf das rechte Ufer-nur 107 Sek.-l nach H o l z und 315 Sek.-l nach mir. Bei der Holzschen Annahme von 683 Sek.-l Verbrauch hatte also der Düker I zu liefern nach H o l z 576 Sek.-1 und nach mir 368 Sek.-l oder 170% resp. 101% gegenüber dem Jahre 1904 von 334 Sek.-l. Bei meiner Annahme von 752 Sek.-l Abgabe entfielen aber auf den Düker I nach H o l z 645 Sek.-I und nach mir 437. Sek.-l oder 190% resp. 129»/, gegenüber dem Jahre 1904. Die Arbeiten, welche im Jahre 1901 auf dem Saugefelde zur Ergänzung nötig wurden, nämlich die Herstellung der Heberleitung zwischen Brunnen VII und I X und der Druckleitung mit Pumpwerk zwischen Brunnen VII und XIV, sowie im Jahre 1902 die schleunige Herstellung eines zweiten Dttkers beweisen die Notlage im Jahre 1901. unter einer jeden der vorstehend besprochenen Möglichkeiten. D. Die Verteilung des Stichrohrwassers. Zur Ermittlung des Verteilungsverhältnisses des Stichrohrwassers hat H o l z auf die Berücksichtigung der Förderung in den Tagesstunden verzichtet und dafür den 24 stündigen Konsum von 67 000 cbm oder 776 Sek.-l aus den Betriebszahlen in der 61 tägigen Zeit deB August und September 1901 nach zwei gleiches leistenden verschiedenen Betriebsformen der Maschinen zusammengestellt, nämlich: B e t r i e b s f o r m I, in der gearbeitet haben: Maschine X mit 331 Sek.-l, IX mit 299 Sek.-l und VI mit 164 Sek.-l während 21 Tagen oder 34,4% der Zeit, und B e t r i e b s f o r m II, in der gearbeitet haben: Maschine X mit 331 SekM, VIII mit 158 Sek.-1, VII mit 141 Sek.-I und VI mit 146 Sek.-l während 13 Tagen oder 21,3% der Zeit. Bei jeder dieser Betriebsformen sind nach Frillendorf 146 Sek. und nach Leythe 630 Sek.-l gefördert. Für jede von ihnen wurde von H o l z das Verhältnis von filtriertem und unfiltriertem Wasser, das in die Saugebrunnen geflossen und, von den Maschinen gepumpt, nach den beiden verschiedenen Abgabepunkten gelangt ist — allerdings mehr durch Probieren als durch Berechnen, weil dafür als Unterlage ja die resp. Brunnenwasseratände fehlten — zu ermitteln gesucht, und zwar in dem'Falle, dafs der Schieber X offen oder geschlossen war und in jedem dieser beiden Fälle wieder, dafs gleichzeitig der Schieber Y geschlossen oder offen war. Ganz abgesehen von der zweifelhaften Gröfoe des Zuflusses durch das Stichrohr und desjenigen aus den drei verschiedenen Saugefeldern A, B und C können die durch diese Arbeit erlangten Zahlen nur 4

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Die Gerichtsverhandlungen über die Gelsenkirchener Typhusepidemie im Jahre 1901.

einen sehr problematischen Wert beanspruchen, wenn sie auch als aufrichtiges Bemühen, die vorliegenden Fragen zu losen, gewifs anzuerkennen sind. Für den Fall, dafs der S c h i e b e r X o f f e n gewesen ist, also die Maschine VI in beiden Betriebaformen aus Brunnen III das Wasser nach Frillendorf gebracht hat, hat H o l z festgestellt, dafs w e d e r b e i o f f e n e m n o c h bei g e s c h l o s s e n e m S c h i e ber Y Stichrohrwasser nach dort gekommen ist, was übrigens von vornherein bei der grofsen Zuflufemenge des Brunnens m und seinem wahrscheinlich stets höheren Wasserspiegel als in den der Brunnen II und IV wohl für jeden Prüfer von vornherein zweifellos erscheinen mufs. Auch das O b e r g u t a c h t e n hat das ja bereits angenommen. Für den durch die beeideten Zeugenaussagen beglaubigten und auch von den technischen Sachverständigen als höchst wahrscheinlich angenommenen Fall, dafs der S c h i e b e r X während der kritischen Zeit g e s c h l o s s e n war, mufste Maschine VI aus Brunnen IV saugen. War dann in dem Heberrohre zwischen diesem Brunnen und dem Brunnen II der S c h i e b e r Y o f f e n , so mufste mehr Wasser aus Brunnen III nach Brunnen IV flieisen und daher der Brunnen IV verhältnismäfsig weniger Stichrohrwasser aus Brunnen H erhalten, als wenn der S c h i e b e r Y g e s c h l o s s e n war. Nach den Ermittelungen von H o l z hat sich für die beiden Betriebsformen ergeben für: B e t r i e b s f o r m I (ohne Maschine VII), wenn Schieber X o f f e n war und gleichgültig, ob Schieber Y offen oder zu war, dafs alles Stichrohrwasser durch Maschine X nach Leythe ging. War der S c h i e b e r X zu, BO ging solches durch Maschine X nach Leythe und durch Maschine VI nach Frillendorf, gleichgültig ob Schieber Y offen oder geschlossen war. In letzterem Falle ging jedoch ein verhältnismäßig grOfseres Quantum davon nach Frillendorf, als wenn Schieber Y offen war. B e t r i e b s f o r m II (mit Maschine VII), wenn S c h i e b e r X o f f e n war und gleichgültig, ob Schieber Y offen oder zu war, dafs alles Stichrohrwasser durch die Maschinen VII und X nach Leythe ging. War S c h i e b e r X zu, so ging bei geschlossenem Schieber Y Stichrohrwasser durch die Maschine VI nach Frillendorf und durch die Maschine VII nach Leythe; war Schieber Y aber offen, so ging solches auch ferner noch durch Maschine X nach Leythe und dann kam weniger davon nach Frillendorf. Die folgende Tabelle gibt die von H o l z für die verschiedenen Formen ermittelten Zahlenwerte: Schieber X offen Schieber Y offen Schieber Y geschlossen

Leythe . . Frillendorf Leythe . . Frillendorf

Betriebsfonn II Betriebsform I Sek.-l Sek.-1 °/0 vom °/o vom Stich- Ge- Stich- Stich- Ge- StlChrohrw. smw. rohxw. rohiw. amw. rohrw. 149 13 98 64

24 9 16 44

92 8 60 40

130 32 80 82

21 22 13 56

80 20 50 50

Trotz der angedeuteten in der Aufgabe begründeten TJnvollkommenheiten des Holzschen Gutachtens mufste bei den Nichttechnikern die Anschauung der eigentlichen Spezialtechniker über diese Frage wesentlich gefordert werden. Für den Gerichtshof, die Sachverständigen und die Verteidiger etc. war das leider dadurch erschwert, dafs H o l z in der zweiten Hälfte der Verhandlungen erkrankte, und es mnfsten am 26. November die sämtlichen Herren nach A a c h e n fahren, wo in H o l z s Wohnung eine Sitzung abgehalten wurde, in welcher er mündlich darüber vernommen und darauf beeidigt ist.

III. Tatsächliche Ermittlungen vor und in den Gerichtsverhandlungen. Dieser Abschnitt gibt in acht Teile getrennte Zusammenstellungen über die in den Voruntersuchungen und in den Gerichtsverhandlungen aus der Zeit vor, während und nach der Epidemie durch Zeugenaussagen und auf Grund anderer Quellen festgelegten Verhältnisse und Tatsachen unter Einfügen meiner persönlichen Anschauungen, aber ohne spezielles Ein-

gehen auf die im folgenden Abschnitte detailliert mitgeteilten gutachtlichen Äufserungen der Sachverständigen. Der e r s t e Teil, »das S t i c h r o h r « , bespricht die Hilfsrohre in ihrer Konzessionierung, Herstellung, Benutzung, Geheimhaltung etc. sowie das durch solche entnommene Wasser nach Menge, Qualität, Gesundheitsschädlichkeit etc. Der z w e i t e Teil, »der I n g e n i e u r S c h m i t t « , enthält Mitteilungen aus der Zeit seiner Tätigkeit auf dem Werke und deren Beurteilung sowie über seine betreffs der Epidemieursache dem Gerichte gemachten Erklärungen. Der d r i t t e Teil, »die n e u e n D i r e k t o r e n « , berichtet über die Beurteilung des Wassers in den ersten Jahren nach S c h m i t t s Abgange und die Betriebsführung etc. der neuen Leiter. Der vierte Teil, »die n e u e n Wassererschliefsungen«, bespricht die neuen Anlagen von 1900 und 1901 am linken Ruhrufer und deren möglichen Einflufs auf die Wasserqualität während der Bauzeit sowie Feststellungen betreffs des Eibergbachwassers. Der f ü n f t e Teil, »die Z e i t v o m 24. S e p t e m b e r bis 17. O k t o b e r 1901«, behandelt die während dieser Zeit erfolgte Feststellung des Epidemieursprungs und die Desinfektion des Rohmetzes. Der s e c h s t e Teil, »die Zeit v o m 17. O k t o b e r 1901 b i s 4. J u l i 1904«, führt K o c h s Erklärung des Epidemieursprungs an und berichtet verschiedenes über die Eintrittsmöglichkeiten der Typhusbazillen, die Kontaktinfektionen, die Epidemieverbreitung, den Anklageentwurf, das Obergutachten und die Anklageschrift. Der s i e b e n t e Teil, »die Z e i t vom 4. J u l i b i s 25. Nov e m b e r 1904«, führt tatsächliches aus der Beweisaufnahme in den beiden Sitzungsperioden an. Der »achte Teil, am 28. u n d 29. N o v e m b e r 1904«, bespricht den Strafantrag des Staatsanwalts und die Motivierung der Entscheidung des Gerichtehofes. I. Das Stichrohr. Wie bereite in der Beschreibung im Abschnitte II unter 3, A erwähnt ist, hat die Pumpstation bei Steele schon in den ersten Jahren ihres Betriebs ein Hilfsrohr für direktes Ruhrwasser gehabt. Für diese Anlage war eine Konzession von der Strombauverwaltung überhaupt nicht erteilt, und eine solche ist auch niemals bei dieser beantragt worden. Nach der Aussage von S t e l k e n s ist letzteres von den Ruhr Wasserwerken überall fast immer erst dann geschehen, wenn die Verwaltung nachträglich Kenntnis vom Vorhandensein derartiger Anlagen erhielt, trotzdem eine sehr groüse Zahl dieser Werke solche besafsen, die von diesen häufig in Fällen befürchteter oder eingetretener Wassernot eiligst hergestellt waren. Durch solche Konzessionen pflegte nicht nur die Durchbrechung der Ruhrufer in beantragter Weise gestattet zu werden, sondern es wurde darin auch das Maximalquantum von Wasser, welches durch die Anlage der Ruhr entnommen werden darf, festgestellt. Welchen Wert die Verwaltung gerade auf letzteren Punkt legte, beweist eine Konzession, welche Mitte der 70er Jahre der Kruppschen Guisstahlfabrik erteilt wurde, in der die Strombauverwaltung Bich das Recht zur steten Kontrolle des Wasserwerks betreffs des der Ruhr entnommenen Wasserquantums ausbedungen und auch die Anbringung von Hubzählern an den Maschinen vorgeschrieben hatte. Bestimmungen über den Verwendungszweck des Wassers sind darin aber wohl nie enthalten gewesen, wozu für die die Konzession erteilende Behörde auch gar keine Veranlassung vorliegen konnte. Dafs nichtkonzessionierte derartige Anlagen von den Werken dem die Ufer revidierenden Strombauaufseher zu entziehen gesucht wurden, ist leicht erklärlich, und dafs die

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Werke mitunter derartige, in den Flufs mündende und von bürger vor Schaden zu bewahren, oder ob auch andere Gründe dem Aufseher entdeckte Bohre als Abflulsrohre bezeichneten, dazu veranlassen, wenn nur eine rasche Abhilfe, soweit solche die dann auch geduldet wurden, beweist, dafs es der Verwal- möglich ist, dadurch angeregt wird. tung früher nur auf die Verhinderung der Wasserentnahme Hatte ein Werk bei vorübergehendem Wassermangel ausaus der Rohr ankam. Erst in der späteren Zeit hat sie auch nahmsweise einmal rohes Ruhrwasser mitbenutzt und wurden der Verhinderung der Einführung von Schmutzwasser in die dadurch vorübergehende Trübungen des Leitungswassers erRuhr eine grölsere Aufmerksamkeit geschenkt, wie das auch zeugt, so soll dieses Werk nach Ansicht des Vorsitzenden aus den Aussagen von S t e l k e n s hervorgeht. und anderer Herren stets verpflichtet gewesen sein, das den Wenn Werke, denen solche Hilfsrohre konzessioniert Abnehmern nicht zu verschweigen und in jedem Falle eine waren, diese ohne Bedenken in ihre Zeichnungen eintragen vor dem Trinken von ungekochtem Wasser warnende Bekonnten, so ist [das selbstverständlich im entgegengesetzten kanntmachung zu veranlassen. Als Beweis dafür wurde auf Falle meistens unterlassen, und auch dem Publikum gegen- das Vorgehen der Stadt E s s e n in den 90er Jahren hinüber pflegten die Werke natürlich von solchen nicht zu sprechen. gewiesen. Deren Erlasse forderten aber nicht nur auf, das Die Mündung dieser Rohre in dem Flusse ist meistens, ähn- Trinkwasser zu kochen, sondern auch mit dem Wasser überlich wie das schon 50 Jahre früher in E n g l a n d und F r a n k - haupt sparsam zu sein, und letzteres ist vielleicht die Hauptr e i c h geschehen war, mit Steinen und Kies umpackt und sache dabei gewesen. Denn dafs ersteres dadurch in gröfserem auch wohl mit einem Siebe vor seiner Mündung versehen, Umfange zu erreichen wäre, wird gew'fs kaum gehofft sein; um das Eindringen grober Unreinlichkeiten in das Rohr zu das ist ja auch in vielen anderen Städten nachgewiesen, wo vermeiden und es vor äuiseren Beschädigungen zu schützen. solche Bekanntmachungen in der Regel nur zur nutzlosen Im Flusse selbst waren solche Rohre dem Auge dadurch Beunruhigung der Konsumenten geführt haben. meistens völlig entzogen. Aber nicht der Wunsch, sie dem Haben in den Gerichtsverhandlungen selbst technische Sanitätsbeamten zu verheimlichen, wie der Vorsitzende und Sachverständige heute derartige Bekanntmachungen auch andere Herren in den Verhandlungen gemeint haben, hat das für stets wünschenswert erklärt, so läfst ihr eigenes Unterveranlagt, weil diese sich darum zu kümmern ja bis zum lassen in der Vergangenheit doch auf einen erst kürzlich Jahre 1901 gar keine Veranlassung hatten. Dafs durch die ü m - eingetretenen Wechsel ihrer Anschauungen schliefsen. Den packung Typhusbazillen vom Eintritt in das Rohr abgehalten meisten von ihnen konnte freilich das rohe Ruhrwasser früher werden könnten, hat übereinstimmend mit diesen Herren nicht als ein so gefährlicher Feind, wie er heute von den auch gewifs kein Techniker angenommen. Trotzdem hat Hygienikern geschildert wird, erscheinen. diese Packung aber zweifellos immer eine grobfiltrierende Die Wasserwerksgesellschaft, die für das Wasser ihres Wirkung auf das Wasser ausgeübt, die durch den zwischen Werks bei Steele nur einmal und zwar am 18. September 1901 das Material eindringenden und zurückgehaltenen Schlamm eine derartige Bekanntmachung erlassen hat, befindet sich bei sich vergröfsern mufste. Ebenso wie [die filtrierenden einem solchen Vorgehen aber auch in einer anderen Lage wie Uferwände erfährt dieses Verpackungsmaterial durch Ab- die städtischen Werke. Den Konsumenten der letzteren erschwemmen bei Hochwasser eine natürliche Reinigung und scheint meistens ein solcher Erlafs ihrer vorgesetzten Beseine Durchlässigkeit wird dadurch erhalten; es bleibt somit hörde als die Folge eines an diese herangetretenen Naturvon dauerndem Wert für die Werke, welche von dem Stich- ereignisses, während bei einer Gesellschaft, deren hohe Rente rohre doch nur bei Niederwasser Gebrauch machen. von vielen Gemeindebehörden sowieso häufig als eine ihnen Mit der Prüfung der Wassererschliefsungen für Wasser- unrechtmäfsig entzogene Einnahme betrachtet wird, das Publiwerksanlagen haben sich mit Ausnahme der Strombauverwal- kum sehr geneigt sein wird, in einer solchen Bekanntmachung tung preufsische Behörden aufser in Fällen unerlaubter Wasser- eine grobe Vernachlässigung ihrer Vertragsverpflichtung zu entziehung bis Ende des vorigen Jahrhunderts überhaupt erblicken, die eine offene Empörung ihrer Konsumenten nicht beschäftigt. Die Werke waren für die Bewertung ihrer und vielleicht ein Eingreifen der Obrigkeit zur Folge haben Schöpfstellen nur auf ihr eigenes Urteil angewiesen, welches kann. zu klären sich die Hygieniker seit mehreren Jahrzehnten vielNach den früheren Anschauungen über das Leitungsfach mit gutem Erfolge bemüht haben. Die häufig vom wasser konnten die Leiter des Wasserwerks bei Steele als Vorsitzenden als Etappe auf diesem Gebiete angeführte Folge eines ausnahmsweisen Einlassens einer ihrer Ansicht H a m b u r g e r Choleraepidemie von 1892 hat wohl die Auf- nach geringen Menge von rohem Ruhrwasser in ihre Schopfmerksamkeit der Laien in höherem Malse auf die mögliche steile nur eine Trübung oder Verschmutzung des LeitungsGefährlichkeit des Wassers gelenkt; aber für die Techniker wassers befürchten. Sie konnten aber keinenfalls glauben, und für die Hygieniker erscheint sie durchaus nicht als dafs das Wasser dadurch wirklich gesundheitsschädlich werden der Beginn der Epoche einer richtigeren Wasserbewertung, könnte. Denn der fortlaufend als gering nachgewiesene Keimwie das für letztere Herren K o c h s Äufserungen im Journ. f. gehalt desselben mufste das Leitungswasser in ihren Augen Gasbel. u. Wasservers. 1904, S. 479 u. 979 und namentlich auch die stets als völlig unschädlich erscheinen lassen. Sie kannten E s s e n e r Gerichtsverhandlungen bewiesen haben. Den Erfolg das Ruhrwasser auch jahrelang aus täglicher Betrachtung hat diese Choleraepidemie allerdings gehabt, dafs der Staat und hielten die Ruhr nicht, wie es das Obergutachten auf zur Erkenntnis seiner bisherigen Vernachlässigung des öffent- Grund von Untersuchungsakten, die wahrscheinlich die Anlichen Gesundheitswesens im allgemeinen und speziell betreffs gaben des seit dem Jahre 1900 in A r n s b e r g wohnenden der Wasserversorgung gekommen ist, welche dann im Jahre 1901 S p r i n g f e l d darüber enthielten, getan hat, »für einen offenen als Anfangsleistung auf diesem Gebiete auch die D i e n s t a n - Wasserlauf, der durch dichtbevölkertes Land fliefst und die w e i s u n g d e r K r e i s ä r z t e gezeitigt hat. Drainage alles oberflächlichen und verborgenen Unrats in erDer Instinkt des Publikums verlangt ein Trinkwasser, das heblichen Mengen aufnimmt, so dafs ihr Wasser wie das eines klar, blank, farblos und ohne widrigen Geruch und Geschmack schmutzigen Grabens aussieht«. Ist die Ruhr bei Hochwasser ist. Auch bei der besten Versorgungsanlage sind aus den ver- auch wohl häufig stark getrübt, so wird Stichrohrwasser doch schiedensten Veranlassungen vorübergehende Mängel in dieser nur bei niederen Wasserständen entnommen sein und, wie Beziehung nicht immer ganz ausgeschlossen. Deren öffent- S t e l k e n s 1904 sagt, ist das Ruhrwaaser »bei normalen Wasserliche Besprechung pflegt in der Regel sehr rasch ohne Mit- ständen wohl so klar, dafs man auf den Flufsboden hinunter wirkung der Sanitätspolizei zu erfolgen, und es ist gleichgültig, sehen kann«, während es freilich von anderen Sachverständigen ob der Beweggrund dafür allein der Wunsch ist, die Mit- in den Verhandlungen nach einer ein- oder merhmaligen ober4'

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Die G e r i c h t s v e r h a n d l u n g e n ü b e r d i e G e l s e n k i r c h e n e r T y p h u s e p i d e m i e i m J a h r e 1901.

flächlichen Betrachtung als zum menschlichen Genuls durchaus nicht geeignet bezeichnet wurde. Über die Menge des Stichrohrwassers, welche verschiedene Werke u n d speziell das bei Steele zeitweise p r o Tag prozentual benutzt haben sollen, sind in den Verhandlungen sehr abweichende Meinungen geäufsert. Von dem Werke bei Steele ist von 5 % bis 5 0 % Stichrohrwasser gesprochen, und der Vorsitzende äulserte auch die Ansicht, u m ein paar tausend cbm würde doch niemand den Stichrohrschieber öffnen. Nach der theoretischen Durchflufsmöglichkeit eines solchen Rohres glaubte man, ohne weiteres die wirklich benutzte Menge annähernd schätzen zu können. Stichrohrwasser wird aber vom Betriebsleiter überhaupt nur dann eingelassen, wenn der Wasserspiegel im Brunnen einmal so weit sinkt, dafs die daraus p u m p e n d e Maschine nicht mehr voll arbeiten kann. I n einem solchen Falle ist es stets- n u r erforderlich, so viel u n d so lange Stichrohrwasser einzulassen, als die nötige Menge Brunnenwasser momentan nicht ausreicht, u m den Wasserspiegel auf der zum Saugen der Maschine nötigen H ö h e zu halten. Bei einem rationellen Betriebe wird also der Stichrohrschieber dem entsprechend reguliert und jedes überflüssige Mehr an rohem Wasser im eigenen Interesse vermieden, weil dadurch ja das Ansehen des Leitungswassers geschädigt werden kann und weil nach dem Obergutachten von 1902 »die Gesundheitsschädlichkeit des Mischwassers, welche von der Menge und der Dauer des eingelassenen rohen Ruhrwassers beeinflußt wird, sich vergrößert«:. Nach H o l z ' Gutachten entspricht 1 m Absenkung des Brunnens I I I einer Schöpfmenge von 18400 Tages-cbm. Beträgt der Grundwasserzuflufs Q u n d der Stichrohrwasserzuflufs q Tages-cbm u n d ist Q -f- q = 60000 cbm bei der Absenkung des Brunnens von 4 m f ü r q gleich Null, so gibt die folgende Tabelle bei entsprechenden Absenkungen h in cm f ü r verschiedene Stichrohrwassermengen q die nötige Brunnenabsenkung R in c m an. Q Tages-cbm 60000 57000 54000 51000 48000 45000 42000 39000|36000 — q desgl. 3000 6000 9000 12000 15000 18000 25000 24000 oder »/„ von 60000 cbm — 10°/„ 15°/0 2 0 % 25°/o 3 0 % 35 °/o 40 •/„ H cm . . . 400,0 383,4 366,7 350,2 333,4 317,0 300,4 283,8 267,2 h cm . . . — 16,6 33,3 40,8 66,4 82,0 90,6 116,2 132,8 Bei 3000 Tages-cbm Stichrohrwasser tritt also eine u m 16,6 cm verringerte Absenkung e i n , wenn die volle Maschinenleistung von 60000 Tages-cbm ausgenutzt wird; bei 6000 Tages-cbm Stichrohrwasser "werden 33,3 cm Absenkung gespart etc. I n der Praxis werden in der Regel bei einer vorübergehenden Stichrohrwasserbenutzung nur verhältnismäfsig geringe Mengen davon genügt haben, u m den Pumpenbetrieb in nötigem Umfange aufrecht erhalten zu können. Nach einer Äufserung S p r i n g f e l d s in den Verhandlungen will er, als er im Jahre 1900 nach A r n s b e r g gekommen ist, bei den Wasserwerksdirektoren a n der Ruhr allgemein der Ansicht begegnet sein, dafs sie n u r natürliches Grundwasser förderten, u n d erst durch ihn wären sie darauf hingewiesen, dafs die dortige geringe Niederschlagswasaermenge in gar keinem Verhältnis zu der von ihnen geschöpften Wassermenge stünde. Sollte es ihm entgangen sein, dafs m a n ihn dort, wo er diesen Eindruck erhalten hat, nur h a t düpieren wollen? E r behauptete hier ferner, »in der R u h r kämen virulente Typhusbazillen immer vor; diese würden aber bei normaler Filtration zurückgehalten, weil sie den Kotteilchen anhafteten, während andere Bakterien die Filter passierten. Bei starker Inanspruchnahme eines Filters k ö n n t e n aber auch Typhusbazillen dieses wohl durchbrechen; ihre Menge würde dann aber immer noch eine so geringe sein, dals, wenn auch

die Zahl der Erkrankungen sich vermehrte, eine eigentliche Typhusepidemie dadurch nicht entstehen könnte.« Welche praktische Studien — u n d auf solche könnte er sich hierfür doch n u r stützen — i h n , der die heutigen bakteriologischen Untersuchungsmethoden nicht f ü r ausreichend hält, u m Typhusbazillen zu entdecken, zu dieser Anschauung geführt haben, h a t er leider nicht mitgeteilt; sie erscheint also wohl n u r als die Frucht seines aufrichtigen Glaubens. I n den 1899 vom Reichskanzler veröffentlichten allgemeinen Grundsätzen für künstlich durch Sand filtriertes • Oberflächenwasser besitzen wir die einzige offizielle Äufserung über die -zulässige Grenze der Keimzahl im Wasser, deren Überschreitung die Möglichkeit von Gesundheitsschädigungen annehmen läfst. E s ist die Zahl »von ungefähr nicht mehr als 100 Gesamtkeimen«; abweichend davon sind von S p r i n g f e l d in den f ü r die Werke im Regierungsbezirke A r n s b e r g 1903 erlassenen Betriebsvorschriften f ü r deren Wasser als Grenze 500 Keime zugelassen. Daher ist es leicht erklärlich u n d auch gewifs entschuldbar, • wenn die Leiter des Wasserwerks bei . Steele damals das • von ihnen gelieferte Wasser trotz der Benutzung von- Stichröhrwasser f ü r ein in gesundheitlicher Beziehung völlig einwandfreies Wasser gehalten h a b e n , sobald die bakteriologischen Untersuchungen n u r wenig mehr oder gar weniger als 100' Keime im ccm ergeben hatten. Und solange ferner auch ihre sinnliche P r ü f u n g ihnen das Wasser als nicht unappetitlich erscheinen liefe, konnten sie doch eigentlich gar nicht auf den Gedanken kommen, es durch das Stichrohrwasser »verdorben oder nachgemacht oder verfälscht« zu haben, was § 10 des Nahrungsmittelgesetzes verbietet. Schon seit 1888 hat S c h m i t t jährlich mehrere Male von einem Bakteriologen, dem er Proben von Leitungswasser und Ruhrwasser zuschickte, Untersuchungen betreffs der Keimzahl vornehmen lassen.• Dessen Resultate haben durch die Übereinstimmung miteinander ihm aber später Zweifel erweckt, so dafs er, wie er ausgesagt hat, 1891 bei einer Sendung die Ettiketten an den Probeflaschen verwechselte u n d sich dann von der Unrichtigkeit der eingeschickten Resultate überzeugte. Seit Dezember 1891 sind dann auf seine Veranlassung von dem Med.-Rat Dr. T e n h o l t f ü r beide Gesellschaftswerke die Untersuchungen von Wasserproben, die er selbst oder sein Assistent nach ihrem Belieben e n t n o m m e n haben, anfänglich viermal im J a h r e u n d später zweimal in jeder Woche ausgeführt. Wenngleich schon 1890 (s. Journ. f. Gasbel. u. Wasservers. 1891, S. 422) F r ä n k e l u n d P i e f k e bei ihren Filterversuchen den Durchgang von Cholerabakterien durch ein kleines Versuchsfilter nachgewiesen hatten, so h a t doch erst F l ü g g e in einem im Vereine f ü r öffentliche Gesundheitspflege 1895 (s. J o u r n . f. Gasbel. u. Wasservers. 1904, S. 978) gehaltenen Vortrage der Ansicht, dafs die Zahl der im Wasser gefundenen Keime überall keinen Schlufs auf das Vorhandensein oder Fehlen pathogener Keime gestattete, eine weitere Verbreitung gegeben. Weil aber damals die Ermittelung der Typhusbazillen noch sehr schwierig u n d bei ihrer schnellen Vergänglichkeit sehr unsicher war, worin nach K o c h erst seit 1903 ein Fortschritt eingetreten ist, so hielt F l ü g g e die Wertbestimmung des Wassers durch sachverständige P r ü f u n g desselben auf seine H e r k u n f t als in erster Linie f ü r ausschlaggebend. Diese Anschauung hat f ü r gröfsere Kreise zuerst 1901 i n § 74 der Dienstanweisung f ü r die Kreisärzte (s. J o u r n . f. Gasbel. u. Wasservers. 1894, S. 996) einen offiziellen Ausdruck in der Form gefunden, »dafs der Schwerpunkt der Überwachung der Trinkwasserversorgungen durch die Kreisärzte weniger auf die chemische u n d bakteriologische Untersuchung vonWasserproben als auf örtliche Untersuchungen zu legen wäre.« Und wie schnell diese Bestimmung bei den Sanitätsbeamten Eingang gefunden

Die Gerichtsverhandlungen über die Gelsenkirchener Typhusepidemie im Jahre 1901. hat, beweist, dals bei den offiziellen Untersuchungen der Ursachen der wenige Monate später aufgetretenen G e l s e n k i r c h e n e r Epidemie auf chemische und bakteriologische Untersuchungen, v o l l s t ä n d i g verzichtet ist. Dals diese neue hygienische Anschauung S c h m i t t vor seinem Abgange vom Wasserwerke noch nicht bekannt sein konnte, ist zweifellos, und dals auch seinen Nachfolgern Hegeler und Pf u d e l ebenso wie vielen anderen Fachtechnikern im Sommer 1901 die Zahl 100 (resp. 500 nach S p r i n g f e l d ) für die G samtkeime im ccm eines gesundheitlich einwandfreien Wassers noch als ein richtiges Kriterium erschien, ist gewifs nicht zu verwundern. Nachdem aber nunmehr das Obergutachten und auch K o c h erklärt haben, »dals das r o h e R u h r w a s s e r unzweifelhaft nicht als gesundes Wasser zu bezeichnen ist und dafs auch bei jeder Mischung von solchem Wasser mit filtriertem Ruhrwasser die Übertragung der Schädlichkeiten des ersteren auf das Mischwasser als sehr wahrscheinlich angenommen werden mufs«, wird kein Fachtechniker ein solches Mischwasser seinen Konsumenten ferner als geeignetes Leitungswasser überhaupt noch abgeben. Allerdings müssen wir dringend wünschen, s o b a l d a l s m ö g l i c h ergänzend auch noch eine ebenso bestimmte Deklaration für die Unschädlichkeit des f i l t r i e r t e n R u h r w a s s e r s zu besitzen, wenn die Keimzahl im ccm als solche aufgegeben wird, weil die zurzeit übliche Bezeichnung » g e n ü g e n d f i l t r i e r t « uns für unsere Handlungen ohne jeden greifbaren Anhalt gegenüber der freiesten Deutung der wissenschaftlichen Gutachter läfst. Die »Herstellung und das Inverkehrbringen« von Mischwasser mit rohem Ruhrwasser ist von den vier Angeklagten zugegeben. Wenn auch von verschiedenen Sachverständigen (Kruse und S p r i n g f e l d ) angenommen ist, dals ihnen dessen Gesundheitsschädlichkeit damals nicht bekannt war, so hätten H e g e l er und Pf u d e l sich nach dem Nahrungsmittelgesetze dennoch einer Fahrlässigkeit schuldig gemacht, weil sie es unterlassen hatten, sich die nötige Kenntnis davon zu verschaffen, dafs durch ein solches Wasser trotzdem eine Typhusepidemie hervorgerufen werden konnte; sie und gleichfalls S c h m i t t wären auch dadurch nicht entschuldigt, dafs früher das während ibrer Dienstzeit eingelassene Stichrohrwasser nachweisliche Gesundheitsschädigungen nicht hervorgerufen hatte, weil die Möglichkeit dazu trotzdem hätte vorliegen können. Nach meiner Ansicht kann ein Richter jemand auf Grund des Nahrungsmittelgesetzes eigentlich nur dann verurteilen, wenn dieser vor Begehung der Tat überhaupt diese »Kenntnis der Möglichkeit einer Schädlichkeit« erlangen k o n n t e . Der Richter hätte daher die Sachverständigen nicht nach ihrer h e u t i g e n Ansicht, sondern nach der Ansicht, die sie zurzeit d e r B e g e h u n g d e r T a t über deren mögliche Folge gehabt haben, und ferner darüber befragen müssen, ob sie überzeugt sind, dafs diese ihre derzeitige Ansicht schon damals so verbreitet gewesen, dafs deren Kenntnis bei Wasserwerksleitern im allgemeinen vorausgesetzt werden durfte. Erst dann, wenn diese letztere Antwort bejahend auffiel, konnte er das »Schuldig« aussprechen. Der Vorsitzende hat aber niemals nach der Ansicht vom Jahre 1901 gefragt, scheinbar, weil ihm das Jahr der H a m b u r g e r Choleraepidemie von 1892 als der Termin erschienen ist, seit welchem bereits die ganze gebildete Welt den 1904 ausgesprochenen Ansichten der Sachverständigen zugestimmt hatte.

2. Der Ingenieur Schmitt. Der Ingenieur S c h m i t t hat 1888 die Direktion des Wasserwerkes bei Steele als Nachfolger W i n d e c k s übernommen, nachdem letzterer nach seiner Aussage die erste Filterrohrleitung für das Werk in Verbindmig mit dem

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Brunnen II hergestellt und nach seiner Ansicht die frühere Zuleitung des Wassers aus der Ruhr beseitigt hatte. Im Jahre 1889 hat der damalige Kreisphysikus Dr. L i m p e r in G e l s e n k i r c h e n , als dort eine Typhusepidemie abweichend von der Bodentheorie bei steigendem Grundwasser aufgetreten war, nach seiner Aussage gemeinschaftlich mit dem Landrate B o l t z das Wasserwerk besichtigt und dort nichts Auffälliges vorgefunden. Auch im Erdbehälter haben sie keine auffällige Verschmutzung des Wassers bemerkt. Von S c h m i t t hat L i m p e r damals gehört, früher'hätte man das Wasser Wohl aus dter Ruhr entnommen; jetzt liefere er aber ein ausgezeichnet filtriertes Wasser. Betreffs der 1891 in G e l s e n k i r c h e n ausgebrochenen Epidemie sagte L i m p e r ferner aus, dals das Seuchegebiet sich zu jener Zeit' nicht mit dem Versorgungsgebiet dès Wasserwerkes gedeckt und er die Epidemie für keine Wasserepidemie gehalten hätte. Im Publikum hätte es aber gelegentlich der gleichzeitigen Ausführung des Dükers für die Wassererschliefsungen am linken Ruhrufer gehiefsen, das Wasserwerk liefere rohes Ruhrwasser. Das hätte ihn veranlafst, S c h m i t t darüber zu interpellieren, und nach L i m p e r s Aussage hat dieser ihm damals geantwortet, früher wäre wohl ein Hilfsrohr aus der Ruhr benutzt Wörden ; wenn aber die jetzigen Erweitern gebauten fertig wären, hätte- et solche Kunststücke nicht mehr nötig. Nachdem in der Mitte der 90er Jahre in Essen mehrfach Typhusepidemien infolge von rohem Ruhrwasser, das mitunter für die Pumpstation bei S p i l l e n b u r g dur h ein Hilfsrohr eingelassen wurde, eingetreten sein sollten, hat auch Tenholt, wie er ausgesagt hat, nachdem er in dein Leitungswasser der Station bei Steele einmal 378 Keime gefunden hatte, den Verdacht geschöpft, dato hier eine ähnliche Einrichtung bestehen könnte. Er hätte daher bei einem Besuche des Werkes dieses darauf dahin eingehend unters cht, jedoch nichts Verdächtiges finden können. Auf eine von ihm darüber direkt an S c h m i t t gestellte Frage soll dieser ihm erwidert haben, dafs unfiltriertes Wasser nicht in die Leitungen käme; früher wäre dies freilich wohl der Fall gewesen. Diese Äufserungen S c h m i t t s beiden Herren gegenüber können in ihrer Form kaum als direkte Unwahrheiten bezüglich der momentan stattgefundenen Benutzung von Stichrohrwasser erscheinen, weil sie ja die früher stattgefundene Benutzung von solchem Wasser und damit indirekt auch das Vorhandensein eines solchen Rohres zugeben. Aber selbst wenn S c h m i t t ausnahmsweise zur Zeit seiner Auskunfterteilung Stichrohrwasser benutzt haben sollte, so würde seine Ableugnung diesen Herren gegenüber kaum strafrechtlich zu verfolgen sein, weil diese ihm damals gar nicht als Vorgesetzte gegenüberstanden, denen er eine peinlich genaue Auskunft zu erteilen verpflichtet gewesen wäre, wie das die Anklageschrift annimmt. Gegen die von S c h m i t t im Jahre 1891 hergestellte Zubringerleitung für die Sickeranlage am rechten Ruhrufer hat S t e l k e n s damals als Vertreter der Strombauverwaltung wegen Fehlens einer Konzession protestiert; S c h m i t t hat ihm darauf erwidert, »dafs das nur eine provisorische Anlage zur Befeuchtung des Bodens wäre«, und S t e l k e n s hat dann die Sache ruhig laufen lassen. S c h m i t t wurde auch aus dieser Unwahrheit in der Anklageschrift ein Vorwurf gemacht, weil es sich doch um eine dauernde Anlage zur Erhöhung der Lieferung der Filterrohrleitung für Brunnen IV gehandelt hätte. K r u s e hielt ferner auch die aus der Zubringerleitung gespeiste Sickerleitung in dem zugefüllten Graben für hygienisch fehlerhaft wegen des Stagnierens des Wassers zur Zeit der Nichtbenutzung des Brunnens IV; weil trotzdem das Wasser zwischen der Sickerleitung und der Filterleitung immer noch einen 8 m langen Weg in Kies durchfliegt, so konnte S c h m i t t das 13 Jahre vorher kaum für einen Fehler halten.

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Die Gerichtsverhandlungen über die Gelsenkirchen er Typhusepidemie im Jahre 1901.

Die Anklageschrift leitet aus der Benutzung des wegen mangelnder Spülung vermeintlich verschmutzten Erdbehälters Leythe ein Verschulden S c h m i t t s her. Während seiner Dienstzeit ist das sämtliche Wasser, das von Leythe aus abgegeben ist, aber stets in diesen Erdbehälter auf der einen Seite eingetreten und aus diesem Behälter auf der anderen Seite ausgetreten, so daTs täglich ein etwa 15 mal gröiseres Quantum als sein Inhalt hindurch ging. Dadurch ist gewils seine kontinuierliche Spülung in ausreichender Weise erfolgt; aber es sind ferner auch gelegentlich der an dem Behälter ausgeführten Arbeiten in den Jahren 1888, 1895/96 und anfangs 1900 noch besondere Reinigungen des Behälters vorgenommen. Der Vorsitzende hat S c h m i t t endlich auch einen Vorwurf daraus gemacht, dals er bei seinem Abgange Ende 1899 Hegeler nicht auf das Stichrohr aufmerksam gemacht hätte. Es beruht das auf einem vollständigen Verkennen und Überschätzen der Bedeutung dieses Hilfsmittels, das nur für Fälle der Not bestimmt war. Wie bedeutungslos dieses Unterlassen für H e g e l e r gewesen ist, ergibt sich aus dessen Aussage, dals er erst anfangs 1901 gelegentlich der Besprechung der Pläne für die neuen Filterleitungen von dem Vorhandensein eines Stichrohres überhaupt Kenntnis erhalten hat. Gewiis wäre es ein recht zweifelhaftes Bemühen S c h m i t t s gewesen, bei seinem Abgange dem Juristen H e g e l er das Verständnis der technischen Einzelheiten des Betriebes in einer alle Details erschöpfenden Weise beizubringen. Für deren vorübergehende Wahrnehmung war bis zum Eintritte Pf u d e l s doch K i e s e n d a h l völlig ausreichend. P f u d e l hat nach seiner Aussage auch von der Existenz des Stichrohres so rasch Kenntnis erhalten, dafs er wenige Wochen nach seinem Dienstantritte einen so umfassenden Gebrauch davon gemacht hat, wie das von S c h m i t t nie geschehen war. Trotzdem S c h m i t t nach der Anklageschrift nur eine fahrlässige Handlung zur Last gelegt war, während H e g e 1 e r und P f u d e l grober Körperverletzungen und der Tötung von Menschen beschuldigt wurden, erhielt man in den Verhandlungen den Eindruck, als ob die mafsgebenden Personen S c h m i t t s Aussagen viel skeptischer als die der anderen Angeklagten auffatsten und ihm gegenüber eine grofse Animosität zeigten. Eine Erklärung dafür konnte ich nur aus seinen früher dem Gerichte gemachten Mitteilungen herleiten, wenngleich durch eine weitere gerichtliche Verfolgung derselben freilich sein persönliches Verschulden in keinem Falle beeinfluist werden konnte. Für seine Mitangeklagten konnte der die Schieberstellungen betreffende Teil seiner Erklärungen allerdings eine Reduktion des Strafmafses zur Folge haben, wie das ja auch wirklich der Fall gewesen ist, während der den Ursprung der Verseuchung betreffende Teil seiner Erklärungen allerdings vielleicht noch zur Konstruktion eines weiteren Verschuldens der Beiden hätte führen können. Es konnte sonach nur die Vermutung '¡übrig bleiben, dals S c h m i t t s versuchter Ansturm gegen die durch die Voruntersuchungen aufgebaute Annahme von als zweifellos festgestellt erwiesenen Tatsachen diese MiTsstimmung gegen sich hervorgerufen hatte, wofür ja auch die nur geringe Neigung, auf seine Anregungen in der Voruntersuchung einzugehen, spricht, trotzdem er seine Erklärungen fast ein Jahr vor Beginn der ersten Sitzungsperiode eingereicht hatte. Selbst die von S c h m i t t angegebenen »Fehler in den Zeichnungen, welche dem Aufbaue der vermeintlichen Tatsachen zu Grunde gelegt sind, haben vorher kaum eine volle Berücksichtigung erfahren und sind zum Teil erst von Holz infolge seiner für die Abgabe seines Gutachtens gemachten Studien in der zweiten Sitzungsperiode als richtig bestätigt. In seinen Erklärungen hatte S c h m i t t angegeben: 1. dafs auf der Zeichnung in dem Springfeld'schen Buche zwischen Brunnen II und III die Saugeleitung für

die Maschine X fehlt und dafs die hier angegebene Heberleitung zwischen Brunnen - IV und V nicht vorhanden gewesen ist; 2. dafs auf der ersten Zeichnung der Anklageschrift die Saugeleitung für Maschine IX zwischen den Brunnen V und HI fehlt; 3. dals auf beiden Zeichnungen in der gegabelten Saugeleitung der Maschine VI der Schieber .X in dem zu Brunnen HI und der Schieber W in dem zu Brunnen IV führenden Zweige und in der Heberleitung zwischen den Brunnen II, III und IV der Schieber Y vor Brunnen III und der Schieber 7 vor Brunnen II fehlen. Auch die von ihm genannten Personen, welche bezeugen sollten, dals während der kritischen Zeit stets die Schieber X und Y geschlossen und die Schieber 7 und W geöffnet gewesen sind, wurden erst in den Verhandlungen unter Eid vernommen. Dato die Klarlegungen über die Stellung von Schiebern auf einem Wasserwerke in einer mehrere Jahre rückwärts liegenden Betriebsperiode durch Aussagen von Maschinenwärtern etc., wenn dabei nicht die Wirkung der Schieberstellungen, welche damit für das Werk verbunden ist, klar vor Augen geführt wird, sehr schwierig ist, weils jeder, der in seinem Berufe sich mit Schiebern fortlaufend zu beschäftigen gezwungen ist. Unvollständige Zeichnungen und wenig glückliche Information durch einen Nichtfachmann können den Gefragten leicht zu der Aussage verleiten: »Alle Schieber sind in der kritischen Zeit offen gewesene. Sämtliche technischen Sachverständigen haben es aus Betriebsrücksichten in hohem Grade als wahrscheinlich angenommen, dafs während der kritischen Zeit und auch sonst wohl meistens der Schieber X und vielleicht auch der Schieber Y geschlossen gewesen sind. Ferner haben auch in den Verhandlungen die sämtlichen darüber befragten Zeugen, nachdem der Vorsitzende und andere Herren ihnen eingehende Informationen darüber erteilt hatten, dieses durch ihren Eid bestätigt. Dem gegenüber kann es gewifs nicht schwer ins Gewicht fallen, dafs einer von diesen Zeugen, namens Quitzow, ein Milchbruder von S c h m i t t ist und dafs beide nach ihrer Aussage sich darüber schon vorher mündlich unterhalten hatten. Trotzdem hat diese Feststellung bei einem Teile der Hygieniker einen entschiedenen Widersprach hervorgerufen, weil ihr Glaube zu fest war, um durch die diesem entgegenstehenden Tatsachen erschüttert werden zu können. Auf den anderen Punkt der S c h m i t t sehen Erklärungen werde ich unter 4 dieses Abschnittes näher eingehen. 3. Die neuen Direktoren.

Wenn auch wohl schon vor dem Jahre 1900 von den Konsumenten gewifs häufig über trübes und verschmutztes Leitungswasser geklagt wurde, so haben doch nach dieser Zeit und namentlich kurz vor und während der Epidemiezeit solche Ellagen sich doch wesentlich vermehrt. Von der Gesellschaft sowohl als auch von anderen Personen wurde als die Ursache, welche zu solchen Klagen die Veranlassung gegeben, in der Regel und gewifs mit Recht das häufige Vorkommen von Rohrbrüchen angenommen, welche bei den dortigen Terrainverhältnissen eigentlich zur Tagesordnung gehören. Mitunter sollten auch in dem Wasser lebende Würmer und andere Getiere gefunden sein, und die Phantasie liefe solche dann zu Fischen, Aalen, Salamandern und selbst zu einem Bandwurm auswachsen, der sich später freilich als Mehlkleister entpuppt hat. Es hat sogar einmal geheiisen, in dem Erdbehälter wäre eine Menschenleiche gefunden. Ein Chemiker und Architekt K ö n i g in Ü c k e n d o r f sagte folgendes als Zeuge aus: >Während der kritischen Zeit hätte er verschiedentlich Unmassen lebender Würmer im Leitungswasser gefunden; das Wasser

Die Gerichtsverhandlungen über die Gelsenkirchener Typhusepidemie im Jahre 1901. hätte nach Fäkalien gerochen und ihn förmlich angeekelt, so dafs er sich darin gar die Hände nicht hätte waschen mögen; von ihm in das WaBser gegossenes übermangansaures Kali hätte einen schmutzigen Niederschlag erzeugt, was das Vorhandensein organischer Verunreinigungen beweise.« Am meisten hat der als Zeuge vernommene Ingenieur V o l t m a n n , welcher 1898 in Unfriede aus dem Dienst der Gesellschaft geschieden war, das Publikum durch seine Aussagen beunruhigt. Auch dem Landratsamte und der Bürgermeisterei hatte er Mitteilungen von Verschmutzungen des Erdbehälters Leythe und von seinem Verdacht, dafs ein Hilfsrohr aus der Ruhr vom Werke benutzt würde, schon in der Mitte des September 1901 gemacht. I n der Verhandlung sagte er als Zeuge aus: »Schon früher hätte er in den Wassermessern häufig gallertartige Massen von allerhand Gewürm nnd sonstigen Tierresten gefunden; das Wasser hätte aasig gerochen, und im September 1901 hätte ihm ein Hydrantspüler gesagt, es wäre jetzt eine richtige Schweinerei mit dem Wasser; stinkend und schlammig käme es wie dicker Sirup aus dem Endhydranten heraus.« Weniger schlimm ist das Wasser von dem früheren Landrat H a m m e r s c h m i d t und dem ersten Bürgermeister M a c h e n s in G e l s e n k i r c h e n beurteilt, die beide auch als Zeugen in den Verhandlungen vernommen wurden. H a m m e r s c h m i d t sagte aus, es wären ihm zeitweise wohl Klagen über trübes Wasser zugegangen; der Grund dafür wäre aber in der Regel aus dem Eintreten von Rohrbrüchen zu erklären gewesen. Zur Zeit der Epidemie wären ihm wohl Würmer, Eidechsen und andere Sachen als im Wasser gefunden überbracht, unter denen sich aber bei näherer Untersuchung nie etwas wirklich Bedenkliches befunden hätte. Persönlich hätte er ebensowenig wie seine Familie nie über die Beschaffenheit des Wassers zu klagen Ursache gehabt. In den Zeitungen und im Publikum wäre damals vielfach von dem Vorhandensein eines Stichrohres die Rede gewesen. Nachdem jedoch als Ursache der Epidemie der Rohrbruch in K ö n i g s t e e l e erkannt wäre und ihm schon früher der damalige Oberbürgermeister V a t t m a n n in G e l s e n k i r c h e n und auch andere Herren verschiedentlich versichert hätten, »das Stichrohr wäre Unsinn«, hätten weder er noch einer der Amtmänner seines Bezirkes daran geglaubt. Niemals wäre das Wasser so auffallend schlecht gewesen, dafs das ihn hätte veranlassen können, Wasseruntersuchungen anzuordnen. Er fügte noch hinzu, dafs er den Typhusbazillen allein auch nicht die Wirkung zugetraut hätte, aus der Wasserleitung heraus eine so explosive Typhusentwickelung, wie Bie hier eingetreten, zu erzeugen. Abweichend von K o c h hielte er das Hinzutreten von lokalen und personalen Dispositionen dafür als unbedingt notwendig. M a c h e n s , der infolge seiner dienstlichen Stellung Aufsichtsratsmitglied der Gesellschaft ist und der die ihm dafür gezahlten Tantiemen an die Stadtkasse überführt, sagte aus, dafs er persönlich mit dem dortigen Wasser nie schlechte Erfahrungen gemacht hätte und ebenso wie seine Familie nach Beiner Mitte September erfolgten Rückkehr von einer Reise das Wasser immer anstandslos wie früher getrunken hätte. Amtlich wären ihm nie Klagen über das Wasser zugegangen. Allerdings wäre wohl nach RohrbrQchen, die recht häufig vorgekommen, das Wasser vorübergehend einmal trübe gewesen. Die Stimmung in der Stadt über das Wasserwerk wäre aber schon seit langer Zeit keine günstige gewesen und hätte sich, namentlich seitdem die Stadt einen langen Prozefs gegen die Gesellschaft verloren hatte, sehr verschärft. An eine vom V o r s i t z e n d e n als sehr aufregend durch die darin stattgefundenen Verhandlungen über die Wasserversorgung bezeichnete Stadtverordnetenversammlung erinnert, sagte er, dafs diese Sitzung erst nachdem die Gesellschaft das Vorhandensein eines StichTohres angezeigt hatte, stattgefunden hätte, und dafs er auch selbst in dieser in sehr starken Worten sich über die Wasserwerksleiter geäufsert hätte. Im Publikum wären schon lang* vorher die tollsten Gerüchte über unerlaubte Manipulationen dieser Herren im Umlaufe gewesen, die sich aber, soweit er solche hätte untersuchen können, immer als unbegründet ergeben hätten. Anfragen in dieser Beziehung an die Wasserwerksleiter selbst zu stellen, hätte er früher niemals eine direkte Veranlassung gehabt.

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In G e l s e n k i r c h e n wären Fälle von Typhus immer vorgekommen, und auch anfangs 1901 wäre das der Fall gewesen. Epidemisch wäre die Krankheit aber erst seit Anfang September aufgetreten. Am 14. September hätte L i m p e r ihm über eine rasch wachsende Ausbreitung der Epidemie in der Stadt berichtet und als ihren Vermittler das Leitungswasser bezeichnet. Dessen Wunsche, in Abwesenheit des Landrats eine öffentliche Warnung vor dem Wasser zu erlassen, hätte er damals nicht entsprechen mögen, weil ihm L i m p e r s Annahme einer Wasserinfektion nicht als so ausreichend begründet erschienen wäre, um darauf hin die infolge davon zweifellos zu erwartende groCse Aufregung der Bevölkerung des ganzen Gebiets zu erregen. Erst nachdem L i m p e r ihm am 18. September über die zahlreichen Erkrankungen auch im Landkreise berichtet hätte, hätte er sich entschlossen, durch eine öffentliche Bekanntmachung vor dem Trinken ungekochten Leitungswassers zu warnen. Als zweifellose Ursache dieser Epidemie wäre ihm damals ein für alle Bewohner gemeinschaftliches Nahrungsmittel, also das Wasser, erschienen, und deshalb hätte er H e g e l e r auch an demselben Tage gefragt, ob vielleicht etwas Ungewöhnliches auf dem Wasserwerke vorläge, worauf dieser geantwortet hätte, dafs dort Unregelmässigkeiten nicht vorgekommen wären. Nachdem später am 9. Oktober von H e g e l e r und P f u d e l der Antrag bei dem Aufsichtsrat gestellt wurde, M. 260000 den Gemeinden zur Entschädigung der durch die Epidemie in Mitleidenschaft gezogenen Personen zur Verfügung zu stellen, hätte er am 11. Oktober H e g e l e r gegenüber geäufsert, das sähe doch aus, als ob das Wasserwerk sich schuldig fühlte. Er hätte ihm damals gesagt, wenn dort die vom Publikum vermuteten Einrichtungen wirklich vorhanden wären, so sei das doch strafbar, und die Gesellschaft könnte schließlich für den ganzen Schaden verantwortlich gemacht werden; darauf hätte H e g e l e r ihm nichts erwidert. Später hat letzterer in den Verhandlungen dem V o r s i t z e n d e n gegenüber betreffs dieses Vorgehens der Gesellschaft erklärt, dafs, wenngleich sie damals übereinstimmend mit S p r i n g f e l d die Epidemie als eine Folge des Rohrbruches angenommen hätten und somit der Gesellschaft ein Verschulden dafür nicht anzurechnen gewesen wäre, so hätten sie durch das Geld doch die gegen die Gesellschaft augenblicklich bestandene Animosität zu besänftigen versuchen wollen. P f u d e l dagegen erklärte den Mangel an Sympathie für die Gesellschaft bei der Einwohnerschaft daraus, dafs die Gemeinden früher das Risiko eines eigenen Betriebes abgelehnt und dann später die von der Gesellschaft erzielten Erfolge scheel angesehen hätten. Kurz vor jener Zeit wären die Verträge mit den Gemeinden von der Gesellschaft meistens auf bis zu 50 Jahren verlängert worden, und deshalb hätte die Gesellschaft den Gemeinden ihren schwierigen Stand infolge der Typhusepidemie durch .das Geldgeschenk erleichtern wollen. T e n h o l t sagte über eine in der Anklageschrift erwähnte Besprechung mit den Wasserwerksleitern als Zeuge aus: »Am 24. September wären H e g e l e r und P f u d e l zu ihm gekommen und hätten ihn gefragt, ob er dem von ihnen gelieferten Wasser die Schnld an der Epidemie zuschriebe. Er hätte ihnen geantwortet, dafs er auf Grund seiner Untersuchungen des Wassers überzeugt wäre, dafs es sich in diesem Falle um keine Wasserepidemie handeln könnte und die Sachverständigen sich eine andere Ursache für die Erklärung suchen möchten; anders läge der Fall jedoch, wenn das Wasserwerk durch ein Notrohr unfiltriertes Ruhrwasser mitbenutzt haben sollte. Darauf hätte, wie er sich zu erinnern glaubte, P f a d e 1 geantwortet: »Nein, das tun wir nicht«, und H e g e l e r hätte dazu geschwiegen; P f u d e l glaubte jedoch, er hätte gesagt: »ein solches Rohr haben wir nicht mehr nötig«. Völlig mit Recht hat es der Vorsitzende nach meiner Ansicht H e g e l e r und P f u d e l als unverantwortlich vorgehalten, dafs, nachdem der von ihnen mit der Wasseruntersuchung beauftragte Sachverständige ihnen die Möglichkeit einer Verseuchung ihres Leitungswassers trotz BeineT günstigen Untersuchungsresultate a b dadurch nicht ausgeschlossen be-

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Die Gerichtsverhandlungen über die Gelsenkirchener Typhusepidemie im Jahre 1901.

zeichnet hatte, sie diesen nicht offen über die bestandenen oder noch bestehenden Verhältnisse unterrichtet hätten. Statt dessen hat freilich P f u d e l , allerdings ohne T e n h o l t diese Absicht mitzuteilen, an demselben oder an dem folgenden Tage auf dem Wasserwerk das Stichrohr am Brunnen abhauen und dessen Eintritt in den Brunnen zumauern lassen, womit jede fernere Möglichkeit, Stichrohrwasser zu benutzen, vollständig beseitigt war. H o l z hat es auf Grund seiner Zusammenstellung der Betriebszahlen später auch als nicht ausgeschlossen • erklärt, dato der Zuflufs von Stichrohrwasser schon vom 15. September ab, nachdem die Anlagen am linken Ufer dauernd in Benutzung gekommen waren, durch Geschlossenhalten des Schiebers abgestellt gewesen wäre. Dais nach S c h m i t t s Abgange H e g e l e r sich bereit fand, wenn auch nur für drei Monate, allein die Verantwortung für den technischen Betrieb der Werke zu übernehmen, beweist sein Vertrauen zu dem dort verbliebenen technischen Personal und vielleicht auch seine nicht genügende Kenntnis der Verhältnisse des Werks bei Steele betreffs der Wassergewinnungsanlagen. Denn diese verlangten schon damals eine schleunige Vergröfserung, weil die Ende 1899 von S c h m i t t umgebaute, und erweiterte Sickerrohrleitung, wie sich bald nach seinem Abgange gezeigt, keinen dauernden Erfolg gehabt hat. Das Terrain und das Projekt für Neuanlagen am linken Ufer stand damals bereits zur Verfügung. Der anfangs April 1900 eingetretene P f u d e l , der die technische Leitung des Werks übernahm, hat, wie erwähnt, durch K i e s e n d a h l natürlich sehr bald Kenntnis von dem Vorhandensein des Stichrohrs bekommen, das ja auch im Herbst des vorhergehenden Jahres zu S c h m i t t s Zeit noch einige Wochen während des Baues geöffnet gewesen war. Es mufs S c h m i t t unbedingt zum Vorwurf gemacht werden, dafs er vor seinem Abgange das Stichrohr nicht beseitigt hat. Ohne eine spätere Benachteiligung des Werks dadurch befürchten zu müssen, konnte er das mit gutem Gewissen tun, weil seine Nachfolger, im Falle der Not sich dieses Hilfsmittel innerhalb 24 Stunden jederzeit neu herzustellen, in der Lage waren. Er durfte • dieses Notmittel aber nicht in die Hände von Personen übergehen lassen, deren Auffassung über die Zulässigkeit seiner Verwendung ihm unbekannt war, wenn auch K i e s e n d a h l deren Berater blieb. Ob jedoch in dem Vorhandensein einer Einrichtung, die im Notfalle unzweifelhaft von ungeheurem Werte für ein Werk sein kann, schon eine Verfehlung ihres Herstellers zu erblicken ist, . weil bei unverständiger Benutzung sich sehr bedenkliche Folgen dadurch entwickeln können und ob dem Verfertiger einer solchen Anlage vom Richter ein fahrlässiges Verschulden zur Last gelegt werden kann, erscheint einem Nichtjuristen freilich ausgeschlossen. P f u d e l iBt, wie er ausgesagt hat, nach seinem Dienstantritt über die Ungehörigkeit einer Verwendung von Stichrohrwasser gar nicht im Zweifel gewesen, und er hat es als seine Pflicht erkannt, -eiligst neue Wassererschliefsungen herzustellen. Dabei will er aber auf Schwierigkeiten H e g e l e r gegenüber gestöfsen sein, der solche Ausgaben für das laufende Jahr in dem Budget nicht vorgesehen hatte. Ob S c h m i t t schon früher die Vergrößerungen vorzunehmen hätte vorschlagen sollen, läTst sich nicht beurteilen; wahrscheinlich aber hat er sich einen gröfseren Erfolg von dem Umbau der Sickerrohr» leitung versprochen. Trotzdem P f u d e l kurz nach seinem Eintritt die Wasserzuflüsse für sehr vergröfserungsbedürftig hielt und gegen Stichrohrwasser eine Abneigung empfunden hat, hat in diesem Jahre und noch mehr im Jahre 1901 die von der Pumpstation bei Steele abgegebene Wassermenge nach dem Abschnitt II unter 5 eine ganz ungeheure Steigerung erfahren. Nicht nur durch Heranziehung neuer Konsumenten, welche man unter .diesen Verhältnissen vorläufig hätte abweisen sollen, sondern

auch wesentlich dadurch ist das hervorgerufen, dais eine von S c h m i t t s Projekte für den im Jahre 1900 in Leythe in Benutzung gekommenen neuen Hochbehälter abweichende Benutzungsart desselben von P f u d e l eingeführt wurde. Nur für wenige hochgelegene Konsumenten, die von Leythe aus versorgt werden, sollte dieser Behälter dienen. P f u d e l hat von hier aus jedoch die Abgabe für diesen ganzen Bezirk eingeführt, und zwar anfangs wahrscheinlich ausschliefslich und später auf die sechs Wochentage beschränkt, während Sonntags, um durch den höheren Wasserdruck nicht so grofse Wasserverluste zu erleiden, eine Zeitlang regelmäfsig der Erdbehälter eingeschaltet wurde. Davon ist dann seit dem 19. August 1901 wegen der Umständlichkeit der jedesmaligen Umstellung der Schieber wieder Abstand genommen. Dafs durch die damit verbundene bedeutende Drucksteigerung in dem ganzen Fallrohrnetze von Leythe der Wasserverbrauch und der Wasserverlust sich ganz bedeutend vergröfsert haben mufs, ist zweifellos. Betreffs der in der Anklageschrift für diese Zeit gegen das Wasser des Erdbehälters erhobenen Beschuldigung, dafs es durch sechstägige Magazinierung verschlechtert und entwertet worden wäre, was möglicherweise zutreffen könnte, ist es nur nötig, daran zu erinnern, dafs vom 19. August 1901 ab Wasser aus dem Erdbehälter gar nicht mehr zur Abgabe gelangt ist, also durch solches eine Schädigung während der kritischen Zeit überhaupt nicht stattgefunden haben kann.

4. Die neuen Wassererschliefsungen.

Im Juni 1900 hatte P f u d e l die Konzessionierung für die Herstellung von neuen Filterleitungen nachgesucht, aber die Erlaubnis dafür erst Ende Juli erhalten, so dafs erst im Herbst eine 150 m lange neue Leitung in Betrieb kommen konnte. Diese liegt parallel zu der bereits 1896 von S c h m i t t landeinwärts vom Ufer her verlegten Leitung und nur 130 m stromaufwärts. Sie hatte daher nur eine sehr geringe Ergiebigkeit, so dafs im Frühjahr 1901 abermals beschlossen wurde, neue Filterleitungen am linken Ruhrufer herzustellen. Trotzdem die Erteilung der im Februar 1901 dafür nachgesuchten Konzession erst im Juli einging, war Ende Mai bereits mit der Ausführung der Arbeiten begonnen; es handelte sich um 750 lfd. m Filterrohrleitungen mit sechs Verbindungsbrunnen. Die damals auch noch durch den aufserordentlich trockenen Sommer erhöhte Wassernot zwang, die fertiggestellten Teilstrecken der Leitungen möglichst rasch in Benutzung zu nehmen. Am 15. Juli geschah das für den ersten Teil, und es folgten am 2. August, am 17. August und am 3. September weitere Teile, bis am 7. September die projektierte Anlage völlig fertiggestellt in Benutzung gekommen ist. Bekanntlich ist es für jeden gewöhnlichen Hausbrunnen nötig, ihn vor seiner Ingebrauchnahme so lange abzupumpen, bis sein Wasser völlig klar ist. Dafs solches bei dieser Neuanlage für die einzelnen Strecken überhaupt nicht oder doch nur zum Schein und in ungenügender Weise stattgefunden haben wird, ist bei dem Drängen nach neuem Wasser und der Notwendigkeit, in jedem . Falle für ein solches Klarpumpen jedesmal provisorische Pumpen aufzustellen, gewifs anzunehmen. Wenn auch der Unternehmer D ü n k e l b e r g , welcher die Ausführung der ganzen Arbeiten in Akkord übernommen hatte, auf eine Anfrage der Verteidigung ausgesagt hat, dafs die Filter wochenlang abgepumpt wären, so hat er doch nicht erwähnt, ob das Abpumpen für ihre Verlegung oder nach ihrer Fertigstellung geschehen ist. Nach meiner Beurteilung des Personals des Wasserwerks bezweifle ich ferner, dais die für diese Art von Arbeiten während der ganzen Zeit ihrer Ausführung so ungeheuer wichtige fortlaufende und in alle Details hineinschauende

Die Gerichtsverhandlung!!!! über die Gelsenkirchener Typhusepidemie im Jahre 1901. sachverständige Beaufsichtigung im Interesse des Bauherrn und des so unendlich wichtigen Erfolges in ausreichender Weise stattgefunden hat. Für den Unternehmer hört ja bei solchen Arbeiten mit dem Verschwinden des Rohres im Untergrunde die Möglichkeit jeden Nachweises für alle später gegen ihn erhobenen Ausführungsmängel und damit auch seine Verantwortlichkeit auf, und es geht ihm daher jedes persönliche Interesse an dem sanitären Erfolge seiner Leistung völlig ab. Ist eine solche Baukontrolle schon bei Wassererschliefsungen für derartige selbständige Neuanlagen nötig, bei welchen eine Prüfung später immer noch erfolgen kann, weil in der Regel die Zeit nicht so drängt, so ist das bei Ergänzungsanlagen erst recht nötig. In dem vorliegenden Falle war aber eine ganz besondere Vorsicht noch deshalb geboten, weil das dafür benutzte Terrain unmittelbar an das bereits für den Betrieb dienende, und zwar stromaufwärts anstölst. Auch die nach Fig. 469 zur Ausschaltung einzelner Robrstrecken eingebauten Brunnen mit ihren Schiebern konnten trotz ihres Schlusses ein Umspülen des Wassers aus der Baugrube in die Betriebsleitung nicht völlig verhindern. Im Verlauf von etwa drei Monaten sind hier für 750 lfd. m Filterrohre, welche die beiden langen Seiten eines spitzwinkeligen Dreiecks bilden, Rohrgräben von 8 bis 9 m Tiefe und von 3 m Sohlenbreite im Schotter hergestellt, wofür ca. 30000 cbm Material zu bewegen war. Während des Verlegens der Schlitzrohre von 800 mm Durchm. und deren regelmäfsiger Verpackung in den Gräben mufsten die 6 bis 7 m tief unter dem Ruhrspiegel liegenden Ausschachtungen streckenweise durch Abpumpen dauernd völlig wasserfrei gehalten werden. Jeder abgleitende Riemen für die Pumpen und jeder Maschinenstillstand hatte ein Versaufen der Baugrube zur Folge, und jede Störung der nur provisorisch und unsicher hergestellten Ableitungen für das ausgepumpte Wasser zur Ruhr Uelsen dieses sich weit über die Baustelle ergiefsen, in frisch eingefüllten Boden versinken und das benachbarte Terrain auf weite Strecken überschwemmen. Für die Umhüllung der Rohre in den Gräben waren ca. 3000 cbm Kies und Bruchsteine bereit zu stellen. Dieses Material war vorher auf gleiche Stückgröfse zu zerkleinern; Schmutz und Kleinzeug war durch Sieben daraus zu entfernen; von Sand und Staub war es durch Waschen zu befreien. In völlig reinem Zustande muíste dieses Material in die trockenen Gräben eingebracht und hier ordnungsmäßig verpackt werden, alles unter aufmerksamster Vermeidung aller Unregelmäfsigkeiten und Verunreinigung desselben. Über 100 polnische Arbeiter waren bei dem Bau beschäftigt. In der Mitte des Bauplatzes war provisorisch für die. Befriedigung ihrer Notdurft eine gemauerte und zementierte Latrine hergestellt, deren Lage nach der von v. D r y g a l s k i in der Verhandlung gemachten Äuiserung gewifs keine passende war. Auf die Frage eines Sachverständigen antwortete D ü n k e l b e r g in [der Verhandlung, er hielte es für unmöglich, dafs die Arbeiter den Abort nicht benutzt haben sollten und aus Bequemlichkeit in der Nähe der Baugrube eine Verunreinigung vorgenommen hätten, während sein Aufseher N o w a t z k i auf die Frage des Vorsitzenden, ob die Arbeiter so subtil wären, dais sie immer die Latrine aufgesucht hätten, antwortete, sie wären wohl dazu angehalten; ein Polizist stände freilich nicht immer dahinter, und manche Arbeiter möchten den Abort auch wohl nicht benutzt haben. Ob die Abortgrube einmal oder häufig von Wasser überschwemmt gewesen wäre, Wülste er nicht zu sagen, auch nicht ob sie überhaupt gereinigt wäre. Auf die Frage, ob damals Erkrankungen unter den Arbeitern vorgekommen wären, antwortete er, es hätte sich einer von ihnen einmal einen Finger gequetscht.

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Dr. H i n d e r f e l d sagte in den Verhandlungen aus, in Kollegenkreisen wäre damals mehrfach die Vermutung geäufsert, dafs aus der Arbeiterlatrine Unreinlichkeiten in die Filter gekommen sein könnten; daraus möchte vielleicht auch die in der »Rhein.-Westf. Zeitung« am 7. Oktober 1901 gebrachte Notiz über das damalige Überschwemmen der Ruhrwiesen entstanden sein. Die Verteidigung hielt es nicht für ausreichend, wegen der möglichen oder wirklichen Wasserinfektion infolge dieser Arbeiten sich nur auf die Befragung des Unternehmers und seines Schachtmeisters zu beschränken; reinlicher wie das sonst bei derartigen Arbeiten zu geschehen pflegte, die ja jahraus, jahrein an der Ruhr vorgenommen würden, würde es hier auch wohl nicht hergegangen sein. Sie wünschte daher die Befragung weiterer Zeugen resp. von Hygienikern darüber, was jedoch der Vorsitzende mit dem Bemerken ablehnte, »dafs wir doch auch nicht blind durchs Leben gingen, und es wäre das ja eine Frage, welche die R i c h t e r sich selbst würden beantworten können«. Der Vorsitzende hielt S c h m i t t dann die Einzelheiten vor, welche er über den Zustand der Ruhrwiesen zu jener Zeit in seinen Erklärungen an das Gericht angeführt hat. Auf sein näheres Befragen führte S c h m i t t die Entstehung seiner Beschreibung auf die ihm von D ü n k e l b e r g selbst früher darüber gemachten Mitteilungen zurück, deren sich dieser jedoch nicht mehr zu erinnern erklärte. Er hätte S c h m i t t wohl 1903 vom Bruche der Abiluisleitung und von Überschwemmungen durch Wasser, aber nichts vom Überlaufen der Abortgrube erzählt; vielleicht hätte er auch gesagt, dafs wochenlang das Wasser, aber nicht, dafs Fäkalien über die Wiese geflossen wären. Ist die Schilderung S c h m i t t s über die von ihm persönlich nicht verfolgten dortigen Zuständen auch vielleicht etwas phantastisch ausgeschmückt, so kennt doch jeder Fachmann die Eventualitäten, welche bei derartigen Arbeiten einzutreten pflegen, und die ich vorstehend für nötig gefunden habe, auch für den Nichtfachmann so eingehend zu schildern, dafs ihm eine vorübergehende Schädigung des Leitungswassers während der Arbeiten kaum zweifelhaft erscheinen kann. Keinem von den als Sachverständige vernommenen Technikern ist aber eine darauf bezügliche Frage gestellt. Eine Beurteilung dieser praktischen Verhältnisse durch die Techniker, welche sich dem Hygieniker und dem Juristen entzieht, scheint vom Vorsitzenden überall nicht beabsichtigt gewesen zu sein, wie sich aus den folgenden fünf Fragen ergibt, die er an einem der ersten Verhandlungstage als an die Techniker zu stellen beabsichtigt, mitteilte, nachdem H o l z ihn darum ersucht hatte, damit diese sich vorher entsprechend informieren könnten: 1. Welchen Lauf hatte das Wasser der einzelnen Brunnen einBchlierslich der Zubringerleitung? 2. Hatte eine Undichtigkeit des Dükers irgend welchen EinfluTs auf die WasserbeschafEenheit, speziell auf den Brunnen III? 3. Sind RohrbrQche geeignet, dem Wasser Unreinlichkeiten zuzufahren? 4. Bewirkt die Zubriagerleitung eine genfigende Filtration? 5. Waren die vorhandenen Filtrationsanlagen unter normalen Verhältnissen als genügend anzusehen?

Trotzdem hat H o l z in seinem schriftlichen Gutachten gesagt, dafs von allen Möglichkeiten der Typhusübertragung neben dem Stichrohre die Bauausführungen am linken Ruhrufer jedenfalls die gröfsere Wahrscheinlichkeit besäfsen und ferner, dafs infolge von diesen tatsächlich ein Eintritt von unreinem Wasser erfolgen konnte. Diese Wahrscheinlichkeit hätte sich auch dadurch vergröfeert, dafs der Leyther Behälter nahezu vollständig aus dem linksufrigen Wasser gespeist wurde, während der Frillendorfer Behälter nahezu von diesem Wasser frei geblieben wäre. S m r e c k e r hat sich in seinem Gutachten auf die Bemerkung beschränkt: »Bei solchen Arbeiten wie am

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linken Ruhrufer pflegen betreffe der Baugruben keine idealen Verhältnisse zu herrschen«, die freilich weite Schlüsse gestattet. Von den Hygienikern haben sich in den Verhandlungen nur zwei über den Einfluis dieser Arbeiten auf das Leitungswasser geäufsert. K o c h sagte, »für die Verunreinigungen vom linken Ruhrufer könnte man nur unendliche Möglichkeiten ins Feld führen«. S p r i n g f e l d meinte, »wenn es bei den Bauarbeiten am linken Ruhrufer auch wohl nicht ohne Verunreinigungen abgegangen sein würde, so scheide der Verdacht der Möglichkeit, dals hier Typhusbazillen eingedrungen wären, doch aus, weil hier kein einziger Erkrankungsfall konstatiert wäre«. Den Beweis hierfür wird er natürlich nicht aus der Angabe von N o w a t z k y , »dafs nur ein Arbeiter sich den Finger gequetscht hätte«, und aus der vom Vorsitzenden dazu gemachten Bemerkung, »dafs das keine Typhusbazillen gäbe«, hergeleitet haben. Auffallend ist es, wie wenig Wert auf die Erlangung von Zeugenaussagen über diesen Punkt gelegt ist, während auf solche für den Nachweis, dafs in das Wasser des Eibergbaches Abgänge von Typhuskranken gelangt sein können, doch ein sehr grofses Gewicht gelegt wurde. Von der Wiesenstrafse in H o r s t führt eine Rinne in den Eibergbach, der nach 900 m langem Laufe von hier aus in die Ruhr mündet, und 400 m von dieser Austrittsstelle entfernt liegt der Brunnen III der Pumpstation. Über die Erkrankungen in den Häusern Nr. 1, 17 und 16 dieser Strafse wurden die Frauen T h o b e g e n und W e b e r und der Bergmann B r e u x sowie Dr. H i n d e r f e l d als Zeugen vernommen, und diese machten folgende Aussagen darüber: Der Mann T h o b e g e n ist Ende Juli an Darmkatarrh erkrankt, und bald darauf erkraükte sein jüngster Sohn an Typhus; im August und September erkrankten gleichfalls die beiden anderen Söhne, ßowie im September der Mann selbst nochmals. Ein einziges Mal will die Frau T h o b e g e n ein Nachtgeschirr ihres Mannes im Juli in den Bach entleert haben, während S p r i n g f e l d und v. D r y g a l s k i nach ihrer früheren Vernehmung der Frau den Eindruck erhalten hatten, dafs das stets von ihr mit denen aller Erkrankten geschehen wäre. Wäsche will sie im Bache überall nicht gespült haben, was gleichfalls angenommen war, weil er zu schmutzig wäre; das soll stets nur unter der Pumpe geschehen sein. Ein Sohn der Witwe W e b e r ist im Juli an Darmkatarrh und ein zweiter Sohn im September an Typhus erkrankt. Sie selbst ist auch im Juli krank gewesen, ohne data sie einen Arzt gebraucht hat. Die Abgänge will sie ebenso wie die andere Frau stets in die Grube beim Hause, die keinen Überlauf hatte, gebracht und das Waschwasser will sie stets in die Kinne geschüttet haben. Der Bergmann B r e u x ist Ende August aus M e t z vom Militär alB typhusverdächtig zurückgeschickt worden. Von H i n d e r f e l d wurde die Angabe über Erkrankungen, soweit er die Leute bebandelt hat, bestätigt.

Aber auch über Punkte von scheinbar ganz geringer Bedeutung sind Zeugen in gröfserer Zahl vernommen; so z. B. wurde die Behauptung von P f u d e l und H e g e l e r , dafs in ihren Familien das Leitungswasser während der kritischen Zeit stets ungekocht genossen wurde, durch Vernehmung der Dienstmägde der beiden Familien als Zeugen bestätigt. Abgesehen davon ist aber der Verzicht auf eine eingehendere Verfolgung der möglichen Schädigung des Wassers am linken Ufer deshalb kaum verständlich, weil nach dieser Annahme sich die anfängliche Trennung des Krankheitsgebietes zwischen dem Frillendorfer und dem Leyther Bezirke und das spätere Zusammenfallen in beiden bis zum schliefslichen Erlöschen der Krankheit in einer viel wahrscheinlicheren Weise erklären läfst, als das bei Annahme des Stichrohrwassers als den eigentlichen Infektionsträger möglich ist. Enthielt nur der Brunnen III pathogene Keime vom linken Ufer her, so gelangte solches Wasser durch die Maschinen VIII, IX und X nach Leythe. Das Wasser der beiden Sauge-

felder am rechten Ufer (A und D) und bis zum 24. September das Stichrohrwasser gelangten nach Brunnen IV und durch Maschine VI nach Frillendorf. Bis dahin blieb dieses Gebiet seuchefrei, während das Gebiet Leythe allein verseucht war. Nachdem kein Stichrohrwasser mehr nach Brunnen IV flofs, mufste der Wassermangel der vorgenannten Saugefelder für Brunnen IV gedeckt werden und zwar durch Wasser, das aus Brunnen III durch das Saugerohr von Maschine X nach Brunnen II gelangte. Von hier ging es nach Brunnen IV durch das Heberrohr, und dadurch traten ebenso wie in dem Leyther Gebiete in dem Frillendorfer Gebiete Erkrankungen ein. Nachdem die neuen Wasserfassungsanlagen am linken Ruhrufer infolge ihrer kontinuierlichen Benutzung schliefslich völlig von den Verschmutzungen befreit waren, hat die Wasserinfektion in beiden Gebieten ganz aufgehört, und es sind nur Kontaktinfektionen übrig geblieben. Dieses und der durch Zeugen und Sachverständige erbrachte Nachweis, dafs in der kritischen Zeit die Schieber X und Y geschlossen waren, muls das Stichrohrwasser als wahrscheinlichen Typhusträger ganz aufgeben lassen. Damit ist aber auf die Annahme einer Wasserepidemie überhaupt ganz zu verzichten, wenn man nicht als wahrscheinlich annimmt, dafs vom linken Ruhrufer während einer längeren Zeit Typhusbazillen herübergekommen sein können.

5. Die Zeit vom 24. September bis 17. Oktober 1901.

Nach S p r i n g f e l d s Zeugenaussagen hat er über eine grölsere Zahl eingetretener Typhuserkrankungen in G e l s e n k i r c h e n zuerst am 16. September einen Bericht von L i m p e r erhalten. Am 18. September ging ihm ferner ein anonymes Schreiben zu, in welchem die Schuld der Epidemie dem Wasserwerke zur Last gelegt und auf die Verschmutzung des Erdbehälters bei Leythe hingewiesen war. Gleichzeitig erhielt er einen Bericht des Bürgermeisteramtes in G e l s e n k i r c h e n , nach welchem die gegen das Wasserwerk erhobenen Beschuldigungen jedes Grundes entbehren sollten, weil gegen dieses nichts Verdächtiges vorläge. Am 23. September hat S p r i n g f e l d dann telegraphisch vom Regierungspräsidenten R e n v e r s den Auftrag erhalten, sich sofort nach G e l s e n k i r c h e n zu begeben, um den Grund für die sich damals schon über den Stadt- und Landkreis erstreckenden Massenerkrankungen zu ermitteln. Am 24. September ist er in G e l s e n k i r c h e n eingetroffen und hat hier statt der ihm früher gemeldeten 25 Erkrankungsfälle schon über 100 solcher vorgefunden. Nach S. 91 seiner mehrfach erwähnten Schrift hatten sich im Jahre 1900 bei der Typhusepidemie in B o c h u m die ärztlichen Meldungen über die Erkrankungen als unsicher erwiesen, weil der Beginn der ärztlichen Behandlung dafür als der Beginn der Krankheit galt. Deshalb ward bald darauf im Reg.-Bez. A r n s b e r g auf seinen Vorschlag ein neues Meldewesen für ansteckende Krankheiten mit folgenden Bestimmungen eingeführt: Jeder Haushaltsvorsteher ist verpflichtet, jede Erkrankung der Ortspolizeibehörde sofort durch eine Meldekarte anzuzeigen. Diese hat dann dem Kreisärzte sofort Mitteilung davon zu machen. Spätestens am folgenden Tage hat der Kreisarzt den Seuchenwärter mit den polizeilich gratis gelieferten Infektionsmitteln nach der Wohnung des Erkrankten zu schicken. Dieser hat dort die Unterweisung über deren Gebrauch zu erteilen und dem Haushaltsvorsteher eine polizeiliche Verfügung über die Krankenbehandlung in sanitätspolizeilicher Beziehung zu überbringen. Nach Erhalt des Berichtes des Seuchewärters hat der Kreisarzt die Karte mit einem entsprechend ausgefüllten Fragebogen durch die Hand des Landrats an den Regierungs- und Medizinalrat weiter zu geben. Bei allen wichtigeren Fällen kann der Kreisarzt sofort

Die Gerichtsverhandlungen über die Gelsenkirchener Typhusepidemie im Jahre 1901. selbständig die nötigen Anordnungen am Krankheitsorte veranlassen. Im Medizinalburean der Regierung wird das von den Kreisärzten eingegangene Material geordnet, and von hier werden Wochenübersichte an den Regierungspräsidenten, an den Kreisarzt, an das Oberkommando und an das Kaiserl. Gesundheitsamt gesandt. Damit sind alle sonstigen Berichte und Nachweisungen in Fortfall gekommen.

Trotzdem S p r i n g f e l d a. a. O. sagt, »dais dieses neue Meldewesen sich sehr gut bewährt und glatt in Kriegs- und Friedenszeiten funktioniert hätte«, fand er bei seiner Ankunft in G e l s e n k i r c h e n , dais das hier leider nicht der Fall gewesen war. Der dortige sanitätspolizeiliche Apparat hatte dafür nicht ausgereicht, und auf telegraphische Anfrage beim Minister wurden daher für die Dauer der Epidemiezeit sehr bald drei fernere Medizinalbeamte (Dr. Blies e n e r , Dr. H e n s g e n und Dr. v. T e z a s k a ) provisorisch nach hier zur Kompletierung entsandt. Femer war noch vom 21. Oktober bis zum 17. Dezember 1901 der Stabsarzt Dr. v. D r y g a l s k i , der damalige Assistent K o c h s , im Typhusgebiete tätig. Bis zum 15. September 1901 rückwärts konnte später hier dann auch die regelmäßige Feststellung aller Fälle durch die Kreisärzte stattfinden. Schon am Abend des 24. September hat in G e i s e n k i r c h e n unter S p r i n g f e l d s Vorsitz eine Sitzung der Gesundheitekommission stattgefunden, an der auch verschiedene andere Ärzte teilgenommen haben und in welcher als die wahrscheinliche Ursache der Epidemie einige der Ärzte sofort das Wasser erklärten. S p r i n g f e l d hat in einem hier von ihm gehaltenen Vortrage als die möglicherweise in Frage kommenden Ursachen der Massenerkrankungen drei verschiedene Möglichkeiten bezeichnet: 1. Die Übertragung der Primärfälle von Hand zu Hand in Form eines Stammbaumes, also direkt durch Kontakt; 2. den gleichzeitigen Genuls vieler Einwohner von einem mit Typhuskeimen verunreinigten Wasser, also nach der Trinkwassertheorie ; 3. die lokale Aussaat von Typhusbazillen in dem Boden des Wohnortes, also nach der Bodentheorie P e t t e n k o f e r s . Nachdem L i m p e r dann auf Grund seiner Beobachtungen berichtet, dais eine Verbindung der einzelnen dortigen Fälle nicht möglich erschiene, hielt auch S p r i n g f e l d die Kontaktübertragung für ausgeschlossen. Ebenso hielt er auf Grund der örtlichen Verhältnisse und der ganzen Lage die Wahrscheinlichkeit für ausgeschlossen, dais die Übertragung durch Bodenkeime hätte stattfinden können. Somit blieb für ihn nach einfachster Überlegung, wie er sagte, nur die Wasserverseuchung als die wahrscheinliche Ursache der Epidemie übrig. Damit erschien ihm als das Ziel seiner nächsten Tätigkeit, diese seine Annahme durch eingehendere Untersuchungen weiter nachzuweisen. Am folgenden Tage ist er zur Pumpstation bei S t e e l e gegangen, um diese zu besichtigen. Weil sie im Reg.Bez. D ü s s e l d o r f liegt, er also hier nicht zuständig war, so hat er sich an K i e s e n d a h l um Auskunft gewandt. Dieser konnte ihm aber keine Pläne der Anlagen und der Rohrleitungen vorlegen und erklärte ihm nur kurz, Verunreinigungen des Wassers könnten hier gar nicht vorkommen. Auf der Pumpstation bemerkte er damals nur den Brunnen III am rechten Ruhrufer und nahm daher an, das ganze Wasser für das Werk träte durch den Düker vom linken Ruhrufer in diesen Brunnen über. Am rechten Ruhrufer sind ihm also - dabei die Brunnen I, II, IV, V und VI, die Filterleitungen für die Brunnen II und IV, das Stichrohr für Brunnen I, sowie die Sickerleitung und der Zubringer für Brunnen IV unbekannt geblieben; auch von einer getrennten Versorgung von L e y t h e und Frillendorf scheint ihm damals noch nichts bekannt geworden zu sein.

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Bei einem später H e g e l e r erstatteten Besuche erklärte dieser sich bereit, ihm jede gewünschte Auskunft zu erteilen. S p r i n g f e l d glaubte, es hätten vielleicht in den Leitungen irgendwo Löcher gewesen sein können, durch welche Typhusbazillen eindringen konnten, die dann innerhalb zwei- bis dreiwöchentlicher Inkubationszeit die Krankheit hervorgerufen hätten. Schon am 26. September hat er von der Wasserwerksdirektion die schriftliche Mitteilung erhalten, dais am 14./16. August 1901 in K ö n i g s s t e e l e vor dem Hause Berlinerstralse 67 ein grolser Rohrbruch stattgefunden. Seine sofortige Besichtigung der umliegenden Lokalitäten hat es ihm sehr rasch als möglich erscheinen lassen, dafs bei diesem Rohrbruche ein Ausspülen der benachbarten Dung- und Abortgruben eingetreten sein konnte. Aus den Krankenlisten hat er ferner sehr bald gefunden, dais am 7. Juli 1901 in dem Hause Nr. 67 ein Mann an Typhus erkrankt gewesen. Aus der Kombination dieser beiden Tatsachen mit der von ihm angenommenen Wahrscheinlichkeit, dais überall erst im Anfange des September die Typhusepidemie begonnen hat, war sein Indizienbeweis dafür fertig, dais nämlich die Gelsenkirchener Epidemie durch den R o h r b r u c h v o m 14./16. August hervorgerufen ist. Auf diesem Wege ist er zu seiner Rohrbruchtheorie gekommen, die bald so grolses Aufsehen erregte und die er selbst für etwas ganz neues hielt. Dieser rasche Erfolg seiner Tätigkeit hat ihn so begeistert, dafs er P f u d e l gegenüber äufserte, »er möchte den Mann im preulsischen Staate sehen, der so bestimmt wie er innerhalb 24 Stunden die Ursache einer so grolsen Epidemie festgestellt hätte«. Wahrscheinlich durch diesen Erfolg angefeuert, entstand bei ihm sehr rasch der Plan, auch in kürzester Zeit die von ihm vermutete Ursache zu vernichten. Es war ihm ein Bericht F l ü g g e s bekannt, nach welchem es diesem gelungen sein sollte, eine 16 km lange Fallrohrleitung für B e u t h e n in einfachster Weise dadurch von Typhusbazillen vollständig zu befreien, dais er diese Leitung mit einer in dem dortigen Hochbehälter bereiteten Mischung von Leitungswasser mit 2 pro Mille Schwefelsäure ausspülen liels. Gleiches glaubte S p r i n g f e l d auch für das ganze zirka 300 km lange Leitungsnetz (exkl. der Anschlufsleitungen) des Werks bei S t e e l e völlig sicher und ebenso einfach bewirken zu können. Schon am 26. September veranlagte er den ersten Bürgermeister, zur Verfolgung seines Plans für den Abend in Gels e n k i r c h e n eine öffentliche Versammlung einzuberufen, an der die Leiter aller gröfseren industriellen Werke und viele Sachverständige teilnahmen und zu der auch der Landrat H a m m e r s c h m i d t erschienen war. S p r i n g f e l d s hier mitgeteilte Entdeckung des Ursprungs der Epidemie und seines Planes zu ihrer sofortigen Ausrottung wurde natürlich mit grolser Freude aufgenommen, und seinem Vorschlage zur Vornahme der Desinfektion des ganzen Rohrnetzes wurde ohne eine weitere Prüfung mit grölster Bereitwilligkeit zugestimmt, falls eine solche an einem Sonntage würde ausgeführt werden können. Am folgenden Abend, am 27. September, fand abermals eine Versammlung statt, zu der die Behörden und die sämtlichen Bürger eingeladen waren und der auch der Regierungspräsident R e n v e r s aus A r n s b e r g beiwohnte. In dieser Versammlung wurde definitiv beschlossen, die Desinfektion nach dem hier näher von S p r i n g f e l d erläuterten Plane unter behördlicher Aufsicht und unter Zuziehung des Nahrungsmittelchemiker6 Dr. R a c i n e in G e l s e n k i r c h e n durch die Wasserwerksgesellschaft für deren Rechnung in der Nacht vom 28. zum 29. September vornehmen zu lassen. Der vermeintlich unsichere Erfolg eines solchen Experimentes bei den Verhältnissen des Nivellements und der Spülungsmöglichkeit des örtlichen Rohrnetzes und die Besorgnis vor 5*

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Die Gerichtsverhandlungen über die Gelsenkirchener Typhusepidemie im Jahre 1901.

Beschädigungen der Werksanlagen durch die zu verwenden beabsichtigten sechs Doppelwagen Schwefelsäure veranlalsten P f u d e l , Bedenken dagegen zu äulsern, die jedoch S p r i n g f e l d durch die Drohung einer eventuellen Schliefsung des Werks rasch zum Schweigen zu bringen wuiste. S p r i n g f e l d wollte nach S. 85 seines Buches durch die Desinfektion »eine gründliche mechanische Reinigung der Leitung mittels Spülung, eine Anätzung der inneren Rohrwände und ihrer aus Eisenoker bestehenden Inkrustationen, eine Verbrennung der organischen Substanz in diesen Inkrustationen, eine Abtötung oder Abschwächung der Typhuskeime und eine Reinigung der Gossen der befallenen Kreise durch die ablaufende Flüssigkeit« erreichen. Weil wegen der Kürze der Zeit nur die Hälfte der als nötig angenommenen Säure für den zu 30000 cbm angenommenen Wasserinhalt des -Rohrnetzes zu beschaffen war, so mufste er sich abweichend von F l ü g g e , der eine Mischung von 2 pro Mille angewendet hatte, mit einer solchen von 1 pro Mille begnügen, und er wollte das durch die Verdoppelung der Zeit, welche die Mischung im Rohrnetze verblieb, ausgleichen. (S. Journ. f. Gasbel. u. Wasservers. 1904, S. 68.) Gestützt auf seine Ruhrbruchtheorie, nach welcher die Bruchstelle die Eingangspforte für die Typhuskeime gewesen war, hatte er zweifellos nur die Desinfektion des Fallrohrnetzes und zwar von Leythe aus ins Auge gefafst. Den Hochbehälter hier wollte er anfangs zur Herstellung der Säuremischung benutzen, und erst das Ungenügen der Räumlichkeit desselben veranlasste ihn, den Brunnen III auf der Pumpstation zum Einfüllen der Säure zu verwenden, wodurch die 4 km lange Druckleitung von hier bis zum Hochbehälter mit in die Desinfektion einbezogen wurde. Auf S. 83 seines 1903 erschienenen Buches gibt er noch als Zweck seiner Desinfektion »die möglichst schnelle Verhinderung jedes Imports von Typhusbazillen d u r c h die Wasserleitungen« an, und er hat also auch damals an deren Zerstören vor ihrem Eintritt in die Wasserleitungen, also aufserhalb des Rohrnetzes gar nicht gedacht. Erst während der späteren Voruntersuchung mufs es ihm und R a c i n e als möglich oder erwünscht erschienen sein, zugleich die Brunnen des Wasserwerks mit zu desinfizieren. Es ist daher kaum anzunehmen, dafs, selbst wenn P f u d e l , woraus ihm später ein Vorwurf gemacht ist, R a c i n e zur Zeit der Ausführung der Desinfektion auf die Brunnen II und IV, deren Vorhandensein R a c i n e damals nicht gekannt haben will, aufmerksam gemacht hätte, diese in die Desinfektion einbezogen worden wären. Nachdem P f u d e l in den Verhandlungen S p r i n g f e l d vorhielt, dafs, wenn er überhaupt die Brunnen hätte mit desinfizieren wollen, er auch die am linken Ufer liegenden und den Düker hätte in die Desinfektion einbeziehen müssen, die ihm damals doch bekannt gewesen wären, erwiderte S p r i n g f e l d , diese zu desinfizieren wäre ganz überflüssig gewesen, weil sie ihm wegen ihrer grofsen Entfernung und wegen der sie verbindenden Filteranlagen ganz unbedenklich erschienen wären; andernfalls hätte man ja auch die ganze Wiese am linken Ruhrufer desinfizieren müssen. Wenn aber die Herren, was mir als ganz zweifellos erscheint, damals wirklich nur die Fall- und Verteilungsleitungen desinfizieren wollten, so durften sie doch die zum Frillendorfer Behälter führenden und die von hier abgehenden Rohrleitungen nicht übersehen. Denn dazu, dafs damals eine verschiedene Versorgung nach zwei Distrikten stattfand, mufste sie auch ohne P f u d e l s Unterstützung die ihnen doch zweifellos bekannte Tatsache führen, dafs nur der eine der Distrikte Erkrankungen zeigte, während der andere frei davon geblieben war. Von K i e s e n d a h l war S p r i n g f e l d bereits einige Tage nach Erfindung seiner Rohrbruchtheorie auf Grund der Rohrpläne auch darauf aufmerksam gemacht, dafs die am

14./16. August gebrochene Rohrleitung nur nach dem Frillendorfer Behälter führte. Er hätte also schon daraus erkennen müssen, dafs die Verseuchung des Wassers in dem gebrochenen Rohre nur den Frillendorfer Distrikt gefährden konnte, der trotzdem seuchefrei gebheben war, und den Leyther Bezirk, der verseucht war, überhaupt nicht schädigen konnte. Wenn es auch später in den Verhandlungen durch eifriges Bemühen gelang, ^mögliche Schieberstellungen in den Druckleitungen zu kombinieren, welche während der aufgeregten Zeit des Rohrbruchs vorgenommen und dann vergessen sein konnten und durch welche für kurze Zeit ein Teil des Rohrbruchwassers in den Behälter Leythe hätte gelangen können, so rechtfertigte das doch keine positiven Schlüsse und ich unterlasse es daher, hier darauf weiter einzugehen. Selbst wenn zur Zeit der Desinfektion nur der Brunnen III am rechten Ufer für das Werk gedient hätte, wie S p r i n g f e l d angenommen haben will, so konnte er auch aus diesem leicht in das Frillendorfer Verteilungsnetz angesäuertes Wasser bringen, wenn am 29. September aufser den nach Leythe pumpenden Maschinen IX und X auch die Maschine VI, die nach Frillendorf das Wasser führte, gearbeitet hätte. Das ist aber nicht der Fall gewesen, und eine Desinfektion konnte daher überhaupt nur im Leyther Bezirke stattfinden, aber hier auch sehr wohl statt einer Reinigung neue Schädigungen durch Aufwühlen und Lösen von Niederschlägen erzeugen, die andernfalls völlig intakt geblieben sein würden. Eine fernere allerdings nur vermeintliche Enttäuschung über den Erfolg seiner Desinfektion erfuhr S p r i n g f e l d am 29. September, also nach deren Ausführung dadurch, dafs V o l t m a n n ihn auf den Erdbehälter Leythe aufmerksam machte. Vorher will er diesen nicht gekannt haben, und bei seiner vorgenommenen Besichtigung fand er ihn in einem Zustande, von dem er die in der Anklageschrift enthaltene erschütternde Beschreibung gemacht hat und der ihn veranlafste, den Erdbehälter am 2. Oktober nachträgüch noch desinfizieren zu lassen, trotzdem er damals wufste, dafs er seit dem 19. August nicht mehr in Benutzung gewesen war, also zu der Typhusepidemie überall nicht in Beziehung gestanden haben konnte und trotzdem wenigstens vorläufig an seine weitere Benutzung überhaupt gar nicht gedacht wurde. Es mufs hiernach das ganze Vorgehen S p r i n g f e l d s bei der Desinfektion als ein vollständig verfehltes erscheinen, das er, ohne über die Verhältnisse des Werks und seiner Verteilungsanlagen eine wenn auch nur oberflächliche Kenntnis zu haben und ohne nähere Vorprüfung überstürzt in demselben Drange ausführte, damit ebenso wie mit seiner Rohrbruchtheorie etwas Außerordentliches zu leisten. Hoffentlich findet er darin im preußischen Staate und auch in anderen Ländern keinen Nachfolger, wenngleich er selbst im folgenden Jahre in L ü d e n s c h e i d , allerdings unter sehr viel einfacheren Verhältnissen abermals von der Desinfektion Gebrauch gemacht hat. Von der Kühnheit seines Schlufsvermögens hat Springf e l d einen ferneren Beweis betreffs des Erdbehälters geliefert. Dieser war, wie erwähnt, in der dem 19. August 1901 vorhergehenden Zeit nur Sonntags eingeschaltet und an den sechs Wochentagen unbenutzt. Bei dessen Besichtigung am 29. September fand er, dafs sein Wasser »trübe, schlammig und modrig« war, und aus den bei ihm eingegangenen ärztlichen Meldungen schlofs er, dafs die Zahl der Erkrankungen an Sonntagen besonders stark anschwoll. Ob er dafür die Inkubationszeit und die Aufserdienstsetzung des Behälters seit dem 19. August 1901 berücksichtigt hat, weifs ich nicht. In den Verhandlungen wurde er von dem Vorsitzenden an seine Angabe aus der Zeit der Voruntersuchungen erinnert, dafs die Zahl der Erkrankungen an Sonntagen stets auffallend hoch gewesen wäre, und darauf sagte er, er könne das heute nicht aufrechterhalten; seine früher aus den ärztlichen

Die Gerichtsverhandlungen über die Gelaenkirchener Typhusepidemie im Jahre 1901. Wochenmeldungen hergeleitete Annahme erklärte er dann daraus, dais die Ärzte vielleicht am Sonnabend in irriger Weise die Meldungen von mehreren Tagen zusammengefaist hätten. Eine spätere tatsächliche Beurteilung der Wirkung der Desinfektion, ob nämlich dadurch überall eine zeitliche Änderung der Zahl der Erkrankungen hervorgerufen ist oder nicht, ist durch einen wunderbaren Zufall völlig unmöglich gemacht. Ebenso sind damit S p r i n g f e l d s Schlüsse, dafs nach der Desinfektion die Krankenzahl sich sichtlich vermindert, als auch meine im Journ. f. Gasbel. u.Wasservers. 1904, S. 454 mitgeteilten Schlüsse, dafs deren Zahl sich vermehrt hat, hinfällig geworden. Nachdem nach Pf u d e l s späterer Anzeige, dafs seit dem 25. September die Gesellschaft Stichrohrwasser überall nicht mehr hat pumpen können und die Brunnenwasserstände nach den Untersuchungen von H o l z es als wahrscheinlich erscheinen lassen, dafs bereits nach dem 15. September der Stichrohrschieber überall nicht mehr geöffnet wurde, sind schon v o r der Desinfektion vollständige Änderungen in der Art des geschöpften Wassers eingetreten, welche jeden Schlufs auf deren Wirkung unmöglich machen. Noch vergröfsert wird diese Unsicherheit durch die ungelösten Zweifel, ob der Typhusträger ü b e r a l l das Stichrohrwasser oder ob er das in den Brunnen III vom linken Ruhrufer her gelangte Wasser gewesen ist. Unbedingt ist es aber als ein Glück zu betrachten, dafs durch die Desinfektion ernstliche Schädigungen des Werks und seiner Lei-' tungen nicht eingetreten sind. 23 Tage später als S p r i n g f e l d , am 16. Oktober 1901, ist dann K o c h im Auftrage des Kultusministers zur Prüfung der Verhältnisse des Typhusgebietes in Begleitung des kürzlich verstorbenen Professors P i e f k e nach G e l s e n k i r c h e n gekommen, und schon am Abend dieses Tages hat dort eine Besprechung verschiedener Herren stattgefunden, an welcher auch der Oberpräsident von W e s t f a l e n , v o n d e r R e c k e , teilgenommen hat. Bei der Gelegenheit hat S p r i n g f e l d seine Rohrbruchtheorie zum Vortrage gebracht, und diese soll von K o c h als mutmafslicher Grund für den Ausbruch der Epidemie damals für sehr plausibel bezeichnet worden sein. Der dort anwesende Geh. Kommerzienrat K i r d o r f versuchte es an diesem Abend vergeblich, H e g e l e r und Pf u d e l die Gelegenheit zu einer kurzen Besprechung mit K o c h zu verschaffen, welche ihm eine dringende Mitteilung zu machen wünschten. Das ist ihnen aber erst am folgenden Tage, am 17. Oktober gelungen, als die Herren eine Besichtigung der Pumpstation bei Steele vornahmen. S p r i n g f e l d scheint bei seinen inzwischen erfolgten weiteren Untersuchungen des Seuchegebietes, vielleicht durch Voltm a n n s Denunziation angeregt, aufser dem Rohrbruche später auch das mögliehe Vorhandensein eines Stichrohres in nähere Überlegung gezogen zu haben, und es ist wahrscheinlich, dafs das im Abschnitte II unter 4 A erwähnte Näherrücken des Brunnens VIII am linken Ruhrufer an den Fluís ihn dazu geführt hat, eine direkte Verbindung desselben mit der Ruhr zu vermuten. Er erteilte wenigstens am 17. Oktober, als die Herren auf der Pumpstation waren, vielleicht in der Absicht, bei dieser Gelegenheit ein solches Hilfsrohr offenkundig zu machen, P f u d e l den Auftrag, zwischen diesem Brunnen und der Ruhr sofort Aufgrabungen vornehmen zu lassen. Der dabei anwesende H e g e l er sagte ihm darauf, das wäre jetzt nicht mehr nötig, weil sie K o c h sogleich eine wichtige Erklärung zu machen beabsichtigten. P f u d e l hat dann mit der Motivierung, »dafs sie einen Mann von solchem Weltrufe, wie R o b e r t K o c h , die volle Wahrheit sagen müfsten«, diesem erklärt, dafs sie früher ein aus der Ruhr zum Brunnen I führendes Hilfsrohr zur Wassergewinnung benutzt hätten. Dafs das nach dem bisherigen Verschweigen einer direkten Verbindung mit der Ruhr eine grofse Er-

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regung bei allen Anwesenden hervorrufen mufste, ist leicht erklärlich. S p r i n g f e l d , getäuscht in seiner Erwartung, das Rohr am a n d e r e n Ufer zu finden, erteilte P f u d e l in Form einer landespolizeilichen Anordnung den Auftrag, dieses Rohr, das seitdem S t i c h r o h r genannt ist, innerhalb 24 Stunden zu entfernen. Weil dasselbe schon seit dem 24. September vom Brunnen I abgeschnitten war, so konnte dem ja leicht entsprochen werden. Als S p r i n g f e l d später nach dem Rohre fragte, wurden ihm dessen Stücke auf dem Schrotthaufen gezeigt, was ihn zu der Äufserung veranlagst hat, dafs er falsch verstanden sein müfste, weil er das Rohr als corpus delicti erhalten zu sehen gewünscht hätte. Von dem Vorsitzenden ist später in den Verhandlungen dieses Mifsverständnis sehr bedauert, weil es dadurch dem -Staatsanwalt und dem Gerichte unmöglich gemacht wäre, über die Beschaffenheit des Stichrohrs Gewifsheit zu erhalten und sie über diesen ausschlaggebenden Punkt auf die unbestimmten Angaben der Angeklagten und der Zeugen angewiesen gewesen wären; auch durch die Gutachten der Sachverständigen hätte diese Unsicherheit nicht behoben werden können. In den späteren Verhandlungen hat H e g e l er als Grund für Pf u d e l s damalige Erklärung K o c h gegenüber angegeben, sie hätten geglaubt, dafs, wenn dies.es Rohr vielleicht später von anderer Seite gefunden werden würde, eventuell darauf irgendwelche wissenschaftliche Schlüsse aufgebaut worden wären, deren Unterlagen dann aber unrichtig gewesen wären, und das hätten sie vermeiden wollen. S p r i n g f e l d , schon früher während seiner dortigen Anwesenheit über dieses Rohr eine Mitteilung zu machen, hätten sie deshalb unterlassen, weil dieser mit seiner Idee, in dem Rohrbruche die Erklärung für die Epidemie zweifellos festgestellt zu haben, während der verflossenen 22 Tage sich einer fast unbeschränkten Zustimmung aller Kreise in solchem Mafse erfreut hätte, dafs auch sie sich dieser Deutung aus Überzeugung angeschlossen gehabt hätten. Sofort nach der Erklärung P f u d é l s hat K o c h sich dahin ausgesprochen, dafs mit dem Eingeständnis des Wasserwerksleiters, unfiltriertes Ruhrwasser durch das Stichrohr dem filtrierten Wasser zugesetzt zu haben, für ihn die Frage der Entstehung der Epidemie vollständig geklärt wäre. Der Rohrbruchtheorie hätte er doch nicht ohne Bedenken zugestimmt; in dem Stichrohre erkenne er aber jetzt die wahrscheinlichste Ursache der Epidemie.

6. Vom 17. Oktober 1901 bis zum 4. Juli 1904.

Von der Verteidigung wurde in den Gerichtsverhandlungen erwähnt, K o c h hätte trotzdem in einem Vortrage, den er am Tage nach Pf u d e l s Erklärung, am 18. Oktober 1901 in dem ärztlichen Vereine in G e l s e n k i r c h e n hielt, gesagt, dafs die wahrscheinlichste Ursache der Epidemie der Rohrbruch gewesen wäre. K o c h erwiderte darauf, das wäre allerdings der Fall gewesen. Zu jener Zeit wäre die Aufregung -in der Bevölkerung gegen die Gesellschaft eine so bedenkliche gewesen, dafs er diese nicht durch die Mitteilung seiner wahren Überzeugung, dafs durch das Stichrohr und dessen Benutzung und damit durch Verschulden der Gesellschaft die Epidemie hervorgerufen wäre, hätte steigern wollen. Die sich an die Bekanntgabe Pf u d e l s sofort anschliessende weitere Verfolgung der Ruhr stromaufwärts bis zur Eintrittsstelle des Eibergbaches und die genauere Besichtigung dieses Baches, sowie die Mitteilung S p r i n g f e l d s , dafs in H o r s t im Juli einige Typhusfälle vorgekommen wären und direkte Entleerungen von Typhusstühlen in den Eibergbach zugegeben würden, was ja auch später in den Verhandlungen durch Aussage der Frau T h o b e g e n für einen solchen Stuhl

Nachdem K o c h am 17. Oktober 1901 S p r i n g f e l d s Rohrbruchtheorie durch die Stichrohrtheorie ersetzt hatte, hat letzterer eifrig gesucht, auch noch andere Eintrittsmöglichkeiten für infiziertes Wasser zu entdecken und zu untersuchen. Die von ihm vermutete Möglichkeit einer Undichtigkeit des Dükers zwischen beiden Ruhrufern und der vermeintliche Mangel der Zubringerleitung durch Verschlammung versagten sehr bald als Beweis für den Eintritt pathogener Keime; weder Ruhrhochwasser noch Überschwemmungen der Pumpstation, welche solche in deren Schöpfstellen einführen konnten, hatten in der kritischen Zeit stattgefunden; des Gendarm M a n h o l d Auffinden verschmutzter Rohre an der Chaussee liels deren Verlegen in diesem Zustande und dadurch eventuell entstandene Schädigungen kaum annehmen; ein mangelhaftes Funktionieren der ordnungsmäßigen Filtration lag nicht vor; wie S p r i n g f e l d das geprüft hat, ist nicht erwähnt; durch chemische und bakteriologische Wasseruntersuchungen wird das nicht geschehen sein, weil er solchen ja wenig Vertrauen schenkt, und als Indizienbeweis dürfte dafür wohl kaum genügen, dafs das eine Verseuchung des ganzen Versorgungsgebietes zur Folge hätte haben müssen, die aber nicht eingetreten wäre; dafs Rohrbruchwasser von K ö n i g s t e e l e in den verseuchten Bezirk Leythe gelangt sein konnte, war nur aus unerwiesenen Änderungen in Schieberstellungen als eine entfernte Möglichkeit anzunehmen. Das Versagen all dieser Möglichkeiten veranlafete ihn dann schlieislich, weil er bezweifelte, virulente Typhusbazillen h"tten nach dem langen Wege von H o r s t bis zum Stichrohre in den Brunnen H gelangei können, diesem Stichrobre als Konkurrenten den Erdbehälter als eine Brutstelle der Typhusbazillen gegenüberzustellen. In diesem Behälter glaubte er längere Zeit den Herd gefunden zu haben, in welchem Typhusbazillen sich unbemerkt wochenlang hätten entwickeln können, um gelegentlich in die Leitungen überzutreten, für welche Möglichkeit er später auch einen analogen Fall durch den H a s p e r Behälter als Beweis erbracht zu haben glaubte. Die späteren Untersuchungen S p r i n g f e l d s galten dann dem ergänzenden Nachweise, dafs in G e l s e n k i r c h e n überall nur von einer Wasserverseuchung als Entstehungsursache der Epidemie die Rede sein konnte. In erster Linie suchte er dafür die genaue Prüfung der Erkrankungsverhältnisse für jeden einzelnen Fall festzustehen. Die seit Ende September vergröfserte Zahl der Medizinalbeamten gestattete, fast sämtliche Einzelfälle rückwärts eingehend auf ihre Entstehungsursache zu verfolgen und zu beurteilen, ob sie durch Kontakt oder infolge von Nahrungsmittelinfektion entstanden wären oder nicht. Nur die, bei welchen das nicht gelang, blieben ihm als direkt durch,den Wassergenuls erzeugt übrig. In den acht einzelnen Wochen vom 15. September bis 9. November hat sich daraus das folgende Resultat für beide Entstehungsursachen in dem ganzen Seuchengebiet ergeben:

bis 19. Okt.

Erkrankungen im Ganzen . . . davon derUrsprung nachgewiesen . bleibt für Wasserinfektion . . .

bis 12. Okt.

Woche vom 15 Sept.

bis 5. Okt.

nachgewiesen ist, liels K o c h sehr bald die Überzeugung gewinnen, dafs sehr wahrscheinlich das Bachwasser durch Typhusbazillen verseucht gewesen wäre und daTs von hier aus durch die Ruhr mittelst des Stichrohres höchstwahrscheinlich die T phuskeime in die Wasserleitungen übertragen sein würden. Er hat dementsprechend auch schon am 23. Oktober 1901, wie in der Anklageschrift angegeben ist, in seinem Berichte an den Minister sich wie folgt über die Ursache der Epidemie geäuisert » so f i n d e t d i e A n n a h m e , d a f s d i e I n fektion des Leitungswassers durch Verschlepp u n g d e r T y p h u s e n t l e e r u n g e n v o n H o r s t in d e n E i b e r g b a c h , v o n d a i n die R u h r u n d d u r c h d a s S t i c h r o h r in d i e L e i t u n g e n z u s t a n d e g e k o m m e n ist, eine a u s r e i c h e n d e Begründung.«

bis 28. Sept

Die Gerichtsverhandlungen über die Gelsenkirchener Typhusepidemie im Jahre 19 1. bis 21. Sept.

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Das allmähliche Ansteigen der Zahl der in ihrer Entstehungsursache wirklich erkannten Erkrankungsfälle trotz der gleichzeitigen Abnahme der Gesamterkrankungen läfst den Laien unwillkürlich bei diesen von verschiedenen Prüfern festgestellten Verhältnissen auf den Gedanken kommen, dafs die Prüfer vielleicht nicht alle gleichartig geurteilt haben und dafs auch die Findigkeit der Prüfer bei diesem nicht gewöhnlichen Geschäfte allmählich erst gewachsen sein kann. Die als Rest verbliebene Zahl der Wasserinfektionen kann daher wohl bei einzelnen Prüfern etwas zu grofs ausgefallen sein. Nach der siebenten Woche, also mit dem 2. November, sind aber die Wasserinfektionen ganz verschwunden, und nur noch Kontaktfälle oder Nahrungsmittelinfektionen sind in der späteren Zeit überhaupt vorgekommen. Die Mitteilung K o c h s in den Verhandlungen, dafs durch die Untersuchungen bei dem Kampfe gegen den Typhus an den östlichen Landesgrenzen die überwiegend größte Zahl der Fälle auf Kontakt zurückgeführt und hier überhaupt nur wenige Wasserinfektionsfälle entdeckt wären, mute bei den dortigen Wasserversorgungsverhältnissen überraschen und läfst vermuten, dafs auch bei der G e l s e n k i r c h e n e r Epidemie die Energie des Forschers manchen angenommenen Wasserinfektionsfall in einen Kontaktfall hätte umwandeln können. Nach der später erfolgten Zusammenstellung aller Erkrankungsfälle nach Ort und Zeit ihrer Entstehung gelangten die Hygieniker und Medizinalbeamten ferner zu festen Unterlagen für ihre Annahme, dafs es sich hier nur um eine Wasserepidemie gehandelt haben konnte, indem sie aus diesen Zahlen auf die explosionsartige plötzliche Entwicklung der Epidemie schlössen, während diese Zahlen doch nur den Termin der Meldungen angeben. Sie haben daraus ferner konstatiert, dafs ein gleichzeitiges Auftreten der Epidemie in allen Teilen des Seuchegebietes stattgefunden hat, und endlich auch die völlige Kongruenz der Erkrankungszahlen mit dem Versorgungsgebiete des Wasserwerkes bei Steele für den Bezirk Leythe festgestellt. Die Darstellung dieser Zahlen in den Diagrammen des Abschnittes II unter 2 verschliefsen mir die Möglichkeit, ihnen darin zu folgen — vielleicht weil der Techniker die Zahlen als Beweismittel anders aufzufassen gewohnt ist; sie sind ihm eben nicht Beweismittel seines vorgefafsten Glaubens, sondern bilden für ihn nur das Fundament, auf dem sein Glaube sich überhaupt erst aufbauen kann. Die Verdächtigungen gegen die Direktoren H e g e l er und P f u d e l veranlafsten sehr bald die Einleitung einer Voruntersuchung gegen beide, bei welcher S p r i n g f e l d den Untersuchungsrichter gutachtlich unterstützt hat. Nachdem letzterer unfiltriertes Ruhrwasser sowohl allein als auch mit filtriertem Wasser gemischt als gesundheitsgefährlich und minderwertig erkannt und in dem Erdbehälter eine geeignete Brutstätte für Typhusbazillen gefunden hatte, baute der Untersuchungsrichter gegen H e gel er und P f u d e l eine Anklage auf wegen Vergehens gegen das Nahrungsmittelgesetz durch das Herstellen von mit unfiltriertem Ruhrwasser gemischtem Trinkwasser und durch dessen Verkauf, sowie ferner wegen ihres vermeintlichen Suchens von rechtswidrigen Vermögensvorteilen, wie im Abschnitte I unter 1 erwähnt ist.

Die Gerichtsverhandlungen über die Gelsenkirchener Typhusepidemie im Jahre 1901. Das auf Antrag des Richters in dieser Untersuchungssache erstattete Gutachten vom 1. Dezember 1902 der wissenschaftlichen Deputation für das Medizinalwesen erklärte auf Grund der ausschlielslichen Prüfung des Materials der Untersuchungsakten, dafs das gelieferte Wasser des Werkes bei Steele geeignet sei, die menschliche Gesundheit zu schädigen und dafs es minderwertig, verdorben und gefälscht gewesen sei, so dafs durch dessen Gebrauch die Typhusepidemie verursacht wäre und zwar wahrsc einlich durch Typhusbazillen, welche durch das Stichrohr mit dem rohen Ruhrwasser eingeführt wurden. Die Mutmalsung, dafs auch vom linken Ruhrufer zufliefsendes künstlich erschlossenes und vorher filtriertes Wasser während der Bauzeit 1901 dort nachträglich durch Typhusbazillen verunreinigt sein könnte, war den Obergutachteni damals nicht bekannt. Sie haben derzeit übereinstimmend mit S p r i n g f e l d s Zeichnung angenommen, daüs Maschine X kein Saugerohr zum Brunnen III hatte, also nur aus Brunnen I I Wasser entnehmen konnte und dafs die Maschine VI nur aus Brunnen III gesogen hätte. Von dem Brunnen I I sagt das Obergutachten, dafs er aufser der geringen Wassermenge seiner Filterleitung hauptsächlich Stichrohrwasser erhalten hätte. Denn ein gerichtlicher Nachweis, ob die die Brunnen II, III und IV verbindende Heberleitung voll und ganz funktioniert hätte, hätte ihnen nicht vorgelegen, und damit wäre es erklärt, dats alles verseuchte Wasser nach Leythe durch Maschine X geführt wurde und dafs die Brunnen III und IV solches nicht erhalten haben konnten. Es wurde später vom Untersuchungsrichter nicht versucht, die Obergutachter unter Bekanntgabe der nachträglichen Richtigstellung dieser Punkte zu einer Nachprüfung zu veranlassen. Durch diese geänderte Sachlage müsse aber das von den Obergutachtern als Ursache der Typhusbazillenübertragung früher angenommene Stichrohr jedenfalls in seiner Bedeutung erschüttert werden, und deren Entscheidung über die Ursache hätte jedenfalls einer nochmaligen Bestätigung bedurft, wenn sie weiter als durchschlagendes Beweismittel benutzt werden sollte. Abgesehen davon erscheint die aus den Akten aufgebaute Anschauung, »das Ruhrwasser wäre nicht gesund«, ebenso von zweifelhafter Bedeutung wie die Zustimmung verschiedener späterer Sachverständigen dazu, welche in die Ruhr nur einmal oder auch nur an wenigen Tagen hineingesehen haben. Nach abermals monatelangen Voruntersuchungen sind endlich auf Grund der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft vom 24. September 1903 nicht nur H e g e l er und P f u d e l , sondern auch S c h m i t t und K i e s e n d a h l , wie ich in meinem früheren Berichte (s. Journ. f. Gasbel. u.Wasservers. 1904, S. 1108) mitgeteilt habe, in Anklagezustand versetzt. Auf den früher gehegten Verdacht des Suchens rechtswidrigen Vermögensvorteiles von H e g e l e r und P f u d e l war verzichtet, weil sie keine Tantieme bezogen hätten. Sie sowohl wie S c h m i t t waren beschuldigt, vorsätzlich Trinkwasser so hergestellt zu haben, dafs es die menschliche Gesundheit zu beschädigen geeignet war, und dann verkauft oder sonst in den Verkehr gebracht zu haben; H e g e l e r und P f u d e l waren ferner beschuldigt, solches gemeinschaftlich und mit der Folge getan zu haben, dafs dadurch schwere Körperverletzungen sowie der Tod von Menschen verursacht wurde, während K i e s e n d a h l nur wissentlich bei Begehung des genannten Vergehens und Verbrechens den Tätern Hilfe geleistet haben sollte. Die im Abschnitte I unter 3 besprochenen Gründe, welche das Wasser überhaupt nicht als unter das Nahrungsmittelgesetz fallend annehmen lassen, haben die Billigung des Staatsanwalts insoweit gefunden, als er in der Anklageschrift nur von »Trinkwasser« spricht, also vielleicht

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daß Wasser, welches nicht als Trinkwasser abgegeben wird, nicht als unter das Gesetz fallend, ausscheidet. Nach verschiedenen Aussagen soll in den von der Gesellschaft mit den Gemeinden abgeschlossenen Verträgen von Trinkwasser überhaupt nicht und von Wasserqualität nur in wenigen Fällen und dann als von »gutem Wasser« die Rede sein. Brauchwasserleitungen liefern aber auch ein gutes Wasser, und ängstliche Gemüter befriedigen ihren verhältnismäfsig zum Gesamtverbrauche stets minimalen Bedarf an Trinkwasser häufig überhaupt nicht durch Leitungswasser — doch davon will ich hier absehen. Dafs H e g e l e r sich damals mit der Herstellung von Wasser überall nicht beschäftigt hat, wozu er als Jurist ja auch wenig geeignet erschien, ergibt sich, wie erwähnt, nach den Verhandlungen daraus, dafs er erst im Februar 1901, also nach dreijähriger Dienstzeit, gehört hat, dafs ein Stichrohr vorhanden und auch im Jahre vorher bereits von seinem technischen Kollegen monatelang benutzt wäre. Sein Verschulden konnte also nur im Verkaufe von Mischwasser als Trinkwasser gefunden werden. Solches Mischwasser hat S c h m i t t nach seiner Angabe 1891, 1895/96 und 1899, also dreimal und immer nur wenige Wochen während der Ausführung baulicher Arbeiten und jedesmal ohne jede bemerkte Spur einer gesundheitsschädlichen Folge hergestellt. P f u d e l hat das allerdings monatelang regelmäßig wegen fortlaufenden Wassermangels infolge bedeutender Konsumsteigerung sowohl 1900 als 1901 getan und, während 1900 keine schädlichen Folgen dadurch eingetreten sind, sollte das die Epidemie von 1901 hervorgerufen haben. K i e s e n d a h l ist der Anordnung seiner Vorgesetzten in demselben Glauben wie diese gefolgt, dafs ein geringer Zusatz von rohem Ruhrwasser, das er und seine Leute immer ohne Bedenken getrunken haben, nicht gesundheitsschädlich sein könnte. Wie K r u s e in den Verhandlungen erwähnt hat, ist das von der Gesellschaft gelieferte Wasser in weiten Kreisen allgemein stets als ein gutes bekannt gewesen. Die fortlaufend günstigen Resultate, welche die bakteriologischen Untersuchungen für die gesundheitliche Beurteilung des Wassers mit geringen Ausnahmen während zehn Jahren ergaben, mufsten in den Angeklagten nach dieser Richtung alle Zweifel zum Schweigen bringen, welche in ihnen durch eine in Fällen der Not gelegentlich erfolgte Beimischung von rohem Ruhrwasser hätten entstehen können. Die dienstliche Stellung des Wasseruntersuchers, des Medizinalrats Dr. T e n h o l t , mufBte ihnen die volle Garantie für dessen ausreichende Befähigung zur Beurteilung des Wassers bieten, und als dieser am 24. September ihnen wieder das Leitungswasser als nicht gesundheitsschädlich bezeichnete — aber zum ersten Male in Verlauf von zehn Jahren einschränkend erwähnte, »wenn s i e k e i n r o h e s R u h r w a s s e r e i n l i e f s e n « —, hat P f u d e l sofort die fernere Möglichkeit, solches tun zu können, beseitigen lassen, allerdings ohne T e n h o l t zu sagen, dafs letzteres gerade damals der Fall gewesen war. Dafs die vier Angeklagten das Stichrohr immer nur als ein Aushilfsmittel angesehen haben, von dem man, ganz abgesehen von der fehlenden Konzession der Strombauverwaltung, gegen Fremde deshalb nicht sprechen durfte, weil den Konsumenten das Wasser bei geöffnetem Stichrohrschieber vielleicht weniger appetitlich erscheinen konnte, ist wohl zweifellos. Dafs sie aber damit vielleicht Gesundheitsschädlichkeiten oder gar schwere Körperverletzungen und den Tod von Menschen hervorrufen könnten, das wird ihnen niemals eingefallen sein, und für so schlecht wird sie doch niemand halten, dafs sie es dann benutzt haben würden.

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Die Gerichtsverhandlungen über die Gelsenkirchener Typhusepidemie im Jahre 1901.

Wenn der Staatsanwalt später in seinem Plaidoyer am 28. November 1904 sagte, dafs sich heute jedes Kind über die Gefährlichkeit des Stichrohrwassers klar wäre, so ist das im Jahre 1902 nicht nur bei Kindern, sondern auch bei Erwachsenen, und sogar bei vielen, die sich speziell mit der Trinkwasserfrage beschäftigen, gewiis nicht in diesem Umfange der Fall gewesen. Denn damals hat selbst der Untersuchungsrichter sich nicht mit diesem Volksglauben und auch nicht mit der Ansicht S p r i n g f e l d s begnügt, sondern er hat es für erforderlich gehalten, vor Hinausgabe seiner Anklage ein Gutachten über diesen Punkt von der höchsten hygienischen Autorität in Preufsen, der wissenschaftlichen Deputation für das Medizinalwesen, einzuholen. Erst die vom 1. Dezember 1902 datierte Erklärung dieser Deputation, »dafs d a s R u h r w a s s e r u n z w e i f e l h a f t als g e s u n d e s W a s s e r n i c h t zu b e z e i c h n e n i s t u n d d a f s d u r c h d e s s e n Zusatz zu f i l t r i e r t e m W a s s e r das M i s c h w a s s e r g e e i g n e t wird, die G e s u n d h e i t der M e n s c h e n zu schädigen«, war das erste offiziell und öffentlich ausgesprochene Verdammungsurteil über Stichrohrwasser, welches für die Handlungen der Angeklagten im Sommer des vorhergegangenen Jahres natürlich noch nicht bestimmend gewesen sein konnte. 7. Die Zeit vom 14. Juli bis 25. November 1904.

In den am 14. Juli 1904 begonnenen Gerichtsverhandlungen wurden die vorstehend besprochenen tatsächlichen Verhältnisse mit Ausnahme der von S c h m i t t angeregten Zweifelpunkte zum gröfsten Teil einfach bestätigt. Die Antworten auf die vom Vorsitzenden im Laufe der Verhandlungen an alle Sachverständigen gerichteten Fragen ergaben mit Ausnahme von E m m e r i c h eine allgemeine Zustimmung zu dem Obergutachten rücksichtlich seiner obigen Beurteilung des rohen Ruhrwassers und des unter seiner Benutzung hergestellten Mischwassers. Ebenso stimmten sämtliche Gutachter mit Ausnahme von E m m e r i c h den Obergutachtern darin bei, dafs die G e l s e n k i r c h e n e r Epidemie eine Wasserepidemie gewesen wäre. Die Bemühungen E m m e r i c h s , die Entstehung der Epidemie nach der Bodentheorie zu erklären, fanden fast von keiner Seite eine Unterstützung; im Gegenteil reizten sie verschiedene Anhänger der Koch sehen Schule zu den heftigsten Entgegnungen, welche eine objektive Prüfung häufig vermissen liefsen- Nur zwei medizinische Sachverständige, R a c i n e und T e n h o l t , erklärten sich nicht zur unbedingten Folge der K o c h sehen Schule betreffs der Typhuserklärung im allgemeinen, sondern hielten die heutigen Anschauungen einer noch weiteren Klärung bedürftig, wenn sie auch für den vorliegenden Fall der Wassertheorie voll zustimmten. Als die Angeklagten entschuldigend erwähnte S p r i n g f e l d , dafs bislang kein Verbot bestände, rohes Ruhrwasser für Wasserversorgungen zu pumpen, und K r u s e bedauerte in gleicher Richtung, dafs heute noch kein entsprechendes Seuchengesetz bestände, in welchem einfach stehen müfste: »Du sollst nicht aus der Ruhr pumpen.« Beiden erschienen die Aussprüche des Obergutachtens für die Allgemeinheit in dieser Form somit als noch nicht klar genug. K r u s e meinte, nur wenn alle Wasserwerksdirektoren Hygieniker von Fach wären, würden sie die Gefährlichkeit des Stichrohres und die Verwerflichkeit der Benutzung von rohem Ruhrwasser richtig erkennen können. Ob derartige Fachhygieniker aber die übrigen Arbeiten der Wasserfachleute, welche sich nicht auf den Schutz vor Typhusbazillen beziehen, erfolgreich würden erledigen können, erscheint mir heute recht zweifelhaft, und es wäre ihnen dann jedenfalls zu raten, sich in. ihrem Vorbereitungsstudium eingehender mit der Technik des Wasserversorgungswesens zu beschäftigen, als das bislang der Fall ist, was aber auch sonst recht wünschenswert wäre.

In der Anklageschrift ist die von S c h m i t t als möglich angeregte Entstehung der Epidemie durch die Bauarbeiten am linken Ruhrufer vor und zur Zeit der Epidemie wohl erwähnt, aber kurz damit abgewiesen, dafs dadurch die Absonderung des Seuchegebietes innerhalb des gesamten Versorgungsgebietes des Werkes bei Steele nicht erklärt werden könnte. Nun ist aber gerade in Wirklichkeit das Gegenteil der Fall, wie in diesem Abschnitte unter 4 nachgewiesen ist. Über diese Arbeiten waren zur Prüfung ihrer möglichen Gefährlichkeit zu den Verhandlungen nur der Unternehmer und dessen Aufseher geladen, deren Aussagen sich, wie leicht erklärlich, als völlig wertlos für eine sachliche Feststellung erweisen muísten. Wenngleich von Koch die Resultate der bakteriologischen Untersuchungen des Leitungswassers von Tenholt, Schmeck und R a c i n e aler für ihn bedeutungslos bezeichnet wurden, so sind die von ihnen ermittelten Zahlen während deT Epidemiezeit doch übereinstimmend so gering und von denen der vorhergehenden Zeit so wenig abweichend, dafs die Annahme trotzdem gewiis berechtigt ist, dafs das eingelassene Stichrohrwasser, dessen Menge Holz zu 21% angenommen hat, keinenfalls ein sehr keimreiches gewesen sein kann. Nehme ich an, die 79% filtriertes Wasser hätten 60 Keime im ccm enthalten oder wären sogar keimfrei gewesen, so hätte in einem Leitungswasser von 150 Gesamtkeimen das Stichrohrwasser 500 resp. 700 Gesamtkeime im ccm haben müssen, während im rohen Ruhrwasser immer mehrere tausend Gesamtkeime gezählt sind. Entweder muís daher die Stichrohrwassermenge nur eine sehr geringe gewesen sein oder es mufs durch die Verpackung vor der Stichrohrmündung eine recht wirksame Filtration, die allerdings von den Sachverständigen geleugnet wird, stattgefunden haben, die aber dann gleichfalls die durch das Eibergbachwasser angenommene Zuführung einer nur geringen Zahl von Typhusbazillen reduziert haben mufs. Ist dagegen in das dem Brunnen HI vom linken Ufer zugeführte Wasser, das durch die Art seiner Fassung bereits nur eine geringe Gesamtkeimzahl enthielt, eine geringe Menge stark verschmutzten Wassers, wie ich das in diesem Abschnitte unter 3 als wahrscheinlich angenommen habe, übergetreten, so konnte das Leitungswasser sehr wohl eine verhältnismäfsig grofse Zahl Typhuskeime trotz einer geringen Zahl von Gesamtkeimen enthalten. Der scheinbare Widerspruch, der die geringe Gesamtkeimzahl des Leitungswassers den Untersuchern zur Last schreiben läfst, wäre damit aufgeklärt. Einen vollständig revolutionären Einflufs auf die Verhandlungen bewirkte dagegen die von S c h m i t t gemachte Erklärung betreñs der Stellung der Schieber X und Y. In der Anklageschrift sind in der Heberleitung zwischen den Brunnen II, III und IV nur die beiden Schieber 7 und Y für die Brunnen HI und IV erwähnt. Die wiederholt aus der Voruntersuchung zitierte Angabe K i e s e n d a h l s , »alle Schieber sind im August und September offen gewesen«, die er anfangs ja auch in den Gerichtsverhandlungen wiederholt hat, wird sich daher höchst wahrscheinlich nur auf diese beiden Schieber bezogen haben. Von der Maschine X wird in der Anklageschrift gesagt, dafs sie im August 1901 in Betrieb gekommen ist und das Wasser dem Brunnen II entnommen hat. Ferner heifst es hier, die Maschinen VIH und IX hätten aus dem Brunnen V, die Maschinen VI und Vil aus dem Brunnen IV und die Maschinen HI, IV, V, VI und VIH aus dem Brunnen HI gesogen. Somit hätten die Maschine VHI aus zwei Brunnen, nämlich HI und V, und ferner die Maschine VI aus zwei Brunnen, nämlich HI und IV, das Wasser entnehmen können. Dafs für diese letztere Variation aber in deren Saugerohre zwei Schieber, nämlich W und X, vorhanden waren und dafs, wenn deren einer geschlossen war,

Die Gerichtsverhandlungen über die Gelsenkirchen er Typhusepidemie im Jahre 1901. das Saugen nur aus einem der Brunnen stattfinden konnte, ist in der Anklageschrift überall nicht erwähnt. Hat also K i e s e n d ah 1 zwei Schieber als offen bezeichnet, so wird er dabei wahrscheinlich nicht an diese Schieber W und X gedacht haben. Die Anklageschrift gibt freilich noch an, dals die Maschine III aufser dem Saugerohre zum Brunnen II noch ein solches zwischen den Brunnen II und III gehabt hätte. Letzteres stimmt weder mit der S p r i n g f e l d s c h e n noch mit der Zeichnung der Anklageschrift überein, weil die Maschine III auf beiden ein nach den Brunnen II und III gegabeltes Saugerohr hat und das Rohr zwischen diesen beiden Brunnen auf ersterer ganz fehlt und auf letzterer den Eindruck eines Heberrohres zwischen diesen beiden Brunnen macht. Schieber sind überhaupt auf beiden Zeichnungen gar nicht angegeben, und erst auf der Zeichnung des H o l z sehen Gutachtens vom 20. Oktober 1904 sind die Schieber V, W, X und Y eingetragen. Diese Zeichnung gibt überall erst ein richtiges Bild der Saugeleitungen von Maschine X und enthält ferner auch das Saugerohr für Maschine IX zwischen den Brunnen V und III. Es ergibt sich hieraus, welchen Wandel die Kenntnis der wassertechnischen Anlagen im Laufe der Jahre durchlaufen mufste. Das läist annehmen, dafs es bei der Voruntersuchung für diesen so wichtigen Teil ihrer Aufgabe an ausreichenden technischen Kräften gefehlt hat. Die Angabe der Anklageschrift, dafs das Kartenmaterial des Werkes seinerzeit überaus mangelhaft und unvollständig gewesen wäre und dafs deshalb die wassertechnischen Feststellungen die gröfsten Schwierigkeiten bereitet hätten, kann das dauernde Bestehen von Unklarheiten für den Richter doch nicht entschuldigen. Sache des Untersuchungsrichters wäre es unter diesen Verhältnissen in erster Linie gewesen, besonders weil die Anlagen des Werkes fortlaufend baulichen Änderungen unterzogen wurden und die Unterlagen für eine spätere Feststellung damit immer mehr verschwinden mufsten, eiligst den damaligen Zustand des Werkes durch genaue Aufnahmen von einem unbeteiligten Fachtechniker zweifellos feststellen zu lassen. Aber auch selbst wenn das Werk vollständige Zeichnungen vorgelegt haben würde, wäre es dringend nötig gewesen, diese sofort durch einen erfahrenen Fachmann und nicht etwa durch Medizinalbeamten oder Juristen auf ihre Richtigkeit prüfen zu lassen. Erst nachdem im Laufe der ersten Sitzungsperiode S c h m i t t s Erklärung über die Schieberstellungen durch Zeugen beglaubigt und durch die technischen Sachverständigen als sehr wahrscheinlich bestätigt wurde und damit die Annahme des Kausalzusammenhanges zwischen Typhus und Stichrohr in der Anklageschrift erschüttert erschien, und erst nachdem H o l z nach zehntägigen Verhandlungen erklärte, dafs die Möglichkeit vorläge, auf Grund weiterer von ihm vorzunehmenden Untersuchungen wahrscheinlich genauere Zahlenangaben über die Verteilung des Stichrohrwassers zwischen den Behältern Leythe und Frillendorf machen zu können, durch welche zugleich die umstrittene r i c h t i g e Stellung der Schieber X und Y während der kritischen Zeit sich möglicherweise würde beweisen lassen, stellte der Staatsanwalt den Antrag, H o l z den Auftrag zur Ausarbeitung eines entsprechenden Gutachtens über diese Fragen zu erteilen. Trotzdem S m r e c k e r eine solche Arbeit als zwecklos zur Bestätigung seiner Uberzeugung bezeichnete und die anderen technischen Gutachter derselben Ansicht waren, und trotzdem die Verteidigung sich wegen der Unterbrechung, welche die Verhandlungen dadurch erfahren würden, entschieden dagegen aussprach, beschlofs der Gerichtshof, durch H o l z ein schriftliches Gutachten zur Ergänzung des Informationsmaterials ausarbeiten zu lassen, weil, wie der Vorsitzende sagte, die entsprechenden Ermittelungen über die

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von S c h m i t t angeregten Zweifel während der Voruntersuchung n i c h t m ö g l i c h gewesen wären. Dadurch erfuhren die Verhandlungen eine viermonatliche Unterbrechung vom 15. Juli bis zum 14. November. In der zweiten Sitzungsperiode, die am 14. November begann, mufsten die Verhandlungen von vorn wieder begonnen werden, weil die Ermittlungen der ersten Sitzungsperiode bedeutungslos geworden waren. Sie boten jedoch nicht nur eine einfache Wiederholung; denn über formale Punkte wurde schneller hinweggegangen, und in den wichtigeren Punkten zeigte sich dagegen vielfach eine gröfsere Vertiefung. Freilich bestätigte das am 20. August dem Gerichte von H o l z überlieferte, in Abschnitt II unter 6 besprochene Gutachten die Vorhersage der technischen Sachverständigen vollständig, dafs nur sehr bestreitbare, willkürliche Annahmen über die Verteilung des Stichrohrwassers zu positiven Zahlen würden führen können und dem daher nur ein recht zweifelhafter Wert beizumessen wäre. Ebenso schienen die Sachverständigen der K o c h sehen Schule in den von ihnen gehegten Erwartungen ziemlich getäuscht zu sein. Wenn in dem Gutachten auch nachgewiesen war, dafs bei der Annahme, »alle Schieber sind offen gewesen«, das sämtliche Stichrohrwasser nach Leythe hätte kommen müssen, also hier allein die Verseuchungsursache gewesen sein konnte, so konnte H o l z doch für den Fall, dafs die Schieber X und Y geschlossen gewesen wären, nur seine frühere Anschauung und die der technischen Sachverständigen bestätigen, dafs dann das Stichrohrwasser sich vielleicht in annähernd gleichen Mengen nach Leythe und Frillendorf verteilt haben würde, dafs aber das Mischwasser von Frillendorf einen viel gröfseren Prozentgehalt von Stichrohrwasser (vielleicht 3 bis 4 mal mehr) als das von Leythe hätte haben müssen. Somit hätte die Verseuchung des Frillendorfer Gebietes dann wahrscheinlich viel bedeutender als die des Leyther Gebietes sein müssen. Weil aber ersteres trotzdem seuchefrei geblieben war, so k o n n t e a u c h d a s S t i c h r o h r w a s s e r d i e T y p h u s b a z i l l e n n i c h t e n t h a l t e n h a b e n , und der als erbracht angenommene Beweis des Kausalzusammenhanges von Typhus und Wasserversorgung erschien damit als völlig gescheitert. Wenn die Schieber X und Y geschlossen waren, so schöpfte nach H o l z die Maschine VI für Frillendorf und Maschine VII für Leythe das Wasser aus Brunnen IV. Die übrigen Maschinen VIII, IX und X schöpften gleichzeitig ausschliefslich Wasser nach Leythe aus Brunnen III und nur Maschine X konnte möglicherweise einen geringen Teil ihrer Förderung aus Brunnen II entnehmen, wenn sie bei einem niedrigeren Wasserspiegel im Brunnen II als im Brunnen III, was wohl immer der Fall gewesen sein wird, nicht aus letzterem angesogenes Wasser in ersteren fallen liefs. Stichrohrwasser konnte sich überhaupt nur in dem Brunnen II und daraus weiter durch das Heberrohr in dem Brunnen IV befinden. Die K o c h s c h e Schule und auch die Laien, soweit sie sich deren Anschauung angeschlossen hatten, standen daher vor der Aufgabe, weil sie ihre feste Überzeugung von der Schädlichkeit des Stichrohrwassers aufgeben mufsten, eine neue Quelle für die Wasserinfektion zu suchen, und auf eine solche waren sie ja von S c h m i t t bereits am linken Ruhrufer hingewiesen. Dafs es unschwer gewesen wäre, hier für die wahrscheinliche Schädlichkeit des Wassers in der kritischen Zeit ausreichende Beweise zu erbringen, die viel gewichtiger waren, als der eine Typhusstuhl vom Juli, der als in den Eibergbach ausgeschüttet durch Zeugenaussagen nachgewiesen war, erscheint mir nach den Mitteilungen unter 4 dieses Abschnittes als ganz zweifellos. Auch die Übertragung des Wassers aus dieser Seuchequelle auf das rechte Ufer und seine Verteilung bei der vorstehend angegebenen Maschinenarbeit für die geschlossenen 6

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Die Gerichtsverhandlungen über die Gelsenkirchener Typhusepidemie im Jahre 1901.

Schieber X und Y kann die anfängliche Seuchefreiheit von Frillendorf und dessen spätere Verseuchung nach Beseitigung des Stichrohres viel wahrscheinlicher erklären lassen, als die Stichrohrtheorie. Der Gerichtshof hat aber darauf verzichtet, und im Interesse von H e g e l e r und P f u d e l kann man das vom persönlichen Standpunkt nur als höchst erfreulich bezeichnen, weil sie der Verdacht allein schon hart genug für ihr etwaiges Verschulden gestraft hat. Im Interesse der Allgemeinheit ist es aber zu bedauern, dafs die wahre Quelle des Unheils bei dieser Gelegenheit nicht näher festgestellt ist, weil die Erkenntnis der etwaigen Gesundheitsschädlichkeit des Wassers dadurch doch wesentlich hätte bereichert werden können. Von den medizinischen Gutachtern hat nur einer, nämlich S p r i n g f e l d , ausgesprochen, dafs er sich der technischen Entscheidung füge, und, nachdem der seit dem 19. August aufs§r Benutzung befindliche Erdbehälter als Keimquelle für die Epidemie auch ihm zweifelhaft erschien, hat er vertrauensvoll wieder auf seine alte Rohrbruchtheorie zurückgegriffen. Auch K o c h ist seinem alten Glauben treu geblieben, jedoch deshalb, weil das Geschlossensein des Schiebers X für ihn, wie er sagte, auf recht schwachen Füfsen stände. Leider wäre ein Versuch mit gefärbtem Wasser zur Bestimmung des Wasserweges durch die heute veränderten Verhältnisse auf dem Werke ausgeschlossen; diesen Weg heute noch zu betreten, wäre aber doch eigentlich unnötig, weil die Typhusbazillen diesen uns ja selbst schon früher gewiesen hätten. Am 25. November fafste er seine Anschauung über die Entstehung der Typhusepidemie in G e l s e n k i r c h e n schliefslich nochmals dahin zusammen: »dafs er nach genauer Überlegung und nach Prüfung aller anderen Eintrittsmöglichkeiten von rohem Ruhrwasser in dem Stichrohre die einzige Eintrittspforte für die Typhusbazillen erkannt hätte und dafs er auf Grund seiner Erfahrung und seines Wissens zu der festen Überzeugung gekommen wäre, dafs die G e l s e n k i r c h e n e r Epidemie nur dadurch hätte entstehen können, dafs unfiltriertes Ruhrwasser in die Leitungen gekommen wäre.« v. D r y g a l s k i sprach der mathematischen Berechnung für den vorliegenden Fall überhaupt jede Berechtigung ab; es wäre keine technische, sondern ausschlieJfelich eine biologische Aufgabe, den Weg zu ermitteln, welchen die Typhusbazillen genommen hätten. K r u s e dagegen gab zu, dafs mit dem gelungenen Nachweise, dafs Stichrohrwasser überhaupt nach Frillendorf gelangt wäre, auch die von ihm vertretene Theorie eigentlich aufgegeben werden müfste. Als Naturforscher wäre er aber froh, wenn er etwas nur als wahrscheinlich bezeichnen könnte, und um sich diese Möglichkeit zu erhalten, behaupte er kurzweg, die Ansichten der technischen Sachverständigen wären falsch, und als Beweis dafür stützte er sich auf seinen Glauben an die ersten Aussagen von K i e s e n d a h l über die Schieberstellung. 8. Am 28. und 29. November 1904. In seinem Plaidoyer machte der Staatsanwalt gegen den Beweis des Geschlossenseins der Schieber geltend, dafs einer der von S c h m i t t berufenen Zeugen, der Schlosser Quitzow, auf ihn den Eindruck eines Idioten gemacht hätte. Wenn er nun auch mit mathematischer Gewifsheit glaube, dafs die Schieber X und Y damals offen gewesen wären, so könnte er doch die felsenfeste Überzeugung davon nicht gewinnen, und deshalb müfste er den früher angenommenen Kausalzusammenhang zwischen Typhus und Wasserleitung aufgeben. Diesen Kausalzusammenhang hat denn auch der Gerichtshof verneint, weil es keinenfalls durch die Verhandlungen widerlegt wäre, dafs auch in den Frillendorfer Behälter Stichrohr-

wasser während der kritischen Zeit gelangt ist. Damit ist der Nachweis des H e g e l e r und P f u d e l zur Last gelegten Verbrechens der fahrlässigen Körperverletzung und der Tötung von Menschen gefallen. Ob Wasser im Sinne des Nahrungsmittelgesetzes vom 14. Mai 1879 überhaupt ein Nahrungs- und Genufsmittel ist, wurde im Abschnitte I unter 3 von mir bezweifelt, und nach einer Äufserung des Vorsitzenden in der »Deutschen Juristen-Zeitung« (Jahrg. X, 1905, S. 114) ist das auch bislang durch Rechtsprechung nicht entschieden gewesen. Erst in den Essener Prozefsverhandlungen im Jahre 1904 ist diese Frage zum ersten Male im Anschlufs an das im Abschnitte I unter 3 erwähnte Urteil des Reichsgerichtes bejaht und zwar »weil dem Körper das Wasser zugeführt wird, um das diesem durch Ausscheiden entzogene und zu seiner Erhaltung durchaus notwendige Wasser zu ersetzen und femer, weil der Begriff der menschlichen Ernährung sich nicht nur auf die Erhöhung der Stoffmenge durch neue Stoffe beschränkt, sondern auch die Ersetzung der verbrauchten Stoffe umfafst.« Nach Ansicht des Gerichtshofes ist das Wasser aber nicht nur ein Nahrungsmittel, sondern auch ein Genufsmittel, weil ein Nahrungsmittel nicht nur zur Erhaltung des Körpers, sondern auch des Wohlgeschmacks wegen genossen wird. H e g e l e r und Pf ud el hatten nun eingestanden, im Jahre 1901 an 60 bis 80 Tagen das Leitungswasser, das sie in den Verkehr gegeben haben, durch Mischen von rohem Ruhrwasser mit filtriertem Wasser hergestellt zu haben. Gleiches hat S c h m i t t für einige Tage in den Jahren 1891 bis 1899 zugegeben. Auf Grund des Obergutachtens und der in den Verhandlungen von den Sachverständigen gemachten Aussagen hat der Gerichtshof rohes Ruhrwasser immer als gesundheitsgefährlich und in einer Reihe von Fällen auch als gesundheitsschädlich angenommen. Aus der Vertragsverpflichtung der Gesellschaft, die gutes Wasser von ihr zu liefern verlangte, hat der Gerichtshof daher eine Täuschung der Wasserempfänger durch wissentliche Lieferung eines minderwertigen Wassers angenommen. Der Gerichtshof hat jedoch ebenso wie die Staatsanwaltschaft ferner angenommen, dafs die begangenen Handlungen der Angeklagten keine vorsätzliche oder mit dem dolus eventualis ausgeführte, sondern nur fahrlässige Handlungen gewesen sind. Daher ist der Strafantrag des Staatsanwalts und die Verurteilung durch den Gerichtshof auf Grund des § 10 des Nahrungsmittelgesetzes erfolgt, und zwar für H e g e l e r , P f u d e l und S c h m i t t in begrifflichem Zusammenhang mit § 14, welche das Vergehen einer Verfälschung des Trinkwassers zum Zwecke der Täuschung unter Verschweigen dieses Umstandes mit bis zu 6 Monaten Gefängnis und mit Geldstrafe bis zu 1500 M. oder mit einer dieser Strafen bedrohen. Der Staatsanwalt hält die von den Angeklagten begangene Fahrlässigkeit für eine grobe, weil sie das Stichrohr als eine ordnungswidrige Anlage anerkannt haben sollen, über deren Gefährlichkeit sich jedes Kind klar wäre, während eine derartige Anlage a l s s o l c h e doch durchaus ungefährlich erscheint und deren Benutzung ebenso wie beispielsweise die einer Schufswaffe mitunter recht nützlich sein kann. Das aus dieser Anlage durch Öffnen des Schiebers entnommene Wasser kann, wie auch der Gerichtshof annimmt, doch nur in besonderen Fällen gesundheitsschädlich sein. Auch hat der Gerichtshof den allgemeinen Gebrauch des Stichrohres als eine Tatsache bezeichnet, wenngleich vor der G e l s e n k i r c h e n e r Epidemie ein solches sogar S p r i n g f e l d überall noch unbekannt war, und diese Tatsache hat der Gerichtshof für die Angeklagten sogar als mildernd angenommen. Freilich hat er ein Stichrohr trotzdem für einen Mifsbrauch erklärt, der, wenn auch nicht für die Bemessung

Die Gerichtsverhandlungen über die Gelsenkirch ener Typhusepidemie im Jahre 1901. der Schuldfrage, so doch für die des Strafmafses in Rechnung zu ziehen wäre. Als verschärfend im vorliegenden Falle erscheint ihm auch die so grofse Ausdehnung des Konsumgebietes. Für die Angeklagten mildernd haben der Gerichtshof und der Staatsanwalt deren Vorleben, aber dagegen als strafschärfend die grofse Verantwortlichkeit ihrer Stellung bezeichnet. Nach Ansicht des Staatsanwalts soll H e g e 1 e r vom Verwaltungsrate der Gesellschaft »gekeilt« sein, während der Gerichtshof ihm eine mildere Beurteilung deshalb zuerkennt, weil er nicht der technische Leiter gewesen und in gegebene Verhältnisse eingetreten ist. Der Jurist H e g e l e r hatte aber fast zwei Jahre im Dienste der Gesellschaft gestanden, als er am 1. Januar 1900, freilich nur für ein Vierteljahr, die alleinige Leitung des Werks, also auch die technische, übernahm, so dafs er nicht unbewufst vom Aufsichtsrate verleitet sein konnte. Dafs P f u d e l ihm dann die technische Leitung abnahm und H e g e l er nach seiner Aussage erst im Frühjahr 1901 vom Stichrohre, das vom Vorsitzenden für eine so wichtige Werkseinrichtung gehalten ist, Kenntnis bekam, verrät freilich, dafs er in die Verhältnisse der Werke selbst nach mehr als dreijähriger Tätigkeit noch nicht völlig eingedrungen war. Es läfst das fast vermuten, dafs auf diesen Fall das im Journ. f. Gasbel. u. Wasservers. 1904, S. 1125 mitgeteilte Verlangen S p r i n g f e l d s nach einem Gesetze zurückzuführen ist, welches die Konzession für ein Privatwasserwerk zu verweigern gestattet, wenn die Unzuverlässigkeit des Unternehmers oder seines Vertreters zur Leitung und Verwaltung des Werkes nachgewiesen ist. Gegen P f u d e l erhebt der Staatsanwalt den Vorwurf der totalen Unkenntnis des Werks. Sollte das begründet sein, so wäre vielleicht der Verwaltungsrat der Gesellschaft ebenso wie wegen H e g e l e r s auch wegen P f u d e l s Anstellung zur Verantwortung zu ziehen gewesen, falls dieser überhaupt in Fällen persönlichen Nichtwissens seiner Angestellten eine Verantwortung dem Gerichte gegenüber zu tragen hat. Der Gerichtshof beurteilt P f u d e l als »technischen Leiter« schärfer als H e g e l er; er erkennt aber auch für ihn eine Milderung durch sein Hineinkommen in gegebene Verhältnisse an, trotzdem er sich schon wenige Wochen nach seinem Eintritte im Sommer 1900 des Stichrohres bedient hat. Dafs P f u d e l dem Medizinalrät T e n h o l t , welcher rein als Privatmann für die Gesellschaft gegen Bezahlung Wasseruntersuchungen ausführte, sagte: »So etwas tun wir nicht«, erscheint dem Gerichtshofe so schwerwiegend, dafs er in dem Schweigen des dabei mit anwesend gewesenen H e g e l e r dazu den Grund für eine Strafmilderung des letzteren erblickt. Der Gerichtshof meint, es müfste H e g e l e r und P f u d e l der Zusatz von rohem Ruhrwasser doch äufserst bedenklich und namentlich nach Ausbruch der Epidemie erschienen sein. Bei den im Jahre 1901 herrschenden Anschauungen konnten bei ihnen aber eigentlich die von T e n h o l t ermittelten Resultate über die Keimzahl doch kaum irgendwelche Besorgnis aufkommen lassen, das von ihnen gelieferte Wasser wäre gesundheitsverdächtig. Wenn der Staatsanwalt sagt, »es wäre ihre verfluchte Pflicht und Schuldigkeit gewesen, sofort Farbe zu bekennen«, so ist nicht zu übersehen, dafs, nachdem T e n h o l t ihnen am 24. September das Stichrohrwasser als gesundheitsschädlich bezeichnet hatte, sie den ferneren Zuflufs solchen Wassers doch sofort unmöglich gemacht haben. Dafs sie ihm damals nicht auch den Tatbestand mitgeteilt haben, ist, weil sachlich dadurch doch nichts geändert wäre, bei der damals herrschenden Aufregung ebenso entschuldbar als K o c h s Verschweigen der von ihm erkannten Epidemieursache am 18. Oktober.

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Der vom Gerichtshof S c h m i t t aus seinem Verschweigen des Stichrohres gegenüber L i m p e r und T e n h o l t gemachte Vorwurf kann ihn kaum belasten, weil er damals zu beiden in gar keiner offiziellen Beziehung stand. Strafmildernd soll für ihn sein, dafs er den Stichrohrschieber nicht so oft geöffnet hat, aber strafschärfend, dafs er seine Nachfolger nicht sofort damit bekannt gemacht hat, trotzdem bewiesen ist, dafs sie dessen gar nicht bedurften, weil das selbstverständlich durch K i e s e n d a h l sofort geschehen war. Dafs S c h m i t t H e g e l e r einzuweihen mit Vorbedacht unterlassen haben sollte, ist gewifs nicht anzunehmen. Weil S c h m i t t vorläufig K i e s e n d a h l als seinen Nachfolger für den technischen Teil des Betriebes ansehen mufste und dieser mit dem Stichrohr genau bekannt war, so mufste ihm eine offizielle Einweihung H e g e l e r s doch ganz überflüssig erscheinen. K i e s e n d a h l ist vom Gerichtshofe nur als ein Beauftragter angesehen, aber ihm dabei das Bewufstsein zugeschrieben, dafs es sich bei Benutzung des Stichrohres um eine Nahrungsmittelfälschung gehandelt hat. Darauf konnte seine Vernehmung doch gewifs nicht schliefsen lassen. Betreffs der Strafen mag hier der Vollständigkeit wegen nach meinem früheren Berichte (s. Journ. f. Gasbel. u. Wasservers. 1904, S, 1108), auf den ich auch noch betreffs der Urteilsbegründung durch den Vorsitzenden hinweise, kurz wiederholt werden, dafs der Staatsanwalt beantragte: für H e g e l e r zwei Monate und für P f u d e l und S c h m i t t je drei Monate Gefängnis und für K i e s e n d a h l 500 M. oder für je 10 M. einen Tag Haft. Der Gerichtshof hat von einer Freiheitsstrafe abgesehen und die Angeklagten nur zu Geldstrafen verurteilt, und zwar: H e g e l e r zu 1200 M., P f u d e l und S c h m i t t zu je 1500 M. und K i e s e n d a h l zu 200 M. und ihnen ferner die Kosten des Verfahrens auferlegt. Die in der Presse stattgefundene Bemängelung der Höhe dieser Geldstrafen hat den Vorsitzenden veranlafst, in dem erwähnten Artikel der »Deutschen Juristen-Zeitung« zu bemerken, dafs im § 10 des Nahrungsmittelgesetzes 1500 M. als höchste Geldstrafe festgestellt wäre, was den heutigen Verhältnissen nicht mehr entspräche, weil der Geldwert in stetem Sinken begriffen wäre; richtiger wäre es, wenn der Gesetzgeber die Höhe der von den Gerichten zu erkennenden Geldstrafen überall nicht beschränkte. Im vorliegenden Falle werden aber, wie ich glaube, die von den Verurteilten zu tragenden, gewifs ganz ungeheuer hohen Gerichtskosten eine auch die kühnsten Ansprüche an das Strafmafs übertreffende Strafsumme weit übersteigen. Die vorstehenden Besprechungen lassen es überflüssig erscheinen, meine Ansicht über die verhängte Strafe überhaupt und über ihre verhältnismäfsige Verteilung auf die vier Angeklagten hier noch weiter zum Ausdrucke zu bringen.

IV. Aus den Gerichtsverhandlungen. Dieser Abschnitt enthält in erster Linie Mitteilungen aus den Verhandlungen unter Ausschlufs der Zeugenaussagen, die ja bereits im vorigen Abschnitte erwähnt wurden, und ferner verschiedene Schlufsbetrachtungen; er zerfällt in folgende sechs Teile: 1. Äufserungen der Gutachter in der ersten Sitzungsperiode vom 4. bis 15. Juli 1904; 2. Beschlufs eines von Professor Holz zu bearbeitenden Gutachtens; 3. Äufserungen der Gutachter in der zweiten Sitzungsperiode vom 14. bis 29. November 1904; 4. Der Staatsanwalt und die Verteidiger. 5. Rückblicke. 6. Die Bochumer Epidemie 1900. 6*

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D i e G e r i c h t s v e r h a n d l u n g e n ü b e r die G e l s e n k i r e h e n e r T y p h u s e p i d e m i e i m Jahre

I n den beiden T e i l e n 1 und 3 sind die v o n den einzelnen Sachverständigen in den Verhandlungen vorgetragenen gutachtlichen Äuiserungen, verbunden mit den vom Vorsitzenden, v o m Staatsanwalt und von den Verteidigern an diese gestellten Fragen und deren Beantwortungen, sowie daran geknüpfte Diskussionen auf Grund meiner Notizen und der darüber in der Presse gemachten Mitteilungen zusammengestellt, und zwar in beiden Teilen getrennt nach den beiden Sitzungsperioden, jedoch unter Vermeidung von Wiederholungen des in der ersten Periode bereits Ausgesagten in der zweiten Periode. Es ist interessant, das tiefere Eindringen mancher Gutachter etc. in die Materie in der zweiten Periode gegenüber der ersten namentlich unter der Berücksichtigung zu verfolgen, dafs in dem Stadium der Vertagung der Verhandlungen der Vorsitzende vor Schlufs der Beweisaufnahme nur noch die Gutachten v o n E m m e r i c h und von K o c h , sowie die Verlesung des Obergutachtens als ausstehend angegeben hatte. Hat das H o l z s c h e Gutachten auch sachlich keinen bedeutenden Wert gehabt, so ist die durch dessen Bearbeitung in den Verhandlungen eingetretene Pause augenscheinlich für die Klärung der ganzen Anschauungen nicht nur für die Mitwirkenden sondern auch weit darüber hinaus von nicht zu verkennender Bedeutung gewesen. Das folgende Verzeichnis führt die Namen der in beiden Teilen vernommenen Sachverständigen in alphabetischer Folge auf und weist darauf h i n , unter welcher Bezeichnung deren Mitteilungen in jeder Periode zu suchen sind, indem deren Folge in den einzelnen Perioden tunlichst der Zeitfolge der Sitzungen angepafst ist. Ausgenommen sind von dieser Folge die Mitteilungen der fachtechnischen Sachverständigen, welche in jeder Periode an das Ende gerückt sind. Lfd. Nr.

Name

1.

Bliesener

2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25.

Stand

Dr., Hilfsarbeiter im Ministerium Breme Wiesenbauin spektor Bruns Dr., Vorsteher des bakteriolog. Instituts v. Drygalski Dr., Oberstabsarzt Emmerich Dr., Professor Gersdorf Beigeordneter Hensgen Dr., Med.-Rat, Kreisarzt Holz Professor Koch Dr., Geb. Med.-Rat Körte Ingenieur Krummacher Dr., Reg.- u. Med.-Rat Kruse Dr., Professor Limper Dr., Geh. Med.-Rat Lindemann Dr., Sanitätsrat Michelmann Reg.- und Baurat Nauck Dr., Kreisarzt Racine Dr., Med.-Rat, Kreisarzt Racine Dr., Nahrungsmittelchemiker Reese Wasserwerksdirektor Smrecker Ingenieur Springfeld Dr., Reg.- u. Med.-Rat Stelkens Reg.- und Baurat Stolze Architekt Tenholt Dr., Med.-Rat v. Tezaska Dr., Kreizart

Wohnort

Pen ode I II

Berlin

F.

G.

Münster Gelsenkirchen

P. L.

H.

Strafsburg München Essen Siegen Aachen Berlin Düsseldorf Münster Bonn Gelsenkirchen Gelsenkirchen Arnsberg Hattingen Essen Gelsenkirchen

G.

Dortmund Mannheim Arnsberg Ruhrort Gelsenkirchen Bochum Iserlohn

R. Q. A. U. O. K. J.



S. H. V. — —

B. N. D. E. T. —

0.



K. J. O. C. -

M. P. —

L. D. —

Q. F. B.

M. —

N. A. R. E. —

Der T e i l 2 gibt die Verhandliingen, welche zu dem Beschlüsse, v o n H o l z ein schriftliches Gutachten ausarbeiten zu lassen, führten, wodurch die Sitzungen eine fast viermonatliche Unterbrechung erfuhren. I n dem T e i l e 4 sind aus den nach Schlufs der Beweisaufnahme von dem Staatsanwalt und den Verteidigern gehaltenen Plaidoyers Auszüge mitgeteilt.

1901.

Der T e i l 5 gibt als Schlufs der gutachtlichen Äufserungen einige allgemeine Bemerkungen darüber, sowie über den ganzen Prozefs und über einige behördliche Mafsnahmen, die sich an diesen geknüpft haben. I n dem T e i l e 6 ist als Anhang das zusammengestellt, was in beiden Sitzungsperioden über die Typhusepidemie in B o c h u m v o m Jahre 1900 geäulsert wurde, u m dadurch das Verschulden klarzustellen, welches P f u d e l betreffs der Entstehung dieser Epidemie zur Last gelegt war.

I. Ä u ß e r u n g e n der Gutachten in der ersten Sitzungsperiode vom 4. bis 15. Juli 1904. A. Reg.- und Med.-Rat Dr. Springfeld ( A r n s b e r g ) : Seine Nachforschungen nach der Entstehung und der Verbreitung der Epidemie hätten Monate in Anspruch genommen. Im Reg.-Bez. A r n s b e r g hätte er im ganzen ca. 3000 Erkrankungsfälle an Typhus konstatiert; davon wären nach seinen Erhebungen bis zum Januar 1902 8 bis 10°/„ Todesfälle gewesen. Für die drei Reg.-Bez. A r n s b e r g , D ü s s e l d o r f und M ü n s t e r wäre die Zahl der Erkrankten mit 5000 nicht zu hoch gegriffen. Als Termin für die ersten Epidemiefälle nehme er den 29. August und nicht wie andere den 5. September 1901 und für den letzten Fall den 21. Oktober a n ; die späteren Fälle halte er für Kontaktfälle. In G e l s e n k i r c h e n St. und Ld. wären von der Seuche verschont geblieben: die Gemeinden G ü n n i g f e l d , Sevingh a u s e n , W e s t e n f e l d , H ö n t r o p und E p p e n d o r f ; diese wären von dem B o c h u m e r Wasserwerk versorgt gewesen. Yer, seucht wären hier in den ersten Wochen nur die Gemeindenweiche das Wasser aus dem Leyther Behälter erhalten hätten, während die aus dem Frillendorfer Behälter versorgten seuchefrei geblieben wären. (Seine Äufserungen über weitere Einzelheiten sind bereits im Abschnitt III unter 4 eingehend mitgeteilt und werden hier übergangen.) — Von Wasserqualitätsuntersuchungen hätte er überhaupt bei seinen Arbeiten Abstand genommen, weil ihm die bakteriologische Untersuchungsmethode noch recht mangelhaft erschiene; der von anderer Seite gemachte Versuch, Typhusbazillen nachzuweisen, wäre resultatlos gewesen. Er hätte sich bei seinen Untersuchungen daher ausschliesslich auf den Indizienbeweis beschränkt. Von dem Ruhrwasser im allgemeinen sagte er, dafs er es stets als schlecht verurteilt hätte. In die Ruhr gelangten Abwässer und chemische Laugewässer; von den Städten H a g e n und W i t t e n , welche Spülklosets hätten, würden die Fäkalien mit ihren Abwässern eingeleitet; der Flufs wüchse sich mit der Zeit überhaupt zu einem grofsen Abzugskanale ähnlich wie die Emscher aus, aus der niemand Wasser entnehme. Unfiltriert hielte er das Ruhrwasser schon jetzt nicht mehr für geeignetes Trinkwasser, und es erschiene ihm sogar direkt als gesundheitsschädlich. Dem würde auch wohl jeder Laie zustimmen. Die Art, wie die Typhueerkrankungen sich verbreiteten, erklärte er sich so, dafs das Typhusgift von dem einen Falle auf den andern hinüberginge und die Gesamtfälle in ihrer Verbindung das Bild eines Stammbaumes bildeten; er hätte nun die einzelnen Fälle rückwärts während der letzten vier Jahre nochmals geprüft und hätte 80 bis 90°/ 0 in dieser Weise erklären können. Nach P e t t e n k o f e r s Ansicht sollten die geologischen und meteorologischen Verhältnisse auf die Verbreitung von Einflufs sein; dann müfste der Typhus unter gleichartigen Verhältnissen aber in allen diesen Teilen ähnlich auftreten. Weil das aber nicht der Fall gewesen wäre, so hätte er die Bodentheorie aufgegeben, und es wäre für ihn nur die Wasserepidemie übergeblieben, nach welcher das Versorgungswasser für die Menschen der Träger der Krankheitskeime wäre. Dafs das Ruhrwasser Typhuskeime enthalten k ö n n t e , wäre ihm zweifellos, und er hätte untersuchen müssen, ob und wie solche in die Schöpfstellen des Wasserwerks hätten gelangen können. Eine solche Eintrittsstelle wäre von den Angeklagten in dem Stiebrohre als vorhanden gewesen angegeben. Die Steinpackung über dessen Eintrittsöffnung in die Ruhr hätte aus dem rohen Ruhrwasser Typhuskeime nicht zurückhalten können, und wenn auch nur ein Teil von solchem Wasser dem filtrierten Wasser

Die Gerichtsverhandlungen über die Gelseiikirchener Typhusepidemie im Jahre 1901. zugesetzt wäre, so wäre durch die Verdünnung des Wassers doch keine Verdünnung des Giftes entstanden, wie das wohl bei chemischen Giften durch Mischung mit reinem Wasser der Fall wäre, weil die übergegangenen Krankheitserreger Lebewesen wären, die sich im Wasser nähren und vermehren könnten. Es bliebe ihre mögliche Schädlichkeit daher ganz unabhängig von dem Grade

demien werden zu lassen. Soweit er hätte feststellen können, wären zur Zeit der Typhusepidemie in diesem Bezirke von S c h a l k e die ersten und meisten Erkrankungen zu verzeichnen gewesen, und auch in diesem J a h r e wäre in nächster Nähe wieder die Ruhr 7•

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Die Gerichtsverhandlungen über die Gelsenkirchener Typhusepidemie im Jahre 1901.

stark aufgetreten. Ähnlich und noch schlimmer lägen die Verhältnisse in anderen Gemeinden und Gebieten. Seit 1903 hatten die Verhältnisse sich allerdings gebessert. P. Wiesenbauinspektor Breme ( M ü n s t e r ) : Die Grenze zwischen dem Mergel der Kreideformation über dem Eohlengebirge und dem nördlich gelegenen alluvialen Gelände bilde eine Linie, welche yon S t o p p e n b e r g über K r a y , W e s t e n f e l d und H o f s t e d e bis nach C a s t r o p gezogen würde. Südlich davon und auf 60 m über der Emscherniederung ansteigend erhöben sich die Hohen des H a a r s t r a n g e s , die mit einem mittleren Gefälle von 12 pro Mille zur Emscherniederung abfielen. Sie beständen aus einem milden durchlässigen und durchaus gesunden Lehmboden, der sich durch Verwitterung des Mergels gebildet hätte. Von Süden nach Norden zögen sich zahlreiche, durch Erosion gebildete Talfalten zu dieser Niederung hinunter, welche keine Alluvionen zeigten. Dieses Terrain wäre in sanitärer Beziehung noch dadurch begünstigt, dafs sich hier beim Kohlenabbau nur selten tiefe Bisse und Senkungssümpfe gebildet hätten, weil die schwächere Mergelüberdeckung im Ruhrtale bei dem zutage springenden Kohlengebirge ausliefe. Von dieser günstigen Lage profitierten die Orte F r i l l e n d o r f , S t o p p e n b e r g , K r a y , H u t t r o p , L e y t h e (rhein.), S t a l l e i c k e n , F r e i s e n b r u c h , E i b e r g , H ö n t r o p , E p p e n d o r f und der obere Teil von W e s t e n f e l d . Durch eine zweite Linie, die von B o t t r o p über H o r s t nnd H e r t e n nach B e c k l i n g h a u s e n führt, würde die südlich gelegene alluviale Bildung von der jüngeren Kreideformation, dem Senon, getrennt. Die Anhöhen wären in letzterer nicht so zahlreich wie die erstere; sie böten aber in ihren Bodenverhältnissen gleichfalls gesunde Wohnplätze. Zwischen diesen beiden Linien, die durch vorgeschobene Hügel oder durch aufwärts sich erstreckende Talfalten mehrfach abgelenkt würden, liege parallel zu dem Haarstrange das ausgedehnte Anschwemmungsgebiet der E m s c h e r n i e d e r u n g , das aus dem Fliefs, einer schlammigen Masse, die aus stark mit Grundwasser durchtränkten! und mit Vegetationsresten durchsetztem mittelfeinen tonigen Sande bestände. Dieser Fliefs hätte über der Kreideformation eine Stärke von & bis 8 m und wäre mit einer schwachen lehmigen Kulturschicht bedeckt. Für einen geeigneten Baugrund für Wohnhäuser würde gewifs niemand diesen stark versumpften Boden halten. An allen Stellen, wo hier besondere Vorkehrungen zur Entwässerung fehlten, stiege das Grundwasser während der nassen Jahreszeit bis zur Terrainhöhe empor und sänke in trockener Zeit nur um 1 bis 1,5 m unter diese hinab. Die mafslosen Versumpfungen der näheren Umgebung des Flursufers, des sogenannten E m s c h e r b r u c h e s , wären seit Jahrzehnten verrufen, und schon vor 50 Jahren hätten zu deren Besserung die Begierungen in D ü s s e l d o r f , A r n s b e r g und M ü n s t e r eine Emscherschaukommission eingesetzt. Auch durch die hier den Bergbau betreibenden Zechen wären in neuerer Zeit verschiedene Entwässerungsanlagen entstanden, die einige Abhilfe geschaffen hätten. Auf diesem trotzdem noch recht gefährlichen Terrain wären vielfach städtische Bebauungen entstanden. Wenn auch aus dem Haarstrang zahlreiche Zuflüsse zur Emscher führten, welche deren Wasser, auf weiten Wegen oft nur mit 0,3 bis 0,5 m Gefälle, in den Bhein ableite, so erhielte man doch den Eindruck, als ob auf dieser Strecke desEmBchertales eigentlich ein einheitlicher Flufslauf und eine genügende Aufschliefsung des ganzen Gebietes für dessen Speisung fehlte. Durch den darunter sich ausdehnenden Kohlenabbau wäre ferner ein ständiger Wechsel zwischen Versumpfung und trockener Lage in grofsem Umfange entstanden. Durch die früher als unterirdische Grenze der Zechenfelder unberührt gebliebenen Sicherheitspfeiler hätten sich auf der Oberfläche wellenartige Erhebungen, die die Vorflut beeinträchtigten, gebildet. An Stellen, wo ein oberirdischer Wasserlauf diese Grenze überdeckt hätte, wäre dadurch dieser Vorfluter mit der Zeit auf eine wallartige Erhebung mit rechts und links liegenden Senkungssümpfen gerückt. Durch die später den Zechen erteilte Erlaubnis oder auch durch den Zwang, die Sicherheitspfeiler mit abbauen zu dürfen oder zu müssen, wären solche nachteilige Vorflutstörungen wohl vermindert, aber trotzdem nicht völlig gehoben, weil die benachbarten Zechen doch niemals gleichzeitig dieselben Flöze abbauten.

Vielfach träten unterirdische Verwerfungen, die sich im Kohlengebirge befänden, viel schärfeT als solche auf der Oberfläche auf. In solchen Tälern und Mulden wäre der Kohlenreichtum meistens besonders grofs, so dafs deren Abbau auch zu Tage starke Senkungen hervorriefe. Würden z. B. einmal bei K a r n a p die Kohlen bis 7&0 m Teufe abgebaute werden, so könnte ein Tiefbecken entstehen, das sich von hier bis an die Bheinufer hinzöge und tiefer als das Niedrigwasser des Bheins läge. Gleich unterhalb des Bahnhofes G e l s e n k i r c h e n wäre das Gelände von Zeche Hibernia seit Anfang der 60 er Jahre in Wirklichkeit um ca. 7 m gesunken. Solche ständige Verschiebungen der Grundwasserstände infolge der auf 200 bis 600 m Tiefe hinabreichenden Arbeiten müssten arge sanitäre Bedenken hervorrufen. Aus diesen verschmutzten Hohlräumen mit feuchtwarmer Luft stiegen täglich Tausende von Arbeitern empor, um sich in gemeinschaftlichen Badeanstalten, deren Abflüsse das Schmutzwasser der Umgegend zuführten, zu reinigen. In Rinnsalen und kleinen Gräben schöben sich alle Schlammmafsen, soweit sie überhaupt entfernt würden, träge zur Emscher und zum Bhein, und es wäre ein Glück, dafs aufser dem bei Niederwasser immerhin noch 7 cbm pro Sekunde betragenden Zuflusse aus der Buhr noch das drei- bis vierfache Quantum Wasser von den Zechen hocbgepumpt würde und mit abzuführen wäre. Dazu kämen dann noch die Abwässer der Kohlenwäschen, der Brennereien und Brauereien, der Fabriken etc. und sämtliche Spüljauche mit den Fäkalien der Bevölkerung. Betreffs letzterer wäre seit einiger Zeit noch eine Verschlimmerung dadurch eingetreten, dafs man diese nicht mehr wie früher in Gruben für späteres Düngen der Felder aufspeicherte, sondern, soweit man sie dafür nicht direkt verwendete, sie fortlaufend abfliefsen liefse. Die Düngung der grofsen Gartenlandflächen der Kolonien mit frischen Fäkalien mtifste durch ihre Bodenübersättigung auch noch berechtigte Bedenken hervorrufen. Der Sinn für Reinlichkeit wäre bei der Bevölkerung in der letzten Zeit jedoch zweifellos gewachsen, und es lägen bereits für fast alle Ortschaften zur Sanierung ihrer Gelände Projekte vor, denen die Behörde aber leider die Genehmigung noch versagte, weil sie, und gewifs mit Recht, die gemeinschaftliche Abführung der Abwässer mit den Fäkalien verlange und ihr zurzeit die Möglichkeit einer genügenden vorherigen Beinigung dieser Wässer noch nicht gesichert erscheine. Das dürfte auch wohl erst nach Durchführung des Projektes zur Vorflutregulierung und Abwässerbeseitigung im Emschergebiete der Fall sein, wofür freilich noch fünf Jahre Bauzeit erforderlich sein würden. Bislang fehlten mit Ausnahme eines Teiles von G e l s e n k i r c h e n , der eine mustergültige Kanalisation besäfse, solche Anlagen noch ganz, abgesehen von zerstreuten unterirdischen Ableitungen, die aber häufig Kloaken gefährlichster Art wären und bei heftigem Regen ihren Inhalt in die Kellerräume der Wohnungen ergössen. An diese allgemeine Schilderung des Emschergebietes schlofs B r e m e eine Besprechung der Zustände der einzelnen Ortschaften, wofür er diese in der Richtung von Westen bis Osten Bevue passieren liefs. K r a y hätte im allgemeinen eine gesunde Lage; jedoch fände die Bebauung vorwiegend in tief eingeschnittenen Erosionstälern statt, die im unteren Teile mit Alluvionen gefüllt wären. H e f B l e r läge betreffs der Vorflutverhältnisse ungünstig; eine eigentliche Gefahr bestände hier aber bislang nur in der Kolonie der Zeche Wilhelmine Viktoria. H o r s t läge, abgesehen von dem Mühlenteiche, sehr günstig am Rande der ansteigenden jüngeren Kreideformation. H o r s t e r m a r k läge dagegen in bezug auf Vorflut and Bodenverunreinigang sehr ungünstig, so dafs hier eine Bebauung nie hätte gestattet werden sollen. Die S t a d t G e l s e n k i r c h e n hätte im oberen, gut kanalisierten Teile eine gesunde Lage; der nördliche, an S c h a l k e stofsende Teil wäre dagegen sehr gefährdet, weil eine Verwerfung im Kohlengebirge eine Barre gegen die allgemeine Abflufsrichtung zurückgelassen hätte. Es würden der Stadt mit den jetzt inkorporierten Orten bei Verbesserungen der Abflufsverhältnisse dadurch grofse Hindernisse bereitet, dafs die unterhalb belegenen Gemeinden fast immer gegen die Durchleitung der schmutzigen Wässer der oberen Gemeinden protestierten. Der südliche Teil von S c h a l k e hätte eine höchst ungesunde Lage, die durch Bodensenkungen noch gesteigert wäre. Der obere südliche Teil von R o t t h a u s e n hätte, abgesehen von Spüljauchinfiltrationen, eine gesunde Lage,

Die Gerichtsverhandlungen über die Gelsenkirchener Typhusepidemie im Jahre 1901. wahrend der nordöstliche Teil durch Bodensenkungen, die bis zu 6 m betrügen, schwer bedroht wäre. Gleiches wäre f O r ' L e i t h e (Westf.) und Ü k e n d o r f der Fall. Diese Ortschaften stiefsen am G e l s e n k i r c h e n e r Bahnhofe in einer tiefen Senkung zusammen, und letzterer Ort litte in diesem dicht bebauten Teile an Bodenverunreinigung nnd an ungenügender Vorflut. W a t t e n s c h e i d läge höchst unglücklich am Fufse des Höhenstranges in einer mit Alluvien gefüllten kesseiförmigen Einbuchtung. Die Stadt litte besonders durch eine ältere Ansiedlung an Bodenverseuchung, und die neueren östlichen Ansiedlangen würden durch Bodensenkungen geschädigt. B i s m a r k würde direkt durch die Leistung der Pumpen der Zeche Consolidation in Mitleidenschaft gezogen. Die Kolonie H a v e r k a m p hätte schlechte Vorflutverhältniese; sie läge an dem von der Stadt B o c h u m stark verunreinigtem Hüller Bache und wäre ohne jede Kanalisation. H ü l l e n und B l n m k e hätten, abgesehen von einigen Senkungssümpfen, eine gesunde Lage. Für W a n n e und B i c k e r n beständen sehr ungünstige Vorflutverhältnisse, indem der gröfste Teil der Bebauung unter dem Hochflutspiegel der nahen Emscher läge; die hier im Bau begriffene Kanalisation wäre sehr minderwertig. G ü n n i g f e l d läge gesund, würde aber durch Senkungen der Zechen Hannover und Königsgrube bedroht. E i c k e l läge auf einem gefällreichen gesunden Terrain, das jedoch von den Zechen Nosthausen, Hannibal, Hannover, Königsgrube und Pluto bedroht würde. Der sich bis R ö h l i n g h a u s e n ausdehnende E i c k l e r B r a c h mit seiner dichten Bevölkerung hätte durch Bodensenkungen und Bodenverunreinigungen einen gefährlichen Charakter. In H o l s t e r h a u s e n wäre eine nen entstandene Kolonie durch die Zeche Julia gefährdet. B a u k a u und H e r n e hätten sehr schlechte Vorflutverhältnisse und würden durch tiefe Senkungen an den Zechen von der Heydt, Friedrich der Grofae, König Ludwig und Neu-Recklinghausen gefährdet. C r a n g e befände sich in seiner Lage am hohen sandigen Emscherufer in ausnahmsweise günstigen Verhältnissen. E r l e und M i d d e l i c h litten bei ihrer schnell wachsenden Bevölkerung an starker Versumpfung. Über die Wohnungsverhältnisse der Arbeiter sagte B r e m e , dafs den an diese zu stellenden gesundheitlichen Forderungen im allgemeinen in neuerer Zeit voll genügt würde. Die Zechen und Fabriken statteten ihre Kolonien jetzt luftig und wohnlich aus, und der Fensterschmuck der Häuser verriete den Wert, den deren Bewohner auf ein behagliches und reinliches Heim legten. Leider würden die Wohnräume häufig durch das leidige Kostgängerwesen überlastet. Altere Kolonien wären freilich oft recht minderwertig, und manchen von diesen fehlten sogar die Kellerräume. Die oft geäufserte und auch von S p r i n g f e l d geteilte Anschauung, dafs die Ruhr sich in kurzer Zeit zu einer ähnlichen Kloake auswachsen würde wie die EmBCher, erklärte B r e m e schliefslich noch als eine völlig irrige. Die Buhr hätte auf zehn Schritt Länge ebenso viel Gefälle wie die Emscher auf die Länge einer Meile; sie besäfse daher eine bedeutende selbstreinigende Kraft für das Wasser. Es wäre aber auch eine stärkere Verunreinigung der Buhr in der Folgezeit durch die Zunahme von Fabriken und das damit in ihrem Gebiete verbundene Wachsen der Bevölkerung gar nicht denkbar, weil hier neue Werke in der Zukunft gewifs nicht mehr entstehen würden. Diese würden sich gewifs nicht im Süden, sondern weiter im Norden, den Kohlenlagern folgend, ansiedeln nnd sich immer weiter von der Buhr entfernen. Auch die Fabriken, welche in früheren Jahren an der Buhr und in ihren Seitentälern entstanden wären, würden heute, wenn sie noch vor der Wahl stünden, sicher die damals gewählten Punkte nicht aufsuchen. Q. Ingenieur Smrecker ( M a n n h e i m ) : DaTs für sämtliche Wasserwerke und speziell für die an der Buhr Stichrohre nötig wären oder benutzt würden, liefse sich in solcher Allgemeinheit, wie das hier mehrfach geschehen wäre, gewifs nicht behaupten. Speziell bei dem Werdegange der Pumpstation bei Steele und dem ungeheuer raschen Anwachsen ihres Versorgungsgebietes könnte man aber wohl annehmen, daTs die Erweiterungen ihrer Anlagen nicht immer früh genug dem wachsenden Konsum vorausgeeilt wären nnd dafs des letzteren Befriedigung häufiger während der Herstellung von Erweiterungsanlagen zur Benutzung von Stichrohrwasser die Veranlassung gegeben hätte. Von seinem allgemeinen Standpunkte aus hielte er es für besser, vorübergehend ein minderwertiges Wasser zu liefern als die Wasserliefernng, wenn auch nur für kurze Zeit, ganz einzu-

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stellen oder wesentlich zn beschränken. Wenn ferner durch irgendwelche Zufälle die ordnungsgemäße Lieferung eines Werks plötzlich einmal versagen sollte, so wäre ein Stichrohr, welches dann das fehlende Wasser zuführen könnte, für die momentane Erhaltung des Betriebs sehr wünschenswert. Würde ein solches aber zur normalen Versorgung monatelang jede Woche regelmäfsig während dreier Tage geöffnet, so würde es damit zn einer ständigen Betriebseinrichtung, und es erschiene dann nicht mehr als ein Notrohr. Für nötig hielte er es jedoch immer, vor der Benutzung eines Stichrohres den betreffenden Behörden Anzeige davon zu machen, damit diese das Publikum vor dem Genüsse ungekochten Wassers rechtzeitig warnen könnton. Mitunter wäre es bei .Benutzung eines Stichrohres schwierig, den Schieber so einzustellen, dafs nur dem momentanen Bedürfnisse genügt wird. Hier wäre das aber leicht möglich gewesen und er nähme nach den Aussagen der Zeugen auch an, dafs das geschehen wäre. Es wären nach seiner Ansicht vielleicht in der Woche 50000 cbm Sticbrohrwasser oder für jeden der drei Öffnungstage 17000 cbm oder pro Arbeitstag 8500 cbm nötig gewesen. Im Sommer 1901 hätte sich dieses Wasser wahrscheinlich so auf die beiden BehälteT verteilt, dafs absolut mehr nach Leythe als nach Frillendorf gekommen, relativ im Mischwasser aber mehr Stichrohrwasser in dem des Frillendorfer Behälter als im Leyther Behälter enthalten gewesen wäre. Könnte er auch über das benutzte Zubringerwasser nichts angeben, so wäre nach seiner Ansicht dessen ausreichende Filtration doch unschwer zu erreichen gewesen. Eine Schädigung des Leitungswassers dnrch den die Woche nur einmal erfolgten Gebrauch des Erdbehälters könnte er nicht annehmen. R. Wasserwerksdirektor Reese ( D o r t m u n d ) : Das Rnhrwasser bei S c h w e r t e hätte einen zwischen 1500 und 297500 wechselnden Gehalt an Keimen; im Winter hätte es in der Begel 3000 bis 4000 Keime, und im Sommer 30000 bis 50000 Keime. Betreffs des in einem' Hochbehälter sich ansammelnden Schlammes bemerkte er, dafs dessen Menge im allgemeinen nicht bedeutend wäre. Wenn der Wasserstand im Behälter nicht zu tief hinunterginge, würde er überhaupt nicht aufgewühlt werden. Bot und braun erschiene das Wasser durch dessen Eisengehalt, und beim Spülen von Hydranten wäre in der Begel das erste Wasser schmutzig gefärbt. Dafs aus Hydranten und Zapfhähnen einmal Würmer kämen, wäre ja möglich, aber kaum gefährlich. Schwierigkeiten durch Versagen der Sammelbrunnen könnten bei ganz normal arbeitenden Wasserwerken auch wohl eintreten, und auch bei der Filtration, namentlich wenn einmal eine Überanstrengung nötig würde, wären solche nicht immer ausgeschlossen. In D o r t m u n d wären 1400 Morgen Land für das Wasserwerk angekauft, und darauf hätte man einen grofsen Klärbebälter erbaut, aus dem das Wasser auf die Filter fliefse. Ein Stichrohr wäre ein in Zeiten der Not sehr gut zu gebrauchender Apparat. Dafs jedoch mit einer regelmäfsig dreimal wöchentlich erfolgenden Benutzung eines solchen die Konsumenten zufrieden sein würden, wäre im allgemeinen wohl nicht anzunehmen. Er würde sich unter solchen Umständen besonnen haben, Direktor eines solchen Werkes zu werden. Ob er aber die Pflicht empfinden würde, bei Benutzung von rohem Ruhrwasser das Publikum vorher dnrch eine Bekanntmachung vor dessen Gebranch zu warnen, würde er immer von dem speziellen Falle abhängig machen. Unter Verhältnissen, die während zweier Jahre wöchentlich öfter das öffnen des Stichrohrschiebers verlangt hätten, würde er wahrscheinlich die Bekanntmachung erlassen haben. Fände das öffnen eines solchen Schiebers aber nnr bei niedrigem Wasserstande und vorübergehend für knrze Zeit nur in geringem Mafse, also nnr in einem Notfalle statt, so könnte man ja anderer Ansicht sein; er würde jedoch heute auch in einem solchen Falle die Bekanntmachung veranlassen. Auf eine an ihn gerichtete Anfrage teilte er mit, er hätte eine Zeitlang Ruhrwasser in grofsen Gruben, die mit Kiessand gefüllt waren, geleitet nnd das Wasser nach der Filtration durch dieses Material abgegeben, ohne dafs es vorher durch natürlichen Boden filtriert wäre. Eine ähnliche Einrichtung hätte 1901 auf dem D o r t m u n d e r Werk auch noch in der Form einer Art Schlitzmauer bestanden, deren Zwischenräume mit grobem Kies ausgefüllt ge-

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wesen wären. Das von hier in einen zweiten Behälter abgeleitete Bahrwasser, dessen KeimgehaH dadurch von 15000 auf 600 reduziert worden wäre, wäre direkt in die Rohrleitungen überführt. Nach acht Tagen wäre die Kiesfüllung jedoch schon so verschlammt gewesen, dafs eine Reinigung nötig wurde. Weil das Wasser nach einer normalen Filtration nicht mehr als ca. 100 Keime enthalten sollte, so wäre das damals benutzte Verfahren als keine eine genügende Reinigung erzielende Einrichtung zu betrachten gewesen, und es wäre daher auch bald von seiner weiteren Benutzung Abstand genommen worden.

U. Reg.- und Baurat Stelkens ( R u h r o r t ) : Ob der Düker anfangs undicht gewesen wäre, wüfste er nicht. Eine früher beabsichtigte Prüfung seiner Dichtigkeit wäre seinerzeit in Rücksicht auf den Wasserwerksbetrieb verschoben. Nachher hätte sich der Düker bei der Ausführung der Probe völlig dicht gezeigt. Von der Anlage des Stichrohres wäre ihm nichts bekannt, gewesen. Gegen die Ausführung der Zubringerleitung für die Sickerrohrleitung hätte er früher protestiert, aber die Sache nachher nicht weiter verfolgt

S. Beigeordneter Gersdorf ( E s s e n ) : Über den Keimgehalt des Ruhrwassers äufeerte er sich auf Befragen wie folgt: Am 2. Juni 1888 frären oberhalb des Grendbaches 2080 Keime und 100 m unterhalb desselben an der Pumpstation 5720 Keime gezählt. Am 19. Februar 1890 wären hier 2475 Keime und am 14. Juni 1891 in der mittleren RuhrStrömung 3480 Keime und zwischen den Buhnen 5140 Keime gezählt. Am 24. August 1892 hätte die Ruhr 14 m unterhalb deB Grendbaches unzählige Keime geführt. Am 9. Juli 1892 wären am linken Ruhrufer 4500 Keime und am 14. Juli 5000 Keime gezählt. Seit 1903 würden täglich Untersuchungen des Wassers an den beiden Ufern und in der Mitte des Flusses vorgenommen; von deren Resultaten teilte er aus dem Jahre 1903 die folgenden mit:

V. Professor der Technischen Hochschule Holz ( A a c h e n ) : Auf H o l z ' Frage an den V o r s i t z e n d e n , ob die Stellungen der Schieber X und T der Anklage oder den Zeugenaussagen entsprechend anzusehen wären, sagte dieser, zunächst wäre ersteres nötig und falls eine andere Stellung angenommen würde, wären die sich daraus ergebenden Möglichkeiten zu erwähnen; die Glaubwürdigkeit der Zeugen zu beurteilen, wäre dem Gerichtshofe vorbehalten. Nach dem dann von H o l z auf Grund der Lagepläne des Werkes und der Betriebsberichte desselben für August und September 1901 mündlich erstatteten Gutachten hätten in der kritischen Zeit getrennte Versorgungszonen für den Leyther und für den Frillendorfer Behälter bestanden. Die Pumpmaschinen hätten getrennt nach diesen Zonen gearbeitet. Woher sie dabei das Wasser entnommen hätten, wäre an sich schon unsicher nnd noch unsicherer wäre der Ursprung des Wassers im Brunnen U, weil die derzeitige Leistung des Stichrohres nicht bekannt war und für diese ohne jede direkte Unterlage nur Annahmen gemacht werden könnten. Er wollte einmal annehmen, dafs das Stichrohr entweder ganz geschlossen gewesen wäre oder täglich 6000 cbm, 18000 cbm oder 30000 cbm Wasser geliefert hätte. Damals hätte der Tagesverbrauch ca. 60000 cbm betragen, und davon wären nach Frillendorf durch Maschine VI 12000 cbm und nach Leythe durch Maschine IX 22000 cbm und durch Maschine X 26000 cbm, also zusammen 48000 cbm gepumpt. Nach seiner Annahme für die Fliefsrichtung des Wassers in den Verbindungsleitungen wären dann von dem Stichrohrwasser im ganzen und in Prozenten der gesamten Wassermenge von 48000 resp. 12000 cbm gekommen nach:

1. April 18700 K. rechts, 10500 K. Mitte, 31000 K. links 2. » 8100 . . 10500 » » 9800 » » 4. » 2510 » » 4260 » » 6440 > 5. > 1800 > > 2000 > > 4200 > > Durchschnittlich wären 4000 bis 7000 Keime gezählt. Die E s s e n e r Schöpfstelle läge ca. 1500 m unterhalb derjenigen der Pumpstation bei Steele. Auf eine an ihn gerichtete Frage des V o r s i t z e n d e n antwortete er, daTs er das Ruhrwasser an sich nicht für gesundheitsschädlich hielte. Anders beurteile er freilich das Wasser in der Nähe des Grendbaches. Seine weitere Bemerkung, daTs heute die Ansichten über die Schädlichkeit des Wassers andere als vor zehn Jahren wären, veranlafste den V o r s i t z e n d e n , ihn zu fragen, ob er Mediziner wäre. Unter besonderen Verhältnissen des Wasserwerks bei Wassermangel und bei Benutzung von Stichrohrwasser wären, wie G e r s d o r f angibt, in E s s e n verschiedentlich Bekanntmachungen bezüglich des Wasserverbrauchs erlassen, von denen er die folgenden anführte: Ein öffentlicher Anschlag im Oktober 1890: dafs die Pumpstation überschwemmt und aufser Betrieb gesetzt wäre; es wurde gebeten, sparsam beim Wassergebrauch zu sein. Eine Bekanntmachung am 23. September 1895, lautend: >Der niedrige Grundwasserstand im WassergewinnungBgebiet hat auf die Qualität des Wassers ungünstig eingewirkt, weshalb der Bürgerschaft gröfste Vorsicht und Sparsamkeit bis zu weiterer Bekanntmachung empfohlen wird.« Eine vier Wochen Bpäter erfolgte Bekanntmachung hat die Vorsicht nicht mehr für geboten erklärt. Eine Bekanntmachung am 12. Juli 1896, lautend: »Der ungünstige Wasserstand zwingt die Verwaltung, weniger gutes Wasser der Wasserleitung zuzuführen. Die Bürgerschaft wird gewarnt, das Wasser in ungekochtem Zustande zu geniefsen, und zugleich wird gröfste Sparsamkeit im Wassergebrauch empfohlen.« Er gab ferner an, das Stichrohr wäre erst 1894 auf dem E s s e n e . r Werke angelegt; vorher wären die Brunnen direkt mit der Ruhr verbunden gewesen. T. Reg.- und Baurat Michelmann ( A r n s b e r g ) : Wenn eine Wasserleitung nndicht wäre, könnte wohl von auTsen Wasser und Schmutz in diese eindringen. Das wäre der Fall, wenn ein Druckrohr geplatzt oder auseinandergerissen wäre, oder für ein Saugerohr oder ein in Wasser liegendes Dükerrohr, wenn der Druck innen geringer als aufsen wäre nnd auch nur geringe Undichtigkeiten vorhanden wären. Bei seiner früheren Berechnung, daTs das Stichrohr 20000 Tagescbm liefern könnte, wäre er von einer angenommenen Druckdifferenz zwischen Ruhr und Brunnen I für ein Rohr von 314 mm Durchm. ausgegangen, ohne dabei Eintrittswiderstände durch die Packung vor dem Rohre zu berücksichtigen. Die wirkliche Wassermenge laaae aich aber überhaupt bei verschiedenen Wasserständen und Schieberöffnungen nicht annähernd berechnen.

Leythe

bei 6000 cbm Stichrohrw. 3 300 cbm = 7»/. . 18000 » » 13000 » = 2 7 » . 30000 » • 23500 > = 4 9 »

Frillendorf

2700 cbm = 23 % 5000 » = 41 » 6500 » = 5 5 »

Der Sättigungsgrad des Frillendorfer Wassers mit Stichrohrwasser wäre also in allen Fällen bedeutend gröfser gewesen als der des Leyther Wassers. Er bemerkte weiter, die dortige Zubringerleitung hielte er nicht für eine erstklassige Anlage, sondern nur für einen Notbehelf. Eine solche gut auszustatten, erschiene ihm jedoch leicht möglich; hier wäre das aber nicht der Fall gewesen. Die nur an Sonntagen stattgefunden Benutzung des Erdbehälters hielte er für keinen Fehler, und ähnliches würde man auch wohl bei anderen Wasserwerken finden. Immerhin wäre es ein ungewöhnliches Verfahren, wenn regelmäfsig an den Wochentagen ein anderer Behälter in Benutzung wäre als an Sonntagen.

2. Beschlufs eines von Professor Holz zu erstattenden schriftlichen Gutachtens. Nachdem H o l z auf Anregung der V e r t e i d i g u n g geäuTsert hatte, dafs er wohl würde berechnen können, wie viel Wasser das Stichrohr damals geliefert hätte, wenn er die Zahlen über Betrieb und Konsum im Jahre 1901 mit den Zahlen des späteren vollen Betriebes der neuen Filteranlagen würde vergleichen könnten, sagte H e g e l e r , die neue Filteranlage wäre anfangs September 1901 in Betrieb genommen; trotzdem wäre das Stichrohr noch bis zum 25. September benutzt worden, weil immer noch Wassermangel geherrscht hätte. In den folgenden Jahren wären auch am rechten Ufer sechs neue Brunnen erbaut und neue Filterleitungen von 800 m Länge verlegt, und es wären ferner an beiden Ufern Anreicherungsgräben hergestellt. Schwerlich liefse sich nach seiner Ansicht aus dem heutigen Zustande des Werks der damalige Zustand der Filtrationsanlagen berechnen, abgesehen davon, dafs dieser durch-

Die Gerichtsverhandlungen über die Gelsenkirchener Typhusepidemie im Jahre 1901. aus nicht immer der gleiche wäre. So wäre z. B. im Sommer 1904 die Absenkung überhaupt eine geringere gewesen, weil das vorhergegangene Hochwasser eine Abschlammung der Ufer und eine gröfsere Aufnahmefähigkeit des Terrains zur Folge gehabt hätte. Auf die Frage der V e r t e i d i g u n g an y. D r y g a l s k i , ob er über die quantitative Wirkung der Typhuskeime im Wasser zuverlässige Ermittelungen angestellt hätte, antwortete dieser, eine Minimalgrenze liefse sich dafür nicht angeben; er könnte sich nur ein allgemeines Bild davon machen, wieviel Keime in das Wasser hineingekommen sein müfsten, um eine solche Epidemie zu erzeugen. Eine vom V o r s i t z e n d e n an H o l z gerichtete Frage veranlafste diesen zu der Bemerkung, wenn er das Kartenmaterial des Werks genauer prüfen könnte, hielt er es wohl für möglich, hinsichtlich der Wasserverteilung im August 1901 zu genaueren Resultaten zu kommen. Auch glaube er, dafs es möglich und sogar wahrscheinlich sein würde, an der Hand genaueren Materials festzustellen, ob die ersten Aussagen der Angeklagten oder die späteren Aussagen der vereidigten Zeugen über die Schieberstellungen richtig wären. S m r e c k e r erklärte, er hielte weitere Ermittelungen für zwecklos, weil an der Anschauung, dafs sich das Stichrohrwasser auf beide Hochbehälter verteilt hätte, nichts zu ändern sein würde. Die von H o l z in Aussicht gestellten Resultate seiner ferneren auf Grund vollständigerer Unterlagen vorzunehmenden Studien veranlafsten dann den S t a a t s a n w a l t in Rücksicht darauf, dafs die technische Feststellung der Wassergewinnung und der Wasserzuführung nach den einzelnen Hochbehältern für die ürteilsfindung die notwendige Unterlage bilden würde, — ganz abgesehen von dem grofsen Interesse der Klarstellung, welches die vielen Tausende von Geschädigten hätten, — den Antrag an den Gerichtshof zu stellen: » H o l z um Erstattung eines schriftlichen Gutachtens zu ersuchen und dafür sämtliche Karten, Schriftstücke etc. des Wasserwerks, soweit sie von H o l z als erheblich bezeichnet würden, mit Beschlag zu belegen; ferner sämtliche von dem Staatsanwalt zu ermittelnden Schieberknechte und Maschinenwärter seit 1895, sowie den Professor P i e f k e , der mit der Ministerialkommission zur Besichtigung der Anlagen an Ort und Stelle gewesen wäre, und den Unternehmer D ü n k e l b e r g , weil die Möglichkeit einer früheren Verseuchung des linken Ruhrufers immerhin noch nicht ganz aufzugeben wäre, zur Vernehmung zu laden.« Die V e r t e i d i g u n g bat, den Antrag abzulehnen, weil dessen Begründung ihr in einem so späten Stadium der Verhandlung und nachdem die Untersuchungen seit 1901, also nahezu 3 Jahre gedauert hätten, vollständig unzureichend erschiene. Das gesamte Kartenetc. Material wäre seinerzeit in loyalster Weise von der Gesellschaft zur Verfügung gestellt und damals vom Staatsanwalt beschlagnahmt worden. Die Erklärung von H o l z , die er betreffs besserer Vorbereitung und weiterer Ermittelung abgegeben hätte und mit der er sich den anderen technischen Sachverständigen gegenüber im Widerspruch befände, wäre viel zu unbestimmt, indem er die Möglichkeit eines Erfolges nur als v i e l l e i c h t annähme, um diese einschneidende Mafsregel zu rechtfertigen. Auch dürfte gegen diesen Antrag wohl eine gewisse Billigkeit gegenüber der öffentlichen Meinung und dem Interesse der Geschädigten, ebenso wie gegenüber dem Interesse der Angeklagten sprechen, welche bereits jahrelang in ganz fürchterlicher Weise gelitten und das gröfste Interesse hätten, in einer oder der anderen Weise von dieser Sache befreit zu werden. Der S t a a t s a n w a l t bedauerte seinen Antrag gleichfalls gerade im Interesse der Angeklagten in hohem MaJse, wenngleich diese selbst eine gewisse Schuld daran trügen, weil sie früher dem Grundsatze: »Wer sucht, der findet« gefolgt wären. 75 kg Schriftstücke wären von der Gesellschaft in einer grofsen Kiste seinem Bureau damals zugeschickt worden und bald wieder zurückgegangen, ohne dafs er überhaupt etwas davon gesehen hätte. Demgegenüber bemerkte der Verteidiger H e h n e r , weil sich die Ermittelungen der Staatsanwaltschaft an seine Person geknüpft hätten, er hätte damals angenommen, der Staatsanwalt würde in den Schriftstücken wohl das Richtige finden; dessen Aufgabe sei es doch gewesen, zu sagen, was er hätte haben wollen. Bei Beginn der Voruntersuchung wäre von ihm angeordnet, den

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betreffenden Herren alles vorzulegen, und er hätte vorausgesetzt, sie hätten wegen des grofsen Gewichtes der Aktenstücke alles das mitgenommen, was ihnen nur im entferntesten mit der Sache als im Zusammenhang stehend erschienen wäre. Darauf hätte die Verteidigung von der Voruntersuchung jahrelang nichts mehr gehört, und schon wochenlang vorher, ehe ihr etwas mitgeteilt worden wäre, hätten die Zeitungen erzählt, die Staatsanwaltschaft hätte die Anklage erhoben und diese Punkt für Punkt mitgeteilt. Der G e r i c h t s h o f hat darauf am 15. Juli 1904 den Beschlufs gefafst, dem Antrage der Staatsanwaltschaft entsprechend die Untersuchungssache zu vertagen. Der Gerichtshof wolle sich nicht, wie der V o r s i t z e n d e erklärte, auf den Standpunkt der einen oder der anderen Theorie » P e t t e n k o f e r oder K o c h « stellen, sondern beide Teile hören. Daher erachte er es für nötig, vor der Erstattung von E m m e r i c h s Gutachten durch technische Gutachten, die ihm heute nicht vorlägen, die von v. D r y g a l s k i geäufserten Ansichten nachprüfen zu können. Es wäre während der Voruntersuchung nicht möglich gewesen, derartige Ermittelungen anzustellen, weil K i e s e n d a h l immer gesagt hätte, die fraglichen Schieber wären offen gewesen, und erst in späterem Stadium wären durch S c h m i t t s Angaben Zweifel am wirklichen Stande der Schieber entstanden, als es nicht mehr möglich war, die Sache nachzuprüfen.

3. Äufserungen der Gutachter in der zweiten Sitzungsperiode vom 14. bis 29. November 1904. A. Reg.- und Med.-Rat Springfeld ( A r n s b e r g ) : (Vernehmung am 17. November.) Nachdem er gefunden hätte, dafs den Typhusbazillen die Demarkationslinien des Wasserwerks genauer als ihm bekannt gewesen wären, wäre seine erste Ansicht, dafs es sich hier nur um eine Wasserepidemie gehandelt hätte, für ihn zweifellos bewiesen. In das Gelsenkirchener Gebiet hineinragende Orte, welche das Wasser von dem B o c h u m e r Werke erhalten hätten, wären fast typhusfrei geblieben, und von den 4arch das Werk bei Steele versorgten Orten wären Erkrankungen nur in denen vorgekommen, welche das Wasser von Leythe erhalten hätten, während A l t e n e s s e n und B o r b e c k frei geblieben wären; die Zahl der Krankheitsfälle in den von Leythe aus versorgten Orten hätte etwa 2 5 % , und in den von Frillendorf versorgten etwa 2 °' 00 Bewohner im Mittel betragen. Der Eibergbach hätte stinkiges und schmutziges Wasser; er fiöfse träge und träte in die Ruhr in einer Einbuchtung aus. In seinem Gebiete wäre der Typhus in der kritischen Zeit endemisch gewesen. In ihn gelangte Typhusbazillen hätten darin einen günstigen Boden für ihre Fortpflanzung gefunden. Weil die Steinpackung über dem Stichrohre Bakterien nicht zurückhalten könnte, so wäre sein Wasser mit den pathogenen Keimen ohne jede Filtration in die Leitung gelangt. Auch im Ruhrgebiete kämen stets einige Typhusfälle vor, so dafs dadurch immerhin solche Keime in das Ruhrwasser gelangen könnten, die aber bei einer normalen Filtration nicht durch das Filter gingen. Könnte das auch bei starker Inanspruchnahme einmal vereinzelt der Fall sein, so würde das die Zahl der Kranken wohl um einige vermehren; aber dadurch würde keine solche Massenexplosion von Erkrankungen entstehen können. Auf eine Frage des V o r s i t z e n d e n antwortete er, dafs er Ruhrwasser nicht für ein geeignetes Trinkwasser hielte und ganz entschieden annähme, dafs sein Genufs gesundheitsschädlich sein könnte. Selbst nur als Zusatz dem filtrierten Wasser beigemischt, könnte diese Verdünnung nichts daran ändern; freilich dürfte man dafür nicht den Magen eines normalen Mannes als Mafsstab annehmen und nicht jeder Schluck brauchte ja gesundheitsschädlich zu wirken; stets würde das aber für Ungesunde und für Leute mit schwachem Magen sowie für Säuglinge der Fall sein. Auf die Frage der V e r t e i d i g u n g , ob er für seine Verteilung der 2493 Typhusfälle in 738 Kontakt- und 1755 Wasserepidemiefälle mit einer solchen Zuverlässigkeit aufkommen könnte, dafs ein Richter sich dadurch gebunden halten müfste, antwortete er, er glaube sicher, dafs die Sache so läge. Es wurde ihm dann von der V e r t e i d i g u n g vorgehalten, dafs R u b n e r , der Verfasser des Obergutachtens, in seinem »Lehrbuche der Hygiene«, das 1893, also ein Jahr nach Abgabe dieses Gutachtens erschienen wäre, gesagt hätte, dafs »die Ausbreitung des Typhus zu einer Epidemie nicht auf dem Wege

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Die Gerichtsverhandlungen über die Gelsenkirchener Typhusepidemie im Jahre 1901.

der Übertragung von Person auf Person zu erklären wäre«; durch diese ¿Übertrag würde der Gegensatz der Sachverständigen zwischen Wasseransteckung and Kontakt scharf hervorgehoben, nnd das wäre auch für die B o c h u m e r Epidemie zu beachten. S p r i n g f e l d sagte, das B u b n e r sehe Buch hätte er noch nicht gelesen. Er sagte ferner, ihm würde schon eine kleine Erhöhung der Sterblichkeitsziffer als Zeichen einer schwachen Verseuchung erscheinen. Für die Ruhr wäre es besonders gefährlich, dafs neben anderen unzähligen Keimen sich darin auch der bacillus coli fände, der sich hauptsächlich im Darmkanal des Menschen aufhielte. Die V e r t e i d i g u n g hielt ihm dann vor, er hätte in seinem Gutachten eine Anzahl von Typhusfällen (1901 im Juli 5, im August 17, im September 19, zusammen 41) in K ö n i g s t e e l o festgestellt und als Ausläufe einer im Juli begonnenen Kontaktepidemie bezeichnet, und ferner hätte er für hier im Oktober 47 Fälle angegeben. Ihre Frage, ob diese nicht alB Fortsetzung der ersten Epidemie erscheinen könnten, verneinte S p r i n g f e l d . Die fernere Behauptung S p r i n g f e l d s , dafs die Bodenverhältnisse in den von der Epidemie berührten und in den von ihr verschonten Teilen die selben gewesen wären, veranlagte E m m e r i c h , ihn zu fragen, ob er über die Grundwasserverhältnisse überhaupt Untersuchungen angestellt hätte, was er jedoch verneinte; er sagte, darüber würde später B l i e s e n e r noch Auskunft geben. E m m e r i c h fragte ihn weiter, ob er denn nicht wüfste, dafs der bacillus coli, den er als so gefährlich, im Buhrwasser bezeichnet hätte, für den Menschen so aufserordentlich wichtig wäre, dafs er ohne ihn gar nicht leben könnte. Darauf erwiderte S p r i n g f e l d , die Schädlichkeit des bacillus coli wäre ein wissenschaftliches Axiom; nach E m m e r i c h s Ansicht schiene freilich nichts näher zu liegen, als die Menschen löffelweise damit zu füttern, und mit seiner Behauptung stände er im Widerspruch zu allen wissenschaftlichen Grundsätzen, die zurzeit diesen Bazillus in Zusammenhang mit dem Brechdurchfall der Säuglinge brächten. Für derartige Erörterungen wäre aber nicht er, sondern K o c h vor dieses Forum geladen. Von der V e r t e i d i g u n g wurde S p r i n g f e l d darauf aufmerksam gemacht, er hätte diesen Bazillus doch gerade für die Gefährlichkeit des Buhrwassers verantwortlich gemacht, worauf er erwiderte, die Schädlichkeit des Buhrwassero hätte er nicht auB Kolibazillen allein sondern auch aus der hohen Keimzahl und der übrigen überaus üppigen Bakterienflora dieses WasserB hergeleitet. Auf des Verteidigers H e h n e r Fragen sagte S p r i n g f e l d , ein gesetzliches Verbot, Bnhrwasser zu pumpen, bestände nicht; die Anlage eines Stichrohres wäre aber selbstredend nicht ohne weiteres gestattet. An anderen Punkten wären gleichfalls ähnliche Anlagen und in noch gröfserer Zahl als an der Buhr vorhanden. Es hätte sich das förmlich als eine Verkehrssitte entwickelt, die aus der Zeit stammte, als man noch nicht gewufst hätte, dafs die Verbreitung wie bei der Cholera so auch beim Typhus durch das Wasser erfolgte. Diese Erkenntnis wäre noch gar nicht so alt; denn als er 1900 als Regierungsrat nach A r n s b e r g gekommen wäre, hätte ihm kein Mensch glauben wollen, dafs der Typhus den Fluisläufen folgte. Auf die Frage des V e r t e i d i g e r s , ob im Jahre 1900 wohl schon bei den Leitern der Wasserwerke die Ansicht durchgedrungen gewesen wäre, dafs Ruhrwasser gesundheitsschädlich sei, antwortete S p r i n g f e l d , dafs das überhaupt nicht der Fall gewesen wäre, könnte er nicht sagen; aber der Zusammenhang zwischen Typhus und Wasserleitung wäre ihm damals von ihnen noch nicht geglaubt worden. Jedenfalls hätte er ebenso wie alle Kreisärzte an die Schädlichkeit des Buhrwassers schon im Jahre 1900 geglaubt. Zurzeit der Epidemie von 1901 wäre es ihm freilich noch nicht .bekannt gewesen, dafs Stichrohre auch anderwärts existierten; das hätte er erst später erfahren. (Vernehmung am 25. November.) Wenn es für ihn auch keinem Zweifel unterliege, dafs es sich hier um eine Wasserepidemie gehandelt hätte, so könnte er doch nicht sagen, auf welchem Wege die Typhuskeime in die Wasserleitung gekommen wären. Er hätte darüber durch seine Untersuchungen keine Gewifsheit erlangen können, aber eine solche auch durch die Verhandlungen nicht erhalten. Sicher wäre es für ihn nur, dafs sich an dem Zapfhahne des Leyther Hochbehälters und in der 314 mm Druckleitung am ProzessionBwege solche befunden haben müfsten. Hier lägen die ersten Häuser, welche nach dem Bohrbruche den ersten Durchschufs des Wassers erhalten hätten

und in denen damals eine grofBe Zahl von Menschen wenigstens an Durchfall erkrankt wären. Als Beginn der Epidemie wäre hiernach der 29. August anzusehen; den Beginn erst auf Anfang September zu verlegen, wäre eine willkürliche Annahme, weil um diese Zeit bereits eine gröfsere Zahl von Fällen angemeldet gewesen wäre. Nach seiner Annahme wäre der Tag, an dem Typhusbazillen in die Leitung gekommen wären, der 19. AuguBt. Aber damit finge auch schon seine Unsicherheit an. Dafür, dafs schon früher in den Leyther Erdbehälter Typhusbazillen gelangt und hier im Schlamme liegen geblieben wären, bestände nur eine entfernte Möglichkeit. Es erschiene das freilich deshalb nicht ausgeschlossen, weil sich auch in dem Schlamme des Erdbehälters für H a s p e solche 3 bis 4 Wochen lang ganz ungefährlich aufgehalten hätten. Es würde sich also nur um die Frage handeln, ob sich zu dieser Zeit ein Loch in der Leitung befunden hätte und ob vor diesem Loche sich virulente Typhusbazillen befunden hätten. Wenn es auch bei den Bauarbeiten am linken Buhrufer wohl nicht ohne Verunreinigungen abgegangen sein würde, so schiede der Verdacht der Möglichkeit, dafs hier Typhusbazillen eingedrungen wären, doch aus, weil hier kein einziger ErkrankungBfall konstatiert wäre. Weil ebenso jeder Beweis, dafs das Dükerrohr undicht gewesen wäre, fehlte, so bliebe also aufser dem Bohrbruche nur noch der Eibergbach und das Stichrohr als mögliche Ursache der Entstehung der Epidemie übrig. Dafs überhaupt während der kritischen Zeit in den Eibergbach Typhusbazillen gelangt wären, wäre zweifellos bewiesen. Die Verhältnisse des Baches wären für die Entwickelung der Typhusbazillen sehr günstige gewesen; er hätte Bruttemperatur gehabt, und er hätte damals alles, was zur Nahrung und Notdurft der Bazillen wünschenswert wäre, im Übermafs enthalten. Zweifelhaft wäre es nur, ob diese Typhusbazillen den 3/» stündigen Weg zum Stichrohre ohne abzusterben ausgehalten hätten. Freilich gäbe die Bakteriologie über deren Verhalten in schmutzigem Wasser heute noch wenig Aufschlufs. Dafs klare Forellenbäche für die Verbreitung von Typhusbazillen eine grofse Gefahr böten, wüfste man allerdings; aber ihm sei kein Typhusfall bekannt, der aus der verschlammten Emscherniederung, auf die E m m e r i c h j a ein so grofses Gewicht gelegt hätte, entstanden wäre. Es erschiene daher nicht unmöglich, dafs die Typhusbazillen in der Konkurrenz mit Fäulnisbazillen untergehen müfsten. Weil man nun aber im allgemeinen schlammige Flüsse nicht zur Wasserentnahme benutzte, so wäre vielleicht auch das der Grund für diese bislang noch zweifelhafte Erkenntnis. Wären die Typhusbazillen jedoch zum Stichrohre gelangt, so hätte die Steinpackung, die sich überhaupt erst im Laufe der Verhandlungen zu einem Filter verdichtet hätte, sie nicht zurückhalten können. Dagegen hätte er allerdings Bedenken, dafs sie durch das Stichrohr in die Leitungen gekommen wären, und zwar: e r s t e n s , weil dann unter den gleichen Verhältnissen, da die Buhr ja immer Typhusbazillen enthielte, der Typhus wahrscheinlich schon früher aufgetreten wäre, und z w e i t e n s , weil sich 500 m unterhalb die öffentliche Badeanstalt befände, und die Badenden doch gewifs schon oft Wasser verschluckt hätten, ohne dafs Erkrankungsfälle vorgekommen wären. Aber hiervon abgesehen, wäre erwiesen, dafs das Stichrohrwasser infolge der geschlossenen Schieber X und Y nicht nur nach Leythe, sondern auch nach Frillendorf gekommen wäre, ohne hier Krankheiten zu erzeugen. Für ihn wäre das technische Gutachten, welches diese Schieberstellung angenommen hätte, ein Teil des Beweismaterials geworden, an dem er keine Kritik üben dürfte, und damit wäre die Annahme der StichrohTtheorie ausgeschieden. Hiemach würde die Bohrbruchtheorie als Erkrankungsursache allein übrig bleiben. Weil sie etwas neues gewesen wäre, wäre man ihr freilich mit einem gewissen Mifstrauen gegenübergetreten. Er selbst hätte sie ja auch nach dem Bekanntwerden des Stichrohres anfangs wieder aufgegeben. Heute wäre er jedoch zu seiner alten Meinung zurückgekehrt. Man hätte nun gesagt, der Bohrbruch läge für den Beginn der Epidemie zeitlich zu weit zurück; auch müfste jedenfalls ein wiederholter Bazillenimport stattgefunden haben. Das wäre aber nach seiner Ansicht gar nicht nötig; denn die Typhusbazillen könnten sich sehr wohl recht lange in den Leitungen, z. B. an den Bohrwandungen, halten.

Die Gerichtsverhandlungen über die Gelsenkirchener Typhusepidemie im Jalire 1901. Wenn ihm aber gesagt würde, es kämen durch einen Kohrbruch nicht genug Typhusbazillen in die Leitungen hinein, so müfste er antworten, dafs heute noch kein Mensch wüfste, wie viele solcher Bazillen f ü r eine Vergiftung überhaupt nötig wären. Eine entfernte Möglichkeit f ü r einen längeren Import böte auch die Annahme, dafs die ersten Bakterien in den Leyther Erdbehälter gelangt und dort, ohne böse Erscheinungen hervorzurufen, unbemerkt geblieben wären. Als Beweis dafür, dafs das möglich wäre, verweise er nochmals auf seine Erfahrungen mit dem H a s p e r Erdbehälter. Auf eine Frage des V o r s i t z e n d e n antwortete S p r i n g f e l d , er hielte das Wasser für ein Nahrungsmittel, weil es berufen wäre, einen durch den Stoffwechsel im Körper entstandenen Defekt zu ersetzen. Als darauf von der V e r t e i d i g u n g bemerkt wurde, er stellte sich wohl auf den Standpunkt deB A r i s t o t e l e s und halte auch die Luft für ein Nahrungsmittel, bejahte er das; denn Luft gebrauche der Mensch auch zur menschlichen Nahrung. Als ihm dann erwidert wurde, dafs also jemand, der mit L u f t handelte, auch wegen Nahrungsmittelverfälschung würde bestraft werden können, meinte er, dafs er sich das sehr gut vorstellen k ö n n t e ; es könnte sich z. B. der Leiter eines Sanatoriums erbieten, n u r filtrierte Luft zu liefern. Auf die Frage v. D r y g a l s k i s , wie der Beweis erbracht wäre, dafs im H a s p e r Behälter Typhusbazillen 3 bis 4 Wochen gelebt hätten, antwortete er, dafür müfste er die ganze H a s p e r Epidemie hier aufrollen, was doch zu weit f ü h r e n würde. Die Frage des Verteidigers H e h n e r , ob ihm bekannt wäre, dafs S c h w e r t e , H a m m , U n n a , H ü s t e n , N e h e i m und andere Orte ihr Wasser direkt aus der Ruhr entnähmen, bejahte er und gleichfalls die fernere Frage, ob ihm bekannt wäre, dafs die Abwässer von A r n s b e r g in die Ruhr gingen, allerdings mit dem Bemerken, dafs das theoretisch nicht der Fall wäre. Die dritte Frage, wie das Regierungsgebäude in A r n s b e r g entwässert würde, wies er aus dienstlichen Gründen zu beantworten ab. Das tat er gleichfalls betreffs der vierten Frage, ob die nach seinem Dienstantritte in anderer Weise geregelte Fäkalienabfuhr dieses Gebäudes deshalb wieder aufgehoben wäre, weil die Oberrechnungskammer sie als zu teuer erkannt hätte. B. Med.-Rat Kreisarzt Dr. Racine ( E s s e n ) : Weil der Landrat verreist gewesen wäre, so hätte er erst am 26. September vom Ausbruche der Epidemie im Landkreise E s s e n durch das Landratsamt Kenntnis erhalten. Wie er schon früher mitgeteilt, hätte der ärztliche Meldeapparat im Reg.-Bez. A r n s b e r g besser als der polizeiliche im Reg.-Bez. D ü s s e l d o r f funktioniert. Nur vier Landgemeinden des Kreises E s s e n , welche das Wasser durch die Station bei Steele erhielten, wären damals von der Seuche betroffen worden. I n O a t e r n b e r g wären freilich die ersten Fälle auf Bewohner von Häusern zurückgeführt, welche a n das E s s e n e r Wasserwerk angeschlossen wären. Dagegen wären einzelne Teile von verseuchten Gemeinden, z. B. die Kolonie der Zeche Zollverein, welche eine eigene Versorgungsanlage hätte, von der Seuche frei geblieben. Auch in A l t e n e s s e n und in B o r b e c k , welches übrigens aufserdem aus drei anderen Anlagen mit Wasser versorgt würde, wären einige Fälle vorgekommen, trotzdem ihnen das Wasser von der Station bei Steele nur aus dem Frillendorfer Behälter geliefert wurde. Die Überzeugung, dafs auf der Station bei Steele irgendwo etwas nicht in Ordnung gewesen sein müfste, hätte er sofort geh a b t und vermutet, dafs unfiltriertes Ruhrwasser in die Leitungen gekommen wäre. I m J a h r e 1895 hätte, als das Stichrohr in E s s e n vor der derzeitigen Epidemie geöffnet wurde, nach Ablauf der Inkubationszeit von 14 Tagen ein frappantes Ansteigen der Zahl der Typhusfälle stattgefunden, woraus die Wirkung des unfiltrierten Ruhrwassers in dem dadurch verunreinigten Leitungswasser klar zutage getreten wäre. Daran, dafs der Rohrbruch die Epidemie 1901 hervorgerufen hätte, hätte er nie geglaubt und glaubte das auch heute noch nicht. Auf Anregung S p r i n g f e l d s gab er an, dafs, wenn man die Inkubationszeit berücksichtige und ferner beachte, dafs erst einige Zeit nach der Erkrankung der Erkrankte solches zu bemerken pflege, er den Anfang der Typhuserkrankungen als am Ende des August oder am Anfang des September erfolgt annähme.

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Die Diagnose des Typhus wäre klinisch sehr schwer festzustellen. Er bezweifelte daher auch, dafs in dem Hause Berlinerstrafse 67 in K ö n i g s t e e l e , vor welchem seinerzeit der grofse Rohrbruch eingetreten wäre, sich schon im Juli ein Typhuskranker befunden hätte. Auf S p r i n g f e l d s Behauptung, das wäre von einem Arzte zweifellos nachgewiesen, erwiderte er, das wäre so lange f ü r ihn nicht mafsgebend, bis klinisch die Typhussymptome festgestellt wären. Vor wenigen -Wochen noch wäre ihm der Fall vorgekommen, dafs in dem Totenscheine eines Mannes Typhus als Todesursache angegeben war; aber hinterher wären bei der Sektion solche eitrige Verletzungen der Kopfhaut infolge einer Schlägerei festgestellt worden. Auf S p r i n g f e l d s Frage, ob er hiernach, weil von den ca. 3000 dortigen Erkrankungsfällen nur einige hundert klinisch untersucht wurden, alle übrigen nicht als Typhusfälle betrachtete, sagte R a c i n e , er hätte ja nur von Einzelfällen gesprochen, u n d das wäre doch etwas ganz anderes. Nachdem auf die Frage des V o r s i t z e n d e n an R a c i n e , ob er das Wasser des Eibergbaches für ein geeignetes Genufsmittel hielte, dieser geantwortet hatte, »das wäre ja ganz schwarze, meinte ersterer, wegen der schwarzen Farbe an sich brauchte es ja nicht gesundheitsschädlich zu sein; das könnte ja von Kohlenstaub herrühren, und man pflegte doch zu sagen: »Schmutz reinigt den Magen«; dafs solches Wasser getrunken würde, hätte er selbst gesehen. Der Frage des S t a a t s a n w a l t s , ob ihm unfiltriertes Ruhrwasser zu trinken als gesundheitsschädlich erschiene, stimmte er unbedingt zu, was mit seiner Äufserung in der ersten Periode freilich nicht ganz übereinstimmt. Vom V o r s i t z e n d e n gefragt, ob er das auch dann täte, wenn nur 100 Keime darin wären, antwortete er, das hinge davon ab, ob sich auch pathogene Keime darunter befänden. Weiter gefragt, ob dafür nicht die Filtration eine Garantie böte, meinte er, im Ruhrgebiete wären die Wasserversorgungsverhältnisse nicht die besten der Welt; dagegen könnte man aber nichts machen, weil man doch Wasser h a b e n müfste. Schliefslich noch vom V o r s i t z e n d e n gefragt, wie er ein Gemisch von rohem Ruhr- oder Eibergwasser mit filtriertem Ruhrwasser beurteile, welches 80 Keime enthielte, sagte er, mindestens hielte er es f ü r bedenklich; hätte er die Wahl zwischen einem solchen und einem filtrierten Wasser von 300 Keimen, das kein rohes Ruhrwasser enthielte, so würde er das mit der geringeren Keimzahl vorziehen. Die Äufserung S p r i n g f e l d s , dafs durch Mischen von rohem und filtriertem Wasser eine relative Minderung der Zahl der pathogenen Keime möglich wäre, liefs die V e r t e i d i g u n g bemerken, dafs ein Filter, das Keime überhaupt durchliefse, doch keinen Unterschied zwischen gesunden und pathogenen machen würde. Das wäre durchaus nicht immer der Fall, meinte S p r i n g f e l d d a r a u f ; wäre das auch wohl möglich, so würden in der Regel doch im Wasser die pathogenen Keime fest an anderen darin enthaltenen Gegenständen, z. B. an Kotballen haften, welche das Filter nicht passieren könnten, wogegen R a c i n e bemerkte, das könnte doch die absolute Zahl nicht verringern, wenn auch der Keimbeetand durch die Mischung relativ mehr verteilt werden würde. Auf die vom S t a a t s a n w a l t an R a c i n e gerichtete Frage, ob ihm Fälle einer ungenügenden Filtration vom E s s e n e r Wasserwerk bekannt wären, antwortete er, seit 1895 wäre das nicht mehr der Fall; nachdem die Wasserfassungen hier einwandfrei hergestellt w ä r e n , wären Typhusepidemien nicht mehr vorgekommen. Einzelne Erkrankungen hätte man seitdem immer auf Ansteckung oder auf den Genufs anderen Wassers zurückführen können. R a c i n e äufserte sich dann noch über einige B e d e n k e n , die i h m betreffs der K o c h sehen Typhustheorie aufgetaucht wären. I h m wäre das explosive Auftreten der Seuchen u n d ihr plötzliches Aufhören unbegreiflich, weil die Typhusbazillen häufig noch weiter im Wasser verbleiben würden. Die P e t t e n k o f e r s c h e Schule spräche demgegenüber von einer zeitlichen und persönlichen Disposition zu ihrer Aufnahme, welche f ü r die Entstehung der Erkrankung nötig sein sollte. Jedenfalls bliebe betreffs dieser kleinen Lebewesen der Forschung noch ein grofser Spielraum offen. H ä t t e die K o c h sehe Schule mit der Wassertheorie alle möglichen Fragen wirklich gelöst, so wäre es doch wunderbar, dafs heute noch in; medizinischen Kreisen darüber zwei ganz entgegengesetzte Ansichten bestehen könnten, was dem V o r s i t z e n d e n als Juristen wenigstens nicht auffallend erschien, weil meistens vier Ansichten beständen, wenn auch nur drei Juristen beisammen wären. 8

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Die Gerichtsverhandlungen über die Gelsenkircliener Typhusepidemie im Jahre 1901.

C. Med.-Rat Kreisarzt Dr. Hensgen ( S i e g e n ) : Er hätte während der Epidemie 900 bis 1000 Typhusfälle untersucht, meistens bei Kindern und Arbeitern, also aus Kreisen, die gewöhnlich am meisten Wasser zu trinken pflegen. Nach seiner Ansicht wäre, wie er im ersten Termin schon ausgesprochen, das Ruhrwasser stets trübe und schmutzig, und ein solches Wasser müfste eine Menge Krankheitsstoffe enthalten. Vom ärztlichen Standpunkte aus würde er es daher verbieten, überhaupt Ruhrwasser zu trinken. Die V e r t e i d i g u n g fragt ihn, ob er das Wasser auch als gesundheitsschädlich erachten würde, wenn es auf Grund chemischer und bakteriologischer Untersuchungen einwandfrei erschiene. Darauf antwortete er, die chemische Untersuchung wäre für ihn nicht mafsgebend und die bakteriologische wäre das nur bedingt; es käme für seine Entscheidung darauf an, ob das WaBser auch pathogene oder nur andere Keime enthielte. In allen Fällen wäre für ihn das Ruhrwasser immer verdächtig. E m m e r i c h fragte ihn dann, ob er das E s s e n e r Leitungswasser auch für gefährlich hielte, weil es doch auch aus der Ruhr stammte, worauf H e n s g e n bemerkte, er wüfste nicht, wie die Verhältnisse hier heute wären; wären sie aber noch so wie 1898, so würde er es für gefährlich halten. Damals wäre er bei einer Besichtigung auf die Schieber X Y gestofsen, die ihm sehr verdächtig erschienen wären. Der Oberbürgermeister Z w e i g e r t hätte freilich gesagt, wenn sie geöffnet würden, fordere er stets auf, das Wasser nur abgekocht zu trinken. Auf E m m e r i c h s weitere Frage, wie er sich überhaupt zu dem filtrierten Wasser stelle, antwortete H e n s g e n , solches böte wohl eine gewisse Sicherheit; aber pathogene Keime könnten doch die besten Filter passieren. E m m e r i c h meinte, er würde dann wohl den Essenern den Rat geben, überhaupt kein Leitungswasser zu trinken, denn es könnten ja immer Typhuskeime darin sein. 0. Geh. Med.-Rat Kreisarzt a. D. Dr. LImper: Früher wäre der Typhus in der Stadt G e U e n k i r c h e n häufiger epidemisch aufgetreten, wie er ja schon einmal ausgesagt hätte, so auch 1886 und 1889, aber dann stets der F e t t e n k o f e r s c h e n Theorie entsprechend bei fallendem Grundwasserstande. Während der Epidemie von 1891 hätten freilich starke Überflutungen stattgefunden, und es hätte sich damals das Gebiet der Epidemie durchaus nicht mit dem der Wasserleitungen gedeckt. Im Jahre 1891 wäre in der Stadt mit den Kanalisationsarbeiten begonnen, und die Zahl der Erkrankungen wäre bis 1901 bedeutend gesunken, um welche Zeit diese Arbeiten für einen grofsen Teil der Stadt fertiggestellt gewesen wären. Dafs früher auf der Station bei Steele ein Zuflufsrohr aus der Ruhr vorhanden gewesen wäre, hätte er gewufst; aber er hätte angenommen, dieses wäre längst entfernt worden. E. Med.-Rat Dr. Tenholt ( B o c h u m ) : Die G e l s e n k i r c h e n e r Epidemie hielte er zweifellos für eine Wasserepidemie. Er stände jedoch weder einseitig auf dem Boden der K o c h s c h e n noch auf dem der P e t t e n k o f e r s c h e n Theorie; nach seiner Ansicht läge die Wahrheit in der Mitte zwischen beiden. Viele Epidemien liefsen sich nur durch Einschleppung sowie dadurch erklären, daTs lokale Dispositionen wie ein Zündstoff wirken; gewisse örtliche Verhältnisse müfsten vorhanden sein, um einen günstigen Boden für das Agens zu schaffen. Es könnten Typhusbazillen in den Erdboden kommen, sich hier fortpflanzen und bei günstigen Bedingungen, etwa bei einer Überschwemmung, hervorkommen und dann explosiv eine Epidemie hervorrufen. G e l s e n k i r c h e n und S c h a l k e wären alte Seuchennester; welch günstige Bodenverhältnisse wären hier dafür geboten? Aber auch das RuhrwaBser könnte unter Umständen schädlich einwirken. F. Kreisarzt Dr. Nauck ( H a t t i n g e n ) : Die in seinem Kreise vorgekommenen Typhuserkrankungen im Juli hätten ihn zu einer Besichtigung der Station hei Steele veranlagst, wo ihn die von K i e s e n d a h l erteilte Auskunft über seine Befürchtung, dafs das Wasser die Schuld daran treffen könnte, beruhigt hätte. Trotzdem hätte die spätere Zunahme der Erkrankungsfälle seit dem 25. September bis in den Oktober hinein ihn schliefslich dem Wasser die Schuld an den Erkrankungen beimessen lassen.

S p r i n g f e l d , dessen Ansicht sich auch B l i e s e n e r anschlofe, erklärte dagegen, die Orte im Kreise H a t t i n g e n wären bis Ende September frei von der Epidemie geblieben, und nur gleichsam wie Funken bei einem groisen Brande wären einzelne Fälle nach dort übergesprungen, weil viele dortige Arbeiter in dem verseuchten R o t t h a u s e n gearbeitet hätten. Von einem explosionsartigen Auftreten einer Wasserepidemie hätte dort aber keine Rede sein können. Ahnlich äufserte sich v. D r v g a l s k i , es hätte sich in der Wiesenstrafse in H o r s t um die typische Verseuchung einer latent verlaufenen Typhusepidemie gehandelt, bei der die einzelnen Glieder kettenförmig ineinander gegriffen hätten, also um eine Kontaktepidemie. Die H a t t i n g e r Fälle im September wären Ausläufer einer Kontaktepidemie vom Juli gewesen, während die Fälle im Oktober aus dem G e l s e n k i r c h e n e r Bezirke durch Kontakt entstanden wären. Die V e r t e i d i g u n g bemerkte dazu, dafs, wenn auch im September und Oktober im H a t t i n g e r Bezirke eine Wasserepidemie geherrscht hätte, so hätte diese doch mit der Rohrbruch- und Stichrohrtheorie nichts gemein haben können. Als N a u c k später den Nachweis der Fälle aus seinem Journal erbringen sollte, konnte er nur einige Fälle als durch Wasserinfektion entstanden aufrecht erhalten, nachdem B l i e s e n e r viele der dortigen Fälle als durch Kontakt entstanden nachgewiesen erklärte. N a u c k antwortete K o c h auf dessen Frage, ob er im allgemeinen alle nicht durch Kontakt nachgewiesenen Fälle als durch das Wasser entstanden annähme, dafs er daran gar nicht dächte; aber unter besonderen Umständen, wie hier, wo die gleiche Wasserversorgung beider Bezirke bestände, wäre seine Ansicht wohl berechtigt. Demgegenüber behauptete die V e r t e i d i g u n g , der Nachweis müfste doch in jedem einzelnen Falle speziell erbracht werden; es könnte jemand, der mit einem andern in einem Bette schliefe, trotzdem sehr wohl durch Wassergenufs typhuskrank werden. S p r i n g f e l d bemerkte dazu, daTs es nur auf das Ensemble der Fälle ankäme, wogegen der S t a a t s a n w a l t nunmehr, nachdem die Sache einmal angeschnitten wäre, ein Durchgehen der Einzelfälle durch S p r i n g f e l d und N a u c k für nötig erachtete, was jedoch abgelehnt wurde, weil es sich hier, wie der V o r s i t z e n d e erwähnte, nur um Tatsachen und nicht um den Nachweis wissenschaftlicher Theorien handele. G. Dr. Bliesener, Hilfsarbeiter im Ministerium der geistlichen etc. Angelegenheiten ( B e r l i n ) : ( V e r n e h m u n g a m 17. N o v e m b e r . ) Das explosive Auftreten der Epidemie hätte ihn sofort auf eine Wasserinfektion schliefsen lassen. Das Krankheitsgebiet hätte einen eigenartigen Charakter dadurch gehabt, dafs in diesem davon eingeschlossen Inseln und Halbinseln gelegen hätten, die typhusfrei geblieben wären. Es wären das aber Ortschaften gewesen, die vom B o c h u m e r Wasserwerke oder in anderer Weise versorgt wurden. Mit dem Versorgungsgebiet der Gesellschaft hätte das Epidemiegebiet sich vollständig gedeckt, soweit G e l s e n k i r c h e n Stadt und Land in Frage käme. Dafs A l t e n e s s e n u n d B o r b e c k Beuchefrei geblieben wären, erklärte er daraus, dafs sie nicht aus den Behältern Leythe versorgt wurden. Sonst wären hier dieselben ungünstigen Bodenverhältnisse wie in den übrigen Teilen gewesen. Die Seuche wäre hier erst im Oktober aufgetreten, nachdem, wie E m m e r i c h angeführt, durch den Regen die Bazillen schon fortgeschwemmt gewesen wären. Gleichfalls und bei denselben Bodenverhältnissen wären H o l s t e r h a u s e n und B a u c k a u , die aber mit anderem Wasser versorgt wurden, seuchefrei geblieben. Überall, wo die Bodenverhältnisse dieselben gewesen, hätte die Seuche ihre Grenze in der des Versorgungsgebietes der Gesellschaft gefunden. Ginge man in G e l s e n k i r c h e n allen Details nach, so fände man, dafs hier nicht die Bodenverhältnisse, sondern nur die Art der Wasserversorgung die Grenze der Epidemie gebildet hätte. Den Rohrbruch träfe wegen des ganzen Auftretens der Epidemie nach seiner Ansicht kein Verschulden. Infolge einer Anfrage sagte er, dafs es in Gegenden, in welchen eine Wasserepidemie völlig ausgeschlossen erschiene, nur durch eigenartige Deutungen, die er hier nicht verfolgen wollte, versucht würde, Grenzen für die Epidemie festzulegen. Auf R a n k e s Bericht aufmerksam gemacht, nach welchem die M ü n c h e n e r Epidemien von 1865 bis 1881 explosionsartig aufgetreten wären, meinte er, dafs

Die Gerichtsverhandlungen über die Gelsenkirchener Typhusepidemie im Jahre 1901. dann andere Ursachen: Milch oder andere Nahrangsmittel oder Bodeninfektion, welche P e t t e n k o f e r s Schale j a als solche annähme, hätten vorliegen müssen; durch Sammelmolkereien z. B. konnten Epidemien über weite Flächen verbreitet werden. Vom S t a a t s a n w a l t gefragt, warum er für den vorliegenden Fall die Bodentheorie aasschlösse, sagte er, die geologischen Verhältnisse in den Nachbargebieten, die typhusfrei geblieben, wären genau dieselben gewesen, und dennoch hätte die eigenartige Verteilung der Seuche das genaue Einhalten der Epidemiegrenzen konform den Versorgungsgrenzen erkennen lassen. Auf E m m e r i c h s Bemerkung, in W a t t e n s c h e i d mit gemischten Wasserversorgungen wäre im September and Oktober der Typhus namentlich in Häusern aufgetreten, welche aus Brunnen oder durch das B o c h u m e r Wasserwerk versorgt gewesen wären, erwiderte B l i e s e n e r , dafs das dann Kontaktfälle gewesen sein müfsten. Auf eine Frage des V o r s i t z e n d e n antwortete e r , nach seiner Ansicht wäre Wasser, welches die vom Menschen ausgeschiedenen Stoffe ersetzen müTste, für die Erhaltung der menschlichen Gesundheit ein unentbehrliches Nahrungsmittel. Er hielte das Buhrwasser sehr wohl für geeignet, die Gesundheit zu schädigen, lind gleiches wäre nach seiner Meinung auch bei seiner Mischung mit anderem Wasser der Fall, weil die Verdünnung nichts daran änderte, da das Typhusgift kein totes, sondern ein lebendes Gift wäre. — Am 22. November wurde er vom V o r s i t z e n d e n aufgefordert, gegenüber der von S t o l z e in dem Teile 2 der früheren Sitzungsperiode anter N. gegebenen und in dieser Periode im wesentlichen wiederholten Schilderung der Kanalisations-, Abfuhr- und Wohnungsverhältnisse in G e l s e n k i r c h e n seine Ansicht als früherer dortiger Kreisarzt mitzuteilen. B l i e s e n e r äufserte sich wie folgt: Die örtlichen Schwierigkeiten im Seuchengebiet lägen darin, dafs das Emschergebiet unter Senkungen litte und dafs dadurch vielfach ein Abduls nach dem Flusse unmöglich würde. Viele der dicht bevölkerten Teile Wülsten deshalb nicht, wie sie ihre Abwässer beseitigen sollten. Es würden hier alle Möglichkeiten für diesen Zweck ausgenutzt, und alle alten Gräben, Binnen und auch Kanäle fänden dafür Verwendung. Der südliche Teil des Gebiets wäre etwas besser daran als der nördliche Teil, weil hier durch einige Mühlbäche ein besserer Abduls zu erreichen wäre. Soweit das G e l s e n k i r c h e n e r Gebiet in Frage käme, hätten S c h a l k e und der nördliche Teil des Kreises B i s m a r k sowie ein Teil von W a n n e unter den schlechten Vorflutverhältnissen infolge vieler Erdsenkungen, die das Gefälle beeinträchtigten, sehr zu leiden, wie auch von B r e m e in der ersten Sitzungsperiode und auch in der zweiten Periode sehr eingehend besprochen wäre. Dadurch würden hier Stauungen und Versumpfungen erzeugt, und häufig wären hier Überschwemmungen vorgekommen. Derartige Zustände beständen z. B. in dem sehr stark bevölkerten nordöstlichen Teile von W a n n e . Hier fände man geradezu ein völliges Gewirre von offenen Gräben und Kanälen, und doch wäre gerade dieser Teil von der Typhusepidemie nicht heimgesucht worden. Dagegen wäre das Amt Ü k e n d o r f , das ihm bei seinem Dienstantritte als der am besten kanalisierte Teil des ganzen Bezirks bezeichnet wäre und auch auf ihn diesen Eindruck gemacht hätte, von der Epidemie sehr stark heimgesucht worden. In dem am dichtesten bevölkerten Teile von Ü k e n d o r f beständen keine besonderen Schwierigkeiten für den Abduls. Die Müll- and Fäkalienabfuhr wäre hier sehr gut geregelt und Btände auch anter strenger Aufsicht. Die Wohnungsverhältnisse in dem Gebiete wären j e nach der Bauzeit der Häuser sehr verschieden, und richtig wäre es auch, dafs in den älteren Arbeiterkolonien die Hausfluren oft unter dem jetzigen Strafsenniveau lägen. Die neueren Kolonien wären aber durchaus gut Sie machten einen angenehmen Eindruck, und die Wohnungen würden gut in Stand gehalten. Die Kolonien hätten durchweg für eigene ßechnung eine Abfuhr mit strenger Aufsicht. E m m e r i c h s Äufserung gegenüber, dafs die Epidemie auf dem trockenen Alluvialboden des Haarstranges sich nicht in der Heftigkeit wie im Alluvialboden des Emschertales gezeigt hätte, bemerkte er, ihm wären die lokalen Verhältnisse im einzelnen nicht bekannt; er möchte aber fragen, ob E m m e r i c h den verseuchten Dilavialboden, in welchem die Sand- und Lehmbodenverhältnisse doch dieselben wie im Alluvialboden wären, für weniger schädlich als letzteren erkannt hätte, worauf dieser erwiderte, dafs nach

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der allgemeinen Erfahrung die Epidemie im Alluvialboden stets heftiger als im Diluvialboden aufgetreten wäre. S p r i n g f e l d hielt es daran anknüpfend für wünschenswert; dafs S t o l z e die Typhusfälle angäbe, die er in seiner topographischen Aufnahme mit den Bodenverhältnissen in Verbindung gebracht hätte, damit sie von ihm nachgeprüft werden könnten. Die Zustände wären nach seiner Ansicht im ganzen Industriegebiete dieselben. Im Emschergebiete stimmten die Niederscblagsverhältnisse und Bodensenkungen in B o c h u m mit denen im verseuchten G e l e e n k i r c h e n ganz überein. Das Verlangen S p r i n g f e l d s wies die V e r t e i d i g u n g damit zurück, dafs S t o l z e hier nicht Typhusfälle hätte erklären, sondern nur sagen sollen, wie der Boden aussehe. Sie möchte die Anklagebehörde anregen, von Amts wegen über diese Verhältnisse Aufklärung zu schaffen. Die V e r t e i d i g u n g machte noch darauf aufmerksam, das grofse evangelische Krankenhaus in G e l s e n k i r c h e n hätte überhaupt noch keinen Anschlufs an die Kanalisation, was S t o l z e bestätigte. ( V e r n e h m u n g am 25. N o v e m b e r . ) B l i e s e n e r führte aus, denselben ungünstigen Boden wie das im September verseuchte Gebiet in G e l e e n k i r c h e n etc. hätte auch A l t e n e s s e n , und daher wäre die Epidemie auch nicht kongruent mit den Bodenverhältnissen, sondern nur mit den Wasserversorgungsverhältnissen gewesen. Auch in den nicht verseuchten Teilen wäre nach E m m e r i c h s Theorie im September der ganze Boden mit Typhusbazillen überschwemmt gewesen, und dennoch wären diese bis Oktober seuchenfrei geblieben, bis dann der Begen die Typhusbazillen abgeschwemmt und damit auch hier die Verseuchung bewirkt hätte. Auch in G e l e e n k i r c h e n selbst fände man, wenn man auf alle Details einginge, dafs das Typhusgebiet mit dem Wasserversorgunsgebiet, aber nicht mit den Bodenverhältnissen kongruent gewesen wäre. Auf E m m e r i c h s weitere Einrede, dafs viele Beispiele vorlägen, wo die eine Seite einer Strafse verseucht gewesen wäre und die andere nicht etc., erwiderte B l i e s e n e r , er glaube nicht, dafs sie beide sich würden einigen können; denn sie ständen auf zu verschiedenem Boden. Das veranlagte auch den V o r s i t z e n d e n dazu, darauf aufmerksam zu machen, dafs hier keine wissenschaftlichen Diskussionen geführt, sondern nur die verschiedenen Gutachten begründet werden sollten. H. Dr. Bruns, Vorsteher des bakteriologischen Instituts (Geleenkirchen). Die von ihm im Juli vorgenommenen Untersuchungen von je zwei an der Wasseroberfläche der Kühr entnommenen Proben oberhalb und unterhalb der Mündung des Eibergbaches hätten die folgenden Keimzahlen ergeben: Oberflächenwasser der Buhr von der Bachmündung oberhalb 100 m . . . . unterhalb 100 m . . . . 200 m . . . . » dicht an der Pumpstation

Keimzahl In ccm rechtes Ufer

Flußmitte

linkes Ufer

5000 46—60000

6400 38-46000 14—17000 12800 bis 14000

7600 14—22000



14 600 bis 18300



12000 bis 13000

Gleichzeitig hätte das Bahrwasser an der Bachmündung an der Oberfläche 23800 bis 35000 Keime und in der Mitte gegenüber der Bachmündung an der Oberfläche 6400 Keime enthalten. Die Temperatur hätte an jenem Tage betragen: 22° C in der Luft, 31° im Eibergbache und 2 m unterhalb seiner Mündung in der Bahr 27° bis 30°; 8 m unterhalb 23° bis 25»; 20 m unterhalb 25°; 50 m unterhalb 23,5°; endlich 70 m unterhalb 22», also wieder die normale Temperatur. Am 19. November wären von ihm im Auftrage des Gerichtes abermals solche Untersuchungen von Proben, die aber nicht nur aus der Oberfläche, sondern auch aas der Tiefe entnommen waren, angestellt. Die Temperatur betrug in dem Bache 20,8°, in der Buht oberhalb des Baches 4,5», an dessen Mündung 17,5» und an der Pumpstation 4,6». Das Wasserquantum des Baches betrug ca. »/,„ bis YJOO v o n dem der Buhr. Die Keimzahl an der Bachoberfläche betrug 340000 bis 390000. Das Buhrwasser enthielt Keime: 8*

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Die Gerichtsverhandlungen über die Gelsenkirchener Typhusepidemie im Jahre 1901.

Ruhrwasser Oberfläche 100m oberh. d. Bachmdg. > in 1,76 m Tiefe > » » Oberfläche an der Höhe > » in 1,75 m Tiefe > > > > Oberfläche 30 m unterh. > i in 1,75 m Tiefe > » » Oberfläche 100 m i > > in 1,75 m Tiefe > » Oberfläche in d. Höhe d. Pumpstat. > in 1,75 m Tiefe » > >

rechtes Ufer 10 000 — — —

25000 21000 — —

16000 10 400

Flursmitte 9 800 9 500 9500 10500 —

9000 25 000 14 000 11800 12100

linkes Ufer 12100 — — — — — — —

14900 11600

Unterhalb des Eintrittes des Baches in die Ruhr hatten sich auf der rechten Seite der letzteren damals im Bahrwasser ziemlich deutliche Schmutzstreifen gezeigt. Das Oberflächenwasser würde hiernach im allgemeinen unreiner als das Wasser in der Tiefe sein, was der S t a a t s a n w a l t für die Frage der Selbstreinigung der Flüsse als sehr bedeutungsvoll erklärte. B r u n s schloß aus seinen Untersuchungen, dafa der Eibergbach zweifellos einen gewissen Einflufs auf das Ruhrwasser ausübte, der aber bei dessen verhältnismäfsig kleinen Wassermenge jedenfalls ein viel geringerer wäre, als man das aus der Keimzahl schliefseu möchte. Dafür, welchen Einflufs das Bachwasser auf das Ruhrwasser ausübt, würden mafsgebend sein: die Wassermengen, die Windrichtung, der Rückstau und die StrömungsIntensität beider Wasserläufe. Im Bachwasser befänden sich auch zahlreiche Dinge von ganz verschiedenen spezifischen Gewichten. Über die Filtrationsfähigkeit des Bodens sagte B r u n s , dafs das dafür an der Ruhr dienende Material im ganzen kein sehr günstiges wäre, weil das Kiesmaterial sehr durchlässig wäre und noch auf größere Entfernungen Bakterien durchließe. Trotzdem wäre es aber doch besser, als es nach der Keimzahl des Brunnenwassers erschiene, weil, wenn z. B. 100 Keime gefunden würden, davon vielleicht nur 20 durch die Filter gegangen sein möchten, während 80 aus dem Grundwasser im Boden entstammen würden, in welches sie wahrscheinlich vom Hochwasser eingeschwemmt wären. Über einen ihm übersandten Salamander, der ihm als aus der Leitung stammend bezeichnet wäre, sagte er, er hätte ihn tot erhalten; er sollte aber lebendig aus der Leitung gekommen sein und als Beweis für diese Möglichkeit hätte man das Wassermessersieb mitgeschickt. Auf K o c h s Frage, ob der Salamander große gelbe Flecken gehabt hätte, sagte er, daTs er das nicht mehr genau wüfste; es wäre eine Art Feuersalamander von 120 mm Länge gewesen, und das Sieb von 2 mm MaBchenweite hätte ihn sicher nicht passieren lassen können. — Im Anschlufs daran machten auch T e n h o l t und sein Assistent S c h m e c k , sowie der Nahrungsmittel-Chemiker Dr. R a c i n e eingehendere Mitteilungen über ihre bakteriologischen Untersuchungen, über welche in der ersten Periode schon berichtet iBt, die K o c h wieder zu der Äußerung veranlagten, dafs er, nachdem er gehört, wie lückenhaft diese Resultate wären, darauf keinen Wert legen könnte. J. Professor Dr. Emmerich ( M ü n c h e n ) . Sein Gutachten begann er mit dem Ausdrucke der Überraschung darüber, dafs ein preufsischer Staatsanwalt es wage, eine wissenschaftliche Streitfrage vor das Forum des Gerichts zu bringen. Nachdem aber einmal eine Besprechung der Wasserinfektion eingeleitet wäre, ergriffe er gern die Gelegenheit, an dieser Stelle auch eine eingehendere Diskussion seines abweichenden Standpunktes anzuregen. Nach der P e t t e n k o f e r s e h e n Bodentheorie wären Typhuskeime im Wasser dauernd überall nicht lebensfähig, und um Typhus bei einem Menschen hervorrufen zu können, müßten die Typhuskeime vorher stets erst im Boden eine gewisse Reife erlangt haben. Erst dann könnten sie durch die Luft auf den Menschen übertragen werden und ev. Typhuserkrankungen erzeugen. P e t t e n k o f e r hätte auf Grund seiner langjährigen Untersuchungen für jeden Ausbruch einer schweren Typhusepidemie die Erfüllung der folgenden Bedingungen als nötig erkannt: 1. der Boden muß luft- und wasserdurchlässig sein; 2. er mufs durch menschliche und tierische Exkremente verunreinigt sein;

3. er mufs einen relativ geringen Wassergebalt haben; 4. es mufs in ihm eine bestimmte Wasserbewegung vorhanden sein, und 5. es mufs gewissen zeitlichen Bedingungen entsprochen sein, nach welchen z. B. schwere Typhusepidemien nur im Spätsommer und Herbst aufzutreten pflegen. P e t t e n k o f e r hätte bei seinen Beobachtungen sehr bald gefunden, dafs die Typhusepidemien sich vorwiegend in Flufsgeländen, in Tälern und Mulden ausbreiten und dafs der Wassergehalt des Bodens dabei eine große Rolle spielte. Als Maßstab für den im Boden schwierig festzustellenden Wassergehalt wäre ihm der wechselnde Stand des Grundwassers und weiter auch der der offenen Wasserläufe und die zeitliche Regenmenge als geeignet erschienen. In M ü n c h e n wären Typhuserkrankungen bis zur Ausführung der 1881 begonnenen neuen Kanalisation der Stadt fast in Permanenz gewesen. Nach ihrem örtlichen Auftreten wären diese Epidemien von der Art der Wasserversorgung, für welche dort bis zur Einführung der Quellwasserleitung im Jahre 1883 noch sechs verschiedene Wasserleitungen, die ganz unabhängig voneinander gewesen, gedient hätten, vollständig unbeeinflußt geblieben. Dagegen hätte er aber beobachtet, dafs bei niedrigen Grundwasserständen die Epidemien heftiger aufgetreten wären und dafs die geringste Sterblichkeit stets mit den höchsten Grundwasserständen zusammengefallen wäre. Die Zahl der Erkrankungen an Typhus hätte alBO mit dem Trockenheitsgrade des Bodens und dem Mafse der Bodenfeuchtigkeit zugenommen, so dafs ihm die Erkrankungszahlen als sich im umgekehrten Parallelismus zu dem Grund-wasserstande, zu den Flufswasserständen und zu den atmosphärischen Niederschlägen bewegend erschienen wären. Die von ihm, unterstützt von Ludwig B u h l , für die Zeit von 1856 bis 1865 für M ü n c h e n gesammelten Zahlen von Erkrankungen und Grundwasserständen wären von den Mathematikern S e i d e l , T h o m a s und J e s s e n auf Grund der Wahrscheinlichkeitsrechnung einer Prüfung auf ihren gesetzmäfsigen Zusammenhang unterzogen. Diese Mathematiker hätten dabei übereinstimmend eine Wahrscheinlichkeit der Koinzedenz von 36000 zu 1 ermittelt. Dieses dadurch als richtig bewiesene Grundwassergesetz wäre durch die ferneren Beobachtungen von 1865 bis 1881, nach welcher Zeit der Typhus in M ü n c h e n infolge der Kanalisation schnell verschwunden wäre, ausnahmslos bestätigt. Es stelle sich daher die Wahrscheinlichkeit dieses gesetzmäfsigen ursächlichen Zusammenhanges nunmehr auf mindestens 100000 zu 1. Das käme aber der Gewißheit gleich, zumal der Mathematiker G a v a r e t ein Resultat schon dann als als erwiesen betrachtete, wenn man wenigstens 212 gegen 1 wetten könnte, dafs es richtig wäre. Trotz der sorgfältigsten Nachforschungen, welche durch die Verschiedenartigkeit der M ü n c h e n e r Wasserleitungen in den verschiedenen Bezirken in jener Zeit sehr leicht auszuführen gewesen wären, wäre es P e t t e n k o f e r niemals gelungen, eine Lokalisation des Typhus in diesen verschiedenen Bezirken zu erkennen. Dabei wäre das Sinken der TyphuBerkrankungen nicht erst 1883 mit der neuen Quellwasserleitung sondern, wie erwähnt, schon 1881 mit der neuen Kanalisation eingetreten. Die Richtigkeit des Grundwassergesetzes wäre dann auch in den folgenden Städten mit endemischem Typhus durch mindestens zehnjährige Grundwassermessungen erwiesen, nämlich in K ö l n , Berlin, F r a n k f u r t , Hamburg, Nürnberg, Kalkutta und M i c h i g a n , was E m m e r i c h durch eine grofse Zahl graphischer Darstellungen der Typhusfälle sowie der Grund- und Flufswasserstände und Regenmengen zur Anschauung brachte. Dafs die Wasserversorgung mit der Verbreitung des Typhus nicht zusammenhinge, versuchte Emmerich speziell fürParis daraus nachzuweisen, dafs hier im Jahre 1886 eine Epidemie auf die zeitweise Verwendung von unfiltriertem Wasser in einem Teile der Stadt zurückgeführt wäre, bis der städtische Ingenieur Bochmann nachgewiesen hätte, dafs solches Wasser nur an drei der zwanzig Arrondissements abgegeben wäre, während die übrigen siebzehn kein solches Wasser erhalten hätten, und dafs trotzdem in letzteren die Zahl der Erkrankungen eine viel größere gewesen wäre. Auch in Kempten wäre der Zusammenhang zwischen den Typhuserkrankungen und dem Wasserstande der IUer klar erwiesen ; hier hätte sich eine explosionsartig aufgetretene Epidemie fast

Die Gerichtsverhandlungen über die Gelsenkirchener Typhusepidemie im Jahre 1901. gleichzeitig über eine Bevölkerung von 10000 Köpfen verbreitet. Trotzdem hier sechs verschiedene Wasserversorgungseinrichtungen bestanden hätten und das Wasser von der Altstadt zur Neustadt lief hatte erstere 1000 und letztere nur 70 bis 80 Fälle gehabt. Nach seiner festen, heiligen Überzeugung hätte auch bei der G e l s e n k i r c h e n e r Epidemie die Wasserversorgung keine Bolle gespielt, und es hätten hier allein die Bodenverhältnisse daran die Schuld getragen. Es wären dort kleine Epidemien fast in jedem Juli oder August immer bei zurückgehenden, aber nie bei hohen Flufsständen beobachtet. Bei sinkendem Wasserstande bot sich die günstige Gelegenheit zur Vermehrung der Typhusbazillen, während höhere Wasserstände die Luft aus dem Boden verdrängten und die Nährstoffe dabei in die Tiefe gewaschen wurden. Auch die Lufttemperatur wäre in feuchtem Boden stets sehr niedrig und läge unter der Wachstumsgrenze (15°) der Typhusbazillen, während bei sinkendem Wasser die Bodentemperatur aufeerordentlich wQchse und die Kapillarkraft die Keime auf die Oberfläche triebe. Der günstigste Nährboden für Typhusbazillen würde durch die Verunreinigung des Bodens mit menschlichen und tierischen Abgängen, Fäkalien etc. vorbereitet, während der Typhus bei gesunden Bodenverhältnissen wenig oder gar nicht aufträte. Durch solche Verunreinigungen würden Jaucheherde geschaffen, durch die der Boden und die Luft mit Bakterien erfüllt würden. Nach seinen .Untersuchungen wären stets im Boden schon in den der Seuche vorhergehenden Monaten Typhusbazillen massenhaft deponiert gewesen, so dafs der kapillare Wasserstrom mit zunehmender Trockenheit fortgesetzt Nährstoffe aus der Bodentiefe auf die Oberfläche fördern mufste. Er hätte versucht, auf einen vorbereiteten Nährboden durch Ameisen und Fliegen Bakterienübertragungen zu bewirken, und dadurch hätte er die schönsten Beinkulturen erzeugt. Wäre K o c h nicht aus sich selbst auf seine Bakterienzüchtungsmethode gekommen, so hätte er diese von den Ameisen lernen können. Durch solche Tiere könnten daher auch die Nahrungsmittel zu Zwischenträgern — Vehikel, wie die Wassertheoretiker sagten — werden, und so liefse sich ohne das Wasser das explosionsartige Auftreten der Epidemie vollständig erklären. Es erschiene ihm fast als ein WundeT, dafs die Seuche nicht noch furchtbarer gehauat hätte Man hätte die Gefährlichkeit des Buhrwassers auch zum Teil auf die Colibakterien, die sich mit Vorliebe darin aufhielten und auf die Anwesenheit von Fäkalien schliefsen liefeen, zurückgeführt. Aber er hätte hier von S p r i n g f e l d zum erstenmal in seinem Leben gehört, dafs Colibakterien schädlich wären, während er sie bislang für aufserordentlich nützlich gehalten hätte. Was bedeuteten aber überhaupt 10000 Keime im ccm Ruhrwasser gegenüber der Milch mit 100000 bis 1000000 Keimen? Ein Gramm Butter enthielte oft 40 bis 60 Millionen Keime, so dafs wir mit einer einzigen Butterstulle so viele Lebewesen verzehrten, wie Europa Einwohner hätte. Sogar Fäkalien fänden sich oft in grofser Menge in der Butter, und auch im Schinken und im Käse wären Fäulnisbakterien massenhaft vorhanden, so dafs gegenüber einer Käsestulle eine Flasche Buhrwasser als eine homöopathische ' Dosis erschiene. Es hiefse nun, die Epidemie hätte sich mit dem Wasserversorgungsgebiete gedeckt. Dann hätte aber die Seuche auch mit dem Flufslanfe entlang gehen müssen, was jedoch nicht der Fall gewesen wäre. Ein solcher Zusammenhang wäre auch nicht daraus herzuleiten, dafs einzelne Orte von der Epidemie verschont geblieben wären; denn in diesen wäre wahrscheinlich die Bodenbeschaffenheit oder der Grundwasserstand ein günstigerer gewesen. Auch wären Häuser von der Seuche befallen, welche nicht an die Wasserleitung angeschlossen gewesen waren. Früher wären aus M a r s e i l l e vor der dort häufig herrschenden Cholera oft tausende der Bewohner nach L y o n geflüchtet, und mit Ausnahme des Jahres 1854 bei niedrigem Wasserstande der Bhone wäre in L y o n die Cholera niemals aufgetreten. Im G e l s e n k i r c h e n e r Epidemiegebiete wäre im Jahre 1901 der Begen monatelang ausgeblieben, und von der zweiten Hälfte April ab bis August wäre überhaupt fast kein Tropfen Begen gefallen, so dafs der Grundwasserstand tiefer als seit 25 Jahren gesunken war. Durch die Typhuskranken wären die Typhusbazillen über das Land verstreut, und die Passanten hätten sie nach anderen Orten getragen, wo sich dadurch sekundäre Herde gebildet hätten. Insekten und Ameisen hätten dann die Bakterien weiter verschleppt

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und auch auf die Nahrungsmittel gebracht, und dadurch wäre der explosive Ausbruch erklärt. Die Niederung des Emschergebietes wäre vollständig sumpfig. Noch zu Anfang des vorigen Jahrhunderts wäre diese Gegend ein nnbewohntes Malariagebiet gewesen, in welchem wilde Emschertalpferde gelebt hätten, und erst später mit der Anlage der Zechen und der sonstigen Bebauung hätte man eine Trockenlegung versucht. Das veranlagte den V o r s i t z e n d e n zu der Frage, ob zur Zeit der Versumpfung dieses Ten-ains nach seiner Theorie hier die Cholera und der Typhus überall nicht hätten entstehen können, was er bejahte, und er erklärte daraus auch das heute noch verhältnismäfsig so seltene Auftreten von Typhusepidemien in dieser Gegend. Damit hier ein solches Ereignis überhaupt eintreten könnte, wäre immer ein ganz exzeptionell trockenes Jahr nötig. Schon Mitte August wäre hier ein starker Begen niedergegangen, und die Erkrankungskurve hätte sich infolge davon etwas gesenkt; anfangs September wäre -wieder Trockenheit und damit ein Ansteigen der Kurve eingetreten. Als dann vom 11. bis 15. September die Epidemie ihren Höhepunkt erreicht hattei wäre ein so heftiger Begen wie nicht seit 12 Jahren niedergegangen, und sofort wäre die Zahl der Erkrankungsfälle hinuntergegangen. Drei Wochen später wäre die Epidemie dann g a n z erloschen, weil der Begen die Typhusbazillen fortgeschwemmt hätte und der Grundwasserstand wieder gestiegen wäre. Auf K o c h s Einwand: »Wenn die Typhusbazillen vom Begen das eine Mal fortgespült wären, so hätte das auch das andere Mal der Fall sein müssen; hätte im September dafür 51 mm Begenhöhe genügt, so hätten im August auch 52 mm dafür genügen müssenc, erwiderte E m m e r i c h , der Begen würde nicht alle Bakterien zugleich fortschwemmen, und ein Teil davon bliebe zurück. Auf K o c h s Frage, woher er das wOiste, antwortete er, er wisse doch, dafs immer weitere Infektionen stattfänden, und nur ein anhaltender Begen könnte allmählich die Epidemie ganz zum Erlöschen bringen. Dem V o r s i t z e n d e n antwortete er auf die Frage, warum im Kreise B o c h u m nicht dasselbe wie im Kreise G e l s e n k i r c h e n eingetreten wäre, dafs B o c h u m auf dem Haarstrang läge und gar kein Grundwasser hätte. Auf die fernere Frage, warum die Epidemie nicht bereits früher eingetreten wäre, da die Trockenheit doch schon im April und Mai geherrscht hätte, antwortete er, dafs es Monate lang dauerte, bis die Typhusbazillen die nötige Beife für ihre Giftigkeit erlangt hätten. Betreffs der Typhusbazillen, welche von H o r s t her in den Eibergbach gelangt sein sollten, sagte E m m e r i c h , dafs das Wasser dieses Baches nach den chemischen Analysen gar nicht so schlecht wäre, wie es die bakteriologischen Untersuchungen annehmen liefsen; die darin enthaltenen Bakterien würden auf dem ' / t Stunden langen Wege bis zum Stichrohre durch die Selbstreinigung des Flufslaufes sicher vernichtet werden; denn sie gingen zweifellos während dieser Zeit in dem Kampfe mit den im schmutzigen Wasser enthaltenen Flagelaten zugrunde. Auch in den Brunnen hielten sich die Typhusbazillen überall nur kurze Zeit. Häufiger hätte er Cholera- nnd Typhusbazillen und MilzbrandspOTen in verschiedene Brunnen geschüttet, und mit solchem Wasser wären dann ohne jede schädliche Folge später Hühner und Tauben gefüttert. Eine an ihn gerichtete Anfrage wegen seines eigenen Genusses von Typhusbazillen veranlagte ihn zu der Mitteilung, dafs vor mehreren Jahren F e t t e n k o f e r 1 ccm und er 0,1 ccm Bouillonkulturen von Cholerabazillen genossen hätte; dadurch hätte sich bèi ihnen wohl Durchfall, aber keine der Begleiterscheinungen der Cholera (Wadenkrämpfe etc.) eingestellt. Dais solche pathogenen Keime zur Erlangung ihrer vollen Giftigkeit erst ein gewisses Stadium in der Erde durchmachen müTsten, wäre damit wohl hinreichend bewiesen. K o c h bemerkte dazu, er glaube einen Brief E m m e r i c h s zu besitzen, nach dessen Inhalt dieser hinterher schwer erkrankt gewesen wäre und auch Wadenkrämpfe gehabt hätte, worauf letzterer jedoch nicht reagierte. Eine von der V e r t e i d i g u n g an E m m e r i c h gerichtete Frage, ob es richtig wäre, dafs früher nur P e t t e n k o f e r das Gesetz vom umgekehrten Parallelismus von Typhus und Grundwasser vertreten hätte, antwortete er, auch V i r c h o w hätte schon 1873 in B e r l i n und später hätte auch B e i n e c k e in H a m b u r g gefunden, dafs die Zahl der Erkrankungen bei sinkendem Grundwasser stiege und bei steigendem Grundwasser fiele.

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Die Gerichtsverhandlungen über die Gelsenkirchener Typhusepidemie im Jahre 1901.

Über die Typhusepidemie in D e u t s e h - S ü d w e s t af r i k a sagte er, diese k ö n n t e n a c h seiner Ansicht n u r auf die dortige Trockenheit u n d nicht, wie von ärztlicher Seite a n g e n o m m e n , auf das Trinkwasser z u r ü c k g e f ü h r t werden. Wie wenig die dort zu ihrer B e k ä m p f u n g die in letzterer Beziehung bislang ergriffenen M a f s n a h m e n genutzt h ä t t e n , das h ä t t e das Weitergrassieren der K r a n k h e i t und die Zahl von Opfern des Typhus in den langen Listen bewiesen. Die Typhusepidemie in D e t m o l d 1904 wäre nach seinei Ansicht gleichfalls nicht durch das Trinkwasser verbreitet. Im letzten Sommer h ä t t e es hier monatelang nicht geregnet, und der Grundwasserstand wäre d a h e r ein sehr niedriger gewesen. Die Bodenverunreinigungen wären dort fast überall sehr grofs. E i n e von i h m veranlafste fortlaufende Bewässerung der H o f r ä u m e vieler H ä u s e r hätte die Zahl der Krankheitsfälle sehr bald wesentlich reduziert, bis d a n n ein anhaltender heftiger Regen die Epidemie ganz zum Erlöschen gebracht hätte. I n dem G e l s e n k i r c h e n e r Seuchengebiete im allgemeinen u n d insbesondere in S c h a l k e bezeichnete E m m e r i c h die damals von i h m g e f u n d e n e n Zustände betreffs der Abwässer- etc. beseitigung und der Müll- u n d K e h r i c h t a b f u h r als geradezu entsetzlich. Ganze H o f r ä u m e wären einen halben Meter hoch mit Kehricht, der die entsetzlichsten Sachen e n t h a l t e n hätte, aufgefüllt gewesen. E r h ä t t e hier Zustände, wie er sie nicht in der ganzen Welt u n d selbst nicht in K o n s t a n t i n o p e l gesehen hätte, gefunden. Hier wäre f e r n e r auch die Schweinezucht sehr a u s g e d e h n t u n d d a d u r c h der Boden vielfach v e r s e u c h t ; fast in die W o h n r ä u m e der Bevölkerung hinein d r ä n g t e n sich dort diese Tiere. H ä t t e in G e l s e n k i r c h e n u n d Ü k e n d o r f auch eine teilweise Kanalisation bestanden, so müfste deren Spülung doch sehr m a n g e l h a f t gewesen s e i n ; die Kanäle wären stark verschlammt gewesen u n d würden zweifellos häufig ausgebrochen sein. I n den nichtkanalisierten Teilen h ä t t e er so grofse J a u c h e s e e n wie noch niemals irgendwo anders gesehen. Solche Verhältnisse liefsen sich mit noch so viel diplomatischer Seife nicht reinwaschen, u n d deshalb möchte er diese Tatsachen mit D o n n e r s t i m m e ins L a n d hineinrufen, u m überall u n d vielleicht auch im Reichstage und im preufsischen Landtage und selbst bis a n die Stufen des Trones h e r a n gehört zu werden. I n einem Landesteile, in dem so reiche Schätze gefördert würden, sollte doch etwas Geld zur H e b u n g der Mortalitätsverhältnisse aufgewendet werden k ö n n e n , damit die des schnöden M a m m o n s wegen hier aus aller Welt z u s a m m e n s t r ö m e n d e n M e n s c h e n nicht n u r u n t e r der E r d e von Wurmkrankheit, sondern auch über der E r d e von Typhus und R u h r dezimiert würden. Man h ä t t e im J a h r e 1348 die J u d e n beschuldigt, dafs sie die B r u n n e n vergiftet u n d die P e s t — damals der schwarze Tod gen a n n t — verursacht h ä t t e n , u n d Tausende von i h n e n h ä t t e n in j e n e r Zeit d e n Feuertod sterben m ü s s e n . H e u t e blicke die gesamte Kulturwelt in Zweifel d a r ü b e r n a c h d e m Gerichtssaale in E s s e n , ob m a n hier abermals Scheiterhaufen f ü r Menschen a u f b a u e n würde, die angeblich das Wasser vergiftet h ä t t e n . Auf eine Frage des V o r s i t z e n d e n antwortete E m m e r i c h , dafs er das Wasser nicht f ü r ein Nahrungsmittel hielte, weil der, welcher n u r Wasser genösse, v e r h u n g e r n müfste. Der Waasergenufs wäre allerdings zur E r h a l t u n g des menschlichen L e b e n s erforderlich; das wäre aber auch betreffs der L u f t der Fall, u n d m a n könnte deshalb doch die L u f t n i c h t als ein Nahrungsmittel bezeichnen. Das rohe Ruhrwasser wäre n a c h seiner Ansicht ebenso wie das Mischwasser jedenfalls ein minderwertiges Wasser. H e u t e hielte er eine Versorgung mit unfiltriertem Wasser nicht m e h r f ü r eine ordnungsmäfsige, weil sich bei d e n jetzt b e k a n n t e n Einricht u n g e n eine solche B e n u t z u n g sehr wohl völlig vermeiden liefse. I n bezug auf die von E m m e r i c h vorgetragenen Ansichten äufserte B l i e s e n e r , die Natur d e n k e gar nicht daran, sich n a c h E m m e r i c h s Maximen zu richten, weil er bei seiner Methode j a von völlig unrichtigen Voraussetzungen ausginge. Es wäre ganz falsch, dafs die TyphuBbazillen f ü r ihre Entwicklung einer W ä r m e von 15° C u n d der atmosphärischen L u f t b e d ü r f t e n . Jeder, der mit ihrer Z ü c h t u n g vertraut wäre, wüfste, dafs sie sich sowohl mit als o h n e Luftzutritt v e r m e h r e n k ö n n t e n u n d dafs selbst K o h l e n s ä u r e sie darin nicht störe. E m m e r i c h h ä t t e gesagt, die hiesige Gegend wäre so schmutzig wie k e i n e in der Welt, und deshalb h ä t t e n sich hier TyphuBbazillen in dem b e f e u c h t e t e n Boden überall nicht ent-

wickeln k ö n n e n ; erst in dem k n o c h e n t r o c k e n e n Boden, wo sonst überall nichts m e h r wüchse, sollte n a c h dessen Ansicht f ü r die Bazillen die Möglichkeit zum W a c h s e n e n t s t a n d e n sein. W o h e r sie dabei die f ü r ihr W a c h s e n doch u n b e d i n g t notwendige Feuchtigkeit h ä t t e n e n t n e h m e n sollen, das k ö n n t e m a n sich doch nicht erklären. Nicht richtig wäre es ferner, dafs Typhusbazillen im Wasser in s / 4 S t u n d e n zugrunde gingen. A u c h durch Flagelaten würden d i e Typhusbakterien nicht vernichtet; d e n n diese würden wahrscheinlich ebenso wie a n d e r e Protozonen und I n f u s o r i e n i m K a m p f e mit i h n e n z u g r u n d e gehen. Bislang wären im Wasser schon drei oder viermal Typhusbazillen nachgewiesen, welche darin m i n d e s t e n s zwei Tage gelebt h ä t t e n . Hielte E m m e r i c h n u n die Typhusbazillen überall noch f ü r die Krankheitserreger, n a c h d e m somit ihr Vorkommen im W a s s e r und damit die Möglichkeit ihrer Übert r a g u n g aus diesem auf den Menschen, sowie die Möglichkeit, a u c h K r a n k h e i t e n durch sie zu erzeugen, nachgewiesen wäre, so m ü f s t e er doch entweder zugeben, dafs sie, trotzdem sie im Wasser vorkommen, Typhus erzeugen k ö n n e n , oder er müfste auf P e t t e n k o f e r s S t a n d p u n k t beharren, der i h n e n j a n u r eine s e k u n d ä r e oder tertiäre B e d e u t u n g zuwiese. E m m e r i c h entgegnete darauf, dafs er a u c h in völlig trocken s c h e i n e n d e n E r d k ö r n e r n i m m e r noch etwas Feuchtigkeit n a c h g e wiesen hätte. Auch h ä t t e n seine Versuche n a c h g e w i e s e n , dafs die Flagelaten sich im Flufswasser so üppig e n t w i c k e l n , dafs sie die Typhusbazillen in kürzester Zeit vernichten müfsten. Auf eine Frage der V e r t e i d i g u n g betreffs der Wasserleitung in D e t m o l d - antwortete E m m e r i c h noch, dafs diese eine sehr g u t e w ä r e ; allerdings wolle K o c h g e f u n d e n h a b e n , dafs an einigen Stellen derselben sich Undichtigkeiten b e f ä n d e n , durch welche eine Verunreinigung des Wassers h ä t t e stattfinden k ö n n e n . Auf die Frage des V o r s i t z e n d e n , wie es dort m i t den B o d e n v e r u n r e i n i g u n g e n a u s s ä h e , antwortete e r , f a s t noch schlechter als hier. v. D r y g a l s k i fragte d a n n E m m e r i c h , wie er n a c h seiner Bodentheorie den Ausbruch einer Epidemie in einer K a s e r n e erkläre, in der sich n u r Böden von Asphalt u n d von Kies bef ä n d e n , worauf dieser antwortete, dafs die Soldaten von ihrenweiten Märschen die Typhusbazillen leicht an den F ü f s e n mitbringen k ö n n t e n . Auf v. D r y g a l s k i s weitere Frage, wie er die Explosivität der Epidemie überall erklärte, antwortete E m m e r i c h , sie wäre einfach eine Folge der Übertragung durch die Nahrungsmittel. A n k n ü p f e n d a n E m m e r i c h s f r ü h e r e Äufserung, dafs der Königsteele Rückgang der kleinen Epidemie von 1904 in ebenso wie der Rückgang der Epidemie in G e l s e n k i r c h e n auf den Regen zurückzuführen wäre, fragte i h n S p r i n g f e l d , ob eine solche W i r k u n g d e n n sofort einträte, was E m m e r i c h nach Ablauf der Inkubationszeit bejahte. Auf S p r i n g f e l d s fernere Frage, w a r u m eine so grofse Epidemie im J a h r e 1904 in G e l s e n k i r c h e n nicht wieder aufgetreten wäre, weil die Trockenheit doch damals e b e n s o grofs wie 1901 gewesen wäre, antwortete E m m e r i c h , 1904 w ä r e der Ruhrwasserstand ein viel höherer als 1901 gewesen. Der V o r s i t z e n d e w ü n s c h t e noch von E m m e r i c h zu wissen, ob die W i r k u n g eines R e g e n s in dem F o r t s p ü l e n der Typhusbazillen oder in d e m Ausfüllen der Bodenporen mit Wasser bestände, worauf dieser bemerkte, beide W i r k u n g e n träten, gleichzeitig ein, u n d es wäre damit zugleich eine V e r m i n d e r u n g der B o d e n t e m p e r a t u r verbunden. Auf die Frage des V o r s i t z e n d e n , ob ein b e s t i m m t e s R e g e n q u a n t u m erforderlich wäre, u m diese W i r k u n g hervorzubringen, erwiderte er, das müsse jedenfalls s c h o n ein sehr ergiebiger R e g e n , mindestens von 20 m m Niederschlagshöhe sein. E n d l i c h verneinte er noch die F r a g e des V o r s i t z e n d e n , ob das Schliefsen des Stichrohres n a c h seiner Ansicht etwas mit der A b n a h m e der Epidemie zu t u n gehabt hätte, mit dem Hinweise d a r a u f , dafs seit d e m R e g e n im Sept e m b e r u n t e r Berücksichtigung der Inkubationszeit die Erkrankungskurve eine k o n s t a n t absteigende gewesen wäre. K. Stabsarzt Dr. v. Drygalski ( S t r a f s b u r g ) . Er schlösse sich im Prinzip hinsichtlich des K a u s a l z u s a m m e n h a n g e s der Epidemie völlig den Ansichten K o c h s an, dafs sich nämlich die Epidemie örtlich u n d zeitlich mit d e m Stichrohre gedeckt h ä t t e und dafs sie daher eine Wasserepidemie gewesen wäre. W ä r e sie aus dem Boden g e k o m m e n , so h ä t t e m a n n a c h

Die Gerichtsverhandlungen über die Gelsenkirchener Typhusepidemie im Jahre 1901. E m m e r i c h s Ansicht bei ihrer weiten Verbreitung doch ein allgemeines Kriechen von I n s e k t e n w a h r n e h m e n müssen. Die Bezeichnung der Wassertheorie als K o c h s c h e Theorie wäre vollständig f a l s c h ; d e n n K o c h dächte gar nicht daran, dafs n u r das Trinkwasser den T y p h u s verbreite. Ausdrücklich hätte er j a gesagt, dafs es noch m e h r e r e Dinge, z. B. die Milch, gäbe, welche d e n T y p h u s erzeugen k ö n n t e n . I h m und den Schülern von K o c h wäre ü b e r h a u p t eine » K o c h s c h e Theorie«, welche viele a n d e r e L e u t e k e n n e n wollten, ganz u n b e k a n n t . Gegen das technische G u t a c h t e n w a n d t e sich v. D r y g a l s k i g e n a u in demselben Sinne wie K r u s e , u n d er erklärte, dafs er sowohl epidemiologisch als auch bakteriologisch keine a n d e r e Ursache f ü r die Epidemie finden k ö n n t e als das Stichrohr. Von E m m e r i c h angeregt, widersprach v . D r y g a l s k i dessen A n n a h m e , Fliegen k ö n n t e n Typhusbazillen übertragen; auf die in seinem Laboratorium in o f f e n e n Gefäfsen s t e h e n d e n Typhusbazillen setzten sich oft Fliegen u n d flögen von dort auf Zigarren, Nahrungsmittel etc., o h n e dafs schädliche Folgen b e m e r k t wären. Auf S m r e c k e r s F r a g e , wie v. D r y g a l s k i sich die sehr geringe Keimzahl des mit Stichrohrwasser gemischten Leitungswassers erklärte, w e n n dessen vorwiegende Ü b e r f ü h r u n g n a c h L e y t h e s t a t t g e f u n d e n h ä t t e , antwortete e r , dafs die p a t h o g e n e n Keime u n d damit die Gefahr trotzdem i m m e r bliebe; übrigens wären auch diese Keimzahlen f ü r seine Beurteilung nicht ausreichend. L. Professor Dr. Kruse ( B o n n ) . Gelegentlich der Naturforscherversammlung wäre er 1901 in H a m b u r g gewesen, als er zuerst von der G e l s e n k i r c h e n e r T y p h u s e p i d e m i e gehört hätte. Sofort h ä t t e er damals einem Kollegen gesagt, das » G e l s e n k i r c h e n e r Wasserwerk h ä t t e er i m m e r f ü r ein tadelloses gehalten, u n d n u n h ä t t e es doch ein Stichrohr oder vielmehr ein Verbindungsrohr mit der R u h r « ; d e n n das W o r t » S t i c h r o h r « wäre erst eine Erfindung von S p r i n g f e l d . Ganz falsch wäre es, w e n n E m m e r i c h die Trinkwassertheorie als die K o c h s c h e Theorie bezeichnet h ä t t e ; denn sie h ä t t e sich ausschliefslich aus den Tatsachen entwickelt, u n d diese f ü h r t e n bereits ins J a h r 1850 in die Zeit der ersten Wasserleitungsanlagen nach E n g l a n d zurück. Man k ö n n t e sie sehr wohl richtiger »die Theorie des gesunden Menschenverstandes« n e n n e n . Dagegen s t a m m t e die von P e t t e n k o f e r aufgestellte Theorie erst aus der Zeit von 1870, als Deutschland sich noch in d e n ersten A n f ä n g e n der Wasserleitungsanlagen b e f u n d e n hätte. I h m erschiene sie n u r als das Erzeugnis einer schöpferischen Phantasie, und sie wäre auf recht drastischen H y p o t h e s e n , die sämtlich von den wirklichen T a t s a c h e n widerlegt würden, aufgebaut. Nur der v o n i h r e m Erfinder aufgestellte Satz vom u m g e k e h r t e n Parallelismus zwischen G r u n d w a s s e r und T y p h u s h ä t t e einigermafsen eine Ber e c h t i g u n g , w e n n auch die Tatsachen o f t der Theorie widersprächen. Die E r k l ä r u n g der Trinkwassertheorie f ü r diesen Satz lautete, dafs bei niedrigem Grundwasser die g u t e n Wasserquellen verdorrt wären u n d dafs d a n n n u r noch die schlechten Quellen zur B e n u t z u n g s t ä n d e n , weil natürlich j e geringer die Wasserm e n g e u m so gröfser das Verhältnis der Verunreinigungen zu dem W a s s e r q u a n t u m werden müfste. Mit allen a n d e r e n Beweisen, die P e t t e n k o f e r aufgestellt hätte, h ä t t e er aber Unglück gehabt. Als der V o r s i t z e n d e K r u s e darauf a u f m e r k s a m machte, i h m läge hier nicht die Aufgabe vor, über die beiden Theorien ein Urteil zu fällen, sagte er, dieses Urteil wäre zugunsten der Trinkwassertheorie bereits längst gefällt. Trotzdem m ü f s t e er aber auf E m m e r i c h s A u s f ü h r u n g e n n ä h e r eingehen, weil diese, w e n n auch nicht hier, so doch aufsen e i n e n gewissen Eindruck m a c h e n könnten. Dafs der Typhusbazillus n u r in trockenem Boden gediehe, wäre vollständig falsch. Falsch wäre es auch, dafs die Typhusbazillen sich besonders gern in verunreinigtem B o d e n aufhielten, weil sie angeblich hier gerade von den a n d e r e n Wasserbakterien überwuchert u n d vernichtet würden. K ö n n t e n Fliegen u n d Ameisen den Typhusbazillus gewifs wohl verschleppen, so wäre es doch fraglich, ob sie dadurch a u c h zu Verbreitern der Epidemie werden k ö n n t e n . Dafs die Typhusbazillen im Erdboden einer h o h e n Temperatur (15°) f ü r ihre Entwicklung b e d ü r f t e n , wäre gleichfalls falsch, weil diese ü b e r h a u p t nicht an die W ä r m e geb u n d e n w ä r e ; das s t ä n d e ja a u c h im Widerspruch zu d e n stattlichen Epidemien in E s s e n im J a n u a r u n d F e b r u a r 1891 u n d in B o c h u m im März u n d im April 1900.

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Zur Widerlegung der Darstellungen von E m m e r i c h wäre das Zurückgreifen auf einige f r ü h e r e Epidemien völlig a u s r e i c h e n d ; er verwiese d a f ü r n u r auf diejenigen in W a l d bei S o l i n g e n , in P a r i s , in D u i s b u r g , in B o c h u m , in D o r t m u n d etc. Als er gehört hätte, E m m e r i c h wäre in D e t m o l d gewesen, h ä t t e er es f ü r seine Pflicht gehalten, auch die dortigen Verhältnisse an Ort u n d Stelle anzusehen. D e t m o l d wäre eine wunderschöne Stadt; die Bevölkerung wäre im allgemeinen w o h l h a b e n d , u n d die Bodenverhältnisse wären hier d e m e n t s p r e c h e n d a u c h gute. Die v o n E m m e r i c h geschilderten scheufslichen Zustände beständen hier ü b e r h a u p t n i c h t , w e n n es hier a u c h , wie wohl überall, schlechte Massenquartiere gäbe. Er h ä t t e n u n den Eindruck e r h a l t e n , dafs es gar keine schönere Wasserepidemie als die in D e t m o l d geben k ö n n t e , u n d E m m e r i c h würde doch nicht behaupten, dafs die Bazillen an der politischen Grenze H a l t machten, K r u s e erklärte d a n n wiederholt, er h ä t t e die feste Überz e u g u n g , die G e l s e n k i r c h e n e r Epidemie k ö n n t e n u r eine Wasserepidemie gewesen sein, u n d n u r das Stichrohr könnte die Schuld daran tragen. Dafs die u n t e r h a l b des Wasserwerks Badenden, die zweifellos Ruhrwasser geschluckt h a b e n würden, f r ü h e r nicht e r k r a n k t w ä r e n , spräche keineswegs gegen seine B e h a u p t u n g ; d e n n beim B a d e n würde bekanntlich i m m e r n u r eine sehr geringe Wassermenge geschluckt, w ä h r e n d f ü r eine wirkliche Infektion i m m e r eine gröfsere Wassermenge zu schlucken nötig wäre. Der R o h r b r u c h h ä t t e wohl eine gröfsere Zahl von Typhusfällen v e r u r s a c h e n , aber gewifs nicht eine so explosionsartige u n d a n h a l t e n d e , sich auf weite Gebiete erstreckende Epidemie h e r v o r r u f e n k ö n n e n — das würde allen wissenschaftlichen Erf a h r u n g e n widersprechen. Die Ansicht der t e c h n i s c h e n Sachverständigen, die Schieber X und V wären geschlossen gewesen, erklärte er einfach als falsch u n d verharrte auf des alten K i e s e n d a h l s S t a n d p u n k t e in der ersten Verhandlung, wo dieser gesagt h ä t t e : »Alle Schieber sind offen gewesen.« Der Eibergbach wäre f ü r eine I n f e k t i o n der Schöpfstelle sehr geeignet gewesen, und die Belbstreinigende K r a f t der Flüsse würde meistens weit überschätzt. Das Stichrohr wäre mit seinen F ä k a l i e n , w e n n sie von K r a n k e n h e r s t a m m t e n , jedenfalls gefährlich gewesen, obgleich allerdings der bacillus coli, der sich sogar in g u t e m Trinkwasser befände, kein Kriterium f ü r die Schädlichkeit des Wassers böte. Auf die Frage der V e r t e i d i g u n g , ob, w e n n der Nachweis erbracht wäre, dafs Stichrohrwasser n a c h Frillendorf gelangt sei, nicht seine ganze Theorie d a n n u n h a l t b a r würde, antwortete er, das wäre allerdings der Fall. Die zweite Frage der V e r t e i d i g u n g , ob er das Stichrohrwasser als die wahrscheinliche Ursache der Epidemie a n s ä h e , b e j a h t e er mit dem H i n z u f ü g e n , die Naturforscher wären f r o h , w e n n sie auch n u r etwas als wahrscheinlich bezeichnen k ö n n t e n . Auf die dritte F r a g e , die sich auf eine in der f r ü h e r e n Sitzungsperiode von i h m gemachte Ä u f s e r u n g bezog, antwortete er, dafs er auch h e u t e noch auf d e m S t a n d p u n k t e stände, dafs die Angeklagten im allgemeinen das Bewufstsein von der Gefährlichkeit des Stichrohrwassers gar nicht oder doch n u r sehr unklar gehabt h ä t t e n . Auf die vierte F r a g e , ob er ein Glas Mischwasser von 60 K e i m e n e i n e m solchen mit filtriertem W a s s e r mit 100 K e i m e n zu trinken vorzöge, antwortete er, dafs er das filtrierte Wasser selbst n o c h mit 200 K e i m e n vorziehen w ü r d e ; sollte er aber durch eigene U n t e r s u c h u n g im Mischwaaser 60 Keime festgestellt h a b e n , so hielte er auch dieses Wasser nicht f ü r gesundheitsgefährlich. Auf die f ü n f t e Frage, ob er F r a n k e l s Ansicht teile, dafs, w e n n von einem vorbeifahrenden Schiffe a m M a g d e b u r g e r Wasserwerke die Abgänge eines T y p h u s k r a n k e n in das Elbwasser gekommen wären, ganz M a g d e b u r g d a n n hätte verseucht werden k ö n n e n , antwortete er, dafs er diese Ansicht nicht teile. Auf eine endlich noch vom V o r s i t z e n d e n a n i h n gerichtete Frage, ob es wahr wäre, dafs auf den R h e i n d a m p f e r n rohes Rheinwasser g e t r u n k e n w ü r d e , antwortete e r , offen gestanden h ä t t e er noch nie gesehen, dafs j e m a n d auf den R h e i n d a m p f e r n Wasser g e t r u n k e n h ä t t e ; dafs die M a n n s c h a f t e n das täten, h ä t t e er allerdings wohl gehört.

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Die Gerichtsverhandlungen über die Gelsenkirchener Typbusepidemie im Jahre 1901.

M. Geh. Med.-Rat Professor Dr. Koch (Berlin). Er sagte, er wäre absolut kein Trinkwasserfanatiker und überhaupt auf keine bestimmte »Theorie« eingeschworen. Nur an Tatsachen und Beweise hielte er sich, und er hatte sich seither fttr keine der beiden hier vielfach besprochenen Theorien, die Trinkwassertheorie oder die Bodentheorie, erklärt. Aus den Resultaten des Kampfes, der an den östlichen LandeBgrenzen systematisch gegen den Typhus geführt würde, liefse sich allerdings bereits erkennen, wohin die praktischen Tatsachen führen würden. Es würde hier jeder Erkrankungsfall, der vorkäme, angezeigt und untersucht, und von den bisher mehr als 2000 angezeigten und untersuchten Fällen wäre die überwiegend gröfste Zahl auf einen Kontakt als Ursache des Typhus zurückzuführen gewesen. Ganz vereinzelt wären wohl auch Übertragungen durch Wäsche vorgekommen, und nur wenige, dann aber immer gleichzeitig mehrere und zusammengehörige Fälle wären auf den Genuas von Wasser zurückzuführen gewesen; kein einziger Fall wäre aber bislang konstatiert, für welchen eine Beziehung zum Boden nachzuweisen oder eine Infektion durch Insekten anzunehmen gewesen wäre. Seiner Ansicht nach hätten auch in G e l s e n k i r c h e n die Bodenverhältnisse keine Bedeutung gehabt; diese wären hier eben nicht schlechter als anderswo im Ruhrtale. Auch der ganze Charakter dieser Epidemie hätte gegen eine solche Annahme gesprochen, und aus eigenen Untersuchungen hätte er ebenfalls die felsenfeste Überzeugung gewonnen, dafs es sich hier nur um eine Wasserepidemie gehandelt hätte, und zwar weil: 1. die Entwickelung der Erkrankungen explosionsartig gewesen wäre, so dafs in wenigen Tagen eine Unmasse von Fällen eintrat; 2. die Fälle von vornherein fast gleichmäfsig über das ganze Typhusgebiet zerstreut gewesen wären. »So viel Häuser, so viel Erkrankungen < hätte es in einem Berichte geheifsen, und zwischen allen Fällen hätte keine Beziehung bestanden; 3. im Anfang nur Menschen erkrankt wären, welche Wasser aus derselben Leitung und zwar ausschliefslich aus der vom Leyther Hochbehälter gespeisten getrunken hätten. Im Westen des Bezirks hätte B l i e s e n e r festgestellt, daTs die Grenze des Epidemiegebiets genau mit dem Wasserversorgungsgebiete abgeschnitten hätte. Allerdings wäre dabei zu beachten, dafs das Wasser auch vielfach aufserhalb der Wohnhäuser getrunken würde und dafs natürlich nicht alle Menschen, die solches Wasser getrunken hätten, deshalb hätten erkranken müssen. Manche Personen, die früher einmal, wenn auch nur in leichter Form erkrankt gewesen wären, könnten dadurch immun geworden sein. Manche Menschen wären auch wohl nur in so geringem Grade erkrankt, dafs sie klinisch überhaupt nicht mitgerechnet wären. Es wären auch wohl Ausnahmen vorgekommen, die aber, nachher näher untersucht, sich häufig nur als scheinbare erwiesen hätten und dann die Wassertheorie doch bestätigt hätten. Deshalb wäre er in der Beurteilung sehr vorsichtig und bilde sich sein Urteil nur auf Grund eigener Beobachtungen oder gestützt auf die Information von ganz zuverlässigen Bachverständigen. Hier wäre er aber von seiner Ansicht so fest überzeugt, dafs es ihn nicht irre machen könnte, wenn auch in einem kleinen Winkel einmal etwas nicht ganz zu stimmen schiene; denn selbst eine kleine Ausnahme würde das Gesamtbild für ihn nicht ändern. Es wäre hier ferner noch zu prüfen gewesen, ob sich das Seuchengebiet und das Versorgungsgebiet immer gedeckt hätten und ob auch das ganze TrinkwasBergebiet von der Epidemie erfafst wäre, wofür freilich eine grofse Menge Infektionsstoff und zu gleicher Zeit in die Leitungen hätte gelangen müssen. Schon gleich anfangs hätte er sich nicht recht davon überzeugen können, dafs die von S p r i n g f e l d angenommene Infektion durch den Rohrbruch die Ursache der Epidemie wirklich hätte gewesen sein können. J e länger er sich aber damit beschäftigt hätte, um so mehr wäre bei ihm die Überzeugung gewachsen, dafs als Ursache der Epidemie der Rohrbrucb vollständig ausgeschlossen werden müfste, weil ein längeres Eintreten von Typhusbazillen ihm dabei immer mehr als vollständig unwahrscheinlich erschienen wäre. Die Typhusbazillen stürben überall im Wasser sehr schnell und in der Regel schon nach wenigen Tagen ab, und deshalb hätte man solche früher auch überhaupt so selten im Wasser gefunden. Bei der sofortigen Anstellung von Untersuchungen könnte man sie freilich jetzt jedesmal schnell finden, wenn sie überall noch im Wasser vorhanden wären.

Auch der Düker könnte nach seiner Ansicht nicht der Infektionsträger gewesen sein. Selbst wenn er undicht gewesen wäre, so müfste die in ihn eingesickerte Wassermenge doch so unendlich klein im Verhältnis zu der möglichen Lieferung des Stichrohrs gewesen sein, dafs es ihm überflüssig erschiene, sie dabei in Betracht zu ziehen. Die Zubringerleitung wäre so verschlammt gewesen, dafs sie überall nnr noch wenig Wasser geliefert hätte, und auch die Qualität dieses Wassers wäre gar nicht festgestellt. Für Verunreinigungen des Wassers am linken Ruhrufer könnte man nur unendlich entfernte Möglichkeiten ins Feld führen. Somit wäre für ihn ausschliefslich das Stichrohr in Betracht gekommen. Die Verhältnisse im Ruhrtale wären in betreff möglicher Verunreinigungen nicht anders und vielleicht noch schlimmer als in andern Flufstälern, und unsere Flüsse wären heute überhaupt unter keinen Umständen frei von Fäkalien. Weil aber die Typhuskeime in das Wasser der Flüsse nur durch Abgänge von Kranken gelangten, so wäre für jeden Flufs die Möglichkeit, dafs sein Wasser solche enthielte, vorhanden, dem überhaupt Fäkalien zugeführt würden. Jeder Hygieniker hielte daher heute ein solches Wasser für typhusverdächtig und also auch das der Ruhr für geeignet, Typhus erregen zu können. Wasserepidemien wären entschieden auch die früheren Epidemien in B o c h u m , in D u i s b u r g und namentlich in E s s e n gewesen. Natürlich würde nicht jeder Tropfen Wasser Typhus hervorrufen, und nicht in jedem Liter Wasser brauchten deshalb .Typhusbazillen zu sein. Jahrelang könnten sie im Wasser ganz fehlen und doch einmal urplötzlich in grofsen Mengen darin auftauchen. Er nähme daher an, dafs das durch das Stichrohr in die Leitung gelangte Ruhrwasser unter diesen Umständen Typhnskeime enthalten hätte, und das erschiene ja durch die Nähe des Eibergbaches auch ganz plausibel. Wären somit längere Zeit Typhuskeime in die Ruhr und daraus in das Stichrohr gelangt, so wäre es nur noch fraglich, ob dieses Stichrohrwasser ausschliefslich nach Leythe gekommen wäre. Das hinge jedoch allein davon ab, ob der Schieber X offen oder geschlossen gewesen wäre. Aus der ersten Verhandlung erinnere er sich noch genau, dafs K i e s e n d a b 1 gesagt hätte, > der Schieber X wäre immer offen gewesen«. Erst allmählich, nachdem ihm die Bedeutung des Schiebers klar gemacht sei, würde er sich in seinem Gedächtnis mit diesem Schieber immer mehr beschäftigt haben, bis er schliefslich sich zu erinnern geglaubt hätte, dafs der Schieber doch geschlossen gewesen wäre. Sonach stände für ihn das Geschlossensein des Schiebers auf recht schwankenden Füfsen. Wenn heute noch alles auf dem Wasserwerke so wie früher wäre, so würde man ja leicht durch ein Experiment mit gefärbtem Wasser den Weg, den das Wässer damals genommen hat, nachweisen können. Das wäre aber eigentlich gar nicht mehr nötig, weil das Wasser ja diesen Weg schon einmal gemacht hätte, allerdings nicht gefärbt sondern durch Typhusbazillen verunreinigt, die dann nach Leythe gegangen wären. Sein Urteil fafste er schliefslich dahin zusammen: »er hätte sich alles genau und nach allen Seiten überlegt und auf Grund seiner Erfahrungen und seines Wissens wäre er zu der festen Überzeugung gekommen, dafs die G e l s e n k i r c h n e r Epidemie n u r dadurch hätte entstehen können, d a f s u n f i l t r i e r t e s R u h r w « s s e r i n d i e L e i t u n g e n g e k o m m e n wäre.« Auf eine Frage des V o r s i t z e n d e n antwortete K o c h , er hielte Wasser für ein Nahrungsmittel, und unter Berücksichtigung des Eibergbaches wäre nach seiner Ansicht das Stichrohrwasser ebenso wie das Mischwasser ohne weiteres gesundheitsschädlich gewesen. Damit wollte er jedoch nicht gesagt haben, dafs jeder, der Rubrwasser getrunken hätte, hätte krank werden müssen. Er würde einem Glase mit gut filtriertem Wasser den Vorzug vor einem Mischwasser, auch wenn das filtrierte Wasser 100 Keime nnd das Mischwasser nnr €0 Keime enthielte, geben. Nicht auf die Zahl sondern auf die Art der Keime käme es dabei an. Auf eine von der V e r t e i d i g u n g an K o c h gerichtete Frage sagte er, er hätte allerdings in einem am 18. Oktober 1901 in G e l s e u k i r c h e n gehaltenen Vortrage noch gesagt, er hielte den Rohrbruch für die wahrscheinlichste Ursache der Epidemie. Die Aufregung der dortigen Bevölkerung wäre damals so grofs gewesen, dafs er diese nicht noch durch die Angabe, das Stichrohrwasser wäre die Ursache gewesen, hätte vergröfsem wollen, und nur deshalb hätte er noch am 10. Oktober diese Äufserung gemacht.

Die Gerichtsverhandlungen üder die Gelsenkirchener Typhusepidemie im Jahre 1901. N. Ingenieur Smrecker ( M a n n h e i m ) . Dieser berichtete zugleich mit f ü r d e n durch K r a n k h e i t a m E r s c h e i n e n in der zweiten Sitzungsperiode verhinderten Professor H o l z ( A a c h e n ) auf G r u n d einer zwischen beiden vorher stattg e f u n d e n e u Verständigung; er b e m e r k t e vorab, er würde in allen den P u n k t e n , in welchen zwischen i h n e n beiden keine Übereinstimm u n g bestehe, ihre abweichenden Ansichten zur Sprache bringen. I n d e n J a h r e n 1900 und 1901 wäre das Stichrohrwasser in d e n Sommermonaten m e h r oder weniger regelmäfsig benutzt, w ä h r e n d das 1899 n u r in einigen W o c h e n ausnahmsweise der Fall gewesen wäre. Die Notwendigkeit h ä t t e sich 1900 u n d 1901 aus der w ä h r e n d dieser J a h r e erfolgten ganz aufserordentlichen Z u n a h m e d e r WaBserabgabe ergeben. I n deD J a h r e n 1898 und 1899 wäre der K o n s u m gegen 1897 um 1,1 Mill. cbm oder 7 , 4 % u n d in den J a h r e n 1900 u n d 1901 gegen 1899 um 3,1 Mill. cbm oder 19,5 °/0 gewachsen. W e n n während eines Notstandes eine v o r ü b e r g e h e n d e Ben u t z u n g von Stichrohrwasser, wie er schon f r ü h e r bemerkt, auch als Aushilfe berechtigt gewesen wäre, u m den Betrieb der F a b r i k e n nicht l a h m zu legen, so wäre n a c h seiner heutigen Ansicht selbst d a n n eine vorherige Benachrichtigung der K o n s u m e n t e n davon am Platze gewesen. F ü r ganz unzulässig hielte er aber die d a u e r n d e Ben u t z u n g des Stichrohrs als eine ständige Betriebseinrichtung, wie sie 1901 im Sommer regelmäfsig a n drei Tagen jeder Woche von d e n Direktoren zugestandenermafsen s t a t t g e f u n d e n hätte. Müfste ein solches Wasser, w e n n die Schöpfstellen nicht ausreichten, auch n u r ein einziges Mal zugelassen werden, so wäre sofort mit den Erweiterungen der F a s s u n g s a n l a g e n zu beginnen. Das wäre n u n freilich in den J a h r e n 1900 u n d 1901 auch geschehen, aber leider n u r mit recht l a n g s a m e m Erfolge; d e n n n a c h dem am 25. September 1901 erfolgten Schliefsen des Stichrohrs h ä t t e das Wasser f ü r d e n m o m e n t a n e n K o n s u m i m m e r noch nicht gereicht, trotzdem die Neuanlagen von 1901 sehon seit d e m 7. September in Betrieb gewesen wären. Durch Zulassen von W a s s e r aus der Station bei W i t t e n h ä t t e m a n sich noch h e l f e n müssen, wie H e g e l e r angegeben h ä t t e , u n d schon 1902 hätte m a n wieder an n e u e Erschliefsungen d e n k e n m ü s s e n . Es wäre freilich sehr schwierig, den Effekt solcher N e u a n l a g e n vorher richtig zu berechnen. Über die Menge des 1901 dem Stichrohre täglich entnomm e n e n Wassers h ä t t e H o l z versucht, auf rechnerischer Basis aus d e n Verteilungsverhältnissen Zahlen zu eruieren. Beim F e h l e n aller a n d e r e n Unterlagen d a f ü r als der F ö r d e r m e n g e n u n d der n u r f ü r B r u n n e n I I I vorliegenden täglichen A b s e n k u n g des Ruhrwasserspiegels wäre ein auch n u r schätzungsweise zuverlässiges Resultat nicht zu erhalten gewesen, u n d H o l z wäre beim R e c h n e n ü b e r lauter unsicher A n n a h m e n gar nicht h i n a u s g e k o m m e n . Die Angeklagten m e i n t e n , täglich höchstens 3000 cbm rohes R u h r w a s s e r g e p u m p t zu haben. Das erschiene ihm aber als zu wenig, und bei einer gesamten Tagesförderung von ca. 60000 cbm h ä t t e ein solches Q u a n t u m k e i n e grofse Rolle spielen k ö n n e n . Er schätzte vielmehr das direkt der R u h r e n t n o m m e n e W a s s e r q u a n t u m auf bis zu 16000 cbm pro Tag j e n a c h dem Mafse u n d der Dauer der Schieberöffnung u n d den W a s s e r s t ä n d e n der R u h r . Übrigens neige er zu der Ansicht hin, wenn auch ein Beweis d a f ü r fehlte, dafs das Stichrohr in der fraglichen Zeit die ganze W o c h e i m m e r offen u n d n u r Sonntags geschlossen gewesen wäre, u m d a n n am Montag langsam wieder geöffnet zu werden. H o l z hätte f r ü h e r f ü r die Monate von Mai bis J u l i a n d e n S o n n a b e n d e n 6000 bis 7000 cbm u n d im August etwa bis zu 18000 cbm Stichrohrwasser a n g e n o m m e n . Die t e c h n i s c h e n Einrichtungen der Station bei S t e e l e wären derart g e w e s e n , dafs m a n das Stichrohrwasser sowohl • n a c h F r i l l e n d o r f als a u c h n a c h L e y t h e senden k o n n t e . W ä h r e n d der ganzen kritischen Zeit wäre das Frillendorfer Gebiet fast ausschliefslich durch Maschine V I gespeist worden, während die Mas c h i n e n VII, V I l l und I X u n d seit August a u c h Maschine X n a c h L e y t h e g e p u m p t h ä t t e n . E s wäre durch Zeugenaussagen bewiesen, dafs damals die Schieber X u n d Y geschlossen u n d die Schieber V und W offen gewesen w ä r e n ; dann wäre aber wohl mit Bestimmtheit zu b e h a u p t e n , dafs Stichrohrwasser sowohl n a c h L e y t h e als nach F r i l l e n d o r f gekommen wäre und zwar absolut wohl m e h r n a c h ersterem Behälter, aber in der Mischung der Behälterwasser prozentual m e h r n a c h letzterem Behälter. Darin s t i m m e er mit H o l z ganz überein. H o l z hätte aber weiter vers u c h t , diese Prozentsätze zahlenmäfsig festzustellen, u n d darin

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k ö n n t e er ihm nicht folgen, weil dessen A n n a h m e n bei d e r völligen U n k e n n t n i s der verschiedenen B r u n n e n Spiegel auf zu s c h w a n k e n d e n Unterlagen beruhten. H o l z und er h ä t t e n f e r n e r untersucht, ob wohl aus betriebst e c h n i s c h e n G r ü n d e n eine gewisse innere Wahrscheinlichkeit vorliegen könnte, dafs die obigen Schieberstellungen so wie sie von den Zeugen eidlich bestätigt w u r d e n , durch diese zu b e g r ü n d e n wären. Auch hierfür wären sie zu einer ü b e r e i n s t i m m e n d e n Bej a h u n g gekommen. W e n n die Schieber X und Y offen gewesen wären, wie das in der Anklageschrift a n g e n o m m e n wäre, so h ä t t e H o l z b e r e c h n e t , dafs d a n n das gesamte Stichrohrwasser h ä t t e n a c h L e y t h e g e h e n m ü s s e n . Er wäre dagegen der Ansicht, dafs das, w e n n auch nicht f ü r das ganze Stichrohrwasser, so doch f ü r den überwiegenden Teil desselben der Fall gewesen w ä r e ; nicht nur möglich, sondern a u c h ziemlich wahrscheinlich wäre es f ü r i h n , dafs a u c h d a n n etwas von diesem Wasser nach F r i l l e n d o r f h ä t t e gelangt sein k ö n n e n . H ö c h s t wahrscheinlich wäre es aber n a c h ihrer beider Ansicht, dafs w ä h r e n d der kritischen Zeit aus technischen G r ü n d e n f ü r e i n e n regelrechten Betrieb der Maschine V I die Schieber X u n d Y i m m e r geschlossen gewesen wären. S m r e c k e r sagte ferner allein f ü r seine P e r s o n aus, dafs, w e n n der Düker undicht gewesen wäre, in ihn rohes Ruhrwasser h ä t t e eindringen k ö n n e n . Auch durch den R o h r b r u c h k ö n n t e , w e n n dabei durch Längenrisse sich eine gröfsere Öffnung gebildet hätte, verschmutztes Wasser in gröfserer Menge in die Leitung g e d r u n g e n sein. Das W a s s e r beider E i n t r i t t s p u n k t e h ä t t e d a n n a u c h möglicherweise I n f e k t i o n e n h e r v o r r u f e n k ö n n e n . Ob diese aber zur Erzeugung und zu so langer Dauer dieser riesigen Epidemie h ä t t e n ausreichend gewesen sein k ö n n e n , das entzöge sich seiner Beurteilung. Betreffs der Arbeiten am linken R u h r u f e r sagte er, dafs in solchen Baugruben und ihrer U m g e b u n g niemals ideale Verhältnisse zu h e r r s c h e n pflegten. Er m e i n t e ferner, in physikalischer Beziehung hielten die Filter an den U f e r n schädliche Stoffe wohl z u r ü c k ; ob das aber ausreichend auch i m m e r in mikroskopischer H i n s i c h t bei erhöhten Keimzahlen des Wassers der Fall wäre, würden andere hier a n w e s e n d e und b e r u f e n e r e Beurteiler j a vielleicht entscheiden k ö n n e n . Den E r d b e h ä l t e r hielte er ebenso wie die Zubringerleitung in ihrer möglichen schädlichen W i r k u n g f ü r recht u n b e d e u t e n d . Auch erschiene bei den H o c h b e h ä l t e r n , die allerdings oben offen wären, eine direkte I n f e k t i o n als wenig wahrscheinlich, weil sie völlig u m b a u t u n d überdacht gewesen wären. Auf a n i h n gestellte F r a g e n von K o c h u n d von S p r i n g f e l d antwortete S m r e c k e r , er glaubte, dafs das Rohrbruchwasser von K ö n i g s t e e l e , dessen Q u a n t u m gewifs nicht grofs gewesen sein k ö n n t e , nach Frillendorf gegangen w ä r e ; a b e r e s k ö n n t e j a auch durch e n t s p r e c h e n d e Schieberstellungen beim Spülen n a c h L e y t h e ü b e r f ü h r t s e i n ; es erschiene ihm jedoch ausgeschlossen, dafs, w e n n Typhusbazillen beim R o h r b r u c h e in das Rohrnetz gelangt wären, diese ausschließlich beim ersten Ausspülen des Rohres nach der Reparatur nach L e y t h e gegangen sein k ö n n t e n . 0. Beigeordneter Gersdorf ( E s s e n ) . E i n Stichrohr regelmäfsig zu b e n u t z e n , also als d a u e r n d e Betriebseinrichtung zu v e r w e n d e n , wäre entschieden zu verwerfen, u n d n u r im Falle der Not liefse sich solches ausnahmsweise als eine vorübergehende Aushilfe entschuldigen, wenngleich er nach seinen jetzigen E r f a h r u n g e n auch das i m m e r h i n f ü r höchst bedenklich hielte. Seit 1889 wäre er Direktor des seit 1863/64 in Betrieb befindlichen E s s e n e r Wasserwerkes. I n d e n ersten J a h r e n h ä t t e n dort zwei B r u n n e n auf der r e c h t e n Ruhrseite bestanden, in die strahlenförmig drei oder vier Rohre aus der R u h r eingetreten wären. Später h ä t t e m a n auch auf der a n d e r e n Ruhrseite B r u n n e n erbaut. Die Wassergewinnung wäre hier ähnlich der der Station bei Steele angelegt gewesen. 1884 wäre ein gröfserer B r u n n e n gebaut, der auch ein direktes Hilfsrohr zur R u h r erh a l t e n hätte. J e d e n f a l l s wäre auch in späteren J a h r e n die Stadt E s s e n häufig mit r o h e m Ruhrwasser versorgt. Nach seinem Eintritte wäre festgestellt, dafs ein Zusammenh a n g zwischen d e n f a s t alljährlich in der Stadt v o r k o m m e n d e n Typhusepidemien und der Wassergewinnung bestehen müfste. I m 9

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Die Gerichtsverhandlungen über die Gelsenkirchener Typhusepidemie im Jahre 1901.

Jahre 1892 wäre der Professor G a f f k y aas Gi e i s e n , der bekanntlich den ersten Typhusbazillus im Wasser aufgefunden hatte, 3 bis 4 Tage in E s s e n gewesen. Dieser hätte aber ebensowenig wie sein vier bis fünf Wochen später nach dort gekommener Assistent an der Wassergewinnung etwas Verdächtiges auffinden können. Um diese Zeit wären auch von der Regierung Erhebungen über die Verunreinigung des Ruhrwassers veranlafst, und später wäre durch eine Verordnung vorgeschrieben, dafs jede vorgenommene Veränderung an den Ufern im Ruhrgebiete zur Anzeige gelangen mllfste. Für die direkte Entnahme eines gröfseren Wasserquantums aus der Ruhr hätte die Stadt damals die Konzession besessen. Sie hätte aber Bedenken getragen, dieses Wasser ausschUefslich zu verwenden weil die Verunreinigung des Ruhrwassers bei S p i l l e n b u r g noch gröfser als die des Wassers in der Nähe der Station bei S t e e l e gewesen wäre. Oberhalb des E s s e n e r Wasserwerkes und unterhalb der Stadt S t e e l e münde der Drenkbach bei dem Walzwerke von S t e m m e r in die Ruhr ein, und bei Hochwasser wäre stets eine bedeutende Verschlechterung des Wassers bei S p i l l e n b u r g festgestellt. Die Regierung hätte trotzdem die Vorstellungen der Stadt, dafs durch den Drenkbach das Ruhrwasser in hohem Maise verschlechtert würde, nicht anerkannt. Im Jahre 1897 wären von der Stadt neue Wasserfassungsanlagen an der Ruhr ausgeführt, und wenn aus lokalen Verhältnissen damals die Beseitigung des Stichrohres auch nicht ausfahrbar gewesen wäre, so wäre es doch durch Vermauern ferner unbenutzbar gemacht. Zuletzt wäre vom E s s e n e r Werke Stichrohrwasser 1897 und zwar im Januar und am 18. und 19. Juni benutzt. Vom V o r s i t z e n d e n gefragt, ob auf den Werkplänen des E s s e n e r Werkes das Stichrohr stets eingezeichnet gewesen wäre, bejahte G e r s d o r f das; das Rohr wäre ja konzessioniert gewesen, und ein Grund es fortzulassen hätte nicht vorgelegen. Wenn die Einzeichnung bei der G e l s e n k i r c h e n e r Gesellschaft unterlassen wäre, trotzdem das Rohr damals bereits 10 Jahre bestanden hätte, so wäre daraus wohl kaum auf die Absicht der Verheimlichung seiner eventuellen Benutzung zu schliefsen, sondern allein die nicht nachgesuchte Konzession für dieses Rohr müfste das doch genügend erklären. Auf eine andere Frage des V o r s i t z e n d e n , ob nicht auf die späteren Erschliefsungsarbeiten in E s s e n die H a m b u r g e r Epidemie von grofsem Einflute gewesen wäre, antwortete er, dafs das wohl weniger der Fall gewesen wäre; denn selbst heute Wülste man eigentlich noch nicht, woran man mit dem Wasser wäre. GerBdorf teilte dann ferner noch mit, im Jahre 1897 hätte er die Gelegenheit benutzt, die Maximallieferung des E s s e n e r Stichrohres zu ermitteln und als dessen Lieferung pro Tag 8000 cbm festgestellt Er schlösse daraus, dafs das lange Zeit wenig benutzte und nicht gereinigte Rohr stark verschlammt gewesen wäre, wodurch wohl seine Filterwirkung vergröfsert, aber seine Lieferungsmenge verringert sein könnte, was den V o r s i t z e n d e n zu der Äufserung veranlagte, das Rohr wäre doch kein Dekorationsstück. Auf eine Frage von E m m e r i c h erklärte G e r s d o r f , dafs 1895 festgestellt wäre, dafs jeder Epidemie immer eine Periode niederen Wasserstandes der Ruhr vorausgegangen wäre, wozu K o c h bemerkte, in E s s e n wären 1895 zwei Epidemien gewesen und v o r einer jeden hätte ein öffnen des Stichrohrschiebers stattgefunden. In Verlauf der Beantwortung verschiedener anderer Fragen, z. B. ob 1892 nur Ruhrwasser gepumpt sei und doch nur einmal eine Typhusepidemie eingetreten wäre, ob das Steigen der Ruhr stets mit einem Fallen der Epidemie verbunden gewesen wäre etc., bemerkte G e r s d o r f , dafs auch F r ä n k e l damals durch seine Ermittlungen die Behauptung eines Zusammenhanges zwischen Typhus und Wasser durch Beweis nicht hätte feststellen können. In bezug auf die Stellungen der Schieber X und Y für die Pumpstation bei Steele schlofs G e r s d o r f sich im wesentlichen den von S m r e c k e r zum Ausdruck gebrachten Ansichten vollständig an. P. Ingenieur Körte ( D ü s s e l d o r f ) : Der Ansicht von S m r e c k e r und G e r s d o r f schlösse er sich darin vollständig an, dafs die Benutzung eines Stichrohres in dem Umfange, wie das hier geschehen wäre, einem ordnungsmäßigen Betriebe nicht entspräche. Dieses Rohr wäre freilich zu einer Zeit entstanden, als in den Kreisen der Wasserfachleute auf bakteriologi-

sche Untersuchungen noch recht wenig Wert gelegt wäre. P f u d e l und H e g e 1 e r hätten das Stichrohr vorgefunden, und sie hatten dessen Benutzung bei Wassermangel damals wohl kaum umgehen können. Denn wenn sie auf dieses verzichtet hätten, so würden sie dadurch in eine recht gefährliche Lage gekommen sein; Gewerbe und Industrie würden an Wassermangel gelitten haben, und die höher gelegenen Häuser und Wohnungen hätte das Wasser überall nicht mehr erreicht. Infolge davon würden jedenfalls alte, längst geschlossene Brunnen wieder benutzt worden sein, also Wasserquellen von wahrscheinlich viel schlechterer Qualität als das Ruhrwasser. Allerdings konnten die Angeklagten infolge der fast fortlaufend verhältnismäfsig geringen Keimzahl des Mischwassers den guten Glauben haben, das Was9er wäre stets einwandfrei gewesen. Das bewiese auch, dafs sie mit Frau und Kind ohne jedes Bedenken das Wasser immer ungekocht getrunken hätten. Er selbst hätte früher ein Stichrohr nicht gekannt und würde, wenn er in die ungewöhnliche Lage der Benutzung eines solchen gekommen sein sollte, vielleicht den Konsumenten vorher davon Mitteilung gemacht haben. Die Angeklagten wären aber gleichsam mit einem solchen Rohre aufgewachsen, so dafs ihnen das Gefühl eigentlich gar nicht hätte kommen können, dafs etwas Bedenkliches dabei gewesen wäre. Auf die Frage des V o r s i t z e n d e n , wie er es sich erklärte, dafs am 21. September die Angeklagten T e n h o l t gegenüber das Vorhandensein des Stichrohres geleugnet hätten, trotzdem dieser ihnen gegenüber seine Bedenken gegen dessen Benutzung geäufsert hätte, antwortete er, dafs sie es sich wohl reiflich überlegt haben würden, welchen Erfolg eine offene Erklärung haben mufste, nachdem die Angriffe gegen das Wasserwerk in so erregter Form von den verschiedensten Seiten laut geworden waren. Mit der Zerstörung des Stichrohrzuflusses hätten sie aber doch sofort die gesundheitsschädliche Ursache, als welche T e n h o l t ihnen dieses am 24. September bezeichnet hätte, beseitigt. Ob sie dazu damals so schnell übergegangen sein würden, wenn die neuen Schöpfstellen am linken Ufer noch nicht fertig gewesen wären oder wenn der Konsum im Spätherbst sich nicht bereits verringert hätte, könnte er nicht beurteilen; aus den Betriebsbüchern liefse sich dafür vielleicht ein Anhalt finden. Aus der Keimzahl des Mischwassers schlösse er bestimmt, dafs die von H o l z angenommene Wassermenge für das Stichrohr viel zu grofs wäre. Betreffs der Maschine VI mit den durch die Schieber X und W verbundenen beiden Saugrohren, welche getrennt in zwei Brunnen mit verschiedenen Wasserständen führten, exemplifizierte er auf einen ähnlichen Fall seiner Praxis, in welchem, um einen ruhigen Gang der fraglichen Maschine zu erreichen, stets das eine Saugerohr hätte abgesperrt gehalten werden müssen. Q. Reg.- und Baurat Mlchelmann ( A r n s b e r g ) : Den Ansichten der übrigen technischen Sachverständigen, dafs auch Betriebsrücksichten die von den Zeugen eidlich erhärtete Aussage betreffs der Stellung der Schieber X und Y sehr wahrscheinlich gemacht hätte, schlofs er sich an und folgerte daraus weiter, dafs das Stichrohrwasser nur in den Frillendorfer Behälter für das seuchefreie Gebiet gelangt wäre. Von dem Stichrohre hätte er nur Bruchstücke gesehen, die nicht mehr als die Prüfung des Durchmessers desselben gestattet hätten. Die Frage des V o r s i t z e n d e n , ob, wenn ihm gesagt würde, dafs dieses Rohr mit Steinen und Kies bepackt und verschlammt gewesen wäre, er eine einigermafsen auf Richtigkeit Anspruch machen könnende Angabe über seine Lieferung würde machen können, verneinte er. Wären gröfsere Wassermengen hindurch gegangen, so wäre die filtrierende Wirkung der Packung nur eine geringe gewesen, und wäre diese Wirkung grofs gewesen, so wäre nur wenig Wasser hindurchgegangen; mehr könnte er nicht sagen. R. Reg.- und Baurat Stelkens ( R u h r o r t ) : Durch Risse könnten nach seiner Meinung Unreinlichkeiten wohl nicht in ein Leitungsrohr eindringen; dazu müfste schon ein gröfseres Stück der Wand herausgerissen sein. Das Ruhrwasser wäre bei normalem Wasserstande häufig heute noch so klar, dafs man auf den Grund sehen könnte, woraus aber nicht folgte, dafs es deshalb nicht verunreinigt wäre. Die Regierung wäre bemüht, für eingelassene Abwässer geordnete Klärsysteme zu erlangen; vorläufig flösse aber solches Wasser von

Die Gerichtsverhandlungen über die Gelsenkirchener Typhusepidemie im Jahre 1901. vielen Orten noch ungeklärt in die Ruhr. B e i dem erwähnten Proteste, den die Gesellschaft gegen eine Anlage der Stadt W i t t e n eingereicht hätte, hätte es sich um den Einlafs der Abwässer in den W a n n e b a c h gehandelt und bei einem anderen wäre eine Wiesenberieselung an der R u h r in Frage gekommen. F ü r j e d e direkte W a s s e r e n t n a h m e aus der Euhr, also auch für jedes Stichrohr, wäre eine Konzession nötig. Die Wasserwerke suchten solche häufig aber erst nach bereits erfolgter Ausführung nach, und die meisten unterliefsen das überhaupt ganz. Seit 1900 wäre bis heute nur eine Konzession für ein Stichrohr nachgesucht und auch diese erst nachträglich n a c h der Ausführung. 1901 wäre von ihm für die Station bei S t e e l e die Anlage eines Wassereinlasses aus der Ruhr bemerkt, und auf Anfrage hätte S c h m i d t dieses R o h r als eine zu einer Bodenbewässerung dienende, vorübergehende Anlage bezeichnet. E s hätte sich damals um das Zubringerrohr gehandelt. Ü b e r das W e r k bei S t e e l e wären überhaupt häufig Klagen von der Behörde geführt, dafs hier ohne Konzession gebaut würde. Vom V o r s i t z e n d e n wegen der Stein Verpackung der Stichrohrmündung gefragt, gab er an, dafs diese wahrscheinlich TJnreinlichkeiten, Wurzeln und Blätter etc. hätte abhalten sollen und zugleich das R o h r vor Beschädigungen geschützt h ä t t e ; ob auch ein heimliches Verdecken damit beabsichtigt gewesen wäre, könnte er nicht sagen. Auf die weitere Frage, weshalb die 1900 von der Gesellschaft im Februar nachgesuchte Bauerlaubnis für das linke Ruhrufer erst im J u n i erteilt wäre, sagte er, es wäre wohl möglich, dafs vorherige Rücksprachen nötig gewesen wären. S.

Schlufsbemerkungen.

Am 25. November fand in der Gerichtssitzung noch eine Verlesung des Obergutachtens statt. Am 26. November wurde der Professor H o l z in A a c h e n kommissarisch vernommen und am 28. November wurde in der Gerichtssitzung über diese Vernehmung berichtet, welche nichts von dem von S m r e c k e r gegebenen Berichte wesentlich Abweichendes ergeben hat. E s fand dann am 28. November noch die Verlesung der H o l z schen Gutachten statt, und darauf wurde die B e w e i s a u f n a h m e geschlossen.

4. Der Staatsanwalt und die Verteidiger. A. Staatsanwalt Dr. Schwickerath ( E s s e n ) : W e n n er auch hier die Erhebung der Anklage nicht zu rechtfertigen hätte, so wolle er sich doch gegen diejenigen, welche geglaubt hätten, an seiner Anklage Kritik üben zu müssen, wenden. F r ü h e r hätte es geheifsen, die Anklage wäre ein totgeborenes Kind, ein Schlag ins Wasser etc.; er meinte, der Gang der Beweisaufn a h m e würde diese voreiligen Kritiker heute wohl ziemlich kleinlaut gemacht haben. Gegenüber E m m e r i c h behauptete er, die Erhebung der Anklage wäre strafprozessual geboten g e w e s e n , und der Ankläger hätte damit keinenfalls warten dürfen, bis der letzte Anhänger P e t t e n k o f e r s bekehrt oder dahingegangen wäre. Beim E i n g e h e n auf die Anklage selbst hätte er sich als Staatsanwalt sowohl davor hüten m ü s s e n , dafs durch das schaurige Typhusgemälde und selbst wenn es zehnmal furchtbarer gewesen wäre, der Blick des Juristen getrübt würde, als auch davor, die technischen und medizinischen Einzelnheiten spezieller zu besprechen und sich als Sachverständigen zu gerieren; bis zu einem gewissen Grade müfste er vielmehr den Sachverständigen einfach Glauben schenken. Dafs hier das Nahrungsmittelgesetz hätte Anwendung finden müssen, ergäbe sich n a c h der Reichsgerichtsentscheidung daraus, dafs ein Nährstoff, der in den gewerblichen Verkehr gebracht wird — u n d das könnte auch ebenso einmal bei der Luft der Fall sein — ein Nahrungsmittel wäre. Verfälscht würde ein solches durch die Veränderung seiner normalen Beschaffenheit, also auch durch minderwertige Stoffe. Das Ruhrwasser wäre schlecht, minderwertig und ekelerregend, und das Stichrohr wäre keine unbedeutende Quelle für dieses Wasser gewesen. Sämtliche medizinischen Gutachter, E m m e r i c h ausgenommen, hätten erklärt, das Stichrohrwasser wäre geeignet gewesen, die menschliche Gesundheit zu schädigen. Die Frage der Vorsätzlichkeit der Angeklagten wollte er jedoch ausschalten und hur eine Fahrlässigkeit annehmen, freilich eine grobe, weil die Angeklagten selbst das Stichrohr für eine ordnungs-

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widrige Anlage erklärt hätten. Nach seiner Ansicht müfste jedes Kind sich heute über die Gefährlichkeit des Stichrohrs klar sein, und es wäre dazu nicht nötig, ein Wasserwerksdirektor zu sein. E m m e r i c h allein hätte die Epidemie für eine Bodeninfektion erklärt; nach seiner Ansicht wäre es aber in Übereinstimmung mit den übrigen Sachverständigen unbedingt eine Wasserepidemie gewesen. Der Schieber X wäre erst nach der Erhebung der Anklage aufgetaucht. Die Behauptung, er wäre geschlossen gewesen, hätte der Angeklagte S c h m i t t durch die Aussage eines Zeugen beweisen wollen, der auf ihn den Eindruck eines Idioten gemacht hätte. Rein automatisch hätte dieser immer gesagt: »Pumpe V I pumpte aus B r u n n e n I V « , und auf alle anderen Fragen hätte er stets geantwortet; >das weifs ich nicht«. Hätte er nun auch fast die mathematische Gewifsheit gewonnen, dafs der Schieber X offen gewesen wäre, so hätte er doch trotzdem nicht die felsenfeste Überzeugung davon gewinnen können. Ähnlich stände er der Schuldfrage der Bauarbeiten am linken Ruhrufer und dem Rohrbruche von Mitte August gegenüber. Auch für diese beiden Tatsachen könnte eine entfernte Möglichkeit vorliegen, dafs die Infektionskeime eine Eingangspforte dadurch gefunden hätten. Daher könnte er überhaupt nicht mit unbedingter Sicherheit einen Kausalzusammenhang zwischen Epidemie und Stichrohr bejahen. W ä r e er der Professor K o c h , so würde er als Bakteriologe freilich wohl über den Schieber X durch seine wissenschaftliche Überzeugung leicht hinwegkommen. K i e s e n d a h l wäre nur der Beihilfe angeklagt, und die Frage der Fahrlässigkeit wäre dabei ausgeschlossen, wenn freilich nicht der geringste Zweifel bestände, dafs er wissentlich gehandelt hätte. W ä r e er auch der amtliche technische Leiter der Station und der einzige gewesen, der über die Wassergewinnungsanlagen überhaupt Auskunft hätte geben können, so wäre er doch nicht selbständig gewesen, und daher verdiente er die mildeste Beurteilung. B e i Begründung des Strafmafses sagte er von H e g e 1 e r , dieser wäre gewissermafsen vom Aufsichtsrate gekeilt worden. H e g e l e r und P f u d e l hätten das von S c h m i t t hinterlassene Stichrohr als Betriebseinrichtung vorgefunden; allerdings wäre es für sie erschwerend gewesen, dafs sie eine Erweiterung des W e r k s nicht gleich vorgenommen oder doch zu lange hinausgezogen hätten. F ü r S c h m i t t käme seine nicht widerlegte Behauptung, er hätte das Stichrohr vor 1899 überhaupt nur selten benutzt, mildernd in Betracht. Nicht als mildernd erschiene es aber, dafs alle drei Angeklagten die Direktoren einer Aktiengesellschaft gewesen wären. Dafs ein Aufsichtsrat am liebsten Direktoren hätte, welche die gröfsten Dividenden erzielten, wäre zweifellos. Diese Direktoren hätten aber mit aller Entschiedenheit für die Herstellung von ordnungsmäßigen Anlagen eintreten müssen. Mildernd fiele das straffreie Vorleben aller drei Angeklagten ins Gewicht. Dagegen wäre wieder strafverschärfend für sie gewesen, dafs sie als Direktoren eines Wasserwerks für ein gesundes Trinkwasser hätten sorgen müssen. F ü r S c h m i t t käme noch hinzu, dafs er das Stichrohr verheimlicht hätte, und für H e g e l e r und P f u d e l wäre die lange Benutzung des Stichrohrs im J a h r e 1901 strafverschärfend gewesen, nachdem vorher schon die Presse und die öffentliche Meinung diesem Stichrohre allgemein die Schuld zugeschrieben hätten. S t a t t , wie es der Angeklagten verfluchte Pflicht und Schuldigkeit gewesen wäre, sofort Farbe zu b e k e n n e n , hätten sie das Vorhandensein des Stichrohrs bestritten, und erst K o c h gegenüber hätten sie ein Geständnis abgelegt. Schliefslich müfste speziell P f u d e l als technischem Direktor noch der Vorwurf der totalen U n k e n n t n i s des Werks gemacht werden. (Der S t r a f a n t r a g des Staatsanwalts wurde bereits im J o u r n . f. Gasbel. u. Wasservers. 1904, S. 1109, angeführt, worauf hier verwiesen wird.) In seinem Schlufsworte hob der Staatsanwalt noch hervor, dafs es gewifs kein befriedigendes Resultat wäre, wenn man im Hauptpunkte der Anklage zu einem non liquet käme. Hätte er als Zivilrichter über die Ursache der Typhusepidemie zu entscheiden, so würde sein Urteil wohl anders ausgefallen sein, weil er dann die Angeklagten über die Schieberstellung als Zeugen eidlich hätte vernehmen k ö n n e n . Aber den Trost hätte er immerhin, sagte er schliefslich, dafs die Verhandlungen des Prozesses für die öffentliche Gesundheitspflege von allergröfster Bedeutung sein würden und dafs die 22 Tage der beiden Verhandlungen für diese Wissenschaft förderlicher sein würden als sonst 22 J a h r e . 9*

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Die Gerichtsverhandlungen über die Gelsenkirchener Typhusepidemie im Jahre 1901.

B. Rechtsanwalt Dr. Wallach ( E s s e n ) , d e r V e r t e i d i g e r d e r d r e i A n g e k l a g t e n H e g e l e r , P f u d e l und K i e s e n d a h l : Der mangelnden Befriedigung des Staatsanwalts Ober das Ergebnis der Verhandlungen, weil sie den Schuldbeweis der Angeklagten an der Typhusepidemie nicht ergeben hätten, stellte er seine hohe Befriedigung aber dieses Resultat gegenüber, weil die Angeklagten dadurch von dem jahrelangen Drucke, unter den die furchtbare Anklage sie gestellt hätte, befreit wären. Hoffentlich würde eB ihm gelingen, zu beweisen, dafe die Verhandlungen die ganze Anklage überhaupt vollständig zertrümmert hätten. Durch die Verhandlungen hätte sich nämlich ergeben, daTs nicht Menschen für die G e l s e n k i r c h e n e r Epidemie verantwortlich zu machen wären; sie wäre nur ein Schicksalsschlag gewesen, wie solche Gottes Fügung von Zeit zu Zeit über einzelne Gegenden hereinbrechen liefse. Als böswillige Verschuldung der Angeklagten konnte überhaupt nur das Stichrohr als eine Eingangspforte für die Infektion in Frage kommen. Ferner würde dafür aber nachzuweisen sein, dafs das Wasser der Träger der Infektion gewesen wäre, und somit wäre vorher der VViderstreit der beiden Richtungen der medizinischen Gelehrtenwelt, der kontagionistischen und der lokalistischen, auszutragen. Dafs die P e t t e n k o f e r s e h e Theorie sich heute auf dem Aussterbeetat befände und nur noch einige Fanatiker als Anhänger zählte, wäre unrichtig. Denn auch V i r c h o w hätte die bis in die neunziger Jahre in B e r l i n regelmäßig aufgetretenen Typhuserkrankungen stets in Zusammenhang mit dem Grundwasser gebracht, und auch die H a m b u r g e r Choleraepidemie von 1892 wäre von einem dortigen Medizinalbeamten ausschlierslich auf die dortigen Bodenverhältnisse zurückgeführt. Das müfste aber für die Juristen genügen, weil Bie doch nicht der Areopag zur Entscheidung wissenschaftlicher Streitfragen wären, wenn sie anderseits sich auch nicht dem blinden Glauben an eine einzige Autorität, sei es K o c h , sei es P e t t e n k o f e r , hingeben dürften. Wohin das führen konnte, hätte seinerzeit die Begeisterung für das K o c h sehe Tuberkulin bewiesen. Heute hätten weite medizinische Kreise die allergröfsten Bedenken dagegen und hielten dieses Mittel Bogar für gefährlich, während früher im Reichstage behauptet wäre, die gröfste Geifsel der Menschheit, die Tuberkulose, wäre damit völlig zu beseitigen. Auch an den Streit müfste er hier erinnern, den K o c h über die Frage, ob diese Krankheit überall von Tieren auf Menschen übertragbar wäre, angeregt hätte. Durch diese Hinweise beabsichtige er durchaus nicht, K o c h s grofse Verdienste zu verkleinern. Nur seine ehrlichen, aufrichtigen Bedenken, nicht seine Stellung als simpler Verteidiger, führten ihn zu seinen Zweifeln an der Autorität und damit weiter zu einem non liquet. Nach seiner Ansicht wären die Cholera- und Typhusinfektionen heute noch Probleme, deren Lösung vielleicht über haupt dem menschlichen Wissen versagt wäre, und daher müfsten wir heute gestehen: ignoramus oder wir wissen es nicht. Nach dem 28. Oktober 1901 hätten Erkrankungen durch das Leitungswasser überall nicht mehr auftreten können, weil das seit dem 24. September geschlossene Stichrohr Typhusbazillen nicht mehr eintreten liefs und weil die Inkubationszeit für die früher ein-' getretenen Bazillen verstrichen gewesen wäre. Und trotzdem wären im November 1901 in G e l s e n k i r c h e n noch 220 und in S t o p p e n b e r g noch 73, sowie in den folgenden drei Monaten noch 11 Erkrankungen gemeldet. Das wäre der allerwundeste Punkt der Beweisführung. Zur Erklärung dieser Fälle würde nun zum Kontakt gegriffen und zwar ohne jede Motivierung dafür, weshalb bis zum 28. Oktober das Wasser und nach dem 28. Oktober der Kontakt als Erreger aufgetreten sein sollte. Dazu müsse er sich gestatten, ein grobes Fragezeichen zu machen, und damit wäre für ihn die Wahrscheinlichkeit einer Wasserepidemie im vorliegenden Falle überhaupt zweifelhaft geworden. Die vom Staatsanwalt angezweifelten Schieberstellungen wären von sämtlichen technischen Sachverständigen, deren Zahl dieser noch in letzter Stunde durch Berufung des Leiters der D ü s s e l d o r f e r Wasserwerke vermehrt hätte, als richtig angenommen, und damit sei zweifellos erwiesen, dafs der gröfste Teil des Stichrohrwassers nach dem seuchefreien F r i l l e n d o r f und nicht nach dem verseuchten L e y t h e gegangen wäre. Somit hätte das Stichrohrwasser die Epidemie nicht verursachen können, und für die Beruhigung der Gemüter würde es sehr erwünscht sein, wenn das in dem Urteile auch positiv ausge-

sprochen würde. Der Indizienbeweis, durch welchen K o c h diese Beweisführung zu widerlegen versucht hätte, wäre somit vollständig verunglückt. Gegenüber der Rohrbruchtheorie S p r i n g f e l d s hätten K o c h und v. D r y g a l s k i behauptet, dafs unmöglich bei einem Rohrbruche die zur Erzeugimg einer solchen Epidemie erforderliche Zahl von Bakterien hätte in die Leitung eintreten können. Dennoch hätte aber K o c h in der Versammlung der G e l s e n k i r c h e n e r Ärzte am 18. Oktober 1901 den Rohrbruch als eine plausible Quelle bezeichnet und auch noch vor dem Untersuchungsrichter gesagt, »dafs das Stichrohr für die Möglichkeit der Infektion eine plausible Erklärung böte, dafs aber auch der Rohrbruch dafür nicht von der Hand zu weisen wäre«. Wollte man trotzdem eine Wasserinfektion überall aufrecht erhalten, so hätte auch die Möglichkeit der Infektion durch die Baugrube am linken Ruhrufer und durch die Undichtigkeit des die Ruhr kreuzenden Dükerrohrs zweifellos einen hohen Grad der Wahrscheinlichkeit gehabt. Sollte es ferner nicht auch möglich sein, dafs sich in dem mehrere 100 km langen Verteilungsrohrnetze während der Zeit bislang nicht erkannte Undichtigkeiten der Leitungen befunden hätten? Die Frage der Nahrungsmittelverfälschung erklärte er für eine so feine juristische Frage, dafs er auf ihre Entscheidung verzichten müfste und diese dem Gerichtshofe überliefse. Er meinte jedoch, dafs offensichtlich nach der ratio legiB, dem Gesetzeszwecke, das Nahrungsmittelgesetz das Wasser überhaupt nicht hätte treffen wollen. Wasser bestände aus Sauerstoff und Wasserstoff und hätte nur die dem Körper entzogenen Stoffe zu ersetzen. Die Bezugnahme des Staatsanwalts auf die angeführte Reichsgerichtsentscheidung wäre ganz verfehlt, weil das Reichsgericht dem Wasser bislang stets aus dem Wege gegangen wäre. Nach dem Wortlaute des Gesetzes müfste ein Nahrungsmittel h e r g e s t e l l t werden, wenn es überall unter dessen Bestimmung fallen sollte. Damit wären die Wasserwerksdirektoren vor die Ungeheuerlichkeit gestellt, »Wasser herstellen zu müssen«. Die Verteidigung wäre abweichend vom Staatsanwalt ferner der Ansicht, dafs die Schädlichkeit dem Objekte direkt und unabhängig von subjektivem Empfinden anhaften müfste. Die damalige Beschaffenheit des Wassers könnte man heute aber keinenfalls zuverlässig beurteilen, weil das Untersuchungsobjekt nicht mehr vorläge. Ob überhaupt Bazillen in den Eibergbach gekommen und ob und wie sie darin erhalten wären, wüfste die Verteidigung heute ebensowenig, weil die damaligen Objekte nicht mehr vorhanden wären und sie daher durch Sachverständige gar nicht einer zuverlässigen Begutachtung unterzogen werden könnten. Heute könnte also nur angenommen werden, dafs das filtrierte Wasser durch den Zusatz von unfiltriertem Wasser gesundheitsschädlich gemacht wäre, und es wäre gewiJfe nicht ausgeschlossen, dafs es trotzdem möglicherweise unschädlich geblieben wäre. Wenn der Arzt, sobald er Bedenken gegen das Wasser trüge, auch seinen Patienten dessen Genufs zu verbieten berechtigt wäre, so wären diese Bedenken doch damit keineswegs schon als stichhaltig entschieden. Welche Garantien besäfse man überall, dafs die Filter nur sakrophytische Keime aber keine pathogenen Keime hätten passieren lassen? Nachdem der Staatsanwalt den dolus der Angeklagten überhaupt hätte fallen lassen, erübrigte sich die Frage von selbst, wie jemand hätte annehmen können, dafe Leute, wie die Angeklagten, gebildet und von ausgezeichneter Lebensart, so gewissenlos hätten gewesen sein können, ein Wasser einer grofsen Zahl von Menschen als Trinkwasser zu liefern und selbst mit ihren Angehörigen zu trinken, dessen Gesundheitsschädlichkeit offenkundig und auch ihnen als solches bekannt war. Obgleich, selbst wenn man das Wasser als Nahrungsmittel betrachtete, wohl nur der § 10 für die Angeklagten in Frage kommen könnte, so wäre es doch immerhin möglich, dafs der Gerichtshof sich die strengere Ansicht des Staatsanwalts, der Gefängnisstrafe beantragt hätte, aneignen könnte, also unfiltriertes Ruhrwasser als ein verdorbenes oder verfälschtes Nahrungsmittel ansähe. Die Verteidigung müfste dem aber entschieden widersprechen, wenn sie auch weit davon entfernt wäre, dem Gerichtshofe und der Öffentlichkeit gegenüber vom wirtschaftlichen und hygienischen Standpunkte aus das unfiltrierte Ruhrwasser als etwas regelmäßig zu liefern zulässiges hinstellen zu wollen.

Die Gerichtsverhandlungen über die G e l s e n k i r c h e n e r Typhusepidemie im J a h r e Der Staatsanwalt ginge nach seiner Ansicht entschieden zu weit, wenn er von einem Wasserwerksdirektor unter allen Umstanden zu j eder Zeit tadelloses Wasser zu liefern verlangte. Die beiden Angeklagten H e g e l e r und P f u d e l wären damals in einen mangelhaften Betrieb eingetreten. Sie hätten für Erweiterungsbauten nach ihren Plänen Konzessionen nachgesucht, deren Erteilung der bureaukratische Gang verzögert hätte; und dadurch wären sie unfertig in die kritische Zeit hineingekommen. Ohne schwere Schädigung des Werks hätten sie die Benutzung des Stichrohrs damas nicht umgehen können. Auch wäre zu beachten, dafs sie beide aus ganz anderen Verhältnissen in ihre neuen Stellungen gekommen wären; H e g e l er wäre Jurist und P f u d e l Kommunalbeamter gewesen. Eine Gefängnisstrafe würde ihre gesellschaftliche und bürgerliche Stellung für immer ruinieren. Auch möchte der G e r i c h t s h o f berücksichtigen, dafs Dutzende von Wasserwerksdirektoren dasselbe wie sie getan hätten, und falls er überall zu einer Verurteilung kommen sollte, möchte er sich daher mit einer Geldstrafe begnügen, wenn auch mit einer recht kräftigen, die der Gröfse dieses zur Betriebssitte gewordenen Unfugs entspräche. C. Der Rechtsanwalt Huchzermeyer ( G e l s e n k i r c h e n ) . Der vom Staatsanwalt gestellten Frage: »Ob er mit der Erhebung der Anklage hätte warten sollen, bis der letzte P e t t e n k o f e r i a n e r verschwunden wäre«, stellte er die Behauptung gegenüber, dafs, wenn die Verhandlungen 10 bis 11 Jahre früher stattgefunden hätten, zweifellos P e t t e n k o . f e r hier als Hauptsachverständiger erschienen sein würde, umgeben von der ganzen beamteten und nicht beamteten medizinischen Welt, die sich um ihn wie Sterne um die Sonne gedreht haben würden. Wer könnte wisseD, ob nicht nach 10 Jahren der Schule von K o c h dasselbe zu teil würde wie heute der von P e t t e n k o f e r ? E m m e r i c h gegenüber hätten die übrigen Sachverständigen nicht nur eine gewisse Unhöflichkeit, sondern auch einen bedeutenden Mangel an Objektivität und Ruhe gezeigt, und sie wären dadurch gehindert worden, seine Einwände sachlich zu prüfen und zu widerlegen. So hätte K r u s e die Theorie des gesunden Menschenverstandes im Gegensatz zur P e t t e n k o f e r s e h e n Theorie, die nur das Produkt einer schöpferischen Phantasie wäre, hingestellt, v. D r y g a l s k i hätte dessen Theorie sogar einfach als unsinnig bezeichnet, ohne sie weiter zu widerlegen, und in ähnlicher Weise hätte sich auch S p r i n g f e l d geäufsert. D. Rechtsanwalt Hunnebeck (Bochum). Er erklärte: Die B o c h u m e r Epidemie von 1900 wäre keine Wasserepidemie gewesen und die Person von P f u d e l hätte damit in keinem Zusammenhange gestanden. Diese Epidemie mit der G e l s e n k i r c h e n e r Epidemie zu verquicken, wäre überall nicht notwendig gewesen; denn das hätte eine grofse Beunruhigung des B o c h u m e r Kreises erregen können. H e g e l e r und P f u d e l hätten alles getan, um die Beseitigung des Stichrohrs rasch zu ermöglichen. Eine frühere Abstellung hätte aber zweifellos durch Wassermangel ein grofses Unglück herbeiführen können. Freilich wäre das Ruhrwasser gewifs minderwertig; aber feige wäre es trotzdem gewesen, nicht zu dem geringeren Übel zu greifen. Schlechte Motive hätten sie gewifs nicht geleitet, als sie ein schlechteres Wasser zuführten. Denn sie hätten keine Tantieme bezogen und nur im Interesse ihrer Mitmenschen dabei gehandelt. E. Rechtsanwalt Dr. Hehner ( W i e s b a d e n ) , der V e r t e i d i g e r Schmitts. S c h m i t t hätte mit der Typhusepidemie überall in gar keinem ursächlichen Zusammenhange gestanden, weil er schon Ende 1899 die Gesellschaft verlassen hatte. Nach des Staatsanwalts Darstellung erschiene S c h m i t t gewissermafsen als verantwortlicher Redakteur des Stichrohrs. Dabei dürfte man ihn aber nicht nach dem Stande der Wissenschaft von 1904 sondern nur nach dem der Wissenschaft von 1899 beurteilen. Damals hätte man der Selbstreinigung der Flüsse noch eine viel gröfsere Bedeutung beigelegt als heute. Was wäre bis zu jener Zeit denn überall von den Behörden geschehen, um die Techniker über die hygienisch richtige Einrichtung eines Wasserwerks aufzuklären ?

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5. Rückblicke. Zum ersten Male in Deutschland haben die Gerichtsverhandlungen in E s s e n Sachverständige auf den Gebieten der Hygiene, der Sanitätspolizei, der Rechtskunde und der Technik in so grolser Zahl und während so langer Zeit zu gemeinsamer Arbeit vereinigt, um bei der Entscheidung einer gegen eine öffentliche Wasserversorgungsanlage erhobenen Anklage mitzuwirken. Konnten für uns die Aussagen unserer Fach genossen, die sich auf technische Anschauungen und tatsächliche Ermittelungen sowie auf die von Hygienikern und Medizinalbeamten an uns für Bau und Betrieb der Wasserwerke gestellte Anforderungen beschränkten, auch kaum etwas Neues erwarten lassen, so mufsten wir doch hoffen, dafs der in persönlicher Berührung stattfindende Meinungsaustausch der anderen Sachverständigen während der Verhandlungen uns manches Neue und deren bisherige Veröffentlichungen über das Fach Ergänzende bringen würde, worin wir ja auch nicht getäuscht sind. Das hat die vorstehende Zusammenstellung der Vorträge, Fragebeantwortungen und Diskussionen veranlafst, die hier eingehender zu verfolgen unnötig ist und an die ich nur einige allgemeine Bemerkungen knüpfen will. Ist auch nur wenig davon auf die vom Gerichtshofe gefällte Entscheidung von bestimmendem Einflüsse gewesen, so haben die Urteile über einzelne das Fach berührende Punkte als derzeitige Anschauung der maßgebenden Kreise für uns doch einen dauernden Wert, und auch der Staatsanwalt hat ihnen eine weit über den Gerichtssaal hinausreichende Bedeutung zugesprochen, die ihn eine Entschädigung für sein nutzloses Bemühen, die Angeklagten für die Verschleppung der Typhusbazillen verantwortlich zu machen, hat finden lassen. Nach seiner Ansicht sollen sogar die 23 tägigen Verhandlungen die Wissenschaft der öffentlichen Gesundheitspflege mehr als sonst vielleicht 23 Jahre gefördert haben. Dem kann ich mich freilich betreffs der Trinkwasserversorgung kaum anschliefsen. Allerdings ist durch die Verhandlungen eine viel umstrittene Frage, ob Trinkwasser ein Nahiungsmittel ist oder nicht und ob ein Verschulden bei seiner Lieferung nach dem Nahrungsmittelgesetze verurteilt werden kann, zum ersten Male durch die Rechtsprechung bejaht. Soweit es sich für die Begründung einer Anklage in solchen Fällen aber nicht um eine juristische, sondern um eine hygienische Frage handelt, haben die Verhandlungen uns leider gelehrt, daJfe die wissenschaftlichen Forschungen über den gesundheitlichen Einflufs des Trinkwassers und dessen Qualitätsprüfung bislang noch zu keiner ausreichend zweifelsfreien Erkenntnis geführt haben. Statt des positiven Wissens mufs heute hierfür noch das Mals des Glaubens entscheiden, der leider nicht durch direkte Beweise sondern überwiegend nur durch Indizien seine Unterstützung findet. Die länger als 30 Jahre Von uns für die Beurteilung und Prüfung des Wassers von den Hygienikern erflehten, dauernd gesicherten Vorschriften in einer klar begrenzten und für den praktischen Gebrauch zweifellosen Form haben sie uns bislang nicht bieten können. Bis heute sind wir mehr oder weniger noch auf allgemeine, nicht immer wechselfreie und häufig einer subjektiven Deutung unterliegende Anschauungen als das Fundament für die so wichtigen und recht kostspieligen Wasserwerksbauten und das von ihnen gelieferte Produkt angewiesen. Das hindert freilich häufig die später diese Leistungen prüfenden Hygieniker und Medizinalbeamten nicht, hinterher diese Resultate unseres Wagemutes verdächtig zu finden, wenngleich sie nur selten imstande sind, uns positive Vorschläge zur Abhilfe solcher vermuteter Mängel unter Garantie des Erfolges zu machen. Noch heute erscheint ja den meisten von ihnen eine innerhalb eines Versorgungsgebietes ausgebrochene Typhusepidemie ohne weiteres als der zweifellose Beweis einer fehlerhaft gebauten oder betriebenen Versor-

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Die Gerichtsverhandlungen über die Gelsenkirchener Typhusepidemie im Jahre 1901.

gungsanlage, und nur die von ihnen als selbstverständlich angenommene Schuldfrage des betreffenden Fachmannes veranlagt sie eventuell zu näheren Feststellungen von Indizien für ihre Behauptung. So bedeutungsvoll auch in den Verhandlungen manche der Vorträge und so interessant viele der Diskussionen gewesen sind, so haben sie rücksichtlich der Beurteilung der Wasserqualität doch nur den einzigen positiven Erfolg aufzuweisen, dats von allen Gutachtern heute einstimmig als Trinkwasser die Benutzung von unfiltriertem Flufswasser selbst in nur geringer Mischung mit filtriertem Wasser verurteilt wird. Dals aber deshalb jedes filtrierte Wasser allein, also o h n e einen Zusatz von rohem Flufswasser im allgemeinen n i c h t gesundheitsschädlich wäre, wurde weder von den Obergutachtern noch von den vor dem Gerichtshofe anwesenden Sachverständigen behauptet. Bislang wurde das von den Hygienikern dann für zweifelhaft gehalten, wenn dessen Gesamtkeimzahl eine angenommene Grenze überstieg, und seit Jahren ist diese Zahl für uns in erster Linie das Kriterium für die Möglichkeit einer Gesundheitsstörung durch das Wasser gewesen. Zu unserem gröfsten Bedauern haben aber die Verhandlungen unser bisheriges Vertrauen zu den Resultaten der bakteriologischen Untersuchung bedeutend erschüttert, ohne dafs gleichzeitig eine andere Prüfungsmethode als die örtliche Besichtigung an ihre Stelle gesetzt wurde. Obgleich für alle Fachgelehrten übereinstimmend der Typhusbazillus als Erreger des Typhus gilt, so sind deren Ansichten bekanntlich darüber doch nicht einig, ob der Bazillus nach P e t t e n k o f e r dazu vorher im Boden eine Umbildung erfahren muis oder ob er nach K o c h , durch das Wasser direkt in den Körper übertragen, hier virulent wirkt. Weil der Untersuchungsrichter bei der Einleitung der Anklage sich auf das Obergutachten der wissenschaftlichen Deputation, die auf dem Standpunkte von K o c h steht, gestützt hatte, so ist es natürlich, dals die Verteidigung sich für die P e t t e n k o f e r s e h e Theorie entschied. Infolge davon hat sich vor dem Gerichtshof eine heftige Schlacht zwischen den Anhängern dieser beiden Theorien entwickelt. Auf der einen Seite stand K o c h selbst mit seinen zahlreichen Anhängern, und auf der anderen Seite stand als alleiniger Vertreter der P e t t e n k o f e r s e h e n Theorie nur E m m e r i c h . Leider hat mancher der Sachverständigen in der Aufregung des Kampfes seine eigentliche Aufgabe übersehen, die Richter über die von ihnen nicht genügend beherrschten gesundheitlichen Fragen in überzeugender Weise aufzuklären, und mitunter in den Verhandlungen nicht nur die ruhige Objektivität des Urteils verloren, sondern sogar die selbst bei solchen Gegensätzen zu wahren nötigen Höflichkeitsformen überschritten. So wurde z. B. die P e t t e n k o f ersehe Theorie das Resultat einer schöpferischen Phantasie und sogar eine unsinnige Theorie und die K o c h sehe Theorie die des gesunden Menschenverstandes genannt. Die örtlichen Verunreinigungen des Epidemiegebietes, für deren Beweis E m m e r i c h reiches Material gesammelt hatte, wurden trotz des die dortigen Verhältnisse eingehend beleuchtenden Vortrages von B r e m e und trotz des vor der Ausführung stehenden allgemein ersehnten Projekts zur Regelung der Vorflutverhältnisse des Emschergebietes von der anderen Seite für nicht schlechter als in anderen Gegenden erklärt. Die bakteriologischen Forschungen des einen samt den von ihm daraus gezogenen Schlüssen bezeichnete der andere einfach als falsch und hielt sie damit für abgetan etc. So kämpfte meistens Autorität gegen Autorität und Behauptung gegen Behauptung ohne jede Begründung. Dafs auf diesem Wege nicht entschieden werden konnte, welche der beiden Theorien die einzig richtige ist oder ob vielleicht die Wahrheit in der Mitte zwischen beiden liegt, ist selbstverständlich. Der Vorsitzende hat es daher

auch als belanglos für den vorliegenden Fall erklärt, ob man die Möglichkeit der Verbreitung von Typhus und Cholera mit K o c h durch das Wasser annimmt oder mit P e t t e n k o f e r leugnet, wenn nur unter allen Umständen ein gutes und kein minderwertiges Wasser geliefert würde. Auch der Gerichtshof hat ja den Kausalzusammenhang zwischen Typhus und Stichrohrwasser fallen lassen und sich somit für keine der beiden Theorien entschieden, wie das K o c h übrigens auch von sich selbst in den Verhandlungen erklärt bat. Derartige Fragen können doch weder durch die Majorität, noch durch die Autorität, sondern nur durch den rein sachlichen Vergleich und die objektive Prüfung der wissenschaftlichen Forschungen entschieden werden. Für eine solche Arbeit ist aber der Gerichtshof gewifs nicht die geeignete Lokalität. Durch diesen Kampf konnten Aufsenstehende für die Trinkwassertheorie nur dann gewonnen werden, wenn 6ie sich als »gebildete Menschen« so wie so für die Kochsche Schule zu erklären für verpflichtet fühlten. Uns Wasserfachleuten wurde bei dieser Gelegenheit von einem K o c h i a n e r , der sich noch dazu einer ausgebreiteten Kenntnis unserer Kollegen rühmte, der Vorwurf gemacht, K o c h hätte bei uns überall keinen Eingang gefunden und wir ständen sämtlich im Lager P e t t e n k o f e r s ; unser Fachorgan, das S c h i l l i n g s c h e Journal, huldige nur P e t t e n k o f ersehen Anschauungen und behandle die Trinkwassertheoretiker stets mit grofser Miisachtung. Diese Äufserungen hier richtig zu stellen, ist wohl überflüssig, und es genügt, dafür auf den Artikel: »Zur Geschichte der hygienischen Beurteilung des Wassere bis Ende 1902« (s. Journ; f. Gasbel. u.Wasservers. 1904, S. 973) hinzuweisen. Dieser gibt ja Zeugnis von unserer hohen Freude über die derzeitige Einführung der bakteriologischen Wasseruntersuchung durch K o c h , aber auch von der grofsen Enttäuschung, welche uns F l ü g g e s 1895 ausgesprochene Zweifel an der Bedeutung der durch diese Untersuchungen ermittelten Resultate bereitet haben. Die Bestimmungen des § 74 der »Dienstanweisung für die Kreisärzte« von 1901 müfsten diese Unsicherheit später noch bestärken. Aber die Beurteilung, welche die Bedeutung der Zahl der Gesamtkeime von den Hygienikern in den Verhandlungen erfahren hat, muis uns alles Vertrauen zu ihrem Werte selbst für die Kontrolle des künstlich filtrierten Wassers, wie solche die Grundsätze von 1899 für dieses vorschreiben, und damit auch für alle anderen Wasserarten vollständig rauben. Diese Grundsätze verlangen bekanntlich womöglich täglich die Bestimmung der Gesamtkeime des Filtrats jedes Filters und zwar tunlichst durch der Betriebsleitung angehörige Personen, welche die dafür erforderliche Befähigung erbracht haben. Gelegentlich der damaligen Beratung der Grundsätze durch die vom Kaiserl. Gesundheitsamte berufene Kommission hat die Zehnerkommission der Filtrationstechniker verschiedentlich gebeten, über das »Wie« und »Wo« der Erbringung dieses Befähigungsnachweises Bestimmungen zu erlassen; sie wurde aber damit abgewiesen, dafs es der Bedürftigen Sache wäre, sich danach zu erkundigen. Trotzdem sind die seit 1892 vom Kaiserl. Gesundheitsamte alljährlich verlangten Keimzahlrapporte der Filterwerke meines Wissens ohne Lieferung eines Befähigungsnachweises der resp. Untersucher bis heute anerkannt. Die Praxis hat gelehrt, dafs die manuelle Fertigkeit zur Keimzahlbestimmung von den betreffenden Beamten leicht erlernt und die Arbeit von ihnen zuverlässig ausgeführt werden kann. Bedenkt man, dafs z. B. ein solches Filter werk jährlich ca. 10000 solcher Keimzählungen vornehmen läfst, so mufs für dieses Geschäft doch auf wissenschaftlich hoch ausgebildete Bakteriologen im allgemeinen verzichtet werden. Wird für jedes andere Werk, wie es mehrfach angeregt ist, auch eine tägliche Keimzählung des Wassers an jeder abstellbaren Wasserfassungsstelle verlangt, so wird die Zahl der erforderlichen Keimzähler sich

Die Gerichtsverhandlungen über die Gelsenkirchener Typhusepidemie im Jahre 1901. noch bedeutend erhöhen. Wenn solche Gesamtkeimzahlen aber ohne Bedeutung sind, so sollte schon die dadurch notwendige Steigerung des Wasserpreises darauf verzichten lassen. In den Verhandlungen wurden nun von K o c h die von R a c i n e , T e n h o l t und Schmeck vorgelegten Keimzählungen des Wasserwerks bei Steele wegen ihrer Lückenhaftigkeit für seine Beurteilung als bedeutungslos bezeichnet ; er sagte auch, auf solche lege er überhaupt nur einen Wert, wenn die Person der Untersucher ihm bekannt wäre; bei der Keimzahl käme es nicht auf deren Höhe an, sondern auf die Art, wie sie hineingelangt wären; nur Keimzählungen desselben Bakteriologen wären untereinander vergleichbar etc. Ein anderer Hygieniker wollte sogar nur den Keimzahlen einen Wert beimessen, die er selbst ermittelt hätte, und ein dritter hielt die heutige bakteriologische Methode für die Keimbestimmung überhaupt noch nicht für ausreichend. Bei den Untersuchungen zur Feststellung des Ursprungs der G e l s e n k i r c h e n e r Epidemie sind von den berufenen Forschern die früheren Keimzählungen oder Keimbestimmungen des Wassers gar nicht bewertet, und auch auf neue Untersuchungen des Wassers nach dieser Richtung wurde vollständig von ihnen verzichtet. Typhuskeime konnte man bekanntlich vor 1903 im Wasser überhaupt nicht oder doch nur sehr schwierig bestimmen. In den Verhandlungen gab B r u n s an, nur ein einziges Mal wäre ihm ein Nachweis bislang gelungen. Glücklicher mufs K r u s e gewesen sein, weil er das allgemeine Vorhandensein von Typhuskeimen im Ruhrwasser bejahen und es als einen Aberglauben bezeichnen konnte, dafs solche überall durch ein Filter hindurch gingen. Nach K o c h s Aussage wären diese Keime früher nur selten im Wasser gefunden und erst jetzt könnte man sie und zwar jedesmal schnell finden, wenn sie im Wasser überall vorhanden wären und die Untersuchung sofort vorgenommen würde. Vor und während der kritischen Zeit waren solche Bestimmungen für die dortigen Privatuntersucher natürlich ausgeschlossen. Für die offiziellen Untersucher erschien der Nachweis von Typhuserkrankungen, falls eine Kontaktinfektion dafür nicht vorzuliegen schien, als ausreichender Beweis, dais Typhuskeime im Wasser vorhanden gewesen waren, und der allmähliche Rückgang der Erkrankungszahl galt als der Beweis, dafs die Zahl der Typhuskeime sich im Wasser vermindert hatte. Freilich sollte das Nichterkranken eines Wassertrinkers am Typhus noch nicht beweisen, dafs das Wasser typhusfrei gewesen war. weil er möglicherweise immun sein konnte. Die geringe Zahl von Gesamtkeimen, welche T e n h o l t , Racine und S c h m e c k früher im Leitungswasser festgestellt hatten, konnten sonach den späteren Forschern nicht als Anhalt dafür genügen, dafs das Wasser derzeit keine oder nur wenige Typhuskeime enthalten hätte. Vielleicht konnten auch diese früheren Untersucher, wenn sie auch als Bakteriologen von Fach galten, doch den höheren Autoritäten in ihren Leistungen nicht ausreichend bekannt sein. Der Gerichtshof mufs der Gesamtkeimzahl im Wasser selbst zur Zeit der Verhandlungen freilich noch einen gewissen Wert bei gelegt haben, weil er in beiden Sitzungsperioden B r u n s beauftragte, diese Zahlen in aus verschiedenen Tiefen geschöpftem Ruhrwasser zu ermitteln, wenngleich von der späteren Benutzung dieser Zahlen nichts bekannt geworden ist. In den Verhandlungen ist als einzig positiv nachgewiesener Eintrittspunkt von Typhuskeimen in das Eibergbachwasser und daraus in die Ruhr und weiter durch das Stichrohr in den Brunnen I und in die Wasserleitung die Entleerung eines Stuhlganges des im Juli angeblich an Darmkatarrh erkrankten T h o b e g e n übrig geblieben, welche Entleerung vorgenommen zu haben dessen Ehefrau eingestanden hat. Weil aber bei geschlossenem Schieber X das dadurch verunreinigte Wasser überwiegend in den seuchefrei gebliebenen Frillendorfer Bezirk

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gelangen mufste, so fiel auch diese Möglichkeit einer Typhuserzeugung. Der andere, freilich nur als möglich angegebene Eintrittspunkt von Typhuskeimen, nämlich das Unke Ruhrufer, fiel gleichfalls, weil auf dessen nähere Prüfung verzichtet wurde. Somit mufste der Nachweis des Zusammenhangs von Typhus und Trinkwasser, weil überall nicht erbracht, fallen gelassen werden. Die Annahme des Gerichtshofes, das Trinkwasser sei ein Nahrungsmittel, und das schon vor Beginn der Voruntersuchung gemachte Zugeständnis der vier Angeklagten, rohes Ruhrwasser durch das Stichrohr verschiedentlich eingelassen zu haben, ohne den Konsumenten davon Mitteilung zu machen, ermöglichte es schliefslich dem Gerichte, diese wegen einer vorsätzlichen Gesundheitsbeschädigung im ganzen zu M. 4400 Geldstrafe oder zu 1,76% der Summe von M. 250000 zu verurteilen, welche die Wasserwerksgesellschaft schon während der Epidemie am 9. Oktober 1901 den Gemeinden geschenkt hatte, um deren durch die Krankheit geschädigten Angehörigen damit zu unterstützen. Erinnert man sich des ungeheuren Aufsehens, welches zur Zeit der G e l s e n k i r c h e n e r Epidemie die Verdächtigungen gegen das Wasserwerk bei Steele und gegen dessen Leiter in den weitesten Kreisen hervorrief, die nach anderthalb Jahren durch das Obergutachten der wissenschaftlichen Deputation für das Medizinalwesen eine Bestätigung zu erhalten schienen, sowie ferner der fast fieberhaften Spannung, mit welcher die ganze gebildete Welt der Entscheidung des Mitte 1904 zusammengetretenen Gerichtshofes entgegensah, die dann noch durch die eingeschaltete viermonatliche Vertagung bis Ende November d. J. hinausgeschoben wurde, so kann es nicht überraschen, wenn das schlieislich gefällte Urteil über die Wasserwerksleiter nicht nur bei vielen Laien eine arge Enttäuschung hervorrief, da ihnen das ganze Vorgehen eigentlich als »Viel Lärm um nichts« erscheinen mufste. In PreufBen haben sich bekanntlich die Staatebehörden, welche Mafsregeln zur Verhütung und Bekämpfung von gemeingefährlichen Krankheiten zu schaffen berufen sind, mit Zentralanlagen für Trinkwasserversorgung überall erst und zwar durch die H a m b u r g e r Choleraepidemie von 1892 und das Reichsseuchengesetz von 1900 angeregt, nach der Einsetzung der Kreisärzte im Jahre 1901 eingehender zu beschäftigen angefangen, indem diesen Kreisärzten eine fortlaufende Prüfung des richtigen Zustandes der vorhandenen und eine Vorprüfung der zu erbauen beabsichtigten Anlagen übertragen wurde. Damals hatten sämtliche preufsischen Städte mit über 25 000 E. und weit über die Hälfte aller kleineren Städte mit bis 2500 E. bereits derartige Anlagen, die ausschließlich von Technikern, denen dabei wohl auch Hygieniker beratend zur Seite gestanden haben, hergestellt und betrieben wurden. Dafs diese Anlagen sich damals oder vorher in gesundheitlicher Beziehung überwiegend oder auch nur in merklicher Zahl in mangelhaftem Zustande befunden hätten, geht aus den von den Kreisärzten erstatteten Jahresberichten, soweit diese bislang veröffentlicht sind, gewifs nicht hervor, und es spricht auch das gegen eine solche Annahme, dafs erst im Jahre 1904 das Gericht in die Lage gekommen ist, entscheiden zu müssen, dafs solche Verstöfse bei Wasserleitungen nach dem bereite 25 Jahre früher in Kraft getretenen Nahrungsmittelgesetze zu verurteilen wären. Die G e l s e n k i r c h e n e r Typhusepidemie und in weiterer Folge die Verhandlungen in E s s e n haben jedoch anscheinend die Staatsbehörde erkennen lassen, dafs sie die kreisärztliche Aufsicht allein nicht von ihrer Verantwortung der Bevölkerung gegenüber betreffs der Wasserversorgung befreit. Denn schon am 24. August 1904, also vor der Entscheidung des E s s e n e r Gerichts, sind die Regierungen durch einen Ministerialerlafp beauftragt, Ermittlungen wegen des Gebrauchs von Stichrohren und ähnlichen Vorrichtungen zur Speisung von zentralen Wasserversorgungen mit «infiltriertem Flufswasser anzustellen, nachdem die in dem Obergutachten ausgesprochene

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Die Gerichtsverhandlungen über die Gelsenkirchener Typhusepidemie im J a h r e 1901.

-Anschauung, dalis jeder Zusatz von rohem Fluiswasser zu filtriertem Wasser als gesundheitsschädlich zu betrachten wäre, in die grofse Öffentlichkeit, also auch in die Kreise der Wasserfachleute, gedrungen war. Die Ausbeute dieser Recherche mufs aber wohl keine bedeutende gewesen sein, wenn es auch in einem vom 11. Februar 1905 datierten Ministerialerlasse heilst, »data es sich gezeigt hätte, trotz der Erfahrungen bei der Typhusepidemie in Gelsenkirchen und trotz des daran angeschlossenen gerichtlichen Verfahrens wäre die Einsicht von der Unzulänglichkeit einer derartigen Form der Wasserversorgung bisher noch nicht bei allen Wasserwerksleitungen zur vollen Geltung gelangt«, was implizit freilich auch für die verschiedenen Kreisärzte einen Vorwurf einschliefsen muls, weil sie bereite seit vier Jahren in Tätigkeit gewesen sind. Wenn auch früher manches Werk ein Stichrohr in Fällen vorübergehender Wassernot benutzt hat, sobald der Betriebsleiter vor die Frage gestellt, ob es gesundheitsschädlicher für die Konsumenten sein könnte, gar kein oder eine ungenügende Menge Leitungswasser zu erhalten oder vorübergehend rohes Fluiswasser als Aushilfe mit zu benutzen, und sich nach bester Überzeugung für letzteres entschied, so wird es doch heute nach Kenntnis des Obergutachtens und des einstimmigen Urteils der hygienischen Sachverständigen schon aus sittlichen Gründen gewils kein Werk mehT wagen, seine Zuflucht zu letzterem zu nehmen, um sich materielle Vorteile dadurch zu verschaffen, die nach meiner Ansicht auch früher dafür kaum jemals ausschlaggebend gewesen sind. Trotzdem hat der Ministerialerlafs vom 11. Februar 1905 f ü r die bedeutenderen Werke zur zentralen Versorgung, bei welchen nicht durch die Anlage und die Betriebskontrolle volle Sicherheit für die dauernd einwandfreie Beschaffenheit des Wassers gegeben ist — wer hierüber die Entscheidung trifft, ist nicht gesagt —, eine nochmalige Besichtigung angeordnet. Für diesen Zweck sollte eine besondere Fachkommission von jedem Regierungspräsidenten gewählt werden, welche auch zu ermitteln hätte, ob und in welcher Weise eine fortlaufende bakteriologische Prüfung der Wasserbeschaffenheit _ von den Werken ausgeführt wird. Für Besichtigung der Werke hat der Minister ferner »Grundzüge für Anlage und Betrieb von Grund(Quell-) Wasserwerken« von einer aus medizinischen und bautechnischen Sachverständigen zusammengesetzten Kommission entwerfen lassen, welche dabei als Anhaltspunkte dienen können. Die gutachtliche Äufserung der Fachkommission war bis zum 11. Mai 1905 dem Minister durch den Regierungspräsidenten zu übersenden. Die Fachkommission soll bestehen aus einem Verwaltungsbeamten, dem Regierungs- und Medizinalrate und dem der Regierung für das Gebiet des Wasserversorgungswesens zugeteilten bautechnischen Referenten, und zu den Besichtigungen sollten zugleich der Landrat (resp. in Stadtkreisen der Oberbürgermeister oder ein anderer Magistratsvertreter), der Kreisarzt und, soweit schiffbare Ströme in Betracht kommen, der zuständige Wasserbauinspektor hinzugezogen werden. Für eine vom Minister vorbehaltene ständige Kontrolle aller zentralen Wasserleitungen sollte zugleich der Regierungspräsident Vorschläge an der Hand der gemachten Erfahrungen seinem Berichte beifügen. Unabhängig von den vorerwähnten Grundzügen, welche durch eine Kommission von Ministerialkommissaren und von Vertretern des Vereins von Gas- und Wasserfachmännem und der Kgl. Versuchs- und Prüfungsanstalt für Wasserversorgung und Abwässerbeseitigung aufgestellt sind, hat gleichzeitig für das Deutsche Reich das Kaiserl. Gesundheitsamt am 5. November 1904 unter Zuziehung von hygienischen und technischen Sachverständigen »Grundsätze für die Einrichtung, den Betrieb und die Überwachung öffentlicher Wasserversorgungsanlagen, welche nicht ausschliefslich technischen Zwecken dienen« in Beratung genommen und am 4. Januar 1905 fertiggestellt, deren Veröffentlichung aber noch aussteht. Ab-

gesehen von früher schon in verschiedenen Regierungsbezirken erlassenen Bau- und Betriebsvorschriften für Wasserwerke, sowie von manchen derartigen Entwürfen einzelner Medizinalbeamten, Hygieniker, Techniker etc. sind solche kürzlich auch von Juristen der Öffentlichkeit unterbreitet, so 1904 vom Reg.- und Baurat K r e n z l i n in A r n s b e r g und 1905 von dem Vorsitzenden des E s s e n e r Gerichtshofes, dem Landgerichtsdirektor F r o m m . Dieses infolge des Prozesses bei den öffentlichen Behörden im Reiche und in Preulsen und bei einzelnen "Personen so lebhaft geweckte Bestreben, durch Grundsätze und Betriebsordnungen für zentrale Wasserversorgungen, sowie durch deren fortlaufende behördliche Revision die Gesundheit der Einwohner vor möglichen Schädigungen, welche aus dem Genufs nicht einwandfreien Wassers erklärt werden, wirksamer als bisher zu bewahren, ist hocherfreulich. Es beweist aber jedenfalls, dafs bislang die dazu berufenen Staatsorgane ihre Schuldigkeit nicht voll getan haben, und dieser Vorwurf ist dadurch nicht zu entkräften, dafs man die Verantwortung für etwaige bisherige Mißstände in dieser Beziehung allein denen zuschreibt, welche seither dem Publikum das Wasser geliefert haben. Leicht ist es, sich darüber zu entrüsten, dafs durch ihre vermeintlichen Vernachlässigungen verheerende Seuchen entstanden sind; aber nicht schön ist es, wenn man ihnen nachsagt, schnöde Gewinnsucht hätte sie veranlagst, wissentlich gesundheitsschädliches Wasser zu liefern, um die Ausgaben für kostspielige Wassergewinnungsanlagen zu sparen, wie das gelegentlich der G e l s e n k i r c h e n e r Epidemie faktisch von berufener Seite geschehen ist. Wer die Entwicklung unseres Wasserversorgungswesens mit durchlebt hat und die Geschichte der hygienischen Beurteilung des Wassers kennt, weifs, dais die Wasserwerke älter als die Hygiene sind und, soweit es sich um Trinkwasser handelt, an ihrem Leibe all die Kinderkrankheiten der letzteren mit haben durchmachen müssen, welche auch heute noch nicht ihr Ende erreicht zu haben scheinen; und femer, dafs die Wasserfachleute stets bestrebt gewesen sind, den jeweiligen Forderungen der Hygiene, soweit es die Verhältnisse gestatteten, voll zu entsprechen. Wenig segensreich hat sich bislang leider das Verhältnis der Wasserfachleute zu den staatlichen Medizinalbeamten entwickelt, welche sich freilich ja erst seit wenigen Jahren mit dem Wasserfache beschäftigen. Das entschuldigt auch deren Verwunderung darüber, dafs die Folgen der G e l s e n k i r c h e n e r Epidemie und der daran geknüpften Gerichtsverhandlungen von den Wasserwerksleitern noch nicht ausreichend bewertet würden und sie daher gezwungen wären, sich nunmehr der Sache energisch anzunehmen. Warum haben sie, weil der Staat den Beruf dazu doch stets gehabt hat, das nicht bereits früher getan? Wenn die heutigen vielseitigen Bemühungen der Behörden zu wirklich genügenden Vorschriften für die praktischen Ansprüche an Bau und Betrieb von Wasserwerken führen sollten, welche in präziser Form gefaist und von allgemein gehaltenen und eine wechselnde Deutung zulassenden Angaben, sowie von selbstverständlichem oder überflüssigem Stoffe befreit und nur für die Belehrung der Wasserfachleute, aber nicht für die Belehrung der zu ihren Prüfern berufenen Personen bestimmt sein müssen, so werden solche den Wasserkonsumenten zu ebenso grolsem Vorteile wie den Wasserwerksleitern gereichen und den Staat von einer hohen Verantwortung befreien. In erster Linie müssen wir aber hoffen, darin in klarer und zweifelloser Form den Begriff » e i n w a n d f r e i e s W a s s e r « und die Mittel, dieses zu bestimmen, dauernd festgelegt zu sehen. 6. Zur Bochumer Epidemie im Jahre 1900. Schon am 'zweiten Tage der Gerichtsverhandlungen, am 5. Juli, erwähnte der V o r s i t z e n d e P f a d e l gegenober, dafs ihm

Die Gerichtsverhandlungen über die Gelsenkirchener Typhusepidemie im Jahre 1901. auch die Entstehung der B o c h u m e r Epidemie in die Schabe geschoben würde. Pf u d e l erklärte darauf, dafs er erst nach seinem Eintritte bei der Wasserwerksgesellschaft von dem Entstehen dieser Epidemie etwas gehört hatte, sich aber eines Verschuldens an derselben nicht bewufst wäre. Auf K o c h s Anregung wurde P f u d e l dann gefragt, ob auf dem dortigen Werke während der Typhusepidemie des Jahres 1900 ein Stichrohr oder irgend eine ähnliche Einrichtung bestanden hätte, worauf er antwortete, er hätte gehört, dafs kurz vor seinem Abgange die Bede davon gewesen wäre, dafs er ein Rohr in die Ruhr verlegt hätte. Er wäre jedoch daran unbeteiligt gewesen und erst nachträglich wäre ihm mitgeteilt, es wäre im Jahre 1897 oder 1898 bei Anlegung eines Brunnens ein solches Rohr verlegt, und dieses wäre im vorigen Jahre bei einem niedrigen Wasserstande der Ruhr aufgedeckt und sichtbar geworden. Damit erklärte K o c h Bich befriedigt, weil nunmehr das Vorhandensein eines Stichrohrs dort im Jahre 1900 konstatiert wäre. Trotzdem beschlofs der G e r i c h t s h o f , die Entstehung der B o c h u m e r Epidemie in seinen Verhandlungen eingehender zu verfolgen und zu dem Zwecke den Oberbürgermeister G r a a f aus B o c h u m zu vernehmen. Am 5. Juli 1901 vor Gericht geladen, verweigerte dieser jede Auskunft darüber, und erst nachdem ihm vom Regierungspräsidenten v. Co e i s in A r n s b e r g 1 ) am. 8. Juli 1901 die Erlaubnis dazu erteilt war, hat er darüber am 18. November vor Gericht folgende Aussagen gemacht: »Seit 1883 wären in B o c h u m jedes Jahr Typhusfälle vorgekommen, so dafs hier von den Ärzten der Typhus als endemisch angenommen wäre. Die im Juli 1900 aufgetretene Typhusepidemie wäre anfangs von den der dortigen Gesundheitskommission angehörenden Ärzten nicht auf das Wasser zurückgeführt. Diese Epidemie sollte unmittelbar nach P f u d e l s Abgange begonnen haben, und im Publikum hätte man vielfach in den neuen Brunnen des Wasserwerks deren Ursache vermutet. Damals wären zwei von diesen Brunnen in Gebrauch gewesen; der dritte Brunnen wäre schon früher duTch Hochwasser beim Bau zusammengebrochen. Davon, dafs einer dieser beiden Brunnen durch ein Stichrohr mit der Ruhr verbunden gewesen wäre, wollte G r a a f erst im vorigen Jahre gehört haben; daher könnte er nicht wissen, ob damals wirklich Wasser aus einem Stichrohr benutzt wurde Pf u d e l s Nachfolger, der Wasserwerksdirektor L e n z , wäre erst einige Zeit später eingetreten und würde auch kaum darüber etwas aussagen können ; er meinte, vielleicht könnte der Maschinenmeister F r e i t a g des dortigen Wasserwerks in der Lage sein, Auskunft zu erteilen.«

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»Auf der B o c h u m e r Pumpstation hätte er in den technischen Arbeiten eine völlig selbständige Stellung eingenommen. Seines Wissens hätte die Stadt schon seit 30 Jahren von der Strombauverwaltung eine Konzession zur direkten Wasserentnahme aus der Ruhr gehabt. Anfangs wäre vom Wasserwerke dafür ein 200 oder 300 m langes gelochtes Tonrohr in dem Buhnengürtel. verlegt gewesen und mit Kies überschüttet worden. Dessen eines Ende hätte offen in die Ruhr und dessen anderes Ende in einen Brunnen gemündet. Bei Anlage neuer Filteranlagen wäre dieses Rohr später zum Teil beseitigt, und auch der Brunnen wäre zugeschüttet worden. Als dann in den folgenden Jahren durch das Wachsen der Industrie der Wasserbedarf bedeutend gewachsen und häufig bei Niederwasser Mangel eingetreten wäre, hätte er ein neues Rohr zur Ruhr gelegt und dessen Mündung im Flusse mit einem Siebe gedeckt. Weil er die Konzession zur Wasserentnahme aus der Ruhr als erteilt angenommen hätte, BO wären ihm Bedenken gegen die Ausführung dieser Arbeit nicht aufgestofsen. Das neue Rohr wäre zur Zeit der Direktion W i n d e c k s oder seines Nachfolgers J o 11 y verlegt. Aus demselben Grunde hätte er auch 1899 keinen Anstand genommen, für einen der neuen Brunnen ein direktes Zuflufsrohr zur Ruhr zu legen. Ob P f u d e l etwas, davon gewufst hätte oder nicht, könnte er nicht sagen; vielleicht wäre er damals auch auf Urlaub gewesen.« Von dem V o r s i t z e n d e n befragt, sagte P f u d e l , er hätte damals von diesem Stichrohre gar nichts gewufst, und nachdem ersterer darauf bemerkte, das hätte ihm ein Beamter nicht zum zweiten Male tun dürfen, erwiderte P f u d e l , das würde auch er nicht geduldet haben; er wäre aber zu der Zeit, als er Kenntnis davon erhalten, schon von B o c h u m fort gewesen. T e n h o l t ragte vor Gericht über die Epidemie in B o c h u m noch aus, er hätte sie für eine Wasserepidemie gehalten. Von dem Stichrohr hätte er nichts gewufst; wohl aber wäre ihm bekannt gewesen, dafs die neuen Brunnen 0,5 m tief unter der Bodenoberfläche kleine Filterlöcher gehabt hätten, und nach seiner Ansicht hätte durch diese bei Hochwasser aus der Ruhr Wasser in die Brunnen eintreten können. Übrigens wäre das B o c h u m e r Wasser im allgemeinen meistens keimhaltiger als das von der Station bei Steele gewesen. Seine bakteriologischen Untersuchungen in der Viktoriastrafse in B o c h u m hätten z. B. vom 4. bis 29. August 1900 die folgenden Keimzahlen ergeben:

F r e i t a g sagte dann am 23. November in E s s e n vor Gericht als beeidigter Zeuge darüber folgendes aus:

Am 4. Aug. 112 K., am 6. Aug. 69 K., am 12. Aug. 240 K., am 16. Aug. 380 K., am 19. Aug. 620 K , am 22. Aug. 527 K., am 26. Aug. 1187 K. und am 29. Aug. 455 K. S p r i n g f e l d hat in seinem Bache S. 32 über die B o c h u m e r Epidemie von 1900 gesagt, die Brunnen wären im alten Ruhrbett gesenkt und mit Erdmassen des neuen Terrains notdürftig angefüllt, und auch der siebartigen Löcher im Brunnenmantel erwähnt er hier. Am 17. November 1904 hatte S p r i n g f e l d in der Verhandlung vor Gericht auf eine Frage der V e r t e i d i g u n g ausgesagt, dafs er ohne weiteres schon 1899 das Ruhrwasser in B o c h u m für schädlich erklärt haben würde, und er hätte dort im Jahre 1900 auch die Epidemie sofort auf die beiden in die Ruhr eingebauten Brunnen zurückgeführt. Erst j e t z t hätte er aber erfahren, dafs diese unter der Leitung des damaligen Direktors P f u d e l gebaut wären! — Und doch hat er diesen in seinem Buche von 1903 auf S. 34 schon als den » E r b a u e r d e r o m i n ö s e n B r u n n e n i n B o c h u m « bezeichnet. Er sagt hier wörtlich:

') Aufser G r a a f verweigerten in der Sitzung am 5. Juli auch S p r i n g f e l d , M i c h e l m a n n , R e e s e etc. aus dienstlichen Gründen Auskunft zu erteilen, was vielfach Verwunderung erregte. Erst später erhielten auch sie von ihrer vorgesetzten Behörde auf telegraphischem Wege die Erlaubnis, von sämtlichen Wasserwerken, welche im Reg.-Bez. A r n s b e r g die neue Betriebsordnung (s. Journ. f. Gaabel. u. Wasservers. 1904, S. 1125) erlassen haben (für D o r t m u n d war das nicht der Fall, und es erhielt R e e s e diese Erlaubnis direkt von seinem Oberbürgermeister), über bestimmte, für den Prozefs als wichtig erscheinende Tatsachen und die bei den Werken beschäftigten Personen vor Gericht Auskunft zu erteilen.

»Von dieser Epidemie (1900 in B o c h u m ) zur grofsen G e l s e n k i r c h e n e r Epidemie führen zwei Brücken. Der Wasserwerksdirektor, der die ominösen Brunnen erbaute, ist jetzt Leiter des G e l s e n k i r c h e n e r Werks, und die B o c h u m e r Epidemie verstreute Keime nach H o r s t und K ö n i g s t e e l e , die vom Eibergbache aus durch ein Stichrohr oder bei Gelegenheit eines Rohrbruches in die Leitung des Schalker Wasserwerks gelangten und die Ursache der G e l s e n k i r c h e n e r Epidemie wurden.« Dafs P f u d e 1 nach F r e i t a g s Aussage vom 23. November 1904 für S p r i n g f e l d oder für sonst jemand noch verdächtig erscheinen konnte, die B o c h u m e r Epidemie von 1900 verschuldet zu haben, ist wohl ausgeschlossen.

Betreffs der im Jahre 1900 in Benutzung gekommenen neuen Wassergewinnungsanlagen für B o c h u m sagte P f u d e l , die Zeichnungen dafür wären unter seiner Leitung hergestellt und nach Einholung der nötigen Konzessionen im Jahre 1899 zur Ausführung an F r e i t a g übergeben. Speziell hätte er sich um diese Ausführung wegen der grofsen Entfernung der Baustelle von der Stadt und wegen des Umfanges seiner sonstigen Beschäftigung — aufser dem Wasserwerke wäre ihm das Gaswerk, das Elektrizitätswerk, die Badeanstalt und der maschinelle Teil der Strafsenbahn unterstellt gewesen — nicht kümmern können. Ob bei seinem Abgange der Bau schon fertig gewesen wäre, erinnerte er sich heute nicht mehr ; er glaubte aber, der erste Brunnen würde wohl schon in Benutzung gewesen sein.

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Die Bedeutung des Jahres 1901 für die Wasserwerke. Im Jahre 1901 sind in Preuisen an die zentralen Wasserversorgungsanlagen zwei hochbedeutungsvolle- Ereignisse, die freilich von sehr verschiedener Art waren, herangetreten. Im Frühjahr 1901 hat der Staat zum ersten Male versucht, den Wasserversorgungsanlagen der einzelnen Orte gegenüber eine beaufsichtigende Tätigkeit zu entwickeln, indem er in einer Dienstanweisung den Kreisärzten die fortlaufende Überwachung der Trinkwasserversorgungen in ihren Kreisen sowie die Erstattung von Gutachten über alle Projekte der für dort zu erbauenden Neuanlagen übertrug. Wenige Monate darauf, im Spätsommer 1901, wurde ferner ein Teil des rheinisch-westfälischen Industriegebiets (Gelsenkirchen und Umgegend) von einer Typhusepidemie befallen, welche Tausende von Menschen auf das Krankenbett und Hunderte in den Tod führte, und sehr rasch war die öffentliche Meinung sich damals darüber einig, däfs nur die zentrale Versorgung des Seuchegebieta, das Wasserwerk bei Steele der Gesellschaft »Wasserleitung des nördlichen westfälischen Kohlenreviers», die Krankheit hervorgerufen haben könnte. Dafs die erst wenige Monate vorher den Kreisärzten übertragene Aufsicht über die Wasserversorgungen dieser Seuche, wenn sie wirklich eine Wasserepidemie gewesen, nicht vorbeugen konnte, ist wohl selbstverständlich. Aber trotzdem ist in den weitesten Kreisen immer wieder und dringender das Verlangen laut geworden, eine entscheidende Antwort auf folgende Fragen zu erhalten, nämlich: Hat die hygienische Wissenschaft bislang in dem Trinkwasser eine der möglichen Entstehungsursachen des Typhus und ähnlicher Krankheiten zweifellos nachgewiesen? Wird es möglich sein, durch staatliche Aufsicht mit Hilfe der Kreisärzte der Entstehung solcher Krankheiten durch Wasserversorgungsanlagen erfolgreich vorzubeugen? Kann trotzdem immer noch die Absicht oder die Unkenntnis der Erbauer und Leiter dieser Anlagen eine solche Epidemie hervorrufen, und durch welche Mittel wäre dem abzuhelfen? etwa durch Anstellung eines Hygienikers neben dem Techniker für den Betrieb jedes Werks oder durch Forderung des Nachweises der speziell für den Betrieb nötigen hygienischen Kenntnisse des Technikers vielleicht durch Ablegen eines besonderen Examens? In eine Beantwortung dieser Fragen hier näher einzutreten, fühle ich mich nicht berufen. Weil aber in vielen und namentlich in hygienischen und sanitätspolizeilichen Kreisen schon früher, und besonders während und nach der Gelsenkirchener Epidemie von 1901 die Frage so häufig diskutiert ist, ob die Techniker überhaupt befähigt sind, durch ihre Versorgungsanlagen dem gesundheitlichen Interesse der Wasserkonsumenten ausreichend genügen zu können, so gestatte ich mir, in kurzen Zügen einen Rückblick auf das zu werfen, was bislang auf dem Gebiete der Zentralversorgungen einerseits von Privatpersonen, also von Technikern und Hygienikern, und anderseits von Staats wegen im Deutschen Reiche und in Preuisen überall geschehen ist.

Die Zentralanlagen zur Lieferung des für das Leben und die Gesundheit der Bevölkerungzentren nötigen Wassers sind von Anfang an fast ausschliefslich die Frucht technischer Arbeit gewesen. Beratung und Belehrung, namentlich betreSs der Wasserqualität, haben die Erbauer und Leiter solcher Werke dabei wohl durch Chemiker, Mediziner und Geologen und später auch durch die seit den 70 er Jahren rasch entwickelte hygienische Wissenschaft und deren Jünger erfahren. Aber sämtliche technische Einrichtungen der Werke, welche auch die Wasserqualität beeinflussen können, nämlich die natürliche und die künstliche Filtration und die Enteisenung des Wassers, die Erschließung und Sammlung des Grundwassers durch Flach- und Tiefbrunnen sowie durch Stollen und durch Sammel- und Heberleitungen, die Sammlung von Oberflächenwasser in Stauweihern, die Magazinierung und Verteilung des Wassers usw., verdanken ihre Entstehung und Fortentwicklung fast ausschliefslich den Technikern. Meistens sind an diese Anlagen die Hygieniker erst nachträglich herangetreten, wenn es sich um die Beurteilung des von ihnen gelieferten Wassers handelte. In der Regel hat erst das Auftreten von Epidemien die Aufmerksamkeit der Hygieniker auf die öffentlichen Wasserversorgungen gelenkt, und sie haben Bich dann häufig bemüht, den Ursprung der Krankheiten aus dem Wasser zu deuten — allerdings fast immer zu spät, um der Schädigung durch solches vorbeugen zu können. Zweifellos stimmten stets die Laien ihrem Urteile über die Schädlichkeit des Wassers zu, weil die Tatsache der Erkrankungen das zu beweisen schien, wenn auch nachträglich von Hygienikern vorgeschlagene Verbesserungen der Anlagen einer Wiederkehr der Epidemien nicht immer vorbeugten. Leider ist es bislang nicht gelungen, die Kennzeichen eines einwandfreien Wassers von bleibender Bedeutung zu ermitteln, und meistens muís subjektives Ermessen des Hygienikers die Basis für seine jeweilige Beurteilung bilden. Im Verlaufe der letzten 50 Jahre des vorigen Jahrhunderts hatten in Preuisen alle Städte mit mehr als 25000 Einwohnern von Technikern erbaute und betriebene zentrale Versorgungsanlagen erhalten, und von allen Städten mit mehr als 2000 Einwohnern waren über 40 % mit solchen versehen. Jedenfalls muís aber bis zum Anfang des jetzigen Jahrhunderts die Gesundheit der Wassertrinker durch diese Anlagen nur sehr selten geschädigt sein; denn sonst würde der Staat gewiis nicht erst seit wenigen Jahren angefangen haben, diesen seine spezielle Aufmerksamkeit zuzuwenden. Keinenfalls berechtigen ihn aber bei wenigen Anlagen vielleicht entdeckte Mängel als Typus für alle vorhandenen Anlagen anzunehmen. Allerdings haben für Preuisen zur Überwachung der epidemischen Verhältnisse des Landes schon seit 1719 in Berlin und in den einzelnen Provinzen Samtätskollegien und Kreisphysici bestanden. Doch erst seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts ist zu uns aus England die Annahme gedrungen, dafs das Wasser der Träger von Seuchekeimen sein

Die Bedeutung des Jahres 1901 für die Wasserwerke.

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könnte. Dem vorzubeugen, dais solche durch die Wasser- einwandsfrei halten, wenn auch schon gegen Ende der 90 er werke möglicherweise auf die Bevölkerung übertragen werden, Jahre von manchen Hygienikern diese Keimzahlgrenze das haben aber die Techniker sich früher als die Behörden be- Vorhandensein von pathogenen Keimen nicht mit Sicherheit müht. Schon bei dem ersten Wasserwerke für Hamburg im ausschliefsen sollte. Nicht zu streng konnte daher zu dieser Jahre 1847 und später bei dessen Vergröfserung haben Zeit ein Wasserwerksleiter, der einmal in der Not bei Wassererstere sich stets wenn auch vergebens bemüht, Filtrations- mangel unfiltriertes Wasser hatte zuflieften lassen und trotzanlagen herzustellen, und bis zum Jahre 1892, also 25 Jahre dem ein Wasser mit weniger als 100 Keimen im ccm lieferte, lang, ist die Stadt mit rohem Elbwasser versorgt. Auch Berlin und gewifs nicht als Fälscher verurteilt werden, namentlich hätte durch den Polizeipräsidenten im Jahre 1856 rohes im Hinblick darauf, dafs bei reduzierter oder ganz eingestellter Spreewasser erhalten, wenn der damalige technische Unter- Wasserabgabe seine Konsumenten ein viel keimreicheres Ortsnehmer für Anlage und Betrieb des Werks sich nicht aus wasser benutzt haben würden. Auf den Gedanken, das von eigenem Antriebe erboten hätte, statt dessen filtriertes Wasser uns gelieferte Wasser auf Typhuskeime zu prüfen, konnten zu liefern. wir damals auch gar nicht kommen, weil solche nach K o c h Wenn trotzdem heute noch manche Hygieniker be- ja erst seit 1903, falls eine Untersuchung sofort vorgenommen haupten, die Techniker hätten früher nur auf die Quantität . wird, mit Sicherheit zu bestimmen sind. und nicht auf die Qualität des Leitungswassers einen Wert Die Keimzahl im ccm Wasser war also noch 1901 die gelegt, so widerlegt das schon der in unserer ersten Fach- Grenze, zu welcher die bakteriologische Untersuchung als versammlung im Jahre 1870 in Hamburg gcfafste Beschlufs, Mittel zur Prüfung der Gesundheitsschädlichkeit des Wassers dafs es dringend wünschenswert sei, bei allen in Betrieb be- die Hygieniker und die Fachtechniker führte, und ich findlichen Werken periodisch Wasseruntersuchungen vorzu- wende mich nun zu dem, was bis zu diesem Termine die nehmen und deren Resultate zu veröffentlichen. In bezug Gesetzgebung und die Verwaltung betreffs des Wassers bedarauf erinnere ich ferner daran, dafs der 1873 gegründete stimmt hatte. Deutsche Verein für öffentliche Gesundheitspflege in seiner Mit der ReichsverfaBsung vom 16. April 1871 ging die zweiten Versammlung 1874 in Danzig beschlossen hatte: Sanitätspolizei und die Gesetzgebung für diese auf das Reich »es dürfe für Wasserversorgungen in erster Linie nur über. In dem Strafgesetzbuche für den Norddeutschen Bund Quellwasser verwendet werden und nur wenn nachgewiesen vom 1. Januar 1871, welches später für das Reich verbindsei, dais das nicht möglich, wäre ausnahmsweise die Ver- lich wurde, befinden sich in den § 324 und 367 die ersten wendung von Grund- oder Oberflächenwasser zulässig.« gesetzlichen Bestimmungen für das Wasserversorgungswesen. Im Jahre 1875 haben wir in unserer Versammlung in Danach wird mit Zuchthaus bestraft, wer vorsätzlich für die Mainz gegen diesen Beschlufs protestiert, weil dadurch die Versorgung anderer dienende Brunnen, Wasserbehälter etc. von der öffentlichen Gesundheitspflege verlangte möglichst vergiftet, und es verfällt in Geldstrafe bis M. 150, wer verschnelle Verbreitung von Zentralanlagen sehr beschränkt und fälschte oder verdorbene Getränke etc. feilhält. Für das gegen alles nicht aus Quellen erschlossene Wasser ein unbe- Reich ist 1876 ein Gesundheitsamt (anfangs Reichs- und gründetes Vorurteil hervorgerufen werden würde, abgesehen später Kaiserl.) als eine freilich nur beratende Behörde für davon, dafs Quellwasser überhaupt kein Qualitätsbegriff wäre. die öffentliche Gesundheitspflege in der Abteilung des Innern Die durch den Deutschen Verein für öffentliche Gesund- des Reichskanzleramts eingeführt, das sich sehr bald auch heitspflege im Jahre 1876 in Düsseldorf erfolgte Aufhebung schon mit Fragen der Wasserversorgung beschäftigt hat. des Danziger Beschlusses erscheint hiernach als ein nicht Unter dessen Mitarbeit ist das am 14. Mai 1879 publigeringes Verdienst unseres Vereins auf dem hygienischen zierte Nahrungs- und GenuTsmittelgesetz für das Reich entGebiete. An die Stelle des letzteren traten 1876 in Düsseldorf standen. Weder das Gesundheitsamt noch der Gesetzgeber von Dr. S a n d e r und einem Mitgliede unseres Vereins auf- und die späteren Gesetzesdeuter haben das Wasser als ein gestellte Thesen für die Wasserversorgungsanlagen, welche unter dieses Gesetz fallendes Nahrungs- oder Genufsmittel ihrem Sinne nach noch heute als gültig anerkannt werden. angesehen. Erst nach 23 Jahren ist gelegentlich der VorAuch die Notwendigkeit fortlaufender Wasseruntersuchungen untersuchungen in dem Gelsenkirchener Prozesse der Unterwurde darin betont und verlangt, dafs für diese die Stoße, suchungsrichter anderer Ansicht gewesen, und auch der welche die Wasserqualität schädigen, und die Methoden für Essener Gerichtshof hat im Jahre 1904 das Wasser für ein deren Ermittlung durch eine Kommission von Hygienikern Nahrungs- und Genufsmittel erklärt. und Chemikern festgestellt würden. Dagegen enthält das Reichsgesetz zur Bekämpfung geDieses Ziel ist damals leider nicht erreicht, weil diese meingefährlicher Krankheiten vom 30. Juni 1900 in § 35 Kommission nach fast achtjähriger Arbeit erklärte, die eine sehr wichtige Bestimmung für alle WasserversorgungsLösung der Aufgabe wäre ihr zurzeit nicht möglich. In den anlagen im Deutschen Reiche, indem darin alle dem allge80er Jahren, nachdem K o c h die Züchtung der im Wasser meinen Gebrauche dienenden Einrichtungen zur Versorgung enthaltenen Keime gelehrt hatte, glaubten wir dann unsere mit Trink- und Wirtschaftswasser der fortlaufenden ÜberSehnsucht nach einem dauernd gesicherten Wertmesser für wachung staatlicher Beamten übertragen wurden. Die Gedas Wasser erfüllt zu sehen. Wenn in den Essener Gerichts- meinden wurden darin ferner verpflichtet, für die Beseitigung verhandlungen 1904 ein Hygieniker behauptete, die das Wasser vorgefundener MifsBtände an solchen Anlagen Sorge zu betreffenden Forschungen K o c h s hätten bei den Wasserwerken tragen, und nach Mafsgabe ihrer Leistungsfähigkeit konnten keinen Eingang gefunden, so mufs dessen Erinnerung nicht sie jederzeit zu entsprechenden Einrichtungen, sofern diese weit in die Vergangenheit zurückreichen. zum Schutze gegen übertragbare Krankheiten erforderlich K o c h s Annahme, dafs 1000 und später dafs 100 Gesamt- sind, angehalten werden. Das von den Bundesstaaten in keime im ccm Wasser als Grenze für die Anwesenheit von Verfolg dieses § 35 anzuwendende Verfahren war dem pathogenen Keimen unter diesen zu betrachten wäre, wurde Landesrecht überlassen. Damit ist vorläufig die Tätigkeit auch noch 1899 in den vom Reichskanzleramte publizierten des Reichs betreffs des Wasserversorgungswesens abge»Grundsätzen für künstlich filtriertes Oberflächenwasser«, an schlossen. deren Bearbeitung 6 Jahre lang Hygieniker und FiltrationsIn Preufsen bestanden für das Medizinalwesen übertechniker tätig waren, aufrechterhalten. Wir mufsten daher haupt keine einheitlich geschlossene, besondere Behörde, ein Wasser, welches nicht mehr als ungefähr 100 Keime im und auch für die allgemeine Gesundheitspflege fehlt eine ccm enthielt, auch noch anfangs dieses Jahrhunderts für solche heute noch. Seit 1848 war hier dem Kultusminister 10*

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Die Bedeutung des Jahres 1901 für die Wasserwerke.

in seiner Abteilung für Medizinalangelegenheiten die oberste Wasserversorgungsanlagen den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit Leitung des Medizinal- und Sanitätswesens übertragen, und weniger auf chemische und bakteriologische Untersuchungen als beratender Beirat diente ihm dafür die wissenschaftliche von Wasserproben, als auf örtliche Besichtigungen zu legen Deputation für das Medizinalwesen. Er hat die Befugnis, hätten, oder ob dafür auch vielleicht die Rücksicht auf die sanitätspolizeiliche Vorschriften für den ganzen Staat zu er- früheren Kreisphysici mitbestimmend gewesen ist, weifs ich lassen, welche kein Gericht auf ihre Zweckmäfsigkeit oder nicht. Sehr wahrscheinlich werden aber die meisten der Notwendigkeit zu prüfen berechtigt ist. Kreisärzte, gleichgültig ob sie das neue hygienische Examen Unter der ausschließlich dem Minister zustehenden bestanden hatten oder nicht, sich vor ihrer Berufung mit Nachprüfung haben die gleiche Befugnis für ihre resp. Wir- dem technischen Teil der Wasserversorgungsanlagen nicht kungskreise die Oberpräsidenten, die Regierungspräsidenten, so eingehend beschäftigt haben, um mit zuverlässigem Erdie Landräte und die Polizeivorsteher, welche im übrigen folge fertige Anlagen durch Ortsbesichtigung, wenn auch dienstlich dem Minister des Innern unterstellt sind. Für die nur in hygienischer Beziehung, prüfen und Projekte nach sanitären Aufgaben waren diesen verschiedenen Chefs sowohl der Dienstanweisung weit über die hygienischen Forderungen Provinzialmedizinalkollegien als Regierungs- und Medizinal- hinaus begutachten zu können. Für diese Arbeiten wäre räte und Kreisphysici zur Beratung und Berichterstattung .ihnen eine eingehendere Instruktion gewifs recht zu wünschen gewesen, wie eine solche auch früher bereits von einzelnen beigegeben. Das in Preufsen namentlich durch die Hamburger Regierungen, die sich vor Einführung der Kreisärzte spezieller Choleraepidemie von 1892 sehr fühlbar gewordene Bedürfnis, mit den Wasserversorgungen offiziell befafst haben, erlassen für die Lösung hygienischer Aufgaben des Staats besser worden war. vorgebildete Kräfte als die Kreisphysici zu besitzen, hatte im Uns mufste es überhaupt überraschen, dafs man die Jahre 1899 zu dem Beschlüsse geführt, an ihre Stelle Kreis- Überwachung der Anlagen dem Kreisarzte allein und nicht ärzte zu setzen, welche eine speziellere hygienische Aus- in Gemeinschaft mit einem Fachtechniker übertragen hatte, bildung genossen haben. Für diese wurde ein besonderes worüber ich mich früher in unserm Journal verschiedentlich hygienisches Examen vorgeschrieben, das zwei bis drei Jahre ausgesprochen habe. Allerdings durfte man nicht, wie das f. Z. nach dem medizinischen Examen und nach Absolvierung von den Regierungen geschehen war, ohne weiteres jeden eines dreimonatlichen hygienischen Kursus in einer Universi- staatlichen Bauverständigen für einen geeigneten Fachtechniker tätsstation abgelegt werden kann. Diese geprüften Kreis- halten, wie der Staat ebensowenig nicht jeden Mediziner für ärzte sollten als beamtete Ärzte voll besoldet werden und einen geeigneten Hygieniker hielt. Dieser Anschauung scheint Privatpraxis zu betreiben, sollte ihnen nicht gestattet sein. nach dem Ministerialerlafs vom 11. Februar 1905, in welchem Wohl überwiegend finanzielle Gründe, vielleicht aber von besonderen bautechnischen Referenten für das Wasserauch die ungenügende Zahl von Aspiranten sowie die Rück- versorgungswesen bei den Regierungen die Rede ist, später sicht auf die Weiterbeschäftigung der früheren Kreisphysici auch entsprochen zu sein. als Kreisärzte, hatten dazu geführt, dafs im Jahre 1901 von Auch den Vertretern vieler grofser Städte und den Vorden 478 Kreisärzten nur 15 vollbesoldete waren. Die übrigen ständen industrieller Verbände scheinen Zweifel an dem 463 hatten, weil nicht vollbesoldet, die Berechtigung, Privat- Genügen der im Jahre 1901 einzuführen beabsichtigten praxis zu betreiben; sie waren wahrscheinlich meistens frühere Revision der Wasserwerke ebenso wie den Fachtechnikern entKreisphysici und hatten statt des hygienischen Examens standen zii sein, weil sie bereits im Jahre vorher in einer dem wahrscheinlich die für solche eingeführten hygienischen Fort- Minister eingereichten Petition um die Errichtung einer staatbildungskurse besucht. lichen Versuchs- und Prüfungsanstalt für Wasserversorgung und Es mufsten uns von vornherein gewifs nicht unbe- Abwasserbeseitigung baten und sich bereit erklärten, für eine rechtigte Zweifel auftauchen, ob die Organisation der Kreis- solche fortlaufend namhafte Mittel zur Verfügung zu stellen. ärzte unser seit Jahrzehnten geäufsertes Verlangen nach Eine solche dem Minister unterstellte Anstalt ist bekanntlich einer fortlaufenden und in ihren Resultaten zuverlässigen auch am 1. August 1901 ins Leben getreten, und nachdem Qualitätsprüfung des von uns gelieferten Leitungswassers es ihr später gelungen, für ihre Arbeiten geeignete Techniker überall würde befriedigen können. In ihrer Dienstanweisung zu gewinnen, hat sie auch eine rasch wachsende und vom 23. März 1901 war ihnen aufser den verschiedenartigsten segensreiche Tätigkeit auf dem Gebiete der Wasserverund sehr zahlreichen Aufgaben aus den grofsen medizinal- sorgungen entwickeln können, wie das der »Bericht über das und sanitätspolizeilichen Gebieten wie oben erwähnt nicht Gesundheitswesen im preufsischen Staate von 1903« erkennen nur die vom Reiche verlangte fortlaufende Untersuchung läfst. Dem gegenüber lassen die darin und in den früheren der bestehenden Trinkwasserversorgungen übertragen, son- Jahrgängen enthaltenen kreisärztlichen Berichte darauf dern sie sollten Bich auch über alle Projekte für zentrale schliefsen, dafs diese sich mehr auf statistische und technische Wasserleitungen gutachtlich äufsern und in diesen Gut- Notizen beschränkt und weniger eingehend die hygienischen achten »namentlich die Beschaffenheit und Menge des Fragen bei Zentralanlagen verfolgt haben. Wassers, dessen Entnahmestelle im Hinblick auf mögliche Auch dem Minister scheinen die regelmäfsigen kreisVerseuchung und unzureichende Zuführung, die Einrichtung ärztlichen Besichtigungen allein bald nicht mehr genügt zu der Wasserbehälter etc. berücksichtigen«. Ferner sollten sie haben. Denn schon am 25. September 1902 hat ihn eine alle einfachen physikalischen, chemischen, mikroskopischen befürchtete Choleragefahr veranlafst, eine aufserordentliche und bakteriologischen Untersuchungen, die für ihre Prüfungen Besichtigung vorzuschreiben und zugleich die Kreisärzte zu erforderlich waren, selbst ausführen. Zur Beschaffung der ermächtigen, Werke, deren Wasserqualität ihnen begründete dafür nötigen Apparate standen 1901/02 nur M. 75000 oder Zweifel erwecken sollte, zu beauftragen, regelmäfsig wöchentM. 150 pro Kreisarzt zur Verfügung, und das veranlafste, lich dreimal bakteriologische Untersuchungen vornehmen zu solche Apparate nur besonders vorgebildeten und geübten lassen und ihnen die Resultate zur Übersendung an die Kreisärzten zu liefern, welche auch die Regierungs- und Regierungen auszuhändigen. Der Wert dieser Zahlen, deren Medizinalräte bei der Bekämpfung von Seuchen unterstützen Ermittlung allerdings auf Kosten der Werke erfolgte, erscheint sollten. mir etwas zweifelhaft. Trotzdem müssen die Kreisärzte solche Ob und wie weit diese notwendige Beschränkung von wohl von manchen Werken verlangt haben, weil der Minister Einfluls auf die Vorschrift in § 74 der Dienstanweisung in seinem Erlafs vom 11. Februar 1905 darüber Ermittlungen gewesen ist, dafs die Kreisärzte bei ihrer Überwachung der anzustellen vorschreibt, ob und in welcher Weise von den

Die Bedeutung des Jahres 1901 für die Wasserwerke. Werken eine fortlaufende bakteriologische Prüfung der Wasserbeschaffenheit vorgenommen würde. Ein Ministerialerlafs vom 24. August 1904 — also aus der Zeit zwischen den beiden Perioden der Essener Gerichtsverhandlungen und augenscheinlich durch in der ersten Periode gefallene Äufserungen hervorgerufen — ordnete eine Besichtigung und schleunige Berichterstattung der Kreisärzte darüber an, ob überall und bei welchen Werken Stichrohre oder andere Einrichtungen zum Einlassen von unfiltriertem Wasser benutzt würden. Der erzielte Erfolg mufs jedoch den Minister nicht befriedigt haben; denn schon ein halbes Jahr später, am 11. Februar 1905, folgte ein neuer Erlals, welcher dieselbe Aufgabe nicht den Kreisärzten,- sondern besonderen von den Regierungen dafür zu wählenden Fachkommissionen stellte, freilich nur für die gröfseren Werke mit Zentralversorgungen, deren Anlage und Betriebskontrolle keine volle Sicherheit für eine dauernd einwandfreie Wasserbeschaffenheit böte. Wurde als Motiv dafür auch wieder eine befürchtete Choleraeinschleppung sowie die Bedeutung der grofsen Zentralversorgungen für die allgemeine Gesundheit angegeben, so heilst es doch ferner in dem Erlals, »dafs trotz der Erfahrungen bei der Gelsenkirchener Epidemie von 1901 und trotz des daran geschlossenen gerichtlichen Verfahrens doch noch nicht bei allen Wasserwerksleitungen die Einsicht von der Unzulässigkeit von Stichrohren etc. zur vollen Geltung gelangt wäre«. Weil diese letzte Äufserung doch nur eine Annahme sein kann, welche durch die vorhergegangene Untersuchung der Kreisärzte nicht ausreichend bestätigt wurde, so mufs den Minister deren einseitige Prüfung durch örtliche Besichtigung wenigstens für diesen Zweck jedenfalls nicht befriedigt haben, und es ist im Interesse der Allgemeinheit zu hoffen, dafs auch für die regelmäfsigen Überwachungen der Werke die einseitige Kreisarztbesichtigung recht bald durch eine Organisation, welche eine gründlichere Prüfung möglich macht, ersetzt werden wird. Jede dieser Fachkommissionen für die Extrauntersuchungen sollte aus einem Verwaltungsbeamten, dem Regierungs- und Medizinalrat und dem für das Wasserversorgungswesen der Regierung zugeteilten bautechnischen Referenten bestehen. Zu den Besichtigungen in den einzelnen Kreisen sollten ferner die resp. Landräte oder Magistratsmitglieder bei kreisfreien Städten, die Kreisärzte und eventuell die Wasserbauinspektoren hinzugezogen werden. Durch das vielseitigere Wissen und die wahrscheinlich gröfsere Erfahrung der Besichtiger haben sich diese Untersuchungen, welche am 11. Mai 1905 abgeschlossen sein sollten, gewifs viel gründlicher als die des einzelnen Kreisarztes gestaltet. Trotzdem hat es aber der Minister vorher aufserdem noch für nötig erachtet, für die zu wählenden Fachkommissionen als Anhaltspunkt für ihre Besichtigungen »Grundzüge für Anlage und Betrieb von Grund- (Quell-) Wasserwerken« durch eine 14köpfige Kommission ausarbeiten zu lassen, die aus 3 Mitgliedern des Ministeriums, 5 Mitgliedern der Königl. Versuchs- und Prüfungsanstalt und 6 Mitgliedern unseres Vereins bestand. Sind mir diese »Grundzüge« für den bestimmten Zweck nach Form und Inhalt auch nicht recht verständlich, so gehe ich wegen ihrer nur vorübergehenden Bedeutung hier doch nicht näher darauf ein, und das um so weniger, weil zu' derselben Zeit für das Deutsche Reich eine vom Kaiserl. Gesundheitsamte berufene Kommission. »Grundsätze für die Einrichtung, den Betrieb und die Überwachung öffentlicher Wasserversorgungsanlagen, welche nicht ausschlieislich technischen Zwecken dienen,« ausgearbeitet hat, - die zurzeit noch nicht veröffentlicht sind, und weil der Minister in seinem Erlals vom 11. Februar 1905 gesagt hat, dafs die Einrichtung einer ständigen Kontrolle aller zentralen Wasserleitungen für Preufsen .noch vorbehalten bliebe und Vor-

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schläge dafür von ihm an der Hand der bei den auf Grund der durch diesen Erlafs angeordneten Untersuchungen gemachten Erfahrungen erwartet würden. Dadurch ist unsere Anschauung über das Ungenügen der vor vier Jahren erfolgten Unterordnung unserer fachlichen Leistungen unter das ausschliefsliche Urteil der besichtigenden Kreisärzte wohl von kompetentester Seite anerkannt, und wir können hoffen, in nächster Zeit die Zentralanlagen einer die Konsumenten befriedigenden und uns vor späteren Vorwürfen sichernden, vollkommeneren staatlichen Überwachung unterstellt zu sehen. Dafs wir übrigens zur fortlaufenden Förderung unseres Fachs bemüht gewesen sind, aus der Gelsenkirchener Epidemie von 1901 und dem angeschlossenen Gerichtsverfahren uns alle möglichen Erfahrungen und nicht nur diejenigen, welche das Stichrohr etc. betreffen, für die Zukunft dauernd nutzbar zu machen, beweist, dafs unser Vorstand mich seinerzeit mit der Erstattung eines fachmännischen Berichts über die Gerichtsverhandlungen in Essen beauftragt hatte, der Ihnen in unserm Journal vorliegt. Das hohe Interesse an diesem Ereignisse, im Zusammenhange mit unserem Fache, rechtfertigt es, hier auch noch aus dem vorliegenden reichen Material über einige Hauptpunkte zu berichten, die ihre Ergänzung in dem im Journal enthaltenen Berichte finden. Der erste Typhusfall ist 1901 auf den 29. August zurückgeführt, und als Tag für die letzten Falle durch Wasserinfektion ist der 21. Oktober angenommen, wenn auch manche Typhusfälle vorher und später noch bis in die ersten Monate des Jahres 1902 hinein durch Kontaktübertragung erklärt sind. Von den von dem Regierungs- und Medizinalrat Dr. S p r i n g f e l d in seinem Buche »Die Typhusepidemien« für die 53 Tage für Gelsenkirchen Stadt und Land angeführten 2216 Erkrankungen sind 1731 als durch Wasserinfektion und 485 als durch Kontaktübertragung entstanden angegeben, und von den hier im ganzen angegebenen 2493 Fällen entfallen 792 auf Kontaktübertragung, also 307 nach dem 21. Oktober. Die Zahl der Erkrankungen im ganzen Seuchegebiete hat nach dieser Quelle in der Woche vom 15. bis 21. September mit 519 ihr Maximum erreicht. Mit der Erforschung der Ursache der Massenerkrankungen hatte der Regierungspräsident R e n v e r s in Arnsberg am 23. September S p r i n g f e l d beauftragt. Dieser ist am 24. September nach Gelsenkirchen gekommen und hat hier, weil ihm Kontaktübertragungen und Bodenverseuchungen ausgeschlossen erschienen, sehr rasch als Ursache das von dem Wasserwerk bei Steele gelieferte Wasser erkannt. Bereits am 26. September glaubte er die Eintrittsstelle der Typhusbazillen in das Rohrnetz gelegentlich eines am 16./18. August in Königsteele stattgefundenen Rohrbruchs festgestellt zu haben, worin ihn ein in einem Nachbarhause am 7. Juli vorgekommener Typhusfall bestärkte. In der Nacht vom 28. zum 29. September liefs er dann das ca. 300 km lange Rohrnetz des Wasserwerks mit Wasser von 1 pro Mille Schwefelsäuregehalt desinfizieren, um die pathogenen Keime daraus zu entfernen. Erst später erfuhr er, dafs die Versorgung in zwei getrennten Druckzonen erfolgt war, die eine auB dem Behälter bei Frillendorf und die andere aus dem bei Leythe. Der Rohrbruch hatte an einem Druckrohre, das zu ersterem führt, stattgefunden, und er hatte die Desinfektion des Leyther Netzesvorgenommen, während das Frillendorfer Netz nicht davon berührt war; sie war also für die Folgen des Rohrbruches nutzlos gewesen. Betreffs seiner Rohrbruchtheorie, der sich später eine Erdbehälter- und dann eine Stichrohrtheorie anschlofs, verweise ich auf meinen Bericht. Am 16. Oktober kam der vom Minister zur Untersuchung der Epidemieursache nach Gelsenkirchen entsandte

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Die Bedeutung des Jahres 1901 für die Wasserwerke.

Geh. Medizinalrat Dr. R. K o c h nach dort, und seine nach S p r i n g f e l d s Vortrag anfängliche Zustimmung zu der Rohrbruchtheorie nahm dieser am 17. Oktober zurück, nachdem die Direktoren des Werks bei Steele, H e g e l e r und F l u d e l , ihm mitgeteilt hatten, dais sie während des Sommers 1901 an den letzten vier Wochentagen durch ein aus der Ruhr in einen am rechten Ufer liegenden Brunnen führendes Rohr, später Stichrohr genannt, bis zum 24. September, dem Tage der Zerstörung der Verbindung des Brunnens mit der Ruhr, unfiltriertes Wasser eingelassen hätten. K o c h erblickte daher in diesem Stichrohrwasser die Ursache der Seuche und wurde darin bestärkt, als sich ergab, dais der 400 m oberhalb der Pumpstation in die Ruhr mündende Eibergbach, in dessen Lauf ca. 1 km oberhalb von dem Orte Horst, wo im Juli, gegen Ende August und im Oktober mehrere Typhusfälle vorgekommen waren, die Strafsenrinnen münden. In den späteren Gerichtsverhandlungen ist auch eine einmalige direkte Entleerung eines Typhusstuhls in den Bach durch einen Zeugen festgestellt. In K o c h s am 23. Oktober 1901 dem Minister erstatteten Bericht heifBt es: »es sei ausreichend begründet, das Trinkwasser als Ursache des Typhus anzunehmen und als dessen Infektion die Verschleppung von Typhusentleerungen aus Horst in den Bach, von hier in die Ruhr und durch das Stichrohr in die Wasserleitungen.« Im Laufe der späteren gerichtlichen Voruntersuchungen, bei welchen S p r i n g f e l d als Gutachter zugezogen war, gelangte der Untersuchungsrichter zu dem Schlufs, H e g e l e r und P f u d e l hätten vorsätzlich mit rohem Ruhrwasser gemischtes Trinkwasser hergestellt und verkauft oder in den Verkehr gebracht und dadurch schwere Körperverletzungen und den Tod vieler Menschen verursacht. Rechtswidrige Vermögensvorteile für sich oder Dritte zu erlangen, hätte sie zu dieser Handlung veranlaist. Es war inzwischen festgestellt, dais bis gegen Ende September der Frillendorfer Teil des Versorgungsgebiets typhusfrei geblieben, trotzdem, wie bemerkt, der Rohrbruch an dessen Druckrohre stattgefunden hatte, und dafs die Erkrankungen sich bis dahin auf den Leyther Teil beschränkt hatten. Das mag vielleicht den Untersuchungsrichter veranlaist haben, den Minister um ein Gutachten seiner wissenschaftlichen Deputation über die Gesundheitsschädlichkeit des dortigen Leitungswassers, allerdings nur auf Grund der Untersuchungsakten, zu ersuchen, und dieses Obergutachten, welches der Geh. Medizinalrat Dr. R u b n e r ausgearbeitet hatte, ging am 1. Dezember 1902 von 12 Herren unterzeichnet ein. Es sprach sich dahin aus: »mit unfiltriertem Ruhrwasser gemischtes Leitungswasser wäre geeignet, die menschliche Gesundheit zu schädigen; sehr wahrscheinlich wäre durch dessen Gebrauch die Typhusepidemie verursacht, und es wäre ferner sehr wahrscheinlich, dafs durch das Stichrohr Typhusbazillen in den damals stark abgepumpten Brunnen U und durch die Maschine X nach dem Behälter Leythe gelangt wären.« Diese letzte Annahme ist auf eine Unrichtigkeit der von S p r i n g f e l d in seinem Buche »Die Typhusepidemie etc.« S. 68 gegebenen Zeichnimg zurückzuführen, welche die Saugeleitung zwischen den dort mit 2 und 3 bezeichneten Brunnen (s. Journ. f. Gasbel. u. Wasservers. 1905, S. 479, mit II und IH bezeichnet) nicht enthielt. Das konnte die Überführung des ganzen Stichrohrwassers durch Maschine X nach Leythe annehmen lassen, was in den Gerichtsverhandlungen jedoch als unrichtig festgestellt wurde. Das Obergutachten sprach sich als Ursache der Epidemie gegen den Rohrbruch aus, weil Frillendorf typhusfrei geblieben wäre, und erklärte den Erdbehälter kaum als eine geeignete Brutstätte für Typhusbazillen.

Auf dieses Obergutachten gestützt wurden in der vom 25. September 1903 datierten Anklageschrift H e g e l er und P f u d e l des obigen Verbrechens, jedoch unter Ausschaltung des erstrebten VermögenBvorteils, weil sie keine Tantieme bezögen, auf Grund des Reichsstrafgesetzes und des Nahrungsmittelgesetzes angeklagt. Ferner wurde der Ingenieur S c h m i t t , welcher bis Ende 1899 dort Wasserwerksdirektor gewesen war und ausgesagt hatte, dafs er in der Zeit von 1890 bis 1899 bei Ausführung dringender Arbeiten dreimal den Stichrohrschieber hätte öffnen lassen, ebenso wie die Vorstehenden wegen Abgabe von Mischwasser, das nach dem Obergutachten die Gesundheit hätte schädigen können, angeklagt. Endlich wurde noch der Maschinenmeister K i e s e n d a h l angeklagt, weil er den andern wissentlich Beihilfe geleistet hatte. Die Hauptverhandlungen vor dem Landgerichte in Essen wurden am 4. Juli 1904 eröffnet. Vom 15. Juli bis zum 15. November erfuhren sie eine dreimonatliche Unterbrechung, um ein Gutachten des Professor H o l z über die mögliche Verteilung des Stichrohrwassers nach den beiden Teilen des Versorgungsgebiets ausarbeiten zu lassen, das am 20. August bei dem Gerichte einging. Am 30. November, also 3 V4 Jahre nach dem Ausbruch der Epidemie und nach 23tägigen Verhandlungen, in denen 25 Sachverständige und eine noch gröfsere Zahl von Zeugen vernommen waren, fällte der Gerichtshof die Entscheidung in diesem Prozesse, der jahrelang die grofse Öffentlichkeit so intensiv beschäftigt und die Angeklagten unter dem furchtbaren geistigen Drucke gehalten hatte. Der in die Verhandlungen hineingetragene Kampf um die P e t t e n k o f e r s e h e und die Kochsche Theorie über die Verbreitung von Cholera und Typhus wurde vom Vorsitzenden als für die Verhandlung belanglos ausgeschieden. Ferner wurde vom Gericht der Beweis eines Kausalzusammenhanges zwischen Typhus und Stichrohrwasser als nicht erbracht erkannt, und damit fiel die schwere Anklage gegen H e g e l e r und P f u d e l . Es wurden verurteilt: H e g e l e r zu M. 1200, P f u d e l und S c h m i t t zu je M. 1500 und K i e s e n d a h l zu M. 200 und alle zusammen zur Tragung der Gerichtskosten. Die Anregung dazu, den Kausalzusammenhang zwischen Typhus und Stichrohrwasser fallen zu lassen, hätten schon die im Juli und Dezember 1903 von S c h m i t t dem Gerichte gemachten schriftlichen Erklärungen geben müssen, wenn sie vor Beginn der Gerichtsverhandlungen näher verfolgt wären. Weil die Angeklagten von Anfang an rückhaltslos dem Gerichte gegenüber die zeitweise Lieferung von Mischwasser erklärt hatten, so hätte andernfalls viel Zeit und Arbeit und manche Seelenangst erspart werden können. S c h m i t t hatte damals erklärt, die S p r i n g f e l d s c h e und auch die der Anklageschrift angefügte Zeichnung wären unvollständig, und in der Tat lag erst in der zweiten Sitzungsperiode dem Gerichte eine richtige Zeichnung mit dem Holzschen Gutachten vor. Durch vier Zeugen und durch K i e s e n d a h l wurde auf Grund dieser Zeichnung die Stellung von vier Schiebern, die auf den früheren Zeichnungen gefehlt hatten, während der kritischen Zeit festgestellt, bei welcher durch Maschine VI (s. Journ. f. Gasbel. u. Wasservers. 1905, S. 479) das Stichrohrwasser nach dem seuchefreien Frillendorf gelangen mufste und eventuell nur beim Gange von Maschine VII eine geringe Menge davon nach dem verseuchten Leythe gelangen konnte. Von den sämtlichen technischen Sachverständigen wurde diese Schieberstellung aus Betriebsgründen als höchst wahrscheinlich bezeichnet, während die sämtlichen hygienischen Sachverständigen mit Ausnahme von S p r i n g f e l d , der auf seine Rohrbruchtheorie zurückgriff, sich auf eine von K i e s e n dahl in der Voruntersuchung gemachte und in der Haupt-

Die Bedeutung des Jahres 1901 für die Wasserwerke. Untersuchung widerrufene Aussage, »Alle Schieber waren offene, beriefen und diese für allein richtig erklärten, trotzdem damit eine Begründung für die Trennung des Versorgungsgebietes nach »verseucht« und »seuchefrei« überhaupt ausgeschlossen erscheinen mufste. Nach S c h m i t t s Annahme war bis zum 24. September das Stichrohrwasser und das der beiden Gewinnungsstellen am rechten Ruhrufer fast ausschliefslich nach Frillendorf gekommen, und Leythe hatte fast nur Wasser aus Brunnen III vom linken Ufer erhalten. Hier wäre nach seiner Ansicht das Wasser infolge der schon vor dem Ausbruche der Epidemie begonnenen Wassererschliefsungsarbeiten in dem stromaufwärts gelegenen Gebiete verseucht gewesen. Die Wahrscheinlichkeit hierfür habe ich in meinem Berichte eingehend nachzuweisen versucht; der Gerichtshof aber hatte sich für den Gegenbeweis auf die Aussagen des Unternehmers und seines Schachtmeisters sowie auf die S p r i n g f e l d s , ihm sei von einer Typhuserkrankung eines der ca. 100 Arbeiter nichts bekannt geworden, beschränkt. Am 7. September 1901 waren die Arbeiten am linken Ufer vollendet und nach Beseitigung des Stichrohrs seit dem 24. September mufste Frillendorf auch Wasser von hier und damit pathogene Keime, erhalten, bis endlich das fortlaufende Auspumpen der linksufrigen Anlagen dieses Wasser einwandsfrei machte und damit die Epidemie zum Erlöschen kam. Trotzdem die sämtlichen Hygieniker die Möglichkeit einer Undichtigkeit des vom linken Ufer in den Brunnen III führenden Dükers eingehend besprachen, war keiner von ihnen auf eine nähere Prüfung der dortigen Anlagen und ihrer Entstehung eingegaugen, und K o c h meinte, nur unendlich fern liegende Möglichkeiten könnten für deren Verunreinigung ins Feld geführt werden. In den Gerichtsverhandlungen erklärte er freilich: »er hätte sich alles genau und nach allen Seiten überlegt, und auf Grund seiner Erfahrungen und seines Wissens wäre er zu der festen Überzeugung gekommen, dals die Epidemie nur dadurch hätte entstehen können, dais unfiltriertes Ruhrwasser in die Leitungen gekommen wäre.« Ohne Verkleinerung der hohen Verdienste K o c h s sind trotzdem Zweifel an der Richtigkeit dieser Ansicht wohl gestattet, wenn sie sich auf begründet erscheinenden Tatsachen aufbauen — ich erinnere an das Tuberkulin. Konnte das am linken Ufer erschlossene filtrierte Ruhrwasser in den verunreinigten Filterleitungen und Brunnen nachträglich pathogene Keime aufnehmen, so erklärt sich die auffallend geringe Zahl von Gesamtkeimen des Leitungswassers, den die bakteriologischen Untersuchungen des Medizinalrats Dr. T e n h o l t ergeben hatten, und man ist nicht gezwungen, sie als unrichtig zu bezeichnen, was aber unbedingt nötig wäre, solange man annimmt, dais s. Z. durch das Stichrohr keimreiches rohes Ruhr- und Bachwasser mit den pathogenen Keimen in die Leitungen gelangt ist, wenn auch dessen Menge und das Mals seiner Reinigung durch die Stichrohrdeckung völlig unbekannte Gröfsen sind. Hat auch der Gerichtshof die Absichtslosigkeit der Angeklagten, durch Mischwasserlieferung Gesundheitsbeschädigungen von Menschen hervorzurufen, angenommen, so ist es doch fraglich, ob bei Annahme der Typhusursache in dem linksufrigen Wasser hier nicht begangene Fahrlässigkeiten festzustellen gewesen wären, deren Sühnung vielleicht auf zivilrechtlichem Wege hätte weiter verfolgt werden können. Über zwei Punkte hat uns die Epidemie mit der angeschlossenen Gerichtsverhandlung zum ersten Male eine positive Belehrung gebracht, nämlich: 1. Ein Trinkwasser, das die Gesundheit zu schädigen geeignet ist, zu liefern, ist nach der Entscheidung

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des Essener Landgerichts vom 30. November 1904 ein Vergehen, das nach dem Nahrungs- und Genufsmittelgesetze vom 14. Mai 1879 strafbar ist. 2. Jede Beimengung von Ruhrwasser zu übrigens ordnungsmäßig filtriertem Wasser ist nach dem Obergutachten vom 1. Dezember 1902 geeignet, die menschliche Gesundheit zu schädigen. Das Urteil der höchsten wissenschaftlichen Instanz für das Medizinalwesen im Punkte 2 ist gewifs durch die Gerichtsverhandlungen allen Fachkreisen bekannt geworden, und ich glaube, die vom Minister am 11. Februar 1905 angeordnete Untersuchung hat kein Werk entdecken lassen, das zurzeit Stichrohr- etc. Wasser benutzt hätte. Trotzdem war diese Untersuchung entschieden von grofser Bedeutung, wenn sie Werke auffinden liefs, bei welchen eine solche Benutzung möglich war, und sie die Beseitigung der Anlagen dafür zur Folge gehabt hat, damit die jetzigen Werksleiter oder ihre Nachfolger nicht einmal später in höchster Not oder auf Geheifs ihres direkten Vorgesetzten darauf zurückgreifen können. Freilich ist es im Punkte 2 zweifelhaft geblieben, ob nach den vom Reichskanzleramte am 13. Januar 1899 veröffentlichten »Grundsätzen für die Reinigung von Oberflächenwasser durch Sandfiltration«, welche ein Filtrat,. das beim Verlassen des Filters nicht mehr als ungefähr 100 Keime enthält, als befriedigend bezeichnen, auch eine natürliche Filtration eine ordnungsmäfsige ist, wenn das Wasser dieser Forderung betreffs der Keimzahl genügt, was wir bislang glaubten annehmen zu dürfen. Selbst nach den »Grundzügen etc.« vom 11. Februar 1905 sind wir dazu wohl berechtigt, weil diese durch die bakteriologisch-mikroskopische Prüfung den Nachweis von Organismen etc. im Wasser, welche auf dessen unzulässige Verunreinigung durch menschliche oder tierische Abfallstoffe hindeuten, als zu erbringen aufhören, wenn sie auch femer verschiedener, durch die Besichtigung zu entdecken möglicher Mängel der Anlage und des Betriebs erwähnen, welche eine Schädigung des Wassers veranlassen könnten, die freilich nur Allbekanntes wiederholen. Hoffentlich werden die in nächster Zeit vom Reiche zu erwartenden »Grundsätze etc.« uns bald völlig aufklären. Noch eine dritte Belehrung, wenn auch mehr negativer Art, haben nicht nur wir durch die Gerichtsverhandlung erhalten, indem sie den Weg erkennen liefs, auf dem mancher der Hygieniker zur Erklärung der Typhusursachen gelangt. Meine früher schon mehrfach ausgesprochene Ansicht hat sich auch hier bestätigt, dais nämlich in einem speziellen Falle der Hygieniker bei der Deutung des Einflusses der Wasserqualität auf die menschliche Gesundheit nicht vor der Gefahr geschützt ist, durch auf persönliches Gefühl oder auf Autoritäten gestützten Glauben beim Suchen nach Beweisen auf Irrwege zu kommen, wenn er nicht als notwendige Ergänzung für seine Informationen vertrauensvoll den Wasserfachmann heranzieht, der mit den allgemeinen oder örtlichen Verhältnissen der Versorgung bekannt ist. Sowohl bei der ersten Feststellung der Epidemieursache als auch beim späteren Streiten um diese hat sich das hier, wie aus meinem Berichte hervorgeht, in klarster Weise gezeigt. Nur in der sich gegenseitig ergänzenden Beurteilung der Fragen der Wasserversorgung durch Hygieniker und Wasserfachleute ist deren das Allgemeinwohl der Bevölkerung so intensiv berührende Lösung in befriedigender Weise möglich, und wir dürfen wohl hoffen, dafe die beiden Ereignisse des Jahres 1901 dazu beitragen werden, hierfür bald einen richtigen Weg zu finden.

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