Die Eschatologie in der Sapientia Salomonis 9783161511240, 9783161494598

Inwieweit kann innerhalb der Sapientia Salomonis von einer einheitlichen eschatologischen Konzeption gesprochen werden u

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Vorwort
Inhaltsverzeichnis
1. Kapitel: Einleitung
1.1 Forschungsüberblick und Ziel der Arbeit
1.2 Der Begriff Eschatologie
1.2.1. Allgemein
1.2.2. Eschatologie im Alten Testament
1.2.3. Religionswissenschaftlich
1.2.4 Eschatologie und Apokalyptik
1.3 Das Diasporajudentum in Alexandria
1.3.1 Die Entwicklung einer jüdischen Diaspora in Alexandria
1.3.2 Historische Ereignisse innerhalb des Römischen Reiches
1.3.3 Das Judentum in Ägypten im Kontext historischer Ereignisse
1.4 Einleitungsfragen zur Sapientia Salomonis
1.4.1 Litearische Integrität und Gattung
1.4.2 Zeit und Ort der Sapientia Salomonis
1.4.3 Die Adressaten
2. Kapitel: Exegese
2.1 Sapientia Salomonis 1: Die Liebe zur unsterblichen Gerechtigkeit
2.1.1 Strukturanalyse
2.1.2 Einzelexegese
2.1.3 Der Begriff „Seele“ als Ausdruck eines ganzheitlichen Menschenbildes
a) Der griechische Begriff ψυχή
b) Der Begriff ψυχή im alten Testament und im antiken Judentum
c) Die Sapientia Salomonis
2.1.4 Die unsterbliche Gerechtigkeit
a) Der Begriff δικαιοσύνη im Hellenismus
b) הקרע im Alten Testament
c) Die Sapientia Salomonis
2.1.5 Die Begriffe Tod und Hades
a) Personifikation des Hades und Ambiguität des Todes?
b) Ätiologie des Todes I (Sap 1,13...16)
2.1.6 Sap 1 als eschatologisches Programm
2.2 Sapientia Salomonis 2: Das Reden der Gottlosen und der Tod
2.2.1 Strukturanalyse
2.2.2 Einzelexegese
2.2.3 Die Gegner in Sap 2
2.2.4 Die Begriffe άθανασία und άφθαρσία
a) Im Hellenismus
b) Im hellenistischen Judentum
c) In der Sapientia Salomonis
2.2.5 Gott schuf den Menschen zur Unvergänglichkeit (Sap 2,23). Eschatologie und Menschenbild in Sap 2
2.2.6 Ätiologie des Todes II (Sap 2,24)
2.3 Sapientia Salomonis 3-4: Gerechte und Gottlose im Eschaton
2.3.1 Strukturanalyse
2.3.2 Einzelexegese
2.3.3 Tod nur dem Anschein nach
2.3.4 Das Gericht in Sap 3 und 4
a) Die zeitliche Abfolge der Ereignisse
b) Heimsuchung, Entscheidung, Untersuchung. Ein Gericht oder verschiedene Gerichtsszenarien?
c) Das Schicksal der Gerechten und der Gottlosen im Sterben und im Gericht
d) Auferstehung der Toten oder Unsterblichkeit der Seele
2.4 Sapientia Salomonis 5: Gottes Kampf mit der Schöpfung
2.4.1 Strukturanalyse
2.4.2 Einzelexegese
2.4.3 Der Abschluss des Gerichtszenarios in Sap 5
a) Sap 5,1–16 als Fortsetzung zu Sap 3,1–12;4, 17–20
b) Die Darstellung des Gerichtes in Sap 3,1–12;4,17–5,16 und ihr Hintergrund
c) Der Kampf Gottes und des Kosmos (Sap 5, 17–23)
2.5 Sapientia Salomonis 6: Unvergänglichkeit durch das Gesetz
2.5.1 Strukturanalyse
2.5.2 Einzelexegese
2.5.3 Ihr habt das Gesetz nicht gehalten (Sap 6,4). Der Begriff νόμος
2.5.4 Die Unvergänglichkeit und das Gesetz (Sap 6,18)
2.5.5 Gerichtsandrohung an die Adressaten der Sapientia Salomonis
2.6 Exegese von Sap 7,1–11,1
2.6.1 Stukturanalyse
2.6.2 Die Weisheit
2.6.3 Eschatologische Themen in Sap 6,22–11,1
a) Die Bedeutung der Weisheit für die Eschatologie der Sapientia Salomonis
b) Menschenbild
2.7 Exegese von Sap 11,2–19,22
2.7.1 Strukturanalyse
2.7.2 Eschatologische Themen in Sap 11,2–19,22
a) Das erzieherische Strafhandeln Gottes
b) Gott als Herr über Leben und Tod
c) Vergänglichkeit oder Unvergänglichkeit menschlichen Lebens
d) Die Profilierung des eschatologischen Szenarios in Sap 1,1–6,21 durch Sap 11,2-19,22
2.8 Alttestamentliche oder hellenistische Einflüsse?
3. Kapitel: Das theologische und religiöse Umfeld der Sapientia Salomonis
3.1 Philo
3.1.1 Einführung
3.1.2 Vergleich mit der Sapientia Salomonis
a) Menschenbild
b) Unsterblichkeit
c) Der Tod
d) Gericht
3.1.3 Zusammenfassung
3.2 Jüdische Grabinschriften
3.2.1 Einführung
a) Literarische und epigraphische Zeugnisse im Vergleich
b) Einführung in die Inschriften
c) Die Ausgrabungsorte Alexandria und Leontopolis
d) Exkurs: Die Ossuarien
3.2.2 Die eschatologischen Aussagen der Grabinschriften und der Sapientia Salomonis im Vergleich
a) Schmerz und Klage über den Tod des Verstorbenen
b) Inschriften, die das Liegen im Grab beinhalten
c) Inschriften, die auf die Unterwelt Bezug nehmen
d) Inschriften, die positive Jenseitserwartungen spiegeln
3.2.3 Exkurs: Grab-und Ossuarieninschriften aus Palästina
3.2.4 Zusammenfassung
4.Kapitel: Ertrag. Das Proprium der Eschatologie in der Sapientia Salomonis
Literaturverzeichnis
Hilfsmittel
Quellen und Textausgaben
Sekundärliteratur
Stellenregister
Altes Testament
Septuaginta
Neues Testament
Philo
Weitere jüdische und christliche Schriften
Namenregister
Sachregister
Griechische und lateinische Autoren
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Die Eschatologie in der Sapientia Salomonis
 9783161511240, 9783161494598

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MAREIKE VERENA BUSCHKE

Die Eschatologie in der Sapientia Salomonis

Forschungen zum Alten Testament 2. Reihe 26

Mohr Siebeck

Forschungen zum A1ten Testament 2. Reihe Herausgegeben von Bernd Janowski (Tübingen) . Mark S. Smith (New York) Hermann Spieckermann (Gbttingen)

26

Mareike Verena Blischke

Die Eschatologie in der Sapientia Salomonis

Mohr Siebeck

MAREIKE VERENA BUSCHE.:E, geboren 1977; Studium der ev.1heologie in Mainz, Gottingen, Jerusalem lllld Halle; 2007 Prornotion; seit September 2007 Vikarin in der Evangelischen Kirche in Mitteldeutsch1and.

e-ISBN PDP 978-3-16-151124-0 ISBN 978-3-16-149459-8 ISSN 1611-4914 (Forschllllgen zum Alten Testament, 2. Reihe) Die Deutsche Bibliothek verzeiclmet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2007 Mohr Siebeck, Tübingen. Das Werk einsch1ieBlich aller seiner Teile ist urheberrecht1ich geschützt. Jede Verwertllllg auBerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist olme Zustimmllllg des Ver1ags unzulassig lllld strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfaltigllllgen, Übersetzllllgen, Mikroverfilmungen lllld die Einspeicherllllg lllld Verarbeitllllg in elektromschen Systemen. Das Buch wurde von Laupp & Gobel in Nehren auf alterllllgsbestandiges Werkdruckpapier gedruckt lllld von der Buchbinderei Nadele in Nehren gebllllden.

Für Folker und PauI Asmus

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2007 vom Fachbereich Evangelische Theologie der Georg August Universitat G6ttingen als Dissertation angenommen. Das Rigorosum hat am 9. Mai 2007 stattgefunden. Mein herzlicher Dank gilt all denen, die mich in den vergangenen drei J ahren unterstützt haben. An erster Stelle danke ich meinem Doktorvater Professor Hermal1l1 Spieckennal1l1. Er hat mir bei der Arbeit an der Sapientia Salomonis den gr6Btm6glichen Freiraum gelassen, mich aber dennoch stets geduldig und mit gutem Rat begleitet. Ihm verdanke ich auch, zusammen mit Professor Bemd Janowski und Professor Mark S. Smith, die Aufnahme dieser Dissertation in die vorliegende zweite Reihe der FOfschungen zum Alten Testament. AuBerdem danke ich Professor Reinhard G. Kratz, der das Zweitgutachten zu meiner Arbeit erstellt hat und von dem ich viele wertvolle Hinweise zu inhaltlichen Fragen und zu methodischem Vorgehen erhalten habe. Professor Hermann Spieckermann und Prof. Reinhard G. Kratz danke ich weiterhin für die Aufnahme in das G6ttinger Graduiertenkolleg "G6tterbilderGottesbilder-Weltbilder. Monotheismus und Polytheismus in der Welt der Antike", in dessen Rahmen ich nicht nur viele neue Erkenntnisse gewonnen, sondem auch wichtige Impulse für meine Arbeit empfangen habe. In diesem Zusammenhang gilt mein Dank auch der Deutschen Forschungsgemeinschaft für die finanzielle Unterstützung wahrend meiner Promotionszeit. GroBer Dank gilt ebenso den bei den geduldigen Leserinnen meines Manuskriptes Anke Wewer und Gabriele Tischer, die mir in der Abschlussphase meiner Arbeit mit ihrem Wissen zur Seite standen. Herzlich danke ich auBerdem meinen Eltem fur alle erfahrene Unterstützung. Besonderen Anteil an der Entstehung dieses Buches hat mein Mann, Dr. Folker Blischke, der mir stets mit weisem Rat, groBer Geduld, Zuversicht und Humor zur Seite steht und der mir so den Weg zur Promotion um vieIes leichter gemacht hat. Für seine Liebe und Freundschaft sei ihm nicht nur an dieser Stelle von ganzem Herzen gedankt. Gemeinsam mit unserem Sohn PauI Asmus, der wahrend der Arbeit an der Sapientia Salomonis geboren wurde, hat er auBerdem dazu beigetragen, dass ich bei aller Beschaftigung mit der alten Weisheit und dem Eschaton das Leben im Hier und Jetzt und seine Sch6nheit nicht aus den Augen verloren habe. Zum Dank dafür ist beiden dieses Buch gewidmet.

Inhaltsverzeichnis V OlWOrt .......................................................................................................... VII Inha1tsverzeichnis ........................................................................................... IX 1. Kapitel: Ein1eitung ........................................................................................ 1 1.1 Forschungsüberb1ick und Zie1 der Arbeit ................................................... 1 1.2 Der BegriffEschato1ogie ............................................................................ 7 1.2.1 Allgemein ........................................................................................... 7 1.2.2 Eschato1ogie im Alten Testament ........ ................................... ........... 8 1.2.3 Re1igionswissenschaftlich ................................................................ 9 1.2.4 Eschato1ogie und Apoka1yptik ....................................................... 10 1.3 Das Diasporajudentum in A1exandria .................................................... 12 1.3.1 Die Entwick1ung einer jüdischen Diaspora in A1exandria ........... 12 1.3.2 Ristorische Ereignisse innerha1b des R6mischen Reiches ........... 17 1.3.3 Das Judentum in Agypten im Kontext historischer Ereignisse ....... 20 1.4 Ein1eitungsfragen zur Sapientia Sa1omonis .............................................. 25 1.4.1 Litearische Integritat und Gattung ................................................. 25 1.4.2 Zeit und Grt der Sapientia Sa1omonis .......................................... .44 1.4.3 Die Adressaten ............................................................................... .47 2. Kapitel: Exegese ......................................................................................... 50 2.1 Sapientia Sa1omonis 1: Die Liebe zurunsterb1ichen Gerechtigkeit.. ....... 51 2.1.1 Strukturana1yse ............................................................................... 51 2.1.2 Einze1exegese ................................................................................. 53 2.1.3 Der Begriff "See1e" a1s Ausdruck eines ganzheitlichen Menschenbildes .............................................................................. 60 a) Der griechische Begrifflļrux~ ............................................................... 61 b) Der Begrifflļrux~ im Alten Testament lUld im antiken Judentum ................ 62

c) Die Sapientia Salomonis ................................................................... 65

2.1.4 Die unsterbliche Gerechtigkeit ...................................................... 68 a) Der Begriff OlK(UOOUVl1 im Hellenismus ................................................ 68 b) :-ri?,;r~ im Alten Testmnent .................................................................. 69

c) Die Sapientia Salomonis ................................................................... 71

2.1.5 Die Begriffe Tod und Rades .......................................................... 80 a) Personifikation des Hades und Ambiguitat des Todes? .................... . ........ 80 b) A.tiologie des Todes 1 (Sap 1,13-16) ..................................................... 86

2.1.6 Sap 1 a1s eschato1ogisches Programm ........................................... 88 2.2 Sapientia Sa1omonis 2: Das Reden der Gott1osen und der Tod ................ 89

x

Inhaltsverzeichnis

2.2.1 Strukturanalyse ..................... ................................... ....................... 89 2.2.2 Einzelexegese ................................................................................. 90 2.2.3 Die Gegner in Sap 2 .................................................. ..................... 103 2.2.4 Die Begriffe &eavao[a und &q,8apo[a ............................................ l07 a) Im Hellenismus ........................................................ . .................... 1 08 b) Im hellenistischen Judentum ........................................................... 1 09 c) In der Sapientia Salomonis .............................................................. 1 09

2.2.5 Gott schuf den Menschen zur Unverganglichkeit (Sap 2,23). Eschatologie und Menschenbild in Sap 2 ...................................... 110 2.2.6 A.tiologie des Todes II (Sap 2,24) ............................................... 114 2.3 Sapientia Salomonis 3-4: Gerechte und Gottlose im Eschaton .............. 116 2.3.1 Strukturanalyse ............................................................................. 116 2.3.2 Einzelexegese ............................................................................... 118 2.3.3 Tod nur dem Anschein nach ........................................................ 130 2.3.4 Das Gericht in Sap 3 und 4 ..................................... ..................... 130 a) Die zeitliche Abfolge der Ereignisse ................................................... 130 b) HeimsuchlUlg, Entscheidung, UntersuchlUlg. Ein Gericht ooer verschiedene Gerichtsszenarien? ................................ 133 c) Das Schicksal der Gerechten und der Gottlosen im Sterben und im Gericht .............................................................................. 135 d) Auferstehung der Toten oder Unsterblichkeit der Seele .......................... 138

2.4 Sapientia Salomonis 5: Gottes Kampfmit der Sch6pfung ..................... 140 2.4.1 Strukturanalyse ............................................................................. 140 2.4.2 Einzelexegese ............................................................................... 141 2.4.3 Der Abschluss des Gerichtszenarios in Sap 5 ............................. 150 a) Sap 5,1-16 aIs Fortsetzung zu Sap 3,1-12; 4,17-20 ............................... 150 b) Die Darstellung des Gerichtes in Sap 3,1-12; 4,17-5,16 und ihr Hintergrund ....................................................................... 151 c) Der KampfGottes und des Kosmos (Sap 5,17-23) ................................ 154

2.5 Sapientia Salomonis 6: Unverganglichkeit durch das Gesetz ................ 155 2.5.1 Strukturanalyse ............................................................................. 155 2.5.2 Einzelexegese ............................................................................... 156 2.5.3 Ihr habt das Gesetz nicht gehalten (Sap 6,4). Der Begriffv6~os ......................................................................... 161 2.5.4 Die Unverganglichkeitund das Gesetz (Sap 6,18) ..................... 168 2.5.5 Gerichtsandrohung an die Adressaten der Sapientia Salomonis ..................................................................... 169 2.6 Exegese von Sap 7,1-11,1 .................................................................... 171 2.6.1 Strukturanalyse ........................................................ ..................... 171 2.6.2 Die Weisheit ............................................................ ..................... 173 2.6.3 Eschatologische Themen in Sap 6,22-11,1 ................................ 178 a) Die Bedeutlmg der Weisheit für die Eschatologie der Sapientia Salomonis ................................................................. 178 b) Menschenbild ........................................................... . .................... 180

2.7 Exegese von Sap 11,2-19,22 .................................................................. 182

Inhaltsverzeichnis

XI

2.7.1 Strukturanalyse ............................................................................. 182 2.7.2 Eschatologische Themen in Sap 11,2-19,22 .......... .................... 185 a) Das erzieherische Strafhandeln Gottes ................................................. 185 b) Gott als Herr über Leben und Tcxl ...................................................... 188 c) Verganglichkeit oder Unverganglichkeit menschlichen Lebens ................ 189 d) Die Profilierung des eschatologischen Szenarios in Sap 1,1-6,21

dureh Sap 11,2-19,22 ..................................................................... 190 2.8 Alttestamentliche oderhellenistische Einflüsse? ................................... 191 3. Kapitel: Das theologische und religiose Umfeld der Sapientia Salomonis .. 203

3.1 Philo ........................................................................................................ 203 3.1.1 Einführung .................................................................................... 203 3.1.2 Vergleich mit der Sapientia Salomonis ....................................... 207 a) Menschenbild ............................................................ . ................... 209 b) Unsterblichkeit. ......................................................... . ................... 213

e) Der Tod ........................................................................................ 215 d) Gerieht. ........................................................................................ 217 3.1.3 Zusammenfassung ........................................................................ 219 3.2 Jüdische Grabinschriften ...................................................................... 223 3.2.1 Einführung .................................................................................... 223 a) Literarische und epigraphische Zeugnisse im Vergleich .......................... 223 b) Einführung in die Inschriften ........................................................... 225 c) Die Ausgrabungsorte Alexandria und Leontopolis ............................... 227 d) Exkurs: Die Ossuarien .................................................................... 230

3.2.2 Die eschatologischen Aussagen der Grabinschriften und der Sapientia Salomonis im Vergleich ................................... 233 a) Schmerz und Klage über den Tod des Verstorbenen ........... . ................... 233 b) Inschriften, die das Liegen im Grab beinhalten ................. . ................... 240 c) Inschriften, die auf die Unterwelt Bezug nehmen ................................... 242 d) Inschriften, die positive Jenseitserwartungen spiegeln ............................ 246

3.2.3 Exkurs: Grab-und Ossuarieninschriften aus Palastina ............... 250 3.2.4 Zusammenfassung ........................................................................ 260 4. Kapitel: Ertrag. Das Proprium der Eschatologie in der Sapientia Salomonis .................................................................................... 264

Literaturverzeichnis ...................................................................................... 271 Stellenregister ............................................................................................. 293 N amenregister ................ ......................................................... ................... 306 Sachregister ................................................................................................. 308

Kapitel 1

Einleitung 1.1 F orschungsüberblick und Ziel der Arbeit Bereits 1978 konstatierte Fischer im VOlwort seines Buches "Eschatologie und Jenseitserwartung im hellenistischen Diasporajudentum", dass es wenig sinnvoll sei, "solche Schriften noch einmal zu behandeln, deren eschatologische Konzeption bereits gründlich erforscht ist, wie Sapientia Salomonis, Testament Hiob und das 3. Buch der sibyllinischen Orakel".l

In Anbetracht dieses Urteils scheint es n6tig zu sein, einen kurzen Überblick über die bisher zum Thema vorhandene Literatur zu geben. Betrachtet man die Literatur der letzten hundert Jahre, so fallt tatsachlich auf, dass seit der Wende vom 19. zum 20. Jh. die Zahl der Aufsatze, die in irgendeiner Fonn mit der Eschatologie in der Sapientia Salomonis in Beziehung stehen, zugenommen hat. 2 Ebenso muss aber auffallen, dass die Zahl der Titel, die sich tatsachlich mit der Eschatologie dieser Schrift auseinandersetzen, sehr beschrankt ise und sich unter ihnen nur eine einzige, zudem franzosischsprachige, Monographie befindet 4 Weiterhin handelt es sich nahezu ausschlieBlich um Forschungsbeitrage der katholischen Wissenschaft, die gerade in Bezug auf eschatologische Fragen oft einen anderen Blickwinkel einnimmt als die evangelische Theologie 5 Unter den diFISCHER, Eschatologie, S. 8f. Wobei ein gro.l3er Teil der in den letzten zehn Jahren zum Thema ver6ffentlichen Aufsatze Teil der 1999 erschienenen Festschrift für M. Gilbert ist. Vgl. D'ALARIO, La retlexion sur Ie sens de la vie, S. 313-330; KOLARCIK, Universalism and Justice, S. 289301; NOBILE, La thematique eschatologique, S. 302-312; RAURELL, MKAIOL:YNH, S. 331-349. 3 GRELOT, L'eschatologie, S. 165-178; LAGRANGE, Livre de la Sagesse, S. 85-104; NOBILE, La tMmatique eschatologique, S. 302-312; ROMANIUK, Eschatologie, S. 198211; SCHÜTZ, Les idees; TA YLOR, Eschatological Meaning, S. 72-173. 4 SCHÜTZ, Les idees. 5 Die henneneutischen Voreinstellungen in eschatologischen Fragen sind wesentlich verschieden. Dies kann exemplarisch an dem Begriff "Seele" verdeutlicht werden. So ist auf katholischer Seite seit 1979 in einem mit papstlicher Approbation erlassenen Lehrschreiben der r6mischen Glaubenskongregation "Zu einigen Fragen der Eschatologie" festgeschrieben, dass nach dem Tod die Subsistenz eines geistigen Elementes fortdauert, das mit Bewusstsein und Willen ausgestattet ist und in dem das "Ich" des Menschen weiter besteht. Vgl. Haag, Seele, S. 31. Ebenso spielt der Begriff "Seele" in der Lehre 1

2

2

Kapitell: Einleitung

rekt mit der Eschato1ogie der Sapientia Sa1omonis befassten Beitragen ist auBerdem kaum einer jünger a1s dreiBig Jahre 6 Neben diesen Abhand1ungen zur Eschatologie in umfassendem Sinne gibt es verschiedene Aufsatze, die sich einzelnen Unterthemen der Eschatologie widmen. Hier sind vor allem die Arbeiten zur Unsterb1ichkeit der See1e7 und zum Gericht8 zu nennen. An dieser Stelle sollen nun ein kurzer Einblick in die wichtigsten der oben genannten Monographien sowie ein Überblick über die Arbeiten, die sich tatsachlich auf die Eschatologie der Sapientia Salomonis beziehen, gegeben werden. Die weiteren Arbeiten werden an entsprechender Stelle in die Diskussion miteinbezogen. Die beiden ersten Arbeiten, die sich mit eschatologischen Themen innerhalb der Sapientia Salomonis befassten, waren die Monographie von Schütz "Les idees eschato1ogiques du livre de la Sagesse" aus dem Jahr 1935 und die Abhand1ung von Bückers "Die Unsterb1ichkeits1ehre des Weisheitsbuches. Ihr Ursprung und ihre Bedeutung" (1938). Schütz hat in seinem Werk samtliche zur Eschatologie gehorenden Themenkomplexe untersucht. Dabei war sein Vorgehen allerdings weitgehend davon geleitet, den Vorstellungshorizont des Buches überhaupt a1s einen eschato1ogischen zu erweisen. In seinen AuBerungen positioniert er sich vor allem gegen die Ansichten, die Weber in B1ick auf See1e und Unsterblichkeit vertrat9 Zwar sind seine Beobachtungen in weiten Teilen auch heute noch relevant, problematisch ist jedoch, dass er die Sapientia Salomonis überhaupt nicht in ihrem Kontext situiert. So untersucht er sogar Verbindungen zum Alten Testament nur in wenigen Fallen, und für den hellenistischen Kontext ervom Purgatorium und von einem eventuellen Zwischenzustand vor dem endgültigen Gericht innerhaIb der katholischen Theologie eine entscheidende Rolle. V gl. VERWEYEN, Diskussionsstand, S. 15-30. Auf protestantischer Seite wird der SeeIenbegriff dagegen zunehmend als probIematisch empfunden, da so der Akt der Auferstehung, und damit eIementar verbunden eben auch Christi Tod und Auferstehung abgewertet werden. Vor alIem Jüngel hat in seinem Buch "Tod" entschieden dafür pl1idiert, sich von der VorstelIung der Fortexistenz der SeeIe nach dem Tod zu trennen. Vgl. JÜNGEL, Tod, S. 57ff. Auch Joest will nur noch aus "seelsorgerlichen Gründen" an dem Reden von einer UnsterbIichkeit der SeeIe festhaIten, und dies auch nur dann, wenn man die UnsterbIichkeit der SeeIe so versteht, dass Gott durch den Tod hindurch die Identiilit des Menschen bewahrt. Vgl. JOEST, Dogmatik II, S. 382. 6 Einzige Ausnahme ist der Aufsatz von NOBILE, La tMmatique eschatologique. 7 Hier seien vor allem die beiden umfassenden deutschsprachigen Beitrage genannt. Vgl. WEBER, UnsterbIichkeit, S. 409-444 und vor allem BÜCKERS, UnsterbIichkeitsIehre. Die neuste Auseinandersetzung mit diesem Thema bietet RAURELL, MKAIOL:YNH, S. 331-349. 8 HEINISCH, Gericht, S. 89-106; KOLARCIK, UniversaIism and Justice; MCGLYNN, Judgement; PREMSTALLER, Gericht. 9 Vgl. WEBER, UnsterbIichkeit; DERS., SeeIenIehre.

1.1 Forschungsüberblickund Ziel der Arbeit

3

wahnt er allein Platon, gegen des sen Seelenlehre er sich allerdings in Opposition zu Weber abgrenzt. lO Bückers sieht die eschatologische Konzeption der Sapientia Salomonis vor allem durch zwei Grundideen bestimmt, namlich durch die Unsterblichkeitslehre und die Gerichtsidee,l1 wobei er in seinen Untersuchungen, die sich fast ausschlieBlich auf den ersten Teil des Buches beziehen, einen deutlichen Schwerpunkt auf den Gedanken der Unsterblichkeit Ieg!, wodurch er der Intention der Sapientia Salomonis aber nicht gerecht wird. Im Gegensatz zu Schütz lasst er seinen Exegesen einen religionsgeschichtlichen Vergleich folgen, in dem er der Sapientia Salomonis ein breites Spektrum von Vorstellungen des Alten Testaments und des Judentums, agyptischer Mysterienreligionen und des Zoroastrismus sowie griechischer Autoren gegenüberstellt. Da er aber einlinige Entsprechungen zwischen der Sapientia Salomonis und den von ihm herangezogenen Vergleichsgr6Ben erwartet, bleibt diese Untersuchung zu oberflachlich und ohne Ertrag. 12 Der 1952 in Studia Catholica erschienene Aufsatz von Hulsbosch soll anhand der Sapientia Salomonis die Entwicklung eschatologischer Vorstellungen vom Alten zum Neuen Testament aufzeigen. Hulsbosch sieht in der Sapientia Salomonis die Zwischenstation par excellence zwischen den beiden Testamenten, deren Gedanken zu Leben und Tod, die sie durch die Auseinandersetzung mit den Schriften des Alten Testamentes gewonnen hat, bei Paulus oder Johannes ohne weitere Erganzungen oder Neuerungen wiederzufinden seien. 13 Abgesehen davon, dass sich der Übergang von alttestamentlichen zu neutestamentlichen Vorstellungen sicherlich nicht allein an der Sapientia Salomonis festmachen lasst, bietet der Überblick Hulsboschs auch keinen wirklichen Einblick in die eschatologischen Vorstellungen der Sapientia Salomonis. Er befasst sich eher mit den anthropologischen Voraussetzungen der eschatologischen Gedanken, die sich in der Sapientia Salomonis finden. In den 60er Jahren hat Taylor einen relativ kurzen Entwurf zur Eschatologie in der Sapientia Salomonis vorgelegt. 14 Taylor hat vor allem das Vorgehen der Sapientia Salomonis, eschatologische Aussagen vor dem Hintergrund des Alten Testaments zu entwickeln und auBerdem gleichzeiVgl. SCHÜTZ, Les idees, s. 32ff. BÜCKERS, Unsterblichkeitslehre, S. 47. 12 "Darum bleibt die Frage nach dem Ursprung der Unsterblichkeitslehre des Weisheitsbuches bestehen". BÜCKERS, Unsterblichkeitslehre, S. 180. 13 "Het Boek der Wijsheid betekent de beslissende stao van de oud-testamentische naar de nieuw-testamentische eschatologie: Johannes en Paulus zegen over het leven en de dood niet meer dan wat het Boek der Wijsheid reeds heeft voorgezegd." HULSBOSCH, Eschatologie, S. 123. 14 TAYLOR, Eschatological Meaning, S. 72-137. 10

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Kapitell: Einleitung

tig den Sprachgebrauch ihres griechisch-hellenistischen Umfe1des aufzunehmen, in weiten Teilen bereits erkannt, auch wenn er sich nicht explizit zur Intention der Sapientia Salomonis auBert. Seine Untersuchung ist allerdings sehr stark auf die Aspekte Leben und Tod ausgerichtet, so dass andere Bereiche der Eschato10gie, vor allem die Bedeutung des Gerichtes und des richtenden Handeln Gottes, für den Gesamtzusammenhang der Sapientia Salomonis überhaupt nicht untersucht werden. Ebenfalls aus den 60er Jahren stammt die in der Zeitschrift "Bibe1 und Leben" erschienene kurze Übersicht Romaniuks über die Eschatologie der Sapientia Salomonis. Romaniuk behandelt vor allem die Frage, ob sich in der Sapientia Salomonis die Lehre von der Auferstehung oder von der Unsterb1ichkeit der See1e findet. Damit rOckt er einen Sachverha1t in den Mitte1punkt der Wahmehmung, der gar nicht im Hauptinteresse der Sapientia Salomonis liegt. Einen Versuch, die Sapientia Salomonis im Rahmen ihrer Umwelt zu untersuchen, untemimmt er erst gar nicht. Die neueste Arbeit, die sich vor allem mit dem Gericht befasst, dabei aber auch andere Aspekte der Eschato10gie im Rahmen der Exegesen der einze1nen Buchtei1e kurz mit aufgreift, stammt von McG1ynn. McG1ynn geht bei der Untersuchung von "Divine Judgement und Divine Benevolence" von dem Exkurs über die Gnade Gottes in Sap 11,15-12,27 aus, der von ihr als "key passage" interpretiert wird. 15 McGlynn untersucht von diesem Exkurs ausgehend die drei Teile der Sapientia Sa10monis und behande1t dementsprechend vor allem im Rahmen der Untersuchung des ersten Teiles auch eschatologische Themen. Die eigentlichen Ergebnisse ihrer Arbeit beziehen sich aber auf forma1e und inha1tliche Verbindungen der einzelnen Teile untereinander. Die fonnale Verbindung sieht sie in von ihr sogenannten "aetio10gica1 questions" in Sap 5,5.6; Sap 8,5-6; Sap 9,13-17 und Sap 11,21.25; 12,12.20, die inha1tlich jewei1s weiterführen 16 [nha1t1ich bestehen Zusammenhange darin, dass das Vo1k [srae1 im dritten Tei1 der Sapientia Salomonis den Gerechten des ersten Teiles reprasentiert und gleichzeitig die Rolle einnimmt, die im zweiten Tei1 die Weisheit gespie1t hat. Die Weisheit hat das V olk [srae1 dazu geführt, Gott ahn1ich zu sein, und Israel ist nun selbst das Vorbild da:für, wie dieses Ziel zu erreichen ist I7 V or allem diese [nterpretation des V olkes [srae1s a1s Beispie1 für ein Leben in Weisheit, wie es im zweiten Teil der Sapientia Salomonis dargestellt und gewürdigt wird, 1asst sich anhand des Textes jedoch nicht be1egen. McG1ynn sieht auBerdem in dem Aufruf in Sap 1,1, die Gerechtigkeit zu lieben, unzutreffenderweise einen Ruf zu sozialer Gerechtigkeit und zur

MCGLYNN, Judgement, S. 30. Vgl. MCGLYNN, Judgement, S. 5-8.220. 17 V gl. MCGLYNN, Judgement, S. 221. 15

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1.1 Forschungsüberblickund Ziel der Arbeit

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Verwirklichung des idealen K6nigtums 18 und betont die AuBenwirkung der Sapientia Salomonis. Damit wird sie der Sapientia Salomonis als Ganzes, die nicht nur eine AuBenperspektive, sondem auch die Intention zeigt, in einem hellenistischen Umfeld für das Festhalten an der eigenen Religion zu werben, nicht gerecht. Unter den Arbeiten, die sich ausdrücklich mit der Eschatologie der Sapientia Salomonis beschaftigen, ist der Aufsatz von Nobile über das Verhaltnis von Eschatologie und Apokalyptik in der Sapientia Salomonis der jüngste 19 Nobile bietet vor allem eine genaue Analyse des Aufbaus und der Struktur der Sapientia Salomonis, wobei es sein Ziel ist, den apokalyptischen Charakter des Buches aufzuweisen. Vergleichbare Aussagen zur Darstellung des ersten Teils findet Nobile in der Umwelt der Sapientia in dem apokalyptischen Buch athHen 37_71 20 Der zweite Teil (Sap 6,22-9,18) biete die Verbindung zwischen dem ersten und dem dritten Teil des Buches (Sap 10-19), indem Salomo als der gerechte Herrscher "par excellence,,21 zu einer Autoritat erhoben werde, die der Autoritat des Henoch, der 12 Patriarchen, Moses oder Daniels, samtlich wichtige Figuren in Texten der Apokalyptik, vergleichbar sei. Nobile betrachtet Salomo als den Sprecher auch des gesamten dritten Teils der Sapientia, in dem das Handeln der Weisheit in der Geschichte [sraels aufgedeckt werde. 22 Damit halt er es für erwiesen, dass die Sapientia Salomonis wesentliche Bestandteile der Apokalyptik als Literaturgattung enthalt. 23 Seine Arbeit widmet sich also weniger den eschatologischen Themen und Inhalten, die in der Sapientia Salomonis zum Tragen kommen, sondem ist eher an den auBeren Merkmalen interessiert, die es m6glich machen, sie einer bestimmten Literaturgattung, eben der Gattung der Apokalyptik, zuzuweisen. Dieses Interesse verfolgte auch Grelot in seinem Aufsatz von 1961 "L'eschatologie de la Sagesse et Ies apocalypses juives". Er beschaftigte sich mit der Frage, wie die Sapientia Salomonis trotz ihres Interesses an der Unsterblichkeit der Seele der Gattung der Apokalyptik zugeordnet werden k6nne, in der ansonsten die Auferstehung der Toten der zentrale Topos sei. Dass die Sapientia Salomonis der apokalyptischen Str6mung zugerechnet werden kann, sah er in Folgendem begründet:

s. 52f.61. NOBILE, La tMmatique eschatologique. Vgl. NOBll..E, La thematique eschatologique, Vgl. NOBILE, La tMmatique eschatologique, Vgl. NOBILE, La tMmatique eschatologique, Vgl. NOBILE, La tMmatique eschatologique,

18 V gl. MCGLYNN, Judgement, 19 20 21 22 23

S. S. S. S.

309. 310. 311. 312.

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Kapitell: Einleitung

,,Elle (die Sapientia Salomonis) est individuelle et trans-historique; ( ... ) elle rattache le sort final des Hommes au grandjugement; ( ... ) elle envisage pour les justes une vie eternelle aupres de Dieu, avec les Anges, dans le repos et lajoie."24

Sowohl Nobile als auch Grelot machen dabei den Fehler, von eschatologischen Vorstellungen als apokalyptischen zu sprechen, bloB weil jene auch in Texten, die der Gattung der Apokalyptik zugeordnet werden k6nnen, begegnen. Bisher gibt es mit Ausnahme der Monographien von Schütz und Büekers aus den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts also keinen Gesamtüberblick über die Eschatologie der Sapientia Salomonis, sondem nur im Umfang sehr unterschiedliche Arbeiten zu einzelnen eschatologischen Themen, die disparat voneinander ohne Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Sapientia Salomonis und ihres Umfeldes dargestellt werden. Dieser Überblick über die Forschungsgeschichte zeigt die Notwendigkeit einer umfassenden Untersuchung eschatologischer Aussagen der Sapientia Salomonis. Dabei sollen die einzelnen zur Eschatologie geh6renden Bereiche nicht nur separat betrachtet, sondem auch in weitere Zusammenhange eingeordnet werden. So sind sie im Kontext der gesamten Schrift zu verorten und gegebenenfalls mit anderen Inhalten, wie etwa dem Gottesbild, ins Gesprach zu bringen. Auch das literarische Wachstum der Sapientia Salomonis, das innerhalb der neueren Forschung bisher kaum berücksichtigt wurde, ist zu beachten. In diesen Zusammenhang geh6rt auch die Frage, inwieweit eschatologische VorstelIungen der Intention der einzelnen Teile der Sapientia Salomonis, aber auch ihrer Endfassung zuzuordnen sind. Die eschatologischen Aussagen der Sapientia Salomonis solIen aber nicht nur innerhalb der Schrift selbst, sondem auch im unmittelbaren Kontext der Sapientia Salomonis verortet werden. Dies kann Aufschluss darüber geben, inwieweit die Sapientia Salomonis in ihrer DarstelIung eschatologischer Inhalte auf Vorstellungen ihrer Umwelt, die sich im Alten Testament, in der griechischen Philosophie oder in jüdischen Texten aus der hellenistischen Zeit finden, zurückgreift bzw. aufwelche Vorstellungen sie m6glicherweise reagiert, ohne diese dezidiert in die DarstelIung eschatologischer Inhalte miteinzubeziehen. So kann weiterhin deutlich gemacht werden, welche Rolle die Eschatologie im Rahmen der Profilierung des Judentums unter der Herausforderung durch den HelIenismus spielt, und ob die Herausforderung durch das hellenistische Umfeld gerade zu emer besonderen Auspragung eschatologischer Aussagen geführt ha!.

24 GRELOT, L'eschatologie, S. 176.

1.2 Der Begri.ff Eschatologie

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1.2 Der Begriff Eschatologie 1.2.1 Allgemein Bevor die eschatologischen Aussagen der Sapientia Salomonis dargestellt werden k6nnen, ist der Begriff Eschatologie genauer zu untersuchen. Es fallt auf, dass er innerhalb der Religionswissenschaft, der alttestamentlichen Forschung sowie der Judaistik nicht koharent gebraucht wird 25 Da sich eine Arbeit zur Sapientia Salomonis, indem sie eine zum Alten Testament geh6rende, dem alexandrinischen Diasporajudentum entstammende Schrift untersucht, gerade zwischen diesen drei Forschungsdisziplinen bewegt, ist es notwendig, ein einheitliches Verstandnis des Begriffes Eschatologie zu entwickeln. Der Bezug zur religionswissenschaftlichen Forschung ist deshalb gegeben, weil zwar einerseits eine Schrift untersucht wird, die zum Kanon der christlichen Bibel geh6rt, diese Schrift aber andererseits genuin jüdische und damit zu einer anderen als der eigenen Religion geh6rende Vorstellungen widerspiegelt. Des Weiteren sollte der Begriff Eschatologie deutlich von dem Begriff Apokalyptik abgegrenzt werden. Leider wird auch an dieser Stelle in der Forschung oft nicht eindeutig zwischen den beiden Tennini unterschieden. 26 Diese Uneinheitlichkeit der mit dem Begriff "Eschatologie" verbundenen Vorstellungen liegt gr6Btenteils in dem Terminus selbst begründet. Die Bezeichnung "Eschatologie" ist Mirte des 17. Jh. als Bezeichnung fur den abschlieBenden Teil der lutherischen Dogmatik aufgekommen, in dem die Lehre von den "EGxaTa", den "letzten Dingen", entfaltet wird. Sie wurde wahrscheinlich ers!mals von Calov um 1677 verwendet und hat sich seit dem 19. Jh. vor allem unter dem Einfluss Schleiermachers gegen die Titel "de novissimis" oder "de extremis" allgemein durchgesetzt. 27 Der Tenninus Eschatologie bezeichnete also zunachst einen Abschnitt vor allem der protestantischen Dogmatik, die erst im 20. Jh. in den katholischen Bereich gelangte 28 Unklar war allerdings schon inuner, welche und wie viele Ereignisse zu diesen "letzten Dingen" gerechnet werden sollten. 29 So unterschied z. B. Bretschneider in seinem Handbuch der Dogmatik aus den Jahren 1822123 zwi-

25 Auch Schaper beklagt die "Begriffsverwirrung in der theologischen Wissenschaft", wenn es run den Begriff Eschatologie geht. SCHAPER, Septuaginta-Psalter, S. 43. AuJ3erdem CARMIGNAC, Les dangers, S. 365. 26 Vgl. CARMIGNAC, Les dangers, S. 378. 27 Vgl. GRESHAKE, Art. Eschatologie, Sp. 860. 28 Vgl. GRESHAKE, Art. Eschatologie, Sp. 860-865. 29 CARMIGNAC, Les dangers, S. 370.

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Kapitell: Einleitung

schen drei und sieben Lehrinhalten der Eschatologie. 30 Bis heute gibt es keine eindeutige Zuweisung von bestimmten Themen zur Eschatologie. 31 1.2.2 Eschatologie im Alten Testament Die alttestamentliche Forschung hat den Begriff "Eschatologie" als einen wie oben beschriebenen theologischen Begriff belassen und an das Alte Testament herangetragen. Dabei wurde der Akzent sehr stark auf diejenigen "letzten Dinge" gelegt, die sich auf die gesamte Welt bezogen. Der Tatsache, dass auch der Tod als ein für das IndividuUlll eschatologisches, also "letztes", Erleben verstanden werden kann, wurde wenig Rechnung getragen. Vielmehr wurde diese auf das Individuum ausgerichtete Perspektive sogar abgelehnt. 32 Schon für Wellhausen war entscheidend, dass mit dem Begriff ein Ende der Welt und der Geschichte im kosmologischen Sinne beschrieben wurde. 33 Ebenso umfasste für Marti die Eschatologie nur "Weissagungen auf das Ende der Welt, auf die graBe Krisis des Weltgerichts,,34, und auch GreBmann hat Eschatologie als "den Ideenkomplex u35 definiert, der auf Weltende und Weltemeuerung Bezug nimmt. In diesem Zusammenhang ist auch die Definition H61schers zu nennen, der unter Eschatologie die Vorstellung vom "groBen Drama der Endzeit, mit dem ( ... ) eine neue ewige Zeit des Heils anbricht,,36, verstand. PreuB unterscheidet für die alttestamentliche Wissenschaft einen enger und einen weiter gefassten Gebrauch des Begriffes Eschatologie. Den engeren Gebrauch sieht er bei den Forschem vertreten, die ausschlieBlich an das Weltende und an das Sich-Ab16sen von zwei verschiedenen Zeitaltem denken und die demzufolge einen Text nur dann eschatologisch nennen, wenn von einem Umbruch die Rede ist, der das alte Zeitalter beendet und ein neues heraufführt 37 Der weitere Gebrauch des Begriffes "Eschatologie" sei dagegen nicht auf die Wende der Zeitalter begrenzt, sondem habe auch den

30 Vgl. BRETSCHNEIDER, Handbuch II, s. 347ff. Vgl. au.l3erdem BRETSCHNEIDER, Systematische Entwicklung, S. 816. 31 Vgl. SAUTER, Art. Eschatologie, Sp. 1561-1567. 32 Vgl. VOLZ, Eschatologie, S. 1: "Eschatologie des Individuums ist ein Widerspruch in sich.". 33 Vgl. MÜLLER, Ursprünge, S. 3. 34 11ARTI, Die Religion des Alten Testaments, S. 61. 35 GRESSMANN, Ursprung, S. 1. 36 HOLSCHER, Ursprünge, S. 1. Eine 1ihnliche Definition bietet auJ3erdem noch Mowinckel, der mit einer universalen und kosmologischen Wende rechnet. V gl. MO\VINCKEL, He That Cometh, S. 126. Zur Geschichte des Begriffes Eschatologie innerhalb der alttestamentlichen Forschung überhaupt vgl. SMEND, Art. Eschatologie. 37 Vgl. PREUSS, Einleitung, S. 6. Als Forscher, bei denen diese Auffassung vertreten ist, nennt er H6lscher, Mowinkel und Fohrer.

1.2 Der Begri.ff Eschatologie

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Zustand des Neuen und die Zeit nach der Zeitenwende im Blick. 38 PreuB sieht in diesem Gebrauch den Vorteil, dass er gr6Beren Teilen des Alten Testaments gerecht zu werden vermag als der erste. Entsprechend dieser Ausrichtung auf das Weltganze wurden zur Beschreibung eschatologischer Themen des Alten Testaments fast ausschlieBlich die Aussagen der Prophetenbücher untersucht. 39 Dabei hat man nur Aussagen als eschatologisch gewertet, bei denen man davon ausging, dass sie bereits von dem jeweiligen Propheten als eschatologische, also als auf die Zukunft gerichtete, endgültige Aussagen, verstanden wurden. 40 Für eine Untersuchung der Sapientia Salomonis ist diese Begriffsdefinition der alttestamentlichen Forschung nicht geeignet, da die Sapientia Salomonis ein vorrangiges Interesse am Schicksal des Einzelnen hat und kaum auf Vorgange abhebt, die eine Bedeutung für das Weltganze entwickeln k6nnten. Auch wenn das Problem der Engführung des Begriffes Eschatologie auf eine universale Perspektive und des Ausblendens des Einzelschicksales innerhalb der Forschung bereits benannt wurde,41 wurde eine Einbeziehung des Individuums in den eschatologischen Horizont nur vereinzelt in den Blick genommen. 42

1.2.3 Religionswissenschaftlich In der Religionswissenschaft wird der Begriff Eschatologie seit der 2. Halfte des 19. Jh. benutzt, um die V orstellungen sowohl über das Ende des 43 Individuums als auch über das Ende der Welt zu bezeichnen Aufgrund dieser beiden Bezugspunkte wird in Individualeschatologie und Universaleschatologie unterschieden. Unter dem Begriff Individualeschatologie werden dann diejenigen Glaubensaussagen gefasst, die das Geschick des einzelnen betreffen, wahrend unter den Begriff Universaleschatologie aIle die Vorstellungen fallen, die sich auf das Geschick der ganzen Menschheit und der gesamten Welt beziehen 44 Individualeschatologische Vorstellungen k6nnen sowohl von einem Bestehenbleiben der Person als auch von PREUSS, Binleitung, S. 6. Vgl. FOHRER, Struktur, S. 414. 4 0 Cannignac zweifelt allerdings gerade daran, dass es im Alten Testament m6glich ist, universaleschatologische Aussagen zu finden. Br moniert, dass man meistens dann Aussagen als eschatologisch gewertet hat, wenn diese in Verbindung mit dem hebraischen Terminus 1:I'~:;:r n"OI$ auftraten, obwohl dieses sich keinesfalls auf ein wirkliches Bnde, sondem lediglich auf die Zukunft beziehe. CARMIGNAC, Les dangers, S. 372. 4 1 Vgl. LINDBLOHM, Gibt es eine Bschatologie, S. 79-114; auJ3erdem VRlEZEN, An Outline, S. 25. 42 Vgl. BIEBERSTEIN, Der lange Weg, S. 13ff; DAY, The Development, S. 236; PoDELLA, Grundzüge, S. 70-89. 4 3 Vgl. FILORAMO, Art. Bschatologie, Sp. 1542-1546. 44 Vgl. WiJ3mann, Art. Bschatologie, S. 254-256. 38 39

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Kapitell: Einleitung

einer Auflosung der Person ausgehen, universaleschatologische Vorstellungen kreisen um das Schicksal der Welt am Ende der Zeit. Indem der Begriff Eschatologie innerhalb der Religionswissenschaft ein breites Spektrum an Vorstellungen umfasst und eben auch auf das Ergehen des Individuums ausgerichtet ist, ist diese Definition am ehesten geeignet, um sie der anstehenden Untersuchung zugrunde zu legen. Eschatologie soll im Folgenden also nicht nur universaleschatologische Vorstellungen aufgreifen, sondem auch die Individualeschatologie im Blick haben und damit umfassen, "was zu den zukünftigen Schicksalen des Menschen, von seinem Tod an, gerechnet wird".45

1.2.4 Eschatologie und Apokalyptik AbschlieBend ist an dieser Stelle noch zwischen Eschatologie und Apokalyptik zu unterscheiden. Dies ist deshalb wichtig, weil fur die Sapientia Salomonis inuner wieder diskutiert wurde und diskutiert wird, ob die in ihr getroffenen Aussagen über das Jenseits nicht eigentlich apokalyptische . 46 A ussagen selen. Diese Überlegungen rühren daher, dass die Weisheitsliteratur, seitdem von Rad diesen Zusammenhang postuliert hat,.7 oft als der Apokalyptik nahestehend betrachtet wird 48 Zudem wird der Ursprung der Apokalyptik mitunter in der jüdischen Diaspora gesucht und als genauerer Ort Agypten angenommen;9 obwohl sich das apokalyptische Danielbuch auf die Verhaltnisse in Palastina bezieht. AuBerdem erscheint die Apokalyptik aufgrund ihrer Bedeutung fur die Herausbildung eschatologischer Vorstellungen im Neuen Testament als Literaturform und Geistesrichtung, die zur Entstehungszeit der Sapientia Salomonis weit verbreitet und typisch für die Theologie dieser Zeit war. 50 Dennoch bestehen zwischen der Literaturgattung der Apokalypse und der Sapientia Salomonis erhebliche Unterschiede, die in den weiteren Merkmalen der Literaturgattung der Apokalypse begründet sind: In der Apokalyptik finden sich oft Ratsel, Traume oder ahnliches, durch die der Seher Wahrheiten erfahrt, die einer Deutung zugefUhrt werden müssen. Dargestellt wird zumeist ein Geschichtsablauf in Futurform, der So schon BRETSCHNEIDER, Systematische Entwicklung, S. 816. Vgl. BURKEs, Wisdom and Apocalyticism, S. 21-44; COLLINS, Seers, S. 317ff; GRELOT, L'eschatologie, S. 165-178; NOBILE, La tMmatique eschatologique, 303-312. 4 7 RAD, Theologie II, S. 315-337; RAD, Weisheit, S. 309-336. Die N1ihe von Apokalyptik und Weisheit kann allerdings auch kritisch gesehen werden. Vgl. z. B. MÜLLER, Art. Apokalyptik, Sp. 815. 48 Neben LEBRAM, Art. Apokalyptik, S. 198 auch DAN, Art. Apokalyptik, Sp. 592. 49 Vgl. LEBRAM, Art. Apokalyptik, S. 198; MÜLLER, Art. Apokalyptik, Sp. 815f. 50 Vgl. LOHSE, Umwelt, S. 37ff. 45

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1.2 Der Begri.ff Eschatologie

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von der Vergangenheit über die Gegenwart bis in die Zukunft reicht. Die Eigenart dieses Geschichtsablaufes wird durch dessen Periodisierung verdeutlicht. Diese Perioden stellen Stadien eines zunehmenden Ordnungsverlustes dar, der in der Darstellung der Ereignisse am Ende aller diesseitigen Ordnungen seinen H6hepunkt hat. Der Zustand nach diesen Ereignissen wird zwar als ein Zustand dauemder Ordnung skizziert, grundsatzlich ist die Apokalyptik an einer Beschreibung dieses Zustandes aber nicht mehr interessiert. 5l In der Sapientia Salomonis finden sich diese Merkmale der Apokalyptik nicht. Vielmehr ist es so, dass sie in ihrer Darstellung des Endgerichtes typische Topoi der Apokalyptik sogar meidet. Die Aussagen, die über das Jenseits gemacht werden, lassen sich nicht in auf das Ende ausgerichtete Geschichtsablaufe oder Perioden einordnen. Das Interesse der Schrift liegt auf der Schilderung des Schicksals des Einzelnen nach dem Tod und auf der Beschreibung des Seins im Jenseits, das :für den Gerechten ein Zustand der Ruhe und der Ordnung ist. In ihren Ausführungen bezieht sich die Sapientia Salomonis auf Schriften des Alten Testamentes, die bereits als kanonisch angesehen wurden, und lasst dagegen die Vielzahl apokalyptischer Schriften52 entweder auBer Acht, oder sie kennt sie gar nicht. Für das Verhaltnis Eschatologie/Apokalyptik lasst sich zusammenfassend sagen: Mit Apokalyptik wird in erster Linie eine Literaturgattung beschrieben, die sehr bestimmte Merkmale aufweist. Innerhalb dieser Gattung k6nnen Aussagen auf das Ende der Welt, also auf "letzte Dinge" verweisen, die dann als eschatologisch bezeichnet werden k6nnen. Der Umkehrschluss, alle Vorstellungen über letzte Ereignisse als apokalyptisch zu bezeichnen, auch wenn sie nicht nach den Prinzipien der Literaturgattung der Apokalyptik dargestellt werden, ist nicht zulassig. Eschatologische Aussagen müssen nicht an eine bestimmte Literaturform gebunden sein. 53 Daher halte ich es im Blick auf die Sapientia Salomonis für zutreffend, von Eschatologie, und nicht von Apokalyptik zu sprechen.

51 Vgl. zu den Gattungsmerkmalen der Apokalyptik SCHMIDT, Apokalyptik, S. 46ff; SCHMIDT, Alttestamentlicher Glaube, S. 408. Zur Unterscheidung von Eschatologie und Apokalyptik vgl. KRATZ, Art. Apokalyptik, Sp. 591f. 52 Ausnahmen sind das Danielbuches als einziger apokalyptischen Schrift des Alten Testamentes, vgl. KRATZ, Art. Apokalyptik, Sp. 591, und einzelne Motive aus iithHen. Vgl. SCHABER, Midrashic Traditions, S. 75. 53 Vgl. Fn..ORAMO, Eschatologie, Sp. 1542.

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1.3 Das Diasporajudentum in Alexandria 1.3.1 Die Entwicklung einer }üdischen Diaspora in Alexandria Seit dem 6. Jh. v. Chr. und besonders seit der Einnahme Jerusalems durch die Babylonier war Agypten Ziel für Flüchtlinge aus Juda, die sich als jüdische Militarsiedler dort niederlieBen 54 Mit der Eroberung Agyptens durch Alexander den GroBen 332 und mit der Etablierung der Herrschaft der Ptolemaer nahm die Einwanderung ausHindischer und eben auch jüdi55 scher Siedler nach Agypten zu. So führte Ptolemaus 1 Soter den gr6Bten Teil der Bev6Ike~!i J erusalems nach seiner Einnahme der Stadt als Sklaven nach Agypten. AIs Syrien von 301 bis 198 v. Chr. ebenfalls unter ptolemaische Herrschaft geriet, wurde die Einwanderung aus den zugeh6rigen Provinzen und damit auch die aus Juda und Jerusalem aufgrund der vereinheitlichten Verwaltung erleichtert und dadurch gef6rdert 57 Die Zahl der Juden in der Diaspora stieg über die Jahre aber zum einen auch durch Kinderreichtum der jüdischen Familien und zum anderen dadurch an, dass sich manche Nichtjuden zunachst als sogenannte Proselyten und in den nachfolgenden Generationen dann ganzlich dem Judentum anschlossen. 58 Zur Zeit des Kaisers Augustus wird man die Zahl der im R6mischen Reich lebenden Juden auf 4,5 Millionen schatzen dürfen. Das entsprach etwa 7% der Gesamtbev6lkerung. Von diesen 4,5 Millionen lebten zwischen 0,5 und 0,75 Million in Palastina, so dass die Zahl der in der Diaspora lebenden Juden die Zahl der im Heimatland lebenden weit übertraf. 59 Vermutlich muss zwischen verschiedenen Typen der Einwanderung Ullterschieden werden: Der Brief des Aristeas beklagt, dass Ptolemaus 1 Soter 100 000 Juden als Sklaven für seine Armee nach Agypten verschleppt habe, die dann erst unter seinem Sohn Ptolemaus II Philadelphus die Freiheit erlangten. 60 Wahrscheinlich ist, dass nicht wenige Juden als KriegsgefanVgl. HENGEL, Hellenisierung, S. 296. Die jüdischen Einwohner Agyptens werden mit dem Terminus 'Iouoalol bezeichnet. Dieser Terminus benennt nicht prim1ir die Zugeh6rigkeit zu einer bestimmten Religion, sondem steht für eine besondere ethnische Herkunft.'Iouoalol sind Menschen aus der Provinz Juda, ebenso wie 'IoqJ.alol Menschen aus der Provinz Idumaa sind. Vgl. BARCLAY, Jews, S. 19. Im Folgenden beziehe ich mich, soweit nicht anders angegeben, auf die Seiten 19-228. Vgl. auch SCHIMANOWSKI, Alexandrien, S. 78-80. AuJ3erdem HENGEL, Juden, S. 126ff. 56 Vgl. HENGEL, Hellenisierung, S. 296f. 57 Vgl. BARCLAY, Jews, S. 20-21. 58 Vgl. LOHSE, Umwelt, S. 87. 59 Vgl. LOHSE, Umwelt, S. 87. 60 Inwieweit diese Aussagen den Tatsachen entsprechen, ist umstritten. Westermann hielt den Inhalt noch für authentisch. Vgl. WESTERMANN, Enslaved persons, S. 1-30. So auch HENGEL, Hellenisierung, S. 295-313. Abel, Modrzejewski und Barclay argumentie54

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1.3 Das Diasporajudentum in Alexandria

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gene nach Agypten kamen und dann spater freigelassen wurden. Des Weiteren wurde offensichtlich zwischen Agypten und Syrien mit Sklaven gehandelt, und es ist anzunehmen, dass auch Juden auf diesem Wege nach Agypten gelangten. 61 Zusatzlich muss aber auch mit einer groBen Anzahl von Migranten gerechnet werden, die aus wirtschaftlichen Gründen von Juda nach Agypten kamen, wo die neue Stadt Alexandria mehr Moglichkeiten zu sozialem und wirtschaftlichem Aufstieg bot, als es in Juda und Jerusalem der Fall gewesen ware. 62 Besonders unter Ptolemaus VI Philometor (180-145 v. Chr.) wurden Zuwanderung und Status der Juden stark begünstigt. 63 So gestattete er dem aus Jerusalem geflüchteten Hohenpriester Onias IV, in Leontoplis eine jüdische Militarkolonie mit einem eigenen Tempel zu errichten, und machte Onias und seine S6hne zu ptolemaischen Generalen. Wahrscheinlich erhielt auch die jüdische Gemeinde in Alexandria unter Ptolemaus VI Philometor besondere Rechte, aufgrund derer sie sich zu einer selbstandigen Politeuma unter der Leitung eines Ethnarchen zusammenschloss. 64 Die Einwanderer lieBen sich entweder in der neu gegründeten Stadt Alexandria nieder65 oder sie wurden in der Chora angesiedelt, da dort neues Land kultiviert werden sollte. Die Situation der in der Chora angesiedelten Soldaten ist durch Quellen gut dokumentiert. 66 Unter ihnen gab es ein breites soziales Spektrum und eine groBe Bandbreite von Berufen. Viele von ihnen kamen zu Wohlstand, weil das ihnen von den Ptolemaem zugeteilte Land in den Erbbesitz der Familie überging und sie so zu wohlhabenden Landbesitzem wurden. AuBerdem genossen sie gegenüber der agyptischen Landbevolkerung eine Reihe von V orteilen. So besaBen sie im Durchschnitt mehr Land, zahlten aber geringere Abgaben. 67 ren dagegen. Vgl. ABEL, The myth, S. 253-258; BARCLAY, Jews, S. 21; MODRZEJEWSKI, Jews, 73-75. 61 Vgl. TCHERlKOVER, Hellenistic Civilization, S. 68-69. 62 Vgl. BARCLAY, Jews, S. 22; PUECH, La conception, S. 215. 63 Vgl. PUECH, La conception, S. 215; SCHMITT, Skepsis, S. 166-173. 64 Vgl. HENGEL, Hellenisierung, S. 298. Die Organisation der Politeuma wird von Smallwood folgenderma/3en definiert: "A recognized, formally constituted corporation of aliens enjoying the right of domicile in a foreign sita and fonning a separate, semiautonomous civic body, a city within the city." SMALLWOOD, Jews S. 225. Au.l3erhalb Alexandrias ist allerdings keine politeuma belegt, daher ist der Begriff nicht unumstritten. Lüderitz h1ilt es für wahrscheinlicher, dass damit verschiedene ethnische Gruppierungen bezeichnet werden konnten, ohne dass diese politische Interessen vertraten. V gl. LÜDERlTZ, Politeuma, S. 196-199. Es ist aber als sicher anzusehen, dass die Juden in Alexandria selbst organisiert waren. Vgl. dazu ausführlich KASHER, Jews, S. 233ff. 65 Neben Alexandria gab es lediglich zwei weitere St1idte, die dem Rang einer polis zugeordnet werden k6nnen, n1imlich Naucratis und Ptolemais. 66 Vgl. TCHERIKOVERi FUKS, Corpus Papyrorum Judaicarum. Im Folgenden abgekürzt mit CPJ. 67 Vgl. BICKERMANN, Jews, S. 84-85.

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Kapitell: Einleitung

Juden waren aber auch als einfache Arbeiter in der Landwirtschaft oder als Schafer in einer Art Angestelltenverhaltnis beschaftigt und mussten sich mitunter auch als Tagel6hner verdingen. 68 AuBer in der Landwirtschaft waren Juden auch in der agyptischen Verwaltung oder im Handwerk beschaftigt. 69 Hengel geht davon aus, dass zu Beginn der jüdischen Diaspora in Agypten eine "machtlose Minderheit" stand, "die aber dann mehr und mehr politische und auch wirtschaftliche Bedeutung im fremden Lande gewann, bis sie dort zu fast so etwas wie einem Staat im Staate wurde,,70. Die jüdischen Einwanderer waren durch ein Zusanunengehorigkeitsge:fühl verbunden, und sie pflegten ihre eigene Identitat. So sind in verschiedenen Orten jüdische Wohnviertel bezeugt, in Memphis 71 bereits in der Ptolemaer- und an anderen Orten wie in Oxyrhynchos 72 und Hermopolis73 aus der R6merzeit. Überall in der Diaspora aber hat man die Zugeh6rigkeit zu einer gemeinsamen, von der agyptischen unterschiedenen Religion Ullterstrichen. Dies zeigt sich darin, dass man trotz des Widerstandes der fremden Herrscher strikt den Sabbat hielt oder seinen Kindem N amen wie Dositheos bzw. Dosithea oder Theodorus bzw. Theodora gab 74 Die besondere Treue zum Judentum und zum jüdischen Gesetz zeigt sich auch in der Einrichtung von Synagogen, zunachst als 1TPOGEUXll bezeichnet, die erstmals für die jüdische Diaspora in Agypten in Schedia nahe Alexandria und in Krokodilopolis durch zwei Inschriften aus der Zeit des Ptolemaus Euergetes (247-331 v. Chr.) bezeugt sind 75 Der Beschreibung des Diasporajudentum in Alexandria solI ein kurzer allgemeiner Überblick über die Stadt vorausgehen: Alexandria war 332 v. Chr. von Alexander dem GroBen im Nildelta an der Mittelmeerküste unmittelbar gegenüber der kleinen Insel Pharos an einem natürlichen Hafen gegründet und von Ptolemaus 1 Soter zur Hauptstadt Agyptens gemacht worden. So bildete im Nordwesten der Stadt das Meer eine natürliche Grenze und im Südwesten der sogenannte Mareotis-See, ein durch die Seitenkanale eines Nilarms gebildeter Stausee 76 Die Wohn- und Geschaftsviertel der Stadt zogen sich über fünf Kilometer die Küste entlang, wahrend die Breite der neuen Siedlung nur knappe 1,5 Kilometer betrug. Das gesamte Stadtgebiet war von einem Netz guter, sich rechtwinklig kreuzenVgl. CPJ 13; 14; 26; 38. Vgl. CPJ 12; 25; 46. 70 HENGEL, Hellenisierung, S. 299. Ebenso STERLING, Jewish Self-Definition, S. 11. 71 Vgl. THOMPSON, Memphis, S. 91-92. 72 Vgl. CPJ 423 und 454. 73 Vgl. CPJ 468. 74 Vgl. HENGEL, Hellenisierung, S. 297f. 75 Vgl. HORBURY! Noy, Jewish Inscriptions, S. 22 und S. 117. Zur Entwicklung der Synagoge vgl. au.l3erdem HENGEL, Proseuche und Synagoge. 76 Vgl. KOLATAJ, Art. Alexandria, S. 130. 68 69

1.3 Das Diasporajudentum in Alexandria

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der StraBen durchzogen. Die Stadt expandierte rasch, und bereits im 1. Jh. v. Chr. spricht Diodor von mehr als 30 Myriaden freier Bürger, was einer Einwohnerzahl von 300000 entspricht, zu der noch eimnal die gleiche Anzahl an Sklaven hinzugerechnet werden müsste 77 Die Stadt wurde durch zwei HauptstraBen, die von Norden nach Süden verliefen in drei Teile geteilt, auf die sich m6glicherweise auch die Bev6lkerungsgruppen der Griechen, der Juden und der Agypter verteilten 78 Überliefert ist allerdings die Existenz von fünf Bezirken, die mit den ersten fünf Buchstaben des griechischen Alphabethes benannt wurden, deren genaue Begrenzungen aber nicht mehr zu rekonstruieren sind. So gab es auf jeden Fall die Gebiete A, B, r, t. und E/ 9 für die auch andere Bezeichnungen wie Rhakotis für das agyptische Viertel, Brucheion für das K6nigsviertel oder Neapolis für das Viertel der griechischen Bev6lkerung in Gebrauch waren. 80 Des Weiteren besaB die Stadt zwei Hafen, den groBen Hafen im Osten mit einem Umfang von nahezu 6 km und den "Hafen der glücklichen Heimkehr" (Eunostos) im Westen. 81 Diese beiden Hafen wurden von dem Damm Heptastadion, der die Insel Pharos mit der Stadt verband, voneinander getrennt. 82 Zum Hafengebiet geh6rte auch der Leuchtturm auf der Insel Pharos. Aufgrund seiner Lage und wegen der bei den Hafen war Alexandria eine wirtschaftlich florierende Stadt, in der Waren aus dem gesamten Mittelmeerraum umgeschlagen wurden. 83 Gleichzeitig war es aber auch ein in h6chstem MaBe bedeutsames Zentrum des Geisteslebens. Beispielhaft hierfür ist das Museion, das ursprünglich als ein Tempel für die Musen gedacht war, dann aber auch zahlreiche bedeutsame Gelehrte beherbergte, die hier frei von materiellen Sorgen ihren Forschungen nachgehen konnten und denen eine hervorragende Bibliothek zur Verfügung stand. Bereits 100 Jahre nach ihrer Gründung beherbergte sie an die 400 000 Papyrusrollen und im J ahr 47 v. Chr., als sie von den Truppen Casars zerst6rt wurde, ungefahr an die 700 000 84 Zu den im Museion lebenden und lehrenden Wissenschaftlem geh6rten u. a. Archimedes und Euklid sowie der Astronom Eratosthenes, der zum ersten Mal wissenschaftlich die Erdkrümmung dokumentierte und den Erdumfang erstaunlich prazise auf 40 000 km berechnete. 85 Alexandria war auBerdem ein Zentrum hellenistischer Philosophie. Vor allem die phi77 Vgl. DELIA, Population, S. 268-288; Schmitt, Skepsis, S. 166. 78 Vgl. KOLATAJ, Alexandria, S. 130. Zm Zusammensetzung der Bev61kerung vgl. auJ3erdem FRASER, Ptolemaic Alexandria 1, S. 38. 79 Vgl. FRASER, Ptolemaic Alexandria 1, S. 34. 80 Vgl. KOLATAJ, Art. Alexandria, S. 130. 8l Vgl. KOLATAJ, Art. Alexandria, S. 130. 82 Vgl. KOLATAJ, Art. Alexandria, S. 130. 83 Vgl. FRASER, Ptolemaic Alexandria 1, S. 132ff. 84 Vgl. FRASER, Ptoelmaic Alexandria 1, S. 312ff. 85 Vgl. FRASER, Ptolemaic Alexandria 1, S. 449ff.

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Kapitell: Einleitung

losophischen Schulen des Mittelplatonismus,86 des Skeptizismus und der Empirie sind hier zu nel1l1en. So stanunt das Werk, das über den Skeptizismus Auskunft gibt, von Sextus Empiricus, der als Arzt um 200 ll. Chr. in Alexandria lebte und zu einer empirischen Arzteschule geh6rte, die die Empirie zur Grundlage ihrer Diagnose- und Behandlungsformen gemacht hatte 87 In der Stadt befand sich auBerdem eine Vielzahl von Kultstatten fur die von den verschiedenen Bevolkerungsgruppen verehrten G6tter. Dazu geh6rten im Wesentlichen Tempel für die griechischen Gatter, Kultstatten im Zusammenhang der Graber von Alexander und den Ptolemaem, ein Serapis-Heiligtum, ein Isis-Tempel sowie Statten für die Verehrung des Hapokrates und des Annubis und verschiedene Kultorte für Gottheiten kleinerer Bevolkerungsgruppen. 88 Die r6mische Zeit war in Alexandria allerdings keine Zeit besonderer kultureller Blüte, sondem bereits durch Niedergang gezeichnet. 89 Bereits für die ptolemaische Zeit ist die Existenz einer jüdischen Gemeinschaft in Alexandria gut durch Inschriften bezeugt. 90 Philo bezifferte schlieBlich die Zahl der in Agypten lebenden Juden mit einer Million (Flacc 43). Auch wenn diese Zahl eher symbolischen Wert für die GraBe der jüdischen Diaspora in Agypten hat, kal1l1 man doch davon ausgehen, dass auf die von Diodor bezifferten 600 000 Einwohner Alexandrias etwa 180000 Juden kamen 91 Spatestens ab dem 2. Jh. v. Chr. geh6rte ein Teil von ihnen zu den h6chsten sozialen Schichten und genoss entsprechende Bildung 92 Jospehus lokalisiert die jüdische Bevalkerung Alexandrias im Bezirk t., der vermutlich im Osten der Stadt in der Nahe der N ekropole von Chatby lag. 93 Diese Konzentration in ein bestinuntes Viertel ist nicht in Zusammenhang mit einer Ghettoisierung, sondem als Zeichen für das starke 1dentitatsbewusstsein der alexandrinischen Juden zu betrachten. Als aufgrund der guten Kontakte zwischen den Juden in Alexandria und Pal asti -

V gl. DILLON, The Middle Platonists. Vgl. FRASER, Ptolemaic Alexandria 1, S. 486; HELFERlCH, Geschichte der Philosophie, S 61. 88 Vgl. FRASER, Ptolemaic Alexandria 1, S. 192ff. 89 Vgl. KOLATAJ, Art. Alexandria, S. 130. 90 HORBURY! Noy, Jewish Inscriptions, S. 9. Kasher ist sogar der Meinung, dass es bereits zu Lebzeiten Alexanders des Gro.l3en Juden in Alexandria gab. KASHER, Jews, S. 19l. 91 Vgl. DELIA, Population, S. 268-288. 92 Vgl. BARCLAY, Jews, S. 42. 93 Vgl. FRASER, Ptolemaic Alexandria 1, S. 35. 86 87

1.3 Das Diasporajudentum in Alexandria

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na94 die Ideen der Makkabaerbewegung auch nach Agypten gelangt waren, war dieses Identitatsbewusstsein noch gestarkt worden, und man hatte in Alexandria beispielsweise ebenfalls das Channukah-Fest eingeführt. Dennoch war das Judentum in Alexandrien auch hellenistisch gepragt. Ahnlich wie die Familie der Tobiaden in Palastina hohe Beamte im Ptolemaerreich stellte 95 , dürften auch Juden aus Alexandria wichtige Positionen innerhalb der Verwaltung bekleidet haben. Exemplarisch für die enge Verbindung der Juden Alexandrias mit der hellenistischen Welt ist nicht zuletzt auch die Übersetzung der jüdischen Schriften ins Griechische zu nennen und die Tatsache, dass die LXX "der heilige Text und das heilige Vorlesungsbuch,,96 in der Diaspora werden konnte. Dafür, dass die Juden in Alexandria in guter Beziehung zu den Ptolemaem lebten, sprechen auch Widmungsinschriften an Synagogen 97 Gleichzeitig genoss die jüdische Gemeinde in Alexandria ein hohes MaB an politischer Autonomie. So berichten Philo und Josephus beide von verschiedenen .A..mtem und Organisationen. 98 Die apxoVTEt; bildeten einen Rat, die YEpouo[a, in der die .A..ltesten, die 1TpEopüTaL, saBen. Bei Hecataeus von Abdera und bei Manetho finden sich aber bereits in ptolemaischer Zeit negative Aussagen über Juden. 99 Mit Skepsis wurde vor allem die Bilderlosigkeit des jüdischen Gottesdienstes und Kultes betrachtet. In der R6merzeit nahmen diese Spannungen zwischen Juden und Heiden schlieBlich in immer h6her werdendem MaBe zu.

1.3.2 Historische Ereignisse innerhalb des Romischen Reiches V om Tod Alexanders des GroBen bis zur Einahme durch Augustus im J ahr 30 v. Chr. regierten in Agypten ptolemaische Herrscher. Da in Folge der Machtübemahme des Augustus die politischen Ereignisse in Alexandria nur im Zusammenhang mit dem r6mischen Reich zu verstehen sind, solI an dieser Stelle ein kurzer Überblick über die r6mische Geschichte der spaten Republik und frühen Kaiserzeit gegeben werden. In Rom kam es in der Zeit von 133 bis 44 v. Chr. zu einer Reihe von Bürgerkriegen in den verschiedenen Provinzen und vor allem in der Zeit nach der Amtsniederlegung Sullas zu immer neuen wechselnden Regierungskonstellationen. Im Jahr 70 v. Chr. wurden Pompeius und Crassus Konsuln. Pompeius gelang 94 Vgl. die zu Beginn des 2Makk erhaltenen Briefe aus Jerusalem an die Juden in Agypten (2Makk 1,1-2,18). 95 Zum Aufstieg der Tobiadenfamilie in Palastina vgl. SCHA.FER, Geschichte der Juden, S. 35ff. 96 HANHART, Fragen, S. 23. 97 Vgl. HORBURY/Noy, Jewish Inscriptions, S. 9 und 27. 98 Vgl. Jos Ant, 14.117 und Philo Flacc 74. 99 Vgl. dazu BARCLAY, Jews, S. 33.

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es, den Krieg gegen die Seerauber im Mittelmeer zu beenden. Er besiegte im Jahr 66 v. Chr. Mithridates am Euphrat und ordnete die Provinzen des Ostens neu. Im Jahr 60 v. Chr. schloss er sich mit Crassus und Caesar zu einem ersten Triumvirat zusammen, das im Jahr 54 v. Chr. noch ein weiteres Mal emeuert wurde. lOO Dann allerdings starb Crassus wahrend eines Partherfeldzuges. Casar überschritt im Jahr 49 v. Chr. den Rubikon und wandte sich gegen Rom und gegen Pompeius, der daraufbin zunachst nach Griechenland auswich, wo er am 9. August 49 v. Chr. bei Pharsalus eine Niederlage erlitt. Er wurde im Jahr 48 v. Chr. auf seiner Flucht zum agyptischen K6nig ennordet. 101 Casar kampfte noch im Alexandrinischen Krieg von 48-47 v. Chr. gegen die Anhanger des Pompejus, die er schlieBlich in den Schlachten bei Thapsus (46 v. Chr.) und Munda (45 v. Chr.) endgültig schlagen konnte. Casar setzte im Jahr 48 v. Chr. Cleopatra VII Philopator als letzte ptolemaische Herrscherin in Agypten ein. Sie regierte noch bis zum Jahr 30 v. Chr 102 Nach dem Sieg über die Anhanger des Pompejus machte sich Casar in Rom unter Verfassungsbruch zum Diktator auf Lebenszeit. An den [den des Marz im Jahr 44 v. Chr. wurde er allerdings von einer Verschw6rergruppe unter Führung von Brutus und Cassius ermordet. Es kam zu einem Triumvirat aus Antonius, Lepidus und Casars GroBneffen Octavian, unter dem es im Jahr 40 v. Chr. zur Reichsteilung kam. Antonius erhielt zunachst den Osten, Lepidus Afrika, Octavian den Westen. Italien wurde neutralisiert. 103 Im Jahr 38 v. Chr. wurde dieses Triumvirat auf :fünfweitere Jahre verlangert. Allerdings wurde Lepidus zunehmend von Octavian aus dem Amt gedrangt, und Antonius zog sich aufgrund seiner Heirat mit Cleopatra die Feindschaft der traditionellen Krafte zu, als er in Folge dieser Heirat versuchte, ein hellenistisch-orientalisches Sultanat zu errichten, und er sich mehr und mehr zum hellenistischen Gottk6nig stilisierte. 104 Diese Bestrebungen hatten den Ptolemaischen Krieg zur Folge, der am 2. September 31 v. Chr. durch die Schlacht bei Actium in einem Seesieg des Agrippa über Cleopatra entschieden wurde. Am 3. August 30 v. Chr. wurde Alexandria eingenommen und Antonius und Cleopatra begingen Selbstmord. 105 Octavian entwickelte daraufhin in mehreren klugen Schritten die neue Herrschaftsform des Prinzipats. Er gab am 13. Januar 27 v. Chr. feierlich aIle seine auBerordentlichen Machtbefugnisse ab, um sie

Vgl. Vgl. 102 Vgl. 103 Vgl. 104 Vgl. 105 Vgl. 100 101

Geschichte, S. 40. R6mische Geschichte, S. 208ff. CHRlST, Geschichte, S. 61. HEUSS, R6mische Geschichte, S. 218ff. CHRlST, Geschichte, S. 56; KLAUCK, Religi6se Umwelt II, S. 49. CHRlST, Geschichte, S. 74f. CHRlST,

HEUSS,

1.3 Das Diasporajudentum in Alexandria

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dann vom Senat zurück verliehen zu bekommen. 106 Er erhielt auBerdem auf gesetzliche Weise das Oberkommando über die gesamte r6mische Armee und hieB seit dem 16. Januar IMPERATOR CAESAR DIVI FILIUS AUGUSTUS. Vier Jahre spater bekam er zwei weitere auBerordentliche Privilegien vom Senat verliehen. Augustus erhielt auf Lebzeiten die Rechte eines Volkstribunen und die prokonsularische Gewalt über aIle Provinzen. Eine letzte sakrale Überh6hung seiner Herrschaft erfolgte, als er im J ahr 12 v. Chr. das Amt des obersten Priesters, des Pontifex Maximus, übernahm und somit auch an der Spitze der Staatsreligion stand. 107 Damit hatte er aIle M6glichkeiten zur Verehrung seiner Person ausgesch6pft, ohne dass jedoch eine Vergottung seiner Person zu seinen Lebzeiten stattfand. 108 Augustus selbst sicherte seine Nachfolge durch die Adoption des Tiberius, der Augustus nach dessen Tod am 19. August 14 n. Chr. in das Amt folgte 109 Er gaIt in der r6mischen Oberschicht als Finsterling, zeigte sich aber, auch in den Provinzen, als ein guter Regent. 110 Nach dem Tod des Tiberius im Jahr 37 herrschte von 37-41 Gaius, der Caligula (Soldatenstiefelchen) genannt wurde. Unter Caligula wurde das augusteische Prinzipat in ein heIlenistisch-orientalisches Gottk6nigtum umgewandelt und die g6ttliche Verehrung des Kaisers eingeführt, durch die er in Konkurrenz zu den jeweils lokal verehrten Gottheiten zu treten versuchte. lll Im Jahr 41 n. Chr. wurde Caligula ermordet, und der einerseits den Wissenschaften gegenüber aufgeschlossene, andererseits aber auch zu geistigen Erkrankungen neigende Claudius wurde von den Praetorianem quasi in das Prinzipat eingesetzt. 112 Claudius blieb bis 54 n. Chr. ein gewissenhafter Regent, allerdings gewannen unter seiner Herrschaft auch seine Frauen stark an Einfluss. Von seiner vierten Frau Agrippina wurde er schlieBlich ermordet, damit ihr Sohn Nero ihm auf den Thron folgen konnte. Die ersten fünf Regierungsjahre Neras waren glückliche für Rom, da die Regierung de facto von dem Philosophen Seneca geführt wurde. SchlieBlich artete die Regierung Neras aber in eine reine WiIlkürherrschaft aus. Er lieB seine Mutter, seine Gattin Octavia sowie den Pratorianerprafekten Burrus ermorden und trieb seinen Lehrer Seneca in den Selbstmord. Der Brand Roms im Jahr 64 n. Chr. ist ein Symbol dieser Zeit. Im J ahr 68 n. Chr. setzte N ero seinem Leben ein Ende. Mit ihm endete die julisch-claudische Dynastie. ll3 Aus den konkurrierenden Kraf-

1M Vgl. 107 Vgl. 108 Vgl. 109 Vgl. liD V gl. III Vgl. lil Vgl. 113 Vgl.

CHRlST, Geschichte, S. 87. CHRlST, Geschichte, S. 91. KLAUCK, Umwelt II, S. 52. REuss, R6mische Geschichte, S. 323. CHRlST, Geschichte, S. 178ff. REuss, R6mische Geschichte, S. 327; KLAUCK, Umwelt II, S. 55. CHRlST, Geschichte, S. 216; REuss, R6mische Geschichte, S. 329. CHRlST, Geschichte, S. 242; REuss, R6mische Geschichte, S. 32lff.

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ten im Vierkaiserjahr 68/69 n. Chr. Otho, Vitellius und Ga1ba l14 ging Vespasian a1s Kaiser hervor (69-79 n. Chr.), der vor dem Tod Neras die r6mischen Truppen im jüdischen Krieg befehligt hatte. 115 Ihm fo1gten seine S6hne Titus (79-81 n. Chr.) und Domitian (81-96 n. Chr.). Unter diesen flavischen Kaisem kam es zu einer Konsolidierung des r6mischen Prinzipats und des r6mischen Reiches überhaupt. 1l6 Unter Domitian wurde auch der Kaiserkult weiter etabliert. So lieB er sich als "Dominus et deus noster" anreden, und der erste Kaisertempel in Ephesus entstand unter seiner Herrschaft. ll7 Nach dem kurzen Prinzipat Nervas (96-98 n. Chr.) trat schlieB1ich Trajan seine 1angjahrige Regierungszeit (98-117 n. Chr.) an lls Unter seiner Regierung kam es zum Ende der jüdischen Diaspora in Agypten.

1.3.3 Das Judentum in ;lgypten im Kontext historischer Ereignisse Dieser Überb1ick setzt an der Stelle ein, in der das Judentum in Agypten erstmals aktiv in Ereignisse verwickelt wurde, die nicht nur für die jüdische Diaspora, sondem :für das Ptolemaerreich überhaupt von Bedeutung waren. Dies geschah mit der F1ucht des Hohenpriesters Onias IV nach Agypten l19 zur Regierungszeit des Ptolemaus VI Phi1ometor und der Gründung seiner Kolonie und militarischen Macht in der Umgebung von Heliopolis mit der Stadt Leontopolis a1s Zentrum. Dass Ptolemaus VI Phi1ometor Onias in einem so hohen MaBe unterstützte und ihm Freiheiten einraumte, mag damit zusammenhangen, dass er sich in der Auseinandersetzung mit den Se1eukiden von den Juden um Onias tatkraftige Unterstützung erwartete. M6glicherweise war das "Land des Onias" auch ein strategischer Schutz vor seleukidischer Expansion. Onias selbst wird in Ptolemaus VI Philometor einen Verbündeten gesehen haben, mit dem er die Hoffnung auf eine Rückkehr nach Jerusa1em verband. 120 Nach dem Tod Phi1ometors im Jahr 145 v. Chr. brach ein Bürgerkrieg zwischen den Anhangem des Bruders Philometors, Ptolemaus VIII Physicon (Euergetes II), und den Anhangem der Witwe Phi1ometors, C1eopatra II aus. In diesen Bürgerkrieg mischte sich auch Onias ein, der mit seinen Truppen nach Alexandria marschierte, um Cleopatra II zu unterstützen. M6glicherweise erhielt er dabei auch Unterstützung durch die Juden in A1exandria. Physicon konnte sich in den Auseinandersetzungen allerdings durchsetzen und Vgl. HEUSS, R6mische Geschichte, s. 335ff. Vgl. CHRlST, Geschichte, S. 248; KLAUCK, Umwelt II, S. 58. ll6 Vgl. CHRlST, Geschichte, S. 248ff. 117 Vgl. KLAUCK, Umwelt II, S. 60. ll8 Vgl. CHRlST, Geschichte, S. 284ff; KLAUCK, Umwelt II, S. 60. ll9 Von den damit zusammenh1ingenden Begebenheiten berichtet Josephus in Jos Bell 7 und in Jos Ant 12. 120 Vgl. BARCLA Y, Jews, S. 36; KASHER, Jews, S. 8; MODRZEJEWSKI, Jews, S. 129. ll4

ll5

1.3 Das Diasporajudentum in Alexandria

21

bestieg den ptolemaischen Thron. Er heiratete dann allerdings Cleopatra II, die Witwe seines Bruders, so dass die Konsequenzen für Onias gering blieben. Barclay vermutet, dass das Eingreifen des Onias dennoch den anhaltenden Zom des K6nigs zur F olge halte und die Beziehungen zwischen Juden und Nicht-Juden in Alexandria stark belastet blieben, da den NichtJuden die starke militarische Macht der Juden und vor allem die Tatsache, dass diese auch eingesetzt wurde, suspekt war. 121 Kasher weist dagegen mit Recht darauf hin, dass Widmungsinschriften für den K6nig an jüdischen Synagogen (CIJ II 1441; 1442; 1449) auf gute Verhaltnisse der Juden zum K6nigshof hinweisen. 122 Die militarische Macht und der Einfluss der Juden trat noch bei einem weiteren Konflikt gegen Ende des 2. Jh. v. Chr. zu Tage. Cleopatra III Selene (116-101 v. Chr.) halte 116 v. Chr. zunachst die Regierung mit ihrem Sohn Ptolemaus IX Lathyrus (Soter II) geteilt, diesen dann aber aus dem Amt verdrangt. Sie machte Chelkias und Ananias, die S6hne Onias IV und inzwischen seine N achfolger in der Führung der Militarkolonie in Leontopolis, zu Offizieren ihrer Armee, so dass die beiden wichtige Stützen der Macht Cleopatras III Selene wurden. Da ihre Machergreifung von der Mehrheit der Einwohner Alexandrias nicht geme gesehen wurde, gerieten emeut auch die Juden der Stadt bei der übrigen Bev6lkerung in Misskredit. 123 AIs der Bruder des Ptolemaus IX Lathyrus Ptolemaus X (Alexander 1) 1141113 in die Regierung drangte, kam es zum Bürgerkrieg. Ptolemaus IX Lathyrus versuchte mit seleukidischer Hilfe gegen seine Multer und seinen Bruder vorzugehen. Dies führte zu einer Allianz zwischen Cleopatra III Selene und K6nig Jannaus. 101 v. Chr. wurde Cleopatra III von Ptolemaus X ermordet. Aber bereits 89 v. Chr. wurde Ptolemaus X aus Alexandria vertrieben, und Ptolemaus IX Lathyrus trat die Herrschaft an. Unter seiner Regierung kam es 88 v. Chr. zu einer Verfolgung der alexandrinischen Juden, die ihre Ursache m6glicherweise in der Unterstützung der Juden für Cleopatra III halte. l24 Nach dem Tod des Ptolemaus IX Lathyrs im Jahr 80 v. Chr. geriet Agypten in immer gr6Bere Abhangigkeit von Rom. Sulla sorgte darur, dass zuerst Ptolemaus XI (Alexander II) und dann Ptolemaus XII Auletes Herrscher in Alexandria wurden. Wahrend dieses Einmischen Roms bei der agyptischen Bev61kerung :für Unmut sorgte,125 unterstützten die Juden die von den Alexandrinem mit Argwohn betrachteten R6mer bei ihrem Bestreben, in Agypten die Herrschaft zu erringen. 126

121

Vgl.

BARCLAY,

Jews,

S. 37ff.

122 V gl. KASHER, J ews, S. 9.

Jews, S. 39. Jews, S. 12. 125 Vgl. KASHER, Jews, S. 12. 126 Vgl. BARCLAY, Jews, S. 40. 123

Vgl.

BARCLAY,

124 Vgl. KASHER,

22

Kapitell: Einleitung

AIs der r6mische Günstling Ptolemaus XII Auletes (80-51 v. Chr.) von den Agyptem durch eine Revolte vertrieben worden war, gelang es den R6mem mit Unterstützung von Hyrkan und Antipater in Jerusalem, ihn wieder in Agypten auf den Thron zu bringen. Dabei hatten sie auch die Unterstotzung jüdischer Soldaten in Agypten. 127 In ahnlicher Weise wurde auch Julius Casar, als er in den Jahren 48/47 v. Chr. in Alexandria kampfte, von den Juden unterstützt,128 woraufhin den Juden im r6mischen Reich eine Reihe von Privilegien verliehen wurden. 129 Cleopatra VII (51-30 v. Chr.) gelang es noch einmal, der ptolemaischen Herrschaft zu kurzem Glanz zu verhelfen. AIs dann im Jahr 30 v. Chr. Agypten von Augustus eingenommen wurde 13 0, die Truppen der Ptolemaer durch r6mische Legionen ersetzt wurden und im ptolemaischen Palast ein r6mischer Statthalter regierte, war dies aIles eine groBe Krankung für die nichtjüdischen Einwohner Alexandrias. Die Verdienste der Juden für die R6mer wurden von Augustus auf einer Stele verewigt, zusammen mit seinem Dank und der Bestatigung ihrer politischen Rechte. l3l Wahrend der ersten vierzig Jahre der r6mischen Herrschaft in Agypten blieben sie eine privilegierte Gruppe, was innerhalb der nicht jüdischen Bev6lkerung bereits vorhandene Ressentiments noch verstarlcte. Zu ersten Auseinandersetzungen zwischen den Juden Alexandrias und den R6mem kam es aber bereits aufgrund des r6mischen Steuersystems. 132 Die R6mer unterschieden zwischen drei Gruppen: R6mem, Griechen und Fremden. Die ersten beiden Gruppen genossen wesentliche Erleichterungen bei Steuem und Abgaben, und nur diesen beiden Gruppen war es erlaubt, ihre S6hne in einem Gymnasium erziehen zu las sen. Aus dem Jahr 5 v. Chr. gibt es eine Bittschrift des Juden Helenos Sohn des Tryphon an den Statthalter, in der darum gebeten wird, die Juden gemaB einer der beiden ersten Gruppen zu behandeln. 133 Der unsichere Status der jüdischen Gemeinschaft in Alexandria zeigte sich noch vor dem Pogrom von 38 n. Chr. an kleineren Zwischenfallen, wie etwa bei einem Besuch des Germanicus in Alexandria, wahrend dem er Getreide an die Bev61kerung verteilte, die Juden von dieser Spende aber Vgl. KASHER, Jews, S. 12. Vgl. KASHER, Jews, S. 13. 129 Vgl. KASHER, Jews, S. 17. 130 Das r6mische Heer hatte übrigens bei seinem Durchmarsch durch Syrien starke Unterstützung durch den dortigen K6nig Herodes erfahren, der die Soldaten mit Nahrung und Wasser versorgte und die Truppenbewegungen erleichterte, wofür er letztlich auch belohnt wurde, indem er die Ebene von Jericho und das Gebiet run Gaza zurückerhielt. V gl. BAUMANN, Rom und die Juden, S. 195f. 131 Vgl. BARCLA Y, Jews, S. 48; KASHER, Jews, S. 18. 132 Vgl. BARCLA Y, Jews, S. 49. 133Vgl. CPJ 151 undBARCLAY, Jews, S. 50. 127

128

1.3 Das Diasporajudentum in Alexandria

23

ausnahm, oder daran, dass der ramische Statthalter den Juden verbot, den Sabbat zu halten. 134 AIs im Jahr 32 v. Chr. A. Avillius Flaccius Statthalter in Agypten wurde, schien er die Juden zunachst zu beschützen, indem er u. a. Unruhestifter der Stadt verwies. Mit dem Tod des Kaisers Tiberius im Jahr 37 und dem Aufstieg des Caligula anderte sich aber die Position des Flaccius, und die Unruhestifter konnten in die Stadt zurückkehren. AIs dann der neue jüdische Kanig Agrippa auf dem Weg von Rom in seine neuen Herrschaftsgebiete im Norden Palastinas einen Besuch in Alexandria machte und die jüdische Bev6lkerung ihm zujubelte, empfanden das die nichtjüdischen Einwohner Alexandriens als Beleidigung. Es kam zu einer Spottprozession, in der die Menge einem in der Stadt bekannten und als Kanig Agrippa verkleideten Geisteskranken zujubelte. Darauf folgten Ausschreitungen und Krawalle, bei denen über 400 jüdische Geschafte und Hauser zerstart wurden. Juden, die sich auBerhalb des vorwiegend von Juden bewohnten Deltaviertels befanden, wurden verbrannt oder durch die StraBen geschleift. SchlieBlich wurden in den bekanntermaBen bilderlosen Synagogen Statuen des r6mischen Kaisers Caligula aufgestellt, die so fur den Gottesdienst unbrauchbar gemacht wurden. 135 Flaccius, der zu schwach war, diesen Ausschreitungen entgegenzutreten, erlieB einen Beschluss, der die Juden ihrer politischen Rechte beraubte. AuBerdem erklarte er die Juden zu den eigentlichen Unruhestiftern, lieB achtunddreiBig Alteste im Theater geiBeln und lieB andere zur Unterhaltung der Bev6lkerung am Geburtstag des Kaisers Caligula am 31. August auf schreckliche Weise hinrichten. 136 Bereits einen Monat spater wurde Flaccius zurück nach Rom gerufen, aber seine Dekrete blieben in Kraft und die Juden ihrer Rechte beraubt, ungeachtet der Tatsache, was einst auf der Stele des Augustus gestanden halte. Infolge dieser Ereignisse sandten sowohl die Juden als auch die Griechen mit der Erlaubnis des neuen Statthalters C. Vitrasius Pollio Delegationen nach Rom, um vor Caligula die Angelegenheiten zu klaren. Die jüdische Delegation wurde von Philo angeführt. Dieses Untemehmen war wenig erfolgreich und führte nicht zu einer Klarung der Sachlage. Caligula war ohnehin wenig judenfreundlich und zu der Zeit, als die jüdische Delegation in Rom war, auBerdem mit der Frage befasst, ob er im Tempel von Jerusalem ein Bild von sich aufstellen lassen sollte. Ein Vorhaben, das dann aufgrund der Appelle des Agrippa, des Z6gems des Statthalters in Syrien und Caligulas eigener Unsicherheit nicht zur AusfUhrung kam. Mit der Ermordung des Caligula im Jahr 41 n. Chr. war das Untemehmen der Delegationen zunachst geplatzt, und man kehrte nach Alexandria zu134 135 136

Vgl. BARCLAY, Jews, S. 51; KASHER, Jews, S. 20. Vgl. BARCLAY, Jews, S. 53f; KASHER, Jews, S. 21. Vgl. BARCLAY, Jews, S. 54.

24

Kapitell: Einleitung

rück. 137 Dort hatten die Juden die Ge1egenheit genutzt, und nach dem Tod des Caligu1a dessen Standbilder wieder aus ihren Synagogen entfemt. Einige Juden haben offensichtlich auch versucht, sich an den Griechen für die Ausschreitungen von 38 zu rachen, so dass es zu neuen Gewalttaten kam. 138 Es ge1ang dem Stattha1ter diesma1 allerdings, schnell fur Ordnung zu sorgen. Nun wurden neue Delegationen zum neuen Kaiser Claudius gesandt, um die ungeklarten Probleme zu 16sen. Die Griechen schickten die gleiche Delegation, wahrend die Juden nun mit zwei Delegationen auftraten, vermutlich ebenfalls mit der alten von Phi10 angefUhrten, aber auch mit einer neuen, die einen militanteren Standpunkt in den Fragen einnahm. 139 Diese offenkundige Gespaltenheit der a1exandrinischen Juden dürfte die Verhand1ung der jüdischen Anliegen vor dem Kaiser nicht eben 1eichter gemacht haben. Nach einer Reihe von Anh6rungen erteilte C1audius schlieBlich in einem Brief an die alexandrinischen Juden seine Antwort. Er tat seinen A.rger über die Ausschreitungen kund und ebenfalls über die, die weiterhin für Unruhen sorgten. Den Juden sollten nicht mehr Rechte zuteil werden, als sie vorher besessen hatten, und er erteilte den jüdischen Hoffnungen, das volle alexandrinische Bürgerrecht zu erhalten, eine Absage. 140 Der Streit um die Rechte der Juden in Alexandria spitzte sich zur Regirungszeit Neras (54-68 n. Chr.) noch weiter zu. Die Stadt A1exandria wollte, dem Vorbild Caesareas entsprechend, die Rechte der Juden noch weiter beschneiden. In diesem Zusanunenhang kam es im Jahr 66 n. Chr. erneut zu Ausschreitungen, die darin gipfelten, dass der Statthalter Tiberius Julius Alexander den aufstandischen Juden seine Truppen entgegen stellte. Jospehus zufo1ge wurden 50 000 Menschen umgebracht (Bell II 494_498).141 Zur Regierungszeit Trajans (115-117) kam es zu einem 1etzten Aufstand der Juden in Agypten, der seine Ursachen u. a. im r6mischen Steuersystem, in der Verarmung der Juden in der agyptischen Chora und in übersteigerten messianischen Erwartungen hatte. 142 Dieser Aufstand im Jahr 117 führte zum fast volligen Untergang der jüdischen Diaspora in A.gypten. 143

Vgl. Vg l. 139 Vgl. 140 Vgl. 14 1 Vgl. 142 Vgl. 143 Vgl. 137 138

BARCLA Y, Jews, S. 55ff; KASHER, Jews, S. 22. BARCLAY,Jews, S. 56. BARCLA Y, Jews, S. 57. KASHER, Jews, S. 24. BARCLA Y, Jews, S. 75; KASHER, Jews, S. 25. KASHER, Jews, S. 27f. BARCLA Y, Jews, S. 78; MODRZEJEWSKI, Jews, S. 161.

1.4 Einleitungsfragen zur Sapientia Salomonis

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1.4 Einleitungsfragen zur Sapientia Salomonis 1.4.1 Litearische Integritat und Gattung Die Forschung zur Sapientia Salomonis zeichnete sich an der Wende vom 18. zum 19. Jh 144 und abermals zu Beginn des 20. Jh 145 durch ein Ringen um die Frage nach der Einheitlichkeit der Schrift aus. Unter den zahlreichen und auBerst vielfaltigen Teilungshypothesen ist als alteste die von Houbigant aus dem Jahr 1753 zu nennen. 146 Die vielleicht eindrucksvollste stammt von Nachtigal, der die Sapientia Salomonis in seinem 1799 erschienenen Kommentar in kleinste Abschnitte unterteilte, die er insgesamt 147 72 Verfassem zuschrieb. Die altesten Teilungshypothesen hat Grimm in seinem Kommentar von 1860 zu widerlegen versucht, indem er auf den einheitlichen Stil der Sapientia Salomonis verwies. 148 Ibm wurde von Focke, Gartner, Lincke und Weber widersprochen, wahrend Fichtner 1937 emeut fur die Einheitlichkeit der Schrift pladierte 149 Heute geht die Mehrheit der Exegeten von der Einheitlichkeit der Schrift aus. 150 In dem Bestreben, die Einheitlichkeit der Schrift zu begründen, werden verschiedene Argumente herangezogen: Im Rückgriff auf Skehan l5l hat vor allem Wright versucht, Zahlenentsprechungen zwischen den BuchteiIen als kompositorisches Element plausibel zu machen. 152 Für das gesamte Buch geht Wright davon aus, dass die Kapitel Sap 1,1-11,1 und Sap 11,219,22 einander bewusst zugeordnet sind, weil die Kapitel Sap 1,1-11,1 insgesamt 560 und die Kapitel Sap 11,2-19,22 561 stichoi aufweisen. 153 Dieses Spiel mit der Anzahl der Verse führt er auf allen Ebenen des Bu-

144 Vgl. HOUBIGANT, Notae criticae, S. 465-480; BERTHOLDT, Historischkritische Einleitung; S. 2276ff; BRETSCHNEIDER, De Libri Sapientiae; EICHHORN, Einleitung, S. 174; NACHTIGAL, Buch der Weisheit, S. 1ff. 145 Vgl. FOCKE, Entstehung, S. 1-74; GARTNER, Komposition, S. 100f; LINCKE, Samaria, S. 119-144; WEBER, Heimat, S. 32-345. 146 HOUBIGANT, Notae criticae, S. 465-480. 147 Vgl. NACHTIGAL, Buch der Weisheit, S. lff. 148 V gl. GRlMM, Buch der Weisheit, S. 5-9. 149 Vgl. FICHTNER, Stellung, S. 117. Mit ihm FELDMANN, Einheit, S. 140; HEINISCH, Buch der Weisheit, § 7 XXXV; PFEIFFER, History. 150 Zur neueren Forschung vgl. COLLINS, Jewish Wisdom, S. 180; ENGEL, Buch der Weisheit, S. 27; HÜBNER, Weisheit Salomos, S. 24; WINSTON, Wisdom of Solomon, S. 9-14. 151 SKEHAN, Text and Structure, S. 1-12. 152 Vgl. WRlGHT, Numerical Pattems; DERS., Structure; DERS., Structure of Wisdom 11-19. Diese Suche nach Zahlenentsprechungen wurde in Anlehung an Wright von WEBSTER, Strucural Unity, in extremer Fonn fortgeführt. 153 Vgl. WRlGHT, Numerical Pattems, S. 218; DERS., Structure, S. 165; DERS., Structure ofWisdom 11-19, S. 29.

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ches weiter. So sieht er beispielsweise die konzentrische Struktur der Kapitel Sap 1,1-6,21 auch in der Anzah1 ihrer Verse wiedergegeben 154 Wahrend in diesem Fall die Zah1enentsprechungen noch mit dem tatsach1ichen Aufbau des Buches konform gehen, werden sie in der Darstellung des zweiten und dritten Teils der Sapientia Salomonis immer spekulativer. 155 Die Zahlenverhaltnisse, die Wright zu erkennen meint, sind weder ohne Weiteres aus der Lektüre der Sapientia Salomonis ersichtlich, noch stehen sie in Zusammenhang mit inhaltlichen Aussagen oder einer denkbaren ln. d er Saplent1a . . S l · 156 tentlOll a omoms. N eben der Suche nach Zah1enentsprechungen hat Wright auBerdem die Verknüpfung der einze1nen Abschnitte durch Ink1usionen zu begründen versucht. 157 Auf diese Weise unterteilt er nahezu das gesamte Buch. Allerdings sind die von ihm als solche identifizierten Inklusionen in vielen FalIen nicht gerade offensichtlich. So sieht er Ink1usionen auch dor!, wo ein Wort in einer anderen Form erneut aufgegriffen wird, wie z. B. aT~aETaL als &vnaT~aETaL in Sap 5,1 und 5,23,158 oder er erkennt eine Inklusion auch dann, wenn das Wort innerhalb eines Abschnittes nicht nur im Rahmen, sondem auch in mehreren anderen Versen vorliegt, wie im Falle von GKOTOUt; in Sap 17,1-18,4.159 Ebenso fragwürdig ist seine Vorgehensweise, wenn die Inklusion nicht in den Randversen einer Sinneinheit vorliegt, wie es fur die Verse Sap 8,2-16 der Fall ist, die von Wright a1s eine solehe zusammengefasst werden, wahrend er die Inklusion durch die Entsprechung von au~~{waLv und au~~{waLs in den Versen Sap 8,3 und Sap 8,16 gegeben sieht. 160 Fo1g1ich ist es nicht moglich, innerha1b der Sapientia Salomonis Inklusionen überzeugend nachzuweisen und so die Einheit der Schrift zu begründen. Heute wird zur Begründung der Einheitlichkeit der Sapientia Sa1omonis zumeist auf die Arbeit von Reese 161 verwiesen/ 62 der vor allem zwei Argumente für diese These stark macht.

Vgl. WRlGHT, Numerical Patterns, S. 220. Vgl. WRlGHT, Numerical Patterns, S. 222ff. 156 Der gleiche Einwand kann bereits für die Unterteilung der Schrift in zwei 560 bzw. 561 Verse umfassende H1ilften geltend gemacht werden. Wenn der Verfasser sich schon die Mühe gemacht haben sollte, eine derart hohe Anzahl von Versen abzuz1ihlen, warum hat er dann nicht für eine wirkliche Entsprechung der Verse gesorgt? Au13erdem ist es h6chst fraglich, welchen Sinn eine derartige Zahlenentsprechung, die vom Leser wahrscheinlich überhaupt nicht bemerkt wurde, gehabt haben sollte. 157 V gl. WRlGHT, Structure, S. 171 ff. 158 Vgl. WRlGHT, Structure, S. 172. 159 Vgl. WRlGHT, Structure, S. 183. 160 Vgl. WRlGHT, Structure, S. 174. 161 Reese begründet seine These zur Einheitlichkeit der Sapientia Salomonis umfassend in seiner 1970 erschienenen Arbeit zu hellenistischen Einflüssen auf die Schrift. 154 155

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Zum einen erkennt er innerhalb des gesamten Buches wiederkehrende Themen und verweist in diesem Zusammenhang auch auf von ihm sogenannte "flashbacks", die die einzelnen Teile der Sapientia Salomonis verbinden. 163 Auffallig ist jedoch, dass sich sowohl die wiederkehrenden Themen als auch die flashbacks nur im ersten und dritten Teil der Sapientia Salomonis finden. Der zweite Teil bleibt in der Darstellung Reeses von ihnen nahezu unberührt. AuBerdem kann bei einer Vielzahl der von Reese beschriebenen flashbacks nicht sicher gesagt werden, ob es sich tatsachlich um ein vom Autor eingesetztes Textsignal handelt. So ist beispielsweise die Erwahnung des Wortes ~uaT~pLa "Geheimnisse" innerhalb der Verse Sap 6,22 und Sap 14,23 164 alleine noch kein Argument für einen bewusst vom Autor gestalteten Rückgriff auf zuvor Gesagtes. Diese Beobachtungen deuten also noch nicht zwingend auf die Einheitlichkeit der Sapientia Salomonis hin. Reese 165 und mit ihm auch andere Kommentatoren 166 stützen sich auBerdem auf die Zuweisung der Sapientia Salomonis zur Gattung des Logos protreptikos. 167 Der Logos protreptikos ist der Gattung der Protreptik zugeordnet, die versucht den Leser vom Wert eines Fachgebietes zu überzeugen, zu begeistem und ihn dazu zu bewegen, sich diesem hinzuwenden. So bedeutet das griechische Wort 1TPOTPE1TELV auch "hinwenden zu etwas". Meistens geht es in der Protreptik um die Hinwendung zur Philosopie, es konnen aber auch andere Facher Gegenstand der Protreptik sein. Der Logos protreptikos selbst bezeichnet eine Werberede oder eine Werbeschrift. Die Protreptik als Gattung entstand im 5. Jh. v. Chr. in der Zeit der Sophistik, die um Schüler werben musste und diese in personlichen Gesprachen vom Wert ihres Unterrichtes zu überzeugen versuchte. 168 Wesentliche Elemente der Protreptik sind die Vorführung des Gegenstandes und seiner Tradition, Hinweise auf den Nutzen für das Leben und auf die Hilflosigkeit ohne ihn, die Verteidigung gegen ablehnende oder konkurrierende Mei-

Vgl. REESE, Hellenistic Influence. In einem Aufsatz aus dem Jahr 1965 setzt er die Einheitlichkeit aber bereits voraus. Vgl. REESE, Plan and Structure, S. 399. 162 Vgl. COLLINS, Jewish Wisdom, S. 18lff; ENGEL, Ein alttestamentliches Buch, S. 158-165; DERS; Buch der Weisheit, S. 27; HÜBNER, Weisheit Salomos, S. 24; üFFERHAUS, Komposition, S. 250ff; WINSTON, Wisdom of Solomon, S. 20. 163 Vgl. REESE, Hellenistic Influence, S. 123ff. 164 V gl. REESE, Hellenistic Influence, S. 132. 165 V gl. REESE, Hellenistic Influence, S. 117ff. 166 Vgl. ENGEL, Ein alttestamentliches Buch, S, 158-165; ENGEL, Buch der Weisheit, S. 27; HÜBNER, Weisheit Salomos, S. 24; üFFERHAUS, Komposition, S. 259; WINSTON, Wisdom of Solomon, S. 20. 167 Umfassende Darstellungen der Gattungen finden sich bei AUNE, Logos Protreptikos; BERGER, Hellenistische Gattungen; GORGEMANNS, Art. Protreptik. 168 BERGER, Hellenistische Gattungen, S. 1139.

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nungen SOWle die Er6rterung über die Erlembarkeit des Gegenstandes.

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Wichtig ist vor a11em, dass mit Hilfe des Logos Protreptikos fur eine bestinunte Lebensführung im Sil1l1e moralischer Qualitaten geworben werden sol1te 170 Da der Logos protreptikos immer eine umfassende Bildung zeigt, er verschiedene Literatursorten in den Dienst nimmt, um die Leser :für die Auseinandersetzung mit anderen Sinnangeboten und V orstellungen zu rüsten, und er oft a11gemein gehalten ist, um den Lesem die M6g1ichkeit zu geben, sich mit den geschilderten Ergebnissen zu identifizieren,171 lassen sich zahlreiche Textphanomene der Sapientia Salomonis, die mitunter zur Begründung von Teilungshypothesen herangezogen wurden bzw. werden, wie z. B. der Gebrauch verschiedener Literaturformen und literarischer Stilmittel in den einzelnen Buchteilen, mit der Zuordnung zur Gattung des Logos protreptikos erk1aren. So wird die Sapientia Sa10monis in fast a11en neueren Kommentaren als ein einheitliches, auf einen Autor zurückgehendes Werk beschrieben. 172 Der erste Teil der Schrift umfasst die Kapitel Sap 1,1-6,21 und enthalt einen Aufruf zu Liebe zu Gerechtigkeit, der durch ein Gerichtsszenario in den Kapite1n 3 und 4 p1ausibi1isiert und in Sap 6 auf das Gesetz hin konkretisiert wird. Dieser Tei1 gilt gemeinhin a1s der eschato10gische Tei1 der Sapientia Salomonis. Die Kapitel Sap 6,22-11,1 gelten als zweiter Teil der Sapientia Salomonis und werden als Loblied, als Enkomion, auf die Weisheit beschrieben. Der dritte Tei1 der Sapientia Sa10monis in Sap 11,2-19,22 enthalt sieben Gegenüberstellungen, in denen an das Exodusgeschehen erinnert wird. Diese Gegenüberstellungen werden in Sap 11,17-15,19 durch zwei Exkurse zur Milde Gottes und zum G6tzendienst unterbrochen. Die Zuweisung dieses dritten Teiles zu einer bestimmten Gattung ist strittig. Er wird oft a1s "midraschartig" oder "hymnisch" beschrieben. 173 Die verschiedenen inhaltlichen Schwerpunkte der einzelnen Teile sowie ihr unterschiedlicher Stil werden dabei der Vie1seitig- bzw. Vie1gestaltigkeit der Gattung des Logos protreptikos zugeschrieben. So liegt gerade in der Gattungszuweisung die Gefahr, bestehende Schwierigkeiten innerha1b des Textes zu einseitig mit der Gattung zu erk1aren. 174 Sch1ieBlich fo1gt aus

Vgl. GORGEMANNS, Art. Protreptik, Sp. 468-471. Vgl. AUNE, Logos Protreptikos, S. 91; REESE, Hellenistic Influence, S. 118. m Vgl. AUNE, Logos Protreptikos, S. 95ff; ENGEL, Ein alttestamentliches Buch, S. 158-165. 172 Vgl. ENGEL, Buch der Weisheit, S. 30ff; HÜBNER, Weisheit Salomos, S. 24; SCARPAT, Libro della Sapienzia 1, S. 28; WINSTON, Wisdom ofSolomon, S. 14. 173 Vgl. ENGEL, Buch der Weisheit, S. 23; SCHROER, Buch der Weisheit, S. 399. 174 So beschreibt Offerhaus beispielsweise durchaus Spannungen innerhalb des zweiten Buchteiles zwischen den autobiographischen in der 1. Pers. Sg. gehaltenen Passagen 169 170

1.4 Einleitungsfragen zur Sapientia Salomonis

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der Zuordnung einer Schrift zu einer bestimmten Gattung nicht zwangslaufig, dass aIle ihre Teile auf eine Hand zurückgehen müssen und Fortschreibungen sowie redaktionelle Bearbeitungen auszuschlieBen sind. 175 Im Folgenden sollen die wichtigsten Beobachtungen zu moglichen Brüchen, aber auch zu Verbindungen innerhalb der Sapientia Salomonis kurz dargestellt werden. Zunachst bestehen deutliche Unterschiede in der thematischen und inhaltlichen Ausrichtung der einzelnen Teile. So heben sich die Teile eins und drei von dem zweiten Teil dadurch ab, dass sie den Gegensatz zwischen Gerechten und Gottlosen darsteIlen, der innerhalb des zweiten Teiles überhaupt keine Rolle spie It. Lediglich das zum zweiten Teil geh6rende Kapitel Sap 10 führt überhaupt wieder den Topos des Gerechten (6{Kaco,) ein. AuBerdem fehlt in Sap 1,1-6,21 und Sap 11,2-19,22, also im ersten und im dritten Teil, die autobiographische Komponente, die ein entscheidendes Merkmal des zweiten Teiles ist, wobei die 1. Pers. Sg. das letzte Mal in Sap 9,12 begegnet. Der zweite Teil kennt dagegen keinen Gerichtsgedanken und enthalt dementsprechend ebenfalls keine eschatologische Dimension. Des Weiteren unterscheiden sich der erste und der dritte Teil vom zweiten Teil deutlich durch ihre Themenwahl. Wahrend der erste Teil einen Aufruf zur Liebe zur Gerechtigkeit darstellt und die Bedeutung dieser Liebe innerhalb des eschatologischen Szenarios der Kapitel Sap 3 und 4 entfaltet und der dritte Teil die im ersten Teil beschriebenen Wirkweisen in einem Rückgriff auf die Vergangenheit plausibilisiert, ist das zentrale Thema des zweiten Teiles die Weisheit. Eine entscheidende Diskrepanz zwischen den verschiedenen Teilen liegt in diesem Zusammenhang auch in dem Reden von Gott. Der erste und der dritte Teil zeigen deutlich Gott als denjenigen, der handelt. Das Handeln Gottes ist das beherrschende Thema des gesamten dritten Teils, innerhalb des ersten Teils gilt dies vor allem für die Darstellung seines richtenden Eingreifens in Sap 3,5-9; 4,17-18; 5,16-21. Innerhalb des zweiten Teiles spielt es gegenüber dem Wirken der Weisheit dagegen nur eine untergeordnete Rolle. Abgesehen davon zeigen die Teile ein unterschiedliches Interesse am Umgang mit den alttestamentlichen Texten 176 , wobei in diesem Zusammenhang auch innerhalb der drei groBen Teile Unterschiede bestehen, und sie zeigen teilweise eine unterschiedliche theologische und philosophische Ausrichtung. So finden sich

und den Ausführungen über die Weisheit, ohne daraus Schlüsse zu ziehen. Vgl. OFFERRAUS, Komposition, S. 71ff., bes. S. 99. 175 Dies wurde bereits von Reese selber angemerkt, indem er einraumte: "In reality, the book probably grew over an extended period of time during which the Sage added to and modified his work." REESE, Hellenistic Influence, S. 123. 176 Mit alttestamentlichen Texten sind hier und in der folgenden Arbeit die kanonisch gewordenen Schriften des Alten Testaments in der Übersetzung der LXX gemeint.

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innerha1b des zweiten Tei1s der Sapientia Sa10monis in Sap 8,19.20 und in Sap 9,15 Aussagen über Leib und See1e, die deutlich p1atonisch beeinflusst sind, wahrend der Schrift ansonsten ein bib1isches Menschenbild zugrunde liegt. Neben diesen inha1tlichen Spannungen bestehen an vie1en Stellen Prob1eme im Textfluss. Prob1ematisch sind vor allem die Übergange zwischen den einze1nen Teilen. So erweist sich Sap 6 a1s inha1tlich nicht konsistent. Die Verse Sap 6,12-16 1iefem bereits eine Beschreibung der Weisheit, wahrend Sap 6,22 scheinbar davon ausgeht, dass über die Weisheit noch nichts bekannt ist, und erst eine Einleitung zu Ausführungen über die Weisheit bietet, indem dort gesagt wird, TL OE Eonv aocļ>Ca KaL 1TWt; EYEVETO, a1TCI;YYEAW "was aber Weisheit ist und wie sie entstand,

will ich verkünden". Des weiteren findet sich sowoh1 in Sap 6,11 a1s auch in Sap 6,25 die auf Sap 6,1 zurückweisende Aufforderung, sich durch die Worte des Sprechers erziehen zu lassen (1TD:LOEUW). Schwierigkeiten bereitet auch der Übergang von Sap 10 zu Sap Il. Wahrend in Sap 10 das Wa1ten der Weisheit beschrieben wird, setzten in Sap 11,2 die Geschichtsverg1eiche ein, die innerha1b des gesamten dritten Teiles das Wirken Gottes exemplifizieren. Erstmals erwahnt wird der Herr (KUpLO,) innerha1b des e1ften Kapite1s aber erst in Sap 1l,13b, so dass sich die in dem Pronomen OE "dich" deutlich werdende Anrede aus Sap 11,4 auch auf die in Sap 10 thematisierte Weisheit beziehen k6nnte, da Gott in den vorausgehenden Versen das 1etzte Mal in Sap 9,18 angeredet wurde. Auch innerhalb der einzelnen Teile der Sapientia Salomonis liegen einige Schwierigkeiten vor. Der erste Tei1 (Sap 1,1-6,21) ist in seinem Aufbau und seiner Argumentation im Wesentlichen stringent. Dennoch weisen die Kapitel Sap 3 und 4, Sap 5 sowie das in seinen Prob1emen bereits beschriebene sechste Kapitel einze1ne Brüche auf. In Sap 3 und 4 ist die Schi1derung des Ergehens der Gerechten und der Gottlosen nach dem Tod des Gerechten, die in Sap 3,1-12; 4,17-20 vorliegt, durch einen gr6Beren Einschub unterbrochen, der das Prob1em der Kinderlosigkeit des Gerechten angesichts der reichen Nachkommenschaft der Gottlosen und das Prob1em des vorzeitigen Todes des Gerechten behande1t. Die Verse Sap 3,1-12 und Sap 4,17-20 stehen in direktem Zusammenhang zu den von den Gott10sen in Sap 2 entwickelten PHinen. Die Gerechten sind denmach bereits verstorben und befinden sich gegenwartig in einem Zustand des Friedens (Sap 3,3b). Darauf fo1gt zu einem nicht naher bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft das Gericht. Dementsprechend beschreibt Sap 3,7-9 das Ergehen der Gerechten im Gericht im Futur. Mit Sap 3,10 beginnt die Schilderung des Ergehens der Gott10sen, die aber offensichtlich noch nicht gestorben sind. Ihr Tod wird a1s zukünftiges Ereignis erst in Sap 3,19 berichtet. Die Verse Sap 3,1-9 und Sap 3,10-12; 4,17-20 sind auBerdem nach zwei Kriterien

1.4 Einleitungsfragen zur Sapientia Salomonis

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gestaltet. So wird zum einen das Ergehen der Gerechten dem Ergehen der Gottlosen in Tod und Gericht in kontrastierender Weise gegenübergestellt. Zum anderen sind diese Verse die Antwort auf die in Sap 2 und Sap 5 geauBerten bzw. reflektierten Plane der Gottlosen, da diese nun selbst davon getroffen werden, was sie für die Gerechten geplant hatten: Früher haben sie über den Gerechten gelacht (Sap 5,4 OUTOs ~v, GV EGX0I-lEV 1TOTE Els yÜwm), nun lacht Gott über sie (Sap 4,18 K1JpCO, ~KYEAaaETaL), und sie werden zu unwürdigen Leichen (Sap 4,19),die unter den Toten verspottet werden. AuBerdem müssen sie Schmerzen erleiden (Sap 4,19f), wie sie den Gerechten Schmerz zugefügt haben (Sap 2,19). Wahrend sie den Gerechten mit Schmach und Spott (li~pL,) prüfen wollten (Sap 2,19), werden sie selbst nun zum Gesp6tt (Sap 4,19b El, li~pLV). Und sie hielten das Ende der Gerechten für unwürdig (Sap 5,4 &TL~ov), wahrend sie nun selber zu unwürdigen Leichnamen (Sap 4,19 El, TITw~a &TL~ov) werden. Sap 3,134,16 verlasst nicht nur diesen sich inhaltlich entsprechenden Zusammenhang, sondem auch die vorgegebene zeitliche Ebene. So wird beispielsweise in Sap 4,7 vom Tod des Gerechten als einem zukünftigen Ereignis berichtet, obwohl dieser Sap 3,1-9 zufolge bereits gestorben ist und nur noch des Gerichtes als eines zukÜllftigen Ereignisses harrt. 177 Fonnal gesehen schlieBt auch Sap 3,17 durch das Aufgreifen des Terminus aoq,[a "Weisheit" in dem Begriff aoq,6, an den Zusammenhang Sap 3,1-12 Sap an. Dies unterstützt die These, dass Sap 3,13-4,16 erst spater in einen bereits bestehenden Zusammenhang, der aus den Reden der Gottlosen in Sap 2 und 5 und einem Bericht über das Schicksal der Gerechten und der Gottlosen in Sap 3-4 bestand, eingefügt wurde. Der Einschub in Sap 3,13-4,16 ist nun wiederum nicht einheitlich, sondem dürfte zumindest in zwei Phasen erfolgt sein, da in Sap 4,1-6 in einem zweiten Abschnitt die Frage von Kinderlosigkeit und N achkommenschaft behandelt wird, nachdem sich diese bereits in Sap 3,13-19 thematisiert findet I78 177 Dass in Sap 3,12-4,16 ein sekund1irer Einschub vorliegt, manifestiert sich auch an fonnalen Kriterien. So bietet die These eines literarischen Wachstums beispielsweise die Losung für ein in Sap 3,9 vorliegendes textkritisches Problem: Der Codex Sinaiticus und der Codex Alexandrinus fügen dort mit K(U EilLOKOill1 EV tOl9apTov oou 1TVEÜ~a Eonv EV 1T!XOl...V "dein unverganglicher Geist ist namlich in allem"). Dennoch erscheint Gott in beiden Teilen auch als ein richtender Gott, der strafend eingreifen kann, gleichwohl dieses Tun in erster Linie der Erziehung dienen soll. So erklart Sap 3,4, dass die Gerechten nur ein wenig gezüchtigt (1Tal...OEuw) werden, um dal1l1 viel Gutes zu erfahren. Ebenso begegnet innerhalb des dritten Teiles neben dem Gedanken einer leichten Strafe, die Gelegenheit zur Umkehr geben soll (Sap 12,2.10), die V orstellung, dass die Gerechten nur leicht und mit Gnaden gezüchtigt (naLoEuw) werden (Sap 11,9f.)204 Auch wenn Gott in den Kapiteln Sap

oa

204 OtE yap ETIElpaa811aav, Ka(TIEp EV EAEEl TIalOEU0IJ.EVOl, I EYVUlaav TIG3c; IJ.Et '6pyfjc; KPlV0IJ.EVOl &aEI3EI:c; E!3aaav((ovto' ,,Denn als sie n1imlich versucht und gleichsam in

Erbannen gezüchtigt wurden, erkannten sie, wie die Gottlosen mit Zom gerichtet und gequalt wurden."

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Kapitell: Einleitung

1,1-6,21 innerhalb eines zukünftig anstehenden Gerichtes handelt, wohingegen der dritte Teil in den Kapiteln Sap 11,2-19,22 Gottes richtendes Handeln in der Geschichte beschreibt, begegnet in bei den Teilen für dieses Handeln vorwiegend der Terminus KPLOC, (Sap 5,18; Sap 6,5; Sap 12,25.26; Sap 16,18; Sap 17,1), und in beiden Teilen wird Gott in seinem richtenden Handeln durch die Sch6pfung unterstützt (Sap 5,2lff; Sap 16,24). Eine weitere Entsprechung ist in den in Sap 11,5 und Sap 11,16 genannten Leitprinzipien zu sehen. So sollen die in Sap 11,2-16; 16,1-19,22 vorliegenden Gegegnüberstellungen des dritten Teiles die Gültigkeit des Prinzips 01,'WV yap E:KOAaa9Y]oav oL EX9POL o:un.0v, oux ŗOlhwv aurot O:1TOPOUVTEt; EUEPYET~ellaav

"wodurch namlich ihre Feinde gestraft wurden,

dadurch geschah ihnen Gutes, als sie verloren waren" (Sap 11,5) ebenso wie die Gültigkeit der Aussage Lva YVWGl.V, on, O\..' WV Ht; O:l-lapTaVEL, OLa ŗOlhwv KoAa(eral.. "damit sie erkennen, dass, wodurch einer sündigt,

er genau dadurch bestraft wird" (Sap 11,16) illustrieren. Die Entsprechung aus Sap 11,16 hat auch für die Darstellung des Szenarios in den Kapiteln Sap 3 und 4 Gültigkeit. Den Gottlosen wird nun im Tod zuteil, was der Gerechte zu Lebzeiten durch sie erleiden musste. Es gibt also eine Entsprechung zwischen den Sünden der Gottlosen und ihrem Schicksal im Gericht. Eine entscheidende Parallele zwischen der Darstellung des ersten und des dritten Teils ist auch in dem fundamentalen Gegensatz zu sehen, der zwischen den Gerechten und den Gottlosen aufgebaut wird. Innerhalb des dritten Teiles wird dieser Gegensatz durch die Gegenüberstellungen und das in Sap 11,5 benannte Prinzip verdeutlicht, innerhalb des ersten Teiles in dem in Sap 3 bis 5 beschriebenen Szenario, in dem das Ergehen der Gerechten vollig kontrar zum Schicksal der Gottlosen is!. Wahrend die Gottlosen in ihren Grundfesten erschüttert werden (Sap 4,19d), steht (oT~oETac) ihnen der Gerechte in Zuversicht gegenüber (Sap 5,1), und wahrend die Erinnerung an sie ausge16scht wird (Sap 4,19g), liegt in der Erinnerung an die Tugend der Gerechten Unsterblichkeit (Sap 4,lb). Die Verbindung zwischen dem Szenario in Sap 3 bis 5 und den Leitprinzipien in Sap 11 ,5 und Sap 11,16 wird durch die sekundare Einschaltung von Sap 3,13-4,16 in Sap 3,1-12; 4,17-20 verstarkt, indem hier die eschatologische Verkehrung der im Diesseits gültigen Verhaltnisse noch deutlicher zum Ausdruck kommt. Vor allem die Exkurse weisen gezielt auf den ersten Teil ZUfÜck. Besonders offensichtlich ist der Zusammenhang zwischen Sap 1,15 und Sap 15,3. Diese Verbindung zwischen dem ersten Teil und den Exkursen des dritten Teils wird durch das Aufkommen von Anspielungen auf das Jesajabuch in beiden Teilen unterstrichen. Verschiedene Exegeten haben gezeigt, dass die Kapitel Sap 2,10-20; 3,1-9; 4,19f; 5,1-6 in Anlehung an

1.4 Einleitungsfragen zur Sapientia Salomonis

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das vierte Gottesknechtslied in Jes 52,13-53,12 gestaltet sind 205 Die vorausgehenden dazwischen liegenden und anschlieBenden Verse (Sap 2,6.23; 3,10-4,18; Sap 5,15-23) sind nicht durch das vierte Gottesknechtslied gepragt, weisen aber jeweils auch Anspielungen auf das Jesajabuch auf206 Wahrend Suggs noch die Ansicht vertrat, dass in Sap 3,14-4,13 eine Lücke in der Bezugnahme auf das Jesajabuch vorliegt/07 hat sich diese Darstellung inzwischen revidiert. 208 Skehan hat nun nicht nur die Verbindungen der ersten Kapitel zum Jesajabuch beschrieben, sondem die Sapientia Salomonis in ihrer Beziehung zum Jesajabuch überhaupt in den Blick genonunen. Aus seiner Darstellung wird ersichtlich, dass Beziehungen zum Jesajabuch, wenn auch in sparlicherer Form, auch innerhalb der Exkurse des dritten Teils der Sapientia Salomonis vorliegen. 209 Angesichts der zahlreichen Verbindungslinien zwischen dem ersten und dem dritten Teil der Sapientia Salomonis kommen für die Entstehung der Schrift in ihrer Grundstruktur verschiedene Erklarungsmoglichkeiten in Frage. Haag geht davon aus, dass die Kapitel 1,1-6,21 einer in Sap 6,2219,22 bereits vorliegenden Schrift vorgeschaltet wurden. 210 Diese Annahme ist allerdings wenig plausibel. Der erste Teilliefert in zweifacher Hinsicht den Ausgangspunkt für die Kapitel Sap 6,22-11,2. In Sap 6 wird die Weisheit thematisiert, ohne dass sie naher beschrieben wird. Der zweite Teil reagiert auf diese offene Darstellung und liefert eine umfangreiche Beschreibung der Weisheit mit ihren Eigenschaften und in ihrem Wirken. Des Weiteren bauen die Kapitel Sap 6,22-11,1 das Profil des fikitven Verfassers der Sapientia Salomonis im Sinne des weisen K6nig Salomos wei205 Vgl. RUPPERT, Gerechte und Frevler, S. 22f; SCHMITT, Komposition, S. 411; SUGGS, Wisdom ofSolomon, S. 31; ZIENER, Verwendung der Schrift, S. 139f. 206 Folgende Anspielungen lassen sich finden: Sap 2,61 Jes 28,15.18; Sap 2,231 Jes 44,7; Sap 3,31 Jes 57,19-20; Sap 3,51 Jes 26,16; Sap 3,71 Jes 42,4; Sap 3,81 Jes 42,1; Sap 3,101 Jes 51,1; Sap 3,11b-12.16-171 Jes 65,20-23 und Jes 57,3-4; Sap 3,131 Jes 54,1; Sap 3,13-4,61 Jes 56,1-8; Sap 4,7-191 Jes 57,lf; Sap 4,171 Jes 6,9; Jes 57,1-2; Sap 4,105,71 Jes 59,6-14; Sap 3,10-12.16-19; 4,3-6.14-191 Jes 57,3-13.20f; 59,1-15; Sap 5,15161 Jes 62,3.11; Sap 5,15-231 Jes 59,16-19. Die hier angeführten Vergleichstexte geben den Befund der bisherigen Arbeiten zum Thema wieder. Aufgrund der Vorgehensweise der Sapientia Salomonis auf alttestamentliche Texte nur durch 1iul3erst knappe Anspielungen zu verweisen, k6nnen einige der Verweise auf das Jesajabuch auch hinterfragt werden. Vgl. BEENTJES, Wisdom of Solomon; RUPPERT, Gerechte und Frevler, S. 35ff; SCHMITT, Komposition, S. 411; SKEHAN, Isaias. 207 SUGGS, Wisdom of Solomon, S. 29. 208 In ausführlicher Auseinandersetzung zu Suggs vgl. BEENTJES, Wisdom of Solomon. AuI3erdem Ruppert, Gerechte und Frevler, S. 35ff; SCHMITT, Komposition, S. 411. 209 So verweist Sap 13 insgesamt auf Jes 44. In Sap 15,10 findet sich sogar ein direktes Zitat aus Jes 44,20. V gl. dazu SKEHAN, Isaias, S. 292ff; SUGGS, Wisdom of Solomon, S.27. 210 Vgl. HAAG, Die Weisheit ist nur eine, S. 109.

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Kapitell: Einleitung

ter aus. Innerhalb des ersten Teiles Hisst nur die Anrede an die K6nige und die Herrschenden der Erde darauf schlieBen, dass j emand redet, der diesen fiktiven Adressaten ebenbürtig und gleichrangig ist. Die Kapitel Sap 6,2211,2 lassen dagegen mit ihren autobiographischen Passagen keinen Zweifel daran, dass es sich bei dem Redner um Salomo handelt. Indem also der zweite Teil eine Konkretisierung und Weiterführung von Aussagen des ersten Teils bietet, ist davon auszugehen, dass ihm die Kapitel Sap 1,16,21 bereits vorlagen. Dies ist auch für den dritten Teil der Fall. Innerhalb der Endfassung der Sapientia Salomonis dient er zur Plausibilisierung des innerhalb der Kapitel Sap 3-5 dargestellten eschatologischen Szenarios. Er lasst das dort für die Zukunft beschriebene Geschehen wahrscheinlich werden, indem er zeigt, dass Gott bereits in der Vergangenheit nach den gleichen Prinzipien gehandelt hat. AuBerdem spitzt er Aussagen, die innerhalb des ersten Teiles noch sehr allgemein gehalten wurden, auf den jüdischen Glauben hin zu. Insofem ist es eher wahrscheinlich, dass der dritte Teil der Sapientia Salomonis eine Reaktion auf den in Blick auf die jüdische Fr6nunigkeit noch relativ offen gehaltenen ersten Teil ist, als dass umgekehrt der erste Teil dem dritten vorangestellt wurde. Eine weitere M6glichkeit ist nun die, dass an den ersten Teil unmittelbar die Vergleichsreihe des dritten Teiles unter Einarbeitung der Leitprinzipien und der Exkurse angeschlossen und der zweite Teil über die Weisheit nachtraglich eingetragen wurde. Die Schrift ware dann schon inuner darauf angelegt gewesen, zum Tun von Gerechtigkeit im Sinne jüdischer Fr6mmigkeit aufzurufen, und die Adressaten waren so erst allmahlich vom Allgemeinen innerhalb des ersten Teiles zum Spezifischen innerhalb des dritten Teiles geführt worden. Der zweite Teil über die Weisheit ware dann aus dem Bedürfnis heraus eingefügt worden, die innerhalb des sechsten Kapitels bereits thematisierte Weisheit naher und ausflihrlicher darzustelIen und den jüdischen Glauben in seinem hellenistischen Umfeld zu plausibilisieren. 211 Diese M6glichkeit ist allein aufgrund der Tatsache, dass dann ein sehr umfangreicher Teil in ein bereits bestehendes stringentes Textgefüge eingearbeitet worden ware, wenig wahrscheinlich. Auch der im Zusammenhang sperrige Übergang von Sap 10 zu Sap 11 wird dadurch nicht ausreichend geklart. Es ist unwahrscheinlich, dass einem relativ langen Abschnitt, in dem das heilvolle Wirken Gottes in der Geschichte beschrieben wird, ein Kapitel vorangestellt wurde, dass gerade nicht das Handeln Gottes, sondem dasjenige der Weisheit beschreibt. Viel eher ist 2ll Engel hat überzeugend nachgewiesen, dass die Sapientia Salomonis in der Darstellung der Weisheit auf Herausforderungen des Judentums durch die Isis beeinflusst ist und der zweite Teil der Sapientia Salomonis insbesondere dazu dient, junge Juden in ihrer Identitiit zu st1irken. Vgl. ENGEL, Was Weisheit ist, S. 84. Ahnlich bereits KLOPPENBORG, Isis and Sophia, S. 67.

1.4 Einleitungsfragen zur Sapientia Salomonis

41

anzunehmen, dass das Kapitel Sap 10 den Anlass dafür geliefert hat, die Geschichte Gottes mit seinem Volk zu beschreiben. AuBerdem ist es unwahrscheinlich, dass die dezidiert und ausschlieBlich auf die Geschichte des jüdischen V olkes mit seinem Gott ausgerichteten Gegenüberstellungen des dritten Teiles von vomherein in direkter Verbindung zu den einem hellenistischen Umfeld gegenüber sehr offenen Ausführungen des ersten Teils standen. Insofem ist also davon auszugehen, dass dem dritten Teil die Kapitel Sap 6,22-11,2 bereits vorlagen. So bleibt schlieBlich die bereits von Larcher postulierte Moglichkeit, dass die einzelnen Teile der Sapientia Salomonis in ihrer heute vorliegenden Reihenfolge sukzessive entstanden sind,212 wobei davon auszugehen ist, dass der dritte Teil erst allein in den nach den Leitprinzipien gestalteten Gegenüberstellungen vorlag und dann im Rahmen der Endredaktion der Sapientia Salomonis um die Exkurse und einen Eintrag in Sap 11,9-14 erweitert wurde. Zuerst bestand die Schrift also in den Kapiteln Sap 1,13,12; 4,17-5,16; 6,1-11; 17-21, mit denen zur Liebe zur Gerechtigkeit aufgerufen wurde. Die Bedeutung dieses Sich-zu-eigen-Machens von Gerechtigkeit wurde durch eine gegenüberstellende Darstellung von Gerechten und Gottlosen im Endgericht unterstrichen. Um die Bedeutung der Weisheit in diesem Zusammenhang starker hervorzuheben, wurde Sap 6,12-16 in den Zusammenhang von Sap 6 eingetragen. Aus dem gleichen Impuls heraus ist dann der zweite Teil in Reaktion auf den bereits vorliegenden ersten Teil entstanden, um die in Sap 6 bereits erwahnte Weisheit zu entfalten und um die Fiktion, dass sich der weise K6nig Salomo an die Herrschenden wendet, weiter auszubauen. Hierbei ist davon auszugehen, dass die Erweiterung des ersten um den zweiten Teil sukzessive erfolgte. Anzunehmen ist, dass die Erweiterung des ersten Teiles in einem zweiten Teil zunachst mit Sap 6,22-27; 8,2-21; 9,1 erfolgte. Diese Schicht erfuhr dann mit Sap 7 wahrscheinlich mehrere Erganzungen, die zum Ziel hatten, die Figur des weisen K6nigs Salomo zu einem Vorbild für aIle Menschen zu machen (Sap 7,1-6) oder das Handeln Gottes starker zu betonen (Sap 7,15-21). Der zweite Teil endete in Sap 10, wo der innerhalb des ersten Teiles der Sapientia Salomonis wichtige Topos des Gerechten (6{Kaco,) wieder aufgegriffen und des sen Bewahrung in der Geschichte durch die Weisheit beschrieben wurde. 213 Das Kapitel 10 lieferte den Anlass für die in Sap 11,2-14*; 16,1-4; 16,5-14; 16,15-29; 17,1-18,4; Sap 18,5-19,9 vorliegenden Gegenüberstellungen des dritten Teils. Diese iIlustrieren die 212 Vgl. LARCHER, Le livre de la Sagesse 1, S. 119, wobei Larcher für diese Annahme keine Begründung liefert. 213 Das komplizierte Wachstum des zweiten Teiles kann in dieser Arbeit, die ein vorrangiges Interesse an den eschatologischen Aussagen der Sapientia Salomonis hat, nicht ausführlicher untersucht werden.

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Kapitell: Einleitung

in Sap 10,15-21 bereits beschriebene Exoduserfahrung im heilsgeschichtlichen Sinne und kommen in Entsprechung zu den Kapiteln Sap 1,1-6,21 wieder auf das Handeln Gottes zurück. Durch ihre Gestaltung nach den bei den in Sap 11 ,5 und Sap 11,16 benannten Leitprinzipien wird diese Verbindung zum ersten Teil der Sapientia Salomonis unterstrichen. Im Zusanunenhang der Endredaktion der Sapientia Salomonis wurden die in Sap 11,17-15,19 vorliegenden Exkurse und die Verse Sap 11,9-14 eingetragen, wobei für diese Einschaltung die innerhalb des Kontextes frühstmogliche Stelle gewahlt wurde. Der Übergang zwischen zweitem und drittem Teil musste zunachst durch die erste Gegenüberstellung, die auf Sap 10 reagiert, hergestellt werden. Dann aber liefem die Exkurse in Sap 11,17-15,19 den hermeneutischen Schlüssel für das weitere Verstandnis. Sie bringen den richtenden Gott mit der Vorstellung eines mil den und nachsichtigen Gottes in Einklang und zeigen schlieBlich, welches Verhalten so unentschuldbar ist, dass die Milde Gottes keine Gültigkeit mehr hat. Gleichzeitig wird durch die Einschaltung der Exkurse und der Verse Sap 11,9-14 ein Rückbezug auf den ersten Teil in Sap 1,1-6,21 erreicht. Die Exkurse verstarken den bereits durch die Leitprinzipien angelegten Effekt, dass das in den Gegenüberstellungen beschriebene Handeln Gottes als Plausibilisierung des il1l1erhalb des ersten Teiles beschriebenen eschatologischen Szenarios erscheint. AuBerdem werden Aussagen des ersten Teiles über die Ol..KD:LOGUVll, die relativ offen gehalten waren, auf die jüdische Fr6mmigkeitspraxis hin spezifiziert. Indem auch in den E:xkursen ol..KaLOOUVll und &Savao[a zusammengebracht werden, scheint auch hier ein auf das Eschaton gerichtetes Denken auf. Es ist aber nicht nur so, dass die Gegenüberstellungen des dritten Teiles eine eschatologische Ausrichtung bekommen, sondem dass die eschatologische Konzeption, wie sie im ersten Teil der Sapientia Salomonis aufgezeigt wird, zum entscheidenen Topos wird, der die drei nacheinander und in Reaktion aufeinander entstandenen Buchteile miteinander verklammert. Zur Verklammerung der drei Teile sind im Rahmen der Endredaktion der Sapientia Salomonis in den ersten Teil auBerdem die Abschnitte Sap 3,13-4,16 und Sap 5,17-23 eingetragen worden. Durch Sap 3,13-4,16 wird die Verbindung zwischen der Darstellung des Gerichtszenarios in Sap 3-5 und den Leitprinzpien unterstrichen. Sap 5,17-23 zeigt, wie der dritte Teil der Sapientia Salomonis, ein Interesse am Handeln Gottes in der Geschichte und am Exodusgeschehen. Es ist gut m6glich, dass vor allem innerhalb des hier nur überblicksartig dargestellten Wachstums des zweiten Teiles der Sapientia Salomonis und auch darüber hinaus noch mit weiteren Fortschreibungen zu rechnen ist. Für die Darstellung der eschatologischen Konzeption der Sapientia Salomonis, die kaum am zweiten Teil der Sapientia Salomonis ori-

1.4 Einleitungsfragen zur Sapientia Salomonis

43

entiert ist, ist die vorliegende literarkritische Untersuchung vollkommen ausreichend. Nun ist weiterhin zu fragen, inwieweit die Sapientia Salomonis angesichts ihrer offensichtlichen sukzessiven Entstehung mit der Zuweisung zu der einen Gattung des Logos protreptikos immer noch zutreffend charakterisiert ist. Der der Gattung der Protreptik eigene Werbecharakter zeigt sich vor allem in den ersten sechs Kapiteln der Sapientia Salomonis. Der in ihnen vorliegende Geschehensablauf hat das Ziel für den jüdischen Glauben, für den der Begriff Gerechtigkeit steht, zu werben. Durch das Gerichtsszenario wird die Notwendigkeit, sich die Gerechtigkeit und damit den jüdischen Glauben zu Eigen zu machen, drastisch dargestellt. Der Vorzug der Liebe zur Gerechtigkeit und also des Lebens im Einklang mit dem jüdischen Gott liegt in der damit verbundenen Unsterblichkeit begründet. Durch die Wahl des Begriffes 6LKaLOauv~ als Synonym für den jüdischen Glauben und durch die universale Perspektive, die durch die Anrede an die fiktiven Herrschenden erreicht wird, begegnet der erste Teil der Sapientia Salomonis seinem hellenistischen Umfeld relativ offen. 214 Indem der zweite und der dritte Teil im Wesentlichen an diesen ersten Teil anknüpfen und Fragen behandeln, die in der Darstellung dieser ersten sechs Kapitel offen geblieben sind, setzen sie der ursprünglichen Intention der Schrift nichts Anderes oder Neues entgegen. Insofem bleibt der werbende Charakter der Sapientia Salomonis erhalten, und sie Hisst sich mit keiner anderen Gattung treffender beschreiben. Durch die Fortschreibungen bekommt die Sapientia Salomonis aber auch eine starkere Innenperspektive. Gerade im sukzessiven Wachstum der Schrift zeigt sich das Ringen des Diasporajudentums um die Starkung, Plausiblisierung und Profilierung des jüdischen Glaubens in einem hellenistischen Umfeld, das sich eindrucksvoll zwischen Offenheit sowohl hellenistischen Vorstellungen als auch hellenistischen Adressaten gegenüber und einer vor allem im dritten Teil der Schrift manifest werdenden Abgrenzung gegenüber diesem Umfeld und einem engen Bezug auf das geschichtliche Handeln Gottes an seinem V olk bewegt. Gleichzeitig zeigen sich in den Fortschreibungen der Sapientia Salomonis die aus diesem Ringen um den jüdischen Glauben resultierenden unterschiedlichen theologischen Str6mungen, die hier vor allem in einem eschatologischen Interesse 214 Gegen Schroer, die den ersten und den dritten Teil der Sapientia Salomonis als Ausdruck der "exklusiveren Str6mungen israelitischer Theologie" betrachtet. V gl. SCHROER, Buch der Weisheit, S. 401. Schroers Argumentation, dass der erste und der dritte Teil den zweiten Teil, dessen Offenheit sie Schroers Argumentation zufolge gerade durch ihre Exklusivitat entgegen treten, "als wichtigen vitalen Teil" flankieren und sein "empfindliches Innenleben" schützen, ist ohnehin alles andere als plausibel.

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Kapitell: Einleitung

der Grundschicht und zum Teil auch der Endredaktion, in einer Betonung der Weisheit in den Fortschreibungen des zweiten Teiles und an einer Hinwendung zum Handeln Gottes in der Geschichte und besonders zum Exodusgeschehen im dritten Teil bestehen. AIs verbindendes Element erscheint dabei die Gerechtigkeit im Sil1l1e der Zustimmung zum jüdischen Gott und zum jüdischen Gesetz. In der Endgestalt der Sapientia Salomonis wird dementsprechend weniger der Impuls deutlich, für den eigenen Glauben zu werben, sondem eher die Tendenz einer Selbstvergewisserung im Glauben angesichts unterschiedlichster Herausforderungen. Gerade diese in den drei Teilen vollig unterschiedlich vorgenommene Verortung der eigenen Religion im Kontext der hellenistischen Diaspora macht es allerdings unmoglich, die Sapientia Salomonis als ein einheitliches, auf einen Verfasser zurückgehendes Werk zu betrachten.

1.4.2 Zeit und Grt der Sapientia Salomonis Die meisten DatierungsvorschHige zur Sapientia Salomonis gehen davon aus, dass es sich bei dieser Schrift um ein einheitliches Werk handelt und fragen dementsprechend nach einem bestimmten Zeitpunkt der Entstehung. Da die Annahme der Einheitlichkeit jedoch nicht zu halten ist, soll an dieser Stelle ein Zeitraum abgesteckt werden, in dem die Sapientia Salomonis mit ihren Fortschreibungen entstanden sein kann. Sprachlich setzt die Sapientia Salomonis die LXX-Übersetzung der meisten alttestamentlichen Bücher voraus und zeigt auBerdem Bezüge zu Philo von Alexandrien, so dass eine Abfassung in der Ptolemaerzeit, also in der Zeit vom Ende des 2. Jh. bis zur 1. Halfte des 1. Jh. v. Chr., unwahrscheinlich ist, obwohl eine derartige Datierung von Offerhaus und Georgi vertreten wird. 215 Als terminus post quem wird heute meistens die Machtergreifung des Augustus über Agypten im Jahr 30 v. Chr. angenommen. Diese Bestimmung des terminus post quem stützt sich vor allem auf Scarpat, der gezeigt hat, dass der Begriff KP'9apa[q: "Gott hat den Menschen zur Unverganglichkeit geschaffen". Indem der Mensch also dem einen Teil der g6ttlichen Sch6pfungsintention entspricht, die Gerechtigkeit übt und liebt und dadurch an ihrer Unsterblichkeit Anteil gewinnt, erfüllt sich auch die 150 Engel bezeichnet Gerechtigkeit im Horizont von Sap 15,3 daher zutreffend als "innigste Gemeinschaft des Menschen mit Gott". ENGEL, Buch der Weisheit, S. 63. 151 Vgl. zur Gerechtigkeit Gottes BACKHAUS, Zom, S. 53f und PREMSTALLER, Gericht, S. 55ff. 152 "Die ,Gerechtigkeit', zu der durch das ganze Buch hindurch auf so vielerlei Weise eingeladen wird, zeigt sich in einem treuen und hoffnungsvoll auf Gott vertrauenden Leben nach den Zehn Geboten und konkret in einem glaubig praktizierten Judentum." ENGEL, Gerechtigkeit lieben, S. 178. AuJ3erdem CAVALLIN, Leben nach dem Tode, S. 286. Gegen Kolarcik, der sie eher als Tugend und in umfassenderer Weise begreift. KoLARCIK, Universalism and Justice, S. 297. 153 Gegen McGLYNN, Judgement, S. 53, die der Auffassung ist, dass es innerhalb der Sapientia Salomonis vor allem um soziale Gerechtigkeit geht.

2.1 Sapientia Salomonis 1: Die Liebe zur unsterblichen Gerechtigkeit

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durch an ihrer Unsterblichkeit Anteil gewinnt, errullt sich auch die Intention Gottes, den Menschen zur Unverganglichkeit geschaffen zu haben. Umgekehrt verhalten sich die Gottlosen, die &aE~ELs, die nicht nach der Gerechtigkeit handeln und die den Gerechten sogar wegen seiner Liebe zu ihr verspotten, nicht ihrer Sch6pfungsbestimmung gemaB. Indem sie einen wichtigen Punkt dieser Bestimmung, das Handeln nach der Gerechtigkeit, ablehnen, verlieren sie gleichzeitig auch die M6glichkeit zu unverganglichem Leben und verfallen der Sphare des Todes. 154 In Bezug auf die alttestamentliche Verwendung des Begriffes wird deutlich, dass die Sapientia Salomonis sich in allen ihren Teilen konsequent in dem Rahmen bewegt, wie er oben beschrieben worden ist und sich die Gerechtigkeit somit in einem "hoffuungsvoll auf Gott vertrauenden Leben nach den 10 Geboten und konkret in einem glaubig praktizierten Judentum,,155 zeigt, auch wenn die Sapientia Salomonis sich mitunter an den griechisch-hellenistischen Gebrauch des Begriffes anlehnt. Durch diesen teilweise offenen Gebrauch des Begriffes OI...KD:LOGUVll werden das Judentum sowie die in der Sapientia Salomonis beschriebenen Szenarien innerhalb des ersten und des zweiten Teiles auch Heiden zuganglich gemacht 156 Allerdings geht es in der Sapientia nicht wie im Alten Testament darum, dass der Gerechte, der nach dem Gesetz lebt, wirklich lebt, und der, der das Gesetz nicht beachtet, sich schon im Leben in der unheilvollen Sphare des Todes befindet. Wel1l1 in der Sapientia Salomonis gesagt wird, dass die Gerechtigkeit unsterblich ist, dann ist das tatsachlich so gemeint. Der Gerechte stirbt nicht wirklich. Zwar findet auch sein Leben im Diesseits ein Ende, aber nur für die Gottlosen sieht es so aus, als wel1l1 die Gerechten sterben. In Wirklichkeit sind sie unsterblich, wie die Gerechtigkeit, die sie sich so umfassend zu Eigen gemacht haben. 157 Diese Konzeption der unsterblichen Gerechtigkeit ist also ein besonderes Merkmal des theologischen Profils der Sapientia Salomonis.

Vgl. WERNER, "Denn Gerechtigkeit ist unsterblich.", S. 31. ENGEL, Buch der Weisheit, S. 29. Die Beziehung von OlK(HOaUVl1 und VOIJ.Oc; wurde von Schroer nicht ausreichend berücksichtigt. Vgl. SCHROER, Buch der Weisheit, S. 404. Zutreffend ist auch Schmitts Einsch1itzung, dass Gerechtigkeit synonym für Fr6mmigkeit gebraucht werde. Vgl. SCHMITT, Weisheit, S. 19. 156 Beispielhaft für diese Offenheit ist etwa Sap 9,1-3. Diese Aussage erinnert an Gen 1, spiegelt aber gleichzeitig auch griechisches Denken wieder. V gl. WERNER, "Denn Gerechtigkeit ist unsterblich.", S. 49. Dass bereits Sap 1,1 einen auch für Heiden nachvollziehbaren Gebrauch des Begriffes Gerechtigkeit intendiert, hat auch Larcher festgestellt. Vgl, LARCHER, Le livre de la Sagesse 1, S. 165. 157 Vgl. auch SCHÜTZ, Les idees, S. 60. 154

155

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KapiteI2: Exegese

2.1.5 Die Begriffe Tad und Hades a) Personifikation des Hades und Ambiguitat des Todes? Die Sapientia Salomonis verwendet im Zusammenhang des Sterbens im Wesentlichen zwei Begriffe, namlich 8avaTo, und 1i6~" die allerdings nicht, wie Amir annimmt,158 miteinander zu identifizieren sind, sondem zwei voneinander verschiedene Bereiche beschreiben. Der ~6~, ist in der Septuaginta fast durchgangig die Wiedergabe des hebraischen Begriffes ?iK!!!. In der zwischentestamentlichen Literatur des Judentums und mit einem verstarkten Interesse an Jenseitskonzeptionen gaIt die ?iK!!! bzw. der Rades zunehmend nicht mehr als endgOltiger ewiger Aufenthaltsort der Verstorbenen, sondem oft nur als eine Durchgangsstation. Insgesamt wurden die mit der Unterwelt verbundenen VOfstellungen im Vergleich zur altttestamentlichen Darstellung der ?iK!!! konkreter. So konnten beispielsweise die Aufenthaltsorte der gerechten und ungerechten Seelen als raumlich getrennt vorgestellt werden. 159 Josephus zufolge glaubten die Pharisaer und Essener im Gegensatz zu den Sadduzaem daran, dass Lohn und Strafe nach dem Tod im Rades beginnen 160 SchlieBlich entwickelte sich daraus die Vorstellung, dass die gerechten Seelen nach dem Tod direkt in den Rimmel gelangten, so dass der Rades damit zum Strafort für die gottlosen Seelen wurde. l61 Mit dem Aufkommen und dem Erstarken der Lehre von einer Auferstehung der Toten zu einem endzeitlichen Gericht verlor der Hades auch seinen Charakter als ewiger Strafort und wurde zum zwischenzeitlichen Aufenthaltsort, in dem sich die Toten bis zum Tag des Gerichtes aufbalten 162 Diese Vorstellung begegnet auch im Neuen Testament. 163 Zum Hades als zwischenzeitlichem Aufenthaltsort bis zum Endgericht tritt dann die Gehenna 164 als endzeitlicher Strafort hinzu. 165

Vgl. AMIR, Figure ofDeath, S. 157. Erstmals in athHen 22. AuJ3erdem athHen 51,1; 102,5; 103,7; 2Makk 6,23. 160 Vgl. Jos Bell2,162-166; Jos Ant 18,12-15. 161 Vgl. athHen 63,10; PsSal 14,6f; 15,11; grBar 4 u. a. Vgl. auJ3erdem BIETENHARD, Art. Ko~" S, 964-965. 162 V gl. athHen 51,1; TestBenj 10; Sib 4,178-190; 4Esr 5,45 u. a. 163 Vgl. SCARPAT, Libro della Sapienzia 1, S. 205. 164 Der Begriff Gehenna ist herzuleiten von der hebraischen Bezeichnung des Hinnomtals, rjm K'.J. In der spaten Kčmigszeit befand sich im unteren Teil des Hinnomtals eine "Tofet" genannte Kultstatte, an der Kinderopfer für den Gott Moloch dargebracht worden sein sollen (Jer 32,35; 2Chr 28,3; 33,6 u. a.). In Rezeption prophetischer Gerichtsrede (Jer 7,32; 19,6; Jes 31,9) wurde das Hinnomtal in der frühjüdischen Apokalyptik (athHen 26,4; 27,1; 54,lff; 56,3f; 90,26; syrBar 59,10) als Ort des ewigen Feuers und 158 159

2.1 Sapientia Salomonis 1: Die Liebe zur unsterblichen Gerechtigkeit

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Zunachst ist festzuhalten, dass in der Sapientia Salomonis mit dem Begriff Rades überwiegend die Unterwelt bezeichnet wird und nicht der Zustand des Tot-Seins, der Akt des Sterbens oder eine personifizierte Gr6Be l66 Dies zeigt sich eindeutig in Sap 2,ld; Sap 16,13 und Sap 17,13, wo von einem Aus-dem-Rades-Rerauf- oder In-den-Rades-Rinab-geflihrtWerden berichtet wird. Sap 16,13 macht in diesem Zusammenhang auBerdem deutlich, dass Gott derjenige ist, der die Macht über Leben und Tod und über die Unterwelt hat l67 Für Sap 1,14d wurde innerhalb der Forschung zur Sapientia Salomonis angenommen, dass der Hades hier als eine personifizierte Gr6Be auftritt. Im Zusanunenhang mit den übrigen Belegen des Begriffes in der Sapientia Salomonis und vor dem Hintergrund seiner Verwendung in der zeitgen6ssischen Literatur des Judentums und des Neuen Testaments zur Bezeichnung der Unterwelt ist die Interpretation von Sap 1,14 im Sinne einer Personifikation des Hades jedoch nicht zutreffend. Vielmehr scheint hier die alttestamentliche Vorstellung auf, dass sich die Spharen der Scheol bereits im diesseitigen Leben bemerkbar machen k6nnen. Ein Anklang an diese Vorstellung findet sich auch in Sap 17,13, indem dort die N acht aus dem unausweichlichen Gebiet des Rades (~~ &euv(9apa[q: "zur Unverganglichkeit" geschaffen hat. Indem die Unverganglichkeit der g6ttlichen Sch6pfungsintention entspricht,241 wird der V orstellung, auf der die Gottlosen ihre Lebensplanung aufgebaut haben, dass das Leben der Menschen endlich ist und nach dem Sterben nichts mehr kommt, widersprochen. Die Sapientia Salomonis gebraucht an dieser Stelle bewusst den Tenninus &cļ:>9apa[a "Unverganglichkeit" gegenüber dem Begriff &9avaa[a "Unsterblichkeit", um deutlich zu machen, dass es sich nicht um die Unsterblichkeit bloB eines Teils des Menschen wie der Seele, wie es etwa der platonischen Philosophie entsprache, oder um eine Unsterblichkeit allein durch die Fortexistenz in der Eril1l1erung handelt, sondem um ein wirkliches Weiterbestehen des Menschen mit all dem, was seine Pers6nlichkeit ausmacht. Die zweite Vershalfte bietet eine textkritische Schwierigkeit. Statt der Lesart &üSLonrrot; von &i:oLOTllt; "Ewigkeit", die von einem groBen Teil der Minuskeln geboten wird, lesen der Vaticanus, der Sinaiticus und der Alexandrinus LOLOTllTOt; von LOLOTllt; "Wesen". Einige Handschriften lesen So auch PREMSTALLER, Gericht, S. 51. Vgl. HÜBNER, Weisheit Salomos, S. 45. 240 Vgl. ENGEL, Buch der Weisheit, S. 76. 241 Vgl. BÜCKERS, Die Unsterblichkeitslehre, S. 53; TAYLOR, Eschatological Meaning, S. 74. 238 239

2.2 Sapientia Salomonis 2: Das Reden der Gottlosen und der Tod

99

auBerdem o~OLonrrOt; von O~OLOTY]t; "A..hnlichkeit" in Anlehnung an Gen 1,26. Da die Lesart LOl..OTY]TOt; von den drei wichtigsten Textzeugen vertreten wird, schlieBen sich viele Exegeten dieser Variante an. 242 Da:für spricht auch, dass die lectio difficilior der lectio facilior vorzuziehen ist. Die Variante &L6L6T~TOs kann leicht durch Angleichung an Sap 2,23a entstanden sein. Das a kal1l1 als eine Anlehnung an &cļ:>9apa[a interpretiert werden, und auch inhaltlich erhalten die beiden Teile des parallelismus membrorum dadurch die gleiche Aussage. 243 Aus den genal1l1ten Gründen ziehe auch ich die Lesart l6L6T~TOs vor244 Durch diese Lesart bleibt die in Sap 2,23b getroffene Gottebenbildlichkeitsaussage uneingeschrankt gültig und wird nicht nur auf einen einzelnen Aspekt des g6ttlichen Wesens beschrankt, wie es durch die Lesart &i:Ol..OTY]TOt; der Fall gewesen ware. Der zweite Teil des Verses bezieht sich in seiner Begründung auf Gen 1,27. Der Mensch besitzt also die Unverganglichkeit, weil er nach Gottes Wesen geschaffen ist. 245 Sap 2,24 bietet nun emeut einer Erklarung dafur, weshalb der Mensch trotz der g6ttlichen Sch6pfungsintention der Realitat des Sterbens ausgesetzt ist, indem dort gesagt wird, dass der Tod durch den Neid des Teufels in die WeIt gekommen sei. ļH(f~OAOs ist die LXX-Variante fur das hebraische 1t,\9. In verbaler Verwendung hat die Wurzel 1tll!! die Bedeutung "anfeinden, feindlich gesinnt sein". Personen, die sich feindlich verhaIten, k6l1l1en dementsprechend auch 1t,\9 genannt werden. So heiBt beispielsweise in lSam 29,4 der potentielle Gegner aus den eigenen Reihen 1t,\9, ebenso wie in lK6n 11,23.25 der Partisanenführer und spatere syrische K6nig Reson oder der Engel, der sich Bileam in den Weg stellt (Num 22,22.32)246 Erstmals in frühnachexilischer Zeit ist eine Figur bekannt, die zur himmlischen Ratsversammlung, zu den G6tters6hnen, geh6rt und die 1t,\9 genannt wird (Hi 1,6). In Hiob erscheint sie als Gegenspieler Hiobs, in Sach 3,1f als Prozessgegner gegen 242 Vgl. FELDMANN, Buch der Weisheit, S. 35; GRlMM, Buch der Weisheit, S. 83; HEINISCH, Buch der Weisheit, S. 59; HÜBNER, Weisheit Salomos, S. 47; LARCHER, Le livre de la Sagesse 1, S. 268; SCARPAT, Libro della Sapienzia 1, S. 198; SCHMITT, Weisheit, S. 25; WINSTON, Wisdom of Solomon, S. 121. 243 Vgl. LARCHER, Le livre de la Sagesse 1, S. 268. Gegen GEORGI, Weisheit Salomos, S.409. 244 Gegen CLARKE, Wisdom of Solomon, S. 27; FICH1NER, Weisheit Salomos, S. 16; FOCKE, Entstehung; GEORGI, Weisheit Salomos, S. 409; ZIENER, Weg zum Leben, S. 12. Die Lesart CtlOlOtl1to9apTOt; "unverganglich" zunehmend nicht mehr im ontologischen, sondem im religi6sen Sinn erfasst. 296 Plutarch kann sowohl dem G6ttlichen (plut De stoie. repo 1051!) als auch den Atomen &q,8apa[a zuschreiben

Vgl. RICKEN, Art. Unsterblichkeit, Sp. 277; BERNER, Unsterblichkeit, S. 382, 23. 288 Vgl. RICKEN, Art. Unsterblichkeit, Sp. 277; BERNER, Unsterblichkeit, S. 382. 289 V gl. BERNER, Unsterblichkeit, S. 382. 29iJ V gl. RICKEN, Art. Unsterblichkeit, Sp. 277. 291 V gl. RICKEN, Art. Unsterblichkeit, Sp. 278. 292 V gl. RICKEN, Art. Unsterblichkeit, Sp. 278; BERNER, Unsterblichkeit, S. 282. 293 V gl. RICKEN, Art. Unsterblichkeit, Sp. 278. 294 V gl. BERNER, Unsterblichkeit, S. 382. 295 Vgl. HARDER, Art. QJ8E(pUl, S. 96. 2% Vgl. HARDER, Art. QJ8E(pUl, S. 97. 287

BULTMANN, &8avaa(a, S.

2.2 Sapientia Salomonis 2: Das Reden der Gottlosen und der Tod

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(Plut Adversus Colotem 11 14a). Auch von den Seelen schreibt Plutarch, dass sie unverganglich sind (plut Non posse 1107b).297

b) Im hellenistisehen Judentum Sowohl der Begriff &8avao[a als auch der Begriff &q,8apo[a begegnen in der LXX lediglich in der Sapientia Salomonis. Beide zusammen finden sich auBerdem nur noch im 4. Makkabaerbuch, in dem das in 2 Makk 7 beschriebene Martyrium der gesetzestreuen Juden nicht mehr wie dort im Lichte der Auferstehung, sondem als eine Umgestaltung zur Unverganglichkeit gedeutet wird (4Makk 17).298 Unabhangig voneinander finden sich beide Tennini in einer Reihe von hellenistischen jüdischen Schriften299 . Interessant ist der Zusammenhang von Vergehen und Unsterblichkeit innerhalb des Corpus Hermeticum. Hier findet sich ein deutlich dualistischer Zug, der himmlische und irdische Welt scharf voneinander abgrenzt und einander gegenüber stell!. Der Gottheit als dem Unverganglichen kann q,8op& "Vergehen" und &nwicna "Untergang" nicht widerfahren (Corp Herm 12,16). 8op& "Vergehen" steht im Gegensatz zu &8avao[a "Unsterblichkeit" (Corp Herm 1,28). e) In der Sapientia Salomonis

In der Sapientia Salomonis ist ganz offensichtlich eine Differenzierung der Begriffe &8avao[a und &q,8apo[a in ihren Bedeutungsinhalten intendiert, da in ihr beide Begriffe jeweils gezielt in verschiedenen Zusammenhangen verwendet werden. AuBerdem ist der Tenninus &Savaa[a an zwei Stellen des Buches, namlich innerhalb des ersten und des dritten Teiles, mit dem Begriff 6LKaLOouv~ verbunden (Sap 1,15; 15,3). In entsprechender Weise korrespondiert der Begriff &q,8apo[a in den beiden genannten Teilen mit dem Wort v6~os (Sap 6,18; 18,4). Den Terminus "Unsterblichkeit" gebraucht die Sapientia Salomonis nicht in Hinblick auf den Korper oder allein auf die Seele, sondem in einem umfassenden Sinne. Dementsprechend wird an keiner Stelle der Sapientia Salomonis die Unsterblichkeit als eine der Seele inharente Eigenschaft verstanden. 30o So wird der Begriff &Savaa[a nie in Zusammenhang Vgl. HARDER, Art. tļJ8Elp[a verbundenen Phanomenen in der Sapientia Salomonis gerecht werden. In der Religionswissenschaft bezeichnet der Begriff "Hypostase" "eine oft nur halb selbstandige gattliche Wesenheit, die eine mehr oder weniger durchgeflihrte Personifizierung einer Eigenschaft, einer Wirksamkeit oder irgendeines Attributes einer h6heren Gottheit darstellt,,601 Die Religionswissenschaft spricht also dann von Hypostasen, wenn verschiedene Aspekte der Gottheit als selbstandige GraBe veranschaulicht und von der Gottheit als mehr oder weniger eigenstandige Wesenheiten abgetrennt werden. Diese "Hypostasen" k6nnen auch Züge anderer Gottheiten übemehmen und dadurch an Gestalt gewinnen. Innerhalb des zweiten Teiles der Sapientia Salomonis begegnen verschiedene Darstellungsmuster der Weisheit. 602 Diese stimmen teilweise mit den bisher erhobenen Schichten des literarischen Wachstums von Sap 6,22-11,1 überein. So wird die Weisheit vor allem in Sap 6,12-16, aber auch in der Grundschicht des zweiten Teiles in Sap 6,22-17; 8-10' mit den Attributen einer Frau dargestellt. In Sap 8,3 erscheint die Weisheit sogar als Geliebte Gottes. 603 AuBerdem tragt sie eine Reihe von "weiblichen Titeln", die teilweise Wortsch6pfungen des Verfassers sind (Sap 8,4.6, aber auch Sap 7,12.22a;)604 Des Weiteren entfaltet sie in diesen Texten die graBte Eigenstandigkeit: Sie war vom Beginn der Sch6pfung an

598 Vgl. SCHROER, Die g6ttliche Weisheit, S. 168. Alle Herleitungsversuche aus Religionen der Umwelt werden von Lang verworfen. V gl. LANG, Frau Weisheit, S. 154. 599 Winter nimmt für Prov 1-9, Hi 28 und Sir 24 eine Herleitung von der 1igyptischen Ma'at an. Vgl. WINTER, Frau und G6ttin, S. 513. Schroer sieht die Weisheit der Sapientia Salomonis in der N1ihe zu Isis-Mythologumena. Vgl. SCHROER, Buch der Weisheit, S. 406. 600 Zu den Problemen der Begriffe Hypostase und Personifikation vgl. LIPS, Weisheitliche Traditionen, S. 154. 601 RlNGGREN, Art. Hypostase, S. 504. 602 Eine sehr ausfürhliche Darstellung der Weisheit in der Sapientia Salomonis findet sich bei MACK, Logos und Sophia, S. 63-106 603 Die Einsch1itzung von Georgi, dass die "Erotisierung" der Weisheit im Vergleich zu Prov und Sir stark fortgeschritten ist, ist unzutreffend. GEORGI, Weisheit Salomos, S. 42l. 604 Vgl. ENGEL, Buch der Weisheit, S. 129.

2.6 Exegese von Sap 7,1-11,1

175

bei Gott (Sap 9,9),605 es wird von ihrer Entstehung berichtet (Sap 6,24f1), sie kann eigene Wirkung entfalten (Sap 8,5), und sie kann retten (Sap 9,18; 10,15)606. Entsprechend zur herausgehobenen Darstellung der Weisheit als Frau, zeigen sowohl Sap 6,12-16 als auch Sap 6,22-27; 8-10' eine groBe Nahe zu vorausgegangenen alttestamentlichen Darstellungen der Weisheit,607 wie sie sich für andere Aussagen zur Weisheit il1l1erhalb der Sapientia Salomonis sonst nicht findet. So ist vor allem Sap 6,12-16 in Anlehnung an das Proverbienbuch gestaltet (Prov 4;8), aber auch die Einleitung zum zweiten Teil der Sapientia Salomonis in Sap 6,22-27 zeigt Parallelen zu Prov 8,22 und Sir 24,4-14. Weitere Anspielungen auf alttestamentliche Darstellungen der Weisheit finden sich auBerdem in Sap 8,3 (Prov 8,30) und Sap 8,9 (prov 7,4). Dieser Darstellung der Weisheit als Frau steht Sap 7,22-8,1 vollkommen entgegen. In diesem Hymnus auf die Weisheit wird die oocļ:>[a mit Anspielungen auf das Gedankengut stoischer Philosophie beschrieben608 und geht somit in abstrahierender Weise über das Frauenbild hinaus. Webster spricht in diesem Zusammenhang von einem "de-gendering,,609 der oocļ:>[a in der Sapientia Salomonis, ohne aIlerdings zu berücksichtigen, dass diese Tendenz nicht :für aIle Aussagen der Sapientia Salomonis über die Weisheit zutrifft. Innerhalb der Fortschreibungen des zweiten Teiles der Sapientia Salomonis begegnet neben diesem Bestreben, dem Bild der Weisheit als Frau etwas anderes entgegenzusetzen, auBerdem das Bemühen, ihre Verbindung zu Gott zu erklaren und zu betonen. So stellt Sap 7,15-21 klar, dass alle Weisheit und alles Wissen von Gott kommt. Gott wird in Sap 7,15 als der "Führer der Weisheit" bezeichnet (Sap 7,15)610 Durch die Verschrankung der Aussagen in 7,17 (auTos yap ~OL EOWKEV n.0v OVTWV YVWOLV &lļJEuofi "er [Gott] gab mir namlich untrügliche Erkenntnis dessen, was ist") und in Sap 7, 21 (ooa TE Eonv KpU1TTa Kal, E~cļ:>avfi EYVWV / ~ yap 1TavTwv

605 Damit ist allerdings noch nicht notwendigerweise auch die Praexistenz der Weisheit ausgesagt. Hübner spricht daher von einer "Quasi-Praexistenz der Weisheit". Vgl. HÜBNER, Weisheit Salomos, S. 127. 606 Zm Weisheit als rettendes Prinzip vgl. SINNOT, Personification, S. 142ff. 607 Darstellungen der Weisheit finden sich innerhalb des Alten Testamentes in Prov 19; Hi 28; Sir 4; 6; 15; 24; 51,13-30. 608 Vgl. BLENKINSOPP, Wisdom, S. 170.173; COLLINS, Art. Weisheit, S. 506. Collins Beobachtung, dass die Weisheit ganz dem stoischen Logos entspricht, ist allerdings nicht zutreffend. GEORGI, Weisheit Salomos, S. 427; SCHMITT, Weisheit, S. 43; SCHROER, Die personifizierte Sophia, S. 546; ZIENER, Weg zum Leben, S. 20. Eine allgemeine, nicht allein auf die Stoa bezogene Zusammenstellung von Parallelen zwischen der griechischen Philosophie und Sap 7,22-8,1 bietet HEINISCH, Buch der Weisheit, S. 149-158. 609 WEBSTER, Engendering Wisdom, S. 74. 610 Vgl. HÜBNER, Weisheit Salomos, S. 99.

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KapiteI2: Exegese

TExviHt; EO[oa~EV ~E aocļ:>[a "Ich erkannte so vieles, was verborgen und

was sichtbar ist, die Weisheit als Künstlerin all dieser Dinge namlich lehrte sie mich") wird die Weisheit mit Gott nahezu identifiziert. 611 In diesem Zusammenhang begegnet auch der Gedanke, dass Weisheit ein bestimmtes Wissen ist, das der Mensch sich aneignen kann und sollte (Sap 7,14f1), wobei es wiederum die Weisheit selbst ist, die dieses Wissen vennittelt (Sap 7,21).612 Schroer hat auBerdem dargestellt, dass die aoq,[a innerhalb der Sapientia Salomonis auch in Anlehnung an Isis-Mythologumena gezeichnet werden kann, wofür sie die folgenden Merkmale heranzieht: So wie in der Sapientia Salomonis K6nig Salomo durch die Weisheit zur Unsterblichkeit gelangt (Sap 8,13), werden Osiris und Horus durch das Handeln der [sis zur Unsterblichkeit geführt. Ebenso wird in der Sapientia Salomonis beschrieben, dass die Weisheit ein Schiff zu lenken vermag (Sap 10,4; 14,16), wie auch die [sis als Patronin der Seeleute gilt. Und wie die Weisheit in der Sapientia Salomonis zu Gefangenen kommt (Sap 10,14), ist auch die Isis die Patronin der Gefangenen und kann aus Gefangenschaft retten. SchlieBlich führt die Weisheit in der Sapientia Salomonis die Gerechten zu ewigem Wohlergehen (Sap 3,3-6), wie auch die [sis ihren Verehrem zu Wohlstand, Berufserfolg und Lebenslange verhilft. 613 Dieses Phanomen ist offensichtlich nicht auf eine Ebene des literarischen Wachstums der Sapientia Salomonis beschrankt. M6glicherweise ist das darauf zurückzuflihren, dass die Nahe der alttestamentlich bezeugten Gestalt der Weisheit zur [sis in der jüdischen Diaspora in Agypten besonders oft herausgestellt wurde. Dieser Befund, dass innerhalb verschiedener Schichten des zweiten TeiIes der Sapientia Salomonis verschiedene Traditionen aufgenommen werden, zeigt, dass die aocļ:>[a innerhalb der Sapientia Salomonis in einigen Teilen eher als eine Hypostase (Sap 7,15.25f; 8,3; 9,4.10.11) und in anderen eher in Anknüpfung an die Personifikation der Weisheit gestaltet sein

611 "Sie erscheint hier also von dem in 7,15c-21 Gesagten her als Gott selbst, insofem er in Menschen wirkt." ENGEL, Buch der Weisheit, S. 131f. 612 Beides sind Charakteristika alttestamentlicher Weisheit. Vgl. KOHLMOOS, Art. Weisheit, S. 486: "Es gilt darüber hinaus zu beachten, dass lļ3kmah in keinem Falle eine abstrakte und! oder theoretische Kategorie ist; vielmehr ist das hebraische "weise sein" immer in gleichem Ma/3e sowohl auf Aneignung, Ein- und Ausübung als auch auf Weitergabe ausgerichtet." Vgl. auJ3erdem RAD, Weisheit, S. 367; S1EB0, Art. l:I~n, Sp. 559-564. 613 Vgl. SCHROER, Die personifizierte Sophia, S. 553. AuJ3erdem COLLINS, Jewish Wisdom, S. 203ff; MACK, Logos und Sophia, S. 63ff; NICKELSBURG, Jewish Literature, S. 181.

2.6 Exegese von Sap 7,1-11,1

177

kann (Sap 8,2.4.9; 6, 13f!)614 und dass es darüber hinaus nicht der Intention des Textes entspricht, eine einheitliche Deutung der Weisheit vorzunehmen. Da der Begriff Hypostase den Aspekt der Personifikation mit umgreift, wahrend der Terminus Personifikation immer dann nicht mehr zutrifft, wenn die Darstellung der Weisheit über das Frauenbild hinausgeht, ist es für die Darstellung der Weisheit in der Sapientia Salomonis in ihrer Endgestalt am ehesten angebracht, von der aocļ:>[a als von einer Hypostase zu sprechen. Dass in eine Darstellung der Weisheit, die zunachst den alttestamentlichen Vorlagen folgte, in spateren Fortschreibungen auch der Stoa entlehnte Vorstellungen und Immer wieder auch Anspielungen auf IsisMythologumena eingestellt werden konnten, zeigt emeut, wie sehr das literarische Wachstum der Sapientia Salomonis das Ringen des alexandrinischen Diasporajudentums um die Verortung des jüdischen Glaubens innerhalb des hellenistischen Umfeldes spiegel!. Wichtig ist, dass auch die sekundaren Erweiterungen, die das Bild der Weisheit innerhalb der Sapientia Salomonis erfahren hat, den alttestamentlichen Vorstellungsrahmen, der ohnehin von jeher offen war, zu vergleichbaren Gr6Ben der Umwelt in Be. hung zu treten, mc . ht sprengen. 615 D·Ie sek un d · ZIe arenE rwelterungen setzen so die eng an das Alte Testament gebundenen Aussagen der Grundschicht des zweiten Teiles der Sapientia Salomonis nicht auBer Kraft, sondem sie dienen lediglich dazu, zu zeigen, dass der alttestamentliche Glaube auch genau und gerade das zu bieten hat, was in der Umwelt als attraktiv erscheinen mag. Wahrend die Verweise auf die Isis-Mythologumena oder der an der stoischen Philosophie orientierte Hynmus in Sap 7,22-8,1 eine ohnehin schillemde GraBe für in der Umwelt gelaufige Interpretationsmuster 6ffnen, dient die Erweiterung in Sap 7,15-21 in erster Linie dazu, unmissverstandlich zu machen, dass nichts heilsbringend sein kann, was seine Macht nicht von Gott ha!. Mit diesem sekundaren Einschub wird letztlich nur auf den Punkt gebracht, was für die Darstellung der Weisheit in der Sapientia Salomonis insgesamt gilt: Die Gestalt der aoq,[a wird genutzt, um das Wirken Gottes in der Welt und sein Mit-Sein mit den Menschen auszudrücken. 616 Ebenso ist es ihre alleinige Aufgabe, Gottes Herrlichkeit zu spiegeln und seine Gegenwart in seiner Sch6pfung zu reprasen614 Dass beide Begriffe für die Darstellung der Weisheit in der Sapientia Salomonis herangezogen werden k6nnen, hat bereits Lips gesehen, ohne daraus jedoch Schlüsse zu ziehen. Vgl. LIPS, Weisheitliche Traditionen, S. 165. 615 V gl. SCHROER, Die personifizierte Sophia, S. 551. Sinnot hat überzeugend dargestellt, dass die Darstellung der Weisheit in der Sapientia Salomonis verschiedene Vorstellungen ihrer Umwelt aufgreift, aber dennoch fest in der alttestamentlichen Tradition verwurzelt bleibt. V gl. SINNOt, Personification. 616 Vgl. ENGEL, Buch der Weisheit, S. 182; NICCACCI, Wisdom, S. 371; üFFERRAUS, Komposition, S. 367; SAUER, Weisheit, S. 112.

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KapiteI2: Exegese

tieren (Sap 14,5).617 AuBerdem vermittelt sie dem Menschen ein Leben, wie es dem g6ttlichen Willen entspricht (Sap 9,18).618 Dass dies bereits fur die Grundschicht des zweiten Teiles der Sapientia Salomonis gilt, zeigt sich darin, dass schon dort die Weisheit nur durch Bitte an Gott und damit durch das Wirken Gottes erworben werden kann.

2.6.3 Eschatologische Themen in Sap 6,22-11,1 a) Die Bedeutung der Weisheit für die Eschatologie der Sapientia Salomonis Vor allem in der Grundschicht des zweiten Teiles der Sapientia Salomonis (Sap 6,22-27; 8-10*) wird die Bedeutung, die die ooq,[a im Zusammenspiel eschatologischer Aussagen der Sapientia Salomonis hat, entfaltet. So ist der Mensch erst durch das Wirken der Weisheit in der Lage, die Gerechtigkeit zu lieben (Sap 8,7; vgl. Sap 1,1) und die Gebote zu halten (Sap 9,9d).619 Indem sie gerade dies erst ennoglicht, ist die Weisheit somit auch der eigentliche Grund dafür, dass der Mensch seiner Sch6pfungsbestimmung zur Unverganglichkeit entsprechen und im Gericht bestehen kann. 620 So bringen auch die Verse Sap 8,13.17 die Weisheit in Zusammenhang mit Unsterblichkeit. Engel und Georgi gehen allerdings davon aus, dass in diesen beiden Versen mit &Savaa{a lediglich ein ewiges Existieren in der Erinnerung gemeint ist und nicht die Unsterblichkeit der Seele oder des ganzen Menschen. 621 Sie begründen dies vor allem mit Sap 8,13b, wo mit KaL ~v~~r]V aLuSvLOv TOLs ~ET'E~E a1TOAE[lļJw "und ich werde bei denen, die nach mir sind, eine ewige Erinnerung hinterlassen" der in Sap 8,13a gefallene Begriff &eavao[a ihrer Ansicht nach erklart wird. Im Zusammenhang mit der Aussage aus Sap 9,15 über den verganglichen Leib und die dieser Verganglichkeit des Leibes deutlich entgegen gesetzte Seele ist allerdings auszuschlieBen, dass die Grundschicht des zweiten Teiles der Sapientia Salomonis (Sap 6,22-27; 8-10*) ausschlieBlich eine Unsterblichkeit in der Erinnerung annimmt und alle anderen Formen von Unsterblichkeit ablehnt. Vgl. COLLINS, Art. Weisheit, S. 506. Generell zu diesem Aspekt der personifizierten Weisheit vgl. S1EB0, Art. l:I~n, Sp. 566f. In Bezug auf die Sapientia Salomonis vgl. BLENKINSOPP, Wisdom, S. 170; PREMSTALLER, Gericht, S. 8. 619 Allerdings kann man keinesfalls von einer Gleichsetzung der Weisheit mit der Tora sprechen. Mit GEORGI, Weisheit Salomos, S. 395; SCHNABEL, Law and Wisdom, S. 132f; WINSTON, Wisdom of Solomon, S. 42. Gegen ZIENER, Begriffssprache, S. 93.113. Innerhalb der spaten Weisheit ist ansonsten durchaus die Tendenz zu beobachten, Weisheit und Tora gleichzusetzen. Vgl. ZENGER, Die spate Weisheit, S. 50ff. 620 Zum Gedanken, dass es letztlich die Weisheit ist, die zur Unsterblichkeit fiihrt, vgl. au.l3erdem NICKELSBURG, Jewish Literature, S. 181; SCHÜTZ, Les idees, S. 71. 621 Vgl. ENGEL, Buch der Weisheit, S. 144; GEORGI, Weisheit Salomos, S. 432. 617 618

2.6 Exegese von Sap 7,1-11,1

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Dies ist auch vor dem Hintergrund unwahrscheinlich, dass Sap 6,22-27; 810* als Erganzung des ersten Teiles der Sapientia Salomonis entstanden ist, in dem explizit von der Unverganglichkeit des Menschen und seinem F ortbestehen über das Sterben hinaus gesprochen wird. Die Grundschicht des zweiten Teils hat ingesamt nicht die Intention, die eschatologischen Aussagen des ersten Teils zu widerlegen. Insofem ist davon auszugehen, dass der Begriff Unsterblichkeit in Sap 8,12.17 durchaus in einem umfassenden Sinne als lediglich in Hinblick auf ein Fortbestehen in der Erinnerung nachfolgender Generationen gebraucht wird. So wie die Weisheit der Grund für die Fahigkeit zur Liebe zur Gerechtigkeit, zum Halten der Gebote und für die Unsterblichkeit ist, so wird sie auch als diejenige beschrieben, die die Menschen vor dem Gericht bewahrt, indem sie sie auf den rechten Weg zUfÜckführt (Sap 9,18)622 und dadurch rettet (Sap 10,9). Die Darstellung der Weisheit innerhalb der Grundschicht des zweiten Teiles der Sapientia Salomonis (Sap 6,22-27; 8-10*) entspricht damit dem, worauf hin sie il1l1erhalb des ersten Teiles der Sapientia Salomonis bereits angelegt wurde. Ihre Funktion als Retterin aus Verirrungen und damit Bewahrerin vor dem Gericht entspricht der Aussage aus Sap 1,4, dass die Weisheit ein qn,Aav9pw1ToV 1TvEu~a "menschenfreundlicher Geist" sei. Ebenso wurde sie bereits innerhalb des Kettenschlusses in Sap 6,17-20 mit dem Halten der Gebote und damit gleichzeitig mit dem Erlangen von Unverganglichkeit in Verbindung gebracht, und in Sap 4,7 wird aoq,6, auch synonym zu Q[Kaco, gebraucht. 623 Entsprechend dieser Anlage der Figur der Weisheit innerhalb des ersten Teiles entfaltet die Grundschicht des zweiten Teiles der Sapientia Salomonis die Wirksamkeit der Weisheit in Blick auf alle wichtigen eschatologischen Topoi, die der erste Teil nennt, in Blick auf die Liebe zur Gerechtigkeit, das Halten der Gebote, den Erwerb von Unsterblichkeit und das Gericht. Insofem zeichnet sich die Grundschicht Sap 6,22-27; 8-10* auch in Hinblick auf die Darstellung des Wirkens der Weisheit il1l1erhalb eschatologischer Zusanunenhange als unmittelbar an Sap 1,1-6,21 anknüpfende Fortschreibung dieser Kapitel aus. Die sekundaren Erweiterungen des zweiten Teils der Sapientia Salomonis in Sap 7 sind in Hinblick auf eschatologische Aussagen weniger pointiert. Allein in Sap 7,27 wird geauBert, dass die Weisheit alles bewirkt und Menschen zu Freunden Gottes und zu Propheten macht. Diese Aussage lasst sich sowohl vor einem biblischen als auch vor einem philosophischen Hintergrund verstehen. So begegnen "Freunde Gottes" innerhalb des Alten

622 BEAUCAMP, Man's Destiny; ENGEL, Buch der Weisheit, S. 158; HElNISCH, Buch derWeisheit, S. 190. 623 Vgl. ENGEL, Gerechtigkeit lieben, S. 178; KOLARCIK, Ambiguity of Death, S. 109f.

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Testaments (Jes 41,8; 2Chr 20,7; Ex 33,11 LXX)624, die Vorstellung, dass der Weise ein Freund der G6tter sei, findet sich aber auch bereits bei Xenophon und Platon und spater auch bei Epiktet und in der Stoa 625 Sap 7,27 beschreibt somit zwar die umfassende Wirksamkeit der Weisheit, bezieht sich aber nicht explizit auf eschatologische Zusammenhange, die in Sap 7 auch an anderer Stelle nicht in den Blick genommen werden.

b) Menschenbild Wahrend die Aussagen zum Wirken der Weisheit und zu ihrer Bedeutung fur die innerhalb des ersten Teiles in Sap 1,1-6,21 entfaltete eschatologische Konzeption der Schrift in den verschiedenen Schichten des zweiten Teiles der Sapientia Salomonis zwar unterschiedlich profiliert sind, aber nicht im Gegensatz zueinander stehen, erscheinen die Aussagen zur Anthropologie, die der zweite Teil der Sapientia Salomonis bietet, als widersprOchlich und sind gerade daher in der Forschung umstritten. So finden sich innerhalb der Grundschicht des zweiten Teiles in den Versen Sap 8,19-20 und 9,15 Aussagen, die wiederholt herangezogen wurden, um einen platonischen Einfluss auf die Sapientia Salomonis geltend zu machen. 626 In Sap 8,19-20 auBert Salomo, dass er eine gute Seele empfangen hatte oder dass diese in einen unbefleckten Leib kam. AuBerdem findet sich in Sap 9,15 eine Aussage darOber, dass der vergangliche Leib die Seele beschwert (q,apTov yap aw~a ~apuvEL 1ļIux~v). Beide Aussagen las sen sich im Sinne eines Dualismus von Leib und Seele verstehen, wie er sich bei den Pythagoreem, bei Platon oder bei Philo findet 627 Vor allem Sap 9,15 klingt wie eine Anspielung aufPlatons Phaidon (81C)628 Die sekundaren Erweiterungen der Grundschicht des zweiten Teiles der Sapientia Salomonis, die sich in Sap 7 finden, vertreten dagegen deutlich 624 Vgl. HÜBNER, Weisheit Salomos, S. 98; SCHMITT, Weisheit, S. 41; ZIENER, Weg zum Leben, S. 18. 625 Vgl. ENGEL, Buch der Weisheit, S. 137; LARCHER, Le Livre de la Sagesse II, S. 508ff; SCARPAT, Libro della Sapienzia II, S. 108; SCHMITT, Weisheit, S. 41. Hübners Interpretation von Sap 7, dass die Weisheit eine existentiale Anderung der Menschen, denen sie innewohnt, bewirke, entspricht m.B. nicht der Textgrundlage. V gl. HÜBNER, Existentiale Interpretation, S. 266-277. 626 Vgl. COLLINS, Jewish Wisdom, S, 185; DERS., Root of Immortality, S. 188; HÜBNER, Weisheit Salomos, S. 122; SCHMITT, Weisheit, S. 87. Dagegen z. B. ENGEL, Buch der Weisheit, S. 145; HEINISCH, Buch der Weisheit Weisheit, S. 170f; LARcHEr, Etudes, S. 270-278; REESE, Hellenistic Influence, S. 80-86; üFFERHAUS, Komposition, S. 366; SCHÜTZ, Les idees, S. 32. Vgl. auch die Liste der Vertreter beider Interpretationen bei VILCHEZ, Sabiduria, S. 274, Anm. 125. 627 Vgl. HÜBNER, Weisheit Salomos, S. 122; SCHMITT, Weisheit, S. 46. 628 Zum Verh1iltnis von Seele und K6rper in Platons Phaidon vgl. FREDE, Platons ,'phaidon", S. 73.

2.6 Exegese von Sap 7,1-11,1

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ein biblisches Menschenbild. So stehen die Verse Sap 7,1-6 mit ihrer Beschreibung der Entstehung des Menschen vallig in der Tradition des Alten Testamentes: Der Mensch ist ein Nachkomme des ersten Menschen (Sap 7,1b/ Gen 2,7) und ist im Mutterleibe gebildet worden (Sap 7,1c/ Ps 139,13-16; Hi 10,8-11). Er entMlt aber auch Aussagen, die in der Antike allgemein übliche Vorstellungen spiegeln,629 wie das konkrete Entstehen des Menschen in Sap 7,2b und die Vorstellung der 10 Monate wahrenden Schwangerschaft. 630 Dieser Abschnitt hat in erster Linie die Intention, zu zeigen, dass alle Menschen das gleiche Schicksal haben. Die Figur des weisen K6nig Salomo, wie sie in der Grundschicht des zweiten Teiles bereits entfaltet wurde, kann zu einem Vorbild für aIle Menschen werden, indem er auch in die Nahe derer gerückt wird, die nicht kaniglicher Abstammung sind. Im Zusammenhang mit dem Menschenbild zeigt sich für die sekundaren Erweiterungen in Sap 7 emeut, dass sie kein eschatologisches Interesse haben und nicht über das Sterben der Menschen hinaus blicken. So wie die Menschen alle auf dieselbe Art zur Welt kommen, so verlassen sie diese auch alle auf die gleiche Weise (Sap 7,6) und sind alle sterblich (Sap 7,1). Diese ausführlich dargestellte biblische V orstellung von der Entstehung des Menschen scheint nicht mit der V orstellung von einer Praexistenz der Seele und einem Leib-Seele Dualismus, wie sie in Sap 8,19-20 und Sap 9,15 begegnen, in Einklang zu bringen zu sein. Daher wird in der Forschung versucht, die hier vorhandenen platonischen Einflüsse :für nicht existent zu erklaren. So befindet Heinisch, dass in Sap 8,19-20 gar nicht gesagt werde, dass Seele und Leib jemals unabhangig voneinander existiert hatten und dass man aus Sap 8,19-20 letztlich nur schlieBen kanne, dass Leib und Seele zusarnmengeh6ren 631 Auch fur Sap 9,15 wird abgelehnt, dass hier tatsachlich eine Anspielung auf einen Dualismus von Leib und Seele intendiert ware, zumal bereits in Sap 1,4 durch die Zusammenstellung von 1jJux~ und aw~a in einem parallelismus membrorum deutlich werde, dass beide Teile die Gesamtheit des Menschen ausmachen. 632 Insgesamt wird in diesem Zusammenhang auBerdem argumentiert, dass weder in Sap 8,19-20 noch in Sap 9,15 die Absicht vorliege, eine Konzeption von Anthropologie darzulegen. Vielmehr gehe es in Sap 8,19-20 vorrangig darum, darzulegen, dass auch bei noch so vielen Qualitaten das Streben nach Weisheit absolut notwendig sei, wahrend Sap 9,15 vor aIlem das menschliche Unvenn6gen illustrieren solle, aus sich selbst herV gl. GEORGI, Weisheit Salomos, S. 424; HEINISCH, Buch der Weisheit, S. 127. Zu den Belegen vgl. GRIMM, Buch der Weisheit, S. 137f und HÜBNER, Weisheit Salomos, S. 94. 631 Vgl. HEINISCH, Philosophie, S. 91. 632 Vgl. GRlMM, Buch der Weisheit, S. 188f; HEINISCH, Buch der Weisheit, S. 187; HÜBNER, Weisheit Salomos, S. 130; TAYLOR, Eschatological Meaning, S. 94. 629 630

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KapiteI2: Exegese

aus den Willen Gottes zu erfassen. 633 Die Tatsache, dass die Aussagen in Sap 8,19-20 und Sap 9,15 dazu dienen, die Notwendigkeit des Erwerbs von Weisheit darzustellen, ist nicht von der Hand zu weisen. Del1l1och zeigen diese Aussagen deutlich einen platonischen Einfluss, der nicht ignoriert werden darf. Die Bedeutung der Weisheit wird innerhalb des zweiten Teiles der Sapientia Salomonis so umfassend dargelegt, dass diese an die platonischen Philosophie angelehnten Aussagen nicht notwendigerweise hatten herangezogen werden müssen. Dies zeigt sich gerade auch in den am Alten Testament orientierten Ausführungen zum Menschenbild in Sap 7,1-6. Insofem ist die plausibelste Erklarung fur die widersprüchlichen Aussagen zum Menschenbild innerhalb des zweiten Teiles der Sapientia Salomonis, dass diejenigen, die die Grundschicht des zweiten Teiles als FortfliInung von Sap 1,1-6,21 abgefasst haben, ein Interesse an platonischen philosophischen Grundbegriffen hatten, was sich il1l1erhalb des ersten Teiles der Sapientia Salomonis so nicht findet. Maglicherweise hat auch gerade der sehr offene und unbestinunte Umgang mit dem Begriff Seele, wie er sich in Sap 1,1-6,21 findet, dazu geführt, diesen Begriff innerhalb der Grundschicht des zweiten Teiles in Sap 6,22-27; 8-10' in Hinblick auf die platonische Seelenvorstellung zuzuspitzen. Die sekundaren Fortschreibungen dieser Grundschicht des zweiten Teiles der Sapientia Salomonis stellen dieser Offenheit zur platonischen Philosophie das biblische Menschenbild entgegen und werden damit dem ersten Teil der Sapientia Salomonis (Sap 1,1-6,21) eher gerecht, da auch hier trotz des offenen Gebrauches der Begriffes Seele ein ganzheitliches Menschenbild vorherrscht.

2.7 Exegese van Sap 11,2-19,22 2.7.1 Strukturanalyse Die Kapitel 11,2-19,22 zeigen anhand von BeispieIen aus dem Exodusgeschehen das richtende und bewahrende Eingreifen Gottes in der Geschichte 634 Sie lassen sich in flinf graBere Abschnitte gliedem 635 Der erste Ab633 Vgl. auch Cavallin, Leben nach dem Tode, S. 287; Engel, Buch der Weisheit, S. 145.158; Heinisch, Buch der Weisheit, S. 172. AuJ3erdem Taylor, Eschatological Meaning, S. 95: "It seems reasonable to accept therefore that while 9, 15 is undoubtedly expressed in language which could be Platonic ( ... ) its thought is not of Greek philosophical inspiration, taken in the context of the whole chapter." 634 Die Argumentationsfolge ist dabei deutlich an der Exoduserz1ihlung orientiert. Gegen Vogels, der annimmt, dass der dritte Teil der Sapientia Salomonis vomehmlich am priesterlichen Sch6pfungsbericht ausgerichtet ist. Vgl. VOGELS, God, S. 315-335. Mit ENNS, Exodus Retold. 635 Eine weitaus feinere Gliederung des gesamten Buchteiles nimmt z. B. Engel vor. Vgl. ENGEL, Buch der Weisheit, S. 184ff.

2.7 Exegese von Sap 11,2-19,22

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schnitt stellt in Sap 11,2-14 die wohltatige und die strafende Wirkung von Wasser gegenüber, der zweite Abschnitt in Sap 11,15-16,14 behandelt Strafen und Wohltaten durch Tiere, im dritten Teil in Sap 16,15-29 wird der vom Himmel kommenden Plage des Hagels das vom Himmel kommende Manna gegenübergestellt, so wie im vierten Teil in Sap 17,1-18,4 die agyptische Plage der Finstemis dem Licht der Feuersaule gegenübersteht. Der letzte und mnfte Abschnitt in Sap 18,5-19,22 steht schlieBlich unter dem Thema Tod und Errettung 636 Vor allem im letzten Kapitel werden entscheidende Gedankenlinien des gesamten Buches noch einmal gebündelt. 637 Diese fünf Abschnitte enthalten sieben Gegenüberstellungen: 638 In Sap 11,6-14 (1) wird dem verdorbenen Wasser des Nils das rettende Wasser aus dem Felsen gegenübergestellt, in Sap 16,1-4 (2) geht es um Tiere als Qual und als Nahrung und in Sap 16,5-14 (3) um Bisse von Tieren zur mahnenden Erinnerung und anschlieBenden Rettung und als Strafe. In Sap 16,15-29 (4) stehen Hagel und Unwetter und das vom Himmel kommende Manna einander gegenüber und in Sap 17,1-18,4 (5) Finstemis und Feuersaule. Sap 18,6-25 (6) behandelt den Tod der agyptischen Erstgeburt und die Rettung der Israeliten und Sap 19,1-5 (7) den Durchzug durch das Rote Meer und die Vemichtung der Agypter. Einige dieser Gegenüberstellungen sind durch die Praposition &VTL deutlich erkennbar (Sap 11,6; 16,2; 16,20; 18,3)639 Wahrend die Antithesen 2-7 aufeinander folgen, ist die erste von den übrigen durch zwei Exkurse 640 in Sap 11,17-12,27 und in Sap 13,1-15.19 getrennt, die sekundar in den Zusammenhang eingestellt wurden. Diese Exkurse behandeln im Anschluss an die erste Gegenüberstellung und die in ihrem Zusammenhang genal1l1ten Leitprinzipien wichtige Fragen, die sich aus dem Kontext ergeben. Dies muss allerdings nicht bedeuten, dass sie bereits von vornherein in die Reihe der sieben Gegenüberstellungen geh6rten 641 Der Exkurs in Sap 11,17-12,17 behandelt die Frage nach der Milde

Vgl. ENGEL, Buch der Weisheit, S. 184f. Vgl.11ARBOCK, Weish 18,5-19,22, S. 161. 638 Gegen ZIENER, Weg zum Leben, S. 23, der nur fünf Vergleiche annimmt. V gl. ENGEL, Buch der Weisheit, S. 184f; WINSTON, Wisdom of Solomon, S. 11. Schmitt bezeichnet diese Gegenüberstellungen je für sich als Synkrisis. SCHMITT, Weisheit, S. 54. Ebenso REESE, Plan and Structure, S. 399. 639 Vgl. auch SCHMITT, Weisheit, S. 54. 640 Emeut gegen ZIENER, Weg zum Leben, S. 24, der von insgesamt drei Einschaltungen ausgeht. 64 1 Gegen ENGEL, Buch der Weisheit, S. 191: ,,Bei den ausführlichen Darlegungen ( ... ) handelt es sich also nicht um beliebige Einschübe oder um Nebenthemen behandelnde Exkurse, sondem um die prinzipielle theologische Begründung für die Darstellungsweise im dritten Buchteil, ja sogar im ganzen Buch der Weisheit." Und gegen SCHMITT, Weisheit, S. 55: "Ein derart differenzierter Exkurs zu den Strafaktionen Gottes ist bereits 636 637

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KapiteI2: Exegese

Gottes angesichts seines Strafbandelns, wahrend der E:xkurs in Sap 13,115,19 den G6tzendienst zum Thema hat und darstellt, welches Verhalten absolut unentschuldbar ist642 . Sie werden so zum "hermeneutischen Schlüssel,,643 für das richtige Verstandnis der sieben Gegenüberstellungen. Gleiches gilt für die Leitprinzipien in Sap 11,5.16. Sap 11,5 besagt, dass Gott die gleichen Krafte verwenden kann, um die einen zu strafen und den anderen Gutes zu tun (Ol,'WV yap EKoAaa9Y]oav oL EX9POL aUTwv, oux ŗOlhwv aurot O:1TOPOUVTEt; EUEPYET~ellaav). Das zweite Prinzip fonnuliert Sap 11,16, indem gesagt wird, dass jemand durch das, wodurch er sündigt, -bestraft wird (tva YVWGLV on Ol.'WV Ht; a~apTaVEL, OLa ŗOlhwv Ko!ca(ETac)644

Im Gegensatz zu den beiden ersten Teilen der Sapientia Salomonis hat sich der dritte Teil der Zuordnung zu einer bestimmten literarischen Gattung entzogen. Wiederholt wurde vorgeschlagen, ihn als Midrasch zu bezeichnen,645 wobei Engel zu Recht anmerkt, dass der Midrasch keine Gattung im eigentlichen Sinne darstellt, sondem vielmehr seinerseits verschiedene literarische Formen in Anspruch nehmen kann 646 . Aber auch die ebenfalls vorgenommene Zuweisung der Kapitel Sap 11,2-19,22 zur hellenistischen Synkrisis 647 wird den besonderen Eigenheiten dieses Teils, wie dem standigen Wechsel von Anrede an Gott und Rede über Gott 648 und der standigen, aber nie expliziten Bezugnahme auf das Alte Testament nicht gerecht. 649 Betrachtet man die Kapitel Sap 11,2-19,22 als Fortschreibungen der ersten beiden Teile der Sapientia Salomonis, ist eine Zuweisung vom ersten und dritten Hauptteil her gefordert, wo immer wieder vom Strafhandeln Gottes die Rede ist." AJmlich SCHMITT, Heilung, S. 53. 642 ,,( ... ) idolatry is in Wis 13-15 seen not merely as one possible temptation for Jews but as the antithesis to Judaism." ROTH, Wis 13,18, S. 47. Vgl. auch EISING, G6tterbilder, S. 408; NIEBUHR, Gesetz, S. 214. 643 STROTMANN, P1idagogik Gottes, S. 181. Au.l3erdem MCGLYNN, Judgment, S. 30. Anders FOCKE, Entstehung, S. 15; GEORGI, Weisheit Salomos, S. 440f; HAAG, Die Weisheit ist nur eine, S. 103-155. Diese betrachten die Exkurse als sekund1ire Einschaltungen in einen vorliegenden Traditionsstoff. Vgl. dazu auch HÜBNER, Weisheit Salomos, S. 148f, der allerdings an einer theologischen Interpretation der Endfonn festhalt. 644 Vgl. Gn..BERT, On est puni, S. 183-191. 645 V gl. VILCHEZ, Sabiduria, S. 309. Zur Diskussion der Gattung des dritten Buchteils vgl. Maneschg, Erz1ihlung, S. 10lff. Grelot hat vorgeschlagen, dass die Gegenüberstellungen des dritten Teils der Tradition der Kommentierung von Texten in der Synagoge entstammen k6nnten. Vgl. GRELOT, Sagesse 10,21, S. 49-60. 646 Vgl. ENGEL, Buch der Weisheit, S. 185. 647 Erstmals bei FOCKE, Entstehung, S. 12f. Au.I3erdem PREMSTALLER, Gericht, S. 5; WINSTON, Wisdom of Solomon, S. 11, der von "an elaborate synkrisis" spricht. 648 STROTMANN, P1idagogik Gottes, S. 181. 649 Vgl. ENGEL, Buch der Weisheit, S. 186. Hübner begegnet dieser Zuordnung zwar auch mit Vorbehalten, halt sie aber für zutreffender als die Bezeichnung Midrasch. Vgl. HÜBNER, Weisheit Salomos, S. 147.

2.7 Exegese von Sap 11,2-19,22

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des dritten Teiles zu einer bestimmten Gattung aber ohnehin nicht angemessen. Die Kapitel Sap 11 ,2-19,22 nehmen insgesamt das in Sap 10 besclniebene rettende Handeln der Weisheit zum Anlass, das Eingreifen Gottes in der Geschichte zu schildem, und rOcken damit Gott und die Weisheit wieder ins rechte Verhaltnis, nachdem innerhalb des zweiten Teiles die Weisheit seln stark in den V ordergrund getreten war. Rettung und Bewahrung werden wieder auf Gott zurOckgeführt. Im Zusammenhang mit diesem Anliegen entstanden zunachst die am Exodusgeschehen orientierten und nach den Leitprinzipien in Sap 11,5.16 gestalteten Gegenüberstellungen in Sap 11,2-14*; 16,1-4; 16,5-14; 16,15-29; 17,1-18,4; 18,5-19,9. In einem spateren Sclnitt in Verbindung mit der Endredaktion der gesamten Sclnift wurden in diese Reihe von Gegenüberstellungen die Exkurse in Sap 11,1712,27; 13,1-15,19 und die Verse Sap 11,9-14 eingetragen, um die beiden Buchteile miteinander zu verklammem. Die heilsgeschichtliche Darstellung des dritten Teiles der Sapientia Salomonis wird so zu einem Aufweis der Plausibilitat des innnerhalb des ersten Teiles der Sapientia Salomonis beschriebenen eschatologischen Szenarios. 650

2.7.2 Eschatologische Themen in Sap 11,2-19,22 a) Das erzieherische Strajhandeln Gotles

In dem MaBe, in dem der dritte Teil der Sapientia Salomonis bereits in seiner Grundschicht den beiden in Sap 11,5 und Sap 11,16 651 genannten Leitprinzipien folgt, ist das strafende und erzieherische Handeln Gottes das Hauptthema der Kapitel Sap 11,2-19,22. Inwieweit die beiden Prinzipien Gültigkeit besitzen, wird durch die einzelnen Gegenüberstellungen verdeutlicht. Die Grundlage für das Verstandnis des Handelns Gottes bieten allerdings die beiden sekundar eingetragenen Exkurse in Sap 11,17-12,27; 13 ,1-15,19, die ausflihrlich über die Intention und die Konsequenzen des g6ttlichen Handelns reflektieren 652 und das Gottesbild klaren, das allen

650 Ahnlich Backhaus: "So versteht der Autor die Tora als ein Buch voller Rettungsgeschichten, die für seine Leser paradigmatische Bedeutung haben sollen, damit sie ihrem Glauben ( ... ) treu bleiben. BACKHAUS, Rettendes Wissen, S. 108. 651 Zu den Deutungsm6glichkeiten des Prinzips "Wodurchjemand sÜlldigt, wird er bestraft". Vgl. GILBERT, On est puni, S. 183-191. Wichtig ist, dass Sap 11,16 nicht allein auf der Grundlage des ius talionis (Ex 21,23-25; Lev 24,19f; Dtn 19,18; 2Makk 13,8 u. a.) zu interpretieren ist. Vgl. HÜBNER, Weisheit Salomos, S. 155. McGlynn sieht in Sap 11,16 eine Entwicklung des ius talionis, das auch bei Philo eine groJ3e Rolle spielt. Vgl. MCGLYNN, Judgement, S. 31. 652 Vgl. PREMSTALLER, Gericht, S. 50; STROTMANN, P1idagogik Gottes, S. 182.

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KapiteI2: Exegese

Ausflihnmgen zu Grunde liegt: Gott ist TIavTo6Uva~os653 "allmachtig" (Sap 11,17a), er hat alles eingerichtet nach MaB, Zahl und Gewicht (Sap 11,20d),654 alles geschaffen (Sap 11,17.24), und demzufolge kannte nichts bestehen bleiben, wenn er es nicht wollte (Sap 25a)655 Aber gerade weil Gott alles selbst geschaffen hat, liebt er auch alles und ihm ist nichts von seiner Sch6pfung verhasst (Sap 11,24). So begegnet er nicht nur dem Gerechten, sondem zunachst auch dem Gottlosen als der liebende Sch6pfer. 656 Dies hat zur Konsequenz, dass der Herr, der allmachtig und in seinem Tun niemandem Rechenschaft schuldig ist (Sap 12,12.13), in Milde richtet (EV E1TLELKE[q: Kp[VELt; Sap 12,18b)657 und mit viel Verschonen regiert (Sap 12,16b.18c)658 Sap 11,26 bringt diesen Zusammenhang von Liebe zur eigenen Sch6pfung und schonendem Handeln auf den Punkt: cļ>E{OlJ OE THfVTWV, on Eonv, OEa1ToTa qn,AolļJuXE659, "Aber du schonst aIles, denn es geh6rt dir, Herr, du Freund des Lebens." Sap 12,2-22 versucht vor allem am Verhalten Gottes gegenüber den Kanaanaem 660 zu kHiren, wie das in den Leitprinzipien und in den Gegenüberstellungen zum Ausdruck kommende Strafhandeln mit diesem Gottesbild in Einklang zu bringen is!. Zentraler Aspekt ist hier, dass Gottes Handeln bis zuletzt von der Intention geleitet war, die Kanaanaer zur Umkehr ~ETavo[a) zu bewegen (Sap 11,23b; 12,10a.19d.20c)661 Sie sollten sich an ihre Sünden erinnem (Sap 12,2b), von ihrer Schlechtigkeit loskommen (Sap 12,2c) und schlieBlich an den Herm glauben (Sap 12,2c). AuBerdem ist sein Handeln, selbst wenn er straft, immer noch von Verschonung gepragt (Sap 11,26), da er auch viel schwerere Strafen auswahlen kannte (Sap 12,8). Dieses schonende Verhalten gegenüber den Feinden des Volkes [sraels und die Tatsache, dass Gott qJLAav8pwTIov "menschenfreund-

aa

653 Das Wort begegnet innerhalb der LXX nur in Sap 11,17. Vgl. HÜBNER, Weisheit Salomos, S. 156. 654 Zur Bedeutung von Sap 11,20d vgl. MCGLYNN, Judgement, S. 39-42. 655 Zu Gott als Sch6pfer innerhalb der Sapientia Salomonis vgl. VOGELS, God. AuI3erdem KOLARCIK, Creation and Salvation. 656 Vgl. HÜBNER, Weisheit Salomos, S. 159; STROTMANN, P1idagogik Gottes, S. 183. 657 ETIlElKEla geh6rte zu den festen Bestandteilen des hellenistischen K6nigsideals. Vgl. PREMSTALLER, Gericht, S. 59. Neben der ETIlElKEla spielt innerhalb der Exkurse der Sapientia Salomonis auch der Affekt des E),.EOC; eine wichtige Rolle. Vgl. PREMSTALLER, Gericht, S. 59. 658 "Gott ist allmachtig, doch seine Allmacht steht in Korrelation zu seinem Erbarmen und zu seiner Liebe." HÜBNER, Weisheit Salomos, S. 157. 659 EPO~EVOt; XVOUt; ll1TO aVE~ou) auf Ps 1,4LXX an (aAA' ~ Wt; 0 XVOUt; GV EKPL-1TTEL 0 aVE~Ot; a1To 1TPOOW1TOU Tf]t; y~s "sondem wie Staub, den der Wind verweht auf dem Angesicht der Erde"). Eine ahnliche Metaphorik begegnet auch in Ps 34,5 LXX (YEV1l9~Twoav WOEl, XVOUt; KaTa 1TPOOW1TOV aVE~OU Kal, aYYEAOt; KUp[OU EK9A[pWV aUTOUt; "sie sollen werden wie Staub vor dem Wind und der En-

gel des Herm soll sie wegstoBen"). Das Bild vom Staub für das Dahinschwinden der Gottlosen findet sich innerhalb der Septuaginta sonst nicht, so dass anzunehmen ist, dass die Bildwahl der Sapientia Salomonis hier durch die Sprache der Psalmen gepragt ist. Wahrend die Psalmen aber das Ergehen der Gottlosen als innerweltlichen Vorgang beschreiben, hat die Sapientia Salomonis, die diese Anspielung in Zusammenhang der Gerichtsdarstellung in Sap 5 bringt, deutlich eine direkte auf das Eschaton ausgerichtete Perspektive. Das Bildmaterial, das die Sapientia Salomonis zur Schilderung des Gerichtsszenarios verwendet und das in einigen der Anspielungen aufscheint, stammt zu einem beachtlichen Teil aus einer Schrift, die von der bisherigen Forschung als Hintergrund der Sapientia Salomonis kaum berücksichtigt wurde, namlich dem Maleachibuch. Die deutlichste Anspielung auf dieses Buch findet sich in Sap 5,6 im Zusammenhang der zweiten Rede der Gottlosen in Sap 5,1-13, in der sie angesichts des Gerichtsgeschehens erkennen müssen, dass ihre Lebensplanung falsch war. So konstatieren sie in 685 In etwas anderer Form auch bei Ziener, Verwendung der Schrift, S. 150. Ziener spricht meines Erachtens unzutreffend von einer "Spiritualisierung" und findet in der Sapientia Salomonis "messianische Hoffnungen" ausgedrückt. 686 In der Septuaginta wird IJ.Etatl8EV(U mit der Bedeutung "entrücken" nur für Henoch gebraucht. Vgl. ZIENER, Verwendung der Schrift, S. 142. 687 Vgl. ZIENER, Verwendung der Schrift, S. 142: "Das WB [Weisheitsbuch] übertragt damit die einmalige Liebestat Gottes gegenüber Henoch auf alle frühverstorbenen Gerechten. Voraussetzung für diese Argumentation ist der Glaube, da/3 Gott sich in seinem Handeln treu bleibt: Wie Gott einmal in der Vergangenheit gehandelt hat, so wird er unter den gleichen Bedingungen immer handeln."

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KapiteI2: Exegese

Sap5,6 TO Tf]t; OLKCnOGUVY]t; cļ>Wt; OUK E1H~A(q.llļJEV Y]~HV / KaL 0 ~ALOs OUK &VETELAEV ~~LV "das Licht der Gerechtigkeit hat uns nicht geleuchtet! und

die Sonne ist uns nicht aufgegangen". Mit der Verbindung von T~, "Licht der Gerechtigkeit" und ~ALOs "Sonne" und dem Verb &vaTEAAw "aufgehen" innerhalb des gleichen Verses wird aufMaleachi 3,20 hingewiesen, wo es im Text der LXX heiBt: KaL avaTEA.EL UI-lLV

OLKCnOGUvY]t; cļ>Wt;

TOLs cļ:>OPOUI-lEVOLt; TO Qvol.uf I-l0U ~ALOs

Ol..KD:LOGUVlls

KaL '{am,s EV Tals

lTTEpU~l.V

aUTou "und es wird euch, die ihr meinen Namen fÜTchtet, aufgehen die Sonne der Gerechtigkeit, und Heil ist unter ihren Flügeln". Es handelt sich hierbei deutlich nicht um ein direktes Zitat aus Maleachi; denn es stimmt keine ganze Wortfolge überein und Sap 5,6 zeigt die Gegenseite von Mal 3,20. Wahrend in Maleachi die Sonne der Gerechtigkeit denen leuchtet, die den Namen des Herrn fürchten, leuchtet sie Sap 5,6 zufolge den Gottlosen eben gerade nicht. Allerdings ist relativ deutlich, dass es sich hier um eine Anspielung handelt. 688 Vergleicht man von ihr ausgehend die Darstellung der Gottlosen innerhalb der Sapientia Salomonis und die Schilderung des Gerichtsszenarios mit dem weiteren Kontext von Mal 3,20, so faUt auf, dass die Sapientia Salomonis auch an anderen Stellen zumindest in der Wahl ihrer Bilder eine Nahe zum Maleachibuch zeigt, ohne aber so konkret zu werden wie in Sap 5,6. Beispielsweise setzen sich Mal 2,17 und Mal 3,14 mit AuBerungen auseinander, dass es nichts nütze, die Gebote des Herrn zu halten (TC n!cEov ~H ~q,UAa~a~EV Ta q,UAay~aTa cdJ'wü "Was ist es wert, dass wir seine Gebote halten" Mal 3,14) oder dass dem Herrn sogar derj enige gefiele, der B6ses tut (THit; 1TOLWV 1TOVllPOV KaAov Evwm.ov KUp[OU "jeder der B6ses tut, ist dem Herrn wohlgefallig" Mal 2,17). In diesen Vorstellungen gleichen die an diesen Stellen zu Wort kommenden Personen den Gottlosen, wie sie sich innerhalb von Sap 2 selbst darstellen. Moglicherweise ist auch die A.uBerung der Gottlosen in Sap 2,1c, dass für sie am Ende des Menschenlebens keine Heilung sei (OUK EOTLV '[am,t; EV TEAEUTl1 &V9pW1TOU), ein Gegenbild zu Mal 3,20, wo es heiBt, dass unter den Flügeln der Sonne der Gerechtigkeit Heilung (,CaoL,) . 689 se!. Auch zur Schilderung des Gerichtes verwendet die Sapientia Salomonis Bilder, wie sie sich mit gleichen V okabeln im Maleachibuch finden. So findet sich in Sap 3,6 das Bild von einer Prüfung der Gerechten im Feuer eines Schmelzofens (cilt; Xpuoov EV XWVEUTllP[[(a OUOE d.fU.la), wie es auch in der Sapientia Salomonis heiBt, dass die Gottlosen keine Wurzel in der Tiefe (pt(av Et, ~aeo, Sap 4,3b) haben werden und dass ihre Zweige unvollendet abbreehen werden (1TEpLKAaOe~OovTaL KAWVEs &TEAEOTOL). In Anbetracht dessen, dass die Anspielung aufMal 3,20 in Sap 5,6 sehr deutlieh ist und einige der genannten V okabeln innerhalb der Septuaginta sehr selten vorkommen, lasst sieh durchaus sagen, dass die Sapientia Salomonis ihr Gerichtsszenario und ihre Sehilderung des Ergehens der Gottlosen in inhaltlieher und spraehlieher Nahe zum Maleachibuch entwirft, auch wenn die Verbindungen zwischen bei den Büchem in den meisten Fallen nur in einzelnen Berührungspunkten bestehen. Aber indem die Sapientia Salomonis wiederholt das Maleaehioder ein anderes alttestamentliches Buch "antupft", evoziert sie durch dieses Vorgehen doeh dessen Vorstellungswelt und Darstellungsweise. Insgesamt stimmen das Maleachibuch und die Sapientia Salomonis auch darin überein, die Frage nach dem "Glück der Gottlosen" auf eschatologischer Ebene zu 16sen. 693 Dass die Sapientia Salomonis mitunter offensichtlich wie im Maleachibuch intendiert, durch das Anspielen auf einen Vers aus einem Bezugstext auch dessen gesamten Kontext mit zu evozieren, zeigt sich auch am Bei69iJ Die Vokabel XUlVEUtl1P(ov ist in der LXX sehr selten. Sie begegnet au13er an den genannten Stellen nur noch in 1Kon 8,51 als Metapher für die agyptische Knechtschaft undinSach 11,13. 691 Das Bild von der Lauterung des Goldes findet sich au13er an diesen Stellen nur noch in Sach 13,9. 692 Das Bild vom Stroh, das verbrennt, begegnet innerhalb von Gerichtsschilderungen etwas haufiger als die anderen Metaphem. Vgl. Jes 1,13; Jes 5,24; Ob 1,18; Sach 12,6. 693 Maleachi lost diese Frage im Rahmen der Darstellung des Tag Jahwes. Vgl. dazu und zu Maleachi insgesamt auch REVENTLOW, Maleachi, S. 159f.

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spiel von Ps 1 18Lxx . In Sap l,1a heiBt es &ya1T~aaTE OLK(U,OGUV1)V, oL KPLVOVTEs T~V y~v ,,!iebt Gerechtigkeit, die ihr über die Erde herrscht". Und in einem parallelismus membrorum sind dieser Zeile die Aussagen zugeordnet cļ:>pov~aaTE 1TEpl TOU KUp{OU EV &ya90nyn, / KaL EV O:1TAonyn, KapO{o:t; (Y]T~aaTE aUTov "sil1l1t über den Herrn nach in Gutheit / und in Rechtschaffenheit des Herzens sucht ihn", so dass diese Forderungen als Synonyme zum Aufruf zur Liebe zur Gerechtigkeit erscheinen. Die Aufforderung, den Herm zu suchen, findet sich mit zum Teil übereinstimmenden Vokabeln auch in Ps 118,2 LXX (~V ~AD KapQ[q ~K(~T~aouacv aUT6v "sie suchten ihn mit ihrem ganzen Herzen,,).694 Innerhalb des Psalms steht dieses Vorhaben in einem Zusammenhang mit dem Bestreben, die Mahnungen des Herrn (ra ~apn)pLa aUToü) bzw. seine Gebote zu halten, was mit wechselnden Begriffen zum Ausdruck gebracht wird (Ps 118,4.5.6.8.10.12.16.18.21 etc.)695. AIs Oberbegriffüber alle diese Forderungen wird in Ps 118,1 das Gesetz des Herrn (~V v6~", KUpLOU) genannt. Innerhalb von Ps 118 LXX begegnet auBerdem der Gedanke, dass derjenige, der die Gebote des Herrn beachtet, Bedrangnissen ausgesetzt ist (Ps 118,22.25.28.50 u. a.), die zumeist auf das Wirken der Gottlosen zurückgeflihrt werden (Ps 118,42.61.69. 78.84.85.95.110 u. a.). Auch in Sap 2 erscheinen nun die Gottlosen als solche, die den Gerechten unterdrücken und bedrohen (Sap 2,19.20). Indem die Sapientia Salomonis in Zusammenhang mit dem Aufruf, die Gerechtigkeit zu lieben, in Sap 1,lc aufPs 118,2 anspielt, wird deutlich, welche Erwartungen sie mit diesem Aufruf verknÜpft. 696 Die Sapientia Salomonis setzt also zum einen mit ihren Anspielungen alttestamentliche Aussagen in einen neuen Horizont. Zum anderen bewegt sie sich aber auch weiterhin in der Vorstellungswelt des Alten Testaments, wie das Beispiel von Ps 118 LXX etwa zeigt. Somit begreift sie offensichtlich ihre Gedanken und ihre Darstellungen als folgerichtige und ihrer Zeit

6~ Die Verbindung von Sap 1,1 zu Ps 118 hat auf rein inhaltlicher Ebene bereits Skehan kurz erw1ihnt, ohne sie aber n1iher in Augenschein zu nehmen. V gl. SKEHAN, Borrowings, S. 151. 695 Als Begriffe für die Gebote des Herrn begegnen haufig EVtoA~ ( Ps 118,4.6.10.15.21.32. u. a.), KpllJ.IX (Ps 118,7.20.39 u. a.) oder an anderer Stelle auch der Begriff OlKIX(Ul!J.IX (Ps 118,5.1.16.23.24.26.27). 6% Wie oben bereits kurz erw1ihnt, hat Hübner Verbindungen zwischen Psalm 36 und der Sapientia Salomonis skizziert. In Anbetracht der Tatsache, dass der Psalm mit den Gottlosen eine Thematik behandelt, die auch die Sapientia Salomonis kennt und beleuchtet, ist es selbstversHindlich, dass Berührungspunkte auftreten. Allerdings scheinen mir die Verbindungen weniger deutlich zu sein als die zwischen der Sapientia Salomonis und den genannten Psalmen und zwischen der Sapientia Salomonis und dem Maleachibuch. Zu den Ausführungen Hübners vgl. HÜBNER, Ethik, bes. S. 181-185.

2.8 Alttestamentliche oder hellenistische Einjlüsse?

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angemessene Interpretation alttestamentlicher Schriften. 697 Als jüngste zum griechischen Kanon gehorende Schrift in alttestamentlicher Tradition nutzt sie zur Gestaltung des eschatologischen Szenarios vorrangig das ebenfalls junge Maleachibuch und bi1det wie dieses eine Synthese aus vorausgehenden alttestamentlichen Traditionen. 698 In Hinsicht auf die Gestaltung des eschatologischen Szenarios innerhalb der Sapientia Salomonis fallt auf, dass sie sich abgesehen vom Ma1eachibuch nicht an prophetischen Schriften orientiert. So entwickelt sie die Gestalt des Gerechten zwar vor allem in Auseinandersetzung mit dem Beginn des ersten und dem vierten Gottesknechtlied (Jes 42,1; Jes 52,13-53,12),699 und bietet auch darüber hinaus Bezüge insbesondere zu Deutero- und Tritojesaja,1°o zeigt aber kein Interesse an den Gerichtsdarstellungen des Jesajabuches, wie z. B. an den Kapite1n Jes 24-27 oder 31-35, obwoh1 das direkte Zitat aus Jes 3,10 in Sap 2,12 darauf schlieBen Hisst, dass die Sapientia Salomonis auch den ersten Teil des Jesajabuches gekannt hat. Dieser Befund 1asst sich darauf zurückführen, dass die Sapientia Salomonis vorrangig am eschatologischen Schicksal des Gerechten bzw. der Gottlosen interessiert ist. Dieses Interesse und damit die eschato1ogische Schilderung ist vollstandig aus zeitlichen und raumlichen Zusammenhangen herausgelost, so dass Gerichtsschilderungen an J erusa1em oder an den N achbarvo1kem nicht a1s V orlagen dienen konnten. Ebenso wenig nutzt die Sapientia Salomonis Darstellungen aus der apoka1yptischen Tradition wie etwa in Dan 12 701 Auf besondere Merkma1e apoka1yptischer Literatur wie etwa bestimmte Zeitenfo1gen oder 697 Gegen LARCHER, Etudes, S. 102: ,,( ... ) l'auteur a quelque chose de nouveau a dire et il Ie dit sans se soucier de garder sans cesse Ie contact avec la teneur litterale du texte sacre." 698 Zur Genese des Maleachibuches und zur Aufnahme von Traditionen vor allem aus Sacharja und Jes 66 vgl. BOSSHARDi KRATZ, Maleachi, bes. S. 45: "Von daher legt sich der SchluJ3 nahe, da/3 das letzte Buch im Dodekapropheton nicht immer ein Buch für sich war, sondem bis zu seiner Letztgestalt ein auf verschiedenen Ebenen und im Blick auf unterschiedliche Horizonte gewachsener, redaktioneller Fortschreibungstext ist." 699 Vgl. SUGGS, Wisdom of Solomon, S. 26-33; ZIENER, Verwendung der Schrift, S. 139-143. 700 AIs Einflüsse des Jesajabuches auf die Sapientia Salomonis werden in der Forschung geltend gemacht: Jes 44,7 auf Sap 2,23; Jes 57,19-20 auf Sap 3,3; Jes 42,1 auf Sap 3,8; Jes 65,20-23 und Jes 57,3-4 auf Sap 3,11b-12.16-17; Jes 54,1 auf Sap 3,3.13; Jes 56,1-8 auf Sap 3,13-4,6; Jes 57,lf auf Sap 4,7-19; Jes 59,16-19 auf Sap 5,15-23. Vgl. SKEHAN, Isaias; SUGGS, Wisdom of Solomon; DERS., Gerechte und Frevler; DERS., Der leidende Gerechte; DERS., Jesus als der leidende Gerechte; DERS., Der leidende Gerechte und seine Feinde. 701 Gegen Kaiser, der davon ausgeht, dass sich die Sapientia Salomonis auch "der nach dem Scheitern des 2. Jüdischen Aufstandes in MiJ3kredit geratenen apokalyotischen Enderwartungen bediente." KAISER, Anknüpfung und Widerspruch, S. 203. Und gegen LARCHER, Etudes, S. 111.

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Visionsschilderungen wird vollkonunen verzichtet. Dem zentralen Anliegen der Sapientia Salomonis entsprechend, das Ergehen von Gerechten und Gottlosen zu schildem, wird als Vorlage das Maleachibuch genutzt, das ebenfalls ein Interesse an Gerechten und Gottlosen hat. Ihm entspricht ebenfalls die Tatsache, dass die Sapientia Salomonis besonders die kanonischen Schriften des Alten Testament in der Übersetzung der LXX nutzt, die die Thematik der Gerechten und Gottlosen bereits schilderten wie die Psalmen, die in den Versen in Sap 5,18-24, in denen die Sapientia Salomonis über das individuelle Schicksal hinausgeht, die entscheidende Vorlage neben Jes 59,16-18 bilden (Ps 18,15; 66,6; 69,53; 78,13; 95,5; 96,11; 98,7; 136,13.15; 144,6; 148,8). Obwohl die Sapientia Salomonis in groBem Umfang "alttestamentliche" Traditionen aufgreift, ist sie auch eine Schrift, der man den Hintergrund des hellenistischen Diasporajudentums deutlich anmerkt. Im Folgenden solI untersucht werden, wie weit der Einfluss dieses Umfeldes reicht. 702 Es kann allerdings nicht das Ziel dieser Untersuchung sein, die Sapientia Salomonis einlinig als hellenistisch oder als jüdisch gepragte Schrift aufzuweisen, da griechische Bildung in der Entstehungszeit der Sapientia Salomonis nicht nur für Juden in der Diaspora selbstverstandlich vorausgesetzt werden kann. 703 Es ist vielmehr zu fragen, in welchen Punkten sich die Sapientia Salomonis dieser griechischen Bildung bedient und inwieweit sie sie bewusst einsetzt. Das offensichtlichste Merkmal hellenistischen Einflusses ist zunachst die Verwendung griechischer Stilmittel und griechischer literarischer Gattungen. Eine Vielzahl von Einflüssen aus der griechischen Rhetorik und Literatur wurden in diesem Zusammenhang für den Gesamtaufbau der Sapientia Salomonis, aber auch für einzelne Abschnitte der Schrift vorgeschlagen. So gilt die Schrift in ihrem Gesamtzusammenhang innerhalb der Forschung im Wesentlichen als Logos Protreptikos/ 04 il1l1erhalb dessen einzelne Teile verschiedenen Gattungen wie der Diatribe (Sap 13,1-9)/05 der Synkrisis (Sap 11,6-8.14-15; 16,1-19,9)/06 dem 702 Zum ProbIem der Frage nach einem hellenistischem Einfluss auf die Sapientia SaIomonis vgl. KEpPER, Hellenistische BiIdung, S. 5. 703 Zum ProbIem der Trennung zwischen "hellenistisch" und jüdisch vgl. HENGEL, Zum ProbIem der "Hellenisierung" Jud1ias. Hengel hat überzeugend nachgewiesen, dass sich die scharfe Trennung zwischen dem hellenistisch gepr1igten Diasporajudenmm und dem demgegenüber originalen pal1istinischen Judentums nicht haIten I1isst, "da das pal1istinische Judentum nach einer über dreihundertj1ihrigen Geschichte im Bannkreis griechischer Kultur ebenfalls als "hellenistisches Judentum" bezeichnet werden muJ3." HENGEL, ProbIem, S. 85. 704 Vgl. ENGEL, Buch der Weisheit, S. 58; HAEFFNER, Weisheit und Heil, S. 13-32; REESE, Hellenistic Influence, S. 117ff. 705 Vgl. REESE, Hellenistic Influence, S. 51f. Für die Kapitel Sap 13-15 insgesamt wurde verschiedentlich eine hellenistische Vorlage angenommen, die alIerdings in ganz

2.8 Alttestamentliche oder hellenistische Einjlüsse?

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der Synkrisis (Sap 11,6-8.14-15; 16,1-19,9)/06 dem Enkomion (Sap 6,2211,1)/°7 der Wertepriamel (Sap 3,13-19; 4,7-19)"08, der Sorites (Sap 6,1719) 709 oder sogar dem antiken Drama710 zugewiesen werden. Allerdings zeigt die Forschung auch, dass diese Gattungen in den seltensten Fallen die literarische Form der Sapientia Salomonis tatsachlich zutreffend beschreiben. So entspricht der Kettenschluss in Sap 6,17-19 nicht der normaIen Form711 und die Verse Sap 13,1-9 enthalten bestenfalls Elemente der Diatribe, k6nnen aber auf keinen Fall vollkonunen als eine solche identifiziert werden. 712 Der dritte Teil der Sapientia Salomonis enthalt auch Elemente der jüdischen Gattung des Midrasch,113 und Heinemal1l1 hat die Zuunterschiedlichen Texten gesehen wurde. So postulierte Wendland für Sap 13-15, dass diesen Kapiteln Philos "De vita contemplativa" (Contempl3-9) vorlag. Vgl. WENDLAND, Therapeuten. Heinemann sah dagegen die Vorlage für Sap 13-15 in dem Protreptikos des Poseidonios. Vgl. HEINEMANN, Poseidonios. Zu weiteren Theorien zu hellenistischen Einflüssen auf Sap 13-15 vgl. FOCKE, Entstehung, S. 9; GEFFCKEN, Zwei griechische Apologeten, S. XXIII. Diese Thesen wurden von Ricken umfassend widerlegt: "Mit Sicherheit k6nnen wir sagen, dass Weish 13-15 als Ganzes vom biblischen und nicht vom hellenistischen Denken her bestimmt ist. ( ... ) Damit scheint uns zumindest ein enger Anschluss an eine bestimmte Vorlage ausgeschlossen." RICKEN, Vorlage, S. 72.74. 7D6 Vgl. ENGEl, Buch der Weisheit, S. 185; HÜBNER, Weisheit Salomos, S. 146. 707 Vgl. ENGEL, Buch der Weisheit, S. 120f. 708 Vgl. OFFERHAUS, Komposition, S. 38ff. Zu Fonn und Gestalt der Wertepriamel vgl. DOMBROWSKI, Wertepriameln, S. 396-402 und SCHMID, Priamel der Werte. 7 r:f) V gl. ENGEL, Buch der Weisheit, S. 115; HÜBNER, Weisheit Salomos, S. 86. 710 Schmitt hat für den ersten Teil der Sapientia Salomonis in Sap 1,1-6,21 zu zeigen versucht, dass er nach der Fonn der antiken Trag6die aufgebaut ist. Sap 1 sei demzufolge der Pro log, Sap 2 die aufsteigende Handlung, Sap 3-4 ein Chorlied, Sap 5 ein Abfallen der Handlung und die Katastrophe und Sap 6 der Abschluss des Dramas mit abschlie.l3endem Mahnwort. Dagegen sprechen zunachst fonnale Kriterien. Das Chorlied hatte an dieser Stelle einen zu prominenten Ort und w1ire zu umfangreich. An der Stelle der Kapitel Sap 3-4, die Schmitt als Chorlied identifiziert, würde man eigentlich die Klimax der Handlung erwarten, die nun ohne Klimax in Sap 5 wieder abf:illt und in die Katastrophe führt. Abgesehen von diesen Formfragen vollzieht sich diese von Schmitt als solche identifizierte Trag6die aus der Perspektive der Gottlosen, deren Handlung sie ja in die Katastrophe führt. Dies entspricht ganz offensichtlich nicht der Intention der Sapientia Salomonis. Zu Schmitts These vgl. SCHMITT, Fonn; ders, Wende des Lebens, S. 20ff; Zur Gattung des antiken Dramas vgl. WILPERT, Sachw6rterbuch, bes. S. 208. Anspielungen auf die griechische Trag6die sieht in Sap 12,3-7 auch Gill, die er allerdings nie direkt w6rtlich vorfindet, dennoch für "more or less intentional" halt. Vgl. Gn..L, Greek Sources, S. 386. Schmitt zufolge ist auJ3erdem Sap 10 in Anlehnung an Beispielreihen der griechischen Literatur gestaltet. Vgl. SCHMITT, Struktur, S. 1-22. 7ll Vgl. ENGEL, Buch der Weisheit, S. 115; HÜBNER, Weisheit Salomos, S. 86. 712 Vgl. SANDELIN, Studien, S. 152: "Sap. 13,1-9 hat die Elemente des fingierten Gegners und der inclusio ( ... ) mit der Diatribe gemein. Sonst dürfte man nicht von Diatribstil sprechen k6nnen." 713 Vgl. FELDMANN, Die literarische Art, S. 178-184; SCHROER, Buch der Weisheit, S. 398; SIEBENECK, Midrash, S. 176-182.

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ordnung der Gegenüberstellungen in Sap 11,6-8.14-15; 16,1-19,9 zur Synkrisis mit Recht problematisiert und gleichzeitig erwogen, dass sie nach einem Verfahren jüdischer Schriftauslegung gestaltet seien?14 Die Sapientia Salomonis entzieht sich also der direkten Zuweisung zu bestinunten griechischen Gattungsfonnen und Stilmitteln. Dass sie in ihrer Gestaltung durch diese beeinflusst ist, Hisst sich nicht von der Hand weisen, sie folgt jedoch an keiner Stelle genau den im Rahmen der genannten Gattungen erforderlichen formaIen Kriterien. 715 Abgesehen von literarischen Formen und rhetorischen Stilmitteln wurde und wird immer wieder angenommen, dass die Sapientia Salomonis griechische Begriffe im Sinne griechischer philosophischer oder mythologischer Vorstellungen velWendet"16 oder überhaupt durch griechische Philosophie gepragt ise 17 . Dies mag für eine Reihe von Begriffen sicherlich zutreffen, wie Schmitt ausflihrlich gezeigt hat. 718 Für die Termini 1jJux~, 1i6~s und v6~os, die für das eschatologische Profi! der Sapientia Salomonis von Bedeutung sind, trifft dies aber eindeutig nicht ZU?19 Die vorausgegangenen Exegesen und Er6rterungen dieser Begriffe haben gezeigt, dass man an keiner Stelle sicher davon ausgehen kann, dass die Sapientia Salomonis die mit diesen Begriffen verbundenen Vorstellungen ihres paganen Umfeldes aufgreift. Für den Begriff des v6~os kann sicher davon ausgegangen werden, dass mit ihm das jüdische Gesetz beschrieben wird, und auch der Begriff 1i6~s hat in der Sapientia Salomonis wie auch sonst in der LXX den Der Begriff der 1jJux~ Bedeutungshorizont des hebraischen Terminus wird zwar wiederholt gebraucht und ist offensichtlich ein Synonym für den verstorbenen Menschen, und Sap 8,19.20; 9,15 zeigen deutlich eine Beeinflussung durch platonische Vorstellungen, allerdings wird der Begriff in Sap 1,4 dem a