Die drei Johannesbriefe
 9783666516054, 9783525516058

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M E Y E R S K O M M E N T A R XIV Bultmann/Die drei Johannesbriefe

KRITISCH-EXEGETISCHER KOMMENTAR Ü B E R DAS N E U E T E S T A M E N T B E G R Ü N D E T VON HEINRICH AUGUST WILHELM MEYER Vierzehnte Abteilung — Achte Auflage

iMe hm 7ot)anneebrtefe Erklärt von Rudolf Bultmann

2. Auflage dieser Neuauslegung

G Ö T T I N G E N · V A N D E N H O E C K & R U P R E C H T • 1969

Frühere Auflagen dieses Kommentars: 1. Auflage yon J. E. Huther 2. „ „ „ 3. „ „ „ 4. „ „ „ 5. „ „ Bernhard Weiß 6. „ „ „ 7. „ „ R. Bultmann

1855 1861 1868 1880 1888 1900 1967

© Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, 1967. — Printed in Germany. — Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, das Buch oder Teile daraus auf foto- oder akustomechanischem Wege zu vervielfältigen. — Gesamtherstellung: Hubert & Co., Göttingen 5219

7ntjalt

Literatur

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Einleitung

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Der 1. Johannesbrief 11-4 15-22 23-ii 212-17

Prooemium Gottesgemeinschaft und Wandel im Licht Gotteserkenntnis und Halten der Gebote Homilie und Paränese a) 212-14 Die Weltüberlegenheit des Glaubenden b) 215-17 Die Bewährung der Weltüberlegenheit 218-27 Warnung vor den Irrlehrern 228-324 Gotteskindschaft und Bruderliebe 41-6 Warnung vor der Irrlehre 47-12 Bruderliebe als Antwort auf die Liebe Gottes 413-16 Bekenntnis und Glaube an Gottes Heilstat 417-18 Die παρρησία als Frucht der άγάπη 419-5 4 Die Bruderliebe als Gebot bzw. als Inbegriff der Gebote 5δ-ΐ3 Der Glaube an den Sohn Gottes und das Zeugnis für ihn . . . . 5 i4-2i Anhang

Der 3. Johannesbrief 1 2-8 9-10 11-12 13-15

Präskript Das Verhalten zu wandernden Brüdern Diotrephes als Gegner des Πρεσβύτερος Mahnung und Empfehlung des Demetrios Briefschluß

Der 2. Johannesbrief 1-3 4-6 7-11 12-13

Präskript Anerkennung und Mahnung Warnung vor den Irrlehrern Schluß des Schreibens

13 13 21 30 35 36 38 40 47 66 69 74 76 78 82 87

95 95 96 98 100 101

103 103 105 107 109

Register

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Ergän2ungen

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/Literatur Ein ausführliches Literaturverzeichnis brauche ich diesem Kommentar nicht vorauszuschicken. Der Kommentar R. S c h n a c k e n b u r g s bringt ein sehr ausführliches Verzeichnis der Literatur vom Altertum bis zur Neuzeit auf 8 Seiten. Auf 3 Seiten hat E. H a e n c h e n die neuere Literatur zu den Joh-Briefen verzeichnet (ThR 26,1960, S.l-3). Es scheint mir sinnlos zu sein, diese ausführlichen Literaturverzeichnisse zu wiederholen, und ich führe nur die Arbeiten auf, die mir für meine Arbeit wichtig gewesen sind, und die m. E. auch für die Leser des Kommentars wichtig sein werden. Außerdem ist in den Anmerkungen des Kommentars viele Literatur genannt, und schließlich sind ja Literaturverzeichnisse in den sog. Einleitungen zum NT zu finden. Von a l t e n K o m m e n t a r e n nenne ich nur die Vorlesungen L u t h e r s zu 1 Joh 1523 in der Nachschrift Georg Rörers (WA XX, 599-801), ergänzt durch schriftliche Präparationen Luthers (WA XLVIII, 314ff.). J. C a l v i n i Commentarii in Novum Testamentum (ed. A. Tholuck) 1835, IV p. 312384. Dazu auch J. A. B e n g e l , Gnomon Novi Testament! II 3 1836, p. 550-580. Neuere Kommentare H. J. H o l t z m a n n , Handkommentar zum NT IV3, besorgt von W . B a u e r 1908. C. H. D o d d , The Johannine Epistles, The Moffatt New Test. Commentary, 21947. F r e d e r i c k C. G r a n t , The Gospel of John II 1956, 45-57. Η. W i n d i s c h , Die Katholischen Briefe im Handbuch zum NT 153, bearbeitet mit Anhang von H. P r e i s k e r 1951. R. S c h n a c k e n b u r g , Die Johannesbriefe in Herders theologischem Kommentar zum NT XIII, 3 2 1963 Spezielle Literatur zu den Joh-Briefen W . B a u e r , Rechtgläubigkeit u. Ketzerei im ältesten Christentum 1934, 21964. R. B e r g m e i e r , Zum Verfasserproblem des II. und III. Johannesbriefes, ZNW 57, 1966, 93-100. G. B o r n k a m m , Art. πρεσβύς etc. im ThWVI, 651-683, speziell 670-672. H . B r a u n , Literar-Analyse und theologische Schichtung im 1. Joh.-Brief, ZThK 48, 1951,262-292, jetzt in: Gesammelte Studien zum NT u. seiner Umwelt 1962,210-242. Ders., Qumran u. das NT I 1966, 290-306 (vorher in ThR 30, 1964, 101-117). H. C o n z e l m a n n , „Was von Anfang war" in Neutest. Studien für R. Bultmann, Beiheft 21 zur ZNW 21957, 194-201. C. H. D o d d , The first Epistle of John and the Fourth Gospel, Bulletin of the John Rylands Library 21, 1937, 129-156. R. W. F u n k , The Form and Structure of II and III John, JBL 86, 1967, 4 2 4 ^ 3 0 . A. H a r n a c k , Über den dritten Johannesbrief, TU XV, 3b, 1897. W. F. H o w a r d , The Common Authority of the Joh. Gospel and Epistles, JThSt 44, 1947, 12-25.

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Literatur

Ε. K ä s e m a n n , Ketzer u. Zeuge, ZThK48, 1951, 292-311, jetzt in: Exeget. Versuche u. Besinnungen I 1960, 168-187. Ders., Jesu letzter Wille nach Joh. 17, 1966. P. K a t z , The Joh. Epistles in the Muratorian Canon, JThSt8, 1957, 273f. W. N a u c k , Die Tradition und der Charakter des ersten Johannesbriefes, 1957. J. C. O'Neill, The puzzle of 1. John 1966. Ο. Α. P i p e r , 1. John and the Didache of the Primitive Church, JBL 66, 1947, 437-451. R. S c h n a c k e n b u r g , Der Streit zwischen dem Verfasser von 3. Joh. u. Diotrephes und seine verfassungsgeschichtliche Bedeutung, MüThZ 4, 1953, 18-26. Abkürzungen (Außer den üblichen wie AT, NT, Titel biblischer Bücher) B a u e r , W ö r t e r b . : W.Bauer, Griechisches Deutsches Wörterbuch zu den Schriften des NT und der übrigen urchristlichen Literatur 6 1958. B i b l Z : Biblische Zeitschrift. BID: Blass-Debrunner, Grammatik des neutestamentlichen Griechisch 121965. HThR: Harvard Theological Review. J B L : Journal of Biblical Literature. J T h S t : Journal of Theological Studies. K o m m . : R. Bultmann, Das Evangelium des Johannes, 181964. M ü T h Z : Münchener Theologische Zeitschrift. N t S t : New Testament Studies. R A C : Reallexikon für Antike und Christentum. R G G : Die Religion in Geschichte und Gegenwart. S e h n : Rudolf Schnackenburg, Die Johannesbriefe 21963. S t r B : L. H. Strack und P. B. Billerbeck, Kommentar zum NT aus Talmud undMidrasch. T h L Z : Theologische Literaturzeitung. T h R : Theologische Rundschau. T U : Texte und Untersuchungen. T h W : Theologisches Wörterbuch zum NT. Ζ N W : Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft. Z T h K : Zeitschrift für Theologie und Kirche.

Einleitung In dieser Einleitung bringe ich nicht eine Zusammenstellung der Ergebnisse der Exegese; denn diese sollten aus der exegetischen Arbeit, zu der der Kommentar anleiten will, erarbeitet werden. Ich behandle hier auch nicht Fragen, über die die sog. Einleitungen in das NT Auskunft geben, also Fragen nach der Datierbarkeit der Texte und nach der Person bzw. den Personen der Verfasser. Dafür kann ich außer auf die „Einleitungen" in das NT auf die ausführliche Erörterung dieser Fragen durch E r n s t Haenchen (ThR NF 26,1960, S. 1—43. 267—291) hinweisen wie auch auf die Einleitung, die R u d o l f Schnackenburg in seinem Kommentar zu den Joh-Briefen der Exegese vorausgeschickt hat (1953, 21963). Die Verfasser-Frage muß hier nur so weit in Betracht gezogen werden, als es sich um das Verhältnis der Joh-Briefe zum Joh-Evg und um das Verhältnis, in dem die drei Briefe zueinander stehen, handelt. Diese Fragen werden freilich auch im Kommentar selbst zu erwägen sein, aber eine vorausgeschickte Orientierung ist doch zweckmäßig, weil sie in die Lektüre des Kommentars einführt und das Verständnis mancher exegetischen Probleme vorbereiten kann. Was das Verhältnis der Briefe zum Joh-Evg betrifft, so ist es im Grunde nur die Frage, wie sich 1 Joh zum Evg verhält. Die enge Verwandtschaft zwischen beiden Schriften in Sprache und Gedankengehalt macht es begreiflich, daß die Identität der Verfasser oft behauptet wurde und auch heute noch vielfach behauptet wird. Ich kann dieser Annahme nicht zustimmen. Das entscheidende Argument, das gegen die Identität spricht, ist, wie Haenchen (a.a.O. S. 35f.) richtig gesehen hat, das folgende: Das Joh-Evg richtet sich gegen eine andere Front als l j o h . Während das Evg gegen die „Welt" bzw. gegen die diese repräsentierenden Juden, also gegen Nichtchristen kämpft, so befinden sich die in 1 Joh bekämpften Irrlehrer im Raum der christlichen Gemeinschaft und beanspruchen, den echten christlichen Glauben zu vertreten. Das zeigt, daß 1 Joh aus einer späteren Zeit als das Evg stammt. Von Einzelheiten, die diese Zeitbestimmung bestätigen, sehe ich hier ab; sie werden im Kommentar zu berücksichtigen sein. Die Verwandtschaft zwischen 1 Joh und dem Evg beruht darauf, daß der Verfasser von 1 Joh das Evg vor sich hatte und durch seine Sprache und seine Gedanken entscheidend bestimmt ist. Er benutzte es aber, wie Haenchen (a. a. O. S. 29) mit Recht sagt,

Einleitung

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„nicht sklavisch, sondern im Sinne der kirchlichen Tradition, in der er lebte" 1 . Was die Frage nach dem Verhältnis der drei Briefe zueinander betrifft, so ist m. E. eine völlige Klarheit nicht zu gewinnen. Mit Sicherheit kann nur gesagt werden, daß 2Joh von 1 Joh abhängig ist, ja, daß 2Joh eine recht sekundäre Schrift ist, ein Zeugnis für den sich entwickelnden „Frühkatholizismus". Die briefliche Form dürfte Fiktion sein2. Die Rechenschaft für dieses Urteil muß im Kommentar gegeben werden. Völlig unsicher ist die genauere historische Bestimmung von 3 Joh. Dieses Schriftstück ist jedenfalls ein echter Brief, der von einer bestimmten Person an eine andere gerichtet ist. Einzelne Wendungen erinnern an die Sprache des Evg und des ersten Briefs. Es ist deutlich, daß er in einer aktuellen Situation geschrieben ist, die man charakterisieren kann als die Zeit des Konflikts zwischen der alten, spezifisch johanneischen Tradition und der beginnenden Entwicklung der kirchlichen Organisation, ohne daß man eine genauere chronologische Bestimmung geben könnte. Man darf wohl nur sagen, daß der Brief 1 Joh voraussetzt. Auch für dieses Urteil kann erst der Kommentar die Begründung geben. Zur Entlastung des Kommentars und als Vorbereitung auf die in ihm vorgetragene Exegese soll hier noch das Problem der literarischen Einheit bzw. der literarkritischen Analyse von 1 Joh kurz erörtert werden. Auch dafür kann ich wieder auf E r n s t H a e n c h e n (ThR NF 26, 1960, S. 1—43) verweisen. In der Festgabe für Adolf Jülicher 1927, S. 138—158, habe ich eine Analyse von 1 Joh vorgetragen, an der ich, von einigen Modifikationen abgesehen, festhalte. Ich bin der Meinung, daß dem Text von 1 Joh eine Vorlage (Quelle) zugrunde liegt, die vom Verfasser kommentiert worden ist. Ich brauche die Analyse hier nicht zu wiederholen; denn ich führe sie im Kommentar durch. Meine Hypothese ist, wenngleich in mehrfach modifizierter Form, akzeptiert worden von H e r b e r t P r e i s k e r i n seiner Neubearbeitung des Kommentars von Hans Windisch im Handbuch zum NT 31951 und vor allem von H e r b e r t B r a u n in ZThK 48, 1951, S. 262—292 (jetzt in seinen Gesammelten Studien zum NT und seiner Umwelt 1962, S. 210—241). In origineller, freilich m. E. unhaltbarer Weise auch von W o l f g a n g N a u c k , Die Tradition und der Charakter des ersten Johannesbriefes 1957. Nauck anerkennt, daß der Verfasser des Schreibens eine Vorlage benutzt hat, meint aber, daß die Vorlage von dem Verfasser selbst stamme. Originell ist auch die neueste Hypothese 1

Vgl. zur Frage nach dem sprachlichen Verhältnis der Briefe zum Joh-Evg außer D o d d , H o w a r d u. W i l s o n , die von Haenchen a.a.O. S. 4—8, besprochen sind, auch Frederick C. Grant, The Gospel of John II 1956, S. 41-^13. 2 E. H i r s c h , „Studien zum 4.Evg." 1936, hat alle 3 Joh-Briefe als Fiktionen erklärt; M. D i b e l i u s , RGG 2 III 1929, Sp. 348f. In: Geschichte der nachchristlichen Literatur 1926, I, S. 61-65 äußert er sich schwankend.

Einleitung

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von I. C. O ' N e i l l , The puzzle of l . J o h n 1966. Er will zeigen, daß in 1 Joh jüdische Quellen verarbeitet worden sind, und zwar von dem Angehörigen einer jüdischen Sekte, der, selbst Christ geworden, seine jüdischen Genossen zum Glauben an Jesus als den Messias führen möchte. Aus der jüdischen Vorlage scheidet er christliche Zusätze aus. Wenn diese Konstruktion auch nicht überzeugt, so hat O'Neill doch das Verdienst, zu zeigen, daß 1 Joh die Tradition jüdischer Sprache und Gedankenwelt voraussetzt. — Erwähnen will ich noch, daß O t t o A. P i p e r zwar die Einheit von l j o h behauptet, aber die Benutzung älterer christlicher Tradition nicht leugnet: 1. John and the Didache of the Primitive Church, JBL 66 (1947), S. 437—451. In: In memoriam Ernst Lohmeyer 1951, S. 189—201, habe ich meine Analyse von 1 Joh weitergetrieben, indem ich den Nachweis zu führen suchte, daß der Text von 1 Joh im Sinne kirchlicher Tradition bearbeitet worden ist. Meine These geht davon aus, daß das Proömium von 1 Joh das übliche Präskript eines Briefs imitiert und daß dadurch der Eindruck erweckt werden soll, daß l j o h ein briefliches Schreiben ist. Wenn das der Fall ist, so erwartet man auch einen Schluß, der den üblichen Briefschluß nachahmt. Das scheint mir in der Tat in 5i3 der Fall zu sein. Daraus folgt, daß 514-21 einer späteren Redaktion zuzuschreiben ist. Dafür wie für die redaktionellen Glossen in ls—513 verweise ich hier auf den Kommentar. Ich muß hier aber zur Ergänzung meiner früheren Analysen auf eine weitere Frage, die die Einheit von l j o h betrifft, eingehen. Es handelt sich um die Frage, ob 1 Joh 11—513 ein Schriftstück, in dem eine Vorlage benutzt und kommentiert ist, eine einheitliche Komposition ist. (Von der kirchlichen Redaktion ist hier natürlich abzusehen.) Die Frage nach einem einheitlichen Gedankengang und einer Gliederung ist vielfach diskutiert worden, aber keiner der Versuche, Einheit und Gedankengang aufzuzeigen, befriedigt. Man hat den Eindruck, daß das Schreiben mit 227 beendet sein könnte, und ich glaube, daß in der Tat 15-2 27 ursprünglich ein selbständiges Schreiben, vielleicht besser gesagt: ein Entwurf war. Ihm folgen einzelne Abschnitte, die im wesentlichen die gleichen Themen behandeln, die in 15-227 schon behandelt waren, jetzt manchmal modifiziert und bereichert, aber ohne einen gegliederten Zusammenhang. Man wird zu dem Urteil gedrängt, daß hier Stücke kombiniert worden sind, die zunächst als einzelne konzipiert waren. Die Analyse von 2 28-512 wird im Kommentar zu 2 28a. gegeben werden. H a e n c h e n hat wohl das Problem einer einheitlichen Theologie in l j o h ins Auge gefaßt, aber nicht das der literarischen Einheit. Dies ist von O ' N e i l l gesehen worden; er bestreitet die Einheit, freilich ohne eine Analyse der Komposition zu geben. Ich verzichte hier darauf, die Frage nach dem Verhältnis der Joh-Briefe zum AT und zum Judentum wie zur Gnosis zu besprechen, Themen, die

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Einleitung

S c h n a c k e n b u r g in der Einleitung zu seinem Kommentar und H a e n c h e n in seinem Literaturbericht ausführlich behandelt haben. Was speziell das Verhältnis zu den Qumran-Texten betrifft, so hat H e r b e r t B r a u n darüber sorgfältig und mit kritischer Prüfung der verschiedenen Hypothesen gehandelt in der ThR NF 30 (1964), S. 101-107 (jetzt in: Qumran und das NT I u. II 1966). — Natürlich müssen diese Fragen im Kommentar im einzelnen zur Sprache kommen.

JÖEC 1 . yotjanncebrtef 1,1—4: Prooemium Der Satz, der das Proömium trägt, ist das άπαγγέλλομεν καΐ ύμΐν V. 3. Indessen ist der Aufbau des Proömiums kompliziert, weil das άπαγγέλλομεν von V. 3, das eigentlich als Fortsetzung von V. ι zu erwarten wäre, schon in die Parenthese V. 2 eingefügt ist in dem μαρτυροϋμεν και άπαγγέλλομεν1. Die Konstruktion ist dadurch aus den Fugen geraten2. Klar aber ist, daß der Gegenstand des (doppelten) άπαγγέλλομεν in V . l zunächst durch vier Relativ-Sätze angegeben wird3. Alle vier Relativ-Sätze meinen natürlich den einen und gleichen Gegenstand bzw. Inhalt der άγγελία. Die erste Bezeichnung δ ήν απ' άρχης hat offenbar keinen anderen Sinn als den, der Joh Ii in der Form ausgesagt ist: έν άρχη ήν ό λόγος, und es dürfte kein Zweifel sein, daß für V.1-4 der Joh-Prolog als Vorbild gedient hat. Aber warum ist (wie in den folgenden drei Relativsätzen) die neutrale Formulierung statt der maskulinischen gewählt, die der Verfasser 2131. doch auch wählt? Die erste Antwort muß wohl lauten: weil es sich hier um die Sache handelt, die der Inhalt der άγγελία ist4, 1 Beide Verben bezeichnen die christliche Verkündigung. Άπαγγέλλειν (Botschaft bringen, mitteilen) ist ebensowenig wie άγγελία (V. ε) zum term, techn. für die christliche Verkündigung geworden, wohl aber μαρτυρεϊν. Dieses bezeichnet zunächst im juristischen Sinn eine auf Wissen, speziell auf Augenzeugenschaft beruhende Aussage, im christlichen Sprachgebrauch, dann (wie μαρτυρία und μάρτυς) die christliche Botschaft (s. zu Joh 1 β, Komm. S. 30, 5 und Strathmann im ThW). Daß die Botschaft auf Augenzeugenschaft beruht, kann je nach dem Zusammenhang (wie 1 Joh 12) zur Geltung kommen. 2 Natürlich liegt die Frage nahe, ob V. 2 eine redaktionelle Einfügung ist (E.S c h w a r z , Nachrichten d. Ges. d. Wiss. zu Göttingen 1907, 33). Aber der Vers bringt in seinem doppelten έφανερώθη das das ganze Schreiben durchziehende Interesse des Verfassers zum Ausdruck, daß man sich schwer zu dieser Annahme entschließen kann. Es müßte dann wohl auch schon der Schluß von V. 1 περί τοϋ λόγου της ζωής als Einschub gelten und die Wiederaufnahme der perfekt. Verben von V. 1 durch das δ έωράκαμεν καΐ άκηκόαμεν am Anfang von V. 3. 3 Das δ des ersten Relativ-Satzes ist Nom., während die drei folgenden Relativ-Sätze mit dem Acc. δ beginnen, das jeweils von den Verben abhängig ist. Jedoch ist das δ ήν έν άρχη auch als Objekt gedacht; es ist davor selbstverständlich ein τοϋτο zu ergänzen. 4 Vgl. H. C o n z e l m a n n , Was von Anfang war, i n : Neutestamentliche Studien für R. Bultmann 2 1957, S. 196: der Brief ist „anders als das Evangelium nicht primär an der P e r s o n orientiert, sondern an der S a c h e . . . " . Vgl. auch B r a u n , Ges. Studien zum NT 1962, S. 232.

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wie er durch das περί τοϋ λόγου της ζωής bezeichnet wird 1 . Daß Sache und Person im Grunde identisch sind, zeigt sich am Schluß von V. 3, wo gleichsam der Schleier fällt, wenn von der κοινωνία als der μετά τοϋ πατρός και μετά τοϋ υίοΰ αύτοΰ Ίησοΰ Χρίστου geredet wird 2 . Das Bedeutsame ist jedoch, daß Sache und Person in eigentümlicher Weise identisch sind: von der Sache reden heißt zugleich, von der Person reden. Wenn es heißt (V. 2): ή ζωή έφανερώ&η, so ist die Sache genannt, die gleich darauf als die ζωή αιώνιος bezeichnet wird, also als das Heilsgut, nach dessen Gewinn die Leser (wie alle Menschen) streben. Wenn es von der ζωή heißt: έφανερώ&η, so ist auch damit noch von der Sache die Rede, aber das έφανερώ&η meint ohne Zweifel das geschichtliche Ereignis, in dem die Sache ihren Ursprung hat 3 . Auf dieses weisen ja auch die Sätze: δ άκηκόαμεν . . . δ έ&εασάμεθ-α και αί χείρες ήμών έψηλάφησαν, also auf die geschichtliche Erscheinung des Logos von Joh Ii 4 . Wenn es nun von der ζωή αιώνιος V. 2 heißt: ήτις ήν προς τον πατέρα, so entspricht das der Aussage von Joh 1 ιβ: ό ών εις τον κόλπον τοϋ πατρός®. Das ή ζωή έφανερώθ-η entspricht also dem και ό λόγος σαρξ έγένετο Joh 1 u. Und doch besteht ein eigentümlicher Unterschied. Sache und Person sind nicht direkt identisch; vielmehr muß man von einer paradoxen Identität reden, die darin besteht, daß ein geschichtliches Ereignis zugleich das eschatologische Ereignis ist, — jedoch nicht in der gleichen 1 Richtig D o d d : περί τοϋ λόγου της ζωής ist das Thema. Die Relativ-Sätze geben den Inhalt an: betr. des λόγος της ζωής verkündigen wir euch, was am Anfang war . . . Dodd will den λόγος τής ζωής als das Evangelium verstehen. In der Tat wird man zunächst als „Wort" verstehen; der λόγος τής ζωής wäre dann das Wort, das vom Leben handelt (Gen. obj.). Aber warum sagt der Verfasser nicht einfach: τόν λόγον τής ζωής? Sollte in λόγος doch zugleich der Sinn des „Logos" als göttlicher Person mitgehört werden? Dann wäre τής ζωής Gen. qual. oder epexeget. ( = vom Logos, der Leben ist). 2 Vom geschichtlichen φανερωθήναι des Sohnes wird auch 3 ε u. β geredet, und von seinem Gekommensein bzw. Kommen έν σαρκί 42 und 2 Joh 7. Aus dem weiteren Schreiben wird deutlich, daß V. ι u. 2 im Gegensatz zur Gnosis gesprochen sind. Sehn, weist S. 62 auf den Unterschied von Paulus hin, für den im Mittelpunkt der christlichen Verkündigung das Kreuz, nicht die Inkarnation steht. 3 Φανερωθήναι ist ein in Joh und l j o h vielgebrauchtes Wort. Es bezeichnet die Offenbarung als ein Geschehen, ein Ereignis, nicht als belehrende Aufklärung, wenngleich es auch durch das Wort erfolgen kann. Es fehlt das von Paulus neben φανεροϋν gebrauchte αποκαλύπτει (vgl. Komm, zu Joh 17e, S. 380, 2, und Sehn. S. 62,1). 1 Der Wechsel der Tempora vom Perfekt (das das Fortbestehen des vergangenen Geschehens bezeichnet) und dem Aorist (der das Geschehen als vergangenes bezeichnet) ist ohne Bedeutung. Vgl. den Wechsel von ήκούσατε 2ia und άκηκόατε 43 oder von άπέσταλκεν 4 9 und άπέστειλεν 4io, von ίδωκεν 321 und δέδωκεν 4i3, von ϊγνωκεν 3« und έγνω 4 8. — Daß die Reihenfolge von άκηκόαμεν und έωράκαμεν inV.i und V. 3 wechselt, ist gleichfalls ohne Bedeutung. Immerhin mag man sagen: in V.i steht άκηκόαμεν an der ersten Stelle, weil der Offenbarung gegenüber „zunächst das Hören das angemessene Verhalten" ist (Sehn.), und daß in V. 2 das έωράκαμεν allein genannt ist und in V. 3 dem άκηκόαμεν vorangeht, weil das cpäv dem φανερωθήναι entspricht (Sehn.). 5 πατήρ als Bezeichnung Gottes ist in 1 Joh geläufig (121.; 2i. 13. I M . 2 2 - 2 1 ; 3 i ; 4 14) und wird in Joh ständig gebraucht.

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Weise wie im Joh-Evangelium. In diesem wird das Kommen und Gehen Jesu schlechthin als das eschatologische Ereignis verstanden (319; 525; 939; 1231 und sonst); für 1 Joh dagegen ist charakteristisch, daß sich das eschatologische Ereignis weitervollzieht in der Verkündigung. Von da aus ist es auch zu verstehen, daß es nicht wie Joh 1 1 heißt έν άρχη, sondern άπ' άρχης, also nicht „im Anfang", sondern „seit dem Anfang". Nicht vom präexistenten Logos ist also hier die Rede, sondern von seinem φανερωθηναι, seiner „Inkarnation", die der Gegenstand des άκηκόαμεν etc. ist, also vom Ursprung der άγγελία 1 . Hat die άγγελία ihren Ursprung in dem φανερω&ηναι, so erhebt sich die Frage: Wer sind die „Wir", die das φανερω&ηναι wahrgenommen haben und also sagen können: δ άκηκόαμεν etc. ? Daß die Verben die sinnliche Wahrnehmung bezeichnen, zeigt das zu δ έωράκαμεν gefügte τοις όφθαλμοϊς ήμών und das auf δ έθεασάμεθα folgende και αί χείρες ημών έψηλάφησαν2. Es kann sich nicht um die Wahrnehmung im Geist handeln wie Act 1727 im Sinne des stoischen Pantheismus3. Der grundsätzliche Unterschied wird schon daran deutlich, daß das έφανερώθη ήμΐν von V. 2 im Sinne eines stoischen oder mystischen Pantheismus unmöglich ist. Es bleibt aber noch die Frage: Wer sind die „Wir", die das άκηκόαμεν etc. sagen können? Die Verben, die die sinnliche Wahrnehmung beschreiben, erwecken den Eindruck, daß die „Wir" die Augen- und Ohrenzeugen des historischen Jesus sind. In diesem Falle könnte es sich freilich nicht um die sinnliche Wahrnehmung als solche handeln; denn diese stand den ungläubigen jüdischen Zeitgenossen Jesu ja auch offen, ohne zu einem άπαγγέλλειν und μαρτυρεΐν zu führen. Es muß also eine Wahrnehmung glaubenden Sehens gemeint sein, die, wenngleich an die sinnliche Wahrnehmung gebunden, das φανερω&ήναι der ζωή wahrnimmt. Aber sind wirklich die Zeitgenossen des historischen Jesus gemeint? Dagegen erhebt sich eine Schwierigkeit. 1 Joh ist (wie Joh, von dem 1 Joh abhängig ist) in einer so vorgerückten Zeit geschrieben, in der schwerlich „noch ein größerer Kreis von Augen- und Ohrenzeugen noch am Leben 1 Diesen meint also die άρχή, nicht etwa, wie mehrfach gedeutet wird, die Schöpfung. Der Ursprung des geschichtlichen Ereignisses des φανερωθηναι ist gemeint und nicht die innerzeitliche άρχή, in der die chrisdiche Botschaft die Leser (bzw. die Glaubenden) jeweils getroffen hat. Wenn der Verfasser auch in diesem Sinne von der άρχή reden kann (27. 24; 311; 2 J o h 6f.), so bekundet sich in dem doppelten Sinn von άρχή nur die paradoxe Identität zwischen dem Ursprung und dem geschichtlichen Vollzug der Verkündigung. — S. bes. C o n z e l m a n n a . a . O . S. 194-201. 2 Das ψηλαφόίν kann in dieser Verbindung nur auf die historische Gestalt Jesu (den „Inkarnierten") gehen und nicht wie L k 24 39 vgl. J o h 20 240. auf den Auferstandenen. So auch Sehn. S. 53. 3 In solchem Sinne kann Corp. Herrn. V i f . sogar v o m λάβεσθαι αύταϊς ταϊς χερσίν geredet werden, um auszudrücken, daß der άφανής θεός für die νόησις im Kosmos sichtbar ist. Vgl. auch Dio Chrysostomos, Or. 12, 60, wo vom άπτεσθαι des θείον die Rede ist. Ferner Plutarch, De genio Socr. 20 p 589 b : τω γάρ δντι τάς μέν άλλήλων νοήσεις οίον άπό σκότου δια φωνής ψηλαφώντες γνωρίζομεν.

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war" 1 . Die Behebung der Schwierigkeit und die Antwort auf die Frage: Wer sind die „Wir"? dürfte damit gegeben sein, daß man zwischen der Gleichzeitigkeit im historischen und im eschatologischen Geschehen unterscheidet bzw. daß man die Paradoxie erkennt, daß ein historisches Geschehen zugleich ein eschatologisches Geschehen sein kann oder vielmehr in diesem Falle wirklich ist. Die „Wir" sind also die „eschatologischen" Zeitgenossen Jesu. Sie können das άκηκόαμεν etc. sagen als solche, in denen sich das historische άκηκόαμεν etc. weiter vollzieht, — das historische άκηκόαμεν, von dem das eschatologische nicht abgelöst ist 2 . Mehrfach ist darauf hingewiesen worden, daß es nichts Ungewöhnliches ist, wenn eine spätere Generation von der Geschichte (den Ereignissen) einer früheren Zeit spricht, als habe sie diese selbst erlebt. Besonders eindrucksvoll sind die von Windisch in der Pascha-Liturgie zitierten Sätze (Pesach X 5b u. c, ed. Beer p. 194f.): „In jedem Zeitalter ist man verpflichtet, sich selbst so anzusehen, wie wenn man selbst aus Ägypten ausgezogen wäre . . . Er hat uns herausgeführt aus der Knechtschaft in die Freiheit." Vgl. schon Am 2iof.: „Ich bin es gewesen, der euch aus Ägypten weggeführt, euch in der Wüste geleitet 40 Jahre lang" und Jos 247: „Ihr habt ja mit eigenen Augen gesehen, was ich den Ägyptern antat." — Aber vgl. auch Tacitus, Agric. 49 „mox nostrae duxere Helvidium in carcerem manus". Es spricht hier das Bewußtsein der Solidarität der nachkommenden Geschlechter mit der vergangenen Geschichte, in deren Fortgang man selbst steht und durch die also die Gegenwart (in Segen oder Schuld) bestimmt ist. Aber das sind nicht wirkliche Analogien zu 1 Joh li-3 wie Sehn. (S. 55) ganz richtig urteilt, während H. Seebaß, Kerygma und Dogma, 1965, S. 158 diesen Unterschied verkennt. Denn das Ereignis, dessen Ohren- und Augenzeugen die hier Redenden sind, ist das eschatologische Ereignis, das, wiewohl es das Geschichtlichwerden des Ewigen bedeutet, doch nicht ein Ereignis ist, das in der Geschichte einer geschichtlichen Gemeinschaft, einem Volk, weiterwirkt. Die Tradition, die es späteren Generationen vermittelt, ist daher nicht die in der Geschichte weitergegebene Tradition, sondern vollzieht sich im (legitimierten) άπαγγέλλειν und μαρτυρεϊν. — Eher kann man fragen, ob Irenaeus, Adv. haer. V 1,1 im Sinne von 1 Joh li-s gesprochen ist: „neque r u r s u s nos a l i t e r d i s c e r e p o t e r amus 1 So Sehn. S. 56. Er betont mit Recht: „Ein vorwiegend geschichtliches Interesse an Augenzeugen (αύτόπται Lk 12) und persönlichen Gefährten Jesu (Act 121) liegt in 1 Joh nicht vor, vielmehr ein religiöses Interesse" (S. 53). Er empfindet aber die Schwierigkeit und kommt schließlich zu der Auskunft: es „könnte sich auch noch ein Schüler und Vertreter des Zebedäiden Johannes zu einem Kreis 'apostolischer' Zeugen zählen, die durch ihre Verbundenheit mit dem auf Erden, 'im Fleisch' erschienenen Gottessohn ein einmaliges und ausschließliches Glaubenszeugnis für ihn ablegen" (S. 57). Das scheint mir eine Verlegenheitsauskunft zu sein. 2 Vgl. C o n z e l m a n n , a.a. O. S. 199, A. 20: „Die Stichworte zeigen in ihrer Häufung den gesamten Umfang der Übertragung des geschichtlichen Heilswerks auf die Gläubigen an. Die tragenden Elemente sind Augenzeugenschaft, Verkündigung, Bindung an die Tradenten ('Gemeinschaft'). Die gegenwärtige Gemeinschaft hat ein historisches Fundament, und das Historische reicht in die jetzige Sozietät hinein." —Vgl. auch meine Erklärung von Joh 114 (Komm. S. 44—46).

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nisi magist rum nostrum videntes et per audi tum nostrum vocem eius percipientes." Daher die Verben, die die sinnliche Wahrnehmung beschreiben. Sie sind — so könnte man sagen — als kühnes Wagnis gesprochen, und sie mußten gesprochen werden gegenüber solchen, die sich auch Gläubige nennen, die aber die gegenwärtige eschatologische Offenbarung von dem historischen φανερωθηναι lösen, also gegenüber den gnostizierenden Christen, gegen die sich der ganze Brief wendet, weil sie das Gekommensein des Gottessohnes έν σαρκί leugnen (42; vgl. 2 Joh 7) und doch meinen, Christen zu sein (219)1. In gewisser Weise könnte man also sagen, daß der Plural „Wir" der ekklesiastische Plural von Joh 114 ist. Jedoch besteht hier ein gewisser Unterschied, weil in dem έθεασάμεθα von Joh 1 u offenbar die Gesamtheit der Glaubenden spricht, während sich die „Wir" von 1 Joh 11-5 von dem „Ihr" unterscheiden, also nur eine Gruppe der Gemeinschaft der Glaubenden sein können. Welche, ist leicht zu beantworten: es sind diejenigen, denen die Aufgabe des άπαγγέλλειν und μαρτυρεΐν zufällt, also die Träger der Tradition. Sie reden als die „Wir" die Gemeinde als die „Ihr" an, und zwar zu dem Zweck: ίνα και ύμεΐς κοινωνίαν εχητε μεθ·' ήμών (V.3)2. Wenn nun an die Stelle des Plurals γράφομεν (14), der nach V. 1-3 zu erwarten ist, im folgenden das singularische γράφω (2i. 7t. etc.) bzw. έγραψα (2u. 21 etc.) tritt, so zeigt sich, daß der Verfasser des Schreibens sich einer persönlichen Autorität bewußt ist, und zwar als Vertreter der Träger der Tradition 3 . Eben in diesem Bewußtsein redet er die Leser an als τεκνία μου (2i) oder einfach als τεκνία (212; 3τ; 44) oder als παιδία (2ιβ). Wenn er sie auch als άγαπητοί anreden kann (2 7; 32.21), so zeigt sich daran, daß er sich der brüderlichen Gemeinschaft mit ihnen bewußt ist. Ja, wenn er (2?) sagen kann, daß er ihnen nicht ein neues Gebot schreibt, sondern das ήν εϊχετε άπ' άρχης, so sind auch die Angeredeten in gewissem Sinne Träger der Tradition. Das gleiche zeigen 2i3i., zumal wenn von den πατέρες gesagt wird έγνώκατε τον άπ' άρχής, und dasselbe geht aus 219-21 hervor, zumal aus dem οΐδατε αυτήν (sc. την άλήθειαν) 221. 1

So auch Sehn. S. 53f. Vgl. auch C o n z e l m a n n , a.a.O. S. 200 (A. 20 zu S. 199): „Es handelt sich nicht mehr nur um eine Entscheidung für oder gegen die Botschaft, sondern für oder gegen eine bestimmte F o r m derselben. Damit rückt der Brief in den Kreis anderer nachapostolischer Schriften ein." Über die zeitgeschichtliche Situation von 1 Joh vgl. auch D o d d S. 9-16 und H o w a r d , Christianity S. 54f. 2 Das hindert nicht, daß sich im weiteren Verlauf des Schreibens der Verfasser im „Wir" mit den Lesern zusammenschließt, vgl. 2za; 3i1. und das „Wir" des οϊδαμεν 32 s.u. 3 Daß der Verfasser in den Anfangsworten des Schreibens im Stil einer prophetischen Offenbarung spricht (E. H a e n c h e n , ThR N F 26, 1960, S. 14), kann ich nicht finden. Er redet in dem Bewußtsein, Vertreter der auf die Offenbarung zurückgehenden Tradition zu sein. 2

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Bultmann, Johannesbriefe

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l j o h Is.

Die Verse 219-21 erhellen die Situation und damit das zunächst fragliche Verhältnis von „Wir" und „Ihr". Wohl sind die „Wir" zunächst die Tradenten, die für die „Ihr" eine autoritative Instanz sind, aber andererseits gehören die „Wir" und die „Ihr" zu einer Gemeinschaft zusammen, und an diese appellieren 2?. 19-21, und sie wird 3n. deutlich zum Ausdruck gebracht1. Daß die „Wir" und die „Ihr" im gleichen Zusammenhang der Tradition stehen, kommt auch darin zum Ausdruck, daß der Verfasser zu den Lesern sagen kann: ύμεϊς δ ηχούσατε άπ' άρχής (224), oder: ήν (sc. την άγγελίαν) ήκούσατε άπ' άρχής (3ιι), auch wenn hier άρχή nicht den Ursprung der Verkündigung meint, sondern den innerzeitlichen Beginn des Gläubigwerdens der Leser (s. o. S. 15,1). Haben V.i und 2 den Gegenstand der christlichen Verkündigung angegeben, so wird dieser in V. 3a (δ έωράκαμεν και άκηκόαμεν) wieder aufgenommen, und indem das (μαρτυρουμεν) και άπαγγέλλομεν von V.2 in V. 3 wieder aufgenommen wird in dem άπαγγέλλομεν και ύμΐν, wird endlich der Zweck des άγγέλλειν, also die Absicht des ganzen Schreibens ausgesagt: ίνα και ύμεϊς κοινωνίαν έχητε μεθ·' ημών2. Dieser Satz ist natürlich gesprochen im Blick auf die drohende Spaltung zwischen den echten Gläubigen und Irrlehrern3. Die κοινωνία ist die durch die Verkündigung gewirkte Verbundenheit im gemeinsamen Glauben4. Man könnte vielleicht nach dem Vorausgehenden erwarten, daß es hieße κοινωνία μετ' αύτοΰ = mit dem, was wir verkündigen, oder mit dem, den wir verkündigen. Und tatsächlich zeigt der erläuternde Satz ja, daß die κοινωνία μεθ·' ήμών auch die κοινωνία μετά του πατρός και μετά τοΰ υίοϋ αύτοΰ Ίησοϋ Χρίστου ist. Aber diese gibt es nur dank jener, d. h. dank der legitimen Tradition5. In dieser Erläuterung (zu der das εστίν zu ergänzen ist) 6 fällt nun sozusagen der Schleier (s. o. S. 18f.). Während bisher direkt von der Sache und nur andeutend von der Person des Offenbarers die Rede war, 1 V o n dem „ W i r " in ο'ίδαμεν 32. u , in dem sich der Verfasser mit dem Leser zusammenfaßt wie in 414. ie, sind die Wir-Sätze zu unterscheiden, die mahnenden Charakter haben und das Kriterium des echten Glaubens angeben wie z.B. 4e; 52. Doch ist der Unterschied fließend wie etwa 4e. — Wiederum anders ist das „ W i r " zu verstehen in 16-10, das den Sinn v o n „man" oder „jemand" hat; s. o. S. 1 5 f . , 1 7 , 1 . 2 Das textlich nicht gesicherte καΐ v o r ύ μ ΐ ν hat f ü r das Thema keine Bedeutung. 3 So D o d d und s. o. S. 1 7 , 1 . 4 Sachliche Parallelen zu diesem Sinn von κοινωνία sind z.B. Phil 15; 2 1 ; Phlm 6. — Über den vielfach nuancierten Sinn v o n κοινωνία s. H. S e e s e m a n n , Der Begriff Κοινωνία im NT 1 9 3 3 ; B a u e r , Wörterb. — In J o h fehlt das Substantivum wie das Verbum. In 1 J o h begegnet es außer 13 nur noch 16f. — κοινωνία μετά ist nicht griechisch, doch findet es sich in L X X Hiob 34s; ebenso in Corp. Herrn. XIII, 9. 5 Treffend zitiert H o l t z m a n n dazu das W o r t Bedas: „quia quicumque societatem cum deo desiderunt, prius ecclesiae societatem debent adunari." β Es fehlt das zu και gehörige δέ in einigen Hss., ist aber unentbehrlich, um den Gedanken „aber auch" oder „und zwar" deutlich zu machen; vgl. BID § 447, 9.

1 Joh l3a.4

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wird diese jetzt ausdrücklich genannt: Ίησοϋς Χριστός1. Und während es V.2 von der ζωή αιώνιος gesagt war, daß sie προς τον πατέρα war, heißt es jetzt, daß die κοινωνία eine solche mit dem Vater und seinem Sohn ' Ιησούς Χριστός ist 2 . Vater und Sohn sind zur Einheit verbunden, wie in Joh (z.B. 14θ; 173.101.), so 1 Joh 222-24; 2 J o h 9 . Die κοινωνία mit dem Vater ist zugleich die mit dem Sohn; wer diesen verleugnet, verleugnet auch den Vater (222-24; vgl. 4e. 15; 5io-i2). Wenn die κοινωνία μετά τοϋ πατρός και μετά τοΰ υΐοϋ αύτοϋ . . . als ή ήμετέρα bezeichnet wird, so ist damit der Satz ίνα και ύμεΐς κοινωνίαν έ'χητε μεθ·' ήμών in dem Sinne erläutert, daß diese nicht eine bloße (profane) Gemeinschaft zwischen menschlichen Personen ist, sondern daß mit ihr die Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn gegeben ist. Der Begriff κοινωνία begegnet nur hier und V. 6t., aber das Motiv zieht sich durch das ganze Schreiben in einer Reihe verschiedener Wendungen, die vom Sein (2 s; [5 20] oder vom Bleiben (2 6.24) in Gott reden, und in der reziproken Formel: wir in Gott und er in uns (3 24 ; 4iä). Alle solche Wendungen charakterisieren das Gottesverhältnis der Glaubenden nicht als Mystik, sondern als eine Lebenshaltung! Denn wie gleich V.5tr. zeigen, gehört zum Gottesverhältnis das Halten der Gebote Gottes3. In V. 4 tritt nun an die Stelle des άπαγγέλλομεν das ταϋτα γράφομεν ήμεϊς4, das für das ganze Schreiben gilt, also auf alles Folgende, ohne daß damit das V.1-3 Gesagte ausgeschlossen sein müßte. Auch die Zweckangabe wird jetzt anders formuliert, indem es statt 'ίνα . . . κοινωνίαν έχητε (V.s) heißt: ίνα ή χαρά ήμών ή πεπληρωμένη. Auffällig ist das ήμών, sowohl nach der Zweckbestimmung in V. 3, die den Wunsch für die Leser enthält, wie auch weil ein ύμών der traditionellen Formulierung des Wunsches am Schluß des Präskripts besser entsprechen würde. Begreiflich daher, daß das ήμών in einigen Handschriften und Übersetzungen in υμών geändert ist. Indessen wird ήμών die richtige Lesart sein (so auch Sehn.), wenn man bedenkt, daß nach V. 3 die κοινωνία des Verfassers mit den Lesern zugleich die κοινωνία mit dem Vater und dem Sohn ist. Wie diese in jener mit ein1 Ίησοϋς Χριστός in Joh nur selten (I17; 173); in 1 Joh häufiger: 2 i ; 3 23 ; 42; 56. [20]; 2 Joh 7. 2 Jesus ist wie in Joh der Sohn Gottes (cf. I3.7; 2221.; 3s; 510.16 u. sonst). Dabei wechseln die Bezeichnungen als υιός θεοΰ, τοϋ πατρός und einfachem υιός im gleichen Sinn. 3 Sehn, hat in einem ausführlichen Exkurs (S. 66-72) die Eigenart des joh. Gedankens der Gottesgemeinschaft im Unterschied wie von der alttestamentlichen, so von der philosophischen (stoischen) und der enthusiastischen und gnostischen Auffassung lehrreich erläutert. Seine Erwägung, daß man von einer „Seinsmystik" sprechen könne, scheint mir nicht treffend zu sein. Aber mit Recht betont er, daß die Gottesgemeinschaft in 1 Joh wesensmäßig mit der Ethik verbunden ist. — Auch in Joh kann von Mystik nicht die Rede sein, vgl. Komm. S. 45. 290f. 333. 416. 473f., zum είναι bzw. μένειν έν S. 2 4 3 , 1 ; 4 1 1 , 3, zum Reziprokverhältnis S. 290. 4 Das ήμεϊς ist in einigen Hs. und Ubers, in ύ μ ΐ ν geändert worden. Die Explikation des ταϋτα ίνα κτλ. wie oft nach einem Demonstrativum 2 ι ; 3(i). 8. 11. 23; 49.17.21; 53. 13.

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1 Joh Ii

geschlossen ist, so ist auch die χαρά der Leser und des Verfassers die gleiche. Die χαρά ist nichts anderes als das Heil, das der κοινωνία mit dem Vater und dem Sohn geschenkt wird, das eschatologische H e i l A b e r sie ist, ohne den eschatologischen Sinn zu verlieren, Gegenwart, da die Glaubenden im Glauben von der sie bedrängenden Welt befreit sind 2 , wie es denn 513 heißt: ταϋτα έγραψα ύμΐν ίνα εΐδήτε δτι ζωήν εχετε αΐώνιον. Daß die ζωή Gegenwart ist, sagt auch 314: ημείς οίδαμεν δτι μεταβεβήκαμεν έκ του θανάτου εις τήν ζωήν . . . Aber so gewiß diese eschatologische Freude Gegenwart sein kann, so gewiß ist sie in der Gegenwart immer noch eine vorläufige, der die Erfüllung noch bevorsteht 3 . Daher der Wunsch: ίνα ή χαρά ήμών ή πεπληρωμένη = daß sie eine erfüllte sei. Sie ist es in der Gemeinschaft, die zwischen dem Verfasser und den Lesern mit dem Vater und Sohn schon besteht, und sie ist es doch wieder nicht4. Denn das Sein des Glaubenden ist kein statisches, sondern ein immer werdendes, ein περιπατεΐν (s. 15 etc.), weil er unter der Forderung des Gebotes steht. Das zeigt ja gleich 15-211 und im Grunde das ganze Schreiben. 1 Freude ist die göttliche Gabe, die sowohl in der kultischen Feier im AT und in den Mysterienreligionen erlebt wird wie in der Erkenntnis und Schau der Gnosis und Mystik. Sie kann als eschatologische Gabe von der Zukunft erwartet, aber auch in der gegenwärtigen Andacht erlebt werden. Vgl. zu Joh 1713 (Komm. S. 387,1, überhaupt Komm. S. 386-388 und S. 416f. 446-449. 450). S. ferner E. G u l i n , Die Freude im N T II 1936. — Daß der Weg zur χαρά durch die λύπη geht (Joh 1620-24), wird in 1 Joh nicht zum Thema; denn die Front, gegen die sich 1 Joh wendet, ist nicht der Unglaube, sondern der falsche Glaube, die Irrlehre. S. o. S. 9. — Χαρά in 1 Joh nur hier, aber 2 Joh 12 in gleichlautendem Satz. 2 Der Wunsch hat seine sachliche Parallele Joh 1511: ταϋτα λελάληκαύμϊν ίνα ή χαρά ή έμή εν ύμΐν fj καΐ ή χαρά ύμών πληρωθη; 17ΐ3: ταϋτα λελάληκα έν τφ κόσμω ίνα εχωσιν τήν χαράν τήν έμήν πεπληρωμένην έν έαυτοΐς. Diejenigen, die diese Gabe empfangen haben, existieren nicht mehr έκ τοϋ κόσμου (Joh 17e. ie), und haben empfangen, was die Welt nicht geben kann (Joh 1427). Die Gabe kann auch ειρήνη heißen (Joh 1427), ein Begriff, der in l j o h nicht begegnet, wohl aber in den brieflichen Wünschen 2 Joh 3; 3 Joh 15. 3 Πληροϋσθαι ist von τελειοϋσθαι insofern verschieden, als τελειοΰσ&αι das Gelangen zum Ende bedeutet (vgl. Joh 19 28: τετέλεσται und dazu Komm. S. 523), während πληροϋσθαι die Erfüllung (Sehn.: „das Wirklichwerden einer Möglichkeit") bezeichnet. Doch ist der Unterschied nicht immer scharf, wie 2 s und Joh 329 zeigen. Zu πληρούν bei Joh vgl. noch Komm. S. 387. 417. — A. S c h l a t t e r will das πεπλήρωται Joh 329 nach dem hebräischen erklären, das den Sinn von „vollständig, ganz sein" hat

(Sprache und Heimat des 4. Evangelium 1903, S. 51 f.). 4 G u l i n a.a.O. 65 will der Paradoxie dadurch entgehen, daß er das ϊνα . . . Jj πεπληρωμένη erklärt: damit der Gegenstand der Freude eintreffe, nämlich dadurch, daß die Leser wieder zum wahren Glauben zurückkehren. Das leuchtet so wenig ein wie Schn.s Erklärung, daß die Erfüllung der Freude darin besteht, daß sich der Kreis der Gottverbundenen weitet und „kräftigt".

21 1,5—2,2: Gottesgemeinschaft und Wandel im Licht Jetzt beginnt der Verfasser das άπαγγέλλομεν von V. 2 f. in einer konkreten Fassung zu entwickeln: καί εστίν αυτη ή άγγελία . . . οτι (V. 5) Die άγγελία wird charakterisiert als ήν άκηκόαμεν άπ' αύτοϋ2. Aber wer ist der αυτός? Der (christliche) Leser weiß natürlich, daß der „Sohn" gemeint ist, aber das selbstverständliche Auftreten des αύτός ist doch überraschend. Zwar war in V.1-3 erkennbar, daß das Ewige in der Person Jesu geschichtlich geworden ist, aber in V. 1-3 war er als der Gegenstand des άκούειν und der Verkündigung, nicht als ihr Urheber genannt, und auch wo in V. 3 der υιός mit dem πατήρ zusammen genannt wurde, wurde der υιός nicht als der Auftraggeber des άπαγγέλλειν charakterisiert. Doch bleibt die Selbstverständlichkeit, mit der er hier als solcher erscheint, überraschend. Es wird daraus zu erklären sein, daß der Verfasser die Irrlehrer im Blick hat, denen gegenüber er sich auf die Autorität beruft, die hinter der άγγελία steht, und diese braucht für christliche Leser nur αύτός genannt zu werden 3 . Was der Inhalt der Verkündigung ist, sagen zunächst die Verse 5-7, deren erste im Parallelismus formulierte Sätze V. G und 7 vermutlich aus einer Quelle entnommen sind. Es bleibe dahingestellt, ob auch der δτιSatz in V.5 zu dieser Quelle gehört. Seine beiden Teile bilden nicht einen parall. membr., sondern sind zwei durch καί verbundene, sachlich aber in Antithese zueinander stehende Sätze. Ό θεός φως έστιν. Dieser Satz gibt ebensowenig wie das b θεός άγάπη έστίν 4β. ιβ und das πνεύμα ό ·9·εός Joh 424 eine Definition des Wesens Gottes, wie Gott an sich ist 4 . Er besagt vielmehr, was Gott für den Menschen bedeutet. Auch im AT, im Judentum wie im Griechentum und vollends in der Gnosis wird Gott, Gottes Wesen, die Sphäre des Göttlichen, als Licht bezeichnet. Bei allen Variationen liegt aber letztlich 1 Fast gleichlautend die Formulierung 225; 3 i i ; 5 n (vgl. J o h l 19). Der Verfasser liebt das vorausweisende Demonstrativum mit folgendem οτι hier wie 4 9 . 1 0 ; 59.11.14; mit folgendem ίνα 3β. ι ι . 23; 4n. 21; 53; 2 J o h 6. καί gewinnt dann den Sinn v o n „und zwar" wie hier, so 225; 323; 511. 14. 2 Im Griechischen gewöhnlich άκούειν παρά; doch ist auch άκούειν άπό möglich; BID § 1 7 3 , 1 ; 2 1 0 , 3. Vielleicht ist hier άπό gewählt, weil παρά verstanden werden könnte, es handle sich um direkt v o m historischen Jesus gehörte Worte. — Daß es hier άναγγέλλομεν statt άπαγγέλλομεν wie V.2f. heißt, macht schwerlich einen Unterschied; bedeutet άναγγέλλειν auch ursprünglich „Gehörtes wiederholend berichten", so wird es doch o f t im Sinn v o n „Verkündigen" gebraucht (Bauer, Wörterb.); es kann, z.B. v o m κήρυξ ausgesagt, speziell „proklamieren" bedeuten (Schniewind, T h W I 61, 31 ff.). 3 Daß das άπ' αύτοϋ nicht auf die W o r t e des histor. Jesus verweist, zeigt B r a u n , Ges. Studien, S. 2 3 2 f . mit Recht. Natürlich hat die άγγελία ihren Ursprung in dem „Gekommensein" Jesu in der Geschichte, aber auf diese wird (in 1 Joh) ohne alle Anschaulichkeit Bezug genommen. 4 Vgl. zu J o h 424 K o m m . S. 1 4 1 . Man kann den Satz nicht umdrehen und sagen τό φως (bzw. ή αγάπη oder τό πνεϋμα) θεός έστιν.

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1 Joh ls.«

das Verständnis zugrunde, daß der eigentliche Sinn von Licht die Helligkeit ist, deren der Mensch wie im alltäglichen, so auch im geistigen Leben bedarf, um seinen Weg zu finden. Die Erhelltheit des Daseins gehört notwendig zum Leben, so daß von je und überall Licht und Leben, Finsternis und Tod zusammengehören. Und wie von Piaton die Idee des αγαθόν als das φως beschrieben werden kann, so kann „Licht" überhaupt zur Bezeichnung des Heils werden, speziell des eschatologischen Heils 1 . Daß auch für l j o h (wie für Joh) φως eine Charakteristik des Heils ist, geht aus 28 hervor; denn wenn es heißt ή σκοτία παράγεται και τό φως τδ άληθ-ινδν ήδη φαίνει, so kommt schon in dem άληθινόν zum Ausdruck, daß nach „Licht" das Verlangen aller Menschen geht, daß aber die Erkenntnis des echten Lichtes verfehlt werden kann 2 . Dabei zeigt das ή σκοτία παράγεται und das ήδη φαίνει, daß das Heil als eschatologisches gedacht ist im Sinne von τό φως έλήλυθεν εις τον κόσμον (Joh 319). In Is nun ist nicht der Heils-, sondern der Forderungs-Charakter des Lichtes betont, wie V. 6 deutlich macht, wie ja auch der Satz von 2 β als Begründung der έντολή dient. Das für 1 Joh (wie für Joh) Charakteristische ist, daß das eschatologische Heil, das dem Glauben geschenkt ist, kein Besitz ist, sondern die Forderung einschließt, daß der Glaubende nie ein Fertiger ist, sondern immer unterwegs ist. Anders ausgedrückt: daß Gott Licht ist, sagt nicht, daß man seiner in einer Schau habhaft werden kann, sondern, daß er ein Wie der menschlichen Existenz ist bzw. sein soll und kann. Dem entsprechen die Wendungen έν τω φωτι περιπατεΐν V.7 (s. ο. S. 20 zu V. 4 und vgl. Joh 812; 13 35), έν τω φωτι μένειν 2ιο. Wie diesem das περιπατεΐν έν τω σκότει V. 6; 2 ι ι gegensätzlich entspricht, so folgt dem Satz ό θεός φως έστιν der andere: κ α ι σ κ ο τ ί α έν α ύ τ ω ούκ έ'στιν ούδεμία. Es dürfte kein Zweifel sein, daß sich dieser Satz gegen die Irrlehre richtet. Freilich nicht etwa gegen eine gnostische Lehre von einer Mischung von Licht und Finsternis in der Gottheit 3 , vielmehr gegen die Behauptung gnostizierender Irrlehrer, im Lichte zu 1 Vgl. darüber Komm. S. 2 2 - 2 6 zu Joh I i auch S. 113, 6 ; 258. 260f. Ferner W i n d i s c h - P r e i s k e r zu l j o h l s und Sehn. S. 76-79. 8 0 , 4 . Uber Licht und Finsternis in den Qumran-Texten s. H. B r a u n (s. u. S. 23, 1). Uber die Lichtsymbolik im Altertum s. R. B u l t m a n n , Philologus 97, 1948, 1 - 3 6 , jetzt in: Beiträge zum Verständnis der Jenseitigkeit Gottes im NT 1965, S. 7-42. — W . B e i e r w a l t e s , Lux intelligibilis. Unters, zur Lichtmetaphysik der Griechen, Diss. München 1957. 2 Vgl. J o h 19: ήν το φως το άλη-ΕΗνον. 3 In der gemeinen Gnosis bilden Licht und Finsternis sich ausschließende Gegensätze. Das Licht bezeichnet das Wesen oder die Sphäre der Gottheit. Vgl. bes. bei den Mandäern Ginza R. I, 3 (S. 6, 26-7, 2): „Er (sc. der ,hohe Lichtkönig') ist das Licht, an dem keine Finsternis, das Lebendige, an dem kein Tod, das Gute, an dem keine Schlechtigkeit..." Nach gnostischer Vorstellung besteht das Gericht in der Scheidung v o n Licht und Finsternis; vgl. Komm. S. 113 zu Joh Iis. In der qumran. „Sektenregel" ( 1 Q S 3, 20 f.) erscheint der Gegensatz der Wege des Lichts und der Finsternis. Vgl. H. B r a u n , ThR 1962, S. 194 zu Joh lsfl., S. 2 1 8 f . zu Joh 812; 1964, S. l O l f . zu 1 Joh 1 5-7, jetzt in: Qumran u. das NT I 1966, S. 98. 218ff. 290f.

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sein, welche sich nicht damit reimt, daß sie faktisch in der Finsternis sind, und zwar in ihrem Wie des Lebens, in ihrem περιπατεΐν. Denn ebenso wie φως bezeichnet auch σκοτία ein Wie der Existenz, ein περιπατεΐν; mag sich das darin erweisen, daß die Irrlehrer keine κοινωνία μετ' αλλήλων haben (V.7) und ihren Bruder hassen (29. 11), oder in ihrer Behauptung der Sündlosigkeit (V. s) und ihrer Leugnung der Inkarnation des Offenbarers (2 22 ; 42f.). Mit der Gnosis hat 1 Joh die dualistische Terminologie gemeinsam1. Aber während in der Gnosis die Terminologie auf einem echten kosmologischen Dualismus beruht, d. h. auf der Vorstellung von Licht und Finsternis als von zwei kosmischen Mächten, ist in 1 Joh (wie in Joh) die Finsternis nicht eine kosmische Macht, die der göttlichen Macht gegenübersteht, sondern ist die Verschlossenheit der Menschen gegen Gott — eine Verschlossenheit, die freilich als die „Welt", zu der jeder Mensch von sich aus gehört, und die er in seiner individuellen Verschlossenheit mit konstituiert, zu einer den Einzelnen beherrschenden Macht wird 2 . Da aber die Offenbarung des Lichtes dem Menschen die Möglichkeit eröffnet, aus der Verschlossenheit in der Finsternis in das Licht zu gelangen, ist aus dem kosmologischen Dualismus ein Entscheidungs-Dualismus geworden. Indem es sich um die Entscheidung zwischen dem περιπατεΐν έν τω σκότει und dem περιπατεΐν έν τω φωτί handelt, ist der kosmologische Dualismus vergeschichtlicht worden: Die Entscheidung des Glaubens ist die Wahl zwischen zwei durch die Verkündigung angebotenen Möglichkeiten des Selbstverständnisses. Die Konsequenzen aus dem Satz V.5b werden nun im folgenden zunächst in V. 6 bis 217 entwickelt. In diesem Abschnitt benutzt der Verfasser offenbar eine Quelle, die stilistisch mit der in Joh benutzten Quelle der „Offenbarungsreden" verwandt ist. Der Text der Quelle, der vom Verfasser und von der kirchlichen Redaktion glossiert und erweitert ist, dürfte folgender gewesen sein3. 1 D e r johanneische Dualismus hat seine Wurzel nicht im A T , sondern in der Gnosis. N u n ist der Einfluß des gnostischen Dualismus schon im späteren J u d e n t u m wirksam gewesen, wie die TestPatr schon zeigten, und wie jetzt durch gewisse Teile der QumranTexte bezeugt wird. Manche johanneische Formulierungen haben in diesen ihre Parallelen. Das beweist aber keineswegs die Abhängigkeit der johanneischen Schriften v o n der qumran. Gemeinde, sondern, soweit nicht direkter gnostischer Einfluß vorliegt, die A b hängigkeit v o n einem synkretistischen Judentum. Ü b e r den Entstehungsort der johanneischen Schriften ist damit nichts ausgesagt.

V g l . K o m m . S. 3 3 f . zu J o h l 10. Die Rekonstruktion der mutmaßlichen Quelle ist etwas anders, als ich sie in der Festgabe f ü r A d . Jülicher S. 1 5 7 zu geben versucht habe. I n dieser habe ich die Unterscheidung des Quellentextes v o n den Zusätzen des Verfassers durch die stilistischen Merkmale, die diese v o n jenem unterscheiden, aufgewiesen. Hier weise ich zunächst nur darauf hin, daß die Sätze der Quelle parallele Glieder bilden, v o n denen je drei zusammengehören; u n d ferner, daß die dreigliedrigen Sätze durchweg Antithesen bilden. Dieser Stil ist v o n dem parall. membr. und der Antithetik der alttestamentlichen Rede2 3

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1 Johle,Tab

1β:

έάν εϊπωμεν δτι κοινωνίαν έχομεν μετ' αύτοϋ καί έν τω σκότει περιπατώμεν ψευδόμεθα καί ού ποιοϋμεν τήν άλήθειαν. I Τ. έάν δέ έν τω φωτί περιπατώμεν, ως αυτός έστιν έν τω φωτί, κοινωνίαν έχομεν μετ' αύτοΰ. [7c] 1 β: έάν εΐπωμεν δτι άμαρτίαν ούκ έχομεν έαυτούς πλανώμεν, καί ή αλήθεια ούκ έστιν έν ήμΐν. 1 ίο: έάν εΐπωμεν δτι ούχ ήμαρτήκαμεν, ψεύστην ποιοϋμεν αύτόν, καί ό λόγος αύτοϋ ούκ έστιν έν ήμΐν. -] 2 4:

!

ό λέγων δτι έγνωκα αύτόν, καί τάς έντολάς αύτοϋ μή τηρών ψεύστης έστίν, καί έν τούτω ή αλήθεια ούκ έστιν, 25 * δς δ' άν τηρη αύτοΰ τον λόγον αληθώς έν τούτω ή άγάπη τοΰ θεοΰ τετελείωται. 2g: ό λέγων έν τω φωτί είναι καί τον άδελφόν αύτοΰ μισών, έν τη σκοτία έστίν [? έως άρτι]. 2ίο: ό άγαπών τον άδελφόν αύτοΰ έν τω φωτί μένει, καί σκάνδαλον έν αύτώ ούκ έστιν. 2ιι: ό δέ μισών τον άδελφόν αύτοΰ έν τη σκοτία έστίν καί έν τη σκοτία περιπατεί. Das Entweder-Oder ist in V. 6. 7ab deutlich formuliert: Die Behauptung1, Gemeinschaft mit Gott2 zu haben, ist Lüge, wenn sie sich mit einem Wandel in der Finsternis verbindet. Das ψευδόμεθα hat zunächst den einfachen Sinn: „wir sagen die Unwahrheit"; aber das folgende καί ού ποιοϋμεν τήν άλήθειαν zeigt, daß in ψεύδεσθαι noch ein tieferer Sinn mitklingt. Das ψεύδεσθαι ist nichts Gelegentliches, sondern ist ein Charakteristikum des περιπατεΐν έν τώ σκότει. Der ψεύστης ist nach 2i der, in weise verschieden. Im Unterschied von der prosaischen Redeweise des Verfassers kann die Sprache des Textes als poetische bezeichnet werden. A u f die Stileigentümlichkeiten des Verfassers wird im folgenden jeweils hingewiesen werden. Zur Diskussion über die Quellenfrage s. H a e n c h e n , ThR 1960, S. 9 f . ; B r a u n , Ges. Studien 1962, S. 210-220. 1 Das „ W i r " des εΐπωμεν in V.e-io ist selbstverständlich nicht das von V.s, sondern hat den allgemeinen Sinn von „man" oder „jemand". Gleichbedeutend das ό λέγων 2,4 s. ο. S. 1 8 , 1 . 2 Nach V.e bedeutet μετ' αύτοϋ natürlich: mit Gott.

1 J o h l7ab

25

dem „die Wahrheit nicht ist". Der Dualismus von αλήθεια und ψεϋδος entspricht dem von φως und σκότος1. Wie Gott das φως ist (V.s), so ist er auch die αλήθεια, und wie das φως das Wie des menschlichen Seins ist (bzw. sein will), so auch die αλήθεια2. Denn αλήθεια meint wie in Joh nicht die im Erkennen erschlossene Aufgedecktheit des Seienden im griechischen Sinne, sondern die Wirklichkeit Gottes3. Daher die verschiedenen gleichbedeutenden Wendungen vom „Sein" der Wahrheit „in uns" (18; 2i), von unserem „Sein aus der Wahrheit" (221; 3i9; J0I1I837), vom „Wandeln in der Wahrheit" (2 Joh 4), vom „Wissen" und „Kennen" der Wahrheit (2ai; 2 Joh 1; Joh 832). Von daher muß also auch das ποιεΐν τήν άλήθειαν verstanden werden 4 , so wenig damit ein gutes Handeln ausgeschlossen ist, denn das τηρεΐν τάς έντολάς bezeugt, daß die Wahrheit „in" einem Menschen ist 5 . Aber das beweist nur, daß alle jene Wendungen das Wie des Lebens bezeichnen; denn dieses wirkt sich auch im Handeln aus. Man kann daher das ποιεΐν τήν άλήθειαν auch beschreiben als wesentliches, wirkliches Handeln. Der Gegensatz ψεύδεσθαι bezeichnet das Nichtigsein des Lebens. Denn wenn αλήθεια die eigentliche Wirklichkeit bezeichnet, so ist ψεϋδος das Uneigentliche, Unwirkliche, das Nichts, ja im Grunde der Tod, wie denn der, der seinen Bruder nicht liebt, sondern haßt, ein Lügner ist (4 20) und nach 211 in der Finsternis, nach 3i4 im Tode bleibt, und wie umgekehrt άλήθεια, φως und ζωή zusammengehören, wie das ganze Schreiben zeigt (vgl. Joh 14β). Alle Lüge stammt vom Teufel, der (nach Joh 844) als der Lügner der άνθρωποκτόνος άπ' άρχης ist. Wer Jesus nicht als den Christus anerkennt, also die in ihm offenbar gewordene ζωή (12) leugnet, ist ein Lügner (222) und behauptet, daß Gott ein Lügner sei (510). Es ist also klar: lügen und die Wahrheit nicht tun, heißt: sich von der Wirklichkeit abschließen und nichtig werden 6 . 1 Zwischen σκότος (nur hier und Joh 319) und σκοτία (291. etc.) ist kein Unterschied. — Über den Dualismus von Wahrheit und Lüge s. Komm. S. 242, 5 zu Joh 844 und den Exkurs von W . B a u e r im Handb. z. NT. 2 Zur Zusammengehörigkeit von φως und άλήθεια vgl. auch Sehn. S. 81, 2 u. 3; speziell zu „Wahrheit" in den Qumrantexten ebda. S. 81,1 und H . B r a u n , ThR 30, 1964, S. 101 f.; jetzt in: Qumran u. das NT I, S. 290f. 3 Vgl. ThW I 245, 23ff. und Komm. S. 332ff. zu Joh. 8 3 if. So auch Sehn. S. 84f., wo Parallelen aus Qumrantexten angeführt sind. 4 Es hat einen tieferen Sinn als das hebräische fliPS flDN das „Treue erweisen", „rechtschaffen handeln" bedeutet. Vgl. ThW I 243, öff/und Komm. S. 117 (A. 6 zu S. 116). Auch in Qumrantexten scheint die Wendung „die Wahrheit tun" in diesem (moralischen) Sinn bezeugt zu sein; s. H . B r a u n , ThR 28, 1962, S. 208f., jetzt in: Qumran u. das NT I, S. 112f. 5 Ebenso ist φαϋλα πρώσσειν Joh 32of. der Gegensatz zu ποιεΐν τήν άληθείαν Joh32of. 4 Daß man den Gegensatz Wahrheit — Lüge nicht aus den Qumrantexten ableiten kann, zeigt H. Braun,ThR 28, 1962, S. 220 zu Joh 837-44; jetzt in: Qumran u. das NT I, S. 124 f.

26

1 Joh l7a.7b

Daß das Tun der Wahrheit ein sich im Handeln vollziehendes Wie des Lebens ist, zeigt V. 7a: έάν δέ έν τ ω φ ω τ ί π ε ρ ι π α τ ώ μ ε ν . . . κ ο ι ν ω νίαν εχομεν μετ' άλλήλων 1 . Nach V.6 könnte man erwarten κοινωνίαν . . . μετ' αύτοϋ. So hieß es wohl auch in der vermuteten Quelle, aber der Verfasser des Schreibens dürfte in μετ' άλλήλων geändert haben in der Erwägung, daß der Leser wissen muß, worin der dem Wandel έν σκότει (V. β) entgegengesetzte Wandel im Licht besteht; was ist das Kriterium? Darauf antwortet: κοινωνίαν έχομεν μετ' άλλήλων. Die Folgerung: „dann haben wir auch κοινωνίαν μετ' αύτοϋ" kann fehlen (ähnlich 24t., s. u.), weil dieses selbstverständlich mit dem Wandel im Licht gegeben ist 2 . Das ist ja im Grunde in dem ώς αύτός έστιν έν τ ω φ ω τ ί ( = dem entsprechend daß . . .) enthalten. Überraschen könnte, daß es nicht einfach (nach V.s) heißt: ώς αύτος φως έστιν. Faktisch ist der Sinn der gleiche; denn dies είναι έν charakterisiert das Sein dessen selbst, von dem ausgesagt wird, daß er im φως ist, als φως είναι 3 . Daß der Lichtwandel eben darin begründet ist, daß Gottes Wesen Licht ist, ist für den Verfasser (bzw. für seine Quelle) selbstverständlich, wie es für ihn (bzw. für die Quelle) selbstverständlich ist, daß Gott wie er φως ist, so auch άγάπη ist (4 a. IG), wie denn 47t. in dem Wesen Gottes als άγάπη das άγαπαν άλλήλους begründet wird. Fragen kann man, an welche Gemeinschaft in dem κοινωνία μετ' άλλήλων gedacht ist. Wenn in 47 der Imperativ άγαπώμεν άλλήλους an die άδελφοί gerichtet ist, so ist man versucht, die κοινωνία μετ' άλλήλων als das brüderliche Verhältnis der Glaubenden untereinander zu deuten wie das ύμεΐς άγαπατε άλλήλους Joh 13344. Aber die Formulierungen der entgegengesetzten Haltung 2 n ; 420 legen es doch nahe, das μετ' άλλήλων auf die menschliche Gemeinschaft überhaupt zu beziehen. Ehe in V.s der vermutliche Text der Quelle wieder aufgenommen wird, ist in V. 7b ein Satz eingefügt, der wahrscheinlich ein Zusatz der kirchlichen Redaktion ist. Er hebt sich nicht nur durch seine Prosa vom poetischen Stil der Umgebung ab, sondern er stört auch sachlich5. In 1 Περιπατεΐν im übertragenen Sinn von Lebenswandel wie schon im hellenistischen Griechisch und in L X X , so auch im NT. Oft bei Paulus mit έν Rom 64; 2Kor 42 (so auch l j o h l e i . ; 2 n ; 2 Joh 4), mit κατά Rom 84; 14is; l K o r 3 3 ; 2 Kor IO2 (so auch 2 J o h 6; 3 Joh 3f.). Vgl. auch E p h 5 s : ώς τέκνα φωτός περιπατείτε. 2 Einige Zeugen lesen μετ' αύτοϋ, was Sehn. S. 82, 1 mit Recht gegen meine frühere Meinung in der Festg. für Jülicher ablehnt. 3 Das είναι έν kann gleichbedeutend vom Insein einer Person in einer Sache ausgesagt werden (I7; 2 s. 9.11; 4 « . [5 20]; Test Napht 2,10; Corp. Herrn. I 32; 1 X 4 ) wie vom Insein einer Sache in einer Person ( l s . 10; 2i. 10; 3c; J o h l 4 7 ; 225; 7ie; 844; 1110; 15ii; Herrn M a n d V 2 , 5; VII 8). In Joh auch die reziproke Verbindung 14IOJ.; 1721. 1 Vgl. dazu Komm. S. 405f. 5 Sehn. S. 7 3 , 1 meint: wenn ich V.7b ausscheide, so übersehe ich, daß hier das Stichwort der Verse 8-10 fällt: άμαρτία. Ich glaube umgekehrt: der Interpolator ist durch V. a-10 verführt worden, άμαρτία schon in V. 7b einzubringen.

1 Joh 7b-9

27

V.7a wird das κοινωνίαν εχειν μετ' άλλήλων als das Charakteristikum des έν τω φωτί περιπατειν genannt. Der Satz καί το αίμα κτλ. charakterisiert aber nicht das έν τω φωτί περιπατειν, so daß er mit dem κοινωνίαν εχειν κτλ. zusammengeordnet werden könnte. Wer V. ?b schrieb, hat das καί το αίμα κτλ. als die Folge des κοινωνίαν εχομεν κτλ. aufgefaßt: „und dann (nämlich wenn wir Gemeinschaft miteinander haben) reinigt uns das Blut Jesu von aller Sünde" 1 . Aber das ist eine schlechte Fortsetzung des „wenn - dann" von V. 7 a. Auch steht der Gedanke, daß das κοινωνίαν έχομεν κτλ. die Bedingung für die Reinigung ist, im Gegensatz zu V9., wo die Bedingung das Sündenbekenntnis ist. Es kommt dazu, daß der Satz, daß das Blut Jesu von der Sünde reinigt, zwar der kirchlichen Dogmatik entspricht, nicht aber dem johanneischen Denken 2 . Der Satz, mit dem V. 8 beginnt, überrascht zunächst, weil der Vordersatz έάν είπωμεν δτι άμαρτίαν ούκ έχομεν dem έάν είπωμεν . . . von V. 6 entspricht und demgemäß das άμαρτίαν μή εχειν in Parallele zu dem έν τω σκότει περιπατειν gerät. Aber der Satz ist daher verständlich, daß sich V.5-10 gegen die Irrlehrer richten, die von sich die Sündlosigkeit behaupten 3 . Eben diese Behauptung bedeutet für den Verfasser (wie für seine Quelle) in der Finsternis wandeln. Die Folgerung εαυτούς πλανώμεν entspricht genau dem ψευδόμεθα von V.6. Denn das εαυτούς πλανώμεν bedeutet ja nicht einen einfachen Irrtum, sondern das sich • verfehlende Selbstverständnis, das seiner Nichtigkeit nicht inne wird. Und das ή άλήθεια ούκ εστίν έν ήμΐν entspricht dem ού ποιοϋμεν την άλή&ειαν und bezeichnet die Nichtigkeit eines solchen Daseins4. Der Gedanke von V. 8 wird in V.10 wieder aufgenommen, sachlich in gleichem Sinn, aber in neuer Form. Dazwischen schiebt sich V. 9, der eine Erläuterung von V. β bringt, insofern die Warnung, sich für sündlos zu halten, die Mahnung einschließt, seine Sünden zu bekennen5. Diese Erläuterung dürfte vom 1 Natürlich ist gemeint: von aller begangenen Sünde, wie das έάν όμολογώμεν V.9 bestätigt, nicht: von der Macht der Sünde, des Sündigens. Ebenso Joh 9 « ; 1522.21; 19xi. 2 Von dem αίμα Jesu ist 5 β. 8 in anderem Sinne die Rede. In Joh gehen die Stellen, die vom αίμα Jesu reden, das im Sakrament wirksam wird, auch auf die kirchliche Redaktion zurück: 653-5«; 19 34b. 35 (s. Komm. S. 161 f. 174—176. 525f.). 3 Vielleicht darf man als Parallelen Prov28i3 anführen: „Wer seine Vergehungen zudeckt, wird kein Gelingen haben. Wer sie aber bekennt, wird Barmherzigkeit erlangen." Aus den Sprüchen des Amen (em) ope 18: „Sage nicht: ich habe keine Sünde und bemühe dich nicht, nach Streit zu suchen. Die Sünde gehört dem Gott, sie ist mit seinem Finger versiegelt" (Altoriental. Texte zum AT 2 1926, S. 43 f.). Doch ist in beiden Fällen nicht von Vergebung die Rede. * S. o. zu V.e. Zu dem είναι έν ήμΐν s. ο. Zu V. 7 (S. 26, 3). 6 Όμολογεΐν τάς άμαρτίας, das nur hier in l j o h begegnet, ist das ausgesprochene Bekenntnis der persönlichen Sünden, nicht ein allgemeines Sündenbekenntnis vor der Gemeinde und ihrem Leiter (so richtig Sehn. S. 85,1 und 86f.). — Όμολογεΐν in l j o h sonst vom Glaubensbekenntnis 223; 42t. 15; übrigens in Versen, die auch dem Verfasser zuzuschreiben sind.

28

1 Joh lo.io

Verfasser in die Vorlage eingeschoben sein, aber durchaus im Sinne der Vorlage1. Das Sündenbekenntnis muß dem έν τω φωτΐ περιπατείν von V. 7 entsprechen, und eben das ist das Merkwürdige dieser Erläuterung. Aber eben diese Paradoxie, daß mit dem Lichtwandel das Sündenbekenntnis ebenso wie das κοινωνίαν έ'χειν μετ' αλλήλων zusammengehört, charakterisiert das christliche Sein gegenüber der gnostischen Irrlehre. Ist das Sein des Gnostikers ein statisches, so ist das christliche Sein ein dynamisches. Dem Gnostiker ist durch seine Gnosis seine Zugehörigkeit zum Licht der Gottheit — sei sie entdeckt, oder sei sie erlangt — ein für allemal zum Besitz geworden. Der Christ hat durch seinen Glauben das Licht nie als dauernden Besitz erworben. Er hat seinen Glauben im περιπατεΐν zu bewähren, ist immer unterwegs und steht nie als ein Fertiger vor Gott2, sondern ist auf Vergebung angewiesen. Auf diese aber kann er vertrauen; denn er weiß von Gott: πιστός εστίν και δίκαιος, ίνα αφγ) ήμϊν τάς άμαρτίας3. Die Fortsetzung: καΐ καθ-αρίση ή μας άπό πάσης άδικίας dürfte ein Zusatz der kirchlichen Redaktion sein. Er ist in der kirchlich-kultischen Terminologie formuliert, die sonst dem Schreiben fremd ist4. Da es sich um die Vergebung handelt, hat αδικία den Sinn von begangenem Unrecht (vgl. 2Petr 1; denn wenn es dort heißt: εις τοϋτο 1

In der traditionellen Terminologie besteht kein Unterschied zwischen άμαρτία und άνομία. Beide Wörter bedeuten „Sünde" als Übertretung der Gebote Gottes, wie sie denn in dem von Paulus Rom 47 zitierten Ps 311 im parall. membr. stehen. So auch Ps 50t und sonst, im NT Hebr IO17. Im Sinn von Sünde wird άνομία auch gebraucht in alttestamentlichen Wendungen Mt7ϊ3 (έργάζεσθ-αι άν.); 1341 (ποιεϊν άν.); ferner Mt2328; 24i2; Tit 214; verbunden mit δικαιοσύνη als Oppositum Rom 619; 2 Kor 614; Hebr 19. Vgl. 1 Tim 19; 2Petr2e. 2 Ganz anders der Sinn von άνομος bzw. άνόμως Rom 212; 1 Kor 9 21, nämlich nicht w i d e r , sondern o h n e das Gesetz, nämlich das jüdische Gesetz. So werden Act 223 die Heiden als άνομοι bezeichnet. 3 In dem Verständnis von άνομία bin ich mit Sehn. (S. 185f.) einig, nicht jedoch in der Meinung, daß V. 4 gegen die Christen gerichtet sei, die die άμαρτία noch nicht überwunden haben. — Gegen Schn.s Ansicht, daß der Begriff der eschatologischen άνομία seine Entsprechung in der „Bosheit" habe, von der die Qumrantexte reden, s. Braun, ThR 1964, S. 107f.; hier auch gegen N a u c k , der ljoh22»-3io aus den Qumrantexten erklären will. 4 Αϊρειν wie Johl2» nicht „auf sich nehmen", sondern „fortschaffen"; s. Komm. S. 66,5.

56

1 Joh 35-7

έφανερώ&η . . . ίνα λύση τά έργα τοϋ διαβόλου, so hat das offenbar den gleichen Sinn. Denn was anderes sind die άμαρτίαι als Wirkungen des Teufels, wie ja V4. die αμαρτία mit ανομία gleichgesetzt und dadurch als Teufelswerk charakterisiert wurde. Das αϊ ρ ειν τάς αμαρτίας ist also gleichbedeutend mit dem λύειν τά έργα τοϋ διαβόλου. Das και αμαρτία έν αύτω ούκ έστιν besagt das gleiche wie δίκαιος εστίν V.7 und schon 229 und wie das άγνός έστιν V.a. Vielleicht soll der Satz das ί ν α . . . άρη κτλ. begründen: als der Sündenlose kann er der sein, der die Sünden fortschafft. Doch ist der Satz wohl besser als Vorbereitung auf V. 6 zu verstehen, der den Charakter der Mahnung hat: weil es „in ihm" keine Sünde gibt, gilt auch für die Seinen, sündlos zu sein 1 : πας δ έν αύτω μένων ούχ άμαρτάνει. Dieser Satz scheint zunächst im Widerspruch zu lee. zu stehen, wo die Leser im Gegensatz zu den Irrlehrern, die behaupten, sündlos zu sein, vor der Einbildung gewarnt werden, sündlos zu sein. Indessen besteht kein wirklicher Widerspruch; denn V. 6» sagt nur die grundsätzliche Wahrheit, daß jeder, der „in ihm bleibt", d. h. wer ihm treu verbunden bleibt 2 , nicht sündigt. Das μένειν έν αύτω ist also die Bedingung des μή άμαρτάνειν. Aber im Hinblick auf 1 ea. wird die Frage dringlich: wer kann von sich aus behaupten, daß er diese Bedingung stets erfüllt? Indirekt enthält also V.e> die Mahnung zur Treue, wie die vom μένειν redenden Sätze teils direkt Imperativisch sind (2 21. 27 c. 2s), teils im Indikativ doch indirekt eine Mahnung enthalten (2ä7a; 324; 4i5t.). Jeder muß und kann also wissen, ob und wann von ihm das ούχ άμαρτάνει gilt. Die in V.6« enthaltene Mahnung wird durch V. 6b ausdrücklich gemacht: πας ό άμαρτάνων ούχ έώρακεν αύτόν ουδέ έγνωκεν αύτόν. Das gilt also von dem, der nicht „in ihm bleibt", und das entspricht dem 24 Gesagten: ο λέγων δτι έγνωκα αύτόν και τάς έντολάς αύτοϋ μή τηρών ψεύστης εστίν κτλ. Denn „seine Gebote nicht halten" ist gleichbedeutend mit „sündigen" 3 . Wenn nach V.4 sündigen als άνομία, als Teufelsdienst, bezeichnet werden kann, so entspricht das der Charakteristik dessen, der die Gebote nicht hält, als ψεύστης (2i) und ebenso der Aussage: έν τούτω ή άλήθεια ούκ έστιν, d. h. er hat nicht teil an der Wirklichkeit Gottes, der Licht ist (Is), sondern er steckt in der Finsternis (2b), bzw. er gehört zur Sphäre des Teufels (3 a), der ja nach Joh 844 der ψεύστης ist. Der Charakter der Mahnung von V. 4-6 wird in V. 7 nochmals und noch deutlicher in neuer Anrede τεκνία (wie 2i) zum Ausdruck gebracht: μηδεις πλανάτω ύμ«ς. Die Warnung vor den πλκνώντες 226 ging auf die christologische Irrlehre; V.7 warnt vor dem falschen Verständnis der 1 Ein folgerndes ώστε vor V.e, das man erwarten könnte, entspricht nicht dem Sprachgebrauch von 1 Joh, in dem ώστε überhaupt fehlt wie in 2 Joh und 3 Joh, in Joh nur 3ie. 3 Zu μένειν έν s. zu 2e, S. 32,3. 3 S. S. 30 f . zu 2 4 und vgl. 3 Joh 11: ό κακοποιών ούχ έώρακεν τόν θεόν.

1 Joh 37-»

57

άμαρτία und d. h. vor einem falschen Selbstverständnis, wie V. 8 deutlich macht. Stammt V.e aus der Vorlage, so kann man in bezug auf V. 7 b im Zweifel sein. Das ό ποιών τήν δικαιοσύνην scheint den Satz aus 229 wieder aufzunehmen, da es mit dem 6 ποιών τήν άμαρτίαν V. β einen antithetischen par. membr. bildet, würde man es gern der Vorlage zuschreiben. Indessen ist die Fortsetzung δίκαιος έστιν merkwürdig lahm. Nach 229 erwartet man: έκ του θεου γεγέννηται, und wenn V.7 wirklich aus der Vorlage stammt, so dürfte das auch der ursprüngliche Schluß des Satzes gewesen sein, den der Verfasser in das δίκαιος έστιν geändert hätte1. Vom Verfasser stammt jedenfalls das καθ-ώς εκείνος δίκαιος έστιν. Es bringt den Gedanken zum Ausdruck, daß das Verhalten des Glaubenden dem Wesen Jesu entsprechen muß, was ja auch 2β. 29; 33 gesagt hatten. Ohne Zweifel aber ist V. 8a der Vorlage entnommen: ό ποιών τήν άμαρτίαν έκ του διαβόλου έστίν2. Sachlich entspricht das dem Satz von V. 4a, in dem die ανομία den Teufelsdienst bezeichnete. Formal gehört V. 8 a mit V. 9 a in antithetischem Parallelismus zusammen. Der Verfasser hat ihn glossiert zunächst durch den δτι-Satz: δτι άπ' αρχής ό διάβολος άμαρτάνει, der an Joh 844 anklingt 3 ; sodann durch den folgenden Satz: εις τοϋτο έφανερώθη ό υιός τοϋ ϋ-εοΰ ίνα λύση τά έ'ργα τοϋ διαβόλου, ein Satz, der V. 5 entspricht; denn das ίνα λύση κτλ. variiert den Ausdruck ίνατάς άμαρτίας άρη. Mit V. 9 nimmt der Verfasser den Text der Vorlage wieder auf: πας ό γεγεννημένος έκ τοϋ θεοϋ άμαρτίαν ού ποιεί. Das variiert das V. 6 a Gesagte, jedoch so, daß an die Stelle des ό μένων έν αύτώ jetzt das ό γεγεννημένος έκ τοϋ θ-εοΰ tritt. Gewiß ist wie in V. e das „Nichtsündigen" grundsätzlich zu verstehen als die Verwirklichung der dem Glaubenden geschenkten Möglichkeit. Merkwürdig ist jedoch die Begründung: δτι σπέρμα αύτοϋ έν αύτω μένει. Während V.6 vom Bleiben (der „Treue") des Glaubenden in Christus redete, spricht V.9 vom Bleiben des „Samens" Gottes in dem aus Gott Gezeugten4. Die Wendung ist natürlich bildlich zu verstehen wie das γεγέννηται έκ τοϋ &εοΰ. Sie bezeichnet das den Ursprung schaffende und das mit ihm gegebene erhaltende Wirken Gottes 5 . Merkwürdig ist Zu ποιεϊν τήν δικ. s. ο. zu 229, S. 50,2. Zu είναι έκ s. zu 2i7 u. 19, S. 41,5. 3 Komm. S. 242,4. — Άπ' άρχής kann nicht wie I i ; 213 auf Ursprung des geschichtlichen Ereignisses der Verkündigung gehen (s. S. 15,1), auch nicht auf die ParadiesGeschichte von Gen, sondern meint wie I i ; 213». den Uranfang, weil das Wesen des Teufels charakterisiert wird. 4 Die Terminologie stammt ebenso aus der Gnosis wie das γεγενν. έκ. τ. θεοϋ (s. zu 2 29, S. 50 ff.). Corp. Herrn. XIII, 2 wird das άληθινόν αγαθόν als σπορά bezeichnet, und auf die Frage: τίνος σπείραντος lautet die Antwort: τοϋ θελήματος τοϋ θεοϋ. Das Bild vom σπέρμα auch bei Philon (Belege bei Windisch-Preisker zu 39). 8 Die spezielle Deutung des σπέρμα auf das πνεΰμα (so Sehn.) könnte sich auf V. 24 berufen, die Deutung auf das „Wort" auf 110, wo vom είναι des λόγος έν ήμΐν, oder auf 1 2

58

l j o h 3s

aber, daß nach V. β das μένειν des Glaubenden die Bedingung der Freiheit von der Sünde ist, während in V. 9 das μένειν des σπέρμα als die Voraussetzung der Freiheit von der Sünde erscheint und die beiden δτι-Sätze diese Freiheit als bleibenden Besitz beschreiben. Geht beides zusammen? Ja, es gehört zusammen. Freilich scheint es so, daß die Aussage von V. 9 im Widerspruch zu 1 ei. steht, wo vor dem Wahn gewarnt wurde, sich für sündlos zu halten. Indessen ist der Widerspruch ähnlich zu lösen wie in V.6 (s. S. 56), auch wenn das ό μένων έν αύτω von V.6 in V.9 fehlt. Die Lösung des Widerspruchs liegt darin, daß das μένειν der σπορά als das Geschenk der άγάπη Gottes (31) verstanden wird, das als unverlierbare Möglichkeit für den Glaubenden bleibt, so daß er sich, auch wenn er faktisch doch sündigt, stets auf das Geschenk berufen kann 1 . Das ού δύναται άμαρτάνειν muß also als die Möglichkeit des Nichtsündigens verstanden werden, die der Glaubende als das unverlierbare Geschenk der άγάπη Gottes empfangen hat, eine Möglichkeit, die freilich stets zu realisieren ist, wie auch V.10 sogleich zum Ausdruck bringt. Das Geschenk einer Möglichkeit schließt immer eine Forderung ein, und so kann die Forderung selbst auch als Geschenk verstanden werden, so daß V.9 einseitig vom Geschenk reden kann. So gehört also beides zusammen: das μένειν des σπέρμα ist die Freiheit von der Sünde, wie das μένειν έν αύτω in V. 6 die Bedingung dieser Freiheit ist. Geschenk und Forderung gehören in der Weise zusammen, daß es das eine nicht ohne das andere gibt, jedoch so, daß das Geschenk das erste ist, das die christliche Existenz begründet 2 . Ob der zweite δτι-Satz von V. 9: δτι έκ τοϋ θ-εοΰ γεγέννηται vom Verfasser stammt, kann man fragen. Sachlich besagt er ja nichts anderes als der erste: δτι σπέρμα αύτοϋ έν αύτω μένει. Man wird den Satz aber doch der Vorlage zuschreiben müssen, da die Wendung έκ τοϋ θ-εοϋ γεγέννηται dem gleichen gnostisierenden Sprachgebrauch entspricht wie der Begriff des σπέρμα αύτοϋ. Diesen vermeidet der Verfasser sonst, und wie er 3 i statt des Begriffs der Zeugung aus Gott (229) den Begriff der Gotteskindschaft gewählt hat, so auch jetzt in V.10. Jedenfalls geht auf den Verfasser der Abschnitt 310-24 zurück, eine Homilie, in der wieder das Thema der Bruderliebe behandelt wird. Die Überleitung zu diesem Thema ist nicht sehr geschickt 3 . Der Verfasser 2u, w o vom μένειν des λόγος έν ύμΐν die Rede ist. — Die Zürcher Übers, übersetzt σπέρμα nicht unzutreffend als „Lebenskeim". 1 V g l . Luther zu V . 9 : „ S i ergo est natus (sc. ex deo), non facit peccatum, quia nasci ex deo purgat peccatum . . . Nati estis ex semine . . . per verbum dei! Verbum dei manet, est aeternum semen . . . Semen dei in nobis non patitur nobiscum ullum peccatum, quia Christus est purgator peccatorum." 2 V g l . Luther zu V.10: „Fides et Caritas sunt Christianismi partes. Fides est operculum vel propiciatorium, quod placat infinita peccata, quibus sumus rei coram deo." 3 E s ist daher unsicher, ob das έν τούτω, mit dem V.10 beginnt, sich nach rückwärts oder nach vorwärts bezieht. Daß es in beide Richtungen weist (Windisch-Preisker u.

1 J o h 3 10. 11-13

59

entnimmt aus der im Vorhergehenden benutzten Vorlage den Gegensatz von Gotteskindschaft und Teufelskindschaft und erläutert das έν τούτω φανερά έστιν τα τέκνα τοϋ θεοϋ καί τά τέκνα του διαβόλου durch den Satz: πας ό μή ποιών δικαιοσύνην ούκ έστιν έκ τοϋ θ-εοΰ1. Während diese Formulierung dem 229-3θ Gesagten entspricht, bringt der nächste Satz: καί ό μή άγαπών τον άδελφόν αύτοϋ eine fortführende Erläuterung und leitet damit zu dem neuen Thema über. Das καί hat den Sinn von „und zwar". Der άδελφός ist der „Nächste" wie 2io (s. S. 34f.). V. 11 begründet den Schluß von V.io durch den Satz (οτι = denn), daß die gegenseitige Liebe der Inhalt der von Anfang an gehörten Botschaft ist. Die Formulierung αΰτη έστιν ή άγγελία ήν ήκούσατε άπ' αρχής ist fast gleichlautend wie Is 2 . Daß es statt des ήν άκηκόαμεν jetzt in der 2. Pers. heißt: ήν ήκούσατε, macht an sich keinen Unterschied, ist aber dadurch motiviert, daß die άγγελία jetzt nicht wie 15 durch einen δτι-Satz, sondern durch einen 'ίνα-Satz expliziert wird 3 . Jetzt handelt es sich darum, daß der Inhalt der άγγελία eine ethische Forderung ist, während er 15 ein Glaubenssatz ist. Die άγγελία ist also in diesem Fall eine εντολή, wie denn V. 23 die έντολή durch einen ίνα-Satz expliziert wird, wie auch 4 21; 2 Joh 5 f. Die έντολή lautet: ίνα άγαπώμεν άλλήλους. Daß es άλλήλους heißt statt τον άδελφόν wie in V.io, (in V.15 v. 1.); 4in. macht natürlich keinen Unterschied, ebensowenig wie daß V. 14 der Plural τούς άδελφούς gebraucht ist 4 . Der Sinn ist überall der gleiche: die Nächstenliebe ist gefordert. V. 12 zeichnet das Gegenbild der Liebe an der Gestalt des Kain 5 , der seinen Bruder „hinschlachtete" und damit erwies, daß er έκ του πονηρού war, d. h. nach V. 8 vom Teufel 6 . Merkwürdig ist, daß nach dem Motiv der Tat Kains gefragt wird: καί χάριν τίνος εσφαξεν αυτόν; Warum lautet die Antwort nicht einfach: weil er ihn haßte? Das ist ja jedenfalls das Motiv; denn wie V.15 sagt, ist der Hassende ein Mörder. Wenn es statt dessen heißt: δτι τά έργα αύτοϋ πονηρά ήν, τά δέ τοϋ άδελφοΰ αύτοϋ δίκαια, so ist eben damit das Motiv des Hasses angegeben. Denn V. 13 zeigt ja, daß Sehn.), ist wohl nicht g u t möglich. Vorzuziehen ist doch wohl der Bezug auf das Folgende; es wird dann durch das πας ό μή ποιών δικ. κτλ. expliziert. 1 Statt des ό μή ποιών δικαιοσύνην ist auch die L A ό μή ών δίκαιος gut bezeugt: s. Sehn. S. 192,2. 2 Statt άγγελία ist auch έπαγγελία gut bezeugt, jedoch ist der Sinn der gleiche. 3 D e m Stil des Verfassers entspricht das Demonstrativum mit folgendem 'ίνα wie V. 8b. 23. Vgl. Festgabe f ü r Ad. Jülicher S. 142. 4 'Αγαπάν άλλήλους auch J o h 13 31; 1512. 5 Bemerkenswerterweise die einzige Erinnerung an eine Geschichte des A T in 1 J o h . — Möglich ist, daß der Verfasser dadurch veranlaßt worden ist, daß ein Vers seiner Vorlage den Begriff des άνθρωποκτόνος enthielt, den er in V. 15 verwenden will. E r könnte etwa gelautet haben: πας ό μισών άνθρωποκτόνος έστίν καί ούκ έχει ζωήν αΐώνιον. 8 Z u είναι έκ, das den Ursprung und das Wesen bezeichnet, s. zu 2ie S. 40,1.

60

1 Joh 3l3-16a

der Gegensatz v o n bösem u n d gerechtem T u n d e m Gegensatz v o n Gotteskindschaft u n d „ W e l t " entspricht. W e r sich, w i e der Glaubende, seiner Gotteskindschaft (und der i n ihr enthaltenen F o r d e r u n g ) b e w u ß t ist, m u ß auf die Feindschaft der „ W e l t " gefaßt sein. D e n n die „ W e l t " kennt nicht n u r nicht die Gemeinde der Glaubenden (V. 1), sondern haßt sie auch. Darüber soll sie sich nicht w u n d e r n ; der H a ß der „ W e l t " , deren Repräsentant K a i n ist, bestätigt n u r ihre Gotteskindschaft 1 . Das B e w u ß t s e i n der Gotteskindschaft (ημείς οΐδαμεν) findet i n V . 1 4 seinen starken — m a n möchte s a g e n : stolzen — A u s d r u c k : οτι μεταβεβήκαμεν έκ τοϋ θανάτου εις την ζωήν. D a m i t sagt die Gemeinde, daß i n ihr die V e r h e i ß u n g v o n J o h 5 24 erfüllt i s t : οτι ό τον λόγον μου άκούων και πιστεύων τ ω πέμψαντι με έχει ζωήν αίώνιον και . . . μεταβέβηκεν έκ τοϋ θανάτου εις τήν ζωήν. Charakterisiert das „ W i r " offenbar die Gem e i n d e 2 als die der Glaubenden, so k a n n m a n fragen, ob die B e g r ü n d u n g δτι άγαπώμεν τούς άδελφούς a u c h so einfach als Charakteristikum der Gemeinde als einer Gemeinschaft der Liebenden verstanden w e r d e n darf. Das soll es offenbar sein. U n d w e n n das άγαπαν V.iof. w i e gleich V.23 als F o r d e r u n g , also als Pflicht, der Gemeinde verstanden ist, w i e ja auch das πιστεύειν V . 23, so w i r d dadurch das W e s e n der Gemeinde g r u n d sätzlich deutlich gemacht. M i t d e m stolzen ήμεΐς οΐδαμεν w i r d den Lesern eben dieses ihr W e s e n z u m Bewußtsein gebracht, an dem jeder einzelne sich messen soll. In diesem Sinn ist also auch V . 14 eine indirekte M a h n u n g , w i e sie i n V . 6a enthalten w a r (s. S. 56). A n jeden ist also die F r a g e gestellt, ob er zur christlichen Gemeinde gehört. Das g r o ß e E n t w e d e r - O d e r , das 229-39t. beherrschte, Gottes- oder Teufelskindschaft, k o m m t zur Entscheidung i n d e m E n t w e d e r - Oder v o n L i e b e u n d Haß, u n d in diesem entscheidet sich das E n t w e d e r - O d e r v o n L e b e n oder T o d V . 1 5 : ό μή ά γ α π ώ ν μένει έν τ ω θ-ανάτω 3 . W e r nicht liebt, ist nicht n u r dem T o d e verfallen, sondern w i r k t sogar selbst den T o d : er ist ein M ö r d e r : πας ό μισών τον άδελφον αύτοϋ άν&ρωποκτόνος έστίν. V o n einem solchen w i s s e n die G l a u b e n d e n : . . . ούκ ϊχει ζωήν αίώνιον έν αύτω μένουσαν 4 . Das έν αύτω μένουσαν zeigt an, daß der Glaubende, w e n n er nicht auch ein Liebender ist, der Gabe der ζ ω ή αιώνιος verlustig g e h e n kann. Die V e r s e 1 6 ff. zeigen an, w o r i n echte Liebe besteht bzw. w i e sie sich bewährt. U n d zwar w i r d V . 1 6 a als das V o r b i l d der Liebe Christus g e n a n n t : 1 Wenn vom Haß der Welt die Rede ist, so ist schwerlich auf eine (blutige) Verfolgung der christlichen Gemeinde Bezug genommen, wie Sehn, meint. Vom διώκειν (Joh 1520; Mt5iofi.) wird in l j o h nicht gesprochen, und V.i? zeigt, daß der Haß das Versagen der Liebe ist. 2 S. o. S. 56 und S. 58. 3 Zu μένειν έν s. zu 2e S. 32,3. 4 Die ζωή wird wie I2; 225 und sonst als αιώνιος bezeichnet und wird dadurch als die eschatologische Gabe charakterisiert, die für die Liebenden schon Gegenwart ist (V.11). Sie ist dadurch vom natürlichen Leben unterschieden.

1 Joh 3iea-19f.

61

έν τούτω έγνώκαμεν τήν άγάπην, 6τι έκεΐνος υπέρ ήμών τήν ψυχήν αύτοϋ ε-9-ηκεν1. Es wird also auf die Passion Christi hingewiesen, und da es sich um ein historisches Ereignis handelt, aus dem die Erkenntnis erwachsen ist, heißt es im Perf. έγνώκαμεν, nicht wie sonst meist γινώσκομεν. In dem ύπέρ ήμών steckt die Einsicht, daß die tätige Liebe durch die erfahrene begründet ist: aus seiner Liebe für uns erkennen wir, was Liebe ist. V. 16 b zieht daraus die Folgerung: και ημείς όφείλομεν ύπέρ των αδελφών τάς ψυχάς θεΐναι. Daß es nicht einfach heißt: όφείλομεν τούς αδελφούς άγαπαν, besagt, daß die Liebe zum höchsten Opfer, zur Hingabe des Lebens, bereit sein muß. Daß dieses Opfer der einzige und notwendige Erweis der Liebe ist, ist damit nicht gesagt. Das zeigt V. 17, in dem einfach die Barmherzigkeit an einem einfachen Beispiel als Erweis der Liebe gekennzeichnet wird 2 . Es ist absurd, daß im Unbarmherzigen die άγάπη του ·9·εοϋ „bleibt" 3 . Was meint hier der Genitiv του θ-εοΰ ? Es könnte der Gen. qual. sein und damit die „göttliche Wesensart der Liebe" bezeichnet werden 4 . Man kann den Gen. aber auch als Gen. auct. verstehen, so daß die uns geschenkte Liebe Gottes gemeint wäre. Da nun die uns geschenkte Liebe Gottes die Voraussetzung der Bruderliebe ist (4io. 19), dürfte dies Verständnis dem Zusammenhang, in dem es um die Bruderliebe geht, am besten entsprechen. V. 18 bringt mit neuer Anrede (τεκνία wie 2i usw.) die Folgerung in imperativischer Form: wir sollen also lieben. Der Ernst des Liebesgebots wird durch das μή . . . άλλά eingeschärft. Echte Liebe erweist sich nicht durch leere Worte (λόγω . . . τη γλώσση — ein Hendiadyoin), sondern durch die wirkliche Tat (έν έργω και άληθ-εία, auch ein Hendiadyoin) 5 . V. 19f. hängen so eng zusammen, daß sie nur miteinander verstanden werden können. Aber die Erklärung ist unsicher und umstritten, und man kann schwerlich die Annahme vermeiden, daß der Text korrupt ist. Das έν τούτω γνωσόμε&α wird jedenfalls durch den δτι-Satz expliziert6: „Daran werden wir erkennen, daß wir aus der Wahrheit sind", nämlich eben daran, daß wir die Forderung, έργω και άλη&εία zu lieben, erfüllen 7 . 1 Der Name Jesus (oder Christus) braucht nicht genannt zu werden; jeder Leser weiß, wer der έκεΐνος ist; s. zu 2e S. 32. 2 Sehn, weist auf die Bedeutung hin, die das „Almosengeben" im Judentum, aber auch bei den Mandäern spielte. Zu dem alttestamentlichen Ausdruck σπλάγχνα Sehn. S. 199,4. 3 1 Zu μένειν έν s. S. 32,3 zu 2 s. So Sehn. 6 "Εργον meint natürlich nicht έργον νόμου, sondern einfach Tat. 'Αλήθεια hat hier nicht den Sinn wie 1 β; 24 die eigentliche Wirklichkeit, die Wirklichkeit Gottes, sondern den formalen Sinn: die faktische Wirklichkeit. — Daß mit der Warnung vor bloßen schönen Worten der Verfasser wieder den Gnostikern „einen Hieb versetzen" will (Sehn.), ist natürlich möglich, ist aber im Zusammenhang nicht naheliegend. • Zur Formel s. S. 30,3 zu 2 s. Die futurische Form nur hier. 7 Die αλήθεια ist hier anders als in V.ie die Wirklichkeit Gottes, die eigentliche Wirklichkeit; s. zu 17».b S. 25. — Zu dem είναι έκ, das das Wesen bezeichnet, indem es den Ursprung nennt, s. zu 2i» S. 41,5.

62

1 Joh 3i9f.

Der Satz: και έμπροσθεν αύτοϋ πείσομεν τήν καρδίαν ήμών ist, für sich genommen, leicht zu verstehen: „und vor ihm werden wir unser Herz beruhigen (oder: beschwichtigen)" 1 . Nach V.20 handelt es sich um das sich selbst verurteilende Herz. Dann muß das έμπροσθεν αύτοϋ meinen: vor Gott als dem Richter; der Blick auf ihn veranlaßt doch die Selbstverurteilung des Herzens 2 . Wie aber ist der Satz in der Struktur vonV.m. zu verstehen? Daß das καΐ . . . πείσομεν κτλ. noch in den ersten δτι-Satz hineingehört, daß also das πείσομεν das γνωσόμε&α ebenso expliziert wie das έσμέν, ist sehr unwahrscheinlich. Denn das πείσομεν kann doch nicht wie das έσμέν durch das έν τούτω begründet sein. Wahrscheinlicher ist schon, daß das και . . . πείσομεν das γνωσόμεθα fortsetzt. So die meist vertretene Auffassung. Dann müßte allerdings das και so verstanden werden, wie Sehn, übersetzt: „und so werden wir . . . " Alle diese Übersetzungen geraten in die Schwierigkeit, die beiden δτι-Sätze von V.20 befriedigend zu erklären. Die Schwierigkeit wird von Sehn, dadurch überwunden, daß er das δτι des ersten δτι-Satzes von V.20 auflöst in δ τι (έάν): „Über alles, weswegen uns das Herz etwa verurteilt." 3 Er muß dann das zweite δτι als kausales („denn") verstehen. Meist werden beide δτι als „daß" verstanden in dem Sinne, daß das zweite das erste wieder aufnimmt, daß also έάν καταγινώσκη ήμών ή καρδία Parenthese ist. Daß das zweite δτι dann im Grunde überflüssig, ja störend ist, kommt in manchen Übersetzungen darin zutage, daß sie das zweite δτι einfach auslassen4. Man würde es gerne streichen, wenn es nicht handschriftlich gut bezeugt wäre. Hält man es fest, so besteht die Möglichkeit, es als kausales δτι zu verstehen: „Denn Gott ist größer . . ." 5 Man könnte auch das και . . . πείσομεν als selbständigen neuen Satz verstehen und dann das erste δτι als kausales („denn") verstehen, aber um den Preis, daß man dann das zweite trotz der guten Bezeugung streichen müßte. In der Tat wird man ohne die Annahme einer Verderbnis des Textes nicht auskommen. Am einfachsten wäre die Annahme, daß vor dem δτι μείζων έστίν ό ·9·εός ein οΐδαμεν ausgefallen ist 6 . 1

Für πείθειν = beruhigen, beschwichtigen s. Bauer, Wörterb. s.v. id. Sehn, möchte das εμπροσθεν im nichtforensischen Sinn verstehen als: „vor (Gott)", weil „der g e g e n w ä r t i g e Verdammungsspruch des Herzens durch den Aufblick zu dem größeren Gott der Gnade zum Schweigen gebracht werden soll". Aber besteht die Pointe nicht gerade darin, daß das Herz, das sich vor Gott als den Richter gestellt weiß, seiner Gnade gewiß sein kann? 3 Diese Auflösung ist zwar in der Koine möglich, wäre aber in l j o h singulär und wird durch das 8 τι άν Joh 2s; 14i3; 15is schwerlich bestätigt. 4 So z.B. Weizsäcker und auch die Vulg. 5 So Michaelis, Sehn, und die Rev. Stand. Vers. — Dafür, daß in e i n e m Satz zwei οτι begegnen, von denen das erste explikativen, das zweite kausalen Sinn hat, kann man sich auf 314; 413 berufen. 8 Für die Folge έάν γινώσκη . . . οϊδαμεν οτι würde man sich auf 229 berufen können: έάν είδητε . . . γινώσκετε δτι. 2

1 J o h 3l9f. 21.22

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Dann würde man, wenn man και . . . πείσομεν als neuen selbständigen Satz nimmt, das erste δτι als kausales, das zweite als explikatives verstehen: „Und vor ihm werden wir unser Herz beschwichtigen (nämlich in der Erkenntnis, daß wir aus der Wahrheit sind). Denn wenn uns unser Herz verklagt, so wissen wir, daß Gott größer ist als unser Herz." 1 Wie man auch den Satz verstehen möge, in jedem Fall besagt das μείζων έστίν ό θεός . . . καΐ γινώσκει πάντα, daß Gottes Maßstäbe andere sind als die des menschlichen Herzens, daß Gott sozusagen großartiger ist und daß also die menschliche Selbstverurteilung vor ihm verstummen darf. Daß Gottes Größe darin besteht, daß er alles weiß, kann in diesem Zusammenhang nur bedeuten, daß er weiß, daß wir im Grunde Liebende sind (V.u) und als solche „aus der Wahrheit" sind (V.19)2. Mit άγαπητοί V. 21 3 setzt der Verfasser neu ein, ähnlich wie mit τεκνία V. is. Während V.ie jedoch einen Imperativ einführt, so V.21 eine homiletische Erläuterung von V. i9f., die jedoch alsbald wieder zu paränetischen Ausführungen führt. Das έάν ή καρδία μή καταγινώσκη4 kann doch wohl nur meinen, wenn durch Gottes Größe alle Selbstverurteilung erledigt ist 5 , wenn uns also das Herz nicht verurteilt, dann gilt: παρρησίαν εχομεν προς τον θ-εόν. Diese παρρησία, die 228 für die Situation der Parusie Christi dem verheißen wird, der „in ihm bleibt", wird jetzt als gegenwärtige Möglichkeit dem zugesprochen, dessen Herz von der Selbstverurteilung befreit ist 6 . Es ist, wie V. 22 zeigt, speziell die Freimütigkeit des Gebets 7 . Denn das sagt ja V. 22: καί ό έάν αίτώμεν λαμβάνομεν άπ' αύτοϋ. Freilich ist diese Gewißheit darin begründet: δτι τάς έντολάς αύτοϋ τηροϋμεν8. War in V.ief. die Erfüllung des Liebesgebots die Bedingung der in V.i9b. 20 gegebenen 1 In der Festgabe für Ad. Jülicher habe ich S. 150f. die Vermutung geäußert, daß die Schwierigkeit von V.i9f. darauf beruht, daß der Verf. ein Stück seiner Vorlage bearbeitet hat, das vielleicht lautete: έμπροσθεν αύτοϋ πείσομεν τήν καρδίαν ήμών, έάν καταγινώσκη ήμών ή καρδία. Diese Vermutung ist aufgegriffen worden von H. W. B e y e r (ThLZ 54, 1929, S. 611 f.) und weitergeführt worden von H. P r e i s k e r in Windischs Komm. Wenn diese Vermutung m. E. auch erwägenswert ist, so muß ich Sehn, zugeben, daß meine Rekonstruktion problematisch ist. 2 Man darf wohl auf Joh 2117 verweisen, w o Petrus auf die Frage Jesu antwortet: κύριε, πάντα σύ οίδας, σύ γινώσκεις οτι φιλώ σε. 3 Άγαπητοί wie 2? usw., s. S. 32,7. 4 Das ήμών hinter καρδία wie das ήμών hinter καταγινώσκη sind vermutlich naheliegende Ergänzungen, und der kürzere Text ist vorzuziehen. So auch Sehn. S. 204,1. 5 Bzw. durch das Wissen um Gottes Größe, falls man in V. 20b ein οίδαμεν ergänzen darf (s. o.). e Sachlich verwandt ist Rom 5ι: δικαιωθέντες οδν . . . είρήνην ϊχομεν προς τόν θεόν. 7 Vgl. Ε. P e t e r s o n , Festschrift für R. Seeberg I, 1929, S. 293. 8 Zu τάς έντολάς τηρεΐν s. S. 30 f. zu 23. — Das δτι ist natürlich begründend.

64

1 Joh 322.23

Verheißung, so hier als Bedingung der παρρησία das Halten der Gebote1. Man könnte sich wundern, daß es statt dessen nicht heißt: οτι άγαπώμεν. Sachlich bedeutet das aber keinen Unterschied; denn auch in V. 22 ist die Erkenntnis Gottes vorausgesetzt, die nach V. 201. die Voraussetzung der παρρησία ist. Mit dem τάς έντολάς αύτοϋ τηροϋμεν ist και τα άρεστά ένώπιον αύτοϋ ποιοϋμεν (worin natürlich das Liebesgebot eingeschlossen ist) als Hendiadyoin verbunden 2 . Der in V. 22 enthaltene indirekte Imperativ wird V. 23 zu einem direkten, insofern V.23 eine Erläuterung von V.22 bringt: και αΰτη έστίν ή έντολή αύτοϋ, ίνα κτλ. 3 . Es mag auffallen, daß der Plur. von V.22 (τάς έντολάς) jetzt in der Definition durch den Sing, abgelöst wird, zumal auch die Definition zwei Gebote enthält: ίνα πιστεύσωμεν . . . και άγαπώμεν. Aber das folgende καθώς εδωκεν έντολήν ήμΐν 4 zeigt, wie für den Verfasser der Glaube und die Liebe eine Einheit bilden, was ja dem ganzen Gedankengang von 228 bis 324 entspricht5. Daß das πιστεύειν® vor dem άγαπάν genannt ist, zeigt die Zusammengehörigkeit von Glaube und Liebe in der Weise, daß der Glaube der Liebe vorgeordnet ist, besser: daß die Liebe im Glauben begründet ist, wie es auch V. ιβ zum Ausdruck brachte (s. S. 61). Πιστεύειν begegnet hier zum erstenmal in 1 Joh, nachher noch 4ι. ιβ; 5i. 5. 10.13 (πίστις nur 54). Es steht nicht wie bei Paulus im Gegensatz zu έργάζεσ&αι (Rom 44f.), sondern hat „dogmatischen" Charakter, freilich nicht nur in dem einfachen Sinn von „glauben" als „für wahr halten", sondern in dem Sinn von anerkennen7. Daher ist πιστεύειν immer mit einem Objekt verbunden 8 . Als Gegenstand des Glaubens wird hier das δνομα τοϋ υίοϋ αύτοϋ Ί. Χρ. genannt wie 513 das ονομα τοΰ υίοϋ τοΰ θ-εοϋ9. 1 Wenn das τάς έντολάς τηρεΐν eine Bedingung der Verheißung ist, so ist das kein Rückfall in nomistische Frömmigkeit (Windisch; dagegen mit Recht Sehn.). Vielmehr zeigt 319-24 die Zusammengehörigkeit von Ind. und Imp. In V.22 ist in dem Ind. auch ein Imp. mitgesprochen (s. mit Recht Sehn.). 2 Τά άρεστά ποιεΐν (wie Joh 8 29) ist ein geläufiger jüdisch-christlicher Terminus (s.Bauer, Wörterb. s.v.). Vgl. auch H e b r l 3 2 i : ποιεΐν τό εΰάρεστον. Statt άρεστόν heißt es auch sonst im NT εύάρεστον. 3 Zu dem epexegetischen ίνα nach dem Demonstrativum s. zu 2s, S. 2 1 , 1 . 4 Das καθώς ist begründend: „dem entsprechend daß". — In dem καθώς ϊδωκεν bezieht sich der Verfasser wohl auf Joh 13 34; 15i2.17, wenngleich dort von der έντολή Jesu die Rede ist, während es sich hier um die έντολή Gottes handelt. β S. S. 47. — Vgl. auch den Wechsel von έντολαί 23t. und έντολή 27. 6 Wenn der Glaube als έντολή bezeichnet wird, so ist er damit natürlich nicht als ein ϊργον charakterisiert, wie es im Sinne des Paulus der Gegensatz zur πίστις ist. Paradox wird der Glaube Joh 6 29 ein säpyov genannt. 7 So richtig Sehn. Es ist daher von dem όμολογεΐν 223; 42f. 15 kaum unterschieden. 8 Im Dat. wie hier, im Akk. 4ie mit είς 5io. 13 oder mit einem δτι-Satz 5i. 5. Der Dat. τω όνόματι ist von dem είς nicht unterschieden. • Πιστεύειν είς τό δνομα auch Joh I12; 223; 3ιβ (s. Komm. S. 37,4). Das ονομα wird 5i. 6 beschrieben durch den Satz ότι Ίησοϋς έστιν ό χριστός bzw. ό υίός τοϋ θεοϋ. Zum Titel υίός τ. θ. s. Is S. 19,2.

1 Joh 323.21

65

Einfacher, aber sachlich gleichbedeutend heißt es 5ιο πιστ. εις τον υίδν του θ-εοϋ. Das ονομα meint natürlich die Person. V. 24 verheißt dem, der die Gebote hält: έν αύτω μένει και αύτδς έν αύτω. Nach V.23 kann der αύτός nur Gott sein. Das μένειν έν bezeichnet die bleibende Verbundenheit 1 . Sie wird hier als eine gegenseitige (bzw. wechselseitige) bezeichnet wie 413 und wie 4is 2 . Ist V. 24a eine, freilich bedingte, Verheißung, so wird 24b die Sicherheit dieser Verheißung betont, indem gesagt wird: έν τούτω γινώσκομεν 6τι μένει έν ήμΐν κτλ. 3 . Nach V. is und V. 23 könnte man sich wundern, daß als Grund für das μένει έν ήμΐν nicht gesagt wird οτι (oder έάν) άγαπώμεν (άλλήλους), sondern έκ τοϋ πνεύματος κτλ. Fast gleichlautend 413; dort ist jedoch die Begründung der Erkenntnis in der Folge von V.13 nach 4nt. eben das άλλήλους άγαπαν. Daraus ergibt sich, daß die Gabe des πνεϋμα eben darin besteht, daß wir einander lieben. Was ergibt sich aber daraus für den Sinn von πνεύμα? Zunächst eben dieses, daß das Lieben keine allgemeine menschliche Möglichkeit ist, sondern ein Geschenk. Genauer: die Möglichkeit des άγαπαν wird geschenkt, die jeweils von den Glaubenden realisiert werden muß. Denn die „Wir", von denen V. 24 redet, sind doch die gleichen, von denen V. 14 redete (s. S. 15). Von ihnen gilt es, daß sie die Gabe des Geistes empfangen haben. Daß das πνεύμα nicht ein dauernder Besitz ist, zeigt, wie die auf V. 14 folgende Mahnung zur Liebe, jetzt die Warnung vor den falschen πνεύματα 4itt. Wenn also das πνεϋμα die Liebe und damit das Bleiben in Gott wirkt, so ist es freilich die Kraft des göttlichen Wirkens, jedoch so, daß diese Kraft nicht magisch wirkt, sondern die Möglichkeit eines neuen Existenzverständnisses schenkt, — natürlich nicht ein theoretisches, sondern das Sich-offen-wissen für die Zukunft mit ihrer Verheißung wie mit ihrer Forderung 4 . Wenn es vom πνεϋμα heißt: ού ήμΐν εδωκεν (sc. δ θ-εός), so kommt darin das Bewußtsein der Gemeinde zum Ausdruck, daß sie das als eschatologische Gabe erhoffte Geschenk des Geistes schon S. zu 2 β S. 32,3. Zum gegenseitigen είναι έν s. zu 1 ; S. 26,3. 3 Zur Formel s. S. 30,3 zu 23. Das έν τούτφ γιν. ist hier auf das Folgende bezogen und wird zuerst durch den οτι-Satz, dann durch das έκ τοϋ πνεύματος expliziert (zu γινώσκειν έκ = „erkennen an" s. Mt 123a; Lk 644). 4 Vgl. zu Joh 3s, Komm. S. 99f. (A. 3 zu S. 98). — Sehn., der S. 309-313 einen lehrreichen Exkurs „Zur Vorstellung vom Geist in 1. Joh." bringt, meint, daß der Empfang des Geistes wahrscheinlich sakramental vorgestellt sei, daß sich jedoch (auch wenn ursprünglich an sichtbare Wirkungen des Geistes gedacht sei) der Nachdruck schnell „auf die inneren Heilserfahrungen verlagerte". — Schwerlich ist die Gabe des Geistes als die mit dem Sakrament verliehene Ausstattung mit dem Geist gedacht. Nicht nur, weil das sakramentale Denken dem l j o h (wie auch dem Evg Joh) fernliegt, sondern auch weil dann die Gemeinde nicht vor den falschen πνεύματα, die in den Irrlehrern wirksam sind (4itt.), gewarnt werden müßte. Denn getauft sind die Irrlehrer ja auch, wie man aus 219 schließen muß. Wenn Sehn, an „innere Heilserfahrungen" denkt, so ist zu fragen, welches diese sein könnten, wenn nicht ein neues Selbstverständnis. 1

2

5

5219 Bultmann, Johannesbriefe

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1 Joh 324;4ι-β

empfangen hat1. Der Empfang des πνεύμα ist also ebenso vergeschichtlicht wie die Vorstellung vom Antichrist2 und wie der Empfang des χρίσμα3. Damit daß der Verfasser überraschend hier zum erstenmal das πνεύμα als die wirkende Kraft Gottes nennt, hat er den Übergang zu 4 IB. gewonnen. 4ia. aber zeigt, daß die Wirkung des πνεύμα nicht nur im Halten der Gebote und der gegenseitigen Liebe, also nicht nur in einem neuen Selbstverständnis besteht, sondern auch in dem dieses begründenden Glauben an die Offenbarung in Jesus Christus, also im rechten Bekenntnis, wie ja auch nach 2 20.27 das χρίσμα die rechte Erkenntnis verleiht.

4,1—6: Warnung vor der Irrlehre Mit 4i wird das Thema der Irrlehre wieder aufgenommen. Der Verfasser setzt wie 2τ, 3ίΐ mit neuer Anrede ein: άγαπητοί. Der Warnung vor den Irrlehrern in 2ie-27 entspricht jetzt die Mahnung: μή παντί πνεύματι πιστεύετε. Man wird den Satz schwerlich als „nüchterne Mahnung" auffassen dürfen (Sehn.): „Traut nicht jedem Geist!", sondern man wird das πιστεύειν ebenso wie 3 23 verstehen müssen, also als Glauben im Sinn von Anerkennung, also: „verfallt nicht jedem Geist!" Denn der Begriff des πνεύμα in der Warnung ist doch wohl analog zu dem πνεϋμα von 3 24 zu verstehen als eine wirksame Kraft, die Wirkung verspricht und deshalb verführerisch ist, so daß gewarnt werden muß: δοκιμάζετε τα πνεύματα. Der verführerischen Kräfte gibt es also mehrere, und es gilt zu prüfen, εΐ έκ τοϋ θεού έστιν4. Besagt das etwa, daß es unter den zu prüfenden πνεύματα auch solche gibt, denen man Glauben schenken dürfte? Dafür könnte man sich auf 1 Thess 5 21 berufen, aber schwerlich mit Recht. Denn es gibt doch nach 1 Joh nur das eine 7τνεϋμα τοϋ θ-εοϋ, das V. 6 das πνεύμα της αληθείας heißt und dessen Gegenteil das πνεϋμα της πλάνης bzw. der Antichrist ist. Dieses gilt es zu erkennen, und wenn die Warnung von den πνεύματα im Plur. redet, so doch wohl deshalb, weil das πνεύμα της πλάνης in einer Mehrzahl von Verführern wirksam ist. Die Mahnung wird ja begründet durch den δτι-Satz: δτι πολλοί ψευδοπροφήται έξεληλύ-9-ασιν εις τον κόσμον. Ohne Zweifel sind die ψευδοπροφήται die Irrlehrer, und es ist wahrscheinlich, daß der Verf. an die für die Endzeit geweissagten Lügen1 Natürlich liegt die griechische Auffassung vom Geist ( = νοϋς) fern. Aber auch die paulinische Antithese von πνεϋμα und σάρξ spielt in 1 Joh keine Rolle. 2 S. zu 2,i8i. S. 40f. 3 S. zu 22o. 27 S. 42.46f. 1 Zu είναι έκ, das den Ursprung und damit das Wesen bezeichnet, s. S. 41,5 zu 2ie. — Sehn. S. 224 betont mit Recht: „Von dem praktischen Verhalten . . . wird auf die zugrundeliegende Seinsweise geschlossen, aber nicht umgekehrt aus Vorherbestimmung die Entscheidung zu Glauben oder Unglauben gefolgert."

1 Joh 4ι-β; 42.3a

67

propheten (Mk 1322; Mt 2411. 24) denkt und also das geweissagte eschatologische Phänomen ebenso historisiert wie die Weissagung vom Antichristen 2 is und gleich V. 3. Ob die Pseudopropheten die Gläubigen durch σημεία καΐ τέρατα verführen (Mk 1322), ist gleichgültig 1 . Entscheidend ist, daß sie falsche Lehrer sind 2 , nämlich daß sie nicht den im Fleisch gekommenen Jesus Christus bekennen, wie gleich V. 2 zeigt. Sind es viele, so wirkt doch in ihnen nur das eine πνεύμα, das des Antichrists. Das Kriterium, vermöge dessen sich das δοκιμάζει vollziehen muß, ist in V. 2 angegeben: έν τούτω γινώσκετε το πνεύμα τοϋ θ-εοϋ3. Das γινώσκετε kann als Imp. verstanden werden, aber doch wohl besser als Ind., wie ja auch 320 die Leser an die Erkenntnis erinnert werden, die sie besitzen 4 . Es ist die Erkenntnis: παν πνεύμα δ ομολογεί Ίησοϋν Χριστον έν σαρκί έληλυθότα έκ τοϋ θεού έστιν5. Eben das bestreiten ja die Irrlehrer nach 222, wenn sie leugnen, δτι Ίησοϋς . . . εσην ό Χριστός 6 ; d. h. sie leugnen, daß Christus, den sie ja als Christen auch als den Heilbringer verehren, in dem historischen Jesus erschienen ist. Nichts anderes bedeutet es ja, daß er έν σαρκί gekommen ist. Es scheint sich also in der Irrlehre um Doketismus zu handeln 7 . Von dem, der das rechte Bekenntnis ablegt, gilt: έκ τοϋ θ·εοΰ εστίν8. Dieses Bekenntnis bedeutet darum die Behauptung der paradoxen Identität der historischen mit der eschatologischen Gestalt Jesu Christi. V. 3 a vervollständigt das Kriterium des δοκιμάζειν, indem dem rechten Bekenntnis das falsche gegenübergestellt wird: και παν πνεΰμα, δ λύει τον Ίησοϋν έκ τοϋ -9-εοϋ ούκ εστίν. Während 222f. der Gegensatz zum rechten Bekennen άρνεΐσθαι heißt, so hier λύειν, d.h. zunichte machen, —· falls diese früh bezeugte Lesart richtig ist 9 . Jedenfalls würde das λύει sachlich nichts anderes bedeuten als das meist bezeugte μή ομολογεί. Diese Lesart kann aber sehr wohl eine durch V. 2 veranlaßte Korrektur sein. Der Ausdruck λύειν in diesem Sinne ist freilich singulär und auffällig; aber die Bedeutung kann nicht zweifelhaft sein: Jesus Christus als den im Fleisch gekommenen leugnen. 1 Daß sie in die Welt gekommen sind, bedeutet nur, daß sie öffentlich in aller Welt auftreten (so mit Recht Sehn.). 2 Vgl. 2 P e t r 2 i , wo die ψευδοπροφηται als ψευδοδιδάσκαλοι charakterisiert werden. 3 Das έν τούτω ist auf das Folgende bezogen. Zur Formel s. S. 30,3 zu 2s. 4 Als Ind. haben es auch die anderen offenbar sekundären LA verstanden: γινώσκεται und γινώσκομεν. 5 Zu übersetzen ist „Jesus Chr. als im Fleisch gekommenen". Χριστόν ist also als Prädikatsakk. zu verstehen (so mit Recht Sehn.). Denn die Verbindung Ί. Xp. ist geläufig (vgl. I3; 2i), zumal in formelhaften Sätzen wie 323; 5β. β 7 Ebenso 2 Joh 7. S. zu 2 22 S. 43. 8 Όμολογεΐν vom Bekenntnis V . 2 f . wie 223; 4 i 7 j 2Joh 7; Rom lOsf. usw. (s. S. 27,5 zu I7). 9 ΖμΓ LA vgl. bes. Sehn. S. 222. Die andere LA: δ μή ομολογεί ist zwar gut bezeugt, ist aber doch offenbar Korrektur, die durch V. 2 veranlagt ist. — Auffällig ist auch das μή im Relativsatz, was sehr selten ist. Der Sinn wäre dann wohl iterativ; s. BID § 428,4.

5*

1 J oh 43b-5

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V . 3 b verstärkt das έκ τοϋθεοϋ ουκ έστίν durch denSatz: και τοϋτό έστιν τό του ά ν τ ι χ ρ ί σ τ ο υ O b man versteht: eben dieses, nämlich das λύειν τον Ί . , ist das Wesen des Antichrists, oder ob man nach το ein πνεύμα ergänzen soll, bleibt sich sachlich gleich. Denn in jedem Falle wird die Irrlehre auf den Antichrist zurückgeführt, der, wie schon 2is sagt, in den Irrlehrern wirksam ist. Damit ist die mythologische Gestalt des Antichrists entmythologisiert und historisiert. Wenn es von ihm heißt: δ άκηκόατε δτι ερχεται, so wird auf die Weissagung der mythologischen Apokalyptik wie 2is Bezug genommen, und sie wird entmythologisiert in dem Satz: και νΰν έν τω κόσμω έστίν, dessen νϋν dem νυν von 2ιβ entspricht 2 . Nach V . i ist ja klar, daß jene Weissagung im Auftreten der Lügenpropheten erfüllt ist 3 . Der κόσμος ist hier also einfach die vorfindliche Welt, in der die Gemeinde lebt und in der die Irrlehrer auftreten. Wie 314 dem triumphierenden Selbstbewußtsein der Gemeinde Ausdruck gab, so hier V . 4 a : ύμεΐς έκ του θεοϋ έστε, τεκνία, και νενικήκατε αυτούς. Redete 3ΐ4 im „ W i r " , so hier im „ I h r " , indem wie 2 i die Leser als τεκνία angeredet werden. Wie das „ W i r " 3i4 die Gemeinde in ihrem eigentlichen Wesen meinte, so hier das „ I h r " . Eine indirekte Mahnung ist auch darin enthalten, nachdem in V . ι die direkte Warnung ausgesprochen war. Das Bewußtsein des Sieges zeichnet die Gemeinde aus, wie 2i3t. das νενικήκατε τον πονηρόν den νεανίσκοι, zum Bewußtsein gebracht war 4 . Die Sicherheit des Sieges hat ihren Grund in dem Wissen, οτι μείζων έστίν ό έν ύμΐν ή ό έν τω κόσμω (V. 4b). Daß ό έν ύμΐν Gott ist, versteht sich von selbst; aber wer ist ό έν τω κόσμω? Es kann auffallen, daß der Gegensatz zu έν ύμΐν nicht heißt: έν αύτοϊς, obwohl es doch soeben hieß: νενικήκατε αυτούς. Aber so kann der Verf. nicht sagen. Denn die αύτοί, über die die Gemeinde den Sieg errungen hat, sind die Irrlehrer, und wenn in diesen der Antichrist wirksam ist, so kann doch von ihm nicht gesagt werden, daß er έν αύτοΐς wäre. Denn die Gestalt des Antichrists ist ja vergeschichtlicht; er ist nicht in ihnen, sondern sie selbst s i n d Antichristen (2is). Der Gegenspieler gegen Gott ist (wie V.5 bestätigt) der Satan, der πονηρός von 2i3f. Wenn er charakterisiert wird als ό έν τω κόσμω, so könnte man geneigt sein, κόσμος im gleichen Sinn zu verstehen wie in V.3, als die Öffentlichkeit der vorfindlichen Welt. Aber wenn es gleich V . 5 heißt: αύτοί έκ τοϋ κόσμου είσίν κτλ., so ist klar, daß κόσμος 1

καί - „und zwar". Dieser Satz ist selbständig und nicht mehr von dem 8τι abhängig. 3 Sehn, hat also recht, zu betonen, daß der Antichrist „nicht etwa als eine konkrete Persönlichkeit vorgestellt ist". Das geht ja schon daraus hervor, daß der Relativsatz nicht lautet 6v, sondern δ άκηκόατε und also an τό τοϋ άντιχρ ιστού anschließt. 4 Der Sieg meint nicht, daß die Irrlehrer überführt und aus der Gemeinde vertrieben worden sind (Windisch). E r meint überhaupt keine historische Tatsache, sondern ist der Sieg, der im Glauben als solchem liegt; vgl. 54!.; Joh I633. 2

1 J o h 45-6b.7-12

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gemeint ist als die gottfeindliche „Welt" wie 2i5£t. Nicht der Raum, in dem sich die Irrlehrer (wie alle Menschen) befinden, ist damit bezeichnet, sondern ihr Wesen, wie es in ihrer Rede zum Ausdruck kommt: δια τοΰτο έκ τοϋ κόσμου λαλοϋσιν. Und wenn es weiter heißt: και δ κόσμος αύτών άκούει, so wird damit ebenso ihre Zugehörigkeit zur gottfremden, ja, gottfeindlichen „Welt" charakterisiert. Im Gegensatz zu ihnen gilt von der Gemeinde der Glaubenden (V. 6): ήμεϊς έκ του θεοΰ έσμεν, ό γινώσκων τον θεόν άκούει ήμών1. Das folgende: δς ουκ εστίν έκ τοϋ θεοϋ ουκ άκούει ήμών entspricht dem 31 Gesagten: ό κόσμος ού γινώσκει ήμδς. Daß diese Tatsache geradezu als Haß der Welt bezeichnet werden kann, sagte 3i3. Von der Gemeinde gilt also, was Joh 847; 18 37 von Jesus selbst gilt. War V.2t. als das Kriterium des δοκιμάζειν das Bekenntnis zu Jesus Christus angegeben, so wird jetzt in V. 6b ein neues Kriterium genannt: έκ τούτου γινώσκομεν τό 7τνεϋμα της άληθείας και τό 7υνεϋμα της πλάνης. Daran, ob das Wort der Verkündigung gehört wird 2 , wird der Unterschied zwischen dem Geist der Wahrheit und dem Geist des Truges erkennbar. Das 7ΐνεΰμα της αληθείας meint natürlich das gleiche wie das 7τνεϋμα τοϋ θ-εοΰ V. 23. Das 7τνεΰμα της πλάνης ist die in den Irrlehrern wirkende satanische Macht. Sie sind es, die 2 26 die πλανώντες ύμας heißen, und vor denen 3? gewarnt wird: μηδείς πλανάτω ύμας4. Der ganze Abschnitt 41-6 bringt den entscheidenden Gegensatz von Gott und „Welt", Wahrheit und Wahn, und damit von echtem Glauben und Irrlehre, zu starkem Ausdruck5. 4,7—12: Bruderliebe als Antwort auf die Liebe Gottes Es folgt auf den Abschnitt über die Irrlehre 4i-e ein Abschnitt 47-12 über das Thema der Nächstenliebe, das 2 28-3 24 schon einmal behandelt worden war. ,Es ist wieder eine Diskussion mit den Irrlehrern, und indem 47-12 auf 41-6 folgt, besteht ein Zusammenhang zwischen beiden Abschnitten. Während in 228-324 die Bruderliebe als Kennzeichen der 1 W e n n es jetzt ήμεϊς heißt im Unterschied v o n ύμεϊς V . 4, so bedeutet das keinen Unterschied; beide Male ist die Gemeinde der Glaubenden gemeint. Vgl. den Wechsel v o n „ W i r " und „Ihr" 2wi.ut.2s; 313!.; 5131. 2 Έ κ τούτου ist hier auf das Vorausgesagte bezogen. 3 'Αλήθεια ist die eigentliche, die göttliche Wirklichkeit, s. S. 25 zu 1 β. — Die Formulierung πνεϋμα της άλ. in l j o h nur hier, aber J o h 14η; 152β; 16i3. Vgl. auch 1 J o h 5 β. 4 O b man πλάνη als „Irrtum", „ W a h n " versteht oder aktivisch als „Irreführen", bleibt sich gleich. Sachlich ist das πνεϋμα της πλάνης das gleiche wie die ένέργεια πλάνης 2Thess 211. 6 Der Gegensatz zwischen den beiden Geistern hat seine Parallele bes. in den Test Patr und in Qumrantexten. S. Sehn. S. 2 2 6 f . und 9. Exkurs S. 2 0 9 - 2 1 5 . Ausführlich über das Verhältnis v o n 1 J o h 4i-e zu Qumran s. B r a u n , ThR 1964, S. 1 0 8 - 1 1 1 .

70

1 Joh 47-12.7.7«

Zeugung aus Gott der beherrschende Gedanke war, ein Motiv, das auch V. 7 wieder aufgenommen wird, ist es jetzt die Kenntnis Gottes, die schon 23 den Irrlehrern abgesprochen worden war. Der Abschnitt setzt in V. 7 neu ein mit der Anrede άγαπητοί wie V . i ; 2i. Die Mahnung άγαπώμεν αλλήλους wiederholt in direkter imperativischer Form die Mahnung von 311-23 und so auch gleich von V. in. Als Mahnung zum άγαπαν τον άδελφόν bzw. τούς άδελφούς durchzieht sie seit 210 das ganze Schreiben. Das Imperativische άγαπώμεν wird ohne Objekt 3 ie; 419 ausgesprochen, aber natürlich im gleichen Sinn 1 . Die Mahnung ist hier V. 7 a durch einen οτι-Satz begründet, den der Verfasser vermutlich seiner Vorlage entnommen hat, und der ihn veranlaßt hat, den Zusammenhang von Liebe und Gotteskenntnis zum beherrschenden Gedanken zu machen. In der Vorlage bildete V. ?b einen antithetischen Parallelismus zu V. 8a: πας ό αγαπών έκ του θ-εοΰ γεγέννηται ό μή άγαπών ουκ έγνω τον θ-εόν. Diese Sätze dürfte der Verfasser glossiert haben, indem er, veranlaßt durch das ουκ εγνω τον θεόν der zweiten Zeile2, das και γινώσκει τον ·9·εόν in der ersten Zeile hinzusetzte, und indem er in V. 8 b die Begründung hinzufügte: οτι ό θ-εος άγάπη εστίν. Der Imperativ des Anfangs άγαπώμεν άλλήλους läßt doch keinen Zweifel, daß das πας ό άγαπών die Nächstenliebe meint, auch wenn dazu kein Objekt gefügt ist. Sehn, bestreitet, daß das Thema von 47-54 (zumal von 47) die Bruderliebe sei. Das Eigentliche sei das Wesen der Liebe überhaupt („die Liebe ganz allein", S. 229). Er hat zwar darin recht, daß das Thema das Wesen der Liebe ist, nicht jedoch in der Entgegensetzung von Wesen der Liebe und Bruderliebe 3 . Gewiß ist die Liebe Gottes nicht einfach mit Bruderliebe gleichzusetzen; indessen begründet sie nicht nur die Bruderliebe, sondern schließt sie mit ein. Liebe gibt es doch nicht ohne ein Gegenüber. Das Gegenüber Gottes ist die Welt, wie es Joh 3ie heißt (ούτως γαρ) ήγάπησεν ό -9-εός τον κόσμον (ώστε κτλ.) 4 . Zu der Welt gehören auch die ήμεΐς, die Gott liebte (V. 11; vgl. V.9), denen er seine Liebe schenkte (3i) 5 . Wenn die Liebe Gottes ihr Objekt in der Welt In Α ist in V. 7b πας ό άγ. als Objekt τον ·&εόν eingefügt. Statt έγνω lesen einige HS γινώσκει, was wohl Angleichung an das γινώσκει von V. 7b ist. Der Aorist (wie 31 und wie das Perfekt 3 β) „drückt aus, daß es bei einem solchen Menschen noch nicht zur Erkenntnis Gottes kam" (Sehn. S. 229,1). 3 Auch darin hat Sehn, recht, daß sich das Wesen der christlichen Liebe von einem etwaigen „Lieben" der „Welt" unterscheidet, und daß die in 1 Joh gemeinte Liebe die „Art Gottes" ist (S. 228). 4 Die Welt ist in solchem Zusammenhang natürlich die Menschheit, nicht die „Welt" von V. 5 etc. 5 Wenn die Offenbarung der Liebe Gottes Gott έν ήμΐν erschien (V.») und wenn das Objekt dieser Liebe nach V.11 die „Wir" sind, so ist damit nicht „die Universalität der 1

2

1 J o h 4ra-9

71

und damit in den ημείς hat, so sind entsprechend das Objekt der von Gott Geliebten die Nächsten. Daher gilt: άγαπώμεν άλλήλους V.7; und wie V . n zeigt, schließt das Geschenk der Liebe Gottes die Forderung der gegenseitigen Liebe ein. Wenn es heißt: ό θεός άγάπη εστίν (V.8b), so soll damit nicht das Wesen der Liebe als solches beschrieben werden, sondern der Satz gibt an, worin die Forderung der Liebe ihren Grund hat. Wohl kann man sagen, daß damit auch das Wesen Gottes beschrieben wird, jedoch ist der Satz nicht eine Definition, so wenig wie das 6 θεός φως έστιν 15 und das πνεύμα ό θεός Joh 4241, vielmehr wird damit das Wirken Gottes, sein Handeln in seiner Bedeutung für die Menschen beschrieben, von dem sogleich V.9t. die Rede ist. Man kann den Satz auch nicht umkehren und sagen: ή άγάπη θεός έστιν. Denn dann wäre eine άγάπη als allgemeine menschliche Möglichkeit vorausgesetzt, aus der ein Wissen um das Wesen Gottes abgeleitet würde 2 . Das Thema von 47-54 ist also die in der Liebe Gottes begründete Bruderliebe, und zwar ist dieses Thema dem Verfasser so wichtig, weil sie das Wesen des christlichen Glaubens im Unterschied von der Irrlehre charakterisiert. Die Behauptung der Irrlehrer, daß sie Gott erkennen, ja ihn schauen, wird eben dadurch widerlegt, daß ihnen die Bruderliebe fehlt 3 . Im übrigen bedürfen V. 7 und β keiner ausführlichen Erklärung, da in diesen Versen die bisher schon gebrauchten Begriffe und Wendungen wiederkehren. Wenn von der άγάπη gesagt wird: έκ του θεού έστιν, so wird wie immer durch das είναι έκ der Ursprung und damit das Wesen charakterisiert (s. S. 41,5 zu 219); sie ist (um eine Formulierung Schn.s zu gebrauchen) die „Art Gottes". Daß es vom Liebenden heißt: έκ τοϋ θεοϋ γεγέννηται entspricht den Wendungen 229 und 39 (s. S. 49f.57), und zwar so, daß das Lieben als Kennzeichen des Gezeugtseins aus Gott betont wird. Das και γινώσκει τον θεόν entspricht wiederum den Wendungen von 231., und wenn dort als das Kennzeichen der Gotteserkenntnis das Halten der Gebote galt, so ist es hier das άγαπαν, und dieses ist ja nach V. 21; 210 (und nach 323) zusammen mit dem πιστεύειν der Inbegriff der έντολαί (bzw. der έντολή). In V. 9 wird nun der Satz von V. β: ό θεός άγάπη έστίν in der Weise erläutert, daß die άγάπη als die Liebestat Gottes beschrieben wird: έν göttl. Liebesbewegung" eingeschränkt. So mit Recht Sehn. (S. 233) gegen P r e i s k e r , Die urchristl. Botschaft von der Liebe Gottes, 1930, S. 47. 58f. Die „Wir" sind wie V.e etc. die christliche Gemeinde, die bekennt, daß ihnen die Offenbarung der άγάπη τοϋ θ-εοϋ geschenkt wurde; dadurch ist niemand ausgeschlossen, sondern er kann sich nur selbst ausschließen, wenn er es ablehnt, zu glauben. 1 S. o. S. 21 f. zu l s und s. Joh 421 Komm. S. 141. 2 Im wesentlichen stimme ich dem zu, was Sehn, in dem lehrreichen Exkurs „die Liebe Gottes" sagt (S. 231-239). 3 S. S. 30 zu 2afl., S. 48 zu 2 28ff.

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1 Joh 4»

τούτω έφανερώ&η ή αγάπη τοϋ θεού έν ήμΐν, οτι κτλ. 1 . Unsicher ist, wie das έν ήμΐν zu beziehen und zu verstehen ist. Bezieht man es zu έφανερώθη, dann kann es meinen: unter uns. Dann wären die „Wir" entweder die christliche Gemeinde oder die Welt als die Stätte, in der die Offenbarung erschien; dafür könnte das άπέσταλκεν . . . εις τον κόσμον sprechen hier und V. 14. Dann hätte das έφανερώθη έν ήμΐν den gleichen Sinn wie das absolute ή ζωή έφανεφώθη I s O d e r das έν ήμΐν könnte bedeuten „an uns" 2 . Das „Wir" würde dann ebenfalls die Gemeinde oder die Welt bedeuten. Wenn man, wie Sehn. (S. 229,2) einen „abgeblaßten" Sinn annimmt, wäre der Sinn der gleiche wie ή ζωή έφανερώθη . . . ήμΐν 12; dann wären die „Wir" die Gemeinde. — Es ist aber auch möglich, das έν ήμΐν zu ή άγάπη τοϋ θεοϋ zu beziehen. Dafür spricht V. ιβ: . . . την άγάπην ήν εχει ό θεδς έν ήμΐν, aber auch schon V.io, insofern hier Gottes liebendes Handeln „für uns" betont wird. Auch dann wären die „Wir" die Gemeinde oder die Welt. In jedem Falle meint das έφανερώθη die Offenbarung in dem geschichtlichen Ereignis der Erscheinung Jesu, wie der δτι-Satz zeigt: οτι τον υίον αύτοΰ τον μονογενή άπέσταλκεν ό θεός εις τον κόσμον. Die Formulierung, daß Gott seinen Sohn gesandt hat, ist der christlichen Sprache geläufig und begegnet besonders häufig bei Joh, vgl. besonders Joh 3173, und wenn es Joh 3 ιβ έ'δωκεν statt άπέστειλεν heißt, so ist der Sinn natürlich der gleiche. V.9 ist aber auch deshalb mit Joh 3ie gleichbedeutend, weil in diesen beiden Sätzen der υιός als μονογενής bezeichnet wird (wie sonst nur noch J o h l u . ιβ; 3ιβ)Μονογενής, das „einzig" bedeutet, ist zugleich Wertprädikat und bezeichnet den Einzigen zugleich als den Geliebten5. Das historische Ereignis kann auch und muß auch als das eschatologische Ereignis verstanden werden, sofern an der Stellung zu ihm über Tod und Leben entschieden wird 6 . Das ist in dem ίνα ζήσωμεν δι' αύτοΰ deutlich gemacht. Es ist ja das Ereignis, durch das die Sünde fortgeschafft ist (3 5) und durch das das Wirken des Teufels zunichte gemacht wird (3 s). Die Paradoxie, daß das eschatologische Geschehen ein schon gegenwärtig sich vollziehendes ist, war in 3 u in dem μεταβεβήκαμεν έκ του θανάτου εις τήν ζωήν ausgesagt. Das έν τούτω wird durch οτι κτλ. expliziert (s. zu 23, S. 30,3). Dazu vgl. Joh 93: ίνα φανερωθη τά £ργα τ. ·9·. έναύτω. Φαν. έν, wäre dann gebraucht wie ποιεΐν τι oder γίνεσ&αι έν; s. BID § 220,1. 3 S. zu la S. 14. 4 Wenn die Tempora άπέστειλεν (so V.io und meist bei Joh) und άπέσταλκεν wechseln, so bedeutet das keinen sachlichen Unterschied. Vgl. auch Sehn. S. 230,3. 5 Wie das hebr. TTT das in L X X auch mit άγαπητός wiedergegeben wird (was Mt 1218; 1

2

Mk I i i ; 97 auch den υιός charakterisiert). Vgl. Komm. S. 47,2; Sehn. S. 230,1. 6 S. zu 12 S. 14. Von diesem φανερ., das als historisches zugleich das eschatologische Geschehen ist, ist natürlich das φανερ. zu unterscheiden, das in der Zukunft bevorsteht 22s; 3s; s. S. 49,1.53.

1 Joh 4ιο.ιι

73

V. 10 erläutert das δι' αύτοϋ von V. 9: έν τούτω έστίν ή άγάπη ούχ βτι . . . άλλ' δτι κ τ λ . W e n n man fragt, ob durch die δτι-Sätze das Wesen der Liebe an sich beschrieben wird (Sehn.) oder unsere Liebe gemeint ist, die sich auf Gott richtet, so wird man antworten müssen: im letzteren Sinn. Denn der erste δτι-Satz: ούχ δτι ήμεϊς ήγαπήκαμεν τον θεόν, richtet sich doch offenbar gegen die Meinung, als wäre für den natürlichen Menschen Gott direkt als Gegenstand der Liebe erreichbar. Diese Meinung ist es, die die Irrlehrer vertreten, die ja auch die Offenbarung nicht als das historische Geschehen verstehen. Im Gegensatz dazu gilt: άλλ' δτι αύτδς ήγάπησεν ήμας. Die auf Gott gerichtete Liebe kann nur die Antwort auf die auf uns gerichtete Liebe Gottes sein, die in ihrem φανερω&ήναι gleichsam als Frage an uns gerichtet ist. Daß nach V. 9 in V. 10b nun noch gesagt wird: και άπέστειλεν τον υίόν αύτοϋ ίλασμόν περί των αμαρτιών ημών, ist auffallend und wirkt so nachklappend, daß man diesen Satz der kirchlichen Redaktion zuschreiben muß wie die gleiche Charakteristik Jesu 22 (s. S. 29f.) 2 . Angedeutet war dieser Gedanke schon 3 i 6 a (s. S. 60f.), und wie dort V. 16b die Folgerung gezogen wurde: και ήμεϊς όφείλομεν κτλ., so jetzt ganz ähnlich V. 11: αγαπητοί, εΐ ούτως ό θεός ήγάπησεν ή μας, και ήμεϊς όφείλομεν άλλήλους άγαπαν. Die Forderung von V. 7 wird also wiederholt, nachdem sie V. 8-10 a eine Begründung erhalten hatte. Indessen fügt V. 12 noch eine weitere Begründung in dem θεον ούδείς πώποτε τε&έαται hinzu, die sich ebenso wie V.ioa gegen die offenbar für die gnostizierenden Irrlehrer charakteristische Meinung richtet, daß Gott selbst direkt Gegenstand der vom Menschen sich erhebenden Liebe sein könne, — ein Gedanke, der dem Verfasser so wichtig ist, daß er ihn V. 20 wiederholt 3 . Er ist ebenso ausgesprochen Joh 1 ie. Es gibt kein direktes Gottesverhältnis, sondern nur ein indirektes, das darin besteht, daß wir Menschen einander lieben: έάν άγαπώμεν άλλήλους, ό θεός έν ήμΐν μένει4. Daß die gegenseitige Liebe der Weg zur Liebe Gottes ist, bekräftigt der folgende Satz: και ή άγάπη αύτοϋ τετελειωμένη έν ήμΐν έστιν5. Das αύτοϋ kann nur Gen. subj. sein; denn die an den Anfang gestellte und stets wiederholte Forderung der Bruderliebe (V. in. 19-21) wird ja nachdrücklich durch den Hinweis der Das έν τούτω wird wieder durch δτι κτλ. expliziert. S. In Memoriam E. Lohmeyer 1951, S. 201. 3 Sehn. (S. 240f.) versteht V. 12 aus dem Gegensatz zu den Gnostikern, „bei denen die (ekstatische) 'Himmelsreise' der Seele eine Form der 'Gotteserkenntnis' bzw. 'Gottesschau' war". Mir ist nicht sicher, ob eigentliche Gnostiker bekämpft werden, oder nur die gnostizierenden christlichen Irrlehrer. 4 Zu μένειν έν s. S. 32,3 zu 2 β. 6 Daß in V.12 ein Stück der Vorlage verarbeitet ist, das etwa lautete: έάν άγαπώμεν άλλήλους, ό θεός έν ήμΐν μένει καΐ ή άγάπη αύτοϋ τετελειωμένη έν ήμΐν έστιν, habe ich Festgabe für Ad. Jülicher S. 152 vermutet. Ich muß aber gestehen, daß Schn.s Zweifel an dieser Hypothese berechtigt ist. 1

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1 Joh 4ll. 12; 4-13-16

Liebe begründet, mit der Gott uns liebte (V.9. ioa. 11. 19-21)1. Das τετελειωμένη . . . εστίν meint dann: daß in der Bruderliebe die uns erwiesene Liebe Gottes zu ihrem Ziel kommt 2 . In Joh 1 is ist der Gedanke, daß niemand Gott gesehen hat, ausgesprochen, um zu betonen, daß er nur durch seine Offenbarung zugänglich ist (εκείνος έξηγήσατο). Hier in V. 12 dient der Gedanke, um zu sagen, daß sich ein Verhältnis zu Gott nur in der gegenseitigen Liebe realisiert. Daß beides zusammengehört, daß also der Glaube an Gottes Offenbarung in Jesus Christus und die Bruderliebe eine Einheit bilden, kommt nicht nur darin zum Ausdruck, daß in V. 7-12 ausdrücklich die Offenbarung als Begründung der Bruderliebe charakterisiert wird, sondern auch darin, daß sogleich V. 13-16 die Offenbarung das beherrschende Thema wird und damit zugleich das όμολογεΐν und πιστεύειν. Der Schluß von V.16 redet von dem μένειν Gottes in uns, wie es V.12 getan hatte. Mit V.17 wird zwar die Bruderliebe noch nicht wieder das eigentliche Thema. Das geschieht erst in 4i9-54. Aber auch mit dem neuen Thema von V.i7f., nämlich dem Thema der παρρησία, besteht ein gewisser Zusammenhang, was sich darin zeigt, daß das τετελειωμένη von V. 12 in V. 17 in etwas variierter Form wieder aufgenommen wird. Man kann nicht leugnen, daß in 4 7-512 kein einheitlicher Gedankengang vorliegt. Obwohl verbindende Gedanken nicht fehlen, empfindet man doch V. 13-16 und V . m als Unterbrechungen des Gedankenflusses3, und die Vermutung liegt nahe, daß in 4 7-512 Stücke kombiniert sind, die zunächst als einzelne für sich konzipiert waren. Man möchte meinen, daß es sich um die Arbeit einer Schule handelt. Fast könnte man sagen, in 4 7-512 spiegelt sich so etwas wider wie die Diskussion in einem theologischen „Seminar" der johanneischen „Schule".

4,13—16: Bekenntnis und Glaube an Gottes Heilstat War die Erkenntnis von Gottes μένειν έν ήμΐν 324 b zunächst durch einen οτι-Satz und dann durch die präpositionale Wendung έκ τοϋ 7τνεϋματος begründet (s. ο. S. 65f.), so hier in gleicher Weise durch zwei δτιSätze, von denen der erste explikativen Sinn hat, der zweite begründenden. Dieser zweite entspricht nicht nur formal dem έκ τοϋ 7ΐνεύματος von 324 b, sondern ist ihm fast wörtlich gleich: έν τούτω γινώσκομεν, . . . δτι έκ 1 Sehn., der das Thema von 4 7-10 nicht in der Bruderliebe, sondern im Wesen der Liebe überhaupt sieht, möchte entsprechend das αύτοϋ nicht als Gen. subj., aber auch nicht als Gen. obj. verstehen, sondern als „qualitativen" Gen. als „die göttliche, die Gott eigentümliche Liebe". Aber s. o. S. 61. 2 Zu τετελ. s. zu 2 s S. 20,3. 3 Auch Sehn, empfindet die Schwierigkeit 4i3tt. als mit V.12 und als in sich einheitlich zu verstehen (S.241f.). E r nennt V.i4f. eine Digression, nach der der Verf. erst in V . u das Thema der Liebe wieder aufnehme.

1 J o h 4l3-16.13.llf.

75

τοϋ πνεύματος αύτοΰ δέδωκεν ήμΐν 1 , und zwar als die B e g r ü n d u n g der gleichen Erkenntnis, nämlich eben der Erkenntnis des Bleibens Gottes in uns (V. 13). Daß das μένειν jetzt i m Unterschied v o n 3 24b als ein gegenseitiges charakterisiert ist (δ τι έν αύτω μένομεν και αύτος έν ήμϊν), entspricht dem 324a Gesagten v o n dem gegenseitigen Bleiben 2 . Dort freilich besteht das gegenseitige μένειν darin, daß wir seine Gebote halten, hier darin, daß Gott uns von seinem Geist gegeben hat. Da nun einerseits die Gebote (bzw. das Gebot) in der Bruderliebe konzentriert sind, und da andererseits V. 13 auf die M a h n u n g zur Bruderliebe folgt, so w i r d man den Erweis des Empfangs des πνεϋμα eben darin sehen müssen, daß es uns die Ermöglichung der Bruderliebe schenkt 3 . Indessen scheint nach V. u das πνεϋμα uns die Erkenntnis und Bezeugung der Liebe Gottes in der Sendung seines Sohnes zu schenken, woraus sich dann als Konsequenz das όμολογεΐν und πιστεύειν (V. ist.) ergibt. Für den Verfasser besteht hier aber offenbar kein Unterschied; denn auch 323 besteht die εντολή in dem Doppelten: dem Glauben und der Liebe. Das δτι έκ τοϋ πνεύματος αύτοΰ δέδωκεν hat daher einen zweifachen Sinn, v o n denen der erste nach rückwärts weist (auf die in der άγάπη Gottes begründete Forderung des άλλήλους άγαπαν), der zweite nach vorwärts auf das όμολογεΐν und πιστεύειν. Eben dieses erscheint als Thema in V. 1 4 f . : και ημείς τε&εάμε&α και μαρτυροΰμεν δτι κτλ. Das τεθεάμε&α weist zurück auf V. 12 und betont, daß es trotz des θ·εον ουδείς πώποτε τεθ-έαται doch ein ·9·εασ·9·αι Gottes gibt, nur eben nicht ein direktes, das V. 11 ja bestritten war, sondern ein indirektes. W a r dieses V . 12 das i m άλλήλους άγαπαν sich vollziehende Gottesverhältnis, so begründet nach V.14 die Heilstat Gottes in der Sendung des Sohnes das Gottesverhältnis. Das Sehen des Glaubens 4 bekundet seine Sicherheit darin, daß es ein Zeugnisablegen mit sich bringt: και μαρτυροΰμεν 5 . Was der Glaube sieht und bezeugt, ist mit fast den gleichen Worten gesagt w i e V. 9: δτι ό πατήρ άπέσταλκεν τον υίον σωτήρα τοΰ κόσμου 6 . Statt des Attributes μονογενής v o n V . 9 heißt es jetzt: σωτήρα τοΰ κόσμου, womit das gleiche gesagt ist w i e mit dem ίνα ζήσωμεν δι' αύτοΰ 7 . Zu διδόναι έκ s. BID § 169. Zur Gegenseitigkeit des Verhältnisses s. zu I7 S. 26,3. 3 Zum Begriff πνεϋμα s. o. S. 65 f. zu 3 24.— Sehn. S. 241 bezweifelt, „daß der Geist das Bewußtsein in den Christen befestigt, Gott und die Brüder zu lieben". „Der paränetische Nachdruck, der auf dem άγαπώμεν V.12 liegt, würde damit abgeschwächt." 4 Es versteht sich, daß das θεασθαι ein Sehen des Glaubens ist, wie ja das πεπιστεύκαμεν V.ie zeigt; s. zu Joh I14, Komm. S. 44f. — Wenn das τεθεάμεθα ohne Obj. steht, so ist dieses doch, wie Sehn, mit Recht sagt, aus dem δτι-Satz zu ergänzen (S. 242). 6 Zum Begriff μαρτυρ. s. zu Joh I7, Komm. S. 30,5. • Wenn πατήρ statt wie V. β ό θεός gesagt wird, so bedeutet das natürlich keinen Unterschied. Zu πατήρ als Gottesbezeichnung s. zu la S. 14,5. 7 Der Titel σωτήρ τ. κ. nur hier in 1 Joh, außerdem Joh 442. Das bloße σωτήρ sonst häufig im NT wie auch σώζειν (dies auch bei Joh) und σωτηρία; s. zu Joh 3i7 (Komm. S. 111,1); 422 (Komm. S. 149,2); s. auch Sehn. S. 243. 1

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76

1 Joh 4l5.16b; 4l7.18

V. 15 interpretiert gleichsam, wie sich das σωτήρ τοϋ κόσμου verwirklicht: δς έάν όμολογήση δτι . . . ό θεός έν αύτώ μένει και αύτδς μένει έν τω θεώ, insofern als die durch das gegenseitige μένειν beschriebene Verbundenheit, von der schon V. 13 redete, natürlich identisch ist mit der Bedeutung Jesu als des σωτήρ. Die Voraussetzung dafür wird in dem Relativ-Satz betont: δς έάν όμολογήση κτλ. 1 . Der Inhalt des Bekenntnisses, δτι Ίησοϋς έστιν ό υίος τοϋ θεοΰ wie V.21., nur in knapperer Formulierung, wie sie auch 3s; 55.10.13 und ähnlich V. 3 gebraucht ist. Daß diese Voraussetzung in der Gemeinde erfüllt ist, sagt V. 16a: και ήμεΐς έγνώκαμεν και πεπιστεύκαμεν τήν άγάπην ήν εχει ό θ·, έν ήμϊν. Denn die Erkenntnis und der Glaube an Gottes άγάπη ist identisch mit dem Inhalt des Bekenntnisses, daß Jesus der Sohn Gottes ist. Denn die Liebe Gottes besteht ja in der Sendung seines Sohnes, wieV. 9f. schon gesagt war 2 . V. 16b wiederholt den Satz von V. 8b (s. o. S. 71) und fügt die Beschreibung der Gegenseitigkeit des Liebesverhältnisses zwischen Gott und den Glaubenden ähnlich wie V.12 und V.13 hinzu (s. zu V. 13 und schon 324 S. 65).

4,17-18: Die παρρησία als Frucht der άγάπη Das Motiv der άγάπη kommt zwar auch in V.i7f. zur Geltung, jedoch ist das eigentliche Thema nicht die άγάπη, sondern die παρρησία. Daß diese eine Frucht der άγάπη ist, sagt gleich V. 17a, in dem das einleitende έν τούτω durch den ίνα-Satz expliziert wird 3 : τετελείωται ή άγάπη μεθ' ημών, ίνα παρρησίαν έ'χωμεν. . . Das τετελείωται heißt: sie ist zu ihrem Ziel gekommen, entsprechend dem τετελειωμένη . . . έστιν V. i24. ή άγάπη μεθ' ημών kann nur denselben Sinn haben wie das (εΐ οΰτως) ό θεός ήγάπησεν ήμας (V. ιι) und wie das τήν άγάπην ήν έχει ό θεδς έν ήμϊν (V. ιθ) ; die άγάπη ist also die Liebe Gottes5. Die Liebe Gottes ist zu ihrem Ziel gekommen, indem sie uns die παρρησία schenkt. Die παρρησία wird im überlieferten Text bestimmt durch έν τη ήμερα της κρίσεως. Da die ημέρα της κρίσεως nur das künftige eschatologische Gericht sein kann, scheint diese Bestimmung dem 228 Gesagten zu entsprechen. Indessen ist 228 von der παρρησία angesichts Zu 8ς έάν s. BID § 107. 377. Zu όμολογεΐν s. S. 27,5. Zu dem έχει έν ήμϊν s. ο. zu V. 9 S. 72, s. auch Sehn. S. 244,2. — Daß das γινώσκειν keine theoretische Erkenntnis ist, sondern ein Erkennen, das ein Anerkennen einschließt, versteht sich von selbst; s. 23-6 und dazu S. 30ff. Auch das πιστεύειν schließt ein Anerkennen ein, s. 323; 4 i und dazu S. 52f.. Das Perfekt charakterisiert die Erkenntnis Gottes als eine bleibende und gefestigte (Sehn. S. 244). 3 Das έν τούτω bezieht sich auf das Folgende (s. zu 23 S.30,3); zur Explikation eines Demonstr. durch einen ίνα-Satz s. zu I4 S. 21,1. 4 Zu V.12 s. S. 74; zu τελειοϋν s. zu 2b S. 31,4. 5 Sehn, bestreitet das, weil die άγάπη in V.is die Liebe im menschlichen Verhalten meine; dazu s. u. zu V.ie. 1

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1 J o h 4l7.18

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der eschatologischen παρουσία Jesu die Rede, während es sich hier nur um das Gericht handeln kann, das Gott hält, wie auch 3 21 von der παρρησία προς τον θεόν redet und nur diese auch 514 gemeint sein kann 1 . Das έν τη ήμερα της κρίσεως ist aber als Zusatz der kirchlichen Redaktion verdächtig, weil der folgende δτι-Satz unverständlich ist: οτι καθώς εκείνος έστιν και ήμεΐς έσμεν έν τ ω κόσμω τούτω 2 . Denn der έκεΐνος kann doch wie immer nur Jesus sein, und wenn die παρρησία als die παρρησία ihm gegenüber am Tage der κρίσις gemeint sein sollte, so wäre doch das καθώς . . . έστιν unverständlich. Es müßte dann statt έστίν doch ήν heißen, was ja auch einige HS schreiben. Denn zu dem καθώς . . . έστιν kann doch das zu ήμεΐς έσμεν gehörige έν τ ω κόσμω τούτω nicht auch noch gezogen werden. Was aber sollte es heißen, daß er in dieser Welt ist 3 ? Natürlich wäre es, wenn man zu dem καθώς έκεΐνός έστιν ergänzen dürfte: έν τη αγάπη (τοϋ πατρός), was der Aussage J o h 1510 entsprechen würde. Es läge dann nahe, das έν τη άγάπη auch hinter έσμέν zu lesen statt έν τ ω κόσμω τούτω, und auch das φόβος ούκ έστιν έν τη άγάπη würde sich vortrefflich anschließen. Das έν τ ω κόσμω τούτω hätte dagegen seinen angemessenen Platz hinter παρρησίαν έχωμεν, w o es die Redaktion durch das im Zusammenhang unangemessene έν τη ήμέρα της κρίσεως ersetzt hätte. Daß die Liebe Gottes ihr Ziel darin hat, daß wir παρρησία in der Welt haben, erinnert an die Bitte Jesu J o h 1715: ούκ έρωτώ ίνα αρης αυτούς έκ τοϋ κόσμου, άλλ' ίνα τηρήσης αυτούς έκ τοϋ πονεροΰ4. Daran, daß der traditionelle Text nicht in Ordnung ist, scheint mir kein Zweifel zu sein. Natürlich ist es ein nur hypothetischer Versuch, wenn man als ursprünglichen Text vermutet: έν τούτφ τετελείωται ή άγάπη μεθ' ήμών, ίνα παρρησίαν έχωμεν έν τ ω κόσμω τούτω, οτι καθώς έκεΐνός έστιν (έν τη άγάπη τοϋ πατρός και ήμεΐς έσμεν έν τη άγάπη) 5 . Daran würde sich jedenfalls φόβος ούκ έστίν έν τη άγάπη fügen, ein Satz, der wie eine Gnome klingt und im Zusammenhang jedenfalls begründen Zu παρρησία s. zu 228, S. 49,1. Schon die handschriftlichen Varianten zeigen, daß der traditionelle Text keinen eindeutigen Sinn gibt. 3 Sehn, versucht mit dem έστίν fertig zu werden, indem er erklärt: „er 'ist' noch immer, auch in sittlicher Beziehung, das, was er auf Erden war, und so Vorbild der ihm Verbundenen, die noch 'in dieser Welt' sind" (S. 247). Er muß dann behaupten, daß das έν τω κόσμω τούτω nur zu έσμέν gehört. Aber diese Ausdeutung des καθώς έκεΐνός έστιν scheint mir nicht möglich zu sein. 4 Auf 514 wird man sich freilich nicht berufen dürfen, denn 514-21 ist von der kirchlichen Redaktion angefügt. 6 Man könnte auch erwägen, ob nach ίνα παρρησίαν εχωμεν ursprünglich folgte: έμπροσθεν αύτοϋ. Dann würde sich das δτι καθώς έκεΐνός έστιν gut anfügen. Das έν τ φ κόσμοι τούτω müßte dann als schlechter Zusatz gestrichen werden; wie sollte er in den Text gekommen sein? 1

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78

1 Joh 4i8;4i9-5«

soll, daß der Glaubende die παρρησία haben darf. Die παρρησία ist die Freiheit vom φόβος1. Nun läge es zwar nahe, angesichts des Gegensatzes φόβος — άγάπη, die άγάπη als die Liebe des Menschen zu Gott zu verstehen. Aber die άγάπη kann doch nicht anders verstanden werden als Gottes άγάπη μεθ-' ήμών, muß also die uns von Gott geschenkte Liebe sein2. Gerade von dieser aber kann gesagt werden, daß sie ohne Angst ist; denn die Angst kann doch nur die Furcht vor Gott sein. Diese aber kann es für den nicht geben, der sich von der Liebe Gottes beschenkt weiß. Dem entspricht V. 18: άλλ' ή τελεία άγάπη έξω βάλλει τον φόβον. Denn die τελεία άγάπη meint doch das τετελείωται ή άγάπη μεθ' ήμών, und in diesem Sinn kann es dann doch heißen: ό δέ φοβούμενος ού τετελείωται έν τη άγάπη 3 : Wer noch Angst vor Gott hat, ist noch nicht an das im Geschenk der Liebe Gottes ihm eröffnete Ziel gelangt, sie ist für ihn noch nicht έν άληΟ-εία (zur Wirklichkeit) geworden (vgl. 2 Joh 3; 3 Joh 1). Daß die τελεία άγάπη den φόβος vertreibt, wird durch den δτι-Satz begründet: οτι ό φόβος κόλασιν έχει. Der Satz klingt wieder wie eine Gnome. Nun bedeutet zwar κόλασις Mt 25 46 und sonst die Züchtigung im eschatologischen Gericht, und danach könnte man verstehen: „weil es die Furcht mit Strafe zu tun hat" (Weizsäcker) oder „weil die Furcht (Strafe vor sich) hat" (Windisch). Aber dem Zusammenhang entspricht es doch besser, mit Luther zu verstehen: „Denn die Furcht hat Pein" (so auch die Zürcher Übersetzung). Das würde bedeuten: die Angst hat ihre Züchtigung in sich selbst. Dann ist der Begriff der eschatologischen κόλασις ebenso vergeschichtlicht wie der Begriff κρίσις Joh 319; 524 entsprechend dem Satz 314, daß die Liebenden schon aus dem Tode ins Leben hinübergeschritten sind4. 4,19-5,4: Die Bruderliebe als Gebot bzw. als Inbegriff der Gebote Mit 4,19 wird das Thema der Bruderliebe, das V. 7-12 beherrschend war, wieder aufgenommen nach den Zwischenstücken V. 13-16 und V.i7f. (s. o. S. 47). Wenn man 4i9-54a unter das Thema der Bruderliebe stellen kann, 1 Φόβος in diesem Sinn nur hier in 1 Joh (anders Joh 713; 19 38: 2Ο19; Furcht vor den Juden). Sachlich verwandt aber Rom 815: ού γαρ έλάβετε πνεύμα δουλείας πάλιν εις φόβον, άλλα έλάβετε πνεϋμα υίο-θ-εσίας. 2 Sehn, meint dagegen, es sei die Liebe im menschlichen Verhalten. 3 Sehn, hat darin recht, daß dieser Satz nicht die Fortsetzung des δτι-Satzes, sondern Antithese zu V. iea ist. 4 Anders Sehn., der zwar richtig sieht, daß das Problem des Verhältnisses v o n Furcht und Liebe, das das Judentum beschäftigte (S. 247,4), nicht gestellt ist, und daß die Reflexion, „daß Liebe in der Frömmigkeitshaltung höher als Furcht zu werten sei", deshalb fehlen muß (S. 248), der aber meint, 413 zeige, daß „die Christen in der Praxis noch nicht zu den Früchten der Gottesgemeinschaft" gekommen seien und „zu wenig Vertrauen auf die Kraft, die aus Gott kommt", zeigten. Nun kann man sagen, daß 4i7f. auch wieder eine indirekte Mahnung enthalten. Aber zunächst und vor allem rühmen die Verse doch die uns geschenkte Möglichkeit der παρρησία.

1 Joh 4i9-2i

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so ist es doch nicht in einem geschlossenen Gedankengang behandelt, und auch nicht mit dem folgenden Abschnitt 54-12 fester verbunden als durch den überleitenden V. 4 b1. Auch enthält V. 4i9-54a keine neuen und fortführenden Gedanken gegenüber 47-12, sondern wiederholt mit geringen Variationen das schon Gesagte. Der Eindruck bestätigt sich, daß nicht eine ursprünglich zusammenhängende Komposition, sondern eine Kombination aus einzelnen Meditationen oder Diskussionsbeiträgen der johanneischen „Schule" vorliegt (s. o. S. 48). Gleich der Anfang bietet eine Schwierigkeit, weil es nicht sicher ist, ob das ήμεΐς άγαπώμεν indikativisch oder Imperativisch zu verstehen ist. Nach 47 möchte man indikat. verstehen, nach 4s-i2 imperat., und so auch nach V.20-522. Damit hängt die andere Schwierigkeit zusammen, welches Objekt man zu dem άγαπώμεν ergänzen soll, -9-εόν oder άλλήλους bzw. τούς άδελφούς. Könnte 4111. für άλλήλους sprechen, so spricht der begründende Satz: οτι αύτος πρώτος ήγάπησεν ήμας3 dafür, daß θ-εόν zu ergänzen ist 4 . Vor allem aber spricht dafür V. 201.; denn diese Verse richten sich offenbar gegen die gnostizierende Vorstellung, daß sich die menschliche Liebe direkt auf Gott richten könne, und wollen sagen, daß die auf Gott gerichtete Liebe sich nur in der Liebe auf die Brüder erweisen kann. Die leitende Frage ist also die Frage nach dem άγαπαν τον ·9·εόν. Der Gedanke wiederholt also den Gedanken von 4ιο&: Unser Lieben ist die Antwort auf Gottes uns geschenkte Liebe. Da nun V.20-52 darauf hinauslaufen, daß unsere auf Gott gerichtete Liebe nur in der Bruderliebe verwirklicht wird, kann man (mit Sehn.) V. 19 als Überleitung zum Thema der Bruderliebe bezeichnen. Eben diesen Gedanken, daß die auf Gott gerichtete Liebe nur in der Bruderliebe wirklich wird, sagt V. 20. Dieser Vers variiert zunächst das Motiv von 317, und zwar so, daß jetzt das Verhalten der Unbarmherzigkeit als Haß bezeichnet wird 5 und daß derjenige, der trotz solchen Verhaltens behauptet, Gott zu lieben, ein ψεύστης ist. Dabei hat ψεύστης den doppelten Sinn: er sagt Unwahres und scheidet sich damit von der Wirklichkeit Gottes6. Daß er also ein Sünder ist, ist wie 3β; 3Joh 11 damit gesagt, daß er Gott nicht gesehen hat. Wieder ist auch hier unverkennbar, daß sich der Satz gegen gnostizierende Irrlehrer richtet, die sich einer direkten Gottesschau rühmen. V. 21 bringt keinen neuen Gedanken, sondern formuliert jetzt, die seit 4? durchgehende Mahnung zu der der Gottesliebe entsprechenden BruderS. o. S. 47 f. Natürlich ist nicht das ήμεΐς zu betonen. Sonst wäre eine Partikel wie οδν (so einige HS) oder besser noch ein δέ zu erwarten. 3 Πρώτος hat natürlich komparativen Sinn (BID § 62), also nicht „als Erster", sondern „zuerst". 4 So auch einige HS, wenn andere αυτόν ergänzen, hat das natürlich den gleichen Sinn. 1

2

5

Vgl. 29.ii; 3 is.

* S. o. zu l e S. 25 und vgl. 2i. 22.

80

1 Joh 421-52

liebe als έντολή1, wie es auch schon 2?a.; 323 der Fall war und alsbald 521. wieder geschehen wird. Waren schon 323 die Forderungen des Glaubens und der Bruderliebe miteinander verbunden, so jetzt auch in 51-4, und zwar in der eigentümlichen Weise, daß 5,1 der Glauben als die Voraussetzung der Bruderliebe erscheint2. Der Inhalt des Glaubens ist formuliert wie 222: οτι Ίησοϋς εστίν ο Χριστός, dem Sinne nach gleichwie 323 und gleich V.5. Vom Glaubenden wird ausgesagt: έκ του θ-εοϋ γεγέννηται wie in entsprechenden Sätzen 229; 39; 473. Daß der Verfasser diesen Satz als die Voraussetzung für die Forderung der Bruderliebe V.ib. 2 bringt, ist verwunderlich, und die Vermutung liegt nahe, daß er durch einen Text der Vorlage dazu veranlaßt ist, den er hier nutzbar machen will. Dieser Text könnte ursprünglich mit V. 4a einen Parallelismus gebildet haben, und man möchte rekonstruieren: πας ό άγαπών τον άδελφον αύτοϋ έκ τοϋ θεοϋ γεγέννηται και παν το γεγεννομένον έκ τοϋ θεοϋ νίκα τον κόσμον4. Der Verfasser hätte dann den Gedanken des γεγέννηται έκ τοϋ ·9·εοΰ nutzbar gemacht, um den Gedanken der Bruderliebe wieder zur Geltung zu bringen: και πας ό άγαπών τον γεννήσαντα άγαπα τον γεγεννημένον έξ αύτοϋ. Dieser Satz hat wieder den Charakter einer Gnome: Wer seinen Vater liebt, der liebt auch dessen Sohn, seinen Bruder. Im Zusammenhang ist aber natürlich gemeint: Wer Gott liebt, der liebt auch seinen Bruder. Ob hier speziell an die christlichen Brüder gedacht ist oder die „Nächsten", kann dahingestellt bleiben5, doch spricht V. 2 für das erstere, wenn hier von der Liebe zu den τέκνα τοϋ θεοϋ die Rede ist. Denn mit dem Begriff der τέκνα τοϋ θεοϋ hat der Verfasser ja in 31 den Begriff des γεγέννηται έξ αύτοϋ (sc. τοϋ θεοϋ) wieder aufgenommen. Vollends schwierig, ja fast unverständlich ist V. 2. Zwar das έν τούτω γινώσκομεν bezieht sich deutlich auf das Folgende®, und der Inhalt des Zu ταύτην . . . ίνα s. S. 19,4 zu I4. Zu πιστεύειν, das hier nach 323; 4i.ie wieder begegnet, s. S. 64 zu 323. Zu dem mit dem Part, verbundenen πας s. S. 45,1 zu 223. 3 Zu γεγέννηται έκ τοϋ θεοϋ s. zu 229 S. 49 ff. 4 S. Festgabe für Ad. Jülicher S. 154. 6 Zum doppelten Sinn von „Bruder" s. zu άδελφός 2a S. 34f. β Anders Sehn., der έν τούτω auf das Vorige beziehen will: „Aus diesem Grundsatz . . . erkennen wir", nämlich aus V.ib. Aber er gerät dann in Schwierigkeiten mit dem δτανSatz und muß folgern, daß in ihm die Aufeinanderfolge vertauscht ist und daß der Satz eigentlich meint: „Wir lieben immer (dann) auch die K i n d e r Gottes, wenn wir Gott (unseren und ihren Erzeuger) wirklich lieben." Diese Vertauschung scheint aber willkürlich zu sein. Gegen solche auch früher schon vorgeschlagene Umstellung mit Recht auch H o l t z m a n n . 1

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1 Joh 52-la

81

γινώσκομεν wird durch den 6-u-Satz angegeben: δτι άγαπώμεν τά τέκνα τοϋ θεοϋ. Auch ist klar, daß die Begründung solcher Erkenntnis durch den δταν-Satz gegeben wird: δταν τον θ-εόν άγαπώμεν κτλ. Aber das Seltsame ist, daß hier die auf Gott gerichtete Liebe als Erkenntnisgrund für die Bruderliebe gilt, während es sonst umgekehrt ist (V. ib; An. 20t.). Ist wirklich die Paradoxie gewagt: weil die Bruderliebe der Erweis der Gottesliebe ist, so ist auch die Gottesliebe der Erweis der Bruderliebe? Dann wäre gleichsam ein Kreis gebildet, der von einem bloßen Zuschauer aus nicht verständlich ist, sondern nur von dem, der als Liebend-Geliebter innerhalb des Kreises steht. Oder darf man die Fortsetzung des δτανSatzes: και τάς έντολάς αύτοϋ ποιώμεν so eng mit dem δταν τον θ-εόν άγαπώμεν zusammennehmen, daß beide Teile des δταν-Satzes ein Hendiadyoin bilden und damit auch die Gottesliebe als ein ποιεϊν τάς έντολάς αύτοΰ verstanden ist? Dafür könnte die Begründung V. 3 sprechen, in dem die έντολαί definiert werden: αυτή γάρ έστιν ή άγάπη τοϋ θεού, ίνα τάς έντολάς αύτοϋ τηρώμεν1. In der Weise des Homileten fügt der Verfasser hinzu: και αί έντολαί αύτοΰ βαρεΐαι ούκ είσίν2. Die V. 4a folgende Begründung zeigt, daß es sich nicht um ethischen Idealismus oder Optimismus handelt, sondern daß der Satz unter der Voraussetzung des Glaubens gesprochen ist: δτι παν το γεγεννημένον έκ τοϋ θ-εοϋ νίκα τον κόσμον3. Hat dieser Satz auch wieder die Form einer Gnome, so bringt V. 4b eine Erläuterung4: και αΰτη έστίν ή νίκη ή νικήσασα τον κόσμον, ή πίστις ημών. Es ist wieder ein stolzes Bekenntnis der christlichen Gemeinde wie 4u (s. o. S. 75) und 4i (s. S. 68). Es ist das Bewußtsein der Überlegenheit der Gemeinde über den κόσμος, der hier wie 2 ist. als die „Welt" bezeichnet wird. Der Bekenntnis-Charakter des Satzes zeigt sich darin, daß an die Stelle des Präs. νικα V. 4« jetzt das Aor. ή νικήσασα tritt. Der Sieg ist schon errungen. Daß diese „Welt" nicht nur die von Gott geschiedene, sondern zugleich die gottfeindliche Welt meint, zeigt eben die Rede vom Sieg über sie, womit ja der Kampf zwischen Gott und Welt vorausgesetzt ist5. Als Subjekt des Sieges wird die πίστις der Gemeinde bezeichnet, mit dem Subst., 1 Zum Wechsel des Plur. und Sing, von έντολή s. S. 32f. zu 27. — Zum Demonstr. mit folgendem ί'να wie 421 etc. s. S. 21,1. — Zu τηρεΐν τάς έντολάς s. S. 30f. zu 2s. 2 Parallelen hat dieser Satz bei Philon und bei Hermas, auf die Windisch verweist. 3 Uber die Möglichkeit, daß V. 4a ursprünglich mit V. ι in einem Parallelismus verbunden war, s. o. S. 80. — Zu γεγεν. έκ τ. θ. (wie V . i ) s. zu 2 29 S. 49 f. 4 In der typischen Form des Demonstr.-Satzes (s.zu Is S. 21,1), der hier seine Explikation durch ein Subst. im Nom. erhält. 5 Ist der Sieg 2i3f. als Sieg über den πονηρός bezeichnet, so ist der Sinn natürlich der gleiche, wie denn auch an die Stelle des πονηρός 2 « in 22. ie der κόσμος tritt. — Sehn, weist darauf hin (S. 254,3), daß vom „Geist des Kampfes und der Siegeszuversicht" auch die Qumrangemeinde erfüllt ist, daß jedoch ein entscheidender Gegensatz zu 1 Joh darin besteht, daß in der Qumrangemeinde der eschatologische Sieg ein bald erwartetes, aber noch ausstehendes Geschehen ist, während nach 1 Joh der Sieg über die Welt durch Christus schon jetzt errungen ist und sich in seiner Gemeinde fortsetzt.

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5219 Bultmann, Johannesbriefe

82

1 Joh

54a; 55-13

das nur hier in l j o h (wie in Joh) gebraucht wird, während das Verb πιστεύειν schon V. ι und 323; 41, ig begegnet. Die πίστις (wie das πιστεύειν) ist nicht in dem spezifisch paulinischen Sinn verstanden im Gegensatz zu den έργα, sondern hat die Bedeutung von Anerkenntnis, und πιστεύειν ist mit dem όμολογεϊν von 223; 42t. 15 fast gleichbedeutend. Mit 5 4 ist nun der Ubergang zu dem neuen Thema 5 5-13 gewonnen.

5,5—13: Der Glaube an den Sohn Gottes und das Zeugnis für ihn Der Glaube, der nach V. 4 des Sieges über die Welt gewiß ist, ist nach V. 5 der, δτι Ίησοϋς έστιν ό υιός τοϋ θεοΰ. Diese Definition des Glaubens ist sachlich die gleiche wie 2221. und wörtlich dieselbe wie in dem Satz 415, der den Inhalt des Bekenntnisses formuliert: 415: δς έάν όμολογήση δτι Ίησοΰς έστιν ό υιός τοϋ θ-εοϋ. Schon 2221. ließen erkennen, daß sich solche Sätze gegen die Christologie der gnostizierenden Irrlehrer richten, die zwar in Jesus Christus den Heilbringer sehen, aber leugnen, daß Christus mit dem historischen Jesus identisch ist (s. S. 17f.). Das hatte besonders 42 zum Ausdruck gebracht, in dem auch gegenüber dem gnostizierenden Verständnis das Bekenntnis als Bekenntnis zu Ίησοϋς Χριστός als den im Fleisch Gekommenen charakterisiert worden war (s. S. 67). Das gleiche sagt jetzt in neuer Form V. 6a ούτος έστιν ό έλθ-ών δι' ΰδατος και αίματος1. Denn das besagt ja: der Sohn Gottes ist der historische Jesus, der getauft worden und gekreuzigt worden ist. Der Gegensatz gegen die Irrlehre tritt deutlich hervor, wenn V. 6 b hinzugefügt wird: ούκ έν τω ΰδατι μόνον, αλλ' έν τω ΰδατι και έν τω αίματι 2 . Denn damit wird offenbar der gnostizierenden Anschauung widersprochen, daß sich der himmlische Christus zwar in der Taufe auf Jesus niedergelassen, ihn aber vor dem Tode wieder verlassen hat 3 . Für die Wahrheit des echten Glaubens, der die paradoxe Identität des Gottessohnes und des historischen Jesus bekennt, beruft sich der Verfasser V. 6 c auf das Zeugnis des Geistes: και τδ πνεΰμά έστιν τδ μαρτυροΰν. Das entspricht offenbar dem, was 220.27 vom χρίσμα gesagt war, daß es die rechte Erkenntnis und Belehrung schenkt (s. S. 42f, 47), und dem 42 vom πνεύμα 1 Zu dem Prädikationssatz οΰτός έστιν vgl. Ε. N o r d e n , Agnostos Theos 1913, S. 187f. — Zu ερχεσθοα διά, die A r t und Weise des Kommens bezeichnend, s. BID § 223,3. Gleichbedeutend kann (wie gleich im folgenden) statt διά auch έν gesagt werden, s. BID § 298,4. 2 Der Zusatz καί πνεύματι in ΧΑ al. ist offenbar nach dem Folgenden ergänzt, ist aber falsch, da es ja auf die Charakteristik der historischen Realität des im Fleisch gekommenen Gottessohnes ankommt. Uber die verschiedenen Textvarianten s. auch Sehn. S. 260,3. 3 Zur Frage, welche Irrlehrer gemeint sind, s. S . 4 3 f . Irrig die Meinung W i n d i s c h s : der Satz wende sich gegen Juden und Johannes-Jünger, die nur Wasserreinigungen und Wassertaufen kennen.

1 Joh 5ec-9

83

Gesagten, daß in ihm das rechte Bekenntnis gründet. In welchem Sinn aber bezeugt das πνεύμα den in Y . e a . b charakterisierten Glauben? Wo anders gibt es sein Zeugnis als im Glauben, in der Erkenntnis und im Bekenntnis der Gemeinde selbst? Der Glaube, die Erkenntnis, das Bekenntnis sind doch die vom χρίσμα bzw. vom πνεύμα geschenkten Gaben nach 220. 27; 42. Natürlich kann man auch sagen: das Zeugnis des πνεϋμα ereignet sich im Wort, das in der Gemeinde verkündigt und geglaubt wird, in der άγγελία (1 s), im λόγος, den die Gemeinde gehört hat (2 7. 14)1. Das Zeugnis des Geistes ist also nicht ein Datum, das für neutrales Urteil die Richtigkeit der Glaubensbehauptung feststellen könnte. Der Glaube als Glaube an das verkündigte Wort ist seiner selbst gewiß 2 . Das Zeugnis des πνεϋμα aber ist gültig: οτι τό 7τνεϋμά εστίν ή άλήθεια3. Die αλήθεια (nb. mit Artikel!) ist die Wirklichkeit Gottes, die sich erschließt (s. S. 25), sich offenbart. Man kann also formulieren: die Offenbarung zeugt für sich selbst. Die sachgemäße Fortsetzung des Gedankens bringt V. 10 in dem Satz: ό πιστεύων . . . έχει την μαρτυρίαν έν αύτω. Dazwischen schieben sich aber die Verse 7-9. Die Verse 7 und 8 können nur eine redaktionelle Glosse sein. In V. β war das 7υνεϋμα als μαρτυροϋν bezeichnet. Jetzt werden τρεις μαρτυροϋντες genannt, und wenn es schon wundernimmt, daß das bezeugende 7ΐνεΰμα mit dem Zeugnis von υδωρ und αίμα zu einer Einheit zusammengefaßt werden 4 , so vollends, daß ΰδωρ und αίμα als Zeugen genannt werden. Denn in V. β bedeuteten sie die Taufe und die Kreuzigung, also den Beginn und das Ende der Wirksamkeit des historischen Jesus, und das Zeugnis des Geistes bestand eben darin, daß der historische Jesus der Sohn Gottes sei. Jetzt in V. 7t. erscheinen die durch das 7Γνεϋμα bezeugten Tatsachen selbst als Zeugen. Jetzt also müssen ΰδωρ und αίμα einen anderen Sinn haben als in V. 6. Welchen Sinn, kann nicht zweifelhaft sein: es sind jetzt die Sakramente der Taufe und des Herrenmahls, die, indem sie das durch Jesus Christus geschenkte Heil der Gemeinde vermitteln, für ihn als den Sohn Gottes zeugen 5 . Damit dürfte Vgl. auch Joh 6β3: τά ρήματα ά έγώ λελάληκα ύμΐν πνεϋμά εστίν και ζωή έστιν. An Erlebnisse der Inspiration oder an ein lumen internum ist natürlich nicht gedacht. Wohl aber darf man auf die Aussagen über den Parakleten in Joh 14—16 als sachlich übereinstimmend hinweisen (so Sehn.). 3 Die LA χριστός statt τό πνεϋμα ist unsinnig; sie ist wohl nur aus der Erinnerung an Joh 14e entstanden. — Statt des οτι konnte man ein δέ erwarten. Aber begründet soll offenbar der Zwischengedanke werden: das Zeugnis des πνεύμα ist glaubhaft (, denn . . .). 4 Daß sich der Satz auf das jüdische Gerichtsverfahren stützt, das die Übereinstimmung von wenigstens zwei Zeugen forderte (Sehn.), ist schwerlich anzunehmen. 5 Ähnlich wie Joh 19 34b. 35 (s. Komm. S. 525), worauf auch Sehn, verweist. Auch er hält wie frühere Exegeten am sakramentalen Sinn von Wasser und Blut in V. 71. fest, empfindet aber nicht den Widerspruch zwischen V. β und V. 71., sondern meint an der Einheit festhalten zu können, indem er von der „Doppelsinnigkeit und Doppelbezogenheit der Begriffe Wasser und Blut" redet. — Ausführlich handelt W. N a u c k , Die 1

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1 Joh 59

auch erklärt sein, daß das πνεύμα als Zeuge mit den beiden anderen Zeugen zu einer Einheit kombiniert ist. Denn wenn diese Kombination zunächst dadurch veranlaßt ist, daß in V. β das πνεύμα als μαρτυροϋν genannt war, so hat sie doch für den Redaktor einen besonderen Sinn: die beiden Sakramente, Taufe und Herrenmahl, „sind Zeugnisse aus der Kraft des Geistes" 1 . Für V. 7 f. findet sich in lateinischen Handschriften vor 400 das sogenannte Comma Johanneum, dessen Text (in einzelnen HS in Einzelheiten variierend) auch in die Sixto-Clementinische Ausgabe der Vulgata aufgenommen wurde, und zwar in folgender Form: „Quoniam tres sunt, qui testimonium dant in coelo Pater, Verbum et Spiritus Sanctus, et hi tres unum sunt. Et tres sunt, qui testimonium dant in terra Spiritus et aqua et sanguis, et hi tres unum sunt." Wenn auch die Indexkongregation von 1897 für die Echtheit des Comma Johanneum entschieden hat, so wird heute auch von katholischen Forschern die Unechtheit anerkannt. Die gesamte griechische Textüberlieferung kennt das Comma Johanneum nicht. Nach W. Thiele (ZNW 1959, S. 61—73) wäre es möglich, daß Cyprian den Text schon als Bestandteil seiner Bibel vorfand. „Dann wäre die Heimat der berühmten Interpolation in Nordafrika zu suchen" — so Sehn., der S. 44—46 einen Exkurs über das Comma Johanneum bringt. Vgl. dazu auch Windisch mit weiteren Literaturangaben. Sind die Verse 7 und β der kirchlichen Redaktion zuzuschreiben, so erhebt sich die Frage, ob dieser auch V. 9 zuzuschreiben ist 2 . Zwar würde sich dieser an V. β insofern gut anschließen, als er wie der Schluß von V. 6 die Gültigkeit des Zeugnisses in neuer Form zum Ausdruck bringt: es ist ja das Zeugnis Gottes! Indessen befremdet gerade diese Formulierung. Denn warum wird jetzt dem menschlichen Zeugnis das Zeugnis Gottes gegenübergestellt? Nach V.e erwartet man doch, daß es das Zeugnis des Geistes sein müsse. Könnte man sich damit abfinden durch die Erwägung, daß das Zeugnis des Geistes doch auch als das Zeugnis Gottes zu gelten hat, zumal da in V.10 vom Zeugnis Gottes die Rede ist, so bleibt doch der Anstoß, daß V. 9 wie V. 7f. den Zusammenhang empfindlich zerbricht. Die sachgemäße Fortsetzung von V.e ist V.10. Man wird also auch V.9 der Redaktion zuschreiben müssen. Tradition und der Charakter des ersten Johannesbriefes, 1957, S. 147-182 über „Geist, Wasser und Blut". 1 So H o l t z m a n n , sachlich ebenso Sehn. S. 261: „Der Geist aber ist das Lebensprinzip, aus dem diese Sakramente ihre übernatürliche Kraft erhalten." — Originell ist die Interpretation Naucks a.a.O. Er will auch das πνεϋμα in dieser Kombination als einen sakramentalen Ritus verstehen, nämlich als das Sakrament der ölsalbung, durch die der Geist mitgeteilt wird. Wenn auch in der alten Kirche fast durchweg die Geistmitteilung der Taufe folgt, so finde sich doch in der syrischen Kirche auch die Reihenfolge: Geistmitteilung, Taufe, Eucharistie. 2 Zu lesen ist: δτι μεμαρτύρηκεν, nicht wie einige HS schreiben: ήν μεμαρτύρηκεν.— αΰτη εστίν weist voraus und wird durch den δτι-Satz expliziert (s. zu 11 S. 21,1).

1 Joh 5ιο

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V.10 bringt die sachgemäße Fortsetzung von V.6 1 . Sagte V.6, daß das πνεύμα es bezeugt, daß der historische Jesus der Gottessohn ist, und war dieses Zeugnis nichts anderes als das Ereignis des Glaubens, so heißt es dementsprechend jetzt: ό πιστεύων εις τον υΐον τοϋ θ-εοϋ έχει την μαρτυρίαν έν αύτω2. Der Glaubende bedarf also keiner außerhalb seiner aufweisbaren Bezeugung. Wenn es dann heißt: ό μή πιστεύων τω &εω ψεύστην πεποίηκεν αύτόν3, so ist das Selbstverständliche vorausgesetzt, daß der Glaube an den Sohn Gottes zugleich der auf Gott gerichtete Glaube ist, wie es 2 23 heißt: ό όμολογών τον υίόν και τον πατέρα έχει, und wie es Joh 333 lautet: ό λαβών αύτοϋ (sc. Jesu) την μαρτυρίαν έσφράγισεν δτι ό θεδς άληθής έστιν. Diesem Satz von Joh 3 33 entspricht hier die Aussage ό μή πιστεύων τω θ-εω ψεύστην πεποίηκεν αύτόν. Warum der Ungläubige Gott zum Lügner gemacht hat, wird ausdrücklich begründet: δτι ού πεπίστευκεν εις την μαρτυρίαν, ην μεμαρτύρηκεν ό θεος περί τοϋ υίοϋ αύτοϋ4. Wie der Glaube an den Sohn Gottes und der auf Gott gerichtete Glaube identisch sind, so ist auch das von Gott gegebene Zeugnis das gleiche wie das den Glauben fordernde Zeugnis des πνεύμα. Da nach V.6 das πνεΰμα die άλήθεια ist, so erklärt auch derjenige Gott für einen Lügner, der seinem Zeugnis nicht Glauben schenkt5. „Fragt man, wann und wie Gott Zeugnis über seinen Sohn abgelegt hat, so erhält man aus unserer Stelle keine Auskunft", sagt Sehn. (S. 264) mit Recht. Er verweist auf das Joh-Evg, in dem man die Auskunft finde, — auch das mit Recht, jedoch in welchem Sinn? Wieder ist auf den vorhin zitierten Satz Joh 333 zu verweisen, in dem es zum Ausdruck kommt, daß nichts anderes als das Ereignis des Glaubens es ist, auf das als Zeugnis verwiesen werden kann (s. auch Komm. S. 118). Und das ist ja in V.6 gesagt, indem auf das Zeugnis des Geistes hingewiesen wurde (s. o. S. 82f.), und ist vollends gesagt in V.10 mit den Worten: ό πιστεύων . . . έχει την μαρτυρίαν έν αύτω. So kommt Sehn. (S. 265) auch darauf hinaus: „Das Gotteszeugnis von V. 10a ist kein 'inneres', aus dem Inneren sprechendes, wohl aber das 'verinnerlichte', zum Besitz des Glaubens gewordene 1 Es läge nahe, anzunehmen, daß die beiden ersten in Antithese stehenden Sätze aus der Vorlage übernommen und durch den Verfasser durch den δτι-Satz glossiert worden sind, wie ich in der Festgabe für Ad. Jülicher S. 156 angenommen hatte. Aber man wird sie doch dem Verfasser, der V. 6 geschrieben hat, zuschreiben müssen. Er hat den Stil der Vorlage (den antithetischen Parallelismus) nachgeahmt. 2 Πιστεύειν εις in 1 Joh nur in V.10 (zweimal) und 513, während es in Joh sehr häufig ist. Sonst πιστεύειν in 1 Joh mit Dativ oder δτι-Satz (beides auch in Joh). Ein Unterschied des Sinnes besteht nicht, wie sogleich πιστεύειν mit Dativ zeigt. — Die Einfügung von τοϋ θεοϋ hinter την μαρτυρίαν in einigen HS ist sicher sekundär; sie ist natürlich durch den folgenden Satz veranlaßt. Ebenso ist die mehrfach bezeugte Lesart έαυτφ statt αύτω eine leicht begreifliche Korrektur. 3 Die Lesart τω υίω (bzw. Jesu Christo) statt τω θεω ist sicher eine Korrektur, wie der folgende δτι-Satz zeigt. 4 Die Variante ουκ έπίστευσεν statt ού πεπίστευκεν ist begreiflich, aber sekundär. 6 S. zu 110 S. 28 f.

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1 Joh 5io-i2

Zeugnis . . ." Aber das heißt doch nur: das Ereignis des Glaubens ist das Zeugnis. Das wird bestätigt durch die merkwürdige Definition der μαρτυρία V . l l : και αΰτη εστίν ή μαρτυρία οτι ζωήν αΐώνιον έδωκεν ό θεός ήμϊν1. Denn dieses Zeugnis ist ja so wenig als ein vorhandenes aufweisbar wie das Zeugnis des πνεύμα. Die ζωή αιώνιος2 ist ja das eschatologische Heilsgut, das für den Glauben schon Gegenwart ist; denn Gott hat es uns ja geschenkt, und nach 3 u wissen wir, „daß wir aus dem Tode in das Leben hinübergeschritten sind". Zeugnis kann es also nur in dem Sinne sein, als dem Glauben dieses Wissen innewohnt. Man kann nach 3 u nur hinzufügen, daß der Glaube dieses Wissens gewiß ist, weil er die Brüder liebt. Die „Wir", die so sprechen, sind die Gemeinde der Glaubenden3. Worin dieses Wissen gründet, sagt der Satz: καΐ αΰτη ή ζωή έν τω υίω αύτοϋ έστιν. Daß die ζωή die μαρτυρία sein kann, hat seinen Grund darin, daß sie im Sohn Gottes für den Glaubenden da ist, und zwar in dem geschichtlichen Jesus, in dem nach 11-3 das Leben offenbar geworden ist. Eben für diesen geschichtlichen Jesus legt ja nach V.6 der Geist Zeugnis ab: Das vom Geist gegebene Zeugnis und das von Gott geschenkte Zeugnis des uns geschenkten Lebens sind ein und dasselbe, weil das Leben im Sohn geschenkt ist. Man könnte sich wundern, daß es nicht heißt: ή ζωή ό υιός έστιν. Aber so gewiß die Offenbarung der ζωή im geschichtlichen Jesus gegeben ist, so wenig wagt der Verfasser die direkte Gleichsetzung von ζωή und υιός wie sie Joh 1125; 14β ausgesprochen ist, sondern wählt die Formulierung, daß die ζωή gegeben ist έν τω υίω, eine Formulierung, die auch Joh 315 vorliegt (ähnlich Joh 16 33; 2031). In V.12 wird das Entweder-Oder gezeigt, vor das der Mensch gestellt ist, in zwei Sätzen, die in antithetischem Parallelismus stehen, und die der Vorlage entnommen sein dürften: ό έχων τον υίον έχει τήν ζωήν. ό μή έ'χων τον υίόν του θεοϋ τήν ζωήν ουκ έχει4. Dieser die Entscheidung des Glaubens fordernde Satz ist sachlich eine genaue Parallele zu 223. Ist in 223 das Verhältnis zum Vater durch έχειν ausgedrückt, so hier das Verhältnis zum Sohn. Daß beides sachlich das gleiche ist, versteht sich von selbst, und man kann dafür die Bestätigung in 2 Joh 9 finden, wo durch έχειν sowohl das Verhältnis zum Vater wie das zum Sohn beschrieben wird. 1 Wie in V.9 weist das Demonstr. voraus und wird durch den δτι-Satz expliziert. — Sehn, weist mit Recht darauf hin, daß im δτι-Satz das Akk.-Obj. dem Subj. vorausgeht und dadurch einen starken Ton erhält. Am Schluß zieht er die LA ήμΐν ό θεός vor. 2 Ζωή αιώνιος und ζωή werden in gleichem Sinn gebraucht wie gleich V . u zeigt, und wie schon 12 zeigte. 3 S. zu dem „Wir" in 1 Joh S. 15ff. zu Im. und S. 60 zu 3 n . 4 Es ist natürlich möglich, daß das τοϋ θεοϋ in der zweiten Zeile ein Zusatz des Verfassers ist.

1 Joh 5i2.i3; 5i4-2i

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Mit diesem Ruf zur Entscheidung ist das ganze Schreiben, das sowohl 11-227 w i e die folgenden Abschnitte umfaßt, wirkungsvoll abgeschlossen. Was in V . 13 folgt, ist ein Postskriptum 1 , das den Zweck des Schreibens angibt. Ihm hat die kirchliche Redaktion in 514-21 noch einen Anhang nachgefügt 2 . Das ταΰτα έγραψα V . 1 3 bezieht sich natürlich nach rückwärts auf das ganze Schreiben und w i r d wie 1 4 und oft durch den ίνα-Satz expliziert 3 . Das Subjekt des έγραψα ist wie 214.21 und sonst der Verfasser als autoritativer Vertreter der Tradition 4 . Die Angeredeten sind die als Glaubende angesprochenen Leser, nicht die Gemeinde als solche, von der in dem ήμΐν V. Ii die Rede war. Entsprechend ist der in dem ίνα-Satz enthaltene indirekte Imperativ v o n dem Indikativ V. 11 unterschieden: ίνα εϊδήτε οτι κτλ. 5 . Die Leser müssen nach V. 11 zwar wissen, daß ihnen die ζωή αιώνιος geschenkt ist, und nach 227 bedürfen sie keiner Belehrung; aber ihr Wissen muß zum sicheren Besitz werden, wenn sie Glaubende sind, und in solchem Vertrauen (damit auch die Bedingung angebend) 6 schreibt der Verfasser ύμΐν . . . τοις πιστεύουσιν 7 . Das Objekt des Glaubens w i r d durch εις τό ονομα τοϋ υ ίου τοϋ θεού angegeben entsprechend wie 3 2s und wie es der das ganze Schreiben durchziehenden Mahnung bzw. der Warnung vor der Irrlehre entspricht.

5,14-21: Anhang Der Anhang zerfällt in zwei Teile, V. 14-17 und V.18-21. Das Thema des ersten Teils ist das Gebet der Christen, das des zweiten die christliche Erkenntnis. V . 1 4 ist ganz im Stil des Verfassers gehalten: α υ τ η έ σ τ ί ν . . . δ τ ι 8 . M i t dem ή π α ρ ρ η σ ί α ή ν έ χ ο μ ε ν π ρ ο ς α ύ τ ό ν nimmt der Redaktor ein Vgl. meine Ausführungen in In memoriam Ernst Lohmeyer, S. 189f. S. u. und In memoriam E. Lohmeyer S. 191-196. Anders Sehn. S. 14 und S. 273, wo er den Mangel eines geschlossenen Gedankengangs auf das „assoziative Voranschreiten" des Verfassers zurückführt. 3 S. zu Is S. 21,1. 4 S.o. S. 17. 5 Ganz ähnlich der Abschluß Joh 20 31. β Man darf daher nicht sagen, daß der Verf. an „gereifte und entschiedene Christen" schreibt (Holtzmann). Erst recht falsch: „Der Verf. hat also keinerlei Mängel in dem religiösen Stand der Leser beobachtet und auszufüllen gehabt, vielmehr nur einen vorhandenen Besitz anerkannt" (Windisch). Richtig dagegen Sehn. S. 273: Der Verf. „will das gesunde christliche Selbstbewußtsein stärken...". Und S. 274: „Das den Christusgläubigen verliehene Gotteserleben soll zu einem mit heller Wachheit erfaßten Leben . . . werden." 7 Τοις πιστεύουσιν κτλ. fast genau wie Joh 112, wo es ein Zusatz zur Quelle sein dürfte (Komm. S. 37,4). Hier in V.13 ist es im Zusammenhang des Schlußworts des Verfassers am Platz. Erleichternd die LA von Α und a.: οί πιστεύοντες. Andere HS stellen τοις πιστ. κτλ. vor den 'ίνα-Satz. — Das εις τό 0νομα ist dem τω όνόματι 323 völlig gleichbedeutend. 8 Zu dem Demonstr., das durch einen δτι-Satz expliziert wird, s. S. 21,1. 1

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1 Joh 5i4-wf.

Motiv auf, das 3 211. und 417 behandelt war. In 3 21 war es die παρρησία προς τον θεόν. Wenn es jetzt heißt: προς αυτόν, so ist in der Folge auf V. 13 nicht sicher, ob Gott oder der Sohn Gottes gemeint ist. Die Explikation: δτι εάν τ ι α ϊ τ ώ μ ε θ α . . . άκούει ημών 1 entspricht 3 22, nur daß dort die Begründung lautete: δτι τάς έντολάς αύτοϋ τηροΰμεν και, τά αρεστά ενώπιον αύτοϋ ποιοΰμεν, während hier eine Begründung fehlt und statt dessen die Bedingung für das erhörungsgewisse Gebet als κατά τό θ έ λ η μ α αύτοϋ angegeben wird. Daß die παρρησία in 321 die Gebetszuversicht angesichts Gottes als des Richters ist, ebenso wie in 4i7, kommt in 5i4 nicht zur Geltung. Vor allem aber ist nicht ersichtlich, warum die παρρησία überhaupt zum Thema gemacht ist; durch das Vorangehende ist es jedenfalls nicht motiviert. Aber es kann nicht zweifelhaft sein, daß das den Redaktor eigentlich interessierende Thema das des Gebets ist und daß die Verse 141. nur das Neue vorbereiten sollen, was in V. i6f. gesagt ist. Dafür eben hat der Redaktor das Motiv von 3 211. benutzt und hat die Versicherung der Gewißheit der Gebetserhörung von 3 22 in V. 15 noch verstärkt, freilich in nicht gerade logischer Form. Denn der Nachsatz: οϊδαμεν δτι κτλ. besagt ja nichts anderes als der Bedingungssatz: εάν ο'ίδαμεν δτι 2 : wenn das Gebet vom Wissen um die Erhörung getragen ist, so folgt ja, daß der Betende der Erhörung gewiß ist 3 . Nichts anderes kann ja nur das ο'ίδαμεν δτι εχομεν τά α ι τ ή μ α τ α κτλ. sagen4. Mit V.16f. kommt nun das eigentliche Anliegen der Redaktion zur Sprache. Nachdem V.i4f. die Gewißheit der Erhörung des Gebets stark zum Ausdruck gebracht worden war, wird jetzt höchst überraschend gesagt, daß das Gebet eine eigentümliche Begrenzung haben soll. Überraschend ebenso, daß es sich jetzt um das Fürbitte-Gebet handelt, von dem in V.i4f. (wie überhaupt in 1 Joh) nicht die Rede war 5 . Und zwar handelt es sich nicht um Fürbitte im allgemeinen, sondern um die Fürbitte für einen sündigenden Bruder, und eben hier wird eine Unter1 Zwischen αίτεΐν 322 und αίτεΐσθαι 5i4 besteht natürlich kein sachlicher Unterschied; der Wechsel der Formen auch Jak 42t. Ebensowenig sind αίτεΐν u. έρωταν unterschieden. — Αίτεΐν wie αίτεΐσθαι auch für das Gebet Joh 10 23t. 26, in Versen, in denen der scheidende Jesus den Jüngern die Erhörung ihres an den Vater in seinem Namen gerichteten Gebets verheißt. Der Begriff παρρησία im Sinn von der Freiheit des Gebets fehlt in Joh. 2 Zum inkorrekten Ind. οϊδαμεν nach εάν s. BID § 372,1 a: vulgär für έπεί. — "Ο εάν -δ(τί) Sv s. BID § 107. 3 In dem οϊδαμεν ist das οϊδαμεν von 32. 14 (vgl. das οϊδατε 2ίοι.; 3 s. 15) imitiert. Das „Wir" ist freilich nicht wie dort die Gemeinde als solche, sondern es sind die jeweils Betenden. 4 Αίτημα für „Bitte", „Verlangen" Phil4e; Lk2324 (s. Bauer, Wörterb.). Hier „das Erbetene". — Zu £χειν = besitzen s. V.12 u. 223. 6 Von der Fürbitte handeln auch Joh 16 23f. 26 nicht, in denen die Verheißung der Gebetserhörung ausgesprochen war (übrigens ohne den Begriff παρρησία).

l j o h 5i6f.

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Scheidung gemacht: Wohl soll man für den sündigen Bruder beten, jedoch nur, wenn seine Sünde nicht eine άμαρτία προς θάνατον ist 1 . Damit ist das Problem der Sünde des Christen zum Problem gemacht als die Frage, welche Sünden vergeben werden können und welche nicht2. Es ist eine Frage, die schon im AT und im Judentum die Reflexion bewegte und wo auch die unvergebbare Sünde als „Todessünde" bezeichnet werden konnte 3 . Im Christentum ist die Frage schon früh aktuell geworden, wie Hebr 10 26; HermSim VI, 2 zeigen 4 . Daß dieses Thema in 1 Joh 516 zur Sprache kommt, beweist deutlich den Charakter der kirchlichen Redaktion des Nachtrags. Denn diese Unterscheidung von Sünden 5 steht im Widerspruch zu 15-22 wie zu 3i-io. In 15-22 wird das christliche Sein als ein ständiges Sein unter der Vergebung verstanden. Die Sündlosigkeit der Glaubenden wird nicht als eine erworbene verstanden, sondern als eine geschenkte, die in der Vergebung gegenwärtig ist und als die geschenkte zugleich die ständige Forderung der Liebe zum Bewußtsein bringt. Dieses dialektische Verständnis des christlichen Seins ist in 5 i6f. preisgegeben 6 . In 34-10 wird das christliche Sein als ein Enthobensein aus der Sünde gezeichnet, und dabei ist das Problem des faktisch sich ereignenden Sündigens nicht thematisch in den Blick genommen. Es soll vielmehr den Lesern zum Bewußtsein gebracht werden, daß das Sein des Christen ständig auf dem Spiele steht. Die Betonung der Tatsache, daß, wer sündigt, damit zeigt, daß er nicht „aus Gott gezeugt" ist, ist ein Ruf zur Entscheidung und dient als Motivierung der Mahnung zum „Tun der Gerechtigkeit", zur Bruderliebe 7 . Die Unterscheidung von vergebbaren und unvergebbaren Sünden würde dieses Entweder-Oder völlig zerstören; sie ist auch dadurch negiert, daß in 34 gesagt wird, daß jede αμαρτία den Charakter der άνομία hat 8 . Diesem Satz widerspricht es, daß nach 517 zwar jede άδικία als άμαρτία zu gelten habe, daß aber nicht jede άμαρτία eine solche προς θάνατον sei. Was aber versteht der Redaktor unter der άμαρτία προς θ ά ν α τ ο ν 9 ? Der Tod ist natürlich zu verstehen im Gegensatz zu der ζ ω ή , die der 1 2 3

Die Wendung άμαρτάνει άμαρτίαν (statt ποιεΐν τήν άμ. wie 34. 8f.) nur hier. Zu V. ie f. vgl. den Exkurs „Christ u. Sünde". Sehn. S. 281—288. Der Term. ΠΓΡ» pS7 Sota 48 a bei SttB III S. 779. — Als unvergebbar gilt naeh

Lev 42B.; 5in.; Num 1522ff. die vorsätzliche Sünde; sie wird mit demTode bestraft, bzw. Gott wird sie mit dem Tode bestrafen. Für das spätere Judentum s. Sehn. S. 276,5; 0 . M i c h e l , Der Brief an die Hebräer (in Meyers Komm. XIII) 1966, S. 350,1; speziell für Qumran s. B r a u n , ThR 30,1964, S. 1 1 3 - 1 1 5 ; jetzt in: Qumran u. das NT 1, S. 302-304. 4 Hebr 102β auch der Ausdruck έκουσίως άμαρτάνειν; vgl. M i c h e l , a.a.O. S. 351 f. 5 Daß nicht zwischen zwei Arten von Sünden, sondern von Sündern unterschieden werde, meint Nauck. Dagegen mit Recht Sehn. S. 277 u. B r a u n , ThR 30, 1964, S. 114; jetzt in: Qumran u. das NT I, S. 303. 8 S. zu 3« S. 54f. « S. zu 3« S. 56. ' S. zu 3»f. S. 58f. • Das πρός θάν. bedeutet: hinführend zum Tode (als der notwendigen Folge); vgl. Joh (435); 114a; s. Bauer, Wörterb. s.v. πρός III, 3b.

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l j o h 5ief.

Betende dem nicht προς θάνατον Sündigenden schenken wird 1 . Da die ζωή schwerlich das leibliche Leben sein kann, sondern nach V. 11-13 die von Gott geschenkte ζωή (αιώνιος), so muß auch der Tod nicht als der leibliche Tod verstanden werden, sondern als der ewige Tod, also als die Nichtigkeit, der das ungläubige Sein nach 315 verfallen ist. Was aus solchem nichtigen Leben nach dem leiblichen Tod werden wird (etwa Qual in der Hölle), darüber ist weder in l j o h noch in Joh reflektiert. Welches aber ist die αμαρτία, die in s o l c h e n θάνατος f ü h r t ? An sich liegt es nahe, an den Abfall vom rechten Glauben, also an die Irrlehre, zu denken, wenn der Redaktor die Tendenz des ganzen Schreibens im Sinne hat (vgl. bes. 222; 43; 5i2). Und das wird durch V.21 bestätigt (s. u.). Aber wenn der Anhang eine schon fortgeschrittene Reflexion über die Sünde voraussetzt (s. o. zu V.iei. S. 88 f.), so ist es auch möglich, daß der Redaktor allgemein an eine mutwillige Übertretung der göttlichen Gebote denkt wie das εκουσίως άμαρτάνειν Hebr 10 26, oder gar konkreter an schwere Sünden, wie sie später als unvergebbare Sünde angesehen werden wie Ehebruch und Mord. Eine Entscheidung läßt sich kaum fällen, wie die verschiedenen Versuche der Exegeten zeigen 2 . Klar ist jedoch, was der Redaktor sagen will: die Fürbitte für den Sünder hat ihre Grenze darin, daß eine der Erhörung gewisse Fürbitte nur für den nicht „zum Tode" Sündigenden gestellt werden darf. Der Gedanke ist sehr breit und umständlich zum Ausdruck gebracht, und man ist deshalb auch in Verlegenheit, welchem Text man im Schlußsatz von V. 17 folgen soll. Der bestbezeugte Text lautet: και εστίν αμαρτία ού προς θάνατον. Das würde sozusagen beruhigend klingen gegenüber solchen, die sich ängstlich davor hüten möchten, für einen Sünder zu beten, weil es ihnen nicht sicher scheint, ob sie nicht für einen Todsünder eintreten. Dann wundert man sich freilich, daß dieser Satz nicht in V.16 vor den Satz: εστίν άμαρτία προς θάν. gestellt ist 3 . Einige Textzeugen lassen das ού fort 4 . Dann würde der Satz nur eine Wiederholung von V.iec sein. Der zweite Teil des Anhangs 5ie-ai hängt mit dem ersten gedanklich nicht zusammen und ist auch in sich nicht durch einen festen Gedankengang geschlossen. Er bringt V.18-20 aneinandergereihte Sätze, die Gedanken des ganzen Schreibens variierend wiederholen, um in V.21 mit einem Imperativ zu schließen. Die Wiederholung der früheren Motive 1

Subj. des δώσει ist doch wohl nicht Gott (so Sehn.), sondern der Betende. Denn ein Subjektswechsel zwischen αιτήσει und δώσει und dem folgenden έρωτήση ist unwahrscheinlich. Es wäre sonst vor dem (ίνα) έρωτήση V. ied ein τις erforderlich, was auch einige HS hinzufügen. — Auf das Fehlen des Artikels vor ζωήν ist wohl kein Gewicht zu legen (Sehn. S. 276); er fehlt entsprechend dem artikellosen (πρ&ς) θάνατον. 2 An Mk 3 281. par. ist jedenfalls nicht zu denken, weil dort nicht von Sünden der christlich Glaubenden die Rede ist. Vgl. zur Frage Sehn. S. 276 f. 3 Die von W i n d i s c h erwogene Umstellung ist eine Verlegenheitsauskunft. 4 Das wäre nach Harnack u. a. ursprünglich. Vgl. dazu auch Sehn. S. 278, der für die Beibehaltung von ού votiert.

1 J o h 5l6f.18a.19

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in V. 18-20 erschienen offenbar dem Redaktor als ein geeigneter Abschluß des von ihm redigierten Schreibens. Sie sind eingeleitet durch das schon V . 15 gebrauchte οίδαμεν1. V . 1 8 a ist eine Variation des Satzes 39, erweitert durch den Zusatz άλλ' ό γ ε ν ν η θ ε ί ς έκ του θεοϋ τ η ρ ε ί αυτόν κτλ. Es fragt sich, ob das 6 γεννηθείς das ό γεγεννημένος wieder aufnimmt, was freilich ein befremdlicher Wechsel des Ausdrucks wäre. Auch wäre die Bezeichnung des Glaubenden als γεννηθείς έκ τ. θ. singular 2 . Es wäre dann auch statt αυτόν ein εαυτόν zu erwarten, wie ja auch einige Textzeugen lesen. Aber dagegen spricht, daß dann zu έαυτον ein Prädikatsnomen gesetzt werden müßte wie άσπιλον Jak I27 oder άγνόν wie l T i m 5223. Es scheint also, daß unter dem γεννηθείς έκ τ. θ. Jesus Christus zu verstehen ist, obwohl auch diese Bezeichnung singulär und befremdlich ist 4 . Will man an der Gleichsetzung von ό γεγεννηθείς έκ τ. θ. und ό γεγεννημένος έκ τ. θ. und an αυτόν festhalten, so bleibt keine andere Möglichkeit, als das ό γεννηθείς als konditionales Partizipium zu verstehen und zu übersetzen: „Derjenige, welcher (bzw. wenn einer) aus Gott gezeugt ist, den bewahrt er (nämlich G o t t ) 5 . " Die Aussage τηρεί αυτόν von Gott würde zu J o h 1711.12.15 und Apk 310 stimmen 6 . Es ist freilich nicht einzusehen, warum es nicht auch von Jesus Christus ausgesagt werden könnte 7 . Für welche Möglichkeit man sich auch entscheidet, in jedem Fall ist V . i e c verständlich: καί ό πονηρός ούχ άπτεται, αύτοϋ. Daran, daß der πονηρός der Satan, der Teufel, ist, kann kein Zweifel sein 8 , ebenso, daß ούχ άπτεται αύτοϋ bedeutet: „er kann ihm nichts anhaben, nicht über ihn Herr werden" 9 . V. 19 ist im ersten Teil eine Wiederholung von 39. Der zweite Teil, der indirekt den Sieg des Glaubens über die Welt (54) aussagt, erhält sozusagen seine Bestätigung durch den Satz: καί ό κόσμος δλος έν τω πονηρω κείται. Der Satz zieht gleichsam die Konsequenz aus 215-17. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der κόσμος hinsichtlich seiner Nichtigkeit oder 1 Zu dem οίδαμεν s. zu V.15, S. 8 8 , 2 Jetzt umfaßt freilich das „ W i r " des οίδαμεν die ganze christliche Gemeinde. 2 Die schlecht bezeugte L A ή γέννησις wird von H a r n a c k gewählt; s. dazu Sehn. S. 2 8 0 , 2 u. 281. 3 Τηρεΐν sonst in l j o h (wie in J o h ) mit dem Objekt τάς έντολάς oder τ&ν λόγον (s. zu 23 S. 30), also im Sinne von „halten", während es hier „bewahren" bedeuten würde. 1 Sehn, fragt mit Recht: „Warum nicht δ υίός τ. θ ε ο ϋ ? " Das läge im Blick auf V.20 näher. 5 So K . B e y e r , Semitische Syntax im N T 1 , 1 , 1 9 6 2 , S. 216f. Ihm schließt sich jetzt Sehn. S. 280 an, während er in der 1. Aufl. verstanden hatte: „ . . . wer (einmal) aus Gott gezeugt ist, der hält an ihm fest", wobei er freilich die Schwierigkeit empfand, daß τηρεΐν τ. θεόν eine singuläre Ausdrucksweise ist. 6 S. zu J o h 1711, K o m m . S. 3 8 4 , 2 . 7 Wie das φυλάσσειν v o m κύριος 2. Thess 33 (v.l. θεός). 8 S. zu 2i3f. S. 37 f. 9 "Απτεσθαι („berühren", „anfassen") in diesem Sinne nur hier im N T , dagegen in L X X und sonst; s. Bauer, Wörterb. s.v.

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1 Joh S19.20

seiner Feindschaft gegen Gott verstanden ist 1 . Zweifeln kann man auch, ob das έν πονηρω κείται bedeutet: die Welt liegt im Machtbereich des Satans2, ob also πονηρω wie inV. is maskulin gemeint ist, oder ob es neutral verstanden ist, so daß der Sinn wäre: die Welt liegt im Argen. Auch in V . 2 0 werden Motive des vorangegangenen Schreibens aufgenommen. Mit dem (dritten) οιδαμεν wird sachlich die Aussage von 12; 3 5. 8 wiederholt, formal ist auffallend, daß es statt έφανερώθ-η jetzt ή κ ε 1 heißt. Dieses ist doch wohl gleichbedeutend mit έφανερώ&η und kann doch nur meinen „er ist gekommen"; es geht also auf die Erscheinung des Gottessohnes in der Geschichte 3 . Die Fortsetzung: κ α ι δ έ δ ω κ ε ν ή μ ϊ ν δ ι ά ν ο ι α ν κτλ. ist in der Form singular 4 , entspricht aber sachlich der Aussage, daß dem Glauben das χρίσμα geschenkt ist, das die rechte Erkenntnis verleiht 220t. 2 7 . Der Inhalt der διάνοια wird durch den Satz angegeben: ί ν α γ ι ν ώ σ κ ω μ ε ν τον άλη&ινόν 5 . Der άλη&ινός kann nach üblichem Sprachgebrauch nur Gott sein, wie Joh 173; l T h e s s l 9 und wie es alttestamentlicher und jüdischer Terminologie entspricht, wie es aber auch dem in 1 Joh oft wiederholten Motiv der Gotteserkenntnis entspricht (231. i3i.; 3 i ; 46.7i.) 6 . Ebenso ist Gott gemeint, wenn es in der unverbundenen, nicht mehr von ίνα abhängigen Fortsetzung heißt: κ α ι έ σ μ έ ν έν τ ω άληθ-ινω', sachlich nicht verschieden von dem έκ τοϋ θ-εοϋ έσμεν V.ΐ9. Auffallend ist auch das folgende έν τ ω υ ί ω αύτοϋ Ί. Χρ., was nicht eine einfache Apposition zu έν τω άλη&ινω sein kann; denn sonst wäre der Sohn mit dem αληθινός identisch. Es kann nur eine präpositionale (erläuternde) Bestimmung zu έσμέν sein und ist also zu übersetzen: „dadurch daß wir (oder: sofern wir) in seinem Sohne Jesus Christus sind" 8 . Gerne würde man die Konjektur H a r n a c k s akzeptieren, daß hinter έν . . . Ί . Χρ. ein βντες ausgefallen ist; doch ist man auch versucht, mit B o u s s e t 9 zu fragen, ob nicht das ganze έν τ. υίω αύτοϋ Ί . Χρ. eine Glosse ist, durch die die Behauptung der vollen Gottheit Christi erst in den Text gekommen ist. Denn diese wird in dem folgenden Satz: ο υ τ ό ς έ σ τ ι ν κτλ. ausdrücklich behauptet. Aber der ούτος kann doch in der Folge auf das vorangehende έν τ. υίω αύτοϋ Ί. Χρ. nicht Gott, sondern nur S. zu 2i6 S. 38. Die Formulierung ist singular; κεϊσθοα in diesem Sinne auch in L X X u. in der griechischen Literatur; s. Bauer, Wörterb. s.v. 2 b und Sehn. S. 288f. 3 S. zu I2 S. 14. Das ήκει ist also gebraucht wie das (έκ τ. θεοϋ έξήλθον καΐ) ήκω J o h 842. Siehe Bauer, Wörterb. s.v. 1, d: ήκω als Ausdruck der religiösen Sprache: vom Kommen der Gottheit. * Διάνοια, Erkenntnis, nur hier in 1 Joh (u. Joh), aber vgl. z.B. Kol 121; Eph 4is usw. 5 Der ίνα-Satz ist nicht von δέδωκεν abhängig, sondern expliziert das διάνοιαν. β Die Lesarten τον άλ. θεόν und τό άλ. sind Korrekturen. 7 Zum „Sein in Gott" s. 2s u. s. S. 26,3. 8 Das έν τω vor υίω fehlt in wenigen Textzeugen, in anderen das Ί . Xp. 9 W. B o u s s e t , Kyrios Christos 6 1965, S. 178. — Wenn das έν τ ω in einigen wenigen Textzeugen fehlt, so ist das zweifellos eine Korrektur. Das Fehlen von Ί . Xp. in anderen Zeugen ist wohl nur ein Versehen des Schreibers. 1

2

1 Joh 520.21

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eben Jesus Christus sein, wenngleich das vorhergehende έν τώ άληθινώ nur auf Gott gehen kann. Aber wenn der Satz ursprünglich ist, so will er den Satz, daß wir in Gott, dem αληθινός, sind, weil (sofern) wir in seinem Sohn sind, dadurch begründen, daß der Sohn selbst als αληθινός •θεός bezeichnet wird. Als Charakteristik des Vaters wäre der Satz überflüssig1. Auch wäre seltsam, daß nicht nur gesagt wird: ουτός έστιν ό αληθινός, sondern ό αληθινός θεός. Zudem stimmt die Aussage και ζωή αιώνιος als Charakteristik Jesu Christi zu V . n : αύτη ή ζωή (sc. αιώνιος) έν τω υίω αύτοϋ έστιν, wie zu Joh 1125; 14β2. Dem einer Bekenntnisformulierung ähnlichen letzten Satz von V. 20 folgt als Abschluß in V. 21 ein Imperativ, durch die gewohnte Anrede τεκνία von dem dreifachen οΐδαμεν V. ιβ-2ο stark abgesetzt. Daß der Redaktor mit einem Imp. schließt, ist wohl verständlich, und daß in seinem Sinne die Mahnung V. 21 der für das ganze Schreiben angemessene Schluß ist, wird man annehmen dürfen. Dann aber muß das φ υ λ ά ξ α τ ε έαυτά άπό τ ω ν ε ι δ ώ λ ω ν 3 den Sinn einer Mahnung haben, nicht der Irrlehre zu verfallen, weil die Warnung vor dieser den ganzen Brief durchzieht. Auffallend ist allerdings die Formulierung. Schon das φυλάξατε έαυτά άπό befremdet, da sich die Wendung sonst im Schreiben nicht findet4. Das Merkwürdigste ist jedoch das άπό των ειδώλων. Daß unter den είδωλα die Götterbilder gemeint sind 5 , ist unwahrscheinlich; denn sonst müßte der Sinne der Mahnung der sein, nicht an heidnischen Kulten teilzunehmen. Da jedoch — der ständigen Warnung von I J o h entsprechend — nur gemahnt sein kann, sich vor der Irrlehre zu hüten, wie es auch der Charakteristik des Glaubens in V. 20 entspricht, muß είδωλα im Sinn von „Götzen" verstanden sein6. Der Redaktor hat also offenbar die Irrlehre als Abfall vom rechten Glauben verstanden; eben dieser ist doch wohl als die αμαρτία προς θάνατον V. iet. verstanden 7 . Das Singuläre 1 Man kann freilich schwanken; vgl. H o l t z m a n n s Erwägung: „. . . in der Absicht, verstanden zu werden, kann niemand zwei Subjekte in einem Atem mit άληθ. bezeichnen." Auch W i n d i s c h schwankt. — Jedoch ist einem kompilierenden Redaktor mehr zuzutrauen als einem originalen Autor. 2 Sehn, meint, daß das Fehlen des Art. v o r ζωή darauf hinweise, „daß dieses Wort als echtes, den Sinnzusammenhang erläuterndes Prädikat hinzugesetzt ist". Ich glaube, daß es dieser Reflexion kaum bedarf. 3 'Εαυτούς statt des auf das τεκνία folgende έαυτά ist eine begreifliche Korrektur. 4 Φυλάσσειν in 1 Joh nur hier. Das Wort ist sonst im NT im Sinne von „bewachen", „bewahren" nicht selten. In Joh allerdings nur 1225; 17i2, aber ohne έαυτ. Dieses findet sich auch in der griechischen Literatur; s. Bauer, Wörterb. s.v. l c , ebenso φυλ. άπό, im NT nur Lk 12is; 2Thess 33. 6 So im Griechischen, in L X X und 1 K o r 122; Apk92o; s. Bauer, Wörterb. s.v. • Εΐδωλον im Sinn von Götze = falschem Gott in L X X , im Judentum, im NT 1 K o r 81. 7; I T h e s s l o u. sonst; s. Bauer, Wörterb. s.v. 2. 7 Sehn, hat sich in der 2. Aufl. der Meinung N a u c k s angeschlossen, daß die Warnung v o r den είδωλα einfach die Warnung vor der Sünde sei. Nach Naucks Darstellung hängen in den Qumran-Texten Götze und Sünde aufs engste zusammen, und von daher sei

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1 Joh 521

der Mahnung V. 21 ist, daß der Redaktor, wenn er die Irrlehre mit Götzenverehrung gleichsetzt, die Irrlehre schlechthin als Heidentum verurteilt. Er kann das insofern tun, als ihm die Charakteristik der Irrlehrer als Antichristen (2ie-43) bekannt ist und es von ihnen heißt: έξ ήμών εξήλθαν, άλλ' οΰκ ήσαν έξ ήμών (2 19) und αύτοί έκ τοϋ κόσμου είσίν (4δ). Er kann die Irrlehre also nur als Abfall vom rechten Glauben verstehen und deshalb als „Götzendienst" bezeichnen, obwohl die Irrlehrer beanspruchen, Christen zu sein 1 . auch 1 Joh 521 zu verstehen. Kritisch gegen Nauck schon H a e n c h e n , ThR 26, I960, S. 21-24; dann B r a u n , ThR 30, 1964, S. 115f.; jetzt in: Qumranu. das NT I, S. 304f.: „Qumran warnt vor den Götzen als vor einem Abfall von der Qumrangemeinde mit ihrer strengen Observanz; das übliche Judentum warnt vor heidnischem Kult; der lJoh-Brief warnt allgemein vor außerchristlich heidnischem Wesen." 1 H. B r a u n , Ges. Studien zum NT, S. 238, hält es mit Recht für unwahrscheinlich, daß eine Gemeinde der 2. oder 3. Generation vor dem Rückfall in das Heidentum gewarnt werde.

JÖW 3.7ot)anneöbdef V . l : Pfäskript Das Schreiben ist wie die meisten altchristlichen Briefe durch ein Präskript eingeleitet, das freilich im Unterschied von anderen merkwürdig kurz, ja unvollständig ist, da zwar wie üblich Absender und Adressat genannt sind, aber der übliche Gruß (oder Wunsch) fehlt. Der Absender nennt sich ό πρεσβύτερος ohne eine nähere Charakteristik, wie sie sich in den Paulusbriefen und in den Briefen des Ignatius findet. Wer dieser πρεσβύτερος ist, ist völlig ungewiß, gewiß nur, daß der Titel die Würde und Autorität des Schreibers bezeichnet. Daß es ein Amtstitel ist, ist unwahrscheinlich; denn man müßte erwarten, daß es dann hieße: ό πρεσβύτερος της εκκλησίας έν . . Α Eher könnte πρεσβύτερος einfach der „Alte" heißen 2 , mit dem der Verfasser durch ein persönliches Verhältnis verbunden ist, und dafür könnte die Charakteristik des Adressaten als αγαπητός sprechen und der Schluß des Schreibens V. 121. Wahrscheinlicher ist jedoch, daß ό πρεσβύτερος den Schreiber als einen der πρεσβύτεροι bezeichnet, die Papias (bei Eus. h. e. III 39,3f.) als Träger und Überlieferer der apostolischen Tradition nennt 3 . Über den Adressaten G a i o s wissen wir sonst nichts 4 . Da der Verfasser nach V. 4 den Gaios zu „seinen" Kindern rechnet, liegt die Vermutung 1 Als Amtstitel versteht das πρεσβ. z.B. H a e n c h e n , ThR 26, 1960, S. 288-291: der πρεσβ. ist „Träger eines Gemeindeamtes", der „praeses presbyterii". Vor allem aber E. K ä s e m a n n , Ketzer u. Zeuge, ZThK 48,1951, S. 292-311; jetzt in: Exeget. Versuche u. Besinnungen I, 1960, S. 168-187. Dieser meint, der Verfasser sei einst ein Presbyter des V. 9 f. genannten Diotrephes gewesen und von diesem wegen Ketzerei exkommuniziert worden, habe aber an seinem Presbyter-Titel festgehalten. Gegen diese phantastische Hypothese mit Recht H a e n c h e n , a.a.O. S. 277-281; Sehn. S. 299f.; G. B o r n k a m m , T h W V I , S. 671 A. 121. 2 Der komparative Sinn von πρεσβύτερος braucht nicht erhalten zu sein; s. BID § 244,2. So übersetzen Sehn., G. Bornkamm und andere „der Alte". 3 So B o r n k a m m a.a.O. S. 671: „Der Älteste steht mit seinem Wollen und Wirken noch diesseits jeder kirchlichen Verfassung" (nach H. v. C a m p e n h a u s e n , Kirchl. Amt u. geistl. Vollmacht in den ersten drei Jahrhunderten 1953, S. 132). W. G. K ü m m e l , Einleitung in das N T 14 1965, S. 329, neigt auch zu dieser Annahme. Unentschieden W. M a r x s e n , Einleitung in das N T 2 1964, S. 227. H a e n c h e n , ThR 26, 1960, S. 291, meint, „daß hier die beiden grundsätzlichen Bedeutungen 'Ältester als Gemeindeamt' und 'Ältester als Traditionsträger' sich einmal verbanden". Ausführlich und sehr vorsichtig Sehn, zur Verfasserfrage S. 295-301. 4 Der Name Gaios war ein oft gebrauchter; den hier Genannten mit sonst im N T genannten Trägern dieses Namens zu identifizieren ( I K o r l u ; Act 192s; 204), ist willkürlich.

3 J o h la-8

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nahe, daß er vom πρεσβύτερος zum christlichen Glauben bekehrt worden ist. Aus V. 15 ist vielleicht zu folgern, daß er ein Glied der Gemeinde war, deren Leiter der V. 9t. genannte Diotrephes zu sein beanspruchte, und daß er hier „der Mittelpunkt eines Freundeskreises" war (Sehn.). Die Anrede als „Geliebter" ist als solche eine unter Christen übliche Charakterisierung und Anredeform 1 , hat hier jedoch noch einen besonderen Klang, da der Verfasser versichert: δν έ γ ώ ά γ α π ώ έν άλη&εία. Das Wort άλήθεια kann in verschiedenem Sinn gebraucht werden, wie gleich V. 3 zeigt. In der Verbindung άγαπαν έν άλ. kann άλ. doch nur meinen: in Wirklichkeit, in Echtheit2. Der Satz ersetzt gewissermaßen den sonst im Präskript üblichen Gruß oder Wunsch.

V.2—8: Das Verhalten zu wandernden Brüdern Das Schreiben beginnt nach der dem Präskript entsprechenden Anrede αγαπητέ mit einem formelhaften Wunsch 3 für das Wohlergehen und die Gesundheit des Adressaten 4 . Der Wunsch entspricht dem Wohlergehen des Adressaten: κ α θ ώ ς (dem entsprechend, daß) εύοδοϋταί σου ή ψυχή. In dieser Wendung gewinnt das formelhafte εύοδοϋσθαι einen besonderen Sinn, indem es jetzt nicht mehr das leibliche Wohlergehen, sondern die gute Verfassung der „Seele" des Gaios meint, wie es durch V.3 illustriert wird. Freilich darf die ψυχή nicht im Sinne des Dualismus von Leib und Seele verstanden werden, sondern meint einfach die Person des Adressaten5. Vgl. z.B. im NT R ö m l ? ; I K o r 4 u ; 1 0 u ; l P e t r 2 n . Έ ν άλ. hat also den Sinn wie αληθώς Mt 1433; Joh Ι17; 442 u. sonst. — Die Wendung άγαπαν έν άλ. nur hier und 2 Joh 1; doch in bestimmter Antithese auch 1 Joh 3ie: μή άγαπώμεν λόγω . . . άλλα Ιν εργω καΐ άλ., wo άλ. auch den Sinn von Wirklichkeit hat. Man darf wohl sagen, daß die Betonung der Begriffe άγαπδν und αλήθεια johanneisches Kolorit haben; aber über die Verfasser-Frage ist damit nichts ausgesagt. Den πρεσβ. mit dem von Papias genannten Presb. Johannes (Eus. h. e. III 39,4) zu identifizieren und in ihm sogar den Zebedaiden Johannes zu sehen, ist willkürlich; vgl. dazu H a e n c h e n , a . a . O . S. 267-269. 289f. — Vorsichtig S e h n . 300f.: „Im ganzen möchte man urteilen, daß die Frage, ob der Zebedaide und Apostel Johannes selbst der Verfasser der drei Johannesbriefe ist, wegen der Verschlungenheit der 'joh. Frage' nicht mit letzter Sicherheit zu beantworten ist, daß man aber für die Briefe zum mindesten eine hervorragende Persönlichkeit aus dem'johanneischen Kreis', etwa einen Apostelschüler, postulieren muß, der die 'johanneische Tradition' vertritt und aufrecht hält." 3 Solcher Wunsch ist üblich am Beginn antiker Privatbriefe, vgl. z.B. H. L i e t z m a n n , Griech. Papyri 2 Nr. 1,3; 2,3. Das εύχομαι, zu dem περί πάντων gehört, meint schwerlich das Gebet, sondern einfach den Wunsch, dem typischen Briefstil entsprechend. 4 Εύοδοϋσθαι im NT nur noch Rom l i o ; I K o r 16 2. Gebräuchlich auch in L X X und in Papyri; s. Bauer, Wörterb. s.v. und Sehn., Zu ύγιαίνειν im Briefwunsch S. 321,3. 5 Man könnte fast übersetzen „dein Leben" wie l J o h 3 i e . V g l . auch 1 P e t r i » , w o ύμών σωτηρίαν ψυχών einfach bedeutet: „euer Heil". 1 2

3Joh 3-β

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Auch daß jetzt V.3 mit dem Ausdruck der Freude beginnt (wie 2 Joh 4), entspricht der Tradition des Briefstils1. Der Gegenstand der Freude ist hier das löbliche Verhalten des Gaios, und zwar über seine άλήθ-εια. Diese kann wie in dem gleich folgenden έν τη άλ. περιπατεΐν nur das der göttlichen Wirklichkeit bzw. ihrer Offenbarung entsprechende Verhalten des Gaios meinen wie V. 8 und 12. Dieses Verhalten ist dem Verfasser durch das Zeugnis der zu ihm gekommenen Brüder berichtet worden 2 . Diese sind, wie aus V. 6i. hervorgeht, offenbar Missionare, ohne daß aus ihrem Gekommensein geschlossen werden müßte, daß der πρεσβύτερος der Leiter einer provinzialen Missionsorganisation gewesen ist (Harnack). Ihr Zeugnis entspricht dem, was dem Verfasser ohnehin gewiß ist: καθ·ώς σύ έν άληθεία περιπατείς 3 . V.4 erläutert das έχάρην λίαν von V.3: eine größere Freude gibt es nicht für den Verfasser, als zu hören, daß seine „Kinder" in der Wahrheit ihren Wandel führen, wie er es soeben in V.3 von Gaios gesagt hatte 4 . Die Bezeichnung der Glaubenden als τέκνα (1 Joh sagt statt dessen oft τεκνία) ist häufig (s. Bauer, Wörterb. s.v. 2b). Wenn der Verfasser sagt: τα έμά τέκνα, so liegt die Annahme nahe, daß es sich um Christen handelt, die von ihm selbst für den Glauben gewonnen sind; vgl. Phil 222; 1 Kor 4 u ; Gal 419. Mit erneuter Anrede kommt der Verfasser in V.5 auf das Thema, das ihm am Herzen liegt: auf das rechte Verhalten zu den wandernden Brüdern. V.5 ist zunächst eine Mahnung: Gaios soll wissen, daß er „treulich" handelt 5 in allem, was er an den Brüdern tut und zumal an fremden, also an denen, die auf der Wanderschaft sind. Aus V. 7 muß man schließen, daß es sich um wandernde Missionare handelt. In V.6 verbinden sich Lob und Mahnung. Die wandernden Brüder haben vor der Gemeinde 1 S. Bauer, Wörterb. s.v. χαίρω 2. Im christlichen Brief ist es die Freude am Bestand der angeredeten Gemeinde Rom 1619; 2 Kor 77.13.16; Phil 1 u ; 1 Thess 3 9; Kol 2 s. — Das γάρ hinter έχάρην fehlt zwar in manchen Textzeugen, dürfte aber ursprünglich sein. 2 Μαρτυρεϊν mit Dat. „Zeugnis ablegen für" häufig; s. Bauer, Wörterb. s.v. l a ; mit τη άληθεία auch Joh 533; 18 37. 3 In der 1. Aufl. übersetzt Sehn, den καθώς-Satz: „wie du (ja auch) wirklich wandelst". Das καθώς dürfte hier richtig verstanden sein, nicht jedoch das έν άληθεία. Diese Wendung ist in der 2. Aufl. m. E. richtig als „in (der) Wahrheit" wiedergegeben. Dagegen versteht Sehn, hier den καθώς-Satz anders: „wie du (nämlich) . . . wandelst". Er läßt den Satz also als indirekte Rede von μαρτυρούντων abhängen und versteht καθώς im Sinne von ώς oder πώς. — περιπατεΐν (wie 2 Joh 4) im übertragenen Sinn ist häufig; i. Bauer, Wörterb. s.v. l,a. So auch l j o h l e f . ; 2«. 11. 4 Die LA χάριν statt χαράν ist sicher sekundär und könnte durch paulinische Wendungen wie Rom 15; 1 Kor 310 veranlaßt worden sein. — Μειζότερος ist vulgär statt μείζων, s. BID § 61,2; nur hier im NT. — Der ίνα-Satz statt τοΰ mit Inf. ist epexegetisch wie öfter bei Joh., z.B. J o h l 5 2 ; 1 Joh 5s; s. BID §394. 5 πιστόν ποιεΐν heißt „etwas treulich tun", s. Bauer, Wörterb. s.v. πιστός l b . — Έργάζεσθαι meint nicht eine amtliche Betätigung, sondern „das freiwillige karitative Wirken", so mit Recht Sehn.

7

5219

Bultmann. Johannesbriefe

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3 J o h «-8. 9.10

Zeugnis abgelegt für die Liebe des Gaios 1 , die sich in diesem Falle natürlich konkret als Gastfreundschaft erwiesen hat. Zur Gastfreundschaft gehört es auch, daß man den Gast nicht nur auf den Weg bringt und geleitet, sondern daß man ihn auch für die Weiterreise versorgt 2 . In diesem Sinne fügt sich an das Lob die Mahnung, daß Gaios wohl daran tun wird, wenn er die wandernden Brüder in einer Gottes würdigen Weise ausrüstet. V.7 zeigt, daß die wandernden Brüder Missionare sind, ύπέρ του ονόματος ausgezogen, was doch nur heißen kann: für Christus 3 , d. h. um ihn zu verkünden. Bestätigt wird das, indem sie charakterisiert werden: μηδέν λαμβάνοντες άπο των εθνικών 4 . Sie gleichen also nicht „heidnischen Wanderphilosophen (Kynikern) und den gewinnsüchtigen Bettelpriestern (der Dea Syria)" 5 . Sie sind deshalb auf die Unterstützung durch christliche Brüder angewiesen. Die Mahnung wird in V.8 in einem allgemeinen Satz ausgesprochen: Wir, d. h. wir Christen, haben die Pflicht, solche wandernden Missionare gastlich aufzunehmen bzw. zu unterstützen 6 . Die darin liegende Mahnung wird durch den ίνα-Satz nicht nur nachdrücklich, sondern auch einleuchtend gemacht: 'ίνα συνεργοί γινώμεθ-α τη άληθεία 7 . Die άλήθεια kann hier wie in V. 4 nur die Wirklichkeit Gottes bzw. deren Offenbarung meinen 8 . Da γίνομαι für είναι, eintreten kann, braucht der Sinn nicht zu sein: „damit wir Mitarbeiter . . . werden", sondern es ist wohl gemeint (wie Sehn, übersetzt): „das wir uns . . . erweisen". V.9—10: Diotrephes als Gegner des Πρεσβύτερος Die beiden Verse 9 und 10 hängen eng mit V. 2-8 zusammen. War in diesen Versen die Gastfreundschaft gegenüber wandernden Brüdern gelobt und geboten, so wird jetzt das Verhalten des Diotrephes ihnen 1 Zu μαρτυρεΐν mit Dat. s. o. S. 9 7 , 2 . — 'Ενώπιον εκκλησίας: vor versammelter Gemeinde; der Art. fehlt wie oft bei präpositionalen Wendungen (BID § 255). Die εκκλησία (in den johanneischen Schriften nur hier und V.9f.) ist wie so oft bei Paulus die einzelne Ortsgemeinde. 2 Zu diesem Sinn von προπέμπειν s. Bauer, Wörterb. s. v. 2. 3 "Ονομα ist früh schon geläufige Bezeichnung Christi geworden; s. Sehn. S. 324,7. 4 Die εθνικοί sind die Heiden wie Mt 547; 67 bzw. in diesem konkreten Fall die heidnischen Hörer der Predigt. 5 So Sehn. S. 324, der A. 5 auf illustrierende Beispiele hinweist. 6 Siehe Bauer, Wörterb. s.v. 1. 7 Συνεργεΐν mit Dat. (der Person) ist geläufig; s. Bauer, Wörterb. s.v. — Daß hier nicht die Mitarbeit für eine Sache, sondern die persönliche Verbundenheit mit der Wahrheit gemeint sei (Sehn.), scheint mir eine verfehlte Reflexion zu sein. — Als Parallele zu συνεργ. τη άλ. weist R. B e r g m e i e r (ZNW 57, 1966, S. 98) auf Ps. Clem. Horn. X V I I 19,7ff. hin. 8 S. Ο. Z U V.3.

3 Joh 9.10

99

gegenüber aufs schärfste getadelt. Dabei bezieht sich der Verfasser auf ein früheres Schreiben: εγραψά τ ι τη εκκλησία 1 . Wir kennen diesen Brief nicht; er muß wohl das Thema von V.3-8 enthalten haben, nämlich die Empfehlung der Gastlichkeit gegenüber wandernden Brüdern; denn eben diese lehnt nach V.io der Diotrephes ab 2 . Das kann doch wohl nur das von ihm gesagte ούκ επιδέχεται ή μας bedeuten3. Ob er den Brief der έκκλησία (der Gemeindeversammlung) gar nicht vorgelegt oder in ihr seine Ablehnung durchgesetzt hat, läßt sich nicht entscheiden. Der D i o t r e p h e s , von dem sonst nichts bekannt ist, wird als ό φιλοπρωτ ε ύ ω ν α υ τ ώ ν bezeichnet, also als derjenige, der in der Gemeinde (αυτών) den ersten Platz einzunehmen beansprucht. Das Wort φιλοπρ. ist sonst im NT und auch in nichtchristlicher Literatur nicht nachgewiesen; es ist vielleicht eine Bildung des Verfassers, durch die er herabsetzend den wirklichen Titel des Diotrephes vermeidet bzw. ersetzt, nämlich den Titel επίσκοπος4. Da der Diotrephes nicht etwa beschuldigt wird, ein Irrlehrer zu sein, handelt es sich in dem Streit zwischen ihm und dem Verfasser offenbar um die Frage der Gemeinde-Organisation, wie einst Harnack richtig gesehen hat 5 . Er sieht in dem Diotrephes den „ersten monarchischen Bischof, den wir kennen", und gegen den die reisenden Missionare Opposition machten, die ihrerseits von dem πρεσβύτερος als dem Leiter einer Missionsorganisation autorisiert waren. War von anderen Forschern der Streit zwischen Diotrephes und dem Verfasser zugleich als ein Streit um die rechte Lehre und dabei Diotrephes als Neuerer und Irrlehrer verstanden worden 6 , so hat E. K ä s e m a n n 7 umgekehrt und wohl mit Recht gesagt, daß Diotrephes der Vertreter der sich herausbildenden orthodoxen kirchlichen Tradition war, dem die von dem πρεσβύτερος vertretene Richtung der Theologie als ketzerisch erschien, weil sie (wie überhaupt 1 Die Lesart äv statt τί beruht wohl auf der Annahme, daß der erwähnte Brief gar nicht wirklich geschrieben worden ist. 2 Der Brief kann also weder 1 Joh, noch, wie vielfach angenommen wurde, 2 Joh sein. 3 Daß der Plur. (ήμας) jetzt statt des Sing, steht, hat schwerlich Bedeutung. Jedenfalls ist es nicht ein Plur. autoritatis, so wenig wie in V. 10 und V. 12. — Έπιδέχεσθαι sonst „(gastlich) aufnehmen" (so gleich in V.io) kann hier nur den Sinn haben „anerkennen". 4 Dieser Titel des Gemeindeleiters begegnet schon früh (Phil 11) neben dem des πρεσβύτερος (ITim 5i7; Act 14 23 usw.). Beide Titel werden offenbar in gleichem Sinn gebraucht Tit 16-7. Vgl. auch Theologie des NT § 53. 5 Ad. H a r n a c k , Über den dritten Joh-Brief, TU X V , 3, 1897. 6 So z.B. von H. W e n d t in verschiedenen Veröffentlichungen; W . B a u e r , Rechtgläubigkeit u. Ketzerei im ältesten Christentum 1934, der den Diotrephes sogar als Ketzerhaupt bezeichnete. Vgl. zur ganzen Frage H a e n c h e n , ThR 26, 1960, S. 270-277. 7 E. K ä s e m a n n , Ketzer u. Zeuge, ZThK48, 1951, S. 292-311; jetzt auch in: Exeget. Versuche u. Besinnungen I 1960, S. 168-187. Vgl. auch Käsemanns Auffassung von der historischen Situation der johanneischen Schriften in seiner Veröffentlichung: Jesu letzter Wille nach Joh 17, 1966.

7*

100

3 Joh 9.10.11.12

die johanneische Literatur) den christlichen Glauben in der Begrifflichkeit des gnostischen Denkens zum Ausdruck brachte 1 . Das ούκ επιδέχεται ή μας von V.s wird in V.10 konkreter beschrieben, indem der Verfasser sagt, daß er bei einem in Aussicht gestellten Besuch (V. 14) an Werke des Diotrephes „erinnern" wird, d. h. zur Sprache bringen wird 2 . Natürlich ist gemeint: böse Werke, als welche sie durch das ά ποιεί λόγοις πονηροϊς φλύαρων ήμας beschrieben werden 3 . Sie sind also verantwortungslose oder gar schmähende Worte. Aber die bösen Werke beschränken sich nicht darauf (και μή άρκούμενος έπο τούτοις). Diotrephes versagt auch den (wandernden) Brüdern die Gastfreundschaft 4 , ja, nicht genug! Er hindert auch die Willigen und schließt sie aus der Gemeinde aus 5 . Die Präsentia bezeichnen das übliche Verfahren des Diotrephes, sagen aber nichts darüber aus, seit wann und wie oft es schon aktuell geworden ist, insbesondere nicht, ob auch Gaios, der vielleicht zur Gemeinde des Diotrephes gehört, davon betroffen worden ist. Wenn der Verfasser den Diotrephes bei seinem Besuch zur Rede stellen will, so muß man doch wohl schließen, daß das Verfahren des Diotrephes von der Gemeinde nicht widerspruchslos anerkannt ist, und V. 15 dürfte zeigen, daß es in der Gemeinde auch Anhänger des πρεσβύτερος bzw. seiner Richtung gegeben hat 6 .

V.ll—12: Mahnung und Empfehlung des Demetrios Mit erneuter Anrede (αγαπητέ wie V. 2 und 5) warnt der Verfasser den Gaios, dem bösen Beispiel des Diotrephes zu folgen, was nicht notwendig beweist, daß dieser zur Gemeinde des Diotrephes gehört hat. Denn wenn die Mahnung, nicht das Böse zu tun, sondern Gutes zu tun, nach V. 10 zweifellos die Mahnung zur Gastfreundschaft ist, so gilt sie allgemein, in welcher Gemeinde sich Geios auch befinden mag. Klingt die Mahnung trotz ihres Bezugs auf die konkrete Situation als solche schon wie eine allgemeine Regel, so gewinnt sie diesen Charakter erst recht durch die 1 Dürfte K ä s e m a n n darin recht haben, daß er in Diotrephes den Vertreter der legitimen kirchlichen Tradition sieht, dem die johanneische Literatur als der Ketzerei verdächtig erscheinen mußte, so hat er doch diese Auffassung in bezug auf 3 Joh weit übertrieben; denn in 3Joh ist vom Thema der rechten Lehre keine Rede, und nur spärlich erscheint johanneische Terminologie, etwa in V. nf. Daß der πρεσβ. von 3 Joh ein Presbyter der Gemeinde des Diotrephes gewesen sei, den dieser exkommuniziert habe und der doch an dem Presbyter-Titel festgehalten habe, ist phantastisch. Vgl. dazu außerHaenchen, a.a.O. auchG. B o r n k a m m , T h W VI, S. 671A. 121; Sehn. S.299f. 2 Ύπομιμνήσκω im Sinne von mahnend erinnern ζ. B. noch 2Tim 214; 1 Klem 623. 3 Φλυαρεϊν = „unberechtigte Anklage vorbringen" im N T nur hier; s. Bauer, Wörterb. s.v. 4 Zu έπιδέχεσ&αι hier in anderem Sinn als V.», s. o. S. 99,3. 6 Έκβάλλω kann doch hier wohl nur die Exkommunikation meinen wie Joh 93«. • So auch z.B. Sehn.

3 J o h n . 12.13-15

101

asyndetisch hinzugefügte Begründung. Diese erinnert in ihrer Form, nämlich in den beiden antithetisch parallelen Sätzen wie in ihrem Inhalt, an die johanneische Sprache und könnte ein Satz aus der Tradition der johanneischen Schule sein. Zwar kommt das Verb άγαθ-οπ. in den johanneischen Schriften nur hier vor, aber das έκ τοϋ θεοϋ έστιν klingt ganz johanneisch, vgl. I j o h 3 i o ; 42-7; Joh 8471; ebenso die negative Aussage ούχ έώρακεν τον θεόν (vgl. lJoh36). Die in V.11 enthaltene Mahnung wird indirekt in V.12 in der Weise konkretisiert, daß dem Gaios ein Demetrios empfohlen wird. Von diesem wissen wir sonst nichts; er könnte zu den wandernden Brüdern gehört haben, von denen V.2-8 die Rede war; vielleicht ist er der Überbringer dieses Briefs. Er wird empfohlen, indem darauf hingewiesen wird, daß dem Demetrios ein gutes Zeugnis ausgestellt wird von „allen" (natürlich von allen, die in Frage kommen), ja von der άλήθεια selbst. Sachlich kann damit nichts anderes gemeint sein als in V. 3 das Zeugnis der Brüder für die αλήθεια (des Gaios); nur ist jetzt die άλ., also die göttliche Wirklichkeit bzw. ihre Offenbarung, personifiziert2. Die Bedeutung dieses Zeugnisses wird betont durch die Aussage, daß auch der Verfasser solches Zeugnis ablegt und sich für seine Gültigkeit darauf berufen kann (και οίδας), daß Gaios ihn kennt.

V. 13-15: Briefschluß Die Versicherung, daß der Verfasser noch vieles schreiben könnte, aber darauf verzichtet (wie 2 Joh 12), klingt formelhaft und erinnert an Joh 2Ü303, ist aber anders motiviert, dort durch den Überreichtum dessen, was es zu schreiben gäbe, hier weil es unnötig wäre, mehr zu schreiben, da der Verfasser den Gaios demnächst persönlich sehen und mit ihm sprechen wird 4 . 1 Zu είναι έκ, das, indem es den Ursprung bezeichnet, das Wesen meint, s. auch 1 Joh 221. 2 So auch in dem Papias-Zitat bei Eus. h. e. III 39, 3, auf das R. B e r g m e i e r , Z N W 57, 1966, S. 99, hinweist. 3 Zu solchen Formeln s. Komm. S. 540,3 zu Joh 20 30. — Das είχον (statt εχων 2 Joh 12) bezeichnet die Pflicht oder auch die Möglichkeit (BID §358); γρώψαι (statt γράφειν 2 Joh 12) „ist danach das Natürliche" (Sehn.). — (τό) μέλαν für Tinte geläufig, im N T nur hier, 2Joh 12; 2Kor 33; κάλαμος (Schilfrohr) für Schreibfeder ebenfalls geläufig, im N T nur hier. 4 Στόμα προς στόμα λαλεϊν (wie 2 Joh 12) ist vielleicht als alttestamentliche Formel zu bezeichnen; vgl. N u m 12e; Jer394. So entspricht auch das ειρήνη σοι V.is dem alttestamentlich-jüdischen Wunsch, in dem ειρήνη (ΠΪ1?®) nicht speziell „Friede", sondern

„Heil" bedeutet. Als Heilswunsch (an Stelle des in nichtchristlichen Briefen üblichen ϊρρωσο) in den paulin. Briefen und auch sonst im N T erweitert durch spezifisch christliche Wünsche.

102

3Johl3-16

Der Schlußwunsch hier ebenso knapp wie 1 Petr 514: ειρήνη1. Ihm folgt der übliche Schlußgruß wie in den paulinischen, in anderen christlichen und nichtchristlichen Briefen 2 . Wenn hier als Grüßende die φίλοι genannt werden, so zeigt sich, daß der Verfasser in einem Kreis von Freunden steht. Und wenn der Adressat aufgefordert wird, die Freunde κατ' δνομα zu grüßen, also als Einzelne 3 , so zeigt sich, daß ein Freundeskreis auch in der Gemeinde besteht, in der sich Gaios befindet. Das scheint doch zu zeigen, daß die Autorität des Diotrephes nicht von der ganzen Gemeinde anerkannt wurde (s. zu V.10). 1 3

2 S. o. 101,4. S. Bauer, Wörterb. s.v. 1. Auch diese Wendung begegnet sonst, s. Bauer a. a. O.

j b t t 2 . Jotjarmeöbcief V . l - 3 : Präskript Das Schreiben beginnt als ein Brief in üblicher Weise mit einem Präskript, das, anders als in 3Joh, die drei üblichen Teile enthält: Absender, Adressat und Gruß (oder Wunsch). Alle drei Teile sind hier eigentümlich geformt. Als Absender nennt sich wie in 3Joh ό πρεσβύτερος. Damit könnte die Frage, wer dieser πρεσβύτερος ist, wie in 3Joh erwachsen, und die Antwort müßte mit den gleichen Erwägungen und mit der gleichen Unsicherheit gegeben werden 1 . Aber es ist die Frage, ob die briefliche Form von 2Joh nicht nur eine Fiktion ist, in der der Verfasser sowohl 1 Joh wie 3Joh benutzte 2 . Wie der Briefschluß V.i2f. eine Nachahmung von 3 Joh 13 f. sein dürfte, so ist die Bezeichnung des angeblichen Briefschreibers durch das einfache ό πρεσβύτερος wohl auch nur die Nachahmung von 3 Joh 1. Dazu kommt die Verlegenheit, in die man durch die Nennung der Adressatin gesetzt wird: εκλεκτή κυρία. Darf man übersetzen: „an die auserwählte Herrin"? 3 . Daß εκλεκτή nicht Eigenname ist, geht aus der üblichen Verwendung von έκλεκτός im NT hervor und wird auch durch V. 13 bestätigt, wo εκλεκτή ebenso wie hier adjekt. gebraucht ist 4 . Klar ist auch, daß κυρία nicht eine Einzelperson ist, sondern eine (bzw. die) Gemeinde, da sie mit ihren τέκνα ange1 Die mehrfach zu 2 Joh und 3 Joh geäußerte Vermutung, daß der Eigenname ausgefallen oder gestrichen worden ist, mag als Verlegenheitsauskunft bezeichnet werden. Sie hätte hier immerhin mehr Recht als in 3 Joh, wo ein persönliches Verhältnis zwischen dem Verfasser und dem Adressaten vorausgesetzt ist, das die Nennung des Namens entbehrlich machte (jedoch s. o. im Text). Daß der etwa ausgefallene Name 'Ιωάννης gewesen sei und die Folgerung, daß der Verfasser der von Papias genannte πρεσβ. Ίωάνν. sei, ist nicht nur unbegründet, sondern sicher auch falsch. S. über die ganze Frage H a e n c h e n , ThR 26, I960, S. 267-291. 2 Daß 2 Joh und 3 Joh keine wirklichen Briefe, sondern Fiktionen sind, erwägt M. D i b e l i u s (RGG 2 III, 348) und meint E. H i r s c h (Studien zum vierten Evangelium 1936). Über diesen H a e n c h e n , a.a.O. S. 281f. Vgl. auch R. B e r g m e i e r , ZNW 57, 1966, S. 93-100. 3 So, soweit ich sehe, alle Kommentatoren. Jülicher übersetzt korrekt „an eine auserwählte Herrin" (Einl. in das NT 7 1931, S. 233). 4 'Εκλεκτή κυρία ist nur Umschreibung für εκκλησία; vgl. 1 Petr 513, wo ή (έν Βαβυλώνι) συνεκλεκτή für ή έκκλήσία steht. Übrigens fehlen εκκλησία wie έκλεκτός in Joh und 1 Joh; έκκλησία findet sich 3 Joh 6ff.

104

2 Joh ι. 2

redet wird, die ja nur die Gemeindeglieder sein können 1 . Aber ist die Adressatin wirklich eine bestimmte Einzelgemeinde? Warum ist dann nicht gesagt, an welche 2 ? Freilich macht der Schluß V.i2t. den Eindruck, daß das Schreiben an eine Einzelgemeinde gerichtet ist; aber eben dieser verstärkt den Verdacht, daß der Briefcharakter von 2Joh eine Fiktion ist. Daher legt sich die Vermutung nahe, daß der Verfasser sein Schreiben als sozusagen „katholischen" Brief gedacht hat, den der Überbringer jeweils an alle in Frage kommenden Gemeinden zustellen sollte. Daß es wandernde Brüder gab, die einzelnen Gemeinden Briefe überbringen sollten, wußte er aus 3 Joh 9f. Daß er auch selbst andere Gemeinden besuchte, wie der suspekte Schluß V. 12 dem Leser vielleicht nur suggerieren soll, kann die Vermutung nur bestätigen. Die τέκνα sind die Glieder der Gemeinde, der jeweils das Schreiben überbracht wird. Werden sie charakterisiert als ους εγώ άγαπώ έν άληθεία, so braucht damit nicht eine persönliche Verbundenheit bezeichnet zu sein, sondern diejenige Verbundenheit, die der gemeinsame christliche Glaube stiftet. Das έν αλήθεια kann einfach meinen: in Wirklichkeit, in echter Weise wie 1 Joh 3ie; 3 Joh 1 3 . Wenn der Verfasser aber fortfahrt: και ουκ έγώ μόνος, άλλα καί πάντες οί έγνωκότες τήν άλή&ειαν, so muß άλ. wie 3 J o h 3 f . die göttliche Wirklichkeit bzw. ihre Offenbarung sein wie 1 J o h l β; 24. Wenn die πάντες somit auch als die bezeichnet werden, die, wie der Verfasser, die Glieder der (jeweils) angeredeten Gemeinde lieben, so kommt darin die in der άλήθεια begründete Gemeinsamkeit aller Glaubenden zum Ausdruck. Ob das διά τήν άλ . . . V.2 das άγαπώ von V.i begründen soll, so daß das ούκ έγώ μόνος κτλ. als Parenthese zu verstehen wäre, oder ob es das οί έγνωκότες motiviert, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls ist der Sinn von άλ., die als die μένουσα έν ήμΐν charakterisiert wird, eben die άλ. von V.ib. Und in jedem Fall ist das Vertrauen ausgesprochen, daß das Geschenk der άλ. der christlichen Gemeinde für immer verliehen ist 4 . 1 Κυρία als Bezeichnung einer Gemeinde (έκκλησία) begegnet auch in der griechischen Literatur; s. Bauer, Wörterb. s.v.) κυρία 2. — D i e Bezeichnung der Christen als τέκνα zur Charakteristik der Zugehörigkeit oder Abhängigkeit wie 3 Joh 4 so auch z.B. l K o r 4 i i . 17; 2Kor 613 und sonst, jüdischem Sprachgebrauch entsprechend, s. Sehn. S. 307,2. 2 In allen urchristlichen Briefen ist der Adressat (bzw. die Adressatin oder die Adressaten) determiniert, außer natürlich in Briefen, die an einzelne Personen gerichtet sind wie 3 Joh und die Past. Ausnahmen sind nur Ignatius, Trail., Phld., Sm., wo aber die έκκλησία als ουση έν . . . determiniert ist. Ähnlich 1 Petr Ii. — Auffallend, daß Sehn, das Problem ignoriert. 3 Έ ν άλ. wäre hier also gleichbedeutend mit άληθώς (vgl. Joh I47; 7 26; 831; 17s). So auch Sehn. i^,4 Zu μένειν έν s. zu 1 Joh 2e, S. 32,3.Wenn V.9 von dem μένειν έν τη διδαχή (τοϋ Χρ.) in gleichem Sinn die Rede ist, so kommt darin eine sachliche Verwandtschaft von αλήθεια und διδαχή zutage. Das hat R. B e r g m e i e r , ZNW 57, 1966, S. 93-100 richtig gesehen. Indessen sind άλ. und διδ. nicht identisch; denn in der Folge auf V.ι ist die

2 J o h 2.3. 4-0

105

Daß die άλ. jedoch kein einfacher Besitz ist, sondern als Geschenk stets neu erfaßt werden muß, zeigt das hinzugefügte selbständige Sätzchen V.2b: κ α ί μεθ·' ήμών έσται εις τον αιώνα. Auch dieses ist ein Ausdruck des Vertrauens, jedoch zugleich der Hoffnung. Vertrauen und Hoffnung gehören zusammen zu einer Einheit. In V.3 folgt das letzte (dritte) Stück des Präskripts. Dieses besteht sonst regelmäßig in dem Segenswunsch für die Adressaten, während es hier den Ausdruck der gemeinsamen Hoffnung von V.2b wiederholt: έ'σται μεθ' ήμών 1 . Aber der Satz gewinnt doch den Klang des Wunsches, da das Subj. des έσται sich an die traditionelle Grußformel anlehnt: χάρις ελεος ειρήνη 2 wie auch das hinzugefügte: παρά θεοϋ πατρός κτλ. 3 . Angefügt ist noch das überflüssig erscheinende έν α λ ή θ ε ι α κ α ί άγάπη. Es soll wohl das έσται μεθ·' ήμών charakterisieren und V. 4-6 vorbereiten, wo άλήθεια und αγάπη die beherrschenden Begriffe sind. 'Αλήθεια ist im Sinne von V.ib. 2 zu verstehen als die göttliche Wirklichkeit. Das ganze Präskript dürfte mit seiner Plerophorie und der Anlehnung an traditionelle Wendungen ein Zeichen dafür sein, daß 2Joh aus einer relativ späteren Zeit der christlichen Literatur stammt. 2. Joh 4—6: Anerkennung und Mahnung Daß das Schreiben 2 Joh „sehr genau durchdacht und zielbewußt aufgebaut" ist 4 , trifft zu, insofern alles auf V. 7-11, die Warnung vor der Irrlehre, zielt. Dafür ist V.4—6 eine Vorbereitung, in der sich captatio benevolentiae und auf V. 7 ft. hinleitende Mahnung verbinden. Originell und theologisch selbständig ist das Schreiben nicht. Es besteht im wesentlichen aus traditionellen Motiven und Reminiszenzen aus l j o h . Daß das Schreiben wie 3 Joh 3 mit dem Ausdruck der Freude beginnt, entspricht alter Tradition 5 . In christlichen Briefen ist es die Freude über άλ. Gegenstand der Erkenntnis, was von der SiS. doch nicht gesagt werden kann. Auch kann man nicht wohl vom περιπατεϊν έν τη διδαχή reden wie: έν (τ.) άλ.περιπ. (3 Joh3f.). 1 Daß manche Textzeugen μεθ' ύμών lesen, ist eine begreifliche Korrektur, die den Satz zur üblichen Grußformel umgestaltet. 2 Χάρις ist wie in den üblichen Grußformeln als „Gnade" zu verstehen. Es begegnet in 2Joh nur hier, in 3Joh gar nicht, in Joh nur I n . ief. Zum Sinn von χάρις s. Komm, zu J o h l 14, S. 49,3. Jak I i und in den Ignatius-Briefen steht statt dessen meist der griechische Wunsch χαίρειν. 'Ειρήνη hat in solchen Formeln nicht den speziellen Sinn von „Frieden", sondern von „Heil", dem alttestamentlichen DlVttf entsprechend. "Ελεος kann den Sinn von „Gnade" (Gottes) haben; s. ThW II, S. 480f. Es ist in solchen Wünschen kaum von χάρις und ειρήνη differenziert. Es fehlt in Joh und 1 Joh. und 3 Joh. Mit ειρήνη (das in l j o h fehlt) ist es auch Gal 6ie; J u d l 2 kombiniert, und alle drei Begriffe sind in den Grußwünschen 1 Tim 12; 2Tim 12 verbunden. 3 Statt παρά heißt es bei Paulus und in den Deuteropaulinen meist άπό. 4 So H a e n c h e n , ThR 26, 1960, S. 287. 6 S. zu 3 Joh 3, S. 97.

106

2 J o h 4.5

den Christenstand der Adressaten. Die Formulierung έχάρην λίαν begegnet nur hier und 3 Joh 3; bei Paulus heißt es meist ευχαριστώ oder εύχαριστοϋμεν τω θεω(μου)1, einmal εύλογητος ό -9-εός2. Klingt die Eingangsformel auch konventionell, so ist damit nicht gesagt, daß die Äußerung der Freude nicht echt gemeint sei 3 . Das ist hier um so weniger der Fall, als die Freude, die durch den δτι-Satz begründet wird, eigentümlich eingeschränkt ist durch das εΰρηκα έκ των τέκνων σου περιπατοϋντας κτλ. Es kann also nicht von allen Gemeindegliedern gesagt werden, daß sie ihren Wandel έν άληθεία führen 4 . Aber solche, die es tun, hat der Briefschreiber „gefunden" 6 . Wie das έν άληθεία zu verstehen ist, ist fraglich. Da der Art. fehlt, darf man schwerlich übersetzen: „in der Wahrheit", wobei άλ. die göttliche Wirklichkeit bzw. deren Offenbarung wäre wie in V. ib. 2, sondern muß wie wohl in V. ia verstehen im Sinn von άληδώς = „wirklich", „in echter Weise", was dann durch das folgende καθώς κτλ. („dem entsprechend wie") expliziert wird®. Die έντολή, die „wir empfangen haben", ist, wie gleich V. 5 zeigt, das Liebesgebot wie lJoh27fl. 7 . Daß wir sie empfangen haben παρά τοϋ πατρός, ist ohne weiteres verständlich, da Vater und Sohn eine Einheit bilden (V. 3; 1 J o h 13 usw.), und ist nur insofern auffällig, als man die Nennung Jesu Christi bzw. etwa ein καί τοϋ υίοϋ αύτοϋ vermissen kann, wie denn der υιός in 2 Joh und 3 Joh nicht ausdrücklich genannt wird. Da die έντολή nach V. 5f. das Liebesgebot ist, ist V. 4 die Überleitung zu V. 5f., aber zugleich läßt sich aus der Einschränkung des Ausdrucks der Freude erkennen, daß diejenigen τέκνα, die nicht als έν άληθεία περιπατοϋντες anerkannt werden, die gnostisierenden Irrlehrer sind, gegen die sich V. 7ft. wenden. Denn daß die Irrlehre und die Mißachtung des Liebesgebots zusammengehören, wußte der Verfasser aus l j o h 8 . Und so bereitet die Mahnung zur Liebe V. 4-6 auch die Polemik gegen die Irrlehrer V. 7-11 vor. Die Charakteristik des Liebesgebots in V.5 als eines Gebots, das die Gemeinde schon άπ' άρχής empfangen hat, ist eine Imitation von 1 Joh 2i, So Rom 1 β; I K o r I4; Phil 13; l T h e s s l 2 . Ebenfalls 2Thess l a ; K 0 I I 3 . So 2 K o r I3; ebenfalls E p h l e ; 1 P e t r i 3. — Andere Wendungen der Captatio in den meisten Briefen des Ignatius, Polyk. συνεχάρην ύμϊν. 3 So wenig wie in modernen Briefen etwa „herzliche Grüße" u. dergl. 4 περιπατεΐν im übertragenen Sinn ist geläufig; vgl. 1 J o h 16f.; 2β. n usw.; περιπατ. έν άληθείο: auch 3 J o h 3. s Ob das εΰρηκα auf eine persönliche Begegnung Bezug nimmt, sei es bei einem Besuch des Verfassers in der Gemeinde, sei es umgekehrt, läßt sich nicht sicher sagen. Möglich, daß es bedeutet „ich habe euch als solche erfunden" (Sehn.). 8 Sehn, verweist auf alttestamentliche Wendungen, in denen das έν άλ. der L X X bedeutet „in Treue". Ebenso verweist er darauf, daß sich vergleichbare Wendungen in den Qumran-Texten finden. 7 In der έντολή als dem Liebesgebot sind die έντολαί (V.e) zusammengefaßt. Dieser Wechsel von Plur. und Sing, auch 1 J o h 23ff., s. S. 32f. 8 S. S. 30 ff. 1

2

2 Joh 6.8a. 7-11

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nur daß die paradoxe Aussage von 1 Joh 2 β fehlt, daß es gleichwohl ein neues Gebot sei. Daß das Liebesgebot nicht wie 1 Joh 2io als άγαπαν τόν άδελφόν bezeichnet wird, sondern als άγ. άλλήλους (wie auch 1 Joh 3 n. 23; 47. in.), bedeutet natürlich keinen sachlichen Unterschied. Merkwürdig umständlich und unnötig ist i n V . 6 a zunächst die Definition der άγάπη durch den 'ίνα-Satz, in dem sie als ein περιπατεΐν κατά τάς έντολάς αύτοϋ beschrieben wird, was an 1 Joh 23t. erinnert, wo es freilich nicht περιπατ ε ί κατά τ. έντ. heißt, sondern τηρεΐν τάς έντ. Überflüssig ist auch V . 6 b , wo die εντολή wieder wie in V. 5 als eine solche charakterisiert wird, die die Leser schon άπ' άρχής vernommen haben 1 , und vollends der den Vers abschließende ίνα-Satz. Ob in diesem das έν αύτη auf die έντολή oder auf die αγάπη bezogen ist, ist unsicher, bleibt sich aber gleich.

2. Joh 7-11: Warnung vor den Irrlehrern Durch V.5f. sind die Leser auf die Warnung vor den Irrlehrern vorbereitet. Die Warnung ist sachlich die gleiche wie in lJoh2ie-27; 41-6 und ist in V. 7-9 in der Formulierung von diesen Abschnitten offenbar abhängig. Einzelne Variationen können nur den sekundären Charakter gegenüber 1 Joh beweisen. Die Irrlehrer werden V.7 als πλάνοι bezeichnet 2 , wie 1 Joh 2 26 als πλανώντες. Daß deren viele „in die Welt ausgegangen" sind, entspricht der Aussage 1 Joh 4i, jedoch mit einer unterschiedlichen Formulierung: statt έξεληλύ&ασιν εις τον κόσμον ( l J o h 4 i ) heißt es jetzt: έξήλ&ον εις τον κόσμον 3 . Woher sie gekommen sind, braucht natürlich nicht gefragt zu werden; wenn überhaupt nach dem Woher gefragt wird, so kann die Antwort nur lauten: vom Antichrist. Der κόσμος, in den sie gekommen sind, ist wie 4 i die Welt im Sinne der allerweltlichen Öffentlichkeit, in der sie eben als Verführer wirken 4 . Die Lehre der πλάνοι wird durch das οί μή ό μ ο λ ο γ ο ΰ ν τ ε ς κ τ λ . sachlich wie 1 Joh 42 gekennzeichnet, in der Formulierung abweichend, indem es statt έληλυθ-ότα jetzt heißt έρχόμενον. Natürlich kann damit nicht das Kommen Jesu Christi in seiner künftigen Parusie gemeint sein, das ja nicht ein Kommen έν σαρκί, sondern έν δόξη sein wird (vgl. Hebr 4i3 usw.). Vielmehr ist das präsent, έρχ. zeitlose Charakteristik Jesu (als des von Gott in die Welt Gesandten) wie Joh 3si; 6 u ; 1127. Sehr ungeschickt 1 Άπ'άρχής also wie 1 Joh 2 7.21; 311, also der innerzeitliche Anfang, in dem die christliche Botschaft verkündigt und geglaubt wurde (anders als 1 Joh I i ; 213; s. zu 1 Joh Ii S. 15,1). — Das von manchen LA vertretene ίνα vor καθώς dürfte sekundär sein, dagegen ist das ίνα am Schluß von V.e ursprünglich. 2 πλάνος kann als Adj. (wie l T i m 4 i ) und auch als Subst. (wie 2Kor 6a; Mt 27>3) gebraucht werden; vgl. Bauer, Wörterb., u. Braun, ThWVI, 235,9-15. 3 Die Variante είσηλθον ist sekundär. 4 κόσμος hat hier also nicht den Sinn „diese Welt" wie lJoh2i5ft.

108

2 Joh?. β

wird nun das Motiv von l J o h 2 i e ; 43, wo das Auftreten der Irrlehrer historisierend als das Kommen des Antichrists gedeutet wird 1 , verwendet, wenn es singularisch heißt: οΰτός έστιν ό πλάνος και ό άντίχρ ιστός. Das ούτος kann nur meinen: ό μή όμολογών. Οδτος ist wohl als Prädikat zu verstehen, ό πλάν. και ό άντίχρ. sind die Subjekte 2 . Die aus V. 7 folgende Mahnung wird V. 8 eingeführt durch die häufige Formel βλέπετε „hütet euch!", „nehmt euch in acht!" 3 , mit folgendem ινα μή4. Die Leser werden gemahnt: ίνα μή άπολέσητε ά ε ί ρ γ ά σ α σ θ ε : sie sollen nicht das preisgeben, was sie erarbeitet haben 5 . Die Fortsetzung άλλα μισθον πλήρη άπολάβητε überrascht, weil sie eine typisch jüdische Wendung ist 6 , die sich weder in l j o h noch in Joh findet7. Daß der μισθός die ζωή αιώνιος ist (1 Joh 225 usw.), ist nicht zweifelhaft. V. 9 zeigt die Bedeutung des rechten Bekenntnisses in zwei antithetisch parallelen Sätzen in offenbarer Imitation von l J o h 2 23r. Negativ heißt es zunächst: Πας ό προάγων καί μή μένων κτλ. Der der Irrlehre Folgende wird als der Weitergehende bezeichnet8, der also, wie das μή μένων zeigt, über die legitime Lehre hinausgehen will, was natürlich von denjenigen gesagt wird, die als Gnostiker oder gnostisierende Christen nach höherer Erkenntnis streben oder sie erreicht zu haben meinen. Gesagt ist das nicht von einem πλάνος selbst, sondern von all denen, die sich verführen lassen, wie das πας (ebenso wie 1 Joh 223) zeigt. Das μένειν, von der Person aus gesagt, bezeichnet die Treue 9 . Daß die Treue darin besteht, in der διδαχή τοϋ Χ ρ ιστοϋ zu bleiben, ist ein Unterschied von 1 Joh, in dem der Begriff διδαχή nicht begegnet; wohl aber findet er sich Joh 7i6f.; I81910. Schweben diese Stellen vor, so wäre τοϋ Xp. als Gen. subj. zu verstehen; wahrscheinlicher ist jedoch, daß τοϋ Xp. der Gen. obj. ist, da dem Verfasser alles an der Christologie, d. h. der Lehre über Christus, liegt, wie ja V. 7 zeigte. S. zu 1 Joh 2is S. 40 f. Auch das Umgekehrte ist möglich; s. Sehn., S. 313. 3 Hier wie Mk 13» mit εαυτούς. Die Formel findet sich weder in 1 Joh noch in Joh. 4 βλέπετε μή mit folgendem Konj. häufig (Mk 13s; M t 2 4 i und sonst). 5 Die gut bezeugte LA είργάσασθε ist der freilich auch gut bezeugten LA ήργασάμεθα vorzuziehen. Sie paßt allein in den Zusammenhang (so auch Sehn.), während das ήργασάμεθα besagen würde, daß sich der Verfasser als der Missionar der angeredeten Gemeinde bezeugen würde. Dann aber wäre zu erwarten, daß er die Leser als seine Kinder anredet (so mit Recht H a e n c h e n , ThR 26, 1960, S. 285). Dagegen ist die schlecht bezeugte LA άπολάβωμεν sekundär. Zu ihr stimmt auch der folgende άλλά-Satz nicht. 6 S. Sehn., S. 314,2. — Die LA άπολάβωμεν ist wie das άπωλέσωμεν nur gering bezeugt und sicher nicht ursprünglich. 7 Im Bilde freilich Joh 4 36. Sachlich verwandt ist Apk 311: κράτει δ εχεις, ίνα μηδείς λάβη τόν στεφανόν σου. 8 Προάγειν im bildlichen Sinne nur hier im NT. » S. zu 1 Joh 2e S. 32. 10 Über die Verwandtschaft von διδαχή und άλήθεια s. S. 104,4. Die Formulierung erinnert an 1 Joh 2 27 wo von dem διδάσκειν des χρίσμα die Rede ist, und wo auch das μένειν Iv (nämlich in dem, was das χρίσμα gelehrt hat) sich findet. 1

2

2 J o h e.iof.; 12.13

109

Das Urteil über die Anhänger der Irrlehre wird gefällt durch -9-εόν ουκ έχει, wie es 1 Joh 223 vom άρνούμενος τον υίόν heißt: ούδέ τον πατέρα εχει1. Das heißt: er steht außerhalb der Gemeinschaft mit Gott. Die positive Seite der Antithese lautet: ό μένων έν τη διδαχή, οδτος κ α ι τον πατέρα και τον υίόν εχει, was wiederum lJoh224 entspricht, aus dem auch wie im negativen Satz der Begriff des μένειν έν, d. h. der Treue, stammt; nur daß jetzt das τ. πατέρα dem τ. υίόν vorausgeht. Wie immer in 1 Joh u. Joh gehören Vater und Sohn zu einer Einheit zusammen (vgl. z.B. lJoh223f.; 5ior.). Das einzig Originelle der Warnung vor den Irrlehrern ist die Mahnung zum praktischen Verhalten ihnen gegenüber V.lOf.: jegliche Gemeinschaft mit ihnen muß abgebrochen werden. Also auch die sonst im alten Christentum als Forderung geltende Gastfreundschaft2 soll dem wandernden Irrlehrer (ε'ί τις έ'ρχεται προς ύμας κτλ.) nicht gewährt werden (μή λαμβάνετε αύτόν εις οίκίαν); ja der übliche Gruß soll ihm nicht geboten werden (και χαίρειν αύτω μή λέγετε 3 . Da der Gruß die Gemeinschaft zwischen Grüßenden und Gegrüßten bezeugt oder stiftet, wird das Gebot der Gruß Verweigerung noch besonders begründet: der Grüßende κοινωνεί τοις έργοις αύτοΰ τοις πονηροΐς4. Ob der Verfasser unter den „bösen Werken" speziell die Propaganda der Irrlehre verstanden hat, oder ob auch ihr sittliches Verhalten einbegriffen ist, kann dahingestellt bleiben. Da Irrlehre und Mißachtung des Liebesgebots zusammengehören5, ist doch wohl das Letztere gemeint 6 . V. 12-13: Schluß des Schreibens Der Schluß des Schreibens ist fast wörtlich der gleiche wie der Schluß von 3 Joh, so daß man sich des Verdachts nicht erwehren kann, daß er eine Nachahmung ist. Wenn es statt πολλά ειχον γράψαι σοι jetzt heißt: 1

Z u m εχειν τ . θεόν s. zu 1 J o h 2 23, S. 4 5 , 2 .

V g l . z . B . R o m 1 2 i 3 ; H e b r 1 3 2 ; l P e t r 4 s > . W e i t e r e s bei Sehn., S. 3 1 6 , 2 . 3 χαίρειν die übliche griechische G r u ß f o r m e l (s. Bauer, W ö r t e r b . s . v . χαίρειν 2) im N T auch A c t 1523; 2 3 2 e ; J a k I i . 4 κοινωνεΐν = „ A n t e i l g e b e n o d e r A n t e i l h a b e n an" w i r d i m N T meist m i t D a t . k o n s t r u i e r t (wie o f t auch s o n s t ; s. Bauer, W ö r t e r b . , z . B . R o m 1 5 27; G a l 6 e ; Phil 4 1 5 ; 1 T i m 5 22.Vgl. b e s . d i e sachliche V e r w a n d t s c h a f t v o n 2 J o h 1 1 m i t l T i m 5 22: μηδέ κοινώνει ά μ α ρ τ ί α ι ς άλλοτρίαις. 2

5

S. ο . zu V.M. u n d zu l J o h 2 9 - i i S. 3 4 f . ; zu 3iof. S. 5 8 f . ; zu 4 ? S. 7 0 .

E s liegt nahe, auf M t IO14 b z w . L k lOiof. hinzuweisen, w o J e s u s d e n A b b r u c h der G e m e i n s c h a f t m i t denen, die seine B o t e n nicht a u f n e h m e n u n d auf i h r e W o r t e nicht h ö r e n , f o r d e r t . A b e r die Situation ist v e r s c h i e d e n ; d e n n in 2 J o h handelt es sich u m Irrlehrer, m i t denen die christliche G e m e i n d e keine G e m e i n s c h a f t halten soll, die sich selbst aber als Christen ausgeben. 6

110

2Johl2.13

π ο λ λ ά £χων ύ μ ΐ ν γ ρ ά φ ε ι ν 1 , so ist das nur eine Variation des Ausdrucks. D a das Schreiben nicht wie 3 J o h an eine Einzelperson, sondern an eine Gemeinde gerichtet ist, mußte natürlich ύ μ ΐ ν statt σοι gesagt werden. A u c h das ο ύ κ έ β ο υ λ ή & η ν κ τ λ . statt des άλλ' ού θέλω ist nur eine sachliche, das gleiche aussagende Variation, ebenso das ά λ λ α έ λ π ί ζ ω κ τ λ . , nur daß das ά λ λ ά έ λ π ί ζ ω γ ε ν έ σ θ α ι π ρ ο ς ύ μ α ς statt des έλπίζω δέ εύθέως σε ΐδεΐν eine variierende Formulierung ist, in der das σε natürlich durch das προς ύμας ersetzt werden mußte 2 . Erweitert ist der Satz durch das hinzugefügte Εν α ή χ α ρ ά ή μ ώ ν π ε π λ η ρ ω μ έ ν η f) •— wörtlich übereinstimmend mit 1 J o h I4, also offenbar auch eine Nachahmung 3 . D e n Abschluß bildet V . 13 der Schlußgruß wie 3 J o h 15. In seiner F o r mulierung nimmt der Verfasser den Wunsch v o n ειρήνη aus V . 3 wieder auf, und v o r allem greift er auf die Anrede v o n V . 1 zurück, indem als Subjekt des άσπάζεται jetzt die τέκνα, also die Glieder der Gemeinde, v o n der aus er schreibt, genannt werden. Die Gemeinde wird dabei wie in V . i als εκλεκτή charakterisiert, wobei έκλ. wieder adjektivisch gebraucht ist 4 . D i e Verbundenheit der Gemeinden kommt dadurch zum Ausdruck, daß die angeredete Gemeinde als die αδελφή der schreibenden bezeichnet w i r d 5 . 1 Daß einige Zeugen statt έχων εχω schreiben, kann ein Hör- oder Schreibfehler sein. Das γράψαι einiger Zeugen statt γράφειν ist vielleicht Angleichung an den Aor. έβουλήθην (Sehn.). 2 Statt γενέσθαι lesen einige Zeugen έλθεΐν, was das gleiche besagt, da γενέσθαι oft im Sinn von „kommen" gebraucht wird; s. Bauer, Wörterb. s.v. γίνομαι 4c. 3 Statt ήμών schreiben einige Zeugen ύμών, wohl unter dem Einfluß von ύμΐν und ύμας im vorausgehenden Satz. i Das in einigen Zeugen zu της έκλεκτης hinzugefügte έκκλησίας ist eine begreifliche Ergänzung. Das in einer Handschrift hinzugefügte της έν Έφέσω beruht natürlich nur auf einer Konjektur, die Ephesus als die Heimatgemeinde des Verfassers ansieht. 5 In einigen späten Handschriften ist noch nach Analogie paulinischer Briefe hinzugefügt ή χάρις μετά σου (bzw. μεθ' ύμών). Auch das abschließende άμήν findet sich gelegentlich.

Kcgtftec Vorbemerkung: D a die gleichen Wörter und Begriffe vielfach wiederkehren, brauchen nicht sämtliche Stellen verzeichnet zu werden, sondern es genügen die Hauptstellen. Im übrigen können die Wörter und Begriffe ja in der Besprechung der Textstellen gefunden werden. 1. G r i e c h i s c h e W ö r t e r άγαπδίν, άγάπη 34f. 39. 59ff. 70ff. 76—81. 96.105 άγαπητός 32. 53 αγγελία 13.15 άδελφός 3 4 . 3 5 , 1 . 59 f. 80 αίμα 27. 82f. αίτημα 88 άκούειν άπό 21,2 άκούειν παρά 21,2 άλήθεια 25. 27. 29. 31. 61, 7. 96f. 101. 104. 106 αληθινός 92 f. άμαρτάνειν, αμαρτία 27—29. 37. 54 ff. 89 ff. 104 f. ανομία 54f. άντίχριστός 40f. 68.108. άπαγγέλλειν 1 3 . 1 5 . 1 7 άρχή 13.15. 33.45. 5 7 , 3 . 1 0 6 f . άφιέναι 37 γενναν έκ τ. θεοϋ 49ff. 57. 71. 91 γινώσκειν 30f. 52f. 65. 67. 92.104 γνώσις 42 γράφειν 36.46,3. 87. 99.109f. διάβολος 57 διδαχή 108 f. δικαιοσύνη 49. 50,2 είδέναι 18. 42. 60. 88 ε'ίδωλον 93 είναι έκ 40—42 είναι έν 19,3.26,3.32.65. ειρήνη 101,4. i05. 110 έκεϊνος 54 έκκλησία 99. 103,4. 104 έκλεκτός 103.110 έλπίς 54 έμπροσθεν 62,2 έντολή 30f. 33. 59. 63f. 81.106f. έπαγγελία 46

έπιδέχεσθαι 99 επιθυμία 39 f. έπίσκοπος 99 έργον 61 έρχεσθαι είς τ. κόσμον 107 εύοδοϋσδαι 96 ζωή 14. 2 0 . 4 5 f. 60,4. 86 θάνατος 60. 90 θεασθαι 75 θεός 63 Ίησοϋς Χριστός 19 ίλασμός 29. 30,1 καθαρίζειν 28,4 κοινωνία 18f. 26. 30 κόσμος 30. 38.40. 52. 60. 68f. 81.91 f. 107 κυρία 103f. λόγος 29,1. 31. 37 μαρτυρεΐν, μαρτυρία 13.15. 75f. 83ff. 97f. μένειν έν 19,3. 32,3. 37,9. 45. 48,3. 49,1. 104 μονογενής 72 νεανίσκος 37 νικδν 81 νϋν 48,3 όμολογεϊν 2 7 , 5 . 4 5 . 4 7 . 67.107 δνομα τ. υί. Ί . Χρ. 64 όφείλειν 32 παιδίον 17 παλιγγενεσία 50,3 παράκλητος 29 παρρησία 47. 49,1. 63f. 76ff. 87f. παρουσία 49,1. 77 πατήρ 14.39.45. 52,2.106,109 περιπατεϊν 26. 97.106 πιστεύειν 64. 80. 83. 85 πίστις 81 f. πιστός 28,5 πλαναν 56. 59.107ff.

112

Register

πλάνη 69 πλάνος 107,2.108 πληρούν 20,3 πλησίον 35,1 πνεϋμα 65 f. 69. 74 f. 82 85 πονερός 37.91 πρεσβύτερος 95—99.103 σκότος (σκοτία) 22. 25. 33 σπέρμα 57 f. σωτήρ 75 τεκνία 17. 29. 36 τέκνα 106 τέκνα τ. &εοϋ 52. 59 τελειοϋν 20,3. 31. 76. 78 τηρεΐν τ. έντολάς 30 f. 44. 56

ΰδωρ 82 υιός 19. 86.109 υίδς τ. θεοϋ 19,2. 43 φανεροϋν 14,1 φιλοπρωτεύειν 99 φόρος 77 f. φως 21 f. 25. 33 χαίρειν 97. 105 f. χαρά 20. 97. 110 χρίσμα 42 f. 47. 82f. ψεύδεσθαι, ψεύστης, ψεύδος 24f. 43. 79 ψευδοπροφήτης 66 f. ψηλαφδν 15 ώρα 40,6.41,3

2. L i t e r a r i s c h e u n d h i s t o r i s c h - k r i t i s c h e F r a g e n 1 Joh: 9ff. 13ff. 23f. 35f. 40. 47f. 49. 62 f. 74. 77—79. 83 f. 87 f. Kirchl. Redaktion: 28. 38. 49. 55. 73. 84. 93 f. Quelle: 23,3.26. 34,2. 36.44. 48,1 Vorlage: 54. 57 (joh.) Schule: 48,2.49 3 Joh: 96,2.103,1.2 Präskript: 95f. Demetrius: 100 f. Diotrephes: 98 ff. Presbyter Johannes: 96,2.103,1 2 Joh: 103,2 Präskript: 103 ff. Ephesus 110,4 Stilistisches: Briefstil 97 Demonstrativum mit folg. Explikation 19,4. 21,1.30,3. 76,3. 87

Demonstrativum (vorausweisend) 21,1. 86,1 Explikation bei Finalsätzen 87 Explikation durch οτι 61. 74. 86 f. Ellipse 42,1 Epexegese nach Demonstrativum 21,1. 64,3 (antithetische) Gliederung 36 Gnome 57. 80 f. (antithetischer) Parallelismus 81,1. 86. 101 Parenthese 104 Plural („Wir") 17f. Prädikationssatz 82,1 Reziprokverhältnis 19 Rezitation (bei οτι) 43,1 Stil (prophetischer Offenbarung) 17

3. B i b l i s c h - t h e o l o g i s c h e T h e m e n Aion 33,8 Apokalyptik 40 Antichrist 40 f. 108 Bekenntnis 74ff. 82—85 Bruderliebe 31.47. 58f. 69ff. 78—80 Brüder (wandernde) 96 ff. Christologie 13ff. 19. 27. 29f. 41. 43ff. 61. 67. 72. 82f. 86.107 Dualismus 22,3. 23,1. 34f. 37. 38,5. 44. 50,3.60.86

Eschatologie (s. auch Parusie) 16. 20. 33. 45 f. 50 f. 53 Ethik (s. auch Paränese) 19,3. 33. 35,1. 39,4. 47. 54. 57. 59 Gastfreundschaft 100 Gebet 87 f. Gebot, Gebote (s. auch unter Ethik u. Paränese) 17.20. 30. 33. 56. 59. 63. 78ff.106f. Geist 65 f. 84

113

Register Gemeinde 68. 86.104 Glaube (s. auch unter Bekenntnis) 64f. 74 ff. 80. 82—87 Gott 21.28. 39. 68.71.73f.79 Gotteserkenntnis 30 f. 43 Gottesgemeinschaft 19,3.21 Gotteskindschaft 46—48. 50. 52. 66. 80 Gottesliebe 76—79 Gottesschau 79 Gottesverhältnis 19. 73 Gotteszeugung 57 f. 80 Herrenmahl 83 f. Homilie 35 Immanenzformeln 32,3

Paradoxie 33. 56. 58. 81 Paränese 35.38. 54. 56. 59 Parusie 49. 63 Sakrament 82 ff. Satan 91 Sünde 27 f. 56 ff. Sündenbekenntnis 28 f. 36,1. 89 Sündlosigkeit 28 Taufe 83 f. Terminologie (kultisch) 28. 54,1 Teufel 25. 38. 91 Tod 90 Tradition 10.17 f. 53.105 Verkündigung 18. 21

4. R e l i g i o n s g e s c h i c h t l i c h e Act Thom 31,4. 38,2 Apk Bar 54,5 Doketismus 44,1 Ekstase 30. 79 Frühkatholizismus 10 Gnosis 17. 19,3. 22f. 28. 30. 35,1. 38,5. 39,4.44.46.50ff. 57,4. 61,5.73.106 Hermetik 15,3.18,4. 26,3. 51f. 57,4 Ignatius von Antiochien 44,1

Beziehungen

Irenaeus 16 Irrlehre 18. 23. 27. 29. 33. 34,1. 40ff. 44. 55 f. 66—71.93 f. 99.106—109 Mandäer 22,3. 31,4. 38,5 Mystik 19,3 Qumranschrifttum 22,3. 25,2.4. 6. 34,3.4. 39,4. 55,3.69,5.81,5.89,3.5 Stoa 19,3

(Ergänzungen Zu Zu Zu Zu Zu

S. 96,3 cf. R . W . F u n k , s. Lit. S 7, 424—430 S. 96,4 cf. F u n k a.a.O. 425 S. 97,1 cf. F u n k a.a.O. 425ff. S. 97,5 cf. F u n k a.a.O. 427f. S. 106 ließ 30. Zeile von oben: Die Charakteristik des Liebesgebots in V.5 9 ) als eines Gebots, das die und füge als Anm. 9 hinzu: Zu έρωτώ σε V.5 cf. F u n k a.a.O. 426f.

RUDOLF B U L T M A N N

Die Geschichte der synoptischen Tradition (Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments, Band 12 [29]) 7. Auflage 1967. 416 Seiten, Leinen 25,— DM. Ergänzungsheft einzeln: kart. 4,80 D M „Dieses Buch ist seit seinem ersten Erscheinen (1921) das unentbehrliche Handbuch der Synoptiker-Analyse, damit eine Grundlage der Erforschung der Quellen über das Leben Jesu, gleich ausgezeichnet durch die Vollständigkeit im Stofflichen, die Schärfe der Beobachtung, die geschichtliche Betrachtungsweise." H. Con^elmann in Theol. Literatur^eitung

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I:

„Käsemann setzte sich nicht wie einst Bultmann nach 1918 mit einem neuen systematischen Gesamtentwurf von seinen Lehrern ab, sondern trieb durch exegetische Kleinarbeit und historische Hypothesen einzelne Probleme so weit voran, daß er den Rahmen, von dem er ausging, nämlich die theologisch-religionsgeschichtliche Konzeption Bultmanns, immer wieder durchstieß . . . Hier wird historisch-theologische Forschung am NT betrieben, stets im Blick auf die eigene kirchliche Existenz, als kritische Funktion der Theologie an der Kirche, noch mehr (wie die angefügten fünfzehn Predigtmeditationen unmittelbar bekunden) als Vorbereitung der Predigt." Theologische Literatur^eitmg Aus einer Rezension χμ Band

II:

„Die sieben Beiträge des zweiten Bandes haben ihren Schwerpunkt in der paulinischen Theologie, behandeln aber darüber hinaus auch die weite neutestamentliche Verkündigung, wie deren aktuelle und kirchliche Bedeutung. Die Überlegungen schlagen sehr oft eigene Wege ein, wie Käsemann einmal sagt: ,Sie sind sehr offen, sehr aggressiv, und wie ich hoffe im apostolischen Sinn sehr erbaulich.' Die Ausführungen stehen oft in heftiger Diskussion mit derzeitiger Exegese, insbesondere R. Bultmann, O. Cullmann, E. Fuchs, J . Jeremias, H. Schlier und A. Schweitzer." Tübinger Theol.Quartalschrift

VANDENHOECK

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Kritisch-exegetischer Kommentar über das Neue Testament Begründet von Heinrich August Wilhelm Meyer Sonderband: Das Evangelium des Matthäus Nachgelassene Entwürfe zur Übersetzung und Erklärung von Ernst Lohmeyer. Aus dem Nachlaß erarbeitet und herausgegeben von Werner Schmauch. 4. Auflage 1967. 441 Seiten, Leinen 22,— D M

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IX,2: Die Briefe an die Kolosser und an Philemon Übersetzt und erklärt von Eduard Lohse. 14. Auflage (1. Auflage dieser neuen Auslegung) 1968. Etwa 300 Seiten, Leinen etwa 19,80 DM

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XIV: Die drei Johannesbriefe Übersetzt und erklärt von Rudolf Bultmann (vorliegender Band)

XV: Der Brief des Jakobus Übersetzt und erklärt von Martin Dibelius. Mit Ergänzungen herausgegeben von H. Greeven. 11., durchges. Auflage 1964. 310 Seiten, Leinen 19,80 DM Im Laufe der nächsten Jahre sollen erscheinen: 1,1 Matthäus (K. Stendahl), 1,3 Lukas (J. Jeremias), VI 2. Korintherbrief (E. Dinkier), VIII Epheserbrief (Ν. A. Dahl), X Die Thessalonicherbriefe (W. Marxsen), XI Timotheus und Titus (W. Nauck), XII Briefe Petri und Judae (L. Goppelt), XVI Offenbarung Johannis (K. G. Kuhn). Bei S u b s k r i p t i o n auf das G e s a m t w e r k 10% N a c h l a ß A u s f ü h r l i c h e r S o n d e r p r o s p e k t auf W u n s c h VANDENHOECK

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