Die Elemente des Beweglichen Systems [1 ed.] 9783428471751, 9783428071753


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Die Elemente des Beweglichen Systems [1 ed.]
 9783428471751, 9783428071753

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RUDOLF WESTERHOFF

Die Elemente des Beweglichen Systems

Schriften zur Rechtstheorie Heft 144

Die Elemente des Beweglichen Systems

Von Rudolf Westerhoff

Duncker & Humblot * Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CEP-Einheitsaufnahme

Westerhoff, Rudolf: Die Elemente des Beweglichen Systems / von Rudolf Westerhoff. — Berlin: Duncker und Humblot, 1991 (Schriften zur Rechtstheorie; H. 144) ISBN 3-428-7175-1 NE: GT

Alle Rechte vorbehalten © 1991 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fremddatenübernahme: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Druck: Druckerei Gerike GmbH, Berlin 36 Printed in Germany ISSN 0582-0472 ISBN 3-428-07175-1

Vorwort und Einleitung Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist das von Walter Wilburg

begründete

Bewegliche System. Es hat i m Laufe der Jahre nicht nur mehr und mehr Anhänger gefunden, sondern ist auch, wie w o h l keine andere Methode i m deutschen Sprachraum, für die Bearbeitung praktischer Fälle nutzbar gemacht worden. Z i e l dieser Abhandlung ist es, die Elemente des Systems darzustellen und zu ordnen sowie aufzuzeigen, i n welchem Bereich w i r fruchtbar m i t beweglichen Elementen arbeiten können und w o w i r starre Tatbestandsmerkmale und Tatbestände verwenden müssen. Da die Abwägungselemente i m Gegensatz zu Tatbestandsmerkmalen i n jedem Einzelfall unterschiedliches Gewicht haben, führt ihre Darstellung i m Streitfall nicht direkt zu einem Ergebnis, sondern zur Verdeutlichung der Problematik. Die Herausarbeitung der Wertungsgesichtspunkte ist eine Hilfe, wenn w i r unabhängig v o m jeweils geltenden positiven Recht darüber nachdenken, warum eine Entscheidung gerecht ist. So können w i r uns darüber klarwerden, auf welcher Seite i n einem Rechtsstreit die gewichtigeren Gründe liegen. Das kann dann auch zu einer geordneten Diskussion führen, die sonst nicht möglich ist. Die Elemente des Systems sind bisher für verschiedene Bereiche aufgezeigt worden, etwa für das Schadensrecht, das Vertragsrecht oder die Vertrauenshaftung. Ferner sind viele Elemente genannt worden, die nicht auf gleicher Ebene austauschbar nebeneinanderstehen, zum Beispiel Abwägungsgesichtspunkte und Autoritäten, welche wie Verfassung, Gesetz oder Präjudizien mehr oder weniger verbindlich das Gewicht der Wertungselemente festlegen. Ich habe ein Gesamtsystem geschaffen, in das alle Elemente eingeordnet werden können. A l s Anschauungsmaterial dienen die Elemente, die Wilburg

i n seinen Werken

aufgezeigt hat, ferner alle Gesichtspunkte, die i m Rahmen eines Symposions genannt worden sind, das 1985 zum 80. Geburtstag von Wilburg i n Graz stattgefunden hat. Die dort gehaltenen 19 Referate sind unter dem Titel „Das Bewegliche System i m geltenden und künftigen Recht" veröffentlicht worden. Ich habe die Arbeit einer Reihe von Juristen zur kritischen Durchsicht gegeben. Das hat dazu beigetragen, die Ausführungen verständlicher zu machen und möglichen Einwendungen Rechnung zu tragen. Besonders danke ich Herrn Professor Gerhard Struck sowie den jungen Juristen, die m i r aufgeschlossen und kritisch geholfen haben. Hamburg, i m Juli 1991 Rudolf Westerhoff

Inhaltsverzeichnis Literaturangaben

12

§ 1 Das Bewegliche System und seine Anwendung

15

I. Die Elemente des Schadensrechts II. Das Bewegliche System und die Rechtsvergleichung

15 15

III. Einordnung der Methode

15

IV. Die Methode des Abwägens

17

§ 2 Terminologie I. Benutzte Ausdrücke Π. Richtige Wortwahl

18 18 19

1. Wertungen

19

2. Kriterium

19

3. Prinzip

19

a) Regelungsmöglichkeit

19

b) Ergebnisumschreibung

20

ΠΙ. Eigene Wortwahl § 3 Bestimmende und begründende Rechtsvoraussetzungen

20 20

I. Bestimmende Voraussetzungen

21

II. Begründende Voraussetzungen

21

III. Notwendige Trennung § 4 Basiswertung und Typus I. Basiswertung Π. Agumentum a fortiori III. Typologisches Denken

22 23 23 23 24

1. Terminologische Klärung

24

2. Typus und Teleologie

24

3. Typus und Normalfall

25

a) Vertrag

26

b) Geschäftführung ohne Auftrag

26

4. Vertrauenshaftung und Basiswertung

26

IV. Keine Beschränkung der Gesichtspunkte

27

8

Inhaltsverzeichnis

§ 5 Die nachteilige Rechtsfolge als Relevanzkriterium I. Nachteile der Verurteilung

28 28

1. Begründung anderer Normen

29

2. Doppelverwertung

30

3. Ausrichtung auf die endgültige Folge

30

II. Restitution 1. Restitution bei Wilburg

31 32

a) Inanspruchnahme fremden Rechtsguts

32

b) Andere Fälle

33

c) Bereicherung

33

2. Gesetzmäßigkeit der Rechtsentwicklung

33

a) Umstrukturierung

34

b) Rechtsvergleichung

35

ΙΠ. Zurechnung des Vermögenswegfalls

35

IV. Keine Zurechnung im öffentlichen Recht

36

§ 6 Gliederung der Gründe

37

I. Interessen (Vor- und Nachteile)

40

1. Ökonomische Interessen

40

2. Persönliche Belange

40

3. Vermögenslage

41

4. Interessenausgleich

42

5. Innen- und Außen Wirkungen

42

a) Trennung der Wirkungen

42

b) Berücksichtigung der Außenwirkungen

43

(1) Erforderlichkeit

44

(2) Geeignetheit

45

(3) Vermögensverhältnisse

46

Π. Einwilligung (Inkaufnahme)

47

ΙΠ. Vergeltung für Verschulden

48

IV. Bindung

48

Inhaltsverzeichnis § 7 Beziehungen zwischen den Gründen I. Einwilligung als typisierte Interessenwahrung Π. Interesse und Bindung ΙΠ. Vergeltung und Interesse § 8 Analyse bekannter Zurechnungsgründe I. Verschulden Π. Kausalität

48 49 49 50 50 51 52

ΙΠ. Gefahrdungshaftung

53

IV. Vertrauenshaftung

54

V. Vertrag VI. Geschäftsführung ohne Auftrag VII. Gehilfenhaftung § 9 Erfassung der Tatsachen

55 56 57 58

I. Gründe, die selbst Tatsachen sind

58

Π. Subsumtion unter Gesichtspunkte

58

1. Verdeutlichung des Interesses durch Tatsachen

59

2. Indizien

59

a) Indizien für subjektive Elemente b) Indizien für zukünftige Interessen

59 59

3. Antinomische Tatumstände

59

4. Tat- und Wertungsfrage

60

5. Gewicht der Gesichtspunkte

61

6. Vermeidung von Doppel Verwertungen

62

§10 Probleme des Zusammenlebens

63

§ 11 Anwendungsbereich des Beweglichen Systems für die Gerichte

63

I. Ausfüllung von Freiräumen II. Begleitkontrolle

64 64

1. Unabhängigkeit der Systeme

64

2. Erzielung eines sicheren Ergebnisses durch Abwägen

64

§12 Unentbehrlichkeit eines starren Systems I. Gleichbehandlung 1. Berücksichtigung aller wesentlichen Elemente

65 67 68

Inhaltsverzeichnis

10

2. Verallgemeinerung von Lebenssachverhalten und von Wertungselementen

68

3. Differenzierungskriterium

68

4. Gleichheit bei beweglichen Folgen

68

II. Gründe für die Lösung vom Gesetz

69

III. Zwei Funktionen des Gesetzes

69

IV. Gründe für die Bindung an starre Normen

69

1. Beeinflußbarkeit des Entscheidenden

70

2. Vertrauensschaden der Prozeßpartei

70

3. Vereinfachung der rechtlichen Entscheidung

70

4. Erleichterung der Sachaufklärung

70

5. Erleichterung des Geschäftsverkehrs

70

6. Verminderung der Rechtsstreitigkeiten

71

7. Verhaltenssteuerung

71

V. Höchstrichterliche Rechtsprechung VI. Außenwirkungen

71 71

VII. Abwägung nach dem Beweglichen System

71

VIII. Abschneiden der Eigenwertung des Richters

72

1. Zwei Aufgaben der Sprache

73

2. Flugreisefall

74

a) Dogmatische Ordnungsvorstellungen

75

(1) Darstellungsinteresse

75

(2) Vermeidung von Wertungswidersprüchen

76

b) Vorgehen nach dem Beweglichen System

77

(1) Interessen (Vor- und Nachteile)

77

(2) Einwilligung

77

(3) Verschulden

78

(4) Bindung

78

(5) Gesetzliche Regelung

78

§ 13 Gesetz und Autoritäten I. Rechtsprechung zur Arbeitnehmerhaftung II. Betrachtung der Autoritäten 1. Notwendigkeit einer Autorität

79 79 79 80

Inhaltsverzeichnis 2. Nicht nur eine ratio legis

81

3. Keine abstrakte Bestimmung des Gewichts

82

4. Gewichtsbestimmung durch Tatsachen und Fallgruppen

82

5. Abschließende Gewichtung

82

6. Andere Autoritäten

83

7. Gewicht der Autoritäten

84

§ 14 Bewegliches System und Gesetzgebung I. Aufnahme beweglicher Elemente ins Gesetz

85 85

1. § 2 I I Österr. Dienstnehmer-Haftpflichtgesetz

85

2. Vier Gründe für und gegen die Arbeitnehmerhaftung

85

a) Interessen (Vor- und Nachteile)

86

b) Einwilligung

86

c) Verschulden

86

d) Bindung

87

II. Typisierung (Schematisierung, Veräußerlichung)

87

1. Unterscheidung von Merkmal und Gesichtspunkt

87

2. Materiale Gründe als Merkmale

88

3. Bestimmung des Gewichts der Gründe

88

4. Setzung klar erkennbarer Tatbestände

89

5. Dogmatik in umgekehrter Richtung

89

§ 15 Erfassung der Elemente I. Gliederung aller Gesichtspunkte II. Unterscheidungen

90 90 92

§16 Bedeutung des Beweglichen Systems

92

Personenregister

95

Sachregister

97

Literaturangaben

1. Abgekürzt zitiertes Schrifttum Bydlinski: Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpflichtenden Rechtsgeschäftes, (1967) (Privatautonomie). — Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff (1982) (Methodenlehre). Canaris: Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, Entwickelt am Beispiel des deutschen Privatrechts, 2. Aufl. (1983) (System). — Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht (1971, Neudruck 1981) (Vertrauenshaftung). Flessner: Wegfall der Bereicherung, Rechtsvergleichung und Kritik (1970) (Bereicherungswegfall). Westerhoff: Methodische Wertung im Recht, Dargestellt am Beispiel der formlosen Hoferbenbestimmung (1979) (Methodische Wertung). — Wie begründen wir die Formnichtigkeit?, AcP Bd. 184 (1984), 341-384 (Formnichtigkeit). Wilburg: Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung nach österreichischem und deutschem Recht, Festschrift der Universität Graz, (1933/34) (Bereicherung). — Die Elemente des Schadensrechts (1941) (Schadensrecht). — Entwicklung eines Beweglichen Systems im bürgerlichen Recht, Rede, gehalten bei der Inauguration als Rector magnificus der Karl-Franzes-Universität in Graz am 22. November 1950 (Rektoratsrede). — Empfiehlt es sich, die Haftung für schuldhaft verursachte Schäden zu begrenzen? Kann für den Umfang der Schadensersatzpflicht auf die Schwere der Schuld und die Tragweite der verletzten Norm abgestellt werden? Referat in: Verhandlung des 43. Deutschen Juristentages 1960, I I (1962) C 3-21 (Schadensumfang). — Zusammenspiel der Kräfte im Aufbau des Schuldrechts, AcP Bd. 163 (1963), 346379 (Zusammenspiel). — Zum Problem des gutgläubigen Erwerbes, Festschrift Hermann Baiti (1978) 557570 (Gutgläubiger Erwerb).

Literaturangaben

13

2. Nur mit Namen und Seitenzahl zitiert werden die Autoren des Werkes, das die Referate des Symposions wiedergibt: ,»Das Bewegliche System im geltenden und künftigen Recht." Gesamtredaktion: Franz Bydlinkski, Heinz Krejci, Bernd Schilcher, Viktor Steininger (1986): v. Bar: Zur Bedeutung des Beweglichen Systems für die Dogmatik der Verkehrspflichten, S. 63. Böhm: Bewegliches System und Prozeßzwecke, S. 211. Bydlinski: Bewegliches System und juristische Methodenlehre, S. 21. Canaris : Bewegliches System und Vertrauensschutz im rechtsgeschäftlichen Verkehr, S. 103. Deutsch: Die Elemente des Schadenrechts und das Bewegliche System, S. 43. Fenyves: Bewegliches System und die Konkretisierung der „wichtigen Gründe" bei Auflösung von Dauerschuldverhältnissen, S. 141. Flessner: Bewegliches System und Bereicherungsrecht, S. 159. Hönn: Verständnis und Interpretation des Vertragsrechts im Lichte eines Beweglichen Systems, S. 87. Koller: Bewegliches System und die Risikozurechnung bei der Abwicklung gegenseitiger Verträge, S. 75. Korinek: Das Bewegliche System im Verfassungs- und Verwaltungsrecht, S. 243. Koziol: Bewegliches System und Gefährdungshaftung, S. 51. Krejci: Bewegliches System und kombinatorisch gestaltete Anfechtungs- und Nichtigkeitstatbestände, S. 127. Mayer-Maly:

Bewegliches System und Konkretisierung der guten Sitten, S. 117.

Ostheim: Arbeitsrechtliche Aspekte des Beweglichen Systems, S. 199. Otte: Zur Anwendung komparativer Sätze im Recht, S. 271. Posch: Die Bedeutung des Beweglichen Systems für die Rechtsvergleichung und das Einheitsprivatrecht, S. 253. Sack: Bewegliche Systeme im Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, S. 177. Schilcher: Gesetzgebung und Bewegliches System, S. 287. Steininger: Walter Wilburg als Lehrer und Forscher in der Erinnerung seiner unmittelbaren Schüler und das Bewegliche System im Gesamtgefüge der Wissenschaften, S. 1.

§ 1 Das Bewegliche System und seine Anwendung I. Wilburg

hat das Bewegliche System zuerst 1941 i n seinen Elementen des

Schadensrechts dargestellt 1 . Er hat ausgeführt, daß sich die Schadenshaftung auf mehrere Elemente zurückführen läßt, „die in verschiedenen Verbindungen und Stärkegraden sich zur Begründung der Ersatzpflicht vereinigen": 1. Die Inanspruchnahme fremden Rechtsgutes durch Eingriff oder Gefährdung; 2. Die Verursachung des Schadens durch Umstände, die sich i m Herrschaftsund Interessenbereich des Haftenden ereignen; 3. Das Vorliegen eines Mangels i n der Sphäre des Haftenden; dieser Mangel kann v o m Verschulden (in verschiedenen Abstufungen) über die geistige Schwäche sowie das Versagen von Gehilfen bis zu fehlerhaften Sachen reichen; 4. Die Vermögensabwägung einschließlich der Versicherungsmöglichkeiten 2 . Diese Elemente hat er i n seiner Rektoratsrede 1950 3 als beispielhaft für das Bewegliche System herausgestellt: „Jeder einzelne Fall zeigt nach diesen Gesichtspunkten sein besonderes B i l d , das sich aus dem jeweiligen Zusammentreffen und Stärkegrad der Kräfte ergibt. Die Kräfte sind nicht absolute starre Größen, sondern es entscheidet die Gesamtwirkung ihres variablen Spiels." II. W i e Steininger

4

dargelegt hat, ist Wilburg

durch die Rechtsvergleichung

zu seiner Methode gekommen: Er habe festgestellt, daß i n den verschiedenen Rechtsordnungen unterschiedliche Gesichtspunkte für den Zuspruch von Schadensersatz ausschlaggebend waren. Diese in den einzelnen Rechten gefundenen Elemente habe er dann zu Gruppen zusammengefaßt. I I I . Das Bewegliche System w i r d heute von vielen Autoren für die Bewältigung der unterschiedlichsten

Aufgaben herangezogen, deren Vielfalt sich kaum noch

überblicken läßt. Ich nenne nur: Die Erfassung der Rechtsidee, Gesetzesauslegung, Tatsachenfeststellung, Gesetzgebung, Ermessensausübung, Bewältigung des gesellschaftlichen Wertepluralismus, Indizienbehandlung, Erhöhung der Orientierungssicherheit, Rechtsvergleichung und Begriffsbildung 5 . 1

Wilburg, Schadensrecht, insbes. 28 f., Zitierweise s. oben Literaturangaben. Wilburg selbst hat die Elemente verschieden gefaßt, siehe: Schadensrecht, 28 f.; Rektoratsrede, 12 f.; Zusammenspiel, 346. 3 Wilburg, Rektoratsrede, 12 f. 4 Steininger, 5 f., Zitierweise s. oben Literaturangaben. 5 Im einzelnen nennen die Autoren des Symposions folgende Problemfelder: Erfassung der Rechtsidee (Bydlinski, 27 f.); Behandlung der Auslegungselemente (Bydlinski 2

16

§ 1 Das Bewegliche System und seine Anwendung Dieser Überblick erinnert an eine ernüchternde Beobachtung, die man auch

sonst machen kann, wenn von „Methoden" wie Begriffsjurisprudenz, Freirechtslehre, lnteressenjurisprudenz, Topik, Wertungsjurisprudenz oder ähnlichem die Rede ist: Die Bezeichnungen dienen häufig vor allem der Etikettierung einer Stilrichtung; doch w i r d dabei kaum sichtbar, welches konkrete methodische Vorgehen gemeint ist 6 . Deshalb soll eine solche Einordnung 7 oder eine Abgrenzung zu anderen Ansätzen hier nicht versucht werden. Sie würde der Vielfalt des Denkens derjenigen, die sich auf Wilburg

berufen, nicht gerecht.

Steininger hat die Denkstruktur des Beweglichen Systems auch in anderen Wissenschaften entdeckt, in denen mehrere Ursachen oder Gründe für eine Erscheinung angegeben worden sind 8 . Doch ist dies nicht so ungewöhnlich, wie er offenbar meint. Erscheinungen wie das Waldsterben, die Kinderfeindlichkeit, die Zunahme der Scheidungen 28 f.; Otte, 276 f.); Rechtsfortbildung (Bydlinski, 30-42; Sack, 177, 185; Ostheim, 204206); Anwendung beweglich gestalteter Systemteile im Rahmen des geltenden Rechts (Bydlinski, 30 f.); Behandlung abstufbarer Gesetzesmerkmale (Bydlinski 33 f.); Gesetzesauslegung (Sack, 177), insbes. teleologische Auslegung (Bydlinski, 36 f.); „Substitutionsanalogie" (Bydlinski, 38 f.); Risikozurechnung (Koller, 75-86); Durchbrechung strikter Normen aus Billigkeitsgründen (Canaris, 111 f.);Gründe für die Nichtigkeit von Rechtsgeschäften (Canaris, 112 f.); Konkretisierung von Generalklauseln (Mayer-Maly, 117126; Schilcher, 290 f.), insbes. des „wichtigen Grundes" (Fenyves, 141-157); Behandlung von Indizien (Sack, 181 -185); Gesetzgebung (Ostheim, 200-204; Posch, 258-267; Schilcher, 290-315); Typologie (Bydlinski, 24; Ostheim, 206-210; Korinek, 247; Schilcher, 295); Finale Programmierung von Rechtsnormen (Korinek, 245 f.); Ermessenslehre (Korinek, 245 f.; Otte, 274 f.); Ergänzung der Normhierarchie (Korinek, 252); Rechtsvergleichung (Posch, 255-258); Rechtsvereinheitlichung (Posch, 258-267); Schaffung von übernationalen Rechtsbegriffen, insbes. die Bewältigung des „Homonym-Problems" (Posch, 262 f.); Struktur der Kollisionsnormen (Posch, 263 f.); Ausfüllung unbestimmter Rechtsbegriffe (Otte, 274 f.); Tatsachenfeststellung (Otte, 274 f.); Erfassung „komparativer Rechtsnormen" (Otte, 277); Strafzumessungslehre (Otte, 277); Anwendung von Prinzipien (Otte, 277-281); Beziehung zwischen Rechtsvoraussetzung und Rechtsfolge (Otte, 272); Offenlegung der Wertungsgesichtspunkte (Schilcher, 289); gleichzeitige Regelung des Normalfalls und der Grenzfälle (Schilcher, 299); Gleichbehandlung (Schilcher, 302 f.); Erhöhung der Rechtssicherheit, insbes. der Orientierungssicherheit (Schilcher, 299,302); Eindämmung der Zahl der Verordnungen und Erlasse, (Schilcher, 304 f.); Bewältigung des gesellschaftlichen Wertepluralismus, insbes. die Verbindung liberalindividualistischer und sozial-kollektiver Wertungen (Schilcher, 307 f., 309); Verklammerung von Spezialmaterien mit den ursprünglichen Muttergesetzen (Schilcher, 310); Aufstellung einiger weniger Grundnormen (Schilcher, 310); Über- und Unterordnung der Wertungen (Schilcher, 312). 6 So hat Viehweg, Topik und Jurisprudenz, 5. Aufl. (1974) 105-110; (zustimmend Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. Aufl. [1967] 597 N. 48) das Bewegliche System Wilburgs als einen Beleg für die topische Struktur in der gegenwärtigen Zivilistik angesehen. Dem widersprechen: Bydlinski, 32 f.; der s., Walter Wilburg 60 Jahre, JB1. 1965,356-361 (360); Canaris, 103; ders. y System, 76,81N. 28; Diederichsen, Topisches und systematisches Denken in der Jurisprudenz, NJW 1966, 697-705 (699). 7 Dazu Hücking, Der Systemversuch Wilburgs, Diss. Köln (1982) 36-58. 8 Steininger, 16-18: So bei der Bibelexegese, wo mehrere Kriterien dafür zusammengestellt worden sind, welche Ausprüche echte Worte Jesu sind, bei der Kindersterblichkeit, die viele Ursachen haben kann, in der Astronomie, wo mehrere Meßwerte auf ein bestimmtes Objekt schließen lassen.

§ 1 Das Bewegliche System und seine Anwendung

17

oder der Kriminalität werden nicht monokausal erklärt. Entscheidungen, etwa die eines Unternehmers, können mehrere, unterschiedlich schwere Gründe haben. Erstaunlich mag dies nur dem Juristen erscheinen, der gewohnt ist, in klassifikatorischen Tatbestandsbegriffen zu denken. W i l l man die Bedeutung des Beweglichen Systems für die Jurisprudenz verstehen, so kommt es zunächst vor allem darauf an, sich die einfache Wirkweise unseres Gesetzessystems klarzumachen: Die Tatbestandsmerkmale sind die logisch notwendigen Bedingungen der Rechtsfolge. Die Summe der Merkmale (der Tatbestand) ist die notwendige und hinreichende Bedingung. Umgekehrt wirkt das Vorliegen eines negativen Tatbestandsmerkmales (Irrtum, Sittenwidrigkeit) absolut; es ist anspruchsvernichtend. Es w i r d darauf ankommen, zu fragen, warum i n der Jurisprudenz m i t starren Tatbeständen nach dem Wenn-dann-System gearbeitet w i r d und gearbeitet werden muß. Erst wenn w i r das erkennen, läßt sich übersehen, wann w i r m i t beweglichen Elementen arbeiten können und wo deren für das juristische Arbeiten notwendige Grenzen liegen. M a n kann natürlich auch die beweglichen Elemente m i t dem Wenn-dannSystem verbinden, indem man sagt: Die Rechtsfolge tritt ein, wenn die (beweglichen) Gesichtspunkte für die fragliche Rechtsfolge schwerer wiegen als die Gesichtspunkte dagegen. Aber das führt nur zu einer Vermengung der Denkvorgänge. dürfte w o h l nur über zwei Eigenschaften

der Ele-

mente des Beweglichen Systems bestehen: Sie haben unterschiedliches

I V . Weitgehende Einigkeit

Gewicht

und sind untereinander

austauschbar.

Allerdings haben auch viele Tatbestände und Tatbestandsmerkmale mit den Elementen des Beweglichen Systems gemein, daß sie austauschbar sind, so wenn sie im Gesetz durch „oder" verbunden sind: Ein Rechtsgeschäft ist gültig, sofern der Erklärende volljährig ist oder der gesetzliche Vertreter zustimmt oder das Rechtsgeschäft dem beschränkt Geschäftsfähigen lediglich einen rechtlichen Vorteil bringt. Die Prüfung der Anspruchsgrundlagen und der Einwendungen (Einreden) erfolgt grundsätzlich nach dem Schema: „wenn und wenn oder wenn oder wenn, dann". Doch sind sie damit noch nicht — wie Posch 9 meint — Elemente eines beweglichen Systems; denn bei den Merkmalen kommt es nicht auf das Gewicht an. Wilbur g10 selbst hat vornehmlich von einer Abwägung gesprochen und ähnlich die Mehrheit seiner Anhänger 1 1 . Dieser Problemsicht folgt die Abhandlung. 9 Posch, 266 f., der die Art. 4 - 7 des Haager Übereinkommens über das auf die Produktenhaftpflicht anwendbare Recht vom 2.10.1973 und (S. 263) die Entschließung 72 (1) des Europarats über den Begriff des „Wohnsitzes" für Beispiele des Beweglichen Systems hält. Bewegliche Elemente sind dort nur die angeführten Indizien für den animus manendi: Dauer des Aufenthalts oder andere Beziehungen persönlicher oder beruflicher Art zu dem betreffenden Land oder Ort. 10 Wilbur g, Gutgläubiger Erwerb, 568; Schadensrecht, 44, 64: „Die Idee der freien Abwägung ist aber das Wesen des hier versuchten Aufbaus überhaupt." Rektoratsrede, 2 Westerhoff

18

§ 2 Terminologie

Abwägen ist zunächst nur ein Bild. Genauer bedeutet es, daß w i r die Gesichtspunkte, die für eine bestimmte Regelung sprechen, herausarbeiten und daneben auch alle Gegenargumente, welche die Partei vorbringen kann, die sich gegen den Nachteil w e h r t 1 2 . Dann kann man erwägen, welches Gewicht die Elemente i m Verhältnis zueinander haben.

§ 2 Terminologie Die Verschiedenheit der Betrachtungsweise zeigen schon die unterschiedlichen Ausdrücke, die von den Anhängern des Beweglichen Systems zur Bezeichnung der Elemente benutzt worden sind 1 3 . I. Wilbur g selbst hat in seiner Rektoratsrede verschiedene Worte gebraucht, an entscheidender Stelle 14 aber von „beweglichen Kräften" gesprochen, seltener benutzen dagegen die Autoren des Symposions 15 diesen Ausdruck. Diese gebrauchen am häufigsten den Terminus „Element" 1 6 , ein Wort, das auch Wilburg verwendet. Häufig finden sich die Worte Grund 1 7 , Gesichtspunkte 18 , Kriterium 1 9 , Prinzip oder Grundsatz neben anderen Ausdrücken 20 , die aber wohl keine spezifische Bedeutung haben sollen. 16, 21, 6,: „Die Gerechtigkeit ist somit ein höheres Prinzip, das für Gesetz und Richter eine psychologische Stütze in der Abwägung der Interessen bildet." n Steininger, 3, 6, 15; Deutsch, 47; v. Bar, 69; Canaris, 111; Fenyves, 143 f., 145, 150, 151, 156; Sack, 177; Böhm, 216; Otte, 280, 281; Posch, 266; S. 254 spricht er vom „Zusammen- und Gegeneinanderspiel der Gesichtspunkte"; Bydlinski, Fundamentale Rechtsgrundsätze (1988) 12. 12 Eine Abwägung ist es auch, wenn Ostheim, 201, als „Basiswertung" den Satz aufstellt: „Je eher ein vom Dienstnehmer bei Erbringung seiner Dienstleistung dem Dienstgeber verursachter Schaden dessen Betriebsrisiko zuzurechnen ist, umso stärker müssen die Zurechnungsgründe auf Seiten des Dienstnehmers sein, um eine Ersatzpflicht zu begründen." 13 Bydlinski, 23 f., sagt, eine feste schulbildende Terminologie stehe mit dem Grundgedanken des Beweglichen Systems, der die Beachtung aller unterschiedlichen Gegebenheiten fordere, in Widerspruch. 14 Wilburg, Rektoratsrede, 12: „daß die Haftung sich nicht auf einen einheitlichen Gedanken, sondern auf ein Zusammenspiel von Gesichtspunkten zurückführen läßt, die als Elemente oder, wie ich nunmehr formulieren möchte, als bewegliche Kräfte wissenschaftlich oder gesetzlich gefaßt werden können." ferner ebd. 5 (bewegende Kräfte), 13, 14, 15 (Hilfskräfte), 18, 19, 20 (Relativität der Kräfte); 21, 23 (Kräfte und Ideen); Zusammenspiel, 346, 347, 349, 356, 357, 359. 15 Ferner: Steininger, 6: Elemente und Kräfte; Bydlinski, 32: Diese Prinzipien ("Kräfte") bilden die „Elemente" des jeweiligen (Teil-)Systems; Hönn, 89: Grundsätze oder Kräfte; Krejci, 130: Gestaltungskräfte; Posch, 257, 269: bewegende Kräfte oder Elemente. 16 Ferner: „Haftungselemente" z. B. Steininger, 7; Bauelement, Konkretisierungselement: Krejci, 128, 134. 17 Ferner: Entstehungsgrund, Haftungsgrund: Wilburg, Schadensrecht, 29; Zurechnungsgrund: Koziol, 51; Beweggrund: Korinek, 249. is Ferner: Wertungs- und Zweckgesichtspunkte, z. B. Bydlinski, 36; Lösungsgesichtspunkt, Canaris, 112. 19 Ferner: Risikozurechnungskriterium, Koller, 79; Entscheidungskriterium, Lösungskriterium, Wertungskriterien, Canaris, 104, 107, 111; Abwägungskriterium, Sack, 180.

§ 2 Terminologie II. Die richtige

Wortwahl

19

ist nicht unwichtig, weil Ungenauigkeit hier schon

zu Fehlern und Begriffsvertauschungen führen kann. 1. Wenn man etwa die einzelnen in einen Wertungsprozeß eingeführten Gesichtspunkte schon als Wertungen bezeichnet 21 , so bleibt unklar, wo die Wertung anfängt, wo sie aufhört und was jeweils bewertet wird. Gewicht ist ein relativer Begriff: Es kommt immer darauf an, welches Gewicht ein Gesichtspunkt im Verhältnis zu anderen — eventuell gegenläufigen Gesichtspunkten — hat. 2. Ungeeignet erscheint auch das Wort Kriterium 22; denn Kriterien dienen wie Tatbestandsmerkmale der Unterscheidung. Es kommt nicht auf ihr Gewicht an, und sie sind nicht austauschbar. 3. Das Wort Prinzip

kann zweierlei bedeuten: Beide Bedeutungen führen zu

Mißverständnissen. a) Entweder werden als „Prinzipien" Regelungsmöglichkeiten 23 bezeichnet, zum Beispiel die Prozeßmaximen (Mündlichkeit / Schriftlichkeit; Verhandlungs-/ Inquisitionsmaxime). Dazu gehören auch die Verfassungsprinzipien wie Demokratie 24 , Einparteienherrschaft 25 , Pressefreiheit 26, Rassentrennung 27, Kunstfreiheit 28 . Die Autoren des Symposions nennen die Privatautonomie 29 , die par conditio concurrentium 30 und das Wettbewerbsprinzip 31 . Diesen Regelungsmöglichkeiten stehen andere gegenüber. Wenn solche 20 Aspekt: Steininger, 6; Krejci, 129; Fenyves, 155; Böhm, 216 (Zweckaspekte), 217 (Teilaspekte), 218 (Aspekte [Momente]); Korinek, 251; Posch, 263. Gedanke: Wilburg, Rektoratsrede, 18, 19; Schadensrecht, 28; Koller, 81; Canaris, 116 (Vertrauensgedanke); Böhm, 217, 224 (Zweckgedanken). Idee: Wilburg, Rektoratsrede, 11, 20, 15 (Grundideen); Zusammenspiel, 351, 367 (Ausgleichsidee). Faktor: Mayer-Maly, 126; Posch, 266 (Wertungsfaktoren oder „Elemente"). Komponente: Fenyves, 145, 150; Böhm, 218; 217 (Zweckkomponente). Moment: Böhm, 218, 229 (Zweckmomente). Kategorie: Mayer-Maly, 124; Ziel: Böhm, 230. 21 Fenyves, 142: „Die Wertungen, die für und gegen eine bestimmte Rechtsfolge sprechen, und die Wilburg als ,Kräfte 4 oder »Elemente' bezeichnet hat". Richtig sagt Bydlinski, Methodenlehre, 644, daß „»Wertungen an sich4 ohnedies eine undiskutable Vorstellung sind. Es gibt nur die Wertungen bestimmter Gegebenheit". 22 Anders Canaris , System, 75 N. 8: „Besser wäre daher wohl der Terminus »Bewertungsprinzipien' oder ,Gerechtigkeitskriterien'." 23 Wenn Wilburg, Rektoratsrede, 6, das Prinzip der Vertragstreue und den Grundsatz, daß sich niemand mit dem Schaden eines anderen bereichern dürfe, als bewegliche Elemente nennt, so wäre zu prüfen, wie weit sie Ergebnisumschreibungen sind und wie weit Begründungen dieser Ergebnisse. 24 So Alexy, Theorie der Grundrechte (1985), 407. 25 So Alexy, Rechtsregeln und Rechtsprinzipien, in: Conditions of Validity and Cognition in Modern Legal Thought, ARSP Beiheift 25 (1985) 13-29 (18). 26 Vgl. Alexy, (vorletzte Ν.) 85; (vorige Ν.) 25: Freiheit der Berichterstattung. 27 So Alexy, (oben N. 24) 93. 28 So Alexy (oben N. 24) 123. 29 So Bydlinski, 38; ders. Fundamentale Rechtsgrundsätze (1988) 126; Hönn, 88, 93; Canaris, 116. Näheres dazu Westerhoff, Methodische Wertung, § 193, S. 131. Zur Begründung der Vertragsbindung siehe unten § 8 V. 30 Koller, 81. Zur Gleichheit s. unten § 12 I. 31 Hönn, 90, 92, spricht er vom Prinzip der Macht- und Gefahrenkontrolle durch den Wettbewerb. 2*

20

§ 3 Bestimmende und begründende Rechtsvoraussetzungen

Regelungen nicht vollständig verwirklicht werden 32 , so ist das keine Besonderheit des Beweglichen Systems, sondern eine Eigenheit aller Rechtsanwendung. Eine Beschreibung dieser Gesetzmäßigkeit wäre eine philosophische Reflexion über Selbstverständlichkeiten, wenn es bei uns nicht Methode geworden wäre, aus solchen Prinzipien „Rechte" und Rechtsstellungen abzuleiten, die auf Kosten anderer gehen. Die Betonung dieser Prinzipien ist eine „Begründung" 33 , die in den zweifelhaften Grenzfällen nicht weiterhilft. Dort ist sie eine petitio principii. Es kommt darauf an, für die „Wichtigkeit" 3 4 einer Regelung Gründe zu nennen 35 , etwa den Nutzen der Pressefreiheit darzulegen bei einem Bericht über Parteispenden oder einem Interview mit einer morgenländischen Prinzessin. b) Eine andere Bedeutung hat das Wort Prinzip, wenn man „aus Prinzip" auf bestimmte Gründe wie Verschulden, Verursachung oder Gefährdung allein abstellt 36 . Meist ist es aber gerade die Frage, welchem „Prinzip" der Vorrang gebührt. Doch finden sich Solche Ergebnisbetonungen und Ergebnisumschreibungen 37 vielfach in Entscheidungsbegründungen 38 . Wilbur g39 betont zu Recht, der Fehler bestehe darin, daß diese Prinzipien die Alleinherrschaft anstreben und absolute Geltung in Anspruch nehmen wollen. I I I . Wenn w i r i n dieser Abhandlung von materialen (inneren) Gründen Gesichtspunkten

oder

sprechen, so sind damit jene (beweglichen) Elemente gemeint,

die für den Gesetzgeber ebenso maßgebend sein können, wie für den Richter oder andere, die über die gerechte Entscheidung eines Streitfalles nachdenken.

§ 3 Bestimmende und begründende Rechtsvoraussetzungen V i e l e 4 0 wollen das Bewegliche System anwenden, wenn auch die Rechtsfolge beweglich ist, wie beim Schmerzensgeld oder beim mitwirkenden Verschulden. Doch w i r d die Wilburgsche

Methode auch auf Fälle angewandt, i n denen die

Rechtsfolge eindeutig feststeht, etwa auf die Nichtigkeit von Rechtsgeschäften 41 , 32 Alexy (oben N. 25) 25, spricht von Verwirklichungsintensität. 33 Alexy (oben N. 25) 19 und (oben N. 24) 75 f. nennt Prinzipien Optimierungsgebote. 34 So Alexy (oben N. 24) 146. 35 Alexy, (oben N. 24) 145. Auf ihn verweisen Bydlinski, 23, und Peter Koller, Diskussionsbericht, 326. 36 Kritisch dazu: Schilcher, 307. 37 Westerhoff, Methodische Wertung, §§ 137, 138, S. 98; § 179, S. 124; § 209, S. 140. 38 Es würde wohl einmal eine empirische Untersuchung lohnen, festzustellen, inwieweit Urteile aus solchen Umschreibungen bestehen. Ich schätze, es sind in höchstrichterlichen Gerichtsurteilen mindestens 80% der „begründenden" Ausführungen. 39 Wilburg, Rektoratsrede, 12. 40 So Wilburg, Rektoratsrede, 14; Hepting, Bespr. d. Vorträge AcP 188 (1988) 7681 (80); Krejci, 139: „Bewegliche Tatbestände vermögen . . . auch vorerst starr gedachte Rechtsfolgeanordnungen in entsprechende Bewegung zu bringen." Fenyves, 156: „Wer die »Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls 4 fordert, muß das konsequenterweise nicht nur auf die Abwägung, sondern auch auf ihr Resultat beziehen". Horst Baumann, Grundlinien eines „beweglichen Systems" der Sachmängelhaftung beim Kauf, AcP 187 (1987) 511 -551 (544 f.): Ein Mehr an Voraussetzungen löst ein „Mehr" an Rechtsfolgen aus.

§ 3 Bestimmende und begründende Rechtsvoraussetzungen auf Erfüllungsansprüche 4 2 und auf den gutgläubigen E r w e r b 4 3 . A u c h solche Folgen können von beweglichen Voraussetzungen abhängig gemacht werden. I. Zwar kann auch hier die Rechtsfolge, etwa die Erfüllungsleistung, i n den unterschiedlichen Fällen unterschiedlich groß sein, ebenso wie der Schadensersatz. Aber das ist Ausdruck des Umstandes, daß generell die Rechtsfolge die Rechtsvoraussetzungen

durch

bestimmt wird: die Ersatzleistung jeweils durch die

Größe des Schadens 44 , der Bereicherung 4 5 , der Aufwendungen oder der Verwendungen, die Minderung des Kaufpreises durch den Minderwert der verkauften Sache 4 6 , die Erfüllungsleistung durch das Versprechen, der Gegenstand des V i n d i kationsanspruchs durch das verletzte Eigentum 4 7 . Die Gesetzmäßigkeit kann man mit Otte 48 durch „komparative Sätze" im Sinne der modernen Logik erfassen. Diese Abhängigkeit der Rechtsfolge von der Rechtsvoraussetzung ist aber keine Besonderheit des Beweglichen Systems. Sie wird bei jeder normalen Rechtsanwendung berücksichtigt, auch wenn man sonst nicht mit beweglichen Elementen arbeitet. Die bestimmenden Rechtsvoraussetzungen eröffnen keinen Entscheidungsspielraum 4 9 . Es kommt zwar auf ihr Ausmaß, ihr „ G e w i c h t " an; sie sind aber nicht austauschbar und das Verhältnis zur Rechtsfolge liegt eindeutig fest. II. Anders ist das bei den begründenden

Rechtsvoraussetzungen.

Sie sind als

materiale Gründe wesentlich für die Bestimmung der Größe der Rechtsfolge. 41 Mayer-Maly in MünchKomm, 2. Aufl. (1984) § 138 BGB Rz. 132. 42 Canaris, Vertrauenshaftung, 521. 43 Wilburg, Gutgläubiger Erwerb. Er spricht sich, ebd., 568, für eine Schadensteilung aus. Dies ist aber wohl nicht auf den Eigentumserwerb zu beziehen. 44 Korinek, 250, will als ein „Kriterium" für die Abgrenzung zwischen Enteignung und bloßer Eigentumsbeschränkung die „Veränderung der Ausübungsbefugnis" heranziehen. Diese negative Veränderung umschreibt den Nachteil (Schaden), den die Enteignung jeweils mit sich bringt. 45 Wilburg, Rektoratsrede, 21, hält beim Wegfall der Geschäftsgrundlage den Schaden der einen Partei und die Bereicherung der anderen für ein wesentliches Element. Hier wäre zu klären, inwieweit sie Bestimmung oder Begründung der Rechtsfolge sind. 46 Otte, 273, weist darauf hin, daß auf der Tatbestands- und Rechtsfolgenseite Merkmale gleicher Art stehen. Die in Geld zu bestimmende Rechtsfolge hängt von einer in Geld angebbaren Größe auf der Tatbestandsseite ab. 47 Vgl. auch Fikentscher, Methoden des Rechts in vergleichender Darstellung I I I (1976) 778, I V (1977) 232: Man könne im Wege der „Desumption" (ein von ihm geformter Begriff) von der im Gesetz angeordneten Rechtsfolge, z. B. daß der Eigentümer von dem Besitzer die Sache herausverlangen kann (§ 985 BGB), zurück auf eine Veränderung der Wirklichkeit schließen, daß Herr Müller Herrn Schulze den Motorroller zurückzugeben habe. Das ist zumindest mißverständlich: Der Motorroller im Eigentum des Herrn Schulze und im Besitz des Herrn Müller gehört schon zu den Rechtsvoraussetzungen. Siehe dazu Westerhoff, Methodische Wertung, § 145, S. 102. 48 Otte, Komparative Sätze im Recht. Zur Logik eines beweglichen Systems, in: Rechtstheorie als Grundlagenwissenschaft der Rechtswissenschaft, hrsg. von Albert u. anderen, Jb. für Rechtssoziologie und Rechtstheorie, I I (1972) 301-320 (312). 49 So mit Recht Otte (vorige N.) 316.

22

§ 3 Bestimmende und begründende Rechtsvoraussetzungen

Die bekanntesten Beispiele sind die Berechnung des Schadensersatzes bei mitwirkendem Verschulden oder beiderseitiger Betriebsgefahr und die Höhe des Schmerzensgeldes. Die Rechtsfolge kann auch i n anderen Fällen beweglich sein, so die Höhe des Schadensersatzes i n den normalen Schadensfällen 50 , wenn aus Billigkeitsgründen nicht der ganze Schaden ersetzt werden soll. Genannt werden ferner: der Umfang der Vertragsnichtigkeit (Schilcher, 294), das Maß der Gewährung von Privatautonomie (Hönn, 96), die Länge der Kündigungsfrist (Fenyves, 156), die Wirkungen der Kündigung (Nichtigkeit oder Vertragsänderung, der s., 147) sowie der zurückzugebende Betrag beim Wegfall der Bereicherung 5 1 . Wenn der Kläger einen Anspruch geltend macht, so ist mit der begehrten Rechtsfolge zugleich der erste Gesichtspunkt i n die Waagschale geworfen. Der Nachteil, den diese Rechtsfolge darstellt, muß begründet werden. 5 2 Hier zeigt sich eine Eigenart des Beweglichen Systems: Das Gewicht der Gründe (Rechtsvoraussetzungen) muß nicht nur in Beziehung gesetzt werden zu dem der anderen Gründe, die Elemente der Abwägung sind, sondern auch zu dem Gewicht der zu begründenden Folgen. I I I . Bestimmende und begründende Rechtsvoraussetzungen sind i n einem Beweglichen System grundsätzlich

zu trennen. Zwar wissen w i r aus dem Schadens-

recht, daß die Übergänge fließend sind 5 3 , w e i l die Bestimmung des Schadens häufig eine Wertung erfordert 5 4 . Doch ist der „Schaden" nicht m i t anderen Wertungselementen austauschbar und kann daher nicht m i t ihnen auf eine Stufe gestellt werden. Ich meine auch, daß das „fremde Recht", dessen Inanspruchnahme durch Eingriff oder Gefährdung das erste der von Wilburg

55

genannten Elemente seines

Beweglichen Systems ist, grundsätzlich nicht m i t den anderen Elementen auf einer Stufe steht, w e i l es nur die Größe der Rechtsfolge bestimmt, aber selbst kein materialer Grund für den Anspruch ist.

so Wilburg, Schadensumfang, 11; Bydlinski, 31; Schilcher, 287. 51 Wilburg, Bereicherung, 147 f., Rektoratsrede, 15; Flessner, Bereicherungswegfall, 115. 52 Westerhoff, Methodische Wertung, §§ 160, 161, S. 110. 53 Richtig sagt v. Bar, 69: „Das Interessenprinzip ist zur Haftungsbegründung ebenso wichtig wie zur Haftungsbegrenzung." Die Problematik zeigt sich auch in den von Otte, (oben N. 48) 305 N. 10 u. 11, genannten Regelungen: §§ 2050 I I und 2057 a I I I BGB. 54 Siehe dazu auch unten N. 119. 55 Wilburg, Schadensrecht, 28, siehe dazu auch unten bei N. 122.

§ 4 Basiswertung und Typus

§ 4 Basiswertung und Typus Für v i e l e 5 6 ist der Umstand, daß die Größe der Elemente des Beweglichen Systems nicht feststeht, ein erheblicher Einwand. A u c h die Anhänger der Methode haben dies empfunden und auf verschiedenen Wegen versucht, .dem abzuhelfen. I. Einige A u t o r e n 5 7 versuchen dies, indem sie von einer „Basiswertung " ausgehen. Wilburg selbst 58 hat für die Berechnung der Schadensersatzpflicht den Vorschlag gemacht, von tei Durchschnittsregel auszugehen, daß der Schädiger für die im Schutzbereich der verletzten Norm liegenden Schäden so weit haften soll, als er deren möglichen Eintritt bei seinem schuldhaften Handeln voraussehen mußte. Schilcher 59 hat die „Basiswertung" aufgestellt, „daß der zumindest fahrlässig, mit mittlerer Gefährlichkeit Handelnde grundsätzlich den typischen Schaden zu ersetzen" hat. Von einer solchen Basis ausgehend kann man zu einem höheren Schadensersatz verurteilen, wenn ein zusätzlicher Haftungsgrund (etwa Vorsatz) vorliegt oder ein Grund größeres Gewicht hat (etwa größere Gefährlichkeit). II. Schilcher

60

klassifikatorischen

weist zu Recht darauf hin, daß die Basiswertung immer i n Prädikaten

formuliert ist; denn der Richter könne nicht zu

„umso mehr" Schadensersatz verurteilen, sondern nur zu einem bestimmten Betrag. Diese Basiswertung kann, wie Bydlinski, sein, ebenso ein Präjudiz. Schlußfolgerungen,

34, richtig sagt, schon das Gesetz

Dann bewegen w i r uns i m Bereich der klassischen

die argumentum a maiore ad minus, a minore ad maius oder

argumentum a fortiori genannt werden 6 1 . Voraussetzung für einen solchen Schluß ist jedoch, daß man sich über die materialen Gründe i m klaren ist, welche die Rechtsfolge rechtfertigen, die also 56 Klang, Die Elemente des Schadensrechts, Eine Buchbesprechung JB1. 1946, 326331 (330); Marion, Versuch eines einheitlichen Systems der zivilrechtlichen Haftung, AcP 162 (1963)1-87 (36 f.); Kötz, Haftung für besondere Gefahr, AcP 170 (1970) 141 (20). 57 Bydlinski, 30; Methodenlehre, 531; ders.,(oben N. 29) 127; Koller, 78; Fenyves, 143; Koziol, Sonderprivatrecht für Konsumentenkredite, AcP 188 (1988) 181-229 (191, 223); vgl. auch die „Durchschnittsregeln" bei Wilburg, Schadensrecht, 102. Zu ähnlichen Überlegungen im Strafrecht: Hans-Jürgen Bruns: Die Bedeutung des Durchschnitts-, des Regel- und des Normalfalles im Strafzumessungsrecht, JZ 1988, 1053-1058. Zu einer einheitlichen Strafzumessung könnte man kommen, wenn man durch Umfragen sowohl bei Richtern, wie auch bei Laien feststellen würde, wie hoch die Bestrafung bei bestimmten genauer beschriebenen typischen Straftaten (z. B. Autodiebstahl, Zechprellerei, Bankraub) ihres Erachtens sein sollte. Das könnte dann ein Anhalt für andere Fälle sein. 5s Wilburg, Schadensumfang, 19. 59 Schilcher, Theorie der sozialen Schadensteilung (1977) 216; ein weiteres Beispiel ders., 293 f. 60 Schilcher, 287 N. 1, u. 320. 61 Vgl. dazu auch Otte, (oben N. 48) 314.

§ 4 Basiswertung und Typus

24 den Elementen i n Wilburgs

System entsprechen; denn es gibt kein Mehr oder

Weniger an Sachverhalt, sondern nur einen anderen Sachverhalt. Es gibt nur ein Mehr an Gründen,

welche die fragliche

Rechtsfolge

innerlich

rechtfertigen

62

.

Das hat schon die Glosse auf die einfache Formel gebracht: quia eadem est ratio vel major, ergo idem ius, wobei ius mit Rechtsfolge zu übersetzen i s t 6 3 . Hier zeigen sich also schon die Anfänge eines Denkens i n beweglichen Elementen, wie w i r es von Wilburg

kennen.

I I I . V o n den Überlegungen über die Durchschnittsregel und die Basiswertung ausgehend, w i r d das Bewegliche System vielfach mit dem typologischen i n Verbindung gebracht 6 4 . Wilburg

65

Denken

meint, eine Bewertung ließe sich beispielhaft

an typischen Fällen zum Ausdruck bringen. 1. Zunächst ist eine terminologische Klärung erforderlich: Die Denkform des „Typus" 6 6 , bei der eine bestimmte Erscheinung oder ein bestimmter Fall als „typisch" angesehen wird, ist etwas anderes als Typologie im Sinne einer Fallgruppenbildung 61. Sie unterscheidet sich auch scharf von der aus der Rechtsprechung der Verfassungsgericht e 6 8 und aus dem Steuerrecht bekannten Typisierung (Veräußerlichung, Schematisierung), bei der auf äußerliche Tatbestandsmerkmale abgestellt wird, die gerade nicht beweglich sind 6 9 . 2. Typen und Bewegliches System haben gemeinsam, daß das „Gewicht" der als typisch angesehenen Eigenschaften oder der einzelnen Elemente jeweils verschieden ist. Das ist zunächst einfach die simple Tatsache, daß die Eigenschaften bei den verschiedenen Sachverhalten, Personen oder Gegenständen nicht gleich sind, sondern unterschiedlich 7 0 . Dies ist aber keine Besonderheit des Beweglichen 62 Westerhoff\ Methodische Weitung, § 18, S. 27 f. 63 Es ist auch ein Erst-recht-Schluß auf der Rechtsfolgeseite möglich: von der nachteiligen Rechtsfolge auf die weniger nachteilige, Bydlinski, Methodenlehre, 480; Zippelius, Juristische Methodenlehre, 4. Aufl. (1985) § 11 I I c, S. 63 f. 64 Krejci, 133; Ostheim, 207; Korinek, 247; Schilcher, 299, 315-320; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl. (1983) 452; differenzierend Bydlinski, 24 f.; Böhm, 214, nennt den Prozeßzweck einen konkret-allgemeinen Typusbegriff 4 . 65 Wilburg, Rektoratsrede, 22. 66 Vgl. Larenz (oben N. 64) 443. 67 Das erkennt Mayer-Maly, 122; Richtig unterscheidet Flessner, 165, das Bewegliche System vom typologischen Sammeln von Fällen und Fallentscheidungen. 6β Nachweise unten N. 349 - 351. Zur Zulässigkeit dieser Starrheit in Österreich: VerfGH, VerfSlg., Bd. 38 I (1974), Nr. 7012, S. 190 (194); 11.3.1977, Bd. 42 I (1978), Nr. 79996, S. 99 (102); 26.6.1980, Bd. 45 I (1982), Nr. 8871, S. 587 (593). 69 Das verwechselt Korinek, 250, der als Beispiel für das Bewegliche System das Erk. d. österr. VerfGH vom 29.9.1982, VerfSlg. Bd. 47 I I (1982) Nr. 9516, S. 123 (130) nennt, welches die Freistellung der Genossenschaften von der Körperschaftssteuer für gerechtfertigt hält, weil „die Zeichnung von Genossenschaftsanteilen nicht typischerweise für sich eine in Ertragsabsicht erfolgende Kapitaldisposition darstellt" und „erwirtschaftete Gewinne bei Genossenschaften typischerweise nicht die Funktion haben, unmittelbar in Einkünfte der Genossenschaft überführt zu werden". 70 Schilcher, 318; Engisch, Die Idee der Konkretisierung in Recht und Rechtswissenschaft unserer Zeit, 2. Aufl. (1968) 242; Larenz, (oben N. 64) 447; Hassemer, Tatbestand

§ 4 Basiswertung und Typus Systems oder eine neue Erfindung, sondern lediglich eine Feststellung dessen, was in der Wirklichkeit vorhanden ist. Doch genügt es für die rechtliche Betrachtung nicht, einfach die unterschiedlichen Eigenschaften der zu beurteilenden Sachverhalte zu betrachten, u m daraus die notwendigen Erkenntnisse zu ziehen 7 1 , etwa wie Korinek, 250 f., ein „Gesamtb i l d " der Notare zu entwickeln 7 2 , u m danach zu entscheiden, ob es gerechtfertigt ist, daß diese i m Gegensatz zu den Rechtsanwälten keine Lehrlinge ausbilden dürfen. Vielmehr k o m m t es darauf an, ob die „typischen" Elemente zugleich. Gründe für die fragliche

Rechtsfolge

sind 7 3 .

Ähnlich ist es, wenn wir die Frage stellen, ob das Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft den Schutz arbeitsrechtlicher Normen genießen soll. Dann ist es nicht sinnvoll, die Eigenschaften eines typischen Vorstandsmitgliedes zu schildern. Es kommt auch nicht, auf die gesellschaftsrechtliche Stellung und die damit verbundene Übernahme von Arbeitgeberaufgaben und unternehmerischen Entscheidungen an 7 4 . Die Schutzbedürftigkeit ergibt sich aus der persönlichen Abhängigkeit und der damit verbundenen Unmöglichkeit, die Arbeitskraft eigennützig unternehmerisch einzusetzen.75 Doch muß man sehen, daß solche Umstände auch bei der vom Gericht zu entscheidenden Frage eine Rolle spielen können, ob eine Kündigung sozial gerechtfertigt ist. Dann sind die Tatumstände unter die dort relevanten Gesichtspunkte einzuordnen: Interessen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber, Inkaufnahme bestimmter Verpflichtungen und Nachteile durch die Parteien, Verschulden sowie Bindungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer 76 . Werden die Umstände zweimal angeführt, so kann das zu unzulässigen Doppelverwertungen führen 77 . 3. Sinnvoll ist die typologische Betrachtungsweise, wenn w i r nicht die Typen betrachten, die uns i m täglichen Leben begegnen, sondern typische Rechtsfiguren

und Typus (1967) 115; Leenen, Typus und Rechtsfindung (1971) 34; Strache, Das Denken in Standards (1968) 21. 71 Typologisch in diesem Sinn, ohne Blick auf die Rechtsfolgen, ist heute noch die Erfassung der Straftatbestände. 72 Als „Aspekte" dieses Gesamtbildes nennt er: Tätigkeitsumfang, rechtliche Regelung des Berufs (dazu auch unten N. 420) besondere Aufgaben, monopolistische Stellung. 73 Bydlinski, Methodenlehre, 545 f.; Larenz (oben N. 64) 212; Pawlowski, Methodenlehre für Juristen (1981) Rdn. 145, S. 75; Leenen (oben N. 70) 44. Richtig BVerfG 14.4.1987, BVerfGE 75, 166: Die unterschiedliche Regelung der Selbstbedienung bei frei verkäuflichen Arzneimitteln für Apotheken und für den übrigen Einzelhandel kann nicht mit dem „Berufsbild" des Apothekers begründet werden, sondern allenfalls mit dem Schutz der Volksgesundheit. 74 So aber die h. M. in der Bundesrepublik: Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 6. Aufl. (1987) § 14 I 2, S. 52; MünchKomm(-Söllner) 2. Aufl. (1988) § 611 BGB Rdn. 113 vgl. aber Rdn. 114. 75 So richtig Ostheim, 207 - 209. Er führt aus, daß sich der Ausschluß der Bestimmungsfreiheit aus einer Reihe von (beweglichen) Elementen ergibt: persönliche Arbeitspflicht, Bindung an Weisungen, organisatorische Bindung durch Arbeitsvertrag oder Arbeitsordnung, auf einem einheitlichen Vertrag beruhende Dauer der Arbeitspflicht. 7 6 Näheres unten § 6. 77 Einzelheiten auch unten, §§ 5 I 3; 9 I I 6.

26

§ 4 Basisbewertung und Typus

untersuchen. Das sind jene Sachverhalte, die typischerweise

eine bestimmte

Rechtsfolge nach sich ziehen 78. Bei einem solchen Typus — die moderne Didaktik spricht v o m Normalfall

79

— lassen sich die Elemente, auf die es rechtlich an-

kommt, am klarsten erkennen 8 0 . V o n ihnen ausgehend kann man die weniger eindeutigen Fälle erfassen und fragen, wo die Grenze zu jenen Sachverhalten zu ziehen ist, die anders zu entscheiden sind, das heißt, eine andere Rechtsfolge angebracht i s t 8 1 . Was für die Didaktik wertvoll ist, kann auch für die dogmatische Erfassung der Wertungselemente fruchtbar gemacht werden. a) Man kann etwa — wie es Bydlinski 82 exemplarisch gezeigt hat — untersuchen, was zu einem typischen gültigen Vertrag gehört. Nach deutschem Recht ist die Kenntnis der wirtschaftlichen Folgen und die Ausgewogenheit der Leistungen nicht Voraussetzung für die Wirksamkeit (anders § 934 AB GB). Trotzdem kann man bei einer Wertung mit austauschbaren Elementen vom Normalfall ausgehend fragen, inwieweit etwa die Angemessenheit des Entgelts oder die genaue Überlegung der Folgen die Gültigkeit des Rechtsgeschäfts beeinflussen soll 8 3 . b) Der Prototyp eines solchen Normalfalls ist die „typische" Geschäftsführung ohne Auftrag. Damit meint man die gemeinnützige Hilfeleistung im Interesse eines anderen 84 , auch wenn dieser Modellsachverhalt vor Gericht so gut wie nie vorkommt 85 . Wir können aber fragen, inwieweit die Rechtsfolgen auch in den streitigen Fällen eintreten sollen, so wenn der Geschäftsführer zugleich im eigenen Interesse gehandelt oder eine Verpflichtung zum Handeln angenommen hat. 4. I n einem anderen Sinn verwendet Canaris , 111, den Begriff der Basiswertung. Er w i l l dadurch die Anzahl der Elemente einschränken. Dies zeigt er am Beispiel der Vertrauenshaftung.

Die Basiswertung, ohne die man nicht aus-

78 Westerhoff, Gesetzesumgehung und Gesetzeserschleichung (1966) zur typischen Gesetzesumgehung: § 207, S. 185; zum typisch wirksamen formlosen Hofübergabeversprechen: Methodische Wertung, § 549 b, S. 335. 79 Haft, Einführung in das juristische Lernen, 3. Aufl. (1984) 113-137: Die Normalfallmethode. Zur Unterscheidung von typologischem und begrifflichem Denken: 117; ähnlich Bydlinski, 34. so Schilcher, 315 f., sagt, die Vorgänge des Lebens würden durch ihre Einordnung in gesetzliche Typen juristisch verstehbar. 81 Anders ist es mit der auf Heck, Gesetzesauslegung und Interessenjurisprudenz (1914) 173, zurückgehenden Unterscheidung von Begriffskern und Begriffshof. Damit ist die sprachliche Mehrdeutigkeit der Worte gemeint, siehe neuerlich Bydlinski, Methodenlehre, 118 f. 82 Einzelheiten: Bydlinski, Privatautonomie, 46-51; Zusammenfassung, 173 f.; Westerhoff, Methodische Wertung, §§ 192-253, S. 131-168. 83 Wenn Bydlinski, Methodenlehre, 546, sagt, die klassische Typenkonzeption scheine „ i m wesentlichen eine (eher überflüssige) Wiederholung des Postulats teleologischer Rechtsanwendung zu sein", so mag das für die von ihm erörterte Literatur zu dem Thema zutreffen; er sieht aber in diesem Zusammenhang nicht die Bedeutung seiner eigenen Arbeit. 84 Vgl. Rabel, Negotium alienum und animus, Studi in onore di Pietro Bonfante, I V (1930) 279-304 (295) zur gesunden Gestalt der normalen Geschäftsführung ohne Auftrag. 85 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag (1976) 33.

§ 4 Basisbewertung und Typus komme, liege i n den Prinzipien des Vertrauensschutzes auf der einen und der Zurechenbarkeit auf der anderen Seite. Doch darf das nicht bedeuten, wie einige Formulierungen von i h m 8 6 nahezulegen scheinen, daß bei einer Wertung die genannten Elemente immer vorhanden sein müßten oder die Abwägung auf sie zu beschränken sei. Das zeigen gerade die von ihm, S. 113 f., angeführten Beispiele: Beim formlosen Hofübergabeversprechen des Eigentümers hat der Bundesgerichtshof 8 7 seine Rechtsprechung — meines Erachtens 88 zu Recht — auf dessen Abkömmlinge beschränkt und damit zu erkennen gegeben, daß er diesem Umstand entscheidende Bedeutung beimißt 89 . Bei der unrichtigen Wissenserklärung des Arbeitgebers und bei der Zusage eines Ruhegehaltes unter Vorbehalt der Freiwilligkeit kann neben dem Gedanken der Vertrauenshaftung die arbeitsrechtliche Bindung eine Rolle spielen. Der Übergang zu den Fällen, in denen arbeitsrechtliche oder familienrechtliche Gesichtspunkte allein den Anspruch tragen, etwa bei mitarbeitenden Familienangehörigen, ist fließend. Nach welchen Grundsätzen sollen sie entschieden werden? I V . Die letzten beiden Fälle zeigen die Unmöglichkeit

der Beschränkung

auf

bestimmte Gesichtspunkte, wie sie von einigen A u t o r e n 9 0 gefordert wird. Gerade in den Zwischenbereichen müssen alle Umstände des Einzelfalles erörtert werden 9 1 . Das sind meines Erachtens: die Vor- und Nachteile (Interessen), welche die Entscheidung m i t sich bringt, Einwilligung (Inkaufnahme der Nachteile), Vergeltung für Verschulden und Bindungen, die zwischen den Beteiligten bestehen 9 2 . Natürlich enthält jeder Sachverhalt Tatumstände, die aus rechtlicher Sicht nicht relevant sind und von denen man deshalb absehen kann und muß. Das kann aber nicht bedeuten, daß sich von vornherein abschließend bestimmen läßt, welche rechtlichen Gesichtspunkte bei einer beweglichen Bewertung eines bestimmten Falles außer Betracht bleiben müssen 9 3 . Wer die Elemente beschränken w i l l , 86

Canaris , 103; System, 76; Vertauenshaftung, 303 und 529. 87 BGH 5.5.1983, BGHZ 87, 237 (238). 88 WesterhoffMethodische Wertung, § 308, S. 196 f., schon vor dieser Entscheidung. Das übersieht Bydlinski, Methodenlehre, 169 N. 401. 89 Canaris, Vertrauenshaftung, 360, hält das Verwandtschaftsverhältnis deshalb für relevant, weil ein erhöhter Vertrauenstatbestand besteht. M. E. erschöpft sich die Bedeutung des Verwandtschaftsverhältnisses nicht in diesem verstärkten Vertrauenstatbestand. Wie ist die Problematik zu erfassen, wenn der Sohn nach Schulabschluß auf dem Hof geblieben ist, der Vater jede Zusage bestreitet und der Sohn nichts beweisen kann oder wenn der Vater beweisen kann, daß er öfter gesagt habe, er werde den Sohn hinauswerfen? 90 Bydlinski, 32; Methodenlehre, 532; Hönn, 99; Schilcher, 291; Canaris, 103 f.; System, § 4 II, S. 77; § 4 IV 2, S. 82; Vertrauenshaftung, 303 und 529; dem folgend Flessner, 168. Demgegenüber spricht Bydlinski, 24, von der „Beachtung aller relevanten unterschiedlichen Gegebenheiten". 91 So insbes. BGH 15.3.1967, BGHZ 47, 184 (189 f.). 92 Näher dazu unten § 6. 93 Dieser Gedanke ist im Verwaltungsrecht vor allem für das Planungsermessen anerkannt, vgl. BVerwG, 5.7.1974, BVerwGE 34, 301 (307): Das Abwägungsgebot sei

28

§ 5 Die nachteilige Rechtsfolge als Relevanzkriterium

muß sagen, nach welchen Kriterien dies geschehen soll. Dies ist bisher nicht geschehen. So hat denn auch gerade Wilburg

94

das Bewegliche System benutzt,

u m „Lücken zu schließen, die zwischen Vertrag, Schadenszufügung, Bereicherung und Geschäftsführung offengeblieben s i n d " 9 5 , i n denen also ganz unterschiedliche Wertungselemente maßgebend sein können.

§ 5 Die nachteilige Rechtsfolge als Relevanzkriterium Die bisherigen Überlegungen haben ergeben: Das Bewegliche System kann auf zweierlei Weise angewandt werden. M a n kann es ansehen als ein argumentum a fortiori, insbesondere a minore ad majus. Ansonsten ist es eine Methode des Abwägens. Eine Beschränkung der Gesichtspunkte kann aus didaktischen Gründen nützlich sein; sie ist aber nicht generell möglich. Einigkeit besteht nun darüber, daß die Anwendung des Beweglichen Systems nicht bedeuten kann, beliebige Topoi zu nennen 9 6 . Erforderlich ist eine Ordnung der Elemente. Dafür gilt es ein Ordnungskriterium zu finden. Da die Elemente des Beweglichen Systems, von den I n d i z i e n 9 7 und Prinzipien 9 8 abgesehen, die Gründe erfassen, die für bestimmte Rechtsfolgen, etwa den Schadensersatz, gegeben werden, können als Bezugspunkt für die Ordnung, als tertium comparationis, nur die Rechtsfolgen i n Betracht k o m m e n 9 9 . Die weitere Frage lautet dann, welche Folgen der Begründung bedürfen. I. Begründungspflichtig ist der Nachteil,

den eine Partei zu tragen hat. E i n

Vorteil, etwa das Ersparen einer eigenen Leistung i m Wettbewerb, muß nur „in dieser alle in Betracht kommenden Belange umfassenden Weite . . . ein dem Wesen rechtsstaatlicher Planung innewohnender Grundsatz". Ähnlich BVerwG 5.7.1974, BVerwGE45, 309 (314); Bay VerwGH 28.7.1975, Baurechtsslg. Bd. 29 (1976) Nr. 2, S. 2 (4,6). Fehlt ein wesentlicher Gesichtspunkt, so spricht man von einem Abwägungsdefizit, Brügelmann / Grauvogel, Bundesbaugesetz, 44. Lfg. (Okt. 1985) § 1 Anm. 434 m. Nachw.; Alexy, Ermessensfehler, JZ 1986, 701-716 (711) m. Nachw. In der modernen Lehre von den Regeln und Formen des Diskurses ist anerkannt, daß jeder jede Behauptung in die Diskussion einbringen darf, Alexy, Theorie der juristischen Argumentation (1978) 240; Ulfried Neumann, Juristische Argumentationstheorie (1986) 74. Um wieviel mehr muß dies für die Elemente eines beweglichen Systems gelten. 94 Wilburg, Zusammenspiel, 347 f. 95 Vgl. Wilburg, Rektoratsrede, 14: „Das Hinzutreten neuer Gesichtspunkte und Kräfte ist möglich"; ebd. 16: „Ein gerechtes Urteil läßt sich nur aus der Abwägung aller Umstände des Falles gewinnen." Ders., Schadensrecht, 29: „Die Haftung setzt nicht das Zusammentreffen aller oder bestimmter Elemente voraus, sondern kann aus beliebigen Verbindungen sich ergeben." Zusammenspiel, 347: Zusammenwirken „je nach Zahl". 96 Vgl. Diskussionsbericht zum Symposion von Bydlinski, 325. 97 Dazu unten § 9 I I 2. 98 Dazu oben § 2 I I 3. 99 Zur Problematik, daß die Rechtsfolgen ihrerseits wieder nach der Rechtsvoraussetzung definiert sind: Westerhoff, Methodische Wertung, § 150, S. 106.

§ 5 Die nachteilige Rechtsfolge als Relevanzkriterium begründet werden, soweit dadurch anderen ein Nachteil zugefügt w i r d 1 0 0 . Dies ist der axiomatische

Ausgangspunkt

der folgenden Überlegungen, der sich nicht

weiter begründen läßt und nach meinem Empfinden evident, das heißt ohne Begründung, einsichtig i s t 1 0 1 . Bei diesem Ansatz bleiben Geschehnisse wie der Schatzfund, die alluvio und die Bergung von Strandgut außer Betracht 1 0 2 . A l s einen Nachteil kann man zunächst all das ansehen, wogegen sich eine Partei, insbesondere der Beklagte i m Prozeß, wehrt und wozu sie verurteilt werden m u ß 1 0 3 , also eine Leistung oder eine Unterlassung, aber auch die Auflösung eines Arbeitsverhältnisses oder einer Gesellschaft sowie der Kontrahierungszwang

104

.

Ferner ist ein solcher Nachteil auch die Einbuße, welche die Gläubiger, abweichend v o m Grundsatz der par conditio creditorum, dadurch erleiden, daß andere Gläubiger, insbesondere die Inhaber dinglicher Rechte, ihnen vorgehen. Dann muß dargelegt werden, daß die Vorteile, welche die Wirtschaft durch die Zulassung von Sicherungsrechten hat, diesen Nachteil rechtfertigen. A u f gleiche Weise müssen die Benachteiligungen der Gläubiger gerechtfertigt werden, die durch Haftungsbeschränkungen, etwa bei juristischen Personen, entstehen. 1. Der Ausrichtung der Gründe auf die Rechtsfolge steht allerdings die Schwierigkeit

entgegen, daß bei der Gesetzesanwendung auch Gesichtspunkte auftau-

chen, die andere Normen

begründen

(Zwischen-, Bezugs-, Hilfsnormen; die

Terminologie schwankt.), etwa Verhaltensnormen, deren Verletzung erst die streitige Rechtsfolge, den Schadensersatz, nach sich zieht. Da eine Abwägung nicht bei den einzelnen Zwischennormen, sondern i n jedem Streitfall nur einmal erfolgen kann, müssen w i r alle diese Gesichtspunkte einander gegenüberstellen. Das gilt besonders für die Gründe von Verhaltensnormen. Denn i m streitigen Rechtsfall sind die Normen nicht eingehalten worden, und es geht darum, die Rechtsfolge dieser Normverletzung

zu

begründen 105.

loo Vgl. Sack, 195. i°i Ferner beschränkt sich die Untersuchung auf die Nachteile für (lebende) Menschen. Deshalb wird hier nicht erörtert, „die Meschenwürde" Verstorbener (soweit man nicht meint, ihr Schutz liege nur im Interesse der Lebenden) und der Tierschutz. Die „Kunst" und die „Natur" (Umwelt) werden nicht als selbständige, um ihrer selbst willen zu schützende Werte angesehen; zum Streitstand: insbes. Kühlmann, Aufnahme der Mitgeschöpflichkeit ins Grundgesetz? JZ 1990, 162-175 m. Nachw. 163; zur Stellung der Kirchen ebd. 175. 102 Nicht in die hier behandelte Fragestellung passen die einen „Wohnsitz" konstituierenden Elemente, die Posch, 263, untersucht, ferner die Gesichtspunkte, welche die prozessuale Gestaltung betreffen: Deutsch, 49: Beweisschwierigkeiten; Böhm, 218, Prozeßzwecke: Interesse an gleichförmiger Rechtsanwendung, Rechtseinheit, Rechtssicherheit, sachgerechte Rechtsfortbildung, tatsachen- und rechtsrichtige Entscheidung, Konzentration und Ökonomie des Verfahrens. 103 Der entsprechende prozessuale Begriff ist die Beschwer. 104 Hönn, 99. los Westerhoff, Methodische Wertung, § 146, S. 103.

30

§ 5 Die nachteilige Rechtsfolge als Relevanzkriterium

2. Bei der Begründung der Verhaltensnorm und bei der Begründung der streitigen Rechtsfolge können immer wieder die gleichen rechtlichen Gesichtspunkte auftauchen. Das kann zu einem Fehler führen 1 0 6 , den w i r bei der Strafzumessung als Doppelverwertung

von Tatbestandsmerkmalen bezeichnen 1 0 7 . Wenn man etwa

jemandem eine Verkehrssicherungspflicht auferlegt, weil er aus einer Gefahrenquelle einen Vorteil gezogen h a t 1 0 8 , so darf man diesen Gesichtspunkt nicht erneut bei der Bemessung des Schmerzensgeldes berücksichtigen. 3. Der Fehler läßt sich dadurch vermeiden, daß w i r alle Gesichtspunkte vornherein

auf die im Urteilstenor

ausgesprochene

Rechtsfolge

hin

von

ordnen 109.

Dann können w i r die Gründe für die Zwischennormen auf die richtige Weise berücksichtigen. Die schwierige Problematik kann man am besten bewältigen, wenn man sich vorstellt, die rechtliche Begründung würde i n direkter Rede demjenigen vorgehalten, gegen den eine Entscheidung ergehen soll. Dadurch wird, wie Plessner , 175 Ν . 48, bemerkt, die Güte einer rechtlichen Entscheidung kontrolliert: Es w i r d einmal erreicht, daß man sich auf allgemein verständliche Rechtsvorstellungen beruft. Z u m anderen w i r d sichergestellt, daß die tatsächlich ausgesprochene Rechtsfolge begründet w i r d und nicht nur irgendwelche Zwischennormen. Das zeigt sich deutlich bei Verhaltensnormen, für die seit langer Z e i t 1 1 0 nicht nur ein Grund angegeben wird, sondern eine Mehrzahl von Gründen und die daher schon als ein alter Anwendungsfall der Wilbur gschen Methode gelten können: den Formvorschriften 1 1 1 . Im Vordergrund der Erörterung steht dabei allerdings häufig nur ein Gesichtspunkt: der Übereilungsschutz, die „Warnfunktion". Wenn der Richter diesen Grund für die Verhaltensnorm, die eine Partei im konkreten Fall nicht beachtet hat, dieser vorhalten wollte, käme er zu einer absurden Argumentation. Er müßte sagen: „Da die vorgeschriebene Form nicht vorliegt, müssen wir annehmen, !06 Dazu auch Ostheim, 203, siehe auch unten § 9 I I 6; Mayer-Maly, Anm. zur Entscheidung des OGH vom 10.12.1964, ZAS 1966, 43/44-46 (46): „Dogmatische Todsünde, die schon dem Anfänger das Ungenügend sichert." io? Westerhoff, Methodische Wertung, § 148, S. 104 f. los So v. Bar, 69, der den Gesichtspunkt als ein bewegliches Element aufführt. 109 Herschel, Zivilrechtliche Bedeutung des strafrechtlichen Analogie Verbots, NJW 1968,533 f. (534); Karsten Schmidt, Die Strafbarkeit „faktischer Geschäftsführer" wegen Konkursverschleppung als Methodenproblem, Rebmann-FS (1989) 419-441 (436 f.) m. Nachw.; Westerhoff, Verkehrsrecht und Verfassung, Ein Beitrag zur Bindung des Richters an das Gesetz, NJW 1985, 457-462 unter I I vor 1. (458). Vgl. auch Verhandlungen d. 57. Deutschen Juristentages (1988) Strafrechtliche Abt.: Empfehlen sich Änderungen im strafrechtlichen Umweltschutz, insbesondere in Verbindung mit dem Verwaltungsrecht? Zum Theoretischen: Engisch, Die Einheit der Rechtsordnung (1935 Nachdr. 1987). Die Kollisionsrechtler kennen das Problem als Vorfrage. no Spätestens seit Savigny, Nachw. bei Bernard, Formbedürftige Rechtsgeschäfte (1979) 35 N. 35. m Übereilungsschutz (Warnfunktion), Beratung durch Notar, Überwachung durch staatliche Organe (bei Kartellverträgen), Fälschungsschutz, Erschwerung des Vertragsschlusses (bei der Abtretung von GmbH-Anteilen), Klarheit über Abschluß, Inhalt und sonstige Umstände. Auf die Formvorschriften verweist auch Canaris, 112.

§ 5 Die nachteilige Rechtsfolge als Relevanzkriterium daß Sie das Rechtsgeschäft nicht genügend bedacht haben. Davor 1 1 2 müssen Sie geschützt werden, und deshalb ist das Geschäft rückgängig zu machen." Richtig könnte die Argumentation lauten: „Wir können das Geschäft nicht anerkennen und müssen Sie zur Rückgabe verurteilen (oder Ihre Herausgabeklage abweisen), damit andere in Zukunft die Form einhalten und dadurch zur gründlichen Überlegung angehalten werden". Aber kann der Richter auch formulieren: „Wir müssen Sie verurteilen, damit die Notare in Zukunft ordentliche Beurkundungen vornehmen" 113 ? Zwischennormen, die nicht auf die Rechtsfolgen ausgerichtet sind, sind auch die Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung. Die Gründe, die für diese Ordnung genannt werden, können die vom Gericht ausgesprochenen Rechtsfolgen (Strafe, Schadensersatz) nicht rechtfertigen. So hat der Bundesgerichtshof 114 ausgesprochen, daß bei einer unübersichtlich ausgeweiteten abknickenden Vorfahrtsstraße der diese Straße verlassende Verkehr Vorfahrt habe vor dem Verkehr, der in die Vorfahrtstraße einfährt. Das wurde damit begründet, daß der zügige Verkehr auf der bevorrechtigten Straße gewährleistet werden solle. In die direkte Rede übersetzt zeigt sich die Problematik. Das Gericht müßte dem Unfallbeteiligten vorhalten: „Sie werden verurteilt, damit der zügige Verkehr auf Vorfahrtsstraßen nicht gestört wird." II. Die Hinordnung auf die i m Prozeß beantragte Rechtsfolge reicht allerdings für die Ordnung der Gesichtspunkte dann nicht aus, wenn es darum geht, eine ungerechtfertigte

Vermögensverschiebung

115

rückgängig zu machen. Die Rück-

forderung ist begründet, wenn dargetan wird, daß die vorhergehende Güterbewegung nicht gerechtfertigt war. So wie nach positivem Recht ein gesetzlicher Grund für die Verschiebung vorliegen muß, so ist bei einer materialen Betrachtung nach dem materialen Grund zu fragen 1 1 6 . Der Nachteil, den es zu rechtfertigen gilt, ist dann die für eine Partei ungünstige Abweichung

von dem ursprünglich

rechtlich

richtigen

Zustand. Wenn für diese

Abweichung ein rechtfertigender Grund fehlt, ist die Klage begründet, die dazu verurteilt, den bestehenden Zustand rückgängig zu machen und so den vorhergehenden rechtmäßigen Zustand wiederherzustellen. A u f diesem Gedanken der Restitution beruhen i m deutschen Recht vor allem die V i n d i k a t i o n 1 1 7 , die Kondik112 Die Formulierung ist zweideutig. Müssen die Parteien vor ihrer eigenen Unüberlegtheit geschützt werden oder vor den Juristen, welche diese einfach unterstellen? ι 1 3 Die völlige Verkennung dieser Zusammenhänge hat vor Jahren dazu geführt, daß der Gesetzgeber einschreiten mußte, um die Rspr. d. BGH zu korrigieren: Gesetz zur Änderung und Ergänzung beurkundungsrechtlicher Vorschriften vom 20.2.1980, BGBl. 1,157, § 1,2. Unserem Rechtssystem hätte es wohl mehr entsprochen, wenn das BVerfG die Entscheidungen aufgehoben hätte, weil der BGH durch die überraschende Neubildung von Form Vorschriften unter Verletzung des Vertrauens der Bürger und Notare die Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung überschritten hatte. 114 BGH 9.3.1971; BGHZ 56, 1 (4 f.); Einzelheiten, weitere Nachweise und Kritik: Westerhoff (oben N. 109) 460, 462. h 5 Unter die Vermögens Verschiebungen kann man auch die von Sack, 188, genannte Rufausbeutung im Wettbewerb einordnen. h 6 Sack, 195, verweist darauf, daß die Unmittelbarkeit der Leistungsübernahme für sich allein nicht sittenwidrig sei.

§ 5 Die nachteilige Rechtsfolge als Relevanzkriterium

32

tion, die Rücktrittsregelung, die Besitzklagen, die Klagen auf die Herausgabe von Nutzungen sowie zum T e i l die Entschädigung für Aufopferung ( i m bürgerlichen Recht §§ 904 Satz 2, 906 I I 2 B G B ) und die Enteignungsentschädigung. 1. Der Gedanke der Restitution spielt i m Denken Wilbur gs eine Schlüsselrolle 118.

Er stellt eine notwendige Ergänzung seines Beweglichen Systems dar, die

bis heute nicht beachtet worden ist. a) So nennt er als ersten Gesichtspunkt, der für eine Schadenshaftung spricht, die Inanspruchnahme

eines fremden

Rechtsguts

durch Eingriff oder Gefähr-

d u n g 1 1 9 . „Der Zweck, den die Rechtsordnung m i t der Anerkennung geschützter Güter verbindet, fordert als natürliche und rationelle Folge, daß derjenige, der fremde Güter für seine Zwecke verletzt oder gefährdet, zur Leistung eines Gegenwerts verpflichtet i s t " 1 2 0 . Er hat diesen Gesichtspunkt als eines der beweglichen Elemente zur Begründung des Schadensersatzes genannt. Ich möchte jedoch den Gedanken der GüterZuordnung

von der Nachteils-(Schadens-)Zurechnung

unterscheiden. M a n kann

zwar auch für Zuordnung dinglicher Rechte (bewegliche) Gründe angeben 1 2 1 . Doch ist es nicht praktikabel, i n jedem Einzelfall die Eigentumsordnung in so weitem Umfang i n Frage zu stellen 1 2 2 . 117 Wilburg, Bereicherung, 28: „ I m Eigentum liegt die Anerkennung einer Zugehörigkeit, die Bestimmung der Sache für den Eigentümer und seine Interessen. Dieser Idee dient zunächst die dingliche Herrschaft, die das Recht dem Eigentümer verleiht und die in der rei vindicatio gegen den Besitzer, in der actio negatoria gegen den Störer ihren Ausdruck findet." 118 Rektoratsrede, 4 f.; Zusammenspiel, 347, 379: Er sucht „die Normen der Güterzuordnung durch die Idee ihrer fortwirkenden Kraft mit dem Schuldrecht zu verbinden", darzulegen, „daß der Eingriff in fremdes Recht oder der Empfang grundloser Leistung nicht nur zu Schadensersatz und Herausgabe einer Bereicherung, sondern auch unabhängig von Schaden und Bereicherung zu einem Ausgleich verpflichten kann". 119 Wilburg, Schadensrecht, 28, 29, 116; Zusammenspiel, 346, 365, 320, 371; ihm folgend Flessner, 172, für den Flugreisefall BGH 7.1.1971, BGHZ 55, 128. Das von diesem genannte Element der „wissentlichen" Inanspruchnahme verweist auf das Verschulden. Der Ausdruck „Inanspruchnahme" legt nahe, daß der Eingreifende glaubt, einen Anspruch zu haben. Das würde aber gegen sein Verschulden sprechen. 120 Wilburg, Schadensrecht, 30. 121 So kann die Gewährung von Urheberrechten von verschiedenen Umständen abhängig gemacht werden, z. B. Überdurchschnittlichkeit des Originals, Aufwand des Schöpfers, so Sack, 194. Die Unmittelbarkeit der Leistungsübernahme (195) und der geringe Abstand einer Nachbildung vom Original (196) umschreiben den Eingriff in das zugeordnete Recht. 122 Die Frage stellt sich allerdings beim Schadensbegriff, weil ein „Schaden" nur durch einen Vergleich zu ermitteln ist: Zeuner, Schadensbegriff und Ersatz von Vermögensschäden: AcP 163 (1963) 380-400 (382); Frieser, Bereicherungswegfall in Parallele zur hypothetischen Schadensentwicklung (1987) 102, 104, 155; Mertens, Der Begriff des Vermögensschadens im Bürgerlichen Recht (1967) 121 f.; Hermann Lange, Schadensersatz (1979) 32. Flessner, Neue Widersprüche zum Gebrauchsentgang, BGHZ 99, 182 und 101, 325, JuS 1989, 879-885 (881). Es ist stets zu fragen, welches der rechtliche Normalzustand ist, der mit dem durch das schädigende Ereignis entstandenen tatsächlichen Zustand zu vergleichen ist.

§ 5 Die nachteilige Rechtsfolge als Relevanzkriterium b) Der Gedanke der Güterzuordnung ist auch in anderen Darlegungen Wilburgs zu finden. Für den Konkurs h a t e r 1 2 3 den Grundsatz der Wertverfolgung aufgestellt: Ein Gläubiger, von dem der Schuldner einen noch in seinem Vermögen vorhandenen Wert erlangt hat, soll das Recht haben, sich aus diesem Wert vor anderen Gläubigem zu befriedigen. In seiner Abhandlung über den gutgläubigen Erwerb 1 2 4 spricht er von dem Gedanken der „Zuordnung des Eigentums an den Erwerber". Zum Schadensersatz sagt er in seinem Aufsatz über die Vorteilsausgleichung 125 , der Gegenstand des Rechts selbst sei geschützt und daher sei der objektive Wert dieses Gegenstandes der primäre Inhalt der Geldentschädigung. Aus einer Vorlesung von Rabel zitiert er den Satz, daß der Ersatz des Schadens, insbesondere des Sachwerts, aus dem ursprünglichen Anspruch organisch hervorwächst 126. c) V o r allem hat Wilburg diktion

ausgesprochen

128

127

den Gedanken der Restitution bei der Eingriffskon-

. Das w i r d heute häufig nicht genügend beachtet und

stattdessen die von Wilburg

vorgenommene Trennung von Eingriffs und Lei-

stungskondiktion hervorgehoben 1 2 9 . Dabei hat man nicht bemerkt, daß dieser selbst — wie Plessner , 161, feststellt — die Unterscheidung relativiert und die gemeinsame Wurzel beider Kondiktionsarten hervorgehoben h a t 1 3 0 . Die Wilbur gsche Entdeckung ist also vornehmlich der Zuweisungsgehalt

der dinglichen

Rech-

te 1 3 1 , der sowohl dem widerrechtlichen Eingriff, wie der rechtsunwirksamen Leistung zugrundeliegt. 2. Dieses Fortschreiten Wilburgs

zu der gemeinsamen Wurzel aller Bereiche-

rungsansprüche macht eine Gesetzmäßigkeit w i r auch sonst beobachten k ö n n e n

132

der Rechtsentwicklung

deutlich, die

: Der Jurist betrachtet zunächst häufig die

123 Wilburg, Rektoratsrede, 7; ders., Gläubigerordnung und Wertverfolgung, JB1. 1949, 29-33; ÖJZ 1949, 11 -14 (12). Dazu neuerlich die Habilitationsschrift von Behr, Wertverfolgung, Rechtsvergleichende Überlegungen zur Abgrenzung kollidierender Gläubigerinteressen (1986). 124 Wilburg, Gutgläubiger Erwerb, 570. 125 Wilburg, Zur Lehre der Vorteilsausgleichung, JherJb. 46 (1932) 51 -148 (130 f.) 126 Wilburg, (vorige N.) 130. 127 Wilburg, Bereicherung, 29: „Der Grund seines Ersatzrechts liegt im alten Eigentum, dessen Zweck in schuldrechtlicher Gestalt fortlebt." Ebd., 114: „Der Bereicherungsanspruch muß als Rechtsfortwirkung ebenso wie der Schadensersatz aus dem Mutterrecht hervorwachsen." 128 Desgleichen bei der Geschäftsführung ohne Auftrag: Zusammenspiel, 361. 129 Nachweise bei Flessner, 159 N. 2. 130 Wilburg, Zusammenspiel, 349: „In der Regel trifft der Schutz gegen fehlgeschlagene Leistung mit der Kraft der Rechtsfortwirkung, die eine grundlos geleistete Sache zurückholt, zusammen. Ich habe seinerzeit... diese Hauptkraft für die Leistungskondiktion zu sehr in den Hintergrund gestellt." So auch schon Schadensrecht, 30: „Es ist gleichgültig, ob die Bereicherung auf einem Handeln des Beklagten oder des Klägers oder auf einem Naturereignis beruht. Verpflichtend ist allein der aus fremdem Rechtsgute erlangte Vorteil." 131 Mestmäcker, Eingriffserwerb und Rechtsverletzung in der ungerechtfertigten Bereicherung JZ 1958, 521-526 (523). 132 Zur geschichtlichen Entwicklung: Zimmermann, Das römisch-holländische Recht und seine Bedeutung für Europa, JZ 1990, 825-838 (827, 830) m. Nachw. N.31. 3 Westerhoff

§ 5 Die nachteilige Rechtsfolge als Relevanzkriterium

34

Vorgänge, die vor den Richter kommen. Das sind nicht jene Sachverhalte, i n denen die Dinge so gelaufen sind, wie sie von Rechts wegen laufen sollten, sondern diejenigen Lebensvorgänge,

die von der Norm abweichen 133.

Bei der

Bereicherung ist das die unrechtmäßige L e i s t u n g 1 3 4 oder der rechtswidrige Eingriff. Bleiben w i r bei diesen Vorgängen stehen, so fehlt der Maßstab für die Beurteilung 1 3 5 . Diese finden w i r erst, wenn w i r die richtige Güterzuordnung betrachten. a) A u f die richtige Regelung kommt man dann von diesen Fällen aus erst durch eine

Umstrukturierung

136

.

So sind zum Beispiel im Gesetz die einzelnen Willensmängel geregelt: Irrtum, Scheingeschäft, Scherzgeschäft, reservatio mentalis. Aus der Betrachtung dieser Ausnahmen hat die Lehre die Regeln über das Rechtsgeschäft hergeleitet und festgestellt, daß für eine gültige Willenserklärung der Geschäftswille erforderlich i s t 1 3 7 . Aus den Regeln über die positive Forderungsverletzung entwickelte sich die Lehre von den Nebenpflichten, aus der culpa in contrahendo die Lehre von den vorvertraglichen Pflichten. Das Problem der Schadenszurechnung führte zur Entwicklung von Verkehrssicherungspflichten 1 3 8 . Anders ist der Entwicklungsstand beim Wegfall der Geschäftsgrundlage. Es besteht noch große Unklarheit darüber, welche zusätzlichen positiven Voraussetzungen als „Grundlage" von wirksamen Geschäften anzusehen sind. Das hat die vielbeklagte Unbestimmtheit dieses Rechtsinstituts zur Folge. Wenn man auf die ungewöhnlichen Fälle als N o r m sieht, kann man aus ihnen nicht durch Abstraktion die Regeln für die ordnungsgemäßen Lebensabläufe ableiten; denn das Wesentliche, was ihnen jeweils gemeinsam ist, besteht darin, daß das, was von Rechts wegen vorhanden sein sollte, f e h l t 1 3 9 . Daher muß eine 133 Vgl. dazu Fikentscher (oben N. 47) IV, 202 f. 134 Mestmäcker (oben N. 131) 523, sagt, die Eigenart der Bereicherungsansprüche wegen Rechtsverletzung sei deshalb so spät erkannt worden, weil sich die wissenschaftliche Behandlung stets vom Vorbild der Leistungskondiktion leiten ließ. 135 Die Feststellung Wilbur gs, die Idee der Rechtsfortwirkung könne der Leistungskondiktion nicht gerecht werden, „weil sie den Bereich der Leistung gar nicht umfaßt" (Bereicherung, 49), weist „auf eine selbstgeschaffene Schwierigkeit hin, die gerade aus der Einführung des Begriffs ,Leistung4 resultiert"; so richtig Frieser (oben N. 122) 26. 136 Der Begriff stammt aus der Denkpsychologie und gilt dort als Kriterium für kreatives Denken. Paradigma ist die kopernikanische Wende: Wenn wir die Sonne in den Mittelpunkt stellen, können wir die Planetenbahnen berechnen. Ein weiteres Beispiel ist die Relativitätstheorie, welche die Lichtgeschwindigkeit als unveränderlichen Maßstab setzt. Wertheimer, Kreatives Denken, deutsch, 2. Aufl. (1964) 215. 137 Im einzelnen werden noch weitere Elemente der Willenserklärung unterschieden. So schließt etwa Canaris, 106 bei N. 11, aus § 118 BGB auf die Notwendigkeit eines Erklärungsbewußtseins. Mir erscheint es methodisch bedenklich, aus einer Einzelbestimmung so weitgehende Schlüsse zu ziehen. Logisch kann man sowohl argumentieren, die gesetzliche Regelung sei Ausdruck eines allgemeinen Prinzips, wie auch, sie sei eine Ausnahme von dem Prinzip; denn sonst sei sie überflüssig. Zu anderen derartigen Umkehrungen unten N. 398 u. bei N. 408. 138 RG 30.10.1902, RGZ 52, 373: Die Schädigung durch den herabgefallenen Ast eines Straßenbaums hat die Verpflichtung der Stadt zur Folge, die Bäume auf ihre Gefährlichkeit zu untersuchen.

§ 5 Die nachteilige Rechtsfolge als Relevanzkriterium

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Umstrukturierung hinzukommen, also eine Loslösung von den Sachverhalten erfolgen, die den Streitfällen zugrundeliegen; denn aus dem Anomalen läßt sich nicht die Norm, aus dem Unregelmäßigen nicht die Regel ableiten 1 4 0 . b) Die Gesetzlichkeit ließe sich auch durch Rechtsvergleichung vertiefen, wenn man fragt, ob die unterschiedliche Art der Regelung daher rührt, daß die eine Rechtsordnung das ordentliche rechtliche Verhalten normiert 1 4 1 , die andere, vor allem das Präjudizienrecht, die Fehlvorgänge erfaßt 142 . I I I . Der Gedanke der Restitution des rechtlich richtigen Zustandes reicht zur Begründung eines Rückerstattungsanspruchs dann nicht aus, wenn àie, Rückerstattung unmöglich ist und eine Partei durch die Wiederherstellung der alten Verhältnisse einen Schaden erleidet, etwa beim Wegfall der Bereicherung. Den richtigen Zugang zu dieser Problematik hat Flessner hier ein Problem der Schadenszurechnung. richtige

143

gefunden. Er sieht

Dafür ist das Bewegliche System die

M e t h o d e 1 4 4 : Es ist zu fragen, wer den entstandenen Schaden zu tragen

hat und aus welchen Gründen. Dies ist meines Erachtens auch der richtige Ansatz in den Dreipersonenfällen. Die Frage ist hier nicht nur, wie die Leistung rückgängig zu machen wäre. Die Problematik liegt vielmehr darin, daß diese Rückgängigmachung entweder nicht mehr möglich ist, weil der letztlich Bereicherte nichts mehr hat oder weil einer der Beteiligten dadurch einen Nachteil hat, insbesondere den Verlust von Gegenrechten und das Prozeßrisiko 145 . 13

9 Mayer-Maly (oben N. 106), 46: „Das Urteil darüber, ob ein Verhalten als fahrlässig und also als verschuldet zu Ersatz verpflichtet, kann nicht gefällt werden, wenn nicht zuvor Klarheit über die Sorgfaltspflichten der Beteiligten geschaffen würde." 140 Spinoza, Briefwechsel (Hamburg 1986) 286: est verum index sui et falsi. 141 So normierte früher das „ideale" sowjetische Recht grundsätzlich nur den Erfüllungsanspruch, nicht den Schadensersatz. 142 Das case law enthält ähnlich wie das römische Recht nicht Handlungsnormen, sondern vornehmlich Regelungen für fehlerhafte Sachverhalte, z. B. grundsätzlich keine Erfüllungsansprüche (specific performance), sondern nur Schadensersatz, keinen Unterhaltsanspruch des unehelichen Kindes, sondern einen Anspruch der Mutter auf Aufwendungsersatz. Da die ersten Streitfälle aus dem Kommissionsrecht Sachverhalte waren, in denen der Kommissionär (agent) in Konkurs gefallen war (Stoljar, The Law of Agency [1961] 206), ist dort ein unmittelbarer Anspruch des Kommittenten (principal) gegen den Dritten gegeben, ohne daß die Forderung übertragen werden muß, vgl. bei uns § 392 I I HGB. Breach of contract wird deliktisch qualifiziert. Daraus erwächst die Frage, wie weit die Verpflichtung aus der verletzten vertraglichen Norm reicht. Rabel, Das Recht des Warenkaufs, I (1936), 497, hat daraus für das gesamte Deliktsrecht die Lehre vom Schutzbereich der Norm abgeleitet. 143 Flessner, BereicherungsWegfall, 104 f.; dem folgend: Zweigert / Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung I I (1984) § 16 I V 4, S. 327; Wilburg, Rektoratsrede, 15, will die Gesichtspunkte des Schadensrechts als Hilfskräfte heranziehen. 1 44 Ähnlich Wilburg, Bereicherung, 145-162 und bei Klang, Kommentar zum Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch, 2. Aufl. V I (1951) §§ 1431-1437 ABGB Anm. C 2 vor a, S. 480. 14 5 Flessner, 173, weist zu Recht darauf hin, daß die Fälle erst dann besonders schwierig werden, wenn einer der Beteiligten durch seine Insolvenz oder durch die Geltendmachung von Gegenrechten die Wiederherstellung des früheren Zustandes blokkieren kann. 3*

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§ 5 Die nachteilige Rechtsfolge als Relevanzkriterium

Es handelt sich nicht mehr nur um die Restitution der richtigen Güterzuordnung, sondern auch um ein Problem der Schadenszurechnung 146. In der Überschneidung dieser beiden Ordnungsprinzipien liegt die das Rechtsgefühl irritierende Problematik. Die Partei, die etwas herausgeben soll, wird die Wiederherstellung des vorhergehenden Zustandes als Schaden empfinden und nicht begreifen, daß sie bereichert sein soll. Zudem sind, wenn der eigentlich Zahlungspflichtige ausfällt, die Gründe, die dafür sprechen, einem der beiden anderen den Schaden zuzurechnen, oft recht dürftig, so daß alle Entscheidungen gleich vertretbar erscheinen. Manchmal lassen sich überhaupt keine einleuchtenden Gründe nennen. Insoweit kann auch ein Bewegliches System, das Gründe ordnet, nicht weiterhelfen. Solche Konstellationen reizen Juristen unseres Kulturkreises dazu, durch „logische" Konstrukte 147 eine „Lösung" der Aufgabe zu finden. Doch bemerkt Flessner, 161, 170 f., zu Recht, daß die Dogmatik sich dabei übernimmt 148 . Sie führt zu einer Überproduktion von Literatur, einem „Dickicht", das auch für den Eingeweihten kaum zu durchdringen ist. Jede,»Lösung" wird vertreten. Die Rechtsprechung 149 hat sich davon emanzipiert und stellt auf die „Besonderheiten des einzelnen Falles" ab 1 5 0 . Das sind dann nicht Gesichtspunkte, die sich aus einer Bereicherungsdogmatik ergeben, sondern die Umstände des Rechtsverhältnisses, das rückabgewickelt werden soll. Nach dem Aufbau unseres Bürgerlichen Gesetzbuchs dürften sie an dieser Stelle keine Rolle spielen. I V . Wenn w i r den Nachteil zum Ausgangspunkt unserer Überlegungen machen, so zeigt sich damit auch die Grenze der Möglichkeit, rechtliche Entscheidungen nach der hier aufgezeigten Methode innerlich zu begründen: Dort w o der Nachteil einer Verurteilung nicht unmittelbar sichtbar und fühlbar ist, kann die befürwortete Begründung nicht greifen. Das gilt vor allem i m öffentlichen Recht, insbesondere bei der Klage auf Geldleistungen gegen die öffentliche Hand. Diskutiert w i r d dort die Gerechtigkeit vornehmlich als Steuergerechtigkeit, also i n einem Bereich, i n dem die Nachteile fühlbar werden. I n einer Solidar(Völkergemeinschaft besteht eine Ungerechtigkeit aber ebenso dort, w o jemand etwas ohne rechtfertigenden Grund erhält. M a n kann davon ausgehen, daß Leistungsgesetze mindestens ebenso häufig zu weit ausgelegt werden, wie zu eng; denn Geben ist seliger als Nehmen, vor allem wenn es m i t fremdem Geld geschieht. Doch spricht dann das Rechtsgefühl weniger an. Die Ungereimtheiten und Ungerechtigkeiten staatlicher (Sozial-)Leistungen, Subventionen, Vergünstigungen und Zahlungen sind daher unter Juristen kaum ι 4 * Ähnlich Canaris, Der Bereicherungsausgleich im Dreipersonenverhältnis, 1. Larenz-FS (1973) 799-865 (814). Zur Lösung des Problems bedient er sich jedoch nicht des Beweglichen Systems, worauf Flessner, 163, kritisch hinweist. 147 Zur ähnlichen Situation im IPR: Zweigert, Zur Armut des IPR an sozialen Werten, RabelsZ 37 (1973) 435-452 (443, 451). 148 Flessner, 176, bemerkt zu Recht, daß dann andere Meinungen als Normverstoß verurteilt werden. Die Ansichten werden undiskutabel im eigentlichen Sinn des Wortes, ein in juridicis typischer Zustand. 149 BGH 2.11.1988, NJW 1989, 900 (901) m. Nachw. 150 Das Arbeiten mit dem Leistungsbegriff ist ein Zirkelschluß; denn Leistung ist das Verhältnis, das rückgängig gemacht werden muß. Man nimmt die Frage für die Antwort.

§ 6 Gliederung der Gründe

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ein Thema, schon deshalb nicht, w e i l es bei einer Zuvielleistung weder Kläger noch Richter g i b t 1 5 1 . Die Frage nach der Gerechtigkeit, wie w i r sie m i t Hilfe des Beweglichen Systems zu verdeutlichen versuchen, ließe sich nur stellen, wenn w i r fragen könnten, inwieweit die Belastung des einen, insbesondere die Besteuerung, durch die Leistungen gerechtfertigt sind, die der Staat an anderer Stelle erbringt 1 5 2 . Eine solche Untersuchung ist wegen der Komplexität der Materie nicht oder allenfalls i m beschränkten Umfang m ö g l i c h 1 5 3 . Deshalb können die Gerichte auch nicht wie i m Zivilrecht abhelfen, w o gesetzliche Regelungen, die als unbillig empfunden werden, notfalls i m Wege der richterlichen Rechtsfortbildung abgeändert werden.

§ 6 Gliederung der Gründe Nachdem w i r so herausgearbeitet haben, daß der Nachteil, den eine Person erleidet, das Gliederungskriterium für die Gründe ist, soll versucht werden, die Elemente zu systematisieren. Die Gliederung der Ansprüche erfolgt nach A n spruchsgrundlagen. Die Systematisierung der Elemente des Beweglichen Systems ist anderer Art. Sie entspricht methodisch der Gliederung der Strafzwecke i m Strafrecht. Man kann die Elemente induktiv gewinnen. Wilburg hat sie, worauf Bydlinski, 32, hinweist, durch Abstraktion aus dem Recht einschließlich Richterrecht, juristischer Literatur und Rechtsvergleichung gewonnen 154 . Doch kann man den Weg der Induktion nur gehen, wenn man aufgrund einer Wertung erkennt, was das den verschiedenen Sachverhalten gemeinsame Wesentliche i s t 1 5 5 . Diese wesentlichen Elemente gilt es herauszuarbeiten, wenn man nicht rein gefühlsmäßig vorgehen will. I m Vordergrund der Betrachtungen steht seit Heck die „Interessen"-Analyse. Doch ist diese Sicht viel zu e n g 1 5 6 . Es gibt neben den Interessen noch viele 15 1 Eine Richtervorlage an das BVerfG nach Art. 100 GG ist nach dessen Rechtspr. nicht einmal dann möglich, wenn die Bevorzugung einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz bedeutet: BVerfG 24.1.1984,BVerfGE66,100(106); 18.7.1984,BVerfGE 67, 239 (244); BFH 3.8.1988, NJW 1989, 1110. 152 Nach vorherrschender Meinung kann nicht einmal mit Hilfe des allgemeinen Gleichheitssatzes Abhilfe geschaffen werden, weil die Gleichheit nach der Rechtsprechung des BVerfG immer nur innerhalb eines bestimmten Systems gefordert werden kann. Nachw. bei Leibholz / Rinck / Hesselberger, GG Art. 3 Rz. 99, Lfg. 14 (Sept. 1988). 153 Vom BVerfG angesprochen ist neuerlich die Frage, inwieweit sich die Rechtslage, die sich aus dem Zusammenwirken von Belastung (Besteuerung) und staatlicher Leistung (Kindergeld) in einer Person durch mehrere Einzelregelungen ergibt, verfassungsmäßig ist: Beschluß v. 29.5.1990, NJW 1990, 2869. 154 Diesen Weg habe ich früher aufgezeigt, indem ich die Gesichtspunkte dargelegt habe, welche die bekannten Rechtsinstitute, wie Vertrag, Delikt, Gefährdungshaftung oder Erbrecht, rechtfertigen: Methodische Wertung, S. 128-204. 155 Dies verkennt Bydlinski, 32 (ebenso Methodenlehre, 532 f.), wenn er meint, Wilburg habe nur durch Abstraktion zu einer geschlossenen Zahl von Elementen kommen können. Auf diesen Irrtum ist es zurückzuführen, daß er, Methodenlehre, 167, meint, ich übte wahrscheinlich mehr Induktion als ich selbst ahnte.

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§ 6 Gliederung der Gründe

andere Gesichtspunkte. Insgesamt lassen sich die Gründe, die es berechtigt erscheinen lassen, einer Partei einen Nachteil aufzuerlegen, i n vier Gruppen aufteilen, aus deren beweglichem Zusammen- und Ineinanderspiel die Anspruchsgründe zu erklären sind: I. Interessen (Vor- und Nachteile), II. Einwilligung (Inkaufnahme des Nachteils), I I I . Vergeltung für Verschulden, I V . Verpflichtung aus sozialen (menschlichen) Bindungen. Diese Gesichtspunkte lassen sich meines Erachtens nicht auf weitere Gründe zurückführen. Sie sind axiomatisch

i n dem Sinn, daß sie nur durch das Rechtsge-

fühl (das Rechtsbewußtsein) gerechtfertigt werden k ö n n e n 1 5 7 . Die hier aufgezeigte Gliederung unterscheidet sich wesentlich von den bisher unternommenen Versuchen, Rechtsnormen aus wenigen Prinzipien, Axiomen, Grundbegriffen oder Grundwerten abzuleiten. Diese Versuche sind allesamt gescheitert und mußten scheitern. Das liegt nicht, wie öfter gesagt w i r d 1 5 8 , daran, daß der Rechtsstoff unübersehbar groß ist. A u c h eine Unzahl von Sachverhalten läßt sich begrifflich gliedern; das beweist das Linnésche System. Die mangelnde juristische Fruchtbarkeit solcher Ordnungen liegt darin, daß man versucht hat, aus solchen Oberbegriffen konkrete Regeln zu deduzieren. B e i m Beweglichen System ist aber maßgebend „das Zusammenwirken der Elemente j e nach Zahl und Stärke" 1 5 9 ; „es entscheidet die Gesamtwirkung ihres variablen Spiels" 16 °. Es ist die Leistung Wilburgs,

durch die Erfindung des Beweglichen Systems diese

Gliederung möglich gemacht zu haben und damit die Rückführung des Rechtsdenkens auf wenige Grundgedanken. Demgegenüber besteht juristische Dogmatik bis heute i m wesentlichen i n einer Verallgemeinerung

von Sachverhalten.

Nur so erhält man praktikable Tatbestän-

de, unter die man die Lebensvorgänge subsumieren kann. Doch kann diese Verallgemeinerung nicht beliebig fortgesetzt werden, w e i l am Ende nur noch ein Tatbestand stünde. Die Abstraktion der Elemente des Beweglichen Systems ist ganz anderer Art. Die dabei erfaßten Teilaspekte einer Wertung bleiben Teilaspekte, auch wenn man sie abstrahierend zusammenfaßt und gliedert. 156

So auch Müller-Erzbach, Die Rechtswissenschaft im Umbau (1950) 13 f. Anders Bydlinski, 32: „Beliebige Wertungen oder Billigkeitsgesichtspunkte, die nur durch irgendjemandes Gefühl oder Meinung legitimiert sind, gibt es dagegen in ungemessener Zahl." So auch seine Kritik an meiner Methodischen Wertung in seiner Methodenlehre, 167. 158 Dazu ζ. Β .Stammler, Die Lehre vom richtigen Rechte (1902) 302; ähnlich ders., Lehrbuch der Rechtsphilosophie, 3. Aufl.(1928) 258; Max von Rümelin, Zur Lehre von der juristischen Konstruktion, Archiv für Rechts- und Wirtschaftsphilosophie 16 (1922/ 23) 343 ff. (354 f.). 159 Wilburg, Zusammenspiel, 347. 160 Wilburg, Rektoratsrede, 13. 157

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§ 6 Gliederung der Gründe

Das Bewußtmachen der Wertungselemente führt i n einem Streitfall allerdings nicht zu einem Ergebnis, sondern zu einer Verdeutlichung

der Problematik.

Das

zeigt sich schon, wenn w i r den Topos des Interesses einführen. Die „Interessenlage" ist ein Interessengegensatz, der sich nicht lösen, sondern nur entscheiden läßt. M a n kann die Erfahrung machen, daß diese Aufgabenstellung auf völliges Unverständnis

stößt, ja, daß die ihr zugrundeliegende Einstellung überhaupt nicht

begriffen wird. Die Vorstellung löst bei vielen Juristen erhebliche Widerstände aus 1 6 1 . Flessner,

175, spricht von einem horror vacui.

Pawlowski 162 hat eingewandt, das Bewegliche System biete „auch die Möglichkeit zur Rechtfertigung von Willkür". Dem ist entgegenzuhalten, daß eher die herrschende Methode dazu verleitet, wenn aus einem einzelnen Gesichtspunkt, der „ratio" oder dem „Sinn und Zweck" das Ergebnis abgeleitet wird. Mit Recht sagt Steininger, 6, daß die Entscheidung falsch werde, wenn ein solcher Gesichtspunkt verabsolutiert wird und der Gesetzgeber so getan hat, als wäre dieser Aspekt ausschlaggebend und als dürften die anderen Aspekte voll vernachlässigt werden. Es läßt sich für jede unter verständigen Menschen diskutable Entscheidung irgendein plausibler Grund nennen; das besagt überhaupt nichts. Begründet ist eine Entscheidung erst, wenn man verständlich macht, daß die Gründe für das gefundene Ergebnis schwerer wiegen als die immer auch vorhandenen Gegengründe. Dabei soll keineswegs verkannt werden, welche ungeheure Bedeutung das Ableiten aus Prinzipien, „Werten" oder Oberbegriffen für die Vorstellung von der Rechtsgeltung und der Autorität des Rechts hat. Doch hat das Wunschdenk e n 1 6 3 der unter Entscheidungszwang Stehenden bis heute verhindert, daß die Jurisprudenz wesentlich mehr ist, als eine Wissenschaft v o m positiven Recht. Eine Kategorienlehre, deren Elemente man nicht i n den einzelnen konkreten Denkvorgängen und Argumentationen wiedererkennen kann, ist ohne praktischen Wert. Deshalb soll i n der folgenden Darlegung gefragt werden, inwieweit die Elemente des Beweglichen Systems, die von den Autoren des Symposions und von Wilburg

164

genannt worden sind, i n diese Gliederung passen. Das gilt sowohl

für die hier genannten vier Grundelemente, wie für die dann zu untersuchenden Anspruchsgründe, die sich aus deren Zusammenwirken ergeben. Dabei sollen auch solche Gesichtspunkte berücksichtigt werden, die von den Autoren genannt, im konkret untersuchten Fall aber nicht als stichhaltig angesehen worden sind; denn die Brauchbarkeit der Gliederung hängt davon ab, daß möglichst alle Gründe erfaßt werden, die in irgendeinem Zusammenhang für die Auferlegung eines Nachteils geltend

161 Reinhardt, Beiträge zum Neubau des Schadensersatzrechts, AcP 148 (1943) 147187 (167): „sträubt sich das juristische Gewissen", ebd. 168: „empfindet der Leser die Gefühle eines inneren Vorbehaltes". 162 Pawlowski (oben N. 73) Rz. 454, S. 247 f. 163 Hofstätter, Einführung in die Sozialpsychologie, 5. Aufl. (1973) VII: Von der Gewißheit, 155-181 (162). 164 Erfaßt wurden die vome im Schrifttumsverzeichnis genannten Werke Wilburgs, ferner Wertverfolgung (oben N. 123).

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gemacht werden können. Nur so ist es möglich, in konkreten Fällen über die Relevanz eines vorgebrachten Gesichtspunkts zu diskutieren. I m einzelnen bedürfen die vier Wertungselemente noch einer näheren Darlegung, bevor w i r ihr Zusammenwirken in den wichtigsten Rechtsinstituten untersuchen. I. Die erste Gruppe sind die Interessen. Das W o r t Interesse w i r d allerdings i n sehr unterschiedlichem Sinn gebraucht. Es soll hier nicht, wie insbesondere bei Heck 165,

als Begehren oder Begehrensvorstellung verstanden werden, sondern i n

dem Sinn, den w i r meinen, wenn w i r von Interessenabwägung sprechen: Elemente eines Beweglichen Systems sind die Vor- und Nachteile

der Prozeßparteien und

anderer Personen, die bei einer Wertung gegeneinander abgewogen werden und deren Gewicht jeweils unterschiedlich ist. Allerdings ist letztlich maßgebend, welches Gewicht der Betroffene einem bestimmten Rechtsgut beimißt. I n der praktischen Rechtsanwendung w i r d man aber regelmäßig typisierend v o m objekiven Interesse ausgehen, schon w e i l sich die subjektive Wertschätzung nur schwer ermitteln läßt. I m übrigen wollen w i r auf das Zusammenwirken der (beweglichen) Elemente „Interesse" und „ E i n w i l l i gung" unten (§ 7 I) eingehen. 1. Zunächst w i r d man an die ökonomischen

Interessen

166

denken. Eventuell

kann auch die Gefahr einer Interessenverletzung typisierend berücksichtigt werden167. 2. Die hier versuchte Einteilung ist jedoch nur möglich, wenn w i r den Begriff der Vor- und Nachteile ganz weit fassen und die Betrachtung nicht auf ökonomische Interessen beschränken 1 6 8 . Es spielen auch andere persönliche Beeinträchtigungen

Belange und

eine Rolle, die als Vor- oder Nachteile empfunden werden,

zum Beispiel Gesundheitsschädigung 1 6 9 , Gewährung personaler Freiheit 1 7 0 , Freiheitsbeschränkung und Dauer der B i n d u n g 1 7 1 , ungewünschte Arbeitsbedingun165 Heck, (oben N. 81) 11; ders., Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz (1932) 7. 166 Hönn, 100: Vertragsinteresse; Krejci, 131: nachteiliger Vertragsinhalt; Fenyves, 145, 156: Auflösungs- und Bestandsinteresse; Sack, 185: Schutzinteresse des Zeicheninhabers; ders., 189: Beeinträchtigung des Markenimage; ders., 196: Zumutbarkeit, auf andere Gestaltungsformen auszuweichen; Korinek, 250: Veränderung der Ausübungsbefugnisse (am Vermögen), Intensität und Dauer der Belastung, Größe und Schwere des Eingriffs; Schilcher, 295: Folgenschwere, Sonderbelastung; Wilburg, Rektoratsrede, 17, und Bereicherung, 154: Nutzen; ders., Rektoratsrede, 21: höherer oder geringerer Schaden; Gutgläubiger Erwerb, 569: Vermeidung von unnützem Aufwand, Schutzinteresse des Erwerbers; Zusammenspiel, 358: Verschaffung einer Chance. 167 Sack, 178: Verwechselungsgefahr. 168 Gegen die zu enge Fassung des Begriffs schon Heck, Das Problem der Rechtsgewinnung (1912) 30; ders., (oben N. 165) 37. 169 Steininger, 13. no Hönn, 94 N. 29. 171 Mayer-Maly, 122, 126.

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g e n 1 7 2 , Persönlichkeitsschutz 1 7 3 , Einwirkung auf die persönlichen Verhältnisse 1 7 4 , Interesse des Eigentümers an der individuellen Sache 1 7 5 . Die Grenze der hier verfolgten Methode liegt erst bei den Gütern, die der Einschränkung entzogen sind und deshalb nicht in eine Abwägung einbezogen werden können, so die res sacrae im alten Recht, in unserer Rechtsordnung die unveräußerlichen Menschenrechte. Ob das menschliche Leben hier berücksichtigt werden darf, ist nicht Gegenstand einer ökonomischen Wertung 1 7 6 . Wird aber seine Gefährdung grundsätzlich erlaubt, etwa durch Zulassung des Kraftfahrzeugverkehrs, so können auch solche Werte in eine (nicht ökonomische) Abwägung einbezogen werden. 3. I n welchem Maße jemand die Auferlegung eines Nachteils empfindet, hängt häufig von seiner Vermögenslage

ab.

Von etlichen Autoren 1 7 7 wird sie als Gesichtspunkt genannt. Man spricht auch von der wirtschaftlichen Befähigung zur Schadenstragung l78 . Doch bestehen insoweit erhebliche Bedenken. Die Vermögenslage wird vor allem bei der Progression der Einkommenssteuer berücksichtigt. Würde man die steuerlichen Kriterien auch in anderen Rechtsbereichen anwenden, so könnte das zu einem Systembruch und zu einer doppelten Berücksichtigung führen. Es ist deshalb verständlich, daß Wilburg die Berücksichtigung dieses Gesichtspunkts, den er ursprünglich zu seinen Elementen zählte 1 7 9 , später 180 in Zweifel gezogen hat. Wir werden unten 1 8 1 noch auf einen weiteren Grund eingehen, der die Berücksichtigung der Vermögenslage zweifelhaft erscheinen läßt.

172 Kr ejci, 131. 173 Kr e j ci, 133. 174 Fenyves, 154: Alter des Gesellschafters. 175 Wilburg, Gutgläubiger Erwerb, 569 f. 176 So richtig Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts (1986) 103 f., 195198, 305 f. 177 Hönn, 92; Ostheim, 202; Steininger, 8, 15 (Vermögensabwägung); Deutsch, 47 (Vermögens- und Einkommensgefälle, Übernahme des Schadens durch den Arbeitnehmer oder den Dienstherrn); Wilburg, Schadensrecht, 23, 87 f., Rektoratsrede, 13. Flessner, Bereicherungswegfall, 133 (wirtschaftliche und soziale Stellung). 178 von Bar, 71; Korinek, 250; Wilburg, Schadensrecht, 29; Gutgläubiger Erwerb, 569. Koller, 79 f., spricht von der Absorbierbarkeit von Risiken, d. h. die Fähigkeit, die Auswirkungen von Störungen aufzufangen und Verluste zu steuern. Er nennt vornehmlich die organisatorischen Mittel zur Risikosteuerung und ausreichende Rücklagen. Schilcher, 317, nennt die Überwälzungskapazität: Größe des Betriebes, Stellung am Markt, bestehende oder zumutbare Versicherung. Soweit von den Mitteln und Möglichkeiten zur Risikosteuerung oder Versicherung die Rede ist, handelt es sich allerdings nicht um die Interessen der beteiligten Prozeßpartei, sondern um die Außenwirkungen des Urteils auf später handelnde Dritte, siehe dazu unten bei N. 197. Flessner, Bereicherungswegfall, 132, sagt mit Recht, daß der Verlust einer Gewinnchance weniger hart trifft als eine konkrete Bestandseinbuße. 179 Wilburg, Rektoratsrede, 13; Schadensrecht, 23 f., 285 unter IV; ebd. 29, spricht er von der wirtschaftlichen Kraft des Haftenden. 1 80 Zusammenspiel, 346 unter 4. 181 Unten § 6 I 5 b (3).

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4. Bei den Interessen ist auch der Interessenausgleich

182

zu erörtern, insbeson-

dere der Gedanke: Wer den guten Teil hat, soll auch den schlechten haben; qui sentit commodum debet sentire et o n u s 1 8 3 . 5. Für die Erfassung der Interessen ist wesentlich die Bezeichnung der Personen, deren Interessen betroffen

sind. Ohne diese Bezeichnung sind „Interessenla-

ge" und „Interessenabwägung" ideologische Etikettierungen, die keine Hinweise für die richtige (methodische) Wertung geben 1 8 4 . Das w i r d heute kaum beachtet. Gerichtsentscheidungen haben Innenwirkungen

auf die am Prozeß beteiligten

Parteien und die Personen, die sich später in der gleichen Situation befinden. Ihre Interessen sind durch ein Urteil und seine Vollstreckung zunächst und unmittelbar berührt. Daneben hat das Urteil Außenwirkungen

185

auf außenstehen-

de Personen. Gerade deren Interessen können entscheidend sein, so daß ihretwegen die Belange der Prozeßparteien zurückstehen müssen. a) Ich kann die schwierige Problematik der Trennung von Innen- und Außenwirkungen hier nur ganz kurz andeuten 1 8 6 . Die beste Methode zur Lösung des Problems ist die Übertragung der Argumentation des Richters in die direkte Rede, die w i r schon o b e n 1 8 7 als M i t t e l kennengelernt haben, die Gesichtspunkte auf die letztlich streitige Rechtsfolge auszurichten. Der Richter kann einer Partei sagen: Ihre Interessen müssen gegenüber denen des Gegners zurücktreten, w e i l die Verfolgung seiner Interessen (etwa die Erfindertätigkeit 1 8 8 , die Aktivität als Unternehmer 1 8 9 ) dem W o h l der Allgemeinheit dient. Oder: Ihre Interessen müssen 182 Koller, 76: Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung; ders., 81: Reziprozität, „arbeitsteilige Veranlassung" (d. h. jede Partei hat „die Risiken zu tragen, die ihr Vertragspartner in ihrem Interesse eingegangen ist", so ders., Risikozurechnung bei Vertragsstörungen in Austauschverträgen [1979] 95); Hönn, 88, 94, 100; Fenyves, 155; MayerMaly, 122,126; Krejci, 134; Schilcher, 292: Äquivalenzstörung; Mayer-Maly, 125: Mißverhältnis von Leistung und Gegenleistung; 126: Preis; Sack, 194: Aufwand des Schöpfers; Ostheim, 200 f.: Entgelt als Risikoabgeltung; Schilcher, 291: Ausgewogener Ausgleich der Belange; Wilburg, Rektoratsrede, 15: Ersatz des Wertes; ebd., 19: Unentgeltliches Geschäft, Mißverhältnis der Leistungen; ders., Bereicherung, 133: Angemessenes Entgelt. 183 v. Bar, 69: Vorteilsziehung aus einer Gefahrenquelle; Canaris, 112: Vorteil aus dem nichtigen Vertrag, den der Anfechtende behält; Fenyves, 154: Vergangene Verdienste des Gesellschafters; Sack, 194: Aufwand des Schöpfers. ι« 4 Hönn, 90, sagt: Der Schutz des Partners des Irrenden entspreche dem Prinzip der Verkehrssicherheit. 185 Eine andere Bedeutung hat der Begriff Außenwirkung beim Verwaltungsakt, vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Aufl. (1985) § 3 Rn. 4 sowie § 9 Rn. 26 f. 186 Ausführlich dazu Westerhoff, Methodische Wertung, S. 69-77. Die Unterscheidung von Innen- und Außenwirkung ist auch wichtig für die von Mayer-Maly, 118 N. 10, angeschnittene Frage, ob die Sittenwidrigkeit von einem Prozeßbeteiligten geltend zu machen ist oder von Amts wegen beachtet werden muß: Soweit nicht nur die Interessen der Prozeßbeteiligten im Spiel sind, wird man der amtswegigen Beachtung das Wort reden. Ähnlich Krejci, 139 N. 27. 187 Oben bei N. 110-N. 114. 188 Sack, 195: Anreiz zur Initiative. Hier spielt auch die Steuerung eine Rolle, Westerhoff, Methodische Wertung, § 92, S. 70.

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zurücktreten, weil deren Beachtung anderen, hier nicht beteiligten Personen, schadet 19 °. Bei der Betrachtung des Übereilungsschutzes durch die Form, haben w i r gesehen 1 9 1 , wie durch das Urteil, das die Formnichtigkeit ausspricht, einmal die Prozeßpartei getroffen wird, deren Vertrag nichtig ist, w e i l sie die Form nicht beachtet hat, zum anderen die Interessen jener Vertragsparteien, die durch die Nichtanerkennung formnichtiger Verträge veranlaßt werden, künftig einen formwirksamen Vertrag zu schließen. U m deren Interessen handelt es sich, wenn w i r von Außenwirkungen sprechen. Bei einer Abwägung sind also auf der einen Seite die Interessen der Prozeßparteien zu berücksichtigen, deren Vertrag wegen eines Formfehlers nichtig ist, auf der anderen Seite die Belange der Vertragsparteien, die künftig einen formgültigen Vertrag schließen. Die wesentlichen, in diesem Zusammenhang zu beachtenden Außenwirkungen hängen damit zusammen, daß die Rechtsprechung für die Bürger vorhersehbar w i r d und diese sich danach richten, wenn die Gerichte Gesetze und Präjudizien beachten. A u f diese Gesichtspunkte wollen w i r u n t e n 1 9 2 bei den Gründen für die Bindung des Richters an das Gesetz eingehen. b) Die Frage, ob und wie weit eine Orientierung

der Juristen an den Auswirkun-

gen ihrer Urteile möglich, notwendig und nützlich ist, gehört zu den umstrittensten i n unserer Rechtswissenschaft 193 . Bevor aber solche Fragen untersucht werden, sollte man zunächst klären, wie weit denn eine Entscheidung auf die konkret betroffenen Prozeßparteien wirkt und welches die Außenwirkungen auf Dritte sind. Nur so können die rechtssoziologischen Fragen der Effektivität, Implementation und Evaluation richtig i n die rechtliche Wertung eingefügt werden; denn der Jurist muß stets fragen, ob es gerechtfertigt ist, daß die Interessen der konkret betroffenen Prozeßpartei wegen der Auswirkungen des Urteils auf Dritte beeinträchtigt werden. Die Unterscheidung zwischen den Interessen der Prozeßparteien und den Interessen außenstehender Dritter ist auch zu berücksichtigen bei der sogenannten Kostenüberwälzung m . Sie liegt zum Beispiel vor, wenn der Betroffene die Last der Haftung gleich 189 Hönn, 94 f., 101: öffentliches Interesse an der Gewährleistung von Wettbewerb. S. 96 sagt er: „Privatautonomie wird um so mehr eingeräumt, als dies nicht zu Gefährdungen der Beteiligten, Dritter oder öffentlicher Interessen führt." 190 Mayer-Maly, 122: Schädigung Dritter; ders., 123: Gläubigergefährdung; Krejci, 133: Schutz Dritter vor nachteiliger Vertragsgestaltung. 191 Siehe oben § 5 I 3. 192 Unten § 12 I V 5, 6, 7; VI. 193 Nachweise bei Koch / Rüßmann, Juristische Begründungslehre, Eine Einführung in die Grundprobleme der Rechtswissenschaft (1982) 228, N. 120; ferner Luhmann, Rechtssoziologie, 2. Aufl. (1983) 281; Jost, Soziologische Feststellungen in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (1979) 115. 194 Schilcher, 292, will bei der Frage nach der Gültigkeit eines Vertrages neben dem ausgewogenen Ausgleich und der freien und überlegten Einverständniserklärung auch die „Überwälzungskapazität" berücksichtigen, deren „Determinanten" die Größe des Betriebes, die Stellung am Markt und die bestehende oder zumutbare Versicherung sind. Die „Größe des Betriebes" deutet auf die Vermögensverhältnisse, s. dazu oben § 6 I 3,

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anderen Kosten des Betriebes bei der Festsetzung der Preise in Rechnung stellen kann 1 9 5 . Hier ist von Bedeutung, ob die Überwälzung schon im konkreten Fall möglich ist, oder ob eine Steuerung erfolgt, das heißt, daß die Betroffenen veranlaßt werden die Mehraufwendungen in die Preise einzukalkulieren 196 . Vielfach wird die Möglichkeit, sich zu versichern für wesentlich gehalten 197 . Für eine Weitung kommt es darauf an, Außenund Innenwirkungen zu unterscheiden. Man verfehlt die sich im Prozeß stellende Wertungsfrage, wenn man nicht berücksichtigt, ob die konkret betroffene Partei tatsächlich versichert ist. Was bedeutet es für eine Partei, wenn man ihr vorhält: „Sie hätten sich ja versichern können.?" Werden die Belange der nicht am Prozeß Beteiligten berücksichtigt und müssen deswegen die Interessen einer der Prozeßparteien zurücktreten, so stellt sich die Frage nach der Verhältnismäßigkeit

dieser Nachteile. Grundsätzlich setzt Verhält-

nismäßigkeit Erforderlichkeit voraus, Erforderlichkeit Geeignetheit. ( 1 ) A n der Erforderlichkeit

der Verurteilung einer Vertragspartei zur Beeinflus-

sung der Notare haben w i r schon oben ( § 5 1 3 ) Zweifel angemeldet. Ähnliche Bedenken bestehen gegen die Rechtsprechung, nach der von Gemeindebeamten abgeschlossene Verträge nicht anerkannt werden, wenn die zuständigen Gremien nicht zugestimmt haben 1 9 8 . Der Bundesgerichtshof 1 9 9 hat das m i t der „Sicherung der öffentlich-rechtlichen

Körperschaften

gegen mißbräuchliche

Vertretung

durch unzuständige Vertreter" begründet. Wollte ein Gericht dieses Argument der betroffenen Partei vorhalten, so müßte es formulieren: „ W i r verurteilen Sie (oder weisen Ihre Klage ab), damit die Beamten i n Zukunft ihre Befugnisse nicht überschreiten". Die Erforderlichkeit w i r d regelmäßig wie ein Tatbestandsmerkmal behandelt; liegt sie nicht vor, so gilt das M i t t e l als unzulässig. Das ist bei der Anwendung des Beweglichen Systems i m Zivilrecht so nicht richtig. E i n Nachteil, insbesondere eine Verurteilung, kann auch dann begründet sein, wenn eine gewollte W i r k u n g durch ein weniger einschneidendes M i t t e l erreicht werden kann. Denn dann die „Stellung am Markt" auf die Möglichkeit, die Kosten auf die Käufer abzuwälzen. Deutsch, 47, nennt femer die Übernahme des Schadens durch den Arbeitgeber und den Dienstherrn. 195 Wilburg, Schadensrecht, 32. 196 BGH 10.11.1954, BGHZ 15, 171 ff. (175) meint, der Abzahlungsverkäufer könne das größere Risiko der Insolvenz des Käufers bei der Preisgestaltung einkalkulieren. Kann der durchschnittliche Radiohändler so rechnen? Entspricht es unserer Rechtsordnung, daß die pünktlichen Zahler (über den Preis) für die säumigen Schuldner einzustehen haben? 197 Deutsch, 47, 49; Schilcher, 292; Wilburg, Schadensrecht, 24 f., 29. 198 Flessner, Bereicherungswegfall, 137 f., will den Zweck dieser Normen zu den beweglichen Elementen zählen, die beim Wegfall der Bereicherung eine Rolle spielen: Die Form- und Genehmigungserfordemisse sollen sicherstellen, daß über den Abschluß nach gehöriger Überlegung und von den zuständigen Organen entschieden wird. 199 BGH 22.5.1951, L M Nr. 1 zu § 36 DGO; 8.7.1986, NJW 1986, 2939 (2940); 2.3.1972, NJW 1972,940 (941): „Damit wäre etwaigen Eigenmächtigkeiten der Gemeindedirektoren Tür und Tor geöffnet."

§ 6 Gliederung der Gründe

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können immer noch andere (bewegliche) Gründe für das fragliche Ergebnis sprechen. Es sind bei der Anwendung des Beweglichen Systems immer alle Gesichtspunkte pro und contra abzuwägen. Wenn man etwa der Ansicht ist, die Steuerung der Notare oder der Beamten durch die Nichtigerklärung des Rechtsgeschäfts sei nicht erforderlich, weil es andere Steuerungsmittel gebe, so könnte man die Nichtigkeit trotzdem als die richtige Regelung ansehen, wenn sie für die konkret betroffenen Parteien ein Vorteil wäre, w e i l der Vertragsinhalt, etwa wegen eines übereilten Abschlusses, unbillig wäre und dies zusätzlich gegen die Vertragsgültigkeit spräche 2 0 0 . (2) Wesentlich bei der Bewertung der Außenwirkungen ist die Geeignetheit. Es ist zu fragen, inwieweit die gewünschte W i r k u n g überhaupt durch die Gerichtsentscheidung erreicht werden kann. Statt Geeignetheit wird im Privatrecht häufiger von Zweckmäßigkeit gesprochen. Doch ist diese Terminologie unklarer 201 . Das Wort „Zweck" kann im Recht mindestens zwei Bedeutungen haben. Wenn gesagt wird, das Gesetz „bezwecke" den Schutz bestimmter Personengruppen, Arbeitnehmer, Mieter, Verbraucher, Abzahlungskäufer, so wird lediglich die Wirkung der Entscheidung auf die Prozeßparteien verdeutlicht. „Der Zweck des Gesetzes zeigt nur das siegende Interesse 202 ". Es kann mit „Zweck" aber auch die über die ausgesprochene Rechtsfolge hinausgehende Außenwirkung auf Dritte, nicht am Prozeß beteiligte Personen, gemeint sein. Die Mehrdeutigkeit dieses „Zweckmäßigkeits"-Denkens ist wohl nicht zufällig. Das typisch deutsche Wort „Zweck" (gewollte Wirkung) 2 0 3 weist auf den „Gesetzgeber" als Zwecksetzer, der hier den Weltgeist vertritt. Das Wort Geeignetheit kann daher die Problematik des Verhältnisses zwischen den Rechtsfolgen, die das Gericht ausspricht, und ihren Außenwirkungen besser wiedergeben 2 0 4 . Bei Anwendung des Beweglichen Systems ist die Geeignetheit nicht starre Voraussetzung, sondern eines von mehreren austauschbaren, unterschiedlich großen Elementen. W i r haben hier also zwei bewegliche Elemente, einmal das unterschiedlich große Interesse der später betroffenen, nicht am Prozeß beteiligten Personen, wenn die W i r k u n g tatsächlich eintritt, zum anderen die unterschiedlich große Wahrscheinlichkeit dieser Interesseneinbuße. 200 Das Problem liegt darin, daß die Parteien den Vertrag in der Regel richtig bedacht haben, dazu Wester hoff, Formnichtigkeit, 354, 357. Wenn man den Ubereilungsschutz (Warnfunktion) als einen Formzweck ansieht, so steht das im Gegensatz zu den Betrachtungen bei AGB, wo man Schriftformklauseln für gefährlich hält, vgl. MünchKomm (-Kotz) 2. Aufl. (1984) § 4 AGBG, Anm. 9. 201 Vgl. zur Zweckmäßigkeit als bewegliches Element Bydlinski, 28 und ders. Methodenlehre, 330-335. Er weist dort (330) daraufhin, daß der Ankauf eines Kraftfahrzeuges für eine einmalige Fahrt über 30 km sicher eine geeignete, aber keine nach dem Sprachgebrauch „zweckmäßige" Maßnahme sei. Es komme hier auch auf ökonomische Überlegungen an. 202 Heck, lnteressenjurisprudenz (1933) 13. 203 Der Titel des bekannten Buches von Jhering lautet im englischen: Law as a means to an end, transi, by Husik, New York (1924). 204 Etwa die Geeignetheit zum Gefahrenschutz, dazu Hönn, 98.

46

§ 7 Beziehungen zwischen den Gründen

So wie es ein gutes Mittel zur Trennung von Innen- und Außenwirkungen ist, sich vorzustellen, was der Richter den Prozeßparteien sagen müßte, so kann man sich über die mehr oder weniger große Geeignetheit richterlicher Maßnahmen klarer werden, wenn man sich vorstellt, was ein Bürger zu sich selbst sagen müßte, wenn er durch das Gesetz in seinem Verhalten beeinflußt werden soll. Das zeigt sich bei den Bestimmungen über den gutgläubigen Erwerb. Als ihr Zweck (die gewollte Wirkung) wird die Verkehrssicherheit 2 0 5 angegeben, die Sicherheit und Leichtigkeit des Geschäftsverkehrs 206. Wenn das Gesetz und die ihm folgende Rechtsprechung tatsächlich diesen vorgestellten Einfluß auf das Verhalten der am Geschäftsverkehr Beteiligten hätte, müßte sich ein Erwerber sagen: „Ich kann das Geschäft ruhig tätigen und brauche keine Erkundigungen über die Herkunft der Sachen einzuziehen 207 ; denn es gibt ja die Bestimmung über den gutgläubigen Erwerb (§ 932 BGB, § 367 ABGB), nach denen ich ohnehin Eigentümer werde" 2 0 8 . Hier braucht nicht untersucht zu werden, ob die an Rechtsgeschäften Beteiligten tatsächlich so denken. Denn wäre derjenige, der beim Kauf aufgrund solcher Überlegungen anders handelt als er sonst handeln würde, nicht regelmäßig bösgläubig 209 ? Deshalb ist Wilburg zuzustimmen, wenn er dem Gedanken der Rechtssicherheit grundsätzlich keine Bedeutung beigemessen hat 2 1 0 . (3) Bei den Außenwirkungen sind nochmals die Vermögensverhältnisse erörtern. W i r sahen o b e n 2 1 1 , daß Wilburg gegenübergestanden hat. Canaris 212

zu

ihrer Berücksichtigung zwiespältig

deutet das dahin, daß er den Gesichtspunkt

nur subsidiär habe berücksichtigen wollen, was eindeutig ein Rangverhältnis impliziere. Genauer kann man die Problematik erfassen, wenn man zwischen Innen- und Außenwirkungen unterscheidet: Würde man die Vermögenslage einer Partei berücksichtigen, so hätte das zur Folge, daß der wirtschaftlich Schwache kein gleichwertiger Partner mehr i m Geschäftsverkehr wäre, weil die Ansprüche gegen ihn weniger wert wären. Umgekehrt könnte der wirtschaftlich Starke — 205 Protokolle zum BGB, III, 208; Fritz Baur, Lehrbuch des Sachenrechts, 14. Aufl. (1987), § 5212, S. 467: Kumulierung des Gedankens der Sicherheit des rechtsgeschäftlichen Verkehrs mit dem Vertrauensgedanken. 206 MünchKomm(-Quack), 2. Aufl. (1986) § 932 BGB Rdn. 1; Siehr, Zum gutgläubigen Erwerb beweglicher Sachen, ZVglRWiss 80 (1981), 273-292, sagt in seiner „economic analysis" (288 f.): „Der Handelsverkehr wird zweifellos durch den Gutglaubensschutz begünstigt." 207 Vgl. Wolff I Raiser, Sachenrecht, 10. Aufl. (1951) § 68 I I 1, S. 249 f.: „Wer Waren kauft, soll der Notwendigkeit enthoben werden, in eine oft langwierige und mühsame Prüfung ihrer Herkunft einzutreten." 208 Geht eine Sache in der Bundesrepublik ohne Verarbeitung durch mehrere Hände, so müßte sich der Käufer sagen: „ . . . , denn wenn mein Lieferant gutgläubig war, ist er ja Eigentümer geworden." 209 in Methodische Wertung, § 105 c, S. 77, habe ich gemeint, daß die Regelung dem Rechtsfrieden dienen könne, weil eine Partei im Geschäftsverkehr eher zur Hinnahme eines bestehenden Zustandes bereit sei, als die Gegenpartei bereit sein würde, freiwillig, ohne Verurteilung durch das Gericht, noch eine Leistung zu erbringen. Doch müßte man hier wohl alle Prozesse berücksichtigen, die im Dreipersonenverhältnis zwischen dem alten Eigentümer, Veräußerer und Erwerber noch geführt werden können. 210 Wilburg, Gutgläubiger Erwerb, 562-564. 211 Oben § 6 I 3. 212 Canaris, System, 77 N. 19.

§ 6 Gliederung der Gründe

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und das ist i m Verhältnis zum einzelnen Bürger fast jedes Industrieunternehmen — nur noch mindere Rechte erwerben. Deshalb findet die wirtschaftliche Situation grundsätzlich erst i n der Zwangsvollstreckung Berücksichtigung. II. Nach den Interessen der Prozeßparteien und der nicht am Prozeß Beteiligten ist als nächstes der vier (beweglichen) Systemelemente die Einwilligung

des

Betroffenen zu betrachten: Volenti non fit i n i u r i a 2 1 3 . Dies ist der wichtigste Gesichtspunkt für die Geltung von Rechtsgeschäften. Die Einwilligung kann unterschiedlich stark 2 1 4 oder schwach 2 1 5 sein. A u f ihr Vorliegen, ihr Fehlen oder ihre Schwäche können unterschiedliche Tatsachen 2 1 6 hindeuten. Nicht notwendig ist allerdings, daß der „ W o l l e n d e " den Nachteil als solchen gewollt hat. Es genügt, daß er ihn als rechtlich notwendige Voraussetzung für die Erlangung eines Vorteils, ζ. B. der Gegenleistung beim Vertrag, in Kauf genommen hat. Der Gedanke der Einwilligung ist auch zu beachten beim mitwirkenden Verschulden 211. Der Richter kann einer Partei vorhalten: „Sie wußten bei ihrem Tun, daß es eine Gefahr für Sie und ihre Sachen bedeutete. Da Sie das wußten und trotzdem gehandelt haben, haben Sie die Folgen bewußt in Kauf genommen, und es ist daher gerechtfertigt, daß Sie diese tragen" 218 . So vermeiden wir die fragwürdige Figur eines „Verschuldens gegen sich selbst" 219 . 213 Der Gedanke kommt zum Ausdruck bei: Koller, 81, 85: Äquivalenzentscheidung; Hönn, 88, 93: Privatautonomie (Selbstbestimmung); Canaris, 105, 116: Selbstbestimmung; Fenyves, 145: privatautonome Entscheidung; 155: Willensrichtigkeit; Wilburg, Rektoratsrede, 15: Bestellung; Zusammenspiel, 356: Wille des Eingreifers, ein vermeintlich eigenes Gut zu opfern; Gutgläubiger Erwerb, 699: bewußte Übernahme einer Gefahr. Die Privatautonomie kann allerdings auch als Regelungsmöglichkeit angesehen werden, dazu oben § 2 I I 3 a. 214 Schilcher, 298: Überlegung. 215 Deutsch, 47: Geringe Einsicht und Steuerungsfähigkeit; Krejci, 128: Mängel in der Bildung des Willens; 131, 135: Willensbildungsstörungen, Aufdrängen gegen seinen Willen; 133: Willensbildungsmangel; 134: verdünnte Willensfreiheit (ebenso Schilcher, 290); Flessner, 172: Fehlen der Geschäftsfähigkeit; Schilcher, 291 : nicht frei und überlegt einverstanden erklärt; 317: Überrumpelung; Wilburg, Rektoratsrede, 15: Aufdrängen einer Leistung; 17: Geschäftsunfähigkeit; 18: Verstandesschwäche; 19: Willensmangel. 216 Bydlinski, 33: Zwangslage (ebenso Hönn, 91), Unerfahrenheit, Gemütsaufregung; Mayer-Maly, 123: Unübersichtlichkeit der Bedingungen; 126: Unterlegenheit des Benachteiligten; Krejci, 131, 135: List, Zwang, Irrtum, Leichtsinn, Verstandesschwäche, Zwangslage, Unerfahrenheit, Gemütsaufregung (ähnlich Wilburg, Rektoratsrede, Π Ι 9); Schilcher, 290: Ungleichgewicht zwischen den Vertragspartnern, „verdünnte Willensfreiheit" des Unterlegenen; 298: Überraschung, kongruente Anbahnung durch den Verbraucher, Bestimmung der Verhandlung vom Verbraucher, Abschluß innerhalb oder außerhalb der Geschäftsräume oder vor dem Notar; 317: kongruente Anbahnung; Intensität der Verhandlungen; Höhe des Entgelts (siehe dazu auch unten § 9 I I 4); Art des Geschäfts; geschäftliche Routine; Wilburg, Rektoratsrede, 8: unvorsichtige Kreditgewährung; 15, 16: Aufdrängen einer Leistung, gegen die sich der Hauseigentümer nicht schützen konnte; 16: Übergehen des Hausherrn beim Einbau, Kenntnis; 20: Vereinbarungen, die ihrer Natur nach die Gefahr der Unüberlegtheit in sich schließen. 217 Dieser Gesichtspunkt wird genannt von: Bydlinski, 31, 34: Deutsch, 49; Ostheim, 203; Wilburg, Schadensumfang, 12. 218 Ähnlich RG 4.19.1906, JW 1906, 210 Nr. 4 = Gruchot 51 (1907) 604 (608 f.); Wilburg, Schadensrecht, 58, sagt, daß der Verletzte sich selbst der Gefahr aussetzt. Koller, 81, spricht von der Einschaltung des Schuldners in die Verwendungsplanung.

§ 7 Beziehungen zwischen den Gründen

48

I I I . E i n dritter (beweglicher) Grund ist die Vergeltung.

Dieser Gedanke kann

nicht nur mit der Zufügung eines Übels i n Verbindung gebracht werden, sondern auch m i t der Belohnung. Wenn w i r zu jemandem sagen, „vergelt's Gott", so wünschen w i r i h m nichts Böses. Wenn w i r jedoch — wie hier — die Auferlegung von Nachteilen zu begründen suchen, so steht die Vergeltung für ein Verschulden i m Vordergrund. Es wird in diesem Zusammenhang auch von Genugtuung gesprochen, deren Zweck es sein soll, den Verletzten dadurch zu befriedigen, daß der Täter bestraft w i r d 2 2 0 . Doch verlangt nicht nur das Rechtsgefühl des Verletzten nach Vergeltung, sondern auch das außenstehender Dritter. Die Vergeltung wird als Wiederherstellung der gestörten Rechtsordnung empfunden. I V . Der vierte Grund ist die soziale (menschliche) aus biologischen

Bindung 221.

Sie kann sich

Faktoren ergeben und ist als solche der Grund für die Unterhalts-

pflichten unter Verwandten. Die Bindung kann aber auch durch unser Verhalten gegenüber anderen begründet werden i n Ehe, Gesellschaft oder i n geschäftlichen Vertrauensverhältnissen 222 . Die Meinungen darüber, wie weit die Pflichten reichen, die sich aus solchen Bindungen ergeben, sind höchst vielfältig. So ist in verschiedenen Ländern die Unterhaltspflicht unter Geschwistern unterschiedlich geregelt. Welche Verpflichtungen wir gegenüber Ausländern und fremden Völkern haben, ist Gegenstand eines lebhaften Streits, der von sehr verschiedenen ideologischen Standpunkten aus geführt wird. Hier handelt es sich nicht nur um Fragen der Ethik und Moral. Wer die Psychologie der Mutter-KindBeziehungen kennt, weiß, daß sehr tiefliegende Schichten angesprochen sind. Im einzelnen kann dieses bewegliche Element hier nicht untersucht werden.

§ 7 Beziehungen zwischen den Gründen M a n kann gegen dieses System der Gesichtspunkte einwenden, daß sie auf v ö l l i g verschiedenen Ebenen liegen und daß daher nicht gesagt werden könne, wie ihre relative Gewichtung i n einer Gesamtwertung vorgenommen werden 219 So Zitelmann, Recht des Bürgerlichen Gesetzbuches, Allgem. Teil (1900) 166. Des weiteren können noch andere Gesichtspunkte eine Rolle spielen: die vorwerfbare Absicht, von einem Dritten Regreß zu verlangen; ein venire contra factum proprium dessen, der früher einmal mit der Selbstschädigung einverstanden war; die Teilbarkeit des Unrechtsbewußtseins, wenn die Fremdschädigung mit der Selbstschädigung verbunden ist, Einzelheiten mit Nachw.: Westerhoff, Methodische Wertung, § 227 f., S. 150152. 220 So ζ. B. auch Wilburg, Schadensumfang, 4. 221 Wilburg, Schadensrecht, 177, hebt die generelle Pflicht, der Gemeinschaft und ihren Mitgliedern zu dienen, hervor. Koziol, 54 N. 10: Gemeinschafts Verhältnis; Koller, 81, 86: Solidarität. 222 Ostheim, 205: Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Für diese Pflicht (Rechtsfolge, die ihrerseits wieder Rechtsvoraussetzung ist, Westerhoff, Methodische Wertung, § 146, S. 103 f.) könnten m. E. neben der Bindung die Vermögensverhältnisse und der Gedanke „Wer den guten Teil hat, . . . " sprechen.

§ 7 Beziehungen zwischen den Gründen könne. Doch ist uns diese Problematik aus dem Strafrecht bekannt. A u c h die Strafzwecke (Vergeltung, Prävention) sind Gründe unterschiedlicher Art. Trotzdem sind sie geeignet die Strafe und deren Höhe zu rechtfertigen. Zwischen den hier genannten Gesichtspunkten bestehen aber auch wesentliche Beziehungen. Ihre Aufhellung kann dazu beitragen, das Gewicht der Elemente besser zu erfassen. I. Die Interessen (die objektiven Vor- und Nachteile) sind insoweit nicht zu berücksichtigen, wie der Betroffene i n ihre Verletzung wirksam eingewilligt h a t 2 2 3 . Ja, man kann in der Einwilligung

eine typisierte

Interessenwahrung

se-

h e n 2 2 4 . Das geschieht weitgehend, wenn w i r statt von objektiven von subjektiven Interessen sprechen 2 2 5 . Doch möchte ich den persönlichen W i l l e n nicht so weitgehend aus den rechtlichen Überlegungen zurückdrängen. Interesse und Einwilligung stehen häufig auch zur Diskussion, wenn vom Schutz des sozial Schwachen die Rede ist 2 2 6 . Doch sind die beiden Gesichtspunkte hier streng zu scheiden. Es kann einmal gemeint sein, daß den Armen eine Vermögenseinbuße härter trifft als den Wohlhabenden 227 . Daneben steht der Gedanke der mangelnden Einwilligung: Der geschäftlich Unerfahrene oder Sorglose übersieht häufig nicht die Folgen seines Tuns 2 2 8 ; der wirtschaftlich Abhängige muß die Bedingungen seines Geschäftspartners akzeptieren 229 . Für eine richtige Wertung ist es wichtig, diese ganz unterschiedlichen Gründe auseinanderzuhalten. II. Ebenso bestehen zwischen Interesse und Bindung Wechselwirkungen. Soweit die Menschen auf gleicher Ebene miteinander verbunden sind, sind ihre 22 3 Krejci, 135: Je gravierender die Willensbildungsstörungen, desto geringere Anforderungen sind an die Äquivalenzstörungen zu stellen. 224 Wilburg, Zusammenspiel, 356 u. 358, und Flessner, 172: interessenmäßige Verwendung des Gutes oder der Leistung; Wilburg, Rektoratsrede, 16: Pläne des Eigentümers beim Einbau. Demgegenüber will Fenyves, 151, bei Dauerschuldverhältnissen das Auflösungsinteresse nicht aus der subjektiven Warte des Kündigenden, sondern objektiv beurteilen. 225 Siehe dazu etwa Wolff / Bachof, Verwaltungsrecht, I 9. Aufl.(1974) §291, S. 167 f.; Fabricius, Relativität der Rechtsfähigkeit, (1963) 69-76; Manfred Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit und vertraglicher Interessenausgleich (1970) 134 f. 226 Koller, 81: Sozialschutz; Hönn, 92, 94: Sozialstaatsprinzip; Wilburg, Rektoratsrede, 8: soziale Idee, die den kleinen Gläubigern zu Hilfe kommt; 20: sozialer Schutz. 227 Flessner, Bereicherungswegfall, 133: Belastungsfähigkeit. 228 Fenyves, 149: höhere Schutzbedürftigkeit des Versicherungsnehmers. 229 Koller, 81: Machtgefalle; Hönn, 97: Nachteil, bei Mängeln den Reisepreis nicht zurückhalten zu können; ders. 94,100: Machtverhältnisse, fehlender Primärschutz durch Wettbewerb; Mayer-Maly, 122: Ausnützen von Übermacht; Krejci, 131: persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers; 133: Mißbrauch von Übermacht; 134: Benachteiligung signalisiert mißbilligten Vertragsinhalt, der Mißbrauch von Übermacht weist auf „verdünnte Willensfreiheit". Fenyves, 149: höhere Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers, Bestandsnehmers; Ostheim, 205: Schutzbedürftigkeit des Dienstnehmers; ders., 207 f.: Verlust eigener Dispositionsmöglichkeit des Arbeitnehmers und daraus resultierende Unmöglichkeit eigennützigen, unternehmerischen Einsatzes der Arbeitskraft.

4 Westerhoff

50

§ 8 Analyse bekannter Zurechnungsgründe

Interessen als gleichwertig 2 3 0 anzusehen 2 3 1 . N u r die Belange derjenigen, zu denen weniger enge Bindungen bestehen, werden i n den einzelnen Rechtsordnungen jeweils geringer bewertet. Die Bedürfnisse naher Angehöriger haben erhöhtes Gewicht, etwa die der minderjährigen, unverheirateten Kinder, für welche die Eltern auch bei Gefährdung des eigenen Unterhalts alle verfügbaren M i t t e l verwenden müssen (§ 1603 I I 1 B G B ) . I I I . Zuletzt müssen w i r das Verhältnis von Interesse und Vergeltung

betrachten.

Es ist die bekannte Frage, i n welchem Maße die Prävention die Auferlegung von Nachteilen rechtfertigt 2 3 2 . Das Problem ist uns aus der Strafzumessung bekannt und w i r d dort dahin beantwortet, daß die Schuld des Täters die Grundlage für die Zumessung der Strafe ist (§ 4 6 1 1 StGB) und daß die verhängte Strafe die Schuld des Täters nicht übersteigen d a r f 2 3 3 . Genauer läßt sich w o h l auch i m Zivilrecht das Verhältnis der Schuld zur Auferlegung von Nachteilen nicht umschreiben. Diese Schwierigkeiten muß der wertende Jurist bewältigen.

§ 8 Analyse bekannter Zurechnungsgründe Es bleibt nun die Frage, ob und wie die gefundene Einteilung sich m i t dem i m Zivilrecht verwendeten System der Actionen verbinden läßt, das heißt, inwieweit sich die hervorgehobenen Gedanken i n den bekannten Rechtsinstituten und ihren Elementen wiederfinden lassen. 2 3 4 Dabei mag man feststellen, daß die überkommenen Regeln und Rechtsinstitute die streitige Rechtsfolge gelegentlich einleuchtender zu begründen vermögen als die hier hervorgehobenen Gesichtspunkte. Das rührt daher, daß häufig erst das Zusammenwirken mehrerer Rechtsgedanken einen Anspruch als gerechtfertigt erscheinen läßt 2 3 5 . Daher kann man sogar zweifeln, ob es sinnvoll ist, allgemein anerkannte Rechtsinstitute und Anspruchsgrundlagen, wie Vertrag und Delikt, in ihre Elemente zu zerlegen. Der Einwand 230 Zum Gleichheitssatz: Westerhoff, Methodische Wertung, § 370, S. 232. 231 Korinek, 250 und Schilcher, 295, nennen als Kriterien der Enteignung: Sonderbelastung gegenüber anderen Eigentümern und Ortsüblichkeit. Das heißt in diesem Zusammenhang: Öffentliche Lasten sollen von allen Bürgern verhältnismäßig getragen werden. Doch darf man diesen Gesichtspunkt nicht neben die Belastungen stellen, dazu unten N. 337 u. 420. 232 Vgl. Jhering, Das Schuldmoment im römischen Privatrecht (1867) 8: „Das Gleichgewicht herzustellen zwischen dem Maß des Übels und der Schuld ist die höchste Aufgabe der Gerechtigkeit." 233 Nachw. zur Rspr. des BVerfG: Leibholz l Rinck / Hesselberger, GG, Lfg. 15, (Nov. 1988) Art. 20 Anm. 27, S. 490/2. 234 Wilburg, Rektoratsrede, 5, sagt, daß er die bewegenden Kräfte „in die Normen selbst und in ihre Tatbestände verlegt". 235 Wilburg, Rektoratsrede, N. 16 zu S. 22: „Für die einzelnen Kräfte, ζ. B. für den Gesichtspunkt der sozialen Abwägung, ergeben sich in der Idee ihrer beweglichen Anwendung neue, weitere Aspekte. Daraus läßt sich eine umfassende, wenn auch in den verschiedenen Zusammenhängen differenzierte Prüfung dieser Gesichtspunkte gewinnen."

§ 8 Analyse bekannter Zurechnungsgründe

51

wäre berechtigt, wenn es um die Frage ginge, ob diese Institute überhaupt anerkannt werden sollen. Insofern hat die hier vorgenommene Analyse nur akademischen Wert. Sinnvoll ist das Arbeiten mit dem Beweglichen System aber in den Zweifelsfällen, in denen gefragt wird, wie weit eine Verpflichtung jeweils reicht und wie die Sachverhalte zu entscheiden sind, die zwischen den Instituten liegen 2 3 6 . Der Untersuchung zugrunde legen wollen wir die Normalfälle, in denen jeweils alle Gründe gegeben sind, ungeachtet der von den starren gesetzlichen Regeln noch miterfaßten Grenzfälle 237 . I. Der erste Gesichtspunkt, i n dem zwei der Grundelemente zusammenspielen ist das

Verschulden

238

.

W i r haben oben bei der Darstellung der vier Grundgedanken nur von der Vergeltung für Verschulden gesprochen. Daneben ist hier noch ein weiterer Gesichtspunkt zu berücksichtigen: die Abschreckung 2 3 9 oder Prävention. Sie ergibt sich aus einem anderen Grundelement, dem Interesse. Es handelt sich um eine Außenwirkung der Urteile i m Interesse derjenigen, die vor zukünftigen nachteiligen Handlungen geschützt werden sollen. Zu den vielen damit angeschnittenen Problemen 240 , die vor allem im Strafrecht erörtert werden, sei nur die Frage berührt, ob die Generalprävention im Zivilrecht eine Rolle spielen darf 2 4 1 . Die Frage wird für das Schadensrecht überwiegend verneint 242 . Doch haben wir oben gesehen, daß auch viele andere Entscheidungen Außenwirkungen haben. Es handelt sich hier wie dort um ein Problem der Verhältnismäßigkeit, Erforderlichkeit und Geeignetheit. Die Argumentationen, die sich insoweit auf das Schadensrecht beschränken 243 , können so nicht überzeugen, weil sie das Problem nicht in seiner ganzen Breite aufrollen. Von den Bürgern werden in einem funktionierenden Staatswesen vielfa236 So für die Gründe der Vertragsbindung: Bydlinski, Privatautonomie, 67. 237 Dazu oben § 4 I I I 3. 238 Steininger, 7; Bydlinski, 33, 34, 37; Deutsch, 48, 49; Koller, 79, 81, 82; Fenyves, 155; Ostheim, 200, 202; Flessner, Bereicherungswegfall, 112; Wilburg, Rektoratsrede, 11, 12, 15, 18, 19; ders., Bereicherung, 145; Gutgläubiger Erwerb, 569; Zusammenspiel, 346; ders., Schadensrecht, 75, 77, 102, 57: „Das Verschulden besitzt von allen Haftungselementen . . . die durchschlagendste Kraft." Demgegenüber meint Canaris, 107, Pflichtverletzung und Verschulden seien typische Generalklauseln, bei denen die für ein bewegliches System erforderliche Begrenzung der Lösungskriterien kaum möglich erscheine. 239 Wilburg, Schadensrecht, 50. 240 So wenn v. Bar, 69, sagt, die Verkehrspflichten würden im wesentlichen von vier „Säulen" getragen: Schaffung oder Unterhaltung einer Gefahrenquelle, deren tatsächliche und rechtliche Beherrschung, dem wirtschaftlichen oder ideellen Vorteil aus der Gefahrenquelle und dem Vertrauensprinzip (dies Prinzip besagt, daß Verkehrsverpflichtungen dort entstehen, „wo der Verkehr auf die Abwesenheit einer besonderen Gefahr vertraut oder vertrauen darf', so ders., Verkehrspflichten, 1980,15). Hier wird nicht klar, welche Bedeutung das Verschulden hat. Muß es sich auf die genannten Elemente beziehen oder auf Verhaltensnormen, die der Bürger kennt und kennen kann, oder einfach auf die Möglichkeit des Schadenseintritts? 241 Der Pönalgedanke ist im deutschen Zivilrecht sehr umstritten. Nachw. bei Frieser (oben N. 122) 39 N. 119 a; Deutsch, Haftungsrecht, I (1976), 90; Motive zum BGB I I (1888) 17 f. 242 ζ . B. BGH 6.11.1979, BGHZ 75, 230 (239) (Fangprämien in Selbstbedienungsläden); BAG 23.3.1981, BAGE 35, 179 (183) (Insertionskosten). 243 So ζ. B. Großfeld, Die Privatstrafe (1961) 80. 4*

52

§ 8 Analyse bekannter Zurechnungsgründe

che Aufopferungen verlangt. Wann ihnen diese zuzumuten sind und inwieweit sie dafür eine Entschädigung verlangen können, ist eine Frage, die in einem viel weiteren Umfang erörtert werden muß, als dies heute geschieht. Ob man den Verschuldensgedanken jeweils in seine Bestandteile Vergeltung und Prävention aufspaltet, hängt davon ab, wie weit man die Analyse der Elemente des Rechtsgefühls (oder Rechtsempfindens) in den Vordergrund stellt oder statt dessen die Herausarbeitung der rechtlich wesentlichen Elemente des Sachverhalts. Da es in der Praxis mehr um die Erfassung der Sachverhaltselemente geht, wollen wir im folgenden mit dem Verschulden arbeiten, soweit nicht eine nähere Darlegung angebracht ist. Das Verschulden erscheint in unterschiedlichen Formen 2 4 4 . Viele Umstände können auf das subjektive Tatelement hindeuten. Diese sind dann zugleich Indizien für die größere oder geringere Schuld 2 4 5 . II. I m Gegensatz zu Wilburg Meinung, daß die Kausalität

246

und einer Reihe von A u t o r e n 2 4 7 bin ich der

(Verursachung) 2 4 8 oder Veranlassung 2 4 9 i n einer

fortschrittlichen Rechtsordnung keine selbständige Rolle spielen sollte 2 5 0 . Sie kann allenfalls ein Indiz für das Verschulden

s e i n 2 5 1 und begrenzt die Haftung,

w e i l nicht verursachte Schäden auch nicht verschuldet sein können. Doch kann die Ursachenkette auch so weit gehen, daß die Haftung für den verursachten Schaden nicht mehr gerecht erscheint. Das hat in allen fortgeschrittenen Rechtsordnungen zu Versuchen geführt, die Haftung durch zusätzliche Kriterien einzugrenzen. Dies ist 244 Vorsatz: Bydlinski, 34; Wilburg, Schadensrecht, 52; Fahrlässigkeit: Bydlinski, 34; Deutsch, 49; Flessner, 172; Wilburg, Schadensrecht, 54; Zusammenspiel, 356, 360. Verwerfliche Gesinnung: Mayer-Maly, 122, 125; vermeidbare Herkunftstäuschung, unlautere Erschleichung: Sack, 191; Schmarotzen an fremder Leistung (hier dürfte auch der Gedanke des Entgelts und der Restitution eine Rolle spielen): Sack, 193; subjektive Unlauterkeitsmerkmale, ζ. B. Planmäßigkeit der Nachahmung; ders., 197; Unvorsichtigkeit: Wilburg, Rektoratsrede, 16; Wissentlichkeit des Eingriffs: Zusammenspiel, 356 f. Problematisch ist die Haftung für die „ i m Verkehr erforderliche Sorgfalt" (§ 276 I BGB). Sie ist außerhalb des Vertrages Kausalhaftung. 245 Voraussehbarkeit: Deutsch, 49; Koller, 84; Schilcher, 295; Vorwurf des Mangels in der Sphäre des Haftenden: Koziol, 51; Beherrschungsmöglichkeit: Koller, 82; Mangel auf der Seite des Entreicheiten: Flessner, 172; Art des Anweisungsfehlers: ders., 174; systematische Nachahmung: Sack, 191; Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts: Ostheim, 200; Sorgepflichten: Ostheim, 202; Verschuldenszuweisungsgründe: Ostheim, 204; Möglichkeit der Verhinderung eines Vertrauenstatbestandes: Ostheim, 205; Nichtausnutzung der Möglichkeit, rechtzeitige Zahlung zu erlangen: Wilburg, Rektoratsrede, 17; Verhalten des Bereicherten und des Verkürzten: ders., Bereicherung, 145. Die be wußte Führung eines fremden Geschäfts verpflichtet zu besonderer Sorgfalt: Zusammenspiel, 361. 246 Wilburg, Rektoratsrede, 12 f. unter Nr. 1 u. 3; Zusammenspiel , 346 unter Nr. 3; Bereicherung, 155. 247 Bydlinski, 37; Deutsch, 49; Flessner, Bereicherungswegfall, 112. 248 Dazu gehören auch ihre verschiedenen Formen wie Adäquität (adäquate Verursachung): Bydlinski, 33, 34, 37; Deutsch, 49. 249 Koller, 82, 85; Canaris, 111; Flessner, 174; Wilburg, Zusammenspiel, 356, 360; ders., Bereicherung, 147; Rektoratsrede, 15: schuldloser Fehler des Verhaltens. 250 Zweifelnd auch v. Bar, 70. 251 So Wilburg, Bereicherung, 155.

§ 8 Analyse bekannter Zurechnungsgründe aber nirgendwo überzeugend gelungen. Es ist daher wohl kein Zufall, daß diese unbefriedigende Situation für Wilburg der Anlaß war, sein Bewegliches System zu entwickeln. Auf die Kausalität weist auch der Begriff der Sphäre 252, soweit er nicht nur eine Ergebnisumschreibung ist, die besagt, daß der Schaden in den Bereich falle, für den eine Partei die Verantwortung 253 zu tragen hat 2 5 4 . I I I . Die Gefährdung, insbesondere die Schaffung eines gefährlichen Zustands oder das Unterhalten einer gefährlichen A n l a g e 2 5 5 , ist ein häufig genannter Grund für die H a f t u n g 2 5 6 . Für die Gefährdungshaftung machen

258

257

lassen sich drei Gründe geltend

:

a) Wer den guten T e i l hat, soll auch den schlechten haben; wer den Vorteil aus dem gefährlichen Geschehen oder Gegenstand zieht, soll auch für die damit verbundenen Nachteile und die dadurch verursachten Schäden, einzustehen haben259.

252 Flessner, 174, ders. Bereicherungswegfall, 122; Wilburg, Gutgläubiger Erwerb, 569; Schadensrecht, S. 28 Nr. 2 u. 3, ebd., 39, hält er die „Ursächlichkeit der Sphäre" für ein Merkmal von allgemeiner Geltung. Ebd. 40: „Die Haftung ist demnach neben anderem Gesichtspunkten durch das Maß bestimmt, in welchem Umstände in der Sphäre des Haftenden für die Verletzung des fremden Rechtsgutes wirksam sind. Die Ursächlichkeit bleibt die irrationale Wurzel des Schadens." In diesen Zusammenhang gehört auch der von ihm genannte Mangel in der Sphäre des Haftenden (ebd. 28, 46, 49). Doch genügt es m. E. nicht, daß ein Mangel ursächlich ist, er muß auch zuzurechnen sein. 253 Auf die Verantwortung verweist Ostheim, 200, 202. 254 Westerhoff, Methodische Wertung, § 243 c, S. 162 f.; Wilburg, Schadensrecht, 40, 115; ebd. 6: „Die Sphärenhaftung setzt jedoch eine besondere Zurechnung voraus, die zugleich auch die Grenzen der Sphäre bestimmt." 255 Bydlinski, 31: beiderseitige Betriebsgefahr; Ostheim, 201: Betriebsrisiko, Schadensgeneigtheit. 256 Bydlinski, 33, 35, 37; Deutsch, 49; Koziol, 52; Wilburg, Rektoratsrede, 13, Nr. 2; ders. Schadensrecht, 28 Nr. 1; Zusammenspiel, 346 Nr. 1; Gutgläubiger Erwerb, 12. 257 Aufzählung der Gründe für die Gefährdungshaftung bei Wilburg, Schadensrecht, 13; Zachert, Gefährdungshaftung und Haftung aus vermutetem Verschulden im deutschen und französischen Recht (1971) 17-29; Rinck, Gefährdungshaftung (1959) 3-5. Neben den im Text genannten Gesichtspunkten werden in der Literatur erörtert: 1. Der betriebliche Zusammenhang von Gefährdung und Schaden. Er weist einmal auf die Verursachung (siehe dazu oben Π), zum anderen auf den Gedanken, wer den guten Teil hat, soll auch den schlechten haben (siehe oben § 6 I 4). 2. Die gleichen zwei Gründe stecken in dem umfassenderen Gedanken des Gefahrenbereichs. 3. Der Gedanke der Schadensteilung. Er betrifft eine alternative Rechtsfolge und insoweit den geringeren Nachteil (Interesse). 258 Einzelheiten: Westerhoff, Methodische Wertung §§242-245, 248, 251, S. 161-

166.

259 Flessner, Bereicherungswegfall, 125 ; v. Bar, 69: Die Pflicht zur Gefahrenkontrolle obliege demjenigen, der aus der Gefahrenquelle wirtschaftlichen oder ideellen Vorteil zieht. Die Schadloshaltung sei der Preis, der für das zugelassene Laufen einer Gefahr zu zahlen ist (73). Wilburg, Schadensrecht, 13, verweist auf den Gedanken des Interessenausgleichs. Ders., Zusammenspiel, 346 Nr. 5, auf die Idee der Konzentration von Vorteil und Gefahr in einem Unternehmen.

54

§ 8 Analyse bekannter Zurechnungsgründe

b) Da „Gefahr" die Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines unerwünschten Ereignisses ist, kann man denjenigen, der bewußt die Gefahr setzt und um die Möglichkeit des Schadenseintritts weiß, auch für die Folgen verantwortlich machen 2 6 0 . Insoweit ist es erlaubt, von einem Verschulden 2 6 1 zu sprechen 2 6 2 . c) Vielleicht kann gelegentlich auch der Gedanke eine Rolle spielen, man könne vermuten, daß derjenige, der eine Gefahrenquelle beherrscht, auch i m konkreten Fall den Schaden verschuldet hat (typisiertes Verschulden i m Gegensatz zu dem unter b behandelten entfernten Verschulden) 2 6 3 . Das entspricht der Ansicht von Koziol, 51, daß Verschuldens- und Gefährdungshaftung nicht getrennte Haftungskategorien sind, sondern die beiden Enden einer Kette von Zurechnungsgründen und daß desto höhere Anforderungen an die Sorgfaltspflicht zu stellen sind, je größer die Gefährlichkeit der Situation ist (S. 53). Nur meine ich im Gegensatz zu ihm, doch in Übereinstimmung mit v. Bar, 73 f., daß das Verschulden auch ein Element der Gefährdungshaftung ist und schon deshalb die Übergänge fließend sind. I V . Für den Vertrauensschutz oder die Vertrauenshaftung

264

,

können zunächst

die Interessen geltend gemacht werden, die durch eine Vertrauensverletzung beeinträchtigt sind und deren Beeinträchtigung durch die Ersatzleistung behoben werden sollen 2 6 5 : einmal der Vertrauensschaden des konkret Vertrauenden 2 6 6 , zum anderen — als Außenwirkung — die Nachteile, die der Geschäftsverkehr durch einen Vertrauensbruch erleidet 2 6 7 . 260 Wilburg, Gutgläubiger Erwerb, 569: bewußte Schaffung einer Gefahr; v. Bar, 63, sagt, daß die Gefährdungshaftung „als verschuldensunabhängig nur deshalb gedacht werden kann, weil man dem Verschulden den Bezugspunkt — die Rechtswidrigkeit — genommen hat". 261 Wilburg, Schadensrecht, 13, verweist auf den rechtspolitischen Zweck der Gefahrvermeidung und nennt damit einen der, oben § 81, aufgezeigten Gründe für die Verschuldenshaftung. 262 Der Einwand von Larenz, Prinzipien der Schadenszurechnung, JuS 1965, 373379 (379), Verschuldenshaftung und Risikohaftung ließen sich nicht auf einen Nenner bringen, weil die Rechtsordnung nicht im gleichen Zuge rechtfertigen und mißbilligen könne, argumentiert mit einem anderen Verschuldensbegriff auf einer anderen Ebene. Richtig ist, daß nach positivem Recht keine unerlaubte Handlung und kein Verschulden vorliegt, wenn ein Tun gesetzlich erlaubt ist. Hier dagegen wird auf gesetzgeberischer Ebene argumentiert. 263 v. Bar, 69: Die Pflicht zur Gefahrenkontrolle obliege demjenigen, der die Gefahrenquelle tatsächlich oder rechtlich zu beherrschen vermag. Koller, 79, nennt als Grund die abstrakte Beherrschbarkeit; Ostheim, 205: Zurechnung zum Betriebsrisiko wegen Möglichkeit der Schadensverhinderung. 264 Sie wird als Grund genannt von: Bydlinski, 38; ders. Privatautonomie, 138, 164; v. Bar, 69; Hönn, 100; Canaris, 105,111 \ Krejci, 129; Flessner, 174; Wilburg, Gutgläubiger Erwerb, 569 f.; ders. Bereicherung, 151; Koller, 86: Verlassenhaben; Fenyves, 146: Fortbestand des gegenseitigen Vetrauens. 265 Einzelheiten Westerhoff, Methodische Wertung, §§ 217-220, S. 144-147. 266 Hönn, 100: Vertragsinteresse; Canaris, 110: Partnerschutz, 111: der Vertrauende habe sich in einer „existentiell" bedeutsamen Weise auf die Wirksamkeit des Vertrages eingerichtet; dem folgend Ostheim, 205.

§ 8 Analyse bekannter Zurechnungsgründe Die Beeinträchtigung der Interessen muß jedoch der anderen Seite zugerechnet werden k ö n n e n 2 6 8 , entweder aufgrund eines Verschuldens 2 6 9 oder einer Gefährd u n g 2 7 0 . Daneben mag auch der Gedanke der Bindung zwischen dem Zusichernden und dem Vertrauenden eine Rolle spielen 2 7 1 . V . Die Verpflichtungen aus Vertrag

272

und Rechtsgeschäft sind vor allem aus

dem Gedanken der Einwilligung gerechtfertigt. Diese Einwilligung der einen Partei w i r d i n der Regel fehlen, wenn die andere Partei eine fehlerhafte Leistung erbringt. Sie ist unter solchen Umständen nicht m i t der Zahlung des vollen Preises einverstanden. Wesentlich bei der Vertragshaftung sind daneben die Gründe, die ich für die Vertrauenshaftung angeführt habe 2 7 3 . Z u ihnen gehört auch der Gedanke der B i n d u n g 2 7 4 . Ferner kann der Gedanke des Interessenausgleichs (der Entgeltgedanke) eine Rolle spielen 2 7 5 . Bydlinski 276 hält daneben noch den Gedanken der ethischen Bindung an das Versprechen für wesentlich. Doch meine ich, daß dieser Überlegung — auch soweit sie nicht nur eine Ergebnisumschreibung ist — nur dann Bedeutung zukommt, wenn ein Vertrauen erweckt worden ist 2 7 7 .

267 Canaris , 109; Verkehrsschutz, S. 110: Drittschutz; Hönn, 88, 100, S. 90: Dem Erfordernis des Schutzes des Partners des Irrenden entspreche das Prinzip der Verkehrssicherheit. 268 Ostheim, 204 f., unter Hinweis auf Canaris, Vertrauenshaftung, 372 f.; Wilburg, Bereicherung, 154: Vertrauensschaden durch Verleiten zu überflüssigen Ausgaben; ders. Rektoratsrede, 15: Art der Irrtumsentstehung. 269 Canaris, 111 : Kenntnis des Formmangels. 270 Canaris, 110: Zurechnung des kaufmännischen Organisationsrisikos. 271 Koller, 86: „Voraussetzung einer Relevanz gemeinsamer Fehlvorstellungen sollte es aber sein, daß sich die Parteien besonders intensiv aufeinander verlassen haben." ders., 81: Vertrauensbindung; Ostheim, 205, meint, die Fürsorgepflicht lasse es als untragbar erscheinen, das Vertrauen des Dienstnehmers (auf ein bestimmtes Gehalt) zu enttäuschen. 272 Einzelheiten dazu Westerhoff, Methodische Wertung, S. 128-168. 273 Koller, 81 und Wilburg, Rektoratsrede, 6: Vertragstreue. Bei einer „Gemeinsamkeit von Fehlvorstellungen" (Koller, 81, 85) haben die Vertragspartner weder eingewilligt noch auf die richtige Leistung vertraut. 274 Koller, 86 Solidarität der Parteien; Hönn, 90: Schutz des Partners des Irrenden („Schutz" ist auch Ergebnisumschreibung). 275 Weitere, nur teilweise stichhaltige Gesichtspunkte sind: die in der Privatautonomie steckende „Persönlichkeitsentfaltung", die Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung, die Interessenwahrung durch die Partei selbst und der dadurch geförderte Rechtsfriede, die Beeinträchtigung des Geschäftsverkehrs und des sozialen Zusammenlebens durch die Nichterfüllung, dazu eingehend Westerhoff, Methodische Wertung §§204-213, S. 137-141. 276 Bydlinski, Privatautonomie, 109; ihm folgend: Hönn, 88. Fenyves, 153, verweist auf das Prinzip der Vertragstreue, „das ein Stehen zu seinem Wort fordert und die rechtsethische Konsequenz der Selbstverwirklichung durch privatautonome Gestaltung darstellt". Wilburg, Rektoratsrede, 19, spricht vom „Bedürfnis nach Sicherheit und unbedingter Bindung an das gegebene Wort".

§ 8 Analyse bekannter Zurechnungsgründe

56

Bei dieser Betrachtung sind Untersuchungen überflüssig, die sich, wie Canaris , 114 f., damit befassen, ob und wie zwischen Vertrag und Vertrauenshaftung, zwischen Willens- und Wissenserklärung 278 begrifflich zu trennen ist 2 7 9 . Seine Ausführungen leiden an einem Mangel, den die meisten begrifflichen Erörterungen haben: Man kann nicht sinnvoll darüber diskutieren, ob eine Begriffsbildung oder eine dogmatische Einordnung richtig ist, wenn man sich nicht zuvor darüber geeinigt hat, welchen Sinn die Einordnung haben und nach welchen Kriterien beurteilt werden soll, ob der Begriff richtig gebildet i s t 2 8 0 . V I . Der Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen aus Geschäftsführung Auftrag

ohne

rechtfertigt sich aus dem Interesse des Geschäftsherrn, das wahrgenom-

men w i r d 2 8 1 , und aus dessen typisierter (mutmaßlicher) E i n w i l l i g u n g 2 8 2 . Daneben kann bei altruistischer Hilfeleistung noch der Gedanke der Vergeltung (des Entgelts 2 8 3 ) für die gute Tat eine Rolle spielen, sowie der Gesichtspunkt, daß zwischen den Beteiligten eine engere Bindung entstanden i s t 2 8 4 . 277 Vgl. Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, Zur Haftung aus geschäftsbezogenem Handeln (1981) 163; Westerhoff, Methodische Wertung, § 214, S. 142 mit N. 2. 278 Dazu Bydlinsiki, 39, der von „Substitutionsanalogie" spricht, bei der das relevante Merkmal (hier der Geschäftswille) durch einen anderen, wertungsmäßig in dieselbe Richtung deutenden Umstand, etwa das besonders nachhaltige Vertrauen, substituiert wird. 2? 9 Ebenso Hönn, 89; Bydlinski, Privatautonomie, 226: „Es ist auch nicht möglich, dem Bereich des Rechtsgeschäftes einen wesensverschiedenen Bereich der Vertrauenshaftung etc. entgegenzustellen, da auch die Willenserklärung im engsten denkbaren Sinn einen Vertrauenstatbestand schafft." Gemeint ist wohl der Vertrag; ein Testament schafft keinen Vertrauenstatbestand. Zur herrschenden Meinung, daß die Selbsbestimmung durch den Vertrauensschutz substituierbar ist, Nachw. bei Singer, Geltungsgrund und Rechtsfolgen der fehlerhaften Willenserklärung, JZ 1989, 1030-1035 (1030) N. 3. 280 Canaris, Vertrauenshaftung, 279 mit N. 34,293, hält die dogmatische Selbständigkeit der Rechtsgeschäftslehre gegenüber der Lehre von der Vertrauenshaftung (ebd. 412) u. a. deshalb für erforderlich, weil es von der rechtlichen Qualifizierung abhänge, ob die für den Vertrag geltenden Formvorschriften unmittelbar oder analog anzuwenden sind. Er meint, bei einer Analogie sei — anders als bei unmittelbarer Anwendung des §125 BGB — zu berücksichtigen, „ob und in welchem Maße die Formzwecke im Einzelfall beeinträchtigt sind". Die Frage, ob bei einer Analogie strikter Vorschriften auf den Einzelfall abgestellt werden darf, ist grundsätzlicher Art und darf m. E. nicht von der Rechtsnatur der angewandten Norm abhängig gemacht werden. Bei Verjährungsvorschriften wird die Frage wohl durchweg verneint. Bei der Einwilligung von Minderjährigen in die Operation hat BGH 5.12.1958, BGHZ 29, 33 (36) sie im Gegensatz zu RG 30.6.1911, JW 1911, 748, bejaht. Zur Bekämpfung von Gesetzesumgehungen — um die es Canaris hier geht — kann es (ζ. B. bei einer unwiderruflichen Vollmacht) sehr wohl erforderlich sein, ein Rechtsgeschäft auch dann für formnichtig zu erklären, wenn die Formzwecke in concreto nicht beeinträchtigt sind, ζ. B. beide Vertragsparteien nicht übereilt gehandelt haben, sondern die Vereinbarung ihren Vorstellungen entspricht. Dazu Westerhoff, Formnichtigkeit, dort bei N. 125. Die Gründe für die Bindung der Gerichte an starre Normen (s. unten § 12 IV) dürften bei einer Analogie wohl nie wirklich stichhaltig sein (unten § 12 V I I I vor 1). 281 Wilburg, Zusammenspiel, 361, spricht von der Schutzwürdigkeit des Leistenden. Ob er „würdig" ist, ist jedoch die streitige Wertungsfrage. 282 Zur „Parallelität zweier Willen" Wollschläger (oben N. 85) 44 f. m. Nachw.

§ 8 Analyse bekannter Zurechnungsgründe Uberwiegend ist davon die Rede, es solle die gemeinnützige Hilfe gefördert werden 285 . Das bezeichnet vor allem eine Außenwirkung: Künftige Menschenhilfe. Sie liegt im Interesse der Allgemeinheit, also derjenigen, denen künftig geholfen wird. Wenn demgegenüber ein Geschäftsführer die Vorstellung hat, das Geschäft sei sein eigenes, so hat er die Aufwendungen in Kauf genommen 286 . V I I . Die Haftung für Gehilfen ist gerechtfertigt aus mehreren Gedanken: 1. Wer den guten T e i l hat, soll auch den schlechten haben; wer die Vorteile daraus zieht, daß andere für ihn arbeiten, muß auch für die dadurch entstandenen Schäden aufkommen 2 8 7 . 2. spielt der Gedanke eines vermuteten (typisierten) Verschuldens bei Auswahl und Aufsicht des Gehilfen eine R o l l e 2 8 8 . 3. kann man bei der vertraglichen Haftung für Erfüllungsgehilfen zudem annehmen, daß der Versprechende dem Vertragspartner die ordentliche Erfüllung zugesagt h a t 2 8 9 und daß er sich dieser Verpflichtung nicht durch den Verweis auf seinen Gehilfen entziehen k a n n 2 9 0 . In Zweifelsfällen kann man den zuletzt genannten Gedanken wieder in die vorher genannten Gesichtspunkte aufgliedern: In der vertraglichen Verpflichtung steckt die Einwilligung und die Vertrauenshaftung 291 . Die Vertrauenshaftung ist gerechtfertigt als Wiedergutmachung des Vertrauensschadens des konkret Vertrauenden und der Allge283 Stoljar, Negotiorum Gestio, International Encyclopedia of Comparative Law, Vol. X, Chapter 17, p. 17; Wilburg, Zusammenspiel, 361, nennt die Fortwirkung des Eigentums. 284 Wilburg, Zusammenspiel, 361, nennt als Grund die Rechtsgemeinschaft und die Interessen Verbindung. 285 Stichwort „Menschenhilfe", Nachw. zu dieser herrschenden Meinung: Wollschläger, (oben N. 85) 25, N. 7; Fikentscher, Schuldrecht 7. Aufl. (1985) § 83 I 2, S. 573: Es „sollen Hilfsbereitschaft und Gemeinsinn gefördert werden". Erman / Hauß 7. Aufl. (1981) Rdn. 1 vor § 677 BGB: Förderung der verantwortungsvollen Initiative zugunsten des Nächsten im Interesse der Rechtsgemeinschaft. 286 Wilburg, Zusammenspiel, 361, sagt, der animus aliena negotia gerendi habe gefahrüberwälzende Kraft. 2 87 So ζ. B. Motive zum BGB II, 30; Helm, Rechtsfortbildung und Reform bei der Haftung für Verrichtungsgehilfen, AcP 166 (1966) 389-408 (402); MünchKomm (-Hanau) 2. Aufl. (1985) § 278 BGB Rdn. 1; Esser ! Schmidt, Schuldrecht I, 6. Aufl. (1984) § 8 I I 4, S. 115; § 27 vor I, S. 389; § 27 I 3 B, S. 396; Soergel / Wolf 11. Aufl. (1986) § 278 BGB Rdn. 1. 288 Vgl. § 83112BGB; Soergel/Zeuner, 11. Aufl(1985) § 831 BGB Rdn. 1 \Staudingeri Schäfer, 2. Aufl. (1986) § 831 BGB Rdn. 1, 2; harem, Lehrbuch des Schuldrecht II, 12. Aufl. (1981) § 73 VI, S. 648; Helm, (vorige N.) 393; Jakobs, Über die Notwendigkeit einer Reform der Geschäftsherrenhaftung, VersR 1969, 1061-1071 (1065). Das Verschulden des Gehilfen allein kann m. E. kein Grund für die Haftung des Geschäftsherrn sein, anders Wilburg, Schadensrecht, 226. 289 Motive zum BGB II, 30; Esser ! Schmidt (oben N. 287) § 27 I 1, S. 390 f.; Eike Schmidt, Zur Dogmatik des § 278 BGB, AcP 170 (1970) 502-533 (502, 522). 29 0 Esser I Schmidt (oben N. 287) § 27 vor 1, S. 389; BGH 18.11.1982, NJW 1983, 448: Aufgabe des Schuldners, „die im Verhältnis zum Gläubiger ihm selbst obliegt". 291 Auf das Vertrauen bei der Gehilfenhaftung verweisen: Wilburg, Schadensrecht, 225, 229; Soergel / Wolf, 11. Aufl. (1986) § 278 BGB Rdn. 1; Esser I Schmidt (oben N. 287) § 27 I 4, S. 399; Eike Schmidt (oben N. 289) 509, 511.

§ 9 Erfassung der Tatsachen

58

meinheit sowie aus den Zurechnungsgründen Verschulden und Gefährdung 292 . Die Gefährdungshaftung ist begründet aus dem Interessenausgleich (Wer den guten Teil hat, . . . ) und aus dem allgemeinen (Kenntnis der Gefährlichkeit) und dem speziellen Verschulden (Verschuldensvermutung im konkreten Fall). Beim Verschulden kann man Vergeltung und Prävention unterscheiden. Nicht in allen Fällen ist es sinnvoll, diesen Weg bis zu den vier Grundelementen zurückzugehen. Das wäre ein Verzicht auf alle bis heute gewonnene juristische Dogmatik. Anders ist das in Zweifelsfällen, in denen man fragt, wie weit die Gehilfenhaftung reicht.

§ 9 Erfassung der Tatsachen Bisher wurde gezeigt, wie die maßgeblichen Gründe i n den verschiedenen Rechtsinstituten wiederzufinden sind. Der Richter hat es jedoch mit Tatsachen zu tun, Sachverhalten, die i h m von den Prozeßparteien vorgetragen werden und die er zu bewerten hat. W i e verhalten sich diese Tatsachen zu den Elementen des Beweglichen Systems? I. Einige materiale

Gründe sind selbst Tatsachen: die Einwilligung sowie die

Abstammung und die Eheschließung, auf denen die familiäre Bindung beruht. Eine Besonderheit besteht bei der Vergeltung. Sie ist eine Funktion der Rechtsfolge, die das Rechtsgefühl des Urteilenden beeinflussen kann. Das Vergeltungsbedürfnis ist eine Tatsache i m Bewußtsein des Urteilenden. II. I m übrigen ist die Relevanz der Tatsachen nicht unmittelbar zu erkennen. Sie w i r d erst deutlich durch eine Subsumtion

unter Gesichtspunkte

293

.

Insofern

haben die materialen Gründe die gleiche Funktion wie die Tatbestände i m üblichen System der Rechtssätze 294 . Das zeigt sich an den von Schilcher, 317, genannten Komponenten des Überrumpelungsschutzes: mehr oder weniger kongruente Anbahnung, Intensität der Verhandlung und ihre Dominierung durch den anderen Teil, Höhe des Entgelts, Art des Geschäfts. Doch bestimmt sich die Relevanz dieser Umstände letztlich danach, ob sie ein Indiz für den endgültig entscheidenden Gesichtspunkt, die Einwilligung, sind 2 9 5 . Die Überrumpelung ist nur ein Unterfall, ähnlich wie etwa eine lange dauernde Überredung. 2 2 ? Auf die Gefährlichkeit des Unternehmens verweisen: Wilburg, Schadensrecht, 225; Eike Schmidt (oben N. 289) 533; Zweigert / Kötz (oben N. 143) § 18 V, S. 390; auf das Betriebsrisiko: Larenz (oben N. 288) 651 f.; MünchKomm(-//a«öw), 2. Aufl. (1985) § 278 BGB Rdn. 2. 2 93 Westerhoff, Methodische Weitung, § 517, S. 318 f. Einen analogen Gedankengang kennt das Strafzumessungsrecht: Bruns, Strafzumessungsrecht (Gesamtdarstellung), 2. Aufl. (1974) 52; Jescheck, Lehrbuch des Strafrechts, Allgem. Teil, 3. Aufl. (1978) § 82 I I I 2, S. 702. Ich habe im Anschluß daran die Ausdrücke Entscheidungsgründe und Entscheidungstatsachen vorgeschlagen: ebd., §519, S. 319. Im Planungsrecht spricht man von Abwägungsmaterial, unter das die konkreten Umstände des Falles zu subsumieren sind: Geizer, Bauplanungsrecht, 4. Aufl. (1984) S. 24 Rdn. 44. Beide Vorgänge, die Zusammenstellung des Materials und die Subsumtion, gelten als Rechtsanwendung und sind daher von den Verwaltungsgerichten nachprüfbar: Brügelmann / Grauvogel (oben N. 93) § 1 Anm. 435 m. Nachw. 294 Vgl. dazu Otte, 282.

§ 9 Erfassung der Tatsachen 1. W i r haben oben i n den Noten zu § 6 einzelne von den Autoren genannte Umstände angegeben, welche die jeweiligen Interessen deutlich machen. I n einem Urteil wären diese noch weiter zu konkretisieren durch die Umstände des konkreten Falles: den Wert des zerstörten Kraftfahrzeuges, oder der entgangenen Aufträge, der Anzahl der Menschen, die von einer rufschädigenden Behauptung gehört haben. 2. Relevante Tatumstände können auch Indizien sein. Sie sind, wie die materialen Gründe, bewegliche Elemente: Es kommt auf ihr jeweiliges G e w i c h t 2 9 6 , die Beweiskraft, an, und sie sind austauschbar. E i n gravierendes Indiz, etwa ein Fingerabdruck, die Blutgruppe bei der Abstammungsfrage (so Otte , 274) oder ein Geständnis, kann andere Indizien ersetzen. I m Recht bezeichnet man als Indizien gemeinhin solche Tatsachen, die auf jene anderen Tatsachen hinweisen, welche nach dem Gesetz wesentliche Voraussetzung für die Rechtsfolge, also Tatbestandsmerkmale, sind. M a n kann als Indizien aber auch solche Sachverhaltselemente

ansehen, die auf materiale

Grün-

de hinweisen, welche die fragliche Regelung innerlich rechtfertigen. a) Wesentliche materiale Gründe lassen sich nur durch Indizien feststellen, weil sie geistige Vorgänge sind: Einwilligung, Verschulden, gefühlsmäßige Bindung. Die Umstände, die auf sie hindeuten, müssen i n einer Begründung angegeben werden. Sie weisen nicht nur auf das Vorliegen eines geistigen Vorgangs überhaupt, sondern auch auf seine Stärke hin: die Größe des Verschuldens oder Vertrauens, die Überlegtheit der E i n w i l l i g u n g 2 9 7 . b) Häufig sind i n einem Urteil Interessen zu berücksichtigen, die in Zukunft gefördert werden sollen oder deren Beeinträchtigung verhindert werden soll. Das können einmal die Interessen einer Prozeßpartei sein: Verwechslung ihrer Warenzeichen, Wettbewerbsbeeinträchtigungen, entgehender Gewinn. Wichtiger sind die Außenwirkungen

auf die Interessen der nicht am Prozeß beteiligten Personen,

zum Beispiel erleichterter Geschäftsverkehr, verstärkter Wettbewerb, unerlaubte Handlungen, die verhindert, ordentliche Vertragserfüllungen, die durchgesetzt werden sollen. A u f all diese künftigen Vorgänge kann das Gericht nur mit Hilfe gegenwärtiger Tatsachen schließen. 3. Die Subsumtion unter Gesichtspunkte ermöglicht uns die richtige Bewertung antinomischer

Tatumstände

298

.

Das sind Tatsachen, die sowohl für wie gegen

295 Daneben können als (bewegliche) Gründe noch das Interesse und das Vertrauen der einen und das Verschulden der anderen Seite in Betracht kommen. 296 Otte , 274, stellt fest, daß der Schluß von Indizien auf die Hauptsache, der „Wahrscheinlichkeitsschluß" durch die Anwendung „komparativer Sätze" vorgenommen wird. 297 Siehe oben N. 216, 229, 245. 298 Dazu WesterhoffMethodische Wertung, S. 320 f. Bekannt ist die Erscheinung auch in der Strafzumessung unter dem Stichwort „Bewertungsrichtung der Strafzumessungstatsachen": Bruns, (oben N. 293) 48 f., 617 f.; zur Antinomie der Strafzwecke: ders., Das Recht der Strafzumessung, 2. Aufl. (1985) 81.

§ 9 Erfassung der Tatsachen

60

die streitige Rechtsfolge geltend gemacht werden k ö n n e n 2 9 9 . Solange man m i t Tatbestandsmerkmalen arbeitet, können solche Umstände nur i n eine Richtung weisen, was prozessual zu dem Problem des „ungünstigen Parteivorbringens" 3 0 0 führt. B e i m Abwägen beweglicher Elemente können w i r demgegenüber beide Seiten einer Tatsache berücksichtigen. So sagt Fenyves, 154, je länger ein Dauerschuldverhältnis, desto schutzwürdiger ist es. Demgegenüber sieht Mayer-Maly, 126, in der Dauer der Bindung (beim Bierlieferungsvertrag) ein Sittenwidrigkeitsindiz, das für die Vertragsauflösung spricht. Hier wird jeweils unausgesprochen unter einen anderen Grund subsumiert: Fenyves stellt auf die Verstärkung der Bindung ab („je harmonischer es bisher verlaufen ist"), während MayerMaly, 122, die in der Freiheitsbeschränkung liegende Interessenbeeinträchtigung sieht. Ferner hält Fenyves, 152, das jugendliche Alter für einen Grund, der gegen die Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses spricht. Das ist richtig, wenn man — wie er — auf das Verschulden sieht. Man kann aber auch umgekehrt geltend machen, daß ein Jugendlicher noch eine bessere Möglichkeit hat, sich neu zu orientieren als ein Älterer, sein Interesse am Fortbestand des Verhältnisses also geringer ist. Einmal wird das Verschulden als Begründung angeführt, das andere Mal das Interesse. Schilcher, 298, nennt die Höhe des Entgelts als ein Indiz für die Überlegtheit des Geschäfts. Sie spricht für die Gültigkeit des Vertrages. Man kann aber auch umgekehrt argumentieren, daß der Schuldner bei hohem Entgelt stärker betroffen werde und deshalb schutzbedürftiger sei. I n den drei Fällen spricht das Interesse einer Partei für eine bestimmte Entscheidung, jedoch eines der drei anderen (beweglichen) Grundelemente jeweils dagegen, i m ersten Fall die Bindung der Partei, i m zweiten ihr Verschulden, i m dritten ihre fehlende Einwilligung. Dies ist ein Widerspruch anderer A r t als der regelmäßig zwischen den Parteien bestehende Interessengegensatz. 4. Der letzte Fall macht noch eine andere Problematik deutlich. E i n hohes Entgelt kann ein Indiz für die gründliche Überlegung sein, ein zu hohes Entgelt oder ein anderer unangemessener Vertragsinhalt, etwa überhöhte Zinsen, können aber auch gegen eine vernünftige Überlegung sprechen. 3 0 1 Das ist Tatfrage.

Der

rechtlich maßgebende Gesichtspunkt ist insoweit der Geschäftswille (die E i n w i l l i g u n g ) 3 0 2 . Der unangemessene Vertragsinhalt kann aber auch ein Hinweis auf die Interessen sein. Welche Bedeutung man ihnen insoweit beimißt, ist Rechts(Wertungs)-frage. Zur Beantwortung der Tatfrage kann man unter Umständen die Methoden anderer Disziplinen

heranziehen, vielleicht die Psychologie. Doch setzt ihr ver-

299 Interessante Beispiele: Struck, Topische Jurisprudenz (1971) 15 f. 300 Dazu Wieczorek, 2. Aufl. (1976) § 288 ZPO Rz. A I a 6. soi So MünchKomm(-Kramer), 2. Aufl. (1985) Einl. vor § 241 BGB Rdn. 30. MayerMaly, 122, 125, 126, spricht von Sitten Widrigkeitsindizien. 302 Vgl. Krejci, 133; Schilcher, 290. Zu den „Seriositätsindizien", die dazu dienen, „rechtlich durchsetzbare Geschäfte von solchen zu scheiden, die den Schutz der Gerichte nicht verdienen": Zweigert / Kötz (oben N. 292) 83-86.

§ 9 Erfassung der Tatsachen nünftiger Einsatz auch i n diesen F ä l l e n 3 0 3 voraus, daß der Jurist zunächst klar sagt, w o die rechtliche Wertung aufhört und w o Erforschung der (psychischen) Tatsachen anfängt. Das kann nur durch die Nennung der beweglichen Wertungselemente geschehen. Ganz anderer A r t ist die Unterscheidung von Rechts- und Tatfrage, welche die herrschende

Meinung

macht. Danach ist die Rechtsfrage i m wesentlichen

die richtige Subsumtion unter Rechtsnormen 3 0 4 . Wäre diese Ansicht richtig, so wäre die richtige Anwendung des Beweglichen Systems keine Rechtsfrage. M i r scheint, daß die Lehre Wilburgs

zu einem Durchdenken der überkommenen

Subsumtionslehre führen sollte. Unter diesem Aspekt könnte man auch die Tatsache kritisch betrachten, daß ein großer Teil der vom Bundesgerichtshof in Zivilsachen aufgehobenen Entscheidungen nicht von diesem selbst entschieden, sondern an die Vorinstanz zurückverwiesen werden 305 . Man fragt sich, welchen Sinn ein solches Verfahren hat, wenn vorher bereits in zwei Tatsacheninstanzen Beweis erhoben worden ist. Haben die Richter der Vorinstanzen es in all diesen Fällen unterlassen, rechtlich wesentliche Umstände in den Urteilstatbestand zu schreiben 306 ? Das Bewegliche System wäre eine Methode, die Kriterien zu erarbeiten, nach denen man die Relevanz der Tatsachen in allen Fällen feststellen kann. 5. Durch die Einordnung der Tatsachen und Indizien w i r d die Größe der Abwägungselemente

deutlich: das Gewicht der Interessen, die Intensität der Ein-

willigung, die Größe des Verschuldens und des Vertrauens. 3 0 7 So nennt Steininger, 13, folgende Umstände, die nach Rechtsprechung und Lehre eine Rolle spielen, wenn zu beurteilen ist, ob eine „Verletzung oder Gesundheitsbeschädigung an sich schwer" im Sinne von § 84 österr. Strafgesetzbuch ist: Wichtigkeit des verletzten Organs, Schwere des gesundheitlichen Nachteils, Ungewißheit des Heilverlaufs, Gefährlichkeit der Verletzung und ihre möglichen Folgen, Dauer der körperlichen Beeinträchtigung, Körperzustand des Opfers. 303 Dazu auch oben bei N. 193 zu den Außen Wirkungen. 304 Scheuerle, Beiträge zum Problem der Trennung von Tat- und Rechtsfrage, AcP 157 (1958/1959) 1 - 85 (39); Kuchinke, Grenzen der Nachprüfung tatrichterlicher Würdigung und Feststellungen in der Revisionsinstanz. Ein Beitrag zum Problem von Rechtsund Tatfrage (1964) 101; Engisch, Logische Studien zur Gesetzesanwendung, 2. Aufl. (1960) 83; Henke, Die Tatfrage (1966) 97: „Die syllogistische Schlußform ist für die Kontrolle und die Darstellung des Rechtsfindungsergebnissen schlechthin unentbehrlich — es sei denn, man verzichte darauf, einander durch Gründe zu überzeugen." 305 i m Jahre 1989 wurden von 571 aufgehobenen Entscheidungen 403 an die Vorinstanz zurückverwiesen, 168 vom BGH selbst entschieden; das sind 29,42%. 306 Es wäre einmal eine interessante Forschungsaufgabe, an Hand der Akten zu untersuchen, was in den dritten Tatsachenverhandlungen jeweils Neues herausgekommen ist, vgl. dazu etwa BGH 14.2.1957, BGHZ 23, 319. 307 Fenyves, 145, meint, die Auflösungs- und Bestandsinteressen erbrächten durch ihr objektiv zu prüfendes Gewicht erst die endgültige Entscheidung darüber, ob eine bestimmte Tatsache in einem bestimmten Zeitpunkt einen wichtigen Grund zur Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses darstellt. Ich würde umgekehrt formulieren: Das Gewicht des Interesses bestimmt sich nach den Tatsachen, die sich jeweils unter diesen Gesichtspunkt subsumieren lassen.

62

§ 9 Erfassung der Tatsachen

6. Es ist hier darauf zu achten, daß es nicht zu einer Doppelverwertung

kommt.

Das geschieht etwa, wenn w i r die Interessen neben den Umständen nennen, aus denen sich das Gewicht der Interessen ergibt. Die Notwendigkeit einer sauberen Trennung zeigen die in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Konkretisierung des Begriffs „Verwechslungsgefahr" im Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht aufgeführten Gesichtspunkte, wie sie von Sack, 181185, zusammengestellt sind: A. Zeichenähnlichkeit, B. Bekanntheit der Zeichen, C. Unterscheidungs- und Kennzeichnungskraft, D. Dauer der Zeichenbenutzung, E. Branchennähe und sachliche Berührungspunkte, F. tatsächlich erfolgte Verwechselungen, G. Grad der zu erwartenden Aufmerksamkeit der Zeichenadressaten sowie H. Schutzinteresse des Zeicheninhabers und Benutzungsinteresse Dritter. Elemente einer Wertung (Interessenabwägung) können wohl nur die zuletzt genannten Interessen sein 3 0 8 . Werden die anderen Umstände gleichrangig daneben aufgeführt, so verdoppelt sich ihr Gewicht. Bei mehreren Elementen ist umstritten, inwieweit sie Indizien für künftige Verwechslungen sind. Das gilt vornehmlich für die Bekanntheit der Zeichen 3 0 9 , die Unterscheidungs- und Kennzeichnungskraft 310 sowie für die Dauer der Zeichenbenutzung 311 . Die Unklarheit dürfte auch daher rühren, daß in diesen Fällen der Zeicheninhaber ein größeres Interesse an einer klaren Unterscheidung hat, auch wenn die Verwechslungsgefahr tatsächlich geringer i s t 3 1 2 . Auf noch anderen Ebenen liegen die tatsächlich erfolgten Verwechslungen und der Grad der zu erwartenden Aufmerksamkeit. Die im Prozeß nachweisbaren Tatsachen sind nur Indizien für die Zukunft. Auf die spätere Aufmerksamkeit kann man aus mehreren Umständen schließen, etwa auch aus der Unterscheidungs- und Kennzeichnungskraft, und diese ist dann wieder ein Indiz für künftige Verwechslungen, durch welche ein Interesse beeinträchtigt werden kann. Wenn man hier rechtlich abwägen w i l l , muß man 1. die gegenwärtigen Tatsachen feststellen, 2. fragen, für welche künftigen Tatsachen sie Indizien sind, und 3. mittels einer Subsumtion unter Gesichtspunkte feststellen, durch welche künftig zu erwartenden Tatsachen die Interessen der einen oder der anderen Partei beeinträchtigt werden. Der Gedankengang kann auch i n umgekehrter Richtung verlaufen. W i e bei der Subsumtion von Sachverhalten unter Gesetzestatbestände kommt es bei der Subsumtion von Tatsachen unter Wertungsgesichtspunkte zu einem „ H i n - und Herwandern des B l i c k e s " 3 1 3 . 308 Ferner wird man das Interesse der Abnehmer an einer klaren Kennzeichnung der von ihnen bezogenen Waren nennen können, Baumbach(-Hefermehl), Warenzeichenrecht, 12. Aufl. (1985) Einl. WZG Rdn. 11. 309 Nachweise bei Sack, 181 N. 18,19,20; Baumbach(-Hefermehl), Wettbewerbsrecht, 14. Aufl. (1983) § 16 UWG Rdn. 114; Vierheilig, Grenzen der Maßgeblichkeit der Verkehrsauffassung im Warenzeichenrecht (1977) 93. 310 Sack, 182 N. 21-25; Krüger-Nieland, Neue Beurteilungsmaßstäbe für die Verwechslungsgefahr im Warenzeichenrecht?, GRUR 1980, 425-429 (426). 311 Sack, 183 N. 27-29. 312 Vierheilig (oben N. 309) 95 f., spricht von einem WertungsWiderspruch; vgl. auch Baumbachf-Hefermehl) (oben N. 308) § 31 WZG Rdn. 15, 16; Kraft, Die Bedeutung der Verkehrsbekanntheit eines Warenzeichens, GRUR 1977, 417 (418).

§ 11 Anwendungsbereich des Beweglichen Systems für die Gerichte

63

§ 10 Probleme des Zusammenlebens A u f eine Problematik besonderer A r t verweisen die Gesichtspunkte: Destination eines Kaufobjekts als Bordell (Mayer-Maly,

126) und den Schutz familien-

rechtlicher Institutionen 3 1 4 . Hier sind die Regeln des Zusammenlebens der Geschlechter und der nahen Angehörigen angesprochen. Voraussetzung für ihre Einbeziehung i n ein Bewegliches System wäre, daß man die hier vorherrschenden komplexen Weitungen i n ihre Elemente zerlegen kann. Es läßt sich heute aber kaum darlegen, welche Vor- und Nachteile die verschiedenen Regelungen für den einzelnen und für die Gesellschaft haben 3 1 5 . Zwar werden diese Probleme vielfach m i t größerem Engagement als andere Rechtsfragen auch unter Juristen diskutiert. Doch geschieht das vornehmlich zur Bekräftigung und „Begründung" des eigenen Standpunkts. Das ist alles andere als ein Abwägen nach dem Beweglichen System. I n der Sexualmoral gehen Sitte und Recht mehr als sonst ineinander über. So spielen, zum Beispiel beim Bordellkauf, noch Tabuvorstellungen eine Rolle, die aus der Sittenordnung stammen. Sie sind einer Relativierung nicht zugänglich. Deshalb soll dieser Bereich hier aus der Erörterung ausgeklammert werden.

§ 11 Anwendungsbereich des Beweglichen Systems für die Gerichte Die aufgezeigten Elemente des Beweglichen Systems sind geeignet, i n einem Streitfall die rechtliche Problematik zu verdeutlichen. Die Gesichtspunkte, die sonst nur ein Schattendasein als ratio legis oder

„Zweck"

des Gesetzes führen,

werden so ins Bewußtsein gehoben. W i r haben aufgezeigt, welches die Gründe für die Auferlegung eines Nachteils sein können. Doch w i r d diese Verdeutlichung die Arbeit des Richters häufig kaum erleichtern können, oft eher erschweren und belasten 3 1 6 . Es w i r d jedem klar sein, daß das ganze Recht nicht aus beweglichen Elementen bestehen k a n n 3 1 7 . Vielmehr gilt es aufzuzeigen, w o man fruchtbar mit dem System arbeiten kann und wo für den Richter die Grenzen dieser Methode liegen 3 1 8 . 313 Engisch, (oben N. 304) 15. 314 Krejci, 133; Schilcher, 307: Familienschutz. 315 An der Grenze liegt das gesetzliche Erbrecht, das, wie Steininger, 20, sagt, für die Anwendung des Beweglichen Systems weniger geeignet ist. Dazu Westerhoff, Methodische Wertung, S. 190-200. 316 Zum Psychologischen: Westerhoff, Methodische Wertung, §§ 63-66, S. 53-56. 317 Wilburg, Rektoratsrede, 4; Bydlinski, Methodenlehre, 534; Mayer-Maly, Renaissance der laesio enormis, 2. FS-Larenz (1983) 395-409 (407): „Wegen der unbestreitbaren Abschwächung der Rechtssicherheit. . . kommt die Möglichkeit einer Heranziehung des beweglichen Systemdenkens nicht schon seiner Zulässigkeit gleich."

64

§ 11 Anwendungsbereich des Beweglichen Systems für die Gerichte I. E i n wichtiges Anwendungsgebiet ist die Ausfüllung

denen auch die Generalklauseln 3 1 9 zählen. Korinek,

von Freiräumen,

das Bewegliche System sich vereinbaren läßt m i t der Lehre Adolf Merkls stufenweisen Rechtskonkretisierungsprozeß,

zu

252, weist darauf hin, daß 320

vom

nach dem die Setzung einer Rechts-

norm durch zwei Faktoren bestimmt ist: Durch die Anwendung der übergeordneten (relativ abstrakten) Rechtsnorm einerseits und durch das hinzutretende Ermessen des Rechtsanwendungsorgans andererseits. I n diesem zweiten Bereich ließe sich die Methode Wilburgs

anwenden. So zeigt uns Österreich auf glückliche

Art, wie zwei verschiedene Denkweisen, die Wiener und die Grazer Schule, eine Verbindung eingehen können. II. Weiter eignet sich das Bewegliche System zu einer rationalen trollebei

Begleitkon-

der w i r feststellen, ob das nach positivem Recht gefundene Ergebnis

angemessen und gerecht ist oder ob w i r nach anderen Lösungen suchen müssen, sei es durch ausdehnende oder einschränkende Auslegung, durch Analogie oder teleologische Reduktion oder durch richterliche Rechtsfortbildung. 1. Eine solche Kontrolle ist um so verläßlicher, je unabhängiger sie von dem Vorgang ist, der kontrolliert werden soll. Diese Unabhängigkeit Normanwendung

von der üblichen

hat das Bewegliche System, w e i l Abwägen etwas ganz anderes

ist als Ableiten oder Deduzieren 3 2 1 . Die Elemente des Beweglichen Systems, die Abwägungsgesichtspunkte, unterscheiden sich grundsätzlich von den Tatbestandsmerkmalen. 2. Die Herausarbeitung der Wertungselemente kann in vielen Fällen zu einem relativ sicheren Ergebnis

führen, weil sich bei genauer Betrachtung deutlich

zeigt, daß viele der vorgebrachten Gesichtspunkte nicht stichhaltig s i n d 3 2 2 oder w e i l sich herausstellt, daß die für eine Seite vorgebrachten Gründe überwiegen 3 2 3 . 318

Wilburg, Rektoratsrede, 22, hat ausgeführt, seine Methode habe „zunächst dogmatische Bedeutung. Ihre Verwertung für das positive Recht ist eine Frage der Gesetzestechnik und, soweit Lehre und Praxis das Recht fortbilden, des juristischen Temperaments"; ähnlich Flessner, 175, kritisch dazu Bydlinski, 40. 319 Mayer-Maly, 117-126; Schilcher, 289. 3 20 Merkl, Allgemeines Verwaltungsrecht (1927), 142. 321 Steininger, 2 f.; Flessner, 169; Westerhoff, Methodische Wertung, § 53, S. 46 f.; § 61, S. 51 f.; Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft 4 (Tübingen 1956) 573; Luhmann, Grundrechte als Institution (1965) 170. Er sieht, Rechssystem und Rechtsdogmatik (1974) 33 mit N. 68, in Wilburgs Beweglichem System lediglich eine bemerkenswerte Vorarbeit für die notwendige dogmatische Arbeit, die über den einen Gesichtspunkt der Flexibilität nicht hinauskommt. 32 2 So habe ich in meiner Methodischen Wertung dargelegt, daß von 48 Gesichtspunkten, die beim formlosen Hofübergabeversprechen (BGH 16.2.1954, BGHZ 12, 286) zu erörtern sind, sich 25 als nicht stichhaltig erweisen (siehe Zusammenschau ebd. S. 269273) und daß ich deshalb das Ergebnis des BGH für gerechtfertigt halte, ebd. 313. Dies ist von Bydlinski, Methodenlehre, 168, unrichtig wiedergegeben worden. Überdies unterstellt er, ebd. 167, 170 N. 401, einen anderen Sachverhalt (geringes Arbeitsentgelt für den Bauernsohn); siehe dazu Methodische Wertung, § 162 e, S. 111 f. 323 Eine ganz andere Ansicht vertritt Bydlinski, Methodenlehre, 19 f.: Die in letzter Linie unvermeidliche richterliche Eigenwertung werde „nirgends juristisch näher analy-

§12 Die Unentbehrlichkeit des starren Systems Das gilt vor allem bei einer Abwägung

wirtschaftlicher

Belange.

Dann lassen

sich häufig die Interessen der Parteien und sogar die Außenwirkungen i n M a r k und Schilling angeben, so daß mehr oder weniger klar ist, wessen Belange mehr Gewicht haben. Doch bleibt dies natürlich stets die Ansicht des jeweils Entscheidenden, sei er nun Privatmann, „Gesetzgeber" oder R i c h t e r 3 2 4 .

§ 12 Die Unentbehrlichkeit des starren Systems Nachdem w i r gezeigt haben, w o der Richter m i t beweglichen Elementen arbeiten kann, bleibt umgekehrt zu fragen, w o die Grenzen für ein solches Vorgehen liegen und wo w i r i m Recht m i t festen Tatbeständen nach dem Ja-nein-System arbeiten müssen. Die Vorteile der Systeme sind umstritten. Ostheim, 206 f., meint, zu der Frage, wer wegen seiner Eigenschaft als Dienstnehmer oder arbeitnehmerähnliche Person den Schutz arbeitsrechtlicher Normen genieße, könne das Problem bei der Vielfalt möglicher Gestaltungen von Dienstleistungsbeziehungen adäquat nur mit Hilfe der typologischen Methode bewältigt werden. Ebensogut könnte man jedoch auch umgekehrt argumentieren: Wenn man bei der Vielfalt der Erscheinungen überhaupt eine Ordnung erhalten will, bedarf es begrifflicher (klassifikatorischer) Abgrenzungen 325 . Die Frage, wann für das Recht klare Regeln aufgestellt werden sollen, an die der Richter gebunden ist, w i r d bei uns erörtert unter Stichworten wie Recht und Gesetz, Gewaltentrennung (Gewaltenteilung), Vorbehalt des Gesetzes, Rechtssicherheit, Berechenbarkeit, Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung, judicial selfrestraint, ius strictum und ius aequum, Flucht i n die Generalklausel, Typisierung, nulla poena sine lege, Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, nullum tributum sine lege, Gesetzeslücke, Analogie und Umkehrschluß, teleologische Reduktion, Gleichheitssatz, Analogieverbot, Auslegung, Wortsinngrenze, Gesetzesumgehung (fraus legis). Doch findet man statt einer Aufzählung der Gründe für die Bindung des Richters an das Gesetz 3 2 6 vielfach nur Deklamationen — von Celsus 3 2 7 bis zur Soraya-Entscheidung 3 2 8 . siert. Das beruht nicht auf dem Übersehen des Problems, sondern auf der Überzeugung, daß eine solche Analyse keinen Sinn hat. Juristisch entscheidend ist allein, ob tatsächlich alle Möglichkeiten rationaler, intersubjektiv nachprüfbarer Rechtskonkretisierung, die unbedingt Vorrang haben, vergeblich ausgeschöpft wurden." Richtig ist, wenn er (ebd. 21) sagt, bei „global-intuitiven Gerechtigkeitsentscheidungen" gäbe es gar keine Gründe, die der Entscheidende selbst angeben könnte. Die Frage ist, ob und wie weit Entscheidungen „global-intuitiv" sind und sein müssen. 324 Westerhoff, Methodische Wertung, § 506, S. 313. Wenn sich Bydlinski, Methodenlehre, 168, durch dieses Ergebnis „gefoppt" fühlt, so kann man das darauf zurückführen, daß er meine zu Anfang des Buches gemachten Ausführungen nicht richtig aufgenommen hat, siehe nur § 56, S. 48; § 58, S. 49; § 64, S. 53 f., § 125, S. 87. Er müßte auch sagen, was die Äußerung in einer wissenschaftlichen Abhandlung sonst sein könnte. 325 Wank, Die juristische Begriffsbildung (1985) 99: Gerade in den Randfällen, den Zweifelsfällen erweist sich der Wert einer Definition. 5 Westerhoff

66

§ 12 Die Unentbehrlichkeit des starren Systems

Das hat zur Folge, daß die Gerichte sich einmal eng an den Gesetzeswortlaut klammern, ein anderes M a l ihn ohne jede Begründung v ö l l i g mißachten. Die herrschende Methodenlehre nennt die Beachtung des Gesetzeswortlauts einen „ U m k e h r s c h l u ß " 3 2 9 , so als handele es sich u m eine logische Operation. A u f der anderen Seite konstruiert man, wenn man v o m Wortlaut abweichen w i l l eine „Gesetzeslücke", obgleich das Ja-nein-System unserer Gesetze grundsätzlich die formale Entscheidbarkeit eines jeden Streitfalls garantiert 3 3 0 . Nach herrschender A n s i c h t 3 3 1 soll ein Verstoß gegen den Gesetzes Wortlaut bei einer „planwidrigen Unvollständigkeit" des Gesetzes nicht eine Entscheidung contra legem, sondern nur praeter l e g e m 3 3 2 vorliegen. Liest man das, was i n den Veröffentlichungen zur Methodenlehre darüber gesagt ist, so könnte man meinen, der i m Gesetzblatt 326 Fikentscher (oben N. 47) I V (1977) 302-309, zählt die „Aufgaben des Gesetzes" auf: Wertsteuerungs-, Zugänglichkeits-, Rahmensetzungs- und Delegationsfunktion. Hier dagegen geht es darum, Gründe für diese Wirkungen zu nennen. 327 Celsus, Dig. 1. 3, 17: Scire leges non hoc est verba earum tenere, sed vim ac potestatem, zugleich Motto von Engisch, Einführung in das juristische Denken, 7. Aufl. (1977). 328 BVerfG 14.2.1973, BVerfGE 34, 269. Um zu seiner contradictio declamata in adiecto zu kommen, daß die Pressefreiheit nur durch Gesetz eingeschränkt werden könne, die Gerichte aber nicht an das Gesetz gebunden seien, mußte das BVerfG drei naheliegende Einwände übergehen: 1. Es gibt kein Grundrecht auf die Verbreitung von Unwahrheit. 2. Daß zur Einschränkung der Pressefreiheit ein Gesetz erforderlich sei, widerspricht dem Wortlaut des Grundgesetzes: Art. 5 Π: „Recht der persönlichen Ehre" (im Gegensatz zu „den Vorschriften der allgemeinen Gesetze"), Art. 1 I: Schutz der Menschenwürde ist „Verpflichtung aller staatlichen Gewalt", also auch der dritten Gewalt. 3. Eine Lösung vom Gesetz ist nur angebracht, wenn die Gerichte nicht, wie z. B. Wilburg, Schadensumfang, 17, mit einer diskutablen Auslegung zum Ziel kommen können: Ist ein Vermögensschaden bei Verletzung eines Rechts, anders als bei Verletzung einer Sache, davon abhängig, ob der Inhaber das Recht zu Geld machen will (verneinend Reinhardt, Anm. zu BGH 14.2.1958 [Herrenreiter] in: Schulze, Rechtsprechung zum Urheberrecht, BGB Nr. 43, S. 17 f.) insbes. dann, wenn Interviews einen Marktwert haben? Kann man nicht, wie bei der Verletzung von Urheberrechten, mit Eingriffskondiktion arbeiten? Inzwischen befindet sich das BVerfG wieder auf dem Rückzug: Zu unwahren Behauptungen: 3.6.80, BVerfGE 54,208 (220); zur richterlichen Gesetzesbindung: 14.5.85, BVerfGE 69, 315 (372) m. Nachw. 329 Der Begriff des Umkehrschlusses wird in der Methodenlehre unterschiedlich definiert, so daß verschiedene Gedankengänge verwechselt werden: Westerhoff, Formnichtigkeit, 370 N. 110; ders. (oben N. 78) § 30, S. 24 f.; §§ 37, 41. Die Notwendigkeit meiner Begriffsklärung hat Klug brieflich bestätigt. 330 Näheres: Westerhoff, (oben N. 78), §§ 13, 14, S. 9-11; § 94, S. 92. 331 Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2. Aufl. (1983) § 3, S. 16 m. Nachw. 332 Canaris, Vertrauenshaftung, 280, meint sogar, bei der Durchbrechung der Formvorschriften handele „es sich nicht etwa um eine Entscheidung contra legem, sondern um eine solche praeter legem, da sowohl der Vertrauensgedanke als auch der Satz von der mangelnden Schutzwürdigkeit des Arglistigen, aus deren Verbindung sich die Rechtsfolge ergibt, dem geltenden Recht immanent sind". Demgegenüber will er, ebd. 452, bei den Vorschriften über die Geschäftsfähigkeit die vom Gesetzgeber gezogene starre tatbestandliche Grenze aus Gründen der Verkehrssicherheit respektieren. Müßte man sich nicht in beiden Fällen fragen, welchen Sinn solche starren Normen haben? Dazu Westerhoff, Formnichtigkeit, 347-350.

§12 Die Unentbehrlichkeit des starren Systems

67

veröffentlichte Text habe keinerlei Bedeutung und brauche nicht gelesen zu werden. So bleibt zum Beispiel unklar, wann bei einem Gleichheitsverstoß der Richter nach Analogie entscheiden und dabei eigenmächtig die Wortsinngrenze eines Gesetzestatbestands überschreiten darf und wann er die Sache nach Art. 100 G G dem Bundesverfassungsgericht vorlegen muß, damit dieses die gesetzliche Ungleichbehandlung für verfassungswidrig erklärt und das Gesetz aufhebt, damit der Gesetzgeber dann die Änderung durchführt 3 3 3 . Den richtigen Ansatz findet Canaris 334,

wenn er zwischen argumentum e

contrario und Analogieverbot unterscheidet und ausführt, daß nur das Gebot der Rechtssicherheit ein Analogieverbot rechtfertigen kann. Doch müßte ausgeführt werden, was „Rechtssicherheit" in diesem Zusammenhang bedeutet. I. Nach verbreiteter M e i n u n g 3 3 5 verbürgt die Bindung an das Gesetz die Gleichbehandlung;

zumindest soll die Festsetzung abstrakter Tatbestände eine notwen-

dige Bedingung für die Sicherung der Gleichheit sein 3 3 6 . Wäre diese Ansicht richtig

und würde umgekehrt das Arbeiten m i t austauschbaren Elementen, die

von Fall zu Fall ein unterschiedliches Gewicht haben, zu einer Ungleichbehandlung führen, so wäre dies das Todesurteil über die Lehre Wilburgs;

denn der

Gleichheitssatz ist die Grundlage eines jeden Rechts 3 3 7 . Doch ist diese Ansicht so allgemein nicht richtig. Die Bildung abstrakter Begriffe garantiert noch nicht die rechtliche Gleichheit; denn ein Oberbegriff läßt sich immer finden. Aus der Rechtsprechung der Verfassungsgerichte 338 wissen wir, daß gerade die tatbestandliche Typisierung und Schematisierung zur Ungleichbehandlung führen kann. 333 Dazu Westerhoff, Formnichtigkeit, 370 f. bei N. 111 u. 112. 334 Canaris, (oben N. 331), § 38, S. 46 f. 335 Radbruch, Rechtsphilosophie, 6. Aufl. (1963) § 9, S. 170; ders., Einführung in die Rechtswissenschaft, 12. Aufl. (1969) besorgt von Zweigert, 37 f.; Maier-Hayoz, Der Richter als Gesetzgeber (1951), 248; Luhmann, (oben N. 321) 28 f.; Fritz Baur, Das Postulat der Fallgerechtigkeit, ZfRV 1962,168 -177 (176); Perelmann, Über die Gerechtigkeit (1967), 55, 59. 336 Koch / Rüßmann (oben N. 193) 114; Eike von Savigny (auch Hrsg.), Die Rolle der Dogmatik — wissenschafts-theoretisch gesehen, in: Juristische Dogmatik und Wissenschaftstheorie (1976) 100-109 (104 f.); Bydlinski, Allgemeines Gesetz und Fallgerechtigkeit, in: Die Allgemeinheit des Gesetzes, hrsg. v. Starck, (1987) 49-78 (53). 337 Unrichtig ist es, wenn man das Prinzip der Gleichheit als ein Element des Beweglichen Systems ansieht. Das tut Wilburg, Rektoratsrede, 7, u. (oben N. 123) 30, wenn er dem Gleichheitssatz im Konkurs den Gedanken der Wertverfolgung entgegenstellt. Er zählt, Rektoratsrede 6, das Gleichheitsprinzip zu den Grundsätzen, „die in falscher Verallgemeinerung kristallisiert eine unkontrollierte Herrschaft erlangt haben und das Ansehen von Axiomen genießen". Doch sind die verschiedenen Fälle, soweit sie sich durch relevante Elemente unterscheiden, nicht mehr gleich, so wenn man dem A ein Konkursvorrecht gibt (z. B. aufgrund des Wertverfolgungsgrundsatzes) und dem Β nicht. Richtig ist nur, daß der Grundsatz der par conditio creditorum die Zuerkennung neuer Konkursvorrechte nicht hindern muß. Es ist aber notwendig, daß für diese Rechte hinreichende Gründe vorhanden sind, sonst ist der Gleichheitssatz verletzt. Diese Gründe gilt es darzulegen, evtl. mit Hilfe des Beweglichen Systems. 338 Nachw. oben N. 68 und unten N. 349-351. 5*

§12 Die Unentbehrlichkeit des starren Systems

68

1. Die richtige Sicht kann nur angedeutet werden 3 3 9 : Die Frage der Gleichheit ist eine Frage der Relevanz. Die letztlich relevanten beweglichen Wertungselemente sind praktisch i n jedem Einzelfall verschieden und haben unterschiedliches Gewicht. Deshalb w i r d die materiale Gleichheit am besten gewährleistet durch die Berücksichtigung

aller relevanten Umstände des Einzelfalles

340

. Dieser Forde-

rung w i r d das Bewegliche System am ehesten gerecht. 2. Das Problem der Gleichheit taucht unter den verschiedensten Stichworten auf: Analogie, System, Dogmatik (Vermeidung von WertungsWidersprüchen), Gesetzgebung, Präjudizienverwertung, Fallnorm, Selbstbindung der Verwaltung, „exemplarisches" (verallgemeinerungsfähiges) Lernen, historische Entwicklung von der Einzelfallregelung zur abstrakten Norm. Es handelt sich stets u m die Frage, eine Anzahl von Lebenssachverhalten,

die gleich zu bewerten sind, der

gleichen Rechtsfolge zu unterwerfen. Die Verallgemeinerung der beweglichen Wertungselemente ist ganz anderer Art: Es werden nur Teilaspekte

zusammenge-

faßt, die immer, auch in größter Abstraktion, Teilaspekte bleiben 3 4 1 . I n dieser Überschneidung der Verallgemeinerungen liegt ein Grundproblem der Jurisprudenz. 3. Die Gleichheit läßt sich feststellen, wenn man nach der Formel des Bundesverfassungsgerichts 342 fragt, ob „sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung" finden läßt. Da es u m die Gleichheit der Menschen geht, läßt sich ein solches Differenzierungskriterium

nach der hier dargestellten Methode finden:

Es sind die Gründe darzulegen, die es rechtfertigen, dem einen größere Nachteile aufzuerlegen als dem anderen. 4. Die Gleichbehandlung wirft besondere Probleme auf, wenn die Rechtsfolgen beweglich

sind, insbesondere wenn die Größe des Betrages, der gezahlt werden

soll, erst durch eine Wertung gefunden werden muß; denn dann fehlt es — wie bei der Strafzumessung — an einem Maßstab für das Verhältnis zwischen Rechtsvoraussetzung und Rechtsfolge. Ferner ist keine Vergleichsmöglichkeit vorhanden, solange nicht feststeht, welches der verschiedenen Urteile das richtige i s t 3 4 3 . 339 Näher dazu: Westerhoff, Methodische Wertung, §§ 365-380, S. 229-237 (§ 372, S. 233 m. Nachw.). 340 BVerfG 8.10.1963, BVerfGE 17, 122 (130); 28.4.1965, BVerfGE 19, 1 (8); Starck, Der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes (1970) 224; Goetz Hueck, Der Grundsatz der gleichnäßigen Behandlung im Privatrecht (1958) 324; Gerhard Wacke, Gesetzmäßigkeit und Gleichmäßigkeit, StW 1947, Teil I, Sp. 21 -66 (Sp. 32); Schilcher, 302 f. 341 Hagen meint in seiner Besprechung meiner Methodischen Wertung, DRiZ 1976, 224, mir entgegenhalten zu müssen, die Verallgemeinerungsfähigkeit einer Entscheidung beruhe in der Regel auf einigen wenigen durchschlagenden Argumenten. Ich meine: Verallgemeinemngs/à/wg ist ein entschiedener Sachverhalt immer. Man muß nur die wesentlichen Elemente herausarbeiten und die unwesentlichen weglassen. Entscheidend ist, welche Funktion die als wesentlich erkannten Elemente haben, ob von ihnen das Ergebnis ableitbar sein soll oder ob sie als beweglich aufgefaßt werden. Zur ratio decidendi: Methodische Wertung, § 79, S. 64. 342 BVerfG 23.10.1951, BVerfGE 1, 14 (52) und seitdem in ständiger Rechtspr.

§12 Die Unentbehrlichkeit des starren Systems Daher ist es w o h l kein Zufall, daß dort, wo den Zivilgerichten bei der Bestimmung der Größe einer Rechtsfolge ein Ermessen eingeräumt ist, die Rechtsprechung sich oft selbst geholfen und durch die Aufstellung von Zahlenwerken ein Richtmaß geschaffen hat, wie etwa die „Düsseldorfer Tabelle" für Unterhaltsleistungen oder die „Knochentaxe" für Schmerzensgeldzahlungen 344 . Die Anhänger des Beweglichen Systems wollen demgegenüber — wie w i r sahen 3 4 5 — mit einer „Basiswertung" helfen. Es erscheint m i r jedoch zweifelhaft, ob diese die nötige Festigkeit besitzt, u m eine gleichmäßige Rechtsprechung zu gewährleisten. II. I n der L i t e r a t u r 3 4 6 erörtert werden die Gründe, die den Richter

berechtigen,

sich vom Gesetz zu lösen, wie Änderung der Rechtsüberzeugung, Irrtum des Gesetzgebers, Beseitigung von Systemwidrigkeiten, grobe Unbilligkeit. Das ist jedoch methodisch der falsche Ausgangspunkt. Es ist eine Umstrukturierung 3 4 7 vorzunehmen: W i r müssen umgekehrt die Gründe für die selbstverständlich erscheinende Aufstellung von allgemeinen, nicht beweglichen Normen und für die Bindung der Richter daran darlegen 3 4 8 . I I I . Hier ist zu beachten, daß das Gesetz zwei Funktionen

haben kann: Es kann

einmal eine mehr oder weniger starre Grenze setzen, welche die Rechtsfindung für Richter und andere Rechtsunterworfene (Bürger) erleichtert. Es kann aber auch als Autorität

angesehen werden, die über den Gesetzeswortlaut hinaus

Beachtung verlangt als „ratio legis", „Sinn und Z w e c k " oder „zugrundeliegendes Prinzip". Diese zweite Funktion wollen w i r unten unter § 13 betrachten. I V . Die Bedeutung der starren Grenzen kann am besten erfaßt werden, wenn w i r — wie beim Beweglichen System — die Gründe aufzeigen: So wie w i r die (beweglichen) Gründe für die streitige, v o m Gericht ausgesprochene, für eine der Parteien nachteilige Rechtsfolge nennen können, so lassen sich auch Gründe aufführen, starre Normen aufzustellen und die Richter an sie zu binden. Von einem methodisch ähnlichen Ansatz gehen die Verfassungsgerichte 349 aus, wenn sie nach den Vorteilen einer gesetzlichen Typisierung fragen und prüfen, ob sie im 343 Vgl. Warda, Dogmatische Grundlagen des richterlichen Ermessens im Strafrecht (1962) 157. 3 44 Vgl. Hacks / Ring / Böhm, Schmerzensgeldbeträge, 12. Aufl. (1985). 345 Oben § 4 I. 34 6 Kantorowicz ("Gnalus Elavius"), Der Kampf um die Rechtswissenschaft (1906) 41; Reichel, Gesetz und Richterspruch (1915) 130 ff.; Germann, Primat des Gesetzes, in: Probleme und Methoden der Rechtsfindung, 2. Aufl. (1967) 279 ff. (298 ff.); Habscheid, Über das Verhältnis von Richter und Recht, in: Habscheid / Pötter, Beiträge zum Richterrecht (1968) 7 ff. (29 ff.); Lieselotte Voigt, Entscheidung gegen den klaren Wortlaut des Gesetzes, Diss. jur. Göttingen (1967)43 ff. 347 Zum Begriff der Umstrukturierung oben § 5 I I 2 a. 34 » Ebenso: Hücking, (oben N. 7) 98. 3 49 BVerfG 20.12.1960, BVerfGE 21, 13; 26.4.1978, BVerfGE 48,227 (239). Österr. VerfGH 26.6.1980, ZAS 1980,220 (222): „Das Ausmaß der solcherart hinzunehmenden möglichen Auswirkungen einer generellen Norm hängt allerdings nicht nur vom Grad der Schwierigkeiten ab, die eine nach den verschiedenen Sachverhalten differenzierende

70

§ 12 Die Unentbehrlichkeit des starren Systems

rechten Verhältnis stehen zu den Unbilligkeiten, die eine abstrakte Regelung notwendig mit sich bringt. Doch stellt das Bundesverfassungsgericht dabei lediglich auf die Praktikabilität ab, welche die Typisierung für die Verwaltung 3 5 0 , eventuell auch für die Bürger 3 5 1 bedeutet. I n einem Beweglichen System kommt es darauf an, alle wesentlichen Gesichtspunkte zu nennen 3 5 2 . Die sieben wichtigsten

Gründe sollen hier aufgeführt wer-

den: 1. Die Beeinflußbarkeit

der Entscheidenden

ist bei Aufstellung allgemeiner

Normen häufig geringer, als bei der konkreten Sachverhaltsregelung, w e i l der abstrakt Urteilende keine Beziehung zu den unmittelbar Betroffenen hat und deshalb unter Umständen stärker gegen Parteilichkeit, Vergeltungsgefühle oder gutgemeinte M i l d e gefeit ist. 2. Die abstrakte N o r m vermittelt die Kenntnis des Rechts. Weicht das Gericht davon ab, so kann das für die betroffene Prozeßpartei die Innenwirkung daß sie einen Vertrauensschaden 3. Die Einfachheit

haben,

erleidet 3 5 3

und Schnelligkeit

der rechtlichen

Entscheidung

w i r d geför-

dert, wenn der Richter den Sachverhalt unter bestehende Tatbestände subsumieren kann und nicht eine selbständige Wertung nach dem Beweglichen System vornehmen m u ß 3 5 4 . Würde er dies stets anwenden, so wäre die Justiz lahmgelegt. 4. Es kann der Erleichterung

der Sachaufklärung

dienen, wenn der Richter

auf klare typisierende Tatbestandsmerkmale abstellt und nicht alle Umstände des Einzelfalles ermittelt, die für die Abwägung Bedeutung haben könnten. 5. Die Einfachheit des Geschäftsverkehrs und des Verwaltungshandelns 355 kann leiden, wenn dafür keine vorher festliegenden Regeln maßgebend sind, w e i l die Gerichte selbständig entscheiden 3 5 6 . Lösung der Vollziehung bereiten würde, sondern auch vom Gewicht der angeordneten Rechtsfolgen." Näher dazu Tomandl, Bemerkungen zur Witwenpensions-Erkenntnis des VfGH: ZAS 1980, 203-211 (208 f.). 350 So BVerfG 24.1.1962, BVerfGE 13, 331 (341); 20.12.1960, BVerfGE 21, 13 (27); 8.2.1983, BVerfGE 63, 119 (128). 351 So BVerfG 26.4.1978, BVerfGE 48, 227 (238 f.): Erschwerung der Berechnung einer Umlage durch die betroffenen Betriebe. 352 Näher dazu: Westerhoff\ Methodische Wertung, §§346-409, S. 220-255. Dort werden noch zwei weitere Gründe genannt: der auf den Gesetzgeber ausgeübte Zwang, zur Gesetzesänderung, wenn die Rechtsprechung ein allgemein als unpassend empfundenes Gesetz weiter anwendet und die größere Autorität von Gesetz und Präjudiz. 353 Aus diesem Grund ist es wohl richtig, wenn Canaris , 105-110, das Bewegliche System nicht in Bereichen anwenden will, in denen wegen eines erhöhten Vertrauensschutzbedürfnisses eine feste Tatbestandsbildung vorliegt. 354 Wilburg, Gutgläubiger Erwerb, 570: Prozeßökonomische Schwierigkeiten. Bydlinski, 40, meint, die Praxis sei nicht selten überfordert. Koller, 81, 86, verweist auf die beschränkte Verarbeitungskapazität der Gerichte. Flessner, 174, hält die präskriptive Dogmatik für berechtigt und nützlich bei der Routinepraxis und beim Mengengeschäft. 355 Wilburg, Zusammenspiel, 357; Flessner, 172: Sicherheit des Geschäftsverkehrs. Wie weit die von Böhm, 212, genannte „Berechenbarkeit" des Verfahrensverlaufs hierher gehört, müßte untersucht werden.

§12 Die Unentbehrlichkeit des starren Systems 6. Die Prozeßaussichten werden ungewiß, wenn man nicht weiß, ob sich die Rechtsprechung an bestehende Normen hält. Das kann zu einer Vermehrung Rechtsstreitigkeiten

der

führen.

7. Eine Steuerung des Verhaltens

der Bürger

durch festgesetzte Regelungen

ist eher möglich, wenn sich die Gerichte an klare Regeln halten, die auch für den Nichtjuristen erkennbar s i n d 3 5 7 . So können die Rechtsunterworfenen leichter veranlaßt werden, sich künftig nach diesen Vorschriften zu r i c h t e n 3 5 8 , also unerlaubte Handlungen 3 5 9 oder Wettbewerbsverstöße zu vermeiden, Verkehrspflichten einzuhalten, Verträge zu erfüllen, ordentliche Leistungen zu erbringen sowie Formvorschriften einzuhalten. Dadurch w i r d vermieden, daß die Handelnden Drittpersonen schädigen 3 6 0 . V . Die genannten sieben Gesichtspunkte können auch für die Beachtung der höchstrichterlichen

Rechtsprechung

geltend gemacht werden. Soweit diese hin-

reichend bekannt ist, kann sie die gleichen Wirkungen haben wie das Gesetz. Häufig ist die Bestimmtheit sogar größer, w e i l der entschiedene Streitfall den präjudizierten Sachverhalt genau angibt, auch wenn die Abgrenzung zu anderen ähnlichen Sachverhalten schwieriger ist als bei abstrakten Gesetzestatbeständen. V I . Die Erleichterung des Geschäftsverkehrs (Ziffer I V 5), eine Verminderung von Rechtsstreitigkeiten (6), und die Verhaltenssteuerung (7) sind Außenwirkung von Gesetz oder Präjudizien auf außenstehende nicht am Prozeß beteiligte Dritte. Ihr Gewicht bei der Abwägung hängt, wie bei allen Außenwirkungen, auch von ihrer Geeignetheit

ab, diese Wirkungen hervorzurufen.

V I I . Die Gründe, die dafür geltend gemacht werden können, starre Normen aufzustellen und die Gerichte an sie zu binden, können in das Bewegliche System eingefügt

werden. M a n kann sie als ein Untersystem betrachten und sie dann

den Gründen gegenüberstellen, die unmittelbar für oder gegen die fragliche Rechtsfolge sprechen 3 6 1 . Ergibt eine erste Abwägung für und gegen die streitige Rechtsfolge, daß die Regelung unbillig erscheint, so müssen schon gewichtige 356 Canaris , 109: Verkehrsschutzbedürfnis; ders. 110: Drittschutz; Hönn, 90, meint, der Schutz des Partners des Irrenden entspreche dem Prinzip der Verkehrssicherheit; ders. 94: Verkehrs- und Vertrauensschutz; Flessner, 174: Sicherheit des Geschäftsverkehrs. 3 57 Für die Wertung ist wichtig, diese Außenwirkung von der Präjudizienwirkung zu unterscheiden. Die Präjudizienwirkung ist Voraussetzung einer Steuerung, aber selbst nicht Wertungselement. Würde der Richter zur Partei sagen: „Wir müssen so entscheiden, damit andere Gerichte später ebenso entscheiden.", so könnte die Partei antworten: „Dann geschieht nicht nur mir Unrecht, sondern in Zukunft auch anderen Prozeßparteien." Zu der schwierigen Problematik: Westerhoff, Methodische Wertung, § 109, S. 79. 358 Deshalb ist es bedenklich, wenn man, wie v. Bar, 69, die Verkehrspflichten von beweglichen Elementen abhängig macht. 359 Koller, 80, fragt nach dem Anreiz zur Schadensverhütung. 360 Hönn, 97, spricht von Gefahrenschutz vor unbilliger Gestaltung Allgemeiner Geschäftsbedingungen. 361 Hücking, (oben N. 7) 101.

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§ 12 Die Unentbehrlichkeit des starren Systems

Gründe für die Starrheit der Normen sprechen, wenn man diese beachtet. K o m m t man dagegen bei der ersten Abwägung umgekehrt zu dem Schluß, daß keine schweren Gründe gegen die durch Gesetz oder Rechtsprechung vorgezeichnete Regelung sprechen, so w i r d man diese regelmäßig beachten. M a n kann auch alle Gesichtspunkte beider Untersysteme nebeneinanderstellen und kommt dann zu einer geschlossenen Abwägung. Doch dürfte es häufig einfacher sein, sich zunächst darüber klarzuwerden, welche der beiden Gruppen von Gründen das größere Gewicht hat. So ist das Bewegliche System — richtig angewandt — i n der Lage, eine Problematik zu verdeutlichen, welche die herrschende Dogmatik gar nicht zu erfassen vermag. Dieses Vorgehen unterscheidet sich grundlegend von einer heute verbreiteten Tendenz, alles Recht i n „ B i l l i g k e i t " und „Verhältnismäßigkeit" verschwimmen zu lassen, die gelegentlich i n einem erschreckenden Zurückweichen vor offenbarem Unrecht endet. Damit hat das Bewegliche System nichts zu tun. Vielmehr zeigt das nüchterne Durchdenken der Gründe für das strenge Recht dem Rechtsanwender, daß es in einem Rechtsstaat Grenzen gibt, die m i t allen erforderlichen M i t t e l n verteidigt werden müssen, bei denen also die erforderliche Verteidigung auch verhältnismäßig ist. Dies muß aus Steuerungsgründen den Rechtsunterworfenen auch ganz deutlich gemacht werden. V I I I . Hier ist nun auf eine Gesetzmäßigkeit hinzuweisen, die trivial erscheinen mag, aber kaum richtige Beachtung findet: Die Vorteile der Bindung des Richters an den Gesetzeswortlaut können nur eintreten, soweit das Gesetz tatsächlich b i n d e t 3 6 2 . I n dem Maße, i n dem der Wortlaut die Entscheidung nicht determiniert, haben abstrakte (gesetzliche) Regeln ihre wesentliche W i r k u n g verloren 3 6 3 . Daher müssen, um die ΒindungsWirkung zu erreichen, Merkmale aufgestellt werden, durch welche die Eigenwertung

des Richters abgeschnitten

wird, wie insbesonde-

re durch Formen, Fristen oder das Volljährigkeitsalter. Demgegenüber meint Schilcher, 299,302, das Bewegliche System erhöhe die Rechtssicherheit, weil es dem Bürger eine grobe Orientierungssicherheit vermittle. Doch hilft dies nicht in den streitigen Grenzfällen. Das Wort "Rechtssicherheit" dürfte wohl häufig mehr die Befindlichkeit der Juristen beschreiben als die Rechts Wirklichkeit 364. Es käme darauf an, darzulegen, was ein "rechtssicherer" Prozeß oder Geschäftsverkehr ist. Die Vorteile der starren Normen gehen schon verloren, wenn damit gerechnet werden muß, daß der Richter erwägt, v o m Gesetz abzuweichen; denn u m eine 362 Näher dazu: Westerhoff; Methodische Wertung, §§ 410 f., S. 255 f. 363 Das wird von jenen nicht erkannt, die meinen, die Anwendung des ius strictum davon abhängig machen zu können, ob im Einzelfall der Sinn und Zweck einer Norm erreicht wird. Kennzeichnend: Neuhaus, Präambel oder Ampel, JZ 1969,209; Vollkommer, Formstrenge und prozessuale Billigkeit (1972) 377, 382, 458 f. u. passim; weitere Nachweise für Form Vorschriften: Bernard (oben N. 110) S. 33 N. 17; dazu Westerhoff Vom Sinn prozessualer Formen und Formvorschriften, JR 1986, 269-274 (271 f.). 364 Siehe oben bei N. 112 u. N. 205.

§12 Die Unentbehrlichkeit des starren Systems Entscheidung vorhersehbar zu machen, müssen auch die Erwägungen über die Gründe für die Bindung an starre Normen abgeschnitten werden. Die Frage nach der billigen Lösung, nach den materialen Gründen, nach „Sinn und Z w e c k " , ratio legis, „Interessenlage" oder „gesetzgeberischer Wertentscheidung" stellt sich innerhalb und außerhalb der Wortsinngrenze auf die gleiche Weise. Insoweit haben diejenigen Autoren Recht, die den Unterschied zwischen ausdehnender Auslegung und Analogie leugnen. 3 6 5 Erst w o diese Frage durch das Machtwort des Gesetzes, so wie es i m Gesetzblatt formuliert ist, ausgeschlossen ist, hat dieses seine ordnende W i r k u n g 3 6 6 . Es genügt allerdings nicht, daß nur eines der Merkmale i n einem Tatbestand bestimmt ist, etwa eine (Verjährungs-)Frist. Die Erfahrung lehrt, daß dann die Auslegung der anderen Tatbestandselemente zu vervielfachtem Streit führt. Es muß vielmehr insgesamt ein Lebenssachverhalt möglichst genau beschrieben werden, dessen Vorliegen i n der Beweisaufnahme leicht festzustellen ist. Festsetzung ist Tatsachenbeschreibung, wie das vor allem i n den Präjudizen geschieht. 1. Bei der Frage, wie eine Bindung zu bewirken ist, werden zwei Aufgaben der Sprache sichtbar, die es auseinanderzuhalten gilt: Sie kann einmal dazu dienen, die rechtliche Wertung möglichst genau zu erfassen, das heißt die Sachverhalte zu umschreiben, i n denen eine bestimmte Regelung gerecht erscheint. Das ist durch ein einzelnes Wort nicht vollgültig zu erreichen, w e i l die Wertung i m Zivilrecht immer aus einem pro und contra beweglicher Abwägungselemente besteht. Die Sprache kann zum anderen, insbesondere bei Gesetzesbestimmungen die Aufgabe haben, die Eigenwertung des Richters abzuschneiden, u m ein klare Grenze zu setzen. 3 6 7 Die Gründe weshalb das nötig sein kann, habe ich aufgeführt. Dieses Abschneiden des Abwägens ist nur möglich durch wertneutrale

Begriffe,

also solche Worte, die auf die Wertung keinen Bezug nehmen, sondern auf ein anderes System, so wie die Zeitbestimmung (bei der Verjährung) auf die Umdrehungen der Erde. E i n derartig anderes System kann auch die Umgangssprache sein, der man die „Wortsinngrenze" entnimmt. Die Verwechslung der beiden Aufgaben der Sprache ist der Grund für die Unfruchtbarkeit vieler „hermeneutischer" Untersuchungen; denn Auslegungsfragen entstehen gerade dann, wenn unser abwägendes Rechtsgefühl nicht m i t dem Ergebnis übereinstimmt, das der umgangssprachliche Gesetzeswortlaut nahelegt. 365 Neuerlich wieder Karsten Schmidt (oben N. 109) 439 m. Nachw. Er meint, daß „die Auslegung analogische Züge trägt"; dazu Westerhoff, (oben N. 78) § 38 f., S. 34 f. 366 Ebenso Bydlinski, Methodenlehre, 470. 367 Flessner, 168, spricht von konsultativer und präskriptiver Jurisprudenz. Der Vorlagebeschluß d. BAG ν. 12.10.1989, NZA 1990, 59, bemerkt, daß die Rspr. des BAG die Gefahrengeneigtheit bei der Arbeitnehmerhaftung doppelt verwertet: „Einmal als unabdingbare Voraussetzung für eine Abweichung von den Grundsätzen des §§ 249, 276 BGB und außerdem als Abwägungsmerkmal für den Umfang dieser Abweichung."

74

§ 12 Die Unentbehrlichkeit des starren Systems

Natürlich kann eine Festsetzung (durch die Sprache) auch unvernünftig oder ungerecht sein. M a n denke nur an zu kurze Fristen oder an sinnlose Formalien. Aber diese Problematik läßt sich nicht durch Hermeneutik lösen. 2. Eine klare Grenze, die weitere rechtliche Erörterungen abschnitt, war bis vor einigen Jahren das Volljährigkeitsalter 3 6 8 . Das hat sich geändert durch die Flugreiseentscheidung,

in welcher der Bundesgerichtshof 3 6 9 einen Jugendlichen,

der sich i n ein Flugzeug nach New Y o r k eingeschlichen hatte, wegen ungerechtfertigter Bereicherung zur Zahlung des Flugpreises verurteilt hat, weil dieser die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht hatte (§ 828 I I B G B analog). Die Problemtik der Bindung an das Gesetz ist weder i n den Urteilsgründen, noch i n den sich an die Entscheidung anschließenden ausführlichen Erörterung e n 3 7 0 richtig gewürdigt w o r d e n 3 7 1 . Durch diese Rechtsprechung werden zahlreiche Sachverhalte zweifelhaft. W i e ist es, wenn sich ein Jugendlicher ein A u t o least oder eine Reise nach M i a m i bucht und dabei den Vertragspartner über sein Alter täuscht? Kann jetzt ein Jugendlicher den Vater dadurch zur Herausgabe des Mündelgeldes zwingen, daß er von Hamburg zu seiner Freundin nach W i e n fährt, sich dort ein Hotelzimmer mietet und geltend macht, er sei fähig, das Unrecht der Tat einzusehen? Jedenfalls ist es i n all solchen Fällen für einen A n w a l t vertretbar, einem Mandanten zum Prozeß gegen den Jugendlichen zu raten. Zwar erschien auch schon i m entschiedenen Streitfall die Entscheidung zweifelhaft, sonst hätten die Juristen der Lufthansa den Prozeß nicht durch drei Instanzen getrieben. Doch wären für die Zukunft wesentliche Zweifelsfragen und Unklarheiten abgeschnitten, wenn der Bundesgerichtshof die Klage abgewiesen hätte, einfach m i t der Begründung, daß gegen den Minderjährigen ein Erfüllungsanspruch nicht bestehe und daß anderen mit dieser Forderung konkurrierenden Ansprüchen nicht stattgegeben werden könne, weil das klare strenge Recht Anerkennung fordere. Wahrscheinlich waren diese Gesichtspunkte auch — mehr oder weniger unbewußt — die Gründe, welche die Rechtsprechung bisher davon abgehalten haben, die Volljährigkeitsregeln ähnlich durch eine Billigkeitsrechtsprechung aufzuweichen, wie dies bei der Formnichtigkeit oder der Rechtskraft geschehen ist. Die Ordnungsvorstellungen deutscher Juristen gehen allerdings i n eine ganz andere Richtung. Deshalb wollen w i r uns i m folgenden m i t dem Flugreisefall 368 Abgesehen von einigen Randerscheinungen, etwa Einwilligung des Minderjährigen in die Operation und in die Verwertung des eigenen Bildes. Nachw. bei Soergel I Hefermehl, 12. Aufl. (1988) § 107 BGB Rdn. 19. 369 BGH 07.1.1971, BGHZ 55, 128. 370 Nachw. bei Beuthien, Ungerechtfertigte Bereicherung und Geschäftsführung ohne Auftrag (1987) 54; Teichmann, Die Flugreise-Entscheidung, JuS 1972, 247. 371 Flessner, 172, sagt unter Hinweis auf Wilburg, Zusammenspiel, 347 (357 f.), daß die Sicherheit des Geschäftsverkehrs hier keine feste, im vornhinein feststellbare Grenze fordere.

§ 12 Die Unentbehrlichkeit des starren Systems etwas ausführlicher befassen. Zunächst sollen die Vorzüge eines Vorgehens nach der heute herrschenden Methode untersucht werden, u m dann die Behandlung des Falles nach dem Beweglichen System darzustellen. a) Nach herrschender Methode w i r d geprüft, wie der Anspruch der Fluggesellschaft in das dogmatische

System einzuordnen ist. Vornehmlich w i r d diskutiert,

ob der Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung begründet ist, insbesondere ob der Jugendliche bereichert und ob die Bereicherung weggefallen ist. Welchen Sinn hat eine solche „Ordnung", die nichts weiß von den Grenzen, die das Gesetz setzt 3 7 2 . (1) A l s ein Zweck der dogmatisch-systematischen Jurisprudenz w i r d es angesehen, die Darstellung

zu erleichtern, damit sie für den Praktiker beherrschbar und

für den Studenten lernbar w i r d 3 7 3 . Es hat den Anschein, daß diese Aufgabenstellung die Hochschullehrer, die ein Lehrbuch schreiben oder eine Vorlesung gliedern müssen, wesentlich beeinflußt. Der Praktiker aber oder der Student, der eine Entscheidung über das Schwarzfahren Minderjähriger sucht, w i r d diese bei Palandt/Thomas,

49. Aufl. (1990) § 819 B G B A n m . 2e a. E. nur finden, wenn

er ihre Einordnung i m Gedächtnis hat, weil er sie in einer „nach Anspruchsgrundlagen geordneten Darstellung zur Examensvorbereitung" 3 7 4 („exemplarisch" 3 7 5 ?) gelernt h a t 3 7 6 ; denn wie soll er sonst erkennen, daß der Streitfall durch eine 372 Fikentscher, (oben N. 47), I V 314 f. mit N. 71, hält es für bedenklich, daß der BGH die richterrechtlich herausgearbeitete und zu fortgebildetem Recht gewordene Lehre von den faktischen Verträgen aufgegeben habe. Da hier fortgebildetes Richterrecht bestanden habe, hätte es der Beachtung der strikten Regeln von stare decises und Fallnormunterscheidung bedurft, „um den erforderlichen Grad von Rechtssicherheit und Rechtsvorhersehbarkeit zu gewährleisten". Der BGH sei es der Öffentlichkeit schuldig gewesen, die dafür maßgeblichen Gründe aufzudecken. Hier fehlt die Auseinandersetzung mit den Gründen für die Bindung des Richters an das Präjudiz. Was heißt in diesem Zusammenhang „Rechtssicherheit"? War die „Rechtsvorhersehbarkeit" durch den Begriff der „faktischen Verträge" gewährleistet, den man in den verschiedensten Rechtsgebieten angewandt hat? Wer kann die Lebensbereiche übersehen auf welche diese Rechtsbildung noch angewendet werden könnte? Gerade wegen seiner völligen Inhaltslosigkeit hatte der Begriff „Faktischer Vertrag" einen beliebigen Umfang. Ist ratio decidendi der entschiedene (verallgemeinerte) Sachverhalt — so wohl das anglo-amerikanische case law — oder ist es die Art der Begründung? Können bei uns nicht zwei Anspruchsgrundlagen nebeneinander bestehen, so daß man zwischen ihnen wählen kann? 373 Kötz, Rechtsvergleichung und Dogmatik, RabelsZ 1990, 201-215 (204); Struck, Dogmatische Diskussion über Dogmatik, JZ 1975, 84-88 (85 f.); Flessner, 168; Seiler, Rechtsgeschichte und Rechtsdogmatik, in: Rechtsdogmatik und Rechtspolitik, Hamburger Ringvorlesung, hrsg. von Karsten Schmidt, 109-123 (111): „Entlastung des Richters und sonstigen Rechtsanwenders." 374 So Medicus, Bürgerliches Recht, 14. Aufl. (1989) dort Rdn. 176, S. 97 f. 375 Der 58. Deutsche Juristentag hat sich 1990 mit großer Mehrheit für „exemplarisches Lernen" ausgesprochen. Man müßte wissen, was das ist. Vgl. Gutachten Hassemer / Hübner Bd. I S. E 77; Beschlüsse Bd. II, S. 21 Nr. 12. Welche Maßnahmen empfehlen sich — auch im Hinblick auf den Wettbewerb zwischen Juristen aus den EG-Staaten zur Verkürzung und Straffung der Juristenausbildung, Verhandlungen des 58. Deutschen Juristentages 1990.

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§12 Die Unentbehrlichkeit des starren Systems

Ausdehnung des Bereicherungsrechts und nicht durch die Ausdehnung eines anderen Rechtsinstituts (etwa Vertrag oder Delikt) „gelöst" worden i s t 3 7 7 ? Eine Gliederung nach Lebenssachverhalten (Gliederungspunkt: etwa Massenverkehr) würde hier w o h l dienlicher s e i n 3 7 8 . (2) A l s weitere Aufgabe der Dogmatik w i r d die Vermeidung dersprüchen

von Wertungswi-

angesehen 3 7 9 , was w o h l heißen soll, daß gleich zu bewertende Fälle

gleich behandelt werden. E i n solcher Widerspruch würde entstehen, wenn man versuchen wollte, die normalen Schwarzfahrten nach den Grundsätzen des Flugreisefalls m i t Hilfe des Bereicherungsrechts zu lösen. M a n käme dann zu dem merkwürdigen Ergebnis, daß der Jugendliche zwar den hohen Flugpreis zahlen müßte, nicht aber die 60 D M „erhöhtes Beförderungsentgelt" bei der verbotenen S-Bahn-Fahrt. 3 8 0 In der Vergangenheit hat man in diesen Fällen mit Hilfe der „faktischen Vertragsverhältnisse" oder des „sozialtypischen Verhaltens" einen Ausweg gefunden. Dieser Auffassung ist der Bundesgerichtshof nicht gefolgt. Er meint die in der früheren Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze sollten den besonderen Verhältnissen des Massenverkehrs gerecht werden und paßten nicht für Rechtsgeschäfte, wie sie im Flugverkehr abgeschlossen werden. 381 Es ist wohl allgemein begrüßt worden, daß der Bundesgerichtshof von dieser Rechtsfigur Abschied genommen hat 3 8 2 , die nichts weiter ist als eine für juristische Argumentationen typische Ergebnisumschreibung: Man macht die Frage (Sollen die Rechtsfolgen von Verträgen eintreten?) zur Antwort. Doch fragt sich, welchen Wert ein Präjudiz hat, das den Richter unterer Instanz bei den wesentlichen praktischen Fragen allein läßt. Soll er sich nach wie vor an die alte Rechtsprechung halten? Dann stellt sich die schöne 376 Die in BGHZ 55, 128 (136 f.) vorgenommene analoge Anwendung von § 828 I I 1 BGB auf das Bereicherungsrecht ist fehlerhaft; denn Analogie ist die Anwendung der gleichen Rechtsfolge aus gleichen Gründen. Hier aber handelt es sich um verschiedene Rechtsfolgen: bei der unerlaubten Handlung um das negative Interesse, bei der Klageforderung um das Erfüllungsinteresse oder die Erfüllung. 377 Wie würde wohl die Arbeit eines Studenten bewertet, der den Anspruch auf den Wortlaut von § 253 BGB gestützt hätte, der Reisepreis sei „der Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge erwartet werden konnte"? 378 Wahrscheinlich werden wir in spätestens 20 Jahren in der Lage sein, nicht nur jedes Gesetz und jedes Präjudiz dem Computer zu entnehmen, sondern auch die Regelung für praktisch jeden Lebenssachverhalt. Es ist anzunehmen, daß das dafür erarbeitete Programm nicht der deutschen Rechtsdogmatik entstammt, sondern eher von einem amerikanischen Psychologen oder Informatiker erarbeitet ist. 379 So ζ. B. die übereinstimmende Meinung der Teilnehmer des Symposions „Gesetzgebung und Dogmatik" 1988, hrsg. von Behrends u. Henkel (1989) Diskussionsbericht, 138. Es gehört zu den Eigenheiten deutscher Methodenlehre und „Dogmatik", daß sie sich mit den allgemeinen Lehren zum Gleichheitssatz nicht gründlich auseinandersetzt. Wenn Seiler (oben N. 373) meint, daß die Dogmatik der Rechtssicherheit diene, so müßte konkret gesagt werden, was unter Rechtssicherheit zu verstehen ist, siehe dazu oben bei N. 364. 380 Vgl. dazu Harder , Minderjährige Schwarzfahrer, NJW 1990, 857-864 (862 m. Nachw.). 381 BGH NJW 1971, 609 unter I 2. 382 Teichmann (oben N. 370) 247; Harder (oben N. 380) 858 N. 8 beide m. Nachw.

§ 12 Die Unentbehrlichkeit des starren Systems Examensfrage, wo der faktische Vertrag aufhört und wo der Bereicherungsanspruch anfängt. Durch einen einzelnen Gesichtspunkt (Bereicherung) läßt sich die Problematik solcher Grenzfälle nicht erfassen. Die Streitfrage, ob derartige strafähnliche Sanktionen überhaupt ohne gesetzliche Grundlage verhängt werden dürfen, bleibt ausgeklammert. Zudem sieht der Jurist nicht das Problem der Doppelbestrafung. Sein geschultes Rechtsempfinden springt nicht an, wenn verschiedene Rechtszweige zuständig s i n d . 3 8 3 I n einem Beweglichen System können solche Umstände berücksichtigt werden. Hier wäre auch der Jugendstrafrichter die richtige Instanz gewesen. Welche Maßnahme hätte er w o h l verhängt, wenn er den Fall zu entscheiden gehabt hätte? 3 8 4 b) B e i m Vorgehen nach dem Beweglichen

System müßte man folgende Ge-

sichtspunkte beachten 3 8 5 : (1) Interessen: Es sind gegenüberzustellen: die Nachteile, welche die Zahlung des Flugpreises von 1 1 8 8 , - D M für den Jugendlichen bedeuten, verglichen m i t den Vorteilen des Fluges nach New Y o r k ; auf der Seite der Lufthansa der Vorteil einer Zahlung, ohne daß sie durch den M i t f l u g des blinden Passagiers Mehraufwendungen (Schaden) hatte. Hier dürfen die Vermögensverhältnisse der Parteien berücksichtigt werden 3 8 6 . (2) Einwilligung:

Der Jugendliche hat beim Einschieichen nicht i n die Zahlung

des Entgelts eingewilligt. Insoweit w i r d also auch die Zurechnungsfähigkeit nicht relevant. Er wollte aber die Flugreise und daher war die Bereicherung nicht aufgedrängt. Da er gerade dieses „Vergnügen" wünschte 3 8 7 , kann die Bereicherung nicht mehr wegfallen, soweit man seinen W i l l e n trotz der Minderjährigkeit für erheblich hält. Die Fluggesellschaft hat die durch eine unzulängliche Zugangskontrolle eingetretene Schädigung i n K a u f genommen. Insoweit m i t dem üblichen juristischen 383 Kennzeichnend Großfeld, (oben N. 243) 123. Im vorliegenden Fall mag das noch erträglich sein. Aber wie ist es, wenn der Täter nach einen Verkehrsunfall zunächst zu einer Kriminalstrafe verurteilt wird, ihm zugleich der Führerschein entzogen wird, er deswegen seinen Beruf verliert und er schließlich sein Leben lang hohe Schadensersatzleistungen erbringen muß? 384 Ein Richter, der mehr die praktische Regelung als die Dogmatik im Kopf hat, könnte wohl die vorgeladenen Parteien zu einem Vergleich drängen, den Jugendlichen mit dem Hinweis, daß er die Sache andernfalls an den Jugendstaatsanwalt abgebe. 385 Flessner, 172, nennt als bewegliche Elemente neben der Sicherheit im Geschäftsverkehr (siehe oben N. 335): wissentliche Inanspruchnahme der fremden Leistung ohne Rechtsgrund (dazu oben N. 119), interessengemäße Verwendung der Leistung, Fehlen der Geschäftsfähigkeit, mangelhafte Organisation der Zugangskontrolle durch die Fluggesellschaft. 386 Bei den Vermögensverhältnissen könnte der Rückflugpreis von 1024,- DM, dessen Zahlung die Lufthansa nach GoA verlangt, berücksichtigt werden. Nicht beachtet werden beim Rechtsdenken deutscher Juristen die Prozeßkosten, die in drei Instanzen erheblich höher liegen als der Streitwert. 387 Für die Ansicht von Flessner, 172, daß der Jugendliche die Einreise nach Amerika bezweckte, gibt es im Urteilstatbestand keinen Anhaltspunkt.

§ 1 2 Die Unentbehrlichkeit des starren Systems

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Sprachgebrauch von „Mitverschulden" zu sprechen, halte ich für unglücklich. M a n sollte dem durch eine strafbare Handlung Betroffenen keine „Schuld" zuweisen. (3) Verschulden:

Einmal ist zu fragen, ob die Zahlung des vollen Flugpreises

eine gerechte Vergeltung für diesen Dummen-Jungen-Streich darstellt, zum anderen, ob sie zur Abschreckung geeignet und erforderlich ist. Die Lufthansa hat dies offenbar angenommen. Bei der Bewertung des Steuerungsgedankens 388 darf die Vermögenslage der Parteien keine Rolle spielen, sonst wären Verkehrsunternehmen schutzlos. Allenfalls könnte man die wirtschaftliche Kraft aller Fluggesellschaften (oder Verkehrsunternehmen, je nach Abstraktion) und die Größe möglicher künftiger Schädigungen ins Verhältnis setzen. (4) Bindung:

Sie spielt hier keine Rolle, eventuell aber bei dem von der

Lufthansa übernommenen Rückflug. (5) W i e immer man die Gesichtspunkte des konkreten Falles gewichtet, sie erscheinen gering i m Verhältnis zu den Nachteilen, welche die Nichtbeachtung des strengen Rechts m i t sich bringen kann. M a n denke nur daran, daß dann häufig durch Sachverständige entschieden werden müßte, ob der Jugendliche die notwendige Einsichtsfähigkeit hat (oben § 12 I V 3 , 4 ) , und daß es zu vielfältigen neuen Rechtsstreitigkeiten kommen k a n n 3 8 9 . Es ist v o m Bundesgerichtshof 3 9 0 und in der Literatur 3 9 1 erörtert worden, ob der Gedanke des Minderjährigenschutzes die Haftung ausschließt. Doch war es unzulässig, von diesem Umstand die Entscheidung abhängig zu machen; denn beim ius strictum gibt es Gründe zu sagen: cessante ratione legis non cessât lex ipsa. Wenn man eine Durchbrechung des strengen Rechts i n Betracht ziehen wollte, weil eine NichtVerurteilung des Jugendlichen unbillig erschien, hätte man alle Umstände des Falles berücksichtigen müssen. Dann hätte sich w o h l gezeigt, daß der Flugreisefall für eine beginnende richterliche Rechtsfortbildung der ungeeignete Sachverhalt war. Für die Zukunft w i r d man die nachteiligen Folgen der Entscheidung durch eine enge Fallgruppenbildung i n Grenzen halten können: Die Rechtsprechung wäre auf Flugreisen zu beschränken. Der Einwand, daß kein Grund ersichtlich ist, Flugreisen anders zu behandeln als sonstige Reisen, etwa 388 Genau besehen handelt es sich hier um Interessen dritter Personen, die unter (1) zu erörtern wären. Wir folgen hier einer Betrachtung, welche die Gründe für die Verschuldenshaftung untersucht, dazu oben § 8 I. 389 Eine besondere Denkaufgabe enthält die Frage, ob die Durchbrechung des strengen Rechts und die damit verbundene Einschränkung des Minderjährigenschutzes den Geschäftsverkehr erleichtert. Welche Wirkung hat es für das Handeln des Geschäftsmanns, wenn er einen zusätzlichen Anspruch gegen den Minderjährigen erhält? Kann umgekehrt der Richter dessen Vertragspartner vorhalten: „Wir weisen Ihre Klage gegen den Jugendlichen ab, weil dies das Handeln der Kaufleute erleichtert."? Meines Erachtens nein. 390 BGHZ 53, 136. 391 Insbes. Canaris , Anm. zum BGH-Urteil, JZ 1971, 560-563 (562).

79

§13 Gesetz und Autoritäten

solche m i t dem Intercity, ist nicht stichhaltig. Zur Abgrenzung muß man wertneutrale Begriffe benutzen. 3 9 2 Über die Durchbrechung des strengen Rechts könnte man dann i n Fällen grober Unbilligkeit diskutieren.

§ 13 Gesetz und Autoritäten W i r haben die gesetzliche Regelung beim Flugreisefall für wesentlich gehalten, weil die Festsetzung des Volljährigkeitsalters eine klar erkennbare Grenze ist und deshalb dort die Gründe für eine starre Normierung besonders ins Gewicht fallen. Neben diesen Gründen ist aber noch die andere Funktion des Gesetzes zu beachten: Es stellt auch dort eine Autorität

dar, wo die Entscheidung nicht

eindeutig durch den Gesetzeswortlaut festgelegt ist. Hierauf w i r d verwiesen, wenn w i r von der ratio legis oder dem Gesetzeszweck sprechen. I. Die Unterscheidung der beiden Funktionen des Gesetzes kann man deutlich machen an der neueren Rechtsprechung zur Arbeitnehmerhaftung

(„gefahrgeneig-

te Arbeit"). Der Bundesgerichtshof 3 9 3 und das Bundesarbeitsgericht 3 9 4 meinen, sie seien an die gesetzliche Regelung gebunden, die eine Haftung des Schädigers vorschreibt (§ 823 B G B ) . Eine Ausnahme wollen sie nur machen, soweit sich eine andere gefestigte Rechtsüberzeugung gebildet h a t 3 9 5 . Z u dieser Begrenzung halten sie sich für verpflichtet aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts über die Grenzen der richterlichen

Rechtsfortbildung 3 9 6 .

Der Bundesgerichtshof 397 läßt deshalb den Arbeitnehmer auch gegenüber einer Leasinggesellschaft für einen Schaden haften, den er fahrlässig an einem vom Arbeitgeber geleasten Fahrzeug verursacht hat. 3 9 8 Der 8. Senat des Bundesarbeitsgerichts hat in seiner Entscheidung vom 24.11.1987 399 mit der gleichen Begründung die Rechtsprechung geändert. Vorher 4 0 0 war entschieden 392 Siehe oben § 12 V I I I 1. 393 BGH 19.9.1989, BGHZ 108, 305 (309-313). 394 BAG 24.11.1987, BAGE 57, 55 (60). 395 Für die Rechtsüberzeugung zitiert BAGE 57,64-69: den 45. Deutschen Juristentag, Gesetzentwürfe, Tarifverträge und Schrifttum. 396 AaO m. Nachw. auf die Rspr. d. BVerfG. 397 Siehe oben N. 393. 398 BGHZ 108, 308, meint, der Gesetzgeber des BGB habe eine Privilegierung des Arbeitnehmers bewußt abgelehnt. Ihm sei eine solche Regelung nicht fremd gewesen, denn § 899 ALR habe bestimmt, daß der „gemeine Handarbeiter" sowohl gegenüber dem Dingenden, „als auch gegen einen Dritten" nur „grobes oder mäßiges" Verschulden zu vertreten habe. Diese Argumentation kann man, wie andere „Beweisführungen" solcher Art, auch umkehren: Man kann argumentieren, daß hier eine uralte Rechtsüberzeugung sichtbar werde, die nur den gesetzgebenden Instanzen im Zeitalter, das man das hochkapitalistische nennt, verlorengegangen sei. Zu ähnlichen Umkehrungen oben N. 137 und unten bei N. 408. Man denke ferner an den Gegensatz Analogie / Umkehrschluß. 399 Siehe oben N. 394. 400 Seit BAG 23.3.1983, BAGE 42, 139.

80

§13 Gesetz und Autoritäten

worden, daß bei normaler Schuld die Haftung des Arbeitnehmers ganz entfällt. Jetzt sollte in diesen Fällen der Schaden in aller Regel zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geteilt werden. Die von den Gerichten angewandte gesetzliche Regelung schafft hier eine schwerer übersehbare Ordnung

als eine Rechtsprechung, welche die Haftung

ganz ausschließt: Für den Richter ist es schwierig, die Schuld und die Höhe der Ersatzleistung richtig zu bemessen (vgl. oben § 1 2 I V 3, 4). Prozesse über einen Schadensersatzanspruch können gerade i m Betrieb die unerfreulichsten Folgen haben (vgl. § 1 2 I V 6). Der neuen Judikatur stehen daher gleich vier Bedenken entgegen: 1. Das Gericht löst sich v o m Wortlaut des Gesetzes, das die volle Haftung anordnet. 2. Es kommt trotzdem zu einem Ergebnis, das, jedenfalls dem Anschein nach, der Ansicht eines großen Teils der öffentlichen Meinung, wenn nicht der Mehrheit, unbillig i s t 4 0 1 . 3. Die bisherige Rechtsprechung w i r d für überholt erklärt. 4. Es w i r d eine Grenze aufgestellt, die weit mehr Unsicherheiten schafft, als die bis dahin gültigen Präjudizien. II. Wenn die Gerichte meinen, die Autorität

des „Gesetzgebers"

zwinge zu

solchen Ergebnissen, so muß dies näher überprüft werden. 1. Beachtung erheischt zunächst einfach der Umstand, daß gerade i n den streitigen Zweifelsfällen die Anwendung des Beweglichen Systems nicht zu einem Ergebnis führt, w e i l bis heute keine Methode gefunden i s t 4 0 2 , das Gewicht der Gründe anzugeben 4 0 3 . Es gibt daher i n rechtlichen Streitfällen keine Lösung, 401 Auf dem 56. Deutschen Juristentag 1986 ist der Haftungsausschluß von der Mehrheit befürwortet worden: Ja — 121 Stimmen, Nein — 92 Stimmen, Enthaltungen — 7; Verhandlungen d. 56. DJT, IV. Abteilung, Beschluß A 10. 402 Μ . E. wäre auch das möglich: Die Teilnehmer an einer Gruppendiskussion könnten sehr wohl in Zahlen angeben, welches Gewicht sie den einzelnen Gesichtspunkten pro und contra zumessen. Dem kann nicht entgegengehalten werden, die Mathematik sei zu starr. Mathematische Formeln bestehen vornehmlich aus Buchstaben, für die sich beliebige Zahlen einsetzen lassen, welche die konkreten Größen und deren Relationen genau angeben können. Es bedarf allerdings beträchtlicher geistiger Anstrengungen, die einzelnen Gesichtspunkte jeweils den richtigen Grundrechnungsarten zuzuordnen, sonst wird die Rechtsordnung objektiv falsch. Praktisch könnte man so vorgehen, daß den Diskussionsteilnehmern zunächst ein für alle plausibler Gesichtspunkt genannt wird, dem die Größe Tausend zuerkannt wird (möglichst eine so hohe Zahl, damit nach unten Spielraum besteht). Die übrigen Gesichtspunkte kann dann jeder seinem Rechtsgefühl entsprechend höher oder niedriger bewerten. So könnte verständlich gemacht werden, wie jeder die Wertungselemente einschätzt. Es kann von Nutzen sein, wenn man in einer Gruppe zunächst die Einzelwerte nicht mitteilt, sondern nur das aus der Differenz der Gründe pro und contra herzuleitende Ergebnis und daß man dann erst die Einzelwerte diskutiert. Gegen Methoden dieser Art: Esser, Theorie undSystem einer allgemeinen Deutschen Schadensordnung, DRWiss. 7 (1942) 65-81 (79), jedoch mit fehlerhaften Rechenbeispielen. 403 So richtig Otte , 273, 284. Daher ist unklar, was Fenyves, 142, meint, wenn er sagt, der Entscheidungsträger müsse offenlegen, wie er die einzelnen Elemente in seiner konkreten Entscheidung gewichtet hat.

81

§13 Gesetz und Autoritäten sondern nur eine autoritative

Entscheidung.

Diese muß von der dafür zuständigen

staatlichen Gewalt, dem „Leviathan", gefällt werden: Authoritas, non Veritas, facit l e g e m 4 0 4 . Doch ist diese Autorität i m Rechtsstreit schon der Richter, und daher sagt der Entscheidungszwang noch nichts darüber, wie weit die Gerichte an Gesetz oder Präjudizien gebunden sind. 2. A l s Autorität w i r d i n diesem Zusammenhang regelmäßig nicht der von den gesetzgebenden Organen verabschiedete, i m Gesetzblatt veröffentlichte Text angesehen, sondern der dahinterstehende „ W i l l e " , den man "ratio

legis",

„Sinn

und Z w e c k " , „zugrundeliegendes Prinzip" oder „gesetzgeberische Wertentscheidung" nennt. Doch werden i n Literatur und Rechtsprechung regelmäßig nicht die verschiedenen Wertungselemente berücksichtigt, wie das Bewegliche System es tut; vielmehr w i r d ein einzelner Gesichtspunkt, der i n Wirklichkeit nur ein Element der Abwägung ist, zum Zweck des Gesetzes hochstilisiert; er w i r d zum „Zweckprogramm", so als sei er die logische Bedingung (die Conditio) der Rechtsfolge 4 0 5 . Es klingt meist recht plausibel, wenn die Begründung einer Entscheidung einen wesentlichen Abwägungsgesichtspunkt nennt, der für das gefundene Ergebnis spricht und diesen dann als ratio legis bezeichnet 406 . Doch ist ein einzelner Gesichtspunkt praktisch für jede diskutable Entscheidung zu finden. Eine solche Argumentation läßt außer acht, daß auch die gesetzgebenden Organe eine Abwägung der Gründe pro und contra vornehmen müssen und ein vernünftiges Ergebnis erst dann gesichert sein kann, wenn sie alle Argumente bedacht haben. Entgegen der ganz herrschenden M e i n u n g 4 0 7 darf „ d i e " ratio legis, „der" Zweck des Gesetzes nicht einmal dann die Wertung entscheiden, wenn der Gesetzgeber sich von einem bestimmten Gedanken, etwa dem Schutz bestimmter Gruppen, hat leiten lassen, wie bei den Gesetzen zum Schutz der Arbeitnehmer, Mieter, Verbraucher oder Abzahlungskäufer. Denn wäre das richtig, so wäre den „geschützten" Personen i m Streitfall stets recht zu geben, was nicht einmal Interessenvertreter und Verbandsfunktionäre behaupten werden. Man kann nämlich gerade bei solchen Schutzgesetzen auch umgekehrt argumentieren, daß die Gesetzgeber die Interessen der zu schützenden Partei deutlich gesehen und ihnen daher im Gesetz auch hinreichend Rechnung getragen haben 408 und daß man deshalb 404

Hobbes, Leviathan, Caput X X V I , De legibus civilibus, etwa Mitte, Opera omnia, primum collecta, London (1841) 2. Reprint Aalen (1966) 202; dazu Kriele, Herausforderung des Verfassungsstaats (1970) 13 f. 405 Zu Zweckprogramm und Konditionalprogramm: Luhmann, Legitimation durch Verfahren, (1969), 130; ders., Rechtssoziologie (1972) I, 88. 406 Insoweit richtig die Besprechung von Hagen (oben N. 341). 407 Statt vieler Larenz, (oben N. 64), 316 f.: Oft könne „eine Regelung vernünftigerweise nur einen einzigen Zweck haben"; so wolle das Abzahlungsgesetz die Abzahlungskäufer vor bestimmten Gefahren schützen. Man kann, wenn man Mißverständnisse vermeiden will, nur sagen, daß die gesetzgebenden Instanzen den Schutz der Abzahlungskäufer im Auge hatten. So richtig BGH 20.1.1988, BGHZ 103, 91 (100) für die Interessen des Mieters bei Kündigung wegen Eigenbedarfs des Vermieters nach § 564b BGB; ähnlich die 6 Westerhoff

§13 Gesetz und Autoritäten

82

die andere Seite nicht durch (analoge) Ausdehnung des Gesetzes auf andere Sachverhalte noch weiter benachteiligen dürfe 4 0 9 . 3. Es ist nicht möglich,

das Gewicht eines Abwägungselements

im vorhinein

abstrakt zu bestimmen, ohne Bezug auf einen konkreten Sachverhalt; denn das Gewicht ist, wie jede Größe, ein relativer Begriff.

Es hat wenig Sinn, festzustellen,

ob einem Rechtsgedanken i n einem anderen Zusammenhang größere oder geringere Bedeutung beigemessen wird. Wesentlich ist das Gewicht nur i m Verhältnis zu dem Gewicht der anderen i m konkreten Fall einschlägigen Gesichtspunkte 4 1 0 . Tatsächlich ersparen nicht einmal die Vorzugsregeln der Verfassung eine Abwägung 4 1 1 . Deutlich wird das in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, nach der sich der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit „im Grunde bereits aus dem Wesen der Grundrechte selbst" ergibt 4 1 2 . Hier werden also gerade die „Werte" relativiert, die den Wertmaßstab für die gesamte Rechtsordnung abgeben sollen; sie werden zu Elementen einer Abwägung 4 1 3 . 4. Das Verhältnis der Größen zueinander ergibt sich jeweils nur aus den jeweiligen Tatumständen. Daher kann auch nur durch solche Tatsachen festgesetzt werden, welches Gewicht den Wertungsgesichtspunkten jeweils zugemessen werden soll. Es läßt sich mehr oder weniger sicher feststellen, daß i n andern Sachverhalten ein ähnliches Verhältnis der Wertungselemente zueinander vorliegt. Diese Tatumstände lassen sich dann verallgemeinern. Die Festlegung der Tatumstände, die das Gewicht bestimmen, geschieht grundsätzlich durch die gesetzlichen Regelungen m i t Tatbestand und Rechtsfolge. A u f diese können w i r dann zurückgreifen durch Fallvergleich penbildung;

und weitere

Fallgrup-

bei der Ausweitung der Gesetze sprechen w i r von Analogie.

5. Die Frage, welches Gewicht die beweglichen Abwägungsgesichtspunkte i m Verhältnis zueinander i m konkreten Fall haben, kann sinnvoll erst gestellt werden, Abwägung der Rechte des Mieters und des Vermieters in BVerfG 15.3.1989, NJW 1989, 1917 f. 409 Das bleibt ζ. B. unberücksichtigt in BGH 25.11.1970, BGHZ 55,59: Ein Rücktritt vom Vertrag soll nicht nur dann vorliegen, wenn der Abzahlungskäufer die verkaufte Sache wieder an sich nimmt (so § 5 AbzG), sondern auch dann, wenn er sie im Wege der Zwangsvollstreckung an einen Dritten veräußert. Der BGH meint, der vom Gesetz gewollte Schutz des Abzahlungskäufers verlange, daß er auch vor den Nachteilen einer Versteigerung geschützt werde, die häufig ein unter dem wirklichen Wert liegendes Ergebnis erbringt. Wie ist es jetzt, wenn ein Anwalt, der die Interessen seiner Partei (pflichtgemäß?) vertritt, in das übrige Vermögen vollstrecken läßt? Soll auch dann § 5 AbzG analog angewandt werden, evtl. wegen Gesetzesumgehung? Ist derjenige, der in Raten zahlen darf, schutzwürdiger als andere Vollstreckungsschuldner? 410 Westerhoff\ Methodische Wertung, § 454, S. 283 f. 411 Dazu ähnlich Otte , 279 f.; Wilburg, Zusammenspiel, 347. 412 BVerfG 15.12.1965, BVerfGE 19,342 (348 f.); weitere Nachw.: Stern, Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, 12 (1984) § 2 0 I V 7, S. 861 N. 608 u. 609. 413 Wendt, Garantiegehalt der Grundrechte und das Übermaßverbot, AöR 104 (1979) 414 (452-456) m. Nachw.

§13 Gesetz und Autoritäten

83

nachdem alle Gesichtspunkte herausgearbeitet sind. Dabei kann der Gesetzgeber nicht nur die Gründe für oder gegen die streitige Rechtsfolge bewerten, sondern auch die Gründe für die Aufstellung starrer, unbeweglicher Normen. Deshalb kann die Ansicht der Autoritäten

erst am Ende in die Wertung eingeführt

werden,

nachdem alle rechtlichen Gesichtspunkte herausgearbeitet worden s i n d 4 1 4 . Diese Ansicht steht in Gegensatz zu verbreiteten

Vorstellungen

von juristischer Metho-

dik, nach denen die wesentlichen Gesichtspunkte und vorrangigen Interessen aus Vorgegebenem

abgeleitet

werden sollen 4 1 5 , etwa aus dem Rechtsbegriff 4 1 6 oder

anderen Begriffen und Autoritäten. Die herrschende Methode führt vor allem deshalb nicht weiter, weil die angeblich vorgegebenen Begriffe und Prinzipien regelmäßig „teleologisch" ausgelegt werden, damit man ihnen so in einem juristischen Zirkelschluß das gewünschte Ergebnis entnehmen kann 4 1 7 . Man formt die Tatbestandsbegriffe so, daß in den unter sie zu subsumierenden Sachverhalten die streitige Rechtsfolge gerecht erscheint. Es ist das Verdienst Wilburgs, daß er dieses Zirkeldenken durchbrochen und unmittelbar die Gründe genannt hat, die für die fragliche Rechtsfolge sprechen. 6. Neben Gesetz und „Gesetzgeber" gibt es noch andere Autoritäten,

die zu

dem Gewicht der Abwägungsgesichtspunkte Stellung nehmen können: Verfassung, Präjudizien, „Gewohnheitsrecht", Sitte, Allgemeine Rechtsüberzeugung, Lehrmeinungen. Sie sind mehr oder weniger verbindlich und dementsprechend zu berücksichtigen 4 1 8 . A u c h diese Autoritäten haben unterschiedliches Gewicht 414 Fenyves, 142: „Elemente möglichst vollständig erfassen." Otte, 285: „Abwägungsgesichtspunkte möglichst abschließend anzugeben." Schilcher, 300: „Der Gesetzgeber muß sich beim komparativen Verfahren zunächst alle Wertungen und Zwecke bewußt machen". Wie Bydlinski, 40, bemerkt, hat Wilburg seine Elemente ohne besondere Unterscheidung aus dem geltenden Recht, der Judikatur, der Dogmatik und der Rechtsvergleichung gewonnen und bei ihrer Anwendung keine besondere Rücksicht auf das jeweils geltende Recht genommen. Die mangelnde Differenzierung zwischen den schon nach geltendem Recht verwertbaren und anderen Resultaten, sei dem Erfolg in der Praxis nicht günstig gewesen. Ebenso: Methodenlehre, 541. Daß die auf das jeweils geltende Recht ausgerichtete Praxis wenig geneigt ist, rein theoretische Überlegungen zu rezipieren, ist natürlich richtig. Trotzdem ist das Vorgehen Wilburgs das dogmatisch und methodisch einzig mögliche, weil sich eine vernünftige Abwägung nicht auf einige der material relevanten Gesichtspunkte beschränken kann. 415 Dies wird besonders deutlich, worauf Flessner, 169 N. 32 a, hinweist, bei Bydlinski, Methodenlehre, 10 f., 16,42 f. und passim; explizit auch Koch / Rüßmann (oben N. 193) 4 f. 416 So Bydlinski, Methodenlehre, 317 f., 369 f. und passim. 417 In diesem Vorgehen kann man eine Rückkoppelung (Feedback) im Sinne der modernen Kybernetik sehen; es ist die Steuerung eines Systems durch die Wiedereinschaltung seiner Arbeitsergebnisse in das System selbst. Wiener, Mensch und Menschenmaschine (1952) 65. Demgemäß benutzt die moderne Kybernetik den Begriff „Teleologie" als Synonym für „durch Rückkoppelung gesteuertes Zweckstreben", Rosenblueth, Wiener, Bigelow, Behavior, Purpose and Teleologie, Beiheft zu Bd. 8 der Grundlagenstudien aus Kybernetik und Geistes Wissenschaft (1967) 23. Umgekehrt hält Steininger, 14 f., das Arbeiten mit dem Beweglichen System für einen Rückkoppelungsprozeß, weil die „Abwägung des Gewichts der einzelnen Elemente stets auch im Blick auf die

6*

84

§ 1 3 Gesetz und Autoritäten

und stellen insoweit wieder ein bewegliches System d a r 4 1 9 . Doch sind diese Elemente etwas ganz anderes als die Gründe, wie sie Wilburg für die Schadensersatzpflicht genannt hat und wie sie oben für die Nachteile aufgeführt worden sind. Deshalb ist es verfehlt, solche Autoritäten gleichrangig neben die anderen Elemente eines Beweglichen Systems zu stellen, wie dies einige Autoren t u n 4 2 0 . 7. Das Gewicht dieser Autoritäten

ergibt sich aus ihren Eigenschaften, die wie

alle Elemente einer selbständigen, nicht gebundenen Beurteilung wiederum jeweils ein „bewegliches" System bilden. Doch ist dies eine Selbstverständlichkeit, die, wie w i r oben § 1 I I I sahen, nur für Juristen hervorgehoben werden muß. So w i r d über den Geltungsbereich der Verfassung und der Grundrechte mit vielen Argumenten gestritten („Drittwirkung"). Bei den gesetzgebenden Instanzen kann ihre demokratische Legitimation hervorgehoben 4 2 1 und etwa gefragt werden, ob unsere Parteiendemokratie i n der Lage ist, alle Streitfragen gerecht zu lösen. Das parlamentarische Verfahren ist jedenfalls nicht in der Lage, den Schutz der jeweiligen Minderheit zu garantieren. Das ist vornehmlich zu bedenken, wenn sich die politischen Parteien als Repräsentanten der Belange bestimmter Personengruppen fühlen, wie etwa im Arbeitsrecht, insbesondere im Streikrecht. Bei der Bewertung des Minderjährigenschutzes kann man fragen, ob heute noch die patriarchalischen Ansichten Geltung haben, die zur Zeit der Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorherrschten. Als ein besonderer (beweglicher) Gesichtspunkt kann berücksichtigt werden, daß Gesetze häufig besser vorbereitet sind als Gerichtsentscheidungen, etwa durch die Bildung von Ausschüssen oder die Anhörung von Sachverständigen. A u f ähnliche Weise kann man bei der Bewertung anderer Autoritäten verschiedene Gesichtspunkte anführen, etwa ob der Stimme von Papianus,

Accursius

oder anderen das größere Gewicht beizumessen ist.

Konsequenzen zu geschehen hat, zu denen diese Abwägung führt". Ich halte das Gegenteil für richtig. Sinnvoll ist die teleologische Begriffsbildung, wenn der Gesetzgeber Tatbestände formt oder die höchstrichterliche Rspr. Präjudizien; denn dadurch erhalten wir die Steuerungselemente für die Zukunft, vgl. Wank (oben N. 325) 86. 418 Einzelheiten: Westerhoff, Methodische Wertung, S. 287-312. 419 Zur Austauschbarkeit gegenläufiger »Auslegungsargumente": Bydlinski, 28-34, Otte, 276; ausführlicher und deutlicher: Bydlinski, Methodenlehre, 555 f. m. Nachw. 420 Fenyves, 145: „gesetzgeberische Konzeption"; Mayer-Maly, 122: „Verstoß gegen anerkannte Ordnungen (z.B. Standesrecht)"; Korinek, 251: ,»rechtliche Regelung des Berufs"; ders., 250: „Ortsüblichkeit" (Die Ortsüblichkeit enteignungsgleicher Eingriffe kann zudem die Gleichbehandlung aller Ortsansässigen sichern, dazu auch oben N. 337). 421 So Mayer-Maly, 126, für sozialpolitisch motivierte Rechtsänderung; Böhm, 212: Begrenzung staatlicher Macht.

§14 Bewegliches System und Gesetzgebung

§ 14 Bewegliches System und Gesetzgebung W i r sahen bisher, daß das Bewegliche System zuvörderst geeignet ist, die Wertungselemente allgemein theoretisch zu erfassen, und daß die Rechtsprechung die Methode in bestimmten Fragen nutzbar machen kann. Gesetz und Präjudizien wurden als Autoritäten angesehen, die zu diesen Gesichtspunkten Stellung nehmen können. Es bleibt zu fragen, welchen Wert das Bewegliche System für die Gesetzgebung selbst hat. I. M a n kann daran denken, i m Gesetz statt starrer Elemente, die nach dem Wenn-dann-System arbeiten, bewegliche

Elemente aufzuführen,

die nicht nur

austauschbar sind, sondern auf deren Gewicht es auch jeweils ankommt. 1. A l s Beispiel verweist Ostheim, 200, auf § 2 I I des österr. pflichtgesetzes.

Dienstnehmerhaft-

Doch erscheint m i r die Vorschrift wenig gelungen.

Sie bestimmt, bei der Entscheidung über die Ersatzpflicht habe das „Gericht vor allem auf das Ausmaß des Verschuldens des Dienstnehmers und außerdem auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen: 1. auf das Ausmaß der mit der ausgeübten Tätigkeit verbundenen Verantwortung, 2. inwieweit bei der Bemessung des Entgelts ein mit der ausgeübten Tätigkeit verbundenes Wagnis berücksichtigt worden ist, 3. auf den Grad der Ausbildung des Dienstnehmers, 4. auf den Bedingungen, unter denen die Dienstleistung zu erbringen war und 5. ob mit der vom Dienstnehmer erbrachten Dienstleistung erfahrungsgemäß die nur schwer vermeidbare Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Schadens verbunden i s t " . 4 2 2 Die Aufzählung ist wenig hilfreich: Der Ausdruck „Bedingung" ist nichtssagend. Die Zuweisung von „Verantwortung" macht die Frage zur Antwort; denn es wird nicht gesagt, wann jemand verantwortlich sein soll. Nicht erwähnt wird ein „Verschulden" des Dienstgebers. So fragt es sich, ob es nicht besser wäre, die Herausarbeitung der Abwägungselemente zunächst der Wissenschaft zu überlassen. Solange es dort nicht gelungen ist, über die wesentlichen Abwägungselemente Einigkeit zu erzielen, wie etwa in der Strafzumessungslehre, wo man auf die drei Strafzwecke (Vergeltung, Generalund Spezialprävention) sieht, sollte man von einer gesetzlichen Normierung absehen. Denn wenn die Gerichte ein relevantes Element übersehen, ist dies ein Ermessensfehler, gleichgültig, ob der Gesichtspunkt im Gesetz erwähnt wird oder nicht. 2. Die Gründe lassen sich erkennen, wenn w i r sie nach der oben herausgearbeiteten Gliederung

untersuchen. Dann ergeben sich vier Gründe für oder gegen

422 Ähnlich hat der GS des BAG 25.9.1957, BAGE 5, 1 (7), folgende „Abwägungsmerkmale" aufgeführt: Verhältnis des Schadens zum Vermögen des Arbeitnehmers, Größe der in seiner Arbeit liegenden Gefahr, vom Arbeitgeber einkalkuliertes und durch Versicherung deckbares Risiko, Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb, Höhe des Arbeitsentgelts, Höhe des Schadens, Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, seine persönlichen Umstände, Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Familienverhältnisse, bisheriges Verhalten.

86

§ 14 Bewegliches System und Gesetzgebung

die fragliche Rechtsfolge, die Verurteilung des Arbeitnehmers zum Schadensersatz: a) Interessen: Grundsätzlich halten sich die Belange der Parteien die Waage. Doch darf man die Vermögenslage 423 berücksichtigen, was häufig dem Arbeitnehmer zugute kommen wird. Hier spielt das Entgelt eine Rolle und dessen Verhältnis zum möglichen Schaden, dies jedoch nicht, soweit die Bezahlung eine Risikoabgeltung ist. Für den Arbeitnehmer kann ein zusätzlicher Nachteil dadurch entstehen, daß der Arbeitgeber ihn mit der Schadensersatzforderung künftig unter Druck setzen kann. Problematisch ist die Berücksichtigung der Versicherung. Wenn die betroffene Partei im konkreten Fall nicht versichert war, wäre zu fragen, ob der Steuerungsgedanke (AußenWirkung) beachtet werden darf. Kann der Richter dem Arbeitgeber vorhalten: „Sie müssen den Schaden selbst tragen, damit andere Unternehmer sich künftig versichern?". Der Arbeitgeber hat den Vorteil (Gewinn) aus der gefährlichen Tätigkeit oder dem gefährlichen Gerät gezogen 424 und sollte daher wie den guten Teil auch den schlechten haben 425 . Dieser Gedanke spricht dafür, die Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung nicht auf gefahrgeneigte Arbeit zu beschränken, sondern sie auf jede Tätigkeit auszudehnen, die durch den Betrieb veranlaßt w i r d 4 2 6 . Auf der anderen Seite kann das Interesse des Arbeitnehmers am Arbeitsplatz es meines Erachtens nicht rechtfertigen, dem einzelnen Beschäftigten die ganze Last eines Schadens aufzuerlegen. b) Einwilligung: Der Unternehmer kennt die Gefahren des Unternehmens und nimmt sie in Kauf („Mitverschulden"), jedenfalls kann man typisierend davon ausgehen. Diese Einwilligung setzt nicht voraus, daß der Arbeitgeber einen Vorteil von dem Betrieb hat. Demgegenüber weiß der Arbeitnehmer zwar um die Gefahr einer Selbstschädigung, etwa als Kraftfahrer. Aber er denkt nicht an eventuelle Regreßansprüche seines Arbeitgebers. Muß er daran denken und sie dementsprechend in Kauf nehmen? c) Verschulden: Zuzurechnen ist dem Arbeitnehmer sein Handeln, weil er in Bezug auf das Vermögen seines Dienstherrn schuldhaft gehandelt hat. Der Zurechnungsgrund des Verschuldens ist von der Einwilligung (in den eigenen Nachteil und die eigene Ersatzpflicht) zu trennen, weil es nur so möglich ist, auf die Grundelemente Vergeltung und Prävention zurückzugehen. Zu fragen ist einmal, inwieweit der Schadensersatz eine gerechte Vergeltung für die Schuld des Arbeitnehmers darstellt, zum anderen, ob er zur Abschreckung geeignet und erforderlich ist. Ein Verschulden des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer läge nur vor, soweit er mit dessen Schädigung (durch Selbstverletzung oder durch Verpflichtung zum Schadensersatz) rechnet 427 . 423 Dazu gehören auch die Familienverhältnisse, vgl. BAG 12.10.1989, NJW 1990, 468 (470). 424 Das gilt auch für Leasingunternehmen, welche die Leasingraten kassieren. Dies wird nicht berücksichtigt in BGH 19.9.1989' oben N. 393, wonach der Arbeitnehmer für die Beschädigung von Leasinggut der Leasingfirma haftet. Ich halte daher die Entscheidung für grob unbillig. 425 Das muß entgegen Dütz, Gefahrgeneigte Arbeit, NJW 1986, 1779-1786 (1783), auch für gemeinnützige Unternehmen gelten; denn dann hat die Allgemeinheit den Vorteil. 426 So wieder neuerlich der Vorlagebeschluß d. BAG 12.10.1989, NZA 1990, 95.

§14 Bewegliches System und Gesetzgebung Bei der Anwendung des Beweglichen Systems wird eine Trennung zwischen leichter und grober Fahrlässigkeit nicht vorgenommen, weil die jeweilige Größe des Verschuldens berücksichtigt w i r d 4 2 8 . d) Bindung kann in der Form der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers eine Rolle spielen 429 . Die Dauer der Betriebszugehörigkeit kann von Bedeutung sein. In einem Beweglichen System ist dieser Gedanke auch dann zu beachten, wenn man ihn nicht für allein entscheidend hält 4 3 0 . II. Wenn die Abwägungselemente nicht i m Gesetz fixiert werden, bleibt zu fragen, ob die Wertungsgesichtspunkte für die Bildung

von Tatbestandsmerkma-

len und Tatbeständen fruchtbar gemacht werden können, m i t denen die Gesetze üblicherweise arbeiten müssen. 1. Dazu ist nochmals auf die Unterscheidung

von Merkmal

und Gesichtspunkt

hinzuweisen. Sie ist unabdingbar, wenn w i r i m Recht sinnvoll argumentieren wollen, w e i l die Wirkweise

unterschiedlich

ist: Die i n Gesetzestatbeständen und

Präjudizien enthaltenen Merkmale wirken nach dem Ja-nein-Prinzip 4 3 1 : Wenn alle Merkmale vorliegen, tritt die Rechtsfolge ein, fehlt ein Merkmal, dann tritt sie nicht e i n 4 3 2 . Demgegenüber sprechen die Abwägungsgesichtspunkte nur mehr oder weniger für die fragliche Rechtsfolge 4 3 3 . Die gleiche Unterscheidung müssen w i r machen, wenn w i r fragen, welche Teile eines Urteils bindende ratio decidendi sein sollen. Eine Bindung für die Zukunft kann nur eintreten, soweit ein Urteilselement starre Voraussetzung für die fragliche Rechtsfolge sein w i l l und nicht nur ein (bewegliches) Element der Abwägung. Wann das eine und wann das andere vorliegt, w i r d man durch Auslegung ermitteln müssen 4 3 4 . Wird der Unterschied zwischen Merkmal und Gesichtspunkt verkannt, so kommt man zu unsinnigen Argumentationen. Ein Beispiel bringt Fikentscher 435: Wenn ein Diebstahl 427 Auf die Probleme des Rechtswidrigkeitszusammenhanges und der „Teilbarkeit des Unrechtsbewußtseins" soll hier nicht eingegangen werden. 428 Bei der Einschätzung des Verschuldens kann das Alter eine Rolle spielen; dieses kann aber auch für die Einschätzung des Interesses von Bedeutung sein (antinomischer Tatumstand, siehe oben § 9 I I 3). 429 Wilburg, Schadensumfang, 15. «ο Nachweise für die ablehnende Meinung heute: BAG 23.3.1983, BAGE 42, 130 (138). 431 Tatbestandsmerkmale und nicht Gesichtspunkte sind auch Annahmeverzug und Unmöglichkeit, die Koller, 79, zu den Risikozurechnungskriterien rechnet. 432 Demgegenüber spricht Posch, 255 u. 258, von beweglich formulierten Tatbeständen. 433 Westerhoff, Methodische Wertung, §§ 75-83, S. 62-66. 434 Vgl. Bydlinski, Methodenlehre, 513. 43 5 Fikentscher (oben N. 47) III, 660 f. Er meint dies Otte (oben N. 48) 308 f. entgegenhalten zu können. Dazu jetzt Otte, 281. Die Kontroverse ist ein Beispiel dafür, daß es bei der Übertragung juristischer Gedankengänge in logische Formeln eher zu Mißverständnissen und Begriffsvertauschungen kommen kann als bei der normalen juristischen Argumentation. Siehe dazu auch oben N. 329.

§ 1 4 Bewegliches System und Gesetzgebung

88

„zur Nachtzeit" schwerer bestraft wird, würde man argumentieren, ein um Mittemacht begangener Diebstahl sei schwerer zu bestrafen als ein um zehn Uhr abends begangener 4 3 6 . Nachtzeit ist ein — wenn auch unbestimmtes — Tatbestandsmerkmal, nicht Abwägungsgesichtspunkt. 2. Es lassen sich nun Abwägungsgesichtspunkte wandeln.

431

in Tatbestandsmerkmale

ver-

Das kann einfach dadurch geschehen, daß das Gesetz oder das Präju-

diz autoritativ festlegt, die Rechtsfolge solle von bestimmten Umständen abhängen. So können materiale Gründe, wie Einwilligung, Verschulden oder Abstammung (Bindung), Tatbestandsmerkmale sein. Dagegen ist das Interesse einer Partei, ihr Vor- oder Nachteil, grundsätzlich nur ein Element der Abwägung. Zwar mag nach dem W i l l e n des „Gesetzgebers", das Interesse einer Partei schwerer wiegen als das der anderen. Aber kein vernünftiger Gesetzgeber kann befehlen, daß dieses Interesse i n allen Fällen vorgeht. 3. Bei den Tatbestandsmerkmalen kommt es nicht auf das Gewicht an. Deshalb hat es wenig Sinn zwischen Merkmalen wie leichter und grober Fahrlässigkeit zu unterscheiden, etwa bei der Arbeitnehmerhaftung 4 3 8 ; denn was man unter „leicht" oder „ g r o b " versteht, kann man nur durch eine Konkretisierung

verständ-

lich machen: M a n muß die Sachverhalte schildern, in denen man jeweils eine leichte oder grobe Fahrlässigkeit annimmt. Festsetzung ist Tatsachenbeschreibung. I n der Praxis bedeutet dies, daß die Konkretisierung insoweit durch die Rechtsprechung erfolgt, die ausführt, in welchen Fällen welche A r t der Fahrlässigkeit anzunehmen ist. Als besonders unglücklich erweist sich insoweit der Begriff der Gefahrengeneigtheit 439\ denn es bleibt ganz unklar, wie groß eine Gefahr, das heißt die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, sein muß, um relevant zu sein. Dazu bedarf es der Konkretisierung durch die Tatumstände. Die Relevanz dieser Umstände ergibt sich aus folgenden Gesichtspunkten: Dem Arbeitnehmer ist regelmäßig ein geringerer Vorwurf zu machen, wenn der Schaden schon bei einer leichten Unaufmerksamkeit eintritt. Allerdings ist er, wenn er die Gefahr kennt, auch zu größerer Sorgfalt verpflichtet. Ferner ist die größere Wahrscheinlichkeit der Ersatzpflicht eine Benachteiligung des Arbeitnehmers, sofern er dafür kein Entgelt bekommt. Der Arbeitgeber hat, soweit er die durch den Betrieb entstandene Gefahr gesehen hat, in den möglichen Schaden eingewilligt. Dieser letzte 436 Vgl. § 243 Nr. 7 StGB in der bis 1970 geltenden Fassung. Wollte man die komparativen Elemente erfassen, so müßte man fragen, warum ein Diebstahl bei Dunkelheit strafwürdiger sein soll als ein Diebstahl bei Tage. Der Tatumstand wäre antinomisch: Man könnte einmal sagen, ein Diebstahl bei Nacht sei gefährlicher (so Maurach, Strafrecht Bes. Teil, 4. Aufl. [1964] § 2 6 I V A 7, S. 211). Man kann aber auch argumentieren, wer die Tat dreist bei Tage begehe, habe die größere kriminelle Energie. Aber sind solche Fragen nach dem Sinn einer Vorschrift sinnvoll bei dem sprichwörtlichen „Dieb in der Nacht" (MT 24, 43; 1. Thess 5, 2; Hjob 24, 14)? 437 Wank, (oben N. 325) 136. 438 Vgl. dazu einerseits BAG 23.3.1983, BAGE 42,130 und andererseits 24.11.1987, BAGE 57, 55. 439 Siehe dazu neuerlich den Vorlagebeschluß d. 8. Senats d. BAG ν. 12.10.1989, NZA 1990, 95, in der dem Großen Senat vorgeschlagen wird, den Begriff aufzugeben.

§ 1 4 Bewegliches System und Gesetzgebung Gedanke ist schwer von dem Interessengesichtspunkt („Wer den guten Teil hat,...") zu trennen. Deshalb ist es einfacher und aufschlußreicher, den Begriff „Gefahrengeneigtheit" fallenzulassen und sofort auf die Wertungselemente zurückzugehen. 4. U m jedoch die Vorteile der Gesetzesbindung zu erreichen, müssen Tatbestandsmerkmale klar erkennbar,

das heißt i n der Beweisaufnahme möglichst

einfach feststellbar s e i n 4 4 0 , weshalb dem Gesetzgeber grundsätzlich eine Typisierung (Schematisierung, Veräußerlichung) gestattet i s t 4 4 1 : M a n stellt etwa statt auf den inneren W i l l e n auf die Erklärung a b 4 4 2 , statt auf die Fähigkeit, die Bedeutung von Rechtsgeschäften zu erkennen, auf ein bestimmtes (Volljährigkeits-)Alter, statt der genauen Überlegungen auf die Beachtung einer Form oder umgekehrt statt der mangelnden Überlegung auf den Abschluß aufgrund Allgemeiner Geschäftsbedingungen. 5. Bei dieser Typisierung gehen w i r w i e d e r u m 4 4 3 den W e g i n umgekehrter Richtung wie die übliche Rechtsanwendung, die zunächst die bestehenden Gesetze betrachtet und dann nach deren Sinn und Zweck fragt. Dieses Vorgehen ist häufig unfruchtbar, w e i l der Sinn überkommener Regelungen nicht auf so einfache Weise zu erkennen ist. M a n versucht aus den bestehenden Regeln Wertungen herauszupressen, die sie nicht enthalten. Das juristische Denken, das hinter jeder Bestimmung die entsprechende ratio legis findet, argumentiert nach dem Schema: Es gibt einen Kulturetat, also auch Kultur. Die dogmatische Unfruchtbarkeit dieses Weges w i r d besonders deutlich bei wertneutralen

Begriffen,

die nicht dazu dienen, die wertenden beweglichen A b w ä -

gungsgesichtspunkte zu konkretisieren. Sie mögen geeignet sein, die streitigen Sachverhalte zu erfassen und abzugrenzen, können aber die Begründung der Entscheidung nicht einsichtig machen. E i n B l i c k i n die juristische Literatur lehrt, daß gerade bei ihnen die heftigsten Kontroversen oder Unzulänglichkeiten auftreten. Zur Andeutung nenne ich nur: H a n d l u n g 4 4 4 , Kausalität, L e i s t u n g 4 4 5 und (objektive) U n m ö g l i c h k e i t 4 4 6 . Bei diesen Begriffen ist ein Zusammenhang m i t 440 Krejci, 131 f., weist darauf hin, daß der Gesetzgeber auf die Verbrauchereigenschaft abstelle, um lästige Beweisfragen auszuklammern. 441 Zur Typisierung: Westerhoff, Methodische Wertung, §§ 548, 549 d, S! 334 f. 442 Näheres zu den Funktionen der Willenserklärung: Westerhoff, Methodische Wertung, § 550, S. 336 f. 443 Ebenso wie bei der Bestimmung des Gewichts der Gesichtspunkte durch die Autoritäten, siehe oben § 13 I I 5. 444 Für das Zivilrecht ζ. B. Ernst Wolf, Die Lehre von der Handlung, AcP 170 (1970), 181-229; zum richtigen (funktionalen) Vorgehen: Deutsch (oben N. 241) § 10 I I 1, S. 123. 445 Canaris, (oben N. 146) 805; weitere Nachw. bei Medicus, (oben N. 374) § 26 I I 3, Rdn. 665. Anders Wilburg, Bereicherung, 113. Zum beklagenswerten Zustand, in den das deutsche Bereicherungsrecht dadurch geraten ist: Flessner, 161. 446 Rabel, Unmöglichkeit der Leistung, Gesammelte Aufsätze, I (1965), 1-55 (4); ders. Über Möglichkeit der Leistung und heutige Praxis, ebd. 56-78 (69); Soergel! Wolf, 11. Aufl. 1986, Rdn. 1 m. Nachw.; Arp, Anfängliche Unmöglichkeit, Zum Verständnis von § 306 BGB (1988) 37 f. m. Nachw.

90

§ 15 Erfassung der Elemente

Wertungselementen nicht erkennbar. Es gibt gute und schlechte Handlungen, verschuldete und nicht verschuldete Kausalität, wirksame oder unwirksame Leistungen, zurechenbare und nicht zurechenbare Unmöglichkeit. Natürlich kann man auch diese Begriffe — wie jeden Begriff — neu definieren und dabei durch Aufnahme zusätzlicher (Wertungs-)Elemente versuchen, zum richtigen Ergebnis zu kommen. M a n denke an die adäquate Kausalität oder an die verschiedenen Handlungsbegriffe. Doch führt dies dazu, daß letztlich beide auf der Strecke bleiben, die Rechtsklarheit und die richtige Wertung. Die Anwendung wertneutraler Begriffe scheint m i r auch einer der Gründe für die Schwierigkeit zu sein, die Handhabung unseres Gesetzessystems zu erlernen. Die Anwendung vieler Begriffe des Privatrechts auf konkrete Fälle erfordert ein erhebliches Abstraktionsvermögen, das Studenten häufig nicht besitzen. Die Verallgemeinerung ist deshalb so schwer, w e i l bei wertneutralen Begriffen, wie Unmöglichkeit, Leistung oder Handlung, das Rechtsgefühl nicht anspringt, so daß Intellekt und Rechtsempfinden verschiedene Wege gehen müssen. Die hier vertretene Trennung zwischen der Verallgemeinerung von Sachverhalten und der Verallgemeinerung von (beweglichen) Wertungsgesichtspunkten 4 4 7 kann dazu beitragen, dieses Problem i n den G r i f f zu bekommen.

§ 15 Erfassung der Elemente I. Wesentliches Z i e l dieser Abhandlung ist es, zu zeigen, daß sich die Wertungselemente i n einem System vollständig erfassen lassen. Dies habe ich bis auf einige Argumente, die noch der weiteren Erläuterung bedürfen 4 4 8 oder eine noch zu präzisierende Wertung enthalten 4 4 9 , für a l l e 4 5 0 von Wilburg

und den Autoren

des Symposiums genannten Elemente dargelegt 4 5 1 . Es sind Wertungselemente, die für eine Vielzahl von Rechtsproblemen und die unterschiedlichsten Lebens447 Siehe oben bei N. 159 und § 12 I 2. 448 Bydlinski, 37: Rechtswidrigkeit; Deutsch, 41: Stoßrichtung des Verhaltens; Hönn, 99: Individualschutz; Hönn, 94, Wilburg, Schadensrecht, 48: Rechtssicherheit; MayerMaly, 126: Anwendung verwerflicher Mittel, wie Verleitung zum Vertragsbruch (dieses ist ein Sachverhalt, der Verschulden und Interessenverletzung indiziert); Krejci, 129: Wesensmerkmale des Vertrages, 133: Mißbrauch der Rechtsausübung; Ostheim, 200: Bedingungen, unter denen die Dienstleistung zu erbringen war (dazu auch oben § 14 I 1); Wilburg, Schadensrecht, 161: Art der verletzten Pflicht. Mit den angeführten, aus dem Zusammenhang gerissenen Zitaten sollen die Autoren nicht kritisiert werden. Ich bemühe mich hier nur um vollständige Aufzählung der Elemente. 449 Mayer-Maly, 122: mißbilligte Kommerzialisierung; Wilburg, Rektoratsrede, 19: Element des Unrechts. 450 Nicht erfaßt sind die von Böhm untersuchten Prozeßzwecke und das von Korinek behandelte Verfassungs- und Verwaltungsrecht, dazu oben § 5 IV. 451 Nicht eingeordnete Elemente, insbesondere prozessuale Gesichtspunkte, siehe oben

N. 102.

§ 1 5 Erfassung der Elemente

91

Sachverhalte genannt worden s i n d 4 5 2 . Damit ist sicher nicht bewiesen, daß das System auch alle anderen rechtlichen Gesichtspunkte erfassen kann, die nicht erwähnt worden sind. Der Beweis, daß alle i n einem bestimmten Problemkreis, wie dem Recht, auftauchenden Gründe in eine Ordnung zu bringen sind, läßt sich logisch nicht führen. Doch mag man die hier vorgenommene Erfassung als ein Indiz dafür ansehen, daß das System geeignet ist, beliebige andere Argumente zu ordnen und auf ihre Relevanz zu prüfen. Denjenigen, welche das bezweifeln, ist die Widerlegung leicht gemacht: Sie brauchen nur einen Grund für die Auferlegung eines Nachteils zu nennen, der durch die vorgetragenen Kategorien nicht erfaßt w i r d oder die Begründung eines (zivilrechtlichen) Streitfalles, die nicht in das System paßt. Ich selbst habe seit vielen Jahren das dargestellte System an den verschiedensten Streitfällen geprüft und festgestellt, daß es geeignet ist, die rechtliche Problematik zu erfassen. Allerdings ist es in seltenen Fällen möglich, daß eine Entscheidung nicht nur, wie häufig, deshalb schwierig ist, weil sich die Argumente pro und contra die Waage halten, sondern weil überhaupt kein einleuchtender Grund für die eine oder andere mögliche Regelung genannt werden kann. Das ist zum Beispiel nicht ausgeschlossen, wenn ein Schaden eingetreten ist und sich kein plausibler Gesichtspunkt dafür finden läßt, ob er dem einen oder dem anderen zugerechnet werden soll. Man denke daran, daß bei Dreipersonenverhältnissen der ursprünglich Verpflichtete nicht mehr zahlen kann und sich die beiden anderen darüber streiten, wer den Ausfall zu tragen hat 4 5 3 . Dann kann man sagen: quieta non movere. A m schwersten wiegen in solchen Fällen die Nachteile, die ein Prozeß und die Vollstreckung der Entscheidung mit sich bringen. Jedenfalls darf man nicht glauben, durch rechtliche Konstruktionen eine „Lösung" zu finden, die gerechter ist.

452

Von Wilburg, den Autoren des Symposions und mir sind folgende Rechtsprobleme behandelt worden: Schadensersatz; Delikt, insbes. Verschuldenshaftung, Gefährdungshaftung, V erkehispflichten\Rec ht sge sc häft und Vertrag, insbes. Dauerschuldverhältnisse, Gesellschaftsverträge und deren Kündigung, Reiseverträge, Interpretation von Verträgen; „Seriositätsindizien", Anfechtungs- und Nichtigkeitstatbestände, Wegfall der Geschäftsgrundlage, Geschäftsfähigkeit, Sittenwidrigkeit, Schutz sozial Schwacher, insbes. Verbraucherschutz, Haustürgeschäfte, Allgemeine Geschäftsbedingungen, Willenserklärung und Wissenserklärung, Willensmängel, Vertragsabwicklung; Vertrauenshaftung; Einschränkung der Formnichtigkeit; Rechtsscheinshaftung, insbes. Anscheinshaftung, Duldungsvollmacht; culpa in contrahendo; Arbeitsrecht, insbes. Bestimmung seines Anwendungsbereichs, Arbeitnehmerhaftung; Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, insbes. Verwechslungsgefahr, ergänzender Markenschutz außerhalb des Gleichartigkeitsbereichs, ergänzender Leistungsschutz; Geschäftsführung ohne Auftrag; Gehilfenhaftung; Ungerechtfertigte Bereicherung, insbes. Verbot, sich auf das eigene Unrecht zu berufen, Wegfall der Bereicherung, Anweisungsfälle, Einbau von Baumaterial; Gutgläubiger Erwerb; Erbrecht, insbes. Familienrecht, formloses Hofübergabeversprechen; Konkursrecht, insbes. Konkursvorrechte. 453 Schwierig ist es auch, für die Rechtsänderung durch Zeitablauf (Verjährung) eine Begründung zu finden. Gelegentlich wird eine Partei ihre Unterlagen im Vertrauen darauf vernichtet haben, daß der Gläubiger seine Forderung nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen würde. Diese Begründung allein dürfte aber häufig nicht ganz befriedigen.

92

§ 16 Die Bedeutung des Beweglichen Systems II. A l s Besonderheit des Beweglichen Systems gilt die Ranggleichheit und

Austauschbarkeit der Elemente. So haben denn auch die Autoren, die das System praktisch angewandt haben, die von ihnen genannten Gesichtspunkte jeweils grundsätzlich ranggleich nebeneinandergestellt. Doch sind keineswegs alle Elemente austauschbar. Für ein System, das die dem Rechtsgefühl unmittelbar einsichtigen (beweglichen) Wertungselemente deutlich machen w i l l , ist es vielmehr unabdingbar, die eigentlichen Elemente der Wertung von anderen Bestandteilen des Rechtsdenkens zu trennen. Es müssen daher zunächst Unterscheidungen getroffen werden, wie ich sie in dieser Abhandlung herausgearbeitet habe, vor allem die Trennung von Abwägen und Ableiten (oben § 11 I I 1), von (Tatbestands-)Merkmalen und (Abwägungs-)Gesichtspunkten (oben § 1 I I I , § 14 I I 1, 5 ) 4 5 4 . Ohne solche Distinktionen kommen w i r über eine regellose Aufzählung beliebiger Topoi nicht hinaus.

§ 16 Die Bedeutung des Beweglichen Systems Z u m Schluß stellt sich die Frage, worin der Wert und die Besonderheit des Beweglichen Systems bestehen. Bisher hat es i n den Arbeiten zur Methodenlehre nur begrenzte Beachtung gefunden 4 5 5 , obgleich es wie w o h l keine andere Methode von vielen namhaften Autoren praktisch angewandt worden ist.

l

454 Außerdem sind folgende Unterscheidungen zu machen: 1. Regelungsmöglichkeiten (Prinzipien) + Gründe für die Regelung (oben § 2 I I 3 a); 2. Verallgemeinerung von Sachverhalten + Verallgemeinerung von Gründen (oben § 6 vor I, § 12 I 2, S. 90); 3. Güterzuordnung + Nachteilszurechnung (oben § 5 II la; vgl. auch bei N. 143); 4. bestimmende Rechtsvoraussetzungen (ζ. B. Schaden, Bereicherung) + begründende Rechtsvoraussetzungen (oben § 3); 5. materiale Gründe + Tatsachen, die sich unter diese Gründe subsumieren lassen (oben §§ 9 II, 13 I I 4, 14 I I 3); 6. begründende Tatsachen + Tatsachen (Indizien), die auf diese Gründe hinweisen und ihr Gewicht bestimmen (oben § 9 I I 5, § 13 I I 4, § 14 I I 3); 7. vergangene, gegenwärtige + zukünftige Tatsachen (oben § 9 I I 2b, bei N. 193, vgl. z. B. § 12 I V 5, 6); 8. Gründe für die vom Gericht auszusprechende Rechtsfolge + Gründe für Zwischennormen (oben § 5 I 1, vgl. auch bei N. 199); 9. Interessen der Prozeßparteien (Innenwirkungen) + Interessen außenstehender Dritter (Außenwirkung) (oben § 6 I 5, s. auch bei § 9 I I 2b, § 12 VI; bei N. 111 -114); 10. Zweck als Ergebnisumschreibung + Zweck als Benennung einer Außenwirkung (oben § 6 I 5b [2]); 11. Materiale Gründe für die streitige Rechtsfolge + Gründe für die Bindung der Gerichte an Gesetz und Präjudizien (oben § 12 IV); 12. Gesetz als Grenzsetzung + Gesetz als verallgemeinerungsfähige Bewertung der materialen Gründe (oben § 12 III, VIII, § 14 Π 3, 4); 13. Sprache als Wertungserfassung + Sprache als Wertungsgrenze (oben § 12 V I I I 1); 14. Gründe + Autoritäten, die zu diesen Gründen Stellung nehmen (oben § 13 I I 4, 5); 15. Autoritäten + Gesichtspunkte, die das Gewicht von Autoritäten bestimmen (oben § 13 I I 7).

§ 1 6 Die Bedeutung des Bewegliche Systems W i l l man das Neue erkennen, so muß man an die häufig gemachte Beobachtung erinnern, daß die Jurisprudenz bis auf den heutigen Tag Ähnlichkeit mit der Theologie hat 4 5 6 . Der Unterschied ist nur, wir können nicht davon ausgehen, daß die Verfasser von Rechtstexten vom Heiligen Geist erleuchtet waren, und daher ist es, wie Wilburg 457 erkannt hat, „das Schicksal der Rechtswissenschaft, daß sie Geist und Mühen zum größten Teil auf die Kunst verschwenden muß, das Gesetz mit allen Mitteln auszulegen und, zur Vermeidung untragbarer Folgen bona mente zu »überlisten' Ähnlich ist es, wenn wir uns mit den Schwierigkeiten herumplagen müssen, die dadurch entstehen, daß man politische Forderungen, die sich einmal gegen die Zustände im ancien regime gerichtet haben, zu Normen („Grundrechten") macht, die weder Tatbestand noch Rechtsfolge haben. Bei einer solchen A r t des Vorgehens w i r d etwas Unwissenschaftliches zur Grundlage einer Wissenschaft gemacht. Das mag angängig sein, wenn w i r die Geschehnisse historisch oder soziologisch betrachten. Aber es w i r d bedenklich, wenn w i r fragen, ob die Verurteilung einer Partei gerecht ist. Über diese enge Betrachtungsweise führt das Bewegliche System weit hinaus. So w i r d es möglich, Wertungen methodisch bewußt zu vollziehen, w o w i r bisher rein gefühlsmäßig arbeiten mußten. Die Erhellung der tragenden Gründe kann dazu beitragen, rechtliche Gedanken auch dort deutlich zu machen, w o sie einen unklaren Ausdruck gefunden haben, etwa i n einer unzulänglichen Anfängerarbeit. Dann kann man erklären, welches die rechtlichen Gesichtspunkte sind, die der Autor nur unvollkommen auszudrücken vermag. D e m Richter, der mit Laien Recht sprechen muß, w i r d es erleichtert, auch ihnen die Wertungselemente plausi455 So bei Canaris, System, 74-85; Bydlinski, Methodenlehre 529-543. Die meisten Lehrbücher zur Methodenlehre gehen dagegen nicht auf das Bewegliche System ein: Zippelius, oben N. 63; Engisch, oben N. 327; Koch / Rüßmann, oben N. 193; Müller, Juristische Methodik, 2. Aufl. (1976); Coing, Grundzüge der Rechtsphilosophie, 4. Aufl. (1985); Bund, Juristische Logik und Argumentation (1983); Kriele, Theorie der Rechtsgewinnung, 2. Aufl. (1976); Schmalz, Methodenlehre für das juristische Studium (1986); Germann, Probleme und Methoden der Rechtsfindung, 2. Aufl. (1967); Schapp, Hauptprobleme der juristischen Methodenlehre (1983); Adomeit, Rechtstheorie für Studenten, 2. Aufl. (1981). Fikentscher (oben N. 47) ΠΙ 346 und Pawlowski (oben N. 73) 73 und 246, erwähnen das Bewegliche System in wenigen Zeilen, etwas ausführlicher Larenz (oben N. 64) 452,459 f. Fikentscher, ebd. 439 N. 135, verweist zur Methode der Wertung auf Larenz und mich, nicht jedoch auf Wilburg, obgleich wir beide auf ihn hingewiesen haben. 456 Leibniz, Nova Methodus discendae docendaeque Jurisprudentiae (Frankfurt 1668) pars I I §§ 4, 5 pag. 36-39 mit Hinweisen auf Grotius u. viele andere; Selb, Dogmen und Dogmatik, 2. FS-Larenz (1980) 605-614 (609-614); Kelsen, Gott und Staat, in: Aufsätze zur Ideologiekritik, hrsg. v. Topitsch (1964) 29-55 (44 f., 50 f.); Kraft, Über das methodische Verhältnis der Jurisprudenz zur Theologie, Revue internationale de la theorie du droit, ΙΠ (1928/29) 52-56; ders. Die Unmöglichkeit der Geisteswissenschaften, 2. Aufl. (1957) 50; Albert, Erkenntnis und Recht. Die Jurisprudenz im Lichte des Kritizismus, in: Jb. f. Rechtssoziologie und Rechtstheorie, hrsg. v. Albert u. a., Π (1972) 80-96 (82); ders. Traktat über rationale Praxis (1978) 66, mit Hinweisen auf Carl Schmitt und Bobbio. Unverständnis für diese verbreitete Sichtweise äußert Bydlinski, Methodenlehre, 38. 4 57 Wilburg, Abschied von § 419 BGB, 1. FS-Larenz (1973) 661-671 (670).

94

§ 1 6 Die Bedeutung des Bewegliche Systems

bei zu machen, damit sie an der Entscheidung teilnehmen können. Das Bewegliche System ermöglicht ein Gespräch, i n dem das Gewicht der verschiedenen Abwägungselemente diskutiert werden kann. Dafür hat uns Wilburg

den W e g

gewiesen 4 5 8 . Wer allerdings seine Ansicht aus Vorgegebenem ableitet, aus Gesetz, Prinzipien, Begriffen, aus (Grund-)Rechten oder ähnlichen oder wer meint, sich für seine Ansicht auf höhere Autoritäten stützen zu können, wenn nicht auf die Bibel oder den Koran, so doch auf die geltende Verfassung oder den „Gesetzgeber", der kann an einer solchen Diskussion nicht teilnehmen, w e i l sein Denken i n einer andern Richtung verläuft. Die positiven Rechte, welche die Juristen erlernen, enthalten die Wertungen, die für die jeweils geltenden Regelungen maßgebend sind. Das Bewegliche System ermöglicht es, die Wertungselemente zu finden, die i n allen Rechtsordnungen gültig sind, so daß w i r einmal eine Rechtswissenschaft haben, deren Grundzüge über die Grenzen der Rechtsordnungen hinweg gelehrt werden können.

4

58 Dabei stimme ich der Ansicht Wilburgs (siehe Steininger, 18) zu, daß das Privatrecht erst am Beginn seiner Entwicklung steht.

Personenregister Die Zahlen verweisen auf die Seiten. Nicht aufgeführt sind Wilburg und Westerhoff. Adomeit 93 Albert 93 Alexy 19 f., 27 f. Arp 89 Bachof 49 v. Bar 22, 30, 41, 51-54 Baumann, Horst 20 Baur, Fritz 46, 67 Behr 33 Behrens 41 Bernard 30, 72 Beuthien 74 Bigelow 83 f. Bobbio 93 Böhm 17 f., 24, 29, 70, 84, 90 Bruns, Hans-Jürgen 23, 58 f. Bund 93 Bydlinski 15-19, 22-27, 37 f., 45, 47, 5153, 55 f., 63-65, 67, 70, 73, 83 f., 87, 90, 93 Canaris 16-19,21,27,30,34,36,42,46 f., 51, 54-56, 66 f., 70 f., 78, 89, 93 Celsus 65 f. Coing 93 Deutsch 17 f., 29, 41, 43 f., 47, 51-53, 89 Diederichsen 16 Dütz 86

Frieser 32, 34, 51 Germann 69, 93 Großfeld 51, 77 Grotius 93 Habscheid 69 Haft 26 Hagen 68, 81 Hanau 57 f. Harder 76 Hassemer 24 f., 75 Hauß 57 Heck 26, 37, 40, 45 Hefermehl 62 Helm 57 Henke 61 Hepting 20 Herschel 30 Hobbes 81 Hofstätter 39 Hönn 19, 22, 27, 29, 40-43, 45, 47, 49, 54-56, 71, 90 Hübner 75 Hücking 16, 69, 71 Hueck, Goetz 68 Jakobs 57 Jescheck 58 Jhering 45, 50 Jost 43

Engisch 24, 30, 61, 63, 65 f., 93 Fabricius 49 Fenyves 17 f., 20, 22 f., 40-42, 49, 55, 60 f., 80, 83 f. Fikentscher 21, 34, 57, 65 f., 75, 87 f., 93 Ressner 22, 24, 27, 32, 35 f., 39, 41, 44, 47, 49, 52 f., 63 f., 70 f., 73-75, 77, 83, 89

Kantorowicz 69 Kelsen 93 Klang 23 Koch, H.-J. 43, 67, 83, 93 Koller 16, 19, 23, 41 f., 47-49, 52, 54 f., 70 f., 87 Köndgen 56 Korinek 16, 21, 24, 40 f., 50, 64, 84, 90

96

Personenregister

Kötz 23, 35, 45, 58, 60, 75 Koziol 23, 48, 52 f. Kraft 62, 93 Kramer 60 Krejci 20,24,40-43,47,49,60,63, 89,90 Kriele 81, 93 Krüger-Nieland 62 Kuchinke 61 Kühlmann 29 Lange, Hermann 32 Larenz 24 f., 54, 58, 81, 93 Leenen 24 f. Leibniz 93 Luhmann 43, 64, 67, 81 Marton 23 Mäurach 88 Mayer-Maly 16, 21, 24, 30, 35, 40, 42 f., 47, 49, 52, 60, 63 f., 84, 90 Medicus 75, 89 Meier-Hayoz 67 Merkl 64 Mertens 32 Mestmäcker 33 f. Müller, Friedrich 93 Müller-Erzbach 37 f. Neuhaus 72 Neumann, Ulfried 27 f. Ostheim 16, 18, 24 f., 30, 41, 47-49, 5255, 65, 90 Otte 16-18, 21-23, 58 f., 80, 82-84, 87 f. Pawlowski 25, 39, 93 Perelmann 67 Posch 16-18, 29, 87 Rabel 26, 33, 35, 89 Radbruch 67 Raiser, Ludwig 46 Reichel 69 Reinhardt 39, 65 f. Rinck 53 Rosenblut 83 f. v. Rümelin, Max 38 Rüßmann 43, 67, 83, 93 Sack 16-18, 29, 31 f., 40, 42, 52, 62 v. Savigny, Eike 67 v. Savigny, Friedrich Carl 30

Schapp 93 Schaub 25 Scheuerle 61 Schilcher 16, 20, 22-24, 26 f., 40, 42-44, 47, 50, 52, 58, 60, 63 f., 68, 72, 83 Schmalz 93 Schmidt, Karsten 30, 73 Schmidt, Eike 57 f. Schmitt, Carl 93 Seiler 75 f. Selb 93 Siehr 46 Singer 56 Söllner 25 Spinoza 35 Stammler 38 Starck 68 Steininger 16-18,39-41,61,63 f., 83 f., 94 Stem 82 Stoljar 57 Strache 24 f. Struck 60, 75 Teichmann 74, 76 Tomandl 70 Vieh weg 16 Vierheilig 62 Voigt, Liselotte 69 Vollkommer 72 Wacke, Gerhard 68 Wank 65, 83 f., 88 Warda 68 f. Weber, Max 64 Wendt 82 Wertheimer 34 Wieacker 16 Wieczorek 60 Wiener 83 f. Wolf, Emst 89 Wolf, Manfred 49, 57, 89 Wollschläger 26, 56 f. Zachert 53 Zeuner 32, 57 Zimmermann 33 Zippelius 24, 93 Zitelmann 48 Zweigert 35 f., 60

Sachregister Die Zahlen verweisen auf die Seiten. Abknickende Vorfahrt 31 Ableiten 38, 39, 64, 83, 92 Abschreckung s. Prävention Abstammung 58, 88 Abstraktion s. Verallgemeinerung Abstraktionsvermögen 90 Abwägung 17 f., 43, 64,71,73, 81, 88,92 Abwägungselemente, Gewicht 61 Abwägungsgesichtspunkt s. Gesichtspunkt Adäquität (adäquate Verursachung) 52 alluvio 29 Analogie 56, 67, 68, 73, 76 Analogie verbot 65, 67 Anbahnung, kongruente 47 Anspruchsgrundlage 17, 37, 75 Antinomische Tatumstände 59 f. Äquivalenz der Leistungen 42 Äquivalenzentscheidung 47 Äquivalenzstörung 49 Arbeitnehmerhaftung 79 f., 85-87 Arbeitsrecht 84 argumentum a fortiori 23 — a maiore ad minus 23 — a minore ad maius 23 Aspekt 19, s. Teilaspekte Aufdrängen einer Leistung 47 Aufgabenstellung 39 Auflösung — von Arbeitsverhältnissen 29 — einer Gesellschaft 29 Aufopferung 52 Aufwand des Schöpfers 42 Aufwendungen 21 Auslegung 65, 73 — teleologische 15 f., 83 Ausnahme 34 Außenwirkung 41, 42, 45, 46,51, 57, 59, 65, 71 Austauschbarkeit der Elemente 17, 22, 92 Ausübungsbefugnis 40

Autoritäten 69, 79, 83 f. Autorität des Gesetzgebers 80 f. — des Rechts 39 Axiomatische Ausgangspunkte 29, 38

Basiswertung 23, 26, 69 Beeinflußbarkeit des Entscheidenden 70 Begleitkontrolle 64 Begriffsbildung 56 Begriffshof 26 Begriffskern 26 Begründende Rechtsvoraussetzungen 21 Begründung 30, 39, 81 Beherrschungsmöglichkeit 52 Belastung 37, 40 Belohnung 48 Bereicherung 21, 31-33, 75 — aufgedrängte 77 — Wegfall 22, 35, 77 Beschwer 29 Besitzklagen 32 Bestimmende Rechts Voraussetzung 20 f.,

22 Betriebsgefahr 53 Betroffener 42 Bewegliche Elemente 17 Bewegliche Rechtsfolge 20 Bewegliches System 15 — Eigenschaften 17 Beweisschwierigkeiten 29 Bewußtmachen der Wertung 39 Bezugsnormen 29 Bindung 38,48, 49, 55, 56, 59, 60, 87, 88 Bordellkauf 63 Bösgläubigkeit 46 breach of contract 35

case law 35 Chance 40 culpa in contrahendo 34

98 Dauerschuldverhältnis 60 Deduzieren s. Ableiten Denkpsychologie 34 Desumption 21 Didaktik 26 Dienstnehmerhaftpflicht 85-87 Differenzierungskriterium 68 Dingliche Rechte 29 — Zuweisungsgehalt 33 Direkte Rede 30 f., 42 Diskussion 80, 94 Dogmatik 26, 56, 68, 75 f. Doppelbestrafung 77 Doppelverwertung 25, 30, 41, 62 Dreipersonenverhältnis 35, 91 Druchschnittsregel 23 Düsseldorfer Tabelle 69 Effektivität 43 Ehe 48 Eigentum, Zuordnung 33 Eigentumsordnung 32 Eingriff in fremdes Recht 15, 22, 32 Eingriffserwerb 33 Eingriffskondiktion 33 Einwendung 17 Einwilligung 38, 47, 49, 55 f., 58-60, 77 f., 86, 88 f. Elemente — Austauschbarkeit 17, 22 — Beschränkung der Zahl 26, 27 — Gewicht der 17, 21 f., 24, 65, 82, 88 — Ordnung der 28 Enkommensgefalle s. Vermögensverhältnisse Enteignung 21, 50 Enteignungsentschädigung 32 Entgelt 42, 47, 55, 56, 58, 60 Entscheidungsgrund 58 Entscheidungstatsache 58 Entscheidungszwang 39, 81 Erfindertätigkeit 42 Erforderlichkeit 44, 51 Erfüllungsanspruch 21 Erfüllungsgehilfe 57 Ergebnisbetonung s. Ergebnisumschreibung Ergebnisfindung 64 Ergebnisumschreibung 20, 53, 55, 76 Erklärungsbewußtsein 34 Ermessen 16, 64 Ersatzleistung 21

register Evaluation 43 Evidenz s. axiomatische Ausgangspunkte Exemplarisches Lernen 68 Fahrlässigkeit 52 Faktische Vertragsverhältnisse 76 Fallgruppenbildung 23, 78, 82 Fallnorm 68 Fallvergleich 82 Familienrecht 63 Fehlerhafte Leistung 55 Fehlvorgänge 35 Fehlvorstellung der Vertragsparteien 55 Festsetzung 73, 88 Flugreiseentscheidung 74-79 Formvorschriften 30, 43, 45, 56, 66, 89 Freiheitsbeschränkung 40 Fürsogepflicht des Arbeitgebers 48,55, 87 Geeignetheit 44 f., 51, 71 Gefährdung 15, 22 Gefährdungshaftung 53 f. Gefahrenschutz 45 Gefahrgeneigte Arbeit s. Arbeitnehmerhaftung Gegengründe 39 Gehilfenhaftung 15, 57 f. Gemeinschaftsverhältnis 48 Gemütsaufregung 47 Generalklausel 16, 64 Generalpävention s. Prävention Genugtuung 48 Geschäftsfähigkeit 47, 66 Geschäftsführung ohne Auftrag 26, 56 f. Geschäftsgrundlage 21, 34 Geschäftsverkehr 54, 59, 70 Geschäftswille 34, 60 Gesellschaft 29, 48 Gesetz 65, 73, 74, 79 — als Autorität 69 — als Basiswertung 23 Gesetzblatt 66 Gesetzessystem 17 Gesetzesumgehung 56, 65 Gesetzgeber 45, 94 Gesetzgebung 68, 85-90 Gesetzmäßigkeit der Verwaltung 65 Gesichtpunkte 20, 29, 39, 81, 87-89, 92 Gespräch 94 Gesundheitsbeschädigung 40 Gewaltentrennung 65

Sachregister Gewicht der Elemente 17, 22, 24, 65, 82,

88 Gläubigergefährdung 43 Gleichbehandlung 16, 49 f., 67-69, 76 Grenzfall 16, 51 Grund 18, 20 f., 23, 29, 39, 58, 68 Gründe, Beziehungen zwischen 48-50 Grundgedanken 38 Grundrechte 82, 93, 94 f. Grundsatz s. Prinzip Gruppendiskussion 80 Güterzuordnung 32, 34, 36 Gutgläubiger Erwerb 21, 46 Haftungsbeschränkung bei juristischen Personen 29 Handlung 89 f. Hermeneutik 73 f. Herrschaftsbereich s. Sphäre Hilfsnormen 29 Hofübergabeversprechen 27 Implementation 43 Inanspruchnahme fremden Rechtsguts 15, 22, 32 f. Indiz 52, 59, 61 f. Induktion 37 Inkaufnahme des Nachteils 38, 47 Innenwirkungen 42, 70 Interesse 37 f., 40 f., 45,49,51,56 f., 59f., 62, 77, 86, 88 — subjektives 49 Interessenausgleich 42, 53, 55 Interessengegensatz 39, 60 Interessenlage 39, 73 Irrtum 47 ius strictum s. strenges Recht

Lehrmeinung 83 Leichtsinn 47 Leistung 29, 34, 89 f. Leistungsgesetze 36 Leistungskondiktion 33 List 47 Lücke 65 f. Mangel 15, 52 Markenimage 40 Materialer Grund s. Grund Mathematische Formeln 80 Menschenrechte 41 Merkmal s. Tatbestandsmerkmal Methode 16, 83 Minderjährigenschutz 56, 78, 84 Minderung 21 Mitverschulden 20, 22, 47, 78, 86 Nachteil 22, 28 f., 38, 40, 68 — als Relevanzkriterium 28 — Gründe für 38 Natur als Schutzobjekt 29 Nebenpflichten 34 Nichtigkeit von Rechtsgeschäften 16, 20,

22 Norm 35 Normalfall 16, 23, 26, 51 Normenhierarchie 16, 64 Nutzen 40 Nutzungen, Herausgabe von 32 Oberbegriff 38 f., 67, 94 Öffentliches Recht 36 Organisationsrisiko 55 Orientierungssicherheit s. Rechtssicherheit Ortsüblichkeit 50

Ja-nein-System s. Tatbestandsmerkmal Kausalität 15, 52 f., 89 f. Komparative Sätze 21 Kondiktion s. Bereicherung Konditionalprogramm 81 Konkretisierung 88 Konkursvorrecht 67 Konstruktion 36, 91 Kontrahierungszwang 29 Kostenüberwälzung 43 Kriterium 18 Leben 41

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par conditio creditorum 29, 67 Parteien, Betroffenheit 42 Positive Forderungsverletzung 34 Präjudiz 23, 35, 71, 76, 83 Prävention 51, 78, 86 Pressefreiheit 19, 66 Prinzip 18-20, 39, 94 Privatautonomie 22, 43, 47 Prozeßmaximen 19, 29 Prozeßparteien, Interessen der 42 f. Ranggleichheit der Elemente s. Austauschbarkeit

100 ratio decidendi 87 ratio legis 39, 63, 69, 73, 78, 79, 81, 89 Rechtsbewußtsein s. Rechtsgefühl Rechtsentwicklung, Gesetzmäßigkeiten 33-35 Rechtsfolge 16, 20-22, 25 f., 28-31 — als Relevanzkriterium 25, 28 f. — bewegliche 20-22, 68 f. Rechtsfortbildung, richterliche 65, 78 f. Rechtsfrage s. Tatfrage Rechtsgefühl 36, 38, 58, 77, 90 Rechtsgeltung 39 Rechtsgeschäft 16, 20 f., 47, 55 f. Rechtsnatur 56 Rechtsprechung, höchstrichterliche 71, 83 Rechtssicherheit 16, 46, 63, 67, 72, 76 Rechtsvergleichung 15 f., 35 Rechtsvorraussetzungen — begründende 21 f. — bestimmende 20-22 Rechtüberzeugung, allgemeine 79 Regel 35 Regelungsmöglichkeiten 19 f., 47 Relevanzkriterium 28 Restitution 31 f., 35 Reziprozität 42 Risikoabgeltung 42 Rückkoppelung 83 Rücktritt 32 Sachaufklärung, Erleichterung 70 Schaden 21 f., 32, 35, 40, 91 Schadensrecht 15, 52 f. Schadenszurechnung 32, 35 Schatzfund 29 Schmerzensgeld 20, 22, 30 Schuld 50, 78 Schutzbedürftigkeit des Dienstnehmers 49 Schutzbereich der Norm 35 Schutzgesetze 81 f. Schutzzweck 45 Schwarzfahrt 75 Selbstbestimmung 47 Selbstbindung der Verwaltung 68 Seriositätsindizien 60 Sexualmoral 63 Sicherungsrechte 29 Sinn und Zweck s. ratio legis Sitte 63 Sittenwidrigkeifr 42 Solidargemeinschaft 36 Solidarität 48

register Sonderbelastung 50 Soraya-Entscheidung 65 Sozialschutz 49 Sozialstaatsprizip 49 specific performance 35 Sphäre 15, 52 f. Sprache, Aufgaben 73 Starres System s. Tatbestandsmerkmal Steuergerechtigkeit 36 Steuerprogression 41 Steuerung 71 f., 78 Stilrichtung 16 Straftatbestände 25 Strafzumessung 16, 23, 50, 58, 59, 68 Strafzwecke 37, 49 Straßenverkehrsordnung 31 Streikrecht 84 Strenges Recht 65, 72, 74, 78 Substitutionsanalogie 16, 56 Subsumtion — unter Gesichtspunkte 58-62 — unter Rechtsnormen 61 Subventionen 36 System 68, 91 f. Tatbestand s. Tatbestandsmerkmal Tatbestandsmerkmal 17, 38, 44, 60, 64 f., 73, 87-89, 92 Tatfrage 60 f. Tatsachen 82 — Erfassen von 58-63 Tatsachenbeschreibung 73, 88 Teilaspekte der Wertung 38 f., 68 Teilbarkeit des Unrechtsbewußtseins 48 Teleologische Auslegung 16, 83 Theologie 93 Tierschutz 29 Topik 16 Typisierung 24, 54, 65, 67, 69 f., 89 Typologie 24 Typus 23-25, 65 Überdurchschnittlichkeit des Originals 32 Überlegung 47 Überraschung 47 Überrumpelung 47, 58 Überwälzungskapazität 41, 43 Umgangssprache 73 Umkehrschluß 66 Umkehrung 34, 79 Umstrukturierung 34 f., 69 Umwelt 29

Sachregister Unabhängigkeit der Systeme 64 Unerfahrenheit 47 Ungünstiges Parteivorbringen 60 Unmittelbarkeit der Leistungsübernahme 32 Unmöglichkeit, objektive 89 f. Unterhaltsanspruch des unehelichen Kindes 35 Unterhaltspflicht 48 Unterlassung 29 Unterscheidungen 92 Unüberlegtheit 47 Urheberrechte 32 Ursächlichkeit 52 f., 89 f. Verallgemeinerung 34, 37, 68 — von Sachverhalten 38, 68, 90 — von Wertungsgesichtspunkten 38, 68, 90 Verantwortung 53, 85 Verdeutlichung der Problematik 39 Verfassung 83 Vergeltung 38, 48, 50, 58, 78, 86 Verhaltensnormen 29, 51 Verhältnismäßigkeit 44, 51, 82 Verhandlungsintensität 47 Verjährung 91 Verkehrspflichten 30, 34, 51 Verkehrsschutz 55 Verkehrssicherheit 42, 46, 66 Vermögens Verhältnisse 15, 41, 46, 77 f.,

86 Verschulden 15, 32, 38, 51 f., 54 f., 57, 59 f., 78, 86, 88 Versicherung 15, 44, 86 Verstandesschwäche 47 Vertrag s. Rechtsgeschäft Vertrauenshaftung 26, 54-56 Vertrauensschaden 54, 70 Vertrauensverhältnis 48

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Verursachung s. Kausalität Verwechselungsgefahr 40, 62 Verwendung 21 Verwendungsplanung 47 Verwerfliche Gesinnung 52 Vindikation 21, 31 Volljährigkeitsalter 74, 89 Voraussehbarkeit 52 Vorsatz 52 Vorteil 28, 38, 40 Vorvertragliche Pflichten 34 Wahrscheinlichkeit 45, 59 Weltgeist 45 Wenn-dann-System s. Tatbestandsmerkmal Wertneutraler Begriff 73, 79, 89 f. Wertung 19, 93 Wertungselemente 39, 68, 94 Wertverfolgungsgrundsatz 33, 67 Wettbewerb 43, 59 Willenserklärung 34, 56 Willensmangel 34, 47 Wissenschaft 93 Wissenserklärung 27, 56 Wissentlichkeit des Eingriffs 32, 52 Wohnsitz 29 Wortsinngrenze 65, 67, 73 Wunschdenken 39 Zuordnung dinglicher Rechte 32 f. Zurechnung 32, 50, 53, 55 Zurechnungsfähigkeit 77 Zusammenwirken von Rechtsgedanken 50 Zuweisungsgehalt dinglicher Rechte 33 Zwang 47 Zweck 45, 63, 79, 81 Zweckprogramm 81 Zwischennorm 29