Die Einrede der doppelten Inanspruchnahme: Eine Untersuchung zum Doppelschutz im Patentrecht [2 ed.] 9783428585380, 9783428185382, 9783428581191

Die Einrede der doppelten Inanspruchnahme und der Doppelschutz sind auf die europäische Patentreform zurückzuführen. Die

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German Pages 248 [252] Year 2022

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Die Einrede der doppelten Inanspruchnahme: Eine Untersuchung zum Doppelschutz im Patentrecht [2 ed.]
 9783428585380, 9783428185382, 9783428581191

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Beiträge zum Europäischen Wirtschaftsrecht Band 81

Die Einrede der doppelten Inanspruchnahme Eine Untersuchung zum Doppelschutz im Patentrecht

Von

Bernadette Makoski 2. Auflage

Duncker & Humblot · Berlin

BERNADETTE MAKOSKI

Die Einrede der doppelten Inanspruchnahme

Beiträge zum Europäischen Wirtschaftsrecht Begründet von Professor Dr. Wolfgang Blomeyer † und Professor Dr. Karl Albrecht Schachtschneider

Band 81

Die Einrede der doppelten Inanspruchnahme Eine Untersuchung zum Doppelschutz im Patentrecht

Von

Bernadette Makoski 2., korrigierte Auflage

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf hat diese Arbeit im Jahre 2020 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

1. Auflage 2021 D61 Alle Rechte vorbehalten © 2022 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: L101 Mediengestaltung, Fürstenwalde Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0947-2452 ISBN 978-3-428-18538-2 (Print) ISBN 978-3-428-58538-0 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meiner Familie

Vorwort zur 2. Auflage Nach dem Erscheinen der ersten Auflage dieses Buches sind die Arbeiten an der europäischen Patentreform weiter fortgeschritten. Insbesondere wurden nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Juni 2021, 2 BvR 2216/20, 2 BvR 2217/20, das Gesetz zu dem Übereinkommen vom 19. Februar 2013 über ein Einheitliches Patentgericht (BGBl. II 2021 S. 850 ff.) und das Gesetz zur Anpassung patentrechtlicher Vorschriften auf Grund der europäischen Patentreform (BGBl. I 2021 S. 3914 ff.) ausgefertigt. Außerdem sind zwischenzeitlich das Protokoll über die Vorrechte und Immunitäten des Einheitlichen Patentgerichts am 27. Oktober 2021 (BGBl. II 2021 S. 1183) sowie insbesondere das Protokoll zum Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht betreffend die vorläufige Anwendung am 19. Januar 2022 (BGBl. II 2022 S. 201) für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten. Das Datum des 19. Januar 2022 markiert gleichzeitig den Zeitpunkt der Entstehung des Einheitlichen Patentgerichts, da an diesem Tag das Protokoll zum Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht betreffend die vorläufige Anwendung nach der Hinterlegung weiterer Ratifikationsurkunden in Kraft getreten ist. Das Einheitliche Patentgericht befindet sich damit in der Vorbereitungsphase, die durch den Erlass zahlreicher Vorschriften, die Bildung der Gremien des Gerichts und die Auswahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, insbesondere des richterlichen Personals, gekennzeichnet ist (siehe im Einzelnen unter www.unified-patent-court.org). Die Neuauflage enthält den Text der 1. Auflage, angereichert um einige Korrekturen im Hinblick auf die Darstellung sowie insbesondere die Wiedergabe einiger Fußnoten, vor allem des Verweises auf die MPI-Studie zu ergänzenden Schutzzertifikaten. Dem Verlag danke ich in dieser Hinsicht für die Ermöglichung der Veröffentlichung dieser zweiten Auflage. Ratingen, im Mai 2022

Bernadette Makoski

Vorwort „Entschlossen, den mit der Gründung der Europäischen Gemeinschaften eingeleiteten Prozess der europäischen Integration auf eine neue Stufe zu heben, (…) In dem Wunsch, die Solidarität zwischen [den] (…) Völkern unter Achtung ihrer Geschichte, ihrer Kultur und ihrer Traditionen zu stärken“. 

Präambel EUV

Die Europäisierung des Patentrechts wird seit über 60 Jahren verfolgt, zuletzt in Gestalt der europäischen Patentreform. Mit ihr sollen ein einheit­ licher patentrechtlicher Schutztitel sowie eine einheitliche europäische Patentgerichtsbarkeit geschaffen werden. Anlässlich der europäischen Patent­ reform wurde u. a. das Gesetz zur Anpassung patentrechtlicher Vorschriften erarbeitet. Diese Arbeit widmet sich der Darstellung und der wissenschaftlichen Untersuchung des genannten Gesetzes im Kontext der europäischen Patentreform, insbesondere der Einführung des Doppelschutzes sowie der Einrede der doppelten Inanspruchnahme, die den Doppelschutz beschränkt. Sie wurde von der Juristischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf im Wintersemester 2019/2020 als Dissertation angenommen. Die mündliche Prüfung fand am 26. Juni 2020 statt. Das Manuskript wurde für die Drucklegung aktualisiert und befindet sich im Wesentlichen auf dem Stand von Dezember 2020. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Juni 2021, 2 BvR 2216/20, 2 BvR 2217/20, der den Weg für die europäische Patentreform frei macht, konnte leider nicht mehr gewürdigt werden. Meinem akademischen Lehrer und Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Jan ­ usche, danke ich herzlich für die vielfältige Unterstützung an seinem LehrB stuhl für Bürgerliches Recht und Gewerblichen Rechtsschutz und in der Juristischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Insbesondere danke ich ihm für wertvolle Anregungen während der Erstellung dieser Arbeit und seinen steten Zuspruch. Frau Prof. Dr. Katharina Lugani danke ich sehr für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Dem Verlag Duncker & Humblot danke ich für die Aufnahme dieser Arbeit in die Reihe „Beiträge zum Europäischen Wirtschaftsrecht“. Die Anregung zur Erstellung dieser wissenschaftlichen Untersuchung habe ich während meiner Tätigkeit als abgeordnete Richterin am Bundesministe-

6 Vorwort

rium der Justiz und für Verbraucherschutz in Berlin erhalten. Während dieser Zeit hatte ich die Gelegenheit, an den Arbeiten zur Errichtung der Einheit­ lichen Patentgerichtsbarkeit mitzuwirken und insbesondere den Entwurf des Gesetzes zur Anpassung patentrechtlicher Vorschriften auf Grund der euro­ päischen Patentreform zu erarbeiten. Für die vielfältige Unterstützung, und zwar nicht nur in Berlin, sondern auch auf europäischer Ebene, sowie seinen steten Zuspruch danke ich in besonderer Weise Herrn Ministerialrat Johannes Karcher. Für die Möglichkeit, Spezifika des Patentrechts sowie vor allem das internationale Patentrecht in der Praxis kennenzulernen, danke ich Frau Ministerialrätin Dr. Irene Pakuscher. Die europäische Patentreform ist eingebettet in das rechtliche und institutionelle Gefüge der Europäischen Union. Dem Gerichtshof der Europäischen Union danke ich für die Möglichkeit der Nutzung seiner Datenbanken zwecks Vorbereitung meiner Disputation und Aktualisierung dieser Arbeit. Mein Dank gilt vor allem Herrn Generalanwalt Henrik Saugmandsgaard Øe, der mir überhaupt ermöglicht hat, den Gerichtshof und seine Tätigkeit kennenzulernen. Mein Dank gilt zudem Herrn Chef d’Unité, Direction de la Recherche et Documentation, Pedro Cabral. Ich danke ferner der Studienstiftung des deutschen Volkes für die Förderung während des Studiums und danach. In die Danksagung einschließen möchte ich Frau Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen Prof. Dr. Dr. h. c. Barbara Dauner-Lieb sowie Herrn Prof. Dr. Michael Sachs. Ich widme diese Arbeit meiner Familie, allen voran meinen Eltern Hedwig und Johann Papala für ihre vorbehaltlose Unterstützung in jeder Hinsicht. Ohne sie wäre diese Arbeit nicht entstanden. Ich danke zudem meiner Schwester Dr. Agnes Papala für ihren stets guten Rat und ihren Beistand. Meinen Schwiegereltern, Frau Roswitha Makoski und Herrn Prof. Dr. HansBruno Makoski danke ich für ihre fortwährende Unterstützung und die sorgfältige Korrektur des Manuskripts. Mein ganz besonderer Dank gilt meinem Mann Dr. Kyrill Makoski, LL.M. (Boston University), der mir immer unterstützend zur Seite steht und mich bei jeder Berg‑ und Talfahrt während der Erstellung dieser Arbeit begleitet hat. Ratingen, im Juni 2021

Bernadette Makoski

Inhaltsübersicht Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Kapitel 1

Grundlagen 

23

A. Harmonisierung des Patentrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 B. Europäische Patentreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 C. Doppelschutz und Doppelschutzverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 D. Konzept der Einrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 Kapitel 2

System des Doppelschutzes 

83

A. Der Doppelschutz im größeren Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 B. Doppelschutz und europäische Patentreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 Kapitel 3

Einrede der doppelten Inanspruchnahme 

130

A. Anwendbarkeit der Einrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 B. Merkmale der neuen Einrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 C. Weitere Themenbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 Zusammenfassung und Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Kapitel 1

Grundlagen 

23

A. Harmonisierung des Patentrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Territorialitätsprinzip und ubiquitäre Immaterialgüter . . . . . . . . . . . . . . . II. Von bilateralen Abkommen zur Pariser Verbandsübereinkunft . . . . . . . . III. Der Weg zum Europäischen Patentübereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Scheitern des Gemeinschaftspatentübereinkommens . . . . . . . . . . . . . . . . V. Gründe weiterer Harmonisierungsbestrebungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. European Patent Litigation Agreement, EPLA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Initiativen im Rahmen der EG bzw. EU bis zur europäischen Patent­ reform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. EuGH-Gutachten 1/09 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23 23 24 26 29 30 31

B. Europäische Patentreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bestandteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Patentpaket . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Klagen Spaniens und Italiens gegen das Patentpaket . . . . . . . . . . . . . 3. Weitere Bestandteile der europäischen Patentreform . . . . . . . . . . . . . a) Durchführungsordnung zum einheitlichen Patentschutz . . . . . . . . b) Weitere Vorschriften des Engeren Ausschusses  . . . . . . . . . . . . . . c) Vorbereitender Ausschuss zur Errichtung des EPG . . . . . . . . . . . II. Merkmale eines neuen Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einheitliches Patentgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vereinigtes Königreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erstes Ratifikationsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Entscheidung im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Abweichende Meinung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zweites Ratifikationsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ungarn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

36 37 37 38 42 43 44 44 44 45 47 48 48 50 50 51 52 57 61 62

32 35

10 Inhaltsverzeichnis 4. Relevanz der Untersuchung unabhängig von der Europäischen Patentreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 C. Doppelschutz und Doppelschutzverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Doppelschutz und Doppelschutzverbot de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Artikel II § 8 IntPatÜbkG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Doppelschutz und Doppelschutzverbot de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . 1. Vorgaben des Patentpakets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorschlag auf nationaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63 63 64 64 65 67 68 69

D. Konzept der Einrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Prozesshindernde Einrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Prozessuale Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsfolge und Rechtswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Grafische Einordnung der prozesshindernden Einrede . . . . . . . . . . . . . .

72 72 75 76 79 81 82

Kapitel 2

System des Doppelschutzes 

83

A. Der Doppelschutz im größeren Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Doppelschutz und andere Disziplinen des gewerblichen Rechts­ schutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gebrauchsmusterrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sortenschutzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Markenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Designrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Doppelschutz/‑verbot und andere EPÜ-Vertragsstaaten . . . . . . . . . . . . . 1. Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vereinigtes Königreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

B. Doppelschutz und europäische Patentreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtsrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Handlungsoptionen der Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Argumente für und gegen den Doppelschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Historische Argumente  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) GPÜ 1975 und GPatG 1979, GPÜ 1989 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verordnungsvorschlag vom 01.08.2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95 95 98 99 100 100 102 103

83 84 85 86 88 89 89 90 91 93 94

Inhaltsverzeichnis11 2. Systematische Argumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) „Offener“ Rechtsrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) EU-Acquis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Doppelschutz-Systeme in anderen EPÜ-Vertragsstaaten  . . . . . . . d) Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Einheit der Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Systemklarheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Zusammenfassung und Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Teleologische Argumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kompatibilität mit Zielen der Patentreform . . . . . . . . . . . . . . bb) Kompatibilität mit übergeordneten Zielen . . . . . . . . . . . . . . . b) Auswirkungen auf die Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Stärkung der Flexibilität und Entscheidungsfreiheit . . . . . . . bb) Stärkung der Interessen des Innovationsträgers . . . . . . . . . . . cc) Gefährdung des Beklagten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Strukturelle Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verkomplizierung der Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Auswirkungen auf die heimische Industrie . . . . . . . . . . . . . . cc) Auswirkungen auf die heimischen Institutionen . . . . . . . . . . dd) Förderung des alten oder des neuen Systems? . . . . . . . . . . . ee) Förderung des Wettbewerbs der Systeme . . . . . . . . . . . . . . . d) Zusammenfassung und Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Temporale Argumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einführung eines neuen Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anfangszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Abwägung und Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

103 103 103 104 105 106 107 108 109 109 109 111 112 112 114 115 115 116 117 119 121 122 122 125 125 126 127 127

Kapitel 3

Einrede der doppelten Inanspruchnahme 

A. Anwendbarkeit der Einrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Erforderlichkeit der Einrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. (Nicht-)Anwendbarkeit der Einrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Weitere Regelungsmöglichkeiten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Restitutionsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

130 130 131 132 133 134 135 136

B. Merkmale der neuen Einrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 I. Prozessuale Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136

12 Inhaltsverzeichnis

II.

1. Prozesshindernde Einrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 a) Vergleichsgegenstand: Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 b) Vergleichsgegenstand: Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 c) Besonderheit: Strafvorschrift des § 142 PatG . . . . . . . . . . . . . . . . 140 2. En détail: Verzicht auf die Einrede der doppelten Inanspruchnahme  141 a) Verzicht als Unterlassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 b) Vorteile der Verzichtbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 Sachliche Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 1. Schutzrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 2. Verletzung oder drohende Verletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 a) Besondere Klagearten: Negative Feststellungsklage, Verletzungswiderklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 b) Verletzungsklagen und geltend gemachte Ansprüche . . . . . . . . . . 150 aa) Nationale Verletzungsklagen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 (1) Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche . . . . . . . . . 150 (2) Bereicherungsansprüche, Rest-Schadensersatzansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 (3) Ansprüche aus §§ 140a, 140b PatG auf Vernichtung, Rückruf, Auskunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 (4) Allgemeiner Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 (5) Vorlage‑ und Besichtigungsansprüche nach § 140c PatG sowie §§ 809, 810 BGB . . . . . . . . . . . . . . . 155 (6) Ansprüche aus § 140d PatG auf Vorlage von Bank-, Finanz- und Handelsunterlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 (7) Entschädigungsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 (8) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 bb) Verletzungsklagen vor dem EPG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 (1) Artikel 63 EPGÜ: endgültige Verfügungen . . . . . . . . . . . 162 (2) Artikel 64 EPGÜ: Abhilfemaßnahmen im Rahmen von Verletzungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 (3) Artikel 67 EPGÜ: Anordnung der Auskunftserteilung . . 163 (4) Artikel 68 EPGÜ: Zuerkennung von Schadensersatz . . . 164 (5) Artikel 59 EPGÜ: Anordnung der Beweisvorlage  . . . . . 164 (6) Artikel 60 EPGÜ: Anordnung der Beweissicherung und der Inspektion von Räumlichkeiten . . . . . . . . . . . . . 166 (7) Entschädigungsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 (8) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 cc) Parallelität der Anspruchsarten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 c) Rechtshängigkeit des Verletzungsverfahrens vor dem EPG und rechtskräftige Entscheidung des EPG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 aa) Rechtshängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169

Inhaltsverzeichnis13 bb) Rechtskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gleiche Ausführungsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Streitgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kerntheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Äquivalente Ausführungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Folgerungen für die „gleiche Ausführungsform“ nach ­IntPatÜbkG-E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Persönliche Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beklagte Partei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Klägerische Partei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abgrenzung zur Ursprungsgleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rügeobliegenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zeitpunkt der Rüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

171 172 172 174 175 177 177 180 180 180 182 182 183 183 183 184 184

C. Weitere Themenbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 I. Aussetzungsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 1. Rechtssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 2. Anwendungsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 II. Ergänzende Schutzzertifikate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 1. Einfügen in das bestehende System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 a) Ausgangspunkt: nationaler und unionsrechtlicher Rechtsrahmen . 188 b) Ergänzende Schutzzertifikate und EPÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 c) Ergänzende Schutzzertifikate und europäische Patentreform . . . . 190 aa) Erteilung durch nationale Behörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 bb) Wirkung des Schutzzertifikats nur im Erteilungsstaat . . . . . . 192 cc) Widerruf der Verlängerung durch nationale Behörden . . . . . 193 2. Ausblick: Ergänzende Schutzzertifikate mit einheitlicher Wirkung . 195 a) Institutioneller Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 b) Inhaltliche Punkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 3. Zur Einrede der doppelten Inanspruchnahme im Einzelnen . . . . . . . 198 III. Vorläufige oder sichernde Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 Zusammenfassung und Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242

Abkürzungsverzeichnis a. A. anderer Ansicht a. a. O. am angegebenen Ort ABl. Amtsblatt a. E. am Ende AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union a. F. alte Fassung ArbGG Arbeitsgerichtsgesetz Art. Artikel AT Allgemeiner Teil Aufl. Auflage Bd. Band BeckOK Beck’scher Online-Kommentar Begleitgesetz Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung patentrechtlicher Vorschriften auf Grund der europäischen Patentreform1 Begr. Begründer Beschl. Beschluss BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BGHZ Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen BlPMZ Blatt für Patent‑, Muster‑ und Zeichenwesen BMJV Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz BPatG Bundespatentgericht BR Bundesrat BRAK Bundesrechtsanwaltskammer BT Deutscher Bundestag BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts CDR Community Design Regulation, siehe GGV 1  Internet: https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/DE/Anpas sung_patentrechtlicher_Vorschriften_nach_euopaeischer_Patentreform.html (27.01. 2021).

Abkürzungsverzeichnis15 COM CPVO

European Commission, siehe Kommission Community Plant Variety Office, Gemeinschaftliches Sortenamt2 DAV Deutscher Anwaltverein ders. derselbe d. h. das heißt dies. dieselbe DPMA Deutsches Patent‑ und Markenamt Drs. Drucksache Durchsetzungs- Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des   richtlinie Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums, ABl. EU Nr. L 157 v. 30.04.2004, S. 45 ff., wie berichtigt in ABl. EU Nr. L 195 v. 02.06.2004, S.  16 ff. ‑E Entwurf EFTA Europäische Freihandelsassoziation EG Europäische Gemeinschaft EGMR Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Einf. Einführung Einl. Einleitung EIPR European Intellectual Property Review EMA Europäische Arzneimittel-Agentur3 EN Englisch endg. endgültig EPA Europäisches Patentamt EPG Einheitliches Patentgericht EPGÜ Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht EPLA European Patent Litigation Agreement EPÜ Übereinkommen über die Erteilung europäischer Patente (Europäisches Patentübereinkommen) vom 5. Oktober 1973 in der Fassung der Akte zur Revision von Artikel 63 EPÜ vom 17. Dezember 1991 und der Akte zur Revision des EPÜ vom 29. November 20004 ESZ ergänzendes Schutzzertifikat EU Europäische Union EuG Europäisches Gericht erster Instanz 2  Internet:

http://cpvo.europa.eu/ (27.01.2021). http://www.ema.europa.eu/ema/ (27.01.2021). 4  Internet: http://www.epo.org/law-practice/legal-texts/epc_de.html (27.01.2021). 3  Internet:

16 Abkürzungsverzeichnis EuGH Gerichtshof der Europäischen Union EuGRZ Europäische Grundrechte-Zeitschrift EUIPO Amt der Europäischen Union für Geistiges Eigentum5 EUV Vertrag über die Europäische Union EuZW Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft f. folgende ff. fortfolgende Fn. Fußnote FS Festschrift GebrMG Gebrauchsmustergesetz gem. gemäß GG Grundgesetz GGV Verordnung (EG) Nr. 6/2002 des Rates vom 12. Dezember 2001 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster (Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung), ABl. EG Nr. L 3 v. 05.01.2002, S. 1 ff. und nachfolgende Änderungen/Berichtigungen GMV Verordnung (EU) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke (Gemeinschaftsmarkenverordnung), ABl. EG Nr. L 78 v. 24.03.2009, S. 1 ff. GPatG Gesetz über das Gemeinschaftspatent und zur Änderung patentrechtlicher Vorschriften (Gemeinschaftspatentgesetz), BGBl. I 1979 S. 1269 GPÜ 1975 Übereinkommen über das Europäische Patent für den Gemeinsamen Markt (Gemeinschaftspatentübereinkommen), 76/76/EWG, ABl. EG Nr. L 17 v. 26.01.1976, S. 1 ff. GPÜ  1989 Vereinbarung über Gemeinschaftspatente, 89/695/EWG, ABl. EG Nr. L 401 v. 30.12.1989, S. 1 ff. GRUR Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht GRUR Int. Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Internationaler Teil GRUR-Prax Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Praxis im Immaterialgüter‑ und Wettbewerbsrecht GSortV Verordnung (EG) Nr. 2100/94 des Rates vom 27. Juli 1994 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz (Gemeinschaftssortenverordnung), ABl. EG Nr. L 227 v. 01.09.1994, S. 1 ff. und nachfolgende Änderungen GVG Gerichtsverfassungsgesetz Hrsg. Herausgeber 5  Internet:

https://euipo.europa.eu/ohimportal/de (27.01.2021).

Abkürzungsverzeichnis17 IIB IIC

Internationales Patentinstitut International Review of Intellectual Property and Competition Law InstGE Entscheidungen der Instanzgerichte zum Recht des geistigen Eigentums IntPatÜbkG Gesetz zu dem Übereinkommen vom 27. November 1963 zur Vereinheitlichung gewisser Begriffe des materiellen Rechts der Erfindungspatente, dem Vertrag vom 19. Juni 1970 über die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Pa­ tentwesens und dem Übereinkommen vom 5. Oktober 1973 über die Erteilung europäischer Patente (Gesetz über internationale Patentübereinkommen); vereinfacht in der Praxis als „IntPatÜG“ abgekürzt IPRB IP-Rechtsberater i. V. m. in Verbindung mit JuS Juristische Schulung JZ Juristenzeitung Kap. Kapitel KOM siehe Kommission Kommission Kommission der Europäischen Gemeinschaften bzw. später Europäische Kommission LG Landgericht lit. littera MA marketing authorisation MarkenG Markengesetz MDR Monatsschrift für Deutsches Recht Mitt. Mitteilungen der deutschen Patentanwälte MPEPIL Max Planck Encyclopedia of Public International Law MPI-Studie Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb, Study on the Legal Aspects of Supplementary Protection Certifi­ cates in the EU, Final Report, 20186 MPÜ Münchner Übereinkommen m. w. N. mit weiteren Nachweisen NJW Neue Juristische Wochenschrift NJW-RR Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungs-Report Nr. Nummer 6  Internet (in EN): https://ec.europa.eu/docsroom/documents/29524/attachments/1/ translations/en/renditions/native (27.01.2021). Weitere Links: https://op.europa.eu/en/ publication-detail/-/publication/6845fac2-6547-11e8-ab9c-01aa75ed71a1/language-en (14.02.2021) sowie https://www.ip.mpg.de/en/publications/details/study-on-the-legalaspects-of-supplementary-protection-certificates-in-the-eu-final-report.html (14.02. 2021).

18 Abkürzungsverzeichnis o. g. oben genannt PatG Patentgesetz PatR Patentrecht PatV-EG (österreichisches) Bundesgesetz vom 16. Dezember 1978 über die Einführung des Europäischen Patentübereinkommens und des Vertrages über die internationale Zusammen­ arbeit auf dem Gebiet des Patentwesens (Patentverträge-Einführungsgesetz) PCT Patent Cooperation Treaty PVÜ Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums Rat Rat der Europäischen Union RG Reichsgericht RGZ Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Rn. Randnummer S. Seite Satzung des EPG Satzung des Einheitlichen Patentgerichts SchiedsVZ Zeitschrift für Schiedsverfahren sic! Zeitschrift für Immaterialgüter‑, Informations‑ und Wettbewerbsrecht s. o. siehe oben SortSchG Sortenschutzgesetz SPC supplementary protection certificate, siehe ESZ st. Rspr. ständige Rechtsprechung TRIPS-Überein- Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte   kommen des geistigen Eigentums7 u. a. unter anderem UK United Kingdom, Vereinigtes Königreich UMV Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (Unionsmarkenverordnung), ABl. EU Nr. L 154 v. 16.06.2017, S.  1 ff. UrhG Urhebergesetz Urt. Urteil v. von/vom Var. Variante Verf. Verfasser/in

7  BGBl. II 1994 S. 1730 ff.; Internet (in EN): https://www.wto.org/english/docs_e/ legal_e/27-trips_01_e.htm (27.01.2021).

Abkürzungsverzeichnis19 VerfO EPG

Verordnung (EG)   Nr. 469/2009

Verordnung (EG)   Nr. 726/2004

Verordnung (EG)   Nr. 1610/96

Verordnung (EG)   Nr. 1901/2006

Verordnung (EU)   Nr. 1215/2012

Verordnung (EU)   Nr. 1257/2012

Verfahrensordnung des Einheitlichen Patentgerichts, 18. Fassung vom 19.10.2015 mit den Änderungen durch den Vorbereitenden Ausschuss vom 15.03.20178 Verordnung (EG) Nr. 469/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 über das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel, ABl. EU Nr. L 152 v. 16.06.2009, S. 1 ff. und nachfolgende Änderungen Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human‑ und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur, ABl. EU Nr. L 136 v. 30.04.2004, S. 1 ff. und nachfolgende Änderungen/Berichtigungen Verordnung (EG) Nr. 1610/96 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 1996 über die Schaffung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Pflanzenschutzmittel, ABl. EG Nr. L 198 v. 08.08.1996, S. 30 ff. und nachfolgende Änderungen Verordnung (EG) Nr. 1901/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Kinderarzneimittel und zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1768/92, der Richtlinien 2001/20/EG und 2001/83/EG sowie der Verordnung (EG) Nr. 726/2004, ABl. EU Nr. L 378 v. 27.12.2006, S. 1 ff. Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil‑ und Handelssachen, ABl. EU Nr. L 351 v. 20.12.2012, S. 1 ff. und nachfolgende Änderungen/Berichtigungen, insbesondere: Verordnung (EU) Nr. 542/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.05.2014 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 bezüglich der hinsichtlich des Einheit­ lichen Patentgerichts und des Benelux-Gerichtshofs anzuwendenden Vorschriften, ABl. EU Nr. L 163 v. 29.05.2014, S.  1 ff. Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2012 über die Umsetzung der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes, ABl. EU Nr. L 361 v. 31.12.2012, S.  1  ff.; Berichtigung der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2012 über die Umsetzung der Verstärkten

8  Internet (in EN): https://www.unified-patent-court.org/sites/default/files/upc_ rules_of_procedure_18th_draft_15_march_2017_final_clear.pdf (27.01.2021).

20 Abkürzungsverzeichnis Zusammenarbeit im Bereich der Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes, ABl. EU Nr. L 307 v. 28.10.2014, S. 83. Verordnung (EU) Verordnung (EU) Nr. 1260/2012 des Rates vom 17. Dezember   Nr. 1260/2012 2012 über die Umsetzung der verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes im Hinblick auf die anzuwendenden Übersetzungsregelungen, ABl. EU Nr. L 361 v. 31.12.2012, S. 89 ff. Vertragsgesetz, Entwurf eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 19. Fe erstes bruar 2013 über ein Einheitliches Patentgericht vom 13.02.20179 Vertragsgesetz, Entwurf eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 19. Fe zweites bruar 2013 über ein Einheitliches Patengericht vom 25.09.202010 vgl. vergleiche WIPO World Intellectual Property Organization z. B. zum Beispiel ZGE Zeitschrift für Geistiges Eigentum zit. zitiert ZPO Zivilprozessordnung zugl. zugleich ZZP Zeitschrift für Zivilprozess

9  BT-Drs. 18/11137, Internet: http://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungs verfahren/DE/Uebereinkommen_Einheitliches_Patentgericht.html (04.01.2021). 10  BT-Drs. 19/22847, Internet: https://dserver.bundestag.de/btd/19/228/1922847. pdf (04.01.2021).

Einleitung Anlass für die Untersuchung ist die europäische Patentreform. Sie steht für die Einführung einer einheitlichen europäischen Patentgerichtsbarkeit, des Einheitlichen Patentgerichts (EPG), und die Schaffung eines europäischen Schutztitels, des europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung. Kernbestandteile der europäischen Patentreform sind das EPGÜ sowie die Verordnungen (EU) Nr. 1257/2012 und (EU) Nr. 1260/2012. Aufgrund der europä­ ischen Patentreform hat die Bundesregierung im Grundsatz zwei Gesetzentwürfe vorgelegt, die zwischenzeitlich Gegenstand des parlamentarischen Verfahrens waren, aber noch nicht ausgefertigt wurden: eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 19. Februar 2013 über ein Einheitliches Patentgericht (sog. Vertragsgesetz) und eines Gesetzes zur Anpassung patentrecht­ licher Vorschriften auf Grund der europäischen Patentreform (sog. Begleit­ gesetz). Anders als das bisherige Patentrecht sieht das Begleitgesetz die Ein­führung eines Doppelschutzes vor. Flankierend dazu wird die Einrede der doppelten Inanspruchnahme vorgesehen. Es wird mithin ein System des beschränkten Doppelschutzes vorgeschlagen. Hiermit sind die zwei Säulen der Untersuchung genannt. Es sind dies der Doppelschutz sowie die Einrede der doppelten Inanspruchnahme, die den Doppelschutz beschränkt. Dabei stellt die Einrede der doppelten Inanspruchnahme ein bisher nicht bekanntes prozessuales Instrument und damit ein echtes Novum dar. Deswegen dient die Untersuchung insbesondere dazu, die Einrede der doppelten Inanspruchnahme aus wissenschaftlicher Perspektive zu erörtern. Es wird die Notwendigkeit der Einführung der Einrede im Zuge der Schaffung des Begleitgesetzes aufgezeigt. Außerdem werden die einzelnen Elemente der Einrede sowie weitere Besonderheiten der vorgeschlagenen Regelung dargestellt (Aussetzungsmöglichkeit, ergänzende Schutzzertifikate, vorläufige bzw. sichernde Maßnahmen). Zuvor wird der Doppelschutz als conditio sine qua non der Einrede der doppelten Inanspruchnahme erörtert. Ausgehend von der bestehenden Rechtslage des Doppelschutzverbots zwischen nationalen Patenten und europäischen Patenten wird das neu vorgeschlagene System des Doppelschutzes dargelegt. Der patentrechtliche Doppelschutz wird in einen größeren Kontext gestellt, und zwar in Bezug auf andere Schutzrechte einerseits sowie in Bezug auf andere EU-Mitgliedstaaten andererseits. Außerdem werden die unterschiedlichen Argumente für und gegen den Doppelschutz herausgearbeitet.

22 Einleitung

Um den Diskurs zu systematisieren und eine optimale Rationalität in den Diskurs einzubringen, werden die Argumente anhand des Kanons der Auslegungsmethoden dargestellt und im Anschluss abgewogen. Diese Aufarbeitung zeigt, dass die Gründe des historischen Gesetzgebers für ein Doppelschutzverbot auf die europäische Patentreform der Schutzrechte nicht übertragbar sind. Dem Doppelschutz ist jedoch die Gefahr der doppelten Inanspruchnahme des potentiellen Verletzers inhärent. Dies zeigt die Bedeutung und Notwendigkeit der Einrede der doppelten Inanspruchnahme, die den Doppelschutz beschränkt. Insgesamt sprechen mehr und die besseren Argumente für die Einführung eines (beschränkten) Doppelschutzes. Die Untersuchung schließt mit einer zusammenfassenden Darstellung unter besonderer Berücksichtigung der Ergebnisse. Sie soll dem Leser ermöglichen, die Essenz der gesamten Arbeit in einem Zug schnell zu erschließen. Zum Schluss sei noch darauf hingewiesen, dass sich die Untersuchung zwar auf die europäische Patentreform und die angestoßene nationale Gesetzgebung bezieht. Die erörterten Themen des Doppelschutzes und der Einrede der doppelten Inanspruchnahme stehen aber in einem größeren Kontext. Sie betreffen die – für eine Europäisierung des Patentrechts immer relevante – Frage, ob und unter welchen Bedingungen es parallele nationale und europäische patentrechtliche Schutztitel geben kann und sollte.

Kapitel 1

Grundlagen Dreh- und Angelpunkt dieser Untersuchung ist die europäische Patent­ reform. Denn sie ist der Anlass dafür, um die Anpassung des nationalen Patentrechts zu überprüfen und insbesondere die Frage des Doppelschutzes neu zu überdenken. Der Doppelschutz wiederum führt zur Frage nach einem Schutzmechanismus für Beklagte eines Verletzungsstreits und damit zur Einrede der doppelten Inanspruchnahme.

A. Harmonisierung des Patentrechts Um zu verstehen, warum es zur europäischen Patentreform kam, ist es erforderlich, zunächst die vergangenen Harmonisierungsbestrebungen zu analysieren.

I. Territorialitätsprinzip und ubiquitäre Immaterialgüter Das Immaterialgüterrecht ist in erster Linie Gegenstand nationaler Vorschriften. Die auf der Grundlage dieser Vorschriften durch zuständige nationale Stellen erteilten Schutzrechte entfalten nur innerhalb der jeweiligen Staatsgrenzen ihre Wirkung. Ausgehend von dieser Grundannahme, die mit dem Begriff des Territorialitätsprinzips umschrieben wird,1 wird gefolgert, dass Verletzungen der nationalen Immaterialgüterrechte außerhalb der jeweiligen nationalen Grenzen nicht unterbunden werden können2. Anders ausgedrückt können reine Auslandsverhaltensweisen die Verletzung inländischer Schutzrechte nicht begründen.3 Immaterialgüter, die Bezugspunkte der jeweiligen Schutzrechte sind, sind hingegen nicht an eine bestimmte körperliche Form gebunden und daher beliebig reproduzierbar sowie parallel nutzbar. Sie zeichnen sich durch eine

1  Vgl. statt

vieler z. B. Buck, Geistiges Eigentum und Völkerrecht, S. 22. PatR, § 33 Rn. 43 f., mit dem zusätzlichen Hinweis auf eine vielleicht im Einzelfall bestehende internationale Zuständigkeit. 3  Vgl. Staudinger/Fezer/Koos, EGBGB/IPR IntWirtschR, Rn. 897. 2  Vgl.  Kraßer/Ann,

24

Kap. 1: Grundlagen

„Wiederholbarkeit“ ohne Rücksicht auf Zeit und Ort aus.4 Ihre öffentliche Zugänglichmachung führt zu einer (potentiellen) Allgegenwärtigkeit oder Ubiquität.5 Für Immaterialgüterrechtsinhaber hat dies in der Regel6 zur Folge, dass sie dann in unterschiedlichen Staaten um Immaterialgüterrechtsschutz nachsuchen müssen, um optimalen Schutz für ihre Immaterialgüter zu erlangen, wenn sie grenzüberschreitend tätig werden wollen. Dies gilt auch für regionale Schutzrechte wie europäische Patente nach dem EPÜ und unionsrechtliche Schutzrechte, wobei in diesen Fällen die Schutzterritorien weiter gesteckt sind.

II. Von bilateralen Abkommen zur Pariser Verbandsübereinkunft Das System des nationalen Schutzes wurde mit der Zunahme des internationalen Handels immer mehr als wirtschaftlich problematisch empfunden.7 Dies lag nicht nur an der Notwendigkeit, im Ausland um Immaterialgüterrechtsschutz nachzusuchen, sondern auch daran, dass die Gleichstellung von In- und Ausländern im jeweiligen Schutzland nicht selbstverständlich war,8 zumal die Gewährung des Immaterialgüterrechtsschutzes als „Instrument nationaler Wirtschaftspolitik“ angesehen wurde9 – ein Gesichtspunkt im Übrigen, der auch heute noch eine Rolle spielt10. Die internationale Gemein4  Vgl.  Troller, Immaterialgüterrecht I, S. 55 und Fn. 11, insbesondere auf S. 57, sowie Forkel, Gebundene Rechtsübertragungen, S. 71. 5  Vgl.  Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 3 Rn. 1; Troller, Immaterialgüterrecht I, S. 55. 6  Dies gilt nicht für diejenigen Schutzrechte, die ex lege und ohne einen hoheit­ lichen Akt entstehen, so z. B. Marken kraft Verkehrsgeltung (§ 4 Nr. 2 MarkenG) oder notorischer Bekanntheit (§ 4 Nr. 3 MarkenG) sowie Urheberrechte, die mit Werkschöpfung entstehen (§ 7 UrhG sowie BGH, Urt. v. 18.05.1955, I ZR 8/54, BGHZ 17, 266, 278: „durch den Schöpfungsakt begründete[s] geistige[s] Eigentum“). Dennoch sind auch diese Schutzrechte insoweit territorial begrenzt, als dass sie auf nationalen Normen mit ebensolchen Wirkungen beruhen (zum Urheberrecht vgl. Buck, Geistiges Eigentum und Völkerrecht, S. 23; Ulmer, UrhR, § 13 I 1 [S. 80 ff.]), die eben ihre Entstehung, ihren Schutzumfang und Inhalt sowie ihren Untergang regeln. 7  Im 20. Jahrhundert sprachen Haertel/Kolle in Bezug auf das Patentrecht mit Hinweis auf einen britischen Diplomaten von „wirtschaftlich[em] Unsinn“ und beschreiben das (immer noch) herrschende System als „nunmehr anachronistisch“, Haertel/ Kolle/Strebel, EPÜ, Einführung, S. 3. 8  Vgl. zu diesem Aspekt Buck, Geistiges Eigentum und Völkerrecht, S. 31; Khadjavi-Gontard, Der Grundsatz der Inländerbehandlung, S. 4; Niemann, Geistiges Eigentum, S. 28 ff. Die jeweiligen Interessen zeigt Vaver in GRUR Int. 1988, 191, 192 auf. 9  Beier, GRUR Int. 1983, 339, 342. 10  Siehe auch die Feststellung von Beier in GRUR Int. 1983, 339, 342.



A. Harmonisierung des Patentrechts25

schaft war daher zunehmend bestrebt, die Wirkungen nationaler Schranken im Immaterialgüterrecht durch internationale Übereinkünfte11 zumindest zu schwächen. Es entstand zunächst ein „Netz“ bilateraler Verträge.12 Diese zweiseitigen völkerrechtlichen Vereinbarungen waren oftmals in Handelsabkommen integriert, was den Nachteil nach sich zog, dass sie in Bestand und Dauer das Schicksal der Handelsabkommen teilten.13 In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kamen Bestrebungen zum Abschluss dauerhafter und „unabhängiger“ multilateraler Übereinkommen auf.14 Sie gipfelten zunächst in der Unterzeichnung der Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums am 20. März 1883.15 Die Übereinkunft trat am 7. Juli 1884 in Kraft.16 Zwei Jahre später, und zwar am 9. September 1886, wurde die Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst unterzeichnet.17 Sie trat am 5. Dezember 1887 in Kraft.18 Beide Übereinkommen wurden im Laufe der Zeit mehrmals revidiert; für die Bundesrepublik Deutschland gilt z. B. die Stockholmer Fassung der Pariser Verbandsübereinkunft von 1967 unter Berücksichtigung der Änderungen von 197919. 11  Der Begriff „Übereinkunft“ wird hier als Oberbegriff für völkerrechtliche Verträge zwischen zwei oder mehr Staaten gebraucht; zu diesem Verständnis siehe BVerfG, Urt. v. 12.07.1994, 2 BvE 3/92, 5/93, 7/93, 8/93, BVerfGE 90, 286, 359. Für bilaterale Vereinbarungen wird im Folgenden der Begriff „Abkommen“ verwendet, es sei denn der Begriff wird im Zusammenhang mit einem multilateralen Übereinkommen gebraucht (im Sinne einer etablierten Bezeichnung). Als „Übereinkommen“ werden multilaterale Vereinbarungen bezeichnet. Vgl. zu dieser Terminologie Brödermann/Rosengarten, IPR/IZVR, Rn. 7. 12  Hierzu im Kontext des Urheberrechts Buck, Geistiges Eigentum und Völkerrecht, S. 32, 34; vgl. ebenfalls Niemann, Geistiges Eigentum, S. 29 f. 13  Siehe zum Urheberrecht Buck, Geistiges Eigentum und Völkerrecht, S. 32 f.; Niemann, Geistiges Eigentum, S. 30; vgl. auch Ricketson/Ginsburg, International Copyright I, Rn. 1.41 (S. 38). 14  Siehe Buck, Geistiges Eigentum und Völkerrecht, S. 33  ff. sowie Niemann, Geistiges Eigentum, S. 30 f.; zur Entstehung der Pariser Verbandsübereinkunft Ladas, Industrial Property, §§ 44 ff. (S. 73 ff.); Beier, GRUR Int. 1983, 339 f. Das System bilateraler Verträge wurde durch das Aufkommen der multinationalen Übereinkommen nicht ersetzt, sondern vielmehr durch diese ergänzt. 15  Siehe hierzu Ladas, Industrial Property, § 48 (S. 84). 16  Bodenhausen, PVÜ, S. 3; Ladas, Industrial Property, § 48 (S. 84). 17  Siehe hierzu Ladas, Literary and Artistic Property I, § 37 (S. 82 f.). 18  Ladas, Literary and Artistic Property I, § 37 (S. 83); Niemann, Geistiges Eigentum, S. 31. 19  Siehe unter http://www.wipo.int/wipolex/en/details.jsp?id=12633 (27.01.2021). Die Übereinkunft in der Stockholmer Fassung von 1967 (BGBl. II 1970 S. 391 ff.) ist in der Bundesrepublik am 19.09.1970 in Kraft getreten, siehe BGBl. II 1970 S. 1073 sowie die Korrektur in BGBl. II 1971 S. 1015. Zu den Änderungen 1979, die 1984 in Kraft getreten sind, siehe BGBl. II 1984 S. 799.

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Kap. 1: Grundlagen

Ende des 19. und im 20. Jahrhundert wurden die Bemühungen um eine Vereinheitlichung des Immaterialgüterrechts trotz zweier Weltkriege fortgesetzt. Auf dem Gebiet des Patentrechts gab es in dem Zeitraum zwischen der Schaffung der Pariser Verbandsübereinkunft und der Gründung des Europarats 1949 verschiedene Bemühungen um die Vereinheitlichung des Patentrechts in Europa, und zwar insbesondere hinsichtlich des Erteilungsverfahrens. Zu nennen sind, abgesehen von zahlreichen Vorschlägen, das Pariser Abkommen von 1920, die Bemühungen um ein britisches Empire Patent und die Schaffung des Internationalen Patentinstituts (IIB) für die drei BeneluxStaaten und Frankreich.20 Von diesen Projekten, die alle Deutschland nicht betrafen,21 sind die ersten beiden gescheitert und das IIB ist 1978 vom Europäischen Patentamt als Zweigstelle übernommen worden22. Ein Harmonisierungsschub setzte erst wieder nach der Gründung des Europarats 1949 ein.

III. Der Weg zum Europäischen Patentübereinkommen Während der „Phase des Europarats“23 wurden verschiedene Pläne zur „Europäisierung des Patentrechts“24 ausgearbeitet. Den Anstoß gab der französische Senator Longchambon mit seinem gleichnamigen Plan „Einführende Bemerkungen zum Studium des Problems der Schaffung eines Euro­ päischen Patentamts“.25 Dieser sowie einige andere konnten sich jedoch nicht durchsetzen.26 Stattdessen wurden unter der Ägide des eingesetzten Sachverständigen-Komitees des Europarats für Patentfragen die Europäische Übereinkunft über Formerfordernisse bei Patentanmeldungen vom 11.12.1953, die Übereinkunft über die internationale Patentklassifikation vom 19.12.1954 und das Straßburger Übereinkommen zur Vereinheitlichung gewisser Begriffe des materiellen Rechts der Erfindungspatente vom 27.11.1963 ausgearbeitet.27 Obgleich diese Übereinkommen heute keine große Rolle mehr spie­ 20  Im

Einzelnen MünchGemKom/Haertel, Einf. 1. Teil, Rn. 4 ff. hat sich an dem Pariser Abkommen von 1920 nicht beteiligt, MünchGemKom/Haertel, Einf. 1. Teil, Rn. 5 a. E. 22  MünchGemKom/Haertel, Einf. 1. Teil, Rn. 12. 23  So etwa Haertel, MünchGemKom/Haertel, Einf. 1. Teil, vor Rn. 14. 24  Reimer, Europäisierung des Patentrechts, S. 47 f. 25  Vgl.  Haertel/Kolle/Strebel, EPÜ, Einführung, S. 5; Reimer, Europäisierung des Patentrechts, S. 48. Der Plan ist abgedruckt bei Reimer, a. a. O., S. 227 ff. (Anlage F). 26  Hierzu Haertel/Kolle/Strebel, EPÜ, Einführung, S. 5 sowie im Einzelnen Reimer, Europäisierung des Patentrechts, S. 84 ff. 27  Haertel/Kolle/Strebel, EPÜ, Einführung, S. 5 ff. Zum Sachverständigen-Komitee im Einzelnen Reimer, Europäisierung des Patentrechts, S. 54 ff. Die einzelnen Verträge sind im Übrigen abrufbar auf der Seite des Europarats http://www.coe.int/de/ web/conventions/home (27.01.2021). 21  Deutschland



A. Harmonisierung des Patentrechts27

len,28 haben sie doch zur Harmonisierung des Patentrechts beigetragen. Das Straßburger Übereinkommen etwa hat die nach seinem Abschluss erlassenen nationalen Patentgesetze der Niederlande, der skandinavischen Staaten, Deutschlands und Frankreichs sowie das Europäische Patentübereinkommen beeinflusst.29 Die Arbeiten an der „Europäisierung des Patentrechts“ wurden im Rahmen der EWG fortgesetzt.30 1962 wurde ein von der Arbeitsgruppe „Patente“ der Mitgliedstaaten der EWG ausgearbeiteter „Vorentwurf eines Abkommens über ein europäisches Patentrecht“ veröffentlicht.31 Der Entwurf wurde nach Anhörung interessierter Kreise überarbeitet; das Resultat war der zweite, jedoch nie veröffentlichte Entwurf von 1965.32 In diesem Jahr sind die Arbeiten aus politischen Gründen zum Erliegen gekommen.33 Der Stillstand in Europa führte zu einer Initiative der USA, auf internationaler Ebene ein Übereinkommen zur Vereinfachung des Erteilungsverfahrens zu schaffen, die letztlich zur Errichtung des Patent Cooperation Treaty (PCT) führte.34 Der Vorstoß der USA veranlasste wiederum Frankreich, die Arbei28  Die Europäische Übereinkunft über Formerfordernisse bei Patentanmeldungen wurde durch die Formerfordernisse für europäische Patentanmeldungen und diejenigen für internationale Patentanmeldungen nach dem PCT „überholt“, MünchGemKom/Haertel, Einf. 1. Teil, Rn. 19. Die Übereinkunft über die internationale Patentklassifikation ist in dem Straßburger Abkommen über die internationale Patentklassifikation, das von der WIPO verwaltet wird, aufgegangen, MünchGemKom/Haertel, Einf. 1. Teil, Rn. 21. Dem Straßburger Übereinkommen zur Vereinheitlichung gewisser Begriffe des materiellen Rechts der Erfindungspatente haben Haertel/Kolle bereits 1998 keine Zukunft mehr vorhergesagt, Haertel/Kolle/Strebel, EPÜ, Einführung, S. 7. Das Übereinkommen habe das EPÜ mitgeprägt. Faktisch würden daher diejenigen Mitgliedstaaten des Europarats, die noch nicht dem Straßburger Übereinkommen beigetreten seien, ihr nationales Recht im Wege der „kalten Harmonisierung“ dem EPÜ anpassen, wenn sie dem EPÜ beitreten, bzw. sie hätten es bereits angepasst, wenn sie beigetreten sind. Aus heutiger Sicht ist festzustellen, dass einige Mitgliedstaaten des Europarats nach wie vor weder dem Straßburger Übereinkommen noch dem EPÜ beigetreten sind. Abgesehen von Ausnahmen ist eine Änderung dieses Zustands jedoch nicht absehbar, sodass die generelle Einschätzung mit Blick auf das Straßburger Übereinkommen zutrifft. 29  Haertel/Kolle/Strebel, EPÜ, Einführung, S. 7. Zu weiteren Anpassungen MünchGemKom/Haertel, Einf. 1. Teil, Rn. 28, insbesondere Fn. 66. 30  Zur „Phase der EWG“ etwa Haertel/Kolle/Strebel, EPÜ, Einführung, S. 7 f.; siehe auch MünchGemKom/Haertel, Einf. 1. Teil, Rn. 36 ff. Einen historischen Abriss gibt auch Yan, Das materielle Recht im Einheitlichen Europäischen Patentsystem, S.  55 ff. 31  MünchGemKom/Haertel, Einf. 1. Teil, Rn. 40. 32  MünchGemKom/Haertel, Einf. 1. Teil, Rn. 40. 33  Hierzu MünchGemKom/Haertel, Einf. 1. Teil, Rn. 41; Haertel/Kolle/Strebel, EPÜ, S.  7 f. 34  Vgl. Haertel/Kolle/Strebel, EPÜ, Einführung, S. 8.

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Kap. 1: Grundlagen

ten auf europäischer Ebene wieder voranzutreiben und eine Idee der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) auf das Parkett der Europäischen Gemeinschaften zu bringen.35 Konkret wurde die Schaffung zweier Abkommen vorgeschlagen, und zwar zum einen eines Abkommens über ein europäisches Patenterteilungsverfahren, das ein europäisches Patentamt vorsah, und zum anderen ein Abkommen über ein europäisches Patent für den Gemeinsamen Markt, das nur den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften offenstehen sollte.36 Im Folgenden hat der Rat der Europäischen Gemeinschaften eine Regierungskonferenz zur Ausarbeitung des ersten Abkommens einberufen und mit Blick auf das zweite Abkommen eine Arbeitsgruppe eingesetzt.37 Die Luxemburger Regierungskonferenz trat 1969 zusammen und übermittelte den beteiligten Regierungen 1972 einen Entwurf des Übereinkommens über ein europäisches Patenterteilungsverfahren sowie Entwürfe seiner Ausführungsordnung, von Protokollen und Empfehlungen, z. B. hinsichtlich einer Diplomatischen Konferenz zur Beratung und Unterzeichnung des Übereinkommens.38 Eine solche Konferenz, und zwar die Münchener Diplomatische Konferenz, wurde 1973 abgehalten und schloss mit der Unterzeichnung des Europäischen Patentübereinkommens am 5. Oktober 1973.39 Das Übereinkommen wurde früher aufgrund des Abschlussortes auch Münchner Übereinkommen (MPÜ) genannt.40 Das Übereinkommen trat am 7. Oktober 1977 in Kraft.41 Zu diesem Zeitpunkt wurde dementsprechend die Europäische Patentorganisation mit dem Europäischen Patentamt als Organ (neben dem Verwaltungsrat) gegründet (Artikel 4 EPÜ).

35  Zu den Motiven MünchGemKom/Haertel, Einf. 1. Teil, Rn. 51, zur EFTA Rn. 49, 52. 36  MünchGemKom/Haertel, Einf. 1. Teil, Rn. 52; Haertel/Kolle/Strebel, EPÜ, Einführung, S. 9. 37  MünchGemKom/Haertel, Einf. 1. Teil, Rn. 53; Haertel/Kolle/Strebel, EPÜ, Einführung, S. 9. 38  MünchGemKom/Haertel, Einf. 1. Teil, Rn. 54 ff.; Haertel/Kolle/Strebel, EPÜ, Einführung, S.  9 f. 39  MünchGemKom/Haertel, Einf. 1. Teil, Rn. 59 ff.; Haertel/Kolle/Strebel, EPÜ, Einführung, S. 10. 40  Auf diese Bezeichnung weisen etwa Benkard/Adam/Grabinski, EPÜ, Vor Präambel Rn. 18 hin. 41  Siehe z. B. das Vorwort zum EPÜ 1973 (12. Auflage), abrufbar auf der Seite der Europäischen Patentorganisation http://documents.epo.org/projects/babylon/eponet.ns f/0/228669084973C9DFC1258061005CE7CB/$File/european_patent_convention_ 12th_edition_apr_2006.pdf (27.01.2021).



A. Harmonisierung des Patentrechts29

IV. Scheitern des Gemeinschaftspatentübereinkommens Parallel zur Luxemburger Regierungskonferenz tagte die vom Rat der Europäischen Gemeinschaften eingesetzte Arbeitsgruppe, die Sachverständigengruppe „Gemeinschaftspatent“, mit dem Ziel der Erarbeitung eines Übereinkommens über das europäische Patent für den Gemeinsamen Markt.42 Die Arbeitsgruppe schloss ihre Arbeiten 1975 ab.43 Im selben Jahr wurde auf der Luxemburger Konferenz das entsprechende Gemeinschaftspatentübereinkommen (GPÜ 1975),44 auch Luxemburger Übereinkommen genannt,45 unterzeichnet.46 Die Bundesrepublik Deutschland hat das Übereinkommen zwar ratifiziert,47 es ist jedoch nicht in Kraft getreten48. Aufgrund der Vergrößerung der Europäischen Gemeinschaft wurde 1985 eine zweite Luxemburger Regierungskonferenz einberufen.49 Auf dieser Konferenz wurde das GPÜ 1975 überarbeitet und ergänzt, z. B. um das sog. Streitregelungsprotokoll, die Vereinbarung über Gemeinschaftspatente in geänderter Fassung wurde angehängt.50 Das Vertragswerk wurde jedoch nicht unterzeichnet, sondern nur paraphiert.51 Auf der dritten Luxemburger Regierungskonferenz 1989 wurden die noch offenen Fragen geklärt und die Vereinbarung (auch GPV abgekürzt52) samt (u. a.) GPÜ in geänderter Fassung (GPÜ 1989) geschlossen.53 Für den Fall des Nichtvorliegens der erforderlichen Ratifikationen bis Ende 1991 sollte wiederum eine Regierungskonferenz einberufen werden, um die erfor42  Haertel/Kolle/Strebel, EPÜ, Einführung, S. 10. Im Einzelnen MünchGemKom/ Haertel, Einf. 1. Teil, Rn. 74. 43  Haertel/Kolle/Strebel, EPÜ, Einführung, S. 10. 44  76/76/EWG, ABl. EG Nr. L 17 v. 26.01.1976, S. 1 ff. 45  Hierzu etwa MünchGemKom/Haertel, Einf. 1. Teil, Rn. 73. 46  Haertel/Kolle/Strebel, EPÜ, Einführung, S. 10. Zur Konferenz auch Haertel/ Koch/Stauder, Vereinbarung über Gemeinschaftspatente, S. 3 ff. 47  MünchGemKom/Haertel, Einf. 1. Teil, Rn. 84; Haertel/Kolle/Strebel, EPÜ, Einführung, S. 11. Das Zustimmungsgesetz vom 26.07.1979 ist abgedruckt in BGBl. II 1979 S. 833. 48  Haertel/Kolle/Strebel, EPÜ, Einführung, S. 11. 49  Haertel/Kolle/Strebel, EPÜ, Einführung, S. 11. Zur Konferenz siehe auch die Ausführungen von Haertel/Koch/Stauder, Vereinbarung über Gemeinschaftspatente, S.  5  ff. Siehe ebenfalls Haertel, GRUR Int. 1986, 293  ff. sowie Stauder, GRUR Int. 1986, 302 ff. 50  Vgl. Haertel/Kolle/Strebel, EPÜ, Einführung, S. 11. 51  Haertel/Kolle/Strebel, EPÜ, Einführung, S. 11. 52  Haertel/Koch/Stauder, Vereinbarung über Gemeinschaftspatente, S. 1. 53  89/695/EWG, ABl. EG Nr. L 401 v. 30.12.1989, S. 1 ff. Ebenfalls abgedruckt bei Haertel/Koch/Stauder, Vereinbarung über Gemeinschaftspatente, S. 19 ff. Zur Konferenz selbst und zum Vertragswerk siehe Haertel/Koch/Stauder, a. a. O., S.  7 ff.; siehe ebenfalls Krieger/Brouër/Schennen, GRUR Int. 1990, 173 ff.

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Kap. 1: Grundlagen

derliche Ratifikationsanzahl herabsetzen zu können.54 Dieser Fall ist einge­ treten;55 auf der vierten Regierungskonferenz 1992 in Lissabon56 konnte das Vertragswerk dennoch nicht „gerettet“ werden.57 Von den zwei geplanten Abkommen ist damit nur die „Basis“58, das Europäische Patentübereinkommen, Realität geworden. Damit ist auch das avisierte „europäische Patentsystem“, bestehend aus dem Recht für die Erteilung von Erfindungspatenten nach dem EPÜ, dem Gemeinschaftspatentrecht und dem (harmonisierten) nationalen Patentrecht der „europäischen Staaten“ nicht Wirklichkeit geworden.59

V. Gründe weiterer Harmonisierungsbestrebungen Das EPÜ harmonisierte das Erteilungsverfahren. Europäische Patente stellen aber keine richtigen Einheitstitel für die Vertragsstaaten dar, sie zerfallen vielmehr in ein Bündel nationaler Schutzrechte nach Erteilung und Validierung. Daher hat sich der Begriff des „Bündelpatents“60 für das europäische Patent eingebürgert. Diese Rechtsnatur kommt zum einen in Artikel 2 Absatz 2 EPÜ zum Ausdruck, wonach das europäische Patent in jedem Vertragsstaat, für den es erteilt worden ist, dieselbe Wirkung hat und denselben Vorschriften wie ein in diesem Staat erteiltes nationales Patent unterliegt, soweit das EPÜ nichts anderes bestimmt. Zum anderen regelt Artikel 64 Absatz 1 EPÜ, dass das europäische Patent im Grundsatz seinem Inhaber ab dem Tag der Bekanntmachung des Hinweises auf seine Erteilung im Europäischen Patentblatt in jedem Vertragsstaat, für den es erteilt ist, dieselben Rechte gewährt, die ihm ein in diesem Staat erteiltes nationales Patent gewähren würde. Die „nationale Dimension“ des europäischen Patents wird außerdem daran deutlich, dass eine Verletzung des europäischen Patents nach nationalem Recht behandelt wird, Artikel 64 Absatz 3 EPÜ. Eine einheitliche Rechtsdurchsetzung ist damit nicht möglich. Weder besteht eine einheitliche Gerichtsbarkeit, noch

EPÜ, Einführung, S. 11. EPÜ, Einführung, S. 12. Das Zustimmungsgesetz vom 20.12.1991 ist abgedruckt in BGBl. II 1991 S. 1354. 56  Zur Konferenz Schäfers/Schennen, GRUR Int. 1992, 638 ff. 57  Hierzu Haertel/Kolle/Strebel, EPÜ, Einführung, S. 12. 58  Zum Ausdruck MünchGemKom/Haertel, Einf. 1. Teil, Rn. 73. 59  Zu diesem Verständnis des Begriffs „europäisches Patentsystem“ MünchGemKom/Beier, Einf. 2. Teil, Rn. 1 ff. Zum aktuelleren Verständnis Busche/Makoski, MPEPIL, Stichwort „European patent system“. 60  Hierzu etwa MünchGemKom/Beier, Einf. 2. Teil, Rn. 9. 54  Haertel/Kolle/Strebel, 55  Haertel/Kolle/Strebel,



A. Harmonisierung des Patentrechts31

gibt es einen einheitlichen patentrechtlichen Schutztitel. Eine Harmonisierung des Patentrechts nach der Erteilungsphase ist bislang nicht geglückt.

VI. European Patent Litigation Agreement, EPLA Die Kommission veröffentlichte 1997 das Grünbuch „Förderung der Inno­vation durch Patente“.61 Ziele des Grünbuchs waren: (1) einen Überblick über den Schutz von Erfindungen durch Patente in der EG zu schaffen, (2) den gegebenenfalls erforderlichen Handlungsbedarf zu beurteilen und (3) die Form sowie den Inhalt etwaiger Aktionen zu ermitteln.62 Die Kommission beschäftigte sich u. a. mit der Frage der Umformung des GPÜ 1989 in ein „gemeinschaftsrechtliche[s] Rechtsinstrument“.63 Im Grunde leitete die Kom­mission mit dem Grünbuch die Periode der gemeinschaftsrechtlichen bzw. unionsrechtlichen Bemühungen um ein einheitliches Patent und eine einheitliche Patentgerichtsbarkeit ein.64 Das Grünbuch zeigte aber auch eine andere Wirkung: Es motivierte Frankreich zur Einberufung einer Regierungskonferenz der Mitgliedstaaten der Europäischen Patentorganisation 1999 in Paris.65 Hierdurch kam es zur Erarbeitung des Entwurfs eines Übereinkommens über die Schaffung eines Streitregelungssystems für europäische Patente (European Patent Litigation Agreement, EPLA) sowie des Entwurfs einer Satzung des Europäischen Patentgerichts.66 EPLA stellt einen völkerrechtlichen Harmonisierungsansatz dar. EPLA sollte sich als völkerrechtliches Übereinkommen in das EPÜSystem einfügen. Seine Besonderheit bestand u. a. darin, dass es ein Streitregelungssystem nicht nur für EU-Mitgliedstaaten vorsah, sondern für alle EPÜ-Vertragsstaaten.67 Aufgrund des Fortschreitens der gemeinschaftsrechtlichen bzw. unionsrechtlichen Harmonisierungsbemühungen ist EPLA nicht Realität geworden.68 61  Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Förderung der Innovation durch Patente, Grünbuch über das Gemeinschaftspatent und das Patentschutzsystem in Europa, 24.06.1997, KOM(1997) 314 endg. 62  KOM(1997) 314 endg. (Fn. 61), S. 7. 63  KOM(1997) 314 endg. (Fn. 61), S.  6 f. 64  Makoski, in: Busche/Meier-Beck, Düsseldorfer Patentrechtstage 2012, S. 11, 16. 65  Luginbühl, European Patent Law, S. 185; Makoski, in: Busche/Meier-Beck, Düsseldorfer Patentrechtstage 2012, S. 11, 16. 66  Zu den Einzelheiten siehe Luginbühl, European Patent Law, S. 185 ff.; ders., GRUR Int. 2004, S. 357, 359 ff. 67  Vgl. Ohly, ZGE 2012, S. 419, 422. 68  In der Erklärung der Arbeitsgruppe „Streitregelung“ vom 20.11.2003, sic! 2004, S. 159, heißt es: „Der Arbeitsgruppe ist bewußt, daß die Schaffung eines Streitregelungssystems für die bisherigen europäischen Patente mit Rücksicht auf die aktuellen

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Kap. 1: Grundlagen

VII. Initiativen im Rahmen der EG bzw. EU bis zur europäischen Patentreform Die Kommission stellte im Jahr 1999 die Folgemaßnahmen zum Grünbuch von 1997 über das Gemeinschaftspatent und das Patentschutzsystem in Europa vor, und zwar in Form einer Mitteilung an den Rat, das Europäische Parlament und den Wirtschafts- und Sozialausschuss.69 Eine Folgemaßnahme bestand in der Erarbeitung eines Verordnungsvorschlags zur Einführung eines Gemeinschaftspatents.70 Hierdurch wird klar, in welche Richtung die weiteren Harmonisierungsbemühungen gehen sollten: das Ziel der Kommission war die Durchsetzung des Gemeinschaftspatents im Verordnungswege71. Der Verordnungsvorschlag ließ nicht lange auf sich warten. Die Kommission legte ihn am 1. August 2000 vor.72 Sie stellte sich ein System parallel zu den nationalen Patentschutzsystemen und dem EPÜ-Patentsystem vor.73 Leitgedanke des Vorschlags war die Herstellung einer „Symbiose“ zwischen dem vorgeschlagenen System der Gemeinschaftspatentordnung und dem System des EPÜ.74 „Hauptinstrument“ war dabei der Beitritt der EG zum EPÜ75 – was eine Änderung des EPÜ erforderte76. Nach dem Vorschlag sollten Gemeinschaftspatente im Endeffekt europäische Patente sein, die für das gesamte Gebiet der Gemeinschaft erteilt werden sollten (vgl. Artikel 1 des Verordnungsvorschlags). Im Hinblick auf die Sprachenregelung griff die Kommission im Wesentlichen auf das Dreisprachenregime des EPA zurück: Das Gemeinschaftspatent sollte in einer der EPA-Amtssprachen Deutsch, Englisch oder Französisch erteilt sowie veröffentlicht werden und die Patent­

Arbeiten der Europäischen Union zur Einführung eines Gemeinschaftspatents mit einer besonderen Gerichtsbarkeit vorerst ruht.“ 69  Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und den Wirtschafts- und Sozialausschuss, Förderung der Innovation durch Patente, Folgemaßnahmen zum Grünbuch über das Gemeinschaftspatent und das Patentschutzsystem in Europa, 05.02.1999, KOM(1999) 42 endg. 70  KOM(1999) 42 endg. (Fn. 69), S. 2, 13. 71  Ohly, ZGE 2012, 419, 422. 72  Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag für eine Verordnung des Rates über das Gemeinschaftspatent, 01.08.2000, KOM(2000) 412 endg. Der Verordnungsvorschlag selbst ist abgedruckt in: ABl. EG Nr. C 337 E v. 28.11.2000, S.  278 ff. 73  KOM(2000) 412 endg. (Fn. 72), S. 5. 74  KOM(2000) 412 endg. (Fn. 72), S. 5. 75  KOM(2000) 412 endg. (Fn. 72), S. 7. 76  Hierzu Luginbühl, European Patent Law, S. 257; Singer/Stauder/Luginbühl, EPÜ, Vor Art. 142–149a Rn. 4.



A. Harmonisierung des Patentrechts33

ansprüche in die beiden anderen Sprachen übersetzt werden.77 Diese Herangehensweise wurde teilweise als „radikale Lösung“78 bzw. als radikaler, aber pragmatischer Ansatz79 bezeichnet. Die Kommission sah darüber hinaus die Errichtung eines zentralen Rechtsprechungssystems vor, des Gemeinschaftsgerichts für geistiges Eigentum.80 Der Verordnungsvorschlag wurde sehr kritisch beraten.81 Er führte zur Verabschiedung einer gemeinsamen politischen Ausrichtung durch den Rat, die vor allem in der Fassung aus dem Jahr 2003 bekannt ist, sog. „common political approach“.82 Problematisch an diesem Ansatz war insbesondere,83 dass er eine Übersetzung aller Patentansprüche in alle Amtssprachen der Gemeinschaft nach der Patenterteilung vorsah, es sei denn ein Mitgliedstaat würde hierauf verzichten84. Kritisiert wurde ebenfalls, dass das vorgesehene Gemeinschaftspatentgericht seine Verhandlungen in der Amtssprache desjenigen Mitgliedstaats führen sollte, in dem der Beklagte ansässig ist.85 Die Kommission erarbeitete noch zwei weitere Vorschläge für Beschlüsse des Rates bezüglich der neuen Gerichtsbarkeit,86 die jedoch de facto nicht mehr beraten wurden87. Um „die bestehende Blockade aufzubrechen“ leitete die Kommission im Januar 2006 eine breit angelegte Konsultation zur künftigen Patentpolitik in Europa ein.88 Im Ergebnis betrachtete die Kommission die Schaffung eines einheitlichen Gemeinschaftspatents weiterhin als eine Hauptaufgabe für Eu-

77  KOM(2000) 412 endg. (Fn. 72), S. 11. Im Übrigen wurden Besonderheiten im Falle von Verletzungsverfahren vorgesehen, a. a. O., S. 11 f. 78  Kolle, FS Pagenberg, S. 45, 50. 79  Luginbühl, European Patent Law, S. 257. 80  KOM(2000) 412 endg. (Fn. 72), S. 13. 81  Luginbühl, European Patent Law, S. 258. 82  Rat der Europäischen Union, Gemeinschaftspatent – Gemeinsame politische Ausrichtung, 07.03.2013, Nr. 7159/03; Luginbühl, European Patent Law, S. 258 f.; Kolle, FS Pagenberg, S. 45, 50 ff. („Common Approach“); Makoski, in: Busche/ Meier-Beck, Düsseldorfer Patentrechtstage 2012, S. 11, 19. 83  Vgl. Luginbühl, European Patent Law, S. 260. 84  Ratsdokument Nr. 7159/03 (Fn. 82), S. 4. 85  Siehe etwa Pagenberg, IIC 2003, 281, 283 f. 86  Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Übertragung der Zuständigkeit in Gemeinschaftspatentsachen auf den Gerichtshof, 23.12.2003, KOM(2003) 827 endg.; dies., Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Errichtung des Gemeinschaftspatentgerichts und betreffend das Rechtsmittel vor dem Gericht erster Instanz, 23.12.2003, KOM(2003) 828 endg. 87  Luginbühl, European Patent Law, S. 261. 88  Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat, 03.04.2007, KOM(2007) 165 endg., S. 3.

34

Kap. 1: Grundlagen

ropa.89 Hinsichtlich des Patentgerichtssystems schlug sie einen integrierten Ansatz vor, der Merkmale des EPLA und der von ihr vorgeschlagenen Gemeinschaftspatentgerichtsbarkeit vorsah.90 Es sollte sich um eine einheitliche und spezialisierte Patentgerichtsbarkeit handeln, die sowohl für europäische Patente als auch für die Gemeinschaftspatente zuständig sein sollte.91 Die Diskussionen im Rat wurden intensiv fortgeführt. Im Juli 2009 beantragte der Rat beim EuGH ein Gutachten zur Verein­ barkeit des geplanten Übereinkommens zur Schaffung eines einheitlichen Patentgerichtssystems mit dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft. Dem EuGH wurden folgende Dokumente vorgelegt: ein über­ arbeiteter Vorschlag für eine Verordnung des Rates über das Gemeinschafts­ patent,92 der Entwurf eines Übereinkommens über das Gericht für europäische Patente und Gemeinschaftspatente und der Entwurf einer Satzung93 sowie die Empfehlung der Kommission an den Rat zur Ermächtigung der Kommission zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Übereinkommen zur Schaffung eines einheitlichen Patentgerichtssystems94. Bis zur Erstattung des Gutachtens durch den EuGH veränderten sich die Rahmenbedingungen aufgrund des Inkrafttretens des Vertrages von Lissabon am 1. Dezember 2009. Nunmehr bestimmt Artikel 118 Absatz 1 AEUV, dass das Europäische Parlament und der Rat gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren im Rahmen der Verwirklichung oder des Funktionierens des Binnenmarkts Maßnahmen zur Schaffung europäischer Rechtstitel über einen einheitlichen Schutz der Rechte des geistigen Eigentums in der Union sowie zur Einführung von zentralisierten Zulassungs-, Koordinierungs- und Kon­ trollregelungen auf Unionsebene schaffen. Korrespondierende Sprachenregelungen unterfallen diesem Absatz nicht. In diesem Zusammenhang bestimmt nämlich Artikel 118 Absatz 2 Satz 1 AEUV, dass der Rat die Sprachenregelungen für die europäischen Rechtstitel gemäß einem besonderen Gesetzge-

89  KOM(2007)

165 endg. (Fn. 88), S. 5. 165 endg. (Fn. 88), S.  12 f. 91  KOM(2007) 165 endg. (Fn. 88), S. 12. 92  Rat der Europäischen Union, Überarbeiteter Vorschlag für eine Verordnung des Rates über das Gemeinschaftspatent, 07.04.2009, Nr. 8588/09. 93  Rat der Europäischen Union, Entwurf eines Übereinkommens über das Gericht für europäische Patente und Gemeinschaftspatente und Entwurf der Satzung, 23.03.2009, Nr. 7928/09. 94  Rat der Europäischen Union, Empfehlung der Kommission an den Rat zur Ermächtigung der Kommission zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Übereinkommen zur Schaffung eines einheitlichen Patentgerichtssystems, 23.03.2009, Nr. 7927/09. Zu diesem Dokument siehe auch: Kommission der Europäischen Gemeinschaften, 20.03.2009, SEK(2009) 330 endg. 90  KOM(2007)



A. Harmonisierung des Patentrechts35

bungsverfahren durch Verordnungen festlegt. Es ist Einstimmigkeit im Rat erforderlich, Artikel 118 Absatz 2 Satz 2 AEUV. Direkt nach Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon erzielte der Rat am 4. Dezember 2009 einen politischen Durchbruch.95 Er einigte sich auf eine Allgemeine Ausrichtung zum Vorschlag für eine Verordnung des Rates über das Gemeinschaftspatent96 sowie Schlussfolgerungen zur Verbesserung des Patentsystems in Europa97. Die Schlussfolgerungen thematisierten z.  B. Grundzüge des geplanten Gerichts für europäische Patente und (nunmehr) EU-Patente sowie die Jahresgebühren für EU-Patente. Übersetzungsregelungen wurden bewusst ausgelassen. Sie wurden Gegenstand eines Verordnungsvorschlags, den die Kommission Mitte 2010 vorlegte.98 Die Kommission griff erneut auf die Sprachenregelung des EPÜ zurück, sah zusätzlich maschinelle Übersetzungen zu Informationszwecken vor und schrieb im Falle eines Rechtsstreits eine vollständige Übersetzung des Patents auf Antrag des mutmaßlichen Patentverletzers bzw. des zuständigen Gerichts vor. Im Rat konnte aber keine Einigkeit über die Sprachenregelungen erzielt werden. Deswegen rückte das Instrument der verstärkten Zusammenarbeit in den Fokus, das lediglich von Spanien und Italien abgelehnt wurde.99 Der Rat erließ den Beschluss über die Ermächtigung zu einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes am 10. März 2011. Dieser Zeitpunkt markiert im Grunde den Beginn der aktuellen europäischen Patentreform.

VIII. EuGH-Gutachten 1/09 Bevor die europäische Patentreform im Einzelnen vorgestellt wird, ist noch auf das vom Rat Mitte 2009 beim EuGH beantragte Gutachten einzugehen. Der EuGH hat dieses Gutachten am 8. März 2011 vorgelegt.100 Das Ergebnis war vernichtend: Der EuGH (Plenum) hat entschieden, dass das

95  Makoski, in: Busche/Meier-Beck, Düsseldorfer Patentrechtstage 2012, S. 11, 23 m. w. N. 96  Rat der Europäischen Union, Vorschlag für eine Verordnung des Rates über das Gemeinschaftspatent – Allgemeine Ausrichtung, 27.11.2009, Nr. 16113/09 ADD 1. 97  Rat der Europäischen Union, Verbesserung des Patentsystems in Europa – Schlussfolgerungen des Rates, 07.12.2009, Nr. 17229/09. 98  Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung (EU) des Rates zur Regelung der Übersetzung des Patents der Europäischen Union, 30.06.2010, KOM(2010) 350 endg. 99  Makoski, in: Busche/Meier-Beck, Düsseldorfer Patentrechtstage 2012, S. 11, 25 m. w. N. 100  EuGH, Gutachten v. 08.03.2011, 1/09.

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Kap. 1: Grundlagen

geplante Übereinkommen mit den Bestimmungen des EUV und des AEUV nicht vereinbar sei. Der EuGH hat ausgeführt, dass das vorgeschlagene Patentgericht als Einrichtung, die kraft Völkerrechts mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattet sei, außerhalb des institutionellen und gerichtlichen Rahmens der Union stehe.101 Trotzdem sei es nach den vorgelegten Vorschriften für eine beträchtliche Zahl von Klagen im Zusammenhang mit Patenten anstelle der nationalen Gerichte ausschließlich zuständig und auch mit der Auslegung und Anwendung des Unionsrechts betraut.102 Das vorgelegte Übereinkommen würde die Zuständigkeiten verfälschen, indem es den nationalen Gerichten ihre Zuständigkeiten zur Auslegung und Anwendung des Unionsrechts nehmen würde und dem EuGH seine Zuständigkeit, auf die von den nationalen Gerichten zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen zu antworten.103 Außerdem hat der EuGH festgehalten, dass eine das Unionsrecht verletzende Entscheidung des vorgeschlagenen Patentgerichts weder Gegenstand eines Vertragsverletzungsverfahrens sein noch zu einer vermögensrechtlichen Haftung eines oder mehrerer Mitgliedstaaten führen könnte.104 Im März 2011 wurde also der weitere Weg der Patentrechtsharmonisierung in der EU klarer: es gab letztlich nur noch den Weg über die verstärkte Zusammenarbeit und nur unter Beachtung des Gutachtens des EuGH.

B. Europäische Patentreform Im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit wurden zwei Verordnungen erarbeitet: die Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 über die Umsetzung der verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes sowie die Verordnung (EU) Nr. 1260/2012 über die Umsetzung der verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Schaffung eines einheit­lichen Patentschutzes im Hinblick auf die anzuwendenden Übersetzungsregelungen.105 Parallel hierzu wurde das EPGÜ106 erarbeitet.107 Diese drei Akte stellen den Kern der europäischen Patentreform dar, für die sich die Bezeich101  EuGH,

Gutachten v. 08.03.2011, 1/09, Rn. 71. Gutachten v. 08.03.2011, 1/09, Rn. 72 f. 103  EuGH, Gutachten v. 08.03.2011, 1/09, Rn. 89. 104  EuGH, Gutachten v. 08.03.2011, 1/09, Rn. 88. 105  Zur Historie siehe: Makoski, in: Busche/Meier-Beck, Düsseldorfer Patentrechtstage 2012, S. 11, 27 ff. Siehe auch: Luginbühl, GRUR Int. 2013, 305, 306 f. 106  Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht, ABl. EU Nr. C 175 v. 20.06.2013, S.  1 ff. 107  Zur Historie siehe: Makoski, in: Busche/Meier-Beck, Düsseldorfer Patentrechtstage 2012, S. 11, 29 ff. 102  EuGH,



B. Europäische Patentreform37

nung „Patentpaket“ eingebürgert hat.108 Die europäische Patentreform umfasst darüber hinaus weitere, begleitende Regelwerke, namentlich die Durchführungsordnung zum einheitlichen Patentschutz sowie weitere Vorschriften des Engeren Ausschusses des Verwaltungsrats der Europäischen Patentorganisation und (vorbereitende) Rechtsakte des Vorbereitenden Ausschusses zur Errichtung des EPG.109 Der Vorbereitende Ausschuss setzt sich aus den Unterzeichnerstaaten des EPGÜ zusammen.

I. Bestandteile Im Folgenden werden die Bestandteile der europäischen Patentreform näher betrachtet. Besonderes Augenmerk wird dabei auf das Patentpaket gelegt. 1. Patentpaket Kernstück der europäischen Patentreform ist das EPGÜ. Dieses völkerrechtliche Übereinkommen wurde von 25 Mitgliedstaaten der EU, sog. Vertragsmitgliedstaaten,110 am 19. Februar 2013 unterzeichnet.111 Es gibt drei Urschriften: in deutscher, englischer und französischer Sprache. Spanien, Polen und Kroatien haben das EPGÜ nicht unterzeichnet. Das Übereinkommen tritt nach seinem Artikel 89 Absatz 1 Var. 2 am ersten Tag des vierten Monats nach Hinterlegung der dreizehnten Ratifikationsoder Beitrittsurkunde gemäß Artikel 84 in Kraft.112 Hierunter müssen die drei Mitgliedstaaten sein, in denen es im Jahr vor dem Jahr der Unterzeichnung des EPGÜ die meisten geltenden europäischen Patente gab.113

108  Siehe etwa Arntz, EuZW 2015, 544; vgl. auch Plomer, IIC 2015, 508 f. („patent package“); McGuire, Mitt. 2015, 537 („European Patent Package“, wobei bei McGuire eine negative Konnotation mitschwingt: [nur] Paket statt Verordnung). 109  Siehe im Einzelnen unter (11.01.2019). 110  Die Terminologie unterscheidet sich von derjenigen in Bezug auf das EPÜ. Im Zusammenhang mit dem EPÜ ist von Vertragsstaaten die Rede, siehe z. B. Präambel des EPÜ. 111  Belgien, Bulgarien, Tschechei, Dänemark, Deutschland, Estland, Irland, Griechenland, Frankreich, Italien, Zypern, Lettland, Litauen, Luxemburg, Ungarn, Malta, Niederlande, Österreich, Portugal, Rumänien, Slowenien, Slowakei, Finnland, Schweden, Großbritannien, http://www.consilium.europa.eu/en/documents-publications/ treaties-agreements/agreement/?id=2013001 (27.01.2021). 112  Die anderen Varianten des Inkrafttretens kommen de facto nicht mehr in Betracht. 113  Siehe hierzu Fn. 171. Zum Ratifikationsstand insgesamt siehe die Ausführungen unter B. III.

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Kap. 1: Grundlagen

Das EPGÜ wird von den zwei Verordnungen (EU) Nr. 1257/2012 und (EU) Nr. 1260/2012 flankiert. Beide Verordnungen dienen der Umsetzung der verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Schaffung eines einheit­ lichen Patentschutzes. Denn das Ziel dieser verstärkten Zusammenarbeit ist „ein einheitliches Patent, das in den Hoheitsgebieten der teilnehmenden Mitgliedstaaten einen einheitlichen Schutz bietet und das für diese Mitgliedstaaten vom … EPA erteilt wird.“114 An der verstärkten Zusammenarbeit nehmen, nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU, 25 EUMitgliedstaaten teil. Zuletzt ist Italien Ende September 2015 dem Kreis der teilnehmenden Mitgliedstaaten beigetreten.115 Damit fehlen nur noch Spanien und Kroatien. 2. Klagen Spaniens und Italiens gegen das Patentpaket Spanien führte gegen das Patentpaket einen regelrechten Kreuzzug, unterlag jedoch an allen Fronten. Zunächst griff Spanien, gefolgt von Italien, den Beschluss116 des Rates über die Ermächtigung zu einer verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes vor dem EuGH an. Die Kläger haben insbesondere folgende Klagegründe vorgebracht: fehlende Zuständigkeit des Rates, die verstärkte Zusammenarbeit zu begründen, Ermessensmissbrauch, Verstoß gegen die Voraussetzung des „letz­ten Mittels“ und Verstoß gegen das Gerichtssystem der Union.117 Der EuGH hat die Klagen abgewiesen.118 Er hat zunächst den Klagegrund der fehlenden Zuständigkeit zurückgewiesen. Denn die durch Artikel 118 AEUV übertragene Zuständigkeit, auf die sich der Rat in der Sache berufen hatte, gehöre zu einem Bereich der geteilten Zuständigkeiten gemäß Artikel 4 Absatz 2 AEUV.119 Es handele sich demnach nicht um eine ausschließliche Zuständigkeit nach Artikel 20 Absatz 2 Unterabsatz 1 EUV,120 die eine verstärkte Zusammenarbeit ausschließt. 114  ABl. EU

Nr. 76 v. 22.03.2011, S. 53, 54, Erwägungsgrund Nr. 7. Kommission, Beschluss (EU) 2015/1753 der Kommission über die Bestätigung der Beteiligung Italiens an einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes, 30.09.2015, ABl. EU L 256 v. 01.10.2015, S.  19 f. 116  ABl. EU Nr. 76 v. 22.03.2011, S. 53. 117  Darüber hinaus wurden verschiedene Verstöße gegen die Artikel  20 Absatz 1 EUV, 118 AEUV, 326 AEUV und 327 AEUV vorgebracht. Zur Zusammenfassung der Klagegründe siehe EuGH, Urt. v. 16.04.2013, C-274/11 und C-295/11, Rn. 9. 118  EuGH, Urt. v. 16.04.2013, C-274/11 und C-295/11. Siehe hierzu Zeitzmann, EuZW 2013, 475, 479 f. 119  EuGH, Urt. v. 16.04.2013, C-274/11 und C-295/11, Rn. 25. 120  EuGH, Urt. v. 16.04.2013, C-274/11 und C-295/11, Rn. 25. 115  Europäische



B. Europäische Patentreform39

Der EuGH hat ferner einen Ermessensmissbrauch verneint. Gerade an diesem Klagegrund wird die Motivation Spaniens und Italiens deutlich. Es ist die Sprachenfrage, die die Harmonisierung des Patentrechts immer wieder erschwert hat. Die Kläger warfen dem Rat vor, er habe mit der verstärkten Zusammenarbeit das Einstimmigkeitserfordernis des Artikels 118 Absatz 2 AEUV umgehen wollen, weil die Kläger gegen die vorgesehene Sprachen­ regelung – basierend auf dem Dreisprachensystem des EPA121 – gestimmt hätten.122 Der EuGH hat jedoch festgestellt, dass der Beschluss des Rates keinesfalls als Umgehung des Einstimmigkeitserfordernisses anzusehen sei.123 Wenn der Beschluss die Voraussetzungen der Artikel 20 EUV, 326 ff. AEUV erfülle, was der EuGH letztlich bejaht hat, dann beruhe er nicht auf einem Ermessensmissbrauch, sondern trage zum Integrationsprozess bei.124 Der EuGH hat ebenfalls den Klagegrund des fehlenden „letzten Mittels“ zurückgewiesen. Artikel 20 Absatz 2 EUV schreibt vor, dass der Beschluss des Rates über die Ermächtigung zu einer verstärkten Zusammenarbeit als letztes Mittel erlassen wird, wenn der Rat feststellt, dass die mit der Zusammenarbeit angestrebten Ziele von der EU in ihrer Gesamtheit nicht innerhalb eines vertretbaren Zeitraums verwirklicht werden können. Der EuGH hat festgehalten, die Voraussetzung des „letzten Mittels“ (auch ultima ratio-Erfordernis genannt125) betone, dass nur solche Situationen zum Erlass eines Beschlusses über die Ermächtigung zu einer verstärkten Zusammenarbeit führen könnten, die dadurch gekennzeichnet seien, dass der Erlass einer Regelung für die gesamte Union in absehbarer Zukunft nicht möglich sei.126 Dies hat der EuGH im Wesentlichen unter Verweis auf die Dauer der Gesetzgebung für die Einführung eines einheitlichen Patents auf Unionsebene (seit 2000) und die beträchtliche Zahl unterschiedlicher Sprachenregelungen, die diskutiert wurden, aber keine Unterstützung fanden, bejaht.127 Im Zusammenhang mit dem letzten Klagegrund des Verstoßes gegen das Gerichtssystem der Union bemängelte Spanien, der Rat habe nicht konkret dargelegt, welches Rechtsschutzsystem eingeführt werden solle.128 Der EuGH hat auch diesen Klagegrund abgewiesen. Der Beschluss des Rates sei allein darauf gerichtet, die antragstellenden Mitgliedstaaten zu ermächtigen, 121  Nach Artikel 14 Absatz 1 EPÜ sind Deutsch, Englisch und Französisch die Amtssprachen des EPA. 122  Vgl. EuGH, Urt. v. 16.04.2013, C-274/11 und C-295/11, Rn. 34. 123  EuGH, Urt. v. 16.04.2013, C-274/11 und C-295/11, Rn. 37. 124  EuGH, Urt. v. 16.04.2013, C-274/11 und C-295/11, Rn. 37. 125  Zeitzmann, EuZW 2013, 475, 480. 126  EuGH, Urt. v. 16.04.2013, C-274/11 und C-295/11, Rn. 50. 127  EuGH, Urt. v. 16.04.2013, C-274/11 und C-295/11, Rn. 55 f. 128  EuGH, Urt. v. 16.04.2013, C-274/11 und C-295/11, Rn. 87.

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Kap. 1: Grundlagen

die verstärkte Zusammenarbeit einzuleiten.129 Es obliege daher diesen Mitgliedstaaten, ein einheitliches Patentgericht einzuführen und die entsprechenden Vorschriften, gegebenenfalls einschließlich solcher zum Bereich der Gerichtsbarkeit, zu erlassen.130 Trotz dieser Niederlage klagte Spanien später auch gegen die beiden Verordnungen (EU) Nr. 1257/2012 und (EU) Nr. 1260/2012. Italien hielt sich hingegen zurück. Der EuGH hat die Klagen gegen die Verordnungen ebenfalls abgewiesen.131 In der Klage gegen die Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 brachte Spanien unter anderem vor,132 die Verordnung missachte die rechtsstaatlichen Werte nach Artikel 2 EUV. Denn sie errichte einen auf das europäische Patent gegründeten Schutz. Das Erteilungsverfahren des EPA sei aber einer gericht­ lichen Kontrolle, die eine korrekte und einheitliche Anwendung des Unionsrechts und den Schutz der Grundrechte gewährleisten könne, entzogen. Damit wandte sich Spanien gegen einen Hauptaspekt des neuen Systems überhaupt. Der EuGH hat sich der Argumentation nicht angeschlossen. Die angefochtene Verordnung schaffe die Voraussetzungen, durch die einem zuvor vom EPA auf der Grundlage des EPÜ erteilten Patent einheitliche Wirkung im Gebiet der teilnehmenden Mitgliedstaaten verliehen werden könne.133 Gegenstand der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 sei also gerade nicht die auch nur teilweise Festlegung von Voraussetzungen für die Erteilung von europä­ ischen Patenten.134 Die Verordnung integriere auch nicht das EPA-Erteilungsverfahren in das Unionsrecht.135 Spanien trug weiter vor, Artikel 118 Absatz 1 AEUV sei als Rechtsgrundlage für den Erlass der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 nicht geeignet, die Verordnung habe keinen materiellen Inhalt.136 Der EuGH hat diese Argumentation zurückgewiesen: Artikel 118 AEUV fordere nicht zwangsläufig vom Unionsgesetzgeber, dass dieser alle Aspekte des Rechts des geistigen Eigentums vollständig und erschöpfend harmonisiere.137 Der EuGH hat im Einzelnen dargelegt, dass der durch die Verordnung geschaffene einheitliche Patentschutz geeignet sei, einen unterschiedlichen Patentschutz in den teilneh129  EuGH,

Urt. v. 16.04.2013, C-274/11 und C-295/11, Rn. 92. Urt. v. 16.04.2013, C-274/11 und C-295/11, Rn. 92. 131  EuGH, Urt. v. 05.05.2015, C-146/13; Urt. v. 05.05.2015, C-147/13. Siehe hierzu z. B. Hüttermann, Mitt. 2015, 498 ff. 132  Siehe insgesamt EuGH, Urt. v. 05.05.2015, C-146/13, Rn. 24. 133  EuGH, Urt. v. 05.05.2015, C-146/13, Rn. 29. 134  EuGH, Urt. v. 05.05.2015, C-146/13, Rn. 30. 135  EuGH, Urt. v. 05.05.2015, C-146/13, Rn. 30. 136  EuGH, Urt. v. 05.05.2015, C-146/13, Rn. 33. 137  EuGH, Urt. v. 05.05.2015, C-146/13, Rn. 48. 130  EuGH,



B. Europäische Patentreform41

menden Mitgliedstaaten zu verhindern.138 Er bezwecke daher einen einheit­ lichen Schutz im Sinne von Artikel 118 Absatz 1 AEUV, so dass dieser eine geeignete Rechtsgrundlage darstelle.139 Erwähnenswert ist auch das Vorbringen Spaniens in Bezug auf Artikel 9 Absatz 1 und 2 der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012. Danach stelle die Zuweisung der Befugnis an die teilnehmenden Mitgliedstaaten, die Höhe der Jahresgebühren und deren anteilige Verteilung festzulegen, einen Verstoß gegen Artikel 291 Absatz 2 AEUV dar.140 Darüber hinaus verstoße Artikel 9 Absatz 1 der angefochtenen Verordnung gegen die im Urteil Meroni/Hohe Behörde141 dargelegten Grundsätze.142 Der EuGH hat Artikel 291 Absatz 1 AEUV, nicht aber Absatz 2 für einschlägig erachtet. Es ergebe sich nämlich aus keiner Vorschrift der angefochtenen Verordnung, dass die Höhe der Jahresgebühren für alle teilnehmenden Mitgliedstaaten einheitlich sein müsse.143 Die Verordnung stelle ein besonderes Übereinkommen im Sinne des Artikels 142 EPÜ dar, dessen Vertragsparteien die Mitgliedstaaten, nicht aber die EU sei.144 Es seien daher die teilnehmenden Mitgliedstaaten und nicht der Rat oder die Kommission, die sämtliche zur Durchführung von Artikel 9 Absatz 2 der angefochtenen Verordnung erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen hätten.145 Ein Verstoß gegen die Meroni-Rechtsprechung liege bereits deswegen nicht vor, weil diese Rechtsprechung nicht anwendbar sei. Denn der Unionsgesetzgeber habe weder den teilnehmenden Mitgliedstaaten noch dem EPA ihm aufgrund des Unionsrechts eigene Durchführungsbefugnisse übertragen.146 Der EuGH hat zudem entschieden, dass die Anknüpfung der Geltung der angefochtenen Verordnung an das Inkrafttreten des EPGÜ der Rechtsprechung des Gerichtshofs entspreche.147 Gegen die Verordnung (EU) Nr. 1260/2012, die die Übersetzungsregelungen enthält, brachte Spanien insbesondere vor, der Rat habe gegen den in Artikel 2 EUV verankerten Grundsatz der Nichtdiskriminierung verstoßen, 138  EuGH,

Urt. v. 05.05.2015, C-146/13, Rn. 51 zum Ergebnis. Urt. v. 05.05.2015, C-146/13, Rn. 52. 140  EuGH, Urt. v. 05.05.2015, C-146/13, Rn. 60. 141  EuGH, Urt. v. 13.06.1958, C-9/56. 142  EuGH, Urt. v. 05.05.2015, C-146/13, Rn. 63. 143  EuGH, Urt. v. 05.05.2015, C-146/13, Rn. 81. 144  EuGH, Urt. v. 05.05.2015, C-146/13, Rn. 82. 145  EuGH, Urt. v. 05.05.2015, C-146/13, Rn. 82. 146  EuGH, Urt. v. 05.05.2015, C-146/13, Rn. 87. 147  EuGH, Urt. v. 05.05.2015, C-146/13, Rn. 106 sowie im Zusammenhang mit der Argumentation Spaniens zu Artikel 18 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 vgl. auch Rn. 107. 139  EuGH,

42

Kap. 1: Grundlagen

da die Sprachenregelung Personen benachteilige, deren Sprache keine Amtssprache des EPA sei.148 Dem hat der EuGH entgegengehalten, dass die Verordnung ein legitimes Ziel verfolge, nämlich die Erleichterung des Zugangs zum Patentschutz, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen.149 Der EuGH hat zudem im Einzelnen ausgeführt, dass die Verordnung verhältnismäßig sei, indem sie den gebotenen Ausgleich zwischen den verschiedenen in Rede stehenden Interessen wahre und nicht über das hinausgehe, was zur Erreichung des legitimen Ziels erforderlich sei. Mit Blick auf das legitime Ziel sei die Entscheidung des Rates bezüglich der Übersetzungsregelungen als geeignet und angemessen anzusehen.150 Der EuGH hat auch im Zusammenhang mit der Verordnung (EU) Nr. 1260/2012 einen Verstoß gegen die Meroni-Rechtsprechung durch Übertragung von Aufgaben an das EPA verneint. Denn der Rat habe den teilnehmenden Mitgliedstaaten oder dem EPA keine Durchführungsbefugnisse übertragen, die ihm gemäß dem Unionsrecht selbst zustünden.151 Nicht zielführend war auch das Vorbringen Spaniens, Artikel 118 Absatz 2 AEUV stelle keine geeignete Rechtsgrundlage für Artikel 4 der angefochtenen Verordnung dar, der die Übersetzung im Falle eines Rechtsstreits regelt. Der EuGH hat festgehalten, dass Artikel 4 der Verordnung mit Blick auf die Rechtsgrundlage nicht von den übrigen Bestimmungen abgetrennt werden könnte.152 Der EuGH hat auch keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit oder denjenigen der Autonomie des Unionsrechts festgestellt.153 3. Weitere Bestandteile der europäischen Patentreform Wie einleitend festgehalten, besteht die europäische Patentreform nicht nur aus dem Patentpaket, sondern zusätzlich aus weiteren begleitenden Vorschriften.

148  EuGH,

Urt. v. 05.05.2015, C-147/13, Rn. 22. Urt. v. 05.05.2015, C-147/13, Rn. 34. 150  Vgl. EuGH, Urt. v. 05.05.2015, C-147/13, Rn. 47. 151  EuGH, Urt. v. 05.05.2015, C-147/13, Rn. 63. 152  EuGH, Urt. v. 05.05.2015, C-147/13, Rn. 73. 153  EuGH, Urt. v. 05.05.2015, C-147/13, Rn. 79 ff. 149  EuGH,



B. Europäische Patentreform43

a) Durchführungsordnung zum einheitlichen Patentschutz Zu diesen zählt zunächst die Durchführungsordnung zum einheitlichen Patentschutz des Engeren Ausschusses des Verwaltungsrats der Europäischen Patentorganisation.154 Das Patentpaket ist eingebettet in das System des EPÜ, so dass eine Revision des EPÜ nicht erforderlich ist155. Das EPGÜ stellt ein Übereinkommen zwischen den EPÜ-Vertragsstaaten über die Schaffung eines gemeinsamen europäischen Patentgerichts nach Artikel 149a Absatz 1 lit. a) EPÜ dar.156 Die Verordnungen (EU) Nr. 1257/2012 und (EU) Nr. 1260/2012 betreffen die Schaffung des einheitlichen Patentschutzes und der korrespondierenden Sprachenregelungen. Dabei stellt die Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 gemäß seinem Artikel 1 Absatz 2 ein besonderes Übereinkommen im Sinne von Artikel 142 EPÜ dar.157 Artikel 142 Absatz 1 EPÜ besagt, dass eine Gruppe von Vertragsstaaten, die in einem besonderen Übereinkommen bestimmt hat, dass die für diese Staaten erteilten europäischen Patente für die Gesamtheit ihrer Hoheitsgebiete einheitlich sind, vorsehen kann, dass europäische Patente nur für alle diese Staaten gemeinsam erteilt werden können. Nach Artikel 143 EPÜ kann diese Gruppe von Vertragsstaaten dem EPA zusätzliche Aufgaben übertragen, zu deren Durchführung im EPA besondere Organe gebildet werden können. Dies ist der Anknüpfungspunkt für die Durchführungsordnung zum einheitlichen Patentschutz. Zusätzliche Aufgaben sind nämlich die Verwaltungsaufgaben des Artikels 9 der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012, zum Teil ergänzt durch die Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 1260/2012, die den Inhalt der Durchführungsordnung zum einheitlichen Patentschutz abstecken.

154  Engerer Ausschuss des Verwaltungsrats der Europäischen Patentorganisation, Beschluss des Engeren Ausschusses des Verwaltungsrates zur Genehmigung der Durchführungsordnung zum einheitlichen Patentschutz, 15.12.2015, Nr. SC/D 1/15, abrufbar auf der Seite (11.01.2019). 155  Singer/Stauder/Luginbühl, EPÜ, Vor Art. 142–149a Rn. 9, der darin einen großen Vorteil des Ansatzes sieht. 156  Vgl. Singer/Stauder/Luginbühl, EPÜ, Art. 149a Rn. 4. 157  Luginbühl sieht auch in der Verordnung (EU) Nr. 1260/2012 ein besonderes Übereinkommen im Sinne des Artikels 142 EPÜ: Luginbühl, GRUR Int. 2013, 305, 307; vgl. auch Singer/Stauder/Luginbühl, EPÜ, Art. 142 Rn. 3. Hiergegen bezweifelt Stjerna auch die Einordnung der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 als besonderes Übereinkommen nach Artikel 142 EPÜ: Stjerna, Mitt. 2012, 54, 57.

44

Kap. 1: Grundlagen

b) Weitere Vorschriften des Engeren Ausschusses Neben der Durchführungsordnung hat der Engere Ausschuss des Verwaltungsrats der Europäischen Patentorganisation auf der Grundlage der beiden Verordnungen (EU) Nr. 1257/2012 und (EU) Nr. 1260/2012 noch weitere Vorschriften erarbeitet und beschlossen. Hierzu gehören die Gebührenordnung zum einheitlichen Patentschutz,158 Haushalts- und Finanzvorschriften159 sowie Vorschriften zur Aufteilung von Gebühren unter den teilnehmenden Mitgliedstaaten.160 Diese Regelwerke stellen daher auch Bestandteile der europäischen Patentreform dar. c) Vorbereitender Ausschuss zur Errichtung des EPG Ebenfalls von der europäischen Patentreform umfasst sind begleitende (vorbereitende) Rechtsakte des Vorbereitenden Ausschusses zur Errichtung des EPG, das die Akte der vorgesehenen Organe des EPG vorbereitet. Hierzu gehören z. B. die Verfahrensordnung des EPG inklusive der Gebührenregelungen, Kanzleivorschriften, die Geschäftsordnungen des Verwaltungsausschusses, des Haushaltsausschusses und des Beratenden Ausschusses des EPG, die Mediations- und Schiedsordnung161 sowie Regelungen bezüglich der Vertretungsbefugnisse vor dem EPG.162

II. Merkmale eines neuen Systems Das neue System ist gekennzeichnet durch Merkmale des nationalen Rechts der Vertragsmitgliedstaaten, des Unionsrechts und des Völkerrechts in Gestalt des EPGÜ und des EPÜ. Dies macht seine Komplexität aus. Im Fol158  Engerer Ausschuss des Verwaltungsrats der Europäischen Patentorganisation, Beschluss des Engeren Ausschusses des Verwaltungsrats zur Genehmigung der Gebührenordnung zum einheitlichen Patentschutz, 15.12.2015, Nr. SC/D 2/15. 159  Engerer Ausschuss des Verwaltungsrats der Europäischen Patentorganisation, Beschluss des Engeren Ausschusses des Verwaltungsrats zur Genehmigung der Haushalts- und Finanzvorschriften, 15.12.2015, SC/D 3/15. 160  Engerer Ausschuss des Verwaltungsrats der Europäischen Patentorganisation, Beschluss des Engeren Ausschusses des Verwaltungsrats zur Genehmigung der Vorschriften zur Aufteilung von Gebühren unter den teilnehmenden Mitgliedstaaten, 15.12.2015, SC/C D 1/15. 161  Zum Mediations‑ und Schiedszentrum für Patentsachen ausgehend vom EPGÜ und der Verfahrensordnung des EPG in der 18. Fassung vom 01.07.2015 siehe ­Ka­neko, EU-Einheitspatent und Schiedsverfahren, S. 86 ff. Zur Kompetenzreichweite des Mediations‑ und Schiedszentrums für Patentsachen siehe Picht, GRUR Int. 2018, 1 ff. 162  Siehe im Einzelnen unter (11.01.2019).



B. Europäische Patentreform45

genden wird die Ausgestaltung des EPG und des einheitlichen Patentschutzes im Überblick dargestellt. Dabei wird besonderes Augenmerk auf die für diese Untersuchung relevanten Bereiche gerichtet. 1. Einheitliches Patentgericht Nach der Konzeption des EPGÜ besteht das EPG aus einem Gericht erster Instanz, einem Berufungsgericht und einer Kanzlei, Artikel 6 Absatz 1 EPGÜ. Das Gericht erster Instanz setzt sich aus einer Zentralkammer in Paris mit Abteilungen in München und London sowie Lokal- und Regionalkammern zusammen, Artikel 7 Absatz 1, 2 EPGÜ. Laut Artikel 9 Absatz 5 EPGÜ hat das Berufungsgericht seinen Sitz in Luxemburg. Nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU kann über den Sitz der weggefallenen Zweigstelle in London noch befunden werden.163 Das EPGÜ sieht in seinem Artikel 32 Absatz 1 eine weitreichende ausschließliche Zuständigkeit des EPG für Streitigkeiten vor, die sowohl klassische europäische Patente betreffen, als auch europäische Patente mit einheitlicher Wirkung164 und ergänzende Schutzzertifikate. Die nationalen Gerichte sind nach dem Ausschlussprinzip des Artikels 32 Absatz 2 EPGÜ nur für solche Klagen zuständig, die nicht in die ausschließliche Zuständigkeit des EPG fallen. Korrespondierend zu dieser umfassenden Kompetenz des EPG haben die Vertragsmitgliedstaaten ein umfangreiches System von Übergangs- und Ausnahmeregelungen in Artikel 83 EPGÜ geschaffen. Artikel 83 Absatz 1 EPGÜ bestimmt zunächst, dass während einer Übergangszeit von sieben Jahren nach dem Inkrafttreten des EPGÜ Klagen wegen Verletzung bzw. auf Nichtigerklärung eines europäischen Patents oder Klagen wegen Verletzung bzw. auf Nichtigerklärung eines ergänzenden Schutzzertifikats, das zu einem durch ein europäisches Patent geschützten Erzeugnis ausgestellt worden ist, weiterhin bei nationalen Gerichten oder anderen zuständigen nationalen Behörden erhoben werden können. Diese etwas sperrig formulierte Vorschrift besagt im Grunde, dass während einer verlängerbaren (Absatz 5) Phase von sieben Jahren nach dem Inkrafttreten des EPGÜ Klagen mit Bezug zu klassischen europäischen Patenten, entsprechenden Anmeldungen165 bzw. ­ Schutzzertifikaten, die sonst in die Zuständigkeit des EPG fielen, wie ge163  Vgl.

zu diesem Punkt etwa Tilmann, GRUR 2020, 441, 445. Schutztitel werden im EPGÜ als „Patent“ bezeichnet, siehe Artikel 2 lit. g) EPGÜ. 165  Die Tatsache, dass Artikel 83 EPGÜ auch europäische Patentanmeldungen erfassen soll, ergibt sich aus der Zusammenschau mit Artikel 3 lit. d) EPGÜ und der Historie, siehe insoweit die Ausführungen des Vorbereitenden Ausschusses unter: 164  Beide

46

Kap. 1: Grundlagen

wohnt vor nationalen Gerichten erhoben werden können. Die nationalen Gerichte wenden in diesem Fall wie gewohnt das nationale Recht an und nicht etwa das EPGÜ.166 Hierfür spricht insbesondere, dass ansonsten eine uneinheitliche Anwendung des EPGÜ in den einzelnen Vertragsmitgliedstaaten drohte, was ersichtlich nicht das Ziel der Mütter und Väter des EPGÜ war, die gerade ein einheitliches Patentgericht schaffen wollten.167 Artikel 83 EPGÜ enthält auch eine Ausnahmevorschrift in seinem Absatz 3. Danach kann der Inhaber oder Anmelder eines europäischen Patents, das vor Ablauf der Übergangszeit erteilt oder beantragt worden ist, sowie der Inhaber eines ergänzenden Schutzzertifikats, das zu einem durch ein europäisches Patent geschützten Erzeugnis erteilt worden ist, die ausschließliche Zuständigkeit des EPG ausschließen, wenn noch keine Klage vor dem EPGÜ erhoben wurde. Dies setzt voraus, dass der Inhaber oder Anmelder spätestens einen Monat vor Ablauf der Übergangszeit der Kanzlei des EPG eine Mitteilung über die Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung zukommen lässt. Die Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung wird mit der Eintragung der entsprechenden Mitteilung in das Register wirksam. Inhaber und Anmelder können von der Ausnahmereglung nach Artikel 83 Absatz 4 EPGÜ jederzeit zurücktreten. Die Ausnahmeregelung des Artikels 83 Absatz 3 EPGÜ ist die umfassendste. Durch ihre Inanspruchnahme machen Patentinhaber bzw. Anmelder deutlich, dass sie ihre Schutzrechte bzw. Anmeldungen aus dem neuen EPGSystem herausnehmen wollen. In diesem Fall gelten für diese weiterhin die nationalen Vorschriften – wie auch im Falle des Artikels 83 Absatz  1 ­EPGÜ.168 https://www.unified-patent-court.org/news/interpretative-note-%E2%80%93-conse quences-application-article-83-upca (27.01.2021). 166  So auch Walz, GRUR Int. 2016, 513, 514 f.; a. A. Eck, GRUR Int. 2014, 114, 119; Nieder, GRUR 2014, 627 ff.; ders., GRUR 2014, 955 f.; Schröer, GRUR Int. 2013, 1102, 1108 f.; Tilmann, GRUR Int. 2016, 409, 418 f.; ders., Mitt. 2014, 58 ff. Differenzierend und m. w. N.: Tilmann/Plassmann, Unified Patent Protection in ­Europe, Article 83 Rn. 15 ff., 37. Vgl. auch die Argumentation von Romandini/Hilty/ Lamping, GRUR Int. 2016, 554, 559 f. 167  So auch das Begleitgesetz, BT-Drs. 18/8827, S. 24, sowie der Vorbereitende Ausschuss: https://www.unified-patent-court.org/news/interpretative-note-%E2%80% 93-consequences-application-article-83-upca (27.01.2021). Im Ergebnis ebenfalls Walz, GRUR Int. 2016, 513, 515. Tilmann/Plassmann, Unified Patent Protection in Europe, Article 83 Rn. 32, ziehen das Gewicht dieses Arguments in Zweifel unter Verweis auf die Nähe der Regelungen des EPGÜ zur Durchsetzungsrichtlinie und die Sicherung der einheitlichen Auslegung und Anwendung des EPGÜ durch die Vorlageverpflichtung des EPG und der nationalen Gerichte an den EuGH, wobei sie letztere aus Artikel 267 AEUV und einer analogen Anwendung des Artikels 21 EPGÜ ableiten. 168  So auch das Begleitgesetz, BT-Drs. 18/8827, S. 24, sowie der Vorbereitende Ausschuss: https://www.unified-patent-court.org/news/interpretative-note-%E2%80% 93-consequences-application-article-83-upca (27.01.2021).



B. Europäische Patentreform47

2. Europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung Die Grundlage für einen einheitlichen Patentschutz in Gestalt eines entsprechenden neuen Schutzrechts, und zwar des europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung, bildet die Verordnung (EU) Nr. 1257/2012. Laut Erwägungsgrund Nr. 7 dieser Verordnung soll der einheitliche Patentschutz erreicht werden, indem europäischen Patenten nach Erteilung für alle an der verstärkten Zusammenarbeit teilnehmenden Mitgliedstaaten einheitliche Wirkung gewährt wird. Der einheitliche Charakter ist nach diesem Erwägungsgrund das wichtigste Merkmal des europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung. „Einheitlicher Charakter“ bedeutet laut Erwägungsgrund Nr. 7, dass das europäische Patent mit einheitlicher Wirkung einen einheit­ lichen Schutz bietet und in allen teilnehmenden Mitgliedstaaten gleiche Wirkung hat. Dies wird auch ausdrücklich in Artikel 3 Absatz 1 Unterabsatz 1 Satz 2 der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 aufgegriffen. Der stärkste Ausdruck des einheitlichen Charakters des europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung wird in Unterabsatz 2 niedergelegt. Danach kann dieser Schutztitel nur im Hinblick auf alle teilnehmenden Mitgliedstaaten beschränkt, übertragen oder für nichtig erklärt werden oder erlöschen. Lizenz­ erteilungen sind hingegen auch im Hinblick auf einen Teil der Hoheitsgebiete der teilnehmenden Mitgliedstaaten möglich (Unterabsatz 3). Einzelheiten bezüglich der Beantragung und Erteilung der einheitlichen Wirkung sind in der Durchführungsordnung zum einheitlichen Patentschutz geregelt. Die Wirkungen des neuen Schutztitels regeln Artikel 5 und 6 der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012. Soweit es um das europäische Patent mit einheitlicher Wirkung als Gegenstand des Vermögens geht, verweist die Verordnung umfangreich auf das nationale Recht. Mit Blick auf die Thematik des Doppelschutzes ist noch der Erwägungsgrund Nr. 26 der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 zu erwähnen. Danach berührt die Verordnung nicht das Recht der teilnehmenden Mitgliedstaaten, nationale Patente zu erteilen und soll auch das einzelstaatliche Patentrecht der Mitgliedstaaten nicht ersetzen. Vielmehr sollen Patentanmelder die Wahl haben, und zwar zwischen einem nationalen Patent, einem europäischen Patent mit einheitlicher Wirkung, einem europäischen Patent (mit Wirkung in einem oder mehreren Vertragsstaaten des EPÜ) und einem europäischen Patent mit einheitlicher Wirkung, das in einem oder mehreren anderen EPÜVertragsstaaten, die keine an der verstärkten Zusammenarbeit teilnehmenden Mitgliedstaaten sind, validiert ist.

48

Kap. 1: Grundlagen

III. Ausblick Das EPGÜ wurde von 16 EU-Mitgliedstaaten ratifiziert,169 was für die Attraktivität des neuen Systems spricht. Zu denjenigen Staaten, die das Übereinkommen zwischenzeitlich ratifiziert haben, zählt das Vereinigte Königreich, das die Ratifikation jedoch mit Wirkung zum 20.07.2020 zurückgenommen hat und das aus der EU ausgetreten ist.170 Für ein Inkrafttreten des EPGÜ fehlt es, auch nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU, nur noch an der nach Artikel 89 Absatz 1 erforderlichen171 Ratifikation der Bundesrepublik Deutschland. In Ungarn ist die Ratifikation von einer Änderung der Verfassung abhängig. 1. Vereinigtes Königreich Angesichts des Votums im Vereinigten Königreich vom 23. Juni 2016,172 die EU zu verlassen, und des Abschlusses von Abkommen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich im Zuge des bereits vollzogenen Austritts des Vereinigten Königreichs,173 fragt sich, ob ein Inkrafttreten des EPGÜ realistisch ist.174 169  Der aktuelle Ratifikationsstand kann auf der Seite des Rates abgerufen werden: http://www.consilium.europa.eu/en/documents-publications/agreements-conventions/ agreement/?aid=2013001 (27.01.2021). 170  Zur Rücknahme der Ratifikation siehe Informationen auf der in der vorangehenden Fußnote genannten Internetseite sowie auf der Seite des UK Parliament: https://questions-statements.parliament.uk/written-statements/detail/2020-07-20/ HCWS395 (27.01.2021). 171  Das EPGÜ bestimmt in der einzig noch relevanten Variante 2 des Artikels 89 Absatz 1, dass auch die drei Mitgliedstaaten ihre Ratifikationsurkunden hinterlegen müssen, in denen es im Jahr vor dem Jahr der Unterzeichnung des Übereinkommens die meisten geltenden europäischen Patente gab. Dies sind Deutschland, Frankreich und – nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs – Italien, siehe entsprechende Statistik des EPA für das Jahr 2012, abrufbar unter: http://www.epo.org/about-us/ annual-reports-statistics/annual-report/2012/statistics-trends/granted-patents.html# tab4 (27.01.2021), dort Rubrik „Designations as contracting states“. Siehe ebenfalls die Angaben des EPA unter: https://www.epo.org/law- practice/unitary/unitary-patent/ start.html (27.01.2021) sowie Tilmann, GRUR 2020, 441, 445; ders., GRUR Int. 2020, 847, 851. Vgl. ebenfalls Möller, EuZW 2020, 336, 337. 172  Vgl. die Angaben unter: https://eur-lex.europa.eu/content/news/Brexit-UKwithdrawal-from-the-eu.html?locale=de (27.01.2021). 173  Zum Austrittsabkommen („Agreement on the withdrawal of the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland from the European Union and the European Atomic Energy Community“) siehe unter: https://ec.europa.eu/info/relationsunited-kingdom/eu-uk-withdrawal-agreement_en (27.01.2021). Zum Handels‑ und Kooperationsabkommen („Trade and Cooperation Agreement between the European Union and the European Atomic Energy Community, of the one part, and the United



B. Europäische Patentreform49

Das Patentpaket ist darauf ausgerichtet, dass das Vereinigte Königreich als EU-Mitgliedstaat an dem neuen System teilnimmt. Dies zeigt bereits das EPGÜ selbst: Artikel 7 Absatz 2 Satz 1 EPGÜ legt fest, dass die Zentralkammer des EPG über eine Abteilung in London verfügt. Außerdem gehen sowohl das EPGÜ als auch – naturgemäß – die beiden Verordnungen (EU) Nr. 1257/2012 und (EU) Nr. 1260/2012 davon aus, dass lediglich EU-Mitgliedstaaten an dem neuen Patentsystem teilnehmen. Artikel 84 Absatz 4 Satz 1 EPGÜ bestimmt etwa, dass das Übereinkommen allen Mitgliedstaaten zum Beitritt offen steht. Mitgliedstaat im Sinne des EPGÜ ist ein Mitgliedstaat der EU, Artikel 2 lit. b) EPGÜ. Bei den beiden Verordnungen wird dies nicht nur anhand des Unionscharakters der Rechtsakte deutlich, sondern auch daran, dass beide Verordnungen der Umsetzung der verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes dienen. Die verstärkte Zusammenarbeit steht allen EU-Mitgliedstaaten offen, Artikel 20 Absatz 1 EUV, Artikel 328 Absatz 1 AEUV. Das Ausscheiden des Vereinigten Königreichs hindert ein Inkrafttreten des EPGÜ nicht.175 Eine Teilnahme des Vereinigten Königreichs an dem neuen System ist angesichts der Rücknahme der Ratifikation durch das Vereinigte Königreich sowie des Austritts aus der EU derzeit jedoch nicht denkbar.176 Ob die frühere Erklärung des Vereinigten Königreichs, auch nach dem ­„Brexit“ Möglichkeiten der Teilnahme am EPG-System untersuchen zu wollen,177 wieder aufgegriffen werden wird, ist bislang unklar.

Kingdom of Great Britain and Northern Ireland, of the other part“) siehe unter: https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_20_2531 (27.01.2021). 174  Mit „Brexit“ und dem EPG befassen sich z. B. Yan, Das materielle Recht im Einheitlichen Europäischen Patentsystem, S. 87 ff.; Claessen, IPRB 2016, 183, 184; Gandía Sellens, IIC 2018, 136 ff.; Jaeger, IIC 2017, 254 ff.; Hüttermann, Mitt. 2016, 353, 354 ff.; Leistner/Simon, GRUR Int. 2017, 825 ff.; Ohly/Streinz, GRUR Int. 2017, 1 ff.; Tilmann, GRUR 2016, 753 ff.; ders. GRUR 2016, 1218, 1222 ff.; Ubertazzi, GRUR Int. 2017, 301 ff.; ders., GRUR Int. 2017, 674 ff. Siehe ebenfalls die umfangreiche Untersuchung von Lamping/Ullrich, The Impact of Brexit on Unitary Patent Protection and its Court, abrufbar unter: https://pure.mpg.de/rest/items/item_263 2587_18/component/file_3000178/content (27.01.2021). 175  Siehe hierzu im Einzelnen Fn. 171. 176  Insgesamt kritisch in Bezug auf das EPG: Plomer, IIC 2020, 791 ff. 177  Siehe das Regierungsdokument „The future relationship between the United Kingdom and the European Union“ aus Juli 2018, S. 42, Rn. 128, lit. h, abrufbar unter: https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file /725288/The_future_relationship_between_the_United_Kingdom_and_the_European _Union.pdf (27.01.2021).

50

Kap. 1: Grundlagen

2. Deutschland Das EPGÜ ist noch nicht in Kraft, weil Deutschland das Übereinkommen noch nicht ratifiziert hat. Das Ratifikationsverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Bundestag und Bundesrat haben zwar ein Vertragsgesetz bereits im Jahr 2017 beschlossen. Dieses Vertragsgesetz wurde jedoch nicht ausgefertigt und sein Artikel 1 Absatz 1 Satz 1 wurde mit Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 13.02.2020 für nichtig erklärt. Zwischenzeitlich wurde ein zweites Ratifikationsverfahren eingeleitet, das noch nicht abgeschlossen ist. Das entsprechende Vertragsgesetz wurde beschlossen, es fehlt allerdings die Ausfertigung. Darüber hinaus wurden zwei Verfassungsbeschwerden gegen dieses Vertragsgesetz eingereicht. a) Erstes Ratifikationsverfahren Der Gesetzentwurf des ersten Vertragsgesetzes178 war Gegenstand der ersten Beratung während der 218. Sitzung des Deutschen Bundestages am 16.02.2017 und wurde dann an den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz überwiesen.179 Der Gesetzentwurf wurde von dem Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz einstimmig angenommen.180 Er war dann Gegenstand der zweiten und dritten Beratung während der 221. Sitzung des Bundestages vom 09.03.2017 und wurde einstimmig angenommen.181 Der Bundesrat beschloss in seiner 953. Sitzung am 10.02.2017, gegen den Gesetzentwurf nach Artikel 76 Absatz 2 GG keine Einwendungen zu erheben.182 Während der 956. Sitzung des Bundesrates vom 31.03.2017 wurde dem Vertragsgesetz einstimmig durch alle Länder zugestimmt.183 Die erste Beratung des Gesetzentwurfs des Begleitgesetzes184 fand während der 179. Sitzung des Bundestages am 23.06.2016 statt.185 Der Gesetzentwurf wurde an den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz zur federführenden Beratung sowie den Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union zur Mitberatung überwiesen. In seiner 190. Sitzung vom 178  BT-Drs. 18/11137. 179  BT-Drs. 18/218,

S. 21815 f.

181  BT-Drs. 18/221,

S. 22262.

180  BT-Drs. 18/11451.

182  BR-Drs. 751/16(B). 183  BR-Plenarprotokoll 184  BT-Drs. 18/8827. 185  BT-Drs. 18/179,

der 956. Sitzung, S. 174, und BR-Drs. 202/17(B).

S. 17735.



B. Europäische Patentreform51

22.09.2016 überwies der Bundestag den Gesetzentwurf zusätzlich an den Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zur Mitberatung.186 Die mitberatenden Ausschüsse empfahlen einstimmig die Annahme des Gesetzentwurfs, der federführende Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz empfahl sodann einstimmig, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen.187 Die zweite und dritte Beratung des Gesetzentwurfs des Begleitgesetzes fanden in der 221. Sitzung des Deutschen Bundestages am 09.03.2017 statt, er wurde einstimmig angenommen.188 Der Bundesrat beschloss in seiner 947. Sitzung am 08.07.2016, gegen den Gesetzentwurf nach Artikel 76 Absatz 2 GG keine Einwendungen zu erheben.189 In seiner 956. Sitzung am 31.03.2017 beschloss er, einen Antrag auf Einberufung des Vermittlungsausschusses nach Artikel 77 Absatz 2 GG nicht zu stellen.190 Beide Gesetze wurden jedoch nicht vom Bundespräsidenten nach Artikel 82 Absatz 1 Satz 1 GG ausgefertigt. Grund hierfür war die Erhebung einer Verfassungsbeschwerde gegen das Vertragsgesetz verbunden mit einem Eilantrag.191 Die Verfassungsbeschwerde beanstandete eine fehlende Zweidrittelmehrheit bei der Abstimmung im Bundestag, die ungesicherte Stellung der Richter des EPG, eine Blankettermächtigung für die EPGÜ-Verfahrensordnung und eine fehlende demokratische Basis für die Festlegung der Höchstbeträge für die Erstattungsfähigkeit der Anwaltskosten.192 b) Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Mit seiner Entscheidung vom 13.02.2020193 hat das Bundesverfassungsgericht insbesondere entschieden, dass Artikel 1 Absatz 1 Satz 1 des o. g. Vertragsgesetzes mit Artikel 23 Absatz 1 Satz 3 GG i. V. m. Artikel 79 Absatz 2 186  BT-Drs. 18/190,

S. 18745.

188  BT-Drs. 18/221,

S. 22262.

187  BT-Drs. 18/11451.

189  BR-Drs. 280/16(B). 190  BR-Drs. 203/17(B).

191  Hierzu im Einzelnen Tilmann, GRUR 2017, 1177 ff., sowie die folgenden Stellungnahmen: der BRAK, abrufbar unter: https://www.brak.de/zur-rechtspolitik/ stellungnahmen-pdf/stellungnahmen-deutschland/2018/januar/stellungnahme-derbrak-2018-01.pdf (27.01.2021); des DAV, abrufbar unter: https://anwaltverein.de/de/ newsroom/sn-3-18?file=files/anwaltverein.de/downloads/newsroom/stellungnahmen/ 2018/dav-sn_3-18-final.pdf (27.01.2021); der GRUR, Würtenberger/Freischem, GRUR 2018, 270 ff. 192  Angaben nach Tilmann, GRUR 2017, 1177, 1179. 193  2 BvR 739/17. Siehe zu dieser Entscheidung im Einzelnen Tilmann, GRUR 2020, 441  ff. Vgl. ebenfalls Giegerich, EuZW 2020, 560  ff.; Hofmann/Heger,

52

Kap. 1: Grundlagen

GG unvereinbar und nichtig ist, weil die qualifizierte Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages nicht erreicht wurde. Anlass für die Entscheidung war die Verfassungsbeschwerde einer natür­ lichen Person. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Verfassungsbeschwerde nur insoweit für zulässig erachtet und insbesondere die Beschwerdebefugnis bejaht, als der Beschwerdeführer eine Verletzung von Artikel 38 Absatz 1 Satz 1  GG i. V. m. Artikel 20 Absatz 1 und Absatz 2, Artikel 79 Absatz 3 GG durch Verstoß gegen das Erfordernis der qualifizierten Mehrheit gem. Artikel 23 Absatz 1 Satz 3  GG i. V. m. Artikel 79 Absatz 2  GG rügte.194 Damit hat das Bundesverfassungsgericht die Möglichkeit eröffnet, mittels einer Verfassungsbeschwerde das Recht auf die Einhaltung der in Artikel 23 Absatz 1 Satz 3 GG i. V. m. Artikel 79 Absatz 2 GG für die Übertragung von Hoheitsrechten vorgesehenen formellen Voraussetzungen geltend zu machen. aa) Die Entscheidung im Einzelnen Im Zusammenhang mit der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht insbesondere festgehalten, dass sich der Schutz des grundrechtsgleichen Rechts aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 GG – über den mittels der Identitätskontrolle und mittels der Ultra-vires-Kontrolle gewährten Schutz hinaus – auf die Wahrung der Anforderungen des Artikels 23 Absatz 1 GG an eine wirksame Übertragung von Hoheitsrechten erstreckt.195 Hoheitsrechte könnten ohne die Beachtung der verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Kompetenzübertragung nicht wirksam übertragen werden; Akte, die an solche „Übertragung“ anknüpften, seien als Ultra-vires-Akte anzusehen.196 Natürliche Personen könnten im Fall des Artikels 23 Absatz 1 Satz 3 GG das Fehlen der qualifizierten Mehrheit nach Artikel 79 Absatz 2 GG rügen, was der Beschwerdeführer im Hinblick auf die Übertragung von Hoheitsrechten auf das EPG hinreichend substantiiert dargetan habe.197 Was die Begründetheit der Verfassungsbeschwerde betrifft, so hat das Bundesverfassungsgericht zunächst allgemein festgehalten, dass Zustimmungsgesetze zu völkerrechtlichen Verträgen, die in einem Ergänzungs‑ oder sonstigen besonderen Näheverhältnis zum Integrationsprogramm der EU ­ uGRZ 2020, 176, 183 ff.; Möller, EuZW 2020, 336, 337; Ogorek, JA 2020, 878 ff.; E Payandeh, JuS 2020, 702 ff.; Schallmoser/Haberl, GRUR-Prax 2020, 199 ff. 194  BVerfG, Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn. 91–102. 195  BVerfG, Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn. 96 f. 196  BVerfG, Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn. 97 a. E. 197  Vgl. BVerfG, Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn. 98–101.



B. Europäische Patentreform53

stünden,198 an Artikel 23 Absatz 1 GG, der von einem weiten Verständnis des Begriffs der EU ausgehe, zu messen seien.199 Die Übertragung von Hoheitsrechten auf eigenständige zwischenstaatliche Einrichtungen unterfalle Artikel 23 Absatz 1 GG, wenn dies einer faktischen Vertragsänderung gleichkomme, was anzunehmen sei, wenn das Integrationsgesetz und/oder der völkerrechtliche Vertrag eine Vertragsänderung ersetzten oder den Vertrag ergänzten.200 Diese Primärrechtsäquivalenz setze ein Ergänzungs‑ oder sonstiges besonderes Näheverhältnis zum Integrationsprogramm der EU vo­ raus.201 Der Prüfungsgegenstand in Gestalt des Vertragsgesetzes übertrage Hoheitsrechte auf das EPG, und zwar Rechtsprechungsaufgaben auf dieses su­ pranationale Gericht und Rechtsetzungsaufgaben auf dessen Verwaltungs­ organe.202 Im Zusammenhang mit dieser Übertragung der Hoheitsrechte hat das Bundesverfassungsgericht insbesondere die Vorschriften der Artikel 32 EPGÜ (ausschließliche Zuständigkeiten des EPG), Artikel 82 Absatz 1 Satz 1 EPGÜ (Entscheidungen und Anordnungen des EPG als vollstreckbare Titel) sowie Artikel 40 Absatz 2 und Artikel 41 Absatz 1 und 2 EPGÜ (Rechtsetzungsbefugnisse des Verwaltungsausschusses in Bezug auf die Änderungen der Satzung sowie die Setzung und Änderung der Verfahrensordnung des EPG) genannt.203 Eine Primärrechtsäquivalenz bei einem Ergänzungs‑ oder sonstigen Näheverhältnis des EPGÜ zum Integrationsprogramm der EU hat das Bundesverfassungsgericht wie folgt begründet: Das EPGÜ finde einen unmittelbaren Anknüpfungspunkt in Artikel 262 AEUV und diese Bestimmung zeige, dass das EPG nur ein funktionales Äquivalent für eine „richtige“ unionale Patentgerichtsbarkeit sein solle.204 Hieraus folgert das Bundesverfassungsgericht, dass das EPGÜ in der Sache aufgrund einer fehlenden Mehrheit unionsrechtliche Regelungen ersetzt.205 Das EPGÜ sei ferner auf das Engste mit dem Sekundärrecht verwoben, das auf der Grundlage des Artikels 118 AEUV erlassen worden sei, namentlich den Verordnungen (EU) Nr. 1257/2012 und 198  Das BVerfG spricht von „isolierte[n], aber funktional äquivalente[n] Satelliten-Einrichtungen“, Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn. 121 a. E. Ob ein Ergänzungs‑ oder sonstiges besonderes Näheverhältnis zum Integrationsprogramm der EU vorliege, sei anhand einer Gesamtbetrachtung der Umstände, Regelungsziele, ‑inhalte und ‑wirkungen zu bestimmen, a. a. O., Rn. 124 a. E. 199  BVerfG, Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn. 118, 122. 200  BVerfG, Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn. 123. 201  BVerfG, Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn. 124. 202  BVerfG, Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn. 142 f. 203  Siehe im Einzelnen BVerfG, Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn. 143. 204  BVerfG, Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn. 145. 205  BVerfG, Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn. 144.

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Kap. 1: Grundlagen

(EU) Nr. 1260/2012.206 Artikel 2 lit. f) und h) sowie Artikel 3 lit. a) und b) i. V. m. Artikel 32 EPGÜ zeigten, dass ein wesentlicher Teil der Rechtsprechungsaufgaben des EPG unionsrechtlich geregelte Rechte und Ansprüche betreffen werde, deren einheitliche Wirkung erst durch die im EPGÜ enthaltenen Regelungen sichergestellt werde.207 Zudem sei das EPG ausweislich Artikel 24 Absatz 1 lit. a) EPGÜ unmittelbar an das Unionsrecht gebunden und auf den Vorrang des Unionsrechts gem. Artikel 20 EPGÜ verpflichtet.208 Das EPGÜ sei maßgeblich durch Organe der EU (mit‑)vorangetrieben worden und diese seien in die Umsetzung des EPGÜ in unterschiedlichem Umfang eingebunden.209 Der Kreis der Vertragsmitgliedstaaten sei auf EU-Mitgliedstaaten gem. Artikel 1 Absatz 2 und Artikel 2 lit. b) und c) EPGÜ und entsprechend der Rechtsprechung des EuGH210 begrenzt, was auch in den Erwägungsgründen Nr. 1 und Nr. 14 seinen Niederschlag gefunden habe.211 Dabei sei unschädlich, dass nicht alle EU-Mitgliedstaaten Vertragsparteien des EPGÜ seien, da die teilnehmenden EU-Mitgliedstaaten im Wege der im Primärrecht vorgesehenen verstärkten Zusammenarbeit zusammenwirkten.212 Das Bundesverfassungsgericht hat weiter ausgeführt, dass Zustimmungsgesetzen zu völkerrechtlichen Verträgen, die in dem oben genannten Näheverhältnis stehen, Verfassungsrelevanz zukommt, soweit sie das Grundgesetz seinem Inhalt nach ändern oder ergänzen oder diese Änderungen bzw. Ergänzungen ermöglichen, so dass sie nach Artikel 23 Absatz 1 Satz 3 i. V. m. Artikel 79 Absatz 2 GG einer Zwei-Drittel-Mehrheit in den gesetzgebenden Körperschaften bedürfen.213 Integrationsgesetze und/oder völkerrechtliche Verträge mit der genannten Verfassungsrelevanz stellten „vergleichbare Regelungen“ im Sinne des Artikels 23 Absatz 1 Satz 3 GG dar.214 Das Bundesverfassungsgericht hat sich hierbei auf den Wortlaut des Artikels 23 Absatz 1 Satz 3 GG, systematisch-teleologische sowie historische Aspekte gestützt.215 Das Vertragsgesetz unterliege als „vergleichbare Regelung“ den genannten Anforderungen des Artikels 23 Absatz 1 Satz 3 i. V. m. Artikel 79 Absatz 2 206  BVerfG,

Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn. 146. Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn. 146 a. E. 208  BVerfG, Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn. 147, wobei das BVerfG auch den 9. Erwägungsgrund des EPGÜ zitiert. 209  BVerfG, Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn. 148 f. 210  Das BVerfG nennt in diesem Zusammenhang das EuGH-Gutachten 1/09 (A. VIII.), Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn. 150 a. E. 211  BVerfG, Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn. 150. 212  Vgl. BVerfG, Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn. 150 a. E. 213  Vgl. BVerfG, Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn. 118, 126. 214  BVerfG, Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn. 126. 215  BVerfG, Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn. 127 bis 131. 207  BVerfG,



B. Europäische Patentreform55

GG, weil es Regelungen des Grundgesetzes europäisiere und, der Sache nach, eine materielle Verfassungsänderung bewirke.216 Das EPGÜ enthalte nämlich eine funktional äquivalente Regelung zu einer Änderung der vertraglichen Grundlagen der EU gem. Artikel 48 EUV, weil es, in der Sache, eine Änderung oder Ersetzung des Artikels 262 AEUV darstelle.217 Mit Blick auf Artikel 23 Absatz 1 Satz 3 handele es sich um eine Änderung der vertraglichen Grundlagen der EU in Gestalt einer „vergleichbaren Regelung“.218 Die Übertragung von Rechtsprechungsaufgaben unter Verdrängung deutscher Gerichte bewirke eine inhaltliche Änderung des Grundgesetzes im Sinne des Artikels 23 Absatz 1 Satz 3 GG.219 Abgesehen von der Übergangsregelung des Artikels 83 EPGÜ, übertrage das Übereinkommen nach seinem Artikel 32 dem EPG die dort aufgeführten Rechtsprechungsbefugnisse, die Urteile des EPG seien gem. Artikel 82 Absatz 3 Satz 2 EPGÜ ohne weiteres vollstreckbar und die Anordnungen des EPG gem. Artikel 59 EPGÜ (Vorlage von Beweismitteln), Artikel 60 Absatz 2 EPGÜ (Beschlagnahme von Gegenständen) sowie gem. Artikel 60 Absatz 3 EPGÜ (Inspektion von Räumlichkeiten) stellten Grundrechtseingriffe dar und wirkten unmittelbar im Rechtsraum der Vertragsmitgliedstaaten (Artikel 34 EPGÜ).220 Darüber hinaus hat das Bundesverfassungsgericht mit Blick auf das Bundespatentgericht hinzugefügt, dass das EPGÜ zu einer erheblichen Modifikation der vom Grundgesetz für Angelegenheiten des gewerblichen Rechtschutzes vorgesehenen Gerichtsorganisation nach Artikel 96 GG führe und damit eine materielle Verfassungsänderung enthalte.221 Ein Zustimmungsgesetz zu einem völkerrechtlichen Vertrag, das unter Verstoß gegen Artikel 23 Absatz 1 Satz 3 i. V. m. Artikel 79 Absatz 2  GG ergangen sei, entfalte keine Legitimationswirkung und verletze die Bürgerinnen und Bürger in ihrem grundrechtsgleichen Recht aus Artikel 38 Absatz 1 216  BVerfG,

Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn. 152. Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn. 143 f. Tilmann weist zutreffend darauf hin, dass dieses Argument mit Blick auf herkömmliche europäische Patente, für die das EPG ebenfalls zuständig sein soll, nicht überzeuge, denn ein beim EuGH angesiedelter Spruchkörper könne nicht ohne Weiteres über Artikel 257, 262 AEUV für europäische Patente zuständig gemacht werden, GRUR 2020, 441, 443. Laut Tilmann handele es sich beim EPG mit dessen Doppelzuständigkeit für europäische Patente und europäische Patente mit einheitlicher Wirkung im Verhältnis zu einer EuGH-Zuständigkeit über Artikel 257, 262 AEUV um ein aliud, a. a. O. Darüber hinaus weist Giegerich zutreffend darauf hin, dass Art. 262 und 344 AEUV laut EuGH (Gutachten 1/09 v. 08.03.2011, Rn. 61 ff.) der Einrichtung eines gesonderten Patentgerichts im Grundsatz nicht entgegenstünden, EuZW 2020, 560, 561. 218  BVerfG, Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn. 156. 219  BVerfG, Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn. 157. 220  BVerfG, Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn. 158. 221  BVerfG, Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn. 160. 217  BVerfG,

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Kap. 1: Grundlagen

Satz 1, Artikel 20 Absatz 1 und 2 i. V. m. Artikel 79 Absatz 3 GG.222 In einem solchen Fall finde die Öffnung der deutschen Rechtsordnung für die Einwirkung supranationalen Rechts nicht statt und die Inanspruchnahme nicht wirksam übertragener Hoheitsrechte führte dazu, dass entsprechende Maßnahmen ultra vires ergingen und gegen Artikel 20 Absatz 2 Satz 1 GG verstießen.223 Im Zusammenhang mit Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 GG hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, dass sein Gewährleistungsbereich Strukturveränderungen im staatsorganisationsrechtlichen Gefüge erfasst, die etwa bei der Übertragung von Hoheitsrechten auf die EU oder andere supranationale Einrichtungen eintreten können.224 Artikel 20 Absatz 1 und 2 i. V. m. Artikel 79 Absatz 3 GG schütze auch davor, dass die formellen Voraussetzungen des Artikels 23 Absatz 1 GG für eine Übertragung von Hoheitsrechten nicht eigehalten werden, sog. formelle Übertragungskontrolle.225 Denn Kompetenzen, die einem anderen Völkerrechtssubjekt übertragen würden, seien in der Regel „verloren“ und könnten aus eigener Kraft nicht ohne weiteres „zurückgeholt“ werden.226 Im Kontext der EU sei zudem zu berücksichtigen, dass sich aus Artikel 4 Absatz 3 EUV die Pflicht ergeben könne, eine einmal erteilte Zustimmung nicht mehr zurückzuziehen.227 Es sei der Kern des in Artikel 38 Absatz 1 Satz 1, Artikel 20 Absatz 1 und 2 i. V. m. Artikel 79 Absatz 3 GG betroffen.228 Nach Maßgabe der vorstehenden Erwägungen sei das Vertragsgesetz nicht wirksam beschlossen worden, weil die qualifizierte Mehrheit im Bundestag unstreitig nicht erreicht wurde.229 Daher verletze das Vertragsgesetz den Beschwerdeführer in seinem grundrechtsgleichen Recht auf demokratische Selbstbestimmung aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 i. V. m. Artikel 20 Absatz 1 und 2 i. V. m. Artikel 79 Absatz 3 GG.230 Schließlich hat das Bundesverfassungsgericht festgehalten, dass bei jeder Übertragung von Hoheitsrechten die sich aus der Verfassungsidentität des Grundgesetzes hierfür ergebenden materiellen Grenzen gem. Artikel 79 Absatz 3 GG zu beachten seien.231 So sei mit Blick auf das Demokratieprinzip 222  BVerfG,

Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn. 132. Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn. 133. 224  BVerfG, Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn. 135. 225  BVerfG, Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn. 137. 226  BVerfG, Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn. 137. 227  BVerfG, Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn. 137, unter Bezugnahme auf die Schlussanträge des Generalanwalts Bot v. 18.11.2014, C-146/13, Rn. 175 ff. 228  BVerfG, Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn. 138. 229  BVerfG, Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn. 164. 230  BVerfG, Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn. 165. 231  BVerfG, Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn. 139. 223  BVerfG,



B. Europäische Patentreform57

nach Artikel 20 Absatz 1 und 2 GG sicherzustellen, dass dem Bundestag bei einer Übertragung von Hoheitsrechten nach Artikel 23 Absatz 1 GG eigene Aufgaben und Befugnisse von substantiellem politischen Gewicht verblieben und dass er in der Lage bleibe, seine haushaltspolitische Gesamtverantwortung wahrzunehmen.232 Gegen das Demokratieprinzip verstießen daher unbestimmte Ermächtigungen oder solche, die dazu führten, dass der Bundestag sich etwa von in einem Ergänzungs‑ oder sonstigen besonderen Näheverhältnis stehenden zwischenstaatlichen Einrichtungen fremdbestimmen lasse und daher nicht mehr „Herr seiner Entschlüsse“ bleibe.233 Ob in dem zu entscheidenden Fall die Festschreibung eines unbedingten Vorrangs des Unionsrechts in Artikel 20 und Artikel 21 Satz 2 EPGÜ gegen Artikel 20 Absatz 1 und 2 i. V. m. Artikel 79 Absatz 3 verstoße, ließ das Bundesverfassungsgericht jedoch offen, weil sich die Nichtigkeit des Vertragsgesetzes bereits aus den oben genannten Gründen ergebe.234 bb) Abweichende Meinung Zu dem oben genannten Beschluss haben die jetzige Vizepräsidentin des Bundesverfassungsgerichts Prof. Dr. König, die Richterin des Bundesverfassungsgerichts Prof. Dr. Langenfeld sowie der Richter des Bundesverfassungsgerichts Dr. Maidowski eine abweichende Meinung verfasst.235 Einleitend haben sie festgehalten, dass sie sich der Annahme des Zweiten Senats nicht anzuschließen vermögen, wonach sich aus dem „Anspruch auf Demokratie“ in Artikel 38 Absatz 1 Satz 1, Artikel 20 Absatz 1 und 2 i. V. m. Artikel 79 Absatz 3 GG ein mit der Verfassungsbeschwerde rügefähiges Recht auf die Einhaltung der in Artikel 23 Absatz 1 Satz 2 und 3 i. V. m. Artikel 79 Absatz 2 GG für die Übertragung von Hoheitsrechten vorgesehenen formellen Voraussetzungen (sog. formelle Übertragungskontrolle) ergebe.236 232  BVerfG,

Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn. 140. Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn. 140. 234  BVerfG, Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn. 141 und 166. Laut Giegerich ist nicht zu erwarten, dass das BVerfG ein neues Zustimmungsgesetz zum EPGÜ wegen Verstoßes gegen Artikel 79 Absatz 3 GG verwerfen würde, weil das EPGÜ seine Reservekompetenz nicht ausdrücklich festschreibe, EuZW 2020, 560, 564 f. 235  Die abweichende Meinung wird nach der Entscheidung wiedergegeben, z. B. im Internet unter http://www.rechtsprechung-im-internet.de (27.01.2021) bzw. auf der Seite des Bundesverfassungsgerichts: http://www.bverfg.de/e/rs20200213_2bvr073917. html (27.01.2021). 236  BVerfG, abweichende Meinung zum Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn. 1. 233  BVerfG,

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Kap. 1: Grundlagen

Artikel 38 Absatz 1 GG umfasse einen Anspruch auf Wahrnehmung der Integrationsverantwortung durch die hierfür zuständigen Verfassungsorgane und ziele auf die Verwirklichung demokratischer Mitwirkungsrechte, nicht aber auf eine umfassende Rechtmäßigkeitskontrolle demokratischer Mehrheitsentscheidungen; die Vorschrift diene nicht der inhaltlichen Kontrolle demokratischer Prozesse, sondern sei auf deren Ermöglichung gerichtet.237 Die zugelassene, auf Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 GG gestützte und neuartige formelle Übertragungsrüge unterscheide sich prinzipiell von den aus dem „Anspruch auf Demokratie“ zur Sicherung der demokratischen Einflussmöglichkeiten der Wahlberechtigten im Prozess der europäischen Integration abgeleiteten Kontrollvorbehalten in Gestalt der Identitätskontrolle und der Ultra-vires-Kontrolle.238 Die Neuartigkeit dieser formellen Übertragungsrüge bestehe darin, dass sie auch die Nichtbeachtung der formellen Erfordernisse für eine wirksame Übertragung von Hoheitsrechten auf die EU und auf zwischenstaatliche Einrichtungen, die in einem Ergänzungs‑ oder sonstigen besonderen Näheverhältnis zum Integrationsprogramm der EU stehen, durch ein Zustimmungsgesetz erfasse.239 Jeder formelle Mangel des Gesetzgebungs­ verfahrens dürfte genügen, soweit er zur Unwirksamkeit des Übertragungsaktes führe.240 Anders als in der o. g. Entscheidung sei es in der Sache bei den Urteilen zum Maastricht‑ und zum Lissabon-Vertrag wie auch zum Europäischen Stabilitätsmechanismus um die Vereinbarkeit der jeweiligen Zustimmungsgesetze mit dem materiellen Kerngehalt des Wahlrechts gegangen, wie er in Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 i. V. m. Artikel 1 Absatz 1 und Artikel 79 Absatz 3 GG geschützt werde.241 Maßgebend sei die Frage gewesen, ob die mit den Zustimmungsgesetzen bewirkte Übertragung von Hoheitsrechten auf die EU bzw. die mit dem ESM-Vertrag einhergehende Beschränkung der Budget­ hoheit des Parlaments zu einer Entleerung der Aufgaben und Befugnisse des Bundestages führe („Entleerungsrüge“) und damit zu einer Verletzung des in Artikel 79 Absatz 3 GG absolut geschützten Kerns des Demokratieprinzips.242 237  BVerfG, abweichende Meinung zum Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn.  3 a. E. 238  BVerfG, abweichende Meinung zum Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn. 4 und 6. 239  BVerfG, abweichende Meinung zum Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn. 6. 240  Vgl. BVerfG, abweichende Meinung zum Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn.  6 a. E. 241  BVerfG, abweichende Meinung zum Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn. 9. 242  BVerfG, abweichende Meinung zum Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn. 9.



B. Europäische Patentreform59

Von der Ultra-vires-Kontrolle bislang nicht erfasst seien Konstellationen gewesen, in denen das Zustimmungsgesetz nach Artikel 23 Absatz 1 GG aus formellen Gründen nichtig und eine Übertragung von Hoheitsrechten damit unwirksam wäre.243 Nach der ergangenen Entscheidung handele es sich dabei jedoch ebenfalls um einen Ultra-vires-Akt.244 Damit entferne sich der Zweite Senat von der klaren Aussage im Urteil über den Europäischen Stabilitätsmechanismus zur Rügefähigkeit des Fehlens einer Zwei-Drittel-Mehrheit, für deren Beibehaltung die besseren Argumente sprechen würden.245 Nach der abweichenden Meinung verkenne die der formellen Übertragungskontrolle zugrundeliegende Erweiterung des Rechts auf demokratische Selbstbestimmung gem. Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 GG dessen materielle Substanz und sprenge die immanenten Grenzen dieser Vorschrift.246 Die Zulassung der formellen Übertragungsrüge führe dazu, dass der Schutzbereich des Artikels 38 Absatz 1 Satz 1 GG im Kontext der europäischen Integration seine Konturen vollends verliere.247 Diese Vorschrift diene allein der Ermöglichung und nicht der inhaltlichen Kontrolle demokratischer Prozesse und enthalte keinen Anspruch auf eine allgemeine Rechtmäßigkeitskontrolle von (Zustimmungs‑)Gesetzen.248 Zum etwaigen Verlust von Kompetenzen ohne Rückholmöglichkeit heißt es in der abweichenden Meinung, es erschließe sich nicht, aus welchem Grund sich eine Betroffenheit der Substanz des Wahlrechts und hieraus folgend die Notwendigkeit einer formellen Übertragungskontrolle bei allen Hoheitsrechtsübertragungen im Kontext der EU, Artikel 23 Absatz 1 GG, ergeben solle, wenn eine allgemeine Rechtmäßigkeitskontrolle im innerstaatlichen Bereich nach wie vor abgelehnt werde.249 Bei der Sicherstellung der 243  BVerfG, abweichende Meinung zum Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn.  11 a. E. 244  Vgl. BVerfG, abweichende Meinung zum Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn.  11 a. E. 245  BVerfG, abweichende Meinung zum Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn.  12 a. E. 246  BVerfG, abweichende Meinung zum Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn. 13. 247  BVerfG, abweichende Meinung zum Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn.  13 a. E. 248  Vgl. BVerfG, abweichende Meinung zum Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn. 15. 249  Vgl. BVerfG, abweichende Meinung zum Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn. 17. Tilmann fügt hinzu, es handele sich bei einer dem internationalen Recht zuzuordnenden Kompetenzübertragung (wie in Ansehung des EPGÜ), anders als bei einer Übertragung der Kompetenz auf die EU, vor dem Hintergrund der WVRK „grundsätzlich um eine rückholbare, nicht um eine verlorene Kompetenz“, GRUR 2020, 441, 442.

60

Kap. 1: Grundlagen

Einhaltung der formellen Voraussetzungen des Artikels 23 Absatz 1 Satz 2 und 3 GG ginge es weder um die Ermöglichung noch um die Offenhaltung eines ansonsten gefährdeten oder gar verhinderten demokratischen Prozesses.250 Das Anliegen des Zweiten Senats sei nachvollziehbar; nach dessen Auffassung seien zahllose Maßnahmen des Trägers der übertragenen Hoheitsgewalt mangels erforderlicher gesetzlicher Zustimmung Ultra-vires-Akte, wenn sich ein Übertragungsakt später als formell verfassungswidrig und unwirksam erweise.251 Allerdings könne der Gesetzgeber (nachträglich) ein formell verfassungsmäßiges Übertragungsgesetz erlassen, was im Falle eines Identitätsverstoßes oder eines Ultra-vires-Verstoßes nicht möglich sei.252 Im Falle des EPG bestünden zudem Möglichkeiten des Rechtsschutzes gegen Vollstreckungsmaßnahmen nach nationalem Recht vor den Fachgerichten.253 Insoweit könnte das Zustimmungsgesetz im Wege einer abstrakten Normenkon­ trolle nach Artikel 100 Absatz 1 GG überprüft werden sowie im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde gegen ein letztinstanzliches fachgerichtliches Urteil, soweit eine spezifische Grundrechtsbetroffenheit des Klägers bzw. Beschwerdeführers bestehe.254 Abschließend haben die Verfasser der abweichenden Meinung festgehalten, es stehe zu erwarten, dass die Notwendigkeit einer verfassungsändernden Mehrheit faktisch zur Regel werde, und zwar nicht nur bei Hoheitsrechtsübertragungen auf Organe, Einrichtungen oder sonstige Stellen der EU, sondern auch auf alle völkervertraglich begründeten Einrichtungen, die in einem Ergänzungs‑ oder sonstigen besonderen Näheverhältnis zur EU stünden.255 Die formelle Übertragungskontrolle könnte den demokratischen Prozess in Bundestag und Bundesrat in problematischer Weise präjudizieren und weitere Integrationsschritte, wenn nicht verhindern, so doch erheblich verzögern.256 Sie würde zur Folge haben, dass sich notwendige politische Gestal250  BVerfG, abweichende Meinung zum Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn.  17 a. E. 251  Vgl. BVerfG, abweichende Meinung zum Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn. 18. 252  BVerfG, abweichende Meinung zum Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn. 18. 253  BVerfG, abweichende Meinung zum Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn. 19. 254  BVerfG, abweichende Meinung zum Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn. 19. 255  BVerfG, abweichende Meinung zum Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn. 20. 256  BVerfG, abweichende Meinung zum Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn. 20.



B. Europäische Patentreform61

tungsspielräume des Parlaments im Prozess der europäischen Integration entgegen der Intention des verfassungsändernden Gesetzgebers verengten und sich der in Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 GG beabsichtige Schutz des demokratischen Prozesses in sein Gegenteil verkehren könnte.257 c) Zweites Ratifikationsverfahren Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 13.02.2020 wurde ein zweites Ratifikationsverfahren eingeleitet. Der Gesetzgeber hat die Möglichkeit der sog. „Remedur“258 in Anspruch genommen, um dem vom Bundesverfassungsgericht erkannten formellen Mangel des Gesetzgebungsverfahrens in Bezug auf das (erste) Vertragsgesetz abzuhelfen. Die Bundesregierung legte einen neuen Gesetzentwurf des zweiten Vertragsgesetzes vor,259 der am 08.10.2020 Gegenstand der ersten Beratung während der 183. Sitzung des Deutschen Bundestages war und in dieser Sitzung an den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz zur federführenden Beratung sowie an den Ausschuss für die Angelegenheiten der Europä­ ischen Union und den Haushaltsausschuss zur Mitberatung überwiesen wurde.260 Nach empfehlenden Stellungnahmen der beiden zuletzt genannten Ausschüsse nahm der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz den Gesetzentwurf an.261 Er war sodann Gegenstand der zweiten und dritten Beratung in der 195. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 26.11.2020 und wurde mit der erforderlichen Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Deutschen Bundestages angenommen.262 Der Bundesrat beschloss in der 993. Sitzung am 18.09.2020, gegen den Gesetzentwurf gem. Artikel 76 Absatz 2 GG keine Einwendungen zu erheben.263 In der 998. Sitzung am 18.12.2020 beschloss er einstimmig durch alle Bundesländer, dem Vertragsgesetz zuzustimmen.264

257  BVerfG, abweichende Meinung zum Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn. 21. 258  Zu diesem Begriff siehe im Einzelnen BVerfG, abweichende Meinung zum Beschl. v. 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Rn. 18. 259  BT-Drs. 19/22847. 260  BT-Drs. 19/183, S. 23001. 261  BT-Drs. 19/24742, zum Bericht des Haushaltsausschusses siehe BT-Drs. 19/ 24743. 262  BT-Drs. 19/195, S. 24659, 24677. 263  BR-Plenarprotokoll der 993. Sitzung, S. VI, 297, und BR-Drs. 448/20(B). 264  BR-Plenarprotokoll der 998. Sitzung, S. 498, und BR-Drs. 723/20(B).

62

Kap. 1: Grundlagen

Kurz nach dem Beschluss des Bundesrates wurden zwei Verfassungsbeschwerden gegen das zweite Vertragsgesetz beim Bundesverfassungsgericht erhoben.265 Die entsprechenden Verfahren sind noch nicht abgeschlossen.266 3. Ungarn In Ungarn hat das Verfassungsgericht unter dem 26.06.2018 entschieden, dass das EPGÜ vor dem Hintergrund des in Ungarn geltenden Verfassungsrechts nicht ratifiziert werden dürfe.267 Das Gericht setzte sich mit zwei Verfassungsfragen auseinander. Es hielt zunächst fest, dass ein internationaler Vertrag, der im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit zwischen EUMitgliedstaaten abgeschlossen werde, nicht automatisch EU-Recht darstelle. Der internationale Vertrag und durch diesen errichtete Institutionen, die Unionsrecht anwendeten, seien nur dann Teil des Unionsrechts, wenn die rechtliche Grundlage in den Gründungsverträgen verankert sei. Das Gericht hielt außerdem fest, dass das EPG auch nationales Recht anwenden werde (Artikel 24 EPGÜ). Die Entscheidung von Privatrechtsstreitigkeiten sei jedoch nach ungarischem Verfassungsrecht nationalen, d. h. ungarischen Gerichten vorbehalten. Ungarns Ratifikation ist zwar nicht zwingend erforderlich, damit das EPGÜ in Kraft tritt.268 Allerdings befindet sich die Einrichtung für den EPGSchulungsrahmen nach Artikel 19 Absatz 1 Satz 2 EPGÜ in Budapest. Ungarn ist also in die EPG-Struktur eingebunden. Damit Ungarn das EPGÜ ratifizieren kann, muss die ungarische Verfassung geändert werden.

265  2 BvR

2216/20 und 2 BvR 2217/20. Argumenten gegen erneute Verfassungsbeschwerden siehe Tilmann, GRUR 2020, 441, 445 f. 267  Die Entscheidung kann in englischer Sprache abgerufen werden unter: https:// hunconcourt.hu/uploads/sites/3/2018/07/dec-on-unified-patent-court.pdf (27.01.2021). Die Pressemitteilung des Gerichts ist abrufbar unter: https://hunconcourt.hu/ kozlemeny/according-to-the-provisions-in-force-of-the-fundamental-law-the-agree ment-on-the-unified-patent-court-cannot-be-published-in-hungary/ (27.01.2021). Vgl. zu dieser Entscheidung kritisch Tilmann, EIPR 2020, 261 ff. 268  Tilmann ist unter Berufung auf die Schlussanträge des Generalanwalts Bot v. 18.11.2014, C-146/13 (wohl insbesondere unter Berufung auf die Rn. 179), der Ansicht, dass Ungarn gegen den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit gem. Artikel 4 Absatz 3 EUV verstoßen würde, wenn es das EPGÜ nicht ratifizierte, EIPR 2020, 261, 263. Tilmann erstreckt diese Folgerung auch auf Polen, a. a. O. 266  Zu



C. Doppelschutz und Doppelschutzverbot63

4. Relevanz der Untersuchung unabhängig von der Europäischen Patentreform Die Relevanz dieser Untersuchung ist unabhängig davon, ob das EPGÜ ratifiziert werden wird. Denn sie betrifft eine Frage, die immer im Zusammenhang mit der Europäisierung des Patentrechts diskutiert (werden) wird, nämlich, ob und unter welchen Bedingungen es parallele nationale und europäische patentrechtliche Schutztitel geben kann und sollte. Dieser Frage soll daher im Folgenden weiter nachgegangen werden.

C. Doppelschutz und Doppelschutzverbot Die Entscheidung für einen rechtlichen Ansatz – den Doppelschutz oder das Doppelschutzverbot – erfordert zunächst ein Verständnis des Doppelschutzes und des Doppelschutzverbots an sich sowie die Kenntnis der bestehenden wie auch der angestrebten rechtlichen Regelungen. Die nachfolgenden Ausführungen dienen dazu, dieses Verständnis und diese Kenntnis heraus­zuarbeiten.

I. Terminologie Doppelschutz steht für den Schutz einer geistigen Leistung durch zwei gleichartige Schutzrechte auf nationaler und europäischer bzw. völkerrechtlicher Ebene.269 Doppelschutz bedeutet also die Möglichkeit des doppelten Schutzes auf unterschiedlichen Rechtsebenen, z. B. durch ein nationales und ein europäisches Patent. Doppelschutzverbot ist demnach nichts anderes als das Gegenteil des Doppelschutzes, also ein Verbot des oben beschriebenen doppelten Schutzes. Der Doppelschutz ist abzugrenzen von der Kumulation. Bei der Kumulation handelt es sich um den Schutz einer geistigen Leistung mittels verschiedener Rechte des geistigen Eigentums auf einer – etwa der nationalen – Rechtsebene,270 z. B. durch ein Patent und eine Marke. In diesem Zusammenhang wird auch von der „Konvergenz der Schutzrechte“271 bzw. von einem „kumulativen Schutz“272 gesprochen. 269  Vgl. McGuire,

GRUR 2011, 767, 768. GRUR 2011, 767, 768 und Chudziak, GRUR 2015, 839 Fn. 1 mit Verweis auf McGuire; vgl. auch Thole, ZZP 2011, 403, 405 („Vervielfältigung und … Mehrfachschutz von geistigen Leistungen auf der Ebene des nationalen Rechts“). 271  Thole, ZZP 2011, 403. 272  Siehe z. B. den 32. Erwägungsgrund der GGV. 270  Vgl.  McGuire,

64

Kap. 1: Grundlagen

Der Doppelschutz ist ferner zu unterscheiden von der Doppelpatentierung. Letztere betrifft eine Rechtsebene an sich, z. B. die völkerrechtliche des EPÜ oder die Ebene des nationalen Patentrechts. Es geht im Wesentlichen um die Frage, ob gleichzeitige Patentanmeldungen gleichen wirksamen Datums zu zwei Schutzrechten führen können, was für europäische Patente im Grundsatz verneint wird.273 Im nationalen Patentrecht wird die Entstehung identischer Schutzrechte durch den absoluten Neuheitsbegriff nach § 3 Absatz 1 PatG sowie die Einbeziehung älterer Patentanmeldungen in den Stand der Technik weitgehend vermieden.274

II. Doppelschutz und Doppelschutzverbot de lege lata Ausgangspunkt des jetzigen deutschen Systems des Doppelschutzverbots ist Artikel 139 Absatz 3 EPÜ. Dieser lautet: „Jeder Vertragsstaat kann vorschreiben, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Erfindung, die sowohl in einer europäischen Patentanmeldung oder einem europäischen Patent als auch in einer nationalen Patentanmeldung oder einem nationalen Patent mit gleichem Anmeldetag oder, wenn eine Priorität in Anspruch genommen worden ist, mit gleichem Prioritätstag offenbart ist, gleichzeitig durch europäische und nationale Anmeldungen oder Patente geschützt werden kann.“

Das EPÜ überlässt also den einzelnen Vertragsstaaten die Wahl zwischen Doppelschutz und Doppelschutzverbot.275 Entsprechendes gilt im Übrigen für Gebrauchsmuster im Verhältnis zu europäischen Patenten, Artikel 140 EPÜ.276 1. Historie Der deutsche Gesetzgeber hat sich in Artikel II § 8 IntPatÜbkG für das Doppelschutzverbot in dem Verhältnis nationales Patent – europäisches Patent entschieden. In der amtlichen Begründung277 wird ausgeführt, der ­ Patent­inhaber könne an dem Bestand gleichartiger und gleichwertiger Ausschließlichkeitsrechte kein berechtigtes Interesse haben. Der Bestand solcher identischer Rechte, deren Schicksal voneinander unabhängig sei, würde die 273  Siehe etwa die Richtlinien für die Prüfung im Europäischen Patentamt, November 2017, G-IV, 5.4, abrufbar unter: http://www.epo.org/law-practice/legal-texts/ guidelines_de.html (27.01.2021). 274  Im Einzelnen: Benkard/Melullis, PatG, § 3 Rn. 443 ff. 275  Vgl. Benkard/Jestaedt/Osterrieth, EPÜ, Art. 64 Rn. 4; Busse/Keukenschrijver, PatG, Art II § 8 IntPatÜG Rn. 1; Singer/Stauder/Luginbühl, EPÜ, Art. 139 Rn. 9. 276  Hierzu näher unter Kap. 2, A. I. 1. 277  BT-Drs. 7/3712, S. 20, siehe auch BlPMZ 1976, 322, 327.



C. Doppelschutz und Doppelschutzverbot65

Rechtslage unnötig verwirren und komplizieren. Nach Nichtigerklärung des europäischen Patents wäre der Patentinhaber formal noch in der Lage, Verletzungsansprüche aus dem nationalen Patent geltend zu machen. Der historische Gesetzgeber sprach insoweit von einer „unerwünschten Folge“278. Mit dem Doppelschutzverbot wurde dem europäischen Patent der Vorzug gegeben, weil diesem Schutzrecht im Zweifel eine größere wirtschaftliche Bedeutung zukomme. 2. Artikel II § 8 IntPatÜbkG Artikel II § 8 IntPatÜbkG bestimmt in Absatz 1: „Soweit der Gegenstand eines im Verfahren nach dem Patentgesetz erteilten Patents eine Erfindung ist, für die demselben Erfinder oder seinem Rechtsnachfolger mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland ein europäisches Patent mit derselben Priorität erteilt worden ist, hat das Patent in dem Umfang, in dem es dieselbe Erfindung wie das europäische Patent schützt, von dem Zeitpunkt an keine Wirkung mehr, zu dem 1. die Frist zur Einlegung des Einspruchs gegen das europäische Patent abgelaufen ist, ohne daß Einspruch eingelegt worden ist, 2. das Einspruchsverfahren unter Aufrechterhaltung des europäischen Patents rechtskräftig abgeschlossen ist oder 3. das Patent erteilt wird, wenn dieser Zeitpunkt nach dem in den Nummern 1 oder 2 genannten Zeitpunkt liegt.“

Absatz 2 lautet: „Das Erlöschen, die Erklärung der Nichtigkeit, der Widerruf und die Beschränkung des europäischen Patents lassen die nach Absatz 1 eingetretene Rechtsfolge unberührt.“

Artikel II § 8 Absatz 1 IntPatÜbkG verlangt zwei im Wesentlichen identische Schutzrechte in Form eines nationalen und eines prioritätsgleichen279 europäischen Patents, aus denen derselbe Erfinder oder sein Rechtsnachfolger berechtigt ist (sog. Ursprungsgleichheit280). Die „Identität“ der Schutzrechte drückt sich ferner darin aus, dass beide Patente dieselbe Erfindung schützen müssen.

278  BT-Drs. 7/3712,

S. 20. kein gleicher Anmeldetag oder keine Prioritätsgleichheit, dann ist die Neuheit der späteren Erfindung zu verneinen; die mangelnde Neuheit der beim EPA angemeldeten Erfindung kann national aber erst im Nichtigkeitsverfahren geltend gemacht werden, um das europäische Erteilungsverfahren zu entlasten, siehe im Einzelnen Benkard/Ullmann/Tochtermann, PatG, Internationaler Teil, Rn. 144 m. w. N. 280  Busse/Keukenschrijver, PatG, Art II § 8 IntPatÜG Rn. 2 a. E. 279  Besteht

66

Kap. 1: Grundlagen

Rechtsprechung281 und Literatur282 folgern aus dem Wortlaut, der Entstehungsgeschichte und dem Sinn und Zweck des Artikels II § 8 Absatz 1 IntPatÜbkG, dass es für das Verbot des Doppelschutzes nicht lediglich auf die Übereinstimmung der Schutzansprüche ihrem Wortlaut nach ankommt, sondern auf die Übereinstimmung der Schutzbereiche, also den Schutzumfang283. Das Doppelschutzverbot kann auch dann greifen, wenn eine Ausführungsform nach den Grundsätzen der Äquivalenzlehre in den Schutzbereich des europäischen Schutztitels fällt.284 Es wird allerdings vorgebracht, dass Artikel II § 8 Absatz 1 IntPatÜbkG nur einen gleichwertigen Schutz aus dem nationalen Patent verhindern wolle und daher nicht zum Zuge komme, wenn es an der Gleichwertigkeit des Patentschutzes mangele, z. B. wegen Vorteilen bei der Rechtsdurchsetzung des nationalen Patents.285 Artikel II § 8 Absatz 1 IntPatÜbkG geht aufgrund des Bezuges auf den „Umfang“ der Übereinstimmung davon aus, dass eines der Schutzrechte einen überschießenden Schutzbereich haben kann. Der überschießende Teil eines nationalen Patents ist dann nicht von dem Doppelschutzverbot erfasst.286 Soweit aber die „Identität“ des nationalen und europäischen Schutzrechts reicht, hat das nationale Patent keine Wirkung mehr, d. h. ab Eintritt der Wirkungslosigkeit zu einem der in Artikel II § 8 Absatz 1 IntPatÜbkG genannten Zeitpunkte bestehen aus dem nationalen Schutzrecht keine Verbietungsrechte mehr287. Das Schutzrecht selbst bleibt aber bestehen.288 Die Rechtsfolge der 281  LG Düsseldorf, Urt. v. 16.03.1993, 4 O 137/92, GRUR 1993, 812, 815 – Signalübertragungsvorrichtung. 282  Benkard/Osterrieth/Henke, EPÜ, Art.  64 Rn. 4; Schulte/Rinken, PatG, § 9 Rn. 123; Kühnen, FS König, S. 309, 311; Nieder, Mitt. 1987, 205, 207; vgl. Busse/ Keukenschrijver, PatG, Art II § 8 IntPatÜG Rn. 6. 283  Bardehle, Mitt. 1977, 105, 106, stellt dem Schutzumfang den Offenbarungsumfang alternativ gegenüber. 284  LG Düsseldorf, Urt. v. 16.03.1993, 4 O 137/92, GRUR 1993, 812, 815 – Signalübertragungsvorrichtung. 285  Insbesondere Kühnen, FS König, S. 309, 321, sowie LG Düsseldorf, Urt. v. 19.12.2002, 4a O 4/00, InstGE 3, 8, 11 f. Rn. 17 – Cholesterin-Test. 286  BGH, Beschl. v. 22.02.1994, X ZB 15/92, GRUR Int. 1994, 751, 752 – Sulfonsäurechlorid, spricht vom Wegfall der Schutzwirkung nur im Umfang der Überschneidung der beiden Schutzrechte. So auch Busse/Keukenschrijver, PatG, Art II § 8 IntPatÜG Rn. 7 und Schulte/Püschel, PatG, Art II § 8 IntPatÜG Rn. 58. Wie hier: Schulte/Rinken, PatG, § 9 Rn. 123 a. E. Zur Anfechtbarkeit des Restpatents mit einer Nichtigkeitsklage und Folgefragen hierzu siehe LG Düsseldorf, Urt. v. 16.03.1993, 4 O 137/92, GRUR 1993, 812, 817 – Signalübertragungsvorrichtung. 287  Vgl. Kühnen, FS König, S. 309, 310; vgl. auch BGH, Beschl. v. 22.02.1994, X ZB 15/92, GRUR Int. 1994, 751, 752 – Sulfonsäurechlorid („Wegfall der Schutzwirkung“). 288  BGH, Beschl. v. 30.10.2007, X ZB 18/06, GRUR 2008, 279, 280 – Kornfeinung.



C. Doppelschutz und Doppelschutzverbot67

Wirkungslosigkeit tritt von Gesetzes wegen ein,289 ohne dass es eines besonderen Verfahrens bedürfte. Das früher vorgesehene Verfahren290 vor dem Bundespatentgericht zur Feststellung der Wirkungslosigkeit des nationalen Patents wurde später aufgehoben291. In dem Gesetzentwurf der Bundesregierung heißt es hierzu, das Verfahren habe sich sachlich nicht durchgesetzt und sei in der Praxis wenig genutzt worden.292 Da die Rechtsfolge des Artikels II § 8 IntPatÜbkG nur im Verletzungsverfahren zu beachten sei, sei ein auf das gleiche Ziel gerichtetes Feststellungsverfahren entbehrlich.293 Artikel II § 8 Absatz 1 IntPatÜbkG entfaltet keine Rückwirkung.294 Sind bis zu dem nach der Vorschrift relevanten Zeitpunkt bereits Ansprüche entstanden, dann bestehen diese fort.295 Die Rechtsfolge des Artikels II § 8 Absatz 1 IntPatÜbkG ist aber endgültig, wie sich aus Absatz 2 der Vorschrift ergibt. Danach lebt das nationale Patent mit dem Wegfall des europäischen Patents nicht wieder auf. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Regelung den Zweck des Artikels II § 8 Absatz 1 IntPatÜbkG absichern und einen Rückgriff auf das nationale Schutzrecht ausschließen.296

III. Doppelschutz und Doppelschutzverbot de lege ferenda Ausgehend von den europäischen Vorgaben soll im Folgenden das im Begleitgesetz vorgeschlagene neue System eines beschränkten Doppelschutzes überblicksartig betrachtet werden, bevor in Kapitel 2 auf den Doppelschutz im Einzelnen und in Kapitel 3 auf die Einrede der doppelten Inanspruchnahme näher eingegangen wird.

289  Benkard/Ullmann/Tochtermann, PatG, Internationaler Teil, Rn. 145; vgl. auch BT-Drs. 7/3712, S. 20 f. 290  Artikel II § 8 Absatz 3 a. F. lautete: „Das Patentgericht stellt auf Antrag, den auch der Patentinhaber stellen kann, die nach Absatz 1 eingetretene Rechtsfolge fest. Die Vorschriften des Patentgesetzes über das Nichtigkeitsverfahren sind entsprechend anzuwenden.“ Siehe BGBl. II 1976 S. 649, 651. 291  BGBl. II 1991 S. 1354, 1355. 292  BT-Drs. 12/632, S. 21. 293  BT-Drs. 12/632, S. 21. 294  Benkard/Rogge/Kober-Dehm, PatG, § 22 Rn. 30. 295  Kühnen, FS König, S. 309, 310; vgl. auch BGH, Beschl. v. 22.02.1994, X ZB 15/92, GRUR Int. 1994, 751, 752 – Sulfonsäurechlorid („Wegfall der Schutzwirkung für die Zukunft“) und LG Düsseldorf, Urt. v. 14.07.1988, 4 O 374/87, GRUR Int. 1989, 695, 697 – Halbschalenlagerung. 296  Siehe im Einzelnen BT-Drs. 12/632, S. 20.

68

Kap. 1: Grundlagen

1. Vorgaben des Patentpakets Das Patentpaket ist eingebettet in das System des Europäischen Patent­ übereinkommens, siehe die Ausführungen unter B. I. 3. a). Ausgangspunkt ist also auch in Ansehung des Patentpakets Artikel 139 Absatz 3 EPÜ, der den Vertragsstaaten die Wahlfreiheit in Bezug auf einen Doppelschutz einräumt, s. o. unter C. II. Das EPGÜ selbst enthält keine weiteren Vorschriften bezüglich eines doppelten Schutzes bzw. paralleler Klagen aus einem nationalen Patent und einem europäischen Schutztitel, wie dies etwa aus dem EU-Acquis zur Unionsmarke297 bzw. zum Gemeinschaftsgeschmacksmuster298 bekannt ist. Artikel 4 Absatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 verlangt von den an der verstärkten Zusammenarbeit teilnehmenden Mitgliedstaaten, sie sollten sicherstellen, dass am Tag der Veröffentlichung des Hinweises auf die Erteilung des europäischen Patents im Europäischen Patentblatt die Wirkung dieses Patents als nationales Patent auf ihrem Hoheitsgebiet als nicht eingetreten gilt, sofern die einheitliche Wirkung des europäischen Patents eingetragen wurde. Die Vorschrift will also ein paralleles Bestehen eines europä­ ischen Patents und eines europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung verhindern. Sie verhindert zudem, dass der Verweis des Artikels 64 EPÜ auf das nationale Recht der EPÜ-Vertragsstaaten, insbesondere seines Absatzes 3 in Bezug auf Verletzungsfälle, auf das europäische Patent mit einheitlicher Wirkung Anwendung findet.299 Im Übrigen enthält der 26. Erwägungsgrund der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 folgenden Hinweis: „Diese Verordnung berührt nicht das Recht der teilnehmenden Mitgliedstaaten, nationale Patente zu erteilen und sollte das einzelstaatliche Patentrecht der teilnehmenden Mitgliedstaaten nicht ersetzen. Patentanmelder sollten die Wahl haben, entweder ein nationales Patent, ein Europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung, ein Europäisches Patent mit Wirkung in einem oder mehreren Vertragsstaaten des EPÜ oder ein Europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung, das in einem oder mehreren anderen EPÜ-Vertragsstaaten, die keine teilnehmenden Mitgliedstaaten sind, validiert ist, anzumelden.“

Wie dieser Erwägungsgrund zu interpretieren ist, wird unterschiedlich beantwortet.300 Dieser Frage soll im 2. Kapitel weiter nachgegangen werden.301 297  Artikel 136 UMV,

siehe hierzu im Einzelnen Kap. 2, A. I. 3. siehe hierzu im Einzelnen Kap. 2, A. I. 4. 299  Siehe hierzu etwa Nieder, GRUR Int. 2014, 1033. 300  Siehe nur Chudziak, GRUR 2015, 839, 842 (Erwägungsgrund spricht für Doppelschutzverbot) und Nieder, GRUR Int. 2014, 1033, 1034 (Erwägungsgrund spricht nicht gegen Doppelschutz). 298  Artikel 95 GGV,



C. Doppelschutz und Doppelschutzverbot69

2. Vorschlag auf nationaler Ebene Die Bundesregierung hat in der 18. Legislaturperiode den Referentenentwurf302 sowie – nach Auswertung eingegangener Stellungnahmen zu diesem Entwurf – den Regierungsentwurf303 eines Begleitgesetzes vorgelegt. Wie bereits dargelegt,304 war das Begleitgesetz schon Gegenstand des parlamentarischen Verfahrens. Es wurde aber noch nicht durch den Bundespräsidenten ausgefertigt, da das Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf das erste und das zweite Vertragsgesetz angerufen wurde. Der weiteren Untersuchung werden die Vorschläge des Begleitgesetzes zugrunde gelegt, die mit dem Regierungsentwurf identisch sind. Das neue System eines beschränkten Doppelschutzes ergibt sich aus einer Zusammenschau der vorgeschlagenen Änderungen in Artikel II § 8 IntPatÜbkG-E sowie der neu vorgeschlagenen Artikel II § 15 Absatz 1 und § 18 IntPatÜbkG-E. Artikel II § 8 IntPatÜbkG, der das Verbot des Doppelschutzes regelt, soll in geänderter Form wie folgt lauten: (1) Soweit der Gegenstand eines im Verfahren nach dem Patentgesetz erteilten Patents eine Erfindung ist, für die demselben Erfinder oder seinem Rechtsnachfolger mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland ein europäisches Patent mit derselben Priorität erteilt worden ist, das auf Grund der Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung des Artikels 83 Absatz 3 des Übereinkommens über ein Einheitliches Patentgericht nicht der ausschließlichen Gerichtsbarkeit des Einheitlichen Patentgerichts unterliegt, hat das Patent in dem Umfang, in dem es dieselbe Erfindung wie das europäische Patent schützt, von dem Zeitpunkt an keine Wirkung mehr, zu dem 1. die Frist zur Einlegung des Einspruchs gegen das europäische Patent abgelaufen ist, ohne daß Einspruch eingelegt worden ist, 2. das Einspruchsverfahren unter Aufrechterhaltung des europäischen Patents rechtskräftig abgeschlossen ist, oder 3. die Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung nach Artikel 83 Absatz 3 des Übereinkommens über ein Einheitliches Patentgericht in Bezug auf das europä­ ische Patent wirksam geworden ist, wenn dieser Zeitpunkt nach dem in den Nummern 1 oder 2 genannten Zeitpunkt liegt, oder 4.3. das Patent erteilt wird, wenn dieser Zeitpunkt nach dem in den Nummern 1 bis 3 oder 2 genannten Zeitpunkt liegt. 301  Kap. 2,

B. I.

302  Abrufbar im Internet auf der Seite des BMJV: https://www.bmjv.de/SharedDocs/

Gesetzgebungsverfahren/DE/Anpassung_patentrechtlicher_Vorschriften_nach_euopae ischer_Patentreform.html (27.01.2021). 303  BT-Drs. 18/8827 sowie vorangehende Fußnote. 304  B. III. 2. a).

70

Kap. 1: Grundlagen

(2) Das Erlöschen, die Erklärung der Nichtigkeit, der Widerruf und die Beschränkung des europäischen Patents lassen die nach Absatz 1 eingetretene Rechtsfolge unberührt. Der Eintritt der Rechtsfolge nach Absatz 1 ist endgültig. (3) (weggefallen)

Der neue Artikel II § 15 Absatz 1 IntPatÜbkG-E, der die Überschrift „Europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung“ tragen soll, soll lauten: „Die §§ 1 bis 4 und 11 bis 14 gelten vorbehaltlich speziellerer Vorschriften auch für das europäische Patent mit einheitlicher Wirkung nach Artikel 2 Buchstabe c der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2012 über die Umsetzung der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes (ABl. L 361 vom 31.12.2012, S. 1; L 307 vom 28.10.2014, S. 83). Die §§ 5, 6a und 10 sind vorbehaltlich speziellerer Vorschriften auf europäische Patente mit einheitlicher Wirkung entsprechend anzuwenden.“

Der vorgeschlagene Artikel II § 18 IntPatÜbkG-E mit der Überschrift „Doppelschutz und Einrede der doppelten Inanspruchnahme“ lautet: „(1) Eine Klage wegen Verletzung oder drohender Verletzung eines im Verfahren nach dem Patentgesetz erteilten Patents ist als unzulässig abzuweisen, 1. soweit Gegenstand des Patents eine Erfindung ist, für die demselben Erfinder oder seinem Rechtsnachfolger mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland ein europäisches Patent oder ein europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung mit derselben Priorität erteilt worden ist, und 2. wenn ein Verfahren vor dem Einheitlichen Patentgericht gegen dieselbe Partei wegen Verletzung oder drohender Verletzung des europäischen Patents oder des europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung nach Nummer 1 durch die gleiche Ausführungsform rechtshängig ist oder das Einheitliche Patentgericht über ein solches Begehren eine rechtskräftige Entscheidung getroffen hat und 3. sofern der Beklagte dies in dem ersten Termin nach Entstehung der Einrede vor Beginn der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache rügt. (2) Erhebt der Beklagte eine Einrede nach Absatz 1, kann das Gericht anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Verfahrens vor dem Einheitlichen Patentgericht auszusetzen sei. (3) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend für ergänzende Schutzzertifikate. (4) Die Absätze 1 und 2 gelten nicht für vorläufige oder sichernde Maßnahmen.“

Werden die Vorschläge zusammen betrachtet, dann ergibt sich folgendes Bild: Es wird zunächst eine Beschränkung des Doppelschutzverbots nach Artikel II § 8 IntPatÜbkG vorgeschlagen. Es soll nur noch dann im Verhältnis des nationalen Schutztitels zum europäischen Patent greifen, wenn sich ein Patentinhaber entscheidet, sein europäisches Patent von der Gerichtsbarkeit des EPG auszunehmen und dementsprechend von dem sog. Opt-out nach Artikel 83 Absatz 3 EPGÜ Gebrauch macht. Denn dadurch gibt der



C. Doppelschutz und Doppelschutzverbot71

Schutzrechtsinhaber zu verstehen, dass es in Ansehung seines europäischen Patents bei der bisherigen Rechtslage bleiben soll. Dann greift aber die vom historischen Gesetzgeber aufgezeigte Interessenlage (II. 1.), so dass ein Doppelschutz nicht angezeigt ist. Ein späterer „Einstieg“ in die neue EPG-Gerichtsbarkeit durch Rücktritt vom Opt-out nach Maßgabe des Artikels 83 Absatz 4 EPGÜ ändert an der Rechtsfolge der Unwirksamkeit des nationalen Patents nichts, denn diese Rechtsfolge soll nach Artikel II § 8 Absatz 2 IntPatÜbkG-E aus Gründen der Rechtssicherheit endgültig sein305. Die Inanspruchnahme der Ausnahme des Artikels 83 Absatz 1 EPGÜ soll aus Gründen der Rechtssicherheit nicht zur Fortgeltung des Doppelschutzverbots führen, da diese Ausnahme an die Klageerhebung vor nationalen Gerichten anknüpft.306 Die Wirksamkeit eines nationalen Patents kann nicht von der Einleitung gerichtlicher Verfahren – etwa durch Dritte, die nicht mit dem Inhaber des europäischen Patents identisch sind – abhängig sein.307 In zeitlicher Hinsicht ist noch Folgendes zu berücksichtigen: Dadurch, dass Artikel II § 8 IntPatÜbkG-E an die Inanspruchnahme der Ausnahme nach Artikel 83 Absatz 3 EPGÜ anknüpft, würde die vorgeschlagene Vorschrift zeitlich solange Wirkung entfalten, solange die Ausnahmeregelung in Anspruch genommen werden kann308 und, aufgrund des Artikels II § 8 Absatz 2 IntPatÜbkG-E, solange es nationale, nicht für nichtig erklärte Patente gibt, die wegen des Doppelschutzverbots ihre Wirksamkeit eingebüßt haben. Die vorgeschlagene Beschränkung des Doppelschutzverbots betrifft das Verhältnis zwischen einem nationalen und einem im Wesentlichen identischen europäischen Patent. Für das Verhältnis zwischen einem nationalen und einem europäischen Patent mit einheitlicher Wirkung soll das Doppelschutzverbot nicht gelten, weil Artikel II § 15 Absatz 1 IntPatÜbkG-E nicht auf die Vorschrift des Artikels II § 8 IntPatÜbkG-E verweist. Letztere Vorschrift soll gerade nicht für das europäische Patent mit einheitlicher Wirkung gelten. Für den Fall, dass es zu einem Doppelschutz auf der Grundlage eines nationalen Patents und eines im Wesentlichen identischen europäischen Patents oder europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung kommt, eröffnet Arti305  BT-Drs. 18/8827,

S. 19. BT-Drs. 18/8827, S. 18 f. 307  BT-Drs. 18/8827, S. 18 f. 308  Die Ausnahme kann spätestens einen Monat vor Ablauf einer siebenjährigen Übergangszeit nach Inkrafttreten des EPGÜ in Anspruch genommen werden, die wiederum um bis zu sieben Jahre verlängert werden kann, Artikel 83 Absatz 1, Absatz 3 Satz 1 und 2, Absatz 5 Satz 2 EPGÜ. 306  Vgl.

72

Kap. 1: Grundlagen

kel II § 18 IntPatÜbkG-E die Möglichkeit der Einrede der doppelten Inanspruchnahme, die in Kapitel 3 im Einzelnen dargestellt wird. Die Einrede soll im Wesentlichen nach Möglichkeit verhindern, dass eine beklagte Partei aus beiden Schutzrechten, also dem nationalen und dem europäischen, doppelt in Anspruch genommen wird.

D. Konzept der Einrede Die Einrede der doppelten Inanspruchnahme nach Artikel II § 18 IntPatÜbkG-E wird erst dann nachvollziehbar, wenn ihre Grundlage, namentlich das Konzept der Einrede, und zwar der prozesshindernden Einrede, deutlich wird. Diese Grundlage wird im Folgenden aufgezeigt.

I. Terminologie Der Begriff der Einrede wird nicht einheitlich verwendet.309 Die unterschiedliche Terminologie dürfte unter anderem darauf zurückzuführen sein, dass es sich bei der Einrede um einen umstrittenen Begriff310 mit langer Historie311 handelt. Diesen Begriff hat der Gesetzgeber des BGB zudem nicht definiert – im Gegensatz zum Begriff des Anspruchs, wie § 194 Absatz 1 BGB zeigt.312 Der Gesetzgeber des BGB hat sich auch nicht unbedingt an den Begriffen der zeitlich älteren ZPO orientiert.313 Dies ist insoweit nachvollziehbar, als das BGB von dem Pandektenrecht Windscheids durchdrungen ist.314 Windscheid trennte die Einrede von ihrer prozessualen Seite und stellte sie als das Gegenstück zum Anspruch und damit als rein materiell-

309  So umfasst der Begriff der Einrede im Sinne der ZPO Einwendungen und Einreden im Sinne des BGB, vgl. z. B. Musielak/Voit, Grundkurs ZPO, Rn. 724. 310  Seelig, Die prozessuale Behandlung materiellrechtlicher Einreden, S. 1. Siehe auch Jahr, JuS 1964, 125 ff.; 218 ff.; 293 ff. 311  Zur rechtshistorischen Entwicklung der Einrede, insbesondre der materiellrechtlichen, und ihre Zurückführung auf die „exceptio“ des römischen Rechts siehe Seelig, Die prozessuale Behandlung materiellrechtlicher Einreden – heute und einst, S. 1 f., 13 ff. Siehe auch Roth, Die Einrede des bürgerlichen Rechts, S. 8 ff. 312  Der Gesetzgeber des BGB hat den Begriff der Einrede jedoch erläutert, siehe: Mugdan I, S. 540, 550 (= Motive I, S. 342, 360); Mugdan I, S. 842 (= Denkschrift, S. 36); Mugdan I, S. 793 f. (= Protokolle I, S. 466); Mugdan II, S. 112 f. (= Motive II, S. 204). 313  Vgl. Musielak/Voit, Grundkurs ZPO, Rn. 724. 314  Roth, Die Einrede des bürgerlichen Rechts, S. 24, bezeichnet Windscheid als den Schöpfer des Anspruchsbegriffs des BGB und den Schöpfer seines Einredebegriffs. Siehe auch ebenda, S.  23 f.



D. Konzept der Einrede73

rechtliches Gebilde dar.315 Mit Windscheid entfernte sich die Rechtswissenschaft von der Vorstellung von Savigny von der Einrede als einem „materiellrechtlich prozessualen Zwitter“.316 Die heutige Rechtswissenschaft trennt zwar die Einrede im Sinne der ZPO von der materiell-rechtlichen Einrede im Sinne des BGB, versucht aber gleichzeitig beide in einen Gesamtkontext zu stellen.317 Dieser Aspekt wird nun näher beleuchtet, um die prozesshindernde Einrede einordnen zu können. Eine bildliche Darstellung ist am Ende des Abschnitts unter III. zu finden. Sowohl bei Einreden im Sinne der ZPO als auch bei materiell-rechtlichen Einreden handelt es sich im Grunde um Arten von Verteidigungsmitteln des Beklagten (oder seines Streitgenossen318) bzw. des Schuldners.319 Dabei wird der Begriff der Einrede im Sinne der ZPO umfassender verstanden. Die prozessualen Verteidigungsmittel lassen sich grob in prozessuale Einwendungen, die die Begründetheit der Klage betreffen, und prozesshindernde Einreden, die die Zulässigkeit der Klage betreffen, unterteilen.320 Die prozessualen Einwendungen umfassen wiederum das Bestreiten des Klagegrundes sowie die Erklärung mit Nichtwissen nach § 138 Absatz 4 ZPO, die prozessualen

315  Siehe

z. B. den Überblick bei Roth, Die Einrede des bürgerlichen Rechts, S. 23 f. Die Einrede des bürgerlichen Rechts, S. 24. 317  Siehe etwa zu prozessualen Einreden und materiell-rechtlichen Einreden sowie Einwendungen das Schaubild bei Pohlmann, Zivilprozessrecht, Rn. 516. Im Ergebnis lebt in gewisser Wiese das Einredeverständnis von Savigny wieder auf. 318  Zu § 145 PatG vgl. etwa Fitzner/Lutz/Bodewig/Kircher, PatR, § 145 Rn. 21. 319  Zur Unterscheidung zwischen prozessualen Verteidigungsmitteln sowie Verteidigungsmitteln gegen Ansprüche siehe Larenz/Wolf, BGB AT, § 18 V 3, Rn. 80 und § 18 IV 1, Rn. 42 – insoweit klarer als die nachfolgende Auflage. 320  Vgl.  Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 103 I und II, Rn. 1 ff. zum Oberbegriff der (prozessualen) Einwendung und – ohne den Begriff der Einwendung als Oberbegriff zu verwenden, aber unter Mitberücksichtigung der prozesshindernden Einrede – Larenz/Wolf, BGB AT, § 18 V 3, Rn. 80. Zu prozesshindernden Einreden siehe Pukall/Kießling, Der Zivilprozess in der Praxis, Rn. 699; Seelig, Die prozessuale Behandlung materiellrechtlicher Einreden, S. 6. Die hier angesprochene Unterteilung der prozessualen Verteidigungsmittel ist abzugrenzen von der Unterscheidung zwischen Prozessvoraussetzungen und Prozesshindernissen, die die Zulässigkeit der einzelnen Klage betreffen. Siehe hierzu etwa Rosenberg/ Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 94. Die prozessualen Verteidigungsmittel beziehen sich aus der Perspektive der beklagten Partei auf die Begründetheit und die Zulässigkeit der Klage, wohingegen die Prozessvoraussetzungen und Prozesshindernisse lediglich die Zulässigkeit der Klage in den Blick nehmen, dies jedoch umfassender. Beide Unterscheidungsmodelle haben einen Berührungspunkt, namentlich die prozesshindernde Einrede, die auch als Prozesshindernis bezeichnet wird, siehe Förschler/Steinle, Der Zivilprozess, Rn. 409 a. E.; Roth, Die Einrede des Bürger­ lichen Rechts, S. 242; vgl. Seelig, Die prozessuale Behandlung materiellrechtlicher Einreden, S. 6. 316  Roth,

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Kap. 1: Grundlagen

Einreden und die Beweiseinreden, die die Zulässigkeit und Zuverlässigkeit von Beweismitteln betreffen (siehe § 282 Absatz 1 ZPO).321 Bei prozessualen Einreden trägt die beklagte Partei weitere Tatsachen gegen das Klagebegehren vor,322 die eine Gegennorm begründen323. Sie werden je nach ihrer Wirkung in rechtshindernde, rechtsvernichtende und rechtshemmende Einreden unterteilt.324 Diese Unterscheidung erinnert an das bürger­ liche Recht, wo als Verteidigungsmittel gegen Ansprüche rechtshindernde und rechtsvernichtende Einwendungen von rechtshemmenden Einreden abgegrenzt werden.325 Die prozessuale Einrede umfasst mithin materiell-rechtliche Einwendungen und Einreden.326 Der Zweck der terminologischen Unterscheidung zwischen Einwendungen und Einreden liegt im Grunde darin, zu verdeutlichen, dass die Einrede ein zusätzliches Handeln der begünstigten Partei erfordert. Prozessual wird dies üblicherweise mit dem Wort der Rüge ausgedrückt.327 Die beklagte Partei muss eine Rüge erheben, damit eine prozesshindernde Einrede vom Gericht berücksichtigt wird. Im materiellen Recht heißt es, der Schuldner müsse die materiell-rechtliche Einrede, die als Gegenrecht ein subjektives Recht darstelle, geltend machen.328 321  Vgl.  Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 103 I, Rn. 1 sowie zusätzlich zur Erklärung mit Nichtwissen und zu Beweiseinreden Larenz/Wolf, BGB AT, § 18 V 3, Rn. 80. Vgl. auch Jahr, JuS 1964, 125, 128. 322  Neuner, BGB AT, § 21 III 2 Rn. 39. 323  Vgl. Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 103 II 2, Rn. 5. 324  Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 103 II 2, Rn. 7 ff. 325  Neuner, BGB AT, § 21 II Rn. 11 ff. Die materiell-rechtlichen Einreden werden wiederum in peremptorische (dauernde, z. B. Verjährung) und dilatorische (zeitweilige oder vorübergehende wie das Zurückbehaltungsrecht) unterteilt, Roth, Die Einrede des Bürgerlichen Rechts, S. 37 f. 326  Larenz/Wolf, BGB AT, § 18 V 3, Rn. 80. 327  §§ 296 Absatz 3, 532, 1032 Absatz 1 ZPO; vgl. Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 94 I 1, Rn. 1 im Hinblick auf die Prozesshindernisse. Diese werden auch als prozesshindernde Einreden bezeichnet, siehe etwa Pukall/Kießling, Der Zivilprozess in der Praxis, Rn. 699. 328  Larenz/Wolf, BGB AT, § 18 IV 4, Rn. 55; anders jedoch in Bezug auf die peremptorische Einrede Schlosser, JuS 1966, 257 ff. Die Erhebung der Einrede wird zwischenzeitlich als „materiell-rechtliche Gestaltung“ und nicht als „prozessuale Befugnis“ angesehen, Meller-Hannich, Zivilprozessrecht, Rn. 320, unter Berufung auf BGH, Beschl. v. 23.06.2008, GSZ 1/08, NJW 2008, 3434, 3435. Die Einredeerhebung sei ein „Unterschied im materiellen Recht“, Meller-Hannich, a. a. O. Diese Sichtweise trägt dem Umstand Rechnung, dass materiell-rechtliche Einreden und Einwendungen im Prozess nur dann Wirkung entfalten, wenn sie in den Rechtsstreit eingeführt werden (so auch BGH, a. a. O.). Aus prozessualer Sicht ist es daher nicht erforderlich, prozessuale Einreden (siehe Schaubild unter III.) wie im bürgerlichen Recht in Einreden und Einwendungen zu untertei-



D. Konzept der Einrede75

II. Prozesshindernde Einrede Prozesshindernde Einreden, die auch Prozesshindernisse genannt wer­ den,329 sind verzichtbare Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen. Solche Rügen werden z. B. in §§ 282 Absatz 3, 296 Absatz 3 ZPO in Bezug genommen. Welche Rügen zu den prozesshindernden Einreden zu zählen sind, ist nicht hinreichend geklärt. Im Zivilprozessrecht wird jedenfalls die Einrede der Schiedsvereinbarung bzw. Schiedsklausel nach § 1032 ZPO zu diesen gezählt.330 Parallel zu § 1032 ZPO enthält § 102 ArbGG eine Regelung zur prozesshindernden Einrede des Bestehens eines Schiedsvertrages.331 Unter den Begriff der prozesshindernden Einrede bzw. des Prozesshindernisses werden im Zivilprozessrecht teilweise noch weitere Rügen gefasst, z. B. die Verweigerung der Einlassung wegen fehlender Ausländersicherheit, §§ 110 ff. ZPO, die Einrede der mangelnden Kostenerstattung aus früherem Rechtsstreit, § 269 Absatz 6 ZPO, oder die Rüge des Fehlens der Prozessvollmacht, § 88 Absatz 1 ZPO.332 Ob eine Zuordnung der jeweiligen Rüge zu den prozesshindernden Einreden erfolgt, hängt z. B. davon ab, ob der Rüge eine Sachurteilsvoraussetzung zugrunde liegt oder nicht.333 Die prozesshindernde Einrede ist auch im Patentrecht bekannt. Sie ist in § 145 PatG geregelt,334 wobei der Wortlaut im Vergleich zu § 1032 ZPO oder § 102 ArbGG etwas weniger eindeutig ist. Die weiteren Ausführungen erfolgen mit Blick auf die – als solche anerkannten – prozesshindernden Einreden nach § 1032 ZPO sowie nach § 145 PatG. Es werden die wichtigen übergreifenden Merkmale der prozesshindernden Einrede dargestellt, ohne im Detail len. Dabei sollte aber nicht in den Hintergrund geraten, dass es durchaus Einreden im Sinne des Prozessrechts gibt, die nur bei Erhebung, also auf Rüge hin, beachtet werden. Dies sind die prozesshindernden Einreden. 329  Siehe etwa Förschler/Steinle, Der Zivilprozess, Rn. 409 a. E.; Roth, Die Einrede des Bürgerlichen Rechts, S. 242. 330  MüKo/Münch, ZPO, Bd. 3, § 1032 Rn. 2; Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, Bd. 10, § 1032 Rn. 1 („echte Prozesseinrede“); Pukall/Kießling, Der Zivilprozess in der Praxis, Rn. 699; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 94 IV 1, Rn. 28; Roth, Die Einrede des Bürgerlichen Rechts, S. 242. 331  § 102 ArbGG tritt insoweit an die Stelle des § 1032 ZPO, Germelmann/Prütting/Matthes, ArbGG, § 102 Rn. 1, und hat im arbeitsgerichtlichen Verfahren die gleiche Funktion wie § 1032 ZPO, Schwab/Weth/Zimmerling, ArbGG, § 102 Rn. 1. 332  Förschler/Steinle, Der Zivilprozess, Rn. 410; Pukall/Kießling, Der Zivilprozess in der Praxis, Rn. 699. 333  Vgl. hierzu Förschler/Steinle, Der Zivilprozess, Rn. 403, 409 f. Das Prozesshindernis stellt danach eine verzichtbare Sachurteilsvoraussetzung dar. 334  BGH, Urt. v. 14.07.1966, Ia ZR 79/64, GRUR 1967, 84, 87 – Christbaumbehang II („verzichtbare Einrede“); Benkard/Grabinski/Zülch, PatG, § 145 Rn. 2; Schulte/Voß, PatG, § 145 Rn. 23.

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Kap. 1: Grundlagen

auf alle Voraussetzungen der verschiedenen Einreden einzugehen, was Nutzen für den Einzelfall hat, aber nicht erforderlich ist für eine Darstellung des Konzepts der prozesshindernden Einrede. Aufgegriffen werden aber prozessuale Besonderheiten der prozesshindernden Einrede sowie die Rechtsfolgen und -wirkungen der Einrede. 1. Merkmale Das Hauptmerkmal der prozesshindernden Einrede besteht darin, dass sich die beklagte Partei ausdrücklich auf die Einrede berufen muss.335 Dabei ist die Einrede nicht an eine bestimmte Form gebunden.336 Die prozesshindernde Einrede ist verzichtbar.337 Der Verzicht hat im Grundsatz zwei Ausprägungen: Er kann zum einen lediglich als das Unter­ lassen der Geltendmachung der Einrede verstanden werden oder zum anderen als eigenständige prozessuale Handlung im Sinne einer „Denkfigur“338.339 Die ZPO macht diesen Unterschied in § 295 in Bezug auf Verfahrensrügen deutlich.340 Im Zusammenhang mit prozesshindernden Einreden besteht kein einheit­ liches Verständnis. Es ist vielmehr bei jeder einzelnen Einrede zu prüfen, wie das Merkmal der Verzichtbarkeit zu verstehen ist. Die Stellungnahmen hierzu 335  BGH, Urt. v. 28.02.1957, VII ZR 204/56, NJW 1957, 791; Urt. v. 14.07.1966, Ia ZR 79/64, GRUR 1967, 84, 87 – Christbaumbehang II; Baumbach/Lauterbach/ Anders, ZPO, § 1032 Rn. 5; Benkard/Grabinski/Zülch, PatG, § 145 Rn. 2; Musielak/ Voit, ZPO, § 1032 Rn. 7; Schulte/Voß, PatG, § 145 Rn. 23; Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, Bd. 10, § 1032 Rn. 1; Wieczorek/Schütze, ZPO, Bd. 11, § 1032 Rn. 22; Zöller/ Geimer, ZPO, § 1032 Rn. 1. 336  BGH, Urt. v. 13.01.2009, XI ZR 66/08, NJW-RR 2009, 790, 792 m. w. N.; Baumbach/Lauterbach/Anders, ZPO, § 1032 Rn. 5a; Musielak/Voit, ZPO, § 1032 Rn. 7; Zöller/Geimer, ZPO, § 1032 Rn. 1; Kröll, SchiedsVZ 2010, 144, 147. 337  BGH, Urt. v. 14.07.1966, Ia ZR 79/64, GRUR 1967, 84, 87 – Christbaumbehang II; Baumbach/Lauterbach/Anders, ZPO, § 1032 Rn. 5a; Schulte/Voß, PatG, § 145 Rn. 23; Pukall/Kießling, Der Zivilprozess in der Praxis, Rn. 699. 338  Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, Bd. 10, § 1032 Rn. 9. 339  Im materiellen Recht gestaltet sich die Lage etwas anders: Die Verzicht wird im Grunde als eine Ausprägung des Charakters der Einrede als subjektives Recht verstanden. Mit dem Verzicht entfalle das Gegenrecht. Die Einrede sei dem Gestaltungsrecht ähnlich, aber flexibler, weil sie nicht mit der Ausübung verbraucht sei. Deswegen komme ein Verzicht auch nach vorheriger Geltendmachung der Einrede noch in Betracht. Siehe hierzu insgesamt: Larenz/Wolf, BGB AT, § 18 IV 4, Rn. 55. 340  Der (Klage-)Verzicht nach § 306 ZPO stellt eine weitere Ausprägung des Verzichts in der ZPO dar. Er wird überwiegend als reine Prozesshandlung verstanden, der nur wirksam sei, wenn die Prozesshandlungsvoraussetzungen vorlägen, Zöller/ Feskorn, ZPO, Vorbemerkungen zu §§ 306, 307 Rn. 3.



D. Konzept der Einrede77

in Literatur und Rechtsprechung sind überschaubar. Im Zusammenhang mit § 1032 ZPO wird eher der Ausprägung des Verzichts als eines bloßen Unterlassens der Rüge der Vorzug gegeben.341 Dies ist überzeugend, denn wird eine Klage vor dem staatlichen Gericht trotz Schiedsvereinbarung erhoben und rügt die beklagte Partei die Anrufung des staatlichen Gerichts bewusst nicht gemäß § 1032 Absatz 1 ZPO oder vereinbaren dies die Parteien vor Klageerhebung, dann kommt dies einer konkludenten Aufhebungsvereinbarung mit Blick auf die Schiedsvereinbarung gleich.342 Im Patentrecht scheint hingegen zumindest ein weitergehendes Verständnis des Verzichts in der Rechtsprechung durch.343 Erwähnenswert ist schließlich, dass sowohl ein späterer innerprozessualer Verzicht im Sinne eines „Fallenlassens“ der Einrede möglich ist, als auch ein früherer vorprozessualer Verzicht.344 Die Verzichtbarkeit der prozesshindernden Einrede lässt sich auch negativ abgrenzen. Die systematische Sichtweise zeigt, dass die ZPO zwischen verzichtbaren Rügen und solchen Rügen unterscheidet, auf die eine Partei nicht verzichten kann. Besonders deutlich wird dies bei einer Zusammenschau der §§ 295 Absatz 2, 296 Absatz 3 und 532 ZPO. § 295 Absatz 1 ZPO, der die Heilung der Verletzung von Verfahrensvorschriften durch Verzicht oder mangelnde Rüge betrifft, gilt nach seinem Absatz 2 dann nicht, wenn Vorschriften verletzt sind, auf deren Befolgung eine Partei nicht wirksam verzichten kann. § 296 Absatz 3 ZPO bestimmt, dass verspätete Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen und auf die die beklagte Partei verzichten kann, nur dann zuzulassen sind, wenn sie die Verspätung genügend entschuldigt. § 532 ZPO hat ebenfalls Rügen, die die Zulässigkeit einer Klage betreffen, 341  Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, Bd. 10, § 1032 Rn. 9: „Für die gesonderte Denkfigur eines ‚Verzichts‘ auf die Einrede der Schiedsvereinbarung ist im Übrigen kein Raum. Die Erhebung der Einrede kann schlicht unterlassen werden.“ 342  Vgl. insoweit Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, Bd. 10, § 1032 Rn. 9 sowie Zöller/ Geimer, ZPO, § 1032 Rn. 5. 343  Siehe BGH, Urt. v. 14.07.1966, Ia ZR 79/64, GRUR 1967, 84, 87 – Christbaumbehang II. Bei der Erörterung der Einordnung des § 145 PatG (= § 54 PatG a. F.) heißt es: „Im Schrifttum besteht Streit, ob die Präklusion nach § 54 PatG ein Prozeßhindernis, d. h. das Fehlen einer Prozeßvoraussetzung, darstellt, somit von Amts wegen in jeder Verfahrenslage zu beachten ist, oder ob die Vorschrift dem Verletzungsbekl. lediglich eine Einrede gewährt, die er – grundsätzlich in den Tatsacheninstanzen – vorbringen muß und auf deren Geltendmachung er auch  ganz  verzichten kann.“ Der BGH hat sich sodann für die „verzichtbare Einrede“ entschieden. Ob der BGH den Verzicht als eigenständige „Denkfigur“ verstanden hat, ist nicht klar. 344  MüKo/Münch, ZPO, Bd. 3, § 1032 Rn. 16 m. w. N. Im materiellen Recht unterscheidet Schlosser scharf zwischen dem Verzicht auf Einredewirkungen und dem Verzicht auf das noch nicht ausgeübte Einrederecht, JuS 1966, 257, 259.

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Kap. 1: Grundlagen

zum Gegenstand. Danach sind verzichtbare Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen und die entgegen den §§ 520 und 521 Absatz 2 ZPO nicht rechtzeitig vorgebracht werden, nur dann zuzulassen, wenn die Partei die Verspätung genügend entschuldigt. Dies gilt nach Satz 2 der Vorschrift auch für verzichtbare neue Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen, wenn die Partei sie im ersten Rechtszug hätte vorbringen können. §§ 295 Absatz 2, 296 Absatz 3 und 532 ZPO beziehen sich auf zwei Gruppen von Rügen, und zwar Verfahrensrügen (§ 295 ZPO, der für die Berufungsinstanz in § 534 ZPO und für die Revisionsinstanz in § 556 ZPO aufgegriffen wird) sowie Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen. Unabhängig hiervon haben sie eine Gemeinsamkeit: sie setzen voraus, dass der Rechtsanwender zwischen verzichtbaren und unverzichtbaren Rügen345 unterscheiden kann. Unverzichtbare Rügen beziehen sich auf Verstöße von einigem Gewicht.346 Es handelt sich um Verstöße gegen Normen, an deren Einhaltung ein öffentliches Interesse besteht, wie die geordnete, funktions­ fähige Rechtspflege oder das besondere Schutzbedürfnis einer Partei.347 Hierbei handelt es sich insbesondere um die vom Gericht von Amts wegen zu prüfenden Prozessvoraussetzungen.348 Bei der Bestimmung der Unverzichtbarkeit einer Rüge greift die Rechtsprechung auch auf § 40 Absatz 2 ZPO zurück, prüft also, ob eine Prorogation unzulässig wäre.349 Bei der prozesshindernden Einrede handelt es sich genau um das Gegenteil: eine verzichtbare Rüge, die die Zulässigkeit einer Klage betrifft. Die prozesshindernde Einrede ist „präklusionsbedroht“.350 Wann Präklusion eintritt, ist je nach Einrede zu beurteilen. Im Grundsatz gelten die allgemeinen Präklusionsvorschriften der §§ 282 Absatz 3, 296 Absatz 3 ZPO.351 Das bedeutet, dass die Einrede vor der Verhandlung zur Hauptsache vorzubringen ist. Ist der beklagten Partei eine Frist zur Klageerwiderung gesetzt 345  Im Falle von § 295 Absatz 2 ZPO geht es genauer gesagt um Vorschriften, auf deren Befolgung eine Partei nicht verzichten kann. 346  Vgl. Baumbach/Lauterbach/Bünnigmann, ZPO, § 295 Rn. 16 sowie die nachfolgenden Beispiele in Rn. 17 ff. 347  Vgl. Zöller/Greger, ZPO, § 295 Rn. 2 a. E., dort umgekehrte Formulierung in Bezug auf verzichtbare Normen. Vgl. ebenfalls Baumbach/Lauterbach/Bünnigmann, ZPO, § 295 Rn. 16 („Verstoß gegen Normen im Interesse der Öffentlichkeit oder des Prozessgegners.“). 348  BSG, Beschl. v. 27.04.2010, B 2 U 344/09 B, NJW 2011, 107; Baumbach/ Lauterbach/Bünnigmann, ZPO, § 295 Rn. 43 und a. a. O./Göertz § 532 Rn. 3 a. E.; Zöller/Greger, ZPO, § 295 Rn. 4, vgl. auch § 532 Rn. 3. Vgl. Wieczorek/Schütze/ Assmann, ZPO, Bd. 4, § 282 Rn. 64 (Ausnahme zur verzichtbaren Rüge). 349  Siehe etwa BGH, Urt. v. 22.02.2005, KZR 28/03, NJW 2005, 1660, 1661. 350  MüKo/Münch, ZPO, Bd. 3, § 1032 Rn. 2. 351  Zu § 145 PatG: Mes, PatG, § 145 Rn. 1; Schulte/Voß, PatG, § 145 Rn. 23.



D. Konzept der Einrede79

worden, so ist die Rüge schon innerhalb dieser Frist geltend zu machen, § 282 Absatz 3 Satz 2 ZPO. Bei Verspätung ist die Rüge nur noch dann zuzulassen, wenn die beklagte Partei die Verspätung genügend entschuldigt, § 296 Absatz 3 ZPO. Im Falle der Einrede nach § 1032 Absatz 1 ZPO wurde früher die Anwendbarkeit der allgemeinen Präklusionsvorschriften angenommen.352 Heute sehen Rechtsprechung353 und die überwiegende Literatur354 in § 1032 ZPO eine Sonderregelung, die den allgemeinen Präklusionsvorschriften vorgeht. Dies bedeutet im Endeffekt, dass die Präklusion zeitlich nach hinten hinausgeschoben wird, denn nach § 1032 ZPO muss die Rüge bis vor Beginn der mündlichen Verhandlung erhoben werden – mangels ausdrück­ licher Regelung also nicht bereits innerhalb einer Klageerwiderungsfrist. Ein Pendant zu § 282 Absatz 3 Satz 2 ZPO fehlt in § 1032 Absatz 1 ZPO. 2. Prozessuale Besonderheiten Eine wichtige Frage, die sich prozessual stellt, betrifft das Verhältnis der prozesshindernden Einrede zum Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. § 145 PatG setzt tatbestandlich Klagen nach § 139 PatG voraus. Deswegen355 sowie wegen der Dringlichkeit356 der Verfahrensart wird die Geltung der Vorschrift im einstweiligen Verfügungsverfahren verneint.357 Bei § 1032 ZPO stellt sich die Lage wie folgt dar: § 1033 ZPO bestimmt, dass eine Schiedsvereinbarung, die eine Rüge nach § 1032 ZPO tragen würde, nicht ausschließt, dass ein Gericht vor oder nach Beginn des schiedsrichterlichen Verfahrens auf Antrag einer Partei eine vorläufige oder sichernde Maßnahme in Bezug auf den Streitgegenstand des schiedsrichter­ lichen Verfahrens anordnet. Parallel dazu bestimmt § 1041 Absatz 1 Satz 1 ZPO, dass das Schiedsgericht auf Antrag einer Partei vorläufige oder sichernde Maßnahmen anordnen kann, die es in Bezug auf den Streitgegenstand für erforderlich hält, wenn die Parteien nichts anderes vereinbart haben. 352  Zu

§ 1027a a. F. vgl. MüKo/Münch, ZPO, Bd. 3, § 1032 Rn. 16 Fn. 86. Urt. v. 10.05.2001, III ZR 262/00, NJW 2001, 2176. 354  Baumbach/Lauterbach/Anders, ZPO, § 1032 Rn. 5; Musielak/Voit, ZPO, § 1032 Rn. 7; Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, Bd. 10, § 1032 Rn. 5; Zöller/Geimer, ZPO, § 1032 Rn. 1; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 178 I 3, Rn. 4; Huber, SchiedsVZ 2003, 73; a. A.: MüKo/Münch, ZPO, Bd. 3, § 1032 Rn. 16 f. mit umfangreichen Nachweisen zu beiden Ansichten; Wieczorek/Schütze, ZPO, Bd. 11, § 1032 Rn. 22. 355  Stjerna, GRUR 2007, 194, 195. 356  Fitzner/Lutz/Bodewig/Kircher, PatR, § 145 Rn. 5. 357  Die Geltung des § 145 PatG im einstweiligen Verfügungsverfahren wird auch allgemein verneint von: Busse/Keukenschrijver, PatG, § 145 Rn. 12; Mes, PatG, § 145 Rn. 4; Schulte/Voß, PatG, § 145 Rn. 7 a. E. 353  BGH,

80

Kap. 1: Grundlagen

Beide, sowohl das ordentliche Gericht als auch das Schiedsgericht können demnach Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes erlassen, für eine Einrede der Schiedsvereinbarung ist insoweit kein Raum.358 De facto besteht damit durchaus die Gefahr, dass das Schiedsverfahren durch den einstweiligen Rechtsschutz der ordentlichen Gerichte unterlaufen wird.359 Allerdings dürften Anträge bei den ordentlichen Gerichten kurz vor Erlass eines Schiedsspruchs wenig Aussicht auf Erfolg haben.360 Hintergrund des § 1033 ZPO ist letztlich der Gedanke der Gewährung effektiven Rechtsschutzes in Eilfällen.361 Die Vorschrift erfasst auch das selbständige Beweisverfahren.362 Ordnet das Gericht eine Klageerhebung nach § 926 Absatz 1 ZPO in der von der Schiedsvereinbarung erfassten Hauptsache an, dann ist die Klage beim Schiedsgericht zu erheben.363 Als weitere prozessuale Besonderheit im Zusammenhang mit den prozesshindernden Einreden, insbesondere § 1032 ZPO, ist der Arglisteinwand nach § 242 BGB zu erwähnen.364 Ein Fall des venire contra factum proprium liegt etwa dann vor, wenn sich die beklagte Partei im gerichtlichen Verfahren auf die Einrede nach § 1032 ZPO beruft und zuvor im schiedsrichterlichen Verfahren die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung geltend machte.365 Gleiches gilt, wenn vor Erhebung der prozesshindernden Einrede in einem vorprozessualen Schriftsatz oder in einem laufenden schiedsrichterlichen Verfahren die Zuständigkeit des staatlichen Gerichts vorgebracht wurde.366 Ein Verstoß wurde auch in zeitlich umgekehrten Konstellationen angenommen. 358  Zöller/Geimer,

ZPO, § 1032 Rn. 9. ZPO, § 1032 Rn. 9. 360  Vgl. Stein/Jonas/Schlosser, Bd. 10, ZPO, § 1033 Rn. 1. 361  Prütting/Gehrlein, ZPO, § 1033 Rn. 1; vgl. auch Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, Bd. 10, § 1033 Rn. 1. Die amtliche Begründung BT-Drs. 13/5274, S. 39, hält fest, dass das Verfahren vor dem staatlichen Gericht im Einzelfall schneller zum Ziel führen könne als der Weg über das Schiedsgericht. Außerdem könne eine Subsidiaritätsklausel den auf Schnelligkeit angewiesenen einstweiligen Rechtsschutz beeinträchtigen. 362  OLG Frankfurt, Beschl. v. 05.05.1993, 19 W 8/93, Juris-Rn. 5; OLG Koblenz, Beschl. v. 15.07.1998, 5 W 464/98, MDR 1999, 502 f.; Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, Bd. 10, § 1033 Rn. 1; Prütting/Gehrlein, ZPO, § 1033 Rn. 2. 363  Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, Bd. 10, § 1033 Rn. 6. 364  Zu verschiedenen Konstellationen siehe etwa Longrée/Wedel, MDR 2016, 1362, 1364 f. 365  BGH, Urt. v. 20.05.1968, VII ZR 80/67, NJW 1968, 1928 f. (Vortrag, Schiedsvertrag bestehe nicht mehr); BeckOK ZPO/Wolf/Eslami, § 1032 Rn. 19; Wieczorek/ Schütze, ZPO, Bd. 11, § 1032 Rn. 24 f.; Zöller/Geimer, ZPO, § 1032 Rn. 20; vgl. MüKo/Münch, ZPO, Bd. 3, § 1032 Rn. 9 m. w. N. in Fn. 50, der anschaulich von einem „Hase-Igel-Syndrom“ spricht. 366  Prütting/Gehrlein, ZPO, § 1032 Rn. 2; Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, Bd. 10, § 1032 Rn. 14; Wieczorek/Schütze, ZPO, Bd. 11, § 1032 Rn. 24. 359  Zöller/Geimer,



D. Konzept der Einrede81

Treuwidrig handelt danach derjenige, der in einem gerichtlichen Verfahren geltend macht, dass ein Schiedsgericht zuständig sei und später im schiedsrichterlichen Verfahren auf die Zuständigkeit des staatlichen Gerichts verweist.367 Ein Verstoß gegen Treu und Glauben wurde ebenfalls angenommen, weil die beklagte Partei sich in der vorprozessualen Korrespondenz gegenüber der Klageandrohung auf den Schiedsvertrag berufen hatte und in dem späteren Schiedsverfahren das Fehlen des Schiedsvertrages rügte.368 Der Arglisteinwand greift auch dann, wenn der beklagten Partei, die sich auf die prozesshindernde Einrede des § 1032 ZPO beruft, die finanziellen Mittel fehlen, um das Schiedsverfahren zu betreiben.369 3. Rechtsfolge und Rechtswirkung Rechtsfolge der wirksamen Berufung auf die prozesshindernde Einrede ist die Unzulässigkeit der Klage. Es kann sich um die Ausgangsklage handeln (wie bei § 1032 ZPO) oder eine Folgeklage (wie bei § 145 PatG). Das zuständige Gericht weist die Klage ohne weitere Sachprüfung durch Endurteil mit eingeschränkter Rechtskraftfolge ab (Prozessurteil).370 Eine nochmalige Klageerhebung ist also nicht per se ausgeschlossen. Die materielle Rechtskraft des Prozessurteils besagt, dass die Klage mit dem damaligen Streitgegenstand unter den damaligen Umständen mindestens aus dem in den Entscheidungsgründen genannten Grund unzulässig war.371 Eine Klage über denselben Streitgegenstand ist dann möglich, wenn sich die prozessualen Umstände gegenüber dem früheren Prozess in dem zur Unzulässigkeit führenden Grund geändert haben.372 Bei der Einrede nach § 1032 ZPO werden unter Bezugnahme auf die amtliche Begründung373 eine alternative Aussetzung des Verfahrens (§ 148 ZPO analog) oder Verweisung (§ 281 ZPO oder § 17a GVG analog) abgelehnt.374 In der amtlichen Begründung zu § 1032 ZPO wird ausgeführt, dass die Ab367  BGH, Urt. v. 30.04.2009, III ZB 91/07, NJW-RR 2009, 1582, 1583; Wieczorek/Schütze, ZPO, Bd. 11, § 1032 Rn. 29; vgl. Kröll, NJW 2011, 1265, 1267. 368  BGH, Urt. v. 02.04.1987, III ZR 76/86, NJW-RR 1987, 1194, 1195. 369  BGH, Urt. v. 12.11.1987, III ZR 29/87, NJW 1988, 1215; vgl. Zöller/Geimer, ZPO, § 1032 Rn. 20; siehe auch Longrée/Wedel, MDR 2016, 1362, 1365. 370  MüKo/Münch, ZPO, Bd. 3, § 1032 Rn. 19. 371  Zöller/Vollkommer, ZPO, § 322 Rn. 1a. 372  Zöller/Vollkommer, ZPO, § 322 Rn. 1a. 373  BT-Drs. 13/5274, S. 38. 374  MüKo/Münch, ZPO, Bd. 3, § 1032 Rn. 20; Musielak/Voit, ZPO, § 1032 Rn. 9; Prütting/Gehrlein, ZPO, § 1032 Rn. 5 (zur Aussetzung); Zöller/Geimer, ZPO, § 1032 Rn. 7.

82

Kap. 1: Grundlagen

weisung der Klage als unzulässig klare Verhältnisse schaffe.375 Gegen eine Verweisung an das Schiedsgericht spreche, dass dieses vielfach noch nicht konstituiert sein werde.376 Gegen eine Aussetzung wurde vorgebracht, dass das staatliche Gericht oft über lange Zeit mit dem Verfahren befasst bleibe, obwohl ungewiss sei, ob und inwieweit das Verfahren später vor dem staat­ lichen Gericht wieder aufgenommen werden könne.377

III. Grafische Einordnung der prozesshindernden Einrede prozessuale Verteidigungsmittel prozessuale Einwendungen

Bestreiten, Erklärung nach § 138 Abs. 4 ZPO

prozessuale Einreden

Beweiseinreden

rechtshindernde Einreden

rechtsvernichtende Einreden

rechtshemmende Einreden

rechtshindernde Einwendungen

rechtsvernichtende Einwendungen

rechtshemmende Einreden

materiell-rechtliche Einwendungen

375  BT-Drs.

13/5274, S. 38. Fn. 375. 377  Siehe Fn. 375. 376  Siehe

prozesshindernde Einreden

Kapitel 2

System des Doppelschutzes Die Einrede der doppelten Inanspruchnahme ist nur dann möglich und auch erforderlich, wenn die Möglichkeit besteht, ein nationales Patent und ein paralleles europäisches Schutzrecht in Gestalt eines europäischen Patents oder eines europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung zu erlangen. In diesem Kapitel wird der bereits einleitend diskutierte Doppelschutz (Kap. 1, C.) in einen größeren Kontext gestellt (A.). Es wird untersucht, inwiefern die nationale und die europäische Rechtsordnung einen Doppelschutz in Bezug auf andere Rechte des gewerblichen Rechtsschutzes vorsehen. Außerdem wird die patentrechtliche Rechtslage in anderen Vertragsstaaten des EPÜ aufgezeigt. Hierdurch werden die Grundlagen für die Erörterung gelegt, ob der Doppelschutz im Zuge der europäischen Patentreform im nationalen Patentrecht verankert werden sollte (B.). Nach Darlegung der rechtlichen ­ Grundlagen werden die Handlungsoptionen der an der europäischen Patent­ reform teilnehmenden EU-Mitgliedstaaten aufgezeigt. Im Anschluss werden die Vor‑ und Nachteile des Doppelschutzes herausgearbeitet, die Argumente im Rahmen einer Abwägung gegenübergestellt und gezeigt, dass die mit der europäischen Patentreform einhergehenden Änderungen für die Zulassung des (beschränkten) Doppelschutzes in Deutschland sprechen.

A. Der Doppelschutz im größeren Kontext Der Doppelschutz ist kein neues Phänomen. Im Folgenden werden weitere Disziplinen des Rechts des gewerblichen Rechtsschutzes in den Blick genommen und untersucht, ob diese den Doppelschutz kennen und wie sie ihn gegebenenfalls ausgestalten (I.). Sodann wird die patentrechtliche Perspektive wieder eingenommen und die Rechtslage in anderen Vertragsstaaten des Europäischen Patentübereinkommens untersucht (II.).

I. Doppelschutz und andere Disziplinen des gewerblichen Rechtsschutzes Im Rahmen der nachfolgenden Untersuchung werden zunächst die dem Patentrecht am nächsten stehenden Disziplinen des gewerblichen Rechts-

84

Kap. 2: System des Doppelschutzes

schutzes in den Blick genommen, namentlich das Gebrauchsmusterrecht und das Sortenschutzrecht. Sodann werden die benachbarten Disziplinen des Markenrechts und des Designrechts untersucht. 1. Gebrauchsmusterrecht Die EU-Rechtsordnung kennt keinen Gebrauchsmusterschutz.378 Gleiches gilt für das internationale EPÜ, das in erster Linie Verfahren mit Bezug zu europäischen Patenten regelt. Allerdings bestimmt Artikel 140 EPÜ, dass Artikel 139 EPÜ auf nationale Gebrauchsmuster entsprechende Anwendung findet. Damit eröffnet das EPÜ den Vertragsstaaten die Möglichkeit, entsprechend Artikel 139 Absatz 3 EPÜ zwischen einem europäischen Patent und einem nationalen Gebrauchsmuster parallelen Schutz auf nationaler Ebene zuzulassen oder diesen auszuschließen. In der Sache handelt es sich nicht um eine Frage des Doppelschutzes, sondern um die Möglichkeit der Kumulation von Schutzrechten.379 Interessant für die weitere Untersuchung ist allerdings die Feststellung, dass der nationale Gesetzgeber ein Verbot des parallelen Schutzes durch ein europä­ isches Patent und ein Gebrauchsmuster in der Vergangenheit nicht für erforderlich erachtet hat. Denn das Gesetz über internationale Patentübereinkommen sieht ein entsprechendes Verbot – im Gegensatz zum Doppelschutzverbot zwischen europäischem und nationalem Patent in Artikel II § 8 IntPatÜbkG – nicht vor. Die Möglichkeit des parallelen Schutzes zeigt ebenfalls die Abzweigung nach § 5 Absatz 1 GebrMG auf.380 Zwischen dem Patentschutz, ob national oder nach dem EPÜ, und dem Gebrauchsmusterschutz gibt es strukturelle Unterschiede.381 Hinsichtlich der Erfindungshöhe382 hat die nationale Rechtsprechung seit der Entscheidung „Demonstrationsschrank“383 jedoch de facto zu einer Annäherung der Schutz­

378  Versuche, einen gemeinschaftsweiten Gebrauchsmusterschutz in den 1990er Jahren zu etablieren, scheiterten, vgl. etwa den Überblick der Europäischen Kommission: http://ec.europa.eu/growth/industry/intellectual-property/patents/utility-models_ de (27.01.2021) sowie Osterrieth, Patentrecht, Rn. 1380 ff. 379  Zur Kumulation siehe Kap. 1, C. I. 380  Im Ergebnis auch Benkard/Scharen, EPÜ, Artikel 140 Rn. 14. 381  Siehe im Einzelnen etwa Osterrieth, Patentrecht, Rn.  1365 ff. m. w. N. 382  Hier als Oberbegriff verwendet für die „erfinderische Tätigkeit“ im Patentrecht (national und nach EPÜ) und den „erfinderischen Schritt“ im nationalen Gebrauchsmusterrecht. 383  BGH, Beschl. v. 20.06.2006, X ZB 27/05, GRUR 2006, 842, 843 ff. – Demonstrationsschrank.



A. Der Doppelschutz im größeren Kontext85

rechte geführt.384 Dies wirkt sich in Ansehung des europäischen Patents jedenfalls im Nichtigkeitsverfahren vor dem Bundespatentgericht und in dem ihm nachfolgenden Berufungsverfahren vor dem Bundesgerichtshof aus. Ein paralleler Schutz durch ein europäisches Patent mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland und durch ein nationales Gebrauchsmuster ist aber trotz der Änderung der nationalen Rechtsprechung nach wie vor möglich. 2. Sortenschutzrecht Im Sortenschutzrecht werden die Begriffe des Doppelschutzes und des Doppelschutzverbots sowohl in dem Verhältnis Sortenschutzrecht und Patentrecht385 (also im Falle der Kumulation386) als auch im Verhältnis nationales Sortenschutzrecht und gemeinschaftliches Sortenschutzrecht verwendet. Im Folgenden wird nur letzteres Verhältnis untersucht. Dieses ist durch ein Doppelschutzverbot gekennzeichnet: Nach Artikel 92 Absatz 1 GSortV können Sorten, die Gegenstand eines gemeinschaftlichen Sortenschutzes sind, nicht Gegenstand eines nationalen Sortenschutzes für die betreffende Sorte sein; ein dennoch erteiltes Schutzrecht hat keine Wirkung. Gründe für dieses Verbot des Doppelschutzes werden in der Verordnung, etwa in den Erwägungsgründen, nicht ausdrücklich genannt. Laut § 1 Absatz 2 SortSchG wird – in Übereinstimmung mit dem europäischen Recht – für eine Sorte, die Gegenstand eines gemeinschaftlichen Sortenschutzes ist, ein Sortenschutz nach dem Sortenschutzgesetz nicht erteilt. Erfolgt dies trotzdem, so wird das Schutzrecht wegen Verstoßes gegen Artikel 92 Absatz 1 Satz 2 GSortV als unwirksam behandelt werden müssen.387 Wurde ein nationales Schutzrecht vor der Erteilung des gemeinschaftlichen Sortenschutzes erteilt, dann kann der Inhaber die Rechte aus dem nationalen Schutzrecht so lange nicht geltend machen, wie der gemeinschaftliche Sortenschutz an der Sorte besteht, Artikel 92 Absatz 2 GSortV. Dieses „Ruhen des [nationalen] Sortenschutzes“ greift § 10c SortSchG parallel auf. Das

384  Die Rechtsprechung ist gefestigt, aber nach wie vor umstritten, vgl. im Einzelnen Kraßer/Ann, PatR, § 18 Rn. 25 ff. m. w. N. sowie Bühring/Braitmayer/Haberl, GebrMG, § 3 Rn. 102 ff.; Loth/Stock, GebrMG, § 1 Rn. 163 ff.; Wenzel, GRUR 2013, 140 ff. 385  Siehe nur die Überschrift des Artikels 92 GSortV. Vgl. ebenfalls Metzger/Zech, Sortenschutzrecht, Art. 93 GSortV Rn. 9; Leßmann/Würtenberger, Sortenschutzrecht, § 1 Rn. 13, § 2 Rn. 52 f.; Straus, GRUR 1993, 794. 386  Kap. 1, C. I. 387  Metzger/Zech, Sortenschutzrecht, Art. 93 Rn. 8.

86

Kap. 2: System des Doppelschutzes

Ruhen ist weniger einschneidend als die Wirkungslosigkeit nach Artikel II § 8 IntPatÜbkG,388 die nach dessen Absatz 2 endgültig ist. 3. Markenrecht Im Markenrecht ist ein Doppelschutz durch eine Unionsmarke und eine nationale Marke möglich. Artikel 136 UMV befasst sich nämlich mit gleichzeitigen und aufeinander folgenden Klagen aus Unionsmarken und aus nationalen Marken, was einen doppelten Schutz auf nationaler Ebene und auf der Unionsebene voraussetzt. Der Doppelschutz wird außerdem in Artikel 122 Absatz 1 UMV a. E. in Bezug genommen, wo von gleichzeitigen oder aufeinander folgenden Klagen aus Unionsmarken und aus nationalen Marken die Rede ist. Im Markenrecht besteht zudem die Besonderheit, dass der Doppelschutz automatisch entstehen kann, wenn neben der Unionsmarke auf nationaler Ebene eine nicht eingetragene Marke kraft Verkehrsgeltung entsteht, § 4 Nr. 2 MarkenG. Die Gründe für den Doppelschutz folgen aus den Erwägungsgründen 7 und 8 der Unionsmarkenverordnung: Danach trete das Unionsmarkenrecht nicht an die Stelle der Markenrechte der Mitgliedstaaten, denn es erscheine nicht gerechtfertigt, die Unternehmen zu zwingen, ihre Marken als Unionsmarken anzumelden (Nr. 7).389 Unternehmen, die keinen Markenschutz auf Unionsebene wollten oder denen ein solcher Schutz verwehrt sei, die auf nationaler Ebene jedoch problemlos Markenschutz beantragen könnten, benötigten weiterhin Markenschutz auf nationaler Ebene. Jede Person solle selbst entscheiden können, ob der Markenschutz nur als nationale Marke in einem oder mehreren EU-Mitgliedstaaten oder nur als Unionsmarke oder für beide Ebenen beantragt werde (Nr. 8). Der europäische Gesetzgeber hebt damit die Entscheidungsfreiheit des (potentiellen) Schutzrechtsinhabers hervor. In der Rechtslehre heißt es zudem, der Doppelschutz diene der Attraktivität des europäischen Schutzrechts.390 Artikel 136 UMV regelt, in welchen Fällen sich das später angerufene Gericht für unzuständig zu erklären hat und wann ein Verletzungsverfahren aus einem parallelen Schutzrecht ausgesetzt werden kann (Absatz 1) sowie, falls bereits ein unanfechtbares Urteil wegen Verletzung einer Unionsmarke oder einer nationalen Marke vorliegt, unter welchen Voraussetzungen ein 388  Zum

Ruhen im Allgemeinen vgl. Keukenschrijver, Sortenschutz, § 10c Rn. 2. 7. Erwägungsgrund kann auch eng verstanden werden im Sinne des Ausschlusses des vollständigen Ersatzes der Markenrechte der Mitgliedstaaten, siehe unter B. I. Dies ändert aber nichts an der generellen Betonung der Entscheidungsfreiheit des (potentiellen) Schutzrechtsinhabers im 8. Erwägungsgrund. 390  Zur Gemeinschaftsmarke: McGuire, GRUR 2011, 767, 769. 389  Der



A. Der Doppelschutz im größeren Kontext87

paralleles Verletzungsverfahren abzuweisen ist (Absätze 2 und 3). Die Vorschrift geht dabei im Grundsatz davon aus, dass Verletzungsverfahren aus der Unionsmarke und der nationalen Marke vor Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten anhängig gemacht werden.391 Die Durchsetzung der Unionsmarke vor nationalen Gerichten der EU-Mitgliedstaaten als Unionsmarkengerichten folgt aus Artikel 123 Absatz 1 UMV. Die Gerichte wenden dabei, soweit die Verordnung keine Vorschriften vorsieht, nationales Recht an (zur Durchsetzung vgl. etwa § 125b Nr. 2 MarkenG sowie Artikel 9 bis 11 UMV). Der Sinn und Zweck des Artikels 136 UMV392 wird in Erwägungsgrund Nr. 33 der Unionsmarkenverordnung aufgezeigt: Es sollen voneinander abweichende Gerichtsurteile aus einem europäischen und einem parallelen nationalen Schutztitel über denselben Tatbestand zwischen denselben Parteien vermieden werden. De facto verhindert die Vorschrift eine doppelte Rechtsdurchsetzung aus einem parallelen Schutzrecht im Falle der (wohl eher seltener anzutreffenden393) Doppelidentität der Klagemarken,394 d. h. wenn sowohl die Marken als auch die geschützten Waren/Dienstleistungen identisch sind. Artikel 136 UMV stellt damit ein Korrektiv des Doppelschutzes dar. Unter diesem Gesichtspunkt ist verständlich, dass die Vorschrift mit § 145 PatG in Verbindung gebracht wird.395

391  Zu dieser Thematik im Einzelnen: Kur/v. Bomhard/Albrecht/Grüger, MarkenG, UMV, Art.  136  UMV Rn.  18 ff. m. w. N. 392  Die Gemeinsamen Erklärungen des Rates und der Kommission der Europä­ ischen Gemeinschaften im Protokoll des Rates anläßlich der Annahme der Verordnung des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke halten hingegen lediglich folgende Zielvorgaben fest (abgedruckt in Eisenführ/Schennen, UMV, Anhang 5): „22. zu Artikel 105 Der Rat und die Kommission sind der Auffassung, daß in dem Bestreben, böswillige oder schikanöse Klagen zu verhindern, insbesondere zwei Erfordernissen Rechnung zu tragen ist, nämlich zum einen dem Erfordernis, zu verhindern, dass Artikel 105 durch eine Differenzierung des Eigentums an den Marken, auf die sich die Klagen beziehen, umgangen wird, und zum anderen dem Erfordernis, dass die Entscheidung über die Aussetzung oder gegebenenfalls über die Unzuständigkeitserklärung am Anfang und auf der Grundlage der Informationen, über die der Richter bereits verfügt, ergehen muß.“ 393  Vgl. BeckOK UMV/Müller, UMV, Artikel 136 Rn. 18. Zu verschiedenen Fallgruppen siehe Kur/v. Bomhard/Albrecht/Grüger, MarkenG, UMV, Art. 136 UMV Rn.  28 ff. 394  Zum Begriff der Doppelidentität der Klagemarken siehe Kur/v. Bomhard/Al­ brecht/Grüger, MarkenG, UMV, Art. 136 UMV Rn. 23. 395  Eisenführ/Schennen, Unionsmarkenverordnung, Art. 136 Rn. 2; vgl. ebenfalls BeckOK UMV/Müller, UMV, Artikel 136 Rn. 2 („mittelbare[r] Zwang zur Konzen­ tration“).

88

Kap. 2: System des Doppelschutzes

4. Designrecht Im Designrecht ähnelt die Rechtslage dem Markenrecht. Artikel 95 GGV, der weitgehend Artikel 136 UMV entspricht, zeigt, dass ein doppelter Schutz durch ein europäisches Gemeinschaftsgeschmacksmuster und ein nationales Design möglich ist. Der Doppelschutz wird zudem in Artikel 79 GGV, der die Anwendung des Vollstreckungsübereinkommens396 betrifft, in Bezug genommen. In Artikel 79 Absatz 1 Satz 2 GGV heißt es, dass die Regelung in Satz 1 auch für Verfahren bezüglich Klagen auf der Grundlage von Gemeinschaftsgeschmacksmustern und nationalen Mustern gelte, die gleichzeitigen Schutz genießen würden. Die Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung nennt – anders als die Unionsmarkenverordnung – keine Gründe für den Doppelschutz. In der Rechtslehre werden diesbezüglich Kostengesichtspunkte zugunsten von kleinen und mittleren Unternehmen genannt, wenn sich diese auf einen nationalen Designschutz beschränken können.397 Wie auch im Markenrecht, besteht im Designrecht die Besonderheit, dass der Doppelschutz automatisch auftreten kann. Dies ist im Designrecht dann der Fall, wenn ein nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster, Artikel 1 Absatz 2 lit. a) GGV, entsteht und neben ein nationales Design tritt. Im Gegensatz zum Markenrecht dürfte dieser automatisch auftretende Doppelschutz im Designrecht regelmäßig auftreten.398 In diesem Fall greift jedoch auch die Regelung des Artikels 95 GGV ein.399 Die zuletzt genannte Vorschrift schränkt die parallele Durchsetzung von Schutzrechten, die „gleichzeitigen Schutz“ gewähren, ein.400 Hierdurch sollen „missbräuchliche Mehrfachklagen“401 aus einem europäischen Schutzrecht und einem parallelen nationalen Schutzrecht verhindert werden. Zu396  Gemeint

ist die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012. Gewerblicher Rechtsschutz, § 48 Rn. 7. 398  Zu diesem „Regelfall“ McGuire, GRUR 2011, 767, 769. Ruhl/Tolkmitt, Gemeinschaftsgeschmacksmuster, Einl. Rn. 15, spricht davon, dass das parallele Bestehen eines eingetragenen und eines nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters einen „Normalfall“ darstelle. 399  Außerdem zeichnet sich das nicht eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster im Vergleich zu dem eingetragenen Schutzrecht dadurch aus, dass aus Ersterem Verbietungsrechte nur im Falle einer Nachahmung bestehen, Artikel 19 Absatz 2 GGV sowie 21. Erwägungsgrund der Verordnung. 400  Ruhl spricht insoweit von einer Ausübungsschranke: Ruhl/Tolkmitt, Gemeinschaftsgeschmacksmuster, Art.  95 Rn.  1. Vgl. auch Hasselblatt/McGuire, CDR, Art. 95 Rn. 4 a. E., 18. Zu dem Merkmal des gleichzeitigen Schutzes siehe ebenfalls Eichmann/Jestaedt/Fink/Meiser, DesignG, GGV, Art. 95 GGV Rn. 12 ff. 401  Ruhl/Tolkmitt, Gemeinschaftsgeschmacksmuster, Art. 95 Rn. 1, unter Verweis auf den „[o]ffizielle[n] Kommentar zu Art 99 des Verordnungsvorschlags 1993“ in Fn. 1. 397  Götting,



A. Der Doppelschutz im größeren Kontext89

ständig für die Durchsetzung sind – ähnlich wie im Markenrecht – nationale Gerichte der EU-Mitgliedstaaten als Gemeinschaftsgeschmacksmustergerichte nach Artikel 80 Absatz 1 bzw. 5 GGV. Sie wenden dabei nationales Recht an, soweit die Verordnung keine speziellen Regelungen vorsieht (zur Durchsetzung siehe etwa § 62a DesignG und Artikel 89 GGV). 5. Ergebnis Der Überblick über weitere Schutzrechte des geistigen Eigentums zeigt, dass in Gebieten, die dem Patentrecht „verwandt“ sind, wie dem Sortenschutzrecht, ein Doppelschutzverbot vorherrscht. Allerdings wird dieses nicht explizit begründet. Im Gebrauchsmusterrecht besteht zudem die Möglichkeit der Kumulation von europäischem Patent und nationalem Gebrauchsmuster, obgleich die Erfordernisse an die Erfindungshöhe nach der Rechtsprechung im Patent‑ und Gebrauchsmusterrecht vergleichbar sind. Im Markenrecht und im Designrecht geht das europäische Recht von der Zulässigkeit des doppelten Schutzes aus, korrigiert den Doppelschutz aber gleichsam über die Regelungen in Artikel 136 UMV und Artikel 95 GGV, die eine parallele Rechtsdurchsetzung vor den nationalen Gerichten der EUMitgliedstaaten als Unionsgerichten verhindern sollen. Folgende Gründe lassen sich für den Doppelschutz zusammentragen: – Entscheidungsfreiheit bei der Wahl des bzw. der Schutzrechte, – Möglichkeit der alleinigen Wahl des nationalen Systems, was aus Kostengesichtspunkten gerade für kleine und mittlere Unternehmen attraktiv sein kann und – aufgrund der zuvor genannten Punkte: Steigerung der Attraktivität des europäischen Schutzrechts.

II. Doppelschutz/‑verbot und andere EPÜ-Vertragsstaaten Bevor der Frage nachgegangen wird, ob es sinnvoll ist, im Zuge der europäischen Patentreform und der hierdurch erforderlichen Anpassung des nationalen Rechts den Doppelschutz im nationalen Patentrecht zu verankern, wird das internationale Patentrecht, insbesondere die Rechtslage in weiteren Vertragsstaaten des Europäischen Patentübereinkommens beleuchtet. Wie oben dargestellt,402 überlässt Artikel 139 Absatz 3 EPÜ den Vertragsstaaten die Wahl zwischen dem Doppelschutz und dem Doppelschutzverbot. 402  Kap. 1,

C. II.

90

Kap. 2: System des Doppelschutzes

Viele Vertragsstaaten, darunter Deutschland, haben sich de lege lata für das Doppelschutzverbot entschieden. Im Gegensatz dazu haben andere EPÜVertragsstaaten dem Doppelschutz den Vorzug gegeben. Hierzu gehören Österreich, Dänemark, Finnland, Ungarn, Island, Norwegen, Polen und Schweden.403 Im Folgenden werden die Systeme des Doppelschutzes bzw. des Doppelschutzverbots in Österreich, Frankreich und im Vereinigten Königreich skizziert sowie die geplanten Änderungen anlässlich der europäischen Patentreform aufgezeigt. 1. Österreich In Österreich ist, was den Doppelschutz anbelangt, das PatentverträgeEinführungsgesetz relevant, das keine Regelung zum Doppelschutzverbot enthält und damit den Doppelschutz ermöglicht.404 Im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens hielt der österreichische Gesetzgeber fest, die „schutzrechtspolitische Schädlichkeit des Doppelschutzes“ sei nicht erwiesen.405 Er führte sogar einen Grund gegen das Verbot des Doppelschutzes auf, und zwar „registermäßige Konsequenzen einer Unwirksamkeit des nationalen Patentes bei gleichzeitigem Bestehen eines europäischen Patentes mit gleichem Zeitrang“.406 Das Doppelschutzverbot würde dazu führen, dass materiell unwirksame Schutzrechte im Patentregister eingetragen wären, so dass das Patentregister die Schutzrechtslage nicht wiedergeben würde.407 Im Zusammenhang mit der europäischen Patentreform weist das Österreichische Patentamt darauf hin, dass ein Doppelschutz durch ein europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung und ein österreichisches Patent möglich ist.408 Das Amt betont, dass „doppelter“ Patentschutz zusätzliche Stabilität bedeute, da das europäische Patent mit einheitlicher Wirkung der Gerichts403  Singer/Stauder/Luginbühl, EPÜ, Art. 139 Rn. 10. Eine genaue Übersicht enthält die EPA-Broschüre „Nationales Recht zum EPÜ“, Tabelle X, abrufbar unter: http://www.epo.org/law-practice/legal-texts/national-law_de.html (27.01.2021). 404  Das Patentverträge-Einführungsgesetz, PatV-EG, ist abrufbar unter: https:// www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnum mer=10002458 (27.01.2021). 405  870 der Beilagen XIV. GP – Regierungsvorlage vom 10.05.1978 zum Bundesgesetz über die Einführung des Europäischen Patentübereinkommens und des Ver­ trages über die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens (Patentverträge-Einführungsgesetz – PatV-EG), S. 10 zu § 10, abrufbar unter: https:// www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XIV/I/I_00870/imfname_316103.pdf (27.01.2021). 406  Siehe Fn. 405. 407  Siehe Fn. 405. 408  Siehe unter: https://www.patentamt.at/de/patente/patente-service/patente-inter national/einheitspatent/einheitspatent-faq/ (27.01.2021).



A. Der Doppelschutz im größeren Kontext91

barkeit des EPG und das österreichische Patent der nationalen Gerichtsbarkeit unterliege.409 Falle das „Einheitspatent“, so bleibe das nationale Patent bestehen.410 2. Frankreich Der französische Gesetzgeber hat sich – wie auch der deutsche – für das Doppelschutzverbot entschieden. Art. L. 614-13411 des Code de la propriété intellectuelle412 entspricht im Wesentlichen Artikel II § 8 IntPatÜbkG. Im Unterschied zum französischen Recht kennt das deutsche Recht aber kein Verbot getrennter Übertragung (Art. L. 614-14413).414

409  Siehe

Fn. 408. Fn. 408. 411  Art. L. 614-13 lautet (Stand 14.01.2021): „Dans la mesure où un brevet français couvre une invention pour laquelle un brevet européen a été délivré au même inventeur ou à son ayant cause avec la même date de dépôt ou de priorité, le brevet français cesse de produire ses effets soit à la date à laquelle le délai prévu pour la formation de l’opposition au brevet européen est expiré sans qu’une opposition ait été formée, soit à la date à laquelle la procédure d’opposition est close, le brevet européen ayant été maintenu. Toutefois, lorsque le brevet français a été délivré à une date postérieure à l’une ou l’autre, selon le cas, de celles qui sont fixées à l’alinéa précédent, ce brevet ne produit pas d’effet. L’extinction ou l’annulation ultérieure du brevet européen n’affecte pas les dispositions prévues au présent article.“ 412  Abrufbar über „Legifrance“: https://www.legifrance.gouv.fr/initRechCode Article.do (27.01.2021). 413  Art. L. 614-14 lautet (Stand 14.01.2021): „Une demande de brevet français ou un brevet français et une demande de brevet européen ou un brevet européen ayant la même date de dépôt ou la même date de priorité, couvrant la même invention et appartenant au même inventeur ou à son ayant cause, ne peuvent, pour les parties communes, faire l’objet indépendamment l’une de l’autre d’un transfert, gage, nantissement ou d’une concession de droits d’exploitation, à peine de nullité. Par dérogation à l’article L. 613-9, le transfert ou la modification des droits attachés à la demande de brevet français ou au brevet français n’est rendu opposable aux tiers par son inscription au registre national des brevets que dans la mesure où le même transfert ou la même modification des droits attachés à la demande de brevet européen ou au brevet européen a été inscrit au registre des brevets. La demande de brevet français ou le brevet français et le droit de priorité pour le dépôt d’une demande de brevet européen ne peuvent être transférés indépendamment l’un de l’autre.“ 414  So auch Busse/Keukenschrijver, PatG, Art. II § 8 IntPatÜG Rn. 7. 410  Siehe

92

Kap. 2: System des Doppelschutzes

Das französische Gesetz zur Anpassung des französischen Rechts an die europäische Patentreform415 sieht eine Veränderung des geltenden Systems des Doppelschutzverbots in Frankreich vor. Danach wird Art. L. 614-13 in der Art und Weise ergänzt, dass nur noch solche europäischen Patente vom Doppelschutzverbot erfasst werden, die aufgrund der Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung des Artikels 83 Absatz 3 EPGÜ nicht der ausschließlichen Gerichtsbarkeit des EPG unterfallen. Art. L. 614-13 soll in geänderter Fassung lauten: „Art. L. 614-13.-I.-Dans la mesure où un brevet français couvre une invention pour laquelle un brevet européen a été délivré au même inventeur ou à son ayant cause avec la même date de dépôt ou de priorité, et où le brevet européen a fait l’objet d’une dérogation à la compétence exclusive de la juridiction unifiée du brevet, en application du paragraphe 3 de l’article 83 de l’accord relatif à une juridiction unifiée du brevet, le brevet français cesse de produire ses effets: 1° Soit à la date à laquelle le délai prévu pour la formation de l’opposition au brevet européen est expiré sans qu’une opposition ait été formée; 2° Soit à la date à laquelle la procédure d’opposition est close, le brevet européen ayant été maintenu; 3° Soit à la date à laquelle la dérogation est inscrite au registre en application du paragraphe 3 de l’article 83 de l’accord précité lorsque cette date est postérieure à celles mentionnées aux 1° et 2°. Toutefois, lorsque le brevet français a été délivré à une date postérieure à l’une de celles qui sont fixées aux 1° à 3°, ce brevet ne produit pas d’effet. L’extinction, l’annulation ultérieure du brevet européen ou l’inscription au registre du retrait de dérogation effectué en application du paragraphe 4 de l’article 83 de l’accord relatif à une juridiction unifiée du brevet n’affecte pas la cessation des effets du brevet français. II.-Lorsque le brevet européen n’a pas fait l’objet d’une dérogation à la compétence exclusive de la juridiction unifiée du brevet, en application du paragraphe 3 de l’article 83 de l’accord relatif à une juridiction unifiée du brevet, le brevet français continue à produire ses effets.“

Der französische Gesetzgeber hat sich mithin für den Doppelschutz entschieden, der lediglich für diejenigen europäischen Patente nicht gelten soll, die dem Opt-out unterfallen. Dies wird insbesondere in Absatz 2 deutlich, wonach dasjenige französische Patent, das nicht Gegenstand der Ausnahmeregelung nach Artikel 83 Absatz 3 EPGÜ ist, seine Wirkung behält. Die Anpassung des Art. L. 614-13 erinnert – mit Ausnahme des Absatzes 2 – sehr an die Anpassung des Artikels II § 8 IntPatÜbkG, die der deutsche Gesetzge415  Ordonnance n° 2018-341 du 9 mai 2018 relative au brevet européen à effet unitaire et à la juridiction unifiée du brevet, abrufbar über „Legifrance“: https://www. legifrance.gouv.fr/eli/ordonnance/2018/5/9/JUSC1802286R/jo/texte (27.01.2021).



A. Der Doppelschutz im größeren Kontext93

ber vorgesehen hat (Artikel II § 8 IntPatÜbkG-E laut BT-Drs. 18/8827). Anders als das deutsche Anpassungsgesetz sieht das französische zwar keinen Ausgleichsmechanismus wie die Einrede der doppelten Inanspruchnahme vor. Aber das Verbot getrennter Übertragung nach Art. L. 614-14 wird auf das Verhältnis zwischen französischem Patent bzw. einer Patentanmeldung und europäischem Patent bzw. einer Anmeldung, die nicht dem Opt-out unterfallen, erweitert.416 3. Vereinigtes Königreich Der Patents Act 1977 sieht in Section 73 Absätze 2 bis 4 vor,417 dass der Prüfer („comptroller“) im Falle des Doppelschutzes durch ein UK-Patent und ein europäisches Patent das nationale Patent in dem Umfang, in dem es dieselbe Erfindung schützt, unter bestimmten Bedingungen widerrufen kann.418 416  Art.  L. 614-14 soll in geänderter Fassung lauten (Stand 14.01.2021): „Art. L. 614-14.-I.-Une demande de brevet français ou un brevet français et une demande de brevet européen ou un brevet européen qui n’a pas fait l’objet d’une dérogation à la compétence exclusive de la juridiction unifiée du brevet, en application du paragraphe 3 de l’article 83 de l’accord relatif à une juridiction unifiée du brevet, ayant la même date de dépôt ou la même date de priorité, couvrant la même invention et appartenant au même inventeur ou à son ayant cause, ne peuvent, pour les parties communes, faire l’objet indépendamment l’une de l’autre d’un transfert, gage, nantissement ou d’une concession de droits d’exploitation, à peine de nullité. Par dérogation à l’article L. 613-9, le transfert ou la modification des droits attachés à la demande de brevet français ou au brevet français n’est rendu opposable aux tiers par son inscription au registre national des brevets que dans la mesure où le même transfert ou la même modification des droits attachés à la demande de brevet européen ou au brevet européen qui n’a pas fait l’objet d’une dérogation à la compétence exclusive de la juridiction unifiée du brevet, en application du paragraphe 3 de l’article 83 de l’accord précité, a été inscrit au registre européen des brevets. La demande de brevet français ou le brevet français et le droit de priorité pour le dépôt d’une demande de brevet européen ne peuvent être transférés indépendamment l’un de l’autre. II.-Les dispositions du I sont applicables à une demande de brevet européen ou à un brevet européen qui a fait l’objet d’une dérogation à la compétence exclusive de la juridiction unifiée du brevet, en application du paragraphe 3 de l’article 83 de l’accord précité, tant que la demande de brevet français ou le brevet français n’a pas cessé de produire ses effets en application du I de l’article L. 614-13.“ 417  Abrufbar über „legislation.gov.uk“: https://www.legislation.gov.uk/ukpga/1977/ 37/section/73 (27.01.2021). 418  Die Vorschrift lautet (Stand: 14.01.2021): „(2) If it appears to the comptroller that a patent under this Act and a European patent (UK) have been granted for the same invention having the same priority date, and that the applications for the pa­ tents were filed by the same applicant or his successor in title, he shall give the

94

Kap. 2: System des Doppelschutzes

Der Entwurf des Gesetzes des Vereinigten Königreichs zur Anpassung des nationalen Rechts an die europäische Patentreform419 sah vor, dass Section 73 Absätze 2 bis 4 des Patents Act 1977 auch in Ansehung des europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung gelten sollte, siehe Schedule A3, Absatz 2. Damit hatte sich der Gesetzgeber des Vereinigten Königreichs im Grundsatz für die Fortgeltung des Doppelschutzverbots in der besonderen Ausgestaltung der Section 73 Patents Act 1977 entschieden.

III. Ergebnis Der Doppelschutz ist insbesondere im Markenrecht und im Designrecht bekannt. Er erweitert die Optionen der Schutzrechtsinhaber und stärkt ihre Entscheidungsfreiheit. Aus Kostengesichtspunkten kommt dies insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen zugute. Der Doppelschutz erfährt dabei eine Einschränkung durch Unterbindung der parallelen Durchsetzung der Schutzrechte. Im Bereich der technischen Schutzrechte und des Sortenschutzrechts herrscht zwar ein Primat des Doppelschutzverbots vor, allerdings ist zu beachten, dass jedenfalls die Kumulation zwischen einem europäischen Patent und einem nationalen Gebrauchsmuster de lege lata möglich ist. Der Doppelschutz wird in mehreren Vertragsstaaten des Europäischen Patentübereinkommens gelebt, und zwar in Österreich, Dänemark, Finnland, Ungarn, Island, Norwegen, Polen und Schweden. Insbesondere Österreich ist proprietor of the patent under this Act an opportunity of making observations and of amending the specification of the patent, and if the proprietor fails to satisfy the comptroller that there are not two patents in respect of the same invention, or to amend the specification so as to prevent there being two patents in respect of the same invention, the comptroller shall revoke the patent. (3) The comptroller shall not take action under subsection (2) above before – (a) the end of the period for filing an opposition to the European patent (UK) under the European Patent Convention, or (b) if later, the date on which opposition proceedings are finally disposed of; and he shall not then take any action if the decision is not to maintain the European patent or if it is amended so that there are not two patents in respect of the same invention. (4) The comptroller shall not take action under subsection (2) above if the European patent (UK) has been surrendered under section 29(1) above before the date on which by virtue of section 25(1) above the patent under this Act is to be treated as having been granted or, if proceedings for the surrender of the European patent (UK) have been begun before that date, until those proceedings are finally disposed of; and he shall not then take any action if the decision is to accept the surrender of the European patent.“ 419  The Patents (European Patent with Unitary Effect and Unified Patent Court) Order 2016, abrufbar über die Seite: https://www.legislation.gov.uk/ukdsi/2016/ 9780111142899 (27.01.2021).



B. Doppelschutz und europäische Patentreform95

bestrebt, die Vorteile des Doppelschutzes hervorzuheben. Dies sind Registerklarheit und – im Falle des Doppelschutzes im Verhältnis zwischen einem europäischen Patent mit einheitlicher Wirkung und einem österreichischen Patent de lege ferenda – zusätzliche Stabilität aufgrund der Zuständigkeit unterschiedlicher Gerichtsbarkeiten, namentlich des EPG einerseits und der österreichischen Gerichte andererseits, mit der Folge, dass die Vernichtung des einen Schutzrechts das andere nicht berührt. In Frankreich herrscht derzeit, genauso wie in Deutschland, das Doppelschutzverbot. Dieses soll aber im Zuge der Anpassung des französischen Rechts an die europäische Patentreform gelockert werden. Nur europäische Patente, die der Ausnahmeregelung des Artikels 83 Absatz 3 EPGÜ unterfallen, sollen vom Doppelschutzverbot erfasst werden. Insoweit erinnert der französische Ansatz an das deutsche Begleitgesetz. Einen Ausgleichsmechanismus wie die Einrede der doppelten Inanspruchnahme sieht der französische Ansatz nicht vor. Allerdings wird das Verbot der getrennten Übertragung auf das Verhältnis zwischen französischen Patenten und europäischen Pa­ tenten, für die Doppelschutz gelten soll, erweitert. Das Patentgesetz des Vereinigten Königreichs geht von einem Doppelschutzverbot in besonderer Ausgestaltung aus, da der Prüfer im Falle des Doppelschutzes das nationale Patent widerrufen kann. Dieser Ansatz sollte auf das europäische Patent mit einheitlicher Wirkung übertragen werden.

B. Doppelschutz und europäische Patentreform Im 1. Kapitel wurden die Grundlagen in Bezug auf die europäische Patent­ reform (Abschnitt B.) sowie den Doppelschutz (Abschnitt C.) gelegt. Im vorherigen Abschnitt wurde der Doppelschutz außerdem in einen größeren Kontext gestellt, indem weitere Disziplinen des gewerblichen Rechtsschutzes sowie die Rechtslage in weiteren Vertragsstaaten des Europäischen Patent­ übereinkommens untersucht wurden. Auf dieser Basis werden nun die Vorgaben des Patentpakets im Hinblick auf den Doppelschutz näher betrachtet (I.) sowie hierauf aufbauend die Optionen der an der Patentreform teilnehmenden EU-Mitgliedstaaten aufgezeigt (II.). Abschließend werden die Argumente für und gegen den Doppelschutz herausgearbeitet (III.) und abgewogen (IV.).

I. Rechtsrahmen Wie bereits im 1. Kapitel dargelegt wurde,420 ist das Patentpaket in das System des Europäischen Patentübereinkommens eingebettet. Ausgangspunkt ei420  Kap. 1,

C. III. 1. und B. I. 3. a).

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Kap. 2: System des Doppelschutzes

ner Untersuchung des Doppelschutzes im Kontext der europäischen Patentreform ist damit Artikel 139 Absatz 3 EPÜ, der den Vertragsstaaten die Freiheit bezüglich der Systemwahl pro oder contra Doppelschutz lässt. Nachfolgend wird aufgezeigt, dass die an der europäischen Patentreform teilnehmenden Mitgliedstaaten dieses Wahlrecht nach wie vor ausüben können. Sie haben es nämlich nicht bereits gemeinsam zugunsten eines Systems ausgeübt. Das Patentpaket selbst enthält wenige Anknüpfungspunkte zum Doppelschutz. Das EPGÜ enthält insoweit keine Vorgaben. Einzig in der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 gibt es zwei Ansatzpunkte: Artikel 4 Absatz 2 und den 26. Erwägungsgrund. Aus Artikel 4 Absatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 folgt lediglich, dass ein doppelter Schutz mittels eines europäischen Patents und eines europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung nicht möglich ist. Da das euro­ päische Patent letztlich in seiner Durchsetzung mit einem nationalen Schutzrecht gleichzusetzen ist, kann in diesem Zusammenhang durchaus von einem Doppelschutzverbot gesprochen werden. Zum Verhältnis nationales Patent und europäisches Patent bzw. europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung äußert sich Artikel 4 der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 jedoch nicht. Der 26. Erwägungsgrund der Verordnung lautet: „Diese Verordnung berührt nicht das Recht der teilnehmenden Mitgliedstaaten, nationale Patente zu erteilen und sollte das einzelstaatliche Patentrecht der teilnehmenden Mitgliedstaaten nicht ersetzen. Patentanmelder sollten die Wahl haben, entweder ein nationales Patent, ein Europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung, ein Europäisches Patent mit Wirkung in einem oder mehreren Vertragsstaaten des EPÜ oder ein Europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung, das in einem oder mehreren anderen EPÜ-Vertragsstaaten, die keine teilnehmenden Mitgliedstaaten sind, validiert ist, anzumelden.“

Der Erwägungsgrund wird unterschiedlich interpretiert, und zwar einmal für ein Doppelschutzverbot421 und ein andermal dahingehend, dass er einem Doppelschutz nicht entgegensteht422. Gegen einen Doppelschutz könnte die Wortwahl „entweder … oder“ in der Aufzählung im zweiten Satz, in der englischen Fassung „either … or“, sprechen. Diese Auslegung ist jedoch nicht zwingend. Die französische Fassung beschränkt sich etwa auf ein einfaches „ou“. Der zweite Satz des 26. Erwägungsgrundes lautet in dieser Fassung (Hervorhebung durch Verf.): „Il convient de laisser aux demandeurs de brevets la possibilité d’obtenir, au choix, un brevet national, un brevet européen à effet unitaire, un brevet européen produisant ses effets dans un ou plusieurs États parties à la CBE ou un brevet européen 421  Chudziak,

GRUR 2015, 839, 842. GRUR Int. 2014, 1033, 1034.

422  Vgl. Nieder,



B. Doppelschutz und europäische Patentreform97 à effet unitaire validé également dans un ou plusieurs États parties à la CBE qui ne figurent pas parmi les États membres participants.“

Dies verdeutlicht, dass der Wortlaut des Erwägungsgrundes offen ist. Der Erwägungsgrund zählt diejenigen Schutzrechte auf, die ein potentieller Schutzrechtsinhaber wählen kann. Zum Verhältnis der Schutzrechte zueinander verhält er sich nicht. Dies wird bestätigt durch die Aussage im ersten Satz des 26. Erwägungsgrundes, dass die Verordnung das einzelstaatliche Patentrecht der teilnehmenden Mitgliedstaaten sowie ihr Recht, nationale Patente zu erteilen, nicht ersetzen sollte. Dieser Satz kann – für sich betrachtet – entweder weit oder eng verstanden werden. Wird er weit verstanden, und zwar in dem Sinne, dass jede Beschränkung der in dem Satz genannten Rechte der Mitgliedstaaten ausgeschlossen sein soll, dann wäre ein Doppelschutzverbot mit der Aussage nicht vereinbar. Denn die Rechte der Mitgliedstaaten würden dann zumindest teilweise beschränkt werden, und zwar soweit das Verbot reicht. Wird der Satz eng verstanden, dann bezieht er sich nur auf den vollständigen Ersatz der Rechte der Mitgliedstaaten. So könnte etwa die Aussage im 7. Erwägungsgrund der Unionsmarkenverordnung angesichts des 8. Erwägungsgrundes423 mit seiner klaren Nennung des Doppelschutzes verstanden werden.424 Und so eng dürfte jedenfalls die Aussage im 4. Erwägungsgrund des Verordnungsvorschlags aus dem Jahr 2000 aufgrund seines Sinnzusammenhangs mit dem Doppelschutzverbot in Artikel 54 des Vorschlags verstanden werden.425 Bei einem engen Verständnis folgt aus dem 26. Erwägungsgrund insgesamt keine Aussage in Bezug auf das Verhältnis der im zweiten Satz genannten Schutzrechte. Wird das weite Verständnis zugrunde gelegt, dann würde der erste Satz des 26. Erwägungsgrundes zunächst gegen ein Doppelschutzverbot sprechen. Er ist aber ebenfalls im Kontext mit dem nachfolgenden Satz des 26. Erwägungsgrundes und der gesamten Verordnung zu sehen. Und dieser ist nicht so klar wie im Falle der Unionsmarkenverordnung oder des Verordnungsvorschlags aus dem Jahr 2000, weil es in der patentrechtlichen Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 gerade keine konkrete Aussage zum Doppelschutz bzw. zum Doppelschutzverbot gibt. Aus dem ersten Satz des 26. Erwägungsgrundes kann daher schwerlich eine Aussage zugunsten des Doppelschutzes abgeleitet werden. 423  Der 8. Erwägungsgrund der Unionsmarkenverordnung lautet in seinem 2. Satz: „Jeder Person, die Markenschutz beantragen möchte, sollte selbst entscheiden können, ob der Markenschutz nur als nationale Marke in einem oder mehreren Mitgliedstaaten oder nur als Unionsmarke oder für beide Ebenen beantragt wird.“ 424  Zu einem anderen Verständnis siehe aber A. I. 3. 425  Siehe im Einzelnen unter B. III. 1. b).

98

Kap. 2: System des Doppelschutzes

Hätte der Verordnungsgeber im Übrigen ein Doppelschutzverbot vorschreiben wollen, dann hätte dies einer eindeutigen Regelung bereits deswegen bedurft, weil einige EU-Mitgliedstaaten bislang im Verhältnis ihres nationalen Schutzrechts zum europäischen Patent durchaus die Möglichkeit eines Doppelschutzes einräumen. Ein Doppelschutzverbot in Ansehung des europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung würde zu einer Inkonsistenz dieser Systeme führen und diese Mitgliedstaaten gegebenenfalls zu ihrer Änderung veranlassen. Dies wäre wiederum vor dem Hintergrund der Wahlfreiheit des Artikels 139 Absatz 3 EPÜ nicht erklärbar.426 Insgesamt betrachtet ist die Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 offen formuliert. Sie enthält weder eine eindeutige Aussage für den Doppelschutz noch eine solche zugunsten des Doppelschutzverbots. Damit hat der Verordnungsgeber für die an der europäischen Patentreform teilnehmenden EU-Mitgliedstaaten von dem Wahlrecht in Artikel 139 Absatz 3 EPÜ nicht Gebrauch gemacht. Es verbleibt bei der Wahlfreiheit der einzelnen Staaten.

II. Handlungsoptionen der Mitgliedstaaten Dies vorausgeschickt stehen denjenigen EU-Mitgliedstaaten, die an der europäischen Patentreform teilnehmen, drei Optionen zur Verfügung:427 – Festhalten am bzw. Einführung des Doppelschutzverbots auch in dem Verhältnis nationales Patent und europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung; – Festhalten am bzw. Einführung des Doppelschutzes auch in dem Verhältnis nationales Patent und europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung; – Einführung bzw. Erstreckung eines Doppelschutzes im Verhältnis nationales Patent und europäisches Patent sowie nationales Patent und europä­ isches Patent mit einheitlicher Wirkung bei gleichzeitiger Beschränkung der parallelen Durchsetzung der Schutzrechte (sog. beschränkter Doppelschutz). 426  Eine allgemeine Aussage dahingehend, dass Unionsschutzrechte stets neben nationale Schutzrechte treten, ist hingegen schwierig. Denn anders als die Unionsmarkenverordnung und die Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung sieht die Gemeinschaftssortenverordnung ein Doppelschutzverbot vor, siehe im Einzelnen A. I. 2. 427  So im Ergebnis auch das MPI in der Stellungnahme zum Referentenentwurf des Begleitgesetzes, GRUR Int. 2016, 554, 555, die auch im Internet abrufbar ist: http://www.ip.mpg.de/fileadmin/ipmpg/content/stellungnahmen/StnRefE_Gesetz_ Anpassung_patentrecht_Vorschriften_aufgrund_europaeische_Patentreform.pdf (27.01.2021).



B. Doppelschutz und europäische Patentreform99

Im Begleitgesetz wurde der dritten Option der Vorzug gegeben. Als Ausgleichsmechanismus wurde die Einrede der doppelten Inanspruchnahme vorgesehen, die im 3. Kapitel im Einzelnen erörtert wird.

III. Argumente für und gegen den Doppelschutz Zwischenzeitlich, insbesondere in der Phase der Entstehung des Regierungsentwurfs des Begleitgesetzes, sind zahlreiche Argumente für und gegen den Doppelschutz ausgetauscht worden. Die nachfolgende Darstellung systematisiert diese Argumente und ergänzt sie, ohne jedoch den kaum zu erfüllenden Anspruch auf Vollständigkeit erheben zu wollen. Im Zentrum steht die Frage danach, ob der Doppelschutz im Zuge der europäischen Patentreform in das deutsche Patentrecht eingeführt werden sollte, und zwar in dem Verhältnis zwischen dem nationalen Patent und dem europäischen Patent bzw. dem europäischen Patent mit einheitlicher Wirkung. Auch wenn es sich bei der Beantwortung dieser Frage nicht um die typische juristische Auslegung einer Rechtsnorm handelt, wird der auf Savigny428 zurückgehende Kanon der Auslegungsmethoden zur Anwendung gebracht, um den Diskurs zu systematisieren. Dieser Ansatz soll helfen, optimale Rationalität429 in den Diskurs430 einzubringen. Was die Auslegung nach dem Wortlaut betrifft, so wird auf die bereits erfolgte Erörterung der Terminologie im 1. Kapitel verwiesen.431 Aus der Terminologie lassen sich keine Folgerungen für oder gegen den Doppelschutz ableiten. Darüber hinaus werden die Argumente in historische (1.), systematische (2.) und teleologische (3.) unterteilt sowie in den jeweiligen Abschnitten zu Argumentationssträngen zusammengefasst. Ergänzend werden temporale Argumente auf­ gezeigt (4.). Diese beinhalten eine zeitliche Dimension, ohne dass sie der Gruppe der historischen Argumente zugeordnet werden können.

428  Savigny hat zwischen dem grammatischen Element, dem logischen Element, dem historischen Element und dem systematischen Element der Auslegung unterschieden, von Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, Bd. I, S. 213 f. Zu dieser Auslegungslehre siehe etwa Huber, JZ 2003, 1 ff. 429  Zu diesem Zweck des systematischen Denkens siehe etwa Mastronardi, Juristisches Denken, Rn. 900. Das BVerfG hebt in seinem Soraya-Beschluss hervor, dass die richterliche Entscheidung „auf rationaler Argumentation“ beruhen müsse, ­Beschl. v. 14.02.1973, 1 BVR 112/65, BVerfGE 34, 269, 287 – Soraya. Nichts anderes kann für die juristische Argumentation gelten. 430  Zur juristischen Argumentation als Diskurs vgl. Alexy, Theorie der juristischen Argumentation, S.  32 ff. 431  Kap. 1, C. I.

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Kap. 2: System des Doppelschutzes

1. Historische Argumente Im 1.  Kapitel wurden die früheren Harmonisierungsbestrebungen dargestellt,432 auf die nun zurückgeschaut werden kann. Denn sowohl der deutsche als auch der europäische Gesetzgeber haben sich bereits mit dem Doppelschutz auseinandergesetzt. Zwei Ansätze sollen nachfolgend genauer dargestellt werden: das Gemeinschaftspatentübereinkommen 1975 sowie das korrespondierende Gemeinschaftspatentgesetz 1979 und das Gemeinschaftspatentübereinkommen 1989 (a)) und der Verordnungsentwurf der Kommission aus dem Jahr 2000 (b)). a) GPÜ 1975 und GPatG 1979, GPÜ 1989 Das GPÜ 1975433 sah in Artikel 80,434 der stark an Artikel II § 8 ­IntPatÜbkG erinnert, ein Doppelschutzverbot in dem Verhältnis des natio­ nalen Patents zum Gemeinschaftspatent vor. Die Vorschrift wurde laut Ar­ tikel 86 GPÜ 1975 auf europäische Patente zur Anwendung gebracht, wenn der Anmelder während einer Übergangszeit kein Gemeinschaftspatent wünschte. In der Denkschrift zu Artikel 80 heißt es, laut Artikel 6

432  Kap. 1,

A.

433  76/76/EWG,

ABl. EG Nr. L 17 v. 26.01.1976, S. 1 ff. Siehe hierzu bereits Kap. 1, A. IV. 434  Artikel 80 GPÜ 1975 lautet: „(1) Soweit Gegenstand eines in einem Vertragsstaat erteilten nationalen Patents eine Erfindung ist, für die ein und demselben Erfinder oder seinem Rechtsnachfolger ein Gemeinschaftspatent mit gleichem Anmeldetag oder, wenn eine Priorität in Anspruch genommen worden ist, mit gleichem Prioritätstag erteilt worden ist, hat das nationale Patent in dem Umfang, in dem es dieselbe Erfindung wie das Gemeinschaftspatent schützt, von dem Zeitpunkt an keine Wirkung mehr, zu dem a) die Frist zur Einlegung des Einspruchs gegen das Gemeinschaftspatent abgelaufen ist, ohne daß Einspruch eingelegt worden ist, b) das Einspruchsverfahren unter Aufrechterhaltung des Gemeinschaftspatents abgeschlossen wird, oder c) es erteilt wird, wenn dieser Zeitpunkt nach dem in Buchstabe a) oder b) genannten Zeitpunkt liegt. (2) Absatz 1 bleibt durch das spätere Erlöschen und die spätere Nichtigerklärung des Gemeinschaftspatents unberührt. (3) Jeder Vertragsstaat kann vorsehen, in welchem Verfahren festgestellt wird, daß und gegebenenfalls in welchem Umfang das nationale Patent keine Wirkung mehr hat. Er kann ferner vorsehen, daß der Verlust der Wirkung von Anfang an eintritt. (4) Auf Grund eines Gemeinschaftspatents oder einer europäischen Patentanmeldung und eines nationalen Patents oder einer nationalen Patentanmeldung wird vor dem nach Absatz 1 maßgeblichen Zeitpunkt Doppelschutz gewährt, sofern nicht ein Vertragsstaat etwas anderes vorschreibt.“



B. Doppelschutz und europäische Patentreform101

GPÜ 1975435 sollten weiterhin in den einzelnen Vertragsstaaten nationale Patente erteilt werden können, allerdings sei ein Doppelschutz ein und derselben Erfindung sowohl durch ein Gemeinschaftspatent wie auch durch ein nationales Patent nicht beabsichtigt.436 Artikel 80 GPÜ 1975 mache von der Ermächtigung in Artikel 139 Absatz 3 EPÜ Gebrauch und sehe den Vorrang des Gemeinschaftspatents vor.437 Eine weitere Begründung enthielten weder die Denkschrift noch die Präambel des GPÜ 1975. Das Doppelschutzverbot wurde im Übrigen auch auf Gebrauchsmuster erstreckt, Artikel  84 GPÜ 1975. Denkschrift438 und Präambel des GPÜ 1975 enthielten insoweit ebenfalls keine Begründung des Doppelschutzverbots. Das GPatG vom 26.07.1979439 bestimmte in Artikel 1 Absatz 3, dass Artikel II § 8 Absatz 1 und 2 IntPatÜbkG und damit das nationale Doppelschutzverbot nur auf europäische Patente anzuwenden sei, die nicht den Bestimmungen des Gemeinschaftspatentübereinkommens unterliegen würden und die vor dem Inkrafttreten des Gemeinschaftspatentübereinkommens angemeldet worden seien. Es handelt sich mithin um eine Ergänzung zu Artikel 80 und 86 GPÜ 1975, die klarstellt, dass es für die vor dem Inkrafttreten des GPÜ 1975 eingereichten Patentanmeldungen und die daraufhin erteilten europäischen Patente bei der bisherigen Regelung des Doppelschutzverbots verbleibt.440 GPÜ 1975 und GPatG 1979 sahen mithin ausdrücklich ein umfassendes Doppelschutzverbot im Verhältnis des nationalen Patents zum europäischen Patent und zum Gemeinschaftspatent vor, das auch auf das Gebrauchsmusterrecht erstreckt wurde. Das GPÜ 1989441 hat diesen Ansatz nicht verändert: Artikel 75 und 79 GPÜ 1989 waren inhaltlich gleich mit Artikel 80 und 84 GPÜ 1975; Artikel 81 GPÜ 1989 entsprach seinem Inhalt nach im Wesentlichen Artikel 86 GPÜ 1975.

435  Artikel 6 GPÜ 1975 lautet: „Dieses Übereinkommen läßt das Recht der Vertragsstaaten unberührt, nationale Patente zu erteilen.“ 436  BT-Drs. 8/2087, S. 142; BlPMZ 1979, 325, 345 f. 437  Siehe Fn. 436. 438  BT-Drs. 8/2087, S. 143; BlPMZ 1979, 325, 346. 439  BGBl. I 1979 S. 1269 ff. 440  So auch die amtliche Begründung BT-Drs. 8/2087, S. 22. 441  Siehe hierzu Kap. 1, A. IV.

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Kap. 2: System des Doppelschutzes

b) Verordnungsvorschlag vom 01.08.2000 Der Vorschlag für eine Verordnung des Rates über das Gemeinschafts­ patent442 sah in Artikel 54443 das Verbot des Doppelschutzes vor. Die Vorschrift entsprach im Wesentlichen Artikel 80 GPÜ 1975. Nach Artikel 55 des Vorschlags sollte Artikel 54 auch auf Gebrauchsmuster und Gebrauchsmuster­ anmeldungen entsprechende Anwendung finden. Der Vorschlag enthielt ferner in dem 4. Erwägungsgrund die folgende Aussage: „Das auf Gemeinschaftspatente anwendbare gemeinschaftliche Patentrecht darf nicht das Patentrecht der Mitgliedstaaten ersetzen, und auch nicht das durch das Europäische Patentübereinkommen geschaffene europäische Patentrecht. Es erscheint nämlich nicht gerechtfertigt, die Unternehmen zu zwingen, ihre Patente als Gemeinschaftspatente anzumelden, da die einzelstaatlichen Patente und die europäischen Patente nach wie vor für diejenigen Unternehmen notwendig sind, die keinen Schutz ihrer Patente auf Gemeinschaftsebene wünschen. Deshalb steht die vorliegende Verordnung dem Recht der Mitgliedstaaten, in ihrem Land Patente zu erteilen, nicht entgegen.“

442  Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag für eine Verordnung des Rates über das Gemeinschaftspatent, 01.08.2000, KOM(2000) 412 endg., ABl. EG Nr. C 337 E v. 28.11.2000, S. 278 ff. Siehe hierzu bereits Kap. 1, A. VII. 443  Artikel 54 des Vorschlags KOM(2000) 412 endg. lautet: „(1) Soweit Gegenstand eines in einem Mitgliedstaat erteilten nationalen Patents eine Erfindung ist, für die ein und demselben Erfinder oder seinem Rechtsnachfolger ein Gemeinschaftspatent mit gleichem Anmeldetag oder, wenn eine Priorität in Anspruch genommen worden ist, mit gleichem Prioritätstag erteilt worden ist, hat das nationale Patent in dem Umfang, in dem es dieselbe Erfindung wie das Gemeinschaftspatent schützt, von dem Zeitpunkt an keine Wirkung mehr, zu dem a) die Frist zur Einlegung des Einspruchs gegen die Entscheidung des Amts, das Gemeinschaftspatent zu erteilen, abgelaufen ist, ohne daß Einspruch eingelegt worden ist, b) das Einspruchsverfahren unter Aufrechterhaltung des Gemeinschaftspatents abgeschlossen wird  oder c) es erteilt wird, wenn dieser Zeitpunkt nach dem in Buchstabe a) oder b) genannten Zeitpunkt liegt. (2) Absatz 1 bleibt durch das spätere Erlöschen und die spätere Nichtigerklärung des Gemeinschaftspatents unberührt. (3) Jeder Mitgliedstaat kann das Verfahren bestimmen, in dem festgestellt wird, daß, und gegebenenfalls in welchem Umfang das nationale Patent keine Wirkung mehr hat. Er kann außerdem vorsehen, daß die Wirkungen des nationalen Patents als von Anfang an nicht eingetreten gelten. (4) Aufgrund eines Gemeinschaftspatents oder einer Anmeldung eines Gemeinschaftspatents und eines nationalen Patents oder einer nationalen Patentanmeldung wird bis zu dem nach Absatz 1 maßgeblichen Zeitpunkt Doppelschutz gewährt.“



B. Doppelschutz und europäische Patentreform103

Diese Ausführungen erinnern an den 7. Erwägungsgrund der Unionsmarkenverordnung, bringen hier aber – aufgrund des Doppelschutzverbots in Artikel 54 – zum Ausdruck, dass die Verordnung das nationale und das Patentrecht nach dem EPÜ nicht vollständig ersetzen soll. c) Ergebnis Die vorgenannten Beispiele sind auf die europäische Patentreform nicht übertragbar. Denn das Patentpaket überlässt den teilnehmenden EU-Mitgliedstaaten die Wahl für oder gegen einen Doppelschutz, wie bereits oben erörtert wurde.444 Eine eindeutige Aussage gegen den Doppelschutz wie im GPÜ 1975, GPÜ 1989 oder in dem Verordnungsvorschlag aus dem Jahr 2000 fehlt. Einzelne Argumente für das Doppelschutzverbot zeigen die historischen Beispiele nicht explizit auf. 2. Systematische Argumente Als systematische Argumente werden solche zusammengefasst, die einen Bezug zum Gesamtsystem der Rechtsordnung aufweisen. Es kann sich um Argumente handeln, die etwa aus dem EU-Acquis folgen oder aus dem Patentpaket an sich. Daneben gehören auch solche Argumente in diese Kategorie, die die Störung des Gesamtsystems der Rechtsordnung aufzeigen, wie die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen. a) „Offener“ Rechtsrahmen Wie oben gezeigt wurde,445 gibt das Patentpaket keine eindeutigen Vorgaben in Bezug auf den Doppelschutz bzw. ein Doppelschutzverbot. Die EUMitgliedstaaten, die an der europäischen Patentreform teilnehmen, haben insoweit nach wie vor die freie Wahl gem. Artikel 139 Absatz 3 EPÜ. b) EU-Acquis Gegen einen Doppelschutz im Patentrecht wird eingewandt, dass die Rechtslage mit derjenigen nach der Unionsmarkenverordnung und der Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung, die den Doppelschutz erlauben, nicht vergleichbar sei.446 Denn die Gerichtsbarkeit sei bei Unionsmarken und 444  B. I. 445  B. I.

446  Romandini/Hilty/Lamping,

GRUR Int. 2016, 554, 558.

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Kap. 2: System des Doppelschutzes

Gemeinschaftsgeschmacksmustern anders ausgestaltet als bei europäischen Patenten.447 Sowohl für die Unionsschutztitel als auch für die nationalen Schutztitel sei die nationale Gerichtsbarkeit zuständig.448 Die Lage aus der Sicht der Wettbewerbsfreiheit sei unterschiedlich; eine Gleichstellung der Schutzrechte sei nicht gerechtfertigt, was sich auch daran zeige, dass die Erteilung von Zwangslizenzen für Unionsmarken und Gemeinschaftsgeschmacksmuster nicht möglich sei.449 Unterschiedliche gerichtliche Zuständigkeiten sprechen nicht per se gegen eine Vergleichbarkeit des Unionsmarken‑ und Gemeinschaftsgeschmacksmusterrechts mit dem Patentrecht. Denn Artikel 136 UMV und Artikel 95 GGV gehen jedenfalls davon aus, dass nicht die Gerichte eines Mitgliedstaates für die parallelen Verletzungsverfahren zuständig sind, sondern nationale Gerichte verschiedener Mitgliedstaaten.450 Insoweit liegen in einem gewissen Sinne ebenfalls unterschiedliche Gerichtsbarkeiten vor. Soweit der Hinweis auf die unterschiedlichen Zuständigkeiten letztlich auf die Ziele der europä­ ischen Patentreform gerichtet ist, so wird dieser Gesichtspunkt im Zusammenhang mit den teleologischen Argumenten behandelt. Unabhängig hiervon ist das EU-Acquis insgesamt zu betrachten. Zu berücksichtigen ist zunächst, dass das Unionsrecht auch das Doppelschutzverbot kennt, und zwar in Artikel 92 GSortV.451 Viel wichtiger ist jedoch die Feststellung, dass die patentrechtliche Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 wie auch das EPGÜ, anders als die Unionsmarkenverordnung, die Gemeinschafts­ geschmacksmusterverordnung und die G ­ emeinschaftssortenverordnung, gerade keine eindeutige Aussage in Bezug auf den Doppelschutz machen und damit den Mitgliedstaaten letztlich die Wahl des Artikels 139 Absatz 3 EPÜ belassen. Diejenigen Mitgliedstaaten, die sich für einen Doppelschutz entscheiden, können dem Unionsmarkenrecht und dem Gemeinschaftsgeschmacksmusterrecht – vor allem Artikel 136 UMV und Artikel 95 GGV – jedenfalls entnehmen, dass es erforderlich ist, das Problem paralleler Verletzungsklagen mit zu regeln. c) Doppelschutz-Systeme in anderen EPÜ-Vertragsstaaten Für den Doppelschutz spricht, dass er in anderen EPÜ-Vertragsstaaten gelebt wird und teilweise beabsichtigt ist, ihn auf europäische Patente mit einGRUR Int. 2016, 554, 558. GRUR Int. 2016, 554, 558. 449  Romandini/Hilty/Lamping, GRUR Int. 2016, 554, 558. 450  Siehe unter A. I. 3. und 4. 451  Hierzu im Einzelnen unter A. I. 2. 447  Romandini/Hilty/Lamping, 448  Romandini/Hilty/Lamping,



B. Doppelschutz und europäische Patentreform105

heitlicher Wirkung zu erstrecken.452 Ob der in diesem Zusammenhang genannte Grund der Registerklarheit trägt, mag dahingestellt bleiben. Denn dies hängt letztlich von der Ausgestaltung des Registers ab. Ob ferner die Patentaktivität eines Staates eine Auswirkung darauf hat, ob ein Doppelschutzsystem erfolgreich ist oder nicht, kann bereits deswegen nicht abschließend ­beurteilt werden, weil es letztlich die Entscheidung der Nutzer des Patent­ systems ist, ob sie den doppelten Schutz in Anspruch nehmen oder nicht. Fest steht aber, dass sich neben Deutschland jedenfalls auch Österreich und Frankreich im Zuge der europäischen Patentreform für die Zulassung des Doppelschutzes ausgesprochen haben, und zwar mit verschiedenen Ansätzen.453 d) Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen Gegen den Doppelschutz wird weiter eingewandt, dass er die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen mit sich bringe.454 Dieses Argument geht auf die unterschiedliche gerichtliche Zuständigkeit der nationalen Gerichte einerseits und des EPG andererseits zurück, wenn auf nationaler Ebene der Doppelschutz zugelassen wird. Dafür spricht, dass in die Entscheidungsfindung der Gerichte auch Werturteile einfließen.455 Dagegen spricht jedoch der gewichtige Gesichtspunkt, dass das EPGÜ die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen selbst in Kauf nimmt, indem eine auf bis zu insgesamt 14 Jahre verlängerbare Übergangszeit eingeräumt wird,456 während derer Nutzer nationale Gerichte gem. Artikel 83 Absatz 1 EPGÜ in Ansehung europäischer Patente anrufen können, ohne ein Opt-out in Anspruch zu nehmen. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen schwerlich völlig ausgeschlossen werden kann. Denn die Einheit der Rechtsordnung im Sinne eines widerspruchslosen Systems ist zwar ein erstrebenswertes Ziel (hierzu sogleich). Einzelne systembedingte Widersprüche finden jedoch immer wieder – auch ungewollt – ihren Weg in die Rechtsordnung. Außerdem wird dadurch, dass die europäische Patent­ reform die nationalen Patentgesetze nicht ersetzt (siehe den 26. Erwägungsgrund der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012), auch ohne Doppelschutz ein gewisses Risiko widersprüchlicher Entscheidungen stets bestehen. Deswegen 452  Siehe

unter A. II. 1. und 2. Österreich und Frankreich siehe unter A. II. 1. und 2. 454  Vgl. Romandini/Hilty/Lamping, GRUR Int. 2016, 554, 557. 455  Vgl. Romandini/Hilty/Lamping, GRUR Int. 2016, 554, 557. 456  Artikel 83 Absatz 1 und 5 EPGÜ. 453  Zu

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Kap. 2: System des Doppelschutzes

ist letztlich der Rechtsanwender berufen, das Recht nach Möglichkeit widerspruchsfrei auszulegen und anzuwenden.457 e) Einheit der Rechtsordnung In dem vorherigen Abschnitt wurde die Gefahr der widersprüchlichen Entscheidungen angesprochen. Das Gebot der Vermeidung von Widersprüchen ist im Grunde die „Kehrseite“458 der Einheit der Rechtsordnung.459 Die – im Rahmen der Rechtssetzung sowie der Rechtsanwendung460 – anzustrebende 457  Vgl. in diesem Zusammenhang (mahnend aufgrund des Beurteilungs‑ und Normsetzungsspielraums): Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 776 a. E. Die widerspruchsfreie Rechtsanwendung erfolgt nach Möglichkeit, denn der Rechtsanwender ist nicht allwissend. In diese Richtung, zur Vorsicht mahnend, Reimer, Juristische Methodenlehre, Kap. C Rn. 331. Vgl. im Übrigen ebenfalls Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 452, zur Einheit der Rechtsordnung als Postulat. Engisch, Die Einheit der Rechtsordnung, S. 69, beschäftigt sich u. a. mit der Einheit der Rechtsordnung als Axiom und als Postulat: „Als Axiom fungiert unser Prinzip dort, wo die Einheit bewußt oder versteckt als vorhanden unterstellt und den juristischen Erwägungen zugrunde gelegt wird. Wenn wir z. B. Rechtsnormen im Tatbestand oder in der Rechtsfolge ohne dazu anleitende Verweisung aus anderen Rechtsteilen ‚derselben Rechtsordnung‘ ergänzen oder wenn wir Rechtsnormen teleologisch aus dem Zusammenhange verstehen, so setzen wir ‚Einheit der Rechtsordnung‘ axiomatisch voraus. Als Postulat dagegen fungiert das Einheitsprinzip dort, wo die Einheit zunächst vermißt und erst in der juristischen Arbeit hergestellt wird, wie dies z. B. bei der Überwindung irgendwelcher prima facie gegebener Widersprüche … oder auch schon bei der Verhütung von Widersprüchen bei der Normfindung selbst geschieht.“ Höpfner geht von der Erkenntnis aus, dass „die Einheit der Rechtsordnung im Sinne einer Widerspruchsfreiheit von Rechtsnormen ein anzustrebendes Ziel jeder Rechtsanwendung sein“ solle und fragt danach, wie die „rechtstheoretischen Erkenntnisse für die konkrete Rechtsanwendung fruchtbar gemacht werden können“, Die systemkonforme Auslegung, S. 141. Er schlägt die systemkonforme Auslegung auf der dritten Stufe der Gesetzesanwendung vor. Unter systemkonformer Auslegung versteht er „einen an der Einheit der Rechtsordnung und dem systematischen Gesamtzusammenhang einer Normenhierarchie ausgerichteten, die Konformität mit höherrangigem Recht wahrenden Harmonisierungsvorgang“, Höpfner, Die systemkonforme Auslegung, S.  157 f. 458  Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 452. 459  Die Einheit der Rechtsordnung hat verschiedene Ausprägungen. Röhl/Röhl zeigen auf, dass die Einheit der Rechtsordnung soziologisch, normtheoretisch, als Begriffseinheit, als Wert‑ oder Prinzipieneinheit und als rechtspolitisches Postulat begründet sein könne: Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 451 f. In diesem Abschnitt wird die Einheit der Rechtsordnung als Kehrseite der Widerspruchsfreiheit verstanden, siehe hierzu auch Fn. 458. Zu verschiedenen Herangehensweisen an den Begriff der Einheit der Rechtsordnung siehe im Übrigen bereits Fn. 457 sowie Felix, Einheit der Rechtsordnung. 460  Zur Einheit der Verfassung als oberstem Interpretationsprinzip siehe BVerfG, Urt. v. 14.12.1965, 1 BvR 413, 416/60, BVerfGE 19, 206, 220 („Vornehmstes Inter-



B. Doppelschutz und europäische Patentreform107

Einheit sowie Widerspruchsfreiheit sind dabei auf die Rechtsordnung bezogen. Aus den zuvor erörterten systematischen Argumenten folgt, dass die Einführung des Doppelschutzes auf nationaler Ebene im Verhältnis des nationalen Patents zum europäischen Patent bzw. zum europäischen Patent mit einheitlicher Wirkung völkerrechts‑ und europarechtskonform ist. Insoweit wird also die Einheit der Rechtsordnung gewahrt. Ferner ist zu berücksichtigen, dass die bestehende Möglichkeit, ein nationales Gebrauchsmuster neben einem europäischen Patent zu erhalten,461 vor dem Hintergrund der Einheit der Rechtsordnung dafür spricht, einen Doppelschutz ebenfalls zwischen einem nationalen Patent und einem europäischen patentrechtlichen Schutztitel zuzulassen. f) Systemklarheit Gegen den Doppelschutz kann eingewandt werden, dass ein Doppelschutzverbot zur Klarheit der patentrechtlichen Systeme auf nationaler und europäischer Ebene beiträgt. Das Verbot des Doppelschutzes führt dazu, dass insgesamt weniger Schutzrechte in Kraft sind, die Gegenstand von rechtlichen Auseinandersetzungen sein können. Gerichtsverfahren können außerdem – bei Bestehen einer einheitlichen Gerichtsbarkeit – allein vor dieser ausgetragen werden. Diversität bringt stets eine gewisse Komplexität mit sich.462 Diese Komplexität muss jedoch nicht zwingend eine negative Konnotation haben.463 In der Diversität können auch Vorteile liegen. Besteht die Möglichkeit, parallele patentrechtliche Schutztitel auf verschiedenen Ebenen zu erhalten, so führt dies zu einem gewissen Wettbewerb der Systeme, der wiederum auf den verschiedenen Ebenen die „Selbstkorrektur“ befördert.464

pretationsprinzip ist die Einheit der Verfassung als eines logisch-teleologischen Sinngebildes, weil das Wesen der Verfassung darin besteht, eine einheitliche Ordnung des politischen und gesellschaftlichen Lebens der staatlichen Gemeinschaft zu sein.“). Kritisch und differenzierend: Reimer, Juristische Methodenlehre, Kap. C Rn. 330 f. 461  A. I. 1. 462  Als ein Beispiel wird die doppelte rechtsgeschäftliche Verwertung diskutiert, siehe Chudziak, GRUR 2015, 839, 844 unter Hinweis auf McGuire, GRUR 2011, 767, 772, die jedoch die Kumulation behandelt. 463  Zum Problem des sog. „Patentdickichts“ siehe unter 3. c) bb). 464  Zum Argument der Förderung des Wettbewerbs der Systeme siehe im Einzelnen unter 3. c) ee).

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Kap. 2: System des Doppelschutzes

g) Zusammenfassung und Ergebnisse Das Patentpaket enthält keine eindeutigen Vorgaben hinsichtlich des Doppelschutzes bzw. des Doppelschutzverbots. Den EU-Mitgliedstaaten, die an der europäischen Patentreform teilnehmen, steht die Wahlfreiheit nach Artikel 139 Absatz 3 EPÜ nach wie vor zu. Demgegenüber gehen die Unionsmarkenverordnung und die Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung von der Zulässigkeit des Doppelschutzes aus und die Gemeinschaftssortenverordnung vom Doppelschutzverbot. Denjenigen Verordnungen, die einen Doppelschutz vorsehen, kann ebenfalls entnommen werden, dass es eines Mechanismus bedarf, um das Problem paralleler Verletzungsklagen zu regeln. Die Rechtslage in anderen EU-Mitgliedstaaten zeigt, dass der Doppelschutz bereits jetzt im Verhältnis des nationalen Schutzrechts zum europä­ ischen Patent gelebt wird. Außerdem sehen jedenfalls Österreich und Frankreich neben Deutschland die Einführung des Doppelschutzes im Zuge der europäischen Patentreform vor. Bei Einschaltung unterschiedlicher Gerichtsbarkeiten, wie der nationalen und des EPG, besteht per se die Möglichkeit widersprüchlicher Entscheidungen. Diese Gefahr kann jedoch schwerlich völlig beseitigt werden. Letztlich ist immer der Rechtsanwender berufen, das Recht nach Möglichkeit widerspruchsfrei auszulegen und anzuwenden. Im Übrigen nimmt das EPGÜ die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen in gewissem Maße in Kauf, weil eine bis zu 14 Jahre andauernde Übergangszeit vorgesehen wird, während derer die nationalen Gerichte im Falle von europäischen Patenten angerufen werden können. Die Vermeidung von Widersprüchen ist die Kehrseite der Einheit der Rechtsordnung. Einheit und Widerspruchsfreiheit sind im Rahmen der Rechtssetzung und der Rechtsanwendung anzustreben. Sie sind auf die Rechtsordnung bezogen. Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass sich die Einführung des Doppelschutzes in die Einheit der Rechtsordnung einfügt. Sie ist völkerrechts- und europarechtskonform. Außerdem spricht die Möglichkeit der Kumulation zwischen Gebrauchsmuster und europäischem Patent vor dem Hintergrund der Einheit der Rechtsordnung für den Doppelschutz im Patentrecht. Doppelschutz bedingt Diversität, da der doppelte Schutz auf nationaler und europäischer Ebene erlangt werden kann. Diversität steht auf der einen Seite für eine höhere Komplexität, auf der anderen Seite befördert sie aber auch den Wettbewerb der Systeme, weil es eine Wahlfreiheit zwischen den Systemen gibt.



B. Doppelschutz und europäische Patentreform109

3. Teleologische Argumente Die teleologische Auslegung fragt nach dem Zweck.465 Als teleologische Argumente werden im Folgenden solche verstanden, die bestimmte Ziele bzw. Interessen der Beteiligten zum Gegenstand haben sowie solche, die sich mit den Auswirkungen des Doppelschutzes beschäftigen. a) Ziele In der Argumentation für und wider den Doppelschutz wird unter anderem mit den Zielen der Patentreform und auch mit übergeordneten Zielen wie der Binnenmarktintegration argumentiert, die nun näher untersucht werden. aa) Kompatibilität mit Zielen der Patentreform Gegen den Doppelschutz wird vorgebracht, die Zielsetzung der EU-Patent­ reform erschöpfe sich nicht darin, die Durchsetzung von Patenten zu verbessern, sondern es solle auch die Verteidigung gegen Patente erleichtert werden, die zu Unrecht erteilt worden seien, wie sich aus dem 5. Erwägungsgrund466 des EPGÜ ergebe.467 Der Doppelschutz stehe mit dieser Zielsetzung in einem gewissen Spannungsverhältnis, weil er die Vorteile der einheitlichen Gerichtsbarkeit zu beeinträchtigen drohe.468 Der 5. Erwägungsgrund bezieht sich auf solche Patente, die der Gerichtsbarkeit des EPG unterfallen sollen, also europäische Patente und europäische Patente mit einheitlicher Wirkung. Dies folgt bereits aus der Legaldefinition in Artikel 2 lit. g) EPGÜ, wonach das Übereinkommen unter einem Patent 465  Vgl. zur teleologischen Auslegung einer Norm: Staudinger/Honsell, Einl. zum BGB, Rn. 148 ff. Der BGH spricht von der „Auslegung nach dem Sinn und Zweck“, BGH, Urt. v. 18.05.1955, I ZR 8/54, BGHZ 17, 266, 276; Urt. v. 24.06.1955, I ZR 88/54, BGHZ 18, 44, 49. Zur Unterscheidung zwischen der subjektiven und der objektiven Auslegungstheorie vgl. etwa Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 796 ff. 466  Der 5. Erwägungsgrund des EPGÜ lautet: „IN DEM WUNSCH, durch die Errichtung des Einheitlichen Patentgerichts für die Regelung von Rechtsstreitigkeiten über die Verletzung und Rechtsgültigkeit von Patenten die Durchsetzung von Patenten und die Verteidigung gegen unbegründete Klagen und Klagen im Zusammenhang mit Patenten, die für nichtig erklärt werden sollten, zu verbessern und die Rechtssicherheit zu stärken“. 467  Romandini/Hilty/Lamping, GRUR Int. 2016, 554, 557. 468  Romandini/Hilty/Lamping, GRUR Int. 2016, 554, 557. Wobei hinzugefügt wird, die Begründung der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 (26. Erwägungsgrund) gehe von einer Koexistenz im Sinne einer Alternative (entweder/oder) zwischen natio­nalen und europäischen Patenten aus.

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Kap. 2: System des Doppelschutzes

ein europäisches Patent und/oder ein europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung versteht. Der 5. Erwägungsgrund erfasst mithin nicht nationale Patente. Dies ergibt sich auch daraus, dass weder das EPGÜ noch die Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 ein klares Doppelschutzverbot aussprechen. Wie oben dargelegt,469 ist die Verordnung offen formuliert, so dass die an der verstärkten Zusammenarbeit teilnehmenden EU-Mitgliedstaaten weiterhin ihr Wahlrecht nach Artikel 139 Absatz 3 EPÜ für oder gegen einen Doppelschutz ausüben können. Deswegen ist auch das oben genannte Argument nicht zielführend: Die Vereinfachung der Verteidigung gegen bestimmte europäische Patente und europäische Patente mit einheitlicher Wirkung ist unabhängig vom etwaigen Doppelschutz durch einen nationalen patentrecht­ lichen Schutztitel zu sehen. Darüber hinaus vermag das Argument auch deswegen nicht zu überzeugen, weil das EPGÜ selbst in der Übergangsphase eine Anrufung der nationalen Gerichte im Zusammenhang mit europäischen Patenten erlaubt und damit jedenfalls in dieser Phase nicht von einer vollständig einheitlichen Gerichtsbarkeit ausgeht. Die Argumentation geht im Übrigen davon aus, dass im Falle eines Doppelschutzes die „zu Unrecht“ erteilten Patente auf der einen Seite solche wären, die der Gerichtsbarkeit des EPG unterfallen würden, und auf der anderen Seite nationale Patente wären. Unabhängig davon, dass die Formulierung von „zu Unrecht“ erteilten Patenten zu unscharf ist, werden nationale Patente in Deutschland vom DPMA erteilt und nicht vom EPA. Selbst wenn das patentrechtliche Erteilungsverfahren weitgehend vereinheitlicht ist, gibt es dennoch Unterschiede. Hierzu zählt etwa das klare Patentierungsverbot nach § 2a Absatz 1 Nr. 1 PatG mit weiteren Präzisierungen in § 2a Absatz 2 und 3 PatG.470 Ein „zu Unrecht“ erteiltes europäisches Patent muss also nicht zwingend ein „zu Unrecht“ erteiltes nationales Pendant haben. Soweit hinter dem eingangs genannten Argument der Gedanke steht, dass ein Doppelschutz, der einen parallelen nationalen patentrechtlichen Schutz ermöglicht, zu einer Mehrheit von Verfahren führt (Verletzung und Nichtigkeit) und die Verteidigung erschweren soll, so handelt es sich um die Ausprägung des Arguments der Systemklarheit, das bereits im Abschnitt zu systematischen Argumenten behandelt wurde. Eine Mehrheit an nationalen Nichtigkeitsverfahren stärkt im Übrigen das Bundespatentgericht (hierzu unter 469  B. I.

470  Siehe im Einzelnen Schulte/Moufang, PatG, § 2a Rn. 8 ff. unter Nennung der Unterschiede zur Rechtslage nach dem EPÜ. Das EPA hat Mitte 2017 seine Praxis im Bereich der Pflanzen‑ und Tierpatente durch eine Änderung der Regeln 27 und 28 EPÜ klargestellt, ABl. EPA 2017, A62 m. w. N. Vgl. in diesem Zusammenhang ebenfalls Busse/Keukenschrijver, PatG, § 2a Rn. 3, 20.



B. Doppelschutz und europäische Patentreform111

c) cc)). Und soweit die Verteidigung in mehreren Verletzungsverfahren als Gefährdung der beklagten Partei angesehen wird, so kann als Ausgleichsmechanismus auf die Einrede der doppelten Inanspruchnahme verwiesen werden (hierzu sogleich unter b) cc)). Gegen den Doppelschutz wird ebenfalls vorgebracht, die Verbesserung des Rechtsschutzes für das europäische Patent und das europäische Patent mit einheitlicher Wirkung durch das Patentreformpaket könne schlechterdings kein Grund dafür sein, das Doppelschutzverbot aufzuheben, denn das Inte­ resse des Patentinhabers an einem zusätzlichen nationalen Rechtsschutz sei wegen dieser Verbesserung noch weniger begründet.471 Hiergegen ist zunächst vorzubringen, dass die Verbesserung des Rechtsschutzes nicht klar aufgezeigt wird. Soweit damit die Einführung des EPG gemeint ist, so ist festzuhalten, dass das EPG bislang nicht etabliert ist, so dass konkrete Aussagen über eine Verbesserung des Rechtsschutzes – wenn auch wünschenswert – bislang nicht getroffen werden können. Im Übrigen handelt es sich bei einer etwaigen Verbesserung des Rechtsschutzes um eine Folge der europäischen Patentreform. Die Einführung eines (beschränkten) Doppelschutzes ist demgegenüber auf eine andere Folge dieser Reform zurückzuführen, und zwar die Veränderung des Patentsystems an sich mit allen ihren Implikationen, die im Folgenden näher untersucht werden. bb) Kompatibilität mit übergeordneten Zielen In der Debatte um den Doppelschutz wird auf das übergeordnete Ziel der Binnenmarktintegration hingewiesen.472 Es bedürfe einer vorsichtigen Abwägung der Vor‑ und Nachteile des Doppelschutzes – nicht nur vor dem Hintergrund der Interessen von Rechtsinhabern und Wettbewerbern, sondern auch im Lichte des mit dem Einheitspatentpaket verfolgten Ziels der Binnen­ marktintegration.473

471  Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins durch den Ausschuss Geistiges Eigentum a) zum BMJV-Referentenentwurf eines Vertragsgesetzes zu dem Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht (Vertragsgesetz) und b) zum BMJVReferentenentwurf eines Gesetzes zur Anpassung patentrechtlicher Vorschriften auf Grund der Europäischen Patentreform (Begleitgesetz), S. 7, abrufbar unter: https:// anwaltverein.de/de/newsroom/sn-16-16-dav-stellungnahme-zum-referentenentwurfeines-vertrags-und-begleitgesetzes-epgue?file=files/anwaltverein.de/downloads/news room/stellungnahmen/2016/DAV-SN-16-2016.pdf (27.01.2021). 472  Romandini/Hilty/Lamping, GRUR Int. 2016, 554, 557. 473  Romandini/Hilty/Lamping, GRUR Int. 2016, 554, 557.

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Kap. 2: System des Doppelschutzes

Dieses Ziel wird im 1. Erwägungsgrund des EPGÜ aufgegriffen.474 Demnach dient die Patentreform, also die Einführung eines einheitlichen Patentgerichtssystems sowie des neuen Schutzrechts in Form des europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung, der Binnenmarktintegration. Da das Patentpaket aber kein ausdrückliches Verbot des doppelten Schutzes enthält, zeigt es, dass es den Doppelschutz durchaus hinnimmt. Darüber hinaus zeigen sowohl die Unionsmarkenverordnung als auch die Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung, dass der doppelte Schutz durch Unionsschutzrechte und nationale Schutzrechte der Binnenmarktintegration nicht schadet.475 b) Auswirkungen auf die Beteiligten Die Untersuchung der Frage, ob ein Doppelschutz eingeführt werden sollte, muss sich auch mit den Auswirkungen eines Doppelschutz-Systems auf die Beteiligten beschäftigen. Diese Auswirkungen sowie die Interessen der Beteiligten werden im Folgenden näher dargestellt. aa) Stärkung der Flexibilität und Entscheidungsfreiheit Die Einführung des Doppelschutzes eröffnet potentiellen Schutzrechts­ inhabern mehr Schutzoptionen. Dies stärkt ihre Flexibilität und Entscheidungsfreiheit.476 Denn sie können sich je nach ihren wettbewerblichen Inte­ ressen für einen rein nationalen, einen rein europäischen Schutzweg oder für beide entscheiden. Sollten sie sich für einen europäischen Weg entscheiden, dann ist ihnen nicht verwehrt, nur in dem nationalen System zu verbleiben

474  Der 1. Erwägungsgrund des EPGÜ lautet: „IN DER ERWÄGUNG, dass die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf dem Gebiet des Patentwesens einen wesentlichen Beitrag zum Integrationsprozess in Europa leistet, insbesondere zur Schaffung eines durch den freien Waren‑ und Dienstleistungsverkehr gekennzeichneten Binnenmarkts innerhalb der Europäischen Union und zur Verwirklichung eines Systems, mit dem sichergestellt wird, dass der Wettbewerb im Binnenmarkt nicht verzerrt wird“. 475  Vgl. noch pointierter: Benkard/Jestaedt/Osterrieth, EPÜ, 2.  Aufl., Art. 64 Rn. 4. 476  Der Bundesverband Deutscher Patentanwälte spricht von „Wahlfreiheit“ in seiner Stellungnahme zu dem Gesetz zum Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht sowie zu dem Gesetz zur Anpassung patentrechtlicher Vorschriften, Punkt 2.2, 1. Absatz, abrufbar unter: http://www.bundesverband-patentanwaelte.de/ positionen/stellungnahme-zu-dem-gesetz-zum-uebereinkommen-ueber-ein-einheit liches-patentgericht-sowie-zu-dem-gesetz-zur-anpassung-patentrechtlicher-vorschrif ten/ (27.01.2021).



B. Doppelschutz und europäische Patentreform113

oder anders ausgedrückt in das rein nationale System zurückzukehren,477 auch wenn zwischenzeitlich ein europäisches Patent erteilt wurde, kein Einspruch eingelegt wurde oder das Einspruchsverfahren rechtskräftig abgeschlossen wurde. Dann kann nämlich der Inhaber des europäischen Patents dieses durch Nichtzahlung der Gebühren erlöschen lassen und sich nur auf das parallele nationale Schutzrecht konzentrieren. Besteht hingegen ein Doppelschutzverbot, dann muss sich der Schutzrechtsinhaber von vorne herein auf ein Schutzsystem festlegen, weil spätestens in einem der Zeitpunkte nach Artikel II § 8 IntPatÜbkG das Doppelschutzverbot greift, das nationale Patent insoweit seine Wirkung verliert und die Rückkehr ins rein nationale System, wie oben geschildert, verwehrt ist, Artikel II § 8 Absatz 2 IntPat­ ÜbkG. In diesem Zusammenhang wird teilweise vorgebracht, die Flexibilität des Schutzrechtsinhabers könne durch die Anmeldung eines Gebrauchsmusters oder durch eine abgewandelte Anspruchsfassung für ein nationales Patent ohne Schwierigkeiten erreicht werden.478 Mit diesen Optionen werden Wege aufgezeigt, mit denen bereits heute das Doppelschutzverbot umgangen werden kann. Sie können daher schwerlich gegen den Doppelschutz ins Feld geführt werden. Im Gegenteil: wenn das Doppelschutzverbot bereits auf diese Weise umgangen werden kann, dann zeigt schon das jetzige Patent­ wesen, dass von der Einführung eines Doppelschutzes keine gravierenden Folgen zu erwarten sind. Außerdem greift der Hinweis auf das Gebrauchsmuster zu kurz. Wie bereits oben dargelegt,479 besteht nach geltendem Recht die Möglichkeit, parallel zu einem europäischen Patent mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland ein nationales Gebrauchsmuster zu erlangen und dies, obwohl die Erfordernisse an die Erfindungshöhe nach der Rechtsprechung im Patent‑ und Gebrauchsmusterrecht vergleichbar sind. Vor diesem Hintergrund wirft eher die unterschiedliche Behandlung von Gebrauchsmustern und Patenten Fragen auf.

477  In diese Richtung auch die Stellungnahme der GRUR zu dem Referentenentwurf eines Gesetzes zur Anpassung patentrechtlicher Vorschriften auf Grund der europäischen Patentreform und zum Referentenentwurf eines Gesetzes zu dem Über­ einkommen vom 19. Februar 2013 über ein Einheitliches Patentgericht, S. 2, abruf­bar unter: http://www.grur.org/uploads/tx_gstatement/2016-03-29-GRUR-Stn-RefE­Einheitliches-Patentgericht.pdf (27.01.2021), abgedruckt in GRUR 2016, 575 f. Danach bleibe die nationale Rechtsdurchsetzung als Option uneingeschränkt erhalten. 478  Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins (Fn. 471), S. 7. 479  A. I. 1.

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Kap. 2: System des Doppelschutzes

bb) Stärkung der Interessen des Innovationsträgers Die Stärkung der Flexibilität und der Entscheidungsfreiheit kommt den Innovationsträgern zugute, die hierdurch ihre Schutzrechte optimal durchsetzen können.480 Gegen die Stärkung der Interessen der Innovationsträger wird eingewandt, Patentinhaber hätten kein berechtigtes Interesse am Bestand gleichartiger und gleichwertiger Ausschließlichkeitsrechte für die gleiche Erfindung.481 Es handelt sich hierbei um einen der Gründe, die der historische Gesetzgeber für das Doppelschutzverbot vorgebracht hat.482 Dieser Grund ist indes auf die jetzige Konstellation, in der die Frage des Doppelschutzes aufkommt, nicht übertragbar. Es mangelt an dem Bestand gleichartiger und gleichwertiger Schutzrechte. De lege lata werden europä­ ische Patente in Bezug auf ihre Durchsetzung und ihre Vernichtung wie natio­nale Patente behandelt, und zwar sowohl hinsichtlich des anwendbaren Rechts als auch in Ansehung der zuständigen Institutionen. De lege ferenda wird eine umfassende Zuständigkeit des EPG u. a. für europäische Patente begründet. Bereits deswegen ist eine Gleichwertigkeit der Schutzrechte im Verhältnis nationales Patent und europäisches Patent nach Inkrafttreten des EPGÜ zu verneinen. Denn für die Durchsetzung sind unterschiedliche Vorschriften anwendbar483 und es entscheiden andere Gerichte (abgesehen von den Fällen des Opt-outs nach Artikel 83 Absatz 3 EPGÜ und der Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung des Artikels 83 Absatz 1 EPGÜ). In dem Verhältnis nationales Patent und europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung fehlt es zudem an der Gleichartigkeit der Schutzrechte, und zwar schon aufgrund ihrer Reichweite. Während das nationale Patent territorial auf das Staatsgebiet des erteilenden Staates beschränkt ist, entfaltet das europäische Patent mit einheitlicher Wirkung nach Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 einen einheitlichen Charakter und bietet einheitlichen Schutz in den teilnehmenden EU-Mitgliedstaaten. Außerdem kann das europäische Patent mit einheitlicher Wirkung nach dieser Vorschrift 480  So auch die Stellungnahme der GRUR (Fn. 477), S. 2, sowie die Stellungnahme der Patentanwaltskammer zu dem Referentenentwurf eines Gesetzes zur Anpassung patentrechtlicher Vorschriften auf Grund der europäischen Patentreform, S. 1, abrufbar unter: https://www.patentanwalt.de/files/pak/pdf/kammer/stellungnahmen/ 3_2016_Stellungnahme.pdf (27.01.2021). 481  Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins (Fn. 471), S. 7; vgl. ebenfalls Chudziak, GRUR 2015, 839, 844 mit Verweis auf Busse/Keukenschrijver, PatG, Art. II § 8 IntPatÜG Rn. 1. Dort werden die Gründe des historischen Gesetzgebers für das Doppelschutzverbot aufgegriffen. 482  Hierzu im Einzelnen im Kap. 1, C. II. 1. 483  Hierzu bereits: Kap. 1, B. II. 1. Zu unterschiedlichen Rechtsfolgen siehe Nieder, GRUR Int. 2014, 1033, 1034.



B. Doppelschutz und europäische Patentreform115

nur im Hinblick auf alle teilnehmenden Mitgliedstaaten für nichtig erklärt werden. cc) Gefährdung des Beklagten Die Einführung des Doppelschutzes hat eine nachteilige Folge für den potentiellen Verletzer in Gestalt zweier gerichtlicher Verfahren, und zwar vor dem EPG und vor nationalen Gerichten (und im Falle der Ausnahmeregel des Artikels 83 Absatz 1 EPGÜ gegebenenfalls nur vor nationalen Gerichten). Es besteht mithin die Gefahr der doppelten Inanspruchnahme.484 Diese Gefahr spricht indes nicht zwingend gegen den Doppelschutz, weil ihr entgegengewirkt werden kann. Eine Möglichkeit zeigen die Unionsmarkenverordnung und die Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung auf.485 Einen solchen Weg ist weder das EPGÜ noch die Verordnung (EU) Nr. 1257/ 2012 gegangen, obgleich sie den Doppelschutz nicht ausdrücklich ausschließen.486 An dieser Stelle greift die vom deutschen Gesetzgeber konzipierte Einrede der doppelten Inanspruchnahme, die nach Möglichkeit die doppelte Inanspruchnahme verhindern soll.487 Sie stellt einen Schutzmechanismus der beklagten Partei dar und ist damit der Ausgleich für den Doppelschutz des Schutzrechtsinhabers.488 Deswegen kann das neu vorgeschlagene System als ein System des beschränkten Doppelschutzes bezeichnet werden. Die Einrede der doppelten Inanspruchnahme ist im Einzelnen Gegenstand des 3. Kapitels. c) Strukturelle Auswirkungen Im Rahmen der Diskussion um die Einführung des Doppelschutzes spielen auch strukturelle Auswirkungen eine Rolle, die im Folgenden näher untersucht werden.

484  Vgl. zu diesem Argument: Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins (Fn. 471), S. 7. 485  Insoweit wird auf Artikel 136 UMV sowie Artikel 95 GGV verwiesen. Zu dieser Korrektur des Doppelschutzes s. o. unter A. I. 3. und 4. 486  Siehe hierzu unter B. I. 487  Vgl. BT-Drs. 18/8827, S. 13, 18. 488  BT-Drs. 18/8827, S. 25.

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Kap. 2: System des Doppelschutzes

aa) Verkomplizierung der Rechtslage Ein Argument, das in diesem Zusammenhang genannt wird, ist die Verkomplizierung der Rechtslage.489 Hierbei handelt es sich zunächst um ein Argument des historischen Gesetzgebers zugunsten des früher eingeführten Doppelschutzverbots. Der historische Gesetzgeber hat vorgebracht, der Bestand identischer Rechte, d. h. gleichartiger und gleichwertiger Ausschließlichkeitsrechte, deren Schicksal voneinander unabhängig sei, würde die Rechtslage unnötig verwirren und komplizieren.490 Der historische Gesetz­ geber nannte als unerwünschte Folge die Möglichkeit der doppelten Inanspruchnahme.491 Wie oben gezeigt,492 sind europäische Patente und nationale Patente jedenfalls nach Inkrafttreten des EPGÜ nicht als gleichwertig anzusehen.493 Dies gilt auch für europäische Patente mit einheitlicher Wirkung und nationale Patente. Im letzteren Verhältnis fehlt es im Übrigen an der Gleichartigkeit der Schutzrechte. Eine höhere Komplexität der Rechtslage aufgrund der Einführung des Doppelschutzes kann vor diesem Hintergrund nicht per se als unnötig betrachtet werden. Die Argumentation des historischen Gesetzgebers ist bei der Anpassung des nationalen Rechts aufgrund der europäischen Patentreform nicht übertragbar. Soweit der historische Gesetzgeber als Ausprägung der Verkomplizierung der Rechtslage die Gefahr der doppelten Inanspruchnahme genannt hat, so soll dieser im nationalen Recht mit der Einrede der doppelten Inanspruchnahme begegnet werden.494 Darüber hinaus ist nicht zu vergessen, dass im Falle des Doppelschutzverbots nationale Gerichte über die Voraussetzungen des Verbots entscheiden müssten, d. h. u. a. den Schutzumfang des europäischen Schutzrechts würdigen müssten,495 was ebenfalls zu einer Verkomplizierung des nationalen Systems führen würde.

489  Chudziak, GRUR 2015, 839, 844 unter Verweis auf Busse/Keukenschrijver, PatG, Art. II § 8 IntPatÜG Rn. 1. Dort werden die Gründe des historischen Gesetzgebers für das Doppelschutzverbot aufgegriffen. 490  Siehe im Einzelnen unter Kap. 1, C. II. 1. m. w. N. 491  Kap. 1, C. II. 1. m. w. N. 492  B. III. 3. b) bb). 493  Die Gleichwertigkeit wird schon heute von Kühnen zum Teil verneint: FS König, S. 309, 320 f. 494  Hierzu im Einzelnen Kap. 3. Zur (Nicht‑)Anwendbarkeit der Einrede siehe Kap. 3, A. II. 495  Hierzu Chudziak, GRUR 2015, 839, 845.



B. Doppelschutz und europäische Patentreform117

Und soweit das Argument der Verkomplizierung der Rechtslage die Kehrseite des Arguments der Systemklarheit darstellt, so wird auf die Untersuchung des zuletzt genannten Arguments verwiesen.496 bb) Auswirkungen auf die heimische Industrie Als Argument betreffend strukturelle Auswirkungen ist ferner dasjenige der Förderung der heimischen Industrie durch den Doppelschutz zu nennen. Insoweit wird zugunsten des Doppelschutzes vorgebracht, angesichts der Bedeutung des Patentsystems für die Förderung der Innovationskraft der kleineren und mittleren Unternehmen werde man zumindest derzeit auf die Möglichkeit eines effizienten Rechtsschutzes für nationale Patente nicht verzichten können.497 Vorgebracht wird in diesem Kontext weiter, es sei vorstellbar, dass der Wegfall des nationalen Patentsystems insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen schwer treffen könnte.498 Hiergegen könnte zunächst eingewandt werden, dass sich Schutzrechtsinhaber auch im Falle eines Doppelschutzverbots für einen rein nationalen Schutz entscheiden können. Dieses Argument greift indes zu kurz. Denn im Falle eines Doppelschutzverbots ist jedenfalls die Rückkehr in das rein nationale System verwehrt, wie oben bereits gezeigt wurde.499 Da der Doppelschutz die Interessen der Innovationsträger stärkt,500 kommt er ebenfalls kleinen und mittleren Unternehmen zugute. Mithilfe der Einrede der doppelten Inanspruchnahme werden sie zudem gegen eine doppelte Inanspruchnahme im nationalen System geschützt. Das nationale patentrechtliche Schutzsystem wird – verständlicherweise – in erster Linie von nationalen Anmeldern genutzt,501 so dass ein Doppelschutz diese Anmelder und späteren Schutzinhaber dementsprechend stärkt. Gegen den Doppelschutz wird ferner eingewandt, die Häufung paralleler Schutzrechte könne sich als Nachteil für den Produktionsstandort Deutschland erweisen, insbesondere in Industrien, in denen die Schutz‑ und Abhängigkeitsverhältnisse zwischen den Marktteilnehmern aufgrund der Vielzahl

496  B. III. 2. f).

497  Benkard/Jestaedt/Osterrieth,

EPÜ, 2. Aufl., Art. 64 Rn. 4. GRUR 2015, 839, 845. 499  B. III. 3. b) aa). 500  B. III. 3. b) bb). 501  Nach den Statistiken des DPMA stammten im Jahr 2019 45.534 nationale Patentanmeldungen aus dem Inland und 14.396 nationale Patentanmeldungen aus dem Ausland, DPMA, Jahresbericht 2019, S. 89, abrufbar unter: https://www.dpma.de/ docs/dpma/veroeffentlichungen/jahresberichte/jahresbericht2019.pdf (27.01.2021). 498  Chudziak,

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Kap. 2: System des Doppelschutzes

von angemeldeten und erteilten Patenten ohnehin undurchsichtig seien.502 Hiermit wird im Grunde das Phänomen des „Patentdickichts“ angesprochen. Ein „Patentdickicht“ entsteht nach Einschätzung der Kommission dann, „wenn für ein bestimmtes Produkt eine beträchtliche Anzahl von Patenten besteht, die verschiedenen Patentinhabern gehören. Für diese sich ergänzenden Patente werden unabhängig voneinander Lizenzgebühren verlangt, die sich dann kumulieren.“503 Patentdickichte treten laut Kommission insbesondere in der Kommunikations‑ und Halbleitertechnologie sowie in der Optikbranche, der Elektro‑ und der Medizintechnik auf.504 Die Definition erinnert an die allgemeine Beschreibung des „patent thicket“ von Shapiro: „a dense web of overlapping intellectual property rights that a company must hack its way through in order to actually commercialize new technology“.505 Das EPA beschreibt „Patentdickichte“ anhand verschiedener Charakteristika. Danach beinhalten „Patentdickichte“ üblicherweise: (1) mehrere Patente oder Patentanmeldungen, die (2) die gleiche, ähnliche oder komplementäre Technologie zum Gegenstand haben und (3) unterschiedlichen Parteien zustehen.506 Die Möglichkeit des Doppelschutzes erhöht die Wahrscheinlichkeit einer größeren Anzahl von jedenfalls nationalen Schutzrechten. Hieraus folgt jedoch nicht zwingend, dass der Doppelschutz auch die Gefahr von „Patent­ dickichten“ erhöht, zumal dieses Phänomen eher als branchenspezifisch zu qualifizieren ist507. Zudem wird im Falle des Doppelschutzes die Patentinhaberschaft an den parallelen Schutzrechten nicht immer divergieren. Im Übrigen mildert die vorgesehene Einrede der doppelten Inanspruchnahme im Kontext der Durchsetzung von Schutzrechten die Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme aus einem parallelen Schutzrecht ab und schwächt dadurch etwaige „Patentdickichte“.

GRUR Int. 2016, 554, 558. Kommission, Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts‑ und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, Eine stärkere europäische Industrie bringt Wachstum und wirtschaftliche Erholung, Aktualisierung der Mitteilung zur Industriepolitik, 10.10.2012, COM(2012) 582 final, S. 22, Fn. 44. 504  COM(2012) 582 final (Fn. 503), S. 22, Fn. 44. 505  Shapiro, Navigating the Patent Thicket, S. 119, 120. 506  Vgl. EPA, Report, Workshop on Patent Thickets initiated by the EPO Eco­ nomic and Scientific Advisory Board, 26.09.2012, S. 8, abrufbar unter: http:// documents.epo.org/projects/babylon/eponot.nsf/0/B58781F239B083CEC1257B19003 8E433/$FILE/workshop_patent_thickets_en.pdf (27.01.2021). 507  In diese Richtung COM(2012) 582 final (Fn. 503), S. 22, Fn. 44. Vgl. auch von Graevenitz/Wagner/Harhoff, Economics Letters 111 (2011), 6, 7 f. 502  Romandini/Hilty/Lamping, 503  Europäische



B. Doppelschutz und europäische Patentreform119

Weiter wird gegen den Doppelschutz vorgebracht, Deutschland sei ein wirtschaftlich relevanter Markt. Es sei daher gut möglich, dass finanziell starke, nicht europäische Unternehmen nach dem Inkrafttreten der EUPatent­ reform die Möglichkeit des Doppelschutzes aufgrund der vermeint­ lichen Vorteile, die ihnen das Trennungsprinzip nach deutschem Recht biete, ebenso nutzen würden.508 Dieses Argument schwächt allenfalls dasjenige ab, dass der Doppelschutz die nationale Industrie fördert. Gegen den Doppelschutz kann es schon deswegen nicht sprechen, weil ausländische Anmelder auch heute frei sind, das deutsche Schutzrechtssystem zu nutzen – mit allen Möglichkeiten, das Doppelschutzverbot zu umgehen509. Schließlich wird gegen den Doppelschutz eingewandt, die EU-Patentreform bleibe eine Maßnahme, die auf eine Verbesserung des Funktionierens des Binnenmarktes gerichtet sei. Würden andere Länder die Bundesrepublik Deutschland nachahmen, drohte die Patentrechtslage in Europa noch komplizierter zu werden, als sie es vor der Reform war.510 Dass der Binnenmarkt durch parallele Schutzrechte nicht geschädigt wird, wurde bereits diskutiert.511 Im Übrigen handelt es sich bei dem Argument um eine Befürchtung ohne hinreichende Grundlage, denn es zeichnet sich jedenfalls bislang nicht ab, dass die meisten EU-Mitgliedstaaten, die an der europäischen Patent­ reform teilnehmen, den Doppelschutz einführen wollen.512 cc) Auswirkungen auf die heimischen Institutionen In der Literatur wird zugunsten des Doppelschutzes ebenfalls das Argument des Erhalts einer funktionierenden nationalen Jurisdiktion auch über zwei Instanzen genannt.513 Zur Begründung wird darauf hingewiesen, dass sich in vielen Fällen die Notwendigkeit einer gemeinschaftsweiten Durchsetzung von Patenten von vorne herein nicht ergeben und sich eine Durchsetzung der nationalen Rechte als ausreichend erweisen werde.514 Diese Begründung spricht nicht zwingend für den Doppelschutz. Wenn nämlich ein rein nationaler Schutz begehrt wird, dann besteht auch im Falle eines Doppelschutzverbots die Möglichkeit, nur im nationalen System zu verbleiben. GRUR Int. 2016, 554, 558. hierzu unter B. III. 3. b) aa) oben. 510  Romandini/Hilty/Lamping, GRUR Int. 2016, 554, 558. 511  B. III. 3. a) bb). 512  Neben Deutschland haben jedenfalls Österreich und Frankreich die Fort‑ bzw. Einführung eines (beschränkten) Doppelschutzes im Zuge der europäischen Patent­ reform vorgesehen. 513  Benkard/Jestaedt/Osterrieth, EPÜ, 2. Aufl., Art. 64 Rn. 4. 514  Benkard/Jestaedt/Osterrieth, EPÜ, 2. Aufl., Art. 64 Rn. 4. 508  Romandini/Hilty/Lamping, 509  Siehe

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Kap. 2: System des Doppelschutzes

In diesem Fall wären nur die nationalen Gerichte für entsprechende Verfahren zuständig, sowohl für die Verletzung als auch den Bestand der Schutzrechte. Allerdings kommt hier abermals der Gedanke zum Tragen, dass ein System des Doppelschutzverbots von Innovationsträgern von vorne herein die Entscheidung darüber fordert, ob sie für ihre Erfindung einen europäischen Schutz oder einen rein nationalen erlangen wollen. Die Möglichkeit der Rückkehr in das rein nationale System besteht nicht.515 Vor diesem Hintergrund stärkt der Doppelschutz die nationale Rechtsprechung, die im Falle des Doppelschutzes trotz Bestehens eines europäischen Schutzrechts im Hinblick auf das parallele nationale Patent angerufen werden kann und in der Sache entscheiden kann – vorausgesetzt, die Einrede der doppelten Inanspruchnahme greift nicht. Für die Anrufung deutscher Verletzungsgerichte spricht ihre hohe Spezialisierung in Patentstreitsachen.516 Daneben kommt der Doppelschutz – mit den obigen Erwägungen – auch den nationalen Erteilungsbehörden zugute, in Deutschland dem DPMA. Das Argument, dass bei der Erteilung mehrerer Schutzrechte mit überschneidenden Schutzwirkungen zusätzlicher Aufwand entstehe,517 vermag nicht zu überzeugen. Denn für die Erteilung der nationalen und der europäischen Schutzrechte sind unterschiedliche Behörden zuständig (DPMA und EPA). Zusätzlicher Aufwand entsteht allenfalls im Hinblick auf die Aktualisierung und Pflege des nationalen Registers, soweit dieses auch die europäischen Schutztitel abbilden soll. Mit Blick auf europäische Patente ist dies aber bereits heute der Fall. Im Übrigen ist eine Zusammenarbeit mit dem EPA möglich. Für das Bundespatentgericht gilt Entsprechendes: das Gericht wird auch nach Inkrafttreten des EPGÜ weiter für die Nichtigerklärung der nationalen Patente zuständig sein (und je nach Ausübung der Übergangsregelungen durch die Schutzrechtsinhaber auch für europäische Patente mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland). Die Existenz von parallelen nationalen Patenten als Folge des Doppelschutzes stärkt daher das Bundespatentgericht. Der Umstand, dass das Bundespatentgericht seine Zuständigkeit für europä­ ische Patente verlieren wird, wenn das EPGÜ in Kraft tritt und im Einzelfall keine Ausnahmeregelung in Anspruch genommen wird, steht nicht mit dem Doppelschutz im Zusammenhang, sondern ist eine Folge der europäischen Patentreform an sich, und zwar der Schaffung des EPG.

515  Hierzu

bereits unter B. III. 3. b) aa). Standort Düsseldorf vgl. etwa das Vorwort in Kühnen, Festschrift zum 80-jährigen Bestehen des Patentgerichtsstandortes Düsseldorf am 1. Oktober 2016. 517  Chudziak, GRUR 2015, 839, 844. 516  Zum



B. Doppelschutz und europäische Patentreform121

dd) Förderung des alten oder des neuen Systems? Diskutiert wird ebenfalls, ob Doppelschutz bzw. Doppelschutzverbot das „alte“ nationale oder das „neue“ EPG-System fördern. Ob und welches System gefördert wird, ist letztlich eine Schlussfolgerung. Diese Schlussfolgerung kann erst nach der Darlegung der Folgen von Doppelschutz bzw. Doppelschutzverbot für die Patentsysteme gezogen werden: Der Doppelschutz ermöglicht es, nationale Patente weiterhin zu erhalten und auch, in das rein nationale Patentsystem zurückzukehren.518 Insoweit kommt der Doppelschutz dem nationalen Patentsystem zugute. Spiegelbildlich kann das Doppelschutzverbot als das neue EPG-System fördernd angesehen werden,519 weil die Erteilung paralleler nationaler Patente unterbunden wird. Diese Folgerungen sind indes nicht abschließend. Der Doppelschutz fördert auch das neue EPG-System, weil den Anmeldern die Möglichkeit eröffnet wird, das neue System auszuprobieren, ohne sich von vorne herein für dieses entscheiden zu müssen.520 Im Falle des Begleitgesetzes setzt die Bestimmung des Artikels II § 8 Absatz 1 IntPatÜbkG-E zumindest ein Incentive dafür, nicht von der Opt-out-Regelung des Artikels 83 Absatz 3 EPGÜ Gebrauch zu machen,521 um in den Genuss des Doppelschutzes zu kommen. Hierdurch wird letztlich auch das EPG-System gefördert. Demgegenüber eröffnet ein Doppelschutzverbot keine Option, sondern beschränkt die Wahlmöglichkeiten, weil sich der Anmelder für ein System entscheiden muss. Das andere System wird dadurch de facto zurückgedrängt.522 Für die Beliebtheit der europäischen Patente und damit jedenfalls des derzeitigen europäischen Patentsystems sprechen dabei die Erteilungszahlen.523 518  Zu

Letzterem: B. III. 3. b) aa). Chudziak, GRUR 2015, 839, 844. 520  Ähnlich argumentiert McGuire mit der Steigerung der Attraktivität der früheren Gemeinschaftsmarke aufgrund des Doppelschutzes im Markenrecht unter Berufung auf den 6. Erwägungsgrund der GMV, GRUR 2011, 767, 769, siehe hierzu bereits unter A. I. 3. 521  So auch die Stellungnahme der GRUR (Fn. 477), S. 5. 522  Auf die Umgehungsmöglichkeiten des Doppelschutzverbots wird nicht im Einzelnen eingegangen, weil deren Nutzung schlecht erfasst werden kann. Daher können auch keine Aussagen dazu getroffen werden, ob das Doppelschutzverbot nationale Systeme aufgrund der Umgehungsmöglichkeiten doch nicht wesentlich zurückzudrängen vermag. 523  2017 wurden 105.335 europäische Patente erteilt, bei denen Deutschland als Vertragsstaat benannt wurde (http://www.epo.org/about-us/annual-reports-statistics/ annual-report/2017/statistics/granted-patents_de.html#tab3 [27.01.2021]), und 2018 waren es bereits 127.357 (http://www.epo.org/about-us/annual-reports-statistics/ annual-report/2018/statistics/granted-patents_de.html [27.01.2021]). Demgegenüber 519  So

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Kap. 2: System des Doppelschutzes

Während das Doppelschutzverbot also die nationalen Systeme eher zurückdrängen und das neue EPG-System fördern würde, eröffnet ein Doppelschutz Wahlmöglichkeiten und würde dadurch – jedenfalls im Falle des Begleitgesetzes – sowohl das nationale System als auch das EPG-System fördern. Der Doppelschutz nach dem Begleitgesetz stellt mithin einen Vorschlag der Mitte dar. ee) Förderung des Wettbewerbs der Systeme Die soeben angesprochene Wahlfreiheit im Falle des Doppelschutzes fördert den Wettbewerb zwischen dem nationalen Patentsystem und dem EPGSystem.524 Denn die Anmelder sind frei, sich für einen oder beide Systeme zu entscheiden, sie haben die Wahlfreiheit. Dies wiederum setzt einen Anreiz, das jeweilige System zu verbessern, was letztlich beiden zugutekommt. Demgegenüber gewährt ein Doppelschutzverbot keine richtige Wahlfreiheit, denn es werden nicht mehrere Optionen eröffnet, sondern die einmalige Entscheidung für ein System verlangt. Einmal getroffene Entscheidungen können nicht mehr revidiert werden. Dadurch ist der Wettbewerb zwischen den Patentsystemen nicht so ausgeprägt wie im Falle des Doppelschutzes. Insgesamt kann festgehalten werden, dass der freie Wettbewerb für den Doppelschutz spricht, da er auf weitere Sicht zu einer Verbesserung der Patentsysteme führt. d) Zusammenfassung und Ergebnisse Der Doppelschutz widerspricht nicht den Zielen der Patentreform. Die Vereinfachung der Verteidigung gegen europäische Patente und europäische Patente mit einheitlicher Wirkung ist unabhängig von einem etwaigen doppelten Schutz durch nationale Patente zu sehen. Die Vorteile einer einheit­ lichen Gerichtsbarkeit werden nicht geschmälert, weil das EPGÜ selbst eine lange Koexistenz zwischen EPG und nationalen Gerichten in Ansehung europäischer Patente vorsieht. Soweit der Doppelschutz zu einer Mehrheit von Verfahren führt (Verletzung und Nichtigkeit) und die Verteidigung erschweren soll, so handelt es sich um eine Ausprägung des Arguments der Systemklarheit. Eine Mehrheit verzeichnete das DPMA 2017 15.649 veröffentlichte Patenterteilungen, 2018 16.369 und 2019 18.255 (https://www.dpma.de/docs/dpma/veroeffentlichungen/jahresberich te/jahresbericht2019.pdf [27.01.2021]). 524  Vgl. in diese Richtung auch Benkard/Jestaedt/Osterrieth, EPÜ, 2. Aufl., Art. 64 Rn.  4 a. E.



B. Doppelschutz und europäische Patentreform123

von nationalen Nichtigkeitsverfahren stärkt im Übrigen das Bundespatentgericht. Soweit in einer mehrfachen Inanspruchnahme wegen Patentverletzung eine Gefährdung des Beklagten gesehen wird, so kann diese Gefahr in Verletzungsverfahren mit der Einrede der doppelten Inanspruchnahme abgemildert werden. Eine Verbesserung des Rechtsschutzes durch das Patentpaket spricht nicht gegen den Doppelschutz. Sie ist eine etwaige Folge des EPG-Systems. Grund für die Einführung des Doppelschutzes ist aber die Veränderung des Patentsystems an sich mit allen Implikationen, ebenfalls ausgelöst durch die europäische Patentreform. Hierbei ist ferner zu berücksichtigen, dass das EPGSystem noch nicht etabliert ist und daher noch nicht in der Praxis erprobt wurde. Das übergeordnete Ziel der Binnenmarktintegration spricht ebenfalls nicht gegen die Einführung des Doppelschutzes. Denn das Patentpaket äußert sich nicht ausdrücklich gegen den Doppelschutz. Außerdem zeigen die Unionsmarkenverordnung und die Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung, dass der doppelte Schutz durch Unionsschutzrechte und nationale Schutzrechte der Binnenmarktintegration nicht schadet. Werden die Interessen der Beteiligten in den Blick genommen, so fällt zunächst auf, dass die Einführung des Doppelschutzes potentiellen Schutzrechtsinhabern mehr Schutzoptionen eröffnet, was ihre Flexibilität und Entscheidungsfreiheit stärkt. Insbesondere müssen sie sich in einem Doppelschutz-System nicht von vorne herein für einen Schutzweg entscheiden, sondern sie können in das rein nationale Schutzsystem zurückkehren. Die Anmeldung eines Gebrauchsmusters oder eine abgewandelte Fassung für ein nationales Patent können nicht gegen den Doppelschutz angeführt werden. Wenn das Doppelschutzverbot auf diese Weise umgangen werden kann, dann wird auch ein Doppelschutz nicht schaden. Außerdem wirft die unterschiedliche Behandlung von Gebrauchsmustern und Patenten im Hinblick auf den Doppelschutz eher Fragen auf, weil die Erfordernisse an die Erfindungshöhe nach der Rechtsprechung im Patent‑ und Gebrauchsmusterrecht vergleichbar sind. Die Stärkung von Flexibilität und Entscheidungsfreiheit kommt den Innovationsträgern zugute. Ein fehlendes berechtigtes Interesse am Bestand gleichartiger und gleichwertiger Ausschließlichkeitsrechte für die gleiche Erfindung kann in diesem Zusammenhang nicht festgestellt werden. Eine Gleichwertigkeit ist zu verneinen, weil die europäischen Schutztitel der Zuständigkeit des EPG unterfallen (soweit keine Ausnahmeregelung greift), die nationalen aber der nationalen Rechtsprechung. An der Gleichartigkeit fehlt es jedenfalls im Verhältnis des nationalen Patents zum europäischen Patent

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Kap. 2: System des Doppelschutzes

mit einheitlicher Wirkung aufgrund der unterschiedlichen territorialen Reichweite der Schutzrechte. Die Einführung des Doppelschutzes führt zu einer Gefährdung der beklagten Partei, die sich bei einer Mehrheit der Schutzrechte gegebenenfalls in mehreren Verletzungsverfahren verteidigen muss. Dieser Gefahr kann mit Hilfe der Einrede der doppelten Inanspruchnahme begegnet werden. Sie stellt einen Schutzmechanismus der beklagten Partei dar und ist damit der Ausgleich für den Doppelschutz des Schutzrechtsinhabers. Im Zusammenhang mit strukturellen Auswirkungen der Einführung des Doppelschutzes wird die Verkomplizierung der Rechtslage genannt. Das entsprechende Argument des historischen Gesetzgebers zugunsten des Doppelschutzverbots ist nicht übertragbar, weil im Falle des Inkrafttretens des EPGÜ die Gleichartigkeit und die Gleichwertigkeit der europäischen und der nationalen Schutzrechte zu verneinen sind. Der Gefahr der doppelten Inanspruchnahme als Ausprägung der Verkomplizierung der Rechtslage kann mittels der Einrede der doppelten Inanspruchnahme begegnet werden. Im Falle eines Doppelschutzverbots müssten außerdem die nationalen Gerichte über die entsprechenden Voraussetzungen entscheiden, was zu einer Verkomplizierung des nationalen Systems führen würde. Zu den strukturellen Auswirkungen zählen auch die Auswirkungen auf die heimische Industrie. Der Doppelschutz stärkt die Interessen der Innovationsträger und kommt damit ebenfalls kleinen und mittleren Unternehmen sowie insbesondere nationalen Anmeldern zugute. Die kleinen und mittleren Unternehmen werden außerdem durch die Einrede der doppelten Inanspruchnahme zusätzlich geschützt. Die Möglichkeit des Doppelschutzes erhöht die Wahrscheinlichkeit einer größeren Anzahl von nationalen Patenten. Hieraus folgt aber nicht zwingend, dass der Doppelschutz auch die Gefahr von „Patent­ dickichten“ erhöht. Diese Gefahr ist eher branchenspezifisch. Sie wird im Übrigen abgeschwächt durch die Möglichkeit der Erhebung der Einrede der doppelten Inanspruchnahme. Gegen den Doppelschutz spricht nicht, dass nicht europäische Unternehmen diesen nutzen könnten. Denn diese Unternehmen können auch heute das deutsche System frei nutzen – mit allen Umgehungsmöglichkeiten im Hinblick auf das Doppelschutzverbot. Für eine Verkomplizierung der Rechtslage wegen der Einführung des Doppelschutzes in zahlreichen EU-Mitgliedstaaten gibt es bislang keine Anhaltspunkte. Im Übrigen zeigt die derzeitige europäische Rechtslage, dass der Binnenmarkt durch parallele Schutzrechte nicht geschädigt wird. Der Doppelschutz stärkt darüber hinaus die nationale Jurisdiktion und kommt der nationalen Erteilungsbehörde, dem DPMA, zugute. Im Zusammenhang mit dem Bundespatentgericht ist zu berücksichtigen, dass dieses nach dem Inkrafttreten des EPGÜ weiter für die Nichtigerklärung der natio-



B. Doppelschutz und europäische Patentreform125

nalen Patente zuständig sein wird (und je nach Ausübung der Ausnahmeregelungen auch für europäische Patente mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland). Das Bundespatentgericht wird bei einer Existenz paralleler nationaler Patente gestärkt. Der Umstand, dass das Bundespatentgericht seine Zuständigkeit für europäische Patente weitgehend verlieren wird, wenn das EPGÜ in Kraft tritt, ist eine Folge der europäischen Patentreform an sich, und zwar der Schaffung des EPG, und steht nicht mit dem Doppelschutz in Verbindung. Jedenfalls der Vorschlag des (beschränkten) Doppelschutzes nach dem Begleitgesetz stellt einen Vorschlag der Mitte dar, denn es werden sowohl das nationale System als auch das neue EPG-System gefördert. Auf der einen Seite wird ermöglicht, weiterhin nationale Patente zu erlangen. Auf der anderen Seite wird den Anmeldern ermöglicht, das neue System auszuprobieren, ohne sich von vorne herein für ein System entscheiden zu müssen. Artikel II § 8 Absatz 1 IntPatÜbkG-E spricht gegen die Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung des Artikels 83 Absatz 3 EPGÜ. Demgegenüber beschränkt das Doppelschutzverbot die Wahlmöglichkeiten, weil sich der Anmelder für ein System entscheiden muss. Dadurch wird ein System de facto zurückgedrängt, und zwar im Zweifel das nationale Patentsystem aufgrund der Beliebtheit des europäischen Systems. Der Doppelschutz fördert den Wettbewerb zwischen dem nationalen Patentsystem und dem EPG-System, weil die Anmelder die Freiheit haben, sich für eines dieser Systeme zu entscheiden. Dies hat eine Anreizwirkung zur Folge, die Patentsysteme zu verbessern. 4. Temporale Argumente Unter temporalen Argumenten werden im Folgenden solche verstanden, die eine zeitliche Dimension enthalten, ohne dass sie der Gruppe der historischen Argumente zugeordnet werden können, weil sie etwa die Zukunft betreffen. a) Einführung eines neuen Systems Das mittels der europäischen Patentreform zu etablierende EPG-System ist im Vergleich zu anderen europäischen Systemen im Bereich des gewerb­ lichen Rechtsschutzes sowie im Vergleich zu anderen Patentsystemen völlig neu ausgestaltet. Sollte das Patentpaket in Kraft treten, dann bleibt der Erfolg des EPG-Systems abzuwarten.

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Kap. 2: System des Doppelschutzes

Eine solche Situation, die mit Unsicherheiten behaftet ist, spricht dafür, den Anmeldern mehr Flexibilität und Wahlfreiheit zu belassen. Dies wiederum spricht für den Doppelschutz. Die Geschichte, insbesondere die Einführung des EPÜ mit dem korrespondierenden Doppelschutzverbot in Deutschland, spricht nicht dagegen. Denn damals ging es um die Einführung eines Patenterteilungssystems, die europäischen Patente wurden und werden noch rein national durchgesetzt und für nichtig erklärt. Dies ist jedoch anders nach dem EPG-System, das eine einheitliche Patentgerichtsbarkeit vorsieht. Außerdem ist das aus dem Sortenschutzrecht bekannte System keine Alternative.525 Nach diesem System ruht das parallele nationale Schutzrecht, ohne dass es zu einer Wirkungslosigkeit kommt. Eine solche Lösung wird jedoch dem Umstand nicht gerecht, dass nach der europäischen Patentreform ein völlig neues Patentsystem ins Leben gerufen wird mit einer einheitlichen Gerichtsbarkeit. Das Ruhen des nationalen Schutzrechts erforderte dennoch eine komplette Umstellung auf ein neues, unbekanntes System von Beginn an. b) Anfangszeit Die Einführung des Doppelschutzes könnte als Maßnahme zur Stärkung der „nationalen Route“ zur Erlangung und Durchsetzung nationaler Patente angesehen werden.526 Ein solches Verständnis greift indes zu kurz. Wird die Gesamtsituation in den Blick genommen, so fällt auf, dass die Einführung des einheitlichen Patentsystems flankiert durch ein Doppelschutzverbot eine „scharfe“ Umstellung darstellen würde – die Umstellung auf ein bislang unbekanntes, neues und in der Praxis noch nicht bewährtes System. Die Einführung des (beschränkten) Doppelschutzes mildert die Umstellung auf das neue System hingegen ab. Es kommt zu einem sanfteren Übergang zwischen dem nationalen und dem EPG-System, weil das nationale System – abgesehen von den Ausnahmeregelungen des Artikels 83 Absatz 1 und Absatz 3 EPGÜ – aufgrund der weiter bestehenden Möglichkeit, parallele nationale Patente anzumelden und durchzusetzen, nicht über Gebühr geschwächt wird. Eine solche behutsame Anpassung an die neue Rechtslage ist gerade in der Anfangszeit des EPG-Systems vorteilhaft. Insgesamt betrachtet ist dem Doppelschutz als Maßnahme in der Anfangszeit der Umstellung auf ein neues und unbekanntes europäisches System der Vorzug vor dem Doppelschutzverbot zu geben, weil er eine behutsamere Anpassung an die neue Rechtslage ermöglicht.527 525  Hierzu

oben unter A. I. 2.

526  Vgl. Singer/Stauder/Luginbühl,

EPÜ, Art. 139 Rn. 10. eine Zulassung des Doppelschutzes für eine „Übergangszeit“ als „Kompromisslösung“: Chudziak, GRUR 2015, 839, 845. 527  Für



B. Doppelschutz und europäische Patentreform127

c) Ergebnis Die temporalen Argumente sprechen für den Doppelschutz: Es wird ein neues Patentsystem eingeführt, das bislang nicht bekannt und nicht erprobt ist. Dies spricht dafür, den Anmeldern mehr Flexibilität und Wahlfreiheit zu belassen. Aufgrund des Doppelschutzes wird das neue EPG-System behutsam eingeführt und es kommt nicht zu einer „scharfen“ Umstellung wie dies der Fall wäre bei einer gleichzeitigen Vorsehung des Doppelschutzverbots.

IV. Abwägung und Ergebnis Aus der Terminologie und der Historie lassen sich keine Schlüsse für oder gegen den Doppelschutz ableiten. Die Historie zeigt allenfalls, dass anders als bei früheren Vorhaben das Patentpaket keine eindeutigen Vorgaben zugunsten oder zulasten des Doppelschutzes enthält, wie dies in den Abschnitten I. und II. oben herausgearbeitet wurde. Die nachfolgend aufgezählten systematischen und teleologischen Argumente sind neutral oder sprechen jedenfalls nicht gegen die Einführung des Doppelschutzes: – der offene Rechtsrahmen, weil es keine eindeutigen Vorgaben im Patentpaket zugunsten oder zulasten des Doppelschutzes gibt, – die Wahlfreiheit der an der verstärkten Zusammenarbeit teilnehmenden EU-Mitgliedstaaten nach Artikel 139 Absatz 3 EPÜ, – die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen auf nationaler und auf EPGEbene, die deswegen nicht gegen den Doppelschutz spricht, weil diese Gefahr auch während der längstens 14 Jahre andauernden Übergangszeit besteht und letztlich der Rechtsanwender berufen ist, das Recht nach Möglichkeit widerspruchsfrei auszulegen und anzuwenden, – der Doppelschutz widerspricht nicht den Zielen der europäischen Patent­ reform und auch nicht dem Ziel der Binnenmarktintegration, – das Erfordernis, nationale Patente gesondert angreifen zu müssen, um eine Nichtigerklärung zu erzielen, spricht nicht gegen den Doppelschutz, denn der Angriff ist bei parallelen Schutzrechten vergleichbar und die Existenz paralleler nationaler Patente stärkt das Bundespatentgericht, – die Verbesserung des Rechtsschutzes durch die europäische Patentreform spricht nicht gegen den Doppelschutz, denn hierbei handelt es sich allenfalls um eine Folge der Patentreform, die Einführung des Doppelschutzes ist aber auf die Veränderung des Patentsystems im Zuge der Reform zurückzuführen.

128

Kap. 2: System des Doppelschutzes

Folgende systematische und teleologische Argumente sprechen zunächst gegen den Doppelschutz: – Doppelschutz bedeutet Diversität und damit auch Komplexität, u. a. in Gestalt der Verkomplizierung der Rechtslage, was der Systemklarheit widerspricht, – Doppelschutz ermöglicht eine Mehrheit an Verletzungsverfahren vor natio­ nalen Gerichten und dem EPG, was die Verteidigung auf Beklagtenseite erschwert, – Gefahr der doppelten Inanspruchnahme der beklagten Partei in Verletzungsverfahren. Die beiden letzten Argumente lassen sich durch die Einführung eines Schutzmechanismus in Verletzungsverfahren für die Beklagtenseite entkräften. Ein solcher Schutzmechanismus ist in der Einrede der doppelten Inanspruchnahme laut Begleitgesetz zu sehen. Für den Doppelschutz sprechen die folgenden systematischen, teleologischen und temporalen Argumente: – die bereits bestehenden Doppelschutzsysteme in einigen EPÜ-Vertragsstaaten und die avisierte Fort‑ bzw. Einführung des Doppelschutzes im Zuge der europäischen Patentreform in Österreich und Frankreich, – die Einheit der Rechtsordnung, die bei Einführung des Doppelschutzes gewahrt bleibt, weil Letztere völkerrechts‑ und europarechtskonform ist, außerdem spricht die mögliche Kumulation von Gebrauchsmustern und europäischen Patenten aus dem Blickwinkel der Einheit der Rechtsordnung für den Doppelschutz, – Stärkung von Flexibilität und Entscheidungsfreiheit der Schutzrechtsinhaber, – Stärkung der Interessen der Innovationsträger, was auch kleinen und mittleren Unternehmen und insbesondere nationalen Anmeldern zugutekommt, – Stärkung der nationalen Rechtsprechung und der nationalen Erteilungsbehörde DPMA, – die Einführung des Doppelschutzes stellt einen Vorschlag der Mitte dar, der sowohl dem „alten“ als auch dem „neuen“ System zugutekommt, – die Förderung des Wettbewerbs durch die Eröffnung der Möglichkeit, parallele Schutzrechte auf nationaler und europäischer Ebene zu erlangen und durchzusetzen, was wiederum auf längere Sicht zu einer Verbesserung der nationalen Systeme und des europäischen Systems führt,



B. Doppelschutz und europäische Patentreform129

– die Einführung eines neuen, bislang unbekannten und nicht erprobten Patentsystems spricht dafür, den Anmeldern mehr Flexibilität und Wahlfreiheit zu belassen, – wegen des Doppelschutzes wird das neue EPG-System behutsam eingeführt und es kommt nicht zu einer „scharfen“ Umstellung wie bei einem Doppelschutzverbot. Den beiden letzten, temporalen Argumenten kommt besonderes Gewicht zu, weil das EPG-System völlig neu und nicht erprobt ist. Von besonderer Wichtigkeit ist ferner, dass die Einführung des Doppelschutzes einen Vorschlag der Mitte darstellt und dass dieser Vorschlag den Wettbewerb der Systeme fördert, was gerade in der Anfangsphase des neuen Systems zu einer Verbesserung sowohl der nationalen Systeme als auch des EPG-Systems führen wird. Deswegen tritt das Argument der Diversität bzw. Komplexität aufgrund des Doppelschutzes in den Hintergrund. Werden die neutralen Argumente mitberücksichtigt sowie die Beschränkung des Doppelschutzes zum Schutze der Beklagtenseite durch die Einführung der Einrede der doppelten Inanspruchnahme, so sprechen mehr und die besseren Argumente für die Einführung des (beschränkten) Doppelschutzes.

Kapitel 3

Einrede der doppelten Inanspruchnahme Das Bestehen zweier im Wesentlichen identischer und voneinander unabhängiger patentrechtlicher Schutzrechte auf nationaler und europäischer Ebene ermöglicht im Grundsatz die Durchsetzung beider Schutztitel, auch gegen die gleiche Partei. Der historische Gesetzgeber des Artikels II § 8 IntPatÜbkG sah eine solche Vorgehensweise als „unerwünschte Folge“528 an. Bei der Einführung eines Doppelschutzes stellt sich mithin immer die Frage, ob und inwiefern diese „unerwünschte Folge“ eingeschränkt werden kann und soll. Die Bundesregierung hat sich im Regierungsentwurf des Begleitgesetzes für die Einrede der doppelten Inanspruchnahme als „Ausgleich für die Möglichkeit des Doppelschutzes“529 entschieden, mit der nach Möglichkeit verhindert werden soll, dass eine beklagte Partei aus beiden Schutzrechten, dem nationalen und dem europäischen, doppelt in Anspruch genommen wird530. Diese Einrede wird im Folgenden näher untersucht. Zunächst wird erörtert, wann die Einrede zur Anwendung kommt (A.). Dann werden die Merkmale der Einrede im Einzelnen untersucht (B.). Zum Abschluss werden einige Themen im Zusammenhang mit der Einrede behandelt, und zwar die Aussetzungsmöglichkeit (Artikel II § 18 Absatz 2 IntPatÜbkG-E), die ergänzenden Schutzzertifikate (Artikel II § 18 Absatz 3 IntPatÜbkG-E) sowie vorläufige und sichernde Maßnahmen nach Artikel II § 18 Absatz 4 IntPatÜbkG-E (C.).

A. Anwendbarkeit der Einrede Bevor die einzelnen Merkmale der Einrede der doppelten Inanspruchnahme besprochen werden, soll ihre Anwendbarkeit an sich behandelt werden. Die Frage nach der Anwendbarkeit ist zunächst eine grundsätzliche. Sie beschäftigt sich damit, warum es einer Einrede bedarf (I.). Sodann ist zu erörtern, von welchen Anwendungsmöglichkeiten der Einrede das Begleitgesetz ausgeht und – anders gefragt – welche Fälle ausgenommen sind und 528  Vgl. BT-Drs. 7/3712,

S. 20, sowie die Ausführungen unter Kap. 1, C. II. 1. S. 25. 530  BT-Drs. 18/8827, S. 13, 18, 25. 529  BT-Drs. 18/8827,



A. Anwendbarkeit der Einrede131

warum (II.). Es ist außerdem zu untersuchen, ob gegebenenfalls weitere Regelungsmöglichkeiten bestehen (III.).

I. Erforderlichkeit der Einrede Wie bereits geschildert, hat sich der historische Gesetzgeber im Verhältnis des nationalen und europäischen Patents für das Doppelschutzverbot entschieden, da der Patentinhaber am Bestand gleichartiger und gleichwertiger Ausschließlichkeitsrechte kein berechtigtes Interesse haben könne.531 Der Bestand identischer Rechte, deren Schicksal voneinander unabhängig sei, würde die Rechtslage unnötig verwirren und komplizieren.532 Das Doppelschutzverbot soll laut dem historischen Gesetzgeber „unerwünschte Folgen“ ausschließen, wie diejenige, dass der Patentinhaber nach Nichtigerklärung des europäischen Patents formal noch in der Lage wäre, Verletzungsansprüche aus dem nationalen Patent geltend zu machen.533 Der historische Gesetzgeber spricht sich also gegen die Durchsetzung zweier im Wesentlichen identischer patentrechtlicher Schutztitel aus. Diese Wertung des historischen Gesetzgebers ist auf die europäische Patentreform nicht übertragbar. Wie bereits gezeigt wurde, mangelt es bereits am Bestand gleichartiger und gleichwertiger Schutzrechte.534 Denn derzeit werden nationale und europäische Patente mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland im Hinblick auf Durchsetzung und Vernichtung gleich behandelt. Es entscheiden dieselben nationalen Institutionen auf der Grundlage des nationalen Rechts. Die europäische Patentreform sieht hingegen ein völlig neues System vor: Es wird eine umfassende ausschließliche Zuständigkeit des EPG u. a. für europäische Patente begründet, es sei denn eine Ausnahmeregelung wird in Anspruch genommen. Die Durchsetzung und Nichtigerklärung unterliegen neuen Vorschriften. Auf dieser Grundlage ist eine Gleichwertigkeit zwischen nationalen Patenten und europäischen Patenten zu verneinen. Zwischen nationalen Patenten und europäischen Patenten mit einheitlicher Wirkung fehlt es zudem an der Gleichartigkeit, und zwar bereits wegen der Reichweite ihres Schutzes. Wie ebenfalls bereits gezeigt wurde,535 hat die Einführung des Doppelschutzes eine nachteilige Folge für den potentiellen Verletzer. Es besteht die Gefahr der doppelten Inanspruchnahme im Rahmen eines nationalen Verfah531  Siehe die Ausführungen unter Kap. 1, C. II. 1. sowie die amtliche Begründung in BT-Drs. 7/3712, S. 20. 532  Siehe Fn. 531. 533  BT-Drs. 7/3712, S. 20. 534  Kap. 2, B. III. 3. b) bb). 535  Kap. 2, B. III. 3. b) cc).

132

Kap. 3: Einrede der doppelten Inanspruchnahme

rens und eines EPG-Verfahrens. Dieser Gefahr kann jedoch mittels der Einrede der doppelten Inanspruchnahme begegnet werden. Durch sie erhält das im Begleitgesetz vorgesehene System des (beschränkten) Doppelschutzes das nötige Korrektiv zum Schutz der beklagten Partei. Laut Begleitgesetz handelt es sich bei der Einrede der doppelten Inanspruchnahme um einen „Schutzmechanismus für Beklagte“536 als „Ausgleich für die Möglichkeit des Doppel­ schutzes“537. Dieser Schutzmechanismus ist erforderlich. Zwar könnte eingewandt werden, dass das Bestehen zweier Schutztitel – also eines nationalen und eines europäischen – auch eine Durchsetzung beider ermöglichen sollte. Aber es ist nicht nachvollziehbar, warum ein Verletzungstatbestand zu einer doppelten Inanspruchnahme führen soll. Es genügt, wenn der Patentinhaber aus einem Schutzrecht vorgehen kann. Ansonsten würden diejenigen Schutzrechtsinhaber privilegiert werden, die sich einen breiten patentrechtlichen Schutz auf mehreren Ebenen leisten können und dadurch einen größeren wirtschaftlichen Druck ausüben können.

II. (Nicht-)Anwendbarkeit der Einrede Die Einrede der doppelten Inanspruchnahme nach Artikel II § 18 Absatz 1 IntPatÜbkG-E (zum Text siehe Kap. 1, C. III. 2.) soll sowohl im Verhältnis nationales Patent und europäisches Patent, als auch im Verhältnis nationales Patent und europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung greifen. Sie soll also immer dann zur Anwendung kommen können, wenn der Doppelschutz zwischen einem nationalen und einem europäischen Schutztitel möglich ist. Die Anwendbarkeit der vorgeschlagenen Einrede ist insbesondere an folgende drei Faktoren geknüpft: (1) eine Klage wegen Verletzung oder drohender Verletzung eines nationalen Patents, (2) ein rechtshängiges oder rechtskräftig abgeschlossenes EPG-Verfahren gegen dieselbe Partei wegen Verletzung oder drohender Verletzung des im Wesentlichen identischen europä­ ischen Schutztitels und (3) eine Rüge der beklagten Partei in dem ersten Termin nach Entstehung der Einrede vor Beginn der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache, und zwar bezogen auf die Klage laut (1). Aus diesen drei Faktoren folgt, dass Artikel II § 18 Absatz 1 IntPatÜbkG-E insbesondere Konstellationen erfasst, in denen während eines Verfahrens vor dem EPG oder nach dessen Abschluss ein nationales Verfahren aus dem nationalen Schutztitel angestrengt wird. Erfasst werden ebenfalls Fälle, in denen wäh-

536  BT-Drs. 18/8827, 537  BT-Drs. 18/8827,

S. 25. S. 25.



A. Anwendbarkeit der Einrede133

rend eines laufenden nationalen Verfahrens ein Verfahren vor dem EPG auf der Grundlage des parallelen europäischen Schutztitels angestrengt wird. Nicht erfasst werden hingegen Fälle, in denen das nationale Verfahren abgeschlossen ist und sodann dasjenige vor dem EPG angestrengt wird. In diesen Fällen ist die (nationale) Einrede der doppelten Inanspruchnahme nicht einschlägig. Im Begleitgesetz heißt es hierzu, nach Abschluss des natio­ nalen Verfahrens sei auch das EPG aufgerufen, eine Lösung für den Fall der doppelten Inanspruchnahme zu finden.538 Dies ist einleuchtend, da der nationale Gesetzgeber bezüglich des EPG-Verfahrens nicht gestaltungsbefugt ist. Von Artikel II § 18 IntPatÜbkG-E ist ebenfalls die Fallkonstellation nicht erfasst, in der ein Verletzungsverfahren aus einem europäischen Patent vor einem nationalen Gericht unter Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung des Artikels 83 Absatz 1 EPGÜ angestrengt wird und parallel oder nachgeschaltet ein Verletzungsverfahren aus dem nationalen Patent eingeleitet wird. Eine solche doppelte Inanspruchnahme unterfällt nicht Artikel II § 18 IntPat­ ÜbkG-E, weil die Voraussetzungen des Absatzes 1 Nr. 2 der Vorschrift nicht erfüllt sind: Es fehlt an einem EPG-Verfahren. Das Begleitgesetz erfasst die oben geschilderte Fallkonstellation nicht. Dort wird lediglich ausgeführt, dass die Ausnahmeregelung des Artikels 83 Absatz 1 EPGÜ nicht das Doppelschutzverbot zur Folge haben könne, weil dies zu Rechtsunsicherheit führen würde.539 Die ratio legis des Artikels II § 18 IntPatÜbkG spricht aber für die Anwendung der Einrede in der oben genannten Fallkonstellation. Denn es handelt sich um einen klassischen Fall der doppelten Inanspruchnahme aus zwei parallelen Schutzrechten, die mittels der Einrede verhindert werden soll.

III. Weitere Regelungsmöglichkeiten? Wird das EPG nach Abschluss des nationalen (Erkenntnis‑)Verfahrens angerufen, so stellen sich zusätzlich die Fragen, ob die Einrede nicht gegebenenfalls im Rahmen des auf das nationale Verfahren bezogenen Zwangsvollstreckungsverfahrens beachtet werden könnte (1.) und ob der Regelungsbereich der Restitutionsklage nach § 580 ZPO erweitert werden sollte (2.).

538  BT-Drs. 18/8827, S. 26. Denkbar ist z. B., dass das EPG den Ausgang des natio­nalen Verfahrens z. B. bei der Bestimmung des angemessenen Schadensersatzes nach Artikel 68 Absatz 1 EPGÜ berücksichtigt. 539  BT-Drs. 18/8827, S. 18 f.

134

Kap. 3: Einrede der doppelten Inanspruchnahme

1. Zwangsvollstreckung Wird die zeitliche Phase nach Abschluss des erstinstanzlichen nationalen Erkenntnisverfahrens betrachtet, so stellt sich die Frage, ob der Einrede der doppelten Inanspruchnahme auch im Zwangsvollstreckungsverfahren Geltung verschafft werden könnte. Ein solches Gedankenexperiment überzeugt jedoch nicht. Die Zwangsvollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO betrifft laut Absatz 1 Einwendungen, die den durch das Urteil festgestellten Anspruch selbst betreffen, also solche gegen festgestellte materielle Leistungsansprüche540. Üblicherweise zählen hierunter die Aufrechnung, die Erfüllung oder die Stundung.541 Unter Beachtung der zeitlichen Beschränkung des § 767 Absatz 2 ZPO, der als Präklusionsvorschrift der Absicherung der materiellen Rechtskraft dient,542 handelt es sich typischerweise um rechtsvernichtende Einwendungen und rechtshemmende Einreden nach dem bürger­ lichen Recht. Eine prozesshindernde Einrede wie die Einrede der doppelten Inanspruchnahme betrifft nicht den festgestellten Anspruch an sich und passt daher nicht in die Konzeption des § 767 ZPO. Eine Anpassung des § 767 ZPO würde der generellen Ausrichtung der Vorschrift nicht entsprechen und als Fremdkörper wirken. Die Ausgestaltung der Einrede der doppelten Inanspruchnahme als materiell-rechtlich überzeugt ebenfalls nicht. Diese Thematik wird im Einzelnen unter B. I. 1. behandelt. Andere typische vollstreckungsrechtliche Rechtsbehelfe wie etwa die Erinnerung gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung nach § 766 ZPO, die Erinnerung gegen die Erteilung der Vollstreckungsklausel nach § 732 ZPO oder die Drittwiderspruchsklage gemäß § 771 ZPO erscheinen als noch weniger passend, um den zeitlichen Anwendungsbereich der Einrede der doppelten Inanspruchnahme zu erweitern. Eine Anpassung des Vollstreckungsrechts in Ansehung der Einrede der doppelten Inanspruchnahme erscheint auch deswegen nicht erforderlich, weil die Erhebung der Einrede der doppelten Inanspruchnahme nicht auf die erste Instanz beschränkt ist. Nach Artikel II § 18 Absatz 1 Nr. 3 IntPatÜbkG-E ist die nationale Verletzungsklage als unzulässig abzuweisen, sofern der Beklagte die Einrede der doppelten Inanspruchnahme in dem ersten Termin nach Entstehung der Einrede vor Beginn der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache rügt. Eine zeitliche Beschränkung der Rügeerhebung auf die erste Instanz ist aus dem Wortlaut der Vorschrift nicht ableitbar. Im Gegenteil wird die Rügeerhebung an den Zeitpunkt der Entstehung der Einrede geknüpft. Außerdem heißt es im Begleitgesetz zu Artikel II § 18 Absatz 2 Int540  Vgl. Zöller/Herget,

ZPO, § 767 Rn. 1. nur die Aufzählung bei Zöller/Herget, ZPO, § 767 Rn. 12 ff. 542  Vgl. BGH, Urt. v. 19.11.2003, VIII ZR 60/03, NJW 2004, 1252, 1253 f. 541  Siehe



A. Anwendbarkeit der Einrede135

PatÜbkG-E, die nationalen Gerichte könnten das Verfahren in allen Instanzen aussetzen, insbesondere dann, wenn das Vorliegen der Voraussetzungen der Einrede noch nicht endgültig feststehe.543 Eine solche Aussetzungsmöglichkeit macht nur dann Sinn, wenn auch die Erhebung der Einrede der doppelten Inanspruchnahme nicht auf die erste Instanz beschränkt bleibt.544 2. Restitutionsklage Eine etwaige Erweiterung des Anwendungsbereichs der Restitutionsklage nach § 580 ZPO545 erscheint als zu weitgehend. Sie scheidet mangels Vergleichbarkeit mit den von § 580 ZPO erfassten Fällen aus. Die Restitutionsklage dient dem Vertrauensschutz.546 Mit den Worten des BGH soll die Restitutionsklage „verhindern, daß die Autorität der Gerichte und das Vertrauen der Allgemeinheit in die Rechtsprechung dadurch beeinträchtigt werden, daß rechtskräftige Urteile nicht überprüft werden können, obwohl ihre Grundlagen für jedermann erkennbar in einer für das allgemeine Rechtsgefühl unerträglichen Weise erschüttert sind.“547

Dementsprechend kommt die Restitutionsklage dann zur Anwendung, wenn das Verfahrensergebnis durch strafbare Handlungen beeinflusst ist (§ 580 Nr. 1 bis 5 ZPO),548 wenn eine Urteilsgrundlage weggefallen ist (§ 580 Nr. 6  ZPO),549 wenn ein günstigeres, in derselben Sache erlassenes früheres Urteil oder eine Urkunde aufgefunden werden (§ 580 Nr. 7 ZPO) oder eine Entscheidung auf der durch den EGMR festgestellten Verletzung der Euro­ päischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder ihrer Protokolle beruht (§ 580 Nr. 8 ZPO). Vor allem § 580 Nr. 6 ZPO wird auch in denjenigen Fällen analog zur Anwendung gebracht, in denen ein Patent, an dessen Bestand das Verletzungsgericht gebunden ist und das Grundlage für die Verurteilung im Rahmen eines Verletzungsverfahrens geworden ist, z. B. wegen Widerrufs im 543  BT-Drs. 18/8827,

S. 26. Erwägungen sprechen dafür, Artikel II § 18 IntPatÜbkG als Spezialvorschrift nicht nur gegenüber den allgemeinen Präklusionsvorschriften der §§ 282 Absatz 3, 296 Absatz 3 ZPO anzusehen (hierzu B. IV. 2.), sondern auch gegenüber §§ 532, 565 ZPO. 545  Siehe diesen Gedanken etwa in der Stellungnahme der GRUR vom 29. März 2016 zum Referentenentwurf des Begleitgesetzes auf S. 4 (abrufbar unter: http:// www.grur.org/uploads/tx_gstatement/2016-03-29-GRUR-Stn-RefE-EinheitlichesPatentgericht.pdf [27.01.2021]). 546  Vgl. Zöller/Greger, ZPO, § 580 Rn. 1. 547  BGH, Urt. v. 21.10.2004, IX ZR 59/04, NJW 2005, 222, 223. 548  Zöller/Greger, ZPO, § 580 Rn. 1. 549  Vgl. Zöller/Greger, ZPO, § 580 Rn. 1. 544  Diese

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Kap. 3: Einrede der doppelten Inanspruchnahme

Einspruchsverfahren oder wegen Nichtigerklärung im Nichtigkeitsverfahren nachträglich rückwirkend weggefallen ist.550 Die Anrufung des EPG auf der Grundlage eines europäischen Schutztitels nach dem Abschluss des (gesamten) nationalen Verfahrens in Ansehung des nationalen Schutztitels ist mit den soeben genannten Fällen nicht vergleichbar. Denn die Grundlage der nationalen Entscheidung wird durch die Anrufung des EPG nicht in einer für das allgemeine Rechtsgefühl unerträglichen Weise erschüttert.

IV. Ergebnis Insgesamt betrachtet bietet die im Begleitgesetz vorgeschlagene Einrede der doppelten Inanspruchnahme einen notwendigen, aber auch hinreichenden Schutz vor der doppelten Inanspruchnahme aus zwei im Wesentlichen identischen Schutzrechten, und zwar einem nationalen und einem europäischen.

B. Merkmale der neuen Einrede Im Folgenden werden die Merkmale der Einrede der doppelten Inanspruchnahme im Einzelnen dargestellt. Zunächst wird die prozessuale Ausgestaltung der Einrede als verzichtbarer prozesshindernder Einrede betrachtet (I.). Hierbei werden Alternativen zur gewählten Konstruktion erörtert und bewertet. Sodann werden die einzelnen Voraussetzungen der Einrede der doppelten Inanspruchnahme untersucht, und zwar unterteilt nach sachlichen Merkmalen (II.), persönlichen Merkmalen (III.) und den Voraussetzungen rund um das wichtige Merkmal der Rüge (IV.). Der Abschnitt wird mit der Darstellung der Rechtsfolgen abgeschlossen (V.).

I. Prozessuale Ausgestaltung Die Einrede der doppelten Inanspruchnahme ist im Begleitgesetz in Artikel II § 18 Absatz 1 IntPatÜbkG-E als verzichtbare prozesshindernde Einrede ausgestaltet, die zur Unzulässigkeit der nationalen Klage führt.551 Es handelt sich mithin um ein prozessuales und nicht etwa ein materiell-rechtli550  Vgl. nur BGH, Urt. v. 29.07.2010, Xa ZR 118/09, GRUR 2010, 996 – Bordako; Urt. v. 17.04.2012, X ZR 55/09, GRUR 2012, 753, 754 – Tintenpatrone III. Vgl. ebenfalls Benkard/Rogge/Grabinski, PatG, § 139 Rn. 149; Busse/Keukenschrijver/ Kaess, PatG, Vor § 143 Rn. 392; Schulte/Schulte, PatG, Einl. Rn. 536; Kraßer/Ann, PatR, § 36 Rn. 87. 551  Siehe die Begründung in BT-Drs. 18/8827, S. 26.



B. Merkmale der neuen Einrede137

ches Instrument. Die Wahl eines prozessualen Instruments wird im Folgenden näher untersucht. 1. Prozesshindernde Einrede In Kapitel 1, Abschnitt D. II. 1. wurden die Hauptmerkmale einer prozesshindernden Einrede dargestellt. Die Einrede erfordert ihre Geltendmachung im Wege einer Rüge, sie ist verzichtbar und präklusionsbedroht. Diese Merkmale kennzeichnen auch die Einrede der doppelten Inanspruchnahme. Artikel II § 18 Absatz 1 Nr. 3 IntPatÜbkG-E setzt voraus, dass sich die beklagte Partei auf die Einrede beruft, indem sie die doppelte Inanspruchnahme im nationalen Verfahren rügt. Die Vorschrift setzt zudem in zeitlicher Hinsicht voraus, dass die Rüge (spätestens) im ersten Termin nach Entstehung der Einrede vor Beginn der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache erhoben wird. Die Einrede ist mithin präklusionsbedroht. Dabei stellt § 18 Absatz 1 Nr. 3 IntPatÜbkG-E eine Sondervorschrift gegenüber den allgemeinen Präklusionsvorschriften dar (siehe hierzu im Einzelnen unter IV. 2.). Die Einrede der doppelten Inanspruchnahme ist außerdem verzichtbar (siehe im Einzelnen unter I. 2.). Das Begleitgesetz stellt die Einrede der doppelten Inanspruchnahme als verzichtbare prozesshindernde Einrede vor und damit als ein prozessuales Instrument. Fraglich ist, ob ein materiell-rechtliches Instrument eine gleichwertige Alternative darstellen würde. Denkbar wäre – rein von der Form her gedacht – die Ausgestaltung als materiell-rechtliche Einwendung oder Einrede bzw. prozessual ausgedrückt als prozessuale Einrede.552 Im Folgenden werden die Argumente für und gegen die prozesshindernde Einrede bzw. ein materiell-rechtliches Instrument betrachtet. a) Vergleichsgegenstand: Merkmale Wie bereits geschildert, zeichnet sich die prozesshindernde Einrede dadurch aus, dass sie die Erhebung einer Rüge voraussetzt, verzichtbar und präklusionsbedroht ist. Ein materiell-rechtliches Instrument, unabhängig davon ob als Einwendung oder Einrede ausgestaltet, würde im Prozess die Einbringung der relevanten Tatsachen erfordern. Im Falle von Einwendungen würde das Gericht diese von Amts wegen beachten; im Falle von Einreden müsste im Grundsatz zusätzlich die Geltendmachung der Einrede als materiell-rechtliche Voraussetzung hinzukommen.553 552  Siehe

das Schaubild in Kap. 1, D. III. im Einzelnen Ausführungen in Kap. 1, D. I. a. E., insbesondere Fn. 328. Das bürgerliche Recht erfordert, dass materiell-rechtliche Einreden geltend gemacht 553  Siehe

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Kap. 3: Einrede der doppelten Inanspruchnahme

Vorteil der prozesshindernden Einrede, die gerade nicht von Amts wegen beachtet wird, ist, dass sie zu einer Straffung des Verfahrens führt. Das Gericht setzt sich nur dann mit der Einrede auseinander, wenn sich der Berechtigte auf diese beruft. Dies ist gerade bei einer Einrede wie derjenigen der doppelten Inanspruchnahme vorteilhaft, die tatbestandlich umfangreiche Prüfungen voraussetzt, etwa danach, ob und inwiefern das nationale Patent mit einem europäischen Schutztitel im Wesentlichen identisch ist. Bezüglich der Präklusion ist festzuhalten, dass sich klare Vor- oder Nachteile für eine prozesshindernde Einrede bzw. eine prozessuale Einrede nicht aufdrängen. Im Zusammenhang mit prozesshindernden Einreden bestehen durchaus Möglichkeiten, den Präklusionszeitpunkt hinauszuschieben, wie § 1032 Absatz 1 ZPO zeigt. Diese Möglichkeit nimmt Artikel II § 18 Absatz 1 Nr. 3 IntPatÜbkG-E wahr, indem der Präklusionszeitpunkt aufgrund der Anknüpfung an die Entstehung der Einrede noch weiter nach hinten hinausgeschoben wird. Im Zusammenhang mit prozessualen Einreden sind hingegen im Grundsatz die allgemeinen Präklusionsvorschriften für Angriffsund Verteidigungsmittel zu beachten, insbesondere §§ 281 Absatz 1, 296 Absatz 1, 2, 4 ZPO. Der Zeitpunkt der Entstehung einer Einrede dürfte auch nach diesen Vorschriften von Relevanz sein. b) Vergleichsgegenstand: Rechtsfolge Von der Rechtsfolge her betrachtet führt die prozesshindernde Einrede zur Unzulässigkeit der Klage, wohingegen eine prozessuale Einrede die Unbegründetheit der Klage zur Folge hat. Die im Begleitgesetz vorgeschlagene Einrede der doppelten Inanspruchnahme zielt nicht auf den nationalen patentrechtlichen Schutztitel an sich, sondern ähnelt eher Prozessvoraussetzungen wie der Rechtshängigkeit oder der Rechtskraft.554 Sie ist daher folgerichtig als Zulässigkeitsvoraussetzung ausgestaltet. Eine prozessuale Einrede anstelle der vorgeschlagenen prozesshindernden Einrede der doppelten Inanspruchnahme würde sich hingegen eher auf den werden. Im Prozessrecht gilt aber sowohl für materiell-rechtliche Einwendungen als auch Einreden, dass diese in den Rechtsstreit eingeführt werden müssen, in dem sie vorgetragen werden. Auf die materiell-rechtliche Unterscheidung kommt es mithin nicht an, vgl. BGH, Beschl. v. 23.06.2008, GSZ 1/08, NJW 2008, 3434, 3435. 554  Die Institute der Rechtshängigkeit und der Rechtskraft werden u. a. im Fall des Doppelschutzes, unter Anpassung des Streitgegenstandsbegriffs, von Schweppe herangezogen, siehe Schweppe, Mehrfache Schutzrechtsverletzung in Fällen von Doppelschutz, Kumulation und verbundenen Schutzrechten, Rn. 436 ff. sowie Rn. 585 ff. zu vorgestellten Lösungsmodellen.



B. Merkmale der neuen Einrede139

nationalen patentrechtlichen Schutztitel auswirken, indem etwa seine Wirkung und damit die Ausschließlichkeits- und Verbietungsrechte aus dem Patent beschränkt würden. Die prozessuale Einrede würde sich dann der Vorschrift des Doppelschutzverbots nach Artikel II § 8 IntPatÜbkG annähern. Es überrascht daher nicht, dass Artikel II § 8 IntPatÜbkG als Fall einer mate­ riell-rechtlichen Einwendung, die von Amts wegen zu berücksichtigen sei, kategorisiert wird.555 Die Beschränkung der Wirkung eines nationalen Schutzrechts ist indes viel einschneidender als die Beschränkung seiner (nationalen) Durchsetzbarkeit wie im Fall der prozesshindernden Einrede. Denn letztere schließt die wirtschaftliche Verwertung des nationalen Schutzrechts für die Zukunft nicht gänzlich aus. Zwischenlösungen, mit denen die Wirkung des nationalen Patents nur begrenzt beschränkt würde, z. B. nur im Rahmen des jeweiligen nationalen Verfahrens, sind nicht überzeugend. Solche Zwischenlösungen würden eine erhebliche Rechtsunsicherheit auslösen, weil sie die Wirkung eines Patents an ein gerichtliches Verfahren knüpfen würden. Sie würden eine neue Form der Wirkungslosigkeit eines Patents inter partes einführen, die den Bestand des Schutzrechts an sich letztlich schwächen würde. Die prozesshindernde Einrede hat einen weiteren, wenn auch nicht häufig auftretenden Vorteil: Greift sie durch, dann weist das Gericht die Klage durch Endurteil mit eingeschränkter Rechtskraftfolge, sog. Prozessurteil, als unzulässig ab. Das bedeutet, dass eine erneute Klage über denselben Streitgegenstand möglich ist, wenn sich die prozessualen Umstände gegenüber dem früheren Prozess in dem zur Unzulässigkeit führenden Grund geändert haben,556 was für eine Partei durchaus vorteilhaft sein kann. Ein solcher Fall ist jedoch mit Blick auf die Einrede der doppelten Inanspruchnahme, wenn auch nicht von vorne herein ausgeschlossen, so doch schwer vorstellbar. Denn in den meisten Fällen dürfte eine rechtskräftige Entscheidung des EPG vorliegen, die einem erneuten nationalen Verfahren entgegenstehen dürfte. Rare Ausnahmefälle dürften solche sein, in denen das EPG eine Entscheidung ultra vires getroffen hat.557 555  Nieder, Die Patentverletzung, Rn. 284; ders., FS Klaka, S. 103, 109; ders., Mitt. 1987, 205, 207. Vgl. auch LG Düsseldorf, Urt. v. 16.03.1993, 4 O 137/92, GRUR 1993, 812, 814 – Signalübertragungsvorrichtung (Einwand zur Rechtsverteidigung); Busse/Keukenschrijver, PatG, Art II § 8 IntPatÜG Rn. 14 (Verteidigung mit dem Einwand). 556  Siehe Kap. 1, D. II. 3. mit Verweis auf Zöller/Vollkommer, ZPO, § 322 Rn. 1a. 557  Denkbar ist gegebenenfalls der kaum vorstellbare Fall, in dem (1) das nationale Gericht aufgrund der Erhebung der Einrede der doppelten Inanspruchnahme eine Verletzungsklage als unzulässig abgewiesen hat, (2) das EPG wegen Verletzung des pa­ rallelen europäischen Patents verurteilt und (3) sich herausstellt, dass das europäische Patent aufgrund der Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung des Artikels 83 Ab-

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Kap. 3: Einrede der doppelten Inanspruchnahme

c) Besonderheit: Strafvorschrift des § 142 PatG Das deutsche Patentrecht sieht – wie auch andere Gesetze aus dem Bereich des geistigen Eigentums – eine eigenständige strafrechtliche Vorschrift vor. § 142 PatG knüpft an die (vorsätzliche) Patentverletzung nach § 9 Satz 2 Nr. 1 bis 3 PatG an. Dies bedeutet, dass ein materiell-rechtliches Instrument zur Begrenzung des Doppelschutzes einen Gleichlauf zwischen dem Patentrecht an sich und dem Strafrecht herstellen würde. Denn ein materiell-rechtliches Instrument würde eher die Wirkung des nationalen Patents beschränken und damit zu einer Verneinung der Patentverletzung führen. Ein prozessuales Instrument wie die Einrede der doppelten Inanspruchnahme bezieht sich hingegen auf die Durchsetzbarkeit des patentrechtlichen Schutzrechts. Die Erhebung der Einrede lässt die Patentverletzung und damit auch ihre strafrechtliche Dimension unberührt. Dies scheint auf den ersten Blick unbefriedigend zu sein. Der zweite Blick auf den Sinn und Zweck der Einrede der doppelten Inanspruchnahme zeigt aber, dass die im Begleitgesetz gewählte Konstruktion konsequent ist und überzeugt. Sinn und Zweck der Einrede ist es nämlich, nach Möglichkeit zu verhindern, dass eine beklagte Partei nur deswegen doppelt in Anspruch genommen wird, weil zwei im Wesentlichen identische Schutzrechte bestehen.558 Das Unrecht, das in der Patentverletzung verwirklicht wird, bleibt nach wie vor das gleiche. Deswegen erscheint es sinnvoll, die Patentverletzung nicht mittels eines materiell-rechtlichen Instruments auszuschließen, sondern lediglich die Durchsetzbarkeit des patentrechtlichen Schutzrechts einzuschränken. Daher ist es nur folgerichtig, wenn auch der Strafrechtsschutz nach wie vor ungeschmälert bleibt. Unabhängig hiervon ist festzuhalten, dass dem Strafrechtsschutz im Patentrecht in der Praxis nur eine geringe Rolle zukommt.559 satz 1 EPGÜ zuvor durch z. B. das BPatG für nichtig erklärt wurde, der Verletzungsentscheidung demnach die schutzrechtliche Grundlage fehlte. 558  Vgl. BT-Drs. 18/8827, S. 13, 18, 25. 559  Benkard/Grabinski/Zülch, PatG, § 142 Rn. 1; Busse/Keukenschrijver, PatG, § 142 Rn. 1; Schulte/Rinken, PatG, § 142 Rn. 4; vgl. Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 31 Rn. 1; Nirk/Ullmann/Metzger, Patentrecht, Rn. 757 („untergeordnete Bedeutung“). Einen Überblick verschaffen die Statistiken des Statistischen Bundesamtes, Fachserie 10 Reihe 2.3, Rechtspflege, Strafgerichte, die aber die Wirtschaftsstrafsachen im Sinne des § 74c GVG en bloc ausweisen, nicht jedoch die Verstöße gegen das Patentrecht an sich. Die Statistik für das Jahr 2019 ist abrufbar unter: https://www.destatis.de/DE/Themen/Staat/Justiz-Rechtspflege/Publikationen/Down loads-Gerichte/strafgerichte-2100230197004.pdf?__blob=publicationFile (27.01.2021). Die Fachserie ist abrufbar unter: https://www.statistischebibliothek.de/mir/receive/ DESerie_mods_00000103 (27.01.2021).



B. Merkmale der neuen Einrede141

2. En détail: Verzicht auf die Einrede der doppelten Inanspruchnahme Die Einrede der doppelten Inanspruchnahme ist verzichtbar. Dies folgt bereits daraus, dass sie gemäß Artikel II § 18 Absatz 1 Nr. 3 IntPatÜbkG-E an die Erhebung der Rüge geknüpft ist. Wird die Rüge also nicht rechtzeitig erhoben, so ist davon auszugehen, dass die beklagte Partei auf sie verzichtet hat. Im Begleitgesetz heißt es ebenfalls, die Einrede sei verzichtbar.560 a) Verzicht als Unterlassen Ob der Verzicht auf die Erhebung der Einrede der doppelten Inanspruchnahme über ein bloßes Unterlassen hinausgeht, also gleichsam eine eigenständige prozessuale Handlung im Sinne eines eigenständigen Instituts, einer „Denkfigur“, darstellt, wie in Kapitel 1, Abschnitt D. II. 1. ausgeführt, ist nicht von vorne herein eindeutig. Hilfreich für die Beurteilung ist ein Blick auf die Rechtsdogmatik zur Prozesshandlung sowie auf den Klageverzicht nach § 306 ZPO. Prozesshandlungen werden gemeinhin von materiell-rechtlichen Willenserklärungen abgegrenzt.561 Denn die Wirksamkeit der Prozesshandlungen richtet sich nur nach dem Prozessrecht, nicht etwa nach Vorschriften des bürger­ lichen Rechts.562 Aufgrund von Überschneidungen wird geprüft, ob die jeweilige Handlung ihre Hauptwirkungen im Prozessrecht hat.563 Zu berücksichtigen ist, dass in einer Handlung sowohl eine Prozesshandlung als auch eine materiell-rechtliche Willenserklärung enthalten sein können (sog. Doppel­ tatbestand).564 Dies ist etwa bei der Erklärung der Anfechtung im Rahmen einer mündlichen Verhandlung der Fall.565 Prozesshandlung und Rechtsgeschäft können auch untrennbar zusammenfallen wie bei einem Prozessvergleich (sog. Doppelnatur).566 Außerdem werden die Prozesshandlungen seit Goldschmidt567 in Erwirkungs- und Bewirkungshandlungen unterteilt. Dies hat Relevanz für Fragen der Widerrufbarkeit von Prozesshandlungen und die 560  BT-Drs. 18/8827, 561  Siehe

Rn. 1.

S. 26. nur m. w. N. Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 63 I 1,

562  Zöller/Greger,

ZPO, Vor § 128 Rn. 15. Zivilprozessrecht, § 63 I 1, Rn. 1. Vgl. auch Meller-Hannich, Zivilprozessrecht, Rn. 111; Zöller/Greger, ZPO, Vor § 128 Rn. 14. 564  Vgl. Meller-Hannich, Zivilprozessrecht, Rn. 113. 565  Zu diesem Beispiel Meller-Hannich, Zivilprozessrecht, Rn. 113. 566  Vgl. Meller-Hannich, Zivilprozessrecht, Rn. 115 f. 567  Goldschmidt, Der Prozeß als Rechtslage, S. 364 ff., 456 ff. 563  Rosenberg/Schwab/Gottwald,

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Kap. 3: Einrede der doppelten Inanspruchnahme

Folgen einer fehlerhaften Vornahme.568 Bewirkungshandlungen wirken sich unmittelbar auf den Prozess aus, Erwirkungshandlungen sollen eine gericht­ liche Handlung erwirken, die ihrerseits Wirkungen auf den Prozess hat.569 Der Klageverzicht nach § 306 ZPO wird überwiegend als reine Prozesshandlung angesehen, und zwar eine Bewirkungshandlung, da der Verzicht die Prozesslage ohne Rücksicht auf eine gerichtliche Genehmigung gestaltet.570 § 306 ZPO bestimmt, dass der Kläger auf den geltend gemachten Anspruch „bei der mündlichen Verhandlung“ verzichtet. Ob die Parteien rechtsgeschäftliche Vereinbarungen vorab treffen können, durch die eine Klagemöglichkeit ausgeschlossen wird, ist umstritten und hängt vom Einzelfall ab.571 Die Vereinbarung wäre jedenfalls ein Rechtsgeschäft, dies sagt aber noch nichts über die Qualität als Prozesshandlung aus.572 Bei der Einrede der doppelten Inanspruchnahme kann zunächst festgehalten werden, dass die Erhebung der Einrede an sich eine Prozesshandlung darstellt. Liegen die Voraussetzungen des Artikels II § 18 Absatz 1 IntPatÜbkG-E vor, dann ist die nationale Klage abzuweisen. Die Erhebung der Einrede stellt mithin eine Bewirkungshandlung dar, die die Prozesslage unmittelbar gestaltet. Ob das Unterlassen der Erhebung der Einrede als Ausdruck eines Verzichts ebenfalls eine Prozesshandlung darstellt, hängt vom Einzelfall ab. Ist nämlich das Unterlassen Ausdruck eines bewussten Willensakts der Partei, der auch ausdrücklich im Prozess erklärt werden kann, aber nicht muss, dann liegt in dem Unterlassen ein prozessgestaltendes Verhalten. Das Unterlassen ist dann eine Prozesshandlung.573 Handelt es sich Zivilprozessrecht, § 64 I. Zivilprozessrecht, Rn. 117 ff.; Zöller/Greger, ZPO, Vor § 128 Rn. 14. Nach Goldschmidt, Der Prozeß als Rechtslage, S. 364, 456, sind Erwirkungshandlungen „die eigentlichen und unmittelbar auf ‚Evidenzmachung‘ gerichteten Prozeßhandlungen der Parteien“. Bewirkungshandlungen hingegen „unterscheiden … sich von anderen Rechtshandlungen einmal dadurch, daß der von ihnen erzeugte Rechtserfolg eine Rechtslage, kein Rechtsverhältnis ist, [und] … dadurch, daß sie diesen Rechtserfolg nur vermöge ihrer Zweckbeziehung zu bereits vorgenommenen oder noch vorzunehmenden Erwirkungshandlungen erzeugen.“ Den Verzicht auf prozesshindernde Einreden zählt Goldschmidt zu Bewirkungshandlungen, a. a. O., S. 459. 570  Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Aufl., Vorbemerkungen zu §§ 306, 307 Rn. 5, 7 m. w. N. 571  Mit differenzierender Argumentation: Schlosser, Einverständliches Parteihandeln im Zivilprozeß, S. 65 ff. Allgemein zur Dispositionsbefugnis der Parteien: Baumbach/Lauterbach/Becker, ZPO, Einl III Rn. 11; Vertiefend zum Thema Prozessverträge: Wagner, Prozeßverträge. 572  Zum Doppeltatbestand siehe bereits oben und Fn. 564. 573  Zu dieser feinen Unterscheidung des Unterlassens durch bewussten Willensakt vom bloßen Unterbleiben einer Handlung: Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 63 II 2, Rn. 8. 568  Rosenberg/Schwab/Gottwald, 569  Vgl.  Meller-Hannich,



B. Merkmale der neuen Einrede143

hingegen um das bloße Unterbleiben einer Handlung, dann liegt keine Prozesshandlung vor.574 Ob die Parteien vorab ein Rechtsgeschäft über den Verzicht auf die Erhebung der Einrede abschließen können, braucht hier nicht im Einzelnen erörtert zu werden.575 Die Disponibilität über ein Rechtsgut bzw. ein Rechtsinstrument besagt noch nichts über die Qualität einer Vereinbarung oder einer Handlung als Prozesshandlung. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es vom Einzelfall abhängt, ob der Verzicht auf die Erhebung der Einrede der doppelten Inanspruchnahme eine Prozesshandlung darstellt oder nicht. Hiervon abzugrenzen ist schließlich die Frage, ob der Verzicht ein Rechtsinstitut für sich im Sinne einer „Denkfigur“ darstellt.576 Da im Fall des Verzichts auf die Einrede der doppelten Inanspruchnahme bereits die Charakterisierung als Prozesshandlung vom Einzelfall abhängt, ist die Qualifizierung als eigenständiges Rechtsinstitut schwerlich vorstellbar. Im Vergleich zum Klageverzicht nach § 306 ZPO fehlt es bereits an einer eigenständigen gesetzlichen Regelung. Der Verzicht auf die Einrede der doppelten Inanspruchnahme erfolgt also durch Unterlassen ihrer Erhebung, was je nach Einzelfall eine Prozesshandlung darstellen kann. Ein eigenständiges Rechtsinstitut ist in dem Verzicht aber nicht zu erblicken. b) Vorteile der Verzichtbarkeit Wie in Kapitel 1, Abschnitt D. II. 1. herausgearbeitet, bedeutet die Verzichtbarkeit einer Einrede auch, dass diese nicht von Amts wegen, sondern nur auf Rüge hin geprüft wird. Im Falle der Einrede der doppelten Inanspruchnahme führt dies – wie schon unter I. 1. a) ausgeführt – dazu, dass das nationale Verfahren gestrafft wird. Denn das Gericht ist eben nicht verpflichtet, die komplexen Voraussetzungen der Einrede von Amts wegen in jedem Stand des Verfahrens zu überprüfen. Durch die Ausgestaltung der Einrede der doppelten Inanspruchnahme als verzichtbarer prozesshindernder Einrede wird der beklagten Partei zudem die größtmögliche Flexibilität eingeräumt. Sie kann selbst entscheiden, ob sie das nationale Verfahren fortführen möchte oder nicht.577 Denn es kann durchaus Fälle geben, in denen die beklagte Partei Interesse an einer nationalen Entscheidung hat, etwa einer solchen zu ihren Gunsten, die gegebenen574  Siehe

vorangehende Fn. antizipierter Rügeverzicht wird eher kritisch betrachtet, siehe im Einzelnen Schlosser, Einverständliches Parteihandeln im Zivilprozess, S. 37 ff., 46 f. 576  Zur „Denkfigur“ siehe schon oben unter Kap. 1, D. II. 1. unter Verweis auf Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, Bd. 10, § 1032 Rn. 9. 577  So auch das Begleitgesetz, BT-Drs. 18/8827, S. 26. 575  Ein

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Kap. 3: Einrede der doppelten Inanspruchnahme

falls eine gewisse „Ausstrahlungswirkung“ auf das EPG-Verfahren haben könnte. Aufgrund der ausschließlichen sachlichen Zuständigkeit der Landgerichte für Patentstreitsachen gemäß § 143 Absatz 1 PatG und dem damit nach § 78 Absatz 1 Satz 1 ZPO einhergehenden Anwaltszwang ist ein gewisser Schutz in Bezug auf die Entscheidungsfindung der beklagten Partei sichergestellt. 3. Ergebnis Das Begleitgesetz schlägt mit der Einrede der doppelten Inanspruchnahme ein prozessuales Instrument in Gestalt einer prozesshindernden Einrede vor. Diese Einrede ist an die Erhebung einer Rüge geknüpft, damit verzichtbar und präklusionsbedroht. Das Merkmal der Verzichtbarkeit erschöpft sich in dem Unterlassen der Erhebung der Einrede. Geschieht dies während des gerichtlichen Verfahrens und ist das Unterlassen Ausdruck eines bewussten Willensakts und nicht nur ein bloßes Unterbleiben der Einredeerhebung, dann stellt das Unterlassen eine Prozesshandlung dar. Gleichwohl ist in dem Verzicht auf die Erhebung der Einrede der doppelten Inanspruchnahme kein eigenständiges Rechtsinstitut eigener Art zu erblicken. Der Vorschlag eines prozessualen Instruments überzeugt. Die prozesshindernde Einrede schützt die beklagte Partei hinreichend vor einer doppelten Inanspruchnahme. Gleichzeitig stellt sie sicher, dass das nationale gerichtliche Verfahren nicht unnötig aufgebläht wird. Denn die Gerichte führen die anspruchsvolle und umfangreiche Prüfung der Einrede der doppelten Inanspruchnahme nicht von Amts wegen aus, sondern nur auf Rüge hin. Gleichzeitig gibt die prozesshindernde Einrede den Parteien die größtmögliche Flexibilität. Im Gegensatz zu einem materiell-rechtlichen Instrument ist die prozesshindernde Einrede weniger einschneidend. Sie berührt nicht das Schutzrecht und seine Wirkung an sich, sondern lediglich seine Durchsetzbarkeit in einer genau tatbestandlich festgelegten Situation. Die Einrede fügt sich zudem besser in das bestehende systematische zivilprozessuale und patentrechtliche Gefüge ein. Die nationale Klage wird außerdem durch Prozess­ urteil mit eingeschränkter Rechtskraftfolge abgewiesen. Die Einrede schränkt lediglich die Durchsetzbarkeit eines nationalen Patentrechts ein und berührt nicht dessen Wirkung. Die Einrede soll nach Möglichkeit eine doppelte Inanspruchnahme aus zwei parallelen Schutztiteln ausschließen. Wird eine Patentverletzung verwirklicht, dann verbleibt es bei diesem Unrecht. Eine Einschränkung des strafrechtlichen Schutzes nach § 142 PatG ist daher nicht angezeigt.



B. Merkmale der neuen Einrede145

II. Sachliche Merkmale Artikel II § 18 Absatz 1 IntPatÜbkG-E verlangt in sachlicher Hinsicht zwei im Wesentlichen parallele Schutzrechte und zwei Verfahren wegen Verletzung oder drohender Verletzung eines nationalen Patents und eines europäischen Schutzrechts, und zwar durch die gleiche Ausführungsform. Diese sachlichen Merkmale werden im Folgenden untersucht. 1. Schutzrechte Die Einrede der doppelten Inanspruchnahme setzt zunächst ein im Verfahren nach dem Patentgesetz erteiltes Patent, also ein nationales Patent, voraus. Die Einrede greift, soweit Gegenstand des nationalen Patents eine Erfindung ist, für die demselben Erfinder oder seinem Rechtsnachfolger mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland ein europäisches Patent oder ein euro­ päisches Patent mit einheitlicher Wirkung mit derselben Priorität erteilt worden ist, Artikel II § 18 Absatz 1 Nr. 1 IntPatÜbkG-E. Die Vorschrift geht folglich davon aus, dass es zwei im Wesentlichen identische bzw. parallele patentrechtliche Schutzrechte gibt, und zwar ein deutsches Patent und entweder ein europäisches Patent mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland oder ein europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung, das Deutschland erfasst. Das europäische Schutzrecht muss demselben Erfinder wie das nationale Patent oder dessen Rechtsnachfolger erteilt worden sein. Das europäische Schutzrecht muss ferner prioritätsgleich wie das nationale Patent sein. Diese Voraussetzungen erinnern an die von Artikel II § 8 Absatz 1 IntPatÜbkG geforderte Ursprungsgleichheit578. Als Rechtsfolge des Artikels II § 18 Absatz 1 IntPatÜbkG-E ist die nationale Verletzungsklage als unzulässig abzuweisen, „soweit“ das nationale und das europäische Schutzrecht deckungsgleich sind. Es ist demnach durchaus möglich, dass das nationale Patent weiter reicht als das europäische Schutzrecht oder umgekehrt das europäische Schutzrecht einen überschießenden Schutzbereich hat. Dies führt zu der Frage, die bereits von Artikel II § 8 IntPatÜbkG her bekannt ist,579 ob die geforderte Deckungsgleichheit bzw. Übereinstimmung auf die Schutzansprüche oder auf die Schutzbereiche bezogen ist. Im Zusammenhang mit Artikel II § 8 IntPatÜbkG wird überwiegend angenommen, dass aus Wortlaut („Umfang“, „Wirkung“, „schützt“), Historie sowie Sinn

578  Siehe

hierzu bereits Kap. 1, C. II. 2. C. II. 2.

579  Kap. 1,

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Kap. 3: Einrede der doppelten Inanspruchnahme

und Zweck der Vorschrift zu folgern ist, dass der Schutzbereich maßgeblich ist.580 Der Bestandteil des Artikels II § 8 IntPatÜbkG „[s]oweit der Gegenstand eines im Verfahren nach dem Patentgesetz erteilten Patents eine Erfindung ist, für die demselben Erfinder oder seinem Rechtsnachfolger mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland ein europäisches Patent mit derselben Priorität erteilt worden ist“ entspricht vom Wortlaut her weitgehend Artikel II § 18 Absatz 1 Nr. 1 IntPatÜbkG-E.581 Letztere Vorschrift enthält jedoch nicht den Zusatz „in dem Umfang, in dem es [das deutsche Patent] dieselbe Erfindung wie das europäische Patent schützt“. Gleichwohl bezieht sich die von Artikel  II § 18 Absatz  1 Nr. 1 ­IntPatÜbkG-E geforderte Deckungsgleichheit auf den Schutzbereich und nicht lediglich die Ansprüche. Aus dem Wortlaut des Artikels II § 18 Absatz 1 Nr. 1 IntPatÜbkG-E folgt, dass sowohl das deutsche Patent als auch das europäische Schutzrecht dieselbe Erfindung betreffen müssen. Da die Erfindung Gegenstand eines deutschen sowie eines europäischen Schutzrechts ist, handelt es sich um „dieselbe patentierte Erfindung“ (zum Begriff der patentierten Erfindung vgl. ebenfalls § 9 Satz 1 PatG, § 139 Absatz 1 Satz 1 PatG). Was unter den patentrechtlichen Schutz fällt, ist durch Auslegung unter Beachtung der § 14 PatG und Artikel 69 EPÜ zu ermitteln. Dabei spielen die Patentansprüche eine maßgebliche Rolle. Gleichwohl sind die Beschreibung und die Zeichnungen zur Auslegung der Patentansprüche ebenfalls heranzuziehen.582 Das so gewonnene Auslegungsergebnis zeigt den Schutzbereich des Patents. Der Wortlaut des Artikels II § 18 Absatz 1 Nr. 1 IntPatÜbkG-E weist damit bereits darauf hin, dass es auf den Schutzbereich der Schutzrechte ankommt. Bestätigt wird dies durch die Historie der Vorschrift: In dem Begleitgesetz heißt es bezüglich der Rechtsfolge, die Unzulässigkeit greife nur ein, soweit 580  Kap. 1,

C. II. 2. sich Artikel II § 18 Absatz 1 Nr. 1 IntPatÜbkG-E auch auf europäische Patente mit einheitlicher Wirkung bezieht. 582  Siehe im Einzelnen zur Auslegung gem. Artikel 69 EPÜ das Protokoll über die Auslegung des Artikels 69 EPÜ, abrufbar unter: https://www.epo.org/law-practice/ legal-texts/epc_de.html (27.01.2021). Nach Artikel 1 dieses Protokolls ist „Artikel 69 (…) nicht in der Weise auszulegen, dass unter dem Schutzbereich des europäischen Patents der Schutzbereich zu verstehen ist, der sich aus dem genauen Wortlaut der Patentansprüche ergibt, und dass die Beschreibung sowie die Zeichnungen nur zur Behebung etwaiger Unklarheiten in den Patentansprüchen anzuwenden sind. Ebenso wenig ist Artikel 69 dahingehend auszulegen, dass die Patentansprüche lediglich als Richtlinie dienen und der Schutzbereich sich auch auf das erstreckt, was sich dem Fachmann nach Prüfung der Beschreibung und der Zeichnungen als Schutzbegehren des Patentinhabers darstellt. Die Auslegung soll vielmehr zwischen diesen extremen Auffassungen liegen und einen angemessenen Schutz für den Patentinhaber mit ausreichender Rechtssicherheit für Dritte verbinden.“ 581  Wobei



B. Merkmale der neuen Einrede147

das nationale Patent und das europäische Patent bzw. das europäische Patent mit einheitlicher Wirkung „dieselbe Erfindung schützen“.583 Dies ist eine Bezugnahme auf den bereits oben genannten Schutzbereich im Sinne von § 14 PatG und Artikel 69 EPÜ. Zudem entspricht diese Auslegung des Artikels II § 18 Absatz 1 Nr. 1 IntPatÜbkG-E dem Sinn und Zweck der Vorschrift, die doppelte Inanspruchnahme einer beklagten Partei aus zwei im Wesentlichen identischen patentrechtlichen Schutzrechten, einem nationalen und einem europäischen, zu vermeiden.584 Die Gefahr einer solchen Inanspruchnahme besteht nicht nur in den wenigen Fällen der Anspruchsidentität, sondern vor allem dann, wenn beide Patente einen sich deckenden oder zumindest überschneidenden Schutzbereich aufweisen. Kommt es maßgeblich auf den Schutzbereich an, so schließt sich die weitere Frage an, ob die abstrakte oder die konkrete Schutzbereichsbetrachtung entscheidend ist.585 Die systematische Auslegung zeigt, dass die konkrete Schutzbereichsbetrachtung ausschlaggebend ist, d. h. eine Schutzbereichsbetrachtung in Ansehung einer bestimmten angegriffenen Ausführungsform im Gegensatz zum abstrakten Schutzbereichsvergleich der beiden Anspruchs­ fassungen. Denn Artikel II § 18 Absatz 1 Nr. 2 IntPatÜbkG-E verlangt, dass Gegenstand des EPG-Verfahrens eine Patentverletzung „durch die gleiche Ausführungsform“586 ist. 2. Verletzung oder drohende Verletzung Die Einrede der doppelten Inanspruchnahme entfaltet ihre Wirkung nur im nationalen Verletzungsverfahren. Artikel II § 18 Absatz 1  IntPatÜbkG-E setzt nämlich eine Klage wegen Verletzung oder drohender Verletzung eines im Verfahren nach dem Patentgesetz erteilten Patents, also eines deutschen Patents, voraus. Ausgeschlossen werden damit Nichtigkeitsverfahren. In der amtlichen Begründung heißt es hierzu, die Einrede solle der beklagten Partei in Verletzungsverfahren vor den deutschen Gerichten zustehen, weil nur in diesen Verfahren ein erhöhtes Schutzbedürfnis der beklagten Partei bestehe.587

583  BT-Drs. 18/8827,

S. 26. S. 13, 18, 25. 585  Zu dieser Unterscheidung mit Blick auf Artikel II § 8 IntPatÜbkG: Kühnen, FS König, S. 309, 312 ff. 586  Hierzu im Einzelnen B. II. 3. 587  BT-Drs. 18/8827, S. 25. 584  Vgl. BT-Drs. 18/8827,

148

Kap. 3: Einrede der doppelten Inanspruchnahme

Dieser Ansatz ist überzeugend. Die Einrede der doppelten Inanspruchnahme berührt nicht den Bestand des deutschen Patents an sich und lässt die Nichtigkeitsgründe unberührt. Der Bestand nationaler und europäischer Schutzrechte ist voneinander unabhängig. Die Problematik der doppelten Inanspruchnahme kann sinnvollerweise nur im Verletzungsverfahren auftreten. Artikel II § 18 Absatz 1 Nr. 2 IntPatÜbkG-E setzt weiter voraus, dass ein Verfahren vor dem EPG gegen dieselbe Partei wegen Verletzung oder drohender Verletzung des europäischen Patents oder europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung durch die gleiche Ausführungsform rechtshängig ist oder das EPG über ein solches Begehren eine rechtskräftige Entscheidung getroffen hat. a) Besondere Klagearten: Negative Feststellungsklage, Verletzungswiderklage Die ausdrückliche Nennung des Verletzungsverfahrens in Artikel II § 18 Absatz 1 Nr. 2 IntPatÜbkG-E soll klarstellen, dass eine negative Feststellungsklage vor dem EPG die Einrede der doppelten Inanspruchnahme vor dem nationalen Gericht nicht auslösen kann.588 Denn dann könnte die beklagte Partei in gewissem Maße selbst die Einredesituation auslösen.589 Unabhängig von der Klarstellung im Wortlaut des Artikels II § 18 Absatz 1 Nr. 2 IntPatÜbkG-E widerspricht die Erfassung der negativen Feststellungsklage vor dem EPG ebenfalls dem Sinn und Zweck der Einrede. Diese soll vor einer doppelten Inanspruchnahme aus im Wesentlichen parallelen Schutztiteln schützen. Eine doppelte Inanspruchnahme kommt aber nicht in Betracht, wenn sich das Verfahren vor dem EPG in einer negativen Feststellungsklage erschöpft, die lediglich der Feststellung dient, dass eine Patentverletzung nicht vorliegt. Der umgekehrte Fall, in dem vor dem EPG ein Verletzungsverfahren aus einem europäischen Schutztitel rechtshängig ist, national aber eine negative Feststellungsklage in Bezug auf das deutsche Patent von dem vermeintlichen Patentverletzer erhoben wird, wird ebenfalls nicht von Artikel II § 18 Absatz 1 IntPatÜbkG-E erfasst. Denn in einem solchen Fall liegt keine Klage wegen Verletzung eines deutschen Patents vor, Artikel II § 18 Absatz 1 IntPatÜbkG-E. Im Übrigen besteht in den genannten Fällen der negativen Feststellungsklage keine Identität auf Beklagtenseite in dem nationalen und dem EPG-Verfahren, Artikel II § 18 Absatz 1 und Absatz 1 Nr. 2 IntPatÜbkG-E. 588  Siehe

die amtliche Begründung BT-Drs. 18/8827, S. 26. S. 26.

589  Vgl. BT-Drs. 18/8827,



B. Merkmale der neuen Einrede149

Etwas komplexer gestalten sich Fallkonstellationen, in denen eine negative Feststellungsklage vor einem nationalen Gericht rechtshängig ist, eine Leistungsklage wegen Verletzung als Widerklage erhoben wird und der Patentinhaber590 gleichzeitig aus dem parallelen europäischen Schutzrecht vor dem EPG vorgeht. In einem solchen Fall wird die Widerklage im nationalen Verfahren „zur Verteidigung“ erhoben. Gleichwohl sprechen gute Gründe dafür, Artikel II § 18 IntPatÜbkG-E jedenfalls analog anzuwenden: Gegen eine direkte Anwendung spricht der Wortlaut, der nur eine Klage wegen Verletzung oder drohender Verletzung eines deutschen Patents erwähnt. Die Konstellation wird im Begleitgesetz nicht erwähnt. Die ratio legis des Artikels II § 18 IntPatÜbkG-E spricht aber für eine Anwendung der Einrede der doppelten Inanspruchnahme im Falle der Widerklage. Die Vorschrift will nämlich eine doppelte Inanspruchnahme aus zwei parallelen Schutzrechten verhindern. Dies würde jedoch faktisch geschehen, wenn der Widerklage nicht die Einrede der doppelten Inanspruchnahme entgegengehalten werden könnte. Dieses Ergebnis überzeugt umso mehr, als die negative Feststellungsklage nach Erhebung der Leistungsklage als Widerklage mangels Feststellungsinteresses dann unzulässig wird, wenn über die Leistungswiderklage streitig verhandelt worden ist, diese also nicht mehr nach § 269 Absatz 1 ZPO einseitig zurückgenommen werden kann.591 Es entsteht demnach faktisch dieselbe Situation, die bestehen würde, wenn der Patentinhaber direkt aus dem nationalen Schutzrecht vorgegangen wäre, und zwar parallel zu seiner Klage vor dem EPG. Könnte der Widerklage nicht die Einrede der doppelten Inanspruchnahme entgegengehalten werden, dann würde dies de facto davon abhalten, eine negative Feststellungsklage zu erheben. Gleiches dürfte dann gelten, wenn national als Antwort auf eine negative Feststellungsklage die Verletzungswiderklage aus dem nationalen Patent erhoben wird und vor dem EPG eine Klage zur Feststellung der Nichtverletzung nach Artikel 32 Absatz 1 lit. b) EPGÜ erhoben wird, auf die der Patentinhaber wiederum mit einer Verletzungsklage aus dem parallelen europä­ ischen Schutztitel antwortet.592 In dieser Konstellation ist die analoge Anwendung des Artikels II § 18 IntPatÜbkG-E im nationalen Verfahren ebenfalls zu befürworten, um eine doppelte Inanspruchnahme zu verhindern.

590  Aus Gründen der Vereinfachung werden andere Berechtigte im Folgenden nicht im Einzelnen erwähnt. Zum Thema der nicht erforderlichen Parteiidentität auf Klägerseite siehe im Übrigen unter B. III. 2. 591  Zöller/Greger, ZPO, § 256 Rn. 7d. 592  Ob die Klage auf Feststellung der Nichtverletzung ausgesetzt wird, richtet sich danach, wo die Klage erhoben wird (siehe Artikel 33 Absatz 4 EPGÜ) und wann die Verletzungsklage erhoben wird (hierzu im Einzelnen Artikel 33 Absatz 6 EPGÜ und Regel 76 Absatz 3 VerfO EPG).

150

Kap. 3: Einrede der doppelten Inanspruchnahme

b) Verletzungsklagen und geltend gemachte Ansprüche Klagen wegen Verletzung oder drohender Verletzung eines Patents können sich auf unterschiedliche Ansprüche beziehen. Nachfolgend werden diese Ansprüche im Einzelnen in den Blick genommen. Dabei werden zunächst Verletzungsverfahren vor deutschen Gerichten betrachtet und sodann das EPG-Verletzungsverfahren. aa) Nationale Verletzungsklagen Das Patentgesetz regelt Rechtsverletzungen in seinem neunten Abschnitt, §§ 139 ff. PatG. Zentrale Vorschrift ist dabei § 139 PatG, der in seinem Absatz 1 Folgendes bestimmt: „Wer entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt, kann von dem Verletzten bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht.“

Die systematische Stellung der Vorschrift im neunten Abschnitt des Patentgesetzes sowie die Bezugnahme auf den Verletzten im Wortlaut des § 139 Absatz 1 Satz 1 PatG zeigen, dass diese Vorschrift die Patentverletzung mit den Worten „[w]er entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt“ umschreibt. (1) Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche Mit einer Klage wegen Verletzung oder drohender Verletzung eines deutschen Patents sind daher in erster Linie Klagen gemeint, die sich auf Unterlassungsansprüche und Ansprüche auf Zahlung von Schadensersatz gemäß § 139 Absatz 1 und 2 PatG beziehen. Da ein Unterlassungsanspruch auch dann besteht, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht (§ 139 Absatz 1 Satz 2 PatG), wird mit dem Wortlaut der drohenden Verletzung in Artikel II § 18 Absatz 1 IntPatÜbkG-E dieser Fall ausdrücklich in Bezug genommen. Klagen, die sich – wie in der Praxis oft – (u. a.) auf die Feststellung der Schadensersatzverpflichtung beziehen, stellen ebenfalls Verletzungsklagen dar. Sie zielen darauf ab, das Bestehen der Schadensersatzpflicht dem Grunde nach festzustellen.593 Die klagende Partei macht mithin eine Patentverletzung geltend. Da sie aber nicht in der Lage ist, den konkreten Schaden zu beziffern, beantragt sie – üblicherweise neben Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüchen – auch die Feststellung der Schadensersatzverpflichtung. Das 593  Vgl. Schulte/Voß,

PatG, § 139 Rn. 230.



B. Merkmale der neuen Einrede151

Feststellungsinteresse gemäß § 256 Absatz 1 ZPO folgt daraus, dass die Ver­ jährung des Schadensersatzanspruchs droht. (2) Bereicherungsansprüche, Rest-Schadensersatzansprüche Wurde eine Patentverletzung nicht schuldhaft begangen bzw. ist das Verschulden nicht nachweisbar,594 so besteht keine Möglichkeit, den Verletzer nach § 139 Absatz 2 Satz 1 PatG auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen. Gleichwohl stellt die schuldlose Patentverletzung den Eingriff in eine Rechtsposition dar.595 Der Patentinhaber596 hat daher die Möglichkeit, vom Verletzer den erlangten vermögenswerten Vorteil nach Bereicherungsrecht zu kondizieren.597 Ein Anspruch auf Bereicherungsausgleich nach Maßgabe der § 141 Satz 2 PatG, § 852 Satz 1 BGB kommt ferner bei verjährten patentrecht­ lichen Schadensersatzansprüchen in Betracht.598 In diesem Zusammenhang wird gerne der Ausdruck „Rest-Schadensersatzanspruch“ verwendet.599 Fraglich ist, ob solche Ansprüche von Artikel  II § 18 Absatz  1 ­IntPatÜbkG-E erfasst werden. Der Wortlaut der Norm setzt eine Klage wegen Verletzung oder drohender Verletzung eines im Verfahren nach dem Patentgesetz erteilten Patents voraus. Dies ist im Falle des Rest-Schadensersatzanspruchs inso594  Zu diesen Fällen Stjerna, Konzentrationsmaxime, S. 31 Rn. 47. Siehe auch Benkard/Grabinski/Zülch, PatG, § 139 Rn. 84; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, Kap. D Rn. 658. Allgemein zur Eingriffskondiktion nach einer Schutzrechtsverletzung: BGH, Urt. v. 14.03.2000, X ZR 115/98, GRUR 2000, 685, 686 ff. – formunwirksamer Lizenzvertrag. 595  Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, Kap. D Rn. 658; Stjerna, Konzentrationsmaxime, S. 31 Rn. 47. 596  Wie bereits in Fn. 590 festgehalten wurde, werden andere Berechtigte im Folgenden aus Gründen der Vereinfachung nicht im Einzelnen erwähnt. Zur Anspruchsberechtigung des ausschließlichen Lizenznehmers im Fall des originären Bereicherungsanspruchs siehe etwa Benkard/Grabinski/Zülch, PatG, § 139 Rn. 83. 597  Stjerna, Konzentrationsmaxime, S. 31 Rn. 47. Vgl. auch Benkard/Grabinski/ Zülch, PatG, § 139 Rn. 82; Fitzner/Lutz/Bodewig/Pitz, PatR, § 139 Rn. 168; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, Kap. D Rn. 658. Zum Wertersatz nach § 818 Absatz 2 BGB siehe im Einzelnen: BGH, Urt. v. 14.03.2000, X ZR 115/98, GRUR 2000, 685, 686 ff. – formunwirksamer Lizenzvertrag. 598  Vgl. hierzu Stjerna, Konzentrationsmaxime, S. 31 Rn. 47 sowie BeckOK PatR/ Rinken, PatG, § 141 Rn. 46. Dabei spricht die Kommentierung von einem Schadensersatzanspruch dem Grunde nach, der auf Rechtsfolgenebene wie ein Bereicherungsanspruch behandelt werde, Rn. 47. 599  LG Düsseldorf, Urt. v. 23.05.2000, 4 O 162/99, Mitt. 2000, 458, 461; Benkard/ Grabinski/Zülch, PatG, § 139 Rn. 82 („Rest-Schadensersatzanspruch“ im Gegensatz zum selbständigen Bereicherungsanspruch, z. B. im Falle der schuldlosen Patentverletzung); Haedicke/Timmann/Kamlah, Handbuch des Patentrechts, § 14 Rn. 271.

152

Kap. 3: Einrede der doppelten Inanspruchnahme

weit unproblematisch, als dass § 141 Satz 2 PatG auf die „Verletzung“ des Schutzrechts Bezug nimmt und damit bereits wegen dieses tatbestandlichen Bezugs dem Wortlaut „Klage wegen Verletzung“ unterfällt. Im Falle des originären Bereicherungsanspruchs knüpft § 812 BGB verständlicherweise nicht direkt tatbestandlich an eine Patentverletzung an. Der Wortlaut des Artikels II § 18 Absatz 1 IntPatÜbkG-E „Klage wegen Verletzung“ schließt aber solche Klagen nicht aus, die sich auf Ansprüche stützen, welche ihre Grundlage letztlich in der Patentverletzung haben, auch wenn sie eine solche nicht ausdrücklich tatbestandlich voraussetzen. So wird in den oben geschilderten Fällen der Bereicherungsanspruch nur dann vorliegen, wenn ein rechtswidriger Eingriff in ein fremdes geschütztes Rechtsgut in Gestalt der ausschließlichen Benutzungsbefugnis an einem Patentrecht600 und damit eine Patentverletzung bejaht werden können. Der oben dargestellte originäre Bereicherungsanspruch hat demnach seine Grundlage in der Patentverletzung.601 Jedenfalls dieser Bereicherungsanspruch unterfällt daher dem Wortlaut „Klage wegen Verletzung“ eines deutschen Patents nach Artikel II § 18 Absatz 1 IntPatÜbkG-E.602 Die Historie des Artikels II § 18 Absatz 1 IntPatÜbkG-E ist in Ansehung der Bereicherungs- und Rest-Schadensersatzansprüche nicht aufschlussreich. Die Systematik ist nicht ganz eindeutig. Zu § 145 PatG, der eine Klage nach § 139 PatG voraussetzt, heißt es, die Vorschrift erfasse alle Ansprüche, die dem Kläger aufgrund der Verletzung eines Patents zustünden, darunter auch Bereicherungsansprüche.603 Die Verjährungsvorschrift des § 141 Satz 1 PatG, die auf Ansprüche wegen Verletzung des Patentrechts Bezug nimmt, soll sich hingegen nicht auf originäre Bereicherungsansprüche beziehen.604 Die Unter600  Vgl. BGH, Urt. v. 14.03.2000, X ZR 115/98, GRUR 2000, 685, 686 – form­ unwirksamer Lizenzvertrag (allgemein zur Eingriffskondiktion nach einer Schutzrechtsverletzung). 601  Vgl. etwa Haedicke/Timmann/Kamlah, Handbuch des Patentrechts, §  14 Rn. 257. 602  Bei Verneinung einer direkten Anwendung des Artikels II § 18 Absatz 1 IntPatÜbkG-E ist mit den nachfolgenden Erwägungen jedenfalls eine analoge Anwendung der Vorschrift zu befürworten. 603  Fitzner/Lutz/Bodewig/Kircher, PatR, §  145 Rn. 6; vgl. Schulte/Voß, PatG, § 145 Rn. 7. Für eine entsprechende Anwendung des § 145 PatG: Benkard/Grabinski/ Zülch, PatG, § 145 Rn. 6; Busse/Keukenschrijver, PatG, § 145 Rn. 12; Stjerna, Konzentrationsmaxime, S. 31 Rn. 48; vgl. ders., GRUR 2007, 194, 195. 604  BeckOK PatR/Rinken, PatG, § 141 Rn. 12; Benkard/Grabinski/Zülch, PatG, § 141 Rn. 3; Schulte/Voß, PatG, § 141 Rn. 7; vgl. auch Busse/Keukenschrijver, PatG, § 141 Rn. 17. Dabei wird teilweise darauf abgestellt, dass es sich bei originären Bereicherungsansprüchen nicht um Ansprüche handele, die unmittelbar auf eine Patentverletzung zurückzuführen seien, die also keine Ansprüche wegen Verletzung des Patentrechts darstellten, BeckOK PatR/Rinken, PatG, § 141 Rn. 12; Schulte/Voß, PatG, § 141 Rn. 7.



B. Merkmale der neuen Einrede153

schiede lassen sich erst durch einen Blick auf den Telos der jeweiligen Vorschrift auflösen. Während § 145 PatG insbesondere verhindern soll, dass ein Beklagter wegen derselben oder einer gleichartigen Handlung mehrfach von demselben Kläger wegen Patentverletzung in Anspruch genommen wird,605 regelt § 141 Satz 1 PatG die entsprechende Anwendung der Verjährungsvorschriften in §§ 195 ff. BGB auf die im neunten Abschnitt des Patentgesetzes geregelten zivilrechtlichen Ansprüche.606 Dadurch sollen auch in diesen Fällen die Sicherheit des Rechtsverkehrs und der Rechtsfrieden gewährleistet werden.607 § 141 Satz 1 PatG muss dementsprechend nicht einen originären Bereicherungsanspruch nach § 812 BGB, der direkt den BGB-Verjährungsvorschriften unterfällt, erfassen.608 Der Sinn und Zweck des Artikels II § 18 IntPatÜbkG-E besteht darin, die doppelte Inanspruchnahme einer beklagten Partei aus zwei im Wesentlichen identischen patentrechtlichen Schutzrechten, einem nationalen und einem europäischen, zu vermeiden.609 Die beklagte Partei soll wegen einer Patentverletzung nicht doppelt belangt werden. Daher müssen auch die Bereicherungsansprüche, die auf einer Patentverletzung beruhen, von Artikel II § 18 Absatz 1 IntPatÜbkG-E erfasst werden, und zwar sowohl originäre Bereicherungsansprüche als auch Rest-Schadensersatzansprüche. Ansonsten wäre eine doppelte Inanspruchnahme aus dem nationalen Patent und einem europä­ ischen patentrechtlichen Schutzrecht möglich. Außerdem würden Friktionen entstehen, wenn einem nationalen patentrechtlichen Schadensersatzanspruch die Einrede entgegengehalten werden könnte, einem Bereicherungsanspruch wegen schuldloser Patentverletzung oder in Form eines (sonst verjährten) Rest-Schadensersatzanspruchs hingegen nicht. Letzteres Beispiel könnte auch zur Umgehung der Einrede der doppelten Inanspruchnahme führen. Klagen, die sich auf originäre Bereicherungsansprüche wegen schuldloser Patentverletzung und Rest-Schadensersatzansprüche nach § 141 Satz 2 PatG, § 852 Satz 1 BGB beziehen, stellen daher Verletzungsklagen nach Artikel II § 18 Absatz 1 IntPatÜbkG-E dar.

605  BGH, Urt. v. 25.01.2011, X ZR 69/08, GRUR 2011, 411, 413, Rn. 18 – Raffvorhang. 606  Vgl. Benkard/Grabinski/Zülch, PatG, § 141 Rn. 2. 607  Hierzu allgemein BGH, Urt. v. 16.06.1972, I ZR 154/70, GRUR 1972, 721 – Kaffeewerbung. Vgl. auch BGH, Urt. v. 23.11.1994, XII ZR 150/93, NJW 1995, 252, 253. Zum Zweck des § 141 siehe BeckOK PatR/Rinken, PatG, § 141 Rn. 2. 608  Zur Verjährung von Bereicherungsansprüchen sowie der Anwendung des § 852 BGB bei Bereicherung aus unerlaubter Handlung siehe Palandt/Sprau, BGB, § 812 Rn. 69. 609  Vgl. BT-Drs. 18/8827, S. 13, 18, 25.

154

Kap. 3: Einrede der doppelten Inanspruchnahme

(3) Ansprüche aus §§ 140a, 140b PatG auf Vernichtung, Rückruf, Auskunft Klagen wegen Verletzung eines deutschen Patents sind auch solche, die sich auf folgende Ansprüche stützen: § 140a Absatz 1 und 2 PatG (Vernichtung), § 140a Absatz 3 PatG (Rückruf und endgültiges Entfernen aus den Vertriebswegen), § 140b (Auskunft). Denn diese Vorschriften beziehen sich ihrem Wortlaut nach ebenfalls auf die Benutzung der patentierten Erfindung entgegen den §§ 9 bis 13 PatG und damit eine Patentverletzung. Außerdem spricht der Telos des Artikels II § 18 Absatz 1 IntPatÜbkG-E dafür, diese Klagen zu erfassen. Die Einrede der doppelten Inanspruchnahme dient, wie soeben beschrieben, dazu, die doppelte Inanspruchnahme einer beklagten Partei zu vermeiden.610 Die beklagte Partei soll wegen einer Patentverletzung nicht doppelt belangt werden. Inanspruchnahme ist also nicht nur auf eine Zahlungspflicht bezogen. Deswegen wird von Artikel II § 18 Absatz 1 IntPatÜbkG-E auch eine Klage, die § 140b PatG als Anspruchsgrundlage zum Gegenstand hat, erfasst. Bei § 140b PatG handelt es sich um eine Vorschrift, die letztlich weiteren Patentverletzungen vorbeugen will, weil sie zum Ziel hat, dem Verletzten die Aufdeckung der Quellen und Vertriebswege von schutzrechtsverletzender Ware zu ermöglichen611. § 140a PatG wiederum sieht nicht nur eine Folgenbeseitigung vor, sondern dient auch der Generalprävention.612 (4) Allgemeiner Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch Der soeben behandelte Auskunftsanspruch nach § 140b PatG ist von dem allgemeinen, gewohnheitsrechtlich anerkannten Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch nach §§ 242, 259 BGB abzugrenzen. Der spezielle Auskunftsanspruch nach § 140b PatG unterscheidet sich von dem allgemeinen Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch wie folgt: er ist verschuldens­ unabhängig,613 richtet sich aufgrund der Bestimmung in seinem Absatz 2 gegen einen erweiterten Kreis Verpflichteter (sog. Dritte614) und kann gemäß seinem Absatz 7 auch im Wege einer einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden.615 610  Siehe

Fn. 609. 11/4792, S. 31; Stjerna, Konzentrationsmaxime, S. 33 Rn. 52; vgl. ebenfalls Benkard/Grabinski/Zülch, PatG, § 140b Rn. 1. 612  Schulte/Voß, PatG, § 140a Rn. 4 a. E. sowie die amtliche Begründung in BTDrs. 11/4792, S. 28. 613  BT-Drs. 11/4792, S. 31. 614  BT-Drs. 16/5048, S. 38; Busse/Keukenschrijver/Kaess, PatG, § 140b Rn. 8; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, Kap. D Rn. 683. 615  Vgl. insgesamt Schulte/Voß, PatG, § 140b Rn. 4. 611  BT-Drs.



B. Merkmale der neuen Einrede155

Insgesamt betrachtet sollen mit dem Auskunftsanspruch nach § 140b PatG die Quellen und Vertriebswege der bei einem Verletzer aufgefundenen patentverletzenden Erzeugnisse aufgedeckt werden können.616 Demgegenüber dient der allgemeine, gewohnheitsrechtlich anerkannte Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch gegen den Verletzer aus §§ 242, 259 BGB der Vorbereitung eines Leistungsanspruchs, z. B. eines Schadensersatzanspruchs.617 Es handelt sich um einen Hilfsanspruch im Verhältnis zum Leistungsanspruch in Form eines Schadensersatz-, Entschädigungs- und/oder Bereicherungsanspruchs.618 Eine Klage, die diesen Hilfsanspruch zum Gegenstand hat, stellt ebenfalls eine Klage wegen der Verletzung eines deutschen Patents dar. Denn der Hilfsanspruch setzt voraus, dass ein Leistungsanspruch dem Grunde nach besteht.619 Er setzt mithin – abgesehen vom Fall des Entschädigungsanspruchs, der hier ausgeklammert wird620 – eine Patentverletzung voraus. Außerdem ist der Hilfsanspruch akzessorisch zum Leistungsanspruch. Der Hilfsanspruch erlischt, wenn der Zahlungsanspruch, den der Hilfsanspruch vorbereiten soll, nicht mehr durchsetzbar ist.621 Daher wäre es nicht konsequent, wenn eine vorbereitende Klage, die auf Auskunft und Rechnungslegung abzielt, mangels Bejahung der Voraussetzung der Verletzungsklage sowohl auf das deutsche als auch das europäische Schutzrecht gestützt werden könnte, eine nachfolgende Schadensersatzklage wegen Einredeerhebung jedoch nicht. (5) V  orlage‑ und Besichtigungsansprüche nach § 140c PatG sowie §§ 809, 810 BGB § 140c PatG zielt darauf ab, den Sachverhalt aufzuklären und Beweise für den Anspruchsgrund und die Anspruchshöhe zu sichern.622 Die Vorschrift 616  Vgl. BT-Drs.

11/4792, S. 30. PatG, §  139 Rn.  88; Schulte/Voß, PatG, §  139 Rn. 148, § 140b Rn. 4; vgl. Busse/Keukenschrijver/Kaess, PatG, § 140b Rn. 49; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, Kap. D Rn. 806 f. 618  Benkard/Grabinski/Zülch, PatG, § 139 Rn. 88. 619  Vgl. BGH, Urt. v. 17.05.1994, X ZR 82/92, GRUR 1994, 898, 899 – Copolyester; Benkard/Grabinski/Zülch, PatG, § 139 Rn. 88. 620  Da Klagen, die einen Entschädigungsanspruch zum Gegenstand haben, keine Verletzungsklagen darstellen (siehe hierzu weiter unten, B. II. 2. b) aa) (7)), kann auch eine Klage zur Auskunfts- und Rechnungslegung, die einen Entschädigungsanspruch vorbereitet, nicht als Verletzungsklage angesehen werden. 621  Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, Kap. D Rn. 807. Zur Abhängigkeit des Hilfsanspruchs siehe ebenfalls Busse/Keukenschrijver/Kaess, PatG, §  140b Rn. 50. 622  Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, Kap. B Rn. 210. 617  Benkard/Grabinski/Zülch,

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Kap. 3: Einrede der doppelten Inanspruchnahme

setzt im Einzelnen voraus, dass derjenige, der mit hinreichender Wahrscheinlichkeit entgegen den §§ 9 bis 13 PatG eine patentierte Erfindung benutzt, von dem Rechtsinhaber oder einem anderen Berechtigten auf Vorlage einer Urkunde oder Besichtigung einer Sache, die sich in seiner Verfügungsgewalt befindet, oder eines Verfahrens, das Gegenstand des Patents ist, in Anspruch genommen werden kann, wenn dies zur Begründung von dessen Ansprüchen erforderlich ist. Bei hinreichender Wahrscheinlichkeit einer in gewerblichem Ausmaß begangenen Rechtsverletzung erstreckt sich der Anspruch auch auf die Vorlage von Bank-, Finanz- oder Handelsunterlagen, § 140c Absatz 1 Satz 2 PatG. Da die Vorschrift des § 140c PatG die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer Patentverletzung genügen lässt, unterfällt eine auf § 140c PatG gestützte Klage nicht dem Wortlaut des Artikels II § 18 Absatz 1 ­IntPatÜbkG-E. Zu überprüfen ist noch eine etwaige analoge Anwendung der Vorschrift. Kernfrage ist hierbei, ob bei Klagen, die auf § 140c PatG gestützt sind, eine gleichgelagerte Interessenkonstellation besteht wie in den gesetzlich geregelten Fällen der Patentverletzungsklagen. Im Ergebnis ist diese Vergleichbarkeit zu verneinen. Hierbei ist zunächst darauf hinzuweisen, dass sich der anzustellende Vergleich an der geltenden Rechtsordnung orientieren muss. Maßstab des Vergleichs kann nur eine innere Ordnung der Rechtsnormen im Sinne eines widerspruchsfreien Wertgefüges, das „innere System“,623 sein.624 § 140c PatG dient der Gewinnung und der Sicherung von Beweismitteln.625 Ein Anspruch nach § 140c PatG unterscheidet sich von einem Auskunftsanspruch nach § 140b PatG und dem allgemeinen Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch dadurch, dass im Falle des § 140c PatG gerade auch der Anspruchsgrund noch nicht feststeht. Deswegen genügt bereits die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer Patentverletzung. Weiter ist zu berücksichtigen, dass der Besichtigungsanspruch nach § 140c PatG in einem Hauptsacheverfahren geltend gemacht werden kann, dies aber in der Praxis seltener vorkommt.626 Denn die Besichtigung soll üblicherweise eine Verletzungsklage vorbereiten. Dies bedingt eine zügige Durchführung. Die Besichtigung ist außerdem insbesondere dann erfolgreich, wenn ein gewisser Überraschungseffekt genutzt werden kann. Daher wird in der Praxis eher eine gerichtliche Beweisanordnung nach §§ 485 ff. ZPO beantragt, verbunden mit dem Antrag auf eine einstweilige Duldungsverfügung 623  Zum „inneren System“ im beschriebenen Sinne siehe Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn.  751 m. w. N. 624  Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 895. 625  BT-Drs. 16/5048, S. 40 f. 626  Von einem Hauptsacheverfahren abratend: Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, Kap. B Rn. 87.



B. Merkmale der neuen Einrede157

auf der Grundlage von § 140c Absatz 1 PatG bzw. § 809 BGB (sog. Düsseldorfer Verfahren627).628 Auf vorläufige oder sichernde Maßnahmen findet Artikel II § 18 Absatz 1 und 2 IntPatÜbkG-E nach seinem Absatz 4 aber keine Anwendung. Damit soll sichergestellt werden, dass der einstweilige Rechtsschutz nicht beeinträchtigt wird.629 Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass auch § 145 PatG auf Ansprüche aus § 140c PatG wegen dessen vorbereitenden Charakters nicht zur Anwendung gebracht wird.630 Dabei dient § 145 PatG einem ähnlichen Ziel wie Artikel II § 18 IntPatÜbkG-E: § 145 PatG soll nämlich verhindern, dass ein Beklagter wegen derselben oder einer gleichartigen Handlung mehrfach von demselben Kläger wegen Patentverletzung in Anspruch genommen wird.631 Das Doppelschutzverbot gemäß Artikel II § 8 IntPatÜbkG führt zur Wirkungslosigkeit des deutschen Patents, entfaltet aber keine Rückwirkung, d. h. entstandene Ansprüche bestehen fort.632 Auch die Rechtmäßigkeit durchgeführter vorbereitender Maßnahmen, z. B. nach § 140c PatG, entfällt nicht rückwirkend. Mangels Rückwirkung kann auch § 140c Absatz 5 PatG nicht greifen. Aus diesen Überlegungen folgt, dass die Rechtsordnung Ansprüche aus § 140c PatG durchaus unterschiedlich behandelt als „klassische“ Ansprüche wegen Patentverletzung. Insbesondere wegen des Zwecks des § 140c PatG, den Sachverhalt aufzuklären und Beweise für den Anspruchsgrund und die Anspruchshöhe zu sichern, kommt eine Vergleichbarkeit zwischen Klagen, die auf § 140c PatG gestützt sind und üblichen Patentverletzungsklagen nicht in Betracht. Damit scheidet eine analoge Anwendung des Artikels II § 18 Absatz 1 IntPatÜbkG-E aus.

627  Zum Düsseldorfer Verfahren im Einzelnen: Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, Kap. B Rn. 89 ff.; Kühnen, GRUR 2005, 185, 187 ff. Zum Sonderproblem des Schutzes der Geschäftsgeheimnisse von vermeintlichen Verletzern am Beispiel des „Düsseldorfer Verfahrens“: Deichfuß, GRUR 2015, 436 ff. 628  Allgemein zum Besichtigungsverfahren: Müller-Stoy, Nachweis und Besichtigung des Verletzungsgegenstandes im deutschen Patentrecht. 629  BT-Drs. 18/8827, S. 26. 630  Busse/Keukenschrijver, PatG, §  145 Rn. 13; Fitzner/Lutz/Bodewig/Kircher, PatR, § 145 Rn. 6; Schulte/Voß, PatG, § 145 Rn. 8; Stjerna, Konzentrationsmaxime, S. 36, Rn. 58 f. 631  BGH, Urt. v. 25.01.2011, X ZR 69/08, GRUR 2011, 411, 413, Rn. 18 – Raffvorhang. 632  Kap. 1, C. II. 2.

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Kap. 3: Einrede der doppelten Inanspruchnahme

Nichts anderes kann nach dem Vorstehenden in Ansehung des allgemeinen Besichtigungs‑ und Vorlage‑ bzw. Einsichtsanspruchs aus §§ 809, 810 BGB gelten.633 Abschließend soll auf einen prozessualen Gedanken eingegangen werden, ob nämlich das Rechtsschutzbedürfnis in denjenigen Fällen zu verneinen ist, in denen eine Verletzungsklage vor dem EPG rechtshängig ist und parallel ein nationales Besichtigungsverfahren aus dem nationalen Schutzrecht eingeleitet wird. Zum einen spricht gegen die Verneinung des Rechtsschutzbedürfnisses, dass im Zeitpunkt der Entscheidung über die Zulässigkeit des nationalen Besichtigungsverfahrens noch nicht abschließend geklärt ist, ob die beklagte Partei die Einrede der doppelten Inanspruchnahme im späteren Verletzungsprozess tatsächlich erheben wird. Zum anderen ist festzuhalten, dass eine solche Fallgestaltung – Einleitung eines nationalen Besichtigungsverfahrens bei rechtshängiger EPG-Verletzungsklage – selten vorkommen dürfte. Denn die Einleitung eines Verfahrens vor dem EPG setzt voraus, dass der Schutzrechtsinhaber die Verletzung des europäischen Schutzrechts bereits entsprechend begründen kann. Wenn Unsicherheiten bestehen, dann betreffen sie oftmals die Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsform, die im nationalen wie im EPG-Verfahren „gleich“ sein muss.634 Ist aber die Rechtslage im Hinblick auf das europä­ ische Schutzrecht derart geklärt, dass ein Verfahren vor dem EPG eingeleitet werden kann, dann dürften in der Regel auch in Ansehung des parallelen nationalen Schutzrechts keine solchen Unsicherheiten bestehen, die die Einleitung des nationalen Besichtigungsverfahrens rechtfertigen würden. Im Ergebnis dürfte das Rechtsschutzbedürfnis bei Einleitung eines nationalen Besichtigungsverfahrens, wie oben dargelegt, schwerlich zu verneinen sein, wenn vor dem EPG bereits eine Klage wegen Verletzung des parallelen europäischen Schutzrechts rechtshängig ist, wobei diese Fallkonstellation selten vorkommen dürfte. (6) A  nsprüche aus § 140d PatG auf Vorlage von Bank-, Finanz- und Handelsunterlagen Nach § 140d Absatz 1 Satz 1 PatG kann der Verletzte den Verletzer bei einer in gewerblichem Ausmaß begangenen Rechtsverletzung in den Fällen des § 139 Absatz 2 PatG auch auf Vorlage von Bank-, Finanz- oder Handelsunterlagen oder einen geeigneten Zugang zu den entsprechenden Unterlagen 633  Zur Durchsetzung dieser Ansprüche siehe Palandt/Sprau, BGB, § 809 Rn. 13, § 810 Rn. 1 a. E. 634  Siehe hierzu unter B. II. 3.



B. Merkmale der neuen Einrede159

in Anspruch nehmen, die sich in der Verfügungsgewalt des Verletzers befinden und die für die Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs erforderlich sind, wenn ohne die Vorlage die Erfüllung des Schadensersatzanspruchs fraglich ist. § 140d PatG dient damit der „Sicherung der Erfüllung des Schadensersatzanspruchs“635 oder anders ausgedrückt: der Erleichterung der Durchsetzung patentrechtlicher Schadensersatzansprüche636. Der Anspruch kann bereits im Hauptsacheverfahren wegen Patentverletzung geltend gemacht werden, was jedoch eher selten vorkommt,637 oder nachgeschaltet nach rechtskräftiger Feststellung der Patentverletzung.638 Eine Klage, die auf § 140d PatG gestützt wird, unterfällt Artikel II § 18 Absatz 1 IntPatÜbkG-E. Es handelt sich um eine Verletzungsklage, da sie eine Patentverletzung voraussetzt. Dabei ist unerheblich, ob die Klage nachgeschaltet erhoben wird. (7) Entschädigungsansprüche Nicht von Artikel II § 18 Absatz 1 IntPatÜbkG-E erfasst sind hingegen Klagen, die sich auf einen Entschädigungsanspruch nach § 33 PatG stützen. Denn § 33 PatG gewährt einen Schutz der Patentanmeldung, wie sich bereits aus der Bezugnahme auf die Veröffentlichung des Hinweises gemäß § 32 Absatz 5 PatG als Beginn des Schutzes ergibt. Artikel II § 18 Absatz 1 IntPatÜbkG-E setzt hingegen eine Klage wegen Verletzung oder drohender Verletzung eines erteilten deutschen Patents voraus. Zu untersuchen verbleibt aber, ob eine analoge Anwendung des Artikels II § 18 Absatz 1 IntPatÜbkG-E in Bezug auf Klagen in Betracht kommt, die einen Entschädigungsanspruch zum Gegenstand haben. Wie auch im Zusammenhang mit § 140c PatG erörtert, ist dabei entscheidend, ob in den Entschädigungsfällen eine gleichgelagerte Interessenkonstellation besteht wie in den gesetzlich geregelten Konstellationen der Klagen wegen Patentverletzung. Im Ergebnis ist diese Vergleichbarkeit zu verneinen. Hierbei muss sich der Vergleich, wie schon dargelegt,639 an der geltenden Rechtsordnung orientieren und das „innere System“ zum Maßstab haben. Zunächst ist im Hinblick auf die zu vergleichenden Sachverhalte festzuhalten, dass die beklagte Partei sowohl in Ansehung einer Klage wegen Patent635  BT-Drs. 16/5048,

S. 41.

636  Benkard/Grabinski/Zülch,

PatG, § 140d Rn. 1. PatG, § 140d Rn. 19. 638  Vgl. Benkard/Grabinski/Zülch, PatG, § 140d Rn. 7 sowie Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, Kap. B Rn. 227. 639  B. II. 2. b) aa) (5). 637  Vgl. Schulte/Voß,

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Kap. 3: Einrede der doppelten Inanspruchnahme

verletzung als auch in Ansehung einer Klage wegen Entschädigung einer doppelten Inanspruchnahme ausgesetzt sein kann. Ein wesentlicher Unterschied zwischen Entschädigungsansprüchen und Ansprüchen, die auf einer Patentverletzung beruhen, besteht jedoch darin, dass § 33 PatG dem Schutz der Anmeldung dient und letztlich die Nachteile eines zeitlich gestreckten Erteilungsverfahrens kompensieren soll640. Schließlich werden die Anmeldung und damit die Erfindung mit Offenlegung der Öffentlichkeit bekannt gegeben, noch bevor der Patentschutz entstanden ist. Weil die offengelegte Anmeldung noch ungeprüft ist, noch kein Verbietungsrecht besteht und die Benutzung durch andere bis zur Patenterteilung daher nicht rechtswidrig ist, ermöglicht § 33 PatG lediglich einen Entschädigungsanspruch.641 Außerdem ist zu berücksichtigen, dass § 145 PatG, der eine Klagenkonzentration vorschreibt, um eine mehrfache Inanspruchnahme des Beklagten zu verhindern,642 Entschädigungsansprüche nach § 33 PatG nicht erfasst643. Und dem bisherigen Doppelschutzverbot nach Artikel II § 8 IntPatÜbkG wird eine Rückwirkung nicht beigemessen,644 so dass entstandene Entschädigungsansprüche folgerichtig ebenfalls fortbestehen müssen. § 58 Absatz 2 PatG gilt jedenfalls nicht. Die Rechtsordnung zeigt damit, dass sie trotz teils vergleichbarer Interessenlage den Entschädigungsanspruch unterschiedlich behandelt. Insgesamt betrachtet sind auch im Falle der Einrede der doppelten Inanspruchnahme eine Vergleichbarkeit und demnach eine Analogie in Ansehung der Entschädigungsansprüche zu verneinen. (8) Ergebnis Mit einer Klage wegen Verletzung oder drohender Verletzung eines deutschen Patents ist insbesondere eine solche gemeint, die folgende Ansprüche zum Gegenstand hat: – Unterlassungsanspruch nach § 139 Absatz 1 PatG, – Schadensersatzanspruch nach § 139 Absatz 2 PatG – inklusive des Anspruchs auf Feststellung der Schadensersatzpflicht dem Grunde nach, 640  Vgl. Kraßer/Ann,

PatR, § 37 Rn. 2. PatG, § 33 Rn. 3 sowie Kraßer/Ann, PatR, § 37 Rn. 2

641  Vgl. Schulte/Rinken,

m. w. N. 642  Vgl. B. II. 2. b) aa) (5). 643  Benkard/Grabinski/Zülch, PatG, § 145 Rn. 4; Busse/Keukenschrijver, PatG, § 145 Rn. 13; Schulte/Voß, PatG, § 145 Rn. 8; Kraßer/Ann, PatR, § 37 Rn. 36. 644  Kap. 1, C. II. 2.



B. Merkmale der neuen Einrede161

– (originärer) Bereicherungsanspruch, der auf einer Patentverletzung beruht, und Rest-Schadensersatzanspruch nach § 141 Satz 2 PatG i. V. m. § 852 Satz 1 BGB, – Ansprüche auf Vernichtung nach § 140a Absatz 1 und 2 PatG und auf Rückruf, § 140a Absatz 3 PatG, – Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung, § 140b PatG sowie §§ 242, 259 BGB, – Anspruch auf Vorlage von Bank-, Finanz- und Handelsunterlagen gem. § 140d PatG. Die seltenen Klagen, die Vorlage‑/Besichtigungsansprüche nach § 140c PatG sowie §§ 809, 810 BGB zum Gegenstand haben, stellen keine Verletzungsklagegen im Sinne des Artikels II § 18 IntPatÜbkG-E dar. Gleiches gilt für Klagen, die auf einen Entschädigungsanspruch nach § 33 PatG gestützt sind. bb) Verletzungsklagen vor dem EPG Artikel II § 18 Absatz 1 Nr. 2 IntPatÜbkG-E setzt ein Verfahren vor dem EPG645 gegen dieselbe Partei wegen Verletzung oder drohender Verletzung des parallelen646 europäischen Patents oder europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung voraus. Das EPGÜ zählt in seinem Teil III, Kapitel IV, die Befugnisse des EPG auf, die spiegelbildlich mit den Ansprüchen, die Klagegegenstand sein können, korrespondieren.647 In Artikel 56 Absatz 1 EPGÜ heißt es zunächst allgemein, das Gericht könne die im EPGÜ festgelegten Maßnahmen, Verfahren und Abhilfemaßnahmen anordnen und seine Anordnungen nach Maßgabe der Verfahrensordnung648 von Bedingungen abhängig machen. Demnach ist für die weitere Untersuchung ergänzend die Verfahrensordnung mit heranzuziehen. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass sich die Verfahrensordnung zwar in Regel 12 ff. explizit mit dem Verletzungsverfahren beschäftigt, sich 645  Zum Verfahren vor dem EPG an sich siehe etwa Bopp/Kircher, Handbuch Europäischer Patentprozess, 4. Teil, § 10 ff. 646  Siehe hierzu B. II. 1. 647  Nach McGuire dürfe die prozessuale Einkleidung der Artikel 63 ff. EPGÜ nicht darüber hinwegtäuschen, dass danach Ansprüche gewährt würden, McGuire, Mitt. 2015, 537, 542. 648  Grundlage der Untersuchung ist die 18. Fassung der Verfahrensordnung des EPG vom 19.10.2015 mit den Änderungen durch den Vorbereitenden Ausschuss vom 15.03.2017 (abrufbar unter: https://www.unified-patent-court.org/sites/default/files/ upc_rules_of_procedure_18th_draft_15_march_2017_final_clear.pdf (27.01.2021). Die genannte Fassung liegt bislang nur in englischer Sprache vor.

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Kap. 3: Einrede der doppelten Inanspruchnahme

dabei aber eher auf den Ablauf konzentriert. Die mit der Verletzungsklage geltend gemachten Ansprüche werden nicht im Einzelnen aufgegriffen. Hauptanknüpfungspunkt für die einzelnen Ansprüche ist damit das EPGÜ. Zu den Vorschriften in Teil III, Kapitel IV des EPGÜ, die sich auf eine Patentverletzung beziehen bzw. auf einen Verletzer abstellen, zählen Artikel 63, 64, 67 und 68 EPGÜ.649 Artikel 63 betrifft endgültige Verfügungen, durch die die Fortsetzung der Verletzung untersagt wird. Artikel 64 EPGÜ hat Abhilfemaßnahmen im Rahmen von Verletzungsverfahren zum Gegenstand. Artikel 67 EPGÜ regelt die Anordnung der Auskunftserteilung und Artikel 68 EPGÜ die Zuerkennung von Schadensersatz. Neben diesen Vorschriften sind Artikel 59 EPGÜ bezüglich der Anordnung der Beweisvorlage und Artikel 60 EPGÜ betreffend die Anordnung der Beweissicherung und der Inspektion von Räumlichkeiten zu untersuchen. (1) Artikel 63 EPGÜ: endgültige Verfügungen Artikel 63 Absatz 1 Satz 1 EPGÜ bestimmt, dass dann, wenn eine Patentverletzung festgestellt wird, das Gericht gegen den Verletzer eine Verfügung erlassen kann, durch die die Fortsetzung der Verletzung untersagt wird. Das Gericht kann laut Satz 2 der Vorschrift auch eine Verfügung gegen Mittelspersonen erlassen, deren Dienste von einem Dritten zwecks Verletzung eines Patents in Anspruch genommen werden. Die Vorschrift gibt damit dem EPG die Möglichkeit, Patentverletzer zur Unterlassung der patentverletzenden Handlungen zu verurteilen. Artikel 63 wird in der Verfahrensordnung in Regel 118 Absatz 1 aufgegriffen, jedoch nicht näher behandelt. Aus dem Vorgenannten – nämlich dem Bezugspunkt der Patentverletzung – folgt, dass Ansprüche auf Untersagung, d. h. Unterlassung der Fortsetzung der Patentverletzung, Gegenstand einer Verletzungsklage vor dem EPG im Sinne des Artikels II § 18 Absatz  1 Nr. 2 ­IntPatÜbkG-E sein können.

649  Diese Vorschriften gelten natürlich auch für europäische Patente mit einheitlicher Wirkung. Artikel 5 der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 ändert hieran nichts. Zum einen bezieht sich Absatz 3 dieser Vorschrift nur auf den Umfang des Schutzrechts (die Regelung ist letztlich ein Verweis auf die Artikel 25 bis 29 EPGÜ), zum anderen genießen die Artikel 63 ff. EPGÜ als Einheitsrecht Vorrang, vgl. McGuire, Mitt. 2015, 537, 542.



B. Merkmale der neuen Einrede163

(2) A  rtikel 64 EPGÜ: Abhilfemaßnahmen im Rahmen von Verletzungsverfahren Nach Artikel 64 Absatz 1 EPGÜ kann das Gericht auf Antrag des Antragstellers anordnen, dass in Bezug auf Erzeugnisse, die nach seinen Feststellungen ein Patent verletzen, und gegebenenfalls in Bezug auf Materialien und Geräte, die vorwiegend zur Schaffung oder Herstellung dieser Erzeugnisse verwendet werden, geeignete gerichtliche Maßnahmen getroffen werden können. In Absatz 2 der Vorschrift werden die einzelnen Maßnahmen enumerativ aufgeführt. Es handelt sich um a) die Feststellung der Verletzung, b) den Rückruf der Erzeugnisse aus den Vertriebswegen, c) die Beseitigung der verletzenden Eigenschaft des Erzeugnisses, d) die endgültige Entfernung aus den Vertriebswegen und e) die Vernichtung der Erzeugnisse und/oder der betreffenden Materialien und Geräte. Absatz 3 schreibt eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vor. Artikel 64 EPGÜ wird, wie auch Artikel 63 EPGÜ, in der Verfahrensordnung des EPG in Regel 118 in Bezug genommen, jedoch nicht näher behandelt. Artikel 64 EPGÜ erinnert stark an das nationale Rechtsfolgenregime nach dem Patentgesetz. Dies überrascht deswegen nicht, als dass das EPG seine Entscheidungen gem. Artikel 24 Absatz 1 lit. a) EPGÜ u. a. auf das Unionsrecht stützt und die Durchsetzungsrichtlinie auch im nationalen Patentgesetz ihren Niederschlag gefunden hat. Da Artikel 64 EPGÜ eine Patentverletzung voraussetzt, zählen Klagen, die auf Anordnung entsprechender Maßnahmen zielen, zu den Verletzungsklagen vor dem EPG im Sinne des Artikels II § 18 Absatz 1 Nr. 2 IntPatÜbkG-E. (3) Artikel 67 EPGÜ: Anordnung der Auskunftserteilung Artikel 67 EPGÜ regelt die Befugnis des EPG, die Erteilung einer Auskunft anzuordnen. Die Vorschrift erinnert an § 140b PatG, was angesichts der gemeinsamen Grundlage beider Regelungen, nämlich Artikel 8 der Durchsetzungsrichtlinie, nicht verwundert. Artikel 67 EPGÜ wird in Regel 191 VerfO EPG aufgegriffen. Da Artikel 67 EPGÜ eine Patentverletzung voraussetzt, sind Klagen, die auf eine Anordnung der Auskunftserteilung abzielen, ebenfalls als Verletzungsklagen vor dem EPG im Sinne des Artikels II § 18 Absatz 1 Nr. 2 IntPatÜbkG-E anzusehen.

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Kap. 3: Einrede der doppelten Inanspruchnahme

(4) Artikel 68 EPGÜ: Zuerkennung von Schadensersatz Die Zuerkennung von Schadensersatz wird in Artikel 68 EPGÜ behandelt. Nach Absatz 1 ordnet das Gericht auf Antrag der geschädigten Partei an, dass der Verletzer, der wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass er eine Patentverletzungshandlung vornahm, der geschädigten Partei zum Ausgleich des von ihr wegen der Verletzung erlittenen tatsächlichen Schadens angemessenen Schadensersatz zu leisten hat. Ist der Klageantrag auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Schadensersatz gerichtet, dann erfolgt eine entsprechende Verurteilung.650 Anknüpfungspunkt in der Verfahrensordnung ist Regel 118 Absatz 1. Das als Teil des Verletzungsverfahrens oder separat im Anschluss eingeleitete Höheverfahren wird in Regel 125 ff. VerfO EPG näher geregelt.651 Auch Artikel 68 EPGÜ knüpft an die Verletzungshandlung an, so dass entsprechende Klagen ebenfalls Verletzungsklagen vor dem EPG nach Artikel II § 18 Absatz 1 Nr. 2 IntPatÜbkG-E darstellen. In Bezug auf die Zuerkennung von Schadensersatz mag zunächst verwundern, dass die Zuständigkeitsvorschrift des Artikels 32 EPGÜ in seinem Absatz 1 Klagen auf Schadensersatz explizit in lit. f) erwähnt und sie damit nicht den in lit. a) genannten Klagen wegen tatsächlicher oder drohender Verletzung von Patenten zuordnet. Artikel 32 EPGÜ verfolgt insoweit eine eigene Systematik, die jedoch nichts an der Voraussetzung der Patentverletzung für die Zuerkennung von Schadensersatz nach Artikel 68 EPGÜ ändert. (5) Artikel 59 EPGÜ: Anordnung der Beweisvorlage Artikel 59 EPGÜ sieht die Anordnung der Beweisvorlage durch das EPG vor. Der Aufbau der Vorschrift erinnert an Artikel 6 der Durchsetzungsrichtlinie.652 Artikel 59 EPGÜ ist aber von seinem Wortlaut her in beiden Absätzen weiter gefasst als Artikel 6 der Durchsetzungsrichtlinie.653 Die Verfahrensordnung des EPG greift Artikel 59 EPGÜ in Regel 190 auf. Um die Vorschrift richtig einordnen zu können, ist es erforderlich, sie in ihrem systematischen Zusammenhang zu sehen. Ähnlich wie die DurchsetGRUR Int. 2013, 310, 316. hierzu z.  B. die überblicksartige Darstellung von Grabinski, GRUR Int. 2013, 310, 316 f. 652  Artikel 6 Absatz 1 der Durchsetzungsrichtlinie entspricht Artikel 43 Absatz 1 des TRIPS-Übereinkommens. Vgl. in diesem Zusammenhang Tilmann/Plassmann, Unified Patent Protection in Europe, Article 59 Rn. 1. 653  Absatz 1 erfasst auch die Beweisvorlage durch Dritte und Absatz 2 ist nicht nur auf Fälle der in gewerblichem Ausmaß begangenen Rechtsverletzung begrenzt. 650  Grabinski, 651  Vgl.



B. Merkmale der neuen Einrede165

zungsrichtlinie (Artikel 6 und 7) sieht auch das EPGÜ zwei maßgebliche Vorschriften in seinem Teil II Kapitel IV vor, die sich mit dem Beweisrecht beschäftigen: Artikel 59 EPGÜ und Artikel 60 EPGÜ. Dies ist ein Unterschied zum nationalen Recht, wo Artikel 6 und 7 der Durchsetzungsrichtlinie einheitlich in § 140c PatG umgesetzt wurden. Artikel 59 EPGÜ hat die Anordnung der Beweisvorlage zum Gegenstand, während sich Artikel 60 EPGÜ mit der Anordnung der Beweissicherung und der Inspektion von Räumlichkeiten befasst. Dabei geht Artikel 59 EPGÜ, ähnlich wie Artikel 6 der Durchsetzungsrichtlinie,654 davon aus, dass die Anordnung der Beweisvorlage während eines laufenden Verfahrens geltend gemacht wird. Dies wird anhand der Verfahrensordnung des EPG deutlich, die in Regel 190 Absatz 2 bestimmt, dass der Antrag im schriftlichen Verfahren bzw. im Zwischenverfahren gestellt werden kann.655 Außerdem stellt Artikel  60 EPGÜ in Absatz  1 und Absatz  3 im Gegensatz zu Artikel  59 EPGÜ explizit fest, dass die Anordnung der Beweissicherung und die Inspektion von Räumlichkeiten selbst vor Einleitung eines Verfahrens in der Sache möglich sind. Der Anspruch auf Anordnung der Beweisvorlage nach Artikel 59 Absatz 1 EPGÜ ist kein Verletzungsanspruch. Denn er setzt gerade keine Patentverletzung voraus. Wie auch Artikel 6 der Durchsetzungsrichtlinie, fordert Artikel 59 Absatz 1 EPGÜ, dass die antragstellende Partei alle vernünftigerweise verfügbaren Beweismittel zur hinreichenden Begründung ihrer Ansprüche vorgelegt hat. Die Ansprüche – und damit auch die Patentverletzung – müssen lediglich hinreichend begründet sein.656 Daher kann Artikel 59 Absatz 1 EPGÜ nicht selbst Gegenstand einer Verletzungsklage sein, sondern kommt lediglich flankierend als Beweissicherungsmaßnahme in Betracht. Dies gilt ebenfalls für Artikel 59 Absatz 2 EPGÜ. Dieser befasst sich mit der Anordnung der Übermittlung von in der Verfügungsgewalt der gegnerischen Partei befindlichen Bank‑, Finanz‑ oder Handelsunterlagen und zwar unter den Voraussetzungen des Absatzes 1. Die antragstellende Partei muss ebenfalls alle vernünftigerweise verfügbaren Beweismittel zur hinreichenden Begründung ihrer Ansprüche vorgelegt haben. Artikel 59 Absatz 2 EPGÜ 654  Vgl. die Gegenüberstellung zu Artikel 7 der Durchsetzungsrichtlinie im Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums, BT-Drs. 16/5048, S. 28. 655  So auch Grabinski, GRUR Int. 2013, 310, 317, mit Verweis auf Regel 190 Absatz 2 VerfO EPG in Fn. 161. 656  Wegen des Wortlauts „zur hinreichenden Begründung ihrer Ansprüche“ in Artikel 6 Absatz 1 der Durchsetzungsrichtlinie hat der nationale Gesetzgeber in § 140c PatG das Erfordernis der „hinreichenden Wahrscheinlichkeit“ der Patentverletzung aufgenommen, BT-Drs. 16/5048, S. 40.

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Kap. 3: Einrede der doppelten Inanspruchnahme

dient folglich – wie auch Absatz 1 – der Gewinnung von Beweismitteln657 und kann daher nicht selbst Gegenstand einer Verletzungsklage sein, sondern allenfalls flankierend geltend gemacht werden. Artikel 59 Absatz 2 EPGÜ darf im Übrigen nicht mit § 140d PatG verwechselt werden. Der Artikel ähnelt eher § 140c Absatz 1 Satz 2 PatG. Denn § 140c PatG dient der Umsetzung von Artikel 6 und 7 der Durchsetzungs­ richtlinie,658 wohingegen § 140d PatG, der Artikel 9 Absatz 2 Satz 2 der Durchsetzungsrichtlinie umsetzt,659 nicht der Gewinnung von Beweismitteln, sondern der Sicherung der Erfüllung des Schadensersatzanspruchs dient. Der Telos660 des Artikels 59 EPGÜ, die Beweisvorlage zur Sachaufklärung, steht einer analogen Anwendung des Artikels II § 18 Absatz 1 Nr. 2 Int­ PatÜbkG-E entgegen. (6) A  rtikel 60 EPGÜ: Anordnung der Beweissicherung und der Inspektion von Räumlichkeiten Artikel 60 EPGÜ dient der Beweissicherung.661 Die Vorschrift wird in Regel 192 ff. VerfO EPG näher ausgestaltet. Der Antrag auf Anordnung der Beweissicherung (laut Verfahrensordnung des EPG „saisie“662) und der Inspektion von Räumlichkeiten kann vor oder während des Hauptsacheverfahrens gestellt werden.663 Anders als § 140c PatG spricht Artikel 60 EPGÜ nicht von der hinreichenden Wahrscheinlichkeit einer Patentverletzung und knüpft auch nicht an die Vorlage von Beweismitteln zur hinreichenden Begründung der Ansprüche der antragstellenden Partei wie Artikel 59 EPGÜ an. In der Sache besteht für den Patentinhaber aber ebenfalls ein Beweispro657  Wobei zu berücksichtigen ist, dass Bank‑, Finanz‑ und Handelsunterlagen bei der Klärung der Frage der Patentverletzung normalerweise keine Rolle spielen werden, sondern eher im Zusammenhang mit der Anspruchshöhe. Ein Anspruch auf Anordnung von Unterlagen nach Artikel 59 Absatz 2 EPGÜ dürfte daher, wenn eine Patentverletzung noch nicht feststeht, selten erfolgreich sein. Im nationalen Verletzungsverfahren wird bei Ansprüchen aus dem parallelen § 140c Absatz 1 Satz 2 PatG die Verhältnismäßigkeit in solchen Fällen oftmals nicht vorliegen, vgl. in diesem Zusammenhang Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, Kap. B Rn. 79. 658  BT-Drs. 16/5048, S. 27, 40. 659  BT-Drs. 16/5048, S. 41. 660  Laut Tilmann/Plassmann, Unified Patent Protection in Europe, Article 59 Rn. 8 bezwecken die Artikel 59 und 60 im Allgemeinen die Erleichterung der Beweisvorlage („…Arts 59 and 60 UPCA are intended to facilitate the plaintiff/applicant to furnish evidence, …“). 661  Zum Zweck der Artikel 59 und 60 siehe vorangehende Fn. 662  Vor Regel 192 VerfO EPG. 663  Siehe Absatz 1 und 3 („selbst vor Einleitung eines Verfahrens in der Sache“).



B. Merkmale der neuen Einrede167

blem. Artikel 60 EPGÜ formuliert dies in der Art und Weise, dass die antragstellende Partei alle vernünftigerweise verfügbaren Beweismittel zur Begründung der Behauptung, dass das Patent verletzt worden ist oder verletzt zu werden droht, vorgelegt hat. Die Vorschrift lehnt sich in der Wortwahl an Artikel 7 der Durchsetzungsrichtlinie an.664 Im Ergebnis steht auch in der Situation des Artikels 60 eine Patentverletzung nicht fest, so dass es sich bei einem auf Artikel 60 EPGÜ gestützten Anspruch nicht um einen solchen handelt, der Gegenstand einer Verletzungsklage im Sinne des Artikels II § 18 Absatz 1 Nr. 2 IntPatÜbkG-E sein kann. Wegen der Zielrichtung des Artikels 60 EPGÜ – der Beweissicherung – kommt auch eine analoge Anwendung des Artikels II § 18 Absatz 1 Nr. 2 Int­ PatÜbkG-E nicht in Betracht. (7) Entschädigungsansprüche Das EPGÜ erwähnt Klagen auf Entschädigung aufgrund des vorläufigen Schutzes, den eine veröffentlichte Anmeldung eines europäischen Patents gewährt, in der Zuständigkeitsvorschrift des Artikels 32 Absatz 1 lit. f). Solche Klagen stellen keine Verletzungsklagen vor dem EPG nach Artikel II § 18 Absatz 1 Nr. 2 IntPatÜbkG-E dar, denn sie haben nicht eine Patentverletzung zum Gegenstand. Ihre Grundlage stellt der vorläufige Schutz der veröffentlichten Anmeldung eines europäischen Patents gem. Artikel 67 EPÜ dar. Daher scheidet auch eine analoge Anwendung des Artikels II § 18 Absatz 1 Nr. 2 IntPatÜbkG-E aus. (8) Ergebnis Verletzungsklagen vor dem EPG gem. Artikel II § 18 Absatz 1 Nr. 2 IntPatÜbkG-E haben Ansprüche zum Gegenstand, die auf Folgendes gerichtet sind: – endgültige Verfügungen nach Artikel 63 EPGÜ, – Abhilfemaßnahmen im Rahmen von Verletzungsverfahren, Artikel 64 ­EPGÜ, – Anordnungen zur Erteilung einer Auskunft nach Artikel 67 EPGÜ und – die Zuerkennung von Schadensersatz, Artikel 68 EPGÜ. Nicht erfasst werden hingegen Ansprüche auf Anordnung der Beweisvorlage nach Artikel 59 EPGÜ, auf Anordnung der Beweissicherung und der 664  Vgl. Tilmann/Plassmann,

Unified Patent Protection in Europe, Article 60 Rn. 1.

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Kap. 3: Einrede der doppelten Inanspruchnahme

Inspektion von Räumlichkeiten (Artikel 60 EPGÜ) sowie auf Entschädigung aufgrund des vorläufigen Schutzes, den eine veröffentlichte Anmeldung eines europäischen Patents gewährt. cc) Parallelität der Anspruchsarten? Eine Parallelität der Anspruchsarten zwischen der nationalen Verletzungsklage und derjenigen vor dem EPG wird von Artikel II § 18 Absatz 1 IntPatÜbkG-E nicht vorausgesetzt. Es genügt eine Verletzungsklage. Dies ist vor dem Hintergrund von Sinn und Zweck der Einrede gut nachvollziehbar, nämlich der Vermeidung einer doppelten Inanspruchnahme aus einem nationalen und einem europäischen patentrechtlichen Schutztitel. Würde die Pa­ rallelität der Anspruchsarten gefordert werden, so würde dies die Einrede der doppelten Inanspruchnahme aushöhlen. In der Praxis dürfte es jedoch ohnehin oftmals zu einer Parallelität der Anspruchsarten kommen, denn Unterlassungs-, Auskunfts- und Rechnungs­ legungsansprüche sowie der Anspruch auf Feststellung der Schadensersatzpflicht dem Grunde nach werden üblicherweise – jedenfalls auf der nationalen Ebene – in einer Klage geltend gemacht. Dies dürfte vor dem EPG nicht anders sein. c) Rechtshängigkeit des Verletzungsverfahrens vor dem EPG und rechtskräftige Entscheidung des EPG Artikel II § 18 Absatz 1 Nr. 2 IntPatÜbkG-E setzt voraus, dass ein Verletzungsverfahren vor dem EPG rechtshängig ist oder das EPG bereits eine rechtskräftige Entscheidung getroffen hat. Das IntPatÜbkG stellt ein nationales Gesetz dar, so dass Rechtsbegriffe in diesem Gesetz in erster Linie nach nationalen Regeln auszulegen sind. Bei der Ermittlung der genauen Bedeutung der Rechtsbegriffe sind jedoch die Spezifika des EPGÜ und der Verfahrensordnung des EPG mit in den Blick zu nehmen. Denn es geht um Verfahren vor dem EPG. Artikel 2 Absatz 2 EPÜ bestimmt, dass das europäische Patent in jedem Vertragsstaat, für den es erteilt worden ist, dieselbe Wirkung hat und denselben Vorschriften unterliegt, soweit dieses Übereinkommen nichts anderes bestimmt. Das Übereinkommen bestimmt etwas anderes in Artikel 149a EPÜ. Danach lässt das Übereinkommen das Recht aller oder einiger Vertragsstaaten unberührt, besondere Übereinkommen über alle europäischen Patentanmeldungen oder Patente betreffende Fragen zu schließen, die nach diesem Übereinkommen nationalem Recht unter­ liegen und dort geregelt sind. Ein solches Übereinkommen stellt das EPGÜ dar, auf dessen Grundlage die Verfahrensordnung des EPG erlassen



B. Merkmale der neuen Einrede169

wird.665 Die Bestimmungen des EPGÜ und der Verfahrensordnung sind daher auf Verfahren vor dem EPG anzuwenden. Sie sind daher auch bei der Prüfung von Rechtskraft und Rechtshängigkeit in Bezug auf Verfahren vor dem EPG heranzuziehen. aa) Rechtshängigkeit Die Rechtshängigkeit der Streitsache wird nach § 261 Absatz 1 ZPO durch die Erhebung der Klage begründet. Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung der Klageschrift, § 253 Absatz 1 ZPO. Die Rechtshängigkeit eines im Laufe des Prozesses erhobenen Anspruchs tritt mit dem Zeitpunkt ein, in dem der Anspruch in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht oder ein den Erfordernissen des § 253 Absatz 2 Nr. 2 ZPO entsprechender Schriftsatz zugestellt wird, § 261 Absatz 2 ZPO. Maßgeblich ist demnach die Zustellung der Klageschrift bzw. des Schriftsatzes oder die Geltendmachung des Anspruchs in der mündlichen Verhandlung. Im nationalen Prozess wird darüber hinaus zwischen der Rechtshängigkeit und der Anhängigkeit unterschieden. Anhängigkeit ist mit Blick auf § 167 ZPO und § 253 Absatz 5 ZPO mit Eingang bzw. Einreichung der Klage oder des Schriftsatzes bei Gericht zu bejahen.666 Die Unterscheidung ist wichtig für eine etwaige Rückwirkung der Zustellung nach § 167 ZPO. Das EPGÜ verwendet den Begriff der Rechtshängigkeit nicht, spricht jedoch von anhängigen Klagen bzw. Verfahren (Artikel 33 Absatz 2, 5, 6, 10, Artikel 43, Artikel 46, Artikel 83 Absatz 2 EPGÜ; Artikel 18 Absatz 3, 4 der Satzung des EPG). Dieser Begriff der Anhängigkeit ist nicht eng im Sinne der ZPO zu verstehen, sondern kann je nach Sachzusammenhang ebenfalls die Rechtshängigkeit meinen. Dies wird bereits durch einen Vergleich mit der englischen Sprachfassung deutlich, in der der Begriff „pending“ verwendet wird. Dieser Begriff ist weit zu verstehen und wird sowohl mit „anhängig“ als auch mit „rechtshängig“ übersetzt.667 Diese weite Bedeutung des Begriffs „pending“ wird auch anhand der Verfahrensordnung des EPG deut665  Zu dieser Argumentation siehe das Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb, Study on the Legal Aspects of Supplementary Protection Certificates in the EU (im Folgenden: MPI-Studie), Final Report, 2018, S. 547 f., abrufbar unter: https://op.europa.eu/en/publication-detail/-/publication/6845fac2-6547-11e8-ab9c-01 aa75ed71a1/language-en (14.02.2021). 666  Vgl. Zöller/Greger, ZPO, § 253 Rn. 4 m. w. N. 667  Dietl/Lorenz, Wörterbuch für Recht, Wirtschaft und Politik, Teil I, Stichwort „pending (bei Gericht)“: anhängig, Stichwort „pending in court“: rechtshängig; Köbler, Rechtsenglisch, Stichwort „pending“: (u. a.) anhängig; Stichwort „pending in court“: rechtshängig.

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Kap. 3: Einrede der doppelten Inanspruchnahme

lich. Regel 340 VerfO EPG normiert den „connection joinder“, also die Prozessverbindung. In seinem Absatz 1 Satz 1 heißt es: „In the interest of the proper administration of justice and of avoiding inconsistent decisions, where more than one action concerning the same patent (whether or not between the same parties) is pending before: (a) different panels (whether in the same or different divisions), or (b) different panels of the Court of Appeal, the panels may by agreement, at any time, after hearing the parties, order that two or more actions shall, on account of the connection between them, be heard together.“

Bereits die ratio legis, namentlich die Prozessökonomie, spricht dafür, unter „pending action“ nicht nur eine rechtshängige Klage zu verstehen, sondern auch eine anhängige.668 Regel 13 Absatz 1 VerfO EPG schreibt vor, welchen Inhalt die Klageschrift haben soll und bestimmt in lit. h), dass auch Informationen über „prior or pending proceedings“ angegeben werden sollen. Auch hier kann „pending“ nicht lediglich mit rechtshängig übersetzt werden, sondern vor dem Hintergrund der ratio legis auch mit „anhängig“. Die Vorschrift will gerade sicherstellen, dass das EPG möglichst umfassend über abgeschlossene und laufende Verfahren, die das Klagepatent betreffen, unterrichtet wird. Auf das genaue Verständnis von „pending“ bzw. „anhängig“ im Sinne des EPGÜ kommt es aber nicht entscheidend an, weil weder das EPGÜ noch die Verfahrensordnung des EPG eine Legaldefinition der Rechtshängigkeit enthalten. Entscheidend ist daher, wie die Rechtshängigkeit im Sinne der ZPO, die in Artikel II § 18 Absatz 1 Nr. 2 IntPatÜbkG-E – einer nationalen Vorschrift – erwähnt wird, mit Blick auf das EPG zu verstehen ist. Maßgeblich für die Rechtshängigkeit im Sinne der ZPO ist die Zustellung der Klageschrift bzw. des Schriftsatzes oder die Geltendmachung des Anspruchs in der mündlichen Verhandlung. Rechtshängigkeit der Klage vor dem EPG im Sinne des IntPatÜbkG-E ist daher dann anzunehmen, wenn diese nach den Regeln der Verfahrensordnung des EPG zugestellt worden ist.669 Wann eine Klagezustellung anzunehmen ist, bestimmt Regel 271 Absatz 6 VerfO EPG.670 Die Kanzlei unterrichtet die klägerische Partei über die Zustellung in Regel 272 Absatz 1 VerfO EPG. Die Zustellung von Schriftsätzen richtet 668  § 147 ZPO geht ebenfalls von Anhängigkeit aus, siehe bereits den Wortlaut der Vorschrift sowie Zöller/Greger, ZPO, § 147 Rn. 2. 669  Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die VerfO EPG ohnehin dem Unionsrecht entsprechen muss, vgl. etwa Artikel 41 Absatz 2 Satz 2 EPGÜ, wonach die Stellungnahme der Europäischen Kommission zur Vereinbarkeit der VerfO EPG mit dem Unionsrecht einzuholen ist, bevor sie vom Verwaltungsausschuss angenommen wird. Vgl. ebenfalls im Zusammenhang mit der Zustellung Regel 270 Absatz 1 VerfO EPG. 670  Regel 271 Absatz 6 VerfO EPG lautet: „Subject to Rule 272.2 and .3, a Statement of claim served in accordance with paragraphs 1 to 5 is deemed to be served on the defendant:



B. Merkmale der neuen Einrede171

sich nach Regel 278 VerfO EPG. Die Zustellung von Schriftsätzen in der mündlichen Verhandlung ist jedenfalls gem. Regel 275 VerfO EPG angelegt. Diese Regel normiert die Zustellung mittels einer „alternativen Methode“. Sie wird ergänzend in Regel 278 Absatz 2 VerfO EPG in Bezug genommen. bb) Rechtskraft Die Rechtshängigkeit endet im Grundsatz mit der formell rechtskräftigen Entscheidung.671 Dies führt zu der Untersuchung des Begriffs der rechtskräftigen Entscheidung nach Artikel II § 18 Absatz 1 Nr. 2 IntPatÜbkG-E. Hierbei kann es sich im Grunde nur um die formelle Rechtskraft handeln, die nach dem EPGÜ und der Verfahrensordnung des EPG zu ermitteln ist. Denn Artikel II § 18 Absatz 1 Nr. 2 IntPatÜbkG-E will im Grunde alle laufenden und abgeschlossenen parallelen Verletzungsverfahren vor dem EPG erfassen. Maßgeblich für die Bestimmung der formellen Rechtskraft von Entscheidungen des EPG ist zunächst Artikel 73 EPGÜ. Nach seinem Absatz 1 kann eine Partei, die mit ihren Anträgen ganz oder teilweise unterlegen ist, beim Berufungsgericht innerhalb von zwei Monaten ab dem Tag, an dem die Entscheidung zugestellt worden ist, Berufung gegen eine Entscheidung des Gerichts erster Instanz einlegen. Mit Ablauf dieser zwei Monate erwachsen Entscheidungen des Gerichts erster Instanz demnach in Rechtskraft. Die Entscheidungen des Berufungsgerichts sind nicht revisibel. Nach Artikel 21 Satz 1 EPGÜ arbeitet das EPG aber mit dem EuGH zur Gewährleistung der korrekten Anwendung und einheitlichen Auslegung des Unionsrechts insbesondere im Einklang mit Artikel 267 AEUV zusammen. Das Berufungs­ gericht des EPG ist demnach bei Vorliegen der Voraussetzungen des Artikels 267 AEUV zur Vorlage an den EuGH verpflichtet. Entscheidungen des EuGH sind für das EPG bindend, Artikel 21 Satz 2 EPGÜ. Artikel II § 18 Absatz 1 Nr. 2 IntPatÜbkG-E unterscheidet nicht danach, ob das EPG eine Entscheidung in der Sache getroffen hat, die in Rechtskraft (a) where service takes place by means of electronic communication or by fax, on the day when the relevant electronic message was sent or the transmission of the fax was completed (GMT+1); or (b) where service takes place by registered letter with advice of delivery such letter shall be deemed to be served on the addressee on the tenth day following posting unless it has failed to reach the addressee, has in fact reached him on a later date or the advice of delivery has not been returned. Such service shall, except where paragraph 7 applies, be deemed effective even if acceptance of the letter has been refused.“ 671  Zöller/Greger, ZPO, § 261 Rn. 7.

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Kap. 3: Einrede der doppelten Inanspruchnahme

erwachsen ist. Dies ist zutreffend, denn eine doppelte Inanspruchnahme kann letztlich nur dann effektiv unterbunden werden, wenn es maßgeblich auf die Einleitung des Verfahrens vor dem EPG aus dem parallelen europäischen Schutzrecht ankommt, um die Erhebung der Einrede der doppelten Inanspruchnahme zu ermöglichen, und nicht darauf, ob sich das EPG tatsächlich in der Sache mit dem Schutzrecht auseinandergesetzt hat oder nicht. Entscheidet sich der Schutzrechtsinhaber oder ein anderer Berechtigter dafür, ein paralleles Verfahren vor dem EPG zu eröffnen, so muss der Kläger auf natio­ naler Ebene damit rechnen, im nationalen Verfahren aufgrund der Erhebung der Einrede zu unterliegen. 3. Gleiche Ausführungsform Artikel II § 18 Absatz 1 Nr. 2 IntPatÜbkG-E verlangt weiter, dass sich das Verfahren vor dem EPG auf die gleiche Ausführungsform bezieht. Das Begleitgesetz führt hierzu aus, dass unter „gleich“ nicht lediglich dieselbe, d. h. identische Ausführungsform zu verstehen sei.672 Zur Bestimmung der gleichen Ausführungsform könne auf die Grundsätze zur Bestimmung des Streitgegenstandes zurückgegriffen werden; eine äquivalente Benutzung der Erfindung könne daher auch eine Einredesituation begründen.673 Im Folgenden werden zunächst die Grundsätze der Bestimmung des Streitgegenstandes in Patentsachen, die sog. Kerntheorie und der Umgang mit Äquivalenten in diesem Zusammenhang erörtert. Aus diesen generellen Erwägungen werden sodann Folgerungen für die Bestimmung der gleichen Ausführungsform nach Artikel II § 18 Absatz 1 Nr. 2 IntPatÜbkG-E gezogen. a) Streitgegenstand Der Streitgegenstand ist in patentrechtlichen Streitigkeiten insbesondere in zweifacher Weise von Relevanz: zur Bestimmung der materiellen Rechtskraft eines Urteils und im Rahmen der Zwangsvollstreckung.674 Der Streitgegenstand wird durch den Klageantrag bestimmt, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und dem Lebenssachverhalt (Klagegrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet.675 Entspricht der Wortlaut des Klageantrags im Wesentlichen dem Wortlaut des Patentanspruchs, so ist zur Auslegung des Klagebegehrens das zu dessen 672  BT-Drs. 18/8827,

S. 26. S. 26. 674  Vgl. Benkard/Grabinski/Zülch, PatG, § 139 Rn. 35a. 675  St. Rspr., siehe etwa BGH, Urt. v. 03.04.2003, I ZR 1/01, GRUR 2003, 716 f. – Reinigungsarbeiten m. w. N. 673  BT-Drs. 18/8827,



B. Merkmale der neuen Einrede173

Begründung Vorgetragene heranzuziehen.676 Der Streitgegenstand der Patentverletzungsklage wird in der Regel im Wesentlichen durch die tatsächliche Ausgestaltung eines bestimmten Produkts im Hinblick auf die Merkmale des geltend gemachten Patentanspruchs bestimmt (sog. angegriffene Ausfüh­ rungsform).677 Ob der Kläger von einer wortsinngemäßen oder äquivalenten Benutzung der geschützten Erfindung ausgeht, ist dabei grundsätzlich unerheblich.678 Wie oben bereits angeklungen ist, ist für die Bestimmung des Streitgegenstandes nicht am Wortlaut des Klageantrags zu haften (der in Patentsachen regelmäßig weit formuliert ist), sondern es ist auf das Klagebegehren abzustellen.679 Hierbei sind zwei Pole zu beachten: (1) Mangels abweichender Anhaltspunkte ist zum einen anzunehmen, dass sich das klägerische Rechtsschutzbegehren auf sämtliche Handlungen der beklagten Partei erstrecken soll, die diejenigen Merkmale aufweisen, aus denen die klagende Partei die Qualifikation der Handlung als rechtsverletzend herleitet.680 (2) Mangels abweichender Anhaltspunkte ist zum anderen anzunehmen, dass die klagende Partei Ansprüche nur wegen solcher Handlungen der beklagten Partei geltend machen will, die sich auf eine Ausführungsform beziehen, für die die klagende Partei vorträgt, dass sie aufgrund ihrer tatsächlichen Ausgestaltung sämtliche Merkmale des Patentanspruchs aufweist und von der beklagten Partei entgegen § 9 PatG benutzt wird oder benutzt zu werden droht.681 Zwischen diesen beiden Polen ist das Klagebegehren je nach Einzelfall zu bestimmen.

676  BGH, Urt. v. 15.12.2015, X ZR 30/14, GRUR 2016, 257, 263 Rn. 98 – Glasfasern II. 677  BGH, Urt. v. 21.02.2012, X ZR 111/09, GRUR 2012, 485, 487, Rn. 19 – Rohrreinigungsdüse II. 678  BGH, Urt. v. 21.02.2012, X ZR 111/09, GRUR 2012, 485, 487, Rn. 18 – Rohrreinigungsdüse II. 679  Vgl. BGH, Urt. v. 21.02.2012, X ZR 111/09, GRUR 2012, 485, 488, Rn. 23 – Rohrreinigungsdüse II. 680  Vgl. BGH, Urt. v. 21.02.2012, X ZR 111/09, GRUR 2012, 485, 488, Rn. 23 – Rohrreinigungsdüse II; Urt. v. 04.05.2004, X ZR 234/02, GRUR 2004, 755 f. – Taxameter. 681  Vgl. BGH, Urt. v. 21.02.2012, X ZR 111/09, GRUR 2012, 485, 488, Rn. 23 – Rohrreinigungsdüse II.

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Kap. 3: Einrede der doppelten Inanspruchnahme

b) Kerntheorie Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Schadensersatz über die konkrete Verletzungshandlung hinaus für Handlungen bejaht werden, in denen das Charakteristische der Verletzungshandlung zum Ausdruck kommt (sog. Kerntheorie).682 Der Grund liegt – jedenfalls bei Unterlassungsansprüchen – darin, dass eine Verletzungshandlung die Vermutung der Wiederholungsgefahr nicht nur für die identische Verletzungsform, sondern für alle im Kern gleichartigen Verletzungshandlungen begründet.683 Dies ist allerdings nicht unbegrenzt möglich: Entspricht der Tenor dem Klageantrag, dann ist es aufgrund der Bindung des Gerichts an die Anträge nach § 308 Absatz 1 Satz 1 ZPO geboten, den Tenor genauso wie den Antrag auszulegen.684 Eine „Titelerweiterung durch Analogie“ ist aber mit dem Rechtsstaatsprinzip unvereinbar; eine Titelauslegung darf für den Betroffenen nicht unvorhersehbar sein.685 Liegt ein neuer Verletzungstatbestand vor, so muss der Kläger einen neuen Rechtsstreit anstrengen.686 Andernfalls würde das Erkenntnisverfahren in das Vollstreckungsverfahren verlagert.687 682  Zu dieser Zusammenfassung siehe aus dem Bereich des Patentrechts etwa BGH, Urt. v. 15.12.2015, X ZR 30/14, GRUR 2016, 257, 263, Rn. 94 – Glasfasern II. Zur Kerntheorie insgesamt: RG, Urt. v. 02.02.1935, I 120/34, GRUR 1935, 431, 435 = RGZ 147, 27, 31; vgl. auch Urt. v. 02.03.1935, I 226/34, GRUR 1935, 428 ff.; BGH, Urt. v. 22.02.1952, I ZR 117/51, GRUR 1952, 577, 580 – Fischermännchen-ZwillingIlling; Urt. v. 31.05.1957, I ZR 93/56, GRUR 1957, 561, 564 – REI-Chemie; Urt. v. 23.06.1994, I ZR 15/92, NJW 1994, 2820, 2822 – Rotes Kreuz; Urt. v. 23.02.2006, I ZR 272/02, NJW-RR 2006, 1118, 1120, Rn. 27 – Markenparfümverkäufe; Beschl. v. 06.02.2013, I ZB 79/11, GRUR 2013, 1071, 1072 – Umsatzangaben; Urt. v. 20.06.2013, I ZR 55/12, NJW 2014, 775, 776, Rn. 18 – Restwertbörse II; Beschl. v. 03.04.2014, I ZB 42/11, NJW 2014, 2870, Rn. 11 ff. – Reichweite des Unterlassungsgebots. Vgl. ebenfalls: Benkard/Grabinski/Zülch, PatG, § 139 Rn. 35a; Busse/Keukenschrijver/ Werner, PatG, § 139 Rn. 257; Cepl/Voß/Haft, Prozesskommentar, § 890 Rn. 14 ff.; Stein/Jonas/Bartels, ZPO, Bd. 8, § 890 Rn. 34. Zur Unterscheidung zwischen der Kerntheorie im Erkenntnisverfahren und im Vollstreckungsverfahren ausgehend vom Wettbewerbsrecht siehe Borck, GRUR 1996, 522, 525 f. 683  BGH, Urt. v. 20.06.2013, I ZR 55/12, NJW 2014, 775, 776, Rn. 18 – Restwertbörse II m. w. N. sowie für das Patentrecht wiederholend: BGH, Urt. v. 15.12.2015, X ZR 30/14, GRUR 2016, 257, 263, Rn. 95 – Glasfasern II. 684  Vgl. BGH, Urt. v. 04.05.2004, X ZR 234/02, GRUR 2004, 755, 756 – Taxameter. 685  Teplitzky/Feddersen, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 57. Kap., Rn. 14 f. Zur Vorhersehbarkeit der Auslegung des Urteilstenors im Zusammenhang mit dem Bestimmtheitsgebot nach Artikel 103 Absatz 2 GG: BVerfG, Beschl. v. 04.12.2006, 1 BvR 1200/04, NJW-RR 2007, 860, 862 Rn. 16 ff. – Organisationsverschulden. 686  Vgl. zu einem solchen Fall etwa RG, Urt. v. 02.03.1935, I 226/34, GRUR 1935, 428, 430.



B. Merkmale der neuen Einrede175

Demnach kann sich ein im Kern feststehendes Verbot zwar auf eine abweichende, aber nur implizit bereits im Erkenntnisverfahren mitgeprüfte Handlung erstrecken.688 Und dies ist im Grunde nur möglich, wenn sich das ­Klagebegehren – zumindest mittelbar (vgl. Punkt (1) zum Streitgegenstand oben) – bereits auf diese abweichende Handlung bzw. Ausführungsform erstreckte. Eine Auslegungshilfe können gegebenenfalls die „insbesonderewenn“-Anträge sein,689 mittels derer Unteransprüche, die nach Ansicht des Klägers von der angegriffenen Ausführungsform verwirklicht werden, in den Klageantrag aufgenommen werden,690 ohne jedoch einen eigenen Streitgegenstand zu begründen691. c) Äquivalente Ausführungsformen Im Zusammenhang mit äquivalenten Ausführungsformen und der Kerntheorie ist häufig die Formulierung zu finden, dass ein auf identische (wortlautgemäße) Verletzung abstellendes Urteil eine äquivalente Verletzungsform nicht erfasst.692

687  Vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 31.08.1978, 6 W 98/78, GRUR 1979, 75 – Lila Umkarton. 688  Vgl. Teplitzky/Feddersen, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 57. Kap., Rn. 14. Dieses „Mitprüfen“ wird aber denkbar weit verstanden, siehe nur Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, Kap. H Rn. 177 m. w. N., wonach im Rahmen des Erkenntnisverfahrens in der Sache bereits über die abgewandelte Ausführungsform mitentschieden worden sei, weil diejenigen Erwägungen zur Patentverletzung, die in Bezug auf die angegriffene Ausführungsform angestellt worden seien, in gleicher Weise auch auf die abgewandelte Ausführungsform zutreffen würden. Dies sei etwa der Fall, wenn ein Merkmal rein funktional ausgelegt worden sei und die Abwandlung sich lediglich einer anderen konstruktiven Variante für die Bereitstellung der patentgemäßen Funktion bediene. Vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.09.2005, I-2 W 8/05, Juris-Rn. 20 ff. sowie die Kritik an dieser Entscheidung in Busse/Keukenschrijver/Werner, PatG, § 139 Rn. 257. 689  In diese Richtung OLG Düsseldorf, Beschl. v. 01.10.1965, 2 U 117/64, GRUR 1967, 135, 136 – Bleiphosphit. Vgl. ebenfalls Meier-Beck, GRUR 1998, 276, 277 f., der jedoch zu Recht darauf hinweist, dass ein Rückgriff auf die Unteransprüche nur dann sinnvoll sei, wenn die Unteransprüche dazu geeignet seien, dasjenige zu konkretisieren, was die Erfüllung der Merkmale des Hauptanspruchs ausmache, wozu sie aber in Patentstreitsachen häufig keinen Beitrag lieferten. 690  Vgl. Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, Kap. B Rn. 347. 691  Mit dieser Schlussfolgerung Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, Kap. B Rn. 347 unter Verweis auf BGH, Urt. v. 02.02.2012, I ZR 81/10, GRUR 2012, 945, 947, Rn. 22 – Tribenuronmethyl. 692  Benkard/Grabinski/Zülch, PatG, § 139 Rn. 35a a. E.; vgl. ebenfalls Busse/Keukenschrijver/Werner, PatG, § 139 Rn. 257 a. E.; Cepl/Voß/Haft, Prozesskommentar, § 890 Rn. 15 a. E.

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Kap. 3: Einrede der doppelten Inanspruchnahme

Auf der anderen Seite spielt die Einordnung des Klägers, ob eine wortsinngemäße oder äquivalente Benutzung der geschützten Erfindung vorliegt, für die Bestimmung des Streitgegenstandes, wie oben erörtert, keine Rolle. Im Falle derselben angegriffenen Ausführungsform stellen die wortsinngemäße und die äquivalente Verletzung nur unterschiedliche Begründungen dar.693 Es verbleibt bei einem einheitlichen Streitgegenstand.694 Wurde dementsprechend wegen wortlautgemäßer Verletzung verurteilt, so scheidet eine erneute Klage bei gleicher angegriffener Ausführungsform wegen äquivalenter Benutzung aus.695 Diese unterschiedlich anmutenden Herangehensweisen lassen sich aus der Perspektive des Streitgegenstandes heraus auflösen. Maßgeblich ist der Streitgegenstand, denn die Kerntheorie kann den Streitgegenstand nicht erweitern. Dies wäre – wie oben dargelegt – mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht vereinbar. Vom Streitgegenstand werden alle materiell-rechtlichen Ansprüche erfasst, die sich im Rahmen des gestellten Antrags aus dem zur Entscheidung unterbreiteten Lebenssachverhalt herleiten lassen.696 Die Rechtsprechung betont im Zusammenhang mit der materiellen Rechtskraft und dem von ihr erfassten Streitgegenstand, dass unerheblich ist, ob die einzelnen Tatsachen des Lebenssachverhalts von den Parteien vorgetragen worden sind oder nicht und ob die Parteien die in einem Vorprozess nicht vorgetragenen Tatsachen des Lebensvorgangs damals bereits kannten und hätten vortragen können.697 Die Ergänzung des aus einem Vorprozess bekannten Tatsachenvortrags begründet keinen neuen Streitgegenstand, wenn die Ergänzung den im Vorprozess zur Entscheidung gestellten Sachverhalt nicht in seinem Kerngehalt ändert.698 Bei einem einheitlichen Lebensvorgang und unverändertem Geschehensablauf ist weiterhin von demselben Streitgegenstand auszugehen.699 Auf den patentrechtlichen Kontext bezogen bedeutet dies, dass es letztlich darauf ankommt, ob es sich bei einer Abwandlung im Kern um die gleiche angegriffene Ausführungsform handelt, die bereits Gegenstand eines Verfahrens war. Wie die Abwandlung eingestuft wird – als das streitgegenständliche Schutzrecht wortsinngemäß oder äquivalent verletzend – kann insoweit nicht erheblich sein.700 Handbuch der Patentverletzung, Kap. A Rn. 153. Urt. v. 10.05.2016, X ZR 114/13, GRUR 2016, 1031, 1037, Rn. 54 – Wärmetauscher. 695  Vgl. Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, Kap. E Rn. 135. 696  BGH, Urt. v. 22.10.2013, XI ZR 42/12, Juris-Rn. 15. 697  St. Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 22.10.2013, XI ZR 42/12, Juris-Rn. 15 m. w. N. 698  BGH, Urt. v. 22.10.2013, XI ZR 42/12, Juris-Rn. 16. 699  BGH, Urt. v. 22.10.2013, XI ZR 42/12, Juris-Rn. 17, 19. 700  In diese Richtung auch Cepl/Voß/Haft, Prozesskommentar, § 890 Rn. 15 a. E. (Ausgestaltung der Verletzungsform und nicht die rechtliche Bewertung maßgeblich). 693  Kühnen,

694  Vgl. BGH,



B. Merkmale der neuen Einrede177

d) Folgerungen für die „gleiche Ausführungsform“ nach IntPatÜbkG-E Für Artikel II § 18 Absatz 1 Nr. 2 IntPatÜbkG-E gilt nichts anderes. Bei der Bestimmung der gleichen Ausführungsform ist maßgeblich auf die angegriffene Ausführungsform abzustellen und zu fragen, ob im Kern die gleiche angegriffene Ausführungsform Gegenstand des nationalen wie des EPGVerfahrens ist bzw. war, es sich mithin in beiden Fällen um einen einheit­ lichen Lebensvorgang handelt. Auf die Art der Verletzung – wortsinngemäß oder äquivalent – kann es dabei nicht ankommen. Dementsprechend kann nicht von vorne herein ausgeschlossen werden, dass eine äquivalente Benutzung der Erfindung eine Einredesituation begründet. Der Sinn und Zweck der Einrede der doppelten Inanspruchnahme zeigt eine Kontrollüberlegung auf: Er besteht darin, die doppelte Inanspruchnahme einer beklagten Partei aus zwei im Wesentlichen identischen patentrechtlichen Schutzrechten, einem nationalen und einem europäischen, zu vermeiden.701 Die beklagte Partei soll wegen einer Patentverletzung nicht doppelt belangt werden. Als Kontrollüberlegung im Zusammenhang mit der gleichen Ausführungsform kann daher die Frage herangezogen werden, ob die angegriffene Ausführungsform aus dem EPG-Verfahren Gegenstand eines neuen (zweiten) nationalen Verfahrens sein könnte oder nicht. Wird dies bejaht, so spricht dies dagegen, eine gleiche Ausführungsform im Sinne des Artikels II § 18 Absatz 1 Nr. 2 IntPatÜbkG-E anzunehmen. 4. Zusammenfassung der Ergebnisse In sachlicher Hinsicht setzt Artikel II § 18 Absatz 1 IntPatÜbkG-E zwei im Wesentlichen parallele Schutzrechte voraus, zwei Verfahren wegen Verletzung oder drohender Verletzung eines deutschen Patents und eines europä­ ischen Schutzrechts durch die gleiche Ausführungsform. Die Einrede der doppelten Inanspruchnahme greift, soweit eine Erfindung Gegenstand eines nationalen Patents und eines parallelen europäischen Schutzrechts ist, und zwar in Form eines europäischen Patents mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland oder eines europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung, das auch Deutschland erfasst. Maßgeblich ist dabei die Übereinstimmung der Schutzbereiche der Patente in Ansehung einer bestimmten angegriffenen Ausführungsform. Die Schutzrechte müssen zudem demselben Erfinder oder dessen Rechtsnachfolger erteilt worden sein. Sie müssen außerdem prioritätsgleich sein. 701  Vgl. BT-Drs. 18/8827,

S. 13, 18, 25.

178

Kap. 3: Einrede der doppelten Inanspruchnahme

Die Einrede der doppelten Inanspruchnahme kann nur im nationalen Verletzungsverfahren, nicht hingegen im Nichtigkeitsverfahren, erhoben werden. Die ausdrückliche Erwähnung der Verletzungsklage in Artikel II § 18 Absatz 1 IntPatÜbkG-E in Bezug auf das nationale wie das EPG-Verfahren (Nr. 2) hat zur Folge, dass negative Feststellungsklagen die Einredesituation nicht auslösen können. Eine analoge Anwendung des Artikels II § 18 Absatz 1 IntPatÜbkG-E ist in folgenden zwei Fällen zu befürworten: (1) wenn eine negative Feststellungsklage vor einem nationalen Gericht rechtshängig ist, eine Leistungsklage wegen Verletzung als Widerklage erhoben wird (erst recht, wenn über die Leistungswiderklage streitig verhandelt worden ist) und gleichzeitig aus dem parallelen europäischen Schutzrecht vor dem EPG vorgegangen wird; (2) wenn im nationalen Verfahren als Antwort auf eine negative Feststellungsklage die Verletzungswiderklage aus dem nationalen Patent erhoben wird und in einem EPG-Verfahren eine Klage zur Feststellung der Nichtverletzung erhoben wird, der eine Verletzungsklage aus dem parallelen europäischen Schutztitel entgegengehalten wird. Klagen wegen Verletzung oder drohender Verletzung eines deutschen Patents sind insbesondere solche, die folgende Ansprüche zum Gegenstand haben: – Unterlassungsanspruch nach § 139 Absatz 1 PatG, – Schadensersatzanspruch nach § 139 Absatz 2 PatG – inklusive des Anspruchs auf Feststellung der Schadensersatzpflicht dem Grunde nach, – (originärer) Bereicherungsanspruch, der auf einer Patentverletzung beruht, und Rest-Schadensersatzanspruch nach § 141 Satz 2 PatG i. V. m. § 852 Satz 1 BGB, – Ansprüche auf Vernichtung nach § 140a Absatz 1 und 2 PatG und auf Rückruf, § 140a Absatz 3 PatG, – Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung, § 140b PatG sowie §§ 242, 259 BGB, – Anspruch auf Vorlage von Bank-, Finanz- und Handelsunterlagen gem. § 140d PatG. Die seltenen Klagen, die Vorlage‑/Besichtigungsansprüche nach § 140c PatG sowie §§ 809, 810 BGB zum Gegenstand haben, stellen keine Verletzungsklagegen im Sinne des Artikels II § 18 IntPatÜbkG-E dar. Gleiches gilt für Klagen, die auf einen Entschädigungsanspruch nach § 33 PatG gestützt sind.



B. Merkmale der neuen Einrede179

Verletzungsklagen vor dem EPG gem. Artikel II § 18 Absatz 1 Nr. 2 IntPatÜbkG-E haben Ansprüche zum Gegenstand, die auf Folgendes gerichtet sind: – endgültige Verfügungen nach Artikel 63 EPGÜ, – Abhilfemaßnahmen im Rahmen von Verletzungsverfahren, Artikel 64 ­EPGÜ, – Anordnungen zur Erteilung einer Auskunft nach Artikel 67 EPGÜ und – die Zuerkennung von Schadensersatz, Artikel 68 EPGÜ. Nicht erfasst werden hingegen Ansprüche auf Anordnung der Beweisvorlage nach Artikel 59 EPGÜ, auf Anordnung der Beweissicherung und der Inspektion von Räumlichkeiten sowie auf Entschädigung aufgrund des vorläufigen Schutzes, den eine veröffentlichte Anmeldung eines europäischen Patents gewährt. Artikel II § 18 Absatz 1 IntPatÜbkG-E setzt keine Parallelität der Anspruchsarten zwischen der nationalen Verletzungsklage und derjenigen vor dem EPG voraus. Dies würde die Einrede aushöhlen und ist dementsprechend mit dem Sinn und Zweck der Einrede nicht vereinbar, eine doppelte Inanspruchnahme zu vermeiden. Artikel II § 18 Absatz 1 Nr. 2 IntPatÜbkG-E stellt nationales Recht dar. Mit Blick auf die Voraussetzung der Rechtshängigkeit ist mithin maßgeblich, wie diese im Sinne der ZPO mit Blick auf das EPG zu verstehen ist. Die ZPO setzt für die Rechtshängigkeit die Zustellung der Klageschrift bzw. des Schriftsatzes oder die Geltendmachung des Anspruchs in der mündlichen Verhandlung voraus. Rechtshängigkeit der Klage vor dem EPG nach Artikel II § 18 Absatz 1 Nr. 2 IntPatÜbkG-E ist demnach dann anzunehmen, wenn diese nach den Regeln der Verfahrensordnung des EPG zugestellt worden ist. Dies begegnet keinen Bedenken, da die Verfahrensordnung des EPG ohnehin dem EU-Recht entsprechen muss. Artikel II § 18 IntPatÜbkG-E will alle laufenden und abgeschlossenen parallelen Verletzungsverfahren vor dem EPG erfassen. Rechtshängigkeit endet mithin mit der formellen Rechtskraft der Entscheidungen des EPG. Hierbei sind Artikel 73 und 21 EPGÜ zu beachten. Ob das EPG eine Entscheidung in der Sache getroffen hat, die in Rechtskraft erwachsen ist, ist nicht erheblich. Schließlich müssen die Verletzungsverfahren vor dem nationalen Gericht und dem EPG eine Verletzung durch die gleiche Ausführungsform zum Gegenstand haben. Unter „gleich“ ist nicht nur die identische Ausführungsform zu verstehen. Vielmehr ist – unter Heranziehung der Grundsätze zur Bestimmung des Streitgegenstandes – danach zu fragen, ob im Kern die gleiche

180

Kap. 3: Einrede der doppelten Inanspruchnahme

angegriffene Ausführungsform Gegenstand des nationalen wie des EPGVerfahrens ist bzw. war, es sich also in beiden Fällen um einen einheitlichen Lebensvorgang handelt. Auf die Art der Verletzung – wortsinngemäß oder äquivalent – kommt es dabei nicht an. Als Kontrollüberlegung kann die Frage dienlich sein, ob die angegriffene Ausführungsform aus dem EPGVerfahren Gegenstand eines neuen (zweiten) nationalen Verfahrens sein könnte. Bei Bejahung spricht dies gegen eine gleiche angegriffene Ausführungsform im Sinne des Artikels II § 18 Absatz 1 Nr. 2 IntPatÜbkG-E.

III. Persönliche Merkmale In persönlicher Hinsicht stellt Artikel II § 18 Absatz 1 IntPatÜbkG-E unterschiedliche Erfordernisse auf der Beklagtenseite und auf der Klägerseite auf, die im Folgenden aufgezeigt werden. Von diesen zu unterscheiden ist die Voraussetzung der Ursprungsgleichheit. 1. Beklagte Partei Artikel II § 18 Absatz 1 IntPatÜbkG-E setzt in dem nationalen Verfahren und dem EPG-Verfahren Parteiidentität auf Beklagtenseite voraus. Dies wird insbesondere durch die Bezugnahme auf ein EPG-Verfahren „gegen dieselbe Partei“ in Artikel II § 18 Absatz 1 Nr. 2 IntPatÜbkG-E deutlich. Im Übrigen entspricht die Parteiidentität dem Sinn und Zweck der Vorschrift, die doppelte Inanspruchnahme einer beklagten Partei nach Möglichkeit zu vermeiden.702 Die Einrede wird gerade als Schutzmechanismus für Beklagte und Ausgleich für die Möglichkeit des Doppelschutzes vorgestellt.703 Das Begleitgesetz spricht dementsprechend die Parteiidentität auf Beklagtenseite ausdrücklich an und hält hierzu fest, nur dann erscheine die doppelte Inanspruchnahme der beklagten Partei nicht gerechtfertigt.704 2. Klägerische Partei Im Unterschied zur Beklagtenseite wird auf Klägerseite keine Parteiidentität gefordert. Denn Artikel II § 18 Absatz 1 Nr. 2 IntPatÜbkG-E spricht lediglich von einem Verletzungsverfahren vor dem EPG gegen dieselbe (beklagte) Partei. In der Begründung des Begleitgesetzes heißt es hierzu, auf Klägerseite solle die Parteiidentität keine Voraussetzung sein, um deutlich zu 702  BT-Drs. 18/8827,

S. 13, 18, vgl. auch S. 25. S. 25. 704  BT-Drs. 18/8827, S. 26. 703  BT-Drs. 18/8827,



B. Merkmale der neuen Einrede181

machen, dass auch Klagen von sonstigen Berechtigten wie z. B. ausschließ­ lichen Lizenznehmern erfasst werden.705 Der Verzicht auf eine Parteiidentität auf Klägerseite stärkt den Schutz des Beklagten, der auf die Einräumung von Rechtspositionen oder die Rechtsnachfolge auf Klägerseite keinen Einfluss hat, und erschwert Umgehungs­ lösungen. Damit wird der Sinn und Zweck der Einrede unterstrichen, die doppelte Inanspruchnahme einer beklagten Partei aus zwei im Wesentlichen identischen patentrechtlichen Schutzrechten, einem nationalen und einem europäischen, zu vermeiden.706 Wer genau auf Klägerseite – sei es im nationalen Verfahren oder vor dem EPG – auftreten kann, wird im Begleitgesetz nicht im Einzelnen spezifiziert, und zwar zu Recht, da dies nicht erforderlich ist. Die Hauptanwendungsfälle sind die Klageerhebung durch den Patentinhaber bzw. einen ausschließlichen Lizenznehmer.707 Für den Schutzrechtsinhaber ist die Regelung des Artikels II § 18 Absatz 1 IntPatÜbkG-E zumutbar. Er hat den Vorteil des doppelten Schutzes seiner Erfindung und bestimmt, wem welche Rechte eingeräumt werden. Außerdem wird er über das Vorgehen eines Lizenznehmers aus dem euro­ päischen Schutzrecht informiert. Denn nach Artikel 47 EPGÜ ist der ausschließliche Lizenznehmer im Grundsatz befugt, das EPG in gleicher Weise wie der Patentinhaber anzurufen, vorausgesetzt, der Patentinhaber wurde zuvor unterrichtet. Der Inhaber einer nicht ausschließlichen Lizenz ist gem. Artikel 47 Absatz 3 EPGÜ nicht berechtigt, das Gericht anzurufen, es sei denn, der Patentinhaber wurde zuvor unterrichtet und die Lizenzvereinbarung lässt dies ausdrücklich zu. Diese Regelungen werden in der Verfahrensordnung des EPG aufgegriffen: Nach Regel 13 Absatz 1 lit. f) VerfO EPG hat der Kläger, der nicht Patentinhaber ist, nach Artikel 47 Absatz 2 und 3 EPGÜ der Klage Nachweise beizufügen, die seine Berechtigung zur Einleitung eines (Verletzungs‑)Verfahrens belegen. Ähnliches verlangt Regel 211 Absatz 2 VerfO EPG in Bezug auf das einstweilige Verfügungsverfahren. Wird eine Lizenz an dem nationalen Patent eingeräumt, so steht es dem Patent­ inhaber frei, entsprechende Informationspflichten in den Lizenzvertrag aufzunehmen. 705  BT-Drs. 18/8827, S. 26. Dies ist ein Unterschied zum Referentenentwurf, der in seinem Artikel II § 18 Absatz 1 IntPatÜbkG-E eine nationale Klage „zwischen denselben Parteien“ voraussetzte und damit – in Anlehnung an § 145 PatG – auch auf Klägerseite eine Parteiidentität vorsah, Referentenentwurf (Fn. 302), S. 26. 706  Vgl. BT-Drs. 18/8827, S. 13, 18, 25. 707  Zum nationalen Verfahren mit Blick auf Prozessführungsbefugnis und Aktiv­ legitimation siehe etwa Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, Kap. D Rn. 236 ff., 274 ff. Zum EPG-Verfahren siehe Artikel 47 EPGÜ.

182

Kap. 3: Einrede der doppelten Inanspruchnahme

3. Abgrenzung zur Ursprungsgleichheit Unabhängig von den obigen Ausführungen fordert Artikel II § 18 Absatz 1 Nr. 1 IntPatÜbkG-E, dass die nationale Klage als unzulässig abzuweisen ist, soweit Gegenstand des deutschen Patents eine Erfindung ist, für die demselben Erfinder oder seinem Rechtsnachfolger mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland ein europäisches Patent oder ein europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung mit derselben Priorität erteilt worden ist. Ähnlich wie in Artikel II § 8 IntPatÜbkG708 wird auch in Artikel II § 18 Absatz 1 Nr. 1 IntPatÜbkG-E eine Ursprungsgleichheit der Schutzrechte gefordert, die u. a. auf die Schutzrechtsberechtigung bezogen ist („demselben Erfinder oder seinem Rechtsnachfolger“).709 Dies soll letztlich die Identität bzw. Parallelität („soweit“) der Schutzrechte sicherstellen (hierzu bereits oben im Abschnitt B. II. 1.). Nur dann ist von einem Doppelschutz auszugehen, der Grund für die Einführung der Einrede der doppelten Inanspruchnahme war.710 4. Ergebnis Artikel II § 18 Absatz 1 IntPatÜbkG-E setzt in persönlicher Hinsicht eine Personenidentität auf Beklagtenseite in dem nationalen und dem EPG-Verfahren voraus. Dies ist jedoch nicht der Fall mit Blick auf die Klägerseite, so dass auch das Vorgehen durch sonstige Berechtige bzw. Rechtsnachfolger erfasst wird. Hiervon zu unterscheiden ist das Erfordernis der Ursprungsgleichheit des nationalen und des europäischen Schutztitels, wie es in Artikel II § 18 Absatz 1 Nr. 1 IntPatÜbkG-E verankert ist. Die Ursprungsgleichheit fordert u. a., dass die europäischen Schutzrechte im Vergleich zum deutschen Patent demselben Erfinder oder seinem Rechtsnachfolger erteilt worden sind. Sie stellt sicher, dass tatsächlich ein Fall des Doppelschutzes vorliegt.

708  Zur Ursprungsgleichheit im Sinne des Artikels II § 8 IntPatÜbkG s. o., Kap. 1, C. II. 2. 709  Gezielt unterschiedliche Erfinderbenennungen im Rahmen der Erteilungsverfahren zur Vermeidung der Einredesituation (z. B. konzernintern abgesprochene) dürften im nationalen Verfahren als missbräuchlich, etwa über § 242 BGB, und damit unbeachtlich beurteilt werden können. Maßgeblich dürfte sein, ob es sich – abgesehen von der unzutreffenden Erfinderbenennung in einem der Verfahren – ausgehend vom Einzelfall dennoch um gleiche bzw. weitgehend identische („soweit“) Erfindungen handelt und die Prioritätsgleichheit der Schutzrechte zu bejahen ist. 710  BT-Drs. 18/8827, S. 25.



B. Merkmale der neuen Einrede183

IV. Rüge Sind ein Doppelschutz (vgl. Artikel II § 18 Absatz 1 Nr. 1 IntPatÜbkG-E) und eine doppelte Inanspruchnahme (vgl. Artikel II § 18 Absatz 1 Nr. 2 IntPatÜbkG-E) zu bejahen, so tritt die Rechtsfolge des Artikels II § 18 Absatz 1 IntPatÜbkG-E in Gestalt der Abweisung der Klage in dem nationalen Verfahren als unzulässig dann ein, wenn die doppelte Inanspruchnahme gerügt wird. Artikel II § 18 Absatz 1 Nr. 3 IntPatÜbkG-E setzt insoweit voraus, dass der Beklagte die doppelte Inanspruchnahme in dem ersten Termin nach Entstehung der Einrede vor Beginn der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache rügt. 1. Rügeobliegenheit Das Erfordernis der Rügeobliegenheit wurde bereits im Zusammenhang mit dem Konzept der Einrede an sich (Kap. 1, D. II. 1.) und im Zusammenhang mit der prozessualen Ausgestaltung der Einrede (Kap. 3, B. I. 1.) angesprochen. Wie schon dargestellt, handelt es sich bei der Rügeobliegenheit um das Hauptmerkmal der prozesshindernden Einrede und damit auch der Einrede der doppelten Inanspruchnahme. 2. Zeitpunkt der Rüge Im Folgenden ist auf den Zeitpunkt der Erhebung der Rüge näher einzugehen. Nach Artikel II § 18 Absatz 1 Nr. 3 IntPatÜbkG-E ist die Rüge in dem ersten Termin nach Entstehung der Einrede vor Beginn der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache zu erheben. Dies ist der späteste Zeitpunkt, die Nichterhebung der Rüge bis zu diesem Zeitpunkt führt zur Präklusion.711 Im Vergleich zu der allgemeinen Präklusionsvorschrift des § 282 Absatz 3 ZPO sowie im Vergleich zu § 1032 Absatz 1 ZPO wird die Präklusion nach Artikel II § 18 Absatz 1 Nr. 3 IntPatÜbkG-E weiter nach hinten hinausgeschoben. Es handelt sich um eine Sondervorschrift, die als lex specialis den allgemeinen Präklusionsvorschriften vorgeht. Die Einrede der doppelten Inanspruchnahme muss nicht bereits innerhalb der Frist zur Klageerwiderung geltend gemacht werden. Denn eine Regelung, die § 282 Absatz 3 Satz 2 ZPO entsprechen würde, fehlt in Artikel II § 18 IntPatÜbkG-E. Insoweit besteht eine Parallelität zu § 1032 Absatz 1 ZPO.712 Artikel II § 18 IntPatÜbkG-E 711  Siehe

712  Siehe

hierzu bereits B. I. 1. hierzu Kap. 1, D. II. 1. a. E.

184

Kap. 3: Einrede der doppelten Inanspruchnahme

geht – insoweit § 1032 ZPO ebenfalls ähnlich713 – als Sonderregelung auch § 296 Absatz 3 ZPO vor. Eine Entschuldigung der verspäteten Rügeerhebung ist mithin nicht zielführend. Da die Präklusion an den ersten Termin nach Entstehung der Einrede anknüpft, der späteste Zeitpunkt zur Rügeerhebung damit weit nach hinten hinausgeschoben ist, sind die Rechte der beklagten Partei hinreichend gesichert. Dies gilt umso mehr, als die Rügeerhebung nicht auf die erste Instanz beschränkt ist.714 Eine solche Beschränkung ergibt sich nicht aus dem Wortlaut. Gegen sie spricht auch die Aussetzungsmöglichkeit nach Artikel II § 18 Absatz 2 IntPatÜbkG-E, die laut Begleitgesetz in allen Instanzen besteht.715 Abgesehen hiervon dient ein klarer Präklusionszeitpunkt der Rechtssicherheit. Die obigen Ausführungen sprechen auch dafür, in Artikel II § 18 IntPatÜbkG-E eine Sonderregelung zu §§ 532, 565 ZPO zu sehen. 3. Ergebnis Die doppelte Inanspruchnahme muss spätestens in dem ersten Termin nach Entstehung der Einrede vor Beginn der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache gerügt werden. Danach tritt Präklusion ein. Die Rügeerhebung ist aber nicht auf die erste Instanz begrenzt. Artikel II § 18 Absatz 1 Nr. 3 IntPatÜbkG-E stellt eine Sondervorschrift zu den allgemeinen Präklusionsvorschriften dar.

V. Rechtsfolge Als Rechtsfolge bestimmt Artikel II § 18 Absatz 1 IntPatÜbkG-E, dass die nationale Klage als unzulässig abzuweisen ist, und zwar laut Nr. 1 der Vorschrift „soweit“ das deutsche Patent und der europäische Schutztitel dieselbe Erfindung schützen, also deckungsgleich sind. Die Deckungsgleichheit bezieht sich auf den konkreten Schutzbereich der Patente, mithin in Ansehung einer bestimmten angegriffenen Ausführungsform, wie sich aus der Zusammenschau mit Artikel II § 18 Absatz 1 Nr. 2 IntPatÜbkG-E ergibt.716 Deckungsgleichheit bedeutet nicht notwendigerweise Identität („soweit“). Ein Schutzrecht kann in seinem Schutzbereich durchaus über das jeweils andere 713  Zu § 1032 ZPO siehe bereits Kap. 1, D. II. 1. a. E.; zur Spezialität des § 1032 ZPO gegenüber § 296 Absatz 3 ZPO mit Verweis auf eine Parallelität zu § 39 ZPO, der § 296 ZPO ebenfalls vorgehe, siehe Musielak/Voit, ZPO, § 1032 Rn. 7 m. w. N.; Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, Bd. 10, § 1032 Rn. 5. 714  Hierzu bereits A. III. 1. 715  BT-Drs. 18/8827, S. 26. 716  Siehe hierzu im Einzelnen Abschnitt B. II. 1. a. E.



C. Weitere Themenbereiche185

hinausgehen. Der überschießende Teil wird dann nicht von Artikel II § 18 Int­ PatÜbkG-E erfasst.

C. Weitere Themenbereiche I. Aussetzungsmöglichkeit Laut Artikel II § 18 Absatz 2 IntPatÜbkG-E kann das nationale Gericht anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Verfahrens vor dem EPG auszusetzen sei, wenn der Beklagte die Einrede nach Artikel II § 18 Absatz 1 IntPatÜbkG-E erhebt. 1. Rechtssicherheit Die Vorschrift dient der Rechtssicherheit. Da die Aussetzungsmöglichkeit ausdrücklich vom Begleitgesetz vorgesehen ist, erübrigen sich Überlegungen dazu, ob § 148 ZPO anwendbar ist. Nach § 148 ZPO kann ein Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei. § 148 ZPO dient der Prozessökonomie sowie der Verhinderung sich widersprechender Entscheidungen, die Aussetzung darf aber nicht zur Prozessverschleppung führen.717 § 148 ZPO setzt insbesondere voraus, dass die Entscheidung des Rechtsstreits durch das aussetzende Gericht von einem Rechtsverhältnis abhängt, das Gegenstand z. B. eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet, sog. Vorgreiflichkeit. Es kann bereits diskutiert werden, ob § 148 ZPO (direkt) anwendbar ist, wenn es sich bei dem anderen Rechtsstreit um einen solchen vor dem EPG handelt. Um einen nationalen Rechtsstreit handelt es sich nicht. Aussetzungstatbestände der Verordnung (EU) 1215/2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil‑ und Handelssachen gehen § 148 ZPO vor, so dass sie die Anwendung des § 148 ZPO auf Gerichte, die der Verordnung unterfallen, schwerlich rechtfertigen können.718 Im Übrigen erfassen die Aussetzungstatbestände der Verord717  Vgl. BeckOK ZPO/Wendtland, § 148 Rn. 1; MüKo/Fritsche, ZPO, Bd. 1, § 148 Rn. 1; Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, § 148 Rn. 2; Zöller/Greger, ZPO, § 148 Rn. 1. 718  In diese Richtung aber Zöller/Greger, ZPO, § 148 Rn. 6. Das EPG stellt nach Artikel 71a Absatz 2 lit. a) der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 ein gemeinsames

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Kap. 3: Einrede der doppelten Inanspruchnahme

nung (EU) Nr. 1215/2012 in Artikel 29 und 30 die Konstellation des Artikels II § 18 IntPatÜbkG-E nicht. Gegen einen Zusammenhang nach Artikel 30 Absatz 1 und 3 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 spricht insbesondere, dass sich das nationale und das EPG-Verfahren auf unterschiedliche Schutzrechte beziehen.719 Zweifelhaft kann darüber hinaus die Vorgreiflichkeit sein. Unter einem Rechtsverhältnis ist die Beziehung einer Person zu einer anderen Person oder Sache zu verstehen, die ein subjektives Recht enthält oder aus der ein solches Recht entspringen kann.720 Als solches Rechtsverhältnis kommt die Verletzung des europäischen Schutztitels in Betracht. Allerdings hängt das nationale Verfahren nicht vom Bestehen oder Nichtbestehen dieser Verletzung ab, sondern von der Frage, ob das Verletzungsverfahren vor dem EPG betreffend die gleiche Ausführungsform rechtshängig ist oder das EPG eine rechtskräftige Entscheidung getroffen hat. Ob ein Verletzungsverfahren vor dem EPG rechtshängig ist, fällt schon mit der – weiteren – Voraussetzung des anderen anhängigen Rechtsstreits zusammen. Außerdem kann im Zusammenhang mit dem Rechtsverhältnis die Frage aufgeworfen werden, ob ein solches dann bejaht werden kann, wenn Bezugspunkt des nationalen Verfahrens und des EPG-Verfahrens unterschiedliche Schutzrechte sind. Entscheidungen über den Rechtsbestand paralleler Schutzrechte, z. B. aus einer Patentfamilie oder bezüglich eines Gebrauchsmusters bei Bestehen eines parallelen Patents, haben regelmäßig lediglich eine indi­ zielle Bedeutung und führen nicht zur Aussetzung.721 Insgesamt betrachtet schafft Artikel II § 18 Absatz 2 IntPatÜbkG-E daher Rechtssicherheit, indem speziell für die Fälle der doppelten Inanspruchnahme ein Aussetzungstatbestand geschaffen wird. 2. Anwendungsfälle Welche Aussetzungsfälle Artikel II § 18 Absatz 2 IntPatÜbkG-E genau erfasst, zeigt das Begleitgesetz auf. Dort heißt es, die nationalen Gerichte könnten das Verfahren in allen Instanzen aussetzen, um den Einzelfall ange-

Gericht dar, das laut Absatz 1 der Vorschrift für die Zwecke der Verordnung als das Gericht eines Mitgliedstaates gilt. 719  Die Aussetzungsmöglichkeit des Artikels 30 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 würde im Übrigen für das nationale Gericht nur dann in Betracht kommen, wenn es das später angerufene Gericht ist. 720  BGH, Urt. v. 22.01.2015, VII ZR 353/12, NJW-RR 2015, 398, 399, Rn. 17; Zöller/Greger, ZPO, § 256 Rn. 3. 721  Vgl. Cepl/Voß, Prozesskommentar, § 148 Rn. 137.



C. Weitere Themenbereiche187

messen behandeln zu können.722 Dies betreffe insbesondere den Fall, in dem das Vorliegen der Voraussetzungen der Einrede noch nicht endgültig feststehe.723 Denkbar sind Konstellationen, in denen das EPG seine Zuständigkeit überprüfen muss, z. B. ob ein Opt-out nach Artikel 83 Absatz 3 EPGÜ wirksam in Anspruch genommen wurde oder ein nationales Gericht nach Maßgabe des Artikels 83 Absatz 1 EPGÜ zuständig ist724. Die Parteien können insoweit eine sog. „preliminary objection“ nach Regel 19 VerfO EPG erheben.

II. Ergänzende Schutzzertifikate Artikel II § 18 IntPatÜbkG-E sieht in seinem Absatz 3 vor, dass die Absätze 1 und 2 dieser Vorschrift für ergänzende Schutzzertifikate entsprechend gelten. Um zu verstehen, warum es einer solchen Vorschrift bedarf, wird zunächst in das Recht der ergänzenden Schutzzertifikate eingeführt. Es werden der nationale und der unionsrechtliche Rechtsrahmen aufgezeigt (1. a)) und die Rechtslage nach dem EPÜ skizziert (1. b)). Danach werden die ergänzenden Schutzzertifikate im Zusammenhang mit der europäischen Patent­ reform besprochen (1. c)). Im Anschluss wird ein Schlaglicht auf die Diskussion rund um ergänzende Schutzzertifikate mit einheitlicher Wirkung geworfen (2.) und die Einrede der doppelten Inanspruchnahme im Zusammenhang mit ergänzenden Schutzzertifikaten besprochen (3.). 1. Einfügen in das bestehende System Ergänzende Schutzzertifikate stellen eigenständige Schutzrechte dar,725 die dem Schutzrechtsinhaber einen ergänzenden Erzeugnisschutz für Arzneimittel und Pflanzenschutzmittel gewähren726. Dieser Schutz schließt sich unmittelbar an den Ablauf des Grundpatents an.727

722  BT-Drs. 18/8827,

S. 26. vorangehende Fn. 724  Vgl. in diesem Zusammenhang Artikel 71c Absatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012. 725  Schulte/Schell, PatG, § 16a Rn. 6; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, Kap. A Rn. 233. Stief/Bühler, Supplementary Protection Certificates (SPC), I. Rn. 29 sprechen von „ancillary protection right sui generis“. 726  Engels, Patent‑, Marken‑ und Urheberrecht, Rn. 621. 727  Schulte/Schell, PatG, § 16a Rn. 6; Engels, Patent‑, Marken‑ und Urheberrecht, Rn. 621. 723  Siehe

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Kap. 3: Einrede der doppelten Inanspruchnahme

a) Ausgangspunkt: nationaler und unionsrechtlicher Rechtsrahmen Ergänzende Schutzzertifikate sind bislang als nationale Schutztitel ausgestaltet, unterliegen aber nicht nur nationalem Recht, sondern auch dem Unions­recht.728 Maßgeblich sind die Verordnung (EG) Nr. 469/2009 über das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel und die Verordnung (EG) Nr. 1610/96 über das ergänzende Schutzzertifikat für Pflanzenschutzmittel. Darüber hinaus kann nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 1901/2006 über Kinderarzneimittel die (einmalige) sechsmonatige Verlängerung der sonst maximal fünf Jahre dauernden Laufzeit729 eines ergänzenden Schutzzertifikats erwirkt werden (Artikel 36 der Verordnung).730 Die Verordnungen zeigen in ihren Erwägungsgründen den Sinn und Zweck der ergänzenden Schutzzertifikate auf: Durch den Zeitraum zwischen der Einreichung einer Patentanmeldung für ein Arzneimittel bzw. ein neues Pflanzenschutzmittel und der Genehmigung für dessen Inverkehrbringen werde der tatsächliche Patentschutz auf eine Laufzeit verringert, die für die Amortisierung der in der Forschung vorgenommenen Investitionen unzureichend sei.731 Dies führe zu einem unzureichenden Schutz, der nachteilige Auswirkungen auf die pharmazeutische Forschung bzw. die Pflanzenschutzforschung habe.732 Diese Zusammenhänge werden deutlicher bei der Betrachtung der üblicherweise ablaufenden Zeiträume. Bis zur Erteilung eines nationalen Patents vergehen im Schnitt 2,5 bis 3 Jahre733 und bis zur Erteilung eines europä­ ischen Patents etwa 3 bis 5 Jahre734. Ein arzneimittelrechtliches Zulassungsverfahren735 hingegen ist im Schnitt erst 10 Jahre nach der Patentanmeldung abgeschlossen und vor Zulassung ist ein Schutzrecht kaum verwertbar.736 Da728  Schulte/Schell,

PatG, § 16a Rn. 6. Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 sowie der Verordnung (EG) Nr. 1610/96. 730  Zu den einzelnen Voraussetzungen dieses „Bonus“ siehe Benkard/Grabinski, PatG, § 16a Rn. 3c. 731  4. Erwägungsgrund der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 bzw. 5. Erwägungsgrund der Verordnung (EG) Nr. 1610/96. 732  5. Erwägungsgrund der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 bzw. 6. Erwägungsgrund der Verordnung (EG) Nr. 1610/96. 733  So die Angaben des DPMA unter https://www.dpma.de/patente/faq/index. html#a13 (27.01.2021). 734  Nach Angaben des EPA unter https://www.epo.org/service-support/faq/ownfile_de.html#faq-274 (27.01.2021). 735  Einen Überblick geben etwa Stief/Bühler, Supplementary Protection Certifi­ cates (SPC), I. Rn. 11 ff. 736  Vgl. Haedicke/Timmann/Stief/Bühler, Handbuch des Patentrechts, § 14 Rn. 3; von einer „Erosion der Patentlaufzeit“ sprechen Busse/Keukenschrijver/Maute, PatG, § 16a Rn. 2. 729  Artikel 13



C. Weitere Themenbereiche189

rüber hinaus verzögert ein ergänzendes Schutzzertifikat im Arzneimittelbereich den Markteintritt von Generika, für die weniger Forschungs‑ und Entwicklungskosten anfallen, und den durch Generika ausgelösten Preiswett­ bewerb.737 Auf nationaler Ebene sind für ergänzende Schutzzertifikate insbesondere die Vorschriften §§ 16a, 49a PatG von Relevanz. Da die erwähnten Verordnungen unmittelbar gelten, kommt §§ 16a, 49a PatG vor allem eine klarstellende und ergänzende Bedeutung zu.738 § 16a PatG regelt insbesondere, dass Jahresgebühren für ergänzende Schutzzertifikate zu entrichten sind und darüber hinaus, welche Vorschriften des Patentgesetzes für ergänzende Schutzzertifikate entsprechend gelten. § 49a PatG regelt vor allem die Erteilung und die Verlängerung ergänzender Schutzzertifikate. Nach Artikel II § 6a IntPatÜbkG erteilt das DPMA nach § 49a PatG auch ergänzende Schutzzertifikate für die mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patente. b) Ergänzende Schutzzertifikate und EPÜ Artikel 63 EPÜ, der die Laufzeit des europäischen Patents regelt, enthält auch Bestimmungen betreffend ergänzende Schutzzertifikate. In Absatz 2 heißt es, die Vertragsstaaten könnten die Laufzeit eines europäischen Patents verlängern oder entsprechenden Schutz gewähren, der sich an den Ablauf der Laufzeit des Patents unmittelbar anschließe, wenn der Gegenstand des europäischen Patents ein Erzeugnis oder ein Verfahren zur Herstellung oder eine Verwendung eines Erzeugnisses sei, das vor seinem Inverkehrbringen in dem Vertragsstaat einem gesetzlich vorgeschriebenen behördlichen Genehmigungsverfahren unterliege (Artikel 63 Absatz 2 lit. b) EPÜ). Artikel 63 Absatz 3 EPÜ sieht vor, dass Absatz 2 der Vorschrift auf die für eine Gruppe von Vertragsstaaten im Sinne des Artikels 142 EPÜ gemeinsam erteilten europäischen Patente entsprechend anzuwenden sei. Und in Absatz 4 der Vorschrift wird den Vertragsstaaten die Möglichkeit eröffnet, das EPA mit der Aufgabe der Erteilung von Schutzzertifikaten zu beauftragen. Hiervon hat jedoch bislang kein Vertragsstaat Gebrauch gemacht.739

737  Vgl. Haedicke/Timmann/Stief/Bühler,

Handbuch des Patentrechts, § 14 Rn. 5. PatG, § 16a Rn. 2. 739  Benkard/Grabinski, PatG, § 16a Rn. 4 a. E. 738  Vgl. Benkard/Grabinski,

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Kap. 3: Einrede der doppelten Inanspruchnahme

c) Ergänzende Schutzzertifikate und europäische Patentreform Das EPGÜ äußert sich an verschiedenen Stellen zu ergänzenden Schutzzertifikaten, ein „ergänzendes Schutzzertifikat mit einheitlicher Wirkung“740 ist gleichwohl im Patentpaket nicht vorgesehen. Das EPGÜ bestimmt in ­Artikel 3 lit. b), dass das Übereinkommen für alle ergänzenden Schutzzerti­ fikate, die zu einem durch ein Patent geschützten Erzeugnis erteilt worden sind, gilt. Unter einem Patent versteht das Übereinkommen ein europäisches Patent und/oder ein europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung, Artikel 2 lit. g) EPGÜ. Bereits hieraus kann geschlossen werden, dass nach dem Verständnis des Übereinkommens ergänzende Schutzzertifikate auch auf der Grundlage eines europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung erteilt werden können. In Artikel 30 EPGÜ heißt es, das ergänzende Schutzzertifikat gewähre die gleichen Rechte wie das Patent und unterliege den gleichen Beschränkungen und Verpflichtungen. Auch hier kann die Bezugnahme auf das Patent in der Art und Weise gelesen werden, dass europäische Patente mit einheitlicher Wirkung als Grundpatente in Betracht kommen. Ergänzende Schutzzertifikate werden im Übrigen in der Zuständigkeitsvorschrift des Artikels 32 EPGÜ und in Artikel 83 EPGÜ, der sich mit Übergangs‑ und Ausnahmeregelungen beschäftigt, erwähnt. Die an der verstärkten Zusammenarbeit beteiligten EU-Mitgliedstaaten haben davon abgesehen, dem EPA die Aufgabe der Erteilung von ergänzenden Schutzzertifikaten zu übertragen. Denn diese Aufgabe wird in dem Katalog des Artikels 9 der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 nicht erwähnt. Die Öffnungsklausel des Artikels 63 Absatz 3 EPÜ wurde in Ansehung des europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung mithin nicht genutzt. Gleichwohl gehen die an der europäischen Patentreform teilnehmenden EU-Mitgliedstaaten von dem Verständnis aus, dass ergänzende Schutzzertifikate auch auf der Grundlage eines europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung erteilt werden können. Dies ergibt sich etwa aus Regel 16 Absatz 1 lit. v) der Durchführungsordnung zum einheitlichen Patentschutz (hierzu sogleich im Einzelnen). aa) Erteilung durch nationale Behörden Mangels gesonderter Bestimmungen oder einer Aufgabenzuteilung an das EPA kann die Erteilung der Schutzzertifikate nur national erfolgen, nach dem bisherigen, bewährten System.741 Für die Erteilung ist mithin das DPMA 740  Benkard/Grabinski,

PatG, § 16a Rn. 7. (Fn. 665), S. 539, 549, abrufbar unter: https://op.europa.eu/en/ publication-detail/-/publication/6845fac2-6547-11e8-ab9c-01aa75ed71a1/language-en 741  MPI-Studie



C. Weitere Themenbereiche191

zuständig, und zwar nach Maßgabe der Artikel 9 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 und der Verordnung (EG) Nr. 1610/96 in Verbindung mit §§ 49a, 16a PatG und Artikel II § 6a IntPatÜbkG für europäische Patente bzw. Artikel II § 15 Absatz 1 Satz 2 IntPatÜbkG-E, der Artikel II § 6a IntPatÜbkG für europäische Patente mit einheitlicher Wirkung für entsprechend anwendbar erklärt. Der deutsche Gesetzgeber geht im Begleitgesetz ebenfalls davon aus, dass die Erteilung der ergänzenden Schutzzertifikate auf der Grundlage eines europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung durch das DPMA erfolgen wird.742 Bestätigt wird dieses Verständnis durch Regel 16 Absatz 1 lit. v) der Durchführungsordnung zum einheitlichen Patentschutz. Nach dieser Vorschrift werden nämlich in das Register für den einheitlichen Patentschutz unter anderem der Tag der Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats für ein Erzeugnis eingetragen, das durch das europäische Patent mit einheitlicher Wirkung geschützt ist, sowie der Name des erteilenden Mitgliedstaats. Darüber hinaus geht auch Regel 5 Absatz 2 lit. d) VerfO EPG davon aus, dass die Mitgliedstaaten ergänzende Schutzzertifikate auf der Grundlage von euro­ päischen Patenten mit einheitlicher Wirkung erteilen können. Ferner ist zu berücksichtigen, dass europäische Patente mit einheitlicher Wirkung trotz ihrer zusätzlichen Eigenschaften aufgrund der einheitlichen Wirkung, wie festgelegt in der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012, europäische Patente im Sinne des EPÜ sind.743 Als solche können sie Grundpatente nach der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 bzw. der Verordnung (EG) Nr. 1610/96 sein, wie sich aus der Zusammenschau zwischen Artikel 1 lit. c) und dem 8. Erwägungsgrund der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 ergibt bzw. Artikel 1 Nr. 9 und dem 10. Erwägungsgrund der Verordnung (EG) Nr. 1610/96.744 Die Zertifikatsanmeldung ist nach den Verordnungen (jeweils Artikel 9) bei den nationalen Erteilungsbehörden einzureichen. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass das EPGÜ ergänzende Schutzzertifikate anhand der o. g. Verordnungen in Artikel 2 lit. h) EPGÜ definiert. Dass europäische Patente mit einheitlicher Wirkung im Grundsatz euro­ päische Patente sind, äußert sich im Übrigen etwa darin, dass der Antrag auf einheitliche Wirkung spätestens einen Monat nach Bekanntmachung des Hinweises auf die Erteilung des europäischen Patents im Europäischen Pa­ (14.02.2021); im Ergebnis auch Benkard/Grabinski, PatG, § 16a Rn. 7 a. E.; Brückner/von Czettritz, ESZ/SPC, Einleitung Rn. 94; Nieder, GRUR Int. 2016, 906, 907. 742  BT-Drs. 18/8827, S. 21. 743  Vgl. hierzu auch die MPI-Studie (Fn. 665), S.  538 f. 744  Im Ergebnis ebenfalls und vertiefend die MPI-Studie (Fn. 665) in Bezug auf die Verordnung (EG) Nr. 469/2009, S. 170 f.; vgl. ebenfalls im Ergebnis Brückner, ESZ/SPC, Einleitung Rn. 91, 94; Singer/Stauder/Brückner, EPÜ, Art. 63 Rn. 9.

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Kap. 3: Einrede der doppelten Inanspruchnahme

tentblatt beim EPA zu stellen ist, Regel 6 Absatz 1 der Durchführungsordnung zum einheitlichen Patentschutz. Das Erteilungsverfahren ist für euro­ päische Patente und europäische Patente mit einheitlicher Wirkung identisch und unterliegt den Bestimmungen des EPÜ.745 Deswegen kann gegen erteilte europäische Patente, selbst wenn ihnen zusätzlich die einheitliche Wirkung zukommt, das Einspruchsverfahren nach Artikel 99 ff. EPÜ betrieben werden.746 Außerdem ist zu berücksichtigen, dass das EPÜ im Falle von einheitlichen Patenten nach Artikel 142 Absatz 1 EPÜ davon ausgeht, dass es sich um europäische Patente handelt, jedoch mit einer weiteren territorialen Reichweite. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift (Hervorhebung durch Verf.): „[e]ine Gruppe von Vertragsstaaten, die in einem besonderen Übereinkommen bestimmt hat, dass die für diese Staaten erteilten europäischen Patente für die Gesamtheit ihrer Hoheitsgebiete einheitlich sind, kann vorsehen, dass europäische Patente nur für alle diese Staaten gemeinsam erteilt werden können.“

bb) Wirkung des Schutzzertifikats nur im Erteilungsstaat Der deutsche Gesetzgeber geht im Begleitgesetz ebenfalls davon aus, dass das durch das DPMA erteilte ergänzende Schutzzertifikat auf der Grundlage eines europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland wirken wird,747 es sich mithin um ein nationales Schutzrecht handelt. Welche Wirkung ein national erteiltes ergänzendes Schutzzertifikat auf der Grundlage eines europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung entfalten soll, wird im Patentpaket nicht eindeutig festgelegt. Im Grundsatz bestehen zwei mögliche Herangehensweisen:748 (1) das Schutzzertifikat entfaltet dieselben Wirkungen wie das europäische Patent mit einheitlicher Wirkung oder (2) das Schutzzertifikat wird als rein nationales Schutzrecht behandelt – dies ist der Weg, für den sich der deutsche Gesetzgeber entschieden hat und der auch von der Wissenschaft749 unterstützt wird. Für den ersten Weg spricht zunächst Artikel 30 EPGÜ. Danach gewährt das ergänzende Schutzzertifikat die gleichen Rechte wie das Patent und un745  So auch das EPA im Leitfaden zum Einheitspatent, 1. Aufl., 2017, Rn. 7, abrufbar unter: http://documents.epo.org/projects/babylon/eponet.nsf/0/C3ED1E790D5E75 E0C125818000325A9B/$File/Unitary_Patent_guide_de.pdf (27.01.2021). 746  Im Ergebnis auch die MPI-Studie (Fn. 665), S. 539. 747  BT-Drs. 18/8827, S. 21. 748  Hierzu im Einzelnen die MPI-Studie (Fn. 665), S. 540 ff., sowie Weeks, Getting the end-game right – SPCs and unitary patents in Europe, abrufbar unter: https:// www.pinsentmasons.com/PDF/2016/getting-the-end-game-right.pdf (11.01.2019). 749  MPI-Studie (Fn. 665), S. 542 f., 549.



C. Weitere Themenbereiche193

terliegt den gleichen Beschränkungen und Verpflichtungen. Eine – im Grundsatz – parallele Regelung enthält Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 und Artikel 5 der Verordnung (EG) Nr. 1610/96. Wird unter Patent in Artikel 30 EPGÜ nach Maßgabe des Artikels 2 lit. h) EPGÜ auch das europäische Patent mit einheitlicher Wirkung verstanden, dann nimmt Artikel 30 EPGÜ auch auf die einheitliche Wirkung nach Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 Bezug. Das ergänzende Schutzzertifikat würde in diesem Fall eine einheitliche Wirkung in allen an der europäischen Patentreform teilnehmenden EU-Mitgliedstaaten entfalten. Gegen ein solches Verständnis spricht, dass die Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats durch eine nationale Behörde eines teilnehmenden EU-Mitgliedstaats die Erteilung weiterer Schutzzertifikate durch andere nationale Behörden sperren würde. Dies folgt aus Artikel 3 lit. c) der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 und der Verordnung (EG) Nr. 1610/96. Die zuerst angerufene nationale Behörde hätte die volle Prüfung in der Hand, und zwar für das gesamte Territorium, in dem der einheitliche Schutztitel seine Wirkung entfaltet. Da die EU-Mitgliedstaaten einem hiermit einhergehenden Souveränitätsverlust nicht in der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 oder in anderen Rechtsakten zugestimmt haben, kommt ein solches Verständnis nicht in Betracht.750 Für den zweiten Weg spricht insbesondere das soeben genannte Souveränitäts-Argument. Allerdings bedingt dieser Weg eine teleologische Reduktion des Artikels 30 EPGÜ und weiterer Vorschriften des Patentpakets dahingehend, dass das national erteilte ergänzende Schutzzertifikat auf Grundlage des europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung nur im Gebiet der erteilenden Behörde Schutz entfaltet.751 Nichts anderes kann für die nationale Erteilung von Schutzzertifikaten auf der Grundlage eines europäischen Patents gelten. cc) Widerruf der Verlängerung durch nationale Behörden Die Verordnung (EG) Nr. 469/2009 sieht – anders als die Verordnung (EG) Nr. 1610/96 – in Artikel 16 eine Vorschrift bezüglich des Widerrufs der Verlängerung der Laufzeit vor. Mit der Verlängerung der Laufzeit ist diejenige nach Artikel 36 der Verordnung (EG) Nr. 1901/2006 über Kinderarzneimittel gemeint, wie sich aus Absatz 1 der Vorschrift ergibt.

750  So

auch die MPI-Studie (Fn. 665), S. 543, 549. Ergebnis auch die MPI-Studie (Fn. 665), S. 543, mit Bezugnahme auf Artikel 30 EPGÜ, Artikel 5 der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 sowie Artikel 5 Absatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 und Artikel 25 bis 30 EPGÜ. 751  Im

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Kap. 3: Einrede der doppelten Inanspruchnahme

In Artikel 16 Absatz 2 heißt es: „Jede Person kann einen Antrag auf Widerruf der Verlängerung der Laufzeit bei der nach einzelstaatlichem Recht für den Widerruf des entsprechenden Grund­ patents zuständigen Stelle einreichen.“

Nach § 49a Absatz 4 Nr. 2 PatG entscheidet das DPMA über diesen Widerruf, soweit das Grundpatent ein nationales Patent ist. Gleiches gilt im Falle von europäischen Patenten. Auch wenn für den Widerruf eines europäischen Patents das EPA im Einspruchsverfahren nach Artikel 101 Absatz 2 EPÜ zuständig ist, so ist Artikel 16 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 weit auszulegen. Dabei ist Artikel 2 Absatz 2 EPÜ zu berücksichtigen. Danach hat das europäische Patent in jedem Vertragsstaat, für den es erteilt worden ist, dieselbe Wirkung und unterliegt denselben Vorschriften wie ein in diesem Staat erteiltes nationales Patent, soweit das EPÜ nichts anderes bestimmt. Und nach Artikel 63 Absatz 2 lit. b) EPÜ wird der Schutz über ein ergänzendes Schutzzertifikat unter den gleichen Bedingungen, die für nationale Patente gelten, gewährt. Aus der Konzeption des EPÜ folgt damit, dass für Erteilung und – mangels anderweitiger, speziellerer Vorschriften des EPÜ – auch den Widerruf des ergänzenden Schutzzertifikats sowie einer Verlängerung dieses Zertifikats die nationalen Behörden zuständig sind. Dieses Verständnis wird gestützt durch Artikel 19 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 und durch Artikel 18 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1610/96, wonach das Einspruchsverfahren gegen ein erteiltes Zertifikat ausgeschlossen ist.752 Nichts anderes kann für das europäische Patent mit einheitlicher Wirkung gelten, das im Grundsatz ein europäisches Patent ist,753 wenn die Erteilung des hierauf basierenden ergänzenden Schutzzertifikats durch die nationale Erteilungsbehörde erfolgt ist. Speziellere Regelungen – insbesondere des Patentpakets – für diesen Fall liegen nämlich nicht vor. Der deutsche Gesetzgeber hat im Begleitgesetz ebenfalls festgehalten, dass das DPMA für den Widerruf der Verlängerung der Laufzeit eines ergänzenden Schutzzertifikats nach Artikel 16 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 zuständig ist, wenn dieses ergänzende Schutzzertifikat (und die Verlängerung754) durch das DPMA auf der Grundlage eines europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung erteilt worden ist.755

752  Vgl.

zu diesem Argument die MPI-Studie (Fn. 665), S. 545. hierzu oben unter C. II. 1. c) aa). 754  Artikel 9 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 469/2009. 755  BT-Drs. 18/8827, S. 22. 753  Siehe



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2. Ausblick: Ergänzende Schutzzertifikate mit einheitlicher Wirkung Die Kommission hat bereits signalisiert, die Einführung eines ergänzenden Schutzzertifikats mit einheitlicher Schutzwirkung als ein Schutzrecht sui generis zu prüfen.756 Hierbei sind verschiedene Fragen zu klären, die den institutionellen Rahmen (Erteilung des Schutzzertifikats, Überprüfung der entsprechenden Entscheidungen, rechtliche Folgeanpassungen der Einführung des einheitlichen ergänzenden Schutzzertifikats) sowie inhaltliche Punkte betreffen.757 a) Institutioneller Rahmen Zu den institutionellen Fragestellungen, die geklärt werden müssen, gehört zunächst die Frage, welche Institution für die Erteilung der ergänzenden Schutzzertifikate mit einheitlicher Wirkung zuständig sein sollte. Es drängen sich insbesondere zwei mögliche Herangehensweisen auf: Mit der Aufgabe der Erteilung könnte eine EU-Institution betraut werden, und zwar entweder eine bereits bestehende (z. B. EUIPO – Amt der Euro­ päischen Union für Geistiges Eigentum, EMA – Europäische ArzneimittelAgentur, CPVO – Gemeinschaftliches Sortenamt) oder eine neu zu schaffende EU-Institution.758 Diskutiert wird auch die Einrichtung eines sog. virtuellen Büros („virtual office“), in dem Experten der nationalen Erteilungsbehörden zusammenarbeiten würden und das z. B. an eine EU-Institution angebunden sein könnte.759 Dieser Ansatz hätte zur Folge, dass die Entscheidungen der EU-Institution bzw. des virtuellen Büros einer solchen vor dem EuG angegriffen werden müssten, mit dem EuGH als weiterer Instanz, wie sich aus Artikel 256 Absatz 1 AEUV ergibt.760 Dies widerspricht jedoch der Konzeption des EPG als einheitlichem Gericht, dem bereits zum Teil ausschließliche Zuständigkeiten in Bezug auf ergänzende Schutzzertifikate nach Artikel 32 Absatz 1 EPGÜ zustehen sollen.761 Bei der Anpassung bestehenden oder Schaffung neuen Unionsrechts müsste zudem das Einstimmigkeits756  Vgl. Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts‑ und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, Den Binnenmarkt weiter ausbauen: mehr Chancen für die Menschen und die Unternehmen, 28.10.2015, COM(2015) 550 final, S. 18; vgl. ebenfalls die MPI-Studie (Fn. 665), S. 554, 595. 757  Diese Unterscheidung orientiert sich an der MPI-Studie (Fn. 665), S.  550 ff. 758  Siehe im Einzelnen MPI-Studie (Fn. 665), S. 555 ff., 571 f., 574, 595 f. 759  Vertiefend die MPI-Studie (Fn. 665), S.  565 f. 760  MPI-Studie (Fn. 665), S.  571 f. 761  Im Ergebnis auch, aber unter Hinweis auf die Antworten von Nutzern, die die Zuständigkeit des EPG bevorzugen sollen: MPI-Studie (Fn. 665), S. 572.

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Kap. 3: Einrede der doppelten Inanspruchnahme

erfordernis im Hinblick auf die Sprachenregelungen nach Artikel 118 Absatz 2 AEUV beachtet werden, wobei auch in Bezug auf ergänzende Schutzzertifikate der Weg über die verstärkte Zusammenarbeit im Grundsatz möglich wäre.762 Mit der Aufgabe der Erteilung der ergänzenden Schutzzertifikate mit einheitlicher Wirkung könnte außerdem das EPA betraut werden. Hierzu müssten die an der verstärkten Zusammenarbeit teilnehmenden EU-Mitgliedstaaten dem EPA entsprechende Befugnisse mittels eines Abkommens mit der Europäischen Patentorganisation nach Artikel 63 Absatz 4 EPÜ übertragen. Außerdem müsste sichergestellt werden, dass dem EPG die Zuständigkeit im Hinblick auf die entsprechenden Entscheidungen des EPA zukommt.763 Ein gangbarer Weg besteht in der Anpassung von Artikel 9 der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 oder der Schaffung einer anderen Unionsvorschrift764. Wird Artikel 9 der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 nicht verändert, so wäre die weitere Folge eine Anpassung des Artikels 32 EPGÜ, gegebenenfalls vereinfacht nach Artikel 87 Absatz 2 EPGÜ durch den Verwaltungsausschuss.765 b) Inhaltliche Punkte Inhaltlich stellen sich insbesondere Fragen im Zusammenhang mit Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr.  469/2009 und der Verordnung (EG) Nr. 1610/96. Aufgeworfen wurde etwa die Frage, welche Patente als Grundpatent eines ergänzenden Schutzzertifikats mit einheitlicher Wirkung nach Artikel 3 Abs. 1 lit. a) der Verordnungen in Betracht kommen.766 Anknüpfungspunkt eines einheitlichen ergänzenden Schutzzertifikats ist jedenfalls ein einheit­licher Schutztitel in Form des europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung.767 Für die Kommission ist dies auch der einzige Anknüpfungspunkt.768 Dies ist gut nachvollziehbar, denn das ergänzende Schutzzertifikat setzt, auch wenn es ein eigenes Schutzrecht ist, auf dem Grundpatent auf. Ein einheit­liches ergänzendes Schutzzertifikat sollte daher auch auf einem einheitlichen Schutztitel basieren. Ansonsten ist nicht ersichtlich, warum der Inhaber eines europäischen Patents, dem gerade keine einheitliche Wir762  Vgl. MPI-Studie

(Fn. 665), S. 571. im Einzelnen und vertiefend: MPI-Studie (Fn. 665), S.  573 f. 764  Von Renesse/Wanner/Seym/Thomeier, GRUR Int. 2016, 1129, 1130, 1132, sprechen im Zusammenhang mit der Festlegung von inhaltlichen Punkten von einer „Unitary SPC Regulation“. 765  Zu diesen Möglichkeiten im Einzelnen: MPI-Studie (Fn. 665), S. 573 f., 596. 766  MPI-Studie (Fn. 665), S.  576 f. 767  Vgl. MPI-Studie (Fn. 665), S. 576, 597. 768  Laut MPI-Studie (Fn. 665), S. 576, 597. 763  Hierzu



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kung zukommt, von der einheitlichen Wirkung eines einheitlichen ergänzenden Schutzzertifikats profitieren sollte. Dies gilt auch – in dem eher theoretischen Fall – dann, wenn das europäische Patent in allen EU-Mitgliedstaaten, die an der euro­ päischen Patentreform teilnehmen, validiert sein sollte.769 Andernfalls wäre die Beantragung der einheitlichen Wirkung eines europä­ ischen Patents obsolet. Wird hingegen als Grundpatent eines einheitlichen ergänzenden Schutzzertifikats ein europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung verlangt, dann stellt dies einen Anreiz dafür dar, die einheitliche Wirkung des europäischen Patents zu beantragen.770 Neben dem Grundpatent muss eine weitere Grundvoraussetzung erfüllt sein, damit ein ergänzendes Schutzzertifikat erteilt wird.771 Der Antragsteller muss über eine für das Erzeugnis als Arzneimittel bzw. für das Erzeugnis als Pflanzenschutzmittel gültige Genehmigung für das Inverkehrbringen nach Artikel 3 lit. b) der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 bzw. Artikel 3 Absatz 1 lit. b) der Verordnung (EG) Nr. 1610/96 verfügen. Für eine solche Genehmigung772 kommen im Falle des einheitlichen ergänzenden Schutzzertifikats zwei Anknüpfungspunkte in Betracht: eine europäische Genehmigung, die einheitlich wirkt, und ein Bündel nationaler Genehmigungen.773 Eine europäische Genehmigung kommt insbesondere für Arzneimittel­ erzeugnisse in Betracht, die im Rahmen des zentralisierten Verfahrens nach der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 erteilt wurden.774 Für die Zulassung nationaler Genehmigungen spricht hingegen, dass es auch Arzneimittelerzeugnisse gibt, die nicht dem zentralisierten Verfahren unterliegen.775 Außerdem gibt es im Bereich der Pflanzenschutzmittel derzeit gar keine Möglichkeit, eine europäische Genehmigung zu erhalten.776 Gerade die letzten beiden Argumente sprechen dafür, nationale Genehmigungen als Grundlage der Erteilung einheitlicher ergänzender Schutzzertifikate zuzulassen. Sollten nationale Genehmigungen genügen, um ein einheitliches ergänzendes Schutzzertifikat zu erlangen, so stellen sich die Folgefragen, ob nationale Genehmigungen in allen an der europäischen Patentreform teilnehmenden EU-Mitgliedstaaten vorliegen müssen, welcher Zeitpunkt für die Prüfung 769  Vgl. hierzu

MPI-Studie (Fn. 665), S. 577. (Fn. 665), S.  576 f. 771  Zur Bezeichnung des Grundpatents und der Genehmigung als Säulen des ergänzenden Schutzzertifikats („pillars“) siehe MPI-Studie (Fn. 665), S. 577. 772  Kurz „MA“ genannt für „marketing authorisation“. 773  Zu diesen Optionen siehe im Einzelnen: MPI-Studie (Fn. 665), S. 579 ff., 597. 774  Zu diesem Verfahren im Einzelnen und vertiefend: MPI-Studie (Fn. 665), S.  579 f. 775  Vgl. MPI-Studie (Fn. 665), S. 597. 776  Vgl. MPI-Studie (Fn. 665), S. 597. 770  Vgl. MPI-Studie

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Kap. 3: Einrede der doppelten Inanspruchnahme

entscheidend sein sollte (sog. kritischer Zeitpunkt777) und welches Ereignis die 6‑Monatsfrist nach Artikel 7 der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 bzw. der Verordnung (EG) Nr. 1610/96 auslösen sollte.778 Diskutiert wird insbesondere die Möglichkeit, eine bestimmte Anzahl von Genehmigungen genügen zu lassen und diese mit der Zeit zu erweitern,779 verbunden mit einer begrenzten Durchsetzbarkeit des einheitlichen ergänzenden Schutzzertifikats nur in den EU-Mitgliedstaaten, in denen die Genehmigung vorliegt,780 bzw. verbunden mit einer „Nacherteilung“ nationaler ergänzender Schutzzertifikate oder einer Erweiterung des territorialen Bereichs, den das einheitliche ergänzende Schutzzertifikat umfasst781. Die Entscheidung dieser Fragen obliegt letztlich dem europäischen Gesetzgeber. Dieser wird sich insbesondere mit zwei Prinzipien auseinandersetzen müssen und der Frage, ob sie gelockert werden könnten und sollten: dem Prinzip der territorialen Übereinstimmung zwischen Grundpatent und Genehmigung782 und dem Prinzip der unionsweiten Wirkung von Unionsschutzrechten. Am konsequentesten wäre die Anpassung bzw. Schaffung von Vorschriften zur Erteilung europäischer Genehmigungen, auch für Pflanzenschutzmittel, und die Zulassung einheitlicher ergänzender Schutzzertifikate nur auf der Grundlage dieser europäischen Genehmigungen. Je nach gewählter Lösung wären weitere Anpassungen des Unionsrechts erforderlich, z. B. mit Blick auf Artikel 3 lit. c) und d) der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 bzw. Artikel 3 Absatz 1 lit. c) und d) der Verordnung (EG) Nr. 1610/96.783 Außerdem müsste die Frage der Gebühren für die ergänzenden Schutzzertifikate mit einheitlicher Wirkung geklärt werden.784 3. Zur Einrede der doppelten Inanspruchnahme im Einzelnen Nach Artikel II § 18 Absatz 3 IntPatÜbkG-E gelten die Absätze 1 und 2 der Vorschrift für ergänzende Schutzzertifikate entsprechend. Laut Begründung des Begleitgesetzes werden durch diese Bestimmung die Absätze 1 und date“ laut MPI-Studie (Fn. 665), S. 582 f., 592. vertiefend: MPI-Studie (Fn. 665), S. 578, 581 ff., 592 ff., 597 ff. 779  Vgl. von Renesse/Wanner/Seym/Thomeier, GRUR Int. 2016, 1129, 1131; vgl. ebenfalls vertiefend zu weiteren Folgefragen: MPI-Studie (Fn. 665), S. 582, 587 f. 780  Vgl. (auch zu weiteren Optionen): von Renesse/Wanner/Seym/Thomeier, GRUR Int. 2016, 1129, 1131 f. 781  Zu den letzten beiden Optionen vgl. MPI-Studie (Fn. 665), S.  587 ff., 597 f. 782  Zu diesem „principle of territorial consonance“ siehe MPI-Studie (Fn. 665), S. 577. 783  Hierzu etwa MPI-Studie (Fn. 665), S.  590 f. 784  Siehe hierzu: MPI-Studie (Fn. 665), S. 594. 777  „Critical 778  Hierzu



C. Weitere Themenbereiche199

2 des Artikels II § 18 IntPatÜbkG-E für ergänzende Schutzzertifikate zur Anwendung gebracht. Artikel II § 18 Absatz 3 IntPatÜbkG-E schreibt nicht vor, ob das ergänzende Schutzzertifikat nur im nationalen Verfahren oder nur im EPG-Verfahren oder gar in beiden streitgegenständlich ist. Es sind mithin folgende Konstellationen zu unterscheiden: (1) nationales Verfahren: nationales ergänzendes Schutzzertifikat auf Grundlage eines nationalen Patents; EPG-Verfahren: europäisches Patent oder europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung; (2) nationales Verfahren: nationales Patent, EPG-Verfahren: nationales ergänzendes Schutzzertifikat auf der Grundlage eines europäischen Patents oder eines europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung; (3) nationales Verfahren: nationales ergänzendes Schutzzertifikat auf Grundlage eines nationalen Patents, EPG-Verfahren: nationales ergänzendes Schutzzertifikat auf der Grundlage eines europäischen Patents oder eines europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung. Voraussetzung ist, dass das jeweilige europäische Patent nicht Gegenstand des Opt-outs nach Artikel 83 Absatz 3 EPGÜ ist. Denn in diesem Fall greift das Doppelschutzverbot des Artikels II § 8 IntPatÜbkG-E und die Situation des Artikels II § 18 IntPatÜbkG-E kann nicht auftreten. Darüber hinaus dürfte die dritte von den oben genannten Konstellationen nicht auftreten.785 Denn nach Artikel 3 Absatz 2 Satz 1 der Verordnung (EG) 1610/96 dürfen einem Inhaber, der über mehrere Patente für dasselbe Erzeugnis verfügt, nicht mehrere Zertifikate für dieses Erzeugnis erteilt werden. Sind jedoch nach Satz 2 der Vorschrift zwei oder mehr Anmeldungen von zwei oder mehr Inhabern unterschiedlicher Patente für dasselbe Erzeugnis anhängig, so kann jedem dieser Inhaber ein Zertifikat für dieses Erzeugnis erteilt werden. Im Falle des Doppelschutzes stehen entweder parallele Patente einem Inhaber zu (Konstellation von Artikel 3 Absatz 2 Satz 1 der Verordnung (EG) 1610/96) bzw. bei mehreren Patentinhabern liegen nicht unterschiedliche Patente vor (Konstellation von Artikel 3 Absatz 2 Satz 2 der Verordnung (EG) 1610/96). Die erörterte Vorschrift gilt aufgrund des 17. Erwägungsgrundes der Verordnung (EG) 1610/96 auch im Bereich der Verordnung (EG) Nr. 469/2009.786 Hierdurch wird Artikel 3 lit. c) der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 verdeutlicht.787

785  Vgl. in diesem Zusammenhang und anknüpfend an das Doppelschutzverbot nach Artikel II § 8 IntPatÜbkG: Nieder, GRUR Int. 2016, 906, 908 f. 786  Brückner, ESZ/SPC, Art. 3 Rn. 3, Fn. 6 und 7. 787  Brückner, ESZ/SPC, Art. 3 Rn. 456.

200

Kap. 3: Einrede der doppelten Inanspruchnahme

Die oben genannten Konstellationen 1 und 2 sind hingegen gerade vor dem Hintergrund einer einmaligen Erteilung eines nationalen ergänzenden Schutzzertifikats nicht ausgeschlossen, so dass es erforderlich ist, die Einrede der doppelten Inanspruchnahme als Schutzmechanismus für die Beklagtenseite vorzusehen.

III. Vorläufige oder sichernde Maßnahmen Artikel II § 18 Absatz 4 IntPatÜbkG-E bestimmt, dass Absätze 1 und 2 der Vorschrift, die die Einrede der doppelten Inanspruchnahme und die Aussetzung regeln, nicht für vorläufige oder sichernde Maßnahmen gelten. Dieser Ausschluss gilt auch dann, wenn nur in einem der Verfahren (national oder vor dem EPG) vorläufige oder sichernde Maßnahmen beantragt werden.788 Dies folgt für das nationale Verfahren bereits daraus, dass es sich dann nicht um eine Klage wegen Verletzung oder drohender Verletzung im Sinne des Artikels II § 18 Absatz 1 IntPatÜbkG-E handelt. Sowohl für das nationale als auch das EPG-Verfahren folgt dies im Übrigen daraus, dass die Vorschrift des Artikels II § 18 Absatz 4 IntPatÜbkG-E auf die vorläufigen oder sichernden Maßnahmen abstellt und nicht darauf, ob diese in einem oder beiden Verfahren beantragt wurden. Da in Artikel II § 18 Absatz 4 IntPatÜbkG-E die Geltung der Absätze 1 und 2 ausgeschlossen wird, kommt ihre entsprechende Anwendung für ergänzende Schutzzertifikate nach Artikel II § 18 Absatz 3 IntPatÜbkG-E ebenfalls nicht in Betracht. Im Begleitgesetz heißt es, durch den Geltungsausschluss nach Artikel II § 18 Absatz 4 IntPatÜbkG-E werde insbesondere sichergestellt, dass der durch Schnelligkeit gekennzeichnete einstweilige Rechtsschutz nicht beeinträchtigt werde.789 Vergleichbare Regelungen sind aus dem EU-Recht bekannt. Sowohl die Unionsmarkenverordnung als auch die Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung sehen den Doppelschutz zwischen den nationalen und den europä­ ischen Schutzrechten vor790 und enthalten Bestimmungen für gleichzeitige und aufeinander folgende Klagen aus diesen Schutzrechten (Artikel 136 UMV bzw. Artikel 95 GGV). Diese Bestimmungen sollen gewährleisten, dass doppelte Prozesse aus dem nationalen und dem europäischen Schutzrecht nicht stattfinden. Das zuerst eingeleitete Verfahren hat Vorrang. Gleichwohl heißt es in Artikel 136 Absatz 4 UMV und in Artikel 95 Absatz 4 GGV, dass die 788  Insoweit besteht eine Parallelität zur GGV: Ruhl/Tolkmitt, Gemeinschaftsgeschmacksmuster, Art. 95 Rn. 4. 789  Vgl. BT-Drs. 18/8827, S. 26. 790  Zur Begründung des Doppelschutzes siehe die Erwägungsgründe Nr. 7 und 8 der UMV.



C. Weitere Themenbereiche201

oben genannten Bestimmungen nicht für einstweilige Maßnahmen einschließlich Sicherungsmaßnahmen gelten. Eine vergleichbare Herangehensweise an vorläufige oder sichernde Maßnahmen ist außerdem von anderen prozesshindernden Einreden bekannt, insbesondere § 1032 ZPO.791 Obgleich Artikel II § 18 Absatz 4 IntPatÜbkG-E der Wahrung des Eilcharakters des einstweiligen Verfügungsverfahrens dient, darf das Zusammenspiel mit dem Hauptsacheverfahren nicht aus den Augen verloren werden. Insoweit ist insbesondere § 926 ZPO zu beachten, der gem. § 936 ZPO auf einstweilige Verfügungen entsprechend anzuwenden ist. Ist danach die Hauptsache nicht anhängig, so hat das Verfügungsgericht auf Antrag ohne mündliche Verhandlung anzuordnen, dass die Partei, die die einstweilige Verfügung erwirkt hat, binnen einer zu bestimmenden Frist Klage zu erheben hat. Wird der Anordnung nicht Folge geleistet, so ist auf Antrag die Aufhebung der einstweiligen Verfügung durch Endurteil auszusprechen, §§ 926 Absatz 2, 936 ZPO. § 926 ZPO erweitert die Optionen des Antragsgegners. Dieser kann zwar selbst eine Hauptsacheklage anstrengen. Diese Klage wäre aber auf die Feststellung gerichtet, dass der Verfügungsanspruch nicht besteht.792 Mittels §§ 926, 936 ZPO hat der Antragsgegner die zusätzliche Möglichkeit, den Antragsteller zur Erhebung der Hauptsacheklage zu veranlassen.793 Vor diesem Hintergrund muss der Antragsteller in einem nationalen einstweiligen Verfügungsverfahren das Schicksal des parallelen europäischen Schutzrechts mit bedenken, um nicht via §§ 926, 936 ZPO in die Einredesituation zu geraten. Es handelt sich freilich um die gleichen Erwägungen, die er als Nutznießer des Doppelschutzes anstellen muss, bevor er oder ein anderer Berechtigter ein Hauptsacheverfahren aus dem nationalen Patent einleitet.

791  Siehe

im Einzelnen Kap. 1, D. II. 2. Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, Rn. 497. 793  Berneke/Schüttpelz, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, Rn. 497. 792  Berneke/Schüttpelz,

Zusammenfassung und Ergebnisse Kapitel 1: Grundlagen 1. In den vergangenen 60 Jahren gab es zahlreiche Versuche, einen einheitlichen patentrechtlichen Schutztitel sowie eine einheitliche Patentgerichtsbarkeit zu schaffen. Denn aufgrund des Territorialitätsprinzips können Verletzungen nationaler Immaterialgüterrechte außerhalb der jeweiligen natio­nalen Grenzen nicht unterbunden werden. Immaterialgüter sind hingegen nicht an eine bestimmte körperliche Form gebunden und daher beliebig reproduzierbar sowie parallel nutzbar. Sie sind nach öffentlicher Zugänglichmachung (potentiell) allgegenwärtig bzw. ubiquitär. Dies hat zur Folge, dass um immaterialgüterrechtlichen Schutz in einzelnen Staaten nachgesucht werden muss. 2. Die Rechtsgeschichte zeigt, dass zunächst bilaterale völkerrechtliche Verträge zwischen einzelnen Staaten abgeschlossen wurden, meistens im Rahmen von Handelsabkommen, so dass sie das Schicksal dieser Abkommen teilten. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kamen ergänzend dauerhafte und unabhängige multilaterale Übereinkommen in Gestalt der Pariser Verbandsübereinkunft und der Berner Übereinkunft auf. 3. Auf dem Gebiet des Patentrechts gab es zwischen der Schaffung der Pariser Verbandsübereinkunft und der Gründung des Europarats 1949 verschiedene Bemühungen um die Vereinheitlichung des Patentrechts in Europa im Zusammenhang mit dem Erteilungsverfahren. Hierzu gehören das Pariser Abkommen von 1920, die Bemühungen um das britische Empire Patent und die Schaffung des Internationalen Patentinstituts (IIB) für die drei BeneluxStaaten und Frankreich. Diese Projekte betrafen Deutschland jedoch nicht. 4.  Nach der Gründung des Europarats 1949 setzte ein weiterer Harmonisierungsschub ein. Ausgearbeitet wurden die Europäische Übereinkunft über Formerfordernisse bei Patentanmeldungen vom 11.12.1953, die Übereinkunft über die internationale Patentklassifikation vom 19.12.1954 und das Straßburger Übereinkommen zur Vereinheitlichung gewisser Begriffe des mate­ riellen Rechts der Erfindungspatente vom 27.11.1963. Diese Übereinkommen spielen heute zwar keine große Rolle mehr. Sie haben aber zu einer Harmonisierung des Patentrechts beigetragen. 5.  Weitere Harmonisierungsarbeiten wurden im Rahmen der EWG fortgesetzt, wobei es zwischendurch Rückschläge gab. Es kam zu einem Stillstand



Zusammenfassung und Ergebnisse203

in Europa im Jahr 1965, der zu einer Initiative der USA führte, auf interna­ tionaler Ebene ein Übereinkommen zur Vereinfachung des Erteilungsverfahrens zu schaffen. Diese Initiative führte letztlich zur Schaffung des PCT. Zudem trieb Frankreich die Arbeiten auf europäischer Ebene voran. Vorgeschlagen wurde die Schaffung zweier Abkommen: eines Abkommens betreffend ein europäisches Patenterteilungsverfahren und ein europäisches Patentamt sowie eines weiteren Abkommens über ein europäisches Patent für den Gemeinsamen Markt für Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften. Dies führte zunächst zum Abschluss des EPÜ. Arbeiten an dem zweiten Abkommen fanden im Rahmen einer Arbeitsgruppe, der Sachverständigengruppe „Gemeinschaftspatent“ statt. 6. 1975 wurde in Luxemburg das Gemeinschaftspatentübereinkommen unterzeichnet (GPÜ 1975), das jedoch nie in Kraft getreten ist. Während der zweiten Luxemburger Konferenz 1985 wurde das GPÜ 1975 überarbeitet und ergänzt, aber nicht unterzeichnet. Auf der dritten Luxemburger Konferenz wurde das GPÜ 1989 abgeschlossen (GPÜ 1989), es trat jedoch auch nicht in Kraft. Ein Gemeinschaftspatentübereinkommen ist gescheitert. 7. Demgegenüber harmonisierte das EPÜ das Erteilungsverfahren. Die vom EPA erteilten europäischen Patente stellen aber keine Einheitstitel für die Vertragsstaaten dar. Es handelt sich vielmehr um sog. „Bündelpatente“, denn nach Erteilung und Validierung zerfallen europäische Patente gleichsam in ein Bündel nationaler Schutzrechte. Dies kommt in Artikel 2 Absatz 2, Artikel 64 Absatz 1 und 3 EPÜ zum Ausdruck. Eine einheitliche Rechtsdurchsetzung ist dadurch nicht möglich. Es fehlt an einer Harmonisierung der post-Erteilungsphase. 8.  Die Kommission leitete 1997 mit dem Grünbuch „Förderung der Innovation durch Patente“ die Phase der gemeinschaftsrechtlichen bzw. unionsrechtlichen Bemühungen um ein einheitliches Patent und eine einheitliche Patentgerichtsbarkeit ein. Das Grünbuch hatte aber auch die Wirkung, dass es Frankreich dazu motivierte, eine Regierungskonferenz der Mitgliedstaaten der Europäischen Patentorganisation 1999 in Paris einzuberufen. In der Folge wurde der Entwurf eines Übereinkommens über die Schaffung eines Streitregelungssystems für europäische Patente (European Patent Litigation Agreement, EPLA) erarbeitet sowie der Entwurf einer Satzung des Europäischen Patentgerichts. Bei EPLA handelt es sich um einen völkerrechtlichen Harmonisierungsansatz. Die Arbeiten an EPLA ruhen aufgrund der gemeinschaftsrechtlichen bzw. unionsrechtlichen Harmonisierungsbemühungen. 9. 1999 begann die Kommission, einen Verordnungsansatz für das Gemeinschaftspatent zu verfolgen. Der entsprechende Verordnungsvorschlag wurde am 1. August 2000 vorgelegt. Die Kommission beabsichtigte eine „Symbiose“ zwischen der vorgeschlagenen Gemeinschaftspatentordnung und

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Zusammenfassung und Ergebnisse

dem EPÜ-System. Hierzu sollte die EG dem EPÜ beitreten. Nach dem Vorschlag sollten Gemeinschaftspatente europäische Patente sein, die für das gesamte Gebiet der Gemeinschaft erteilt werden sollten. Hinsichtlich der Sprachenregelungen wurde auf das Dreisprachenregime des EPA zurück­ gegriffen. Vorgesehen wurde ferner ein Gemeinschaftsgericht für geistiges Eigentum. 10.  Nach sehr kritischer Beratung des Verordnungsvorschlags kam es zur Verabschiedung einer gemeinsamen politischen Ausrichtung durch den Rat. Insbesondere die Fassung aus dem Jahr 2003 ist bekannt, sog. „common political approach“. Dieser Ansatz war insbesondere deswegen problematisch, weil er – wenn hierauf seitens eines Mitgliedstaats nicht verzichtet wurde – nach der Patenterteilung die Übersetzung aller Patentansprüche in alle Amtssprachen der Gemeinschaft vorsah. 11.  Die Kommission leitete dann im Jahr 2006 eine breit angelegte Konsultation zur künftigen Patentpolitik in Europa ein. Sie schlug einen inte­ grierten Ansatz vor mit Merkmalen des EPLA und der von der Kommission vorgeschlagenen Gemeinschaftspatentgerichtsbarkeit. Die Gerichtsbarkeit sollte für europäische Patente als auch Gemeinschaftspatente zuständig sein. 12.  Im Juli 2009 beantragte der Rat beim EuGH ein Gutachten über die Vereinbarkeit des geplanten Übereinkommens zur Schaffung eines einheit­ lichen Patentgerichtssystems mit dem Vertrag zur Gründung der Europä­ ischen Gemeinschaft. Bis zur Erstattung des Gutachtens veränderten sich die Rahmenbedingungen durch das Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon. Nunmehr sieht Artikel 118 Absatz 2 AEUV vor, dass der Rat die Sprachenregelungen für europäische Rechtstitel nach einem besonderen Gesetzgebungsverfahren durch Verordnungen festlegt und hierfür Einstimmigkeit erforderlich ist. 13.  Ungeachtet des Inkrafttretens des Vertrages von Lissabon erzielte der Rat am 4. Dezember 2009 einen politischen Durchbruch, weil die Einigung auf eine Allgemeine Ausrichtung zum Vorschlag für eine Verordnung des Rates über das Gemeinschaftspatent sowie Schlussfolgerungen zur Verbesserung des Patentsystems in Europa erzielt werden konnten. Übersetzungsregelungen wurden zum Gegenstand eines Verordnungsvorschlags, den die Kommission Mitte 2010 vorlegte. Hierüber konnte jedoch keine Einigung im Rat erzielt werden. 14. Als weiteren Schritt erließ der Rat am 10. März 2011 den Beschluss über die Ermächtigung zu einer verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes. Dieser Beschluss markiert den Beginn der aktuellen europäischen Patentreform.



Zusammenfassung und Ergebnisse205

15.  Kurz zuvor, am 8. März 2011, legte der EuGH sein Gutachten vor, das der Rat Mitte 2009 beantragt hatte. Der EuGH (Plenum) hat entschieden, dass das geplante Übereinkommen mit den Bestimmungen des EUV und des AEUV nicht vereinbar sei. 16. In der Folge wurden im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit zwei Verordnungen erarbeitet: die Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 über die Umsetzung der verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes sowie die Verordnung (EU) Nr. 1260/2012 über die Umsetzung der verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes im Hinblick auf die anzuwendenden Übersetzungsregelungen. An der verstärkten Zusammenarbeit nehmen, nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU, 25 EU-Mitgliedstaaten teil. Darüber hinaus wurde das EPGÜ erarbeitet und am 19. Februar 2013 von 25 EU-Mitgliedstaaten unterzeichnet. Alle drei Akte stellen den Kern der europäischen Patentreform dar, das sog. „Patentpaket“. 17. Das Patentpaket wurde insbesondere von Spanien stark angegriffen. So klagte Spanien, gefolgt von Italien, zunächst vor dem EuGH gegen den Beschluss des Rates über die Ermächtigung zur verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes. Spanien ging außerdem gegen die beiden Verordnungen (EU) Nr. 1257/2012 und (EU) Nr. 1260/2012 im Klagewege vor. Der EuGH hat alle Klagen abgewiesen. 18. Die europäische Patentreform umfasst neben dem Patentpaket auch begleitende Regelwerke. Zu diesen gehört die Durchführungsordnung zum einheitlichen Patentschutz des Engeren Ausschusses des Verwaltungsrats der Europäischen Patentorganisation. Das Patentpaket ist eingebettet in das EPÜ. Grundlage für die genannte Durchführungsordnung ist Artikel 143 EPÜ, denn die Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 stellt nach seinem Artikel 1 Absatz 2 ein besonderes Übereinkommen im Sinne von Artikel 142 EPÜ dar. Zusätzliche Aufgaben des EPA sind die Verwaltungsaufgaben des Artikels 9 der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012, zum Teil ergänzt durch die Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 1260/2012. 19.  Der Engere Ausschuss des Verwaltungsrats der Europäischen Patentorganisation hat auf der Grundlage der Verordnungen (EU) 1257/2012 und (EU) 1260/2012 noch weitere Vorschriften erarbeitet und beschlossen. Hierzu gehören die Gebührenordnung zum einheitlichen Patentschutz, Haushalts‑ und Finanzvorschriften sowie Vorschriften zur Aufteilung von Gebühren unter den teilnehmenden Mitgliedstaaten. 20. Die europäische Patentreform umfasst ebenfalls (vorbereitende) Rechtsakte des Vorbereitenden Ausschusses, bestehend aus den Unterzeichnerstaaten des EPGÜ, zur Errichtung des EPG. Zu diesen Rechtsakten gehören etwa die Verfahrensordnung des EPG samt Gebührenregelungen, Kanz-

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Zusammenfassung und Ergebnisse

leivorschriften, die Geschäftsordnungen des Verwaltungsausschusses, des Haushaltsausschusses und des Beratenden Ausschusses des EPG, Mediations‑ und Schiedsregeln sowie Regelungen bezüglich der Vertretungsbefugnisse vor dem EPG. 21.  Das neue System ist gekennzeichnet durch Merkmale des nationalen Rechts der Vertragsmitgliedstaaten, des Unionsrechts und des Völkerrechts in Gestalt des EPGÜ und des EPÜ. Das EPGÜ sieht das EPG vor, das nach der Konzeption des EPGÜ aus einem Gericht erster Instanz, einem Berufungs­ gericht und einer Kanzlei besteht. Das Gericht erster Instanz setzt sich laut EPGÜ aus einer Zentralkammer in Paris mit Abteilungen in München und London sowie Lokal‑ und Regionalkammern zusammen. Die Abteilung in London ist aufgrund des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der EU weggefallen. Über einen anderen Sitz kann noch eine Einigung erzielt werden. Das Berufungsgericht hat laut EPGÜ seinen Sitz in Luxemburg. 22.  Dem EPG steht eine weitreichende ausschließliche Zuständigkeit für europäische Patente, europäische Patente mit einheitlicher Wirkung und ergänzende Schutzzertifikate nach Maßgabe des Artikels 32 Absatz 1 EPGÜ zu. Die nationalen Gerichte bleiben gem. Artikel 32 Absatz 2 EPGÜ nur für solche Klagen zuständig, die nicht in die ausschließliche Zuständigkeit des EPG fallen. 23.  Artikel 83 EPGÜ sieht ein umfangreiches System von Übergangs‑ und Ausnahmeregelungen vor. Während einer Phase von sieben Jahren nach dem Inkrafttreten des EPGÜ, die auf bis zu 14 Jahre verlängerbar ist, können Klagen mit Bezug zu klassischen europäischen Patenten, entsprechenden Anmeldungen bzw. Schutzzertifikaten, die sonst in die Zuständigkeit des EPG fielen, vor den nationalen Gerichten erhoben werden. Die nationalen Gerichte wenden in diesem Fall das nationale Recht an und nicht das EPGÜ. Ansonsten drohte eine uneinheitliche Anwendung des EPGÜ in den einzelnen Vertragsmitgliedstaaten. 24. Artikel 83 Absatz 3 EPGÜ sieht die umfangreichste Ausnahmevorschrift vor. Danach kann der Inhaber oder Anmelder eines europäischen Patents, das vor Ablauf der Übergangszeit erteilt oder beantragt worden ist, sowie der Inhaber eines ergänzenden Schutzzertifikats, das zu einem durch ein europäisches Patent geschützten Erzeugnis erteilt worden ist, die ausschließliche Zuständigkeit des EPG ausschließen, wenn noch keine Klage vor dem EPGÜ erhoben wurde (sog. Opt-out). Im Falle eines solchen Optout gelten für die Schutzrechte bzw. Anmeldungen die nationalen Vorschriften. 25.  Das neue Schutzrecht in Gestalt des europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung ist Gegenstand der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012. Das wichtigste Merkmal dieses Schutzrechts ist sein einheitlicher Charakter. Das



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europäische Patent mit einheitlicher Wirkung bietet einen einheitlichen Schutz und hat in allen teilnehmenden Mitgliedstaaten die gleiche Wirkung. Es kann nur im Hinblick auf alle teilnehmenden Mitgliedstaaten beschränkt, übertragen oder für nichtig erklärt werden oder erlöschen. Lizenzen können hingegen auch im Hinblick auf einen Teil der Hoheitsgebiete der teilnehmenden Mitgliedstaaten erteilt werden. Die Durchführungsordnung regelt die Einzelheiten hinsichtlich der Beantragung und der Erteilung der einheitlichen Wirkung. Artikel 5 und 6 der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 regeln die Wirkungen des neuen Schutzrechts. Hinsichtlich des europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung als Gegenstand des Vermögens verweist die Verordnung auf das nationale Recht. 26.  Das EPGÜ wurde von 16 EU-Mitgliedstaaten ratifiziert, die Mindestzahl von 13 Mitgliedstaaten nach Artikel 89 Absatz 1 EPGÜ wurde mithin erreicht. Die Vorschrift schreibt aber auch in der einzig noch relevanten Variante 2 vor, dass die drei Mitgliedstaaten ihre Ratifikationsurkunden hinterlegen müssen, in denen es im Jahr vor dem Jahr der Unterzeichnung des Übereinkommens die meisten geltenden europäischen Patente gab, also Deutschland, Frankreich und, nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU, Italien. 27. Frankreich und Italien haben das EPGÜ ratifiziert. Das Vereinigte Königreich ist hingegen aus der EU ausgetreten und hat Mitte des Jahres 2020 seine Ratifikation zurückgenommen. Dieser Austritt steht einem Inkrafttreten des EPGÜ nicht entgegen. Hierzu ist noch die Ratifikation Deutschlands erforderlich. 28.  Das Ratifikationsverfahren in Deutschland ist noch nicht abgeschlossen. Das Gesetzgebungsverfahren im Bundestag und Bundesrat wurde sowohl für das Vertragsgesetz als auch das Begleitgesetz im Jahr 2017 abgeschlossen. Beide Gesetze wurden aber wegen Einreichung einer Verfassungsbeschwerde nicht vom Bundespräsidenten nach Artikel  82 Absatz  1 Satz 1 GG ausgefertigt. 29.  Das Bundesverfassungsgericht hat mit Entscheidung vom 13.02.2020 entschieden, dass Artikel 1 Absatz 1 Satz 1 des ersten Vertragsgesetzes mit Artikel 23 Absatz 1 Satz 3 GG i. V. m. Artikel 79 Absatz 2 GG unvereinbar und nichtig ist, weil die qualifizierte Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages nicht erreicht wurde. In dieser Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht gleichzeitig die Möglichkeit eröffnet, mittels einer Verfassungsbeschwerde das Recht auf die Einhaltung der in Artikel 23 Absatz 1 Satz 3 GG i. V. m. Artikel 79 Absatz 2 GG für die Übertragung von Hoheitsrechten vorgesehenen formellen Voraussetzungen geltend zu machen.

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Zusammenfassung und Ergebnisse

30. Die jetzige Vizepräsidentin des Bundesverfassungsgerichts Prof. Dr. König, die Richterin des Bundesverfassungsgerichts Prof. Dr. Langenfeld sowie der Richter des Bundesverfassungsgerichts Dr. Maidowski haben eine abweichende Meinung zu dieser Entscheidung verfasst und darin festgehalten, dass sie sich der Annahme nicht anzuschließen vermögen, wonach sich aus dem „Anspruch auf Demokratie“ in Artikel 38 Absatz 1 Satz 1, Artikel 20 Absatz 1 und 2 i. V. m. Artikel 79 Absatz 3 GG ein mit der Verfassungsbeschwerde rügefähiges Recht auf die Einhaltung der in Artikel 23 Absatz 1 Satz 2 und 3 i. V. m. Artikel 79 Absatz 2 GG für die Übertragung von Hoheitsrechten vorgesehenen formellen Voraussetzungen (sog. formelle Übertragungskontrolle) ergebe. 31. Nach Erlass der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wurde ein zweites Ratifikationsverfahren eingeleitet. Das zweite Vertragsgesetz wurde mit der Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages angenommen. Der Bundesrat beschloss im Dezember 2020 einstimmig, dem Vertragsgesetz zuzustimmen. Kurz nach diesem Beschluss wurden gegen das zweite Vertragsgesetz zwei Verfassungsbeschwerden erhoben. Die entsprechenden Verfahren sind nicht abgeschlossen. 32. In Ungarn hat das Verfassungsgericht am 26.06.2018 entschieden, dass das EPGÜ wegen der verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht ratifiziert werden dürfe. Das Gericht stellte u. a. fest, dass das EPG auch nationales Recht anwenden werde (Artikel 24 EPGÜ), die Entscheidung von Privatrechtsstreitigkeiten jedoch nach ungarischem Verfassungsrecht ungarischen Gerichten vorbehalten sei. Ungarns Ratifikation ist zwar nicht zwingend erforderlich. Ungarn ist aber in die EPG-Struktur eingebunden, weil sich die Einrichtung für den EPG-Schulungsrahmen nach Artikel  19 Absatz  1 Satz 2 EPGÜ in Budapest befindet. Die Ratifikation Ungarns setzt nun vo­ raus, dass die ungarische Verfassung geändert wird. 33.  Angesichts der europäischen Patentreform stellt sich die Frage, ob das bisher in Deutschland nach Maßgabe des Artikels II § 8 IntPatÜbkG geltende Verbot des Doppelschutzes weiterhin gelten soll. Doppelschutz steht für die Möglichkeit des doppelten Schutzes einer geistigen Leistung auf unterschiedlichen Rechtsebenen, etwa der nationalen und der europäischen. Das Doppelschutzverbot steht für das Verbot des beschriebenen Doppelschutzes. 34.  Der Doppelschutz ist von der Kumulation abzugrenzen. Die Kumulation steht für den Schutz einer geistigen Leistung durch verschiedene Rechte des geistigen Eigentums auf einer Rechtsebene, etwa durch eine nationale Marke und ein nationales Patent. 35.  Der Doppelschutz ist auch abzugrenzen von der Doppelpatentierung, die eine Rechtsebene betrifft. Es geht letztlich um die Frage, ob gleichzeitige Patentanmeldungen gleichen wirksamen Datums zu zwei Schutzrechten füh-



Zusammenfassung und Ergebnisse209

ren können. Dies wird für europäische Patente im Grundsatz verneint. Nach deutschem Patentrecht wird die Entstehung identischer Schutzrechte durch den absoluten Neuheitsbegriff des § 3 Absatz 1 PatG sowie die Einbeziehung älterer Patentanmeldungen in den Stand der Technik weitgehend vermieden. 36.  Das EPGÜ überlässt den einzelnen Vertragsstaaten die Wahl zwischen dem Doppelschutz und dem Doppelschutzverbot, Artikel 139 Absatz 3 EPÜ. Dies gilt auch für Gebrauchsmuster im Verhältnis zu europäischen Patenten, Artikel 140 EPÜ. Der historische deutsche Gesetzgeber hat sich in dem Verhältnis nationales Patent und europäisches Patent für das Doppelschutzverbot entschieden, Artikel II § 8 IntPatÜbkG. Soweit ein nationales Patent und ein prioritätsgleiches europäisches Patent identisch in Bezug auf den Schutzumfang sind, hat das nationale Patent ab einem der in Artikel II § 8 Absatz 1 Int­ PatÜbkG genannten Zeitpunkte von Gesetzes wegen keine Wirkung mehr. Ab Wirkungslosigkeit bestehen aus dem nationalen Schutzrecht, das bestehen bleibt, keine Verbietungsrechte mehr. Die Wirkungslosigkeit ist endgültig, auch wenn das europäische Patent später wegfällt. 37. Ausgehend von der Wahlfreiheit nach Artikel 139 Absatz 3 EPÜ hat der deutsche Gesetzgeber im Begleitgesetz einen beschränkten Doppelschutz vorgesehen. Dies ergibt sich aus der Zusammenschau der vorgeschlagenen Änderungen in Artikel II § 8 IntPatÜbkG-E und der neuen Artikel II § 15 Absatz 1 und § 18 IntPatÜbkG-E. 38. Künftig soll es die Möglichkeit geben, sowohl einen nationalen, als auch einen europäischen patentrechtlichen Schutztitel (europäisches Patent oder europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung) für dieselbe Erfindung zu erlangen. Im Falle von europäischen Patenten gilt das alte System und damit das Doppelschutzverbot dann, wenn Nutzer dieses Schutzrecht aus der Gerichtsbarkeit des EPG herausnehmen, indem sie von einem sog. Opt-out nach Artikel 83 Absatz 3 EPGÜ Gebrauch machen. 39.  Der Doppelschutz eröffnet dem Schutzrechtsinhaber die Möglichkeit, gegen einen Beklagten aus zwei patentrechtlichen Schutztiteln für dieselbe Erfindung, also einem nationalen und einem europäischen, vorzugehen. Um den Beklagtenschutz zu stärken, sieht das Begleitgesetz die Einführung der Einrede der doppelten Inanspruchnahme vor. 40.  Die Einrede der doppelten Inanspruchnahme ist eine prozesshindernde Einrede. Der Begriff der Einrede ist schillernd, er wird nicht einheitlich verwendet. Die Einrede im Sinne der ZPO ist von der materiell-rechtlichen Einrede im Sinne des BGB zu unterscheiden. Bei beiden handelt es sich um Verteidigungsmittel. Der Begriff der Einrede wird in der ZPO umfassender verstanden.

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Zusammenfassung und Ergebnisse

41. Die prozessualen Verteidigungsmittel lassen sich in prozessuale Einwendungen, die die Begründetheit der Klage betreffen, und prozesshindernde Einreden, die die Zulässigkeit der Klage betreffen, aufteilen. Die prozessualen Einwendungen umfassen das Bestreiten des Klagegrundes und die Erklärung mit Nichtwissen, die prozessualen Einreden und die Beweiseinreden betreffend die Zulässigkeit und die Zuverlässigkeit von Beweismitteln. 42. Prozessuale Einreden werden je nach ihrer Wirkung in rechtshindernde, rechtsvernichtende und rechtshemmende Einreden unterteilt. Dies erinnert an die Aufteilung im bürgerlichen Recht, wo als Verteidigungsmittel gegen Ansprüche rechtshindernde und rechtsvernichtende Einwendungen von rechtshemmenden Einreden abgegrenzt werden. Die prozessuale Einrede umfasst also materiell-rechtliche Einwendungen und Einreden. 43.  Die Unterscheidung zwischen Einwendungen und Einreden erfolgt im Grunde deswegen, um zu verdeutlichen, dass die Einrede ein zusätzliches Handeln der begünstigten Partei voraussetzt. Erst bei Erhebung einer Rüge wird eine prozesshindernde Einrede vom Gericht berücksichtigt. Und im materiellen Recht muss der Schuldner die materiell-rechtliche Einrede geltend machen. 44. Prozesshindernde Einreden werden auch Prozesshindernisse genannt. Sie betreffen die Zulässigkeit der Klage. Welche Rügen zu den prozesshindernden Einreden zu zählen sind, ist nicht hinreichend geklärt. Jedenfalls die Einrede der Schiedsvereinbarung bzw. Schiedsklausel nach § 1032 ZPO wird hierzu gezählt. Eine parallele Regelung enthält § 102 ArbGG. Im Patentrecht ist die prozesshindernde Einrede in § 145 PatG geregelt. 45. Die prozesshindernde Einrede ist verzichtbar. Wie das Merkmal der Verzichtbarkeit im Einzelnen zu verstehen ist, ist bei jeder einzelnen prozesshindernden Einrede zu prüfen. Es kann sich lediglich um das Unterlassen der Geltendmachung der Einrede handeln (in diese Richtung wird die Einrede nach § 1032 ZPO verstanden) oder um eine eigenständige prozessuale Handlung. Die ZPO zeigt außerdem, dass zwischen verzichtbaren und unverzichtbaren Rügen zu unterscheiden ist (§§ 295 Absatz 2, 296 Absatz 3, 532 ZPO). Unverzichtbare Rügen betreffen Verstöße von einigem Gewicht, insbesondere Verstöße gegen die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege und gegen Normen, an deren Einhaltung ein öffentliches Interesse besteht. 46. Die prozesshindernde Einrede ist „präklusionsbedroht“, wobei je nach Einrede zu beurteilen ist, wann Präklusion eintritt. Es sind die allgemeinen Präklusionsvorschriften der §§ 282 Absatz 3, 296 Absatz 3 ZPO zu beachten, es sei denn eine Sonderregelung liegt vor. Eine solche ist in § 1032 ZPO zu sehen. Nach dieser Vorschrift wird die Präklusion zeitlich nach hinten hinausgeschoben. Denn die Rüge muss bis vor Beginn der mündlichen Verhandlung erhoben werden, d. h. nicht bereits innerhalb einer Klageerwide-



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rungsfrist. Ein Pendant zu § 282 Absatz 3 Satz 2 ZPO fehlt nämlich in § 1032 Absatz 1 ZPO. 47. Eine prozessuale Besonderheit im Zusammenhang mit prozesshindernden Einreden ist das Verhältnis zum Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. § 145 PatG setzt Klagen nach § 139 PatG voraus. Deswegen sowie wegen der Dringlichkeit der Verfahrensart gilt die Vorschrift im einstweiligen Verfügungsverfahren nicht. In Bezug auf § 1032 ZPO sind die Vorschriften §§ 1033, 1041 Absatz 1 Satz 1 ZPO zu beachten. Hieraus folgt, dass sowohl das ordentliche Gericht als auch das Schiedsgericht Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes erlassen können, für die Einrede der Schiedsvereinbarung nach § 1032 ZPO ist insoweit kein Raum. 48. Eine weitere prozessuale Besonderheit im Zusammenhang mit prozesshindernden Einreden, vor allem § 1032 ZPO, ist der Arglisteinwand nach § 242 BGB. Fälle des venire contra factum proprium liegen etwa dann vor, wenn sich eine Partei sowohl im gerichtlichen als auch im schiedsrichterlichen Verfahren auf die Zuständigkeit der jeweils anderen Gerichtsbarkeit beruft. 49. Die Rechtsfolge der Berufung auf eine prozesshindernde Einrede ist die Unzulässigkeit der Klage, und zwar der Ausgangsklage (wie bei § 1032 ZPO) oder einer Folgeklage (wie bei § 145 PatG). Die Klage wird ohne weitere Sachprüfung durch Endurteil mit eingeschränkter Rechtskraftfolge abgewiesen (Prozessurteil). Eine weitere Klage ist nicht ausgeschlossen. Sie ist über denselben Streitgegenstand möglich, wenn sich die prozessualen Umstände gegenüber dem früheren Prozess in dem zur Unzulässigkeit führenden Grund geändert haben. Im Zusammenhang mit § 1032 ZPO werden eine alternative Aussetzung des Verfahrens (§ 148 ZPO analog) bzw. eine Verweisung (§ 281 ZPO oder § 17a GVG analog) abgelehnt. Kapitel 2: System des Doppelschutzes 50.  Der Doppelschutz ist nicht neu. Im Patentrecht sowie in Rechtsgebieten, die dem Patentrecht „verwandt“ sind, wie dem Sortenschutzrecht, herrscht zwar das Doppelschutzverbot vor. Einen unionsweiten Gebrauchsmusterschutz gibt es bislang nicht. Es besteht aber nach dem Europäischen Patentübereinkommen und dem Gebrauchsmustergesetz die Möglichkeit der Kumulation zwischen einem europäischen Patent und einem nationalen Gebrauchsmuster. Dies ist möglich, obgleich die Erfordernisse an die Erfindungshöhe nunmehr im Patent‑ und Gebrauchsmusterrecht laut Rechtsprechung vergleichbar sind.

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Zusammenfassung und Ergebnisse

51.  Das Marken‑ und das Designrecht sind demgegenüber vom Grundsatz des Doppelschutzes geprägt, wie sich aus Artikel 136 UMV sowie Artikel 122 UMV und Artikel 95 GGV sowie Artikel 79 GGV ergibt. Diese Vorschriften sollen gleichzeitig die parallele Rechtsdurchsetzung vor den nationalen Gerichten der EU-Mitgliedstaaten als Unionsgerichten verhindern. Hierdurch wird eine Korrektur des Doppelschutzes erzielt. 52.  Für den Doppelschutz werden im Marken‑ und Designrecht folgende Punkte angeführt: – Entscheidungsfreiheit bei der Wahl des Schutzrechts, – Möglichkeiten der alleinigen Wahl des nationalen Systems, was aus Kostengesichtspunkten für kleine und mittlere Unternehmen attraktiv sein kann und – hierdurch Steigerung der Attraktivität des europäischen Schutzrechts. 53. Aus der Perspektive des internationalen Patentrechts ist festzuhalten, dass der Doppelschutz in mehreren Vertragsstaaten des Europäischen Patentübereinkommens praktiziert wird: Österreich, Dänemark, Finnland, Ungarn, Island, Norwegen, Polen und Schweden. 54.  Für Österreich sind mit dem Doppelschutz folgende Vorteile verbunden: Registerklarheit und – im Falle des Doppelschutzes im Verhältnis zwischen einem europäischen Patent mit einheitlicher Wirkung und einem österreichischen Patent de lege ferenda – zusätzliche Stabilität aufgrund der Zuständigkeit unterschiedlicher Gerichtsbarkeiten, und zwar des EPG einerseits und der österreichischen Gerichte andererseits. Die Vernichtung des einen Schutzrechts berührt das andere Schutzrecht nicht. 55. Obgleich in Frankreich derzeit das Doppelschutzverbot herrscht, hat sich der französische Gesetzgeber entschieden, dieses im Zuge der europä­ ischen Patentreform zu lockern. Das Doppelschutzverbot soll – ähnlich wie nach dem Begleitgesetz – nur noch solche europäischen Patente erfassen, die der Ausnahmeregelung des Artikels 83 Absatz 3 EPGÜ (Opt-out) unterfallen. Ein Ausgleichsmechanismus wie die Einrede der doppelten Inanspruchnahme wird nicht vorgesehen. Allerdings wird das Verbot der getrennten Übertragung auf das Verhältnis zwischen französischen Patenten und europäischen Patenten, für die Doppelschutz gelten soll, erweitert. 56. Der Patents Act 1977 des Vereinigten Königreichs geht von einem Doppelschutzverbot in besonderer Ausgestaltung aus, da der Prüfer im Falle des Doppelschutzes das nationale Patent widerrufen kann. Dieser Ansatz sollte auf das europäische Patent mit einheitlicher Wirkung übertragen werden.



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57.  Artikel 139 Absatz 3 EPÜ gibt den Vertragsstaaten des EPÜ die Freiheit bezüglich der Systemwahl pro oder contra Doppelschutz. Die europä­ ische Patentreform überlässt die Entscheidung über einen etwaigen Doppelschutz ebenfalls den teilnehmenden Mitgliedstaaten. Das Patentpaket selbst enthält insoweit lediglich zwei Ansatzpunkte in der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012: Artikel 4 Absatz 2 sowie den 26. Erwägungsgrund. 58.  Aus Artikel 4 Absatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 folgt nur, dass ein doppelter Schutz mittels eines europäischen Patents und eines europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung nicht möglich ist. Die Vorschrift enthält damit keine Regelung in Bezug auf das Verhältnis zwischen einem nationalen Patent und einem europäischen Patent mit einheitlicher Wirkung (bzw. einem europäischen Patent, das aber nicht primär Regelungsgegenstand der Verordnung ist). 59. Der 26. Erwägungsgrund der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 wird unterschiedlich interpretiert: einmal pro Doppelschutzverbot und ein andermal soll er einem Doppelschutz nicht entgegenstehen. Gegen den Doppelschutz könnte sprechen, dass im Rahmen der Aufzählung der Schutzrechte in Satz 2 des Erwägungsgrundes die Wortwahl „entweder … oder“ verwendet wird. Auf der anderen Seite verwendet die französische Fassung des Textes nur ein „ou“. Dies spricht dafür, dass der Erwägungsgrund offen formuliert ist. Er zählt diejenigen Schutzrechte auf, die ein potentieller Schutzrechts­ inhaber wählen kann, äußert sich aber nicht zum Verhältnis der Schutzrechte zueinander. 60.  Etwas anderes folgt auch nicht aus Satz 1 des 26. Erwägungsgrundes der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012, wonach die Verordnung das einzelstaatliche Patentrecht der teilnehmenden Mitgliedstaaten sowie ihr Recht, nationale Patente zu erteilen, nicht ersetzen sollte. Hieraus lässt sich eine Aussage zugunsten des Doppelschutzes nicht ableiten. Und hätte der Verordnungsgeber ein Doppelschutzverbot vorschreiben wollen, so hätte dies einer konkreten Regelung bedurft. Denn einige EU-Mitgliedstaaten sehen ein Doppelschutzsystem in ihrem nationalen Patentrecht vor. Ein Doppelschutzverbot in Bezug auf das europäische Patent mit einheitlicher Wirkung würde zu einer Inkonsistenz dieser Systeme führen und die Mitgliedstaaten gegebenenfalls zu einer Anpassung ihrer Systeme veranlassen. Dies wäre wiederum mit der Wahlfreiheit des Artikels 139 Absatz 3 EPÜ schwerlich vereinbar. 61.  Da der europäische Gesetzgeber für die an der europäischen Patentreform teilnehmenden EU-Mitgliedstaaten von dem Wahlrecht nach Artikel 139 Absatz 3 EPÜ nicht Gebrauch gemacht hat, verbleibt es bei der Wahlfreiheit der einzelnen Mitgliedstaaten. Diese können folgende Optionen wählen:

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Zusammenfassung und Ergebnisse

– Festhalten am bzw. Einführung des Doppelschutzverbots auch in dem Verhältnis nationales Patent und europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung; – Festhalten am bzw. Einführung des Doppelschutzes auch in dem Verhältnis nationales Patent und europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung; – Einführung bzw. Erstreckung eines Doppelschutzes im Verhältnis nationales Patent und europäisches Patent sowie nationales Patent und europä­ isches Patent mit einheitlicher Wirkung bei gleichzeitiger Beschränkung der parallelen Durchsetzung der Schutzrechte (sog. beschränkter Doppelschutz). Im Begleitgesetz wurde der dritten Option der Vorzug gegeben, wobei als Ausgleichsmechanismus die Einrede der doppelten Inanspruchnahme vorgesehen wurde. 62.  Die Argumente für und gegen den Doppelschutz können anhand des auf Savigny zurückgehenden Kanons der Auslegungsmethoden systematisiert werden, um optimale Rationalität in den Diskurs einzubringen. 63.  Terminologisch ist der Doppelschutz von der Kumulation abzugrenzen (s. o. unter Nr. 34). Hieraus lassen sich jedoch keine Rückschlüsse dahingehend ziehen, ob der Doppelschutz eingeführt werden sollte oder nicht. 64.  Aus der Historie lassen sich keine konkreten Schlüsse für oder gegen einen Doppelschutz ableiten. Das GPÜ 1975 und das GPatG 1979 sowie das GPÜ 1989 sahen ausdrücklich ein Doppelschutzverbot im Verhältnis des nationalen Patents zum europäischen Patent und zum Gemeinschaftspatent vor. Dieses wurde auf das Gebrauchsmusterrecht erstreckt. Auch der Verordnungsvorschlag der Kommission aus dem Jahr 2000 sieht in einer Regelung das Verbot des Doppelschutzes vor und in einer weiteren dessen entsprechende Anwendung auf das Gebrauchsmusterrecht. Solche konkreten Vorgaben enthält das Patentpaket gerade nicht. Außerdem enthalten die historischen Vorlagen keine Argumente für das Doppelschutzverbot. 65.  Systematische Argumente folgen aus dem EU-Acquis, dem Patentpaket und den Patentsystemen anderer EU-Mitgliedstaaten, die gleichzeitig EPÜ-Vertragsstaaten sind. Daneben sind größere Zusammenhänge in den Blick zu nehmen wie eine etwaige Störung des Gesamtsystems der Rechtsordnung, die im Kontext von Widerspruchsfreiheit und Einheit der Rechtsordnung sowie Systemklarheit thematisiert wird. 66.  Das Patentpaket enthält keine genauen Vorgaben hinsichtlich des Doppelschutzes bzw. des Doppelschutzverbots. Die EU-Mitgliedstaaten, die an der europäischen Patentreform teilnehmen, haben nach wie vor die Wahlfreiheit nach Artikel 139 Absatz 3 EPÜ. Demgegenüber gehen die Unionsmarkenverordnung und die Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung vom



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Doppelschutz aus, sehen aber Maßnahmen vor, um das Problem paralleler Verletzungsklagen zu regeln. Die Gemeinschaftssortenverordnung schreibt hingegen das Doppelschutzverbot vor (s. o., Nr. 50 ff., 57 ff.). 67. In anderen EU-Mitgliedstaaten wird der Doppelschutz im Verhältnis des nationalen Schutzrechts zum europäischen Patent schon jetzt vorgesehen. Außerdem wollen jedenfalls Österreich und Frankreich neben Deutschland den Doppelschutz im Zuge der europäischen Patentreform beibehalten bzw. einführen (s. o., Nr.  54 f.). 68.  Die Zuständigkeit unterschiedlicher Gerichtsbarkeiten, wie der nationalen und des EPG, birgt die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen. Diese Gefahr kann jedoch schwerlich völlig beseitigt werden. Letztlich ist der Rechtsanwender berufen, das Recht nach Möglichkeit widerspruchsfrei auszulegen und anzuwenden. Außerdem nimmt das EPGÜ die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen in gewissem Rahmen in Kauf, weil eine bis zu 14 Jahre andauernde Übergangszeit vorgesehen wird, während derer die nationalen Gerichte im Falle von europäischen Patenten angerufen werden können. 69.  Die Vermeidung von Widersprüchen ist die Kehrseite der Einheit der Rechtsordnung. Einheit und Widerspruchsfreiheit sind im Rahmen der Rechtssetzung und der Rechtsanwendung anzustreben und sind auf die Rechtsordnung bezogen. Die oben genannten systematischen Argumente zeigen, dass sich die Einführung des Doppelschutzes in die Einheit der Rechtsordnung einfügt, denn sie ist völkerrechts‑ und europarechtskonform. Außerdem spricht die Möglichkeit der Kumulation zwischen Gebrauchsmuster und europäischem Patent aus dem Blickwinkel der Einheit der Rechtsordnung ebenfalls für den Doppelschutz im Patentrecht. 70.  Doppelschutz führt zu Diversität. Diese steht zum einen für eine höhere Komplexität, was der Systemklarheit widerspricht und damit gegen den Doppelschutz spricht. Zum anderen befördert Diversität aber den Wettbewerb der Systeme. 71. Die nachfolgend dargestellten teleologischen Argumente haben bestimmte Ziele bzw. Interessen der Beteiligten zum Gegenstand oder sie beschäftigen sich mit den Auswirkungen des Doppelschutzes. 72.  Der Doppelschutz widerspricht nicht den Zielen der Patentreform. Das Argument, die Zielsetzung der Reform erschöpfe sich nicht darin, die Durchsetzung von Patenten zu verbessern, sondern es solle auch die Verteidigung gegen Patente verbessert werden, die zu Unrecht erteilt worden seien, wie sich aus dem 5. Erwägungsgrund ergebe, vermag bereits deswegen nicht zu überzeugen, weil sich der 5. Erwägungsgrund nicht auf nationale Patente bezieht. Die Vereinfachung der Verteidigung gegen europäische Patente und

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Zusammenfassung und Ergebnisse

europäische Patente mit einheitlicher Wirkung ist unabhängig von einem etwaigen doppelten Schutz durch nationale Patente zu sehen. 73.  Die Vorteile einer einheitlichen Gerichtsbarkeit werden nicht geschmälert, weil das EPGÜ selbst eine lange Koexistenz zwischen EPG und nationalen Gerichten in Ansehung europäischer Patente vorsieht. Die Wendung von „zu Unrecht“ erteilten Patenten ist zu unscharf und außerdem muss ein „zu Unrecht“ erteiltes europäisches Patent nicht zwingend ein „zu Unrecht“ erteiltes nationales Patent als Pendant haben. 74.  Soweit der Doppelschutz zu einer Mehrheit von Verfahren führt (Verletzung und Nichtigkeit) und die Verteidigung erschweren soll, so handelt es sich um eine Ausprägung des Arguments der Systemklarheit (s. o., Nr. 70). Eine Mehrheit von nationalen Nichtigkeitsverfahren stärkt im Übrigen das Bundespatentgericht. Und die Gefahr einer mehrfachen Inanspruchnahme wegen Patentverletzung kann mit der Einrede der doppelten Inanspruchnahme abgemildert werden. 75.  Das Argument, die Verbesserung des Rechtsschutzes durch das Patent­ reformpaket könne kein Grund dafür sein, das Doppelschutzverbot aufzuheben, ist nicht zielführend. Denn die Verbesserung des Rechtsschutzes ist nur eine etwaige Folge des EPG-Systems. Grund für die Einführung des Doppelschutzes ist aber – als weitere Folge der europäischen Patentreform – die Veränderung des Patentsystems an sich. 76. Das übergeordnete Ziel der Binnenmarktintegration spricht ebenfalls nicht gegen die Einführung des Doppelschutzes. Denn das Patentpaket äußert sich nicht ausdrücklich gegen den Doppelschutz. Außerdem zeigen die Unionsmarkenverordnung und die Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung, dass der doppelte Schutz durch Unionsschutzrechte und nationale Schutzrechte der Binnenmarktintegration nicht schadet. 77. Was die Interessen der Beteiligten betrifft, so eröffnet der Doppelschutz potentiellen Schutzrechtsinhabern mehr Schutzoptionen, was ihre Flexibilität und Entscheidungsfreiheit stärkt. Insbesondere müssen sie sich in einem Doppelschutz-System nicht von vorne herein für einen Schutzweg entscheiden, sondern sie können in das rein nationale Schutzsystem zurückkehren, wenn sie über ein paralleles nationales Patent verfügen. Dies ist im Falle eines Doppelschutzverbots nicht möglich. 78.  Die Anmeldung eines Gebrauchsmusters oder eine abgewandelte Fassung für ein nationales Patent können nicht gegen den Doppelschutz angeführt werden, weil es sich um Wege handelt, um das Doppelschutzverbot zu umgehen. Wenn das Doppelschutzverbot auf diese Weise umgangen werden kann, dann kann ein Doppelschutz auch nicht schaden. Die unterschiedliche Behandlung von Gebrauchsmustern und Patenten wirft im Hinblick auf den



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Doppelschutz eher Fragen auf, weil die Erfordernisse an die Erfindungshöhe nach der Rechtsprechung im Patent‑ und Gebrauchsmusterrecht vergleichbar sind. 79. Die Stärkung von Flexibilität und Entscheidungsfreiheit kommt den Innovationsträgern zugute. Soweit hiergegen eingewandt wird, Patentinhaber hätten kein berechtigtes Interesse am Bestand gleichartiger und gleichwertiger Ausschließlichkeitsrechte für die gleiche Erfindung, so ist dieses Argument nicht zielführend. Denn es mangelt an der Gleichartigkeit und Gleichwertigkeit der Schutzrechte. Eine Gleichwertigkeit ist zu verneinen, weil die europäischen und nationalen Schutztitel unterschiedlichen Gerichtsbarkeiten unterfallen (wenn keine Ausnahmeregelung greift). An der Gleichartigkeit fehlt es jedenfalls im Verhältnis des nationalen Patents zum europäischen Patent mit einheitlicher Wirkung aufgrund der unterschiedlichen territorialen Reichweite der Schutzrechte. 80. Die Einführung des Doppelschutzes führt zu einer Gefährdung der beklagten Partei in Gestalt der doppelten Inanspruchnahme wegen Patentverletzung. Dieser Gefahr kann mit Hilfe der Einrede der doppelten Inanspruchnahme begegnet werden. Sie stellt einen Schutzmechanismus der beklagten Partei dar und ist damit der Ausgleich für den Doppelschutz des Schutzrechtsinhabers. 81. Im Zusammenhang mit strukturellen Auswirkungen der Einführung des Doppelschutzes wird die Verkomplizierung der Rechtslage genannt. Hierbei handelte es sich schon um das Argument des historischen Gesetzgebers zugunsten des Doppelschutzverbots. Nun fehlt es aber an der Gleichartigkeit und Gleichwertigkeit der europäischen und der nationalen Schutzrechte. Der Gefahr der doppelten Inanspruchnahme als Ausprägung der Verkomplizierung der Rechtslage kann mittels der Einrede der doppelten Inanspruchnahme begegnet werden. Im Falle eines Doppelschutzverbots müssten außerdem die nationalen Gerichte über die entsprechenden Voraussetzungen entscheiden, was zu einer Verkomplizierung des nationalen Systems führen würde. Wegen der Verkomplizierung der Rechtslage als Kehrseite des Arguments der Systemklarheit wird auf Letzteres Bezug genommen (s. o., Nr. 70). 82.  Zu den strukturellen Auswirkungen zählen auch die Auswirkungen auf die heimische Industrie. Der Doppelschutz stärkt die Interessen der Innovationsträger und kommt damit ebenfalls kleinen und mittleren Unternehmen sowie insbesondere nationalen Anmeldern zugute. Die kleinen und mittleren Unternehmen werden außerdem durch die Einrede der doppelten Inanspruchnahme zusätzlich geschützt. 83. Die Möglichkeit des Doppelschutzes erhöht die Wahrscheinlichkeit einer größeren Anzahl von nationalen Patenten. Hieraus folgt aber nicht zwingend, dass der Doppelschutz auch die Gefahr von „Patentdickichten“

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erhöht, die eher branchenspezifisch ist. Sie wird im Übrigen abgeschwächt durch die Möglichkeit der Erhebung der Einrede der doppelten Inanspruchnahme. 84.  Der Hinweis auf nicht europäische Unternehmen, die die Möglichkeit des Doppelschutzes nutzen könnten, kann schwerlich gegen den Doppelschutz angeführt werden. Diese Unternehmen können auch heute das deutsche System frei nutzen – mit allen Umgehungsmöglichkeiten im Hinblick auf das Doppelschutzverbot. Für eine Verkomplizierung der Rechtslage wegen der Einführung des Doppelschutzes in zahlreichen EU-Mitgliedstaaten gibt es bislang keine Anhaltspunkte. Im Übrigen zeigt die derzeitige europäische Rechtslage, dass der Binnenmarkt durch parallele Schutzrechte nicht geschädigt wird. 85. Der Doppelschutz stärkt die nationale Jurisdiktion und das DPMA. Das Bundespatentgericht wird nach dem Inkrafttreten des EPGÜ weiter für die Nichtigerklärung der nationalen Patente zuständig sein (und je nach Ausübung der Ausnahmeregelungen auch für europäische Patente mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland). Die Existenz paralleler nationaler Patente stärkt dementsprechend das Bundespatentgericht. Der Umstand, dass das Bundespatentgericht seine Zuständigkeit für europäische Patente weitgehend verlieren wird, wenn das EPGÜ in Kraft tritt, ist eine Folge der Schaffung des EPG und steht nicht mit dem Doppelschutz im Zusammenhang. 86.  Der Vorschlag des (beschränkten) Doppelschutzes nach dem Begleitgesetz stellt einen Vorschlag der Mitte dar, denn es werden sowohl das natio­ nale System als auch das neue EPG-System gefördert. Auf der einen Seite wird ermöglicht, weiterhin nationale Patente zu erlangen. Auf der anderen Seite wird den Anmeldern ermöglicht, das neue System auszuprobieren, ohne sich von vorne herein für ein System entscheiden zu müssen. Artikel II § 8 Absatz 1 IntPatÜbkG-E setzt einen Anreiz dafür, nicht von der Ausnahmeregelung des Artikels 83 Absatz 3 EPGÜ Gebrauch zu machen, um den Doppelschutz nutzen zu können. Demgegenüber beschränkt das Doppelschutzverbot die Wahlmöglichkeiten, weil sich der Anmelder für ein System entscheiden muss. Dadurch wird ein System de facto zurückgedrängt, und zwar im Zweifel das nationale Patentsystem aufgrund der Beliebtheit des europä­ ischen Systems. 87. Der Doppelschutz fördert den Wettbewerb zwischen dem nationalen Patentsystem und dem EPG-System, weil die Anmelder die Freiheit haben, sich für eines dieser Systeme zu entscheiden. Dies führt wiederum dazu, dass beide Patentsysteme mit der Zeit verbessert werden. 88. Die temporalen Argumente sprechen für den Doppelschutz: Da ein neues Patentsystem eingeführt wird, das bislang nicht bekannt und nicht erprobt ist, sollte den Anmeldern mehr Flexibilität und Wahlfreiheit belassen



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werden, um sich auf die neue Situation einstellen zu können. Durch die gleichzeitige Einführung des (beschränkten) Doppelschutzes wird das neue EPG-System behutsam eingeführt und es kommt nicht zu einer „scharfen“ Umstellung wie dies bei geltendem Doppelschutzverbot der Fall wäre. 89.  Insgesamt kann festgehalten werden, dass sich aus der Terminologie und der Historie keine Schlüsse für oder gegen den Doppelschutz ableiten lassen. Die Historie zeigt aber, dass anders als bei früheren Vorhaben das Patentpaket keine eindeutigen Vorgaben zugunsten oder zulasten des Doppelschutzes enthält. 90. Folgende systematische und teleologische Argumente sind neutral bzw. sprechen nicht gegen die Einführung des Doppelschutzes: – der offene Rechtsrahmen, weil es keine eindeutigen Vorgaben im Patentpaket zugunsten oder zulasten des Doppelschutzes gibt, – die Wahlfreiheit der an der verstärkten Zusammenarbeit teilnehmenden EU-Mitgliedstaaten nach Artikel 139 Absatz 3 EPÜ, – die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen auf nationaler und auf EPGEbene, die deswegen nicht gegen den Doppelschutz spricht, weil diese Gefahr auch während der längstens 14 Jahre andauernden Übergangszeit besteht und letztlich der Rechtsanwender berufen ist, das Recht nach Möglichkeit widerspruchsfrei auszulegen und anzuwenden, – der Doppelschutz widerspricht nicht den Zielen der europäischen Patentreform und auch nicht dem Ziel der Binnenmarktintegration, – das Erfordernis, nationale Patente gesondert angreifen zu müssen, um eine Nichtigerklärung zu erzielen, spricht nicht gegen den Doppelschutz, denn der Angriff ist bei parallelen Schutzrechten vergleichbar und die Existenz paralleler nationaler Patente stärkt das Bundespatentgericht, – die Verbesserung des Rechtsschutzes durch die europäische Patentreform spricht nicht gegen den Doppelschutz, denn hierbei handelt es sich allenfalls um eine Folge der Patentreform, die Einführung des Doppelschutzes ist aber auf die Veränderung des Patentsystems im Zuge der Reform zurückzuführen. 91. Folgende systematische und teleologische Argumente sprechen zunächst gegen den Doppelschutz: – Doppelschutz bedeutet Diversität und damit auch Komplexität, u. a. in Gestalt der Verkomplizierung der Rechtslage, was der Systemklarheit widerspricht, – Doppelschutz ermöglicht eine Mehrheit an Verletzungsverfahren vor natio­ nalen Gerichten und dem EPG, was die Verteidigung auf Beklagtenseite erschwert,

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– Gefahr der doppelten Inanspruchnahme der beklagten Partei in Verletzungsverfahren. 92.  Die beiden letzten Argumente lassen sich durch die Einführung eines Schutzmechanismus in Verletzungsverfahren für die Beklagtenseite entkräften. Ein solcher Schutzmechanismus ist in der Einrede der doppelten Inanspruchnahme laut Begleitgesetz zu sehen. 93.  Für den Doppelschutz sprechen die folgenden systematischen, teleologischen und temporalen Argumente: – die bereits bestehenden Doppelschutzsysteme in einigen EPÜ-Vertragsstaaten und die avisierte Fort‑ bzw. Einführung des Doppelschutzes im Zuge der europäischen Patentreform in Österreich und Frankreich, – die Einheit der Rechtsordnung, die bei Einführung des Doppelschutzes gewahrt bleibt, weil Letztere völkerrechts‑ und europarechtskonform ist, außerdem spricht die mögliche Kumulation von Gebrauchsmustern und europäischen Patenten aus dem Blickwinkel der Einheit der Rechtsordnung für den Doppelschutz, – Stärkung von Flexibilität und Entscheidungsfreiheit der Schutzrechtsinhaber, – Stärkung der Interessen der Innovationsträger, was auch kleinen und mittleren Unternehmen und insbesondere nationalen Anmeldern zugutekommt, – Stärkung der nationalen Rechtsprechung und der nationalen Erteilungsbehörde DPMA, – die Einführung des Doppelschutzes stellt einen Vorschlag der Mitte dar, der sowohl dem „alten“ als auch dem „neuen“ System zugutekommt, – die Förderung des Wettbewerbs durch die Eröffnung der Möglichkeit, parallele Schutzrechte auf nationaler und europäischer Ebene zu erlangen und durchzusetzen, was wiederum auf längere Sicht zu einer Verbesserung der nationalen Systeme und des europäischen Systems führt, – die Einführung eines neuen, bislang unbekannten und nicht erprobten Patentsystems spricht dafür, den Anmeldern mehr Flexibilität und Wahlfreiheit zu belassen, – wegen des Doppelschutzes wird das neue EPG-System behutsam eingeführt und es kommt nicht zu einer „scharfen“ Umstellung wie bei einem Doppelschutzverbot. 94. Den beiden letzten, temporalen Argumenten kommt besonderes Gewicht zu, weil das EPG-System völlig neu und nicht erprobt ist. Besonders wichtig ist auch, dass die Einführung des Doppelschutzes einen Vorschlag der Mitte darstellt und dass dieser Vorschlag den Wettbewerb der Systeme



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fördert. Dies wird gerade in der Anfangsphase des neuen Systems zu einer Verbesserung sowohl der nationalen Systeme als auch des EPG-Systems führen. Deswegen tritt das Argument der Diversität bzw. Komplexität aufgrund des Doppelschutzes in den Hintergrund. 95. Werden die neutralen Argumente mitberücksichtigt sowie die Beschränkung des Doppelschutzes zum Schutze der Beklagtenseite durch die Einführung der Einrede der doppelten Inanspruchnahme, so sprechen mehr und die besseren Argumente für die Einführung des (beschränkten) Doppelschutzes. Kapitel 3: Einrede der doppelten Inanspruchnahme 96. Die im Begleitgesetz vorgeschlagene Einrede der doppelten Inanspruchnahme soll nach Möglichkeit verhindern, dass eine beklagte Partei aus zwei Schutztiteln, einem nationalen und einem europäischen (europäisches Patent oder europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung), die dieselbe Erfindung betreffen, in Anspruch genommen wird. 97.  Erfasst werden insbesondere Konstellationen, in denen während eines Verfahrens vor dem EPG oder nach dessen Abschluss ein nationales Verfahren aus dem nationalen Schutztitel angestrengt wird. Erfasst werden ebenfalls Fälle, in denen während eines laufenden nationalen Verfahrens ein Verfahren vor dem EPG auf der Grundlage des parallelen europäischen Schutztitels angestrengt wird. 98. Einzig in der Situation, in der das nationale (Erkenntnis‑)Verfahren abgeschlossen ist und sodann dasjenige vor dem EPG angestrengt wird, ist die (nationale) Einrede der doppelten Inanspruchnahme wenig zielführend. Hier wird es dem EPG obliegen, eine Lösung für das europäische Verfahren zu finden. Der nationale Gesetzgeber ist insoweit nicht handlungsbefugt. 99. Eine analoge Anwendung des Artikels II § 18 IntPatÜbkG-E kommt in der Fallkonstellation in Betracht, in der ein Verletzungsverfahren aus einem europäischen Patent vor einem nationalen Gericht unter Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung des Artikels 83 Absatz 1 EPGÜ angestrengt wird und parallel oder nachgeschaltet ein Verletzungsverfahren aus dem nationalen Patent eingeleitet wird. Es handelt sich nämlich um den klassischen Fall einer doppelten Inanspruchnahme aus zwei parallelen Schutzrechten, die mittels der Einrede verhindert werden soll. 100. Die Anpassung der zwangsvollstreckungsrechtlichen Vorschriften, insbesondere des § 767 ZPO, um der Einrede der doppelten Inanspruchnahme nach Abschluss des nationalen Erkenntnisverfahrens im Rahmen des Zwangsvollstreckungsverfahrens Geltung zu verschaffen, erscheint systemfremd.

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Zusammenfassung und Ergebnisse

Dies ist auch nicht erforderlich, da die Erhebung der Einrede angesichts des Wortlauts des Artikels II § 18 Absatz 1 Nr. 3 IntPatÜbkG-E und der Aussetzungsmöglichkeit nach Absatz 2 dieser Vorschrift nicht nur in der ersten Instanz möglich ist. Eine Erweiterung des Anwendungsbereichs der Restitu­ tionsklage nach § 580 ZPO scheidet mangels Vergleichbarkeit aus. 101. Die Einrede der doppelten Inanspruchnahme zeichnet sich durch folgende Merkmale aus: 102.  Die Einrede ist als eine prozesshindernde Einrede ausgestaltet. Sie ist an die Erhebung einer Rüge geknüpft, damit verzichtbar und präklusionsbedroht. 103.  Das Merkmal der Verzichtbarkeit erschöpft sich in dem Unterlassen der Erhebung der Einrede. Ob der Verzicht auf die Erhebung der Einrede der doppelten Inanspruchnahme eine Prozesshandlung darstellt, hängt vom Einzelfall ab. Erfolgt das Unterlassen während eines gerichtlichen Verfahrens und ist es Ausdruck eines bewussten Willensakts und nicht nur ein bloßes Unterbleiben der Einredeerhebung, dann handelt es sich bei dem Unterlassen um eine Prozesshandlung. In dem Verzicht auf die Erhebung der Einrede der doppelten Inanspruchnahme ist kein eigenständiges Rechtsinstitut eigener Art zu sehen. 104.  Die Einrede der doppelten Inanspruchnahme ist im Begleitgesetz als verzichtbare prozesshindernde Einrede ausgestaltet und damit als ein prozessuales Instrument. Ein solches prozessuales Instrument ist einem materiellrechtlichen Instrument vorzuziehen: Die prozesshindernde Einrede schützt die beklagte Partei hinreichend vor einer doppelten Inanspruchnahme. Gleichzeitig stellt sie sicher, dass das nationale gerichtliche Verfahren nicht unnötig aufgebläht wird. Die anspruchsvolle und umfangreiche Prüfung der Einrede durch die Gerichte erfolgt nämlich nicht von Amts wegen, sondern nur auf Rüge hin. Die Einrede der doppelten Inanspruchnahme gibt den Parteien die größtmögliche Flexibilität. Aufgrund des Anwaltszwangs in Patentstreitsachen ist die beklagte Partei in ihrer Entscheidungsfindung nicht auf sich alleine gestellt, sondern erhält einen fachkundigen Rat. 105. Als prozessuales Instrument ist die Einrede der doppelten Inanspruchnahme weniger einschneidend im Vergleich zu einem materiell-rechtlichen Instrument. Denn sie berührt nicht das Schutzrecht an sich, sondern lediglich seine Durchsetzbarkeit in einer genau tatbestandlich festgelegten Situation. Die Einrede fügt sich besser in das bestehende systematische zivilprozessuale und patentrechtliche Gefüge ein. Die nationale Klage wird durch Prozessurteil mit eingeschränkter Rechtskraftfolge abgewiesen. 106. Eine Einschränkung des strafrechtlichen Schutzes nach § 142 PatG ist nicht angezeigt. Denn die Einrede schränkt lediglich die Durchsetzbarkeit



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eines nationalen Patentrechts ein und berührt nicht dessen Wirkung. Sie soll eine doppelte Inanspruchnahme verhindern. Wird eine Patentverletzung verwirklicht, dann verbleibt es bei diesem Unrecht. 107.  Zu den sachlichen Merkmalen der Einrede der doppelten Inanspruchnahme zählen: zwei im Wesentlichen identische bzw. parallele Schutzrechte und zwei Verfahren wegen Verletzung oder drohender Verletzung eines nationalen Patents und eines europäischen Schutzrechts durch die gleiche Ausführungsform. 108.  Artikel II § 18 Absatz 1 Nr. 1 IntPatÜbkG-E setzt zwei im Wesentlichen identische bzw. parallele patentrechtliche Schutzrechte voraus: ein deutsches Patent und ein europäisches Patent mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland oder ein europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung, das auch Deutschland erfasst. Die (weitgehende – „soweit“) Deckungsgleichheit bezieht sich auf den Schutzbereich der Patente, und zwar den konkreten Schutzbereich in Ansehung einer bestimmten angegriffenen Ausführungsform. Die Schutzrechte müssen außerdem demselben Erfinder oder dessen Rechtsnachfolger erteilt worden sein. Außerdem müssen die parallelen Schutzrechte prioritätsgleich sein. 109. Die Bezugnahme auf Verletzungsverfahren hat zur Folge, dass die Einrede nicht im Nichtigkeitsverfahren erhoben werden kann und dass die negative Feststellungsklage die Einredesituation nicht auslösen kann. 110.  Eine analoge Anwendung des Artikels II § 18 Absatz 1 ­IntPatÜbkG-E kommt insbesondere in den Fällen in Betracht, in denen im nationalen Verfahren eine negative Feststellungsklage rechtshängig ist und in der Folge eine Verletzungswiderklage erhoben wird sowie im EPG-Verfahren das pa­ rallele europäische Schutzrecht durchgesetzt wird oder einer Klage zur Feststellung der Nichtverletzung eine Verletzungsklage entgegengehalten wird. 111.  Klagen wegen Verletzung oder drohender Verletzung eines deutschen Patents sind insbesondere solche, die folgende Ansprüche zum Gegenstand haben: – Unterlassungsanspruch nach § 139 Absatz 1 PatG, – Schadensersatzanspruch nach § 139 Absatz 2 PatG – inklusive des Anspruchs auf Feststellung der Schadensersatzpflicht dem Grunde nach, – (originärer) Bereicherungsanspruch, der auf einer Patentverletzung beruht, und Rest-Schadensersatzanspruch nach § 141 Satz 2 PatG i. V. m. § 852 Satz 1 BGB, – Ansprüche auf Vernichtung nach § 140a Absatz 1 und 2 PatG und auf Rückruf, § 140a Absatz 3 PatG, – Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung, § 140b PatG sowie §§ 242, 259 BGB,

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Zusammenfassung und Ergebnisse

– Anspruch auf Vorlage von Bank-, Finanz- und Handelsunterlagen gem. § 140d PatG. 112. Die seltenen Klagen, die Vorlage‑/Besichtigungsansprüche nach § 140c PatG sowie §§ 809, 810 BGB zum Gegenstand haben, stellen keine nationalen Verletzungsklagegen im Sinne des Artikels II § 18 IntPatÜbkG-E dar. Dies gilt auch für Klagen, die auf einen Entschädigungsanspruch nach § 33 PatG gestützt sind. 113. Verletzungsklagen vor dem EPG gem. Artikel II § 18 Absatz 1 Nr. 2 IntPatÜbkG-E haben Ansprüche zum Gegenstand, die auf Folgendes gerichtet sind: – endgültige Verfügungen nach Artikel 63 EPGÜ, – Abhilfemaßnahmen im Rahmen von Verletzungsverfahren, Artikel 64 ­EPGÜ, – Anordnungen zur Erteilung einer Auskunft nach Artikel 67 EPGÜ und – die Zuerkennung von Schadensersatz, Artikel 68 EPGÜ. 114. Nicht erfasst werden hingegen Ansprüche auf Anordnung der Beweisvorlage nach Artikel 59 EPGÜ, auf Anordnung der Beweissicherung und der Inspektion von Räumlichkeiten sowie auf Entschädigung aufgrund des vorläufigen Schutzes, den eine veröffentlichte Anmeldung eines europä­ ischen Patents gewährt. 115. Artikel II § 18 Absatz 1 IntPatÜbkG-E setzt keine Parallelität der Anspruchsarten zwischen der nationalen Verletzungsklage und derjenigen vor dem EPG voraus. Dies wäre mit dem Sinn und Zweck der Einrede, eine doppelte Inanspruchnahme zu vermeiden, nicht vereinbar, da die Einrede ausgehöhlt würde. 116.  Die Bestimmung der Rechtshängigkeit nach Artikel II § 18 Absatz 1 Nr. 2 IntPatÜbkG-E, einer nationalen Vorschrift, erfolgt anhand der ZPO, aber mit Blick auf das EPG. Die ZPO setzt für die Rechtshängigkeit die Zustellung der Klageschrift bzw. des Schriftsatzes oder die Geltendmachung des Anspruchs in der mündlichen Verhandlung voraus. Rechtshängigkeit der Klage vor dem EPG nach Artikel II § 18 Absatz 1 Nr. 2 IntPatÜbkG-E ist mithin dann anzunehmen, wenn diese nach den Regeln der Verfahrensordnung des EPG zugestellt worden ist. Dies begegnet keinen Bedenken, da die Verfahrensordnung des EPG ohnehin dem EU-Recht entsprechen muss. 117.  Grenze der Rechtshängigkeit ist die formelle Rechtskraft. Rechtshängigkeit im Sinne des Artikels II § 18 Absatz 1 Nr. 2 IntPatÜbkG-E endet mithin mit der formellen Rechtskraft der Entscheidungen des EPG. Hierbei sind Artikel 73 und 21 EPGÜ zu beachten. Ob das EPG eine Entscheidung in der Sache getroffen hat, die in Rechtskraft erwachsen ist, ist nicht erheblich.



Zusammenfassung und Ergebnisse225

118. Die Verletzungsverfahren vor dem nationalen Gericht und vor dem EPG müssen eine Verletzung durch die gleiche Ausführungsform zum Gegenstand haben. Unter „gleich“ ist nicht nur die identische Ausführungsform zu verstehen. Vielmehr ist – unter Heranziehung der Grundsätze zur Bestimmung des Streitgegenstandes – danach zu fragen, ob im Kern die gleiche angegriffene Ausführungsform Gegenstand des nationalen wie des EPGVerfahrens ist bzw. war, es sich also in beiden Fällen um einen einheitlichen Lebensvorgang handelt. Auf die Art der Verletzung – wortsinngemäß oder äquivalent – kann es dabei nicht ankommen. 119.  Kontrollüberlegung bei der Bestimmung der gleichen angegriffenen Ausführungsform ist die Frage, ob die angegriffene Ausführungsform aus dem EPG-Verfahren Gegenstand eines neuen nationalen Verfahrens sein könnte. Bei Bejahung spricht dies gegen eine gleiche angegriffene Ausführungsform im Sinne des Artikels II § 18 Absatz 1 Nr. 2 IntPatÜbkG-E. 120.  In persönlicher Hinsicht setzt Artikel II § 18 Absatz 1 IntPatÜbkG-E eine Personenidentität auf Beklagtenseite in dem nationalen und dem EPGVerfahren voraus. Auf Klägerseite wird eine Personenidentität nicht gefordert, so dass auch das Vorgehen durch sonstige Berechtige bzw. Rechtsnachfolger erfasst wird. 121.  Hiervon zu unterscheiden ist das Erfordernis der Ursprungsgleichheit des nationalen und des europäischen Schutztitels, wie es in Artikel II § 18 Absatz 1 Nr. 1 IntPatÜbkG-E verankert ist. Die Ursprungsgleichheit fordert u. a., dass die europäischen Schutzrechte im Vergleich zum deutschen Patent demselben Erfinder oder seinem Rechtsnachfolger erteilt worden sind. Die Ursprungsgleichheit, die auch weitere Bezugspunkte aufweist, stellt sicher, dass ein Fall des Doppelschutzes vorliegt. 122.  Die doppelte Inanspruchnahme muss spätestens in dem ersten Termin nach Entstehung der Einrede vor Beginn der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache gerügt werden. Die Rügeobliegenheit stellt das Hauptmerkmal der prozesshindernden Einrede dar und damit auch der Einrede der doppelten Inanspruchnahme. Nach dem in Artikel II § 18 Absatz 1 Nr. 3 IntPatÜbkG-E genannten Zeitpunkt tritt Präklusion ein. Die Rügeerhebung ist aber nicht auf die erste Instanz begrenzt. Artikel II § 18 Absatz 1 Nr. 3 IntPatÜbkG-E stellt eine Sondervorschrift zu den allgemeinen Präklusionsvorschriften dar. 123.  Die Rechtsfolge des Artikels II § 18 Absatz 1 IntPatÜbkG-E besteht darin, dass die nationale Verletzungsklage als unzulässig abzuweisen ist, soweit das nationale und das europäische Schutzrecht in Ansehung ihrer Schutzbereiche deckungsgleich sind. 124.  Weitere Besonderheiten im Zusammenhang mit der Einrede der doppelten Inanspruchnahme werden in Artikel II § 18 Absätze 2 bis 4 aufgezeigt.

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Absatz 2 bezieht sich auf eine Aussetzungsmöglichkeit, Absatz 3 hat ergänzende Schutzzertifikate zum Gegenstand und Absatz 4 behandelt vorläufige oder sichernde Maßnahmen. 125. Nach Artikel II § 18 Absatz 2 kann das Gericht im Falle der Erhebung der Einrede der doppelten Inanspruchnahme anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Verfahrens vor dem EPG auszusetzen sei. Die Vorschrift dient der Rechtssicherheit, da es nicht erforderlich ist, auf § 148 ZPO zurückzugreifen. 126.  Die Anwendung des § 148 ZPO begegnet verschiedenen Bedenken: Fraglich ist zunächst, ob § 148 ZPO angesichts eines weiteren Verfahrens vor dem EPG überhaupt direkt angewandt werden könnte. Aussetzungstatbestände der Verordnung (EU) 1215/2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil‑ und Handelssachen gehen § 148 ZPO vor, so dass sie die Anwendung des § 148 ZPO auf Gerichte, die der Verordnung unterfallen, schwerlich rechtfertigen können. Im Übrigen greift die Verordnung nicht. 127. Zweifelhaft ist ferner die Vorgreiflichkeit. § 148 ZPO setzt voraus, dass die Entscheidung des Rechtsstreits durch das auszusetzende Gericht von einem Rechtsverhältnis abhängt, das Gegenstand z. B. eines anderen anhängigen Rechtstreits bildet. Als Rechtsverhältnis kommt die Verletzung des europäischen Schutztitels in Betracht. Aber das nationale Verfahren hängt nicht vom Bestehen oder Nichtbestehen dieser Verletzung ab, sondern davon, ob das Verletzungsverfahren vor dem EPG durch die gleiche Ausführungsform rechtshängig ist oder das EPG eine rechtskräftige Entscheidung getroffen hat. Das Rechtsverhältnis kann auch deswegen in Zweifel gezogen werden, weil Bezugspunkt des nationalen Verfahrens und des EPG-Verfahrens unterschiedliche Schutzrechte sind. 128.  Laut Begleitgesetz können die nationalen Gerichte das Verfahren in allen Instanzen aussetzen, um dem Einzelfall gerecht zu werden. Dies ist insbesondere dann relevant, wenn das Vorliegen der Voraussetzungen der Einrede noch nicht endgültig feststeht. In Betracht kommen Konstellationen, in denen das EPG prüfen muss, ob eine Ausnahmeregelung nach Artikel 83 Absatz 3 EPGÜ (Opt-out) wirksam in Anspruch genommen wurde oder nach Artikel 83 Absatz 1 EPGÜ, so dass ein nationales Gericht zuständig ist. 129.  Artikel II § 18 Absatz 3 EPGÜ besagt, dass die Absätze 1 und 2 der Vorschrift für ergänzende Schutzzertifikate entsprechend gelten. Ergänzende Schutzzertifikate sind eigenständige Schutzrechte, die einen ergänzenden Erzeugnisschutz für Arzneimittel und Pflanzenschutzmittel einräumen. Sie knüpfen an ein Grundpatent an und ihr Schutz schließt sich unmittelbar an den Ablauf des Grundpatents an. Ergänzende Schutzzertifikate stellen natio-



Zusammenfassung und Ergebnisse227

nale Schutztitel dar. Sie unterliegen nationalem Recht sowie Unionsrecht. Maßgeblich sind insoweit die Verordnung (EG) Nr. 469/2009 über das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel und die Verordnung (EG) Nr. 1610/96 über das ergänzende Schutzzertifikat für Pflanzenschutzmittel. Die Verordnung (EG) Nr. 1901/2006 über Kinderarzneimittel ermöglicht die (einmalige) sechsmonatige Verlängerung der sonst maximal fünf Jahre dauernden Laufzeit eines ergänzenden Schutzzertifikats. 130. Die Erwägungsgründe der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 und der Verordnung (EG) Nr. 1610/96 zeigen den Sinn und Zweck ergänzender Schutzzertifikate: Durch den Zeitraum zwischen der Einreichung einer Patentanmeldung für ein Arzneimittel bzw. ein neues Pflanzenschutzmittel und der Genehmigung für dessen Inverkehrbringen werde der tatsächliche Patentschutz auf eine Laufzeit verringert, die für die Amortisierung der in der Forschung vorgenommenen Investitionen unzureichend sei, was zu einem unzureichenden Schutz führe, der nachteilige Auswirkungen auf die pharmazeutische Forschung bzw. die Pflanzenschutzforschung habe (Erwägungsgründe 4. und 5. bzw. 5. und 6.). Ein ergänzendes Schutzzertifikat verzögert im Übrigen den Markteintritt von Generika und den hierdurch ausgelösten Preiswettbewerb. 131. Auf nationaler Ebene sind für ergänzende Schutzzertifikate §§ 16a, 49a PatG relevant. Nach Artikel II § 6a IntPatÜbkG erteilt das DPMA nach § 49a PatG auch ergänzende Schutzzertifikate für die mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patente. Anknüpfungsvorschrift für die Erteilung ergänzender Schutzzertifikate ist im EPÜ Artikel 63 Absatz 2 lit. b) EPÜ. 132.  Darüber hinaus sieht Artikel 63 Absatz 3 EPÜ vor, dass Absatz 2 der Vorschrift auf die für eine Gruppe von Vertragsstaaten im Sinne des Artikels 142 EPÜ gemeinsam erteilten europäischen Patente entsprechend anzuwenden ist. In Absatz 4 wird den Vertragsstaaten die Möglichkeit eingeräumt, das EPA mit der Aufgabe der Erteilung von Schutzzertifikaten zu beauftragen. Hiervon wurde bislang kein Gebrauch gemacht. 133. Das Patentpaket sieht ein ergänzendes Schutzzertifikat mit einheit­ licher Wirkung nicht vor, das EPGÜ erwähnt ergänzende Schutzzertifikate gleichwohl an verschiedenen Stellen (Artikel 2 lit. h); 3 lit. b); 30; 32; 83 EPGÜ). Die an der verstärkten Zusammenarbeit teilnehmenden EU-Mitgliedstaaten haben davon abgesehen, dem EPA die Aufgabe der Erteilung von ergänzenden Schutzzertifikaten zu übertragen. Artikel 9 der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 weist eine solche Aufgabe nicht aus. Die EU-Mitgliedstaaten, die an der europäischen Patentreform teilnehmen, gehen gleichwohl davon aus, dass ergänzende Schutzzertifikate auf der Grundlage eines europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung erteilt werden können, wie sich

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Zusammenfassung und Ergebnisse

aus Regel 16 Absatz 1 lit. v) der Durchführungsordnung zum einheitlichen Patentschutz ergibt. 134. Eine solche Erteilung kann – mangels gesonderter Bestimmungen oder einer Aufgabenzuteilung an das EPA – nur national erfolgen. Hiervon geht auch das Begleitgesetz aus und dies wird bestätigt durch Regel 16 Absatz 1 lit. v) der Durchführungsordnung zum einheitlichen Patentschutz und Regel 5 Absatz 2 lit. d) VerfO EPG. 135. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass europäische Patente mit einheitlicher Wirkung im Grundsatz europäische Patente darstellen und als solche Grundpatente nach der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 und der Verordnung (EG) Nr. 1610/96 sein können. Die Zertifikatsanmeldung ist nach den Verordnungen bei den nationalen Erteilungsbehörden einzureichen. Und das EPGÜ definiert ergänzende Schutzzertifikate anhand der genannten Verordnungen (Artikel 2 lit. h) EPGÜ). 136. Die national erteilten ergänzenden Schutzzertifikate auf der Grundlage eines europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung gelten nur national, d. h. bei Erteilung durch das DPMA für Deutschland. Dieses Verständnis liegt dem Begleitgesetz zugrunde und wird in der Wissenschaft geteilt. Eine weitreichendere Erteilung durch eine nationale Behörde würde die Souve­ ränität der anderen EU-Mitgliedstaaten verletzen. Denn diese haben dem korrespondierenden Souveränitätsverlust weder in der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 noch in anderen Rechtsakten zugestimmt. 137. Da es sich bei den ergänzenden Schutzzertifikaten um nationale Schutzrechte handelt, sind Artikel 30 EPGÜ sowie weitere Vorschriften des Patentpakets dahingehend teleologisch zu reduzieren, dass das national erteilte ergänzende Schutzzertifikat auf Grundlage des europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung nur im Gebiet der erteilenden Behörde seinen Schutz entfaltet. Gleiches gilt für ergänzende Schutzzertifikate, die auf der Grundlage eines europäischen Patents erteilt wurden. 138. Für den Widerruf der Verlängerung der Laufzeit eines ergänzenden Schutzzertifikats nach Artikel 16 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 ist ebenfalls das DPMA zuständig, unabhängig davon, ob es sich bei dem Grundpatent um ein europäisches Patent oder ein europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung handelt. 139.  Die Kommission prüft die Einführung eines ergänzenden Schutzzertifikats mit einheitlicher Wirkung als Schutzrecht sui generis. Hierbei ist zu klären, welche Behörde für ein solches Schutzrecht zuständig wäre. In Betracht kommt eine EU-Institution – bestehend (EUIPO, EMA, CPVO) oder neu zu schaffen – sowie das EPA. Diskutiert wird auch der Einsatz eines sog. „virtual office“, in dem Experten der nationalen Erteilungsbehörden zusammenarbeiten würden und das an eine EU-Institution angegliedert sein könnte.



Zusammenfassung und Ergebnisse229

140. Die Entscheidungen der EU-Institution bzw. des „virtual office“ müssten vor dem EuG bzw. dem EuGH in weiterer Instanz angegriffen werden. Dies würde mit der Konzeption des EPG als einheitlichem Gericht mit weitereichender Zuständigkeit, teilweise auch für ergänzende Schutzzertifikate, nicht korrespondieren. 141.  Sollte das EPA mit der Erteilungsaufgabe betraut werden, so müssten die an der verstärkten Zusammenarbeit teilnehmenden Mitgliedstaaten dem EPA entsprechende Befugnisse mittels eines Abkommens mit der Europä­ ischen Patentorganisation nach Artikel 63 Absatz 4 EPÜ übertragen. In der Folge wäre außerdem entweder Artikel 9 der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 zu ergänzen, eine neue unionsrechtliche Vorschrift zu schaffen bzw. Artikel 32 EPGÜ anzupassen. 142.  Im Zusammenhang mit einem einheitlichen ergänzenden Schutzzertifikat stellen sich außerdem inhaltliche Fragen, insbesondere bezogen auf Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 und der Verordnung (EG) Nr. 1610/96. Als Grundpatent im Sinne des Artikels 3 der Verordnungen kommt nur ein europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung infrage. 143. Als Genehmigung im Sinne von Artikel 3 lit. b) der Verordnungen kommen entweder eine europäische Genehmigung oder nationale Genehmigungen in Betracht. Da das zentralisierte Verfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 nicht für alle Arzneimittelerzeugnisse gilt und es gar kein vergleichbares Verfahren im Bereich der Pflanzenschutzmittel gibt, sollten vorerst nationale Genehmigungen als Grundlage für die Erteilung einheit­ licher ergänzender Schutzzertifikate genügen. Dies zieht weitere Folgefragen nach sich. Konsequenter wäre die Anpassung bzw. Schaffung von Vorschriften zur Erteilung europäischer Genehmigungen, auch für Pflanzenschutzmittel, und die Zulassung einheitlicher ergänzender Schutzzertifikate nur auf dieser Grundlage. 144. Artikel II § 18 Absatz 3 IntPatÜbkG-E schreibt nicht im Einzelnen vor, ob das ergänzende Schutzzertifikat nur im nationalen Verfahren oder nur im EPG-Verfahren oder in beiden streitgegenständlich ist. Folgende Fallgestaltungen sind zu unterscheiden: (1) nationales Verfahren: nationales ergänzendes Schutzzertifikat auf Grundlage eines nationalen Patents; EPG-Verfahren: europäisches Patent oder europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung; (2) nationales Verfahren: nationales Patent, EPG-Verfahren: nationales ergänzendes Schutzzertifikat auf der Grundlage eines europäischen Patents oder eines europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung; (3) nationales Verfahren: nationales ergänzendes Schutzzertifikat auf Grundlage eines nationalen Patents, EPG-Verfahren: nationales ergänzendes

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Zusammenfassung und Ergebnisse

Schutzzertifikat auf der Grundlage eines europäischen Patents oder eines europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung. 145. Die dritte Konstellation dürfte nicht auftreten: Nach Artikel 3 Absatz 2 Satz 1 der Verordnung (EG) 1610/96 dürfen einem Inhaber, der über mehrere Patente für dasselbe Erzeugnis verfügt, nicht mehrere Zertifikate für dieses Erzeugnis erteilt werden. Sind zwei oder mehr Anmeldungen von zwei oder mehr Inhabern unterschiedlicher Patente für dasselbe Erzeugnis anhängig, so kann jedem Inhaber ein Zertifikat für dieses Erzeugnis erteilt werden, Satz 2. In der ersten und zweiten Konstellation besteht hingegen das Bedürfnis nach einem Schutzmechanismus in Gestalt der Einrede der doppelten Inanspruchnahme. Dies erklärt die Vorschrift des Artikels II § 18 Absatz 3 IntPatÜbkG-E. 146.  Vorläufige und sichernde Maßnahmen werden aus dem Anwendungsbereich der Einrede der doppelten Inanspruchnahme herausgenommen, Artikel II § 18 Absatz 4 IntPatÜbkG-E. Dies gilt auch dann, wenn nur in einem Verfahren (national oder vor dem EPG) vorläufige oder sichernde Maßnahmen beantragt werden. Hierdurch soll verhindert werden, dass der durch Schnelligkeit gekennzeichnete einstweilige Rechtsschutz beeinträchtigt wird. 147. Vergleichbare Regelungen sind aus Artikel 136 Absatz 4 UMV und Artikel 95 Absatz 4 GGV bekannt. Eine ähnliche Herangehensweise mit Blick auf einstweilige und sichernde Maßnahmen ist auch im Zusammenhang mit der prozesshindernden Einrede nach § 1032 ZPO bekannt (§§ 1033, 1041 Absatz 1 Satz 1 ZPO). 148. Der Antragsteller in einem nationalen einstweiligen Verfügungsverfahren muss das Schicksal des parallelen europäischen Schutzrechts mit bedenken, um nicht über §§ 926, 936 ZPO in die Einredesituation zu geraten. Hierbei handelt es sich um die gleichen Erwägungen, die er als Nutznießer des Doppelschutzes anstellen muss, bevor er oder ein anderer Berechtigter ein Hauptsacheverfahren aus dem nationalen Patent einleitet.

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Stichwortverzeichnis Argumente für und gegen Doppelschutz –– Abwägung  127–129 –– Anpassung an die neue Rechtslage  126 f. –– Auswirkungen auf die Beteiligten  112–115 –– Auswirkungen auf die Industrie  117–119, 124 –– Auswirkungen auf die Institutionen  119 f., 124 f. –– Binnenmarktintegration  111 f., 123 –– Einheit der Rechtsordnung  106 f., 108 –– Flexibilität und Entscheidungsfreiheit  112 f. –– Gebrauchsmuster  107, 108, 123 –– Gefährdung des Beklagten  115, 124 –– Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen  105 f. –– gleichartige und gleichwertige Schutzrechte  114, 116, 124 –– historische Argumente  100–103 –– Interessen des Innovationsträgers  114 f. –– Komplexität  108, 109, 116 f., 124 –– Mehrheit von Schutzoptionen  112 f. –– Mehrheit von Verfahren  110 f., 122 f. –– offener Rechtsrahmen  103 –– Patentdickicht  118, 124 –– patent thicket  118, 124 –– Rückkehr ins nationale System  112 f., 117, 120, 121 –– strukturelle Auswirkungen  115–122 –– systematische Argumente  103–108 –– Systemförderung  121 f. –– Systemklarheit  107 –– teleologische Argumente  109–125

–– temporale Argumente  125–127 –– Verbesserung des Rechtsschutzes  111 –– Verkomplizierung der Rechtslage  116 f., 124 –– Verteidigung  109–111 –– Wahlmöglichkeiten  122, 123, 125, 126, 127 –– Wettbewerb der Systeme  108, 110, 122, 125 –– Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung  105–107, 108 Aussetzung  81 f., 135, 185–187 Begleitgesetz –– Doppelschutz siehe System des beschränkten Doppelschutzes –– ergänzende Schutzzertifikate  192 BPatG  120, 124 f. Bündelpatent siehe Europäisches Patent BVerfG-Entscheidung gegen das erste Vertragsgesetz  51–61 CPVO  195 Designrecht siehe Doppelschutz Deutschland siehe Ratifikation des EPGÜ Doppelpatentierung siehe Doppelschutz, Abgrenzung zur Doppelpatentierung Doppelschutz –– Abgrenzung zur Doppelpatentierung  64 –– Abgrenzung zur Kumulation  63 –– Argumente für und gegen Doppelschutz siehe dort –– Begleitgesetz siehe System des beschränkten Doppelschutzes

Stichwortverzeichnis243 –– beschränkter Doppelschutz siehe System des beschränkten Doppelschutzes –– Designrecht  88 f., 103 f., 108, 112 –– EPGÜ  68, 96, 104 –– EPÜ  64, 68, 89, 96, 98, 103, 104, 108, 110 –– EPÜ-Vertragsstaaten  89 f. –– europäische Patentreform  95–99, 103, 108 –– europäisches Patent und Gebrauchsmuster (Kumulation)  64, 84 f. –– Frankreich  91–93, 95, 105, 108 –– Gebrauchsmusterrecht  84 f., 107, 113 –– Handlungsoptionen der an der europäischen Patentreform teilnehmenden EU-Mitgliedstaaten  98 f. –– Markenrecht  86 f., 104, 108, 112 –– Österreich  90 f., 94, 105, 108 –– Terminologie  63 f. –– Vorgaben des Patentpakets  47, 104 Doppelschutzverbot –– Deutschland  64–67 –– EPÜ  64, 68 –– europäisches Patent und europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung  68, 96 –– Frankreich  91 f. –– Gründe des historischen Gesetzgebers in Deutschland  64 f. –– Rechtsfolge der endgültigen Wirkungslosigkeit der Schutzrechte  67 –– Sortenschutzrecht  85 f., 104, 108, 126 –– Terminologie  63 f. –– Übereinstimmung der Schutzbereiche der Schutzrechte  66 –– überschießender Schutzbereich  66 –– Ursprungsgleichheit  65 –– Vereinigtes Königreich  93 f., 95 Doppelte Inanspruchnahme siehe Einrede der doppelten Inanspruchnahme, Erforderlichkeit DPMA  120, 124, 190 f., 192, 194

Durchführungsordnung zum einheitlichen Patentschutz  37, 43, 47, 190, 190 f. Düsseldorfer Verfahren  157 EFTA  28 Einrede –– Abgrenzung zur Einwendung  74 –– materiell-rechtliche Einrede  73 –– nach ZPO  73 f. –– prozesshindernde Einrede siehe dort –– prozessuale Einrede  74 –– prozessuale Einreden als rechtshindernde, rechtsvernichtende und rechtshemmende Einreden  74 –– rechtshindernde und rechtsvernichtende Einwendungen sowie rechtshemmende Einreden nach bürgerlichem Recht  74 –– Terminologie  72–74 Einrede der doppelten Inanspruchnahme –– alternatives materiell-rechtliches Instrument  137–140 –– Anwendbarkeit  71 f., 115, 132 f. –– Begleitgesetz  70 –– beschränkter Doppelschutz siehe System des beschränkten Doppelschutzes –– Beschränkung der Durchsetzbarkeit  139, 144 –– Beschränkung des Schutzrechts  138, 144 –– Bewirkungshandlung  142 –– Erforderlichkeit  131 f. –– ESZ  198–200 –– Hinausschiebung des Präklusionszeitpunkts  138, 183 f. –– Merkmale siehe Merkmale der Einrede der doppelten Inanspruchnahme –– Präklusion  137, 183 f. –– Prozesshandlung  141–143 –– prozessuale Ausgestaltung  136–144 –– Prozessurteil  139

244 Stichwortverzeichnis –– Rechtsfolge  184 f. –– Rüge  137 –– Strafrecht  140, 144 –– überschießender Schutzbereich  145 –– Verzichtbarkeit  137, 141–144 –– Zulässigkeitsvoraussetzung  138 Einrede der Schiedsvereinbarung siehe prozesshindernde Einrede Einrede des Bestehens eines Schiedsvertrages siehe prozesshindernde Einrede Einstweiliger Rechtsschutz  157 Einwendung –– Abgrenzung zur Einrede  74 –– prozessuale Einwendung  73 f. –– rechtshindernde und rechtsvernichtende Einwendungen nach bürgerlichem Recht  74 EMA  195 Engerer Ausschuss des Verwaltungsrats der Europäischen Patentorganisation  37, 44 EPA  120, 190, 191 f., 196 EPG –– Ausgestaltung  45 f. –– Berufung  171 –– Lokal und Regionalkammern  45 –– Satzung  53 –– und Artikel 262 AEUV  53, 55 –– VerfO EPG siehe dort –– Zentralkammer  45, 49 –– Zuständigkeit  55 EPGÜ –– Einordnung siehe europäische Patentreform sowie Patentpaket –– ESZ siehe dort –– Inkrafttreten  37, 48, 49, 62 –– Ratifikation siehe dort –– Übergangs und Ausnahmeregelungen  45 f. –– und EPÜ  43 –– Vorrang des Unionsrechts  54, 57 EPLA  31

EPÜ –– ESZ siehe dort –– Historie  28 –– Protokoll über die Auslegung des EPÜ  146 –– und EPGÜ  43 –– und Verordnungen (EU) Nr. 1257/2012 und (EU) Nr. 1260/2012  43 ESZ –– Einrede der doppelten Inanspruchnahme siehe dort –– ergänzender Erzeugnisschutz  187 –– ergänzende Schutzzertifikate mit einheitlicher Wirkung  195–198 –– EPGÜ  190, 191, 192 f., 195 –– EPÜ  189, 192, 194, 196 –– Erteilung durch nationale Behörden  190–192 –– europäische Patentreform  190 –– Gebühren  198 –– Genehmigung für das Inverkehrbringen  197 f. –– Grundpatent  190, 191, 196 f. –– Rechtsrahmen, national und unionsrechtlich  188 f. –– relevante Zeiträume  188 f. –– Sinn und Zweck  188 f. –– Souveränitäts-Argument  193 –– und EPG  45 –– virtual office  195 –– Widerruf der Verlängerung  193 f. –– Wirkung im Erteilungsstaat  192 f. EuG  195 EuGH –– ESZ  195 –– EuGH-Gutachten 1/09  34, 35 f. –– Klagen Spaniens und Italiens gegen das Patentpaket  38–42 EUIPO  195 Europäische Patentreform –– Begriff  35, 36 f. –– Bestandteile  36 f., 37–44

Stichwortverzeichnis245 Europäisches Patent –– Bündelpatent  30 –– Einrede der doppelten Inanspruchnahme siehe Sachliche Merkmale der Einrede der doppelten Inanspruchnahme, Schutzrechte –– ESZ  190, 192, 193 –– Zuständigkeit des EPG  45 Europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung –– einheitlicher Charakter  47, 114 –– Einrede der doppelten Inanspruchnahme siehe Sachliche Merkmale der Einrede der doppelten Inanspruchnahme, Schutzrechte –– Einzelheiten  47 –– ESZ  190, 191 f., 194, 196 f. –– Zuständigkeit des EPG  45 Europäisches Patentsystem, Begriff  30 Formelle Übertragungskontrolle siehe BVerfG-Entscheidung gegen das erste Vertragsgesetz Frankreich siehe Doppelschutz sowie Ratifikation des EPGÜ Gebrauchsmusterrecht siehe Doppelschutz Gemeinschaftspatent  29, 32–35, 100–103 GPÜ –– Gebrauchsmuster und Gebrauchsmusteranmeldungen  101 –– GPatG 1979  101 –– GPÜ 1975  29, 100 f. –– GPÜ 1989  29 f., 101 Harmonisierung des Patentrechts –– bis zur europäischen Patentreform  23–36 –– bis zur Patenterteilung siehe EPÜ –– common political approach  33 –– Initiativen der EG / EU  32–35, 102 f.

–– nach Erteilungsphase siehe GPÜ, EPLA, europäische Patentreform, Initiativen der EG / EU IIB  26 Initiativen der EG / EU  32–35 Inkrafttreten des EPGÜ siehe EPGÜ, Inkrafttreten Inneres System des Rechts  156, 159 Italien siehe Ratifikation des EPGÜ Kumulation siehe Doppelschutz, Abgrenzung zur Kumulation Lizenz  47, 181 Lokal und Regionalkammern siehe EPG, Lokal und Regionalkammern Loyalitätspflichten der EU-Mitgliedstaaten  56, 62 (Fn. 268) Markenrecht siehe Doppelschutz Mediations und Schiedszentrum für Patentsachen laut EPGÜ  44 Merkmale der Einrede der doppelten Inanspruchnahme –– persönliche siehe Persönliche Merkmale der Einrede der doppelten Inanspruchnahme –– prozessuale Ausgestaltung  136–144 –– Rüge  183 f. –– sachliche siehe Sachliche Merkmale der Einrede der doppelten Inanspruchnahme MPI-Studie zu ESZ  169 (Fn. 665), 190 (Fn. 741) Negative Feststellungsklage siehe Sachliche Merkmale der Einrede der doppelten Inanspruchnahme Opt-out  46, 70 f., 92 f., 105, 114, 121, 187, 199 Österreich siehe Doppelschutz Patentdickicht siehe Argumente für und gegen Doppelschutz

246 Stichwortverzeichnis Patentpaket –– Begriff  37 –– Bestandteile  37 f. –– Klagen Spaniens und Italiens  38–42 patent thicket siehe Argumente für und gegen Doppelschutz PCT  27 (Fn. 28) Persönliche Merkmale der Einrede der doppelten Inanspruchnahme –– ausschließlicher Lizenznehmer  181 –– keine Parteiidentität auf Klägerseite  180 f. –– Parteiidentität auf Beklagtenseite  180 –– Ursprungsgleichheit  182 Prinzip der territorialen Übereinstimmung zwischen Grundpatent und Genehmigung  198 Prinzip der unionsweiten Wirkung von Unionsschutzrechten  198 Prozesshindernde Einrede –– Arglisteinwand  80 f. –– Aussetzung  81 f. –– Beispiele  75 –– Einrede siehe dort –– Einrede der Schiedsvereinbarung nach ZPO  75, 79–82 –– Einrede des Bestehens eines Schiedsvertrages nach ArbGG  75 –– einstweiliger Rechtsschutz  79 f. –– Grafik  82 –– Merkmale  76–79 –– Patentrecht  75, 79, 81 –– Präklusion  78 f. –– prozessuale Besonderheiten  79–81 –– Prozessurteil  81 –– Rechtsfolge und Rechtswirkung  81 f. –– Unzulässigkeit der Klage  81 –– Verweisung  81 f. –– Verzichtbarkeit  76–78 Prozesshindernis siehe prozesshindernde Einrede PVÜ  25

Ratifikation des EPGÜ –– Deutschland  48, 50–62 –– Frankreich  48 (Fn. 171) –– Italien  48 (Fn. 171) –– Ungarn  48, 62 –– Vereinigtes Königreich  45, 48 f. Rechtsfolge und Rechtswirkung  81 f. Restitutionsklage  135 f. Rüge, verzichtbar  75 Sachliche Merkmale der Einrede der doppelten Inanspruchnahme –– Abhilfemaßnahmen im Rahmen von Verletzungsverfahren, Artikel 64 EPGÜ  163 –– abstrakte bzw. konkrete Schutzbereichsbetrachtung  147 –– äquivalente Ausführungsformen  175 f. –– allgemeiner Auskunfts und Rechnungslegungsanspruch  154 f. –– angegriffene Ausführungsform  173 –– Ansprüche auf Vernichtung, Rückruf und Auskunft  154 –– Ansprüche auf Vorlage von Bank, Finanz und Handelsunterlagen  158 f. –– Auskunftserteilungsanordnung, Artikel 67 EPGÜ  163 –– Bereicherungsansprüche  151–153 –– Beweissicherungsanordnung und Anordnung der Inspektion von Räumlichkeiten, Artikel 60 EPGÜ  166 f. –– Beweisvorlagenanordnung, Artikel 59 EPGÜ  164–166 –– Deckungsgleichheit der Schutzbereiche  145–147, 177 –– endgültige Verfügungen, Artikel 63 EPGÜ,  162 –– Entschädigungsansprüche  159 f., 167 –– gleiche Ausführungsform  172–177, 179 f. –– insbesondere-wenn-Anträge  175 –– Kerntheorie  174 f.

Stichwortverzeichnis247 –– negative Feststellungsklage  148 f., 178 –– Parallelität der Anspruchsarten  168 –– Patentverletzung nach nationalem Recht  150 –– Rechtshängigkeit  168 f., 169–171, 179 –– Rechtskraft  168 f., 171 f., 179 –– Rest-Schadensersatzanspruch  151–153 –– Schadensersatzzuerkennung, Artikel 68 EPGÜ  164 –– Schutzrechte  145–147 –– Streitgegenstand  172 f. –– Titelerweiterung durch Analogie  174 –– Unterlassungs und Schadensersatzansprüche  150 f. –– Verletzungsklagen und Ansprüche, national  150–161, 178 –– Verletzungsklagen und Ansprüche, vor dem EPG  161–168, 179 –– Vorlage und Besichtigungsansprüche  155–158 –– Widerklage  149 Sortenschutzrecht siehe Doppelschutzverbot System des beschränkten Doppelschutzes  21, 67, 69–72, 83, 115 Territorialitätsprinzip  23 TRIPS  164 (Fn. 652) Übergangsregelungen  45 f., 55, 105, 108, 190 Ungarn siehe Ratifikation des EPGÜ Ursprungsgleichheit siehe Doppelschutzverbot sowie Persönliche Merkmale der Einrede der doppelten Inanspruchnahme Vereinigtes Königreich siehe Ratifikation des EPGÜ VerfO EPG  53, 161 f., 162, 163, 164, 164 f., 166, 168 f., 169–171, 171, 179, 181, 187, 191

Verordnung –– Nr. 469/2009  188, 191, 193, 193 f., 196–198, 199 –– Nr. 726/2004  197 –– Nr.  1215/2012  185 f. –– Nr. 1257/2012  36, 38, 40 f., 43, 44, 47, 49, 53 f., 68, 96–98, 104, 190, 191, 193, 196 –– Nr. 1260/2012  36, 38, 40, 41 f., 43, 44, 49, 53 f. –– Nr. 1610/96  188, 191, 193, 193 f., 196–198, 199 –– Nr. 1901/2006  188, 193 Verstärkte Zusammenarbeit  35, 36, 49, 54, 196 Vertragsgesetz –– erstes  50 f. –– zweites  61 f. Verwaltungsausschuss  44, 53 Verzicht –– Einrede der doppelten Inanspruchnahme siehe dort –– prozesshindernde Einrede siehe dort Vorbereitender Ausschuss zur Errichtung des EPG  37, 44 Vorläufige oder sichernde Maßnahmen  200 f. Vorschriften des Engeren Ausschusses  44 Widerklage siehe Sachliche Merkmale der Einrede der doppelten Inanspruchnahme Zentralkammer siehe EPG, Zentralkammer Zulässigkeit –– der Klagte  73 f., 78, 81 f., 136, 138, 139, 146 f. –– des Doppelschutzes  89 f., 108 Zuständigkeit nationaler Gerichte  45 f. Zwangsvollstreckung  134 f.