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German Pages 366 [367] Year 2019
Schriften zum Steuerrecht Band 148
Die extraterritoriale Besteuerungsgewalt des Staates
Von
Christian Sternberg
Duncker & Humblot · Berlin
CHRISTIAN STERNBERG
Die extraterritoriale Besteuerungsgewalt des Staates
S c h r i f t e n z u m St e u e r r e c ht Band 148
Die extraterritoriale Besteuerungsgewalt des Staates
Von
Christian Sternberg
Duncker & Humblot · Berlin
Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität zu Münster hat diese Arbeit im Sommersemester 2019 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
D6 Alle Rechte vorbehalten
© 2019 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Druck: CPI buchbücher.de GmbH, Birkach Printed in Germany ISSN 0582-0235 ISBN 978-3-428-15807-2 (Print) ISBN 978-3-428-55807-0 (E-Book) ISBN 978-3-428-85807-1 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
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Vorwort Darf ein Staat ausländische Flugstrecken besteuern, wenn der Start- oder Zielflughafen im Inland liegt? Entspricht es dem geltenden Völkerrecht, Finanztransaktionen in Aktien steuerlich zu belasten, deren alleiniger Anknüpfungspunkt zum besteuernden Staat darin liegt, dass es sich um Aktien inländischer Unternehmen handelt? Die vorliegende Untersuchung widmet sich diesen und vergleichbaren Fragen und untersucht ausgehend vom Steuerrecht, in welchem völkerrechtlichen Rahmen sich Staaten bei der extraterritorialen Rechtsetzung bewegen. Sie analysiert umfassend und beginnend mit den völkerrechtlichen Grundlagen der Staatsgewalt sowie der Grundstruktur der Völkerrechtsordnung, welchen Rechtsrahmen das Völkerrecht Staaten bei der Auslandsverknüpfung von Rechtsnormen im Allgemeinen und im Steuerrecht im Besonderen setzt. Ihr Kernanliegen besteht darin, ein Kriterium herauszuarbeiten, anhand dessen strukturiert und nachvollziehbar auch solche neuen Problemlagen völkerrechtlich gewürdigt werden können, bei denen Staaten bisher völlig unbekannte Anknüpfungspunkte für die Rechtsetzung wählen. Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2019 von der Juristischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster als Dissertationsschrift angenommen. Sie wurde im Juni 2018 fertiggestellt, Literatur und Rechtsprechung wurden im Wesentlichen bis Mai 2019 berücksichtigt. Naturgemäß gebührt einer Vielzahl von Personen besonderer Dank für das Gelingen dieser Arbeit: Zunächst möchte ich meinem Doktorvater Prof. Dr. Joachim Englisch für die Betreuung der Arbeit und die Möglichkeit einer Tätigkeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Steuerrecht danken. Mein Dank gilt zudem Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Schön für die langjährige und großzügige Förderung im Rahmen einer Anstellung als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am MaxPlanck-Institut für Steuerrecht und öffentliche Finanzen sowie die Gewährung eines Druckkostenzuschusses zur Veröffentlichung dieser Arbeit. Danken möchte ich schließlich auch Prof. Dr. Niels Petersen für die überaus zeitnahe Erstellung des Zweitgutachtens. Darüber hinaus gilt mein Dank allen Kolleginnen und Kollegen aus meiner Zeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Steuerrecht in Münster und am Max-Planck-Institut in München. Die zahlreichen Gespräche aus dieser Zeit haben ein äußerst positives Arbeitsumfeld geschaffen, ohne das die Arbeit in dieser Form kaum entstanden wäre. Besonderer Dank gebührt dabei Dr. Caroline Heber für zahlreiche Gespräche und Diskussionen, die die Arbeit immer bereichert haben, und Dr. Stefan Kreutzer für anregende Gespräche im gemeinsamen Büro. Nicht uner-
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Vorwort
wähnt bleiben sollen auch Petra Golombek mit dem Team der Bibliothek, Gabriele Auer sowie das gesamte Team der Verwaltung. Schließlich möchte ich allen danken, die mich im privaten Umfeld vielfältig unterstützt haben, zuvorderst meinen Eltern und meiner gesamten Familie. Auch sie haben hierdurch maßgeblich zum Gelingen der Arbeit beigetragen. Münster, im September 2019
Christian Sternberg
Inhaltsübersicht Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Teil 1 Grundlagen des Staates und seiner Staatsgewalt A. Der Staat als historisch gewachsenes rechtlich konstituiertes Gebilde . . . . . . . . . . . . . I. Die Entstehung des modernen Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der rechtliche Begriff des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Einbindung des Staates in das Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30 30 30 37 46 75
B. Struktur und Reichweite der nach innen gerichteten Staatsgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . 76 I. Die Herrschaftsgewalt des Staates im Allgemeinem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 II. Die Steuergewalt des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 C. Die souveräne Staatsgewalt – Ein Freiraum des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Teil 2 Die (extra-)territoriale Erstreckung der Rechtsetzung A. Der extraterritoriale Steuerrechtssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bestehende Ansätze in Literatur und Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Extraterritorialität als Auslandsverknüpfung in Tatbestand und Rechtsfolge . . . III. Strukturierung der (extra-)territorialen Bezüge des Steuerrechtssatzes . . . . . . . . IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Die (extra-)territoriale Reichweite der Rechtsetzungsgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 I. Die (extra-)territoriale Reichweite der tatsächlichen Bezüge . . . . . . . . . . . . . . . 156 II. Die (extra-)territoriale Reichweite des Geltungsbereiches . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 C. Schlussfolgerungen zur extraterritorialen Rechtsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 D. Die (extra-)territoriale Reichweite der Steuergewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Keine völkergewohnheitsrechtliche Bindung der Doppelbesteuerungsabkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Keine völkerrechtliche Bindung an das Wohnsitzprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Keine Beschränkung der Gebietshoheit auf territoriale Besteuerungsgrundlagen IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
198 199 209 213 215
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Inhaltsübersicht Teil 3 Völkerrechtliche Grenzen der extraterritorialen Rechtsetzung
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A. Das Kriterium der hinreichend engen Verknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Inhalt des Gebots der hinreichend engen Verknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Begründungsansätze und Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Fazit zum Kriterium der hinreichend engen Verknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Die willkürliche und treuwidrige extraterritoriale Erstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das völkerrechtliche Spannungsfeld der Freiräume der Staaten . . . . . . . . . . . . . II. Die Auflösung des Spannungsfeldes durch das Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . III. Der erforderliche Staatenbezug der Rechtsetzungsgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die gebotene willkürfreie Konkretisierung in Tatbestand und Rechtsfolge . . . . V. Kumulation mehrerer Staatenbezüge in einer Rechtsnorm . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Schlussfolgerungen und Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
259 259 267 278 294 299 301
C. Ausgewählte Beispiele extraterritorialer Steuerrechtssätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einkommensbesteuerung in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Luftverkehrsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Richtlinienentwurf für eine Finanztransaktionssteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
303 305 311 313
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 Rechtsprechungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364
Inhaltsverzeichnis Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
Teil 1 Grundlagen des Staates und seiner Staatsgewalt
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A. Der Staat als historisch gewachsenes rechtlich konstituiertes Gebilde . . . . . . . . . . . . . 30 I. Die Entstehung des modernen Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 II. Der rechtliche Begriff des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 1. Staatsgebiet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 2. Staatsvolk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 3. Staatsgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 III. Die Einbindung des Staates in das Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 1. Das verfassungsrechtlich bestimmte Innenverhältnis des Staates . . . . . . . . . . . 47 2. Das völkerrechtlich bestimmte Außenverhältnis des Staates . . . . . . . . . . . . . . . 49 a) Die souveräne Gleichheit der Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 (aa) Das völkerrechtliche Souveränitätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 (bb) Das Prinzip der souveränen Gleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 (cc) Die Souveränität des Staates als Achtungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . 54 b) Der Freiraum der Staaten zur Entfaltung eigener Staatlichkeit . . . . . . . . . . . 55 (aa) Grundlagen des Freiraums zur Entfaltung eigener, tatsächlicher Staatlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 (bb) Das Verhältnis der Freiräume untereinander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 (cc) Keine umfassende Interessenabwägung nach dem Prinzip der souveränen Gleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 c) Die Völkerrechtsbindung der Souveränität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 (aa) Das Verhältnis von Rechtsbindung und Souveränität . . . . . . . . . . . . . . 67 (bb) Völkerrechtsbindung als soziale Tatsache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 (cc) Die heutige Bedeutung des Souveränitätsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
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Inhaltsverzeichnis
B. Struktur und Reichweite der nach innen gerichteten Staatsgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . 76 I. Die Herrschaftsgewalt des Staates im Allgemeinem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 1. Personal- und Gebietshoheit als formale Bezugspunkte der Staatsgewalt . . . . . 77 a) Personalhoheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 b) Gebietshoheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 (aa) Verhältnis von territorialer Souveränität und Gebietshoheit . . . . . . . . . 79 (bb) Grundsatz der Gebietsausschließlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 (cc) Der völkerrechtliche Mindeststandard des Fremdenrechts . . . . . . . . . . 82 2. Sachliche Erscheinungsformen der Staatsgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 a) Regelungsanliegen, -interessen und -maßstab eines Rechtssatzes . . . . . . . . . 84 b) Festlegung des Tatbestandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 c) Festlegung der Rechtsfolge und Rechtsfolgenanordnung . . . . . . . . . . . . . . . 86 3. Der Inhalt der staatlichen Rechtsetzungsgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 a) Die Frage der Befugnisnorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 b) Keine Zweckbestimmung durch die Bezugspunkte der Staatsgewalt . . . . . . 89 c) Die Bedeutung der sachlichen Erscheinungsformen der Staatsgewalt . . . . . 91 d) Die inhaltliche Offenheit der Staatsgewalt nach dem Völkerrecht . . . . . . . . 92 e) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 4. Die Bedeutung des Souveränitätsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 II. Die Steuergewalt des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 1. Die Abgrenzung des materiellen Steuerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 2. Rechtsfolgen der Steuerrechtsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 a) Fiskalzwecknormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 b) Lenkungszwecknormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 c) Vereinfachungszwecknormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 3. Der Regelungszweck eines Steuerrechtssatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 4. Der Freiraum des Staates im materiellen Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 C. Die souveräne Staatsgewalt – Ein Freiraum des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
Teil 2 Die (extra-)territoriale Erstreckung der Rechtsetzung
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A. Der extraterritoriale Steuerrechtssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 I. Bestehende Ansätze in Literatur und Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 1. Extraterritorialität als völkerrechtlich geprägter Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 2. Extraterritorialität als Phänomen der Rechtsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 a) Der völkerrechtlich relevante Auslandsbezug der US-Rechtsprechung . . . . 115 b) Die spezifische Regelungsanknüpfung der GA Kokott . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 c) Die Regelung von Auslandssachverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120
Inhaltsverzeichnis
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d) Die Auslandsanknüpfung und -anordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 e) Die Auslandsverknüpfung eines Sachverhalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 3. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 II. Extraterritorialität als Auslandsverknüpfung in Tatbestand und Rechtsfolge . . . . . 125 1. Bedenken gegen eine völkerrechtliche Ausrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 a) Struktur eines völkerrechtlich geprägten Untersuchungsgegenstandes . . . . . 126 b) Verengungstendenzen einer völkerrechtlichen Begriffsdefinitionen . . . . . . . 126 c) Die Notwendigkeit eines Vorverständnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 2. Der extraterritoriale Rechtssatz nach dem einfachen Wortsinn . . . . . . . . . . . . . 129 a) Der Rechtssatz als vollständiger Rechtssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 b) Extraterritorialität des Tatbestandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 (aa) Die Abstraktion eines Lebenssachverhaltes im Tatbestand . . . . . . . . . . 132 (bb) Die Bedeutung der sprachlichen Fassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 c) Extraterritorialität der Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 (aa) Kein Einbezug mittelbarer nicht-intendierter Auswirkungen . . . . . . . . 136 (bb) Die Extraterritorialität der Rechtsfolgenanordnung . . . . . . . . . . . . . . . . 137 (cc) Die Reichweite der Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 (1) Die Belastung des Tatbestandes mit der Rechtsfolgenanordnung als Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 (2) Die Nichtbelastung bestimmter Sachverhalte als Rechtsfolge der Rechtsnorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 (3) Folgerungen für die extraterritoriale Reichweise . . . . . . . . . . . . . . . 141 III. Strukturierung der (extra-)territorialen Bezüge des Steuerrechtssatzes . . . . . . . . . 143 1. Der Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 2. Die Gebietsbezüge auf tatsächlicher Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 a) Regelungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 b) Rechtsfolgenbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 c) Das Verhältnis des Regelungs- zum Rechtsfolgenbereich . . . . . . . . . . . . . . . 145 3. Das Verhältnis des Geltungsbereiches zu den tatsächlichen Bezügen . . . . . . . . 146 a) Geltungs- und Regelungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 b) Geltungs- und Rechtsfolgenbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 B. Die (extra-)territoriale Reichweite der Rechtsetzungsgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 I. Die (extra-)territoriale Reichweite der tatsächlichen Bezüge . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 1. Die Gebietshoheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 a) Das enge Territorialitätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 b) Das weite Territorialitätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 (aa) Die Notwendigkeit eines Erlaubnistatbestandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 (1) Die (extra-)territoriale Reichweite der Rechtsetzung . . . . . . . . . . . . 160 (2) Die Bedeutung der Lotus-Entscheidung des StIGH . . . . . . . . . . . . . 160
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Inhaltsverzeichnis (bb) Das Erfordernis eines territorialen Bezugs der Rechtsetzung . . . . . . . . 164 c) Keine Beschränkung der tatsächlichen Bezüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 (aa) Die Verengung der Gebietshoheit durch das Territorialitätsprinzip . . . . 168 (1) Das widerspruchsvolle Verhältnis von Territorialitäts- und Wirkungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 (2) Grundsätzliche Bedenken gegen die Konkretisierung der Gebietshoheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 (3) Zwischenfazit zum Territorialitätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 (bb) Der Gebietsbezug der Rechtsetzungsgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 (1) Zurückweisung der tatsächlichen Bezüge als Gebietsbezug . . . . . . 174 (2) Die Rechtsgeltung als Gebietsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 (3) Rechtsfolgenebene als erweiterter Gebietsbezug? . . . . . . . . . . . . . . 181 (cc) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 d) Schlussfolgerungen zur (extra-)territorialen Reichweite . . . . . . . . . . . . . . . . 182 e) Rechtsprechung des (St)IGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 f) Fazit zum Regelungs- und Rechtsfolgenbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 2. Die Personalhoheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 II. Die (extra-)territoriale Reichweite des Geltungsbereiches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 1. Die Gebietshoheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 2. Die Personalhoheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194
C. Schlussfolgerungen zur extraterritorialen Rechtsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 D. Die (extra-)territoriale Reichweite der Steuergewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 I. Keine völkergewohnheitsrechtliche Bindung der Doppelbesteuerungsabkommen 199 1. Zur Ableitung aus den Doppelbesteuerungsabkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 2. Zur Ableitung aus dem Verhalten der Nicht-Vertragsparteien . . . . . . . . . . . . . . 206 II. Keine völkerrechtliche Bindung an das Wohnsitzprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 1. Keine bereichsspezifische Ausformung der Personalhoheit . . . . . . . . . . . . . . . . 209 2. Keine inhaltliche Einengung der Steuergewalt auf das Wohnsitzprinzip . . . . . . 210 III. Keine Beschränkung der Gebietshoheit auf territoriale Besteuerungsgrundlagen 213 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215
Teil 3 Völkerrechtliche Grenzen der extraterritorialen Rechtsetzung
216
A. Das Kriterium der hinreichend engen Verknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 I. Inhalt des Gebots der hinreichend engen Verknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 1. Gegenstand der geforderten Verknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 a) Verknüpfungen abseits des Steuerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218
Inhaltsverzeichnis
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b) Verknüpfungen im Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 (aa) Ansätze der wirtschaftlichen Zugehörigkeit und die Bedeutung des Äquivalenzprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 (bb) Leistungsfähigkeitsgerechte Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 c) Schlussfolgerungen zur geforderten Verknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 2. Das Abwägungsgebot und Rechtsmissbrauchsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 II. Begründungsansätze und Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 1. Die Ex-Ante Begrenzung der Staatsgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 2. Das Abwägungsgebot und Rechtsmissbrauchsverbot als Verengungen einer hinreichend engen Verknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 3. Das Interventionsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 a) Zur Intervention durch eine extraterritoriale Rechtsetzung im Allgemeinen 233 b) Zur Intervention durch eine extraterritoriale Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . 235 4. Das Rechtsmissbrauchsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 5. Die Bedeutung der Rechtssache Nottebohm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 6. Völkergewohnheitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 a) Das Erfordernis der tatsächlichen Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 (aa) Die Notwendigkeit einer Rechtsförmigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 (bb) Fehlen der Rechtsförmigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 (1) Fehlen einer rechtsförmigen Struktur nach der Literatur . . . . . . . . . 249 (2) Keine Verschränkung der Rechtsetzungs- und Rechtsdurchsetzungsgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 b) Das Bestehen einer Rechtsüberzeugung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 c) Keine Herausbildung über die Figur des instant Völkergewohnheitsrechts
257
III. Fazit zum Kriterium der hinreichend engen Verknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 B. Die willkürliche und treuwidrige extraterritoriale Erstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 I. Das völkerrechtliche Spannungsfeld der Freiräume der Staaten . . . . . . . . . . . . . . 259 1. Einwirkungen der extraterritorialen Rechtsetzung im Allgemeinen . . . . . . . . . 261 2. Einwirkungen der extraterritorialen Steuerrechtsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 II. Die Auflösung des Spannungsfeldes durch das Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 1. Die Missachtung fremder Souveränität als Verstoß gegen Treu und Glauben
268
a) Das Erfordernis der Achtung fremder Souveränität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 b) Das Gebot von Treu und Glauben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 2. Die Bedeutung des völkerrechtlichen Willkürverbotes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 a) Grundsätzlicher Inhalt und Herleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 b) Die willkürfreie extraterritoriale Rechtsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 (aa) Das Verhältnis von Regelung und Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . 275 (bb) Das Erfordernis eines staatenbezogenen Regelungsanliegens . . . . . . . . 275 c) Keine darüberhinausgehende Verengung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276
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Inhaltsverzeichnis 3. Schlussfolgerungen zur extraterritorialen Erstreckung des Tatbestandes und der Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 III. Der erforderliche Staatenbezug der Rechtsetzungsgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 1. Staatsvolkbezogene Regelungsanliegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 a) Unmittelbar staatsangehörigkeitsbezogene Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . 279 b) Die Ausformung der Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 c) Der Schutz der Staatsangehörigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 d) Zusammenfassung und Verhältnis zum Personalitätsprinzip . . . . . . . . . . . . . 282 2. Staatsgebietsbezogene Regelungsanliegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 a) Der Umgang mit dem Staatsgebiet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 b) Die Regelung des menschlichen Verhaltens im Staatsgebiet . . . . . . . . . . . . . 285 c) Das Verhältnis zwischen inländischem Verhalten und ausländischen Einwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 d) Die Regelung des ausländischen Verhaltens im Staatsgebiet ansässiger Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 e) Zusammenfassung und Verhältnis zum Territorialitäts- und Wirkungsprinzip 289 3. Bestand allgemein-staatsbezogener Anliegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 a) Außenpolitisch motivierte Rechtsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 b) Verfolgung allgemein-staatsbezogener, anerkannter Regelungsanliegen . . . 291 4. Verhältnis des Staatenbezugs zur Personal- und Gebietshoheit . . . . . . . . . . . . . 293 IV. Die gebotene willkürfreie Konkretisierung in Tatbestand und Rechtsfolge . . . . . . 294 1. Allgemeine Überlegungen zum Willkürverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 a) Denkbare Divergenzen zwischen dem Regelungsanliegen und der Regelung 294 b) Nicht ernstlich verfolgte Regelungsanliegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 c) Das geforderte Verhältnis von Abstraktheit und Konkretheit . . . . . . . . . . . . 295 d) Die Kumulation staatlicher Regelungsanliegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 e) Die Nichterfassung vergleichbarer Sachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 2. Folgerungen für die willkürliche Ausformung des Staatenbezuges . . . . . . . . . . 298 V. Kumulation mehrerer Staatenbezüge in einer Rechtsnorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 VI. Schlussfolgerungen und Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301
C. Ausgewählte Beispiele extraterritorialer Steuerrechtssätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 I. Einkommensbesteuerung in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 1. Der Regelungszweck der Einkommensteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 2. Der Staatenbezug des Regelungsanliegens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 3. Die willkürfreie Konkretisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 a) Die beschränkte Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 b) Die unbeschränkte Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 II. Die Luftverkehrsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311
Inhaltsverzeichnis
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III. Richtlinienentwurf für eine Finanztransaktionssteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 1. Das Regelungsanliegen der Finanztransaktionssteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 2. Der Staatenbezug des Regelungsanliegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 3. Die willkürfreie Verfolgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 a) Art. 4(1)(b) FTT-Richtlinienentwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 b) Art. 4(1)(c)–(e) FTT-Richtlinienentwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 c) Art. 4(1)(f) FTT-Richtlinienentwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 d) Art. 4(1)(g), (2)(c) FTT-Richtlinienentwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 Rechtsprechungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364
Abkürzungsverzeichnis Abs. AO Art. AVR AWD BaFin BB BFH BGHZ BIT Brit. Y.B. Int. bspw. BStBl. BTR BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE bzw. CMLR D. d. h. ders. DFI DGFIR DStJG DStR DStZ ECLI EGMR EJIL EStG EuGH f., ff. FA FG FR FTT-Richtlinienentwurf GA
Absatz Abgabenordnung Artikel Archiv des Völkerrechts Außenwirtschaftsdienst des Betriebs-Beraters Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Betriebs-Berater Bundesfinanzhof Entscheidungen des Bundesgerichtshofes Bulletin for International Taxation British Yearbook of International Law beispielsweise Bundessteuerblatt British Tax Review Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Beziehungsweise Common Market Law Review Digesten das heißt derselbe Derivatives and Financial Instruments Deutsche Gesellschaft für Internationales Recht Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft Deutsches Steuerrecht Deutsche Steuer-Zeitung European Case Law Identifier Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte European Journal of International Law Einkommensteuergesetz Europäischer Gerichtshof folgende, fortfolgende FinanzArchiv Finanzgericht Finanz-Rundschau Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Umsetzung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Finanztransaktionsteuer, 14. 2. 2013, COM(2013) 71 final Generalanwalt
Abkürzungsverzeichnis GYIL Hrsg. IFA IGH ILC ILO ILR ISR IStR JZ lit. LJL LuftVStG MA MiFiD I
NLR Nr. NVwZ NZSt OECD ÖStZÖR RabelsZ RdF RdW Rn. S. sect. StGB StIGH StuW u. a. UN UN-Charta USA vgl. WTJ ZaöRV
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German Yearbook for International Law Herausgeber International Fiscal Association Internationale Gerichtshof International Law Commission International Labour Organisation International Law Reports Internationale Steuer-Rundschau Internationales Steuerrecht JuristenZeitung litera Leiden Journal of International Law Luftverkehrsteuergesetz Musterabkommen Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates Netherlands International Law Review Nummer Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Strafrecht Organisation for Economic Co-operation and Development Österreichische Zeitschrift für öffentiches Recht Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Recht der Finanzinstrumente Recht der internationalen Wirtschaft Randnummer Seite section Strafgesetzbuch Ständige Internationale Gerichtshof Steuer und Wirtschaft und andere Vereinte Nationen Charta der Vereinten Nationen Vereinigte Staaten von Amerika vergleiche World Tax Journal Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht
Einführung „Extra territorium ius dicenti impune non paretur.“1 „Wer außerhalb seines Gebietes Recht spricht, darf ungestraft missachtet werden.“2
Bereits das römische Recht war mit Fragen der territorialen Begrenzung der Herrschaftsgewalt konfrontiert. Während ursprünglich nur für die Rechtsprechungsgewalt von einer territorialen Begrenzung auszugehen war, wurde diese territoriale Begrenzung später auf die Rechtsetzungsgewalt übertragen.3 Mit Blick auf die Rezeption des römischen Rechts überrascht es daher nicht, dass auch der spätere Diskurs über die Territorialität der Rechtsetzungsgewalt im Mittelalter und der Neuzeit unter Verweis auf diese frühen Regelungen über das Verhältnis von Herrschaftsgewalt und Territorium geführt wurde. Für die Frage nach der extraterritorialen Reichweite der souveränen Staaten kann in bemerkenswerter Art und Weise auf diesen Ausspruch des römischen Rechts verwiesen werden: Im Kern wohnt diesem Prinzip des römischen Rechts die Vorstellung inne, dass außerhalb seines Befugnisbereiches der Richter nicht befugt ist, ein Werturteil zu sprechen und zu richten. Im Völkerrecht ist der Richter selbstredend nicht der aus dem staatlichen Bereich bekannte Richter, sondern der Staat als Souverän. Dass die Staatlichkeit seit jeher prägende Souveränitätsprinzip beinhaltet es, dass der Staat die höchste Instanz ist, die Wertungen bestimmt und richtet.4 Diese Tätigkeit des Staates tritt nicht nur in der Rechtsprechung und Rechtsdurchsetzung zu Tage, sondern bestimmt auch bereits die Setzung des positiven Rechts, das die abstrakte, der Rechtsanwendung vorgelagerte Abwägung von Interessen und die Entfaltung eines Werturteils zum Gegenstand hat. Als Souverän unterliegt der Staat bei der Rechtsetzung lediglich den rechtlichen Beschränkungen, die die Völkerrechtsgemeinschaft hervorgebracht hat. In dieser Völkerrechtsgemeinschaft stehen sich die Staaten als gleichrangige, souveräne 1
D. 2 I. 20. Siehe auch Fellmeth/Horwitz, Guide to Latin in international law, 2009, Extra territorium ius dicenti impune non paretur: „One who gives a judgment outside his territory may be disobeyed with impunity.“ 3 Gutzwiller, Geschichte des Internationalprivatrechts, 1977, S. 29 ff.; Mann, Studies in International Law, 1973, S. 17; Neumeyer, Die gemeinrechtliche Entwicklung des internationalen Privat- und Strafrechts bis Bartolus, 1916, S. 72 ff. 4 Krüger, Souveränität und Staatengemeinschaft, in: DGFIR, Zum Problem der Souveränität, DGFIR Band 1, 1957, S. 1 ff., 23. Vgl. auch Kegel/Seidl-Hohenveldern, Zum Territorialitätsprinzip im internationalen Öffentlichen Recht, in: Ferid u. a. (Hrsg.), Konflikt und Ordnung, 1978, S. 233 ff., 237. 2
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Einführung
Völkerrechtssubjekte gegenüber, weshalb keinem Staat die Befugnis zukommt, in Ausübung seiner Staatsgewalt über andere Staaten zu richten, wie eindrucksvoll auch der ebenfalls dem römischen Recht entlehnte Grundsatz des Völkerrechts par in parem non habet imperium5 belegt. Dieses Nebeneinander der staatlichen Befugnisse, in Wahrnehmung der Rechtsetzungsgewalt zu werten und zu richten besteht aber nur dem ersten Anschein nach als ein überschneidungsfreies System koordinierter Rechtsordnungen. Ebenso wie bereits im Mittelalter unter anderem die zunehmende Mobilität der Menschen und die stärkere Vernetzung der Welt Druck auf das personalistisch geprägte Herrschaftssystem ausübte und zur Herausbildung der territorial und personal konzipierten Staaten zur Lösung der Herrschaftskonflikte führte, scheint die Rechtsetzungsgewalt der Staaten in Zeiten der Globalisierung unter Druck zu geraten. Während die einen auf Grund der Beschränkung der Rechtsdurchsetzung auf das Staatsgebiet bereits den staatlichen Steuerungsverlust diagnostizieren, reagieren die Staaten nicht nur mit einer zunehmenden Koordinierung der Rechtsordnungen, sondern auch mit einer extraterritorialen Ausweitung ihrer Rechtsetzungsgewalt über die Grenzen des Bereiches hinaus, in dem sie das Recht selbst unmittelbar durchsetzen können. Diese Erstreckung beruht auf dem Bewusstsein, dass doch gerade die Mobilität und Vernetzung der Welt über Staatsgrenzen dazu führt, dass die Rechtsordnung auch jenseits der unmittelbaren Durchsetzungsmöglichkeiten des Staates wirksam werden kann.6 Auch wenn die Setzung grenzüberschreitend wirksamer normativer Vorgaben daher kein neues Phänomen ist, so stellt sich die Frage nach der Befugnis der Staaten zur extraterritorialen Rechtsetzung heute mehr denn je. In den letzten Jahren wurde eine Vielzahl von Rechtssätzen geschaffen, die extraterritoriale Merkmale aufweisen: Nachdrücklich belegt dies im Steuerrecht der europäische Richtlinienentwurf für eine Finanztransaktionssteuer7, die die ebenfalls extraterritorial erstreckte eu5 Dieser der souveränen Gleichheit der Staaten entsprechende Satz des römischen Rechts wird insbesondere im Rahmen der Immunität der Staaten bedeutsam, nach dem kein Akt der Staatsgewalt eines Staates Gegenstand der Gerichtsbarkeit eines fremden Staates sein kann. 6 Oeter, Souveränität – ein überholtes Konzept?, in: Cremer u. a. (Hrsg.), Tradition und Weltoffenheit des Rechts, 2002, S. 259 ff., 259 ff.; Beyerlin, Staatliche Souveränität und internationale Umweltschutzkooperation, in: Beyerlin u. a. (Hrsg.), Recht zwischen Umbruch und Bewahrung, 1995, S. 937 ff., 940; Kamminga, Extraterritoriality, in: Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law; Emmerich-Fritsche, Vom Völkerrecht zum Weltrecht, 2010; Ohler, Die Kollisionsordnung des allgemeinen Verwaltungsrechts Strukturen des deutschen internationalen Verwaltungsrechts, 2005, S. 327; Di Fabio, Der Verfassungsstaat in der Weltgesellschaft, 2001; Tietje, Internationalisiertes Verwaltungshandeln, 2001; Mann, Studies in International Law, 1973, S. 28; Bär, Kartellrecht und Internationales Privatrecht, 1965, S. 346 ff.; Walker (Hrsg.), Relocating sovereignty, 2006; Colangel, Constitutional Limits on Extraterritorial Jurisdiction: Terrorism and the Intersection of National and International Law, Harvard Law Review, 2007, S. 121 ff., 128 ff.; Berman, The Globalization of Jurisdiction, University of Pennsylvania Law Review, 2002, 311 ff., 327 ff. 7 Siehe zu dieser Teil 3 C. III.
Einführung
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ropäische Finanzmarktregulierung8 ergänzen soll, die nach der Finanz- und Staatsschuldenkrise etabliert wurde. Auch im Umweltrecht, dort bspw. im CO2-Emissionshandel der Europäischen Union9 und der deutschen Luftverkehrsteuer10, und im Arzneimittelrecht11 finden sich extraterritoriale Ansätze. Weiterhin ist mit der europäischen Datenschutzgrundverordnung am 26. Mai 2018 ein neuer Regelungsbereich mit extraterritorialen Rechtsnormen geschaffen worden.12 Folge einer extraterritorialen Erstreckung der Rechtsetzung ist, dass in diesen Fällen Staaten in Bezug auf Lebensverhältnisse Wertungen entfalten, die auch der Befugnis anderer Staaten unterliegen. Dies hat im Ausgangspunkt ein Nebeneinander der Regelungsbefugnisse mehrerer Staaten zur Folge. Doch wenn im Ausgangspunkt die Rechtsetzungsgewalt dadurch gekennzeichnet sein soll, dass der Staat als unabhängiger Richter höchster Instanz rechtssetzend tätig zu werden, so fragt es sich, ob und unter welchen Voraussetzungen es ein solches Nebeneinander überhaupt geben darf. Folgt man in dieser Frage dem eingangs genannten Satz des römischen Rechts, so bestehen diese Überschneidungen fort und es obliegt jedem Staat, seine Wertungen unabhängig der Wertungen anderer Staaten zu verfolgen. Allerdings schließt sich an die zitierte Aussage des römischen Rechts unmittelbar eine weitere Aussage an, nach der gleichsam keinem Richter die Möglichkeit zukommt, seine Rechtssprechungsbefugnis selbst zu begründen. Wird ein Richter daher im Rahmen seiner territorial bezogenen Befugnis zur Rechtsprechung tätig, so bindet sein Urteil, darüber hinaus kann es straffrei missachtet werden und kein Richter kann durch Richterspruch seine Befugnis über das eigene Gebiet hinaus begründen. Hierin gelangt in ganzer Form 8
Vgl. bspw. Kapitel IV Abschnitt 1 der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EU, Kapitel IV der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister und Art. 10 sowie Kapitel IV der Verordnung (EU) Nr. 236/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. März 2012 über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps. 9 Siehe zur extraterritorialen Regelung bspw. die Koordinierungsnormen in Art. 12, 25, 25a der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 2003 über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG des Rates (zuletzt geändert durch Beschluss (EU) 2015/ 1814 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Oktober 2015 über die Einrichtung und Anwendung einer Marktstabilitätsreserve für das System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Union und zur Änderung der Richtlinie 2003/87/EG). 10 Siehe Teil 3 C. II. 11 Siehe § 78 Arzneimittelgesetz in Verbindung mit §§ 1, 3 Arzneimittelpreisverordnung, der allerdings durch EuGH, Urteil v. 19. 10. 2016, C-148/15, Deutsche Parkinson Vereinigung, ECLI:EU:C:2016:776 als europarechtswidrig eingeordnet wurde. 12 Siehe zum räumlichen Anwendungsbereich Art. 3 (2) der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung).
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die nach römischem Recht bestehende enge territoriale Begrenzung der Rechtssprechungsgewalt zum Ausdruck. Wollte man auch diesen Teil des Ausspruches berücksichtigen und auf die Staaten als souveräne Träger der Herrschaftsgewalt übertragen, so ist die enge territoriale Begrenzung der Rechtsetzungsgewalt die Folge: Denn eine Bindung an den Richterspruch der Staaten in Form der Rechtsetzung ist nur möglich, wenn allein der Staat befugt ist, Wertungen zu entfalten und zu richten. Eine sich überschneidende Befugnis, die gleichsam mehreren Staaten zusteht, ist nicht denkbar.13 Eine Übertragung des eingangs genannten Ausspruch des römischen Rechts auf die Rechtsetzung skizziert daher die gesamte Spannbreite des Diskurses um die extraterritoriale Erstreckung der staatlichen Rechtsetzungsgewalt: Auf der einen Seite besteht im Sinne einer isolierten Betrachtung des ersten Satzes des Ausspruches die Möglichkeit der Annahme einer vollständigen Freiheit der Staaten, ihre Rechtsetzungsgewalt extraterritorial zu erstrecken, während demgegenüber eine Zusammenschau eine enge territoriale Begrenzung der Rechtsetzung nahelegt. Vor dem Hintergrund der Bedeutung der extraterritorialen Rechtsetzung und der Frage der staatlichen Befugnis zur extraterritorialen Rechtsetzung hat es sich daher die vorliegende Arbeit zum Ziel genommen, die territoriale Reichweite der rechtsetzenden Besteuerungsgewalt nach Maßgabe des Völkerrechts zu untersuchen. Umfang und Gang der Untersuchung
Die vorliegende Arbeit hat eine Untersuchung der völkerrechtlichen Vorgaben über die territoriale Reichweite der staatlichen Rechtsetzung14 auf dem Gebiet des materiellen Steuerrechts zum Gegenstand. Dieser Beschreibung des Untersuchungsgegenstandes sind zahlreiche Eingrenzungen des Untersuchungsgegenstandes immanent, auf die hinzuweisen ist. So ist Folge der Begrenzung der Untersuchung auf die nach dem Völkerrecht rechtmäßige territoriale Reichweite der Rechtsetzungsgewalt im materiellen Steuerrecht zunächst, dass die entwickelten Ergebnisse nicht ohne weiteres auf andere Rechtsgebiete übertragen werden können. Zwar ist richtigerweise anerkannt, dass die Rechtsetzungsgewalt der Staaten rechtsgebietsübergreifend eine identische Grundstruktur aufweist und daher keine eigenständige Steuer-, Straf-, Umwelt- oder Kartellrechtsgewalt besteht, die einer isolierten Analyse zugänglich wäre. Anerkannt ist aber auch die Möglichkeit, die sodann jeweils zu untersuchen wäre, dass sich für einzelne Themenkomplexe besondere Regelungen des Völkerrechts herausgebildet 13 Vgl. auch Gutzwiller, Geschichte des Internationalprivatrechts, 1977, S. 158, insbesondere auch die dortige Fußnote 152. 14 Dies hat eine Beschränkung des Untersuchungsgegenstandes auf das positive Recht zur Folge, siehe auch Isensee, Staat und Verfassung, in: Badura u. a. (Hrsg.), Grundlagen von Staat und Verfassung, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, 1995, S. 591 ff., 611; Seiler, Der souveräne Verfassungsstaat zwischen demokratischer Rückbindung und überstaatlicher Einbindung, 2005, S. 80 ff., 98 ff.; Schilling, Rang und Geltung von Normen in gestuften Rechtsordnungen, 1994, S. 26 ff.
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haben, wie dies bspw. im Umweltrecht der Fall ist. Weitergehend wird zudem die vorliegende Arbeit in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung im Völkerrecht aufzeigen, dass die konkret bestehende Begrenzung der extraterritorialen Rechtsetzung nur mit Blick auf die Interessen und Wertungen der jeweiligen Regelung bestimmt werden kann. Zu weitgehend wäre der Anspruch, eine alle Rechtsgebiete umfassende Analyse der extraterritorialen Rechtsetzung anzustreben. Die im Rahmen dieser Arbeit entwickelten Ergebnisse können daher nur in ihrer Grundstruktur auf andere Rechtsgebiete unter dem Vorbehalt übertragen werden, dass die dortige Rechtsetzungsgewalt weder völkervertraglich noch völkergewohnheitsrechtlich eine besondere Ausformung erfahren hat. Nicht aber können dieser Arbeit jenseits der Grundstruktur des entwickelten Kriteriums rechtsgebietsübergreifend geltende Merkmale oder Anknüpfungspunkte entnommen werden, bei deren Vorliegen eine extraterritoriale Rechtsetzung als völkerrechtskonform anzusehen wäre. Soweit die Literatur dem Anschein nach auf derartige Prinzipien in Form des Territorialitäts-, Personalitäts-, Wirkungs-, Schutz- und Universalitätsprinzips verweist, erkennt auch diese an, dass es einer Konkretisierung für das jeweilige Rechtsgebiet bedarf und keine allgemein gültigen Aussagen getroffen werden können. Hierdurch ergibt sich die auch die vorliegende Arbeit prägende Zweiteilung der Untersuchung: So ist zunächst die grundsätzliche Reichweite der Rechtsetzungsgewalt an sich in den Blick zu nehmen, bevor hieran anschließend rechtsgebietsspezifische Besonderheiten untersucht werden können, wobei im Rahmen dieser Arbeit lediglich die Besonderheiten der Rechtsetzung auf dem Gebiet des materiellen Steuerrechts betrachtet werden. Weitergehend ist den Untersuchungsgegenstand eingrenzend festzustellen, dass im Ausgangspunkt weder die Reichweite der Rechtsprechungs- oder Rechtsdurchsetzungsgewalt noch die (extra-)territoriale Erstreckung des Steuerverfahrensrechts15 vom Untersuchungsgegenstand umfasst ist.16 Den Möglichkeiten des Staates zur tatsächlichen Durchsetzung des materiellen Rechts kommt zwar insoweit Bedeutung zu, als aus der territorialen Beschränkung der tatsächlich ausgeübten Staatsgewalt in Form der Rechtsdurchsetzungsgewalt eine völkerrechtliche Beschränkung der Rechtsetzungsgewalt folgen könnte. Insoweit liegt es auch nahe, dass hierdurch aufgeworfene Verhältnis von Recht und tatsächlicher Macht auf Grund der territorialen Divergenz zwischen der Reichweite der Rechtsetzung und der 15
Zum Verfahrensrecht allgemein siehe insbesondere Ohler, Die Kollisionsordnung des allgemeinen Verwaltungsrechts Strukturen des deutschen internationalen Verwaltungsrechts, 2005; Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, 1998. 16 Siehe aber auch Ohler, Die Kollisionsordnung des allgemeinen Verwaltungsrechts Strukturen des deutschen internationalen Verwaltungsrechts, 2005, S. 353 ff., der diese Fragen allerdings als Folge der Rechtsetzungsgewalt behandeln will, da insoweit auch die Konkretisierung des Rechts im Einzelfall ein Akt der Setzung einer einzelfallbezogenen Regelung darstelle, Ohler, Die Kollisionsordnung des allgemeinen Verwaltungsrechts Strukturen des deutschen internationalen Verwaltungsrechts, 2005, S. 354.
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Rechtsdurchsetzung zu erörtern. Auf eine grundsätzliche Erörterung dieser Frage nach dem strukturellen Verhältnis von Recht und Macht soll allerdings mit Rücksicht auf den Umfang der Arbeit verzichtet werden, weshalb lediglich untersucht wird, ob dem Völkerrecht eine Verknüpfung der Rechtsetzung und der Rechtsdurchsetzung zu entnehmen ist; dieser Untersuchung liegt damit die Prämisse zugrunde, dass das Bestehen von Recht zumindest nicht prinzipiell das territorial ebenso weitreichende Bestehen einer tatsächlichen und unmittelbaren Macht im Sinne einer übereinstimmenden territorialen Reichweite der Rechtsetzung und Rechtsdurchsetzung verlangt. Darüber hinaus wird nicht untersucht, in welcher Art und Weise sowie auf Basis welcher Prinzipien eine zulässige völkerrechtliche Erstreckung der Rechtsetzungsgewalt durch die Staaten völkervertraglich koordiniert und zurückgenommen werden kann. Ebenso wenig sind dem nationalen Recht zugehörige Kollisionsnormen, insbesondere jene des internationalen Privatrechts, Teil des Untersuchungsgegenstandes, da diese nicht die Grundlegung der Rechtsetzungsgewalt betreffen, sondern vielmehr durch die Rechtsetzungsgewalt im völkerrechtlich zulässigen Rahmen bestehende Überschneidungen auflösen und das im Einzelfall anwendbare Recht bestimmen.17 Eng verknüpft ist hiermit in der Regel auch die Anerkennung fremden Rechts, eine Frage, die ebenso im Rahmen dieser Arbeit nicht behandelt wird. Ebenso ausgenommen ist die Frage nach der Möglichkeit und Bedeutung der völkervertraglichen Koordination der Reichweite der Rechtsetzungsgewalt, einerseits, weil diese lediglich in Ausnahmefällen festzustellen ist,18 andererseits weil es sich um eine Frage handelt, die die Beantwortung zweier Vorfragen erfordert: Erstens wäre zunächst die nach dem Völkerrecht bestehende Reichweite der Rechtsetzungsgewalt zu untersuchen. Zweitens setzt die völkervertragliche Koordinierung voraus, dass den Staaten über ein etwaiges die Rechtsetzungsgewalt begrenzendes Kriterium die Dispositionsbefugnis zukommt, eine Frage, die ebenso vorgehend zu erörtern wäre. Zum Untersuchungsgegenstand zählt allerdings nur die Frage nach der
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Siehe bspw. Meessen, International Law Limitations on State Jurisdiction, in: Olmstead (Hrsg.), Extra-territorial application of laws and responses thereto, 1984, 38 ff., 39; Wolff, Einleitung, in: Wolff (Hrsg.), Das Internationale Privatrecht Deutschlands, 1954, S. 1 ff.; Ohler, Die Kollisionsordnung des allgemeinen Verwaltungsrechts Strukturen des deutschen internationalen Verwaltungsrechts, 2005, S. 15 ff.; 28 ff.; Mann, Studies in International Law, 1973, S. 10 ff.; Vogel, Internationales Steuerrecht, DStZ, 1997, S. 269 ff., 271; Mössner, Der Begriff des Internationalen Steuerrechts in der neueren Literatur, ÖStZÖR, 1974, S. 250 ff., 266 ff. sowie Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 628 ff.; Meng, Regeln über die Jurisdiktion der Staaten im amerikanischen Restatement (Third) of Foreign Relations Law, AVR, 1989, S. 156 ff., 28 f. zum 3rd Restatement of the Law, American Law Institute, Restatement of the law, 3. Auflage, 1992, mit weiteren Nachweisen zur vereinzelten Verknüpfung der Fragestellungen. 18 Hierauf weist auch Schmahl, Zwischenstaatliche Kompetenzabgrenzung im Cyberspace, AVR, 2009, S. 284 ff., 293 hin.
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Reichweite der Rechtsetzungsgewalt, nicht aber sollen diese weitergehenden Fragen betrachtet werden.19 Nähert man sich der Frage der völkerrechtlichen Zulässigkeit der extraterritorialen Rechtsetzung, so stößt man darüber hinaus leicht auf weitere Zusammenhänge, in denen der Begriff der Extraterritorialität von Bedeutung ist, ohne dass diese Fragen bei näherer Betrachtung zum Untersuchungsgegenstand zu rechnen sind: Insbesondere historisch ist der Begriff der Extraterritorialität im Völkerrecht vorgeprägt durch diejenigen Regelungen, die die diplomatische Immunität sowie die bestehenden Vorrechte und Befreiungen eines Staates auf dem Gebiet fremder Staaten betreffen. Diese diplomatische Dimension betrifft allerdings nicht die extraterritoriale Erstreckung der Rechtsetzungsgewalt eines Staates, sondern vielmehr die Frage, inwieweit das territorial geltende Recht auf die Tätigkeit fremder Staaten und seiner Organe Anwendung finden kann.20 Eine weitere Dimension des Begriffs der Extraterritorialität hat sich darüber hinaus im Bereich der Menschenrechte herausgebildet, insbesondere im Zuge der Bekämpfung terroristischer Aktivitäten. In diesen Fällen ist jenseits der Frage der völkerrechtlichen Zulässigkeit von Festnahmen auf fremdem Staatsgebiet fraglich, inwieweit der Staat außerhalb des ihm unterstehenden Staatsgebietes an etwaige Grundrechte des Verfassungsrechts und partikulär bestehende Menschenrechtskonventionen gebunden ist. So hat sich insbesondere mit Blick auf die Europäische Menschenrechtskonvention eine Diskussion über die Extraterritorialität der Staatstätigkeit entwickelt.21 Aber auch diese 19
Mit Blick auf die Dispositionsbefugnis ist festzustellen, dass eine Koordinierung angesichts der bestehenden Staatenpraxis zweifelsohne möglich ist. Ob aber jenseits dieser Koordinierung der Rechtsetzungsgewalt den Staaten eine Dispositionsbefugnis zukommt, ist mit zahlreichen weitergehenden Fragen verbunden, sofern hierdurch die Rechtsetzungsgewalt in einer Art und Weise extraterritorial ausgeweitet werden soll, die an sich als völkerrechtswidrig anzusehen wäre. So wäre zu fragen, ob hierin eine Einwilligung liegt, die die Rechtmäßigkeit der Erstreckung bewirkt, oder ob die Einwilligung lediglich inter partes dazu führt, dass die Rechtswidrigkeit seitens des einwilligenden Staates nicht vorgebracht werden kann, betroffene Drittstaaten allerdings die Rechtswidrigkeit rügen können. Dies ist insbesondere von Bedeutung, soweit sich ein Angehörige eines Staates im Gebiet eines weiteren Staates aufhalten, mit dem ein anderer Staat seine Rechtsetzungsgewalt derart koordiniert hat, dass letztgenannter Staat zur, an sich völkerrechtswidrigen, extraterritorialen Erstreckung befugt sei. In diesem Fall stellen sich beispielsweise Fragen des diplomatischen Schutzes in Bezug auf das Verhalten gegenüber dem Angehörigen des Drittstaates, zumal die Person gerade auch Angehöriger dieser beiden Staaten, nicht aber des Aufenthaltsstaates, sein könnte. Dies hätte zur Folge, dass der Disposition insoweit auch eine gewisse Drittwirkung zukommen könnte, weshalb mit Blick auf diese Fragen von einer Erörterung der Dispositionsbefugnis abgesehen wird. 20 Siehe bspw. Herdegen, Völkerrecht, 17. Auflage, 2018, S. 293 ff.; Shaw, International law, 8. Auflage, 2017, S. 523 ff.; von Arnauld, Völkerrecht, 3. Auflage, 2016, S. 137 ff., 241 ff.; Brownlie, Principles of public international law, 7. Auflage, 2008, S. 323 ff. 21 Siehe hierzu unter ausführlicher Analyse der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte bspw. Miller, Revisiting Extraterritorial Jurisdiction: A Territorial Justification for Extraterritorial Jurisdiction under the European Convention, EJIL, 2010, S. 1223 ff.
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Diskussion unterscheidet sich erheblich von der Frage nach der extraterritorialen Erstreckung der Rechtsetzungsgewalt, da der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Frage zu beantworten hat, welche territoriale Reichweite die Europäische Menschenrechtskonvention als Völkervertragsrecht aufweist und ob die Staaten an diese Vorgaben auch gebunden sind, wenn sie durch ihre Organe auf dem Gebiet fremder Staaten tatsächliche Staatsgewalt ausüben. Insoweit betrifft dies die Rechtsbindung der Staatsgewalt jenseits des Staatsgebietes, während die vorliegende Arbeit untersucht, inwieweit ein einzelner Staat sein nationales Recht völkerrechtskonform extraterritorial erstrecken kann. Insoweit kann auch nicht ohne weiteres aus einer etwaigen extraterritorialen Rechtsbindung durch die Europäische Menschenrechtskonvention auf die extraterritoriale Reichweite der nationalen Rechtsetzungsgewalt geschlossen werden, da die Schaffung von Rechtsnormen im Wege bi- oder multilateraler völkerrechtlicher Verträge nicht notwendigerweise ebenso begrenzt ist wie die unilaterale Rechtsetzung. Die Möglichkeit eines Umkehrschlusses kann aber erst dann bestehen, wenn sowohl das die unilaterale extraterritoriale Rechtsetzung begrenzende Kriterium als auch die Dispositionsbefugnis der Staaten bekannt sind. Bezüglich der Befugnis der Staaten zur extraterritorialen Rechtsetzung hat zwar der ständige Internationale Gerichtshof bereits im Jahre 1924 festgestellt,22 dass den Staaten die Befugnis zur extraterritorialen Rechtsetzung unter Beachtung bestimmter völkerrechtlicher Voraussetzungen zukommt. Kein Konsens besteht aber hinsichtlich der Frage, ob es sich bei diesen Voraussetzungen um ein die Befugnis begründendes oder begrenzendes Kriterium des Völkerrechts handelt, in welcher Form dieses Kriterium genau besteht und welche grundsätzliche Reichweite die Rechtsetzungsgewalt zunächst überhaupt aufweist. Während diese Fragen teilweise als unwesentlich angesehen werden,23 sind sie doch für die Begründung und die Struktur zumindest eines begrenzenden Kriteriums unentbehrlich, da hierdurch maßgeblich der normative Rahmen und damit der Gegenstand möglicher Argumente für und wider die extraterritoriale Erstreckung eines Rechtssatzes bestimmt werden. Vor diesem Hintergrund werden in Teil 1 und Teil 2 zunächst die grundsätzliche Konstitution des Staates, seiner Staatsgewalt und der territorialen Reichweite dieser Staatsgewalt untersucht: So betrifft Teil 1 A. Teil 1 zunächst die grundsätzliche Konstitution des Staates. Bereits in diesem Zuge ist fraglich, welche Bedeutung der Souveränität des Staates zukommt. Teilweise wird hierin eine Grundnorm gesehen, in der sämtliche Staatsgewalt wurzelt, während diametral hierzu davon ausgegangen wird, dass dem Souveränitätsprinzip letztlich keine Bedeutung zukommt, da es nur ein Attribut der dem Staat zukommenden Kompetenzen sei, ohne dass für die Frage des Bestehens und Inhalts der Kompetenzen dem Souveränitätsprinzip Aussagekraft 22
StIGH, Urteil v. 7. 9. 1927, The Case of the S.S. „Lotus“, PCIJ Series A, 1927, S. 3 ff. StIGH, Urteil v. 7. 9. 1927, The Case of the S.S. „Lotus“, PCIJ Series A, 1927, S. 3 ff., 21; Weil, International Law Limitations on State Jurisdiction, in: Olmstead (Hrsg.), Extra-territorial application of laws and responses thereto, 1984, S. 32 ff., 32 f.; Oxman, Jurisdiction of States, in: Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law. 23
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zukomme. Diese Frage betrifft die Grundstruktur der staatlichen Einbettung in das Völkerrecht und zieht auch Folgerungen nach sich für die Bestimmung der territorialen Reichweite der Rechtsetzungsgewalt, da bspw. dem bereits angeführten Lotus-Urteil des ständigen internationalen Gerichtshofes gestützt auf das Souveränitätsprinzip eine Vermutung zu Gunsten der Freiheit der Staaten zur extraterritorialen Rechtsetzung entnommen wird. Hieran anknüpfend legt Teil 1 B. sodann die Grundstruktur der Staatsgewalt als Rechtsetzungsgewalt näher dar und bestimmt, in welchen völkerrechtlichen Normen die Kompetenz des Staates zur Rechtsetzung wurzelt. Weitergehend wird gezeigt, welche Bezugspunkte die Staatsgewalt aufweist, wie die Rechtsetzungsgewalt in Erscheinung tritt und welche Inhalte die Rechtsetzungsgewalt aufweisen darf. Wäre dem Staat strukturell die Verfolgung bestimmter Inhalte in Form einer staatsvolkoder staatsgebietsbezogenen Rechtsetzung vorgegeben, so würde dies auch mittelbar die territoriale Reichweite der Rechtsetzung determinieren. Darüber hinaus wird die Struktur der Rechtsetzungsgewalt spezifisch für die Rechtsetzung auf dem Gebiet des materiellen Steuerrechts konkretisiert. Nach dieser Erläuterung der grundsätzlichen Struktur der Rechtsetzungsgewalt folgt in Teil 2 eine Untersuchung der territorialen Reichweite der Rechtsetzungsgewalt. Zu diesem Zweck wird zunächst in Teil 2 A. dargelegt, welche Merkmale einer Rechtsnorm zur Charakterisierung dieser als extraterritorial führen. Diese Merkmale werden sodann unter den Begriffen des Geltungs-, Regelungs- und Rechtsfolgenbereiches zusammengeführt und für diese Strukturierung der territorialen Merkmale der Rechtsnorm untersucht, welches Verhältnis diese Bezüge unter normstrukturellen Gesichtspunkten untereinander aufweisen. Ausgehend von dieser Strukturierung und Abschichtung der Merkmale einer extraterritorialen Rechtsnorm wird in Teil 2 B. analysiert, welche extraterritoriale Erstreckung eine Rechtsnorm nach dem Völkerrecht grundsätzlich, also ohne Berücksichtigung beschränkender Merkmale des Völkerrechts, aufweisen darf. Anschließend an diese Darlegung der territorialen Reichweite der Rechtsetzungsgewalt im Allgemeinen wird speziell für das Steuerrecht in Teil 2 D. diskutiert, ob eine bereichsspezifische besondere Ausformung der territorialen Reichweite und Begrenzungen besteht. Nach dieser Analyse der grundsätzlichen territorialen Reichweite der Rechtsetzungsgewalt wird in Teil 3 untersucht, ob und in welcher Form völkerrechtliche Grenzen der extraterritorialen Rechtsetzung im Allgemeinem und für das Steuerrecht im Besonderem bestehen. Hierbei wird in Teil 3 A. gefragt, ob das zumeist angeführte Kriterium der hinreichend engen Verknüpfung, der sinnvollen Anknüpfung bzw. des genuine-links besteht und ob auf diesem Wege das Territorialitäts-, Personalitäts-, Schutz-, Wirkungs- und Universalitätsprinzip Bedeutung erlangen. Nach einer kritischen Würdigung dieses Ansatzes wird in Teil 3 B. ein eigenständiger Ansatz zur Begrenzung der extraterritorialen Rechtsetzung der Staaten entwickelt. Die Funktionsweise dieses Kriteriums des Völkerrechts wird sodann in Teil 3 C. anhand ausgewählter Beispiele näher erläutert: So wird exemplarisch ge-
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prüft, ob die, unter Verwendung des in Teil 2 A. bestimmten Begriffs der extraterritorialen Rechtsnorm bestimmte, extraterritoriale Reichweite der Grundstruktur der unbeschränkten und beschränkten Steuerpflicht der deutschen Einkommensteuer, der deutschen Luftverkehrsteuer und des Vorschlags der Europäischen Kommission zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer im Wege der verstärkten Zusammenarbeit völkerrechtskonform ist. Abschließend werden die wesentlichen Ergebnisse der Arbeit zusammengefasst. Zentrale Begrifflichkeiten
Im Verlauf der Arbeit werden einige zentrale Begrifflichkeiten zur Beschreibung verschiedener Eigenschaften der Rechtsnorm eingeführt und im weiteren Verlauf verwendet. Diese sollen hier aus Gründen der Übersichtlichkeit und Zugänglichkeit vorab kursorisch skizziert werden. Ausgangspunkt der Arbeit ist der Begriff der Rechtsnorm24 bzw. Regelung.25 Unter einer Rechtsnorm wird eine durch einen Hoheitsträger geschaffene normative Aussage verstanden. Die Rechtsnorm ist im Allgemeinen als Teil der Rechtsordnung verbindlich (sogenannte Geltung26). Die Rechtsnorm gliedert sich in Tatbestand27 und Rechtsfolge28. Diese Unterteilung wird zunächst sprachlich deutlich, denn der Tatbestand beschreibt den erfassten Sachverhalt, während die Rechtsfolgenanordnung als wesentlicher Inhalt der Rechtsfolge eine einzelne Verpflichtung vorsieht. Diese besteht bei Steuerrechtssätzen darin, eine Steuerschuld vorzuschreiben. Abweichend vom überwiegenden Verständnis der Rechtsfolge, wird im Rahmen dieser Arbeit allerdings ein umfassenderes Verständnis der Rechtsfolge vertreten, was sich als zweckmäßig erweisen wird. So entspricht die Rechtsfolge der Geltung im konkreten Einzelsachverhalt und beinhaltet neben der Festlegung der Rechtsfolgenanordnung die Bestimmung, dass dieser Sachverhalt nur um den Preis der Rechtsfolgenanordnung verwirklicht werden soll. Insoweit stellt die Rechtsfolgenanordnung eine Belastung des verwirklichten Sachverhaltes dar. Diese Belastungsaussage der Norm bildet einen weiteren Inhalt der Rechtsnorm. Je nach Struktur der Rechtsnorm kann der Rechtsnorm zudem durch Auslegung eine Vollständigkeit29 entnommen werden, dass die Rechtsnorm alle Sachverhalte, die mit dieser Rechtsfolge belastet sein sollen, abschließend beschreibt, mit der Folge, dass im Umkehrschluss nicht erfasste Sachverhalte auch frei von einer Belastung verwirklicht werden sollen.
24 25 26 27 28 29
Teil 2 A. II. 2. Zur synonymen Verwendung siehe Teil 1 B. I. 2. a) sowie insbesondere Fußnote 203. Teil 2 A. III. 1. Teil 2 A. II. 2. b). Teil 2 A. II. 2. c) (cc). Teil 2 A. II. 2. c) (cc) (2).
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Die Rechtsnorm wird vor dem Hintergrund des Regelungsanliegens, der Regelungsinteressen und des Regelungsmaßstabs30 gebildet. Das Regelungsanliegen beschreibt das regulatorische Problem des normerlassenden Hoheitsträgers, während der Begriff der Regelungsinteressen die bei der Rechtsetzung berücksichtigten Interessen verschiedener Personenkreise umfasst. Die in der Rechtsnorm erfolgende Bewertung und Ausgleichung dieser Interessen wird durch den Begriff des Regelungsmaßstabs beschrieben. Soweit eine derartige Differenzierung nicht notwendig erscheint, wird als Oberbegriff der Begriff des Regelungszweckes verwendet. Diese Begriffe grenzen sich vom Regelungsgegenstand31 ab, der nicht die zentralen Wertungen und Interessen umfasst, sondern lediglich abstrakt benennt, was die Regelung bewirkt. So ist der Regelungsgegenstand des vollständigen Einkommensteuertatbestandes für Personen mit Wohnsitz im Inland bspw. die progressive, jährliche, direkte Besteuerung des Welteinkommens natürlicher Personen. In territorialer Hinsicht werden zu einem späteren Zeitpunkt der Arbeit der Geltungs-, Regelungs- und Rechtsfolgenbereich unterschieden. Der Geltungsbereich32 beschreibt das Gebiet, in dem die Rechtsnorm als Teil der Rechtsordnung allgemein gilt. Der Regelungsbereich33 umfasst die Bereiche, in denen der Tatbestand verwirklicht werden kann. Maßgebend ist insoweit, dass die Regelung gerade auch wegen der in diesem Gebiet verwirklichten Sachverhaltselemente Anwendung findet, mit anderen Worten, auch diese verwirklichten Teile des Sachverhaltes nach der Rechtsnorm mit der Rechtsfolgenanordnung belastet sein sollen. Der Rechtsfolgenbereich34 beschreibt sodann einerseits jenes Gebiet, in dem die Rechtsfolgenanordnung tatsächlich eintreten soll, andererseits aber auch jene Gebiete, in denen sich der durch die Rechtsnorm normativ belastete Sachverhalt tatsächlich realisiert.
30 31 32 33 34
Teil 1 B. I. 2. a). Teil 2 B. I. 1. c) (bb) (1). Teil 2 A. III. 1. Teil 2 A. III. 2. a). Teil 2 A. III. 2. b).
Teil 1
Grundlagen des Staates und seiner Staatsgewalt Die Frage nach der Zulässigkeit der extraterritorialen Rechtsetzung betrifft die Reichweite der Staatsgewalt in einer ihrer wesentlichen Ausprägungen. Sie ist auf Grund dessen eng mit der Grundkonzeption des Staates verknüpft. In einem ersten Schritt ist daher ebendiese Grundkonzeption des Staates als Frage nach den Grundlagen der Rechtsetzungsgewalt zu untersuchen, bevor an diese Grundlagen anknüpfend einerseits die grundsätzliche territoriale Reichweite der staatlichen Rechtsetzungsgewalt unabhängig vom Bestehen etwaiger einschränkender Normen, andererseits das Bestehen völkerrechtlicher Begrenzungen dieser Rechtsetzungsgewalt analysiert werden kann. Im Ergebnis wird dieser Teil aufzeigen, dass dem Staat durch das Souveränitätsprinzip als Rechtsprinzip ein Freiraum zur Entfaltung eigener Staatlichkeit zugewiesen wird, der positiv auf die unabhängige Wahrnehmung der Staats- und damit insbesondere auch Rechtsetzungsgewalt gerichtet ist und negativ die Abwehr beschränkender Einflüsse gestattet.
A. Der Staat als historisch gewachsenes rechtlich konstituiertes Gebilde Im ersten Abschnitt dieses Teils wird die grundsätzliche Konstitution des Staates und seine Einbindung in das Völkerrecht dargelegt. Der Schwerpunkt liegt in diesem Teil darauf, die Einbindung des Staates in die Völkerrechtsgemeinschaft und insbesondere die Bedeutung und den Inhalt des Souveränitätsprinzips zu erörtern, dem Teile der Literatur grundlegende Bedeutung zumessen, während andere davon ausgehen, dass dem Souveränitätsprinzip auf Grund seiner strikten Rechtsbindung keinerlei Aussagegehalt über Gegenstand, Inhalt und Reichweite der staatlichen Befugnisse zukommen könne.
I. Die Entstehung des modernen Staates Der Staat als Bezugspunkt der hier untersuchten Regelungsgewalt begann sich nach einhelliger Meinung mit Beginn der Neuzeit durch einen historisch langwierigen Prozess herauszubilden. Der Prozess der Bildung der Staaten ist gemeinhin
A. Der Staat als rechtlich konstituiertes Gebilde
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durch die zunehmende Bündelung von Herrschaftsmacht auf einem Gebiet gekennzeichnet.35 Ausgangspunkt dieses Vorganges ist die historisch vorzufindende Zergliederung von Herrschaftsmacht, die sich auf eine personale Zugehörigkeit wie die Zugehörigkeit zu einer Handwerkerzunft oder das Lehnsverhältnis gründet.36 Diese Herrschaftsbeziehungen bestanden im Lichte der allumfänglichen kirchlichen Durchdringung aller Lebensverhältnisse und eines Wirtschaftssystem, das durch Naturalwirtschaft geprägt war.37 Doch die Strukturierung menschlichen Lebens durch das Lehnswesen geriet im Mittelalter unter Druck: Durch einen Anstieg der Bevölkerungszahlen und einen Wandel des Wirtschaftssystems hin zu einer Geldwirtschaft nahm der Umfang sozialer Interaktionen und Konflikte deutlich zu.38 Auch abseits 35 Siehe hierzu und dem Folgenden auch weitergehend: Oeter, Souveränität – ein überholtes Konzept?, in: Cremer u. a. (Hrsg.), Tradition und Weltoffenheit des Rechts, 2002, S. 259 ff., 261 ff.; Delbrück, Das Staatsvolk und die „Offene Republik“, in: Beyerlin u. a. (Hrsg.), Recht zwischen Umbruch und Bewahrung, 1995, S. 777 ff., 779; Wildhaber, Entstehung und Aktualität der Souveränität, in: Müller (Hrsg.), Staatsorganisation und Staatsfunktionen im Wandel, 1982, S. 131 ff., 133 ff.; Vollmeyer, Der Staat als Rechtsordnung, 2011; Shaw, International law, 8. Aufl., 2017, S. 14 ff.; Ryngaert, Jurisdiction in international law, 2008, S. 43 ff.; Bentzien, Die völkerrechtlichen Schranken der nationalen Souveränität im 21. Jahrhundert, 2007, S. 19 ff.; Seiler, Der souveräne Verfassungsstaat zwischen demokratischer Rückbindung und überstaatlicher Einbindung, 2005; Di Fabio, Die Staatsrechtslehre und der Staat, 2003; Breuer, Der Staat Entstehung, Typen, Organisationsstadien, 1998; Bleckmann, Allgemeine Staats- und Völkerrechtslehre, 1995, S. 43; Grewe, Epochen der Völkerrechtsgeschichte, 2. Aufl., 1988; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., 1984, S. 11 ff., 22 ff.; Fleiner-Gerster/Hänni, Allgemeine Staatslehre, 1980, S. 7; Gutzwiller, Geschichte des Internationalprivatrechts, 1977; Böckenförde, Staat, Gesellschaft, Freiheit, 1976, S. 42; Quaritsch, Staat und Souveränität, 1970; Vogel, Der räumliche Anwendungsbereich der Verwaltungsrechtsnorm, 1965, S. 43 ff.; Verdross, Völkerrecht, 5. Aufl., 1964, S. 31 ff.; Brierly, The Law of Nations, 6. Aufl., 1963, S. 1 ff.; Korowicz, Introduction to international law present conceptions of international law in theory and practice, 1959, S. 1 ff., 24 ff.; Brunner, Land und Herrschaft, 4. Aufl., 1959; von der Heydte, Die Geburtsstunde des souveränen Staates, 1952; Hamel, Das Wesen des Staatsgebietes, 1933, S. 3 ff.; Bluntschli, Geschichte der neueren Staatswissenschaft, 3. Aufl., 1881; Shaw, Territory in International Law, NYL, 1982, S. 61 ff. Illustrativ insoweit auch die Darstellungen bei Vogel, Rechtfertigung der Steuern: Eine vergessene Vorfrage, Der Staat, 1986, S. 481 ff. aus der Perspektive einer staatsphilosophischen Steuerrechtfertigung sowie bei Mössner, Der Begriff des Internationalen Steuerrechts in der neueren Literatur, ÖStZÖR, 1974, S. 250 ff., 260 ff. 36 Isensee, Staat und Verfassung, in: Badura u. a. (Hrsg.), Grundlagen von Staat und Verfassung, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, 1995, S. 591 ff., 610; Schöbener, Allgemeine Staatslehre, 2009, S. 33; Seiler, Der souveräne Verfassungsstaat zwischen demokratischer Rückbindung und überstaatlicher Einbindung, 2005, S. 14; Di Fabio, Das Recht offener Staaten, 1998, S. 16; Bleckmann, Allgemeine Staats- und Völkerrechtslehre, 1995, S. 99; Grewe, Epochen der Völkerrechtsgeschichte, 2. Aufl., 1988, S. 83; Vogel, Der räumliche Anwendungsbereich der Verwaltungsrechtsnorm, 1965, S. 44. 37 Di Fabio, Das Recht offener Staaten, 1998, S. 16; Bleckmann, Allgemeine Staats- und Völkerrechtslehre, 1995, S. 101. 38 Schöbener, Allgemeine Staatslehre, 2009, S. 49; Seiler, Der souveräne Verfassungsstaat zwischen demokratischer Rückbindung und überstaatlicher Einbindung, 2005, S. 17; Di Fabio,
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des Wirtschaftssystems geriet das gesellschaftliche Gefüge durch die Säkularisation und die Hinwendung zum Individualismus und der Rationalität unter Druck.39 Es kam hierdurch zu einem kontinuierlichen, nur an einzelnen Stellen durch Revolutionen abrupt verlaufenden Wandel der Konfliktlösungsmechanismen und der Herrschaftsgewalt. So änderte sich einerseits die Art und Weise der Ausübung von Herrschaftsgewalt: In Abkehr von der bisherigen Überzeugung ist die Herrschaftsgewalt nunmehr durch die Kompetenz zur Schaffung und Durchsetzung von Recht in der Form des abstrakt-generellen Gesetzes geprägt.40 Andererseits wurde die Herrschaftsgewalt zunehmend in einer Stelle zentralisiert.41 Die Zentralisierung der Herrschaftsgewalt in einer einzelnen die Herrschaftsgewalt ausübenden Stelle führte zu einer Änderung des Verständnisses der Herrschaftsgewalt.42 So war die Herrschaftsgewalt im Lehnswesen durch eine persönliche Beziehung zwischen Herrscher und Beherrschtem gekennzeichnet. Hierdurch konnten allerdings soziale Interaktionen und Konflikte, die auf Grund der genannten Faktoren zunahmen, nur noch fragmentarisch gelöst werden, sofern zufällig die betroffenen Personen den gleichen Lehnsherren unterworfen waren. Die auf Grund dieser Defizite in der Strukturierung der Gesellschaft eintretende Zentralisierung der Herrschaftsgewalt führte demgemäß dazu, dass sich die Herrschaftsgewalt von der persönlichen Beziehung zwischen Herrscher und Beherrschtem loslöste. Die Herrschaftsgewalt wurde stattdessen, beginnend in den Städten, zunehmend territorial ausgeübt, um auch diejenigen zu umfassen, die nach einer tradierten personalisti-
Das Recht offener Staaten, 1998, S. 17; Grewe, Epochen der Völkerrechtsgeschichte, 2. Aufl., 1988, S. 199; Fleiner-Gerster/Hänni, Allgemeine Staatslehre, 1980, S. 13. 39 Isensee, Staat und Verfassung, in: Badura u. a. (Hrsg.), Grundlagen von Staat und Verfassung, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, 1995, S. 591 ff., 610; Schöbener, Allgemeine Staatslehre, 2009, S. 50; Seiler, Der souveräne Verfassungsstaat zwischen demokratischer Rückbindung und überstaatlicher Einbindung, 2005, S. 15; Di Fabio, Das Recht offener Staaten, 1998, S. 17; Zippelius, Allgemeine Staatslehre, 12. Aufl., 1994, S. 2; Grewe, Epochen der Völkerrechtsgeschichte, 2. Aufl., 1988, S. 198; Böckenförde, Staat, Gesellschaft, Freiheit, 1976, S. 42; Bluntschli, Geschichte der neueren Staatswissenschaft, 3. Aufl., 1881, S. 13. 40 Schöbener, Allgemeine Staatslehre, 2009, S. 59; Seiler, Der souveräne Verfassungsstaat zwischen demokratischer Rückbindung und überstaatlicher Einbindung, 2005, S. 18; FleinerGerster/Hänni, Allgemeine Staatslehre, 1980, S. 24; Böckenförde, Staat, Gesellschaft, Freiheit, 1976, S. 69; von der Heydte, Die Geburtsstunde des souveränen Staates, 1952, S. 272; 305 ff. 41 Schöbener, Allgemeine Staatslehre, 2009, S. 49; Di Fabio, Das Recht offener Staaten, 1998, S. 17; Bleckmann, Allgemeine Staats- und Völkerrechtslehre, 1995, S. 102; Jellinek, Allgemeine Staatslehre, 3. Aufl., 1914, S. 58. 42 Isensee, Staat und Verfassung, in: Badura u. a. (Hrsg.), Grundlagen von Staat und Verfassung, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, 1995, S. 591 ff., 610; Schöbener, Allgemeine Staatslehre, 2009, S. 56; Di Fabio, Das Recht offener Staaten, 1998, S. 19; Fleiner-Gerster/Hänni, Allgemeine Staatslehre, 1980, S. 14; Böckenförde, Staat, Gesellschaft, Freiheit, 1976, S. 42.
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schen Sichtweise nicht der Herrschaftsgewalt unterlegen hätten.43 Hierdurch konnte dem Bedürfnis nach weitergehender Konfliktlösung in einer sich verengenden Welt44 Rechnung getragen werden. Insoweit wird davon gesprochen, dass die sich etablierende Staatlichkeit mit einem Übergang zu einer Raumordnung für das Staatsgebiet einhergeht.45 Im Rahmen dieses Prozesses der Zentralisierung entwickelte sich auf dem Boden der Arbeiten von Machiavelli und Bodin der Begriff der Souveränität. Nach diesem Gedanken wird die Herrschaftsgewalt vollständig in einer Stelle zentralisiert, sodass diese Stelle die höchste Stelle mit der alleinigen Befugnis zur Ausübung von Herrschaftsgewalt darstellt und sämtliche Herrschaftsgewalt auf einem Gebiet bündelt.46 Die Herrschaftsgewalt wurde so zur souveränen Gewalt. 43 Bleckmann, Allgemeine Staats- und Völkerrechtslehre, 1995, S. 101; Grewe, Epochen der Völkerrechtsgeschichte, 2. Aufl., 1988, S. 87; Brunner, Land und Herrschaft, 4. Aufl., 1959, S. 165. Auch zuvor wurde vereinzelt der Bezug zu fremden Rechtskreisen geregelt, so bspw. im römischen Recht. Gaius und Ulpian unterschieden das ius civile und das ius gentium. Das ius civile wurde als das Recht der Römer beschrieben. Es wies verschiedene Rechtsquellen auf und umfasste insbesondere Gesetze, Plebiszite, Dekrete und die für verbindlich erkannte Rechtsauffassung bestimmter Gelehrter. Demgegenüber ist das ius genitum das allen Menschen gemeine Recht und gilt insoweit gegenüber Römern und Nicht-Römern. Gegentand des ius gentium als das Fremdenrecht waren die Beziehungen zwischen Römern und Nicht-Römern. Vgl. hierzu Vitzthum, Begriff, Geschichte und Rechtsquellen des Völkerrechts, in: Vitzthum/ Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 2016, S. 1 ff., 34; Domingo, The new global law, 2010, S. 3 ff.; Gutzwiller, Geschichte des Internationalprivatrechts, 1977, S. 1 ff., 7 ff.; Poste, Gai Institutiones or Institutes of Roman Law by Gaius, 4. Aufl., 1904, S. 1. Die Regelungsgewalt des ius civile beruhte auf dem Personalitätsprinzip (Kaser, Römische Rechtsgeschichte, 2. Aufl., 1967, S. 130). Dies bildete auch die anfängliche Grundlage für das ius gentium, sodass Grundlage der Regelungsgewalt also die Unterwerfung der Nicht-Römer und die römische Herrschaftsgewalt ist. Diese Grundlage der Rechtsbindung wurde allerdings später abgelöst von der Überzeugung, dass das ius gentium allen Völkern gemeines Recht sei (siehe insoweit Ulpian, „Ius gentium es, quo gentes humanae utuntur“, D. 1. 1. 1. 4.) und aus der allen Völkern gemeinsamen Vernunft folge (Kaser, Römische Rechtsgeschichte, 2. Aufl., 1967, S. 137). Vor diesem Hintergrund bedurfte es allerdings keiner Erörterung, ob die Regelungsgewalt weiterhin personal oder territorial entsprechend ihrer Reichweite begründet ist (siehe hierzu das im im Analogiewege anwendbaren Gebotes des territorialen Beschränkung der Rechtsprechung „Extra territorium ius dicenti impune non paretur. Idem est, et si supra iurisdictionem suam velit ius dicere“, D. 2. I. 20., wonach die Befugnis zur Rechtsetzung nur in Bezug auf die römischen Gebiete besteht, Fellmeth/Horwitz, Guide to Latin in international law, 2009, Extra territorium ius dicenti impune non paretur; Mann, The Doctrine of Jurisdiction in International Law, 1964, S. 24). 44 Schöbener, Allgemeine Staatslehre, 2009, S. 49; Bleckmann, Allgemeine Staats- und Völkerrechtslehre, 1995, S. 104; Fleiner-Gerster/Hänni, Allgemeine Staatslehre, 1980, S. 23. 45 Isensee, Staat und Verfassung, in: Badura u. a. (Hrsg.), Grundlagen von Staat und Verfassung, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, 1995, S. 591 ff., 611; Schöbener, Allgemeine Staatslehre, 2009, S. 56; Bleckmann, Allgemeine Staats- und Völkerrechtslehre, 1995, S. 105. 46 Schöbener, Allgemeine Staatslehre, 2009, S. 50; Seiler, Der souveräne Verfassungsstaat zwischen demokratischer Rückbindung und überstaatlicher Einbindung, 2005, S. 18; Di Fabio, Das Recht offener Staaten, 1998, S. 16; Zippelius, Allgemeine Staatslehre, 12. Aufl., 1994, S. 57; Grewe, Epochen der Völkerrechtsgeschichte, 2. Aufl., 1988, S. 197, der zudem auf
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Diese dargelegten Veränderungen führten insgesamt zu einer Veränderung der Konzeption der Herrschaftsgewalt, die in ein zunehmend funktionales Verständnis der Befugnis zur Ausübung der Herrschaftsgewalt mündeten. Persönliche Merkmale des Herrschers verloren je mehr an Bedeutung, je größere Gebiete von den Zentralisierungstendenzen erfasst wurden. An ihre Stelle trat das Verständnis, dass der Staat auf Grund seiner Souveränität als solcher zur Ausübung von Herrschaftsgewalt befugt sei. Eine besondere Beziehung zur Person des Herrschers wurde zunehmend weniger gefordert.47 Die Betonung der Gebietsbezogenheit der Herrschaftsgewalt sowie der Idee, dass der Staat als Souverän alleiniger Träger der Herrschaftsgewalt auf einem Gebiet ist, stellte einen bedeutenden Bruch mit der hergebrachten personalistischen Konzeption der Herrschaft dar.48 Die hervortretende territoriale Konzeption der Herrschaftsgewalt und die Abkehr vom Lehnsverhältnis als besonderes, durch die personale Beziehung legitimiertes Herrschaftsverhältnis erforderte im Lichte differenzierter Interessen der in einem Territorium ansässigen Personen nicht nur ein grundlegend neues, funktionales Verständnis der Herrschaftsgewalt, sondern auch neue Ansätze der Legitimation.49 Denn die Legitimation der Herrschaftsgewalt folgte nicht länger aus der Legitimation der Person des Herrschers, sondern betraf unabhängig dieser Person die herrschende Stelle. Diese Legitimation musste zunächst eine innere Verbindung zwischen den im Territorium ansässigen Personen begründen, um darzulegen, warum diese Personen einer einheitlichen Herrschaftsgewalt unterworfen sein sollten. Diese Begründung beruhte zunächst darauf, der Staatlichkeit eine inhaltliche Zweckrichtung zukommen zu lassen, denn es war gerade das Bedürfnis nach Konfliktlösung in einem Gebiet, das diese Entwicklung in Gang setzte. Diese Staatszwecke wurden im his-
Hobbes verweist; Dennert, Ursprung und Begriff der Souveränität, 1964; Jellinek, Allgemeine Staatslehre, 3. Aufl., 1914, S. 58. 47 Isensee, Staat und Verfassung, in: Badura u. a. (Hrsg.), Grundlagen von Staat und Verfassung, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, 1995, S. 591 ff., 610; Schöbener, Allgemeine Staatslehre, 2009, S. 56; Di Fabio, Das Recht offener Staaten, 1998, S. 19; Fleiner-Gerster/Hänni, Allgemeine Staatslehre, 1980, S. 14; Böckenförde, Staat, Gesellschaft, Freiheit, 1976, S. 42. 48 Vitzthum, Staatsgebiet, in: Badura u. a. (Hrsg.), Grundlagen von Staat und Verfassung, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, 1995, S. 709 ff., 710; Schöbener, Allgemeine Staatslehre, 2009, S. 56; Seiler, Der souveräne Verfassungsstaat zwischen demokratischer Rückbindung und überstaatlicher Einbindung, 2005, S. 18. 49 Siehe hierzu und weitergehend Isensee, Staat und Verfassung, in: Badura u. a. (Hrsg.), Grundlagen von Staat und Verfassung, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, 1995, S. 591 ff., 634; Seiler, Der souveräne Verfassungsstaat zwischen demokratischer Rückbindung und überstaatlicher Einbindung, 2005, S. 21; Fleiner-Gerster/ Hänni, Allgemeine Staatslehre, 1980, S. 27; Böckenförde, Staat, Gesellschaft, Freiheit, 1976, S. 49; Jellinek, Allgemeine Staatslehre, 3. Aufl., 1914, S. 58.
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torischen Prozess um verschiedene Dimensionen ergänzt.50 Prägend waren hierbei besonders gesellschaftsvertragliche Ansätze, nach denen sich auf einem Gebiet ansässige Personen im Staat organisieren und sich der Staatsgewalt unterwerfen, um einen durch Konflikt geprägten Urzustand zu überwinden und eine Ordnung zu errichten.51 Hinzu trat die Betonung des Schutzes der Rechte der Individuen im und durch den Staat52 sowie mit Kant der Gedanke der Rechtsstaatlichkeit, nach dem der Staat auf ein rechtsförmiges Handeln verwiesen ist.53 Vor dem Hintergrund der industriellen Revolution entwickelt sich schließlich eine sozialstaatliche Dimension, nach der der Staat auf die Beseitigung jener Ungleichheiten gerichtet ist, die individuelle Freiräume einschränken.54 Neben diese Staatszwecke traten in unterschiedlichstem Maße Gedanken der Nation, die eine weitere innere Abgrenzung 50 Isensee, Staat und Verfassung, in: Badura u. a. (Hrsg.), Grundlagen von Staat und Verfassung, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, 1995, S. 591 ff., 630; Di Fabio, Das Recht offener Staaten, 1998, S. 19. 51 Soweit erkennbar, wurde dies erstmalig von Hobbes vorgebracht, siehe Hobbes, Leviathan, erstveröffentlicht in 1651, S. Abschnitt „The Second Part: Of Commonwealth“. Nach Hobbes entsteht der Staat durch einen Zusammenschluss der Bürger mit dem Ziel, den natürlichen Konflikt aller zu beenden und den Frieden zu sichern. Spätere Arbeiten knüpften an diesen gesellschaftsvertraglichen Ansatz an, siehe Rousseau, Vom gesellschaftlichen Vertrage oder über die Grundsätze der Staatslehre, erstveröffentlicht in 1800, S. 28 ff., Locke, Two Treatises of Government, Band II/II, erstveröffentlicht in 1689, S. Rn. 95 ff., Kant, Die Metaphysik der Sitten, erstveröffentlicht in 1797, S. 168. Nach Locke ist die Zustimmung zum Gesellschaftsvertrag nicht ausdrücklich erteilt, sondern eine stillschweigende Zustimmung, die fortwährend erneuert wird und sich darin äußert, dass eine Person im Staatsgebiet lebt, siehe Locke, Two Treatises of Government, Band II/II, erstveröffentlicht in 1689, S. Rn. 119 ff. Siehe auch Seiler, Der souveräne Verfassungsstaat zwischen demokratischer Rückbindung und überstaatlicher Einbindung, 2005, S. 18; Fleiner-Gerster/Hänni, Allgemeine Staatslehre, 1980, S. 10 52 Locke, Two Treatises of Government, Band II/II, erstveröffentlicht in 1689, S. Rn. 134 ff. 53 Kant, Die Metaphysik der Sitten, erstveröffentlicht in 1797: Für Kant ist der Staat „die Vereinigung einer Menge von Menschen unter Rechtsgesetzen.“ Kant unterscheidet hierbei das Naturrecht und das positive Recht, Kant, Die Metaphysik der Sitten, erstveröffentlicht in 1797, S. 75. In Bezug auf die Rechtsgesetze des Staates führt Kant insoweit aus, dass Rechtsgesetze der Staatlichkeit aus dem Naturrecht den Staat als Idee prägen, „wie er nach reichen Rechtsprinzipien sein soll, welche jeder wirklichen Vereinigung zu einem gemeinen Wesen (also im Inneren) zur Richtschnur (norma) dient“, Kant, Die Metaphysik der Sitten, erstveröffentlicht in 1797, S. 169 Der Staat zeichnet sich daher jenseits dieser Idee der Staatlichkeit, der Richtschnur, durch rechtsförmiges Handeln aus, wobei von Recht nach Kant nur gesprochen werden kann, wenn das erlassene Gesetz die Freiheiten der betroffenen Personen in einer Art und Weise ausgleicht, dass die Maxime als allgemeines Gesetz gelten kann, d. h. dem kategorischen Imperativ genügt, Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, erstveröffentlicht in 1785; Kant, Die Metaphysik der Sitten, erstveröffentlicht in 1797, S. 66. Siehe auch Seiler, Der souveräne Verfassungsstaat zwischen demokratischer Rückbindung und überstaatlicher Einbindung, 2005, S. 37; Böckenförde, Staat, Gesellschaft, Freiheit, 1976, S. 68; Bluntschli, Geschichte der neueren Staatswissenschaft, 3. Aufl., 1881, S. 375 ff. 54 Seiler, Der souveräne Verfassungsstaat zwischen demokratischer Rückbindung und überstaatlicher Einbindung, 2005, S. 41; Fleiner-Gerster/Hänni, Allgemeine Staatslehre, 1980, S. 35; Böckenförde, Staat, Gesellschaft, Freiheit, 1976, S. 101.
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betonten, sei es aus kultureller oder religiöser Einheit oder aus längerer staatlicher Verbundenheit.55 Durch diese Zweckrichtungen des Staates wurde aber nicht begründet, welche Person als konkrete Stelle zur Ausübung der Herrschaftsgewalt befugt sein soll. Der Staat als abstraktes Gebilde stellt zwar nach dem Gedanken der Souveränität die zur Ausübung von Herrschaftsgewalt legitimierte Stelle dar, mit dem Zurücktreten der bisher auf Grund personaler Verbundenheit zur Ausübung von Herrschaftsgewalt berufenen Stellen wie dem Monarchen auf Grund des beschriebenen Drucks auf die bestehenden Konfliktlösungsmechanismen bedurfte es allerdings, soweit dieser Druck reichte, einer Zuweisung der Befugnis zur Ausübung der Staatsgewalt an einzelne Personen. Prägend war hierbei der Gedanke der Volkssouveränität, nach dem die Souveränität dem im Staat organisierten Volk zusteht und dieses den Staat errichtet und im Rahmen dessen Mechanismen schafft, durch die die staatliche Herrschaftsgewalt einzelnen demokratisch legitimierten Personen zur Ausübung zugewiesen wird.56 Durch diesen historischen Prozess gelangt der moderne Staat zum Entstehen. Dieser unterliegt zwar auch in der Folge vielfältigen Veränderungen, insbesondere was die Bedeutung weiterer, die innere Verbundenheit der Staatsangehörigen betonender Elemente betrifft.57 Es ist aber für vorliegende Zwecke ausreichend festzustellen, dass dem modernen Staat die alleinige, souveräne, Herrschaftsgewalt auf einem Gebiet zukommt. Der Staat steht den auf dem Gebiet ansässigen Personen allerdings nicht als Fremder gegenüber, sondern vielmehr stellt der Staat die politische Organisation all jener Personen dar, die auf dem Gebiet des Staates ansässig sind. Der in späteren Zeiten hervortretende Unterschied zwischen Staatsangehörigkeit und Staatsansässigkeit war zu diesem Zeitpunkt von geringer Bedeutung: Einerseits bestand keine personale Mobilität, Migration in diesem umfassenden Sinne fand kaum statt. Andererseits entstand der Staat gerade als Konfliktlösungsmechanismus der ansässigen Personen, sodass diese naturgemäß die Staatsangehörigen wurden. Der Staat weist daher eine Doppelnatur auf: Einerseits besteht er gebietsbezogen, da er alleinig zur Ausübung von Herrschaftsgewalt im Staatsgebiet befugt ist, andererseits ist er durch die ihn tragenden Personen konstituiert, die sich hierdurch im Staatsgebiet organi55
Siehe zum Begriff der Nation die Nachweise in Fußnote 35. Rousseau prägt hierdurch den Begriff des Volkes und der Volkssouveränität. Das Volk umfasst bei Rousseau die Menge der Individuen, die sich im Staat organisieren. Dem Volk kommt hierbei die Souveränität zu, um allerdings als Volk im Sinne dieser Souveränität handlungsfähig zu sein, bedarf es der Organisation des Staates. Im Staat drückt sich daher der gemeinsame Wille des Volkes aus, wie er im Gesellschaftsvertrag Ausdruck gefunden hat. Dieser so legitimierten Staatlichkeit sind all jene unterworfen, die am Gesellschaftsvertrag beteiligt sind. Hierdurch prägt Rousseau den Gedanken der Identität von Herrscher und Beherrschten. Siehe Rousseau, Vom gesellschaftlichen Vertrage oder über die Grundsätze der Staatslehre, erstveröffentlicht in 1800, S. 28 ff. 57 Siehe hierzu die weiteren Nachweise in Fußnote 36. 56
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sieren. Vor diesem Hintergrund ist der Staat territorial und personal konzipiert und sowohl Territorial- als auch Personalverband.58
II. Der rechtliche Begriff des Staates Diese historische Herausbildung des Staates hat das Recht stark beeinflusst und zur Herausbildung des rechtlichen Begriffes des Staates geführt. So findet sich der Staat als Rechtsbegriff in der rechtswissenschaftlichen Literatur sowohl des Staatsrechts als auch des Völkerrechts.59 Im Recht kommt dem Begriff des Staates notwendigerweise normativer Charakter zu. Ein solcher Begriff muss zunächst die ihm im Recht zugemessene Funktion erfüllen.60 So gilt es im Staatsrecht, den Untersuchungsgegenstand zu beschreiben und abzugrenzen. Hierbei bedarf es einer Festlegung, unter welchen Voraussetzungen eine Organisation als Staat angesehen werden können soll und damit Gegenstand des Staatsrechts sein kann.61 Im Völkerrecht muss der Begriff des Staates geeignet sein, den Staat als wesentlichen Anknüpfungspunkt völkerrechtlicher Rechtsbeziehungen und damit als natürliches sowie zentrales Subjekt des Völkerrechts zu beschreiben.62 Auch hier bedarf es daher einer Definition, die benennt, welche Voraussetzungen an die Existenz eines Staates im Lichte dieser Funktion zu stellen sind. 58
Grawert, Staatsvolk und Staatsangehörigkeit, in: Badura u. a. (Hrsg.), Grundlagen von Staat und Verfassung, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, 1995, S. 663 ff., 664 f.; Vitzthum, Staatsgebiet, in: Badura u. a. (Hrsg.), Grundlagen von Staat und Verfassung, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, 1995, S. 709 ff., 711; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 124; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., 1984, S. 230. 59 Siehe bspw. Isensee, Staat und Verfassung, in: Badura u. a. (Hrsg.), Grundlagen von Staat und Verfassung, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, 1995, S. 591 ff., 602 ff.; Schöbener, Allgemeine Staatslehre, 2009, S. 1 ff., 72 ff.; Di Fabio, Die Staatsrechtslehre und der Staat, 2003; Bleckmann, Allgemeine Staats- und Völkerrechtslehre, 1995, S. 113 ff.; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, 1977, S. 6 f. 60 Krieger, Das Effektivitätsprinzip im Völkerrecht, 2000, S. 89 f.; Bleckmann, Allgemeine Staats- und Völkerrechtslehre, 1995, S. 113. Vgl. auch Tomuschat, International law, 2001, S. 43 61 Isensee, Staat und Verfassung, in: Badura u. a. (Hrsg.), Grundlagen von Staat und Verfassung, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, 1995, S. 591 ff., 602 f.; Di Fabio, Die Staatsrechtslehre und der Staat, 2003, S. 13 ff. 62 IGH, Advisory Opinion v. 11. 4. 1949, Reparation for injuries suffered in the service of the United Nations, ICJ Reports, 1949, S. 174 ff., 178; Isensee, Staat und Verfassung, in: Badura u. a. (Hrsg.), Grundlagen von Staat und Verfassung, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, 1995, S. 591 ff., 603; Herdegen, Völkerrecht, 17. Aufl., 2018, S. 73; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 16 f.; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, 2. Aufl., 2012, S. 17; Bleckmann, Allgemeine Staats- und Völkerrechtslehre, 1995, S. 113; Dahm/ Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/III, 2. Aufl., 1989, S. 125; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., 1984, S. 18.
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Andererseits kann sich der rechtliche Staatsbegriff nicht völlig vom tatsächlichen Staatsbegriff loslösen, sondern muss sich an diesem orientieren: Das Staats- und Völkerrecht haben den Staat zum Gegenstand und bewirken eine rechtliche Durchdringung dieser tatsächlich bestehenden Organisationsformen. Mit Blick hierauf muss der rechtliche Staatsbegriff die typischen Strukturmerkmale des historisch gewonnenen Staatsbegriffes widerspiegeln, also jene Elemente umfassen, die der Staatlichkeit gemein sind. In der Folge stellt sich der rechtliche Staatsbegriff als Begriff dar, der sowohl vor dem Hintergrund rechtlicher als auch historischer Erwägungen zu gewinnen ist und gewonnen wird.63 Welcher Abstraktionsgrad für die rechtliche Definition des Staates gefordert ist, kann dabei nur dem ersten Anschein nach für das Staats- und Völkerrecht einheitlich beantwortet werden. So liegt zwar eine Kongruenz der Begrifflichkeiten nahe, da beide den Staat in seinen rechtlichen Bezügen erfassen. Das Staatsrecht nimmt aber den einzelnen Staat und seine Struktur in den Blick, während das Völkerrecht im Ausgangspunkt auf das Verhältnis der Staaten untereinander ausgerichtet ist.64 In tatsächlicher Hinsicht ist zu bemerken, dass sich die Struktur der beobachtbaren Staaten in vielerlei Hinsicht unterscheidet. Für das Staatsrecht ist dies nur eingeschränkt von Bedeutung, da der einzelne Staat in den Blick genommen wird. Eine rechtliche Begriffsdefinition zur Abgrenzung des staatsrechtlichen Forschungsgegenstandes kann daher ohne Weiteres Details eines einzelnen beobachteten Staates in den Blick nehmen.65 Demgegenüber ist das Völkerrecht darauf gerichtet, alle Staaten zu erfassen. Der Staatsbegriff des Völkerrechts muss daher abstrahieren und sich darauf beschränken, die typischen Strukturmerkmale des Staates widerzuspiegeln. Ein solcher Staatsbegriff muss jene Elemente umfassen, die der Staatlichkeit gemein 63 IGH, Advisory Opinion v. 11. 4. 1949, Reparation for injuries suffered in the service of the United Nations, ICJ Reports, 1949, S. 174 ff., 178; Isensee, Staat und Verfassung, in: Badura u. a. (Hrsg.), Grundlagen von Staat und Verfassung, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, 1995, S. 591 ff., 602; Mosler, Die Übertragung von Hoheitsgewalt, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Normativität und Schutz der Verfassung – Internationale Beziehungen, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band VII, 1992, S. 599 ff., 616 f.; Herdegen, Völkerrecht, 17. Aufl., 2018, S. 77 f.; Schöbener, Allgemeine Staatslehre, 2009, S. 74; Di Fabio, Die Staatsrechtslehre und der Staat, 2003, S. 30 f.; Krieger, Das Effektivitätsprinzip im Völkerrecht, 2000, S. 83 ff.; Bleckmann, Allgemeine Staats- und Völkerrechtslehre, 1995, S. 113 f.; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/III, 2. Aufl., 1989, S. 125 ff.; Korowicz, Introduction to international law present conceptions of international law in theory and practice, 1959, S. 93 ff. 64 Dies hebt insbesondere Bleckmann, Allgemeine Staats- und Völkerrechtslehre, 1995, S. 113 ff. hervor. 65 Bleckmann, Allgemeine Staats- und Völkerrechtslehre, 1995, S. 113 ff. Als Beispiel für einen Anlass zu einer engen Begriffskonzeption sei nur die Existenz der Gemeinden in Deutschland genannt. Auf Grund der gemeindlichen Allzuständigkeit zur Regelung der Belange der örtlichen Gemeinschaft liegt unter einer solchen Perspektive die Frage der Staatlichkeit nicht allzu fern. Siehe auch Mehde, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 28 Abs. 2, 18 f.; Bleckmann, Allgemeine Staats- und Völkerrechtslehre, 1995, S. 113 ff.
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sind, ohne aber durch die Inkorporation einzelner Details als Staaten anerkannte tatsächlich bestehende Herrschaftsstrukturen aus der Definition auszuschließen.66 Im Völkerrecht hat sich vor diesem Hintergrund die Drei-Elemente-Lehre nach Jellinek zur Definition des Staates durchgesetzt.67 Dies findet Ausdruck in Art. 1 der Montevideo-Konvention, wonach der Staat im Völkerrecht durch „a permanent population; a defined territory; government; and capacity to enter into relation with other states“68 gekennzeichnet ist. Das in Art. 1 der Montevideo-Konvention genannte Kriterium der Vertragsabschlusskompetenz gilt allerdings nicht als Bestandteil der allgemeinen Staatenpraxis und damit des allgemeinen völkerrechtlichen Staatsbegriffes.69 1. Staatsgebiet Das Element des Staatsgebietes spiegelt die territoriale Konzeption des Staates wider. Nach der historischen Entwicklung wandelte sich das personalistisch geprägte Herrschaftsverhältnis, das oft frei von Gebietsbezügen existierte, durch die Zentralisierung von Macht und Herrschaft, die nunmehr einen Gebietsbezug aufwies. Ebendieser Gebietsbezug spiegelt sich im rechtlichen Begriff des Staatsgebietes als konstitutives Merkmal der Staatlichkeit wieder, indem das Staatsgebiet den territorialen Bezugspunkt des Staates bildet.70 Es handelt sich beim Staatsgebiet um 66
Isensee, Staat und Verfassung, in: Badura u. a. (Hrsg.), Grundlagen von Staat und Verfassung, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, 1995, S. 591 ff., 602 f.; 607; Herdegen, Völkerrecht, 17. Aufl., 2018, S. 77 f.; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 76; Seiler, Der souveräne Verfassungsstaat zwischen demokratischer Rückbindung und überstaatlicher Einbindung, 2005, S. 75 f.; Krieger, Das Effektivitätsprinzip im Völkerrecht, 2000, S. 83; Bleckmann, Allgemeine Staats- und Völkerrechtslehre, 1995, S. 117 ff. 67 Kau, Der Staat und der Einzelne als Völkerrechtssubjekte, in: Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 2016, S. 133 ff., 161; Isensee, Staat und Verfassung, in: Badura u. a. (Hrsg.), Grundlagen von Staat und Verfassung, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, 1995, S. 591 ff., 602 f.; Herdegen, Völkerrecht, 17. Aufl., 2018, S. 78; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 76 f.; von Arnauld, Völkerrecht, 3. Aufl., 2016, S. 22; Hobe/Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 10. Aufl., 2014, S. 72; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, 2. Aufl., 2012, S. 17; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., 1984, S. 223 ff.; Korowicz, Introduction to international law present conceptions of international law in theory and practice, 1959, S. 86; Jellinek, Allgemeine Staatslehre, 3. Aufl., 1914. 68 Art. 1 der Konvention von Montevideo über Rechte und Pflichten der Staaten vom 26. Dezember 1933. 69 Siehe insbesondere Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 77; von Arnauld, Völkerrecht, 3. Aufl., 2016, S. 27; Hobe/Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 10. Aufl., 2014, S. 72 sowie ergänzend die Nachweise in Fußnote 144, die dieses Kriterium nicht berücksichtigen. 70 Permanent Court of Arbitration, Entscheidung v. 4. 4. 1928, Island of Palmas (Netherlands, USA), Reports of International Arbitral Awards II, S. 829 ff., 838; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 77; Shaw, International law, 8. Aufl., 2017, S. 361 f.; 379 ff.; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, 2. Aufl., 2012, S. 18; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/III, 2. Aufl., 1989, S. 127; Shaw, Territory in International Law, NYL, 1982, S. 61 ff.
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Teil 1: Grundlagen des Staates und seiner Staatsgewalt
einen abgeschlossenen und abgrenzbaren Teil der Erde, einschließlich des Bereiches unter der Erdoberfläche sowie des oberhalb der Oberfläche gelegenen Luftraumes bis zur Grenze des Weltalles.71 Nach heutiger Sichtweise72 bildet dieses Staatsgebiet einerseits das Gebiet, auf dem der Staat als Souverän die alleinige Befugnis zur Ausübung von Herrschafts71 Herdegen, Völkerrecht, 17. Aufl., 2018, S. 79 f.; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 79 f.; von Arnauld, Völkerrecht, 3. Aufl., 2016, S. 27 f.; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, 2. Aufl., 2012, S. 105; Brownlie, Principles of public international law, 7. Aufl., 2008, S. 105; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band II/III, 2. Aufl., 2002, S. 380 ff.; Shaw, Territory in International Law, NYL, 1982, S. 61 ff., 66. 72 Siehe hierzu und dem Folgenden Permanent Court of Arbitration, Entscheidung v. 4. 4. 1928, Island of Palmas (Netherlands, USA), Reports of International Arbitral Awards II, S. 829 ff., 838 ff.; Proelß, Raum und Umwelt im Völkerrecht, in: Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 2016, S. 361 ff., 369 ff.; Herdegen, Völkerrecht, 17. Aufl., 2018, S. 79 f., 192 ff.; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 77 f., 110 ff.; Shaw, International law, 8. Aufl., 2017, S. 361 ff., 483 ff.; von Arnauld, Völkerrecht, 3. Aufl., 2016, S. 27 ff., 145 ff.; Hobe/Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 10. Aufl., 2014, S. 81 ff.; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, 2. Aufl., 2012, S. 105 ff.; Brownlie, Principles of public international law, 7. Aufl., 2008, S. 105 ff.; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., 1984, S. 634 ff.; Verdross, Territoriale Souveränität und Gebietshoheit zur völkerrechtlichen Lage der Oder-Neisse-Gebiete, 1980; Shaw, Territory in International Law, NYL, 1982, S. 61 ff. Das Verhältnis des Staates zum Staatsgebiet ist allerdings unterschiedlich definiert worden. Anfangs galt das Staatsgebiet als Eigentum des Staates, es dominierte eine dingliche Perspektive. Dieser folgte eine Theorie nach, nach der das Staatsgebiet jenes Gebiet ist, auf dem dem Staat ein dingliches Recht zur Entfaltung von Herrschaftsgewalt zukomme. Dieser Gedanke hat sich in der Folge von der dinglichen Wurzel gelöst. Der Fokus der Betrachtung des Staatsgebietes lag darin, dass dem Staat auf diesem Gebiet die Herrschaftsgewalt über die sich dort aufhaltenden Menschen zukommt. Im Staatsgebiet vollzieht sich die Herrschaftsgewalt des Staates in zweierlei Hinsicht: Einerseits ist nur der Staat selbst, nicht aber ein anderer Staat, zur Entfaltung von Herrschaftsgewalt befugt, andererseits unterliegen alle Personen, die sich im Staatsgebiet befinden, der Herrschaftsgewalt. Der Fokus liegt hierbei allerdings darauf, das Staatsgebiet als jenes Gebiet zu erfassen, auf dem sich die staatliche Tätigkeit entfaltet und ausdrückt. Das Staatsgebiet ist hiernach das Gebiet, in dem der Staat herrscht, nicht aber jenes Gebiet, über das der Staat herrscht. Wesentlich für diese Sichtweise war, dass das Staatsgebiet das Gebiet des sesshaft gewordenen Staatsvolkes ist, die Staatlichkeit ist in der Folge durch eine personalistische Sichtweise geprägt. Diese Sichtweise betonte besonders Jellinek, der dem Staatsgebiet eine doppelte Rolle zuschrieb. Die subjektive Qualität des Staatsgebietes liegt darin, dass der Staat als Verband sesshaft gewordener Menschen, über die er die allumfassende Herrschaftsgewalt ausübt, zur Existenz eines räumlichen Gebietes bedarf. Die Sesshaftigkeit der Staatsangehörigen vermittelt insoweit nach Jellinek auch dem Staat die Eigenschaft der Sesshaftigkeit auf diesem Gebiet. Zudem ist das Gebiet auch Voraussetzung der Herrschaftsentfaltung und erst der Anspruch der allumfassenden Ausübung von Herrschaft auf diesem Gebiet ermöglicht dem Staat die Zweckerfüllung. Hierdurch kommt nach Jellinek dem Verband die Staatsqualität zu. Zugleich betont Jellinek eine objektive Funktion des Staatsgebietes. Das Staatsgebiet ist nach dieser Ansicht jenes Gebiet, in dem sich die staatliche Herrschaftsgewalt realisiert, über das der Staat die Herrschaftsgewalt ausrichtet. Diese Herrschaftsgewalt ist nach Jellinek immer an Personen gerichtet, die sich auf dem Staatsgebiet aufhalten, und gilt für diese unabhängig der Staatsangehörigkeit. Durch die Verwirklichung des staatlichen Befehls auf dem Staatsgebiet wird daher das Staatsgebiet zum Objekt oder Gegenstand der Staatsgewalt. Diese personalistische Prägung des Staatsbegriffes und gewissermaßen reflexartige Erfassung des
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gewalt zukommt, und andererseits das Gebiet, über das der Staat zu verfügen berechtigt ist. Der erste Aspekt betont die Eigenart des Staatsgebietes, unmittelbarer Bezugspunkt der Ausübung staatlicher Gewalt zu sein. Der Staat ist demgemäß Träger der Herrschaftsgewalt über ein Gebiet. Dieser Gebietsbezug der Herrschaftsgewalt ist allerdings nicht bloß darauf gerichtet, die sich im Staatsgebiet aufhaltenden Menschen zum Bezugspunkt der Herrschaftsgewalt zu bestimmen. Der zweite Aspekt betont sodann den dinglichen Charakter des Staatsgebietes. Der Staat ist befugt, frei über dieses Gebiet zu verfügen, bspw., indem einem anderen Staat Herrschaftsrechte über ein Teil des Staatsgebietes übertragen werden. Diese Aspekte schlagen sich auch begrifflich in der Konzeption der territorialen Dimension der Staatsgewalt des Staates nieder. Die Befugnis zur Ausübung der Staatsgewalt in Bezug auf das Staatsgebiet wird insgesamt durch die territoriale Souveränität des Staates gefasst. Diese umfasst einerseits die Kompetenz des Staates, über das Staatsgebiet zu verfügen, andererseits die Befugnis zur Wahrnehmung der Gebietshoheit als die auf dem Innehaben einer tatsächlichen Herrschaftsgewalt beruhende Zuständigkeit zur Ausübung von Staatsgewalt auf einem bestimmten Gebiet, regelmäßig das dem Staat kraft der territorialen Souveränität unterstehende Staatsgebiet.73 2. Staatsvolk Im Begriff des Staatsvolkes spiegelt sich die personale Konzeption des Staates wider. Wie bereits die historische Darstellung zeigt, führte die Entwicklung des modernen Staates nicht dazu, dass der Staat nicht auch als personaler Verband begriffen wird.74 Während aber im Verständnis des Staates als tatsächliches Phänomen das Staatsvolk häufig durch all jene gebildet wird, die im Staatsgebiet leben, ist der rechtliche Begriff des Staatsvolkes enger.75
Staatsgebietes aus seiner Funktion als Gebiet der Sesshaftigkeit des Staatsvolkes wurde allerdings als unzureichend angesehen. Vielmehr ist das Staatsgebiet jenes Gebiet, über das der Staat herrscht, das Gebiet kennzeichnet so seinen alleinigen Zuständigkeitsbereich und Kompetenzbereich zur Ausübung von Herrschaftsgewaltl, siehe auch Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 77 f.; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band II/III, 2. Aufl., 2002, S. 317 f.; Verdross, Territoriale Souveränität und Gebietshoheit zur völkerrechtlichen Lage der Oder-Neisse-Gebiete, 1980, S. 35 ff.; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, 1977, S. 193 f.; Gunst, Der Begriff der Souveränität im modernen Völkerrecht, 1953, S. 58 ff.; Schnitzer, Staat und Gebietshoheit, 1935, S. 34; Hamel, Das Wesen des Staatsgebietes, 1933; Berman, The Globalization of Jurisdiction, University of Pennsylvania Law Review, 2002, 311 ff., 415 ff.; Shaw, Territory in International Law, NYL, 1982, S. 61 ff., 74 ff. 73 Ausführlich hierzu Teil 1 B. I. 1. b). 74 Siehe die Nachweise in Fußnote 58. 75 Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, 2. Aufl., 2012, S. 17; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/III, 2. Aufl., 1989, S. 127; Corral, Staatsangehörigkeit und Staatsbürgerschaft vor den Herausforderungen des demokratischen Verfassungsstaates, Der Staat, 2007, S. 349 ff.
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Teil 1: Grundlagen des Staates und seiner Staatsgewalt
Im rechtlichen Begriff des Staates wird das Staatsvolk durch den dauerhaften Verband der einem Staat zugehörigen Personen gebildet. Durch die Zugehörigkeit einer Person zum Staat ist die Person der Herrschaftsgewalt des Staates unterworfen. Diese personale Unterwerfung beruht in Abgrenzung zur Gebietshoheit nicht auf einer territorialen Zuordnung der Person, sondern findet ihre Grundlage in einer personalen Beziehung zwischen dem Staat und der Person. Diese personale Beziehung wird durch die Staatsangehörigkeit einer Person begründet und gestützt auf diese ist der Staat befugt, im Rahmen der Personalhoheit des Staates Herrschaftsgewalt über eine Person auszuüben. Das Staatsvolk wird daher durch die Staatsangehörigen gebildet, die kraft des Bandes der Staatsangehörigkeit der Personalhoheit und damit der staatlichen Herrschaftsgewalt unterworfen sind.76 Die Festlegung der Voraussetzungen der Staatsangehörigkeit obliegt hierbei dem Staat selbst. Dieser entscheidet in nationaler Rechtsetzung, auf Grund welcher Verbindungen einer Person die Staatsangehörigkeit verliehen werden soll.77 Ein Staat unterliegt allerdings insoweit völkerrechtlichen Bindungen bei dieser Frage, als die Staatsangehörigkeit im Völkerrecht Wirkungen entfalten können und von anderen Staaten anzuerkennen sein soll. Das Völkerrecht setzt voraus, dass die Verleihung der Staatsangehörigkeit durch tatsächliche Beziehungen zum Staat getragen ist.78 76 Kau, Der Staat und der Einzelne als Völkerrechtssubjekte, in: Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 2016, S. 133 ff., 172 ff.; Henkin, „Nationality“ at the Turn of the Century, in: Beyerlin u. a. (Hrsg.), Recht zwischen Umbruch und Bewahrung, 1995, S. 89 ff., 91; Grawert, Staatsvolk und Staatsangehörigkeit, in: Badura u. a. (Hrsg.), Grundlagen von Staat und Verfassung, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, 1995, S. 663 ff., 668; von Mangoldt, in: DGFIR, Anerkennung der Staatsangehörigkeit und effektive Staatsangehörigkeit natürlicher Personen im Völkerrecht und im internationalen Privatrecht, DGFIR Band 29, 1988, S. 37 ff., 63 ff.; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 123; von Arnauld, Völkerrecht, 3. Aufl., 2016, S. 32 f.; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, 2. Aufl., 2012, S. 17, 111; anderer Ansicht aber Crawford, The creation of states in international law, 2. Aufl., 2007, S. 52 f.; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band II/III, 2. Aufl., 2002, S. 18 ff.; Dahm/ Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band II/III, 2. Aufl., 2002, S. 3; Epping, Grundgesetz und Kriegswaffenkontrolle, 1993, S. 152 ff.; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/III, 2. Aufl., 1989, S. 127; Corral, Staatsangehörigkeit und Staatsbürgerschaft vor den Herausforderungen des demokratischen Verfassungsstaates, Der Staat, 2007, S. 349 ff. 77 StIGH, Advisory Opinion v. 7. 2. 1923, Nationality Decrees Issued in Tunis and Morocco, PCIJ Series B, 1923, S. 6 ff., 24; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 124 f.; von Arnauld, Völkerrecht, 3. Aufl., 2016, S. 32 f.; Hobe/Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 10. Aufl., 2014, S. 90; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, 2. Aufl., 2012, S. 111; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band II/III, 2. Aufl., 2002, S. 26 ff.; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/III, 2. Aufl., 1989, S. 127; Brownlie, The Relations of Nationality in Public International Law, Brit. Y.B. Int., 1963, S. 284 ff., 286 ff. 78 Abweichende Meinung des Richters ad hoc M. Guggenheim IGH, Urteil v. 6. 4. 1955, Nottebohm Case (second phase), ICJ Reports, 1955, S. 4 ff., 54; Henkin, „Nationality“ at the Turn of the Century, in: Beyerlin u. a. (Hrsg.), Recht zwischen Umbruch und Bewahrung, 1995, S. 89 ff., 91; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 123 f.; von Arnauld, Völkerrecht, 3. Aufl., 2016, S. 33; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, 2. Aufl., 2012, S. 111; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band II/III, 2. Aufl., 2002, S. 8; Epping, Grundgesetz und Kriegswaffenkontrolle, 1993, S. 152; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., 1984, S. 230;
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3. Staatsgewalt Historisch ist die Herausbildung der Staatlichkeit durch eine Zentralisierung der Herrschaftsgewalt geprägt, in deren Folge die Herrschaftsgewalt zunehmend territorial ausgeübt wird. Hierdurch löste sich die Herrschaftsgewalt von ihrem ursprünglichen personalen Bezugspunkt ab und wurde in einer zentralen Stelle, dem Staat, als höchste, souveräne Herrschaftsgewalt zusammengeführt. Diese herrschende Stelle ist demnach nicht länger durch ihre persönlichen Merkmale geprägt, sondern zeichnet sich dadurch aus, dass von ihr sämtliche Herrschaftsgewalt ausgeht, sodass von einem funktionalen Verständnis der Herrschaftsgewalt gesprochen wird. Diese Ausgangspunkte der tatsächlichen Konzeption staatlicher Herrschaftsgewalt spiegeln sich im Begriff der Staatsgewalt als Element des rechtlichen Staatsbegriffes wider. Nach dem rechtlichen Staatsbegriff ist Voraussetzung,79 dass dem Staat eine allumfassende und dauerhafte Herrschaftsgewalt im Staat mit dem Ziel der Errichtung einer staatlichen Ordnung zusteht und der Staat imstande ist, diese zunächst im normativen Bereich begründete80 Herrschaftsgewalt tatsächlich auf Dauer auszuüben und durchzusetzen. Die erforderliche Qualität der Herrschaftsgewalt wird maßgebend durch das völkerrechtliche Souveränitätsprinzip geprägt. Gemäß dem Gedanken der Souveränität muss die staatliche Herrschaftsgewalt originärer Art sein, sie darf sich nicht von anderen Ebenen oder Staaten ableiten81. Dies bedeutet, dass Brownlie, The Relations of Nationality in Public International Law, Brit. Y.B. Int., 1963, S. 284 ff., 312 ff. Siehe auch IGH, Urteil v. 6. 4. 1955, Nottebohm Case (second phase), ICJ Reports, 1955, S. 4 ff., 23; Dörr, Nottebohm Case, in: Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law; Brownlie, The Relations of Nationality in Public International Law, Brit. Y.B. Int., 1963, S. 284 ff., 312 ff., 349 ff.; Makarov, Das Urteil des Internationalen Gerichtshofes im Fall Nottebohm, ZaöRV, 1955, S. 407 ff., 414. 79 Siehe zu dem Ganzen in einer Gesamtschau die folgende Literatur: StIGH, Advisory Opinion v. 5. 11. 1931, Customs Regime between Germany and Austria, PCIJ Series A/B, 1931, S. 37 ff., 45; Kau, Der Staat und der Einzelne als Völkerrechtssubjekte, in: Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 2016, S. 133 ff., 161 ff.; Wildhaber, Entstehung und Aktualität der Souveränität, in: Müller (Hrsg.), Staatsorganisation und Staatsfunktionen im Wandel, 1982, S. 131 ff., 138 ff.; Herdegen, Völkerrecht, 17. Aufl., 2018, S. 78 ff.; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 139 f.; von Arnauld, Völkerrecht, 3. Aufl., 2016, S. 34 ff.; Crawford, The creation of states in international law, 2. Aufl., 2007, S. 55 ff., 62 ff.; Krieger, Das Effektivitätsprinzip im Völkerrecht, 2000, S. 88 ff.; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/III, 2. Aufl., 1989, S. 128; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., 1984, S. 225; Verdross, Territoriale Souveränität und Gebietshoheit zur völkerrechtlichen Lage der OderNeisse-Gebiete, 1980, S. 11; von der Heydte, Die Geburtsstunde des souveränen Staates, 1952, S. 287 ff.; Badura u. a. (Hrsg.), Grundlagen von Staat und Verfassung, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, I, 2. Aufl., 1995. 80 Siehe hierzu detailliert die Rolle der Binnenkonstruktion des Staates durch Verfassungsrecht als Bedingung der rechtlichen Konstruktion der Staatlichkeit in Teil 1 A. III. 1. 81 Siehe zu diesem Aspekt insbesondere die Stellungnahme des Richters M. Anzilotti StIGH, Advisory Opinion v. 5. 11. 1931, Customs Regime between Germany and Austria, PCIJ Series A/B, 1931, S. 37 ff., 57; Bindschedler, Betrachtungen über die Souveränität, in: Faculté de droit Université de Genève; Institut universitaire de hautes études internationales, En
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Teil 1: Grundlagen des Staates und seiner Staatsgewalt
der Staat im Staatsgebiet und über das Staatsvolk als oberster und alleiniger Träger sämtlicher Herrschaftsgewalt erscheinen muss. Mit dem Begriff des Staates ist es nicht vereinbar, wenn auch anderen Organisationen originäre, d. h. nicht vom Staat abgeleitete, Herrschaftsgewalt zukommt, die neben die staatliche Herrschaftsgewalt tritt. Vor diesem Hintergrund ist es ebenfalls erforderlich, dass die Staatsgewalt unterscheidbar sein muss: Nur wenn die Staatsgewalt in Bezug auf das abgegrenzte Staatsgebiet und Staatsvolk von anderen Staatsgewalten unterscheidbar ist, kann davon ausgegangen werden, dass tatsächlich ein eigenständiger Staat vorliegt. Die so konzipierte Staatsgewalt weist verschiedene Stoßrichtungen auf. So ist zunächst zwischen einer nach innen und einer nach außen gerichteten Ausübung der Herrschaftsgewalt zu unterscheiden:82 Nach innen ist die Staatsgewalt auf die Etablierung einer innerstaatlichen Ordnung gerichtet. Voraussetzung dieser Staatsgewalt ist einerseits, dass die Herrschaftsgewalt allumfassend und auf Dauer angelegt ist, andererseits muss diese Herrschaftsgewalt als Staatsgewalt effektiv, also tatsächlich durchsetzbar, sein. Nach außen muss die Staatsgewalt derartige Qualität aufweisen, dass der Staat in der Staatengemeinschaft selbständig handlungsfähig ist. Dies erfordert gerade, dass die Staatsgewalt eine originäre Staatsgewalt ist, die nur den äußeren Bindungen des Völkerrechts unterworfen ist. Dies ist weitgehend gleichbedeutend mit der Vertragsabschlusskompetenz, wie sie in Art. 1 der Montevideo-Konvention genannt ist.83 Darüber hinaus ist die Staatsgewalt, worauf bereits in Bezug auf die Begriffselemente des Staatsgebietes und des Staatsvolkes hingewiesen wurde, einerseits auf hommage à Paul Guggenheim, 1968, S. 167 ff., 169 ff.; Shaw, International law, 8. Aufl., 2017, S. 166; Bentzien, Die völkerrechtlichen Schranken der nationalen Souveränität im 21. Jahrhundert, 2007, S. 17 f.; zur Frage der Souveränität durch die Einbindung des Staates in internationale Organisationen siehe beispielsweise Seiler, Der souveräne Verfassungsstaat zwischen demokratischer Rückbindung und überstaatlicher Einbindung, 2005, S. 203 ff.; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/III, 2. Aufl., 1989, S. 128 f.; 216; von Simson, Die Souveränität im rechtlichen Verständnis der Gegenwart, 1965, S. 19; Bruns, Völkerrecht als Rechtsordnung, ZaöRV, 1929, S. 1 ff., 34. 82 Kau, Der Staat und der Einzelne als Völkerrechtssubjekte, in: Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 2016, S. 133 ff., 161 ff.; Isensee, Staat und Verfassung, in: Badura u. a. (Hrsg.), Grundlagen von Staat und Verfassung, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, 1995, S. 591 ff., 605; Bindschedler, Betrachtungen über die Souveränität, in: Faculté de droit Université de Genève; Institut universitaire de hautes études internationales, En hommage à Paul Guggenheim, 1968, S. 167 ff., 170 f.; Herdegen, Völkerrecht, 17. Aufl., 2018, S. 80 f.; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 139 ff.; Shaw, International law, 8. Aufl., 2017, S. 361; von Arnauld, Völkerrecht, 3. Aufl., 2016, S. 34 ff.; Krieger, Das Effektivitätsprinzip im Völkerrecht, 2000, S. 88 ff.; von Simson, Die Souveränität im rechtlichen Verständnis der Gegenwart, 1965, S. 19; Gunst, Der Begriff der Souveränität im modernen Völkerrecht, 1953, S. 57 f. Vgl. auch die abweichende Meinung des Richters Alvarez IGH, Urteil v. 9. 4. 1949, The Corfu Channel Case (United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland v. Albania), ICJ Reports, 1949, S. 4 ff., 44; StIGH, Advisory Opinion v. 5. 11. 1931, Customs Regime between Germany and Austria, PCIJ Series A/B, 1931, S. 37 ff., 45. 83 von Arnauld, Völkerrecht, 3. Aufl., 2016, S. 36 f.
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das Staatsgebiet, andererseits auf das Staatsvolk gerichtet.84 Die Staatsgewalt verbindet diese beiden Elemente des Staates zu einer Einheit, indem die Herrschaftsgewalt des Staates umfassend angelegt ist. Die territorial und personal bezogene Ausübung von Staatsgewalt bilden daher Erscheinungsformen einer umfassenden Staatsgewalt,85 nicht aber können sie als isoliert nebeneinanderstehende Elemente angesehen werden. Demgemäß wird zutreffend davon gesprochen, dass die Staatsgewalt eine „organisatorische Klammer“86 für die Elemente des Staatsgebietes und des Staatsvolkes darstellt, in deren Folge diese Elemente nicht länger beziehungslos nebeneinanderstehen. 4. Zusammenfassung Zusammenfassend lässt sich daher feststellen, dass in völkerrechtlicher Hinsicht der Staat durch die Elemente des Staatsgebietes, des Staatsvolkes und der Staatsgewalt gebildet wird. Die Elemente des Staatsgebietes und des Staatsvolkes bestehen nicht beziehungslos nebeneinander, sondern werden durch die Staatsgewalt zu einer Einheit verbunden. Der Staat übt damit eine einheitliche umfassende Herrschaftsgewalt über das Staatsgebiet und das Staatsvolk aus. Ihm kommt in Bezug auf diese Elemente die alleinige, unabhängige, d. h. souveräne, Kompetenz zur Ausübung von Herrschaftsgewalt zu. Als souveräne Staatsgewalt bildet sie eine originäre Herrschaftsgewalt, nach innen, in Bezug auf das Staatsgebiet als Ausübung der Gebietshoheit und auf das Staatsvolk als Ausübung der Personalhoheit, ist sie die einzig wirksame und höchste Gewalt, nach außen wird die Staatsgewalt selbständig und unabhängig ausgeübt. Der Staat des Völkerrechts erscheint so als Personal- und Territorialverband.87
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Grawert, Staatsvolk und Staatsangehörigkeit, in: Badura u. a. (Hrsg.), Grundlagen von Staat und Verfassung, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, 1995, S. 663 ff., 664 f.; Isensee, Staat und Verfassung, in: Badura u. a. (Hrsg.), Grundlagen von Staat und Verfassung, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, 1995, S. 591 ff., 604; Herdegen, Völkerrecht, 17. Aufl., 2018, S. 80; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 122, 139 f.; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/III, 2. Aufl., 1989, S. 127; Die personale Komponente einschränkend Gunst, Der Begriff der Souveränität im modernen Völkerrecht, 1953, S. 58 ff. 85 Herdegen, Völkerrecht, 17. Aufl., 2018, S. 80 f.; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 139 f.; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/III, 2. Aufl., 1989, S. 127 ff. 86 Herdegen, Völkerrecht, 17. Aufl., 2018, S. 80. Siehe auch Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/III, 2. Aufl., 1989, S. 128. 87 Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 76; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., 1984, S. 230.
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Teil 1: Grundlagen des Staates und seiner Staatsgewalt
III. Die Einbindung des Staates in das Recht Bisher wurde der Staat in rechtlicher Hinsicht als rechtliche Organisation beschrieben. Über die Drei-Elemente-Lehre wurde dargelegt, unter welchen Voraussetzungen eine Organisation im Völkerrecht als Staat anzusehen ist. Hierbei zeigte sich, dass ein Staatsgebiet und ein Staatsvolk bestehen müssen, über das die Organisation eine Staatsgewalt ausübt. Dies setzte weitergehend voraus, dass die Herrschaftsgewalt nach innen und außen in unterscheidbarer Art und Weise umfassend, dauerhaft, effektiv und unabhängig ausgeübt wird. Sie muss über das Staatsgebiet und das Staatsvolk die einzige Herrschaftsgewalt begründen. Durch diese Beschreibung des Staates ist dieser allerdings nur ,schablonenartig‘ gefasst. Es fehlt jede Darlegung der wesentlichen rechtlichen Beziehungen, in die der Staat eingebunden ist, und aus denen der Staat seinen rechtlichen Bedeutungsgehalt erhält: Die Herausbildung des modernen Staates im tatsächlichen Bereich sowie die Abbildung dieses Prozesses im Recht haben zu einer wesentlichen Veränderung der Anknüpfungsmomente rechtlicher Beziehungen geführt. Die Bündelung der Herrschaftsgewalt im Staat als abstrakte Einheit bewirkt nicht nur im tatsächlichen Bereich eine Bündelung der Herrschaftsgewalt, sondern auch im normativen Bereich spiegelt sich diese Bündelung in der Vereinheitlichung rechtlicher Anknüpfungen in der Staatsgewalt wider: Nach innen wird alleinig der Staat tätig, denn dieser allein besitzt die Herrschaftsgewalt, die allumfassend und ausschließlich ist, während nach außen die Staaten an der Völkerrechtsgemeinschaft teilnehmen.88 Hierdurch hat der Staat eine neue Ebene rechtlicher Bezugspunkte gebildet: Nach außen ist der Staat zentraler Bezugspunkt und klassisches Subjekt des Völkerrechts89 und wird als Verband als solcher Anknüpfungspunkt völkerrechtlicher Rechte und Pflichten. Das Außenverhältnis der Staaten wird durch diese völkerrechtlichen Beziehungen gebildet, während die Ausübung der Staatsgewalt nach innen mit dem Ziel der Etablierung einer innerstaatlichen Ordnung grundsätzlich dem innerstaatlichen Recht vorbehalten ist. Der Staat als weitere Ebene rechtlicher Bezugspunkte entfaltet so eine gewisse Abschirmwirkung, nur in Ausnahmefällen durchbricht das 88 Abweichende Meinung des Richters M. Weiss StIGH, Urteil v. 7. 9. 1927, The Case of the S.S. „Lotus“, PCIJ Series A, 1927, S. 3 ff., 44; Isensee, Staat und Verfassung, in: Badura u. a. (Hrsg.), Grundlagen von Staat und Verfassung, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, 1995, S. 591 ff., 591; 605; Herdegen, Völkerrecht, 17. Aufl., 2018, S. 80; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 139 ff.; Shaw, International law, 8. Aufl., 2017, S. 361; von Arnauld, Völkerrecht, 3. Aufl., 2016, S. 34 ff.; Tomuschat, International law, 2001, S. 43; Krieger, Das Effektivitätsprinzip im Völkerrecht, 2000, S. 88 ff.; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/III, 2. Aufl., 1989, S. 21 ff.; Siegrist, Hoheitsakte auf fremdem Staatsgebiet, 1987, S. 7 f. 89 Abweichende Meinung des Richters M. Weiss StIGH, Urteil v. 7. 9. 1927, The Case of the S.S. „Lotus“, PCIJ Series A, 1927, S. 3 ff., 44; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 76; Shaw, International law, 8. Aufl., 2017, S. 156; Brownlie, Principles of public international law, 7. Aufl., 2008, S. 58; Tomuschat, International law, 2001, S. 43; Krieger, Das Effektivitätsprinzip im Völkerrecht, 2000, S. 88 ff.; Korowicz, Introduction to international law present conceptions of international law in theory and practice, 1959, S. 86.
A. Der Staat als rechtlich konstituiertes Gebilde
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Völkerrecht diese Abschirmwirkung und knüpft unmittelbar an innerstaatliche Einheiten an.90 Gerade hierdurch erklärt sich die völkerrechtlich geforderte Effektivität der Staatsgewalt.91 Im Folgenden sollen diese beiden Stoßrichtungen der rechtlichen Beziehungen des Staates näher dargelegt werden, um den Staat in seinen rechtlichen Funktionen zu fassen und die Eigenschaften des Staates näher beschreiben zu können, die aus seiner Einbindung in rechtliche Beziehungen folgen, und für das Verständnis des Staates, der Staatsgewalt und der territorialen Reichweite der Staatsgewalt als Rechtsetzungsgewalt von Bedeutung sind. 1. Das verfassungsrechtlich bestimmte Innenverhältnis des Staates Die völkerrechtliche Staatsdefinition beinhaltet nur geringe Voraussetzungen an die Staatsgewalt, die das Innenverhältnis des Staates betreffen. Nach innen wird das Bestehen einer allumfassenden und auf Dauer angelegten Herrschaftsgewalt vorausgesetzt.92 Soweit die Konzeption der Staatsgewalt eine dauerhafte Herrschaftsgewalt voraussetzt, wird hierdurch eine funktionale Zuweisung von Herrschaftsgewalt im Staat notwendig,93 wie sie auch dem historischen Leitbild94 entspricht. Eine personale Herrschaftsgewalt als Ausdruck einer Treuebeziehung zu einer konkret bestimmten Person, dem Herrscher, kann eine dauerhafte Herrschaftsgewalt denknotwendigerweise nicht herstellen, da sie spätestens mit dem Ableben der Person erlischt. Sie ist damit erkennbar nicht auf Dauer angelegt. Zudem entspräche ein derartiges Ver90
Mosler, Die Übertragung von Hoheitsgewalt, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Normativität und Schutz der Verfassung – Internationale Beziehungen, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band VII, 1992, S. 599 ff., 616; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 3; von Arnauld, Völkerrecht, 3. Aufl., 2016, S. 21 f.; Tomuschat, International law, 2001, S. 56 ff.; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/III, 2. Aufl., 1989, S. 11 ff.; 24 ff.; Korowicz, Introduction to international law present conceptions of international law in theory and practice, 1959, S. 86, 274. 91 Vgl. auch Kau, Der Staat und der Einzelne als Völkerrechtssubjekte, in: Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 2016, S. 133 ff., 161 ff.; Krieger, Das Effektivitätsprinzip im Völkerrecht, 2000, S. 88 ff.; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/III, 2. Aufl., 1989, S. 138. 92 Abweichende Meinung des Richters Alvarez IGH, Urteil v. 9. 4. 1949, The Corfu Channel Case (United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland v. Albania), ICJ Reports, 1949, S. 4 ff., 44; Isensee, Staat und Verfassung, in: Badura u. a. (Hrsg.), Grundlagen von Staat und Verfassung, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, 1995, S. 591 ff., 603, 606; Hobe/Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 10. Aufl., 2014, S. 71 f.; von Simson, Die Souveränität im rechtlichen Verständnis der Gegenwart, 1965, S. 40. 93 Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 22; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/III, 2. Aufl., 1989, S. 128. 94 Siehe hierzu Teil 1 A. I.
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Teil 1: Grundlagen des Staates und seiner Staatsgewalt
ständnis nicht dem historisch gewonnen Staatsbegriff, dessen Herausbildung gerade durch die Ablösung einer derartigen personalen Herrschaftskonzeption geprägt ist. Eine funktionale Begründung der Herrschaftsgewalt im Staate zur Errichtung der für die Staatlichkeit notwendigen Staatsgewalt setzt daher eine anderweitige Zuweisung der Herrschaftsgewalt im Staat an bestimmte Personen voraus. Damit die notwendigerweise personal ausgeübte Staatsgewalt als funktional begründete Herrschaftsgewalt verstanden werden kann, bedarf es einer allgemeinen Regelung, die die Herrschaftsgewalt im Staat bestimmten Personen unabhängig von ihren besonderen persönlichen Merkmalen zuweist und dadurch die Herrschaftsgewalt im Binnenbereich rechtlich strukturiert.95 Diesem Erfordernis einer rechtlichen Strukturierung der Herrschaftsgewalt zur Benennung derjenigen Personen, die die Herrschaftsgewalt konkret ausüben, wird durch das Bestehen einer Verfassung96 entsprochen.97 Bedingung der Staatlichkeit im rechtlichen Sinne ist damit das Bestehen einer Verfassung, die die Staatsgewalt strukturiert, im Staat konkreten Personen zur Wahrnehmung zuweist und so die tatsächliche Durchsetzung der Staatsgewalt ermöglicht. Daneben trägt das Völkerrecht zwar mittlerweile zahlreiche weitere Vorgaben an den Staat heran, die im Innenverhältnis zu beachten sind, insbesondere in Form der universellen Menschenrechte98. Nicht nur an die in Menschenrechtserklärungen
95
Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 22; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/III, 2. Aufl., 1989, S. 128. 96 Zum Verfassungsbegriff allgemein Stern, Idee der Menschenrechte und Positivität der Grundrechte, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Allgemeine Grundrechtslehren, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band V, 2000, S. 3 ff., 20 ff.; Isensee, Staat und Verfassung, in: Badura u. a. (Hrsg.), Grundlagen von Staat und Verfassung, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, 1995, S. 591 ff.; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, 1977, S. 51 ff. 97 Hobe/Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 10. Aufl., 2014, S. 71; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/III, 2. Aufl., 1989, S. 128, 139; Weber-Fas, Staatsverträge im internationalen Steuerrecht, 1982, S. 32; von Simson, Die Souveränität im rechtlichen Verständnis der Gegenwart, 1965, S. 40; 155 ff. 98 Dupuy/Fassbender/Shaw/Sommermann, Festschrift für Christian Tomuschat, 2006; Alston, The United Nations and Human Rights, A Critical Appraisal, 1992; Tomuschat, Menschenrechtsschutz und innere Angelegenheiten, in: Deutsche Sektion der Internationalen Juristen-Kommission, Eingriff in die inneren Angelegenheiten fremder Staaten zum Zwecke des Menschenrechtsschutzes, 2002, S. 5 ff.; Simma, Der internationale Schutz der Menschenrechte, Möglichkeiten und Grenzen, in: Karl (Hrsg.), In memorian Herbert Miehsler, 1998, S. 33 ff.; Kokott, in: DGFIR, Grund- und Menschenrechte als Inhalt eines internationale ordre public, DGFIR Band 38, 1998, S. 71 ff.; von Bernstorff, Menschenrechte und Betroffenenrepräsentation, Entstehung und Inhalt eines UN-Antidiskriminierungsübereinkommens über die Rechte von behinderten Menschen, ZaöRV, 2007, S. 1041 ff.; Herdegen, Asymmetrien in der Staatenwelt und die Herausforderungen des „konstruktiven Völkerrechts“, ZaöRV, 2004, S. 571 ff.; Kokott, Souveräne Gleichheit und Demokratie im Völkerrecht, ZaöRV, 2004, S. 517 ff.; Kadelbach, Ethik des Völkerrechts unter Bedingungen der Globalisierung, ZaöRV,
A. Der Staat als rechtlich konstituiertes Gebilde
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enthaltenen Partizipationsrechte anknüpfend wird diskutiert, inwieweit völkerrechtlich mittlerweile eine demokratische Binnenstruktur des Staates vorausgesetzt wird.99 Diese führen aber, was für Zwecke der vorliegenden Arbeit allein von Interesse ist, nicht zu einer umfassenden Determinierung des Inhalts der Staatsgewalt dergestalt, dass dem Staat nunmehr positiv vorgegeben wäre, aus welchem Anlass und in welcher Form die Staatsgewalt auszuüben ist. Vielmehr ist der Staatsbegriff jenseits dieser Vorgaben weiterhin wertungsfrei mit Blick auf die Binnenkonstruktion des Staates ausgestaltet und setzt weder die Etablierung einer bestimmten staatlichen Ordnung voraus noch steht es einer, häufig vorzufindenden, weitergehenden Beschränkung der Staatsgewalt durch das Binnenrecht des Staates entgegen.100 2. Das völkerrechtlich bestimmte Außenverhältnis des Staates Das Außenverhältnis des Staates ist insbesondere101 Gegenstand völkerrechtlicher Regelungen. Zu den wesentlichen Grundlagen der Einbettung des Staates in die Völkerrechtsgemeinschaft zählen die Rechtsbindung des Staates, das völkerrecht2004, S. 1 ff.; Thürer, Modernes Völkerrecht, Ein System im Wandel und Wachstum – Gerechtigkeitsgedanke als Kraft der Veränderung?, ZaöRV, 2000, S. 557 ff. Hofmann, Minderheitenschutz in Europa, Überblick über die völker- und staatsrechtliche Lage, ZaöRV, 1992, S. 1 ff. 99 Ehm/Walter (Hrsg.), International Democracy Documents, 2015; Ehm, Das völkerrechtliche Demokratiegebot, Eine Untersuchung zur schwindenden Wertneutralität des Völkerrechts gegenüber den staatlichen Binnenstrukturen, 2013; Petersen, Demokratie als teleologisches Prinzip zur Legitimität von Staatsgewalt im Völkerrecht, 2009; Müller, Demokratie zwischen Staatsrecht und Weltrecht, 2003; Dupuy/Fassbender/Shaw/Sommermann, Festschrift für Christian Tomuschat, 2006; Schindler, Völkerrecht und Demokratie, in: Böckstiegel/Folz/ Mössner/Zemanek (Hrsg.), Festschrift für Ignaz Seidl-Hohenverldern, 1998, S. 611 ff.; Steinorth, Demokratie lite?, Möglichkeiten und Grenzen des Demokratisierungsbeitrages der Vereinten Nationen in Postkonflikt-Gesellschaften, ZaöRV, 2011, S. 475 ff.; Herdegen, Asymmetrien in der Staatenwelt und die Herausforderungen des „konstruktiven Völkerrechts“, ZaöRV, 2004, S. 571 ff.; Cerna, Universal Democracy, An International Legal right or the Pipe Dream of the West?, New York University Journal of International Law and Politicsf, 1995, S. 289 ff.; Crawford, Democracy in International Law, Brit. Y.B. Int., 1993, S. 113 ff.; Oeter, Selbstbestimmungsrecht im Wandel, ZaöRV, 1992, S. 741 ff.; Franck, The Emerging Right to Democratic Governance, American Journal of International Law, 1992, S. 46 ff.; Fox, The Right to Political Participation in International Law, Yale Journal of International Law, 1992, S. 539 ff. 100 Isensee, Staat und Verfassung, in: Badura u. a. (Hrsg.), Grundlagen von Staat und Verfassung, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, 1995, S. 591 ff., 603; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 34; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/III, 2. Aufl., 1989, S. 139; Korowicz, Introduction to international law present conceptions of international law in theory and practice, 1959, S. 86. 101 Offen bleiben kann und soll an dieser Stelle, ob die durch die Europäische Union eine neben die Völkerrechtsordnung getretene eigenständige und unabhängige Rechtsordnung geschaffen wurde, sodass die Mitgliedstaaten der Union im Außenverhältnis nicht nur in völkerrechtliche Beziehungen, sondern auch europarechtliche Beziehungen eingebunden sind.
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Teil 1: Grundlagen des Staates und seiner Staatsgewalt
liche Souveränitätsprinzip, die souveräne Gleichheit der Staaten sowie die völkerrechtlichen Grundlagen der Staatsgewalt als Koordinationsrecht.102 a) Die souveräne Gleichheit der Staaten Die souveräne Gleichheit bildet eine der wesentlichen Grundlagen der Völkerrechtsordnung und der rechtlichen Außenbeziehungen des Staates. Seinem Inhalt nach beinhaltet es zunächst die Gewährleistung der Souveränität der Staaten, darüber hinaus aber auch eine gleichheitsrechtliche Dimension. (aa) Das völkerrechtliche Souveränitätsprinzip Das Souveränitätsprinzip war bereits bei der rechtlichen Definition des Staates für Zwecke des Völkerrechts von Bedeutung. Im Staatsbegriff erscheint die Souveränität als notwendige Eigenschaft der Staatsgewalt:103 Ein Staat besteht demgemäß nur unter der Voraussetzung, dass die territorial und personal bezogene Herrschaftsgewalt nach innen wie nach außen als höchste Gewalt erscheint, die sämtliche Herrschaftsgewalt im Staat bündelt und als höchste Gewalt sich von anderen Gewalten unterscheidet. Die Souveränität als Voraussetzung an die Staatsgewalt bildet hierdurch ein prägendes Merkmal des Völkerrechts,104 indem es wesentlich der Unter102 Vitzthum, Begriff, Geschichte und Rechtsquellen des Völkerrechts, in: Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 2016, S. 1 ff., 26 f.; Kau, Der Staat und der Einzelne als Völkerrechtssubjekte, in: Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 2016, S. 133 ff., 163 f.; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 202 ff.; Shaw, International law, 8. Aufl., 2017, S. 166 ff.; Brownlie, Principles of public international law, 7. Aufl., 2008, S. 287 ff.; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band III/III, 2. Aufl., 2002, S. 775 ff.; Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 23 ff., 28 ff.; Nerep, Extraterritorial control of competition under international law, 1983, S. 445 ff.; Tanzi, Remarks on Sovereignty in the Evolving Constitutional Features of the International Community, International Community Law Review, 2010, S. 145 ff., 150 ff.; Bleckmann, Das Souveränitätsprinzip im Völkerrecht, AVR, 1985, S. 450 ff. 103 Stellungnahme des Richters M. Anzilotti StIGH, Advisory Opinion v. 5. 11. 1931, Customs Regime between Germany and Austria, PCIJ Series A/B, 1931, S. 37 ff., 57; Crawford, The creation of states in international law, 2. Aufl., 2007, S. 32; Bentzien, Die völkerrechtlichen Schranken der nationalen Souveränität im 21. Jahrhundert, 2007, S. 17; Spitaler, Das Doppelbesteuerungsproblem bei den direkten Steuern, 2. Aufl., 1967, S. 153; Bruns, Völkerrecht als Rechtsordnung, ZaöRV, 1929, S. 1 ff., 34; vgl. Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 23. 104 Stellungnahme des Richters M. Anzilotti StIGH, Advisory Opinion v. 5. 11. 1931, Customs Regime between Germany and Austria, PCIJ Series A/B, 1931, S. 37 ff., 57; abweichende Meinung des Richters M. Weiss StIGH, Urteil v. 7. 9. 1927, The Case of the S.S. „Lotus“, PCIJ Series A, 1927, S. 3 ff., 44; Randelzhofer, Staatsgewalt und Souveränität, in: Badura u. a. (Hrsg.), Grundlagen von Staat und Verfassung, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, 1995, S. 691 ff., 694; Bindschedler, Betrachtungen über die Souveränität, in: Faculté de droit Université de Genève; Institut universitaire de hautes études internationales, En hommage à Paul Guggenheim, 1968, S. 167 ff.; Ipsen, Völkerrecht,
A. Der Staat als rechtlich konstituiertes Gebilde
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scheidung der Herrschaftsgewalten dient und jene Gewalten identifiziert, die selbstständig bestehen und als Träger von Rechten und Pflichten im Völkerrecht herangezogen werden.105 Souveränität wird daher sowohl als Unabhängigkeit als auch als ,Höchst-Sein‘ verstanden.106 Im Staatsrecht werden dahingegen zahlreiche engere Begriffsverständnisse diskutiert.107 Allerdings sind diese für das hier maßgebende völkerrechtliche Verständnis der Souveränität nicht von Bedeutung: Wie bereits beim Begriff des Staates108 weist der Souveränitätsbegriff des Völkerrechts eine andere Funktion auf, die insbesondere darin besteht, sich als Unabhängigkeit der völkerrechtlichen Staaten zu entfalten. Vor diesem Hintergrund muss, ebenso wie der Staatsbegriff des Völkerrechts, das Verständnis der Souveränität im Verhältnis zu einem staatsrechtlichen Verständnis holzschnittartig bleiben, um nicht einzelnen Staaten – gleichsam funktionswidrig – die Souveränität im Völkerrecht zu versagen, weil 7. Aufl., 2018, S. 34 f.; Shaw, International law, 8. Aufl., 2017, S. 166; Bentzien, Die völkerrechtlichen Schranken der nationalen Souveränität im 21. Jahrhundert, 2007, S. 17; Quaritsch, Staat und Souveränität, 1970; Dennert, Ursprung und Begriff der Souveränität, 1964; Gunst, Der Begriff der Souveränität im modernen Völkerrecht, 1953; Simon/Waller, A Theory of Economic Sovereignty, Stanford Journal of International Law, 1986, S. 337 ff., 337; Bleckmann, Das Souveränitätsprinzip im Völkerrecht, AVR, 1985, S. 450 ff., 453. 105 StIGH, Advisory Opinion v. 5. 11. 1931, Customs Regime between Germany and Austria, PCIJ Series A/B, 1931, S. 37 ff., 45; Kau, Der Staat und der Einzelne als Völkerrechtssubjekte, in: Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 2016, S. 133 ff., 161 ff.; Dahm/ Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band II/III, 2. Aufl., 2002, S. 316 f.; Krieger, Das Effektivitätsprinzip im Völkerrecht, 2000, S. 88 ff.; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/III, 2. Aufl., 1989, S. 138; Brierly, The Law of Nations, 6. Aufl., 1963, S. 127 f. 106 StIGH, Advisory Opinion v. 5. 11. 1931, Customs Regime between Germany and Austria, PCIJ Series A/B, 1931, S. 37 ff., 45; Permanent Court of Arbitration, Entscheidung v. 4. 4. 1928, Island of Palmas (Netherlands, USA), Reports of International Arbitral Awards II, S. 829 ff., 838; McNair, Treaties and Sovereignty, The Law of Treaties, 2003, S. 754 ff., 757; Leibholz, Die Organisation der „Vereinten Nationen“ und die Strukturprinzipien des modernen Völkerrechts, in: Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät Göttingen (Hrsg.), Festschrift für Julius von Girke, 1950, S. 163 ff., 166; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., 1984, S. 28 f.; Nerep, Extraterritorial control of competition under international law, 1983, S. 410 ff.; Spitaler, Das Doppelbesteuerungsproblem bei den direkten Steuern, 2. Aufl., 1967, S. 153; Brierly, The Law of Nations, 6. Aufl., 1963, S. 127 f.; Brierly, The Law of Nations, 6. Aufl., 1963, S. 127 f.; Korowicz, Introduction to international law present conceptions of international law in theory and practice, 1959, S. 23 ff., 80 ff.; Tanzi, Remarks on Sovereignty in the Evolving Constitutional Features of the International Community, International Community Law Review, 2010, S. 145 ff., 151 ff. 107 Vgl. mit weiteren Nachweisen Kirchhof, Mittel staatlichen Handelns, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), Rechtsquellen, Organisation, Finanzen, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band V, 2007, S. 3 ff.; Schöbener, Allgemeine Staatslehre, 2009, S. 82 ff.; Crawford, The creation of states in international law, 2. Aufl., 2007, S. 33; Bleckmann, Allgemeine Staats- und Völkerrechtslehre, 1995, S. 161 ff.; Korowicz, Introduction to international law present conceptions of international law in theory and practice, 1959, S. 76 ff.; Hillgruber, Souveränität – Verteidigung eines Rechtsbegriffs, JZ, 2002, S. 1072 ff., 1073 f.; Bleckmann, Das Souveränitätsprinzip im Völkerrecht, AVR, 1985, S. 450 ff., 453 ff. 108 Siehe hierzu – auch ausführlicher – Teil 1 A. II.
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Teil 1: Grundlagen des Staates und seiner Staatsgewalt
bspw. die Annahme einer Volkssouveränität auf Grund der innerstaatlichen Struktur fernliegend erscheint.109 Zwischen der völkerrechtlichen Souveränität und der Staatsgewalt besteht auf Grund ihrer Verknüpfung im Staatsbegriff eine große Nähe. Das Souveränitätsprinzip beinhaltet qualitative Anforderungen an die Herrschaftsgewalt und bildet so die ideelle Grundlage ebendieser:110 Es ist gefordert, dass die staatlichen Funktionen unabhängig ausgeübt werden können, der Staat also nicht anderen Herrschaftsgewalten unterworfen ist. Für das Souveränitätsprinzip folgt hieraus aber auch, dass sich die Unterscheidungen, die die Staatsgewalt prägen, auch im Souveränitätsverständnis widerspiegeln und zwei Seiten einer Medaille bilden: Der Staat muss autonom Herrschaftsgewalt über das Staatsvolk und das Staatsgebiet ausüben können, nach innen fordert die Souveränität die Möglichkeit zur unabhängigen Errichtung einer innerstaatlichen Ordnung ein, während die Souveränität nach außen voraussetzt, dass der Staat unbeeinflusst an der Völkerrechtsgemeinschaft teilnehmen kann. Allerdings erschöpft sich die Funktion des Souveränitätsbegriffes nicht darin, Voraussetzungen an die Staatsgewalt zur Definition des völkerrechtlichen Staatsbegriffes zu stellen. Vielmehr entfaltet sich die Souveränität im Völkerrecht auch darüber hinaus als wesentliches Strukturmerkmal.111
109 Zur Frage der innerstaatlichen Rückbindung der Staatsgewalt aus der Perspektive des Völkerrechts nach dem Selbstbestimmungsrecht des Volkes siehe bereits die Nachweise in Fußnote 99. 110 Stellungnahme des Richters M. Anzilotti StIGH, Advisory Opinion v. 5. 11. 1931, Customs Regime between Germany and Austria, PCIJ Series A/B, 1931, S. 37 ff., 57; Randelzhofer, Staatsgewalt und Souveränität, in: Badura u. a. (Hrsg.), Grundlagen von Staat und Verfassung, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, 1995, S. 691 ff., 700; Herdegen, Völkerrecht, 17. Aufl., 2018, S. 80; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 34; 139 f.; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, 2. Aufl., 2012, S. 28; Bentzien, Die völkerrechtlichen Schranken der nationalen Souveränität im 21. Jahrhundert, 2007, S. 17 f.; Schweisfurth, Völkerrecht, 2006, S. 351; Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 23 f.; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/III, 2. Aufl., 1989, S. 216; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., 1984, S. 28 ff.; von Simson, Die Souveränität im rechtlichen Verständnis der Gegenwart, 1965, S. 19; Verdross, Völkerrecht, 5. Aufl., 1964, S. 7; Kritisch zur Unterscheidung zwischen interner und externer Souveränität Korowicz, Introduction to international law present conceptions of international law in theory and practice, 1959, S. 79; Bleckmann, Das Souveränitätsprinzip im Völkerrecht, AVR, 1985, S. 450 ff., 466 ff. 111 Schlussantrag Cruz Villalón v. 8. 9. 2011, C-347/10, Salemink, ECLI:EU:C:2011:562; Randelzhofer, Staatsgewalt und Souveränität, in: Badura u. a. (Hrsg.), Grundlagen von Staat und Verfassung, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, 1995, S. 691 ff., 700; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/III, 2. Aufl., 1989, S. 214 f.; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., 1984, S. 29 f., 59 ff.; Bleckmann, Das Souveränitätsprinzip im Völkerrecht, AVR, 1985, S. 450 ff., 453.
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(bb) Das Prinzip der souveränen Gleichheit Eine der wesentlichen Dimensionen des Souveränitätsprinzips als Strukturmerkmal der Völkerrechtsordnung stellt das Prinzip der souveränen Gleichheit dar, das eine Kehrseite des Souveränitätsprinzips bildet. Auf Grund dieser Bedeutung hat es ausdrücklich Niederschlag in Art. 2 Nr. 1 der UN-Charta gefunden. Das Prinzip der souveränen Gleichheit beinhaltet den Gedanken, dass allen Staaten ein gleiches Maß an Souveränität zukommt.112 Durch dieses Prinzip wird die Idee der Souveränität in der Völkerrechtsordnung folgerichtig fortgeführt:113 Denn die Souveränität als die Freiheit von einer Unterwerfung unter eine fremde Herrschaftsgewalt entfaltet sich frei von tatsächlichen Machtunterschieden zwischen den Trägern der Souveränität. In rechtlicher Hinsicht steht daher jedem Staat ein gleiches Maß an Souveränität zu, auch wenn de facto Staaten eine unterschiedliche Macht zukommen mag.114 Eine Hierarchisierung zwischen der Souveränität verschiedener 112 Schlussantrag Cruz Villalón v. 8. 9. 2011, C-347/10, Salemink, ECLI:EU:C:2011:562; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band III/III, 2. Aufl., 2002, S. 783 ff.; Dahm/Delbrück/ Wolfrum, Völkerrecht, Band I/III, 2. Aufl., 1989, S. 216; Siegrist, Hoheitsakte auf fremdem Staatsgebiet, 1987, S. 8; Mann, The Doctrine of International Jurisdiction Revisited after Twenty Years, 1984, S. 20; Korowicz, Introduction to international law present conceptions of international law in theory and practice, 1959, S. 258; Bleckmann, Das Souveränitätsprinzip im Völkerrecht, AVR, 1985, S. 450 ff., 466. Vgl. zu dieser juristischen Gleichbehandlung auch StIGH, Urteil v. 6. 4. 1935, Minority Schools in Albania, PCIJ Series A/B, 1935, S. 3 ff., 19. 113 Beyerlin, Staatliche Souveränität und internationale Umweltschutzkooperation, in: Beyerlin u. a. (Hrsg.), Recht zwischen Umbruch und Bewahrung, 1995, S. 937 ff., 938; Kegel/ Seidl-Hohenveldern, Zum Territorialitätsprinzip im internationalen Öffentlichen Recht, in: Ferid u. a. (Hrsg.), Konflikt und Ordnung, 1978, S. 233 ff., 237; Krüger, Souveränität und Staatengemeinschaft, in: DGFIR, Zum Problem der Souveränität, DGFIR Band 1, 1957, S. 1 ff., 3; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 205 ff.; Hobe/Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 10. Aufl., 2014, S. 290 f.; Bentzien, Die völkerrechtlichen Schranken der nationalen Souveränität im 21. Jahrhundert, 2007, S. 40; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band III/III, 2. Aufl., 2002, S. 784; Jeffery, The impact of state sovereignty on global trade and international taxation, 1999, S. 42 f.; Siegrist, Hoheitsakte auf fremdem Staatsgebiet, 1987, S. 8; Mann, The Doctrine of International Jurisdiction Revisited after Twenty Years, 1984, S. 20; Nerep, Extraterritorial control of competition under international law, 1983, S. 430 ff.; Korowicz, Introduction to international law present conceptions of international law in theory and practice, 1959, S. 24, 258; Gunst, Der Begriff der Souveränität im modernen Völkerrecht, 1953, S. 102; Hillgruber, Souveränität – Verteidigung eines Rechtsbegriffs, JZ, 2002, S. 1072 ff., 1074; Simon/Waller, A Theory of Economic Sovereignty, Stanford Journal of International Law, 1986, S. 337 ff., 345; Bleckmann, Das Souveränitätsprinzip im Völkerrecht, AVR, 1985, S. 450 ff., 468. 114 So insbesondere IGH, Urteil v. 3. 6. 1985, Continental Shelf (Libyan Arab Jamahiriya/ Malta), ICJ Reports, 1985, S. 13 ff., 42 f.; Beyerlin, Staatliche Souveränität und internationale Umweltschutzkooperation, in: Beyerlin u. a. (Hrsg.), Recht zwischen Umbruch und Bewahrung, 1995, S. 937 ff., 938; Mosler, Die Übertragung von Hoheitsgewalt, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Normativität und Schutz der Verfassung – Internationale Beziehungen, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band VII, 1992, S. 599 ff., 617; Bentzien, Die völkerrechtlichen Schranken der nationalen Souveränität im 21. Jahrhundert, 2007, S. 40; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/III, 2. Aufl., 1989, S. 236; Korowicz, Intro-
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Staaten ist mit dem Grundverständnis der Souveränität als ,Höchst-Sein‘ unvereinbar, unter der Anschauung der Souveränität sind vielmehr alle Staaten gleich und gleichermaßen souverän. Nach dem Prinzip der souveränen Gleichheit kommen allen Staaten daher völkerrechtliche Rechte und Pflichten im Ausgangspunkt gleichermaßen zu,115 was sich in zahlreichen Einzelkonkretisierungen wie dem Gebot der Stimmengleichheit116 oder im Interventionsverbot117 ausdrückt. (cc) Die Souveränität des Staates als Achtungsanspruch Das Prinzip der souveränen Gleichheit der Staaten legt aber auch einen weiteren Souveränitätsgehalt nahe. So ist anerkannt, dass das Souveränitätsprinzip auch als Achtungsanspruch wirksam wird.118 Dies ist folgerichtig, denn besteht die Souveduction to international law present conceptions of international law in theory and practice, 1959, S. 258; Gunst, Der Begriff der Souveränität im modernen Völkerrecht, 1953, S. 96. 115 Dies ist aber nicht gleichbedeutend damit, dass allen Staaten die gleichen Rechte und Pflichten zukommen. Siehe zu alledem IGH, Urteil v. 3. 6. 1985, Continental Shelf (Libyan Arab Jamahiriya/Malta), ICJ Reports, 1985, S. 13 ff., 43; Kau, Der Staat und der Einzelne als Völkerrechtssubjekte, in: Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 2016, S. 133 ff., 165; Mosler, Die Übertragung von Hoheitsgewalt, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Normativität und Schutz der Verfassung – Internationale Beziehungen, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band VII, 1992, S. 599 ff., 617; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 207 f.; Hobe/Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 10. Aufl., 2014, S. 291; Kempen/ Hillgruber, Völkerrecht, 2. Aufl., 2012, S. 166; Nerep, Extraterritorial control of competition under international law, 1983, S. 430 f., 441. 116 Herdegen, Völkerrecht, 17. Aufl., 2018, S. 252 f.; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 205 f.; Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht, 14. Aufl., 2017, S. 200 f.; Hobe/Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 10. Aufl., 2014, S. 294; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, 2. Aufl., 2012, S. 167. 117 Siehe IGH, Urteil v. 27. 6. 1986, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. United States of America), Merits, ICJ Reports, 1986, S. 14 ff., 108; Vitzthum, Begriff, Geschichte und Rechtsquellen des Völkerrechts, in: Vitzthum/ Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 2016, S. 1 ff., 27 f.; Kewenig, Die Anwendung wirtschaftlicher Zwangsmaßnahmen im Völkerrecht, in: DGFIR, Die Anwendung wirtschaftlicher Zwangsmaßnahmen im Völkerrecht und im Internationalen Privatrecht, DGFIR Band 17, 1986, S. 6 ff., 14 ff.; Bryde, Die Intervention mit wirtschaftlichen Mitteln, in: von Münch (Hrsg.), Staatsrecht – Völkerrecht – Europarecht, 1981, S. 227 ff.; Kokott, States, Sovereign Equality, in: Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law; Kokott, States, Sovereign Equality, in: Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 205 ff.; von Arnauld, Völkerrecht, 3. Aufl., 2016, S. 140 ff.; Hobe/Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 10. Aufl., 2014, S. 290 ff.; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, 2. Aufl., 2012, S. 167 ff.; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, 2. Aufl., 2012, S. 7 ff.; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band III/III, 2. Aufl., 2002, S. 796 ff.; Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 63 ff.; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., 1984, S. 300 ff.; Nerep, Extraterritorial control of competition under international law, 1983, S. 551 ff.; Wengler, Völkerrecht, 1964, S. 1038 ff.; Jamnejad/Wood, The Principle of Non-intervention, LJL, 2009, S. 345 ff. 118 IGH, Urteil v. 27. 6. 1986, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. United States of America), Merits, ICJ Reports, 1986, S. 14 ff.,
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ränität der Staaten nur gleichrangig nebeneinander und treten sich die Staaten in dieser Gleichrangigkeit in der Völkerrechtsordnung gegenüber, so kann die eigene Souveränität nicht dazu berechtigen, die Souveränität eines anderen Staates zu negieren. Dieses als Rechtsprinzip geltende Gebot hat bspw. in dem als Rechtsnorm des Völkerrechts wirkenden Erfordernis Ausdruck gefunden, dass die Rechtspersönlichkeit fremder Staaten zu achten ist.119 b) Der Freiraum der Staaten zur Entfaltung eigener Staatlichkeit Das Souveränitätsprinzip als solches und seine gleichheitsrechtliche Ausformung im Prinzip der souveränen Gleichheit prägen wesentlich den Inhalt und das Verhältnis der Hoheitsgewalt der Staaten im Völkerrecht. (aa) Grundlagen des Freiraums zur Entfaltung eigener, tatsächlicher Staatlichkeit Das Souveränitätsprinzip fordert eine Unabhängigkeit des Staates ein. Demgemäß beinhaltet es in Bezug auf die Staatsgewalt das Gebot, dass dem Staat ein Freiraum zur Entfaltung eigener Staatlichkeit zukommen muss,120 denn andernfalls 106, 111; Stellungnahme des Richters Basdevant IGH, Urteil v. 12. 4. 1960, Case concerning Right of Passage over Indian Territory (Portugal v. India), ICJ Reports, 1960, S. 6 ff., 49; IGH, Urteil v. 9. 4. 1949, The Corfu Channel Case (United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland v. Albania), ICJ Reports, 1949, S. 4 ff., 35; Scupin, Grundrechte und Grundpflichten der Staaten, in: Schlochauer (Hrsg.), Wörterbuch des Völkerrechts, Band I, 1960, S. 723 ff., 725; Herdegen, Völkerrecht, 17. Aufl., 2018, S. 222; Kment, Grenzüberschreitendes Verwaltungshandeln, 2010, S. 57; Bentzien, Die völkerrechtlichen Schranken der nationalen Souveränität im 21. Jahrhundert, 2007, S. 29; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band III/III, 2. Aufl., 2002, S. 785; Mann, The Doctrine of International Jurisdiction Revisited after Twenty Years, 1984, S. 20; Epiney, Nachbarrechtliche Pflichten im internationalen Wasserrecht und Implikationen von Drittstaaten, AVR, 2001, S. 1 ff., 9. Vgl. auch Bryde, Die Intervention mit wirtschaftlichen Mitteln, in: von Münch (Hrsg.), Staatsrecht – Völkerrecht – Europarecht, 1981, S. 227 ff., 229 f.; Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht, 14. Aufl., 2017, S. 199; Vereinte Nationen, Declaration on Principles of International Law concerning Friendly Relations and Cooperation among States in accordance with the Charter of the United Nations, 24. 10. 1970.; Schmahl, Zwischenstaatliche Kompetenzabgrenzung im Cyberspace, AVR, 2009, S. 284 ff., 289; Bleckmann, Das Souveränitätsprinzip im Völkerrecht, AVR, 1985, S. 450 ff., 466. 119 Siehe nur Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 208 ff.; von Arnauld, Völkerrecht, 3. Aufl., 2016, S. 136; Schweisfurth, Völkerrecht, 2006, S. 350; Vereinte Nationen, Declaration on Principles of International Law concerning Friendly Relations and Co-operation among States in accordance with the Charter of the United Nations, 24. 10. 1970. 120 Schlussantrag Cruz Villalón v. 8. 9. 2011, C-347/10, Salemink, ECLI:EU:C:2011:562; Mosler, Die Übertragung von Hoheitsgewalt, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Normativität und Schutz der Verfassung – Internationale Beziehungen, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band VII, 1992, S. 599 ff., 616 f.; Bindschedler, Betrachtungen über die Souveränität, in: Faculté de droit Université de Genève; Institut universitaire de hautes études internationales, En hommage à Paul Guggenheim, 1968, S. 167 ff., 171; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 206 f.; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, 2. Aufl., 2012, S. 166;
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würde einem Staat keine souveräne Herrschaftsgewalt zukommen, wie sie im Staatsbegriff vorausgesetzt wird.121 Für diesen einheitlichen Freiraum kann eine positive und eine negative Inhaltsrichtung unterschieden werden:122 Negativ ist das Souveränitätsprinzip auf die Abwehr äußerer Einflüsse gerichtet, das eine Beschränkung der eigenen Souveränität durch fremde souveräne Herrschaftsgewalten grundsätzlich nicht zulässt.123 Hierdurch wird gleichsam der positive Freiraum des Staates gewährleistet, der durch die Zuweisung der höchsten, nicht abgeleiteten und selbständigen Herrschaftsgewalt zur Entfaltung eigener Staatlichkeit gekennzeich-
Kment, Grenzüberschreitendes Verwaltungshandeln, 2010, S. 56 ff.; Shaw, International law, 8. Aufl., 2017, S. 160, 166 ff., 483; Bentzien, Die völkerrechtlichen Schranken der nationalen Souveränität im 21. Jahrhundert, 2007, S. 29 f.; Crawford, The creation of states in international law, 2. Aufl., 2007, S. 72 ff.; Schweisfurth, Völkerrecht, 2006, S. 351; Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 48 ff.; Siegrist, Hoheitsakte auf fremdem Staatsgebiet, 1987, S. 8; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., 1984, S. 28 ff.; Korowicz, Introduction to international law present conceptions of international law in theory and practice, 1959, S. 24, 51 ff.; Roth, Reasonable Extraterritoriality: Correcting the „Balance of Interests“, International and Comparative Law Quarterly, 1992, S. 245 ff., 267 f.; Bleckmann, Das Souveränitätsprinzip im Völkerrecht, AVR, 1985, S. 450 ff., 466 ff. Vgl. aus der Rechtsprechung des (St)IGH IGH, Urteil v. 27. 6. 1986, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. United States of America), Merits, ICJ Reports, 1986, S. 14 ff., 106; IGH, Urteil v. 20. 11. 1950, Asylum Case (Colombia/ Peru), ICJ Reports, 1950, S. 266 ff., 294 f.; abweichende Meinung des Richters M. Weiss StIGH, Urteil v. 7. 9. 1927, The Case of the S.S. „Lotus“, PCIJ Series A, 1927, S. 3 ff., 42 ff.; abweichende Meinung des Richters Moore StIGH, Urteil v. 7. 9. 1927, The Case of the S.S. „Lotus“, PCIJ Series A, 1927, S. 3 ff., 68 Eine derartige Inhaltsbestimmung der Souveränität lehnt Nerep, Extraterritorial control of competition under international law, 1983, S. 410 ff. gänzlich ab. 121 Siehe bereits unmittelbar zuvor Teil 1 A. III. 2. a) (aa). 122 Zu dieser Differenzierung in einen positiven und negativen Gehalt siehe insbesondere Scupin, Grundrechte und Grundpflichten der Staaten, in: Schlochauer (Hrsg.), Wörterbuch des Völkerrechts, Band I, 1960, S. 723 ff., 724 f.; Brownlie, Principles of public international law, 7. Aufl., 2008, S. 289; Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 48 ff.; Georgieff, Kollisionen durch extraterritoriale staatliche Regelungen im internationalen Wirtschaftsrecht, 1989, S. 20; Bockslaff, Das völkerrechtliche Interventionsverbot als Schranke außenpolitisch motivierter Handelsbeschränkungen, 1987, S. 84 ff.; Kahn, The Question of Sovereignty, Stanford Journal of International Law, 2004, S. 259 ff., 260 ff.; Epiney, Nachbarrechtliche Pflichten im internationalen Wasserrecht und Implikationen von Drittstaaten, AVR, 2001, S. 1 ff., 9 f.; Bleckmann, Das Souveränitätsprinzip im Völkerrecht, AVR, 1985, S. 450 ff., 466 f.; Shaw, Territory in International Law, NYL, 1982, S. 61 ff., 73. 123 Siehe hierzu IGH, Urteil v. 20. 11. 1950, Asylum Case (Colombia/Peru), ICJ Reports, 1950, S. 266 ff., 294 f.; abweichende Meinung des Richters Alvarez IGH, Urteil v. 9. 4. 1949, The Corfu Channel Case (United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland v. Albania), ICJ Reports, 1949, S. 4 ff., 43; StIGH, Advisory Opinion v. 8. 12. 1927, Jurisdiction of the European Commission of the Danube, PCIJ Series B, 1927, S. 5 ff., 67; Scupin, Grundrechte und Grundpflichten der Staaten, in: Schlochauer (Hrsg.), Wörterbuch des Völkerrechts, Band I, 1960, S. 723 ff., 725; Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 24; Shaw, Territory in International Law, NYL, 1982, S. 61 ff., 73.
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net ist.124 Aus dieser wechselseitigen Verknüpfung, nach der der positive Inhalt des Souveränitätsprinzips nur zugleich mit dem negativen Souveränitätsprinzip Bestand haben und Wirksamwerden kann, folgt, dass ein Vorrang des negativen gegenüber dem positiven Zuweisungsgehalt des Souveränitätsprinzips nicht angenommen werden kann.125 Der so konstituierte Freiraum zur Entfaltung eigener Staatlichkeit ist aber nicht bereits dann gewahrt, wenn der Staat formal nicht als das Vehikel eines fremden Staates erscheint. Vielmehr setzt das Bestehen einer souveränen Staatsgewalt defi124 IGH, Urteil v. 17. 11. 1953, The Minquiers and Ecrehos case, ICJ Reports, 1953, S. 47 ff., 67; IGH, Urteil v. 20. 11. 1950, Asylum Case (Colombia/Peru), ICJ Reports, 1950, S. 266 ff., 294 f.; abweichende Meinung des Richters Alvarez IGH, Urteil v. 9. 4. 1949, The Corfu Channel Case (United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland v. Albania), ICJ Reports, 1949, S. 4 ff., 43; StIGH, Advisory Opinion v. 5. 11. 1931, Customs Regime between Germany and Austria, PCIJ Series A/B, 1931, S. 37 ff., 45; abweichende Meinung des Richters Moore StIGH, Urteil v. 7. 9. 1927, The Case of the S.S. „Lotus“, PCIJ Series A, 1927, S. 3 ff., 68; Beyerlin, Staatliche Souveränität und internationale Umweltschutzkooperation, in: Beyerlin u. a. (Hrsg.), Recht zwischen Umbruch und Bewahrung, 1995, S. 937 ff., 949; Scupin, Grundrechte und Grundpflichten der Staaten, in: Schlochauer (Hrsg.), Wörterbuch des Völkerrechts, Band I, 1960, S. 723 ff., 725; Leibholz, Die Organisation der „Vereinten Nationen“ und die Strukturprinzipien des modernen Völkerrechts, in: Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät Göttingen (Hrsg.), Festschrift für Julius von Girke, 1950, S. 163 ff., 166; Kokott, States, Sovereign Equality, in: Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law; Shaw, International law, 8. Aufl., 2017, S. 166, 483; Bentzien, Die völkerrechtlichen Schranken der nationalen Souveränität im 21. Jahrhundert, 2007, S. 29 f.; Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 25; Kaffanke, Nationales Wirtschaftsrecht und internationale Wirtschaftsordnung, 1990, S. 326 ff.; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/III, 2. Aufl., 1989, S. 217 f.; Siegrist, Hoheitsakte auf fremdem Staatsgebiet, 1987, S. 7 f.; Vereinte Nationen, Declaration on Principles of International Law concerning Friendly Relations and Co-operation among States in accordance with the Charter of the United Nations, 24. 10. 1970; Schmahl, Zwischenstaatliche Kompetenzabgrenzung im Cyberspace, AVR, 2009, S. 284 ff., 288 f.; Shaw, Territory in International Law, NYL, 1982, S. 61 ff., 73. 125 Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 121; Shaw, International law, 8. Aufl., 2017, S. 483; Jeffery, The impact of state sovereignty on global trade and international taxation, 1999, S. 42 f.; Bockslaff, Das völkerrechtliche Interventionsverbot als Schranke außenpolitisch motivierter Handelsbeschränkungen, 1987, S. 105 f.; Bleckmann, Das Souveränitätsprinzip im Völkerrecht, AVR, 1985, S. 450 ff., 467; Bleckmann, Das Souveränitätsprinzip im Völkerrecht, AVR, 1985, S. 450 ff., 466 f. Vgl. zudem Mosler, Die Übertragung von Hoheitsgewalt, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Normativität und Schutz der Verfassung – Internationale Beziehungen, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band VII, 1992, S. 599 ff., 617; Ziegenhain, Extraterritoriale Rechtsanwendung und die Bedeutung des Genuine-Link-Erfordernisses, 1991, S. 41 sowie IGH, Urteil v. 27. 6. 1986, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. United States of America), Merits, ICJ Reports, 1986, S. 14 ff., 110 f., 127 ausdrücklich dazu, dass die gleichrangige Souveränitätswahrnehmung zweier Staaten Bestand hat, selbst wenn an sich ein Verstoß gegen das Interventions- oder Gewaltverbot vorliegt, sofern gerade der andere Staat mit gleichrangigen Mitteln reagiert (hierzu auch IGH, Advisory Opinion v. 8. 7. 1996, Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons, ICJ Reports, 1996, S. 226 ff., 244 ff.). Anderer Ansicht Epiney, Nachbarrechtliche Pflichten im internationalen Wasserrecht und Implikationen von Drittstaaten, AVR, 2001, S. 1 ff., 9 f.
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Teil 1: Grundlagen des Staates und seiner Staatsgewalt
nitorisch voraus, dass der Staat im tatsächlichen Bereich wirksam werden kann. Nur unter dieser Voraussetzung besteht eine tatsächliche Herrschaftsgewalt über das Staatsvolk und das Staatsgebiet und wird diese von anderen Staatsgewalten unterscheidbar. Das Souveränitätsprinzip fordert daher, dass der Staat Staatsgewalt tatsächlich entfalten kann. Der vom Souveränitätsprinzip geschützte Freiraum ist daher ein tatsächlicher Freiraum und das Souveränitätsprinzip umfasst auch die Möglichkeit zur tatsächlichen Entfaltung der Staatsgewalt.126 Allerdings reicht die Zusicherung des Freiraums zur Entfaltung eigener Staatlichkeit nicht derart weit, dass der Träger der Souveränität frei jedweder tatsächlichen Einflüsse Entscheidungen bilden und durchsetzen können muss. Die Souveränität als oberste Entscheidungsgewalt besteht nur unter den Begebenheiten der tatsächlichen Welt, sodass entsprechende Gegebenheiten hinzunehmen sind und das Souveränitätsprinzip nicht tangieren. Dies bedeutet, dass die Staaten hinsichtlich dieser Begebenheiten als Grundlage ihrer Existenz territorial und personal konzipiert sind. Tatsächliche Umstände, die außerhalb des eigenen Staatsgebietes oder des eigenen Staatsvolkes liegen, kann der Staat nicht in Entfaltung seines Freiraumes fruchtbar machen.127 Demgemäß liegt eine Beschränkung des vom Souveränitätsprinzips zugesicherten Freiraums durch einen anderen Staat auch erst dann vor, wenn tatsächlichen Einflüsse und Schranken nicht das bloße Ergebnis tatsächlicher Gegebenheiten wie Naturgesetzlichkeiten oder autonomen menschlichen Verhaltens sind, sondern das Ergebnis einer fremden Entscheidungsinstanz darstellen.128 126
StIGH, Urteil v. 5. 4. 1933, Legal Status of Eastern Greenland, PCIJ Series A/B, 1933, S. 21 ff., 45 f., 48; abweichende Meinung des Richters Moore StIGH, Urteil v. 7. 9. 1927, The Case of the S.S. „Lotus“, PCIJ Series A, 1927, S. 3 ff., 68; Scupin, Grundrechte und Grundpflichten der Staaten, in: Schlochauer (Hrsg.), Wörterbuch des Völkerrechts, Band I, 1960, S. 723 ff., 725; Shaw, International law, 8. Aufl., 2017, S. 483; Crawford, The creation of states in international law, 2. Aufl., 2007, S. 72; Jeffery, The impact of state sovereignty on global trade and international taxation, 1999, S. 42 f.; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., 1984, S. 28 ff.; Roth, Reasonable Extraterritoriality: Correcting the „Balance of Interests“, International and Comparative Law Quarterly, 1992, S. 245 ff., 267 f.; vgl. auch IGH, Urteil v. 20. 11. 1950, Asylum Case (Colombia/Peru), ICJ Reports, 1950, S. 266 ff., 294 f.; StIGH, Urteil v. 11. 8. 1932, Interpretation of the Statute of the Memel Territory, PCIJ Series A/ B, 1932, S. 293 ff., 317; Schmahl, Zwischenstaatliche Kompetenzabgrenzung im Cyberspace, AVR, 2009, S. 284 ff., 288 f. Anderer Ansicht IGH, Urteil v. 25. 9. 1997, The Gabcˇ ikovo-Nagymaros Project (Hungary/ Slovakia), ICJ Reports, 1997, S. 7 ff., 41, wobei der IGH davon ausgeht, dass eine Gefährung der Souveränität vorliegen könnte; IGH, Urteil v. 27. 6. 1986, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. United States of America), Merits, ICJ Reports, 1986, S. 14 ff., 106; Stellungnahme des Richters M. Anzilotti StIGH, Advisory Opinion v. 5. 11. 1931, Customs Regime between Germany and Austria, PCIJ Series A/B, 1931, S. 37 ff., 58, 67, 70. 127 Siehe noch genauer Teil 3 B. III. 2. c). 128 Isensee, Staat und Verfassung, in: Badura u. a. (Hrsg.), Grundlagen von Staat und Verfassung, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, 1995, S. 591 ff., 605; Shaw, International law, 8. Aufl., 2017, S. 166; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/III, 2. Aufl., 1989, S. 216; Bockslaff, Das völkerrechtliche Interventi-
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(bb) Das Verhältnis der Freiräume untereinander Das Verhältnis der Freiräume der Staaten untereinander wird wesentlich durch das Prinzip der souveränen Gleichen als allgemeine Strukturnorm der Völkerrechtsordnung bestimmt.129 Die Existenz des Prinzips der souveränen Gleichheit zeigt zunächst, dass das Völkerrecht keine absolute Abgrenzung staatlicher Freiräume beinhaltet, sondern von Überschneidungen der Freiräume der Staaten ausgeht.130 Aus dem Prinzip der souveränen Gleichheit folgt aber auch, dass die den Staaten zustehenden, sich überschneidenden Freiräume zur Entfaltung eigener Staatlichkeit gleichrangig nebeneinander bestehen und dieses gerade auch für das Verhältnis zwischen dem positiven Souveränitätsgehalt eines Staates und dem negativen Souveränitätsgehalt eines anderen Staates gilt. Demgemäß sind aber auch tatsächliche Einflüsse auf einen Staat, die ihren tatsächlichen Ursprung in der Ausübung der Herrschaftsgewalt durch einen anderen Staat nehmen, grundsätzlich hinzunehmen. Auf Grund dessen konnten sich weder die Harmon-Doktrin noch das Prinzip absoluter territorialer Integrität durchsetzen. Nach der Harmon-Doktrin standen sich die positive und negative Dimension des Souveränitätsprinzips nicht gleichrangig gegenüber. Vielmehr durfte ein Staat nur seine eigene Souveränität und damit seine positive Souveränitätsposition im Blick haben und diese zu Lasten anderer Staaten durchsetzen. Dieser Ansatz führte daher zu einer Negation des negativen Inhalts des Souveränitätsprinzips und einer Apostrophierung der eigenen Position, ohne dass onsverbot als Schranke außenpolitisch motivierter Handelsbeschränkungen, 1987, S. 40 f.; Erler, Grundprobleme des internationalen Wirtschaftsrechts, 1956, S. 166 f.; Hillgruber, Souveränität – Verteidigung eines Rechtsbegriffs, JZ, 2002, S. 1072 ff., 1073. 129 Siehe hierzu bereits unmittelbar zuvor Teil 1 A. III. 2. a) (bb). 130 IGH, Urteil v. 27. 6. 1986, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. United States of America), Merits, ICJ Reports, 1986, S. 14 ff., 14, 128; Bäumler, Das Schädigungsverbot im Völkerrecht, 2017, S. 55 ff.; Monsenego, Taxation of foreign business income within the European internal market, 2012, S. 42 f.; Brownlie, Principles of public international law, 7. Aufl., 2008, S. 310; Ohler, Die Kollisionsordnung des allgemeinen Verwaltungsrechts Strukturen des deutschen internationalen Verwaltungsrechts, 2005, S. 345 f.; Jeffery, The impact of state sovereignty on global trade and international taxation, 1999, S. 42 f.; Jennings/Watts, Oppenheim’s international law, Band I, 9. Aufl., 1992, S. 457; Bockslaff, Das völkerrechtliche Interventionsverbot als Schranke außenpolitisch motivierter Handelsbeschränkungen, 1987, S. 82 ff.; Mann, Studies in International Law, 1973, S. 3; Bär, Kartellrecht und Internationales Privatrecht, 1965, S. 329 f.; Roth, Reasonable Extraterritoriality: Correcting the „Balance of Interests“, International and Comparative Law Quarterly, 1992, S. 245 ff., 253; Simon/Waller, A Theory of Economic Sovereignty, Stanford Journal of International Law, 1986, S. 337 ff., 338. Anderer Ansicht Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 58 f., die aber auch davon ausgeht, dass in Bezug auf einen Sachverhalt mehrere Staaten regelnd tätig werden können, Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 53 ff., auf Grund ihres Transformationsarguments, siehe noch genauer Teil 2 B. I. 1. c) (aa) (2), allerdings insoweit keine Überschneidungen der Staatsgewalt erkennt.
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erkannt wurde, dass die negative Dimension notwendige Folge der positiven Souveränitätszuweisung ist. Ebenso wenig konnte sich das Prinzip absoluter territorialer Integrität durchsetzen, nach dem das Staatsgebiet umfassend vor jeglichen tatsächlichen Einwirkungen von außen geschützt sei; denn auch dies beinhaltet eine Apostrophierung eigener Souveränität, indem es die negative Souveränitätsposition in territorialer Hinsicht übermäßig betont.131 Die damit festzustellende grundsätzliche Zulässigkeit beschränkender Einflüsse in einer interdependenten Welt zeigt sich insbesondere auch im Interventionsverbot, das die souveräne Gleichheit der Staaten als Verbotsnorm in einem wesentlichen Teilbereich entfaltet, ohne sich in diesem zu erschöpfen.132 Das Interventionsverbot ist völkergewohnheitsrechtlich anerkannt. Darüber hinaus ist es aber auch im Verhältnis der Vereinten Nationen zu den Staaten nach Art. 2 Nr. 7 UN-Charta unmittelbar verbindlich und wird im Verhältnis der Staaten untereinander auch dem Prinzip der souveränen Gleichheit nach Art. 2 Nr. 1 UN-Charta, dem Prinzip der friedlichen Streitbeilegung nach Art. 2 Nr. 3 UN-Charta sowie dem Gewaltverbot nach Art. 2 Nr. 4 UN-Charta entnommen. Das Interventionsverbot ist im Kern auf die Wahrung der Souveränität der Staaten gerichtet und verbietet jedweden rechtswidrigen133 131
Zu dieser Diskussion siehe Bäumler, Das Schädigungsverbot im Völkerrecht, 2017, S. 52 ff.; Beyerlin, Staatliche Souveränität und internationale Umweltschutzkooperation, in: Beyerlin u. a. (Hrsg.), Recht zwischen Umbruch und Bewahrung, 1995, S. 937 ff., 948 ff.; Wildhaber, Entstehung und Aktualität der Souveränität, in: Müller (Hrsg.), Staatsorganisation und Staatsfunktionen im Wandel, 1982, S. 131 ff., 143; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 1066 f.; von Arnauld, Völkerrecht, 3. Aufl., 2016, S. 389; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band II/III, 2. Aufl., 2002, S. 445 f.; Epiney, Nachbarrechtliche Pflichten im internationalen Wasserrecht und Implikationen von Drittstaaten, AVR, 2001, S. 1 ff., 9 f. jeweils auch mit weiteren Nachweisen. 132 Siehe insbesondere IGH, Urteil v. 27. 6. 1986, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. United States of America), Merits, ICJ Reports, 1986, S. 14 ff., 106 ff., 128; Vitzthum, Begriff, Geschichte und Rechtsquellen des Völkerrechts, in: Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 2016, S. 1 ff., 27; Randelzhofer, Staatsgewalt und Souveränität, in: Badura u. a. (Hrsg.), Grundlagen von Staat und Verfassung, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, 1995, S. 691 ff., 702; Kokott, States, Sovereign Equality, in: Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 1149; Shaw, International law, 8. Aufl., 2017, S. 167; Bentzien, Die völkerrechtlichen Schranken der nationalen Souveränität im 21. Jahrhundert, 2007, S. 42, 99 f.; Bockslaff, Das völkerrechtliche Interventionsverbot als Schranke außenpolitisch motivierter Handelsbeschränkungen, 1987, S. 30; Vereinte Nationen, Declaration on Principles of International Law concerning Friendly Relations and Co-operation among States in accordance with the Charter of the United Nations, 24. 10. 1970; Simon/Waller, ATheory of Economic Sovereignty, Stanford Journal of International Law, 1986, S. 337 ff., 347. 133 Zur Rechtfertigung siehe IGH, Urteil v. 27. 6. 1986, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. United States of America), Merits, ICJ Reports, 1986, S. 14 ff., 37 f., 110 f.; Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht, 14. Aufl., 2017, S. 243 ff.; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, 2. Aufl., 2012, S. 168 ff.; Bentzien, Die völkerrechtlichen Schranken der nationalen Souveränität im 21. Jahrhundert, 2007, S. 42; Bockslaff, Das völkerrechtliche Interventionsverbot als Schranke außenpolitisch motivierter Handelsbeschränkungen, 1987, S. 30; Gunst, Der Begriff der Souveränität im modernen
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Eingriff in den Kernbereich der staatlichen Befugnisse unabhängig von der Eingriffsform, sodass ein Eingriff auch durch die Rechtsetzung erfolgen kann.134 Der Kernbereich umfasst die Festlegung der Grundlagen des politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Systems sowie die Außenpolitik. Dabei gelangt in der Beschränkung des Verbotes auf den Kernbestand der staatlichen Befugnisse der in normativer Hinsicht egalitäre Gehalt der Souveränität zum Ausdruck,135 da sich in diesem Kernbereich der Staatsgewalt der Kernbereich der Souveränität des Staates ausdrückt und bei Fehlen der Fähigkeit zur selbständigen und unbeeinflussten Festlegung dieser Kernbereiche nicht mehr von einer effektiven Staatsgewalt und damit vom Bestehen eines unabhängigen Staates ausgegangen werden kann. Das Interventionsverbot verbietet daher nur die Abwehr existenzieller Einwirkungen, die den Bestand des Staates gefährden und eine Usurpation der Staatsgewalt durch den anderen Staat, also eine Bindung des Staates an eine fremde Entscheidungsinstanz, beinhalten.136 Es ist insoweit Ausdruck des Achtungsanspruches des SouveräniVölkerrecht, 1953, S. 37. Siehe zudem für das Gewaltverbot Artt. 39, 42, 51 UN-Charta sowie IGH, Advisory Opinion v. 8. 7. 1996, Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons, ICJ Reports, 1996, S. 226 ff., 244 ff.; IGH, Urteil v. 27. 6. 1986, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. United States of America), Merits, ICJ Reports, 1986, S. 14 ff.; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 1153 ff.; von Arnauld, Völkerrecht, 3. Aufl., 2016, S. 178 ff.; Hobe/Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 10. Aufl., 2014, S. 250 ff.; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, 2. Aufl., 2012, S. 232 ff.; Bentzien, Die völkerrechtlichen Schranken der nationalen Souveränität im 21. Jahrhundert, 2007, S. 92 ff.; Dahm/Delbrück/ Wolfrum, Völkerrecht, Band III/III, 2. Aufl., 2002, S. 818 ff. 134 Hierzu insbesondere IGH, Urteil v. 27. 6. 1986, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. United States of America), Merits, ICJ Reports, 1986, S. 14 ff., 108; IGH, Urteil v. 27. 6. 1986, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. United States of America), Merits, ICJ Reports, 1986, S. 14 ff., 124; Bryde, Die Intervention mit wirtschaftlichen Mitteln, in: von Münch (Hrsg.), Staatsrecht – Völkerrecht – Europarecht, 1981, S. 227 ff., 233 f.; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 1151 f.; von Arnauld, Völkerrecht, 3. Aufl., 2016, S. 153 ff.; Kaffanke, Nationales Wirtschaftsrecht und internationale Wirtschaftsordnung, 1990; Bockslaff, Das völkerrechtliche Interventionsverbot als Schranke außenpolitisch motivierter Handelsbeschränkungen, 1987; Nerep, Extraterritorial control of competition under international law, 1983, S. 552 ff.; Dicke, Die Intervention mit wirtschaftlichen Mitteln im Völkerrecht, 1978; Jamnejad/Wood, The Principle of Non-intervention, LJL, 2009, S. 345 ff. 135 Siehe insbesondere IGH, Urteil v. 27. 6. 1986, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. United States of America), Merits, ICJ Reports, 1986, S. 14 ff., 110 f., 127; Shaw, International law, 8. Aufl., 2017, S. 168; Bockslaff, Das völkerrechtliche Interventionsverbot als Schranke außenpolitisch motivierter Handelsbeschränkungen, 1987, S. 84 f.; Vereinte Nationen, Declaration on Principles of International Law concerning Friendly Relations and Co-operation among States in accordance with the Charter of the United Nations, 24. 10. 1970. 136 So aus den in Fußnote 132 genannten Verweisen insbesondere Oeter, Souveränität – ein überholtes Konzept?, in: Cremer u. a. (Hrsg.), Tradition und Weltoffenheit des Rechts, 2002, S. 259 ff., 281; Kewenig, Die Anwendung wirtschaftlicher Zwangsmaßnahmen im Völkerrecht, in: DGFIR, Die Anwendung wirtschaftlicher Zwangsmaßnahmen im Völkerrecht und im Internationalen Privatrecht, DGFIR Band 17, 1986, S. 6 ff., 15; Kokott, States, Sover-
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tätsprinzips und setzt dessen Gegenstand, dass es keinem Staat zusteht, fremde Souveränität zu negieren, für den weitreichendsten Fall der Negation, der Usurpation fremder Staatsgewalt, um. (cc) Keine umfassende Interessenabwägung nach dem Prinzip der souveränen Gleichheit Teilweise wird aus dem Befund, dass sich die Freiräume der Staaten überschneiden und sich so die Souveränitätspositionen zweier Staaten nach dem Prinzip der souveränen Gleichheit gleichrangig gegenübertreten, ein allgemeines Abwägungsgebot abgeleitet.137 Dies beruht auf einer Übertragung des verfassungsrechtlich anerkannten Gedankens der praktischen Konkordanz, durch den zwei gleichrangige Rechtspositionen im Einzelfall zu einem schonungsvollen Ausgleich gebracht werden.138 Ausgangspunkt ist die zutreffende Erkenntnis, dass ein prinzipieller Vorrang eines der Souveränitätspositionen wegen der Gleichrangigkeit nicht angenommen werden kann. Zudem wird aber ergänzend vorgebracht, dass die prinzipielle Aufrechtereign Equality, in: Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law; von Arnauld, Völkerrecht, 3. Aufl., 2016, S. 151; Bentzien, Die völkerrechtlichen Schranken der nationalen Souveränität im 21. Jahrhundert, 2007, S. 42; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/III, 2. Aufl., 1989, S. 236; Bockslaff, Das völkerrechtliche Interventionsverbot als Schranke außenpolitisch motivierter Handelsbeschränkungen, 1987, S. 30, 105; Vereinte Nationen, Declaration on Principles of International Law concerning Friendly Relations and Cooperation among States in accordance with the Charter of the United Nations, 24. 10. 1970. 137 Kment, Grenzüberschreitendes Verwaltungshandeln, 2010, S. 131 ff.; Pappas, Stellvertretende Strafrechtspflege zugleich ein Beitrag zur Ausdehnung deutscher Strafgewalt nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB, 1996, S. 79 ff.; Bleckmann, Allgemeine Staats- und Völkerrechtslehre, 1995, S. 579 ff., 737 ff., 919 ff.; Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 59 ff.; Hector, Das völkerrechtliche Abwägungsgebot, 1992, S. 165 ff.; Ziegenhain, Extraterritoriale Rechtsanwendung und die Bedeutung des Genuine-Link-Erfordernisses, 1991, S. 36 ff.; Meessen, Völkerrechtliche Grundsätze des internationalen Kartellrechts, 1975, S. 198 ff., 202 f.; Meessen, Competition of Competition Laws, Northwestern Journal of International Law & Business, 1989, S. 17 ff. Ebenso für eine Abwägung Jeffery, The impact of state sovereignty on global trade and international taxation, 1999, S. 52 ff.; American Law Institute, Restatement of the law, 3. Aufl., 1992, § 403; Nerep, Extraterritorial control of competition under international law, 1983, S. 556 ff.; Mann, Studies in International Law, 1973, S. 31 ff.; Roth, Reasonable Extraterritoriality: Correcting the „Balance of Interests“, International and Comparative Law Quarterly, 1992, S. 245 ff., 274 ff. Für eine Abwägung allgemein wohl auch Peters, Völkerrecht, 2. Aufl., 2008, S. 84 ff.; Petersen, Customary Law without Custom?, American University International Law Review, 2008, 275 ff., 303 ff. 138 Siehe hierzu Lerche, Grundrechtsschranken, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Allgemeine Grundrechtslehren, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band V, 2000, S. 775 ff.; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl., 1999, S. 27; Alexy, Theorie der Grundrechte, erstveröffentlicht in 1984, S. 78 ff.
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haltung beider Positionen nur möglich ist, wenn eine Lösung des Konfliktes im Einzelfall erfolgt. Hierdurch werde die prinzipielle Gleichrangigkeit gewahrt, im Einzelfall sei aber ein Zurücktreten der einen oder anderen Position gefordert. Würde hingegen eine solche einzelfallorientierte Abwägung unterbleiben, so würde einer Position ein prinzipieller situationsgebundener Vorrang eingeräumt.139 So soll bspw. im Fall der grenzüberschreitenden Wettbewerbskontrolle im Einzelfall bestimmt werden, ob Wettbewerbseinschränkungen hinzunehmen sind oder durch den anderen Staat als völkerrechtswidrige Beschränkung seiner Souveränität abgewehrt werden können.140 Richtigerweise können die Überlegungen, die das Prinzip der praktischen Konkordanz im innerstaatlichen Recht tragen, aber nicht auf das Völkerrecht und das Verhältnis der Freiräume der Staaten zueinander übertragen werden.141 Zunächst ist festzustellen, dass die Souveränität zwar tatsächliche Entfaltungsmöglichkeiten zusichert, das Souveränitätsprinzip diese allerdings nicht in jedem Fall garantiert. Vielmehr stellt das Völkerrecht eine Koordinationsrechtsordnung dar, in deren Rahmen eine Überschneidungsfreiheit der Freiräume der Staaten nicht gefordert ist. Stattdessen überlässt es das Völkerrecht den souveränen Staaten, auch in Überschneidungsbereichen Staatsgewalt zu entfalten und diese zu koordinieren, wobei die tatsächliche Wirksamkeit davon abhängt, welche Instrumente gewählt werden.142 139 Für das Völkerrecht ausdrücklich Bleckmann, Allgemeine Staats- und Völkerrechtslehre, 1995, S. 960. 140 Siehe bspw. Meessen, Competition of Competition Laws, Northwestern Journal of International Law & Business, 1989, S. 17 ff., 27 ff. Vgl. zudem die Nachweise in Fußnote 136. 141 Ebenso Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht, 14. Aufl., 2017, S. 241; Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, 1998, S. 189 f.; Kramp, Die Begründung und Ausübung staatlicher Zuständigkeit für das Verbot länderübergreifender Fusionen nach dem geltenden Völkerrecht, 1993, S. 204 ff.; Gans, Reasonableness as a Limit to Extraterritorial Jurisdiction, Washington University Law Review, 1985, S. 681 ff., 701. Grundsätzlich spricht sich zwar auch Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 603 ff. für eine Ausgleichung der Positionen durch eine Anwendung eines Verhältnismäßigkeitsprinzips aus, will diese aber auf die Elemente der Geeignetheit und Erforderlichkeit begrenzen, da für eine Abwägung auf Grund der auch hier vorgebrachten Einwände keine Grundlage im Völkerrecht gefunden werden könne. Auf das sich hier ergebende Ergebnis scheint auch der Ansatz von Ziegenhain, Extraterritoriale Rechtsanwendung und die Bedeutung des Genuine-Link-Erfordernisses, 1991, S. 41 ff. hinauszulaufen, der ein Überwiegen des einen Interesses lediglich annehmen will, wenn ein geschütztes Interesse leerläuft. Dies scheint dem Eingriff in den Kernbereich im Rahmen des Interventionsverbots zu entsprechen. Im Übrigen soll aber eine Kollision wegen der Gleichrangigkeit bestehen bleiben. 142 Siehe insbesondere Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 121; Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht, 14. Aufl., 2017, S. 232; Brownlie, Principles of public international law, 7. Aufl., 2008, S. 310; Ohler, Die Kollisionsordnung des allgemeinen Verwaltungsrechts Strukturen des deutschen internationalen Verwaltungsrechts, 2005, S. 345; Jeffery, The impact of state sovereignty on global trade and international taxation, 1999, S. 58; Verdross, Völkerrecht, 5. Aufl., 1964, S. 318 ff.; Schmahl, Zwischenstaatliche Kompetenzabgrenzung im Cyberspace, AVR, 2009, S. 284 ff., 293, 298, 318 ff.; Roth, Reasonable Extraterritoriality: Correcting the „Balance of Interests“, International and Comparative Law Quarterly, 1992, S. 245 ff., 268 ff.; Qureshi, The Freedom of a State to Legislate in Fiscal Matters under General Internatio-
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Durch die fehlende Konzeption des Völkerrechts als eine Ordnung, die jedwede Kollision vermeidet, und nicht abschließend ausschließliche Zuständigkeitsbereiche zuweist, wird eine Abwägungsentscheidung aber entgegen der Ansicht der Befürworter einer Abwägung entbehrlich. Dies zeigt sich auch darin, dass das Völkerrecht lediglich ausnahmsweise auf die Zuweisung ausschließlicher Zuständigkeitsbereiche ausgerichtet ist: So wird etwa durch das Interventionsverbot ein Eingriff in den Kernbereich der staatlichen Festlegungen untersagt. Gerade diese Begrenzung würde aber übergangen, wenn ein prinzipielles Abwägungsgebot angenommen würde, durch das grundsätzlich eine Kollisionsfreiheit der Freiräume herzustellen wäre.143 Die Abgrenzung ausschließlicher Zuständigkeitsbereiche bildet daher die Ausnahme, das Bestehen von Überschneidungen hingegen die Regel. Zugleich bildet diese Konzeption des Völkerrechts als Koordinationsrechtsordnung, die nicht auf die überschneidungsfreie Zuweisung von Freiräumen gerichtet ist, den entscheidenden Unterschied zum Verfassungsrecht: Nach innen tritt der Staat grundsätzlich im Subordinationsverhältnis auf. Durch die Grundrechte wird dem Einzelnen ein Freiraum zugewiesen, der gegen Zugriffe durch den Staat grundsätzlich geschützt ist. Ebenso fordern die Grundrechte grundsätzlich aber auch den Schutz vor Einwirkungen durch andere der Staatsgewalt unterworfene Personen. Der Staat tritt als Garant der Freiheit auf, sodass er in die Pflicht genommen ist, eine Abwägungsentscheidung zu treffen; der Staat kann die Kollision nicht dem Wechselspiel der Kräfte zwischen den betroffenen Individuen überlassen, da er sämtliche Herrschaftsgewalt im Staat usurpiert hat und mittels der Grundrechte den Parteien einzelne Freiräume zur eigenen Entfaltung zugewiesen hat.144 nal Law, BIT, 1987, S. 14 ff., 18; Gans, Reasonableness as a Limit to Extraterritorial Jurisdiction, Washington University Law Review, 1985, S. 681 ff., 704 f. Vgl. auch IGH, Urteil v. 25. 7. 1974, Fisheries Jurisdiction (United Kingdom v. Iceland), Merits, ICJ Reports, 1974, S. 3 ff., 32 ff.; Rudolf, Territoriale Grenzen der staatlichen Rechtssetzung, in: DGFIR, Territoriale Grenzen der staatlichen Rechtsetzung, DGFIR Band 12, 1973, S. 7 ff., 18; Kramp, Die Begründung und Ausübung staatlicher Zuständigkeit für das Verbot länderübergreifender Fusionen nach dem geltenden Völkerrecht, 1993, S. 221. 143 Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 618 f.; Ziegenhain, Extraterritoriale Rechtsanwendung und die Bedeutung des Genuine-Link-Erfordernisses, 1991, S. 41 ff.; Bockslaff, Das völkerrechtliche Interventionsverbot als Schranke außenpolitisch motivierter Handelsbeschränkungen, 1987, S. 30. Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 60 f. möchte dies allerdings zum Ausgangspunkt für eine völkerrechtliche Abwägung nehmen und insoweit unter anderem nach dem Grad des Bezugs zum Kernbereich unterscheiden. 144 Siehe hierzu weitergehend Isensee, Das Grundrecht als Abwehrrecht und als staatliche Schutzpflicht, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Allgemeine Grundrechtslehren, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band V, 2000, S. 143 ff., 145 ff., 181 ff.; Stern, Idee und Elemente eines Systems der Grundrechte, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Allgemeine Grundrechtslehren, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band V, 2000, S. 45 ff., 68 ff., 75 ff. mit zahlreichen weiteren Nachweisen; Böckenförde, Staat, Gesellschaft, Freiheit, 1976, S. 224 ff., 240 ff.; Alexy, Theorie der Grundrechte, erstveröffentlicht in 1984; vgl. auch Berge, The Case of the S. S. „Lotus“, Michigan Law Review, 1928, S. 361 ff., 375 f.
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Bereits auf Grund dieser Überlegungen muss eine Abwägungsentscheidung, die auf eine Auflösung der Überschneidungsbereiche gerichtet ist, ausscheiden. Doch es bestehen auch jenseits dieser Überlegungen Bedenken dagegen, ein Abwägungsgebot als Verfahrenspflicht vorzusehen. Nach diesem Ansatz sei es eine verfahrensrechtliche Pflicht des Völkerrechts, eine einzelfallbezogene Interessenabwägung vor der Ausübung der eigenen Staatsgewalt vorzunehmen, ohne dass diese aber sodann zu einem Unterlassen der Ausübung bei entsprechend negativer Abwägung zwingen würde.145 Gegen eine derartige Verpflichtung – und ergänzend auch weiter gegen das eingangs abgelehnte materiell wirksame Abwägungsgebot – spricht, dass nicht ersichtlich wird, anhand welchen Maßstabs eine Abwägungsentscheidung im Völkerrecht in Übereinstimmung mit dem Souveränitätsprinzip überhaupt vollzogen werden sollte.146 Nach dem Souveränitätsprinzip kann die Abwägungsentscheidung nicht der Gewichtung jeden einzelnen Staates überlassen werden, da die Bewertung erfordert, dass ein Staat Abwägungselemente zu Gunsten und zu Lasten beider Staaten in ihrer Wichtigkeit bewertet und abwägt. Das Souveränitätsprinzip verbürgt aber eine Unabhängigkeit und das Fehlen einer Unterwerfung unter eine höhere Autorität, sodass grundsätzlich nur jeder Staat für sich selbst die Elemente in ihrer Wichtigkeit bewerten kann.147 145 Siehe zu dieser Frage insbesondere Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, 1998, S. 126 ff.; Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 620 ff.; Veelken, Interessenabwägung im Wirtschaftskollisionsrecht, 1988, S. 120 ff.; Bowett, Jurisdiction: Changing Patterns of Authority over Activities and Resources, Brit. Y.B. Int., 1982, S. 1 ff. Weitergehend siehe auch im Einzelnen die Nachweise in 208, die teilweise eine bindende und teilweise eine verfahrensrechtliche Abwägungspflicht vorbringen. Zudem siehe die Stellungnahme des Richters Sir Gerald Fitzmaurice IGH, Urteil v. 5. 2. 1970, Barcelona Traction, Light and Power Company, Limited, ICJ Reports, 1970, S. 3 ff., 105. 146 Zur Frage des anzulegenden Abwägungsmaßstabs siehe insbesondere Kment, Grenzüberschreitendes Verwaltungshandeln, 2010, S. 130 ff.; Ryngaert, Jurisdiction in international law, 2008, S. 153 ff.; Peters, Völkerrecht, 2. Aufl., 2008, S. 84 ff.; Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, 1998, S. 119 ff.; Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 616 ff.; Hector, Das völkerrechtliche Abwägungsgebot, 1992, S. 173 ff.; Beck, Die extraterritoriale Anwendung nationalen Wettbewerbsrechts unter besonderer Berücksichtigung länderübergreifender Fusionen, 1986, S. 159 ff.; Nerep, Extraterritorial control of competition under international law, 1983, S. 556 ff. 147 Siehe auch Herdegen, Völkerrecht, 17. Aufl., 2018, S. 57 ff.; Bentzien, Die völkerrechtlichen Schranken der nationalen Souveränität im 21. Jahrhundert, 2007, S. 29 ff.; Paulus, Die internationale Gemeinschaft im Völkerrecht, 2001, S. 270; Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 617 f.; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/III, 2. Aufl., 1989, S. 216; Bleckmann, Grundprobleme und Methoden des Völkerrechts, 1982, S. 79 f.; Epiney, Nachbarrechtliche Pflichten im internationalen Wasserrecht und Implikationen von Drittstaaten, AVR, 2001, S. 1 ff., 10; Bowett, Jurisdiction: Changing Patterns of Authority over Activities and Resources, Brit. Y.B. Int., 1982, S. 1 ff., 21 f. Dem entspricht es auch, dass nur jene Entität zur Bestimmung des Inhaltes eines Rechtssatzes befugt ist, der eine inhaltliche Modifikation des Rechtssatzes bewirken kann. Siehe insbesondere StIGH, Advisory Opinion v. 6. 12. 1923, Jaworzina, PCIJ Series B, 1923, S. 5 ff., 37.
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Eine Gewichtung müsste daher nach völkerrechtlichen Maßstäben erfolgen. Dem Völkerrecht ist die Gewichtung der Rechtspositionen verschiedener Staaten aber grundsätzlich fremd. Dies entspricht der souveränen Gleichheit der Staaten: Da die Staaten sich grundsätzlich als Souverän gegenübertreten und die Staatsgewalt in den Grenzen des Völkerrechts von einer weitgehenden Freiheit gekennzeichnet ist, kann keine umfassende Rang- oder Wertordnung von Interessen festgestellt werden,148 nach der eine Abwägung vollzogen werden könnte. c) Die Völkerrechtsbindung der Souveränität Auch wenn hinsichtlich des skizzierten Inhaltes des völkerrechtlichen Souveränitätsprinzips und seiner konkreten Ausprägungen grundsätzlich Konsens besteht, so sind doch erhebliche Unterschiede bei der Frage auszumachen, welche grundsätzliche Bedeutung dem rechtlichen Souveränitätsprinzip im Völkerrecht zukommt. Diese Fragen erweisen sich für die vorliegende Arbeit insoweit von unmittelbarer Bedeutung, wie sie den Diskurs der Folgefragen dieser Arbeit bestimmen. Zwar kann auch im Diskurs über die Zulässigkeit extraterritorialer Rechtsetzung ein weitgehender Konsens dahingehend festgestellt werden, dass das Souveränitätsprinzip ein Rechtsprinzip149 im Völkerrecht darstellt und somit nicht nur eine ideelle Anschauung der Staatsgewalt bildet, sondern der Konzeption der Staatsgewalt als Rechtsprinzip zugrunde liegt.150 Umstritten ist aber innerhalb dieser Sichtweisen, ob dem rechtlichen Souveränitätsprinzip im Diskurs über die Reichweite der Staatsgewalt und ihre Völkerrechtsbindung Bedeutung zukommt und sich 148 Herdegen, Völkerrecht, 17. Aufl., 2018, S. 57 ff.; Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht, 14. Aufl., 2017, S. 238 ff.; Ryngaert, Jurisdiction in international law, 2008, S. 129; Paulus, Die internationale Gemeinschaft im Völkerrecht, 2001, S. 270; Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 618; Kramp, Die Begründung und Ausübung staatlicher Zuständigkeit für das Verbot länderübergreifender Fusionen nach dem geltenden Völkerrecht, 1993, S. 208; Bleckmann, Grundprobleme und Methoden des Völkerrechts, 1982, S. 79 f.; Bär, Kartellrecht und Internationales Privatrecht, 1965, S. 334; Schmahl, Zwischenstaatliche Kompetenzabgrenzung im Cyberspace, AVR, 2009, S. 284 ff., 298. Ebenso im Ergebnis Ohler, Die Kollisionsordnung des allgemeinen Verwaltungsrechts Strukturen des deutschen internationalen Verwaltungsrechts, 2005, S. 339 ff.; Schachter, International Law in Theory and Practice, 1982, S. 253 f. 149 Zum Begriff des Rechtsprinzipes siehe Beyerlin, „Prinzipien“ im Umweltvölkerrecht – ein pathologisches Phänomen?, in: Cremer u. a. (Hrsg.), Tradition und Weltoffenheit des Rechts, 2002, S. 31 ff., 51 ff.; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl., erstveröffentlicht in 1991, 2014, S. 119 ff.; Englisch, Wettbewerbsgleichheit im grenzüberschreitenden Handel, 2012, S. 7 ff.; Alexy, Theorie der Grundrechte, erstveröffentlicht in 1984, S. 71 ff.; Petersen, Customary Law without Custom?, American University International Law Review, 2008, 275 ff., 286 ff. 150 IGH, Advisory Opinion v. 8. 7. 1996, Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons, ICJ Reports, 1996, S. 226 ff., 247, allerdings ohne Verweis auf die staatliche Souveränität, ; Shaw, International law, 8. Aufl., 2017, S. 166; Tomuschat, International law, 2001, S. 44 f.; Korowicz, Introduction to international law present conceptions of international law in theory and practice, 1959, S. 24.
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dieses insoweit als Postulat für die Freiheit der Staaten einerseits zur Entfaltung eigener Staatlichkeit andererseits zum grundsätzlichen Fehlen völkerrechtlicher Bindungen, zumindest im Ausgangspunkt der Entstehung des Völkerrechts, entfaltet oder nicht.151 Allerdings wird ebenso teilweise davon ausgegangen und im Diskurs über die Zulässigkeit extraterritorialer Rechtsetzung vorgebracht, das Souveränitätsprinzip beinhalte ein grundlegendes Freiheitsrecht des Staates im Völkerrecht oder sei gar als Grundnorm des Völkerrechts anzusehen, die im Ausgangspunkt eine Unabhängigkeit in jedweder Hinsicht und damit eine allumfassende Handlungsfreiheit beinhalte.152 Diese Differenzen hängen im Wesentlichen mit der Frage nach dem Verhältnis zwischen der staatlichen Souveränität und der Bindung des Staates an das Völkerrecht zusammen. Zwar ist der Staat im Außenverhältnis anerkanntermaßen in die Völkerrechtsgemeinschaft eingebunden und wird zum Anknüpfungspunkt völkerrechtlicher Rechte und Pflichten.153 Die Begründung der Bindung des souveränen Staates an das Völkerrecht ist allerdings aus dem Blickwinkel des Souveränitätsprinzips Gegenstand ausführlicher Diskussionen gewesen, für die bis heute im Detail keine konsensfähige Lösung gefunden wurde. (aa) Das Verhältnis von Rechtsbindung und Souveränität Insbesondere in den Anfängen der Herausbildung des Staates unter dem Gedanken der Souveränität wurde ein unauflöslicher Widerspruch zwischen staatlicher Souveränität und der Existenz eines die Staaten bindenden Völkerrechts gesehen. Dieser Gegensatz wurzelte auf den zeitgenössischen absolutistischen Vorstellungen, von denen auch das Souveränitätsprinzip geprägt wurde. Vor diesem Hintergrund wurde die Möglichkeit einer Rechtsbindung des Souveräns geleugnet, da die Rechtsbindung des Staates die Unterwerfung des Staates unter eine höhere Macht voraussetze. Diese Anschauung war von der Vorstellung geprägt, dass das Recht die normative Verkörperung des Bestehens von Macht sei, sodass ohne Durchsetzung 151
Jeffery, The impact of state sovereignty on global trade and international taxation, 1999, S. 30 f.; Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994; Fastenrath, Lücken im Völkerrecht, 1991; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/III, 2. Aufl., 1989, S. 222 f.; siehe auch das Vorbringen einzelner Staaten in IGH, Advisory Opinion v. 8. 7. 1996, Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons, ICJ Reports, 1996, S. 226 ff., 238 f. 152 Siehe hierzu insbesondere die abweichende Meinung des Richters M. Weiss StIGH, Urteil v. 7. 9. 1927, The Case of the S.S. „Lotus“, PCIJ Series A, 1927, S. 3 ff., 44; Schlussantrag Cruz Villalón v. 8. 9. 2011, C-347/10, Salemink, ECLI:EU:C:2011:562; Herdegen, Völkerrecht, 17. Aufl., 2018, S. 31 f.; Shaw, International law, 8. Aufl., 2017, S. 16 ff.; Nerep, Extraterritorial control of competition under international law, 1983, S. 391 ff.; Korowicz, Introduction to international law present conceptions of international law in theory and practice, 1959, S. 24; differenzierend Bleckmann, Allgemeine Staats- und Völkerrechtslehre, 1995, S. 221 ff.; Bleckmann, Grundprobleme und Methoden des Völkerrechts, 1982, S. 198 ff. 153 Siehe hierzu bereits die Nachweise in Fußnote 89 und 90.
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mit den Mitteln des Zwangs Recht nicht bestehen könne. Unter einem solchen Rechtsverständnis gerieten staatliche Souveränität und Rechtsbindung des Staates im Völkerrecht zu unauflösbaren Widersprüchen, da die Rechtsbindung das Bestehen einer höheren Macht voraussetzte, während die Idee der Souveränität in absolutistischer Prägung gerade von der Nichtexistenz einer solchen höheren Macht ausging. In der Folge wurde die Existenz eines die Staaten bindenden Völkerrechts negiert.154 Diese Ansicht gilt als historisch durch den Absolutismus und eine den Zwangscharakter des Rechts apostrophierende Anschauung geprägt, die nicht mehr den modernen Anschauungen des Rechts und des Völkerrechts entspricht.155 Nunmehr wird davon ausgegangen, dass die Rechtsbindung der Staaten im Völkerrecht nicht mit der Unterwerfung unter eine höhere Macht und einen Verlust der Unabhängigkeit gleichzusetzen ist.156 Dennoch bleiben aber sowohl die Tragweite des Souveränitätsprinzips sowie die Begründung der Rechtsbindung des Staates umstritten:157 Teilweise wird der Aus154 Siehe hierzu StIGH, Urteil v. 17. 8. 1923, Case of the S.S. „Wimbledon“, PCIJ Series A, 1923, S. 15 ff., 25; Vitzthum, Begriff, Geschichte und Rechtsquellen des Völkerrechts, in: Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 2016, S. 1 ff., 23 ff.; McNair, Treaties and Sovereignty, The Law of Treaties, 2003, S. 754 ff., 757 ff.; Oeter, Souveränität – ein überholtes Konzept?, in: Cremer u. a. (Hrsg.), Tradition und Weltoffenheit des Rechts, 2002, S. 259 ff., 272 f.; Randelzhofer, Staatsgewalt und Souveränität, in: Badura u. a. (Hrsg.), Grundlagen von Staat und Verfassung, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, 1995, S. 691 ff., 693; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 6 f.; Shaw, International law, 8. Aufl., 2017, S. 3; 16 f.; von Arnauld, Völkerrecht, 3. Aufl., 2016, S. 4 f.; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/III, 2. Aufl., 1989, S. 215 f.; 33 ff.; Korowicz, Introduction to international law present conceptions of international law in theory and practice, 1959, S. 2 f., 40 ff.; Siehe auch von der Heydte, Die Geburtsstunde des souveränen Staates, 1952, S. 293 ff.; Hillgruber, Souveränität – Verteidigung eines Rechtsbegriffs, JZ, 2002, S. 1072 ff., 1074 f. 155 StIGH, Urteil v. 17. 8. 1923, Case of the S.S. „Wimbledon“, PCIJ Series A, 1923, S. 15 ff., 25; Vitzthum, Begriff, Geschichte und Rechtsquellen des Völkerrechts, in: Vitzthum/ Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 2016, S. 1 ff., 24; McNair, Treaties and Sovereignty, The Law of Treaties, 2003, S. 754 ff., 760 ff.; Oeter, Souveränität – ein überholtes Konzept?, in: Cremer u. a. (Hrsg.), Tradition und Weltoffenheit des Rechts, 2002, S. 259 ff., 275 ff.; Wildhaber, Entstehung und Aktualität der Souveränität, in: Müller (Hrsg.), Staatsorganisation und Staatsfunktionen im Wandel, 1982, S. 131 ff., 143 ff.; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 7; Shaw, International law, 8. Aufl., 2017, S. 3 f.; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/ III, 2. Aufl., 1989, S. 41 ff.; 215 ff. 156 Stellungnahme des Richters M. Anzilotti StIGH, Advisory Opinion v. 5. 11. 1931, Customs Regime between Germany and Austria, PCIJ Series A/B, 1931, S. 37 ff., 58; StIGH, Urteil v. 17. 8. 1923, Case of the S.S. „Wimbledon“, PCIJ Series A, 1923, S. 15 ff., 25; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 7; Shaw, International law, 8. Aufl., 2017, S. 3 f.; Tomuschat, International law, 2001, S. 45 ff.; Korowicz, Introduction to international law present conceptions of international law in theory and practice, 1959, S. 3; Gunst, Der Begriff der Souveränität im modernen Völkerrecht, 1953, S. 104 ff.; 115 ff.; Strebel, Quellen des Völkerrechts als Rechtsordnung, ZaöRV, 1976, S. 301 ff., 304 ff. 157 Siehe zu dem Ganzen mit entsprechenden weiteren Nachweisen IGH, Advisory Opinion v. 8. 7. 1996, Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons, ICJ Reports, 1996, S. 226 ff.,
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gangspunkt der Geltung völkerrechtlicher Normen in der Souveränität gesehen. Die Souveränität geht dem Völkerrecht hierbei logisch voraus, das Völkerrecht wird erst durch das vorherige Bestehen der Souveränität möglich. Abweichend hiervon wird versucht, die Geltung des Völkerrechts positivistisch in Anknüpfung an eine Grundnorm zu begründen. Diese Grundnorm bildet den Ausgangspunkt aller völkerrechtlichen Normen, sodass auch die Souveränität erst durch die Grundnorm oder der Grundnorm unterstehende Normen den Staaten verliehen wird. Ebenso bildet die Souveränität nicht den Ausgangspunkt, sondern ist gerade Ergebnis des völkerrechtlichen Normgeflechts für Ansätze, die die Grundlage der Geltung des Völkerrechts in Normen sehen, die naturrechtlich gelten und als solche axiomatisch der Rechtsordnung vorgegeben sind, wie etwa die Vernunft, die eine Organisation der Menschen im Staat und eine rechtliche Institutionalisierung der zwischenstaatlichen Beziehungen fordere. Weiterhin wird die faktische Geltung des Völkerrechts betont und das Völkerrecht als soziale Tatsache aufgefasst, wobei die Geltung dann auf bestimmte Grundelemente gestützt wird, die die zunächst empirisch gefasste Materie des Völkerrechts strukturieren sollen. (bb) Völkerrechtsbindung als soziale Tatsache Für ein zutreffendes Verständnis der Bedeutung und Reichweite des völkerrechtlichen Souveränitätsprinzips ist zunächst mit Blick auf die Herleitung der Bindungswirkung des Völkerrechts festzustellen, dass vor dem Hintergrund der den Konsens der Staaten betonenden Rechtserzeugungsverfahren des Völkerrechts, wie sie auch Niederschlag in Art. 38 Abs. 1 des IGH-Statutes gefunden haben,158 weder
238 f., 247; abweichende Meinung des Richters M. Weiss StIGH, Urteil v. 7. 9. 1927, The Case of the S.S. „Lotus“, PCIJ Series A, 1927, S. 3 ff., 43 f.; StIGH, Urteil v. 7. 9. 1927, The Case of the S.S. „Lotus“, PCIJ Series A, 1927, S. 3 ff., 18; Vitzthum, Begriff, Geschichte und Rechtsquellen des Völkerrechts, in: Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 2016, S. 1 ff., 5 ff.; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 6 ff.; Shaw, International law, 8. Aufl., 2017, S. 3 ff.; 36 ff.; von Arnauld, Völkerrecht, 3. Aufl., 2016, S. 2 ff.; Hobe/Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 10. Aufl., 2014, S. 9 ff.; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, 2. Aufl., 2012, S. 3 ff.; 9 ff.; Tomuschat, International law, 2001, S. 25 ff.; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/III, 2. Aufl., 1989, S. 34 ff., 222 f.; Brierly, The Law of Nations, 6. Aufl., 1963, S. 49 ff.; Korowicz, Introduction to international law present conceptions of international law in theory and practice, 1959, S. 1 ff., 51 ff.; von der Heydte, Die Geburtsstunde des souveränen Staates, 1952, S. 133 ff.; Verdross, Entstehungsweisen und Geltungsgrund des universellen völkerrechtlichen Gewohnheitsrechts, ZaöRV, 1969, S. 635 ff. Darüber hinaus ist der Geltungsgrund des Völkerrechts Gegenstand hier nicht angeführter kritischer Ansätze, die vor allem auf die Aufdeckung der Schwächen der bisherigen Erklärungsversuche gerichtet sind. Diese konnten bisher aber noch nicht die Frage nach dem Geltungsgrund des Völkerrechts selbst beantworten, siehe auch Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 11; Hobe/Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 10. Aufl., 2014, S. 9; Tomuschat, International law, 2001, S. 25 ff. 158 Siehe nur Herdegen, Völkerrecht, 17. Aufl., 2018, S. 119 ff.; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 141 f.; Shaw, International law, 8. Aufl., 2017, S. 51 ff.; Kempen/Hillgruber,
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auf eine Grundnorm noch naturrechtliche Überlegungen überzeugend abgestellt werden kann. Die Rechtserzeugungsverfahren stellen nicht nur Erkenntnisquellen und Erzeugungswege für das Völkerrecht dar,159 die zugleich die Rechtsquelle des so entstandenen Völkerrechts bestimmen,160 sondern sind gerade auch Ausdruck des Geltungsgrundes des Völkerrechts, da im Verfahren der Rechtserzeugung die Grundlage der Geltung zum Ausdruck gelangt.161 Richtigerweise ist daher der Ausgangspunkt für die Begründung der Bindungswirkung des Völkerrechts ebenso im Konsens der Staaten zu finden. Da die das Völkerrecht tragenden Staaten bei der Herstellung dieses Konsenses in Ausübung ihrer nach außen gerichteten, souveränen Staatsgewalt handeln, ist die Grundlage der Rechtsbindung im Souveränitätsprinzip zu suchen,162 nicht aber in einer Grundnorm oder naturrechtlichen Überlegungen.163 Völkerrecht, 2. Aufl., 2012, S. 53; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/III, 2. Aufl., 1989, S. 44 f.; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., 1984, S. 322. 159 Herdegen, Völkerrecht, 17. Aufl., 2018, S. 119 ff.; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 453; Shaw, International law, 8. Aufl., 2017, S. 52; Hobe/Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 10. Aufl., 2014, S. 179; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, 2. Aufl., 2012, S. 43; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/III, 2. Aufl., 1989, S. 44. 160 Herdegen, Völkerrecht, 17. Aufl., 2018, S. 119 ff.; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, 2. Aufl., 2012, S. 43; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/III, 2. Aufl., 1989, S. 44; Strebel, Quellen des Völkerrechts als Rechtsordnung, ZaöRV, 1976, S. 301 ff., 307. 161 Herdegen, Völkerrecht, 17. Aufl., 2018, S. 119 ff.; Hobe/Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 10. Aufl., 2014, S. 179; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/III, 2. Aufl., 1989, S. 44; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., 1984, S. 323; Strebel, Quellen des Völkerrechts als Rechtsordnung, ZaöRV, 1976, S. 301 ff., 307. 162 Vitzthum, Begriff, Geschichte und Rechtsquellen des Völkerrechts, in: Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 2016, S. 1 ff., 22; Pietro, Tax treaty override, 2014, S. 37 f.; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 14 f.; Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 25 ff.; Epping, Grundgesetz und Kriegswaffenkontrolle, 1993, S. 159; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., 1984, S. 324; Hillgruber, Souveränität – Verteidigung eines Rechtsbegriffs, JZ, 2002, S. 1072 ff., 1074 f.; Simon/Waller, A Theory of Economic Sovereignty, Stanford Journal of International Law, 1986, S. 337 ff., 347. Siehe auch StIGH, Urteil v. 7. 9. 1927, The Case of the S.S. „Lotus“, PCIJ Series A, 1927, S. 3 ff., 18: „International law governs relations between independent States. The rules of law binding upon States therefore emanate from their own free will as expressed in conventions or by usages generally accepted as expressing principles of law and established in order to regulate the relations between these CO-existing independent communities or with a view to the achievement of common aims. Restrictions upon the independence of States cannot therefore be presumed.“ [Hervorhebungen durch den Autor] Hieraus wird ersichtlich, dass nach Ansicht des StIGH in dieser Rechtssache die Annahme einer Grundnorm oder eines Naturrechts nicht mit der Unabhängigkeit der Staaten, die in freiem Willen das Völkerrecht hervorbringen, vereinbar ist. Die Frage nach der Reichweite des Staatswillens unterscheidet sich von der Frage des Apriorismus der Bindungswirkung des Willens im Privatrecht dadurch, dass im Gegensatz zu Individuen, die rechtsunterworfen sind, Staaten als Träger des Völkerrechts Recht schaffen können. Der Rechtssatz kann daher zum Entstehen gelangen, ohne dass es einer Rechtsordnung bedarf, die diese Möglichkeit vorsieht (anderer Ansicht: Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/III, 2. Aufl., 1989, S. 50). Siehe zum Privatrecht insbesondere Weller, Die Vertragstreue, 2009.
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Zugleich ist aber festzustellen, dass sich das Völkerrecht nicht als bloße tatsächliche Beschränkung tatsächlicher Herrschaftsgewalt entfaltet, sondern von den Staaten als normativ verbindliche Rechtsordnung konzipiert und von diesen als solche auch anerkannt ist; völkerrechtliche Bindungen folgen daher nicht aus einer tatsächlichen Machtunterworfenheit, einer Rationalität oder einer naturrechtlichen Axiomatik der Völkerrechtsnorm, sondern aus der tatsächlichen Anschauung der Staaten, dass die Norm als Rechtssatz Bindung entfaltet. Es stellt demgemäß eine soziale Tatsache dar, dass nach Ansicht der souveränen Staaten die Geltung des Völkerrechts eine normative Geltung darstellt und damit rechtliche Bindungen begründet.164 Zwar scheint es sich dabei zunächst um eine faktische Geltung zu handeln, allerdings ist der Anschauung Rechnung zu tragen, nach der es sich um rechtliche Bindung handelt.165 Diese Verbindlichkeit als Rechtssatz beruht nach Ansicht der Staaten nicht darauf, dass sie einer anderen Herrschaftsgewalt unterworfen sind, sondern auf ihrer eigenen Herrschaftsgewalt. Auf Grund der Anschauung der Souveränität als ,Höchst-Sein‘ kann die seitens der Staaten bestehende Anschauung der normativen Verbindlichkeit nicht in Frage gestellt werden, ohne die Souveränität der Staaten in Frage zu stellen. Dies bedeutet, dass es die Souveränität des Staates auf Grund seiner Anschauung, Bindungen als Recht hervorbringen zu können, beinhaltet, normativ verbindliche Rechtsnormen erlassen zu können. Ausgangspunkt der Rechtsgeltung ist damit die Souveränität des Staates und die als soziale Tatsache anzuerkennende Anschauung, dass Bindungen als Rechtsnormen normativ verbindlich sind.166 163
Hierzu illustrativ Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 14 f. Herdegen, Völkerrecht, 17. Aufl., 2018, S. 31; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 7 f.; Shaw, International law, 8. Aufl., 2017, S. 3 ff.; von Arnauld, Völkerrecht, 3. Aufl., 2016, S. 6 f.; Tomuschat, International law, 2001, S. 44; Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 26; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/III, 2. Aufl., 1989, S. 41 ff.; Korowicz, Introduction to international law present conceptions of international law in theory and practice, 1959, S. 24; Bernhardt, Ungeschriebenes Völkerrecht, ZaöRV, 1976, S. 50 ff., 56. Vgl. zur Anschauung der Rechtsbindung auch die abweichende Meinung des Richters M. Weiss StIGH, Urteil v. 7. 9. 1927, The Case of the S.S. „Lotus“, PCIJ Series A, 1927, S. 3 ff., 44; Bruns, Völkerrecht als Rechtsordnung, ZaöRV, 1929, S. 1 ff., 9 ff. 165 Siehe aus den Nachweisen in der vorigen Fußnote insbesondere Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 7 f.; Tomuschat, International law, 2001, S. 44; Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 26; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/III, 2. Aufl., 1989, S. 41 f.; Korowicz, Introduction to international law present conceptions of international law in theory and practice, 1959, S. 24. 166 Schlussantrag Cruz Villalón v. 8. 9. 2011, C-347/10, Salemink, ECLI:EU:C:2011:562; Seiler, Der souveräne Verfassungsstaat zwischen demokratischer Rückbindung und überstaatlicher Einbindung, 2005, S. 98 ff.; Bleckmann, Allgemeine Staats- und Völkerrechtslehre, 1995, S. 266 ff.; Epping, Grundgesetz und Kriegswaffenkontrolle, 1993, S. 159; Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 22 ff.; Fleiner-Gerster/Hänni, Allgemeine Staatslehre, 1980, S. 147 f., 155 f. Dies gilt auch für das innerstaatliche Recht, allerdings hat dies nicht zur Folge, dass jedes 164
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Teil 1: Grundlagen des Staates und seiner Staatsgewalt
(cc) Die heutige Bedeutung des Souveränitätsprinzips Das Souveränitätsprinzip bildet daher nicht nur die ideelle Grundlage der Staatsgewalt, sondern liegt auch der Völkerrechtsordnung zugrunde. Das Souveränitätsprinzip spiegelt so die im tatsächlichen Bereich bestehenden Anschauungen der Staaten über die Souveränität im normativen Bereich wider.167 Der Begriff der Souveränität ist demgemäß ein mehrschichtiger Begriff.168 Als ideell-faktisches Prinzip ist es zunächst ein im tatsächlichen Bereich verwurzeltes Strukturprinzip, das im historischen Prozess seine Herausbildung gefunden hat. Es beruht hierbei auf der Usurpation von Herrschaftsgewalt und prägt die tatsächliche Herausbildung der Staatlichkeit. Als tatsächliches Strukturprinzip besitzt es aber zunächst keine unmittelbare normative Bedeutung. Erst durch das Hinzutreten der durch die souveränen Staaten als Träger höchster tatsächlicher Herrschaftsgewalt geschaffenen sozialen Tatsache, dass die von ihnen geschaffenen abstrakt-generellen innerstaatliche Recht und die Begründung der Rechtsetzung nur hierauf zurückgeführt werden kann. Die Binnenstruktur des Staates wird vielmehr durch Verfassungsrecht weiter ausgeführt, sodass auf dieser Ebene weitergehende Rechtfertigungsbedürfnisse statuiert werden können. So beruht die Rechtsgeltung dann aus einer Außenperspektive auf dem normativen Souveränitätsprinzip, während nach innerstaatlicher Sicht auf Grund der verfassungsrechtlichen Strukturen Rechtsetzung nicht mit bloßem Bezug auf die Befugnis kraft staatlicher Souveränität gerechtfertigt sein kann. Im Binnenverhältnis sind daher durch das Verfassungsrecht ebenso wie im Außenverhältnis durch das Völkerrecht Konturierungen und Beschränkungen der zunächst allumfassend erscheinenden Souveränität denkbar, wobei diese Beschränkungen und Bindungen gerade Ausdruck einer vorherigen Souveränitätsausübung, wie der Verfassungsgebung oder Setzung von Völkerrecht, sind. Siehe hierzu auch von Simson, Die Souveränität im rechtlichen Verständnis der Gegenwart, 1965, S. 41 f.; Schnitzer, Staat und Gebietshoheit, 1935, S. 15; Vogel, Rechtfertigung der Steuern: Eine vergessene Vorfrage, Der Staat, 1986, S. 481 ff., 494 f. sowie Fußnote 98. Zur Verknüpfung des ideell-faktischen und normativen siehe auch Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/III, 2. Aufl., 1989, S. 41; von Simson, Die Souveränität im rechtlichen Verständnis der Gegenwart, 1965, S. 39 ff.; 202 ff. 167 Siehe auch Schlussantrag Cruz Villalón v. 8. 9. 2011, C-347/10, Salemink, ECLI:EU:C:2011:562; Seiler, Der souveräne Verfassungsstaat zwischen demokratischer Rückbindung und überstaatlicher Einbindung, 2005, S. 101 f.; Korowicz, Introduction to international law present conceptions of international law in theory and practice, 1959, S. 51 ff.; Bruns, Völkerrecht als Rechtsordnung, ZaöRV, 1929, S. 1 ff., 33 f. 168 Schlussantrag Cruz Villalón v. 8. 9. 2011, C-347/10, Salemink, ECLI:EU:C:2011:562; Mosler, Die Übertragung von Hoheitsgewalt, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Normativität und Schutz der Verfassung – Internationale Beziehungen, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band VII, 1992, S. 599 ff., 616 f.; Crawford, The creation of states in international law, 2. Aufl., 2007, S. 32 f.; Jeffery, The impact of state sovereignty on global trade and international taxation, 1999, S. 25 f.; Fleiner-Gerster/Hänni, Allgemeine Staatslehre, 1980, S. 158 f. Vgl. auch Bindschedler, Betrachtungen über die Souveränität, in: Faculté de droit Université de Genève; Institut universitaire de hautes études internationales, En hommage à Paul Guggenheim, 1968, S. 167 ff., 169; Seiler, Der souveräne Verfassungsstaat zwischen demokratischer Rückbindung und überstaatlicher Einbindung, 2005, S. 101 ff.; Walker (Hrsg.), Relocating sovereignty, 2006; Hillgruber, Souveränität – Verteidigung eines Rechtsbegriffs, JZ, 2002, S. 1072 ff., 1073; Shaw, Territory in International Law, NYL, 1982, S. 61 ff.
A. Der Staat als rechtlich konstituiertes Gebilde
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Vorgaben nicht nur im tatsächlichen Bereich verwurzelte Vorgaben sind, sondern legitime Vorgaben normativer Natur sein sollen und als Recht im normativen Bereich gelten sollen, entfaltet das ideell-faktische Souveränitätsprinzip mittelbar normative Bedeutung. Insoweit, als die Staaten davon ausgehen, zur Ausübung souveräner Staatsgewalt befugt zu sein, bewirkt diese Anschauung die Begründung des rechtlichen Souveränitätsprinzip, das im normativen Bereich das ideell-faktische Souveränitätsprinzip widerspiegelt. Demgemäß beinhaltet das rechtliche Souveränitätsprinzip für das Völkerrecht die ideelle Anschauung, dass den Staaten im normativen Bereich die nicht von einer anderen Instanz abgeleitete alleinige Befugnis zur Ausübung von Herrschaftsgewalt im Sinne eines Staates zukommt.169 Auf Grund dieser Bedeutung des rechtlichen Souveränitätsprinzips liegt es nahe, in der Souveränität selbst die völkerrechtliche Grundnorm zu erblicken, die Ausgangspunkt und Geltungsgrund jeder weiteren völkerrechtlichen Rechtsnorm bildet; diese Grundnorm spräche den Staaten dabei zunächst eine allumfassende, ungebundene Befugnis zur Rechtsschöpfung im Völkerrecht zu.170 Insoweit ist aber stärker zu differenzieren: Allein aus dem Befund, dass das rechtliche Souveränitätsprinzip die gesamte Völkerrechtsordnung durchzieht, kann nicht gefolgert werden, dass es auch eine Grundnorm des Völkerrechts darstellt. Aufschlussreich für diese Frage ist wiederum, dass das rechtliche Souveränitätsprinzip das ideell-faktische Souveränitätsprinzip im normativen Bereich widerspiegelt. Es nimmt im Völkerrecht die Funktion des ideell-faktischen Souveränitätsprinzips wahr, das eine ideelle Grundlage der tatsächlich vorgefundenen Staatsgewalt und damit eine Eigenschaft dieser bildet, ohne mit ihr identisch zu sein. Im Recht bildet das Souveränitätsprinzip daher spiegelbildlich auch nur die ideelle Grundlage der normativen Befugnisse des Staates und stellt damit lediglich ein Rechtsprinzip dar. Die normativen Befugnisse selbst werden hingegen durch andere Rechtsnormen des Völ169
StIGH, Beschluss v. 6. 9. 1930, Case Concerning the Free Zones of Upper Savoy and the District of Gex (Second Phase), PCIJ Series A, 1930, S. 3 ff., 12; Randelzhofer, Staatsgewalt und Souveränität, in: Badura u. a. (Hrsg.), Grundlagen von Staat und Verfassung, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, 1995, S. 691 ff., 705 f.; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 139 f.; Shaw, International law, 8. Aufl., 2017, S. 166 ff.; von Arnauld, Völkerrecht, 3. Aufl., 2016, S. 14 f.; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, 2. Aufl., 2012, S. 114; Bentzien, Die völkerrechtlichen Schranken der nationalen Souveränität im 21. Jahrhundert, 2007, S. 29 f.; Seiler, Der souveräne Verfassungsstaat zwischen demokratischer Rückbindung und überstaatlicher Einbindung, 2005, S. 101 ff.; Epping, Grundgesetz und Kriegswaffenkontrolle, 1993, S. 159; Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 23 ff.; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/III, 2. Aufl., 1989, S. 216; Mann, Studies in International Law, 1973, S. 9; Bär, Kartellrecht und Internationales Privatrecht, 1965, S. 326; Bruns, Völkerrecht als Rechtsordnung, ZaöRV, 1929, S. 1 ff., 33 ff. 170 So insbesondere die ältere Literatur, vgl. Rebbe, Der Lotusfall vor dem Weltgerichtshof, 1932, S. 26. Aus der jüngeren Literatur siehe Seiler, Der souveräne Verfassungsstaat zwischen demokratischer Rückbindung und überstaatlicher Einbindung, 2005, S. 101; Martha, The jurisdiction to tax in international law, 1989, S. 37; Bleckmann, Grundprobleme und Methoden des Völkerrechts, 1982, S. 180 ff.
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Teil 1: Grundlagen des Staates und seiner Staatsgewalt
kerrechts beschrieben. In diesen findet das rechtliche Souveränitätsprinzip zwar Ausdruck, es ist aber nicht mit diesen identisch, weshalb das Souveränitätsprinzip nicht selbst unmittelbare Befugnisse verleiht und als Grundnorm Ausgangspunkt und Geltungsgrund der Völkerrechtsordnung anzusehen ist.171 Auf Grund dessen bildet das so verstandene rechtliche Souveränitätsprinzip keine a priori das Völkerrecht beschränkende Vorgabe, sondern diesem kommt nur innerhalb der bestehenden Normen des Völkerrechts Bedeutung zu.172 Insoweit fordert das Souveränitätsprinzip abseits beschränkender Normen des Völkerrechts in seiner Qualität als Rechtsprinzip lediglich eine prinzipielle Betonung der Möglichkeit der Staaten, frei von Beschränkungen eigene Staatlichkeit zu entfalten.173 171 Vitzthum, Begriff, Geschichte und Rechtsquellen des Völkerrechts, in: Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 2016, S. 1 ff., 20 f.; Weil, International Law Limitations on State Jurisdiction, in: Olmstead (Hrsg.), Extra-territorial application of laws and responses thereto, 1984, S. 32 ff., 36; Crawford, The creation of states in international law, 2. Aufl., 2007, S. 32; Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 23 ff.; Mann, Studies in International Law, 1973, S. 9; Simon/Waller, A Theory of Economic Sovereignty, Stanford Journal of International Law, 1986, S. 337 ff., 347; Bruns, Völkerrecht als Rechtsordnung, ZaöRV, 1929, S. 1 ff., 33 ff. 172 Schlussantrag Cruz Villalón v. 8. 9. 2011, C-347/10, Salemink, ECLI:EU:C:2011:562; Wildhaber, Entstehung und Aktualität der Souveränität, in: Müller (Hrsg.), Staatsorganisation und Staatsfunktionen im Wandel, 1982, S. 131 ff., 140; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 34 f.; Shaw, International law, 8. Aufl., 2017, S. 167; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band III/III, 2. Aufl., 2002, S. 783; Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 23 ff.; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/III, 2. Aufl., 1989, S. 215 f.; Weber-Fas, Staatsverträge im internationalen Steuerrecht, 1982, S. 32; von Simson, Die Souveränität im rechtlichen Verständnis der Gegenwart, 1965, S. 42; Hillgruber, Souveränität – Verteidigung eines Rechtsbegriffs, JZ, 2002, S. 1072 ff., 1074 ff.; Epiney, Nachbarrechtliche Pflichten im internationalen Wasserrecht und Implikationen von Drittstaaten, AVR, 2001, S. 1 ff., 8 f.; Bruns, Völkerrecht als Rechtsordnung, ZaöRV, 1929, S. 1 ff., 35. 173 IGH, Urteil v. 13. 7. 2009, Dispute regarding Navigational and Related Rights (Costa Rica v. Nicaragua), ICJ Reports, 2009, S. 213 ff., 237; StIGH, Advisory Opinion v. 7. 6. 1932, Free Zones of Upper Savoy and District of Gex, PCIJ Series A/B, 1932, S. 96 ff., 167; StIGH, Beschluss v. 6. 9. 1930, Case Concerning the Free Zones of Upper Savoy and the District of Gex (Second Phase), PCIJ Series A, 1930, S. 3 ff., 12; Vitzthum, Begriff, Geschichte und Rechtsquellen des Völkerrechts, in: Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 2016, S. 1 ff., 20; Beyerlin, Staatliche Souveränität und internationale Umweltschutzkooperation, in: Beyerlin u. a. (Hrsg.), Recht zwischen Umbruch und Bewahrung, 1995, S. 937 ff., 938; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 34 f.; Shaw, International law, 8. Aufl., 2017, S. 167; Hobe/Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 10. Aufl., 2014, S. 290 f.; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, 2. Aufl., 2012, S. 114; Crawford, The creation of states in international law, 2. Aufl., 2007, S. 41 f.; Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, 1998, S. 51 ff.; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/III, 2. Aufl., 1989, S. 80 ff.; 214 ff.; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., 1984, S. 223; Nerep, Extraterritorial control of competition under international law, 1983, S. 391 ff.; Bär, Kartellrecht und Internationales Privatrecht, 1965, S. 326; Epiney, Nachbarrechtliche Pflichten im internationalen Wasserrecht und Implikationen von Drittstaaten, AVR, 2001, S. 1 ff., 9; Simon/Waller, A Theory of Economic Sovereignty, Stanford Journal of International Law, 1986, S. 337 ff., 347; Gans, Reasonableness as a Limit to Extraterritorial Jurisdiction, Washington University Law Review, 1985, S. 681 ff., 701.
A. Der Staat als rechtlich konstituiertes Gebilde
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IV. Zusammenfassung In Abschnitt A. wurden die Grundlagen des Staatsverständnisses dargelegt, soweit sie für die vorliegende Arbeit von Interesse sind. Historisch erweist sich der Staat als ein gewachsenes Gebilde, dessen Herausbildung im Zeitablauf durch die Zentralisierung und Funktionalisierung von Herrschaftsgewalt geprägt ist. Diese Entwicklung führte zu einem Wandel der Herrschaftsbeziehungen, in deren Folge der Staat als Personal- und Territorialverband hervortritt.174 Als Personalverband übt der Staat Hoheitsgewalt über das Staatsvolk aus, während der Staat als Territorialverband Herrschaftsgewalt in Bezug auf das Staatsgebiet wahrnimmt. Der so hervortretende Staat wird durch den Gedanken der ideell-faktischen Souveränität getragen, nach dem diesem Staat eine nicht abgeleitete, allumfassende und unabhängig ausgeübte Herrschaftsmacht über das Staatsvolk und das Staatsgebiet zukommt. Diese Entwicklung hat sich im rechtlichen Bereich widergespiegelt. Die Zentralisierung der Herrschaftsgewalt führt zur Herausbildung des Staates als zentralen Träger der Herrschaftsgewalt, der eine neue Bezugsebene rechtlicher Anknüpfungen bildet. Nach außen erscheint der Staat als zentrales Subjekt und Träger des Völkerrechts, nach innen wird der Staat durch das Verfassungsrecht konturiert. Der Staat ist demnach nicht nur ein historisch gewachsenes tatsächliches, sondern auch ein im Recht bestehendes Gebilde, das durch Rechtsnormen des Völker- und Verfassungsrechts konturiert wird. Diese rechtliche Konturierung des Staates beruht auf seiner Einbindung in die Völkerrechtsgemeinschaft und damit der Rechtsbindung des Staates im Völkerrecht. Diese Rechtsbindung findet ihren Ausgangspunkt in der Anerkennung der sozialen Tatsache, dass das Völkerrecht von den Staaten tatsächlich als normativ verbindlich angesehen wird. Die Funktion des Völkerrechts erschöpft sich damit nicht darin, Sollens-Sätze im Sinne bloßer Programmsätze aufzustellen, deren tatsächliche Durchsetzung allein vom Bestehen tatsächlicher Machtunterschiede abhängt. Vielmehr ist durch das Prinzip der Souveränität eine egalitäre Sichtweise gefordert, nach der tatsächliche Machtunterschiede zwar bestehen können, aber nach Ansicht der Staaten nicht zu einer stärkeren Rechtsposition führen. Die Sätze des Völkerrechts entfalten sich daher nicht kraft tatsächlicher Machtunterschiede, sondern sollen nach Ansicht der Staaten normative Vorgaben und Recht darstellen. Die Rechtsgeltung des Völkerrechts beruht hierbei auf dem Konsens der Staaten, der alleinig in der Lage ist, Rechtssätze des Völkerrechts hervorzubringen. Grundlage ebendieser Rechtsgeltung ist im Ausgangspunkt das ideell-faktische Souveränitätsprinzip, da das ,Höchst-Sein‘ der Staatsgewalt nicht anerkannt würde, würde die Befähigung der Staaten zur Erzeugung einer normativen Verbindlichkeit in Frage gestellt. Hierdurch tritt aber neben das ideell-faktische 174
Hierdurch soll nicht ausgesagt werden, in welchem Verhältnis die personale und territoriale Konzeption stehen. Vielmehr gilt nach den bisherigen Ausführungen nur, dass der Staat in Bezug auf das Staatsvolk personal und in Bezug auf das Staatsgebiet territorial konzipiert ist. Ob die personale oder territoriale Seite im Staatsbegriff hinter dem jeweils anderen Element zurücktritt, ist an anderer Stelle zu untersuchen. Siehe hierzu ausführlich Teil 1 B. I. 3. b).
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Teil 1: Grundlagen des Staates und seiner Staatsgewalt
Souveränitätsprinzip das völkerrechtliche Souveränitätsprinzip, dass die Anschauung der Staaten beinhaltet, zur Ausübung souveräner Staatsgewalt befugt zu sein. Es spiegelt das ideell-faktische Souveränitätsprinzip im Völkerrecht wider und stellt, gewissermaßen pro futuro, die Grundlage der Rechtsgeltung der in Übereinstimmung mit den Rechtserzeugungsverfahren geschaffenen Rechtssätze des Völkerrechts dar, ohne aber eine Grundnorm des Völkerrechts zu bilden. Die tatsächliche Entstehung des souveränen Staates geht damit zwar gedanklich der Herausbildung des Völkerrechts voraus, die Anerkennung der Rechtsgeltung des Völkerrechts als eine normative Geltung durch die Staaten, eine soziale Tatsache, hat allerdings im weiteren Verlauf die rechtliche Konstitution der souveränen Staates zur Folge. Insoweit ist der Staat nicht nur faktisch bestehend, sondern auch durch das Völkerrecht in seinen äußeren Bezügen konstituiert. Das völkerrechtliche Souveränitätsprinzip entfaltet sich so als Rechtsprinzip, das in den Grenzen des Völkerrechts eine Betonung der Unabhängigkeit des Staates einfordert. Insbesondere ist hierdurch vorausgesetzt, dass dem Staat ein Freiraum zur Entfaltung der Staatlichkeit zukommt, der positiv durch die Zuweisung der Staatsgewalt über ein Staatsvolk und ein Staatsgebiet gebildet wird und negativ fordert, äußere Einflüsse abzuwehren, die die Möglichkeiten zur Entfaltung eigener Staatsgewalt beschränken. Dieser Freiraum besteht nur dem Idealfall nach als absoluter Freiraum jedes einzelnen Staates: Tatsächlich ist vielmehr festzustellen, dass sich die Freiräume der Staaten überschneiden. Die Freiheit des einen Staates zur Wahrnehmung von Staatsgewalt geht folglich nicht damit einher, dass keinem anderen Staat eine gleichermaßen bestehende Freiheit zukommen kann. Gerade mit Blick auf diese grundsätzlich bestehenden Überschneidungen der Freiräume erhellt sich die Bedeutung des Prinzips der souveränen Gleichheit der Staaten und des hierauf gestützten Interventionsverbotes. Das Prinzip der souveränen Gleichheit wird als formales Gleichbehandlungsgebot wirksam und betont, dass die Freiräume gleichrangig bestehen und Überschneidungen der Freiräume Bestand haben. Insbesondere hat es auch zur Folge, dass eine Abwägung der Position verschiedener Staaten grundsätzlich nicht möglich ist. Eine folgerichtige Ausnahme hierzu begründet gestützt auf den dem Souveränitätsprinzip innewohnenden Achtungsanspruch das Interventionsverbot, das auf den Schutz eines Kernbereiches der Staatsgewalt bedacht ist und so den Staat vor seine Existenz bedrohenden Eingriffen schützt.
B. Struktur und Reichweite der nach innen gerichteten Staatsgewalt Nach dem Staatsbegriff des Völkerrechts ist die Existenz des Staates mit dem Bestehen einer souveränen Herrschaftsgewalt, der Staatsgewalt, verknüpft. Gefordert ist, dass der Staat über eine allumfassende, auf Dauer angelegte, funktional
B. Struktur und Reichweite der Staatsgewalt
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begründete und effektive Herrschaftsgewalt verfügt, die er sowohl nach innen als auch nach außen in Bezug auf das Staatsgebiet und das Staatsvolk ausübt. Im Folgenden soll nunmehr die grundsätzliche Konstitution der nach innen gerichteten souveränen Herrschaftsgewalt, zunächst allgemein, sodann mit Bezug zum Steuerrecht, näher untersucht werden.
I. Die Herrschaftsgewalt des Staates im Allgemeinem 1. Personal- und Gebietshoheit als formale Bezugspunkte der Staatsgewalt Nach der Ausrichtung der Staatsgewalt auf das Staatsgebiet und das Staatsvolk werden als Bezugspunkte die Personal- und Gebietshoheit des Staates unterschieden. Die Personalhoheit umfasst die staatliche Zuständigkeit, Staatsgewalt in Bezug auf das Staatsvolk auszuüben. Das Staatsvolk unterliegt daher der Personalhoheit des Staates. Die Gebietshoheit umfasst demgegenüber die Zuständigkeit des Staates, Staatsgewalt auf dem Staatsgebiet auszuüben. Dieses Gebiet unterliegt der Gebietshoheit des Staates. Die Personal- und Gebietshoheit bilden die beiden formalen Ausformungen der nach innen gerichteten Staatsgewalt, die entweder in Wahrnehmung der Gebietshoheit auf das Staatsgebiet oder in Wahrnehmung der Personalhoheit auf das Staatsvolk gerichtet ist.175 a) Personalhoheit Gegenstand der Personalhoheit ist die Wahrnehmung der Staatsgewalt über das Staatsvolk.176 Die Personalhoheit tritt insbesondere bei der Gewährung diplomatischen Schutzes177 zutage. 175 Mössner, Das Welteinkommensprinip, in: Tipke (Hrsg.), Besteuerung von Einkommen, 2000, S. 253 ff., 265; Herdegen, Völkerrecht, 17. Aufl., 2018, S. 79; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 139 f.; von Arnauld, Völkerrecht, 3. Aufl., 2016, S. 145, 147; Kempen/ Hillgruber, Völkerrecht, 2. Aufl., 2012, S. 105, 111; Spitaler, Das Doppelbesteuerungsproblem bei den direkten Steuern, 2. Aufl., 1967, S. 164; Schnitzer, Staat und Gebietshoheit, 1935, S. 149; Schön, Persons and Territories: on the International Allocation of Taxing Rights, BTR, 2010, S. 554 ff., 554. Teilweise wird aber ergänzend die Flaggenhoheit genannt. Ob es sich hierbei um eine weitere Kategorie handelt oder diese durch die Gebiets- oder Personalhoheit erfasst werden kann, kann im Rahmen dieser Arbeit allerdings offen bleiben. Siehe hierzu bspw. Vitzthum, Staatsgebiet, in: Badura u. a. (Hrsg.), Grundlagen von Staat und Verfassung, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, 1995, S. 709 ff., 717; Gavouneli, Functional jurisdiction in the law of the sea, 2007, S. 34 ff. 176 Herdegen, Völkerrecht, 17. Aufl., 2018, S. 199 ff.; Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht, 14. Aufl., 2017, S. 213 f.; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 123; von Arnauld, Völkerrecht, 3. Aufl., 2016, S. 147; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, 2. Aufl., 2012, S. 111 ff.; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band II/III, 2. Aufl., 2002, S. 7 ff.; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., 1984, S. 230; Verdross, Völkerrecht, 5. Aufl., 1964, S. 316 f.
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Teil 1: Grundlagen des Staates und seiner Staatsgewalt
Die Zuständigkeit zur Wahrnehmung der Personalhoheit folgt daraus, dass eine Person zum Staatsvolk zu zählen und damit mit dem Staat durch das rechtliche Band der Staatsangehörigkeit verbunden ist. Die Staatsangehörigkeit als rechtliches Band des Staates zu seinem Staatsvolk muss allerdings auf einer tatsächlichen Beziehung beruhen, um völkerrechtlich anzuerkennen zu sein und im Völkerrecht Rechtswirkungen hervorbringen zu können. Nur soweit demgemäß die Staatsangehörigkeit als rechtlicher Status mit dem Bestehen einer tatsächlichen Beziehung zur Person einhergeht, besteht die mit der Personalhoheit beschriebene Zuständigkeit zur Ausübung von Staatsgewalt gegenüber dieser Person.178 b) Gebietshoheit Während bei der Personalhoheit die Staatsgewalt auf Grund einer besonderen personalen Beziehung beansprucht wird, wird im Rahmen der Gebietshoheit Staatsgewalt auf Grund eines territorialen Bezugs wahrgenommen. Die Gebietshoheit beschreibt die Zuständigkeit, Hoheitsgewalt auf einem Gebiet auszuüben.179 Als Ergebnis dieser territorialen Gewalt entsteht eine Gewalt über Personen und Sachen, die sich auf dem Staatsgebiet befinden und aufhalten.180 Hierbei handelt es sich um einen mittelbaren Bezug der Gebietshoheit, unmittelbar ist diese auf das Gebiet an sich gerichtet. Während die Personalhoheit durch die Staatsangehörigkeit begründet wird, beruht das Innehaben der Gebietshoheit auf der tatsächlichen Ausübung von Hoheitsgewalt auf einem Gebiet: Immer dann, wenn ein Gebiet der tatsächlichen Herrschaftsgewalt eines Staates unterliegt, kommt dem Staat die Gebietshoheit zu; es handelt sich hierbei um eine auf faktischer Macht beruhende Zuständigkeit, die ausnahmsweise auch für Gebiete bestehen kann, die nicht Teil des Staatsgebietes des
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Siehe zum diplomatischen Schutz noch die Ausführungen in Teil 3 A. II. 5. Siehe bereits Teil 1 A. II. 2. 179 Proelß, Raum und Umwelt im Völkerrecht, in: Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 2016, S. 361 ff., 369 f.; Herdegen, Völkerrecht, 17. Aufl., 2018, S. 188; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 110; von Arnauld, Völkerrecht, 3. Aufl., 2016, S. 145; Hobe/Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 10. Aufl., 2014, S. 99; Schweisfurth, Völkerrecht, 2006, S. 278; Siegrist, Hoheitsakte auf fremdem Staatsgebiet, 1987, S. 8 ff.; Weber-Fas, Staatsverträge im internationalen Steuerrecht, 1982, S. 35; Schmahl, Zwischenstaatliche Kompetenzabgrenzung im Cyberspace, AVR, 2009, S. 284 ff., 288; Shaw, Territory in International Law, NYL, 1982, S. 61 ff. Siehe auch Fußnote 72 zu der historischen Wandlung des Verständnisses der gebietsbezogenen Staatsgewalt. 180 Proelß, Raum und Umwelt im Völkerrecht, in: Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 2016, S. 361 ff., 369 f.; Verdross, Territoriale Souveränität und Gebietshoheit zur völkerrechtlichen Lage der Oder-Neisse-Gebiete, 1980, S. 34. Anderer Ansicht Ridder, Gebietshoheit, in: Schlochauer (Hrsg.), Wörterbuch des Völkerrechts, Band I, 1960, S. 625 ff., 625; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band II/III, 2. Aufl., 2002, S. 318. 178
B. Struktur und Reichweite der Staatsgewalt
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die Gebietshoheit beanspruchenden Staates sind.181 Als faktische Macht wird die Gebietshoheit durch die Rechtsdurchsetzungsgewalt begründet, da die Rechtsetzungsgewalt im Erlass von Rechtsnormen mündet und daher allein auf die Setzung normativer Vorgaben gerichtet ist.182 Gefordert ist allerdings nicht, dass der Staat tatsächliche Hoheitsgewalt ausübt. Es ist vielmehr ausreichend, dass der Staat in der Lage ist, im Bedarfsfall eine derartige Herrschaftsgewalt auszuüben.183 (aa) Verhältnis von territorialer Souveränität und Gebietshoheit Die Gebietshoheit ist von der territorialen Souveränität eines Staates zu unterscheiden.184 Die territoriale Souveränität fasst die Befugnisse des Staates in Bezug 181 Proelß, Raum und Umwelt im Völkerrecht, in: Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 2016, S. 361 ff., 369 f.; Hobe/Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 10. Aufl., 2014, S. 99; Siegrist, Hoheitsakte auf fremdem Staatsgebiet, 1987, S. 9; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., 1984, S. 655; Verdross, Territoriale Souveränität und Gebietshoheit zur völkerrechtlichen Lage der Oder-Neisse-Gebiete, 1980, S. 16 f., 35. Vgl. auch Hamel, Das Wesen des Staatsgebietes, 1933, S. 217 ff.; 296 f., 306 f. 182 Siehe Ohler, Die Kollisionsordnung des allgemeinen Verwaltungsrechts Strukturen des deutschen internationalen Verwaltungsrechts, 2005, S. 43 f.; Epping, Grundgesetz und Kriegswaffenkontrolle, 1993, S. 158; von der Heydte, Völkerrecht, 1958, S. 223 f.; von der Heydte, Die Geburtsstunde des souveränen Staates, 1952, S. 429 f. Vgl. auch Teil 2 B. 1. e) zur Ableitung der territorialen Souveränität aus dem Bestehen der effectivités und die hierzu ergangene Rechtsprechung: IGH, Urteil v. 19. 12. 2012, Territorial and Maritime Dispute (Nicaragua/Colombia), ICJ Reports, 2012, S. 624 ff., 655; IGH, Urteil v. 8. 10. 2007, Territorial and Maritime Dispute between Nicaragua and Honduras in the Caribbean Sea (Nicaragua v. Honduras), ICJ Reports, 2007, S. 659 ff., 712 ff.; IGH, Urteil v. 12. 7. 2005, Frontier Dispute (Benini/Niger), ICJ Reports, 2005, S. 90 ff., 127; IGH, Urteil v. 10. 10. 2002, Land and Maritime Boundary between Cameroon and Nigeria (Cameroon v. Nigeria; Equatorial Guinea intervening), ICJ Reports, 2002, S. 303 ff., 353; IGH, Urteil v. 3. 2. 1994, Territorial Dispute (Libyan Arab Jamahiriya/Chad), ICJ Reports, 1994, S. 6 ff., 38; IGH, Urteil v. 22. 12. 1986, Frontier Dispute, ICJ Reports, 1986, S. 554 ff., 587. Siehe hierzu aus den in Fußnote 492 genannten Nachweisen insbesondere Shaw, Territory in International Law, NYL, 1982, S. 61 ff., 83 ff. 183 Ausführlich Hamel, Das Wesen des Staatsgebietes, 1933, S. 218 f.; 296 f. Siehe auch IGH, Urteil v. 10. 10. 2002, Land and Maritime Boundary between Cameroon and Nigeria (Cameroon v. Nigeria; Equatorial Guinea intervening), ICJ Reports, 2002, S. 303 ff., 415 f.; abweichende Meinung des Richters Alvarez IGH, Urteil v. 9. 4. 1949, The Corfu Channel Case (United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland v. Albania), ICJ Reports, 1949, S. 4 ff., 44; IGH, Urteil v. 9. 4. 1949, The Corfu Channel Case (United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland v. Albania), ICJ Reports, 1949, S. 4 ff., 18; Permanent Court of Arbitration, Entscheidung v. 4. 4. 1928, Island of Palmas (Netherlands, USA), Reports of International Arbitral Awards II, S. 829 ff., 840; Wildhaber, Entstehung und Aktualität der Souveränität, in: Müller (Hrsg.), Staatsorganisation und Staatsfunktionen im Wandel, 1982, S. 131 ff., 139. 184 Kau, Der Staat und der Einzelne als Völkerrechtssubjekte, in: Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 2016, S. 133 ff., 188; Vitzthum, Staatsgebiet, in: Badura u. a. (Hrsg.), Grundlagen von Staat und Verfassung, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, 1995, S. 709 ff., 711; von Arnauld, Völkerrecht, 3. Aufl., 2016, S. 145; Siegrist, Hoheitsakte auf fremdem Staatsgebiet, 1987, S. 9; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., 1984,
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Teil 1: Grundlagen des Staates und seiner Staatsgewalt
auf das ihm unterstehende Staatsgebiet.185 Sie umfasst einerseits die Verfügungsbefugnis des Staates über sein Staatsgebiet,186 als auch die Befugnis zur Ausübung der Gebietshoheit auf einem Gebiet.187 Als territorialem Souverän kommt dem Staat in Bezug auf das Staatsgebiet die ausschließliche und allumfassende Befugnis zur Ausübung von Hoheitsgewalt zu.188 Die Gebietshoheit kommt demgegenüber dem Staat zu, der tatsächliche Hoheitsgewalt im Sinne faktischer Macht auf einem Gebiet ausübt. Die Gebietshoheit wird daher durch das tatsächliche Innehaben der Herrschaftsgewalt begründet und S. 655 ff.; Verdross, Territoriale Souveränität und Gebietshoheit zur völkerrechtlichen Lage der Oder-Neisse-Gebiete, 1980, S. 15 ff. 185 Abweichende Meinung des Richters Bernardez IGH, Urteil v. 16. 3. 2001, Maritime Delimitation and Territorial Questions between Qatar and Bahrain, ICJ Reports, 2001, S. 40 ff., 285 ff.; IGH, Urteil v. 19. 12. 1978, Aegean Sea Continental Shelf, ICJ Reports, 1978, S. 3 ff., 36; Permanent Court of Arbitration, Entscheidung v. 4. 4. 1928, Island of Palmas (Netherlands, USA), Reports of International Arbitral Awards II, S. 829 ff., 838; Vitzthum, Staatsgebiet, in: Badura u. a. (Hrsg.), Grundlagen von Staat und Verfassung, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, 1995, S. 709 ff., 711; Verdross, Territoriale Souveränität und Gebietshoheit zur völkerrechtlichen Lage der Oder-Neisse-Gebiete, 1980, S. 16; Hamel, Das Wesen des Staatsgebietes, 1933, S. 217 ff.; 307 ff. 186 Die Ausübung der territorialen Souveränität in Form der Verfügung über das Staatsgebiet ist allerdings im Rahmen dieser Arbeit nicht von Bedeutung. Zum Inhalt der Verfügungsbefugnis des Staates über das Staatsgebiet siehe weitergehend Herdegen, Völkerrecht, 17. Aufl., 2018, S. 188 ff.; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 104 ff.; Hobe/Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 10. Aufl., 2014, S. 86 ff., 101 f.; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, 2. Aufl., 2012, S. 108 ff.; Brownlie, Principles of public international law, 7. Aufl., 2008, S. 105 ff.; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band II/III, 2. Aufl., 2002, S. 318 ff.; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., 1984, S. 638 ff.; Hamel, Das Wesen des Staatsgebietes, 1933, S. 104 ff., 301 ff.; Shaw, Territory in International Law, NYL, 1982, S. 61 ff., 74 ff. 187 Abweichende Meinung des Richters Bernardez IGH, Urteil v. 16. 3. 2001, Maritime Delimitation and Territorial Questions between Qatar and Bahrain, ICJ Reports, 2001, S. 40 ff., 285 ff.; IGH, Urteil v. 17. 11. 1953, The Minquiers and Ecrehos case, ICJ Reports, 1953, S. 47 ff., 67; Permanent Court of Arbitration, Entscheidung v. 4. 4. 1928, Island of Palmas (Netherlands, USA), Reports of International Arbitral Awards II, S. 829 ff., 839; StIGH, Urteil v. 7. 9. 1927, The Case of the S.S. „Lotus“, PCIJ Series A, 1927, S. 3 ff., 24; Dahm/Delbrück/ Wolfrum, Völkerrecht, Band II/III, 2. Aufl., 2002, S. 318; Krieger, Das Effektivitätsprinzip im Völkerrecht, 2000, S. 328; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/III, 2. Aufl., 1989, S. 318; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., 1984, S. 655; Verdross, Territoriale Souveränität und Gebietshoheit zur völkerrechtlichen Lage der Oder-Neisse-Gebiete, 1980, S. 37; von der Heydte, Völkerrecht, 1958, S. 223 f.; Schmahl, Zwischenstaatliche Kompetenzabgrenzung im Cyberspace, AVR, 2009, S. 284 ff., 288. 188 IGH, Urteil v. 20. 11. 1950, Asylum Case (Colombia/Peru), ICJ Reports, 1950, S. 266 ff., 295; Permanent Court of Arbitration, Entscheidung v. 4. 4. 1928, Island of Palmas (Netherlands, USA), Reports of International Arbitral Awards II, S. 829 ff., 838 f.; abweichende Meinung des Richters M. Nyholm StIGH, Urteil v. 7. 9. 1927, The Case of the S.S. „Lotus“, PCIJ Series A, 1927, S. 3 ff., 59; Vitzthum, Staatsgebiet, in: Badura u. a. (Hrsg.), Grundlagen von Staat und Verfassung, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, 1995, S. 709 ff., 711; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, 2. Aufl., 2012, S. 108 ff.
B. Struktur und Reichweite der Staatsgewalt
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beinhaltet die Zuständigkeit des Staates, auf diesem Gebiet Hoheitsgewalt auszuüben.189 Gebietshoheit und territoriale Souveränität unterscheiden sich daher dadurch, dass im Gegensatz zur Gebietshoheit die territoriale Souveränität nicht die tatsächliche Ebene erfasst, sondern die Befugnis zur Wahrnehmung der Gebietshoheit; die Gebietshoheit wird daher durch die territoriale Souveränität legitimiert, indem der territoriale Souverän die Gebietshoheit selbst ausübt oder diese Ausübung durch einen anderen Staat vom Willen des territorialen Souveräns getragen ist.190 Vor diesem Hintergrund wird das Verhältnis von territorialer Souveränität und Gebietshoheit auch regelmäßig mit dem Verhältnis von Eigentum und Besitz verglichen.191 (bb) Grundsatz der Gebietsausschließlichkeit Jede Wahrnehmung von Hoheitsgewalt in Bezug auf ein Gebiet ist mit der Beanspruchung der Gebietshoheit verbunden, da diese gerade demjenigen Staat zukommt, der Hoheitsgewalt über ein Gebiet ausübt. Nach dem Grundsatz der Gebietsausschließlichkeit steht die Gebietshoheit aber grundsätzlich nur einem Staat zu. Mit diesem Grundsatz ist es daher regelmäßig nicht vereinbar, wenn ein anderer Staat als derjenige, dem die Gebietshoheit zukommt, auf einem Gebiet Hoheitsgewalt ausübt. Andere Staaten dürfen nach diesem Grundsatz Hoheitsgewalt nur insoweit ausüben, als ihnen vom Staat, der die Gebietshoheit innehat, die Erlaubnis hierzu 189 Proelß, Raum und Umwelt im Völkerrecht, in: Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 2016, S. 361 ff., 369 f.; Kau, Der Staat und der Einzelne als Völkerrechtssubjekte, in: Vitzthum/ Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 2016, S. 133 ff., 188; Siegrist, Hoheitsakte auf fremdem Staatsgebiet, 1987, S. 9; Verdross, Territoriale Souveränität und Gebietshoheit zur völkerrechtlichen Lage der Oder-Neisse-Gebiete, 1980, S. 16 f.; von der Heydte, Völkerrecht, 1958, S. 224. Vgl. auch Hamel, Das Wesen des Staatsgebietes, 1933, S. 306 f. 190 Abweichende Meinung des Richters Bernardez IGH, Urteil v. 16. 3. 2001, Maritime Delimitation and Territorial Questions between Qatar and Bahrain, ICJ Reports, 2001, S. 40 ff., 285 f; IGH, Urteil v. 17. 11. 1953, The Minquiers and Ecrehos case, ICJ Reports, 1953, S. 47 ff., 67; Permanent Court of Arbitration, Entscheidung v. 4. 4. 1928, Island of Palmas (Netherlands, USA), Reports of International Arbitral Awards II, S. 829 ff., 839; StIGH, Urteil v. 7. 9. 1927, The Case of the S.S. „Lotus“, PCIJ Series A, 1927, S. 3 ff., 24; StIGH, Urteil v. 17. 8. 1923, Case of the S.S. „Wimbledon“, PCIJ Series A, 1923, S. 15 ff., 24; Kau, Der Staat und der Einzelne als Völkerrechtssubjekte, in: Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 2016, S. 133 ff., 188; Dahm/ Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band II/III, 2. Aufl., 2002, S. 318; Krieger, Das Effektivitätsprinzip im Völkerrecht, 2000, S. 328; Siegrist, Hoheitsakte auf fremdem Staatsgebiet, 1987, S. 9; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., 1984, S. 655; Verdross, Territoriale Souveränität und Gebietshoheit zur völkerrechtlichen Lage der Oder-Neisse-Gebiete, 1980, S. 17, 35 ff.; Hamel, Das Wesen des Staatsgebietes, 1933, S. 306 f. 191 Proelß, Raum und Umwelt im Völkerrecht, in: Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 2016, S. 361 ff., 369 f.; Kau, Der Staat und der Einzelne als Völkerrechtssubjekte, in: Vitzthum/ Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 2016, S. 133 ff., 188; von Arnauld, Völkerrecht, 3. Aufl., 2016, S. 145; Brownlie, Principles of public international law, 7. Aufl., 2008, S. 106; von der Heydte, Völkerrecht, 1958, S. 224.
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Teil 1: Grundlagen des Staates und seiner Staatsgewalt
erteilt wurde. Der Grundsatz der Gebietsausschließlichkeit sichert daher in der tatsächlichen Ausübung von Hoheitsgewalt demjenigen Staat, der die Gebietshoheit innehat, die alleinige Kompetenz zur Gewaltausübung zu.192 Insoweit ist der Grundsatz der Gebietsausschließlichkeit eng mit der territorialen Souveränität verknüpft. Während dem Prinzip der territorialen Souveränität der Gedanke innewohnt, dass ein Gebiet grundsätzlich der Hoheitsgewalt genau eines Staates, nicht aber der konkurrierenden Hoheitsgewalt mehrerer Staaten, untersteht, wird dies für das tatsächliche Innehaben der Hoheitsgewalt in Form der Gebietshoheit durch den Grundsatz der Gebietsausschließlichkeit fortgeführt.193 (cc) Der völkerrechtliche Mindeststandard des Fremdenrechts Eine wesentliche Einschränkung erfährt die Gebietsausschließlichkeit des Staates einerseits durch die allgemeine Geltung der Menschenrechte,194 andererseits durch das im vorliegenden Kontext systematisch interessierende195 Gebot der Einhaltung des völkerrechtlichen Mindeststandards.196 So obliegt es zwar zunächst der souveränen Entscheidung des Staates, ob und zu welchen Bedingungen er Staatsangehörigen anderer Staaten Zugang zu seinem Staatsgebiet gewährt. Entscheidet sich ein Staat aber dafür, den Zugang zu seinem Staatsgebiet zu eröffnen, so wird der Grundsatz der Gebietsausschließlichkeit inhaltlich begrenzt. Der Staat ist nach dem Gebot des Fremdenrechts verpflichtet, einen bestimmten Mindeststandard an Rechten auch diesen sich auf seinem Gebiet aufhaltenden Staatsangehörigen anderer Staaten zukommen zu lassen. So ist ihm jedes willkürliche, diskriminierende Verhalten verwehrt; diese materielle Dimension wird ergänzt durch einen Mindestgehalt 192 Proelß, Raum und Umwelt im Völkerrecht, in: Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 2016, S. 361 ff., 374 f.; Herdegen, Völkerrecht, 17. Aufl., 2018, S. 190; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 110; von Arnauld, Völkerrecht, 3. Aufl., 2016, S. 145. Siehe auch Hamel, Das Wesen des Staatsgebietes, 1933, S. 312 f. 193 Siehe Permanent Court of Arbitration, Entscheidung v. 4. 4. 1928, Island of Palmas (Netherlands, USA), Reports of International Arbitral Awards II, S. 829 ff., 838; Proelß, Raum und Umwelt im Völkerrecht, in: Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 2016, S. 361 ff., 374 f.; Herdegen, Völkerrecht, 17. Aufl., 2018, S. 188; von Arnauld, Völkerrecht, 3. Aufl., 2016, S. 145; Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 46; von der Heydte, Völkerrecht, 1958, S. 232 f. sowie Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 151 f.; Shaw, International law, 8. Aufl., 2017, S. 179 f. auch zum Fall des Kondominiums. 194 Siehe zu diesen bereits die Nachweise in Fußnote 89. 195 Das Interesse im vorliegenden Zusammenhang folgt aus der Verknüpfung zum diplomatischen Schutz sowie der Verbindung zum Willkürverbot, vgl. noch Teil 3: B. II. 2. b). 196 Siehe hierzu IGH, Urteil v. 5. 2. 1970, Barcelona Traction, Light and Power Company, Limited, ICJ Reports, 1970, S. 3 ff., 32; abweichende Meinung des Richters Read IGH, Urteil v. 6. 4. 1955, Nottebohm Case (second phase), ICJ Reports, 1955, S. 4 ff., 47; Herdegen, Völkerrecht, 17. Aufl., 2018, S. 218 ff.; von Arnauld, Völkerrecht, 3. Aufl., 2016, S. 254 ff.; Hobe/ Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 10. Aufl., 2014, S. 97; Bentzien, Die völkerrechtlichen Schranken der nationalen Souveränität im 21. Jahrhundert, 2007, S. 89 ff.
B. Struktur und Reichweite der Staatsgewalt
83
justizieller Rechte im Aufenthaltsstaat.197 Zugleich ist der Staat der Staatsangehörigkeit befugt, die Einhaltung dieser Grundsätze im Wege der Gewährung diplomatischen Schutzes einzufordern.198 2. Sachliche Erscheinungsformen der Staatsgewalt Neben den formalen Bezugspunkten der Staatsgewalt in Form des Staatsgebietes und des Staatsvolkes werden zudem sachliche Erscheinungsformen der Staatsgewalt unterschieden. Die Personal- und Gebietshoheit können demnach zumindest in Form der Rechtsetzungs- und Rechtsdurchsetzungsgewalt wahrgenommen werden.199 Während die Rechtsdurchsetzungsgewalt die tatsächliche Durchsetzung rechtlicher Vorgaben zum Gegenstand hat, ist die Rechtsetzungsgewalt auf die Schaffung von Rechtsnormen gerichtet. Für Zwecke der vorliegenden Arbeit ist allerdings grundsätzlich nur die Rechtsetzungsgewalt von Bedeutung.200 Die Wahrnehmung der Personal- oder Gebietshoheit als Rechtsetzungsgewalt zeichnet sich dadurch aus, dass der Staat rechtliche Vorgaben schafft. Wesentliche Form der Rechtsetzung der Staaten ist hierbei die Gesetzgebung, durch die abstrakt197 Siehe statt vieler Herdegen, Völkerrecht, 17. Aufl., 2018, S. 215 f.; Shaw, International law, 8. Aufl., 2017, S. 622 ff.; von Arnauld, Völkerrecht, 3. Aufl., 2016, S. 256; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band II/III, 2. Aufl., 2002, S. 104 ff.; Bleckmann, Grundgesetz und Völkerrecht, 1975, S. 342 ff.; Leibholz, Das Verbot der Willkür und des Ermessensmissbrauches im völkerrechtlichen Verkehr der Staaten, ZaöRV, 1929, S. 77 ff., 94 ff. 198 Siehe noch unten in Teil 3 A. II. 5. sowie die dortigen Nachweise. 199 Teilweise wird ergänzend eine Rechtsprechungsgewalt genannt, die sich bedeutsam von der Rechtsdurchsetzungsgewalt unterscheiden soll. Siehe zu alldem Oxman, Jurisdiction of States, in: Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law; Kamminga, Extraterritoriality, in: Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 110; Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht, 14. Aufl., 2017, S. 204 f.; Monsenego, Taxation of foreign business income within the European internal market, 2012, S. 34 f.; Kment, Grenzüberschreitendes Verwaltungshandeln, 2010, S. 69 ff.; Peters, Völkerrecht, 2. Aufl., 2008, S. 70; Shaw, International law, 8. Aufl., 2017, S. 483 f.; Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 6 ff.; Mann, Studies in International Law, 1973, S. 6; Colangel, What is extraterritorial jurisdiction?, Cornell Law Review, 2014, S. 1303 ff., 1310; Schmahl, Zwischenstaatliche Kompetenzabgrenzung im Cyberspace, AVR, 2009, S. 284 ff., 288; Hellerstein, Jurisdiction To Tax Income and Consumption in the New Economy: A Theoretical and Comparative Perspective, Georgia Law Review, 2003, S. 1 ff., 3 f.; Akehurst, Jurisdiction in International Law, Brit. Y.B. Int., 1975, S. 145 ff., 1 200 Teilweise wird zur Reichweite der Rechtsetzungsgewalt auch auf die Rechtsdurchsetzungsgewalt verwiesen, die anerkanntermaßen territorial beschränkt ist. Für das Verhältnis der territorialen Reichweite der Rechtsdurchsetzungs- zur Rechtsetzungsgewalt ist allerdings zu bemerken, dass die Möglichkeit der Rechtsdurchsetzung nicht notwendige Voraussetzung der Rechtsetzung ist, vgl. Teil 3 A. II. 6. b). Etwaige Folgerungen zur territorialen Reichweite der Rechtsetzungsgewalt als Ergebnis der territorialen Beschränkung der Rechtsetzungsgewalt können daher nur auf Überlegungen dergestalt beruhen, dass die Rechtsdurchsetzung zum sinnvollen oder grundsätzlichen Merkmal der Rechtsetzung zu zählen ist. Zu dieser Frage siehe noch Teil 3 A. II. 6. a) (bb) (2).
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Teil 1: Grundlagen des Staates und seiner Staatsgewalt
generelle Normen geschaffen werden, die in allgemeiner Weise für eine Vielzahl von Fällen normative Regelungen beinhalten.201 Dieser Prozess des ,Schaffens‘ beinhaltet zahlreiche Festlegungen, deren Ergebnis ein vollständiger Rechtssatz ist, der gilt und normative Verbindlichkeit beansprucht. Die Ausübung der Personal- oder Gebietshoheit als Rechtsetzungsgewalt stellt demgemäß einen mehraktigen Vorgang dar, an dessen Ende der Rechtssatz steht. a) Regelungsanliegen, -interessen und -maßstab eines Rechtssatzes Rechtsnormen enthalten normative Vorgaben, deren Rechtsfolgenanordnungen in den vom Tatbestand umschriebenen Fällen normativ maßgeblich sein sollen.202 Hierdurch werden Lebenssachverhalte normativen Bindungen unterworfen: Rechtssätze stellen daher Regelungen dar, die eine Strukturierung des im Tatbestand beschriebenen Lebensvorganges bewirken.203 In der Auferlegung normativer Bindungen zur Strukturierung eines Lebensvorganges gelangen Wertungen über die im Lebensvorgang involvierten Interessen zum
201
IGH, Urteil v. 19. 12. 2012, Territorial and Maritime Dispute (Nicaragua/Colombia), ICJ Reports, 2012, S. 624 ff., 655; IGH, Urteil v. 8. 10. 2007, Territorial and Maritime Dispute between Nicaragua and Honduras in the Caribbean Sea (Nicaragua v. Honduras), ICJ Reports, 2007, S. 659 ff., 713 f.; StIGH, Urteil v. 5. 4. 1933, Legal Status of Eastern Greenland, PCIJ Series A/B, 1933, S. 21 ff., 48; Kirchhof, Mittel staatlichen Handelns, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Rechtsquellen, Organisation, Finanzen, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band V, 2007, S. 3 ff., 52 ff.; Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht, 14. Aufl., 2017, S. 204; Brownlie, Principles of public international law, 7. Aufl., 2008, S. 297; Seiler, Der souveräne Verfassungsstaat zwischen demokratischer Rückbindung und überstaatlicher Einbindung, 2005, S. 87 ff.; Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 6 f.; Mann, Studies in International Law, 1973, S. 6, 9, auch zum Einbezug im common law in rechtlichen Entscheidungen hervorgetretener Rechtssätze. Siehe daneben auch den historischen Befund in Teil 1 A. I. 202 Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 4 AO, Rn. 31 f.; Drüen, in: Kruse/Tipke, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 4 AO, Rn. 10; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl., erstveröffentlicht in 1991, 2014, S. 251; Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 2. Aufl., 1991, S. 191. Für das Steuerrecht siehe auch Waldhoff, Struktur und Funktion des Steuertatbestandes, in: Mellinghoff u. a. (Hrsg.), Steuerrecht im Rechtsstaat, 2011, S. 853 ff., 855 ff. mit weiteren Nachweisen; Tappe, Die Begründung von Steuergesetzen, 2013, S. 191; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Nr. 3/3, 2. Aufl., 2012, S. 1591 ff. 203 Zwar wird der Begriff der Regelung häufig nur für eine Mehrzahl von Rechtsnormen im Sinne einer Strukturierung eines einheitlichen Lebensvorganges nach bestimmten Leitgesichtspunkten verwendet, weshalb einzelne Rechtssätze nicht als Regelung bezeichnet werden (so Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl., erstveröffentlicht in 1991, 2014, S. 264). Wird aber unter einer Regelung allgemein die Strukturierung einer Materie im Sinne eines aus Regelungssicht zusammenhängenden Lebensvorganges verstanden, so bestehen ohne weiteres unterschiedliche Abstraktionsstufen für den Begriff der Regelung. Vorliegend wird daher der Begriff der Regelung auch synonym für den Begriff des Rechtssatzes verwandt, der die kleinste Einheit einer normativen Strukturierung eines Lebenssachverhaltes bildet.
B. Struktur und Reichweite der Staatsgewalt
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Ausdruck.204 Die normativen Bindungen der Rechtsnorm dienen dem Ausgleich dieser Interessen: Insoweit wird ein Bewertungsmaßstab entfaltet, der auf die Etablierung einer bestimmten Strukturierung des Lebensvorganges und einen spezifischen Ausgleich der Interessen gerichtet ist. Umgekehrt realisiert sich diese Strukturierung in den normativen Bindungen der Regelung. Grundlage der normativen Bindungen ist daher ein Ausgleich von Interessen unter Anwendung eines spezifischen Bewertungsmaßstabs. Vor diesem Hintergrund besteht der Erlass eines vollständigen Rechtssatzes aus einem mehraktigen Vorgang, der allerdings nicht aus einer hierarchisch abzuarbeitenden Schrittfolge besteht. Ausgangspunkt für die Herausbildung einer Rechtsnorm ist die Identifikation eines regulatorischen Problems. Diese Bestimmung erfordert einen Vergleich des status quo mit dem gewünschten Zustand. Dieser gewünschte Zustand ist das Ergebnis eines Bewertungsvorgang, der an eine Analyse des Lebenssachverhaltes anknüpft. Dabei sind die Interessen der beteiligten Personengruppen zu bestimmen, die entsprechend einem Bewertungsmaßstab abgewogen und so zum Ausgleich gebracht werden. Ist dieser Vorgang der Bestimmung des Zielzustandes abgeschlossen, so kann anknüpfend an den gebildeten Bewertungsmaßstab eine normative Bindung des Lebenssachverhaltes herbeigeführt werden. Die verschiedenen Elemente dieses Vorganges lassen sich zuvorderst durch die Begriffe des Regelungsanliegens, der Regelungsinteressen und des Regelungsmaßstabs differenziert erfassen. So beschreibt das Regelungsanliegen zunächst das regulatorische Problem, d. h. den status quo als zu regelnden Sachverhalt. In diesem Sinne benennt das Regelungsanliegen auch, dass ein Bedarf für den Erlass eines Rechtssatzes besteht und in welche Richtung Veränderungen erzielt werden sollen. Die seitens des regelnden Staates identifizierten Interessen werden durch die Regelungsinteressen beschrieben. Dieses nimmt daher die einzelnen Anliegen der von einer Regelung betroffenen Kreise auf. Die Ausgleichung dieser Interessen in der Rechtsnorm erfolgt durch einen Bewertungsmaßstab, der mit dem Begriff des Regelungsmaßstabs beschrieben werden kann. Sofern es dieser differenzierten Erfassung einzelner Teile des Normschaffungsvorganges nicht bedarf, wird als Oberbegriff der Begriff des Regelungszweckes verwendet.
204 Siehe hierzu und dem Folgenden Heck, Begriffsjurisprudenz und Interessenjurisprudenz, in: Ellscheid/Hassemer (Hrsg.), Interessenjurisprudenz, 1974, S. 88 ff.; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl., erstveröffentlicht in 1991, 2014, S. 119; Tappe, Die Begründung von Steuergesetzen, 2013, S. 256 ff.; Tappe, Die Begründung von Steuergesetzen, 2013; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Nr. 3/3, 2. Aufl., 2012, S. 1596; Fikentscher, Methoden des Rechts in vergleichender Darstellung, Band III/V, erstveröffentlicht in 1976, 2009, S. 405; Petersen, Von der Interessenjurisprudenz zur Wertungsjurisprudenz, 2001, S. 6; Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 2. Aufl., 1991, S. 109 ff.; Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 2. Aufl., 1991, S. 123; Fikentscher, Methoden des Rechts In vergleichender Darstellung, Band I/V, 1975, S. 62; Westernann, Wesen und Grenzen der richterlichen Streitentscheidung im Zivilrecht, 1955.
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Teil 1: Grundlagen des Staates und seiner Staatsgewalt
So kann das Regelungsanliegen bspw. darin bestehen, dass bei Fehlen einer Regelung nicht genehmigungsbedürftige Anlagen in einer Art und Weise errichtet und betrieben werden, dass Emissionen in einem politisch nicht gewünschten Umfang entstehen. Das Regelungsinteresse bspw. des Anwendung findenden § 22 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG umfasst dabei das Interesse des Anlagenbetreibers an einem ökonomischen Betrieb der Anlage, während Betroffenen dieser Emissionen an einer Reduktion dieser Belastungen gelegen ist. Der sodann in der Rechtsnorm entfaltete Regelungsmaßstab führt unter Abwägung dieser Interessen zu der Verpflichtung, nach dem Stand der Technik vermeidbare Emissionen zu vermeiden. b) Festlegung des Tatbestandes Aufbauend auf diese Bildung des Regelungszweckes kann der Staat den Tatbestand festlegen: Durch den Tatbestand wird abstrakt ein Lebenssachverhalt beschrieben,205 bei dessen Vorliegen die Rechtsfolgenanordnung normativ maßgeblich sein soll. In den Tatbestand sind daher diejenigen Merkmale des nach dem Regelungsanliegen einer Regelung zu unterwerfenden Lebenssachverhaltes aufzunehmen und in allgemeiner, positiver oder negativer,206 Form zu beschreiben, von deren Vorliegen die Rechtsfolgenanordnung abhängen soll. In diesem Vorgang sind zugleich jene Elemente des Lebenssachverhaltes aus dem Tatbestand auszugrenzen, deren Bestehen für die Anwendung der Rechtsfolgenanordnung nach den Regelungsinteressen und dem Regelungsmaßstab grundsätzlich ohne Bedeutung ist.207 c) Festlegung der Rechtsfolge und Rechtsfolgenanordnung Die Rechtsfolgenanordnung beinhaltet die konkrete normative Vorgabe, die bei Vorliegen der tatbestandlich umschriebenen Lebenssachverhalte eintreten soll. Hierbei handelt es sich um eine Bestimmung, kraft derer entweder etwas fortan normativ maßgeblich sein soll oder ein Verhalten normativ gefordert ist, das zugleich auch tatsächlich befolgt und so wirksam werden soll.208 Die Festlegung der 205
Siehe bereits die Nachweise in Fußnote 202. Siehe aber auch Teil 2 A. II. 2. b) (bb) zu den Möglichkeiten, wie ein Tatbestandsmerkmal indirekt beschrieben sein kann, indem ein Merkmal im Tatbestand genannt wird, bei dessen Vorliegen die Rechtsfolge gerade nicht angewandt werden soll. 207 Hierdurch soll nicht negiert werden, dass die Anwendung einer Rechtsnorm in teleologischer Interpretation oder teleologischer Reduktion ausgeschlossen sein kann. In diesen Fällen wird allerdings durch Auslegung oder Rechtsfortbildung der Tatbestand gemäß dem Telos der Norm begrenzt. Nach der in Abschnitt Teil 2 A. II. 2. b) (bb) dargelegten Möglichkeit zur sprachlichen Fassung einer Rechtsnorm entspricht dies dem Einbezug negativer Tatbestandsmerkmale derart, dass in teleologischer Interpretation oder teleologischer Reduktion das eigentlich zur Anwendung der Rechtsnorm führende Tatbestandsmerkmal nunmehr indirekt beschrieben ist. 208 Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 4 AO, Rn. 16; Waldhoff, Struktur und Funktion des Steuertatbestandes, in: Mellinghoff u. a. (Hrsg.), Steuerrecht im 206
B. Struktur und Reichweite der Staatsgewalt
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Rechtsfolgenanordnung erfordert daher seitens des Staates, dass dieser diese Bestimmung hinreichend genau beschreibt, sodass erkenntlich wird, was fortan maßgeblich sein soll oder welches Verhalten normativ gefordert ist. Allerdings erschöpft sich die Rechtsfolge nicht in dieser Rechtsfolgenanordnung. Denn nach dem normativen Gehalt der Rechtsnorm gilt auch, dass der tatbestandlich erfasste Sachverhalt nur um den Preis der Rechtsfolgenanordnung realisiert werden können soll. Insoweit umfasst die Rechtsfolge, dass diese Belastungswirkung des tatbestandlich erfassten Sachverhaltes durch die Verwirklichung der Rechtsfolgenanordnung tatsächlich eintreten soll. Weitergehend kann insoweit einer Rechtsnorm auch ein normativer Aussagegehalt in Bezug auf ein tatbestandlich nicht erfasstes Verhalten zu entnehmen sein. Dies gilt dann, wenn bestimmte Verhaltensweisen, die jenseits des Tatbestandes liegen, bewusst aus diesem ausgegrenzt wurden, weil diese Verhaltensweisen gerade auch frei von dieser Belastung durch die Rechtsfolgenanordnung tatsächlich realisiert werden können sollen.209 Demgemäß legt der Staat in Wahrnehmung der Rechtsetzungsgewalt auch fest, inwieweit der Norm ein derartiges Äquivalenzverhältnis innewohnt. Diese Bestimmung erfordert, dass dem Rechtssatz durch Auslegung entnommen werden kann, dass der Norm eine Vollständigkeit zukommt und diese abschließend die Sachverhalte bezeichnet, auf die die Rechtsfolgenanordnung anzuwenden ist. 3. Der Inhalt der staatlichen Rechtsetzungsgewalt Die Staatsgewalt wird, wie aufgezeigt, personal oder territorial bezogen in Form der Rechtsetzung und Rechtsdurchsetzung ausgeübt. Fraglich ist noch, ob dem Staat durch die so strukturierte Staatsgewalt eine bestimmte Zweckrichtung verliehen wird. a) Die Frage der Befugnisnorm Ausgangspunkt derartiger Überlegungen sind zunächst Ansätze, die in der Personal- und Gebietshoheit Befugnisnormen erblicken. Entsprechend dieser Einordnung als Kompetenztitel wird vorgebracht, dass die Gebietshoheit ihrem Inhalt nach nur eine staatsgebietsbezogene Rechtsetzung umfasse, während bei der Personalhoheit ein Staatsvolkbezug gefordert sei; dieser Bezug müsse sich im Tatbestand oder in der Rechtsfolgenanordnung niederschlagen. Zugleich wird hiermit verbun-
Rechtsstaat, 2011, S. 853 ff., 855 ff.; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl., erstveröffentlicht in 1991, 2014, S. 195 f., 250 ff.; Fikentscher, Methoden des Rechts in vergleichender Darstellung, Band IV/V, erstveröffentlicht in 1977, 2009, S. 150; Schilling, Rang und Geltung von Normen in gestuften Rechtsordnungen, 1994, S. 13 ff., 159 ff.; Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 2. Aufl., 1991, S. 191. 209 Siehe hierzu noch ausführlicher Teil 2 A. II. 2. c) (cc).
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Teil 1: Grundlagen des Staates und seiner Staatsgewalt
den, dass der Staat nur entweder in Wahrnehmung der Gebietshoheit oder in Ausübung der Personalhoheit handeln könne.210 Dem ist aber nicht zuzustimmen. Es ist zunächst festzustellen, dass der Staat als rechtliches Gebilde durch das Staatsvolk, das Staatsgebiet und die Staatsgewalt konstituiert ist. Diese Staatsgewalt besteht in Bezug auf das Staatsvolk und das Staatsgebiet als umfassende Herrschaftsgewalt und verklammert das Staatsvolk und das Staatsgebiet organisatorisch zu einer Einheit.211 Hierdurch wird bereits deutlich, dass im rechtlichen Staatsbegriff die Staatsgewalt nicht nur als abstrahierte Beschreibung erscheint, sondern mit dem Verständnis der Staatsgewalt unmittelbar eine Kompetenzzuweisung verbunden ist: Der Staat wird maßgebend durch die Staatsgewalt geprägt. Insoweit, als dieses Element im rechtlichen Staatsbegriff konstituierend ist, kommt dem Staat die Staatsgewalt deshalb zu, weil er Staat ist. Die Befugnis zur Ausübung der Staatsgewalt wohnt daher dem Bestand des Staates inne, ohne eine solche ist der Staat nicht vorstellbar und nicht im rechtlichen Sinne konstituiert.212 Zudem impliziert das Bestehen einer Verklammerung der personal und territorial bezogenen Staatsgewalt, dass diese einheitlich konzipiert ist. Mit einer solchen einheitlichen Konzeption ist es nicht vereinbar, die Personal- und Gebietshoheit als isoliert bestehende Kompetenztitel anzusehen. Daher sind die Personal- und Gebietshoheit als Strukturierungen einer einheitlichen Staatsgewalt anzusehen und die Kompetenz zur Ausübung von Herrschaftsgewalt durch den Staat muss unmittelbar aus dem den Staat konstituierenden Element der Staatsgewalt folgen.213 Die Ansicht, die Personal- und Gebietshoheit stellten Kompetenztitel dar, ist daher zurückzuweisen. 210 Hierauf verweisen insbesondere Jeffery, The impact of state sovereignty on global trade and international taxation, 1999, S. 30 ff.; Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994; Mann, Studies in International Law, 1973, S. 2 f.; 9 ff. 211 Vgl. Teil 1 A. II. 3. 212 Monsenego, Taxation of foreign business income within the European internal market, 2012, S. 33; Shaw, International law, 8. Aufl., 2017, S. 167; Crawford, The creation of states in international law, 2. Aufl., 2007, S. 44 f.; Schmahl, Zwischenstaatliche Kompetenzabgrenzung im Cyberspace, AVR, 2009, S. 284 ff., 289; Shaw, Territory in International Law, NYL, 1982, S. 61 ff., 78 und Fußnote 117; Vogel, Theorie und Praxis im Internationalen Steuerrecht, DStR, 1968, S. 427 ff., 427. 213 IGH, Urteil v. 19. 12. 2012, Territorial and Maritime Dispute (Nicaragua/Colombia), ICJ Reports, 2012, S. 624 ff., 655; IGH, Urteil v. 8. 10. 2007, Territorial and Maritime Dispute between Nicaragua and Honduras in the Caribbean Sea (Nicaragua v. Honduras), ICJ Reports, 2007, S. 659 ff., 712 ff.; IGH, Urteil v. 13. 12. 1999, Kasikili/Sedudu Island (Botswana/Namibia), ICJ Reports, 1999, S. 1045 ff., 1105; StIGH, Urteil v. 5. 4. 1933, Legal Status of Eastern Greenland, PCIJ Series A/B, 1933, S. 21 ff., 45 f., 48; StIGH, Urteil v. 11. 8. 1932, Interpretation of the Statute of the Memel Territory, PCIJ Series A/B, 1932, S. 293 ff., 313; StIGH, Advisory Opinion v. 11. 12. 1931, Access to, or Anchorage in, the port of Danzig, of Polish War Vessels, PCIJ Series A/B, 1931, S. 127 ff., 142; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, 2. Aufl., 2012, S. 108 ff.; Monsenego, Taxation of foreign business income within the European internal market, 2012, S. 33; Shaw, International law, 8. Aufl., 2017, S. 167, 483; Siegrist, Hoheitsakte auf fremdem Staatsgebiet, 1987, S. 9; Ross, Lehrbuch des Völkerrechts, 1951, S. 37; Schmahl, Zwischenstaatliche Kompetenzabgrenzung im Cyberspace, AVR, 2009, S. 284 ff., 288 f.;
B. Struktur und Reichweite der Staatsgewalt
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b) Keine Zweckbestimmung durch die Bezugspunkte der Staatsgewalt Dennoch könnten die Personal- und Gebietshoheit als Stoßrichtungen der Staatsgewalt die Zwecke der Staatlichkeit und damit den Inhalt der Staatsgewalt begrenzen. So wird teilweise in diesem Sinne unter Begründung einer Rangordnung zwischen dem personalen und dem territorialen Element des Staates von der Begründung einer inhaltlichen Ausrichtung der Staatsgewalt ausgegangen. Eine personale Konzeption des Staates, wie sie insbesondere von Schnitzer vertreten wurde, versteht den Staat zuvorderst als Personalverband.214 Ein Staat gelangt nach Schnitzers Ansicht zum Entstehen, wenn sich alle in einem Gebiet ansässigen Menschen einer einheitlichen Befehlsstelle unterwerfen.215 Im Ausgangspunkt geht Schnitzer dabei noch von einer Gleichsetzung des Staatsvolkes mit der Menschengruppe aus, die im Staatsgebiet lebt und sich der Staatsgewalt unterwirft.216 Der Staat ist daher durch sein zum Staatsvolk bestehendes personales Band geprägt217 und der Zweck des Staates besteht darin, für diese sesshafte und den Boden als Wert nutzende Gruppe eine Ordnung zu errichten.218 Aus diesem spezifischen Staatszweck folgt das Interesse, Herrschaftsgewalt auch gegenüber Personen, die sich nicht dauerhaft im Gebiet aufhalten und daher keinen Teil dieser Gruppe bilden, auszuüben.219 Die territoriale Seite der Staatlichkeit ist nach Schnitzer daher das Ergebnis dieser Zweckrichtung der Staatlichkeit und der Ansässigkeit des Staatsvolkes in diesem Gebiet. Ebenso wurde aber eine territoriale Konzeption des Staates vertreten. Ist der Staat zuvorderst territorial konzipiert, so dominiert sein Charakter als Territorialverband. Der Zweck des Staates besteht nach dieser Ansicht darin, auf dem Staatsgebiet eine Raumordnung zu etablieren.220 Demgegenüber tritt die Einordnung des Staates als Personalverband zurück. Die Bedeutung des Staatsvolkes besteht lediglich darin, die personale Grundlage des Staates zu bilden, die ihm über die Staatsangehörigkeit verbunden ist; allerdings bleibt unklar, worin diese Einordnung zum Ausdruck gelangt. Hillgruber, Souveränität – Verteidigung eines Rechtsbegriffs, JZ, 2002, S. 1072 ff., 1074; Gans, Reasonableness as a Limit to Extraterritorial Jurisdiction, Washington University Law Review, 1985, S. 681 ff., 701; Shaw, Territory in International Law, NYL, 1982, S. 61 ff., 73 ff.; Vogel, Theorie und Praxis im Internationalen Steuerrecht, DStR, 1968, S. 427 ff., 427. 214 Schnitzer, Staat und Gebietshoheit, 1935, S. 177. 215 Schnitzer, Staat und Gebietshoheit, 1935, S. 17 ff., 43. 216 Vgl. die Überlegung, aus welchen Gründen andere Personen bei Aufenthalt im Staatsgebiet der Staatsgewalt unterliegen, Schnitzer, Staat und Gebietshoheit, 1935, S. 49. 217 Dies tritt in der Arbeit Schnitzers an verschiedenen Stellen zu Tage, Schnitzer, Staat und Gebietshoheit, 1935, S. 17 ff., 43, 150 f., 177. Ebenso Bruns, Völkerrecht als Rechtsordnung, ZaöRV, 1929, S. 1 ff., 23. 218 Schnitzer, Staat und Gebietshoheit, 1935, S. 32 ff., insbesondere 46 ff. 219 Schnitzer, Staat und Gebietshoheit, 1935, S. 49. 220 Abweichende Meinung der Richter M. Weiss, Moore und M. Altamira StIGH, Urteil v. 7. 9. 1927, The Case of the S.S. „Lotus“, PCIJ Series A, 1927, S. 3 ff., 45, 65 ff., 95 ff.
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Teil 1: Grundlagen des Staates und seiner Staatsgewalt
Beide Ansichten müssen sich mit Blick auf den völkerrechtlichen Staatsbegriff erheblichen Einwänden ausgesetzt sehen. Der völkerrechtliche Staatsbegriff soll als Rahmenkonzept all jene Verbände erfassen, die im Völkerrecht als Staat anzusehen sind. Der Staatsbegriff beschreibt den Staat daher als zentralen Anknüpfungspunkt völkerrechtlicher Beziehungen, weshalb der Begriff von völkerrechtlichen Erwägungen geprägt ist und die Montevideo-Konvention betont, dem Staat müsse die Fähigkeit zukommen, völkerrechtliche Verträge einzugehen. Diese Rahmenfunktion findet im Element der Staatsgewalt darin Ausdruck, dass sie effektiv und vom Staat tatsächlich ausübbar und durchsetzbar sein muss. Im Element des Staatsvolkes entfaltet sich die Rahmenfunktion dadurch, dass die Art und Intensität der für die Begründung der Staatsangehörigkeit vorausgesetzten tatsächlichen Beziehung zwischen Staat und Person grundsätzlich durch den Staat selbst festgelegt wird. Schließlich zeigt sich die Rahmenfunktion im Element des Staatsgebietes darin, dass dieses als jenes abgegrenzte Gebiet definiert ist, auf dem sich die Staatsgewalt manifestiert. Demgegenüber nimmt in einer personalen Staatskonzeption das Element des Staatsgebietes lediglich eine Ergänzungsfunktion wahr, in deren Folge das Staatsgebiet abweichend vom Staatsbegriff des Völkerrechts als das Gebiet der Ansässigkeit und als Entfaltungsraum des Staatsvolkes definiert sein müsste. In einer territorialen Staatskonzeption könnte gar auf die Voraussetzung des Staatsvolkes verzichtet werden, da diesem keine erkennbare Bedeutung für den Staat zukommt. Beides entspricht allerdings nicht dem völkerrechtlichen Staatsbegriff, sodass derartige Ansichten der Rahmenfunktion des Begriffes widersprechen. Bereits Jellinek hat daher eine vermittelnde Ansicht im Rahmen seiner Darstellung des Staatsbegriffes vertreten. Bei Jellinek ist das Staatsgebiet als jenes Gebiet definiert, in dem das Staatsvolk sesshaft geworden ist.221 In Bezug auf dieses Gebiet weist die Staatsgewalt eine spezifische Zielrichtung auf: Das Staatsgebiet als territoriales Element der Herrschaft dient der Etablierung einer territorialen Ordnung, weil in diesem Gebiet das Staatsvolk ansässig ist. Hierbei erschöpft sich die Ordnungsfunktion des Staates aber gerade nicht in einer Ordnung der personalen Beziehungen des Staatsvolkes, sondern erfasst auch alle weiteren Personen, die sich in dem Gebiet aufhalten, in dem das Staatsvolk dauerhaft ansässig ist.222 Die territoriale Seite der Staatsgewalt ist daher eine Notwendigkeit aus der Sesshaftigkeit des Volkes in einem Gebiet, da andernfalls eine Erreichung der Staatszwecke nicht möglich ist.223 Personale und territoriale Staatskonzeption stehen daher vermittelt durch die
221
Jellinek, Allgemeine Staatslehre, 3. Aufl., 1914, S. 395. Auf das Kriterium der Sesshaftigkeit verweist auch noch Verdross, Territoriale Souveränität und Gebietshoheit zur völkerrechtlichen Lage der Oder-Neisse-Gebiete, 1980, S. 11. 222 Jellinek, Allgemeine Staatslehre, 3. Aufl., 1914, S. 398. 223 Jellinek, Allgemeine Staatslehre, 3. Aufl., 1914, S. 396.
B. Struktur und Reichweite der Staatsgewalt
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Ordnungsfunktion der Staatsgewalt in einem einander ergänzenden Verhältnis zueinander.224 Allerdings ist festzustellen, dass diese besondere Verknüpfung zwischen dem Staatsvolk und dem Staatsgebiet trotz der grundsätzlichen Ausrichtung des völkerrechtlichen Staatsbegriffes an Jellineks Lehre nicht übernommen wurde. Das Staatsgebiet wird im Kern gerade nicht als das Gebiet der Ansässigkeit des Staatsvolkes definiert. Vielmehr handelt es sich um den vom Ansässigkeitsbereich grundsätzlich unabhängig bestehenden Bereich der territorial bezogenen Zuständigkeit des Staates, bei dem zwar teils idealtypisch von einer Ansässigkeit des Volkes im Gebiet ausgegangen wird, es wird aber, soweit erkennbar, nicht behauptet, dass das Staatsgebiet der Herrschaftsgewalt aus ebendiesem Grunde unterliegt. Hieraus folgt, dass das personale und territoriale Element des Staates gleichrangig nebeneinander bestehen und der Festlegung, dass die Staatsgewalt bezogen auf das Staatsvolk und das Staatsgebiet ausgeübt wird, weder eine Zweckrichtung der Staatsgewalt noch ein genau bestimmter, feststehender Inhalt der Staatstätigkeit entnommen werden kann. c) Die Bedeutung der sachlichen Erscheinungsformen der Staatsgewalt Schließlich kommt in Betracht, den Staat auf Grund der Einheitlichkeit der Staatsgewalt im Rahmen der Rechtsetzungsgewalt darauf zu beschränken, Rechtsätze zu erlassen, die durch die Rechtsdurchsetzungsgewalt tatsächlich durchgesetzt werden können. Hierfür spricht im Sinne der Einheitlichkeit der Staatsgewalt, dass die Staatsgewalt die Rechtsdurchsetzungsgewalt gerade deshalb umfasst, weil Rechtssätze grundsätzlich auch tatsächlich wirksam werden sollen und die staatliche Rechtsordnung nicht eine bloße dauerhafte normative Fiktion bilden soll. Insoweit ist aber zutreffender weise anerkannt, dass die Rechtsdurchsetzungsund Rechtsetzungsgewalt unabhängig voneinander bestehen und Rückkopplungen nur Ausdruck praktischer Erwägungen225 sind.226 Wesentlich hierfür ist die Er224
Jellinek, Allgemeine Staatslehre, 3. Aufl., 1914, S. 395. An Jellinek anknüpfend auch Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 122 ff. 225 Siehe noch ausführlich Teil 2 D. sowie Teil 3 A. II. 6. b). 226 So auch Jeffery, The impact of state sovereignty on global trade and international taxation, 1999, S. 43; Lauterpacht, International law, Band I/II, 1970, S. 20; Spitaler, Das Doppelbesteuerungsproblem bei den direkten Steuern, 2. Aufl., 1967, S. 166; Schmahl, Zwischenstaatliche Kompetenzabgrenzung im Cyberspace, AVR, 2009, S. 284 ff., 314; Hellerstein, Jurisdiction To Tax Income and Consumption in the New Economy: A Theoretical and Comparative Perspective, Georgia Law Review, 2003, S. 1 ff., 29 ff.; vgl. zudem mit gleichem Ergebenis Kirchhof, Mittel staatlichen Handelns, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Rechtsquellen, Organisation, Finanzen, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band V, 2007, S. 3 ff., 52 f.; Mann, The Doctrine of International Jurisdiction Revisited after Twenty Years, 1984, S. 34 ff.; Mann, Studies in International Law, 1973, S. 7; Qureshi, The Freedom of a State to Legislate in Fiscal Matters under General International Law, BIT, 1987, S. 14 ff., 16;
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Teil 1: Grundlagen des Staates und seiner Staatsgewalt
kenntnis, dass die Möglichkeit zur Rechtsdurchsetzung an sich in Bezug auf jede Regelung eintreten kann, sofern die normunterworfenen Personen zu irgendeinem Zeitpunkt nach Erfüllung des Tatbestandes der Rechtsdurchsetzungsgewalt unterliegen.227 Eine etwaige Verknüpfung der beiden Gewalten würde daher im Widerspruch hierzu die Rechtsetzungsgewalt übermäßig verengen, indem nur Rechtssätze umfasst sind, die in den meisten Fällen mittels der Rechtsdurchsetzungsgewalt durchgesetzt werden können, oder aber wie aufgezeigt zufällig erfolgen, da im Äußersten nicht vorhersehbar ist, ob eine Regelung grundsätzlich durchsetzbar sein wird oder nicht. Darüber hinaus steht die Völkerrechtskonformität kaum durchsetzbarer Regelungen nach der Staatenpraxis nicht in Frage.228 Demgemäß kann auch den Erscheinungsformen der Staatsgewalt keine inhaltliche Beschränkung der staatlichen Herrschaftsgewalt entnommen werden. d) Die inhaltliche Offenheit der Staatsgewalt nach dem Völkerrecht Den Bezugspunkten und Erscheinungsformen der Staatsgewalt kann daher keine inhaltliche Ausrichtung der Staatsgewalt entnommen werden. Auch der völkerrechtliche Staatsbegriff enthält keine genaue Bestimmung des Inhalts der Staatsgewalt.229 Im völkerrechtlichen Staatsbegriff ist die Staatsgewalt lediglich als allumfassende dauerhafte Herrschaftsgewalt beschrieben, die dem Staat als Souverän zur unabhängigen Wahrnehmung zusteht. Das Fehlen einer näheren inhaltlichen Eingrenzung entspricht der Rahmenfunktion des Staatsbegriffes, den Staat als sinnvollen Anknüpfungspunkt völkerrechtlicher Normen zu fassen. Aus Sicht des Völkerrechts ist es daher vorbehaltlich partikular wirkender Vorgaben wie den universellen Menschenrechten230 ohne Bedeutung, welchen Inhalt die Staatsgewalt aufweist.231 Gans, Reasonableness as a Limit to Extraterritorial Jurisdiction, Washington University Law Review, 1985, S. 681 ff., 683 Fußnote 22. Anderer Ansicht aber wohl Neale/Stephens, International business and national jurisdiction, 1988, S. 170. 227 Siehe auch noch Teil 2 A. III. 3. 228 Siehe hierzu noch Teil 3 A. II. 6. b). 229 Kment, Grenzüberschreitendes Verwaltungshandeln, 2010, S. 59; Bär, Kartellrecht und Internationales Privatrecht, 1965, S. 326; Vogel, Theorie und Praxis im Internationalen Steuerrecht, DStR, 1968, S. 427 ff., 426. Aus der Rechtsprechung des (St)IGH vgl. IGH, Advisory Opinion v. 8. 7. 1996, Legality of the Use by a State of Nuclear Weapons in Armed Conflict, ICJ Reports, 1996, S. 66 ff., 78 f.; IGH, Advisory Opinion v. 11. 4. 1949, Reparation for injuries suffered in the service of the United Nations, ICJ Reports, 1949, S. 174 ff., 180; StIGH, Advisory Opinion v. 5. 11. 1931, Customs Regime between Germany and Austria, PCIJ Series A/B, 1931, S. 37 ff., 45; StIGH, Advisory Opinion v. 8. 12. 1927, Jurisdiction of the European Commission of the Danube, PCIJ Series B, 1927, S. 5 ff., 64. 230 Siehe bereits die Nachweise in Fußnote 89. 231 Isensee, Staat und Verfassung, in: Badura u. a. (Hrsg.), Grundlagen von Staat und Verfassung, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, 1995, S. 591 ff., 604; Isensee, Staat und Verfassung, in: Badura u. a. (Hrsg.), Grundlagen von Staat und Verfassung, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, 1995,
B. Struktur und Reichweite der Staatsgewalt
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Dies gilt auch für das Steuerrecht: Der Staatsbegriff des Völkerrechts setzt den Staat nicht als Steuerstaat232 voraus, sondern es besteht im Rahmen des völkerrechtlichen Begriffes die Möglichkeit, dass der Staat im Rahmen seiner allgemeinen Staatsgewalt Steuern erhebt.233 Staat im Sinne des Völkerrechts kann auch ein Staat sein, der nicht am wirtschaftlichen Erfolg der Individuen, die in einem marktwirtschaftlichen System tätig werden, durch die Erhebung einer Steuer partizipiert,234 sondern der einen etwaigen Bedarf an Geldmitteln in anderer Form, bspw. durch andere Abgabenarten, aufbringt.235 Dieses Ergebnis wird schließlich auch durch die Rechtsprechung des (St)IGH bestätigt. In seiner Advisory Opinion vom 3. Februar 1923 hat der StIGH bezüglich der Rechtsetzung auf dem Gebiet der Staatsangehörigkeit ausgeführt, dass den Staaten ein Ermessen bei der Regelung des Sachbereiches zukommt. Zudem hat der StIGH hervorgehoben, dass seiner Ansicht nach das Staatsangehörigkeitsrecht zum domaine réservé236 der Staaten zu zählen ist, also jenem Bereich, in dem die Staaten bei der Ausübung ihrer Staatsgewalt keinerlei Beschränkungen unterliegen. In
S. 591 ff., 603; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 141 ff.; von Arnauld, Völkerrecht, 3. Aufl., 2016, S. 34 f.; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, 2. Aufl., 2012, S. 18; Petersen, Demokratie als teleologisches Prinzip zur Legitimität von Staatsgewalt im Völkerrecht, 2009; Shaw, International law, 8. Aufl., 2017, S. 155 f.; Krieger, Das Effektivitätsprinzip im Völkerrecht, 2000, S. 88; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/III, 2. Aufl., 1989, S. 132. Zur Frage, ob die Staatsgewalt auf demokratischer Grundlage ausgeübt werden und hierdurch legitimiert sein muss, siehe bereits die Nachweise in Fußnote 90. 232 Zu diesem Begriff siehe nur Hey, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Einführung zum EStG, 101; Vogel, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), Finanzverfassung – Bundesstaatliche Ordnung, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band IV, 1999, S. 3 ff., 30. 233 Vogel, Die Besteuerung von Auslandseinkünften, in: Vogel (Hrsg.), Grundfragen des internationalen Steuerrechts, DStJG Band 8, 1985, S. 3 ff., 6; Spitaler, Das Doppelbesteuerungsproblem bei den direkten Steuern, 2. Aufl., 1967, S. 152, 154 f.; Vogel, Theorie und Praxis im Internationalen Steuerrecht, DStR, 1968, S. 427 ff., 427; Beale, Jurisdiction to tax, Harvard Law Review, 1919, S. 587 ff., 587. Siehe weitergehend zur Einordnung der Steuergewalt auch die Nachweise in Fußnote 251. 234 Kirchhof, Empfiehlt es sich, das Einkommensteuerrecht zur Beseitigung von Ungleichbehandlungen und zur Vereinfachung neu zu ordnen?, 1988, S. F 14 ff., F 20 f.; Vogel, Rechtfertigung der Steuern: Eine vergessene Vorfrage, Der Staat, 1986, S. 481 ff., 516 ff. 235 Vgl. auch Vogel, Theorie und Praxis im Internationalen Steuerrecht, DStR, 1968, S. 427 ff., 427 f. 236 Siehe hierzu StIGH, Advisory Opinion v. 7. 2. 1923, Nationality Decrees Issued in Tunis and Morocco, PCIJ Series B, 1923, S. 6 ff., 23 ff.; Shaw, International law, 8. Aufl., 2017, S. 485 f.; von Arnauld, Völkerrecht, 3. Aufl., 2016, S. 152 f.; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, 2. Aufl., 2012, S. 168; Brownlie, Principles of public international law, 7. Aufl., 2008, S. 290 ff.; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band III/III, 2. Aufl., 2002, S. 804 ff.; Nerep, Extraterritorial control of competition under international law, 1983, S. 363 ff.; Korowicz, Introduction to international law present conceptions of international law in theory and practice, 1959, S. 157 ff.; Bruns, Völkerrecht als Rechtsordnung, ZaöRV, 1929, S. 1 ff., 40 ff.; Bruns, Völkerrecht als Rechtsordnung, ZaöRV, 1929, S. 1 ff., 38 ff.
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Teil 1: Grundlagen des Staates und seiner Staatsgewalt
Wahrnehmung dieser unbeschränkten Staatsgewalt üben die Staaten nach Ansicht des StIGH legislatives Ermessen aus: „Thus, in the present state of international law, questions of nationality are, in the opinion of the Court, in principle within this reserved domain. For the purpose of the present opinion, it is enough to observe that it may well happen that, in a matter which, like that of nationality, is not, in principle, regulated by international law, the right of a State to use its discretion is nevertheless restricted by obligations which it may have undertaken towards other States.“237 [Hervorhebung durch den Autor]
Ein solches legislatives Ermessen hat der StIGH den Staaten überdies in der Lotus-Entscheidung238 zugesprochen, ohne dass die dortigen Ausführungen auf einen Teilbereich der Staatsgewalt beschränkt wurden:239 „Far from laying down a general prohibition to the effect that States may not extend the application of their laws and the jurisdiction of their courts to persons, property and acts outside their territory, it leaves them in this respect a wide measure of discretion which is only limited in certain cases by prohibitive rules; as regards other cases, every State remains free to adopt the principles which it regards as best and most suitable. This discretion left to States by international law explains the great variety of rules which they have been able to adopt without objections or complaints on the part of other States […]“240 [Hervorhebungen durch den Autor]
Insoweit kann ein einheitliches Begriffsverständnis festgestellt werden: Wenn der StIGH vom Ermessen der Staaten bei der Ausübung der Rechtsetzungsgewalt spricht,241 so geht er davon aus, dass der mögliche Inhalt der Rechtsetzungsgewalt den Staaten nicht durch das Völkerrecht vorgegeben ist, sondern die Staaten bei der Ausübung der Rechtsetzungsgewalt grundsätzlich frei und lediglich einzelnen Beschränkungen bei der Wahrnehmung ihres legislativen Ermessens unterworfen sind. Dies wird auch durch die Advisory Opinion Nummer 14 des StIGH vom 8. Dezember 1927 über die Befugnisse der Europäischen Donaukommission bestätigt.242 In seiner Entscheidungsbegründung über die inhaltliche Ausgestaltung der Befugnisse grenzte der StIGH die Befugnisse der Kommission und des Staates Rumänien ab. Dabei lehnte der StIGH eine rein territoriale Abgrenzung der Befugnisse ab und warf stattdessen die Frage nach der inhaltlichen Zuständigkeitsbegrenzung auf. Er führte aus: 237 StIGH, Advisory Opinion v. 7. 2. 1923, Nationality Decrees Issued in Tunis and Morocco, PCIJ Series B, 1923, S. 6 ff., 24. 238 StIGH, Urteil v. 7. 9. 1927, The Case of the S.S. „Lotus“, PCIJ Series A, 1927, S. 3 ff. 239 Siehe ausführlich Teil 2 B. I. 1. 240 StIGH, Urteil v. 7. 9. 1927, The Case of the S.S. „Lotus“, PCIJ Series A, 1927, S. 3 ff., 16. 241 StIGH, Urteil v. 7. 9. 1927, The Case of the S.S. „Lotus“, PCIJ Series A, 1927, S. 3 ff., 16; StIGH, Advisory Opinion v. 7. 2. 1923, Nationality Decrees Issued in Tunis and Morocco, PCIJ Series B, 1923, S. 6 ff., 24. 242 StIGH, Advisory Opinion v. 8. 12. 1927, Jurisdiction of the European Commission of the Danube, PCIJ Series B, 1927, S. 5 ff.
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„Roumania exercises power as territorial sovereign over the maritime Danube in all respects not incompatible with the powers possessed by the European Commission under the Definitive Statute. When in one and the same area there are two independent authorities, the only way in which it is possible to differentiate between their respective jurisdictions is by defining the functions allotted to them. As the European Commission is not a State, but an international institution with a special purpose, it only has the functions bestowed upon it by the Definitive Statute with a view to the fulfilment of that purpose, but it has power to exercise these functions to their full extent, in so far as the Statute does not impose restrictions upon it.“243 [Hervorhebungen durch den Autor]
Der StIGH betont demnach, dass die Zuständigkeit der Europäischen Donaukommission inhaltlich begründet ist, soweit dies durch den Errichtungsvertrag vorgesehen ist. Gerade hierdurch unterscheide sich die Zuständigkeit der Europäischen Donaukommission von der Zuständigkeit eines Staates, dem die territoriale Souveränität über ein Gebiet zukommt. Aus diesen Ausführungen kann daher ebenfalls geschlossen werden, dass der StIGH davon ausgeht, dass die Staatsgewalt ihrem Inhalt nach im Ausgangspunkt keinen Beschränkungen unterworfen ist und nicht durch das Völkerrecht inhaltlich vorgeprägt wird. e) Zusammenfassung Demnach ist festzustellen, dass die Staatsgewalt im Völkerrecht inhaltlich nicht näher bestimmt ist. Völkerrechtlich wird lediglich das Bestehen einer Staatsgewalt in Form der Personal- und Gebietshoheit vorausgesetzt, die als Rechtsetzungs- oder Rechtsdurchsetzungsgewalt in Erscheinung tritt. Welche Inhalte diese Staatsgewalt und damit die Rechtsetzungsgewalt allerdings zum Gegenstand haben, wird durch das Völkerrecht nicht ausgeführt. So kann zum Inhalt der Staatsgewalt auch die Steuergewalt zählen, dies ist aber keine Notwendigkeit, die aus dem Bestehen des Staates folgt. Dem Staat kommt daher in all diesen Fragen ein freies Ermessen zu: Es obliegt dem Staat zu bestimmen, welchen Inhalt die Rechtsetzungsgewalt aufweist und welche Zwecke in Ausübung der Rechtsetzungsgewalt verfolgt werden; insbesondere entscheidet auch der Staat, ob, aus welchem Grund und in welcher Form er Steuern in Ausübung seiner Staatsgewalt erhebt und demgemäß welchen Inhalt seine Steuerrechtsordnung aufweist. 4. Die Bedeutung des Souveränitätsprinzips Bereits in A. III. 2. wurde die Bedeutung des Souveränitätsprinzip im Allgemeinen dargelegt. Insbesondere wurde gezeigt, dass sich das Souveränitätsprinzip als Rechtsprinzip zu Gunsten aller dem Staat nach dem Völkerrecht zustehenden Befugnisse entfaltet. Dies bedeutet, dass der Staat souveräne Herrschaftsgewalt wahrnimmt, wenn er die Rechtsetzungsgewalt in Form der Personal- oder Ge243 StIGH, Advisory Opinion v. 8. 12. 1927, Jurisdiction of the European Commission of the Danube, PCIJ Series B, 1927, S. 5 ff., 68 f.
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Teil 1: Grundlagen des Staates und seiner Staatsgewalt
bietshoheit ausübt. Insoweit wird der Staat daher innerhalb der Schranken des Völkerrechts unabhängig tätig.244 Da das Völkerrecht weder eine inhaltliche Beschränkung noch eine spezifische Zweckrichtung der Staatsgewalt vorsieht, obliegt es dem Staat als Souverän, den Inhalt und die Zwecke der Staatsgewalt zu bestimmen. Dies bedeutet, dass der Staat insoweit keiner fremden Autorität unterworfen ist und im Rahmen der Bestimmung des Zweckes und des Inhaltes der Staatsgewalt keine Rechenschaft schuldig ist. Dem Staat entscheidet daher in freiem Ermessen, ob, wie und warum Staatsgewalt wahrgenommen wird, ohne dass völkerrechtlich eine Zweckmäßigkeitsprüfung angezeigt wäre, soweit nicht eine Rechtsnorm des Völkerrechts die staatliche Souveränität beschränkt.245 244 IGH, Urteil v. 19. 12. 2012, Territorial and Maritime Dispute (Nicaragua/Colombia), ICJ Reports, 2012, S. 624 ff., 655; IGH, Urteil v. 8. 10. 2007, Territorial and Maritime Dispute between Nicaragua and Honduras in the Caribbean Sea (Nicaragua v. Honduras), ICJ Reports, 2007, S. 659 ff., 712; StIGH, Urteil v. 5. 4. 1933, Legal Status of Eastern Greenland, PCIJ Series A/B, 1933, S. 21 ff., 45 f., 48; StIGH, Urteil v. 5. 4. 1933, Legal Status of Eastern Greenland, PCIJ Series A/B, 1933, S. 21 ff., 45 f.; StIGH, Urteil v. 11. 8. 1932, Interpretation of the Statute of the Memel Territory, PCIJ Series A/B, 1932, S. 293 ff., 313; StIGH, Advisory Opinion v. 11. 12. 1931, Access to, or Anchorage in, the port of Danzig, of Polish War Vessels, PCIJ Series A/B, 1931, S. 127 ff., 142; StIGH, Beschluss v. 6. 9. 1930, Case Concerning the Free Zones of Upper Savoy and the District of Gex (Second Phase), PCIJ Series A, 1930, S. 3 ff., 12; Kau, Der Staat und der Einzelne als Völkerrechtssubjekte, in: Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 2016, S. 133 ff., 188; Randelzhofer, Staatsgewalt und Souveränität, in: Badura u. a. (Hrsg.), Grundlagen von Staat und Verfassung, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, 1995, S. 691 ff., 706; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 112 ff.; Shaw, International law, 8. Aufl., 2017, S. 166 ff.; Bentzien, Die völkerrechtlichen Schranken der nationalen Souveränität im 21. Jahrhundert, 2007, S. 29 f.; Schweisfurth, Völkerrecht, 2006, S. 351; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., 1984, S. 28 ff., insbesondere auch unter Verweis auf das Merkmal der Selbstregierung nach Vattel, sowie 655 ; Mann, Studies in International Law, 1973, S. 9; Bär, Kartellrecht und Internationales Privatrecht, 1965, S. 326; Verdross, Völkerrecht, 5. Aufl., 1964, S. 266 ff.; Tanzi, Remarks on Sovereignty in the Evolving Constitutional Features of the International Community, International Community Law Review, 2010, S. 145 ff., 151; Schmahl, Zwischenstaatliche Kompetenzabgrenzung im Cyberspace, AVR, 2009, S. 284 ff., 288 f.; Shaw, Territory in International Law, NYL, 1982, S. 61 ff. Zumindest auch für die Gebietshoheit Epiney, Nachbarrechtliche Pflichten im internationalen Wasserrecht und Implikationen von Drittstaaten, AVR, 2001, S. 1 ff., 9. 245 Ossenbühl, Gesetz und Recht – Die Rechtsquellen im demokratischen Rechtsstaat, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Rechtsquellen, Organisation, Finanzen, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band V, 2007, S. 135 ff., 137, 145, 154; Leibholz, Die Organisation der „Vereinten Nationen“ und die Strukturprinzipien des modernen Völkerrechts, in: Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät Göttingen (Hrsg.), Festschrift für Julius von Girke, 1950, S. 163 ff., 166; Oxman, Jurisdiction of States, in: Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 206 f.; von Arnauld, Völkerrecht, 3. Aufl., 2016, S. 136; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, 2. Aufl., 2012, S. 166; Bentzien, Die völkerrechtlichen Schranken der nationalen Souveränität im 21. Jahrhundert, 2007, S. 29 f.; Schweisfurth, Völkerrecht, 2006, S. 351; Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 603; Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 126 ff.; Kaffanke, Nationales Wirtschaftsrecht und internationale Wirt-
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Dies gilt auch für die Rechtsetzungsgewalt des Staates.246 Hieraus folgt, dass es allein dem Staat obliegt, ob, wie, zu welchen Zwecken und mit welchem Inhalt er die für die Wahrnehmung der Rechtsetzungsgewalt notwendigen Entscheidungen trifft. Als Souverän entscheidet der Staat unabhängig, ob ein vollständiger Rechtssatz erlassen wird, welchen Inhalt der Rechtssatz aufweist und wie Tatbestand und Rechtsfolge gefasst werden. Ebenso obliegt es allein seiner Wertung, welche Wichtigkeit einer Regelung mit Blick auf die Zwecke der Staatstätigkeit zukommt.247 Die souveräne Rechtsetzungsgewalt des Staates erlaubt es daher dem Staat auf Grund der fehlenden inhaltlichen Beschreibung der Staatsgewalt, einen Rechtssatz beliebigen Inhaltes zu erlassen. Soweit daher der Staat regelnd tätig wird und einen Rechtssatz erlässt, entfaltet er bereits dadurch eigene Staatsgewalt im Sinne des Souveränitätsprinzips, dass er den Rechtssatz erlässt und damit eine rechtliche Vorgabe schafft.248
schaftsordnung, 1990, S. 326 ff.; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., 1984, S. 28 ff. insbesondere unter Verweis auf Vattel, der das Element der Selbstregierung betont; Verdross, Völkerrecht, 5. Aufl., 1964, S. 7; Epiney, Nachbarrechtliche Pflichten im internationalen Wasserrecht und Implikationen von Drittstaaten, AVR, 2001, S. 1 ff., 9; Maier, Extraterritorial Jurisdiction and the Cuban Democracy Act, Florida Journal of International Law, 1993, S. 391 ff., 392. 246 So ausdrücklich auch IGH, Urteil v. 19. 12. 2012, Territorial and Maritime Dispute (Nicaragua/Colombia), ICJ Reports, 2012, S. 624 ff., 655; IGH, Urteil v. 8. 10. 2007, Territorial and Maritime Dispute between Nicaragua and Honduras in the Caribbean Sea (Nicaragua v. Honduras), ICJ Reports, 2007, S. 659 ff., 713; StIGH, Urteil v. 5. 4. 1933, Legal Status of Eastern Greenland, PCIJ Series A/B, 1933, S. 21 ff., 48; StIGH, Urteil v. 7. 9. 1927, The Case of the S.S. „Lotus“, PCIJ Series A, 1927, S. 3 ff., 16; StIGH, Advisory Opinion v. 7. 2. 1923, Nationality Decrees Issued in Tunis and Morocco, PCIJ Series B, 1923, S. 6 ff., 24; Kirchhof, Mittel staatlichen Handelns, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Rechtsquellen, Organisation, Finanzen, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band V, 2007, S. 3 ff., 31; Kment, Grenzüberschreitendes Verwaltungshandeln, 2010, S. 59; Brownlie, Principles of public international law, 7. Aufl., 2008, S. 297; Schwarze, Die Jurisdiktionsabgrenzung im Völkerrecht, 1994, S. 13; Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 126 ff.; Kaffanke, Nationales Wirtschaftsrecht und internationale Wirtschaftsordnung, 1990, S. 326 ff.; Mann, Studies in International Law, 1973, S. 9. 247 StIGH, Urteil v. 7. 9. 1927, The Case of the S.S. „Lotus“, PCIJ Series A, 1927, S. 3 ff., 16; StIGH, Advisory Opinion v. 7. 2. 1923, Nationality Decrees Issued in Tunis and Morocco, PCIJ Series B, 1923, S. 6 ff., 24; Meessen, International Law Limitations on State Jurisdiction, in: Olmstead (Hrsg.), Extra-territorial application of laws and responses thereto, 1984, 38 ff., 41; Schweisfurth, Völkerrecht, 2006, S. 351; Bär, Kartellrecht und Internationales Privatrecht, 1965, S. 326 ff.; illustrativ auch Epiney, Nachbarrechtliche Pflichten im internationalen Wasserrecht und Implikationen von Drittstaaten, AVR, 2001, S. 1 ff., 25. 248 Ebenso Kment, Grenzüberschreitendes Verwaltungshandeln, 2010, S. 59; vgl. auch StIGH, Advisory Opinion v. 8. 12. 1927, Jurisdiction of the European Commission of the Danube, PCIJ Series B, 1927, S. 5 ff., 63 f.; Spitaler, Das Doppelbesteuerungsproblem bei den direkten Steuern, 2. Aufl., 1967, S. 153.
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Teil 1: Grundlagen des Staates und seiner Staatsgewalt
Durch diese Entscheidungen wird der dem Staat nach dem Souveränitätsprinzip zustehende Freiraum zur Entfaltung eigener Staatlichkeit näher beschrieben:249 Dieser besteht positiv darin, dass es der Festlegung des Staates obliegt, ob und in welchem Rahmen dieser Regelungszwecke in Ausübung der Rechtsetzungsgewalt verfolgt. Negativ fordert das Souveränitätsprinzip daher grundsätzlich, dass der Staat diese Festlegungen frei von äußeren Einflüssen treffen kann. Es ist daher als Rechtsprinzip darauf gerichtet, äußere Beschränkungen des Handlungsspielraumes des Staates abzuwehren. Dies gilt auch, wenn der Staat bisher nicht regelnd tätig geworden ist, da die Entscheidung, ob eine Regelung getroffen wird, dem Staat selbst zusteht.250
II. Die Steuergewalt des Staates Im Staatsbegriff ist die Staatsgewalt als umfassende Herrschaftsgewalt angelegt, die nach dem Völkerrecht nicht auf bestimmte Inhalte begrenzt ist. Vor diesem Hintergrund bildet auch die Steuergewalt Teil der allgemeinen in I. beschriebenen Staatsgewalt. Soweit ein Staat daher auf dem Gebiet des materiellen Steuerrechts Herrschaftsgewalt ausübt, stellt dies keine Ausübung einer besonderen Staatsgewalt dar, sondern der Staat nimmt die allumfassende, die Steuergewalt beinhaltende, Staatsgewalt wahr.251 Dies bedeutet, dass auch die in I. herausgearbeiteten Strukturen der allgemeinen Staatsgewalt für die Steuergewalt gelten. 249
So auch Bentzien, Die völkerrechtlichen Schranken der nationalen Souveränität im 21. Jahrhundert, 2007, S. 29 f.; Kaffanke, Nationales Wirtschaftsrecht und internationale Wirtschaftsordnung, 1990, S. 326 f.; Bockslaff, Das völkerrechtliche Interventionsverbot als Schranke außenpolitisch motivierter Handelsbeschränkungen, 1987, S. 105 ff.; 122 ff.; Spitaler, Das Doppelbesteuerungsproblem bei den direkten Steuern, 2. Aufl., 1967, S. 153; Epiney, Nachbarrechtliche Pflichten im internationalen Wasserrecht und Implikationen von Drittstaaten, AVR, 2001, S. 1 ff., 9; Pottmeyer, Die Strafbarkeit von Auslandstaten nach dem Kriegswaffenkontroll- und Außenwirtschaftsrecht, NZSt, 1992, S. 57 ff., 58 f.; Bruns, Völkerrecht als Rechtsordnung, ZaöRV, 1929, S. 1 ff., 56; vgl. zudem IGH, Urteil v. 20. 11. 1950, Asylum Case (Colombia/Peru), ICJ Reports, 1950, S. 266 ff., 274 f.; Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 603; Schmahl, Zwischenstaatliche Kompetenzabgrenzung im Cyberspace, AVR, 2009, S. 284 ff., 288 f. Enger Simon/Waller, A Theory of Economic Sovereignty, Stanford Journal of International Law, 1986, S. 337 ff., 352. 250 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl., erstveröffentlicht in 1991, 2014, S. 268; 270; ähnlich Meessen, Völkerrechtliche Grundsätze des internationalen Kartellrechts, 1975, S. 219 ff.; Pottmeyer, Die Strafbarkeit von Auslandstaten nach dem Kriegswaffenkontroll- und Außenwirtschaftsrecht, NZSt, 1992, S. 57 ff., 58. 251 Wurzel, Foreign Investment and Extraterritorial Taxation, Columbia Law Review, 1938, S. 809 ff., 812; Vogel, Über „Besteuerungsrechte“ und das Leistungsfähigkeitsprinzip im Internationalen Steuerrecht, in: Klein u. a. (Hrsg.), Steuerrecht, Verfassungsrecht, Finanzpolitik, 1994, S. 361 ff., 362; Vogel, Die Besteuerung von Auslandseinkünften, in: Vogel (Hrsg.), Grundfragen des internationalen Steuerrechts, DStJG Band 8, 1985, S. 3 ff., 6; Monsenego, Taxation of foreign business income within the European internal market, 2012, S. 45 f.; Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 187; Zuber, Anknüpfungsmerkmale und Reich-
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Die Steuergewalt wird daher entweder bezogen auf das Staatsvolk in Form der Personalhoheit oder bezogen auf das Staatsgebiet in Form der Gebietshoheit ausgeübt. Als Rechtsetzungsgewalt hat sie den Erlass vollständiger Steuerrechtsätze zum Gegenstand. Auch hierbei handelt es sich um einen mehraktigen Vorgang, in dessen Rahmen zunächst ein Regelungszwecke gebildet wird, das sich in Tatbestand und Rechtsfolge niederschlägt; im Tatbestand beschreibt der Staat hierbei den der Steuer unterworfenen Sachverhalt, während die Rechtsfolgenanordnung die Pflicht zur Steuerzahlung beinhaltet. Welche Regelungszwecke der Staat hierbei verfolgt, obliegt seiner souveränen Festlegung. 1. Die Abgrenzung des materiellen Steuerrechts Die Rechtsetzung auf dem Gebiet des materiellen Steuerrechts umfasst zunächst sämtliche Normen des steuerlichen Verfahrensrechts nicht. Letztere sind dadurch gekennzeichnet, dass sie nicht, wie Normen des materiellen Steuerrechts, auf die Bestimmung der Steuerschuld gerichtet sind, sondern gerade das Verfahren beschreiben, in dem die Steuerschuld festgestellt und beigetrieben wird. Zum Normbestand des materiellen Steuerrechts sind daher all jene Normen zu zählen, die die Steuerschuld bestimmen. Dies sind zuvorderst Normen, die der Ausformung der Belastungsentscheidung252 des steuerrechtlichen Transferverhältnisses dienen.253 Unter Zugrundelegung eines weiten Begriffsverständnisses umfasst das materielle Steuerrecht aber auch Normen, die teilweise dem Wirtschaftsrecht zugewiesen werden;254 derartige Normen formen nach verbreiteter Ansicht nicht die Belastungsentscheidung aus, sondern beinhalten Abweichungen von diesem Maßstab und dienen dabei Entlastungs-, Umverteilungs- oder Lenkungszielen. Für die vorliegende Arbeit ist ein derart weites Begriffsverständnis angezeigt, da andernfalls zahlreiche Normen, die bei der Bestimmung der Steuerschuld von Bedeutung sind, vom Untersuchungsgegenstand ausgenommen wären. In den Blick zu nehmen sind allerdings wie dargelegt die vollständigen Rechtssätze, sodass diese von der Belastungsentscheidung abweichenden Normen nicht ausgeblendet werden können. Betrachtet werden als Rechtssätze des materiellen Steuerrechts im Folgenden also Normen, die die Steuerschuld bestimmen und damit der materiellen Festlegung einer öffentlich-rechtlichen Geldleistungspflicht dienen, die ohne Erbringung einer Geweite der internationalen Besteuerung, 1991, S. 82; Weber-Fas, Staatsverträge im internationalen Steuerrecht, 1982, S. 32 f.; Spitaler, Das Doppelbesteuerungsproblem bei den direkten Steuern, 2. Aufl., 1967, S. 152, 154; Englisch/Krüger, Zur Völkerrechtswidrigkeit extraterritorialer Effekte der französischen Finanztransaktionssteuer, IStR, 2013, S. 513 ff., 517; Vogel, Theorie und Praxis im Internationalen Steuerrecht, DStR, 1968, S. 427 ff., 427; Beale, Jurisdiction to tax, Harvard Law Review, 1919, S. 587 ff., 587. 252 Siehe zu diesem insb. Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, 1983. 253 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Nr. 1/3, 2. Aufl., 2000, S. 31. 254 Siehe hierzu Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Nr. 1/3, 2. Aufl., 2000, S. 31
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Teil 1: Grundlagen des Staates und seiner Staatsgewalt
genleistung durch den Staat von allen Personen zumindest auch zum Ziele der Einnahmenerzielung erhoben wird.255 2. Rechtsfolgen der Steuerrechtsätze Steuerrechtssätze weisen anerkanntermaßen unterschiedliche Rechtsfolgen auf.256 Allgemein gilt nur, dass die Rechtsfolgenanordnung der Steuerrechtssätze in jedem Fall darin besteht, den Steueranspruch zu bestimmen und so den tatbestandlich beschriebenen Sachverhalt mit einer bestimmten Steuerzahlung zu belasten. Die Steuerrechtsnorm bestimmt so die Höhe und den Umfang der seitens des Steuerpflichtigen zu entrichtenden Steuer in einer spezifischen Weise. Doch in aller Regel wird sich die Rechtsfolge eines Steuerrechtssatzes hierin nicht erschöpfen. Insoweit ist auf Rechtsfolgenebene zwischen Fiskalzwecknormen, Lenkungszwecknormen und Vereinfachungszwecknormen zu unterscheiden.257 a) Fiskalzwecknormen Fiskalzwecknormen beinhalten auf Rechtsfolgenebene den Steueranspruch. Dieser Steueranspruch findet seine Grundlage in einer Belastungsentscheidung darüber, welche Personen auf Grund welcher Merkmale steuerpflichtig sein sollen, weshalb derartige Steuerrechtsnormen auch als Lastenausteilungsnormen bezeichnet werden, da mit ihnen das Steueraufkommen unter Festlegung eines Maßstabs auf die gemäß diesem Maß steuerpflichtigen Personen verteilt und von diesen erhoben wird.258 Mit dem Einbezug in den Steueranspruch geht damit eine Entscheidung über die Belastungswürdigkeit einher, sodass die Rechtsfolge einer Fiskalzwecknorm 255 Siehe einerseits § 3 Abs. 1 AO, andererseits Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Finanzverfassung – Bundesstaatliche Ordnung, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band IV, 1999, S. 87 ff., 110; Vogel, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Finanzverfassung – Bundesstaatliche Ordnung, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band IV, 1999, S. 3 ff., 30 ff. 256 Siehe grundlegend Tipke/Lang u. a., Steuerrecht, 22. Aufl., 2015, S. 68 ff.; Vogel, Die Abschichtung von Rechtsfolgen im Steuerrecht, StuW, 1977, S. 97 ff.; Surrey, Tax Incentives as a Device for Implementing Government Policy: A Comparison with Direct Government Expenditures, Harvard Law Review, 1969, S. 705 ff. 257 Tipke/Lang u. a., Steuerrecht, 22. Aufl., 2015, S. 68 ff.; Tappe, Die Begründung von Steuergesetzen, 2013, S. 152 ff.; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Nr. 3/3, 2. Aufl., 2012, S. 1616; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Nr. 1/3, 2. Aufl., 2000, S. 75. 258 Englisch, Subjektives Nettoprinzip und Familienbesteuerung, in: Jachmann (Hrsg.), Erneuerung des Steuerrechts, DStJG Band 37, 2014, 159 ff., 163 ff.; Tipke/Lang u. a., Steuerrecht, 22. Aufl., 2015, S. 69; Tappe, Die Begründung von Steuergesetzen, 2013, S. 152; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Nr. 3/3, 2. Aufl., 2012, S. 1616 ff.; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Nr. 1/3, 2. Aufl., 2000, S. 75; Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, 1983, S. 68; Vogel, Die Abschichtung von Rechtsfolgen im Steuerrecht, StuW, 1977, S. 97 ff., 107.
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nicht nur darin besteht, den Steueranspruch zu begründen, sondern ebenso die normative Aussage umfasst, dass der besteuerte Sachverhalt belastungswürdig ist.259 Gleichermaßen kann eine derartige normative Aussage auch in Bezug auf die konkrete Höhe der Steuerlast sowie nicht erfasste Merkmale getroffen werden, sofern dem Steuerrechtssatz das Merkmal der Vollständigkeit beizumessen ist. In diesem Fall ist die konkrete Steuerhöhe nicht nur Ausdruck der Belastungswürdigkeit, darüber hinausgehend soll ein erfasstes Verhalten auf Grund seiner Belastungswürdigkeit auch nur mit dieser Steuerhöhe und nicht mit einer höheren Steuer belastet werden, sodass eine darüber hinausgehende Steuerbelastung der normativen Vorgabe zuwider läuft.260 Für den Fall der Nichterfassung gilt entsprechend, dass der Sachverhalt als nicht-belastungswürdig angesehen wird und die Rechtsfolge der Norm auch die normative Vorgabe umfasst, dass derartige Sachverhalte steuerlich unbelastet verfolgt werden können sollen.261 Der Nichteinbezug bestimmter Hunde im Rahmen einer Hundesteuer könnte bspw. darauf beruhen, dass das Halten dieser Hunde nicht als Indikator einer besonderen Leistungsfähigkeit gesehen wird, während dies bei allen anderen von der Hundesteuer erfassten Hunden der Fall ist. Insoweit gilt, dass die Hundesteuer in ihrer spezifischen Höhe gerade das Halten dieser Hunde erfassen soll, während das Halten anderer Hunde nicht belastet sein soll. Mit dieser normativen Vorgabe geriete es bspw. in Konflikt, wenn das Halten dieser nicht belasteten Hunde durch einen anderen Staat mit einer Hundesteuer belastet wird. Nicht aber trifft ein solcher Rechtssatz eine Belastungsentscheidung in Bezug auf Katzen oder andere Haustiere, deren Haltung aus Sicht des Staates nicht mit einer derart stark gesteigerten Leistungsfähigkeit einhergehtt. Dem Rechtssatz wohnt daher nicht eine derart umfassende Vollständigkeit inne, dass das Halten von anderen Haustieren ebenfalls nicht
259 Englisch, Subjektives Nettoprinzip und Familienbesteuerung, in: Jachmann (Hrsg.), Erneuerung des Steuerrechts, DStJG Band 37, 2014, 159 ff., 163 ff.; Tappe, Die Begründung von Steuergesetzen, 2013, S. 181 ff.; Meyer, Steuerliches Leistungsfähigkeitsprinzip und zivilrechtliches Ausgleichungssystem, 2013, S. 106 ff.; Englisch, Wettbewerbsgleichheit im grenzüberschreitenden Handel, 2012, S. 568 f.; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Nr. 1/3, 2. Aufl., 2000, S. 282 ff.; Kirchhof, Empfiehlt es sich, das Einkommensteuerrecht zur Beseitigung von Ungleichbehandlungen und zur Vereinfachung neu zu ordnen?, 1988, S. F 12; Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, 1983, S. 167 ff. 260 Siehe neben den Nachweisen in der vorigen Fußnote insbesondere Lehner, Grundlagen, in: Vogel/Lehner (Hrsg.), Doppelbesteuerungsabkommen der Bundesrepublik Deutschland auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen, 2015, S. 111 ff., Rn. 20; Englisch, Wettbewerbsgleichheit im grenzüberschreitenden Handel, 2012, S. 564; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Nr. 1/3, 2. Aufl., 2000, S. 282 ff., 479 ff.; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1988, S. 100 ff.; Jachmann, Steuerrechtfertigung aus der Gemeinwohlverantwortung, DStZ, 2001, S. 225 ff., 226; Haller, Zur Diskussion über das Leistungsfähigkeitsprinzip, FA, 1972/73, S. 461 ff., 492. Weitergehend vgl. auch die Nachweise in den Fußnoten 733 und 734. 261 Siehe auch noch ausführlich mit Blick auf die territoriale Erstreckung des Steuerrechtssatzes Teil 3 B. I. 2.
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Teil 1: Grundlagen des Staates und seiner Staatsgewalt
steuerlich belastet werden soll. Nicht in Konflikt mit der normativen Vorgabe der Hundesteuer gerät daher eine Katzensteuer eines anderen Staates. b) Lenkungszwecknormen Von Fiskalzwecknormen sind die Lenkungszwecknormen zu unterscheiden, durch die ein sozial erwünschtes Ergebnis jenseits des Belastungsmaßstabs entfaltet wird. Neben den klassischen Lenkungsnormen werden hierzu teilweise auch Umverteilungsnormen gezählt, die sich vom Belastungsmaßstab des Steuerrechts abgrenzten;262 ob dem zuzustimmen ist, bedarf aber vorliegend keiner Entscheidung. Soweit derartige Umverteilungsnormen jenseits des Belastungstatbestandes identifiziert werden, besteht ihre Rechtsfolgenanordnung in einer Steuerentlastung, um hierdurch eine Umverteilung in einem bestimmten Umfang zu bewirken. Sie sind daher auf die Etablierung eines Zustandes in Form der Entlastung bestimmter Personen gerichtet. Ihre Rechtsfolge besteht darin, dass anstelle der Steuerbelastung eine Entlastung des Steuerpflichtigen aus Gründen der Umverteilung aus sozialen oder wirtschaftlichen Gründen eintreten soll.263 Klassische Lenkungsregelungen sind dagegen auf die Förderung eines bestimmten Verhaltens gerichtet und bewirken hierzu eine Steuerbelastung und eine relative Steuerentlastung. Lenkungssteuern zeichnen sich dadurch aus, dass bestimmte Sachverhalte steuerlich belastet werden, während andere Sachverhalte mit Blick auf dieses Lenkungsanliegen von der Steuerpflicht ausgenommen sind. Die Rechtsfolgenanordnung dieser Lenkungsnormen sieht nur die Steuerpflicht selbst vor.264 Der Gesetzgeber begründet die Steuerbelastung, um einen Verhaltensanreiz zu Gunsten eines anderen Verhaltens zu schaffen, dessen Verwirklichung vom Willen des Steuerpflichtigen abhängt.265 Die Steuerlast bewirkt so eine Sanktionierung des 262 Tipke/Lang u. a., Steuerrecht, 22. Aufl., 2015, S. 69 f.; Kube, Finanzgewalt in der Kompetenzordnung, 2004, S. 218 f.; Surrey, Tax Incentives as a Device for Implementing Government Policy: A Comparison with Direct Government Expenditures, Harvard Law Review, 1969, S. 705 ff., 706. 263 Tipke/Lang u. a., Steuerrecht, 22. Aufl., 2015, S. 70; Kube, Finanzgewalt in der Kompetenzordnung, 2004, S. 218; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1988, S. 68 f. 264 BVerfG, Urteil v. 5. 11. 2014, 1 BvF 3/11, BVerfGE 137, S. 350 ff., 367; BVerfG, Beschluss v. 15. 1. 2014, 1 BvR 1656/09, BVerfGE 135, S. 126 ff., 151; BVerfG, Urteil v. 9. 12. 2008, 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 122, S. 210 ff., 231; BVerfG, Urteil v. 20. 4. 2004, 1 BvR 1748/99, 905/00, BVerfGE 110, S. 274 ff., 292; BVerfG, Urteil v. 7. 5. 1998, 2 BvR 1991, 2004/95, BVerfGE 98, S. 106 ff., 117. 265 BVerfG, Urteil v. 5. 11. 2014, 1 BvF 3/11, BVerfGE 137, S. 350 ff., 367; BVerfG, Beschluss v. 15. 1. 2014, 1 BvR 1656/09, BVerfGE 135, S. 126 ff., 151; BVerfG, Urteil v. 9. 12. 2008, 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 122, S. 210 ff., 231; BVerfG, Urteil v. 20. 4. 2004, 1 BvR 1748/99, 905/00, BVerfGE 110, S. 274 ff., 282; BVerfG, Urteil v. 7. 5. 1998, 2 BvR 1991, 2004/95, BVerfGE 98, S. 106 ff., 117; Wernsmann, Steuerlenkung, in: Kube u. a. (Hrsg.), Leitgedanken des Rechts, 2013, S. 1645 ff.; Osterloh, Lenkungsnormen
B. Struktur und Reichweite der Staatsgewalt
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nicht gewünschten Verhaltens. Insoweit beinhaltet die Lenkungsregelung einerseits durch die Herbeiführung tatsächlichen wirtschaftlichen Drucks die normative Vorgabe, das gewünschte, nicht besteuerte Verhalten umzusetzen, andererseits die Rechtsfolgenanordnung der Steuerentrichtung, sofern nicht das gewünschte Verhalten, sondern eine besteuerte Verhaltensalternative umgesetzt wird. Unter einer Lenkungsregelung soll es hingegen nicht länger möglich sein, sanktionierte Verhaltensweisen ohne Eintritt der Steuerbelastung zu verfolgen. Insoweit bildet die Steuer den Preis der Verfolgung des nicht gewünschten Verhaltens266 und der Staat lenkt mittelbar das Verhalten der Normunterworfenen in die Richtung des begünstigten Verhaltens, ohne es rechtsverbindlich durch eine Rechtsfolgenanordnung vorzugeben.267 Die Rechtsfolge und normative Vorgabe einer Lenkungsnorm besteht mit Blick auf diesen Zusammenhang einerseits in der Festlegung, dass das steuerlich belastete Verhalten nur um den Preis ebendieser spezifischen Steuerbelastung verfolgt werden darf, andererseits in der Festlegung, dass das steuerlich nicht-belastete Alternativverhalten gerade steuerlich unbelastet ausgeübt werden können soll, weil im Anwendungsbereich der steuerlichen Lenkung nur dieses Verhalten sozial erwünscht ist. Denn Regelungsanliegen der Lenkungsnorm ist gerade, das Verhalten in diese Richtung zu lenken. Damit setzt diese gerade die normative Aussage in der Rechtsordnung, dass dieses Verhalten im Allgemeinen und auch im konkreten tatbestandlich erfassten Einzelfall erwünscht ist. Im Einzelfall wirksam wird allerdings entweder die Steuerpflicht mit der spezifisch festgelegten Höhe der Steuer oder aber der Verhaltensanreiz. Vor diesem Hintergrund beruht in diesen Fällen der Nichteinbezug bestimmter Sachverhalte darauf, dass die Steuerpflicht in diesen Fällen nicht eintreten soll. Soweit Verhaltensweisen daher substituierbar und Gegenstand der steuerlichen Lenkung sind, soll die Steuerpflicht gerade nur in den tatbestandlich genannten Fällen eintreten. Der Nicht-Eintritt der Steuerpflicht impliziert daher sowohl das Nicht-Vorliegen eines Sachverhaltes, der vermieden werden soll, als auch im Umfang der intendierten Lenkung das Bestehen eines sozial erwünschten Sachverhaltes. Insoweit kommt der Lenkungszwecksteuer eine Vollständigkeit zu, die auf der teleologischen Struktur des Rechtssatzes beruht. Dem entspricht es grundsätzlich auch, im Einkommensteuerrecht, in: Ebling (Hrsg.), Besteuerung von Einkommen, DStJG Band 24, 2001, S. 383 ff., 388; Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, 2005; Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, 1983, S. 69. 266 Wernsmann, Steuerlenkung, in: Kube u. a. (Hrsg.), Leitgedanken des Rechts, 2013, S. 1645 ff.; Osterloh, Lenkungsnormen im Einkommensteuerrecht, in: Ebling (Hrsg.), Besteuerung von Einkommen, DStJG Band 24, 2001, S. 383 ff., 388; Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, 2005. 267 BVerfG, Beschluss v. 15. 1. 2014, 1 BvR 1656/09, BVerfGE 135, S. 126 ff., 151; BVerfG, Urteil v. 9. 12. 2008, 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 122, S. 210 ff., 231; BVerfG, Urteil v. 7. 5. 1998, 2 BvR 1991, 2004/95, BVerfGE 98, S. 106 ff., 117; Kube, Finanzgewalt in der Kompetenzordnung, 2004, S. 219 ff.
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Teil 1: Grundlagen des Staates und seiner Staatsgewalt
wenn eine Vorzeichnung des Lenkungszweckes im Steuertatbestand gefordert wird.268 c) Vereinfachungszwecknormen Neben die Fiskal- und Lenkungszwecknormen werden die Vereinfachungszwecknormen gestellt. Diese sind darauf gerichtet, die Steuererhebung zu vereinfachen. Demgemäß wird ihnen eine dienende Funktion im Rahmen der Lastenausteilung und Lenkung zugemessen, sodass ihr normativer Gehalt darin besteht, in vereinfachter Form die Lastenausteilung und Lenkung zu bewerkstelligen.269 Aus diesem Grunde braucht auf sie aber im Folgenden nicht gesondert eingegangen zu werden. 3. Der Regelungszweck eines Steuerrechtssatzes Für die Frage der Regelungszwecke einer Steuerrechtsnorm ist ebenso zwischen Fiskalzweck- bzw. Lastenausteilungsnormen und Lenkungsregelungen zu differenzieren. Fiskalzwecknormen treffen Festlegungen über die Höhe und den Umfang der seitens eines Steuerpflichtigen zu entrichtenden Steuer. Das Regelungsanliegen besteht hierbei zunächst darin, den öffentlichen Finanzbedarf zu decken. Allerdings erstreckt sich das Regelungsanliegen weitergehend auch auf die Frage, in welcher Form der Gesamtbedarf gedeckt werden soll. Die relative Verteilung des Steueraufkommens im Sinne der Lastenausteilung bildet daher Teil des Regelungszweckes. Dieses umfasst in Form des Regelungsmaßstabs die Wertung, welche Personen auf Grund welcher Umstände in welcher Höhe zur Deckung des staatlichen Finanzbedarfes herangezogen werden sollen, weil sie durch die von ihnen verwirklichten Sachverhalte belastungswürdig sind.270 268 BVerfG, Urteil v. 5. 11. 2014, 1 BvF 3/11, BVerfGE 137, S. 350 ff., 367; BVerfG, Beschluss v. 15. 1. 2014, 1 BvR 1656/09, BVerfGE 135, S. 126 ff., 151; BVerfG, Urteil v. 9. 12. 2008, 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 122, S. 210 ff., 232; BVerfG, Urteil v. 20. 4. 2004, 1 BvR 1748/99, 905/00, BVerfGE 110, S. 274 ff., 292; BVerfG, Beschluss v. 22. 6. 1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, S. 121 ff., 147; Kube, Finanzgewalt in der Kompetenzordnung, 2004, S. 227 ff.; Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, 1996, S. 16 ff. Siehe auch ausführlich Tappe, Die Begründung von Steuergesetzen, 2013, S. 388 ff., der diese Voraussetzung aber ablehnt. 269 Tipke/Lang u. a., Steuerrecht, 22. Aufl., 2015, S. 70; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Nr. 1/3, 2. Aufl., 2000, S. 80. 270 Tappe, Die Begründung von Steuergesetzen, 2013, S. 158 ff.; Tappe, Die Begründung von Steuergesetzen, 2013, S. 154; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Nr. 3/3, 2. Aufl., 2012, S. 1618; Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 194 ff.; Vogel, 8. Anderer Ansicht Ohler, Die Kollisionsordnung des allgemeinen Verwaltungsrechts Strukturen des deutschen
B. Struktur und Reichweite der Staatsgewalt
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Darüber hinaus kann der Regelungsmaßstab auch zum Inhalt haben, dass eine weitergehende Steuerbelastung nicht erwünscht ist. In diesem Fall kommt der Fiskalregelung das Merkmal der Vollständigkeit zu und im Rahmen dieser Vollständigkeit soll gerade eine spezifische Belastung herbeigeführt werden. Entsprechend der Reichweite der Vollständigkeit bedeutet dies, dass ein besteuerter Sachverhalt keiner weitergehenden Besteuerung unterliegen soll und ein nicht besteuerter Sachverhalt nicht besteuert werden soll. Insoweit stellen die Belastungswürdigkeitsentscheidungen umfassende Gerechtigkeitsentscheidungen des Staates dar: Durch die Lastenausteilung wird eine gerechte Verteilung des Steueraufkommens bezweckt, sodass gerade die belasteten Sachverhalte mit genau der herbeigeführten Steuerhöhe belastet werden sollen. In diesen Fällen entfaltet der Staat einen Maßstab nicht nur dahingehend, dass die belasteten Sachverhalte belastungswürdig sind, sondern auch die Verteilung über die belastungswürdigen Sachverhalte erfolgt nicht in willkürlicher Höhe, sondern der Staat entfaltet einen Maßstab in der Festlegung, in welcher Höhe eine relativ gerechte Verteilung der Steuertragung liegt.271 Lenkungsregelungen sind durch ein solches Verständnis der Vollständigkeit geprägt. Durch die zeitgleiche Steuerbelastung und Steuerentlastung soll eine Umverteilung verwirklicht oder ein Verhaltensanreiz geschaffen werden. Zugleich wird eine Ertragsfunktion verwirklicht. Dieser liegt aber nicht ein Maßstab der Lastenausteilung zugrunde, vielmehr wird die Ertragsfunktion grundsätzlich an der Verschonung und Lenkung ausgerichtet.272 Insoweit sind auch die Belastungs- und Entlastungshöhe Ausdruck einer spezifischen Festlegung über den mittelbaren Umfang des Verhaltensanreizes.
internationalen Verwaltungsrechts, 2005, S. 19 f.; Simon/Waller, A Theory of Economic Sovereignty, Stanford Journal of International Law, 1986, S. 337 ff., 349. 271 Englisch, Subjektives Nettoprinzip und Familienbesteuerung, in: Jachmann (Hrsg.), Erneuerung des Steuerrechts, DStJG Band 37, 2014, 159 ff., 163 ff.; Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Finanzverfassung – Bundesstaatliche Ordnung, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band IV, 1999, S. 87 ff., 108 ff.; Vogel, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Finanzverfassung – Bundesstaatliche Ordnung, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band IV, 1999, S. 3 ff., 36 ff., 64 ff.; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1988, S. 100 ff. Siehe daneben BVerfG, Urteil v. 5. 11. 2014, 1 BvF 3/11, BVerfGE 137, S. 350 ff., 367. 272 Siehe hierzu und dem Spannungsverhältnis zum Leistungsfähigkeitsprinzip Wernsmann, Steuerlenkung, in: Kube u. a. (Hrsg.), Leitgedanken des Rechts, 2013, S. 1645 ff., 1649; Schön, Besteuerungsgleichheit und Subventionsgleichheit, in: Mellinghoff u. a. (Hrsg.), Steuerrecht im Rechtsstaat, 2011, S. 189 ff.; Osterloh, Lenkungsnormen im Einkommensteuerrecht, in: Ebling (Hrsg.), Besteuerung von Einkommen, DStJG Band 24, 2001, S. 383 ff., 388; Vogel, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Finanzverfassung – Bundesstaatliche Ordnung, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band IV, 1999, S. 3 ff., 37; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Nr. 3/3, 2. Aufl., 2012, S. 1619; Englisch, Wettbewerbsgleichheit im grenzüberschreitenden Handel, 2012, S. 617 ff.; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Nr. 1/3, 2. Aufl., 2000, S. 336 ff., 495 f.; Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, 1983, S. 240.
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Teil 1: Grundlagen des Staates und seiner Staatsgewalt
Nicht vom Regelungszweck eines Steuerrechtssatzes umfasst sind nicht-intendierte Verhaltenswirkungen. Jede steuerliche Belastung kann Verhaltenswirkungen auslösen, die jedoch nur im Fall der steuerlichen Lenkung erwünscht sind. Im Übrigen handelt es sich um Verhaltensweisen, deren Eintritt mit der Besteuerung verbunden ist, ohne von ihr bezweckt zu sein. Es handelt sich daher um unerwünschte Folgen, derentwegen der Steuerrechtssatz nicht erlassen wurde.273 4. Der Freiraum des Staates im materiellen Steuerrecht Auch im materiellen Steuerrecht kommt dem Staat ein Freiraum zur unabhängigen Entfaltung eigener Staatlichkeit zu.274 Dieser besteht zunächst darin, dass es der Festlegung des Staates obliegt, ob er überhaupt Steuern zur Finanzierung der Staatstätigkeit oder zur Verhaltenslenkung erhebt. Entscheidet sich der Staat für die Steuererhebung, so legt er auch als Souverän fest welches Ziel ein vollständiger Steuerrechtssatz verfolgt und wie dieser inhaltlich ausgeformt ist.275 Dies bedeutet für die steuerrechtliche Lastenausteilung, dass der Staat bestimmt, inwieweit eine Person steuerlich belastungswürdig ist. Dabei legt er insbesondere fest, ob und welche Sachverhalte die Person verwirklichen muss, um eine bestimmte Steuerhöhe auszulösen. Der Staat bestimmt daher, inwieweit eine Belastungswürdigkeit besteht, die mit einer Steuererhebung einhergehen soll. Der Freiraum des Staates umfasst dabei auch die Befugnis zur Entscheidung, inwieweit Steuerrechtsätzen das Merkmal der Vollständigkeit zukommen soll. Deshalb bestimmt der Staat, ob über die herbeigeführte Steuerbelastung hinaus eine weitergehende Belastungswürdigkeit besteht, sei es in der Form, dass der besteuerte Sachverhalt einer identischen Steuer unterliegen darf oder dass nicht besteuerte Sachverhalte Belastungswürdigkeit implizieren können. Für den Bereich der steuerlichen Lenkung ist diese Vollständigkeit von besonderer Bedeutung. Entscheidet sich ein Staat für den Erlass einer Lenkungsteuer, so besteht der Freiraum des Staates darin zu entscheiden, welcher Lenkungsanreiz 273
Siehe bspw. BVerfG, Urteil v. 5. 11. 2014, 1 BvF 3/11, BVerfGE 137, S. 350 ff., 367; Tappe, Die Begründung von Steuergesetzen, 2013, S. 122 f.; Englisch, Wettbewerbsgleichheit im grenzüberschreitenden Handel, 2012, S. 613 f.; Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, 1983, S. 81 ff. Diese werden auch im Folgenden nicht näher betrachtet, da diese nicht zur Folge haben, dass ein Steuerrechtssatz als extraterritorial anzusehen wäre. Siehe hierzu Teil 2 A. II. 2. c) (aa). 274 Vogel, Über „Besteuerungsrechte“ und das Leistungsfähigkeitsprinzip im Internationalen Steuerrecht, in: Klein u. a. (Hrsg.), Steuerrecht, Verfassungsrecht, Finanzpolitik, 1994, S. 361 ff., 362; Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 187; Zuber, Anknüpfungsmerkmale und Reichweite der internationalen Besteuerung, 1991, S. 82; Ritter, Das Prinzip Rücksicht, BB, 1984, S. 1109 ff., 1112; Beale, Jurisdiction to tax, Harvard Law Review, 1919, S. 587 ff., 588. 275 Zuber, Anknüpfungsmerkmale und Reichweite der internationalen Besteuerung, 1991, S. 82; Ritter, Das Prinzip Rücksicht, BB, 1984, S. 1109 ff., 1112.
C. Die souveräne Staatsgewalt
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verfolgt wird und wie intensiv dieser angelegt sein soll. Hierdurch legt er fest, welche Sachverhalte im Sinne der Lenkung belastet und welche Sachverhalte im Verhältnis zum belasteten Verhalten gerade in der Höhe der Steuer entlastet sein sollen. Weitergehend obliegt es seiner Bestimmung, ob eine Verstärkung oder Minderung dieses Verhaltensanreizes durch eine weitergehende Be- oder Entlastung der erfassten Verhaltensweisen eintreten können soll.
C. Die souveräne Staatsgewalt – Ein Freiraum des Staates Nach dem rechtlichen Staatsbegriff wird der Staat durch die Elemente des Staatsgebietes, des Staatsvolkes und der Staatsgewalt gebildet. Die Staatsgewalt verklammert das Staatsgebiet und das Staatsvolk funktional zu einer Einheit. In diesem Sinne weist der Staat eine einheitliche Staatsgewalt auf, die in ihrer Wahrnehmung personal und gebietsbezogen ausgeübt werden kann. Prägend für den Begriff des Staates ist aber besonders das rechtliche Souveränitätsprinzip, das ein Rechtsprinzip des Völkerrechts darstellt. Es ist einerseits unabdingbare Voraussetzung des Bestehens einer Herrschaftsgewalt, andererseits wesentliches Strukturprinzip für das Nebeneinander der Staaten in der Völkerrechtsordnung. So ist wesentlicher Aussagegehalt der souveränen Gleichheit der Staaten, dass allen Staaten ein gleiches Maß an Freiheit und Unabhängigkeit zukommt und kein Staat die Befugnis besitzt, diese Freiheit und Unabhängigkeit anderer Staaten zu negieren. Das Souveränitätsprinzip sichert völkerrechtlich die Staatsgewalt in zweierlei Hinsicht in ihrem Bestand: Negativ umfasst das Souveränitätsprinzip einen Abwehrgehalt, der Einwirkungen fremder Staaten verbietet.276 Positiv ist das Souveränitätsprinzip darauf gerichtet, den Staaten einen Freiraum zur unabhängigen 276
Vor diesem Hintergrund ist die Souveränitätskonzeption auch Gegenstand umfassender Untersuchungen in Bezug auf die Integration von Staaten in Mehrebenensysteme insbesondere in Form der Europäischen Union. So kommt der Europäischen Union eine Rechtsetzungsgewalt in Form von Verordnungen und Richtlinien zu, siehe Art. 288 AEUV. Bei Richtlinien fällt dann aber die Kompetenz der Rechtsetzung in Form des Setzens normativer Vorgaben als Recht zumindest formal durch den nationalen Gesetzgeber mit der Festlegung der Regelungszwecke in der grundsätzlich nur an die Mitgliedstaaten gerichteten Richtlinie durch die Europäische Union auseinander. Welche Folgerungen sich hieraus für das Souveränitätsprinzip, die Konzeption der Rechtsetzungsgewalt aus völkerrechtlicher Sicht sowie die im Rahmen der vorliegenden Arbeit vorgeschlagene Begrenzung der weiten Rechtsetzungsgewalt ergeben, soll offen bleiben. Siehe hierzu zum Beispiel Bindschedler, Betrachtungen über die Souveränität, in: Faculté de droit Université de Genève; Institut universitaire de hautes études internationales, En hommage à Paul Guggenheim, 1968, S. 167 ff., 175 ff.; Isenbaert, EC law and the sovereignty of the member states in direct taxation, International Bureau of Fiscal Documentation: Doctoral series, Nr. 19, 2010; Schliesky, Souveränität und Legitimität von Herrschaftsgewalt die Weiterentwicklung von Begriffen der Staatslehre und des Staatsrechts im europäischen Mehrebenensystem, 2004; Bleckmann, Allgemeine Staats- und Völkerrechtslehre, 1995; Schwarze, Die Jurisdiktionsabgrenzung im Völkerrecht, 1994, S. 72 ff.
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Teil 1: Grundlagen des Staates und seiner Staatsgewalt
Entfaltung der eigenen Staatlichkeit zu gewähren. Diesen Freiraum gestaltet der Staat durch seine nach innen wahrgenommene Staatsgewalt aus. Da der Staat nur besteht, wenn er über eine Staatsgewalt verfügt, wohnt dem Staat die Befugnis zur Wahrnehmung der Staatsgewalt qua definitionem inne. Diese Staatsgewalt übt der Staat in Form der Personalhoheit bezogen auf das Staatsvolk und in Form der Gebietshoheit bezogen auf das Staatsgebiet aus. Die Gebietshoheit ist von der territorialen Souveränität abzugrenzen, in der die Gebietshoheit, die auf dem Innehaben der faktischen Macht auf einem Gebiet beruht, als gebietsbezogene Zuständigkeit zur Ausübung von Staatsgewalt ihre Grundlage findet. Dieses Gebiet ist regelmäßig nur das eigene Staatsgebiet, sodass der Einfachheit halber nur von diesem gesprochen wurde.277 Die Konzeption der Gebietshoheit wird ergänzt durch den Grundsatz der Gebietsausschließlichkeit, nach dem kein anderer Staat befugt ist, auf dem Gebiet Staatsgewalt auszuüben. Neben diese funktionalen Bezugspunkte als Strukturierungen der einheitlichen Staatsgewalt treten als Erscheinungsformen die Rechtsetzungs- und die Rechtdurchsetzungsgewalt des Staates. Die im Rahmen der vorliegenden Arbeit wesentliche Rechtsetzungsgewalt als mehraktiger Vorgang zeichnet sich dadurch aus, dass der Staat zunächst den Regelungszweck bilden wird, das zum Gegenstand die Identifikation und abstrakte Lösung eines in einem Lebensvorgang angenommenen Problems hat. Der Regelungszweck bildet die Grundlage für den Erlass eines vollständigen Rechtssatzes, in dessen Rahmen der Staat mit Blick auf seinen Regelungszweck sowohl den Inhalt des Tatbestandes als auch der Rechtsfolge bestimmt. Da die Staatsgewalt weder ihrem Inhalt noch ihrer Zweckrichtung nach begrenzt ist, obliegt es dem Staat zu entscheiden, welchen Inhalt die von ihm erlassenen Rechtsätze aufweisen und welche Regelungszwecke er verfolgt. Die fehlende inhaltliche Bindung der Staatsgewalt ist demnach gleichbedeutend damit, dass der Staat eine Rechtsnorm jeden beliebigen Inhaltes erlassen kann. Dies gilt gerade auch für das Steuerrecht: Die Steuergewalt des Staates ist Bestandteil der umfassenden Herrschaftsgewalt des Staates. Es entscheidet daher jeder Staat für sich, ob, zu welchen Zwecken und in welcher Form er Steuern erhebt. Weder ist der Steuerstaat notwendige Erscheinungsform der Staatlichkeit noch ist die Art und Weise der Steuererhebung dem Staat völkerrechtlich vorgegeben. Das Souveränitätsprinzip wird auch in Bezug auf diese Einzelgehalte der Wahrnehmung der Rechtsetzungsgewalt wirksam. Es entfaltet sich dahingehend, dass es eine souveräne Entscheidung des Staates darstellt, ob und mit welchem Inhalt er einen vollständigen Rechtssatz erlässt. Daher prägt das Souveränitätsprinzip die Freiheit des Staates, eine Rechtsnorm beliebigen Inhaltes zu erlassen. Dies beinhaltet 277 Sämtliche Ausführungen gelten aber gleichermaßen für Gebiete, über die der Staat die Gebietshoheit ausübt, ohne dass es sich um sein Staatsgebiet handelt, soweit nicht die vorrangige völkerrechtliche Verpflichtung zur Beendigung der Ausübung der Gebietshoheit besteht. Siehe hierzu IGH, Advisory Opinion v. 21. 6. 1971, Legal Consequences for States of the Continued Presence of South Africa in Namibia (South West Africa) notwithstanding Security Council Resolution 276 (1970), ICJ Reports, 1971, S. 16 ff.
C. Die souveräne Staatsgewalt
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sowohl die souveräne Entscheidung darüber, welche Regelungsanliegen der Staat verfolgt, als auch in Fortführung der Bestimmung des Regelungsanliegens die Festlegung von Tatbestand und Rechtsfolge einer Norm. Im Steuerrecht umfasst der Freiraum die Befugnis zu entscheiden, ob ein Staat sich als Steuerstaat konstituiert und in welcher Form zu welchen Zwecken der Staat Steuern erhebt. Dabei legt der Staat unabhängig fest, welche Sachverhalte in welcher Höhe steuerlich belastet und steuerlich unbelastet sein sollen und ob durch die Belastung Lenkungswirkungen bezweckt sind. Zudem bestimmt der Staat, inwieweit die Besteuerung Ausdruck umfassender Erwägungen darüber ist, welche Sachverhalte belastet, welche nicht belastet sowie in welcher Höhe belastungswürdige Sachverhalte belastet sein sollen. Diese umfassenden Wertungen können einerseits Ausdruck der Festlegung des Staates sein, dass eine Belastungswürdigkeit nicht besteht, oder aber Gerechtigkeitsüberlegungen entspringen, nach denen ein Sachverhalt unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten nicht belastet oder nur in genau der bestimmten Höhe belastet werden soll. Der so konstituierte und vor Einwirkungen geschützte Freiraum des Staates zur Entfaltung eigener Staatlichkeit besteht aber unter wesentlichen Vorbehalten. So umfasst es der Freiraum einerseits nicht, die tatsächlichen Grundlagen des Staates und seiner Existenz zu überwinden. Insoweit ist der Staat daher personal und territorial konzipiert, dass er eben nur in Bezug auf sein Staatsvolk und sein Staatsgebiet souverän ist und so tatsächliche Begebenheiten eines anderen Staatsvolkes oder Staatsgebietes nicht für sich fruchtbar machen kann. Andererseits besteht der Staat in der Völkerrechtsgemeinschaft, die Ausdruck der Koordinierung des tatsächlichen Nebeneinanders der Staaten ist. Die Freiräume der Staaten bestehen nicht überschneidungsfrei und gerade in diesen Überschneidungsbereichen entfaltet sich das Gebot der souveränen Gleichheit der Staaten, sodass ein jeder Staat die völkerrechtskonforme Souveränitätswahrnehmung des anderen Staates hinzunehmen hat. Der Freiraum besteht daher nur dem Ideal nach als absoluter Freiraum des Staates. Dies zeigt sich auch im Gebot zur Gewährung des fremdenrechtlichen Mindeststandards, das eine wesentliche Konkretisierung dieses Nebeneinanders in Form einer konkreten Abwägung des Verhältnisses der Personalhoheit eines Staates zur Gebietshoheit eines anderen Staates beinhaltet. Denn nach diesem Gebot wird der Überschneidungsbereich dahingehend minimiert, dass zuvorderst der Grundsatz der Gebietsausschließlichkeit wirksam wird und damit auf Grund der souveränen Entscheidung des Staates, Staatsangehörige fremder Staaten den Aufenthalt in seinem Staatsgebiet zu gestatten, die Personalhoheit der anderen Staaten nur beschränkt wirksam wird. Denn auf Grund dieser kann der Staat vom Staat des Aufenthaltes nur fordern, dass dieser nichtdiskriminierend, willkürlich gegenüber seinen Staatsangehörigen tätig wird. Abzulehnen sind allerdings Ansätze, die das Nebeneinander der Staaten und die Überschneidungsbereiche durch ein allgemeines Abwägungsgebot auflösen wollen. Dies würde einerseits die konkreten Ausformungen der Abgrenzung der Zustän-
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Teil 1: Grundlagen des Staates und seiner Staatsgewalt
digkeitsbereiche, die sich im Völkerrecht vereinzelt herausgebildet haben, auflösen, obwohl die souveräne Gleichheit vom Fortbestehen der Überschneidungsbereiche ausgeht. Ohnehin ist nicht erkennbar, nach welchem Maßstab eine solche Abwägung vorgenommen werden sollte. Dem Völkerrecht wohnt keine umfassende Wertordnung zur Koordinierung der Rechtsetzungsgewalten inne, den Staaten kann die Bewertung der Regelungszwecke fremder Staaten aber nicht überlassen bleiben, denn auch die Bestimmung der Wichtigkeit der Regelungszwecke ist Teil der souveränen Festlegungen der Staaten in Wahrnehmung ihrer Rechtsetzungsgewalt.
Teil 2
Die (extra-)territoriale Erstreckung der Rechtsetzung Der Staat wird, wie bisher gezeigt wurde, in Bezug auf das Staatsvolk und das Staatsgebiet278 in Ausübung seiner Staatsgewalt tätig. Diese Staatsgewalt als Rechtsetzungsgewalt unterliegt keinen inhaltlichen Beschränkungen, wodurch dem Staat mit Blick auf das Souveränitätsprinzip ein Freiraum zur unabhängigen Entfaltung eigener Staatlichkeit zukommt. Dieser Freiraum zeichnet sich dadurch aus, dass der Staat frei von äußeren Einflüssen in den Grenzen des Völkerrechts Regelungszwecke durch den Erlass von Rechtsätzen verfolgen können soll. Es zeigte sich aber bereits frühzeitig bei der Darlegung des Souveränitätsprinzips, dass dieser Freiraum nicht überschneidungsfrei besteht. Offengelassen wurde, wodurch diese Überschneidungen auftreten, insbesondere, ob sie ihren Ursprung in der (extra-)territorialen Erstreckung der Rechtsetzungsgewalt finden oder bspw. lediglich darauf beruhen, dass ein Staat im Rahmen seiner Außenpolitik die Durchsetzung der Inhalte seiner Staatsgewalt versucht. Im Rahmen des vorliegenden Abschnitts soll daher nunmehr untersucht werden, welche territoriale Reichweite der Rechtsetzungsgewalt des Staates zukommt und inwieweit hierdurch Überschneidungen der vom Souveränitätsprinzip geprägten Freiräume der Staaten zur Entfaltung eigener Staatlichkeit eintreten. Dies erfordert in einem ersten Schritt eine genaue Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes, d. h. eine Definition des Begriffes der extraterritorialen Rechtsnorm. Es wird daher zunächst dargelegt, welche territorialen Bezüge eine Rechtsnorm aufweist und in welchen Fällen die Rechtsnorm auf Grund dieser als extraterritorial anzusehen ist. Ausgehend von dieser Problembeschreibung kann sodann untersucht werden, ob und inwieweit die Rechtsetzungsgewalt eine solche
278
Soweit im Folgendem vom Staatsgebiet bzw. dem Inland gesprochen wird, liegt hierin eine Vereinfachung. Richtigerweise müsste von dem Gebiet gesprochen werden, über das der Staat die Gebietshoheit ausübt. Da dies allerdings regelmäßig nur das Staatsgebiet darstellt, siehe Teil 1 B. I. 1. b), wird zur Vereinfachung der Darstellung im Folgenden unterstellt, dass die Rechtsetzungsgewalt in Form der Gebietshoheit über das Staatsgebiet, das Inland, ausgeübt wird. Sollte die Gebietshoheit ausnahmsweise auch in Bezug auf Gebiete bestehen, die nicht zum Staatsgebiet des regelnden Staates zu zählen sind, so gelten die folgenden Ausführungen entsprechend. Siehe hierzu auch bereits Fußnote 277.
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Teil 2: Die (extra-)territoriale Erstreckung der Rechtsetzung
extraterritoriale Erstreckung der territorialen Bezüge der Rechtsnorm umfasst.279 Dabei ist Gegenstand dieses Teiles nur die grundsätzliche territoriale Reichweite der Staatsgewalt. Ob der Staat bei der territorialen Erstreckung seiner Herrschaftsgewalt etwaigen beschränkenden Normen unterliegt, soll erst in einem zweiten Schritt untersucht werden. Es wird daher zunächst aufgezeigt, welche territoriale Reichweite die Staatsgewalt auf Grund ihrer Konstitution hat und hätte, wenn beschränkende Normen nicht festzustellen wären.
A. Der extraterritoriale Steuerrechtssatz Der Begriff der Extraterritorialität ist im völkerrechtlichen Diskurs über die Zulässigkeit der extraterritorialen Rechtsetzung unterschiedlich definiert worden. Die Unterschiede in den Begriffsdefinitionen liegen darin begründet, dass die Extraterritorialität einer Rechtsnorm keinen Rechtsbegriff darstellt. Dementsprechend können für die vertretenen Begriffsdefinitionen zwei unterschiedliche Ausgangspunkte identifiziert werden.280 So kann eine Begriffsdefinition einerseits als Ausgangspunkt das Rechtsproblem im Völkerrecht heranziehen. Die Definition des Begriffes der Extraterritorialität einer Rechtsnorm folgt dann im Ausgangspunkt der Frage, nach Maßgabe welcher Voraussetzungen eine ebensolche Rechtsetzung völkerrechtlich zulässig ist. Verbreitung haben aber Begriffsdefinitionen gefunden, bei denen die Extraterritorialität als Phänomen der Rechtsetzung begriffen und auf eine enge Rückbindung der Definition an sich anschließende völkerrechtliche Fragestellungen verzichtet wird. Kennzeichen derartiger Begriffsdefinition ist, dass eine Rechtsnorm, entsprechend dem einfachen Wortsinn von ,extraterritorial‘ auf Grund bestimmter territorialer Bezüge als extraterritorial charakterisiert wird. Diese verschiedenen Ausgangspunkte einer Definition der Extraterritorialität sind aber nicht als unvereinbare Gegensätze zu verstehen. So kann eine Begriffsdefinition zunächst Elemente beider Definitionsansätze heranziehen und kombinieren, sodass das Spektrum möglicher Begriffsdefinitionen groß ist. Aber auch jene Ansätze, die Extraterritorialität als Phänomen der Rechtsetzung begreifen, müssen auf völkerrechtliche Erwägungen zurückgreifen, um zu bestimmen, welche territorialen Bezüge hinreichend sind, um von einer extraterritorialen Rechtsnorm zu sprechen. Vor diesem Hintergrund ist es wenig überraschend, dass die bisherige Debatte keine konsensfähige Definition hervorbringen konnte. Im Folgenden sollen daher zunächst die wesentlichen derzeit herangezogenen Definitionsansätze dargestellt und anschließend unter Herausarbeitung von Unterschieden und Gemeinsamkeiten 279 Zur Bedeutung einer Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes für die völkerrechtliche Untersuchung siehe insbesondere Colangel, What is extraterritorial jurisdiction?, Cornell Law Review, 2014, S. 1303 ff., 1304. 280 Diese werden sich als die logisch einzig konstruierbaren Ausgangspunkte erweisen, siehe hierzu Teil 2 A. II.
A. Der extraterritoriale Steuerrechtssatz
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kritisch gewürdigt werden, bevor hierauf aufbauend ein eigenständiger Definitionsansatz entwickelt wird, der der Arbeit im weiteren Verlauf zugrunde liegt. Die Gliederung der Darstellung der Definitionsansätze folgt hierbei den denkbaren Ausgangspunkten, d. h., es wird zwischen Definitionen unterschieden, bei denen Extraterritorialität ein ausschließlich oder zumindest primär rechtlich geprägter Begriff ist, und jenen Definitionen, bei denen Extraterritorialität überwiegend als tatsächliches Phänomen des Rechts begriffen wird. Die Darstellung weist allerdings auf Grund der Vielzahl der Begriffsdefinitionen nicht den Anspruch der Vollständigkeit auf; vielmehr sollen nur die wesentlichen Definitionsansätze und deren Unterschiede herausgearbeitet werden.281
I. Bestehende Ansätze in Literatur und Rechtsprechung 1. Extraterritorialität als völkerrechtlich geprägter Begriff Soweit erkennbar, wurde ein primär rechtlich geprägtes Begriffsverständnis zuletzt nur noch von Mann vertreten.282 Dieser verweist bei Definition des Begriffes der Extraterritorialität auf die Ausführungen von Bartolus. Nach Manns Ansicht hat Bartolus die sich noch heute stellende Frage nach der Reichweite der Regelungsgewalt zutreffend aufgeworfen. Im 13. Jahrhundert hat Bartolus, anknüpfend an den vorzufindenden Normenbestand, zwei wesentliche Fragen zur Reichweite der Regelungsgewalt formuliert: „Primo, utrum statutum porrigatur intra territorium ad non subditos? Secundo, utrum effectus statuti porrigatur extra territorum statuentium?“283
Nach der ersten Frage erweist es sich nach Bartolus als fragwürdig, inwieweit ein Gesetz auch Personen auf dem Gebiet des Staates bindet, die ihm nicht unterworfen sind. Diese Frage erklärt sich vor der damaligen Konzeption der Regelungsgewalt.284 Im 13. Jahrhundert war eine Mischung aus personal anknüpfendem und territorial 281 Siehe daher auch die Definitionen bei Monsenego, Taxation of foreign business income within the European internal market, 2012, S. 39; Ryngaert, Jurisdiction in international law, 2008, S. 6 ff.; Peters, Völkerrecht, 2. Aufl., 2008, S. 71 f.; Schwarze, Die Jurisdiktionsabgrenzung im Völkerrecht, 1994, S. 13 f.; Nerep, Extraterritorial control of competition under international law, 1983, S. 465 ff.; Mann, Studies in International Law, 1973, S. 16 ff.; Rehbinder, Extraterritoriale Wirkungen des deutschen Kartellrechts, 1965, S. 27 f.; Lehmann, Eine neue Ära der extraterritorialen Anwendung US-amerikanischen Rechts, RdW, 2010, S. 841 ff. 282 Mann, Studies in International Law, 1973, S. 17 f. 283 Zitiert nach Gamillscheg, Der Einfluss Dumoulins auf die Entwicklung des Kollisionsrechts, 1955, S. 54. 284 Vgl. zu diesen Ausführungen die umfassenden Untersuchungen von K. Neumeyer: Gutzwiller, Geschichte des Internationalprivatrechts, 1977, S. 29 ff.; Hamel, Das Wesen des Staatsgebietes, 1933, S. 3 ff.; Neumeyer, Die gemeinrechtliche Entwicklung des internationalen Privat- und Strafrechts bis Bartolus, 1916; Neumeyer, Die gemeinrechtliche Entwicklung des internationalen Privat- und Strafrechts bis Bartolus, 1901.
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Teil 2: Die (extra-)territoriale Erstreckung der Rechtsetzung
anknüpfendem Recht vorzufinden. So galten Stammesrechte auf Grund der Stammeszugehörigkeit und regelten historisch die Verhältnisse unter Stammesangehörigen. Zugleich entwickelte sich aber entsprechend den Notwendigkeiten ein Rechtssystem, das auf Grund territorialer Bezüge Geltung beanspruchte. Es sollte als Ortsrecht in einem Gebiet gelten und der Geltungsanspruch war nicht darauf beschränkt, nur Gebietsansässige zu umfassen. Vielmehr stellte das Ortsrecht einen grundlegenden territorialen Ordnungsanspruch für die Rechtsverhältnisse auf einem Gebiet auf. In diesem Konglomerat personaler und territorialer Anknüpfung warf Bartolus daher die Frage auf, wie weit die territoriale Bindung einer Norm reichen kann: Kann das Ortsrecht als territorial verknüpftes Recht auch jene binden, die nicht dem Ortsverband, der das Recht erlassen hat, zugehörig sind? Kern dieser Frage ist daher das Verhältnis von personaler und territorialer Rechtsgeltung. Nicht aufgeworfen ist in dieser ersten Frage allerdings der Auslandsbezug der territorialen Rechtsgeltung.285 Diese Problematik bildet den Kern der zweiten Fragestellung. In wörtlicher Übersetzung ist Gegenstand der zweiten Frage, ob sich die Wirkungen eines Gesetzes über das Territorium des Errichtenden hinaus erstrecken. Hierdurch wird die Frage aufgeworfen, ob die Wirkungen eines Gesetzes auf das Territorium des Staates beschränkt sind oder ob Gesetze einen Auslandsbezug aufweisen dürfen. In welchen Fällen dies anzunehmen ist, d. h., wie der Begriff der Wirkung („effectus“) bei Bartolus zu verstehen ist, wird nicht abstrakt systematisch untersucht. Vielmehr erfolgt eine entlang des Inhaltes von Rechtsnormen des Zivil- und Strafrechts gegliederte Untersuchung, inwieweit für Rechtsnormen dieses Inhaltes eine Rechtsetzung zulässig ist, bei der sich die Wirkung über das Gebiet des Staates hinaus erstreckt.286 Eine ausdrückliche Definition des Begriffes der extraterritorialen Rechtsnorm erfolgt bei Bartolus hingegen nicht. Vielmehr bildet den Ausgangspunkt der Untersuchung die – nach heutigen Maßstäben – völkerrechtliche Fragestellung nach der Befugnis, Rechtsnormen zu erlassen, deren Wirkung sich über das Territorium des Staates hinaus erstreckt. Im Rahmen dieser Untersuchung spricht Bartolus nur solchen Rechtsnormen eine extraterritoriale Wirkung zu, bei denen der Auslandsbezug zulässig ist.287 Die extraterritoriale Wirkung einer Rechtsnorm ist bei Bartolus damit untrennbar mit der Frage nach der Zulässigkeit verknüpft. Dies ist auch konsequent, da die Frage der Zulässigkeit den Ausgangspunkt der Untersuchungen bildet. Dies spricht dafür, dass nach Bartolus und in der Folge Manns eine Rechtsnorm nur dann als extraterritorial anzusehen ist, wenn eine solche Rechtsetzung auch völkerrechtskonform ist.
285 Gutzwiller, Geschichte des Internationalprivatrechts, 1977, S. 34 ff.; Gamillscheg, Der Einfluss Dumoulins auf die Entwicklung des Kollisionsrechts, 1955, S. 54, Fußnote 2. 286 Umfassend hierzu Gamillscheg, Der Einfluss Dumoulins auf die Entwicklung des Kollisionsrechts, 1955, S. 53. 287 Siehe Gamillscheg, Der Einfluss Dumoulins auf die Entwicklung des Kollisionsrechts, 1955, S. 57.
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2. Extraterritorialität als Phänomen der Rechtsetzung Die derzeitige Diskussion über die Frage der extraterritorialen Regelungsgewalt wird hingegen von einem Begriffsverständnis der extraterritorialen Rechtsnorm geprägt, das seinen Ausgangspunkt im Verständnis der Extraterritorialität als Phänomen der Rechtsetzung nimmt. Nach diesem Begriffsverständnis ist eine Rechtsnorm als extraterritorial zu charakterisieren, weil sie bestimmte Bezüge aufweist, die über das Staatsgebiet hinausreichen. Hierbei ist umstritten, welche Bezüge in Betracht kommen und welche Intensität ein solcher Bezug aufweisen muss. a) Der völkerrechtlich relevante Auslandsbezug der US-Rechtsprechung In der Rechtsprechung der US-Gerichte kommt der Frage nach der Extraterritorialität eine doppelte Bedeutung zu.288 So ist einerseits in Auslegung des nationalen Rechts zu fragen, ob eine Rechtsnorm extraterritorial anzuwenden sei. Hierbei gilt nach ständiger Rechtsprechung eine Vermutung zu Gunsten einer bloß territorialen Anwendbarkeit des nationalen Rechts. Dieser Vermutung liegt der Gedanke der völkerrechtlichen Rücksichtnahme, der soft law Regelungen der comity und Courtesy,289 zugrunde, um unbeabsichtigte Normkonflikte zu vermeiden, die Gegenstand außenpolitischer Streitigkeiten sein könnten.290 Eine extraterritoriale Erstreckung 288 Siehe hierzu grundlegend US Supreme Court, Urteil v. 24. 6. 2010, Morrison v. National Australia Bank Ltd., United Stated Supreme Court Reports 130, S. 2869 ff.; US Court of Appeals, Eleventh Circuit, Urteil v. 15. 3. 2010, 07 – 13685, US v. Frank, Federal Reporter, 3d Series 599, S. 1221 ff.; US District Court N. D. Ohio, Urteil v. 19. 10. 1964, C 64 – 597, Securities and Exchange Commission v. Jessie Briggs and Mary Louise Welchel, Federal Supplement 234, S. 618 ff.; Supreme Court of Connecticut, Urteil v. 8. 9. 1998, 15861, State v. Cardwell, Atlantic Reporter, 2d Series 718, S. 954 ff.; Supreme Court of Arizona, Urteil v. 23. 3. 1995, CR-92 – 0439-AP, State v. Willoughby, Pacific Reporter, 2d Series 892, S. 1319 ff.; SDNY, Urteil v. 25. 4. 2014, 13 Mag. 2814, In re Warrant to Search a Certain Email Account Controlled & Maintained by Microsoft Corp., Federal Supplement, 3d Series 15, S. 466 ff.; Harnad/Morris, § 36 Extraterritoriality, Corpus Juris Secundum, 2015; Dodge, Extraterritoriality and Conflict-of-Laws Theory: An Argument for Judicial Unilateralism, Harvard International Law Journal, 1998, S. 101 ff., 122 jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen aus der U.S.-Rechtsprechung. Vergleichbare Erwägungen gelten für das Verhältnis der U.S.-Bundesstaaten untereinander, siehe hierzu bspw. Supreme Court of Texas, Urteil v. 20. 10. 2006, 03 – 0737, Coca-Cola Co. v. Harmar Bottling Co., South Western Reportert, 3d Series 218, S. 671 ff.; Supreme Court of Connecticut, Urteil v. 8. 9. 1998, 15861, State v. Cardwell, Atlantic Reporter, 2d Series 718, S. 954 ff.; Harnad/Morris, § 36 Extraterritoriality, Corpus Juris Secundum, 2015 jeweils mit weiteren Nachweisen. 289 Siehe zu diesem nur Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/III, 2. Aufl., 1989, S. 74 ff. 290 US Supreme Court, Urteil v. 17. 4. 2013, 10 – 1491, Kiobel v. Royal Dutch Petroleum Co., United Stated Supreme Court Reports 133, S. 1659 ff.; US Supreme Court, Urteil v. 24. 6. 2010, Morrison v. National Australia Bank Ltd., United Stated Supreme Court Reports 130, S. 2869 ff.; US Court of Appeals, Second Circuit, Urteil v. 5. 11. 2012, 10 – 3916-cr., US v. Siddiqui, Federal Reporter, 3d Series 699, S. 691 ff.; US Court of Appeals, Eleventh Circuit,
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einer Rechtsnorm kommt daher nur dann in Betracht, wenn in Auslegung eindeutig festgestellt werden kann, dass der US Kongress der Rechtsnorm eine extraterritoriale Erstreckung beilegen wollte.291 Nur wenn eine solche extraterritoriale Erstreckung festgestellt werden kann, ist auch die Frage nach der völkerrechtlichen Zulässigkeit der Rechtsetzung aufgeworfen.292 Wird zwar insoweit Extraterritorialität einer Rechtsnorm als Phänomen der Rechtsetzung aufgefasst, so ist doch ausgehend von der völkerrechtlichen Fragestellung, inwieweit extraterritoriale Rechtsetzung zulässig ist, bestimmt worden, worin eine extraterritoriale Erstreckung zu sehen ist und in welchen Fällen daher zu prüfen ist, ob nach völkerrechtlichen Maßstäben diese Erstreckung zulässig ist.293 Allerdings ist das Begriffsverständnis nicht rechtlich geprägt; vielmehr hat die völkerrechtliche Fragestellung nur den Ausgangspunkt gebildet, um zu erkennen, welche Merkmale einer Rechtsnorm die Frage der Extraterritorialität aufwerfen. Dies ist einerseits der Fall, wenn eine Rechtsnorm Staatsangehörige erfasst, die sich nicht auf dem Staatsgebiet aufhalten, und das ausländische Verhalten dieser Personen einer Regelung unterworfen wird. Ebenso können Sachverhaltselemente, die im Ausland belegen sind, Anknüpfungspunkt einer extraterritorialen Norm sein.294 So urteilte in In re Warrant to Search a Certain Email Account Controlled & Maintained by Microsoft Corp. der Southern District Court of New York über die Zulässigkeit einer richterlichen Anordnung, die Microsoft verpflichtete, auf einem
Urteil v. 19. 6. 2008, 06 – 15388, Liquidation Commission of Banco Intercontinental v. Renta, Federal Reporter, 3d Series 530, S. 1339 ff.; US District Court N. D. Ohio, Urteil v. 19. 10. 1964, C 64 – 597, Securities and Exchange Commission v. Jessie Briggs and Mary Louise Welchel, Federal Supplement 234, S. 618 ff., 622. Vgl. auch Ryngaert, Jurisdiction in international law, 2008, S. 63 ff.; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., 1984, S. 785; Dodge, Extraterritoriality and Conflict-of-Laws Theory: An Argument for Judicial Unilateralism, Harvard International Law Journal, 1998, S. 101 ff.; Maier, Extraterritorial Jurisdiction and the Cuban Democracy Act, Florida Journal of International Law, 1993, S. 391 ff., 396 ff. 291 US Court of Appeals, Eleventh Circuit, Urteil v. 15. 7. 2010, 09 – 10461, US v. Belfast, Federal Reporter, 3d Series 611, S. 783 ff., 811; US District Court N. D. Ohio, Urteil v. 19. 10. 1964, C 64 – 597, Securities and Exchange Commission v. Jessie Briggs and Mary Louise Welchel, Federal Supplement 234, S. 618 ff., 621; Dodge, Extraterritoriality and Conflict-ofLaws Theory: An Argument for Judicial Unilateralism, Harvard International Law Journal, 1998, S. 101 ff., 122. 292 SDNY, Urteil v. 25. 4. 2014, 13 Mag. 2814, In re Warrant to Search a Certain Email Account Controlled & Maintained by Microsoft Corp., Federal Supplement, 3d Series 15, S. 466 ff. 293 US Court of Appeals, Eleventh Circuit, Urteil v. 15. 7. 2010, 09 – 10461, US v. Belfast, Federal Reporter, 3d Series 611, S. 783 ff., 811; US Court of Appeals, Eleventh Circuit, Urteil v. 15. 3. 2010, 07 – 13685, US v. Frank, Federal Reporter, 3d Series 599, S. 1221 ff.; SDNY, Urteil v. 25. 4. 2014, 13 Mag. 2814, In re Warrant to Search a Certain Email Account Controlled & Maintained by Microsoft Corp., Federal Supplement, 3d Series 15, S. 466 ff. 294 Harnad/Morris, § 36 Extraterritoriality, Corpus Juris Secundum, 2015.
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irischen Server gespeicherte Informationen herauszugeben.295 Nach Ansicht des Gerichtes seien bei Anwendung des US-amerikanischen Rechts im vorliegenden Fall keine Fragen der Extraterritorialität berührt.296 Zwar lägen die herauszugebenden Daten auf einem irischen Server. Allerdings könne Microsoft Corp. in den USA Kontrolle über die Daten ausüben und zur Beschaffung der Daten seien daher keine Handlungen außerhalb der USA erforderlich. In der Folge sei das Problem der Extraterritorialität nicht aufgeworfen.297 Maßgeblich für die Frage, ob die anzuwendende Rechtsnorm Fragestellungen der Extraterritorialität aufwirft, ist nicht, ob der Sachverhalt einen irgendwie gearteten Auslandsbezug aufweist. Vielmehr muss der Sachverhalt Auslandsbezüge aufweisen, die völkerrechtlich die Frage der Extraterritorialität aufwerfen und die für die Anwendung der nationalen Norm von Bedeutung sind. So sind Fragen der Extraterritorialität nach Ansicht des Southern District Court of New York gerade dann berührt, wenn Verhalten, das im Ausland ausgeübt wurde, pönalisiert werden soll,298 die Vollstreckung im Ausland erfolgen müsste oder eine physische Präsenz im Ausland auf Seiten des Normverpflichteten für die Befolgung der Rechtsfolge notwendig wäre.299 Demgegenüber führte der US Supreme Court in Morrison v National Australia Bank Ltd.300 aus, dass nicht jede Inlandsverknüpfung im Sachverhalt dazu führe, dass die anzuwendende Rechtsnorm keine Fragen der Extraterritorialität aufwerfe. Gegenstand des Verfahrens war die Frage, ob ausländische Investoren in Bezug auf ausländische Börsentransaktionen eine Sammelklage gegen eine inländische Bank erheben und diese Klage auf eine Vorschrift des nationalen Rechts stützen können, die der Verhinderung betrügerischen Verhaltens an Börsen dient, wenn das potentiell betrügerische Verhalten in den USA ausgeübt wurde. In Bezug auf die streitentscheidende Norm führte das Gericht aus, dass sie keine extraterritoriale Reichweite 295 SDNY, Urteil v. 25. 4. 2014, 13 Mag. 2814, In re Warrant to Search a Certain Email Account Controlled & Maintained by Microsoft Corp., Federal Supplement, 3d Series 15, S. 466 ff. 296 SDNY, Urteil v. 25. 4. 2014, 13 Mag. 2814, In re Warrant to Search a Certain Email Account Controlled & Maintained by Microsoft Corp., Federal Supplement, 3d Series 15, S. 466 ff., 472. 297 SDNY, Urteil v. 25. 4. 2014, 13 Mag. 2814, In re Warrant to Search a Certain Email Account Controlled & Maintained by Microsoft Corp., Federal Supplement, 3d Series 15, S. 466 ff., 472. 298 Entsprechende Erwägungen gelten für Handlungen, die zwar innerhalb der USA., aber in einem anderen Bundesstaat vorgenommen werden, siehe Supreme Court of Connecticut, Urteil v. 8. 9. 1998, 15861, State v. Cardwell, Atlantic Reporter, 2d Series 718, S. 954 ff., 964. 299 SDNY, Urteil v. 25. 4. 2014, 13 Mag. 2814, In re Warrant to Search a Certain Email Account Controlled & Maintained by Microsoft Corp., Federal Supplement, 3d Series 15, S. 466 ff., 475. Anderer Ansicht unter Aufhebung dieses Urteils US Court of Appeals, Second Circuit, Urteil v. 14. 7. 2016, In the Matter of a Warrant to Search a Certain E-Mail Account Controlled and Mantained by Microsoft Corporation. Der Rechtsstreit vor US Supreme Court erledigte sich durch eine klarstellende Gesetzgebung vom 22. 3. 2018. 300 US Supreme Court, Urteil v. 24. 6. 2010, Morrison v. National Australia Bank Ltd., United Stated Supreme Court Reports 130, S. 2869 ff.
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dieser Form aufweise, sondern vielmehr territorial konzipiert sei. Demnach sei die nationale Norm darauf gerichtet, inländische Börsentransaktion vor Betrugseinflüssen zu schützen. Maßgeblich für die Anwendung der Norm sei damit nicht das fragliche Verhalten, sondern der Ort, an dem die Börsentransaktion durchgeführt werde.301 Soweit im zu entscheidenden Fall eine Anwendung gefordert werde, müsste die Norm dagegen einen extraterritorialen Anwendungsbereich aufweisen. Dieser bestünde darin, dass ausländische Börsentransaktionen vor Betrugseinflüssen geschützt werden sollten. Allein das Vorliegen eines inländischen Anknüpfungsmomentes führe hingegen nicht dazu, dass der Fall insgesamt als rein territorial anzusehen sei. Da die Norm allerdings nicht den Schutz ausländischer Börsentransaktionen bezwecke, weise sie lediglich einen territorialen Anwendungsbereich auf; die Klage war abzuweisen.302 Auch wenn im vorliegenden Fall das Vorliegen einer extraterritorial anwendbaren Rechtsnorm verneint wurde, so zeigt sich, dass eine Norm auch dann als extraterritorial angesehen werden kann, wenn einzelne Elemente der Norm einen Inlandsbezug aufweisen. Entscheidend für die Einordnung ist aus Sicht des Gerichts aber, dass sich der Sinn und Zweck der Norm, hier der Schutz von Börsentransaktionen vor betrügerischen Einflüssen, (extra-)territorial verwirklichen soll. Nicht aber ist es erforderlich für die Einordnung einer Norm als extraterritorial, dass die Norm keinen irgendwie gearteten Inlandsbezug aufweist.303 Diese Feststellungen stehen im Einklang mit der Entscheidung des Supreme Court of Arizona in State v. Willoughby. Das Gericht hatte zu entscheiden, inwieweit der Staat Arizona befugt ist, einen in Arizona lebenden Mann wegen eines im Inland vorbereiteten, aber im Ausland ausgeführten Mordes an seiner Ehefrau zu verurteilen.304 Da der Mord selbst im Ausland durchgeführt wurde, ging das Gericht davon aus, dass bei Anwendung des Straftatbestandes des Mordes Fragen der Extraterritorialität berührt seien.305 Es sah allerdings darin, dass die Vorbereitungshandlungen sämtlich im Inland erfolgten, einen hinreichenden Inlandsbezug, um eine Verurteilung vorzunehmen.306 Ebenfalls in Einklang mit diesen Feststellungen urteilte der United States Court of Appeals, Eleventh Circuit in US v. Frank, inwieweit ein US Staatsangehöriger mit Wohnsitz innerhalb der USA der US-Strafgewalt unterliegt, wenn die strafbaren 301 US Supreme Court, Urteil v. 24. 6. 2010, Morrison v. National Australia Bank Ltd., United Stated Supreme Court Reports 130, S. 2869 ff., 2874. 302 US Supreme Court, Urteil v. 24. 6. 2010, Morrison v. National Australia Bank Ltd., United Stated Supreme Court Reports 130, S. 2869 ff. 303 US Supreme Court, Urteil v. 24. 6. 2010, Morrison v. National Australia Bank Ltd., United Stated Supreme Court Reports 130, S. 2869 ff., 2874. 304 Supreme Court of Arizona, Urteil v. 23. 3. 1995, CR-92 – 0439-AP, State v. Willoughby, Pacific Reporter, 2d Series 892, S. 1319 ff. 305 Supreme Court of Arizona, Urteil v. 23. 3. 1995, CR-92 – 0439-AP, State v. Willoughby, Pacific Reporter, 2d Series 892, S. 1319 ff., 1324, 1330. 306 Supreme Court of Arizona, Urteil v. 23. 3. 1995, CR-92 – 0439-AP, State v. Willoughby, Pacific Reporter, 2d Series 892, S. 1319 ff., 1330.
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Handlungen sämtlich in Kambodscha und keine Vorbereitungshandlungen in den USA vorgenommen wurden. Das Gericht stellte fest, dass eine Rechtsnorm extraterritorial angewandt werden könne, wenn der Gesetzgeber der Norm eine extraterritoriale Reichweite beimessen wollte, vorliegend also strafbare Handlungen von US Staatsangehörigen auch im Ausland pönalisiert werden sollten. Dies sei bei den fraglichen Vergewaltigungstatbeständen der Fall, sodass die Rechtsnorm in extraterritorialer Anwendung Verhalten erfassen kann, das nicht auf US-Gebiet vorgenommen wurde. Da der Angeklagte im vorliegenden Fall US-amerikanischer Staatsangehörigkeit war, sei dies auch mit internationalem Recht vereinbar. Insgesamt zeigt sich daher in der US-Rechtsprechung, dass eine Rechtsnorm dann als extraterritorial anzusehen ist, wenn die Norm in Tatbestand oder Rechtsfolge einen Auslandsbezug aufweist. Allerdings ist nicht jeder irgendwie geartete Auslandsbezug ausreichend, um von einer extraterritorialen Erstreckung der Rechtsnorm auszugehen. So hat der Southern District Court of New York in In re Warrant to Search a Certain Email Account Controlled & Maintained by Microsoft Corp. in der Belegenheit der Daten in Irland keinen relevanten Auslandsbezug gesehen, der die Frage der Extraterritorialität nach Maßstäben des Völkerrechts aufwirft. Vielmehr sind nach dieser Ansicht Auslandsbezüge insbesondere nur dann völkerrechtlich relevant und werfen die Frage der Extraterritorialität auf, wenn in Bezug auf Angehörige an ein Auslandsverhalten angeknüpft wird oder die Normbefolgung auf fremdem Gebiet erfolgen müsste. Nur in einem solchen Fall wird die Auslandsverknüpfung der Norm als geeignet angesehen, Interessen anderer Staaten zu berühren und außenpolitische Streitigkeiten auszulösen. Zudem zeigt sich in der Rechtssache Morrison v National Australia Bank Ltd., dass es hierbei entscheidend auf den Sinn und Zweck der Norm ankommt. Nur wenn das die Norm teleologisch prägende Merkmal, in dem Fall der Ort der Börsentransaktionen zu Verhinderung von Börsenbetrug, d. h. der Schutzzweck der Norm, extraterritoriale Bezüge aufweist, kann eine Norm als extraterritorial angesehen werden. b) Die spezifische Regelungsanknüpfung der GA Kokott Ein mit der US-Rechtsprechung vergleichbares Begriffsverständnis scheint GA Kokott in ihrem Schlussantrag zur Vereinbarkeit des Einbezugs des Luftverkehrs in den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten zu vertreten.307 Nach dem Regelungsregime haben Luftverkehrsbetreiber für die Emissionen aus dem Betrieb des Luftverkehrs Emissionsrechte vorzuhalten, sofern der Flug in der Europäischen Union beginnt oder endet. Dies gilt auch für Fluganteile, die nicht im Luftraum der Europäischen Union erfolgt sind. Nach Ansicht von GA Kokott führe dies aber nicht dazu, dass den Regelungen über das Emissionszertifikatesystem eine extraterrito-
307 Schlussantrag Kokott v. 6. 10. 2011, C-366/10, The Air Transport Association of America u. a., ECLI:EU:C:2011:637.
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riale Wirkung zukomme.308 Zwar sei es zutreffend, dass bei Anwendung der Regelungen auch ein Verhalten einbezogen werde, das sich außerhalb des Luftraumes der Europäischen Union vollzieht. Allerdings werde dieses Verhalten nicht zum Gegenstand einer spezifischen Regelungsanknüpfung gemacht. Fehle es an einer solchen spezifischen Regelungsanknüpfung, so könne der Regelung keine extraterritoriale Wirkung zukommen.309 Nach dieser Ansicht ist eine Rechtsnorm daher nur dann als extraterritorial zu charakterisieren, wenn Geschehnisse oder Umstände im Ausland gerade zum Gegenstand der rechtlichen Regelung werden sollen, bspw., indem im Ausland ein bestimmtes Verhalten vorgeschrieben wird.310 Nicht aber soll es wie, im zu entscheidenden Fall, ausreichen, wenn Umstände in einer Regelung berücksichtigt werden und diese Regelung lediglich ein Verhalten im Gebiet des Staates vorschreibt, selbst wenn hierdurch Verhaltensänderungen im Ausland bewirkt werden. c) Die Regelung von Auslandssachverhalten Während GA Kokott eine Rechtsnorm nur dann als extraterritorial charakterisieren will, wenn ein Auslandssachverhalt einer Regelung zugeführt wird, die unmittelbare Rechtsfolgen nicht alleinig territorial bewirkt, wird in Teilen der Literatur eine zumindest teilweise weniger restriktive Ansicht vertreten. Hiernach ist es für die Charakterisierung einer Rechtsnorm als extraterritorial ausreichend, wenn Gegenstand der Regelung ein Auslandssachverhalt ist. So sind nach Castel extraterritoriale Rechtsnormen solche Rechtsnormen, die Anwendung finden auf Personen, Handlungen oder Vermögen, soweit sich diese Merkmale außerhalb der Staatsgrenzen befinden.311 Eine extraterritoriale Rechtsnorm zeichnet sich daher dadurch aus, dass der Tatbestand an Personen, Handlungen oder Vermögen anknüpft, die oder das sich nicht innerhalb des Staatsgebietes befinden. Ausreichend ist, dass die Rechtsfolgen (auch) dann eintreten, wenn einzelne Tatbestandselemente Sachverhalte erfassen, die dem Ausland zuzuweisen sind. Charakteristikum einer extraterritorialen Rechtsnorm ist nach Castel daher die Regelung von Auslandssachverhalten, wobei als Sachverhaltselemente Personen, Handlungen oder Vermögensgegenstände in Betracht kommen.
308 Schlussantrag Kokott v. 6. 10. 2011, C-366/10, The Air Transport Association of America u. a., ECLI:EU:C:2011:637, Rn. 145 ff. 309 Schlussantrag Kokott v. 6. 10. 2011, C-366/10, The Air Transport Association of America u. a., ECLI:EU:C:2011:637, Rn. 147. 310 Siehe hierzu die Beispiele in Schlussantrag Kokott v. 6. 10. 2011, C-366/10, The Air Transport Association of America u. a., ECLI:EU:C:2011:637, Rn. 145. 311 Castel, The extraterritorial effects of antitrust laws, 1984, S. 24: „[…] if it applies to persons, acts or property that are beyond its borders.“
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Auch nach Ipsen zeichnet sich eine extraterritoriale Rechtsnorm dadurch aus, dass die Norm an einen sich im Ausland verwirklichten Sachverhalt anknüpft.312 Nach Ipsen bewirkt eine extraterritoriale Rechtsnorm eine Regelung eines auslandsbezogenen Sachverhaltes. In diesen Fällen findet eine Rechtsnorm Anwendung auf Sachverhalte, die sich zumindest nicht ausschließlich im Inland zugetragen haben, und führt diese einer Regelung zu. Denkbare Auslandsbezüge liegen nach Ipsen darin, dass die Regelung Personen, Vermögen oder Handlungen zum Gegenstand einer Regelung macht, die sich außerhalb des Staatsgebietes befinden.313 Hiernach kann aber nicht jeder Auslandsbezug dazu führen, dass eine Norm als extraterritorial anzusehen ist, denn Voraussetzung ist das tatbestandliche Anknüpfen der Norm an den Auslandsbezug im Sachverhalt. Ipsen spricht davon, dass der „sachliche Anwendungsbereich“ nicht auf das Staatsgebiet begrenzt ist.314 Nicht erfasst ist damit bspw. eine Rechtsnorm, bei der im konkreten Fall die tatsächliche Erfüllung einer Geldleistungspflicht einer inländischen Person, die sich auf ein inländisches Verhalten der Person stützt, tatsächlich nur von einem ausländischen Konto möglich ist. d) Die Auslandsanknüpfung und -anordnung Abweichend von diesen Ansichten führt Meng aus, dass sowohl eine Auslandsanknüpfung als auch eine Auslandsanordnung die Charakterisierung einer Rechtsnorm als extraterritorial zur Folge hätten.315 Eine Auslandsanknüpfung liegt vor, wenn eine Rechtsnorm tatbestandlich Sachverhaltselemente erfasst, die sich im Ausland befinden. Demgegenüber liegt die Auslandsanordnung darin, dass sich die Rechtsfolge außerhalb des Staatsgebietes auswirken soll. Zudem kann nach Meng eine Rechtsnorm eine Auslandsanknüpfung mit einer Auslandsanordnung kombinieren, ebenso sei es aber möglich, dass eine Auslandsanknüpfung eine rein innerstaatliche Rechtsfolge begründe oder eine tatbestandlich territorial beschränkte Norm eine Auslandsanordnung beinhalte.316 Dieses Begriffsverständnis geht über die in Abschnitt c) angeführten Definitionsansätze hinaus, indem auch Auslandsbezüge auf Rechtsfolgenebene dazu führen können, dass eine Rechtsnorm als extraterritorial anzusehen ist. Auf Tatbestandsebene äußern sich die extraterritorialen Bezüge einer Rechtsnorm durch die personale oder sachliche Anknüpfung einer Norm, wenn die Bezüge der Anknüpfung sich im Ausland befinden. Die potentiellen Bezüge differenziert Meng weiter aus. Hiernach sei eine Anknüpfung an „Personen, Sachverhalte, Sachen, Vermögensgegenstände oder Rechtsverhältnisse“317 möglich. Immer dann, wenn 312 313 314 315 316 317
Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 117. Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 117 f. Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 117 f. Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 74. Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 74 f. Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 75.
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Teil 2: Die (extra-)territoriale Erstreckung der Rechtsetzung
sich diese im Ausland „befinden“318, liegt eine Auslandsanknüpfung vor, mit der Folge, dass die Rechtsnorm als extraterritorial anzusehen ist. Auf Rechtsfolgenebene liegt eine Auslandsanordnung immer dann vor, wenn sich die Rechtsfolge im Ausland auswirken soll. Als Rechtsfolgen unterscheidet Meng hierbei Handlungs- oder Unterlassungspflichten, Ermächtigungen, Berechtigungen oder die Herstellung einer Rechtslage. Die Rechtsfolge liege dann im Ausland, wenn die Handlung oder Unterlassung im Ausland erfolgen soll, die Ermächtigung oder Berechtigung im Ausland wahrgenommen werden soll oder eine ausländische Rechtslage begründet oder modifiziert wird.319 Eine Auslandsanordnung liege allerdings dann nicht vor, wenn sich die Rechtsnorm lediglich tatsächlich im Ausland auswirkt. Sofern die Auswirkungen lediglich auf einer „tatsächlichen Verflechtung von Lebensbereichen“ beruhen, sollen diese Auswirkungen das Problem der Extraterritorialität nicht aufwerfen, selbst, wenn die Regelung hierauf abzielt.320 Ebenso wie Meng will auch Schlochauer nicht jeden Auslandsbezug genügen lassen, um von einer extraterritorialen Rechtsnorm auszugehen. Nach Schlochauer zeichnet sich eine extraterritoriale Rechtsnorm dadurch aus, dass die Auswirkungen nicht auf das Staatsgebiet beschränkt sind, sondern darüber hinaus wirken.321 Diese können, so die folgenden Ausführungen, sowohl durch die tatbestandliche Anknüpfung an im Ausland befindliche Personen oder Sachen als auch durch die unmittelbare Bewirkung von Rechtsfolgen im Ausland eintreten.322 Auf Grund der Rechtsfolgen, die eine Rechtsnorm zeitigt, ist sie allerdings nur dann als extraterritorial anzusehen, wenn sie unmittelbare Auswirkungen auf das Ausland hat. Bloß mittelbare Auswirkungen von Normen, die Rechtsfolgen territorial setzen, wie bspw. Regelungen über die Einfuhr von Sachen oder den Grenzübertritt von Personen, sollen hingegen nicht genügen; andernfalls führe dies dazu, dass der Begriff der extraterritorialen Rechtsnorm jede Kontur verliere.323 e) Die Auslandsverknüpfung eines Sachverhalts Weitere Teile der Literatur lehnen allerdings derartige der Eingrenzung dienende Kriterien ab und wollen auch weitere bloß tatsächliche Auswirkungen genügen lassen, um eine Rechtsnorm als extraterritorial anzusehen. Nach Ziegenhain ist lediglich eine Auslandsverknüpfung des der Regelung zugrunde liegenden Sachverhaltes erforderlich.324 Diese Auslandsverknüpfung könne 318
Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 75. Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 75. 320 Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 76 f. 321 Schlochauer, Die extraterritoriale Wirkung von Hoheitsakten, 1962, S. 10. 322 Schlochauer, Die extraterritoriale Wirkung von Hoheitsakten, 1962, S. 11. 323 Schlochauer, Die extraterritoriale Wirkung von Hoheitsakten, 1962, S. 11. 324 Ziegenhain, Extraterritoriale Rechtsanwendung und die Bedeutung des Genuine-LinkErfordernisses, 1991, S. 2. 319
A. Der extraterritoriale Steuerrechtssatz
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sowohl auf Tatbestands- als auch Rechtsfolgenebene erfolgen. Auf Tatbestandsebene äußere sie sich in einer Anknüpfung an Vorgänge, die sich im Ausland ereignen, oder darin, dass die Regelung Personen erfasst, die sich im Ausland aufhalten. Auf Rechtsfolgenebene liegt eine Auslandsverknüpfung dann vor, wenn die Rechtsnorm Wirkungen im Ausland zur Folge hat. Ziegenhain lässt auch rein tatsächliche Auswirkungen im Ausland ausreichen, um von einer Auslandsverknüpfung auszugehen. Insbesondere scheidet eine Auslandsverknüpfung nicht dadurch aus, dass die Wirkungen im Ausland ungewollt entstehen. Die Untersuchung von Lowe konzentriert sich für den Bereich des Wirtschaftsrechts auf die Frage, unter welchen Bedingungen eine Rechtsnorm als extraterritorial anzusehen ist. Dies sei nach seinen Ausführungen der Fall, wenn ein Staat ausländisches Verhalten oder aber inländisches Verhalten ausländischer Unternehmen regulieren will. Es könne dann, wenn auch der ausländische Staat Regelungen darüber erlässt, wie sich dort operierende Unternehmen zu verhalten haben, zu Regelungskonflikten zwischen der Regulierung des ausländischen Staates mit den Zielen oder Auswirkungen der Regelungen des Ursprungsstaates kommen.325 Hiernach kommt sowohl tatbestandlich als auch auf Rechtsfolgenebene eine Auslandsverknüpfung in Betracht. Eine Auslandsverknüpfung auf Rechtsfolgenebene ist hierbei nicht auf intendierte Wirkungen der Regelungen begrenzt, vielmehr kommen auch andere Wirkungen in Betracht.326 Diese Wirkungen müssen, wenn sie nicht dem Zweck der Regelung entsprechen und intendiert sein sollen, rein tatsächliche Auswirkungen darstellen. Demnach vertritt auch Lowe eine weite Konzeption des Konzeptes der Auslandsverknüpfung. Auf Grund der Weite des Konzeptes der Extraterritorialität unternimmt Kamminga nicht den Versuch einer abschließenden Begriffsdefinition,327 vielmehr wird das Konzept insbesondere nach Teilbereichen anhand von Beispielen dargestellt. Bezüglich der tatbestandlichen Anknüpfungspunkte einer extraterritorialen Verhaltensregelung führt er aus, dass eine Anknüpfung an Personen, Vermögensgegenstände oder Vorgänge, die sich nicht auf dem Territorium des Staates befinden, denkbar ist.328 Hierbei geht er abweichend von GA Kokott davon aus, dass der Einbezug nicht-inländischer Streckenanteile in den Emissionshandel eine tatbestandliche extraterritoriale Anknüpfung sei, sodass die Emissionshandelsrichtlinie eine extraterritoriale Rechtsetzung darstelle.329 Auf Rechtsfolgenebene können Wirkungen auf das Ausland dazu führen, dass eine Rechtsnorm als extraterritorial 325
Lowe, Extraterritorial jurisdiction, 1983, S. 15. Lowe spricht insoweit von „objects or effects“, siehe Lowe, Extraterritorial jurisdiction, 1983, S. xv. 327 Kamminga, Extraterritoriality, in: Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law, S. 2. 328 Kamminga, Extraterritoriality, in: Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law, S. 1. 329 Kamminga, Extraterritoriality, in: Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law, S. 19. 326
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Teil 2: Die (extra-)territoriale Erstreckung der Rechtsetzung
anzusehen ist, selbst wenn die Auswirkungen rein tatsächlicher Natur sind. Als Beispiele nennt Kamminga wirtschaftliche Embargo-Politiken, die den Export in ein bestimmtes Land verbieten, um hierdurch bestimmte Politikänderungen im anderen Staat herbeizuführen, wie 1981 und 1982 durch die USA in Bezug auf die Politik der Sowjetunion in Polen.330 Ob zumindest erforderlich ist, dass die Rechtsnorm die tatsächlichen Auswirkungen auf das Ausland intendieren muss, bleibt offen.331 3. Zwischenfazit Die Ausführungen über die derzeit herangezogenen Definitionsansätze zeigen, dass erhebliche Unterschiede bei der Frage bestehen, unter welchen Umständen eine Rechtsnorm als extraterritorial anzusehen ist. Diese sind, wie ausgeführt, auf die unterschiedlichen Ansätze der Begriffsdefinition zurückzuführen. Teilweise wird hierbei auf die völkerrechtliche Fragestellung zurückgegriffen, teilweise wird aber auch versucht, den Begriff unabhängig der sich anschließend stellenden völkerrechtlichen Fragestellungen zu bestimmen. Dementsprechend schwanken die vorgestellten Ansichten zwischen sehr engen Begriffsdefinitionen, die eine Norm nur dann als extraterritorial charakterisieren, wenn die Rechtsnorm mit völkerrechtlichen Voraussetzungen nicht vereinbar ist, wenn die Rechtsnorm völkerrechtlich relevant die Regelung eines Auslandssachverhaltes zum Gegenstand hat oder wenn die Regelung eine völkerrechtlich relevante Auslandsverknüpfung auf Tatbestandsoder Rechtsfolgenebene aufweist, und weitergehenden Ansätzen, nach denen eine Rechtsnorm dann als extraterritorial anzusehen ist, wenn tatbestandlich an ausländische Sachverhaltselemente angeknüpft wird, wenn die Regelung auf Tatbestandsoder Rechtsfolgenebene auslandsverknüpft ist oder wenn lediglich auf Tatbestandsoder Rechtsfolgenebene rein tatsächliche Auswirkungen auf das Ausland bestehen, unabhängig der gesetzgeberischen Intention oder Zwecke. Da die diskutierten Definitionsansätze derart vielfältig sind, gilt es nunmehr, eine Begriffsdefinition für die Zwecke der vorliegenden Arbeit zu entwickeln. Hierbei sind die bisherigen Definitionsansätze mit Blick auf ihre strukturellen Unterschiede kritisch zu würdigen. Dabei ist zunächst zu erörtern, ob eine Begriffsdefinition Überlegungen des Völkerrechts zum Ausgangspunkt nehmen oder aber die extraterritoriale Rechtsnorm als Phänomen der Rechtsetzung begreifen sollte. Zudem ist zu untersuchen, in welchen Fällen jeweils auf Tatbestands- und Rechtsfolgenebene davon ausgegangen werden kann, dass der Tatbestand oder die Rechtsfolge Bezüge zum Ausland aufweist. Auf Rechtsfolgenebene ist hierbei besonders zu fragen, ob 330
Siehe hierzu die Reden von Ronald Reagan am 29. Dezember 1981 und 18. Juni 1982, Reagan, Statement on the Extension of United States Sanctions on the Export of Oil and Gas Equipment to the Soviet Union, 1982.; Reagan, Statement on U.S. Measures Taken Against the Soviet Union Concerning Its Involvement in Poland, 1981. 331 Kamminga, Extraterritoriality, in: Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law, S. 17.
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auch jedwede tatsächliche, nicht intendierte Auswirkung dazu führen sollte, eine Rechtsnorm als extraterritorial anzusehen.
II. Extraterritorialität als Auslandsverknüpfung in Tatbestand und Rechtsfolge Der Begriff der extraterritorialen Rechtsnorm stellt keinen Rechtsbegriff des Völkerrechts dar; so kann im Völkerrecht keine Rechtsnorm identifiziert werden, die den Begriff der extraterritorialen Rechtsnorm definiert oder ausdrücklich beinhaltet. Vor diesem Hintergrund haben die bisherigen Definitionsansätze entweder eine Begriffsdefinition ausgehend von der völkerrechtlichen Fragestellung entwickelt, an der die Frage der Befugnis der extraterritorialen Rechtsnorm zu messen ist, oder aber versucht, Extraterritorialität als Phänomen der Rechtsetzung zu verstehen. Hierbei handelt es sich auch um die beiden denkbaren Ausgangspunkte einer Definition des Begriffes der Extraterritorialität im vorliegenden Kontext: Da die Frage nach der völkerrechtlichen Zulässigkeit der extraterritorialen Rechtsetzung aufgeworfen ist, kann eine Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes ihren Ausgangspunkt entweder in der Frage der völkerrechtlichen Zulässigkeit oder aus der Perspektive der Rechtsetzung im Begriffspaar ,extraterritoriale Rechtsnorm‘ nehmen. Wird die völkerrechtliche Zulässigkeit in den Vordergrund gestellt, so beinhaltet eine Definition des Begriffes der extraterritorialen Rechtsnorm jene Merkmale der Rechtsnorm, die für die Beurteilung der völkerrechtlichen Zulässigkeit maßgebend sind. Wird hingegen das Verständnis des Begriffspaares als Ausgangspunkt gewählt, so spielen bei der Begriffsdefinition völkerrechtliche Überlegungen lediglich eine untergeordnete Rolle und das Verständnis ist geprägt davon, dass die extraterritoriale Rechtsnorm eine spezifische Erscheinungsform der Rechtsetzung darstellt. Im Folgenden wird daher untersucht, welcher Ausgangspunkt mit Blick auf die Fragestellung geeignet ist, um eine vollständige Betrachtung der völkerrechtlichen Zulässigkeit der extraterritorialen Rechtsetzung zu ermöglichen. 1. Bedenken gegen eine völkerrechtliche Ausrichtung Im Rahmen einer genauen Betrachtung zeigt sich, dass gegen eine Entwicklung der Begriffsdefinition und Begrenzung des Untersuchungsgegenstandes aus der völkerrechtlichen Fragestellung heraus im vorliegenden Zusammenhang erhebliche Bedenken bestehen müssen.
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Teil 2: Die (extra-)territoriale Erstreckung der Rechtsetzung
a) Struktur eines völkerrechtlich geprägten Untersuchungsgegenstandes Charakteristisches Merkmal der Ansätze, die eine völkerrechtlich geprägte Begriffsdefinition wählen, ist die Ausrichtung der Begriffsdefinition an ebenjener völkerrechtlichen Norm, anhand derer die völkerrechtliche Zulässigkeit zu messen ist. Diese Norm bildet daher einerseits den Ausgangspunkt der Bestimmung des Untersuchungsgegenstandes, andererseits den Kern der Untersuchung selbst. Die völkerrechtliche Norm, die Ausgangspunkt der Begriffsdefinition und Untersuchungsgegenstand der Arbeit ist, beinhaltet das Werturteil, ob eine extraterritoriale Rechtsnorm völkerrechtlich zulässig oder unzulässig ist. Ausgehend hiervon weist diese Rechtsnorm eine spezifische Struktur auf, wie sie Abb. 1 entnommen werden kann.
Rechtsnorm des Völkerrechts Tatbestand
Rechtsfolge
der Rechtsnorm
extraterritorialen Rechtsetzung
rechtmäßig
Extraterritoriale Merkmale
rechtswidrig
Völkerrechtliche Voraussetzungen der
Abb. 1: Struktur der untersuchten Rechtsnorm des Völkerrechts
Rechtsfolge dieser völkerrechtlichen Norm ist die Bestimmung, ob die Setzung einer extraterritorialen Rechtsnorm rechtmäßig oder rechtswidrig ist. Dieses Werturteil in Bezug auf eine Rechtsnorm ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Welche dies sind, wird gerade durch die Norm des Völkerrechts festgelegt. Sie finden Niederschlag im Tatbestand, da der Tatbestand all jene Elemente umfasst, die für den Eintritt der Rechtsfolge von Bedeutung sind. Der Tatbestand einer völkerrechtlichen Norm, die ein Werturteil über die Zulässigkeit der extraterritorialen Erstreckung einer Rechtsnorm trifft, muss daher tatbestandlich zumindest jene Elemente benennen, die mit Blick auf die territoriale Erstreckung völkerrechtlich relevant sind. Dem Tatbestand der völkerrechtlichen Rechtsnorm kann damit einerseits entnommen werden, welche territorialen Bezüge einer Rechtsnorm völkerrechtlich relevant sind und andererseits unter welchen Voraussetzungen dieser territoriale Bezug völkerrechtlich nicht zu beanstanden ist. In diesem Zuge kann auch eine Anknüpfung an weitere Elemente der Rechtsnorm oder der Rechtsordnung erfolgen. b) Verengungstendenzen einer völkerrechtlichen Begriffsdefinitionen Erfolgt zur Definition des Begriffes der extraterritorialen Rechtsnorm eine Anknüpfung an die in Abb. 1 ihrer Struktur nach skizzierte Rechtsnorm des Völker-
A. Der extraterritoriale Steuerrechtssatz
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rechts, so kommt eine Anknüpfung an die völkerrechtliche Norm insgesamt ebenso in Betracht wie eine auf den Tatbestand beschränkte Anknüpfung. Wird an die völkerrechtliche Rechtsnorm insgesamt zur Begriffsdefinition angeknüpft, so umfasst die Anknüpfung auch die Rechtsfolgenseite der völkerrechtlichen Norm. Daher kann als extraterritoriale Rechtsnorm nur eine Regelung angesehen werden, die entweder in rechtmäßiger oder rechtswidriger Art und Weise extraterritorial gesetzt wurde. In einem solchen Fall wäre die Untersuchung entweder darauf beschränkt, die Voraussetzungen der rechtmäßigen extraterritorialen Erstreckung einer Rechtsnorm herauszuarbeiten oder aber die Grenzen ebendieser Erstreckung zu bestimmen; eine zeitgleiche Untersuchung beider Fragestellungen ist bei einer strikten Orientierung der Begriffsdefinition und des Untersuchungsgegenstandes an der völkerrechtlichen Fragestellung hingegen nicht möglich, da eine extraterritoriale Rechtsnorm entweder eine Norm ist, die völkerrechtskonform ist, oder aber eine Norm ist, die auf Grund der territorialen Reichweite völkerrechtswidrig ist. Es könnten daher lediglich die Voraussetzungen der Rechtmäßigkeit oder der Rechtswidrigkeit benannt werden. Sollen hingegen sowohl die Voraussetzungen der Rechtmäßigkeit als auch diejenigen Merkmale, die zur Rechtswidrigkeit führen, herausgearbeitet werden, so müssten beide Begriffsansätze zeitgleich gewählt werden. Eine solche zeitgleiche Untersuchung der Voraussetzungen und Grenzen der extraterritorialen Erstreckung einer Rechtsnorm beinhaltet letztendlich eine Ausrichtung der Begriffsdefinition am Tatbestand der in Abb. 1 skizzierten Norm des Völkerrechts. Hiernach wäre eine extraterritoriale Rechtsnorm dadurch gekennzeichnet, dass ein völkerrechtlich relevanter territorialer Bezug besteht. Ein solcher Bezug kann dann festgestellt werden, wenn die völkerrechtliche Norm an den territorialen Bezug anknüpft und für diesen Bezug weitergehende völkerrechtliche Voraussetzungen bestimmt, die erfüllt sein müssen, damit nach völkerrechtlichen Maßstäben eine Befugnis zur Setzung einer derartigen Rechtsnorm besteht. Ein so bestimmter Untersuchungsgegenstand vermag aber solche territorialen Bezüge nicht zu erfassen, die nicht Gegenstand weiterer völkerrechtlicher Voraussetzungen sind. Immer dann, wenn Bezüge bestehen, die per se völkerrechtskonform sind, wäre der so bestimmte Untersuchungsgegenstand enger im Vergleich zu einem Untersuchungsgegenstand, der zum Gegenstand der Untersuchung jedweden extraterritorialen Bezug wählt. Bereits dies spricht gegen eine derartige Ausrichtung der Begriffsdefinition, da so per se völkerrechtskonforme territoriale Erstreckungen nicht identifiziert werden könnten. c) Die Notwendigkeit eines Vorverständnisses Gegen eine tatbestandliche Anknüpfung sprechen auch weitere Gesichtspunkte. So kann bei einer rechtlichen Prägung des Begriffsverständnisses durch den Tatbestand der völkerrechtlichen Norm gerade zu Beginn der Untersuchung der Un-
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Teil 2: Die (extra-)territoriale Erstreckung der Rechtsetzung
tersuchungsgegenstand nicht beschrieben werden. Vielmehr ist die nähere Bestimmung des Tatbestandes und damit des Untersuchungsgegenstandes Kern der völkerrechtlichen Analyse. Vor diesem Hintergrund ist der Untersuchungsgegenstand nicht nur ex-ante nicht bestimmbar, sondern die Erkenntnis, die in der vorliegenden Arbeit in Bezug auf den Untersuchungsgegenstand gewonnen werden kann, wäre relativ zum gewählten Untersuchungsgegenstand: So ist einerseits die völkerrechtliche Analyse auf den Untersuchungsgegenstand beschränkt. Andererseits bestimmt bei einer rechtlichen Prägung der Begriffsdefinition die Erkenntnis der völkerrechtlichen Analyse den Untersuchungsgegenstand. Auf Grund dieser wechselseitigen Beziehung ist die gewonnene Erkenntnis relativ zum ex-ante gewählten Untersuchungsgegenstand. Da dieser nicht ex-ante bestimmt ist, ergibt sich hierdurch eine zirkuläre Beziehung zwischen dem Untersuchungsgegenstand und der Erkenntnis der Untersuchung. Eine solche zirkuläre Struktur lässt sich auch nicht in jedem Fall auflösen. Für jede gewählte Begrenzung des Untersuchungsgegenstandes lässt sich eine Erkenntnis aus der Untersuchung ziehen, ohne dass sich hierdurch zeigt, dass der Untersuchungsgegenstand in Bezug auf den Erkenntnisgewinn zu eng gewählt wurde. Es lässt sich daher im Allgemeinen mehr als ein Zustand denken, in dem eine Kongruenz von Untersuchungsgegenstand und Erkenntnisgewinn besteht, sodass kein Untersuchungsgegenstand nach dem Maßstab der völkerrechtlichen Relevanz als zu eng erscheint. Dabei besteht bei einem rechtlich geprägten Definitionsansatz keine Hierarchie zwischen den so bestimmten Untersuchungsgegenständen. Ohne ein Vorverständnis lässt sich daher nicht bestimmen, welcher Definitionsansatz den Untersuchungsgegenstand vollumfänglich beschreibt. Der vermeintlich weitere Definitionsansatz kann mit Blick auf den engeren Definitionsansatz als zu weit bezeichnet werden, ebenso ist die umgekehrte Einordnung möglich. Auf Grund der Kongruenz zwischen dem Untersuchungsgegenstand und dem Erkenntnisgewinn muss eine Auswahl zwischen diesen gleichermaßen geeigneten Untersuchungsgegenständen daher willkürlich erfolgen. Eine Vermeidung dieser willkürlichen Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes kann nur gelingen, wenn ein geeignetes Vorverständnis, also ein anderweitig gewonnenes Verständnis vom Begriff der extraterritorialen Rechtsnorm, zugrunde gelegt wird, das den Untersuchungsgegenstand vollumfänglich beschreibt. An diesem Vorverständnis kann ein relativ gewonnener Untersuchungsgegenstand gemessen werden und es lässt sich bestimmen, welcher der Untersuchungsgegenstände aus der Menge der Untersuchungsgegenstände, die unter relativen Gesichtspunkten alle gleichsam geeignet erscheinen, die Frage der Befugnis zur Setzung extraterritorialer Rechtsnormen vollumfänglich erfasst. Es erscheint dann aber nicht zielführend, nicht bereits an diesem geeigneten Vorverständnis die Untersuchung auszurichten. Dass ein derartiges Vorverständnis gewonnen werden kann, zeigen die vorherrschenden Ansätze zur Erfassung der extraterritorialen Rechtsnorm als tatsächliches Phänomen der Rechtsetzung.
A. Der extraterritoriale Steuerrechtssatz
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Vor diesem Hintergrund ist für die Zwecke der vorliegenden Arbeit eine völkerrechtlich geprägte Begriffsdefinition abzulehnen. Dies gilt auch für einen Ausgangspunkt im Sinne der US-amerikanischen Rechtsprechung, denn dieser liegen im Wesentlichen Überlegungen der völkerrechtlichen Rücksichtnahme zugrunde. Demgemäß ist auch dieses geprägt von Vorverständnissen über die grundsätzliche Zuständigkeitsverteilung, wie insbesondere die Rechtssache Morrison v National Australia Bank Ltd. Zeigt. Denn die dort zu behandelnde Rechtsnorm sei deswegen territorial konzipiert, weil sie nur inländische Börsentransaktionen schütze. Gleichwohl schützt sie aber vor betrügerischem Verhalten im Ausland, das unmittelbar die inländischen Handelsplätze betrifft, weshalb eine Einordnung als extraterritorial eher nahe denn fern liegt.332
2. Der extraterritoriale Rechtssatz nach dem einfachen Wortsinn Einzig verbleibendes Vorverständnis, das nicht durch derartige Verengungen geprägt ist, ist daher ein Vorverständnis, das vom einfachen Wortsinn ausgeht. Denn insoweit gilt, dass der Begriff der „extraterritorialen Rechtsnorm“ beschreibend für ein tatsächliches Phänomen der Rechtsetzung verwendet wird. Die Bedeutung dieses Wortsinnes im weitestes Sinne ist dann aber geeigneter Ausgangspunkt, um dieses tatsächliche Phänomen umfassend zu erfassen und strukturieren können. Ausgehend hiervon kann sodann in kritischer Betrachtung der so gefundenen Fragestellungen eine geeignete Definition des Untersuchungsgegenstandes entwickelt werden. Diesen Ansatz verfolgt die Arbeit im Folgenden, indem ausgehend von einer Beschreibung der Rechtsnorm die territorialen Bezüge entwickelt werden. Dabei wird jeweils für Tatbestand und Rechtsfolge, vergleichbar mit der Auslegung einer Rechtsnorm, mit dem Begriffskern begonnen, um sodann zu fragen, ob weitere extraterritoriale Merkmale zu der so im Kern liegenden Fragestellung hinzuzählen sind oder ob diese eine eigene Fragestellung betreffen. Im Kern der Untersuchung liegt nach dem einfachen Wortsinn des zusammengesetzten Terminus „extraterritoriale Rechtsnorm“, unter welchen Bedingungen die Rechtsnorm selbst als ,extraterritorial‘ angesehen werden kann. Unter Berücksichtigung des Wortsinns von ,extraterritorial‘ ist eine Norm dann als extraterritorial anzusehen, wenn sie territoriale Bezüge aufweist, die über einen maßgeblichen Bezugsrahmen hinausreichen.333 Wie der maßgeblich Bezugsrahmen zu bilden ist, ist anerkannt: Sämtliche dargestellten Ansichten, ob völkerrechtlich geprägt oder vom einfachen Wortsinn ausgehend, haben das Territorium des Staates als Bezugsrahmen zugrunde gelegt. Dem wird auch hier gefolgt, denn es hat sich bei Darlegung der Grundlagen der Rechtsetzungsgewalt als Staatsgewalt in Teil 1 A. II. 1. sowie Teil 1 332
Siehe insoweit die Urteilsbegründung US Supreme Court, Urteil v. 24. 6. 2010, Morrison v. National Australia Bank Ltd., United Stated Supreme Court Reports 130, S. 2869 ff., 2874 ff. 333 Colangel, What is extraterritorial jurisdiction?, Cornell Law Review, 2014, S. 1303 ff., 1305.
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B. I. 1. b) gezeigt, dass das der Gebietshoheit des Staates unterstehende Gebiet völkerrechtlich der wesentliche territoriale Bezugspunkt der Staatsgewalt ist, das zumeist dem Staatsgebiet des Staates entspricht. Der territoriale Bezugsrahmen für die Frage der Extraterritorialität einer Rechtsnorm wird daher durch dieses Territorium des Staates gebildet. Eine ,extraterritoriale Rechtsnorm‘ zeichnet sich daher dadurch aus, dass die territorialen Bezüge der Rechtsnorm sich nicht auf das Territorium des Staates beschränken, sondern über dieses hinausreichen.334 Hierbei ist in Übereinstimmung mit Vogel335 zwischen der ,transitiven‘ und ,intransitiven‘ Anwendung der Rechtsnorm zu unterscheiden. Unter der ,intransitiven‘ Anwendung der Rechtsnorm versteht dieser die Geltung der Norm als Teil der Rechtsordnung eines Staates, während durch die ,transitive‘ Anwendung der Fall der Anwendung der Rechtsnorm in einem Einzelfall beschrieben wird. Insoweit kann zunächst ohne weiteres festgestellt werden, dass eine Rechtsnorm dann als extraterritorial anzusehen ist, wenn sich die Geltung der Norm im intransitiven Sinne über das Territorium des Staates hinaus erstrecken soll. In diesem Fall soll die Norm als Rechtssatz allgemeine Verbindlichkeit und Geltung als Teil einer Rechtsordnung beanspruchen, die sich nicht auf das Territorium des regelnden Staates beschränkt.336 Weiterer Untersuchung bedarf aber, in den Worten Vogels, die transitive Anwendung der Rechtsnorm. a) Der Rechtssatz als vollständiger Rechtssatz Insoweit ist zunächst fraglich, in welchen Fällen im Sinne des Begriffspaares ,extraterritoriale Rechtsnorm‘ von einer Rechtsnorm gesprochen werden kann, da Rechtsnormen teils vollständige, teils aber auch unvollständige Rechtssätze darstellen.337 Während der vollständige Rechtssatz Tatbestand und Rechtsfolgenanordnung vollständig beschreibt, werden durch unvollständige Rechtssätze nur einzelne Teile eines vollständigen Rechtssatzes ausgeformt.338 In diesem Fall wird der vollständige Rechtssatz erst aus mehreren unvollständigen Rechtssätzen gebildet.
334 So auch allgemein Colangel, What is extraterritorial jurisdiction?, Cornell Law Review, 2014, S. 1303 ff., 1304. 335 Vogel, Der räumliche Anwendungsbereich der Verwaltungsrechtsnorm, 1965, S. 2 f. 336 Siehe hierzu noch Teil 2 A. III. 1. sowie Teil 2 B. II. 1. 337 Für die Einordnung einer Rechtsnorm als extraterritorial auf Grund ihrer intransitiven Anwendung kommt dieser Unterscheidung keine Bedeutung zu, da diese Form der Anwendung die Geltung der Norm erfasst. Diese Geltungsebene beschreibt gerade, ob die Norm als Teil der allgemein in einem Gebiet grundsätzlich Anwendung findenden Rechtsordnung anzusehen ist. Diese Geltung besteht unabhängig vom Inhalt der Rechtsnorm und stützt sich allein auf die herbeigeführte Verbindlichkeit als Rechtsnorm. Demgemäß besteht die Geltung aber auch unabhängig davon, ob die Rechtsnorm ein vollständiger oder unvollständiger Rechtssatz darstellt. 338 Siehe hierzu nur Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl., erstveröffentlicht in 1991, 2014, S. 257.
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Während der vollständige Rechtssatz sämtliche Tatbestandsmerkmale benennt, die zu einer Anwendung der Rechtsfolgenanordnung führen, bezeichnet ein unvollständiger Rechtssatz nur Teile derselben. Dabei können im Einzelfall unvollständige Rechtssätze, die bei mehreren vollständigen Rechtssätzen Verwendung finden, durchaus weitergehende territoriale Bezüge aufweisen als einzelne vollständige Rechtssätze, zu denen der fragliche unvollständige Rechtssatz gehört; dies ist immer dann der Fall, wenn nach der Struktur des vollständigen Rechtssatzes jeweils nur ein Teilelement des in Bezug genommenen unvollständigen Rechtssatzes in den vollständigen Rechtssatz inkorporiert wird. Allerdings gilt, dass diese Zergliederung allein der sprachlichen Fassung der vollständigen Rechtssätze dient.339 Eine inhaltliche, normative, Bedeutung kommt dieser Zergliederung hingegen nicht zu:340 Zwar besitzen auch unvollständige Rechtssätze normative Gültigkeit, sodass sie Teilelement einer gültigen Rechtsordnung sind. Sie beinhalten aber keine normative Vorgabe. Die Vorgabe dessen, was in einem bestimmten Fall gelten soll, wird nur durch den vollständigen Rechtssatz beschrieben, der Tatbestand und Rechtsfolgenanordnung beinhaltet. Demgemäß ist es im Rahmen der vorliegenden Arbeit wenig überzeugend, unvollständige Rechtssätze in die Fragestellung einzubeziehen. Eine solche Untersuchung, sofern sie die systematische Verknüpfung der unvollständigen zu vollständigen Rechtssätze nicht beachtet, würde zu einer Untersuchung von Fragmenten von Rechtssätzen führen. Dieser Fragmentierung in unvollständige Rechtssätze kommt aber gerade kein Bedeutungsgehalt bei der Rechtsetzung zu, da die unvollständigen Rechtssätze isoliert betrachtet keine normative Vorgabe beinhalten. Daher überzeugt es nicht, diese Zergliederung zum Ausgangspunkt einer Untersuchung zu wählen, die auf die Befugnis zur Setzung extraterritorialer Rechtsnormen gerichtet ist, da ein Staat unvollständige Rechtssätze nur wegen ihrer systematischen Verknüpfung zu einem vollständigen Rechtssatz setzen wird. Es ist daher auch für Zwecke der vorliegenden Untersuchung an diese vollständigen Rechtssätze anzuknüpfen. b) Extraterritorialität des Tatbestandes In diesem Sinne ist daher nunmehr zu fragen, in welchen Fällen ein vollständiger Rechtssatz auf Grund der Fassung der Tatbestandsmerkmale als extraterritorial zu charakterisieren ist. 339
Alexy, Theorie der Grundrechte, erstveröffentlicht in 1984, S. 43. Dies gilt auch dann, wenn die Zergliederung erfolgt, um mit weiteren Rechtssätzen an diese Elemente anzuknüpfen und so ein Regelungsgefüge zu schaffen. Denn die Systematisierung von Rechtssätzen in Regelungen mag zwar leichter gelingen, wenn der vollständige Rechtssatz in geeignete unvollständige Rechtssätze unterteilt wird, die Systematisierung wird dadurch aber nicht zur logischen Voraussetzung der Systematisierung. Diese würde auch ohne eine derartige Zergliederung gelingen, sodass auch in diesem Falle die Unterteilung nur der sprachlichen Fassung dient. Siehe aber auch Schilling, Rang und Geltung von Normen in gestuften Rechtsordnungen, 1994. 340
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Teil 2: Die (extra-)territoriale Erstreckung der Rechtsetzung
(aa) Die Abstraktion eines Lebenssachverhaltes im Tatbestand Im Tatbestand einer Rechtsnorm wird in allgemeiner Form ein Sachverhalt beschrieben, der zur Anwendung der Rechtsfolgenanordnung führen soll.341 Die Anwendung der Rechtsfolgenanordnung einer Rechtsnorm im konkreten Fall setzt daher voraus, dass der tatsächlich verwirklichte Sachverhalt dem tatbestandlich beschriebenen Sachverhalt gleicht. Dabei ist keine allumfassende Gleichheit dergestalt gefordert, dass im tatsächlichen Lebensvorgang genau nur jener Sachverhalt verwirklicht sein muss, der durch den Tatbestand beschrieben wird. Eine solche Abgrenzung des tatsächlichen Lebensvorganges wäre im Allgemeinen kaum möglich, sodass immer behauptet werden könnte, dass der verwirklichte Sachverhalt weitere Elemente beinhaltet, die im Tatbestand nicht beschrieben sind, und die Rechtsnorm auf Grund dieses weiteren Elementes keine Anwendung finden könne. Vielmehr ist die Gleichheit ein Verhältnis der Unterordnung dergestalt, dass im tatsächlichen Lebensvorgang zumindest die Elemente des tatbestandlich beschriebenen Sachverhaltes vorliegen müssen. So umschreibt der Staat im Tatbestand daher nicht jede denkbare Sachverhaltswendung, sondern den Sachverhalt nur insoweit, als er für die Frage der (Nicht-)Anwendung der Rechtsfolgenanordnung von Bedeutung ist. Das Bestehen weiterer Elemente im tatsächlichen Lebensvorgang, die nicht vom Tatbestand beschrieben sind, ist für die Anwendung der Rechtsnorm ohne Bedeutung.342 Hieraus ergeben sich entscheidende Folgerungen für die Frage, in welchen Fällen ein Rechtssatz auf Grund der Fassung des Tatbestandes als extraterritorial anzusehen ist. So ist für die Anwendung einer Rechtsnorm wie dargelegt entscheidend, dass der verwirklichte Lebenssachverhalt all jene Elemente beinhaltet, die durch den Tatbestand im Allgemeinen beschrieben sind. Ein Rechtssatz muss daher dann, wenn ein Tatbestandselement extraterritorial verwirklicht sein kann, als extraterritorial charakterisiert werden, da in diesem Fall die Rechtsfolgenanordnung auf Sachverhalte Anwendung findet, die sich nicht rein territorial ereignet haben. In diesem Sinne kann es allerdings zugleich nicht ausreichend sein, wenn der Sachverhalt extraterritorial verwirklicht wird, der Rechtssatz aber unbeschadet dieser extraterritorialen Sachverhaltselemente Anwendung findet, mit anderen Worten die Anwendung des Rechtssatzes allein auf den territorial verwirklichten Sachverhalt gestützt wird. Entscheidend ist, dass gerade auch die extraterritorial verwirklichten Elemente im Sachverhalt zur Anwendung des Rechtssatzes führen. Ob nach dem Tatbestand des Rechtssatzes ein im Ausland belegenes Sachverhaltselement zur Anwendung der Norm führen soll, ist durch Auslegung bestimmbar und zu ermitteln.343
341
Siehe bereits die Nachweise in Fußnote 202. Zur Frage der Anwendung einer Rechtsnorm im Wege der teleologischen Reduktion siehe Fußnote 207. 343 Siehe hierzu auch Teil 2 A. III. 2. 342
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Dies sei durch folgendes Beispiel einer fiktiven Hundesteuer illustriert. Angenommen, ein Staat wolle die Leistungsfähigkeit belasten, die in dem Halten von Hunden zu privaten Zwecken als Luxustieren zum Ausdruck gelangt. Hierzu erlässt er – alternativ – folgende fiktive und stark vereinfachte Rechtsnorm: a) „Jede natürliche Person, die einen Hund für private Zwecke im Inland über einen Zeitraum von mehr als 14 Tagen hält, hat eine Hundesteuer von 1 E pro Tag inländischen Haltens an die Bundeskasse als zuständige Stelle zu entrichten.“ b) „Jede natürliche Person mit Wohnsitz im Inland, die einen Hund für private Zwecke hält, hat eine Hundesteuer von jährlich 150 E an die Bundeskasse als zuständige Stelle zu entrichten.“ Die Normen unterscheiden sich sowohl tatbestandlich als auch auf Rechtsfolgenebene. Während in Fall a) die Hundesteuer nur für das Halten im Inland geschuldet wird und ein Halten im Ausland dazu führt, dass keine Hundesteuer zu entrichtet ist, ist in Fall b) allein entscheidend, dass der Wohnsitz des Halters im Inland liegt. In Fall a) wird damit das inländische Halten steuerlich belastet, in Fall b) hingegen der Halter für das Halten. Ob dieses Halten im In- oder Ausland stattfindet, ist ohne Belang. Demgemäß wird weder das extraterritoriale noch das inländische Halten als solches belastet. Entsprechend den obigen Ausführungen führt dies nicht zu einer Einordnung als extraterritorial, denn es ist nicht das Halten als solches, das die Steuerpflicht begründet, sondern die Haltereigenschaft. Der Halter muss aber insoweit einen inländischen Wohnsitz aufweisen, sodass eine territoriale Steuernorm vorliegt. c) „Jede natürliche Person mit Wohnsitz im Inland, die einen Hund für private Zwecke über einen Zeitraum von mehr als 14 Tagen im Inland hält, hat eine Hundesteuer von jährlich 150 E an die Bundeskasse als zuständige Stelle zu entrichten.“ Insoweit unterscheidet sich Fall b) aber auch von Fall c). Denn nunmehr knüpft die Steuerpflicht gerade an das inländische Halten über einen Zeitraum von mehr als 14 Tagen an, setzt aber im Übrigen ein weitergehendes Halten im Inland nicht voraus. Vielmehr wird dieser Zeitraum als ausreichend angesehen, um die Hundesteuerpflicht für ein Kalenderjahr zu begründen. Auch in diesem Fall ist für den Eintritt der Hundesteuerpflicht zwar nicht entscheidend, ob sich das weitere Verhalten im In- oder Ausland vollzieht. Von einer rein territorialen Rechtsnorm kann aber nicht mehr ausgegangen werden. Denn die Rechtsnorm kann nicht dahingehend verstanden werden, dass pauschal jedes längere Halten als 14 Tage die Gesamtsteuerpflicht auslösen soll, diese Belastung aber allein für das inländische Halten über einen Zeitraum von 15 bis zu 365 Tagen auferlegt wird. Naheliegender ist stattdessen, dass die im in- wie ausländischen Halten zum Ausdruck gelangende Belastungswürdigkeit besteuert werden soll, sodass gerade auch das ausländische Halten die Hundesteuerpflicht trägt und zur Belastungswürdigkeit beiträgt. Eine solche Rechtsnorm ist daher als extraterritorial anzusehen.
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Teil 2: Die (extra-)territoriale Erstreckung der Rechtsetzung
(bb) Die Bedeutung der sprachlichen Fassung Kommt es für die Charakterisierung eines Rechtssatzes als extraterritorial auf Grund der Fassung des Tatbestandes daher darauf an, dass die Norm auf einen extraterritorial verwirklichten Sachverhalt Anwendung findet und der Tatbestand gerade an extraterritorial realisierte Elemente die Anwendung der Rechtsfolgenanordnung knüpft, so beinhaltet dies weitergehende Implikationen für die Frage, welche Tatbestandselemente für die Charakterisierung entscheidend sind: So beinhaltet der Tatbestand einer Rechtsnorm regelmäßig auch negative Tatbestandsmerkmale344, bei deren Vorliegen die Rechtsnorm gerade keine Anwendung finden soll; nur idealtypisch umschreibt der Tatbestand in direkter, positiver Form denjenigen Sachverhalt, auf den die Rechtsfolgenanordnung Anwendung finden soll. Es kann daher auf das negative Tatbestandselement für die Einordnung eines Rechtssatzes als extraterritorial nicht ankommen, da das Vorliegen des Merkmales gerade dazu führt, dass der Rechtssatz keine Anwendung findet. Führt aber das Vorliegen eines nach der Fassung des Tatbestandes für die Anwendung der Rechtsfolgenanordnung nicht bedeutsamen extraterritorialen Elementes im Sachverhalt nicht dazu, dass der Rechtssatz als extraterritorial anzusehen ist, so muss dies erst recht für solche Tatbestandsmerkmale gelten, bei deren Vorliegen der Rechtssatz nicht anzuwenden ist. Dieses Ergebnis wird durch die Bedeutung der negativen Tatbestandsmerkmale für die Umschreibung des tatbestandlich erfassten und zur Anwendung der Rechtsfolgenanordnung führenden Sachverhaltes bestätigt: Dadurch, dass das Fehlen eines bestimmten Merkmales zur Anwendung des Rechtssatzes führt, wird letztendlich indirekt ein anderes Tatbestandselement beschrieben, das im Sachverhalt positiv festgestellt werden können muss. Dies ist deshalb der Fall, weil für jedes negative Element eine allgemeine Gruppe derart gefunden werden kann, dass bei Teilen der allgemeinen Gruppe das spezifische negativ verwendete Tatbestandsmerkmal gerade fehlt; fehlte es hingegen an einer solchen Verallgemeinerung bzw. liegt das negative Element bei allen Elementen einer Verallgemeinerung vor, so würde die Norm niemals Anwendung finden, da es keine Sachverhaltskonstellation gibt, bei der das negative Tatbestandsmerkmal fehlt. Daher bewirkt das negative Tatbestandsmerkmal eine indirekte Anknüpfung an ein positives Merkmal, an dessen Bestehen der Eintritt der Rechtsfolgenanordnung geknüpft ist. Die Funktion des negativen Tatbestandsmerkmals liegt damit darin, indirekt das eigentlich maßgebliche Merkmal zu beschreiben, insbesondere, weil dies sprachlich leichter erfolgen kann.345
344 Negative Tatbestandsmerkmale werden teils auch in einem anderen Sinne verstanden und liegen danach immer dann vor, wenn sie die Geltung einer Rechtsnorm im Konkurrenzwege ausschließen, siehe Minas-von Savigny, Negative Tatbestandsmerkmale, 1972. 345 Siehe Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl., erstveröffentlicht in 1991, 2014, S. 259 sowie die dortige Fußnote 13.
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Zur Illustration dieser Möglichkeit der Fassung eines Tatbestandes diene folgende fiktive Rechtsnorm: „Jede Person, die nicht deutscher Staatsangehörigkeit ist, ist unabhängig vom Lebensalter zum 31.1. eines jeden Kalenderjahres zur Entrichtung einer Kopfsteuer i.H.v 30,00 Euro an die zuständige Kasse verpflichtet.“ Dieser Imperativsatz setzt im Tatbestand voraus, dass eine Person nicht die deutsche Staatsangehörigkeit aufweist. Weitergehend bestimmt die fiktive Norm, dass das Lebensalter für die Kopfsteuerpflicht ohne Bedeutung ist. Dieses Tatbestandsmerkmal erweist sich als unnötig, da nach dem Tatbestand das Vorliegen eines bestimmten Alters nicht zur Nicht-Anwendung der Norm führt. Die Rechtsfolge tritt daher nicht bei Vorliegen eines bestimmten Alters (nicht) ein, sodass das Alter letztlich kein Merkmal ist, von dem der Eintritt der Rechtsfolge abhängt. Das Vorliegen einer Person stellt das einzige direkte positive Tatbestandsmerkmal der Norm dar. Weiteres Tatbestandsmerkmal ist das Vorliegen einer nicht-deutschen Staatsangehörigkeit. Hierbei handelt es sich um ein negatives Tatbestandsmerkmal, das indirekt alle anderen Staatsangehörigkeiten erfassen soll. Eine abschließende Listung dieser Staatsangehörigkeiten würde hingegen sprachlich den Tatbestand ,überfrachten‘. Zudem wäre eine solche Auflistung nachteilig mit Blick auf dynamische Veränderungen. Die Liste müsste immer dann verändert werden, wenn ein neuer Staat entsteht. Es zeigt sich damit, dass sprachlich eine Rechtsnorm zwar positive wie negative Tatbestandselemente beinhalten mag, allerdings zur Anwendung der Rechtsnorm nur die positiven Tatbestandselemente führen, die entweder direkt genannt oder indirekt durch das negative Element bezeichnet sind. Vor diesem Hintergrund kann für die Frage der Extraterritorialität der Steuerrechtsnorm nur das indirekt bezeichnete positive Tatbestandsmerkmal von Bedeutung sein, da ein negatives Tatbestandsmerkmal gerade die Anwendung der Rechtsfolgenanordnung ausschließt. c) Extraterritorialität der Rechtsfolge Die Charakterisierung eines vollständigen Rechtssatzes als extraterritorial auf Grund der territorialen Bezüge auf Rechtsfolgenebene betrifft die Frage, inwieweit der Rechtssatz normative Vorgaben beinhaltet, die sich extraterritorial verwirklichen. Insoweit bedarf es insbesondere einer Abgrenzung danach, ob bestimmte tatsächliche extraterritorial eintretende Folgen noch der Rechtsnorm so zugerechnet werden können, dass der Rechtssatz selbst auf Grund dieser als extraterritorial bezeichnet werden kann.
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(aa) Kein Einbezug mittelbarer nicht-intendierter Auswirkungen Für einen Einbezug mittelbarer nicht-intendierter Auswirkungen haben sich insbesondere Kamminga, Lowe und Ziegenhain ausgesprochen.346 Mittelbare nichtintendierte Wirkungen zeichnen sich dadurch aus, dass einerseits die Auswirkung nicht als unmittelbare Verwirklichung der Rechtsfolge erscheint und andererseits nicht vom Zweck der Rechtsnorm umfasst ist. Diese Effekte treten daher auch ein, ohne dass die Rechtsnorm nach ihrem Zweck auf die Herbeiführung dieser Wirkung gerichtet ist. Sie werden vielmehr durch die tatsächliche Internationalisierung des Lebens herbeigeführt, bspw. dann, wenn territorial begründete und zu erfüllende Geldleistungspflichten nur aus Mitteln, die außerhalb des Territoriums belegen sind, erfüllt werden können. Der extraterritoriale Bezug wird hier dadurch hervorgerufen, dass der Normunterworfene die auferlegte Pflicht tatsächlich nicht erfüllen kann, ohne extraterritorial eine Handlung, nämlich eine Verfügung über seine dortigen Geldbestände, vorzunehmen. Die Ursache für den extraterritorialen Effekt liegt in diesem Beispiel darin, dass nach den tatsächlichen Umständen, die vom Normunterworfenen herbeigeführt sind, eine extraterritoriale Handlung zur Erfüllung der Geldleistungspflicht notwendig ist, und die Rechtsnorm auch Anwendung findet, wenn der Erfüllung der auferlegten Pflicht tatsächlich eine extraterritoriale Handlung vorausgeht. Erschöpft sich aber das Hinausreichen der Rechtsnorm über das Territorium des Staates in derartigen Auswirkungen, so sollte nicht mehr von einer Extraterritorialität der Rechtsnorm selbst gesprochen werden: Derartige Effekte sind zwar von der Rechtsnorm in tatsächlicher Hinsicht mitveranlasst, sie treten aber aus Gründen ein, die nicht der Rechtsnorm spezifisch zuzurechnen sind. Denn der spezifische Gehalt einer Rechtsnorm wird durch den normativen Charakter und Gehalt der Rechtsnorm gebildet, der sich in der spezifischen Verknüpfung von Tatbestand und Rechtsfolge zur Setzung normativer Vorgaben ausdrückt. Der spezifische Gehalt der Rechtsnorm ist, dass auf Grund bestimmter Sachverhalte eine normative Vorgabe eintreten soll. Soweit diese normative Vorgabe ein tatsächliches Pendant besitzt347, sollen bestimmte tatsächliche Auswirkungen eintreten. Diese sind auf Grund der Rechtsnorm ,gesollt‘. Mittelbare und nicht-intendierte Auswirkungen zeichnen sich aber gerade dadurch aus, dass sie nicht Teil der Setzung dieser normativen Vorgaben sind. Sie sind nicht normativ ,gesollt‘, sondern allein tatsächliche Folge; für sie existiert kein von der Rechtsnorm geschaffenes normatives Pendant mit der Aussage, dass diese tatsächlichen Folgen eintreten sollen. 346 Kamminga, Extraterritoriality, in: Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law; Ziegenhain, Extraterritoriale Rechtsanwendung und die Bedeutung des Genuine-Link-Erfordernisses, 1991; Lowe, Extraterritorial jurisdiction, 1983, S. 15. 347 Dies ist bei normativen Bestimmungssätzen nicht der Fall, denn diese beinhalten nur die Charakterisierung eines tatsächlichen Zustandes für den normativen Bereich, ohne direkt weitere tatsächliche Vorgaben aufzuweisen. Siehe zu diesen bspw. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl., erstveröffentlicht in 1991, 2014, S. 253 ff.
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Ein Einbezug dieser extraterritorialen Effekte einer Rechtsnorm würde so zu einer Ausdehnung des Untersuchungsgegenstandes führen und weitere Aspekte einbeziehen.348 Die Frage nach der extraterritorialen Besteuerungsbefugnis des Staates zielt darauf ab zu untersuchen, inwieweit dem Staat die Befugnis zukommt, Steuerrechtsnormen mit extraterritorialen Bezügen zu setzen, mit anderen Worten, extraterritoriale normative Vorgaben zu schaffen. In diesen Fällen setzt der Staat die extraterritorialen Bezüge typischerweise, um die Internationalisierung des Lebens bei der Regelung zu berücksichtigen. Dies ist bei Bezügen, die aus Sicht des Staates zufällig und nicht-intendiert mittelbar entstehen, gerade nicht der Fall. Für sie bildet nicht der extraterritoriale Regelungsbedarf und das damit verbundene extraterritoriale Regelungsziel den Ausgangspunkt, sondern sie sind aus Sicht des Staates zufällige Folge einer jeden Rechtsnorm durch die Internationalisierung des Lebens ein. Typischerweise nimmt daher der Staat im erstgenannten Fall die Internationalisierung des Lebens zum Ausgangspunkt seiner Regelung, während im letztgenannten Fall die Internationalisierung des Lebens eine nicht notwendigerweise derart konstruierte Norm in ihren Effekten berührt und Auswirkungen herbeiführt, die ihr nicht vom Staat beigemessen sind. Entsprechendes gilt für typische mittelbare Auswirkungen einer Rechtsnorm, die nicht intendiert sind. Denn auch für diese gilt, dass sie im Kern eine andere, weitergehende Fragestellung aufwerfen, wenngleich eine augenscheinliche Nähe besteht. Während bei extraterritorialen Rechtsnormen im obigen Sinne die Frage zu stellen ist, ob dem Staat völkerrechtlich die Befugnis zur Schaffung extraterritorialer normativer Vorgaben zukommt, wäre bei typischen mittelbaren Auswirkungen zu untersuchen, ob der Staat die Herbeiführung tatsächlicher extraterritorialer Folgen seiner Rechtsetzung zu vermeiden hat. Diese Frage besteht unabhängig der erstgenannten Frage und betrifft damit einen anderen Untersuchungsgegenstand, denn auch nach dem hier vertretenen Verständnis können territorial konzipierte Rechtsnormen derartige Auswirkungen aufweisen. Auf Grund dessen ist von einem Einbezug mittelbarer, nicht-intendierter Effekte in den Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit abzusehen. (bb) Die Extraterritorialität der Rechtsfolgenanordnung Nach dem Gesagten ist für die Charakterisierung eines Rechtssatzes als extraterritorial auf Basis der tatsächlichen Auswirkungen darauf abzustellen, ob die intendierten Auswirkungen des Rechtssatzes auch extraterritorial verwirklicht werden. In diesem Sinne kann von einer extraterritorialen Rechtsnorm ohne weiteres dann gesprochen werden, wenn die Rechtsfolgenanordnung in einer Verhaltensvorgabe besteht, die auch außerhalb des Territoriums des Staates zu verwirklichen ist. 348 Hierauf weisen auch Peters, Völkerrecht, 2. Aufl., 2008, S. 71 f.; Schwarze, Die Jurisdiktionsabgrenzung im Völkerrecht, 1994, S. 13 f.; Schlochauer, Die extraterritoriale Wirkung von Hoheitsakten, 1962 hin.
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Als problematisch erweisen sich bereits Handlungen, die mit einer solchen Verhaltensvorgabe in Zusammenhang stehen, allerdings die Vorbereitung der Verwirklichung der Verhaltensvorgabe betreffen. Diese Vorbereitungshandlungen können sich tatsächlich als notwendig herausstellen, um das normativ geforderte Verhalten erfüllen zu können. In diesem Fall bedarf es einer genauen Abgrenzung danach, ob diese Vorbereitungshandlungen zu den intendierten Auswirkungen der Rechtsnorm zu zählen sind. Ist dies der Fall, so sind sie für die Charakterisierung der Rechtsnorm als extraterritorial von Bedeutung. Andernfalls können sie nicht für die Einordnung der Norm entscheidend sein, da sie nicht vom Staat gesetzt sind, also aus dessen Sicht rein zufällig und nicht-intendiert deshalb eintreten, weil sie mit Blick auf die Lebensgestaltung des Normunterworfenen notwendig sind. Es ist daher jeweils zu fragen, inwieweit die Vorbereitungshandlungen, die nicht den Schwerpunkt der Verhaltensanordnung der Norm bilden, vom Staat der Norm auch beigemessen wurden. Für Normen des materiellen Steuerrechts folgt hieraus, dass die Pflicht zur Steuerentrichtung an den besteuernden Staat eine rein inländische Pflicht ist und der Rechtsfolgenbereich nicht über das Gebiet des Staates hinausreicht. Dies folgt daraus, dass die Pflicht zur Steuerentrichtung eine im Inland zu verwirklichende Pflicht ist, die beim Staat im Inland zu einem Steueraufkommen führen soll. Diese erschöpft sich darin, dass der Steuerpflichtige beim Staat und damit notwendigerweise im Inland eine Vermögensmehrung in Höhe der Steuerschuld herbeizuführen hat. Nicht aber ist aus Sicht der Rechtsnorm erheblich, von wo aus diese Mehrung herbeigeführt wird, ob also die Zahlung im Ausland veranlasst oder mit im Ausland vorgehaltenen Zahlungsmitteln erfolgt. Die Frage der Mittelbeschaffung und der Ort der Veranlassung der Zahlung sind nicht vom normativen Gehalt der Pflicht zur Steuerentrichtung umfasst. (cc) Die Reichweite der Rechtsfolge Zu beachten ist, dass sich die Rechtsfolgen eines Rechtssatzes nicht in der bloßen Rechtsfolgenanordnung erschöpfen. (1) Die Belastung des Tatbestandes mit der Rechtsfolgenanordnung als Rechtsfolge Nach der Struktur der Rechtsnorm soll die Rechtsfolgenanordnung Anwendung finden, wenn der tatbestandlich umschriebene Sachverhalt vorliegt. Die Maßgeblichkeit der Rechtsfolgenanordnung ist daher zwar die offensichtliche Rechtsfolge eines Rechtssatzes, allerdings reicht die Rechtsfolge in jedem Fall insoweit über die Bestimmung der Maßgeblichkeit der Rechtsfolgenanordnung hinaus, als hierdurch eine normative Bindung des tatbestandlich erfassten Lebenssachverhaltes herbeigeführt wird. Denn auf Grund der spezifischen Struktur der Rechtsnorm gilt, dass die Rechtsfolgenanordnung bei Verwirklichung des Tatbestandes im Einzelfall bindend
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und normativ maßgeblich wird. Unter normativen Gesichtspunkten wird daher der Tatbestand mit der Rechtsfolgenanordnung belastet, selbst wenn in tatsächlicher Hinsicht der Lebenssachverhalt und die Verwirklichung der Rechtsfolgenanordnung in keiner Beziehung zueinanderstehen. Rechtsfolge einer Norm ist daher auch, dass der tatbestandlich beschriebene Lebenssachverhalt mit dieser Rechtsfolgenanordnung in dem Sinne belastet sein soll, dass die Verwirklichung des Tatbestandes mit der Verwirklichung der Rechtsfolgenanordnung einhergehen soll. Dies kann als Geltung im konkreten Fall bezeichnet werden, die die allgemeine Geltung einer Rechtsnorm ergänzt. Während die allgemeine Geltung die Verbindlichkeit der normative Aussage als Teil der Rechtsordnung betrifft, ist Gegenstand dieser Geltung im konkreten Fall die Bindung eines konkreten einzeln verwirklichten Sachverhaltes. Durch die Rechtsfolge wird insoweit bestimmt, dass für diesen Sachverhalt die normative Aussage der Rechtsnorm verbindlich ist. Hierin liegt auch eine tatsächliche Dimension der Rechtsfolge: Denn durch diese Belastung des tatbestandlichen Sachverhaltes mit der Rechtsfolgenanordnung ändert sich auch das Kalkül des Einzelnen, ob dieser Sachverhalt realisiert werden soll. Die tatsächliche Wirksamkeit besteht demgemäß in einer tatsächlichen Veränderung des Entscheidungsprozesses Dies wird bei Steuerrechtsätzen besonders deutlich, bei denen die Verwirklichung der im Tatbestand beschriebenen steuerpflichtigen Sachverhalte die Steuerzahlung auf Rechtsfolgenseite auslöst. Diese Pflicht zur Steuerentrichtung wird aber durch ein Verhalten verwirklicht, das tatsächlich völlig unabhängig von der Realisation der steuerpflichtigen Sachverhalte vollzogen werden kann. Dennoch bildet die Pflicht zur Steuerentrichtung nach dem normativen Gehalt des Steuerrechtssatzes gerade den Preis der Verwirklichung der steuerpflichtigen Vorgänge und wird dieser Preis bei der Entscheidung für oder gegen die Verwirklichung des tatbestandlichen Sachverhaltes einbezogen. Auf diese Weise wird dieser normative Gehalt tatsächlich wirksam. Als Beispiel kann insoweit wieder eine stark vereinfachte, fiktive Hundesteuer dienen. Angenommen, ein Staat erlässt folgende Rechtsnorm: „Jede natürliche Person, die im Inland einen Wohnsitz besitzt, hat für das Halten eines Hundes zu privaten Zwecken an die Bundeskasse einen jährlichen Betrag von 100 E zu zahlen.“ Die Rechtsfolgenanordnung besteht darin, dass jährlich 100 E an die Bundeskasse zu entrichten sind. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass hierdurch der Tatbestand normativ belastet werden soll. Die Rechtsfolge umfasst daher auch die normative Festlegung, dass das Halten eines Hundes zu privaten Zwecken im Rahmen des territorialen Anwendungsbereiches nur um den Preis einer Hundesteuer von 100 E erfolgen soll. In verkürzter Form ließe sich feststellen, die Rechtsfolge besteht in der Aussage „100 E werden geschuldet, weil ein Hund zu privaten Zwecken gehalten wird“.
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(2) Die Nichtbelastung bestimmter Sachverhalte als Rechtsfolge der Rechtsnorm In dem vorgenannten erschöpft sich die Rechtsfolge einer Rechtsnorm aber nicht notwendigerweise. Die bisherigen Überlegungen beruhten darauf, dass das Vorliegen des Tatbestandes die Maßgeblichkeit der Rechtsfolgenanordnung impliziert. Ausnahmsweise kann nach der Rechtsnorm aber auch ein Schluss dahingehend zulässig sein, dass die Rechtsfolgenanordnung nur unter den Voraussetzungen des Tatbestandes eintreten soll und die Rechtsfolge daher gleichsam negativ umfasst, dass in anderen Fällen die Rechtsfolgenanordnung nicht eintreten soll, sodass der Nicht-Eintritt der Rechtsfolgenanordnung das Fehlen der Tatbestandsmerkmale impliziert und als normativ maßgeblich bestimmt. Ein solcher Schluss ist unter der Voraussetzung zulässig, dass eine Äquivalenzbeziehung zwischen dem Vorliegen des Tatbestandes und dem Eintritt der Rechtsfolge besteht. Insoweit kann auch von einer Vollständigkeit oder einer abschließenden Regelung gesprochen werden, nach der die Rechtsnorm umfassend und damit vollständig genau all die Fälle, abschließend, benennt, in denen die Rechtsfolgenanordnung eintreten soll. In diesen Fällen reicht die Rechtsfolge des Rechtssatzes über die Rechtsfolgenanordnung des Rechtssatzes hinaus. Denn es gilt nicht nur, dass bei Feststellung des Tatbestandes die Rechtsfolgenanordnung wirksam werden soll, sondern auch, dass bei Fehlen des Tatbestandes die Rechtsfolgenanordnung gerade nicht tatsächlich wirksam werden soll. Ob ein derartiges Äquivalenzverhältnis zwischen Tatbestand und Rechtsfolgenanordnung besteht, kann einer Rechtsnorm nur durch Auslegung entnommen werden. Insoweit sind neben dem Wortlaut insbesondere die Regelungssystematik sowie der Regelungszweck heranzuziehen.349 Es ist daher festzustellen, welchen Zweck die Rechtsnorm in der Rechtsordnung verfolgt. Besteht der Zweck darin festzulegen, dass nur unter den Voraussetzungen des Tatbestandes die Rechtsfolgenanordnung wirksam werden soll, im Übrigen aber die Rechtsfolgenanordnung eines subsidiären, aus der Struktur der Rechtsordnung folgenden Rechtssatzes maßgebend ist, insbesondere einer subsidiären Regel dahingehend, dass keine Freiheitsbeschränkung besteht, so beinhaltet der erstgenannte Rechtssatz die Rechtsfolge und normative Aussage, dass die Rechtsfolgenanordnung ausschließlich in den tatbestandlich umschriebenen Fällen eintreten soll, nicht aber in sonstigen Fällen. In rechtsme349
Siehe hierzu ausführlich die rechtswissenschaftliche Methodenlehre, exemplarisch genannt seien Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl., erstveröffentlicht in 1991, 2014; Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 2. Aufl., 1991 sowie speziell für das Steuerrecht Drüen, in: Kruse/Tipke, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 4 AO, Rn. 214 ff.; Heber/Sternberg, Chapter 8: Germany, in: van Brederode/Krever (Hrsg.), Legal interpretation of tax law, 2017, S. 213 ff.; Schön, Legalität, Gestaltungsfreiheit und Belastungsgleichheit als Grundlagen des Steuerrechts, in: Hüttemann (Hrsg.), Gestaltungsfreiheit und Gestaltungsmissbrauch im Steuerrecht, DStJG Band 33, 2010, S. 29 ff.; Tipke/Lang u. a., Steuerrecht, 22. Aufl., 2015, S. 185 ff.; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Nr. 3/3, 2. Aufl., 2012, S. 1588 ff.
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thodischer Hinsicht ist in diesen Fällen auch eine analoge Rechtsanwendung ausgeschlossen.350 So wäre für das obige Beispiel durch Auslegung zu ermitteln, ob die Rechtsnorm in verschiedenen Beziehungen abschließend ist. Letztlich wäre insoweit zunächst jedes Tatbestandsmerkmal isoliert zu betrachten. Abschließend kann demnach die Norm im Hundesteuerbeispiel in folgenden Beziehungen sein: – Nur natürliche Personen, nicht aber juristische Personen sollen belastet werden. – Nur das Halten, nicht aber das gelegentliche Führen von Hunden ist belastungswürdig. – Ein Halten zu anderen als privaten Zwecken ist nicht belastungswürdig. – Das Halten anderer Tiere als Hunde ist nicht belastungswürdig. – Das Halten durch eine Person mit Wohnsitz im Ausland ist nicht belastungswürdig. Im Falle einer Hundesteuer wäre dies insbesondere durch subjektive Auslegung zu bestimmen. Naheliegend ist dabei, dass das Halten von Hunden als anderen als privaten Zwecken mangels Luxuscharakter nicht als Ausdruck einer besonderen Belastungswürdigkeit gesehen wird, die die Auferlegung der Steuer rechtfertigt. Insoweit wäre die Rechtsnorm dann als abschließend anzusehen, d. h. das Halten eines Hundes zu solchen Zwecken impliziert das Fehlen einer Belastungswürdigkeit. (3) Folgerungen für die extraterritoriale Reichweise Diese über die bloße Rechtsfolgenanordnung hinausgehenden Inhalte der Rechtsnorm sind von Bedeutung für die Erfassung der extraterritorialen Bezüge eines Rechtssatzes. So gilt für die in (1) dargelegte Dimension der Rechtsfolge einerseits, dass der extraterritoriale Umfang der Rechtsfolge auch durch den tatbestandlich erfassten, mit der Rechtsfolge belasteten Sachverhalt beschrieben wird. Soweit daher die Rechtsnorm auch Anwendung findet, wenn und weil der Sachverhalt im Ausland realisiert wird, beinhaltet die Rechtsfolge eine normative Aussage in Bezug auf diesen extraterritorialen Sachverhalt der Form, dass dieser mit der Rechtsfolge belastet sein soll. Andererseits bestätigt dies aber auch das in Abschnitt b) (aa) herausgearbeitete Ergebnis, wonach es für die Charakterisierung einer Rechtsnorm als extraterritorial nur auf jene extraterritorialen Bezüge des Sachverhaltes ankommen kann, an die die Anwendung der Rechtsnorm geknüpft ist. Denn die danebenstehenden (extra-)territoriale Sachverhaltselemente werden gerade nicht mit der Rechtsfolge belastet und dürfen, in normativer Hinsicht, ungeachtet der Rechtsnorm verwirklicht werden. Die in (2) herausgearbeitete Vollständigkeit einer Rechtsnorm, die fakultativer Inhalt der Rechtsfolge ist, kann ebenso bedeutsam sein für die Frage, ob ein Steu350
Siehe zur Analogie ausführlich die in vorheriger Fußnote genannte Literatur.
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Teil 2: Die (extra-)territoriale Erstreckung der Rechtsetzung
errechtssatz auf Grund seiner Rechtsfolgen als extraterritorial anzusehen ist. Dies ist aber nur ausnahmsweise der Fall und erfordert einen territorialen Bezug des abschließenden Tatbestandsmerkmales. Vorausgesetzt wird daher, dass extraterritorial verwirklichte Sachverhalte insoweit gerade deshalb nicht der Besteuerung unterliegen, weil die Belastung dieser Sachverhalte mit der Rechtsfolgenanordnung nach teleologischen Gesichtspunkten nicht erwünscht ist, insbesondere weil diese nicht belastungswürdig sind. Mit Blick auf das in (2) genannte Beispiel der Hundesteuer setzt dies voraus, dass gerade dem den räumlichen Anwendungsbereich der Rechtsnorm bestimmende Merkmal ein abschließender Charakter zukommt. Für das dort genannte Beispiel einer Rechtsnorm müsste daher die Auslegung ergeben, dass das Halten von Hunden zu privaten Zwecken durch natürliche Personen mit Wohnsitz im Ausland nicht Ausdruck belastungswürdiger Leistungsfähigkeit ist. Dieses Beispiel verdeutlicht auch, dass für den Bereich des Steuerrechts, das durch das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit geprägt ist,351 eine solche Vollständigkeit mit territorialer Bedeutung nur ausnahmsweise festzustellen sein wird. Denn häufig wird der Einbezug bestimmter ausländischer Sachverhalte bereits nicht auf der Erwägung beruhen, dass dieser Sachverhalt, anders als der vergleichbare inländische Sachverhalt, nicht belastungswürdig ist. Zudem müsste die Rechtsnorm noch den Aussagegehalt beinhalten, dass diese Sachverhalte auch nicht belastet sein sollen. Häufiger wird der Fall einer extraterritorialen Erstreckung des Rechtsfolgenbereiches aber bei Lenkungszweckregelungen anzunehmen sein. Lenkungssteuern352 sind darauf gerichtet, gerade durch die (Nicht-)Besteuerung einen Verhaltensanreiz hervorzurufen. Die Nichtbelastung eines Ausweichverhaltens ist hiernach regelmäßig Teil der Rechtsfolge, sodass bei Lenkungssteuern ein besonderes Augenmerk darauf zu liegen hat, diese Dimension der Rechtsfolge bei der Einordnung einer solchen Steuer als (extra-)territorial zu berücksichtigen. Als Beispiel kann insoweit die deutsche Luftverkehrsteuer herangezogen werden. Nach § 1 Abs. 1 LuftVStG unterliegt der Luftverkehrsteuer jeder Rechtsvorgang, der den Abflug eines Passagiers im Inland bewirkt. Die Steuerschuld wird je Passagier bemessen und ist in klassifizierter Form nach Ländergruppen von der Flugdistanz abhängig, § 11 LuftVStG.353 Diese Staffelung der Steuersätze soll zu einer Verkürzung der geflogenen Flugstrecken führen. Da allein der Abflugort im Inland maßgebend ist und daher auch Flüge mit Zielort außerhalb der Bundesrepublik Deutschlands erfasst werden, soll dies auch für Flüge in das Ausland gelten. Der Lenkungszweck soll sich daher auch extraterritorial realisieren, indem auch die im Ausland zurückgelegte Flugstrecke verkürzt werden soll. Soweit in Folge der Ver351 352 353
Hierzu bereits Teil 1 B. II. Zu diesen bereits ausführlich Teil 1 B. II. 2. b). Siehe noch ausführlich Teil 3 C. II.
A. Der extraterritoriale Steuerrechtssatz
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teuerung der Flugtickets insbesondere innereuropäische Flüge durch andere Verkehrsmittel ersetzt werden, ist dieses Ausweichverhalten gerade erwünscht und Teil der Rechtsfolge. Personen sollen auf diese alternativen Verkehrsmittel ausweichen, denn hierdurch wird das Lenkungsziel der Luftverkehrsteuer erreicht.
III. Strukturierung der (extra-)territorialen Bezüge des Steuerrechtssatzes Im vorhergehenden Abschnitt wurden diejenigen Merkmale herausgearbeitet, die zu einer Charakterisierung eines (Steuer-)Rechtssatzes als extraterritorial führen. Dabei konnte zwischen der Ebene der Geltung, dem Tatbestand und der Rechtsfolge differenziert werden. Diese Unterscheidung bildet den Ausgangspunkt für die im weiteren Verlauf herangezogene Strukturierung zur systematischen Erfassung der territorialen Dimensionen eines vollständigen Steuerrechtssatzes.354 So lassen sich der Geltungs-, Regelungs- und Rechtsfolgenbereich unterscheiden und hierdurch erschöpfend die zuvor bestimmten Merkmale, die die Extraterritorialität der Rechtsnorm begründen, erfassen. Im Folgenden wird einerseits der Inhalt dieser Bereiche, andererseits aber auch über die Ausführungen in Teil 2 A. II. hinausgehend ihr theoretisches Verhältnis untereinander dargelegt. Letzteres ist erforderlich, um so zu bestimmen, inwieweit Divergenzen zwischen der territorialen Reichweite dieser Bereiche bestehen können und damit eine unabhängige extraterritoriale Erstreckung zumindest nach der Struktur des Rechtssatzes denkbar ist. Jeder vollständige (Steuer-)Rechtssatz zergliedert sich in Tatbestand und Rechtsfolge.355 Während der Tatbestand den Lebensvorgang beschreibt, auf den der Rechtssatz anzuwenden ist, beinhaltet die Rechtsfolge die normativen Vorgaben, die der Rechtssatz für verbindlich bestimmt. Insoweit weist jeder Rechtssatz denknotwendig territoriale Bezüge auf, da jeder Lebensvorgang sich territorial realisiert. Würde ein Rechtssatz keine territorialen Bezüge aufweisen, so wäre weder eine Subsumtion eines – gewissermaßen irgendwo und nirgendwo – verwirklichten Verhaltens unter den Tatbestand noch eine Bestimmung der territorialen Geltung der Rechtsfolgenanordnung und damit der territorialen Reichweite ihrer normativen Maßgeblichkeit möglich. Jeder Rechtssatz muss daher die territorialen Bezüge erkennen lassen, die zumindest durch Auslegung bestimmbar sein müssen.
354
Es wird daher darauf verzichtet, eine vollständige Exploration der territorialen Bezüge aller denkbaren vollständigen Rechtsätze und damit eine vom Inhalt des Rechtssatzes abstrahierte Darstellung der territorialen Bezüge vorzunehmen. 355 Siehe die Nachweise in Fußnote 82.
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Teil 2: Die (extra-)territoriale Erstreckung der Rechtsetzung
1. Der Geltungsbereich Der Geltungsbereich beschreibt die territoriale Reichweite der Geltung des Rechtssatzes. Dieser wird daher durch jenes Gebiet gebildet, in dem die Norm Geltung beansprucht, d. h. den Umfang der normativen Maßgeblichkeit eines Rechtssatzes im Allgemeinen als Teil der allgemeinen Rechtsordnung, also ohne, dass es darauf ankäme, dass die Tatbestandsmerkmale der Norm vorliegen, und allein deswegen, weil die Rechtsnorm Teil des gültigen Rechts einer Rechtsordnung ist.356 2. Die Gebietsbezüge auf tatsächlicher Ebene Die Gebietsbezüge auf tatsächlicher Ebene werden durch den auf die tatsächliche Ebene bezogenen Inhalt eines Rechtssatzes gebildet. Es handelt sich demnach um die Gebietsbezüge, die aus der Tatbestandsanknüpfung sowie der tatsächlichen Verwirklichung der Rechtsfolge folgen. a) Regelungsbereich Die territoriale Reichweite der Tatbestandsanknüpfung soll durch den Regelungsbereich einer Rechtsnorm beschrieben werden. Für die Fassung dieses Bereiches müssen, wie bei der Charakterisierung eines Rechtssatzes als extraterritorial, die positiven Tatbestandsmerkmale einer Norm entscheidend sein. Der Regelungsbereich umfasst daher jenes Gebiet, in dem Sachverhaltselemente, die für die Subsumtion unter den Tatbestand von Bedeutung sind, verwirklicht werden bzw. belegen sein können. Dies gilt auch, wenn dieses Merkmal indirekt durch ein negatives Tatbestandsmerkmal beschrieben wird, da die Funktion negativer Tatbestandsmerkmale darin besteht, indirekt ein Tatbestandselement zu beschreiben,
356 Ohler, Die Kollisionsordnung des allgemeinen Verwaltungsrechts Strukturen des deutschen internationalen Verwaltungsrechts, 2005, S. 44; Schilling, Rang und Geltung von Normen in gestuften Rechtsordnungen, 1994, S. 190 f.; Epping, Grundgesetz und Kriegswaffenkontrolle, 1993, S. 146; Verdross, Territoriale Souveränität und Gebietshoheit zur völkerrechtlichen Lage der Oder-Neisse-Gebiete, 1980, S. 90; Minas-von Savigny, Negative Tatbestandsmerkmale, 1972, S. 31; Vogel, Der räumliche Anwendungsbereich der Verwaltungsrechtsnorm, 1965, S. 2. Siehe auch Drüen, in: Kruse/Tipke, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 4 AO, Rn. 8; Lehner, Das Territorialitätsprinzip im Lichte des Europarechts, in: Wassermeyer u. a. (Hrsg.), Körperschaftsteuer, internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, 2005, S. 241 ff., 244; Rudolf, Über territoriale Grenzen der Steuergesetze, in: Bärmann u. a. (Hrsg.), Recht und Wirtschaft in Geschichte und Gegenwart, 1975, S. 769 ff., 775; Tipke/Lang u. a., Steuerrecht, 22. Aufl., 2015, S. 185; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl., erstveröffentlicht in 1991, 2014, S. 195; Fikentscher, Methoden des Rechts in vergleichender Darstellung, Band IV/V, erstveröffentlicht in 1977, 2009, S. 150; Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 10 f.; Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 2. Aufl., 1991, S. 191; Larenz, Das Problem der Rechtsgeltung, 1967.
A. Der extraterritoriale Steuerrechtssatz
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bei dessen Vorliegen die Rechtsfolge Anwendung finden soll.357 Der Regelungsbereich einer Norm bestimmt sich daher danach, wo die direkt wie indirekt gefassten positiven Tatbestandsmerkmale einer Norm belegen sein können. Ist der so bestimmte Regelungsbereich einer Norm auf das Gebiet des Staates beschränkt, so knüpft der Tatbestand lediglich an Sachverhaltselemente an, die auf diesem Gebiet belegen sind.358 b) Rechtsfolgenbereich Der Rechtsfolgenbereich einer Rechtsnorm soll demgegenüber die territorialen Bezüge der erwünschten tatsächlichen Wirksamkeit der Rechtsnorm im konkreten Fall erfassen. Der Rechtsfolgenbereich fragt also nach der räumlichen Erstreckung der tatsächlichen Wirkungen der Rechtsnorm im konkreten Fall.359 Bei Steuerrechtssätzen als Imperative beschreibt der Rechtsfolgenbereich zunächst jenen Bereich, in dem das Verhalten, das der Imperativsatz vorschreibt, entsprechend dieser normativen Vorgabe zu verwirklichen ist, d. h. der Bereich, in dem die Steuerzahlung zu bewirken ist. Hierbei handelt es sich um die territoriale Reichweite der Rechtsfolgenanordnung des Steuerrechtssatzes. Zudem erfasst der Rechtsfolgenbereich bei Steuerrechtssätzen jenen Bereich, in dem sich die belasteten Sachverhalte verwirklichen, da gerade diese Sachverhalte tatsächlich belastet werden sollen. Soweit weitergehend ein Äquivalenzverhältnis besteht, umfasst der Rechtsfolgenbereich auch jenen Bereich, in dem steuerlich nicht-belastungswürdige Sachverhalte frei von der steuerlichen Belastung verfolgt werden können sollen. Entsprechend gilt insbesondere bei Lenkungsregelungen, dass der Rechtsfolgenbereich jenen Bereich umfasst, in dem die Umverteilung oder aber der Verhaltensanreiz tatsächlich wirksam werden soll. c) Das Verhältnis des Regelungs- zum Rechtsfolgenbereich Für das Verhältnis von Regelungs- und Rechtsfolgenbereich kann eine gewisse Verknüpfung ausgemacht werden, die aus der spezifischen Struktur des Rechtssatzes folgt.360 357
Ausführlich Teil 2 A. II. 2. b) (bb). Lehner, Das Territorialitätsprinzip im Lichte des Europarechts, in: Wassermeyer u. a. (Hrsg.), Körperschaftsteuer, internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, 2005, S. 241 ff., 243; Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 10 ff.; Verdross, Territoriale Souveränität und Gebietshoheit zur völkerrechtlichen Lage der OderNeisse-Gebiete, 1980, S. 90; Vogel, Der räumliche Anwendungsbereich der Verwaltungsrechtsnorm, 1965, S. 2. 359 Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 10 ff. 360 Siehe auch Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 74 ff., der insoweit allerdings nur auf den Ort der Verwirklichung der Verpflichtung durch die Rechtsnorm abstellt. 358
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Teil 2: Die (extra-)territoriale Erstreckung der Rechtsetzung
Nach der Struktur der Rechtsnorm soll die Rechtsfolgenanordnung tatsächlich wirksam werden, wenn die Voraussetzungen des Tatbestandes vorliegen. Der Tatbestand wird hierdurch mit der Rechtsfolgenanordnung verknüpft, sodass die Verwirklichung des tatbestandlich erfassten Lebenssachverhaltes immer mit der Verwirklichung der Rechtsfolgenanordnung einher zu gehen hat. Dies wurde in Teil 2 A. II. 2. c) (cc) (1) als Belastung des tatbestandlichen Sachverhaltes mit der Rechtsfolgenanordnung beschrieben. Auf Grund dessen umfasst der Rechtsfolgenbereich zumindest auch den Regelungsbereich. Allerdings ist der Rechtsfolgenbereich hierdurch nicht mit dem Regelungsbereich identisch. Vielmehr ist der Rechtsfolgenbereich bereits dann umfassender als der Regelungsbereich, wenn die Rechtsfolgenanordnung in einem anderen Gebiet als dem der Tatbestandsverwirklichung umzusetzen ist. Während also der Rechtsfolgenbereich mindestens den Regelungsbereich umfasst, wird er häufig über den Regelungsbereich hinausreichen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Rechtsnorm eine Vollständigkeit zukommt, wie sie in Teil 2 A. II. c) (cc) (2) beschrieben wurde. Insoweit gilt, dass die Rechtsnorm auch in Bezug auf nicht tatbestandlich erfasste Sachverhalte eine normative Vorgabe in Form der Nichtanordnung der Rechtsfolgenanordnung enthält, die tatsächlich wirksam werden soll. Insoweit, als diese Sachverhalte außerhalb des Regelungsbereiches verwirklicht werden, ergibt sich ein Hinausreichen des Rechtsfolgenbereiches über den Regelungsbereich. Wie aber auch ausgeführt wurde, impliziert dies, dass die Nichtanordnung der Rechtsfolgenanordnung gerade darauf beruhen muss, dass die territoriale Divergenz zwischen der Tatbestandsverwirklichung und den außerhalb des Regelungsbereiches verwirklichten Sachverhalten mit dem Nichteintritt der Rechtsfolgenanordnung einhergehen soll, weil die Belastung mit dieser unter teleologischen Gesichtspunkten nicht erwünscht ist. 3. Das Verhältnis des Geltungsbereiches zu den tatsächlichen Bezügen Abschließend ist mit Blick auf die weitere Frage nach der territorialen Reichweite der Gebietsbezüge nach dem Verhältnis zwischen dem Geltungsbereich und den tatsächlichen Gebietsbezügen zu fragen. Dies ist insoweit von Interesse, als eine etwaige Beschränkung des Geltungsbereiches oder der tatsächlichen Gebietsbezüge eine territoriale Begrenzung der jeweils anderen Bezugsebene impliziert. a) Geltungs- und Regelungsbereich Der Geltungsbereich einer Rechtsnorm beschreibt, auf welchem Gebiet eine Norm als Teil der auf einem Gebiet gültigen Rechtsordnung normativ verbindlich sein soll. Durch den Regelungsbereich wird hingegen jener Bereich beschrieben, in dem die Tatbestandselemente verwirklicht werden können.
A. Der extraterritoriale Steuerrechtssatz
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Die Geltung einer Rechtsnorm als Teil der Rechtsordnung erweist sich so allerdings nicht als Voraussetzung für die Anknüpfung an Sachverhaltselemente, die außerhalb des Geltungsbereiches belegen sind.361 Vielmehr ist die Geltung als Teil der Rechtsordnung nur Voraussetzung für die zwangsweise Durchsetzung der Rechtsfolge auf einem bestimmten Gebiet, d. h. dafür, dass die tatsächliche Verwirklichung mit den Mitteln des normativ legitimierten tatsächlichen Zwanges herbeigeführt werden kann.362 Daher können Rechtsnormen Elemente zum Tatbestand wählen, die nicht auf dem Gebiet des Staates belegen sind, während die Geltung der Norm als Teil der Rechtsordnung auf ebendieses Gebiet beschränkt ist. Ebenso kommt es aber auch umgekehrt in Betracht, dass der allgemeine Geltungsbereich weiter ist als der Bereich, in dem an Sachverhaltselemente angeknüpft wird. Zwar mag gelten, dass es aus Sicht des Staates naheliegt, den Geltungsbereich auf den Regelungsbereich abzustimmen.363 Denn in diesem Fall knüpft die Norm an Elemente an, die in dem Gebiet belegen sind, in dem die Rechtsnorm als normative Vorgabe und Teil der Rechtsordnung gilt. Dies gilt insbesondere für eine personale Anknüpfung, da in diesem Fall die Norm die in die Pflicht genommene Person nicht nur einer faktischen Bindung, sondern einer normativen Pflicht unterwerfen kann. Aber auch hierbei handelt es sich nicht um eine zwingende logische Beziehung. 361 Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 4 AO, Rn. 225; Rudolf, Über territoriale Grenzen der Steuergesetze, in: Bärmann u. a. (Hrsg.), Recht und Wirtschaft in Geschichte und Gegenwart, 1975, S. 769 ff., 775; Rudolf, Territoriale Grenzen der staatlichen Rechtssetzung, in: DGFIR, Territoriale Grenzen der staatlichen Rechtsetzung, DGFIR Band 12, 1973, S. 7 ff., 10; Ziegenhain, Extraterritoriale Rechtsanwendung und die Bedeutung des Genuine-Link-Erfordernisses, 1991, S. 3; Vogel, Der räumliche Anwendungsbereich der Verwaltungsrechtsnorm, 1965, S. 2. Siehe zudem Epping, Grundgesetz und Kriegswaffenkontrolle, 1993, S. 146; Verdross, Territoriale Souveränität und Gebietshoheit zur völkerrechtlichen Lage der Oder-Neisse-Gebiete, 1980, S. 90 ff.; Schlochauer, Die extraterritoriale Wirkung von Hoheitsakten, 1962, S. 40; Schmahl, Zwischenstaatliche Kompetenzabgrenzung im Cyberspace, AVR, 2009, S. 284 ff., 314 ff. 362 Rudolf, Territoriale Grenzen der staatlichen Rechtssetzung, in: DGFIR, Territoriale Grenzen der staatlichen Rechtsetzung, DGFIR Band 12, 1973, S. 7 ff., 10; Oxman, Jurisdiction of States, in: Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law; Brownlie, Principles of public international law, 7. Aufl., 2008, S. 308; Epping, Grundgesetz und Kriegswaffenkontrolle, 1993, S. 146; Martha, The jurisdiction to tax in international law, 1989, S. 63 f.; Mann, The Doctrine of International Jurisdiction Revisited after Twenty Years, 1984, S. 34; Spitaler, Das Doppelbesteuerungsproblem bei den direkten Steuern, 2. Aufl., 1967, S. 166; Schmahl, Zwischenstaatliche Kompetenzabgrenzung im Cyberspace, AVR, 2009, S. 284 ff., 314; Shay/Fleming, JR./Peroni, The David R. Tillinghast Lecture „What’s Source Got to Do With It?“, Tax Law Review, 2002, S. 81 ff., 117; Meng, Regeln über die Jurisdiktion der Staaten im amerikanischen Restatement (Third) of Foreign Relations Law, AVR, 1989, S. 156 ff., 7 ff. 363 Verdross, Territoriale Souveränität und Gebietshoheit zur völkerrechtlichen Lage der Oder-Neisse-Gebiete, 1980, S. 92. Vielfach wird insoweit von einer grundsätzlichen Übereinstimmung gesprochen, bei der das Auseinanderfallen der Bereiche die – rechtfertigungsbedürftige – Ausnahme darstellt, siehe Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 118 f.; Epping, Grundgesetz und Kriegswaffenkontrolle, 1993, S. 146.
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Teil 2: Die (extra-)territoriale Erstreckung der Rechtsetzung
b) Geltungs- und Rechtsfolgenbereich Fraglich ist, ob auch für das Verhältnis zum Rechtsfolgenbereich festzustellen ist, dass zwischen der Geltung eines Rechtssatzes und dem Rechtsfolgenbereich kein Zusammenhang besteht. Rechtsnormen, deren Rechtsfolgenbereich weiter ist als ihr Geltungsbereich,364 beinhalten die tatsächliche Verwirklichung einer normativen Vorgabe auf einem Gebiet, in dem dieser Rechtssatz nicht als Teil der Rechtsordnung gelten soll und damit nicht normativ verbindlich ist. Soweit Rechtsnormen auf eine tatsächliche Auswirkung gerichtet sind, liegt hierin kein Widerspruch, da die tatsächlichen Auswirkungen der Rechtsnorm als Ergebnis eines tatsächlichen Verhaltens auch eintreten können, wenn der zugrunde liegende Rechtssatz nicht Teil der in diesem Gebiet geltenden Rechtsordnung ist. Ebenso wenig ist von Bedeutung, ob die Person, die entsprechend der normativen Vorgabe das tatsächliche Verhalten ausüben und hierdurch die normative Vorgabe tatsächlich verwirklichen soll, sich im Geltungsbereich befindet. Zwar entfaltet in einem solchen Fall die Rechtsnorm gegenüber dieser Person grundsätzlich keine normative Verbindlichkeit dergestalt, dass die Rechtsnorm dieser gegenüber als Rechtsnorm normative Geltung entfaltet. Dies steht aber einer Verwirklichung der Verhaltensvorgabe nicht entgegen. Denn einerseits kann ein Staat die gegenseitige Anerkennung von Rechtsakten und Rechtssätzen mit anderen Staaten vereinbart haben, sodass die anderen Staaten die rechtlichen Vorgaben im Umfang der Anerkennung in die eigene Rechtsordnung inkorporieren und so die normative Aussage des anderen Staates in den Grenzen der Anerkennung in ihrer eigenen Rechtsordnung zur Geltung bringen. Darüber hinaus kann auch eine faktische Bindungswirkung bestehen, die auf tatsächlichen Interessen der Person beruht, die Norm auch dann zu beachten, wenn diese nicht Geltung beanspruchen kann.365 Demgemäß mag es aus Sicht des Staates naheliegen oder gar als ein Gebot legislativer Vernunft erscheinen, eine weitgehende Kongruenz zwischen dem Geltungs- und Rechtsfolgenbereich herbeizuführen, da andernfalls nur eine faktische
364 Siehe hierzu die Reichweite des Geltungsbereiches nach personaler und territorialer Geltung Teil 2 B. II. 365 Vitzthum, Begriff, Geschichte und Rechtsquellen des Völkerrechts, in: Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 2016, S. 1 ff., 24; Wengler, Betrachtungen über den Zusammenhang der Rechtsnormen in der Rechtsordnung, in: Ko¯nstantopulos/Wehberg (Hrsg.), Gegenwartsprobleme des internationalen Rechtes und der Rechtsphilosophie, 1953, S. 719 ff., 729 ff.; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 118 f.; Schilling, Rang und Geltung von Normen in gestuften Rechtsordnungen, 1994, S. 17 ff.; Schmahl, Zwischenstaatliche Kompetenzabgrenzung im Cyberspace, AVR, 2009, S. 284 ff., 314 ff.; Qureshi, The Freedom of a State to Legislate in Fiscal Matters under General International Law, BIT, 1987, S. 14 ff., 18. Im Ergebnis ebenso Ritter, Das Prinzip Rücksicht, BB, 1984, S. 1109 ff., 1109, wenn er zwischen dem Gebiet unterscheidet, in dem der Hoheitsakt bei der Rechtsetzung gesetzt wird und jenem Gebiet, in dem die Wirkungen eintreten.
A. Der extraterritoriale Steuerrechtssatz
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nicht aber normative Bindungswirkung besteht.366 Doch schließt diese faktische Bindungswirkung aus Sicht des Staates es nicht aus, eine derartige Norm zu setzen, da auch die faktische Bindungswirkung aus seiner Sicht ausreichen mag, um das Regelungsanliegen entsprechend den identifizierten Interessen und dem Regelungsmaßstab tatsächlich zu gestalten.367 Weiterhin steht diese faktische Bindungswirkung nicht im Widerspruch zum Charakteristikum des positiven Rechts. Dieses zeichnet sich dadurch aus, dass die gesetzte normative Aussage nicht deshalb beachtenswert ist, weil sie unter ethischen Gesichtspunkten als richtig erscheint, sondern deshalb, weil die normative Vorgabe Teil der geltenden Rechtsordnung ist. Spezifisches Merkmal und Abgrenzungskriterium des positiv geschaffenen Rechtssatzes gegenüber weiteren normativen Vorgaben ist daher, dass ein Rechtssatz im Ausgangspunkt auf Grund seiner Eigenart, ein Rechtssatz zu sein, und nicht auf Basis ethischer Überzeugungskraft maßgeblich ist.368 Dies bedeutet aber nicht, dass eine Rechtsnorm nur innerhalb ihres Gel366 Vogel, Der räumliche Anwendungsbereich der Verwaltungsrechtsnorm, 1965, S. 96; vgl. auch Wengler, Betrachtungen über den Zusammenhang der Rechtsnormen in der Rechtsordnung, in: Ko¯nstantopulos/Wehberg (Hrsg.), Gegenwartsprobleme des internationalen Rechtes und der Rechtsphilosophie, 1953, S. 719 ff., 729 f.; Schmahl, Zwischenstaatliche Kompetenzabgrenzung im Cyberspace, AVR, 2009, S. 284 ff., 314 ff. 367 Hierzu insbesondere Wengler, Betrachtungen über den Zusammenhang der Rechtsnormen in der Rechtsordnung, in: Ko¯nstantopulos/Wehberg (Hrsg.), Gegenwartsprobleme des internationalen Rechtes und der Rechtsphilosophie, 1953, S. 719 ff., 729 ff.; Ryngaert, Jurisdiction in international law, 2008, S. 24 f.; Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 734; Schilling, Rang und Geltung von Normen in gestuften Rechtsordnungen, 1994, S. 17 ff.; Kaffanke, Nationales Wirtschaftsrecht und internationale Wirtschaftsordnung, 1990, S. 331 ff.; Qureshi, The Freedom of a State to Legislate in Fiscal Matters under General International Law, BIT, 1987, S. 14 ff., 18. 368 Siehe mit weiteren Nachweisen bspw. Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/ FGO, § 4 AO, Rn. 16; Seiler, Der souveräne Verfassungsstaat zwischen demokratischer Rückbindung und überstaatlicher Einbindung, 2005, S. 80 ff.; Schilling, Rang und Geltung von Normen in gestuften Rechtsordnungen, 1994, S. 26 ff.; Henkel, Einführung in die Rechtsphilosophie Grundlagen des Rechts, 2. Aufl., 1977, S. 543 ff.; Minas-von Savigny, Negative Tatbestandsmerkmale, 1972, S. 24; Minas-von Savigny, Negative Tatbestandsmerkmale, 1972, S. 31 f.; Alexy, Theorie der Grundrechte, erstveröffentlicht in 1984, S. 47; Ritter, Das Prinzip Rücksicht, BB, 1984, S. 1109 ff., 1109 und ausführlich Larenz, Das Problem der Rechtsgeltung, 1967, S. 22 ff. Die vorstehenden Ausführungen dahingehend, dass Rechtssätze zuvorderst nicht deshalb maßgeblich sind, weil sie Ausdruck ethischer Anforderungen sind, ist aber nicht im Sinne einer Festlegung auf ein spezifisches Verhältnis von Recht und Ethik, insbesondere auf ein positivistisches Rechtsverständnis, zu verstehen, sondern beschreibt lediglich die normative Verbindlichkeit im Grundsatz als kraft staatlicher Souveränität gewollte Verbindlichkeit (siehe Teil 1 A. III. 2. c) (bb) sowie die Nachweise in Fußnote 166). Zu den vielfältigen Verknüpfungen zwischen der Legitimität des Rechts, seiner ethischen Überzeugungskraft und der Legalität, d. h. Geltung, des Rechts siehe aus der Literatur mit weiteren Nachweisen Krever/van Brederode, Chapter 1: A Reflection on Methods and Issues, in: van Brederode/Krever (Hrsg.), Legal interpretation of tax law, 2017, S. 1 ff.; Kluth, Gerechtigkeit, in: Kube u. a. (Hrsg.), Leitgedanken des Rechts, 2013, S. 325 ff.; Kirchhof, Recht verstehen und Recht sprechen, in: Mellinghoff u. a. (Hrsg.), Steuerrecht im Rechtsstaat, 2011, S. 641 ff., 642 ff.; Lang, Über das
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Teil 2: Die (extra-)territoriale Erstreckung der Rechtsetzung
tungsbereiches als Rechtsnorm befolgt wird, denn aus dieser Charakterisierung folgt nur, dass die Maßgeblichkeit nicht die ethische Richtigkeit voraussetzt, sie kann aber wohl Ausdruck einer ethischen Vorgabe sein. Zudem kann gerade auch die Geltung als Rechtssatz faktisch vorwirken, sodass eine Person diese beachtet, weil sie ihren Interessen entspricht, bspw. weil die Person die Rechtsnorm zwar nicht als allgemeine ethische Vorgabe, wohl aber als zutreffendes Ergebnis einer Interessenabwägung ansieht.369 Es zeigt sich daher, dass zwischen den territorialen Bezügen der normativen Maßgeblichkeit einer Rechtsnorm und den tatsächlichen Auswirkungen der Rechtsfolgen keine allgemein gültigen Beziehungen bestehen.
IV. Zusammenfassung Ziel dieses ersten Abschnitts des Teil 2: war es, unter Einbezug der bisher diskutierten Begriffsdefinitionen für die Zwecke der vorliegenden Arbeit eine Definition der extraterritorialen Steuerrechtsnorm zu gewinnen, um hierdurch den Untersuchungsgegenstand abzugrenzen. Es wurde daher zunächst darauf hingewiesen, dass Zweck der vorliegenden Arbeit die Untersuchung der Befugnis eines Staates ist, extraterritoriale Rechtsnormen des Steuerrechts zu setzen. Auf Grund dessen zeigte sich, dass eine rechtliche Prägung des Begriffes der extraterritorialen Rechtsnorm nicht geeignet ist, um ohne Einbezug eines Vorverständnisses über die Reichweite dieser Befugnis eine umfassende Würdigung zu ermöglichen. Es galt daher, unter Berücksichtigung des grundsätzlichen Zieles der vorliegenden Arbeit eine vornehmlich am einfachen Wortsinn orientierte Begriffsdefinition herauszuarbeiten. Demnach kann eine Rechtsnorm nur dann als extraterritorial angesehen werden, wenn sie auf Grund ihrer Bezüge selbst als extraterritorial zu charakterisieren ist. Dies ist anhand des spezifischen Merkmales von Rechtsnormen festzustellen, der in ihrem vom Staat beigemessenen normativen Charakter und der hiermit zusammenhängenden spezifischen Verknüpfung von Tatbestand und Rechtsfolge liegt. Demgemäß ist die Frage der Extraterritorialität für vollständige Rechtssätze aufgeworfen, nicht aber sind unvollständige Rechtssätze isoliert zu untersuchen. Ein Rechtssatz kann hierbei auf Grund seiner Geltung, auf Grund der Fassung des Tatbestandes oder auf Grund der tatsächlichen Auswirkungen der Rechtsfolge als Ethische der Steuertheorie von Klaus Tipke, in: Lang (Hrsg.), Die Steuerrechtsordnung in der Diskussion, 1995, S. 3 ff., 8 ff.; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl., erstveröffentlicht in 1991, 2014, S. 36 ff.; Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 10 ff., 39 ff.; Lauterpacht, International law, Band I/II, 1970, S. 193 ff. 369 Vgl. neben den Nachweisen in der vorhergehenden Fußnote auch Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl., erstveröffentlicht in 1991, 2014, S. 195; Ryngaert, Jurisdiction in international law, 2008, S. 24 f.; Epping, Grundgesetz und Kriegswaffenkontrolle, 1993, S. 146.
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extraterritorial anzusehen sein. Die territoriale Dimension dieser Merkmale wird durch den Geltungs-, Regelungs- und Rechtsfolgenbereich erfasst. Die Geltung eines Rechtssatzes führt zu einer Charakterisierung des Rechtssatzes als extraterritorial immer dann, wenn vorgesehen ist, dass der Rechtssatz außerhalb des Territoriums des regelnden Staates als Teil der dort geltenden Rechtsordnung maßgeblich sein soll. Insoweit weist die Rechtsnorm einen extraterritorial erstreckten Geltungsbereich auf. Aus der Fassung des Tatbestandes folgt eine Charakterisierung als extraterritorial und damit eine extraterritoriale Erstreckung des Regelungsbereiches dann, wenn bei Feststellung eines Tatbestandsmerkmales Umstände Berücksichtigung finden, die sich nicht auf dem Gebiet des Staates verwirklicht haben. Dabei kam es lediglich auf die positiven Tatbestandsmerkmale an; soweit der Rechtssatz ein negatives Tatbestandsmerkmal beinhaltet, ist nicht dieses für die Einordnung der Norm von Bedeutung, sondern das hierin zum Ausdruck gelangende positive Tatbestandsmerkmal, dessen Vorliegen zur Anwendung der Rechtsfolgenanordnung führen soll. Die tatsächlichen Auswirkungen der Rechtsfolge erwiesen sich nur insoweit als relevant für die Einordnung des Rechtssatzes als extraterritorial, als die unmittelbaren, intendierten Vorgaben des Rechtssatzes außerhalb des Territoriums des regelnden Staates tatsächlich wirksam werden sollen. Für diese Frage ist es von besonderer Bedeutung, die dem Rechtssatz beigelegten Wirkungen von mittelbaren, nicht-intendierten Effekten abzugrenzen. Dies richtet sich danach, ob die Auswirkungen vom Staat der Norm auch beigemessen wurden, insbesondere, weil er sie vorhergesehen und geduldet oder als mittelbare Auswirkungen mitbezweckt hat. Ebenso ist aber zu berücksichtigen, dass in jedem Fall die Rechtsfolgenanordnung eine Belastung des tatbestandlich umschriebenen Verhaltens darstellen soll. Diese Rechtsfolge besteht in der Geltung der Rechtsnorm im konkreten Fall. Zudem ist zu fragen, ob nicht ausnahmsweise dem Rechtssatz eine Vollständigkeit dergestalt beizumessen ist, dass das Nichteintreten der Rechtsfolgenanordnung impliziert, dass ein nach der Teleologie der Norm nicht zu belastender Sachverhalt vorliegt. Soweit sich diese Äquivalenz auf die territorialen Bezüge eines Rechtssatzes erstreckt, beinhaltet der Rechtssatz auch insoweit eine normative Vorgabe, die dazu führen kann, dass der Rechtssatz als extraterritorial anzusehen ist. Diese territorialen Dimensionen der Rechtsfolge werden durch den Rechtsfolgenbereich erfasst. Hinsichtlich der logischen Beziehungen dieser Bereiche gilt, dass keine Beziehung zwischen dem Regelungs- und Rechtsfolgenbereich einer Norm und dem Geltungsbereich besteht. Zwar kann es aus Sicht des Staates naheliegen, einen bestimmten Inhalt mit einer bestimmten Geltung zu verbinden. Ebenso mag es ein Gebot legislativer Vernunft sein, den Geltungs- und Regelungs- und Rechtsfolgenbereich aufeinander abzustimmen, eine Notwendigkeit besteht hierzu aber jedenfalls unter normstrukturellen Gesichtspunkten nicht. Verknüpfungen ergeben sich allerdings für die tatsächlichen und normativen Bezüge eines Rechtssatzes untereinander. Auf der Ebene der tatsächlichen Gebietsbezüge gilt, dass der Rechtsfolgenbereich zumindest den Regelungsbereich umfasst, da die Rechtsfolge wegen der Tatbestandsverwirklichung eintritt und daher
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Teil 2: Die (extra-)territoriale Erstreckung der Rechtsetzung
eine tatsächliche Belastung des tatbestandlich umschriebenen Sachverhaltes darstellen soll. Weitergehend reicht der Rechtsfolgenbereich regelmäßig über den Regelungsbereich hinaus, da die Rechtsfolgen auch in einem Gebiet tatsächlich eintreten sollen können, das nicht mit dem Gebiet der Tatbestandsverwirklichung übereinstimmt. Auch wenn sich demnach ergibt, dass der Rechtsfolgenbereich entweder identisch mit dem oder weitergehender als der Regelungsbereich ist, soll für die weiteren Ausführungen nicht ausschließlich auf den Rechtsfolgenbereich abgestellt werden. Zwar könnten an sich hierdurch alle Gebietsbezüge gefasst werden, allerdings müssten bei der Frage nach der territorialen Reichweite des Rechtsfolgenbereiches die tatbestandlichen Gebietsbezüge mitgedacht werden, um die Frage der territorialen Reichweite der Rechtsnorm vollständig zu erörtern. Demgemäß werden im Folgenden die territoriale Reichweite des Regelungs- und Rechtsfolgenbereiches zwar an gemeinsamer Stelle, aber im Einzelnen unterschieden nach Regelungs- und Rechtsfolgenbereich erörtert. Speziell für Steuerrechtssätze ergab sich, dass der territorial zu erfüllenden Pflicht zur Steuerentrichtung kein extraterritorialer normativer Gehalt zukommt. Soweit aber die Steuerpflicht eine spezifische Belastung des tatbestandlich erfassten Sachverhaltes widerspiegelt und dieser Sachverhalt auch extraterritorial erfasst ist, kommt der Steuerrechtsnorm einerseits wegen der extraterritorialen tatbestandlichen Anknüpfung, andererseits wegen der extraterritorialen Rechtsfolge in Form der normativen Vorgabe der Belastungswürdigkeit des extraterritorialen Sachverhaltes ein extraterritorialer Charakter zu. Insbesondere bei Lenkungsregelungen des Steuerrechts gilt dabei ergänzend, dass auf Grund des Äquivalenzverhältnisses für die Frage der Extraterritorialität auch jene Gebiete von Bedeutung sind, in denen die Begünstigungswirkung eintreten soll oder in denen entsprechend dem gesetzten Anreiz das steuerbegünstigte Verhalten verwirklicht wird. Nach diesen Maßstäben ist bspw. festzustellen, dass sowohl die unbeschränkte370 als auch die beschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1, 4 EStG371 der deutschen Einkommensteuer einen extraterritorialen Charakter beilegen.372 Für die unbeschränkte Steuerpflicht folgt dies, vorbehaltlich etwaiger Normen der Doppelbe-
370 Hidien, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 49 EStG, Rn. A 631; Schlochauer, Die extraterritoriale Wirkung von Hoheitsakten, 1962, S. 19; Schön, Persons and Territories: on the International Allocation of Taxing Rights, BTR, 2010, S. 554 ff., 555. 371 Siehe hierzu und zu Zwischenformen wie der erweiterten unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 2 EStG bspw. Lehner/Waldhoff, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 1 EStG, Rn. A 11 ff. 372 Siehe auch Heber/Sternberg, The Extraterritorial Reach of the German Progression Clause in Income Tax Law in the light of International Law, Intertax, 2017, S. 254 ff., 254 f. zur extraterritorialen Erstreckung der Einkommensteuer auf Grund der Regelung des § 32b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG, der den Einbezug ausländischer Einkünfte, die vor Begründung einer unbeschränkten Steuerpflicht während eines Steuerjahres erzielt wurden, in die Berechnung des progressiven Steuersatzes vorsieht.
A. Der extraterritoriale Steuerrechtssatz
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steuerungsabkommen,373 bereits374 unmittelbar aus der Besteuerung des von einer Person erzielten375 Welteinkommens, §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 EStG,376 und damit aus der Erfassung außerhalb der Bundesrepublik Deutschland verwirklichter Sachverhalte.377 Demgegenüber setzt die beschränkte Steuerpflicht, §§ 1 Abs. 4, 49 EStG, zwar eine territoriale Radizierung der Einkunftsquellen voraus,378 der Besteuerung unterworfen ist allerdings die nicht im Inland ansässige natürliche Person, sodass bereits hierdurch die beschränkte Steuerpflicht als extraterritorial anzusehen ist.379
373 Siehe zur Bedeutung dieses Vorbehalts bspw. Lehner/Waldhoff, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 1 EStG, Rn. A 4; Vogel, Die Besteuerung von Auslandseinkünften, in: Vogel (Hrsg.), Grundfragen des internationalen Steuerrechts, DStJG Band 8, 1985, S. 3 ff., 4 ff.; Elicker, Die Zukunft des deutschen internationalen Steuerrechts, IFSt-Schrift, Nr. 438, 2006, S. 39 f. 374 Ebenso liegte auch bereits in der personalen Anknüpfung eine extraterritoriale Erstreckung der Einkommensteuer, da die unbeschränkte Steuerpflicht nicht auf den ununterbrochenenen tatsächlichen Aufenthalt, sondern das Innehaben eines Wohnsitzes nach § 8 AO oder Vorliegen eines gewöhnlichen Aufenthaltes nach § 9 AO gestützt ist, Lehner/Waldhoff, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 1 EStG, Rn. A 41 Siehe auch Teil 3 C. I. 375 Zu diesem Merkmal der persönlichen Zurechnung siehe nur Lehner/Waldhoff, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 1 EStG, Rn. A 391; Musil/Winfried Bergkemper, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 2 EStG, Rn. 57, 100 ff.; Kirchhof, § 2 EStG, in: Kirchhof (Hrsg.), Einkommensteuergesetz, 2016, Rn. 54; Tipke/Lang u. a., Steuerrecht, 22. Aufl., 2015, S. 312; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1988, S. 43. 376 Siehe nur Wassermeyer, Die beschränkte Steuerpflicht, in: Vogel (Hrsg.), Grundfragen des internationalen Steuerrechts, DStJG Band 8, 1985, S. 49 ff., 51; Vogel, Die Besteuerung von Auslandseinkünften, in: Vogel (Hrsg.), Grundfragen des internationalen Steuerrechts, DStJG Band 8, 1985, S. 3 ff., 4. 377 Siehe nur Lehner/Waldhoff, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 1 EStG, Rn. A 352; Stapperfend, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 1 EStG, Rn. 88; Kirchhof, § 2 EStG, in: Kirchhof (Hrsg.), Einkommensteuergesetz, 2016, Rn. 7; Vogel, Die Besteuerung von Auslandseinkünften, in: Vogel (Hrsg.), Grundfragen des internationalen Steuerrechts, DStJG Band 8, 1985, S. 3 ff., 4; Tipke/Lang u. a., Steuerrecht, 22. Aufl., 2015, S. 268; Elicker, Die Zukunft des deutschen internationalen Steuerrechts, IFSt-Schrift, Nr. 438, 2006, S. 36 ff. 378 Hidien, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 49 EStG, Rn. A 168; Lehner/Waldhoff, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 1 EStG, Rn. E 4; Wassermeyer, Die beschränkte Steuerpflicht, in: Vogel (Hrsg.), Grundfragen des internationalen Steuerrechts, DStJG Band 8, 1985, S. 49 ff., 51, 56 ff.; Vogel, Die Besteuerung von Auslandseinkünften, in: Vogel (Hrsg.), Grundfragen des internationalen Steuerrechts, DStJG Band 8, 1985, S. 3 ff., 4; Vogel, Die Besteuerung von Auslandseinkünften, in: Vogel (Hrsg.), Grundfragen des internationalen Steuerrechts, DStJG Band 8, 1985, S. 3 ff.; Crezelius, Beschränkte Steuerpflicht und Gestaltungsmißbrauch, Der Betrieb, 1984, S. 530 ff., 531. 379 Musil/Winfried Bergkemper, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 2 EStG, Rn. 57; Hidien, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 49 EStG, Rn. A 631; Kirchhof, § 2 EStG, in: Kirchhof (Hrsg.), Einkommensteuergesetz, 2016, Rn. 126; Schrettl, Rechtsfragen der beschränkten Steuerpflicht, 1994, S. 61; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1988, S. 43.
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Teil 2: Die (extra-)territoriale Erstreckung der Rechtsetzung
Ebenso gilt aber auch, dass sich die steuerpflichtige Person nicht notwendigerweise bei der Einkünfteerzielung im Inland aufhält (argumentum e contrario § 1 Abs. 1, 4 EStG in Verbindung mit §§ 8, 9 AO).380 Diese Person erzielt das Einkommen, §§ 1 Abs. 4, 49, 2 Abs. 1 EStG,381 indem sie die Einkünfteerzielung steuert und veranlasst.382 Für diese Frage ist aber nicht nur das inländische, sondern auch das extraterritoriale Verhalten des beschränkt Steuerpflichtigen in den Blick zu nehmen, da die isolierende Betrachtungsweise des § 49 Abs. 2 EStG insoweit keine Anwendung findet.383 Auch bei Lenkungszwecksteuern ist die extraterritoriale Erstreckung der Besteuerungsgewalt regelmäßig festzustellen. So weist die Luftverkehrsteuer bspw. dadurch einen extraterritorialen Charakter auf, dass ausländische Flugstrecken für die Steuerbemessung herangezogen werden, § 11 LuftVStG. Zudem soll der Steuer eine auch extraterritorial wirksame Lenkungswirkung zukommen, die auf die Reduktion geflogener Flugstrecken gerichtet ist.384 Letztlich ist auch die Finanztrans-
Insoweit ergibt sich hieraus ein weiterer Grund, warum die unbeschränkte Steuerpflicht als extraterritorial zu charakterisieren ist. Denn Voraussetzung der unbeschränkten Steuerpflicht ist nur das Bestehen eines Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes im Inland. Das Bestehen eines Wohnsitzes löst aber unbeschadet des tatsächlichen Aufenthaltes der Person die unbeschränkte Steuerpflicht aus. Ebenso kommt es im Rahmen des gewöhnlichen Aufenthaltes nicht darauf an, dass ein tatsächlicher Aufenthalt während des gesamten Zeitraums der unbeschränkten Steuerpflicht besteht. Daher kann auch die unbeschränkte Steuerpflicht Personen treffen, die sich dauerhaft oder zumindest zeitweise nicht im Gebiet des Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Da sie aber der der unbeschränkten Steuerpflicht unterworfen bleiben, liegt auch hierin eine extraterritoriale Erstreckung des Regelungsbereiches durch die Grundstruktur der unbeschränkten Steuerpflicht. 380 Siehe nur Stapperfend, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 1 EStG, Rn. 88; Lehner/Waldhoff, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 1 EStG, Rn. A 41, A 352; Kirchhof, § 2 EStG, in: Kirchhof (Hrsg.), Einkommensteuergesetz, 2016, Rn. 7 ff.; Vogel, Die Besteuerung von Auslandseinkünften, in: Vogel (Hrsg.), Grundfragen des internationalen Steuerrechts, DStJG Band 8, 1985, S. 3 ff., 4; Tipke/Lang u. a., Steuerrecht, 22. Aufl., 2015, S. 268; Elicker, Die Zukunft des deutschen internationalen Steuerrechts, IFStSchrift, Nr. 438, 2006, S. 36 ff. 381 Hidien, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 49 EStG, Rn. A 347 ff., insb. A 351; Musil/Winfried Bergkemper, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/ KStG, § 2 EStG, Rn. 57, 100 ff.; Kirchhof, § 2 EStG, in: Kirchhof (Hrsg.), Einkommensteuergesetz, 2016, Rn. 126; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1988, S. 43. 382 Musil/Winfried Bergkemper, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 2 EStG, Rn. 125 ff. 383 Siehe bspw. Hidien, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 49 EStG, Rn. K 6, K 34 ff., K 127, K 279 ff.; Hey, Die beschränkte Steuerpflicht im Licht von Territorialitätsprinzip, Isolationstheorie und Objektsteuercharakter, in: Gassner (Hrsg.), Die beschränkte Steuerpflicht im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht, 2004, S. 15 ff., 26; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl., 2011, S. 161 f.; Wübbelsmann, Die beschränkte Steuerpflicht der Freiberufler, 2008, S. 15; Wübbelsmann, Die beschränkte Steuerpflicht der Freiberufler, 2008, S. 15 sowie die dortigen Nachweise. 384 BVerfG, Urteil v. 5. 11. 2014, 1 BvF 3/11, BVerfGE 137, S. 350 ff., 368.
A. Der extraterritoriale Steuerrechtssatz
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aktionssteuer nach dem vorliegenden Entwurf385 der Europäischen Kommission über die Einführung einer Finanztransaktionssteuer im Wege der verstärkten Zusammenarbeit (FTT-Richtlinienentwurf)386 auf eine extraterritoriale Ausübung der Besteuerungsgewalt gerichtet. Diese Lenkungssteuer knüpft einerseits in Art. 4 FTTRichtlinienentwurf387 extraterritorial an,388 indem sie Finanztransaktionen auch dann der Steuer unterwirft, wenn sie nicht in einem teilnehmenden Mitgliedstaat abgeschlossen werden oder eine der beteiligten Parteien sich nicht in einem teilnehmenden Mitgliedstaat aufhält. Zudem ist sie darauf gerichtet, das Handelsverhalten der Akteure zu beeinflussen,389 sodass die Lenkungswirkung nicht auf Finanzinstitute aus einem teilnehmenden Mitgliedstaat und Transaktionen, die in einem teilnehmenden Mitgliedstaat durchgeführt werden, beschränkt ist.390
385 Vgl. aber auch Council of the European Union, Outcome of the Council Meeting Economic and Financial Affairs, 3435th Council meeting, 8. 12. 2015, S. 4 zur Fortführung der verstärkten Zusammenarbeit unter Vorlage eines neuen Richtlinienentwurfes, der im Wesentlichen auf dem vorliegenden zweiten Entwurf aufbauen soll. 386 Europäische Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Umsetzung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Finanztransaktionsteuer, 14. 2. 2013. 387 Vgl. hierzu auch jeweils mit Beispielen Heber/Sternberg, Over-the-Counter Derivative Markets in the Light of EMIR Clearing Obligations and the Financial Transaction Tax, DFI, 2014, S. 107 ff., 112; Heber/Sternberg, EMIR-Clearing-Pflicht und die Finanztransaktionssteuer, RdF, 2014, S. 211 ff., 217; de La Mettrie/Sognaba/Murre, The European Financial Transaction Tax: The New Reality, DFI, 2013, S. 71 ff., 74. 388 Ebenso Panayi, The EU’s Financial Transaction Tax, Enhanced Cooperation and the UK’s challenge, European Taxation, 2013, S. 358 ff., 366; Englisch/Vella/Yevgenyeva, The Financial Transaction Tax Proposal Under the Enhanced Cooperation Procedure: Legal and Practical Considerations, BTR, 2013, S. 223 ff., 236. Zu eng insoweit Tietje/Bering/Zuber, Völker- und europarechtliche Zulässigkeit extraterritorialer Anknüpfung einer Finanztransaktionssteuer, Beiträge zum Transationalen Wirtschaftsrecht, Nr. 129, 2014, S. 18 ff.; Formosa, Financial Transaction Tax: An Eleven-Point Analysis of Transaction Taxes across Member States, WTJ, 2016, S. 121 ff., 131, die nur dem Ausgabe- und Gegenparteiprinzip einen extraterritorialen Regelungsbereich zusprechen möchten. Ebenso aber das Vorbringen des Vereinigten Königreiches im Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof zur Vereinbarkeit der Ermächtigung zur verstärkten Zusammenarbeit, siehe EuGH, Urteil v. 30. 4. 2014, C-209/13, Vereinigtes Königreich/Rat, ECLI:EU:C:2014:283. Siehe auch die Ausführungen von Englisch/Krüger die sich mit der Frage der Extraterritorialität der französischen Finanztransaktionssteuer befassen, Englisch/Krüger, Zur Völkerrechtswidrigkeit extraterritorialer Effekte der französischen Finanztransaktionssteuer, IStR, 2013, S. 513 ff. 389 Europäische Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Umsetzung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Finanztransaktionsteuer, 14. 2. 2013, S. 2; vgl. auch Heber/Sternberg, Market Infrastructure Regulation and the Financial Transaction Tax, WTJ, 2016, S. 3 ff.; Heber/Sternberg, EMIR-Clearing-Pflicht und die Finanztransaktionssteuer, RdF, 2014, S. 211 ff.; Vella/Fuest/Schmidt-Eisenlohr, The EU Commission’s Proposal for a Financial Transaction Tax, BTR, 2011, S. 607 ff., 611. 390 Englisch/Vella/Yevgenyeva, The Financial Transaction Tax Proposal Under the Enhanced Cooperation Procedure: Legal and Practical Considerations, BTR, 2013, S. 223 ff., 233.
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Teil 2: Die (extra-)territoriale Erstreckung der Rechtsetzung
Es zeigt sich daher, dass nach diesem Maßstab die Charakterisierung einer Steuerrechtsnorm als extraterritorial eher den Regel- als einen Ausnahmefall bildet und die Staaten häufig ihre Besteuerungsgewalt extraterritorial erstrecken.
B. Die (extra-)territoriale Reichweite der Rechtsetzungsgewalt Nach dieser Exploration der Merkmale der extraterritorialen Steuerrechtssätze ist im Folgenden zu untersuchen, ob und inwieweit es die Staatsgewalt umfasst, extraterritoriale Rechtsätze zu erlassen. Während für die Rechtsdurchsetzungsgewalt ihre Begrenzung auf das Staatsgebiet anerkannt und damit die Vornahme von Hoheitsakten auf fremden Staatsgebiet bei Fehlen eines Erlaubnistatbestandes völkerrechtswidrig ist,391 ist die territoriale Reichweite der Rechtsetzungsgewalt umstritten. Im Rahmen des vorliegenden Abschnitts ist daher zu fragen, welche territoriale Reichweite der Rechtsetzungsgewalt des Staates zukommt und ob sowie auch inwieweit es diese umfasst, den Geltungs-, Regelungs- oder Rechtsfolgenbereich über das Staatsgebiet hinaus zu erstrecken. Dabei ist Gegenstand dieses Abschnittes allein die Frage nach der grundsätzlich zulässigen territoriale Reichweite der Staatsgewalt. Ob der Staat bei der territorialen Erstreckung seiner Herrschaftsgewalt etwaigen beschränkenden Normen unterliegt, wird erst in einem zweiten Schritt untersucht. Es wird daher zunächst aufgezeigt, welche territoriale Reichweite die Staatsgewalt auf Grund ihrer Konstitution hat und hätte, wenn beschränkende Normen nicht festzustellen wären.
I. Die (extra-)territoriale Reichweite der tatsächlichen Bezüge 1. Die Gebietshoheit Ob und in welcher Form bei der Rechtsetzung in Wahrnehmung der Gebietshoheit ein Gebietsbezug im Regelungs- und Rechtsfolgenbereich bestehen muss, ist im historischen Ablauf unterschiedlich beurteilt worden. So wurde zeitweise ein enges Territorialitätsprinzip vertreten, das aber alsbald zu Gunsten einer extraterritorialen 391
StIGH, Urteil v. 7. 9. 1927, The Case of the S.S. „Lotus“, PCIJ Series A, 1927, S. 3 ff., 18; Kamminga, Extraterritoriality, in: Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law; Tietje/Bering/Zuber, Völker- und europarechtliche Zulässigkeit extraterritorialer Anknüpfung einer Finanztransaktionssteuer, Beiträge zum Transationalen Wirtschaftsrecht, Nr. 129, 2014, S. 7; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 110 f.; Shaw, International law, 8. Aufl., 2017, S. 484; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, 2. Aufl., 2012, S. 110; Brownlie, Principles of public international law, 7. Aufl., 2008, S. 306 ff.; Ohler, Die Kollisionsordnung des allgemeinen Verwaltungsrechts Strukturen des deutschen internationalen Verwaltungsrechts, 2005, S. 43; Bär, Kartellrecht und Internationales Privatrecht, 1965, S. 323; Basedow, Das amerikanische Pipeline-Embargo vor Gericht, RabelsZ, 1983, S. 141 ff., 165.
B. Die (extra-)territoriale Reichweite der Rechtsetzungsgewalt
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Ausdehnung der Rechtsetzung aufgegeben wurde. In diesem Zuge wurde insbesondere für die Besteuerung eine unbeschränkte Freiheit der Staaten zur extraterritorialen Rechtsetzung vorgebracht,392 während heute ein weites Territorialitätsprinzip vorherrschend scheint. Innerhalb dieser Position ist aber die Begründung der Befugnis zur extraterritorialen Rechtsetzung umstritten und schwankt zwischen einem grundsätzlichen Verbot und einer prinzipiellen Erlaubnis, teils unter der Forderung eines tatsächlichen territorialen Anknüpfungspunktes.393 a) Das enge Territorialitätsprinzip Das insbesondere auf Huber zurückgehende enge Territorialitätsprinzip394 gilt zwar als historisch überholt, lässt aber dennoch wesentliche Denkstrukturen in seiner Begründung erkennen, die für die vorliegende Arbeit von Bedeutung sind. Nach dem engen Territorialitätsprinzip kam dem Staat keinerlei Kompetenz zur extraterritorialen Rechtsetzung zu.395 Die Rechtsetzung war in jeder Hinsicht territorial beschränkt und der Einbezug im Ausland belegener Sachverhaltselemente in den Tatbestand einer Rechtsnorm oder die Anordnung im Ausland zu verwirklichender Rechtsfolgen wurde als nicht von der Gebietshoheit umfasst angesehen.396
392
Siehe exemplarisch Knechtle, Basic problems in international fiscal law, 1979, S. 37 f. Siehe zu dieser Unterscheidung auch StIGH, Urteil v. 7. 9. 1927, The Case of the S.S. „Lotus“, PCIJ Series A, 1927, S. 3 ff., 20. 394 Siehe zu diesen insbesondere Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, 1998, S. 67 ff.; Nerep, Extraterritorial control of competition under international law, 1983, S. 317 ff., 469 ff.; Gutzwiller, Geschichte des Internationalprivatrechts, 1977, S. 155 ff.; Vogel, Der räumliche Anwendungsbereich der Verwaltungsrechtsnorm, 1965, S. 60 ff. Illustrativ auch Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 34 ff.; Weber-Fas, Staatsverträge im internationalen Steuerrecht, 1982, S. 37; Künkele, Völkerrechtliche Schranken für die Besteuerung fremdstaatlicher Tätigkeiten nach dem deutschen Körperschaftsteuerrecht, 1976, S. 88 ff.; Bleckmann, Das Souveränitätsprinzip im Völkerrecht, AVR, 1985, S. 450 ff., 470 ff. 395 So auch noch Ridder, Gebietshoheit, in: Schlochauer (Hrsg.), Wörterbuch des Völkerrechts, Band I, 1960, S. 625 ff., 624 f. Vergleiche im Übrigen die Nachweise bei Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 458 f. sowie die Ausführungen bei Eckert, Die beschränkte Steuerpflicht, 1995, S. 12; Künkele, Völkerrechtliche Schranken für die Besteuerung fremdstaatlicher Tätigkeiten nach dem deutschen Körperschaftsteuerrecht, 1976, S. 88; Bär, Kartellrecht und Internationales Privatrecht, 1965, S. 324 f.; Colangel, Constitutional Limits on Extraterritorial Jurisdiction: Terrorism and the Intersection of National and International Law, Harvard Law Review, 2007, S. 121 ff., 127; Bruns, Völkerrecht als Rechtsordnung, ZaöRV, 1929, S. 1 ff., 53. 396 Abweichende Meinung des Richters M. Loder StIGH, Urteil v. 7. 9. 1927, The Case of the S.S. „Lotus“, PCIJ Series A, 1927, S. 3 ff., 35; Colangel, Constitutional Limits on Extraterritorial Jurisdiction: Terrorism and the Intersection of National and International Law, Harvard Law Review, 2007, S. 121 ff., 127; Bruns, Völkerrecht als Rechtsordnung, ZaöRV, 1929, S. 1 ff., 53. Siehe auch Bär, Kartellrecht und Internationales Privatrecht, 1965, S. 325. 393
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Teil 2: Die (extra-)territoriale Erstreckung der Rechtsetzung
Dieses Verständnis beruhte auf einer engen Konzeption der Gebietshoheit.397 Nach dem Inhalt der Gebietshoheit war der Staat nur berechtigt, über alle sich im Staatsgebiet befindlichen Personen und Sachen Staatsgewalt auszuüben. Die Rechtsetzungskompetenz umfasste nach diesem Verständnis allein den Erlass von Rechtsnormen, die nur an diese Einzelelemente regelnd anknüpfen. Entsprechend dieser Konzeption war die extraterritoriale Regelungsgewalt nicht Teil der Staatsgewalt.398 Daneben kam eine im Einzelfall bestehende Erlaubnis für eine extraterritoriale Rechtsetzung nicht in Betracht. Die enge Konzeption der Gebietshoheit ging einerseits einher mit einem umfassenden Verständnis der Gebietsausschließlichkeit andererseits wurde das enge Territorialitätsprinzip von einem umfassenden, absolutistischen Souveränitätsverständnis begleitet.399 Diese beiden Faktoren führten letztendlich zu einer engen Fassung der Gebietshoheit, die ihren Ausgangspunkt im Souveränitätsverständnis fand. Die Staatlichkeit war auf Abgrenzung und Autarkie ausgerichtet, es wurde das Nebeneinander der Staatsgewalten betont,400 sodass eine extraterritoriale Erstreckung der Rechtsnormen undenkbar schien.401 Dies führte zur Annahme einer Beschränkung der
397 Abweichende Meinung des Richters M. Loder StIGH, Urteil v. 7. 9. 1927, The Case of the S.S. „Lotus“, PCIJ Series A, 1927, S. 3 ff., 35; Ridder, Gebietshoheit, in: Schlochauer (Hrsg.), Wörterbuch des Völkerrechts, Band I, 1960, S. 625 ff., 624 f.; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., 1984, S. 762; Mann, Studies in International Law, 1973, S. 21 f.; Colangel, Constitutional Limits on Extraterritorial Jurisdiction: Terrorism and the Intersection of National and International Law, Harvard Law Review, 2007, S. 121 ff., 126; Bruns, Völkerrecht als Rechtsordnung, ZaöRV, 1929, S. 1 ff., 53 Vgl. zudem Rebbe, Der Lotusfall vor dem Weltgerichtshof, 1932, S. 40 ff. 398 Tanzi, Remarks on Sovereignty in the Evolving Constitutional Features of the International Community, International Community Law Review, 2010, S. 145 ff., 151; Colangel, Constitutional Limits on Extraterritorial Jurisdiction: Terrorism and the Intersection of National and International Law, Harvard Law Review, 2007, S. 121 ff., 126 ff.; Bruns, Völkerrecht als Rechtsordnung, ZaöRV, 1929, S. 1 ff., 53. 399 Ridder, Gebietshoheit, in: Schlochauer (Hrsg.), Wörterbuch des Völkerrechts, Band I, 1960, S. 625 ff., 625; Mann, Studies in International Law, 1973, S. 22; Vogel, Der räumliche Anwendungsbereich der Verwaltungsrechtsnorm, 1965, Rn. 125; Colangel, Constitutional Limits on Extraterritorial Jurisdiction: Terrorism and the Intersection of National and International Law, Harvard Law Review, 2007, S. 121 ff., 127. Siehe auch Tanzi, Remarks on Sovereignty in the Evolving Constitutional Features of the International Community, International Community Law Review, 2010, S. 145 ff., 151. 400 Ridder, Gebietshoheit, in: Schlochauer (Hrsg.), Wörterbuch des Völkerrechts, Band I, 1960, S. 625 ff., 625; Mann, Studies in International Law, 1973, S. 22; Colangel, Constitutional Limits on Extraterritorial Jurisdiction: Terrorism and the Intersection of National and International Law, Harvard Law Review, 2007, S. 121 ff., 126; Bruns, Völkerrecht als Rechtsordnung, ZaöRV, 1929, S. 1 ff., 55. 401 Mann, Studies in International Law, 1973, S. 22; Bruns, Völkerrecht als Rechtsordnung, ZaöRV, 1929, S. 1 ff., 56.
B. Die (extra-)territoriale Reichweite der Rechtsetzungsgewalt
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Staatsgewalt in Form des engen Territorialitätsprinzips,402 da nur hierdurch eine vollständige Abgrenzung der Freiräume und eine umfassende Freiheit der Staaten gewährleistet schien.403 b) Das weite Territorialitätsprinzip Das enge Territorialitätsprinzip war jedoch bereits Mitte des 19. Jahrhunderts erheblicher Kritik ausgesetzt, die zu einer Auflösung dieser engen territorialen Bindung der Staatsgewalt führte.404 Soweit aber das enge Territorialitätsprinzip die Frage nach der territorialen Reichweite des Regelungs- und Rechtsfolgenbereiches nicht mehr zu beantworten vermochte, wurden andere Ansätze vorgebracht, die unter dem Stichwort des weiten Territorialitätsprinzips diskutiert werden. Aus dogmatischer Sicht lassen sich hierbei zwei unterschiedliche Grundansätze ausmachen, nach denen eine extraterritoriale Rechtsetzung Teil der Staatsgewalt und völkerrechtlich zulässig sei. So ist danach zu unterscheiden, ob nur auf Grund eines Erlaubnistatbestandes die Befugnis zur extraterritorialen Rechtsetzung besteht oder ob die grundsätzliche Befugnis im Gegenzug begrenzt ist:405 Einerseits wird davon ausgegangen, dass das enge Territorialitätsprinzip im Grundsatz Bestand habe, aber dennoch in Bezug auf einzelne Regelungszwecke eine extraterritoriale Erstreckung des Regelungs- und Rechtsfolgenbereiches ausnahmsweise in Betracht komme. Zu einer weitergehenden Abkehr vom engen Territorialitätsprinzip führt andererseits der Ansatz, wonach dem Staat grundsätzlich die Befugnis zur Setzung extraterritorialer Rechtsnormen zustehe, soweit tatsächlich eine territoriale Verknüpfung bestehe.
402 Mann, Studies in International Law, 1973, S. 22; Colangel, Constitutional Limits on Extraterritorial Jurisdiction: Terrorism and the Intersection of National and International Law, Harvard Law Review, 2007, S. 121 ff., 126 f.; Bruns, Völkerrecht als Rechtsordnung, ZaöRV, 1929, S. 1 ff., 53 ff. 403 Beyerlin, Staatliche Souveränität und internationale Umweltschutzkooperation, in: Beyerlin u. a. (Hrsg.), Recht zwischen Umbruch und Bewahrung, 1995, S. 937 ff., 939; Tanzi, Remarks on Sovereignty in the Evolving Constitutional Features of the International Community, International Community Law Review, 2010, S. 145 ff., 151. 404 Siehe die Nachweise in Teil 2 B. I. 1. b) (aa), insbesondere in Fußnote 411. 405 Weil, International Law Limitations on State Jurisdiction, in: Olmstead (Hrsg.), Extraterritorial application of laws and responses thereto, 1984, S. 32 ff., 32 ff.; Oxman, Jurisdiction of States, in: Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law; Monsenego, Taxation of foreign business income within the European internal market, 2012, S. 35 f.; Ryngaert, Jurisdiction in international law, 2008, S. 21 ff.; Bleckmann, Völkerrecht, 2001, S. 149 f.; Schwarze, Die Jurisdiktionsabgrenzung im Völkerrecht, 1994, S. 17; Georgieff, Kollisionen durch extraterritoriale staatliche Regelungen im internationalen Wirtschaftsrecht, 1989, S. 21 f.; Schachter, International Law in Theory and Practice, 1982, S. 240 ff.; Akehurst, Jurisdiction in International Law, Brit. Y.B. Int., 1975, S. 145 ff., 167.
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Teil 2: Die (extra-)territoriale Erstreckung der Rechtsetzung
(aa) Die Notwendigkeit eines Erlaubnistatbestandes (1) Die (extra-)territoriale Reichweite der Rechtsetzung Noch eng an das Territorialitätsprinzip anlehnend wird von einigen Autoren von einer grundsätzlich territorial beschränkten Staatsgewalt ausgegangen. Es bleibt daher grundsätzlich bei der Geltung des engen Territorialitätsprinzips, nach dem eine extraterritoriale Rechtsetzung nicht von der Staatsgewalt umfasst ist.406 Diese Begrenzung ist auf ein Verständnis der Gebietshoheit und Souveränität zurückzuführen, das im Wesentlichen demjenigen Verständnis entspricht, dass der engen Territorialität entspricht. Das Souveränitätsprinzip ist daher auch nach dieser Ansicht auf eine Abgrenzung der Freiräume im Sinne weitgehender Autarkie gerichtet.407 Allerdings soll ausnahmsweise die Rechtsetzungsgewalt auf Grund besonderer Erlaubnistatbestände dennoch den Erlass extraterritorialer Rechtsnormen umfassen. Als Erlaubnistatbestände werden ein weit verstandenes Territorialitäts-, das Wirkungs-, Personalitäts-, Schutz- sowie das Universalitätsprinzip angeführt, durch die eine Verbindung zum Staatsgebiet oder Staatsvolk gefordert wird.408 Hiernach könne die Rechtsetzungsgewalt bspw. auch in Bezug auf ausländische Verhaltensweisen mit Bedeutung für das Staatsgebiet, das ausländische Verhalten von Staatsangehörigen oder gegen Staatsangehörige sowie Verhaltensweisen, die universelle Werte betreffen, bestehen.409 (2) Die Bedeutung der Lotus-Entscheidung des StIGH Diese Ansicht sieht sich erheblicher Kritik ausgesetzt, nach der diese Ansicht nicht mit der Entscheidung des StIGH aus dem Jahre 1927 in der Rechtssache 406
Abweichende Meinungen der Richter M. Loder, M. Weiss, M. Nyholm, M. Altamira StIGH, Urteil v. 7. 9. 1927, The Case of the S.S. „Lotus“, PCIJ Series A, 1927, S. 3 ff., 35, 44 f., 60, 95; Crawford, Brownlie’s Principles of Public International Law, 2012, S. 406; Bruns, Völkerrecht als Rechtsordnung, ZaöRV, 1929, S. 1 ff., 53. 407 So Bruns, Völkerrecht als Rechtsordnung, ZaöRV, 1929, S. 1 ff., 52 f. Siehe hierzu auch die abweichende Meinung des Richters M. Loder StIGH, Urteil v. 7. 9. 1927, The Case of the S.S. „Lotus“, PCIJ Series A, 1927, S. 3 ff., 35; Hobe/Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 10. Aufl., 2014, S. 99; Jeffery, The impact of state sovereignty on global trade and international taxation, 1999, S. 44 ff. Siehe auch Teil 2 B. I. 1. a). 408 Abweichende Meinungen der Richter M. Loder, M. Weiss, M. Nyholm, M. Altamira StIGH, Urteil v. 7. 9. 1927, The Case of the S.S. „Lotus“, PCIJ Series A, 1927, S. 3 ff., 35, 44 f., 60, 95; Kamminga, Extraterritoriality, in: Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law; Hobe/Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 10. Aufl., 2014, S. 99 f.; Crawford, Brownlie’s Principles of Public International Law, 2012, S. 406 ff.; Jeffery, The impact of state sovereignty on global trade and international taxation, 1999, S. 44 ff.; Renton, The Genuine Link Concept and the Nationality of Physical and Legal Persons, Ships and Aircraft, 1975, S. 5; Jennings, General Course on Principles of International Law, 1967, S. 516; Colangel, Constitutional Limits on Extraterritorial Jurisdiction: Terrorism and the Intersection of National and International Law, Harvard Law Review, 2007, S. 121 ff., 128 ff.; Bruns, Völkerrecht als Rechtsordnung, ZaöRV, 1929, S. 1 ff., 53. 409 Zu diesen Prinzipien siehe ausführlich in Teil 3 A. I. 1. a).
B. Die (extra-)territoriale Reichweite der Rechtsetzungsgewalt
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S.S. Lotus410 zu vereinbaren sei.411 Gegenstand dieser Entscheidung war die Frage, ob der türkische Staat völkerrechtlich berechtigt war, ein Strafverfahren gegen einen französischen Schiffskapitän einzuleiten. Hintergrund dieses Strafverfahrens war die Kollision der unter französischer Flagge fahrenden Lotus mit der unter türkischer Flagge fahrenden Boz-Kourt. Die Kollision selbst fand auf hoher See statt und führte zum Tod acht türkischer Besatzungsmitglieder der Boz-Kourt. Nach der Kollision setzte die Lotus ihren Kurs nach Istanbul fort. Dort wurde der Kapitän zunächst auf dem Schiff und anschließend auf dem Festland angehört und dort verhaftet.412 Zwischen Frankreich und der Türkei war streitig, ob diese Ausübung der Strafrechtsgewalt mit dem Völkerrecht vereinbar war.413 Diesbezüglich stellt der StIGH zunächst fest, dass zwar die Rechtsdurchsetzungsgewalt unbestritten eng territorial begrenzt sei und nur bei Bestehen eines Erlaubnistatbestandes extraterritorial ausgeübt werden dürfe.414 Hieraus folgte für den StIGH aber nicht zugleich auch die territoriale Begrenzung der Rechtsetzungsgewalt in gleicher Weise.415 Das Verständnis der sich anschließenden Ausführungen des StIGH ist streitig. Befürworter der grundsätzlichen Geltung des engen Territorialitätsprinzips verstehen die weiteren Ausführungen des StIGH dahingehend, dass dem Staat nur in bestimmten Grenzen die Befugnis zur extraterritorialen Rechtsetzung zukommt, die sodann auch Ausübung der souveränen Staatsgewalt darstellt. Maßgeblich für dieses Verständnis ist, dass der StIGH betont, dass der Staat die völkerrechtlichen Grenzen der extraterritorialen Rechtsetzung nicht überschreiten darf und nur innerhalb dieser 410 StIGH, Urteil v. 7. 9. 1927, The Case of the S.S. „Lotus“, PCIJ Series A, 1927, S. 3 ff. Zu dieser Entscheidung umfassend Rebbe, Der Lotusfall vor dem Weltgerichtshof, 1932; Berge, The Case of the S. S. „Lotus“, Michigan Law Review, 1928, S. 361 ff. 411 Siehe die Ausführungen bei Ipsen, Kriegswaffenkontrolle und Auslandsgeschäft, in: Beyerlin u. a. (Hrsg.), Recht zwischen Umbruch und Bewahrung, 1995, S. 1041 ff., 1047; Wildhaber, Jurisdiktionsgrundsätze und Jurisdiktionsgrenzen im Völkerrecht, in: Schweizerische Vereinigung für internationales Recht, Schweizerisches Jahrbuch für internationales Recht, 1985, S. 99 ff., 103 f.; Monsenego, Taxation of foreign business income within the European internal market, 2012, S. 36; Ohler, Die Kollisionsordnung des allgemeinen Verwaltungsrechts Strukturen des deutschen internationalen Verwaltungsrechts, 2005, S. 327; Pappas, Stellvertretende Strafrechtspflege zugleich ein Beitrag zur Ausdehnung deutscher Strafgewalt nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB, 1996, S. 76; Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 482 ff.; Epping, Grundgesetz und Kriegswaffenkontrolle, 1993, S. 159 ff.; Martha, The jurisdiction to tax in international law, 1989, S. 38 ff.; Georgieff, Kollisionen durch extraterritoriale staatliche Regelungen im internationalen Wirtschaftsrecht, 1989, S. 22 ff.; Nerep, Extraterritorial control of competition under international law, 1983, S. 480 f.; Mann, Studies in International Law, 1973, S. 27; Rehbinder, Extraterritoriale Wirkungen des deutschen Kartellrechts, 1965, S. 53 f.; Bär, Kartellrecht und Internationales Privatrecht, 1965, S. 326; Shaw, Territory in International Law, NYL, 1982, S. 61 ff., 68; Berge, The Case of the S. S. „Lotus“, Michigan Law Review, 1928, S. 361 ff., 375 ff. 412 StIGH, Urteil v. 7. 9. 1927, The Case of the S.S. „Lotus“, PCIJ Series A, 1927, S. 3 ff., 10. 413 StIGH, Urteil v. 7. 9. 1927, The Case of the S.S. „Lotus“, PCIJ Series A, 1927, S. 3 ff., 15. 414 StIGH, Urteil v. 7. 9. 1927, The Case of the S.S. „Lotus“, PCIJ Series A, 1927, S. 3 ff., 18. 415 StIGH, Urteil v. 7. 9. 1927, The Case of the S.S. „Lotus“, PCIJ Series A, 1927, S. 3 ff., 19.
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Teil 2: Die (extra-)territoriale Erstreckung der Rechtsetzung
Grenzen die Befugnis zum Erlass extraterritorialer Rechtsnormen auf dem Souveränitätsprinzip beruht.416 Diese Lesart der weiteren Ausführungen des StIGH ist durch ein absolutes Verständnis der Souveränität geprägt.417 Unter einem absoluten Verständnis der Souveränität geraten völkerrechtliche Bindungen in Widerspruch zur staatlichen Souveränität.418 Völkerrechtliche Normen können daher niemals die Souveränität des Staates begrenzen. Sie sind vielmehr unbeachtlich oder Ausdruck der ohnehin bestehenden Grenzen der souveränen Staatsgewalt. Vor diesem Hintergrund wird davon ausgegangen, dass die genannten Normen beschreiben, in welchen völkerrechtlichen Grenzen die souveräne Staatsgewalt bereits bestanden hat. Im Rahmen einer solchen Sichtweise können die Ausführungen des StIGH nur dahingehend verstanden werden, dass dem Staat nur innerhalb dieser begrenzenden Normen die Befugnis zur extraterritorialen Rechtsetzung zukommt,419 die als Erlaubnisnormen und Ausdehnung der an sich territorial eng gebundenen Staatsgewalt zu verstehen sind, da eine die Souveränität beschränkende Verbotsnorm nicht denkbar ist.420 Nach anderer Lesart steht es für den StIGH hingegen fest, dass die extraterritoriale Erstreckung der Strafrechtsgewalt durch die Türkei keinen Erlaubnistatbestand voraussetzt.421 Vielmehr komme der Türkei die Kompetenz zur extraterritorialen
416 Kamminga, Extraterritoriality, in: Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law; Hobe/Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 10. Aufl., 2014, S. 100; Renton, The Genuine Link Concept and the Nationality of Physical and Legal Persons, Ships and Aircraft, 1975, S. 7. Vgl. auch Simon/Waller, A Theory of Economic Sovereignty, Stanford Journal of International Law, 1986, S. 337 ff., 341. 417 Siehe Wildhaber, Jurisdiktionsgrundsätze und Jurisdiktionsgrenzen im Völkerrecht, in: Schweizerische Vereinigung für internationales Recht, Schweizerisches Jahrbuch für internationales Recht, 1985, S. 99 ff., 104 f. 418 Siehe bereits Teil 1 A. III. 2. c) (aa). 419 Zu den Auswirkungen eines absoluten Souveränitätsverständnisses auf die Rechtsbindung auch bereits Teil 1 A. III. 2. c) (aa). 420 Jennings, General Course on Principles of International Law, 1967, S. 517 f. hingegen verweist darauf, dass der StIGH die Entscheidung auf Basis des Territorialitätsprinzips gefällt und für den Bereich den Strafrechts festgestellt habe, dass das Strafrecht vom Territorialitätsprinzip geprägt wird. 421 Ipsen, Kriegswaffenkontrolle und Auslandsgeschäft, in: Beyerlin u. a. (Hrsg.), Recht zwischen Umbruch und Bewahrung, 1995, S. 1041 ff., 1047; Tietje/Bering/Zuber, Völker- und europarechtliche Zulässigkeit extraterritorialer Anknüpfung einer Finanztransaktionssteuer, Beiträge zum Transationalen Wirtschaftsrecht, Nr. 129, 2014, S. 7; Monsenego, Taxation of foreign business income within the European internal market, 2012, S. 36; Schweisfurth, Völkerrecht, 2006, S. 325; Ohler, Die Kollisionsordnung des allgemeinen Verwaltungsrechts Strukturen des deutschen internationalen Verwaltungsrechts, 2005, S. 327; Pappas, Stellvertretende Strafrechtspflege zugleich ein Beitrag zur Ausdehnung deutscher Strafgewalt nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB, 1996, S. 75 f.; Epping, Grundgesetz und Kriegswaffenkontrolle, 1993, S. 146; Nerep, Extraterritorial control of competition under international law, 1983, S. 394 ff., 480 f.; Bär, Kartellrecht und Internationales Privatrecht, 1965, S. 326; Rehbinder, Extraterritoriale Wirkungen des deutschen Kartellrechts, 1965, S. 53 f.; Rebbe, Der Lotusfall vor dem
B. Die (extra-)territoriale Reichweite der Rechtsetzungsgewalt
163
Rechtsetzung grundsätzlich zu. Nur in Einzelfällen bestehe eine Begrenzung dieser Befugnis nach dem Völkerrecht, wobei der StIGH eine solche auch für das Teilgebiet des Strafrechts nicht angenommen habe.422 Diese Lesart wiederum beruht auf einer Ablehnung eines absoluten Souveränitätsverständnisses, sodass die völkerrechtliche Begrenzung an sich bestehender Staatsgewalt durch Verbotsnormen mit dem Souveränitätsprinzip vereinbar ist. Die Souveränität erscheint in dieser Ansicht als rechtlich gebundene und rechtlich ausgeformte Souveränität.423 Unter diesem Souveränitätsverständnis wird betont, dass der StIGH gerade auch umfangreich die grundsätzliche Freiheit der Staaten in der Festlegung der Kriterien zur Verknüpfung extraterritorialer Rechtsnormen angeführt habe. Zudem wird darauf hingewiesen, dass der StIGH den Staaten ein weites Ermessen zubillige, das nur im Einzelfalle von Normen begrenzt sei. Ebenso widerspreche die Annahme einer engen Territorialität den Ausführungen des StIGH, wonach das Völkerrecht gerade keine generelle Begrenzung beinhalte.424 Dieser Befund sei auch nicht durch die Entscheidung des IGH in der Rechtssache Nottebohm425 aus dem Jahre 1955 in Frage gestellt,426 in der der IGH in Form eines
Weltgerichtshof, 1932, S. 25 ff.; Ritter, Das Prinzip Rücksicht, BB, 1984, S. 1109 ff., 1109; Berge, The Case of the S. S. „Lotus“, Michigan Law Review, 1928, S. 361 ff., 375 ff. 422 StIGH, Urteil v. 7. 9. 1927, The Case of the S.S. „Lotus“, PCIJ Series A, 1927, S. 3 ff., 20. 423 So auch Epping, Grundgesetz und Kriegswaffenkontrolle, 1993, S. 159. Siehe hierzu auch bereits Abschnitt Teil 1 A. III. 2. c) sowie die Folgeabschnitte. 424 Ipsen, Kriegswaffenkontrolle und Auslandsgeschäft, in: Beyerlin u. a. (Hrsg.), Recht zwischen Umbruch und Bewahrung, 1995, S. 1041 ff., 1047; Epping, Grundgesetz und Kriegswaffenkontrolle, 1993, S. 159; Nerep, Extraterritorial control of competition under international law, 1983, S. 394; Mann, Studies in International Law, 1973, S. 27. 425 IGH, Urteil v. 6. 4. 1955, Nottebohm Case (second phase), ICJ Reports, 1955, S. 4 ff. 426 Ipsen, Kriegswaffenkontrolle und Auslandsgeschäft, in: Beyerlin u. a. (Hrsg.), Recht zwischen Umbruch und Bewahrung, 1995, S. 1041 ff., 1047; Kamminga, Extraterritoriality, in: Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law; Tietje/Bering/Zuber, Völker- und europarechtliche Zulässigkeit extraterritorialer Anknüpfung einer Finanztransaktionssteuer, Beiträge zum Transationalen Wirtschaftsrecht, Nr. 129, 2014, S. 7; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 117; Schweisfurth, Völkerrecht, 2006, S. 325; Ohler, Die Kollisionsordnung des allgemeinen Verwaltungsrechts Strukturen des deutschen internationalen Verwaltungsrechts, 2005, S. 327; Pappas, Stellvertretende Strafrechtspflege zugleich ein Beitrag zur Ausdehnung deutscher Strafgewalt nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB, 1996, S. 75 f.; Epping, Grundgesetz und Kriegswaffenkontrolle, 1993, S. 146; von Bernstorff/Jacob/Dingfelder Stone, The Alien Tort Statute before the US Supreme Court in the Kiobel case: Does international prohibit US courts to exercise extraterritorial civil jurisdiction over human rights abuses committed outside of the US?, ZaöRV, 2012, S. 579 ff., 583, Fußnote 9. Nach Herdegen, Völkerrecht, 17. Aufl., 2018, S. 208 entspreche die Lotus-Entscheidung allerdings nicht mehr dem geltenden Völkerrecht, da nunmehr umfassend eine Rechtfertigung geboten sei. Dies bringt auch Schlochauer, Die extraterritoriale Wirkung von Hoheitsakten, 1962, S. 51 ff. vor, der die weitere Gültigkeit auf Grund der Entwicklung auf dem Gebiet des Strafrechts ablehnt.
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Teil 2: Die (extra-)territoriale Erstreckung der Rechtsetzung
Kriteriums der hinreichend engen Verknüpfung die in der Lotus-Entscheidung nicht benannte Verbotsnorm des Völkerrechts benannt habe.427 (bb) Das Erfordernis eines territorialen Bezugs der Rechtsetzung Soweit die Notwendigkeit eines Erlaubnistatbestandes unter grundsätzlicher Fortgeltung des engen Territorialitätsprinzips kritisiert wird, gehen stattdessen die Vertreter eines weiten Territorialitätsprinzips davon aus, dass den Staaten in Übereinstimmung mit der Lotus-Entscheidung des StIGH, die das einengende Kriterium nicht benenne,428 sowie der Nottebohm-Entscheidung des IGH, die hiervon keine Abweichung beinhalte,429 grundsätzlich als Ausdruck ihrer Souveränität die Freiheit zukommt, extraterritoriale Rechtsnormen zu setzen.430 427 Siehe zu diesem Kriterium noch ausführlich Teil 2 B. I. 1. b) (bb) sowie Teil 3 A. und zur Nottebohm-Entscheidung Teil 3 A. II. 5. 428 Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 117 f.; Epping, Grundgesetz und Kriegswaffenkontrolle, 1993, S. 146; Nerep, Extraterritorial control of competition under international law, 1983, S. 394 ff.; Weber-Fas, Staatsverträge im internationalen Steuerrecht, 1982, S. 38; Bär, Kartellrecht und Internationales Privatrecht, 1965, S. 326 f.; Ross, Lehrbuch des Völkerrechts, 1951, S. 150 f.; Maier, Extraterritorial Jurisdiction and the Cuban Democracy Act, Florida Journal of International Law, 1993, S. 391 ff., 392; Gans, Reasonableness as a Limit to Extraterritorial Jurisdiction, Washington University Law Review, 1985, S. 681 ff., 701. 429 Aus den Nachweisen in Fußnote 426 insbesondere Lehner, Das Territorialitätsprinzip im Lichte des Europarechts, in: Wassermeyer u. a. (Hrsg.), Körperschaftsteuer, internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, 2005, S. 241 ff., 244 f.; Ohler, Die Kollisionsordnung des allgemeinen Verwaltungsrechts Strukturen des deutschen internationalen Verwaltungsrechts, 2005, S. 327; Pappas, Stellvertretende Strafrechtspflege zugleich ein Beitrag zur Ausdehnung deutscher Strafgewalt nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB, 1996, S. 76; Epping, Grundgesetz und Kriegswaffenkontrolle, 1993, S. 145. 430 Lehner, Das Territorialitätsprinzip im Lichte des Europarechts, in: Wassermeyer u. a. (Hrsg.), Körperschaftsteuer, internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, 2005, S. 241 ff., 243 f.; Bayer, Steuervölkerrecht – Steuerlandesrecht – Internationales Steuerrecht, in: Cremer u. a. (Hrsg.), Tradition und Weltoffenheit des Rechts, 2002, S. 3 ff., 26 f.; Maier, Jurisdictional Rules in Customary International Law, in: Meessen (Hrsg.), Extraterritorial jurisdiction in theory and practice, 1996, S. 64 ff., 66 ff.; Wildhaber, Jurisdiktionsgrundsätze und Jurisdiktionsgrenzen im Völkerrecht, in: Schweizerische Vereinigung für internationales Recht, Schweizerisches Jahrbuch für internationales Recht, 1985, S. 99 ff., 104; Weil, International Law Limitations on State Jurisdiction, in: Olmstead (Hrsg.), Extra-territorial application of laws and responses thereto, 1984, S. 32 ff., 36; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 117 ff.; Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht, 14. Aufl., 2017, S. 230 ff.; Monsenego, Taxation of foreign business income within the European internal market, 2012, S. 35 f.; Ohler, Die Kollisionsordnung des allgemeinen Verwaltungsrechts Strukturen des deutschen internationalen Verwaltungsrechts, 2005, S. 327 f.; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band II/III, 2. Aufl., 2002, S. 319; Pappas, Stellvertretende Strafrechtspflege zugleich ein Beitrag zur Ausdehnung deutscher Strafgewalt nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB, 1996, S. 76; Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 57; Epping, Grundgesetz und Kriegswaffenkontrolle, 1993, S. 145 f.; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., 1984, S. 762; Weber-Fas, Staatsverträge im internationalen Steuerrecht, 1982, S. 38; Künkele, Völkerrechtliche Schranken für die Besteuerung fremdstaatlicher Tätigkeiten nach dem deutschen Körper-
B. Die (extra-)territoriale Reichweite der Rechtsetzungsgewalt
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Die in der Lotus-Entscheidung nicht benannten Grenzen werden von dieser Ansicht in Anlehnung an die Nottebohm-Entscheidung431 entwickelt. Grundlage hierfür bilden die Ausführungen des IGH dahingehend, dass Guatemala die Verleihung der Staatsangehörigkeit durch Liechtenstein für Fragen des diplomatischen Schutzes nicht anzuerkennen habe, da es an einem ,genuine link‘, einer hinreichend engen Verknüpfung, fehle, diese Verknüpfung aber bei der Ausübung der Staatsgewalt vorauszusetzen sei.432 Offen bleibt aber in aller Regel, welche territoriale Reichweite die Gebietshoheit ex-ante, also vor Eingreifen des einschränkenden Kriteriums der hinreichend engen Verknüpfung zum Staatsgebiet, aufweist.433 Lediglich ausnahmsweise wird ausgeführt, dass die Gebietshoheit sich im Ausgangspunkt nur in der Geltung einer Rechtsnorm ausdrücke und eine extraterritoriale Erstreckung des Regelungs- und Rechtsfolgenbereiches in jeder Form von der Gebietshoheit umfasst sei.434 Stattdessen wird regelmäßig die grundsätzliche Reichweite offen gelassen und bereits der Gebietshoheit die beschränkende Voraussetzung entnommen, dass eine Verknüpfung des Sachverhaltes zum Staatsgebiet bestehen muss, die teilweise gar notwendigerweise hinreichend eng im Sinne der Nottebohm-Entscheidung sein schaftsteuerrecht, 1976, S. 90 ff.; Bleckmann, Grundgesetz und Völkerrecht, 1975, S. 126 ff.; Rehbinder, Extraterritoriale Wirkungen des deutschen Kartellrechts, 1965, S. 53 ff.; Bär, Kartellrecht und Internationales Privatrecht, 1965, S. 326; Cloppenburg, Eine Finanztransaktionssteuer im „kleinen Kreis“, S. 513 ff.; Schmahl, Zwischenstaatliche Kompetenzabgrenzung im Cyberspace, AVR, 2009, S. 284 ff., 292 f.; Maier, Extraterritorial Jurisdiction and the Cuban Democracy Act, Florida Journal of International Law, 1993, S. 391 ff., 392; Gans, Reasonableness as a Limit to Extraterritorial Jurisdiction, Washington University Law Review, 1985, S. 681 ff., 701. 431 IGH, Urteil v. 6. 4. 1955, Nottebohm Case (second phase), ICJ Reports, 1955, S. 4 ff. 432 Zu den Details siehe Teil 3 A. Vgl. zudem Nerep, Extraterritorial control of competition under international law, 1983, S. 554 f., 556 ff., der ein Prinzip der hinreichend engen Verknüpfung ablehnt, aber stattdessen eine Begrenzung mittels des Interventionsverbotes unter Abwägung der Interessen vornehmen will. 433 Siehe exemplarisch Brownlie, Principles of public international law, 7. Aufl., 2008, S. 297 ff., insbesondere auch Fußnote 2; Weber-Fas, Staatsverträge im internationalen Steuerrecht, 1982, S. 38. 434 So Bayer, Steuervölkerrecht – Steuerlandesrecht – Internationales Steuerrecht, in: Cremer u. a. (Hrsg.), Tradition und Weltoffenheit des Rechts, 2002, S. 3 ff., 26; Blumenwitz, Der deutsche Inlandsbegriff im Lichte des Staats- und Völkerrechts, in: von Münch (Hrsg.), Staatsrecht – Völkerrecht – Europarecht, 1981, S. 25 ff., 26 f.; Rudolf, Über territoriale Grenzen der Steuergesetze, in: Bärmann u. a. (Hrsg.), Recht und Wirtschaft in Geschichte und Gegenwart, 1975, S. 769 ff., 776; Rudolf, Territoriale Grenzen der staatlichen Rechtssetzung, in: DGFIR, Territoriale Grenzen der staatlichen Rechtsetzung, DGFIR Band 12, 1973, S. 7 ff., 17 f.; Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht, 14. Aufl., 2017, S. 230 ff.; Künkele, Völkerrechtliche Schranken für die Besteuerung fremdstaatlicher Tätigkeiten nach dem deutschen Körperschaftsteuerrecht, 1976, S. 90 ff.; Rehbinder, Extraterritoriale Wirkungen des deutschen Kartellrechts, 1965, S. 53; Ross, Lehrbuch des Völkerrechts, 1951, S. 150 f.; Maier, Extraterritorial Jurisdiction and the Cuban Democracy Act, Florida Journal of International Law, 1993, S. 391 ff., 392.
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Teil 2: Die (extra-)territoriale Erstreckung der Rechtsetzung
soll:435 Die Gebietshoheit ist demnach darauf ausgerichtet, Staatsgewalt über alle sich im Staatsgebiet aufhaltenden Personen und Sachen auszuüben. Diese Fassung der Gebietshoheit habe aber nicht ein enges Territorialitätsprinzip zur Folge, da sich die Gebietshoheit auch auf im Ausland belegene Sachen erstrecke, sofern deren Eigentümer eine im Inland ansässige Person ist. Dadurch, dass die im Inland ansässige Person die Sache innehabe, sei sie zugleich mittelbar der Gebietshoheit des Staates der Ansässigkeit der Person unterworfen.436 Offen ist im Rahmen dieser Ansicht einerseits, inwieweit die Gebietshoheit auch das ausländische Verhalten im Staatsgebiet ansässiger Personen sowie andererseits die Befugnis zum Erlass von Regelungen umfasst, die das ausländische Verhalten im Ausland ansässiger und sich dort aufhaltender Personen deshalb zum Gegenstand haben, weil die Folgewirkungen auch im Staatsgebiet von Bedeutung sind; dies wird unter dem Stichwort des Wirkungsprinzips insbesondere für Umweltemissionen und wirtschaftliche Auswirkungen diskutiert. In Bezug auf das ausländische Verhalten im Staatsgebiet ansässiger Personen wird im Ausgangspunkt von der Möglichkeit der Erfassung ausgegangen, wobei ein Territorialbezug vorauszusetzen sei.437 Mit Blick auf das Wirkungsprinzip variieren die Begründungsansätze zur Stützung438 danach,
435
Vitzthum, Staatsgebiet, in: Badura u. a. (Hrsg.), Grundlagen von Staat und Verfassung, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, 1995, S. 709 ff., 712; Monsenego, Taxation of foreign business income within the European internal market, 2012, S. 36 ff.; Kment, Grenzüberschreitendes Verwaltungshandeln, 2010, S. 72; 74 ff., 108 ff.; Brownlie, Principles of public international law, 7. Aufl., 2008, S. 297 ff., 305 f.; Gavouneli, Functional jurisdiction in the law of the sea, 2007, S. 7 ff.; Schweisfurth, Völkerrecht, 2006, S. 304 f., 324 ff.; Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 57 ff.; American Law Institute, Restatement of the law, 3. Aufl., 1992, § 402; Cloppenburg, Eine Finanztransaktionssteuer im „kleinen Kreis“, S. 513 f.; Schmahl, Zwischenstaatliche Kompetenzabgrenzung im Cyberspace, AVR, 2009, S. 284 ff., 293. Siehe auch Schwarze, Die Jurisdiktionsabgrenzung im Völkerrecht, 1994, S. 18 ff., der hierin ein völkergewohnheitsrechtliches Gebot erblickt, sowie Martha, The jurisdiction to tax in international law, 1989, wonach die Souveränität nur derart weit reiche. 436 Ausführlich noch sogleich in Teil 2 B. I. 1. c) (aa) (2). 437 Abweichende Meinung des Richters M. Loder StIGH, Urteil v. 7. 9. 1927, The Case of the S.S. „Lotus“, PCIJ Series A, 1927, S. 3 ff., 37; Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 46; Mann, Studies in International Law, 1973, S. 40; Mann, Studies in International Law, 1973, S. 40; Schmahl, Zwischenstaatliche Kompetenzabgrenzung im Cyberspace, AVR, 2009, S. 284 ff., 294; Albrecht, The Taxation of Aliens Under International Law, Brit. Y.B. Int., 1952, S. 145 ff., 153 f. 438 Abgelehnt wird das Wirkungsprinzip von Kamminga, Extraterritoriality, in: Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law; Mann, Studies in International Law, 1973, S. 89 f. sowie wohl auch von Lowe, International Law and the Effects Doctrine in the European Court of Justice, The Cambridge Law Journal, 1989, S. 9 ff.; Verzijl, The Controversy Regarding the so-called Extraterritorial Effect of the American Antitrust Laws, NLR, 1961, S. 3 ff., 25 ff. Soweit es an einem personalen oder territorialen Zugriffsmoment fehlt, spricht sich auch Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter
B. Die (extra-)territoriale Reichweite der Rechtsetzungsgewalt
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ob gebietsbezogene Auswirkungen grundsätzlich von der Gebietshoheit erfasst seien,439 das Wirkungsprinzip ein eigenständiger Kompetenztitel bilde440 oder ob durch die diese nicht eine Verbindung geschaffen werde, die der Einschlägigkeit der Gebietshoheit hinreichend gleiche, wie Burmester betont.441 Zudem besteht keine Einigkeit über die Reichweite des Wirkungsprinzips, für das teils ein inländischer Teilakt oder eine andersartige Begrenzung zum Ausschluss solcher Auswirkungen gefordert wird, die den Staat bloß mittelbar betreffen.442
besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 105 f., 126 ff. gegen eine Anwendung eines Wirkungsprinzips aus. 439 Herdegen, Völkerrecht, 17. Aufl., 2018, S. 199 ff.; Herdegen, Völkerrecht, 17. Aufl., 2018, S. 190; von Arnauld, Völkerrecht, 3. Aufl., 2016, S. 149; Hobe/Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 10. Aufl., 2014, S. 100; Monsenego, Taxation of foreign business income within the European internal market, 2012, S. 37 f.; Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 518 ff.; American Law Institute, Restatement of the law, 3. Aufl., 1992, S. 239; Castel, The extraterritorial effects of antitrust laws, 1984, S. 28. 440 Hobe/Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 10. Aufl., 2014, S. 100; Shaw, International law, 8. Aufl., 2017, S. 515 ff.; Ryngaert, Jurisdiction in international law, 2008, S. 31; Brownlie, Principles of public international law, 7. Aufl., 2008, S. 302; Knecht, Extraterritorial Jurisdiction and the Federal Money Laundering Offense, Stanford Journal of International Law, 1986, S. 389 ff., 401 ff.; Akehurst, Jurisdiction in International Law, Brit. Y.B. Int., 1975, S. 145 ff., 152 ff.; Haight, International Law and Extraterritorial Application of the Antitrust Laws, Yale Law Journal, 1954, S. 639 ff., 640 f. 441 Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 59, 95 ff., 105 ff. Siehe auch die abweichende Meinung des Richters M. Loder StIGH, Urteil v. 7. 9. 1927, The Case of the S.S. „Lotus“, PCIJ Series A, 1927, S. 3 ff., 37. 442 Siehe hierzu insbesondere Rudolf, Territoriale Grenzen der staatlichen Rechtssetzung, in: DGFIR, Territoriale Grenzen der staatlichen Rechtsetzung, DGFIR Band 12, 1973, S. 7 ff., 23 ff.; Podszun, Internationales Kartellverfahrensrecht, 2003, S. 17 ff.; Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, 1998, S. 115 ff.; Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 479 ff.; Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 104 ff.; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., 1984, S. 783 ff.; Schachter, International Law in Theory and Practice, 1982, S. 254 ff.; Meessen, Völkerrechtliche Grundsätze des internationalen Kartellrechts, 1975, S. 108 ff.; Jennings, General Course on Principles of International Law, 1967, S. 518 ff.; Rehbinder, Extraterritoriale Wirkungen des deutschen Kartellrechts, 1965, S. 47 ff.; Pache, Zur Vereinbarkeit der Einbeziehung der Treibhausgasemissionen des internationalen Luftverkehrs in das System des EU-Emissionszertifikatehandels durch die beabsichtigten Änderungen der EU-Emissionszertifikatehandelsrichtlinie mit internationalen Vorgaben, Rechtsgutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, 15. 4. 2008, S. 76 ff.; Rishikesh, Extraterritoriality versus Sovereignty in International Antitrust Jurisdiction, World Competition, 1990, S. 33 ff., 36 ff.; Verzijl, The Controversy Regarding the so-called Extraterritorial Effect of the American Antitrust Laws, NLR, 1961, S. 3 ff., 5 ff.; Jennings, Extraterritorial Jurisdiction and the United States antitrust laws, Brit. Y.B. Int., 1957, 146 ff., 156 ff.; Haight, International Law and Extraterritorial Application of the Antitrust Laws, Yale Law Journal, 1954, S. 639 ff., 640 ff.
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Teil 2: Die (extra-)territoriale Erstreckung der Rechtsetzung
c) Keine Beschränkung der tatsächlichen Bezüge Bereits in den vorigen Abschnitten wurde auf einige kritische Aspekte der angeführten Ansichten hingewiesen, ohne allerdings dezidiert Kritik zu üben. Im Folgenden soll nunmehr unter kritischer Würdigung dieser Ansichten erörtert werden, welche grundsätzliche territoriale Reichweite dem Regelungs- und Rechtsfolgenbereich zukommen kann. (aa) Die Verengung der Gebietshoheit durch das Territorialitätsprinzip Die genannten Ansichten, die bereits der Gebietshoheit Beschränkungen der tatsächlichen Bezüge einer Rechtsnorm entnehmen, sind dadurch geprägt, dass ein mehr oder weniger enges Territorialitätsprinzip angenommen wird. Sie unterscheiden sich lediglich darin, ob einerseits die Gebietshoheit ex-ante die Befugnis zum Erlass extraterritorialer Rechtsnormen umfasst, was nach dem engen im Unterschied zum weiten Territorialitätsprinzip gerade nicht der Fall ist, und ob andererseits die Gebietshoheit nur die Befugnis umfasst, Rechtsnormen zu erlassen, die eine hinreichend enge Verknüpfung aufweisen. Die Gebietshoheit ist nach diesen Ansichten durch die Befugnis gekennzeichnet, gebietsbezogen Staatsgewalt auszuüben. Der Gebietsbezug der Staatsgewalt wird dahingehend konkretisiert, dass die Gebietshoheit die Zuständigkeit darstellt, Staatsgewalt über alle sich im Staatsgebiet aufhaltenden Personen und Sachen auszuüben.443 Gerade diese Konzeption der Gebietshoheit führt zur Annahme eines Territorialitätsprinzips. Problematisch erweist sich unter einem derartigen Verständnis die Begründung, weshalb Sachen, die nicht der Gebietshoheit unmittelbar unterliegen, dann doch auf Grund des Innehabens durch eine der Gebietshoheit unterworfene Person mittelbar der Gebietshoheit unterliegen sollen. Ebenso umstritten ist, in-
443 Proelß, Raum und Umwelt im Völkerrecht, in: Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 2016, S. 361 ff., 369 f.; Higgins, The Legal Bases of Jurisdiction, in: Olmstead (Hrsg.), Extraterritorial application of laws and responses thereto, 1984, S. 3 ff., 5 ff.; Oxman, Jurisdiction of States, in: Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 110; Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht, 14. Aufl., 2017, S. 230; Reimer, Der Ort des Unterlassens, 2004, S. 34 f.; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band II/III, 2. Aufl., 2002, S. 318; Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 45 ff.; American Law Institute, Restatement of the law, 3. Aufl., 1992, 402; Mestral/Gruchalla-Wesierski/Wesierski, Extraterritorial application of export control legislation: Canada and the U.S.A, 1990, S. 19; Martha, The jurisdiction to tax in international law, 1989, S. 33, 45; Castel, The extraterritorial effects of antitrust laws, 1984, S. 26 ff.; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., 1984, S. 230; Bleckmann, Grundgesetz und Völkerrecht, 1975, S. 126 f.; Jennings, General Course on Principles of International Law, 1967, S. 516; Schnitzer, Staat und Gebietshoheit, 1935, S. 149; Knecht, Extraterritorial Jurisdiction and the Federal Money Laundering Offense, Stanford Journal of International Law, 1986, S. 389 ff., 399.
B. Die (extra-)territoriale Reichweite der Rechtsetzungsgewalt
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wieweit der Staatsgewalt auch Sachverhalte unterworfen sind, die lediglich tatsächliche Folgen im Staatsgebiet bewirken. (1) Das widerspruchsvolle Verhältnis von Territorialitäts- und Wirkungsprinzip Die Probleme der Erfassung ausländischen Verhaltens mit tatsächlichen Einwirkungen auf das Staatsgebiet von Personen, die nicht Staatsangehörige sind, beruhen darauf, dass das der Regelung zugrunde gelegte Verhalten nicht im Staatsgebiet vorgenommen wird. Während teilweise daher Einwirkungen eines solchen Verhaltens nicht Gegenstand der staatlichen Rechtsetzungsgewalt bilden können sollen, folgt nach anderer Ansicht die Rechtsetzungsgewalt entweder aus der Gebietshoheit, dem Wirkungsprinzip als Kompetenzgrundlage oder aus der Gleichstellung bestimmter Einwirkungen mit einem Element, das der Gebietshoheit unterfalle. Zudem ist die Reichweite der Rechtsetzungsgewalt umstritten und fragt danach, ob ein Teilakt auf dem Staatsgebiet erforderlich ist oder auch bloße Einwirkungen genügen können.444 Sowohl der Begründung des Wirkungsprinzips jenseits einer unmittelbaren Rückführung auf die Gebietshoheit als auch der Frage der Reichweite des Wirkungsprinzips liegen Fragen der Gebietsrelevanz der Auswirkungen zugrunde. Gefordert wird in jedem Fall ein gewisser Grad an Gebietsrelevanz, der teils objektiv anhand der Schwere der Auswirkungen, teils subjektiv anhand der Unmittelbarkeit, teils durch das Erfordernis eines Teilaktes im Staatsgebiet sowie teils gar anhand von Überlegungen über den Gemeinschaftsbezug der verfolgten Interessen bestimmt wird. Die so geforderte Gebietsrelevanz spiegelt im Kern Überlegungen des sachlichen Inhalts der Staatsgewalt wider: Burmester betont bspw. die „sachhoheitliche Betroffenheit“445 und weist zudem daraufhin, dass bei Vorliegen eines Teilaktes keine Zweifel am Bestehen einer Regelungszuständigkeit angenommen werden könnten, darüber hinaus aber jedenfalls wesentliche und unmittelbare Auswirkungen einer direkten Gebietsbeziehung in Form eines Teilaktes wertungsmäßig gleichzustellen seien.446 Vergleichbar hierzu verweist Akehurst auf die „legitimate interests“447, die das Wirkungsprinzip stützten und dann bestünden, wenn die Auswirkungen einen Staat stärker und unmittelbarer als andere Staaten träfen.448 Rehbinder stellt vergleichbar die „tatsächliche Beeinträchtigung der inländischen Ordnung“449 in den Vordergrund und fordert eine Unmittelbarkeit und Wesentlichkeit; letztere verlange, 444
Siehe die Nachweise in Fußnoten 442. Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 173. 446 Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 104 ff. 447 Akehurst, Jurisdiction in International Law, Brit. Y.B. Int., 1975, S. 145 ff., 154. 448 Akehurst, Jurisdiction in International Law, Brit. Y.B. Int., 1975, S. 145 ff., 154. 449 Rehbinder, Extraterritoriale Wirkungen des deutschen Kartellrechts, 1965, S. 90. 445
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Teil 2: Die (extra-)territoriale Erstreckung der Rechtsetzung
dass die Auswirkungen „ernstliche[r] Störungen“450 hervorrufen.451 Meng schließlich verweist auf die „souveräne Gestaltung der Lebensordnung auf dem Staatsgebiet“452 und stellt so neben den Gebietsbezug den Ordnungsbedarf, den er zudem im Mittelpunkt der Überlegungen zum Wirkungsprinzip sieht.453 Doch gegen eine Begründung des Wirkungsprinzips gestützt auf einen sachlichen Gehalt der Staatsgewalt in Form einer territorialen Zweckrichtung bestehen erhebliche Bedenken. Zwar stellt die Staatsgewalt eine umfassende Herrschaftsgewalt dar, doch bilden das Staatsvolk und das Staatsgebiet die einzigen Bezugspunkte der Staatsgewalt, weshalb gerade von einer organisatorischen Verklammerung ebendieser Elemente gesprochen wird.454 Die Staatsgewalt des Staates mit ihrer völkerrechtlich nicht prädeterminierten Zweckrichtung und ihrer allgemeinen Inhaltsoffenheit reicht aber nicht hierüber hinaus, sodass eine von diesen Bezugspunkten losgelöste allgemeine Staatsgewalt nicht angenommen werden kann.455 Wenn daher nach dieser Ansicht die Gebietshoheit als territorial bezogene Staatsgewalt nicht die Befugnis umfasst, Herrschaftsgewalt in Bezug auf tatsächliche Einwirkungen ausländischen Verhaltens auszuüben, so kann diese Befugnis nicht über Erwägungen des sachlichen Umfanges der Staatsgewalt begründet werden. Vor diesem Hintergrund weist dieser Begründungsversuch vor allem darauf hin, dass das zugrunde liegende Verständnis der Gebietshoheit zu einer Verengung der Staatsgewalt führt, die als unbefriedigend empfunden wird. Diesem Empfinden ist zuzustimmen: Die Einengung des Umfanges der Staatsgewalt in sachlicher Hinsicht durch die Konkretisierung der Gebietshoheit vermag nicht zu überzeugen, da durch die Personal- und die Gebietshoheit nur die Bezugspunkte der Staatsgewalt beschrieben werden sollen, ohne hierdurch den Inhalt der Staatsgewalt zu verengen.456 (2) Grundsätzliche Bedenken gegen die Konkretisierung der Gebietshoheit In Bezug auf die dem Territorialitätsprinzip innewohnenden Konkretisierungen der Gebietshoheit bestehen weitere grundlegende Bedenken. Die Gebietshoheit wird nicht nur zur Bestimmung des Inhalts des Wirkungsprinzips dahingehend konkre450 451 452 453
518 ff. 454
Rehbinder, Extraterritoriale Wirkungen des deutschen Kartellrechts, 1965, S. 91. Rehbinder, Extraterritoriale Wirkungen des deutschen Kartellrechts, 1965, S. 89 ff. Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 518. Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 504 ff.,
Siehe Teil 1 A. II. 3. So ausdrücklich Mössner, Das Welteinkommensprinip, in: Tipke (Hrsg.), Besteuerung von Einkommen, 2000, S. 253 ff., 265; Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 126 ff. Anderer Ansicht allerdings Tanzi, Remarks on Sovereignty in the Evolving Constitutional Features of the International Community, International Community Law Review, 2010, S. 145 ff., 151; Bleckmann, Das Souveränitätsprinzip im Völkerrecht, AVR, 1985, S. 450 ff., 467. 456 Siehe bereits Teil 1 B. I. 3. b). 455
B. Die (extra-)territoriale Reichweite der Rechtsetzungsgewalt
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tisiert, dass sie die Errichtung einer tatsächlichen Ordnung aller sich im Staatsgebiet aufhaltenden Personen und Sachen zum Gegenstand habe.457 Allerdings müsste diese Konkretisierung eine bloß einseitige Konkretisierung der Gebietshoheit darstellen, ohne sie in vollem Umfang zu beschreiben. Denn der Bedarf nach staatlicher Tätigkeit zur Errichtung einer tatsächlichen Ordnung im Staatsgebiet besteht auch dann, wenn tatsächliche Einwirkungen auf das Staatsgebiet erfolgen. Die genannte Konkretisierung der Gebietshoheit führt aber dazu, dass eine derartige Erstreckung der Staatsgewalt im Ausgangspunkt nicht von der Gebietshoheit gedeckt sein kann.458 Diese Einseitigkeit zeigt sich zunächst bei der Frage, inwieweit das ausländische Verhalten sich im Staatsgebiet aufhaltender Personen Gegenstand der Rechtsetzungsgewalt sein kann.459 Richtigerweise wird unter dem Blickwinkel der anfänglichen Konkretisierung der Gebietshoheit dahingehend, dass diese auf die Errichtung einer tatsächlichen Ordnung im Staatsgebiet gerichtet sein soll, ein territorialer Bezug gefordert. Dies zeigt aber, dass die Person als solche nicht vollumfänglich Gegenstand der Gebietshoheit sein kann, sondern nur das Verhalten der Person der Gebietshoheit unterliegt, soweit dieses aus Sicht des Territorialstaates von Bedeutung ist.460 Als problematisch erwies sich zudem, inwieweit ein Wirkungsprinzip angenommen werden kann, nach dem der Gebietshoheit auch das ausländische Verhalten im Ausland ansässiger Personen auf Grund inländischer Folgewirkungen unterliegen
457 Ridder, Gebietshoheit, in: Schlochauer (Hrsg.), Wörterbuch des Völkerrechts, Band I, 1960, S. 625 ff., 628; Oxman, Jurisdiction of States, in: Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 110; Dahm/ Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band II/III, 2. Aufl., 2002, S. 318; Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 29 ff.; Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 34 ff., 44 ff.; Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 44 ff.; Castel, The extraterritorial effects of antitrust laws, 1984, S. 26 ff.; Jennings, General Course on Principles of International Law, 1967, S. 519; Schnitzer, Staat und Gebietshoheit, 1935, S. 149; Knecht, Extraterritorial Jurisdiction and the Federal Money Laundering Offense, Stanford Journal of International Law, 1986, S. 389 ff., 399; Akehurst, Jurisdiction in International Law, Brit. Y.B. Int., 1975, S. 145 ff., 152. 458 Ridder, Gebietshoheit, in: Schlochauer (Hrsg.), Wörterbuch des Völkerrechts, Band I, 1960, S. 625 ff., 625; Jennings, General Course on Principles of International Law, 1967, S. 519. 459 Siehe bereits die Nachweise in Fußnote 441. 460 Hierauf verweist im Ergebnis auch Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 46. Siehe zudem die abweichende Meinung des Richters M. Loder StIGH, Urteil v. 7. 9. 1927, The Case of the S.S. „Lotus“, PCIJ Series A, 1927, S. 3 ff., 37; Mann, Studies in International Law, 1973, S. 40; Schmahl, Zwischenstaatliche Kompetenzabgrenzung im Cyberspace, AVR, 2009, S. 284 ff., 294; Albrecht, The Taxation of Aliens Under International Law, Brit. Y.B. Int., 1952, S. 145 ff., 153 f.
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Teil 2: Die (extra-)territoriale Erstreckung der Rechtsetzung
soll.461 Richtigerweise gilt aber, dass hierin eine territorial bezogene Ausübung von Staatsgewalt liegt, die nicht nur ausnahmsweise besteht. Denn wird die Gebietshoheit zunächst als die Befugnis beschrieben, auf dem Staatsgebiet eine tatsächliche Ordnung zu errichten, so erfasst diese Befugnis zur Ordnungserrichtung auch die Möglichkeit zum Erlass von Rechtsnormen, die ausländisches Verhalten mit tatsächlichen Einwirkungen auf das Staatsgebiet zum Gegenstand haben, da auch diese Verhaltensweisen die tatsächliche Ordnung im Staatsgebiet berühren.462 Dieser Gesichtspunkt findet auch gerade im Wirkungsprinzip Ausdruck, wenn dieses letztlich auf ebendieses Ordnungsbedürfnis gestützt und anhand dieses Gesichtspunktes begründet und ausgeformt wird.463 Dies belegt aber, dass die Konkretisierung der Gebietshoheit dahingehend, dass dieser die im jeweiligen Gebiet sich befindlichen Personen und Sachen unterworfen sind, zu einer Verengung der Gebietshoheit entgegen der Ursprungskonzeption führt. Gerade diese beobachtete Einengung dann zum Ausgangspunkt einer Begründung des Wirkungsprinzips zu wählen, vermag nicht zu überzeugen. Ebenso wenig überzeugt, dass die Gebietshoheit auch Sachen erfassen soll, die nicht im Staatsgebiet belegen sind, aber von Personen im Inland gehalten werden.464 Dieses bloße tatsächliche Innehaben soll dazu führen, dass eine Sache mittelbar vollumfänglich der Gebietshoheit unterworfen ist. Diese Gleichsetzung ist aber äußerst fragwürdig, da das Innehaben einer ausländischen Sache nicht die Belegenheit der Sache an sich ändert. Soweit die Gebietshoheit daher als die Befugnis über sich im Staatsgebiet aufhaltende Personen und Sachen beschrieben ist, kann die mittelbare Erstreckung der Gebietshoheit nur auf dem Innehaben beruhen, da die Sache selbst außerhalb der so verstandenen Gebietshoheit verbleibt. Muss daher aber eine Erfassung der Sache selbst ausscheiden, so kann der so konkretisierten Gebietshoheit nur noch das verbindende Element unterliegen, d. h. das Innehaben selbst. Demgemäß kann letztlich nur eine Ausübung von Staatsgewalt in Bezug auf dieses Innehaben erfolgen, da nur die Person, die eine ausländische Sache innehat, der Gebietshoheit unterworfen ist. In der Folge kommt auch nur eine Regelung der Modalitäten des Innehabens in Betracht. Die Zuständigkeit zur Regelung der Mo461
Siehe hierzu die Nachweise in den Fußnoten 442 bis 446. Diesen Gedanken betonen insbesondere Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 518 ff.; Jennings, General Course on Principles of International Law, 1967, S. 156 ff.; Wengler, Völkerrecht, 1964, S. 937 f. Daneben erkennt dies auch Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 105 f. an, die aber scheinbar die Ordnungsgewalt des Staates auf personale und sachliche Anknüpfungen reduziert. Siehe zudem die allgemeine Betonung dieses Aspekts bei Kokott/Doehring/Buergenthal/Maier, Grundzüge des Völkerrechts, 3. Aufl., 2003, S. 151. 463 Vgl. Teil 2 B. I. 1. c) (aa) (1). 464 Siehe insbesondere Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 46 f., 48. Zu diesem „Transformationsargument“ auch Colangel, What is extraterritorial jurisdiction?, Cornell Law Review, 2014, S. 1303 ff., 1313 ff. 462
B. Die (extra-)territoriale Reichweite der Rechtsetzungsgewalt
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dalitäten des Innehabens entspricht allerdings nicht der Zuständigkeit zur Regelung aller denkbaren sachbezogenen Verhältnisse, sodass auch auf diesem Wege eine derartige Erstreckung der Rechtsetzungsgewalt ausscheiden muss. Dies gilt erst recht, wenn berücksichtigt wird, dass in Bezug auf ausländische Sachen regelmäßig kein staatsgebietsbezogenes tatsächliches Ordnungsbedürfnis bestehen kann, wie dies nach der Ursprungskonzeption der Gebietshoheit erforderlich wäre. Weitergehend erscheint aber generell die Konkretisierung dahingehend, dass der Gebietshoheit alle sich im Staatsgebiet aufhaltenden Personen unterworfen sind, als wenig überzeugend. Ausgangspunkt der Überlegung bildet abermals, dass der Staat nach dem dargelegten Verständnis der Gebietshoheit auf die Errichtung einer tatsächlichen Ordnung gerichtet ist. Hierin liegt ein territorial-zweckbezogenes Element, sodass eine Ausübung der territorialen Staatsgewalt nur in Betracht kommt, soweit die tatsächliche Ordnung im Staatsgebiet betroffen ist. Doch der Errichtung einer tatsächlichen Ordnung im Staatsgebiet entspricht es letztendlich nur, sich im Inland auswirkendes tatsächliches Verhalten zum Gegenstand der Ausübung der Staatsgewalt zu wählen. Denn die tatsächliche Ordnung im Gebiet kann nur berührt sein, wenn tatsächliche Umweltveränderungen eintreten sollen.465 Derartige Umweltveränderungen können aber nur durch menschliches Verhalten hervorgebracht werden. Nur insoweit, als sich daher ein Verhalten auf die Ordnung im Staatsgebiet auswirkt oder auswirken soll, kommt unter dem genannten territorial-zweckbezogenen Element eine Ausübung von Staatsgewalt in Betracht. Kommt aber ohne ein tatsächliches Verhalten keine Umweltauswirkung in Betracht, so besteht eine Befugnis zur Ausübung von Staatsgewalt gegenüber sich im Inland aufhaltenden Personen nur, wenn diese in die Pflicht genommen werden, um eine Umweltauswirkung in Bezug auf das Staatsgebiet herbeizuführen. Im Ergebnis bildet die Befugnis zur Ausübung von Staatsgewalt gegenüber Personen daher nur eine Folge davon, dass diese ein Verhalten ausüben oder ausüben sollen, das tatsächliche Auswirkungen auf das Staatsgebiet bewirkt. Es handelt sich dann aber nur um eine mittelbare Erfassung der mit ihrem Verhalten erfassten Personen. Abseits etwaiger Auswirkungsfälle muss entsprechend dieser Überlegungen daher eine konsistente Fortentwicklung des Gedankens, dass die Staatsgewalt auf die Errichtung einer tatsächlichen Ordnung im Staatsgebiet gerichtet ist, zur Übernahme eines weitgehend engen Territorialitätsprinzips führen.466 Denn nur insoweit, als sich im Staatsgebiet aufhaltende Personen im Staatsgebiet verhalten, kommt zweifelsfrei eine Ausübung der Gebietshoheit in Betracht. Demgegenüber kann – in Widerspruch zum weiten Territorialitätsprinzip, das sich auf diese Konzeption der Gebietshoheit stützt – der Staatsgewalt aber nicht das ausländische Verhalten sich im Staatsgebiet aufhaltender Personen unterliegen. Nur als scheinbare Ausnahme hierzu gilt, dass 465 Soweit Umweltveränderungen aus sonstigen Gründen eintreten, handelt es sich hierbei um natürliche Einflüsse. Diese sind aus Sicht des Staates letztlich nur unter dem Blickwinkel zu bewirkender Umweltauswirkungen von Interesse. 466 Hierauf weist auch Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 53 ff. hin.
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Teil 2: Die (extra-)territoriale Erstreckung der Rechtsetzung
eine Regelung des ausländischen Verhaltens sich im Staatsgebiet aufhaltender Personen in Betracht kommt, wenn sich dieses Verhalten auf das Staatsgebiet tatsächlich auswirkt. Diese Erfassung gilt aber unabhängig vom Aufenthaltsort der Person, sodass letztendlich eine Person immer dann mittelbar von der Gebietshoheit erfasst wird, wenn sich ihr Verhalten tatsächlich auf das Staatsgebiet auswirkt. Nur in einem derartigen Verständnis der Gebietshoheit läge eine konsistente Konkretisierung der Überlegung, dass die Gebietshoheit auf die Errichtung einer tatsächlichen Ordnung im Staatsgebiet gerichtet ist. (3) Zwischenfazit zum Territorialitätsprinzip Es ist daher festzustellen, dass die Annahme eines Territorialitätsprinzips in den vorgeschlagenen Formen als Konkretisierung des Verständnisses der Gebietshoheit als tatsächliche Ordnung auf einem Staatsgebiet zurückzuweisen ist. So bestehen bereits wegen der hierdurch bewirkten Verengung des Inhalts der Staatsgewalt erhebliche Bedenken. Zudem liegt hierin keine folgerichtige Konkretisierung der Ausgangsposition, dass die Gebietshoheit auf die Errichtung einer tatsächlichen Ordnung im Staatsgebiet gerichtet sei. Hierdurch ist aber noch nicht das Territorialitätsprinzip an sich widerlegt. Denn es ist ebenso möglich, dass entweder das Verständnis, dass die Gebietshoheit die Errichtung einer tatsächlichen Ordnung im Staatsgebiet habe, zurückzuweisen ist oder die bisherigen Konkretisierungen dieses Gedankens durch eine folgerichtige Konkretisierung zu ersetzen sind. Es ist daher an dieser Stelle zu untersuchen, ob sich die Gebietshoheit im Rahmen der Rechtsetzung lediglich auf tatsächlicher oder auf normativer Ebene oder auf beiden Ebenen konkretisiert. (bb) Der Gebietsbezug der Rechtsetzungsgewalt Im Ausgangspunkt ist die Gebietshoheit durch die staatsgebietsbezogene Ausübung der Staatsgewalt gekennzeichnet. Dies bedeutet, dass die Staatsgewalt und demgemäß auch die Rechtsetzungsgewalt in Bezug auf das Staatsgebiet wahrgenommen werden. (1) Zurückweisung der tatsächlichen Bezüge als Gebietsbezug Die Vertreter des Territorialitätsprinzips gehen wie ausgeführt davon aus, dass bei Wahrnehmung der Gebietshoheit auf tatsächlicher Ebene und damit innerhalb des Regelungs- und Rechtsfolgenbereiches ein Gebietsbezug gefordert ist. Doch würde, wie von den Vertretern des Territorialitätsprinzips behauptet, sich die Wahrnehmung der Gebietshoheit darin äußern, dass ein Staat in einem Rechtssatz an im Staatsgebiet belegene Personen oder Sachen anknüpft, so muss im Erlass einer extraterritorialen Rechtsnorm, die an im Ausland belegene Personen oder Sachen anknüpft, eine Wahrnehmung der Gebietshoheit über dieses Gebiet erblickt werden.
B. Die (extra-)territoriale Reichweite der Rechtsetzungsgewalt
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Dies hätte allerdings weitreichende Folgen: Soweit ein Staat eine Rechtsnorm im Regelungsbereich extraterritorial erstreckt, müsste die Gebietshoheit über ein Gebiet wahrgenommen werden, das nicht der Gebietshoheit des regelnden Staates unterliegt, und ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gebietsausschließlichkeit vorliegen.467 Da ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gebietsausschließlichkeit aber grundsätzlich die Völkerrechtswidrigkeit der extraterritorialen Erstreckung des Regelungsbereiches zur Folge hätte, gehen Vertreter des Territorialitätsprinzips regelmäßig auch nicht davon aus, dass die Anknüpfung an im Ausland belegene Tatbestandselemente mit der Wahrnehmung der Gebietshoheit über dieses Gebiet einhergeht, selbst wenn diese Anknüpfung in Wahrnehmung der Gebietshoheit erfolgt.468 Dies kann letztlich nur mittels zweier unterschiedlicher Ansätze einsichtig werden, denn es ist widersprüchlich, die Anknüpfung auf die Gebietshoheit zu stützen, in der Anknüpfung selbst aber keine Wahrnehmung der Gebietshoheit zu sehen: Einerseits könnte die notwendige tatsächliche Verknüpfung des Sachverhaltes mit dem Staatsgebiet und die hierdurch vermittelte Regelungsgewalt dahingehend verstanden werden, dass das im Ausland belegene Tatbestandsmerkmal als im Inland belegen erscheint.469 Andererseits könnte eine eingeschränkte Sichtweise geboten sein, nach welcher der Auslandsbezug als irrelevant anzusehen ist.470 Burmester argumentiert im Ergebnis im Sinne des ersten Ansatzes, soweit sie ausführt, dass im Ausland belegene Sachen, ohne selbst unmittelbar der Gebietshoheit zu unterliegen, in ihrer Habenstellung mittelbar der Staatsgewalt unterworfen sind und die Sachen im Sinne einer Verhaftung durch diese Habenstellung in eine umfassende und unmittelbare staatsgebietsbezogene Regelungszuständigkeit überführt werden. So heißt es bei dieser: „In Zwischenposition befindet sich die staatlicher Gebietshoheit unterworfene Person in ihrer Habenstellung, mithin das Vermögen der mit dem Staatsgebiet verwurzelten Person […]; soweit sie [Anmerkung des Verfassers: die Sachen] sich demgegenüber außerhalb des Staatsgebietes befinden, besteht mangels verfestigter Beziehung der Sache selbst zum Staatsgebiet keine sachbezogene Gebietshoheit und ist personenbezogene Gebietshoheit nur möglich durch Auflösung des Gegensatzes von Sein und Haben in eine wechselseitige Ergänzung, durch Deutung des Habens einer Person als mittelbare Seinsäußerung derselben 467 So gerade Ridder, Gebietshoheit, in: Schlochauer (Hrsg.), Wörterbuch des Völkerrechts, Band I, 1960, S. 625 ff., 625. 468 Dezidiert hierzu Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 48 f., 54 ff.; Vogel, Der räumliche Anwendungsbereich der Verwaltungsrechtsnorm, 1965, S. 346. Siehe auch Nerep, Extraterritorial control of competition under international law, 1983, S. 465 ff.; Knecht, Extraterritorial Jurisdiction and the Federal Money Laundering Offense, Stanford Journal of International Law, 1986, S. 389 ff., 399. 469 Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 48 f. 470 Knecht, Extraterritorial Jurisdiction and the Federal Money Laundering Offense, Stanford Journal of International Law, 1986, S. 389 ff., 399.
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und durch ein Begreifen des Vermögensobjektes als Ausstrahlung des Subjektes selbst und nicht als Gegenposition zu diesem, mit der Folge einer Erstreckung personenbezogener Gebietshoheit auf außergebietliche Vermögensgegenstände im Rahmen einer Erfassung der personellen Gesamtsphäre in ihrer unmittelbar- tatsächlichen wie auch mittelbar-rechtlichen Gebietsverbundenheit. Insoweit erweist sich die unmittelbar auf innergebietliche Personen bezogene Gebietshoheit zugleich als mittelbar sachbezogene und dem Erfassungsgegenstand nach staatsgebietüberschreitende Erfassungshoheit; sie ist zwar eine auf personenbezogene Gebietshoheit sich stützende Staatsgewalt, durchbricht die darin enthaltene Beschränkung auf die Person als Beherrschungsgegenstand und das Staatsgebiet als Herrschaftsraum aber im Wege einer Erweiterung des personalen Beherrschungskreises um privatrechtliche Objektbeziehungen, durch Erstreckung der eigenen personenbezogenen Gebietshoheit auf außergebietliche und fremder sachbezogener Gebietshoheit unterliegende Vermögensgegenstände dieser Person aufgrund privatrechtlicher Herrschaftsverhältnisse. […] Auf diesen gegenständlich-personalen Erfassungskreis erstreckt sich die staatliche Gebietshoheit ihren Erfassungsmodalitäten nach sowohl im Rahmen rechtlicher Regelung als auch hoheitlicher Durchsetzung, hierbei in verpflichtend-eingreifender wie auch in berechtigend-gewährender Weise wirkend. […] Die Gebietshoheit als Teilaspekt der Staatsgewalt teilt deren grundlegende Struktur, befähigt mithin in negativer Hinsicht zur – aktiven – Abwehr Gebietshoheit ausübender fremder Staaten vom eigenen Staatsgebiet und verwehrt – passiv – gleichermaßen die Ausübung von eigener Gebietshoheit in fremdem Staatsgebiet, so daß das Staatsgebiet nur jeweils einer einzigen Staatsgewalt räumlicher Zuständigkeitsbereich ist und nur dieser Staatsgewalt […] Befugnis gewährt zur staatsgebietlichen Anknüpfung normativer Regelungsinhalte und zu sanktionierender Erfassung inner- wie außergebietlicher Vorgänge aufgrund gebietshoheitlicher Macht über deren sachliche oder personale Substrate. Vielmehr sind Regelungsanknüpfung und -ziel nur die der Gebietshoheit unterliegenden Personen und Sachen in ihrer Wirkung und Verstrickung in außergebietlichem Geschehen, denn nur sie transformieren das an sich gebietshoheitlich irrelevante Geschehen in die räumliche Zuständigkeit der Staatsgewalt und machen dieses so als staatsgebietlich unmittelbar – durch und an sie – gebundenes Geschehen der Gebietshoheit und der normativen Regelungsgewalt des Staates zugänglich. […] wenn aus Sicht einer gebietsbezogenen Staatsgewalt der gebietsexterne Sachverhalt noch zu dem im Staatsgebiet Seienden, zu dessen gebietshoheitlich beherrschtem unmittelbaren Sein, zählt und diesem nicht nur als verselbständigt gegenüberstehendes Haben zurechenbar ist, wenn die außergebietliche Rechtsbedingung als möglicher Teil staatlicher Ordnungsgebung mithin einen staatsgebietlich unmittelbaren Zusammenhang, ein direktes Verhaftetsein in staatlicher Gebietshoheit aufweist.“471 [Hervorhebungen durch den Autor]
Allerdings wurde diesbezüglich bereits in Abschnitt (aa) (2) angeführt, dass ein derartiges Verständnis überschießend ist, wenn es hierdurch die Sache umfassend als der Staatsgewalt unterworfen ansehen möchte, und deshalb nicht zu überzeugen vermag.
471 Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 46 ff.
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Es kann daher ebenso wenig im Allgemeinen überzeugen, wenn im Sinne des zweiten Ansatzes bspw. in der Beanspruchung der Rechtsetzungsgewalt über das ausländische Verhalten im Ausland ansässiger Unternehmen auf Grund der bewirkten inländischen Wettbewerbsauswirkungen zu Lasten der Konsumenten eine rein nationale Rechtsetzung gesehen werden soll. Denn die im Staatsgebiet bewirkten Wettbewerbsauswirkungen sind nur Anlass der Regelung, während Gegenstand der Regelung vollumfänglich das ausländische Verhalten im Ausland ansässiger Personen ist. Etwaige Wettbewerbsvorschriften werden das ausländische Verhalten zum Gegenstand haben, um die inländischen Auswirkungen zu verhindern, die inländischen Auswirkungen sind aber nicht in diesem Sinne alleiniger Gegenstand der Regelung, denen gegenüber die auch ausländische Anknüpfung als unwesentlich erscheint.472 Dies könnte allenfalls in Fällen behauptet werden, in denen im Ausland ansässige Personen ein Verhalten im Inland ausüben, wie dies bspw. noch bei Meldepflichten für aus dem Ausland angewiesene Überweisungen eines Geldbetrages von einem inländischen Konto ins Ausland der Fall sein könnte, da die Modalität der inländischen Überweisung ins Ausland Gegenstand der Regelung ist.473 Es vermag daher aber weder die Argumentation, dass das ausländische Sachverhaltselement in rechtlicher Hinsicht in ein inländisches Sachverhaltselement transformiert wird noch die Annahme, dass das ausländische Element vergleichsweise unbedeutend ist, zu überzeugen. Im Sinne der Frage, ob dem ausländischen Element Bedeutung zukommt oder ob dieses für Rechtszwecke als nicht bestehend anzusehend ist, könnte allenfalls noch überlegt werden, ob eine eingeschränkte Sichtweise dahingehend geboten ist, dass der Regelungsgegenstand als maßgebliches Kriterium des Gebietsbezuges heranzuziehen ist. Der Regelungsgegenstand beschreibt dabei Rechtsfolgenanordnung und Tatbestand in abstrahierter Form. So ist Regelungsgegenstand einer Steuer bspw. die Begründung einer Steuerpflicht für bestimmte Sachverhalte; Regelungsgegenstand umweltrechtlicher Normen ist zum Beispiel die Begrenzung umweltschädigender Emissionen, Immissionen oder Belastungen. Sofern der Regelungsgegenstand im Staat gelegen wäre, erschiene die Rechtsetzung ausschließlich als Wahrnehmung der Gebietshoheit über das eigene Staatsgebiet, selbst wenn der Regelungsbereich an sich hierüber hinausreicht, wie dies bspw. bei Umweltbelastungen im Inland auf Grund ausländischer Emissionen der Fall sein könnte. Diesbezüglich ist zunächst festzustellen, dass die Ausrichtung der Wahrnehmung der Gebietshoheit danach, ob der Regelungsgegenstand im Staatsgebiet belegen ist, eine Abkehr davon beinhaltet, dass sich die Ausübung der Gebietshoheit im Regelungsbereich widerspiegelt. Die Gebietshoheit wird daher nun immer dann wahrgenommen, wenn der 472
Vgl. zum Wirkungsprinzip bei Burmester und damit im Sinne des ersten Ansatzes Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 95 ff. 473 Derartige Meldepflichten sind in § 11 Abs. 2 Außenwirtschaftsgesetz in Verbindung mit § 67 Außenwirtschaftsverordnung tatsächlich vorgesehen. Diese Meldung hat allerdings vom Inländer zu erfolgen, der die Zahlung bewirkt, d. h. dem inländischen Kreditinstitut.
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Teil 2: Die (extra-)territoriale Erstreckung der Rechtsetzung
Gegenstand der Regelung ein im Staatsgebiet belegener Vorgang ist. Entscheidend wäre nach dieser Sichtweise die Verknüpfung des Regelungsgegenstandes mit dem Staatsgebiet. Für eine derartige eingeschränkte Sichtweise scheint zu sprechen, dass nicht in jedem Auslandsbezug eine Wahrnehmung der Gebietshoheit erblickt werden kann. Zwar ist die Setzung von Rechtsnormen Staatsgewalt, die bloße Anknüpfung an auf einem Gebiet belegene Tatbestandsmerkmale im Rahmen einer Rechtsetzung kann aber nicht mit einer Ausübung von Staatsgewalt über die entsprechenden Gebiete im Sinne einer die Gebietshoheit begründenden tatsächlichen Herrschaftsgewalt gleichgesetzt werden. Dies zeigt sich bereits darin, dass die Rechtsfolge auf ein anderes Gebiet beschränkt sein kann. In diesem Fall wird lediglich das Merkmal zum Anknüpfungspunkt einer Regelung genommen, die als Verhaltensvorgabe die Veränderung der Umwelt im eigenen Gebiet zum Gegenstand hat. Das andere Gebiet ist nur insoweit berührt, als die Regelung die Rechtsfolge auch wegen dieses Merkmales setzt. Gegen eine solche Sichtweise spricht, dass der Staatsgewalt die Regelungsgewalt in Fällen entzogen wäre, deren Völkerrechtskonformität grundsätzlich anerkannt ist. Die Staatsgewalt würde bspw. nicht Sachverhalte umfassen, bei denen eine tatsächliche Einwirkung auf das Staatsgebiet durch ausländisches Verhalten ausländischer Personen eintritt. Der Staat dürfte zwar Regelungen in Bezug auf diese tatsächliche Einwirkung erlassen, eine Regelungsgewalt über das ausländische Verhalten wäre hiermit aber nicht verbunden. Der Staatsgewalt wäre so bspw. im Wettbewerbsrecht die Regelungsgewalt in Bezug auf Regelungen entzogen, die das ausländische Verhalten solcher Personen zum Gegenstand haben, die am inländischen Markt teilnehmen, und grundsätzlich als mit dem Völkerrecht vereinbar angesehen werden.474 Bereits diese Bedenken legen nahe, in den tatsächlichen Normbezügen keine Wahrnehmung der Gebietshoheit zu sehen. Gegen die Annahme, dass der territoriale Bezug der Gebietshoheit sich in den tatsächlichen Bezügen eines Rechtssatzes niederschlagen würde, bestehen aber auch weitergehende strukturelle Bedenken. Die Gebietshoheit wird durch das Innehaben einer tatsächlichen effektiven Herrschaftsgewalt auf einem Gebiet begründet. Der Erlass einer Rechtsnorm hingegen ist rein normativer Natur und kann einer tatsächlichen Herrschaftsgewalt nicht gleichgestellt werden. Durch die extraterritoriale Erstreckung der tatsächlichen Bezüge eines Rechtssatzes kann daher die Gebietshoheit nicht begründet werden; weder die tatbestandliche Erfassung ausländischen Verhaltens noch die Vorgabe, 474 Siehe hierzu umfassend Podszun, Internationales Kartellverfahrensrecht, 2003; Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 526 ff.; Schwarze, Die Jurisdiktionsabgrenzung im Völkerrecht, 1994; Lange/Born, The extraterritorial application of national laws, 1989, S. 4 ff.; Mann, The Doctrine of International Jurisdiction Revisited after Twenty Years, 1984, S. 78 ff.; Nerep, Extraterritorial control of competition under international law, 1983; Rehbinder, Extraterritoriale Wirkungen des deutschen Kartellrechts, 1965; Olmstead (Hrsg.), Extra-territorial application of laws and responses thereto, 1984.
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dass die Rechtsfolge auch im Ausland tatsächlich wirksam werden soll, sind als tatsächliche Herrschaftsgewalt anzusehen, die die Gebietshoheit begründen könnten. In der Folge wird die Gebietshoheit des anderen Staates durch den Erlass einer Rechtsnorm, die einen extraterritorialen Regelungs- und Rechtsfolgenbereich aufweist, nicht durch den anderen Staat in Frage gestellt.475 Dies erklärt auch, weshalb nach Ansicht der Vertreter des Territorialitätsprinzips in der extraterritorialen Erstreckung des Regelungsbereiches, richtigerweise, kein Verstoß gegen den Grundsatz der Gebietsausschließlichkeit liegt. Dann kann aber ebenso wenig davon ausgegangen werden, dass die extraterritoriale Erstreckung des Regelungsbereiches auf einer Beanspruchung der Gebietshoheit beruht: Es ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen die territoriale Anknüpfung eines Rechtssatzes in Wahrnehmung der Gebietshoheit erfolgt, während eine extraterritoriale Anknüpfung ohne das Innehaben der Gebietshoheit möglich ist. Dieser Widerspruch kann nicht dadurch aufgelöst werden, dass abweichend vom bisherigen Verständnis der Gebietshoheit davon ausgegangen wird, dass durch eine derartige Ausübung der Rechtsetzungsgewalt die Gebietshoheit begründet wird. Denn dann würde gerade in derartigen Fällen unter Verstoß gegen den Grundsatz der Gebietsausschließlichkeit immer die Gebietshoheit über das andere Gebiet beansprucht. Ein derartiges Verständnis der Gebietshoheit müsste daher dazu führen, dass der Grundsatz der Gebietsausschließlichkeit eine enge territoriale Rechtsetzung fordert, da andernfalls der Grundsatz der Gebietsausschließlichkeit jede Wirkung für den Bereich der Rechtsetzung verlieren würde.476 Insoweit wurde aber bereits darauf hingewiesen, dass eine enge Territorialität zu einer Verengung der Staatsgewalt führen würde, die nicht mit dem derzeitigen Verständnis vereinbar ist. Folge dieses nicht schlüssig auflösbaren Widerspruchs kann daher nur sein, dass in der (extra-)territorialen Erstreckung des Regelungs- und Rechtsfolgenbereiches keine Wahrnehmung der Gebietshoheit gesehen werden kann. Dies hat zur Folge, dass sich der Gebietsbezug der territorial bezogenen Staatsgewalt in Form der Rechtsetzungsgewalt nicht in den tatsächlichen Bezügen eines Rechtssatzes ausdrücken kann.
475 Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 54; Nerep, Extraterritorial control of competition under international law, 1983, S. 454 ff.; Vogel, Der räumliche Anwendungsbereich der Verwaltungsrechtsnorm, 1965, S. 346; vgl. zudem Ross, Lehrbuch des Völkerrechts, 1951, S. 150 f. 476 Ob dies mit dem engen Territorialitätsprinzip übereinstimmt, wie es in Abschnitt Teil 2 B. I. 1. a) dargelegt wurde, hängt davon ab, welche Ansicht bezüglich der Frage eingenommen wird, ob bestimmte extraterritoriale Anknüpfungen als inländische oder völkerrechtlich irrelevante Anknüpfungen zu werten sind. Werden derartige Sichtweisen abgelehnt, so führt dieser Befund zu einem engen Territorialitätsprinzip, das in anderen Fällen insoweit erweitert ist, dass bestimmte ausländische Merkmale als inländische zu werten sind oder aber die Anknüpfung an derartige Merkmale völkerrechtlich irrelevant ist, solange nur der Regelungsgegenstand im Inland zu verorten ist (siehe Abschnitt Teil 2 B. I. 1. c) (bb) (2)).
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Teil 2: Die (extra-)territoriale Erstreckung der Rechtsetzung
(2) Die Rechtsgeltung als Gebietsbezug Dies legt nahe, dass der Gebietsbezug der Rechtsetzung in der normativen Ebene und damit in der Geltung zu sehen ist. Dass diese Schlussfolgerung zutreffend ist, zeigt eine Analyse des Charakters sowohl der Gebietshoheit als auch der Rechtsetzungsgewalt. In der allgemeinsten Form477 lässt sich die Gebietshoheit dahingehend fassen, dass sie die Ausübung von Staatsgewalt über das Staatsgebiet zum Gegenstand hat. Dieses Gebiet bildet den Bezugspunkt der territorial bezogenen Staatsgewalt, sodass sich die territorial bezogene Staatsgewalt gerade im Staatsgebiet manifestiert. Die Rechtsetzungsgewalt stellt hierbei eine besondere Form der Staatsgewalt dar, die sich dadurch auszeichnet, dass sie den Erlass eines Rechtssatzes zum Gegenstand hat. Charakteristikum einer Rechtsnorm478 ist zunächst ihre Geltung als Rechtssatz. Rechtssätze beinhalten eine normative Aussage, also einen Sollens-Satz, der nicht notwendigerweise als rational vernünftig oder ethisch verbindlich angenommen wird, sondern wegen seiner Geltung als Recht zu befolgen ist. Insoweit ist der Erlass eines Rechtssatzes mit zwei Komponenten verbunden: Einerseits wird ein SollensSatz formuliert. Dieser weist tatsächliche Bezüge auf, als Rechtssatz beinhaltet dieser Tatbestand und Rechtsfolge. Dieser Sollens-Satz trifft eine Aussage darüber, wie etwas sein soll. Als derartiger Satz, der eine Aussage über das Sollen beinhaltet, ist er von normativer Natur, indem er nicht beschreibt, wie sich etwas darstellt, sondern wie es sich darstellen sollte. Ein solcher Satz und sein Aussagegehalt beanspruchen daher als normativer Satz Beachtung. Dieser normative Anspruch im Sinne einer normativen Verbindlichkeit kann entweder darauf gegründet sein, dass ein Sollens-Satz als vernünftig angesehen wird, oder darauf beruhen, dass der Sollens-Satz als Rechtssatz durch eine souveräne Staatsgewalt gesetzt wurde. Die Rechtsetzungsgewalt ist daher dadurch geprägt, dass eine normative Aussage als Rechtssatz als normativ verbindlich gesetzt wird. Hierdurch unterscheidet sich die Rechtsetzungsgewalt von der Rechtsdurchsetzungsgewalt, die darauf gerichtet ist, dieses normative Gebot einer tatsächlichen Durchsetzung zuzuführen. Die tatsächliche Befolgung des Rechtssatzes beruht damit auf der Rechtsdurchsetzungsgewalt, einerseits, indem der Staat die vorgeschriebenen tatsächlichen Folgen durch seine Organe in Ausübung tatsächlicher Herrschaftsgewalt selbst herbeiführt, andererseits, indem die Sanktionierung der Nichtbefolgung einer Norm droht und vor diesem Hintergrund die verpflichtete Person selbst die Norm befolgt.479
477
Siehe hierzu bereits Teil 1 B. I. 1. b). Siehe hierzu und dem Folgenden bereits die Ausführungen in Teil 2 A. III. 3. sowie die dort genannten Nachweise. 479 Siehe bereits die Nachweise in Fußnoten 365 und 369. 478
B. Die (extra-)territoriale Reichweite der Rechtsetzungsgewalt
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Maßgeblicher Gebietsbezug der Wahrnehmung der Gebietsbezug muss daher der Geltungsbereich einer Norm sein.480 Der Gebietsbezug in Ausübung der Gebietshoheit muss darin bestehen, dass auf einem Gebiet eine normative Vorgabe geschaffen wird. Dieses Gebiet, in dem die Rechtsnorm eine normativ verbindliche Aussage und eine normative Vorgabe beinhaltet, wird gerade durch den Geltungsbereich einer Norm beschrieben. Der Regelungsbereich ist daher überschießend, da die Anknüpfung des Tatbestandes an auf einem Gebiet belegene Tatbestandsmerkmale nicht zugleich dazu führt, dass die normative Aussage auf diesem Gebiet gilt. Ebenso ist der Rechtsfolgenbereich überschießend, da er auch jenen Bereich erfasst, in dem sich das vorgeschriebene Verhalten vollzieht, ohne dass auf diesem Gebiet das Verhalten noch Teil der dort geltenden normativen Verhaltensvorgaben ist. Gegenstand der Gebietshoheit als Rechtsetzungsgewalt ist daher, eine Ordnung im Staatsgebiet zu errichten. Unter dieser Ordnung ist aber keine tatsächliche Ordnung, sondern eine Rechtsordnung zu verstehen.481 Damit ist Gegenstand der Gebietshoheit als Rechtsetzungsgewalt die Errichtung einer im Staatsgebiet geltenden Rechtsordnung durch Erlass territorial geltender Rechtsnormen. Dieses Verständnis entspricht auch dem historischen Ausgangspunkt der Gebietshoheit, Personen, die nicht Staatsangehörige sind, der Rechtsbindung zu unterwerfen. Dazu war es gerade erforderlich, die Rechtsgeltung und -bindung territorial zu verstehen, was zur Herausbildung der Gebietshoheit führte.482 (3) Rechtsfolgenebene als erweiterter Gebietsbezug? Fraglich ist aber, ob dieses Ergebnis uneingeschränkt gilt oder nicht dahingehend einzuschränken ist, dass vom Geltungsbereich nicht erfasste Bereiche insoweit als Gebietsbezug der Rechtsetzungsgewalt anzusehen sind, als sie den Bereich der tatsächlichen intendierten Auswirkungen der Norm betreffen, die die Konkretisierung der Zwecksetzung des Rechtssatzes betreffen. Für eine solche Sichtweise könnte sprechen, dass derartige Folgen intendiert und damit ,gesollt‘ sind, auch wenn die Rechtsnorm in diesen Gebieten nicht als Rechtssatz verbindlich ist.
480 Im Ergebnis ebenso Blumenwitz, Der deutsche Inlandsbegriff im Lichte des Staatsund Völkerrechts, in: von Münch (Hrsg.), Staatsrecht – Völkerrecht – Europarecht, 1981, S. 25 ff., 26 f.; Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht, 14. Aufl., 2017, S. 230 f.; Künkele, Völkerrechtliche Schranken für die Besteuerung fremdstaatlicher Tätigkeiten nach dem deutschen Körperschaftsteuerrecht, 1976, S. 90 ff.; Vogel, Theorie und Praxis im Internationalen Steuerrecht, DStR, 1968, S. 427 ff., 430 So zunächst auch Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 117 ff., der allerdings eine prinzipielle Kongruenz zwischen dem Geltungs- und Regelungsbereich annimmt, die nur ausnahmsweise bei Vorliegen einer engen Verknüpfung des Sachverhaltes zum Staatsgebiet durchbrochen werden darf. 481 Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 77; Brownlie, Principles of public international law, 7. Aufl., 2008, S. 71. 482 Ausführlich Fleiner-Gerster/Hänni, Allgemeine Staatslehre, 1980, S. 140; Vogel, Der räumliche Anwendungsbereich der Verwaltungsrechtsnorm, 1965, S. 60 ff.; von der Heydte, Die Geburtsstunde des souveränen Staates, 1952, S. 410 f. und die dortige Fußnote 12.
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Allerdings beruhen die tatsächliche Befolgung einer derartigen Norm und damit der Eintritt der intendierten Folgen auf der Rechtsdurchsetzungsgewalt. Außerhalb des Staatsgebietes kommt dem Rechtssatz keine normative Relevanz als Rechtssatz zu. Er ist damit nicht Teil der auf dem jeweiligen Gebiet geltenden Rechtsordnung, er entfaltet keine normative Verbindlichkeit, wie sie prägend für einen Rechtssatz ist.483 Eine Beachtung eines solches Rechtssatzes kann allenfalls dadurch eintreten, dass die Nichtbefolgung sanktioniert ist und diese Sanktion durch die Rechtsdurchsetzungsgewalt vollzogen wird, wenn die normbetroffene Person sich zu einem späteren Zeitpunkt im Staatsgebiet aufhält. Die tatsächliche Befolgung beruht damit im Kern auf den Auswirkungen der Rechtsdurchsetzungsgewalt, nicht auf der Zwecksetzung durch die Rechtsetzungsgewalt. Diese Zwecksetzung bildet nur Anlass der Rechtsdurchsetzungsgewalt zur Entfaltung tatsächlicher Herrschaftsgewalt, die als Sanktionsandrohung eine tatsächliche Bewirkung der Norm herbeiführt.484 Der Befund, die intendierte Bewirkung tatsächlicher Folgen im Ausland nicht als Wahrnehmung der Gebietshoheit bei Ausübung der Rechtsetzungsgewalt anzusehen, wird dadurch bestätigt, dass das gegenteilige Ergebnis ebenfalls in einer widersprüchlichen Sicht der Gebietshoheit münden müsste. Denn wie im Falle der Verbindung der territorialen Bezüge der Gebietshoheit mit den tatsächlichen Bezügen des Rechtssatzes ist festzustellen, dass die Annahme, die intendierte Bewirkung der tatsächlichen Folgen im Ausland sei Ausdruck des Gebietsbezuges der Rechtsetzungsgewalt, nicht mit dem Verständnis sowohl der Gebietshoheit als auf tatsächlicher Herrschaftsgewalt beruhender Zuständigkeit als auch dem Grundsatz der Gebietsausschließlichkeit zu vereinbaren ist. (cc) Fazit Der maßgebliche Gebietsbezug der Rechtsetzungsgewalt ist daher ausschließlich, in der Begründung der Geltung normativer Aussagen als Rechtssatz und damit als Teil der Rechtsordnung zu sehen. Die Gebietshoheit wird demgemäß in Form der Rechtsetzungsgewalt dadurch wahrgenommen, dass einem Rechtssatz eine territoriale Geltung beigelegt wird, der Rechtssatz also als Teil der in einem Gebiet geltenden Rechtsordnung verbindlich ist. Nicht aber wird die Gebietshoheit dadurch wahrgenommen, dass ein Rechtssatz in Tatbestand oder Rechtsfolge an bestimmte in einem Gebiet belegene Elemente anknüpft oder sich dort auswirken soll. d) Schlussfolgerungen zur (extra-)territorialen Reichweite Es ist daher festzustellen, dass nach der Konzeption der Gebietshoheit kein Gebietsbezug auf tatsächlicher Ebene gefordert ist. Weder die tatbestandliche An483 Wohl ebenso Ritter, Das Prinzip Rücksicht, BB, 1984, S. 1109 ff., 1109. Siehe zu dieser Verbindlichkeit auch die Nachweise in Fußnote 368. 484 Siehe bereits die Nachweise in Fußnote 364 und 369.
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knüpfung noch die Rechtsfolge müssen einen Bezug zum Staatsgebiet aufweisen. Folge dieser Konzeption der Gebietshoheit ist, dass aus ihr keinerlei Beschränkungen der Staatsgewalt in Bezug auf die territoriale Reichweite des Regelungs- und Rechtsfolgenbereiches folgen; auch mittelbar folgen aus der Gebietshoheit keine Beschränkungen der territorialen Reichweite des Regelungs- und Rechtsfolgenbereiches, da zwischen der territorialen Reichweite der Geltung eines Rechtssatzes und der territorialen Erstreckung der tatsächlichen Ebene eines Rechtssatzes keine notwendige Verknüpfung besteht. Die Notwendigkeit eines Gebietsbezuges der Geltung geht aber nicht damit einher, dass ein solcher auch auf tatsächlicher Ebene erforderlich wird. Folge dieses Fehlens einer Beschränkung des Regelungs- und Rechtsfolgenbereiches ist mit Blick auf das Souveränitätsprinzip, dass es dem Staat nach der Konzeption der Staatsgewalt freisteht, den Regelungs- und Rechtsfolgenbereich grundsätzlich nach Belieben extraterritorial zu erstrecken, da der Staat auch dann eigene souveräne Staatsgewalt wahrnimmt, wenn der Rechtssatz dem Inhalt nach nicht auf das Staatsgebiet bezogen ist. Überdies ist auch aus der Einheitlichkeit der Staatsgewalt nicht gefordert, dass der Staat seine Rechtsetzungsgewalt nur insoweit ausübt, als ihm eine eigenständige Rechtsdurchsetzung möglich ist.485 e) Rechtsprechung des (St)IGH Dieses Ergebnis steht in voller Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des (St) IGH, insbesondere mit der bereits genannten Lotus- und Nottebohm-Entscheidung. Es zeigte sich aber, dass die Lotus-Entscheidung unterschiedlich ausgelegt wird, wobei die divergierenden Ansichten verschiedene Textstellen hervorheben.486 Es ist daher der gesamte Abschnitt in den Blick zu nehmen, um zu untersuchen, wie die Ausführungen des StIGH zu verstehen sind: „Now the first and foremost restriction imposed by international law upon a State is that – failing the existence of a permissive rule to the contrary – it may not exercise its power in any form in the territory of another State. In this sense jurisdiction is certainly territorial; it cannot be exercised by a State outside its territory except by virtue of a permissive rule derived from international custom or from a convention. It does not, however, follow that international law prohibits a State from exercising jurisdiction in its own territory, in respect of any case which relates to acts which have taken place abroad, and in which it cannot rely on some permissive rule of international law. Such a view would only be tenable if international law contained a general prohibition to States to extend the application of their laws and the jurisdiction of their courts to persons, property and acts ’outside their territory, and if, as an exception to this general prohibition, it allowed States to do so in certain specific cases. But this is certainly not the case under international law as it 485
Siehe bereits Teil 1 B. I. 3. c). So auch Simon/Waller, A Theory of Economic Sovereignty, Stanford Journal of International Law, 1986, S. 337 ff., 341. 486
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Teil 2: Die (extra-)territoriale Erstreckung der Rechtsetzung
stands at present. Far from laying down a general prohibition to the effect that States may not extend the application of their laws and the jurisdiction of their courts to persons, property and acts outside their territory, it leaves them in this respect a wide measure of discretion which is only limited in certain cases by prohibitive rules; as regards other cases, every State remains free to adopt the principles which it regards as best and most suitable. This discretion left to States by international law explains the great variety of rules which they have been able to adopt without objections or complaints on the part of other States; it is in order to remedy the difficulties resulting from such variety that efforts have been made for many years past, both in Europe and America, to prepare conventions the effect of which would be precisely to limit the discretion at present left to States in this respect by international law, thus making good the existing lacunae in respect of jurisdiction or removing the conflicting jurisdictions arising from the diversity of the principles adopted by the various States. In these circumstances, al1 that can be required of a State is that it should not overstep the limits which international law places upon its jurisdiction; within these limits, its title to exercise jurisdiction rests in its sovereignty.“487
Der StIGH betont zunächst, dass zwar die Rechtsdurchsetzungsgewalt territorial begrenzt ist, dies aber nicht zugleich mit einer territorialen Begrenzung der Rechtsetzungsgewalt einhergeht. Dies könne nur angenommen werden, wenn die Staaten einem generellen Verbot unterlägen, die Staatsgewalt extraterritorial zu erstrecken. Dies sei aber gerade nicht der Fall, sodass der StIGH das enge Territorialitätsprinzip als Grundsatz vollumfänglich zurückweist.488 Stattdessen betont der StIGH, dass den Staaten ein weites legislatives Ermessen bei der Rechtsetzung zusteht, das nur im Einzelfalle durch Normen des Völkerrechts beschränkt sei. Denn nur so könne die große Vielfalt an extraterritorialer Rechtsetzung, die zu beobachten ist und als völkerrechtskonform erblickt wird, erklärt werden. Gerade vor diesem Hintergrund erkläre sich zudem die Koordinierung der Rechtsetzungsgewalt durch völkerrechtliche Verträge. Daher ist die einzige Voraussetzung des Völkerrechts an die extraterritoriale Rechtsetzung, dass die im Einzelfall bestehenden Beschränkungen des Völkerrechts beachtet werden, während im Übrigen die Wahrnehmung der Rechtsetzungsgewalt keinen beschränkenden Normen unterliegt und ihre Grundlage in der Souveränität findet. Dieser Befund ist vollumfänglich mit dem hier vorgeschlagenen Ansatz vereinbar. Durch die Beschränkung der Wahrnehmung der Gebietshoheit auf den territorialen Bezug der Geltung einer Norm und damit den Geltungsbereich ist gewährleistet, dass den Staaten das beschriebene weite Ermessen in der Rechtsetzung zukommt. Ein derartiger Ansatz entwickelt etwaige Beschränkungen der extraterritorialen Erstreckung des Regelungs- und Rechtsfolgenbereiches als eine die Staatsgewalt im Einzelfall beschränkende Norm, ohne aber von vornherein eine spezifische Verknüpfung mit dem Staatsgebiet zu suchen. Gerade dies hat auch der StIGH in den angeführten Auszügen unterlassen, da das Gericht die Freiheit betont, 487 488
StIGH, Urteil v. 7. 9. 1927, The Case of the S.S. „Lotus“, PCIJ Series A, 1927, S. 3 ff., 18. Siehe bereits die Nachweise in Fußnote 411.
B. Die (extra-)territoriale Reichweite der Rechtsetzungsgewalt
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derartige Anknüpfungen vorzunehmen. Ob die Anknüpfungen völkerrechtskonform sind, richte sich allein danach, ob sie gegen etwaige Verbotsnormen verstoßen. Aus der Konzeption der Staatsgewalt leitet der StIGH jedenfalls keine spezifischen Voraussetzungen ab, die die Anknüpfung erfüllen muss.489 Ebenso lehnte es der StIGH ausdrücklich ab, anhand des Territorialitäts- oder Wirkungsprinzips seine Entscheidung herzuleiten; die Interpretation solcher Prinzipien wies er vielmehr dem nationalen Recht zu und maß ihnen keine Bedeutung für die völkerrechtliche Fragestellung der Reichweite der Staatsgewalt bei.490 Für die hier vertretene Sichtweise sprechen auch die Ausführungen des StIGH in Bezug auf das Flaggenstaatsprinzip. Im Rahmen des Verfahrens ist vorgetragen worden, der Türkei sei die Ausübung der Staatsgewalt deshalb verwehrt, weil allein dem Flaggenstaat die Befugnis zur Ausübung der Staatsgewalt zukomme. Diese Annahme einer ausschließlichen Befugnis des Flaggenstaates lehnte der StIGH aber mit dem Argument ab, das Flaggenstaatprinzip führe lediglich dazu, dass das unter der Flagge eines Staates fahrende Schiff so zu behandeln sei, als bilde es Teil des Staatsgebietes dieses Staates. Demgemäß sei die Reichweite der Staatsgewalt dieses und anderer Staaten in Bezug auf Akte auf einem Schiff nicht anders zu beurteilen, als dies beim Staatsgebiet gewöhnlich der Fall sei, weshalb eine ausschließliche Befugnis gerade nicht besteht: „But it by no means follows that a State can never in its own territory exercise jurisdiction over acts which have occurred on board a foreign ship on the high seas. A corollary of the principle of the freedom of the seas is that a ship on the high seas is assimilated to the territory of the State the flag of which it flies, for, just as in its own territory, that State exercises its authority upon it, and no other State may do so. All that can be said is that by virtue of the principle of the freedom of the seas, a ship is placed in the same position as national territory; but there is nothing to support the claim according to which the rights of the State under whose flag the vessel sails may go farther than the rights which it exercises within its territory properly so called.“491
Gegen das hier vertretene Ergebnis sprechen auch nicht die späteren Ausführungen des StIGH in Bezug auf das Teilgebiet des Strafrechts. Diesbezüglich führt der StIGH aus, dass die Übertragbarkeit der Überlegungen grundsätzlich anzunehmen ist: „Nevertheless, it has to be seen whether the foregoing considerations really apply as regards criminal jurisdiction, or whether this jurisdiction is governed by a different principle.“
489 Ebenso Wurzel, Foreign Investment and Extraterritorial Taxation, Columbia Law Review, 1938, S. 809 ff., 820; Wildhaber, Jurisdiktionsgrundsätze und Jurisdiktionsgrenzen im Völkerrecht, in: Schweizerische Vereinigung für internationales Recht, Schweizerisches Jahrbuch für internationales Recht, 1985, S. 99 ff., 104; Ritter, Das Prinzip Rücksicht, BB, 1984, S. 1109 ff., 1109. 490 StIGH, Urteil v. 7. 9. 1927, The Case of the S.S. „Lotus“, PCIJ Series A, 1927, S. 3 ff., 22 ff. 491 StIGH, Urteil v. 7. 9. 1927, The Case of the S.S. „Lotus“, PCIJ Series A, 1927, S. 3 ff., 25.
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Teil 2: Die (extra-)territoriale Erstreckung der Rechtsetzung
Doch die späteren Ausführungen zeigen, dass der StIGH die Konzeption überträgt und etwaige Normen des Völkerrechts nicht als Erlaubnistatbestände, sondern Verbotsnormen ansieht: „Consequently, once it is admitted that the effects of the offence were produced on the Turkish vessel, it becomes impossible to hold that there is a rule of international law which prohibits Turkey from prosecuting Lieutenant Demons because of the fact that the author of the offence was on board the French ship.“
Soweit daher von Vertretern des weiten Territorialitätsprinzips auf die Nottebohm-Entscheidung verwiesen wird, kann hierin nur noch ein Ansatzpunkt zur Auffüllung der in der Lotus-Entscheidung vorausgesetzten, aber nicht näher dargelegten, beschränkenden Normen des Völkerrechts liegen. Auf diese Überlegungen wird aber in Teil 3 einzugehen sein. Die hier vertretene Ansicht steht auch nur augenscheinlich in einem Widerspruch zu Entscheidungen des IGH, die die Bestimmung bzw. Zuordnung der Souveränität über ein Gebiet betreffen. Fehlt eine ausdrückliche Festlegung der Souveränität, stellt der IGH auf sogenannte effectivités ab.492 Hierunter versteht der IGH Handlungen in Ausübung der Staatsgewalt. Ausgehend von diesen effectivités leitet der IGH in diesen Fällen ab, welchem Staat die Souveränität zukommt. Voraussetzung ist hierfür nach Ansicht des IGH, dass die Handlungen Ausdruck einer Souveränitätsbeanspruchung sind, d. h. à titre de souveraineté wahrgenommen werden.493 Hierbei bezieht der IGH auch die Rechtsetzung der Staaten ein: Wird diese auch in Bezug auf das fragliche Gebiet angewendet oder werden unmittelbar Rechtsnormen mit Bezug zu dem Gebiet erlassen, so sieht das Gericht hierin Belege für eine Ausübung der Staatsgewalt, die mit einer Beanspruchung der Souveränität über dieses Gebiet einhergehen.494 Insoweit scheint ein Widerspruch zu dem hier ver492
IGH, Urteil v. 19. 12. 2012, Territorial and Maritime Dispute (Nicaragua/Colombia), ICJ Reports, 2012, S. 624 ff., 655; IGH, Urteil v. 8. 10. 2007, Territorial and Maritime Dispute between Nicaragua and Honduras in the Caribbean Sea (Nicaragua v. Honduras), ICJ Reports, 2007, S. 659 ff., 712 ff.; IGH, Urteil v. 12. 7. 2005, Frontier Dispute (Benini/Niger), ICJ Reports, 2005, S. 90 ff., 127; IGH, Urteil v. 10. 10. 2002, Land and Maritime Boundary between Cameroon and Nigeria (Cameroon v. Nigeria; Equatorial Guinea intervening), ICJ Reports, 2002, S. 303 ff., 353; IGH, Urteil v. 3. 2. 1994, Territorial Dispute (Libyan Arab Jamahiriya/Chad), ICJ Reports, 1994, S. 6 ff., 38; IGH, Urteil v. 22. 12. 1986, Frontier Dispute, ICJ Reports, 1986, S. 554 ff., 587. Siehe auch Permanent Court of Arbitration, Entscheidung v. 4. 4. 1928, Island of Palmas (Netherlands, USA), Reports of International Arbitral Awards II, S. 829 ff., 839; Verdross/ Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., 1984, S. 660; Shaw, Territory in International Law, NYL, 1982, S. 61 ff., 83 ff. 493 IGH, Urteil v. 19. 12. 2012, Territorial and Maritime Dispute (Nicaragua/Colombia), ICJ Reports, 2012, S. 624 ff., 655; IGH, Urteil v. 8. 10. 2007, Territorial and Maritime Dispute between Nicaragua and Honduras in the Caribbean Sea (Nicaragua v. Honduras), ICJ Reports, 2007, S. 659 ff., 712 ff.; StIGH, Urteil v. 5. 4. 1933, Legal Status of Eastern Greenland, PCIJ Series A/B, 1933, S. 21 ff., 45 f. 494 IGH, Urteil v. 19. 12. 2012, Territorial and Maritime Dispute (Nicaragua/Colombia), ICJ Reports, 2012, S. 624 ff., 655 ff.
B. Die (extra-)territoriale Reichweite der Rechtsetzungsgewalt
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tretenen Verständnis der Gebietshoheit zu bestehen, die sich bei der Rechtsetzungsgewalt in der gebietsbezogenen Geltung einer Rechtsnorm ausdrückt, nicht aber darin, dass die Rechtsnorm gebietsbezogen tatbestandlich anknüpft oder Rechtsfolgen vorsieht. Dieser Widerspruch besteht aber nur scheinbar, da einerseits der IGH die effectivités nicht gleichsetzt mit der Wahrnehmung der Gebietshoheit und andererseits diese nur ein Indiz darstellen, um hieraus das Unterfallen eines Gebietes unter die territoriale Souveränität eines Staates abzuleiten. Die Indizwirkung der effectivités besteht nur insoweit, als die Rechtsnormen ausdrücklich auf das fragliche Gebiet Anwendung finden sollen und es sich um staatliche Handlungen à titre de souveraineté handelt. Handlungen von Privatpersonen sind daher nur dann einbezogen, wenn sie im Rahmen von Erlaubnisnormen ausgeübt werden.495 Es kommt daher darauf an, dass tatsächlich Staatsgewalt ausgeübt wird, während für das Bestehen der Gebietshoheit gerade die Möglichkeit zur Ausübung einer effektiven Staatsgewalt ausreichen würde. Selbst dann, wenn die effectivités unbestritten ausgeübt werden, genügt es nicht, dass der Staat wie im Fall des Innehabens der Gebietshoheit in der Lage wäre, im Bedarfsfall Staatsgewalt auszuüben, um den Souveränitätsanspruch eines Staates zu fundieren.496 Effectivités à titre de souveraineté und das Bestehen der Gebietshoheit fallen auch nach Ansicht des IGH nicht zusammen, sodass die effectivités nicht das Bestehen der Gebietshoheit indizieren sollen. Vielmehr sollen sie nur darlegen, dass der Staat in Bezug auf das fragliche Gebiet tatsächliche Herrschaftsgewalt entfaltet, um hieraus abzuleiten, dass der Staat das fragliche Gebiet seiner territorialen Souveränität unterstellen will, sofern gerade kein entgegenstehender Souveränitätstitel besteht. In diesem Zuge greift der IGH auch auf die Rechtsetzung zurück, da der Staat hierdurch zu erkennen gibt, dass die tatsächliche Herrschaftsgewalt mit dem Ziel der Unterstellung des Gebietes unter seine Souveränität einhergeht, da er für dieses eine Rechtsordnung geschaffen hat und diese nun auch in dem betroffenen Gebiet wirksam werden soll. Besteht hingegen ein entgegenstehender Souveränitätstitel, so misst der IGH den effectivités für die Frage der Souveränitätszuordnung keine Bedeutung bei; insbesondere leitet er aus diesen nicht ab, dass der Staat die Souveränität des anderen Staates bestreiten wollte.497 Es ist daher zu folgern, dass die Indizwirkung der effectivités a titre de souveraineté nicht dem hier herausgearbeiteten Verständnis der Gebietshoheit wi495 IGH, Urteil v. 8. 10. 2007, Territorial and Maritime Dispute between Nicaragua and Honduras in the Caribbean Sea (Nicaragua v. Honduras), ICJ Reports, 2007, S. 659 ff., 712. 496 IGH, Urteil v. 19. 12. 2012, Territorial and Maritime Dispute (Nicaragua/Colombia), ICJ Reports, 2012, S. 624 ff., 655; StIGH, Urteil v. 5. 4. 1933, Legal Status of Eastern Greenland, PCIJ Series A/B, 1933, S. 21 ff., 46. Siehe bereits Permanent Court of Arbitration, Entscheidung v. 4. 4. 1928, Island of Palmas (Netherlands, USA), Reports of International Arbitral Awards II, S. 829 ff., 839. 497 IGH, Urteil v. 19. 12. 2012, Territorial and Maritime Dispute (Nicaragua/Colombia), ICJ Reports, 2012, S. 624 ff., 652; IGH, Urteil v. 12. 7. 2005, Frontier Dispute (Benini/Niger), ICJ Reports, 2005, S. 90 ff., 127. So auch ausdrücklich schon Permanent Court of Arbitration, Entscheidung v. 4. 4. 1928, Island of Palmas (Netherlands, USA), Reports of International Arbitral Awards II, S. 829 ff., 840.
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Teil 2: Die (extra-)territoriale Erstreckung der Rechtsetzung
derspricht, sondern mit der Konzeption der souveränen Staatsgewalt insgesamt in Einklang steht. Auch mit späteren Ausführungen des IGH zur Bedeutung des Lotus-Urteils steht die hier vertretene Sichtweise nicht in Widerspruch. In späteren Entscheidungen des Gerichts mit Bezug zum Lotus-Urteil wird ausgeführt, dass dieses Urteil ein Spiegel des Zeitgeistes sei und die die Ausführungen dominierende Freiheit der Staaten zum Tätigwerden nach eigenem Ermessen nicht länger dem Stand des Völkerrechts entspreche, da dieses nunmehr deutlich stärker durch einen Gemeinschaftsbezug und eine Verengung der internationalen Beziehungen geprägt ist.498 Mit dieser zutreffenden Ansicht ist aber nicht ein völliges Absehen vom Lotus-Urteil verbunden und dies ist, soweit erkennbar, auch nicht vom IGH behauptet worden.499 Betont wird stattdessen vielmehr, dass häufiger als zuvor die Befugnisse der Staaten völkerrechtlich begrenzt sind.500 Durch die souveräne Gleichheit der Staaten und das Zusammenwachsen der Völkerrechtsgemeinschaft treten häufiger als je zuvor Souveränitätskollisionen auf, die die Frage nach einer Begrenzung der Staatsgewalt aufwerfen und eine solche fordern. In diesem Sinne ist es auch zu verstehen, wenn der damalige Präsident des IGH in der Rechtssache Case Concerning the Arrest Warrant of 11 April 2000 (Democratic Republic of the Congo v. Belgium) auf diesen Befund verweist und hierin eine Stärkung der Territorialität sieht, die zur Ablehnung einer allumfassenden universellen Strafgewalt der Staaten führt.501 Insoweit sind derartige Überlegungen letztlich darauf gerichtet, eine Begrenzung der Staatsgewalt zu begründen. Mit Blick auf die Verengung der Völkerrechtsgemeinschaft sprechen sie sich richtigerweise dafür aus, nicht vorschnell aus dem Fehlen expliziter Vorgaben 498 Stellungnahme des Richters Bedjaoui IGH, Advisory Opinion v. 8. 7. 1996, Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons, ICJ Reports, 1996, S. 226 ff., 270 ff.; IGH, Advisory Opinion v. 8. 7. 1996, Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons, ICJ Reports, 1996, S. 226 ff., 239 f. 499 Siehe insbesondere die Diskussion der Lotus-Entscheidung in den Urteilen, einschließlich der weiteren Stellungnahmen der nicht der Senatsmehrheit vollumfänglich zustimmenden Richter, IGH, Urteil v. 14. 2. 2002, Case Concerning the Arrest Warrant of 11 April 2000 (Democratic Republic of the Congo v. Belgium), ICJ Reports, 2002, S. 3 ff.; IGH, Advisory Opinion v. 8. 7. 1996, Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons, ICJ Reports, 1996, S. 226 ff.; IGH, Urteil v. 27. 6. 1986, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. United States of America), Merits, ICJ Reports, 1986, S. 14 ff. Für eine Ablehnung der Lotus-Entscheidung aber Stellungnahme des Richters Simma IGH, Advisory Opinion v. 22. 7. 2010, Accordance with international law of the unilateral declaration of independence in respect of Kosovo, ICJ Reports, 2010, S. 403 ff., 478 ff. 500 IGH, Advisory Opinion v. 8. 7. 1996, Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons, ICJ Reports, 1996, S. 226 ff., 239 f.; abweichende Meinung des Richters Weeramantry IGH, Advisory Opinion v. 8. 7. 1996, Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons, ICJ Reports, 1996, S. 226 ff., 495 f.; IGH, Urteil v. 27. 6. 1986, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. United States of America), Merits, ICJ Reports, 1986, S. 14 ff., 135. 501 Abweichende Meinung des Präsidenten des IGH Guillaume IGH, Urteil v. 14. 2. 2002, Case Concerning the Arrest Warrant of 11 April 2000 (Democratic Republic of the Congo v. Belgium), ICJ Reports, 2002, S. 3 ff., 43.
B. Die (extra-)territoriale Reichweite der Rechtsetzungsgewalt
189
des Völkerrechts unter Verweis auf die Handlungsfreiheit der Staaten eine Freiheit von Begrenzungen zu folgern. Stattdessen sind in jedem Fall die heutzutage sehr häufig betroffenen Souveränitätsinteressen fremder Staaten sorgfältig in den Blick zu nehmen. In diesem Zuge ist zu prüfen, inwieweit die fehlende explizite Beschränkung zu einer völligen Handlungsfreiheit führt oder nicht doch mit Blick auf die Positionen der fremden Staaten eine gewisse Beschränkung geboten ist.502 Dies entspricht aber dem hier vorgefundenen Ergebnis, wie auch die späteren Ausführungen zur Begrenzung der Staatsgewalt noch zeigen werden.503 f) Fazit zum Regelungs- und Rechtsfolgenbereich Nach alledem ergibt sich, dass zwischen dem Regelungs- und Rechtsfolgenbereich einer Norm und der Wahrnehmung der Gebietshoheit kein Zusammenhang besteht. Vielmehr wird die Gebietshoheit dadurch wahrgenommen, dass eine normative Aussage einer territorialen Geltung zugeführt wird. Die Gebietshoheit als territorial bezogene Rechtsetzungsgewalt ist daher auf die Errichtung einer Rechtsordnung im Staatsgebiet gerichtet. Diese Rechtsordnung wird durch den Erlass territorial geltender Rechtsnormen begründet. Aus dieser territorialen Geltung folgt keine denknotwendige Beschränkung des Regelungs- und Rechtsfolgenbereiches. Dieses Ergebnis entspricht sowohl dem Charakter der hier untersuchten Rechtsetzungsgewalt als auch dem völkerrechtlichen Normenbestand, da andernfalls Widersprüche in der Konzeption der Gebietshoheit selbst sowie im Verhältnis zum Grundsatz der Gebietsausschließlichkeit bestehen, die nicht sinnvoll aufgelöst werden können.504 Eine Beschränkung der territorialen Anknüpfung der Norm und damit des Umfanges des Regelungs- und Rechtsfolgenbereiches kann damit der Konzeption der Gebietshoheit nicht entnommen werden. Vielmehr steht es dem Staat in Wahrnehmung seiner souveränen Rechtsetzungsgewalt in Form der Gebietshoheit im Ausgangspunkt frei, extraterritoriale Rechtsnormen jeder denkbaren Form zu setzen. Ob dieses weite legislative Ermessen völkerrechtlichen Beschränkungen unterliegt, wird in Teil 3 zu untersuchen sein.
502 Illustrativ insoweit IGH, Advisory Opinion v. 8. 7. 1996, Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons, ICJ Reports, 1996, S. 226 ff. 503 Siehe hierzu Teil 3 B. 504 Blumenwitz, Der deutsche Inlandsbegriff im Lichte des Staats- und Völkerrechts, in: von Münch (Hrsg.), Staatsrecht – Völkerrecht – Europarecht, 1981, S. 25 ff., 26 f.So wohl auch Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht, 14. Aufl., 2017, S. 230 f.; Ohler, Die Kollisionsordnung des allgemeinen Verwaltungsrechts Strukturen des deutschen internationalen Verwaltungsrechts, 2005, S. 44 ff.
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Teil 2: Die (extra-)territoriale Erstreckung der Rechtsetzung
2. Die Personalhoheit Die territoriale Reichweite des in Wahrnehmung der Personalhoheit erlassenen Rechts auf tatsächlicher Ebene wird kaum diskutiert. Vielmehr wird lediglich darauf hingewiesen, dass, entsprechend der Personalhoheit als Rechtsetzung in Bezug auf das zwischen Staat und Person bestehende Band der Staatsangehörigkeit, Staatsangehörige auch dann der staatlichen Rechtsordnung unterworfen sind, wenn sie sich nicht im Staatsgebiet aufhalten. Auf Grund dessen sei es daher auch möglich, das Verhalten im Ausland zum Gegenstand inländischer Rechtsfolgen zu machen.505 Für die Frage der territorialen Reichweite des Regelungs- und Rechtsfolgenbereiches kann letztlich auf die Überlegungen im Rahmen der Gebietshoheit und das dort gefundene Ergebnis verwiesen werden: Aus der Konzeption der Gebietshoheit und Rechtsetzungsgewalt folgte, dass sich die Wahrnehmung der Gebietshoheit darin äußert, dass eine Norm territorial gilt. Nicht erforderlich ist hingegen, dass die Norm auch territorial bezogene Elemente im Tatbestand oder in der Rechtsfolge beinhaltet. Übertragen auf die Personalhoheit bedeutet dies, dass sich die Wahrnehmung der Personalhoheit darin ausdrückt, dass ein Rechtssatz gegenüber den Staatsangehörigen gilt.506 Zudem ergibt sich so auch für die Personalhoheit, dass die territoriale Reichweite des Regelungs- und Rechtsfolgenbereiches, wie sie von der Staatsgewalt umfasst ist, unabhängig der personalen Geltung besteht und keinen Beschränkungen unterliegt. Es gilt daher auch für die Personalhoheit, dass die Befugnis zur extraterritorialen Rechtsetzung Teil der Staatsgewalt und als solche vom Souveränitätsprinzip umfasst ist. Diese extraterritoriale Rechtsetzungsbefugnis besteht unbeschränkt, eines auf die Staatsangehörigkeit bezogenen personalen Anknüpfungsmomentes bedarf es nicht als Voraussetzung zur Wahrnehmung der Personalhoheit. Vielmehr können in 505
Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 123, 132 f.; Epping, Grundgesetz und Kriegswaffenkontrolle, 1993, S. 152 ff.; Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 72 ff.; Martha, The jurisdiction to tax in international law, 1989, S. 47; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/III, 2. Aufl., 1989, S. 216 f.; Bruns, Völkerrecht als Rechtsordnung, ZaöRV, 1929, S. 1 ff., 21. 506 Abweichende Meinung des Richters Read IGH, Urteil v. 6. 4. 1955, Nottebohm Case (second phase), ICJ Reports, 1955, S. 4 ff., 47; Lehner, Das Territorialitätsprinzip im Lichte des Europarechts, in: Wassermeyer u. a. (Hrsg.), Körperschaftsteuer, internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, 2005, S. 241 ff., 244; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 123, 132 f.; Hobe/Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 10. Aufl., 2014, S. 93; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, 2. Aufl., 2012, S. 112; Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 55; Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 72 ff.; Epping, Grundgesetz und Kriegswaffenkontrolle, 1993, S. 152; Jennings/Watts, Oppenheim’s international law, Band I, 9. Aufl., 1992, S. 462 ff.; Martha, The jurisdiction to tax in international law, 1989, S. 47; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/III, 2. Aufl., 1989, S. 216 f.; Bär, Kartellrecht und Internationales Privatrecht, 1965, S. 340 f.; Bruns, Völkerrecht als Rechtsordnung, ZaöRV, 1929, S. 1 ff., 21.
B. Die (extra-)territoriale Reichweite der Rechtsetzungsgewalt
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Ausübung der Personalhoheit auch Rechtssätze erlassen werden, die personal gelten, aber weder in Tatbestand noch Rechtsfolge jenseits der Verdeutlichung der personalen Geltung einen Bezug zum Kriterium der Staatsangehörigkeit beinhalten.507
II. Die (extra-)territoriale Reichweite des Geltungsbereiches Nach den bisherigen Ausführungen wurde festgestellt, dass der geforderte Bezug der Rechtsetzungsgewalt nicht auf der tatsächlichen Ebene eines Rechtssatzes Ausdruck findet, sondern sich in der Geltung niederschlägt. Der die Personal- und Gebietshoheit prägende Bezug der staatsvolk- oder staatsgebietsbezogenen Wahrnehmung der Rechtsetzungsgewalt drückt sich damit im Geltungsbereich des erlassenen Rechtssatzes aus. Dies bedeutet, dass ein Staat in Ausübung der Gebietshoheit territorial und in Ausübung der Personalhoheit personal geltende Rechtsnormen schafft. Folge einer territorialen Geltung ist, dass die erlassene Rechtsnorm Teil einer in einem Gebiet allgemein verbindlichen, schlechthin zu beachtenden Rechtsordnung ist und als solche normative Maßgeblichkeit beansprucht. Entsprechendes gilt für die personale Geltung, sodass die Rechtsnorm Teil einer für das Staatsvolk an sich unabhängig des Aufenthaltsortes allgemein verbindlichen Rechtsordnung wird. Diese personale oder territoriale Geltung muss der Rechtsnorm entnommen werden. Sofern, wie im Regelfall, die Rechtsnorm hierzu keine Aussage beinhaltet, ist durch Auslegung zu bestimmen, ob der Rechtssatz personal oder territorial gilt.508 Offengelassen wurde aber noch, welche (extra-)territoriale Dimension diese Geltung aufweisen kann. Diese Frage stellt sich auch im Falle einer personale Geltung dergestalt, dass möglicherweise die personale Geltung auf Grund eines Vorranges der Gebietshoheit nur im eigenen Staatsgebiet bestehen könnte.
507 So ausdrücklich Bär, Kartellrecht und Internationales Privatrecht, 1965, S. 341. Einschränkend auf eine der beiden Hoheiten auf Grund der Verknüpfung der Geltung mit dem sachverhaltsbezogenen Erfassungskreis Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 83 ff., 92 f. Einschränkend wohl Bleckmann, Völkerrecht, 2001, S. 161 ff.; Bleckmann, Grundgesetz und Völkerrecht, 1975, S. 126 ff., anderer Ansicht jedenfalls Pappas, Stellvertretende Strafrechtspflege zugleich ein Beitrag zur Ausdehnung deutscher Strafgewalt nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB, 1996, S. 19; Pottmeyer, Die Strafbarkeit von Auslandstaten nach dem Kriegswaffenkontroll- und Außenwirtschaftsrecht, NZSt, 1992, S. 57 ff., 58 ff. 508 Besonders illustrativ ist insoweit die umfassende Untersuchung und sorgfältige Abgrenzung dieser Geltungsbereiche von den übrigen territorialen Dimensionen der Rechtsnorm in Verdross, Territoriale Souveränität und Gebietshoheit zur völkerrechtlichen Lage der OderNeisse-Gebiete, 1980, S. 88 ff. Siehe auch das Beispiel in Teil 3 B. III. 4.
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Teil 2: Die (extra-)territoriale Erstreckung der Rechtsetzung
1. Die Gebietshoheit Nimmt ein Staat die Gebietshoheit wahr, so übt er gebietsbezogen Staatsgewalt aus, die als Rechtsetzungsgewalt den Erlass von Rechtssätzen zum Gegenstand hat. Der Gebietsbezug seiner Staatsgewalt äußert sich darin, dass die Geltung des Rechtssatzes einen Bezug zum Staatsgebiet aufweisen muss. Zugleich gilt, dass die Geltung des Rechtssatzes Folge der Ausübung der Staatsgewalt ist, da die Rechtsetzungsgewalt des Staates dadurch geprägt ist, dass ein Staat einen Sollens-Satz schafft, der nicht auf Grund von Überlegungen der Rationalität oder seiner ethischen Überzeugungskraft normativ verbindlich ist, sondern dessen normative Verbindlichkeit darin begründet liegt, dass der Rechtssatz gilt.509 Dies hat zur Folge, dass ein Staat den Geltungsbereich nur in den territorialen Grenzen seiner Gebietshoheit erstrecken kann.510 Insoweit bildet das Gebiet, über das der Staat die Gebietshoheit ausübt, die territoriale Grenze der Rechtsgeltung im Fall einer territorial bezogenen Rechtsetzung. Denn steht dem Staat in Bezug auf ein Gebiet keine Staatsgewalt zu, so kann ein Staat auch nicht gestützt auf seine Staatsgewalt Sollens-Sätze hervorbringen, die in diesem Gebiet als Recht normativ verbindlich sein sollen. Derartige Sollens-Sätze würden zwar für dieses fremde Gebiet gesetzt werden, sie könnten dort jedoch nicht beanspruchen, Teil der Rechtsordnung zu sein, da dem Staat auf Grund des Fehlens der Gebietshoheit gerade nicht die Zuständigkeit zukommt, für dieses Gebiet zu bestimmen, welche SollensSätze auf diesem Gebiet als Teil der Rechtsordnung verbindlich sind. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn der Erlass einer Rechtsnorm mit normativer Maßgeblichkeit auf einem Gebiet, das nicht der Gebietshoheit des erlassenden Staates unterliegt, mit der zeitgleichen Begründung der Gebietshoheit verbunden ist. Doch spricht hiergegen bereits, dass Voraussetzung der Geltung eines Rechtssatzes in einem Gebiet gerade das Innehaben der Gebietshoheit ist und diese nunmehr zeitgleich durch die Geltung begründet werden müsste. Dies führt aber in 509
Siehe bereits die Nachweise in Fußnote 368. Im Ergebnis ebenso Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 4 AO, Rn. 224; in: Wassermeyer u. a. (Hrsg.), Körperschaftsteuer, internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, 2005, 244 f.; Blumenwitz, Der deutsche Inlandsbegriff im Lichte des Staatsund Völkerrechts, in: von Münch (Hrsg.), Staatsrecht – Völkerrecht – Europarecht, 1981, S. 25 ff., 26 f.; Rudolf, Über territoriale Grenzen der Steuergesetze, in: Bärmann u. a. (Hrsg.), Recht und Wirtschaft in Geschichte und Gegenwart, 1975, S. 769 ff., 784; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 117 f.; Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht, 14. Aufl., 2017, S. 230 f.; von Arnauld, Völkerrecht, 3. Aufl., 2016, S. 149; Müller, Besteuerung stiller Reserven bei Auslandsbezug im Spannungsfeld zwischen Verfassung, Abkommens- und Europarecht, 2012, S. 45; Ohler, Die Kollisionsordnung des allgemeinen Verwaltungsrechts Strukturen des deutschen internationalen Verwaltungsrechts, 2005, S. 44; Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 10 f.; Epping, Grundgesetz und Kriegswaffenkontrolle, 1993, S. 146; Verdross, Territoriale Souveränität und Gebietshoheit zur völkerrechtlichen Lage der Oder-Neisse-Gebiete, 1980, S. 90; Bleckmann, Grundgesetz und Völkerrecht, 1975, S. 127; Crezelius, Beschränkte Steuerpflicht und Gestaltungsmißbrauch, Der Betrieb, 1984, S. 530 ff., 533; Bruns, Völkerrecht als Rechtsordnung, ZaöRV, 1929, S. 1 ff., 51. 510
B. Die (extra-)territoriale Reichweite der Rechtsetzungsgewalt
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einen Zirkelschluss, wenn die Geltung das Innehaben der Gebietshoheit zur Voraussetzung hat und diese wiederum nur besteht, wenn die Norm auf dem Gebiet gilt. Weitergehend ist aber auch zu beachten, dass der Erlass einer territorial bezogenen Rechtsnorm nicht mit der Begründung der Gebietshoheit über dieses Gebiet einhergehen kann. Die Gebietshoheit wird vielmehr durch das Ausüben einer faktischen Macht begründet.511 Die Rechtsetzungsgewalt ist aber eine normativ ausgeübte Herrschaftsgewalt, die auf die Schaffung normativ geltender Rechtsnormen gerichtet ist. Faktische Macht übt ein Staat lediglich in Form der Rechtsdurchsetzungsgewalt aus. Auf Grund dessen kann die Gebietshoheit bereits auf Grund struktureller Überlegungen nicht durch die Wahrnehmung der Rechtsetzungsgewalt in Bezug auf ein Gebiet begründet werden.512 Dies bedeutet, dass der Geltungsbereich eines Rechtssatzes im Fall der Gebietshoheit gerade durch den Gebietsbezug gebildet wird, durch den die Wahrnehmung der Gebietshoheit geprägt ist.513 Dieses Gebiet stellt die äußere Grenze dar, über das der Geltungsbereich nicht hinausreichen kann.514 Zugleich folgt hieraus aber nicht, dass territorial bezogenen Rechtsnormen immer ein derart umfassender Geltungsbereich beizulegen ist, da ein Staat grundsätzlich nicht zur Ausübung der Staatsgewalt verpflichtet ist. Vielmehr obliegt es seiner freien souveränen Entscheidung, ob und in welcher Form Staatsgewalt ausgeübt wird.515 Demgemäß steht es dem Staat aber auch frei, Staatsgewalt nur in Bezug auf einen Teil des Gebietes auszuüben, über das er die Gebietshoheit ausübt. Diese Überlegung wird dadurch gestützt, dass die Rechtsgeltung ihre Grundlage im Souveränitätsprinzip findet. Die Rechtsgeltung ist aber nicht ein Reflex eines Tätigwerdens als Staat, sondern gerade spezifischer Gegenstand der souveränen Rechtsetzungsgewalt des Staates, sodass auch die Begründung einer territorialen Geltung nur auf einem Teilgebiet von der Gebietshoheit umfasst ist.516
511
Siehe Teil 1 B. I. 1. b). Siehe bereits Teil 1 B. I. 1. b). 513 Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 117; Epping, Grundgesetz und Kriegswaffenkontrolle, 1993, S. 146; Verdross, Territoriale Souveränität und Gebietshoheit zur völkerrechtlichen Lage der Oder-Neisse-Gebiete, 1980, S. 90. So wohl auch Ritter, Das Prinzip Rücksicht, BB, 1984, S. 1109 ff., 1109, wenn er zwischen dem Gebietsbezug der Rechtsetzung selbst, dem „Hoheitsakt“, und den Gebietsbezügen der Wirkungen der Rechtsetzung differenziert. Ebenso Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 31, 34, der im Staatsgebiet nicht den „Gegenstand“ sondern die „räumliche Grenze der autonomen Geltungskraft des Rechts“ sieht. 514 So dezidiert insbesondere Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 10 f. 515 Allerdings besteht ausnahmsweise die Pflicht, Hoheitsgewalt wahrzunehmen, umso vom eigenen Staatsgebiet ausgehende Störungen auf das Gebiet fremder Staaten zu unterbinden. Siehe hierzu die Nachweise in Fußnote 779. 516 Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 4 AO, Rn. 224; Vitzthum, Staatsgebiet, in: Badura u. a. (Hrsg.), Grundlagen von Staat und Verfassung, Handbuch des 512
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Teil 2: Die (extra-)territoriale Erstreckung der Rechtsetzung
Im Ergebnis ist daher festzustellen, dass der Geltungsbereich eines Steuerrechtssatzes, der in Wahrnehmung der Gebietshoheit erlassen wird, durch das dem Staat nach der Gebietshoheit unterstehende Gebiet begrenzt wird. Diese Begrenzung folgt sowohl aus der Struktur der Gebietshoheit als auch der Art und Weise, wie sie begründet wird. Allerdings ist es dem Staat in Wahrnehmung der Gebietshoheit unbenommen, die Geltung auf ein Teilgebiet zu beschränken, da die Rechtsgeltung gerade auf dem rechtlichen Souveränitätsprinzip beruht und grundsätzlich keine Pflicht zur Ausübung von Staatsgewalt besteht. 2. Die Personalhoheit Wird die Rechtsetzungsgewalt in Wahrnehmung der Personalhoheit ausgeübt, so hat sie analog zum Fall der Gebietshoheit die Setzung personal bezogener Rechtsnormen zum Gegenstand. Die Rechtsnormen gelten für die Staatsangehörigen, die auf Grund der Staatsangehörigkeit zum Staatsvolk zu zählen sind.517 Fraglich ist aber, welche Folgerung hieraus für die Frage der extraterritorialen Erstreckung der Geltung zu ziehen ist. Grundsätzlich besteht die Staatsangehörigkeit auch aus völkerrechtlicher Sicht fort, wenn ein Staatsangehöriger sich nicht im Staatsgebiet aufhält. Erst dann, wenn auf Grund des dauerhaften Aufenthalts außerhalb des Staatsgebietes von einer Aufhebung der tatsächlichen Beziehung zwischen der Person und dem Staat ausgegangen werden kann, erweist sich die Staatsangehörigkeit als völkerrechtlich unbeachtlich.518 Abseits dieser Fälle besteht das personale Band unabhängig vom Aufenthalt der Person fort. Daher kommt prinzipiell eine Geltung in Wahrnehmung der Personalhoheit erlassenen Rechts auch in Betracht, wenn sich die Person im Gebiet eines anderen Staates aufhält und der dortigen Gebietshoheit und damit der dort geltenden Rechtsordnung unterliegt.519 Hiernach würde der Geltungsbereich in Wahrnehmung der Personalhoheit erlassener Rechtssätze über das Staatsgebiet hinausreichen. Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, 1995, S. 709 ff., 716; Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 10 f. 517 Siehe bereits Teil 1 B. I. 1. a). 518 Siehe hierzu bereits Teil 1 B. I. 1. a). 519 Abweichende Meinung des Richters Read IGH, Urteil v. 6. 4. 1955, Nottebohm Case (second phase), ICJ Reports, 1955, S. 4 ff., 47; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 132 f.; Hobe/Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 10. Aufl., 2014, S. 93; Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 73 f.; Epping, Grundgesetz und Kriegswaffenkontrolle, 1993, S. 152; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/III, 2. Aufl., 1989, S. 217; Bruns, Völkerrecht als Rechtsordnung, ZaöRV, 1929, S. 1 ff., 21. Siehe zur Anwendung der territorial geltenden Rechtsordnung auf Staatsangehörige eines anderen Staates unter Erörterung einer Verbrauchssteuer IGH, Urteil v. 27. 8. 1952, Case concerning rights of nationals of the United States of America in Morocco, ICJ Reports, 1952, S. 176 ff., 203 ff.
B. Die (extra-)territoriale Reichweite der Rechtsetzungsgewalt
195
Teilweise wird allerdings davon ausgegangen, dass die Personalhoheit territorial beschränkt ist und in Wahrnehmung der Personalhoheit erlassene Rechtsnormen nur insoweit gelten, als sich die Person im Staatsgebiet aufhält. Die Geltung der Rechtsnormen in Ausübung der Personalhoheit soll ihre Grenzen in der Gebietshoheit anderer Staaten finden.520 Unabhängig einer Kollision der Rechtsnormen dem Inhalt nach, führe der Aufenthalt in einem Gebiet, das der Gebietshoheit eines anderen Staates untersteht, dazu, dass personal geltende Rechtsnormen nicht länger normativ verbindlich seien. Ein solches Verständnis scheint zunächst vom Grundsatz der Gebietsausschließlichkeit nahegelegt zu werden. Nach diesem Grundsatz ist nur der Staat, dem die Gebietshoheit über das Gebiet zukommt, zur Ausübung von Staatsgewalt in einem Gebiet befugt. Folge einer derartigen Sichtweise wäre, dass der Personalhoheit eigenständige Bedeutung gegenüber der Gebietshoheit nur in Bezug auf die Forderung der Einhaltung des fremdenrechtlichen Mindeststandards,521 der Menschenrechte522 sowie die Gewährung diplomatischen Schutzes523 zukommt.524 Problematisch erscheint dieses Verständnis, nach dem die Personalhoheit prinzipiell hinter der Gebietshoheit unabhängig von einem tatsächlichen Regelungskonflikt zurücktritt, aber mit Blick darauf, dass das personale und territoriale Element des Staates gleichrangig bestehen, weshalb auch gerade diesen Bezugspunkten keine Zweckrichtung der Staatsgewalt entnommen werden konnte und diese als inhaltlich offen charakterisiert wurde.525 Die Annahme eines prinzipiellen Vorranges der Gebietshoheit begründet aber einen Vorrang des territorialen Elements, das personale Element träte demgegenüber zurück und die besondere Rolle des personalen Bandes wird reduziert. Vor dem Hintergrund der festgestellten Gleichrangigkeit des personalen und territorialen Elementes im Staatsbegriff526 kann von einem derartigen Vorrang der Gebietshoheit aber nicht ausgegangen werden. Vielmehr besteht auch in Übereinstimmung mit der souveränen Gleichheit der Staaten die Personalhoheit fort, in Wahrnehmung der Personalhoheit erlassene Rechtssätze
520 von Arnauld, Völkerrecht, 3. Aufl., 2016, S. 137; Ohler, Die Kollisionsordnung des allgemeinen Verwaltungsrechts Strukturen des deutschen internationalen Verwaltungsrechts, 2005, S. 44 f.; Bleckmann, Allgemeine Staats- und Völkerrechtslehre, 1995, S. 834; Martha, The jurisdiction to tax in international law, 1989, S. 47. 521 Siehe bereits Teil 1 B. I. 1. b) (cc). 522 IGH, Urteil v. 24. 5. 2007, Ahmadou Sadio Diallo (Republic of Guinea v. Democratic Republic of the Congo), ICJ Reports, 2007, S. 582 ff., 599. 523 Siehe zum diplomatischen Schutz noch die Ausführungen in Teil 3 A. II. 5. 524 So ebenso wohl die abweichende Meinung des Richters Read IGH, Urteil v. 6. 4. 1955, Nottebohm Case (second phase), ICJ Reports, 1955, S. 4 ff., 47; von Arnauld, Völkerrecht, 3. Aufl., 2016, S. 255. 525 Siehe bereits Teil 1 B. I. 3. b). 526 Siehe Teil 1 B. I. 3. b).
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Teil 2: Die (extra-)territoriale Erstreckung der Rechtsetzung
gelten auch dann weiter, wenn sich die Person im Ausland aufhält.527 Treten im Einzelfall Kompetenzkonflikte ein, so sind diese durch die Staaten durch den Abschluss völkerrechtlicher Verträge abzumildern.528 Nicht aber kann nach den bisherigen Ausführungen dieser Kompetenzkonflikt prinzipiell vermieden werden, indem ein Vorrang der Gebietshoheit angenommen werden kann.
C. Schlussfolgerungen zur extraterritorialen Rechtsetzung Gegenstand der vorgehenden Abschnitte war die Frage, ob die Rechtsetzungsgewalt des Staates den Erlass extraterritorialer Rechtsnormen umfasst. Diese Frage wurde dahingehend geschärft, dass fraglich ist, ob der Staat Rechtsnormen einen extraterritorialen Geltungs-, Regelungs- oder Rechtsfolgenbereich beimessen kann. Dabei zeigte die Untersuchung der grundsätzlichen territorialen Dimension der Rechtsetzungsgewalt, dass zwar eine extraterritoriale Erstreckung des Regelungsund Rechtsfolgenbereiches zulässig ist, dies aber für den Geltungsbereich nur im Falle einer personalen Geltung der Rechtsnorm anzunehmen ist. So umfasst es die Gebietshoheit allein, auf dem Staatsgebiet geltende Rechtsnormen zu erlassen, während in Wahrnehmung der Personalhoheit erlassene Rechtsnormen gegenüber den Staatsangehörigen unabhängig von ihrem Aufenthaltsort gelten. Dies bedeutet, dass die Wahrnehmung der Gebietshoheit mit der territorialen Geltung der Rechtsnorm und die Wahrnehmung der Personalhoheit mit der personalen Geltung des Rechtssatzes einhergeht. Gegenstand der Gebietshoheit ist auf Grund dessen die Schaffung einer im Staatsgebiet, ebenso aber auch einem Teilgebiet dessen, territorial geltenden Rechtsordnung. Hierdurch wird der Geltungsbereich notwendig auf das Staatsgebiet beschränkt. Demgegenüber hat die Personalhoheit die Schaffung einer staatsvolkbezogen aufenthaltsunabhängig geltenden Rechtsordnung zum Inhalt, sodass der Geltungsbereich insoweit extraterritorial erstreckt werden kann. Diese Befugnis wird durch den Grundsatz der Gebietsausschließlichkeit nicht beschränkt.
527
Lehner, Das Territorialitätsprinzip im Lichte des Europarechts, in: Wassermeyer u. a. (Hrsg.), Körperschaftsteuer, internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, 2005, S. 241 ff., 244; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 123; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, 2. Aufl., 2012, S. 112; Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 55; Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 72 ff.; Jennings/Watts, Oppenheim’s international law, Band I, 9. Aufl., 1992, S. 462 ff.; Martha, The jurisdiction to tax in international law, 1989, S. 47; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/III, 2. Aufl., 1989, S. 216 f.; Bär, Kartellrecht und Internationales Privatrecht, 1965, S. 340 f.; Bruns, Völkerrecht als Rechtsordnung, ZaöRV, 1929, S. 1 ff., 21. 528 Siehe die Nachweise in Fußnote 142.
C. Schlussfolgerungen zur extraterritorialen Rechtsetzung
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Da die personale und territoriale Dimension des Staates gleichrangig529 bestehen, obliegt es dem Staat, als Souverän zu entscheiden, ob er in Wahrnehmung der Personal- oder Gebietshoheit tätig wird. Dabei gilt, dass der Staat als Souverän entscheidet, ob ein Rechtssatz in Wahrnehmung der Personal- oder Gebietshoheit erlassen wird, da zwischen dem Inhalt des Rechtssatzes und der Art der Geltung keine Verknüpfung besteht und vor diesem Hintergrund nicht gefordert sein kann, bestimmte Gegenstände der Rechtsetzung mit einer bestimmten Form der Geltung zu verbinden. Zudem ist zu beachten, dass die Personal- und Gebietshoheit nur zwei Erscheinungsformen der einheitlichen Staatsgewalt kennzeichnen. Damit schließt die Wahrnehmung der einen Hoheit nicht die Wahrnehmung der anderen Hoheit aus und steht es dem Staat ebenso frei, eine Rechtsnorm in Wahrnehmung beider Hoheiten zu erlassen mit der Folge, dass diese personal und territorial gilt. Vertreter eines engen oder weiten Territorialitätsprinzips nahmen zudem an, dass auch auf Ebene des Regelungs- und Rechtsfolgenbereiches ein territorialer Bezug zum Staatsgebiet gefordert ist, da die Gebietshoheit auf die Errichtung einer tatsächlichen Ordnung gerichtet sei. Diesbezüglich wurde aber umfangreich dargelegt, dass eine solche Konzeption in nicht auflösbare Widersprüche mündet. Es überzeugt nicht, wenn in Wahrnehmung der Gebietshoheit eine Norm Anknüpfungen vornehmen soll, ausländische Anknüpfungen aber nicht in Wahrnehmung einer Gebietshoheit erfolgen sollen, die über dieses Gebiet gerade nicht besteht. Ebenso wenig ist zur Behebung dieses Widerspruches nachvollziehbar, warum eine im Ausland belegene Sache deshalb als im Inland belegen anzusehen sein soll, weil eine sich im Inland aufhaltende Person sie innehat. Auch ist nicht verständlich, nach welchem Maßstab bestimmte ausländische Anknüpfungen als völkerrechtlich irrelevant angesehen werden sollen. Gerade dieser Ansatz sieht sich zudem dem Einwand ausgesetzt, zu einer Verengung der Gebietshoheit entgegen der Staatenpraxis zu führen. Vor diesem Hintergrund wurde in der vorliegenden Arbeit abgelehnt, in der territorialen Erstreckung des Regelungs- und Rechtsfolgenbereiches einen für die Wahrnehmung der Gebietshoheit maßgeblichen Gebietsbezug zu erblicken. Dies beruht maßgeblich darauf, dass die Rechtsetzung auf den Erlass von Rechtssätzen gerichtet ist, also normative Aussagen einer normativen Verbindlichkeit zugeführt werden. Die Begründung der normativen Verbindlichkeit stellt gerade den Kern der wahrgenommenen Staatsgewalt dar, sodass der in Wahrnehmung der Gebietshoheit geforderte Gebietsbezug der Staatsgewalt in der territorialen Geltung zu erblicken ist. Dabei zeigte sich, dass eine derartige Konzeption der Gebietshoheit gerade auch in Abgrenzung zu einem engen oder weiten Territorialitätsprinzip mit der Rechtsprechung des (St)IGH vereinbar ist. In der Folge ergibt sich aus der Gebietshoheit weder eine unmittelbare noch eine mittelbare Beschränkung der territorialen Reichweite des Regelungs- und Rechtsfolgenbereiches, da weder die Geltung eines Rechtssatzes im jeweiligen Gebiet 529
Siehe bereits Teil 1 B. I. 3. b).
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Teil 2: Die (extra-)territoriale Erstreckung der Rechtsetzung
logische Vorbedingung einer tatbestandlichen Anknüpfung oder Verpflichtung zur tatsächlichen Bewirkung der Rechtsfolgen in diesem Gebiet noch die Möglichkeit zur Rechtsdurchsetzung mit eigenen Mitteln Voraussetzung der Wahrnehmung der Rechtsetzungsgewalt ist. Stattdessen obliegt es der souveränen Festlegung des Staates, welchen Regelungs- und Rechtsfolgenbereich er seinen Rechtssätzen beimisst und ob er diese extraterritorial erstreckt.
D. Die (extra-)territoriale Reichweite der Steuergewalt Bereits in Teil 1 B. II. wurde ausgeführt, dass die Steuergewalt Teil der umfassenden Staatsgewalt des Staates ist und nicht eine besondere Form der Staatsgewalt darstellt. Demgemäß müsste die Geltung der zuvor gewonnenen Ergebnisse für die Steuergewalt des Staates außer Frage stehen. So hat bereits Ritter eingrenzend angeführt, dass die Steuergewalt des Staates nur unter dem einengenden Gebot der Rücksichtnahme bestehe, um so die unvollständige Auflösung der Besteuerungsgewalt zu kompensieren. Dieses im Steuerrecht geltende Gebot der Rücksichtnahme bilde einen allgemeinen Rechtsgrundsatz des Völkerrechts.530 Dagegen spricht aber, dass ein allgemeiner Rechtsgrundsatz notwendigerweise alle Rechtsgebiete gleichermaßen durchziehen müsste.531 Insoweit weist das Gebot der Rücksichtnahme, das Ritter spezifisch für das Steuerrecht benennt, eine mangelnde Abstraktheit auf; so behauptet nicht mal Ritter selbst, dass dieses Gebot alle Rechtsgebiete auch jenseits des Steuerrechts durchziehe. Dann aber kann dieses keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz des Völkerrechts bilden. Allerdings wird insbesondere von Avi-Yonah vorgetragen, dass sich die Steuergewalt in ihrer Konzeption bedeutsam von der allgemeinen Staatsgewalt unterscheide, sodass der Staat entgegen der bisherigen Ausführungen nicht befugt sei zu entscheiden, ob und in welcher Form er als Steuerstaat tätig wird, insbesondere festzulegen, welche Steuern er wie erhebt, ob die Steuerrechtssätze für das Staatsvolk, auf dem Staatsgebiet oder einem Teilgebiet dessen oder sowohl personal als 530
Ritter, Das Prinzip Rücksicht, BB, 1984, S. 1109 ff., 1112 ff. Allgemein zu diesen Kokott, Mißbrauch und Verwirkung von Souveränitätsrechten bei gravierenden Völkerrechtsverstößen, in: Beyerlin u. a. (Hrsg.), Recht zwischen Umbruch und Bewahrung, 1995, S. 135 ff., 141 ff.; Herdegen, Völkerrecht, 17. Aufl., 2018, S. 160 ff.; Stein/ von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht, 14. Aufl., 2017, S. 51 ff.; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 560 ff.; Shaw, International law, 8. Aufl., 2017, S. 72 ff.; von Arnauld, Völkerrecht, 3. Aufl., 2016, S. 111 ff.; Hobe/Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 10. Aufl., 2014, S. 215 ff.; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, 2. Aufl., 2012, S. 97 f.; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/III, 2. Aufl., 1989, S. 62 ff.; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., 1984, S. 380 ff.; Bleckmann, Grundprobleme und Methoden des Völkerrechts, 1982, S. 135 ff.; Linderfalk, What Are the Functions of the General Principles?, Good Faith and International Legal Pragmatics, ZaöRV, 2018, 1 ff., 2; Mosler, Völkerrecht als Rechtsordnung, ZaöRV, 1976, S. 6 ff., 42 f. 531
D. Die (extra-)territoriale Reichweite der Steuergewalt
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auch territorial gelten und ob er den Regelungs- und Rechtsfolgenbereich eines Steuerrechtssatzes extraterritorial erstreckt. Nach Avi-Yonah sei zunächst dem Netzwerk der Doppelbesteuerungsabkommen eine völkergewohnheitsrechtliche Ausformung der Steuergewalt zu entnehmen.532 Dieses Abkommensnetzwerk beruhe im Wesentlichen auf gleichen oder doch zumindest hinreichend ähnlichen Regelungen über die Zuteilung der Besteuerungsgewalt, die auf eine internationale Standardisierung der Kriterien durch die Vorarbeiten des Völkerbundes533 sowie die sich anschließenden Musterabkommen zur Beseitigung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Einkommensbesteuerung der OECD534, der UN535 und der USA536 zurückzuführen sei. Da das Abkommensnetzwerk auf diesen Musterabkommen beruhe, müsse zumindest von einer völkergewohnheitsrechtlichen Bindung an die Grundzüge der Zuteilung der Besteuerungsgewalt ausgegangen werden. Zudem sei durch die typischen Anknüpfungsmomente zur Begründung der Besteuerung eine völkergewohnheitsrechtliche Verengung der Personal- und Gebietshoheit festzustellen.537
I. Keine völkergewohnheitsrechtliche Bindung der Doppelbesteuerungsabkommen Avi-Yonah möchte dem Netzwerk an Doppelbesteuerungsabkommen zwei wesentliche Prinzipien entnehmen, die nicht bloß Ausdruck einer die Steuergewalt einschränkenden Norm seien, sondern die zu einer Verengung der Steuergewalt an sich führen würden:538 Die Staaten seien an das Prinzip der Einmalbesteuerung sowie das Äquivalenzprinzip gebunden. Im Detail versucht Avi-Yonah nachzuweisen, dass aus dem Abkommensnetzwerk folge, dass Einkommen genau einmal zu besteuern sei, sodass sowohl die Doppelbesteuerung als auch die doppelte Nichtbesteuerung völkerrechtswidrig seien. Zudem folgten aus dem Äquivalenzprinzip in Zusam532
So Avi-Yonah, International tax as international law, 2007. Siehe insbesondere Bericht der Hauptversammlung der Regierungssachverständigen über Doppelbesteuerung und Steuerausweichung an den Rat und die Mitglieder des Völkerbundes, FA, 1928, S. 401 ff. sowie zu sämtlichen Arbeiten ausführlich Lehner, Grundlagen, in: Vogel/Lehner (Hrsg.), Doppelbesteuerungsabkommen der Bundesrepublik Deutschland auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen, 2015, S. 111 ff., Rn. 32 ff.; Jahn, Die Doppelbesteuerung, 1928, S. 35 ff.; Jogarajan, Stamp, Seligman and the Drafting of the 1923 Experts’ Report on Double Taxation, WTJ, 2013, S. 368 ff. 534 OECD Committee on Fiscal Affairs, Model Tax Convention on Income and Capital, 22. 7. 2010. 535 United Nations (UN), Model Double Taxation Convention between Developed and Developing Countries, 2011. 536 United States of America (USA), United States Model Income Tax Convention, 2016. 537 Avi-Yonah, International tax as international law, 2007, S. 27 ff. 538 Avi-Yonah, International tax as international law, 2007, S. 22. Dies hat auch bereits Mann, Studies in International Law, 1973, S. 3 f., 94 ff. angedacht, allerdings verneint. 533
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Teil 2: Die (extra-)territoriale Erstreckung der Rechtsetzung
menschau mit dem Abkommensnetzwerk Zuteilungsregeln über die Verteilung der Besteuerungsgrundlagen zwischen den Staaten, sodass passivische Einkommensbestandteile wie Kapitalerträge nach dem Äquivalenzprinzip und den Zuteilungsregeln im Ansässigkeitsstaat, aktivisches Einkommen wie Einkünfte aus Gewerbebetrieb hingegen im Quellenstaat zu besteuern seien. Deshalb seien die SourceRegeln des Abkommensnetzwerks zu Völkergewohnheitsrecht erstarrt und hätten die zuvor bestehende Offenheit der Source-Regeln beseitigt.539 Hinsichtlich der Ableitung von Völkergewohnheitsrecht aus völkerrechtlichen Verträgen hat der IGH insbesondere in den North Sea Continental Shelf Cases unter anderem zwischen der Ableitung einer völkergewohnheitsrechtlichen Regel aus dem Vertrag selbst540 sowie zwischen der Begründung von Völkergewohnheitsrecht durch eine Übung der Staaten, die (noch) nicht Partei des völkerrechtlichen Vertrages waren,541 unterschieden.542 1. Zur Ableitung aus den Doppelbesteuerungsabkommen Soweit eine Norm des Völkergewohnheitsrechts dem Abkommensnetzwerk selbst entnommen werden soll, hat der IGH in der genannten Rechtssache die grundsätzlichen Erfordernisse der tatsächlichen Übung und Rechtsüberzeugung dahingehend konkretisiert, dass die vertragliche Abrede „of a fundamentally normcreating character“ sein muss;543 dabei soll offen bleiben, ob diese Konkretisierung 539
Avi-Yonah, International tax as international law, 2007. IGH, Urteil v. 20. 2. 1969, North Sea Continental Shelf (Federal Republic of Germany/ Netherlands), ICJ Reports, 1969, S. 3 ff., 41 ff. Hierzu auch ILC, Report of the International Law Commission, 67th Session, 2015, S. 43 f.; Doehring, Gewohnheitsrechtsbildung aus Menschenrechtsverträgen, in: Klein (Hrsg.), Menschenrechtsschutz durch Gewohnheitsrecht, 2003, S. 67 ff.; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 552 f.; Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht, 14. Aufl., 2017, S. 41; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, 2. Aufl., 2012, S. 94; Ohler, Die Kollisionsordnung des allgemeinen Verwaltungsrechts Strukturen des deutschen internationalen Verwaltungsrechts, 2005, S. 345; Petersen, The International Court of Justice and the Judicial Politics of Identifying Customary International Law, EJIL, 2017, 16 ff. 541 IGH, Urteil v. 20. 2. 1969, North Sea Continental Shelf (Federal Republic of Germany/ Netherlands), ICJ Reports, 1969, S. 3 ff., 44 ff. 542 Hierdurch soll keine Trennungsthese nahegelegt werden. Die Unterscheidung ist aber aus Gründen argumentativer Klarheit wertvoll, denn der Beweiswert völkerrechtlicher Verträge für die Entstehung von Völkergewohnheitsrecht ist wegen der herbeigeführten völkerrechtlichen Bindung kritisch zu würdigen. Siehe allgemein zum Verhältnis von Vertrags- und Gewohnheitsrecht ILO, Report on Formation of Customary International Law, S. 43 ff.; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 544; Gardiner, International Law, 2003, S. 115 ff.; Tams, Die Identifikation des Völkergewohnheitsrechts, in: DGFIR, Rechtsidentifikation zwischen Quelle und Gericht, DGFIR Band 47, 2016, S. 323 ff., 339 ff. mit weiteren Nachweisen sowie zu dem hier gewählten Vorgehen 543 IGH, Urteil v. 20. 2. 1969, North Sea Continental Shelf (Federal Republic of Germany/ Netherlands), ICJ Reports, 1969, S. 3 ff., 42. Zur systematischen Einordnung siehe insbesondere Sinclair, The Vienna Convention on the Law of Treaties, 2. Aufl., 1984, S. 22; Doehring, 540
D. Die (extra-)territoriale Reichweite der Steuergewalt
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hinreichendes Kriterium ist oder darüber hinaus einerseits noch der getrennte Nachweis einer Rechtsüberzeugung erforderlich oder andererseits die Herausbildung von Völkergewohnheitsrecht unabhängig dieser Voraussetzung nach dem allgemeinen Maßstab544 des Bestehen einer von einer Rechtsüberzeugung getragenen tatsächlichen Übung möglich ist.545 Nach Ansicht des IGH war dies in der genannten Rechtssache aber gerade nicht der Fall: Streitgegenständlich war unter anderem die Frage, ob das Äquidistanzprinzip Völkergewohnheitsrecht darstellt. Das Äquidistanzprinzip hat Eingang in Art. 6 Abs. 1 S. 2 der Genfer Konvention über die Reichweite des Festlandsockels gefunden und wird dort als subsidiäre Methode der Grenzziehung angesehen. Es steht unter dem Vorbehalt der anderweitigen Abrede durch die betroffenen Staaten sowie der Anwendung einer sachlich zutreffenderen Methode. Für den IGH war dieser Vorbehalt ausschlaggebend, die an sich hinreichend abstrakt formulierte Norm nicht als „norm-creating“ anzusehen. Weiterhin verwies der IGH darauf, dass zahlreiche Zweifel an der zutreffenden Anwendung der Regelung bestünden, sodass nicht klar bestimmt werden könne, welchen Inhalt die fragliche Norm des Völkergewohnheitsrechts eigentlich habe. Zudem sei zu bemerken, dass die Möglichkeit, Vorbehalte gegen die Verbindlichkeit der Regelung zu vereinbaren, der Ableitung einer Verbindlichkeit des Äquidistanzprinzips aus der Konvention entgegenstehe.546 Nach alledem ist im vorliegenden Fall mindestens festzustellen, ob die in Doppelbesteuerungsabkommen vorzufindenden Rechtssätze eine derartige Allgemeinheit aufweisen, dass sie als schlüssige Regelung zur Abgrenzung des Besteuerungszugriffes angesehen werden können, wobei gefordert ist, dass diese Regelung im Vertrag selbst allgemein-verbindlich und inhaltlich hinreichend klar formuliert sein muss. Nur dann kann die Abrede als „of a fundamentally norm-creating character“ angesehen werden, mit der Folge, dass der Abrede eine Regel des Völkergewohnheitsrechts entnommen werden kann. Wendet man diese Kriterien auf Doppelbesteuerungsabkommen an, so ist zunächst fraglich, welche Regelung „of a fundamentally norm-creating character“ sein soll. Denn anders als im vom IGH entschiedenen Fall steht vorliegend nicht die Ableitung von Völkergewohnheitsrecht aus einem einzelnen Vertrag, sondern aus dem Netzwerk an Doppelbesteuerungsabkommen in Frage. Im Einzelnen weisen diese Doppelbesteuerungsabkommen aber erhebliche Unterschiede auf, mitnichten kann in jeder Hinsicht eine Homogenität in der Zuteilung des Besteuerungszugriffes Gewohnheitsrecht aus Verträgen, ZaöRV, 1976, S. 77 ff., 85 f. sowie daneben die in Fußnote 540 genannte Literatur. 544 Siehe noch ausführlich Teil 2: D. I. 2. und die dort genannten Nachweise. 545 Siehe hierzu die Nachweise in Fußnote 540. 546 IGH, Urteil v. 20. 2. 1969, North Sea Continental Shelf (Federal Republic of Germany/ Netherlands), ICJ Reports, 1969, S. 3 ff., 42. Vgl. Hinsichtlich Beschlüssen der Generalversammlung der UN auch IGH, Advisory Opinion v. 8. 7. 1996, Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons, ICJ Reports, 1996, S. 226 ff., 254 f.
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Teil 2: Die (extra-)territoriale Erstreckung der Rechtsetzung
festgestellt werden.547 Einerseits existieren mehrere grundsätzlich unterschiedliche Musterabkommen, namentlich die Musterabkommen der USA, der OECD und der UN. Darüber hinaus weichen aber selbst die einzelnen auf einem jeweiligen Musterabkommen beruhenden Abkommen teilweise erheblich vom Muster ab. Es erscheint daher äußerst fraglich, wie in diesem Fall eine vertragliche Regelung identifiziert werden soll, die eine hinreichende Homogenität zwischen den Abkommen aufweist und auf ihren „fundamentally norm-creating character“ zu untersuchen wäre. Avi-Yonah möchte eine derartige Regelung im Prinzip der Einmalbesteuerung sowie im Äquivalenzprinzip erblicken. Hinsichtlich dieser Regelungen ist aber zunächst festzustellen, dass diese nicht selbst in einem Doppelbesteuerungsabkommen vereinbart werden. Vielmehr, hiervon geht auch Avi-Yonah aus,548 können diese Prinzipien nur den jeweiligen vertraglichen Abreden in den einzelnen Doppelbesteuerungsabkommen zugrunde liegen.549 Allerdings zeigt einerseits die Debatte über die internationale Rechtfertigung der Besteuerungsgewalt, dass fraglich ist, ob das Äquivalenzprinzip internationalen Zuteilungsnormen im Steuerrecht zugrunde liegt,550 andererseits wird in der Debatte über die doppelte Nichtbesteuerung die Existenz eines Prinzips der Einmalbesteuerung angezweifelt. Gegen die Anerkennung des Äquivalenzprinzips als Zuteilungsregel spricht, dass die Auflösung der Doppelbesteuerung regelmäßig entweder durch Freistellung der betroffenen Einkünfte als auch durch Anrechnung der im anderen Staat entrichteten
547 Vgl. bspw. die Übersicht bei Vogel/Lehner (Hrsg.), Doppelbesteuerungsabkommen der Bundesrepublik Deutschland auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen, Kommentar auf der Grundlage der Musterabkommen, 6. Aufl., 2015, S. 1 f. 548 Avi-Yonah/Ring/Brauner, U.S. international taxation, University casebook series, 3. Aufl., 2011, S. 11 ff. 549 Es erscheint nicht überzeugend, die Rechtsprechung des IGH zur Ableitung von Völkergewohnheitsrecht aus Resolutionen der UN auf die Musterabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung der OECD, UN oder USA zu übertragen. Bereits der IGH weist darauf hin, dass entsprechende Resolutionen Völkergewohnheitsrecht nachweisen können, aber nicht müssen und dies von dem Grad der in ihnen zutage tretenden Rechtsüberzeugung abhängt, siehe IGH, Urteil v. 27. 6. 1986, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. United States of America), Merits, ICJ Reports, 1986, S. 14 ff., 99 f.; IGH, Advisory Opinion v. 8. 7. 1996, Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons, ICJ Reports, 1996, S. 226 ff., 254 f.; ILC, Report of the International Law Commission, 68th Session, 2016, S. 106 ff.; ILC, Report of the International Law Commission, 67th Session, 2015, S. 44; ILO, Report on Formation of Customary International Law, S. 54 ff.; Gardiner, International Law, 2003, S. 111; Tams, Die Identifikation des Völkergewohnheitsrechts, in: DGFIR, Rechtsidentifikation zwischen Quelle und Gericht, DGFIR Band 47, 2016, S. 323 ff., 340 f.; 346 ff. mit weiteren Nachweisen. Den Musterabkommen, die zudem nur partikular angenommen sind und in der Staatenpraxis vielfältige Anpassungen erfahren, lassen eine Rechtsüberzeugung aber nicht erkennen. 550 Siehe hierzu Teil 3 A. I. 1. b).
D. Die (extra-)territoriale Reichweite der Steuergewalt
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Steuer erfolgen kann.551 Im Rahmen des Anrechnungsverfahrens ist es von den Steuersatzdifferenzen der jeweiligen Staaten sowie der relativen Verteilung der jeweils besteuerten Einkommen abhängig, in welchen Staaten es zu einer Besteuerung eines jeweiligen Einkommensbestandteiles kommt.552 So ist denkbar, dass nach dieser Ansicht zuvorderst im Ansässigkeitsstaat zu besteuernde Einkünfte, wie bspw. Zinseinkünfte, die einer Quellensteuer unterliegen dürfen, auf Grund einer relativ niedrigen Besteuerung im Ansässigkeitsstaat der endgültigen Besteuerung im Quellenstaat unterliegen, da die anzurechnende Steuer die Steuerbelastung im Ansässigkeitsstaat übersteigt. Wird aber der Anrechnungsüberhang nicht durch den Ansässigkeitsstaat ausgeglichen, so wird der Steuerpflichtige durch die Steuer des Quellenstaates entgegen der beabsichtigten Zuteilung endgültig belastet. Ebenso gegensätzlich erscheint es im Rahmen des Anrechnungsverfahrens bei unternehmerischen Einkünften einer Betriebsstätte fragwürdig, inwieweit der Ansässigkeitsstaat zu einer endgültigen Belastung der Tätigkeit befugt sein soll. Übersteigt die Besteuerung im Ansässigkeitsstaat die Steuerbelastung des Quellenstaates, so wird die Tätigkeit endgültig durch den Ansässigkeitsstaat belastet, während aus Sicht des Steuerpflichtigen die Besteuerung im Quellenstaat einer Vorauszahlung auf die Steuerschuld des Ansässigkeitsstaates entspricht. Nach dem Äquivalenzprinzip sollen die Einkünfte allerdings zuvorderst im Quellenstaat belastet werden. Dies zeigt, dass es wenig überzeugend ist, wenn dennoch dem Ansässigkeitsstaat ein umfassendes Besteuerungsrecht zur Verwirklich einer welteinkommensbezogenen Leistungsfähigkeitsbesteuerung zugebilligt wird, die mit einer endgültigen Belastung der Tätigkeit im Ansässigkeitsstaat einhergeht. In diesem Fall stellt die Besteuerung im Quellenstaat kaum noch die ,zuvorderst‘ begründete Steuerpflicht da. Das Äquivalenzprinzip wird daher letztlich durch das Anrechnungsverfahren nur unvollständig realisiert.553 Da zugleich das Anrechnungsverfahren keine unwesentliche Ausnahme bei der Vermeidung der Doppelbesteuerung darstellt, sondern gerade in Art. 23B OECD-MA, Art. 23B UN-MA, Art. 23 US-MA als gleichrangige Möglichkeit der Vermeidung der Doppelbesteuerung vorgesehen ist, kann von einer 551 Siehe hierzu statt vieler Lehner, Grundlagen, in: Vogel/Lehner (Hrsg.), Doppelbesteuerungsabkommen der Bundesrepublik Deutschland auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen, 2015, S. 111 ff., 26, 28; Schmidt, Freistellungsmethode auf dem Rückzug?, in: Achatz (Hrsg.), Internationales Steuerrecht, DStJG Band 37, 2013, S. 87 ff.; Mössner, Die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, in: Vogel (Hrsg.), Grundfragen des internationalen Steuerrechts, DStJG Band 8, 1985, S. 135 ff.; OECD Committee on Fiscal Affairs, Model Tax Convention on Income and Capital, 22. 7. 2010, S. C(23)-8. 552 Schmidt, Freistellungsmethode auf dem Rückzug?, in: Achatz (Hrsg.), Internationales Steuerrecht, DStJG Band 37, 2013, S. 87 ff.; Mössner, Die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, in: Vogel (Hrsg.), Grundfragen des internationalen Steuerrechts, DStJG Band 8, 1985, S. 135 ff., 161; Vogel, Internationales Steuerrecht, DStZ, 1997, S. 269 ff., 277. 553 Vgl. hierzu auch Schmidt, Freistellungsmethode auf dem Rückzug?, in: Achatz (Hrsg.), Internationales Steuerrecht, DStJG Band 37, 2013, S. 87 ff., 93 ff.; Vogel, Der räumliche Anwendungsbereich der Verwaltungsrechtsnorm, 1965, S. 149 f.; Vogel, Internationales Steuerrecht, DStZ, 1997, S. 269 ff., 280; Norr, Jurisdiction to tax and international income, Tax Law Review, 1962, S. 431 ff., 440, 442.
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Teil 2: Die (extra-)territoriale Erstreckung der Rechtsetzung
Allgemeinverbindlichkeit des Äquivalenzprinzips, wie dies der IGH für die Ableitung von Völkergewohnheitsrecht fordert, in Doppelbesteuerungsabkommen nicht ausgegangen werden. Gegen die Annahme, das Äquivalenzprinzip könne als Völkergewohnheitsrecht den Doppelbesteuerungsabkommen entnommen werden, spricht auch die Voraussetzung der inhaltlich hinreichend klaren Formulierung. Insoweit begegnet es zunächst besonders starken Bedenken, dass Avi-Yonah das Äquivalenzprinzip einem Abkommensnetzwerk entnehmen möchte, da die in Frage kommenden Abkommen inhaltlich im Detail deutliche Unterschiede aufweisen. Worin daher die klare Formulierung liegen soll, bleibt unklar. Darüber hinaus ist aber auch festzustellen, dass das Äquivalenzprinzip selbst nicht als inhaltlich hinreichend klar angesehen werden kann. Denn soweit das Äquivalenzprinzip davon ausgeht, dass bestimmte Tätigkeiten zuvorderst im Ansässigkeits- oder Quellenstaat besteuert werden sollen, bleibt das genaue Maß für die Aufteilung der Besteuerung gerade offen. Für die relative Aufteilung wird regelmäßig, soweit erkennbar, dem Äquivalenzprinzip kein Maß entnommen, und entsprechend kann mangels Identifikation irgendeines materiellen Aufteilungsmaßstabs auch ,kein kleinster gemeinsamer Nenner‘ eines Äquivalenzprinzips identifiziert werden.554 Insoweit weist das Äquivalenzprinzip keine inhaltliche Detailgenauigkeit auf, wie der IGH sie für die Ableitung einer Norm des Völkergewohnheitsrechts aus vertraglichen Abreden gefordert hat. Entsprechendes gilt auch für das Prinzip der Einmalbesteuerung. Gegen die Anerkennung eines solchen im engen Sinne spricht zunächst, dass das Anrechnungsverfahren der Doppelbesteuerungsabkommen die vorläufige Steuerbelastung im Quellenstaat wie ausgeführt nicht immer ausgleicht. Das Prinzip der Einmalbesteuerung müsste daher im Falle des Anrechnungsverfahrens bereits dahingehend verstanden werden, dass nur das höhere Steuerniveau Bestand haben soll. Überdies spricht die Debatte über das sog. tax-sparing im Rahmen des Anrechnungsverfahrens gegen die Annahme eines solchen Prinzips. Denn in diesen Fällen ist die Steuerfreiheit im ausländischen Staat gerade gewünscht, sodass eine Einmalbesteuerung gerade nicht eintreten soll.555 Gewichtiger sind aber die Einwände, die aus der Anwendung des Freistellungsverfahrens folgen. Denn das Freistellungsverfahren findet dem Grunde nach auch dann Anwendung, wenn die Einkünfte im Quellenstaat keiner Besteuerung unterlagen. Hierdurch wird eine doppelte Nichtbesteuerung 554
Siehe die Nachweise in Teil 3 A. I. 1. b) (aa), die unter Zugrundelegung eines Äquivalenzprinzips nicht zu einer überschneidungsfreien Zuweisung der Besteuerungsgewalten kommen. 555 Ismer, Art. 23 A Befreiungsmethode, Art. 23B Anrechnungsmethode, in: Vogel/Lehner (Hrsg.), Doppelbesteuerungsabkommen der Bundesrepublik Deutschland auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen, 2015, 192 ff.; OECD, Tax sparing, A reconsideration; Schoueri/Galendi Júnior, Interpretative and Policy Challenges Following the OECD Multilateral Instrument (2016) from a Brazilian Perspective, BIT, 2017, S. 340 ff.; Vogel, Neue Gesetzgebung zur DBA-Freistellung, IStR, 2007, 225 ff., 226; Owens/Fensby, Is there a need to re-evaluate tax sparing?, Intertax, 1998, 274 ff.; Oliver, Tax Sparing, Intertax, 1998, S. 190 ff.; Shannon, Tax incentives and tax sparing, Intertax, 1992, 84 ff.
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erzeugt, die allerdings zumindest vor den BEPS-Beschlüssen abkommensrechtlich nicht als systemwidrig angesehen wurden, da eine Bindung der Freistellung an das Bestehen einer tatsächlichen Steuerbelastung im Quellenstaat nicht gewünscht war. Erst die BEPS-Beschlüsse haben sich umfassend der Frage der doppelten Nichtbesteuerung aus dem Blickwinkel des Bestehens eines regulatorischen Problems genähert und gefordert, dass die Unterschiede in den Besteuerungssystemen nicht dazu führen dürften, dass Einkünfte international unbesteuert bleiben, während zuvor lediglich vereinzelte nationale Maßnahmen bestanden; diese Beschlüsse haben aber noch nicht Eingang in die Doppelbesteuerungsabkommen gefunden.556 Nach alledem ist festzustellen, dass weder das Äquivalenzprinzip noch das Prinzip der Einmalbesteuerung dem Abkommensnetzwerk als Regelungen des Völkergewohnheitsrechts entnommen werden können, sei es nach dem vom IGH in den North Sea Continental Shelf Cases entwickelten Maßstab oder den allgemeinen Voraussetzungen für die Ableitung von Völkergewohnheitsrecht.557 556
Siehe zu alledem Lehner, Grundlagen, in: Vogel/Lehner (Hrsg.), Doppelbesteuerungsabkommen der Bundesrepublik Deutschland auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen, 2015, S. 111 ff., 69 ff.; Schönfeld, Abkommenszweck und Verhinderung einer Minder- oder Nichtbesteuerung, in: Wassermeyer u. a. (Hrsg.), Körperschaftsteuer, internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, 2005, S. 97 ff.; Parada, Double Non-Taxation and the Use of Hybrid Entities, 2018; Jankowiak, Doppelte Nichtbesteuerung im Internationalen Steuerrecht, 2009, S. 74 ff.; Double non-taxation, Cahiers de Droit Fiscal International, 89a, 2004; OECD, Developing a Multilateral Instrument to Modify Bilateral Tax Treaties, Action 15 – 2015 Final Report, S. 91 ff.; Martinez Laguna, Abuse and Aggressive Tax Planning: Between OECD and EU Initiatives – The Dividing Line between Intended and Unintended Double NonTaxation, WTJ, 2017, S. 189 ff.; Vanistendael, Is Tax Avoidance the Same Thing under the OECD Base Erosion and Profit Shifting Action Plan, National Tax Law and EU Law?, BIT, 2016, S. 163 ff., 170 ff.; Stewart, Abuse and Economic Substance in a Digital BEPS World, BIT, 2015, S. 399 ff., 405; Wichmann/Schmidt-Heß, Die Verhinderung von Abkommensmissbrauch, IStR, 2014, S. 883 ff.; Marchgraber, The Avoidance of Double Non-Taxation in Double Tax Treaty Law, EC Tax Review, 2014, S. 293 ff.; Lüdicke, Anmerkungen zur deutschen Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen, IStR, 2013, S. 26 ff.; Lehner, Die Umsetzung von abkommensrechtlichen Konsultationsvereinbarungen zur Vermeidung von Doppelbesteuerung und Doppelnichtbesteuerung durch Rechtsverordnungen, IStR, 2011, S. 733 ff.; Lüdicke, Exemption and Tax Credit in German Tax Treaties – Policy and Reality, BIT, 2010, S. 609 ff., 617 ff.; Vogel, Neue Gesetzgebung zur DBA-Freistellung, IStR, 2007, 225 ff.; Avi-Yonah/Tittle, The New United States Model Income Tax Convention, BIT, 2007, S. 224 ff., 234; Lang, „Taxes Covered“ – What is a „Tax“ according to Article 2 of the OECD Model?, BIT, 2005, S. 216 ff.; Wolff, Generalthema I: Doppelte Nicht-Besteuerung, IStR, 2004, S. 542 ff.; Arnold/Sasseville/Zolt, Summary of the Proceedings of an Invitational Seminar on the Taxation of Business Profits under Tax Treaties, BIT, 2003, S. 187 ff.; Lang, Die Vermeidung der Doppelbesteuerung und der doppelten Nichtbesteuerung als DBA-Auslegungsmaxime?, IStR, 2002, S. 609 ff. 557 So auch bereits Heber/Sternberg, The Extraterritorial Reach of the German Progression Clause in Income Tax Law in the light of International Law, Intertax, 2017, S. 254 ff., 260 f. Die Existenz völkerrechtlicher Zuteilungsnormen negieren auch Schön, Internationales Steuerrecht, in: Kube u. a. (Hrsg.), Leitgedanken des Rechts, 2013, S. 1625 ff., 1629; Großfeld, Multinationale Korporationen im Internationalen Steuerrecht, in: DGFIR, Internationalrechtliche Probleme multinationaler Korporationen, DGFIR Band 18, 1978, S. 72 ff., 82 ff.; Schrettl,
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Teil 2: Die (extra-)territoriale Erstreckung der Rechtsetzung
2. Zur Ableitung aus dem Verhalten der Nicht-Vertragsparteien Soweit daher eine Ableitung derartiger völkergewohnheitsrechtlicher Verengungen der Steuergewalt aus dem Netzwerk der Doppelbesteuerungsabkommen ausscheidet, ist zu untersuchen, inwieweit sich derartige Verengungen nach allgemeinen Kriterien als Völkergewohnheitsrecht herausgebildet haben. Voraussetzung558 ist der Nachweis einer tatsächlichen Übung sowie das Vorliegen einer auf die tatsächliche Übung bezogenen Rechtsüberzeugung. Da das Bestehen einer Gebotsnorm des Völkergewohnheitsrechts fraglich ist, müssen die tatsächliche Übung und die Rechtsüberzeugung darauf gerichtet sein, dass nur dieses Verhalten dem Völkerrecht entspricht; es ist nachzuweisen, dass andere Verhaltensweisen nicht rechtmäßig sind und die beteiligten Staaten das beobachtbare Verhalten gerade deshalb ausüben und andere Verhaltensweisen unterlassen haben, weil allein dieses Verhalten der Rechtsüberzeugung entspricht.559 Rechtsfragen der beschränkten Steuerpflicht, 1994, S. 78 f.; Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 277; Müller, Deutsche Steuerhoheit über ausländische Tochtergesellschaften, 1970, S. 48 f., 51 ff.; Vogel, Der räumliche Anwendungsbereich der Verwaltungsrechtsnorm, 1965, S. 351 ff.; Vogel, Theorie und Praxis im Internationalen Steuerrecht, DStR, 1968, S. 427 ff., 430. 558 Siehe hierzu und dem Folgenden: IGH, Advisory Opinion v. 8. 7. 1996, Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons, ICJ Reports, 1996, S. 226 ff., 253 ff.; IGH, Urteil v. 27. 6. 1986, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. United States of America), Merits, ICJ Reports, 1986, S. 14 ff., 97 ff.; IGH, Urteil v. 25. 7. 1974, Fisheries Jurisdiction (United Kingdom v. Iceland), Merits, ICJ Reports, 1974, S. 3 ff., 128 ff.; IGH, Urteil v. 20. 2. 1969, North Sea Continental Shelf (Federal Republic of Germany/Netherlands), ICJ Reports, 1969, S. 3 ff., 41 ff.; abweichende Meinung des Richters M. Altamira StIGH, Urteil v. 7. 9. 1927, The Case of the S.S. „Lotus“, PCIJ Series A, 1927, S. 3 ff., 96; abweichende Meinung des Richters M. Nyholm StIGH, Urteil v. 7. 9. 1927, The Case of the S.S. „Lotus“, PCIJ Series A, 1927, S. 3 ff., 59; ILC, Identification of Customary International Law, Text of the draft conclusions as adopted by the Drafting Committee on second reading, 2018; ILC, Report of the International Law Commission, 68th Session, 2016, S. 79 ff.; ILA, Report on Formation of Customary International Law, 2000; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 436 ff.; Hobe/Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 10. Aufl., 2014, S. 209 ff.; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, 2. Aufl., 2012, S. 81 ff.; Petersen, Demokratie als teleologisches Prinzip zur Legitimität von Staatsgewalt im Völkerrecht, 2009, S. 61 ff.; Shaw, International law, 8. Aufl., 2017, S. 53 ff.; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/III, 2. Aufl., 1989, S. 56 ff.; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., 1984, S. 348 ff.; zur Bedeutung der Elemente und ihrer praktischen Konkretisierung unter Analyse der Rechtsprechung siehe auch Petersen, The International Court of Justice and the Judicial Politics of Identifying Customary International Law, EJIL, 2017; Tams, Die Identifikation des Völkergewohnheitsrechts, in: DGFIR, Rechtsidentifikation zwischen Quelle und Gericht, DGFIR Band 47, 2016, S. 323 ff.; Petersen, Customary Law without Custom?, American University International Law Review, 2008, 275 ff.; Strebel, Quellen des Völkerrechts als Rechtsordnung, ZaöRV, 1976, S. 301 ff., 335 ff.; Verdross, Entstehungsweisen und Geltungsgrund des universellen völkerrechtlichen Gewohnheitsrechts, ZaöRV, 1969, S. 635 ff. 559 IGH, Urteil v. 27. 6. 1986, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. United States of America), Merits, ICJ Reports, 1986, S. 14 ff.,
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Als Besonderheit ist für den Nachweis einer tatsächlichen Übung sowie einer diese tragenden Rechtsüberzeugung im vorliegenden Fall zu beachten, dass die Berücksichtigung des Verhaltens von Staaten, die bereits Partei eines Doppelbesteuerungsabkommen sind, nicht in Betracht kommt. Denn insoweit kann grundsätzlich nur davon ausgegangen werden, dass das Verhalten des Staates Ausdruck der Befolgung der völkervertraglichen Pflicht ist; es bildet hingegen keinen Beleg für das parallele Bestehen einer inhaltsgleichen Norm des Völkergewohnheitsrechts, da die zuvor genannte Gründe ebenso gegen das Bestehen einer entsprechenden Rechtsüberzeugung sprechen.560 Vorliegend ist daher das Verhalten von Staaten in den Blick zu nehmen, die nicht Partei eines dieses Verhalten fordernden Doppelbesteuerungsabkommens sind. Doch auch in Bezug hierauf hat der IGH in den North Sea Continental Shelf Cases zutreffend darauf hingewiesen, dass eine etwaige Maßstabswirkung völkerrechtlicher Verträge zu beachten ist:561 Nach Ansicht des IGH war es kein hinreichender Beleg für die Annahme einer Rechtsüberzeugung, dass Staaten sich in Übereinstimmung der Seerechtskonvention verhalten haben, wenn sie dieser zeitlich nachfolgend beigetreten sind. Denn es ist davon auszugehen, dass Staaten sich bereits in Übereinstimmung mit der künftig beabsichtigen völkervertraglichen Bindung verhalten wollen, da sie diese für sachlich angemessen erachten, ohne hierin eine sie bereits jetzt bindende Norm des Völkergewohnheitsrechts anzunehmen. Daher kann grundsätzlich562 nur auf das Verhalten zwischen solchen Staaten abgestellt werden, die nicht nachfolgend ein Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen haben. In den Blick zu nehmen ist hierbei das Verhalten einerseits der Staaten, die mit bestimmten Staaten kein Abkommen vereinbart haben, sowie andererseits der Staaten, die keinerlei Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen haben. Im erstgenannten Fall kann aber letztlich ebenso nur von einer Maßstabswirkung der Doppelbesteuerungsabkommen ausgegangen werden. Diese spiegeln 108 f.; Shaw, International law, 8. Aufl., 2017, S. 62 ff.; Rebbe, Der Lotusfall vor dem Weltgerichtshof, 1932, S. 28 f. 560 ILC, Report of the International Law Commission, 68th Session, 2016, S. 98; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 552 f.; Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht, 14. Aufl., 2017, S. 41; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, 2. Aufl., 2012, S. 94; Ohler, Die Kollisionsordnung des allgemeinen Verwaltungsrechts Strukturen des deutschen internationalen Verwaltungsrechts, 2005, S. 345; Lauterpacht, International law, Band I/II, 1970, S. 63; Vogel, Theorie und Praxis im Internationalen Steuerrecht, DStR, 1968, S. 427 ff., 430. Im Ergebnis für das Steuerrecht ebenso Wassermeyer, Die beschränkte Steuerpflicht, in: Vogel (Hrsg.), Grundfragen des internationalen Steuerrechts, DStJG Band 8, 1985, S. 49 ff., 52; Schrettl, Rechtsfragen der beschränkten Steuerpflicht, 1994, S. 79; Mössner, Der Begriff des Internationalen Steuerrechts in der neueren Literatur, ÖStZÖR, 1974, S. 250 ff., 283. 561 IGH, Urteil v. 20. 2. 1969, North Sea Continental Shelf (Federal Republic of Germany/ Netherlands), ICJ Reports, 1969, S. 3 ff., 44. 562 Etwas anderes gälte, wenn durch weitere Quellen der Nachweise erbracht würde, dass die Staaten die Normen (teilweise) als Völkergewohnheitsrecht ansahen und die Verträge entsprechend in Kodifikation dieser Normen abschlossen. Derartige Nachweise sind hier aber nicht ersichtlich.
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Teil 2: Die (extra-)territoriale Erstreckung der Rechtsetzung
die von diesen Staaten für vernünftig gehaltene Lösung zur Verteilung der Besteuerungsrechte wider, weshalb es bei der Ausgestaltung des gegenüber allen Staaten gleichermaßen geltenden nationalen internationalen Steuerrechts nahe liegt, dieselben Prinzipien auch in Bezug zu solchen Staaten anzuwenden, mit denen sie kein Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen haben. Dies bedeutet, dass die Staaten diese Prinzipien nicht auf Grund eines Verpflichtungsbewusstseins anwenden, sondern aus praktischen Erwägungen. Derartige Erwägungen praktischer Natur, wie Überlegungen der gegenseitigen Rücksichtnahme, politischem Kalkül, Gewohnheit, Tradition oder Courtesy sind aber im Gegensatz zu normativen Erwägungen nicht hinreichend, um eine Rechtsüberzeugung zur Begründung von Völkergewohnheitsrecht hervorzubringen.563 Doch auch in den seltenen Fällen, in denen Staaten mit keinem Staat ein Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen haben, ist nicht ersichtlich, dass die Staaten in Ausdruck einer sie bindenden Norm des Völkergewohnheitsrechts gehandelt haben. Gerade die große Anzahl an Staaten, die Doppelbesteuerungsabkommen in Anlehnung an die Musterabkommen der OECD, UN oder USA abgeschlossen haben, spricht auch in Bezug auf die wenigen verbliebenen Staaten für eine Maßstabswirkung der Abkommen dergestalt, dass die Begründung der Steuerpflicht in Übereinstimmung mit diesen Regelungen als vernünftig angesehen wird, sei es in der Sache selbst oder deshalb, weil besonders umfassende Abweichungen vom in563 IGH, Advisory Opinion v. 8. 7. 1996, Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons, ICJ Reports, 1996, S. 226 ff., 253 f.; IGH, Urteil v. 27. 6. 1986, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. United States of America), Merits, ICJ Reports, 1986, S. 14 ff., 108 f.; IGH, Urteil v. 20. 2. 1969, North Sea Continental Shelf (Federal Republic of Germany/Netherlands), ICJ Reports, 1969, S. 3 ff., 23, 44; StIGH, Urteil v. 7. 9. 1927, The Case of the S.S. „Lotus“, PCIJ Series A, 1927, S. 3 ff., 28; ILC, Identification of Customary International Law, Text of the draft conclusions as adopted by the Drafting Committee on second reading, 2018, S. 3, Conclusion 9 Abs. 2; ILC, Report of the International Law Commission, 68th Session, 2016, S. 98; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, 2. Aufl., 2012, S. 89; ILO, Report on Formation of Customary International Law, 2000, S. 37 f.; Bleckmann, Grundprobleme und Methoden des Völkerrechts, 1982, S. 123; Rebbe, Der Lotusfall vor dem Weltgerichtshof, 1932, S. 28 f.; Qureshi, The Freedom of a State to Legislate in Fiscal Matters under General International Law, BIT, 1987, S. 14 ff., 18 f. Zwar wird teilweise davon ausgegangen, dass die bloße Ausrichtung des Verhaltens an einem vernünftig erscheinenden Maßstab für die Begründung von Völkergewohnheitsrecht ausreiche, so Lauterpacht, International law, Band I/II, 1970, S. 63 f., oder eine Vermutung für das Bestehen einer Rechtsüberzeugung bestehe, sodass auf ausdrückliche Nachweise einer Rechtsüberzeugung verzichtet werden könne, siehe Crawford, Brownlie’s Principles of Public International Law, 2012, S. 27; Mendelson, Formation of Customary International Law, in: Academie de Droit International de la Haye (Hrsg.), General Course in Public International law, 1998, S. 155 ff., 270 ff., 285 ff. Dies widerspricht aber dem zuvor wiedergegebenem Stand der Völkerrechts, nach dem zwischen der Überzeugung, rechtlich gebunden zu sein, und einer Ausrichtung des Verhaltens nach anderen Maßstäben zu differenzieren ist, siehe insbesondere aus den Nachweisen IGH, Urteil v. 20. 2. 1969, North Sea Continental Shelf (Federal Republic of Germany/Netherlands), ICJ Reports, 1969, S. 3 ff., 23, 44; ILC, Identification of Customary International Law, Text of the draft conclusions as adopted by the Drafting Committee on second reading, 2018, S. 3, Conclusion 9 Abs. 2.
D. Die (extra-)territoriale Reichweite der Steuergewalt
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ternationalen Standard vermieden werden sollen, die es ausländischen Investoren erschweren würde, im Inland aktiv zu werden. Die Übernahme dieser Regelungen kann daher grundsätzlich nur als Ausdruck einer Überlegung dahingehend angesehen werden, sowohl im öffentlichen als auch privaten Sektor die Transaktionskosten des Aushandelns und der späteren Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen zu senken; praktische Erwägungen erklären daher die tatsächliche Übung in diesem Sinne hinreichend. Demgemäß kann allein von dieser Beobachtung der Maßstabswirkung als praktische Erwägung nicht auf das Bestehen einer Rechtsüberzeugung geschlossen werden. Gefordert wäre daher ein ausdrücklicher Nachweis bspw. durch entsprechende Äußerungen dieser Staaten, dass diese ihr Verhalten deshalb wählen, weil sie sich hierzu gewohnheitsrechtlich verpflichtet fühlen; Äußerungen dieser Art sind aber nicht erkennbar.564
II. Keine völkerrechtliche Bindung an das Wohnsitzprinzip 1. Keine bereichsspezifische Ausformung der Personalhoheit Avi-Yonah argumentiert, die Personalhoheit sei im Steuerrecht bereichsspezifisch durch Völkergewohnheitsrecht ausgeformt. So sei diese nicht durch die Wahrnehmung der Steuergewalt gegenüber den Staatsangehörigen, sondern gegenüber Personen mit inländischem Wohnsitz charakterisiert. Ausgangspunkt der Überlegungen ist die Feststellung, dass die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht in den meisten Staaten daran anknüpft, dass eine Person über einen inländischen Wohnsitz verfügt. Aus dieser tatsächlichen Konvergenz des Anknüpfungsmomentes wird gefolgert, dass die personale Verbindung zum Staat im Steuerrecht nicht durch die Staatsangehörigkeit, sondern durch den Wohnsitz gebildet wird.565 Gegen die Annahme einer bereichsspezifischen Ausformung der Personalhoheit bestehen allerdings gewichtige systematische Bedenken, die dafürsprechen, in der behaupteten tatsächlichen Übung keine von einer Rechtsüberzeugung getragene Übung zu erblicken. Die Personalhoheit stellt an sich die Ausübung der Staatsgewalt in Bezug auf das personale Substrat, das Staatsvolk, dar. Dieses Staatsvolk ist mit dem Staat durch eine tatsächliche Beziehung verbunden, die sich in der Staatsangehörigkeit widerspiegelt und vom Staat nach den Vorgaben seines nationalen Rechts verliehen wird. Im 564 Mössner, Der Begriff des Internationalen Steuerrechts in der neueren Literatur, ÖStZÖR, 1974, S. 250 ff., 281 ff. Siehe auch Schön, Internationales Steuerrecht, in: Kube u. a. (Hrsg.), Leitgedanken des Rechts, 2013, S. 1625 ff., 1629, der insbesondere auf die Maßstabswirkung hinweist, ohne hierin eine völkerrechtliche Bindung zu sehen. Zu dem allgemeinen Erfordernis derartiger Nachweise siehe bereits die vorige Fußnote und hieraus insbesondere ILC, Report of the International Law Commission, 68th Session, 2016, S. 97 f. 565 Avi-Yonah, International tax as international law, 2007, S. 22 f.; Kirsch, The Tax Code as Nationality Law, Harvard Journal on Legislation, 2006, S. 375 ff., 391 f.
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Teil 2: Die (extra-)territoriale Erstreckung der Rechtsetzung
Rahmen dieser Entscheidung unterliegt der Staat keinen völkerrechtlichen Bindungen, weshalb eine Gleichsetzung tatsächlicher Beziehungen in Form des Bestehens eines Wohnsitzes oder eines dauerhaften Aufenthaltes zumindest auf dem Gebiet des Steuerrechts dem Staat die Freiheit zur Festlegung der Kriterien, die an die Verleihung der Staatsangehörigkeit und damit verbunden die Begründung der Personalhoheit in Bezug auf eine Person, entziehen würde. Weiterhin kann nicht davon ausgegangen werden, dass die bereichsspezifische Ausformung der Personalhoheit zu einem abweichenden Staatsvolk-Verständnis für das Steuerrecht geführt hat. Bereits die Annahme eines eigenen Staatsvolk-Begriffes für das Steuerrecht erscheint äußerst fragwürdig, da das Staatsvolk den Staat konzipiert. Mehrere divergierende Staatsvölker sind mit einer einheitlichen Konzeption des Staates und der Staatsgewalt, die das Staatsgebiet und das Staatsvolk, nicht aber mehrere bereichsspezifische Staatsvölker, organisatorisch verklammert, nicht vereinbar. Soweit daher der Staatsvolk-Begriff nicht überzeugend bereichsspezifisch verstanden werden kann, ist eine bereichsspezifische Ausformung der Personalhoheit ebenso zurückzuweisen. Andernfalls würde dies dazu führen, dass auf dem Gebiet des Steuerrechts das Staatsvolk nicht Gegenstand der Staatsgewalt sein kann, sofern nicht die Staatsangehörigen der Steuerpflicht mittels der Gebietshoheit unterworfen werden. Zudem hätte ein solches Verständnis zur Folge, dass die Personalhoheit nicht mehr als Ausübung von Staatsgewalt in Bezug auf das Staatsvolk verstanden werden kann, obwohl hierin der Kern der Personalhoheit liegt. Vor diesem Hintergrund erweist es sich als systematisch nicht überzeugend, eine bereichsspezifische Ausformung der Personalhoheit anzunehmen. 2. Keine inhaltliche Einengung der Steuergewalt auf das Wohnsitzprinzip Die Steuergewalt ist auch ihrem Inhalt nach nicht auf die Anknüpfung an den Wohnsitz zur Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht der Einkommensteuer völkergewohnheitsrechtlich verengt. Nachzuweisen wäre insoweit das Bestehen einer entsprechenden tatsächlichen Übung sowie eine entsprechende Rechtsüberzeugung.566 Gegen das Bestehen einer entsprechenden tatsächlichen Übung spricht zunächst die Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht in den USA, die diese nicht nur auf einen inländischen Wohnsitz stützen, sondern daneben auch auf die US-Staatsangehörigkeit.567 Diese Anknüpfung wird zwar denn ihrer Tauglichkeit unter dem Gesichtspunkt des Bestehens einer hinreichend engen Verknüpfung, d. h. unter einem die Staatsgewalt einschränkenden Kriterium, und der Durchsetzbarkeit vor dem 566 567
Siehe die Nachweise in Fußnote 558. Siehe sections 1, 2(d), 7701(b)(1)(B) IRC.
D. Die (extra-)territoriale Reichweite der Steuergewalt
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Hintergrund des engen Territorialitätsprinzips in der Rechtsdurchsetzung diskutiert.568 Die völkerrechtliche Zulässigkeit einer Besteuerung nach der Staatsangehörigkeit wird aber nur selten in Zweifel gezogen.569 Dies schließt zwar für sich genommen die Herausbildung einer entsprechenden Norm des Völkergewohnheitsrechts nicht aus, denn die Entstehung setzt keine völlig übereinstimmende tatsächliche Übung voraus. Vielmehr ist es ausreichend, wenn die tatsächliche Übung von ausreichendem Gewicht getragen ist, d. h. von einer ausreichenden Anzahl betroffener Staaten vollzogen wird, während einzelne Abweichungen danach unbeachtlich sind.570 Gewichtiger sind allerdings Bedenken, die dem Nachweis einer zugehörigen Rechtsüberzeugung entgegenstehen. Denn insoweit genügt es nicht, auf das Bestehen einer tatsächlichen Übung zu verweisen, denn hierdurch würde das Bestehen der Rechtsüberzeugung zur zu belegenden Grundannahme werden.571 Es bedarf daher weitergehender Nachweise dahingehend, dass die tatsächliche Übung gerade Ausdruck der Rechtmäßigkeitsüberlegungen der handelnden Akteure ist, ebendieses Verhalten als rechtmäßig erachtet und, sofern eine Verbotsnorm nachgewiesen werden soll, ein anderes Verhalten als rechtswidrig angesehen wird.572 Dem entspricht es auch, wenn für den Nachweis der Rechtsüberzeugung teils auf die tatsächliche Übung verwiesen wird. Denn in diesen Fällen lassen sich der tatsächlichen Übung zugleich hinreichende Indizien entnehmen, nach denen die Übung von einer
568 Mann, The Doctrine of International Jurisdiction Revisited after Twenty Years, 1984, S. 24; Kirsch, The Tax Code as Nationality Law, Harvard Journal on Legislation, 2006, S. 375 ff., 390 ff. sowie weitere Nachweise bei Petersen, Staatsangehörigkeit im nationalen und internationalen Steuerrecht, 2012, S. 69. 569 Schön, Steuerstaat und Freizügigkeit, in: Becker (Hrsg.), in: Tagung, Steuer- und Sozialstaat im europäischen Systemwettbewerb, 2005, S. 41 ff., 54 ff.; Mann, The Doctrine of Jurisdiction in International Law, 1964, S. 9 ff.; siehe Kirsch, The Tax Code as Nationality Law, Harvard Journal on Legislation, 2006, S. 375 ff., 394 ff., der zwar im Grundsatz von der Völkerrechtskonformität ausgeht, einzelne Regelungen der US-Besteuerung allerdings als völkerrechtswidrig ansieht. Vgl. auch die Nachweise bei Petersen, Staatsangehörigkeit im nationalen und internationalen Steuerrecht, 2012, S. 66 ff. sowie Martha, The jurisdiction to tax in international law, 1989, S. 48 ff., 66 ff. 570 IGH, Urteil v. 27. 6. 1986, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. United States of America), Merits, ICJ Reports, 1986, S. 14 ff., 108 f.; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., 1984, S. 352. 571 Siehe auch IGH, Advisory Opinion v. 8. 7. 1996, Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons, ICJ Reports, 1996, S. 226 ff., 253 f.; IGH, Urteil v. 20. 2. 1969, North Sea Continental Shelf (Federal Republic of Germany/Netherlands), ICJ Reports, 1969, S. 3 ff.; StIGH, Urteil v. 7. 9. 1927, The Case of the S.S. „Lotus“, PCIJ Series A, 1927, S. 3 ff., 28; ILC, Report of the International Law Commission, 68th Session, 2016, S. 97 f.; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, 2. Aufl., 2012, S. 84; Bleckmann, Grundprobleme und Methoden des Völkerrechts, 1982, S. 123. 572 Siehe einerseits für den Fall einer Verbotsnorm auch noch ausführlicher Teil 3: A. II. 6. b), andererseits die Nachweise allgemein in Fußnote 563 und spezifisch in Fußnote 708.
212
Teil 2: Die (extra-)territoriale Erstreckung der Rechtsetzung
Rechtsüberzeugung begleitet wird. Die Umstände der tatsächlichen Übung sind hierbei lediglich Erkenntnisquelle für den Nachweis der Rechtsüberzeugung.573 Diese Anforderungen stehen regelmäßig einer unbesehenen Ableitung von Völkergewohnheitsrecht aus der nationalen Rechtsetzung der Staaten entgegen. Jedem Staat steht es zunächst frei, völkerrechtliche Vorgaben zu missachten, sei es bewusst oder unbewusst. Dabei kann weder von der Prämisse der Einhaltung noch der Missachtung völkerrechtlicher Vorgaben ausgegangen werden, weshalb sich die Rechtsetzung vorbehaltlich anderer Feststellungen grundsätzlich als indifferent für den Nachweis einer Rechtsüberzeugung darstellt.574 Erst dann, wenn der Staat erkennbar Überlegungen der Völkerrechtsmäßigkeit in der nationalen Rechtsetzung berücksichtigt, kann diese Äußerung staatlicher Akteure im Zusammenhang mit der Rechtsnorm als Nachweis einer Rechtsüberzeugung herangezogen werden.575 Dies schließt aber insbesondere auch solche Normen aus, die auf Überlegungen der Rücksichtnahme oder politischem Kalkül beruhen.576 In Bezug auf die hier betrachteten extraterritorialen Rechtsakte könnte vorgebracht werden, dass jeder extraterritoriale Rechtsakt Fragen der Völkerrechtskonformität aufwirft, weil er naturgemäß über das Gebiet des regelnden Staates in seiner Geltung, tatbestandlichen Anknüpfung und/oder seinen Rechtsfolgen hinausreicht. Allerdings muss die extraterritoriale Erstreckung nicht zwingend damit einhergehen, dass Überlegungen der Völkerrechtskonformität in der Rechtsetzung berücksichtigt wurden. So ist es bereits nicht zwingend, dass der Staat bei der Rechtssetzung berücksichtigt, inwieweit andere Staaten durch eine derartige Rechtsetzung betroffen 573
Siehe statt vieler ILC, Report of the International Law Commission, 68th Session, 2016, S. 86 f., 99; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 543 ff. mit weiteren Nachweisen. 574 So verstanden kann der früheren Unterscheidung zwischen einer nach innen und einer nach außen gerichteten Staatsgewalt bei der Darlegung einer tatsächlichen Übung noch Bedeutung zukommen, denn dann wird die hier formulierte Frage des Nachweises einer Rechtsüberzeugung letztlich vorverlagert und bei Fehlen einer entsprechenden Eignung das entsprechende Material bereits nicht bei der Darlegung einer tatsächlichen Übung einbezogen. Dem liegt zugrunde, dass zwischen der tatsächlichen Übung und der Rechtsüberzeugung eine Parallelität bestehen muss, sodass eine tatsächliche Übung, für die keine Rechtsüberzeugung festzustellen ist, bei der Ableitung von Völkergewohnheitsrecht insgesamt auszublenden ist. Vgl. auch ILC, Report of the International Law Commission, 68th Session, 2016, S. 98 f., 100 („National legislation, while it is most often the product of political choices, may be valuable as evidence of acceptance as law, particularly where it has been specified that it is mandated under or gives effect to customary international law.“); ILC, Topical summary of the discussion held in the Sixth Committee of the General Assembly during its seventy-first session, prepared by the Secretariat, S. 22; sowie zu dem damit angesprochenen Verhältnis von tatsächlicher Übung und Rechtsüberzeugung die in Fußnote 558 genannten Nachweise. 575 StIGH, Urteil v. 7. 9. 1927, The Case of the S.S. „Lotus“, PCIJ Series A, 1927, S. 3 ff., 28; BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 4. 9. 2008, 2 BvR 1475/07, BVerfGK 14, S. 222 ff.; Müller, Deutsche Steuerhoheit über ausländische Tochtergesellschaften, 1970, S. 40 ff.; Vogel, Der räumliche Anwendungsbereich der Verwaltungsrechtsnorm, 1965, S. 145 f.; Strebel, Quellen des Völkerrechts als Rechtsordnung, ZaöRV, 1976, S. 301 ff., 335; vgl. auch von Arnauld, Völkerrecht, 3. Aufl., 2016, S. 105. 576 Siehe die Nachweise in Fußnote 563.
D. Die (extra-)territoriale Reichweite der Steuergewalt
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sind und sich der Rechtsakt auf die diplomatischen Beziehungen auswirkt. Dies belegt insbesondere die zitierte US-amerikanische Praxis,577 nach der eine extraterritoriale Erstreckung einer Norm nur angenommen werden kann, wenn der Rechtssatz ausdrücklich als solcher gestaltet wurde. Fehlt eine solche ausdrückliche Anordnung, so ist nach US-amerikanischem Recht im Zweifel aus Gründen der diplomatischen Rücksichtnahme, der comity, von einer territorialen Konstruktion der Norm ausgegangen und eine an sich mögliche extraterritoriale Anwendung der Norm verneint. Doch selbst dann, wenn sich zeigen lässt, dass Fragen der Auswirkungen auf andere Staaten berücksichtigt worden, so könnte diese Berücksichtigung allein Fragen der diplomatischen Beziehungen betreffen. Politische Überlegungen der gegenseitigen Rücksichtnahme ersetzen die notwendige Rechtsüberzeugung aber nicht. Soweit vorliegend in Frage steht, ob die Begründung der Besteuerung nach dem Wohnsitzprinzip zu einer völkergewohnheitsrechtlichen Einengung der Staatsgewalt geführt hat, kann daher nicht ohne weiteres darauf verwiesen werden, dass die Anknüpfung in den nationalen Steuerrechtssystemen regelmäßig nach dem Wohnsitzprinzip erfolgt. Eine derartige Kongruenz kann nur dann als Völkergewohnheitsrecht erscheinen, wenn nachgewiesen werden kann, dass das Wohnsitzprinzip mit Blick auf Überlegungen der Völkerrechtskonformität gewählt wurde und auch nur dieses dem Völkerrecht entsprechen sollte. Dies wird aber, soweit erkennbar, weder behauptet noch ist erkennbar, dass bei der Fundierung der Besteuerung im nationalen Recht derartige Überlegungen von Bedeutung waren. Selbst bei der Beseitigung der Doppelbesteuerung sind allenfalls Überlegungen der gegenseitigen Rücksichtnahme feststellbar, die aber auch bei der Begründung der Besteuerung nach dem Wohnsitzprinzip nicht in Frage stehen. Vor diesem Hintergrund liegt es näher, in der Konvergenz der steuerlichen Anknüpfung der unmittelbaren Einkommensteuerpflicht an das Bestehen eines Wohnsitzes im Inland einen tatsächlichen Vorgang zu sehen, der keine Anknüpfungspunkte für den Nachweis einer entsprechenden Rechtsüberzeugung beinhaltet, da weder außenpolitische Gesichtspunkte noch Überlegungen der Völkerrechtskonformität eine Rolle bei der Rechtsetzung spielten. Dies ist auch im Einklang mit dem Befund, dass die USA die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht auch an die US-Staatsangehörigkeit knüpfen, ohne dass dies völkerrechtlich von anderen Staaten beanstandet worden wäre.
III. Keine Beschränkung der Gebietshoheit auf territoriale Besteuerungsgrundlagen Ebenso wird seitens Avi-Yonah vorgebracht, dass durch die typischen territorialen Anknüpfungsmerkmale zur Begründung der Besteuerung eine Verengung der Ge577
Siehe die Nachweise in Teil 2 A. I. 2. a).
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Teil 2: Die (extra-)territoriale Erstreckung der Rechtsetzung
bietshoheit durch Völkergewohnheitsrecht eingetreten sei, da die unmittelbare Steuerpflicht zumeist einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland voraussetze, während die beschränkte Steuerpflicht durch das Vorliegen einer im Inland belegenen Einkunftsquelle begründet werde.578 Gegen die Ableitung einer Rechtsüberzeugung spricht zumindest für die Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht zunächst wiederum, dass derartige Rechtsnormen kaum Überlegungen der Völkerrechtskonformität widerspiegeln können. Auch für die beschränkte Steuerpflicht erscheint dies nicht zwingend, da Gegenstand der Rechtsetzung die innerstaatliche Fundierung der Besteuerung gebietsbezogener Einkunftsquellen ist. Soweit internationale Aspekte Berücksichtigung finden, wird regelmäßig die Durchsetzbarkeit auf Grund der territorialen Beschränkung der Rechtsdurchsetzungsgewalt im Vordergrund stehen. Nur ausnahmsweise werden darüber hinaus die Interessen dritter Staaten eine Rolle spielen. Die Annahme, der Staat werde seine Besteuerung völkerrechtskonform etablieren wollen, kann wiederum den Nachweis der Rechtsüberzeugung nicht ersetzen. Mit Blick auf die starke Bedeutung der territorialen Beschränkung der Rechtsdurchsetzungsgewalt zeigt sich, dass die Anknüpfungsmerkmale der Besteuerung ebenso wenig vor dem Hintergrund einer Rechtsüberzeugung gewählt wurden, sondern praktischen Erwägungen entsprechen: Derartige praktische Erwägungen haben nicht nur die Entwicklung der Zuteilungsnormen der Doppelbesteuerungsabkommen bestimmt579, sondern auch Auswirkungen auf die Begründung der Steuerpflicht selbst genommen, um eine durchsetzbare Besteuerung herbeizuführen.580 Demgemäß beruht die Begründung der unmittelbaren Besteuerung anhand des Wohnsitzes und des gewöhnlichen Aufenthalts auf der Erkenntnis, dass Staatsangehörige nicht der Rechtsdurchsetzungsgewalt unterliegen, wenn sie sich im Ausland aufhalten und der Steueranspruch nicht durchgesetzt werden kann, während dies bei Bestehen eines Wohnsitzes und gewöhnlichen Aufenthaltes gewährleistet ist. Aus diesen Gründen ergibt sich auch die territoriale Radizierung der Einkunftsquellen als Ausgangspunkt der beschränkten Steuerpflicht, da andernfalls eine Sicherung des Steueranspruches regelmäßig ausscheidet. Derartige praktische Erwägungen sind aber nicht hinreichend, um eine Rechtsüberzeugung und die Entwicklung von Völkergewohnheitsrecht anzunehmen,581 weshalb auch die Gebietshoheit nicht bereichsspezifisch ausgeformt worden ist. 578
Avi-Yonah, International tax as international law, 2007, S. 27 ff. Qureshi, The Freedom of a State to Legislate in Fiscal Matters under General International Law, BIT, 1987, S. 14 ff., 19. 580 Wassermeyer, Die beschränkte Steuerpflicht, in: Vogel (Hrsg.), Grundfragen des internationalen Steuerrechts, DStJG Band 8, 1985, S. 49 ff., 52; Herzfeld, Probleme des internationalen Steuerrechts, Vierteljahresschrift für Steuer- und Finanzrecht, Nr. 6, 1932, S. 433 f.; Qureshi, The Freedom of a State to Legislate in Fiscal Matters under General International Law, BIT, 1987, S. 14 ff., 18 f.; Norr, Jurisdiction to tax and international income, Tax Law Review, 1962, S. 431 ff., 432. 581 Siehe bereits die Nachweise in Fußnote 563. 579
D. Die (extra-)territoriale Reichweite der Steuergewalt
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IV. Zusammenfassung Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass Ansätze zur völkergewohnheitsrechtlichen Verengung der Konzeption der Staatsgewalt auf dem Gebiet des Steuerrechts zurückzuweisen sind.582 Es fehlt mit Blick auf das Netzwerk der Doppelbesteuerungsabkommen sowohl an der Möglichkeit, eine tatsächliche Übung festzustellen, wie der IGH sie für die Ableitung aus völkerrechtlichen Verträgen angenommen hat, als auch am Vorliegen einer Rechtsüberzeugung, da die Staaten mit Blick auf ihre völkervertraglichen Verpflichtung tätig werden. Eine besondere Auskonturierung der Personalhoheit scheitert ebenso am Fehlen einer tatsächlichen Übung, begegnet darüber hinaus aber auch völkerrechtssystematischen Bedenken, während eine besondere Ausgestaltung der Gebietshoheit deshalb nicht angenommen werden kann, weil allein praktische Erwägungen die beobachtbare Übung erklären und daher keine Rechtsüberzeugung festgestellt werden kann.
582 Siehe auch bereits Eckert, Die beschränkte Steuerpflicht, 1995, S. 22 ff.; Mann, Studies in International Law, 1973, S. 94 ff.; Herzfeld, Probleme des internationalen Steuerrechts, Vierteljahresschrift für Steuer- und Finanzrecht, Nr. 6, 1932, S. 433 f.; Qureshi, The Freedom of a State to Legislate in Fiscal Matters under General International Law, BIT, 1987, S. 14 ff. Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 277 ff. will zumindest partikular eine völkergewohnheitsrechtliche Verpflichtung zur Abmilderung der Doppelbesteuerung erkennen.
Teil 3
Völkerrechtliche Grenzen der extraterritorialen Rechtsetzung Nach dem bisherigen Ergebnis der Untersuchung unterliegen die Staaten in Wahrnehmung ihrer souveränen Staats- und Steuergewalt bei Erlass extraterritorialer Rechts- und Steuernormen kaum Beschränkungen. So wurde zwar betont, dass die Gebietshoheit als Rechtsetzungsgewalt alleinig die Befugnis umfasst, im Staatsgebiet geltende Steuerrechtssätze zu erlassen,583 während in Ausübung der Personalhoheit erlassene Normen für die Staatsangehörigen unabhängig von ihrem Aufenthaltsort gelten. Eine Beschränkung des Geltungsbereiches dem örtlichen oder personalen Umfange nach geht aber nicht mit einer Beschränkung des Inhaltes der Steuernorm selbst einher, sodass sowohl die territoriale Reichweite des Regelungsals auch Rechtsfolgenbereiches hierdurch nicht beschränkt ist. Dass die so konzipierte Staatsgewalt Gegenstand von völkerrechtlichen Beschränkungen ist, wird aber weithin vorausgesetzt. Ausgangspunkt der Überlegungen zu einer Beschränkung der Staatsgewalt bildet zutreffend die Lotus-Entscheidung584 des StIGH, in der das Gericht einerseits darlegte, dass ex-ante die Staatsgewalt in weiter Form besteht, diese aber zugleich Gegenstand einschränkender Normen des Völkerrechts sei.585 Umstritten ist allerdings, in welcher Form die vom StIGH benannte, aber nicht näher dargelegte Beschränkung der Staatsgewalt durch Normen des Völkerrechts im Einzelfall besteht.
A. Das Kriterium der hinreichend engen Verknüpfung Vertreter des weiten Territorialitätsprinzips gehen davon aus, dass die Staatsgewalt durch die Voraussetzung der hinreichend engen Verknüpfung begrenzt ist. Nach dieser Ansicht setzt die Wahrnehmung der an sich weiten Staatsgewalt voraus, dass der zu regelnde Sachverhalt eine hinreichend enge Verknüpfung zur staatlichen 583
Soweit vorliegend vom Staatsgebiet gesprochen wird, liegt hierin eine Vereinfachung. Siehe hierzu bereits Fußnote 278. 584 StIGH, Urteil v. 7. 9. 1927, The Case of the S.S. „Lotus“, PCIJ Series A, 1927, S. 3 ff. Zum Sachverhalt siehe bereits Teil 2 B. I. 1. b). 585 StIGH, Urteil v. 7. 9. 1927, The Case of the S.S. „Lotus“, PCIJ Series A, 1927, S. 3 ff., 19.
A. Das Kriterium der hinreichend engen Verknüpfung
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Regelungsgewalt oder in Anlehnung an die Entscheidung des IGH in der Rechtssache Nottebohm586 einen ,genuine link‘ aufweist.
I. Inhalt des Gebots der hinreichend engen Verknüpfung Welche Voraussetzungen mit dem Kriterium der hinreichend engen Verknüpfung verbunden sein sollen, ist allerdings umstritten. Als Mindestgehalt ist insofern nur anerkannt, dass die Wahrnehmung der Rechtsetzungsgewalt auf ein hinreichend enges Verknüpfungsmoment zum Sachverhalt gestützt werden muss, um völkerrechtskonform wahrgenommen zu werden.587 Dies wird hinsichtlich der Gebiets586
IGH, Urteil v. 6. 4. 1955, Nottebohm Case (second phase), ICJ Reports, 1955, S. 4 ff. Wildhaber, Jurisdiktionsgrundsätze und Jurisdiktionsgrenzen im Völkerrecht, in: Schweizerische Vereinigung für internationales Recht, Schweizerisches Jahrbuch für internationales Recht, 1985, S. 99 ff., 104 ff.; Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht mit Europarecht, 7. Aufl., 2018, S. 290 ff.; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 118; Stein/von Buttlar/ Kotzur, Völkerrecht, 14. Aufl., 2017, S. 232 ff.; Schweisfurth, Völkerrecht, 2006, S. 324 ff.; Ohler, Die Kollisionsordnung des allgemeinen Verwaltungsrechts Strukturen des deutschen internationalen Verwaltungsrechts, 2005, S. 328; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band II/III, 2. Aufl., 2002, S. 320 ff.; Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 458 ff.; Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 57 ff.; American Law Institute, Restatement of the law, 3. Aufl., 1992, Rn. 403; Ziegenhain, Extraterritoriale Rechtsanwendung und die Bedeutung des Genuine-Link-Erfordernisses, 1991, S. 46 ff.; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., 1984, S. 778 ff.; Bleckmann, Grundgesetz und Völkerrecht, 1975, S. 127 f.; Mann, Studies in International Law, 1973, S. 37; Schmahl, Zwischenstaatliche Kompetenzabgrenzung im Cyberspace, AVR, 2009, S. 284 ff., 293; Maier, Extraterritorial Jurisdiction and the Cuban Democracy Act, Florida Journal of International Law, 1993, S. 391 ff., 392; Basedow, Das amerikanische Pipeline-Embargo vor Gericht, RabelsZ, 1983, S. 141 ff., 165. Speziell für das Steuerrecht Großfeld, Multinationale Korporationen im Internationalen Steuerrecht, in: DGFIR, Internationalrechtliche Probleme multinationaler Korporationen, DGFIR Band 18, 1978, S. 72 ff., 82 f.; Rudolf, Über territoriale Grenzen der Steuergesetze, in: Bärmann u. a. (Hrsg.), Recht und Wirtschaft in Geschichte und Gegenwart, 1975, S. 769 ff., 776 ff.; Rudolf, Territoriale Grenzen der staatlichen Rechtssetzung, in: DGFIR, Territoriale Grenzen der staatlichen Rechtsetzung, DGFIR Band 12, 1973, S. 7 ff., 22; Tietje/Bering/Zuber, Völker- und europarechtliche Zulässigkeit extraterritorialer Anknüpfung einer Finanztransaktionssteuer, Beiträge zum Transationalen Wirtschaftsrecht, Nr. 129, 2014, S. 7; Beil, Der Belastungsgrund des steuerstaatlichen Synallagmas, 2001, S. 39 ff.; Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 276 ff.; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., 1984, S. 781 f.; Weber-Fas, Staatsverträge im internationalen Steuerrecht, 1982, S. 38 ff.; Künkele, Völkerrechtliche Schranken für die Besteuerung fremdstaatlicher Tätigkeiten nach dem deutschen Körperschaftsteuerrecht, 1976, S. 95 ff.; Mann, The Doctrine of Jurisdiction in International Law, 1964, S. 50; Englisch/Krüger, Zur Völkerrechtswidrigkeit extraterritorialer Effekte der französischen Finanztransaktionssteuer, IStR, 2013, S. 513 ff., 515 f.; Englisch/ Vella/Yevgenyeva, The Financial Transaction Tax Proposal Under the Enhanced Cooperation Procedure: Legal and Practical Considerations, BTR, 2013, S. 223 ff., 238 ff.; Ritter, Das Prinzip Rücksicht, BB, 1984, S. 1109 ff., 1109. 587
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Teil 3: Völkerrechtliche Grenzen der extraterritorialen Rechtsetzung
hoheit dahingehend verstanden, dass der Sachverhalt eine territoriale Verknüpfung aufweisen muss, während zumeist nicht erörtert wird, ob analog hierzu im Rahmen der Personalhoheit ein Bezug zur Staatsangehörigkeit gefordert ist.588 Ob darüber hinaus eine Abwägung verschiedener Anknüpfungsmomente zu Gunsten eines Staates geboten ist und ob Überlegungen des Rechtsmissbrauches zu einer Verengung des Maßstabs führen, ist umstritten. 1. Gegenstand der geforderten Verknüpfung a) Verknüpfungen abseits des Steuerrechts Naturgemäß kommen im Ausgangspunkt zahlreiche tatsächliche Gebietsbezüge in Betracht. In der Literatur werden ein Personalitäts-, Schutz, Territorialitäts- und Wirkungsprinzip genannt, wobei der genaue Gehalt der Prinzipien stark umstritten ist. Im Ausgangspunkt kommt dem Staat nach dem Personalitätsprinzip die Regelungskompetenz nach der Staatsangehörigkeit einer Person zu,589 während das Territorialitätsprinzip eine Verknüpfung zum Staatsgebiet umfasst.590 Das Schutzprinzip weitet die Rechtsetzungsgewalt dahingehend aus, dass Regelungen zum Schutz bedeutender Staatsinteressen erlassen werden können.591 Entsprechend soll 588 So Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 71 ff.; American Law Institute, Restatement of the law, 3. Aufl., 1992, §§ 402 f.; Bleckmann, Grundgesetz und Völkerrecht, 1975, S. 127 f.; Wengler, Völkerrecht, 1964, S. 936 und wohl auch Schweisfurth, Völkerrecht, 2006, S. 325. Zur Notwendigkeit einer territorialen Verbindung im Übrigen vgl. die Nachweise in der vorigen Fußnote. 589 Herdegen, Völkerrecht, 17. Aufl., 2018, S. 205 f.; Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht, 14. Aufl., 2017, S. 230 ff.; von Arnauld, Völkerrecht, 3. Aufl., 2016, S. 149; Hobe/ Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 10. Aufl., 2014, S. 100; Tietje/Bering/Zuber, Völker- und europarechtliche Zulässigkeit extraterritorialer Anknüpfung einer Finanztransaktionssteuer, Beiträge zum Transationalen Wirtschaftsrecht, Nr. 129, 2014, S. 9; Kempen/ Hillgruber, Völkerrecht, 2. Aufl., 2012, S. 115; Schweisfurth, Völkerrecht, 2006, S. 304; Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 103 f.; American Law Institute, Restatement of the law, 3. Aufl., 1992, § 402 (2); Schmahl, Zwischenstaatliche Kompetenzabgrenzung im Cyberspace, AVR, 2009, S. 284 ff., 295 f. 590 Herdegen, Völkerrecht, 17. Aufl., 2018, S. 207 ff.; Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht, 14. Aufl., 2017, S. 228 ff.; von Arnauld, Völkerrecht, 3. Aufl., 2016, S. 149; Hobe/ Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 10. Aufl., 2014, S. 100; Tietje/Bering/Zuber, Völker- und europarechtliche Zulässigkeit extraterritorialer Anknüpfung einer Finanztransaktionssteuer, Beiträge zum Transationalen Wirtschaftsrecht, Nr. 129, 2014, S. 9; Schweisfurth, Völkerrecht, 2006, S. 304; American Law Institute, Restatement of the law, 3. Aufl., 1992, § 402 (1) (a), (b); Schmahl, Zwischenstaatliche Kompetenzabgrenzung im Cyberspace, AVR, 2009, S. 284 ff., 294. 591 Herdegen, Völkerrecht, 17. Aufl., 2018, S. 210; Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht, 14. Aufl., 2017, S. 231 f.; von Arnauld, Völkerrecht, 3. Aufl., 2016, S. 149; Hobe/Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 10. Aufl., 2014, S. 100; Tietje/Bering/Zuber, Völker- und europarechtliche Zulässigkeit extraterritorialer Anknüpfung einer Finanztransaktionssteuer,
A. Das Kriterium der hinreichend engen Verknüpfung
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nach dem Wirkungsprinzip eine Kompetenz zur Regelung von Sachverhalten bestehen, welche sich substantiell auf das Staatsgebiet auswirken.592 Ebenso wird ein passives Personalitätsprinzip angenommen, das Regelungen zum Schutz der Staatsangehörigen gestattet.593 Letztlich wird davon ausgegangen, dass ein Universalitätsprinzip den Schutz bestimmter Rechtsgüter ermöglicht.594 Beiträge zum Transationalen Wirtschaftsrecht, Nr. 129, 2014, S. 9 f.; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, 2. Aufl., 2012, S. 115; Schweisfurth, Völkerrecht, 2006, S. 305; Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 98 ff.; American Law Institute, Restatement of the law, 3. Aufl., 1992, § 402 (3); Schmahl, Zwischenstaatliche Kompetenzabgrenzung im Cyberspace, AVR, 2009, S. 284 ff., 295 f. 592 Kau, Der Staat und der Einzelne als Völkerrechtssubjekte, in: Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 2016, S. 133 ff., 192 f.; Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht, 14. Aufl., 2017, S. 229 f.; Hobe/Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 10. Aufl., 2014, S. 100; Tietje/ Bering/Zuber, Völker- und europarechtliche Zulässigkeit extraterritorialer Anknüpfung einer Finanztransaktionssteuer, Beiträge zum Transationalen Wirtschaftsrecht, Nr. 129, 2014, S. 9 ff.; Ryngaert, Jurisdiction in international law, 2008, S. 31; Shaw, International law, 8. Aufl., 2017, S. 522 ff.; Brownlie, Principles of public international law, 7. Aufl., 2008, S. 302; Schweisfurth, Völkerrecht, 2006, S. 305; Podszun, Internationales Kartellverfahrensrecht, 2003, S. 17 ff.; Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, 1998, S. 115 ff.; Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 518 ff.; Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 95 ff.; American Law Institute, Restatement of the law, 3. Aufl., 1992, § 402 (1) (c); Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., 1984, S. 783 ff.; Castel, The extraterritorial effects of antitrust laws, 1984, S. 28; Schachter, International Law in Theory and Practice, 1982, S. 254 ff.; Meessen, Völkerrechtliche Grundsätze des internationalen Kartellrechts, 1975, S. 108 ff.; Jennings, General Course on Principles of International Law, 1967, S. 518 ff.; Rehbinder, Extraterritoriale Wirkungen des deutschen Kartellrechts, 1965, S. 47 ff.; Sandrock, Abschied von den völkerrechtlichen Grenzen staatlicher Gesetzgebung?, RdW, 2015, Die erste Seite; Schmahl, Zwischenstaatliche Kompetenzabgrenzung im Cyberspace, AVR, 2009, S. 284 ff., 294 f.; Knecht, Extraterritorial Jurisdiction and the Federal Money Laundering Offense, Stanford Journal of International Law, 1986, S. 389 ff., 401 ff.; Akehurst, Jurisdiction in International Law, Brit. Y.B. Int., 1975, S. 145 ff., 152 ff.; Haight, International Law and Extraterritorial Application of the Antitrust Laws, Yale Law Journal, 1954, S. 639 ff., 640 f. Eine Regelungsbefugnis wird allerdings von Kamminga, Extraterritoriality, in: Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law; Mann, Studies in International Law, 1973, S. 89 f.; Lowe, International Law and the Effects Doctrine in the European Court of Justice, The Cambridge Law Journal, 1989, S. 9 ff., 9 ff.; Verzijl, The Controversy Regarding the so-called Extraterritorial Effect of the American Antitrust Laws, NLR, 1961, S. 3 ff., 25 ff. abgelehnt. 593 Herdegen, Völkerrecht, 17. Aufl., 2018, S. 209 f.; Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht, 14. Aufl., 2017, S. 231; von Arnauld, Völkerrecht, 3. Aufl., 2016, S. 149; Tietje/Bering/ Zuber, Völker- und europarechtliche Zulässigkeit extraterritorialer Anknüpfung einer Finanztransaktionssteuer, Beiträge zum Transationalen Wirtschaftsrecht, Nr. 129, 2014, S. 9 f.; Hobe/Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 10. Aufl., 2014, S. 100; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, 2. Aufl., 2012, S. 115; Brownlie, Principles of public international law, 7. Aufl., 2008, S. 302; Schweisfurth, Völkerrecht, 2006, S. 304; Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 101 ff.; einschränkend American Law Institute, Restatement of the law, 3. Aufl., 1992,
220
Teil 3: Völkerrechtliche Grenzen der extraterritorialen Rechtsetzung
Diese Prinzipien bedürfen im Einzelfall einer Konkretisierung, um zu beantworten, ob ein Staat eine hinreichend enge Verknüpfung vorweisen kann. Worin eine hinreichend enge Verknüpfung im Einzelfall zu sehen ist, wird dabei je nach Regelungsbereich und teils je nach den verfolgten Regelungsmaßstäben unterschiedlich beantwortet.595 So soll es im Strafrecht möglich sein, im Ausland begangene Straftaten im Inland ansässiger Personen der inländischen Strafgewalt zuzuführen.596 Sofern entsprechend starke und direkte Einflüsse auf den Wettbewerb im Staatsgebiet bestehen, soll im Wettbewerbsrecht die Regulierung ausländischen Verhaltens S. 240; Schmahl, Zwischenstaatliche Kompetenzabgrenzung im Cyberspace, AVR, 2009, S. 284 ff., 296. 594 Oxman, Jurisdiction of States, in: Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law; Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht, 14. Aufl., 2017, S. 232 f.; Tietje/ Bering/Zuber, Völker- und europarechtliche Zulässigkeit extraterritorialer Anknüpfung einer Finanztransaktionssteuer, Beiträge zum Transationalen Wirtschaftsrecht, Nr. 129, 2014, S. 10; Shaw, International law, 8. Aufl., 2017, S. 500; Hobe/Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 10. Aufl., 2014, S. 100; Werle/Burghardt, Völkerstrafrecht, 3. Aufl., 2012; Kempen/ Hillgruber, Völkerrecht, 2. Aufl., 2012, S. 116; Brownlie, Principles of public international law, 7. Aufl., 2008, S. 303; Schweisfurth, Völkerrecht, 2006, S. 305; American Law Institute, Restatement of the law, 3. Aufl., 1992, § 404; Schmahl, Zwischenstaatliche Kompetenzabgrenzung im Cyberspace, AVR, 2009, S. 284 ff., 296 f.; Schultz, Ist Lotus verblüht?, Anmerkung zum Urteil des IGH vom 14. Februar 2002 im Fall betreffend den Haftbefehl vom 11. April 2000 (Demokratische Republik Kongo gegen Belgien), ZaöRV, 2001, S. 703 ff. 595 Siehe ausdrücklich BVerfG, Beschluss v. 12. 12. 2000, 2 BvR 1290/99, NJW, 2001, S. 1848 ff.; BFH, Urteil v. 16. 12. 1964, II 154/61 U, BStBl. III, 1965, S. 134 ff., 135; Wildhaber, Jurisdiktionsgrundsätze und Jurisdiktionsgrenzen im Völkerrecht, in: Schweizerische Vereinigung für internationales Recht, Schweizerisches Jahrbuch für internationales Recht, 1985, S. 99 ff., 104 ff.; Rudolf, Über territoriale Grenzen der Steuergesetze, in: Bärmann u. a. (Hrsg.), Recht und Wirtschaft in Geschichte und Gegenwart, 1975, S. 769 ff., 780 f.; Brownlie, Principles of public international law, 7. Aufl., 2008, S. 308 ff., der zwar die Prinzipien auf alle Regelungsbereich gleichermaßen anwenden will, aber letztlich doch eine Verknüpfung anhand des Regelungsbereiches beurteilen möchte; Schweisfurth, Völkerrecht, 2006, S. 326; Ohler, Die Kollisionsordnung des allgemeinen Verwaltungsrechts Strukturen des deutschen internationalen Verwaltungsrechts, 2005, S. 330; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band II/III, 2. Aufl., 2002, S. 321; Bleckmann, Allgemeine Staats- und Völkerrechtslehre, 1995, S. 605 ff.; Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 59 ff.; American Law Institute, Restatement of the law, 3. Aufl., 1992, § 403; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., 1984, S. 778; Englisch/Krüger, Zur Völkerrechtswidrigkeit extraterritorialer Effekte der französischen Finanztransaktionssteuer, IStR, 2013, S. 513 ff., 515 f.; Schmahl, Zwischenstaatliche Kompetenzabgrenzung im Cyberspace, AVR, 2009, S. 284 ff., 294; Bleckmann, Das Souveränitätsprinzip im Völkerrecht, AVR, 1985, S. 450 ff., 476 f. 596 Kau, Der Staat und der Einzelne als Völkerrechtssubjekte, in: Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 2016, S. 133 ff., 192 f.; Wildhaber, Jurisdiktionsgrundsätze und Jurisdiktionsgrenzen im Völkerrecht, in: Schweizerische Vereinigung für internationales Recht, Schweizerisches Jahrbuch für internationales Recht, 1985, S. 99 ff., 105; Herdegen, Völkerrecht, 17. Aufl., 2018, S. 205 ff.; Shaw, International law, 8. Aufl., 2017, S. 488 ff.; Brownlie, Principles of public international law, 7. Aufl., 2008, S. 299 ff.; Bungenberg, Extraterritoriale Strafrechtsanwendung bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord, AVR, 2001, S. 170 ff.
A. Das Kriterium der hinreichend engen Verknüpfung
221
ausländischer Marktteilnehmer zulässig sein,597 während es völkerrechtswidrig sein soll, Straftaten aus dem Bereich der Wirtschaftskriminalität in dem Staat zu verfolgen, in dem die Muttergesellschaft an der Börse gelistet ist oder in dessen Währung die Straftaten vollzogen wurden.598 Entsprechend dem verfolgten Regelungsanliegen soll es schließlich völkerrechtswidrig sein, Staatsangehörige zu einem extraterritorialen Verhalten zu verpflichten, das gegen die territoriale Rechtsordnung des Aufenthaltsstaates verstößt.599 Schließlich geht das Southern District Courts of New York City gar in Anwendung der US-amerikanischen Rechtsansicht aus, dass sich Fragen der Extraterritorialität gar nicht stellten, d. h. es außer Frage stehe, dass es völkerrechtlich zulässig sei, ein US-amerikanisches Unternehmen zur Herausgabe von Daten über Staatsangehörige fremder Staaten an US-Behörden zu verpflichten, soweit nur die Herausgabe aus dem Inland heraus erfolgen könne, selbst wenn die Daten auf einem ausländischen Server gespeichert seien und die Herausgabe gegen die dort einschlägigen Datenschutzregelungen verstoßen könnte.600
597 Kau, Der Staat und der Einzelne als Völkerrechtssubjekte, in: Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 2016, S. 133 ff., 192 f.; einschränkend Wildhaber, Jurisdiktionsgrundsätze und Jurisdiktionsgrenzen im Völkerrecht, in: Schweizerische Vereinigung für internationales Recht, Schweizerisches Jahrbuch für internationales Recht, 1985, S. 99 ff., 105 f.; Mann, The Doctrine of International Jurisdiction Revisited after Twenty Years, 1984, S. 84 ff.; Olmstead (Hrsg.), Extra-territorial application of laws and responses thereto, 1984. 598 Mann, The Doctrine of International Jurisdiction Revisited after Twenty Years, 1984, S. 47 ff., 56 ff.; Sandrock, Abschied von den völkerrechtlichen Grenzen staatlicher Gesetzgebung?, RdW, 2015, Die erste Seite Siehe auch US Supreme Court, Urteil v. 24. 6. 2010, Morrison v. National Australia Bank Ltd., United Stated Supreme Court Reports 130, S. 2869 ff., 2873 f.; US Court of Appeals, Eleventh Circuit, Urteil v. 19. 6. 2008, 06 – 15388, Liquidation Commission of Banco Intercontinental v. Renta, Federal Reporter, 3d Series 530, S. 1339 ff., 1351 f.; The High Court of Judicature at Bombay, Urteil v. 8. 9. 2010, wp1325.10, Vodafone International Holdings B.V.; Lehmann, Eine neue Ära der extraterritorialen Anwendung US-amerikanischen Rechts, RdW, 2010, S. 841 ff. zur Morrison Entscheidung. Zur Frage des Durchgriffs vgl. auch ergänzend Großfeld, Multinationale Korporationen im Internationalen Steuerrecht, in: DGFIR, Internationalrechtliche Probleme multinationaler Korporationen, DGFIR Band 18, 1978, S. 72 ff., 115 ff.; Rudolf, Territoriale Grenzen der staatlichen Rechtssetzung, in: DGFIR, Territoriale Grenzen der staatlichen Rechtsetzung, DGFIR Band 12, 1973, S. 7 ff., 25 f.; Müller, Deutsche Steuerhoheit über ausländische Tochtergesellschaften, 1970, S. 136 ff.; Raupach, Der Durchgriff im Steuerrecht, 1968, S. 178 ff. 599 So Doehring, Völkerrecht, 2. Aufl., 2004, S. 554; Verdross, Völkerrecht, 5. Aufl., 1964, S. 317. Anderer Ansicht Higgins, The Legal Bases of Jurisdiction, in: Olmstead (Hrsg.), Extraterritorial application of laws and responses thereto, 1984, S. 3 ff., 7; Wengler, Betrachtungen über den Zusammenhang der Rechtsnormen in der Rechtsordnung, in: Ko¯nstantopulos/Wehberg (Hrsg.), Gegenwartsprobleme des internationalen Rechtes und der Rechtsphilosophie, 1953, S. 719 ff., 730; Ryngaert, Jurisdiction in international law, 2008, S. 24 f.; Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, 1998, S. 190 f. 600 SDNY, Urteil v. 25. 4. 2014, 13 Mag. 2814, In re Warrant to Search a Certain Email Account Controlled & Maintained by Microsoft Corp., Federal Supplement, 3d Series 15, S. 466 ff. Siehe hierzu ausführlich Teil 2 A. I. 2. a) sowie Fußnote 299 zur weiteren Verfahrensgeschichte.
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Teil 3: Völkerrechtliche Grenzen der extraterritorialen Rechtsetzung
b) Verknüpfungen im Steuerrecht Soweit im Steuerrecht von der Geltung eines Kriteriums der hinreichend engen Verknüpfung ausgegangen wird, sind auch hier die genauen Voraussetzungen des Kriteriums umstritten. Das BVerfG hat zwar ausgeführt, dass der „rechtlichen Möglichkeit, Ausländer zu Abgaben heranzuziehen, [sind] durch das Erfordernis der Anknüpfung etwa an die Staatsangehörigkeit, Niederlassung, Wohnsitz oder Aufenthalt im Inland, die Verwirklichung eines Abgabentatbestandes im Inland oder die Herbeiführung eines abgabenrechtlich erheblichen Erfolges im Inland deutliche Grenzen gesetzt“601
sind. Doch selbst unter Zugrundelegung dieses Urteils besteht eine große Bandbreite der denkbaren Verknüpfungen. Welche Verknüpfung in welchem Fall ausreichend sein soll, wird zumeist eng mit der Frage nach der Rechtfertigung des Steuerzugriffes verknüpft. Hierbei lassen sich einerseits Ansätze identifizieren, die versuchen, eine internationale Theorie der Steuerrechtfertigung zu begründen, andererseits ebenso Ansätze, die ausgehend von der Ausgestaltung der Steuer dem Individuum gegenüber darlegen, inwieweit ein Steuerzugriff unter Beachtung des Kriteriums der hinreichend engen Verknüpfung erfolgt.602 Lediglich ausnahmsweise wird auf eine Rückkoppelung an die Steuerrechtfertigung verzichtet und eine Anwendung der allgemeinen Kriterien unter Bezugnahme auf die im Steuerrecht vorzufindenden Regelungsmaßstäbe in Form der Lastenausteilung und Verhaltenslenkung und der verfolgten Zielsetzungen in Form der zumeist unilateral ausgerichteten Deckung des Finanzbedarfs vorgenommen.603
601 BVerfG, Urteil v. 22. 3. 1983, 2 BvR 475/78, BVerfGE 63, S. 343 ff. Siehe auch Ritter, Das Prinzip Rücksicht, BB, 1984, S. 1109 ff., 1109. 602 Mössner, Das Welteinkommensprinip, in: Tipke (Hrsg.), Besteuerung von Einkommen, 2000, S. 253 ff.; Vogel, Die Besteuerung von Auslandseinkünften, in: Vogel (Hrsg.), Grundfragen des internationalen Steuerrechts, DStJG Band 8, 1985, S. 3 ff., 18 ff.; Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 237 ff.; Künkele, Völkerrechtliche Schranken für die Besteuerung fremdstaatlicher Tätigkeiten nach dem deutschen Körperschaftsteuerrecht, 1976, S. 98 ff., mit weiteren Nachweisen; Müller, Deutsche Steuerhoheit über ausländische Tochtergesellschaften, 1970, S. 114 ff.; Spitaler, Das Doppelbesteuerungsproblem bei den direkten Steuern, 2. Aufl., 1967, S. 414 ff.; Schön, Persons and Territories: on the International Allocation of Taxing Rights, BTR, 2010, S. 554 ff.; Wang, Tax Jurisdiction in Electronic Commerce From the Perspective of Public International Law, Intertax, 2006, S. 530 ff., 536 ff.; Vogel, Rechtfertigung der Steuern: Eine vergessene Vorfrage, Der Staat, 1986, S. 481 ff.; Debatin, Konzeptionen zur Steuerpflicht, FR, 1969, S. 277 ff., 278 f.; Albrecht, The Taxation of Aliens Under International Law, Brit. Y.B. Int., 1952, S. 145 ff. Vgl. auch Zuber, Anknüpfungsmerkmale und Reichweite der internationalen Besteuerung, 1991, S. 82 ff., die aber nicht auf ein Kriterium der hinreichend engen Verknüpfung, sondern allgemein auf das Willkürverbot abstellt. 603 Englisch/Krüger, Zur Völkerrechtswidrigkeit extraterritorialer Effekte der französischen Finanztransaktionssteuer, IStR, 2013, S. 513 ff., 515 ff.
A. Das Kriterium der hinreichend engen Verknüpfung
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(aa) Ansätze der wirtschaftlichen Zugehörigkeit und die Bedeutung des Äquivalenzprinzips Ansätze zu einer internationalen Theorie der Steuerrechtfertigung lassen sich weitergehend danach unterscheiden, ob eine wirtschaftliche Zugehörigkeit einer Tätigkeit angenommen wird oder der Besteuerungszugriff auf Äquivalenzüberlegungen gestützt wird. Im Mittelpunkt steht hierbei zumeist die Rechtfertigung der Besteuerung wirtschaftlicher Aktivitäten. Soweit von einer wirtschaftlichen Zugehörigkeit604 einer Tätigkeit ausgegangen wird, um das Prinzip der hinreichend engen Verknüpfung zu konkretisieren, wird eine Beziehung zwischen den Erfolgen einer Aktivität und der staatlich bereitgestellten Infrastruktur angenommen. Es wird davon ausgegangen, dass das Ergebnis der Tätigkeit auch auf der bereitgestellten und in Anspruch genommenen staatlichen Infrastruktur beruht, weshalb das wirtschaftliche Ergebnis gerade als zu einem Staat wirtschaftlich zugehörig angesehen werden kann. Folge dieser wirtschaftlichen Zugehörigkeit des wirtschaftlichen Erfolges ist, dass der Staat diese Tätigkeit besteuern darf. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn im anderen Staat eine Betriebsstätte unterhalten wird oder zu diesem andere besondere territoriale Verbindungen bestehen.605 Ebenso wird die Ansässigkeit in einem Staat als ausreichend 604 Vogel, Die Besteuerung von Auslandseinkünften, in: Vogel (Hrsg.), Grundfragen des internationalen Steuerrechts, DStJG Band 8, 1985, S. 3 ff., 18; Rudolf, Über territoriale Grenzen der Steuergesetze, in: Bärmann u. a. (Hrsg.), Recht und Wirtschaft in Geschichte und Gegenwart, 1975, S. 769 ff., 782; Tietje/Bering/Zuber, Völker- und europarechtliche Zulässigkeit extraterritorialer Anknüpfung einer Finanztransaktionssteuer, Beiträge zum Transationalen Wirtschaftsrecht, Nr. 129, 2014, S. 12 f.; Schrettl, Rechtsfragen der beschränkten Steuerpflicht, 1994, S. 91 ff.; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., 1984, S. 782; Mann, Studies in International Law, 1973, S. 95 ff.; Isay, Internationales Finanzrecht, 1934, S. 44 f.; Fähnrich, Doppelbesteuerung im allgemeinen und ihre Beseitigung durch die Gesetzgebung im deutschen Staatsgebiet von der Reichsgründung bis zur Gegenwart, 1928, S. 7 ff.; Crezelius, Beschränkte Steuerpflicht und Gestaltungsmißbrauch, Der Betrieb, 1984, S. 530 ff., 534; von Schanz, Zur Frage der Steuerpflicht, FA, 1892, 1 ff. Im Ergebnis so auch Beale, Jurisdiction to tax, Harvard Law Review, 1919, S. 587 ff. Siehe zudem Bräunig, Herbert Dorn (1887 – 1957), 2016, S. 145 ff. zu Dorns Weiterführung der Theorie der wirtschaftlichen Zugehörigkeit zur staatswirtschaftlichen Zugehörigkeit sowie Lehner/Waldhoff, in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 1 EStG, Rn. A 165 ff.; Valta, Das internationale Steuerrecht zwischen Effizienz, Gerechtigkeit und Entwicklungshilfe, 2014, S. 18 ff.; Reimer, Der Ort des Unterlassens, 2004, S. 325 ff.; Müller, Deutsche Steuerhoheit über ausländische Tochtergesellschaften, 1970, S. 115 ff.; Schön, International Tax Coordination for a SecondBest World (Part I), WTJ, 2009, S. 64 ff., 91 f.; Wang, Tax Jurisdiction in Electronic Commerce From the Perspective of Public International Law, Intertax, 2006, S. 530 ff., 536 f.; Schön, Besteuerung im Binnenmarkt – die Rechtsprechung des EuGH zu den direkten Steuern, IStR, 2004, S. 289 ff., 291 ff.; Mössner, Der Begriff des Internationalen Steuerrechts in der neueren Literatur, ÖStZÖR, 1974, S. 250 ff., 285 ff. 605 Siehe neben den vorigen Nachweisen Reimer, Der Ort des Unterlassens, 2004, S. 325 ff.; Marres, The Principle of Territoriality and Cross-Border Loss Compensation, Intertax, 2011, S. 112 ff., 113; Schön, International Tax Coordination for a Second-Best World (Part I), WTJ, 2009, S. 64 ff., 91 f.; Wang, Tax Jurisdiction in Electronic Commerce From the Perspective of
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Teil 3: Völkerrechtliche Grenzen der extraterritorialen Rechtsetzung
angesehen, um ein Besteuerungsrecht zu begründen.606 Erschöpft sich die Verbindung zum anderen Staat hingegen darin, dass der andere Staat Zielstaat von Veräußerungen ist, lediglich vereinzelt Reisen in diesen Staat unternommen werden oder eine Person diesen Staat nur im Rahmen einer Reise durchquert, so soll ein Besteuerungsrecht mangels hinreichend enger Verknüpfung ausscheiden.607 Soweit auf Äquivalenzerwägungen verwiesen wird, ergibt sich, soweit ersichtlich, ein im Ausgangspunkt identisches Ergebnis.608 Nach diesem Ansatz ist zwar grundsätzlich davon auszugehen, dass die Steuer keine Gegenleistung für die Leistung eines Staates darstellt, aber zumindest die Frage der zwischenstaatlichen Zuordnung der Besteuerungsrechte unter Anwendung des Äquivalenzprinzips beantwortet werden könne. Demnach bildet die Befugnis zur Steuererhebung an sich ein Korrelat für die seitens des Staates zur Verfügung gestellte Infrastruktur, insbesondere auch in Form der Rechtsordnung, die eine Entfaltung wirtschaftlicher Aktivitäten ermöglicht. Die Steuer als solche wird hiermit zur Gegenleistung für die Nutzung der staatlichen Infrastruktur. Nach diesem Maßstab ist ein Besteuerungsrecht unter Beachtung des Kriteriums der hinreichend engen Verknüpfung nur dann Public International Law, Intertax, 2006, S. 530 ff., 539 f.; Hellerstein, Jurisdiction To Tax Income and Consumption in the New Economy: A Theoretical and Comparative Perspective, Georgia Law Review, 2003, S. 1 ff., 6 ff.; Crezelius, Beschränkte Steuerpflicht und Gestaltungsmißbrauch, Der Betrieb, 1984, S. 530 ff., 534. 606 Siehe insbesondere Marres, The Principle of Territoriality and Cross-Border Loss Compensation, Intertax, 2011, S. 112 ff., 113; Wang, Tax Jurisdiction in Electronic Commerce From the Perspective of Public International Law, Intertax, 2006, S. 530 ff., 538 f.; Hellerstein, Jurisdiction To Tax Income and Consumption in the New Economy: A Theoretical and Comparative Perspective, Georgia Law Review, 2003, S. 1 ff., 4 ff.; Crezelius, Beschränkte Steuerpflicht und Gestaltungsmißbrauch, Der Betrieb, 1984, S. 530 ff., 534. 607 Vgl. aus den Nachweisen in Fußnote 604 insbesondere Mann, The Doctrine of Jurisdiction in International Law, 1964, S. 37; Crezelius, Beschränkte Steuerpflicht und Gestaltungsmißbrauch, Der Betrieb, 1984, S. 530 ff., 533 f. Siehe auch Schön, International Tax Coordination for a Second-Best World (Part I), WTJ, 2009, S. 64 ff., 91 f. Anderer Ansicht wohl Martha, The jurisdiction to tax in international law, 1989, S. 94. 608 Lehner/Waldhoff, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 1 EStG, Rn. A 148 ff.; Hey, Vom Nutzen des Nutzenprinzips für die Gestaltung der Steuerrechtsordnung, in: Tipke u. a. (Hrsg.), Festschrift für Joachim Lang zum 70. Geburtstag, 2011, S. 133 ff., 158 ff.; Lang, Steuergerechtigkeit und Globalisierung, in: Spindler u. a. (Hrsg.), Steuerzentrierte Rechtsberatung, 2009, S. 45 ff., 46 ff.; Tipke/Lang u. a., Steuerrecht, 22. Aufl., 2015, S. 74 f.; Mayer, Formulary Apportionment for the Internal Market, 2009, S. 30 ff.; Elicker, Die Zukunft des deutschen internationalen Steuerrechts, IFSt-Schrift, Nr. 438, 2006, S. 42 ff.; Reimer, Der Ort des Unterlassens, 2004, S. 331 ff.; Schmehl, Das Äquivalenzprinzip im Recht der Staatsfinanzierung, 2004, S. 61 f.; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Nr. 1/3, 2. Aufl., 2000, S. 522 ff.; Isay, Internationales Finanzrecht, 1934, S. 47 ff.; Schön, Zur Zukunft des Internationalen Steuerrechts, StuW, 2012, S. 213 ff., 214 f.; Vogel, Rechtfertigung der Steuern: Eine vergessene Vorfrage, Der Staat, 1986, S. 481 ff., 499 ff.; Debatin, Konzeptionen zur Steuerpflicht, FR, 1969, S. 277 ff., 278 f.; Albrecht, The Taxation of Aliens Under International Law, Brit. Y.B. Int., 1952, S. 145 ff., 146 f.; Beale, Jurisdiction to tax, Harvard Law Review, 1919, S. 587 ff., 589 ff.
A. Das Kriterium der hinreichend engen Verknüpfung
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zu bejahen, wenn die Entfaltung steuerpflichtiger Aktivitäten eine enge Beziehung zum Staatsgebiet aufweist und von einer substantiellen Nutzung der staatlichen Infrastruktur ausgegangen werden kann. Sowohl das Kriterium der wirtschaftlichen Zugehörigkeit als auch der Globaläquivalenz stellen damit letztendlich auf eine Form der Zuordnung der wirtschaftlichen Tätigkeit und Erfolge ab. Beide Ansätze nehmen eine wirtschaftliche Zugehörigkeit der wirtschaftlichen Aktivität und des wirtschaftlichen Erfolges an, indem sie die Beanspruchung der staatlichen Infrastruktur bei der Entfaltung einer wirtschaftlichen Aktivität in den Mittelpunkt rücken. Grundlage dieser Überlegungen ist, dass erst eine staatliche Infrastruktur die Entfaltung wirtschaftlicher Aktivitäten ermöglicht, sei es in Form der Bereitstellung eines Straßen- oder Stromnetzes, aber auch in Form einer Rechtsordnung. Gerade hinsichtlich des letzten Aspektes kann eine solche Sichtweise auf die in neuerer Zeit einflussreiche neue Institutionenökonomik verweisen, die die besondere Bedeutung und die Notwendigkeit von Institutionen für die Entfaltung substantieller wirtschaftlicher Tätigkeiten betont. Unter Institutionen werden in der neuen Institutionenökonomik grundsätzlich „the rules of the game in a society, or more formally, [are] the humanely devised constraints that shape human interaction“609 verstanden. Institutionen bilden demnach den Rahmen, in dem sich menschliche und damit auch wirtschaftliche Interaktionen vollziehen. Da sie menschliches Verhalten beschränken, ermöglichen sie Erwartungssicherheit und demgemäß die Entfaltung längerfristiger Aktivitäten; hierdurch wird die Grundlage für umfassende wirtschaftliche Aktivitäten gelegt. Insbesondere der Staat ist hierbei der Akteur, der Institutionen in großem Umfange bereitstellt und die Entfaltung substantieller wirtschaftlicher Aktivität ermöglicht, bspw. indem er Verfügungsrechte einzelnen Personen zuweist und so Investitionssicherheit schafft.610 Diese Beziehung zwischen Institutionen und der Möglichkeit zur Entfaltung substantieller wirtschaftlicher Aktivitäten ist besonders prägnant in der erstmals von Kirchhof angeführten Markteinkommenstheorie zur Rechtfertigung der Einkommensteuer.611 Nach diesem Ansatz ist der Staat zu einer Besteuerung des Markteinkommens deswegen befugt, weil der Staat an einer Einkommenserzielung durch die Bereitstellung der Marktinfrastruktur dem Grunde und der Höhe nach teilhat. Auf 609
North, Institutions, institutional change and economic performance, 1990, S. 3. Siehe insbesondere North, Institutions, institutional change and economic performance, 1990; Williamson, The New Institutional Economics, Journal of Economic Literature, 2000, S. 595 ff. 611 Lehner/Waldhoff, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 1 EStG, Rn. A 211; Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Finanzverfassung – Bundesstaatliche Ordnung, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band IV, 1999, S. 87 ff., 139; Kirchhof, Empfiehlt es sich, das Einkommensteuerrecht zur Beseitigung von Ungleichbehandlungen und zur Vereinfachung neu zu ordnen?, 1988, S. F 14 ff.; Schön, Besteuerung im Binnenmarkt – die Rechtsprechung des EuGH zu den direkten Steuern, IStR, 2004, S. 289 ff., 291. 610
226
Teil 3: Völkerrechtliche Grenzen der extraterritorialen Rechtsetzung
Grund dessen soll der Staat befugt sein, eine Einkommensteuer als Entgelt für die Bereitstellung der Marktinfrastruktur zu erheben. (bb) Leistungsfähigkeitsgerechte Besteuerung Soweit die Konkretisierung des Kriteriums der hinreichend engen Verknüpfung mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip verbunden wird, wird regelmäßig die Einkommensbesteuerung betrachtet.612 Im Mittelpunkt dieser Ansicht steht, dass die Besteuerung auf die Verwirklichung einer gerechten Lastenausteilung ausgerichtet sein muss, wobei als Gerechtigkeitsmaßstab auf das Leistungsfähigkeitsprinzip verwiesen wird.613 Diese Leistungsfähigkeit einer Person wird zumeist darin gesehen, dass die Person in der Lage ist, eine Steuerlast zu tragen und die Steuer aus ihrem Vermögen zu erbringen.614 Dieses Lastenausteilungsargument begründet allerdings für sich noch nicht die Befugnis der Besteuerung selbst.615 Nach der historischen Opfertheorie stand die 612 Vogel, Rechtfertigung der Steuern: Eine vergessene Vorfrage, Der Staat, 1986, S. 481 ff., 491. Siehe zur Verknüpfung von Leistungsfähigkeitsprinzip und Einkommensbesteuerung auch Vogel, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Finanzverfassung – Bundesstaatliche Ordnung, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band IV, 1999, S. 3 ff., 67; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1988, S. 28 f. 613 Vgl. Vogel, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Finanzverfassung – Bundesstaatliche Ordnung, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band IV, 1999, S. 3 ff., 65 ff.; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1988, S. 28 f., 68 f., 97 ff.; Ossenbühl, Die gerechte Steuerlast, 1972, S. 83 ff.; Isay, Internationales Finanzrecht, 1934, S. 42 ff.; Schön, Persons and Territories: on the International Allocation of Taxing Rights, BTR, 2010, S. 554 ff., 557; Jachmann, Steuerrechtfertigung aus der Gemeinwohlverantwortung, DStZ, 2001, S. 225 ff. 614 Siehe nur exemplarisch mit weiteren Nachweisen Lehner/Waldhoff, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 1 EStG, Rn. A 142; Englisch, Subjektives Nettoprinzip und Familienbesteuerung, in: Jachmann (Hrsg.), Erneuerung des Steuerrechts, DStJG Band 37, 2014, 159 ff.; Vogel, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), Finanzverfassung – Bundesstaatliche Ordnung, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band IV, 1999, S. 3 ff., 67 f.; Vogel, Über „Besteuerungsrechte“ und das Leistungsfähigkeitsprinzip im Internationalen Steuerrecht, in: Klein u. a. (Hrsg.), Steuerrecht, Verfassungsrecht, Finanzpolitik, 1994, S. 361 ff., 367 f.; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Nr. 1/3, 2. Aufl., 2000, S. 479 ff.; Kirchhof, Empfiehlt es sich, das Einkommensteuerrecht zur Beseitigung von Ungleichbehandlungen und zur Vereinfachung neu zu ordnen?, 1988, S. F 12 f.; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1988, S. 97 ff.; Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, 1983, S. 167; Ossenbühl, Die gerechte Steuerlast, 1972, S. 85 f.; Haller, Zur Diskussion über das Leistungsfähigkeitsprinzip, FA, 1972/73, S. 461 ff., 490. 615 Vgl. nur Lang, Steuergerechtigkeit und Globalisierung, in: Spindler u. a. (Hrsg.), Steuerzentrierte Rechtsberatung, 2009, S. 45 ff., 47; Elicker, Die Zukunft des deutschen internationalen Steuerrechts, IFSt-Schrift, Nr. 438, 2006, S. 42 f.; Reimer, Der Ort des Unterlassens, 2004, S. 339 ff.; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Nr. 1/3, 2. Aufl., 2000, S. 522 ff.; Müller, Deutsche Steuerhoheit über ausländische Tochtergesellschaften, 1970, S. 115; Isay,
A. Das Kriterium der hinreichend engen Verknüpfung
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Befugnis des Staates außer Frage, die Steuer gleichsam als ,Opfer‘ von den Bürgern erheben zu können.616 Soweit diese Ansicht überwunden wurde, wird die Besteuerung mit Verweis zunächst auf die Staatsangehörigkeit und nachfolgend auf die territoriale Beziehung der Ansässigkeit gerechtfertigt.617 c) Schlussfolgerungen zur geforderten Verknüpfung Insgesamt zeigt sich damit, dass die Frage, welche Verknüpfung hinreichend eng ist, äußerst unterschiedlich beantwortet wird. Diese Unterschiedlichkeit wird mit Verweis darauf gerechtfertigt, dass je nach Rechtsgebiet zu beurteilen ist, ob eine hinreichend enge Verknüpfung vorliegt. Während die grundsätzliche Begründung der Prinzipien noch als Konkretisierung der Bezugspunkte der Staatlichkeit nachvollziehbar ist, wird nicht deutlich, anhand welchen Maßstabs diese Frage zu beurteilen ist. Es bleibt daher im Unklaren, auf Grund welcher Überlegungen und in welcher Form rechtsgebietsspezifische Besonderheiten Einfluss nehmen auf die Beurteilung, ob eine Verknüpfung als hinreichend eng anzusehen ist. Dies gilt auch im Steuerrecht, in dem zwar zunächst gewisse Übereinstimmungen bestimmt werden können, aber abseits hiervon in der Diskussion über die Maßgeblichkeit dieser Kriterien erhebliche Unterschiede bestehen. Hierdurch wird ersichtlich, weshalb jenseits der tradierten Kriterien äußerst umstritten ist, ob und inwieweit andere Kriterien von Bedeutung sein können; dies zeigt sich bspw. in der Frage, ob dem Zielstaat einer Veräußerung ein Recht zur Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung zustehen soll.
Internationales Finanzrecht, 1934, S. 42 f.; Schön, Die beschränkte Steuerpflicht zwischen europäischem Gemeinschaftsrecht und deutschem Verfassungsrecht, IStR, 1995, S. 119 – 124, 123. 616 Isay, Internationales Finanzrecht, 1934, S. 42; vgl. auch Lehner/Waldhoff, in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 1 EStG, Rn. A 164; Vogel, Über „Besteuerungsrechte“ und das Leistungsfähigkeitsprinzip im Internationalen Steuerrecht, in: Klein u. a. (Hrsg.), Steuerrecht, Verfassungsrecht, Finanzpolitik, 1994, S. 361 ff., 365 ff.; Vogel, Die Besteuerung von Auslandseinkünften, in: Vogel (Hrsg.), Grundfragen des internationalen Steuerrechts, DStJG Band 8, 1985, S. 3 ff., 21 f.; Elicker, Die Zukunft des deutschen internationalen Steuerrechts, IFSt-Schrift, Nr. 438, 2006, S. 44; Reimer, Der Ort des Unterlassens, 2004, S. 337; Vogel, Rechtfertigung der Steuern: Eine vergessene Vorfrage, Der Staat, 1986, S. 481 ff., 489 ff. 617 Schmehl, Das Äquivalenzprinzip im Recht der Staatsfinanzierung, 2004, S. 61 f.; Reimer, Der Ort des Unterlassens, 2004, S. 338 f.; Müller, Deutsche Steuerhoheit über ausländische Tochtergesellschaften, 1970, S. 115 ff.; Schön, International Tax Coordination for a SecondBest World (Part I), WTJ, 2009, S. 64 ff., 91; Schön, Besteuerung im Binnenmarkt – die Rechtsprechung des EuGH zu den direkten Steuern, IStR, 2004, S. 289 ff., 291; Jachmann, Steuerrechtfertigung aus der Gemeinwohlverantwortung, DStZ, 2001, S. 225 ff.; Haller, Zur Diskussion über das Leistungsfähigkeitsprinzip, FA, 1972/73, S. 461 ff., 470. Siehe auch Valta, Das internationale Steuerrecht zwischen Effizienz, Gerechtigkeit und Entwicklungshilfe, 2014, S. 21 f., 206 ff.
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Teil 3: Völkerrechtliche Grenzen der extraterritorialen Rechtsetzung
2. Das Abwägungsgebot und Rechtsmissbrauchsverbot Über das Bestehen einer hinreichend engen Verknüpfung hinaus wird teilweise noch eine Abwägung zwischen den Verknüpfungen verschiedener Staaten gefordert. Soweit sich nach dem Kriterium der hinreichend engen Verknüpfung grundsätzlich die Zuständigkeit mehrerer Staaten zur Regelung eines Sachverhaltes ergeben kann, müsse zwischen den betroffenen Rechtspositionen abgewogen werden. Diese Abwägung soll nach teilweise vertretener Ansicht die Kollision der Regelungszuständigkeiten beseitigen, während andere hierin eine reine Verfahrenspflicht sehen. Unabhängig dieser Frage ist im Rahmen beider Ansichten gleichermaßen umstritten, worin das maßgebende Abwägungskriterium zu erblicken sei. Teilweise wird auf die territoriale Nähe oder die tatsächlichen Zugriffsmöglichkeiten abgestellt, andere Ansichten betonen die Relevanz der Regelung, wobei wiederum offen ist, wie und aus wessen Sicht die Relevanz zu bestimmen ist.618 Weitergehend wird vereinzelt eine Verengung durch das Rechtsmissbrauchsverbot619 angenommen: Einem Staat solle die Regelungszuständigkeit ausnahmsweise nicht zukommen, wenn dieser Staat zuvor eine vergleichbare Rechtsetzung als völkerrechtswidrig moniert hat.620 618 Wildhaber, Jurisdiktionsgrundsätze und Jurisdiktionsgrenzen im Völkerrecht, in: Schweizerische Vereinigung für internationales Recht, Schweizerisches Jahrbuch für internationales Recht, 1985, S. 99 ff., 104; Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht, 14. Aufl., 2017, S. 233 ff.; Kment, Grenzüberschreitendes Verwaltungshandeln, 2010, S. 131 ff.; Peters, Völkerrecht, 2. Aufl., 2008, S. 84 ff.; Ohler, Die Kollisionsordnung des allgemeinen Verwaltungsrechts Strukturen des deutschen internationalen Verwaltungsrechts, 2005, S. 339 ff.; Jeffery, The impact of state sovereignty on global trade and international taxation, 1999, S. 52 ff.; Pappas, Stellvertretende Strafrechtspflege zugleich ein Beitrag zur Ausdehnung deutscher Strafgewalt nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB, 1996, S. 79 ff.; Bleckmann, Allgemeine Staats- und Völkerrechtslehre, 1995, S. 579 ff., 737 ff., 919 ff.; Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 618; Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 59 ff.; American Law Institute, Restatement of the law, 3. Aufl., 1992, § 403; Hector, Das völkerrechtliche Abwägungsgebot, 1992, S. 165 ff.; Ziegenhain, Extraterritoriale Rechtsanwendung und die Bedeutung des Genuine-Link-Erfordernisses, 1991, S. 36 ff.; Nerep, Extraterritorial control of competition under international law, 1983, S. 556 ff.; Meessen, Völkerrechtliche Grundsätze des internationalen Kartellrechts, 1975, S. 198 ff., 202 f.; Mann, Studies in International Law, 1973, S. 31 ff.; Sandrock, Abschied von den völkerrechtlichen Grenzen staatlicher Gesetzgebung?, RdW, 2015, Die erste Seite; Dodge, Extraterritoriality and Conflictof-Laws Theory: An Argument for Judicial Unilateralism, Harvard International Law Journal, 1998, S. 101 ff., 127 ff.; Roth, Reasonable Extraterritoriality: Correcting the „Balance of Interests“, International and Comparative Law Quarterly, 1992, S. 245 ff., 274 ff.; Gans, Reasonableness as a Limit to Extraterritorial Jurisdiction, Washington University Law Review, 1985, S. 681 ff.; Basedow, Das amerikanische Pipeline-Embargo vor Gericht, RabelsZ, 1983, S. 141 ff., 165 619 Zur Geltung und zum genauen Inhalt des Rechtsmissbrauchsverbotes siehe noch sogleich Teil 3 A. II. 4. 620 Opinion of the Legal Service of the Council of the European Union, Proposal for a Council Directive implementing enhanced cooperation in the area of financial transaction tax
A. Das Kriterium der hinreichend engen Verknüpfung
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II. Begründungsansätze und Kritik In Bezug auf die völkerrechtliche Begründung eines solchen Kriteriums der hinreichend engen Verknüpfung werden zahlreiche unterschiedliche Ansätze vertreten. Soweit das Kriterium einer näheren Begründung zugeführt wird,621 reichen die vertretenen Ansichten von der Annahme, es handele sich um eine inhärente Grenze der Souveränität622, der Staatskonzeption oder Staatsgewalt623 oder des Grundsatzes der Gebietsausschließlichkeit624, über die Annahme, hierin liege eine spezifische Ausformung des Interventions-625 oder des Rechtsmissbrauchsverbots626 bis hin zu (FTT), Legality of the counterparty-based deemed establishment of financial institutions (Article 4 (1) point f) of the proposal), 13412/13, S. 8. 621 Offen bleibt die Herleitung bei Wildhaber, Jurisdiktionsgrundsätze und Jurisdiktionsgrenzen im Völkerrecht, in: Schweizerische Vereinigung für internationales Recht, Schweizerisches Jahrbuch für internationales Recht, 1985, S. 99 ff., 104; Rudolf, Über territoriale Grenzen der Steuergesetze, in: Bärmann u. a. (Hrsg.), Recht und Wirtschaft in Geschichte und Gegenwart, 1975, S. 769 ff., 776 ff.; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., 1984, S. 778; Bleckmann, Grundgesetz und Völkerrecht, 1975, S. 127 f.; Maier, Extraterritorial Jurisdiction and the Cuban Democracy Act, Florida Journal of International Law, 1993, S. 391 ff., während Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 118 ff.; Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 58 f., 63 ff. zahlreiche Normen des Völkerrechts als Grundlage benennen, aber von einer näheren Begründung absehen. Ebenso bleibt bei Mann, Studies in International Law, 1973, S. 34 ff. offen, aus welchem Grunde die Nachvollziehberkeit der Anknüpfungspunkte entscheidend sei. Maier, Jurisdictional Rules in Customary International Law, in: Meessen (Hrsg.), Extraterritorial jurisdiction in theory and practice, 1996, S. 64 ff., 67 verweist zwar auf das Gebot von Treu und Glauben, lässt aber offen, warum hieraus eine Beschränkung der Rechtsetzungsgewalt auf die Formen des Personalitäts-, Territorialitäts-, Wirkungs-, Schutz- und Universalitätsprinzips folge. 622 Martha, The jurisdiction to tax in international law, 1989, S. 32 ff. Insoweit auch Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 59. 623 Siehe auch Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 59. 624 Kamminga, Extraterritoriality, in: Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law; Hobe/Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 10. Aufl., 2014, S. 99. 625 BVerfG, Urteil v. 22. 3. 1983, 2 BvR 475/78, BVerfGE 63, S. 343 ff.; Kamminga, Extraterritoriality, in: Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law; Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht mit Europarecht, 7. Aufl., 2018, S. 291; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 121; von Arnauld, Völkerrecht, 3. Aufl., 2016, S. 148; Tietje/Bering/Zuber, Völker- und europarechtliche Zulässigkeit extraterritorialer Anknüpfung einer Finanztransaktionssteuer, Beiträge zum Transationalen Wirtschaftsrecht, Nr. 129, 2014, S. 7; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, 2. Aufl., 2012, S. 114; Kment, Grenzüberschreitendes Verwaltungshandeln, 2010, S. 72 f.; Ohler, Die Kollisionsordnung des allgemeinen Verwaltungsrechts Strukturen des deutschen internationalen Verwaltungsrechts, 2005, S. 47; Pappas, Stellvertretende Strafrechtspflege zugleich ein Beitrag zur Ausdehnung deutscher Strafgewalt nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB, 1996, S. 77 f.; Ziegenhain, Extraterritoriale Rechtsanwendung und die Bedeutung des Genuine-Link-Erfordernisses, 1991, S. 46 ff.; Georgieff, Kollisionen durch extraterritoriale staatliche Regelungen im internationalen Wirtschaftsrecht, 1989, S. 24;
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Teil 3: Völkerrechtliche Grenzen der extraterritorialen Rechtsetzung
der Aussage, es handele sich um eine eigenständige Norm des Völkerrechts, die teils der Nottebohm-Entscheidung627 des IGH entnommen wird,628 ebenso aber auch weitgehend unabhängig dieses Urteiles als Völkergewohnheitsrecht629 angesehen wird. 1. Die Ex-Ante Begrenzung der Staatsgewalt Soweit das Kriterium als eine inhärente Grenze der Souveränität, Staatlichkeit oder Staatsgewalt, einschließlich des Grundsatzes der Gebietsausschließlichkeit, angesehen wird, wurde bereits darauf hingewiesen, dass dies mit der festgestellten Konzeption dieser Elemente nicht vereinbar ist, weshalb hierauf nicht nochmals einzugehen ist.630 2. Das Abwägungsgebot und Rechtsmissbrauchsverbot als Verengungen einer hinreichend engen Verknüpfung Ebenso wenig überzeugt es, das Gebot der hinreichend engen Verknüpfung aus einem Abwägungsgebot abzuleiten. Bereits in Teil 1 A. III. 2. b) (cc) wurde allgemein dargelegt, dass eine Abwägung mit der souveränen Gleichheit der Staaten grundsätzlich nicht vereinbar ist. Für die Abgrenzung der Regelungszuständigkeiten Cloppenburg, Eine Finanztransaktionssteuer im „kleinen Kreis“, S. 514; von Bernstorff/Jacob/ Dingfelder Stone, The Alien Tort Statute before the US Supreme Court in the Kiobel case: Does international prohibit US courts to exercise extraterritorial civil jurisdiction over human rights abuses committed outside of the US?, ZaöRV, 2012, S. 579 ff., 584; Schmahl, Zwischenstaatliche Kompetenzabgrenzung im Cyberspace, AVR, 2009, S. 284 ff., 293 f.; Pottmeyer, Die Strafbarkeit von Auslandstaten nach dem Kriegswaffenkontroll- und Außenwirtschaftsrecht, NZSt, 1992, S. 57 ff., 58 f. 626 Bayer, Steuervölkerrecht – Steuerlandesrecht – Internationales Steuerrecht, in: Cremer u. a. (Hrsg.), Tradition und Weltoffenheit des Rechts, 2002, S. 3 ff., 26 f.; Tietje/Bering/Zuber, Völker- und europarechtliche Zulässigkeit extraterritorialer Anknüpfung einer Finanztransaktionssteuer, Beiträge zum Transationalen Wirtschaftsrecht, Nr. 129, 2014, S. 7; Georgieff, Kollisionen durch extraterritoriale staatliche Regelungen im internationalen Wirtschaftsrecht, 1989, S. 24; Bär, Kartellrecht und Internationales Privatrecht, 1965, S. 328; Akehurst, Jurisdiction in International Law, Brit. Y.B. Int., 1975, S. 145 ff., 179 ff.; Vogel, Theorie und Praxis im Internationalen Steuerrecht, DStR, 1968, S. 427 ff., 430. 627 IGH, Urteil v. 6. 4. 1955, Nottebohm Case (second phase), ICJ Reports, 1955, S. 4 ff. 628 Brownlie, Principles of public international law, 7. Aufl., 2008, S. 297 ff.; Epping, Grundgesetz und Kriegswaffenkontrolle, 1993, S. 146 ff. 629 Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht, 14. Aufl., 2017, S. 227; Schweisfurth, Völkerrecht, 2006, S. 324 ff.; Beil, Der Belastungsgrund des steuerstaatlichen Synallagmas, 2001, S. 39 f.; Künkele, Völkerrechtliche Schranken für die Besteuerung fremdstaatlicher Tätigkeiten nach dem deutschen Körperschaftsteuerrecht, 1976, S. 95 ff.; Wengler, Völkerrecht, 1964, S. 933 ff., siehe insbesondere auch S. 937 Fußnote 1; Ritter, Das Prinzip Rücksicht, BB, 1984, S. 1109 ff., 1109. 630 Siehe hierzu Teil 2 B.
A. Das Kriterium der hinreichend engen Verknüpfung
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durch eine Abwägung der Anknüpfungspunkte kann nichts anderes gelten. Darüber hinaus belegt die Debatte um den anzuwendenden Vergleichsmaßstab, dass kein Konsens hinsichtlich des Abwägungskriteriums besteht; dieser Dissens beruht letztlich darauf, dass im Völkerrecht richtigerweise keine Rangordnung auf Basis der Anknüpfungsmomente, der territorialen Nähe oder nach dem Inhalt der Rechtsnorm bestimmt werden kann.631 Mit Blick auf das Rechtsmissbrauchsverbot ist auf den Grundsatz des Estoppel hinzuweisen, der als spezielle Ausformung des Gebots von Treu und Glauben und des Gedankens des Rechtsmissbrauches die Verwirkung von Rechtspositionen betrifft und insbesondere als spezifische Voraussetzung die Betätigung des Vertrauens seitens des anderen Staates beinhaltet.632 An einer solchen Disposition wird es seitens des vertrauenden Staates aber regelmäßig fehlen, weshalb es mit Blick auf die spezifischen Voraussetzungen des Grundsatzes des Estoppel nicht überzeugt, ergänzend auf das Rechtsmissbrauchsverbot zu rekurrieren, da diese hierdurch umgangen würden.633 Demgemäß kann jenseits des Grundsatzes des Estoppel Vertrauensschutz nur in Betracht kommen, wenn jener Staat, der durch ein gegenteiliges Verhalten das Vertrauen enttäuscht haben soll, einen hinreichend klaren Vertrauenstatbestand geschaffen hat, da der Grundsatz des Estoppel auf Grund der ander-
631 Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht, 14. Aufl., 2017, S. 233 ff.; Ryngaert, Jurisdiction in international law, 2008, S. 129; Ohler, Die Kollisionsordnung des allgemeinen Verwaltungsrechts Strukturen des deutschen internationalen Verwaltungsrechts, 2005, S. 339 ff.; Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 618; Kramp, Die Begründung und Ausübung staatlicher Zuständigkeit für das Verbot länderübergreifender Fusionen nach dem geltenden Völkerrecht, 1993, S. 208; Bleckmann, Grundprobleme und Methoden des Völkerrechts, 1982, S. 79 f.; Bär, Kartellrecht und Internationales Privatrecht, 1965, S. 334; Schmahl, Zwischenstaatliche Kompetenzabgrenzung im Cyberspace, AVR, 2009, S. 284 ff., 298; vgl. auch Renton, The Genuine Link Concept and the Nationality of Physical and Legal Persons, Ships and Aircraft, 1975, S. 13; Hamel, Das Wesen des Staatsgebietes, 1933, S. 252; Rebbe, Der Lotusfall vor dem Weltgerichtshof, 1932, S. 60. 632 IGH, Urteil v. 11. 6. 1998, Land and Maritime Boundary between Cameroon and Nigeria (Cameroon v. Nigeria: Equatorial Guinea intervening), ICJ Reports, 1998, S. 275 ff., 303 f.; IGH, Urteil v. 20. 2. 1969, North Sea Continental Shelf (Federal Republic of Germany/Netherlands), ICJ Reports, 1969, S. 3 ff., 26; abweichende Meinung des Vizepräsidenten Alfaro IGH, Urteil v. 15. 6. 1962, Case Concerning the Temple of Preah Vihear, ICJ Reports, 1962, S. 6 ff., 40 ff.; StIGH, Urteil v. 12. 7. 1929, Case Concerning the Payment of various Serbian loans issued in France Case Concerning the payment in gold of the Brazilian federal loans issued in France, PCIJ Series A, 1929, S. 4 ff., 39; Cottier/Müller, Estoppel, in: Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law; Herdegen, Völkerrecht, 17. Aufl., 2018, S. 161 f.; O’Connor, Good faith in international law, 1991, S. 92 f. 633 Siehe auch IGH, Urteil v. 20. 2. 1969, North Sea Continental Shelf (Federal Republic of Germany/Netherlands), ICJ Reports, 1969, S. 3 ff., 26; abweichende Meinung von Sir Gerald Fitzmaurice IGH, Urteil v. 15. 6. 1962, Case Concerning the Temple of Preah Vihear, ICJ Reports, 1962, S. 6 ff., 63; abweichende Meinung des Vizepräsidenten Alfaro IGH, Urteil v. 15. 6. 1962, Case Concerning the Temple of Preah Vihear, ICJ Reports, 1962, S. 6 ff., 39 ff.; abweichende Meinung des Richters Read IGH, Urteil v. 6. 4. 1955, Nottebohm Case (second phase), ICJ Reports, 1955, S. 4 ff., 37.
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Teil 3: Völkerrechtliche Grenzen der extraterritorialen Rechtsetzung
weitigen Struktur des Vertrauensschutzes nicht vorrangig ist.634 In diesem Sinne kommt eine Bindung nur dort in Betracht, wo ein Staat über einen hinreichend langen Zeitraum hinreichend deutlich ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten erklärt, eine extraterritoriale Rechtsetzung deshalb zu unterlassen, weil sie als völkerrechtswidrig angesehen wird. Aber selbst, wenn eine solche Bindung bejaht wird, kann hieraus nicht abgeleitet werden, dass der Staat über diesen Einzelfall hinaus an einer extraterritorialen Erstreckung einer nur teilweise vergleichbaren Rechtsetzung gehindert wäre.635 3. Das Interventionsverbot Das Interventionsverbot, das auf den Schutz des Kernbestands der Staatlichkeit gerichtet ist, setzt einen Eingriff in die Möglichkeiten des Staates zur unabhängigen Festlegung seiner Grundlagen des politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Systems sowie der Außenpolitik voraus. Ein Eingriff erfolgt durch die Ausübung direkten Zwanges, den Einsatz militärischer Mittel oder die Einwirkung in sonstiger vergleichbar intensiver Form.636 634
Dies beruht darauf, dass unter dem Gesichtspunkt des Estoppel der besondere Schutz auf der vertrauenden Disposition des betroffenen Staates beruht, während in dem hier noch diskutierten Fall der Schutz auf einem besonders intensivem Vertrauenstatbestand beruht, der vom sich widersprüchlich verhaltenden Staat geschaffen wurde. Siehe insoweit auch IGH, Urteil v. 27. 6. 1986, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. United States of America), Merits, ICJ Reports, 1986, S. 14 ff., 41; IGH, Urteil v. 26. 11. 1984, Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. United States of America), ICJ Reports, 1984, S. 392 ff., 410, 418; IGH, Urteili v. 20. 12. 1974, Nuclear Tests (Australia v. France), ICJ Reports, 1974, S. 253 ff., 267 f.; IGH, Urteil v. 20. 2. 1969, North Sea Continental Shelf (Federal Republic of Germany/Netherlands), ICJ Reports, 1969, S. 3 ff., 26 f.; abweichende Meinung von Sir Gerald Fitzmaurice IGH, Urteil v. 15. 6. 1962, Case Concerning the Temple of Preah Vihear, ICJ Reports, 1962, S. 6 ff., 62 ff.; abweichende Meinung des Vizepräsidenten Alfaro IGH, Urteil v. 15. 6. 1962, Case Concerning the Temple of Preah Vihear, ICJ Reports, 1962, S. 6 ff., 39 ff.; IGH, Urteil v. 12. 4. 1960, Case concerning Right of Passage over Indian Territory (Portugal v. India), ICJ Reports, 1960, S. 6 ff., 39; IGH, Urteil v. 6. 4. 1955, Nottebohm Case (second phase), ICJ Reports, 1955, S. 4 ff., 17 ff.; Cottier/ Müller, Estoppel, in: Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law; Herdegen, Völkerrecht, 17. Aufl., 2018, S. 161 f. 635 Vgl. auch StIGH, Urteil v. 12. 7. 1929, Case Concerning the Payment of various Serbian loans issued in France Case Concerning the payment in gold of the Brazilian federal loans issued in France, PCIJ Series A, 1929, S. 4 ff., 39. 636 IGH, Urteil v. 27. 6. 1986, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. United States of America), Merits, ICJ Reports, 1986, S. 14 ff., 108; Kewenig, Die Anwendung wirtschaftlicher Zwangsmaßnahmen im Völkerrecht, in: DGFIR, Die Anwendung wirtschaftlicher Zwangsmaßnahmen im Völkerrecht und im Internationalen Privatrecht, DGFIR Band 17, 1986, S. 6 ff., 15; siehe auch ausführlich Bryde, Die Intervention mit wirtschaftlichen Mitteln, in: von Münch (Hrsg.), Staatsrecht – Völkerrecht – Europarecht, 1981, S. 227 ff., 233 ff.; Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 67 ff.; Kaffanke, Nationales Wirtschaftsrecht und internationale Wirtschaftsordnung, 1990, S. 287 ff.; Nerep, Extraterritorial control of competition under in-
A. Das Kriterium der hinreichend engen Verknüpfung
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Soweit das Kriterium der hinreichend engen Verknüpfung aus dem Interventionsverbot entwickelt wird, soll in der extraterritorialen Erstreckung des Regelungsund Rechtsfolgenbereiches einer Norm ein Verstoß gegen das Interventionsverbot liegen, sofern keine hinreichend enge Verknüpfung seitens des regelnden Staates besteht.637 Allerdings erscheint ein Verstoß gegen das Interventionsverbot sowohl mit Blick auf die inhaltliche Beschränkung des Schutzes auf einen Kernbereich als auch das Bestehen eines Eingriffes in der notwendigen Intensität im Allgemeinem wie auch bei Ausübung der Steuergewalt fragwürdig. a) Zur Intervention durch eine extraterritoriale Rechtsetzung im Allgemeinen Einwirkungen auf einen fremden Staat aus der Wahrnehmung der Rechtsetzungsgewalt beruhen regelmäßig auf einer extraterritorialen Erstreckung des Regelungs- und Rechtsfolgenbereiches eines Rechtssatzes.638 In einer interdependenten Welt kann aber ein Verstoß gegen das Interventionsverbot und damit ein Eingriff in den Kernbereich nicht bereits dann angenommen werden, wenn das vom Staat als ideal empfundene Regelungsziel nicht erreichbar ist, weil andere Staaten in Bezug auf diese Regelungsmaterie eine Regelung vornehmen, die mit den eigenen Regelungszwecken nicht vereinbar ist. Grundsätzlich besteht die Staatsgewalt beider Staaten unter Geltung der souveränen Gleichheit der Staaten gleichrangig nebeneinander, weshalb ein derart weit verstandenes Interventionsverbot zumindest einem Staat die Regelungsbefugnis entgegen der souveränen Gleichheit der Staaten vollumfänglich entziehen und entsprechend einem engen Territorialitätsprinzip, das bereits als unzutreffend verworfen wurde,639 eine vollständige territoriale Abgren-
ternational law, 1983, S. 552 ff.; Wengler, Völkerrecht, 1964, S. 1039 ff.; IGH, Urteil v. 19. 12. 2005, Armed Activities on the Territory of the Congo (Democratic Republic of the Congo v. Uganda), ICJ Reports, 2005, S. 168 ff., 227; Jamnejad/Wood, The Principle of Non-intervention, LJL, 2009, S. 345 ff., 369 ff. 637 Siehe bereits die Nachweise in Fußnote 625. Vgl. zudem Nerep, Extraterritorial control of competition under international law, 1983, S. 554 f., der im Rahmen des Interventionsverbotes eine Interessenabwägung vornehmen will und so das Interventionsverbot als allgemeine Schranke entfaltet, ohne aber das Kriterium der hinreichend engen Verknüpfung anzunehmen. 638 Siehe aus den Nachweisen in Fußnote 134 insbesondere Bryde, Die Intervention mit wirtschaftlichen Mitteln, in: von Münch (Hrsg.), Staatsrecht – Völkerrecht – Europarecht, 1981, S. 227 ff., 233 f.; Bockslaff, Das völkerrechtliche Interventionsverbot als Schranke außenpolitisch motivierter Handelsbeschränkungen, 1987; Nerep, Extraterritorial control of competition under international law, 1983, S. 552 ff.; vgl. auch die differenzierenden Ausführungen bei Simon/Waller, ATheory of Economic Sovereignty, Stanford Journal of International Law, 1986, S. 337 ff., 348 f. 639 So auch Bockslaff, Das völkerrechtliche Interventionsverbot als Schranke außenpolitisch motivierter Handelsbeschränkungen, 1987, S. 82 f. Siehe hierzu bereits Teil 2 B. I. 1. a).
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Teil 3: Völkerrechtliche Grenzen der extraterritorialen Rechtsetzung
zung der Freiräume der Staaten bewirken würde.640 Eine Anwendung des Interventionsverbotes in diesem Sinne ist mit Blick hierauf auch inkonsistent, da nicht ersichtlich ist, warum einerseits unter einer derartigen auf Abgrenzung der Freiräume bedachten Souveränitätskonzeption nicht das enge, sondern ein weites Territorialitätsprinzip einschlägig sein soll, dennoch aber eine extraterritoriale Rechtsetzung aus ebendiesen Gründen über das Interventionsverbot begrenzt sein soll. Gegen ein derartiges Verständnis des Interventionsverbotes spricht zudem, dass Einwirkungen nicht notwendigerweise den Kernbereich betreffen. Soweit aber lediglich ein einzelner Bereich der Festlegungen des wirtschaftlichen Systems betroffen ist, wie bspw. die Unfähigkeit, bestimmte monopolistische Verhaltensweisen mit Auswirkungen auf die Konsumenten im Staatsgebiet zu unterbinden, ist nicht ersichtlich, weshalb der Kernbereich betroffen sein soll, in dem nur die Grundlagen des wirtschaftlichen Systems festgelegt werden.641 Daher kann das Interventionsverbot nicht so weit reichen, dass jedwede Überschneidung der souveränen Freiräume der Staaten vermieden wird.642 Vielmehr ist das Interventionsverbot entsprechend seinem Gehalt als Schutz eines Kernbereiches 640 Bryde, Die Intervention mit wirtschaftlichen Mitteln, in: von Münch (Hrsg.), Staatsrecht – Völkerrecht – Europarecht, 1981, S. 227 ff., 234; Ziegenhain, Extraterritoriale Rechtsanwendung und die Bedeutung des Genuine-Link-Erfordernisses, 1991, S. 41 ff.; Bockslaff, Das völkerrechtliche Interventionsverbot als Schranke außenpolitisch motivierter Handelsbeschränkungen, 1987, S. 82 ff.; Nerep, Extraterritorial control of competition under international law, 1983, S. 552; Bär, Kartellrecht und Internationales Privatrecht, 1965, S. 332 ff.; Wengler, Völkerrecht, 1964, S. 1039 Auch Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 121 verweist als Vertreter einer Anwendung des Interventionsverbotes darauf, dass hierdurch keine vollständige Abgrenzung der staatlichen Zuständigkeiten erzielt werden kann. Ebenso im Ergebnis aus Überlegungen der „economic sovereignty“ Simon/Waller, A Theory of Economic Sovereignty, Stanford Journal of International Law, 1986, S. 337 ff., 349. Siehe weitergehend auch bereits die Ausführungen in Teil 1 A. III. 2. a). 641 Henkin, „Nationality“ at the Turn of the Century, in: Beyerlin u. a. (Hrsg.), Recht zwischen Umbruch und Bewahrung, 1995, S. 89 ff., 98; Kaffanke, Nationales Wirtschaftsrecht und internationale Wirtschaftsordnung, 1990, S. 317 ff.; Wengler, Völkerrecht, 1964, S. 1042 ff.; Epiney, Nachbarrechtliche Pflichten im internationalen Wasserrecht und Implikationen von Drittstaaten, AVR, 2001, S. 1 ff., 36; Simon/Waller, A Theory of Economic Sovereignty, Stanford Journal of International Law, 1986, S. 337 ff., 349. Vgl. auch IGH, Urteil v. 27. 6. 1986, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. United States of America), Merits, ICJ Reports, 1986, S. 14 ff., 124, wonach der Eingriff derart stark sein muss, dass die Staatlichkeit in Frage gestellt ist. Anderer Ansicht wohl Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 118 f., der scheinbar in jedem Falle einen unzulässigen Eingriff in die „inneren Angelegenheiten“ annehmen will. 642 Bryde, Die Intervention mit wirtschaftlichen Mitteln, in: von Münch (Hrsg.), Staatsrecht – Völkerrecht – Europarecht, 1981, S. 227 ff., 233 ff.; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 121; Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 67 ff.; Ziegenhain, Extraterritoriale Rechtsanwendung und die Bedeutung des Genuine-Link-Erfordernisses, 1991, S. 41 ff.; Bockslaff, Das völkerrechtliche Interventionsverbot als Schranke außenpolitisch motivierter Handelsbeschränkungen, 1987, S. 82 ff.; Nerep, Extraterritorial control of competition under international law, 1983, S. 552; Wengler, Völkerrecht, 1964, S. 1039.
A. Das Kriterium der hinreichend engen Verknüpfung
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auf Einwirkungen zu begrenzen, durch die eine Regelungsmaterie umfassend und vollständig dem Staat derart entzogen wird, dass diesem nicht mehr die Fähigkeit zukommt, unbeeinflusst und damit in souveräner Entscheidung die Grundlagen seiner Staatlichkeit festzulegen. Zu diesem Ergebnis kommt auch Sir Ian Sinclair: „In considering the scope of ‘intervention’, it should be recognized that in an interdependent world, it is inevitable and desirable that States will be concerned with and will seek to influence the actions and policies of other States, and that the objective of international law is not to prevent such activity but rather to ensure that it is compatible with the sovereign equality of States and self-determination of their peoples.“643
Allenfalls dann, wenn eine Regelungsmaterie ausnahmsweise dem Staat vollumfänglich durch die Einwirkung entzogen wird und damit der Kernbereich berührt ist, kommt daher ein Verstoß gegen das Interventionsverbot in Betracht. Doch dies wird nur in seltenen Ausnahmefällen einer extraterritorialen Rechtsetzung entgegenstehen. Weitergehend müsste der Eingriff in den Kernbereich hinreichend direkt erfolgen, damit die Auswirkungen der extraterritorialen Rechtsetzung mit Einwirkungen in Form des direkten Zwanges dieses Staates vergleichbar sind, wie es durch die Rechtsprechung des IGH gefordert ist.644 Demgemäß geht die extraterritoriale Ausübung der Staatsgewalt im Allgemeinen nicht mit einem Verstoß gegen das Interventionsverbot einher, weshalb aus diesem kein allgemein geltendes Erfordernis einer hinreichend engen Verknüpfung abgeleitet werden kann.645 b) Zur Intervention durch eine extraterritoriale Besteuerung Dies gilt auch für die Frage, ob durch eine extraterritoriale Besteuerung eine Intervention erfolgen kann. Zwar wird man die Grundlegung des Steuerrechts zum Kernbereich der Staatsgewalt zählen können. Wie im Falle des Wirtschaftsrechts 643 10 April 1970, UN Doc. A/AC. 125/SR. 114, p. 73. Ebenso Bär, Kartellrecht und Internationales Privatrecht, 1965, S. 342 f. sowie Heber/Sternberg, The Extraterritorial Reach of the German Progression Clause in Income Tax Law in the light of International Law, Intertax, 2017, S. 254 ff., 259 f. 644 Siehe aus den Nachweisen in Fußnote 636 insbesondere IGH, Urteil v. 27. 6. 1986, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. United States of America), Merits, ICJ Reports, 1986, S. 14 ff., 108; IGH, Urteil v. 19. 12. 2005, Armed Activities on the Territory of the Congo (Democratic Republic of the Congo v. Uganda), ICJ Reports, 2005, S. 168 ff., 227. 645 Ebenso ablehnend Henkin, „Nationality“ at the Turn of the Century, in: Beyerlin u. a. (Hrsg.), Recht zwischen Umbruch und Bewahrung, 1995, S. 89 ff., 98; Kaffanke, Nationales Wirtschaftsrecht und internationale Wirtschaftsordnung, 1990, S. 287 ff.; Dicke, Die Intervention mit wirtschaftlichen Mitteln im Völkerrecht, 1978, S. 235; Bär, Kartellrecht und Internationales Privatrecht, 1965, S. 332 ff.; Wengler, Völkerrecht, 1964, S. 1039 ff. Vgl. auch einschränkend Ziegenhain, Extraterritoriale Rechtsanwendung und die Bedeutung des Genuine-Link-Erfordernisses, 1991, S. 41 ff.; Jamnejad/Wood, The Principle of Non-intervention, LJL, 2009, S. 345 ff., 372 f.
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Teil 3: Völkerrechtliche Grenzen der extraterritorialen Rechtsetzung
kann aber nicht angenommen werden, dass jede Einwirkung einer extraterritorialen Besteuerung diesen Kernbereich betrifft. Überdies wäre auch für den Bereich steuerlicher Einwirkungen zweifelhaft, dass diese in jedem Falle eine derart intensive Einwirkung hervorbringen, wie sie für die Annahme einer Intervention vorauszusetzen sind. Daher könnte allenfalls die Entscheidung für den Steuerstaat an sich dem Schutz des Interventionsverbotes unterliegen. Hierfür spricht insbesondere die besondere Nähe zur Festlegung des Wirtschaftssystems an sich, wenn der Steuerstaat als gerade aus dem Wirtschaftssystem gerechtfertigte indirekte Teilhabe am wirtschaftlichen Erfolg der Wirtschaftsteilnehmer angesehen wird, in welchem Fall der wirtschaftliche Erfolg erst durch die staatliche Bereitstellung grundlegender wirtschaftlicher Entfaltungsmöglichkeiten ermöglicht werde. Ob diesem Befund aus völkerrechtlicher Sicht zuzustimmen ist, kann offenbleiben, da auch in diesem Fall die weitergehenden Zweifel, die gegen die Ableitung eines Kriteriums der hinreichend engen Verknüpfung aus dem Interventionsverbot sprechen, bestehen bleiben.646 4. Das Rechtsmissbrauchsverbot Nach anderer Ansicht folge eine Begrenzung extraterritorialer Regelungs- und Rechtsfolgenbereiche einer Norm durch das Kriterium der hinreichend engen Verknüpfung aus dem Rechtsmissbrauchsverbot. So erfolge die Rechtsetzung willkürlich und damit rechtsmissbräuchlich, wenn eine hinreichend enge Verknüpfung des Sachverhaltes zum eigenen Staatsgebiet fehle.647 Der Missbrauch einer Rechtsposition stellt eine Form des treuwidrigen Verhaltens in der Völkerrechtsgemeinschaft dar.648 Das Rechtsmissbrauchsverbot649 verlangt, 646
Dicke, Die Intervention mit wirtschaftlichen Mitteln im Völkerrecht, 1978, S. 235. Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 63 ff.; Rehbinder, Extraterritoriale Wirkungen des deutschen Kartellrechts, 1965, S. 55 ff.; Akehurst, Jurisdiction in International Law, Brit. Y.B. Int., 1975, S. 145 ff., 179 ff.; Vogel, Theorie und Praxis im Internationalen Steuerrecht, DStR, 1968, S. 427 ff., 430. 648 Strittig, siehe hierzu Kokott, Mißbrauch und Verwirkung von Souveränitätsrechten bei gravierenden Völkerrechtsverstößen, in: Beyerlin u. a. (Hrsg.), Recht zwischen Umbruch und Bewahrung, 1995, S. 135 ff., 140; Kiss, Abuse of Rights, in: Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band III/ III, 2. Aufl., 2002, S. 848 ff.; Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 588, 589 ff.; O’Connor, Good faith in international law, 1991, S. 37 f.; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., 1984, S. 281; Nerep, Extraterritorial control of competition under international law, 1983, S. 527 ff.; Rehbinder, Extraterritoriale Wirkungen des deutschen Kartellrechts, 1965, S. 55 f., 61 f.; Kolb, Principles as Sources of International Law, NLR, 2006, S. 1 ff., 19, 24. 649 Zum Rechtsmissbrauchsverbot siehe Kiss, Abuse of Rights, in: Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law; Herdegen, Völkerrecht, 17. Aufl., 2018, S. 161; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band III/III, 2. Aufl., 2002, S. 849 ff.; Meng, 647
A. Das Kriterium der hinreichend engen Verknüpfung
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dass rechtliche Befugnisse nicht missbräuchlich eingesetzt werden. Ein Missbrauch liegt immer dann vor, wenn eine zweckwidrige Wahrnehmung der Befugnis erfolgt, die Wahrnehmung also die bloße formale Nutzung einer Rechtsposition beinhaltet, ohne dass mit der Wahrnehmung die Zwecke verfolgt werden, um derentwegen die Rechtsposition eingeräumt wurde.650 Das Rechtsmissbrauchsverbot greift daher immer dann ein, wenn eine Befugnis überschießend eingeräumt wurde, also Handlungsweisen umfasst sind, die nach dem Zweck der Befugnis von dieser nicht umfasst sein sollten. Mit Blick auf diese Struktur des Rechtsmissbrauchsverbotes erscheint es zunächst als geeigneter Ausgangspunkt einer Begrenzung, indem dem Staat auf tatsächlicher Ebene nur dann eine Befugnis zur Ausübung der Rechtsetzungsgewalt verbleiben würde, wenn das Staatsgebiet tangiert ist, und andernfalls eine missbräuchliche, weil zweckwidrige, Ausübung der staatlichen Befugnisse vorliegen würde. Die Vertreter des weiten Territorialitätsprinzips können das Kriterium der hinreichend engen Verknüpfung schlüssig auf das Rechtsmissbrauchsverbot stützen, da der Rechtsetzungsgewalt insbesondere in Form der Gebietshoheit ein Zweckelement innewohnt. Dieses besteht darin, eine tatsächliche Ordnung im Staatsgebiet zu errichten.651 Dient aber die Wahrnehmung der Rechtsetzungsgewalt nicht dem Interesse, eine tatsächliche Ordnung im Staatsgebiet zu errichten, weil eine Verknüpfung zur tatsächlichen Ordnung im Inland fehlt, so muss nach dem Rechtsmissbrauchsverbot eine Wahrnehmung der Rechtsetzungsgewalt unterbleiben. Insoweit würde die Rechtsetzungsgewalt als formale Rechtsposition beansprucht, ohne dass die Wahrnehmung entsprechend der inhaltlichen Konzeption erfolgt. Im Rahmen des Teil 2 B. wurde umfassend dargelegt, dass einer derartigen Konzeption der Rechtsetzungsgewalt nicht zu folgen ist. Vielmehr erschöpft sich die Wahrnehmung der Rechtsetzungsgewalt darin, dass einem Sollens-Satz normative Verbindlichkeit beigelegt wird. Diese normative Verbindlichkeit eines SollensSatzes als Rechtssatz kann entweder territorial oder personal bestehen; es wird dann Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 589 ff.; O’Connor, Good faith in international law, 1991, S. 38; Veelken, Interessenabwägung im Wirtschaftskollisionsrecht, 1988, S. 147 ff.; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., 1984, S. 281; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., 1984, S. 281 f.; Bleckmann, Grundprobleme und Methoden des Völkerrechts, 1982, S. 251 ff.; Taylor, The Content of the rule against Abuse of Rights in International Law, Brit. Y.B. Int., 1972/73, S. 323 ff. 650 Kokott, Mißbrauch und Verwirkung von Souveränitätsrechten bei gravierenden Völkerrechtsverstößen, in: Beyerlin u. a. (Hrsg.), Recht zwischen Umbruch und Bewahrung, 1995, S. 135 ff., 140; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., 1984, S. 281; vgl. auch Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 593. 651 Geht man hingegen davon aus, dass der Gebietshoheit eine derartige Zweckrichtung nicht innewohnt, sich aber darin konkretisiert, dass eine Ausübung der Staatsgewalt über alle sich im Inland aufhaltenden Personen sowie dort belegenen Sachen gestattet ist, scheidet ein Rückgriff auf das Rechtsmissbrauchsverbot aus. Insoweit wäre eine Rechtsnorm, die über diese Merkmale hinausgeht, bereits nicht von der Rechtsetzungsgewalt umfasst, sodass es eines Rückgriffes auf das Rechtsmissbrauchsverbot nicht Bedarf.
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Teil 3: Völkerrechtliche Grenzen der extraterritorialen Rechtsetzung
entweder die Gebiets- oder die Personalhoheit wahrgenommen. Die Gebietshoheit ist demnach nicht darauf gerichtet, eine tatsächliche Ordnung zu errichten, sondern Gegenstand der Gebietshoheit ist die Etablierung einer im Staatsgebiet geltenden Rechtsordnung. Dann weist die Rechtsetzungsgewalt allerdings keine Zweckrichtung in Bezug auf den Regelungs- und Rechtsfolgenbereich des gesetzten SollensSatzes auf, da die Rechtsgeltung und der Inhalt des Rechtssatzes nicht notwendig verbunden sind. Insoweit steht es dem Staat gerade frei, in Wahrnehmung der Rechtsetzungsgewalt als Teil der souveränen Staatsgewalt einer Rechtsnorm jeden beliebigen Regelungs- und Rechtsfolgenbereich beizumessen. Ein Rechtsmissbrauch durch den Erlass einer Rechtsnorm, die einen extraterritorialen Regelungsund Rechtsfolgenbereich aufweist, kann dann aber auch nicht angenommen werden. Mangels Konturierung des Inhaltes eines Rechtssatzes in der Befugnis selbst fehlt es an einem Ansatzpunkt, um eine zweckwidrige, missbräuchliche Wahrnehmung der Rechtsetzungsgewalt hierin zu erblicken.652 Teilweise wird ein Verstoß gegen das Rechtsmissbrauchsverbot auch angenommen, wenn ein staatliches Verhalten in die Rechte anderer Staaten eingreift.653 Dieser Fall sollte aber vom Rechtsmissbrauchsverbot ausgenommen und unter dem Aspekt der Treuwidrigkeit diskutiert werden, da das fragliche Recht nicht entgegen einer positiven Zwecksetzung beansprucht wird, sondern nur bei dessen Wahrnehmung andere, vom wahrgenommenen Recht verschiedene Rechte verletzt werden. Zwar lässt sich eine Äquivalenz zwischen einer positiven und negativen Zweckbestimmung im Ergebnis herstellen, allerdings besteht die Funktion des Rechtsmissbrauchsverbotes gerade darin, eine Diskrepanz zwischen dem rechtlichen Können nach der Befugnis und dem Zweck der Befugnis zu beheben und dient vor diesem Hintergrund der Begrenzung der Befugnis mit Blick auf die dieser zugrunde liegenden Zwecke, nicht aber mit Blick auf andere, der Befugnis fremde Zwecke.654 Dass das Rechtsmissbrauchsverbot keinen geeigneten Ausgangspunkt für eine Ableitung des Kriteriums der hinreichend engen Verknüpfung, insbesondere in der in der Nottebohm-Entscheidung benannten Form, darstellt, ergibt sich auch aus der Nottebohm-Entscheidung selbst. Makarov weist darauf hin, dass im Rahmen der mündlichen Verhandlung das Rechtsmissbrauchsverbot von den Verfahrensbetei652 So wohl auch Wassermeyer, Die beschränkte Steuerpflicht, in: Vogel (Hrsg.), Grundfragen des internationalen Steuerrechts, DStJG Band 8, 1985, S. 49 ff., 53. 653 StIGH, Advisory Opinion v. 7. 6. 1932, Free Zones of Upper Savoy and District of Gex, PCIJ Series A/B, 1932, S. 96 ff., 167; Kiss, Abuse of Rights, in: Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band III/ III, 2. Aufl., 2002, S. 849; Veelken, Interessenabwägung im Wirtschaftskollisionsrecht, 1988, S. 149 f.; Nerep, Extraterritorial control of competition under international law, 1983, S. 527 f.; Rehbinder, Extraterritoriale Wirkungen des deutschen Kartellrechts, 1965, S. 56. 654 Kokott, Mißbrauch und Verwirkung von Souveränitätsrechten bei gravierenden Völkerrechtsverstößen, in: Beyerlin u. a. (Hrsg.), Recht zwischen Umbruch und Bewahrung, 1995, S. 135 ff., 140; Taylor, The Content of the rule against Abuse of Rights in International Law, Brit. Y.B. Int., 1972/73, S. 323 ff., 331, zumindest sofern die Staaten festlegen, aus welchen Gründen sie tätig werden.
A. Das Kriterium der hinreichend engen Verknüpfung
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ligten vorgetragen wurde und eine Schranke für die Verleihung der liechtensteinischen Staatsangehörigkeit bilden sollte. Allerdings haben diese Überlegungen nicht Eingang in die Urteilsbegründung gefunden und das Kriterium der hinreichend engen Verknüpfung wurde gerade nicht aus dem Rechtsmissbrauchsverbot abgeleitet.655 Weitergehend weist Makarov in Übereinstimmung mit den bisherigen Ausführungen darauf hin, dass das Rechtsmissbrauchsverbot kaum als Grenze für die Regelung des Staatsangehörigkeitsrechts entfaltet werden kann. Es setze im Staatsangehörigkeitsrecht lediglich äußerste Schranken, die dann aber, in Übereinstimmung mit den hiesigen Ausführungen, „aus der rechtlichen Struktur der Staatengemeinschaft und dem Nebeneinander vieler Personalhoheiten“656 folgten. Insoweit wird der Verleihung der Staatsangehörigkeit wegen der damit verbundenen Zuordnung einer Person zum Staatsvolk ausnahmsweise eine positive Zweckrichtung beigemessen. Abseits dieser Grenzen sei das Rechtsmissbrauchsverbot hingegen für eine Grenzziehung nicht geeignet und es habe auch nicht in Frage gestanden, dass das liechtensteinische Recht diesen Voraussetzungen genüge. Fraglich sei alleinig die Rechtsanwendung, wobei die fehlerfreie Anwendung nationalen Rechts nicht der Überprüfung unterliege.657 5. Die Bedeutung der Rechtssache Nottebohm Vor dem Hintergrund, dass eine Anknüpfung an das Interventions- und Rechtsmissbrauchsverbot ausscheidet, wird teilweise der Nottebohm-Entscheidung658 des IGH das Kriterium der hinreichend engen Verknüpfung als eigenständige Norm des Völkerrechts entnommen.659 Gegenstand des Verfahrens660 war die Gewährung diplomatischen Schutzes durch das Fürstentum Liechtenstein in Bezug auf Herrn Nottebohm gegenüber der Republik Guatemala. Herr Nottebohm wurde 1881 in Hamburg geboren und war 655 Loewenfeld, Der Fall Nottebohm, AVR, 1956, S. 387 ff., 406; Makarov, Das Urteil des Internationalen Gerichtshofes im Fall Nottebohm, ZaöRV, 1955, S. 407 ff., 420 ff. 656 Makarov, Das Urteil des Internationalen Gerichtshofes im Fall Nottebohm, ZaöRV, 1955, S. 407 ff., 422. 657 Makarov, Das Urteil des Internationalen Gerichtshofes im Fall Nottebohm, ZaöRV, 1955, S. 407 ff., 420 ff.; vgl. auch Loewenfeld, Der Fall Nottebohm, AVR, 1956, S. 387 ff., 395 ff. 658 IGH, Urteil v. 6. 4. 1955, Nottebohm Case (second phase), ICJ Reports, 1955, S. 4 ff. 659 Brownlie, Principles of public international law, 7. Aufl., 2008, S. 297 ff., insbesondere Fußnote 2; Beil, Der Belastungsgrund des steuerstaatlichen Synallagmas, 2001, S. 39 f., der das Kriterium zwar nicht dem Urteil entnehmen will, in diesem aber eine Bestätigung der Existenz sieht; Epping, Grundgesetz und Kriegswaffenkontrolle, 1993, S. 146 ff. 660 Siehe auch Dörr, Nottebohm Case, in: Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law; Loewenfeld, Der Fall Nottebohm, AVR, 1956, S. 387 ff.; Makarov, Das Urteil des Internationalen Gerichtshofes im Fall Nottebohm, ZaöRV, 1955, S. 407 ff.
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Teil 3: Völkerrechtliche Grenzen der extraterritorialen Rechtsetzung
deutscher Staatsangehörigkeit. Im Jahre 1905 wurde er dauerhaft in Guatemala ansässig; Guatemala wurde auch Kernpunkt seiner wirtschaftlichen Tätigkeit. Deutschland suchte er nunmehr nur aus geschäftlichen Gründen auf. Seine Familie war teilweise in Deutschland, in Liechtenstein und in Guatemala ansässig. Im März 1939 begab sich Herr Nottebohm länger außer Landes. Während dieser Zeit begann der zweite Weltkrieg mit dem Überfall Deutschlands auf Polen, woraufhin Herr Nottebohm die Staatsangehörigkeit des Fürstentums Liechtenstein beantragte, die ihm unter Verzicht auf Ansässigkeitskriterien gewährt wurde.661 Im Jahre 1940 reiste er wieder nach Guatemala ein, wurde dort aber 1943 verhaftet und an das US Militär übergeben.662 Die Wiedereinreise nach Guatemala wurde ihm 1945 verwehrt,663 da Guatemala die liechtensteinische Nationalität Nottebohms nicht anerkannte.664 Der IGH hatte zu entscheiden, ob die Verleihung der Staatsangehörigkeit durch Liechtenstein von Guatemala für Fragen der Gewährung diplomatischen Schutzes anzuerkennen war. Der IGH urteilte, dass Guatemala die Verleihung der Staatsangehörigkeit durch Liechtenstein für Fragen des diplomatischen Schutzes nicht anzuerkennen habe, da es an einer engen tatsächlichen Verbindung zwischen Herrn Nottebohm und dem Fürstentum Liechtenstein fehlte.665 Hierbei stützte sich der IGH weder auf das Interventions- noch das Rechtsmissbrauchsverbot, weshalb davon ausgegangen wird, dass der IGH die Voraussetzung der hinreichend engen tatsächlichen Verknüpfung in dieser Entscheidung als völkerrechtliche Rechtsnorm anerkannt habe. Umstritten ist, ob es sich um eine Voraussetzung des Völkergewohnheitsrechts oder um einen allgemeinen Rechtsgrundsatz handeln soll.666 Die Annahme, der IGH habe in der Nottebohm-Entscheidung die Voraussetzung der hinreichend engen Verknüpfung als eine eigenständige, die Rechtsetzungsgewalt einschränkende Norm des Völkerrechts entwickelt, vermag bei genauerer Prüfung nicht zu überzeugen. Hiergegen spricht zunächst der Verfahrensgegenstand, den der IGH umfassend vorweg abgrenzte. Er führte hierbei wörtlich aus: „Thus, the real issue before the Court is the admissibility of the claim of Liechtenstein in respect of Nottebohm. Liechtenstein’s first submission referred to above is a reason advanced for a decision by the Court in favor of Liechtenstein, while the several grounds given by Guatemala on the question of nationality are intended as reasons for the inadmissibility of Liechtenstein’s claim. The present task of the Court is limited to adjudicating upon the admissibility of the claim of Liechtenstein in respect of Nottebohm on the basis of such reasons as it may itself consider relevant and proper.
661
IGH, Urteil v. 6. 4. 1955, Nottebohm Case (second phase), ICJ Reports, 1955, S. 4 ff., 13. IGH, Urteil v. 6. 4. 1955, Nottebohm Case (second phase), ICJ Reports, 1955, S. 4 ff., 18. 663 IGH, Urteil v. 6. 4. 1955, Nottebohm Case (second phase), ICJ Reports, 1955, S. 4 ff., 45. 664 IGH, Urteil v. 6. 4. 1955, Nottebohm Case (second phase), ICJ Reports, 1955, S. 4 ff., 16. 665 Makarov, Das Urteil des Internationalen Gerichtshofes im Fall Nottebohm, ZaöRV, 1955, S. 407 ff., 411 ff. 666 Vgl. Epping, Grundgesetz und Kriegswaffenkontrolle, 1993, S. 146 f. 662
A. Das Kriterium der hinreichend engen Verknüpfung
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In order to decide upon the admissibility of the Application, the Court must ascertain whether the nationality conferred on Nottebohm by Liechtenstein by means of a naturalization which took place in the circumstances which have been described, can be validly invoked as against Guatemala, whether it bestows upon Liechtenstein a sufficient title to the exercise of protection in respect of Nottebohm as against Guatemala and therefore entitles it to seize the Court of a claim relating to him. In this connection, Counsel for Liechtenstein said: ,the essential question is whether Mr. Nottebohm, having acquired the nationality of Liechtenstein, that acquisition of nationality is one which must be recognized by other States‘. This formulation is accurate, subject to the twofold reservation that, in the first place, what is involved is not recognition for all purposes but merely for the purposes of the admissibility of the Application, and, secondly, that what is involved is not recognition by all States but only by Guatemala. The Court does not propose to go beyond the limited scope of the question which it has to decide, namely whether the nationality conferred on Nottebohm can be relied upon as against Guatemala in justification of the proceedings instituted before the Court. It must decide this question on the basis of international law; to do so is consistent with the nature of the question and with the nature of the Court’s own function.“667 [Hervorhebungen durch den Autor]
Der IGH führt hier aus, dass er nur über die Zulässigkeit der Gewährung diplomatischen Schutzes zu entscheiden habe. Dies hänge nach Ansicht des IGH alleinig davon ab, ob die Gewährung der Staatsangehörigkeit durch das Fürstentum Liechtenstein von Guatemala anzuerkennen sei, wobei sich das Gericht ausdrücklich einerseits auf die Anerkennung durch Guatemala, nicht aber andere Staaten, fokussiert und andererseits nur untersucht, ob Guatemala die Verleihung der Staatsangehörigkeit für Zwecke der Gewährung diplomatischen Schutzes anzuerkennen habe. Sodann betont der IGH ausdrücklich, dass sich die Ausführungen und die Entscheidung hierauf beschränkten.668 667
IGH, Urteil v. 6. 4. 1955, Nottebohm Case (second phase), ICJ Reports, 1955, S. 4 ff., 16. Siehe auch diesen Aspekt besonders hervorhebend die abweichende Meinung des Richters ad hoc M. Guggenheim IGH, Urteil v. 6. 4. 1955, Nottebohm Case (second phase), ICJ Reports, 1955, S. 4 ff., 54. 668 So auch die Stellungnahme des Richters Fitzmaurice IGH, Urteil v. 5. 2. 1970, Barcelona Traction, Light and Power Company, Limited, ICJ Reports, 1970, S. 3 ff., 81; Italian-United States Conciliation Commission, Entscheidung v. 20. 9. 1958, Flegenheimer Case, ILR 25, S. 91 ff., 148; Dörr, Nottebohm Case, in: Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law; Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, 1998, S. 181; Martha, The jurisdiction to tax in international law, 1989, S. 78; Meessen, Völkerrechtliche Grundsätze des internationalen Kartellrechts, 1975, S. 102; Renton, The Genuine Link Concept and the Nationality of Physical and Legal Persons, Ships and Aircraft, 1975, S. 44; Müller, Deutsche Steuerhoheit über ausländische Tochtergesellschaften, 1970, S. 88; Loewenfeld, Der Fall Nottebohm, AVR, 1956, S. 387 ff., 389; Makarov, Das Urteil des Internationalen Gerichtshofes im Fall Nottebohm, ZaöRV, 1955, S. 407 ff., 410, 412. Anderer Ansicht Stein/von Buttlar/ Kotzur, Völkerrecht, 14. Aufl., 2017, S. 212; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band II/ III, 2. Aufl., 2002, S. 46 ff.; Epping, Grundgesetz und Kriegswaffenkontrolle, 1993, S. 147, Fußnote 203; Brownlie, The Relations of Nationality in Public International Law, Brit. Y.B. Int., 1963, S. 284 ff., 350 ff.
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Teil 3: Völkerrechtliche Grenzen der extraterritorialen Rechtsetzung
Der IGH hat daher ausdrücklich nicht entscheiden wollen, ob die Verleihung der Staatsangehörigkeit in jeder Hinsicht nicht anzuerkennen war, weshalb bspw. nicht ausgeschlossen werden kann, dass der IGH gegenüber anderen Staaten als Guatemala oder in Bezug auf andere völkerrechtliche Streitigkeiten davon ausgehen könnte, dass die Verleihung der Staatsangehörigkeit völkerrechtskonform erfolgte.669 Auf Grund dieser Begrenzung des Streitgegenstandes kann der Entscheidung keine völkerrechtliche Norm entnommen werden, die die Rechtsetzungsgewalt der Staaten begrenzt.670 Zudem ist die Barcelona Traction-Entscheidung des IGH zu berücksichtigen.671 Streitgegenstand dieses Urteiles war ein Streit zwischen dem Königtum Belgien und Spanien in Bezug auf Schadensersatzzahlungen wegen völkerrechtswidriger Ausübung der Staatsgewalt gegenüber der rechtsfähigen kanadischen Barcelona Traction, Light and Power Company Limited sowie ihrer kanadischen und spanischen rechtsfähigen Tochtergesellschaften. Lediglich an der Muttergesellschaft waren belgische Staatsangehörige als Aktionäre beteiligt. Satzungsmäßig bestimmter Sitz sowie Ort der Geschäftsleitung der Barcelona Traction Light and Power Company Limited als Muttergesellschaft war Toronto.672 Fraglich war daher zunächst, ob das Königtum Belgien gegenüber Spanien zur Gewährung diplomatischen Schutzes in Form der Forderung von Schadensersatz berechtigt war, der seine Grundlage in einem vermeintlich völkerrechtswidrigen Verhalten Spaniens nicht unmittelbar gegenüber den belgischen Staatsangehörigen als Gesellschafter, sondern gegenüber der kanadischen Gesellschaft findet.673 Hierbei betonte der IGH, dass abseits der 669 Zu dieser Problematik siehe auch die abweichende Meinung des Richters ad hoc M. Guggenheim IGH, Urteil v. 6. 4. 1955, Nottebohm Case (second phase), ICJ Reports, 1955, S. 4 ff., 60 f.; von Mangoldt, in: DGFIR, Anerkennung der Staatsangehörigkeit und effektive Staatsangehörigkeit natürlicher Personen im Völkerrecht und im internationalen Privatrecht, DGFIR Band 29, 1988, S. 37 ff., 66. Siehe auch Italian-United States Conciliation Commission, Entscheidung v. 20. 9. 1958, Flegenheimer Case, ILR 25, S. 91 ff., 148; Martha, The jurisdiction to tax in international law, 1989, S. 78; Renton, The Genuine Link Concept and the Nationality of Physical and Legal Persons, Ships and Aircraft, 1975, S. 48; Brownlie, The Relations of Nationality in Public International Law, Brit. Y.B. Int., 1963, S. 284 ff., 352. 670 Italian-United States Conciliation Commission, Entscheidung v. 20. 9. 1958, Flegenheimer Case, ILR 25, S. 91 ff., 147 f.; Henkin, „Nationality“ at the Turn of the Century, in: Beyerlin u. a. (Hrsg.), Recht zwischen Umbruch und Bewahrung, 1995, S. 89 ff., 92; Dörr, Nottebohm Case, in: Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law; Martha, The jurisdiction to tax in international law, 1989, S. 78; Meessen, Völkerrechtliche Grundsätze des internationalen Kartellrechts, 1975, S. 102 f.; Müller, Deutsche Steuerhoheit über ausländische Tochtergesellschaften, 1970, S. 88; Makarov, Das Urteil des Internationalen Gerichtshofes im Fall Nottebohm, ZaöRV, 1955, S. 407 ff., 410 f., 412 ff. 671 IGH, Urteil v. 5. 2. 1970, Barcelona Traction, Light and Power Company, Limited, ICJ Reports, 1970, S. 3 ff. 672 IGH, Urteil v. 5. 2. 1970, Barcelona Traction, Light and Power Company, Limited, ICJ Reports, 1970, S. 3 ff., 32. 673 IGH, Urteil v. 5. 2. 1970, Barcelona Traction, Light and Power Company, Limited, ICJ Reports, 1970, S. 3 ff., 32.
A. Das Kriterium der hinreichend engen Verknüpfung
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allen Staaten gegenüber zu beachtenden Normen des Völkerrechts Spanien gerade eine gegenüber dem Königtum Belgien bestehende Pflicht verletzt haben müsste, damit das Königtum Belgien zur Gewährung diplomatischen Schutzes berechtigt wäre.674 Diese Pflicht könnte einerseits gegenüber den Gesellschaftern und nicht nur gegenüber der Gesellschaft bestehen. Andererseits prüft der IGH, ob Kanada aus rechtlichen Gründen gehindert war, diplomatischen Schutz gegenüber Spanien in Bezug auf die Gesellschaft zu beanspruchen, sodass in der Folge ausnahmsweise das Königtum Belgien als Staat der Gesellschafter in Bezug auf die Handlungen Spaniens zur Gewährung diplomatischen Schutzes berechtigt war; ebenso komme in Betracht, für die Frage der Gewährung diplomatischen Schutzes in Anlehnung an andere Verknüpfungen als den Satzungssitz oder den Sitz der Geschäftsführung die in Kanada errichtete Gesellschaft als belgische Gesellschaft zu betrachten.675 Hierbei stellte der IGH ausdrücklich fest: „The traditional rule attributes the right of diplomatic protection of a corporate entity to the State under the laws of which it is incorporated and in whose territory it has its registered office. These two criteria have been confirmed by long practice and by numerous international instruments. This notwithstanding, further or different links are at times said to be required in order that a right of diplomatic protection should exist. Indeed, it has been the practice of some States to give a company incorporated under their law diplomatic protection solely when it has its seat (siège social) or management or centre of control in their territory, or when a majority or a substantial proportion of the shares has been owned by nationals of the State concerned. Only then, it has been held, does there exist between the corporation and the State in question a genuine connection of the kind familiar from other branches of international law. However, in the particular field of the diplomatic protection of corporate entities, no absolute test of the ,genuine connection‘ has found general acceptance. Such tests as have been applied are of a relative nature, and sometimes links with one State have had to be weighed against those with another. In this connection reference has been made to the Nottebohm case. In fact the Parties made frequent reference to it in the course of the proceedings. However, given both the legal and factual aspects of protection in the present case the Court is of the opinion that there can be no analogy with the issues raised and the decision given in that case. In the present case, it is not disputed that the company was incorporated in Canada and has its registered office in that country. The incorporation of the company under the law of Canada was an act of free choice. Not only did the founders of the company seek its incorporation under Canadian law but it has remained under that law for a period of over 50 years. It has maintained in Canada its registered office, its accounts and its share registers. Board meetings were held there for many years; it has been listed in the records of the Canadian tax authorities. Thus a close and permanent connection has been established, fortified by the passage of over half a century. This connection is in no way weakened by the fact that the 674
IGH, Urteil v. 5. 2. 1970, Barcelona Traction, Light and Power Company, Limited, ICJ Reports, 1970, S. 3 ff., 32. 675 IGH, Urteil v. 5. 2. 1970, Barcelona Traction, Light and Power Company, Limited, ICJ Reports, 1970, S. 3 ff., 42. Siehe hierzu auch IGH, Urteil v. 24. 5. 2007, Ahmadou Sadio Diallo (Republic of Guinea v. Democratic Republic of the Congo), ICJ Reports, 2007, S. 582 ff., 605 f., 615 f.
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Teil 3: Völkerrechtliche Grenzen der extraterritorialen Rechtsetzung
company engaged from the very outset in commercial activities outside Canada, for that was its declared object. Barcelona Traction’s links with Canada are thus manifold.“676 [Hervorhebungen durch den Autor]
Der IGH befasste sich daher mit der Frage, inwieweit die Gewährung diplomatischen Schutzes Kanada nicht zustehen könne, da es an einer hinreichend engen Verknüpfung zum kanadischen Gebiet fehle. Insoweit verweist das Gericht auf einengende Kriterien, die in der Praxis mancher Staaten vorzufinden sind und von diesen als Voraussetzung einer Gewährung diplomatischen Schutzes angesehen werden. Allerdings betont der IGH sodann, dass diese weiteren Kriterien nicht völkerrechtliche Voraussetzung der Wahrnehmung diplomatischen Schutzes sind: Denn einerseits habe kein Merkmal im Sinne einer ,genuine‘, also einer einzigartigen, alleinigen, Verknüpfung Anerkennung gefunden. Vielmehr seien diese Kriterien abwägender Natur, die teilweise auf einer notwendigen Abwägung zwischen konkurrierenden Verknüpfungen beruhten. Insoweit erachtet das Gericht auch die Nottebohm-Entscheidung nicht für übertragbar, da die rechtlichen und faktischen Besonderheiten des zu entscheidenden Falles keine Vergleichbarkeit zur NottebohmEntscheidung aufwiesen. Schließlich betont der IGH, sei die Verknüpfung durch die Inkorporation in Kanada gegeben, zumal diese sogar über ein halbes Jahrhundert bereits bestand. Demgemäß hat das Gericht, insbesondere durch die Betonung, dass die einengenden Kriterien keine völkerrechtliche Voraussetzung bildeten und die Nottebohm-Entscheidung trotz häufiger Inbezugnahme durch die Parteien nicht entscheidungsrelevant sei, eine Verallgemeinerung der Voraussetzung der hinreichend engen Verknüpfung für den Bereich der Gewährung diplomatischen Schutzes ausgeschlossen.677 Die Ausführungen des IGH in der Nottebohm-Entscheidung müssen sich daher allein mit Blick auf die Besonderheit des Streitgegenstandes erklären lassen. Die Gewährung diplomatischen Schutzes678 beruht darauf, dass das Verhalten des einen 676 IGH, Urteil v. 5. 2. 1970, Barcelona Traction, Light and Power Company, Limited, ICJ Reports, 1970, S. 3 ff., 42. 677 So auch bereits Heber/Sternberg, The Extraterritorial Reach of the German Progression Clause in Income Tax Law in the light of International Law, Intertax, 2017, S. 254 ff., 258 f.; vgl. auch Monsenego, Taxation of foreign business income within the European internal market, 2012, S. 40 f., 57. Allerdings scheint Beil, Der Belastungsgrund des steuerstaatlichen Synallagmas, 2001, S. 39 f. das Urteil ohne nähere Begründung im Sinne einer Anerkennung einer Verallgemeinerung verstehen zu wollen. Renton, The Genuine Link Concept and the Nationality of Physical and Legal Persons, Ships and Aircraft, 1975, S. 85 ff. hingegen sieht in dem Urteil weder eine eindeutige Bestätigung noch eine eindeutige Ablehung des Kriteriums, sondern eine Nichteinschlägigkeit der Nottebohm-Entscheidung auf Grund der unterschiedlichen Fragen, die zur Entscheidung standen. 678 IGH, Urteil v. 24. 5. 2007, Ahmadou Sadio Diallo (Republic of Guinea v. Democratic Republic of the Congo), ICJ Reports, 2007, S. 582 ff., 599; IGH, Urteil v. 5. 2. 1970, Barcelona Traction, Light and Power Company, Limited, ICJ Reports, 1970, S. 3 ff., 38 ff.; IGH, Urteil v. 6. 4. 1955, Nottebohm Case (second phase), ICJ Reports, 1955, S. 4 ff., 24; IGH, Advisory Opinion v. 11. 4. 1949, Reparation for injuries suffered in the service of the United Nations, ICJ Reports, 1949, S. 174 ff., 181; StIGH, Urteil v. 28. 2. 1939, The Railway Line Panevezys-
A. Das Kriterium der hinreichend engen Verknüpfung
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Staates in die Rechtsposition des anderen Staates eingreift, bspw. weil durch ein völkerrechtswidriges Verhalten einem Staatsangehörigen ein Schaden entstanden ist. Die Gewährung diplomatischen Schutzes erfolgt, weil das Verhalten dem Staatsangehörigen gegenüber als Verletzung der Souveränität des anderen Staates anzusehen ist; die Gewährung diplomatischen Schutzes ist deshalb ausgeschlossen, wenn die betroffene Person Angehörige beider Staaten ist, da die Verletzung der Souveränität des einen Staates mit einer entsprechenden Souveränitätswahrnehmung des anderen Staates einhergeht.679 Etwas anderes gilt aber jedenfalls in Bezug auf Drittstaaten, denen gegenüber nur jener Staat zur Gewährung diplomatischen Schutzes berechtigt ist, zu dem die Person die engeren tatsächlichen Verbindungen aufweist.680 Die im Kriterium der „genuineness“ zum Ausdruck gelangende Abwägung zielt daher gerade darauf ab festzustellen, ob gleichrangige Verknüpfungen bestehen. Für den Bereich der Staatsangehörigkeit heißt dies, es ist zu prüfen, ob die Person eher dem einen, dem anderen oder beiden Staatsvölkern gleichermaßen zugehörig erscheint. Hierbei muss es entsprechend der Natur der Staatsangehörigkeit auf die engen tatsächlichen Verbindungen zum Staat ankommen.681 Saldutiskis, PCIJ Series A/B, 1939, S. 3 ff., 16; StIGH, Urteil v. 30. 8. 1924, Case of the Mavrommatis Palestine Concessions, PCIJ Series A, 1924, S. 3 ff., 12; Kau, Der Staat und der Einzelne als Völkerrechtssubjekte, in: Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 2016, S. 133 ff., 180 ff.; Blumenwitz, Die deutsche Staatsangehörigkeit und die Schutzpflicht der Bundesrepublik Deutschland, in: Ferid u. a. (Hrsg.), Konflikt und Ordnung, 1978, S. 439 ff.; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 132 ff.; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, 2. Aufl., 2012, S. 112 ff.; Renton, The Genuine Link Concept and the Nationality of Physical and Legal Persons, Ships and Aircraft, 1975, S. 28 ff.; Brownlie, The Relations of Nationality in Public International Law, Brit. Y.B. Int., 1963, S. 284 ff., 290. 679 IGH, Urteil v. 5. 2. 1970, Barcelona Traction, Light and Power Company, Limited, ICJ Reports, 1970, S. 3 ff., 38; Kau, Der Staat und der Einzelne als Völkerrechtssubjekte, in: Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 2016, S. 133 ff., 181; Dörr, Nottebohm Case, in: Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 133; Brownlie, The Relations of Nationality in Public International Law, Brit. Y.B. Int., 1963, S. 284 ff., 331; Loewenfeld, Der Fall Nottebohm, AVR, 1956, S. 387 ff., 397; Makarov, Das Urteil des Internationalen Gerichtshofes im Fall Nottebohm, ZaöRV, 1955, S. 407 ff., 414; vgl. auch Renton, The Genuine Link Concept and the Nationality of Physical and Legal Persons, Ships and Aircraft, 1975, S. 31. Siehe auch Art. 4 des Den Haager Abkommens über bestimmte Fragen des Konflikts des Staatsangehörigkeitsrechts vom 12. April 1930. 680 Siehe Art. 5 des Den Haager Abkommens über bestimmte Fragen des Konflikts des Staatsangehörigkeitsrechts vom 12. April 1930. Darüber hinaus ist umstritten, ob eine Abwägung auch zwischen zwei Staaten, deren Staatsangehöriger eine Person ist, möglich ist, um die Schutzberechtigung festzustellen. Zu diesen Fragen siehe Blumenwitz, Die deutsche Staatsangehörigkeit und die Schutzpflicht der Bundesrepublik Deutschland, in: Ferid u. a. (Hrsg.), Konflikt und Ordnung, 1978, S. 439 ff., 442; Renton, The Genuine Link Concept and the Nationality of Physical and Legal Persons, Ships and Aircraft, 1975, S. 31 ff.; Forcese, The Capacity to Protect, European Journal of International Law, 2006, S. 369 ff., 384 ff.; Brownlie, The Relations of Nationality in Public International Law, Brit. Y.B. Int., 1963, S. 284 ff. 681 Italian-United States Conciliation Commission, Entscheidung v. 20. 9. 1958, Flegenheimer Case, ILR 25, S. 91 ff., 148 f.; Renton, The Genuine Link Concept and the Nationality of
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Teil 3: Völkerrechtliche Grenzen der extraterritorialen Rechtsetzung
Im vom IGH in der Rechtssache Nottebohm entschiedenen Fall war Herr Nottebohm zwar nicht Angehöriger zweier Staaten, sodass die Notwendigkeit einer Abwägung zunächst nicht zu bestehen scheint. Allerdings wies er zu jenem Staat, dessen Staatsangehöriger er nicht war, deutlich engere Verknüpfungen auf: Während aus Sicht des IGH in Bezug auf die Staatsangehörigkeit Liechtensteins nicht festzustellen war, dass sie auf einer tatsächlichen Beziehung und damit einer Zugehörigkeit zum Staatsvolk beruhte,682 war letzteres gerade in Bezug auf Guatemala der Fall. Die Nottebohm-Entscheidung erklärt sich daher auf Grund der Besonderheiten des Streitgegenstandes, auf Grund derer die Gewährung diplomatischen Schutzes durch Liechtenstein gegenüber Guatemala nicht die sozialen Fakten widergespiegelt hätte,683 wie sie der Konzeption der Gewährung diplomatischen Schutzes in Bezug auf Staatsangehörige zugrunde liegen: „According to the practice of States, to arbitral and judicial decisions and to the opinions of writers, nationality is a legal bond having as its basis a social fact of attachment, a genuine connection of existence, interests and sentiments, together with the existence of reciprocal rights and duties. It may be said to constitute the juridical expression of the fact that the individual upon whom it is conferred, either directly by the law or as the result of an act of the authorities, is in fact more closely connected with the population of the State conferring nationality than with that of any other State. Conferred by a State, it only entitles that State to exercise protection vis-a-vis another State, if it constitutes a translation into juridical terms of the individual’s connection with the State which has made him its national.[…] These facts clearly establish, on the one hand, the absence of any bond of attachment between Nottebohm and Liechtenstein and on the other hand, the existence of a longstanding and close connection between him and Guatemala, a link which his naturalization in no way weakened. That naturalization was not based on any real prior connection with Liechtenstein, nor did it in any way alter the manner of life of the person upon whom it was conferred in exceptional circumstances of speed and accommodation. In both respects, it was lacking in the genuineness requisite to an act of such importance, if it is to be entitled to be respected by a State in the position of Guatemala. It was granted without regard to the concept of nationality adopted in international relations.“684 [Hervorhebungen durch den Autor]
Die Nottebohm-Entscheidung stellt sich daher in jeder Hinsicht als untauglicher Ansatzpunkt einer Begründung der allgemeinen Geltung eines Gebots der hinreichend engen Verknüpfung dar. Denn die Entwicklung eines derartigen Kriteriums Physical and Legal Persons, Ships and Aircraft, 1975, S. 31 ff.; Brownlie, The Relations of Nationality in Public International Law, Brit. Y.B. Int., 1963, S. 284 ff., 331; Makarov, Das Urteil des Internationalen Gerichtshofes im Fall Nottebohm, ZaöRV, 1955, S. 407 ff., 415 f. 682 IGH, Urteil v. 6. 4. 1955, Nottebohm Case (second phase), ICJ Reports, 1955, S. 4 ff., 26. Vgl. auch Renton, The Genuine Link Concept and the Nationality of Physical and Legal Persons, Ships and Aircraft, 1975, S. 47 ff.; Brownlie, The Relations of Nationality in Public International Law, Brit. Y.B. Int., 1963, S. 284 ff., 349 ff.; Loewenfeld, Der Fall Nottebohm, AVR, 1956, S. 387 ff., 391. 683 So auch bereits Heber/Sternberg, The Extraterritorial Reach of the German Progression Clause in Income Tax Law in the light of International Law, Intertax, 2017, S. 254 ff., 259. 684 IGH, Urteil v. 6. 4. 1955, Nottebohm Case (second phase), ICJ Reports, 1955, S. 4 ff., 23.
A. Das Kriterium der hinreichend engen Verknüpfung
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beruht ausschließlich auf den Besonderheiten des Streitgegenstandes. Zudem hat es im Verfahren auch nicht dazu gedient, die Staatsgewalt in Bezug auf die Verleihung der Staatsangehörigkeit zu begrenzen, vielmehr spiegelt die Anwendung des Kriteriums ausschließlich die besonderen tatsächlichen Umstände des Einzelfalles sowie die Tatsache wider, dass rechtlicher Ausgangspunkt der Entscheidung die Besonderheiten der Staatsangehörigkeit sind. Der IGH lehnte auch in der Barcelona Traction-Entscheidung zur Frage der Gewährung diplomatischen Schutzes, die nicht ein derartiges Verhältnis betraf, eine Anwendung des Kriteriums der NottebohmEntscheidung ab. Demgemäß kann der Nottebohm-Entscheidung auch kein Gebot der Abwägung verschiedener Verknüpfungen entnommen werden, zumal bei der Rechtsetzung nicht wie bei der Gewährung diplomatischen Schutzes zwischen zwei Staaten, die gleichermaßen zur Gewährung diplomatischen Schutzes berechtigt sind, eine Exklusivität und damit die Entscheidung zu Gunsten einer Verknüpfung geboten ist.685 6. Völkergewohnheitsrecht Die Begründung der Geltung des Kriteriums der hinreichend engen Verknüpfung kann sich daher nur als eine eigenständige Norm des Völkerrechts darstellen. Es ist daher zu prüfen, ob im Wege der Rechtserzeugungsverfahren das Kriterium als eine eigenständige Norm des Völkerrechts entstanden ist, wobei vorliegend nur die Begründung von Völkergewohnheitsrecht in Betracht kommt. Als Völkergewohnheitsrecht ist das Kriterium dabei dann anzusehen, wenn eine tatsächliche Übung im Einklang mit dem Kriterium besteht und diese von der erforderlichen Rechtsüberzeugung getragen ist.686 Um als Völkergewohnheitsrecht zu gelten, müsste das Kriterium einen Rechtssatz darstellen, der in tatsächlicher Übung befolgt wird. Die tatsächliche Übung könnte sich einerseits über alle Regelungsbereiche hinweg oder spezifisch für das Steuerrecht zeigen. Allerdings führt nicht jede tatsächliche Übung dazu, dass Völkergewohnheitsrecht entsteht. Vorausgesetzt ist vielmehr das Bestehen einer Rechtsüberzeugung, dass ein anderes Verhalten völkerrechtswidrig gewesen wäre.687 685 Diese Exklusivität gleichermaßen berechtigter Staaten untereinander bewegte den IGH in IGH, Urteil v. 5. 2. 1970, Barcelona Traction, Light and Power Company, Limited, ICJ Reports, 1970, S. 3 ff. auch dazu, keine Gewährung diplomatischen Schutzes durch den Staat der Ansässigkeit der Gesellschafter in Bezug auf Verletzungshandlungen gegen die Gesellschaft zuzulassen, siehe IGH, Urteil v. 5. 2. 1970, Barcelona Traction, Light and Power Company, Limited, ICJ Reports, 1970, S. 3 ff., 48. Siehe auch Renton, The Genuine Link Concept and the Nationality of Physical and Legal Persons, Ships and Aircraft, 1975, S. 39 f.; Brownlie, The Relations of Nationality in Public International Law, Brit. Y.B. Int., 1963, S. 284 ff., 330 ff. 686 Siehe bereits die Nachweise in Fußnote 558. 687 StIGH, Urteil v. 7. 9. 1927, The Case of the S.S. „Lotus“, PCIJ Series A, 1927, S. 3 ff., 28; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 537; Shaw, International law, 8. Aufl., 2017, S. 62 f.; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/III, 2. Aufl., 1989, S. 58; 60.
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Teil 3: Völkerrechtliche Grenzen der extraterritorialen Rechtsetzung
a) Das Erfordernis der tatsächlichen Übung (aa) Die Notwendigkeit einer Rechtsförmigkeit Voraussetzung der Annahme einer tatsächlichen Übung ist, dass ein verhältnismäßig gleichförmiges Verhalten seitens der Staaten besteht. Da durch das Kriterium der hinreichend engen Verknüpfung die an sich weite Rechtsetzungsgewalt beschränkt werden soll, müsste eine Verbotsnorm entstanden sein. Die festzustellende tatsächliche Übung als Grundlage der Herausbildung einer derartigen Verbotsnorm ist darin zu sehen, dass die Staaten andere Verhaltensweisen unterlassen oder derartige als völkerrechtswidrig zurückgewiesen haben. Aus diesem Verhalten in Form des Unterlassens oder der Zurückweisung bestimmter Handlungen muss die Verbotsnorm induktiv gewonnen werden. Es müssen daher diejenigen Kriterien ersichtlich werden, auf deren Grundlage die Verbotsfolge eintritt. Demgemäß muss die tatsächliche Übung eine gewisse Rechtsförmigkeit aufweisen.688 Es wäre daher vorliegend zunächst nachzuweisen, welche Verknüpfungen nicht ausreichend sind, um völkerrechtskonform eine extraterritoriale Erstreckung des Regelungs- und Rechtsfolgenbereiches zu begründen. Darüber hinaus müssten aber auch die abstrakt-generellen Kriterien ersichtlich werden, die dieses Werturteil begründen. Dies bedeutet insbesondere auch, dass die Kriterien darlegen müssten, warum für den einen Rechtssatz eine bestimmte tatsächliche Verknüpfung hinreichend ist, für einen anderen Rechtssatz dies aber bei Vorliegen derselben Verknüpfung nicht gilt.689 Gerade auch diese Differenzierung und die Grundlage dieser Unterscheidung ist im Rahmen der tatsächlichen Übung nachzuweisen, denn nur dann handelt es sich tatsächlich um ein allgemeines Kriterium der hinreichend engen Verknüpfung. Dass staatliches Verhalten, sofern es geeignete Grundlage der Ableitung einer Norm des Völkergewohnheitsrechts sein soll, eine Rechtsförmigkeit aufweisen muss, findet auch Ausdruck in der Rechtsprechung des IGH. Dieser hat im Sonderfall der Ableitung einer Norm des Völkergewohnheitsrechts aus einem völkerrechtlichen Vertrag ausdrücklich in Konkretisierung der allgemeinen Kriterien zur Begründung von Völkergewohnheitsrecht gefordert, dass die Norm „of a fundamentally normcreating character“ sein muss. Hierdurch wird vorausgesetzt, dass eine völkervertragliche Absprache nur dann Grundlage für die Herausbildung einer völkergewohnheitsrechtlichen Norm darstellen kann, wenn die Absprache hinreichend abstrakt ist („fundamentally“), sodass die Absprache auf Grund ihrer Allgemeinheit
688
So insbesondere Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 547 f.; Bleckmann, Grundprobleme und Methoden des Völkerrechts, 1982, S. 124 f., 131; ders., Zur Feststellung und Auslegung von Völkergewohnheitsrecht, ZaöRV, 1977, S. 504 ff.; ders., Völkergewohnheitsrecht trotz widersprüchlicher Praxis?, ZaöRV, 1976, S. 374 ff. 689 Siehe hierzu bereits die Erläuterung des behaupteten Kriteriums der hinreichend engen Verknüpfung in Teil 3 A. I.
A. Das Kriterium der hinreichend engen Verknüpfung
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und Verbindlichkeit als Regelung („norm-creating“) angesehen werden kann.690 Diese Rechtsförmigkeit ist allerdings ein allgemeines Kriterium für das Bestehen einer tatsächlichen Übung als Grundlage von Völkergewohnheitsrecht. (bb) Fehlen der Rechtsförmigkeit Im Folgenden ist daher zunächst zu fragen, ob das Gebot der hinreichend engen Verknüpfung, wie es in Teil 3 A. I. dargelegt wurde, eine rechtsförmige Struktur aufweist und daher als tatsächliche Übung Grundlage einer Ableitung einer Norm des Völkergewohnheitsrechts sein kann. Insoweit ist gefordert, dass die zahlreichen Differenzierungen in der Anwendung des Kriteriums der hinreichend engen Verknüpfung einer rechtsförmigen Struktur zugeführt werden, die erkennbar werden lässt, aus welchem Grunde diese Differenzierungen erfolgen. (1) Fehlen einer rechtsförmigen Struktur nach der Literatur Soweit erkennbar, wurde das Kriterium in der Literatur keiner näheren rechtsförmigen Struktur zugeführt. Lediglich für den Teilbereich des Wirkungsprinzips scheint diskutiert zu werden, auf Grund welcher Auswirkungen eine hinreichend enge Verknüpfung bestehen soll. Abseits hiervon bleibt aber im Allgemeinen unklar, welches Verknüpfungsmoment maßgeblich und anhand welcher Merkmale entschieden werden soll, ob die bestehende Verknüpfung hinreichend eng ist. Zwar kann festgestellt werden, dass der Begründung Überlegungen der Gebietsrelevanz und der Ordnung der tatsächlichen Lebensverhältnisse im Staatsgebiet zugrunde liegen. Diese fundieren aber nur die Verknüpfungen als allgemeine Prinzipien, während für die Frage, ob diese Verknüpfung hinreichend eng ist, nicht erkennbar wird, ob auch diese Aspekte heranzuziehen sind und anhand welcher Struktur zu entscheiden ist, ob eine Verknüpfung hinreichend eng ist. Es bleibt daher offen, welche Überlegungen nach dem Kriterium der hinreichend engen Verknüpfung valide juristische Argumente darstellen und welchen Aspekten keine Bedeutung zukommen kann. Vor diesem Hintergrund scheint die notwendige rechtsförmige Struktur dem Kriterium der hinreichend engen Verknüpfung auf Grund der großen Unschärfe in der einzelfallbezogenen Konkretisierung nicht zuzukommen. (2) Keine Verschränkung der Rechtsetzungs- und Rechtsdurchsetzungsgewalt In Betracht kommt noch jenseits der bisherigen Überlegungen, in dem vom Kriterium der hinreichend engen Verknüpfung geforderten territorialen Bezug einen mittelbaren Ausdruck der territorialen Beschränkung der Rechtsdurchsetzungsgewalt auf die Rechtsetzungsgewalt zu sehen.691 Aus Sicht des Staates wäre hiernach 690
IGH, Urteil v. 20. 2. 1969, North Sea Continental Shelf (Federal Republic of Germany/ Netherlands), ICJ Reports, 1969, S. 3 ff., 42. Siehe hierzu auch Teil 2 D. I. 691 Ebenso Wassermeyer, Die beschränkte Steuerpflicht, in: Vogel (Hrsg.), Grundfragen des internationalen Steuerrechts, DStJG Band 8, 1985, S. 49 ff., 54; Herzfeld, Probleme des in-
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Teil 3: Völkerrechtliche Grenzen der extraterritorialen Rechtsetzung
auch dann, wenn an einer Regelung ein Interesse besteht, die Rechtsetzungsgewalt eingeschränkt, wenn er die Beachtung der Regelung nicht selbst sicherstellen kann. Durch die Beschränkung der Rechtsdurchsetzungsgewalt auf das eigene Staatsgebiet ist der Staat gehindert, die normative Vorgabe seiner Rechtsnorm dann durchzusetzen, wenn die Rechtsfolge ein ausländisches Verhalten vorschreibt oder eine inländische, nicht durch den Staat selbst herbeiführbare Rechtsfolge durch einen ausländischen Normunterworfenen herbeizuführen ist. Eine solche mittelbare Beschränkung könnte bspw. erklären, warum im Umweltrecht die mittelbaren Immissionen einer ausländischen Anlage auf das eigene Staatsgebiet nicht zum Gegenstand immissionsbegrenzender Normen gemacht werden,692 da zum Vollzug einer solchen Norm ein ausländisches Verhalten notwendig ist, sodass die Rechtsdurchsetzungsgewalt des Staates den Vollzug der Norm nicht gewährleisten kann. Anders ist dies aber gerade im Wettbewerbsrecht, wenn Staaten ausländisches wettbewerbsschädliches Verhalten, das sich auch im Staatsgebiet auswirkt, regulieren, da die Auswirkungen auf das Inland dadurch eintreten, dass die Marktakteure ihre Produkte auch im Inland absetzen. Daher kann der Staat zumindest durch eine Anknüpfung an den inländischen Absatz das ausländische Verhalten der Akteure dahingehend beeinflussen, dass ein ausländisches wettbewerbswidriges Verhalten zumindest in Bezug auf das Staatsgebiet unterlassen wird. Ebenso würde hierdurch nachvollziehbar werden, warum für den Southern District Court of New York City die Befugnis der US-amerikanischen Behörden außer Frage steht, Microsoft Corp. mit Sitz und Geschäftsführung in den USA zu verpflichten, auf irischen Servern gespeicherte Daten an US-Ermittlungsbehörden herauszugeben, wenn der Datenzugriff aus den USA erfolgen kann,693 da diese Verpflichtung im Staatsgebiet der USA durch die Rechtsdurchsetzungsgewalt durchgesetzt werden kann. Gegen die Annahme einer derartigen tatsächlichen Übung, nach der nicht im Wege der Rechtsdurchsetzungsgewalt durchsetzbare Rechtssätze nicht von der Rechtsetzungsgewalt des Staates umfasst sind, spricht aber, dass nach der Staatenpraxis aus sonstigen Gründen ausnahmsweise die Setzung einer nicht durchsetzbaren Norm möglich sein soll, wie dies bspw. für das Steuerrecht im Rahmen des Foreign Account Tax Compliance Act (FATCA) seitens der USA oder für das Strafrecht ternationalen Steuerrechts, Vierteljahresschrift für Steuer- und Finanzrecht, Nr. 6, 1932, S. 433 f. Offen bleibt aber hierbei, ob dies für die Personal- und Gebietshoheit oder nur für die Gebietshoheit gelten soll. Vgl. auch Englisch/Krüger, Zur Völkerrechtswidrigkeit extraterritorialer Effekte der französischen Finanztransaktionssteuer, IStR, 2013, S. 513 ff., 516; Englisch/Vella/Yevgenyeva, The Financial Transaction Tax Proposal Under the Enhanced Cooperation Procedure: Legal and Practical Considerations, BTR, 2013, S. 223 ff., 239, der in der fehlenden Möglichkeit der Rechtsdurchsetzung zumindest ein Indiz der völkerrechtswidrigen Erstreckung der Norm sehen möchte. Eine derartige Verbindung sehen auch Neale/Stephens, International business and national jurisdiction, 1988, S. 170, die vor diesem Hintergund die Existenz des Wirkungsprinzip anzweifeln. 692 Siehe die Untersuchung von Zerk, Extraterritorial Jurisdiction: Lessons for the Business and Human Rights Sphere from Six Regulatory Areas, 2010, 59, S. 176 ff. 693 Siehe zu diesem Verfahren bereits Teil 2 A. I. 2. a).
A. Das Kriterium der hinreichend engen Verknüpfung
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durch § 7 Abs. 1 StGB seitens der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist. Gemäß sect. 1471 Internal Revenue Code haben ausländische Banken Informationen über Konten amerikanischer Staatsangehöriger an die USA zu übermitteln. Da die USA die Einhaltung dieser Pflicht durch ihre Rechtsdurchsetzungsgewalt nicht selbst sicherstellen können, wurde zugleich in dieser Vorschrift eine Quellenbesteuerung aller Finanzströme eines Finanzinstituts in die USA für den Fall vorgesehen, dass das ausländische Finanzinstitut die Informationen nicht bereitstellt. Ergänzend haben die USA mit zahlreichen Staaten sogenannte ,intergovernmental agreements‘ abgeschlossen, die darauf abzielen, die unter FATCA angeforderten Informationen zu erhalten.694 Ebenso unterliegen nach § 7 Abs. 1 StGB der deutschen Strafgewalt im Ausland begangene Straftaten, die sich gegen einen deutschen Staatsangehörigen richten. Die Rechtsdurchsetzung hängt in diesen Fällen allerdings entweder von einer Auslieferung an den deutschen Staat oder davon ab, dass der Täter sich zu einem späteren Zeitpunkt in Deutschland aufhält. Seitens der Staaten wurde aber, soweit ersichtlich, die Völkerrechtskonformität weder der FATCA-Regelungen noch des § 7 Abs. 1 StGB in Frage gestellt; insbesondere haben zahlreiche Staaten mit den USA Abkommen geschlossen, die die Rechtsdurchsetzung ermöglichen.695 Hinsichtlich der Ausübung der Strafgewalt gilt gar, dass das passive Personalitätsprinzip weitgehend als völkerrechtskonform anerkannt ist, weshalb von einer Völkerrechtswidrigkeit nicht ausgegangen werden kann.696 Demgemäß ist es letztendlich 694
Siehe zu diesen Abkommen mit weiteren Nachweisen Parada, Intergovernmental Agreements and the Implementation of FATCA in Europe, WTJ, 2015, S. 201 ff. Insoweit kann nicht darauf verwiesen werden, dass der Staat mit anderen Staaten die Rechtsdurchsetzung koordiniert hat, denn dann müsste einerseits der Erlass des FATCA-Regimes zunächst völkerrechtswidrig gewesen sein, wofür nach der Staatenpraxis keine Anhaltspunkte bestehen, andererseits würde die Möglichkeit der Rechtsetzung von einer Einwilligung eines anderen Staates abhängen, sodass insoweit die Souveränität des Staates in Frage stehen müsste, da in der Koordinierung der Rechtsetzung gerade kein Einverständnis in eine extraterritoriale Rechtsetzung liegt, die womöglich die Völkerrechtswidrigkeit ausschließen könnte. 695 Siehe hierzu Parada, Intergovernmental Agreements and the Implementation of FATCA in Europe, WTJ, 2015, S. 201 ff., 210 ff. 696 Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 120; Shaw, International law, 8. Aufl., 2017, S. 497 ff.; Kau, Der Staat und der Einzelne als Völkerrechtssubjekte, in: Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 2016, S. 133 ff., 192 f.; Brownlie, Principles of public international law, 7. Aufl., 2008, S. 302; Schweisfurth, Völkerrecht, 2006, S. 304; Harris, Cases and materials on international law, 6. Aufl., 2004, S. 281 ff.; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band II/III, 2. Aufl., 2002, S. 321; Pappas, Stellvertretende Strafrechtspflege zugleich ein Beitrag zur Ausdehnung deutscher Strafgewalt nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB, 1996, S. 15 f.; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., 1984, S. 780; Renton, The Genuine Link Concept and the Nationality of Physical and Legal Persons, Ships and Aircraft, 1975, S. 7 ff.; Mann, Studies in International Law, 1973, S. 30; Rosswog, Das Problem der Vereinbarkeit des aktiven und passiven Personalgrundsatzes mit dem Völkerrecht, 1965; Schmahl, Zwischenstaatliche Kompetenzabgrenzung im Cyberspace, AVR, 2009, S. 284 ff., 296. Einschränkend auf bestimmte Straftaten Oxman, Jurisdiction of States, in: Wolfrum (Hrsg.),
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Teil 3: Völkerrechtliche Grenzen der extraterritorialen Rechtsetzung
nicht überzeugend, in dem Kriterium der Durchsetzbarkeit das maßgebliche Unterscheidungskriterium für Fragen des Bestehens einer hinreichend engen Verknüpfung zu erblicken.697 Letztlich ist damit festzustellen, dass das Kriterium der hinreichend engen Verknüpfung, wie es in der Staatenpraxis vorzufinden ist, nicht die geforderte Rechtsförmigkeit aufweist, um als tatsächliche Übung die Ableitung einer Norm des Völkergewohnheitsrechts allgemein oder für das Steuerrecht zu ermöglichen. b) Das Bestehen einer Rechtsüberzeugung Darüber hinaus wäre aber auch die erforderliche Rechtsüberzeugung nicht festzustellen. Im vorliegenden Fall wäre die Rechtsüberzeugung in Bezug auf eine Verbotsnorm nachzuweisen, deren Inhalt darin besteht, dass bestimmte Verhaltensweisen völkerrechtswidrig sind. Dabei kann nicht ohne weiteres auf die Befolgung der tatsächlichen Übung verwiesen werden, auch wenn die Rechtsüberzeugung mangels anderweitiger Hinweise regelmäßig der tatsächlichen Übung entnommen wird. Denn wird ein Verhalten beobachtet, dass mit dieser Verbotsnorm in Übereinstimmung steht, so besagt dies nur, dass ein rechtmäßiges Verhalten gewählt wurde. Der Nachweis der Rechtsüberzeugung, dass ein anderes Verhalten rechtswidrig ist und daher ein solches Verhalten unterlassen wurde, kann hierin aber im Allgemeinem nicht gesehen werden,698 da die Begründung ohne Vorliegen weiterer Indizien als Annahme voraussetzt, dass das Verhalten Ausdruck einer Rechtsnorm ist; dies würde Max Planck Encyclopedia of Public International Law; Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht, 14. Aufl., 2017, S. 231; Schwarze, Die Jurisdiktionsabgrenzung im Völkerrecht, 1994, S. 24 f.; Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 466 ff., 514 f.; Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 107 ff.; American Law Institute, Restatement of the law, 3. Aufl., 1992, S. § 240; Mestral/Gruchalla-Wesierski/Wesierski, Extraterritorial application of export control legislation: Canada and the U.S.A, 1990, S. 23; Jennings, Extraterritorial Jurisdiction and the United States antitrust laws, Brit. Y.B. Int., 1957, 146 ff., 154 f. Ein solches Prinzip ablehnend Higgins, The Legal Bases of Jurisdiction, in: Olmstead (Hrsg.), Extra-territorial application of laws and responses thereto, 1984, S. 3 ff., 12 ff.; Doehring, Völkerrecht, 2. Aufl., 2004, S. 507 f.; Kokott/Doehring/Buergenthal/Maier, Grundzüge des Völkerrechts, 3. Aufl., 2003, S. 156; Jennings/Watts, Oppenheim’s international law, Band I, 9. Aufl., 1992, S. 466 ff. 697 Ebenso bereits BFH, Urteil v. 18. 12. 1963, I 230/61 S, BStBl. III, 1964, S. 253 ff., 257; vgl. auch Jeffery, The impact of state sovereignty on global trade and international taxation, 1999, S. 43; Schmahl, Zwischenstaatliche Kompetenzabgrenzung im Cyberspace, AVR, 2009, S. 284 ff., 293 ff., 314 ff.; Qureshi, The Freedom of a State to Legislate in Fiscal Matters under General International Law, BIT, 1987, S. 14 ff., 17 f. Einschränkend aber Englisch/Vella/Yevgenyeva, The Financial Transaction Tax Proposal Under the Enhanced Cooperation Procedure: Legal and Practical Considerations, BTR, 2013, S. 223 ff., 239. 698 So aber Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 466.
A. Das Kriterium der hinreichend engen Verknüpfung
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aber in einen unzulässigen Zirkelschluss münden, in der die Geltung als Rechtsnorm als Annahme den Ausgangspunkt der Begründung ihrer selbst bildet.699 Im Falle einer Verbotsnorm kann auf den expliziten Nachweis dieser Rechtsüberzeugung auch nicht auf Grund der vermeintlichen Intensität der tatsächlichen Übung verzichtet werden.700 Denn dies hätte letztlich zur Folge, dass von der Notwendigkeit einer Rechtsüberzeugung weitgehend oder vollständig abgesehen wird. Dann aber wurde im Ergebnis nur nachgewiesen, dass die Staaten regelmäßig ein bestimmtes Verhalten unterlassen. Mit Blick hierauf hat es auch der IGH in der Rechtssache North Sea Continental Shelf Cases auch ausdrücklich abgelehnt, trotz einhelliger Befolgung einer Norm in dieser Völkergewohnheitsrecht zu erblicken, da die tatsächliche Übung auch Ausdruck praktischer Erwägungen sowie Überlegungen der Courtesy, bloßer Gewohnheit oder Tradition sein konnte.701 Auf diesen Aspekt hat der StIGH auch in der Lotus-Entscheidung schließlich für eine Verbotsnorm verwiesen: So könne aus dem Fehlen extraterritorial anknüpfender Normen kein Verbot einer solchen und in der Folge ein Gebot territorialer Verknüpfung abgeleitet werden, da das Fehlen auch Ausdruck eines fehlenden Interesses der Staaten an einer solchen Regelung sein könne.702 Auch in den Fällen, in denen für den Nachweis der Rechtsüberzeugung teils auf die Befolgung der tatsächlichen Übung verwiesen wird,703 liegt hierin keine Gleichsetzung. Vielmehr lassen sich in diesen Fällen der tatsächlichen Übung hinreichende Indizien entnehmen, nach denen die Übung von einer Rechtsüberzeugung begleitet wird. Die Umstände der tatsächlichen Übung sind dann lediglich Erkenntnisquelle für den Nachweis der Rechtsüberzeugung. Kann aus diesen aber nicht abgeleitet werden, dass ausnahmsweise die Befolgung der tatsächlichen Übung Ausdruck der Rechtsüberzeugung ist, sind an den Nachweis der Rechtsüberzeugung weitergehende Anforderungen zu stellen, die den Schluss zulassen, dass die beobachtete tatsächliche Übung von einer Rechtsüberzeugung getragen ist. 699 Siehe zum Verhältnis von tatsächlicher Übung und Rechtsüberzeugung einerseits die allgemeinen Nachweise in Fußnote 558 und spezifisch für den Nachweis der Rechtsüberzeugung unter Abgrenzung zu sonstigen, nicht hinlänglichen Erwägungen Fußnote 563. 700 Siehe zum Verzicht auf das Kriterium der Rechtsüberzeugung die Nachweise in Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., 1984, S. 354 Fußnote 26. Für einen teilweisen Verzicht auf Grund eben der Intensität siehe die Nachweise bei Petersen, Customary Law without Custom?, American University International Law Review, 2008, 275 ff., 283. Vergleiche auch Tams, Die Identifikation des Völkergewohnheitsrechts, in: DGFIR, Rechtsidentifikation zwischen Quelle und Gericht, DGFIR Band 47, 2016, S. 323 ff., 342 ff., der treffend die rhetorische Frage aufwirft, wie, wenn nicht durch Stellungnahmen, die Rechtsüberzeugung bei Verbotsnormen nachgewiesen werden solle. 701 Insbesondere IGH, Urteil v. 20. 2. 1969, North Sea Continental Shelf (Federal Republic of Germany/Netherlands), ICJ Reports, 1969, S. 3 ff.; 45 sowie hieran anknüpfend ILC, Report of the International Law Commission, 68th Session, 2016, S. 97; Siehe darüber hinaus bereits die Nachweise in Fußnote 563. 702 StIGH, Urteil v. 7. 9. 1927, The Case of the S.S. „Lotus“, PCIJ Series A, 1927, S. 3 ff., 28. 703 Siehe die Nachweise in Fußnote 563.
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Teil 3: Völkerrechtliche Grenzen der extraterritorialen Rechtsetzung
Die Beschränkung der Rechtsetzungsgewalt auf territorial durchsetzbare Normen als Ergebnis der territorialen Beschränkung der Rechtsdurchsetzungsgewalt kann allerdings nur als eine praktische Erwägung angesehen werden: Die vollständige Durchsetzbarkeit mit Mitteln der eigenen Staatsgewalt stellt zunächst kein notwendiges Merkmal des Rechts dar, das der Rechtsetzung vorgegeben wäre.704 Soweit daher eine Beschränkung der Rechtsetzungsgewalt auf durchsetzbare Rechtssätze beobachtet wird, kann hieraus nur geschlossen werden, dass diese Beschränkung praktischen Erwägungen entspricht, da weder an unmittelbar noch mittelbar durchsetzbaren Rechtssätzen kaum ein staatliches Interesse bestehen wird.705 Daneben sind aber gerade keine Indizien erkennbar, die den Schluss zuließen, dass diese praktische Erwägung der Beschränkung den Staaten zugleich als normative Erwägung706 zugrunde gelegen hätte, nach der die Rechtsetzungsgewalt auch völkerrechtlich mittelbar beschränkt wäre.707 Etwas anderes kann auch nicht speziell für den Regelungsbereich des Steuerrechts angenommen werden. Soweit dort ebenfalls eine tatsächliche Übung festgestellt wird 704 Ebenso bereits BFH, Urteil v. 18. 12. 1963, I 230/61 S, BStBl. III, 1964, S. 253 ff., 257; Drüen, in: Kruse/Tipke, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 4 AO, Rn. 8; Kirchhof, Mittel staatlichen Handelns, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Rechtsquellen, Organisation, Finanzen, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band V, 2007, S. 3 ff., 52 f.; Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 39 ff.; Mann, The Doctrine of International Jurisdiction Revisited after Twenty Years, 1984, S. 20 f.; Spitaler, Das Doppelbesteuerungsproblem bei den direkten Steuern, 2. Aufl., 1967, S. 166; Schmahl, Zwischenstaatliche Kompetenzabgrenzung im Cyberspace, AVR, 2009, S. 284 ff., 314; vgl. auch Jeffery, The impact of state sovereignty on global trade and international taxation, 1999, S. 43; Norr, Jurisdiction to tax and international income, Tax Law Review, 1962, S. 431 ff., 432. Anderer Ansicht aber wohl Neale/Stephens, International business and national jurisdiction, 1988, S. 170. 705 Vgl. neben der bereits angeführten Rechtsprechung des (St)IGH einerseits auch IGH, Urteil v. 12. 4. 1960, Case concerning Right of Passage over Indian Territory (Portugal v. India), ICJ Reports, 1960, S. 6 ff., 42 f. zum Fehlen der Rechtsüberzeugung, wenn ein Staat regelmäßig militärischen Kräften eines anderen Staat es lediglich gestattet, das eigene Staatsgebiet zu durchqueren, sowie andererseits Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 543; Schmahl, Zwischenstaatliche Kompetenzabgrenzung im Cyberspace, AVR, 2009, S. 284 ff., 314 ff. Wohl auf Grund dieses fehlenden Interesses gehen Englisch/Vella/Yevgenyeva, The Financial Transaction Tax Proposal Under the Enhanced Cooperation Procedure: Legal and Practical Considerations, BTR, 2013, S. 223 ff., 238 f. davon aus, dass die fehlende Möglichkeit der Rechtsdurchsetzung eine Völkerrechtswidrigkeit nahelegt. 706 Die Relevanz normativer Erwägungen wird besonders von Lauterpacht, International law, Band I/II, 1970, S. 63 f. betont, der auch ohne ausdrücklichen Nachweis der Rechtsüberzeugung es ausreichen lassen möchte, wenn die Beschränkung Ausdruck einer Rücksichtnahme auf internationale Belange ist und insoweit dem Maßstab der Vernünftigkeit entspricht. 707 Siehe insbesondere Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 39 ff., 734; Mann, The Doctrine of International Jurisdiction Revisited after Twenty Years, 1984, S. 20 f.; Herzfeld, Probleme des internationalen Steuerrechts, Vierteljahresschrift für Steuer- und Finanzrecht, Nr. 6, 1932, S. 433 f. sowie weitergehend auch die übrigen in Fußnote 226 genannten Nachweise.
A. Das Kriterium der hinreichend engen Verknüpfung
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und ein weitgehender Gleichlauf in den territorialen Verknüpfungen der besteuerten Sachverhalte besteht, kommt auch hierin grundsätzlich nur die Beschränkung des Besteuerungsanspruches auf solche Tatbestände zum Ausdruck, die der territorial beschränkten Rechtsdurchsetzungsgewalt zugänglich sind. Hierbei handelt es sich aber, wie bereits in Teil 2 D. II. 2. ausgeführt wurde, um eine Erwägung der Rechtsdurchsetzung, die aus den dargelegten Gründen die Ableitung von Völkergewohnheitsrecht nicht zulässt. Demnach müsste die Rechtsüberzeugung anderweitig zum Ausdruck gelangt sein, insbesondere dadurch, dass Staaten extraterritoriale Normen, die dem in Abschnitt I. beschriebenen Gebot der hinreichend engen Verknüpfung nicht genügen, als völkerrechtswidrig zurückgewiesen oder trotz zu erwartender Reaktion nicht zurückgewiesen haben.708 Insoweit wird häufig auf den Helms-Burton-Act709 verwiesen, in dem gerade dies geschehen ist.710 Gegenstand des Helms-Burton-Act war die Etablierung eines umfassenden Embargos gegenüber Kuba durch die USA. Es verpflichtete auch ausländische Unternehmen dazu, jeden Handel mit Kuba einzustellen. Diese Rechtsetzung ist von zahlreichen Staaten kritisiert worden, einerseits in Bezug auf ihre Geeignetheit, Kuba zu einem Politikwechsel zu bewegen, andererseits in Bezug auf ihre Vereinbarkeit mit dem Völkerrecht.711 708
StIGH, Urteil v. 7. 9. 1927, The Case of the S.S. „Lotus“, PCIJ Series A, 1927, S. 3 ff., 29. Vgl. auch abweichende Meinung des Richters M. Nyholm StIGH, Urteil v. 7. 9. 1927, The Case of the S.S. „Lotus“, PCIJ Series A, 1927, S. 3 ff., 60; ILC, Report of the International Law Commission, 68th Session, 2016, S. 100 f.; ILC, Report of the International Law Commission, 67th Session, 2015, S. 43; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 544 f. 709 Siehe die Nachweise der Vorschriften im Annex der Rat der Europäischen Union, Verordnung (EG) Nr. 2271/96 des Rates vom 22. November 1996 zum Schutz vor den Auswirkungen der extraterritorialen Anwendung von einem Drittland erlassener Rechtsakte sowie von darauf beruhenden oder sich daraus ergebenden Maßnahmen. Daneben siehe auch Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 310 ff.; Lange/Born, The extraterritorial application of national laws, 1989, S. 17 ff.; Rosenthal/KnIGHton, National laws and international commerce, 1983, S. 53 ff.; Hermann, Conflicts of international business activity, Publications of the British-North American Committee, 1982, S. 31 ff.; Lehmann, Eine neue Ära der extraterritorialen Anwendung US-amerikanischen Rechts, RdW, 2010, S. 841 ff., 841; Lowe, US Extraterritorial Jurisdiction, International and Comparative Law Quarterly, 1997, S. 378 ff. mit weiteren vergleichbaren Gesetzen. 710 Herdegen, Völkerrecht, 17. Aufl., 2018, S. 214; Shaw, International law, 8. Aufl., 2017, S. 519 ff.; Hobe/Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 10. Aufl., 2014, S. 100; Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 315 ff.; Rat der Europäischen Union, Verordnung (EG) Nr. 2271/96 des Rates vom 22. November 1996 zum Schutz vor den Auswirkungen der extraterritorialen Anwendung von einem Drittland erlassener Rechtsakte sowie von darauf beruhenden oder sich daraus ergebenden Maßnahmen, 711 Rat der Europäischen Union, Verordnung (EG) Nr. 2271/96 des Rates vom 22. November 1996 zum Schutz vor den Auswirkungen der extraterritorialen Anwendung von einem Drittland erlassener Rechtsakte sowie von darauf beruhenden oder sich daraus ergebenden Maßnahmen. Siehe hierzu auch Herdegen, Völkerrecht, 17. Aufl., 2018, S. 214; Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht, 14. Aufl., 2017, S. 235; Tietje/Bering/Zuber, Völker- und europarechtliche Zulässigkeit extraterritorialer Anknüpfung einer Finanztransaktionssteuer, Beiträge zum Transationalen Wirtschaftsrecht, Nr. 129, 2014, S. 14; Shaw, International law,
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Teil 3: Völkerrechtliche Grenzen der extraterritorialen Rechtsetzung
Allerdings vermag die Ableitung einer Rechtsüberzeugung gestützt auf das Vorgehen der Staaten im Fall des Helms-Burton-Act nicht zu überzeugen: Einerseits erscheint es in Bezug auf die Anzahl der beteiligten Staaten fernliegend, hieraus eine Norm des Völkergewohnheitsrechts abzuleiten.712 Andererseits könnte nur dargelegt werden, dass eine Rechtsüberzeugung besteht, nach der ebendiese Rechtsetzung völkerrechtswidrig ist. Mit Blick auf die souveräne Gleichheit der Staaten erscheint es daher allenfalls möglich, hieraus eine Rechtsnorm dahingehend abzulehnen, dass allen Staaten in der Situation, wie sie dem Helms-Burton-Act zugrunde lag, eine derartige Rechtsetzung verwehrt. Eine darüber hinaus gehende Abstraktion ist demgegenüber kaum zulässig, denn es kann nicht sicher gesagt werden, dass nicht eine Veränderung der Umstände eine Veränderung der Bewertung nach sich zöge. Insoweit fehlt es an einer tatsächlichen Übung, die derartiges erkennen ließe. Dann aber erschöpfte sich der Rechtssatz darin auszusagen, dass Staaten in einer derartigen, identischen Situation eine solche Rechtsetzung verwehrt ist; es kann aber ausgeschlossen werden, dass ein derartiger Rechtssatz einen Anwendungsbereich aufwiese, da jede Veränderung der tatsächlichen Situation die Anwendbarkeit ausschließen würde und eine völlige Wiederholung dieser Situation letztlich auszuschließen ist. Damit kann eine hierauf gestützte Ableitung eines allgemeinen Kriteriums der hinreichend engen Verknüpfung nicht überzeugen.713 Insgesamt ist daher zu konstatieren, dass selbst dann, wenn angenommen wird, dass eine hinreichende tatsächliche Übung besteht, die erforderliche Rechtsüberzeugung sich unter keinem Gesichtspunkt überzeugend nachweisen lässt.
8. Aufl., 2017, S. 519 ff.; Hobe/Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 10. Aufl., 2014, S. 100; Peters, Völkerrecht, 2. Aufl., 2008, S. 86 f.; zur Vorgängerregelung Schwarze, Die Jurisdiktionsabgrenzung im Völkerrecht, 1994, S. 33 ff.; Lowe, US Extraterritorial Jurisdiction, International and Comparative Law Quarterly, 1997, S. 378 ff.; Stern, Can the United States set Rules for the World?, Journal of World Trade, 1997, S. 5 ff., 9 ff.; Muse, Public International Law Critique of the Extraterritorial Jurisdiction of the Helms-Burton Act (Cuban Liberty and Democratic Solidarity (Libertad) Act of 1996), A, George Washington Journal of International Law and Economics, 1996, S. 207 ff.; Maier, Extraterritorial Jurisdiction and the Cuban Democracy Act, Florida Journal of International Law, 1993, S. 391 ff., 397 f. 712 Tietje/Bering/Zuber, Völker- und europarechtliche Zulässigkeit extraterritorialer Anknüpfung einer Finanztransaktionssteuer, Beiträge zum Transationalen Wirtschaftsrecht, Nr. 129, 2014, S. 15. Vgl. insoweit auch die Ausführungen des StIGH, in StIGH, Urteil v. 7. 9. 1927, The Case of the S.S. „Lotus“, PCIJ Series A, 1927, S. 3 ff., 29. 713 Tietje/Bering/Zuber, Völker- und europarechtliche Zulässigkeit extraterritorialer Anknüpfung einer Finanztransaktionssteuer, Beiträge zum Transationalen Wirtschaftsrecht, Nr. 129, 2014, S. 14 f.; vgl. auch Bleckmann, Grundprobleme und Methoden des Völkerrechts, 1982, S. 131.
A. Das Kriterium der hinreichend engen Verknüpfung
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c) Keine Herausbildung über die Figur des instant Völkergewohnheitsrechts Ebenso wenig lässt sich dieses Begründungsdefizit mittels der umstrittenen Figur des „instant“ Völkergewohnheitsrechts714 überwinden. Nach diesem Ansatz solle ausnahmsweise der einmalige Nachweis einer tatsächlichen Übung ausreichen, damit eine allgemeine Norm des Völkergewohnheitsrechts zum Entstehen gelangt. Demnach könnte insoweit das Kriterium der hinreichend engen Verknüpfung auf dem Helms-Burton-Act beruhen, wie in diesem Fall sich einmalig nachweisen lässt, dass eine konkrete Rechtsetzung wegen des Fehlens einer hinreichend engen Verknüpfung zurückgewiesen wurde. Ein solcher Ansatz vermag allerdings zunächst auf Grund der Aufgabe des Kriteriums der tatsächlichen Übung nicht zu überzeugen. Denn in diesem Fall fehlt es letztlich an einer wirklichen Gewohnheit, die Grundlage für Gewohnheitsrecht bilden soll. Aus ihr lässt sich demgemäß ein Rechtssatz nicht ableiten, da es insoweit Abstraktionen zur Schaffung der abstrakt-generellen Norm bedürfte, die sich in der einmaligen Übung nicht widerspiegeln. Soweit stattdessen auf die starke Rechtsüberzeugung verwiesen wird, ist zu bedenken, dass diese Rechtsüberzeugung gerade in einer Übung nicht Ausdruck gefunden hat. Es mangelt daher an einem besonders stabilen Nachweis. Denn solange diese Rechtsüberzeugung nicht in Form einer tatsächlichen Übung umgesetzt wurde, ist nicht auszuschließen, dass es sich lediglich um eine vorläufige rechtliche Einschätzung handelt, der nicht die Verbindlichkeit zukommen soll, dass die Einschätzung als Recht betrachtet wird.715 Gerade mit Blick auf den Helms-Burton-Act bestehen aber auch weitergehende Bedenken. So lässt sich eine allgemeine Rechtsüberzeugung in diesem Fall gerade nicht nachweisen. Vielmehr beschränkt sich das Vorbringen der Staaten darauf, diese konkrete Rechtsetzung zurückzuweisen. Soll aber die Herausbildung des instant Völkergewohnheitsrechtes auf einer besonders stark nachweisbaren Rechtsüberzeugung beruhen, so ist ein Nachweis dahingehend gefordert, dass die nachgewiesene Rechtsüberzeugung der Staaten Ausdruck einer allgemeinen Überzeugung ist. Es bedarf daher eines konkreten Hinweises, dass sich die Rechtsüberzeugung nicht darin erschöpft, diese konkrete Handlung zurückzuweisen. Es sind stattdessen nähere Ausführungen dahingehend gefordert, warum und aus welchen allgemein gültigen normativen Erwägungen diese konkrete Handlung für völkerrechtswidrig erachtet wird. Denn nur derartige allgemeine normative Erwägungen erlauben es, die Möglichkeit zu widerlegen, dass das beobachtete Verhalten Ausdruck sonstiger 714
Guzman, Saving Customary International Law, Michigan Journal of International Law, 2005, S. 115 ff., 158 f.; Bin Cheng, United Nations Resolutions on Outer Space: „Instant“ International Customary Law?, Indian Journal of International Law, 1965, S. 23 f., 35 ff. 715 So auch Petersen, Customary Law without Custom?, American University International Law Review, 2008, 275 ff., 301; Simma/Alston, The Sources of Human Rights Law: Custom, Jus Cogens, and General Principles, Australian Yearbook of International Law, 1988, S. 82 ff., 97. Ebenso ablehnend statt vieler Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 536 ff.; Dahm/Delbrück/ Wolfrum, Völkerrecht, Band I/III, 2. Aufl., 1989, S. 56 Fußnote 30; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., 1984, S. 358.
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Teil 3: Völkerrechtliche Grenzen der extraterritorialen Rechtsetzung
praktischer Erwägungen im Sinne der Rechtssache North Sea Continental Shelf Cases716 des IGH ist. In Ermangelung derartiger Hinweise muss es aber vorliegend bereits bei dem Befund bleiben, dass die tatsächliche Übung im Übrigen ebenso auf anderen, praktischen Erwägungen als den erforderlichen normativen Erwägungen beruhen könnte und damit die erforderliche Rechtsüberzeugung nicht nachgewiesen ist.
III. Fazit zum Kriterium der hinreichend engen Verknüpfung Es bleibt daher festzustellen, dass das Gebot der hinreichend engen Verknüpfung im Allgemeinen wie auch im Steuerrecht nicht als Ausformung bestehender Vorgaben des Völkerrechts angesehen werden kann. Ebenso wenig kann aber hierin eine eigenständige Norm des Völkerrechts in Form des Völkergewohnheitsrechts gesehen werden, da sich sowohl die geforderte Rechtsförmigkeit der tatsächlichen Übung als auch die Rechtsüberzeugung der Staaten nicht nachweisen lassen.717 Soweit daher in der Staatenpraxis erkennbar wird, dass die Rechtsetzungsgewalt nur ausgeübt wird, soweit eine Verknüpfung des zu regelnden Sachverhaltes mit dem Staatsgebiet besteht, kann dies zunächst Ausdruck der Interessen der Staaten sein, nur derartige Regelungen zu erlassen. Wesentlich bedeutsamer ist, dass dies dem praktischen Interesse der Staaten entspricht, gesetzte Rechtsnormen auch tatsächlich durchsetzen zu können. Um eine normative Vorgabe tatsächlich durchsetzen zu können, ist der Staat auf die Rechtsdurchsetzungsgewalt verwiesen, deren Ausübung auf das Staatsgebiet beschränkt ist. Erlässt demgemäß ein Staat eine Regelung, die er auf diese Weise nicht durchsetzen kann, so ist er zur Herbeiführung einer tatsächlichen Wirksamkeit darauf angewiesen, dass die Regelung von den betroffenen Personen als vernünftig angesehen und beachtet wird. Dies mag im Einzelfall dem Staat genügen, regelmäßig wird die gewünschte Wirkung der normativen Vorgabe aber nicht allein hierdurch eintreten. Dann aber hat ein Staat gerade kein Interesse, die Norm mit einer territorialen Reichweite zu versehen, die über seine Möglichkeiten der Rechtsdurchsetzung hinausreicht. Vielmehr wird er eine normative Vorgabe nur dann als Rechtsnorm setzen, wenn er die Verwirklichung der normativen Vorgabe mit Mitteln der Rechtsdurchsetzungsgewalt erreichen kann. Da diese insoweit territorial begrenzt ist, ergibt sich eine Rückkopplung auf die Rechtsetzungsgewalt, als sie in der Staatenpraxis erkennbar und im Kriterium der hinreichend engen Verknüpfung herausgearbeitet wurde. Richtigerweise liegt hierin aber kein normatives Gebot, sondern nur eine vernünftige, praktische Erwägung. 716
IGH, Urteil v. 20. 2. 1969, North Sea Continental Shelf (Federal Republic of Germany/ Netherlands), ICJ Reports, 1969, S. 3 ff. 717 Bereits für den Bereich des Staatsangehörigkeitsrechts ebenso Dörr, Nottebohm Case, in: Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law; Loewenfeld, Der Fall Nottebohm, AVR, 1956, S. 387 ff., 400. Zumindest für den Bereich der Gründung juristischer Personen Neumann, Das genuine link-Kriterium, 2006, S. 78 f.
B. Die willkürliche und treuwidrige extraterritoriale Erstreckung
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B. Die willkürliche und treuwidrige extraterritoriale Erstreckung Ausgehend von dem Befund, dass das Kriterium der hinreichend engen Verknüpfung keine völkerrechtliche Beschränkung der Rechtsetzungs- und Besteuerungsgewalt darstellt, ist zu untersuchen, ob und in welcher Form sich die in der Lotus-Entscheidung benannte und vorausgesetzte beschränkende Norm des Völkerrechts herausgebildet hat. Überlegungen zur Beschränkung der Rechtsetzungs- und Besteuerungsgewalt als Staatsgewalt müssen ihren Ausgangspunkt darin nehmen, zu welchen völkerrechtlichen Spannungen die Konzeption der Staatsgewalt in ihrer bisher dargelegten Form führt. Soweit hierdurch völkerrechtlich eine Beschränkung der Staatsgewalt tatsächlich gefordert ist, wie dies vom StIGH und der Literatur angenommen wird, ist zu fragen, in welcher Form eine geeignete Lösung dieser Spannungen erfolgen kann.
I. Das völkerrechtliche Spannungsfeld der Freiräume der Staaten Ausgangspunkt für Überlegungen zur Entstehung eines völkerrechtlichen Spannungsfeldes sind einerseits das völkerrechtliche Souveränitätsprinzip einschließlich des Grundsatzes der souveränen Gleichheit, andererseits die territoriale Reichweite der souveränen Staatsgewalt. Bisher zeigte sich, dass das Souveränitätsprinzip den Staaten einen Freiraum zur Entfaltung eigener Staatlichkeit einräumt, der grundsätzlich unabhängig wahrgenommen werden können soll. Zugleich ist das Völkerrecht nicht auf eine überschneidungsfreie Koordination der Staatsgewalten ausgerichtet. Nach der Struktur der Staatsgewalt kommt dem Staat grundsätzlich eine weite Rechtsetzungsgewalt zu, die auch die extraterritoriale Erstreckung des Regelungs- und Rechtsfolgenbereiches einer Norm einschränkungslos gestattet. Lediglich die Geltung einer Rechtsnorm wird auf die Staatsangehörigen oder das Staatsgebiet beschränkt. Die fehlende territoriale Begrenzung der Rechtsetzungsgewalt durch die Möglichkeit zur extraterritorialen Erstreckung des Regelungs- und Rechtsfolgenbereiches stellt eine der wesentlichen Erscheinungsformen der Überschneidungen der Freiräume der Staaten dar. Steht es einem Staat frei, seinen Rechtsnormen jeden beliebigen Inhalt beizulegen und Normen mit beliebig weitrechenden Regelungsund Rechtsfolgenbereichen zu schaffen, so kann die extraterritoriale Erstreckung718 718
Nicht untersucht werden soll ausdrücklich jener Fall, in dem ein Staat eine territoriale Regelung erlässt, hierbei aber kein anzuerkennendes Regelungsanliegen verfolgt und die insoweit nur erlassen wird, um die Wirksamkeit der Verfolgung eines Regelungsanliegen durch einen anderen Staat zu schmälern, der seine Rechtsnorm auch nach völkerrechtlichen Maßstäben extraterritorial erstrecken darf. Siehe hierzu auch bereits Jeffery, The impact of state
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Teil 3: Völkerrechtliche Grenzen der extraterritorialen Rechtsetzung
des Regelungs- und Rechtsfolgenbereiches einer Norm zu Einwirkungen auf die Regelungszwecke fremder Staaten719 führen:720 Die Einwirkungen durch einen fremden Staat können damit einhergehen, dass sich im Staatsgebiet aufhaltende Personen an der Rechtsordnung eines anderen Staates ausrichten und ihr Verhalten anpassen, sei es, weil dies durch die Rechtsnorm angeordnet ist oder sie die Rechtsfolgenanordnung der Norm vermeiden möchten. Insoweit kann der betroffene Staat dieses Verhalten nicht mehr in jeder Hinsicht zum Gegenstand seiner norsovereignty on global trade and international taxation, 1999, S. 56 f.; American Law Institute, Restatement of the law, 3. Aufl., 1992, S. 402 f.; Meng, Regeln über die Jurisdiktion der Staaten im amerikanischen Restatement (Third) of Foreign Relations Law, AVR, 1989, S. 156 ff., 175 f. 719 Eine solche Einwirkung auf die Regelungszwecke fremder Staaten fehlt notwendigerweise, wenn die extraterritoriale Erstreckung in Bezug auf die hohe See, das Weltall oder ähnliche Gebiete vorgenommen wird. In diesen Fällen ist allerdings vorgesehen, dass kein Staat in Bezug auf diese Regelungsgewalt beanspruchen können soll, sondern diese Gebiete gerade frei von Regelungen sein sollen (siehe hierzu Proelß, Raum und Umwelt im Völkerrecht, in: Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 2016, S. 361 ff., 392 ff.; Herdegen, Völkerrecht, 17. Aufl., 2018, S. 232 ff.; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 795 ff., 850 ff., 866 ff., 891 ff.; Shaw, International law, 8. Aufl., 2017, S. 403 ff., 410 ff., 453 ff.; von Arnauld, Völkerrecht, 3. Aufl., 2016, S. 349 ff.; Hobe/Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 10. Aufl., 2014, S. 455 ff.; Brownlie, Principles of public international law, 7. Aufl., 2008, S. 173 ff., 223 ff., 255 ff.; Gavouneli, Functional jurisdiction in the law of the sea, 2007; Lazarev/Rauch, Theoretische Fragen des modernen Seevölkerrechts, 1985. Insoweit geht aber die extraterritoriale Erstreckung mit einer Einwirkung auf dieses Interesse der Regelungsfreiheit und Unbeeinflusstheit des Verhaltens in diesen Gebieten von Normen eines einzelnen Staates einher. Dies entspricht aber letztendlich dem Gebot des negativen Souveränitätsprinzip, Einwirkungen fremder Staaten abzuwehren, sodass die weiteren Ausführungen auch auf die extraterritoriale Erstreckung in Bezug auf die genannten Gebiete übertragen werden kann. Siehe insoweit letztlich auch StIGH, Urteil v. 7. 9. 1927, The Case of the S.S. „Lotus“, PCIJ Series A, 1927, S. 3 ff., 25; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band II/III, 2. Aufl., 2002, S. 320; Bleckmann, Allgemeine Staats- und Völkerrechtslehre, 1995, S. 236. 720 Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht, 14. Aufl., 2017, S. 226; Gavouneli, Functional jurisdiction in the law of the sea, 2007, S. 6; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band II/III, 2. Aufl., 2002, S. 319; Jeffery, The impact of state sovereignty on global trade and international taxation, 1999, S. 42 f.; Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 87 f.; Ziegenhain, Extraterritoriale Rechtsanwendung und die Bedeutung des GenuineLink-Erfordernisses, 1991, S. 41; Kaffanke, Nationales Wirtschaftsrecht und internationale Wirtschaftsordnung, 1990, S. 326 ff.; Kaffanke, Nationales Wirtschaftsrecht und internationale Wirtschaftsordnung, 1990, S. 326 ff.; Bockslaff, Das völkerrechtliche Interventionsverbot als Schranke außenpolitisch motivierter Handelsbeschränkungen, 1987, S. 105 ff., 122 ff.; Pottmeyer, Die Strafbarkeit von Auslandstaten nach dem Kriegswaffenkontroll- und Außenwirtschaftsrecht, NZSt, 1992, S. 57 ff., 58 f.; Bleckmann, Das Souveränitätsprinzip im Völkerrecht, AVR, 1985, S. 450 ff., 466; Ritter, Das Prinzip Rücksicht, BB, 1984, S. 1109 ff., 1111; Akehurst, Jurisdiction in International Law, Brit. Y.B. Int., 1975, S. 145 ff., 147; Bruns, Völkerrecht als Rechtsordnung, ZaöRV, 1929, S. 1 ff., 56; Beale, Jurisdiction to tax, Harvard Law Review, 1919, S. 587 ff., 588. Einschränkend Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 57 f.; Mann, Studies in International Law, 1973, S. 7; Qureshi, The Freedom of a State to Legislate in Fiscal Matters under General International Law, BIT, 1987, S. 14 ff., 16; Simon/Waller, A Theory of Economic Sovereignty, Stanford Journal of International Law, 1986, S. 337 ff., 352.
B. Die willkürliche und treuwidrige extraterritoriale Erstreckung
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mativen Vorgaben machen, da in Bezug auf dieses auch tatsächliche Auswirkungen des extraterritorial regelnden Staates wirksam werden. Die unabhängige Verfolgung von Regelungszwecken durch einen Staat in Ausübung seiner, personal oder territorial bezogenen, Staatsgewalt ist Teil des einem jedem Staat vom Souveränitätsprinzip zugewiesenen Freiraumes, sodass Einwirkungen eine Souveränitätskollision begründen und Überschneidungen der gleichrangig bestehenden Freiräume der Staaten bestehen. Diese Überschneidungen der Freiräume sind letztlich auch Ausgangspunkt der Überlegungen in der Literatur zur Begrenzung der Staatsgewalt.721 1. Einwirkungen der extraterritorialen Rechtsetzung im Allgemeinen Idealtypisch beruhen die Einwirkungen auf einer Kollision normativer Vorgaben, die immer dann eintritt, wenn sich die Rechtsfolgen mindestens zweier Rechtsnormen verschiedener Staaten widersprechen.722 Offenkundig ist dies in dem Fall, in dem durch die Rechtsnorm eines Staates ein Verhalten vorgeschrieben wird, das nach der Rechtsordnung eines anderen Staates verboten ist.723 Weit häufiger wird der Fall sein, dass ein Staat ein Verhalten einer beschränkenden Regelung unterwirft oder gar verbietet, während ein anderer Staat hiervon Abstand nimmt.724 Da es aber der un721 Siehe Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht, 14. Aufl., 2017, S. 226; Kment, Grenzüberschreitendes Verwaltungshandeln, 2010, S. 94 ff.; Gavouneli, Functional jurisdiction in the law of the sea, 2007, S. 6; Schweisfurth, Völkerrecht, 2006, S. 304; Jeffery, The impact of state sovereignty on global trade and international taxation, 1999, S. 42 f.; Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 87 f.; Ziegenhain, Extraterritoriale Rechtsanwendung und die Bedeutung des Genuine-Link-Erfordernisses, 1991, S. 41; Kaffanke, Nationales Wirtschaftsrecht und internationale Wirtschaftsordnung, 1990, S. 330; Bockslaff, Das völkerrechtliche Interventionsverbot als Schranke außenpolitisch motivierter Handelsbeschränkungen, 1987, S. 92 ff.; ebenso Mann, Studies in International Law, 1973, S. 35 ff., der aber die Nachvollziehbarkeit der Anknüpfung sodann zum Kriterium erklärt; Ritter, Das Prinzip Rücksicht, BB, 1984, S. 1109 ff., 1111; Akehurst, Jurisdiction in International Law, Brit. Y.B. Int., 1975, S. 145 ff., 2 ff. 722 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl., erstveröffentlicht in 1991, 2014, S. 266 ff.; Ohler, Die Kollisionsordnung des allgemeinen Verwaltungsrechts Strukturen des deutschen internationalen Verwaltungsrechts, 2005, S. 16. 723 Ohler, Die Kollisionsordnung des allgemeinen Verwaltungsrechts Strukturen des deutschen internationalen Verwaltungsrechts, 2005, S. 17; Pottmeyer, Die Strafbarkeit von Auslandstaten nach dem Kriegswaffenkontroll- und Außenwirtschaftsrecht, NZSt, 1992, S. 57 ff., 58. Siehe hierzu auch Schaub, Zur völkerrechtlichen Zulässigkeit des amerikanischen Editionsbefehls an die UBS im Streit um Kundendaten, ZaöRV, 2011, S. 807 ff. 724 So auch Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, 2. Aufl., 2012, S. 114; Ohler, Die Kollisionsordnung des allgemeinen Verwaltungsrechts Strukturen des deutschen internationalen Verwaltungsrechts, 2005, S. 17 f.; Pottmeyer, Die Strafbarkeit von Auslandstaten nach dem Kriegswaffenkontroll- und Außenwirtschaftsrecht, NZSt, 1992, S. 57 ff., 58; einschränkend Simon/Waller, ATheory of Economic Sovereignty, Stanford Journal of International Law, 1986, S. 337 ff., 352. Vgl. bspw. auch Rat der Europäischen Union, Verordnung (EG) Nr. 2271/96 des Rates vom 22. November 1996 zum Schutz vor den Auswirkungen der extraterritorialen An-
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Teil 3: Völkerrechtliche Grenzen der extraterritorialen Rechtsetzung
abhängigen Entscheidung des Staates obliegt, ob eine Beschränkung bestehen soll, liegt in dem Fehlen einer Vorgabe eine normative Aussage dergestalt, dass das Verhalten unbeschränkt ausgeübt können werden soll;725 für die Frage, ob eine Kollision normativer Vorgaben besteht, kann es daher nicht darauf ankommen, ob der andere Staat ein Verhalten ausdrücklich in jeder Form gestattet oder das Verhalten nach der Struktur der Rechtsordnung deshalb gestattet ist, weil eine gegenteilige einschränkende normative Vorgabe fehlt.726 Dieser Fall weist eine große Nähe mit der wohl häufigsten Form der Kollision normativer Vorgaben auf, in dem Staaten ein Verhalten unterschiedlichen Beschränkungen unterwerfen.727 Da die Beschränkungen nicht deckungsgleich sind, können die normativen Vorgaben beider Staaten, die nur eine teilweise Beschränkung vorsehen, insoweit nicht vollumfänglich wirksam werden, als der jeweils andere Staat eine weitgehendere oder weniger weitgehende Beschränkung vorsieht. Soweit sich die Verhaltensvorgaben nicht widersprechen, sondern lediglich unterschiedliche Beschränkungen bestehen, einschließlich des Fehlens einer Beschränkung auf der Seite eines Staates, sind für die weitere Betrachtung jene Fälle zu unterscheiden, in denen die tatsächliche Erfüllung beider Beschränkungen durch miteinander nicht verknüpfte Verhaltensweisen möglich ist. In diesen Fällen ist für das Vorliegen einer Einwirkung festzustellen, ob und in welchem Umfang dem Rechtssatz eine Vollständigkeit innewohnt, sodass der tatbestandlich erfasste Sachverhalt gerade nicht mit anderen als der vorgesehenen Beschränkung belastet werden soll. Fehlt es völlig an einer Vollständigkeit, so erweist sich im Ausgangspunkt die Beschränkung durch den anderen Staat jeweils als irrelevant, da mit ihr keine Einwirkung auf die eigene Souveränität verbunden ist; ausnahmsweise liegt aber eine Einwirkung dann vor, wenn der Staat von einer Beschränkung Abstand genommen hat, wie es bereits eingangs dieses Abschnitts betont wurde.
wendung von einem Drittland erlassener Rechtsakte sowie von darauf beruhenden oder sich daraus ergebenden Maßnahmen. 725 Siehe die Nachweise in Fußnote 250. Insoweit zu eng Simon/Waller, A Theory of Economic Sovereignty, Stanford Journal of International Law, 1986, S. 337 ff., 352. 726 So aber für die Frage, inwieweit Handlungen von Privatpersonen einen Beleg für das Innehaben der Gebietshoheit eines Staates sein können IGH, Urteil v. 8. 10. 2007, Territorial and Maritime Dispute between Nicaragua and Honduras in the Caribbean Sea (Nicaragua v. Honduras), ICJ Reports, 2007, S. 659 ff., 717 f.; IGH, Urteil v. 17. 12. 2002, Sovereignty over Pulau Ligitan and Pulau Sipadan (Indonesia/Malaysia), ICJ Reports, 2002, S. 625 ff., 683, wonach es darauf ankommt, ob die Handlungen auf einer ausdrücklichen Erlaubnis beruhen oder einer partiellen Beschränkung unterliegen. Diese Überlegungen sind aber für das Vorliegen einer Einwirkung im hier verstandenen Sinne nicht von Bedeutung, da im vorliegenden Falle nicht von einem tatsächlichen Verhalten Dritter auf das Bestehen der Zuständigkeit des Staates geschlossen werden soll. 727 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl., erstveröffentlicht in 1991, 2014, S. 267 ff.; Ohler, Die Kollisionsordnung des allgemeinen Verwaltungsrechts Strukturen des deutschen internationalen Verwaltungsrechts, 2005, S. 17 f.
B. Die willkürliche und treuwidrige extraterritoriale Erstreckung
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Diese Unterscheidung nach dem Grad der Vollständigkeit der Rechtsnormen ist insbesondere in jenen Fällen notwendig, in denen die Rechtsfolgenanordnung keinen Bezug zum tatbestandlich erfassten Sachverhalt aufweist und daher die Verwirklichung der Rechtsfolgenanordnung ein völlig neues, vom Sachverhalt des Tatbestandes unabhängiges Geschehen erfordert. Denn dann besteht die durch die Rechtsnorm bewirkte Beschränkung gerade alleinig darin, dass der Sachverhalt in normativer Sichtweise nur um den Preis des Eintritts der Verhaltensvorgabe verwirklicht werden können soll, ohne dass eine tatsächliche Belastung des tatbestandlich erfassten Sachverhaltes vorliegt. Es zeigt sich demnach, dass die Verfolgung eines Regelungszweckes durch die extraterritoriale Erstreckung des Regelungs- und Rechtsfolgenbereiches in jedem Fall mit Einwirkungen auf die verfolgbaren Regelungszwecke anderer Staaten einhergeht.728 Diese Einwirkungen durch die extraterritoriale Erstreckung des Regelungs- und Rechtsfolgenbereiches, die auf einer Kollision normativer Vorgaben beruhen,729 beschreiben die Überschneidungsbereiche der gleichrangigen Freiräume der Staaten zur Entfaltung eigener Staatlichkeit. Dass der extraterritorial regelnde Staat seine normative Vorgabe auf Grund der territorialen Beschränkung der Rechtsdurchsetzungsgewalt nicht durchsetzen kann und daher die betroffenen Staaten zumindest die bessere tatsächliche Zugriffsmöglichkeit haben, hindert nicht die Überschneidung der Freiräume, da nach der Souveränität beider Staaten die dem Idealbild nach unabhängig bestehende Staatsgewalt auch jenseits der Beschränkung der Rechtsdurchsetzungsgewalt tatsächlich wirksam werden soll.730 728 Schlochauer, Die extraterritoriale Wirkung von Hoheitsakten, 1962, S. 39; Lowenfeld, Conflict, Balancing of Interests, and the Exercise of Jurisdiction to Prescribe: Reflection on the Insurance Antitrust Case, Am. J. Int. L, 1995, S. 42 – 53, 50 f. Enger insoweit Vitzthum, Staatsgebiet, in: Badura u. a. (Hrsg.), Grundlagen von Staat und Verfassung, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, 1995, S. 709 ff., 712, der nur auf die Kollision normativer Vorgaben abstellt. Ebenso schränkt Mann, Studies in International Law, 1973, S. 7 danach ein, ob die Norm tatsächlich durchgesetzt werden soll, da andernfalls ein Zwangsmoment fehle, dass die Befolgung der Norm auslöst. 729 Auch jenseits einer Kollision normativer Vorgaben kommen Einwirkungen auf die Regelungszwecke in Betracht. Diese Einwirkungen sind Folge von Verhaltenswirkungen, die nicht von der Rechtsfolge der Norm umfasst sind. Sie treten daher in Folge der Verfolgung eines anderweitigen Regelungsanliegens auf, ohne selbst vom Regelungszweck umfasst zu sein. Es handelt sich idealtypisch um unerwünschte aber nicht vermeidbare und damit notwendige Nebenfolgen einer Rechtsnorm, die anderen Zielen dient. In diesem Fall liegt daher weder eine Kollision normativer Vorgaben noch eine Kollision von Regelungszwecken vor. Nichts desto trotz liegt eine Einwirkung auf fremde Staaten vor, da die Rechtsnorm extraterritorial Verhaltensweisen herbeiführt, die Staaten die unbeeinflusste Verfolgung eigener Regelungszwecke unmöglich machen. Diese Einwirkung ist allerdings im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht von Bedeutung, da derartige Einwirkungen nicht auf einer extraterritorialen Erstreckung der Rechtsnorm beruhen. Zu dieser Eingrenzung siehe Teil 2 A. II. 2. c) (aa). 730 Siehe insbesondere Schmahl, Zwischenstaatliche Kompetenzabgrenzung im Cyberspace, AVR, 2009, S. 284 ff., 314; Bleckmann, Das Souveränitätsprinzip im Völkerrecht, AVR, 1985, S. 450 ff., 466. In diesen Unterschieden tritt daher letztlich die Differenzierung zwischen der Staatsgewalt und dem Souveränitätsprinzip zutage, die gerade nicht deckungsgleich be-
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Teil 3: Völkerrechtliche Grenzen der extraterritorialen Rechtsetzung
2. Einwirkungen der extraterritorialen Steuerrechtsetzung Bisher wurde im Allgemeinen gezeigt, dass die extraterritoriale Erstreckung des Regelungs- und Rechtsfolgenbereiches mit einer Einwirkung auf fremde Staaten bei der Wahrnehmung ihrer Staatsgewalt einhergeht, die eine der wesentlichen Ursachen dafür sind, dass sich die nach dem Souveränitätsprinzip gleichrangig bestehenden Freiräume der Staaten überschneiden. Diese Überschneidungen beruhen auf unterschiedlichen normativen Vorgaben, die regelmäßig auf Grund der hierdurch begründeten Belastung des tatbestandlich erfassten Sachverhaltes und einer zumindest in Bezug auf diese Regelung bestehenden Vollständigkeit nicht miteinander im Einklang zu bringen sind. Derartige Überschneidungen treten zunächst bei Lenkungszwecksteuern auf, die auf die Herbeiführung von Lenkungswirkungen ausgerichtet sind. Insoweit kommt diesen das Merkmal der Vollständigkeit zu und in der extraterritorialen Erstreckung dieser Wirkungen liegt ebenso wie im Fall einer nicht-steuerlichen Verhaltensregelung eine Einwirkung auf fremde Staaten. Näher zu untersuchen ist, inwieweit Fiskalzwecksteuern das Merkmal der Vollständigkeit innewohnt. Bereits in Teil 1 B. II. 2. a) wurde darauf hingewiesen, dass dies insoweit möglich ist, als der Staat die Steuerpflicht gerade in der Höhe über die nach seinem Maßstab bestehende Belastungswürdigkeit und den als zutreffend empfundenen, insbesondere gerechten, Beitrag zum Steueraufkommen herbeiführt. Soweit dies der Fall ist, scheint eine extraterritoriale Besteuerung für diesen Staat eine Einwirkung zu begründen. Allerdings bedarf dies noch näherer Betrachtung, da die Relevanz der in einem anderen Staat bestehenden Steuerlast für die Entscheidung über die Lastenausteilung des Staates nicht ohne weiteres feststeht. So könnte sich die normative Vorgabe im Sinne einer territorialen Beschränkung der Belastungsentscheidung darin erschöpfen, dass ein Sachverhalt gerade in dieser Höhe zum eigenen Steueraufkommen beitragen soll, der Staat aber einer weitergehenden Besteuerung durch einen anderen Staat indifferent gegenüber steht. Nach diesem Maßstab besteht eine Einwirkung auf den Freiraum eines Staates durch eine extraterritoriale Besteuerung zunächst dann, wenn das Verhalten seitens des Staates als nicht belastungswürdig angesehen wird. In diesem Fall führt die extraterritoriale Besteuerung zu einer Kollision normativer Vorgaben, da der regelnde Staat von einer Belastungswürdigkeit ausgeht, während der andere Staat diese stehen. Siehe hierzu Schlussantrag Cruz Villalón v. 8. 9. 2011, C-347/10, Salemink, ECLI:EU:C:2011:562; Randelzhofer, Staatsgewalt und Souveränität, in: Badura u. a. (Hrsg.), Grundlagen von Staat und Verfassung, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, 1995, S. 691 ff., 692 ff.; Bindschedler, Betrachtungen über die Souveränität, in: Faculté de droit Université de Genève; Institut universitaire de hautes études internationales, En hommage à Paul Guggenheim, 1968, S. 167 ff., 167; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 139 f.; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/III, 2. Aufl., 1989, S. 217 f.; vgl. auch IGH, Urteil v. 27. 6. 1986, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. United States of America), Merits, ICJ Reports, 1986, S. 14 ff., 106 ff, 128 sowie die Nachweise in Fußnote 126.
B. Die willkürliche und treuwidrige extraterritoriale Erstreckung
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gerade verneint. Entsprechendes gilt für die Belastungshöhe, wenn der eine Staat eine steuerliche Belastung gerade in dem absoluten Umfang herbeiführt, in dem eine Belastungswürdigkeit besteht. In diesem Fall führt jede weitere Belastung durch den anderen Staat über dieses Maß hinaus zu einer übermäßigen Belastung, die die absolute Belastungswürdigkeit übersteigt.731 Nicht in jedem Fall ist aber die Nichtbesteuerung oder die Besteuerung in einer bestimmten Höhe Ausdruck einer absoluten Belastungswürdigkeitsentscheidung, da nicht davon auszugehen ist, dass ein Staat jedes belastungswürdige Verhalten besteuert und die Steuerpflicht gerade bis zur absoluten Grenze der Belastungswürdigkeit herbeigeführt wird. Insoweit ist aber zu berücksichtigen, dass eine Einwirkung auch deshalb vorliegen kann, weil der steuerlich entlastete Sachverhalt der Fiskalzwecksteuer aus wirtschafts- oder sozialpolitischen Zielsetzungen steuerfrei gestellt ist; insoweit verfolgt der Staat innerhalb einer Fiskalzwecksteuer ausnahmsweise Lenkungszwecke.732 Letztlich kann eine Einwirkung auch dadurch eintreten, dass der Staat nicht nur eine relativ gerechte Lastenausteilung zur Verteilung des von ihm erhobenen Steueraufkommens bezweckt, sondern weitergehend die vom Sachverhalt oder von einer Person zu tragende Gesamtsteuerlast unter einer Steuerart in den Blick nimmt und dabei auch die Besteuerung eines anderen Staates berücksichtigt, um die von ihm als zutreffend und gerecht empfundene Lastentragung sowohl in relativer Ausrichtung als auch in absoluter Höhe herbeizuführen.733 Von einer solchen Relevanz einer ausländischen Steuer für die Verwirklichung der gerechten Steuerverteilung ist dann auszugehen, wenn die persönliche Leistungsfähigkeit einer Person das Maß einer relativ gleichen Steuerverteilung darstellt und der Staat bei der Bestimmung dieser Leistungsfähigkeit nicht aus Gründen der Vergleichbarkeit eine auf das Staatsgebiet beschränkte, sondern eine weltweite Betrachtung vornimmt.734 In diesem Fall un731
Vgl. auch Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 203. 732 Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1988, S. 68 f. Eine normative Relevanz des Motivs wäre nur dann abzulehnen, wenn die Nichtbesteuerung auf technischen Schwierigkeiten der Besteuerung beruht, denn in diesem Fall wird aus rein praktischen Erwägungen heraus eine Besteuerung unterlassen. 733 Reimer, Der Ort des Unterlassens, 2004, S. 339 f.; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Nr. 1/3, 2. Aufl., 2000, S. 522 ff.; Ritter, Das Prinzip Rücksicht, BB, 1984, S. 1109 ff., 1112. Siehe hierzu für Deutschland Lehner/Waldhoff, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 1 EStG, Rn. A 186; Schaumburg, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im internationalen Steuerrecht, in: Lang (Hrsg.), Die Steuerrechtsordnung in der Diskussion, 1995, S. 125 ff., 143 ff.; Heber/Sternberg, The Extraterritorial Reach of the German Progression Clause in Income Tax Law in the light of International Law, Intertax, 2017, S. 254 ff., 262 f. Anderer Ansicht Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 203 ff., 240 ff. 734 Zur territorialen Reichweite des Leistungsfähigkeitsprinzips siehe Hey, in: Herrmann/ Heuer/Raupach, EStG/KStG, Einführung zum EStG, Rn. 49; Lehner/Waldhoff, in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 1 EStG, Rn. A 184; Lang, Steuergerechtigkeit und Globalisierung, in: Spindler u. a. (Hrsg.), Steuerzentrierte Rechtsberatung, 2009, S. 45 ff.,
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Teil 3: Völkerrechtliche Grenzen der extraterritorialen Rechtsetzung
terliegt die Person der Besteuerung wegen ihrer Leistungsfähigkeit und damit ihrer Fähigkeit zur Steuerzahlung,735 bei deren Bestimmung auch ihr extraterritoriales Verhalten berücksichtigt wird.736 Diese Entscheidung wird regelmäßig darin zum Ausdruck kommen, dass ein Staat bereits unilateral Maßnahmen zur Beseitigung der Doppelbesteuerung vorsieht und eine ausländische Steuer anrechnet,737 da er so die Relevanz der ausländischen Steuer für den Lastenausteilungsmaßstab seiner Steuernorm zum Ausdruck bringt; dies gilt auch dann, wenn ein Staat von einer Erstattung im Ausland entrichteter die inländische Steuerlast überschießender Steuern absieht.738 Denn in diesen Fällen ist Regelungsanliegen nicht nur eine relative Lastenausteilung zur Deckung des eigenen Finanzbedarfes, sondern auch eine Regelung der absoluten Belastungswürdigkeit des erfassten Sachverhaltes. Diese Festlegung der absoluten Belastungswürdigkeit ist es gerade, die den Staat dazu bewegt, in Entfaltung des Regelungsmaßstabes die ausländische Steuer anzurechnen und vom relativen Lastenausteilungsmaßstab zur Deckung des eigenen Finanzbedarfes abzuweichen. Diese beiden Regelungsmaßstäbe, die relative Lastenausteilung 47 f.; Mössner, Das Welteinkommensprinip, in: Tipke (Hrsg.), Besteuerung von Einkommen, 2000, S. 253 ff., 259 f.; Schaumburg, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im internationalen Steuerrecht, in: Lang (Hrsg.), Die Steuerrechtsordnung in der Diskussion, 1995, S. 125 ff., 131; Vogel, Über „Besteuerungsrechte“ und das Leistungsfähigkeitsprinzip im Internationalen Steuerrecht, in: Klein u. a. (Hrsg.), Steuerrecht, Verfassungsrecht, Finanzpolitik, 1994, S. 361 ff., 364 ff.; Menck, Welteinkommen und Territorialität der Besteuerung nach deutschem Recht und in deutscher Sicht, in: Vogel (Hrsg.), Steuern auf ausländische Einkünfte, 1985, S. 28 ff., 33 ff.; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl., 2011, S. 127 f.; Lampert, Doppelbesteuerungsrecht und Lastengleichheit, 2010, S. 242 ff.; Mayer, Formulary Apportionment for the Internal Market, 2009, S. 34; Reimer, Der Ort des Unterlassens, 2004, S. 339 f.; Schmehl, Das Äquivalenzprinzip im Recht der Staatsfinanzierung, 2004, S. 61 f.; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Nr. 1/3, 2. Aufl., 2000, S. 522; Zuber, Anknüpfungsmerkmale und Reichweite der internationalen Besteuerung, 1991, S. 90 f.; Schön, Zur Zukunft des Internationalen Steuerrechts, StuW, 2012, S. 213 ff., 214; Debatin, Konzeptionen zur Steuerpflicht, FR, 1969, S. 277 ff. 735 Siehe die Nachweise in Fußnote 614. 736 Im Ergebnis ebenso Reimer, Der Ort des Unterlassens, 2004, S. 339 f. Hieran zweifelt allerdings Ohler, Die Kollisionsordnung des allgemeinen Verwaltungsrechts Strukturen des deutschen internationalen Verwaltungsrechts, 2005, S. 19 f., der bloß einen „Normkonflikt im weiteren Sinne“ sehen möchte, da die Mehrfachbelastung dem Bürger gegenüber nicht zumutbar sei. 737 Schmidt, Freistellungsmethode auf dem Rückzug?, in: Achatz (Hrsg.), Internationales Steuerrecht, DStJG Band 37, 2013, S. 87 ff., 91; vgl. Ritter, Das Prinzip Rücksicht, BB, 1984, S. 1109 ff., 1112. Soweit eine Freistellung des ausländischen Einkommens erfolgt, liegt kein Fall der extraterritorialen Besteuerung vor, sodass vorliegend nur die Anrechnungsmethode von Bedeutung ist. In diesem Sinne bspw. auch Vogel, Internationales Steuerrecht, DStZ, 1997, S. 269 ff., 271. 738 Schmidt, Freistellungsmethode auf dem Rückzug?, in: Achatz (Hrsg.), Internationales Steuerrecht, DStJG Band 37, 2013, S. 87 ff., 91; Schaumburg, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im internationalen Steuerrecht, in: Lang (Hrsg.), Die Steuerrechtsordnung in der Diskussion, 1995, S. 125 ff., 143 ff.; Ritter, Das Prinzip Rücksicht, BB, 1984, S. 1109 ff., 1112. Anderer Ansicht aber Elicker, Die Zukunft des deutschen internationalen Steuerrechts, IFSt-Schrift, Nr. 438, 2006, S. 38.
B. Die willkürliche und treuwidrige extraterritoriale Erstreckung
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sowie die absolute Belastungswürdigkeit, entfaltet der Staat insoweit wiederum nach einem Maßstab, der entweder darin besteht, dem Maßstab der absoluten Belastungswürdigkeit Vorrang einzuräumen oder aber die eigene Festlegung der absoluten Belastungswürdigkeit nur unter dem Vorbehalt einer niedrigeren Steuerlast im Ausland zu entfalten. In erstgenannten Fall entscheidet sich der Staat dafür, dass die Besteuerung eines ausländischen Staates über die selbst angenommene absolute Belastungswürdigkeit durch eine Erstattung dieser Steuern über die inländische Belastungswürdigkeit hinaus vorgenommen wird, sodass insoweit die zu erstattende ausländische Steuerlast den Finanzbedarf des Staates erhöht und diese Erhöhung von den übrigen Personen nach dem relativen Maß der Lastenausteilung zu tragen ist. Entscheidet sich der Staat hingegen gegen eine Erstattung der überschießenden Steuerzahlung, so bildet er zwar eine absolute Belastungswürdigkeitsentscheidung, setzt diese aber unter einen Vorbehalt. Dieser kann darin bestehen, dass der Staat seine Belastungswürdigkeitsentscheidung insgesamt unter den Vorbehalt der Bewertung des anderen Staates setzt, oder aber, dass nach einem Maßstab der Ausgleich zwischen diesen beiden widerstreitenden Maßstäben zulasten der Festlegung der absoluten Belastungswürdigkeit geht, weil andernfalls eine Verlagerung der ausländischen Steuerlast auf die übrigen steuerpflichtigen Personen über Gebühr stattfinden würde. Insoweit beinhaltet die Entscheidung für eine unvollständige Anrechnung aber nicht zugleich in jedem Falle die normative Billigung der Belastungswürdigkeitsentscheidung des anderen Staates, sondern lediglich die Zuerkennung, dass dieser eine eigene Belastungswürdigkeitsentscheidung treffen kann. Vor diesem Hintergrund ist festzustellen, dass die Fiskalwirkung der Besteuerung zwar regelmäßig, aber nicht notwendigerweise mit einer Einwirkung auf die Freiräume fremder Staaten einhergeht. Dies ist davon abhängig, ob aus Sicht des betroffenen Staates die Steuerbelastung gerade in dieser Höhe herbeigeführt werden soll und eine ausländische Steuer nach dem dieser Festlegung zugrunde liegendem Maßstab daher zu einer übermäßigen Belastung führt. Hiervon ist auszugehen, wenn der Staat in der persönlichen weltweiten Leistungsfähigkeit einer Person den zutreffenden Maßstab der Lastenausteilung sieht und demgemäß eine Anrechnung ausländischer Steuern vorsieht. Soweit der Staat Lenkungsziele verfolgt, insbesondere im Rahmen der Lenkungszwecksteuern, bewirkt eine extraterritoriale Erstreckung der Besteuerung ebenfalls eine Einwirkung auf den Freiraum fremder Staaten.
II. Die Auflösung des Spannungsfeldes durch das Völkerrecht Im vorherigen Abschnitt wurde dargelegt, dass die extraterritoriale Erstreckung des Regelungs- und Rechtsfolgenbereiches bei Erlass eines Rechtssatzes in Wahrnehmung der souveränen Steuer- und Staatsgewalt regelmäßig mit einer Beschränkung des fremden Staaten vom Souveränitätsprinzip zugewiesenen Freiraumes zur Entfaltung eigener Staatlichkeit einhergeht. Da der regelnde Staat aber
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Teil 3: Völkerrechtliche Grenzen der extraterritorialen Rechtsetzung
grundsätzlich in Wahrnehmung seiner souveränen Rechtsetzungsgewalt und damit im Rahmen des ihm zugewiesenen Freiraumes zur Wahrnehmung eigener Staatlichkeit tätig wird, sind diese Einwirkungen Ausdruck der bestehenden Überschneidungen der nach der souveränen Gleichheit gleichrangig bestehenden Freiräume der Staaten. Diese Überschneidungen der Freiräume können, wie in Teil 1 A. III. 2. b) (cc) aufgezeigt, nicht durch eine Abwägung aufgelöst werden. Dies gilt selbst dann, wenn das seitens des Staates der Staatsangehörigkeit vorgeschriebene Verhalten im Aufenthaltsstaat einem Verbot unterliegt. Auch kann auf Grund der Gleichrangigkeit der Freiräume zur Verfolgung von Regelungszwecken nicht von einem grundsätzlichen Vorrang der Rechtsordnung des Territorialstaates ausgegangen werden.739 1. Die Missachtung fremder Souveränität als Verstoß gegen Treu und Glauben a) Das Erfordernis der Achtung fremder Souveränität Dieses Ergebnis ist noch nicht gleichbedeutend mit der Zurückweisung einer jeden Beschränkung der Rechtsetzungsgewalt. Die der Anerkennung der Überschneidungen der souveränen Freiräume zugrunde liegende Gleichrangigkeit beruht darauf, dass die Souveränitätswahrnehmung des regelnden Staates nach völkerrechtlichen Maßstäben tatsächlich eine anzuerkennende Wahrnehmung seiner souveränen Rechtsetzungsgewalt darstellt. Würde der Staat hingegen nicht in Wahrnehmung der souveränen Rechtsetzungsgewalt tätig, so würde alleinig das negative Souveränitätsprinzip wirksam. In seiner negativen Form wäre das Souveränitätsprinzip auf die Abwehr der Einwirkungen gerichtet und würde fordern, dass die Rechtsetzungsgewalt in der Form ausgeübt wird, dass Einwirkungen auf die Regelungszwecke der fremden Staaten nicht eintreten.740 Da diese auf der extraterritorialen Erstreckung des Regelungs- und Rechtsfolgenbereiches beruhen, wäre vom Souveränitätsprinzip als Rechtsprinzip in seiner negativen Form die Vermeidung der Einwirkung gefordert. Fraglich ist aber, in welchen Fällen das völkerrechtliche Souveränitätsprinzip in der Form begrenzt ist, das der Staat im Fall der extraterritorialen Erstreckung des Regelungs- und Rechtsfolgenbereichs nicht in Wahrnehmung seines ihm vom Souveränitätsprinzip zugewiesenen Freiraumes tätig wird. Insoweit ist in Form des Achtungsanspruches des Souveränitätsprinzips eine bisher vernachlässigte Dimension des Souveränitätsprinzips zu berücksichtigen. Bereits in Teil 1 A. III. 2. a) (cc) wurde darauf hingewiesen, dass das Souveränitätsprinzip nicht nur einen Freiraum 739
Siehe bereits die Nachweise in Fußnote 599. Im Ausgangspunkt ebenso Bleckmann, Allgemeine Staats- und Völkerrechtslehre, 1995, S. 217 ff., 229 ff., 825 ff.; Bockslaff, Das völkerrechtliche Interventionsverbot als Schranke außenpolitisch motivierter Handelsbeschränkungen, 1987, S. 105 f. 740
B. Die willkürliche und treuwidrige extraterritoriale Erstreckung
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zur Entfaltung eigener Staatlichkeit beinhaltet, der bisher der Betrachtung zugrunde lag, sondern auch einen Achtungsanspruch, nach dem die Souveränität anderer Staaten nicht negiert werden darf. Hierdurch wird die Souveränität eines Staates dahingehend beschränkt, dass dem Staat als Souverän nicht die Befugnis zukommt, sich über andere Staaten zu erheben und ihre Souveränität abzulehnen. Die Gleichrangigkeit der Souveränität der verschiedenen Staaten gebietet es daher, fremde Souveränität zu achten, wobei dieses Nebeneinander zugleich die eigene Souveränität beschränkt.741 Dies bedeutet im vorliegenden Zusammenhang, dass eine extraterritoriale Erstreckung des Regelungs- und Rechtsfolgenbereiches, die allein dem Zweck dient, auf den Freiraum anderer Staaten einzuwirken, nicht vom positiven Gehalt des Souveränitätsprinzips umfasst sein kann,742 da eine derartige Rechtsetzung gerade das Bestehen eines Freiraumes eines fremden Staates zur unabhängigen Verfolgung eigener Regelungszwecke und demgemäß seine Souveränität in grundsätzlicher Form missachtet und in Frage stellt.743 In diesen Fällen wird 741
Abweichende Meinung des Präsidenten des IGH Guillaume IGH, Urteil v. 14. 2. 2002, Case Concerning the Arrest Warrant of 11 April 2000 (Democratic Republic of the Congo v. Belgium), ICJ Reports, 2002, S. 3 ff., 43; EGMR, Urteil v. 12. 12. 2001, 52207/99, Bankovic and Others v. Belgium and 16 Other Contracting States, Rn. 59; Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 482; Schwarze, Die Jurisdiktionsabgrenzung im Völkerrecht, 1994, S. 13; Heber/Sternberg, The Extraterritorial Reach of the German Progression Clause in Income Tax Law in the light of International Law, Intertax, 2017, S. 254 ff., 262; Englisch/Vella/Yevgenyeva, The Financial Transaction Tax Proposal Under the Enhanced Cooperation Procedure: Legal and Practical Considerations, BTR, 2013, S. 223 ff., 238; Englisch/Krüger, Zur Völkerrechtswidrigkeit extraterritorialer Effekte der französischen Finanztransaktionssteuer, IStR, 2013, S. 513 ff., 515; Schmahl, Zwischenstaatliche Kompetenzabgrenzung im Cyberspace, AVR, 2009, S. 284 ff., 293. Siehe auch Bleckmann, Allgemeine Staats- und Völkerrechtslehre, 1995, S. 200 ff., 528 ff.; Bleckmann, Das Souveränitätsprinzip im Völkerrecht, AVR, 1985, S. 450 ff., 466, 476 f., der auf die „subjektiven Rechte der anderen Staaten“ verweist, sowie Mann, Studies in International Law, 1973, S. 30, der jedem Staat die Zuständigkeit abspricht, das ausländische Verhalten sich im Ausland aufhaltender Personen zu regulieren, soweit sich dieses nicht auf das Staatsgebiet oder Staatsvolk auswirkt. 742 Dieses Merkmal ist auch für Bryde, Die Intervention mit wirtschaftlichen Mitteln, in: von Münch (Hrsg.), Staatsrecht – Völkerrecht – Europarecht, 1981, S. 227 ff., 239 ff.; Bockslaff, Das völkerrechtliche Interventionsverbot als Schranke außenpolitisch motivierter Handelsbeschränkungen, 1987, S. 90 ff. entscheidend. Bär, Kartellrecht und Internationales Privatrecht, 1965, S. 328 f. fordert demgegenüber ein achtbares Interesse und will hierdurch die Anwendung des Rechtsmissbrauchsverbotes nicht bloß auf solche Situationen beschränkt wissen, in denen „bloss schikanöses oder völlig interessenloses Verhalten“ vorliegt. Siehe zudem Bleckmann, Allgemeine Staats- und Völkerrechtslehre, 1995, S. 825; Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 603. 743 Ebenso Bockslaff, Das völkerrechtliche Interventionsverbot als Schranke außenpolitisch motivierter Handelsbeschränkungen, 1987, S. 105 f.; Hamel, Das Wesen des Staatsgebietes, 1933, S. 252. Vgl. zu diesem Ansatz auch die Ausführungen bei Bryde, Die Intervention mit wirtschaftlichen Mitteln, in: von Münch (Hrsg.), Staatsrecht – Völkerrecht – Europarecht, 1981, S. 227 ff., 239 ff.; Erler, Staatssouveränität und Internationale Wirtschaftsverflechtung, in: DGFIR, Zum Problem der Souveränität, DGFIR Band 1, 1957, S. 29 ff., 37, 40 f.; Krüger, Souveränität und Staatengemeinschaft, in: DGFIR, Zum Problem der Souveränität, DGFIR Band 1, 1957, S. 1 ff., 3 f.; Bleckmann, Allgemeine Staats- und Völkerrechtslehre, 1995,
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allein der negative Gehalt des Souveränitätsprinzips wirksam und fordert die Möglichkeit zur Abwehr der so wahrgenommenen Staatsgewalt. Der Achtungsanspruch des rechtlichen Souveränitätsprinzips wird in diesem Umfang als ein Schikaneverbot wirksam, denn in der Beschränkung fremder Souveränität ohne Verfolgung eines anderen Zweckes liegt auch ohne das Hinzutreten eines diskriminierenden Charakters eine im weiteren Sinne schikanöse Wahrnehmung der eigenen Staatsgewalt. b) Das Gebot von Treu und Glauben Eine extraterritoriale Rechtsetzung, die allein dem Zweck dient, auf die Freiräume fremder Staaten einzuwirken, und damit ihre Souveränität negiert, stellt demnach zwar nicht die Ausübung souveräner Staatsgewalt dar. Da es sich beim Souveränitätsprinzip aber nur um ein Rechtsprinzip handelt, ist hierdurch die Rechtsetzungsgewalt des Staates noch nicht unmittelbar beschränkt. Es bedarf vielmehr einer Rechtsnorm des Völkerrechts, die die vom Souveränitätsprinzip geforderte Beschränkung umsetzt und damit als Verbot der extraterritorialen Erstreckung des Regelungs- und Rechtsfolgenbereichs wirksam wird sowie den betroffenen Staaten eine Abwehr einer solchen Rechtsetzung ermöglicht.744 Insoweit ist vorliegend das Gebot von Treu und Glauben von Bedeutung,745 das als allgemeiner Rechtsgrundsatz746 im Völkerrecht bindend ist.747 Die Funktion des S. 605 ff.; Bleckmann, Das Souveränitätsprinzip im Völkerrecht, AVR, 1985, S. 450 ff., 476 f.; Akehurst, Jurisdiction in International Law, Brit. Y.B. Int., 1975, S. 145 ff., 147. 744 Anschaulich insoweit zum Beispiel Beyerlin, „Prinzipien“ im Umweltvölkerrecht – ein pathologisches Phänomen?, in: Cremer u. a. (Hrsg.), Tradition und Weltoffenheit des Rechts, 2002, S. 31 ff., 54; Alexy, Theorie der Grundrechte, erstveröffentlicht in 1984, S. 77 ff., 117 ff. 745 Das Rechtsmissbrauchsverbot kommt insoweit aus den in Teil 3 A. II. 4. dargelegten Gründen nicht in Betracht, da die hier geforderten Beschränkungen negative Zwecksetzungen bilden. Eine positive Zweckrichtung kann auch nicht im Inhalt des positiven Souveränitätsprinzipes gesehen werden, Staaten einen Freiraum zur Entfaltung eigener Staatlichkeit zu gewährleisten, da eigene Staatlichkeit auch bei Fehlen eines inhaltlichen Bezugspunktes zum Staatsgebiet oder Staatsvolk wahrgenommen wird, wie in Teil 1 B. I. 4. ausgeührt wurde. 746 Zu diesen allgemein vgl. bereits die Nachweise in Fußnote 531. 747 Siehe IGH, Urteil v. 11. 6. 1998, Land and Maritime Boundary between Cameroon and Nigeria (Cameroon v. Nigeria: Equatorial Guinea intervening), ICJ Reports, 1998, S. 275 ff., 296 ff.; IGH, Urteil v. 20. 12. 1974, Nuclear Tests (Australia v. France), ICJ Reports, 1974, S. 253 ff., 268; StIGH, Urteil v. 25. 8. 1925, Case concerning certain German interests in Upper Silesia (The Merits), PCIJ Series A, 1925, S. 3 ff., 39 f.; Kokott, Mißbrauch und Verwirkung von Souveränitätsrechten bei gravierenden Völkerrechtsverstößen, in: Beyerlin u. a. (Hrsg.), Recht zwischen Umbruch und Bewahrung, 1995, S. 135 ff., 139 f.; Verdross, Die bona fides als Grundlage des Völkerrechts, in: Ko¯nstantopulos/Wehberg (Hrsg.), Gegenwartsprobleme des internationalen Rechtes und der Rechtsphilosophie, 1953, S. 29 ff.; Kotzur, Good Faith (Bona fide), in: Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law; Herdegen, Völkerrecht, 17. Aufl., 2018, S. 161 f.; Shaw, International law, 8. Aufl., 2017, S. 77; Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht, 14. Aufl., 2017, S. 42; von Arnauld, Völkerrecht, 3. Aufl., 2016, S. 112; Hobe/Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 10. Aufl., 2014, S. 217; Kempen/
B. Die willkürliche und treuwidrige extraterritoriale Erstreckung
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Rechtsgrundsatzes besteht anerkanntermaßen darin, bestehende völkerrechtliche Rechte und Pflichten auszuformen, die hiernach in Übereinstimmung mit Treu und Glauben wahrgenommen werden müssen. Hierdurch ist gefordert, dass eine völkerrechtliche Befugnis nicht willkürlich, ohne erkennbaren sachlichen Grund oder allein mit Schädigungsabsicht wahrgenommen wird. Auf diesem Wege erhalten völkerrechtliche Rechte und Pflichten eine negative Zweckfestlegung, die darin besteht, dass gegen bestimmte allgemein vorgegebene Maßstäbe, insbesondere Rechtsprinzipien, nicht verstoßen werden darf.748 Wird nach diesen Maßstäben eine Befugnis treuwidrig ausgeübt, so liegt hierin ein Verstoß gegen geltendes Völkerrecht und ein betroffener Staat kann die Wahrnehmung der Staatsgewalt als treuwidrig zurückweisen. Insoweit soll wegen dieser Maßstäbe die Befugnis keinen Bestand haben, selbst wenn sie in grundsätzlicher Übereinstimmung mit den Zwecken der Befugnis ausgeübt werden.749 Für den im Rahmen dieser Arbeit interessanten Kontext bedeutet dies, dass die Ausübung der Staatsgewalt durch einen Staat dann als treuwidrig zurückzuweisen ist, wenn der Staat nicht in anerkennenswerter Weise eigene Souveränität beansprucht. Nach dem Souveränitätsprinzip als Achtungsanspruch ist dies dann der Fall, wenn ein Staat durch die Wahrnehmung seiner Staatsgewalt die Souveränität fremder Staaten negiert. Soweit daher ein Staat seine Rechtsetzungsgewalt, vergleichbar mit einer Schädigungsabsicht, alleinig mit dem Ziel wahrnimmt, auf die Souveränität fremder Staaten einzuwirken, tritt seine Rechtsetzungsgewalt in Widerspruch zum Hillgruber, Völkerrecht, 2. Aufl., 2012, S. 98; Fernández de Casadevante y Romani, Carlos/ SpringerLink, Sovereignty and Interpretation of International Norms, 2007, S. 14 ff.; Dahm/ Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band III/III, 2. Aufl., 2002, S. 845 ff.; Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 587 ff.; O’Connor, Good faith in international law, 1991, der insbesondere auch umfassend die internationale Rechtsprechung sowie die historischen Grundlagen des Gebots untersucht; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., 1984, S. 46 ff.; Linderfalk, What Are the Functions of the General Principles?, Good Faith and International Legal Pragmatics, ZaöRV, 2018, S. 1 ff.; Tanzi, Remarks on Sovereignty in the Evolving Constitutional Features of the International Community, International Community Law Review, 2010, S. 145 ff., 153; mit zahlreichen weiteren Nachweisen Kolb, Principles as Sources of International Law, NLR, 2006, S. 1 ff., 13 ff. Nach teilweise vertretener Ansicht soll das Gebot von Treu und Glauben allerdings als Völkergewohnheitsrecht verbindlich sein, siehe Fernández de Casadevante y Romani, Carlos/ SpringerLink, Sovereignty and Interpretation of International Norms, 2007, S. 14 ff. 748 Vgl. aus den Nachweisen in der vorhergehenden Fußnote insbesondere Kokott, Mißbrauch und Verwirkung von Souveränitätsrechten bei gravierenden Völkerrechtsverstößen, in: Beyerlin u. a. (Hrsg.), Recht zwischen Umbruch und Bewahrung, 1995, S. 135 ff., 139 f.; Verdross, Die bona fides als Grundlage des Völkerrechts, in: Ko¯nstantopulos/Wehberg (Hrsg.), Gegenwartsprobleme des internationalen Rechtes und der Rechtsphilosophie, 1953, S. 29 ff., 30 f.; O’Connor, Good faith in international law, 1991, S. 124 sowie Fastenrath, Lücken im Völkerrecht, 1991, S. 127 ff.; Müller, Deutsche Steuerhoheit über ausländische Tochtergesellschaften, 1970, S. 81 f. 749 Siehe hierzu insbesondere O’Connor, Good faith in international law, 1991, S. 81 ff., 123 f., der umfassend die Rechtsprechung des IGH analysiert, sowie ergänzend StIGH, Urteil v. 25. 8. 1925, Case concerning certain German interests in Upper Silesia (The Merits), PCIJ Series A, 1925, S. 3 ff., 38 f.
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Teil 3: Völkerrechtliche Grenzen der extraterritorialen Rechtsetzung
Achtungsanspruch und hierin kann keine Ausübung souveräner Staatsgewalt gesehen werden. In diesem Fall besteht aber die grundsätzliche Gleichrangigkeit zwischen dem Freiraum des regelnden Staates zur auch extraterritorialen Rechtsetzung und dem Freiraum des betroffenen Staates, grundsätzlich frei von äußeren Einflüssen eigenständig Regelungsanliegen und -maßstäbe im Rahmen der Rechtsetzung entfalten zu können, nicht länger fort. Vielmehr wird der regelnde Staat nicht im Rahmen des ihm vom Souveränitätsprinzip zugewiesenen Freiraumes tätig, sodass lediglich der Abwehrgehalt des Souveränitätsprinzips zu Gunsten der anderen Staaten wirksam wird. Die insoweit geforderte Beschränkung der Rechtsetzungsgewalt vollzieht sich durch das Gebot von Treu und Glauben, das zum Schutz der Souveränität der anderen Staaten eine extraterritoriale Rechtsetzung, die allein darauf abzielt, ihren Freiraum zu beschränken, als treuwidrig einordnet. Betroffene Staaten können auf Grund dessen die derart ausgeübte Rechtsetzungsgewalt als völkerrechtswidrig zurückweisen.750 2. Die Bedeutung des völkerrechtlichen Willkürverbotes Offen ist allerdings, unter welchen Umständen sich die Rechtsetzungsgewalt darin erschöpft, durch die extraterritoriale Erstreckung des Regelungs- und Rechtsfolgenbereiches einer Norm eine Einwirkung auf die Freiräume anderer Staaten hervorzurufen. Die Beantwortung dieser Frage impliziert aber bereits die Anwendung des völkerrechtlichen Willkürverbotes.751 a) Grundsätzlicher Inhalt und Herleitung In seiner allgemeinsten Form fordert das Willkürverbot, dass nicht willkürlich, sondern unter Verfolgung eines nicht völlig fernliegenden Maßstabs gehandelt wird.752 Es fordert hierdurch eine spezifische Verknüpfung zwischen zwei Elementen: Die Handlung muss, nach dem Maßstab der Willkür, mit einem anderen 750
Ähnlich auch bereits Heber/Sternberg, The Extraterritorial Reach of the German Progression Clause in Income Tax Law in the light of International Law, Intertax, 2017, S. 254 ff. für den Fall einer Diskrepanz zwischen der extraterritorialen Erstreckung der Regelung und dem Regelungszweck. 751 Ebenso Hamel, Das Wesen des Staatsgebietes, 1933, S. 252; Heber/Sternberg, The Extraterritorial Reach of the German Progression Clause in Income Tax Law in the light of International Law, Intertax, 2017, S. 254 ff., 262 Vgl. auch Zuber, Anknüpfungsmerkmale und Reichweite der internationalen Besteuerung, 1991, S. 82 ff.; Leibholz, Das Verbot der Willkür und des Ermessensmissbrauches im völkerrechtlichen Verkehr der Staaten, ZaöRV, 1929, S. 77 ff., 102 f., die das Willkürverbot eigenständig jenseits des Gebots von Treu und Glauben heranziehen, um die extraterritoriale Reichweite der (Steuer-)Rechtsetzung zu begrenzen. 752 Ebenso Bär, Kartellrecht und Internationales Privatrecht, 1965, S. 331; Leibholz, Das Verbot der Willkür und des Ermessensmissbrauches im völkerrechtlichen Verkehr der Staaten, ZaöRV, 1929, S. 77 ff., 78.
B. Die willkürliche und treuwidrige extraterritoriale Erstreckung
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Element in Verbindung treten. Ob eine solche Verbindung vorliegt, bestimmt sich gerade danach, ob zwischen den Elementen eine irgendwie entfernt nachvollziehbare Beziehung besteht.753 Fehlt eine solche Beziehung, so wird die Handlung willkürlich vorgenommen. Im Ergebnis fordert das Willkürverbot, dass ein Element in einem weiteren, dem abgeleiteten, Element unter Berücksichtigung eines Maßstabs in entfernt nachvollziehbarer Form konkretisiert wird. Das abgeleitete Element muss geeignet sein, das allgemeinere Merkmal zu beschreiben. Dieses Willkürverbot in seiner allgemeinsten Form als Forderung des Bestehens einer nachvollziehbaren Beziehung zwischen zwei Elementen ist damit rechtliches Korrelat der Forderung einer irgendwie gearteten Beziehung zwischen zwei Elementen. Wird eine solche Beziehung gefordert, so entspricht dem Fehlen einer solchen Beziehung denknotwendig die Willkür. Dieser strukturlogische Zusammenhang wird durch das Willkürverbot aufgegriffen und zählt als allgemeiner Rechtsgrundsatz zum Bestand des Völkerrechts, das in zahlreichen Fällen Anwendung erfahren hat.754 Insoweit ist im Willkürverbot ein allgemeines Prinzip der Völkerrechtsordnung zu sehen, das in zahlreichen Rechtsnormen des Völkerrechts zum Ausdruck gelangt und immer dann Anwendung findet, wenn eine irgendwie geartete Beziehung zwischen zwei Elementen gefordert wird. Im Rahmen des Rechtsmissbrauchsverbots drückt sich das Willkürverbot daher bspw. darin aus, dass rechtsmissbräuchlich eine Befugnis dann wahrgenommen wird, wenn die Inanspruchnahme nicht in willkürfreier Konkretisierung der Zwecke erfolgt, wegen derer die Befugnis eingeräumt wurde, da die wahrgenommenen Zwecke eine Konkretisierung der eingeräumte Zwecke sein müssen.755 Ebenso äußert sich das Willkürverbot im Fremdenrecht, das die Einhaltung eines gewissen Mindeststandards gegenüber Nicht-Staatsangehörigen beinhaltet, die sich im Staatsgebiet aufhalten, und so bspw. vor grundlosen Enteignungen schützt und auch eine justizielle Gleichheit einfordert.756 Bedeutung kommt dem Willkürverbot auch im Rahmen des staatsintern wirkenden Selbstbestimmungsrecht des Volkes zu, das in diesem Fall einen Staat dazu verpflichtet, die Staatsgewalt gegenüber einer Volksgruppe diskriminierungsfrei auszuüben.757 753 Leibholz, Das Verbot der Willkür und des Ermessensmissbrauches im völkerrechtlichen Verkehr der Staaten, ZaöRV, 1929, S. 77 ff., 78. 754 Siehe zunächst die in Fußnote 747 zum Gebot von Treu und Glauben sowie die in Fußnote 649 zum Rechtsmissbrauch angeführte Literatur, nach der die Willkür eine der wesentlichen Formen des treuwidrigen bzw. rechtsmissbräuchlichen Verhaltens ist. Darüber hinaus Raupach, Der Durchgriff im Steuerrecht, 1968, S. 181 ff.; Wengler, Völkerrecht, 1964, S. 1002 ff.; Leibholz, Das Verbot der Willkür und des Ermessensmissbrauches im völkerrechtlichen Verkehr der Staaten, ZaöRV, 1929, S. 77 ff. 755 Vgl. die in Fußnote 650 genannte Literatur. 756 Siehe bereits Teil 1 B. I. 1. b) (cc). 757 IGH, Advisory Opinion v. 22. 7. 2010, Accordance with international law of the unilateral declaration of independence in respect of Kosovo, ICJ Reports, 2010, S. 403 ff., 436; IGH, Advisory Opinion v. 9. 7. 2004, Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory, ICJ Reports, 2004, S. 136 ff., 171 ff.; IGH, Urteil v. 30. 6. 1995,
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Teil 3: Völkerrechtliche Grenzen der extraterritorialen Rechtsetzung
b) Die willkürfreie extraterritoriale Rechtsetzung Im Kontext der vorliegenden Arbeit kulminiert die Forderung des Gebots von Treu und Glauben, dass sich die extraterritoriale Erstreckung des Regelungs- und Rechtsfolgenbereiches einer Norm nicht darin erschöpfen darf, eine Einwirkung auf die Freiräume anderer Staaten hervorzurufen, in der Anwendung des Willkürverbotes.758 Ob sich die Rechtsetzung hierin erschöpft oder nicht zumindest doch ein weiteres Element in der Regelung zum Ausdruck kommt, wird durch das Willkürverbot beantwortet. Denn dieses bildet den Maßstab dafür, ob zwischen zwei Elementen eine entfernt nachvollziehbare Beziehung besteht.759 Besteht eine solche Beziehung nicht zu einem weiteren Element als dem nach dem Souveränitätsprinzip verpönten Interesse, auf fremde Regelungszwecke einzuwirken, so erschöpft sich die Rechtsetzungsgewalt in diesem Fall in der Einwirkung und Beschränkung der Souveränität fremder Staaten und ist nach dem Souveränitätsprinzip nicht beachtlich. Die Anwendung des Willkürverbotes ist damit unmittelbare und denknotwendige Folge der Forderung, dass sich die Rechtsetzungsgewalt nicht in der Herbeiführung einer Einwirkung auf die Freiräume anderer Staaten erschöpfen darf. Wenn das Gebot von Treu und Glauben mithin diese Forderung aufstellt, so nimmt es hierdurch unmittelbar das Willkürverbot in Bezug. Das Willkürverbot dient so der Ausformung der Voraussetzungen des Gebots von Treu und Glauben.
East Timor (Portugal v. Australia), ICJ Reports, 1995, S. 90 ff., 102 ff.; Supreme Court of Canada, Opinion v. 20. 8. 1998, 25506, Reference re Secession of Quebec, Supreme Court Reports 2, 1998, S. 217 ff., 281 ff.; Herdegen, Völkerrecht, 17. Aufl., 2018, S. 286 ff.; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 373 ff.; Shaw, International law, 8. Aufl., 2017, S. 198 ff.; Hobe/ Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 10. Aufl., 2014, S. 114 ff.; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, 2. Aufl., 2012, S. 271 ff.; Petersen, Demokratie als teleologisches Prinzip zur Legitimität von Staatsgewalt im Völkerrecht, 2009, S. 83 ff.; Bentzien, Die völkerrechtlichen Schranken der nationalen Souveränität im 21. Jahrhundert, 2007, S. 45 ff.; Vereinte Nationen, Declaration on Principles of International Law concerning Friendly Relations and Co-operation among States in accordance with the Charter of the United Nations, 24. 10. 1970.; Oeter, Selbstbestimmungsrecht im Wandel, ZaöRV, 1992, S. 741 ff. 758 Siehe auch Leibholz, Das Verbot der Willkür und des Ermessensmissbrauches im völkerrechtlichen Verkehr der Staaten, ZaöRV, 1929, S. 77 ff., 102 f., 125, der allgemein nach einem Ermessensmissbrauch fragt und diesen annimmt, wenn der Staat willkürlich handelt. Ähnlich Zuber, Anknüpfungsmerkmale und Reichweite der internationalen Besteuerung, 1991, S. 82 ff., die einen willkürfreien Staatenbezug fordert, der die Teilhabe an der im Staat bestehenden Gemeinschaft widerspiegelt. Ebenso scheint Mestmäcker, Staatliche Souveränität und offene Märkte: Konflikte bei der extraterritorialen Anwendung von Wirtschaftsrecht, RabelsZ, 1988, S. 205 ff., 242 in der Willkür die äußerste Grenze der extraterritorialen Erstreckung zu sehen. 759 Insoweit verweisen auch Vertreter des Kriteriums der hinreichend engen Verknüpfung auf das Willkürverbot, ohne aber das genaue Verhältnis zwischen dem Willkürverbot und dem Kriterium der hinreichend engen Verknüpfung darzulegen, insbesondere Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 117 ff.; Epping, Grundgesetz und Kriegswaffenkontrolle, 1993, S. 146 f.
B. Die willkürliche und treuwidrige extraterritoriale Erstreckung
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(aa) Das Verhältnis von Regelung und Regelungszweck Ausgangspunkt dieser Frage nach dem Fehlen einer entfernt nachvollziehbaren Beziehung zu einem anderen Element als dem verpönten Interesse der Einwirkung auf fremde Regelungszwecke muss zunächst sein festzustellen, worauf die Erstreckung des Regelungs- und Rechtsfolgenbereiches beruht. Insoweit zeigte sich bereits, dass Tatbestand und Rechtsfolge der Norm durch den Staat in Ausübung der souveränen Rechtsetzungsgewalt mit Blick auf den Regelungszweck gebildet werden. Dieser beschreibt durch das Regelungsanliegen, worin das in einem Lebenssachverhalt bestehende Problem besteht, durch die Regelungsinteressen welche Interessen für die Lösung relevant sind und in Form des Regelungsmaßstabs welcher Maßstab in welcher Form zu entfalten ist, um das Problem einer Lösung zuzuführen. Die Beschreibung des Lebenssachverhaltes findet im Tatbestand Ausdruck, während die gewünschte Regelung des Sachverhaltes für die Bestimmung der Rechtsfolge und Rechtsfolgenanordnung maßgeblich ist. Demgemäß kann die Ausgangsfrage dahingehend präzisiert werden, dass die extraterritoriale Erstreckung des Regelungs- und Rechtsfolgenbereiches nicht allein auf dem Interesse beruhen darf, auf die Regelungszwecke fremder Staaten einzuwirken und so dessen Souveränität zu beschränken. Gefordert ist vielmehr, dass in der Festlegung von Tatbestand und Rechtsfolge ein Regelungsanliegen des regelnden Staates Ausdruck findet. Ob dabei einer Regelung ein solches Regelungsanliegen zugrunde liegt, kann anhand des Maßstabs der Willkür beantwortet werden. Demnach muss zwischen dem Regelungsanliegen, das dem Rechtssatz zugrunde liegt, und der Fassung von Tatbestand und Rechtsfolge eine zumindest entfernt nachvollziehbare Beziehung bestehen, sodass letztlich die extraterritoriale Erstreckung des Regelungs- und Rechtsfolgenbereiches und damit die Festlegung von Tatbestand und Rechtsfolge in Konkretisierung der entsprechend dem Regelungsanliegen bestimmten Regelungsinteressen unter Entfaltung des Regelungsmaßstabs erfolgt. Nur insoweit wird die Rechtsetzungsgewalt in Übereinstimmung mit dem Gebot von Treu und Glauben wahrgenommen. (bb) Das Erfordernis eines staatenbezogenen Regelungsanliegens Es ist aber weitergehend zu berücksichtigen, dass auch das Ziel der Einwirkung auf fremde Regelungszwecke als ein taugliches Regelungsanliegen angesehen werden kann. Soweit vorliegend daher von einem Regelungsanliegen gesprochen wird, ist daher ein anderes Anliegen gefordert, dessen Ziel nicht darin besteht, auf Regelungszwecke fremder Staaten einzuwirken. Denn nur solche Ziele können angesichts des Achtungsanspruches, das durch das Gebot von Treu und Glauben insoweit normativ ausgeformt wird, eine souveräne Wahrnehmung der eigenen Rechtsetzungsgewalt darstellen. Als solche Ziele kommen aber nur staatenbezogene Zwecke in Betracht: Denn verfolgt der Staat keinen staatenbezogenen Zweck, also verfolgt der Staat mit der
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Teil 3: Völkerrechtliche Grenzen der extraterritorialen Rechtsetzung
Festsetzung nicht eigene vom Souveränitätsprinzip umfasste Interessen, wobei dieses eigene Interesse daher gerade nicht darin bestehen darf, alleinig Einwirkungen auf den fremden Staat herbeizuführen, so muss sich ein solches, nicht staatenbezogenes Regelungsanliegen in der Bewirkung von Einwirkungen auf fremde Regelungszwecke erschöpfen. Denn in diesem Fall beansprucht der Staat in Bezug auf nicht staatenbezogene Belange, seine Anliegen nach seinem Regelungsmaßstab durchzusetzen und dieses zu Lasten anderer Staaten zur Geltung zu bringen. Ein solches Anliegen kann aber keinen Bestand haben, da gerade nach dem Souveränitätsprinzip jedem Staat für sich die Befugnis zukommt, das zu verfolgende Regelungsanliegen zu bestimmen, sodass kein Staat seine Regelungsanliegen und –maßstäbe anderen Staaten oktroyieren darf. Dies gilt gerade auch in dem Fall, in dem das Regelungsanliegen nicht vom positiven Gehalt des Souveränitätsprinzips umfasst ist. Denn auf Grund dessen genießt der negative Gehalt des Souveränitätsprinzips und damit die Position des betroffenen Staates Vorrang, sodass dieser die Einwirkung abwehren kann. Da es nach dem positiven Souveränitätsgehalt insoweit an einem gleichrangigen, anzuerkennenden Regelungsanliegen fehlt, erschöpft sich auch diese Rechtsetzung letztlich in der Bewirkung verpönter Einwirkungen auf fremde Staaten. Ob sich das Regelungsanliegen eines Staates allerdings darin erschöpft, seine Wertungen und Interessen gegenüber anderen Staaten durchzusetzen, oder ob auch staatenbezogene Zwecke verfolgt werden, kann ebenso anhand des Maßstabs der Willkür geprüft werden. Die Willkürprüfung ist hierbei darauf gerichtet festzustellen, ob der Staat ein staatenbezogenes Regelungsanliegen verfolgt, wobei ein Staatenbezug gerade nicht darin liegt, dass der Staat seinen Regelungsmaßstab und seine Anliegen unbegrenzt zu Lasten anderer Staaten durchsetzen möchte. Besteht zwischen dem Staat als solchem, d. h. seiner vom Souveränitätsprinzip in positiver Ausrichtung geschützten Rechtsposition, und dem Regelungsanliegen keine auch nur entfernt nachvollziehbare Beziehung, so beruht das Regelungsanliegen nur auf dem Ziel, Einwirkungen auf fremde Regelungszwecke zu bewirken. In diesem Fall ist die Wahrnehmung der Staatsgewalt als treuwidrig zurückzuweisen. Wie genau diese beiden Fälle abzugrenzen sind, wird an späterer Stelle bei der Konkretisierung der staatenbezogenen Regelungsanliegen zu untersuchen sein.760 c) Keine darüberhinausgehende Verengung Eine über das Willkürverbot hinausgehende Verengung im Sinne einer Folgerichtigkeit oder Systemkongruenz kann völkerrechtlich dagegen nicht gefordert werden. Denn ausweislich des entwickelten Kriteriums fordert der Achtungsanspruch des rechtlichen Souveränitätsprinzips nur, dass das Regelungsanliegen des Staates nicht allein in der Beschränkung der Souveränität anderer Staaten liegt. Mit diesem Gebot ist aber eine weitere Einengung nicht vereinbar, die weitergehend nicht 760
Teil 3 B. III. sowie Teil 3 B. IV.
B. Die willkürliche und treuwidrige extraterritoriale Erstreckung
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nur eine entfernt nachvollziehbare Verknüpfung fordert, sondern eine gewisse Hinlänglichkeit oder Nähe der Verknüpfung voraussetzt. Dies folgt letztlich auch bereits daraus, dass dem Völkerrecht eine Abwägung grundsätzlich nicht immanent ist, wie in Teil 1 A. III. 2. b) (cc) herausgearbeitet wurde. Die Forderung einer bestimmten qualitativen Verknüpfung setzt aber voraus, dass der Nähebeziehung ein gewisses Gewicht zukommt. Dieses Gewicht müsste dem Völkerrecht entnommen werden, das aber von einer Gleichgewichtigkeit der Souveränitätspositionen ausgeht. Demgemäß kann ein solches Gewicht nur unter Abwägung der Souveränitätspositionen gewonnen werden, d. h. der Forderung, dass die Wahrnehmung des positiven Souveränitätsgehaltes durch den regelnden Staat, wie sie sich in der Nähebeziehung zwischen der Regelung und dem Regelungsanliegen ausdrückt, im Vergleich zur betroffenen negativen Souveränitätsposition der anderen Staaten hinreichend gewichtig ist. Ob diese hinreichende Gewichtigkeit im Sinne einer konkreten, einzelfallbezogenen Abwägung oder unter Aufstellung einer abstrakten, allgemeingültigen Erheblichkeitsschwelle der Nähebeziehung bestimmt wird, ist dabei unerheblich, da in jedem Fall eine gewisse Abwägung erforderlich wird. Dies zeigt sich insbesondere dann, wenn man forderte, dass die Regelung nicht nur eine entfernt nachvollziehbare Beziehung zum Regelungsanliegen und letzteres einen entfernt nachvollziehbaren Staatenbezug aufweisen muss, sondern stattdessen einengend voraussetzt, Regelungsanliegen und Regelung müssten überwiegend der Verfolgung eines eigenen Regelungsanliegens dienen, sodass dieses in seiner Bedeutung dem Anliegen, eine Einwirkung auf die Souveränität der anderen Staaten zu bewirken, vorgeht. Aber auch diese Abwägung entspricht nicht dem Ausgangspunkt, dass eine Gleichrangigkeit der Souveränitätspositionen bereits besteht, sobald der Staat ein eigenes Regelungsanliegen verfolgt und nicht allein auf die Souveränität anderer Staaten einwirkt. 3. Schlussfolgerungen zur extraterritorialen Erstreckung des Tatbestandes und der Rechtsfolge Das Willkürverbot wird nach alledem auf zwei Ebenen wirksam. Es fordert zunächst, dass das Regelungsanliegen eine willkürfreie Beziehung zu dem Staat als solchem aufweist, da sich andernfalls das Interesse des Staates in der Herbeiführung von Einwirkungen erschöpft. Gefordert ist hierdurch, dass das Regelungsanliegen einen Staatenbezug willkürfrei widerspiegelt. Sodann wird das Willkürverbot als Gebot wirksam, dieses Regelungsanliegen in zumindest entfernt nachvollziehbarer Weise in der Fassung des Tatbestands und der Rechtsfolge zu konkretisieren. Nur insoweit, als die Rechtsetzung diesen Kriterien genügt, ist die extraterritoriale Erstreckung des Regelungs- und Rechtsfolgenbereiches, die Einwirkungen auf Regelungszwecke fremder Staaten mit sich bringt, als nicht treuwidrig anzusehen. Zurückzuweisen ist mit Blick hierauf eine Wahrnehmung der Rechtsetzungsgewalt
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Teil 3: Völkerrechtliche Grenzen der extraterritorialen Rechtsetzung
als treuwidrig immer dann, wenn der Staat zwar ein grundsätzlich anzuerkennendes Regelungsanliegen vorbringt, dieses sich aber nicht in entfernt nachvollziehbarer Weise in der Regelung konkretisiert, oder das Regelungsanliegen allein auf eine Einwirkung gerichtet ist und keinen Staatenbezug willkürfrei abbildet.
III. Der erforderliche Staatenbezug der Rechtsetzungsgewalt Eine in Übereinstimmung mit dem Gebot von Treu und Glauben erfolgende Wahrnehmung der Rechtsetzungsgewalt fordert, dass der Staat ein staatenbezogenes Regelungsanliegen bildet. Prägendes Element dieses Staatsbezuges ist, dass es sich um einen vom Souveränitätsprinzip in seiner positiven Richtung umfassten Bezug handelt. Der Staat muss daher den ihm vom Souveränitätsprinzip zugewiesenen Freiraum zur Entfaltung eigener Staatlichkeit wahrnehmen. Ob das Regelungsanliegen einen solchen Staatenbezug aufweist, ist nach dem Willkürverbot zu beurteilen, sodass zwischen dem Staat als solchem und dem Regelungsanliegen eine zumindest entfernt nachvollziehbare Beziehung bestehen muss. Offengelassen wurde aber bisher, welche Regelungsanliegen ein Staat setzen kann und welche sich in der Einwirkung auf fremde Regelungszwecke erschöpfen.761 Als Staatenbezüge, die im Regelungsanliegen zu konkretisieren sind, kommen dabei zunächst das Staatsvolk und das Staatsgebiet in Betracht, die neben der Staatsgewalt konstituierende Elemente des souveränen Staates darstellen. Diese Elemente bildeten bereits in formaler Hinsicht in Form der Personal- und Gebietshoheit die Bezugspunkte der souveränen Staatlichkeit und spiegelten wider, dass der Staat als Personal- und Territorialverband angelegt ist. Es liegt daher nahe, wie auch die Debatte um das Wirkungsprinzip und insbesondere die in diesem Rahmen geführte Debatte um den sachlichen Gehalt der Staatsgewalt zeigt, dass dies auch in materieller Hinsicht gelten muss, denn auch insoweit bleibt der Staat Personal- und Territorialverband. Hierdurch wird der Staat als solcher als Rechtsperson beschrieben, der souveräne Staatsgewalt staatenbezogen und entsprechend seiner Eigenart als Personal- und Territorialverband bezogen auf das Staatsvolk und das Staatsgebiet als die ihn konstituierenden Elemente ausübt. Auf Grund dieser Konzeption des Staates sind staatenbezogen damit zweifelsohne solche Regelungsanliegen, durch die der Staat dem materiellen Inhalt nach rechtssetzend in Bezug auf das Staatsvolk oder das Staatsgebiet tätig wird. Zwischen dem Staatsvolk oder dem Staatsgebiet und dem Regelungsanliegen muss daher eine zumindest entfernt
761 Vgl. zu dem folgenden auch Bleckmann, Allgemeine Staats- und Völkerrechtslehre, 1995, S. 605 ff.; Bleckmann, Das Souveränitätsprinzip im Völkerrecht, AVR, 1985, S. 450 ff., 476 f., der „legitime Interessen“ der Souveränität identifiziert.
B. Die willkürliche und treuwidrige extraterritoriale Erstreckung
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nachvollziehbare Beziehung bestehen, damit die Verfolgung des Regelungsanliegens als Ausübung eigener Staatsgewalt anzuerkennen ist.762 Vorauszusetzen ist dabei allerdings entsprechend den Ausführungen in II. auch, dass der Staat hierbei den ihm vom Souveränitätsprinzip zugewiesenen Freiraum zur Entfaltung eigener Staatlichkeit wahrnimmt; andernfalls fehlt es an einer anzuerkennenden, nach dem Prinzip der souveränen Gleichheit gleichrangigen, Ausübung eigener Rechtsetzungsgewalt. Im Folgenden sollen diese staatsvolk- und staatsgebietsbezogenen Regelungsanliegen näher konkretisiert werden. Hieran anschließend wird gefragt, ob über diese staatsvolk- und staatsgebietsbezogenen Regelungsanliegen hinaus noch andere Regelungsanliegen gebildet werden können, die einen Staatenbezug aufweisen und sich nicht in dem Interesse der Einwirkung auf fremde Regelungszwecke erschöpfen. 1. Staatsvolkbezogene Regelungsanliegen Staatsvolkbezogene Regelungsanliegen sind Regelungsanliegen, die eine zumindest entfernt nachvollziehbare Entfernung zum Staatsvolk aufweisen,763 das durch die Staatsangehörigen eines Staates gebildet wird. Wie in Teil 1 A. II. 2. ausgeführt, stellt die Staatsangehörigkeit ein rechtliches Band zwischen Staat und Person dar, das auf einer tatsächlichen Beziehung beruht und ein gegenseitiges Treueverhältnis begründet.764 a) Unmittelbar staatsangehörigkeitsbezogene Regelungen Staatsvolkbezogene Regelungsanliegen sind daher solche Regelungsanliegen, die im Rahmen des regulatorischen Problems an die tatsächliche Beziehung zwischen dem Staat und der Person und damit die Staatsangehörigkeit anknüpfen.765 Derartige Regelungsanliegen können ihren Ausgangspunkt zunächst in der Staatsangehörigkeit selbst nehmen, sodass Regelungen über den Status und den Verkehr der
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Bär, Kartellrecht und Internationales Privatrecht, 1965, S. 340 f. Vgl. auch bereits Hamel, Das Wesen des Staatsgebietes, 1933, S. 248. 764 Grawert, Staatsvolk und Staatsangehörigkeit, in: Badura u. a. (Hrsg.), Grundlagen von Staat und Verfassung, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, 1995, S. 663 ff., 678; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 123; Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 507 ff.; Epping, Grundgesetz und Kriegswaffenkontrolle, 1993, S. 152; von der Heydte, Die Geburtsstunde des souveränen Staates, 1952, S. 378 ff. Ablehnend für die Bundesrepublik Deutschland insoweit Pottmeyer, Die Strafbarkeit von Auslandstaten nach dem Kriegswaffenkontroll- und Außenwirtschaftsrecht, NZSt, 1992, S. 57 ff., 60 mit weiteren Nachweisen. Vgl. auch die Nachweise bei Epping, Grundgesetz und Kriegswaffenkontrolle, 1993, S. 153 Fußnote 242. 765 Für das Kriterium der hinreichend engen Verknüpfung siehe die Nachweise in Fußnote 589. 763
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Teil 3: Völkerrechtliche Grenzen der extraterritorialen Rechtsetzung
Staatsangehörigen willkürfreie Konkretisierungen darstellen.766 Willkürfrei sind daher bspw. Regelungen über die Ausweis- oder Passpflicht von Staatsangehörigen. Weitergehend sind aber auch solche Regelungsanliegen nicht willkürlich, die ihren Ausgangspunkt in der Treuepflicht des Staatsangehörigen haben. So steht es einem Staat bspw. frei, seine Staatsangehörigen zur Wehrpflicht heranzuziehen oder dazu zu verpflichten, zum Ansehen des Staates beizutragen.767 b) Die Ausformung der Treuepflicht Fraglich ist aber, ob sich hierin die staatsvolkbezogenen Regelungsanliegen erschöpfen. Dann wäre der Staat in Wahrnehmung dieses Bezugspunktes nur befugt, Regelungen zu erlassen, deren Regelungsanliegen in einer Abbildung des Gedankens der Staatsangehörigkeit besteht. Nicht aber stellten solche Regelungsanliegen staatsvolkbezogene Regelungsanliegen dar, die gleichermaßen das Zusammenleben aller Personen einschließlich der Staatsangehörigen betreffen können, wie bspw. Regelungen über den wirtschaftlichen Verkehr. Allerdings mag es dem regulatorischen Problem des Staates entsprechen, bestimmte Regelungen des wirtschaftlichen Verkehrs nur staatsvolkbezogen auszugestalten, hierbei also stärker regulierend tätig zu werden. Insoweit erfolgt die stärkere Regelung des wirtschaftlichen Verkehrs der Staatsangehörigen untereinander in Ausdruck der Treuebeziehung der Staatsangehörigen zum Staat, als sie verpflichtet werden sollen, sich an weitergehende Regelungen zu halten.768 Vor diesem Hintergrund obliegt es unter einem Willkürverbot gerade auch dem Staat als Setzer von Regelungsanliegen festzulegen, ob eine Regelung Ausdruck der Treuebeziehung ist. Denn die Treuebeziehung zwischen dem Staatsangehörigen und dem Staat hat zum Gegenstand, dass der Staat weitergehende Pflichten an die Staatsangehörigkeit knüpfen darf. Ob ein Regelungsanliegen daher einer Treuepflicht entspringt oder Ausdruck nicht staatsangehörigkeitsspezifischer Anliegen ist, legt der Staat durch die Differenzierung der Rechtsordnung und differenzierte Verfolgung von Regelungsmaßstäben fest. In der Folge aber kann der Staat grundsätzlich jedes Regelungsanliegen staatsvolkbezogen als Ausdruck der Treuepflicht bilden, sofern der Regelungsmaßstab eine Differenzierung schafft.769 Vorauszusetzen ist aber, dass das Regelungsanliegen nicht eindeutig staatsgebiets-
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Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 123. Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 123; Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 101. 768 Akehurst, Jurisdiction in International Law, Brit. Y.B. Int., 1975, S. 145 ff., 206 f. 769 Pottmeyer, Die Strafbarkeit von Auslandstaten nach dem Kriegswaffenkontroll- und Außenwirtschaftsrecht, NZSt, 1992, S. 57 ff., 60 f.; Akehurst, Jurisdiction in International Law, Brit. Y.B. Int., 1975, S. 145 ff., 206; ähnlich wohl Hamel, Das Wesen des Staatsgebietes, 1933, S. 258 f. 767
B. Die willkürliche und treuwidrige extraterritoriale Erstreckung
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bezogener Natur ist, also willkürfrei nur staatsgebietsbezogen verfolgt werden kann.770 c) Der Schutz der Staatsangehörigen Abseits dieser aktiven Richtung dahingehend, Staatsangehörige zu verpflichten, kommt auch die passive Richtung dergestalt in Betracht, dass der Staat Regelungsanliegen verfolgt, die auf den Schutz der Staatsangehörigen gerichtet sind. Problematisch ist, dass derartige Regelungen Dritte zu einem bestimmten Verhalten gegenüber den Staatsangehörigen verpflichten.771 Dass die mit der Staatsangehörigkeit verbundene Verpflichtung zur Treue nicht einseitig zu Lasten der Staatsangehörigen besteht, hat sich bereits in den Regelungen zum diplomatischen Schutz gezeigt. Nach den Regelungen über den diplomatischen Schutz ist ein Staat berechtigt, völkerrechtswidriges Verhalten gegenüber seinen Staatsangehörigen durch einen fremden Staat als Verletzung eigener Souveränität zu rügen.772 Dies bringt bereits zum Ausdruck, dass der Staat berechtigt ist, seinen eigenen Staatsangehörigen Schutz zu gewähren. Insofern ist nicht erkennbar, warum Regelungsanliegen, die den Schutz von Staatsangehörigen zum Gegenstand haben, im Ausgangspunkt nicht als entfernt nachvollziehbare Konkretisierung des besonderen Bandes zwischen Staat und Staatsangehörigem anzusehen sein sollten.773 Allerdings ist die beschränkende Funktion des völkerrechtlichen Mindeststandards nach dem Fremdenrecht zu berücksichtigen. Die Verpflichtung zur Einhaltung dieses Mindeststandards beinhaltet eine konkrete Abwägung zwischen der Gebietshoheit des Aufenthaltsstaates der Staatsangehörigen eines anderen Staates und dessen Personalhoheit. Insoweit kann der Staat der Staatsangehörigen nur die Einhaltung dieses Mindeststandards völkerrechtlich einfordern, während im Übrigen der Aufenthaltsstaat in Ausübung der Gebietshoheit in der Rechtsetzung frei ist. Würde man aber jenseits der Forderung nach der Einhaltung dieses Schutzniveaus 770
Siehe hierzu sogleich Teil 3 B. III. 2. Siehe aus den in Fußnote 696 genannten Nachweisen insbesondere Oxman, Jurisdiction of States, in: Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law; Shaw, International law, 8. Aufl., 2017, S. 497 ff.; Doehring, Völkerrecht, 2. Aufl., 2004, S. 507 f.; Kokott/Doehring/Buergenthal/Maier, Grundzüge des Völkerrechts, 3. Aufl., 2003, S. 156; Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 101 f., 107 ff.; Jennings/Watts, Oppenheim’s international law, Band I, 9. Aufl., 1992, S. 466 ff.; Mann, Studies in International Law, 1973, S. 30 f.; Rosswog, Das Problem der Vereinbarkeit des aktiven und passiven Personalgrundsatzes mit dem Völkerrecht, 1965; Akehurst, Jurisdiction in International Law, Brit. Y.B. Int., 1975, S. 145 ff., 159. 772 Siehe Teil 3 A. II. 5. 773 So aber Higgins, The Legal Bases of Jurisdiction, in: Olmstead (Hrsg.), Extra-territorial application of laws and responses thereto, 1984, S. 3 ff., 12 ff.; Doehring, Völkerrecht, 2. Aufl., 2004, S. 507 f.; Kokott/Doehring/Buergenthal/Maier, Grundzüge des Völkerrechts, 3. Aufl., 2003, S. 156; Jennings/Watts, Oppenheim’s international law, Band I, 9. Aufl., 1992, S. 466 ff. 771
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Teil 3: Völkerrechtliche Grenzen der extraterritorialen Rechtsetzung
eine Regelungszuständigkeit des Staates der Staatsangehörigkeit anerkennen, so würde diese bereichsspezifische Ausformung des Verhältnisses von Personal- und Gebietshoheit verschiedener Staaten missachtet, denn die Verfolgung der hier untersuchten Regelungsanliegen ist mit einer Verpflichtung Dritter verbunden, die nicht staatsangehörig sind und sich im Staatsgebiet des anderen Staates aufhalten, und denen gegenüber die Verfolgung des Regelungsanliegen zudem nicht notwendigerweise staatsgebietsbezogen ist. Ob unter diesen Umständen eine entfernt nachvollziehbare Beziehung besteht, wird sich daran auszurichten haben, ob Staatsangehörige vor Einwirkungen geschützt werden sollen, die auch im Rahmen des fremdenrechtlichen Mindeststandards abwehrfähig wären;774 denn nur insoweit ist es dem Staat unbenommen, die Einhaltung nicht nur völkerrechtlich im Wege der Gewährung diplomatischen Schutzes einzufordern sondern zugleich zu einem Gebot des eigenen innerstaatlichen Rechts mit extraterritorialer Reichweite zu erheben. Ein Regelungsanliegen, dass Staatsangehörige vor den Einflüssen des passiven Nikotinkonsums schützen will, wird daher zurückzuweisen sein, wenn hierdurch allen Menschen weltweit das Rauchen verboten werden soll. Anzuerkennen ist aber ein Regelungsanliegen, das Staatsangehörige vor bedeutsamen Körperverletzungen schützen will und deshalb der eigenen nationalen Strafgewalt solche Handlungen unterwirft, die die körperliche Integrität der Staatsangehörigen erheblich verletzen.775 d) Zusammenfassung und Verhältnis zum Personalitätsprinzip Staatsvolkbezogen sind daher zunächst jene Regelungsanliegen, die eng verstanden an die Staatsangehörigkeit anknüpfen und Ausdruck der mit der Staatsangehörigkeit naturgemäß verbundenen Treuepflicht sind. Dies betrifft Regelungsanliegen, die Ausdruck der tatsächlichen Beziehung sind, die gerade zur Begründung der Staatsangehörigkeit notwendig ist. Daneben sind aber auch solche Regelungsanliegen staatsvolkbezogen, die der Staat in zumindest entfernt nachvollziehbarer 774
Zur Frage des hinreichenden Gewichts der Einwirkungen siehe insbesondere auch Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 102; Mann, Studies in International Law, 1973, S. 30. Siehe auch die Nachweise in Fußnote 697 zu der entsprechenden Frage bei der Verfolgung staatsgebietsbezogener Regelungsanliegen. 775 Siehe zu der Debatte, ob das passive Personalitätsprinzip auf den Schutz bestimmter Rechtsgüter zu begrenzen ist, die Nachweise in Fußnote 696. Für eine solche Einschränkung sprechen sich Oxman, Jurisdiction of States, in: Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law; Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht, 14. Aufl., 2017, S. 231; Schwarze, Die Jurisdiktionsabgrenzung im Völkerrecht, 1994, S. 24 f.; Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 466 ff., 514 f.; Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 1993, S. 107 ff.; American Law Institute, Restatement of the law, 3. Aufl., 1992, S. § 240; Mestral/Gruchalla-Wesierski/Wesierski, Extraterritorial application of export control legislation: Canada and the U.S.A., 1990, S. 23; Jennings, Extraterritorial Jurisdiction and the United States antitrust laws, Brit. Y.B. Int., 1957, 146 ff., 154 f. aus.
B. Die willkürliche und treuwidrige extraterritoriale Erstreckung
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Weise staatsvolkbezogen konstruiert. Dass diese Regelungsanliegen Ausdruck der Treuepflicht sind, beruht nicht auf der vorausgesetzten tatsächlichen Beziehung. Vielmehr differenziert der Staat die Rechtsordnung so aus, dass bestimmte Regelungen weitergehende Regelungsmaßstäbe entfalten, die aber nur die Staatsangehörigen verpflichten sollen und die Treuepflicht zur Befolgung derartiger Pflichten ausformen. Ebenso sind aber unter der Voraussetzung eines anzuerkennenden Schutzinteresses solche Regelungsanliegen nicht willkürlich, die den Schutz der Staatsangehörigen zum Gegenstand haben. Durch ein derartiges Verständnis der staatsvolkbezogenen Regelungsanliegen wird das Personalitätsprinzip unmittelbar völkerrechtlich verankert. Nach dem aktiven Personalitätsprinzip ist der Staat zum Erlass von Regelungen gegenüber seinen Staatsangehörigen berechtigt, während nach dem passiven Personalitätsprinzip weitgehend die Ausübung der Strafgewalt in Bezug auf schwere Straftaten anerkannt ist, die gegen die eigenen Staatsangehörigen gerichtet sind. Soweit nach der herrschenden Meinung das aktive oder passive Personalitätsprinzip einschlägig sein soll, liegt nach der hier vorgeschlagenen Konzeption eine willkürfreie Bildung eines Regelungsanliegen vor. Abweichend von der herrschen Meinung wird aber auch die Begründung des Personalitätsprinzips sowie die Maßgeblichkeit der vorgetragenen Argumente ersichtlich. 2. Staatsgebietsbezogene Regelungsanliegen Durch staatsgebietsbezogene Regelungsanliegen ist eine zumindest entfernt nachvollziehbare Beziehung zum Staatsgebiet gefordert. a) Der Umgang mit dem Staatsgebiet Unmittelbar und ausschließlich staatsgebietsbezogen sind daher zunächst Regelungsanliegen, die den Umgang mit dem Gebiet betreffen. Dies sind bspw. Regelungen über die Bebauung und die Nutzung natürlicher Ressourcen durch Bergbau, auf Grund des Einbezugs des Luftraumes in das Staatsgebiet aber auch Regelungen über den Luftverkehr und über Emissionen im Staatsgebiet. Weitergehend ist die Frage aufgeworfen, ob eine willkürfreie Beziehung zum Staatsgebiet erst besteht, wenn das die Immissionen verursachende Verhalten, die Emission, im Gebiet vollzogen wird, oder ob Auswirkungen des Verhaltens auf das Gebiet genügen.776 Während aber ein Gebietsbezug durch die Immission nicht in Abrede gestellt werden kann, weist die Emission selbst keinen Gebietsbezug abseits ihrer Folgen auf. Ob eine willkürfreie Beziehung zwischen dem Staatsgebiet zum Regelungsanliegen besteht, wird in diesen Fällen differenziert zu beurteilen sein: Ist das Regelungsanliegen auf die Regelung der Immission gerichtet, so lässt sich nicht 776 Siehe insoweit bereits zum Wirkungsprinzip die in Fußnote 438 bis 442 genannte Literatur.
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Teil 3: Völkerrechtliche Grenzen der extraterritorialen Rechtsetzung
begründen, dass die Begrenzung einer Immission keinen Bezug zum eigenen Staatsgebiet aufweist.777 Soweit aber das Regelungsanliegen darauf gerichtet ist, die Emission selbst zu regulieren, ohne hierbei die Immission im Staatsgebiet im Blick zu haben,778 liegt keine willkürfreie Konkretisierung eines Staatenbezuges vor, da die Emission keinen Bezug zum Staatsgebiet abseits der Immission aufweist.779 777 Zur Frage der territorialen Reichweite des Tatbestandes und der Rechtsfolge einer derartigen Rechtsnorm siehe Teil 3 B. IV. 778 Diese Einschränkung ist notwendig, um die Abgrenzung zum Fall der Regulierung der Immission deutlich zu machen. Denn im Falle der Regulierung der Immission ist es völkerrechtlich zulässig unter dem Willkürverbot, einer Rechtsnorm einen extraterritorialen Regelungs- und Rechtsfolgenbereich beizumessen, um eine Begrenzung der Immission durch eine zielgerichtete Begrenzung der Emission zu erreichen. Siehe hierzu Teil 3 B. IV. Demgegenüber will Haight, International Law and Extraterritorial Application of the Antitrust Laws, Yale Law Journal, 1954, S. 639 ff., 640 f. das Wirkungsprinzip nur in diesen Fällen anwenden, in denen notwendigerweise eine Regelung der Emission zur Begrenzung der Immission gefordert ist. 779 Anders als im Steuerrecht, in dem durch die Belastungswirkung bei sich vollständig überschneidenden Regelungszwecken lediglich eine ideelle Kollision darin besteht, dass die Steuerpflicht eine Belastung bestimmter Verhaltensweisen und Personen in spezifischer Höhe hervorbringen soll, bestehen im Bereich des Umweltrechts besondere Probleme, da in diesen Fällen regelmäßig eine Emission eine Immission notwendigerweise herbeiführt und eine Begrenzung der Immission nur dadurch erreicht werden kann, dass die Emission unterlassen wird, während in anderen Rechtsgebieten eine Kompensation der Folgen der Regelung grundsätzlich möglich ist. So kann bspw. die Gestattung eines Staates, ein Kartell zu formen, durch einen betroffenden Staat insoweit verboten werden, wie die Kartellwirkung auch im Inland eintreten soll. Ebenso kommt eine gleichwertige monetäre Kompensation in Betracht, wie die Rechtsetzung der Europäischen Union im Fall des Helms-Burton-Act zeigt, auch für Vorschriften des Wettbewerbsrechts und ihre Sanktionierungsmechanismen, vgl. Rat der Europäischen Union, Verordnung (EG) Nr. 2271/96 des Rates vom 22. November 1996 zum Schutz vor den Auswirkungen der extraterritorialen Anwendung von einem Drittland erlassener Rechtsakte sowie von darauf beruhenden oder sich daraus ergebenden Maßnahmen. In vielen Fällen des Umweltrechts müsste ein Rechtssatz, der die Immission begrenzen möchte, notwendigerweise die Emission in Gänze in den Blick nehmen, da eine hiervon losgelöste Folgenbeseitigung aus tatsächlichen Gründen nicht möglich ist. Dies betrifft den Umgang mit naturgemäß nicht auf ein Staatsgebiet gebundenen Ressourcen wie die Frage der Emission von Treibhausgasen, die globale Auswirkungen hervorrufen, oder die Herbeiführung von Luftverschmutzungen, die auf Grund der regionalen Windverhältnisse regelmäßig auch den Luftraum benachbarter Staaten betreffen. Eine Regulierung des Grenzübertritts der verschmutzten Luft scheidet naturgemäß aus, während eine solche zumindest bei den Ressourcen Land und Wasser noch denkbar ist. In einem solchen Fall fallen daher das Interesse an einer Regelung der Immission und eine Regelung der Emissionen zusammen, sodass dieses Regelungsanliegen mit dem nicht anzuerkennenden Interesse, Regelungszwecke des gestattenden Staates vollständig aufzuheben, zusammenfällt und fraglich ist, ob in diesem Fall noch im Interesse der Begrenzung der Immissionen, die eine Begrenzung der Emissionen erfordert, ein staatsgebietsbezogenes Regelungsanliegen erblickt werden kann. Insoweit haben sich völkergewohnheitsrechtlich für diesen Teilbereich besondere, aber auf Grund dieser Besonderheit nicht verallgemeinbare Regeln der nachbarschaftlichen Rücksichtnahme entwickelt, die gerade auf die Auflösung der dargelegten Überschneidung gerichtet sind. Mit Blick auf die Bedeutung der Umweltressourcen und ihrer über das Staatsgebiet eines Einzelstaates hinausreichenden Bedeutung ist insbesondere anerkannt, dass ab einer gewissen Intensität der Umweltauswirkungen der Staat völkergewohnheitsrechtlich verpflichtet ist, diese zu Gunsten des anderen Staates zu unterbinden, da dessen Souveränitätsbereich berührt wird.
B. Die willkürliche und treuwidrige extraterritoriale Erstreckung
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b) Die Regelung des menschlichen Verhaltens im Staatsgebiet Staatsgebietsbezogen sind allerdings nicht nur Regelungen, die den Umgang mit dem Staatsgebiet betreffen, sondern auch Regelungen, die menschliches Verhalten, das auf dem Gebiet ausgeübt wird, betreffen, da menschliches Verhalten als tatsächliche Handlung grundsätzlich auf einem Teil der Erdoberfläche vorgenommen werden muss. Staatsgebietsbezogene Regelungsanliegen sind demnach auch solche Interessen, die auf die Regelung inländischen Verhaltens gerichtet sind. Dies ermöglicht der Staatsgewalt eine sehr weitgehende Lösung staatsgebietsbezogener Regelungsanliegen. So ist willkürfrei bspw. die Erstreckung der Strafgewalt auf alle Inlandstaten, die Regulierung inländischer Umweltemissionen unabhängig einer inländischen Umweltveränderung, aber auch die Ordnung des wirtschaftlichen Daneben werden zudem kooperative Verfahrenspflichten diskutiert und zunehmend anerkannt. Diesen Normen liegt die Überlegung einer gemeinsamen Ressourcenverantwortung aller betroffenen Staaten zugrunde. Ob vor diesem Hintergrund unterhalb der Erheblichkeitsschwelle und jenseits der kooperativen Verfahrenspflichten, die ein Unterlassen der Emission fordert, dem betroffenen Staat dann noch die Befugnis zukommen kann, rechtssetzend tätig zu werden, erscheint fraglich, kann aber und soll vorliegend offen bleiben. Siehe zu alldem abweichende Meinung des Richters Weeramantry IGH, Advisory Opinion v. 8. 7. 1996, Legality of the Use by a State of Nuclear Weapons in Armed Conflict, ICJ Reports, 1996, S. 66 ff., 139 ff.; IGH, Advisory Opinion v. 8. 7. 1996, Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons, ICJ Reports, 1996, S. 226 ff., 241 ff.; IGH, Urteil v. 9. 4. 1949, The Corfu Channel Case (United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland v. Albania), ICJ Reports, 1949, S. 4 ff., 18; Trail Smelter Arbitral Tribunal, Entscheidung v. 16. 4. 1938, 11. 3. 1941, Trail smelter case (United States, Canada), Reports of International Arbitral Awards III, S. 1905 ff., 1965; Permanent Court of Arbitration, Entscheidung v. 4. 4. 1928, Island of Palmas (Netherlands, USA), Reports of International Arbitral Awards II, S. 829 ff., 839; Proelß, Raum und Umwelt im Völkerrecht, in: Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 2016, S. 361 ff., 414 ff.; Beyerlin, „Prinzipien“ im Umweltvölkerrecht – ein pathologisches Phänomen?, in: Cremer u. a. (Hrsg.), Tradition und Weltoffenheit des Rechts, 2002, S. 31 ff.; Francioni, Extraterritorial Application of Environmental Law, in: Meessen (Hrsg.), Extraterritorial jurisdiction in theory and practice, 1996, S. 122 ff.; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018, S. 1079 ff.; Shaw, International law, 8. Aufl., 2017, S. 640 ff.; Hobe/Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 10. Aufl., 2014, S. 493 ff.; Brownlie, Principles of public international law, 7. Aufl., 2008, S. 273 ff.; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band II/III, 2. Aufl., 2002, S. 446 f.; Tietje, Internationalisiertes Verwaltungshandeln, 2001, S. 349 ff.; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., 1984, S. 278, 644 ff.; Umweltschutz im Völkerrecht und Kollisionsrecht, Environmental protection in public international law and private international law, Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht, 32, 1992; Pache, Zur Vereinbarkeit der Einbeziehung der Treibhausgasemissionen des internationalen Luftverkehrs in das System des EU-Emissionszertifikatehandels durch die beabsichtigten Änderungen der EU-Emissionszertifikatehandelsrichtlinie mit internationalen Vorgaben, Rechtsgutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, 15. 4. 2008, S. 76 ff.; Epiney, Nachbarrechtliche Pflichten im internationalen Wasserrecht und Implikationen von Drittstaaten, AVR, 2001, S. 1 ff. Speziell zur Frage, ob zwischen von einzelnen Staaten, von einzelnen Staaten im Allgemeininteresse und nur von der Staatengemeinschaft verfolgbaren Interessen zu unterscheiden ist, Bleckmann, Allgemeine Staats- und Völkerrechtslehre, 1995, S. 605 ff. Vgl. auch die Ansätze, die eine umso lockere Beziehung im Rahmen des Wirkungsprinzips genügen lassen, je eher Gemeinschaftsinteressen verfolgt werden.
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Verhaltens, dem im Staatsgebiet nachgegangen wird, bspw. in Form des Erlasses rechtlicher Rahmenbedingungen wie eines Vertragsrechtsregimes oder die Beschränkung wettbewerbswidrigen Verhaltens. c) Das Verhältnis zwischen inländischem Verhalten und ausländischen Einwirkungen Soweit eine willkürfreie Regulierung inländischen Verhaltens durch den Staat möglich ist, ist aber wie im Fall des passiven Personalitätsprinzips und vergleichbar der Unterscheidung zwischen Emissionen und Immissionen fraglich, ob ein Staatsbezug auch darin gesehen werden kann, dass inländische Verhaltensweisen durch ausländische Verhaltensweisen beeinflusst werden. Ist ein Regelungsanliegen darauf gerichtet, ein Verhalten im Staatsgebiet zu ermöglichen, so ist es zweifelsohne als staatsgebietsbezogen anzusehen. Kann dieses Verhalten allerdings auf Grund der Auswirkungen eines ausländischen Verhaltens nicht ausgeübt werden, so besteht aus Sicht des Staates eine Notwendigkeit zur Regelung des ausländischen Verhaltens insoweit, als hierdurch die Vornahme des gewünschten inländischen Verhaltens ermöglicht werden soll. Nach dem Souveränitätsprinzip soll den Staaten ein Freiraum zur unabhängigen Verfolgung von Regelungszwecken zukommen. Dieser Freiraum umfasst die Entscheidung des Staates, dass im Staatsgebiet ein Verhalten ermöglicht werden soll. Daher ist grundsätzlich auch ein Regelungsanliegen als staatsgebietsbezogen anzuerkennen, dass dieses ausländische Verhalten in den Blick nimmt, um hierdurch die unbeeinflusste Ausübung des Verhaltens im Staatsgebiet entsprechend dem staatlichen Regelungsanliegen zu ermöglichen.780 Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass das Regelungsanliegen darauf gerichtet sein muss, gerade die Einwirkungen des ausländischen Verhaltens zu erfassen.781 Es ist auszuschließen, dass die Erfassung des ausländischen Verhaltens erfolgt, um letztlich auf fremde Regelungszwecke einzuwirken. Entsprechend diesem Verständnis käme im Ausgangspunkt auch in Betracht, dass ein Staat staatsgebietsbezogene Regelungsanliegen dadurch bildet, dass er ein 780 Illustrativ hierzu Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss v. 22. 8. 2012, GmS-OGB 1/10, BGHZ 194, S. 354 ff. 781 So auch im Ergebnis Bär, Kartellrecht und Internationales Privatrecht, 1965, S. 332 ff.; Lowe, The Problems of Extraterritorial Jurisdiction: Economic Sovereignty and the Search for a Solution, International and Comparative Law Quarterly, 1985, S. 724 ff. Kritisch allerdings Akehurst, Jurisdiction in International Law, Brit. Y.B. Int., 1975, S. 145 ff., 154, der auf die Gefahr einer übermäßigen territorialen Ausweitung der Staatsgewalt hinweist. Gerade vor diesem Hintergrund fordert Roth, Reasonable Extraterritoriality: Correcting the „Balance of Interests“, International and Comparative Law Quarterly, 1992, S. 245 ff., 273 ff. einen bestimmten Grad an Einwirkungen. Es ist allerdings nicht erkennbar, dass ein Staat einen bestimmten Grad an Einwirkungen dulden muss; diese Duldung impliziert einen Vorrang der territorialen Souveränität gegenüber der territorialen Integrität des anderen Staates, der nicht dem Völkerrecht entspricht. Siehe insoweit auch die Nachweise in Fußnote 125.
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ausländisches Verhalten vorschreibt, das positive Auswirkungen auf inländische Verhaltensweisen hat, indem es bestimmte inländische Verhaltensweisen ermöglicht oder fördert. Dieser Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass der Staat eine Regelung vorsieht, die seine Position im Vergleich zum Zustand ohne diese Rechtsnorm verbessert. Insoweit verfolgt der Staat aber nur dem ersten Anschein nach auch ein staatsgebietsbezogenes Regelungsanliegen, indem er positive Auswirkungen im Staatsgebiet hervorrufen möchte. Denn der Staatsgebietsbezug tritt erst durch die Rechtsetzung ein: Fehlt die zu erlassende Regelung, so bestehen gerade keine Überwirkungen. Das ausländische Verhalten, das von der Regelung erfasst würde, führt zu keinen Auswirkungen auf das Staatsgebiet. Diese (positive) Auswirkungen sind erst Folge des Erlasses der fraglichen Regelung, sodass sie diese nicht selbst tragen können.782 Dem Staat kommt aber keine Befugnis zu, derartige positive Einwirkungen zu begründen. Insoweit nimmt der Staat keine gleichrangige Souveränitätsposition in Anspruch, weil eine solche Rechtsetzung, die auf die Verbesserung des Zustand im Vergleich zum Zustand ohne jede Regelung und damit ohne Bestehen von Überwirkungen zwischen den Staaten gerichtet ist, nicht vom positiven Gehalt des Souveränitätsprinzips umfasst ist. Dies folgt daraus, dass das Souveränitätsprinzip insgesamt und damit auch sein positiver Gehalt nur unter den Begebenheiten der tatsächlichen Welt bestehen, wie in Teil 1 A. III. 2. b) (aa) dargelegt wurde. Zu diesen Begebenheiten, unter denen das Souveränitätsprinzip wirksam wird, zählen sämtliche tatsächlichen Umstände des eigenen Staatsgebietes und des eigenen Staatsvolkes, die beim Fehlen jeder Regelung bestehen. Sollen diese Umstände, die in diesem Sinne die natürlichen Ressourcen des Staates bilden, dergestalt verbessert werden, dass bestimmte Verhaltensweisen im Staatsgebiet oder des Staatsvolkes gegenüber diesem Zustand durch positive Einwirkungen von außen erleichtert werden, so versuchte der Staat aber gerade diese Begebenheiten, unter denen er existiert, aufzuheben, was entsprechend nicht vom Souveränitätsprinzip umfasst ist. Bestätigt wird dies durch die wechselseitige Beziehung zwischen dem positiven und negativen Gehalt des Souveränitätsprinzips. Diese stellen die Kehrseite des jeweils anderen dar, weshalb von einem Freiraum nur insoweit gesprochen werden, wie dieser negativ vor Einwirkungen fremder Staaten geschützt ist. Die Reichweite des positiven Gehaltes des rechtlichen Souveränitätsprinzips besteht damit nur spiegelbildlich zur Reichweite des negativen Gehaltes. Der Abwehrgehalt des Souveränitätsprinzips schützt den Freiraum des Staates aber nur vor nachteiligen ausländischen Verhaltensweisen, sodass der positive Freiraum keine Überwindung der tatsächlichen Gegebenheiten ermöglicht.783 782
Akehurst, Jurisdiction in International Law, Brit. Y.B. Int., 1975, S. 145 ff., 200 f. So ausdrücklich Hobe/Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 10. Aufl., 2014, S. 495. Siehe zudem IGH, Advisory Opinion v. 8. 7. 1996, Legality of the Use by a State of Nuclear Weapons in Armed Conflict, ICJ Reports, 1996, S. 66 ff., 78 ff.; IGH, Urteil v. 9. 4. 1949, The Corfu Channel Case (United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland v. Albania), ICJ Reports, 1949, S. 4 ff., 22 ff.; Trail Smelter Arbitral Tribunal, Entscheidung v. 16. 4. 1938, 11. 3. 1941, Trail smelter case (United States, Canada), Reports of International Arbitral Awards III, S. 1905 ff., 1965; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., 783
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Es ist aber zu betonen, dass diese Einschränkung nur für solche tatsächlichen Begebenheiten gilt, die im regelungsfreien Raum existieren. Darüber hinaus ist es dem Staat unbenommen und vom positiven Gehalt des Souveränitätsprinzips umfasst, seine relative Position im Widerstreit der sich überschneidenden Freiräume durch staatsgebietsbezogene Regelungsanliegen zu verbessern. Der entscheidende Unterschied zur vorgenannten Situation besteht allerdings darin, dass der Staat in diesem Überschneidungsbereich in Bezug auf regelungsvermittelte Umstände tätig wird. Soweit aber tatsächliche Begebenheiten bestehen, die staatsgebietsbezogen und vermittelt durch die Regelung eines anderen Staates bestehen, so handelt es sich um Einwirkungen, zu deren Abwehr der Staat nach dem negativen Souveränitätsgehalt grundsätzlich befugt ist. Entsprechend umfasst es der positive Gehalt aber auch, an diese Umstände gestaltend rechtssetzend anzuknüpfen und ein staatsgebietsbezogenes Regelungsanliegen zu bilden. Im Kern geht es in diesen Fällen aber letztlich um den Umgang mit negativen Einwirkungen; nur dem äußeren Anschein nach sollen positive Einwirkungen hervorgerufen werden. d) Die Regelung des ausländischen Verhaltens im Staatsgebiet ansässiger Personen Abseits dieser Verhaltensweisen ist noch fraglich, inwieweit staatsgebietsbezogene Regelungsanliegen Personen umfassen, die sich im Staatsgebiet aufhalten. Auf Grund ihres Aufenthalts im Staatsgebiet ist nicht zweifelhaft, dass dies abbildende Regelungsanliegen staatsgebietsbezogen sind. Offen ist dies aber in Bezug auf Regelungsanliegen, die ausländische Verhaltensweisen im Staatsgebiet ansässiger Personen zum Gegenstand haben. Dieses ausländische Verhalten kann durch den Aufenthalt der Person im Inland einen Bezug zum Staatsgebiet aufweisen,784 dies ist aber nicht notwendigerweise der Fall.785 Soweit das ausländische Verhalten nicht für eine Regelung, die an den Aufenthalt der Person anknüpft, von Bedeutung ist, kann dieses ausländische Verhalten daher nicht Gegenstand eines staatsgebietsbezogenen Regelungsanliegen sein, da lediglich die Person, nicht aber das Verhalten, einen Staatsgebietsbezug aufweist. Bspw. ist es nicht anzuerkennen das Regelungsanliegen, eine Ordnung der Fahrtrichtung zur Vermeidung von Unfällen aller im Inland ansässiger Personen durch Anordnung des im Ausland gültigen Gebotes, immer rechts zu fahren, zu verfolgen, da das ausländische Fahren keinen Bezug zum regulatorischen Problem im Staatsgebiet aufweist und diese Regelung nicht die Person 1984, S. 643 ff.; Mann, Studies in International Law, 1973, S. 30; Epiney, Nachbarrechtliche Pflichten im internationalen Wasserrecht und Implikationen von Drittstaaten, AVR, 2001, S. 1 ff. Zur Abgrenzung siehe das illustrative Beispiel bei Mann, The Doctrine of International Jurisdiction Revisited after Twenty Years, 1984, S. 25 f. 784 Siehe insoweit die in Fußnote 443 genannte Literatur, die gerade davon ausgeht, dass die Gebietshoheit die Zuständigkeit beinhaltet, über alle sich im Inland aufhaltenden Personen Staatsgewalt auszuüben. 785 Siehe hierzu unter dem Gesichtspunkt der hinreichend engen Verknüpfung Teil 2 B. I. 1. b) (bb) sowie Teil 2 B. I. 1. c) (aa) (2) mit Nachweisen aus der Literatur.
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als solche, sondern ihr Verhalten in den Blick nimmt. Anzuerkennen ist demgegenüber das Regelungsanliegen, das zum Gegenstand die Unterwerfung aller im Staatsgebiet ansässigen Personen unter die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht hat, da hierdurch ein Verteilungskonflikt über die Verteilung des Aufkommens der Staatsfinanzen über alle im Staatsgebiet ansässigen Personen einer Lösung zugeführt werden soll.786 e) Zusammenfassung und Verhältnis zum Territorialitätsund Wirkungsprinzip Staatsgebietsbezogen sind demnach solche Regelungsanliegen, die inländische Verhaltensweisen, im Staatsgebiet ansässige Personen, oder ausländische Verhaltensweise zum Gegenstand haben, die sich auf das Staatsgebiet auswirken. Im Fall des inländischen Verhaltens besteht der Bezug zum Staatsgebiet darin, dass entweder unmittelbar das Verhalten den Umgang mit dem Gebiet betrifft oder aber das Verhalten im Staatsgebiet ausgeübt wird. Soweit sich ein Verhalten nur im Staatsgebiet auswirkt, aber im Ausland ausgeübt wird, ist festzustellen, ob das Regelungsanliegen die Auswirkungen auf das Staatsgebiet zum Gegenstand hat oder dieses Interesse nur scheinbar besteht und vielmehr die Norm darauf gerichtet ist, auf fremde Regelungszwecke einzuwirken, ohne hierbei eigene Anliegen zu verfolgen. In Bezug auf Personen ergibt sich, dass ebenfalls zu differenzieren ist. Personen, die sich im Staatsgebiet aufhalten, können hierdurch zum Gegenstand eines staatsgebietsbezogenen Regelungsanliegens werden, das die Person als solche auf Grund ihres Aufenthaltes in den Blick nimmt. Dies gestattet aber nicht, in Bezug auf ausländische Verhaltensweisen dieser Personen, die selbst keinen Bezug zum Staatsgebiet aufweisen, ein Regelungsanliegen zu bilden. Hierdurch erfolgt in weitgehender Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung eine völkerrechtliche Fundierung des weiten Territorialitätsprinzips einschließlich des Wirkungsprinzips. Nach der hier vorliegenden Begründung dieser Prinzipien wird ersichtlich, welcher Gebietsbezug gefordert ist. Dies gilt zunächst für die Frage, in welchen Fällen das ausländische Verhalten im Staatsgebiet ansässiger Personen Gegenstand extraterritorialer Rechtsnormen sein kann. Ebenso wird für das Wirkungsprinzip erkennbar, nach welchen Maßstäben festzustellen ist, ob eine hinreichende Auswirkung auf das eigene Staatsgebiet besteht. Maßstab ist, ob tatsächlich ein ernsthaftes Interesse an der Regelung der Auswirkungen besteht oder dieses nur vorgeschoben wird, um das ausländische Verhalten einer Regelung zu unterwerfen. Soweit das Regelungsanliegen auf eine Begrenzung der Immissionen gerichtet ist, so ist ein staatsgebietsbezogenes Regelungsanliegen anzuerkennen.
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Siehe hierzu Teil 3 B. I. 2.und Teil 3 C. I.
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3. Bestand allgemein-staatsbezogener Anliegen Abseits dieser staatsvolk- und staatsgebietsbezogenen Interessen ist fraglich, ob weitere Regelungsanliegen mit einem allgemeinen Staatsbezug anzuerkennen sind. Hierauf scheint zunächst das Interventionsverbot hinzudeuten, nach dem zum Kernbereich der Staatsgewalt auch die Außenpolitik zählt.787 a) Außenpolitisch motivierte Rechtsetzung Mit Blick auf die Außenpolitik ist zunächst zu berücksichtigen, dass diese zuvorderst das Außenverhältnis des Staates und damit den Verkehr des Staates mit anderen Staaten betrifft und sich daher nur in seltenen Fällen in Regelungen gegenüber einzelnen Personen, die nicht Organ des Staates sind, niederschlägt. Soweit dies aber ausnahmsweise der Fall ist, muss es sich letztlich um eine mittelbare Verfolgung der Außenpolitik handeln, die das Staatsvolk auf Grund der besonderen Treuepflicht oder das Staatsgebiet für die Außenpolitik des Staates in Dienst nimmt. Zu derartigen Normen kann der Fall gezählt werden, dass im Staatsgebiet kein Verhalten ausgeübt werden soll, das fremden Staaten schadet.788 Auch die Embargopolitiken789 können als staatsvolk- oder staatsgebietsbezogene Regelungen verstanden werden. Zuvorderst ist eine Embargopolitik zwar darauf gerichtet, im Rahmen der Außenpolitik durch die Schaffung wirtschaftlichen Druckes einen fremden Staat zu einem Verhalten zu bewegen. Aber auch insoweit handelt es sich um staatsvolk- oder staatsgebietsbezogene Regelungen, da entweder die Staatsangehörigen auf Grund ihrer Treuepflicht jeden Handel mit dem fremden Staat unterlassen sollen oder aber vom Staatsgebiet ausgehend oder durch sich im Staatsgebiet aufhaltende Personen kein Handel mit dem Staat vorgenommen werden soll.790 Die Außenpolitik bildet damit nur den Anlass, in jedem Fall erfolgt die Wahrnehmung der Außenpolitik aber dadurch, dass Regelungen staatsvolk- oder staats787
Siehe die Nachweise in Fußnote 135. IGH, Urteil v. 26. 2. 2007, Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocie (Bosnia and Herzegovina v. Serbia and Montenegro), ICJ Reports, 2007, S. 43 ff.; IGH, Urteil v. 27. 6. 1986, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. United States of America), Merits, ICJ Reports, 1986, S. 14 ff.; IGH, Urteil v. 18. 7. 1966, South West Africa, Second Phase, ICJ Reports, 1966, S. 6 ff. 789 Zu diesen insbesondere Bryde, Die Intervention mit wirtschaftlichen Mitteln, in: von Münch (Hrsg.), Staatsrecht – Völkerrecht – Europarecht, 1981, S. 227 ff.; Bockslaff, Das völkerrechtliche Interventionsverbot als Schranke außenpolitisch motivierter Handelsbeschränkungen, 1987. 790 von Bernstorff/Jacob/Dingfelder Stone, The Alien Tort Statute before the US Supreme Court in the Kiobel case: Does international prohibit US courts to exercise extraterritorial civil jurisdiction over human rights abuses committed outside of the US?, ZaöRV, 2012, S. 579 ff., 587. 788
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gebietsbezogen verfolgt werden. Auf Grund dessen erfordert die grundsätzliche Anerkennung der Existenz außenpolitischer Rechtsetzung nicht die Anerkennung einer weiteren Gruppe staatsbezogener Regelungsanliegen.791 b) Verfolgung allgemein-staatsbezogener, anerkannter Regelungsanliegen Als allgemein-staatsbezogene Regelungsanliegen, die sich nicht in einer Einwirkung erschöpfen, kommen daher nur Werte der Völkerrechtsgemeinschaft in Betracht, deren Wahrung von allen Staaten anerkannt sind. Nur insoweit können Anliegen mit Blick auf die souveräne Gleichheit der Staaten als allgemein verfolgbare Interessen anzuerkennen sein.792 Derartige Interessen sind zunächst für den Bereich des Strafrechts für einen Kernbereich des Schutzes der Menschenrechte anerkannt.793 Soweit der Staat in 791
Offen bleiben soll im Rahmen der vorliegenden Arbeit ausdrücklich, ob abweichend vom hier vertretenen Ansatz für den Teilbereich der außenpolitisch motivierten Rechtsetzung eine Ausnahme davon zu machen ist, dass ein Staatsgebiets- oder Staatsvolkbezug des Regelungsanliegens hinreichend ist, um ein völkerrechtlich anzuerkennendes Regelungsanliegens zu bilden. Ausgangspunkt zu Überlegungen einer etwaigen Begrenzung der Befugnis zur Verfolgung derartiger Regelungsanliegen ist, dass hierbei die Einwirkung auf fremde Staaten im Vordergrund steht und den Primärzweck der Regelung bildet, obwohl das Souveränitätsprinzip die Achtung der fremden Souveränität gebietet. Siehe hierzu Bryde, Die Intervention mit wirtschaftlichen Mitteln, in: von Münch (Hrsg.), Staatsrecht – Völkerrecht – Europarecht, 1981, S. 227 ff., 241 ff.; Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht, 14. Aufl., 2017, S. 242 f.; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, 2. Aufl., 2012, S. 169 f.; Bockslaff, Das völkerrechtliche Interventionsverbot als Schranke außenpolitisch motivierter Handelsbeschränkungen, 1987; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., 1984, S. 301. Vgl. auch IGH, Urteil v. 25. 9. 1997, The Gabcˇ ikovo-Nagymaros Project (Hungary/Slovakia), ICJ Reports, 1997, S. 7 ff., 55 ff. 792 Kamminga, Extraterritoriality, in: Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, 2. Aufl., 2012, S. 116; Ohler, Die Kollisionsordnung des allgemeinen Verwaltungsrechts Strukturen des deutschen internationalen Verwaltungsrechts, 2005, S. 334; Hoffmann, Strafrechtliche Verantwortung im Völkerrecht zum gegenwärtigen Stand der völkerrechtlichen Strafrechts, 1962, S. 39 ff.; 114 ff.; vgl. auch Bleckmann, Allgemeine Staats- und Völkerrechtslehre, 1995, S. 825; Bleckmann, Das Souveränitätsprinzip im Völkerrecht, AVR, 1985, S. 450 ff., 476. 793 Kamminga, Extraterritoriality, in: Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, 2. Aufl., 2012, S. 116; Epping, Grundgesetz und Kriegswaffenkontrolle, 1993, S. 148 f.; Hoffmann, Strafrechtliche Verantwortung im Völkerrecht zum gegenwärtigen Stand der völkerrechtlichen Strafrechts, 1962, S. 114 ff.; von Bernstorff/Jacob/Dingfelder Stone, The Alien Tort Statute before the US Supreme Court in the Kiobel case: Does international prohibit US courts to exercise extraterritorial civil jurisdiction over human rights abuses committed outside of the US?, ZaöRV, 2012, S. 579 ff., 587 ff.; Colangel, Constitutional Limits on Extraterritorial Jurisdiction: Terrorism and the Intersection of National and International Law, Harvard Law Review, 2007, S. 121 ff., 131 ff.; Schultz, Ist Lotus verblüht? Anmerkung zum Urteil des IGH vom 14. Feburar 2002 im Fall betreffend den Haftbefehl vom 11. April 2000, ZaöRV, 2002, S. 703 ff., 728 ff.; Bungenberg, Extraterritoriale Strafrechtsanwendung bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord, AVR, 2001, S. 170 ff., 172, 192; Pottmeyer, Die Strafbarkeit von Auslandstaten nach dem Kriegswaffen-
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Teil 3: Völkerrechtliche Grenzen der extraterritorialen Rechtsetzung
Bezug auf derartige Gemeinschaftsinteressen tätig wird, handelt es sich um ausnahmsweise anzuerkennende Regelungsanliegen, da die Durchsetzung dieser Regelungsmaßstäbe allen Staaten obliegt und zudem im ideellen Interesse aller Staaten gleichermaßen erfolgt. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob ein nach diesen Gemeinschaftswerten missbilligtes Verhalten einen irgendwie gearteten Bezug zum Staat aufweist. Ausreichend ist gerade, dass nach der Völkerrechtsgemeinschaft derartige Verhaltensweisen keinen Bestand haben dürfen. Dem entspricht es, wenn derartige Regelungen nach dem Universalitätsprinzip der herrschenden Ansicht von der Regelungsgewalt umfasst sind.794 Zu diesen grundlegenden Werten im Sinne einer grundsätzlichen Strukturentscheidung der Völkerrechtsordnung zählt aber auch die Souveränität der Staaten, die mit einem Achtungsanspruch verbunden wird. Mit Blick hierauf sind als allgemeinstaatenbezogene Regelungsanliegen auch solche Regelungsanliegen anzuerkennen, die auf den Schutz des Staates vor seine Souveränität berührenden und demgemäß existenziellen Einwirkungen gerichtet sind. Hierbei handelt es sich um seitens der Staaten gebildete Regelungsanliegen, die allgemein-staatsbezogen bestehen, aber auf Grund ihres Schutzgutes auch jenseits der zuvor genannten, von allen Staaten unabhängig einer eigenen materiellen Betroffenheit verfolgbaren, Regelungsmaßstäben Gegenstand einer extraterritorialen Rechtsnorm sein dürfen. Insoweit geht auch die herrschende Meinung nach dem Schutzprinzip vom Bestehen einer Regelungsgewalt aus.795 Allgemein-staatenbezogene Regelungsanliegen weisen demnach eine besondere Struktur auf. Sie sind ihrem Regelungsmaßstab nach auf den Schutz allgemein anerkannter Interessen, wie Gemeinschaftswerten in Form der humanitären Menkontroll- und Außenwirtschaftsrecht, NZSt, 1992, S. 57 ff., 61. Siehe auch für die Frage der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit eines Staates im Falle eines Genozids IGH, Urteil v. 26. 2. 2007, Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocie (Bosnia and Herzegovina v. Serbia and Montenegro), ICJ Reports, 2007, S. 43 ff. 794 IGH, Urteil v. 26. 2. 2007, Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocie (Bosnia and Herzegovina v. Serbia and Montenegro), ICJ Reports, 2007, S. 43 ff., 120; Kamminga, Extraterritoriality, in: Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, 2. Aufl., 2012, S. 116; Ohler, Die Kollisionsordnung des allgemeinen Verwaltungsrechts Strukturen des deutschen internationalen Verwaltungsrechts, 2005, S. 334; von Bernstorff/Jacob/Dingfelder Stone, The Alien Tort Statute before the US Supreme Court in the Kiobel case: Does international prohibit US courts to exercise extraterritorial civil jurisdiction over human rights abuses committed outside of the US?, ZaöRV, 2012, S. 579 ff., 586 ff.; Colangel, Constitutional Limits on Extraterritorial Jurisdiction: Terrorism and the Intersection of National and International Law, Harvard Law Review, 2007, S. 121 ff., 130 ff.; Schultz, Ist Lotus verblüht? Anmerkung zum Urteil des IGH vom 14. Feburar 2002 im Fall betreffend den Haftbefehl vom 11. April 2000, ZaöRV, 2002, S. 703 ff., 728 ff.; Bungenberg, Extraterritoriale Strafrechtsanwendung bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord, AVR, 2001, S. 170 ff., 172 f. 795 Siehe die Nachweise in Fußnote 591.
B. Die willkürliche und treuwidrige extraterritoriale Erstreckung
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schenrechte, sowie als Ausfluss des Souveränitätsprinzips auf den Schutz existenzieller Interessen einzelner Staaten gerichtet. Auf Grund ihres besonderen Status soll diesen allgemein-staatsbezogenen Anliegen allerdings mit Blick auf die Ausrichtung der vorliegenden Arbeit auf das materielle Steuerrecht im Folgenden nicht weiter nachgegangen werden. 4. Verhältnis des Staatenbezugs zur Personal- und Gebietshoheit Fraglich ist noch, wie sich der so konkretisierte Staatenbezug zu den formalen Bezugspunkten der Staatsgewalt in Form der Personal- und Gebietshoheit verhält. Zumindest die Konzeption der Personal- und Gebietshoheit der herrschenden Meinung impliziert, dass im Rahmen der Personalhoheit nur staatsvolkbezogene und im Rahmen der Gebietshoheit nur staatsgebietsbezogene Regelungen umfasst sind.796 Nach dem bisherigen Stand der Untersuchung ist es zulässig, staatsgebietsbezogene Regelungen einer personalen oder staatsvolkbezogene Regelungen einer territorialen Geltung zuzuführen. Erst eine Verknüpfung beider Ebenen durch ein Gebot, die bezugspunktspezifische Hoheit wahrzunehmen, würde daher zu einer Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung führen. Ein solches Gebot ist aber abzulehnen, da nach der Konzeption der Staatsgewalt nur gefordert ist, dass diese staatsvolk- oder staatsgebietsbezogen ausgeübt wird. Schlagen sich diese Bezüge wie vorliegend auf verschiedenen Ebenen nieder, die aber nicht miteinander verknüpft sind, so kann aus dem Erfordernis der Bezugspunkte nicht gefolgert werden, dass diese kongruent auf allen Ebenen bestehen müssen.797 Es besteht daher kein Anlass für das Erfordernis einer Kongruenz zwischen dem Bezugspunkt und der wahrgenommenen Hoheit. Dass Staaten auch Rechtsnormen erlassen, ohne eine Kongruenz zu wählen, zeigt sich bspw. beim Passgesetz der Bundesrepublik Deutschland. So bestimmt § 1 Abs. 1 PassG, dass jeder deutsche Staatsangehörige bei der Ein- oder Ausreise aus dem Geltungsbereich des Gesetzes einen Pass bei sich zu führen und auf Verlangen vorzuweisen hat. Der Geltungsbereich in diesem Sinne wird durch das Bundesgebiet gebildet. Obwohl daher die Norm eine Pflicht für die Staatsangehörigen statuiert und durch die Passpflicht ein staatsvolkbezogenes Regelungsanliegen verfolgt wird, hat der Gesetzgeber die Norm einer territorialen Geltung zugeführt. Dies ist auch nachvollziehbar, da die Passpflicht erst beim Grenzübertritt Bedeutung erlangt, um Staatsangehörige zu identifizieren und ihnen Zutritt zum Bundesgebiet gewähren zu können. Hierin liegt aber 796
So ausdrücklich von Arnauld, Völkerrecht, 3. Aufl., 2016, S. 149; Hobe/Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 10. Aufl., 2014, S. 100; Tietje/Bering/Zuber, Völker- und europarechtliche Zulässigkeit extraterritorialer Anknüpfung einer Finanztransaktionssteuer, Beiträge zum Transationalen Wirtschaftsrecht, Nr. 129, 2014, S. 9 f.; Gavouneli, Functional jurisdiction in the law of the sea, 2007, S. 7 ff. 797 So wohl auch Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, 2. Aufl., 2012, S. 115.
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Teil 3: Völkerrechtliche Grenzen der extraterritorialen Rechtsetzung
kein staatsgebietsbezogenes Regelungsanliegen, da die Norm gerade eine Pflicht für die Staatsangehörigen wegen ihres Status begründet; andernfalls müsste eine Ausweispflicht für alle Einreisenden vorgesehen werden.
IV. Die gebotene willkürfreie Konkretisierung in Tatbestand und Rechtsfolge Auf der zweiten Ebene ist durch das hier entwickelte Verbot der treuwidrigen extraterritorialen Erstreckung des Regelungs- und Rechtsfolgenbereiches gefordert, dass sich das willkürfrei gebildete Regelungsanliegen willkürfrei in der Erstreckung konkretisiert. 1. Allgemeine Überlegungen zum Willkürverbot Gefordert ist durch das Willkürverbot, dass zwischen der Fassung von Tatbestand und Rechtsfolge eines Rechtssatzes und dem Regelungsanliegen eine zumindest entfernt nachvollziehbare Beziehung besteht. Diese Beziehung ist wie dargelegt letztlich bereits nach der Struktur der Rechtsnorm gefordert, da eine Rechtsnorm auf die Lösung eines Regelungsanliegens durch die Identifikation der Regelungsinteressen und Abwägung dieser nach dem Regelungsmaßstab gerichtet ist. a) Denkbare Divergenzen zwischen dem Regelungsanliegen und der Regelung Allerdings sind zahlreiche Divergenzen denkbar, in deren Folge diese idealtypische Beziehung nicht länger festgestellt werden kann. Einerseits kann die Regelung zu eng gefasst sein und das Regelungsanliegen nur teilweise verwirklichen, sodass das identifizierte Lebensproblem nur teilweise einer Lösung zugeführt wird und im Übrigen das Problem entgegen dem Regelungsanliegen bestehen bleibt. Andererseits kann die Regelung zu weit gefasst sein und Lebensvorgänge der Regelung unterwerfen, für die das zu regelnde Problem gar nicht identifiziert wurde, sodass nach dem Regelungsanliegen gar keine Anwendung der Rechtsnorm notwendig wäre. Ebenso kann eine Norm aber dadurch über das Regelungsanliegen hinaus Wirkungen herbeiführen, wenn sie Verhaltensweisen hervorruft, die vom Regelungszweck nicht umfasst sind. In Betracht kommen zunächst Verhaltensweisen, durch die der Tatbestand der Norm vermieden werden soll. Weiterhin ist die Rechtsnorm dann zu weit geraten, wenn Verhaltensweisen eintreten, die zur Befolgung der Rechtsfolge notwendig, nach dem Regelungsmaßstab aber unerwünscht sind. Letztendlich kann auch der Fall bestehen, dass der Staat ein Regelungsanliegen nur dem Anschein nachverfolgt, bei näherer Betrachtung hingegen nicht dieses vorgeschobene, sondern ein anderes Regelungsanliegen verwirklichen möchte und dieses Ziel gewissermaßen hinter dem augenscheinlich verfolgten Interesse verbirgt.
B. Die willkürliche und treuwidrige extraterritoriale Erstreckung
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b) Nicht ernstlich verfolgte Regelungsanliegen Mit Blick auf diese denkbaren Diskrepanzen ist willkürlich eine extraterritoriale Erstreckung des Regelungs- und Rechtsfolgenbereiches zunächst dann, wenn das Regelungsanliegen nur vorgeschoben verfolgt wird. In diesem Fall schafft der Staat die Regelung nur scheinbar, um ein staatenbezogenes Regelungsanliegen zu verfolgen. Vielmehr verfolgt der Staat ein anderes Regelungsanliegen und dieses Regelungsanliegen ist der Prüfung zugrunde zu legen, da das vorgeschobene Regelungsanliegen nicht ernstlich und damit nicht willkürfrei verfolgt wird. Ein solcher Fall wird aber regelmäßig damit einhergehen, dass der Staat das Regelungsanliegen vorschiebt, weil er eigentlich ein nicht anzuerkennendes Regelungsanliegen verfolgen möchte oder ihm bewusst ist, dass die Regelung auf das eigentlich verfolgte Regelungsanliegen nicht gestützt werden kann. In beiden Fällen liegt aber keine Erstreckung des Regelungs- und Rechtsfolgenbereiches vor, die in Übereinstimmung mit dem Gebot von Treu und Glauben erfolgt. c) Das geforderte Verhältnis von Abstraktheit und Konkretheit Besondere Fragen der willkürfreien Konkretisierung des Regelungsanliegen in der Regelung ergeben sich im Spannungsfeld zwischen rechtssetzender Abstraktion und der Notwendigkeit, den Rechtssatz hinreichend konkret zu fassen, um dem Willkürverbot zu genügen. Im Ausgangspunkt scheint eine extraterritoriale Erstreckung immer dann willkürlich zu erfolgen, wenn der territoriale Umfang des Tatbestandes oder der Rechtsfolge über den Regelungszweck hinausreicht. Denn dann werden Sachverhalte erfasst, für die keine entfernt nachvollziehbare Beziehung zum verfolgten Regelungszweck besteht. Das Willkürverbot würde dann fordern, dass die extraterritoriale Erstreckung des Regelungs- und Rechtsfolgenbereiches in jedem Falle nur insoweit erfolgt, als dies nach der Fassung des Regelungszweckes zumindest noch entfernt nachvollziehbar notwendig ist. Allerdings vermag nicht jede Abweichung in diesem Sinne zwischen dem Regelungszweck und der extraterritorialen Erstreckung zum Vorwurf der Willkür zu führen. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass ein Verstoß gegen das Willkürverbot erst dann vorliegt, wenn keine entfernt nachvollziehbare Beziehung mehr zwischen dem Regelungszweck und seiner Konkretisierung in der Rechtsnorm besteht. Eine nachvollziehbare Beziehung ist daher noch anzunehmen, wenn die Rechtsnorm typischerweise den Regelungszweck konkretisiert und nur in Ausnahmefällen ein Abweichen festzustellen ist. Bspw. kann der Staat unter dem Gesichtspunkt der Praktikabilität davon absehen, eine idente Konkretisierung vorzunehmen und stattdessen typisierend, also verallgemeinernd, die Rechtsnorm fassen. Dabei erfasst er zwar auch Fälle, die an sich nicht umfasst sein sollten, dies ist aber nur dann als willkürlich anzusehen, wenn es sich um regelmäßig eintretende Fälle handelt, die so
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Teil 3: Völkerrechtliche Grenzen der extraterritorialen Rechtsetzung
gewichtig sind, dass es nicht entfernt nachvollziehbar ist, warum der Staat nicht eine differenzierte Regelung erlassen hat. Es ist daher festzustellen, dass bei Bestehen eines entfernt nachvollziehbaren Grundes der Staat eine typisierende Erfassung vornehmen und im Rahmen dieser Typisierung auch Sachverhalte erfassen darf, die nach dem Regelungsanliegen an sich nicht erfasst werden dürfen. Erst wenn ein entfernt nachvollziehbarer Grund für diese Typisierung und damit überschießende Erfassung von Sachverhalten nicht erkennbar wird, ist es als willkürlich anzusehen, dass der Staat sich gegen eine differenzierte Regelung zur Vermeidung einer Souveränitätskollision entschieden hat. Als solche Gründe sind dabei einerseits technische Gründe anzuerkennen, weil bspw. eine bestimmte Informationsmenge nicht verarbeitet werden kann, andererseits aber auch, dass der Staat daran interessiert sein kann, eine möglichst einfache und daher weniger detailgetreue Rechtsnorm zu erlassen. In der Festlegung, dass ein Rechtssatz möglichst einfach sein soll, liegt ein entscheidendes Element des Regelungsmaßstabs, sodass das Gebot der Willkürfreiheit nicht dahingehend entfaltet werden kann, dass es den regelnden Staat zu einer bestimmten Mindestdifferenzierung bei der Gestaltung seiner Rechtsordnung zwingt. Möchte der Staat eine Rechtsnorm möglichst einfach gestalten, so ist eine weitgehende Typisierung als willkürfrei anzuerkennen. Die Typisierungsbefugnis wird aber auch in diesen Fällen überschritten, sofern ausnahmsweise die nach dem Regelungsmaßstab zu erzielende Einfachheit ebenso durch eine weniger stark typisierende Norm erreicht werden kann. Denn in diesem Fall besteht kein entfernt nachvollziehbarer Grund für diese konkrete Form der Typisierung. Vielmehr wird das Interesse der Einfachheit der Rechtsordnung vorgeschoben, um eine von diesem Anliegen nicht getragene Typisierung zu rechtfertigen. d) Die Kumulation staatlicher Regelungsanliegen Abseits dieser Diskrepanzen ist fraglich, wie die zeitgleiche Verfolgung mehrerer Regelungsanliegen in einer Norm zu beurteilen ist, wenn die extraterritoriale Erstreckung des Regelungs- und Rechtsfolgenbereiches nicht von beiden Interessen zugleich vollumfänglich gestützt wird. In diesen Fällen kann daher die extraterritoriale Erstreckung nur teilweise auf das eine oder auf das andere Anliegen gestützt werden. Ergibt sich, dass sämtliche erfassten Fälle entsprechend einem Regelungsanliegen erfasst werden und stellt sich die Erstreckung daher nicht als zu weitgehend dar, so kann richtigerweise keine Willkür angenommen werden: Im Rahmen der Willkürprüfung ist nicht zu fragen, in welchem Verhältnis die Regelungsanliegen stehen und ob die zeitgleiche Verfolgung in einer Norm entsprechend den Regelungsinteressen und dem Regelungsmaßstab sachgemäß oder konsequent ist. Ebenso wenig ist zu beurteilen, ob in dem Fall, dass die entfalteten Regelungsmaßstäbe in einem
B. Die willkürliche und treuwidrige extraterritoriale Erstreckung
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Widerspruch zueinanderstehen, die konkrete Ausbalancierung der widerstreitenden Maßstäbe in der Rechtsnorm gerechtfertigt ist. Hierbei handelt es sich vielmehr um Überlegungen einer Systembildung, die weder dem Willkürverbot noch dem Völkerrecht entsprechen, da in diesem Fall entgegen der den Staaten zukommenden souveränen Befugnis zur Gewichtung von Gründen798 eine Abwägung von Gründen dahingehend gefordert ist, ob diese für eine Durchbrechung hinreichend sind. Demgegenüber erfordert das Fehlen von Willkür nur, dass irgendein irgendwie gearteter nachvollziehbarer Grund besteht. Dies ist aber in diesen Fällen gerade gegeben. In den Blick zu nehmen ist daher jeweils das einschlägige Regelungsanliegen; erweisen sich mehrere Regelungsanliegen als potentiell einschlägig, so ist dem Willkürverbot bereits genügt, wenn eines der verfolgten Interessen oder diese in der Gesamtschau die Norm tragen. e) Die Nichterfassung vergleichbarer Sachverhalte Eine weitere Divergenz, die einen Verstoß gegen das Willkürverbot begründen könnte, könnte darin liegen, dass die extraterritoriale Erstreckung hinter der möglichen Erstreckung aus anderen Gründen als jenen zurückbleibt, die im Regelungsanliegen angelegt sind. In diesem Fall folgt der Vorwurf der Willkür daraus, dass ein Teil der nach dem Regelungsanliegen zu erfassenden Sachverhalte der Regelung unterworfen wird, ein anderer Teil aber nicht. Dies bedeutet aber, dass der Vorwurf der Willkür nicht darauf beruht, dass zwischen dem erfassten Sachverhalt und dem Regelungsanliegen keine entfernt nachvollziehbare Beziehung besteht, sondern nur daraus, dass vergleichbare Sachverhalte nicht einbezogen wurden. Auch hierin kann richtigerweise keine willkürliche Erstreckung des Regelungsoder Rechtsfolgenbereichs erblickt werden, da der Staat grundsätzlich zur Erfassung des geregelten Sachverhaltes befugt ist. Soweit die Erstreckung nur deswegen zurückgewiesen werden soll, weil vergleichbare Sachverhalte nicht der Regelung unterliegen, wird eine Systemkonsequenz und folgerichtige Verfolgung des Regelungszweckes eingefordert. Die Forderung einer Folgerichtigkeit reicht aber weiter als die Forderung, dass die Erstreckung nicht willkürlich erfolgen darf, und entspricht nicht dem Völkerrecht:799 Nach dem Freiraum des Staates obliegt es seiner souveränen Entscheidung, ob und inwieweit eine Regelung erlassen wird. Diese Entscheidung des Staates, nur teilweise und nach Ansicht des Rechtsanwenders inkonsequent tätig zu werden, steht dem Staat zu, da dieser bestimmt, ob hinreichende Gründe für eine Regelung bestehen. Dies kann aber nicht nur dem Grunde nach gelten, sondern muss auch die Reichweite der Regelung umfassen. Gerade wenn die extraterritoriale Rechtsetzung in den Blick genommen wird, ist nicht erkennbar, warum der Staat unter einem Gesichtspunkt der Folgerichtigkeit gehindert sein soll, in Selbstbeschränkung seines ihm zustehenden Freiraumes eine Einwir798 799
Siehe letztlich bereits Teil 1 A. III. 2. b) (cc). Siehe Teil 3 B. II. 2. c).
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Teil 3: Völkerrechtliche Grenzen der extraterritorialen Rechtsetzung
kung auf den Freiraum fremder Staaten zu unterlassen. Dem Staat steht es daher zumindest völkerrechtlich frei, aus beliebigen Gründen oder gar ohne Grund vom Einbezug vergleichbarer Sachverhalte abzusehen. Soweit eine inkonsequente Verfolgung vorliegt, ist diese aber zum Anlass zu nehmen zu prüfen, ob das Regelungsanliegen, das die Erstreckung des Regelungsund Rechtsfolgenbereiches trägt, tatsächlich und nicht nur vorgeschoben verfolgt wird. Die fehlende Folgerichtigkeit bei der Verfolgung des Regelungsanliegens kann daher als Indiz dafür dienen, dass ein anderes Regelungsanliegen verdeckt verfolgt wird, das der Willkürprüfung zugrunde zu legen ist. 2. Folgerungen für die willkürliche Ausformung des Staatenbezuges Aus den bisherigen Überlegungen zur Frage der Willkür ergibt sich, dass für die Beurteilung, ob eine willkürliche Konkretisierung erfolgt, grundsätzlich nur von Bedeutung ist, ob die Norm in ihrer Gänze von einem oder mehreren staatenbezogenen Regelungsanliegen getragen wird. Diese Staatenbezüge bestehen in Form eines Bezugs zum Staatsvolk und eines Bezugs zum Staatsgebiet. Für die Frage der extraterritorialen Erstreckung des Regelungs- und Rechtsfolgenbereiches ist zu prüfen, ob sich diese Regelungsanliegen willkürfrei im erlassenen Rechtssatz widerspiegeln. Es sind daher die territorialen Dimensionen der Regelung in den Fokus genommen und es sind diese territorialen Elemente, die für die Frage der Willkür von Bedeutung sind. Soweit daher ein Staatsgebietsbezug gefordert ist, muss die Regelung einen territorialen Bezug zum Staatsgebiet aufweisen. Personale Bezüge einer Rechtsnorm, die durch ein staatsvolkbezogenes Regelungsanliegen gefordert sind, können sich demgegenüber nur mittelbar in territorialen Elementen ausdrücken. In der territorialen Reichweite einer staatsvolkbezogenen Regelung muss sich daher die mittelbare territoriale Reichweite der personalen Verknüpfung der Regelung ausdrücken. Gefordert ist daher durch das Willkürverbot für die territoriale Erstreckung des Regelungs- und Rechtsfolgenbereiches, dass der Rechtssatz den jeweiligen Staatenbezug des Regelungsanliegens willkürfrei fortentwickeln muss. Unter einem staatsvolkbezogenen Regelungsanliegen kann eine extraterritoriale Erstreckung daher nur unter engen Voraussetzungen als willkürlich zurückgewiesen werden. In staatsvolkbezogenen Regelungen findet die wechselseitige Treuepflicht der Staatsangehörigkeit Ausdruck, die ohne territorialen Bezug und territorial unbeschränkt besteht. Die Treuepflicht besteht daher auch fort, wenn sich ein Staatsangehöriger nicht im Staatsgebiet aufhält, sodass eine extraterritoriale Erstreckung des Regelungs- und Rechtsfolgenbereiches in Ausdruck dieser Treuepflicht nicht willkürlich ist. Grundlage für den Vorwurf der Willkür kann daher nur sein, dass das Regelungsanliegen, obwohl es Ausdruck der Treuepflicht ist, nur territorial begrenzt bestehen kann oder dass das Regelungsanliegen nicht Ausdruck der Treuepflicht sein kann, weil das regulatorische Problem auch Personen erfasst, die nicht Staatsan-
B. Die willkürliche und treuwidrige extraterritoriale Erstreckung
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gehörige sind. In diesem Fall nimmt der Staat gerade keine differenzierende Regelung vor, wie sie notwendig ist, um die Treuepflicht widerzuspiegeln. Unter einem staatsgebietsbezogenen Regelungsanliegen kommt eine willkürliche Konkretisierung dadurch in Betracht, dass die Gebietsbezüge nach dem Regelungsanliegen willkürlich weit gefasst werden. So gestattet eine Regelung, die darauf gerichtet ist, Beschränkungen inländischer Verhaltensweisen durch ausländisches wettbewerbswidriges Verhalten zu vermeiden, es nicht, das wettbewerbswidrige Verhalten insgesamt zu unterbinden. Vielmehr muss sich die Regelung darauf beschränken, den Eintritt der Beschränkungen inländischen Verhaltens zu vermeiden.800
V. Kumulation mehrerer Staatenbezüge in einer Rechtsnorm Bisher wurde lediglich der Fall untersucht, dass ein Staat Regelungsanliegen bildet, die genau einen Staatenbezug aufweisen, und diesen willkürfrei in der Regelung konkretisiert. In diesem Zuge wurde auch in IV. 1. untersucht, wie die Kumulation mehrerer Regelungsanliegen zu beurteilen ist. Offengelassen wurde aber, wie Fälle zu behandeln sind, in denen der Staat staatsvolk- und staatsgebietsbezogene Regelungsanliegen zugleich verfolgt. Hierbei ist einerseits zu fragen, ob und unter welchen Umständen eine Kumulation von Staatenbezügen in einem Regelungsanliegen möglich ist und inwieweit hierbei eine willkürliche Ausdehnung des territorialen Umfanges des Regelungs- und Rechtsfolgenbereiches erfolgt. Soweit staatsvolkbezogene Regelungsanliegen um einen Gebietsbezug oder staatsgebietsbezogene Regelungsanliegen um einen personalen Bezug ergänzt werden sollen, kommen nur solche Regelungsanliegen für eine Kumulation in Betracht, die nicht ausschließlich staatsvolk- oder staatsgebietsbezogen bestehen, da derartige Interessen gerade nur in Bezug auf das Staatsvolk oder das Staatsgebiet verfolgt werden können. Eine etwaige territoriale oder personale Eingrenzung führt daher nur zu einer personalen oder territorialen Beschränkung des Regelungs- und Rechtsfolgenbereiches, die für die Frage der Zulässigkeit der extraterritorialen Erstreckung des Regelungs- und Rechtsfolgenbereich nicht von Bedeutung ist, da in jedem Fall der territoriale Umfang des Regelungs- und Rechtsfolgenbereiches der Norm vom Staatenbezug getragen wird. Entsprechendes gilt, wenn in einem gleichermaßen staatsvolk- wie staatsgebietsbezogen verfolgbaren Regelungsanliegen ein Bezug zum Staatsvolk und zum Staatsgebiet zusammentreffen, ohne aber, dass hiermit eine territoriale Ausweitung des Regelungs- und Rechtsfolgenbereiches verbunden ist. Auch in diesen Fällen 800 Rehbinder, Extraterritoriale Wirkungen des deutschen Kartellrechts, 1965, S. 180; Olmstead (Hrsg.), Extra-territorial application of laws and responses thereto, 1984; Schmahl, Zwischenstaatliche Kompetenzabgrenzung im Cyberspace, AVR, 2009, S. 284 ff., 297.
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Teil 3: Völkerrechtliche Grenzen der extraterritorialen Rechtsetzung
führt die Kumulation nur dazu, dass eine Eingrenzung des Regelungs- und Rechtsfolgenbereiches erfolgt, sodass die territoriale Reichweite durch beide Staatenbezüge für sich genommen getragen wird. Demnach trägt der Gebietsbezug die Regelung unabhängig der personalen Eingrenzung, während der personale Bezug gerade territorial nicht beschränkt besteht und die territoriale Begrenzung durch den Gebietsbezug keine Fragen der Zulässigkeit der territorialen Reichweite aufwirft. Besondere Fragen kann daher nur eine Kumulation von Staatenbezügen aufweisen, die mit einer Ausweitung des territorialen Umfanges des Regelungs- und Rechtsfolgenbereiches über das Staatsgebiet hinaus verbunden ist. Ein solches Regelungsanliegen müsste, um zu einer extraterritorialen Ausweitung des territorialen Umfanges des Rechtssatzes zu führen, im Rahmen eines Staatsvolkbezuges um einen Staatsgebietsbezug ergänzt werden, der zu einer Ausweitung des Anwendungsbereiches führt. Da in territorialer Hinsicht der Staatsvolkbezug unbeschränkt besteht und daher eine extraterritoriale Erstreckung des Regelungs- und Rechtsfolgenbereiches vollumfänglich erlaubt, kommt nur eine personale Erweiterung des Anwendungsbereiches der Norm um Personen, die nicht Staatsangehörige sind, in Betracht. Eine solche Erweiterung müsste aber auf einen Staatsgebietsbezug gestützt sein und daher ein ausländisches Verhalten in den Blick nehmen, das deswegen von Bedeutung ist, weil es sich auf inländische Verhaltensweisen negativ auswirkt oder weil es für eine Anknüpfung an sich im Staatsgebiet aufhaltende Personen von Bedeutung ist. Im Rahmen einer solchen Norm kann die Erfassung der Staatsangehörigen aber ebenso auf den Staatsgebietsbezug gestützt werden, sodass der Staatsvolkbezug keine Ausweitung des Rechtssatzes bewirkt. Weitergehend ist zu berücksichtigen, dass eine solche Erweiterung des Rechtssatzes dazu führt, dass die Norm nicht länger als Konkretisierung eines staatsvolkbezogenen Regelungsanliegen angesehen werden kann. Ist ein Regelungsanliegen staatsvolk- und staatsgebietsbezogen verfolgbar, so kann es nur dann staatsvolkbezogen entfaltet werden, wenn es Ausdruck der wechselseitigen Treuepflicht zwischen Staatsangehörigem und Staat ist. Dies setzt, wie in III. 1. dargelegt, eine differenzierte Behandlung zwischen den Staatsangehörigen und anderen im Staatsgebiet ansässigen Personen voraus. Bewirkt aber die Erweiterung eines Rechtssatzes um einen Staatsgebietsbezug gerade eine idente Anwendung der Regelung auf diesen Personenkreis, so entfällt die differenzierende Behandlung und damit die Möglichkeit, in der Norm eine Konkretisierung eines staatsvolkbezogenen Regelungsanliegen zu sehen. Entsprechendes gilt auch in dem Fall, dass ein staatsgebietsbezogenes Regelungsanliegen um einen Staatsvolkbezug ergänzt wird: Entweder bewirkt dies nur eine personale Beschränkung oder aber die Personen sind bereits durch den Staatsgebietsbezug erfasst. Nach alledem ergibt sich, dass die Kumulation von Bezugspunkten mit Blick auf die extraterritoriale Erstreckung des Regelungs- und Rechtsfolgenbereiches keine Schwierigkeiten aufwirft. Eine Ausweitung der Erstreckung kann mit der Kumulation nicht verbunden sein, vielmehr bewirkt eine tatsächliche Kumulation eine Beschränkung der Erstreckung, die aber unter dem Gesichtspunkt der Willkürfreiheit
B. Die willkürliche und treuwidrige extraterritoriale Erstreckung
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der Erstreckung keine Probleme aufwirft, da bereits eine weitergehendere Erstreckung nach dem Staatenbezug zulässig wäre.
VI. Schlussfolgerungen und Zusammenfassung Zusammenfassend ergibt sich, dass eine Beschränkung der extraterritorialen Erstreckung des Regelungs- und Rechtsfolgenbereiches einer Norm geboten ist und ein derartiges Verbot dem Völkerrecht entnommen und dieses konturiert werden kann. Die Notwendigkeit der Beschränkung der weiten Rechtsetzungsgewalt des Staates folgt daraus, dass in aller Regel die extraterritoriale Erstreckung des Regelungs- und Rechtsfolgenbereiches mit Einwirkungen auf fremde Regelungszwecke einhergeht. Insoweit kollidiert die Souveränitätswahrnehmung des regelnden Staates mit der Souveränität der betroffenen Staaten, die gerade darauf gerichtet ist, derartige Einflüsse auf Regelungszwecke abzuwehren. Diese Kollisionen kennzeichnen die Überschneidungen der den Staaten nach dem Souveränitätsprinzip und der souveränen Gleichheit der Staaten gleichrangig zukommenden Freiräume zur grundsätzlich unabhängigen Entfaltung eigener Staatlichkeit. Lediglich insoweit, als der regelnde Staat nicht in Wahrnehmung seines ihm positiv zugewiesenen Freiraumes tätig wird und demgemäß nicht souveräne Staatsgewalt ausübt, ist völkerrechtliche eine Beschränkung der Befugnis des Staates zur extraterritorialen Erstreckung des Regelungs- und Rechtsfolgenbereiches geboten. In Wahrnehmung souveräner Staatsgewalt und daher in Entfaltung seines Freiraumes zur Verfolgung eigener Regelungszwecke wird der Staat nur tätig, wenn die extraterritoriale Erstreckung des Rechtssatzes auf einem staatenbezogenen Regelungsanliegen beruht. Insoweit ist gefordert, dass der Staat in Bezug auf das Staatsvolk, das Staatsgebiet oder ausnahmsweise von allen Staaten anerkannte Anliegen regelnd tätig wird. Beruht der Rechtssatz hingegen nicht auf einem solchen Regelungsanliegen und erschöpft sich die Rechtsetzungsgewalt darin, auf fremde Regelungszwecke einzuwirken und den Freiraum fremder Staaten zur eigenständigen Verfolgung zu Regelungsanliegen zu negieren, so tritt eine solche Rechtsetzung in Widerspruch zum Souveränitätsprinzip, da es einem Staat nicht gestattet ist, durch die Ausübung der Rechtsetzungsgewalt fremde Souveränität in Frage zu stellen. Ob der Staat im Rahmen seiner extraterritorialen Rechtsetzung ein staatenbezogenes Regelungsanliegen verfolgt, ist nach dem Willkürverbot zu beurteilen. Dies fordert, dass das Regelungsanliegen des Rechtssatzes in entfernt nachvollziehbarer Weise einen Bezug zum Staat aufweist und sich dieser Staatenbezug in entfernt nachvollziehbarer Weise im territorialen Umfang des Tatbestandes und der Rechtsfolge ausdrückt. Liegen Verstöße vor, so wird die Rechtsetzungsgewalt entgegen dem Gebot von Treu und Glauben ausgeübt, das der Umsetzung der vom Souveränitätsprinzip als Rechtsprinzip geforderten Beschränkungen dient. Eines
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Teil 3: Völkerrechtliche Grenzen der extraterritorialen Rechtsetzung
Rekurses auf davon unabhängige Ansätze einer internationalen Rechtfertigung des Rechtssatzes bedarf es daher für die vorliegenden Zwecke nicht. Das so konzipierte Verbot treuwidrigen Verhaltens besteht in seinen Inhalten in weiter Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung.801 Wesentliche Unterschiede ergeben sich aber zunächst daraus, dass eine Rechtsetzung nur dann staatenbezogen erfolgen muss, wenn mit ihr Einwirkungen auf fremde Regelungszwecke verbunden sind. Zudem ist nach der hier vorgeschlagenen Konzeption nicht gefordert, dass die Wahrnehmung der Personal- oder Gebietshoheit mit staatsvolk- oder staatsgebietsbezogenen Regelungsanliegen einhergeht. Vielmehr sind diese Ebenen der formalen Rechtsgeltung und des materiellen Inhaltes der Rechtsnorm zu unterscheiden. Soweit ein Staatenbezug gefordert ist, werden durch das Verbot der treuwidrigen Erstreckung und das Gebot der Willkürfreiheit die anerkannten Verknüpfungsprinzipien in Form des aktiven und passiven Personalitäts-, des Territorialitäts-, des Wirkungs- und des Universalitätsprinzips völkerrechtlich niedergelegt. Abweichend von einem Rekurs auf diese Prinzipien, wie ihn die herrschende Meinung vornimmt,802 wird allerdings deutlich, in welchen Fällen welches Prinzip einschlägig und inwieweit ein Staatenbezug als hinreichend anzusehen ist sowie wie sich der Staatenbezug in der territorialen Erstreckung des Tatbestandes und der Rechtsfolge niederschlägt. Dementsprechend wird auch deutlich, welche Bedeutung einem Wirkungsprinzip zukommen kann, das nach der hier vorgeschlagenen Kon801 Darüber hinaus besteht im Ergebnis auch eine große Übereinstimmung mit dem von Meng im Wege der Forderung eines Anknüpfungsmomentes, des Verbotes der zweckwidrigen Beanspruchung und der Anwendung einer eingeschränkten Verhältnismäßigkeitsprüfung hergeleiteten Ergebnisses, vgl. Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 498 ff., 595 ff., 603, 613 f., 614 ff., 616 ff. 802 Zumindest BVerfG, Beschluss v. 12. 12. 2000, 2 BvR 1290/99, NJW, 2001, S. 1848 ff.; von Arnauld, Völkerrecht, 3. Aufl., 2016, S. 148 ff.; Tietje/Bering/Zuber, Völker- und europarechtliche Zulässigkeit extraterritorialer Anknüpfung einer Finanztransaktionssteuer, Beiträge zum Transationalen Wirtschaftsrecht, Nr. 129, 2014, S. 8 ff.; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, 2. Aufl., 2012, S. 115; Brownlie, Principles of public international law, 7. Aufl., 2008, S. 305 f.; Schweisfurth, Völkerrecht, 2006, S. 304; Ohler, Die Kollisionsordnung des allgemeinen Verwaltungsrechts Strukturen des deutschen internationalen Verwaltungsrechts, 2005, S. 331 ff.; Pappas, Stellvertretende Strafrechtspflege zugleich ein Beitrag zur Ausdehnung deutscher Strafgewalt nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB, 1996, S. 85; Epping, Grundgesetz und Kriegswaffenkontrolle, 1993, S. 145; Sandrock, Abschied von den völkerrechtlichen Grenzen staatlicher Gesetzgebung?, RdW, 2015, Die erste Seite; Basedow, Das amerikanische PipelineEmbargo vor Gericht, RabelsZ, 1983, S. 141 ff., 165 gehen auch davon aus, dass die Prinzipien mit Ausnahme des Universalitätsprinzipes Ausdruck der Beschränkungen sind und nicht die exante bestehende Befugnis beschreiben. So aber Kamminga, Extraterritoriality, in: Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law; Hobe/Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 10. Aufl., 2014, S. 99 f.; Ryngaert, Jurisdiction in international law, 2008, S. 85; Jeffery, The impact of state sovereignty on global trade and international taxation, 1999, S. 44 ff.; Castel, The extraterritorial effects of antitrust laws, 1984, S. 26 f. Offen insoweit Shaw, International law, 8. Aufl., 2017, S. 487 ff.; von Arnauld, Völkerrecht, 3. Aufl., 2016, S. 149; Kirsch, The Tax Code as Nationality Law, Harvard Journal on Legislation, 2006, S. 375 ff., 390 ff.; Akehurst, Jurisdiction in International Law, Brit. Y.B. Int., 1975, S. 145 ff., 152 ff. Siehe zudem die Darstellung in Teil 2 B. I. 1. b) sowie Teil 3 A. I.
C. Ausgewählte Beispiele extraterritorialer Steuerrechtssätze
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zeption deutlich umfassender angelegt ist, als dies die herrschende Meinung zubilligt. Eine Abweichung zur herrschenden Meinung ergibt sich auch beim Territorialitätsprinzip, das entgegen der herrschen Meinung eine Erfassung ausländischen Verhaltens von sich im Staatsgebiet aufhaltenden Personen nur zulässt, soweit das Verhalten sich auf inländische Verhaltensweisen auswirkt oder aber aus Sicht einer Verfolgung personenbezogener Regelungsanliegen willkürfrei ist.803 Das so konturierte Gebot entspricht letztlich der Rechtsprechung des (St)IGH in der Lotus-Entscheidung804 sowie der Folgerechtsprechung. In der Lotus-Entscheidung805 hat der StIGH den Staaten ausdrücklich ein weites Ermessen bei der Rechtsetzung zugesprochen. Dieses weite Ermessen äußert sich vorliegend darin, dass den Staaten die Befugnis zukommt, selbst zu entscheiden, welche Regelungsanliegen verfolgt werden. Soweit gemäß der Lotus-Entscheidung diese Befugnis im Einzelfall begrenzt ist, beruht die Begrenzung alleinig darauf, dass das Regelungsanliegen aus einem Interesse heraus verfolgt werden muss, das nicht allein in der Einwirkung auf fremde Regelungszwecke besteht. Zudem ist dieses Regelungsanliegen in nachvollziehbarer Art und Weise zu konkretisieren, damit die Regelung tatsächlich in Wahrnehmung des weiten legislativen Ermessens auf dieses Regelungsanliegen gestützt werden kann. Durch diese Begrenzung der Rechtsetzungsgewalt ist damit ein Bezug der Rechtsetzungsgewalt zum Staat an sich und seiner Interessensphäre sichergestellt. Hierdurch ist es den Staaten verwehrt, eigene Interessen gleichsam imperialistisch zu Lasten aller Staaten zu setzen. Ausgangspunkt dieser Begrenzung sind die Einwirkungen der Staaten auf fremde Interessen und die souveräne Gleichheit. Dies entspricht den in der späteren Rechtsprechung des IGH vorgebrachten Aspekten der Verdichtung der Völkerrechtsgemeinschaft und der Notwendigkeit einer Begrenzung der Staatsgewalt mit Blick auf die souveräne Gleichheit der Staaten. Hiervon kann lediglich, was auch der IGH zuerkennt, ausnahmsweise auf Grund der Verfolgung bestimmter Gemeinschaftsinteressen, wie im Fall des Universalitätsprinzips, Abstand genommen werden.806
C. Ausgewählte Beispiele extraterritorialer Steuerrechtssätze Im Folgenden soll die konkrete Anwendung des herausgearbeiteten Kriteriums des Völkerrechts anhand der bereits in Teil 2 A. IV. exemplarisch genannten Beispiele extraterritorialer Steuerrechtssätze illustriert werden. Hierbei wird aufgezeigt 803 804 805
e).
Ebenso Mann, Studies in International Law, 1973, S. 40. Vgl. auch Hamel, Das Wesen des Staatsgebietes, 1933, S. 252 f. Vgl. zu dieser Entscheidung insbesondere Teil 2 B. I. 1. B) (aa) (2) sowie Teil 2 B. I. 1.
806 Siehe zur Rechtsprechung des IGH Teil 2 B. I. 1. e) sowie zum Universalitätsprinzip die Nachweise in Fußnote 594.
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Teil 3: Völkerrechtliche Grenzen der extraterritorialen Rechtsetzung
werden, wie der Maßstab des Völkerrechts grundsätzlich konkretisiert werden kann und ob mit Blick auf die angeführten Beispiele Zweifel an der Völkerrechtskonformität aufkommen müssen, nach denen nicht ersichtlich ist, dass die extraterritoriale Erstreckung des Tatbestands und der Rechtsfolge nicht auf einer willkürfreien Konkretisierung eines willkürfrei gebildeten, staatenbezogenen Regelungsanliegen gemäß dem Gebot von Treu und Glauben beruht. Da es bei dieser Frage essentiell auf das im Rahmen der Analyse bestimmte Regelungsanliegen sowie für die Frage der willkürfreien Konkretisierung auf die berücksichtigten Regelungsinteressen und den entfalteten Regelungsmaßstab ankommt, soll durch die Beispiele insbesondere dargelegt werden, wie dieses ausgehend vom vorzufindenden Normbestand bestimmt werden kann und in welcher Form es die weitere Beurteilung prägt. Zudem soll aufgezeigt werden, dass im Rahmen eines derartigen Ansatzes dennoch Regelungen als völkerrechtswidrig angesehen werden können, d. h. die Relativität zwischen Regelung, Regelungszwecken und Staatenbezug, die nach dem im Rahmen dieser Arbeit entwickelten Kriterium gefordert ist, mitnichten dazu führt, dass jede Regelung als völkerrechtskonform anzusehen ist. Ergebnis dieser Relativität ist auch, dass die vorgefundenen Ergebnisse nur im jeweiligen länderspezifischen Kontext und nur für die in den Blick genommenen Regelungen gelten. Es ist hingegen bspw. nicht möglich, von der Völkerrechtskonformität oder Völkerrechtswidrigkeit der Grundstruktur der deutschen unbeschränkten Steuerpflicht darauf zu schließen, dass auch die unbeschränkte Steuerpflicht eines anderen Staates völkerrechtskonform oder völkerrechtswidrig ist. Dies gilt selbst dann, wenn die Steuerrechtsnorm des anderen Staates eine identische extraterritoriale Erstreckung aufweist. Denn hierdurch ist noch nicht hinreichend impliziert, dass im Lichte der Regelungszwecke des anderen Staates ebendiese extraterritoriale Erstreckung in willkürfreier Weise ein staatenbezogenes Regelungsanliegen entfaltet. Ebenso wenig kann aus der Völkerrechtskonformität der hier untersuchten Steuerrechtssätze darauf geschlossen werden, dass jede Einzelregelung der untersuchten Steuer völkerrechtskonform ist. Zwar ist für die Beurteilung der vollständige Steuerrechtssatz und nicht lediglich ein Teilelement des Steuerrechtssatzes maßgebend, allerdings würde es den Rahmen dieser Arbeit sprengen, sämtliche vollständigen Steuerrechtssätze einer Würdigung zu unterziehen.807
807 Für eine Analyse einer Einzelregelung der deutschen Einkommensbesteuerung siehe Heber/Sternberg, The Extraterritorial Reach of the German Progression Clause in Income Tax Law in the light of International Law, Intertax, 2017, S. 254 ff.
C. Ausgewählte Beispiele extraterritorialer Steuerrechtssätze
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I. Einkommensbesteuerung in Deutschland Wie eingangs in Teil 2 A. IV. dargelegt, weist die deutsche Einkommensteuer ihrer Grundstruktur nach sowohl im Fall der unbeschränkten als auch beschränkten Steuerpflicht einen extraterritorialen Regelungs- und Rechtsfolgenbereich auf. Auch wenn die Pflicht zur Steuerentrichtung an die zuständige inländische Kasse nach § 224 Abs. 1 S. 1 AO eine territorial beschränkte Pflicht darstellt, folgt der extraterritoriale Charakter der Einkommensteuerpflicht bereits aus der Erfassung des Welteinkommens sowie der Anknüpfung an den inländischen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt. Denn durch die Erfassung auch im Ausland erzielter Einkommensbestandteile sowie solcher Einkommensbestandteile, die durch ein im Ausland verwirklichtes Verhalten veranlasst sind, sind nicht lediglich im Inland verwirklichte Sachverhaltselemente bei der Anwendung der unbeschränkten Steuerpflicht zu berücksichtigen. Entsprechendes gilt bei der beschränkten Steuerpflicht, die eine nicht im Inland ansässige Person trifft und bei der im Rahmen der Einkünfteerzielung jenseits der isolierenden Betrachtungsweise des § 49 Abs. 2 EStG auch im Ausland verwirklichte Sachverhaltsmerkmale zu berücksichtigen sind. Bei genauerer Analyse zeigt sich aber, dass der Einkommensteuer auch auf Rechtsfolgenebene eine Extraterritorialität innewohnt. Diese folgt daraus, dass die Steuerpflicht der Einkommensteuer zu einer Belastung der steuerpflichtigen Person auf Grund der verwirklichten Sachverhalte führen soll. Die Einkommensteuerpflicht beruht darauf, dass die Verwirklichung dieser Sachverhalte eine auf Seiten des Steuerpflichtigen bestehende besteuerungswürdige persönliche Leistungsfähigkeit impliziert. Nach der Konzeption der Einkommensteuer sollen die steuerpflichtigen Personen entsprechend ihrer persönlichen Leistungsfähigkeit mit ihrem am Markt erzielten Einkommen zum Steueraufkommen der Bundesrepublik Deutschlands in gleichheitskonformer Weise unter Entfaltung eines Maßstabs der horizontalen und vertikalen Gleichbehandlung beitragen.808 Die Steuerpflicht ist damit sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach Ausdruck einer Gerechtigkeitsentscheidung in der Lastenausteilung, sodass Rechtsfolge der Einkommensteuerpflicht auch ist, dass die Person auf Grund der verwirklichten steuerpflichtigen Sachverhalte gerade in der festgelegten Höhe durch die Einkommensteuer belastet sein soll. 808 Siehe jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen BVerfG, Beschluss v. 7. 7. 2010, 2 BvL 14/02, 2/04, 13/05, BVerfGE 127, S. 1 ff., 27 f.; BVerfG, Urteil v. 9. 12. 2008, 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 122, S. 210 ff., 230 ff.; BVerfG, Beschluss v. 4. 12. 2002, 2 BvR 400/98, BVerfGE 107, S. 27 ff., 46 f.; Hey, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/ KStG, Einführung zum EStG, 42; Lehner/Waldhoff, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 1 EStG, Rn. A 6; Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Finanzverfassung – Bundesstaatliche Ordnung, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band IV, 1999, S. 87 ff., 139 ff.; Vogel, Über „Besteuerungsrechte“ und das Leistungsfähigkeitsprinzip im Internationalen Steuerrecht, in: Klein u. a. (Hrsg.), Steuerrecht, Verfassungsrecht, Finanzpolitik, 1994, S. 361 ff., 370 f.; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Nr. 3/3, 2. Aufl., 2003, S. 614 ff.; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1988, S. 28 f., 68 f.
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Teil 3: Völkerrechtliche Grenzen der extraterritorialen Rechtsetzung
1. Der Regelungszweck der Einkommensteuer In der so näher bestimmten Rechtsfolge klingt bereits der Regelungszweck der Einkommensteuer an. Diese ist darauf gerichtet, die der Steuer unterworfenen Personen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zum Steueraufkommen heranzuziehen. Grundlage der Einkommensteuer ist damit das Leistungsfähigkeitsprinzip.809 Die Steuerpflicht einer Person setzt voraus, dass diese entweder im Inland ansässig ist und Einkünfte oder dass sie inlandsradizierte Einkünfte erzielt. Die Erzielung von Einkünften geht damit einher, dass Sachverhalte, die steuerliche Leistungsfähigkeit implizieren, verwirklicht werden. Besteuert wird daher zunächst diejenige Leistungsfähigkeit, die im Inland erzielt wird, indem die leistungsfähigkeitserhöhende Tätigkeit im Inland durchgeführt wird. Ebenso erfasst die Besteuerung der im Inland erzielten Leistungsfähigkeit die Besteuerung derjenigen leistungsfähigkeitssteigernden Aktivitäten, die durch eine Person aus dem Inland heraus entfaltet werden. Denn insoweit, als diese Tätigkeiten aus dem Inland heraus gesteuert werden, handelt es sich auch hierbei um die im Inland erzielte Leistungsfähigkeit einer Person.810 Diese Konkretisierung erlaubt es, den Regelungszweck der Einkommensteuer näher zu bestimmen:811 Das Regelungsanliegen besteht vor dem Hintergrund des Lastenausteilungszweckes darin, den Finanzbedarf des Staates nach dem Regelungsmaßstab der im Inland erzielten Leistungsfähigkeit, die sich im von einer Person im Inland erzielten Einkommen konkretisiert, sowohl dem Grunde als auch der relativen Höhe nach in progressiver Weise zu decken. Die jeweilige Belastungshöhe spiegelt dabei den im Lichte der Leistungsfähigkeit der Person und damit
809
Siehe neben den Nachweisen in der vorhergehenden Fußnote auch die Nachweise in Fußnote 614. 810 Vogel, Über „Besteuerungsrechte“ und das Leistungsfähigkeitsprinzip im Internationalen Steuerrecht, in: Klein u. a. (Hrsg.), Steuerrecht, Verfassungsrecht, Finanzpolitik, 1994, S. 361 ff., 370 f.; Wassermeyer, Die beschränkte Steuerpflicht, in: Vogel (Hrsg.), Grundfragen des internationalen Steuerrechts, DStJG Band 8, 1985, S. 49 ff. Anderer Ansicht Beil, Der Belastungsgrund des steuerstaatlichen Synallagmas, 2001, S. 25 ff. 811 Siehe auch Lehner/Waldhoff, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 1 EStG, Rn. A 141 ff.; Schön, Besteuerungsgleichheit und Subventionsgleichheit, in: Mellinghoff u. a. (Hrsg.), Steuerrecht im Rechtsstaat, 2011, S. 189 ff., 66 ff.; Valta, Das internationale Steuerrecht zwischen Effizienz, Gerechtigkeit und Entwicklungshilfe, 2014, S. 212 f.; Lampert, Doppelbesteuerungsrecht und Lastengleichheit, 2010; Zuber, Anknüpfungsmerkmale und Reichweite der internationalen Besteuerung, 1991, S. 86 ff.; BFH, Beschluss v. 14. 4. 1993, I R 29/92, BStBl. II, 1994, S. 27 ff., 29; Lampert, Die Wahl der zutreffenden Vergleichsgruppe bei der Anwendung des allgemeinen Gleichheitssatzes auf grenzüberschreitende Steuersachverhalte, NVwZ, S. 195 ff., 198. Im Ergebnis ebenso Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Finanzverfassung – Bundesstaatliche Ordnung, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Band IV, 1999, S. 87 ff., 138 ff., 152. Vgl. auch Lampert, Doppelbesteuerungsrecht und Lastengleichheit, 2010, S. 243 ff.; BVerfG, Beschluss v. 6. 12. 1983, 2 BvR 1275/79, BVerfGE 65, 325 ff., 351.
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unter Berücksichtigung der Regelungsinteressen nach dem Regelungsmaßstab als gerecht empfundenen Beitrag zum staatlichen Finanzbedarf wider. Dem steht für Zwecke der vorliegenden Arbeit nicht entgegen, dass teilweise von einer fehlenden Systembildungskraft des Welteinkommensprinzips ausgegangen wird. So wird vorgebracht, dieses sei durch Ausnahmetatbestände derart häufig durchbrochen, dass von einer folgerichtigen Umsetzung des Welteinkommensprinzips nicht ausgegangen werden könne.812 Ob diesem Befund zuzustimmen ist, bedarf für Zwecke der vorliegenden Arbeit aber keiner Entscheidung, da hier nur die grundsätzliche Ausrichtung am Welteinkommensprinzip nach der Grundstruktur in den Blick genommen ist, sodass auf die das Welteinkommensprinzip begrenzenden Sondernormen nicht eingegangen werden braucht. Für vorliegende Zwecke ist das Gebot der Folgerichtigkeit nicht von Bedeutung, lediglich eine willkürfreie Bildung und Konkretisierung eines staatenbezogenen Regelungsanliegens ist gefordert. Dann kommt aber auch solchen Regelungsinhalten Bedeutung zu, die möglicherweise nicht folgerichtig verfolgt werden. 2. Der Staatenbezug des Regelungsanliegens Das vom deutschen Gesetzgeber gewählte Regelungsanliegen, die im Inland erzielte Leistungsfähigkeit zur Deckung des staatlichen Finanzbedarfes heranzuziehen, stellt ein staatsgebietsbezogenes Regelungsanliegen dar: Der Bezug zum Staatsgebiet besteht in diesem Fall darin, dass es die im Inland erzielte Leistungsfähigkeit ist, die der Besteuerung unterworfen wird, um hierdurch den Verteilungskonflikt über die Finanzierung des Staates einer Lösung zuzuführen. Dabei entscheidet sich der Staat in zulässiger Weise dafür, diesen Konflikt staatsgebietsbezogen zu lösen. Es wäre zwar auch möglich, zur Finanzierung das Staatsvolk heranzuziehen und die Besteuerung in Ausdruck der Treuepflicht auszugestalten; die Frage der verteilungsgerechten Erhebung des staatlichen Finanzbedarfes weist aber ebenso einen Bezug zum Staatsgebiet auf, da der Staat im gleichen Maße einen Territorialverband darstellt und zu seiner Funktion als Steuerstaat der Steuererhebung bedarf. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Verteilungskonflikt seitens des Staates gerade in einer Verteilung des Finanzbedarfes über die inländische Leistungsfähigkeit erblickt wird. Diese inländische Leistungsfähigkeit beruht grundsätzlich auf einem inländischen Verhalten, sodass der Staat eine gerechte Sozialpflichtigkeit des inländischen Verhaltens durch die Steuererhebung begründet.813
812 Elicker, Die Zukunft des deutschen internationalen Steuerrechts, IFSt-Schrift, Nr. 438, 2006, S. 27 ff. 813 Englisch, Subjektives Nettoprinzip und Familienbesteuerung, in: Jachmann (Hrsg.), Erneuerung des Steuerrechts, DStJG Band 37, 2014, 159 ff., 163 ff.; Kube, Staatsaufgaben und Solidargemeinschaften, in: Mellinghoff (Hrsg.), Steuern im Sozialstaat, DStJG Band 29, 2006, S. 11 ff., 17; Englisch, Wettbewerbsgleichheit im grenzüberschreitenden Handel, 2012, S. 577; Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, 1996, S. 9 ff.; Birk, Das Leis-
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Teil 3: Völkerrechtliche Grenzen der extraterritorialen Rechtsetzung
3. Die willkürfreie Konkretisierung Im Rahmen der Ausgestaltung der Einkommensbesteuerung muss der deutsche Gesetzgeber dieses staatsgebietsbezogene Regelungsanliegen willkürfrei konkretisiert haben, um nicht entgegen des Gebotes von Treu und Glauben den Regelungsund Rechtsfolgenbereich extraterritorial dadurch zu erstrecken, dass er das im Inland erzielte Einkommen im Ausland ansässiger Personen und das im Ausland erzielte Einkommen im Inland ansässiger Personen unterwirft. Diese Reichweite der Besteuerung muss eine entfernt nachvollziehbare Beziehung zu dem Interesse aufweisen, den Verteilungskonflikt über die gerechte Deckung des staatlichen Finanzbedarfes durch eine Einkommensteuer in Form einer am Regelungsmaßstab der Leistungsfähigkeit ausgerichteten Belastung des im Inland verwirklichten, leistungsfähigkeitserhöhenden Verhaltens zu lösen. a) Die beschränkte Steuerpflicht Insoweit erweist sich die beschränkte Steuerpflicht zunächst als grundsätzlich willkürfrei, da diese das Bestehen territorial radizierter Einkünfte voraussetzt.814 Dieser territoriale Bezug der Einkünfte drückt sich darin aus, dass § 49 Abs. 1 EStG zu diesem Zwecke den inländischen Betrieb, die inländische Ausübung oder die inländische Verwertung der Tätigkeit voraussetzt. Ein inländischer Betrieb und die inländische Ausübung einer Tätigkeit stellen dabei sicher, dass das leistungsfähigkeitssteigernde Verhalten einen Bezug zum Staatsgebiet aufweist. Soweit dies im Ausgangspunkt für die inländische Verwertung zweifelhaft sein könnte, ist zu berücksichtigen, dass die Verwertung nur im Fall der selbstständigen Einkünfte, § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG, der Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit, § 49 Abs. 1 Nr. 4 lit. a) EStG, der gewerblichen Einkünfte von Künstlern, Sportlern und ähnlichen Personen, §§ 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. f), 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG sowie der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, soweit die betroffene Sache oder das betroffene Recht im Inland verwertet wird, erfasst wird. Insoweit wird die Steuerpflicht zwar für Verhaltensweisen begründet, bei denen das Verhalten als solches, wie die Vermietung, Veräußerung oder künstlerische Darstellung, nicht selbst im Inland ausgeübt wird. Allerdings ist durch das Merkmal der inländischen Verwertung vorausgesetzt, dass das Verhalten Teil einer inländischen Wertschöpfung ist und diese Wertschöpfung durch die Einkünfte abgegolten wird. Demgemäß beruht in diesen Fällen die Leistungsfähigkeit auf der inländischen Wertschätzung dieser Tätigkeiten durch tungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, 1983, S. 140 ff.; vgl. auch Jachmann, Nachhaltige Entwicklung und Steuern, 2003, S. 70 ff. 814 Vgl. hierzu und dem Folgenden Wassermeyer, Die beschränkte Steuerpflicht, in: Vogel (Hrsg.), Grundfragen des internationalen Steuerrechts, DStJG Band 8, 1985, S. 49 ff., 57 ff. Ebenso Lehner/Waldhoff, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 1 EStG, Rn. A 7, A 220 f.; Lehner, Das Territorialitätsprinzip im Lichte des Europarechts, in: Wassermeyer u. a. (Hrsg.), Körperschaftsteuer, internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, 2005, S. 241 ff., 246 f.
C. Ausgewählte Beispiele extraterritorialer Steuerrechtssätze
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die wirtschaftliche Verwertung. Diese inländische Leistungsfähigkeit, die durch die Wertschätzung der Tätigkeit in Form der Verwertung gebildet wird, wird damit der Besteuerung unterworfen. Denkbar wäre daher zwar auch eine Besteuerung direkt bei der inländischen Person, die die Tätigkeit verwertet;815 willkürfrei ist aber die Besteuerung der ausübenden und die Einkünfte erzielenden Person hierdurch nicht, da gerade ihre persönliche Leistungsfähigkeit erhöht wird. b) Die unbeschränkte Steuerpflicht Als grundsätzlich willkürfreie Konkretisierung erweist sich auch die unbeschränkte Steuerpflicht, die grundsätzlich an die Ansässigkeit der Person im Inland geknüpft ist und in deren Rahmen das Welteinkommen dieser Person der Besteuerung unterworfen ist. Durch das Kriterium der Ansässigkeit ist im Grundsatz sichergestellt, dass das leistungsfähigkeitssteigernde Verhalten im Inland ausgeübt wird, da sich die Person hier üblicherweise aufhält. Mit Blick hierauf begegnet auch die Erfassung ausländischer Sachverhalte auf Grund des Merkmales des Erzielens keinen Bedenken, da dieses Merkmal den Bezug zum Staatsgebiet in Form eines inländischen Verhaltens sicherstellt.816 Fragwürdig ist allerdings, ob der deutsche Gesetzgeber insoweit eine willkürliche Typisierung vorgenommen hat, als nicht gefordert ist, dass Einkünfte während eines tatsächlichen Aufenthalts im Inland erzielt werden, sondern nur die Erzielung der Einkünfte während des Bestehens der unbeschränkten Steuerpflicht vorausgesetzt wird, die lediglich einen inländischen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt fordert, § 1 Abs. 1 EStG, §§ 8, 9 AO. Daher entspricht es zwar dem Leitbild, dass die die Einkünfte erzielende Tätigkeit aus dem Inland heraus gesteuert wird, tatbestandlich vorausgesetzt wird dies aber nur in abgeschwächter Form durch das Kriterium des Wohnsitzes und des gewöhnlichen Aufenthaltes. Zu berücksichtigen ist aber, dass nach dem Kriterium der Willkür nur eine entfernt nachvollziehbare Beziehung und nicht eine in jeder Hinsicht konsequente Fortentwicklung eines Merkmales vorausgesetzt wird. Es wäre daher zu weitgehend zu fordern, dass der Besteuerung nur jenes Verhalten unterliegen darf, das in jedem Fall aus dem Inland heraus gesteuert wurde. Ausreichend muss es vielmehr sein, dass sich grundsätzlich das Ziel im Steuertatbestand konkretisiert, das im Inland ausgeübte, die Leistungsfähigkeit steigernde Verhalten der Einkommensbesteuerung zu unterwerfen. Dies ist aber vorliegend gegeben, da davon auszugehen ist, dass das 815 Dieser Gedanke schlägt sich in der Pflicht zum Steuereinbehalt seitens des Verwertenden nieder, § 50a Abs. 1 EstG. 816 Ebenso Lehner, Das Territorialitätsprinzip im Lichte des Europarechts, in: Wassermeyer u. a. (Hrsg.), Körperschaftsteuer, internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, 2005, S. 241 ff., 246 f.; Zuber, Anknüpfungsmerkmale und Reichweite der internationalen Besteuerung, 1991, S. 86 ff., 99 ff. Kritisch aber Martha, The jurisdiction to tax in international law, 1989, S. 52 ff. Eine Besteuerung des Welteinkommens ablehnend Mössner, Das Welteinkommensprinip, in: Tipke (Hrsg.), Besteuerung von Einkommen, 2000, S. 253 ff.
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Teil 3: Völkerrechtliche Grenzen der extraterritorialen Rechtsetzung
Bestehen eines Wohnsitzes oder eines gewöhnlichen Aufenthalts in aller Regel damit einhergeht, dass sich die Person tatsächlich überwiegend im Staatsgebiet aufhält. Von einem mehrheitlichen Aufenthalt im Inland kann daher typischerweise ausgegangen werden.817 Für eine solche Typisierung besteht zudem ein ausreichender Grund: Mit Blick auf den verursachten Verwaltungsaufwand ist es nicht praktikabel, in jedem Einzelfall festzustellen, ob die Einkünfteerzielung aus dem Inland heraus gesteuert wird. 4. Zusammenfassung Es zeigt sich daher, dass die deutsche Einkommensbesteuerung völkerrechtlich nicht zu beanstanden ist. Die extraterritoriale Erstreckung des Regelungs- und Rechtsfolgenbereiches stellt eine willkürfreie Konkretisierung des Regelungsanliegens dar, den staatlichen Finanzbedarf zu decken. Unter Berücksichtigung der Regelungsinteressen wird hierbei als Regelungsmaßstab die inländische Leistungsfähigkeit im Sinne eines im Inland ausgeübten, die Leistungsfähigkeit einer natürlichen Person steigernden Verhaltens, gewählt. Soweit der Gesetzgeber inlandsbezogene Einkünfte im Ausland ansässiger Personen oder ausländische Einkünfte einer im Inland ansässigen Person der Besteuerung unterwirft, beachtet er hierbei die durch das Willkürverbot gezogenen Grenzen. Andere Staaten können daher die extraterritoriale Erstreckung der deutschen Einkommensteuer nicht als treuwidrige Ausübung der deutschen Besteuerungsgewalt zurückweisen. Dabei bedurfte es keines Rekurses auf eigenständige Überlegungen der internationalen Rechtfertigung der Steuerpflicht.818 Vielmehr tragen die Regelungszwecke der Einkommensteuer bereits die Rechtfertigung der internationalen Dimensionen nach dem hier vertretenen Ansatz in sich.819
817 Vgl. äquivalenztheoretisch insbesondere Vogel, Über „Besteuerungsrechte“ und das Leistungsfähigkeitsprinzip im Internationalen Steuerrecht, in: Klein u. a. (Hrsg.), Steuerrecht, Verfassungsrecht, Finanzpolitik, 1994, S. 361 ff., 373; BFH, Beschluss v. 14. 4. 1993, I R 29/92, BStBl. II, 1994, S. 27 ff., 29; Lampert, Die Wahl der zutreffenden Vergleichsgruppe bei der Anwendung des allgemeinen Gleichheitssatzes auf grenzüberschreitende Steuersachverhalte, NVwZ, S. 195 ff., 198 sowie die Nachweise in Fußnote 606. Siehe darüber hinaus auch Schön, Steuerstaat und Freizügigkeit, in: Becker (Hrsg.), Tagung, Steuer- und Sozialstaat im europäischen Systemwettbewerb, 2005, S. 41 ff., 51 ff. sowie insbesondere mit Blick auf die indirekte Besteuerung Englisch, Wettbewerbsgleichheit im grenzüberschreitenden Handel, 2012, S. 630 f. 818 Zu diesen siehe bereits Teil 3 A. I. 1. b) und die dortigen Nachweise. Aus diesen vgl. insbesondere die umfassende Darstellung bei Lehner/Waldhoff, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 1 EStG, Abschnitt Rn. A. 819 Hierauf wurde auch bereits in Teil 3 B. VI. hingewiesen.
C. Ausgewählte Beispiele extraterritorialer Steuerrechtssätze
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II. Die Luftverkehrsteuer Die Luftverkehrsteuer der Bundesrepublik Deutschland stellt eine Lenkungssteuer dar, durch die der Luftverkehr steuerlich belastet wird. Nach § 1 Abs. 1 LuftVStG unterliegt der Luftverkehrsteuer jeder Rechtsvorgang, der den Abflug eines Passagiers im Inland bewirkt. Steuerlich belastet werden demnach Passagierflüge mit Abflugort im Inland, während Flüge mit inländischem Zielort steuerfrei bleiben. Gemäß § 2 Nr. 4, 5 LuftVStG bleiben zudem bestimmte inländische Abflüge im Zusammenhang mit Zwischenlandungen und Transitflügen steuerfrei. Steuerschuldner ist das durchführende Luftverkehrsunternehmen, § 6 Abs. 1 LuftVStG, sowie ein steuerlicher Beauftragter nach § 8 LuftVStG. Ist das durchführende Luftverkehrsunternehmen nicht im Inland oder in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union ansässig, so haften der Eigentümer und der Halter des Flugzeugs für die Steuer, § 6 Abs. 2 LuftVStG. Die Steuerschuld wird je Passagier bemessen und ist in klassifizierter Form nach Ländergruppen von der Flugdistanz abhängig, § 11 LuftVStG. Hierin kommt der Lenkungscharakter der Luftverkehrsteuer zum Ausdruck, die auf eine Verminderung der Umweltbelastungen des Flugverkehrs ausgerichtet ist. Entgegen dem ersten Anschein, dass ein inländischer Abflug vorausgesetzt wird, weist die Luftverkehrsteuer einen extraterritorialen Regelungs- und Rechtsfolgenbereich auf. So knüpft die Steuer bei der Bestimmung des anzuwendenden Steuersatzes nach § 11 Abs. 1 LuftVStG an den Zielort des im Inland begonnenen Fluges an und unterwirft auch ausländische Luftverkehrsunternehmen der Steuer, § 6 Abs. 2 LuftVStG. Als Lenkungssteuer weist die Luftverkehrsteuer zudem einen extraterritorialen Rechtsfolgenbereich auf, da die Staffelung der Steuersätze nach der Flugdistanz in § 11 Abs. 1 LuftVStG darauf gerichtet ist, die geflogenen Flugdistanzen zu verkürzen. Hierdurch soll die Anzahl der aus der Bundesrepublik Deutschland heraus unternommenen Kurz-, Mittel- oder Langstreckenflüge reduziert werden, um mit dem Ziel des Umweltschutzes übereinstimmend die Summe der geflogenen Kilometer zu beschränken.820 Soweit daher Flugstrecken außerhalb des Gebietes der Bundesrepublik Deutschland betroffen sind, soll sich die Rechtsfolge in Form der intendierten Lenkungswirkung extraterritorial realisieren. In der Konzeption der Luftverkehrsteuer als Lenkungssteuer tritt das Regelungsanliegen zutage: Durch die Luftverkehrsteuer soll der Luftverkehr mit Personenflügen belastet werden. Diese Belastung ist durch die Staffelung der Steuersätze darauf ausgerichtet, Lenkungswirkungen zu Gunsten kürzerer Flugdistanzen zu bewirken. Überdies soll die Belastung an sich dazu führen, dass die in Summe geflogenen Distanzen zurückgehen. Allerdings sollen nicht die weltweiten Flugbewegungen im Personenluftverkehr der Besteuerung unterworfen werden. Die Luftverkehrsteuer soll vielmehr die in Deutschland bestehende „Mobilitätsbe820 BVerfG, Urteil v. 5. 11. 2014, 1 BvF 3/11, BVerfGE 137, S. 350 ff., 368; Deutscher Bundestag, Entwurf eines Haushaltsbegleitgesetzes 2011 (HBeglG 2011), 27. 9. 2010, S. 36.
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Teil 3: Völkerrechtliche Grenzen der extraterritorialen Rechtsetzung
steuerung“821 um den Luftverkehr ergänzen, weshalb lediglich solche Flüge erfasst sind, die ihren Ausgangspunkt in Deutschland nehmen. Die Luftverkehrsteuer ist daher auf eine gestaffelte Belastung des inlandsbezogenen Personenluftverkehrs gerichtet, um hierdurch die zurückgelegten Flugdistanzen zu begrenzen. Ein derart bestimmtes Regelungsanliegen stellt sich zweifelsohne als staatsgebietsbezogenes Regelungsanliegen dar: Der Staatsgebietsbezug folgt aus der Einbettung der Luftverkehrsteuer in die Mobilitätsbesteuerung, durch die nur diejenigen Flugdistanzen gestaffelt belastet und in der Folge reduziert werden sollen, die inlandsbezogen bestehen.822 Dieses Regelungsanliegen hat der deutsche Gesetzgeber auch willkürfrei bei der Ausgestaltung der Luftverkehrsteuer verfolgt. Die Begrenzung des Regelungsanliegen auf den inlandsbezogen bestehenden Personenluftverkehr geht nicht damit einher, dass lediglich inländische Flugdistanzen der Steuerbemessung zugrunde gelegt werden können, da der Personenluftverkehr typischerweise auf die Zurücklegung größerer Distanzen gerichtet ist und es daher der Einbettung der Luftverkehrsteuer in die inländische Mobilitätsbesteuerung entspricht, diesem Gesichtspunkt dadurch Rechnung zu tragen, dass auch ausländische Flugdistanzen einbezogen werden. Ebenso wenig ist durch das Willkürverbot gefordert, im Ausland begonnene und im Inland endende Flüge der Luftverkehrsteuer zu unterwerfen. Da das Willkürverbot keine Folgerichtigkeit der Umsetzung fordert,823 bedarf es keines besonderen Grundes für diese Entscheidung.824 Vor diesem Hintergrund stellt sich die Luftverkehrsteuer als völkerrechtskonforme Belastung des inlandsbezogenen Personenluftverkehrs dar. Andere Staaten können die extraterritoriale Erstreckung der Steuer durch den Einbezug ausländischer Flugdistanzen und die Begründung der Steuerpflicht auch für ausländische Luftverkehrsunternehmen nicht unter Berufung auf das Gebot von Treu und Glauben mit Verweis darauf zurückweisen, dass der Einbezug dieser willkürlich erfolgt wäre.
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Deutscher Bundestag, Entwurf eines Haushaltsbegleitgesetzes 2011 (HBeglG 2011), 27. 9. 2010, S. 36. 822 Demgemäß ist der Staatsgebietsbezug gerade nicht darin zu sehen, dass im Luftraum der Bundesrepublik Deutschland unternommene Flüge belastet werden sollen, um die Emissionen im Bundesgebiet zu reduzieren. 823 Siehe bereits Teil 3 B. IV. 1. 824 Ein Grund für diese Begrenzung kann aber gar vorliegend ausgemacht werden: So ist die Luftverkehrsteuer gerade nicht auf die Belastung und Reduktion der im Inland oder mit Bezug zum Inland durch den Luftverkehr hervorgerrufenen Emissionen gerichtet. Vielmehr ergänzt sie die inländische Mobilitätsbesteuerung, die aber typischerweise nicht darauf gerichtet ist, im Inland endende Verkehrsvorgänge zu erfassen.
C. Ausgewählte Beispiele extraterritorialer Steuerrechtssätze
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III. Richtlinienentwurf für eine Finanztransaktionssteuer Am 14. Februar 2013 hat die Europäische Kommission einen Richtlinienentwurf für eine im Wege der verstärkten Zusammenarbeit zwischen elf Mitgliedstaaten825 einzuführende Finanztransaktionssteuer veröffentlicht.826 Diese wird nach derzeitigem Stand unter zehn Mitgliedstaaten,827 basierend auf einem neuen Richtlinienentwurf, fortgeführt werden, wobei nach den bisher vorliegenden Kernkonzepten in Bezug auf die im Rahmen dieser Arbeit betrachteten Elemente der Steuer keine Änderungen zu erwarten sind.828 Durch diese Finanztransaktionssteuer sollen Finanztransaktionen in umfassender Art und Weise belastet werden, um den Finanzsektor an den Kosten der vergangenen Finanz- und Wirtschaftskrise zu beteiligen. Als Lenkungssteuer ist die Finanztransaktionssteuer zudem darauf ausgerichtet, durch die Verteuerung von Transaktionen schädliche Verhaltensweisen an den Finanzmärkten zu verteuern und hierdurch zu unterbinden, um die Finanzmarktstabilität zu steigern.829 Die Lenkungswirkung entfaltet sich aber nur mittelbar in Bezug auf die Transaktionen, entscheidend ist vielmehr, dass eine Verhaltensänderung auf Seiten der handelnden Akteure eintreten soll, um diese zu einer Änderung des Verhaltens an den Finanzmärkten zu bewegen. Die Finanzinstitute sollen zu einem Verhalten angeleitet werden, dass die Finanzmarktstabilität erhöht. Der Finanztransaktionssteuer werden nach Art. 3(1) FTT-Richtlinienentwurf830 der Finanztransaktionsteuer alle Finanztransaktionen unterworfen, an denen ein in einem teilnehmenden Mitgliedstaat ansässiges Finanzinstitut als Transaktionspartei beteiligt ist. Als Finanztransaktion gilt nach Art. 2(2) FTT-Richtlinienentwurf der Kauf und Verkauf eines Finanzinstrumentes, die Übertragung von Teilrechten, die einer Eigentumsübertragung gleichkommt, der Abschluss eines Derivates, der 825 Belgien, Deutschland, Estland, Frankreich, Griechenland, Italien, Österreich, Portugal, Slowakei, Slowenien, Spanien, siehe auch Rat der Europäischen Union, Beschluss des Rates vom 22. Januar 2013 über die Ermächtigung zu einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Finanztransaktionssteuer. 826 Europäische Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Umsetzung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Finanztransaktionsteuer, 14. 2. 2013. 827 Belgien, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Italien, Österreich, Portugal, Slowakei, Slowenien, Spanien. 828 Council of the European Union, Outcome of the Council Meeting Economic and Financial Affairs, 3435th Council meeting, 8. 12. 2015, S. 4. 829 Europäische Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Umsetzung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Finanztransaktionsteuer, 14. 2. 2013, S. 2; Heber/Sternberg, Market Infrastructure Regulation and the Financial Transaction Tax, WTJ, 2016, S. 3 ff.; Heber/Sternberg, EMIR-Clearing-Pflicht und die Finanztransaktionssteuer, RdF, 2014, S. 211 ff.; Vella/Fuest/Schmidt-Eisenlohr, The EU Commission’s Proposal for a Financial Transaction Tax, BTR, 2011, S. 607 ff., 611. 830 Europäische Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Umsetzung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Finanztransaktionsteuer, 14. 2. 2013.
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Teil 3: Völkerrechtliche Grenzen der extraterritorialen Rechtsetzung
Tausch von Finanzinstrumenten sowie Pensions- und Wertpapierleihgeschäfte. Soweit an einer derartigen Transaktion ein inländisches Finanzinstitut als Transaktionspartei beteiligt ist, unterliegt die Transaktion unabhängig vom Transaktionsort der Finanztransaktionssteuer, Art. 3(1) FTT-Richtlinienentwurf. Steuerschuldner ist jeweils das beteiligte Finanzinstitut, Art. 10 FTT-Richtlinienentwurf. Die Frage der inländischen Ansässigkeit eines Finanzinstitutes ist umfassend in Art. 4(1) FTT-Richtlinienentwurf geregelt.831 Nach Art. 4(1)(a) FTT-Richtlinienentwurf sind Finanzinstitute in jenem Staat ansässig und der Finanztransaktionssteuer unterworfen, in dem es als Finanzinstitut zugelassen wurde, soweit das getätigte Geschäft von der Zulassung umfasst ist. Art. 4(1)(b) FTT-Richtlinienentwurf sieht die Ansässigkeit weitergehend dort vor, wo ausländische Geschäfte, die im Rahmen einer von einem anderen Mitgliedstaat erteilten Zulassung als Finanzinstitut getätigt werden, durchgeführt werden. Art. 4(1)(c), (d) FTT-Richtlinienentwurf sehen sodann vor, dass ein Finanzinstitut dort ansässig ist, wo es seinen eingetragenen Sitz oder seine feste Anschrift, bei Fehlen einer solchen, seinen gewöhnlichen Sitz aufweist. Nach Art. 4(1)(e) FTT-Richtlinienentwurf sind Finanzinstitute auch in jenem teilnehmenden Mitgliedstaat ansässig, in dem es eine Zweigstelle besitzt, soweit das Geschäft von dieser auch durchgeführt wird. Ebenso wird von einer Ansässigkeit nach dem Gegenparteiprinzip nach Art. 4(1)(f) FTT-Richtlinienentwurf dann ausgegangen, wenn die Gegenpartei der Finanztransaktion im Inland ansässig ist. Ausreichend soll es nach dem Ausgabeprinzip nach Art. 4(1)(g) FTTRichtlinienentwurf schließlich auch sein, wenn bestimmte Finanzinstrumente im Inland ausgegeben wurden. Finanztransaktionen in diesen Wertpapieren führen dazu, dass die Transaktionsparteien als im Inland ansässig anzusehen sind.832 Für Parteien, die nicht Finanzinstitute sind, richtet sich die Ansässigkeit nach Art. 4(2) FTT-Richtlinienentwurf. Voraussetzung der Ansässigkeit ist nach Art. 4(2)(a) FTT-Richtlinienentwurf, dass eine Partei ihren eingetragenen Sitz oder im Fall einer natürlichen Person ihren Wohnsitz bzw. bei Fehlen eines solchen ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem teilnehmenden Mitgliedstaat hat. Nach Art. 4(2)(b), (c) FTT-Richtlinienentwurf ist eine Partei auch dann in einem teilnehmenden Mitgliedstaat ansässig, wenn sie eine Zweigstelle in einem teilnehmen Mitgliedstaat unterhält und die Finanztransaktion von dieser ausgeführt wird, Art. 4(2)(b) FTT-Richtlinienentwurf, oder soweit das Ausgabeprinzip nach Art. 4(2)(c) FTT-Richtlinienentwurf einschlägig ist. 831
Vgl. hierzu auch jeweils mit Beispielen Heber/Sternberg, Over-the-Counter Derivative Markets in the Light of EMIR Clearing Obligations and the Financial Transaction Tax, DFI, 2014, S. 107 ff., 112; Heber/Sternberg, EMIR-Clearing-Pflicht und die Finanztransaktionssteuer, RdF, 2014, S. 211 ff., 217; Englisch/Vella/Yevgenyeva, The Financial Transaction Tax Proposal Under the Enhanced Cooperation Procedure: Legal and Practical Considerations, BTR, 2013, S. 223 ff., 227 f., 236 ff.; de La Mettrie/Sognaba/Murre, The European Financial Transaction Tax: The New Reality, DFI, 2013, S. 71 ff., 74. 832 Englisch/Vella/Yevgenyeva, The Financial Transaction Tax Proposal Under the Enhanced Cooperation Procedure: Legal and Practical Considerations, BTR, 2013, S. 223 ff., 228.
C. Ausgewählte Beispiele extraterritorialer Steuerrechtssätze
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Sowohl die Ansässigkeitskriterien für Finanzinstitute nach Art. 4(1) FTTRichtlinienentwurf als auch für andere Parteien nach Art. 4(2) FTT-Richtlinienentwurf stehen aber unter dem Vorbehalt des Art. 4(3) FTT-Richtlinienentwurf, nach dem der jeweiligen Person der Nachweis offensteht, dass zwischen „der wirtschaftlichen Substanz der Transaktion und dem Hoheitsgebiet eines teilnehmenden Mitgliedstaates kein Zusammenhang besteht.“ Für das Verhältnis der Ansässigkeitskriterien untereinander bestimmt Art. 4(4) FTT-Richtlinienentwurf schließlich, dass die Ansässigkeit nach dem ersten einschlägigen Ansässigkeitskriterium zu bestimmen ist. Hierdurch wird der Finanztransaktionssteuer anerkanntermaßen sowohl ein extraterritorialer Regelungs- als auch Rechtsfolgenbereich beigelegt:833 Auf Grund der weiten Fassung der Ansässigkeitskriterien weist die Finanztransaktionssteuer einen extraterritorialen Regelungsbereich auf und findet in vielen Fällen auf Sachverhalte Anwendung, die einen tatbestandlich relevanten Auslandsbezug beinhalten. Durch die vielfältigen Ansässigkeitskriterien sind daher vorbehaltlich der Escape-Klausel des Art. 4(3) FTT-Richtlinienentwurf im Ergebnis Finanztransaktionen umfasst, die in einem teilnehmenden Mitgliedstaat ansässige Parteien im Ausland mit im Ausland ansässigen oder sich aufhaltenden Parteien durchführen. Ebenso umfasst sind Finanztransaktionen, die im Ausland ansässige Parteien im Ausland durchführen, wenn das gehandelte Produkt in einem teilnehmenden Mitgliedstaat ausgegeben wurde. Auch die Lenkungswirkung der Finanztransaktionssteuer ist hierbei nicht auf das Gebiet der teilnehmenden Mitgliedstaaten beschränkt, da die Verhaltensänderung sowohl in Bezug auf ausländische Transaktionen als auch bei Finanzinstituten eintreten soll, die sich nicht im Inland ,aufhalten‘, wenn sie Transaktion durchführen.834 So erfasst sie Transaktionen ausländischer Finanzinstitute mit inländischen Instituten ebenso wie ausländische Institute, die im Rahmen einer inländischen Zulassung, aber ohne Vorliegen einer inländischen Transaktionstätigkeit, eine Transaktion im In- oder Ausland ausführen.
833 Siehe hierzu Panayi, The EU’s Financial Transaction Tax, Enhanced Cooperation and the UK’s challenge, European Taxation, 2013, S. 358 ff., 366; Englisch/Vella/Yevgenyeva, The Financial Transaction Tax Proposal Under the Enhanced Cooperation Procedure: Legal and Practical Considerations, BTR, 2013, S. 223 ff., 236. Zu eng insoweit Tietje/Bering/Zuber, Völker- und europarechtliche Zulässigkeit extraterritorialer Anknüpfung einer Finanztransaktionssteuer, Beiträge zum Transationalen Wirtschaftsrecht, Nr. 129, 2014, S. 18 ff.; Formosa, Financial Transaction Tax: An Eleven-Point Analysis of Transaction Taxes across Member States, WTJ, 2016, S. 121 ff., 131, die nur dem Ausgabe- und Gegenparteiprinzip einen extraterritorialen Regelungsbereich zusprechen möchten. Ebenso aber das Vorbringen des Vereinigten Königreiches im Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof zur Vereinbarkeit der Ermächtigung zur verstärkten Zusammenarbeit, siehe EuGH, Urteil v. 30. 4. 2014, C-209/13, Vereinigtes Königreich/Rat, ECLI:EU:C:2014:283. 834 Siehe auch Englisch/Vella/Yevgenyeva, The Financial Transaction Tax Proposal Under the Enhanced Cooperation Procedure: Legal and Practical Considerations, BTR, 2013, S. 223 ff., 233.
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Teil 3: Völkerrechtliche Grenzen der extraterritorialen Rechtsetzung
1. Das Regelungsanliegen der Finanztransaktionssteuer In der Lenkungswirkung der Finanztransaktionssteuer wird das Regelungsanliegen erkennbar. Die Finanztransaktionssteuer ist darauf ausgerichtet, schädliche Verhaltensweisen an den Finanzmärkten zu unterbinden. Sie soll auf diese Weise die Finanzmarktstabilität steigern und ergänzt hierdurch die europäische Finanzmarktregulierung. Aus den Ansässigkeitskriterien kann gefolgert werden, dass die Finanztransaktionssteuer nicht auf eine Regelung aller weltweit unternommenen Finanztransaktionen gerichtet ist, sondern dieses Regelungsanliegen nur in Bezug auf den Finanzmarkt in den teilnehmenden Mitgliedstaaten besteht. In Bezug auf diesen Finanzmarkt verfolgt die Finanztransaktionssteuer zudem gleichrangig ein Fiskalinteresse. So soll durch die Finanztransaktionssteuer auch der europäische Finanzmarkt an den Kosten der vergangenen Finanz- und Wirtschaftskrise beteiligt werden.835 Dem Begriff des europäischen Finanzmarkts in den teilnehmenden Mitgliedstaaten liegt dabei nach der Konzeption der Finanztransaktionssteuer unter Berücksichtigung der Erwägungsgrunde zuvorderst ein transaktionsbezogenes Verständnis zugrunde. Soweit der Richtlinienentwurf bspw. wie im Rahmen der Ansässigkeitskriterien akteursbezogen formuliert ist, ist hierdurch zunächst eine mittelbare transaktionsbezogene Betrachtung bezweckt, wie für die Ansässigkeitskriterien auch die Escape-Klausel des Art. 4(3) FTT-Richtlinienentwurf zeigt. Die transaktionsbezogene Betrachtung findet insbesondere in den Erwägungsgründen Ausdruck. Erwägungsgründe 13 bis 15 stellen die Finanztransaktion in den Mittelpunkt der Betrachtung und bestimmen wesentliche Grundlagen der Struktur der Finanztransaktionssteuer. Zudem sind gemäß Erwägungsgrund 6 und 7 bestimmte Parteien nur auf Grund ihrer Funktionen und damit den von ihnen abgeschlossenen Finanztransaktionen von der Finanztransaktionssteuer ausgenommen. Bspw. sind zentrale Gegenparteien nur dann steuerbefreit nach Art. 3(2)(a) FTT-Richtlinienentwurf, soweit sie in Ausübung der Funktion einer zentralen Gegenpartei handeln. Die akteursbezogene Betrachtung führt allerdings zu einer bedeutsamen Prägung der territorialen Reichweite des Begriffes des europäischen Finanzmarkts. Von Bedeutung ist, dass die Finanztransaktionssteuer die Finanzmarktregulierung ergänzen soll836 und mit Blick hierauf im Rahmen der Ansässigkeitskriterien der Art. 4(1)(a), (b) FTT-Richtlinienentwurf in Form der Genehmigungspflicht nach 835
Tietje/Bering/Zuber, Völker- und europarechtliche Zulässigkeit extraterritorialer Anknüpfung einer Finanztransaktionssteuer, Beiträge zum Transationalen Wirtschaftsrecht, Nr. 129, 2014, S. 19 f.; Europäische Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Umsetzung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Finanztransaktionsteuer, 14. 2. 2013.; Vella/Fuest/Schmidt-Eisenlohr, The EU Commission’s Proposal for a Financial Transaction Tax, BTR, 2011, S. 607 ff., 611 ff. 836 Siehe Europäische Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Umsetzung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Finanztransaktionsteuer, 14. 2. 2013, S. Erwägungsgrund 1 sowie S. 2, 5.
C. Ausgewählte Beispiele extraterritorialer Steuerrechtssätze
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Art. 5 ff. der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFiD I)837 an Erfordernisse der Finanzmarktregulierung anknüpft. Demgemäß können solche Finanztransaktionen der Finanztransaktionssteuer nicht unterworfen sein, die nicht auf der Erbringung von Finanzdienstleistungen im Gebiet eines teilnehmenden Mitgliedstaates beruhen, sondern sich darauf zurückführen lassen, dass die Gegenseite die Finanztransaktion gerade an einem anderen Markt eingeht.838 Maßgebendes Kriterium ist, ob die Partei ihre Tätigkeit auf die Erbringung von Finanzdienstleistungen im Gebiet eines teilnehmenden Mitgliedstaates ausrichtet.839 Ebenso sind vor diesem Hintergrund Finanztransaktionen auszunehmen, die sich lediglich auf den europäischen Finanzmarkt auswirken.840 Daher soll die Finanztransaktionssteuer Finanztransaktionen erfassen, die am europäischen Finanzmarkt und zumindest teilweise in einem der teilnehmenden Mitgliedstaaten abgeschlossen wurden. In Bezug auf diese Transaktionen sollen die Finanzinstitute an den Kosten der Finanz- und Wirtschaftskrise beteiligt werden und der Verhaltenswirkung der Finanztransaktionssteuer unterliegen. Nicht erfasst werden sollen hingegen solche Finanztransaktionen, die nicht zumindest teilweise in 837
Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates. 838 Dieser andere Markt ist dadurch gekennzeichnet, dass im Rahmen dieses Marktes nicht typischerweise Finanzdienstleistungen in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union erbracht werden. 839 Siehe zu diesen Merkmalen im Kontext der Erlaubnispflichtigkeit der geschäftsmäßigen Erbringung von Finanzdienstleistungen im Inland nur BVerwG, Urteil v. 22. 4. 2009, 8 C 2/09, BVerwGE 133, S. 358 ff.; Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), Merkblatt zur Erlaubnispflicht von grenzüberschreitend betriebenen Geschäften, 1. 4. 2005. 840 In Bezug auf das Gegenparteiprinzip nach Art. 4(1)(f) FTT-Richtlinienentwurf zeigt sich dies insbesondere im technischen Vermerk der Europäischen Kommission zur Rechtfertigung des Gegenparteiprinzips: „Hence, in all the situations addressed by Article 4(1)(f) the financial institution concerned (located outside the „FTT jurisdiction”) takes part in a financial transaction with a counterparty established in a participating Member State, thereby contributing to the achievement of a legally relevant result within that jurisdiction. That transaction constitutes a sufficient nexus with the jurisdiction“ [Hervorhebung durch den Autor], Europäische Kommission, Legality of the „counter-party principle“ laid down in Article 4(1)(f) of the Commission Proposal for a Council Directive implementing enhanced cooperation in the area of FTT – COM(2013) 71 final of 14 February 2013, S. 1. Hieraus ergibt sich, dass nach der Perspektive der Europäischen Kommission das Gegenparteiprinzip sich darauf stützt, dass die Finanztransaktion eine Beziehung zum Gebiet der teilnehmenden Mitgliedstaaten aufweist, weil ihr Abschluss zu einem dort rechtlich bedeutsamen Ergebnis führt. Dass hierdurch bloße tatsächliche Auswirkungen ausgenommen sind, zeigt Beispiel 31 der rechtlich nicht bindenden Ausführungen der Generaldirektion Steuern und Zölle der Europäischen Kommission in den technischeren Antworten zur Anwendung der Finanztransaktionssteuer, in dem es heißt, dass Voraussetzung der Anwendung der Finanztransaktionssteuer ist, dass die Finanztransaktionssteuer zumindest teilweise in einem der teilnehmenden Mitgliedstaaten abgeschlossen wurde, siehe DG Taxation and Customs Union, How the FTT works in specific cases and other questions and answers, S. 16.
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Teil 3: Völkerrechtliche Grenzen der extraterritorialen Rechtsetzung
einem der teilnehmenden Mitgliedstaaten abgeschlossen wurden oder die darauf beruhen, dass die Partei, die die Finanztransaktion herbeiführt, sich auf einen anderen Markt begeben hat. 2. Der Staatenbezug des Regelungsanliegen Dieses so herausgearbeitete Regelungsanliegen der Finanztransaktionsteuer müsste einen hinreichenden Staatenbezug aufweisen, um nach dem völkerrechtlichen Gebot von Treu und Glauben verfolgt werden zu können. Das Regelungsanliegen ist darauf gerichtet, den europäischen Finanzmarkt in den teilnehmenden Mitgliedstaaten zu belasten und zu regulieren. Dieser europäische Finanzmarkt wird dahingehend verstanden, dass die Finanztransaktion in einem der teilnehmenden Mitgliedstaaten zumindest teilweise durchgeführt wird und darauf beruht, dass die der Finanztransaktion zugrunde liegende Tätigkeit auf den Abschluss von Finanztransaktionen in diesem Gebiet ausgerichtet ist. Dem Regelungsanliegen ist daher ein doppelter Gebietsbezug dahingehend zu entnehmen, dass sowohl der Abschluss der erfassten Finanztransaktionen als auch der Markt, an dem die Finanztransaktion abgeschlossen wurde, einen tatsächlichen Bezug zum Staatsgebiet eines teilnehmenden Mitgliedstaats aufweisen. Das Regelungsanliegen stellt sich daher als völkerrechtskonformes, staatsgebietsbezogenes Regelungsanliegen dar. Das Regelungsanliegen in Form des Belastungs- und Regulierungszieles wird in Bezug auf solche Finanztransaktionen verfolgt, die die Stabilität des Finanzmarktes, der sich im Gebiet der teilnehmenden Mitgliedstaaten entfaltet, unmittelbar berühren. Hiernach ist das Regelungsanliegen in Form der Belastung und Regulierung dieses Finanzmarktes darauf ausgerichtet, ein gebietsbezogen identifiziertes Problem in einem Lebensvorgang einer Regulierung zu unterwerfen, namentlich die Steigerung der Stabilität der benannten Finanzmärkte sowie die Beteiligung dieser Märkte an den Kosten einer Finanz- und Wirtschaftskrise, die von diesen Märkten ausging. 3. Die willkürfreie Verfolgung Fraglich ist, ob dieses staatenbezogene Regelungsanliegen auch willkürfrei in den Regelungen der Finanztransaktionssteuer umgesetzt wurde. Soweit sich der Rechtsfolgenbereich der Steuer extraterritorial erstreckt, beruht diese Erstreckung auf der extraterritorialen Erstreckung des Regelungsbereiches. Erst aus der Erstreckung des Regelungsbereiches in Zusammenschau mit dem normativen Aussagegehalt der Rechtsnorm, also der Rechtsfolge, ergibt sich der extraterritoriale Rechtsfolgenbereich, sodass es keiner getrennten Prüfung der willkürfreien Erstreckung des Rechtsfolgenbereiches bedarf und die Willkürfreiheit oder Willkürlichkeit der Erstreckung aus der Beurteilung des Regelungsbereiches folgt.
C. Ausgewählte Beispiele extraterritorialer Steuerrechtssätze
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Entgegen dem ersten Anschein wirft Art. 4(1)(a) FTT-Richtlinienentwurf dabei keine völkerrechtlichen Fragen auf. Zwar erfasst dieses Ansässigkeitskriterium seinem Wortlaut nach auch Finanztransaktionen, die nicht im Staat der Ansässigkeit getätigt werden, aber von der dort erteilten Genehmigung umfasst sind. Insoweit ist Art. 6(1), (3) MiFiD I von Bedeutung: Hiernach gilt eine Zulassung für bestimmte spezifizierte Finanzdienstleistungen für das gesamte Gebiet der Europäischen Union. Auf Grund dessen ist ein Finanzinstitut befugt, in einem anderen Staat von der Genehmigung umfasste Finanzdienstleistungen im direkten Wege, d. h. im Dienstleistungswege ohne Errichtung einer Zweigniederlassung, oder durch die Errichtung einer Zweigniederlassung zu erbringen, Art. 31, 32 MiFiD I. Dieser Fall wird ebenso aber von Art. 4(1)(b) FTT-Richtlinienentwurf erfasst, der durch die Beschränkung des Anwendungsbereiches der Finanztransaktionssteuer auf einzelne Mitgliedstaaten der Europäischen Union erforderlich wurde, um nicht teilnehmende Mitgliedstaaten Drittstaaten gleichzustellen.841 Nach dem ersten Richtlinienentwurf, dessen Konzeption in Bezug auf Drittstaaten insoweit unangetastet blieb, wurden weder im Dienstleistungswege noch durch Errichtung einer Zweigniederlassung erbrachte Finanztransaktionen von Art. 4(1)(a) FTT-Richtlinienentwurf erfasst, denn sie werden nicht im Rahmen einer in einem Drittstaat erteilten, für die Europäische Union maßgebenden Genehmigung erbracht. Diese Gleichstellung lässt sich nur im Wege einer, notwendigen, teleologischen Reduktion des Art. 4(1)(a) FTT-Richtlinienentwurf erzielen, denn Art. 4(1)(b) FTT-Richtlinienentwurf kann angesichts der klaren Regelung des Vorranges der litera (a) durch Art. 4(4) FTT-Richtlinienentwurf nicht als speziellere Regelung angesehen werden.842 Folge einer solchen teleologischen Reduktion ist, dass Art. 4(1)(a) FTT-Richtlinienentwurf einen territorialen Regelungsbereich aufweist und nur Finanztransaktionen erfasst, die in dem Staat durchgeführt werden, von dem ihm die erforderliche Genehmigung erteilt wurde. a) Art. 4(1)(b) FTT-Richtlinienentwurf Zu einer extraterritorialen Erstreckung des Regelungsbereiches führt allerdings Art. 4(1)(b) FTT-Richtlinienentwurf. Hiernach wird ein Finanzinstitut als in einem teilnehmenden Mitgliedstaat ansässig angesehen, wenn es auf Grund einer von einem nicht teilnehmenden Mitgliedstaat erteilten Genehmigung im Dienstleistungswege oder durch Errichtung einer Zweigstelle im teilnehmenden Mitgliedstaat Finanzdienstleistungen erbringt. Ebenso ist ein Finanzinstitut nach dieser Regelung als ansässig anzusehen, wenn ein Finanzinstitut nicht in einem Mitgliedstaat der Eu841 Europäische Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Umsetzung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Finanztransaktionsteuer, 14. 2. 2013, S. 10. 842 Zur Möglichkeit der teleologischen Reduktion einer Richtlinienvorschrift siehe bspw. Neuner, Die Rechtsfortbildung, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, 2015, S. 245 ff.; Riesenhuber, Die Auslegung, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, 2015, S. 199 ff., 208 ff. Siehe zu der hier erörterten Fragestellung auch Cloppenburg, Eine Finanztransaktionssteuer im „kleinen Kreis“, S. 544 ff.
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Teil 3: Völkerrechtliche Grenzen der extraterritorialen Rechtsetzung
ropäischen Union ansässig ist, aber auf Grund einer von einem Mitgliedstaat erteilten Genehmigung in einem teilnehmenden Mitgliedstaat im Dienstleistungswege oder durch Errichtung einer Zweigstelle Finanzdienstleistungen durchführt. In diesen Fällen handelt das Finanzinstitut im Rahmen einer Zulassung, im Gebiet des jeweiligen teilnehmenden Mitgliedstaates Finanzdienstleistungen zu erbringen, wodurch Finanztransaktionen erfasst sind, die zumindest teilweise im Gebiet eines teilnehmenden Mitgliedstaates durchgeführt werden. Daher stellt Art. 4(1)(b) des Regelungsentwurfes eine willkürfreie Konkretisierung des staatsgebietsbezogenen Regelungsanliegen dar. b) Art. 4(1)(c)–(e) FTT-Richtlinienentwurf Art. 4(1)(c), (d) und (e) FTT-Richtlinienentwurf erfassen demgegenüber Transaktionen eines Finanzinstituts, das seinen eingetragenen Sitz, seine feste Anschrift oder seinen gewöhnlichen Sitz in einem teilnehmenden Mitgliedstaat besitzt sowie Transaktionen, die eine Zweigniederlassung durchführt, die in einem teilnehmenden Mitgliedstaat ansässig ist. Im Lichte der Prioritätsregel des Art. 4(4) FTT-Richtlinienentwurf wird der Regelungsbereich der Finanztransaktionssteuer hierdurch aber einerseits nur in sachlicher Hinsicht auf erlaubnisfreie Finanzdienstleistungen sowie andererseits in territorialer Hinsicht auf nicht von der Genehmigung umfasste Transaktionen des Finanzinstituts oder der Zweigstelle mit Personen erweitert, die sich bei Abschluss der Finanztransaktion nicht in einem teilnehmenden Mitgliedstaat aufhalten, unabhängig von ihrem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt.843 Soweit diese Ansässigkeitskriterien eine territoriale Erweiterung des Regelungsbereiches gegenüber Art. 4(1)(a), (b) FTT-Richtlinienentwurf bewirken, ist festzustellen, dass der Gebietsbezug in diesen Fällen darin liegt, dass das Finanzinstitut oder eine durchführende Zweigstelle im Inland ansässig ist. Insoweit wird der Abschluss der Finanztransaktion üblicherweise auch zumindest teilweise im Inland bewirkt, selbst wenn die Gegenpartei keine Person ist, die sich im Inland aufhält. Demgemäß werden die Finanztransaktionen zumindest teilweise im Gebiet eines teilnehmenden Mitgliedstaats durchgeführt. Derartige Finanztransaktionen sind 843 Dies gilt gerade für den Fall, dass ausnahmsweise eine natürliche Person mit einer festen Anschrift in einem teilnehmenden Mitgliedstaat als Finanzinstitut anzusehen ist (siehe hierzu Art. 2 (1) (8) a) FTT-Richtlinienentwurf in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 UAbs. 1 MiFiD I). In diesem Fall erfasst Art. 4(1)(d) FTT-Richtlinienentwurf nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union abgeschlossene Finanztransaktionen der natürlichen Person unabhängig davon, ob sich die natürliche Person bei Durchführung der Finanztransaktion tatsächlich im Gebiet eines teilnehmenden Mitgliedstaates aufhält. Art. 4(1)(a), b) FTT-Richtlinienentwurf sind insoweit nicht einschlägig, da jeweils vorausgesetzt wird, dass das Finanzinstitut im Rahmen der erteilten Zulassung handelt. Die Zulassung ermächtigt zur gewerbsmäßigen Erbringung von Finanzdienstleistung in größerem Umfange im Inland. Hält sich eine natürliche Person als Finanzinstitut allerdings im Ausland auf, so ist eine dort abgeschlossene Finanztransaktion nicht auf die Befugnis zurückzuführen, im Inland und damit in einem anderen Staat Finanzdienstleistungen zu erbringen.
C. Ausgewählte Beispiele extraterritorialer Steuerrechtssätze
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auch aus Sicht des Regulierungsinteresses von Bedeutung, da an ihr Finanzinstitute und Zweigstellen von Finanzinstituten beteiligt sind, die im Gebiet eines teilnehmenden Mitgliedstaates ansässig sind und damit typischerweise dort weitere Finanztransaktionen durchführen. Derartige Finanzinstitute oder Zweigniederlassungen sind auch typischerweise solche des europäischen Finanzmarkts, da sie auf Grund ihrer Ansässigkeit regelmäßig auf die Erbringung von Finanzdienstleistungen im Gebiet der Ansässigkeit ausgerichtet sind.844 c) Art. 4(1)(f) FTT-Richtlinienentwurf Das Gegenparteiprinzip nach Art. 4(1)(f) FTT-Richtlinienentwurf führt zu einer deutlichen territorialen Erweiterung des Regelungsbereiches der Finanztransaktionssteuer. Durch Art. 4(1)(f) FTT-Richtlinienentwurf werden nicht in einem teilnehmenden Mitgliedstaat ansässige Finanzinstitute der Finanztransaktionssteuer unterworfen, die im Rahmen einer Finanztransaktion die Gegenpartei zu einer Person bilden, die in einem teilnehmenden Mitgliedstaat ansässig ist. Diese Person kann einerseits ein Finanzinstitut sein, sodass in aller Regel die Finanztransaktion zumindest teilweise in einem der teilnehmenden Mitgliedstaaten abgeschlossen wird. Andererseits kann es sich um eine natürliche Person handeln, die lediglich in einem der teilnehmenden Mitgliedstaaten ansässig sind, sich aber bei Abschluss der Finanztransaktion nicht im Gebiet eines teilnehmenden Mitgliedstaates aufhalten. Ebenso ist das Gegenparteiprinzip einschlägig, wenn die Gegenpartei eine nicht in einem teilnehmenden Mitgliedstaat belegene Zweigstellen einer in einem teilnehmenden Mitgliedstaat ansässigen juristischen Person ist. Lediglich in diesen zuletzt genannten Fällen wirkt das Gegenparteiprinzip nach Art. 4(1)(f) FTT-Richtlinienentwurf steuerbegründend. Im erstgenannten Fall erschöpft sich die Wirkung des Gegenparteiprinzips darin, auch für die Gegenpartei die Steuerpflicht zu begründen, sodass in diesem Fall nicht nur das im teilnehmenden Mitgliedstaat ansässige Finanzinstitut, sondern beide Finanzinstitute jeweils für sich der Finanztransaktionssteuer unterliegen; sie ist daher zweimal zu entrichten.845 844 Siehe auch Englisch/Vella/Yevgenyeva, The Financial Transaction Tax Proposal Under the Enhanced Cooperation Procedure: Legal and Practical Considerations, BTR, 2013, S. 223 ff., 236 für den Fall einer ausländischen Betriebsstätte eines im Inland ansässigen Finanzinstituts. Insoweit wird allerdings zumindest typischerweise noch ein Gebietsbezug der Transaktion vorliegen, da davon ausgegangen werden kann, dass andernfalls keine Betriebsstätte, sondern eine Niederlassung errichtet werden würde. Vor diesem Hintergrund scheint auch eine differenzierte Behandlung unter Geltung des Willkürverbotes nicht gefordert. Auch Englisch/Vella/Yevgenyeva, The Financial Transaction Tax Proposal Under the Enhanced Cooperation Procedure: Legal and Practical Considerations, BTR, 2013, S. 223 ff., 240 gehen daher von einer Völkerrechtskonformität aus. 845 Siehe hierzu Europäische Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Umsetzung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Finanztransaktionsteuer, 14. 2. 2013, S. S. 11; Heber/Sternberg, Market Infrastructure Regulation and the Financial Transaction Tax, WTJ, 2016, S. 3 ff., 25 ff.; Vella/Fuest/Schmidt-Eisenlohr, The EU Commission’s Proposal for a Financial Transaction Tax, BTR, 2011, S. 607 ff., 610.
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Teil 3: Völkerrechtliche Grenzen der extraterritorialen Rechtsetzung
Soweit das Gegenparteiprinzip Finanztransaktionen erfasst, die nicht zumindest teilweise im Gebiet eines teilnehmenden Mitgliedstaates durchgeführt werden, stellt die territoriale Reichweite der Finanztransaktionssteuer hingegen keine willkürfreie Konkretisierung des Staatenbezuges des dargelegten Regelungsanliegens dar. Für derartige Finanztransaktionen gilt gerade, dass sie nach dem Regelungsanliegen nicht erfasst sein sollen. Auf Grund dessen besteht aber keine auch nur entfernt nachvollziehbare Beziehung zwischen dem Staatsgebietsbezug des Regelungsanliegens und der Anwendung der Finanztransaktionssteuer auf Grund des Gegenparteiprinzips mehr in diesen Fällen. Da das das Gegenparteiprinzip über das Regelungsanliegen herausreicht, begründet dies eine willkürliche extraterritoriale Anwendung der Finanztransaktionssteuer.846 Daneben findet das Gegenparteiprinzip auf Finanztransaktionen Anwendung, die zumindest teilweise einen Bezug zum Gebiet eines teilnehmenden Mitgliedstaates aufweisen. In diesen Fällen wird das Gegenparteiprinzip auf Sachverhalte angewendet, in denen eine an der Finanztransaktion beteiligte Partei im Gebiet eines teilnehmenden Mitgliedstaates nach Art. 4(1)(a)–(e), (2)(a), (b) FTT-Richtlinienentwurf ansässig ist und dort die Finanztransaktion auch teilweise abschließt, sofern das nicht in einem teilnehmenden Mitgliedstaat ansässige Finanzinstitut ausnahmsweise erlaubnisfrei Finanzdienstleistungen847 erbringt.848 Diese Ausweitung der Finanztransaktionssteuerpflicht beruht auf der Überlegung, dass grundsätzlich beide Parteien der Finanztransaktion der Finanztransaktionssteuer unterliegen sollen, sofern sie Finanzinstitute sind. Mit Blick auf diese Wirkung und das verfolgte Regelungsanliegen kann hierin aber keine willkürfreie Konkretisierung des Staatsgebietsbezuges gesehen werden, sodass das Gegenparteiprinzip nach Art. 4(1)(f) FTT-Richtlinienentwurf auch in diesen Fällen zu einer willkürlichen Erstreckung des Regelungsbereiches der Finanztransaktionssteuer führt. Zwar weist die Finanztransaktion grundsätzlich einen Bezug zum Staatsgebiet auf,849 allerdings kann dieser mit Blick auf das Rege-
846 Ebenso Opinion of the Legal Service of the Council of the European Union, Proposal for a Council Directive implementing enhanced cooperation in the area of financial transaction tax (FTT), Legality of the counterparty-based deemed establishment of financial institutions (Article 4(1) point f) of the proposal), 13412/13, S. 6 ff.; Englisch, Europäische Finanztransaktionsteuer durch Verstärkte Zusammenarbeit – wohlbegründet oder bloße Symbolpolitik?, ISR, 2013, S. 387 ff., 395. 847 Siehe hierzu nur Deutsche Bundesbank, Merkblatt über die Erteilung einer Erlaubnis zum Erbringen von Finanzdienstleistungen gemäß § 32 Absatz 1 KWG, 4. 11. 2016.; Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin); Deutsche Bundesbank, Merkblatt über die Erteilung einer Erlaubnis zum Betreiben von Bankgeschäften gemäß § 32 Abs. 1 KWG, 31. 12. 2007. 848 Andernfalls ist es bereits nach Art. 4(1)(b) FTT-Richtlinienentwurf in dem jeweiligen teilnehmenden Mitgliedstaat ansässig. 849 Aus diesem Grund liegt nach Tietje/Bering/Zuber, Völker- und europarechtliche Zulässigkeit extraterritorialer Anknüpfung einer Finanztransaktionssteuer, Beiträge zum
C. Ausgewählte Beispiele extraterritorialer Steuerrechtssätze
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lungsanliegen nicht als entfernt nachvollziehbare Verknüpfung überzeugen. Nach dem das Regelungsanliegen entfaltendem Regelungsmaßstab soll die Belastungsund Lenkungswirkung gerade insoweit bestehen, als das Finanzinstitut, auf das die Belastungs- und Lenkungswirkung ausgerichtet ist,850 am europäischen Finanzmarkt beteiligt und demnach die Finanztransaktion als eine am europäischen Finanzmarkt abgeschlossene Transaktion anzusehen ist. Soweit aber ein nicht in einem teilnehmenden Mitgliedstaat ansässiges Finanzinstitut bloß an einer Finanztransaktion beteiligt ist, kann von einer solchen Beteiligung nicht ausgegangen werden. Würde das nicht in einem teilnehmenden Mitgliedstaat ansässige Finanzinstitut seine Geschäftstätigkeit auf den europäischen Finanzmarkt ausrichten, so unterläge es der Erlaubnispflicht nach Art. 5(1) MiFiD I und wäre bei Vorliegen einer Genehmigung nach Art. 4(1)(b) FTT-Richtlinienentwurf ansässig. Das Gegenparteiprinzip nach Art. 4(1)(f) FTT-Richtlinienentwurf erfasst daher maßgeblich solche Fälle, bei denen die in einem teilnehmenden Mitgliedstaat ansässige Partei auf das Finanzinstitut zugeht und den Abschluss der Finanztransaktion begehrt. Es begibt sich hierdurch aber auf einen anderen Finanzmarkt, weshalb gerade auch die Erlaubnispflicht nach Art. 5(1) MiFiD I nicht ausgelöst werden soll. Daher ist nicht erkennbar, dass das Finanzinstitut zum europäischen Finanzmarkt zu zählen ist, weshalb keine willkürfreie Konkretisierung des Regelungsanliegens vorliegt, welches gerade diese Zugehörigkeit zum europäischen Finanzmarkt voraussetzt.851 Es ist daher insgesamt festzustellen, dass das Gegenparteiprinzip in keinem seiner Anwendungsfälle eine willkürfreie Konkretisierung des staatsgebietsbezogenen Regelungsanliegen der Finanztransaktionssteuer darstellt.852
Transationalen Wirtschaftsrecht, Nr. 129, 2014, S. 21 ff. und Cloppenburg, Eine Finanztransaktionssteuer im „kleinen Kreis“, S. 561 ff.hierin keine völkerrechtswidrige Erstreckung. 850 Siehe auch Erwägungsgrund 1, Europäische Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Umsetzung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Finanztransaktionsteuer, 14. 2. 2013. 851 Ebenso Opinion of the Legal Service of the Council of the European Union, Proposal for a Council Directive implementing enhanced cooperation in the area of financial transaction tax (FTT), Legality of the counterparty-based deemed establishment of financial institutions (Article 4(1) point f) of the proposal), 13412/13, S. 6 ff.; Englisch/Vella/Yevgenyeva, The Financial Transaction Tax Proposal Under the Enhanced Cooperation Procedure: Legal and Practical Considerations, BTR, 2013, S. 223 ff., 240 f. 852 Dieser Befund kann auch nicht durch Art. 4(3) FTT-Richtlinienentwurf in Frage gestellt werden: Zwar sind nach dieser Vorschrift Finanzinstitute nicht ansässig, wenn sie nachweisen, dass entgegen der Ansässigkeitskriterien nach Art. 4(1), (2) FTT-Richtlinienentwurf keine Beziehung zwischen der Finanztransaktion und dem Gebiet eines teilnehmenden Mitgliedstaates besteht. Allerdings kann diese Vorschrift nicht dahingehend ausgelegt werden, dass jeder dem Gegenparteiprinzip nach Art. 4(1)(f) FTT-Richtlinienentwurf unterfallende Sachverhalt zugleich der Ausnahmeregelung des Art. 4(3) FTT-Richtlinienentwurf unterliegt.
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Teil 3: Völkerrechtliche Grenzen der extraterritorialen Rechtsetzung
d) Art. 4(1)(g), (2)(c) FTT-Richtlinienentwurf Das Ausgabeprinzip nach Art. 4(1)(g), (2)(c) FTT-Richtlinienentwurf ist darauf gerichtet, die Ansässigkeit in solchen Fällen zu begründen, in denen keine Partei in einem der teilnehmenden Mitgliedstaaten nach Art. 4(1)(a) - (f), (2)(a), (b) FTTRichtlinienentwurf ansässig ist und in denen die Finanztransaktion daher auch nicht in einem der teilnehmenden Mitgliedstaaten abgeschlossen wurde. Das Ausgabeprinzip führt zur Fiktion der Ansässigkeit allein deswegen, weil das gehandelte Finanzinstrument in einem teilnehmenden Mitgliedstaat ausgegeben wurde. Das Ausgabeprinzip begründet die Ansässigkeit in einem der teilnehmenden Mitgliedstaaten allein deswegen, weil das Finanzinstrument in einem der teilnehmenden Mitgliedstaat ausgegeben wurde, ohne dass eine Partei der Transaktion an sich in einem dieser Staat ansässig wäre. Damit weist die Transaktion aber keinen Bezug zum Gebiet eines teilnehmenden Mitgliedstaates auf, weshalb es sich nicht um eine willkürfreie Konkretisierung des Staatsgebietsbezuges des Regelungsanliegen handelt. Der notwendige Staatsgebietsbezug des Regelungsanliegen besteht gerade darin, dass die Finanztransaktion zumindest teilweise in einem der teilnehmenden Mitgliedstaaten abgeschlossen wurde. Ist dies aber wie beim Ausgabeprinzip nicht der Fall, so kann dieses nicht als Ausformung dieses Staatsgebietsbezuges angesehen werden.853 Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass das Ausgabeprinzip gemäß Erwägungsgrund 15 FTT-Richtlinienentwurf sowie der weiteren Begründungen854 im Rahmen der Finanztransaktionssteuer der Vermeidung der Verlagerung der Handelstätigkeit dient. Ziel soll es sein, dass durch die Verlagerung der Handelstätigkeit das Ziel der Finanztransaktionssteuer nicht in seiner tatsächlichen Wirksamkeit beeinträchtigt werden können soll. Dieses Ziel besteht aber in einer Belastung und Regulierung des europäischen Finanzmarktes, sodass in Bezug auf Finanztransaktionen außerhalb des europäischen Finanzmarktes nicht erkennbar ist, warum diese der Finanztransaktionssteuer unterliegen sollen. Daher ist nicht er853 Ebenso Englisch/Krüger, Zur Völkerrechtswidrigkeit extraterritorialer Effekte der französischen Finanztransaktionssteuer, IStR, 2013, S. 513 ff., 517; Englisch/Vella/Yevgenyeva, The Financial Transaction Tax Proposal Under the Enhanced Cooperation Procedure: Legal and Practical Considerations, BTR, 2013, S. 223 ff., 227 ff., 241 ff. Anderer Ansicht Tietje/ Bering/Zuber, Völker- und europarechtliche Zulässigkeit extraterritorialer Anknüpfung einer Finanztransaktionssteuer, Beiträge zum Transationalen Wirtschaftsrecht, Nr. 129, 2014, S. 23 ff. auf Grund der Erwägung, dass Finanzinstrumente durch die Rechtsordnung des Ausgabestaates konstituiert sind, sodass ein Bezug zum Ausgabestaat außer Frage stehe. Hierauf kann es aber nicht ankommen, da auch hier wie im Falle des Art. 4(1)(f) FTT-Richtlinienentwurf, siehe Teil 3 C. III. 3. c), der Staatenbezug im Lichte des Regelungsanliegens zu bestimmen ist. Ebenfalls anderer Ansicht Cloppenburg, Eine Finanztransaktionssteuer im „kleinen Kreis“, S. 585 ff. 854 Erwägungsgrund 15, Europäische Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Umsetzung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Finanztransaktionsteuer, 14. 2. 2013, S. 11 f.
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kennbar, inwieweit hierin eine willkürfreie Konkretisierung des Regelungsanliegens gesehen werden soll.855 Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Belastungsziel der Finanztransaktionssteuer. Um in Bezug auf das Belastungsziel im Ausgabeprinzip nach Art. 4(1)(f), (2) c) FTT-Richtlinienentwurf eine willkürfreie Konkretisierung des Regelungsanliegens zu sehen, ist zu unterstellen, dass typischerweise eine enge Verknüpfung zwischen dem Ausgabeort eines Finanzinstruments und dem Handelsort besteht. Die Annahme, dass der Handelsort eines Finanzinstruments üblicherweise dem Herausgabeort entspricht und umgekehrt, kann allerdings heutzutage als Idealtypus wegen der großen Mobilität des Finanzsektors, auf die auch in der Rechtfertigung des Ausgabeprinzipes verwiesen wird, nicht mehr überzeugen. Die Anknüpfung an den Herausgabeort eines Finanzinstruments zur Konkretisierung eines typischen Falles der Verlagerung der Handelstätigkeit kann daher nicht dem Willkürverbot genügen, da zwischen diesen Aspekten im Lichte der Mobilität des Finanzsektors keine entfernt nachvollziehbare Beziehung angenommen werden kann.856 Daher ist das Ausgabeprinzip nach Art. 4(1)(g), (2)(c) FTT-Richtlinienentwurf nicht mit dem Völkerrecht vereinbar und begründet eine willkürliche Erweiterung des Regelungsbereiches der Finanztransaktionssteuer.857 4. Zusammenfassung Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass die Finanztransaktionssteuer nach dem zweiten Richtlinienentwurf der Europäischen Kommission zur Etablierung 855 Siehe zu diesem Aspekt in Bezug auf das Gegenparteiprinzip auch Opinion of the Legal Service of the Council of the European Union, Proposal for a Council Directive implementing enhanced cooperation in the area of financial transaction tax (FTT), Legality of the counterparty-based deemed establishment of financial institutions (Article 4(1) point f) of the proposal), 13412/13, S. 8 856 So auch Englisch/Vella/Yevgenyeva, The Financial Transaction Tax Proposal Under the Enhanced Cooperation Procedure: Legal and Practical Considerations, BTR, 2013, S. 223 ff., 227 ff., 241 ff. 857 Sandrock, Abschied von den völkerrechtlichen Grenzen staatlicher Gesetzgebung?, RdW, 2015, Die erste Seite; Englisch/Vella/Yevgenyeva, The Financial Transaction Tax Proposal Under the Enhanced Cooperation Procedure: Legal and Practical Considerations, BTR, 2013, S. 223 ff., 241 ff. Ebenso wie im Falle des Gegenparteiprinzips kann dieser Befund auch nicht deshalb behoben werden, weil nach Art. 4(3) FTT-Richtlinienentwurf die Ansässigkeitskriterien unter dem Vorbehalt hinreichender territorialer Verbindungen bestehen. Siehe insoweit bereits die Argumente in Fußnote 852 und mit Bezug zum Herausgabeprinzip übereinstimmend Englisch/ Vella/Yevgenyeva, The Financial Transaction Tax Proposal Under the Enhanced Cooperation Procedure: Legal and Practical Considerations, BTR, 2013, S. 223 ff., 244. Für die französische Finanztransaktionssteuer ebenso Englisch/Krüger, Zur Völkerrechtswidrigkeit extraterritorialer Effekte der französischen Finanztransaktionssteuer, IStR, 2013, S. 513 ff., 517 f.
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einer Finanztransaktionssteuer im Wege der verstärkten Zusammenarbeit nur teilweise mit dem Völkerrecht vereinbar ist. Das Anliegen, eine Belastung des europäischen Finanzmarktes in den teilnehmenden Mitgliedstaaten und Verhaltenswirkungen auf Seiten der Finanzinstitute zur Ergänzung der Regulierung dieses Marktes herbeizuführen, kann eine extraterritoriale Erstreckung des Regelungs- und damit des Rechtsfolgenbereiches rechtfertigen, soweit die Finanztransaktionssteuer Finanztransaktionen erfasst, die zumindest teilweise im Gebiet eines teilnehmenden Mitgliedstaates abgeschlossen wurden und auf einer Tätigkeit der Gegenseite beruhen, die auf den Abschluss von Finanztransaktionen im Gebiet eines teilnehmenden Mitgliedstaates und damit am europäischen Finanzmarkt gerichtet ist. Das Gegenparteiprinzip nach Art. 4(1)(f) FTT-Richtlinienentwurf und das Ausgabeprinzip nach Art. 4(1)(g), (2)(c) FTT-Richtlinienentwurf bewirken allerdings eine willkürliche und demgemäß entgegen dem Gebot von Treu und Glauben begründete extraterritoriale Erstreckung des Regelungs- und Rechtsfolgenbereiches der Finanztransaktionssteuer.
Zusammenfassung Die Frage nach der extraterritorialen Erstreckung der Besteuerungsgewalt des Staates wirft zahlreiche grundlegende Fragen nach der Konzeption des Staates, dessen Staatsgewalt als Rechtsetzungsgewalt und der Grundstrukturen der Völkerrechtsgemeinschaft, in die der souveräne Staat eingebunden ist, auf. In einem ersten Schritt wurde daher die grundlegende Strukturierung des Staates und seine Einbettung in das Völkerrecht untersucht. Ausgehend von einer Darlegung der Entwicklung der Staatlichkeit wird erläutert, dass der Staat im Recht durch die Merkmale des Staatsvolkes, des Staatsgebietes und der Staatsgewalt konzipiert ist. Mit Blick auf die völkerrechtliche Einbettung zeigt sich, dass das Verständnis des Staates maßgeblich durch die Souveränität geprägt ist, die völkerrechtlich die tatsächliche Konstitution des Staates als souverän insoweit widerspiegelt, als dem Staat hierdurch eine Unabhängigkeit zukommen soll, die die Möglichkeit zur Entfaltung eigener Staatlichkeit bietet. Hierdurch fordert das Souveränitätsverständnis positiv ein, dass den Staaten ein Freiraum zur grundsätzlich unbeeinflussten Wahrnehmung der Staatsgewalt zukommen soll, der negativ grundsätzlich vor fremder Einflussnahme geschützt ist. Die vom Souveränitätsprinzip geforderten Freiräume bestehen aber nicht überschneidungsfrei, wie auch das Prinzip der souveränen Gleichheit sowie dessen Ausprägungen zeigen. Durch das Völkerrecht wird den Staaten daher gestützt auf das Souveränitätsprinzip nur in engen Grenzen ein exklusiver Freiraum zur Entfaltung der Staatsgewalt zugewiesen. Im Übrigen besteht eine konkurrierende Kompetenz, die auch nicht durch eine Abwägung widerstreitender Souveränitätspositionen beseitigt werden kann. Insoweit ist weder erkennbar, dass das Völkerrecht eine derartige Abgrenzung einfordert noch sind Kriterien erkennbar, die eine solche Abwägung unter Beachtung der Souveränität des fremden Staates möglich werden lassen. Das Völkerrecht als solches enthält keine Rangordnung und ist nur in engen Grenzen als Wertordnung universeller Werte wie etwa den humanitären Menschenrechten konzipiert. Auf Grund der Souveränität der Staaten kann zudem kein Staat die Interessen fremder Staaten bewerten und einer Abwägung zuführen. Beachtenswert ist allerdings, dass das Souveränitätsprinzip darüberhinausgehend einen Achtungsanspruch beinhaltet, der es jedem Staat verwehrt, die Souveränität fremder Staaten zu negieren. Hierbei handelt es sich um ein grundlegendes Strukturmerkmal der Völkerrechtsgemeinschaft, die durch dieses Nebeneinander gleichsam souveräner Staaten geprägt ist, die einander Anerkennung und Achtung der Souveränität schulden.
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Zusammenfassung
Die Bedeutung dieser so konzipierten Souveränität darf aber nicht dahingehend apostrophiert werden, dass die Staaten als Inhaber einer absoluten Souveränität keiner Rechtsbindung unterliegen. Vielmehr sind die Staaten Mitglied einer im Konsens gegründeten Völkerrechtsgemeinschaft, deren Bindungen nicht nur tatsächliche Vorgaben darstellen, die Berücksichtigung finden sollen, sondern gerade die Staaten als Recht binden. Souveränität besteht daher nur in den Grenzen des Völkerrechts, weshalb der Souveränität nicht das Gebot entnommen werden kann, von einer Rechtsbindung abzusehen. Innerhalb des Völkerrechts entfaltet sich das Souveränitätsprinzip als Rechtsprinzip lediglich derart, dass es im Rahmen der völkerrechtlich bestehenden Befugnisse und in den Grenzen des Völkerrechts grundsätzlich die Betonung der Entscheidungsfreiheit fordert. Weder weist das Souveränitätsprinzip selbst den Staaten eine Kompetenz zu noch kann mit Verweis auf die Souveränität eine Beschränkung der Kompetenzen abgelehnt werden. Dies wirft die Frage auf, wodurch dem Staat grundsätzlich die Kompetenz zur Ausübung der Staatsgewalt verliehen wird und in welcher Form diese Kompetenz besteht. Diesen Fragestellungen ist Teil 1 B. der vorliegenden Arbeit gewidmet und es wird die grundlegende Struktur der Staatsgewalt dargelegt. Diese weist personale oder territoriale Bezüge auf und wird entweder als Personal- oder als Gebietshoheit wahrgenommen. Die Personalhoheit beinhaltet die Wahrnehmung der Staatsgewalt über die Staatsangehörigen, während Gegenstand der Gebietshoheit die Ausübung gebietsbezogener Staatsgewalt ist. In sachlicher Hinsicht sind die Rechtsetzungsund Rechtsdurchsetzungsgewalt zu unterscheiden, während teilweise ergänzend noch auf eine Rechtsprechungsgewalt verwiesen wird. Diese Differenzierungen der Staatsgewalt stellen aber nicht, wie teilweise angenommen, Kompetenztitel dar, sondern bilden lediglich Ausformungen der allumfassenden einheitlichen Staatsgewalt. Die Kompetenz zur Ausübung der Staatsgewalt wohnt dabei der Konzeption des Staates notwendig inne, sodass die Befugnis zur Wahrnehmung der Staatsgewalt aus dem Bestehen dieser selbst als notwendige Voraussetzung der Existenz eines Staates folgt. Inhaltlich ist die Staatsgewalt in Form der Rechtsetzungsgewalt im Völkerrecht nicht näher beschrieben. Dem Völkerrecht können allein negative Vorgaben im Einzelfall beispielsweise durch die universellen Menschenrechte entnommen werden. Die Rechtssetzungsgewalt besteht jenseits dessen umfassend, sodass der Staat als Souverän bestimmt, aus welchen Gründen, mit welchen Zielen und in welcher Form er rechtssetzend tätig wird. Dies gilt gleichermaßen für das Steuerrecht. Zum Steuerrecht zählen im Rahmen dieser Arbeit auch diejenigen in Steuergesetzen enthaltenen Normen, die auf sonstige politische Zielsetzungen ausgerichtet sind und damit nicht der Ausformung einer steuerrechtlich motivierten Lastenausteilung dienen, sondern diese gerade aus anderen Motiven heraus durchbrechen. Abseits etwaiger beschränkender Normen des Völkerrechts entscheidet der Staat daher völlig unabhängig über den Gegenstand dieser Steuerrechtssätze. Diese Freiheit bildet gerade den vom Souveränitätsprinzip dem Staat zugesprochenen Freiraum zur unabhängigen Wahrnehmung der Rechtsetzungsgewalt.
Zusammenfassung
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Auch wenn der Staat in Wahrnehmung seiner Rechtsetzungsgewalt sachlich unabhängig und grundsätzlich nach freiem Ermessen tätig wird, bedeutet dies noch nicht zwangsläufig, dass der Staat seine Rechtssätze auch extraterritorial erstrecken kann. Teil 2 untersucht vor diesem Hintergrund unter Einbezug der in der Literatur vertretenen Ansichten, welche territoriale Reichweite die Wahrnehmung der Rechtsetzungsgewalt vorbehaltlich beschränkender Normen des Völkerrechts aufweisen kann. Zu diesem Zweck wurde zunächst untersucht, welche Merkmale einer Rechtsnorm die Frage der Extraterritorialität aufwerfen und daher zu bestimmen ist, ob die Setzung derartiger Rechtsnormen von der Rechtsetzungsgewalt umfasst ist. Nach einer Darlegung der zum Begriff der extraterritorialen Rechtsnorm vertretenen Ansichten wurde ausgeführt, welche Probleme mit der Annahme einer völkerrechtlich geprägten Begriffsdefinition verbunden sind. Um ex-ante eine Verengung des Untersuchungsgegenstandes durch ein Vorverständnis der vermuteten völkerrechtlichen Fragestellungen zu vermeiden, wurde stattdessen eine am einfachen Wortsinn orientierte Bestimmung des Untersuchungsgegenstandes gewählt. Mit Blick auf diesen einfachen Wortsinn ist die vorliegende Arbeit darauf gerichtet zu untersuchen, inwieweit einem Staat die Möglichkeit zukommt, seine vollständigen Rechtssätze des materiellen Steuerrechts extraterritorial zu erstrecken, indem er ihnen entweder eine über das ihm unterstehende Gebiet hinausreichende Geltung beilegt oder aber auf tatsächlicher Ebene tatbestandlich an Sachverhaltsbezüge anknüpft, die sich nicht auf dem ihm unterstehenden Gebiet befinden, oder Rechtsfolgen über dieses Gebiet hinaus erstreckt. Durch dieses Begriffsverständnis wurden solche extraterritorialen Auswirkungen aus dem Untersuchungsgegenstand ausgeschieden, die lediglich mittelbar verursacht eintreten und deren Eintritt nicht vom rechtssetzenden Staat bezweckt sind, da in diesem Fall gerade nicht davon gesprochen werden kann, dass der Staat seine Rechtsetzungsgewalt extraterritorial erstreckt hat. Gegenstand dieser Arbeit sind die einem Rechtssatz seitens des Staates beigelegten Gebietsbezüge, die über das ihm unterstehende Gebiet hinausreichen. In der Literatur ließen sich zahlreiche divergierende Ausgangspunkte für eine Untersuchung der völkerrechtlichen Grenzen dieser Befugnis feststellen. Während insbesondere in der älteren steuerrechtlichen Literatur von einer unbeschränkten Befugnis des Staates ausgegangen wird, auf tatsächlicher Ebene weltumspannend rechtssetzend zu werden, geht der Großteil der Literatur von einer Beschränkung dieser Befugnis aus. So soll der Staat teils nur auf Grund einer Erlaubnisnorm derartige Rechtssätze erlassen dürfen, während andere wiederum keine Erlaubnisnorm fordern, sondern annehmen, dass die Rechtsetzungsgewalt Verbotsnormen des Völkerrechts unterliegt. Diese Debatte wird von jeder Seite mit Verweis auf das Souveränitätsprinzip und die Einbettung des Staates in die von einer souveränen Gleichheit geprägte Völkerrechtsgemeinschaft geführt. Insoweit zeigt sich im Rahmen der vorliegenden Arbeit unter Heranziehung der Ergebnisse des Teil 1, dass nach der Konzeption der Rechtsetzungsgewalt und der Personal- und Gebietshoheit der Erlass einer Rechtsnorm in Wahrnehmung der Personalhoheit in personal und in Ausübung der Gebietshoheit in territorial geltende
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Zusammenfassung
Rechtsnormen mündet. Während die personale Geltung unbeschränkt besteht und nicht territorial begrenzt ist, ist die territoriale Geltung auf das dem Staat unterstehende Gebiet beschränkt, das in aller Regel das Staatsgebiet sein wird. Im Übrigen kann aber nicht angenommen werden, dass nach der grundsätzlichen Konzeption auch auf tatsächlicher Ebene territoriale oder personale Bezüge für die Wahrnehmung der Gebiets- oder Personalhoheit gefordert sind. Eine solche Verknüpfung der normativen und tatsächlichen Bezüge ist durch die Struktur der Rechtsnorm nicht notwendig und würde zu völkerrechtlich wenig überzeugenden Ergebnissen führen. Dies zeigt insbesondere eine Untersuchung der zur Gebietshoheit vorgebrachten Positionen, nach denen die Gebietshoheit die Anknüpfung an inländische Personen und Sachen umfasst. In diesem Zuge bestehen erhebliche Schwierigkeiten zu begründen, warum keine enge territoriale Begrenzung der Rechtsetzungsgewalt die Folge sein sollte, insbesondere da nach dem Grundsatz der Gebietsausschließlichkeit grundsätzlich lediglich einem Staat die Gebietshoheit über ein Territorium zukommt und diese Zuständigkeit gegen Eingriffe geschützt ist. Die hierzu vorgebrachten Ansätze arbeiten zur Überwindung dieser Exklusivität und dem Widerspruch, in der Anknüpfung im Rahmen der Rechtsetzung eine Wahrnehmung der auf tatsächlicher Herrschaftsgewalt beruhenden Gebietshoheit zu sehen, mit der Fiktion einer inländischen Belegenheit einer von einem inländischen Eigentümer gehaltenen ausländischen Sache und einer von einem Inländer im Ausland vorgenommenen Handlung. Es ist aber wenig überzeugend, eine auf tatsächlicher Herrschaftsmacht beruhende Zuständigkeit zur Ausübung von Staatsgewalt über dieser tatsächlichen Macht unterworfene Personen und Sachen durch rechtliche Fiktionen zu ergänzen, die im vollkommenen Gegensatz zu den tatsächlichen Verhältnissen stehen. Vor diesem Hintergrund wird im Rahmen dieser Arbeit daher vertreten, dass die Rechtsetzungsgewalt des Staates in ihrer grundlegenden Konzeption dadurch gekennzeichnet ist, dass der Staat personal oder territorial geltende Rechtsnormen schafft. Der Inhalt dieser Rechtsnormen wird aber nicht durch das Völkerrecht vorgegeben, sodass es vorbehaltlich beschränkender Normen des Völkerrechts dem Staat freisteht, der Rechtsnorm jeden beliebigen Inhalt beizulegen und daher auch beliebig weit extraterritorial zu erstrecken. Das Steuerrecht bildet keine Ausnahme, da das Steuerrecht Teil der allumfassenden Staatsgewalt bildet. Zwar wird teilweise von einer völkergewohnheitsrechtlichen Verengung der Steuergewalt ausgegangen, es kann aber nicht nachgewiesen werden, dass sich durch das Netzwerk der Doppelbesteuerungsabkommen oder durch die im Ausgangspunkt festzustellende Übereinstimmung in den Anknüpfungspunkten der Besteuerung rechtsgebietsspezifisch Völkergewohnheitsrecht herausgebildet hat. Dies scheitert nicht nur am Nachweis der erforderlichen allgemeinen Übung auf Grund erheblicher Divergenzen in den Zuteilungsnormen der Doppelbesteuerungsabkommen, sondern auch an der notwendigen Rechtsüberzeugung der Staaten, da sich sämtliche Übereinstimmungen auch auf praktische Er-
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wägungen ausgehend von der territorialen Beschränkung der Rechtsdurchsetzungsgewalt zurückführen lassen. Abseits dieser Frage nach der grundsätzlichen Reichweite der Rechtsetzungsgewalt fordert die herrschende Meinung eine recht weitgehende Verengung durch ein Kriterium der hinreichend engen Verknüpfung, das in A. untersucht wurde. Die herrschende Meinung bleibt aber eine überzeugende Ausformung und Herleitung dieses Kriteriums schuldig und so bestehen erhebliche Meinungsunterschiede hinsichtlich des Inhalts und der Begründung dieses Kriteriums. Letztlich zeigt sich, dass das Kriterium der hinreichend engen Verknüpfung nicht überzeugend hergeleitet werden kann. Das Nottebohm-Urteil des IGH bildet kein Indiz für das Bestehen eines derartigen Kriteriums, da das Gericht ausdrücklich nicht über die Reichweite der Rechtsetzungsgewalt entschieden hat. Auch eine Herleitung des Kriteriums aus Normen des Völkerrechts wie dem Interventions- oder Rechtsmissbrauchsverbot konnte nicht überzeugen, weil ein Eingriff in den Kernbereich der Staatlichkeit durch eine extraterritoriale Rechtsetzung nur ausnahmsweise gegeben sein wird und der Rechtsetzungsgewalt keine Zweckrichtung innewohnt, die Anknüpfungspunkt eines Vorwurfs des Rechtsmissbrauchs sein könnte. Schließlich war eine Begründung als Völkergewohnheitsrecht zurückzuweisen, da das Kriterium im Wesentlichen keine rechtsförmige Struktur erkennen lässt und soweit eine Strukturierung möglich scheint, diese Struktur nur praktische Erwägungen aus der Begrenzung der Rechtsdurchsetzungsgewalt widerspiegelt. Dieses Ergebnis bedeutet nicht, dass den Staaten im Allgemeinen oder im Steuerrecht eine unbeschränkte Freiheit zur extraterritorialen Erstreckung der tatsächlichen Bezüge eines Rechtssatzes zukommen würde. Vielmehr gebietet die Struktur der Völkerrechtsgemeinschaft zumindest teilweise eine Beschränkung der Rechtsetzungsgewalt der Staaten, die in B. hergeleitet wird. Gegenstand des Souveränitätsprinzips ist nicht nur, dass allen Staaten ein gleichrangiger Freiraum zur grundsätzlich unabhängigen Ausübung der Staatsgewalt zukommen soll, sondern auch, dass die Souveränität fremder Staaten zu achten ist. Folge dieser Konzeption des Souveränitätsprinzips ist, dass die Rechtsetzungsgewalt nicht dahingehend wahrgenommen werden darf, fremde Souveränität zu negieren. Auch wenn ein Staat in Ausübung der Rechtsetzungsgewalt eigene Staatlichkeit bereits dann wahrnimmt, wenn er ein Regelungsanliegen verfolgt, ist es dem Staat durch diesen Achtungsgehalt der Souveränität verwehrt, seine Rechtsetzungsgewalt, alleinig zu dem Zweck auszuüben, fremden Staaten die Verfolgung ihrer Regelungszwecke im Rahmen des ihnen vom Souveränitätsprinzip zugewiesenen Freiraums zur grundsätzlich unabhängigen Verfolgung dieser Interessen durch die Rechtsetzung zu erschweren. Erschöpft sich das Interesse eines Staates darin, diesen Freiraum zu beschränken, so kann von einer Achtung fremder Souveränität nicht gesprochen werden. Vielmehr beansprucht der Staat die Position eines Richters, der über den Willen des anderen Staates hinweg entscheidet, ob dieser Regelungszweck wirksam werden können sollte oder nicht. Die vom Souveränitätsprinzip als Rechtsprinzip in diesen Fällen geforderte Beschränkung der Rechtsetzungsgewalt wird durch das Gebot von Treu
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und Glauben verbindlich, das in diesen Fällen die Rechtsetzungsgewalt einer Einschränkung unterwirft. Die Frage, in welchen Fällen ein Staat in der Rechtsetzung alleinig zu dem Zweck tätig wird, fremde Souveränität zu beschränken, ist unter Rückgriff auf den anerkannten Grundsatz des Völkerrechts der Willkür zu beantworten. Denn besteht die wechselseitige Beschränkung der Freiräume der Staaten allein darin, dass sie die Souveränität der jeweils anderen Staaten nicht negieren dürfen, nehmen sie aber im Übrigen völlig gleichrangig Souveränität wahr, so kann nur gefordert werden, dass für die extraterritoriale Erstreckung des die Einwirkung hervorrufenden Rechtssatzes ein anderer entfernt nachvollziehbarer Grund besteht. Als solche Gründe, die nicht allein in der Beschränkung fremder Souveränität bestehen, sind staatsvolk- und staatsgebietsbezogene Regelungsanliegen anzuerkennen. Dies bedeutet, dass sein Regelungsanliegen darauf bezogen sein muss, die Verhältnisse der Staatsangehörigen (nicht notwendigerweise nur untereinander) oder die Verhältnisse im und in Bezug auf das Staatsgebiet zu regeln. Nur ausnahmsweise kommen darüber hinaus sonstige Interessen in Betracht, für die aber zu fordern ist, dass sie als Gemeinschaftsinteressen nach der Völkerrechtsordnung allen Staaten zur eigenen Verfolgung zugewiesen sind oder dem Schutz existenzieller Interessen des Staates dienen und so auf den Schutz der Souveränität ausgerichtet sind. Verfolgt der Staat hiernach ein staatsbezogenes Regelungsanliegen, so können hierauf zurückzuführende Einwirkungen auf die Souveränität fremder Staaten nicht zurückgewiesen werden. Auch für diese Frage ist der Willkürmaßstab heranzuziehen. Die Funktionsweise dieser Beschränkung wurde schließlich in C. anhand ausgewählter Beispiele für das Steuerrecht dargelegt. Es wurde aufgezeigt, auf Grund welcher Überlegungen sowohl die Grundstruktur der Einkommensbesteuerung als auch der Luftverkehrsteuer der Bundesrepublik Deutschland keinen völkerrechtlichen Bedenken begegnet, wohl aber der derzeit vorliegende Richtlinienentwurf der Europäischen für eine Finanztransaktionssteuer im Wege der verstärkten Zusammenarbeit. Dieser verstößt insoweit gegen das Völkerrecht, als eine Finanztransaktionssteuerpflicht auch für Finanzinstitute begründet wird, die eine Finanztransaktion abschließen, die nicht zumindest teilweise im Gebiet eines teilnehmenden Mitgliedstaates vereinbart wurde und damit keinen Bezug zum europäischen Finanzmarkt aufweist. In diesem Umfang besteht zwischen dem genannten Regelungsanliegen und der Finanztransaktionssteuerpflicht keine entfernt nachvollziehbare Beziehung, sodass das Gegenpartei- und Ausgabeprinzip der Art. 4(1)(f), (1)(g), (2)(c) FTT-Richtlinienentwurf eine willkürliche und treuwidrige Wahrnehmung der Rechtsetzungsgewalt beinhalten. Durch eine derartige Beschränkung der Rechtsetzungsgewalt wird diese auf den Rahmen beschränkt, der ihr in einer von Überschneidungen der Staatsgewalt geprägten sich verdichtenden Völkerrechtsgemeinschaft zukommen kann. Auf diesem Wege wird sichergestellt, dass ein jeder Staat im Rahmen seiner Souveränität keinem fremden Richter unterworfen ist und keinem anderen Richter Gehorsam schuldet. In
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der Beschränkung vereinigen sich daher die eingangs genannten Grundsätze des römischen Rechts, einerseits der auf das Völkerrecht übertragene Grundsatz des par in parem non habet imperium, auf den zumeist bei der Immunität des Staates rekurriert wird, andererseits der aus dem römischen Recht bekannte und teils für die Rechtsetzungsgewalt bemühte Grundsatz des extra territorium ius dicenti impune non paretur. Denn in dem Umfang, wie ein Staat alleinig als Richter über die Souveränitätswahrnehmung anderer Staaten tätig wird, widerspricht er dem Grundsatz des par in parem non habet imperium und seine Rechtsetzungsgewalt wird als treuwidrige Ausübung der Staatsgewalt entsprechend dem Grundsatz extra territorium ius dicenti impune non paretur missachtet und als völkerrechtswidrig zurückgewiesen, da er außerhalb des ihm vom Souveränitätsprinzip zugewiesenen Freiraums tätig wird.
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Rechtsprechungsverzeichnis
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Internationale Gerichtshof (IGH), Urteil v. 20. 11. 1950, Asylum Case (Colombia/Peru), ICJ Reports, 1950, S. 266 – 381. Internationale Gerichtshof (IGH), Advisory Opinion v. 11. 4. 1949, Reparation for injuries suffered in the service of the United Nations, ICJ Reports, 1949, S. 174 – 219. Internationale Gerichtshof (IGH), Urteil v. 9. 4. 1949, The Corfu Channel Case (United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland v. Albania), ICJ Reports, 1949, S. 4 – 169. Deutsche Rechtsprechung Bundesfinanzhof (BFH), Beschluss v. 14. 4. 1993, I R 29/92, BStBl. II, 1994, S. 27 – 31. Bundesfinanzhof (BFH), Urteil v. 16. 12. 1964, II 154/61 U, BStBl. III, 1965, S. 134 – 136. Bundesfinanzhof (BFH), Urteil v. 18. 12. 1963, I 230/61 S, BStBl. III, 1964, S. 253 – 259. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Urteil v. 5. 11. 2014, 1 BvF 3/11, BVerfGE 137, S. 350 – 378. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss v. 15. 1. 2014, 1 BvR 1656/09, BVerfGE 135, S. 126 – 154. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss v. 7. 7. 2010, 2 BvL 14/02, 2/04, 13/05, BVerfGE 127, S. 1 – 31. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Urteil v. 9. 12. 2008, 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 122, S. 210 – 248. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Nichtannahmebeschluss v. 4. 9. 2008, 2 BvR 1475/07, BVerfGK 14, S. 222 – 229. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Urteil v. 20. 4. 2004, 1 BvR 1748/99, 905/00, BVerfGE 110, S. 274 – 304. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss v. 4. 12. 2002, 2 BvR 400/98, BVerfGE 107, S. 27 – 59. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss v. 12. 12. 2000, 2 BvR 1290/99, NJW, 2001, S. 1848 – 1853. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Urteil v. 7. 5. 1998, 2 BvR 1991, 2004/95, BVerfGE 98, S. 106 – 134. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss v. 22. 6. 1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, S. 121 – 149. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss v. 6. 12. 1983, 2 BvR 1275/79, BVerfGE 65, 325 – 359. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Urteil v. 22. 3. 1983, 2 BvR 475/78, BVerfGE 63, S. 343 – 380. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil v. 22. 4. 2009, 8 C 2/09, BVerwGE 133, S. 358 – 376. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss v. 22. 8. 2012, GmS-OGB 1/10, BGHZ 194, S. 354 – 369.
362
Rechtsprechungsverzeichnis US-Rechtsprechung
Southern District Court of New York City (SDNY), Urteil v. 25. 4. 2014, 13 Mag. 2814, In re Warrant to Search a Certain Email Account Controlled & Maintained by Microsoft Corp., Federal Supplement, 3d Series 15, S. 466 – 477. Supreme Court of Arizona, Urteil v. 23. 3. 1995, CR-92 – 0439-AP, State v. Willoughby, Pacific Reporter, 2d Series 892, S. 1319 – 1340. Supreme Court of Connecticut, Urteil v. 8. 9. 1998, 15861, State v. Cardwell, Atlantic Reporter, 2d Series 718, S. 954 – 966. Supreme Court of Texas, Urteil v. 20. 10. 2006, 03 – 0737, Coca-Cola Co. v. Harmar Bottling Co., South Western Reportert, 3d Series 218, S. 671 – 706. United States Court of Appeals, Eleventh Circuit (US Court of Appeals, Eleventh Circuit), Urteil v. 15. 7. 2010, 09 – 10461, US v. Belfast, Federal Reporter, 3d Series 611, S. 783 – 828. United States Court of Appeals, Eleventh Circuit (US Court of Appeals, Eleventh Circuit), Urteil v. 15. 3. 2010, 07 – 13685, US v. Frank, Federal Reporter, 3d Series 599, S. 1221 – 1241. United States Court of Appeals, Eleventh Circuit (US Court of Appeals, Eleventh Circuit), Urteil v. 19. 6. 2008, 06 – 15388, Liquidation Commission of Banco Intercontinental v. Renta, Federal Reporter, 3d Series 530, S. 1339 – 1358. United States Court of Appeals, Second Circuit (US Court of Appeals, Second Circuit), Urteil v. 5. 11. 2012, 10 – 3916-cr., US v. Siddiqui, Federal Reporter, 3d Series 699, S. 691 – 710. United States District Court Northern District of Ohio (US District Court N. D. Ohio), Urteil v. 19. 10. 1964, C 64 – 597, Securities and Exchange Commission v. Jessie Briggs and Mary Louise Welchel, Federal Supplement 234, S. 618 – 623. United States Supreme Court (US Supreme Court), Urteil v. 17. 4. 2013, 10 – 1491, Kiobel v. Royal Dutch Petroleum Co., United Stated Supreme Court Reports 133, S. 1659 – 1678. United States Supreme Court (US Supreme Court), Urteil v. 24. 6. 2010, Morrison v. National Australia Bank Ltd., United Stated Supreme Court Reports 130, S. 2869 – 2895. Entscheidungen weiterer Spruchkörper Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), Urteil v. 12. 12. 2001, 52207/99, Bankovic and Others v. Belgium and 16 Other Contracting States, Europäischer Gerichtshof (EuGH), Urteil v. 19. 10. 2016, C-148/15, Deutsche Parkinson Vereinigung, ECLI:EU:C:2016:776. Europäischer Gerichtshof (EuGH), Urteil v. 30. 4. 2014, C-209/13, Vereinigtes Königreich/Rat, ECLI:EU:C:2014:283. Italian-United States Conciliation Commission, Entscheidung v. 20. 9. 1958, Flegenheimer Case, ILR 25, S. 91 – 166. Permanent Court of Arbitration, Entscheidung v. 4. 4. 1928, Island of Palmas (Netherlands, USA), Reports of International Arbitral Awards II, S. 829 – 871. Schlussantrag Cruz Villalón v. 8. 9. 2011, C-347/10, Salemink, ECLI:EU:C:2011:562. Schlussantrag Kokott v. 6. 10. 2011, C-366/10, The Air Transport Association of America u. a., ECLI:EU:C:2011:637.
Rechtsprechungsverzeichnis
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Supreme Court of Canada, Opinion v. 20. 8. 1998, 25506, Reference re Secession of Quebec, Supreme Court Reports 2, 1998, S. 217 – 297. The High Court of Judicature at Bombay, Urteil v. 8. 9. 2010, wp1325.10, Vodafone International Holdings B.V., Trail Smelter Arbitral Tribunal, Entscheidung v. 16. 4. 1938, 11. 3. 1941, Trail smelter case (United States, Canada), Reports of International Arbitral Awards III, S. 1905 – 1982.
Sachverzeichnis Abwägungsgebot
62 ff., 230 ff.
Extraterritorialität – Begriff 112 ff., 129 ff. – ~ einer Rechtsnorm 129 ff., 143 ff. – ~ der Rechtsetzung siehe Rechtsetzungsgewalt – Grenzen extraterritorialer Rechtsetzung siehe Rechtsetzungsgewalt – Personalitätsprinzip siehe Personalitätsprinzip – Römisches Recht 19 ff., 333 – Schutzprinzip siehe Schutzprinzip – Spannungsfeld extraterritorialer Rechtsetzung siehe Rechtsetzungsgewalt – Territorialitätsprinzip siehe Territorialitätsprinzip – Universalitätsprinzip siehe Universalitätsprinzip – US-Rechtsprechung 115 ff. – Wirkungsprinzip siehe Wirkungsprinzip Fremdenrecht siehe Staatsangehörigkeit Gebietshoheit – Begriff 78 f. – Gebietsbezug der Rechtsetzung 174 ff., 192 ff., 293 f. – Grundsatz der Gebietsausschließlichkeit 81 f., 168 ff. – Territorialitätsprinzip siehe Territorialitätsprinzip – Verhältnis zur territorialen Souveränität 79 ff. – Wahrnehmung der ~ 174 ff., 192 ff. Genuine link siehe Territorialitätsprinzip Harmon-Doktrin
59 f.
Interventionsverbot – Begriff 55 ff., 232 ff.
– Intervention durch Rechtsetzung 233 ff. – Verhältnis zum Souveränitätsprinzip 60 ff. Personalitätsprinzip – Begriff 218 ff. – Normative Anknüpfung 282 f. Personalhoheit – Begriff 77 f. – Gebietsbezug 190 f., 194 f., 293 f. – Staatsangehörigkeit siehe Staatsangehörigkeit – Verhältnis zur Gebietshoheit 194 ff. – Wahrnehmung der ~ 190 f., 194 ff. Prinzip absoluter territorialer Integrität 59 f. Rechtsetzungsgewalt siehe auch Staatsgewalt und Steuergewalt – Bedeutung des Souveränitätsprinzips 50 ff., 55 ff., 95 ff., 196 ff., 259 ff. – Begrenzung durch das Gebot von Treu und Glauben siehe Treu und Glauben – Begriff 43 ff., 83, 174 ff. – Erscheinungsformen 83 ff. – Gebot der hinreichend engen Verknüpfung 164 ff., 216 ff. – Genuine link 164 ff., 216 ff. – Grenzen der extraterritorialen Erstreckung der ~ 216 ff, 259 ff. – Inhalte der Rechtsetzung 87 ff. – Lotus-Urteil 160 ff. – Nottebohm-Urteil 239 ff. – Spannungsfeld extraterritorialer Rechtsetzung 259 ff. – Territoriale Reichweite 156 ff., 189 f., 196 ff. – Verhältnis zur Rechtsdurchsetzungsgewalt 146 ff., 249 ff. – Willkürverbot siehe Willkürverbot
Sachverzeichnis Rechtsnorm – Extraterritorialität einer ~ siehe Extraterritorialität – Fiskalzwecknorm 100 ff. – Geltung 144, 146 ff., 180 f. – Geltungsbereich 144, 146 ff., 180 f., 191 ff. – Lenkungszwecknorm 102 ff. – Rechtsfolge 86 f., 135 ff., 145 f., 148 ff. – Rechtsfolgenanordnung 86 f. – Rechtsfolgenbereich 145 – Regelung 84 – Regelungsanliegen 84 f., 294 ff. – Regelungsbereich 144 f., 146 ff. – Regelungsinteresse 84 f. – Regelungsmaßstab 84 f., 293, 294 ff. – Tatbestand 86, 131 ff. – Vereinfachungszwecknorm 104 – Vollständigkeit einer ~ 138 ff. Rechtsmissbrauchsverbot – Begriff 231 ff., 236 ff. – Estoppel 231 f. – Verhältnis zu Treu und Glauben siehe Treu und Glauben
Schutzprinzip – Begriff 218 ff. – Normative Anknüpfung 291 ff. Staat – Historische Entstehung 30 ff. – Rechtsbegriff 37 ff. – Souveränität des ~ siehe Souveränität – ~gebiet siehe Staatsgebiet – ~gewalt siehe Staatsgewalt – ~volk siehe Staatsangehörigkeit – Verfassung 47 ff. – Völkerrechtsbindung 49 ff., 66 ff. Staatsangehörigkeit – Begriff 41 ff. – Doppelte Staatsangehörigkeit 244 ff. – Effektive Staatsangehörigkeit 244 ff. – Fremdenrecht 82 f., 273 – Gewährung diplomatischen Schutzes 239 ff. – Personalhoheit siehe Personalhoheit – Personalitätsprinzip siehe Personalitätsprinzip
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– Staatsangehörigkeitsbezogene Regelungsanliegen 279 ff. – Staatsvolk 41 ff. Staatsgebiet – Begriff 39 ff. – Gebietshoheit siehe Gebietshoheit – Grundsatz der Gebietsausschließlichkeit siehe Gebietshoheit – Staatsgebietsbezogene Regelungsanliegen 283 ff. – Territoriale Souveränität siehe Gebietshoheit Staatsgewalt siehe auch Rechtsetzungsgewalt – Allgemein-staatsbezogene Anliegen 290 ff. – Begriff 43 ff. – Effectivités à titre de souveraineté siehe Souveränität – Erscheinungsformen 43 ff., 83 – Gebietshoheit siehe Gebietshoheit – Inhalt der Staatsgewalt 87 ff. – Kernbereich 60 ff. – Personalhoheit siehe Personalhoheit – Rechtsetzungsgewalt siehe Rechtsetzungsgewalt – Steuergewalt siehe Steuergewalt – Territoriale Souveränität siehe Gebietshoheit Staatsvolk siehe Staatsangehörigkeit Steuergewalt – Abgrenzung 98 ff. – Äquivalenzprinzip 199 ff., 223 ff., 310 – Doppelbesteuerung 264 ff. – Einkommensteuer 305 ff. – Finanztransaktionsteuer 313 ff. – Gebot der hinreichend engen Verknüpfung 222 ff., siehe auch Rechtsetzungsgewalt – Leistungsfähigkeitsprinzip 226 f., 310 – Luftverkehrsteuer 311 ff. – Prinzip der wirtschaftlichen Zugehörigkeit 223 ff., 310 – Völkergewohnheitsrechtliche Bindungen 199 ff., 209 ff., 213 ff. Souveränität – Achtungsanspruch 54 f., 268 ff. – Bedeutung 50 ff., 66 ff. – Doppelbesteuerung 264 ff.
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Sachverzeichnis
– Effectivités à titre de souveraineté siehe Staatsgewalt – Einwirkungen extraterritorialer Rechtsetzung 259 ff. – Gewaltverbot 55 ff. – Interventionsverbot siehe Interventionsverbot – Rechtsprinzip 55, 66, 72 ff., 268 ff. – Souveräne Gleichheit 53 f., 259 ff. – Territoriale ~ siehe Gebietshoheit, Verhältnis zur territorialen Souveränität – Treu und Glauben 268 ff. Tatbestand siehe Rechtsnorm Territorialitätsprinzip – Enges ~ 157 ff. – Lotus-Urteil 160 ff. – Normative Anknüpfung 289 ff. – Nottebohm-Urteil 239 ff. – Steuerrecht siehe Steuergewalt – Verhältnis zum Wirkungsprinzip 169 f. – Völkergewohnheitsrecht 247 ff.
– Weites ~ 195 ff., 216 ff. Treu und Glauben – Begriff 270 ff. – Grenze extraterritorialer Rechtsetzung 268 ff. – Verhältnis zum Rechtsmissbrauchsverbot 238 Universalitätsprinzip – Begriff 216 ff. – Normative Anknüpfung
291 ff.
Willkürverbot – Begriff 272 ff. – Grenze extraterritorialer Rechtsetzung 274 ff., 294 ff. – Verhältnis zum Fremdenrecht 273 Wirkungsprinzip – Begriff 160 ff., 216 ff. – Normative Anknüpfung 289 ff. – Verhältnis zum Territorialitätsprinzip 169 f.