Die Bildung von religiöser Autorität in der Frühzeit des Islam am Beispiel von Sufyān aṯ-Ṯawrī und Sufyān bin ʿUyayna: Kriterien der Autoritätswerdung 3631771290, 9783631771297

Im Zentrum des Bandes steht die Frage nach den Entstehungskriterien religiöser Autorität in der Frühzeit des Islam. Es g

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Table of contents :
Die Bildung von religiöser Autorität in der Frühzeit des Islam am Beispiel von Sufyān aṯ-Ṯawrī und Sufyān bin ʿUyayna: Kriterien der Autoritätswerdung
Inhalt
Vorwort
Einleitung
Forschungsstand
Aufbau und Quellengrundlage dieser Arbeit
Formalia
Abkürzungen
1 Die politischen, sozialen und wissenschaftlichen Verhältnisse im 2. Jahrhundert n. H.
1.1 Die Ära der Umayyaden (40–132/661–750)
1.1.1 Politische Lage
1.1.2 Soziale Gegebenheiten
1.1.3 Wissenschaftliche Situation
1.1.3.1 Sprache und Literatur
1.1.3.2 Koranrezitation und Koranexegese (Qirāʾa und Tafsīr)
1.1.3.3 Hadith
1.1.3.4 Islamische Rechtswissenschaft (Fiqh)
1.1.3.5 Kalām-Wissenschaft
1.1.3.6 Mystik (Taṣawwuf)
1.1.3.7 Islamische Geschichte
1.1.3.8 Andere Wissenschaften
1.2 Die Ära der Abbasiden (132–656/750–1258)
1.2.1 Politische Lage
1.2.2 Soziale Gegebenheiten
1.2.3 Wissenschaftliche Situation
1.2.3.1 Sprache und Literatur
1.2.3.2 Koranrezitation und Koranexegese (Qirāʾa und Tafsīr)
1.2.3.3 Hadith
1.2.3.4 Islamische Rechtswissenschaft (Fiqh)
1.2.3.5 Kalām-Wissenschaft
1.2.3.6 Mystik (Taṣawwuf)
1.2.3.7 Islamische Geschichte
1.2.3.8 Andere Wissenschaften
1.3 Berühmte Wissenschaftszentren in der islamischen Welt des 2. Jahrhunderts n. H.
2 Das Leben von Sufyān aṯ-Ṯawrīund Sufyān b. ʿUyayna
2.1 Das Leben von Sufyān aṯ-Ṯawrī (gest. 161/778)
2.1.1 Name, Kunya, Nisba und Laqab
2.1.2 Seine Geburt und seine Familie
2.1.3 Seine Heirat
2.1.4 Sein Lebensunterhalt
2.1.5 Seine Ausbildung
2.1.6 Seine Lehrer und Schüler
2.1.6.1 Lehrer
2.1.6.2 Allgemeine Beurteilung der Lehrer Sufyān aṯ-Ṯawrīs
2.1.6.3 Seine Schüler
2.1.6.4 Allgemeine Beurteilung der Schüler Sufyān aṯ-Ṯawrīs
2.1.7 Seine Persönlichkeit
2.1.8 Seine Charakterzüge (Aḫlāq)
2.1.8.1 Seine Gottesfurcht (Taqwā)
2.1.8.2 Seine Bescheidenheit
2.1.8.3 Umsetzung seines Wissens in die Tat
2.1.9 Sein Tod
2.1.10 Seine Werke
2.1.11 Seine Beziehung zu den politischen Kreisen jener Epoche
2.1.12 Sufyān aṯ-Ṯawrī als Gelehrter
2.1.12.1 Seine Stellung in den Koran-Wissenschaften
2.1.12.2 Sein Stellenwert in der Hadith-Wissenschaft
2.1.12.3 Sein Stellenwert in der Fiqh-Wissenschaft
2.1.12.4 Seine Stellung in der Kalām-Wissenschaft
2.1.13 Äußerungen und Meinungen anderer Gelehrter über ihn
2.1.14 Die Kritik an ihm
2.1.14.1 Der Schiismus-Vorwurf
2.1.14.2 Seine Erlaubnis, Nabīḏ zu trinken
2.1.14.3 Tadlīs
2.2 Das Leben von Sufyān b. ʿUyayna (gest. 198/813)
2.2.1 Name, Kunya, Nisba und Laqab
2.2.2 Seine Geburt und Familie
2.2.3 Seine Heirat
2.2.4 Sein Lebensunterhalt
2.2.5 Seine Ausbildung
2.2.6 Seine Lehrer und Schüler
2.2.6.1 Lehrer
2.2.6.2 Allgemeine Beurteilung der Lehrer von Sufyān b. ʿUyayna
2.2.6.3 Seine Schüler
2.2.6.4 Allgemeine Beurteilung der Schüler von Sufyān b. ʿUyayna
2.2.7 Seine Persönlichkeit
2.2.8 Seine Charakterzüge (Aḫlāq)
2.2.8.1 Seine Gottesfurcht (Taqwā)
2.2.8.2 Seine Bescheidenheit
2.2.8.3 Umsetzung seines Wissens in die Tat
2.2.9 Sein Tod
2.2.10 Seine Werke
2.2.11 Seine Beziehungen zu den Regierenden seiner Zeit
2.2.12 Sufyān b. ʿUyayna als Gelehrter
2.2.12.1 Seine Stellung in den Koran-Wissenschaften
2.2.12.2 Seine Stellung in der Hadith-Wissenschaft
2.2.12.3 Seine Stellung in der Fiqh-Wissenschaft
2.2.12.4 Seine Stellung in der Kalām-Wissenschaft
2.2.13 Äußerungen und Meinungen anderer Gelehrter über ihn
2.2.14 Die Kritik an ihm
2.2.14.1 Tadlīs
2.2.14.2 Der Schiismus-Vorwurf
2.2.14.3 Der Rassismus- bzw. Diskriminierungs-Vorwurf in Bezugauf die Mawālī
2.2.14.4 Die Gedächtnisschwäche in seinem letzten Lebensabschnitt
2.3 Das Verhältnis der beiden Autoritäten zueinander und ihre gegenseitigen Aussagen
2.4 Die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Autoritäten hinsichtlich ihrer bedeutsamsten Lehrer und Schüler
2.5 Die Dimensionen des ʿUlamāʾ-Siyāsa-Verhältnisses am Beispiel der beiden Autoritäten
3 Die Entstehung religiöser Autorität
3.1 Der Begriff der „religiösen Autorität“
3.1.1 Religion (Dīn)
3.1.2 Autorität
3.2 Die religiöse Autorität in den islamischen Hauptquellen
3.2.1 Die Autorität Allahs
3.2.2 Die Autorität des Propheten
3.2.3 Die Autorität der Staatsführer
3.2.4 Die Autorität der islamischen Gelehrten
3.3 Kriterien der Autoritätswerdung
3.3.1 Gelehrsamkeit
3.3.2 Starkes und zuverlässiges Gedächtnis
3.3.3 Beherrschung der arabischen Sprache
3.3.4 Balance zwischen der Objektivität und der Ehrerbietung (Adab) gegenüber den Wissenschaftlern
3.3.5 Religiosität und die Korrelation von Wissen und Praxis
3.3.6 Vortrefflicher Charakterzug
3.3.7 Akribie bei der Tradierung
3.3.8 Beurteilungen der anderen religiösen Autoritäten derselben Ära
3.3.9 Akribie bei der Selektierung der Schüler
3.3.10 Besitz eines tiefgründigen Wissens in derHadith-Überlieferung und der Fiqh-Wissenschaft
3.3.11 Zeitliche Nähe zum Propheten
3.3.12 Bekanntheit der Lehrer und ihrer Schüler und ihre Überlieferungen voneinander
3.3.13 Erleichterungen bei Rechtsurteilen unter Berücksichtigung der sozialen Realität
3.3.14 Empfindlichkeit bei allgemeinen Glaubensprinzipien des Islam und die Geisteshaltung gegen die Ahlu l-Bidʿa
3.3.15 Sinn für Humor
3.3.16 Bevorzugung der Beschäftigung mit dem ʿIlm gegenüber der Beschäftigung mit Nāfila-Anbetungen
3.3.17 Präferierung eines einfachen Lebens
3.3.18 Beziehungen zum Volk und Nützlichkeit für die Gesellschaft
3.3.19 Fleiß und Kontinuität bei wissenschaftlichen Tätigkeiten
4 Schlussfolgerungen
Literaturverzeichnis
Index
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Die Bildung von religiöser Autorität in der Frühzeit des Islam am Beispiel von Sufyān aṯ-Ṯawrī und Sufyān bin ʿUyayna: Kriterien der Autoritätswerdung
 3631771290, 9783631771297

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Reihe für Osnabrücker Islamstudien Band 32

Hüseyin Uçan

Die Bildung von religiöser Autorität in der Frühzeit des Islam am Beispiel von˛Sufya¯n at -Tawrı¯ und Sufya¯n bin Uyayna ¯ ¯ Kriterien der Autoritätswerdung

Die Bildung von religiöser Autorität in der Frühzeit des Islam am Beispiel von Sufyān aṯ-Ṯawrī und Sufyān bin ʿUyayna

Reihe für Osnabrücker Islamstudien Herausgegeben von Bülent Ucar und Rauf Ceylan

Band 32

Hüseyin Uçan

Die Bildung von religiöser Autorität in der Frühzeit des Islam am Beispiel von Sufyān aṯ-Ṯawrī und Sufyān bin ʿUyayna Kriterien der Autoritätswerdung

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der DeutschenNationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Zugl.: Osnabrück, Univ., Diss., 2017

D 700 ISSN 2190-3395 ISBN 978-3-631-77129-7 (Print) E-ISBN 978-3-631-77641-4 (E-PDF) E-ISBN 978-3-631-77642-1 (EPUB) E-ISBN 978-3-631-77643-8 (MOBI) DOI 10.3726/b15013 © Peter Lang GmbH Internationaler Verlag der Wissenschaften Berlin 2018 Alle Rechte vorbehalten. Peter Lang – Berlin ꞏ Bern ꞏ Bruxelles ꞏ New York ꞏ Oxford ꞏ Warszawa ꞏ Wien Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. www.peterlang.com

Inhalt Vorwort ...................................................................................................................  11 Einleitung ..............................................................................................................  13 Forschungsstand ..................................................................................................  15 Aufbau und Quellengrundlage dieser Arbeit ..................................................  23 Formalia ................................................................................................................  27 Abkürzungen .......................................................................................................  28

1 Die politischen, sozialen und wissenschaftlichen Verhältnisse im 2. Jahrhundert n. H. ...................................................  29 1.1 Die Ära der Umayyaden (40–132/661–750) ............................................  29 1.1.1 Politische Lage .....................................................................................  29 1.1.2 Soziale Gegebenheiten .......................................................................  39 1.1.3 Wissenschaftliche Situation ...............................................................  43 1.1.3.1 Sprache und Literatur .........................................................  46 1.1.3.2 Koranrezitation und Koranexegese (Qirāʾa und Tafsīr) ..............................................................  47 1.1.3.3 Hadith ...................................................................................  49 1.1.3.4 Islamische Rechtswissenschaft (Fiqh) ...............................  52 1.1.3.5 Kalām-­Wissenschaft ...........................................................  55 1.1.3.6 Mystik (Taṣawwuf) ..............................................................  57 1.1.3.7 Islamische Geschichte .........................................................  58 1.1.3.8 Andere Wissenschaften ......................................................  59 1.2 Die Ära der Abbasiden (132–656/750–12) ...............................................  60 1.2.1 Politische Lage .....................................................................................  61 1.2.2 Soziale Gegebenheiten .......................................................................  74 1.2.3 Wissenschaftliche Situation ...............................................................  76 1.2.3.1 Sprache und Literatur .........................................................  80 1.2.3.2 Koranrezitation und Koranexegese (Qirāʾa und Tafsīr) ..............................................................  81 1.2.3.3 Hadith ...................................................................................  82 1.2.3.4 Islamische Rechtswissenschaft (Fiqh) ...............................  83 1.2.3.5 Kalām-­Wissenschaft ...........................................................  85 5

1.2.3.6 Mystik (Taṣawwuf) ..............................................................  86 1.2.3.7 Islamische Geschichte .........................................................  87 1.2.3.8 Andere Wissenschaften ......................................................  88 1.3 Berühmte Wissenschaftszentren in der islamischen Welt des 2. Jahrhunderts n. H. ............................................................................  90

2 Das Leben von Sufyān aṯ-­Ṯawrī und Sufyān b. ʿUyayna ............  99 2.1 Das Leben von Sufyān aṯ-­Ṯawrī (gest. 161/778) ......................................  99 2.1.1 Name, Kunya, Nisba und Laqab .......................................................  99 2.1.2 Seine Geburt und seine Familie ......................................................  100 2.1.3 Seine Heirat .......................................................................................  102 2.1.4 Sein Lebensunterhalt ........................................................................  103 2.1.5 Seine Ausbildung ..............................................................................  107 2.1.6 Seine Lehrer und Schüler ................................................................  110 2.1.6.1 Lehrer ..................................................................................  110 2.1.6.2 Allgemeine Beurteilung der Lehrer Sufyān aṯ-­Ṯawrīs ..... 158 2.1.6.3 Seine Schüler ......................................................................  163 2.1.6.4 Allgemeine Beurteilung der Schüler Sufyān aṯ-­Ṯawrīs ................................................................  182 2.1.7 Seine Persönlichkeit .........................................................................  184 2.1.8 Seine Charakterzüge (Aḫlāq) ..........................................................  184 2.1.8.1 Seine Gottesfurcht (Taqwā) ..............................................  185 2.1.8.2 Seine Bescheidenheit ........................................................  186 2.1.8.3 Umsetzung seines Wissens in die Tat .............................  187 2.1.9 Sein Tod .............................................................................................  189 2.1.10 Seine Werke .......................................................................................  193 2.1.11 Seine Beziehung zu den politischen Kreisen jener Epoche ........  197 2.1.12 Sufyān aṯ-­Ṯawrī als Gelehrter .........................................................  204 2.1.12.1 Seine Stellung in den Koran-­Wissenschaften ................  204 2.1.12.2 Sein Stellenwert in der Hadith-­Wissenschaft ................  206 2.1.12.3 Sein Stellenwert in der Fiqh-­Wissenschaft .....................  212 2.1.12.4 Seine Stellung in der Kalām-­Wissenschaft .....................  218 2.1.13 Äußerungen und Meinungen anderer Gelehrter über ihn .........  223 2.1.14 Die Kritik an ihm ..............................................................................  227 2.1.14.1 Der Schiismus-­Vorwurf ....................................................  228 2.1.14.2 Seine Erlaubnis, Nabīḏ zu trinken ...................................  231 2.1.14.3 Tadlīs ...................................................................................  237 2.2 Das Leben von Sufyān b. ʿUyayna (gest. 198/813) ................................  243 2.2.1 Name, Kunya, Nisba und Laqab .....................................................  243 6

2.2.2 2.2.3 2.2.4 2.2.5 2.2.6

Seine Geburt und Familie ................................................................  243 Seine Heirat .......................................................................................  244 Sein Lebensunterhalt ........................................................................  246 Seine Ausbildung ..............................................................................  247 Seine Lehrer und Schüler ................................................................  253 2.2.6.1 Lehrer ..................................................................................  254 2.2.6.2 Allgemeine Beurteilung der Lehrer von Sufyān b. ʿUyayna ......................................................  264 2.2.6.3 Seine Schüler ......................................................................  269 2.2.6.4 Allgemeine Beurteilung der Schüler von Sufyān b. ʿUyayna ......................................................  284 2.2.7 Seine Persönlichkeit .........................................................................  288 2.2.8 Seine Charakterzüge (Aḫlāq) ..........................................................  288 2.2.8.1 Seine Gottesfurcht (Taqwā) ..............................................  291 2.2.8.2 Seine Bescheidenheit ........................................................  293 2.2.8.3 Umsetzung seines Wissens in die Tat .............................  294 2.2.9 Sein Tod .............................................................................................  297 2.2.10 Seine Werke .......................................................................................  298 2.2.11 Seine Beziehungen zu den Regierenden seiner Zeit ....................  302 2.2.12 Sufyān b. ʿUyayna als Gelehrter .....................................................  304 2.2.12.1 Seine Stellung in den Koran-­Wissenschaften ................  306 2.2.12.2 Seine Stellung in der Hadith-­Wissenschaft ....................  308 2.2.12.3 Seine Stellung in der Fiqh-­Wissenschaft ........................  311 2.2.12.4 Seine Stellung in der Kalām-­Wissenschaft .....................  313 2.2.13 Äußerungen und Meinungen anderer Gelehrter über ihn .........  316 2.2.14 Die Kritik an ihm ..............................................................................  321 2.2.14.1 Tadlīs ...................................................................................  321 2.2.14.2 Der Schiismus-­Vorwurf ....................................................  323 2.2.14.3 Der Rassismus- bzw. Diskriminierungs-­Vorwurf in Bezug auf die Mawālī ...................................................  326 2.2.14.4 Die Gedächtnisschwäche in seinem letzten Lebensabschnitt .................................................................  330 2.3 Das Verhältnis der beiden Autoritäten zueinander und ihre gegenseitigen Aussagen .............................................................  333 2.4 Die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Autoritäten hinsichtlich ihrer bedeutsamsten Lehrer und Schüler ..........................  336 2.5 Die Dimensionen des ʿUlamāʾ-Siyāsa-­Verhältnisses am Beispiel der beiden Autoritäten ..............................................................................  339 7

3 Die Entstehung religiöser Autorität ...................................................  345 3.1 Der Begriff der „religiösen Autorität“ .....................................................  345 3.1.1 Religion (Dīn) ...................................................................................  345 3.1.2 Autorität .............................................................................................  346 3.2 Die religiöse Autorität in den islamischen Hauptquellen .....................  348 3.2.1 Die Autorität Allahs .........................................................................  348 3.2.2 Die Autorität des Propheten ...........................................................  349 3.2.3 Die Autorität der Staatsführer ........................................................  350 3.2.4 Die Autorität der islamischen Gelehrten .......................................  353 3.3 Kriterien der Autoritätswerdung .............................................................  355 3.3.1 Gelehrsamkeit ...................................................................................  357 3.3.2 Starkes und zuverlässiges Gedächtnis ............................................  361 3.3.3 Beherrschung der arabischen Sprache ...........................................  364 3.3.4 Balance zwischen der Objektivität und der Ehrerbietung (Adab) gegenüber den Wissenschaftlern .......................................  365 3.3.5 Religiosität und die Korrelation von Wissen und Praxis ............  368 3.3.6 Vortrefflicher Charakterzug ............................................................  372 3.3.7 Akribie bei der Tradierung ..............................................................  373 3.3.8 Beurteilungen der anderen religiösen Autoritäten derselben Ära ....................................................................................  376 3.3.9 Akribie bei der Selektierung der Schüler ......................................  379 3.3.10 Besitz eines tiefgründigen Wissens in der Hadith-­Überlieferung und der Fiqh-­Wissenschaft ......................  380 3.3.11 Zeitliche Nähe zum Propheten .......................................................  383 3.3.12 Bekanntheit der Lehrer und ihrer Schüler und ihre Überlieferungen voneinander .........................................................  385 3.3.13 Erleichterungen bei Rechtsurteilen unter Berücksichtigung der sozialen Realität .........................................................................  388 3.3.14 Empfindlichkeit bei allgemeinen Glaubensprinzipien des Islam und die Geisteshaltung gegen die Ahlu l-­Bidʿa ...........  390 3.3.15 Sinn für Humor ................................................................................  393 3.3.16 Bevorzugung der Beschäftigung mit dem ʿIlm gegenüber der Beschäftigung mit Nāfila-­Anbetungen ...................................  395 3.3.17 Präferierung eines einfachen Lebens .............................................  397 3.3.18 Beziehungen zum Volk und Nützlichkeit für die Gesellschaft ...........................................................................  399 3.3.19 Fleiß und Kontinuität bei wissenschaftlichen Tätigkeiten ..........  401

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4 Schlussfolgerungen ....................................................................................  405 Literaturverzeichnis ........................................................................................  415 Index ......................................................................................................................  435

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Vorwort Der langwierige Prozess der Erstellung der hier vorliegenden Doktorarbeit begann im Sommersemester des Jahres 2010 an der Universität Bonn, am Institut für Orient- und Asienwissenschaften, Abteilung für Islamwissenschaft. Aufgrund meiner damaligen beruflichen Tätigkeiten bot sich mir zeitweise nicht die Möglichkeit, meiner Arbeit mit hoher Intensität nachzukommen. Trotzdem ließ ich keine vollkommene Vernachlässigung zu und sorgte stets für die Kontinuität meiner Forschung. Der Beginn meiner Tätigkeit als Lehrkraft am Institut für islamische Theologie (IIT) der Universität Osnabrück im Jahr 2013 ermöglichte mir auch, meiner Forschungsarbeit schneller und effektiver nachzugehen. So wechselte ich mit der Intention, meiner Forschung eine höhere Intensität zu verleihen, schließlich auch mit meiner Dissertation im Wintersemester 2015 an das IIT. Im Anschluss an diesem mühsamen Prozess absolvierte ich am 24.10.2017 erfolgreich meine Disputation. An dieser Stelle möchte ich meine Dankbarkeit allen Personen gegenüber zum Ausdruck bringen, deren Hilfe in dieser Arbeit liegt: Als Erstes gilt mein besonderer Dank meinem Erstbetreuer Prof. Dr. Bülent Uçar, auf dessen Anregung ich meine Doktorarbeit erst begann und der mich in allen Phasen dieser Arbeit unterstützte. Gleichzeitig danke ich besonders meinem Zweitbetreuer Prof. Dr. Stephan Conermann, der mich im Jahre 2010 als seinen Doktoranden annahm und durch seine Unterstützung und Kritik einen wichtigen Beitrag zu meiner Arbeit leistete. Darüber hinaus danke ich meinen Arbeitskolleginnen und -kollegen und den Lehrkräften des IIT für ihre wissenschaftlichen Hilfeleistungen. Ebenso gilt mein Dank meinen Schülern, denen ich ehrenamtlich in den islamischen Wissenschaften Kurse erteilte, und die mich im Laufe meiner Forschungen unterstützten. Ferner danke ich allen meinen Lehrpersonen, deren Namen ich hier nicht erwähnen konnte und deren Bemühungen meine wissenschaftlichen Entwicklung voranbrachten. Zu guter Letzt bedanke ich mich ganz besonders bei meiner geliebten Frau und meinen liebevollen Kindern dafür, dass sie stets geduldig an meiner Seite standen, obwohl ich sie aufgrund intensiver Forschungsarbeiten von Zeit zu Zeit vernachlässigte. Walḥamdu lillāhi Rabbi l-ʿĀlamīn. Köln, Dezember 2017 Hüseyin Uçan 11

Einleitung Die Religion ist eines der wichtigen Phänomene, welche einen Einfluss auf die Gesellschaft ausüben. Die Aufgabe, die grundsätzlichen Quellen einer Religion zu untersuchen, zu verstehen und der Gesellschaft die konkreten Schlussfolgerungen zu übermitteln, wurde im Laufe der Geschichte von Religionsexperten erfüllt. Aufgrund dessen werden die religiösen Autoritäten bezüglich der von der Religion angebotenen Lösungen für die individuellen und gesellschaftlichen Probleme als Referenz akzeptiert. Die Tatsache, dass die 1400-jährige islamische Tradition die Hauptader des islamischen Gedankensystems bildet und ihr Einfluss in ihrer Funktion als Quelle auf die nachfolgenden Zeiten groß ist, hielt die Frühzeiten des Islam immer im Fokus der wissenschaftlichen Studien. Die späteren wissenschaftlichen Forschungen unabhängig von den Frühzeiten zu bewerten, auch wenn jede Epoche ihre eigenen Besonderheiten hat, ist unmöglich. Wenn der Entwicklungsprozess der islamischen Wissenschaften untersucht wird, ist zu erkennen, dass die wissenschaftlichen Entwicklungen nicht in voneinander getrennten und unkundigen Regionen geschahen, sondern dass im Gegenteil eine deutliche Interdependenz zwischen ihnen bestand. Für die Wahl des 2. Jahrhunderts n. H. (8./9. Jahrhundert n. Chr.) und der Gelehrten Sufyān aṯ-­Ṯawrī (gest. 161/778) und Sufyān b. ʿUyayna (gest. 198/813) (Sufyānayn1) spielte die Tatsache eine Rolle, dass dieser Zeitraum eine wichtige Epoche ist, in der es sehr lebhafte wissenschaftliche Aktivitäten gab, sich die Grundlagen der islamischen Wissenschaften etablierten und sich viele religiöse Autoritäten, wie vor allem die Imame der islamischen Rechtsschulen, herausgebildet haben. In diesem Zeitabschnitt, welcher als Muǧtahidūn-­Epoche bezeichnet werden kann, lebten viele islamische Wissenschaftler, die die späteren Zeiten beeinflusst haben. Auch Sufyānayn sind zwei bedeutende Persönlichkeiten, die in diesem Zeitraum lebten, verschiedenen Wissenszentren angehörten und die späteren wissenschaftlichen Aktivitäten stark prägten. Das in dieser Dissertation am Beispiel der beiden genannten Persönlichkeiten behandelte Hauptthema ist die Feststellung der Kriterien der Autoritätswerdung der Gelehrten im 2. Jahrhundert n. H., also jener Kriterien, die ihnen die Berechtigung, im Namen des Islam zu sprechen, verliehen, sowie die Beurteilung ihrer gegenwärtigen Gültigkeit. Anders ausgedrückt ergeben sich folgende Fragen, die 1 Diese beiden Gelehrten werden gemeinsam auch als „Sufyānayn“ bezeichnet.

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den Rahmen dieser Arbeit bilden: Aus welchem Grund finden die Ansichten einiger Wissenschaftler in weiten Gesellschaftskreisen Akzeptanz und sie selbst als religiöse Autorität Anerkennung? Kann jeder, der im Namen der Religion spricht, eine religiöse Autorität werden? Was sind die Faktoren, welche einen Wissenschaftler zu einer religiösen Autorität machen? Die Kategorisierung der islamischen Wissenschaftler aus verschiedenen Perspektiven und die Bedeutung der ihnen verliehenen Titel wie Ḥuǧǧa, Imām, al-­Muǧtahidu l-­Muṭlaq oder Amīru l-­Muʾminīn fi l-­Ḥadīṯ stehen außerhalb des Rahmens dieser Arbeit. Auch wenn diejenigen, die solche Titel innehaben, zugleich als religiöse Autoritäten verschiedenen Grades angenommen werden, sind die von weiten Gesellschaftskreisen allgemein anerkannten Kriterien der religiösen Autoritätswerdung der Forschungsgegenstand dieser Dissertation. Bei der Feststellung dieser Kriterien wurden aus den bekannten islamischen Gelehrten des 2. Jahrhunderts n. H. Sufyān aṯ-­Ṯawrī und Sufyān b. ʿUyayna als Grundlage herangezogen. Auch wenn der Versuch, die erwähnten Kriterien lediglich anhand zweier Persönlichkeiten festzustellen, den Anschein erweckt, dass dabei individuelle Umstände als verallgemeinerte Prinzipien formuliert werden, trifft dies doch nicht zu, da bei der Feststellung der Kriterien der Autoritätswerdung nicht nur das Leben und Wirken dieser beiden Persönlichkeiten, sondern auch das ihrer Lehrer und Schüler betrachtet wurden. So werden 34 wichtige Lehrer und 15 Schüler Sufyān aṯ-­Ṯawrīs sowie 66 wichtige Lehrer und 62 Schüler Sufyān b. ʿUyaynas indirekt und allgemein eruiert. In diesem Fall beträgt die Gesamtzahl der auf direkte oder indirekte Weise herangezogenen Wissenschaftler 179, die ihrerseits verschiedenen Wissenszentren der betrachteten Epoche angehörten. In den späteren Forschungsphasen zu dieser Arbeit wurde der Autor mit der Herausforderung konfrontiert, für jeden einzelnen Wissenschaftler gesondert mehrere Quellen heranzuziehen und das Gewicht ihrer Meinungen im Kontext des Gesamtbilds abzuwägen. Dieses umfassende Vorgehen erforderte mehr Zeit als angenommen, brachte aber auch den Vorteil des erleichterten Zugangs zu den von der Mehrheit der Muslime allgemein anerkannten Kriterien der religiösen Autoritätswerdung. Auf einem engen Feld zu forschen würde andernfalls die Gefahr mit sich bringen, subjektive Maßstäbe, die ausschließlich die Ansichten eines bestimmten Kreises widerspiegeln, als allgemeingültige Kriterien darzustellen. Durch die Integration der Fragestellung dieser Dissertation in den heutigen wissenschaftlichen Diskurs soll ein Beitrag zur Verstärkung der Traditionsbasis und der historischen Rückkoppelung der an deutschen Universitäten neu etablierten islamischen Theologie geleistet werden. Da in deutscher Sprache kein ähnliches 14

oder diesem Dissertationsthema vergleichbares Werk vorliegt, steht die Hoffnung im Raum, im Bereich der islamischen Theologie in Deutschland Pionierarbeit zu leisten und zur weiteren Entwicklung dieses Fachgebietes beitragen zu können. Darüber hinaus besteht die Überzeugung, dass diese Arbeit anhand der erarbeiteten Kategorien den Unterschied zwischen den vermeintlichen religiösen Autoritäten, die sich als solche ausgeben, obwohl sie die von uns festgestellten Kriterien nicht erfüllen, und den tatsächlichen religiösen Autoritäten, die von weiten muslimischen Gesellschaftskreisen anerkannt werden, darlegen wird. Hierbei soll darauf hingewiesen werden, dass mit dem 2. Jahrhundert n. H. kein fixierter Zeitraum, der genau mit dem Jahr 100 n. H. begann und genau um 200 n. H. endete, gemeint ist. Da die Entwicklungen in dieser Ära nicht voneinander getrennt, sondern im Gegenteil samt ihren Ursachen und Folgen auszuwerten sind, war es unvermeidlich, im Rahmen dieser Thematik auch einige Wissenschaftler, die vor 100 geboren wurden (etwa einige Lehrer der Sufyānayn) oder nach 200 gestorben sind (einige ihrer Schüler), zu thematisieren.

Forschungsstand Zwar existieren sowohl in der westlichen Islamforschung als auch unter den muslimischen Akademikern ernsthafte wissenschaftliche Studien zur Frühzeit des Islam, sie sind aber im Allgemeinen auf spezielle Themen, wie die Entwicklung der Hadith- und Fiqh-­Wissenschaften und den wissenschaftlichen Beitrag einzelner Gelehrter jener Ära, fokussiert. So fasste beispielsweise H. Motzki in seinem Werk Die Anfänge der islamischen Jurisprudenz die Forschungsergebnisse des 19. und 20. Jahrhunderts zu den Anfängen der islamischen Jurisprudenz und den westlichen Hadith-­Studien zusammen.2 Die Dissertation von Anke Bouzenita, Abdurrahman al-­Auzaī – ein Rechtsgelehrter des zweiten Jh. n.H. und sein Beitrag zu den Siyar (Berlin 2001) ist ebenfalls eine Arbeit, die in diesem Zusammenhang erstellt wurde. Folgende wichtige Arbeiten über Sufyān aṯ-­Ṯawrī, dem einen der beiden Gelehrten, die im Fokus dieser Arbeit stehen, sind hier besonders hervorzuheben: auf Deutsch die Dissertation von H. P. Raddatz Die Stellung und Bedeutung des Sufyān aṯ-­Ṯaurī (Bonn, 1967) und auf Arabisch: Tafsīru ṯ-­Ṯawrī von Sufyān b. Saʿīd b. Masrūq aṯ-­Ṯawrī (gest. 161/778), ed. von Imtiyāz ʿAlī ʿAršī (Beirut, 1403/1983). Manāqibu l-­Imāmi l-­Aʿẓam Abī ʿAbdillāh Sufyān b. Saʿīd b. Masrūq aṯ-­Ṯawrī (Ṭanṭa, 1413/1993) von aḏ-­Ḏahabī (gest. 748/1347). Mawsūʿatu Fiqhi

2 Motzki Harald, Die Anfänge der islamischen Jurisprudenz, Stuttgart 1991, S. 7–22.

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Sufyān aṯ-­Ṯawrī (Beirut, 1997) von Muḥammad Rawwās Qalʿaǧī sowie Min Ḥadīṯi l-­Imām Sufyān b. Saʿīd aṯ-­Ṯawrī (Beirut, 1425/2004) von ʿĀmir Ḥasan Ṣabrī. In Englisch erschien ein EI2-Artikel von H. P. Raddatz3 und auf Türkisch ein DİA-­ Artikel von Recep Özdirek und Ali Hakan Çavuşoğlu.4 Folgende wichtige Arbeiten über Sufyān b. ʿUyayna sind hier besonders zu erwähnen: Auf Arabisch: Tafsīru Sufyān b. ʿUyayna (Riyad, 1983) von Aḥmad Ṣāliḥ Muḥāyirī und Ǧuzʾu Sufyān b. ʿUyayna (Ṭanṭā, 1412/1992) von Abū Yaḥyā Zakariyyā b. Yaḥyā b. Asad al-­Marwazī (gest. 270/883). Auf Türkisch: Süfyan b. Uyeyne ve Hadis İlmindeki Yeri von Fuat Karabulut (unveröffentlichte Dissertation, Erzurum 2007) und Süfyan b. Uyeyne (107–198/725–813) ve Hadis Cüz’ü von A. Kadir Evgin (Dinbilimleri Akademik Araştırma Dergisi, III/3, Samsun, 2003); ein DİA-­Artikel von İbrahim Hatiboğlu5; auf Englisch ein EI2-Artikel von Susan A. Spectorsky6. Außerdem liegen einige Artikel, die indirekt diese Dissertation betreffen, vor. Dies sind die Artikel Sultān von J. H. Kramers7, Siyāsa von I. R. Netton/F. E. Vogel8, ʿUlamā von R. C. Repp9, Authority von Stanley I. Benn10, Sultan von Mustafa Öztürk11, İlmiye von Mehmet İşpirli12, Siyaset von Murat Köse13 und Autorität von Max Müller et al.14 Allerdings betrifft keine dieser ertragreichen Arbeiten auf direkte Weise die vorliegende Arbeit über die im 2. Jahrhundert n. H. von der Mehrheit der Muslime allgemein anerkannten Kriterien der Autoritätswerdung. Im Folgenden soll nur ein wissenschaftliches Werk hervorgehoben werden, das die Autoritätsfrage näher im Sinne der Forschungsfrage dieser Dissertationsschrift anreißt: Speaking for Islam, Religious Authorities in Muslim Societies, ed. von Gudrun Krämer und Sabine Schmidtke, Sammelband, Volume 100, Leiden-­Boston (2006). 3 Raddatz, H. P., Sufyān al-­Thawrī , in: EI2, (New Edition), Leiden 1997, IX, S. 770 ff. 4 Özdirek, Recep/Çavuşoğlu, Ali Hakan, in: DİA, Süfyân es-­Sevrî, İstanbul 2010, XXXVIII, S. 23–28. 5 Hatiboğlu, İbrahim, Sufyān b. ʿUyayna, in: DİA, İstanbul 2010, XXXVIII, S. 28 f. 6 Spectorsky, Susan A., Sufyān b. ʿUyayna, in: EI2, (New Edition), Leiden 1997, IX, S. 772. 7 Kramers, J. H., Sultān, in: EI2, (New Edition), Leiden 1997, IX, S. 849 ff. 8 Netton, I. R., Vogel F. E., Siyāsa, in: EI2, IX, S. 693–696. 9 Repp, R. C., ʿUlamā, in: EI2, (New Edition), Leiden 2000, X, S. 801–805. 10 Stanley, I., Benn, Authority, Encyclopedia of Philosophy (ed. Paul Edwards), New York 1967, I, S. 215. 11 Öztürk, Mustafa, Sultan, in: DİA, İstanbul 2009, XXXVII, S. 495 f. 12 İşpirli, Mehmet, İlmiye, in: DİA, İstanbul 2000, XXII, S. 141–145. 13 Köse, Hızır Murat, Siyaset, in: DİA, İstanbul 2009, XXXVII, S. 294–299. 14 Müller, Max et al.: Autorität, Lexikon für Theologie und Kirche, Freiburg et al. 1993, I, S. 1298–1303.

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Der Band beinhaltet elf Aufsätze, in denen die religiöse Autorität aus verschiedenen Perspektiven behandelt wird. Im genannten Aufsatz wird unterstrichen, dass nicht die Autorität als religiöse Instanz (authority), sondern eher religiöse Autoritäten als Personen (authorities) dargestellt werden. Es wird auch hervorgehoben, dass der Begriff „religiöse Autorität“ von den Koran- und Sunna-­Texten herrührt und die Menschen als religiöse Autorität den Vorrang gegenüber den Institutionen haben. Zudem wird hervorgehoben, dass die religiösen Gelehrten und Imame mit einer eigenen Rechtsschule sowohl in prä-­moderner als auch in moderner Zeit eine größere Autorität als Staatsmänner und andere weltliche Würdenträger besitzen.15 Ferner wird gesagt, dass es für jede Schrift, sei es eine heilige oder nicht, so auch für den Koran, aktiver Intellektueller bedarf, welche die Bedeutung des Koran erläutern und seine je nach den Umständen unterschiedlich anzuwendenden Direktiven interpretieren und dass dies wiederum das Thema der religiösen Autorität aktuell werden lässt.16 Gemäß den beiden Autorinnen wurden zwar die theologischen Schulen bis in unsere Gegenwart als Schulen und Netzwerke untersucht, doch wurden Forschungen, welche die aus verschiedenen Individuen zusammengesetzten Gruppen und deren Schriften analysieren, bisher nicht adäquat eruiert.17 Erneut wird darauf hingewiesen, dass die Festlegung der Kriterien der religiösen Autoritätswerdung hinsichtlich des 2. Jahrhunderts n. H. in der vorliegenden Arbeit nicht nur die Meinungen und Auswertungen einer bestimmten Schule oder eines einzelnen Wissenschaftlers, sondern auch die der Wissenschaftler aus sehr unterschiedlichen wissenschaftlichen Kreisen berücksichtigt. Auch Gudrun Krämer und Sabine Schmidtke konstatieren anhand einiger Ausführungen, dass die im Fokus dieser Arbeit stehende Fragestellung „Was sind die Kriterien für religiöse Autoritäten?“ noch eingehend untersucht werden müsse.18 15 Krämer, Gudrun/Schmidtke, Sabine, Introduction: Religious Authority and Religious Authorities in Muslim Societies. A Critical Overview, in: Speaking for Islam, Religious Authorities in Muslim Societies, Leiden-­Boston 2006, S. 3. 16 Krämer/Schmidtke, Speaking for Islam, S. 4. 17 Ebenda, S. 5. 18 Ebenda, S. 7. Einige weitere wissenschaftliche Studien, die diesem Thema nahekommen: § Jonathan Porter Berkey, Popular Preaching and Religious Authority in the Medieval Islamic Near East, University of Washington Press Seattle and London (2001). § Patricia Crone und Martin Hinds, God’s Caliph, Religious authority in the first centuries of Islam, Cambridge University Press, London (1986). § Dînî Otorite (İstanbul, 2006). Das Werk besteht aus den Vorträgen zur Veranstaltung „VIII. Koordinationstagung der Kalām-­Abteilung der theologischen

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In diesen Studien (u. a. in der Fußnote zu finden) wurden zwar verschiedene Themen im Zusammenhang mit religiöser Autorität behandelt und wertvolle Erkenntnisse gesammelt, nicht gesondert untersucht wurden aber die von der Mehrheit der Muslime allgemein anerkannten Kriterien der religiösen Autoritätswerdung im 2. Jahrhundert n. H. und ihre gegenwärtige Gültigkeit. Vor der Darstellung des Aufbaus und der Quellengrundlage dieser Arbeit, werden an dieser Stelle zunächst drei der renommiertesten und wegbereitenden Forschungsarbeiten, die sich mit dem 2. Jahrhundert n. H. beschäftigen und sich in diesem Bereich als elementare Werke etabliert haben, in ihren Grundzügen vorgestellt und kritisch gewürdigt. Die Intention, die dieser kritischen Stellungnahme zugrundeliegt, ist die, dass die Stellung und der erhoffte Mehrwert dieser Arbeit in der Forschungslandschaft offengelegt werden. Es handelt sich bei diesen drei Werken um die bereits erwähnten, von Raddatz, Motzki und van Ess publizierten Arbeiten: 1. Das Werk „Die Stellung und Bedeutung des Sufyān aṯ-­Ṯaurī“ von H. P. Raddatz ist die erste und einzige im Westen veröffentliche Monographie, die sich gänzlich Ṯawrī, eine der im Fokus unserer Forschung stehenden beiden Persönlichkeiten, widmet. In seiner Abhandlung versuchte Raddatz, das Leben Ṯawrīs, sein Rechtssystem, seine ethisch-­religiöse Grundhaltung, dogmatische Einordnung und Gelehrtenpersönlichkeit zu beleuchten. Auch wenn Raddatz’ Werk in diesem Zusammenhang wichtige Erkenntnisse beinhaltet, weist es nichtsdestotrotz einige schwerwiegende Schwächen auf. In erster Linie fällt auf, dass Raddatz hinsichtlich der äußerst sensiblen Streitthemen der damaligen Epoche wie Tadlīs, Schiismus und Murǧiʾismus voreilige Schlüsse zieht. Die kritikbeladenen Bezeichnungen wie „Mudallis“, „Murǧiʾī“ oder Fakultäten und religiöses Autoritätssymposium“, die von der Karadeniz Teknik Universität in Rize organisiert wurde. § Barbara D. Metcalf (ed.), Moral Conduct and Authority. The Place of Adab in South Asian Islam, Berkeley (1984). § Hamid Dabashi, Authority in Islam. From the Rise of Muhammad to the Establishment of the Umayyads, New Brunswick/London (1989). § Yusuf H. R. Seferta, The Concept of Religious Authority According to Muhammad Abduh and Rashid Rida, Islamic Quarterly 30 (1986), pp. 159–64. § M. J. Kister, Social and Religious Concepts of Authority in Islam, Jerusalem Studies in Arabic and Islam 18 (1994), pp. 84–127. § Marc Gaborieau and Malika Zeghal (eds.), Autorités religieuses en Islam, Archives de Sciences Sociales des Religions 49/125 (2004). § Marc Gaborieau, Les oulémas/soufis dans l’Inde mongole: anthropologie historique de religieux musulmans, Annales 5 (1989), pp. 1185–1204.

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„Schiit“, mit denen einige Gelehrte des 2. Jahrhunderts n. H. seitens ihrer zeitgenössischen Kritiker betitelt worden sind, sind mit äußerster Vorsicht zu genießen, da zu dieser Zeit solch ähnliche Termini noch in keiner Wiese ausgereift und als allgemeingültig etabliert waren. Die Vorgehensweise von Raddatz, die Gelehrten des 2. Jahrhunderts n. H. aus heutiger Sicht mit den Begriffen „Mudallis“, „Murǧiʾī“ oder „Schiit“ zu titulieren, ohne aber vorher den genauen Bedeutungsinhalt und -umfang dieser Begriffe in dem historisch-­sozialen Kontext eingebettet, den etymologischen Wandel beachtend darüber kritisch reflektiert sowie auch den Einfluss dieser Begriffe auf die Zuverlässigkeit der jeweiligen Gelehrten ergiebig ausgewertet zu haben, bleibt fern vom wissenschaftlichen Objektivitätsanspruch. Das Thema Tadlīs wurde in unserer Arbeit unter dem Kapitel bezüglich der Kritik, der Ṯawrī damals ausgesetzt war, umfangreich untersucht.19 Hier begnügen wir uns damit zu sagen, dass das von Ṯawrī begangene Tadlīs nicht zu den verbotenen bzw. abgelehnten Tadlīs-­ Arten gehört. Darüber hinaus wird die von Raddatz aufgegriffene Ansicht, dass auch ein Schüler von Ṯawrī und zwar Abū Nuʿaym Faḍl b. Dukayn (gest. 219/834) Tadlīs beging20, keineswegs von der Allgemeinheit der damaligen Kritikern geteilt.21 Dass Raddatz Ḥammād b. Abī Sulaymān (gest. 120/738) als einen Murǧiʾīten22 und Gelehrten wie Salama b. Kuhayl (gest. 122/739), Abū Isḥāq as-­Sabīʿī (gest. 127/745), Manṣūr b. al-­Muʿtamir (gest. 132/750) und Sulaymān al-­Aʿmaš (gest. 148/765) als Schiiten darstellt23, ist eine unangebrachte und unrechte Verallgemeinerung.24 Betrachtet man die Gesamtheit der derartigen Vorwürfe dieser Epoche, erkennt man, dass diese aus der damals vorherrschenden äußerst sensiblen Haltung der Gelehrten hinsichtlich dieser Themen herrühren und keinesfalls in dem heutigen terminologisch festgesetzten Sinne zu verstehen sind. Beispielsweise reichte zu der damaligen Zeit die Aussage „Die religiöse Praxis ist kein Bestandteil des Imans“ völlig aus, um als Murǧiʾīt beschuldigt zu werden, sowie das Bekenntnis, ʿAlī zu lieben, dafür ausreichend war, des Schiismus bezichtig zu werden.25 Außerdem ist zu beobachten, dass Raddatz’ Darstellung hinsichtlich der Lehrer und Schüler von Ṯawrī nicht sonderlich befriedigend ist. Aufgrund der eminenten 19 20 21 22 23 24

Siehe Kapitel 2.1.14.3 „Tadlīs“. Raddatz, H. P., Die Stellung und Bedeutung des Sufyān aṯ-­Ṯaurī, Bonn, 1967, S. 32. Siehe die Ausführungen über Abū Nuʿaym Faḍl b. Dukayn im Kapitel 2.1.6.1 „Lehrer“. Raddatz, Die Stellung und Bedeutung des Sufyān aṯ-­Ṯaurī, S. 10, 35. Ebenda, S. 11. Siehe die Ausführungen über Ḥammād b. Abī Sulaymān, Salama b. Kuhayl, Abū Isḥāq as-­Sabīʿī, Manṣūr b. al-­Muʿtamir und al-­Aʿmaš im Kapitel 2.1.6.1 „Lehrer“. 25 Siehe Kapitel 2.1.14.1 „Der Schiismus-­Vorwurf “ und Kapitel 2.2.14.3 „Der Rassismusbzw. Diskriminierungs-­Vorwurf in Bezug auf die Mawālī“.

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Kürze, die Raddatz den von ihm dargestellten Informationen bezüglich der Lehrer und Schüler Ṯawrīs bietet, wurde das wissenschaftliche Netzwerk, auf das Ṯawrī zurückgreift, nicht gründlich dargelegt und die wissenschaftlichen Wurzeln, auf die sich Ṯawrī stützt, nicht beleuchtet.26 Gleichermaßen konnten auf der anderen Seite die von Ṯawrī beeinflussten Wissenschaftskreise nicht ausfindig gemacht werden.27 Zudem fußt das Werk von Raddatz auf einer sehr schmalen und einseitigen Quellengrundlage. Da Raddatz in Bezug auf historische Sachverhalte nur ein bis zwei Quellen berücksichtigt und alle anderen Quellen außer Acht lässt, bleibt es unklar, wie der ein und derselbe Sachverhalt in den anderen Quellen bewertet und gehandhabt wird. Dass beispielsweise Ṯawrī sein ganzes Wissen in der Rezitationswissenschaft ausschließlich von Ḥamza b. Ḥabīb az-­Zayyāt (gest. 156/773) gelernt habe28, ist eine einseitige und dürftige Darstellung von Raddatz. Den anderen Quellen zufolge ist der Kūfenser ʿᾹṣim b. Bahdala (gest. 127/745) ein weiterer wichtiger Lehrer Ṯawrīs, der Ṯawrī in dieser Wissenschaft maßgeblich mitprägte29, aber bei Raddatz komplett ausgeblendet wird. Dass Raddatz den basrischen Rationalismus als den Hauptverantwortlichen für die rationale Ausprägung Ṯawrīs ansieht und ihn als solches in seiner Abhandlung darstellt, ist wiederum eine fehlerhafte Auswertung, mit der er seine Leser in die Irre leitet.30 Zwar möge der basrische Rationalismus, mit dem Ṯawrī in den letzten Jahren seines Lebens in Basra in Kontakt trat, eine Rolle bei seiner rationalen Denkweise gespielt haben, allerdings ist in dieser Hinsicht der Einfluss der Ahlu r-­Raʾy-­ Kūfa-­Schule, die für seine Ausbildungsphase prägend war, auf seine rationale Ausprägung sicherlich weitaus größer gewesen. Schließlich stammen 16 seiner Lehrer aus Kūfa und 7 dagegen aus Basra.31 2. Motzki, der insbesondere durch seine Kritik an die von Goldziher, Schacht und Juynboll vertretene klassische Linie der Orientalistik bekannt ist, fasst im ersten Abschnitt seines Werkes die Forschungsergebnisse der im 19. und 20. Jahrhundert bezüglich der Entstehungsphase des islamischen Rechtswesens durchgeführten Untersuchungen und die der westlichen Forschungsarbeiten bezüglich der Hadith-­ 26 Raddatz, Die Stellung und Bedeutung des Sufyān aṯ-­Ṯaurī, S. 9 ff. 27 Ebenda, S. 31 ff.; siehe Kapitel 2.1.6.1 „Lehrer„, Kapitel 2.1.6.2 „Allgemeine Beurteilung der Lehrer Sufyān aṯ-­Ṯawrīs“, Kapitel 2.1.6.3 „Seine Schüler“ und Kapitel 2.1.6.4 „Allgemeine Beurteilung der Schüler Sufyān aṯ-­Ṯawrīs“. 28 Raddatz, Die Stellung und Bedeutung des Sufyān aṯ-­Ṯaurī, S. 27. 29 Siehe die Ausführungen über ʿᾹṣim b. Bahdala im Kapitel 2.1.6.1 „Lehrer“. 30 Raddatz, Die Stellung und Bedeutung des Sufyān aṯ-­Ṯaurī, S. 16. 31 Siehe Kapitel 2.1.6.2 „Allgemeine Beurteilung der Lehrer Sufyān aṯ-­Ṯawrīs“.

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Wissenschaft zusammen.32 Motzki lieferte der modernen Forschung zum Thema Hadith neue Ansätze, schlug fern von Nachahmung eine neue Richtung ein und bereicherte die traditionelle Linie der Orientalistik durch seine ertragreiche Kritik. Die These von Schacht, die ersten Schriften des islamischen Rechts seien erst 150 Jahre nach dem Abschluss der göttlichen Offenbarung niedergeschrieben worden, lehnt Motzki strikt ab und kritisiert Schacht aus vielerlei Hinsicht: Laut Motzki begrenzt Schacht seinen Blick bei der Beantwortung der Fragestellungen auf die Überlieferungstexte, lehnt dagegen die Überliefererketten als gänzlich erfunden ab und zieht sie nur dann als authentische Bezugspunkte in Betracht, wenn sie mit seinen im Vorhinein als wahre Gegebenheiten festgestellten Thesen konform sind. Den Forschungen Motzkis zufolge müssen die Ursprünge des islamischen Rechts mindestens 50–75 Jahre früher sein als das Schacht bekannt gab.33 Zudem kritisiert Motzki, dass Schacht seine Thesen als absolut sichere Wahrheiten bzw. Gegebenheiten präsentiert, aber dabei einzelne Beispielsfälle zum allgemeingültigen Regelfall pauschalisiert.34 Allerdings lehnt Motzki die skeptische Haltung Schachts nicht vollkommen ab. Um den Verdacht des Erfundenseins allemal aus der Welt zu schaffen, müsse man nach Motzki rechtwissenschaftliche oder biografische Quellen entdecken, die aus der Zeit vor 120 n. H. stammen und deren Authentizität absolut erwiesen ist.35 In dieser seiner Arbeit nahm Motzki das Werk al-­Muṣannaf von ʿAbdurrazzāq aṣ-­Ṣanʿānī (gest. 211/826–27) als Grundlage. Abweichend von der klassischen Methodik der muslimischen Gelehrten nahm er anhand ihm eigene Authentizitätskriterien Untersuchungen an den Überliefererketten des Werkes al-­Muṣannaf vor und beäugte kritisch den Authentizitätsgrad der Hadithe dieses Werkes. Motzki, der 28 % der 3810 Überliefererketten des Werkes Muṣannaf untersuchte, kam zum Ergebnis, dass das genannte Werk eine Zusammenstellung aus den vorherigen Werken wie dem Sunan von Ibn Ǧurayǧ (gest. 150/767), den Ǧāmiʿ-Werken von Ṯawrī (gest. 161/778), Ibn ʿUyayna (gest. 198/814) und Maʿmar b. Rāšid (gest. 153/770) ist und als authentisch anzusehen ist. Auch wenn trotzdessen die Möglichkeit bestünde, dass dieses Werk erfunden sei, ist dies laut Motzki äußerst unwahrscheinlich.36 Im Grunde versucht Motzki darzulegen, dass bei der Ermittlung der Authentizität von Hadithen nicht nur die Untersuchung des Überlieferungstextes, sondern auch 32 33 34 35 36

Motzki Harald, Die Anfänge der islamischen Jurisprudenz, S. 7–22. Ebenda, S. 1 f. Ebenda, S. 24 ff. Ebenda, S. 49. Ebenda, S. 56 ff.

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die der Überliefererkette gleichermaßen bedeutsam ist und die Forscher im Westen die Überliefererkette unbeachtet ließen, wohingegen die Muslime sich allzu sehr mit ihr aufhielten. In diesem Punkt liegt Motzki richtig. Denn Forschungen auf diesem Feld, die in beide Richtungen gerichtet sind, werden sicherlich gesundere Ergebnisse liefern können. Muslimische Wissenschaftler müssten sich viel stärker der kritischen Untersuchung von Überlieferungstexten wenden. Allerdings sind die Thesen Motzkis hinsichtlich der Ermittlung der Authentizität von Hadithen bedenklich. Vermutlich aus diesem Grund schließt selbst Motzki die Möglichkeit, dass das Werk Muṣannaf von ʿAbdurrazzāq doch erfunden sei, nicht völlig aus, obwohl er persönlich diametraler Ansicht ist und von der Authentizität des Werkes ausgeht.37 Zudem ist das Material, was Motzki zur Untersuchung und Gegenüberstellung von Überlieferungstexten und -ketten heranzieht, unzureichend. Darüber hinaus müssten die von ihm herangeführten Authentizitätskriterien selbst von einer zweiten wissenschaftlichen Studie kritisch hinterfragt und ggf. weiterentwickelt werden. 3. Josef van Ess gehört zu den westlichen Wissenschaftlern, die bisher im Bereich der islamischen Theologie am meisten publiziert haben. Sein 6-bändiges sehr umfangreiches Werk Theologie und Gesellschaft im 2. und 3. Jahrhundert Hidschra ist hinsichtlich unserer Arbeit von großer Bedeutung. In diesem Werk, das mehr als dreitausend Quellen auswertet, werden die Entstehung und Entwicklung der islamischen Theologie, die Historie und Vertreter der theologischen Strömungen in der Frühzeit des Islam chronologisch und sehr umfassend thematisiert. Bei der Darstellung der einzelnen Themen werden auch einzelne Ausschnitte aus frühislamisch-­ theologischen Werken ins Deutsche übersetzt. Das einer Enzyklopädie ähnelnde Werk von van Ess stellt mehr oder minder eine Zusammenfassung und abschließende Auswertung der davor erschienenen Forschung dar. Jedoch schenkt van Ess in seinem Werk Ṯawrī keine besondere Achtung, indem er ihn nicht gesondert und eigenständig thematisiert, sondern ihn und seine Gelehrtenpersönlichkeit lediglich als Unterpunkt zum Thema „Antimurǧiʾītische Strömungen in Kūfa“, behandelt was an sich schon einen Unterpunkt darstellt. Die Gesamtzahl der Seiten, die van Ess zur Darstellung Ṯawrīs aufwendet, beträgt nicht mehr als 7. Folglich werden wichtige thematische Schwerpunkte unserer Arbeit wie die Gelehrsamkeit Ṯawrīs, seine wissenschaftlichen Tätigkeiten und seine Wissensakkumulation nur oberflächlich berührt und Ṯawrī fast nur im Zusammenhang mit seiner konträren Haltung gegenüber der Murǧiʾa thematisiert.38 Daher werden 37 Ebenda, S. 56. 38 Van Ess, Josef, Theologie und Gesellschaft im 2. Und 3. Jahrhundert Hidschra. Eine Geschichte des religiösen Denkens im frühen Islam, 6 Bände, De Gruyter, Berlin 1991–1997, I, S. 221–228.

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gegen Ende des für Ṯawrī vorgesehenen Unterkapitels nur seine theologischen Ansichten in aller Kürze aufgereiht, ohne dabei den Einfluss und die Stellung dieser in den damaligen Wissenschaftskreisen zu beleuchten. Beispielsweise wird zwar erwähnt, dass Ṯawrī in seiner Exegese das im Koran vorkommende Wort „Mutašabihāt“ mit den abrogierten Versen gleichstellte, aber was dies letztendlich zu bedeuten hatte oder was Ṯawrī denn damit beabsichtige, bleibt ausgelassen. Meinte Ṯawrī mit seiner Gleichstellung der Mutašabih-­Verse mit den abrogierten Versen, dass man aus derartigen Versen aufgrund der Unklarheit ihrer Bedeutungen keine Urteile herleiten dürfe oder eher, dass diese zwar eine Bedeutung und folglich ein Urteil innehaben, aber durch andere eindeutigere Verse abrogiert worden sind? Als eigene Schlussfolgerung fügt van Ess dieser Information nur einen Nebensatz an, in dem er lediglich darauf hindeutet, dass er diese Exegese Ṯawrīs als eine Anspielung darauf interpretiert, dass Ṯawrī im Koran also auch die Bedeutungen der Mutašabih-­Verse verstehe. Für eine Begründung zu dieser Auffassung ist aber kein Platz. Außerdem zweifelt van Ess an der Authentizität der von Ṯawrī bezüglich des Themas Ḫalqu l-­Qurʾān überlieferten Ansichten und Stellungnahmen stark an, obwohl er auch hier seinen Zweifel unbegründet belässt. Zudem könne laut van Ess die Einstellung Ṯawrīs zu diesem Thema eine gegen Abū Ḥanīfa (gest. 150/767) gerichtete Haltung sein. Auch dieser Vermutung wird keine Begründung geliefert, sondern nur eben vermutet.39 Es ist außerdem äußerst fragwürdig, warum van Ess in seinem so umfassend angelegten Werk einen zu seiner Zeit so bedeutenden Gelehrten wie Ibn ʿUyayna des 2. Jahrhunderts gar nicht behandelt.

Aufbau und Quellengrundlage dieser Arbeit Diese Arbeit besteht aus vier Kapiteln. Im ersten Kapitel werden die wichtigen sozialen, politischen und wissenschaftlichen Entwicklungen im 2. Jahrhundert n.  H. in generellen Zügen behandelt. Da diese Entwicklungen einer Epoche interdependent zueinander sind, können sie nicht unabhängig voneinander betrachtet werden, weswegen erst nach der Untersuchung des sozialen, politischen und wissenschaftlichen Kontextes der Ära versucht wurde, anhand der darin ausgebildeten bedeutenden Wissenschaftler die von weiten Gesellschaftskreisen allgemein anerkannten Kriterien der religiösen Autorität festzustellen. Im zweiten Kapitel wird das Leben von Sufyān aṯ-­Ṯawrī und Sufyān b. ʿUyayna weitgehend dargestellt. Die sie positiv oder negativ beeinflussenden Ereignisse in

39 Ebenda, S. 228.

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ihren Werdegängen und ihre wichtigsten Lehrer, denen sie ihr Wissensgut verdanken, werden detailliert herausgestellt und die wissenschaftlichen Wurzeln, auf welche sich beide Persönlichkeiten stützen, zu beleuchten versucht. Ferner werden ihre wichtigsten, von ihnen stark beeinflussten Schüler ausführlich vorgestellt. In diesem Zusammenhang werden die gemeinsamen Lehrer und Schüler sowie die gemeinsamen Wissenschaftszentren, von denen sie profitiert und auf die sie gewirkt haben, unterstrichen. Außerdem wird auf die Charaktereigenschaften dieser beiden Persönlichkeiten, ihre Beziehungen zur Regierung, zu den Gelehrten in den islamischen Wissenschaften und auf ihre Beiträge in diesem Fachgebiet eingegangen. Gleichzeitig werden die Aussagen und Beurteilungen der zu anderen Wissenszentren gehörenden Gelehrten über sie und die ihnen gegenüber geäußerte Kritik herangezogen. Auf diese Weise wird der Versuch unternommen, das wissenschaftliche Netzwerk hinter den beiden Wissenschaftlern, die auf der Bühne dieser Arbeit auftreten, nachzuzeichnen. Im dritten Kapitel werden der Begriff „religiöse Autorität“ und die Instanzen, die laut den islamischen Hauptquellen die Befugnis besitzen, im Namen der Religion Urteile abzugeben und Meinungen vertreten zu können, skizziert. Anschließend werden die von der Mehrheit der Muslime allgemein anerkannten Kriterien festgestellt, die einen Gelehrten zur religiösen Autorität werden lassen. Das vierte Kapitel stellt die Schlussfolgerungen dar. Folgende Chroniken und Ṭabaqāt-­Bücher waren für diese Arbeit von besonderem Wert: aṭ-­Ṭabaqātu l-­Kubrā von Ibn Saʿd (gest. 230/845), Maʿrifatu r-­Riǧāl von Yaḥyā b. Maʿīn (gest. 233/848), al-ʿIlal von ʿAlī b. al-­Madīnī (gest. 234/849), al-ʿIlal wa Maʿrifatu r-­Riǧāl von Aḥmad b. Ḥanbal (gest. 241/855), al-­Maʿārif von Ibn Qutayba (gest. 276/889), Tārīḫu Abī Zurʿa ad-­Dimašqī von Abū Zurʿa (gest. 280/893), Tārīḫu l-­Yaʿqūbī von al-­Yaʿqūbī (gest. 292/904), Tārīḫu l-­Umam wa l-­Mulūk von Ṭabarī (gest. 310/923), al-­Ǧarḥ wa t-­Taʿdīl von ar-­Rāzī (gest. 327/938), Ḥilyatu l-­Awliyāʾ wa Ṭabaqātu l-­Aṣfiyāʾ von Abū Nuʿaym (gest. 430/1038), Tārīḫu Baġdād von Ḫaṭīb al-­Baġdādī (gest. 463/1071), Wafayātu l-­Aʿyān wa Anbāʾu Abnāʾi z-­Zamān von Ibn Ḫallikān (gest. 681/1282), Tahḏību l-­Kamāl von al-­Mizzī (gest. 742/1341), Siyaru Aʿlāmi n-­Nubalā von aḏ-­Ḏahabī (gest. 748/1347), al-­Bidāya wa n-­ Nihāya von Ibn Kaṯīr (gest. 774/1373), Tahḏību t-­Tahḏīb von Ibn Ḥaǧar al-ʿAsqalānī (gest. 852/1449), Tārīḫu l-­Ḫulafā von Suyūṭī (gest. 911/1505), al-­Aʿlām von Ziriklī (gest. 1396/1976), Siyâsî ve Kültürel İslâm Tarihi von Hitti, Siyâsî-­Dinî-­Kültürel İslâm Tarihi von Hasan İbrahim Hasan und İlk Üç Asırda İslam Coğrafyasında Hadis von S. Kemal Sandıkçı. Bei den Recherchen wurde zuerst in den ältesten Quellen nachgeschlagen; danach wurden die Spuren der Angaben aus diesen Quellen in den später verfassten Werken weiterverfolgt. 24

Im Grunde wurden die Werke im Bereich der Geschichte und islamischen Wissenschaften insbesondere ab dem 2. Jahrhundert n. H. verfasst.40 Von manchen Wissenschaftlern dieser Epoche, wie Ibn Isḥāq (gest. 151/768), Wāqidī (gest. 207/823) und Ibn Saʿd (gest. 230/845), blieben einige Werke bis in unsere Zeit erhalten.41 Diese drei gehören zu den wichtigen frühislamischen Gelehrten, die in der Siyar-­Wissenschaft bedeutsame Werke hervorgebracht haben. Insbesondere die Arbeiten von Ibn Isḥāq und Wāqidī fungierten als Fundament für die späteren Siyar- und Ṭabaqāt-­Werke.42 Vor allem Wissenschaftler wie Ṭabarī (gest. 310/923) und Ibn Saʿd, deren Werke ebenso bis heute erhalten sind, rezipierten und zitierten intensiv aus diesen und anderen frühislamischen Werken.43 Das Werk aṭ-­Ṭabaqātu l-­Kubrā von Ibn Saʿd, dem Sekretär von Wāqidī,44 auf das wir während unserer Forschung des Öfteren zurückgegriffen haben, hat den Ruf, die erste Biographie in der islamischen Welt zu sein.45 Indem Ibn Saʿd allem voran die Werke seines Lehrers Wāqidī und darüber hinaus das bis zu seiner Zeit zustandegekommene Material zur Siyar auswerten konnte, gelang es ihm, umfassendere und ausgereiftere Werke zu hinterlassen.46 Das Werk wurde unter der Herausgeberschaft von Eduard Sachau teilweise ins Deutsche übersetzt und unter dem Namen Kitābu t-­Tabaqātu l-­Kabīr veröffentlicht (Leiden 1904–1940). Daneben sind weitere diverse Publikationen des Werkes vorhanden.47 Da Ibn Isḥāqs und Wāqidī’s Werke zur Siyar und Maġāzī viel mehr Themen bezüglich der sich zur Lebzeiten des Propheten ereigneten militärischen Auseinandersetzungen beinhalten, ist in unserer Arbeit kein Verweis auf diese Werke vorhanden. 40 Krämer, Gudrun, Geschichte des Islam, Verlag C. H. Beck, München 2007, S. 94. 41 Yıldız, Hakkı Dursun, Abbâsîler, in: DİA, İstanbul 1988, I, S. 46. 42 Horovitz, Josef, The Earliest Biographies of the Prophet and Their Autors, Hyderabad 1927/28 (al-­Maġāzī l-­Ūlā wa Muʾallifūhā, ins Arabische übersetzt von Ḥusayn Naṣṣār, Maktabatu l-­Ḫānǧī, Kairo 2001), S. 147; Fayda, Mustafa, Ibn Sa’d, in: DIA, Istanbul 1999, XX, S. 296. 43 Yiğit, İsmail, Emevîler, in: DİA, İstanbul 1995, XI, S. 100. 44 Ibn Abī Ḥātim, Abū Muḥammad ʿAbdurraḥmān b. Abī Ḥātim Muḥammad b. Idrīs b. al-­Munḏir ar-­Rāzī (gest. 327/938), al-­Ǧarḥ wa t-­Taʿdīl, Dāʾiratu l-­Maʿārifi l-ʿUṯmānī, Ḥaydarābād 1271/1952, VII, S. 262; Ibn Ḫallikān, Abu l-ʿAbbās Šamsuddīn Aḥmad b. Muḥammad b. Ibrāhīm b. Abī Bakr b. Ḫallikān al-­Barmakī al-­Irbilī (gest. 681/1282), Wafayātu l-­Aʿyān wa Anbāʾu Abnāʾi z-­Zamān, ed. Iḥsān ʿAbbās, Dāru Ṣādir, Beirut, I–­III, VI 1900, IV 1971, V, VII 1994, IV, S. 351. 45 Yıldız, Abbâsîler, S. 46. 46 Horovitz, The Earliest Biographies of the Prophet and Their Autors, S. 144 f.; Öz, Şaban, İlk Siyer Kaynakları ve Müellifleri, unveröffentlichte Dissertation, Ankara 2006, S. 450. 47 Fayda, Ibn Sa’d, XX, S. 296 f.

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Durch die Niederbrennung der Baytu l-­Ḥikma im Zuge der mongolischen Besetzung Bagdads im Jahre 655/1258 gingen zahlreiche Werke aus der Frühzeit verloren;48 dennoch konnte das 7-bändige Werk Wafayātu l-­Aʿyān wa Anbāʾu Abnāʾi z-­Zamān von Ibn Ḫallikān (gest. 681/1282), der am 11. Rabīʿu l-­Āḫir 608 (22. September 1211) in Erbil zur Welt kam und zur Zeit des Mongolensturms lebte, die Zeit bis zur Gegenwart überdauern.49 Höchstwahrscheinlich existierten aus der Frühzeit schriftliche Quellen, die sich in den privaten Bibliotheken von Wissenschaftlern späterer Zeiten, wie Mizzī (gest. 742/1341) und Ḏahabī (gest. 748/1347), oder in Wissenschaftszentren außerhalb Bagdads befanden, die jedoch nicht bis in die Gegenwart erhalten werden konnten. Des Weiteren ist in diesem Zusammenhang die Lehrer-­Schüler-­B eziehung jener Wissenschaftler, die in späteren Zeiten umfangreichere Werke hinterließen, auffällig. So war beispielsweise Ibn Ḫallikān einer der Lehrer Mizzīs (gest. 742/1341), dem Verfasser des 35-bändigen Tahḏību l-­Kamāl,50 und Mizzī wiederum einer der Lehrer Ḏahabīs (gest. 748/1347), der das 23-bändige Siyaru Aʿlāmi n-­Nubalā verfasste.51 Ḏahabī war einer der Lehrer as-­Subkīs (gest. 771/1370), dem Autor des 10-bändigen Ṭabaqātu š-­Šāfiʿiyyati l-­Kubrās52, und zugleich auch Ṣafadīs (gest. 764/1363), der das 29-bändige al-­Wāfī bi l-­Wafayāt schrieb.53 In Anbetracht dieser Fakten kann davon ausgegangen werden, dass die Autoren späterer Zeiten über reichere Quellen verfügten und aus diesem Grunde umfangreichere Werke verfassen konnten. Auch Motzki ist dieser Meinung und sagt, dass „[…] die biografischen Überlieferungen späterer Werke in der Regel nicht schlechter als die der früheren [sind]. Sie geben vielfach deren Material – meist korrekt – wieder, was für

48 Hasan, İbrahim Hasan, Siyasî-­Dînî-­Kültürel İslam Tarihi, (ins Türkische übersetzt von İsmail Yiğit-­Sadrettin Gümüş), Kayıhan Yayınları, İstanbul 2011, III, S. 176; Nagel, Tilman, Das Kalifat der Abbasiden, in: Haarmann, Ulrich (Hrsg.), Geschichte der arabischen Welt, Verlag C. H. Beck, 2. Auflage München 1991, S. 164 f.; Endreß, Gerhard, Der Islam. Eine Einführung in seine Geschichte, Verlag C. H. Beck, 3. Auflage München 1997, S. 152. 49 Özaydın, Abdülkerim, Ibn Ḫallikân, in: DİA, Istanbul 1999, XX, S. 17 f.; Fück, W. J., Ibn Khallikān, in: EI², (New Edition), Leiden 1986, III, S. 832 f. 50 Özaydın, Ibn Ḫallikân, S. 17; Ben Cheneb, Moh/[J. De Somogyi], al-­Dahabi, in: EI², (New Edition), Leiden 1991, II, S. 214 ff. 51 Altıkulaç, Tayyar, Zehebî, in: DİA, Istanbul 2013, XXXXIV, S. 181. 52 Aybakan, Bilal, Sübkî, Tâceddîn, in: DİA XXXVIII, Istanbul 2010, S. 12; Schacht, J./ [C. E. Bosworth], al-­Subkī, in: EI², (New Edition), Leiden 1997, IX, S. 745. 53 Durmuş, İsmail, Safedî, in: DİA, Istanbul 2008, XXXV, S. 447; Rosenthal, F., al-­Ṣafadī, in: EI², (New Edition), Leiden 1995, VIII, S. 759.

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ihre generelle Zuverlässigkeit spricht, enthalten aber auch Informationen aus Werken, die verloren gegangen oder auch nicht wieder aufgetaucht sind… Die biografischen Quellen sind wohl besser als ihr Ruf, was nicht bedeutet, dass alle darin mitgeteilten Nachrichten zuverlässig sind.“54

In Bezug auf die Zuverlässigkeit der Gelehrten wurden neben Chroniken und Ṭabaqāt-­Büchern die Werke Maʿrifatu ṯ-­Ṯiqāt von al-ʿIǧlī (gest. 261/875) und aṯ-­Ṯiqāt von Ibn Ḥibbān (gest. 354/965) häufig konsultiert. In diesem Zusammenhang wurden die einseitigen und übermäßigen Lobeshymnen oder Kritiken an den Gelehrten jener Zeiten – ohne diese stillzuschweigen – nicht verallgemeinert, sondern es wurde die Gesamtheit des Bildes gemäß dem Gebot der Fairness differenziert betrachtet und versucht, sich den von bekannten Wissenszentren allgemein anerkannten Auffassungen zu nähern. Bezüglich der Feststellung der geistigen Strömungen der betreffenden Zeit sind Kitābu l-­Maqālāt wa l-­Firaq von Qummī (gest. 301/913–14), Firaqu š-­Šīʿa von Nawbaḫtī (gest. 310/922 [?]), Maqālātu l-­Islāmiyyīn von Ašʿarī (gest. 324/935–36), al-­Farq Bayna l-­Firaq von ʿAbdulqāhir b. Ṭāhir b. Muḥammad al-­Baġdādī (gest. 429/1037–38) und al-­Milal wa n-­Niḥal von Šahristānī (gest. 548/1153) zu den Werken zu zählen, aus denen besonderer Nutzen gezogen werden konnte. Von den hilfreichen Uṣūlu l-­Ḥadīṯ-­Werken seien genannt: Šarḥu Manẓūmati l-­Bayqūniyya maʿa Ḥāšiyati š-­Šayḫ ʿAtiyya al-­Uǧhūrī von az-­Zurqānī (gest. 1122/1710), Qawāʿid fī ʿUlūmi l-­Ḥadīṯ von Tahānawī (gest. 1394/1974) und Hadis Istılahları Sözlüğü von Abdullah Aydınlı. Angewandt wurde eine deskriptive und analytisch-­kritische Methode. Die Angaben, welche die Bestimmung der Kriterien der religiösen Autoritätswerdung ermöglichen, wurden aus historischen Quellen gezogen und kritisch kommentiert. Die aus den Quellen übermittelte Kohärenz der Informationen wurde bedingungslos hinterfragt, wobei sich widersprechende Überlieferungen bei der Rezeption der Quellen vermieden wurden.

Formalia Außer hybriden deutsch-­arabischen Wörtern mit deutscher Endung, wie Abbasiden, Hanafiten und Malikiten, wurden die arabischen Texte nach den Vorgaben der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft (DMG) transkribiert. Koranverse und Hadithe wurden in den Übersetzungen in Anführungsstriche gesetzt; großgeschrieben wurden bei der Transkription ausschließlich Substantive.

54 Motzki, Harald, Die Anfänge der islamischen Jurisprudenz, S. 255.

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Werke in den Fußnoten werden beim ersten Mal mit allen Angaben erwähnt, wie zum Beispiel: Ḏahabī, Šamsuddīn Muḥammad b. Aḥmad b. ʿUṯmān (gest. 748/1347), Siyaru Aʿlāmi n-­Nubalā, ed. von Šuʿayb al-­Arnaʾūṭ, Muḥammad Nuʿaym al-ʿAraqsūsī, Muʾassasatu r-­Risāla, Beirut 1982, V, S. 200. Falls dasselbe Werk erneut Erwähnung findet, wird es lediglich mit dem Namen des Autors und dem abgekürzten Namen des Werkes aufgezeichnet: Ḏahabī, Siyar, VI, S. 320. Werden außerdem für eine Information mehrere Quellen angegeben, dann sind die Werke in den Fußnoten chronologisch angeordnet, um die Spur der Information vom Alten zum Neuen zeitlich verfolgen zu können. Aufgrund seiner (klassisch-)arabischen Sprachkenntnisse sah sich der Verfasser dieser Dissertation in der Lage, sämtliche Texte aus den arabischen Quellen ins Deutsche zu übertragen. Die kursiv erscheinenden Übersetzungen lehnen sich eng an die Originaltexte an und sind zum besseren Verständnis an manchen Stellen mit in eckigen Klammern gekennzeichneten Erklärungen versehen.

Abkürzungen b. Ibn DİA Türkiye Diyanet Vakfı İslam Ansiklopedisi, Band I–­XLIV, Istanbul, Ankara 1988–2013. EI2 Encyclopedia of Islam. Bände 1–10, New Edition. GAL Brockelmann, Carl: Geschichte der arabischen Literatur, 2. Band, 2., den Supplementbänden angepasste Auflage, Leiden 1949; 2. Supplementband, Leiden 1938. GAS Geschichte des Arabischen Schrifttums, I–­IX, Leiden 1967–1995. H. Hiǧra (Beginn der islamischen Zeitrechnung) n. H. nach Hiǧra Yay. Abkürzung für Yayınları (türkisch) = Verlag

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1 Die politischen, sozialen und wissenschaftlichen Verhältnisse im 2. Jahrhundert n. H. In diesem Abschnitt wird versucht, die Besonderheiten dieses Zeitalters, in denen die beiden Persönlichkeiten lebten, in ihren generellen Zügen im Hinblick auf die soziale, politische und wissenschaftliche Lage darzustellen, um die Thematik dieser Arbeit richtig verstehen zu können. Sufyān aṯ-­Ṯawrī wurde in der Zeit des 7. umayyadischen Kalifen Sulaymān b. ʿAbdilmalik im Jahre 97/716 geboren und verstarb in der Zeit des 3. abbasidischen Kalifen al-­Mahdī im Jahre 161/778. Von den Umayyaden erlebte er der Reihenfolge nach acht Kalifen: Sulaymān b. ʿAbdilmalik (96–99/715–717), ʿUmar b. ʿAbdilʿazīz (99–101/717–720), Yazīd II. b. ʿAbdilmalik (101–105/720–724), Hišām b. ʿAbdilmalik (105–125/724–743), Walīd II. b. Yazīd (125–26/743–44), Yazīd III. b. Walīd (126/744), Ibrāhīm b. Walīd (126/744) und Marwān II. b. Muḥammad (127–132/744–750), den letzten Kalifen. Von den Abbasiden sah er der Reihenfolge nach die Regentschaften von Abu l-ʿAbbās as-­Saffāḥ (132–136/750–754), Abū Ǧaʿfar al-­Manṣūr (136–158/754–775) und al-­Mahdī (158–169/775–785). Von seinen 64 Lebensjahren verbrachte er 35 Jahre unter der Dynastie der Umayyaden und 29 Jahre unter jener der Abbasiden. Sufyān aṯ-­Ṯawrī und Sufyān b. ʿUyayna waren Wissenschaftler, welche die Stillstands-, Rückgangs- und Zerfallsphasen des umayyadischen Staates und die Gründungs- und Entwicklungsphase des abbasidischen Staates bezeugen können. So beginnt der zu untersuchende Zeitabschnitt mit der Geburt von Sufyān aṯ-­Ṯawrī (97/716) und dauert ca. 100 Jahre bis zum Ableben von Ibn ʿUyayna (198/813).

1.1 Die Ära der Umayyaden (40–132/661–750) 1.1.1 Politische Lage Der 6. umayyadische Kalif, Walīd b. ʿAbdilmalik (86–96/705–715), der auch als der zweite Gründervater gilt,55 bekam von seinem Vater, dem 5. Kalifen ʿAbdulmalik b. Marwān nach dessen Tod einen politisch, militärisch und verwaltungs55 Cobb, Paul M., The empire in Syria, in: The New Cambridge History Of Islam, Cambridge 2011, I, S. 227; Hasan, İbrahim Hasan, Siyasî-­Dînî-­Kültürel İslam Tarihi, I, S. 387.

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behördlich starken Staat hinterlassen, dessen Territorium vom Atlantik bis zum Fluss Amudarja (Ǧayḥun) reichte.56 In der Zeit von Walīd b. ʿAbdilmalik dehnte sich das Staatsgebiet von Turkestan bis nach Frankreich und von Anatolien bis zu den Grenzen von Indien aus. Der umayyadische Staat befand sich zu seiner Zeit auf dem Höhepunkt der militärischen Macht.57 Walīd b.ʿ Abdilmalik, der 6. Kalif, versuchte, seinen vom Vaterʿ Abdulmalik zum zweiten Thronfolger ernannten Bruder Sulaymān b. ʿAbdilmalik auszuschließen, um den Thron an seinen eigenen Sohn weitergeben zu können. Er starb aber im Jahre 96/715, ohne dies verwirklichen zu können.58 Beachtlich war, dass etwa die letzten 35 Jahre der Epoche der Umayyaden von einem ständigen Stammesfanatismus und von Machtkämpfen, die den Staat schwächten, geprägt waren. In der Folge beseitigte der 7. umayyadische Kalif Sulaymān b. ʿAbdilmalik (96–99/715–717), der nach Walīd b. ʿAbdilmalik den Thron bestiegen hatte, seine Gegner und versuchte, seine Regierung zu verstärken. In diesem Zusammenhang räumte er jene, die versuchten, ihn vom Thron zu stürzen und seinen Bruder Walīd unterstützten, aus dem Wege, namentlich den Erorberer von Sind, Muḥammad b. Qāsim aṯ-­Ṯaqafī (gest. 96/715), und den Eroberer von Transoxanien, Qutayba b. Muslim (gest. 96/715). Er tötete auch den Sohn des Eroberers von Spanien, Mūsā b. Nuṣayr (gest. 98/717).59 Solche starken und erfahrenen Kommandanten aus persönlichen Gründen zu beseitigen, führte dazu, dass die Eroberungen während der Zeit von Sulaymān b. ʿAbdilmalik ins Stocken gerieten. Neben der Eroberung von Tabaristan und Gorgan war die Belagerung von Istanbul im Jahre 99/717 eine der größten militärischen Aktivitäten unter der Führung von Maslama b. ʿAbdilmalik. Die einjährige Belagerung führte zu erheblichen Verlusten und endete in einem Fiasko.60 Auch wenn er wegen seiner Beredsamkeit berühmt war, bestrafte Sulaymān b. ʿAbdilmalik, der Frauen und Essen liebte und ein Gourmand war, aus persönli-

56 Noth, Albrecht, Früher Islam, in: Haarmann, Ulrich (Hrsg.): Geschichte der arabischen Welt, Verlag C. H. Beck, 2. Auflage München 1991, S. 60; Yiğit, Emevîler, S. 92. 57 Krämer, Gudrun, Geschichte des Islam, S. 54 ff.;.Hasan, Siyasî-­Dînî-­Kültürel İslam Tarihi, I, S. 397 f., 406, 410, 419; Yiğit, Emevîler, S. 92. 58 Cobb, The empire in Syria, S. 227; Yiğit, Emevîler, S. 92. 59 Hasan, Siyasî-­Dînî-­Kültürel İslam Tarihi, I, S. 427; Yiğit, Emevîler, S. 92; Friedman, Y., Muḥammad b. al-­Kāsim, in: EI², (New Edition), Leiden 1993, VII, S. 405; Bosworth, C. E., Kutayba b. Muslim, in: EI², (New Edition), Leiden 1986, V, S. 542. 60 Hawting, Gerald R., The First Dynasty of Islam. The Ummayyad Chaliphate AD 661–750, 2. Auflage, London 2000, S. 72 f.; Hasan, Siyasî-­Dînî-­Kültürel İslam Tarihi, I, S. 426; II, S. 267; Yiğit, Emevîler, S. 92.

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chen Gründen viele Statthalter und Kommandanten, die dem Staat große Dienste erwiesen hatten. Deshalb nahmen während seiner Regentschaft die Stammesauseinandersetzungen zu. Aus diesem Grund wird seine weniger als dreijährige Regentschaft als der Wendepunkt und Beginn der Stillstandsphase während der Umayyaden-­Herrschaft angesehen.61 Sulaymān b. ʿAbdilmalik hätte seinen Sohn oder seine Brüder zu Kronerben machen können; dennoch beschloss er auf den Rat religiöser Gelehrter, wie Qabīṣa b. Ḏuʾayb (gest. 86/705 ?) und Raǧāʾ b. Ḥaywa (gest. 112/730) hin, seinen Vetter ʿUmar b. ʿAbdilʿazīz als Thronfolger zu bestimmen.62 ʿUmar b. ʿAbdilʿazīz, der den Koran bereits in sehr jungen Jahren auswendig gelernt und eine sehr intensive religiöse Bildung in Medina genossen hatte, zudem ein zuverlässiger Hadith-­Tradierer und sieben Jahre als Statthalter von Medina wirkte, wurde so nach dem Ableben von Sulaymān b. ʿAbdilmalik 8. umayyadischer Kalif.63 Im Gegensatz zu seinen Vorgängern und Nachfolgern hatte ʿUmar b. ʿAbdilʿazīz eine völlig andere Regierungsweise. Anstatt politische Intrigen und persönliche Interessen zu verfolgen, kannte er nach der Darstellung der Quellen allein das Ziel, den Islam und all seine Regeln auszuleben und leben zu lassen. Diese Regierungsweise von ʿUmar b. ʿAbdilʿazīz erinnerte an die Blütezeit unter den vier rechtgeleiteten Kalifen. Da ʿUmar b. ʿAbdilʿazīz daran glaubte, dass er Allah gegenüber für seine Regierung verantwortlich sei, versuchte er das, was den islamischen Prinzipien entsprach, umzusetzen. In seiner Regierungszeit waren seine engsten Berater die berühmtesten Gelehrten dieser Zeit, und die sunnitische Schule gewann in seiner Ära erheblich an Macht.64 Er suspendierte den größten Teil der beim Volk unbeliebten und erbarmungslosen Staatsbeamten und ersetzte sie weitgehend durch aufgeklärte und vertrauenswürdige Menschen. Außerdem äußerte er sich ausdrücklich zum Fehlverhalten seiner Vorgänger, ohne sich dabei irgendwelchen Drohungen zu beugen, und überführte widerrechtlich beschlagnahmte Güter in die Staatskasse. Er versuchte, Unstimmigkeiten zu beheben und Frieden zu stiften, indem er oppositionelle Gruppen, die mit brachialer Gewalt agierten, in wissenschaftliche Diskussionen einband. Auch wenn er in diesem Zusammenhang nicht gänzlich alle Ḫāriǧīten überzeugen konn61 Hasan, Siyasî-­Dînî-­Kültürel İslam Tarihi, I, S. 428; Yiğit, Emevîler, S. 92. 62 Nagel, Tilman, Die Islamische Welt bis 1500, Hrsg.: Bleicken Jochen, Gall Lothar, Jakobs Hermann, Band 24, R. Oldenbourg Verlag, München 1998, S. 54; Cobb, The empire in Syria, S. 228; Yiğit, Emevîler, S. 92. 63 Hasan, Siyasî-­Dînî-­Kültürel İslam Tarihi, I, S. 429 f. 64 Hawting, The First Dynasty of Islam, 76 ff.; Yiğit, Emevîler, S. 92 f.

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te, gelang es ihm doch, sie vorübergehend zu integrieren.65 Die Fadak-­Ländereien, die in der Dynastie der Umayyaden als Eigentum behandelt wurden, gab er den Nachkommen von ʿAlī, die sehr gut behandelt wurden, zurück. Die in den Freitagspredigten der Umayyaden gegenüber ʿAlī aufkommenden Beschimpfungen verbot er und setzte auf Aktivitäten, die dem Volk nutzten, anstatt einseitig die Interessen der Staatskasse zu fördern. In diesem Zusammenhang hob er die Steuern der als zweitrangig behandelten Mawālī (Muslime, aber keine Araber) auf und schuf somit eine Äquivalenz zwischen den Muslimen. Er versuchte, alle Rechte, die der Islam den Nichtmuslimen gewährt, einzuhalten.66 Des Weiteren wurde der Islam durch Delegationen, die er zu den nichtmuslimischen Bevölkerungsschichten im Staatsgebiet schickte – insbesondere in Nordafrika unter den Berbern und im Osten, also in Transoxanien und in Sind, unter den Türken – rasant verbreitet.67 Während seines etwa zweieinhalbjährigen Kalifats (99–101/717–720) genoss ʿUmar b. ʿAbdilʿazīz wegen seiner Toleranz gegenüber anderen Ansichten, seiner Einhaltung der Rechte der nichtmuslimischen Schutzbefohlenen (Ḏimmīs) und seiner gerechten, ehrlichen und frommen Regierungsweise im Vergleich zu seinen Vorgängern und Nachfolgern in der islamischen Geschichte ein überaus großes Ansehen. Die Worte von Sufyān aṯ-Ṯawrī, welche ihn zum 5. rechtgeleiteten Kalifen zählten, stellen sein Ansehen ausdrücklich dar: „Es gibt fünf Kalifen. Abū Bakr, ʿUmar, ʿUṯmān, ʿAlī und ʿUmar b. ʿAbdilʿazīz.“68 ʿUmar b. ʿAbdilʿazīz woll-

65 Nagel, Tilman, Geschichte der islamischen Theologie: Von Mohammed bis zur Gegenwart, C. H. Beck, München 1994, S. 56. 66 Krämer, Geschichte des Islam, S. 63; Berger, Lutz, Die Entstehung des Islam. Die ersten Jahrhunderte von Mohammed bis zum Weltreich der Kalifen, Verlag C. H. Beck, München 2016, S. 247; Cobb, The empire in Syria, S. 229. 67 Suyūṭī, Ǧalāluddīn ʿAbdurraḥmān b. Abī Bakr (gest. 911/1505), Tārīḫu l-­Ḫulafāʾ, ed. Muḥammad Muḥammad Tāmir, Maktabatu ṯ-­Ṯaqāfati t-­Dīniyya, Kairo 2005, S. 171 f.; zu den Details der Anwendungen in der Ära von ʿUmar b. ʿAbdilʿazīz siehe İbrahim Hasan, Siyasî-­Dînî-­Kültürel İslam Tarihi, I, S. 433–436; Imāduddin Ḫalīl, Malāmiḥu l-­Inqilābi l-­ Islāmī fī Ḫilāfati ʿUmar b. ʿAbdilʿazīz, Beirut 1985, S. 81–176; Ağırakça, Ahmet, İslam’da İlk Tecdid Hareketi ve Ömer İbn Abdulaziz, İstanbul 1995, S. 94–159; ʿUmar Farrūḥ, Tārīḫu Ṣadri l-­Islām wa d-­Dawlatu l-­Amawiyya, Beirut 1986, S. 175; Aycan İrfan/Sarıçam İbrahim, Emevîler, Türkiye Diyanet Vakfı Yay., Ankara 1993, S. 76 f.; Blankinship, K.Y., The End of the Jihād State. The Reign of Hishām Ibn ‘Abd Al-­Malik and the Collapse of the Umayyads, State University of New York Press 1994, S. 31; Hawting, G. R., Umayyads, in: EI2, (New Edition), Leiden 2000, X, S. 844; Yiğit, Emevîler, S. 93. 68 Abū Dāwūd, Sulaymān b. Ašʿaṯ as-­Siǧistānī al-­Azdī (gest. 275/889), Sunanu Abī Dāwūd, ed. Kamāl Yūsuf al-­Ḥūt, Dāru l-­Ǧinān wa Muʾassasatu l-­Kutubi ṯ-­Ṯaqāfiyya, Beirut 1988, Sunna, 8; Suyūṭī, Tārīḫu l-­Ḫulafāʾ, S. 169.

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te das Kalifat, welches durch Demonstrationen von roher Gewalt geprägt war, in eine beratende Natur umformen und die vererbbare Regierung in ein System umwandeln, in der ein kompetenter Mann durch Beratung und Wahl zum Kalifen werden konnte. Dies stieß aber auf starken Widerstand des Umayyaden-­Hauses. Ohne seinen Willen durchsetzen zu können, verstarb ʿUmar im Jahre 101/720 im Monat Raǧab. Bei der Gründung des Staates der Abbasiden wurden die Gräber der Umayyaden-­Herrscher im Rahmen von Vergeltungsakten geöffnet. Sein Grab jedoch blieb unberührt, weil er, wie schon erwähnt, gerecht regiert hatte.69 Betrachtet man die Taten des 9. Kalifen Yazīd II. b. ʿAbdilmalik (101–105/ 720–724), der von Sulaymān anstelle von ʿUmar b. ʿAbdilʿazīz als Thronfolger bestimmt wurde, so stellt man sofort fest, dass das Kalifat wieder zum Sultanat wurde. Yazīd II. b. ʿAbdilmalik nimmt seinen Platz in der Geschichte als einer der erfolglosesten Kalifen der Umayyaden ein. Kurz nach seinem Amtsbeginn begann die Rebellion der Ḫāriǧīten unter Šawḏab, die mehrmals die Armee der Umayyaden besiegte. Maslama b. ʿAbdilmalik, der Bruder von Yazīd b. ʿAbdilmalik und Statthalter von Kūfa, ließ ʿAmr al-­Ḥarašī mit einer großen Armee gegen Šawḏab marschieren, der nach langen und schweren Kämpfen beseitigt wurde.70 Die in dieser Epoche ausbrechende Rebellion von Yazīd b. Muhallab (gest. 102/720) war im Hinblick auf ihre Folgen und den Schaden für den Staat beachtlich. Diese Rebellion, die erst nach erbitterten Gefechten unterdrückt werden konnte, führte in der Region des Irak zu heftigen Kriegen zwischen den jemenitischen Stämmen Azd und Rabīʿ und den nordarabischen Stämmen Tamīm und Qays und erschütterte die Staatsstruktur. Die Söhne von Muhallab b. Abī Ṣufra, welche dem Staat der Umayyaden erhebliche Dienste erwiesen hatten, wurden dabei beseitigt.71 ʿUmar b. Hubayra (gest. 110/728) wurde zum Gouverneur des Irak ernannt und entfachte aufgrund seiner schlechten Behandlung der Jemeniten, welche die wichtigste Stütze des Staates darstellten, erneut das längst erloschene Feuer des Tribalismus.72 Yazīd II. (gest. 105/724) herrschte vier Jahre lang. Ihm fehlten die Fähigkeiten, die ein Kalif besitzen sollte. Er besaß einen frivolen Charakter, verbrachte die meiste Zeit mit seinen beiden Konkubinen Sallāma und Ḥabāba und legte ein 69 Noth, Früher Islam, S. 84; Hasan, Siyasî-­Dînî-­Kültürel İslam Tarihi, I, S. 435. 70 Hasan, Siyasî-­Dînî-­Kültürel İslam Tarihi, I, S. 436; Hawting, The First Dynasty of Islam, S. 73 f.; Krämer, Geschichte des Islam, S. 67. 71 Nagel, Die Islamische Welt bis 1500, S. 54; Yiğit, Emevîler, S. 93. 72 Vadet, J. C., Ibn Hubayra, in: EI², (New Edition), Leiden 1986, III, S. 802; Bozkurt, Nahide, İbn Hübeyre, in: DİA, İstanbul 1995, XX, S. 84.

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formloses Verhalten an den Tag, welches der Ernsthaftigkeit eines Staatsmannes unwürdig war. In den Quellen wird auch zitiert, dass sich Yazīd II. wegen seiner besonderen Neigung zu Ḥabāba bei deren Erkrankung aus der Öffentlichkeit zurückzog und sie nach ihrem Tod noch ein paar Tage bei sich behielt und nicht beerdigen ließ.73 Nach seinem Tod wurde Hišām b. ʿAbdilmalik (105–125/724–743) der 10. umayyadische Kalif. Auch in dieser Zeit gab es verschiedene aufständische Bewegungen. Kurz nach der im Jahre 120/738 erfolgten Entlassung des irakischen Statthalters Ḫālid b. ʿAbdullāh al-­Qaṣrī (gest. 126/743), welcher eine 15 Jahre erfolgreiche Verwaltung hinterließ, begann im Irak der Aufstand des von ʿAlī abstammenden Zayd b. ʿAlī (gest. 122/740). Dieser Aufstand wurde jedoch erfolgreich bekämpft. Es wird angenommen, dass diese Bewegung die Abbasiden-­ Opposition verstärkte, welche seit 100/718 geheime Aktivitäten mit dem Ziel des Zerfalls des Umayyaden-­Staates initiiert hatte.74 Die zwei weiteren Aufstände in der Chorasan-­Region gehören im Hinblick auf ihre Folgen zu den bedeutendsten Ereignissen jener Zeit. Die ungerechte Verteilung der Kriegsbeute, die Privilegierung der Araber gegenüber den Mawālī (ebenfalls Muslime) sowie deren im Gegensatz zur Zeit von ʿUmar b. ʿAbdilʿazīz eingezogenen Tribute waren einige wichtige Gründe für die Reaktion der nichtarabischen Teile der Region. Diese ungünstigen Bedingungen führten zur Entstehung der Soġd-75 und Ḥāriṯ b. Surayǧ (gest. 128/746)-Aufstände in der Chorasan-­ Region. Auch wenn beide Aufstände niedergeschlagen wurden, so mussten die Statthalter in der Region doch eine schwere Zeit durchstehen, insbesondere während des zwölf Jahre lang anhaltenden Ḥāriṯ b. Surayǧ-­Aufstandes. Nach Ansicht von G. van Vloten führte Ḥāriṯ b. Surayǧ den mit dem Soġd-­Aufstand begonnenen Widerstand fort.76 Vor allem half der Ḥāriṯ b. Surayǧ-­Aufstand der Abū Muslim-­

73 Hasan, Siyasî-­Dînî-­Kültürel İslam Tarihi, I, S. 436, 437, II, S. 255; Yiğit, Emevîler, S. 93. 74 Hawting, The First Dynasty of Islam, S. 81 ff.; Blankinship, The End Of Jihad State, S. 102.Yiğit, Emevîler, S. 93. 75 Ein Ort zwischen Buxoro (Buḫārā) und Samarkand, der mit vielen Dörfern, Gewässern, grünen und dichten Bäumen, zwitschernden Vögeln, den mit vielen Blumen geschmückten schönen Gärten, einer Breite von fünf Tagesmärschen, Ländereien, die Sonnenschutz durch die dichten Bäume erfuhren, und hinter den Bäumen versteckten Dörfern dem Paradies glich, vgl. Yāqūt, Abū ʿAbdillāh Yāqūt b. ʿAbdillāh al-­Ḥamawī (gest. 626/1229), Muʿǧamu l-­Buldān, Dāru l-­Fikr, Beirut, o. J., III, S. 222. 76 Hawting, The First Dynasty of Islam, S. 107 ff.; Vloten Gerlof van, Emevî Devrinde Arap Hakimiyeti, Şia ve Mesih Akidesi Üzerine Araştırmalar, (ins Türkische übersetzt von M. Said Hatiboğlu), Ankara 1986, S. 40.

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Bewegung, welche im Osten des Umayyaden-­Staates entstanden war. Außerdem hob die Unterdrückung dieser Aufstände die negative Einstellung der Mawālī in der Region gegen die Umayyaden nicht auf. Nachdem Abū Muslim al-­Ḫurasānī (gest. 137/755) an die Führung der viele Jahre heimlich in Chorasan organisierten abbasidischen Umsturzbewegung kam und somit der Aufruf zur Rebellion publik wurde, schlossen sich viele Mawālī der in Chorasan beginnenden und sich gegen die Umayyaden richtenden abbasidischen Revolutionsbewegung an.77 Andererseits verlor ʿAbdurraḥmān al-­Ġāfiqī (gest. 114/732), der im Jahr 730 zum Gouverneur von Andalusien ernannt wurde, im Jahre 114/732 die Schlacht bei Tours und Poitiers an einem Ort, der in arabischen Quellen „Balāṭu š-­Šuhadāʾ = Straße der Gefallenen“ genannt wird, gegen die fränkische Armee unter dem Kommando von Karl Martell. Nach dieser Niederlage, welche den Lauf der Geschichte änderte, wurde der Vormarsch der Muslime nach Europa gestoppt. Außerdem kamen in Nordafrika unter den Berbern bedeutende Unruhen auf.78 Die von der negativen Mawālī-­Politik, insbesondere in den letzten Jahren von Hišām b. ʿAbdilmalik, entfachten berbischen Aufstände beschädigten den innerstaatlichen Frieden im Westen des Staatsgebiets. Diese Aufstände dauerten mehrere Jahre an und wurden durch die entsandten Armeen aus Damaskus blutig unterdrückt.79 Als Folge der Aufstände wurde die arabische Herrschaft in Nordafrika und Andalusien erschüttert. Nach J. J. Saunders bedeuteten diese berbischen Aufstände daher das Ende des arabischen Vormarsches nach Westeuropa.80 Hišām war ein Kalif, dem es in seinem 19-jährigen Kalifat gelungen war, die Stärke des Staates zu bewahren, auch wenn er erst zu einem Zeitpunkt, in dem 77 Muḥammad Ǧamāluddīn Surūr, al-­Ḥayātu s-­Siyāsiyya fī d-­Dawlati l-ʿArabiyyati l-­ Islāmiyya, Kairo 1960, S. 166 f. Für detaillierte Informationen über die Natur der abbasidischen Revolution siehe Bozkurt Nahide, Oluşum Sürecinde Abbâsî İhtilali, Ankara 2000, S. 21–90; Fāruq ʿUmar, Ṭabīʿatu d-­Daʿwati l-ʿAbbāsiyya (98–132/716–749), Beirut 1970, S. 109–161; Muḥammad Barakāt al-­Bayalī, ad-­Daʿwatu l-ʿAbbāsiyya, Kairo 1986, S. 9–62; Muḥammad ʿAbdulfattāḥ ʿUlyān, Qiyāmu d-­Daʿwati l-ʿAbbāsiyya, Kairo 1994, S. 37–109; Krämer, Geschichte des Islam, S. 66; Hawting, The First Dynasty of Islam, S. 105 ff. 78 Noth, Früher Islam, S. 60; Hasan, Siyasî-­Dînî-­Kültürel İslam Tarihi, I, S. 423 f.; Levi-­ Provencal, E., Abd al-­Raḥmān b. ʿAbd Allāh al-­Ghāfikī, in: EI², (New Edition), Leiden 1986, I, S. 86; Yıldız, Hakkı Dursun, Abdurrahman el-­Gâfikî, in: DİA, İstanbul 1988, I, S. 162; Yiğit, Emevîler, S. 93. 79 ʿAbdilḥakam, Futūhu Miṣr wa Aḫbāruhā, Kairo 1991, S. 222 f.; Welhausen, Julius, Arap Devleti ve Sukutu, (ins Türkische übersetzt von Fikret Işıltan), Ankara 1963, S. 162 f. 80 Saunders, John J., A History of Medieval Islam, London 1965, S. 93.

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die Umayyaden bereits in die Verfallsphase eingetreten waren, Kalif geworden war. Er gilt nach Muʿāwiya b. Abī Sufyān und ʿAbdulmalik b. Marwān als der drittgrößte und wichtigste Kalif der Umayyaden-­Dynastie. Dennoch begannen die Fundamente des Staates zum Ende dieser Epoche ins Wanken zu geraten. Kalif Hišām war ein ernster Staatsman, eine behutsame und religiöse Persönlichkeit, der im Großen und Ganzen die Stabilität im Land aufrecht erhalten, jedoch nicht die immer stärker werdende und von den Mawālī ünterstützte abbasidische Opposition und die Propaganda der Ḫāriǧīten aufhalten konnte.81 Nach dem Ableben von Hišām im Jahre 125/743 folgte ihm der 11. Kalif Walīd II. b. Yazīd. Die Zeit dieses Kalifen (125–26/743–44), der äußerst wenige der von einem Staatsoberhaupt erwarteten Eigenschaften besaß, gilt als der Anfang des Untergangs der Umayyaden. So herrschte ein paar Monate nach Hišāms Tod ein totales Chaos im Staat, und die Auseinandersetzungen zwischen den arabischen Stämmen verschärften sich noch mehr. Anstatt den Staat, welcher sich immer mehr dem Untergang näherte, zu leiten, verbrachte Walīd II. seine Tage mit Alkoholexzessen und Jagdausflügen. Sein schwacher Charakter, der zu jeder Ausschweifung bereit war, und sein Spott über die heiligen Werte des Islam hatten innerhalb der Umayyaden-­Familie sehr viele Reaktionen zur Folge. Somit spaltete sich zum ersten Mal das Haus der Umayyaden und teilte Syrien politisch de facto in zwei Teile.82 Schließlich versammelte sich die umayyadische Familie und entschied sich dafür, Walīd b. Yazīd des Kalifats zu entheben. Daraufhin wurde Walīd II. im Jahre 126/744 im Baḥra-­Palast in Palästina, in den er sich mit seinen Freunden zurückgezogen hatte, von Yazīd III. b. Walīd b. ʿAbdilmalik und dessen Soldaten getötet. An seiner Stelle trat Yazīd III. das Kalifat an.83 Yazīd III., der im Jahre 126/744 der 12. umayyadische Kalif wurde und dieses Amt sechs Monate innehatte, sagte zwar zu Beginn seiner Amtszeit, dass er sich ʿUmar b. ʿAbdilʿazīz zum Vorbild nehmen würde, aber seine Vorgehensweise

81 Hasan, Siyasî-­Dînî-­Kültürel İslam Tarihi, I, S. 438 f.; Blankinship, The End Of Jihad State, S. 95; Yiğit, Emevîler, S. 93. Für mehr Informationen zu den inländischen und ausländischen Geschehnissen in der Zeit von Hišām b. ʿAbdilmalik siehe Atçeken, İsmail Hakkı, Devlet Geleneği Açısından Hişâm b. Abdülmelik, Ankara 2001, S. 31–141, 143–199. 82 Hawting, The First Dynasty of Islam, S. 90 ff.; Van Ess, Theologie und Gesellschaft, I, S. 84 f.; Yiğit, Emevîler, S. 93. 83 Zu Walīd b. Yazīd und seinen Aktivitäten siehe ʿAṭwān Ḥusayn, Ṣīratu Walīd b. Yazīd, Kairo 1980, S. 11–199, 239–364; Aycan İrfan/Sarıçam İbrahim, Emevîler, S. 87 f.; Yiğit, Emevîler, S. 94.

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stimmte damit nicht überein. So privilegierte er die jemenitischen Stämme, denen er seine Herrschaft zu verdanken hatte. In seiner kurzen Regierungszeit kam es in den Regionen Palästina, Homs, Damaskus, Yamāma und Irak zu Aufständen. Seine Autorität wurde nie im ganzen Land anerkannt. Vor seinem Ableben gelang es ihm nicht, den Gehorsam der zuvor von den Umayyadan ernannten Statthalter Chorasans und Aserbaidschans zu erlangen. Er war den Grundsätzen der Muʿtazila zugeneigt, aber dennnoch eifrig bei der Religionsausübung. Yazīd b. Walīd erhielt den Spitznamen „an-­Nāqiṣ = der Mangelhaftige“, weil er die Löhne der Ḥiǧāz-­Armee kürzte.84 Zur Zeit des 13. umayyadischen Kalifen Ibrāhīm b. Walīd (126/744), der nach Yazīd III. den Thron für die sehr kurze Zeit von weniger als zwei Monaten bestieg, nahmen die Unruhen erheblich zu. Er wurde nie vom Volk als Kalif akzeptiert. Marwān b. Muḥammad, der Statthalter von Armenien und Aserbaidschan, erkannte das Kalifat von Ibrāhīm nicht an und marschierte unter dem Vorwand, das Recht der Kinder von Walīd II. auf das Kalifat zu verteidigen, in Damaskus ein. Marwān nahm Ibrāhīm gefangen, ermordete ihn und nutzte die Gelegenheit, die sich ihm durch die Ermordung der Kinder von Walīd II. bot, um sich selbst zum Kalifen zu ernennen.85 Marwān II. b. Muḥammad (127–132/744–750), der 14. und letzte umayyadische Kalif, bestieg 127/744 den Thron, als der Staat bereits langsam in sich zusammenbrach. Da er seine Macht von den nordarabischen Stämmen bezog, verlegte er das Zentrum des Kalifats nach Ḥarrān, wo diese Stämme in der Mehrheit waren. Die Umstände, in denen sich der Staat befand, waren jedoch sehr schwierig. Neben den Aufständen, die nicht aus dem umayyadischen Hause kamen, war die familiäre Einheit in sich zusammengebrochen, und einige aus der Dynastie wollten das Kalifat durch Revolten an sich reißen. Marwān II. begab sich nach Syrien, um die dortigen Aufstände niederzuschlagen. In Qinnasrīn bezwang er Sulaymān b. Hišām aus dem umayyadischen Haus. Danach unterdrückte er die Rebellion in Homs. Zeitgleich schlug er eine schiitische Rebellion in Kūfa nieder. Dennnoch eroberten die Ḫāriǧīten mit Hilfe einiger umayyadischer 84 Hawting, The First Dynasty of Islam, S. 94 ff.; ʿAbduššāfiʿī Muḥammad ʿAbdullaṭīf, al-ʿĀlamu l-­Islāmī fi l-ʿAṣri l-­Amawī, Kairo 1984, S. 203–207; İrfan Aycan/İbrahim Sarıçam, Emevîler, S. 88 ff.; Hasan, Siyasî-­Dînî-­Kültürel İslam Tarihi, I, S. 441; Yiğit, Emevîler, S. 94; siehe auch Van Ess, Theologie und Gesellschaft, I, S. 84 ff. 85 Yiğit, Emevîler, S. 94. Es gibt auch die Überlieferung, dass Ibrāhīm von Marwān begnadigt und im Jahre 132/750 von den Abbasiden getötet wurde; siehe dazu Hasan, Siyasî-­Dînî-­Kültürel İslam Tarihi, I, S. 441. Siehe auch Van Ess, Theologie und Gesellschaft, I, S. 88 f.

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Familienangehöriger die Stadt zurück. In Anbetracht all dieser Aufstände war Marwān II. gezwungen, von der einen Front an die andere zu eilen. Während er sich mit diesen Unruhen herumschlug, konnte er sich nicht um die eigentliche Gefahr, die abbasidische Revolutionsbewegung, die der umayyadischen Ära ein Ende setzen sollte, kümmern.86 Die im Jahre 100/718–19 im Geheimen gegründete abbasidische Revolutionsbewegung wurde lange Jahre durch die von Syrien und Irak nach Chorasan entsandten Botschafter verdeckt gefördert. Nachdem Abū Muslim al-­Ḫurasānī (gest. 137/755) an die Spitze der Revolutionsbewegung trat, begannen die offene Propaganda und der Widerstand,87 die sich zur Zeit von Marwān II. ab dem Jahre 129/746–47 unter der Führung von Abū Muslim al-­Ḫurasānī im kollektiven Bewusstsein der Bevölkerung verankerten.88 Die abbasidischen Propagandisten, die die Unzufriedenheit und die Reaktionen der Mawālī gegen die umayyadische Regierung gut einzusetzen wussten, nutzten die Lage der Mawālī als ein wichtiges Argument für ihre Propaganda und ließen die Mawālī bei der Revolutionsorganisation mitwirken. In diesem Zusammenhang wurde der Leitsatz „Gleichberechtigung zwischen den Arabern und den Mawālī schaffen“ eines der wichtigsten Prinzipien der abbasidischen Propaganda, mit der sie die Mawālī motivierten.89 Man kann also sagen, dass die Mawālī beim Erfolg der Revolution, welche den umayyadischen Staat zerstören sollte, eine wichtige Rolle spielten. Die von Abū Muslim al-­Ḫurasānī (gest. 137/755) im Jahre 129/747 begonnene Rebellion, in der die Oppositionellen in der Umgebung von Chorasan vereint wurden und die insbesondere von den Mawālī unterstützt wurde, wuchs rasant, und die Rebellen nahmen die Provinzen von Chorasan, Persien und die Region Irak ein. Nachdem sie Kūfa eingenommen hatten, ernannten sie im Jahre 132 Abu l-ʿAbbās as-­Saffāḥ zum Kalifen. Abu l-ʿAbbās ließ Marwān II. verfolgen, den er am Ufer der Zap-­Gewässer schlug. Marwān II., der zuerst nach al-­Ǧazīra und

86 Nagel, Das Kalifat der Abbasiden, S. 102; Yiğit, Hawting, The First Dynasty of Islam, S. 96 ff.; Yiğit, Emevîler, S. 94; Hawting, Umayyads, S. 844 f. 87 Zur abbasidischen Propaganda in der Ära von Marwān b. Muḥammad siehe Muḥammad Barakāt al-­Bayalī, ad-­Daʿwatu l-ʿAbbāsiyya, S. 26–35; Delice Ali, Mervân b. Muhammed ve Emevî Devletinin Yıkılışı, (unveröffentlichte Dissertation), Sivas 1998, S. 151–186; Hawting, The First Dynasty of Islam, S. 114; Levis, B., ʿAbbāsids, in: EI2 (New Edition), Leiden 1986, I, S. 15. 88 Nahide Bozkurt, Oluşum Sürecinde Abbâsî İhtilali, S. 63. 89 Muḥammad Barakāt al-­Bayalī, ad-­Daʿwatu l-ʿAbbāsiyya, S. 42 ff.; Muḥammad ʿAbdulfattāḥ ʿUlyān, Qiyāmu d-­Daʿwati l-ʿAbbāsiyya, S. 37–43.

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danach nach Syrien floh, wurde schließlich am 27. Ḏi l-­Ḥiǧǧa 132 n. H./6. August 750 n. Ch. in Ägypten getötet, womit die Ära der Umayyaden ihr Ende fand.90

1.1.2 Soziale Gegebenheiten Zur Zeit der Umayyaden bestand die Gesellschaft im Allgemeinen aus folgenden drei Schichten: Muslime, Ḏimmīs und Sklaven. Die die Mehrheit stellenden Muslime bestanden wiederum aus Arabern und den Mawālī, also den nichtarabischen Bevölkerungsteilen. Die Regierung wurde bis zum Ende des umayyadischen Staates stets von den Arabern gebildet.91 Die Araber waren hauptsächlich Angehörige der beiden großen Kerngruppen der Muḍarī (Nordaraber) und der Yamanī (Südaraber). Die Konkurrenz und die Kriege des vorislamischen Heidentums (Ǧāhiliyya) zwischen diesen Stämmen wurden mit dem Islam zum größten Teil beendet, dennoch befanden sie sich trotz der Kooperation bei den Eroberungen im ständigen Wettbewerb, und ab und zu traten zwischen ihnen aus politischen, wirtschaftlichen, stammesbedingten oder lokalen Gründen verstärkt erneute Feindseligkeiten auf.92 Die als Mawālī bezeichneten nichtarabischen Bevölkerungsteile setzten sich im Grunde aus zwei Gruppen zusammen: Die erste Gruppe, welche die Minderheit darstellte, bildeten Personen, die während der Kriege gefangen genommen wurden, später von ihren Herren die Freiheit erhielten und als „Mawāli l-ʿItāqa“ bezeichnet wurden. Die die Mehrheit stellende zweite Gruppe der Mawālī waren solche, die schon immer frei waren und nie den Status eines Sklaven hatten, sich jedoch unter die Obhut eines arabischen Stammes begaben und Muslime mit ausländischen Wurzeln waren; sie erhielten Namen wie „Mawāli l-­Islām/Mawāli l-­Muwālāt/Mawāli t-­Tibāʿa“. Da die genealogische Abstammung in diesem Zeitalter sehr wichtig war, war ein guter Status in der Gesellschaft an den Walāʾ (die Obhut), einen Vertrag, der mit einem der arabischen Stämme geschlossen wurde, gebunden. Da diese Vereinbarung später nicht mehr notwendig war, dehnte sich der Anwendungsbereich des Begriffs der Mawālī aus und schloss alle nichtarabischen Muslime ein.93

90 Krämer, Geschichte des Islam, S. 66 f.; Hasan, Siyasî-­Dînî-­Kültürel İslam Tarihi, III, S. 308; Levis, ʿAbbāsids, S. 16; Yiğit, Emevîler, S. 94. 91 Yiğit, Emevîler, S. 100; Hasan, Siyasî-­Dînî-­Kültürel İslam Tarihi, II, S. 249–252. 92 Krämer, Geschichte des Islam, S. 53; Noth, Früher Islam, S. 90; Yiğit, Emevîler, S. 100; Hawting, Umayyads, S. 842; Berger, Die Entstehung des Islam, S. 247. 93 Noth, Früher Islam, S. 95 f.; Yiğit, Emevîler, S. 100 f.; Yiğit, İsmail, Mevâlî, in: DİA, Ankara 2004, XXIX, S. 424.

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Der Islam lehnt jegliche Form von Rassismus ab.94 Daher sind Muslime, die keine Araber waren, in den eroberten Gebieten rechtlich mit arabischen Muslimen prinzipiell gleichgestellt, was sich allerdings in der Praxis anders darstellte. Es ist eine Tatsache, dass die Mawālī, mit Ausnahme der Regentschaft von ʿUmar b. ʿAbdilʿazīz in der Epoche der Umayyaden, diskriminiert wurden, von bestimmten Rechten nicht gleichermaßen profitierten wie die Araber und beispielsweise Kopfsteuer zahlen mussten, obwohl sie Muslime waren. Diese diskriminierende Politik der Umayyaden beeinflusste die Verbindung der Mawālī zum Staat negativ. Die Mawālī wurden in staatlichen Bereichen, die keinen allzu großen Einfluss auf die grundlegende Politik des Staates besaßen, beamtet, insbesondere in den Gemeinderäten (Dīwān). So war beispielsweise der Sekretär (Kātib) von Hišām b. ʿAbdilmalik sein freigelassener Sklave Sālim, das Amt des Dīwānu l-­Ḫātam bekleidete Rabīʿ b. Ṣābur, der Freigelassene von Banu l-­Ḥarīṣ, und sein Pförtner (Ḥāǧib) war sein freigelassener Ġālib b. Masʿūd. In der Ära von Hišām war der Kātib des Statthalters von Irak Yūsuf b. ʿUmar aṯ-­Ṯaqafī sein freigelassener Sklave.95 Dass die Umayyaden-­Dynastie, die Amtszeit von ʿUmar b. ʿAbdilʿazīz ausgeschlossen, im Allgemeinen eine diskriminierende Politik gegenüber nichtarabische Muslime (Mawālī) verfolgte und in diesem Zusammenhang sogar von der Mawālī-­Bevölkerung Kopfsteuer erhob und die Mawālī nicht auf allen Regierungsebenen vertreten waren und als zweitklassige Bürger behandelt wurden, führte dazu, dass im Osten unter den Iranern und Türken und im Westen unter den Berbern eine große Antipathie gegen die umayyadische Regierung aufkam. Außerdem führte dieses Verhalten zu einigen Aufständen.96 Dennoch kann nicht behauptet werden, dass die Mawālī, die in religiöser, politischer, militärischer, sozialer und wirtschaflicher Hinsicht diskriminiert wurden, nun aller Rechte beraubt waren. Die nichtarabischen Völker wurden nie zwangskonvertiert und behielten ihre Rechte auf die Wahl der Religion und das Recht, die eigene Religion

94 Ḥuǧurāt, 49/13. 95 Krämer, Geschichte des Islam, S. 62 f.; Maḥmūd Miqdād, al-­Mawālī wa Niẓāmu l-­Walāʾ mina l-­Ǧāhiliyya ilā Awāḫiri l-ʿAṣri l-­Amawī, Damaskus 1988, S. 261 f.; Noth, Früher Islam, S. 99; Hasan, Siyasî-­Dînî-­Kültürel İslam Tarihi, II, S. 250. Siehe außerdem zu diesem Thema Hammaş Necdet, Emeviler Döneminde Mevâlî ve Zimmilerin İdaredeki Rolu (ins Türkische übersetzt von İrfan Aycan), A.U.İ.F. Dergisi, Vol. XXXVII, Ankara 1997, S. 175–183. 96 Noth, Früher Islam, S. 95 f; Blankinship, The End Of Jihad State, S. 99 ff.; Hasan, Siyasî-­ Dînî-­Kültürel İslam Tarihi, II, S. 250, 252; Cobb, The empire in Syria, S. 260; Yıldız, Hakkı Dursun, Berberîler, in: DİA, İstanbul 1992, V, S. 481.

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in Freiheit auszuleben. Die Anwendung der arabischen Sprache wurde ebenfalls nicht erzwungen, und jeder konnte seine eigene Sprache frei sprechen.97 Die widerrechtlichen Anwendungen, die die Mawālī erdulden mussten, schufen ihnen als Ironie des Schicksals andere Möglichkeiten. Die klugen Köpfe der Mawālī, die bemerkten, dass diese Staatspolitik keinen religiösen, sondern vielmehr einen politischen Hintergrund hatte, fanden die Möglichkeit, sich in zahlreichen wissenschaftlichen Aktivitäten zu beweisen. Folglich waren es hauptsächlich die wissenschaftlichen Tätigkeiten, in denen sich die Mawālī hervortaten, da sich die Araber in der Ära der Umayyaden viel mehr um die Verwaltung und um Kriege kümmerten. In diesem nicht von der Diskriminierung betroffenen Bereich brachten die Mawālī die berühmtesten Rechtswissenschaftler dieser Ära hervor. Vorreiter waren in diesem Zusammenhang Qāḍī Šurayḥ (gest. 80/699 [?]), Ḥasan al-­Baṣrī (gest. 110/728) und von den mekkanischen Rechtsgelehrten ʿAmr b. Dīnār (gest. 126/744), Abū Ḥanīfa (gest. 150/767), al-­Awzāʿī (gest. 157/773) sowie Ṭāwūs (gest. 106/725). In der Rezitationswissenschaft kamen drei von sieben Rezitationsgelehrten von den Kūfa-­Mawālī. Der Gründer der Muʿtazila Wāṣil b. ʿAṭāʾ (gest. 131/748), der Gründer der Ǧahmiyya Ǧahm b. Ṣafwān (gest. 128/745–46), der Erste, der erstmals die Lehrmeinung der Ǧabriyya aufstellte, Ǧaʿd b. Dirham (gest. 124/742) – sie alle waren Mawālī. Die Mehrheit der praktizierenden musikalischen Künstler waren ebenso Mawālī.98 Trotz der diskriminierenden Politik der Umayyaden ist gelegentlich auch eine sozial ausgerichtete und dem Wohl aller Bürger gewidmete Vorgehensweise zu erkennen. So versuchte Walīd b. ʿAbdilmalik während seiner Herrschaft (86–96/705–715) die Gunst der Bevölkerung für sich zu gewinnen und verbesserte durch einige soziale Maßnahmen die Lebensbedingungen, indem er sich um die Probleme der Bevölkerung kümmerte, Bedienstete für Blinde und Paralytiker bereitstellte und den Aussätzigen, Armen und Bedürftigen Löhne aus der Staatskasse auszahlte, um deren Betteln vorzubeugen.99 Die Ḏimmīs waren zu jener Zeit ebenfalls ein Bestandteil der Bevölkerung. Die Mehrheit der Ḏimmīs stellten die Christen und die Juden dar. Die Sabäer und Zoroastrier bildeten dazu eine kleine Minderheit. Die Gottesdienste der Ḏimmīs waren unantastbar; es gab in diesem Bereich keinen religiösen Druck auf sie. Ihnen 97 De Lacy O’Leary, İslam Düşüncesi ve Tarihteki Yeri, (ins Türkische übersetzt von Hüseyin Gazi Yurdaydın-­Yaşar Kutluay), Ankara 1971, S. 49; Noth, Früher Islam, S. 91; Hasan, Siyasî-­Dînî-­Kültürel İslam Tarihi, II, S. 250; Krämer, Geschichte des Islam, S. 57 f. 98 Krämer, Geschichte des Islam, S. 63; Van Ess, Theologie und Gesellschaft, II, S. 234; Yiğit, Mevâlî, S. 426. 99 Hasan, Siyasî-­Dînî-­Kültürel İslam Tarihi, I, S. 397.

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wurde weitgehende Autonomie im Bereich des Zivilrechts gewährt und ihre Administration durch die eigenen religiösen Anführer wurde stets genehmigt, soweit sie nicht Muslime betraf. Diese Freiheiten, die den nichtmuslimischen Bürgern gewährt wurden, spielten für die Menschen in den eroberten Gebieten beim Beitritt zum Islam eine erhebliche Rolle.100 Im Alltag lebten die Nichtmuslime häufig mit den Muslimen Seite an Seite und bewohnten dieselben Stadtteile. So wird auch berichtet, dass der christliche Dichter Aḫṭal (gest. 92/710–11), der vom Kalifen ʿAbdulmalik zum offiziellen Dichter des Fürstenhauses ernannt worden war, mit seinem seidenen Gewand und mit einem goldenen Kreuz um den Hals in der Moschee seine Gedichte vortrug. In der umayyadischen Dynastie führten die Ḏimmīs ein ruhiges und glückliches Leben und waren keinem nennenswerten Druck ausgesetzt, weil sie keine Muslime waren.101 Diese großzügige Religionsfreiheit bildete die Grundlage für die Beibehaltung der christlichen und jüdischen Identität unter muslimischer Herrschaft und verhinderte, dass sich die Christen und Juden an die islamisch geprägte Mehrheitsgesellschaft anpassen mussten. Somit wurde die Identität von Minderheiten als Gruppe und Kollektiv gewahrt. Trotz alledem ist es aber bemerkenswert, dass die meisten von ihnen zu dieser Zeit zum Islam konvertierten.102 Ein weiterer Bestandteil der Bevölkerung waren die Sklaven. Veteranensklaven, die in eroberten Regionen festgenommen wurden, erhielten entweder den Sklavenstatus oder im Regelfall den Status der freien Gefolgsleute, die ihre Kopfsteuer und ihren Tribut bezahlten.103 Der Islam brachte von Anfang an einige wichtige Anwendungen, welche die Sklavenrechte verbesserten. In diesem Zusammenhang wurden die Gründe der Versklavung durch die Kriegsgefangenschaft begrenzt. Sklaven zu befreien verhalf zur Sühne einiger Sünden, und um die Sklaverei gänzlich zu beheben, wurde die Befreiung der Sklaven angeregt.104

100 Hasan, Siyasî-­Dînî-­Kültürel İslam Tarihi, II, S. 250; Yiğit, Emeviler, S. 101. 101 Berger, Die Entstehung des Islam, S. 151 f.; Yüksel, Azmi, Ahtal, in: DİA, İstanbul 1989, II, S. 183; Krämer, Geschichte des Islam, S. 59; Yiğit, Emevîler, S. 101. 102 Yiğit, Emevîler, S. 101; Yüksel, Azmi, Ahtal, S. 183; Uçar, Bülent, Das Spannungsverhältnis zwischen Wahrheitsanspruch, Mission und Religionsfreiheit am Beispiel der Rechtsautonomie – eine islamische Perspektive, in: Judentum-­Christentum-­Islam. Bamberger Interreligiöse Studien. Religionen und Religionsfreiheit, Menschenrechtliche Perspektiven im Spannungsfeld von Mission und Konversion, Band 7, Ergon Verlag, Würzburg 2010, S. 165; Krämer, Geschichte des Islam, S. 59; Noth, Früher Islam, S. 91. 103 Yiğit, Emevîler, S. 101. 104 Siehe dazu Nisāʾ, 4/92; Māʾida, 5/89; Muǧādala, 58/3; Yiğit, Emevîler, S. 101.

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Die Staatskasse war in dieser Epoche durch die Eroberungen und die damit verbundene Kriegsbeute voll. Dies führte zu einer Steigerung des Lebensstandards, und es wurden luxuriöse Gebäude errichtet. Kalifen und Staatsmänner bewohnten prächtige Paläste und Schlösser. Die Nachfrage nach Musik und Unterhaltung stieg an. Zur Zeit von Yazīd II. und seinem Sohn Walīd II. und weiteren vergnügungssüchtigen Kalifen entwickelte sich der umayyadische Palast zu einem Vergnügungsviertel. Jagd und Pferderennen waren weitere gefragte Unterhaltungsvarianten. Es ist bekannt, dass Yazīd I. seine Windhunde mit goldenen Halsbändern und Glocken ausstattete und ein leidenschaftlicher Jäger war. Ebenso ist bekannt, dass Hišām b. ʿAbdilmalik als Erster Rennpferde unterhielt und anderen Kalifen, die ebenfalls Pferderennen befürworteten und riesige Gestüte errichteten, damit ein Beispiel war. Als Konsequenz erhöhten sich die Staatsausgaben und Verschwendungen. Diese unnötigen Ausgaben und Vergnügungen haben zur Verkürzung der Lebensdauer des Staates beigetragen.105

1.1.3 Wissenschaftliche Situation Der erste offenbarte Vers des Koran fängt mit dem Befehl „lies!“106 an. Dies zeigt den Wert der Wissenschaft und den Wert des Aneignens von Wissen im Islam. Der Prophet, der sich diesen Befehl zur Grundlage machte, regte die Menschheit mit großem Nachdruck zum Wissenserwerb an. In fast allen authentischen Hadith-­Quellen wird dies in den jeweiligen Hadithen unter der Kapitelbezeichnung „Kitābu l-ʿIlm“ offensichtlich. Die vom Propheten begonnenen Bildungs- und Lehraktivitäten dauerten in der Epoche der Umayyaden an; dabei spielten die Gebetsstätten (Masāǧīd) eine zentrale Rolle. Sehr oft wurden diese Gebetsstätten und die großen Moscheen neben den fünf Tagesgebeten für den Wissenschaftsunterricht benutzt. Auch die Häuser der Gelehrten und der Palast wurden zu Austragungsorten, in denen die damaligen Intellektuellen wissenschaftliche Aktivitäten durchführten und Sitzungen abhielten. In Gebetsstätten und Schulen, die Kuttāb gennant wurden, lehrte man außer Lesen und Schreiben auch das religiöse Grundwissen, Lexikographie, Grammatik und Dichtkunst. Die hier Heranwachsenden beteiligten sich je nach ihren Fähigkeiten wieder an gehobeneren Wissenschaftskreisen in den Gebetsstätten.107

105 Hawting, The First Dynasty of Islam, S. 90 ff.; Hasan, Siyasî-­Dînî-­Kültürel İslam Tarihi, II, S. 226; Yiğit, Emevîler, S. 101. 106 ʿAlaq, 96/1. 107 Yiğit, Emevîler, S. 96; Melchert, Christopher, The Etiquette of Learning in the Early Islamic Study Circle, in: The Formation of the Classical Islamic World, Farnham/ Burlington 2012, XXXXIII, S. 1 f.

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Es wird beobachtet, dass sich die wissenschaftlichen Aktivitäten in der Epoche der Umayyaden überwiegend auf religiöse Bereiche beziehen, vor allem auf Koran und Hadith. In dieser Epoche war es wichtig, dass sich die noch lebenden Prophetengefährten (Ṣaḥāba) in verschiedene Landesteile begaben, dort ihre wissenschaftlichen Aktivitäten durchführten und ihr vom Propheten erlerntes Wissen gegenseitig austauschten und an ihre Schüler aus der Tābīʿūn-­ Generation weitergaben, und dass einige von ihnen manche Hadithe auf eigenen Seiten festhielten. Diese wissenschaftlichen Aktivitäten spielten später bei der Entstehung eigenständiger Wissenschaftszweige und vieler religiösen Autoritäten eine große Rolle.108 Wie in einem späteren Abschnitt noch geschildert wird, lässt sich feststellen, dass man sich in der Epoche der Abbasiden – anders als bei den Umayyaden – mehr mit rationalen Wissenschaften wie Medizin, Philosophie und Ingenieurwesen beschäftigt. In diesem Zusammenhang bildet das 2. Jahrhundert n. H. einen sehr wichtigen Zeitabschnitt für die islamischen Wissenschaften. In dieser Ära bemerkt man in jeder Wissenschaft eine große Lebhaftigkeit und zügige Niederschrifts- und Kategorisierungsarbeiten. In Bezug auf die wissenschaftliche Lebhaftigkeit dieser Ära verdienen die folgenden Aussagen von Ḏahabī (gest. 748/1347) Aufmerksamkeit: „In diesem Jahrhundert haben die Islamgelehrten angefangen, Hadith- Fiqh- und Tafsīr-­Wissenschaften niederzuschreiben. Ibn Ǧurayǧ in Mekka; Saʿīd b. Abī ʿArūba, Ḥammād b. Salama und andere in Basra und al-­Awzāʿī in Šām haben ihre Bücher kategorisiert. Mālik hat sein Muwaṭṭaʾ in Medina kategorisiert. Ibn Isḥāq hat sein Maġāzī kategorisiert. Maʿmar im Jemen, Abū Ḥanīfa und andere Gelehrten haben Fiqh und Raʾy in Kūfa einsortiert. Sufyān aṯ-­Ṯawrī hat sein Kitābu l-­Ǧāmiʿ kategorisiert. Unmittelbar danach hat Hušaym seine Bücher kategorisiert. Layṯ in Ägypten, Ibn Lahīʿa, danach Ibnu l-­Mubārak, Abū Yūsuf und Ibn Wahb haben auch ihre Bücher kategorisiert. In diesem Jahrhundert nahm die Niederschrift und die Themensortierung des Wissens zu. Bezüglich der arabischen Sprache, Geschichte und Ayyāmu n-­Nās wurden Bücher verfasst. Vor diesem Jahrhundert sprachen die Gelehrte aus dem Gedächtnis oder sie überlieferten aus ungeordneten authentischen Seiten. Alles Lob gebührt Allah, in diesem Jahrhundert ist das Erlangen vom Wissen [dank der Kategorisierung der Bücher] einfacher geworden und die Überlieferung aus dem Gedächtnis nahm ab. Die Sache ist gänzlich Allah zuzuschreiben.“109

108 Hasan, Siyasî-­Dînî-­Kültürel İslam Tarihi, II, S. 209 f.; Crone, Patricia/Hinds, Martin, God’s Caliph, Religious authority in the first centuries of Islam, Cambridge University Press, London, 1986, S. 2. 109 Ḏahabī, Šamsuddīn Muḥammad b. Aḥmad b. ʿUṯmān (gest. 748/1347), Tārīḫu l-­ Islām wa Wafayātu l-­Mašāhīr wa l-­Aʿlām, ed. ʿUmar ʿAbdussalām Tadmūrī, Dāru l-­Kitābi l-ʿArabī, Beirut 1987, IX, S. 13; Suyūṭī, Tārīḫu l-­Ḫulafāʾ, S. 192.

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Diese Lebhaftigkeit, auf die Ḏahabī hier hinweist, ist im Hinblick darauf, dass diese Haltung die Grundlage für die späteren wissenschaftlichen Entwicklungen darstellt, noch wichtiger. Wenn man anfangs von Wissen (ʿIlm) sprach, so verstand man darunter nur die Hadith-­Überlieferung und das Wissen, welches sie beinhaltet. Diese Situation hielt bis zur zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts n. H. an; danach verzweigte sich das religiöse Wissen mehr und mehr.110 Somit entstanden infolge der ab dem Beginn des 2. Jahrhunderts n. H. auch schriftlich durchgeführten wissenschaftlichen Arbeiten die islamischen Wissenschaften, bevor sie sich später voneinander trennten. Diese Trennung wurde zum Ende des 2. oder zum Anfang des 3. Jahrhundert n. H. noch deutlicher.111 Ferner spielten die vor dem 2. Jahrhundert n. H. begonnenen und im Laufe der Zeit systematisierten Übersetzungstätigkeiten von Werken des Fremdkulturerbes eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der wissenschaftlichen Arbeiten. Anfangs wurden schwerpunktmäßig Werke über die positiven Wissenschaften, wie Medizin und Chemie, übersetzt, wobei die ersten Übersetzungen bis in die Zeit der Umayyaden zurückreichen. In diesem Zusammenhang gilt der Umayyaden-­Prinz Ḫālid b. Yazīd b. Muʿāwiya (gest. 85/704) als Urheber der Übersetzungsarbeiten. Ḫālid, auch bekannt als Pionier der Medizin- und Chemiewissenschaften, ließ von Staphon und Marianos, zwei Priestern aus Alexandria, einige medizinische, astronomische und chemiewissenschaftliche Werke aus dem Griechischen und Koptischen (Altägyptischen) übersetzen. Diese Übersetzungsarbeiten fanden zur Zeit der Umayyaden-­Kalifen Marwān b. Ḥakam (64–65/684–685) und ʿUmar b. ʿAbdilʿazīz (99–101/717–720) aufgrund der praktischen Bedeutung ihren Schwerpunkt ausschließlich in der Medizin und wurden auf diesen Bereich beschränkt, wobei die Arbeiten zur Zeit des 2. Abbasiden-­Kalifen Manṣūr (136–158/754–775) beschleunigt und ausgeweitet wurden.112 Im Folgenden wird die allgemeine Situation der Wissenschaften in dieser Zeit erläutert.

110 Yiğit, Emeviler, S. 97. 111 Aybakan Bilal, İmam Şafii ve Fıkıh Düşüncesinin Mezhepleşmesi, İstanbul 2007, S. 11. 112 Ǧāḥiẓ, Abū ʿUṯmān ʿAmr b. Baḥr (gest. 255/869), al-­Bayān wa t-­Tabyīn, ed. al-­ Mahāmī Fawzī ʿAṭawī, Dāru Saʿb, Beirut 1968, S. 173; Ibn Nadīm, al-­Fihrist (gest. 385/995), Dāru l-­Maʿrifa, Beirut 1978, S. 338, 497; Ibn Ḫallikān, Wafayāt, II, S. 224; Ḏahabī, Šamsuddīn Muḥammad b. Aḥmad b. ʿUṯmān (gest. 748/1347), Siyaru Aʿlāmi n-­Nubalā, ed. Šuʿayb al-­Arnaʾūṭ, Muḥammad Nuʿaym al-ʿAraqsūsī, Muʾassasatu r-­ Risāla, Beirut 1982, IX, S. 411 f.; Hureysât, Muhammed Abdülkadir, Hâlid b. Yezîd b. Muâviye, in: DİA, İstanbul 1997, XV, S. 292 f.; Kaya, Mahmud, Beytülhikme, in: DİA, İstanbul 1992, VI, S. 88 ff.

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1.1.3.1 Sprache und Literatur Es ist bekannt, dass in der arabischen Kultur die Gedichte auch im vorislamischen Heidentum einen wichtigen Platz in der Literatur besaßen. In der Epoche der Umayyaden dehnten sich die Staatsgrenzen aus, sodass durch den Beitritt von Menschen aus verschiedenen Kulturen zum Islam die interkulturellen Wechselbeziehungen zunahmen. Diese Situation führte zwangsläufig zu einer differenzierten Methode, mit der man die Wissenschaft analysierte. In diesem Zeitraum standen die nichtarabischen Muslime vor großen Herausforderungen beim Lernen der arabischen Sprache. Des Weiteren lag die Gefahr der in verschiedenen Regionen mit Menschen aus unterschiedlichen Kulturen zusammenlebenden Araber darin, die hocharabische Sprache des Koran und der Hadithe durch die Aussprache der Menschen aus fremden Kulturen, die im Nachhinein Arabisch lernten und somit die Araber beeinflussten, zu verlernen. Solche in sich Gefahr bergenden Gründe zwangen dazu, sich ab der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts n. H. mit der Syntax (ʿIlmu n-­Naḥw) zu beschäftigen; am Anfang dieser Arbeiten lag die hauptsächliche Intention jedoch darin, den Koran vor Sprachfehlern zu schützen.113 Die Grundsteine des ʿIlmu n-­Naḥw wurden in der Epoche der Umayyaden von Abu l-­Aswad ad-­Duʾalī (gest. 69/688) und von seinen Schülern in Basra gelegt, wo viele Völker, Religionen und Sprachen aufeinander trafen. Abu l-­Aswad ad-­Duʾalī war einer der engsten Freunde von ʿAlī (gest. 40/661) und setzte einige Zeichen (Ḥaraka) in den Text des Koran, womit er als grundsteinlegender und die Methode bestimmender Gelehrte der arabischen Sprachwissenschaft gilt. Die Stadt Basra war das einzige Zentrum dieser Wissenschaft bis zum Ende der umayyadischen Epoche, welches später mit den hier ausgebildeten Gelehrten und deren Werken die Naḥw-­Schule in Kūfa bildete.114 Ab dem 2. Jahrundert n. H. können zu den wichtigsten Schülern von Abu l-­Aswad Yaḥyā b. Yaʿmar (gest. 129/747), der als der erste Verfasser in der 113 Algül, Hüseyin/Çetin, Osman, İslâm Tarihi, Gonca Yayınları, İstanbul 1991, III, S. 150 f.; Yiğit, Emevîler, S. 97. Ein prägnantes Beispiel für den Verfall der arabischen Sprache und die falsche Koranrezitation ist folgendes: Als ein Beduine den Vers „innallāha barīʾun mina l-­Mušrikīna wa Rasūluhū = Allah ist fern von den Polytheisten, ebenso sein Gesandter.“ (Tawba, 9/3) das Wort Rasūluhū komplett falsch mit der Kasra des Buchstaben Lām, und zwar Rasūlihī, sodass sich die Bedeutung änderte, vor ʿAlī rezitierte, lehnte ʿAlī diese Rezitation des Beduinen ab. In diesem Fall nämlich bedeutete der Vers „Allah ist fern von Polytheisten und seinem Gesandten“; siehe Ibn Ǧinnī, Abu l-­Fatḥ ʿUṯmān (gest. 392/1002), al-­Ḫaṣāiṣ, ed. Muḥammad ʿAlī Naǧǧār, Dāru l-­Kutubi l-­Miṣriyya, Miṣr 1952, II, S. 8. 114 Ibn Nadīm, al-­Fihrist, S. 61; Ibn Ḫallikān, Wafayāt, VI, S. 392; Yiğit, Emevîler, S. 97.

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Qirāʾa-­Wissenschaften gilt, ʿAnbasa b. Maʿdān al-­Fīl, Maymūn b. al-­Aqran und ʿAbdurraḥmān b. Hurmuz al-­Aʿraǧ al-­Madanī (gest. 117/735) gezählt werden.115 Die zu dieser Zeit lebenden berühmtesten arabischen Dichter sind Farazdaq (gest. 114/732), Ṭirimmāḥ (gest. 125/743) und Kumayt al-­Asʿadī (gest. 126/744).

1.1.3.2 Koranrezitation und Koranexegese (Qirāʾa und Tafsīr) Wie bereits angesprochen, brachte die Ausdehnung der Staatsgrenzen in der Epoche der Umayyaden Verständnisprobleme mit sich, die sich auch in einer neuen Dimension auf den Koran auswirkten; daher waren wissenschaftliche Arbeiten auf diesem Gebiet eine Notwendigkeit. Dies führte in den Koranwissenschaften zum Heranwachsen mehrerer Qirāʾa-­und Tafsīr-­Gelehrter. Die ausgebildeten Rezitationsgelehrten begannen, die von ihren Lehrern angeeigneten Rezitationsmethoden zu systematisieren und leisteten somit einen großen Beitrag zur Entwicklung dieser Wissenschaft. In der genannten Epoche lebten drei Rezitationsgelehrte, die zu den sieben berühmten der Rezitationswissenschaft, auch bekannt als Qirāʾatu s-­Sabʿa = die sieben Rezitationen, gehören und auch als die einzige Auskunftinstanz gelten. Diese sind: der Rezitationsimam der syrischen Region, Ibn ʿĀmir al-­Yaḥṣubī (gest. 118/736), der Rezitationsimam von Mekka, Ibn Kaṯīr (gest. 120/738), und der Rezitationsimam von Kūfa, ʿĀṣim b. Bahdala (gest. 127/745).116 Betrachtet man die ersten Koranexegesequellen und analysiert diese, so stellt man fest, dass die Koranexegeten in der Erläuterung der Wörter nicht nur von den Überlieferungen des Propheten und von den Aṣḥāb, sondern auch von den arabischen Gedichten profitierten, in denen die Wörter in ihren ersten eigentlichen Bedeutungen verwendet wurden. Man könnte sagen, dass bei diesen Verhaltensweisen die folgenden Worte des berühmten Koranexegeten Ṣaḥābī Ibn ʿAbbās’ (gest. 68/687–88) maßgebend waren: „Die Gedichte sind des Arabers Dīwān. Wenn sich die Bedeutung eines Buchstaben des Koran, welches Allah in der arabischen Sprache herabsandte, versteckt hält, so wenden sie

115 Al-­Mizzī, Yūsuf b. az-­Zakī ʿAbdurraḥmān Abu l-­Ḥaǧǧāǧ (gest. 742/1341), Tahḏību l-­Kamāl, ed. Baššār ʿAwwād Maʿrūf, Muʾassasatu r-­Risāla, Beirut 1400/1980, XIV, S. 305 f.; Ḏahabī, Siyar, IV, S. 82 f.; Suyūṭī, Ǧalāladdīn ʿAbdurraḥmān b. Abī Bakr (gest. 911/1505), Buġyatu l-­Wuʿāt fī Ṭabaqāti l-­Luġawiyyīn wa n-­Nuḥāt, ed. Muḥammad Abu l-­Faḍl Ibrāhīm, Maktabatu l-ʿAṣriyya, Sayda/Libanon o. J., II, S. 309, 313, 314, 333, 345. 116 Yiğit, Emevîler, S. 97; Birışık, Abdülhamit, Kıraat, in: DİA, Ankara 2002, XXV, S. 428.

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sich an das Dīwān (an die arabische Dichtung). Deshalb verlangt nach dem Erlernen der arabischen Dichtung!“117

Außerdem sieht man, dass sich die in dieser Epoche niedergeschriebenen Koranexegesebücher nicht nach den Bezifferungen der Sure oder Versen richten und von Anfang bis zum Ende reichen, sondern dass sie nur einige Verse betreffen.118 Beispielsweise greift die Koranexegese von Sufyān aṯ-­Ṯawrī diese Systematik auf. Man sieht auch, dass die Koranexegesearbeiten dieser Epoche in den Regionen Mekka, Medina und Kūfa an Intensität gewannen. Die Arbeiten der in der Ära der Umayyaden lebenden Ṣaḥābī-­Koranexegeten wurden von ihren Schülern notiert, und diese Notizen stellten die ersten Exemplare der schriftlichen Arbeiten in diesem Bereich dar. Die zu späteren Zeiten lebenden Koranexegeten, wie Muḥammad b. Ǧarīr aṭ-­Ṭabarī (gest. 310/923) und Ṯaʿlabī (gest. 291/903), deren Werke die heutige Zeit erreicht haben, profitierten beträchtlich von denen der umayyadischen Epoche, und leiteten die Ansichten der Koranexegeten jener Zeit an die nachkommenden Generationen weiter.119 Ibn ʿAbbās (gest. 68/687–88) gilt als der bekannteste Koranexeget der umayyadischen Zeit, als Gründer der mekkanischen Schule120 und wird als der Übersetzer des Koran bezeichnet.121 Seine Schüler Saʿīd b. Ǧubayr (gest. 95/714), Muǧāhid b. Ǧabr (gest. 103/721), dessen Werk Tafsīru l-­Muǧāhid teilweise unsere Zeit erreichte,122 ʿIkrima b. ʿAbdillāh al-­Madanī (gest. 105/723), Ṭāwūs b. Kaysān (gest. 106/725) und ʿAṭāʾ b. Abī Rabāḥ (gest. 114/732) gingen in Mekka zur Schule. Zu den weiteren wichtigen Koranexegeten können ʿAmr b. Dīnār (gest. 126/744), Ibn Abī Mulayka (gest. 117/735), Maymūn b. Mihrān (gest. 117/735) und Sufyān b. ʿUyayna (198/813) gezählt werden. Im Mittelpunkt der Arbeiten in Medina, wo die Mehrheit der Prophetengefährten lebte, stand der Gefährte Ubayy b. Kaʿb (gest. 33/654 [?]). Zu den Koranexegeten in Medina können ferner die Gelehrten Abu l-ʿĀliya (gest. 90/708), Muḥammad b. Kaʿb al-­Quraẓī (gest. 108/726) und Zayd b. Aslam al-ʿAdawī (gest. 117 Zarkašī, Badruddīn Muḥammad b. ʿAbdillāh (gest.794/1392), al-­Burhān fī ʿUlūmi l-­Qurʾān, ed. Muḥammad Abu l-­Faḍl Ibrāhīm, Dāru Iḥyāʾi l-­Kutubi l-ʿArabiyya, Beirut 1376/1957, I, S. 294. 118 Hasan, Siyasî-­Dînî-­Kültürel İslam Tarihi, II, S. 218, III, S. 151. 119 Yiğit, Emevîler, S. 97. 120 Ebenda. 121 Zurqānī, Muḥammad ʿAbdulʿaẓīm (gest. 1367/1948), Manāḥilu l-ʿIrfān fī ʿUlūmi l-­Qurʾān, Beirut 1409/1988, II, S. 18 f. 122 Kesler, Muhammed Fatih, Mücâhid b. Cebr, in: DİA, İstanbul 2006, XXXI, S. 442 f.; Rippin, A., Mudjahid b. Djabr, in: EI², (New Edition), Leiden 1993, VII, S. 293.

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136/753), die von Ubayy b. Kaʿb unterrichtet und in Medina zur Schule gingen, gezählt werden. Die Schüler des Prophetengefährten ʿAbdullāh b. Masʿūd (gest. 32/652–53) waren die ersten, die in der Region des Irak mit den Arbeiten in der Koranexegese anfingen und somit eine Schule gründeten. Hier zählen Aswad b. Yazīd (gest. 75/694), Murra b. al-­Hamadānī (gest. 90/708), ʿĀmir aš-­Šaʿbī (gest. 103/721), Ḥasan al-­Baṣrī (gest. 110/728), Qatāda b. Diʿāma (gest. 117/735) und Ismāʿīl b. ʿAbdirraḥmān as-­Suddī al-­Kabīr (gest. 127/745) zu den berühmtesten Koranexegeten dieser Schule.123 Zu diesen Vorreitern der Koranexegeten kommen in der Region von Chorasan Ḍaḥḥāk b. Muzāḥim (gest. 105/723) und ʿAṭāʾ b. Muslim al-­Ḫurasānī (gest. 135/752) und in der Region von Ägypten ʿAṭāʾ b. Dīnār dazu.124

1.1.3.3 Hadith Es gilt als gesichert, dass die Hadith-­Wissenschaft im Allgemeinen drei Stadien, Taṯbīt (Feststellung), Tadwīn (Niederschrift) und Taṣnīf (Kategorisierung), durchlief.125 Die Epoche der Umayyaden war insofern bedeutsam, da sie zeitlich die ersten beiden Stadien beinhaltete und in dieser Epoche die Grundsteine der Hadith-­Methodologie (Uṣūlu l-­Ḥadīṯ) gelegt wurden. Man kann feststellen, dass die Hadithe bis zum Ende des 1. Jahrhunderts n. H., also in der „Feststellungsphase“, in Wort und Schrift gelernt und gelehrt, auf diversen Materialien festgehalten und somit bewahrt wurden. In dieser Epoche führte man wichtige Prinzipien ein, wie die Einholung der Hadithe und deren Überlieferung sorgfältig durchzuführen (Taṯabbut), die überlieferten Nachrichten mit den Urteilen des Koran und der berühmten Hadithen zu vergleichen, oder den Hadith von demjenigen einzuholen, der ihn als Erster gehört hatte. Die Hadith-­Überlieferer wurden auf ihre Zuverlässigkeit geprüft, und es wurden von ihnen, falls notwendig, Zeugen verlangt oder ein Eid hinsichtlich der Richtigkeit ihrer Überlieferung eingeholt. Man begab sich auf lange und strapaziöse Bildungsreisen (Riḥla), um den Hadith vom jeweiligen Ersthörenden einzuholen.126 Diese Epoche, die auch als Kitābatu l-­Ḥadīṯ bezeichnet wird, war jene, in der die Hadithe auf losen Seiten und in Hefte (Ǧuzʾ) geschrieben wurden.127 Die

123 Akbulut, R. Adeviye, 1919–1936, Yılları Arasında Türkiye’deki Tefsir Hareketleri, (unveröffentlichte Dissertation), Şanlıurfa 2002, S. 4. 124 Yiğit, Emevîler, S. 97. 125 Ebenda, S. 98. 126 Aydınlı, Abdullah, Hadis Istılahları Sözlüğü, Timaş Yay., İstanbul 1987, S. 19 ff. 127 Sezgin, Fuat, Buharî’nin Kaynakları, Kitabiyat Yayınları, Ankara 2000, S. 25.

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schriftlichen Sammlungen von Hammām b. Munabbih (gest. 132/750) über die Hadith-­Überlieferungen von Abū Hurayra (ö. 58/678), die als die ersten schriftlichen Hadith-­Texte angesehen werden, unsere Zeit erreichten und als aṣ-­Ṣaḥīfatu ṣ-­Ṣaḥīḥa benannt wurden, gelten als die frühesten Exemplare.128 Gleichzeitig wurde der zuvor angefangene129 Isnād-­Gebrauch in der umayyadischen Epoche zum Zweck der Hadith-­Authenzitätsprüfung systematisiert, um Hadith-­Erfindungen, die als Resultat diverser politischer und konfessioneller Auseinandersetzungen entstanden, vorzubeugen.130 Diese Anwendung führte nicht zur Beachtung aller Überlieferungen, sondern es wurden nur deren Richtigkeit erforscht und beglaubigt. In der Tadwīn-­Phase (Niederschriftsphase) wiederum, die etwa vom Ende des 1. bis zur Mitte des 2. Jahrhunderts andauerte, wurden die vorher auf verschiedenen Schreibmaterialien ungeordnet festgehaltenen und zum Teil noch mündlich überlieferten Hadithe zusammengeführt. Zu Beginn der Niederschriftsarbeiten leistete die staatliche Förderung hierzu einen großen Beitrag.131 In diesem Zusammenhang sticht die bedeutende Rolle des 8. umayyadischen Kalifen ʿUmar b. ʿAbdilʿazīz (gest.101/720) bei den Niederschriften der Hadithe hervor. ʿUmar b. ʿAbdilʿazīz ahnte, dass mit dem Ableben der Hadith-­Gelehrten die Hadith-­Wissenschaft einen Schaden erleiden und sogar 128 Die Anzahl der Hadithe in diesem Werk, das Maʿmar b. Rāšid von Hammām aufnahm und an seinen Schüler ʿAbdurrazzāq as-­Ṣanʿānī weitertradierte und von diesem wiederum Hadith-­Gelehrte wie Aḥmad b. Ḥanbal, Buḫārī und Muslim übernahmen, beläuft sich auf etwa 139. Das Werk wurde ins Französische, Englische und Türkische übersetzt; siehe dazu Sandıkçı, Kemal, Hemmâm b. Münebbih, in: DİA, İstanbul 1998, XVII, S. 189. 129 Man stellte fest, dass der Isnād-­Gebrauch in den Hadithen ab der Mitte des 1. Jahrhunderts n. H. begann. In diesem Zusammenhang sagte Ibn b. Sīrīn, der im Jahre 110 n. H. verstarb: „Jene, [die sich mit Hadithen beschäftigen] fragten vorher nicht nach der Überliefererkette. Als die Unruhe [die Geschehnisse zwischen ʿAlī und Muʿāwiya um 35 n. H.] begann, fingen sie an zu sagen: „nennt uns die Namen ihrer Überlieferer!“. In diesem Fall betrachtet man die Zugehörigkeit zur Ahlu s-­Sunna und fasst deren Hadithe auf, und man betrachtet jene, die der Ahlu l-­Bidʿa angehören, denn deren Hadithe fasste man nicht auf.“ Siehe dazu Nawawī, Abū Zakariyyā Muḥyiddīn Yaḥyā b. Šaraf (gest. 676/1277), Ṣaḥīḥu Muslim bi Šarḥi l-­Imām Muḥyiddīn an-­Nawawī, ed. aš-­Šayḫ Ḫālīl Maʾmūn Šiyhā, Beirut 1997, I, S. 44. 130 Al-­Aʿẓamī, Muḥammad Muṣṭafā, On Schacht’s Origins of Muhammadan Jurisprudence, (İslam Fıkhı ve Sünnet, ins Türkische übersetzt von Mustafa Ertürk), İz Yayınları, İstanbul 1996, S. 189–246; Endreß, Der Islam, S. 75 f.; Nagel, Geschichte der islamischen Theologie, S. 82. 131 Aydınlı, Hadis Istılahları Sözlüğü, S. 21 f.

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mit der Zeit verschwinden würde. So sandte er Briefe an die Gouveneure und Hadith-­Gelehrten, in denen er befahl, die vom Propheten überlieferten Hadithe zu sammeln. Im Rahmen der Niederschriftsarbeiten spielte Ibn Šihāb az-­Zuhrī (gest. 124/742), der eine der wichtigen religiösen Autoritäten der Regionen Ḥiǧāz und Šām war, eine zentrale Rolle.132 Die Aussage „Bis die Führungskräfte [Umarā] uns gezwungen haben, das ʿIlm133 niederzuschreiben, waren wir abgeneigt, das ʿIlm niederzuschreiben. Nun halten wir es für angemessen, es keinem Muslim zu untersagen, das ʿIlm niederzuschreiben“ von Zuhrī134 deutet darauf hin, dass die Niederschriftsarbeiten in dieser Epoche angefangen haben. Die weitere Aussage von ihm „Bevor ich dieses ʿIlm niedergeschrieben habe, hat niemand es vor mir niedergeschrieben“135 weist auf seine Vorreiterrolle in den Niederschriftsarbeiten hin. Aus diesem Grund konstatiert auch Imam Mālik b. Anas (gest. 179/795), dass Zuhrī „Awwalu man dawwana l-ʿIlm = Der Erste, der das ʿIlm niedergeschrieben hat“136 war. In der dritten Phase (Taṣnīf), die der Vollständigkeit halber kurz berührt wird, wurden die in Büchern ungeordnet zusammengeführten Hadithe nach Themen oder nach Überlieferern geordnet. Diese Phase umfasst das Ende des 3. und den Anfang des 4. Jahrhunderts n. H.137 Einige der berühmten Hadith-­Gelehrten aus dem 2. Jahrhundert n. H. waren:

132 Kattānī, Abū ʿAbdillāh Muḥammad b. Abi l-­Fayḍ Ǧaʿfar b. Idrīs al-­Ḥasanī al-­Idrīsī (gest. 1345/1926), ar-­Risālatu l-­Mustaṭrafa li Bayāni Mašhūri Kutubi s-­Sunani l-­ Mušarrafa, ed. Muḥammad al-­Muntaṣir b. Muḥammad az-­Zamzamī, Dāru l-­Bašāiri l-­Islāmiyya, Beirut 1421/2000, S. 4 f.; Nagel, Geschichte der islamischen Theologie, S. 79 f. 133 ʿIlm bedeutet hier nicht Wissen oder Wissenschaft, sondern Überlieferung von der Offenbarung, also speziell hier natürlich Hadith; siehe dazu Efendioğlu, Mehmet, Tedvîn, in: DİA, Istanbul 2011, XXXX, S. 267. 134 ʿAbdurrazzāq, Abū Bakr ʿAbdurrazzāq b. Hammām (gest. 211/826), al-­Muṣannaf, ed. Ḥabīburraḥmān al-­Aʿẓamī, Beirut 1403, XI, S. 258; Ibn Saʿd, Abū ʿAbdillāh Muḥammad b. Saʿd al-­Baṣrī (gest. 230/845), aṭ-­Ṭabaqātu l-­Kubrā, ed. Iḥsān ʿAbbās, Dāru Ṣādir, wa fīhi l-­Ǧuzʾu l-­Mutimmu l-­Maškūl Nusḫatu Ǧāmiʿi s-­Sunna, Beirut 1968, II, S. 389, IX, S. 170; Ibn ʿAbdilbarr, Abū ʿUmar Yūsuf b. ʿAbdillāh, (gest. 463/1071), Ǧāmiʿu Bayāni l-ʿIlm wa Faḍlih, Dāru l-­Kutubi l-ʿIlmiyya, Beirut 1398, I, S. 76 f. 135 Kattānī, ar-­Risālatu l-­Mustaṭrafa, S. 4. 136 Ibn ʿAbdilbarr, Ǧāmiʿu Bayān, S. 76; Abū Nuʿaym, Aḥmad b. ʿAbdillāh al-­Isfahānī (gest. 430/1038), Ḥilyatu l-­Awliyāʾ wa Ṭabaqātu l-­Aṣfiyāʾ, Dāru l-­Kitābi l-ʿArabiyya, Beirut 1387/1967, III, S. 363; Ḏahabī, Siyar, V, S. 334. 137 Aydınlı, Hadis Istılahları Sözlüğü, S. 20.

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In Medina: Ibn Šihāb az-­Zuhrī (gest. 124/742), Hišām b. ʿUrwa (gest. 146/763), ʿUbaydullāh b. ʿUmar (gest. 147/764), Ibn Abī Ḏiʾb (gest. 159/776), Ibn Abi z-­ Zinād (gest. 174/790), Imam Mālik (gest. 179/795) und Ibrāhīm al-­Aslamī (gest. 184/800). In Mekka: ʿIkrima (gest. 105/723), ʿAmr b. Dīnār (gest. 126/744), Yaḥyā b. Abī Kaṯīr (gest. 129/747), ʿAṭāʾ b. Abī Rabāh (gest. 114/732), Ibn Ǧurayǧ (gest. 150/767) und Sufyān b. ʿUyayna (gest. 198/814). Im Jemen und seiner Umgebung: Maʿmar b. Rāšid (gest. 153/770) und ʿAbdurrazzāq b. Hammām (gest. 211/826–27). In der syrischen Region: al-­Awzāʿī (gest. 157/774), Saʿīd b. Bašīr (gest. 168/784). In Palästina und Umgebung: al-­Firyābī (gest. 212/827). Im Irak und seiner Umgebung: Qatāda b. Diʿāma (gest. 118/736), Ḥumayd aṭ-­Ṭawīl (gest. 142/759), Sulaymān at-­Taymī (gest. 143/760), Šuʿba b. al-­Ḥaǧǧāǧ (gest. 160/776), Sufyān aṯ-­Ṯawrī (gest. 161/778) und Ḥammād b. Salama (gest. 167/784).

1.1.3.4 Islamische Rechtswissenschaft (Fiqh) Untersucht man den historischen Prozess des Fiqh, welcher die praktische Seite des Lebens regelt, so ist festzustellen, dass die Wurzeln dieser Wissenschaft in der Ära des Propheten gelegt worden sind. Die Ära des Propheten, deren Grundstein die göttlichen Offenbarungen und die Handlungsweisen des Propheten waren, dient als Quelle und Leitbild für die späteren Ären. Forschungen zufolge reicht die Niederschrift des Fiqh bis ins Zeitalter des Propheten zurück. Die Niederschrift der Fiqh-­Traktate (Rasāʾil) im heutigen Sinn entwickelte sich jedoch erst am Ende der Epoche der Prophetengefährten in der Ära der Umayyaden. Diese Schriften bildeten zugleich die Quellen für die nachfolgenden Fiqh-­Werke. In diesem Zusammenhang entdeckte Sezgin verschiedene historische Dokumente, die Beispiele für die erstgeschriebenen Materialien des Fiqh in der Ära des Propheten sind.138 In der Zeit der vier Kalifen, als die göttliche Offenbarung ihr Ende fand und ein Vorfall dem Propheten nicht mehr zugetragen werden konnte, lehnte sich die Fiqh-­Wissenschaft an den Koran, die Sunna und die eigene Rechtsmeinung (Raʾy) an. In diesem Zeitabschnitt aber begann der theoretische Fiqh noch nicht. Ohne auf das Auftreten eines Ereignisses zu warten, wurde nicht versucht, theoretische und vorhandene Fiqh-­Urteile zu bilden, sondern es wurden Bestrebungen erst dann unternommen, wenn der Bedarf bestand, um eine rechtliche Entscheidung 138 Sezgin, Fuat, Geschichte des Arabischen Schrifttums, I–­IX, Leiden 1967–1995, I, S. 3–7; Karaman Hayreddin, Fıkıh, in: DİA, İstanbul 1996, XIII, S. 3 ff.

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zu finden. Auch wenn der Begriff Raʾy zu dieser Zeit noch nicht als Terminus verwendet wurde, umfasste er doch bereits die späteren Rechtsfindungsmethoden, wie Istiḥsān, Qiyās und Isṭiṣlāḥ.139 Daneben sieht man auch, dass die Gefährten, welche aus Zwecken der Bildung in verschiedene Regionen reisten, eine wichtige Rolle einnahmen, als sich die Fiqh-­Wissenschaft zu einer eigenständigen Disziplin entfaltete und die sich auf Koran und Sunna stützenden Raʾy- und Iǧtihād-­Methoden weiterentwickelten. Die Fiqh-­Anwärter in jeder Region erweiterten mit ihrer eigenen Iǧtihād das von den jeweiligen Aṣḥāb dieser Region übernommene wissenschaftliche Erbe und leisteten somit einen Beitrag zur Entwicklung der Fiqh-­Wissenschaft. In dieser Hinsicht war die Ära der vier Kalifen eine vorbereitende Phase zur Bildung der Fiqh-­Wissenschaft. Die Phase, welche in dieser Arbeit vorrangig von Belang ist, ist der Beginn des 2. Jahrhunderts n. H., in dem die Fiqh immer mehr zu einer eigenständigen Wissenschaft wurde. Die systematische Herausgabe der Fiqh-­Werke fand ebenfalls am Ende des 1. Jahrhundert und zu Beginn des 2. Jahrhunderts n. H. statt. In diesem Zusammenhang wurden die Rechtsprechungen (Fatāwā) von Ḥasan al-­Baṣrī (gest. 110/728) nach Rechtskapiteln systematisch in sieben großen Bänden zusammengeführt; das Gleiche gilt für die Rechtsprechungen von Ibn Šihāb az-­Zuhrī (gest. 124/742) sowie die von Muḥammad b. Nūḥ (gest. 218/833) zu drei großen Bänden.140 Auch wenn die Hadithe bereits vor der Fiqh in schriftlichen Werken zusammengeführt wurden, erfolgte ihre Kategorisierung (Taṣnīf) nach bestimmten Systemen doch erst nach der Kategorisierung der Fiqh-­Wissenschaft. In den Quellen werden Werke erwähnt, die aber nicht unsere Zeit erreicht haben; die Autorenanzahl dieser zitierten Werke beträgt fast zwanzig Gelehrte. Zu den Quellen, die bis auf unsere Zeit kamen, zählen das Fiqh-­Buch von Sulaym b. Qays al-­Hilāl, die Werke über die Pilgerfahrt und deren Procedere von Qatada b. Diʿāme und Zayd b. ʿAlī sowie das Werk von Zayd b. ʿAlī, auch als al-­Maǧmūʿ benannt.141 Die Werke beziehen ihre Bedeutung sämtlich aus ihrer Rolle als Quellen für die in späteren Zeiten niedergeschriebenen Werke. Während dieses Vorgangs sieht man, dass die Fiqh-­Wissenschaft eine immer mehr mit Theorie belastete Vorgehensweise annahm, dass für noch inexistente 139 Karaman, Fıkıh, S. 5 f. 140 Ibn Qayyum al-­Ğawziyya, Abū ʿAbdillāh Šamsuddīn Muḥammad b. Abī Bakr b. Ayyūb az-­Zuraʿī ad-­Dimašqī al-­Ḥanbalī (gest. 751/1350), Iʿlāmu l-­Muwaqqiʿīn an Rabbi l-ʿĀlamīn, ed. Ṭāhā ʿAbdurraūf Saʿd, Dāru l-­Ğīl, Beirut 1973, I, S. 23, 24; Karaman, Fıkıh, S. 6. 141 Yiğit, Emevîler, S. 98; Karaman, Fıkıh, S. 6.

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Probleme theoretische und vorhandene Fiqh-­Lösungen erzeugt wurden und dass verschiedene wissenschaftliche Traditionen mit unterschiedlichen Annäherungsweisen an die Probleme in verschiedenen Regionen zu entstehen begannen, sich weiterentwickelten und zu Schulen wurden. Das Zustandekommen dieser Schulen erfolgte in den letzten Jahren der umayyadischen und in den ersten Jahren der abbasidischen Ära. Die Gelehrten aus der Tābiʿūn-­Generation, die von den Prophetengefährten ausgebildet worden waren, wurden, basierend auf der Unterscheidung in Lehrer, Milieu und wissenschaftliches Erbe, in zwei Hauptgruppen aufgeteilt: die ḥiǧāzische (Ḥiǧāziyyūn) und die irakische Schule (ʿIrāqiyyūn).142 Die Gelehrten, deren Zentrum Medina war, und deren Wurzeln sich überwiegend auf Prophetengefährten wie ʿUmar, ʿĀʾiša, Zayd b. Ṯābit und ʿAbdullāh b. ʿAbbās stützten, die als Ahlu l-­Ḥadīṯ bezeichnet wurden, die Vorreiter der hiǧāzischen Schule darstellten und die als Fuqahāʾu s-­Sabʿa = sieben medinensischen Fiqh-­Gelehrten bekannt waren, sind Saʿīd b. Musayyab, ʿUrwa b. Zubayr, Qāsim b. Muḥammad, Ḫāriǧa b. Zayd, Abū Bakr b. ʿAbdirraḥmān, Sulaymān b. Yasār, ʿUbaydullāh b. ʿAbdirraḥmān b. ʿUtba und deren Schüler Zuhrī, Nāfiʿ, Abū Bakr b. Ḥazm und Rabīʿa b. Abī ʿAbdirraḥmān. Das sich überwiegend auf die Überlieferung und die medinensische Tradition stützende wissenschaftliche Erbe wurde von Imam Mālik (gest. 179/795) und seinen Schülern systematisiert und später zur malikitischen Rechtsschule.143 Die Wurzeln der Fiqh-­Schule, deren Zentrum Kūfa war und die auch als Ahlu r-­Raʾy bekannt ist, sind überwiegend bei Prophetengefährten wie ʿAbdullāh b. Masʿūd, ʿUmar, ʿAlī, Muʿāḏ b. Ǧabal, Abū Mūsā al-­Ašʿarī zu suchen. Die anderen wichtigen Vertreter dieser Tradition, die von Ibrāhīm an-­Naḫaʿī (96/714) und seinem Schüler Ḥammād b. Abī Sulaymān (120/738) erweitert wurde, waren Rechtsgelehrte wie ʿAlqama b. Qays, Masrūq b. Aǧdaʿ, Aswad b. Yazīd, Qādī Šurayḥ und Šaʿbī. Abū Ḥanīfa (gest. 150/767) und seine Schüler systematisierten diesen Trakt und bildeten im Laufe der Zeit die hanafitische Rechtsschule.144 142 Küçükaşçı, Mustafa Sabri, Hicaz, in: DİA, İstanbul 1998, XVII, S. 435; Karaman, Fıkıh S. 6. 143 Aybakan Bilal, İmam Şafii ve Fıkıh Düşüncesinin Mezhepleşmesi, S. 12; Hasan, Aḥmad, The Early Development of Islamic Jurisprudence (İlk Dönem İslam Hukuk Biliminin Gelişimi, ins Türkische übersetzt von Haluk Songur), İstanbul 1999, S. 47; Karaman, Fıkıh, S. 6. 144 Saraḫsī, Abū Bakr Šamsu l-­Aʾimma Muḥammad b. Abī Sahl Aḥmad (gest. 483/1090), al-­Mabsūṭ, Dāru l-­Maʿrifa, Beirut 1414/1993, XI, S. 3; Hasan, Aḥmad, The Early Development of Islamic Jurisprudence, S. 47; Karaman, Fıkıh, S. 6.

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Unter den berühmten Fiqh-­Gelehrten des 2. Jahrhunderts n. H., die in der Epoche der Umayyaden lebten, können die folgenden genannt werden: in Damaskus: Makḥūl (gest. 113/731), al-­Awzāʿī (gest. 157/773); in Mekka: ʿAṭāʾ b. Abī Rabāh (gest. 114/732), ʿAmr b. Dīnār (gest. 126/744) und Sufyān b. ʿUyayna; in Basra: Ḥasan al-­Baṣrī (gest. 110/728), Muḥammad b. Sīrīn (gest. 110/729) und Qatāda (gest. 117/735); im Jemen: Ṭāwūs b. Kaysān (gest. 106/725); in Ägypten: Layṯ b. Saʿd (gest. 175/791).

1.1.3.5  Kalām-­Wissenschaft Untersucht man den historischen Entstehungsprozess der Kalām-­Wissenschaft, so stellt man fest, dass diese Wissenschaft sowohl aus religiösen, politischen und sozialen Problemen, also aus „internen Gründen“ als auch aus der Begegnung mit fremden Kulturen, also aus „externen Gründen“ hervorging.145 Die Glaubensbekenntnisdebatten, die sich auf interne Gründe beziehen, begannen in den letzten Jahren der Prophetengefährten. Ereignisse wie die Ermordung von ʿUṯmān, der Ṣiffīn-­Krieg und die darauf folgenden Ḥakam-­Ereignisse sowie die daraus resultierenden politischen Vorfälle wie auch einige Themen wie die Staatsführung (Kalifat), Glaube-­Sünde, Qadar-­Ǧabr, Takfīr und die Interpretation der Mutašābih-­Koranverse führten in der Folge zu Glaubensdiskussionen.146 Unter den externen Gründen sind die Zunahme der Kontakte zu anderen Religionen und Zivilisationen durch die schnelle Ausdehnung der islamischen Geographie und die infolge der Übersetzungen philosphischer Werke fremder Kulturen zum Vorschein gekommenen neuen Meinungen und Einwände, die mit dem islamischen Glauben nicht konform gehen, aufzuzählen. Infolgedessen kam im Gegensatz zu früheren Generationen, die dem Islam mit Bestätigung und Unterwerfung begegneten, die Notwendigkeit auf, diese Einwände mit einer rationalen Methode zu beantworten und somit den islamischen Glauben zu schützen.147 Diese neue Herangehensweise spielte eine wichtige Rolle bei der Entstehung der Kalām-­Wissenschaft. Die aus anderen Kulturen stammenden Kritiken und Einwände gegen den islamischen Glauben wurden ab dem 2. Jahrhundert n. H.

145 Yavuz, Yusuf Şevki, Kelam, in: DİA, Ankara 2002, XXV, S. 198. 146 Yiğit, Emevîler, S. 99. 147 Kılavuz, A. Sâim, Ana Hatlarıyla İslam Akâidi ve Kelâm’a Giriş, Ensar Yayınları, İstanbul 2013, S. 384 ff.; Endreß, Der Islam, S. 59 f.; Nagel, Geschichte der islamischen Theologie, S. 93; Krämer, Geschichte des Islam, S. 120; Van Ess, Theologie und Gesellschaft, I, S. 47 f., 52; Yavuz, Kelam, S. 198.

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von den muʿtazilītischen Gelehrten auf rationelle Art und Weise beantwortet.148 Diese erstmals durch die Muʿtazila angewandte Methode wurde später auch von den Ahlu s-­Sunna-­Gelehrten gebraucht, nachdem sie in adäquate Rahmenbedigungen gesetzt wurde.149 Aus diesem Blickwinkel betrachtet, war die Epoche der Umayyaden im 2. Jahrhundert n. H. ein wichtiges Stadium, in dem bedeutende Entwicklungen in der Kalām-­Wissenschaft erfolgten. In der Ära der Umayyaden nahmen die Disskusionen zu Themen des Glaubensbekenntnisses, wie die Attribute Allahs, der Qadar, der Wille, die Beziehung zwischen dem Begehen einer großen Sünde und dem Glauben oder der Glaube und Unglaube, zu. Solche Disskusionen bereiteten den Boden für die Bildung von Bekenntnisgruppen, wie Šīʿa, Ḫariǧiyya, Qadariyya, Ǧabriyya und Murǧiʾa, und somit auch für die Entstehung der Kalām-­Wissenschaft. Allerdings stellt man fest, dass sich Termini wie Kalām und Mutakallimūn erst zur Zeit des 5. abbasidischen Kalifen Hārūn ar-­Rašīd (170–193/786–809) ausbreiteten. Die ältesten Quellen, in denen diese Ausdrücke verwendet wurden, sind die Werke von Ǧaḥiẓ (gest. 255/869).150 Diesen Quellen zufolge war Maʿbad al-­Ǧuhanī (gest. 83/702) die erste Person, die die Bestimmung (Qadar) verleugnete. Nach ihm werden auch Ġaylān ad-­Dimašqī (gest. 105/723) und Yūnus al-­Aswārī erwähnt. Wāṣil b. ʿAṭāʾ (gest. 131/748) und ʿAmr b. ʿUbayd (gest. 144/761) waren jene Personen, welche die Muʿtazila-­Bewegung begründeten, und Ǧahm b. Ṣafwān (gest. 128/745–46) gilt als der Begründer der Ǧabriyya-­Schule.151 Einige zu dieser Zeit verfasste Werke zur Kalām-­Wissenschaft, wie Risālatu l-­Qadar von Ḥasan al-­Baṣrī (gest. 110/728) und Ḫuṭbatu Wāṣil b. ʿAṭāʾ von Wāṣil b. ʿAṭāʾ, erreichten unsere Zeit. Zu den berühmten Gelehrten der Ära, die sich mit der Kalām-­Wissenschaft befassten, kann auch Abū Ḥanīfa (gest.

148 Yavuz, Kelam, S. 197. 149 Kılavuz, A. Sâim, Ana Hatlarıyla İslam Akâidi ve Kelâm’a Giriş, S. 391 f. 150 Van Ess, Theologie und Gesellschaft, I, S. 52, 54; Yiğit, Emevîler, S. 99. 151 Baġdādī, Abū Manṣūr ʿAbdulqāhir b. Ṭāhir b. Muḥammad (gest. 429/1037–38), al-­Farq bayna l-­Firāq, Dāru l-­Āfāqi l-­Ǧadīda, Beirut 1977, S. 14 f.; Šahristānī, Abu l-­Fatḥ Muḥammad b. ʿAbdilkarīm b. Abī Bakr Aḥmad (gest. 548/1153), al-­Milal wa n-­Niḥal, ed. Muḥammad Sayyid Ġaylānī, Dāru l-­Maʿrifa, Beirut 1404, I, S. 20, 45; Van Ess, Theologie und Gesellschaft, I, S. 72–80, II, S. 234, S. 280; Gölcük Şerafettin, Cehm b. Safvan, in: DİA, İstanbul 1993, VII, S. 233–234; İlhan Avni, Amr b. Ubeyd, in: DİA, İstanbul 1991, III, S. 93 f.; Tunç, Cihat, Gaylân ed-­Dımeşkî, in: DİA, İstanbul 1996, XIII, S. 414 f.

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150/767) gezählt werden, der den Boden für die Bildung von Ahlu s-­Sunna bereitete.152 An dieser Stelle ist zu erwähnen, dass die religiösen Gelehrten dieser Ära einen Wissensvorrat besaßen, durch den sie nicht nur in einer, sondern in mehreren religiösen Wissenschaften eigene Meinungen äußern konnten. So gilt beispielsweise Abū Ḥanīfa als eine religiöse Autorität in der Fiqh-­Wissenschaft und als Imam der hanafitischen Rechtsschule, die auch heute noch ihre Wirkkraft bewahrt. Man sollte daher nicht vergessen, dass die Gelehrten der damaligen Zeit, auch wenn sie nur auf einem Wissenschaftsgebiet berühmt wurden, nicht nur einseitige Wissenschaftler waren.

1.1.3.6 Mystik (Taṣawwuf) Die Taṣawwuf-­Wissenschaft ist ein Ethik- und Kontemplationssystem, welches im Koran und den Hadithen vorkommt, auf die mystische Seite und auf die Erziehung des Menschen hinweist, die Vanitas der Materie und der Welt behandelt und aus verschiedenen Interpretationen der die Gemütshandlungen als Basis nehmenden Klauseln besteht.153 Untersucht man den geschichtlichen Prozess dieser Wissenschaft, so stellt man fest, dass sie in drei Stadien betrachtet wird: die Epoche der Askese (Zuhd), die Epoche des Taṣawwuf und die Epoche der Orden (Ṭarīqa). Die erste Epoche, welche auch als Zuhd bezeichnet wird, umfasst das 1. und das 2. Jahrhundert n. H. Das Taṣawwuf sah man zu dieser Zeit, einschließlich des Zeitabschnitts, in dem Šaqīq al-­Balḫī (gest. 194/809) lebte, als eine Zuhd-­ Bewegung an. Diese Bewegung, die mehr Wert auf die Praxis als auf die Theorie legte, nahm sich die Frugalität im Leben des Propheten, seine Akribie bei der Religionsausübung und seine Unbeschwertheit gegenüber profanen Belangen als Vorbild. Dass die Taṣawwuf-­Fachbegriffe noch nicht so weit verbreitet waren, ist das auffälligste Merkmal dieser Periode. Die Zuhd- und Taṣawwuf-­Literatur in dieser Epoche bestand noch aus Aussagen, die in Prosa gesprochen, ratsam waren und Weisheit beinhalteten. Das Verfassen der systematischen Werke in Verse und Prosa findet erst in der späteren Epoche statt.154

152 Yiğit, Emevîler, S. 99. 153 Kara Mustafa, Tasavvuf ve Tarikatlar Tarihi, Dergah Yay., İstanbul 1999, S. 18. 154 ʿAfīfī, Abu l-ʿAlāʾ, Taṣawwuf: İslam’da Manevi Hayat, (ins Türkische übersetzt von Ekrem Demirli, Abdullah Kartal), İz Yayıncılık, İstanbul 2004, S. 62–87. Zum zweiten Stadium „Taṣawwuf-­Ära“ und zum dritten Stadium „Orden-­Ära“ siehe Gürer, Dilaver, Abdülkadir Geylânî, Hayatı, Eserleri, Görüşleri, İnsan Yay., İstanbul

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Unter den berühmten Taṣawwuf-­Gelehrten des 2. Jahrhunderts n. H. können die folgenden genannt werden: in Medina: Ǧaʿfar aṣ-­Ṣādiq (gest. 148/ 766); in Damaskus: ʿUmar b. ʿAbdilʿazīz (gest. 101/719); in Basra: Ḥasan al-­Baṣrī (gest. 110/ 729), Ḥabīb al-ʿAǧamī (gest. 115/733), Mālik b. Dīnār (gest. 131/748), Rābiʿatu l-ʿAdawiyya (gest. 185/802); in Kūfa: Abū Hāšim al-­Kūfī (gest. 150/767), Sufyān aṯ-­Ṯawrī (gest. 161/777) und Dāwūd aṭ-­Ṭāʾī (gest. 165/783); in Chorasan: Ibrāhīm b. Adham (gest. 161/778), ʿAbdullāh b. al-­Mubārak (gest. 181/797), Fuḍayl b. ʿIyāḍ (gest. 187 /804) und Šaqīq al-­Balḫī (194/809).

1.1.3.7 Islamische Geschichte In der Ära der Umayyaden wurden die wissenschaftlichen Arbeiten zur islamischen Geschichte intensiviert. In der islamischen Welt begann die Chronographie mit Siyar- und Maġāzī-­Studien, welche die Biographie des Propheten und seine Bemühungen um die Botschaft thematisierten. Der Beginn der Arbeiten in dieser Wissenschaft geht wiederum auf die Zusammenführung der jeweiligen Hadithe zurück.155 Tätigkeiten, wie den Koran zu interpretieren, sich auf das Thema „Asbābu n-­Nuzūl“ (Ursachen der Offenbarung einzelner Verse) zu konzentrieren und die Hadithe niederzuschreiben, führten dazu, dass die Muslime das Leben des Propheten in jeder Hinsicht erforschten und näher kennenlernten.156 Gelehrten aus der Tābiʿūn-­Generation betrieben im Hinblick auf die Aneignung der Siyar-­und der Maġāzī-­Wissenschaften einen großen Aufwand. Auch wenn die in dieser Ära verfassten ersten Siyar-­Werke nicht bis in unsere Zeit erhalten blieben, so profitierten die Verfasser der ersten Werke, die unsere Zeit erreichten, doch von diesen Werken. Man geht davon aus, dass der Sohn des Kalifen ʿUṯmān, Abān (gest. 105/723), und ʿUrwa b. az-­Zubayr (gest. 94/712) mit ihren Arbeiten in diesem Bereich die Grundsteine der Siyar- und Maġāzī-­ Wissenschaften legten.157 Bekannte Gelehrte der Siyar- und Maġāzī-­Wissenschaften wie Ibn Isḥāq (gest. 151/768), Wāqidī (gest. 207/823) und Ibn Saʿd (gest. 230/845), deren Werke un-

2006, S. 39 f.; Küçük, Hülya, Tasavvuf Tarihine Giriş, Nüktekitap, İstanbul 2004, S. 99 f. 155 Yiğit, Emevîler, S. 99 156 Hizmetli, Sabri, İslâm Tarihçiliği Üzerine, DİB Yay., Ankara 1991, S. 59. 157 Horovitz, Josef, İslâmî Tarihçiliğin Doğuşu, (ins Türkische übersetzt von Ramazan Altınay-­Ramazan Özmen), Ankara Okulu Yay., Ankara 2002, S. 20, 27; Yiğit, Emevîler, S. 99.

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sere Zeit erreichten, führten die Entwicklung dieser Wissenschaften fort, indem sie Erkenntnisse wichtiger Siyar-­Gelehrter aus der Epoche der Umayyaden, wie ʿAbdullāh b. Abī Bakr b. Ḥazm (gest. 130/748), Šaʿbī (gest. 103/721) und ʿĀṣim b. ʿUmar b. Qatāda (gest. 120/738), überlieferten.158 Unter den anderen bedeutenden Geschichtsschreibern in der Epoche der Umayyaden im 2. Jahrhundert n. H. sind vor allem Šuraḥbīl b. Saʿd (gest. 123/740), Ǧābir b. al-­Ǧūʿfī (gest. 128/746), Mūsā b. ʿUqba (gest. 141/760) und Maʿmar b. Rāšid (gest. 154/771) zu nennen.

1.1.3.8 Andere Wissenschaften Ab dem 2. Jahrhundert in der Ära der Umayyaden beobachtet man, dass in der Entwicklung der wissenschaftlichen Arbeiten – außer in den islamischen Disziplinen – Übersetzungen eine große Rolle spielten. Durch die Übersetzungen einiger fremder Werke über Philosophie, Astronomie, Mathematik, Medizin und Chemie ins Arabische begann sich die Errungenschaften fremder Wissenschaften und Kulturen in der muslimischen Gesellschaft zu verbreiten. Wie schon zuvor erwähnt, ist bekannt, dass der erste, der mit Übersetzungen begann, der umayyadische Prinz Ḫālid b. Yazīd b. Muʿāwiya (gest. 85/704) war, und dass sich die ersten Übersetzungen auf die Gebiete der Astronomie, der Chemie und der Medizin bezogen. Ḫālid, der auch als der Vorreiter in der Medizin und in der Chemie gilt, ließ einige medizinische, astronomische und chemische Werke, die auf Griechisch und Koptisch verfasst waren, jeweils von den Priestern Stephon und Marianos aus Alexandria übersetzen. Diese Übersetzungsaktivitäten waren zur Zeit der umayyadischen Kalifen Marwān b. Ḥakam (64–65/684–85) und ʿUmar b. ʿAbdilʿazīz (99–101/717–720) auf die Medizin beschränkt, welche der Gesellschaft eher einen praktischen Nutzen brachte. Zur Zeit des 2. abbasidischen Kalifen Manṣūr (136–158/754–775) vervielfachten sich die Übersetzungsarbeiten und zugleich vergrößerte sich deren Ausmaß.159 Dass die umayyadischen Kalifen in der Haptstadt Damaskus ein Observatorium errichten ließen, war ein Indiz dafür, dass es auch in der Astronomie große Anstrengungen gab. Nahezu alle berühmten Ärzte, welche nicht Muslime waren, waren Privatärzte der Kalifen und anderer Staatsmänner. Sie übersetzten medizinische Werke ins Arabische und verfassten selbst einige. Die berühmtesten Ärzte 158 Yiğit, Emevîler, S. 100. 159 Ǧāḥiẓ, al-­Bayān wa t-­Tabyīn, S. 173; Ibn Nadīm, al-­Fihrist, S. 338, 497; Ibn Ḫallikān, Wafayāt, II, S. 224; Ḏahabī, Siyar, IX, S. 411 f.; Hureysât, Muhammed Abdülkadir, Hâlid b. Yezîd b. Muâviye, in: DİA, XV, S. 292 f.; Kaya, Beytülhikme, S. 88 ff.

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aus der Ära der Umayyaden waren Māsarǧawayh al-­Baṣrī und ʿAbdulmalik b. Abǧar al-­Kinānī, beide Gelehrte in der Schule von Alexandria.160

1.2 Die Ära der Abbasiden (132–656/750–1258) Das Abbasiden-­Reich leitet seinen Namen vom Onkel des Propheten ʿAbbās b. ʿAbdilmuṭṭalib b. Hāšim ab. Gleichzeitig werden die Abbasiden in Anlehnung an die ersten Vorfahren als Ḥāšimīten bezeichnet. Die Abbasiden sind in der islamischen Geschichte die nach den Osmanen am längsten an der Macht befindliche Herrscherdynastie.161 Dass die Umayyaden das Kalifat in ein Sultanat umformten, generell den Arabern und speziell einigen arabischen Volksstämmen Privilegien gewährten, daneben den Streit zwischen den arabischen Stämmen zu ihren eigenen Gunsten nutzten und dazu die Mawālī wie Menschen zweiter Klasse behandelten, führte zur Bildung einer starken Opposition gegen ihre Regierung. Infolge der intensiven Propaganda und des im Laufe der Zeit immer mehr stärker und systematischer gewordenen Kampfs der Gruppierungen, die mit der Regierungsmentalität der etwa ein Jahrhundert andauernden Umayyaden-­Dynastie unzufrieden waren, zerfiel der umayyadische Staat, und die Ära der Abbasiden begann.162 Die Abbasiden, welche sich diese weit verbreitete Unzufriedenheit geschickt zunutze machten, etablierten sich binnen kurzer Zeit als Speerspitze der ausgebrochenen Revolutionsbewegung gegen die Umayyaden-­Regierung.163 Ein Indikator dafür ist, dass sich diejenigen, die im Verlaufe der abbasidischen Revolution als Wortführer fungierten, anstatt als machtgierige Rebellen nun vielmehr als Medium einer von Allah gewünschten Veränderung im Reich offenbarten; zusätzlich gaben sie an, dass ihr Verhalten lediglich ein Kampf gegen das Unrecht gewesen sei. Ferner nahmen sie dem opponierenden Teil der Bevölkerung den Treueeid auf ein Mitglied der Prophetenfamilie ab, die ihr zukünftiger Herrscher sein sollte.164 Die im Laufe der Zeit an Antrieb gewinnende und sich progressiv ausbreitende abbasidische Revolutionsbewegung erwies sich letzten Endes als erfolgreich, wo-

160 Yiğit, Emevîler, S. 100. 161 Levis, ʿAbbāsids, S. 15; Hawting, The First Dynasty of Islam, S. 109; Yıldız, Abbâsîler, I, S. 31, 37. 162 Noth, Früher Islam, S. 95 f; Yıldız, Abbâsîler, S. 31. 163 Krämer, Geschichte des Islam, S. 67. 164 Nagel, Das Kalifat der Abbasiden, S. 102; Nagel, Die Islamische Welt bis 1500, S. 56; Yıldız, Hakkı Dursun, Ebü’l-­Abbâs es-­Seffâh, in: DİA, İstanbul 1994, X, S. 284.

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raufhin am 12. Rabīʿu l-­Āḫir 132/28. November 749 in der Moschee von Kūfa ein Treueschwur auf den 1. Kalifen der abbasidischen Dynastie, Abu l-ʿAbbās, geleistet wurde.165

1.2.1 Politische Lage Abu l-ʿAbbās as-­Saffāḥ (132–136/750–754), der 1. abbasidische Kalif, verschob das Zentrum des Kalifats nach Anbār. Somit wurde der Hauptsitz des Kalifats der Abbasiden von Syrien in den Irak verlegt.166 Abu l-ʿAbbās as-­Saffāḥ ging zumeist der Beschäftigung nach, die Hilfszentren und Stützpunkte der Umayyaden zu vernichten und die Familie der Umayyaden zu beseitigen. In der Zeit seiner Regierung wurden deren Angehörige skrupellos eliminiert, und man ging sogar dazu über, die Gräber der anderen umayyadischen Kalifen, mit Ausnahme von Muʿāwiya und ʿUmar b. ʿAbdilʿazīz, zu öffnen und Vergeltung an ihren Knochen zu nehmen. Diese Politik führte in Syrien und al-­Ǧazīra im Jahre 133/751 zu Aufständen und Protesten der Anhänger der Umayyaden, deren Unterdrückung erst nach langen Kämpfen erfolgen konnte. Außerdem wurde in Buḫārā dem Aufstand der Anhänger ʿAlīs in den Jahren 132–136/750–754 auf blutige Weise ein Ende gesetzt.167 Die Schlacht am Talas, die im Jahre 133/751 gegen die Chinesen geführt wurde, ist als ein Wendepunkt im Kontext der Konvertierung der Türken zum Islam anzusehen. Sie setzte zugleich Chinas politischen Ambitionen im Westen Turkestans ein Ende und ist daher eines der bedeutendsten Ereignisse zu Zeiten Abu l-ʿAbbās as-­Saffāḥs.168 Zudem machte Abu l-ʿAbbās den inländischen Konflikten weitestgehend ein Ende, wodurch die politische Einheit in seinem Reich gesichert wurde. Außer in Andalusien und in den westlichen Gebieten Nordafrikas wurde er überall als Kalif anerkannt. Abu l-ʿAbbās, der sich in seiner ersten Predigt in Kūfa als „Saffāḥ = der viel Blut Vergießende“ bezeichnete, nahm aber auch durch seine Vernichtungspolitik gegenüber der Umayyaden-­Familie einen Platz in der Geschichte ein. Es fällt schwer, bei ihm, der in den Quellen als tapfer, großzügig, würdevoll und literarisch begabt vorgestellt wird, von wissenschaftlichen Aktivitäten, planvollen

165 Moscati, S., Abu’l-ʿAbbās al-­Saffāh’, in: EI², (New Edition), Leiden 1986, I, S. 103; Yıldız, Abbâsîler, S. 34. 166 Levis, ʿAbbāsids, S. 17; Yıldız, Abbâsîler, S. 34. 167 Krämer, Geschichte des Islam, S. 67; Yıldız, Ebü’l-­Abbâs es-­Seffâh, S. 284; Hasan, Siyasî-­Dînî-­Kültürel İslam Tarihi, II, S. 310. 168 Yıldız, Ebü’l-­Abbâs es-­Seffâh, S. 284.

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Ideen und urbanen Sanierungen zu sprechen. Er starb nach einer ungefähr fünf Jahre dauernden Regierungszeit am 13. Ḏi l-­Ḥiǧǧa 136/9. Juni 754 in Anbār, woraufhin sein Bruder, Kronprinz Abū Ǧaʿfar al-­Manṣūr, den Thron bestieg.169 Dieser 2. abbasidische Kalif, Abū Ǧaʿfar al-­Manṣūr (136–158/754–775), welcher als eigentlicher Gründer des Reiches betrachtet wird, machte Bagdad, die zukünftige Hauptstadt der Abbasiden, zum Hauptsitz des Kalifats.170 Manṣūr sah sich zunächst einem von seinem Onkel ʿAbdullāh b. ʿAlī b. ʿAbdillāh verursachten Aufstand gegenüber, der zuvor bei der Gründung des Reiches eine wichtige Rolle eingenommen, jedoch den Eid auf seinen Neffen vermieden hatte. Abū Muslim (gest. 137/755), den der Kalif Manṣūr damit beauftragte, den Aufstand zu unterdrücken, besiegte ʿAbdullāh b. ʿAlī, 136/754 in der Schlacht in der Nähe von Nusaybin. ʿAbdullāh b. ʿAlī, der nach Basra floh, starb später in dem Haus, wo er gefangen halten wurde.171 Die Chorasaner, die einen großen Beitrag zur abbasidischen Revolution geleistet und somit zunächst einflussreiche Stellungen innerhalb des Abbasidenreiches errungen hatten, gewannen samt ihrem Führer Abū Muslim einen großen Einfluss im Staat. Sogar der 1. abbasidische Kalif steht, historisch gesehen, im Schatten Abū Muslims. Um der Herrschaft Abū Muslims ein Ende zu bereiten, plante Kalif Manṣūr ein Attentat, woraufhin Abū Muslim am 24. Šaʿbān 137/12. Februar 755 ermordet und der iranische Einfluss auf den Staat gebrochen wurde.172 Abū Muslims Ermordung im Auftrag des Kalifen Manṣūr wurde zum Anlass für manche Aufstände im Iran. Der Aufstand von Ṣunbaz, dem Zoroastrier (Maǧūsī), der die Stadt Ray besetzt und Hamadān als Ziel hatte, wurde 137/754–755 niedergeschlagen, und Ṣunbaz wurde auf der Flucht nach Tabaristan gefangen genommen und hingerichtet. Ebenso wurde der Aufstand von Isḥāq at-­Turkīs, einem der Gefolgsleute Abū Muslim, im Jahre 139/756–57 niedergeschlagen.173 169 Ebenda; Hasan, Siyasî-­Dînî-­Kültürel İslam Tarihi, II, S. 309, 310, 315. 170 Nagel, Geschichte der islamischen Theologie, S. 99; Nagel, Das Kalifat der Abbasiden, S. 112; Endreß, Der Islam, S. 144; Hasan, Siyasî-­Dînî-­Kültürel İslam Tarihi, II, S. 320; Levis, ʿAbbāsids, S. 17; Yıldız, Abbâsîler, S. 34; El Hibri, Tayeb, The empire in Iraq, in: The New Cambridge History of Islam, Cambridge 2011, I, S. 269. 171 Nagel, Das Kalifat der Abbasiden, S. 111, 113; Hasan, Siyasî-­Dînî-­Kültürel İslam Tarihi, II, S. 318; Kennedy, H., al-­Manṣūr, in: EI², (New Edition), Leiden 1991, VI, S. 427; Bozkurt, Nahide, Mansûr, in: DİA, İstanbul 2003, XXVIII, S. 5; El Hibri, The empire in Iraq, S. 269. 172 Krämer, Geschichte des Islam, S. 70; Hasan, Siyasî-­Dînî-­Kültürel İslam Tarihi, II, S. 318; El Hibri, The empire in Iraq, S. 269; Kennedy, al-­Manṣūr, S. 427; Bozkurt, Mansûr, S. 5; Yıldız, Abbâsîler, S. 34; Levis, ʿAbbāsids, S. 17. 173 Krämer, Geschichte des Islam, S. 73; Bozkurt, Mansûr, S. 5.

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Ein weiterer Aufstand, der von den Rāwandīten, einer Gruppe, die den Kalifen als Gott und Abū Muslim als Prophet betrachteten, angestiftet wurde, konnte 141/758 unterdrückt werden. Gleiches widerfuhr dem Aufstand von Ustāḏsīs in Bādġīs, einem Mann, der sich selber als Prophet ausgab. Dadurch wurde die staatliche Autorität in Chorasan gefestigt.174 Auf der anderen Seite konnten die Schiiten nach der Revolution, deren Durchsetzung sie in großem Maße unterstützten, die Aneignung des Kalifats vonseiten der Abbasiden nicht akzeptieren und beharrten darauf, dass das Kalifat ihr Recht gewesen sei. Deswegen setzten sich Muḥammad an-­Nafsu z-­Zakiyya und sein Bruder Ibrāhīm, die Nachfahren Ḥasans, des Sohnes von ʿAlī, für die Ergreifung des Kalifats ein. Diese beiden Geschwister, die ihre Aktivitäten insgeheim durchgeführt hatten und, um der Verfolgung durch den Kalifen zu entkommen, im permanenten Ortswechsel waren, konnten letzten Endes die Unterdrückung ihrer Familie nicht mehr länger dulden und begannen einen Aufstand. Schließlich wurden 145/762 Muḥammad und im darauffolgenden Jahr Ibrāhīm gefangen genommen und exekutiert, wodurch der Aufstand endete.175 Trotz Manṣūrs erheblicher Anstrengungen, ʿAbdurraḥmān b. Muʿāwiya b. Hišām, der in Andalusien ein eigenes Staatswesen errichtete, zu beseitigen, hatte er keinen Erfolg und war auf eine Übereinkunft mit ihm angewiesen.176 Gemäß den in den Quellen überlieferten Informationen hatte Manṣūr negative Charaktereigenschaften, wie etwa das Nichteinhalten seiner Versprechen.177 Allerdings war er ein Mann, der sich den Einflüssen seiner Wesire nicht auslieferte und auf wissenschaftliche und kulturelle Aktivitäten Wert legte. Außerdem besaß er einige positive Merkmale, wie Behutsamkeit, Entschlossenheit, Fleiß, Disziplin, Ernsthaftigkeit und eine einfache Lebensführung. Seine Persönlichkeit war geprägt vom Interesse an Logik, Philosophie, Arithmetik, Geometrie, Astronomie, Medizin und Geschichte; ebenso war er neugierig auf Untersuchungen und Forschungen. Aufgrund seiner sensiblen Herangehensweise bei der Errechnung der Löhne der Arbeiter und Handwerker erhielt er den Beinamen „Abu d-­Dawānīq = Vater der Münzen“ sowie „Manṣūr ad-­Dawāniqī“. Manṣūr starb auf dem Weg zur Pilger174 Krämer, Geschichte des Islam, S. 73; Bozkurt, Mansûr, S. 5. 175 Hasan, Siyasî-­Dînî-­Kültürel İslam Tarihi, II, S. 318; Kennedy, al-­Manṣūr, S. 427 f.; El Hibri, The empire in Iraq, S. 270 f; Bozkurt, Mansûr, S. 5; Für ausführliche Informationen siehe Zorlu, Cem, Abbasîlere Yönelik Dinî ve Siyasî İsyanlar, Ankara Okulu Yay., Ankara 2001, S. 218 ff. 176 Bozkurt, Mansûr, S. 5. 177 Hasan, Siyasî-­Dînî-­Kültürel İslam Tarihi, II, S. 328.

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fahrt am 6. Ḏi l-­Ḥiǧǧa 158/7. Oktober 775 in Biʾru Maymūn178. Anschließend trat sein Sohn Muḥammad al-­Mahdī, den er zum Kronprinzen ernannt hatte, das Kalifat an.179 Der 3. abbasidische Kalif, Mahdī (158–169/775–785), dessen Thronbesteigung keinerlei Widerstand und Auflehnung nach sich zog, übernahm von seinem Vater eine reiche Staatskasse und eine valide Reichsverwaltung. Im Anschluss an seine Thronbesteigung beanspruchte er den Titel des Kronprinzen für seinen eigenen Sohn Mūsā al-­Hādī statt für seinen Neffen ʿĪsā b. Mūsā, dem Abu l-ʿAbbās as-­ Saffāḥ diesen Rang verliehen hatte. Letztendlich ließ er dann gemäß dem Willen der chorasanischen Soldaten im Muḥarram des Jahres 160 n. H. seinen Neffen ʿĪsā b. Mūsā den Namen des Kronprinzen zu Gunsten seines Sohnes Mūsā al-­Hādī ablegen. 166/782–83 nahm er den öffentlichen Eid für die Ehrung seines anderen Sohnes Hārūn als weiteren Kronprinzen nach Mūsā ab.180 Bis auf diejenigen, die aufgrund schwerer Verbrechen, wie Mord, Diebstahl und Anarchie, verurteilt worden waren, gewährte er allen Inhaftierten die Freilassung, um den gesellschaftlichen Frieden, den sein Vater ermöglicht hatte, aufrechtzuerhalten. Jedoch legte er Wert auf die Bekämpfung von Ketzern (Zanādiqa), wofür er für deren Verhinderung und Abstrafung die Dīwānu z-­Zanādiqa gründete. In diesem Zusammenhang wurde der im Jahre 159/776 in Chorasan ausgebrochene Aufstand der Anhänger Muqannaʿs, welcher die Reinkarnation verteidigte und sich als Gott behauptete, im Jahre 161/778 durch den Gouverneur von Chorasan, Muʿāḏ b. Muslim, niedergeschlagen.181 Mit dem Gedanken, ʿAlīs Nachkommen und Gefolgsleute auf seine Seite zu ziehen, verfolgte er gegenüber diesen, die zu Zeiten seines Vaters Manṣūr eine ernsthafte Gefahr darstellten, deswegen zu harten Strafen verurteilt wurden und zuweilen widerrechtliche Verfolgungen erdulden mussten, eine gemäßigte Politik. In dieser Absicht begnadigte er die inhaftierten Söhne ʿAlīs, überließ ihnen ihr zu Regierungszeiten seines Vaters beschlagnahmtes Vermögen und schenkte ihnen zusätzlich neue Grundstücke. So brachte seine Politik positive Ergebnisse, und es kam zu keinen größeren Auflehnungen und Aufständen von ʿAlīs Nachfahren.182 178 Ein Ort in der Gegend von Mekka; siehe Yāqūt, Muʿǧamu l-­Buldān, I, S. 302. 179 Hasan, Siyasî-­Dînî-­Kültürel İslam Tarihi, II, S. 328; El Hibri, The empire in Iraq, S. 273, 276; Bozkurt, Mansûr, S. 5 f. 180 Bozkurt, Nahide, Mehdî Billâh, in: DİA, XXVIII, Ankara 2003, S. 378. 181 Krämer, Geschichte des Islam, S. 73 f.; Hasan, Siyasî-­Dînî-­Kültürel İslam Tarihi, II, S. 334; Bozkurt, Mehdî Billâh, S. 378. 182 Kennedy, H., al-­Mahdī, in: EI², (New Edition), Leiden 1986, V, S. 1238; Bozkurt, Mehdî Billâh, S. 378.

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Als Ausdruck seiner Macht ordnete der Kalif Mahdī verschiedene Feldzüge gegen das Byzantinische Reich an, das die inneren Konflikte im Abbasidenstaat ausnutzen wollte. In diesem Sinne schickte er seinen Sohn Hārūn ar-­Rašīd in den Jahren 163/780 und 165/781–82 als Feldherr gegen Byzanz. Infolge dieser Feldzüge musste Königin Irene, die das Oströmische Reich im Namen Konstantinos VI. regierte, ein dreijähriges Friedensabkommen mit der Auflage einer jährlichen Steuerabgabe schließen.183 Mahdī, der im Vergleich zu seinem Vater einen großzügigen Charakter hatte, legte Wert auf die Koordination der staatlichen Institutionen. Um das Finanzwesen des Staats zu ordnen, gründete er im Jahre 162/779 die Organisation Dīwānu z-­Zimām und zwischen den Ḥaramayn-­Städten und dem Jemen das erste Postwesen des Reiches. Zu dieser Zeit erlangten die Mawālī innerhalb der Landesregierung einen großen Einfluss. Mahdī, der Bauprojekte als wichtig empfand, ließ die Basra-­Moschee sowie die Masǧidu l-­Ḥarām, die Masǧidu n-­Nabawī und die Masǧidu l-­Aqṣā erweitern. Zusätzlich veranlasste er Projekte zur Renovierung und Sicherheit auf der Pilgerfahrtsroute zwischen dem Irak und Ḥiǧāz sowie für die Übernachtungen und Wasserversorgung der Pilger während ihrer Reise. In seiner Zeit entwickelte sich Bagdad zu einer der wichtigsten Handelsstädte der Welt. Mahdīs Politik garantierte Gerechtigkeit und Wohlstand im Land und hob sein Ansehen im Volk.184 Den Angaben der Quellen zufolge war Mahdī, der rund zehn Jahre als Kalif amtierte, im Besitz einiger positiver Charaktereigenschaften, wie Großzügigkeit, Sanftmut und Gerechtigkeit. Er nahm Begnadigungen vor und kümmerte sich um die ungerecht Behandelten und Unterdrückten. Aus diesem Grund wurde er sowohl von den einfachen Leuten als auch von der Elite der Gesellschaft geschätzt. Am 22. Muḥarram 169/4. August 785 verstarb er.185 An jenem Tag wurde sein Sohn Mūsā al-­Hādī zum 4. abbasidischen Kalifen. Zu Zeiten Mūsās (169–170/785–786) kam es erneut zu mehreren Aufständen, darunter die in Medina von Ḥusayn b. ʿAlī begonnene Aufruhr. Als Ḥusayn b. ʿAlī, ein Nachkomme des Prophetenenkelkindes Ḥasan für das Zerwürfnis zwischen den Amtstätigen der Stadt Medina und einigen Nachfahren ʿAlīs verantwortlich gemacht wurde und darauffolgend bestraft werden sollte, erhob er 183 Nagel, Das Kalifat der Abbasiden, S. 119; El Hibri, The empire in Iraq, S. 278 f.; Bozkurt, Mehdî Billâh, S. 379. 184 Hasan, Siyasî-­Dînî-­Kültürel İslam Tarihi, II, S. 334 f.; Kennedy, al-­Mahdī, S. 1238; El Hibri, The empire in Iraq, S. 278; Bozkurt, Mehdî Billâh, S. 379. 185 Hasan, Siyasî-­Dînî-­Kültürel İslam Tarihi, II, S. 335, 336; El Hibri, The empire in Iraq, S. 279; Bozkurt, Mehdî Billâh, S. 379.

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Widerspruch und nahm das in der Masǧidu n-­Nabawī versammelte Volk unter Eid. Anschließend begab er sich, um die zur Pilgerfahrt eingetroffenen Gemeinschaften für sich zu gewinnen, nach Mekka. Daraufhin erteilte Mūsā al-­Hādī allen für die jährliche Pilgerfahrt in Mekka weilenden führenden abbasidischen Personen den Befehl, ihre Streitkräfte zu sammeln und die Rebellen anzugreifen. Ḥusayn verlor die am 8. Ḏi l-­Ḥiǧǧa 169/11. Juni 786 im Fan-­Tal nahe von Mekka geführte Schlacht und kam mit vielen seiner Gefolgsleute ums Leben. Im weiteren Verlauf floh der im Krieg unversehrte Idrīs b. ʿAbdillāh, der Onkel Ḥusayns, in den Maghreb und begründete dort die Dynastie der Idrīsīten. Die Schiiten betrachten diesen Vorfall nach der Karbalāʾ-Schlacht als das tragischste Ereignis der islamischen Geschichte und führten ihn als Trauertag ein. Nachdem diese Aufruhr gebändigt war, nahmen die Repressionen gegenüber den Nachfahren ʿAlīs zu; ihre Besitztümer wurden beschlagnahmt und ʿAlīs Nachkommen in Kūfa samt ihrer Gefolgschaft unter Kontrolle gebracht.186 Zu den wichtigen Unruhen zur Zeit des Kalifen Hādī gehört der in al-­Ǧazīra ausgebrochene Ḫāriǧī-­Aufstand. Wenngleich der Anführer der Ḫāriǧīten, Ḥamza b. Mālik al-­Ḫuzāʿī, in der Schlacht in der Nähe von Mossul das Heer der Abbasiden besiegen konnte, wurde er doch später gefangen genommen und anschließend getötet. Außerdem wurde der von Ḍiḥya b. Muṣʿab inszenierte Aufstand in Ägypten unter Kontrolle gebracht, Ḍiḥya selbst inhaftiert, nach Fuṣṭāt gebracht und schließlich im Ǧamāḏi l-­Āḫir 169/Dezember 785 hingerichtet.187 Weiterhin bekämpfte Kalif Hādī entschlossen die Ausschreitungen der Ketzer (Zanādiqa) und führte ihre Verfolgung und Bestrafung durch.188 Hādī, der in den Quellen als mutig, zielstrebig und entschlossen, jedoch insbesondere den Widersachern seiner Dynastie gegenüber auch als sehr hart und außerdem alkohol- und vergnügungssüchtig beschrieben wird, war den Dichtern gegenüber großzügig, sonst jedoch hin und wieder auch geizig. Er hatte das Amt des Kalifats etwas länger als ein Jahr bekleidet und wollte Hārūn des Titels des Kronprinzen entheben und ihn durch seinen Sohn Ǧaʿfar ersetzen. Daher ließ er Hārūn inhaftieren. Allerdings riet Yaḥyā b. Ḥālid al-­Barmakī dem Kalifen Hādī, diese Entscheidung bis zum Erreichen des Erwachsenenalters seines Sohnes Ǧaʿfar aufzuschieben, da Ǧaʿfar derzeit noch ein Kind und deswegen noch zu jung war. Trotz diesem Rat beharrte Hādī auf dieser seiner Entscheidung, starb 186 Sourdel, D., al-­Hādī ila’l-­Ḥakk, in: EI², (New Edition), Leiden 1986, III, S. 22; El Hibri, The empire in Iraq, S. 279 f; Bozkurt, Nahide, Hâdî İlelhak, in: DİA, İstanbul 1997, XV, S. 16. 187 Bozkurt, Hâdî İlelhak, S. 16. 188 Ebenda; Hasan, Siyasî-­Dînî-­Kültürel İslam Tarihi, II, S. 337 f.

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jedoch unerwartet am 16. Rabīʿu l-­Awwal 170/15. September 786, ohne seine Entscheidung durchgesetzt zu haben. Manche Historiker sind der Meinung, dass die Mutter Hārūns, Ḫayzurān, Hādī ermorden ließ, während andere die Auffassung vertreten, er sei aufgrund einer Krankheit gestorben.189 Zum 5. abbasidischen Kalifen wurde Hādīs Bruder, Hārūn ar-­ Rašīd (170–193/786–809) ernannt. Hārūn ar-­Rašīd, der zu Beginn seiner Amtszeit als Kalif seinen persischstämmigen Schreiber und Erzieher Yaḥyā al-­Barmakī zum Wesir mit weitreichenden Befugnissen ernannte, vollendete die Gestaltung der byzantinischen Grenze von Tarsus bis Malatya. Ergänzend dazu verstärkte er die Grenzregion zwischen dem abbasidischen Gebiet und dem Byzantinischen Reich durch zahlreiche solide Festungen, gestaltete die Stadt Ǧundi Qinnasrīn, die sich seit der Zeit Manṣūrs stark ausbreitete, um und richtete stattdessen die separate Provinz ʿAwāṣim ein, deren Zentrum Manbiǧ war.190 Zu Beginn seiner Amtszeit war Hārūn ar-­Rašīd gezwungen, sich mit den Aufständen der Nachkommen ʿAlīs, Yaḥyā b. ʿAbdillāh und Idrīs b. ʿAbdillāh zu beschäftigen. Yaḥyā b. ʿAbdillāh revoltierte im Jahre 176/792–93 in Daylam. Faḍl, der Sohn Yaḥyā al-­Barmakīs, der von Hārūn ar-­Rašīd mit der Niederschlagung des Aufstandes beauftragt wurde, überredete Yaḥyā durch ein Sekuritätsschreiben, welches mit der höchstpersönlichen Handschrift und dem Siegel des Kalifen versehen war, sich zu ergeben. Als das gleiche Ansinnen Idrīs b. ʿAbdillāh gestellt wurde, schlug dieser es ab und sammelte in al-­Maġribu l-­Aqsā in Nordafrika die Berber um sich und begann eine Rebellion gegen das Reich. Wegen der großen geographischen Distanz dieses Gebiets wandte Hārūn ar-­Rašīd anstatt ein Heer gegen Idrīs loszuschicken eine andere Strategie an. So ließ er seinen Vertrauensmann Sulaymān b. Ǧarīr, der vorgab, er würde gegen die abbasidische Regierung wirken und bei Idrīs Zuflucht suchen, Idrīs vergiften. Hiermit gebot er zwar dem Aufstand Einhalt, jedoch dämpfte dies nicht das Unabhängigkeitsverlangen der Berber, wodurch in der Folge das Idrisidenreich (172–375/789–985) gegründet wurde.191 189 Bozkurt, Hâdî İlelhak, S. 16; Sourdel, al-­Hādī ila’l-­Ḥakk, III, S. 22; Hasan, Siyasî-­ Dînî-­Kültürel İslam Tarihi, II, S. 338, 342. 190 Omar, F., Hārūn al-­Rashīd, in: EI², (New Edition), Leiden 1986, III, S. 232 ff.; El Hibri, The empire in Iraq, S. 278 f; Bozkurt, Nahide, Hârûnürreşîd, in: DİA, İstanbul 1997, XVI, S. 259. 191 Nagel, Tilman, Die Festung des Glaubens: Triumph und Scheitern des islamischen Rationalismus im 11. Jahrhundert, Verlag C. H. Beck, München 1988, S. 36; Bozkurt, Nahide, Hârûnürreşîd, in: DİA, İstanbul 1997,  XVI, S.  259; Hasan, Siyasî-­Dînî-­ Kültürel İslam Tarihi, II, S. 345.

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Zu den bemerkenswerten Ereignissen von Hārūns Regierungszeit gehört der im Jahre 176/792–93 in Damaskus zwischen den Jemeniten und den Muḍarīten entstandene Konflikt. Wie schon erwähnt, rührten die interstämmige Animosität und die Konkurrenz von dem tribalistischen Verständnis der Ǧāhiliyya und der Diskriminierungspolitik der Umayyaden her. In der Ära der Abbasiden beruhigte sich dies aber relativ bald. Im Wissen, dass die Bezirksbevölkerung den Abbasiden nicht positiv gegenüberstand und dass dies in den Regionen zu Konflikten führen könnte, übte Kalif Hārūn eine tendenziell sanftmütige Politik aus. Als er aber erkannte, dass die Spannungen zunahmen und diese Konflikte keineswegs außer Acht zu lassen waren, unterdrückte er sie schlussendlich.192 Eine weitere Erhebung in Hārūns Ära war der Ḫāriǧīten-­Aufstand. Die Ḫāriǧīten führten im Jahre 178/794–95 unter der Führung von Walīd b. Ṭarīf aš-­Šārī eine Rebellion durch und brachten die Region al-­Ǧazīra unter ihre Kontrolle. Walīd, der einige Male Hārūns Heerestruppen besiegte, wurde im Jahre 179/795 von Yazīd b. Mazyad aš-­Šaybānī endgültig geschlagen und getötet. Im selben Jahr begannen die Ḫāriǧīten in Kirmān unter der Führung von Ḥamza b. ʿAbdillāh aš-­Šārī erneut einen Aufstand, führten ihre Truppen zunächst in die Stadt Harāt und belagerten anschließend Sistān, wodurch sie ihre Autorität und Macht bis nach Fars ausdehnten. Hārūn ar-­Rašīd konnte diesen Aufstand nicht niederschlagen.193 Des Weiteren setzte Hārūn ar-­Rašīd die Feldzüge gegen das Byzantinische Reich fort. Im Jahre 181/797 eroberte er mit einer von ihm persönlich geleiteten Heerestruppe mehrere Festungen in Anatolien. Unter Berücksichtigung der Wahrscheinlichkeit, dass die Chasaren an der armenisch-­aserbaidschanischen Grenze einen Angriff durchführen könnten, akzeptierte er im Jahre 182/798 das Friedensangebot von Kaiserin Irene. Als dieses Abkommen jedoch 186/802 mit der Krönung von Nikephoros I. als Kaiser aufgehoben wurde, drang Hārūn ar-­ Rašīd in den Jahren 187/803 und 190/806 mit einem großen Heer in das byzantinische Gebiet ein. Im Jahre 190 eroberte er verschiedene Regionen wie Herakleia, Iconium und Tyana, woraufhin das Friedensangebot von Nikephoros unter der Voraussetzung, Tribut zu zahlen, angenommen wurde.194 Um jeglichen Thronstreit nach seinem Tode und eine sich daraus ergebende Schwächung des Reiches zu verhindern, tendierte Hārūn ar-­Rašīd wie die vorherigen Kalifen zur Ernennung eines Kronprinzen. So ließ er 186/802 während 192 Hasan, Siyasî-­Dînî-­Kültürel İslam Tarihi, II, S. 346; Bozkurt, Hârûnürreşîd, S. 259. 193 Omar, Hārūn al-­Rashīd, III, S. 233; Bozkurt, Hârûnürreşîd, S. 259. 194 Nagel, Die Islamische Welt bis 1500, S. 19; El Hibri, The empire in Iraq, S. 281; Bozkurt, Hârûnürreşîd, S. 260.

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seiner Pilgerfahrt an der Wand der Kaaba ein Testament anschlagen, in dem er der Reihung nach die Namen der künftigen Kalifen Amīn, Maʾmūn und seines anderen Sohnes Muʾtaman verkünden ließ.195 Einer der negativen Vorfälle aus dieser Zeit war die Auslöschung der Barmakiden. Im Jahre 187/803 verschlechterten sich die Beziehungen zwischen dem Kalifen Hārūn ar-­Rašīd und den in der Regierung sehr einflussreichen Barmakiden. So beseitigte Hārūn alle Barmakiden, die er als Bedrohung für seine Herrschaft ansah und ließ Yaḥyā b. Ḫālid al-­Barmakī, auf dessen Meinung er zuvor großen Wert legte, inhaftieren. Allerdings spürte Kalif Hārūn in den letzten sechs Jahren seines Kalifats das Fehlen der Barmakiden stark und war sogar gezwungen, Yaḥyā b. Ḫālid al-­Barmakī im Gefängnis um Rat zu fragen.196 Als Hārūn ar-­Rašīd am 3. Ǧamāḏi l-­Āḫir 193/24. März 809 in Ṭūs starb, bestieg sein Sohn, der erste Kronprinz Amīn, als 6. abbasidischer Kalif in Bagdad den Thron.197 Hārūn ar-­Rašīd hatte Interesse an Musik, Literatur, Lyrik und Beredsamkeit und schrieb der Kunst einen hohen Stellenwert zu. Außerdem verfügte er über eine große Beredsamkeit und war ein religiöser Mann, der zudem großzügig, bescheiden und gefühlsbetont war. In der Beschreibung seiner Persönlichkeit erwähnt Ǧāḥiẓ (gest. 255/869), dass er, so wie es bei keinem Anderen war, sowohl Humor als auch Ernsthaftigkeit in einem aufweisen konnte. Außerdem beobachtete er die allgemeine Situation des Volkes und leistete Hilfe. Er ließ sogar ein Amt errichten, dessen Leiter Ǧahbaḏ genannt wurde und der damit beauftragt war, die Rechte der nichtmuslimischen Minderheiten im Reich zu schützen. Nennenswert scheint hierbei vor allem, dass er dem Wissen und den Gelehrten großen Respekt zeigte, führende Gelehrte der Zeit, wie Fuḍayl b. ʿIyāḍ (gest. 187/804), besuchte und ihren Ratschlägen Achtung schenkte.198 Zudem heißt es in den Überlieferungen, dass er Abū Muʿāwiya aḍ-­Ḍarīr (gest. 195/810), einem Gelehrten dieser Epoche, beim Händewaschen nach einem Essen das Wasser goss.199

195 Krämer, Geschichte des Islam, S. 84; Nagel, Die Islamische Welt bis 1500, S. 62 f.; Hasan, Siyasî-­Dînî-­Kültürel İslam Tarihi, II, S. 358; Bozkurt, Hârûnürreşîd, S. 261; Yıldız, Hakkı Dursun, Emîn, in: DİA, İstanbul 1995, XI, S. 113; Gabriel, F., al-­Amīn, in: EI2, (New Edition), Leiden 1997, I, S. 437. 196 Nagel, Das Kalifat der Abbasiden, S. 121 f.; Barthold, W./[Sourdel, D.], ,al-­Barāmika, in: EI2, (New Edition), Leiden 1986, I, S. 1033; Levis, ʿAbbāsids, S. 17 f.; Krämer, Geschichte des Islam, S. 78, 84; Bozkurt, Hârûnürreşîd, S. 260. 197 Ḏahabī, Siyar, IX, S. 77. 198 Bozkurt, Hârûnürreşîd, S. 260; Hasan, Siyasî-­Dînî-­Kültürel İslam Tarihi, II, S. 356. 199 Ḏahabī, Siyar, IX, S. 77.

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So vernachlässigte Hārūn ar-­Rašīd, der in seiner Jugend von führenden Gelehrten der Ära wie Ḥamza b. Ḥabīb az-­Zayyāt (gest. 156/773), Ḥamza al-­Kisāʾī (gest. 189/805), Ḫalīl b. Aḥmad (gest. 175/791) und Imam Mālik (gest. 179/795) wichtige Unterrichtsstunden in den Koran-, Hadith- und Fiqh-­Wissenschaften sowie in der Syntax (Naḥw) erhalten hatte, nicht einmal während seiner Herrschaftszeit die Unterstützung der Wissenschaft. Hier ist anzumerken, dass Suyūṭī (gest. 911/1505) selbst erwähnt, dass Hārūn ein Hadith-­Überlieferer sei und Beispiele für von ihm tradierten Hadithen bringt.200 Angesichts dieser Eigenschaften wird Hārūn auf den politischen, ökonomischen, gesellschaftlichen, sozialen und kulturellen Feldern als der erfolgreichste abbasidische Kalif bezeichnet. Ein bekannter Fakt seiner Regierungszeit ist, dass das jährliche Staatseinkommen approximativ 268 Tonnen Gold betrug und dass die Residenzstadt Bagdad samt ihren prachtvollen Palästen und ihrer Bevölkerung von über einer Million zur Kulisse für Tausendundeine Nacht wurde.201 Als Amīn als Nachfolger den Thron seines Vaters bestieg, hielt der von seinem Vater geschlossene Kompromiss über das Kalifat mit seinem Bruder Maʾmūn nicht allzu lange, und es begann ein großer innerstaatlicher Machtstreit zwischen den Arabern und den Mawālī. Dies ist der Grund, dass sich Amīns Zeit (193–198/809–813) als eine Ära bezeichnen lässt, die von gewaltigen Thronstreitigkeiten mit seinem Bruder Maʾmūn geprägt ist.202 Jener angesprochene Zwist zwischen diesen beiden Brüdern ist im eigentlichen Sinne die Verkörperung der Konfrontation zwischen den arabischen und den iranischen Komponenten. Die arabische Seite wurde durch Faḍl b. Rabīʿ repräsentiert, der erheblichen Einfluss auf Amīn hatte, während die Iraner durch Faḍl b. Sahl, der einen hohen Einfluss auf Maʾmūn besaß, vertreten wurden. Amīn, dessen beide Elternteile aus dem Geschlecht der Abbasiden hervorgehen, wurde von den Arabern unterstützt, sein Bruder Maʾmūn hingegen, der von einer iranischen Sklavin geboren wurde, bekam Beistand durch die Iraner. Aufgrund der Ermordung Abū Muslims, der bei der Gründung des abbasidischen Reiches eine große Rolle gespielt hatte, und nicht zuletzt wegen der Beseitigung der Barmakiden, die in der Verwaltung und Regierung des Reiches eine ansehnliche Position innehatten, wurde der lange nur schwelende Kampf um die Vorherrschaft der nichtarabischen Minderheiten in der Zeit Amīns wieder neu entfacht.203 200 Suyūṭī, Tārīḫu l-­Ḫulafāʾ, S. 207, 212 f. 201 El Hibri, The empire in Iraq, S. 280; Bozkurt, Hârûnürreşîd, S. 261. 202 Krämer, Geschichte des Islam, S. 84. 203 Levis, ʿAbbāsids, S. 18; Yıldız, Emîn, S. 113; El Hibri, The empire in Iraq, S. 282; Bozkurt, Nahide, Me’mûn, in: DİA, Ankara 2004, XXIX, S. 101.

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In diesem Kampf erwiesen sich auf der einen Seite der arabischstämmige Faḍl b. Rabīʿ, der bei Amīns Krönung zum Kalifen die Hauptrolle eingenommen hatte, und auf der anderen Seite der ursprüngliche Zoroastrier und im Jahre 190/806 zum Islam konvertierte Faḍl b. Sahl, der dem zweiten Kronprinzen, Maʾmūn, Beistand geleistet hatte und später zum Wesir ernannt wurde, als die beiden einflussreichsten Persönlichkeiten. So wollte Amīn unter dem Einfluss seines Wesirs Faḍl b. Rabīʿ, der bereits Wesir seines Vaters Hārūn ar-­Rašīd gewesen war, nach seiner Ernennung als Kalif seinem Bruder Maʾmūn den Namen des Kronprinzen entziehen. In diesem Zusammenhang entzog er dem 3. Kronprinzen Muʾtaman einige administrative Rechte und zwang ihn, seinen Wohnsitz nach Bagdad zu verlegen. Nachträglich ernannte er seinen Sohn Mūsā zum 2. Kronprinzen und verlangte, dessen Namen in den Predigten zu erwähnen. Außerdem befahl er seinem Bruder Maʾmūn in Marw, der von seinem Vater Hārūn ar-­Rašīd als Gouverneur des Gebiets von Chorasan bis Hamadan entsandt worden war, samt seinem Heer nach Bagdad zurückzukehren. Als Maʾmūn jedoch keinerlei Gehorsam leistete, nahm er im Jahre 195/810 sowohl Maʾmūn als auch Muʾtaman den Titel des Kronprinzen. So wurde der bewaffnete Machtkampf zwischen den beiden Brüdern zu einer unvermeidbaren Folge dieser Kontroversen.204 Daraufhin bezeichnete Kalif Amīn am 24. Ǧamāḏi l-­Āḫir 195/24. März 811 Maʾmūn öffentlich als einen Rebellen und schickte ein 40 000 Mann starkes Heer unter der Führung Ibn Māhāns (ʿAlī b. ʿĪsā) gegen Maʾmūn los. Als Entgegnung mobilisierte der selbsternannte Kalif Maʾmūn am 10. Šaʿbān 195/8. Mai 811 ein aus 4000 Männern bestehendes Heer unter dem iranischen Kommandanten Ṭāhir b. Ḥusayn. Das Heer Amīns wurde in der Schlacht in der Nähe von der Stadt Ray besiegt und der Feldherr Ibn Māhān getötet. Die nach der Niederlage gesandten Heere Amīns konnten auch keinerlei Erfolge erzielen und Amīn hatte Maʾmūn nichts mehr entgegenzusetzen.205 Im Verlauf dieser bewaffneten Konfrontationen war Amīn nicht in der Lage, die Auflehnung von ʿAlī b. ʿAbdillāh in Syrien, der behauptete, er stamme vom umayyadischen Kalifen Muʿāwiya ab, zu unterdrücken. Amīn wurde daraufhin von Ḥusayn b. ʿAlī, dem Befehlshaber der syrischen Einheiten, des Kalifats ent204 Nagel, Das Kalifat der Abbasiden, S. 123; Yıldız, Emîn, S. 113; El Hibri, The empire in Iraq, S. 283 f; Bozkurt, Me’mûn, S. 101. Bezüglich der Einflüsse von Faḍl b. al-­Rabīʿ und Faḍl b. Sahl auf die Staatsverwaltung siehe Sourdel, D., al- Faḍl b. al-­Rabīʿ, in: EI2, (New Edition), Leiden 1997, II, S. 730 f.; Sourdel, D., al- Faḍl b. Sahl b. Zadhānfarūkh, in: EI2, (New Edition), Leiden 1997, II, S. 731 f. 205 Krämer, Geschichte des Islam, S. 84; Nagel, Die Islamische Welt bis 1500, S. 63; Yıldız, Emîn, S. 113; El Hibri, The empire in Iraq, S. 284; Bozkurt, Me’mûn, S. 101.

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hoben und inhaftiert. Anschließend gelang ihm mit Hilfe einiger loyaler Gefolgsleute die Flucht, woraufhin er im Raǧab 196/April 812 erneut zum Kalifen ernannt wurde.206 Alle diese Ereignisse waren bereits Vorboten von Amīns Ende. Als Maʾmūns Militärkräfte unter dem Kommando von Ṭāhir b. Ḥusayn und Harṯama b. Aʿyān im Ḏi l-­Ḥiǧǧa 196/August 812 die Residenzstadt Bagdad belagerten, um Amīn den Gnadenstoß zu versetzen, erkannte das ganze Reich außer Bagdad Maʾmūns Kalifat an. Im Anschluss an diese rund ein Jahr lang dauernde Belagerung traf Amīn zwar die Entscheidung, sich dem loyalen Kommandanten seines Vaters Harṯama b. Aʿyān zu stellen; er wurde jedoch gefangengenommen und in der Nacht des 25. Muḥarram 198/25. September 813 getötet. Anschließend wurde sein enthaupteter Kopf an Maʾmūn geschickt. Somit nahm Amīns Ära ihr tragisches Ende.207 Die Amtszeit Amīns, dessen Verwaltungskompetenzen äußerst schwach ausgeprägt waren, nahm aufgrund seiner falschen Entscheidungen in Bezug auf die inneren Konflikte ein Ende. Amīn war des Weiteren alkohol- und vergnügungssüchtig, verbrachte seine Zeit mit Wildtieren und Vögeln und zeigte auch Interesse an Literatur. Folglich sind in diesem Zeitraum von etwa vier Jahren keinerlei erwähnenswerte Fortschritte im Staatswesen wahrzunehmen.208 Das Jahr 198 n. H., in dem Amīn getötet wurde und Maʾmūn das Kalifat antrat, ist gleichzeitig das Todesjahr Sufyān b. ʿUyaynas. Manche politischen Entscheidungen des 7. abbasidischen Kalifen Maʾmūn (198–218/813–833) wurden unter dem Einfluss seines Wesirs Faḍl b. Sahl getroffen, wie die Verlegung der Residenz nach Marw, die Bevorzugung der iranischen Minderheiten und die Übertragung der Verwaltungsbefugnisse in den Regionen Fars, Irak und Jemen an Ḥasan b. Sahl, den Bruder des Wesirs. Sie verursachten manche Auflehnungen der Araber als Reaktion auf die iranischen Einflüsse. Der bedeutsamste dieser Aufstände war der von Naṣr b. Šabas al-ʿUqaylī in al-­Ǧazīra, der Amīn im Konflikt zwischen Amīn und Maʾmūn beistand. Der sich gefährlich ausbreitende Aufstand konnte nur unter großen Anstrengungen im Jahre 209/824 niedergeschlagen werden.209 Während sich Maʾmūn in Marw befand, wurde ihm bewusst, dass die arabischen und iranischen Minderheiten, die einen starken Einfluss auf den Staat be206 Yıldız, Emîn, S. 113. 207 Nagel, Das Kalifat der Abbasiden, S. 124 f.; Yıldız, Emîn, S. 113; Bozkurt, Me’mûn, S. 101; Gabriel, al-­Amīn, S. 437. 208 Hasan, Siyasî-­Dînî-­Kültürel İslam Tarihi, II, S. 360; Yıldız, Emîn, S. 113. 209 Rekaya, M., al-­Maʾmūn b. Hārūn al-­Rašīd, in: EI2, (New Edition), Leiden 1991, VI, S. 334; Bozkurt, Me’mûn, S. 101 f.

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saßen und daher immense politische Auseinandersetzungen verursachten, unter Kontrolle gebracht werden mussten. Er verstand auch, dass die Türken hinsichtlich ihrer politischen Erfahrungen und militärischen Begabungen das adäquateste Gleichgewichtsinstrument werden könnten und versuchte, sich insbesondere im militärischen Bereich einen Beistand vonseiten der Türken zu sichern. So wurde es staatliche Politik, Türken ins Militär aufzunehmen. Diese Politik Maʾmūns diente desgleichen seinem Bruder Muʿtaṣim, und dieser trat dank der Unterstützung der Türken das Kalifatsamt an.210 Von Bedeutung sind in dieser Zeit weiterhin die Machtkämpfe, die sich ʿAlīs Nachkommen lieferten. In diesem Zusammenhang verkündete der als Ibn Ṭabāṭabā bekannte Abū ʿAbdillāh Muḥammad b. Ibrāhīm, dessen Abstammung auf Ḥasan (gest. 49/669), den Enkel des Propheten, zurückführte, am 10. Ǧamāḏi l-­Āḫir 199/26. Januar 815 in Kūfa sein Kalifat. Als Ibn Ṭabāṭabā, der ein Heer unter dem Kommando von Zuhayr b. Musayyab aḍ-­Ḍabbī, den Faḍl b. Sahls Bruder Ḥasan b. Sahl schickte, besiegte, unerwartet am Tag nach dem Triumph am 1. Raǧab 199/15. Februar 815 starb, erschütterte dies die Kraft des Aufstandes. Danach wurde Muḥammad b. Muḥammad b. Zayd, der noch im Kindesalter war und seinerseits von Ḥusayn (gest. 61/680), dem Enkel des Propheten abstammte, in diese Position gebracht. Als sich der Kommandant Ibn Ṭabāṭabās, Abu s-­Sarāyā, erfolgreich gegen Maʾmūns Streitmächte behauptete, ließ er in Kūfa Münzen anfertigen, erklärte zudem seine Unabhängigkeit und sandte Gouverneure nach Basra, Mekka, Jemen, Fars und Ahwāz. Der Aufstand wurde jedoch von Harṯama b. Aʿyān, der von Ḥasan b. Sahl um Hilfe gebeten wurde, niedergeschlagen und endete mit der Tötung Abu s-­Sarāyās am 10. Rabīʿu l-­Awwal 200/18. Oktober 815.211 Ein weiterer Aufstand wurde ebenfalls von einem Nachkommen ʿAlīs, Muḥammad b. Ǧaʿfar, der unter dem Beinamen Muḥammad ad-­Dībāǧ bekannt war, entfacht. Auch wenn im Rabīʿu l-­Awwal 200/September 815 in Mekka ein Treueschwur auf ihn als Kalif abgelegt wurde, legte Muḥammad b. Ǧaʿfar, als er gegenüber der Macht Maʾmūns keinen nennenswerten Erfolg erzielte, seinen Titel als Kalif in der Folge wieder nieder.212 Das Kalifat wurde unter den Abbasiden kontinuierlich als eine vererbbare absolute Herrschaft fortgeführt. Die Institution des Kronprinzen wurde, um das 210 Krämer, Geschichte des Islam, S. 77 f., 86; El Hibri, The empire in Iraq, S. 290; Bozkurt, Me’mûn, S. 104. 211 Rekaya, al-­Maʾmūn b. Hārūn al-­Rašīd, VI, S. 334; Bozkurt, Me’mûn, S. 102; Van Ess, Theologie und Gesellschaft, III, S. 150. 212 Rekaya, al-­Maʾmūn b. Hārūn al-­Rašīd, S. 334; Bozkurt, Me’mûn, S. 102.

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Kalifat in der abbasidischen Dynastie zu erhalten, geschützt. Auch wenn der Kalif theoretisch allen Urteilen des islamischen Rechtswesens Folge leisten musste, bezog er seine Macht tatsächlich von den militärischen Kräften.213

1.2.2 Soziale Gegebenheiten Bei der Betrachtung der historischen Quellen ist zu erkennen, dass sich die Gesellschaft im Abbasiden-­Reich generell aus Arabern, Iranern, Türken, Sklaven und nichtmuslimischen Schutzbefohlenen (Ḏimmīs) zusammensetzte. Die bestimmenden Kräfte der Gesellschaft in den Grenzen des Abbasiden-­Reichs in dieser Ära bildeten dabei die Araber, die Iraner und die Türken. Diese Ethnien gliederten sich in verschiedene Volksstämme und Strömungen. Zudem bildeten die Sklaven, die in den Kriegen als Geiseln gefangen genommen wurden, und die Ḏimmīs, also die Christen und die Juden, einen beträchtlichen Teil der Gesellschaft.214 Die Sklavenhaltung war in dieser Ära weit verbreitet, ein Usus und wurde von den Kalifen nicht geächtet. So waren die Mütter zahlreicher Kalifen Sklavinnen gewesen. Die Kalifen und hochrangigen Staatsmänner bevorzugten nichtarabische Konkubinen. Lediglich drei der Kalifen (Saffāḥ, Manṣūr und Amīn) waren Söhne freier Mütter; alle anderen wurden von Konkubinen geboren.215 Auffällig ist auch, dass die Gattinnen der Kalifen, Wesire und hochrangigen Staatsmänner in ihren Palästen einen wichtigen Einfluss besaßen. Beispielsweise hatten die Gattin des Kalifen Mahdī und die Mutter Hādīs und Hārūn ar-­Rašīds, Ḫayzūrān, sowie die Frau Hārūn ar-­Rašīds, Zubayda, einen hohen Einfluss in staatlichen Angelegenheiten. So musste Hādī seiner Mutter Ḫayzūrān einige Grenzen setzen, als sie sich zu stark in die Staatsgeschäfte einmischte. Als Zubayda im Jahre 186/802 während ihrer Pilgerfahrt in Mekka die Wasserversorgungsprobleme der Reisenden bemerkte, gab sie den staatlich dafür Zuständigen den Befehl, dieses Problem zu beheben, und ermöglichte mit Hilfe der Kanäle einen Wassertransport vom Ḥunayn-­Tal bis zur Kaaba. Darüber hinaus ist bekannt, dass sich die Frauen der Zeit ein hohes Niveau hinsichtlich des Wissens und der Kultur erwarben, insbesondere mit Feinheiten ausgestattete Gedichte vortrugen und sich auf Diskussionen mit Männern einließen. Die 213 Yıldız, Abbâsîler, S. 38. 214 Nagel, Das Kalifat der Abbasiden, S. 139; Yıldız, Abbâsîler, S. 46. 215 Krämer, Geschichte des Islam, S. 78, 84; Hasan, Siyasî-­Dînî-­Kültürel İslam Tarihi, III, S. 230, 271 f.

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Frauen, die populär wurden, waren generell die Gattinnen der Kalifen, Wesire und der hohen Bevölkerungsschichten.216 Die nichtmuslimischen Bürger führten unter dem Schutz des Staates ein Leben mit großer Religionsfreiheit und konnten ihre Gebete frei von jeglichen Einschränkungen verrichten. In Bagdad gab es zahlreiche Kirchen und Synagogen, und die Teilnahme mancher Kalifen an Festen der Nichtmuslime und ihr Befehl, diese in Schutz zu nehmen, kennzeichnen die große Toleranz der Regierung gegenüber den Ḏimmīs.217 Nach den Umayyaden, deren Hauptaugenmerk den arabischen Minderheiten, die in der Šām-­Region die Mehrheit der Bevölkerung bildeten, galt, bevorzugten die Abbasiden die Iraner und teilten ihnen wichtige Staatspositionen zu.218 Wie bereits erwähnt, kam es aus diesen Gründen zu Konflikten zwischen den Arabern und den Iranern, die sich zu unterschiedlichen Anlässen und in verschiedenen Formen äußerten und sich zeitweise in blutige Auseinandersetzungen verwandelten. So ist der Streit zwischen Amīn und Maʾmūn im Grunde als ein iranisch-­arabischer Einflusskampf zu bewerten, dessen Ende mit dem Sieg der Iraner erfolgte. Andererseits äußerte sich der Lebensstandard in Luxus und Komfort parallel zur Erhöhung des Staatseinkommens, wodurch das Interesse an Kunst und Literatur seinen Höhepunkt erreichte. So wurden Feste in prunkvollen Schlössern und Palästen veranstaltet, die Paläste der Kalifen und hohen Staatsmänner mit Musikern gefüllt und diese von den Kalifen mit hohem Entgeld belohnt. Somit ernteten die in den Palästen der Kalifen tätigen Musiker großen Ruhm, und die Musikkunst erreichte ein brillantes Niveau.219 Dass der Kalif Manṣūr in Bagdad für die Blinden ein Krankenhaus und für die Hochbetagten ein Altersheim errichten und Hārūn ar-­Rašīd für die medizinische Bildung ein Krankenhaus erbauen und viele Patienten behandeln ließ, ohne die Religionszugehörigkeiten zu beachten, und ihnen darüber hinaus gebührenfrei Arznei und Nahrung zukommen ließ,220 zeigt, dass diese beiden Kalifen die soziale Seite des Staates in den Vordergrund stellten.

216 El Hibri, The empire in Iraq, S. 281; Hasan, Siyasî-­Dînî-­Kültürel İslam Tarihi, III, S. 270, 271, 273. 217 Hasan, Siyasî-­Dînî-­Kültürel İslam Tarihi, III, S. 228. 218 Endreß, Der Islam, S. 144; Hasan, Siyasî-­Dînî-­Kültürel İslam Tarihi, III, S. 225. 219 Hasan, Siyasî-­Dînî-­Kültürel İslam Tarihi, III, S. 235, 236, 240, 244, 258; Krämer, Geschichte des Islam, S. 90; Yıldız, Abbâsîler, S. 46. 220 Yıldız, Abbâsîler, S. 45.

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Die Kalifen trugen bei Veranstaltungen schwarze Kleidung, welche als die Symbolfarbe der Abbasiden galt, nahmen an religiösen Festen teil und beteten die Freitags- und Festgebete vor. Als in der abbasidischen Regierung der Einfluss der iranischen Staatsmänner anstieg, wurden auch Feste wie Nawrūz, Mihriǧān und Rām gefeiert.221 Als Ergebnis der Systematisierung der staatlichen Institutionen erhielt das Steuersystem eine gerechtere und bessere Struktur. In diesem Kontext wurden von den Dorfbewohnern die Steuern anstatt in Form eines Fixbetrages in variablen Proportionen gemäß der Ernte erhoben.222 Auffällig war, dass die Sunniten und Schiiten, konfessionell betrachtet, in den ersten Zeiten der Abbasiden zwei einflussreiche Gruppen in der Gesellschaftsstruktur waren. Die Muʿtazila, deren Bildung erst zur Zeit der Umayyaden stattfand, standen hingegen nicht im Vordergrund. Jedoch entwickelte sich die muʿtazilītische Weltsicht im 3. Jahrhundert n. H., insbesondere in der Amtszeit Maʾmūns, förmlich zu einer staatlichen Ideologie.223

1.2.3 Wissenschaftliche Situation In der islamischen Geschichte ist festzustellen, dass die Masdschids und Moscheen im Rahmen der Lehraktivitäten zur religiösen Erziehung und Ausbildung zu jeder Zeit eine wichtige Rolle spielten. So dienten die Masdschids und Moscheen nicht nur als Gebetsstätten, sondern gleichzeitig auch als Erziehungsund Lehrinstitutionen. Ähnlich wie bei den Umayyaden blieb die Bedeutung der Masdschids und Moscheen mit ihren wichtigen Funktionen in der ersten Zeit der Abbasiden bestehen.224 In einer Ecke der Basra-­Moschee existierte beispielsweise ein Lehrkreis, wo Themen der Kalām-­Wissenschaft diskutiert wurden, während in der anderen Ecke ein Lehrkreis für Gedichte und Literatur vorzufinden war. So trafen sich Menschen verschiedener Ethnien und Schulen in diesen Lehrkreisen und bereicherten mit Lebhaftigkeit und Reichhaltigkeit die hier durchgeführten wissenschaftlichen und kulturellen Aktivitäten.225 Während in der Ära der Umayyaden die Bibliotheken keine bedeutende Stellung einnahmen, führten diverse Aktivitäten in der abbasidischen Ära, wie die

221 Hasan, Siyasî-­Dînî-­Kültürel İslam Tarihi, III, S. 275; Yıldız, Abbâsîler, S. 47. 222 Yıldız, Abbâsîler, S. 47. 223 Ebenda, S. 42. 224 Ebenda, S. 40; Hasan, Siyasî-­Dînî-­Kültürel İslam Tarihi, III, S. 175; Melchert, The Etiquette of Learning in the Early Islamic Study Circle, S. 1–2. 225 Hasan, Siyasî-­Dînî-­Kültürel İslam Tarihi, III, S. 175.

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Entwicklung der Übersetzungs- und Verfassungsarbeiten, die Entwicklung der Papierindustrie, die Errichtung großer Institutionen für Versammlungen von Wissenschaftlern sowie die Vermehrung der Bibliotheken, in denen religiöse, wissenschaftliche und literarische Werke gesammelt wurden, zur Herausbildung hochstehender Schwerpunkte der islamischen Kultur.226 Zentren, wie die Ḫizānatu l-­Ḥikma und die Baytu l-­Ḥikma, in denen überwiegend Übersetzungsarbeiten stattfanden, dienten neben den Moscheen auch als Hochschulbildung darbietende Akademien und ebenso als öffentliche Bibliotheken. Es herrscht jedoch Übereinstimmung darüber, dass die erste hochschulische Einrichtung im eigentlichen Sinne die vom seldschukischen Wesir Niẓāmulmulk in Bagdad gegründete Niẓāmiya Madrasa (459/1067) war, die die erste Kernhochschule in der islamischen Geschichte bildete.227 Selbstverständlich erfolgte die Entstehung solcher Institutionen nicht schlagartig, sondern infolge von wissenschaftlichen Bestrebungen und Akkumulationen, die bereits in der Umayyaden-­Ära begannen. Wie zuvor erwähnt, machten die Muslime im Anschluss an die Ausdehnung der Reichsgrenzen in der Umayyaden-­Ära Bekanntschaft mit fremden Kulturen, wie der hellenistischen, der iranischen, indischen und anderen. Dieses Zusammentreffen führte natürlich zu Interaktionen und Debatten in den Gesellschaften dieser verschiedenen Kulturen. Die Muslime begriffen, dass sie zur Vertretung ihres Glaubens- und Gedankenguts diese Kulturen kennenlernen mussten, weswegen das Bedürfnis aufkam, einige wissenschaftliche und philosophische Werke der antiken Welt ins Arabische zu übersetzen. Für die Übersetzungsarbeiten, die Ḫālid b. Yazīd b. Muʿāwiya (gest. 85/704) beginnen ließ und welche die umayyadischen Kalifen Marwān b. Ḥakam (gest. 65/685) und ʿUmar b. ʿAbdilʿazīz (gest. 101/720) in der Medizin mit ihrem praktischen Nutzen fortführen ließen, bedeutete der 2. abbasidische Kalif Manṣūr (136–158/754–775) einen großen Fortschritt, indem er das Ausmaß dieser Aktivitäten, die ungefähr zwischen den Jahren 132/750–235/850 ein Jahrhundert andauerten, noch vergrößerte. Er ließ einige griechische, aramäische, sanskritsche und persische Werke im Bereich der Logik, Philosophie, Algebra, Geometrie, Mathematik, Astronomie ins Arabische übersetzen und daraufhin in seinem Palast eine Bibliothek errichten, welche Ḫizānatu l-­Ḥikma benannt wurde. Eben diese Bibliothek bildete den Kern der Baytu l-­Ḥikma, die vom Kalifen Maʾmūn (198–218/813–833) in Bagdad gegründet wurde.228 226 Ebenda. 227 Yıldız, Abbâsîler, S. 40. 228 Kaya, Mahmut, Beytülhikme, S. 88 f.; Nagel, Geschichte der islamischen Theologie, S. 177; Krämer, Geschichte des Islam, S. 90 f.

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ʿAbdullāh b. Muqaffaʿ (gest. 142/759), der Schreiber des Kalifen Manṣūr und ein iranischer Konvertit, der ausgewählte Werke wie Kalila und Dimna, die ersten drei Bände des Organon von Aristoteles und die Eisagoge von Porphyrius ins Arabische übersetzte, ist zu den führenden Übersetzern zu zählen. Der Arzt Ǧirǧīs b. Buḫtīšū und der Patriarch Bagdads Sergios gehören zu den wichtigen Übersetzern, die viele griechische Werke ins Arabische übertrugen. Mit der Übersetzung einiger aus Indien geholten Bücher zur Mathematik und zur Astronomie kamen auch die indischen Ziffern in die islamische Welt.229 Unter dem 3. Kalifen Mahdī (158–169/775–785) und dem 4. abbasidischen Kalifen Hādī (169–170/785–86) kamen aufgrund inländischer Konflikte die Übersetzungsarbeiten ins Stocken, wurden jedoch zur Zeit des 5. abbasidischen Kalifen Hārūn ar-­Rašīd (170–193/786–809) erneut beschleunigt. Als die Werke, die Hārūn ins Arabische hatte übersetzen lassen, die Zentralbibliothek Ḫizānatu l-­Ḥikma zu überfüllen drohten, wurde im Palast ein größerer Platz als Bibliothek ausgewiesen. In Hārūns Regierungszeit sind Yuḥanna b. Māsawayh (gest. 243/857), al-­Ḥaǧǧāǧ b. Yūsuf b. Maṭar, Yaḥyā b. Biṭrīq (gest. 200/815 [?]) und Sahl b. Hārūn (gest. 215/830) zu den wichtigsten Übersetzern zu zählen.230 Der 7. Kalif Maʾmūn (198–218/813–833), der diese Bibliothek nach der aufgrund heftiger Thronstreitigkeiten wissenschaftlich unfruchtbar abgelaufenen Ära des 6. Kalifen Amīn (193–198/809–813) wieder vergrößerte, gründete in Bagdad im Jahre 830 die Baytu l-­Ḥikma, welche mit annähernd 80 Gelehrten und Philosophen zur größten Wissenschaftsakademie im Mittelalter wurde. In ihr wurden philosophische Werke zahlreicher Persönlichkeiten aus der griechischen, indischen, persischen und nabatischen Kultur, wie des berühmten Arztes Hippokrates sowie von Galenos, Platon und Aristoteles ins Arabische übersetzt, wodurch sie in die islamische Kultur Eingang fanden. So berichtet Ibn Nadīm (gest. 385/995), der die Baytu l-­Ḥikma zu seinen Lebenszeiten persönlich erlebte und reichlich Gelegenheit dazu bekam, von ihr zu profitieren, dass es 47 Übersetzer gab, die vom Griechischen ins Aramäische, anschließend ins Arabische oder unmittelbar vom Griechischen ins Arabische übersetzten, 16 vom Persischen Übersetzende und 3, die aus dem Sanskrit ins Arabische übersetzten. Diese Übersetzer wurden je nach Bedeutung der von ihnen übersetzten Werke mit Gold belohnt. Durch diese wissenschaftlichen Arbeiten etablierte sich die Baytu l-­Ḥikma als die reichste Bibliothek des Mittelalters und entwickelte sich somit zu einem Zentrum,

229 Kaya, Beytülhikme, S. 89. 230 Ebenda.

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in dem intensive wissenschaftliche Forschungen durchgeführt wurden.231 Diese Gelehrten leisteten einen großen Beitrag zur Entwicklung der Wissenschaften und gleichzeitig zur Ausbreitung der Kultur unter den Menschen anderer Glaubensrichtungen in der abbasidischen Ära.232 Die diesbezüglichen Investitionen des Kalifen Maʾmūn, der für diese Übersetzungsarbeiten ein großes Budget bereitstellte, brachten unter den Muslimen anerkannte Gelehrte, Philosophen, Entdecker und Erfinder hervor. So ist beispielsweise Yaʿqūb b. Isḥāq al-­Kindī (gest. 252/866), welcher als der erste Islamphilosoph und der erste Vertreter der aristotelischen Philosophie (al-­Falsafatu l- Maššāʾīyya) angesehen wird, aus dem Kreis der Baytu l-­Ḥikma hervorgegangen.233 Auch die Einführung des Papiers in die islamische Welt spielte bei der Ausweitung der wissenschaftlichen Tätigkeiten im 2. Jahrhundert n. H. eine bedeutende Rolle. Das Papier, dessen Herstellung wohl im Jahre 105 n. H. in China begann, kam nach der Talas-­Schlacht zwischen den Chinesen und Türken im Jahre 133/751 in die islamische Welt. Des Weiteren wurde in Samarkand mit Hilfe von in der Talas-­Schlacht gefangenen Chinesen, welche die Papierherstellung beherrschten, im Jahre 756 eine Papierfabrik gegründet. Dieser Gründung folgte eine weitere Papierfabrik in Bagdad (795) und in den folgenden Jahren in Ägypten, Nordafrika und Andalusien. Somit nahm das Papier nach kurzer Zeit die Stelle des Papyrus und des Pergaments ein. In diesen Zeiten deckte der europäische Kontinent seinen Bedarf an Papier durch den Import aus dem Osten. In Europa selbst begann die Papierherstellung erst im 13. Jahrhundert.234 231 Ibn Nadīm, al-­Fihrist, S. 340 ff.; Kaya, Beytülhikme, S. 89; Sourdel, D., Bayt al-­Hikma, in: EI2, (New Edition), Leiden 1986, I, S. 1141. 232 Hasan, Siyasî-­Dînî-­Kültürel İslam Tarihi, III, S. 176. 233 Yıldız, Abbâsîler, S. 45; Nagel, Geschichte der islamischen Theologie, S. 178. Die Baytu l-­Ḥikma, die zu Beginn als eine einfache Bibliothek gegründet wurde, sich im Laufe der Zeit ausdehnte und zu einer öffentlichen Bibliothek weiterentwickelte und weiterhin ein Zentrum und eine Bildungsinstitution für Untersuchungen und Forschungen wurde, wurde während des Mongolensturms im Jahre 1258 n. Chr. niedergebrannt und zerstört; vgl. Hasan, İbrahim Hasan, Siyasî-­Dînî-­Kültürel İslam Tarihi, III, S. 176; für detaillierte Informationen über die Einnahme und Zerstörung Bagdads durch mongolische Truppen unter ihrem Führer Hülegü und zur Beurteilung dieses Vorfalls siehe Conermann, Stephan/Pistor-­Hatam, Anja (Hrsg.), Die Mamlūken, Studien zu ihrer Geschichte und Kultur. Zum Gedenken an Ulrich Haarmann (1942–1999), in: Asien und Afrika, Beiträge des Zentrums für Asiatische und Afrikanische Studien (ZAAS) der Christian-­Albrechts-­Universität zu Kiel, Band 7, EB-­Verlag, Schenefeld 2003. 234 Yıldız, Abbâsîler, S. 47.

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Die Zeit der Abbasiden prägte die islamische Kultur und Zivilisation und hatte großen Einfluss auf verschiedene Einrichtungen und Wissenschaften. Während in der islamischen Welt die ersten Bestrebungen im Bereich der Philologie sowie der Religions-, Gesellschafts- und Naturwissenschaften bereits zur Zeit der Umayyaden einsetzten, fand die Systematisierung dieser wissenschaftlichen Arbeiten und deren Etablierung als eigenständige Wissenschaftsfelder in der Abbasiden-­Ära statt.235

1.2.3.1 Sprache und Literatur Die Abbasiden-­Ära ist hinsichtlich der Arbeiten in arabischer Sprache und Literatur als sehr produktiv anzusehen. Auch wenn die Gedichte im Hinblick auf Themen und Formen keine Unterschiede zu denen des vorislamischen Heidentums (Ǧāhiliyya) und der Umayyaden-­Ära aufweisen, fand doch bei den literarischen Künsten eine große Entwicklung statt. Die philologischen und literarischen Untersuchungen bildeten sich im Laufe der Zeit zu einem eigenständigen Wissenschaftsfeld heraus. Zu den führenden Dichtern gehören Baššār b. Burd (gest. 167/783–84) und Abū Nuwās (gest. 198/813).236 Im Zusammenhang mit den intensiven Untersuchungen zur Erschließung des Koran und der Hadithe im 2. Jahrhundert n. H. lässt sich zudem feststellen, dass auch Tätigkeiten im lexikalischen Bereich begannen. So besteht kein Zweifel daran, dass Ḫalīl b. Aḥmad al-­Farāhīdī (gest. 175/791), der als Begründer der Metrik (ʿIlmu l-ʿArūḍ) und der Verfasser des Werkes Kitābu l-ʿAyn, welches das erste Lexikon in der arabischen Sprache ist, angesehen wird, in diesem Bereich Pionierarbeit leistete. All jene früheren Ausarbeitungen über die Erläuterung einzelner Wörter in verschiedenen Zusammenhängen wurden erstmals von Ḫalīl b. Aḥmad im Kitābu l-ʿAyn systematisiert. Dieses Konzept von ihm wurde nach ihm von seinen Schülern weiterentwickelt, woraus sehr bedeutsame Lexika entstanden.237 Desgleichen fanden in dieser Epoche signifikante Entwicklungen in der Syntax (ʿIlmu n-­Naḥw) statt, deren Grundstein bereits von Abu l-­Aswad ad-­Duʾalī (gest. 69/688) in Basra gelegt worden war. Die ʿIlmu n-­Naḥw gliederte sich zu Anfangszeiten der Abbasiden in die basrischen und kūfischen Schulen, aus denen zahlreiche Sprachgelehrte hervorgingen. Zu den wichtigsten Vertretern der basrischen Schule gehören neben Abu l-­Aswad ad-­Duʾalī unter anderem auch Ibn Abī Isḥāq 235 Ebenda, S. 41. 236 Ebenda. 237 Hasan, İbrahim Hasan, Siyasî-­Dînî-­Kültürel İslam Tarihi, II, S. 221; Yıldız, Abbâsîler, S. 41.

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al-­Ḫaḍramī (gest. 117/735), ʿĪsā b. ʿUmar aṯ-­Ṯaqafī (gest. 149/766), al-­Aḫfaš al-­ Akbar (gest. 177/793), Yūnūs b. Ḥabīb (gest. 182/798), der Verfasser des Kitābu l-ʿAyn Ḫalīl b. Aḥmad (gest. 175/791) und der Autor des al-­Kitāb, Sībawayh (gest. 194/809), der ebenfalls sein Schüler war. Als wichtige Vertreter der kūfischen Schule sind Gelehrte wie Abū Ǧaʿfar ar-­Ruʾāsī (gest. 187/803), ʿAlī b. Ḥamza al-­ Kisāʾī (gest. 189/805) und Yaḥyā b. Ziyād al-­Farrāʾ (gest. 207/822) zu nennen.238

1.2.3.2 Koranrezitation und Koranexegese (Qirāʾa und Tafsīr) Die Ausarbeitungen in diesem Bereich, die bereits zu Zeiten der Umayyaden begonnen wurden, setzten sich in der Abbasiden-­Ära beschleunigt fort. Die ersten systematischen Forschungen in den Koranwissenschaften sind zu Beginn des 2. Jahrhunderts n. H. zu erkennen. Ab der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts begannen diese systematischen Arbeiten in der Tafsīr-­Wissenschaft ihre ersten Früchte zu tragen. In diesem Zusammenhang sind das Tafsīru l-­Qurʾān von Muqātil b. Sulaymān (gest. 150/767), dem ersten Exegeten, der den Koran komplett kommentierte, das Tafsīr von Abū Zakariyyā Yaḥyā b. Sallām (gest. 200/815) und das Tafsīru l-­Qurʾān von ʿAbdurrazzāq b. Hammām (gest. 211/826–27) zu nennen. Gleichzeitig begannen die philologischen Studien zu den Korantexten. Unter die ersten dazu verfassten Werke können die Maʿāni l-­Qurʾān von Yaḥyā b. Ziyād al-­Farrāʾ (gest. 207/822) und die Maǧāzu l-­Qurʾān von Abū ʿUbayda al-­Baṣrī (gest. 209/824) gezählt werden. Das umfangreiche Werk Ǧāmiʿu l-­Bayān fī Tafsīri l-­Qurʾān von Ṭabarī (gest. 310/923) wird aufgrund seiner intensiven Bezugnahme auf die vorherigen Arbeiten als ein Werk dieser Epoche eingestuft.239 Zusätzlich entwickelten sich in der Tafsīr-­Wissenschaft die Riwāya-­Methode, welche überwiegend die Überlieferung als Grundlage nimmt, und die Dirāya-­ Methode, welche hauptsächlich den Verstand als Grundlage benutzt. Ferner brachten bekannte Gelehrte wie Kisāʾī (gest. 189/805) und Abū ʿUbayd Qāsim b. Sallām (gest. 224/838) bedeutende Werke über den Korantext, wie Ġarību l-­ Qurʾān, Muškilu l-­Qurʾān, Mutašābihu l-­Qurʾān, Maǧāzu l-­Qurʾān, Iʿǧāzu l-­ Qurʾān und an-­Nāsiḫ wa l-­Mansūḫ heraus.240 238 Yıldız, Abbâsîler, S. 41; Kılıç, Hulûsi, Kûfiyyûn, in: DİA, Ankara 2002, XXVI, S. 345; Kılıç, Hulûsi, Basriyyûn, in: DİA, İstanbul 1993, VII, S. 117 f. 239 Yıldız, Abbâsîler, S. 41 240 Diese Arbeiten in den Koran-­Wissenschaften wurden von einigen Gelehrten, wie Sahl at-­Tustarī (gest. 283/896), Ṭaḥāwī (gest. 321/933), Ǧaṣṣāṣ (gest. 370/981), Sulamī (gest. 412/1021), Qušayrī (gest. 465/1072), Zamaḫšarī (gest. 538/1143), Abū Bakr Ibnu 1-ʿArabī (gest. 543/1148) und Faḫraddīn ar-­Rāzī (gest. 606/1210), in späteren Perioden fortgeführt und weiterentwickelt; vgl. Yıldız, Abbâsîler, S. 41 f.

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Auch in den Rezitationswissenschaften lassen sich wichtige Entwicklungen feststellen. In dieser Epoche wurden die Regelungen bezüglich verschiedener Rezitationsarten des Koran systematisiert. Zu den wichtigen Koranrezitatoren (Qurrāʾ) dieser Epoche können Abū ʿAmr b. ʿAlāʿ (gest. 154/771), Ḥamza b. Ḥabīb (gest. 156/773), Nāfiʿ b. ʿAbdirraḥmān (gest. 169/785), Kisāʾī (gest. 189/805) und Yaʿqūb al-­Ḥaḍramī (gest. 205/821) gezählt werden.241

1.2.3.3 Hadith Die auf dem in der Umayyaden-­Ära systematisierten242 Isnād-­Gebrauch zu Feststellung der Authentizität der Hadithe basierenden Studien in der Hadith-­ Wissenschaft erhielten in diesem Zeitalter einen starken Aufschwung. Die zu Beginn des 2. Jahrhunderts n. H. vom umayyadischen Kalifen ʿUmar b. ʿAbdilʿazīz (gest. 101/720) offiziell begonnenen Niederschreibungsarbeiten der Hadithe wurden in diesem Zeitabschnitt weiterentwickelt und fortgesetzt,243 und man sieht vor allem in der Ḥiǧāz-­Region, dass ab dem 2. Viertel des 2. Jahrhunderts n. H. die schriftliche Überlieferung dominierte.244 Unter den ältesten Beispielen dieser Tätigkeiten, die auf uns kamen, befinden sich das von Maʿmar b. Rāšid (gest. 153/770) in Mekka verfasste al-­Ǧāmiʿ, welches zudem als erstes Werk aus der Kategorisierungsphase (Taṣnīf) bezeichnet wird, und das al-­Muwaṭṭaʾ des medinensischen Gelehrten Mālik b. Anas (gest. 179/795). Das al-­Ǧāmiʿ von Maʿmar b. Rāšid kam im Werk al-­Muṣannaf von ʿAbdurrazzāq aṣ-­ Ṣanʿānī (gest. 211/826–27), dem Schüler von Maʿmar bis auf unsere Zeit.245 Einige der bekannten Hadith-­Gelehrten der Abbasiden-­Ära im 2. Jahrhundert n. H. waren in Medina: Hišām b. ʿUrwa (gest. 146/763), ʿUbaydullāh b. ʿUmar

241 Hasan, Siyasî-­Dînî-­Kültürel İslam Tarihi, III, S. 150 f.; Yıldız, Abbâsîler, S. 41. 242 Al-­Aʿẓamī, İslam Fıkhı ve Sünnet, S. 189–246. 243 Yıldız, Abbâsîler, S. 42 244 Uçar, Bülent, Batı’da Hadis Çalışmalarının Tarihi Seyri, Hadisevi Yayınları, İstanbul 2006, S. 329. 245 Die Hadith-­Wissenschaften erreichen ihren Höhepunkt im 3. Jahrhundert n. H., welches als „Goldenes Zeitalter der Hadith-­Studien“ bezeichnet wird. Mit Blick auf den thematischen Gesamtbezug werden an dieser Stelle die im 3. Jh. n. H. verfassten wichtigsten Werke erwähnt: al-­Musnad von Abū Dāwūd aṭ-­Ṭayālisī (gest. 204/819), al-­Muṣannaf von Abū Bakr b. Abī Šayba (gest. 235/849), al-­Musnad von Aḥmad b. Ḥanbal (gest. 241/855), as-­Sunan von Dārimī (gest. 255/869), aṣ-­Saḥiḥs von Buḫārī und Muslim (gest. 261/874), as-­Sunans von Abū Dāwūd as-­Siǧistānī (gest. 275/888), von Tirmiḏī (gest. 279/892), von Ibn Māǧa (gest. 273/886) und von Nasāʾī (gest. 303/915); Yıldız, Abbâsîler, S. 42; Hasan, Siyasî-­Dînî-­Kültürel İslam Tarihi, III, S. 156.

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(gest. 147/764), Ibn Abī Ḏiʾb (gest. 159/776), Ibn Abi z-­Zinād (gest. 174/790), Imam Mālik (gest. 179/795) und Ibrāhīm al-­Aslamī (gest. 184/800); in Mekka: Ibn Ǧurayǧ (gest. 150/767) und Sufyān b. ʿUyayna (gest. 198/814); im Jemen und in benachbarten Gebieten: Maʿmar b. Rāšid (gest. 153/770), ʿAbdurrazzāq b. Hammām (gest. 211/826–27); in Damaskus: al-­Awzāʿī (gest. 157/774), Saʿīd b. Bašir (gest. 168/784); in Palästina und Umgebung: al-­Firyābī (gest. 212/827); im Irak: Ḥumayd aṭ-­Ṭawīl (gest. 142/759), Sulaymān at-­Taymī (gest. 143/760), Šuʿba b. al-­Ḥaǧǧāǧ (gest. 160/776), Sufyān aṯ-­Ṯawrī (gest. 161/778), Ḥammād b. Salama (gest. 167/784).

1.2.3.4 Islamische Rechtswissenschaft (Fiqh) Wie auch in den anderen Wissenschaften gab es in diesem Zeitabschnitt wichtige Fortschritte in der islamischen Rechtswissenschaft. Die Rechtswissenschaft, die in der Ära der Umayyaden zu einem eigenständigen Bereich zu werden begann, setzte ihre Entwicklung auch in dieser Ära fort. Die Beiträge der Ṣaḥāba- und Tābiʿūn-­Generation zur Fiqh, die sie durch die an Koran und Sunna angelegte Iǧtihād geleistet haben, wurden in dieser Periode von der Tābiʿu t-­Tābiʿīn-­ Generation (als Nachfolger der Nachfolger der Prophetengefährten) fortgeführt; ebenfalls vorangetrieben wurden die kasuistischen Fiqh-­Arbeiten zur Rechtsfindung. Durch die Ausdehnung der Reichsgrenzen nahm der Kontakt mit verschiedenen Kulturen zu, was dazu führte, dass bis dato noch nicht bekannte Probleme gelöst werden mussten. Die Gelehrten jener Zeit tauschten sich bei verschiedenen Gelegenheiten, wie der Pilgerfahrt oder bei Ausbildungsveranstaltungen, intensiv aus. Beispielsweise begab sich der Schüler von Abū Ḥanīfa, Imam Muḥammad (gest. 189/805) zu Imam Mālik (gest. 179/795) nach Medina, um dort al-­Muwaṭṭaʾ zu studieren, und auch Imam aš-­Šāfiʿī (gest. 204/820) ging nach Medina, in den Irak und nach Ägypten.246 Durch die intensiven Arbeiten, wie die Erschließung von Normen auf allen Gebieten der Fiqh durch die systematischen Iǧtihād-­Methoden, die Zusammenführung der durch Iǧtihād erworbenen Rechtsfindungen in Büchern, die Entstehung der Hadith- und Raʾy-­Schulen bei ḥiǧāzischen und irakischen Gruppen (Ḥiǧāziyyūn/ʿIrāqiyyūn) und die Benennung der ḥiǧāzischen Schule als Ahlu l-­Ḥadīṯ und der irakischen Schule als Ahlu r-­Raʾy, entstanden neue Rechtsschulen, wozu auch die wissenschaftlichen Diskussionen, die systematischen Niederschriften der Iǧtihād-­Methoden von den Muǧtahidūn dieser Schulen und somit die Entstehung der Prinzipienlehre zur praktischen Theologie (ʿIlmu Uṣūli l-­Fiqh) 246 Karaman, Fıkıh, S. 7.

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beitrugen. Neben den Rechtsschulen der Hanafiten, Malikiten, Schafiiten und Hanbaliten, deren Inhalte noch heute Gültigkeit haben und deren Begründer in dieser Ära lebten sowie verschiedene Iǧtihād-­Methoden besitzen, gab es noch andere Rechtsschulen, wie zum Beispiel die Rechtsschule von Ḥasan al-­Baṣrī (gest. 110/728), al-­Awzāʿī (gest. 157/774), Sufyān aṯ-­Ṯawrī (gest. 161/778), Layṯ b. Saʿd (gest. 175/791) und Sufyān b. ʿUyayna (gest. 198/813), die heute jedoch keine Anhänger mehr haben.247 Tatsache ist, dass das erste Werk in der Prinzipienlehre zur praktischen Theologie (ʿIlmu Uṣūli l-­Fiqh), die sich zum Ende des 2. Jahrhunderts n. H. als Resultat dieser intensiven Arbeiten entwickelte, die Schrift ar-­Risāla von Muḥammad b. Idrīs aš-­Šāfiʿī (gest. 204/820) ist.248 Zu den in dieser Epoche verfassten Werken, die unsere heutige Zeit erreichten und den nachfolgenden Werken als Quelle dienten, können das Muwaṭṭaʾ von Imam Mālik (gest. 179/795), das neben den Hadithen auch Rechtsauskünfte von Ṣaḥāba und Tābiʿūn und ebenso die eigenen Iǧtihāds beinhaltet,249 die beiden Werke al-­Mabsūṭ und al-­Āṯār von Imam Muḥammad (gest. 189/805) sowie al-­ Ḥaraǧ von Abū Yūsuf (gest. 183/798) und al-­Umm von Imam aš-­Šāfiʿī (gest. 204/820) gezählt werden. Mit dem Vorschlag von ʿAbdullāh b. Muqaffaʿ (gest. 142/759) wurde die Kodifikation des islamischen Rechts erwogen, um der Instabilität, welche Rechtsauskünfte verschiedener Rechtsschulen verursachen konnten, vorzubeugen. Zuerst wollte Kalif Manṣūr (136–158/75–775) und danach Hārūn ar-­Rašīd (170–193/786–809) das Werk al-­Muwaṭṭaʾ von Imam Mālik zu diesem Zweck nutzen, aber Imam Mālik lehnte ihren Vorschlag mit dem Einwand ab, dies könnte der Entwicklung des islamischen Rechts schaden. Folglich fand dieser Gedanke keine Anwendung.250 Einige der Fiqh-­Gelehrten dieses Zeitalters verweigerten die Ausübung des Kadi-­Diensts, weil einige der Kalifen die Richter zu ihren Gunsten manipulieren wollten. Dementsprechend lehnten Abū Ḥanīfa (gest. 150/767) und Sufyān aṯ-­ 247 Ebenda, S. 7; Yıldız, Abbâsîler, S. 42. 248 Šaʿbān, Zakiyuddīn, Uṣūlu l-­Fiqh, (İslām Hukuk İlminin Esasları, ins Türkische übersetzt von İbrahim Kafi Dönmez), TDV Yay., Ankara 1990, S. 29; Karaman, Fıkıh, S. 8. 249 Kandemir, M. Yaşar, el-­Muvatta’, in: DİA, İstanbul 2006, XXXI, S. 416. 250 Ibn ʿAbdilbarr, Ǧāmiʿu Bayān, I, S. 132; Şafak, Ali, İslam Hukuku’nun Tedvîni, Atatürk Üniversitesi Basım Evi, Erzurum 1977, S. 76 f.; Kandemir, el-­Muvatta’, S. 416; Al-­Azmeh, Aziz, The emergence of Islam in late antiquity, Allah and his People, Cambridge University Press, New York 2014, S. 519.

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Ṯawrī das Angebot des Kalifen Manṣūr für ein Richteramt ab.251 Parallel zur Entwicklung des islamischen Rechts wurden die Richter immer unabhängiger von den Verwaltern. In diesem Zusammenhang wurde in der Amtszeit des Kalifen Hārūn ar-­Rašīd das Institut Qāḍi l-­Quḍāt (Leiter des Kadi-­Amtes) eingeführt, welches für die Richterernennung und bei Gerichtsverfahren zuständig war. Imam Abū Yūsuf (gest. 183/798) war der Erste, der zum Oberrichter ernannt wurde. Danach hatten Abu l-­Baḫtarī Wahb b. Wahb (gest. 200/815–16) und Imam Muḥammad b. Ḥasan aš-­Šaybānī (gest. 189/805) dieses Amt inne.252 Zu den bekanntesten Fiqh-­Gelehrten im 2. Jahrhundert n. H. können neben den Imamen der vier heute noch geltenden Rechtsschulen die nachfolgend genannten gezählt werden: In Medina: Hišām b. ʿUrwa (gest. 146/763), ʿUbaydullāh b. ʿUmar (gest. 147/764), Ibn Abī Ḏiʾb (gest. 159/776) und Ibn Abi z-­Zinād (gest. 174/790); in Mekka: Ibn Ǧurayǧ (gest. 150/767), Ibn ʿUyayna (gest. 198/814); im Jemen: Maʿmar b. Rāšid (gest. 153/770), in Syrien: al-­Awzāʿī (gest. 157/774), Yaḥyā b. Ḥamza (gest. 183/799) und Walīd b. Muslim (gest. 195/810); in Basra Ḥammād b. Salama (gest. 167/784), Ibn ʿUlayya (gest. 193/809), Yaḥyā b. Saʿīd al-­ Qaṭṭān (gest. 198/813) und ʿAbdurraḥmān b. Mahdī (gest. 198/813–14); in Kūfa: Sufyān aṯ-­Ṯawrī (gest. 161/778), Ibn Abī Zāʾida (gest. 182/798), Muḥammad b. Fuḍayl (gest. 195/811) und Wakīʿ b. Ǧarrāḥ (gest. 197/812).

1.2.3.5  Kalām-­Wissenschaft In der Epoche der Abbasiden begann man, die Kalām-­Wissenschaft zu systematisieren. Man kann sagen, dass die Muʿtazila am Anfang des 2. Jahrhunderts n. H. als eine Gegenthese zu den Theorien der Ḫāriǧiyya und Murǧiʾa bezüglich des Zustandes desjenigen, der eine große Sünde begeht, von Wāṣil b. ʿAṭāʾ (gest. 131/748) und seinem Schwager entwickelt wurde. Es wird berichtet, dass ʿAmr b. ʿUbayd mit dem 2. abbasidischen Kalifen Manṣūr (136–158/754–775) befreundet war und ihn auch intensiv beriet, seine politische Neutralität aber bewahrte.253 Wie bereits angesprochen, wurde die in der Umayyaden-­Ära ent251 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 105 f.; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 257; Ibn Ḥaǧar al-­Haytamī, Šihābuddīn Aḥmad b. Ḥaǧar (gest. 972/1564), al-­Ḫayrātu l-­Ḥisān fī Manāqibi l-­ Imāmi l-­Aʿẓam Abī Ḥanīfa an-­Nuʿmān, Bombay 1324, S. 71; Van Ess, Theologie und Gesellschaft, I, S. 222. 252 Yıldız, Abbâsîler, S. 42; Bozkurt, Hârûnürreşîd, S. 260. 253 Die von ihnen gegründete Bewegung wurde von bekannten muʿtazilītischen Gelehrten, wie Abū Bakr al-­Aṣamm (gest. 200/816), Bišr b. Muʿtamir (gest. 210/825), Ṯumāma b. Ašras (gest. 213/828), Muʿammar b. ʿAbbād (gest. 215/830), Ǧāḥiẓ (gest. 225/869), Naẓẓām (gest. 231/845), Abu l-­Huzayl al-ʿAllāf (gest. 235/849–50), Ibn Abī Duʾād (gest.

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standene Muʿtazila vom 7. abbasidischen Kalifen Maʾmūn (198–218/813–833) als offizielle Staatsideologie verkündet und somit die Kalām-­Wissenschaft in ihre populärste Ära eintrat. Bei der Behandlung von Glaubensangelegenheiten tendierte die Muʿtazila zu einer Vorgehensweise, die den Verstand vor der Überlieferung bevorzugt, und scheute sich auch nicht, die Überlieferungen, die nicht verstandskonform schienen, selbst auszulegen. Diese Herangehensweise stieß auf den Widerstand der Salaf-­Gelehrten, welche die Überlieferung dem Verstand vorzogen. Daher bildeten sie eine Front gegen die Muʿtazila und die Kalām-­Wissenschaftler. In der Mitte des folgenden Jahrhunderts tauchten dann die sogenannten Ahlu s-­Sunna-­Gelehrten auf, die das Gedankengut der Salaf-­Gelehrten nicht vernachlässigten, dennoch aber auch auf den Verstand setzten.254 In diesem Zusammenhang kam es in der Folge zum Entstehen und zur Systematisierung der sunnitischen Glaubenslehre.255 Unter den bekannten Kalām-­Wissenschaftlern des 2. Jahrhunderts n. H. finden sich Ǧaʿd b. Dirham (gest. 124/742), Ǧahm b. Ṣafwān (gest. 128/745), Wāṣil b. ʿAṭāʾ (gest. 131/748), ʿAmr b. ʿUbayd (gest. 144/761) und Abū Ḥanīfa (gest. 150/767).

1.2.3.6 Mystik (Taṣawwuf) Die Entwicklungsstadien der Taṣawwuf-­Wissenschaft, die in den ersten beiden Jahrhunderten n. H. als eine asketische Bewegung angesehen wurde, kamen in den vo240/854), Abū ʿAlī al-­Ǧubbāʾī (gest. 303/916) und Abū Hāšim al-­Ǧubbāʾī (gest. 321/933) weiterentwickelt. Insbesondere hielten Ṯumāma b. Ašras und Ibn Abī Duʾād das Thema Ḫalqu l-­Qurʾān auf der Tagesordnung und leisteten einen bedeutenden Beitrag zum Entstehen des Miḥna-­Prozesses; siehe Yıldız, Abbâsîler, S. 42 f.; Gimaret, D., Muʿtazila, in: EI2, (New Edition), Leiden 1993, VII, S. 783–793; Van Ess, Theologie und Gesellschaft, II, S. 287, V, S. 142 ff.; Çelebi, İlyas, Mu’tezîle, in: DİA, İstanbul 2006, XXXI, S. 391–401. 254 Topaloğlu, Bekir, Kelâm İlmi, İstanbul 1996, S. 22 f. 255 Gelehrte aus der abbasidischen Epoche, wie Ibn Kullāb al-­Baṣrī (gest. 240/854), Hāris al-­Muḥāsibī (gest. 243/857), Abū ʿAlī al-­Karābisī (gest. 248/862), Dārimī (gest. 255/869), die die sunnitische Glaubensrichtung vertraten, bereiteten den Boden für die Bildung der Ahlu s-­Sunna-­Schule. Die von Abu l-­Ḥasan al-­Ašʿarī (gest. 324/935–36) gegründetete sunnitische Kalām-­Wissenschaft (Ašʿarīyya) wurde immer weiter entwickelt und mit den Werken einiger Gelehrten, wie Bāqillānī (gest. 403/1013), Ibn Fūrak (gest. 406/1015), ʿAbdulqāhir al-­Baġdādī (gest. 429/1037–38), Ǧuwaynī (gest. 478/1085), Ġazzālī (gest. 505/1111), Rāzī (gest. 606/1209) tief verwurzelt. Außerdem wurde die zweite sunnitische Kalām-­Schule (Māturīdiyya) von Abū Manṣūr al-­Māturīdī (gest. 333/944) in Transoxaninen gegründet; vgl. Yıldız, Abbâsîler, S. 43.

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rigen Abschnitten bereits zur Sprache. Als die profanen Belange im und nach dem 2. Jahrhundert n. H. zunahmen und das Volk mehr zum Weltlichen tendierte, wurden jenen, die sich dem Gottesdienst widmeten, die Namen Ṣūfiyya und Mutaṣawwifa zugewiesen.256 Die bedeutende Rolle der wissenschaftlichen Arbeiten der in diesem Jahrhundert lebenden Asketen für die Bildung der Taṣawwuf-­Wissenschaft ab dem 3. Jahrhundert n. H. ist bekannt. Ab dem Anfang des 3. Jahrhunderts n. H. wurden verschiedene Themen der Mystik sowohl im Unterricht als auch in Derwisch-­Klöstern gelehrt und im Laufe der Zeit niedergeschrieben.257 Das Werk ar-­Riʾāya von Ḥāriṯ al-­ Muḥāsibī (gest. 243/857) gilt als Vorreiter des verschriftlichen Taṣawwuf-­Wissens.258 Einige der bekannten Asketen, die im 2. Jahrhundert n. H. verstorben sind, sind Ǧaʿfar aṣ-­Ṣādiq (gest. 148/766), Abū Hāšim al-­Kūfī (150/767), Sufyān aṯ-­ Ṯawrī (gest. 161/777), Ibrāhīm b. Adham (gest. 161/778), Dāwūd aṭ-­Ṭāʾī (gest. 165/783), ʿAbdullāh b. al-­Mubārak (gest. 181/797), Rabīʿatu l-ʿAdawiyya (gest. 185/802), Fuḍayl b. ʿIyāḍ (gest. 187/804) und Šakīk al-­Balḫī (194/809).259

1.2.3.7 Islamische Geschichte Die Siyar- und Maġāzī-­Wissenschaften, deren Grundstein Abān b. ʿUṯmān (gest. 105/723) in der Epoche der Umayyaden legte und die von Wahb b. Munabbih (gest. 124/742) und Zuhrī (gest. 124/742) weiterentwickelt wurden,260 nahmen auch in der Abbasiden-­Ära im 2. Jahrhundert n. H. an Bedeutung zu. 256 Ibn Ḫaldūn, Abū Zayd ʿAbdurraḥmān Waliyyuddīn Ibn Ḫaldūn al-­Mālikī al-­ Ḥaḍramī (gest. 808/1406), Muqaddima, (ins Türkische übersetzt von Süleyman Uludağ), İstanbul 2012, II, S. 849. 257 Aynî, Mehmet Ali, Tasavvuf Tarihi, (vereinfacht von Hüseyin Rahmi Yananlı), Kitabevi Yay., İstanbul 1992, S. 230. 258 Dieses Werk wurde von Şahin Filiz und Hülya Küçük mit dem Titel er-­Ri’âye: Nefis Muhasebesinin Temelleri ins Türkische übersetzt und vom İnsan-­Verlag veröffentlicht (Istanbul/1998). 259 Zu den bekannten Sufisten, die in der Abbasiden-­Ära im 3. Jahrhundert n. H. lebten und zu den eigentlichen Begründern der Taṣawwuf-­Wissenschaft gezählt werden, können Gelehrte wie Abū Sulaymān ad-­Dārānī (gest. 215/830), Bāyazīd Bisṭāmī (gest. 234/848 [?]), Ḥātam al-­Aṣamm (gest. 237/852), Aḥmad b. ʿĀṣim al-­Anṭākī (gest. 239/853), Aḥmad b. Haḍrawayh (gest. 240/854), Ḥāris al-­Muḥāsibī (gest. 243/857), Ḏunnūn al-­Miṣrī (gest. 245/859 [?]), Aḥmad b. Abu l- Ḫawārī (gest. 246/860), Yaḥyā b. Muʿāḏ ar-­Rāzī (gest. 258/872), Abū Saʿīd al-­Ḥarrāz (gest. 277/890 [?]), Sahl at-­ Tustarī (gest. 283/896), Abu l-­Ḥusayn an-­Nūrī (gest. 295/908), Ǧunayd al-­Baġdādī (gest. 297/909) und Ḥusayn b. Manṣūr al-­Ḥallāǧ (gest. 309/922) zugerechnet werden; vgl. Yıldız, Abbâsîler, S. 43. 260 Yiğit, Emevîler, S. 99 f.

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Das 2. Jahrhundert n. H. ist eine Phase, in der die muslimischen Geschichtsschreiber ihr Gebiet erweiterten, von der islamischen Geschichte in die allgemeine Geschichte wechselten und somit die Historiographie einführten.261 Ab der Mitte dieses Jahrhunderts begann man, Bücher monographischer Art zu verfassen. Die ersten dieser Werke stammen von Abū Miḫnaf (gest. 157/773–74) und Sayf b. ʿUmar (gest. 180 oder 200/790 oder 810).262 Bekannte Gelehrte im Bereich der Siyar und Maġāzī, wie Ibn Isḥāq (gest. 151/768), Wāqidī (gest. 207/823) und Ibn Saʿd (gest. 230/845), deren Werke unsere heutige Zeit erreichten, führten die Entwicklung dieser Wissenschaft fort, indem sie die Lehren früherer Siyar- und Maġāzī-­Gelehrter, wie ʿAbdullāh b. Abī Bakr b. Ḥazm (gest. 130/748), Šāʿbī (gest. 103/721) und ʿĀṣim b. ʿUmar b. Qatāda (gest. 120/738) überlieferten.263 Mūsā b. ʿUqba (gest. 141/758), Sulaymān b. Ṭarḥān at-­Tamīmī (gest. 143/761), Ibn Isḥāq (gest. 151/768), Ibnu l-­Kalbī (gest. 204/815) und Wāqidī (gest. 207/823) sind einige der wichtigsten Siyar-­Gelehrten dieser Zeit. Insbesondere die Werke von Ibn Isḥāq und Wāqidī bilden die Grundlagen der heutigen Siyar- und Maġāzī-­ Informationen. Das Werk aṭ-­Ṭabaqātu l-­Kubrā von Ibn Saʿd (gest. 230/845), dem Sekretär von Wāqidī, hat den Ruf, die erste Biographie in der islamischen Welt zu sein.264

1.2.3.8 Andere Wissenschaften Neben den Religionswissenschaften kam es unter den Abbasiden zu weiteren wichtigen Forschungsarbeiten. Nachdem die Logik im 2. Jahrhundert n. H. in der islamischen Welt Einzug gehalten hatte, übersetzte der Sekretär des 2. abbasidischen Kalifen Manṣūr, ʿAbdullāh b. Muqaffaʿ (gest. 142/759) die ersten drei Bände des Organon von Aristoteles und die Eisagoge von Porphyrius ins Arabische.265 Diese Forschungsarbeiten wurden von Philosophen wie Kindī (gest. 252/866), Fārābī (gest. 339/950) und Ibn Sīnā (gest. 428/1037) in den folgen Jahrhunderten fortgesetzt. Erwähenswert sind auch die positiven Entwicklungen im Bereich der Medizin. Insbesondere gewährten die abbasidischen Kalifen Manṣūr (136–158/754–775),

261 Hizmetli Sabri, İslâm Tarihçiliği Üzerine, S. 64. 262 Ebenda, S. 62 f.; Horovitz, Josef, İslâmî Tarihçiliğinin Doğuşu, S. 103; Sezgin, Ursula, Abū Miḫnaf, Ein Beitrag zur Historiographie der umaiyyadischen Zeit, Leiden 1971, S. 1 f. 263 Yiğit, Emevîler, S. 100. 264 Yıldız, Abbâsîler, S. 46. 265 Ebenda, S. 44.

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Hārūn ar-­Rašīd (170–193/786–809) und Maʾmūn (198–218/813–833) den Medizinern Obhut und Subventionen, errichteten Krankenhäuser, ließen medizinische Werke übersetzen und unterstützten somit diese Wissenschaft. Außerdem wurden in den Krankenhäusern Patienten ganz unabhängig von ihrer Religion behandelt und Medikamente und Nahrung unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Diese Errungenschaften führten dazu, dass dort berühmte Mediziner, wie Yuḥanna b. Māsawayh (gest. 243/857), Ḥunayn b. Isḥāq (gest. 260/873), Isḥāq b. Ḥunayn (gest. 298/910) und Ibn Baḫtīšū (gest. 450/1058) ausgebildet wurden.266 Die in der abbasidischen Ära vorgenommenen Übersetzungsarbeiten führten auch im Bereich der Astronomie zu großen Fortschritten. Muḥammad b. Ibrāhīm al-­Fazārī al-­Kūfī (gest. 190/806), ein berühmter Astronom, übersetzte das Werk Sind-­Hind über die Astronomie und Mathematik, welches 154/771 von Indien nach Bagdad kam, ins Arabische und erbaute das erste Astrolabium in der islamischen Geschichte. Damit begannen die Forschungen im Bereich der Astronomie. Kalif Maʾmūn leistete einen wichtigen Beitrag zu diesen wissenschaftlichen Arbeiten, indem er Sternwarten in Bagdad und auf dem in der Nähe von Damaskus befindlichen Qāsīyūn-­Berg bauen ließ.267 Diese Errungenschaften legten einen wichtigen Baustein für das Auftreten berühmter Astronomen wie Abu l-ʿAbbās al-­Farġānī (gest. nach 247/861) und Battānī (gest. 317/929) in den folgenden Jahrhunderten. Mit Blick auf die Entwicklung im Bereich der Mathematik trug die Übersetzung des Werkes Sind-­Hind ins Arabische dazu bei, dass die indischen Ziffern ihren Weg in die islamische Welt fanden.268 Die Arbeiten in diesem Bereich wurden von berühmten Mathematikern wie Muḥammad b. Mūsā al-­Ḫārizmī (gest. nach 232/847) und Ḥabaš al-­Ḥāsib (gest. nach 250/864) fortgeführt. In dieser produktiven Epoche leistete Ǧābir b. al-­Ḥayyān al-­Kūfī (gest. 200/815) mit seinen Laborversuchen und Theoriearbeiten einen wichtigen Beitrag im Bereich der Chemie und wurde so als Gründer der Chemiewissenschaften anerkannt.269 Alle diese Forschungen zeigen, dass es im 2. Jahrhundert n. H. äußerst rege wissenschaftliche Aktivitäten für die Heranbildung zahlreicher religiöser Autoritäten gab, und sie einen Baustein für die Forschungen in den folgenden Jahrhunderten bildeten. Zur allgemeinen wissenschaftlichen Lebhaftigkeit in dieser Epoche gibt Hasan den Kommentar von Nicholson wieder: 266 Ebenda, S. 45. 267 Yıldız, Abbâsîler, S. 45. 268 Ebenda, S. 46. 269 Ebenda.

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„Der abbasidische Staat spielte mit der Größe seines Landes, mit der Fülle seines Reichtums und mit seinem nachgefragten Handel bei der Entstehung eines kulturellen Aufbruchs im Osten, welchen der Osten zuvor noch nie erlebte, eine große Rolle. Jeder, vom Kalifen bis zum normalen Bürger, begann, Wissen zu erlernen oder beschäftigte sich mit der Literatur. Zur Zeit der Abbasiden zogen die Menschen wie Honig tragende Bienen durch drei Kontinente zu ihren Heimatorten, um dort wissensdurstigen Schülern das Wissen zu vermitteln, in der Absicht, die Quelle des Wissens und der Erkenntnis zu erreichen.“270

1.3 Berühmte Wissenschaftszentren in der islamischen Welt des 2. Jahrhunderts n. H. Unter dem Begriff „islamische Welt“ können die Regionen verstanden werden, in denen muslimische Einwohner in der Überzahl sind und regieren. Der in Medina gegründete islamische Staat breitete sich zur Todeszeit des Propheten im Süden bis zum Jemen, im Südosten bis nach Oman, im Osten bis nach Bahrain und im Norden bis an die Grenzen von Syrien und dem Irak aus, besaß am Ende einer zehnjährigen Aktivität eine mehr als 1 500 000 km2 große Fläche, welche einer heute europagroßen Region (ohne Russland) entspricht.271 Am Ende der Ära der vier Kalifen (11–40/632–661) dehnten sich die Grenzen dieses Staates im Westen bis nach Tunesien, im Osten bis nach Marw in Chorasan und im Norden bis an die Tiflis-­Erzurum-­Maraş-­Linie aus. In der Ära der Umayyaden (40–132/661–750) hingegen reichten die Grenzen im Westen mit Einschluss von Nordafrika bis nach Andalusien und im Osten bis nach Transoxanien. Bei Maʾmūn (198–218/813–833), der bei den Abbasiden am Anfang des 3. Jahrhunderts das Kalifat übernahm und zu dessen Zeiten die Grenzen des Staates ohnehin schon sehr weit gesteckt waren, standen dann eher innere Konflikte und die Festigung der Staatsordnung im Vordergrund als die weitere Ausdehnung der Grenzen.272 Mit Blick darauf, dass sie die Kerngruppe der wissenschaftlichen Entwicklungen im 2. Jahrhundert n. H. bildete, ist die Generation der Prophetengefährten (Ṣaḥāba) von großer Bedeutung. In den Quellen gibt es verschiedene Informationen über deren Zahl. Laut Abū Zurʿa ar-­Rāzī (gest. 264/878) nahmen an der

270 Hasan, İbrahim Hasan, Siyasî-­Dînî-­Kültürel İslam Tarihi, III, S. 147 f. 271 Hamidullah, Muhammed, Hz. Peygamberin Savaşları, (ins Türkische übersetzt von Sâlih Tuğ), İstanbul 1962, S. 8; Noth, Früher Islam, S. 58 ff. 272 Sandıkçı, S.  Kemal, İlk Üç Asırda İslam Coğrafyasında Hadis, Diyanet İşleri Başkanlığı Yay., Ankara 1991, S. 12 ff.

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Abschiedswallfahrt (Ḥaǧǧatu l-­Wadāʿ) 114 000 Ṣaḥāba teil.273 Ar-­Rāfiʿī hingegen erklärt, es habe zum Zeitpunkt des Todes des Propheten insgesamt 60 000 Ṣaḥāba gegeben, davon 30 000 in Medina und 30 000 in den Stämmen außerhalb davon.274 Doch im Werk al-­Iṣāba fī Tamyīzi ṣ-­Ṣaḥāba von Ibn Ḥaǧar al-ʿAsqalānī (gest. 852/1449), welches als die umfangreichste Arbeit über die Biographien der Ṣaḥāba gilt, werden 12 304 Namen erwähnt.275 Sortiert man dabei jene Namen aus, die wiederholte Male erwähnt werden, und diejenigen, die in Wirklichkeit keine Ṣaḥāba sind, so erreicht die Zahl der Ṣaḥāba, über die Informationen vorliegen, keine 10 000.276 Diesen Informationen zufolge stellt sich heraus, dass die Anzahl der Ṣaḥāba zwar groß, jedoch die Bestimmung der genauen Zahl nicht möglich ist. Die Inexistenz in den Quellen von Informationen über viele Ṣaḥāba führt Saḫāwī (gest. 902/1497) darauf zurück, dass diese in verschiedenen Gebieten voneinander verstreut lebten und manche nur bei der Abschiedswallfahrt anwesend waren.277 Die Ṣaḥāba-­Generation verstreute sich aufgrund einer Vielzahl von Aufgaben, wie der Ausübung administrativer Ämter als Statthalter, als Kadi oder Ähnliches, dem Handel, der Übermittlung des Islam (Tablīġ) sowie der Rechtleitung (Iršād) und Hadith-­Tradition in den verschiedenen Regionen der sich mit der Zeit ausdehnenden islamischen Welt. Ibn Ḥibbān (gest. 354/965) nimmt nicht die Sterbeorte als Grundlage, sondern die Orte, an denen die Ṣaḥāba, auch wenn sie sie zu verschiedenen Anlässen, wie zum Lehren der Religion, zum Handel oder aus administrativen Gründen, von Zeit zu Zeit verließen, den größten Teil ihres Lebens verbrachten, und gibt dafür folgende Zahlen an: Medina 152, Mekka 62, Basra 51, Kūfa 55, Šām 55, Ägypten 22, Jemen 16 und Chorasan 5.278 Natürlich zeigen diese Zahlen nicht die Gesamtzahl der Ṣaḥāba in diesen Regionen, sondern beziehen sich auf die Prophetengefährten, die in

273 Saḫāwī, Šamsuddīn Abu l-­Ḫayr Muḥammad b. ʿAbdirraḥmān (gest. 902/1497), Fatḥu l-­Muġīṯ bi Šarḫi Alfiyyati l-­Ḥadiṯ li l-ʿIrāqī, ed. ʿAlī Ḥusayn ʿAlī, Maktabatu s-­Sunna, Miṣr 1424/2003, IV, S. 109. 274 Suyūṭī, Ǧalāluddīn ʿAbdurraḥmān b. Abī Bakr (gest. 911/1505), Tadrību r-­Rāwī fī Šarḫ-­i Taqrībi n-­Nawawī, ed. ʿAbdulwahhāb ʿAbdullaṭīf, Beirut 1409/1988, II, S. 221. 275 Efendioğlu, Mehmet, Sahâbe, in: DİA, İstanbul 2008, XXXV, S. 493. 276 Suyūṭī, Tadrību r-­Rāwī, II, S. 221. 277 Saḫāwī, Fatḥu l-­Muġīṯ, IV, S. 109. 278 Ibn Ḥibbān, Abū Ḥātim Muḥammad b. Ḥibbān at-­Tamīmī al-­Bustī, (gest. 354/965), Mašāhīru ʿUlamāʾi l-­Amṣār wa Aʿlāmi Fuqahāʾi l-­Aqdār, Muʾassasatu l-­Kutubi ṯ-­ Ṯaqāfiyya, Beirut 1408/1987, S. 22–54, 55–64, 65–73, 74–83, 84–92, 93–96, 97–99, 100 ff.

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Bereichen wie den wissenschaftlichen Studien, der Verwaltung und der Rechtleitung hervortraten. Mit Bezug auf die von Ibn Ḥibbān gegebenen Informationen werden nachfolgend die Namen einiger wichtiger Prophetengefährten genannt, die sich die genannten Städte zur Heimat machten und zu den dortigen wissenschaftlichen Studien beitrugen, auch wenn sie nicht ständig dort lebten: Die ersten vier Kalifen, die Frauen des Propheten, die Söhne ʿAlīs Ḥasan (gest. 49/669) und Ḥusayn (gest. 61/680), Zayd b. Ṯābit (gest. 45/666), ʿAbdullāh b. ʿUmar (gest. 73/693), (gest. 61/680), Zayd b. Ṯābit (gest. 45/666) und Abū Saʿīd al-­Ḫuḍrī (gest. 74/693–94) sind einige der wichtigsten Ṣaḥāba, die sich Medina zur Heimat gemacht hatten. Zieht man allerdings in Betracht, dass die Anzahl der Ṣaḥāba, die auf dem historischen Friedhof von Medina, Ǧannatu l-­Bāqīʿ, begraben wurden, in den Quellen in die Zehntausende geht,279 so versteht es sich, dass sich ein großer Teil der Ṣaḥāba in Medina aufhielt. Zu den wichtigen Ṣaḥāba, die sich Mekka zur Heimat machten, können ʿAbdullāh b. Abī Bakr aṣ-­Ṣiddīq (gest. 11/632–33) und ʿAbdullāh b. Zubayr b. ʿAwwām (gest. 73/692) gezählt werden. Daneben bewahrte Mekka stets den Status eines Zentrums, in dem sich jedes Jahr zur Ḥaǧǧ-­Saison (Zeit der Pilgerfahrten) bedeutende Wissenschaftler trafen und Ideen austauschten. Zu den wichtigen Ṣaḥāba, die sich Basra zur Heimat machten, gehören Anas b. Mālik (gest. 93/711–12), Abū Mūsā al-­Ašʿarī (gest. 42/662–63), ʿImrān b. Ḥuṣayn (gest. 52/672), ʿAbdullāh b. Muġaffal (gest. 59/679) und Samura b. Ǧundab (gest. 60/680). Unter den bedeutenden Ṣaḥāba, die sich in Kūfa ansiedelten, können ʿAmmār b. Yāsir (gest. 37/657), Ḥuḏayfa b. al-­Yamān (gest. 36/656), Muġīra b. Šuʿba (gest. 50/670), Barāʾ b. ʿĀzib (gest. 71/690 [?]), Salmān al-­Fārisī (gest. 36/656 [?]), Ǧarīr b. ʿAbdillāh (gest. 51/671), Ašʾas b. Qays (gest. 40/661) und ʿAbdullāh b. Abī Awfā (gest. 86/705) genannt werden. Außerdem verlegte ʿAlī zu seiner Zeit den Sitz des Kalifats nach Kūfa und ließ sich dort nieder. Als wichtige Ṣaḥāba, die sich in Šām niederließen, seien Muʿāḏ b. Ǧabal (gest. 17/638), Abu d-­Dardāʾ, ʿUwaymir b. Qays (gest. 32/652 [?]), Muʿāwiya b. Abī Sufyān (gest. 60/680) und ʿUbāda b. Sāmit (gest. 34/654) genannt. Zu den bedeutenden Ṣaḥāba, die sich Ägypten zur Heimat machten, zählen ʿAmr b. al-ʿĀṣ (gest. 43/664), ʿAbdullāh b. ʿAmr b. al-ʿĀṣ (gest. 65/684–85) und ʿUqba b. ʿĀmir (gest. 58/678).

279 Efendioğlu, Sahâbe, S. 494.

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Wichtige Ṣaḥāba, die sich den Jemen zur Heimat erkoren, waren Saʿd b. Ǧaṯṯāma (gest. 25/646 [?]) und ʿAlāʾ b. ʿAbdillāh al-­Ḫaḍramī (gest. 21/642). Zu den bedeutenden Ṣaḥāba, denen Chorasan zur Heimat wurde, zählen Burayda b. al-­Ḥusayb (gest. 63/682–83 [?]), Ḥakam b. ʿAmr (gest. 50/670 [?]) und Qays b. Saʿd b. ʿUbāda (gest. 60/680). Das Fundament zu den wissenschaftlichen Entwicklungen im 2. Jahrhundert n.  H., welches als Entstehungszeitraum der islamischen Wissenschaften von Bedeutung ist, bildet die überwiegend nach dem Tod des Propheten erfolgte Verstreuung eines erheblichen Teils der Ṣaḥāba-­Generation in verschiedene Regionen und damit verbunden ihre dortige Errichtung jeweils eigener Lehrkreise, in denen sie das vom Propheten geerbte Wissen mittels ihrer eigenen Methoden interpretierten und so der nächsten Generation übermittelten. Untersucht man die Lehrer-­Schüler-­Ketten der Wissenschaftszentren dieses Jahrhunderts, so wird offensichtlich, dass die Ṣaḥāba das erste Glied der getätigten wissenschaftlichen Arbeiten bildete. Hier ist auch zu erwähnen, dass, während die Prophetengefährten allgemein zur Entstehung der Wissenschaftszentren dieser Ära beitrugen, der Beitrag einzelner gelehrter Prophetengefährten besonders groß war. Diese waren gelehrte Persönlichkeiten, die den Großteil ihres Lebens damit verbrachten, Wissenschaftskreise zu gründen und Schüler auszubilden. Ibn ʿUmar in Medina (gest. 73/692), Ibn ʿAbbās in Mekka (gest. 68/687–88) und Ibn Masʿūd in Kūfa (gest. 32/652–53), Abū Mūsā al-­Ašʿarī in Basra (gest. 42/662–63), ʿAbdullāh b. ʿAmr b. al-ʿĀṣ in Ägypten (gest. 65/684–85) sowie Muʿāḏ b. Ǧabal in Šām (gest. 17/638) können als Beispiele für die gelehrten Prophetengefährten mit eigenem Lehrkreis genannt werden.280 In diesem Zusammenhang sagte der 2. Kalif ʿUmar den Bewohnern von Kūfa, als er den gelehrten Prophetengefährten Ibn Masʿūd (gest. 32/652–53), welcher einer der Hauptquellen der im Nachhinein entstehenden hanafitischen Rechtsschule werden sollte, nach Kūfa schickte: „Bei der Übersendung von ʿAbdullāh habe ich euch vor mir selbst bevorzugt; lernt [die Religion] von ihm!“281 Die von Ibn Masʿūd geleisteten wissenschaftlichen Arbeiten trugen in kurzer Zeit Früchte, und in seinem Kreis sammelten sich rund 4000 Fiqh- und Hadith-­Schüler.282 Diese wissenschaftliche Bewegung, die von den gelehrten Prophetengefährten in ihren Regionen ausging, nahm in kürzester Zeit einen großen Aufschwung 280 Ekinci, Ekrem Buğra, İslam Hukuk Tarihi, İstanbul 2006, S. 33. 281 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VI, S. 8 f. 282 Ünal, Hakkı, İmam Ebu Hanife’nin Hadis Anlayışı, (unveröffentlichte Dissertation), Ankara 2001, S. 49.

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und führte zum Entstehen diverser unabhängiger Wissenszentren mit jeweils unterschiedlichen Methoden sowie zur Ausbildung wichtiger religiöser Autoritäten. Diese Zentren bildeten auch die Grundlage der Rechtsschulen, welche im Nachhinein hervortreten werden. Die wichtigsten Wissenschaftszentren, die als Ergebnis dieser Arbeiten im 2. Jahrhundert n. H. entstanden, sind Mekka, Medina, Kūfa, Basra, Šām, Ägypten, der Jemen und Chorasan.283 Die Wissenschaftszentren außerhalb von Mekka und Medina, welche den Status eines Zentrums dadurch innehatten, dass sie die Orte sind, in denen der Prophet lebte, wurden in den später eroberten Gebieten gegründet. Von daher blieben Mekka und Medina nach außen hin generell abgeschlossen, während die anderen Zentren eine intensivere Kommunikation mit fremden Zivilisationen erlebten und für die Probleme ihrer Regionen mit Hilfe unterschiedlicher Methoden eine Lösung zu finden versuchten. Zum Beispiel wurde Raʾy (die eigene Rechtsmeinung) in Mekka und Medina nur wenig genutzt, während sie in anderen Wissenschaftszentren häufig eingesetzt wurde. Die Entwicklung von Wissenschaftszentren in Ägypten, im Jemen und in Chorasan blieb aufgrund der geringen Anzahl der gelehrten Gefährten, welche sich dorthin begaben und in der Lage waren, Schüler auszubilden, begrenzt, ging nur langsam vonstatten und stand im Schatten der anderen. Die folgende von Ibn ʿUyayna gegebene Information ist deshalb von Bedeutung, weil sie ein allgemeines Bild von den Wissenschaftszentren der Ära und den dortigen religiösen Autoritäten liefert und zeigt, dass sich Ibn ʿUyayna, sei es durch seine Bildungsreisen (Riḥla) oder durch Mitteilungen derjenigen, die zum Wissenserwerb zu ihm kamen, mit den berühmten Wissenschaftsszentren und religiösen Autoritäten seiner Ära auskannte. Ibn ʿUyayna kam eines Tages aus seinem Haus heraus, warf einen Blick auf seine auf ihn wartenden Schüler und sagte: „Gibt es jemanden unter euch, der Ägypter ist?“ Sie sagten: „Ja, es gibt jemanden.“ Darauf fragte er: „Was hat Layṯ b. Saʿd dort getan?“ Sie sagten: „Er ist gestorben.“ Dann fragte er: „Gibt es jemanden aus Ramla unter euch?“ Sie sagten: „Ja, es gibt jemanden.“ Daraufhin fragte er: „Was hat Ḍumra b. Rabīʿa ar-­Ramlī dort getan?“ Sie sagten: „Er ist gestorben.“ Als Nächstes fragte er: „Gibt es jemanden unter euch aus Homs?“ Sie sagten: „Ja, es gibt jemanden.“

283 Ibn Ḥibbān, Mašāhīr, S. 19 f.

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Daraufhin fragte er: „Was hat Bāqiyya b. Walīd dort getan?“ Sie sagten: „Er ist gestorben.“ Als Nächstes fragte er: „Gibt es jemanden unter euch aus Damaskus?“ Sie sagten: „Ja, es gibt jemanden.“ Daraufhin fragte er: „Was hat Walīd b. Muslim dort getan?“ Sie sagten: „Er ist gestorben.“ Als Nächstes fragte er: „Gibt es jemanden unter euch aus Qaysariyya?“ Sie sagten: „Ja, es gibt jemanden.“ Daraufhin fragte er: „Was hat Muḥammad b. Yūsuf al-­Firyābī dort getan?“ Sie sagten: „Er ist gestorben.“ Daraufhin weinte Ibn ʿUyayna eine lange Zeit und sagte folgendes Gedicht: „Die Länder sind leer [von Gelehrten], und da es keine [Kompetenten] mehr gibt, zerstört.* Dass ich als Einziger im Ruhm geblieben bin, ist meiner Unglückseligkeit geschuldet.“284

Die folgenden Informationen vom basrischen ʿAlī b. al-­Madīnī (gest. 234/849), der als einer der besten Kenner der Hadithe Ibn ʿUyaynas anerkannt wird, sind deshalb wichtig, weil sie die Wurzeln beleuchten, aus denen das Wissen von Suf­ yān aṯ-­Ṯawrī und Ibn ʿUyayna erwuchs: „Unter den Prophetengefährten gab es außer Zayd b. Ṯābit [gest. 45/665 [?]], ʿAbdullāh b. Masʿūd [gest. 32/652–53] und Ibn ʿAbbās [gest. 68/687–88] niemanden, der einen Lehrkreis hatte, in dem das Wissen tradiert wurde und dessen Rechtsgutachten ausgeführt wurden. Diejenigen, die Zayd b. Ṯābit und seine Rechtsgutachten am besten kannten, waren: Saʿīd b. Musayyab [gest. 94/713], Abū Salama b. ʿAbdirraḥmān [gest. 94/712–13], ʿUbaydullāh b. ʿAbdillāh b. ʿUtba [gest. 98/716], ʿUrwa b. Zubayr [gest. 94/713], Abū Bakr b. ʿAbdirraḥmān [gest. 94/713], Ḫāriǧa b. Zayd [gest. 100/718–19], Sulaymān b. Yasār (gest. 107/725], Abān b. ʿUṯmān [gest. 105/723] und Qabīṣa b. Ḏuʾayb [gest. 86/705 [?]]. Derjenige, der die Rechtsgutachten und Hadithe dieser Gelehrten wiederum am besten kannte, war Ibn Šihāb az-­Zuhrī [gest. 124/742]. Nach ihm kam Mālik [gest. 179/795) und nach ihm ʿAbdurraḥmānn b. Mahdī [gest. 198/813–14]. Diejenigen, die ʿAbdullāh b. Masʿūd am besten kannten, waren: ʿAlqama b. Qays [gest. 62/682], Aswad b. Yazīd [gest. 75/694], ʿAbīda as-­Salmānī [gest. 72/691), Ḥāriṯ b. Qays [gest. 48/668 [?]] und ʿAmr b. Šuraḥbīl [gest. 63/683]. Das Wissen und die Hadithe dieser Gelehrten eignete sich Sufyān aṯ-­Ṯawrī [gest. 161/778] an. Das wissenschaftliche Erbe, das auf diesem Wege weitergegen wurde, gefiel Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān [gest. 198/813] und er folgte diesem Pfad nach Sufyān aṯ-­Ṯawrī. Es gab sechs Gefährten von Ibn ʿAbbās: ʿAṭāʾ [gest. 114/732], Ṭāwūs b. Kaysān (gest. 106/725], Muǧāhid b. Ǧabr [gest. 103/721], Saʿīd b. Ǧubayr [gest. 95/714], Ǧābir b. Zayd [gest. 93/711–12] und ʿIkrima al-­Barbarī (gest. 105/723]. ʿAmr b. Dīnār [gest. 126/744] kannte diese sechs Personen am besten, denn er traf sich mit all diesen sechs.

284 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 290 f.

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Diejenigen, die diese sechs Personen und auchʿAmr b. Dīnār am besten kannten, waren: Sufyān b. ʿUyayna [gest. 198/813] und Ibn Ǧurayǧ [gest. 150/767].“285

Diese Informationen von ʿAlī b. al-Madīnī sind nicht nur in Bezug auf die in der vorliegenden Arbeit behandelten beiden religiösen Autoritäten wichtig, sondern auch deshalb, weil sie zeigen, wie die von der Ṣaḥāba-Generation begonnenen wissenschaftlichen Arbeiten von den Tābiʿūn-Gelehrten, die als Schüler der Ṣaḥāba galten, und von den Tābiʿu t-Tābiʿīn-Gelehrten als Schüler der Tābiʿūn weiterentwickelt und fortgeführt wurden, und dass vielfältige und reichhaltige wissenschaftliche Lösungen zwischen den Wissenszentren und sogar innerhalb eines Wissenszentrums entstanden. Des Weiteren ist hier festzuhalten, dass, wenn ʿAlī b. al-Madīnī von den Ṣaḥāba nur Zayd b. Ṯābit, ʿAbdullāh b. Masʿūd und Ibn ʿAbbās erwähnte, dies nicht bedeutet, dass es keinen anderen aus der Ṣaḥāba gab, von dem Wissen gelernt wurde. Da sich diese Persönlichkeiten in ihren eigenen Lehrkreisen überwiegend mit Bildung beschäftigten, wirkten sie in der Öffentlichkeit und bildeten den Kern der Wissenschaftszentren in ihren Regionen. Wissenschaftszentren, von denen Sufyān aṯ-Ṯawrī und Sufyān b.ʿUyayna überwiegend profitierten: 1. Madīna Zayd b. Ṯābit (gest. 45/665 [?])

Diejenigen, die sein Wissensgut am besten kannten: 1. Kabīṣa b. Ḏuʿayb (gest. 86/705 [?]) 2. Abū Salama b. ʿAbdirraḥmān (gest. 94/712–13) 3. Saʿīd b. Musayyab (gest. 94/713) 4. ʿUrwa b. Zubayr (gest. 94/713) 5. Abū Bakr b. ʿAbdirraḥmān (gest. 94/713) 6. ʿUbaydullāh b. ʿAbdillāh b. ʿUtba (gest. 98/716) 7. Ḫāriǧa b. Zayd (gest. 100/718–19) 8. Abān b. ʿUṯmān (gest. 105/723) 9. Sulaymān b. Yasār (gest. 107/725)

Diejenigen, die Rechtsgutachten und Hadithe dieser Gelehrten am besten kannten: Ibn Šihāb az-Zuhrī (gest. 124/742); dann Mālik (gest. 179/795); nach ihm ʿAbdurraḥmānn b. Mahdī (gest. 198/813–14). (az-Zuhrī ist einer der beiden wichtigsten Lehrer von Ibn ʿUyayna.)

285 Fasawī, Abū Yūsuf Yaʿqūb b. Sufyān b. Ǧuwwān (Ǧuwān) al-Fasawī (gest. 277/890), al-Maʿrifa wa t-Tārīḫ, ed. Ḫālīl Manṣūr, Dāru l-Kutubu l-ʿIlmiyya, Beirut, o. J., I, S. 404; Ḏahabī, Siyar, II, S. 438, IV, S. 55; siehe auch: Repp, R. C., ʿUlamā, in: EI2, (New Edition), X, S. 803.

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2. Kūfa ʿAbdullāh b. Masʿūd (gest. 32/652–53)

Diejenigen, die sein Wissensgut am besten kannten: 1. Ḥāriṯ b. Qays (gest. 48/668 ?) 2. ʿAlqama b. Qays (gest. 62/682) 3. ʿAmr b. Šuraḥbīl (gest. 63/683) 4. ʿAbīda as-Salmānī (gest. 72/691) 5. Aswad b. Yazīd (gest. 75/694)

Das Wissensgut dieser Gelehrten erreichte Sufyān aṯ-Ṯawrī (gest. 161/778).

3. Mekka Ibn ʿAbbās (gest. 68/687–88)

Diejenigen, die sein Wissensgut am besten kannten: 1. Ǧābir b. Zayd (gest. 93/711–12) 2. Saʿīd b. Ǧubayr (gest. 95/714) 3. Muǧāhid b. Ǧabr (gest. 103/721) 4. ʿIkrima al-Barbarī (gest. 105/723) 5. Ṭāwūs b. Kaysān (gest. 106/725) 6. ʿAṭāʾ (gest. 114/732)

Derjenige, der diese Sechs am besten kannte: ʿAmr b. Dīnār (gest. 125–26/743–44)

Diejenigen, die ʿAmr b. Dīnār am besten kannten: Sufyān b. ʿUyayna (gest. 198/813) und Ibn Ǧurayǧ (gest. 150/767)

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In dieser Dissertation wird auch versucht, auf der Basis dieser Informationen von ʿAlī b. al-­Madīnī, die Beziehungen der Wissenschaftszentren untereinander und die Lehrer, von denen die religiösen Autoritäten überwiegend profitierten, zu untersuchen. Insbesondere wird auf die gemeinsamen Lehrer der beiden Sufyānayn und auf die betreffenden Wissenschaftszentren eingegangen. Dabei wird zu erklären versucht, wie beispielsweise Ṯawrī, der überwiegend die Spuren der kūfischen Wissenstradition weitertrug, und Ibn ʿUyayna, der überwiegend von der mekkanischen Wissenstradition profitierte, von jeweils anderen Wissenschaftszentren Nutzen zogen und welche Wirkung dies darauf hatte, dass sie zu religiösen Autoritäten wurden. Die wissenschaftlichen Wurzeln, auf die sich diese beiden Persönlichkeiten stützten, und die Hauptader, von der sie profitierten, wird vor allem im Kapitel „Lehrer und Schüler“ beleuchtet werden.

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2 Das Leben von Sufyān aṯ-­Ṯawrī und Sufyān b. ʿUyayna Nachdem die politische, soziale und wissenschaftliche Lage im 2. Jahrhundert n. H. im Allgemeinen dargestellt wurde, wird nun das Leben der beiden wichtigen auf diesem Nährboden aufgewachsenen Gelehrten im Detail betrachtet. Des Weiteren wird versucht, die Indizien der Kriterien herauszufinden, anhand derer es diese beiden Gelehrten geschafft haben, in breiten Wissenskreisen als religiöse Autorität akzeptiert zu werden.

2.1 Das Leben von Sufyān aṯ-­Ṯawrī (gest. 161/778) Dieses Kapitel beginnt mit Sufyān aṯ-­Ṯawrī, dem einen der beiden im Fokus dieser Forschung stehenden Gelehrten. Ṯawrī war ungefähr 10 Jahre älter als Sufyān b. ʿUyayna, und so wird es im Hinblick auf den chronologischen Ablauf der Geschehnisse daher leichter fallen, sich zunächst mit Ṯawrīs Leben auseinanderzusetzen.

2.1.1 Name, Kunya, Nisba und Laqab Der vollständige Name von Sufyān aṯ-­Ṯawrī lautet Sufyān b. Saʿīd b. Masrūq b. Ḥabīb b. Rāfīʿ b. ʿAbdillāh b. Mawhiba b. Ubayy b. ʿAbdillāh b. Munqiḏ b. Naṣr b. Sufyān b. Saʿīd al-­Ḥāriṯ b. Ṯaʿlaba b. ʿĀmir b. Malakān b. Ṯawr b. ʿAbdimanāh b. Udd b. Ṭābiḫa b. Ilyās b. Muḍar b. Nizār und seine Kunya ist Abū ʿAbdillāh.286 Da Sufyān dem Ṯawr-­Zweig des Tamīm-­Stammes angehörte, hatte er die Nisba „Ṯawrī“ bekommen.287 Durch Ilyās b. Muḍar kreuzt sich seine Abstammung mit

286 Ibn Saʿd aṭ-­Ṭabaqātu l-­Kubrā, VI, S. 371; Ḫaṭīb al-­Baġdādī, Abū Bakr al-­Ḫaṭīb Aḥmad b. ʿAlī b. Ṯābit (gest. 463/1071), Tārīḫu Baġdād, Dāru l-­Kitābi l-ʿArabī, Beirut 1986,  IX, S.  154; Samʿānī, ʿAbdalkarīm b. Muḥammad b. Manṣūr at-­ Tamīmī (gest. 562/1166), al-­Ansāb, ed. ʿAbdurraḥmān b. Yaḥyā al-ʿAlamī al-­ Yamānī, Ḥaydarābād 1962, III, S. 152; Nawawī, Abū Zakariyyā Muḥyiddīn Yaḥyā b. Šaraf (gest. 676/1277), Tahḏību l-­Asmāʾ wa l-­Luġāt, ed. Muṣṭafā ʿAbdulqādir ʿAtāʾ, Dāru l-­Kutubi l-ʿIlmiyya, Beirut, o. J., I, S. 222; Ibn Ḫallikān, Wafayāt, II, S. 386. 287 Ibn Nadīm, al-­Fihrist, S. 314; Samʿānī, al-­Ansāb, III, S. 152; Ibn Ḫallikān, Wafayāt, II, S. 391.

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der des Propheten. Sein Großvater Masrūq kämpfte während der Kamel-­Schlacht (36/656) in den Reihen des Kalifen ʿAlī und fiel im Kampf.288

2.1.2 Seine Geburt und seine Familie Trotz der unterschiedlichen Überlieferungen hinsichtlich der Datierung seiner Geburt ist man überwiegend der Auffassung, dass Sufyān aṯ-­Ṯawrī in der Ära des 7. Umayyaden-­Kalifen Sulaymān b. ʿAbdilmalik (96–99/714–717) im Jahre 97/715–16 geboren wurde.289 So sagt er selbst im Jahre 158, dass er 61 Jahre alt sei.290 Ferner wird diese Auffassung dadurch unterstützt, dass sein Zeitgenosse Sufyān b. ʿUyayna (107–198/725–813) zehn Jahre jünger als Ṯawrī war.291 Bezüglich seines Geburtsortes kann man in den frühislamischen Quellen keinen Ortsnamen finden. In den späteren Quellen gibt es verschiedene Über288 Buḫārī, Abū ʿAbdillāh Muḥammad b. Ismāʿīl (gest. 256/870), at-­Tārīḫu l-­Kabīr, al-­ Maktabatu l-­Islāmiyya, Diyarbakır, o. J., IV, S. 93; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 154; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 242. 289 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VI, S. 371; Ibn Kutayba, Abū Muḥammad ʿAbdullāh b. Muslim ad-­Dīnawrī (gest. 276/889), al-­Maʿārif, ed. Ṯarwat ʿUkkāša, Kairo 1992, S. 497; Ṭabarī, Abū Ǧaʿfar Muḥammad b. Ǧarīr b. Yazīd b. Kaṯīr b. Ġālib al-ʿĀmilī (gest. 310/923), Tārīḫu ṭ-­Ṭabarī, (Tārīḫu r-­Rusul wa l-­Mulūk wa Ṣilatu Tārīḫu ṭ-­Ṭabarī), Dāru t-­Turāṯ, Beirut 1387, XI, S. 657; Ibn Nadīm, al-­Fihrist, S. 314; Šīrāzī, Abū Isḥāq Ǧamāluddīn Ibrāhīm b. ʿAlī b. Yūsuf (gest. 476/1083), Ṭabaqātul-­Fuqahā ͗, ed. Iḥsān ʿAbbās, Dāru r-­Rāʾidi l-ʿArabī, Beirut 1970, S. 84; Nawawī, Tahḏību l-­Asmāʾ, I, S. 222; Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 169; Ziriklī, Ḫayraddīn b. Maḥmūd b. Muḥammad b. ʿAlī b. Fāris (gest. 1396/1976), al-­Aʿlām, Dāru l-ʿIlm li l-­Malāyīn, Beirut 2002, III, S. 104. Für Quellen, die besagen, dass er im Jahre 95/713 geboren ist; siehe Ibn Ḥibbān, Mašāhīr, S. 268; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 152, 171; Ibn Ḫallikān, Wafayāt, II, S. 390 f. Für Quellen, die besagen, dass er im Jahre 96/714 geboren ist; siehe Šīrāzī, Ṭabaqātul-­ Fuqahā ͗, 84; Ibn Ḫallikān, Wafayāt, II, S. 390 f. Für Quellen, die besagen, dass er im Jahre 98/716 geboren ist, siehe Ḏahabī, Siyar, VII, S. 230, 242. 290 Buḫārī, at-­Tārīḫ, IV, S. 92 f.; Aḥmad b. Ḥanbal, Aḥmad b. Muḥammad b. Ḥanbal Abū ʿAbdillāh aš-­Šaybānī al-­Marwazī (gest. 241/855), al-ʿIlal wa Maʿrifatu r-­Riǧāl, ed. Wasiyyullāh b. Muḥammad ʿAbbās, al-­Maktabatu l-­Islāmī, Riyad 1988,  II, S.  307; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād,  IX, S.  172; Ḏahabī, Siyar,  VII, S.  242; Tārīḫ, X, S. 224. 291 Yaḥyā b. Maʿīn, Abū Zakariyyā (gest. 233/848), Maʿrifatu r-Riǧāl, Maǧmaʿu l-­Luġa l-ʿArabiyya, ed. Muḥammad Kāmil Qaṣṣār, Dimašq 1985, II, S. 142.

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lieferungen darüber, dass Ṯawrī in Chorasan292, in Qazwīn293, in dem zu Ǧurǧan gehörenden und als „Ṯawrīyyūn“ genannten Dorf294 oder in Kūfa295 geboren wurde. Ein zuverlässig anerkannter Hadith-­Wissenschaftler aus der jüngeren Tābiʿūn-­ Generation Kūfas ist sein Vater Saʿīd b. Masrūq (gest. 128/745), einer der Gefährten von Šaʿbī (gest. 103/721) und Ḫayṯama b. ʿAbdirraḥmān (gest. 85 oder 89/704 oder 707). Von ihm überlieferten seine Söhne Sufyān, ʿUmar und Mubārak sowie Autoritäten wie Šuʿba b. al-­Ḥaǧǧāǧ, Abu l-­Aḥwaṣ und Abū ʿAwāna Hadithe. Auch in der Kutubu Sitta sind seine Überlieferungen vorhanden.296 Sufyān aṯ-­Ṯawrīs Mutter war ebenfalls eine wissensreiche und fromme Frau, die selber Hadithe überlieferte. Sie ist mit ihrem folgenden Rat für ihren Sohn bekannt, um ihn zum Lernen zu ermutigen: „Mein Sohn! Strebe nach dem Wissen! Um deinen Lebensunterhalt kümmere ich mich schon mit Hilfe meiner Handspindel. Wenn du auch nur zehn Hadithe aufschreibst, sieh nach, ob du in deinem Inneren eine Vermehrung von Gutem findest oder nicht! Wenn nicht, dann bemühe dich nicht umsonst!“297

In den Quellen wird angeführt, dass Sufyān aṯ-­Ṯawrī unter anderem eine mit der Kunya Ummu ʿAmmār b. Muḥammad bekannte Schwester, deren Name nicht erwähnt wird, und drei Brüder mit den Namen Mubārak, Ḥabīb und ʿUmar, hatte.298 Mubārak, der blind war, hat von seinem Vater und seinem Bruder Sufyān Hadithe überliefert. Nach Yaḥyā b. Maʿīn (gest.233/848) gilt er als zuverlässig (ṯiqa).299 Sein anderer Bruder ʿUmar erhielt Hadithe von seinem Vater, von al-­Aʿmaš und von anderen Gelehrten. Von ʿUmar selbst erwarben außer seinem Bruder Mubārak

292 Ḏahabī, Siyar, VII, S. 242. 293 Rāfiʿī, Abu l-­Qāsim ʿAbdulkarīm b. Muḥammad b. ʿAbdilkarīm al-­Qazwīnī (gest. 623/1226), at-­Tadwīn fī Aḫbāri Qazwīn, ed. ʿAzīzullāh al-ʿAṭāridī, Dāru l-­Kutubi l-ʿIlmiyya, Beirut 1987, III, S. 47. 294 Sahmī, Ḥamza b. Yūsuf (gest. 427/1036), Tārīḫu Ǧurǧān, ed. Muḥammad ʿAbdulmaʿīd Ḫān, Beirut 1981, S. 216. 295 Ziriklī, al-­Aʿlām, III, S. 104; Raddatz, H. P., Sufyān al-­Thawrī, S. 770. 296 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VI, S. 327; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 230; Tārīḫ, X, S. 224. 297 Ḏahabī, Siyar, VII, S. 269; Tārīḫ, X, S. 225; Ibnu l-­Ǧawzī, Abu l-­Faraǧ Ǧamāluddīn ʿAbdurraḥmān b. ʿAlī (gest. 597/1201), Ṣifatu ṣ-­Ṣafwa, ed. Maḥmūd Fāḫūrī, Muḥammad Rawwās Qalʿaǧī, Dāru l-­Maʿrifa, Beirut 1979, III, S. 189. 298 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VI, S. 372; Ibn Kutayba, al-­Maʿārif, S. 498; Ibn Ḥibbān, Mašāhīr, S. 268; Samʿānī, al-­Ansāb, III, S. 153; Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 74 f.; Ibn Nadīm, al-­Fihrist, S. 314; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 242. 299 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, XIII, S. 216 ff.

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und Sufyān b. ʿUyayna auch Ibrāhīm b. Ṭahmān, Abū Bakr b. ʿAyyāš und andere Wissen. ʿUmar starb vor seinem Bruder Ṯawrī, und als er beerdigt wurde, lobte Ṯawrī seinen Bruder am Grab mit diesen Worten: „Allah möge mit dir barmherzig sein, oh mein Bruder! Wahrlich hast du gegen die Salaf dein reines Herz bewiesen. Stets hast du es vorgezogen, dein Wissen zu verheimlichen, du mochtest es nicht hervorzustehen.“300

Bei den Autoren Muslim, Abū Dāwūd und Nasāʾī sind seine Überlieferungen vorhanden und somit in der Kutubu Sitta zu finden.301 Über seinen anderen Bruder Ḥabīb liegen in den Quellen keinerlei Informationen vor, ebenso nicht für den Namen seiner Schwester. Es wird aber erwähnt, dass Sufyāns Schwester ihm zur Zeit seines Aufenthalts in Mekka Essen brachte, während er sich vor der Staatsregierung versteckte.302 Sufyān hatte auch Verwandte, die sich in Buḫārā niederließen. So machte er sich in seinem 18. Lebensjahr auf den Weg nach Buḫārā, um das von seinem Onkel hinterlassene Erbe anzunehmen.303 Von dieser Familie, in der sich wohl – an der Spitze der Vater – jeder Einzelne mit Wissen beschäftigte, ist Sufyān aṯ-­Ṯawrī am bekanntesten geworden.

2.1.3 Seine Heirat Gemäß den Quellen war Sufyān aṯ-­Ṯawrī gegenüber der Ehe äußerst distanziert. Unter den wichtigsten Gründen für diese Haltung Ṯawrīs kann zum einen seine intensive Beschäftigung mit wissenschaftlichen Aktivitäten und zum anderen seine enorme Distanz zu Staatsmännern während seiner gesamten Lebenszeit genannt werden. Aufgrund dessen war er der Meinung, dass die Frau, die er unter diesen Umständen heiraten würde, dies nicht verkraften könne. Er machte sich gleichermaßen Sorgen um die Erziehung und Behütung seiner Kinder, die in solchen Verhältnissen geboren würden. Seine basrischen Freunde beharrten aber darauf, dass er heiraten solle, und baten in seinem Namen um die Hand einer reichen und ehrenvollen Frau, welche auch in die Heirat einwilligte. Dem jedoch stimmte Sufyān aṯ-­Ṯawrī nicht zu. Trotz ihrer Bereitschaft, für diese Ehe auf ihr gesamtes Hab und Gut zu verzichten und obendrein alle kommenden Unannehmlichkeiten zu verkraften, betonte Sufyān, dass dies für ihn nicht infrage 300 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 69. 301 Ibn Ḥaǧar, Abu l-­Faḍl Šihabuddīn Aḥmad b. ʿAlī b. Muḥammad al-ʿAsqalānī (gest. 852/1449), Tahḏību t-­Tahḏīb, Dāru l-­Fikr, Beirut 1404/1984, VII, S. 399. 302 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VI, S. 372; Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 67. 303 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 153.

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komme, und fügte Folgendes hinzu: „Eine in Pracht und Fülle großgewordene Frau ist wie eine Königin. Sie kann deshalb keine großen Schwierigkeiten durchstehen.“ Als er nach dem Grund gefragt wurde, weshalb er keine Ehe eingehen möchte, antwortete er, dass er Angst davor habe, Vater zu werden.304 Sufyān erwähnte, dass gerade eine Ehe für einen Schüler eine Unterbrechung seiner Ausbildung bedeute. Um dies zu verdeutlichen sagte er: „Wer heiratet, sticht somit in See. Wer daraufhin Vater wird, wahrlich ist er [seine Kraft] damit gebändigt.“305 Trotz all dieser Zaghaftigkeit ist zu konstatieren, dass Sufyān aṯ-­Ṯawrī zwei Mal in seinem Leben heiratete. Mit hoher Wahrscheinlichkeit bekam er in seiner ersten Ehe einen Sohn. Seine Liebe zu diesem, der noch vor ihm starb, brachte er mit folgenden Worten zum Ausdruck: „Nichts auf dieser Welt ist mir lieber als er. Wahrlich will ich ihn [im Wissen] befördern.“306 Über die Identität seiner ersten Frau und ob die mit ihr geschlossene Ehe durch Tod oder Scheidung zu Ende ging, ist in den Quellen nichts zu finden. Sufyān, der seine letzten Lebensjahre unter staatlicher Verfolgung in Basra verbrachte, schloss, als er dort ankam, seine zweite Ehe mit der Mutter seines Schülers Abū Ḥuḏayfa an-­Nahdī (gest. 220/835) und lebte einige Zeit in deren Haus.307 In den letzten Augenblicken seines Lebens holte Sufyān aṯ-­Ṯawrī unter seinem Kissen einen mit 30 Dirham gefüllten Säckel heraus und gab diesen ʿAbdurraḥmān b. Isḥāq al-­Kinānī, der ihn bis zu seinem Lebensende ärztlich versorgte. Daraufhin bescheinigte ihm Sufyān, dass diese Barschaft das verbliebene Brautgeld (Mihr) seiner Frau, die sich zu diesem Zeitpunkt im selben Zimmer hinter einer Gardine befand, sei und es unter der Voraussetzung, dass sie dies akzeptiere, für sein Leichentuch verwendet werden solle. Wenn nicht, so erkläre er sich bereit, in seinem Gewand beerdigt zu werden.308 Allerdings lassen sich in den Quellen keine Informationen zum Namen und zu den Eigenschaften seiner zweiten Frau finden.

2.1.4 Sein Lebensunterhalt Sufyān, der weit entfernt von einem luxuriösen Umfeld aufwuchs, sah im Laufe seiner Jugendphase ein, dass das Sichern des Lebensunterhalts eine Vorausset304 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 90 f. 305 Ibn Ǧamāʿa, Badruddīn Abū ʿAbdillāh Muḥammad b. Ibrāhīm b. Saʿdillāh al-­ Kinānī (gest. 733/1332), Taḏkiratu s-­Sāmiʿ wa l-­Mutakallim fī Adabi l-ʿĀlim wa l-­Mutaʿallim, Bairut 2012, S. 89. 306 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VI, S. 372; Ibn Nadīm, al-­Fihrist, S. 314; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 242. 307 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VII, S. 304; Ḏahabī, Siyar, X, S. 139. 308 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 62.

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zung für das Erwerben von Wissen und für die Dienerschaft an Allah darstelle. Um nicht von anderen Menschen abhängig zu sein, begann er, sich neben seinen wissenschaftlichen Tätigkeiten auch mit dem Handel zu beschäftigen, indem er gleichermaßen erwähnte, „dass früher das Hab und Gut nicht gut angesehen war, jedoch heutzutage sich zum Schutzschild eines Gläubigen entwickelt hat.“309 Sufyān sagte einst: „Als ich beschlossen habe, nach ʿIlm [Wissen] zu streben, sagte ich: O mein Herr! Fürwahr muss ich mir meinen Lebensunterhalt sichern. Ich habe auch gesehen, dass das ʿIlm gelehrt wird. Da sagte ich augenblicklich zu mir selbst ‘überlasse dich dem ʿIlm‘, und erbat gleichermaßen von meinem Herrn einen ausreichenden Lebensunterhalt und Beschäftigung mit ʿIlm. Bis zum heutigen Tag habe ich gesehen, dass meine Wünsche [von meinem Herrn] erfüllt wurden.“310

Er betrachtete den Handel nicht als primäres Ziel, sondern als eine Nebenbeschäftigung, um seine wissenschaftlichen Tätigkeiten eigenständig fortsetzen zu können. Einst nahm er durch einen Pachtvertrag (Muḍāraba) von einer Person 4000 Dirham ein, kaufte mit diesem Geld einige Waren und verkaufte diese daraufhin gewinnbringend im Jemen und sicherte somit seinen Lebensunterhalt.311 So manches Mal übergab er einigen seiner Bekannten im Jemen Waren mit dem Auftrag, in seinem Namen Handel zu betreiben. Jedes Jahr, wenn die Zeit dazu kam, traf er sich mit ihnen und nahm seinen Gewinn entgegen.312 Dessen ungeachtet kam Ṯawrī von Zeit zu Zeit aufgrund finanzieller Not in starke Bedrängnis und hatte infolgedessen Schwierigkeiten, sein Wissensgut zu vermehren. So konnte er aufgrund finanzieller Schwierigkeiten nicht zu der damals berühmten medinensischen religiösen Autorität Zuhrī (gest. 124/742) gehen.313 Als Ṯawrī, der in seiner Jugend stets mit finanziellen Bedrängnissen klarkommen musste, beabsichtigte, eine Forschungsreise anzutreten, bevorzugte er es, als Gehilfe in der Karawane tätig zu sein, um damit die Reisekosten zu begleichen, anstatt zu betteln oder sich zu verschulden. Durch diese Weise stellte er seine Ehrenhaftigkeit und Würde unter Beweis. Einmal diente er einer Karawane als Gehilfe, die ihn im Gegenzug dafür auf ihre Reise nach Mekka mitnahm. Während der Reise wurde von ihm verlangt, Brot für die Mitreisenden zu backen. Als Ṯawrī das Brot nicht entsprechend dem Geschmack der Mitreisenden zubereiten

309 310 311 312 313

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Abū Nuʿaym, Ḥilya, VI, S. 381; Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 168. Abū Nuʿaym, Ḥilya, VI, S. 370 f. Ḏahabī, Siyar, VII, S. 277; Tārīḫ, XX, S. 235. Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VI, S. 372; Ḏahabī, Tārīḫ, X, S. 235. Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 76; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 245.

konnte, schlug ihn der Karawanenführer. Ṯawrī blieb jedoch bescheiden und verschwieg in diesem Augenblick seine Identität. Als die Karawane in Mekka ankam, besuchte der Karawanenführer, der während der Reise Ṯawrī geschlagen hatte, eine Versammlung und sah, wie sich eine Menschenmenge um Ṯawrī sammelte und ihm Fragen stellte. Als er danach fragte, wer diese im Mittelpunkt stehende Person sei, antwortete jemand: „Dieser Mann ist Sufyān aṯ-­Ṯawrī.“ Kurz darauf, als sich die Menge aufgelöst hatte, begab er sich in die Nähe von Sufyān, bat ihn um Vergebung und sagte „Wir haben dich nicht erkannt, o Abā ʿAbdillāh!“, woraufhin Sufyān ihm die lehrreiche Antwort gab, „Wer das Essen der Menschen verdirbt, dem passiert Schlimmeres als dieses.“314 Als er sich zu Handelszwecken in den Jemen begab, kam Sufyān b. ʿUyayna (gest. 198/813) zu ihm und sagte, dass die Menschen seine Reise nach dem Jemen für einen Handel missbilligten. Daraufhin antwortete Ṯawrī folgendermaßen: „Die Menschen nennen etwas beschämend, was nicht beschämend ist. Halal Lebensunterhalt zu verlangen, ist eine sehr erforderliche Sache. Ich bin lediglich mit dieser Absicht gereist.“315

Hier wollte Ṯawrī darauf hinweisen, wie wichtig es sei, finanziell auf eigenen Füßen zu stehen. Außerdem teilt Ḏahabī mit, dass Sufyān aṯ-­Ṯawrī neben dem Handel auch zum Gedankenaustausch mit Maʿmar b. Rāšid in den Jemen reiste.316 Ṯawrī, der einst sagte „Es gab keine Zeit, wo Hab und Gut von so großer Bedeutung waren wie heute,“317 empfahl seinen Mitmenschen, ihren Besitz gut zu verwalten und ihn zu vermehren. Indem er sagte „Gewiss ist diese Zeit eine solche, wo der Bedürftige als Erstes seine Religion opfert“318, betonte er, dass die Meinungsfreiheit eine sehr enge Beziehung zur finanziellen Unabhängigkeit habe. Sufyān, der sich in seinem Leben prinzipiell von Regierenden aufs äußerste distanzierte und ferner gegen jene einen Groll hegte, die am Tore des Sultans lediglich für Essen anstanden, ihre Religion aber für die Welt des Sultans außer Acht ließen oder ihm auch lobhudelten, war der Auffassung, dass der fundamentale Grund dafür die Sicherung des Lebensunterhalts für die Familie und die Angst vor der Bedürftigkeit sei. Als er jemanden darum ermahnte, fragte ihn dieser: „O Abā ʿAbdillāh! Was soll ich denn bloß für meine Familie tun?“ Daraufhin gab er ihm folgende Antwort: 314 315 316 317 318

Ḏahabī, Siyar, VII, S. 275 f. Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 80. Ḏahabī, Tārīḫ, X, S. 235. Abū Nuʿaym, Ḥilya, VI, S. 380. Abū Nuʿaym, Ḥilya, VI, S. 381; Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 168.

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„Hört ihr, was er sagt?! Wenn er das Gebot Allahs nicht befolgt, wird Allah den Lebensunterhalt seiner Familie sichern, und wenn er Allah gehorcht, wird Allah seine Familie in den Verlust führen?!“319

Es wird auch verständlich, dass Ṯawrī immer ausreichend Geld bei sich trug, sodass er auf niemanden angewiesen war. So kam eines Tages ein Mann zu ihm und sagte in einem verächtlichen Ton: „O Abā ʿAbdillāh! Behältst du diese Dinare immer bei dir?“ Darauf antwortete Ṯawrī: „Schweig! Gäbe es diese Dinare nicht, so wären wir nichts weiter als ein Fetzen in den Händen der Könige, womit sie sich abwischen und sich saubermachen.“

Im selben Zusammenhang übermittelt Abū Nuʿaym, dass Ṯawrī sagte: „Wenn wir keine finanziellen Mittel hätten, würden die Machthaber mit uns spielen.“320 Den Quellen gemäß blieb Ṯawrī, dessen Grundeinstellung es war, niemandem eine Last zu sein, in den Zeiten, in denen er vor der Verfolgung durch den 3. abbasidischen Kalifen Mahdī (158–169/775–785) flüchtete, drei Tage in Mekka. Dort litt er letztendlich dermaßen unter Hunger, dass er nichts außer Sand zu essen fand, und spann deswegen für eine Frau Fäden für 10 Dirhams, um sich versorgen zu können.321 Als er sich am Ort der Weizenhändler nahe der Kaaba aufhielt und seine Schwester ihm etwas zu essen schickte, war er nicht in der Lage, den Gruß des Boten zu erwidern, und zeigte stattdessen auf die Handspindel in seiner Hand, nicht nur weil er sehr hungrig, sondern auch über alle Maßen erschöpft war.322 Auf den Befehl des Kalifen Mahdī hin, ihn einzufangen, floh Ṯawrī im Jahre 158 von Mekka nach Basra, wo er bis zu seinem Tode im Verborgenen lebte.323 Jedoch erwartete ihn auch in Basra ein anstrengendes Leben, denn dort musste er als Gartenwächter arbeiten, um seinen Lebensunterhalt zu finanzieren.324 Nach all diesen Erzählungen wird verständlich, dass es für Sufyān sehr wichtig war, dass er seine wissenschaftlichen Arbeiten fortsetzen und dabei auch seine

Abū Nuʿaym, Ḥilya, VI, S. 380. Abū Nuʿaym, Ḥilya, VI, S. 381; Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 168; Ḏahabī, Tārīḫ, X, S. 235. Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 63, 67; Ḏahabī, Tārīḫ, X, S. 230. Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VI, S. 372; Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 67; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 245; Ḏahabī, Tārīḫ, X, S. 231. 323 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VI, S. 372; Fasawī, al-­Maʿrifa, I, S. 406; Ibn Abī Ḥātim, al-­ Ǧarḥ, I, S. 108; Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 40 f.; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 160; Ibn Ḫallikān, Wafayāt, II, S. 387 f.; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 244 f. 324 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 13; Ibn Ḫallikān, Wafayāt, II, S. 388; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 258 f. 319 320 321 322

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Gedanken unabhängig ausdrücken konnte. Um ein Leben nach dem eigenen Glauben führen zu können, ohne dabei durch Betteln die eigene Ehre und Würde zu schmälern oder durch die Machthaber instrumentalisiert zu werden, ist es demnach unerlässlich, finanziell unabhängig zu sein. Hingegen ist es nicht korrekt, sich nur mit dem Handel zu beschäftigen, für das Diesseits Vermögen anzuhäufen und sich von wissenschaftlichen Arbeiten fern zu halten. Sufyān war jemand, der sich um Gottes willen dem Wissen widmete. So war auch sein Vermögen, über das er verfügte, nicht groß. Als er starb, hinterließ er bei einem Freund, der in seinem Namen Handel trieb, ungefähr 200 Dinar.325

2.1.5 Seine Ausbildung Sufyān aṯ-­Ṯawrī bekam seine erste Erziehung von seinem Vater. Auch wenn es zu seiner Zeit gebräuchlich war, mit der Ermutigung durch die Eltern mit der Gelehrtenausbildung zu beginnen, sagte Sufyān, der sich von Anfang an in einer wissenschaftlichen Umgebung befand, Allah habe ihm später im eigentlichen Sinn den Willen zum Wissenserwerb geschenkt.326 Schon im Kindesalter zog er durch sein Talent für den Wissenserwerb die Aufmerksamkeit der Gelehrten auf sich. So sagte Ḥammād b. Abī Sulaymān (gest. 120/738), einer der führenden Gelehrten aus Kūfa, den Sufyān einst besuchte, über ihn: „Fürwahr sehe ich in diesem Jungen [gegenüber dem Wissen] ein großes Talent.“327 In den darauffolgenden Jahren lernte er den Gelehrten der Tābiʿūn-­Generation aus Kūfa, ʿAmr b. Murra (gest. 116/734?), kennen und wurde sein Schüler.328 Mit Hilfe seines starken Gedächtnisses lernte Sufyān in kurzer Zeit unzählige Hadithe auswendig und fing auch an, diese zu tradieren, weswegen schon in seinem jungen Alter in den Gelehrtenkreisen über ihn gesprochen wurde.329 So erwähnt Walīd b. Muslim ad-­Dimašqī (gest. 195/810), ein Schüler des syrischen Muǧtahid al-­ Awzāʿī, Ṯawrī in dessen Vorpubertätsjahren dabei beobachtet zu haben, wie er in Mekka um eine Rechtsauskunft (Fatwā) gebeten wurde.330 325 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 105; Ḏahabī, Tārīḫ, X, S. 235; Ibn Kutayba berichtet, dass er 150 Dīnār hinterließ; siehe Ibn Kutayba, al-­Maʿārif, S. 498. 326 Aḥmad b. Ḥanbal, al-ʿIlal, III, S. 235; Abū Nuʿaym, Ḥilya, VI, S. 367; Ḏahabī, Tārīḫ, X, S. 225. 327 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VI, S. 371; Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 84, IV, S. 223. 328 Buḫārī, at-­Tārīḫ, IV, S. 92. 329 Ḏahabī, Tārīḫ, X, S. 225. 330 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 56; Nawawī, Tahḏību l-­Asmāʾ, I, S. 223; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IV, S. 102.

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Von den bedeutsamsten Vertretern der auf ʿAbdullāh b. Masʿūd und ʿAlī basierenden Kūfa-­Wissenschaftstradition, Ḥammād b. Abī Sulaymān (gest. 120/738), Abū Isḥāq as-­Sabīʿī (gest. 127/745), al-­Aʿmaš (gest. 148/765), Manṣūr b. al-­ Muʿtamir (gest. 132/750), ʿAlqama b. Marṯad (gest. 120/737), Salama b. Kuhayl (gest. 122/739), Ibn Šubruma (gest. 144/761), Muḥammad b. ʿAbdirraḥmān b. Abī Laylā (gest. 148/765) und Ḥabīb b. Abī Ṯābit (gest. 119/736) bekam er eine Ausbildung in den Disziplinen der Fiqh und des Hadith. Von zweien der sieben Rezitationsimame, ʿĀṣim b. Bahdala (gest. 127/745) und Ḥamza b. Ḥabīb az-­ Zayyāt (gest. 156/773), erhielt er Unterricht in der Koranrezitation. In jungen Jahren trug er Ḥamza b. Ḥabīb az-­Zayyāt den Koran vom Anfang bis zum Ende zwei Mal auswendig vor.331 Seine erste Reise außerhalb Kūfas unternahm Ṯawrī vermutlich nach Chorasan. Er machte sich mit etwa 18 Jahren (115/733) auf den Weg nach Buḫārā, um den von seinem verstorbenen Onkel hinterlassenen Erbanteil in Besitz zu nehmen und erreichte über Bagdad und Ḥulwān die Stadt Buḫārā. Auch wenn seine Verwandten wollten, dass er in Buḫārā bliebe, kehrte er, nachdem er seine dortige Arbeit erledigt hatte, doch nach Kūfa zurück.332 Auf dieser Reise muss er auch in Marw gewesen sein, denn er wurde dort aufgrund seiner Bekanntheit in den Hadith-­Wissenschaften aufgesucht, wobei sich die Besucher über sein noch sehr junges Alter wunderten. So berichtet auch Abu l-­Muṯannā, als er Ṯawrīs Intelligenz beschreibt, dass dieser während seiner Ankunft in Marw ein noch heranreifender Jüngling war, und fügt hinzu, dass die Bewohner der Stadt über ihn erstaunt waren.333 Ṯawrī begab sich auch zu den hauptsächlichen Wissenszentren der damaligen Zeit, wie Mekka, Medina, Basra, Šām und in den Jemen, und vergrößerte in diesen Regionen sein Wissen über Koranrezitation, Koranexegese, Hadith und Fiqh. Er befand sich auch in Bagdad, Wāsiṭ, Gorgan, Ray, Askalan und Jerusalem. In den Quellen wird erwähnt, dass er von dem Kadi der Stadt Ray, Zubayr b. ʿAdī (gest. 131/748), 50 Hadithe aufschrieb, dieser ihm in einigen juristischen Angelegenheiten Fragen stellte und Rechtsauskunft (Fatwā) verlangte, und dass der Kadi mit den Fatwas von Ṯawrī urteilte.334 Auch wenn Ṯawrī aufgrund finanzieller Nöte die im Jahre 124/742 gestorbene berühmte religiöse Autorität, den Medinenser Zuhrī, nicht besuchen konnte, be331 Ḏahabī, Siyar, VII, S. 230–234. 332 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ,  I, S.  103; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād,  IX, S.  152  f.; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 259. 333 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VI, S. 360; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 236; Tārīḫ, X, S. 225. 334 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 80 f., 83, 103; Abū Nuʿaym, Ḥilya, VI, S. 369, 370, VII, S. 14, 25; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 260; Tārīḫ, X, S. 226.

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kam er von dem im Jahre 126/744 gestorbenen mekkanischen Tābiʿūn-­Gelehrten ʿAmr b. Dīnār Unterricht. Dies zeigt, dass er erstmals in diesen Jahren (etwa im Alter von 27) in das Ḥiǧāz-­Gebiet ging. An dieser Stelle sollte daran erinnert werden, dass ʿAmr b. Dīnār zugleich auch der wichtigste Lehrer von Sufyān b. ʿUyayna war. Später hat Sufyān, der auf Pilgerfahrt und zum Wissenserwerb öfters nach Ḥiǧāz reiste, in Mekka zusätzlich zu ʿAmr b. Dīnār auch noch von Ibn Ǧurayǧ (gest. 150/767) und in Medina von den führenden Tābiʿūn-­Gelehrten ʿAbdullāh b. Dīnār (gest. 127/745), Abu z-­Zinād (gest. 130/748), Rabīʿa b. Abī ʿAbdirraḥmān, Yaḥyā b. Saʿīd al-­Anṣārī (gest. 143/760) und Ǧaʿfar aṣ-­Ṣādiq (gest. 148/765) Wissen erworben. Während der Studienreisen, die er nach der Rückkehr von Buḫārā antrat, profitierte er außerdem in Basra von Ayyūb as-­Saḫtiyānī (gest. 131/748), ʿĀṣim al-­Aḥwal (gest. 142/759), ʿAbdullāh b. ʿAwn (gest. 151/768) und ʿUṯmān al-­Battī und in Šām von al-­Awzāʿī (gest. 157/774). Er hielt sich zudem in Gorgan und Ray auf und lernte Hadithe von den Hadith-­Wissenschaftlern der Region.335 Ṯawrī nahm am Unterricht des im Jemen berühmten Hadith-­Wissenschaftlers Maʿmar b. Rāšid (gest. 153/770) sowie an Wissenschaftsdiskursen teil. Er sagte, dass er das gesamte geistige Repertoire von Zuhrī, den er in Medina aufgrund finanzieller Schwierigkeiten nicht erreichen konnte, von dessen Schüler Maʿmar so umfassend erlernte, dass er nicht mehr auf die direkte Wissensaufnahme von Zuhrī selbst angewiesen war.336 Einer der bedeutendsten Schüler von Maʿmar, ʿAbdurrazzāq aṣ-­Ṣanʿānī (gest. 211/826–27), berichtet, dass Sufyān 48 Tage im Jemen geblieben sei.337 Später kehrte Ṯawrī nach Mekka zurück und wurde in dieser Zeit verfolgt; deshalb versteckte er sich bei engen Freunden, wie Sufyān b. ʿUyayna und Fuḍayl b. ʿIyāḍ (gest. 187/802), und gab einigen Menschen Unterricht. Während Ṯawrī seine Forschungsreisen fortsetzte, fing er, nachdem sein Vater gestorben war (126/743, 127/744 oder 128/745), mit etwa 30 Jahren an zu lehren und Schüler auszubilden. Bis in die Jahre 154338 oder 155339 n. H., als er Kūfa verließ, ohne jemals wieder zurückzukehren, gab er dort und vor allem in Medina und Mekka, ja überall, wo er war, Unterricht und tradierte Hadithe. In der isla335 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 80 f., 83 f.; Sahmī, Tārīḫu Ǧurǧān, 216. 336 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 57, 76; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 8. 337 Fasawī, al-­Maʿrifa, I, S. 410. Nach der Angabe von Abū Nuʿaym ist er 40 Tage im Jemen geblieben; siehe Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 80. 338 Buḫārī, at-­Tārīḫ, IV, S. 93. 339 Buḫārī, at-­Tārīḫ, IV, S. 92 f.; Fasawī, al-­Maʿrifa, I, S. 412; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 171; Nawawī, Tahḏību l-­Asmāʾ, I, S. 223; Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 169.

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mischen Welt von Transoxanien bis Nordafrika und Andalusien haben zahlreiche Schüler von ihm profitiert. Wenn man die Worte „Ich beschäftige mich seit sechzig Jahren mit der Hadith-­ Wissenschaft“340 bedenkt, welche er vermutlich in den letzten Jahren seines 64-jährigen Lebens sagte, so wird verständlich, dass er schon in sehr jungen Jahren mit der Ausbildung begonnen und die wissenschaftliche Atmosphäre in Kūfa sehr gut genutzt hatte, um sein Wissen ständig zu vermehren.

2.1.6 Seine Lehrer und Schüler In diesem Kapitel werden zunächst die Namen der Lehrer und Schüler von Sufyān aṯ-­Ṯawrī in chronologischer Folge erwähnt. Dazu werden Kurzinformationen über diejenigen Lehrer gegeben, welche den größten Anteil an der Erziehung von Sufyān aṯ-­Ṯawrī hatten. Anschließend werden kurz diejenigen Schüler erwähnt, die ihm am nächsten standen, von ihm am meisten profitierten und auf die Nachfolgegenerationen den größten Einfluss ausübten. Auf die bedeutsamsten von ihnen, die den größten Anteil auf dem Weg zur religiösen Autorität der beiden im Fokus der vorliegenden Arbeit stehenden Persönlichkeiten hatten, wird im späteren Verlauf noch näher eingegangen, und es werden ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausgearbeitet.

2.1.6.1 Lehrer Gemäß der Quellenlage ist die Anzahl der Gelehrten, von denen Sufyān aṯ-­ Ṯawrī profitierte, ziemlich hoch. Ḏahabī sagt, dass er von 600 Personen Wissen erwarb.341 Alle diese Personen zu behandeln, ist kaum möglich, weswegen im Folgenden nur auf die 34 wichtigsten Gelehrten in chronologischer Reihung Bezug genommen wird:342 1. ʿAmr b. Murra (gest. 116/734?): Sein vollständiger Name lautet Abū ʿAbdillāh ʿAmr b. Murra b. ʿAbdillāh al-­Murādī al-­Ǧamalī al-­Kūfī. Er zählt zu den bekannten Ḥāfiẓu l-­Ḥadīṯ (das ist jemand, der sehr viele Hadithe auswendig kann) und Asketen Kūfas. Zu seinen Lehrern gehören wichtige Persönlichkeiten, wie ʿAbdullāh b. Abī Awfā, Abū Wāʾil, Saʿīd b. Musayyab und Saʿīd b. Ǧubayr. Von

340 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 59. 341 Ḏahabī, Siyar, VII, S. 234. 342 Für eine umfangreiche Liste der Gelehrten, von denen aṯ-­Ṯawrī Wissen erhielt; siehe Buḫārī, at-­Tārīḫ, IV, S. 92 f.; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 152; Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 155–161; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 230–234.

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ihm selbst haben wiederum Gelehrte wie Abū Isḥāq as-­Sabīʿī, al-­Aʿmaš, Šuʿba b. al-­Ḥaǧǧāǧ und Sufyān aṯ-­Ṯawrī Hadithe tradiert.343 Der bekannte basrische Kritiker ʿAbdurraḥmān b. Mahdī (gest. 198/814) zählt ʿAmr b. Murra in jener Zeit zu den vier Ḥāfiẓu l-­Ḥadīṯ in Kūfa, deren Überlieferungen nicht infrage gestellt wurden. Die Namen der anderen drei Ḥāfiẓu l-­Ḥadīṯ lauten Manṣūr b. al-­Muʿtamir (gest. 132/750), Salama b. Kuhayl (gest. 122/739) und Abū Ḥuṣayn (gest. 128/745).344 ʿAmr b. Murra wurde der Zugehörigkeit zur Murǧiʾa-­Schule beschuldigt. Es wäre jedoch falsch zu behaupten, dass ʿAmr b. Murra die Murǧiʾa-­Schule verinnerlichte, denn er sagte einmal, dass er in seiner Jugend eine fremde Frau mit Erstaunen ansah und deswegen immer noch Reue spüre. Er hoffe, dass der Verlust seines Augenlichts als Sühne dieser erwähnten Sünde gelte.345 In dieser Zeit, als die Termini noch nicht richtig festgelegt worden waren, wurde der Begriff der Murǧiʾa, welchem ʿAmr b. Murra zustimmte, nicht im gleichen Sinne wie die spätere Murǧiʾa verstanden, die der Auffassung war, dass das Begehen von Sünden dem Glauben eines Gläubigen keineswegs schade.346 Vielmehr lag seine Tendenz in seinem Verständnis von Irǧāʾ darin, dass die Frage, ob ein sündiger Muslim am Ende ins Paradies oder in die Hölle gelangt, Allah überlassen werden solle.347 Über die Thematik, ob ʿAmr b. Murra ein zuverlässiger Tradierer war, sind sich viele Hadith-­Autoritäten, unter anderem Aḥmad b. Ḥanbal, Yaḥyā b. Maʿīn und Abū Ḥātim, einig. In der Kutubu Sitta sind einige seiner Überlieferungen zu finden.348 Einer von ʿAmr b. Murras berühmt gewordenen Sprüchen lautet: „Derjenige, der nach dem Jenseits strebt, schadet sich im Diesseits. Derjenige, der nach dem Diesseits strebt, schadet sich im Jenseits. Opfert das Vorübergehende für das ewige Leben!“349

343 Buḫārī, at-­Tārīḫ, VI, S. 368 f.; Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, VI, S. 257; Ḏahabī, Siyar, V, S. 196 f.; Sezgin, GAS, I, S. 175. 344 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, VI, S. 160 f., 257; Mizzī, Tahḏīb, XIX, S. 403; Ḏahabī, Siyar, V, S. 199, 413. 345 Abū Nuʿaym, Ḥilya, V, S. 95. 346 Ašʿarī, ʿAlī b. Ismāʿīl Abu l-­Ḥasan (gest. 324/935–36), Maqālātu l-­Islāmiyyīn, Dāru Iḥyāʾi t-­Turāṯi l-ʿArabī, Beirut, o. J., S. 147; al-­Qārī, ʿAlī b. Sultān Muḥammad, Abu l-­Ḥasan, Nūruddīn (gest. ö. 1014/1605), Ḍawʾu l-­Maʿālī Šarhu Badʾi l-­Amālī wa maʿahū Muḫtasaru Šarhi l-­Bakrī ʿalā Badʾi l-­Amālī, ed. Ḫaldūn ʿAlī Zaynaddīn, Damaskus 2011, S. 132. 347 Kandemir, M. Yaşar, Amr b. Mürre, in: DİA, İstanbul 1991, III, S. 89. 348 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, VI, S. 257 f.; Ḏahabī, Siyar, V, S. 197. 349 Abū Nuʿaym, Ḥilya, V, S. 95.

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Die Tatsache, dass Ṯawrī in Kūfa von ʿAmr b. Murra, der einer der vier Ḥāfiẓu-­l Ḥadīṯ war, deren Überlieferungen keineswegs in Zweifel gezogen wurden, Wissen erworben hatte, deutet darauf hin, dass er in seiner Jugend von den elitären Gelehrten Kūfas profitiert hatte, was demgemäß ein Indiz für die Solidität seiner Wissensgrundlage ist. Außerdem hat ʿAmr b. Murra von zwei der drei Prophetengefährten, die einen Lehrkreis besaßen,350 indirekt profitiert. Mit Hilfe von Saʿīd b. Musayyab erhielt er das Wissenserbe von Zayd b. Ṯābit, und mit Hilfe von Saʿīd b. Ǧubayr das von Ibn ʿAbbās. In diesem Fall profitierte Ṯawrī durch seinen Lehrer ʿAmr b. Murra vom Wissensgut von Medina, das von Zayd b. Ṯābit kam, und außerdem vom Wissensgut von Mekka, welches Ibn ʿAbbās übermittelte. 2. Ḥabīb b. Abī Ṯābit (gest. 119/736): Sein vollständiger Name ist Abū Yaḥyā Ḥabīb b. Abī Ṯābit b. Qays b. Dīnār al-­Qurašī al-­Asadī. Er ist einer aus der Tābiʿūn-­Generation und gehört zu den Fiqh-­Gelehrten und Ḥāfiẓu-­l Ḥadīṯ Kūfas. Er tradierte Hadithe von Prophetengefährten wie Ibn ʿUmar, Ibn ʿAbbās, Ummu Salama, Anas b. Mālik und Zayd b. Arqam. Abū Ḥātim, Abū Zurʿa und Mizzī sagen jedoch, dass er keine Hadithe von Ummu Salama gehört habe. Unter seinen Lehrern aus der Tābiʿūn-­Generation gibt es Gelehrte wie ʿAtāʾ b. Abī Rabāḥ, Saʿīd b. Ǧubayr, Abū Wāʾil, Ṭāwūs b. Kaysān, Zayd b. Wahb, Abū ṭ-­Ṭufayl und Abū ʿAbdirraḥmān as-­Sulamī. Von ihm selbst haben neben seinem Lehrer ʿAtāʾ b. Abī Rabāḥ auch Gelehrte wie Manṣūr b. al-­Muʿtamir, al-­Aʿmaš, Musʿir b. Kidām, Ibn Ǧurayǧ, Šuʿba, ʿAbdullāh b. ʿAwn, Sufyān aṯ-­Ṯawrī, Ḥamza az-­Zayyāt Hadithe tradiert.351 Die Anzahl der tradierten Hadithe von Ḥabīb b. Abī Ṯābit, der nach dem Urteil von Autoritäten wie Sufyān aṯ-­Ṯawrī, Abū Bakr b. ʿAyyāš, Yaḥyā b. Maʿīn, Aḥmad al-ʿIǧlī, Abū Ḥātim und Nasāʾī zuverlässig war, ist gering. So sagt ʿAlī b. al-­Madīnī, dass er lediglich 200 Hadithe hatte.352 Ibn Ḥibbān erwähnt ihn in seinem Werk aṯ-­Ṯiqāt und schreibt, dass er auch Tadlīs353 begangen hat. Seine Überlieferungen sind in der Kutubu Sitta vorhanden.354

350 Fasawī, al-­Maʿrifa, I, S. 404; Ḏahabī, Siyar, II, S. 438. 351 Buḫārī, at-­Tārīḫ, II, S. 313 f.; Mizzī, Tahḏīb, V, S. 358–361; Ḏahabī, Siyar, V, S. 288 ff.; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, II, S. 156. 352 Mizzī, Tahḏīb, V, S. 361 f.; Ḏahabī, Siyar, V, S. 289 f.; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, II, S. 156 f. 353 Der Begriff Tadlīs in der Hadith-­Terminologie bedeutet, dass ein Tradierer die Hadithe, welche er von seinem Lehrer gehört und nicht gehört hat, tradiert, ohne sie voneinander zu trennen; siehe Koçyiğit, Talat, Hadis Istılahları, Ankara Üniversitesi İlahiyat Fakültesi Yay., Ankara 1980, S. 432. Näheres dazu siehe Abschnitt 2.1.14.3. 354 Ibn Ḥibbān, Abū Ḥātim Muḥammad b. Ḥibbān at-­Tamīmī al-­Bustī, (gest. 354/965), aṯ-­Ṯiqāt, ed. as-­Sayyid Šarafuddīn Aḥmad, Dāru l-­Fikr, Beirut 1975, IV, S. 137 f.; Ḏahabī, Siyar, V, S. 291.

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In den Quellen wird neben der Betonung der Tatsache, dass Ḥabīb b. Abī Ṯābit einer der führenden zuverlässigen Hadith-­Gelehrten war, auch noch auf seine Kompetenz in der Fiqh-­Wissenschaft hingewiesen. In dieser Hinsicht sagt sein zuletzt gestorbener Schüler Abū Bakr b. ʿAyyāš: „In Kūfa gibt es drei Personen, nicht vier. Diese sind Ḥabīb b. Abī Ṯābit, Ḥakam b. ʿUtayba und Ḥammād b. Abī Sulaymān. Sie gehörten zu denjenigen, die nach Rechtsauskunft gefragt wurden, [Aṣḥābu l-­Fatwā]. Es gibt keinen in Kūfa, der sich ihnen nicht unterworfen hätte.“355

Hier stellt er fest, dass Ḥabīb b. Abī Ṯābit sowohl in der Hadith- als auch in der Fiqh-­Wissenschaft eine angesehene Persönlichkeit war. Auch Aḥmad al-ʿIǧlī erwähnt, dass Ḥabīb b. Abī Ṯābit aus Kūfa ein zuverlässiger Tradierer von der Tābiʿūn sei und fügt an, dass er vor Ḥammād b. Abī Sulaymān Mufti von Kūfa war.356 Sufyān aṯ-­Ṯawrī sagt über seinen Lehrer, den er in Kūfa als einen der Wissenschaftler, auf die man sich stützte, anerkennt: „Uns hat Ḥabīb b. Abī Ṯābit tradiert. Er ist eine Säule [des ʿIlm].“ Abū Yaḥyā al-­Qattāt sagt: „Ich bin mit Ḥabīb b. Abī Ṯābit in die Stadt Ṭāʾif gekommen. Es war so, als ob ein Prophet zu den Menschen in Ṭāʾif gekommen wäre“357 und betont, wie tief dessen Wissen war. In den Quellen wird konstatiert, dass Ḥabīb b. Abī Ṯābit gleichzeitig sehr fromm war. Da er bei den Niederwerfungen (Saǧda) im Gebet sehr lange liegen blieb, hatte man den Eindruck, er sei tot.358 Er starb im Jahre 119 oder 122 n. H. im Monat Ramaḍān.359 Es lässt sich daher feststellen, dass Ḥabīb b. Abī Ṯābit als ein Hadith- und Fiqh-­ Wissenschaftler bekannt wurde, der schwerpunktmäßig aus der Wissenstradition von Kūfa kam. Zudem ist zu ergänzen, dass Sufyān aṯ-­Ṯawrī ihn als eine Autorität akzeptierte und er bis zu seinen Zwanzigerjahren einer der wichtigen Lehrer war, von denen Sufyān profitierte. Da Ḥabīb b. Abī Ṯābit von ʿAtāʾ b. Abī Rabāḥ, Saʿīd b. Ǧubayr, Ṭāwūs b. Kaysān tradierte, welche zum sechsköpfigen Lehrkreis von Ibn ʿAbbās gehörten, und Ibn ʿAbbās wiederum eine der drei Personen war,

355 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VI, S. 320; Mizzī, Tahḏīb, V, S. 361; Ḏahabī, Siyar, V, S. 289. 356 Al-ʿIǧlī, Abu l-­Ḥasan Aḥmad b. ʿAbdillāh b. Ṣāliḥ al-­Kūfī (gest. 261/875), Maʿrifatu ṯ-­Ṯiqāt, ed. ʿAbdulʿalīm ʿAbdulʿaẓīm al-­Bastawī, Maktabatu d-­Dār, Medina 1405/1985, I, S. 281 f. 357 Mizzī, Tahḏīb, V, S. 361; Ḏahabī, Siyar, V, S. 289 f. 358 Ḏahabī, Siyar, V, S. 291. 359 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VI, S. 320; Buḫārī, at-­Tārīḫ, II, S. 313 f.; Mizzī, Tahḏīb, V, S. 363; Ḏahabī, Siyar, V, S. 291; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, II, S. 156.

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die unter den Prophetengefährten (Ṣaḥāba) einen Lehrkreis besaßen,360 wird verständlich, dass Sufyān aṯ-­Ṯawrī’ mit Hilfe seines Lehrers Ḥabīb b. Abī Ṯābit reichlich vom Gedankengut des Ibn ʿAbbās profitierte. 3. Ḥammād b. Abī Sulaymān (gest. 120/738): Sein vollständiger Name ist Abū Ismāʿīl Ḥammād b. Abī Sulaymān Muslim b. Yazīd al-­Iṣfahānī al-­Kūfī. Er gilt als einer der bedeutendsten Fiqh-­Gelehrten seiner Zeit aus Kūfa. Unter den Lehrern, von denen er Hadithe erwarb, befanden sich solche aus dem Kreis der Prophetengefährten, wie etwa Anas b. Mālik (gest. 93/712), und Gelehrte von den Tābiʿūn, wie Saʿīd b. Musayyab, Ḥasan al-­Baṣrī, Saʿīd b. Ǧubayr, Abū Wāʾil Šaqīq b. Salama, ʿAbdullāh b. Burayda und ʿIkrima al-­Barbarī Mawlā Ibn ʿAbbās. Von den Schülern, die von ihm Wissen erwarben, sind neben dem Imam Abū Ḥanīfa von der hanafitischen Rechtsschule, dessen Lehren bis heute noch fortleben, auch Persönlichkeiten wie sein Sohn Ismāʿīl und Gelehrte wie Ḥakam b. ʿUtayba, al-­Aʿmaš, Zayd b. Abī Unaysa, Muġīra b. Miqsam, Hišām ad-­Dastuwāʾī, Muḥammad b. Abān al-­Ǧuʿfī, Ḥamza b. Ḥabīb az-­Zayyāt, Musʿir b. Kidām, Suf­ yān aṯ-­Ṯawrī, Šuʿba b. al-­Ḥaǧǧāǧ und Ḥammād b. Salama.361 Über die Zuverlässigkeit seiner Überlieferungen gibt es unterschiedliche Meinungen. Es wird gesagt, dass er in seinem letzten Lebensabschnitt epileptische Anfälle bekam und sein Gedächtnis schlechter wurde.362 Ibn Saʿd sagt, dass Ḥammād in der Hadith-­Wissenschaft schwach war und zwar viele Hadithe hatte, diese aber in seinem letzten Lebensabschnitt durcheinanderbrachte. Hadith-­Kritiker wie Ibn Maʿīn, Abu l-­Ḥasan al-ʿIǧlī, Nasāʾī und Ibn Ḥibbān betrachten ihn jedoch als zuverlässig.363 Man kann davon ausgehen, dass seine Zugehörigkeit zur Ahlu r-­Raʾy-­Schule einen wichtigen Einfluss auf die Kritik an seiner Hadith-­Tradierung hatte. Abu l-­Ḥasan al-ʿIǧlī meint, dass die Anzahl seiner Hadithe weniger als 200 betrage.364 Dass Ḥammād nicht so viele Tradierungen hatte, führte Ḏahabī darauf zurück, dass er vor der Überlieferungsepoche starb.365 Wenn man sich jedoch vor Augen hält, dass rund 2000 von Abū Ḥanīfa überlieferte Hadithe, ebenfalls Überlieferungen von Ḥammād waren, sieht man, dass die Zahl von Ḥammāds ÜberFasawī, al-­Maʿrifa, I, S. 404; Ḏahabī, Siyar, II, S. 438, IV, S. 55. Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, III, S. 146; Ḏahabī, Siyar, V, S. 231. Ḏahabī, Siyar, V, S. 235 f. Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VI, S. 333; al-ʿIǧlī, Maʿrifa, I, S. 320; Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, III, S. 147; Ibn Ḥibbān, aṯ-­Ṯiqāt, IV, S. 160; Ḏahabī, Siyar, V, S. 234. 364 Al-ʿIǧlī, Maʿrifa, I, S. 321. 365 Ḏahabī, Siyar, V, S. 231. 360 361 362 363

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lieferungen keinesfalls gering war. In der Kutubu Sitta sind seine Überlieferungen vorhanden.366 Der Tābiʿūn-­Gelehrte Ḥammād begann bereits zu Lebzeiten von Naḫaʿī (gest. 96/714) Rechtsauskünfte (Fatwas) zu erteilen, wobei Naḫaʿī im Zeitalter der Umayyaden im Irak die Entwicklung des Fiqh-­Verständnisses und die Ausbreitung der Raʾy-­Bewegung initiierte und somit als Imam der irakischen Schule bezeichnet wurde. Nach dem Tod Naḫaʿīs wurde er zum Leiter der Lehrkreise in der Kūfa-­Moschee und erteilte bis zu seinem Lebensende 24 Jahre lang Fiqh-­ Unterricht.367 Ḥammād hat das Wissenserbe, welches in der Region von Kūfa von ʿAlī und Ibn Masʿūd zusammengetragen und durch Ibrāhīm an-Naḫaʿī weiterentwickelt und bereichert wurde, an die nachkommende Generation weitervermittelt. In diesem Kontext zählt Ḏahabī, als er auf die Wurzeln und Äste der Fiqh-­Schule in Kūfa verweist, Ḥammād an vierter Stelle auf. Ḥammād hat seinen Schwerpunkt tendenziell auf die Erläuterung der Koran- und Hadith-­Texte gelegt und sich mit deren Methoden auseinandergesetzt. Er hat Wert auf Iǧtihād mit eigener Rechtsmeinung (Raʾy) und auf die Erforschung der Gründe für die religiösen Urteile und die Absicht Allahs (Šāriʿ) gelegt wie auch auf die Untersuchung der Koranverse und Hadithe in dieser Hinsicht. Außerdem wird Ḥammād als derjenige akzeptiert, der als Erster diejenige Überlieferungsart nach Basra brachte, bei der die Hadithe in einer geschlossenen Kette ohne jegliche Unterbrechung überliefert werden.368 In den Quellen wird auch erwähnt, dass er ein Murǧiʾī sei. Laut einer Erzählung berichtet Sufyān aṯ-­Ṯawrī, dass sie sich wegen der Empfindsamkeiten wissenschaftlicher Kreise im Hinblick auf dieses Thema scheuten und sich nur heimlich in die Nähe von Ḥammād begaben.369 Jedoch sagt Ḏahabī, dass Ḥammād die extrem murǧiʾītische Auffassung, dass die Unterlassung der pflichtgemäßen Taten dem Glauben nicht schade, wenn man an die Einheit Allahs (den Tawhīd) glaube, nicht vertrat. Dessen ungeachtet ist Ḏahabī der Meinung, dass es sich bei Ḥammād um die murǧiʾītische Auffassung der Rechtswissenschaftler = „Irǧāʾu l-­Fuqahāʾ“ handelt, welche die praktische Ausübung des Islam in Form von Gebetsverrichtungen nicht als Bestandteil des Glaubens betrachtet und lediglich als sprachliche Bekenntnis (Iqrār) und innerliche Bestätigung (Taṣdīq) ansieht. 366 Ebenda, S. 234; Aras, M. Özgü, Hammâd b. Ebî Sulayman, in: DİA, İstanbul 1997, XV, S. 485. 367 Aras, Hammâd b. Ebî Sulayman, S. 484. 368 Ḏahabī, Siyar, V, S. 236; Aras, Hammâd b. Ebî Sulayman, S. 485. 369 Al-ʿIǧlī, Maʿrifa, I, S. 321; Ḏahabī, Siyar, V, S. 235.

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Ḏahabī betont gleichermaßen, dass zwischen dieser und der herkömmlichen Ansicht der Ahlu s-­Sunna-­Schule, welche sich in den folgenden Jahrhunderten herausbildete, nicht mehr als ein wörtlicher Unterschied sei.370 Dementsprechend vertritt der Verfasser dieser Arbeit die Ansicht, dass eine Kritik dieser Art von der Überempfindlichkeit in den Frühzeiten herrührt, als die Termini noch nicht festgelegt waren. Gemäß diesen Informationen spielt die Tatsache, dass Sufyān aṯ-­Ṯawrī von Ḥammād, der ebenfalls als einer der Hauptvertreter der Fiqh-­Schule in Kūfa galt, Wissen erwarb, eine bedeutungsvolle Rolle für sein Wirken schon in jungen Jahren und für die Wissenserweiterung in diesem Gebiet. Zusätzlich prägte dies seine Vertiefung in die Fiqh-­Wissenschaft und seine Entwicklung zum eigenständigen Muǧtahid. Dass Ḥammād von Zayd b. Ṯābits Schüler Saʿīd b. Musayyab und Ibn ʿAbbās’s Schüler Saʿīd b. Ǧubayr tradierte, führte zudem dazu, dass Sufyān aṯ-­Ṯawrī indirekt mit Hilfe dieses Lehrers vom Gedankengut Zayd b. Ṯābits und Ibn ʿAbbās‘ profitierte, die innerhalb der Prophetengefährten einen Lehrkreis besaßen.371 4. Salama b. Kuhayl (gest. 122/739): Sein vollständiger Name lautet Abū Yaḥyā Salama b. Kuhayl b. Ḥuṣayn al-­Ḥaḍramī at-­Tinʿī al-­Kūfī. Außerdem ist er einer der Tābiʿūn und zählt gleichzeitig zu den führenden Ḥāfiẓu-­l Ḥadīṯen Kūfas. Von den Prophetengefährten sah er Ibn ʿUmar und Zayd b. Arqam. Zudem tradierte er von Ibn Abī Awfā, Abū ṭ-­Ṭufayl, Saʿīd b. Ǧubayr, Šaʿbī, ʿAlqama b. Qays, Muǧāhid und anderen Hadithe. Ebenso haben von ihm selbst religiöse Autoritäten, wie Saʿīd b. Masrūq Vater von Sufyān aṯ-­Ṯawrī, Yaḥyā b. Salama, Manṣūr b. al-­Muʿtamir, al-­Aʿmaš, Šuʿba, Ḥammād b. Abī Salama und Sufyān aṯ-­Ṯawrī tradiert.372 Über seine Zuverlässigkeit sind sich Gelehrte wie Ibn Saʿd, Šuʿba, Sufyān aṯ-­ Ṯawrī, ʿAbdurraḥmān b. Mahdī, Yaḥyā b. Maʿīn, Abū Ḥātim, Abū Zurʿa, Aḥmad b. Ḥanbal, Nasāʾī und Ḏahabī einig.373 Aḥmad al-ʿIǧlī und Yaʿqūb b. Šayba sind der Ansicht, dass er eine geringe Menge an Schiismus in sich trug, trotzdem aber als zuverlässig anzuerkennen sei.374 Ibn Ḥibbān erwähnt seinen Namen in seinem Werk aṯ-­Ṯiqāt; außerdem sind Tradierungen von Salama b. Kuhayl in der Kutubu Sitta vorhanden.375 370 Ḏahabī, Siyar, V, S. 233. 371 Fasawī, al-­Maʿrifa, I, S. 404; Ḏahabī, Siyar, II, S. 438, IV, S. 55. 372 Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 313 ff.; Ḏahabī, Siyar, V, S. 298 f.; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IV, S. 137. 373 Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 315; Ḏahabī, Siyar, V, S. 299; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IV, S. 137. 374 Al-ʿIǧlī, Maʿrifa, I, S. 421 f.; Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 316. 375 Ibn Ḥibbān, aṯ-­Ṯiqāt, IV, S. 317; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IV, S. 138.

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Als Šuʿba b. al-­Ḥaǧǧāǧ (gest. 160/776) nach Basra kam, wurde er von manchen gebeten, Hadithe seiner Gefährten, die er als zuverlässig erachtete, zu tradieren. Auf diese Bitte reagierte er folgendermaßen: „Wenn ich nun Hadithe von jenen meiner zuverlässigen Gefährten überliefere, kann ich jedoch nur von einer kleinen Auswahl tradieren. Diese sind Ḥakam b. ʿUtayba [gest. 115/773], Salama b. Kuhayl, Ḥabīb b. Abī Ṯābit [gest. 119/736] und Manṣūr b. al-­ Muʿtamir [gest. 132/750].“376

Damit erwähnt Šuʿba unter einigen namhaften Vertretern der kūfischen Wissenschaft auch Salama b. Kuhayl und zieht somit die Aufmerksamkeit innerhalb dieser Schule auf diesen Gelehrten. Um die Solidität seines Wissens und seine Zuverlässigkeit zu betonen, ballt Sufyān aṯ-­Ṯawrī seine Faust und verkündet: „Salama b. Kuhayl ist eine Säule unter den Säulen.“ 377 So zählt ʿAbdurraḥmān b. Mahdī auch Manṣūr b. al-­Muʿtamir, Abū Ḥuṣayn und ʿAmr b. Murra zu denjenigen vier Ḥāfiẓu-­l Ḥadīṯe in Kūfa, deren Tradierungen keineswegs infrage gestellt wurden.378 Demgemäß kann man sagen, dass sich Salama b. Kuhayl den führenden Hadith-­Wissenschaftlern, die schwerpunktgemäß die Kūfa-­Schule repräsentieren, zuordnen lässt und bis etwa zu Ṯawrīs 25. Lebensjahr eine wirksame Rolle in dessen Ausbildung einnahm, bevor dieser schließlich Kūfa verließ. Dass Salama b. Kuhayl von ʿAbdullāh b. Masʿūds Schüler ʿAlqama b. Qays und Ibn ʿAbbās’ Schüler Muǧāhid und Saʿīd b. Ǧubayr tradierte, führte auch dazu, dass Sufyān aṯ-­Ṯawrī indirekt mit Hilfe dieses Lehrers vom Gedankengut ʿAbdullāh b. Masʿūds und teilweise auch vom Gedankengut Ibn ʿAbbās’ profitierte, welche innerhalb der Ṣaḥāba einen Lehrkreis besaßen.379 5. Ṣāliḥ b. Nabhān (gest. 125/743): Sein ganzer Name lautet Abū Muḥammad Ṣāliḥ b. Abī Ṣāliḥ Mawlā t-­Tawʾama binti Umayya b. Ḫalaf al-­Madanī. Er gehört der Tābiʿūn-­Generation an und war einer der Hadith-­Wissenschaftler Medinas. Unter denjenigen, von denen Ṣāliḥ b. Nabhān Hadithe tradierte, befinden sich Prophetengefährten wie Abū Hurayra, Ibn ʿAbbās, Abū d-­Dardāʾ und ʿĀiša. Von ihm selbst tradierten Personen wie sein Sohn Muḥammad b. Ṣāliḥ, Sufyān aṯ-­

376 Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 316; Ḏahabī, Siyar, V, S. 299; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IV, S. 138. 377 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 80; Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 316; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IV, S. 137. 378 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, VI, S. 160 f., 257; Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 316 f., XIX, S. 403; Ḏahabī, Siyar, V, S. 199, 299, 413; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IV, S. 137. 379 Fasawī, al-­Maʿrifa, I, S. 404; Ḏahabī, Siyar, II, S. 438, IV, S. 55.

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Ṯawrī, Sufyān b. ʿUyayna, Ibn Ǧurayǧ, Ibrāhīm b. Muḥammad b. Abī Yaḥyā al-­ Aslamī und Ziyād b. Saʿd.380 Aufgrund der Tatsache, dass er gegen sein Lebensende durch das hohe Alter einen Gedächtnisschwund erlitt, gibt es kritische Auffassungen bezüglich seiner Zuverlässigkeit. Laut Imam Mālik und Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān, die ihren Fokus wahrscheinlich auf seine letzten Jahre legten, ist er nicht als ṯiqa zu betrachten. Nach der Meinung von Abū Zurʿa und Nasāʾī ist er ḍaʿīf (schwach). Ferner tradierte der berühmte Kritiker Šuʿba b. al-­Ḥaǧǧāǧ nicht von Ṣāliḥ b. Nabhān und verbot dies sogar ausdrücklich.381 Ibn Ḥibbān sagte, an Ṣāliḥ b. Nabhāns geschilderte Situation anknüpfend: „Im Jahre 125 bekam er einen Gedächtnisschwund. Er fing an, von zuverlässigen Personen Tradierungen zu überliefern, die erfundenen [mawḍūʿ] Hadithen ähnelten. Er verwechselte die vorherigen Hadithe mit den späteren. Als man nicht mehr dazu imstande war, die Hadithe ihrer jeweiligen Epoche zuzuordnen, verdiente er es, außer Acht gelassen zu werden.“382

Demgegenüber betont Aḥmad al-ʿIǧlī, indem er vermutlich seinen früheren Zustand im Blick hat, dass er zuverlässig sei.383 Yaḥyā b. Maʿīn gibt an, dass er vor der Zeit, als er die Hadithe durcheinanderbrachte, durchaus ṯiqa und ḥuǧǧa384 war, allerdings nicht mehr in den Jahren, als seine Gedächtnisstörungen auftraten. So berichtet Aḥmad b. Ḥanbal, dass Imam Mālik zu der Zeit bei Ṣāliḥ b. Nabhān war, wo er im hohen Alter bereits die Hadithe verwechselte, und er verkündet darüber hinaus, dass er persönlich an den Hadithen, die vor dieser Zeit von Ṣāliḥ b. Nabhān übernommen wurden, nichts auszusetzen habe. Außerdem sagt er,

380 Buḫārī, at-­Tārīḫ, IV, S. 291 f.; Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, IV, S. 416 f.; Mizzī, Tahḏīb, XIII, S. 99 f.; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IV, S. 355. 381 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ,  IV, S.  417  f.; Mizzī, Tahḏīb,  XIII, S.  101  ff.; Ḏahabī, Šamsuddīn Muḥammad b. Aḥmad b. ʿUṯmān (gest. 748/1347), Mīzānu l-­Iʿtidāl fī Naqdi r-­Riǧāl, ed. aš-­Šayḫ ʿAlī Muḥammad Muʿawwid, aš-­Šayḫ ʿĀdil Aḥmad ʿAbdulmawǧūd, Dāru Iḥyāʾi l-­Kutubi l-ʿArabī, Beirut 1382/1963, II, S. 303; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IV, S. 355. 382 Ḏahabī, Mizān, II, S. 303; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IV, S. 355. 383 Al-ʿIǧlī, Maʿrifa, I, S. 466. 384 Ein Begriff, der für die Zuverlässigkeit eines Tradierers verwendet wird und der zeigt, dass sich der Tradierer in der höchsten Stufe bezüglich der Gerechtigkeit (ʿAdāla) und Merkfähigkeit (Ḍabṭ) befindet. Die Kompetenz solch eines Tradierers im Hadith-­Bereich wird von allen akzeptiert und seine Hadithe werden als Beweis herangeführt; vgl. Koçyiğit, Hadis Istılahları, S. 138; Aydınlı, Hadis Istılahları Sözlüğü, S. 70.

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dass die Hochgelehrten in Medina vorher gleichermaßen von Ṣāliḥ b. Nabhān tradierten und er damals ein „Ṣāliḥu l-­Ḥadīṯ“385 war.386 Es wird angegeben, dass sich Sufyān b. ʿUyayna und Ṣāliḥ b. Nabhān einst begegneten und während dieser Begegnung Ibn ʿUyayna Letzteren gefragt haben soll, wie er Hadithe von Abū Hurayra und Ibn ʿAbbās aufnehme, und dass sich daraufhin Sufyān b. ʿUyayna, als er spürte, dass Ṣāliḥ b. Nabhān die Hadithe verwechselte, von ihm entfernt habe. Hinzu kommt, dass sich Sufyān aṯ-­Ṯawrī ebenfalls mit Ṣāliḥ b. Nabhān in der Zeit traf, als er zwischen den Hadithen nicht unterscheiden konnte. Ḥumaydī (gest. 219/834) überliefert von seinem Lehrer Sufyān b. ʿUyayna die Aussage: „Im Jahre 125 oder 126 traf ich mich mit Ṣāliḥ b. Nabhān. Er hatte einen Gedächtnisschwund. Sufyān aṯ-­Ṯawrī ist ihm nach mir begegnet.“387

In den Quellen wird angegeben, dass die Überlieferungen von Ibn Abī Ḏiʾb, Ibn Ǧurayǧ und Ziyād b. Saʿd, die von Ṣāliḥ b. Nabhān in der Phase vor seinem Gedächtnisschwund tradiert wurden, akzeptiert worden sind. Seine Überlieferungen sind bei Abū Dāwūd, Tirmiḏī und Ibn Māǧa zu finden.388 Tradierungen aus Ṣāliḥ b. Nabhāns späterer Zeit sind daher nicht akzeptiert worden, diejenigen vor seinem Gedächtnisverlust aber schon. Sufyān b. ʿUyayna traf Ṣāliḥ b. Nabhān mit ungefähr 18 Jahren und Sufyān aṯ-­Ṯawrī mit 28. Dies geschah etwa im Jahre 125 n. H. Wenn man bedenkt, dass in diesem Jahr Ṣāliḥ b. Nabhān sein Gedächtnis verlor, es ab diesem Zeitpunkt unterlassen wurde, von ihm Hadithe zu tradieren und er im selben Jahr starb, so kann man sagen, dass Hadithe, welche die Sufyānayn von Ṣāliḥ b. Nabhān tradierten, nicht unmittelbar von diesem stammen, sondern Überlieferungen von Personen waren, die von Ṣāliḥ b. Nabhān noch vor den Zeiten, in denen er die Hadithe verwechselte, tradierten. Dass Ṣāliḥ b. Nabhān von Ibn ʿAbbās tradierte, führte zudem dazu, dass Sufyān aṯ-­Ṯawrī indirekt vom Gedankengut Ibn ʿAbbās’, welcher eine der drei Personen war, die unter den Prophetengefährten einen Lehrkreis besaßen,389 profitierte. 385 Ein Begriff, welcher für einen Tradierer verwendet wird, der sich nach Ḏahabī und ʿIrāqī in der 4. Taʿdīl-­Stufe, nach Saḥāwī in der 6. Stufe befindet. Die Überlieferung solch eines Tradierers wird aufgrund von dessen Ansehen niedergeschrieben; siehe Aydınlı, Hadis Istılahları Sözlüğü, S. 136. 386 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ,  IV, S.  417  f.; Mizzī, Tahḏīb,  XIII, S.  101  f.; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IV, S. 355. 387 Buḫārī, at-­Tārīḫ, IV, S. 292; Mizzī, Tahḏīb, XIII, S. 100 f.; Ḏahabī, Mizān, II, S. 303; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IV, S. 355. 388 Mizzī, Tahḏīb, XIII, S. 103 f.; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IV, S. 355. 389 Fasawī, al-­Maʿrifa, I, S. 404; Ḏahabī, Siyar, II, S. 438, IV, S. 55.

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6. ʿAmr b. Dīnār (gest. 126/744): Sein vollständiger Name ist Abū Muḥammad al-­Aṯram al Makkī al-­Ǧumaḥī. ʿAmr b. Dīnār ist einer der wichtigsten Vertreter der Mekka-­Schule und gleichzeitig auch Lehrer von Sufyān b. ʿUyayna. Die Hadith-­Kritiker sind sich darüber einig, dass er zuverlässig war und seine Tradierungen gesund (ṣaḥīḥ) waren.390 Da Sufyān b. ʿUyayna die meisten Hadithe von ʿAmr b. Dīnār bekam, werden Details über diesen Lehrer im Kapitel zu den Lehrern Sufyān b. ʿUyaynas erörtert. Hier ist zumindest zu erwähnen, dass Sufyān aṯ-­Ṯawrī, obwohl er nicht so sehr wie Ibn ʿUyayna von ihm profitierte, wenigstens das wissenschaftliche Erbe Mekkas mit Hilfe ʿAmr b. Dīnārs kennenlernte und indirekt dadurch von Ibn ʿAbbās profitierte.391 Diese These wird zudem dadurch verstärkt, dass beide Sufyāns Informationen untereinander ausgetauscht haben. 7. Abū Isḥāq as-­Sabīʿī (gest. 127/745): Der vollständige Name lautet ʿAmr b. ʿAbdillāh b. ʿAlī b. Aḥmad al-­Kūfī. Er gehört der Tābiʿūn-­Generation an und war ein kūfischer Gelehrter für Hadith- und Koranrezitation (Qirāʾa). Unter den Persönlichkeiten, von denen er Wissen erwarb, befanden sich etwa 38 Prophetengefährten, wie Ibn ʿAbbās, ʿAlī, Barāʾ b. ʿĀzib, ʿAbdullāh b. ʿAmr b. ʿĀṣ und Muʿāwiya b. Abī Sufyān. Außerdem bekam er von Tābiʿūn-­Gelehrten wie Masrūq b. Aǧdaʿ, Ḍaḥḥāk b. Qays und ʿAmr b. Šuraḥbīl Hadithe. Von ihm selber profitierten sein Lehrer Ibn Sīrīn, seine Altersgenossen Zuhrī und Qatāda b. Diʿāma, sein Sohn Yūnus, seine Ḥāfiẓu-­l Ḥadīṯ-­Enkel Isrāʾīl b. Yūnus und Yūsuf b. Isḥāq und außerdem noch Hadith-­Wissenschaftler wie Manṣūr b. al-­Muʿtamir, al-­Aʿmaš, Ibn Abī Zāʾida, Šuʿba b. al-­Ḥaǧǧāǧ, Sufyān aṯ-­Ṯawrī und Sufyān b. ʿUyayna.392 Nach den Meinungen von Aḥmad b. Ḥanbal, Yaḥyā b. Maʿīn, Nasāʾī und Abū Ḥātim ar-­Rāzī ist Abū Isḥāq ein zuverlässiger Tradierer. Nach Ḏahabī ist er unumstritten ḥuǧǧa. ʿAlī b. al-­Madīnī zählt ihn zu den sechs Hadith-­Wissenschaftlern, die zu jener Zeit das stärkste Gedächtnis besaßen. Zudem erwähnt er Abū Isḥāq as-­Sabīʿī in der auf einer Überliefererkette (Isnād) aufbauenden Hadith-­ Wissenschaft als einer der zwei Grundpfeiler in der Stadt Kūfa. Abū Isḥāq as-­ Sabīʿī, der 99 oder 100 Jahre alt wurde, verlor im hohen Alter sein Augenlicht. 390 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, V, S. 479 f.; Mizzī, Tahḏīb, XXII, S. 5–13; Ḏahabī, Siyar, V, S. 300–307; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, VIII, S. 26 f.; Uzunpostalcı, Mustafa, Amr b. Dînâr, in: DİA, İstanbul 1991, III, S. 83. 391 Fasawī, al-­Maʿrifa, I, S. 404; Ḏahabī, Siyar, II, S. 438, IV, S. 55. 392 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VI, S. 313; Buḫārī, at-­Tārīḫ, VI, S. 347; Ibn Abī Ḥātim, al-­ Ǧarḥ, VI, S. 242 f.; Ḏahabī, Siyar, V, S. 392 ff., 398; Koçkuzu, Ali Osman, Ebû İshâk es-­Sebîî, in: DİA, İstanbul 1994, X, S. 170 f.

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Trotz der Tatsache, dass in den letzten Jahren seines langen Lebens sein Verstand noch klar war, wurde seine Gedächtnisleistung doch schwächer, und er wurde vergesslich. Außerdem wird überliefert, dass er Tadlīs machte und des Schiismus verdächtigt wurde. In der Kutubu Sitta sind seine Tradierungen vorhanden.393 Gemäß den Kenntnissen von ʿAlī b. Madīnī profitierte Abū Isḥāq as-­Sabīʿī von 300 bis etwa 400 Gelehrten. Darüber hinaus verglich ihn Abū Ḥātim ar-­ Rāzī aufgrund der Tatsache, dass er von vielen Gelehrten tradierte, mit Zuhrī. Außerdem lässt er sich denjenigen zuordnen, die die Hadithe von ʿAlī und Ibn Masʿūd am besten beherrschten. Sogar Ǧarīr b. ʿAbdillāh betont: „Wer gemeinsam mit Abū Isḥāq as-­Sabīʿī sitzt [an seinem Wissenskreis teilnimmt], hat wahrlich mit ʿAlī gesessen.“394 Als Abū Isḥāq einst bemerkte, dass sich Sufyān aṯ-­Ṯawrī im Kindesalter zu ihm begab, rezitierte er den Vers „Wir gaben ihm schon als Kind die Urteilskraft“395, um die Bewunderung über seine Fähigkeit, Wissen zu erlangen, zum Ausdruck zu bringen.396 Abū Isḥāq as-­Sabīʿī war der älteste Lehrer von Ḥamza b. Ḥabīb az-­ Zayyāt (gest. 156/773) aus Kūfa, welcher einer der sieben Rezitationsimame war und den Koran dem Gelehrten as-­Sabīʿī in der Methode des ʿArḍ397 vortrug.398 Auch trug Sufyān aṯ-­Ṯawrī Ḥamza b. Ḥabīb den gesamten Koran vier Mal frei vor.399 Überdies bezeichnet Yaḥyā b. Maʿīn Šuʿba und Ṯawrī als die zuverlässigsten Gelehrten im Wissenskreis von Abū Isḥāq.400 Dieser war einer der Lehrer der Sufyānayn. In Anbetracht der Tatsache, dass Sufyān b. ʿUyayna sich in Mekka niederließ, lässt sich sagen, dass Sufyān aṯ-­Ṯawrī im Vergleich zu Ibn ʿUyayna weitaus mehr von Abū Isḥāq as-­Sabīʿī profitierte. So waren nach der Ansicht von Yaḥyā b. Maʿīn die zuverlässigsten Tradierer Abū Isḥāq as-­Sabīʿīs Šuʿba b. al-­Ḥaǧǧāǧ und Sufyān aṯ-­Ṯawrī. Infolgedessen lässt sich darauf schließen, dass Sufyān aṯ-­Ṯawrī durch seinen Lehrer Ḥammād b. Abī Sulaymān Bekanntschaft mit dem wissenschaftlichen Erbe der Kūfa-­Schule machte, welche sich auf ʿAlī und Ibn Masʿūd stützte. Zudem ist zu ergänzen, dass

393 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VI, S. 314; Ḏahabī, Siyar, V, S. 394 ff., 398 f. 394 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, VI, S. 243; Ḏahabī, Siyar, V, S. 394, 398; Sandıkçı, İlk Üç Asırda İslam Coğrafyasında Hadis, S. 195. 395 Maryam, 19/12. 396 Ḏahabī, Siyar, VII, S. 237. 397 Im Beisein eines Gelehrten die Rezitation frei oder aus einem Koran vorzutragen; vgl. Birışık, Abdülhamit, Kıraat, XXV, S. 430. 398 Ḏahabī, Siyar, V, S. 394. 399 Ḏahabī, Siyar, VII, S. 234. 400 Ḏahabī, Siyar, V, S. 398.

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Ṯawrī mit Hilfe Abū Isḥāq as-­Sabīʿīs die Möglichkeit ergriff, dieses Wissen zu vertiefen, wodurch er letztendlich mit Abū Ḥanīfa (gest. 150/767) die Kūfa-­Schule am herausragendsten repräsentierte. Abū Isḥāq as-­Sabīʿī tradierte außerdem vom Schüler ʿAbdullāh b. Masʿūds ʿAmr b. Šuraḥbīl und von Ibn ʿAbbās. ʿAbdullāh b. Masʿūd und Ibn ʿAbbās gehören zu den drei Personen unter den Prophetengefährten, die einen Lehrkreis besaßen.401 Daraus ist zu schließen, dass Sufyān aṯ-­Ṯawrī durch diesen Lehrer vom Gedankengut ʿAbdullāh b. Masʿūds und Ibn ʿAbbās’ profitierte. 8. ʿAbdullāh b. Dīnār (gest. 127/745): Sein vollkommener Name lautet Abū ʿAbdirraḥmān ʿAbdullāh b. Dīnār Mawlā Ibn ʿUmar al-ʿAdawī al-ʿUmarī al-­ Madanī. Er ist einer der medinensischen Hadith-­Wissenschaftler aus der Tābiʿūn-­ Generation. Er tradierte von den Prophetengefährten ʿUmar und Anas b. Mālik und von den Tābiʿūn von Sulaymān b. Yasār, Nāfiʿ Mawlā Ibn ʿUmar und Muḥammad b. Usāma b. Zayd. Von ihm selbst tradierten Gelehrte wie Sufyān aṯ-­Ṯawrī, Sufyān b. ʿUyayna, Šuʿba b. al-­Ḥaǧǧāǧ, Layṯ b. Saʿd, Mālik b. Anas und Yaḥyā b. Saʿīd al-­Anṣārī.402 Nach Ibn Saʿd war er ein Gelehrter, der viele Hadithe kannte und zuverlässig war. Dies bestätigen auch Aḥmad b. Ḥanbal, al-ʿIǧlī, Yaḥyā b. Maʿīn, Abū Zurʾa, Abū Ḥātim und Nasāʾī. Ibn Ḥibbān erwähnt ihn in seinem Werk aṯ-­Ṯiqāt. In der Kutubu Sitta sind seine Tradierungen vorhanden.403 Ein weiterer Lehrer der Sufyānayn war ʿAbdullāh b. Dīnār. Da dieser vom Schüler Zayd b. Ṯābits, Sulaymān b. Yasār, profitierte, kann man sagen, dass auch Sufyānayn mit Hilfe von ʿAbdullāh b. Dīnār das Gedankengut Medinas, welches über Zayd b. Ṯābit vermittelt wurde, erlangten und es an die weiteren Generationen übertrugen. Zayd b. Ṯābit war einer der drei Prophetengefährten, die einen Lehrkreis besaßen.404 9. ʿĀṣim b. Bahdala (gest. 127/745): Sein vollständiger Name lautet Abū Bakr ʿAṣīm b. Abī n-­Naǧūd Bahdala al-­Asadī al-­Kūfī. Er gehört zu den Tābiʿūn und ist gleichzeitig einer der sieben berühmten Rezitationsimame. Von Abū ʿAbdirraḥmān as-­Sulamī lernte er die Rezitation von ʿAlī b. Abī Tālib und von Zir b. Ḥubayš al-­Asadī eignete er sich diejenige von Ibni Masʿūd 401 Fasawī, al-­Maʿrifa, I, S. 404; Ḏahabī, Siyar, II, S. 438. 402 Buḫārī, at-­Tārīḫ, V, S. 81; Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, V, S. 46; Mizzī, Tahḏīb, XIV, S. 471 f.; Ḏahabī, Siyar, V, S. 254. 403 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, IX, S. 306; al-ʿIǧlī, Maʿrifa, II, S. 27; Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, V, S. 46 f.; Ibn Ḥibbān, aṯ-­Ṯiqāt, V, S. 10; Mizzī, Tahḏīb, XIV, S. 473; Ḏahabī, Siyar, V, S. 255; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, V, S. 177. 404 Fasawī, al-­Maʿrifa, I, S. 404; Ḏahabī, Siyar, II, S. 438.

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an. Ebenso überlieferte er von diesen zwei Lehrern und von führenden Gelehrten seiner Generation wie Abū Wāʾil und Muṣʿab b. Saʿd b. Abī Waqqāṣ Hadithe. Von ihm selbst tradierten wiederum zwei seiner Lehrer, ʿAtāʾ b. Abī Rabāḥ und Abū Ṣāliḥ as-­Sammān, dazu auch Sulaymān at-­Taymī, Abū Amr b. ʿAlāʾ, Sufyān aṯ-­ Ṯawrī, Sufyān b. ʿUyayna, Abū Bakr Šuʿba b. ʿAyyāš und etliche andere Gelehrte.405 Abū Zurʿa und Aḥmad b. Ḥanbal bewerteten ihn als ṯiqa Tradierer, während Abū Ḥātim ihn als ṣadūq406 bezeichnete. Ibn Saʿd erwähnte, dass er ṯiqa sei, jedoch im Hadith viele Fehler mache. In der Kutubu Sitta haben seine Überlieferungen ihren Platz erhalten. Jedoch haben Buḫārī und Muslim den Überlieferungen von ʿĀṣim auf dem Wege des Mutābaʿa407 einen Platz eingeräumt.408 ʿĀṣim, der blind war und gleichzeitig in der Rezitationswissenschaft besonders hervortrat, nahm nach dem Tod Abū ʿAbdirraḥmān as-­Sulamīs seine Stelle als Rezitationslehrer ein. Abū Bakr Šuʿba b. ʿAyyāš, Ḥafṣ b. Sulaymān, Sulaymān al-­ Aʿmaš und Ḫalīl b. Aḥmad wie auch Abū Amr b. ʿAlāʾ und Ḥamza az-­Zayyāt, die beide zu den „Qirāʾatu s-­Sabʿa-­Imamen = den sieben Rezitationsimamen“ gehören, haben in dieser Wissenschaft von ihm profitiert.409 Die Rezitation von ʿĀṣim b. Bahdala wurde im Laufe der Zeit vor allem durch die Überlieferung Ḥafṣ‘ über die Grenzen Kūfas und selbst jenseits des Nahen Ostens bekannt. Letztendlich hat sich daraus eine überragende Leseart entwickelt, die heutzutage von etwa neunzig Prozent der Muslime verwendet wird.410 Ein weiterer gemeinsamer Lehrer von Ṯawrī und Ibn ʿUyayna war ʿĀṣim b. Bahdala, einer der Qirāʾatu s-­Sabʿa-­Imame. Ṯawrī eignete sich von ihm über405 Buḫārī, at-­Tārīḫ, VI, S. 487; Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, VI, S. 340 f.; Ibn Ḫallikān, Wafayāt, III, S. 9; Ḏahabī, Siyar, V, S. 256 ff.; Sezgin, GAS, I, S. 7; Sarı, Mehmet Ali, Âsım b. Behdele in: DİA, İstanbul 1991, III, S. 475 f.; Jeffery, A., ʿĀṣim, in: EI2, (New Edition), Leiden 1997, I, S. 706 f. 406 Ein Begriff, welcher für einen Tradierer verwendet wird, der sich nach Ḏahabī und ʿIrāqī in der 3. Taʿdīl-­Stufe, nach Saḥāwī in der 5. Stufe befindet. Die Überlieferung solch eines Tradierers wird niedergeschrieben und erforscht; siehe Aydınlı, Hadis Istılahları Sözlüğü, S. 132; Koçyiğit, Hadis Istılahları, S. 375. 407 Damit ist gemeint, dass ein anderer Hadith, welcher mit den Wörtern und der Bedeutung eines bestimmten Hadithes konform geht, zum Teil oder komplett von einem anderen als dem vorherigen Tradierer mit der gleichen Überliefererkette tradiert wird. So stützen sich die beiden Hadithe und Tradierer gegenseitig; siehe Aydınlı, Hadis Istılahları Sözlüğü, S. 118 f.; Koçyiğit, Hadis Istılahları, S. 334 ff. 408 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VI, S. 321; Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, VI, S. 341; Ḏahabī, Siyar, V, S. 257, 260. 409 Ḏahabī, Siyar, V, S. 257 f.; Sarı, Âsım b. Behdele, S. 476. 410 Sarı, Âsım b. Behdele, S. 475 f.

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wiegend die Rezitationslehre an. Es ist überliefert, dass ʿĀṣim b. Bahdala Sufyān nach einer Fatwā fragte. Dabei sagte er: „Als du klein warst, kamst du zu uns. Nun bist du groß, wir kommen zu dir!“411 und überreichte ihm somit seine Komplimente. Angesichts dessen ist festzustellen, dass Ṯawrī in den Augen seines Lehrers Āṣim einen besonderen Stellenwert hatte und seinen Lehrer, vor allem in der Fiqh-­Wissenschaft, sogar übertraf. Außerdem sei nochmals daran erinnert, dass der andere Lehrer Ḥamza b. Ḥabīb az-­Zayyāt, von dem Ṯawrī Rezitationswissen erwarb, einer der sieben Rezitationsimame war und dass Ṯawrī ihm im jungen Alter den Koran vom Anfang bis zum Ende vier Mal auswendig vortrug.412 So erlangte Ṯawrī durch die Tatsache, dass er sein Rezitationskönnen von diesen beiden Lehrern erwarb, auch in dieser Wissenschaft ein Mitspracherecht. 10. Saʿīd b. Masrūq al-­Kūfī (gest. 128/745): Saʿīd war Sufyāns Vater und zugleich dessen erster Lehrer. Er war einer der jungen Gelehrten der Tābiʿūn und gehörte zum Schülerkreis von Šaʿbī und Ḫayṯama b. ʿAbdirraḥmān. Von ihm tradierten seine Kinder Sufyān, ʿUmar und Mubārak, und Autoritäten wie Šuʿba b. al-­Ḥaǧǧāǧ, Abu l-­Aḥwaṣ und Abū ʿAwāna. Nach Ibn Maʿīn, Abū Ḥātim, al-ʿIǧlī und Nasāʾī ist er ṯiqa. Auch in der Kutubu Sitta sind seine Tradierungen vorhanden.413 Ṯawrī, der demgemäß aus einer wissenschaftsbeflissenen Familie stammte, nutzte das Bildungsumfeld, in dem er aufwuchs, gut. Er fing an, von seinem engsten Milieu zu profitieren und vermehrte später die Zahl seiner Lehrer in mannigfaltiger Weise. 11. Abū Ḥuṣayn (gest. 128/745): Sein vollständiger Name lautet Abū Ḥuṣayn ʿUṯmān b. ʿĀṣim b. Ḥuṣayn (oder Zayd) b. Kaṯīr al-­Asadī al-­Kūfī. Er gehört zur Tābiʿūn-­Generation und ist einer der Ḥāfiẓu l-­Ḥadīṯe Kūfas. Er tradierte von Prophetengefährten wie Ǧābir b. Samura, ʿAbdullāh b. ʿAbbās, ʿAbdullāh b. Zubayr, Anas b. Mālik und Abū Saʿīd al-­Ḫuḍrī und von führenden Tābiʿūn wie Ibrāhīm an-­Naḫaʿī, Šaʿbī, Qāḍī Šurayḥ, Muǧāhid und Saʿīd b. Ǧubayr. Unter denjenigen, die von Abū Ḥuṣayn tradierten, sind wichtige Gelehrte wie Abu l-­Mālik al-­Ašǧaʿī, Šuʿba, Sufyān aṯ-­Ṯawrī, Sufyān b. ʿUyayna, Zāʾida b. Qudāma, Šarīk b. ʿAbdillāh, Musʿir b. Kidām und Abū Bakr b. ʿAyyāš.414 411 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VI, S. 357; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 162; Ibn Ḫallikān, Wafayāt, II, S. 387. 412 Ḏahabī, Siyar, VII, S. 234. 413 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VI, S. 327; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 230; Tārīḫ, X, S. 224; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IV, S. 73. 414 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VI, S. 321; Buḫārī, at-­Tārīḫ, VI, S. 240 f.; Ibn Abī Ḥātim, al-­ Ǧarḥ, VI, S. 160; Mizzī, Tahḏīb, XIX, S. 401 ff.; Ḏahabī, Siyar, V, S. 412 f.; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, VII, S. 116.

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Abū Ḥuṣayn, der nur wenige Hadithe tradierte, galt nach Autoritäten wie alʿIǧlī, Yaḥyā b. Maʿīn, Abū Ḥātim, Abū Nuʿaym, Aḥmad b. Ḥanbal und Nasāʾī als zuverlässig. Laut Ibn ʿAbdilbarr herrscht sogar Konsens über seine Zuverlässigkeit. Ibn Ḥibbān erwähnt ihn in seinem Werk aṯ-­Ṯiqāt. In der Kutubu Sitta sind seine Tradierungen vorhanden.415 ʿAbdurraḥmān b. Mahdī ist zusammen mit Manṣur b. al-­Muʿtamir (gest. 132/750), Abū Ḥuṣayn (gest. 128/745), Salama b. Kuhayl (gest. 122/739) und ʿAmr b. Murra (gest. 116/734?) einer der vier Ḥāfiẓu l-­Ḥadīṯe in Kūfa, deren Überlieferungen außer Zweifel stehen.416 ʿAlī b. al-­Madīnī zählt ihn zum Schülerkreis von Šaʿbī, dem führenden Hadith-­ Wissenschaftler der damaligen Zeit. Dass Šaʿbī, während er den Masdschid betrat, nach Abū Ḥuṣayn fragte, um mit ihm Wissen auszutauschen, zeigt, dass dieser sein Ansehen genoss. Gemäß einer von Sufyān b. ʿUyayna stammenden Überlieferung wurde Šaʿbī, bevor er starb, gefragt, wem man nun folgen sollte. Die Antwort „Ich weiß es nicht, ich habe keinen Gelehrten hinterlassen. Wahrlich ist Abū Ḥuṣayn ein frommer [ṣāliḥ] Mann“ unterstützt diesen Sachverhalt.417 Über Abū Ḥuṣayn, der 50 Jahre lang im Masdschid von Kūfa unterrichtete, sagte Sufyān b. ʿUyayna: „Wenn Abū Ḥuṣayn nach einer Problematik gefragt wurde, sagte er ‚bezüglich dieser Thematik habe ich kein Wissen. Allah weiß es am besten‘“ und wies darauf hin, dass er sich scheute, Fatwās über Sachverhalte zu geben, die er nicht kannte. In diesem Zusammenhang tätigte Abū Ḥuṣayn folgenden Ausspruch und verwies damit darauf, dass das Fatwā-­Geben eine große Verantwortung sei: „Einer von denen gibt Fatwā in einer Problematik. Wenn dieselbe Problematik [dem II. Kalifen] ʿUmar vorgestellt würde, [damit er es löst], würde er die Ahlu l-­Badr zusammensammeln.“418

Da Abū Ḥuṣayn von Ibn ʿAbbās, Muǧāhid und Saʿīd b. Ǧubayr tradierte, profitierten die Sufyānayn durch ihn in hohem Maße vom Gedankengut Mekkas, welches von Ibn ʿAbbās kam. Im sechsköpfigen Lehrkreis von Ibn ʿAbbās befanden sich auch Muǧāhid und Saʿīd b. Ǧubayr.419 Außerdem erwarb Ṯawrī Wissen von den

415 Al-ʿIǧlī, Maʿrifa, II, S. 129; Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, VI, S. 161; Ibn Ḥibbān, aṯ-­ Ṯiqāt, VII, S. 200; Mizzī, Tahḏīb, XIX, S. 401 ff., 405; Ḏahabī, Siyar, V, S. 413 f.; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, VII, S. 116 f. 416 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, VI, S. 160; Mizzī, Tahḏīb, XIX, S. 403; Ḏahabī, Siyar, V, S. 413; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, VII, S. 116. 417 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VI, S. 321; Ḏahabī, Siyar, V, S. 415. 418 Mizzī, Tahḏīb, XIX, S. 406; Ḏahabī, Siyar, V, S. 416; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, VII, S. 117. 419 Fasawī, al-­Maʿrifa, I, S. 404; Ḏahabī, Siyar, II, S. 438, IV, S. 55.

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vier Ḥāfiẓu l-­Ḥadīṯen, deren Überlieferungen außer Zweifel standen. Dies zeigt, dass er mit Hilfe der besten Quellen vom Wissenserbe Kūfas profitierte. 12. Abu z-­Zinād (gest. 130/748): Der vollständige Name lautet Abū ʿAbdirraḥmān Abu z-­Zinād ʿAbdullah b. Ḏakwān al-­Qurašī al-­Madanī. Er ist einer der Tābiʿūn und trat in den Wissenschaften Hadith und Fiqh hervor. Er tradierte von Prophetengefährten wie Anas b. Mālik und Abū Umāma b. Sahl und von Tābiʿūn-­Gelehrten wie Šaʿbī, Abān, dem Sohn von ʿUṯmān, Saʿīd b. Musayyab, Ḫāriǧa b. Zayd und ʿAbdurraḥmān b. Hurmuz al-­Aʿraǧ. Ibn Saʿd meint, dass er auch von den „Fuqahāʾu s-­Sabʿa = den sieben medinensischen Fiqh-­ Gelehrten“ tradierte. Von ihm tradierten seine Söhne ʿAbdurraḥmān und Abu l-Qāsim, Hadith-­ Wissenschaftler wie Ibn Abī Mulayka und Ṣāliḥ b. Kaysān, Mūsā b. ʿUqba, Hišām b. ʿUrwa, Mālik b. Anas, Sufyān aṯ-­Ṯawrī und Sufyān b. ʿUyayna.420 Nach Sufyān aṯ-­Ṯawrī ist er „Amīru l-­Muʾminīn-­fi l-­Ḥādīṯ“. Als Sufyān b. ʿUyayna Sufyān aṯ-­Ṯawrī fragte, ob er sich im Lehrkreis von Abu z-­Zinād befand, antwortete Ṯawrī: „In Medina habe ich außer ihn keinen Amīr gesehen.“421 Ibn Saʿd gibt an, dass Abu z-­Zinād zuverlässig, wissend und intelligent war, dass sein Arabisch rein war, er viele Hadithe kannte und der Freund von Ḥammād b. Abī Sulaymān, zu seiner Zeit einer der wichtigsten Faqīhs in Kūfa, war.422 Er galt auch nach Aḥmad b. Ḥanbal, Yaḥyā b. Maʿīn und al-ʿIǧlī als zuverlässig. Auch Abū Ḥātim stellte fest, dass er zuverlässig, und wenn er von Ṯiqas tradiere, auch ḥuǧǧa sei. ʿAlī b. al-­Madīnī sagte, dass es in Medina außer Ibn Šihāb, Yaḥyā b. Saʿīd al-­Anṣārī, Abu z-­Zinād und Bukayr b. al-­Ašaǧǧ, welche direkt nach den großen Tābiʿūn kommen, keine wissensreichere Person mehr gab. Außerdem wird Abu z-­Zinād auch als „Faqīh Medinas“ bezeichnet. Nach Buḫārī ist die Asaḥḥu l-­Asānīd (die zuverlässigste Überliefererkette), die sich an Abū Hurayra anlehnt, die Kette Abu z-­Zinād => Aʿraǧ => Abū Hurayra. Abu z-­Zināds Tradierungen sind auch in der Kutubu Sitta vorhanden.423 Dass er der Lehrer der Sufyānayn war und in der zuverlässigsten Überliefererkette der von Abū Hurayra überlieferten Tradierungen steht, sind seine bemerkenswertesten Eigenschaften. Außerdem tradierte er von den „sieben medinensischen Fiqh-­Gelehrten“ und war ein Freund des kūfischen Faqīh-­Lehrers von Abū Ḥanīfa, Ḥammād b. Abī Sulaymān. Dies zeigt, dass Abu z-­Zinād neben 420 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, IX, S. 319 f.; Buḫārī, at-­Tārīḫ, V, S. 83; Ibn Abī Ḥātim, al-­ Ǧarḥ, V, S. 49; Ḏahabī, Siyar, V, S. 445 f. 421 Ḏahabī, Siyar, V, S. 446, 449. 422 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, IX, S. 320. 423 Al-ʿIǧlī, Maʿrifa, II, S. 26; Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, V, S. 49; Ḏahabī, Siyar, V, S. 446 f.

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der Hadith- auch in der Fiqh-­Wissenschaft eine wichtige Autorität war und eine besondere Rolle bei der Bildung der Sufyānayn spielte. 13. Muḥammad b. al-­Munkadir (gest. 131/748): Sein vollständiger Name lautet Abū ʿAbdillāh Muḥammad b. al-­Munkadir b. ʿAbdillāh al-­Qurašī al-­Taymī al-­Madanī. Er war ein medinensischer Gelehrter der Tābiʿūn-­Generation, trat in den Wissenschaften Hadith und Rezitation hervor und war ein Gelehrter, der aufgrund seiner Askese bekannt war. Er tradierte von Prophetengefährten wie ʿAbdullāh b. ʿAbbās, ʿAbdullāh b. ʿUmar, ʿAbdullāh b. Zubayr, Salman al-­Fārisī, Asmā binti Abī Bakr, Ǧābir b. ʿAbdillāh, Anas b. Mālik und von führenden Tābiʿūn-­Gelehrten wie ʿUrwa b. Zubayr, Saʿīd b. Ǧubayr, Saʿīd b. Musayyab und Ḥasan al-­Baṣrī. Zu denen, die von ihm tradierten, können seine Söhne Yūsuf und Munkadir sowie wichtige Gelehrte der damaligen Zeit wie Zuhrī, ʿAmr b. Dīnār, Hišām b. ʿUrwa, Ayyūb as-­Saḫtiyānī, Ibn Ǧurayǧ, Šuʿba, Maʿmar b. Rāšid, Abū ʿAwāna, Yaḥyā b. Saʿīd al-­Anṣārī, al-­Awzāʿī , Sufyān aṯ-­Ṯawrī, Sufyān b. ʿUyayna und Mālik b. Anas gerechnet werden.424 Er ist nach Yaḥyā b. Maʿīn, Abū Ḥātim und vielen anderen Autoritäten ṯiqa. Die Autoritäten sind sich bezüglich seiner Zuverlässigkeit einig. Ibn Ḥibbān erwähnt ihn in seinem Werk aṯ-­Ṯiqāt, und auch in der Kutubu Sitta sind seine Tradierungen vorhanden.425 Sufyān b. ʿUyayna sagt über Ibnu l-­Munkadir: „Er war einer der Minen der Ehrlichkeit. Tugendhafte Menschen sammelten sich um ihn.“426 Mālik und Buḫārī beschreiben Ibnu l-­Munkadir, welcher einer der führenden Rezitationsgelehrten war, als „Sayyidu l-­Qurrāʾ = Herr der Koranrezitatoren“.427 Mit Gelehrten, die mit ihrer asketischen Persönlichkeit bekannt wurden, wie Ṣafwān b. Sulaym, Abū Ḥāzim, Sulaymān b. Suḥaym, Yazīd b. Ḥuḏayfa, Abū Saḫr al-­Aylī und anderen, traf er sich jedes Jahr bei der Pilgerfahrt und tauschte mit ihnen Wissen aus.428 Wenn man diejenigen betrachtet, die von ihm Wissen erwarben, sieht man, dass Ibnu l-­Munkadir eine weitere Quelle für die Sufyānayn darstellte. Dass Ibnu 424 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, IX, S. 189; Buḫārī, at-­Tārīḫ, I, S. 219 f.; Ibn Abī Ḥātim, al-­ Ǧarḥ, VIII, S. 97 f.; Mizzī, Tahḏīb, XXVI, S. 503–507; Ḏahabī, Siyar, V, S. 353 f. 425 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ,  VIII, S.  98; Ibn Ḥibbān, aṯ-­Ṯiqāt,  V, S.  350; Mizzī, Tahḏīb, XXVI, S. 508; Ḏahabī, Siyar, V, S. 354. 426 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, VIII, S. 98; Mizzī, Tahḏīb, XXVI, S. 508; Ḏahabī, Siyar, V, S. 354 f. 427 Buḫārī, at-­Tārīḫ, I, S. 220. 428 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, IX, S. 190 ff.; Abū Nuʿaym, Ḥilya, III, S. 147.

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l-­Munkadir sowohl von Ibn ʿAbbās als auch von Saʿīd b. Ǧubayr, der sich im Lehrkreis von Ibn ʿAbbās befand, sowie von Saʿīd b. Musayyab, welcher zum Lehrkreis Zayd b. Ṯābits gehörte,429 tradierte, zeigt, dass die Sufyānayn mit Hilfe Ibnu l-­Munkadirs von dem Gedankengut Ibn ʿAbbās‘ und Zayd b. Ṯābits profitierten. Die Tatsache, dass Ibnu l-­Munkadir gleichzeitig der Lehrer von Zuhrī und ʿAmr b. Dīnār war und andere führende Autoritäten der damaligen Zeit von ihm profitierten, beleuchtet das Ausmaß seiner Autorität, weil Zuhrī und ʿAmr b. Dīnār die wichtigsten Lehrer von Sufyān b. ʿUyayna waren, von denen Ibn ʿUyayna am meisten profitierte. In diesem Fall spielt es bei der Akzeptanz einer Person als Autorität eine äußerst wichtige Rolle, dass die Wissenschaftler, die von ihm profitieren, zahlreich oder berühmt sind und eine positive Einstellung zu ihm hatten. 14. Ayyūb as-­Saḫtiyānī (gest. 131/748): Sein vollständiger Name lautet Abū Bakr Ayyūb b. Abī Tamīma Kaysān as-­Saḫtiyānī al-­Baṣrī. Er gehört zu Tābiʿūn-­ Generation und war einer der führenden Persönlichkeiten Basras in den Fiqhund Hadith-­Wissenschaften. Es gibt unterschiedliche Meinungen darüber, ob er von dem Ṣaḥābī Anas b. Mālik einen Hadith hörte oder nicht. Während Ibn Abī Ḥātim sagt, dass Ayyūb von ihm tradiert hat, sind Ibn Ḥibbān und Ḏahabī der Meinung, dass dies nicht der Fall war.430 Er hat von vielen Personen wie ʿAtāʾ b. Abī Rabāḥ, Ḥasan al-­Baṣrī, Ḥišām b. ʿUrwa, Ibn Sīrīn, ʿIkrima al-­Barbarī, Qatāda b. Diʿāma, Muǧāhid b. Ǧabr, Nāfiʿ Mawlā Ibn ʿUmar, Saʿīd b. Ǧubayr und Sālim b. ʿAbdillāh b. ʿUmar Hadithe übernommen. Von ihm selbst haben Gelehrte wie Ḥammād b. Salama, Ḥammād b. Zayd, Ibn Sīrīn, Yaḥyā b. Abī Kaṯīr, Mālik b. Anas, ʿAmr b. Dīnār, Zuhrī, Sufyān aṯ-­Ṯawrī, Sufyān b. ʿUyayna, Šuʿba b. al-­Ḥaǧǧāǧ und Maʿmar b. Rāšid Hadithe überliefert.431 Die Kritiker sind sich über seine Zuverlässigkeit einig. Nach Gelehrten wie Ibn Sīrīn, Yaḥyā b. Maʿīn, Dāraqutnī, Nasāʾī und Ibn Saʿd war er ṯiqa. Ḥasan al-­Baṣrī sagt über ihn „Ayyūb ist der Herr der Basra-­Jugend“. Šuʿba qualifiziert Ayyūb als den „Herrn der Faqīhs“ und Ibn Mahdī ihn als „Ḥuǧǧa der Ahlu l-­Baṣra“. Er war derjenige, der die Hadithe von Nāfiʾ und Ibn Sīrīn am besten kannte. Seine Tradierungen sind in der Kutubu Sitta vorhanden.432 429 Fasawī, al-­Maʿrifa, I, S. 404; Ḏahabī, Siyar, II, S. 438, IV, S. 55. 430 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, II, S. 255; Ibn Ḥibbān, Mašāhīr, S. 237; Ḏahabī, Siyar, VI, S. 16. 431 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, II, S. 255; Ḏahabī, Siyar, VI, S. 15 f.; Sezgin, GAS, I, S. 87 f.; Akgündüz, Ahmet, Eyyûb es-­Sahtiyânî, in: DİA, İstanbul 1995, XII, S. 19; Sandıkçı, İlk Üç Asırda İslam Coğrafyasında Hadis, S. 137. 432 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VII, S. 246; Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, II, S. 255 f.; Abū Nuʿaym, Ḥilya, III, S. 3 f.; Ḏahabī, Siyar, VI, S. 17 f., 20.

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Sufyān aṯ-­Ṯawrī zählt vier Personen, deren gleiche er in Basra nicht sah, und erwähnt unter ihnen Ayyūb an erster Stelle.433 Ibn ʿUyayna, der Ayyūb unter den Ḥāfiẓu l-­Ḥadīṯe Basras nannte, drückt aus, dass er seinesgleichen unter den 86 Tābiʿūn-­Gelehrten, die er persönlich gesehen hat, nicht angetroffen habe.434 Obwohl Ayyūb im Bereich von Hadith und Fiqh so viel Lob erntete, scheute er sich nicht davor, bei einer Frage, die er nicht beantworten konnte, „Ich weiß es nicht“ zu sagen und vermied es in diesem Falle, nur mit eigener Rechtsmeinung (Raʿy) zu urteilen, sondern empfahl, dass man den Ahlu l-ʿIlm heranzog. Als er gefragt wurde, wieso er nicht nur mit Raʿy urteilte, gab er zur Antwort: „Der Esel wurde gefragt, wieso er nicht wiederkäue? Daraufhin sagte der Esel ‚ich will nichts Ekelhaftes [Bāṭil] kauen.‘“435

In den Quellen wird vermerkt, dass Ayyūb as-­Saḫtiyānī fromm, asketisch, tugendhaft, an die Sunna gebunden und ein gegen die Ahlu l-­Bidʿa kämpfender Gelehrter war. Obwohl er bis zum Morgen betete, verheimlichte er dies und empfahl, dass ein Asket seine Askese den Menschen nicht zu Last oder zur Qual machen solle. Er hatte bei seiner Bekleidung normale Ansprüche und war 40 Mal auf Pilgerfahrt.436 Ayyūb as-­Saḫtiyānī, der die krisenhafte Ära der Umayyaden erlebte, ist der Politik ferngeblieben. Als sein Freund Yazīd b. Walīd Kalif wurde, brach er sogar den Kontakt zu ihm ab und betete folgendermaßen: „O mein Herr! Lass ihn mich vergessen!“437 Den genannten Informationen nach profitierte Ayyūb von führenden Gelehrten Basras wie Ḥasan al-­Baṣrī, Ibn Sīrīn und Qatāda b. Diʿāma und erhielt dadurch das Wissensgut dieses Gebietes. Auch Sufyānayn profitierten mit Hilfe Ayyūbs von dem reichen Gedankengut Basras. Hält man sich vor Augen, dass Ḥammād b. Zayd derjenige Schüler war, der die Hadithe von Ayyūb am besten kannte438 und Ḥammād von den Sufyānayn Unterricht bekam, wird klar, dass die beiden Sufyānayn sehr stark vom Wissenserbe Basras profitierten. Außerdem tradierte Ayyūb as-­Saḫtiyānī von ʿAtāʾ b. Abī Rabāḥ, ʿIkrima al-­ Barbarī, Muǧāhid b. Ǧabr und Saʿīd b. Ǧubayr. Diese befanden sich im Lehr-

433 Ḏahabī, Siyar, VI, S. 19. 434 Abū Nuʿaym, Ḥilya, III, S. 3; Ḏahabī, Siyar, VI, S. 17. 435 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VII, S. 247; Abū Nuʿaym, Ḥilya, III, S. 8; Ḏahabī, Siyar, VI, S. 17. 436 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VII, S. 249; Abū Nuʿaym, Ḥilya, III, S. 6; Ibn Ḥibbān, Mašāhīr, S. 237; Ḏahabī, Siyar, VI, S. 17 ff. 437 Abū Nuʿaym, Ḥilya, III, S. 6 ff.; Ḏahabī, Siyar, VI, S. 22. 438 Ḏahabī, Siyar, VI, S. 20.

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kreis von Ibn ʿAbbās.439 Dadurch wird klar, dass die Sufyānayn mit Hilfe Ayyūb as-­Saḫtiyānīs vom Gedankengut Ibn ʿAbbās‘ profitierten. So wird deutlich, dass sich die Wissenschaftler jener Zeit nicht nur mit dem Gedankengut einer Region begnügten, sondern im Gegenteil über sehr verschiedene Wege Wissen erwarben und dass zwischen ihnen ein intensiver Gedankenaustausch stattfand. Solch ein lebendiges Umfeld sorgte wiederum dafür, dass in vielen Wissenszweigen fachspezifische Autoritäten heranwuchsen. 15. Manṣūr b. al-­Muʿtamir (gest. 132/750): Sein vollständiger Name lautet Abū ʿAttāb Manṣūr b. al-­Muʿtamir b. ʿAbdillāh as-­Sulamī al-­Kūfī. Er war ein Ḥāfiẓu l-­Ḥadīṯ von der Tābiʿūn-­Generation und eine bekannte Autorität in allen religiösen Wissenschaften, vor allem in der Rezitations- und der Fiqh-­Lehre. Ḏahabī bemerkt, dass Ibnu l-­Muʿtamir in seiner Jugend, obwohl sich in Kūfa einige der Prophetengefährten befanden, doch nicht von irgendeinem von ihnen tradierte.440 Unter denen, von denen Ibnu l-­Muʿtamir Hadithe übernahm, befanden sich führende Persönlichkeiten der Tābiʿūn, wie Ibrāhīm an-­Naḫaʿī, Šaʿbī, Saʿīd b. Ǧubayr, Ḥasan al-­Baṣrī, Abū Wāʾil Šaqīq b. Salama und Muǧāhid b. Ǧabr. Von ihm selbst übernahmen viele Gelehrte Hadithe, wie Ayyūb as-­Saḫtiyānī, Maʿmar b. Rāšid, Ibrāhīm b. Adham, Šuʿba b. al-­Ḥaǧǧāǧ, Sufyān aṯ-­Ṯawrī, Sufyān b. ʿUyayna und Fuḍayl b. ʿIyāḍ.441 Nach Aussage der Quellen hatte Ibnu l-­Muʿtamir ein starkes Gedächtnis. Er gilt als der bekannteste der in Kūfa aufgewachsenen Hadith-­Wissenschaftler, war in Bezug auf die Hadith-­Annahme und -Tradierung sehr akribisch und machte kein Tadlīs. Außer von den Personen, die als zuverlässig bekannt waren, schenkte er der Tradierung anderer keine Achtung. Deswegen gab es niemanden, der ihn in Bezug auf seine Gerechtigkeit (ʿAdāla) und Merkfähigkeit (Ḍabṭ) kritisierte. Folglich sind seine Tradierungen erwartungsgemäß in der Kutubu Sitta vorhanden.442 Mit Blick auf die Behauptung, dass er ein wenig schiitisch orientiert gewesen sei, sagt Ḏahabī, dass sein Schiitentum nur aus Liebe und Freundschaft bestanden habe.443 439 Fasawī, al-­Maʿrifa, I, S. 404; Ḏahabī, Siyar, II, S. 438, IV, S. 55. 440 Ḏahabī, Siyar, V, S. 402. 441 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ,  VIII, S.  177; Abū Nuʿaym, Ḥilya,  V, S.  42  f.; Mizzī, Tahḏīb, XXVIII, S. 546–549; Ḏahabī, Siyar, V, S. 402 f.; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, X, S. 277 f.; Karacabey, Sâlih, İbnü’l-­Mu’temir, in: DİA, İstanbul 2000, XXI, S. 143. 442 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, VIII, S. 179; Mizzī, Tahḏīb, XXVIII, S. 550–554; Ḏahabī, Siyar, V, S. 407; Karacabey, İbnü’l-­Mu’temir, S. 143; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, X, S. 278 f. 443 Mizzī, Tahḏīb, XXVIII, S. 554; Ḏahabī, Siyar, V, S. 407.

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Wie bereits erwähnt, war Ibnu l-­Muʿtamir besonders der Fiqh- und Rezitationslehre kundig. Sufyān aṯ-­Ṯawrī sagt über ihn: „Wenn ich al-­Aʿmaš ein Hadith des Schülerkreises Ibrāhīm an-­Naḫaʿīs überlieferte, sagte er etwas darüber. Doch wenn ich ‚Manṣūr’ sagte, schwieg er.“

Als Sufyān aṯ-­Ṯawrī Kūfa verließ, urteilte er über Manṣūr b. al-­Muʿtamir: „In Bezug auf Hadithe habe ich in Kūfa keinen Vertrauenswürdigeren hinterlassen als Manṣūr b. al-­Muʿtamir.“444

Auch der Kritiker ʿAbdurraḥmān b. Mahdī sagt, dass Ibnu l-­Muʿtamir einer der vier Personen in Kūfa war, deren Hadithe im Hinblick auf ihre Authentizität unumstritten waren.445 Ibnu l-­Muʿtamir führte ein mystisches Leben. Über ihn, der sein Gebet in einer tiefen Ehrfurcht verrichtete, sagte Sufyān aṯ-­Ṯawrī: „Sähest du ihn beim Beten zu, würdest du sagen, er stirbt [aufgrund seiner Ehrfurcht] in diesem Moment.“446

ʿAlī b. al-­Madīnī überliefert, dass Bišr b. al-­Mufaḍḍal gesagt habe: „Ich habe Sufyān aṯ-­Ṯawrī in Mekka getroffen. Ich habe ihn gefragt, ‚wer ist der Zuverlässigste bezüglich der Hadithe, den du in Kūfa hinterlassen hast?‘ Ṯawrī sagte ‚Manṣūr b. al-­Muʿtamir’. Ich habe gefragt, ‚wer ist der Vertrauenswürdigste bezüglich der Hadithe, den du in Basra hinterlassen hast?‘ Ṯawrī sagte ‚Yūnus b. ʿUbayd’“447

Nach dem, was Sufyān b. ʿUyayna mitteilte, ließ in den letzten Lebenszügen die Sehschärfe von Manṣūr b. al-­Muʿtamir nach, weil er äußerst selbstkritisch war und oft weinte.448 Dass er von dem als Imam der irakischen Schule ausgezeichneten Naḫaʿī Wissen erwarb, zeigt, dass er einen Beitrag zum Werdegang dieser Schule geleistet hat. Die Tatsache, dass er von Ḥasan al-­Baṣrī Wissen erlangte, beweist, dass ihm das Wissenserbe Basras nicht fremd war. Gleichzeitig ist es hinsichtlich der hier vorliegenden Thematik wichtig, dass auch die Sufyānayn von ihm Wissen erlangten. Des Weiteren tradierte Ibnu l-­Muʿtamir von Saʿīd b. Ǧubayr und Muǧāhid b. 444 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VI, S. 337; Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, VIII, S. 177 f.; Mizzī, Tahḏīb, XXVIII, S. 549 f. 445 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, VI, S. 160; Mizzī, Tahḏīb, XIX, S. 403, 550; Ḏahabī, Siyar, V, S. 404, 413. 446 Abū Nuʿaym, Ḥilya, V, S. 40; Ḏahabī, Siyar, V, S. 406. 447 Mizzī, Tahḏīb, XV, S. 397; Ḏahabī, Siyar, V, S. 412. 448 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VI, S. 337; Abū Nuʿaym, Ḥilya, V, S. 41; Mizzī, Tahḏīb, XXVIII, S. 554; Ḏahabī, Siyar, V, S. 406.

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Ǧabr, die sich im Lehrkreis von Ibn ʿAbbās befanden.449 Dadurch profitierten die Sufyānayn mit Hilfe Ibnu l-­Muʿtamir vom Gedankengut Ibn ʿAbbās‘ und übertrugen es in weite Kreise. 16. ʿAbdulmalik b. ʿUmayr (gest. 136/753): Sein vollständiger Name lautet Abū ʿAmr ʿAbdulmalik b. ʿUmayr b. Suwayd b. Ḥāriṯa al-­Qurašī al-­Laḫmī al-­ Qibṭī al-­Kūfī. Er ist einer aus der Tābiʿūn-­Generation, ein Ḥāfiẓu l-­Ḥadīṯ und Faqīh in Kūfa. Er tradierte Hadithe von Prophetengefährten wie Ǧundub al-­Baǧalī, Ǧābir b. Samura, Ǧabr b. ʿAtīk, ʿAmr b. Ḥurayṯ, ʿAṭiyya al-­Quraẓī, Nuʿmān b. Bašīr, Ǧarīr b. ʿAbdillāh al-­Baǧalī, Ašʿaṯ b. Qays, der basrischen weiblichen Gefährtin Ummu ʿAṭiyya bintu l-­Ḥāris und von vielen anderen Prophetengefährten. Unter denen, die von ihm tradierten, befanden sich Šuʿba, Sufyān aṯ-­Ṯawrī, Sufyān b. ʿUyayna, Musʿir b. Kidām, Hušaym b. Bašīr, Abū ʿAwāna und Ḥammād b. Salama.450 Hadith-­Kritiker kritisierten ʿAbdulmalik b. ʿUmayr nicht wegen seiner Gerechtigkeit, sondern wegen seines Gedächtnisses. Der Grund dafür ist, dass er mehr als hundert Jahre lebte und deswegen sein Gedächtnis in den letzten Jahren schwächer wurde. So sagt Abū Ḥātim über ihn: „Er ist ein ‚Ṣāliḥu l-­Ḥadīṯ451, kein Ḥāfiẓ. Vor dem Tod ist sein Gedächtnis schwächer geworden.“ In einer Überlieferung von Yaḥyā b. Maʿīn wird ausgedrückt, dass er am Ende seines Lebens die Tradierungen durcheinanderbrachte. Aḥmad b. Ḥanbal sagt über ihn: „Angesichts der Tatsache, dass seine Tradierungen nur gering an der Zahl sind, ist er tatsächlich ein Muḍṭaribu l-­Ḥadīṯ“452 und weist darauf hin, dass er schwach war. ʿAlī b. al-­Madīnī sagt, dass er etwa 200 Hadithe kannte.453

449 Fasawī, al-­Maʿrifa, I, S. 404; Ḏahabī, Siyar, II, S. 438, IV, S. 55. 450 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VI, S. 315; Buḫārī, at-­Tārīḫ, V, S. 426 f.; al-ʿIǧlī, Maʿrifa, II, S. 104; Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, V, S. 360; Mizzī, Tahḏīb, XVIII, S. 370–373; Ḏahabī, Siyar, V, S. 438 f. 451 Ein Begriff, welcher für einen Tradierer verwendet wird, der sich nach Ḏahabī und ʿIrāqī in der 4. Taʿdīl-­Stufe, nach Saḥāwī in der 6. Taʿdīl-­Stufe befindet. Die Überlieferung solch eines Tradierers wird für das Ansehen niedergeschrieben; siehe Aydınlı, Hadis Istılahları Sözlüğü, S. 136. 452 Ein Begriff, welcher für einen Tradierer verwendet wird, der sich nach ʿIrāqī in der 4. Ǧarḥ-­Stufe, nach Saḥāwī in der 5. Ǧarḥ-­Stufe befindet. Die Überlieferung solch eines Tradierers wird aufgrund dessen Ansehen niedergeschrieben; siehe Aydınlı, Hadis Istılahları Sözlüğü, S. 124. 453 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VI, S. 316; Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, V, S. 361; Ibn Ḥibbān, aṯ-­ Ṯiqāt, V, S. 116 f.; Mizzī, Tahḏīb, XVIII, S. 373 f.; Ḏahabī, Siyar, V, S. 439.

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Abū Isḥāq as-­Sabīʿī, der zwei Jahre älter war als er, sagt über den Zustand vor seinem Gedächtnisschwund: „Nehmt das Wissen von ʿAbdulmalik b. ʿUmayr!“ und betont, dass er zuverlässig war. Es ist auch überliefert, dass Sufyān aṯ-­Ṯawrī von seinem Gedächtnis fasziniert war. Sufyān b. ʿUyayna teilt mit, er habe von ʿAbdulmalik b. ʿUmayr gehört, dass er gesagt haben soll: „Wahrlich tradiere ich Hadithe so, dass ich davon keinen Buchstaben weglasse“, und betont, dass er beim Tradieren sehr akribisch war. Auch Buḫārī meint: „Er war der sprachlich Reinste unter den Menschen.“ Genauso führt Aḥmad al-ʿIǧlī aus, dass er Ṣāliḥu l-­Ḥadīṯ und ṯiqa war. Nasāʾī benutzt für ihn den Ausdruck „Lā baʾsa bih = es ist nichts falsch an ihm.“454 Nach Ḏahabī war er, was Wissen angeht, einer der Säulen von Ahlu l-­Kūfa. ʿAbdulmalik b. ʿUmayr, der ebenfalls in der Fiqh-­Wissenschaft kompetent war, übte in Kūfa vor Šaʿbī den Kadi-­Dienst aus. Ibn Ḥibbān teilt mit, dass er Tadlīs machte und erwähnt ihn in seinem Werk aṯ-­Ṯiqāt. In der Kutubu Sitta sind seine Tradierungen vorhanden.455 Nach diesen Ausführungen gilt es festzuhalten, dass ʿAbdulmalik b. ʿUmayr von vielen Prophetengefährten tradierte und der gemeinsame Lehrer der Sufyānayn war. Es kann vermutet werden, dass sich Sufyān b. ʿUyayna während seines Besuchs in Kūfa mit etwa 20 Jahren456 oder anlässlich einer Pilgerfahrt mit ʿAbdulmalik b. ʿUmayr traf und von ihm lernte. Wenn man bedenkt, dass ʿAbdulmalik b. ʿUmayr in Kūfa Kadi war, ist es wahrscheinlich, dass die Sufyānayn neben der Hadith-­Wissenschaft auch in der Fiqh von ihm profitiert haben. 17. Ḥuṣayn b. ʿAbdirraḥmān (gest. 136/753): Sein vollständiger Name lautet Abū Huḏayl Ḥuṣayn b. ʿAbdirraḥmān as-­Sulamī al-­Kūfī. Er zählt zur Tābiʿūn-­ Generation und ist einer der kūfischen Ḥāfiẓu l-­Ḥadīṯ. Von Prophetengefährten tradierte er von ʿUmāra b. Ruwayba aṯ-­Ṯaqafī, dazu von bekannten Tābiʿūn-­Gelehrten wie Ibrāhīm an-­Naḫaʿī, Saʿīd b. Ǧubayr, Abū

454 Ein Begriff, welcher für einen Tradierer verwendet wird, der sich nach Ḏahabī und ʿIrāqī in der 3. Ǧarḥ-­Stufe, nach Saḥāwī in der 5. Ǧarḥ-­Stufe befindet. Die Überlieferung solch eines Tradierers wird aufgrund dessen Ansehen niedergeschrieben; siehe Aydınlı, Hadis Istılahları Sözlüğü, S. 86. 455 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VI, S. 316; Buḫārī, at-­Tārīḫ, V, S. 427; al-ʿIǧlī, Maʿrifa, II, S. 104 f.; Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, V, S. 360; Ibn Ḥibbān, aṯ-­Ṯiqāt, V, S. 116 f.; Mizzī, Tahḏīb, XVIII, S. 373 ff.; Ḏahabī, Siyar, V, S. 439 f. 456 Ibn Ḫallikān, Wafayāt, II, S. 393. Nach der Überlieferung von Fasawī und Ḫaṭīb sagt ʿAlī b. al-­Madīnī, dass Ibn ʿUyayna in der Zeit von 122 bis 126 n. H. in Mekka wohnhaft war und danach nach Kūfa ging. Dementsprechend ging Ibn ʿUyayna mit 19 Jahren nach Kūfa; siehe Fasawī, al-­Maʿrifa, I, S. 59; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 183.

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Wāʾil Šaqīq b. Salama, Šaʿbī, ʿAbdurraḥmān b. Abī Laylā, ʿAtāʾ b. Abī Rabāḥ und ʿAmr b. Murra. Von ihm wiederum tradierten Gelehrte wie Zāʾida b. Qudāma, Sufyān aṯ-­ Ṯawrī, al-­Aʿmaš, Šarīk b. ʿAbdillāh, Šuʿba, Fuḍayl b. ʿIyāḍ und Abū Bakr b. ʿAyyāš.457 Er gilt nach dem Urteil von Autoritäten wie Abū Ḥātim, Aḥmad b. Ḥanbal, Yaḥyā b. Maʿīn, al-ʿIǧlī, Abū Zurʿa und Ḏahabī als ṯiqa. Neben der Tatsache, dass der 93 Jahre alt gewordene Ḥuṣayn b. ʿAbdirraḥmān in den letzten Jahren seines Lebens unter Gedächtnisschwund litt, wird dessen ungeachtet vermerkt, dass seine Hadithe im Allgemeinen als Beweise herangezogen werden können.458 Ḥuṣayn b. ʿAbdirraḥmān lernte von wichtigen Vertretern der Kūfa-­Schule, wie Ibrāhīm an-­Naḫaʿī, Šaʿbī und ʿAmr b. Murra, sowie von führenden Gelehrten Mekkas, wie ʿAṭāʾ und Saʿīd b. Ǧubayr, die Schüler von Ibn ʿAbbās waren.459 Das von diesem vermittelte Gedankengut Mekkas kam so mit Hilfe von Ḥuṣayn b. ʿAbdirraḥmān auch Sufyān aṯ-­Ṯawrī zugute. 18. Al-ʿAlāʾ b. ʿAbdirraḥmān (gest. 138/755): Sein vollständiger Name lautet Abū Šibl al-ʿAlāʾ b. ʿAbdirraḥmān b. Yaʿqūb al-­Ḥuraqī al-­Madanī. Er ist einer der Hadith-­Wissenschaftler Medinas und gehört zur Tābiʿūn-­Generation. Aus der Reihe der Prophetengefährten bekam er von Ibn ʿUmar und Anas b. Mālik Hadithe. Unter den Tābiʿūn-­Gelehrten, von denen er diese bekam, sind sein Vater ʿAbdurraḥmān b. Yaʿqūb, der sich im Schülerkreis von Abū Hurayra befand, Abū s-­Sāʾib Mawlā Hišām b. Zuhra, ʿIkrima Mawlā Ibn ʿAbbās und Maʿbad b. Kaʿb b. Mālik. Von ihm selbst erwarben bekannte Gelehrte Wissen, wie Mālik b. Anas, Šuʿba, Sufyān aṯ-­Ṯawrī, Sufyān b. ʿUyayna und Muslim b. Ḫālid az-­Zanǧī, der Lehrer von Imam aš-­Šāfiʿī.460 Über das Leben von al-ʿAlāʾ b. ʿAbdirraḥmān gibt es nur wenige Informationen. Ibn Saʿd sagte über ihn „Er ist ṯiqa, er kennt viele Hadithe und er ist ṯabt461.“

457 Buḫārī, at-­Tārīḫ, III, S. 7 f.; Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, III, S. 193; Mizzī, Tahḏīb, VI, S. 519 ff.; Ḏahabī, Tārīḫ, VIII, S. 400. 458 Buḫārī, at-­Tārīḫ, III, S. 7 f.; al-ʿIǧlī, Maʿrifa, I, S. 305; Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, III, S. 193; Ibn Ḥibbān, aṯ-­Ṯiqāt, VI, S. 210; Mizzī, Tahḏīb, VI, S. 521; Ḏahabī, Tārīḫ, VIII, S. 400. 459 Fasawī, al-­Maʿrifa, I, S. 404; Ḏahabī, Siyar, II, S. 438, IV, S. 55. 460 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, VI, S. 357; Mizzī, Tahḏīb, XXII, S. 520 ff.; Ḏahabī, Siyar, VI, S. 186. 461 Ṯabt: Ein ehrlicher Tradierer, dessen Merkfähigkeit (Ḍabṭ) vollkommen ist und dessen Überlieferungen als Beweise gelten; siehe Aydınlı, Hadis Istılahları Sözlüğü, S. 136.

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Aḥmad b. Ḥanbal urteilte: „Er ist ṯiqa. Ich habe keinen gehört, der etwas Schlechtes über ihn gesagt hat.“ Nasāʾī urteilte: „Lā baʾsa bih“ (es ist nichts falsch an ihm). Abū Ḥātim sagte: „Ich lehne keinen seiner Hadithe ab.“ Ein anderes Mal sagte er: „Er ist Ṣāliḥu l-­Ḥadīṯ. Auch zuverlässige Leute tradieren von ihm.“ Yaḥyā b. Maʿīn bemerkte hingegen: „Sein Hadith ist kein Beweis [Ḥuǧǧa]“. Ḏahabī sagte, dass seine Hadithe nicht unter die Ḥasan-­Hadith462 fallen, jedoch seine nicht akzeptierten Hadithe vermieden werden sollten. Ibn Ḥibbān erwähnt ihn in aṯ-­Ṯiqāt, und seine Tradierungen fanden ihren Platz in der Kutubu Sitta.463 Al-ʿAlāʾ b. ʿAbdirraḥmān, von dem im Allgemeinen die Gelehrten ein positives Bild zeichneten, war demnach ein weiterer gemeinsamer Lehrer der Sufyānayn. Des Weiteren tradierte al-ʿAlāʾ b. ʿAbdirraḥmān von ʿIkrima. Dieser befand sich im Lehrkreis von Ibn ʿAbbās.464 Dadurch übernahmen die Sufyānayn auch mit Hilfe von al-ʿAlāʾ b. ʿAbdirraḥmān von Ibn ʿAbbās‘ Gedankengut und gaben es an viele andere weiter. 19. Suhayl b. Abī Ṣāliḥ (gest. 138/755): Sein vollständiger Name lautet Abū Yazīd Suhayl b. Abī Ṣāliḥ Mawlā Ǧuwayriyya bintu l-­Aḥmas al-­Ġaṭafāniyya al-­ Madanī. Er gehört der Tābiʿūn-­Generation an und war einer der Ḥāfiẓu l-­Ḥadīṯe Medinas. Die Lehrer, von denen er Hadithe bekam, sind sein Vater Abū Ṣāliḥ und bekannte Personen wie Ṣafwān b. Abī Yazīd, Muḥammad b. Munkadir, Saʿīd b. Musayyab, Ibn Šihāb az-­Zuhrī und ʿAbdullāh b. Dīnār. Ḏahabī teilt mit, dass er keine Tradierungen von den Prophetengefährten gehabt habe. Unter denen, die von ihm tradierten, befanden sich bekannte Persönlichkeiten wie al-­Aʿmaš, Rabīʿatu r-­Raʾy, Šuʿba, Sufyān aṯ-­Ṯawrī, Sufyān b. ʿUyayna, Mālik b. Anas, Ibn Ǧurayǧ, die Ḥammādayn (Ḥammād b. Zayd und Ḥammād b. Salama) und Abū Isḥāq al-­Fazārī.465 Suhayl b. Abī Ṣāliḥ, der früher als ein großer Ḥāfiẓul-­Ḥadīṯ betrachtet wurde, trauerte zutiefst über den Tod seines Bruders ʿAbbād und zog sich eine schwe-

462 Ein Ḥasan-­Hadith ist ein Hadith, in dessen Kettenglied niemand unter dem Verdacht der Lüge steht; der auch nicht Šāḏḏ, also nur von einem Weg abstammend ist und von anderen ähnlichen Wegen auch überliefert wird; siehe Aydınlı, Hadis Istılahları Sözlüğü, S. 68. 463 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, IX, S. 331; Buḫārī, at-­Tārīḫ, VI, S. 508 f.; Ibn Abī Ḥātim, al-­ Ǧarḥ, VI, S. 357 f.; Ibn Ḥibbān, aṯ-­Ṯiqāt, VIII, S. 312; Mizzī, Tahḏīb, XXII, S. 522 f.; Ḏahabī, Siyar, VI, S. 187; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, VI, S. 269. 464 Fasawī, al-­Maʿrifa, I, S. 404; Ḏahabī, Siyar, II, S. 438, IV, S. 55. 465 Buḫārī, at-­Tārīḫ, IV, S. 104 f.; Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, IV, S. 246 f.; Mizzī, Tahḏīb, XII, S. 223 ff.; Ḏahabī, Siyar, V, S. 458; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IV, S. 231.

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re Krankheit zu. Danach wurde sein Gedächtnis schwächer und er fing an, die Tradierungen durcheinander zu bringen. Deswegen haben manche Autoritäten verständlicherweise eine negative Ansicht von seiner Zuverlässigkeit für die Zeit nach seiner Krankheit. So sagt Sufyān b. ʿUyayna: „Wir zählten Suhayl b. Abī Ṣāliḥ in der Hadith-­Wissenschaft als ‚ṯabt‘“ und betont dies ausdrücklich. Nach Yaḥyā b. Maʿīn ist sein Hadith kein Beweis (Ḥuǧǧa). Nach Abū Ḥātim kann man seine Hadithe zwar niederschreiben, jedoch sind sie keine Ḥuǧǧa.466 Über Suhayls Zustand vor dem Gedächtnisschwund sagt Aḥmad b. Ḥanbal: „Wie nutzvoll waren seine Hadithe!“ Ibn Saʿd sagt, dass die Ahlu l-­Medina und die Ahlu l-­Kūfa von ihm tradiert haben, er ṯiqa sei und viele Hadithe besäße. Nach Aḥmad al-ʿIǧlī und einem Wort von Yaḥyā b. Maʿīn ist er ṯiqa. Nach Nasāʾī ist nichts falsch an ihm. Auch Ibn Ḥaǧar sagte, dass nichts an ihm falsch sei und seine Tradierungen akzeptiert würden. Ibn Ḥibbān erwähnt ihn im aṯ-­Ṯiqāt und gibt zugleich an, dass er in seinen Tradierungen Fehler gemacht habe. Die Tatsache, dass einige Hadithe von ihm in der Kutubu Sitta vorhanden sind, zeigt, dass diese der Zeit vor seiner Krankheit zuzuordnen sind.467 Nach den vorliegenden Angaben war Suhayl b. Abī Ṣāliḥ ein gemeinsamer Lehrer der Sufyānayn. Die beiden haben von ihm noch vor seinem Gedächtnisschwund gelernt, während dies später nicht mehr möglich war. Dass Suhayl b. Abī Ṣāliḥ gleichzeitig von führenden Autoritäten Medinas Wissen erwarb, zudem bekannte Hadith-­Wissenschaftler in der Zeit, als er noch gesund war, von ihm tradierten und einige seiner Tradierungen in der Kutubu Sitta vorhanden sind, beweist, dass seine Hadithe nicht komplett unbeachtet gelassen wurden. Außerdem tradierte Suhayl b. Abī Ṣāliḥ von Saʿīd b. Musayyab. Dieser befand sich im Lehrkreis Zayd b. Ṯābits, der wiederum einen Lehrkreis innerhalb der Prophetengefährten besaß.468 Dies zeigt, dass die Sufyānayn mit Hilfe von Suhayl b. Abī Ṣāliḥ auch vom Gedankengut Zayd b. Ṯābits profitierten. 20. Yūnus b. ʿUbayd (gest. 139/756): Sein vollständiger Name lautet Abū ʿAbdillāh Yūnus b. ʿUbayd b. Dīnār al-­Baṣrī. Er ist einer der bekannten basrischen Hadith-­Wissenschaftler der Tābiʿūn-­Generation. Unter den Lehrern, von denen er tradierte, befinden sich Ḥasan al-­Baṣrī, Ibn Sīrīn, Ayyūb as-­Saḫtiyānī, Ḥumayd aṭ-­Ṭawīl, ʿAṭāʾ b. Abī Rabāḥ, ʿIkrima Mawlā

466 Mizzī, Tahḏīb, XII, S. 225 ff.; Ḏahabī, Siyar, V, S. 459; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IV, S. 231 f. 467 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, IX, S. 346; al-ʿIǧlī, Maʿrifa, I, S. 440; Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, IV, S. 247; Ibn Ḥibbān, aṯ-­Ṯiqāt, VI, S. 418 f.; Mizzī, Tahḏīb, XII, S. 226 f.; Ḏahabī, Siyar, V, S. 459 f.; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IV, S. 231 f. 468 Fasawī, al-­Maʿrifa, I, S. 404; Ḏahabī, Siyar, II, S. 438, IV, S. 55.

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Ibn ʿAbbās, Nāfiʿ Mawlā Ibn ʿUmar, Ibrāhīm at-­Taymī und ʿAmr b. Saʿīd aṯ-­ Ṯaqafī. Von ihm tradierten Ibrāhīm b. Ṭahmān, Šuʿba, Sufyān aṯ-­Ṯawrī, Ḥammād b. Salama, Ḥammād b. Zayd, Muʿtamir b. Sulaymān, Hušaym b. Bašīr und viele andere.469 Nach Ibn Saʿd, Aḥmad b. Ḥanbal, Yaḥyā b. Maʿīn und Nasāʾī ist er ṯiqa. Ibn Ḥibbān erwähnt ihn in aṯ-­Ṯiqāt mit lobenden Worten; auch bei Abū Dāwūd, Tirmiḏī, Nasāʾī und Ibn Māǧa sind seine Tradierungen vorhanden.470 Gemäß den Quellen sagte Yūnus, welcher sich sehr scheute, beim Hadith-­Tradieren einen Fehler zu machen, nachdem er einen Hadith tradierte, drei Mal: „Astaġfirullāh“ = Ich bitte Allah um Vergebung.“471 Neben Ayyūb as-­Saḫtiyānī, Sulaymān at-­Taymī und Ibn ʿAwn zählt auch Yūnus b. ʿUbayd zu den vier Grundsäulen des damaligen Gelehrtenzirkels von Basra.472 So sagt Abū Zurʿa über Yūnus b. ʿUbayd: „Qatāda ist der gelehrteste von Ḥasan al-­Baṣrīs Gefährten. Dann kommt Yūnus b. ʿUbayd.“473 Yūnus b. ʿUbayd sagt über Sufyān aṯ-­Ṯawrī: „Ich habe keinen besseren gesehen als Sufyān aṯ-­Ṯawrī.“ Als einer ihm sagte: „O Abā ʿAbdillāh! Du hast Saʿīd b. Ǧubayr, Ibrāhīm an-­Naḫaʿī, ʿAṭāʾ und Muǧāhid gesehen?!“, antwortete er: „Ich habe keinen besseren gesehen als Sufyān aṯ-­Ṯawrī.“474 ʿAlī b. al-­Madīnī überliefert, dass Bišr b. al-­Mufaḍḍal gesagt haben soll: „Ich habe Sufyān aṯ-­Ṯawrī in Mekka getroffen. Ich habe ihn gefragt: ‚Wer ist in Bezug auf Hadithe der zuverlässigste, den du in Kūfa hinterlassen hast?’ Ṯawrī sagte: ‚Manṣūr b. al-­ Muʿtamir‘. Ich fragte ihn: ‚Wer ist in Bezug auf Hadithe der Zuverlässigste, den du in Basra hinterlassen hast?’ Ṯawrī sagte: ‚Yūnus b. ʿUbayd’.“475

Diese Aussagen zeigen deutlich, dass zwischen Yūnus b. ʿUbayd und Sufyān aṯ-­ Ṯawrī eine starke und vertrauensvolle Beziehung herrschte. Yūnus wies darauf hin, dass es besser sei, die Verbote (Ḥarām) zu meiden, anstatt viel zu beten (ʿIbāda). In diesem Zusammenhang kritisiert er diejenigen, die 469 Buḫārī, at-­Tārīḫ, VIII, S. 402; Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, IX, S. 242; Mizzī, Tahḏīb, XXXII, S. 517 ff.; Ḏahabī, Siyar, VI, S. 288; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, XI, S. 389. 470 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VII, S. 260; Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, IX, S. 242; Ibn Ḥibbān, aṯ-­Ṯiqāt, VII, S. 647; Mizzī, Tahḏīb, XXXII, S. 520; Ḏahabī, Siyar, VI, S. 288, 295 Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, XI, S. 389 ff. 471 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VII, S. 260; Mizzī, Tahḏīb, XXXII, S. 521; Ḏahabī, Siyar, VI, S. 289; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, XI, S. 389. 472 Ḏahabī, Siyar, VI, S. 365 f. 473 Mizzī, Tahḏīb, XXXII, S. 516. 474 Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 165. 475 Mizzī, Tahḏīb, XV, S. 397; Ḏahabī, Siyar, V, S. 412; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, V, S. 304.

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viel fasten, jedoch ihr Fasten mit haram Essen brechen, die ganze Nacht beten, jedoch am nächsten Morgen einen Meineid schwören. Yūnus, der Diskussionen über die Vorbestimmung (Qadar) nicht guthieß, sagte, als er einige Leute sah, die dies taten: „Gäben sie Acht auf ihre Sünden, so würden sie nicht über das Qadar diskutieren.“ Yūnus, der auch darauf Wert legte, dass zwischen dem Wort und der Tat einer Person Einklang herrschen müsse, sagte: „Es sind zwei Eigenschaften in einer Person vorhanden. Wenn diese sich bessern, bessern sich auch die anderen: sein Gebet [Ṣalāt] und seine Zunge.“476

Nach den Quellen profitierte Yūnus b. ʿUbayd, der als einer der wichtigen Repräsentanten des Wissenserbes von Basra gilt, von ʿAṭāʾ b. Abī Rabāḥ und ʿIkrima, den Schülern von Ibn ʿAbbās.477 Demnach lernte er das von Ibn ʿAbbās überlieferte Gedankengut Mekkas aus der Nähe kennen. Sufyān aṯ-­Ṯawrī, der hauptsächlich das Wissen von Kūfa besaß, hatte mit Hilfe dieses Lehrers die Möglichkeit, sowohl das Wissenserbe Basras als auch das von Mekka kennenzulernen. 21. ʿĀṣim al-­Aḥwal (gest. 142/759): Sein vollständiger Name lautet Abū ʿAbdirrahmān ʿĀṣim b. Sulaymān al-­Aḥwal al-­Baṣrī. Er war ein Hadith-­ Wissenschaftler aus der Tābiʿūn-­Generation. Aus der Reihe der Prophetengefährten bekam er Hadithe von Anas b. Mālik und ʿAbdullāh b. Sarǧis. Die anderen Lehrer, von denen er solche erhielt, waren bekannte Gelehrte wie Ibrāhīm an-­Naḫaʿī, Ḥasan al-­Baṣrī, Ibn Sīrīn, Saʿīd b. Ǧubayr und Muǧāhid. Von ihm tradierten bekannte Persönlichkeiten wie Qatāda, Dāwūd b. Abī Hind, Sulaymān at-­Taymī, Šuʿba, Maʿmar b. Rāšid, Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān, ʿAbdullāh b. al-­Mubārak, Sufyān aṯ-­Ṯawrī und Sufyān b. ʿUyayna.478 Entgegen der Tatsache, dass Yaḥyā al-­Qaṭṭān ihn in Bezug auf Hadithe als schwach betrachtete, stuften ihn viele Gelehrte, wie Ibn Saʿd, al-ʿIǧlī, Aḥmad b. Ḥanbal, Ibn Maʿīn, Abū Zurʿa und ʿAlī b. al-­Madīnī, als ṯiqa ein. In der Kutubu Sitta sind seine Hadithe vorhanden.479

476 Mizzī, Tahḏīb, XXXII, S. 525 ff.; Ḏahabī, Siyar, VI, S. 291 ff.; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, XI, S. 390. 477 Fasawī, al-­Maʿrifa, I, S. 404; Ḏahabī, Siyar, II, S. 438, IV, S. 55. 478 Buḫārī, at-­Tārīḫ,  VI, S.  485; Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ,  VI, S.  343; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, XII, S. 243–247; Ḏahabī, Siyar, VI, S. 13 f.; Uğur, Mücteba, Âsım el-­Ahvel, in: DİA, İstanbul 1991, III, S. 475. 479 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VII, S. 256, 319; al-ʿIǧlī, Maʿrifa, II, S. 8; Ibn Abī Ḥātim, al-­ Ǧarḥ, VI, S. 343, 644; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, XII, S. 245 f.; Ḏahabī, Siyar, VI, S. 14.

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Nach Sufyān aṯ-­Ṯawrī gab es in Basra drei große Ḥāfiẓul-­Ḥadīṯe: Sulaymān at-­Taymī, ʿĀṣim al-­Aḥwal und Dāwūd b. Abī Hind. Der Beste unter ihnen sei ʿĀṣim al-­Aḥwal.480 Bedenkt man, dass dieser in der Zeit des 2. abbasidischen Kalifen Abū Ǧaʿfar al-­Manṣūr (136–158/754–775) in der Stadt Madāʾin als Kadi amtierte und die Aufgabe hatte, für die Kontrolle von Maß und Gewicht im Kūfa-­Basar zu sorgen,481 so wird ersichtlich, dass ʿĀṣim al-­Aḥwal neben den Hadith-­Wissenschaften auch in der Fiqh-­Wissenschaft ausgebildet war. Nach den Quellen war ʿĀṣim al-­Aḥwal ein weiterer gemeinsamer Lehrer der Sufyānayn, von dem sie Wissen erwarben. Sie hatten auf diesem Weg die Möglichkeit, das Wissenserbe Basras aus der Nähe kennenzulernen. Außerdem tradierte ʿĀṣim al-­Aḥwal von Saʿīd b. Ǧubayr und Muǧāhid, die Schüler von Ibn ʿAbbās waren.482 So zogen die Sufyānayn auch mit Hilfe ʿĀṣim al-­Aḥwals vom Gedankengut Mekkas Nutzen, das über Ibn ʿAbbās kam. 22. Ḥumayd aṭ-­Ṭawīl (gest. 143/750): Sein vollständiger Name lautet Abū ʿUbayda Ḥumayd b. Abī Ḥumayd al-­Baṣrī. Er ist ein Hadith-­Wissenschaftler aus der Tābiʿūn-­Generation. Ḥumayd bekam Hadithe von dem Ṣaḥābī Anas b. Mālik und von den Tābiʿūn wie Ḥasan al-­Baṣrī, Raǧāʾ b. Ḥaywa, Ṯābit al-­Bunānī und Nâfiʿ. Von ihm tradierten Gelehrte wie Hušaym b. Bašīr, Šuʿba b. al-­Ḥaǧǧāǧ, Ḥammād b. Salama, Mālik b. Anas, Sufyān aṯ-­Ṯawrī, Sufyān b. ʿUyayna, Isḥāq al-­Fazārī, Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān, Yaḥyā b. Saʿīd al-­Anṣārī und Abū Bakr b. ʿAyyāš Hadithe.483 Kritiker wie Ibn Saʿd, Yaḥyā b. Maʿīn, al-ʿIǧlī und Abū Ḥātim ar-­Rāzī sagen, dass er ein zuverlässiger Tradierer gewesen sei. Auch wenn Ḥumayd in einigen Überlieferungen, die er von Anas b. Mālik bekam, Tadlīs machte und deswegen kritisiert wurde, hat dies seine Zuverlässigkeit doch nicht beeinträchtigt, weil sein Lehrer Ṯābit al-­Bunānī, den er in der Überliefererkette fallen ließ, ein zuverlässiger Tradierer war. Seine Tradierungen haben ihren Platz in der Kutubu Sitta gefunden.484 480 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, VI, S. 343; Ḏahabī, Siyar, VI, S. 14. 481 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VII, S. 256, 319; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, XII, S. 243, 244, 245, 247. 482 Fasawī, al-­Maʿrifa, I, S. 404; Ḏahabī, Siyar, II, S. 438, IV, S. 55. 483 Buḫārī, at-­Tārīḫ, II, S. 348; Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, III, S. 219; Mizzī, Tahḏīb, VII, S. 355–358; Ḏahabī, Siyar, VI, S. 163 f.; Sezgin, GAS, I, S. 89; Toksarı, Ali, Humeyd et-­Tavîl, in: DİA, İstanbul 1998, XVIII, S. 356 f. 484 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt,  VII, S.  252; Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ,  III, S.  219; Mizzī, Tahḏīb, VII, S. 359; Ḏahabī, Siyar, VI, S. 164–167.

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Qatāda und Ḥumayd waren die führenden Gefährten Ḥasan al-­Baṣrīs.485 Der besonnene Ḥumayd, dessen Wort in der Gesellschaft Gehör fand, wurde aufgrund dessen, dass er in Basra eine konfliktlösende respektable Person war, als „Muṣliḥu Ahli l-­Baṣra = die Person, die im basrischen Volk den Frieden stiftet“ bekannt. In den Quellen wird angegeben, dass Ḥumayd viele Gebete verrichtete und viel fastete und starb, während er beim Gebet stand.486 Nach den Quellen war Ḥumayd aṭ-­Ṭawīl ein weiterer gemeinsamer Lehrer der Sufyānayn. Da er auch einer der führenden Gefährten der herausragenden Persönlichkeit des Wissenszentrums Basra, Ḥasan al-­Baṣrī, war, lässt sich feststellen, dass die Sufyānayn mit seiner Hilfe einen großen Nutzen aus dem Gedankengut Basras zogen. 23. Yaḥyā b. Saʿīd al-­Anṣārī (gest. 143/760): Sein vollständiger Name lautet Abū Saʿīd Yaḥyā b. Saʿīd b. Qays al-­Anṣārī al-­Madanī. Er tradierte von Prophetengefährten wie Anas b. Mālik und Sāʿib b. Zayd. Auch von Gelehrten wie Saʿīd b. Musayyab, Sālim b. ʿAbdillāh, ʿAlī b. Ḥusayn, Sulaymān b. Yasār und Zuhrī bekam er Hadithe. Von ihm erwarben viele bekannte Gelehrte wie Zuhrī, ʿUrwa b. Zubayr, Ḥumayd aṭ-­Ṭawīl, Ayyūb as-­Saḫtiyānī, ʿUbaydullāh b. ʿUmar, Šuʿba, Mālik b. Anas, al-­Awzāʿī, Sufyān aṯ-­Ṯawrī, Sufyān b. ʿUyayna, Ḥammād b. Salama, Ḥammād b. Zayd, Layṯ b. Saʿd, Isḥāq al-­Fazārī, ʿAbdullāh b. al-­Mubārak, Qāḍī Abū Yūsuf, Ibn ʿUlayya und Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān Wissen.487 Gemäß dem Urteil von Autoritäten wie Yaḥyā b. Maʿīn, Ibn Saʿd, Aḥmad b. Ḥanbal, Abū Zurʿa, Aḥmad al-ʿIǧlī und Nasāʾī war er zuverlässig. Auch nach Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān gibt es bezüglich seiner Zuverlässigkeit keine Meinungsverschiedenheit. Von Zeit zu Zeit wurde er als Zuhrī ebenbürtig oder diesem sogar überlegen erachtet. In der Kutubu Sitta sind seine Überlieferungen vorhanden.488 Yaḥyā b. Saʿīd, der ein Schüler der „Fuqahāʾu s-­Sabʿa = der sieben medinensischen Fiqh-­Gelehrten“ war, wurde in Wissenskreisen als „Der Gelehrte Medinas seiner Zeit“ anerkannt. Er übte in Medina den Beruf des Kadis und des Muftis aus.489

485 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, III, S. 219; Mizzī, Tahḏīb, VII, S. 359; Ḏahabī, Siyar, VI, S. 165. 486 Mizzī, Tahḏīb, VII, S. 363; Ḏahabī, Siyar, VI, S. 167 f. 487 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, IX, S. 336; Buḫārī, at-­Tārīḫ, VIII, S. 275 f.; Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, IX, S. 147 f.; Mizzī, Tahḏīb, XXXI, S. 346–351; Ḏahabī, Siyar, V, S. 468 f., 476–482. 488 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt,  IX, S.  338; Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ,  IX, S.  148  f.; Mizzī, Tahḏīb, XXXI, S. 353, 355 f.; Ḏahabī, Siyar, V, S. 474 ff. 489 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, IX, S. 338; Mizzī, Tahḏīb, XXXI, S. 346; Ḏahabī, Siyar, V, S. 468, 470, 475.

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Der basrische Ayyūb as-­Saḫtiyānī sagte während seiner Rückkehr von Medina zu Ḥammād b. Zayd: „In Medina habe ich keinen besseren Faqīh hinterlassen als Yaḥyā b. Saʿīd al-­Anṣārī“ und wies auf seine Stellung in der Fiqh-­Wissenschaft hin. Auch Sufyān b. ʿUyayna zählte Zuhrī, Yaḥyā b. Saʿīd al-­Anṣārī und Ibn Ǧurayǧ zu den führenden Hadith-­Wissenschaftlern von Ḥiǧāz und gab an, dass diese ihre Hadithe sachgerecht tradierten. Sufyān aṯ-­Ṯawrī erwähnte ihn unter den vier wichtigen Ḥāfiẓul-­Ḥadīṯen seiner Zeit.490 Es zeigt sich, dass Yaḥyā b. Saʿīd al-­Anṣārī als weiterer gemeinsamer Lehrer der Sufyānayn aufgrund der Tatsache, dass er ein Schüler der Fuqahāʾu s-­Sabʿa war, neben den Hadith-­Wissenschaften, auch in der Fiqh-­Wissenschaft anerkannt war, einen sehr großen und bekannten Schülerkreis besaß und das absolute Vertrauen der Wissenschaftskreise seiner Zeit besaß. Des Weiteren tradierte er von Saʿīd b. Musayyab und Sulaymān b. Yasār. Diese befanden sich im Lehrkreis Zayd b. Ṯābits, der wiederum einen Lehrkreis innerhalb der Prophetengefährten besaß.491 Die Sufyānayn hatten mit Hilfe dieses Lehrers Kenntnis vom Gedankengut Zayd b. Ṯābits und trugen es weiter. 24. Sulaymān at-­Taymī (gest. 143/760): Sein voller Name lautet Abu l-­ Muʿtamir Sulaymān b. Ṭarḫān al-­Qaysī at-­Taymī al-­Baṣrī. Er gehört zur Tābiʿūn-­ Generation und zu den bekannten Ḥāfiẓu l-­Ḥadīṯen Basras sowie den frommen Muǧtahid-­Gelehrten. Unter den Prophetengefährten überlieferte er von Anas b. Mālik und von Abū ʿUṯmān an-­Nahdī (gest. 100/718–719), wobei Letzterer nach den Quellen 130 Jahre gelebt haben soll und sowohl die vorislamische Zeit (Ǧāhiliyya) als auch die Ära des Islam sah (Muḫaḍramūn).492 Persönlichkeiten wie Ḥasan al-­Baṣrī, Ṭāwūs, Qatāda und Abū Isḥāq as-­Sabīʿī gehörten zu seinen wichtigen Lehrern aus der Tābiʿūn. Unter jenen, die von ihm tradierten, waren bekannte Gelehrte wie Abū Isḥāq as-­Sabīʿī, Šuʿba, Sufyān aṯ-­Ṯawrī, Sufyān b. ʿUyayna, Ḥammād b. Salama, ʿAbdullāh b. al-­Mubārak, ʿĪsā b. Yūnus und Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān.493 Ibn Saʿd erwähnte, dass sein Herz zu ʿAlī neigte, und sagte zudem, dass er ein zuverlässiger, frommer Muǧtahid mit vielen Hadithen war. Außerdem war er 490 Buḫārī, at-­Tārīḫ, VIII, S. 276; Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, IX, S. 148; Mizzī, Tahḏīb, XXXI, S. 352, 354 f.; Ḏahabī, Siyar, V, S. 472 ff. 491 Fasawī, al-­Maʿrifa, I, S. 404; Ḏahabī, Siyar, II, S. 438, IV, S. 55. 492 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VII, S. 97 f.; Ḏahabī, Siyar, IV, S. 175 f. 493 Buḫārī, at-­Tārīḫ, IV, S. 20 f.; Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, IV, S. 124; Mizzī, Tahḏīb, XII, S. 5 ff.; Ḏahabī, Siyar, VI, S. 195 f.; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IV, S. 176; Sezgin, GAS, I, S. 285; Çakan, İsmail Lütfi, Ebû Osman en-­Nehdî, in: DİA, İstanbul 1999, X, S. 210.

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laut al-ʿIǧlī, Aḥmad b. Ḥanbal, Yaḥyā b. Maʿīn und Nasāʾī ṯiqa. Yaḥyā b. Maʿīn erwähnte auch, dass er Tadlīs machte. Ibn Ḥibbān nannte ihn in seinem aṯ-­Ṯiqāt. In der Kutubu Sitta sind seine Überlieferungen vorhanden.494 Sufyān aṯ-­Ṯawrī nannte Sulaymān at-­Taymī, ʿĀṣim al-­Aḥwal und Dāwūd b. Abī Hind die führenden drei „Ḥāfiẓu l-­Ḥadīṯe Basras“.495 Wollte er jemandem einen Hadith tradieren, dann prüfte er die Person vorher in dem zu seiner Zeit berühmten Thema „Vorbestimmung“ (Qadar). Sagte der Betreffende, dass er an die Vorbestimmung glaube, so forderte er dessen Schwur, dass sein Glaube in dieser Angelegenheit tatsächlich so sei, und tradierte ihm erst danach seine Hadithe.496 Den Angaben der Quellen zufolge verfärbte sich sein Gesicht aus Respekt, als er die Hadithe des Propheten überlieferte. Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān sagte: „Ich saß nie in einer Sitzung eines Gottesfürchtigeren als ihn.“497 Sulaymān at-­Taymī, der gleichzeitig sehr fromm war, war 40 Jahre lang als Vorbeter in einer Moschee in Basra tätig und fastete kontinuierlich alle zwei Tage. Er gab viele Almosen, und wenn er einmal nichts zum Spenden fand, verrichtete er zwei Gebetseinheiten (Rakʿatayn). Sulaymān at-­Taymī, der es sich zum Prinzip machte, sich an die vorsichtigsten Urteile zu halten, sagte: „Wenn du dich an die Erlaubnis [Ruḫṣa] eines jeden Gelehrten hältst, dann sammelt sich jedes Unheil bei dir.“498

Sulaymān at-­Taymī gehörte demnach zu den führenden Gelehrten der basrischen Schule und war ein weiterer gemeinsamer Lehrer der Sufyānayn. Da er zudem von Ṭāwūs, dem Schüler von Ibn ʿAbbās,499 überlieferte, profitierten die Sufyānayn auch durch ihn vom Gedankengut Ibn ʿAbbās‘. 25. Ibn Šubruma (gest. 144/761): Sein vollständiger Name ist ʿAbdullāh b. Šubruma b. aṭ-­Ṭufayl aḍ-­Ḍabbī al-­Kūfī. Er gehörte zu den bekannten Fiqh-­Gelehrten Kūfas. Unter den Gelehrten, von denen er Wissen erwarb, waren bekannte Namen wie Anas b. Mālik, Abū Salama b. ʿAbdirraḥmān, ʿUbaydullāh b. ʿAbdillāh b. ʿUtba,

494 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VII, S. 252; al-ʿIǧlī, Maʿrifa, I, S. 430 f.; Ibn Abī Ḥātim, al-­ Ǧarḥ, IV, S. 125; Ibn Ḥibbān, aṯ-­Ṯiqāt, IV, S. 300 f.; Mizzī, Tahḏīb, XII, S. 8; Ḏahabī, Siyar, VI, S. 197, 201; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IV, S. 176 f. 495 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, IV, S. 124; Mizzī, Tahḏīb, XII, S. 9; Ḏahabī, Siyar, VI, S. 197. 496 Ḏahabī, Siyar, VI, S. 200. 497 Buḫārī, at-­Tārīḫ, IV, S. 21; Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, IV, S. 124 f.; Mizzī, Tahḏīb, XII, S. 8; Ḏahabī, Siyar, VI, S. 196. 498 Abū Nuʿaym, Ḥilya, III, S. 32; Mizzī, Tahḏīb, XII, S. 10 f.; Ḏahabī, Siyar, VI, S. 197–200. 499 Fasawī, al-­Maʿrifa, I, S. 404; Ḏahabī, Siyar, II, S. 438, IV, S. 55.

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Ibrāhīm an-­Naḫaʿī, Ḥammād b. Abī Sulaymān, Sālim b. ʿAbdillāh b. ʿUmar, Šaʿbī, Nāfiʿ, Ibn Sīrīn, ʿAṭāʾ b. Abī Rabāḥ, Ibnu l-­Munkadir, Abū Ḥanīfa und Rabīʿatu r-­Raʾy. Von ihm selbst tradierten wiederum Gelehrte wie Sufyān aṯ-­Ṯawrī, Sufyān b. ʿUyayna, Šuʿba, Ibnu l-­Mubārak, Maʿmar b. Rāšid, ʿĪsā b. Rāšid und Ǧarīr b. Abdilḥamīd.500 Gemäß dem Urteil von Autoritäten wie Ibn Saʿd, Aḥmad b. Ḥanbal, al-ʿIǧlī, Abū Ḥātim ar-­Rāzī und Nasāʾī war er ṯiqa. Ibn Ḥibbān betrachtete ihn zwar auch als zuverlässig, erwähnt jedoch, dass er sich auch manches Mal irrte.501 Möglicherweise dadurch, dass er vor allem offiziell als Kadi beschäftigt war, gibt es nur etwa 50 oder 70 Hadithe, die er überlieferte. In seinem Werk al-­Ǧāmiʿu ṣ-­Ṣaḥīḥ nahm Buḫārī die Überlieferungen Ibn Šubrumas zu Zeugen und tradierte in Adabu l-­Mufrad von ihm. Bis auf Tirmiḏī räumten die Kutubu Sitta-­Imame in ihren Büchern seinen Hadithen einen Platz ein.502 Ibn Šubruma trat eher in der Fiqh-­Wissenschaft zum Vorschein und ist als ein Muǧtahid, der auch Kadi von Kūfa war, bekannt. Ḥammād b. Zayd sagte, dass er in Kūfa keinen besseren Faqīh als ihn gesehen habe. Sufyān aṯ-­Ṯawrī wiederum sagte: „Unsere Fiqh-­Gelehrten sind Ibn Šubruma und Ibn Abī Laylā.“503 Nach den Quellen war Ibn Šubruma ein weiterer gemeinsamer Lehrer der Sufyānayn. Wird die oben angeführte Aussage Sufyān aṯ-­Ṯawrīs in Betracht gezogen, so kann ihr entnommen werden, dass zwischen ihnen in der Fiqh-­Wissenschaft definitiv ein Wissensaustausch stattfand, auch wenn dessen Dimensionen nicht genau bestimmt werden können. Da ferner Ibn Šubruma von ʿAṭāʾ b. Abī Rabāḥ, einem der Schüler von Ibn ʿAbbās,504 überlieferte, zeigt sich, dass die Sufyānayn auch durch Ibn Šubruma am Gedankengut von Ibn ʿAbbās teilhatten. 26. Ismāʿīl b. Abī Ḫālid (gest. 146/763): Sein voller Name ist Abū ʿAbdillāh Ismāʿīl b. Abī Ḫālid al-­Baǧalī al-­Aḥmasī al-­Kūfī. Er gehört zur Tābiʿūn-­Generation und zu den führenden Hadith-­Gelehrten Kūfas.

500 Buḫārī, at-­Tārīḫ, V, S. 117; Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, V, S. 82; Mizzī, Tahḏīb, XV, S. 76 ff.; Ḏahabī, Siyar, VI, S. 347 f.; Vadet, J. C., Ibn Shubruma, in: EI2, (New Edition), Leiden 1986, III, S. 938; Özen, Şükrü, İbn Şübrüme, in: DİA, İstanbul 1999, XX, S. 379 ff. 501 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VI, S. 350; al-ʿIǧlī, Maʿrifa, II, S. 34; Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, V, S. 82; Ibn Ḥibbān, aṯ-­Ṯiqāt, VIII, S. 364; Mizzī, Tahḏīb, XV, S. 78 f.; Ḏahabī, Siyar, VI, S. 348. 502 Mizzī, Tahḏīb, XV, S. 80; Ḏahabī, Siyar, VI, S. 348. 503 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VII, S. 248; al-ʿIǧlī, Maʿrifa, II, S. 33 f.; Ibn Abī Ḥātim, al-­ Ǧarḥ, I, S. 72; V, S. 82; Šīrāzī, Ṭabaqātul-­Fuqahā ͗, S. 84; Mizzī, Tahḏīb, XV, S. 79. 504 Fasawī, al-­Maʿrifa, I, S. 404; Ḏahabī, Siyar, II, S. 438, IV, S. 55.

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Unter den Gelehrten, von denen er Hadithe übernahm, waren Prophetengefährten wie Anas b. Mālik, ʿAbdullāh b. Abī Awfā, ʿAwn b. Abī Ǧuḥayfa Wahb as-­Suwāʾī, ʿAmr b. Ḥurayṯ al-­Maḫzūmī, Abū Kāhil Qays b. ʿĀʾiḏ und Ṭāriq b. Šihāb sowie Tābiʿūn-­Gelehrte wie Qays b. Abī Ḥāzim, Zayd b. Wahb, Šaʿbī, Salama b. Kuhayl und Abū Isḥāq as-­Sabīʿī. Von ihm überlieferten wiederum bekannte Gelehrte wie Ḥakam b. ʿUtayba, Zāʾida b. Qudāma, Šuʿba, Sufyān aṯ-­Ṯawrī, Sufyān b. ʿUyayna, Šarīk b. ʿAbdillāh, ʿAbdullāh b. al-­Mubārak, ʿAbdullāh b. Numayr, ʿĪsā b. Yūnus, Wakīʿ b. al-­Ǧarrāḥ, Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān und ʿUbaydullāh b. Mūsā.505 Laut Yaḥyā b. Maʿīn, al-ʿIǧlī, Nasāʾī, ʿAbdurraḥmān b. Mahdī, Yaʿqūb b. Šayba, Aḥmad b. Ḥanbal und vielen weiteren Kritikern war er ṯiqa. Ḏahabī sagt, dass in der Bewertung seiner Zuverlässigkeit, Solidität und Geltung Einigkeit herrsche, dass er nicht in Schiismus (Tašayyuʿ) und verwerflichen Neuerungen (Bidʿa) verwickelt war und zu seiner Zeit, zusammen mit al-­Aʿmaš, zu den elitären Hadith-­ Gelehrten Kūfas gehörte, ja sogar als solider als al-­Aʿmaš akzeptiert wurde. Ibn Ḥibbān erwähnt ihn in seinem aṯ-­Ṯiqāt. In der Kutubu Sitta befinden sich Überlieferungen von ihm.506 Sufyān aṯ-­Ṯawrī sagte über ihn: „Unserer Meinung nach gibt es vier Ḥuffāẓ unter den Menschen, und zwar Ismāʿīl b. Abī Ḫālid, Abdulmalik b. Abī Sulaymān, ʿĀṣim al-­Aḥwal und Yaḥyā b. Saʿīd al-­Anṣārī.“

Ein anderes Mal sagte er: „Ismāʿīl b. Abī Ḫālid ist bezüglich Šaʿbī der beste Kenner und der Zuverlässigste unter den Menschen.“ Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān berichtete, dass Sufyān aṯ-­Ṯawrī begeistert über sein Wissen war.507 Auch Ismāʿīl b. Abī Ḫālid war ein weiterer gemeinsamer Lehrer der Sufyānayn. Es ist ersichtlich, dass bei der Erweiterung des kūfischen Wissenserbes und dessen Transfer zu den Nachfolgegenerationen der Name von Ismāʿīl b. Abī Ḫālid zusammen mit führenden Hadith-­Gelehrten wie Šaʿbī und al-­Aʿmaš erwähnt wird. Betrachtet man die Aussagen Sufyān aṯ-­Ṯawrīs über ihn, so kann gesagt werden, dass er tiefe Spuren bei Ṯawrī hinterließ und dass Sufyān b. ʿUyayna durch diesen Lehrer die Wissenstradition Kūfas näher kennenlernte.

505 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VI, S. 344; Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, II, S. 174; Mizzī, Tahḏīb, III, S. 69–72; Ḏahabī, Siyar, VI, S. 176; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, I, S. 254 f. 506 Al-ʿIǧlī, Maʿrifa, I, S. 224; Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, II, S. 175 f.; Ibn Ḥibbān, aṯ-­ Ṯiqāt, IV, S. 19 f.; Mizzī, Tahḏīb, III, S. 74 f.; Ḏahabī, Siyar, VI, S. 176 f.; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, I, S. 255. 507 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VI, S. 344; Buḫārī, at-­Tārīḫ, I, S. 351; Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 77; Mizzī, Tahḏīb, III, S. 73; Ḏahabī, Siyar, VI, S. 177; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, I, S. 255.

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27. Maʿmar b. Rāšid (gest. 153/770): Sein voller Name ist Abū ʿUrwa Maʿmar b. Rāšid al-­Azdī al-­Ḥaddānī al-­Baṣrī aṣ-­Ṣanʿānī. Er gehörte zur Tābiʿūn-­ Generation und war ein Hadith- und Fiqh-­Gelehrter aus dem Jemen. Zu seinen wichtigsten Lehrern gehörten bekannte Gelehrte wie Qatāda b. Diʿāma, Ibn Šihāb az-­Zuhrī, ʿAmr b. Dīnār, Hammām b. Munabbih, Yaḥyā b. Abī Kaṯīr, al-­Aʿmaš, Abū Isḥāq as-­Sabīʿī, Zayd b. Aslam, ʿAbdullāh b. Šubruma und ʿAbdullāh b. Ṭāwūs. Berühmte Hadith-­Gelehrte wie Yaḥyā b. Abī Kaṯīr, Abū Isḥāq as-­Sabīʿī, Ayyūb as-­Saḫtiyānī, ʿAmr b. Dīnār, Saʿīd b. Abī ʿArūba, Abān b. Yazīd, Ibn Ǧurayǧ, Hišām ad-­Dastuwāʾī, Šuʿba b. al-­Ḥaǧǧāǧ, Sufyān aṯ-­Ṯawrī, Sufyān b. ʿUyayna, Ibnu l-­Mubārak, Ġundar, ʿAbdarrazzāq b. Hammām aṣ-­Ṣanʿānī und Hišām b. Yūsuf tradierten seine Hadithe.508 Maʿmar ist einer der Zuverlässigsten, die von Zuhrī tradierten. Die Kritiker sind sich hinsichtlich seiner Zuverlässigkeit einig. In der Kutubu Sitta gibt es Überlieferungen von ihm.509 Ein weiterer Grund für die Bedeutung von Maʿmar ist, dass er sich im 2. Jahrhundert n. H. bei der Niederschreibung von Hadithen große Mühe gab und der Erste war, der im Jemen ein Werk schrieb. Seine Abhandlung al-­Ǧāmiʿ gilt als das älteste bis heute erhaltene Hadith-­Buch. Es diente der Kutubu Sitta als Materialquelle und als Grundlage zur Festlegung von Kapiteln. Sein Schüler ʿAbdurrazzāq aṣ-­Ṣanʿānī fügte das al-­Ǧāmiʿ seines Lehrers dem Ende seines eigenen Werkes al-­Muṣannaf an.510 Den Quellen nach ist Maʿmar, der ein gemeinsamer Lehrer von Sufyān aṯ-­ Ṯawrī und Sufyān b. ʿUyayna war, vor allem aus Sufyān aṯ-­Ṯawrīs Sicht von besonderer Bedeutung. Wie bereits erwähnt konnte Sufyān aṯ-­Ṯawrī nicht persönlich von Zuhrī profitieren, da er wegen finanzieller Schwierigkeiten nicht zu ihm reisen konnte. Jedoch erhielt er nach seinen eigenen Worten „das ganze Wissen Zuhrīs“ von dessen Schüler Maʿmar übermittelt, „sodass es nicht mehr nötig war, von diesem persönlich zu hören.“511 Wenn man sich vor Augen hält, dass auch Sufyān b. ʿUyayna einer der Zuverlässigsten und Prominentesten unter Zuhrīs 508 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, V, S. 546; Buḫārī, at-­Tārīḫ, VII, S. 378 f.; Ibn Abī Ḥātim, al-­ Ǧarḥ, VIII, S. 255 f.; Mizzī, Tahḏīb, XXVIII, S. 303–306; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 5 f.; Sezgin, GAS, I, S. 99, 290 f. 509 Ibn Ḥibbān, aṯ-­Ṯiqāt,  VII, S.  484; Mizzī, Tahḏīb,  XXVIII, S.  307–310; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 10, 14. 510 Hatiboğlu, İbrahim, Ma’mer b. Râşid, in: DİA, Ankara 2003, XXVII, S. 553; Motzki Harald, Die Anfänge der islamischen Jurisprudenz, S. 39, 56. 511 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 57, 76; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 8.

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Gefährten war,512 und beachtet man die enge Beziehung zwischen den Sufyānayn, so wird ersichtlich, dass beide an dem über Zayd b. Ṯābit an sie gelangenden513 Wissensgut partizipierten. 28. Al-­Aʿmaš (gest. 148/765): Sein voller Name ist Abū Muḥammad Sulaymān b. Mihrān al-­Kūfī. Er war einer der Tābiʿūn-­Gelehrten, der besonders in den Hadith-­Wissenschaften, der Koranrezitationslehre und dem Erbrecht (ʿIlmu l-­ Farāʾiḍ) glänzte. Al-­Aʿmaš, der den Prophetengefährten Anas b. Mālik sah, jedoch von ihm keine Hadithe hörte, lernte unter anderem von Yaḥyā b. Waṯṯāb, Zayd b. Wahb, Ibrāhīm an-­Naḫaʿī, Muǧāhid b. Ǧabr, Abu l-ʿĀliya ar-­Riyāḥī, ʿĀṣim b. Abi n-­ Naǧūd, Saʿīd b. Ǧubayr, Qays b. Abī Ḥāzim, Abū Wāʾil Šaqīq b. Salama, Ibn Abī Laylā, ʿAmr b. Murra und Šaʿbī. Von ihm tradierten wiederum führende Wissenschaftler ihrer Zeit, wie Abū Isḥāq as-­Sabīʿī, Ayyūb as-­Saḫtiyānī, Abū Ḥanīfa, Šuʿba, al-­Awzāʿī, Sufyān aṯ-­ Ṯawrī, Sufyān b. ʿUyayna, Maʿmar b. Rāšid und Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān.514 Er ist für sehr viele Autoritäten wie Yaḥyā b. Maʿīn, ʿAbdurraḥmān b. Mahdī, alʿIǧlī und Nasāʾī ṯiqa. Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān benutzt für ihn den Begriff ʿAllāmatu l-­Islām, Abū Bakr b. ʿAyyāš den Begriff Sayyidu l-­Muḥaddiṯīn und Abū Zurʿa nennt ihn Imām. Aufgrund der Richtigkeit in seinen Überlieferungen wird er Muṣḥaf genannt. Es wird in den Quellen auch erwähnt, dass al-­Aʿmaš bei den Überlieferungen, welche er von Anas b. Mālik und ʿAbdullāh b. Abī Awfā als Mursal515 tradierte, Tadlīs machte. Seine Überlieferungen fanden in der Kutubu Sitta ihren Platz.516 Al-­Aʿmaš wird als der beste Kenner der Hadithe von Ibn Masʿūd bezeichnet.517 Gleichzeitig ist bekannt, dass er in der Rezitationslehre ein kompetenter Gelehrter 512 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, VIII, S. 257; Mizzī, Tahḏīb, XXVIII, S. 308; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 10. 513 Fasawī, al-­Maʿrifa, I, S. 404; Ḏahabī, Siyar, II, S. 438, IV, S. 55. 514 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt,  VI, S.  342; Buḫārī, at-­Tārīḫ,  IV, S.  37; Ibn Abī Ḥātim, al-­ Ǧarḥ, IV, S. 146; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 3 f.; Ibn Ḫallikān, Wafayāt, II, S. 400; Ḏahabī, Siyar, VI, S. 226–228; Uğur, Mücteba, A’meş, in: DİA, İstanbul 1991, III, S. 54; Brockelmann, Carl, al- Aʿmash, in: EI2, (New Edition), Leiden 1997, I, S. 431. 515 Hadith, welche ein Tradierer aus der Tābiʿūn-­Generation direkt vom Propheten in Form von „qāla Rasūlullāh = Der Prophet hat so gesagt“ tradierte, indem er den Prophetengefährten ausschließt, von dem er es bekam; vgl. Koçyiğit, Hadis Istılahları, S. 291; Aydınlı, Hadis Istılahları Sözlüğü, S. 112. 516 Al-ʿIǧlī, Maʿrifa, I, S. 432, 434; Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, IV, S. 146 f.; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 5, 8, 11; Ibn Ḫallikān, Wafayāt, II, S. 400; Ḏahabī, Siyar, VI, S. 227, 234, 247. 517 Buḫārī, at-­Tārīḫ, IV, S. 38; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 10; Ḏahabī, Siyar, VI, S. 233, 246.

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war, da er die Rezitationsart von Ibn Masʿūd, welche mit der Kette „Ibn Masʿūd =>ʿAlqama => ʿUbayd b. Nuḍayla al-­Ḫuzāʿī => Yaḥyā b. Waṯṯāb => al-­Aʿmaš“ überliefert wurde, bei dem als „der Qāriʾ vom Irak“ berühmt gewordenen Yaḥyā b. Waṯṯāb studierte.518 Sufyān aṯ-­Ṯawrī war eine große Autorität in Bezug auf das Beherrschen der Hadithe von al-­Aʿmaš und wird von den Hadith-­Autoritäten als derjenige bezeichnet, der die Hadithe von al-­Aʿmaš am besten kennt, sogar besser als al-­ Aʿmaš selbst, sodass er al-­Aʿmaš verbesserte, wenn dieser einen Fehler machte.519 ʿAbdullāh b. Dāwūd gibt an, dass Sufyān b. ʿUyayna zu Lebenszeiten von al-­ Aʿmaš nach Kūfa kam und in seiner Sitzung 50 Hadithe überlieferte, und bemerkte dazu: „Al-­Aʿmaš sagte Sufyān einen Hadith auf, Sufyān ihm einen Hadith. Dann sagte al-­Aʿmaš zu Sufyān: ‚Auf dem Markt ist eine festliche Stimmung aufgekommen und die Menschen sind mit zwei Personen anstatt einer zufrieden.‘“

Außerdem wird in den Quellen erwähnt, dass al-­Aʿmaš von Ibn ʿUyayna einige Hadithe erfragte.520 Sufyān b. ʿUyayna konstatierte ferner, dass al-­Aʿmaš derjenige war, der unter den Ahlu l-­Kūfa den Koran am besten rezitierte, die Hadithe auch am besten memorisierte und das Erbrecht am besten kannte, und damit die kūfischen Wissenschaftler seiner Zeit übertraf.521 Man sieht demnach, dass sich al-­Aʿmaš beim Transfer des vom Propheten kommenden Wissensgutes an die nächsten Generationen sich unter den Persönlichkeiten befand, welche hierbei im 2. Jahrhundert n. H. eine Schlüsselrolle spielten, und dass der Kūfenser Ṯawrī das letzte Glied der Kette war. So sagt ʿAlī b. al-­Madīnī: „Ich sehe, dass die Überliefererkette aus sechs Personen besteht: Zuhrī aus Medina, ʿAmr b. Dīnār aus Mekka, Qatāda und Yaḥyā b. Abī Kaṯīr aus Basra, Abū Isḥāq und al-­Aʿmaš aus Kūfa. Dann kommt das Wissen dieser sechs Personen bei Sufyān aṯ-­Ṯawrī aus Kūfa an.“522

In diesem Zusammenhang sagte ʿAlī b. al-­Madīnī in einer anderen Rede auch: „Ich sehe, dass die Überliefererkette aus sechs Personen besteht: Diese sind Zuhrī [gest. 124/742], ʿAmr b. Dīnār [gest. 126/744], Qatāda [gest. 118/736], Yaḥyā b. Abī Kaṯīr [gest. 129/747], Abū Isḥāq al-­Hamadānī as-­Sabīʿī [gest. 127/745] und al-­Aʿmaš [gest. 148/765].

518 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VI, S. 342; Ḏahabī, Siyar, VI, S. 228. 519 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VI, S. 343; Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 63 f.; Ḏahabī, Siyar, VI, S. 247, VII, S. 239. 520 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 311; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 175. 521 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 9; Ḏahabī, Siyar, VI, S. 228, 246. 522 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 59 f.; Ḏahabī, Siyar, IX, S. 526.

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Dann erreichte das Wissen dieser sechs Personen diejenigen, die Fachleute in der Kategorisierung [Taṣnīf] sind. Die Personen aus Hiǧāz, welche sich mit der Kategorisierung beschäftigten, sind Mālik, Ibn Ǧurayǧ [gest. 150/767], Sufyān b. ʿUyayna und Muḥammad b. Isḥāq.“523

Nach diesen Quellen steht fest, dass al-­Aʿmaš der Schüler Naḫaʿīs, einer der Imame des irakischen Wissenschaftszentrum, war, die Entwicklung der rechtswissenschaftlichen Denkweise sowie der Raʾy-­B ewegung in diesem Gebiet beförderte und außerdem der gemeinsame Lehrer Sufyānayns war. Der Beitrag von al-­Aʿmaš belegt dazu, dass die Sufyānayn die Denkweise der irakischen Fiqh-­Schule und deren Wissensansammlung kennenlernten. Darüber hinaus kann gesagt werden, dass Sufyan at-­Ṯawrī bei der Verifizierung der Hadith-­ Sammlung von al-­Aʿmaš, der als der beste Kenner der Hadithe von Ibn Masʿūd akzeptiert wird, eine aktive Rolle spielte. Es lässt sich feststellen, dass auch Ibn ʿUyayna unter anderem durch Sufyan at-­Ṯawrī und al-­Aʿmaš die Wissenschaftstradition Kūfas erbte, welche über ʿAbdullāh b. Masʿūd kam. Da al-­Aʿmaš von Muǧāhid b. Ǧabr und Saʿīd b. Ǧubayr, den Schülern von Ibn ʿAbbās524, überlieferte, kann dem außerdem entnommen werden, dass die Sufyānayn auch durch al-­Aʿmaš mit dem Gedankengut von Ibn ʿAbbās vertraut wurden. 29. Ibn Abī Laylā (gest. 148/765): Sein voller Name ist Abū Abdirraḥmān Muḥammad b. Abdirraḥmān b. Abī Laylā al-­Anṣārī al-­Kūfī. Unter seinen Lehrern, von denen er profitierte, waren Wissenschaftler wie ʿAṭāʾ b. Abī Rabāḥ, ʿAmr b. Murra, Šaʿbī, al-­Aʿmaš, Nāfiʿ, ʿAṭiyya al-ʿAwfī, und sein Bruder ʿĪsā. Viele Gelehrte, wie Ibn Ǧurayǧ, Šuʿba b. al-­Ḥaǧǧāǧ, Zāʾida b. Qudāma, Sufyān aṯ-­Ṯawrī, Sufyān b. ʿUyayna, Abū Yūsuf, Yaḥyā b. Abī Zāʾida, ʿĪsā b. Yūnus as-­ Sabīʿī, Ḥamza az-­Zayyāt, der einer der sieben Rezitationsimame ist, ʿAlī b. Mushir, Wakīʿ b. al-­Ǧarrāḥ und Abū Nuʿaym Faḍl b. Dukayn, profitierten von ihm.525 Seine Hadith-­Tradierung wurde nicht wegen seiner Gerechtigkeit (ʿAdāla), sondern im Hinblick auf sein Memorieren (Ḥifẓ) und seine Merkfähigkeit (Ḍabṭ) zum Gegenstand der Kritik. In diesem Zusammenhang sagten Hadith-­ 523 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 34. 524 Fasawī, al-­Maʿrifa, I, S. 404; Ḏahabī, Siyar, II, S. 438, IV, S. 55. 525 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VI, S. 358; Buḫārī, at-­Tārīḫ, I, S. 162; al-ʿIǧlī, Maʿrifa, II, S. 243; Mizzī, Tahḏīb, XXV, S. 622 ff.; Ḏahabī, Siyar, VI, S. 310 f.; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IX, S. 268 f.; al-­Afgānī, Abu l-­Wafāʾ, Iḫtilāfu Abī Ḥanīfa wa Ibn Abī Laylā, Kairo 1357, S. 6 ff.; Schacht Joseph, The Origins of Muhammadan Jurisprudence, Oxford 1975, S. 290–294.

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Wissenschaftler wie Yaḥyā b. Maʿīn, Nasāʾī, Dāraquṭnī, ʿAlī b. Madīnī, Yaḥyā b. Saʿīd al-­Anṣārī und Šuʿba b. al-­Ḥaǧǧāǧ, dass er beim Memorieren schwach war. Abu l-­Ḥasan al-ʿIǧlī konstatierte, dass er ṣadūq und ṯiqa war, während Abū Ḥātim angab, dass er vertrauenswürdig war, aufgrund seiner Beschäftigung als Kadi sich nicht intensiv mit Hadith-­Tradierung beschäftigen konnte und in dieser Hinsicht sein Gedächtnis schwächer wurde und somit seine Hadithe zwar aufgeschrieben würden, als Beweise aber nicht herangeführt werden dürften, da er viele Fehler machte. Auch von Aḥmad b. Ḥanbal wird berichtet, dass er sagte, Ibn Abī Laylās Memorieren sei schwach, seine Hadithe muḍṭarib und er beachte viel mehr seine Fiqh-­bezogenen Ansichten als seine Hadithe.526 Ibn Abī Laylā, der in der Fiqh-­Wissenschaft gerne mit Abū Ḥanīfa verglichen wird, wird als Faqīh gewürdigt. Sufyān aṯ-­Ṯawrī sagte über ihn: „Unsere Fiqh-­ Gelehrten sind Ibn Abī Laylā und Ibn Šubruma.“527 In der Ära der Umayyaden wurde Ibn Abī Laylā von Yūsuf b. ʿUmar aṯ-­Ṯaqafī (gest. 127/744) zum Kadi von Kūfa ernannt, übte diese Tätigkeit auch in der Ära der Abbasiden weiter aus und war somit bis zu seinem Ableben rund 33 Jahre als Kadi tätig.528 Im Lichte dieser Informationen lässt sich sagen, dass Ibn Abī Laylā zur Bildung der irakischen Raʾy-­Schule beitrug, ein weiterer Wissenschaftler war, von dem die Sufyānayn gemeinsam Nutzen zogen, dass ferner insbesondere Sufyān aṯ-­Ṯawrī in der Fiqh von ihm profitierte und dass Sufyān b. ʿUyayna durch diesen Lehrer das Gedankengut Kūfas kennenlernte. Des Weiteren kann angesichts dessen, dass Ibn Abī Laylā von ʿAṭāʾ b. Abī Rabāḥ, einem der Schüler von Ibn ʿAbbās, überlieferte,529 festgestellt werden, dass die Sufyānayn auch durch Ibn Abī Laylā von Ibn ʿAbbās‘ Gedankengut profitierten. 30. Ǧaʿfar aṣ-­Ṣādiq (gest. 148/765): Sein voller Name ist Abū ʿAbdillāh Ǧaʿfar b. Muḥammad al-­Bāqir b. ʿAlī Zaynalʿabidīn al-­Madanī. Unter denjenigen, von denen er Hadithe tradierte, waren Persönlichkeiten wie sein Vater Muḥammad al-­Bāqir, Qāsim b. Muḥammad b. Abī Bakr, ʿUbaydullāh b. Abī Rāfiʿ, ʿUrwa b. Zubayr, Muḥammad b. al-­Munkadir, Muslim b. Ḫālid az-­ Zanǧī, ʿIkrima al-­Barbarī, ʿAṭāʾ b. Abī Rabāḥ, Nāfiʿ und Zuhrī. 526 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 152; Mizzī, Tahḏīb, XXV, S. 624–627; Ḏahabī, Siyar, VI, S. 311 f., 314; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IX, S. 269. 527 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VII, S. 248; Ibn Ḫallikān, Wafayāt, IV, S. 179; Ḏahabī, Siyar, VI, S. 311, 314; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IX, S. 269. 528 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VI, S. 358; Ibn Ḫallikān, Wafayāt, IV, S. 179; Mizzī, Tahḏīb, XXV, S. 626; Ḏahabī, Siyar, VI, S. 312; al-ʿIǧlī, Maʿrifa, II, S. 244 ff.; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IX, S. 269. 529 Fasawī, al-­Maʿrifa, I, S. 404; Ḏahabī, Siyar, II, S. 438, IV, S. 55.

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Von ihm tradierten wiederum viele andere, wie Mālik b. Anas, Šuʿba, Sufyān aṯ-­Ṯawrī, Sufyān b. ʿUyayna, Abū Ḥanīfa, Ibn Ǧurayǧ, Yaḥyā b. Saʿīd al-­Anṣārī und Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān.530 Die Überlieferungen von Ǧaʿfar aṣ-­Ṣādiq, der von den Hadith-­Kritikern als zuverlässig anerkannt wird, fanden außer im Ǧāmiʿu ṣ-­Ṣaḥīḥ von al-­Buḫārī in der Kutubu Sitta ihren Platz.531 Ǧaʿfar aṣ-­Ṣādiq, der die turbulenten Jahre der Umayyaden und Abbasiden miterlebte und allen Versuchen, gegen den Staat zu rebellieren, ablehnend gegenüberstand, folgte dem Pfad seines Vaters Muḥammad al-­Bāqir und seines Großvaters Zaynalʿābidīn. Er beschäftigte sich in Medina mit der Wissenschaft und war bemüht, sich von der Politik und von aufrührerischen Unternehmungen möglichst fern zu halten.532 Er war eine Persönlichkeit, die sowohl in schiitischen als auch in sunnitischen Kreisen respektiert wurde. Während jedoch die Schiiten ihm übertriebene, sogar übermenschliche Attribute zuschrieben, beurteilten ihn die Sunniten unter dem Aspekt der Hadith-­Kritik und bezeichneten ihn als jemanden, der in der Fiqh den Rang eines Muǧtahids erreichte, und als einen asketischen und zuverlässigen Gelehrten. Ǧaʿfar aṣ-­Ṣādiq bekundete selbst, dass er nicht alles, über das er gefragt wurde, wisse, sondern dass ein Anderer wissender als er selbst sein könne, und wies dadurch übertriebenes Lob seiner Person zurück.533 Den Quellen zufolge war auch Ǧaʿfar aṣ-­Ṣādiq ein Gelehrter, von dem die Sufyānayn neben den Hadith- und Fiqh-­Wissenschaften auch in der Taṣawwuf-­ Lehre gemeinsam profitierten.534 Es lässt sich sagen, dass die Sufyānayn umgekehrt dazu beitrugen, dass er insbesondere in sunnitischen Kreisen als eine respektierte, vertrauenswürdige und plausible wissenschaftliche Autorität akzeptiert wurde. Da Ǧaʿfar aṣ-­Ṣādiq von ʿUrwa b. Zubayr, dem Schüler von Zayd b. Ṯābit und von ʿIkrima al-­Barbarī und ʿAṭāʾ b. Abī Rabāḥ, den Schülern von Ibn ʿAbbās,

530 Buḫārī, at-­Tārīḫ, II, S. 198; Ibn Ḫallikān, Wafayāt, I, S. 327; Ḏahabī, Siyar, VI, S. 255 f.; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, II, S. 88; Brockelmann, GAL Suppl., I, S. 104; Sezgin, GAS, I, S. 528–531; Hodgson, M. G. S., Djaʿfar al-­Ṣādiq, in: EI2, (New Edition), Leiden 1991, II, S. 374 f.; Öz, Mustafa, Ca’fer es-­Sâdık, in: DİA, İstanbul 1993, VII, S. 1 f. 531 Ibn Ḥibbān, aṯ-­Ṯiqāt, VI, S. 131; Ḏahabī, Siyar, VI, S. 257, 260, 269; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, II, S. 88 f. 532 Öz, Ca’fer es-­Sâdık, S. 1. 533 Ḏahabī, Siyar, VI, S. 255, 260; Nawbaḫtī, al-­Ḥasan b. Mūsā (gest. 310/922 [?]), Firaqu š-­Šīʿa, Dāru l-­Aḍwāʾ, Beirut 1984, S. 37, 41–55; Öz, Ca’fer es-­Sâdık, S. 1. 534 Ibn ʿAbdilbarr, Ǧāmiʿu Bayān, S. 13; Tek, Abdurrezzak, Süfyân es-­Sevrî, in: DİA, İstanbul 2010, XXXVIII, S. 28.

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welche beide zu den Persönlichkeiten zählten, die unter den Prophetengefährten einen Lehrkreis hatten,535 überlieferte, kann außerdem festgestellt werden, dass die Sufyānayn auch durch Ǧaʿfar aṣ-­Ṣādiq vom Gedankengut Medinas, welches über Zayd b. Ṯābit kam, und vom Wissenserbe Mekkas, das über Ibn ʿAbbās kam, profitierten. 31. Ibn Ǧurayǧ (gest. 150/767): Sein voller Name ist ʿAbdulmālik b. ʿAbdilʿazīz b. Ǧurayǧ Abu l-­Walīd al-­Qurašī al-­Makkī. Er war einer der führenden Tafsīr-, Hadith-, Fiqh- und Qirāʾa-­Gelehrten der Tābiʿūn-­Generation. Unter den Lehrern, von denen er sein Wissen schöpfte, waren berühmte Autoritäten wie ʿAṭāʾ b. Abī Rabāḥ, Ibn Abī Mulayka, Nāfiʿ Mawlā Ibn ʿUmar, Ṭāwūs b. Kaysān, Muǧāhid b. Ǧabr, ʿAmr b. Dīnār, Muḥammad b. al-­Munkadir, Ǧaʿfar aṣ-­Ṣādiq, Ibn Muḥayṣin und Maymūn b. Mihrān. Außerdem tradierte er eine Rezitationsweise von Abū Maʿbad b. Kaṯīr. Während Sallām b. Sulaymān, Yaḥyā b. Saʿīd al-­Anṣārī und Sufyān aṯ-­Ṯawrī im Rahmen der Koranrezitation von ihm überlieferten, hörten wiederum Sufyān aṯ-­Ṯawrī und Gelehrte wie Sufyān b. ʿUyayna, Ḥasan b. Ziyād, Yaḥyā b. Saʿīd al-­Anṣārī, Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān, Wakīʿ b. al-­Ǧarrāḥ und Ḥammād b. Salama Hadithe von ihm.536 Laut Kritikern wie Aḥmad b. Ḥanbal, Ibn Saʿd, Yaḥyā b. Maʿīn, al-ʿIǧlī und Abū Ḥātim galt er als zuverlässig. Ibn Ḥibbān erwähnte ihn unter den Tadlīs machenden Zuverlässigen. Auch Ḏahabī sagte, dass er ṯiqa sei und bestätigte, dass Ibn Ǧurayǧ Tadlīs mache. Überlieferungen von Ibn Ǧurayǧ fanden in der Kutubu Sitta, im al-­Musnad von Aḥmad b. Ḥanbal und im al-­Muʿǧamu l-­Kabīr von Ṭabarānī ihren Platz.537 Ibn Ǧurayǧ war 18 oder 19 Jahre lang Schüler von ʿAṭāʾ b. Abī Rabāḥ. Nachdem er sein Studium bei ihm abgeschlossen hatte, war er über einen Zeitraum von sieben oder neun Jahren Schüler von ʿAmr b. Dīnār. Er galt zu seiner Zeit als bester Kenner der Hadithe von ʿAṭāʾ und Nāfiʿ Mawlā Ibn ʿUmar. Er selbst

535 Fasawī, al-­Maʿrifa, I, S. 404; Ḏahabī, Siyar, II, S. 438, IV, S. 55. 536 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, V, S. 491 f.; Buḫārī, at-­Tārīḫ, V, S. 422 f.; Ibn Abī Ḥātim, al-­ Ǧarḥ, V, S. 356; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, XX, S. 400; Mizzī, Tahḏīb, XVIII, S. 338–346; Ḏahabī, Siyar, VI, S. 326 f.; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, VI, S. 357 f.; Brockelmann, GAL Suppl., I, S. 255; Sezgin, GAS, I, S. 91; Sandıkçı, İlk Üç Asırda İslam Coğrafyasında Hadis, S. 71 f. 537 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, V, S. 492; al-ʿIǧlī, Maʿrifa, II, S. 104; Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, V, S. 357 f.; Ibn Ḥibbān, aṯ-­Ṯiqāt, VII, S. 93; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, XX, S. 405; Mizzī, Tahḏīb, XVIII, S. 350 f.; Ḏahabī, Siyar, VI, S. 329, 332; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, VI, S. 360; Ṭabaqātu l-­Mudallisīn, ed. ʿĀṣim b. ʿAbdillāh al-­Qaryūtī, Jordan 1983, S. 41.

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erwähnt jedoch, dass er von Zuhrī nichts hörte, nur einen Ǧuzʾ, den er von ihm bekommen hatte, niederschrieb, und dass Zuhrī ihm die Erlaubnis (Iǧāza) erteilte, die Hadithe in diesem Ǧuzʾ zu überliefern.538 Sufyān aṯ-­Ṯawrī sagte, dass er das Wissensgut von ʿAṭāʾ beherrschte, da er von Ibn Ǧurayǧ Hadithe bekam.539 Es wird überliefert, dass Ibn Ǧurayǧ, der offensichtlich neben der Hadith-­ Wissenschaft auch in den Qirāʾa- und Fiqh-­Wissenschaften kompetent war, zu den „Mulūki l-­Qurrāʾ = den Königen der Qirāʾa-­Gelehrten“ seiner Zeit gehörte. Ibn Ḥibbān zählte ihn zu den Fiqh- und Qirāʾa-­Gelehrten sowie den Muftis der Hiǧāz-­Region.540 Es wird auch gesagt, Ibn Ǧurayǧ sei der Erste in der Geschichte des Islam gewesen, der ein Buch verfasste (Taṣnīf). Er sagt auch selbst: „Es gab bisher niemanden, der die Wissenschaft so kategorisierte wie ich“. Einigen Quellen ist zu entnehmen, dass die ersten Gelehrten, die die Hadithe kategorisierten und sie nach Kapiteln klassifizierten, in Mekka Ibn Ǧurayǧ, im Jemen Maʿmar b. Rāšid, in Kūfa Sufyān aṯ-­Ṯawrī und in Medina Mālik b. Anas waren. Auch Ḏahabī sagte, dass Ibn Ǧurayǧ in Mekka der Erste gewesen sei, der das ʿIlm niederschrieb (Tadwīn).541 Ibn Ǧurayǧ und ʿAmr b. Dīnār waren gemeinsame Lehrer der Sufyānayn und in Bezug auf diese von großer Bedeutung. Da zudem Ibn Ǧurayǧ von ʿAṭāʾ b. Abī Rabāḥ, Ṭāwūs b. Kaysān und Muǧāhid b. Ǧabr, den Schülern von Ibn ʿAbbās,542 überlieferte, hatten die Sufyānayn auch durch Ibn Ǧurayǧ vom Wissenserbe Mekkas, welches über Ibn ʿAbbās kam, Kenntnis. Wie bereits erwähnt, war Ibn Ǧurayǧ zudem lange Jahre Schüler von ʿAṭāʾ b. Abī Rabāḥ, des Schülers von Ibn ʿAbbās, und ebenfalls viele Jahre Schüler von ʿAmr b. Dīnār. Da dieser wiederum der Lehrer war, von dem Sufyān b. ʿUyayna am meisten profitierte, und derjenige,

538 Buḫārī, at-­Tārīḫ,  V, S.  423; Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ,  V, S.  356  ff.; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, XX, S. 402, 405; Mizzī, Tahḏīb, XVIII, S. 347 f.; Ḏahabī, Siyar, VI, S. 327 f., 331 f., 334; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, VI, S. 358 ff. 539 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 76. 540 Ibn Ḥibbān, aṯ-­Ṯiqāt, VII, S. 93; Ḏahabī, Siyar, VI, S. 333; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, VI, S. 360. 541 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ,  V, S.  357; Rāmahurmuzī, Abū Muḥammad Ḥasan b. ʿAbdirraḥmān (gest. 360/971), al-­Muḥaddiṯu l-­Fāṣil Bayna r-­Rāwī wa l-­Wāʿī, ed. Muḥammad ʿAǧǧāǧ al-­Ḫaṭib, Dāru l-­Fikr, Beirut 1404/1984, S. 611 f.; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, XX, S. 400 ff.; Ibn Ḫallikān, Wafayāt, III, S. 164; Mizzī, Tahḏīb, XVIII, S. 346 f.; Ḏahabī, Siyar, VI, S. 326, 334; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, VI, S. 358. 542 Fasawī, al-­Maʿrifa, I, S. 404; Ḏahabī, Siyar, II, S. 438, IV, S. 55.

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der ʿAmr b. Dīnār am besten kannte, Sufyān b. ʿUyayna war und außerdem die Aussage Sufyān aṯ-­Ṯawrīs, durch Ibn Ǧurayǧ beherrsche er das Wissensgut ʿAṭāʾs, in Betracht gezogen wird, lässt sich schließen, dass Ibn Ǧurayǧ und ʿAmr b. Dīnār bei der Übertragung des Wissensschatzes von Ibn ʿAbbās an die Sufyānayn eine Schlüsselrolle spielten, dass die Sufyānayn dadurch das Gedankengut Mekkas bestens kannten und dass ihr Wissensaustausch untereinander diese Kenntnis noch vertiefte. 32. ʿAbdullāh b. ʿAwn (gest. 151/768): Sein voller Name ist Abū ʿAwn ʿAbdullāh b. ʿAwn b. Arṭabān al-­Muzanī al-­Baṣrī. Er ist einer der bekannten Hadith-, Fiqh- und Qirāʾa-­Gelehrten der Tābiʿūn. ʿAbdullāh b. ʿAwn sah Anas b. Mālik zwar, hörte aber keine Hadithe von ihm. Er tradierte Hadithe von vielen Personen wie Saʿīd b. Ǧubayr, Ibrāhīm an-­Naḫaʿī, Nāfiʿ Mawlā Ibn ʿUmar, Šaʿbī, ʿAṭāʾ b. Abī Rabāḥ, Ḥasan al-­Baṣrī, Ibn Sīrīn, al-­ Awzāʿīs Lehrer Makḥūl und Raǧāʾ b. Ḥaywa. Von ihm wiederum tradierten Gelehrte wie al-­Aʿmaš, Šuʿba, Sufyān aṯ-­Ṯawrī, ʿAbdullāh b. al-­Mubārak, Wakīʿ b. al-­Ǧarrāḥ und Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān.543 Die Kritiker waren sich bezüglich der Zuverlässigkeit von Ibn ʿAwn einig. Laut Ibn Saʿd und al-ʿIǧlī war er ṯiqa. Nach Yaḥyā b. Maʿīn war er in jeder Hinsicht zuverlässig. Der berühmte basrische Hadith-­Gelehrte Šuʿba brachte sein Vertrauen in Ibn ʿAwns Wissen zum Ausdruck, indem er bekundete, dass er sogar ein in Zweifel stehendes Wissen Ibn ʿAwns gegenüber dem sicheren Wissen anderer bevorzuge und zählte zu den wenigen Hadith-­Gelehrten, die keinen Tadlīs machten, ʿAmr b. Murra und ʿAbdullāh b. ʿAwn. Ḏahabī äußerte, dass er zu den Imamen des Wissens (ʿIlm) und des Praktizierens (ʿAmal) gehöre. Ibn Ḥibbān erwähnte ihn in seinem Werk aṯ-­Ṯiqāt. Seine Überlieferungen fanden auch in der Kutubu Sitta ihren Platz.544 Ṯawrī sagt, dass er in keiner anderen Stadt wie in Basra derartige vier Wissenschaftler zusammenkommen sah. Diese waren: Ayyūb as-­Saḫtiyānī, Yūnus b. ʿUbayd, Sulaymān at-­Taymī und Ibn ʿAwn. Diese Autoritäten gelten als die vier Grundpfeiler des damaligen basrischen Gelehrtenzirkels.545 Imam al-­Awzāʿī sagte und wies somit auf den wissenschaftlichen Rang dieser beiden Gelehrten hin: 543 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VII, S. 261; Buḫārī, at-­Tārīḫ, V, S. 163; Mizzī, Tahḏīb, XV, S. 394–397; Ḏahabī, Siyar, VI, S. 364 f.; Yücel, Ahmet, İbn Avn, Abdullah, in: DİA, İstanbul 1999, XIX, S. 340. 544 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VII, S. 261; al-ʿIǧlī, Maʿrifa, II, S. 49; Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 145; Ibn Ḥibbān, aṯ-­Ṯiqāt, VII, S. 3 f.; Ḏahabī, Siyar, VI, S. 365 ff. 545 Mizzī, Tahḏīb, XV, S. 398; Ḏahabī, Siyar, VI, S. 365 f.

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„Nachdem Sufyān aṯ-­Ṯawrī und ʿAbdullāh b. ʿAwn gestorben sind, sind die Menschen nun [vom Wissen her] gleich.“ „Hätte ich freie Wahl in Bezug auf diejenigen, die sich um die Angelegenheiten dieser Umma kümmern sollen, würde ich keine anderen als Sufyān aṯ-­Ṯawrī und ʿAbdullāh b. ʿAwn wählen.“546

Zu seiner Zeit trat ʿAbdullāh b. ʿAwn in der Rezitationslehre so sehr in Vorschein, dass er mit der Eigenschaft „Sayyidu l-­Qurrāʾ = Herr der Koranrezitatoren“547 gewürdigt wurde. Daneben erlangte er auch in der Fiqh ein umfangreiches Wissen. So sagte Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān, als al-­Aʿmaš und ʿAbdullāh b. ʿAwn im Gespräch mit ihm erwähnt wurden und gesagt wurde, dass al-­Aʿmaš sehr viele Prophetengefährten (Ṣaḥāba) gesehen habe und deutete somit auf die Kompetenz von Ibn ʿAwn in der Fiqh hin: „Ibn ʿAwn erwarb das Wissen von den Fiqh-­Gelehrten der Welt. In Basra von Ḥasan al-­ Baṣrī und Ibn Sīrīn, in Kūfa von Ibrāhīm an-­Naḫaʿī und Šaʿbī, in Mekka von Saʿīd b. Ǧubayr und Muǧāhid und in Šām von Makḥūl und Raǧāʾ b. Ḥaywa.“548

Anhand dieser Informationen ist zu erkennen, dass Ibn ʿAwn von renommierten Gelehrten der seinerzeit bedeutendsten Wissenschaftszirkel lernte und mit seinem wissenschaftlichen Repertoire und seiner Lebensführung ein hohes Ansehen unter den Gelehrten genoss. Es lässt sich feststellen, dass Sufyān aṯ-­Ṯawrī sich das Gedankengut des basrischen Wissenschaftszentrums auch durch ihn aneignete. Da zudem Ibn ʿAwn von ʿAṭāʾ b. Abī Rabāḥ und Saʿīd b. Ǧubayr, den Schülern von Ibn ʿAbbās,549 überlieferte, kann dem entnommen werden, dass Ṯawrī auch durch Ibn ʿAwn vom Wissenserbe Mekkas, welches über Ibn ʿAbbās kam, profitierte. 33. Šuʿba b. al-­Ḥaǧǧāǧ (gest. 160/776): Sein voller Name ist Abū Bisṭām Šuʿba b. al-­Ḥaǧǧāǧ b. al-­Ward al-ʿAtakī al-­Azdī al-­Wāsiṭī al-­Baṣrī. Er gehörte zur Tābiʿu t-­ Tābiʿīn-­Generation und war insbesondere in den Hadith-­Wissenschaften bekannt. Unter seinen wichtigsten Lehrern waren berühmte Gelehrte wie Ḥasan al-­ Baṣrī, Ismāʿīl b. Raǧāʾ, Salama b. Kuḥayl, Ḥakam b. ʿUtayba, ʿAmr b. Murra, Qatāda b. Diʿāma, ʿAmr b. Dīnār, Yaḥyā b. Abī Kaṯīr, Ayyūb as-­Saḫtiyānī, Manṣūr b. al-­Muʿtamir und Abū Isḥāq as-­Sabīʿī. Šuʿba hörte Hadithe von 400 Tābiūn. Von ihm tradierten wiederum außer seinen Lehrern Ayyūb as-­Saḫtiyānī und Manṣūr b. al-­Muʿtamir noch sehr viele andere Gelehrte wie Sufyān aṯ-­Ṯawrī, Su546 547 548 549

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Ḏahabī, Siyar, VI, S. 367. Ebenda, S. 368. Ebenda, S. 365. Fasawī, al-­Maʿrifa, I, S. 404; Ḏahabī, Siyar, II, S. 438, IV, S. 55.

fyān b. ʿUyayna, Ibrāhīm b. Ṭahmān, Zāʾida b. Qudāma, Abū Dāwūd aṭ-­Ṭayālisī, ʿAbdullāh b. al-­Mubārak, Muḥammad b. Ǧaʿfar Ġundar, Isḥāq al-­Fazārī, Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān, ʿAbdurraḥmān b. Mahdī und Qādī Abū Yūsuf.550 Die Hadith-­Autoritäten sind sich bezüglich seiner Zuverlässigkeit einig. Die Überlieferungen Šuʿbas, der nach der Auffassung vieler Wissenschaftler wie Ibn Saʿd, al-ʿIǧlī, Rāzī, Aḥmad b. Ḥanbal und Ibn Ḥibbān ṯiqa ist, fanden in der Kutubu Sitta ihren Platz.551 Es wird erwähnt, dass Šuʿba dadurch, dass er Hadithe von etwa 30 kūfischen Gelehrten nahm, von denen Sufyān aṯ-­Ṯawrī keine Hadithe hören konnte, in diesem Bereich ein größeres Repertoire besaß als Ṯawrī, dass dieser hingegen mehr Hadithe memorierte als Šuʿba, wohingegen Šuʿba wiederum mit den Tradierern noch kritischer umging und in Bezug auf deren Überlieferungen noch feiner selektierte.552 Indessen zeigte Sufyān aṯ-­Ṯawrī Bescheidenheit gegenüber Šuʿba und sagte, auf dessen Kompetenz in der Hadith-­Wissenschaft hindeutend: „In den Hadith-­ Wissenschaften ist Šuʿba Amīru l-­Muʾminīn“. Dass er Salam b. Quṭayba, der zu ihm kam, fragte: „Was macht denn unser Meister Šuʿba?“, zeigt ebenso, wie sehr er Šuʿba schätzte. An Šuʿbas Todestag brachte Ṯawrī seine Trauer mit folgenden Worten zum Ausdruck: „Heute ist die Hadith-­Wissenschaft gestorben.“553 Während Imam aš-­Šāfiʿī der Auffassung war „Gäbe es Šuʿba nicht, würde man im Irak keine Hadithe kennen“, sagte Aḥmad b. Ḥanbal über ihn: „In den Hadith-­Wissenschaften kam er allein einer ganzen Gemeinschaft [Umma] gleich“554 Laut Ḏahabī war er hinsichtlich seines Repertoires in der Hadith-­Wissenschaft eine Autorität, die al-­Awzāʿī, Maʿmar b. Rāšid und Sufyān aṯ-­Ṯawrī gleicht.555 Šuʿba, der in jedem Feld der Hadith-­Wissenschaften als Autorität akzeptiert wurde, ist der Erste, der über den Zuverlässigkeitsstatus der Hadith-­Gelehrten und vom Unter-

550 Buḫārī, at-­Tārīḫ, IV, S. 244; Ibn Ḫallikān, Wafayāt, II, S. 469; Mizzī, Tahḏīb, XII, S. 479–489; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 202–205; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IV, S. 297–301, 303. 551 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VII, S. 280; al-ʿIǧlī, Maʿrifa, I, S. 456 f.; Ibn Ḥibbān, aṯ-­Ṯiqāt, VI, S. 446; Mizzī, Tahḏīb, XII, S. 494; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IV, S. 302. 552 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 128 f.; Mizzī, Tahḏīb, XII, S. 490; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 210, 213 ff.; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IV, S. 301. 553 Buḫārī, at-­Tārīḫ, IV, S. 245; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 212; Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 126 f.; Mizzī, Tahḏīb, XII, S. 491, 494; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 206 ff., 212, 224 ff.; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IV, S. 301 f. 554 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 127; Mizzī, Tahḏīb, XII, S. 490 f.; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 206, 210, 226; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IV, S. 301. 555 Ḏahabī, Siyar, VII, S. 203.

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brochensein (Inqiṭāʿ) und Verbundensein (Ittiṣāl) der Überliefererkette sprach.556 Er übte harte Kritik an manchen Hadith-­Überlieferern und agierte in dieser Angelegenheit sehr akribisch. So sagte er auch: „Kommt, lasst uns um Allahs willen [über die Hadith-­Tradierer] lästern!“557 und zeigte somit, dass es nicht in seiner Absicht lag, den Menschen Übles nachzureden, sondern jeden, wer immer es auch sei, zu kritisieren und somit um Allahs willen die Wahrheit zum Vorschein zu bringen. Den Mitteilungen der Quellen nach hielt er sich strengstens davon fern, Tadlīs zu machen. Die härtesten Kritiken bezüglich der Überlieferung mit Tadlīs stammen von ihm. In diesem Zusammenhang sagte er: „Dass ich Unzucht begehe, ist mir lieber, als dass ich Tadlīs mache“ und „Dass ich vom Himmel auf den Boden falle, ist mir lieber, als dass ich Tadlīs mache.“558 Im Lichte dieser Informationen ist es möglich festzustellen, dass Šuʿba einer der wichtigsten gemeinsamen Lehrer der Sufyānayn war. Die Lehrer von Šuʿba, wie ʿAmr b. Murra, ʿAmr b. Dīnār, Ayyūb as-­Saḫtiyānī, Manṣūr b. al-­Muʿtamir und Abū Isḥāq as-­Sabīʿī, sind gleichzeitig auch die Lehrer Sufyān aṯ-­Ṯawrīs. Diese Verflechtung, welche generell auch bei anderen Gelehrten zu sehen ist, zeigt, dass es zwischen den Gelehrten dieser Ära einen intensiven Wissensaustausch gab. Dank dessen versuchten die Gelehrten jener Zeit, das ihnen vorliegende wissenschaftliche Material ständig aufzufrischen und durch ein wissenschaftliches Sieb zu passieren, indem sie sich ihre Sammlungen gegenseitig vorlegten und sie so verifizieren ließen. Mit dieser Methode bezweckten sie, den nachfolgenden Generationen ein Erbe zu hinterlassen, welches ausgeklügelter war und das Gesamtverständnis erleichterte. 34. Fuḍayl b. ʿIyāḍ (gest. 187/802): Sein voller Name ist Abū ʿAlī al-­Fuḍayl b. ʿIyāḍ b. Masʿūd at-­Tamīmī al-­Yarbūʿī al-­Kūfī al-­Makkī. Er war ein Gelehrter, der aufgrund seiner Askese herausstach. Fuḍayl b. ʿIyāḍ erwarb das Wissen von Gelehrten wie Abū Ḥanīfa, Sufyān aṯ-­ Ṯawrī, al-­Aʿmaš, Manṣūr b. al-­Muʿtamir, Bišr b. Manṣūr, Yaḥyā b. Saʿīd al-­Anṣārī, Ibn Abī Laylā, Ǧaʿfar aṣ-­Ṣādiq und Ḥumayd aṭ-­Ṭawīl. Sehr viele Gelehrte, wie ʿAbdullāh b. al-­Mubārak, ʿAbdurraḥmān b. Mahdī, Sufyān aṯ-­Ṯawrī, Sufyān b. ʿUyayna, Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān, ʿAbdurrazzāq, Bišr al-­Ḥāfī, Īmām aš-­Šāfiʿī, Ibrāhīm b. Šammās as-­Samarqandī, Qadīm ad-­Daylamī und sein Diener und Freund Ibrāhīm b. Ašʿaṯ, tradierten seine Hadithe.559 556 Ibn Ḥibbān, aṯ-­Ṯiqāt, VI, S. 446; Mizzī, Tahḏīb, XII, S. 494 f.; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 206; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IV, S. 302. 557 Ḏahabī, Siyar, VII, S. 223. 558 Ebenda, S. 210, 216, 220. 559 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ,  VII, S.  73; Mizzī, Tahḏīb,  XXIII, S.  281–285; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 421 ff.; Sezgin, GAS, I, S. 636.

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Gemäß Kritikern wie Ibn Saʿd, al-ʿIǧlī, Abū Ḥātim, Nasāʾī, Dāraquṭnī und Ḏahabī war er ein zuverlässiger Hadith-­Gelehrte. Sufyān b. ʿUyayna sagte über ihn: „Fuḍayl ist ṯiqa.“ ʿAbdurraḥmān b. Mahdī sagte: „Fuḍayl ist ein frommer Mann. Er ist kein Ḥāfiẓ.“ Ibn Saʿd bemerkte: „Er ist eine zuverlässige, edle, tugendhafte, fromme und ehrfürchtige Person, die ein reiches Hadith-­Repertoire hat.“ ʿAbdullāh b. al-­Mubārak sagte, dass er als den frommsten Menschen ʿAbdulʿazīz b. Abī Rawād, als den ehrfürchtigsten Fuḍayl b. ʿIyāḍ, als den gelehrtesten Sufyān aṯ-­Ṯawrī und als den besten Faqīh Abū Ḥanīfa sehe. In einer anderen Aussage von ihm heißt es: „Fuḍayl ist jemand, dessen Wissen Nutzen bringt.“ Ibn Ḥibbān erwähnte Fuḍayl in seinem aṯ-­Ṯiqāt.560 Fuḍayl trieb in seiner Jugend Räuberei zwischen Marw und Abyaward. Als er, um in das Haus seiner geliebten Sklavin hineinzukommen, auf die Wand kletterte, wurde im Haus gerade der Koran rezitiert. Zutiefst gerührt von dem dabei gehörten Vers „Ist es nicht an der Zeit, dass die Herzen der Gläubigen durch das Gedenken an Allah und durch den von ihm herab gesandten Koran erzittern?!“561 sagte er: „Ja, mein Herr, die Zeit ist da!“ und entfernte sich von dort. Er bereute seine Sünden und widmete sich gänzlich der Wissenschaft und Anbetung. Später verließ er seine Heimat, reiste nach Kūfa und ließ sich von den dortigen Wissenschaftlern unterrichten. Danach wanderte er nach Mekka aus und führte bis zu seinem Tode ein asketisches Leben.562 In den Quellen wird auch erwähnt, dass Sufyān aṯ-­Ṯawrī und Fuḍayl sich von Zeit zu Zeit trafen, ihr Wissen austauschten, sich gegenseitig weise Sprüche aufsagten und dabei weinten.563 In den Quellen gibt es ausgiebige Informationen zu Fuḍayls Askese und Gottesfurcht sowie zu seinen weisen Sprüchen. So sagte er: „Der Muʾmin ist jemand, der wenig redet und viel tut. Der Heuchler ist jemand, der viel redet und wenig tut. Die Worte eines Muʾmins sind Weisheit, sein Schweigen ist Nach-

560 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt,  V, S.  500; al-ʿIǧlī, Maʿrifa,  II, S.  207; Ibn Abī Ḥātim, al-­ Ǧarḥ, VII, S. 73; Ibn Ḥibbān, aṯ-­Ṯiqāt, VII, S. 315; Mizzī, Tahḏīb, XXIII, S. 286 ff.; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 423 ff. 561 Ḥadīd, 57/16. 562 Ibn Ḥibbān, aṯ-­Ṯiqāt, VII, S. 315; al-­Qušayrī, ʿAbdulkarīm b. Hawāzin b. ʿAbdilmālik b. Ṭalḥa an-­Nīsābūrī (gest. 465/1072), ar-­Risālatu l-­Qušayriyya, Širkatu Maktabati wa Maṭbaʿati Muṣṭafā al-­Bābī al-­Ḥalabī wa Awlādih, Miṣr 1379/1959, S. 9; Ibn Ḫallikān, Wafayāt, IV, S. 47 ff.; Mizzī, Tahḏīb, XXIII, S. 285 f.; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 423 f.; Smith, M., al-­Fuḍayl b. ʿIyāḍ, in: EI2, (New Edition), Leiden 1991, II, S. 936. 563 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VIII, S. 114; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 267.

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denken, seine Blicke sind lehrreich und seine Beschäftigung ist Wohltat. Solange er sich in diesem Zustand befindet, ist er stets im Zustand der Anbetung.“564

Er sagt, dass viel zu essen, viel zu schlafen und viel zu reden zu Hartherzigkeit führt. Auch der Spruch „Wer einen makellosen Freund sucht, steht ohne einen Freund da“ stammt von ihm.565 Auch von Fuḍayl haben die Sufyānayn gemeinsam profitiert. Fuḍayl beschäftigte sich dank der Sufyānayn und wichtiger Persönlichkeiten Kūfas, wie Abū Ḥanīfa und al-­Aʿmaš, überwiegend mit dem Wissensgut dieser Schule, vertiefte sich jedoch besonders in die Taṣawwuf-­Wissenschaft. Daher wird in den Quellen mehr auf seinen mystischen Charakter eingegangen, wobei auch seine Zuverlässigkeit bezüglich der Hadithe erwähnt wird. Es ist festzustellen, dass er mit seinen weisen Sprüchen und mit seiner asketischen Lebensweise sein Umfeld beeinflusste und eine Persönlichkeit war, die für spätere Sufis als Vorbild diente. Wenn man zudem bedenkt, dass, als Abū Ǧaʿfar al-­Manṣūr, der 2. Kalif der Abbasiden, ein Dekret zur sofortigen Festnahme und Hinrichtung Sufyān aṯ-­Ṯawrīs, wo immer er auch gesichtet werden sollte, erließ, sich Ṯawrī in diesen bedrückenden Verhältnissen in Mekka bei Fuḍayl und Ibn ʿUyayna aufhielt,566 weist dies darauf hin, dass zwischen diesen drei Gelehrten eine sehr enge Beziehung bestand.

2.1.6.2 Allgemeine Beurteilung der Lehrer Sufyān aṯ-­Ṯawrīs Prüft man die Zuverlässigkeit der oben genannten 34 relevantesten Lehrer von Ṯawrī, so lässt sich unter ihnen niemand finden, dessen Überlieferungen abgelehnt wurden. Über die Lehrer von Ṯawrī haben die Hadith-­Kritiker generell eine positive Auffassung. So sind in primären Hadith-­Büchern auch Überlieferungen von ihnen enthalten. Wiewohl an Ṣāliḥ b. Nabhān (gest. 125/743), Abū Isḥāq as-­ Sabīʿī (gest. 127/745), ʿĀṣim b. Bahdala (gest. 127/745), ʿAbdulmalik b. ʿUmayr (gest. 136/753), al-ʿAlāʾ b. ʿAbdirraḥmān (gest. 138/755), Suhayl b. Abī Ṣāliḥ 564 Abū Nuʿaym, Ḥilyatu l-­Awliyā, VIII, S. 98. 565 Šaʿrānī, ʿAbdulwahhāb b. Aḥmad b. ʿAlī Abū Muḥammad (gest. 973/1565), aṭ-­ Ṭabaqātu l-­Kubrā = Lawāfiʿu l-­Anwār fī Ṭabaqāti l-­Aḫyār, Maktabatu Muḥammad al-­ Malīǧī al-­Katbī wa Aḫīh, Miṣr 1315, I, S. 59. Siehe außerdem für weitere seiner weisen Sprüche: As-­Sulamī, Abū ʿAbdirraḥmān Muḥammad b. al-­Ḥusayn b. Muḥammad b. Mūsā b. Ḫālid b. Sālim an- Nīsābūrī (gest. 412/1021), Ṭabaqātu ṣ-­Ṣūfiyya, ed. Muṣṭafā ʿAbdulqādir ʿAṭā, Dāru l-­Kutubi l-ʿIlmiyya, Beirut 1998, S. 26. 566 Al-­Yaʿqūbī, Aḥmad b. Abī Yaʿqūb b. Ǧaʿfar b. Wahb (gest. 292/904), Tārīḫu l-­Yaʿqūbī, Beirut 1960, S. 268 f.; Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 41 f.; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S.  159; Nawawī, Tahḏību l-­Asmāʾ,  I, S.  223; Mizzī, Tahḏīb,  XI, S.  167; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 251; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IV, S. 101.

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(gest. 138/755) und Ibn Abī Laylā (gest. 148/765) zwar nicht hinsichtlich ihrer Gerechtigkeit (ʿAdāla), wohl aber ihrer Merkfähigkeit (Ḍabṭ) in einigen Punkten Kritik geübt wurde, erforderte diese doch nach den Kriterien der Uṣūlu l-­Ḥadīṯ-­ Wissenschaft keineswegs die Ablehnung ihrer Überlieferungen. Von diesen 34 Gelehrten stammten 16 aus Kūfa, 8 aus Medina, 7 aus Basra, 2 aus Mekka und einer aus dem Jemen. Die 34 wichtigsten Lehrer von Sufyān aṯ-­Ṯawrī

Medina (8): 1. Ṣāliḥ b. Nabhān (gest. 125/743) 2. ʿAbdullāh b. Dīnār (gest. 127/745) 3. Abu z-Zinād (gest. 130/748) 4. Muḥammad b. alMunkadir (gest. 131/748) 5. Al-ʿAlāʾ b. ʿAbdirraḥmān (gest. 138/755) 6. Suhayl b. Abī Ṣāliḥ (gest. 138/755) 7. Yaḥyā b. Saʿīd alAnṣārī (gest. 143/760) 8. Ǧaʿfar aṣ-Ṣādiq (gest. 148/765)

Kūfa (16): 1. ʿAmr b. Murra (gest. 116/734 ?) 2. Ḥabīb b. Abī Ṯābit (gest. 119/736) 3. Ḥammād b. Abī Sulaymān (gest. 120/738) 4. Salama b. Kuhayl (gest. 122/739) 5. Abū Isḥāq as-Sabīʿī (gest. 127/745) 6. ʿĀṣim b. Bahdala (gest. 127/745) 7. Saʿīd b. Masrūq (gest. 128/745) 8. Abū Ḥuṣayn (gest. 128/745) 9. Manṣūr b. al-Muʿtamir (gest. 132/750) 10. ʿAbdulmalik b. ʿUmayr (gest. 136/753) 11. Ḥuṣayn b. ʿAbdirraḥmān (gest. 136/753) 12. Ibn Šubruma (gest. 144/761) 13. Ismāʿīl b. Abī Ḫālid (gest. 146/763) 14. Aʿmaš (gest. 148/765) 15. Ibn Abī Laylā (gest. 148/765) 16. Fuḍayl b. ʿIyāḍ (gest. 187/802)

Basra (7): 1. Ayyūb asSaḫtiyānī (gest. 131/748) 2. Yūnus b. ʿUbayd (gest. 139/756) 3. ʿĀṣim al-Aḥwal (gest. 142/759) 4. Ḥumayd aṭ-Ṭawīl (gest. 143/750) 5. Sulaymān atTaymī (gest. 143/760) 6. ʿAbdullāh b. ʿAwn (gest. 151/768) 7. Šuʿba b. alḤaǧǧāǧ (gest. 160/776)

Mekka (2): 1. ʿAmr b. Dīnār (gest. 126/744) 2. Ibn Ǧurayǧ (gest. 150/767)

Jemen (1): 1. Maʿmar b. Rāšid (gest. 153/770)

Sufyān aṯṮawrī (gest. 161/778) 159

Es gilt hier ergänzend anzumerken, dass sich die Zahl der Lehrer, von denen Ṯawrī profitierte, nicht nur auf die genannten 34 beschränkte. Wie zu Beginn des Kapitels angedeutet, bemerkt Ḏahabī (gest. 748/1347), dass Ṯawrī von 600 Personen Wissen erworben habe.567 Dass diese Zahl so hoch ist, kann vermutlich darauf zurückgeführt werden, dass in ihr auch Lehrer enthalten sind, die Ṯawrī angesichts verschiedener Anlässe, wie beispielsweise während der Pilgerzeit oder auf seinen Bildungsreisen, traf und von denen er, wenn auch kurzzeitig, profitierte. Da nach der wissenschaftlichen Auffassung jener Zeit schon der Annahme eines einzigen Hadith von einem führenden Hadith-­Gelehrten höchste Bedeutung beigemessen wurde, ist zu verstehen, warum diese Zahl so hoch ist. Das Anliegen, welches in dieser Arbeit im Vordergrund steht, ist jedoch, wer die wichtigsten Personen sind, die Ṯawrī am meisten beeinflussten und bei der Formung seiner wissenschaftlichen Persönlichkeit sowie bei seinem Werdegang zur religiösen Autorität eine Rolle spielten. Aus dieser Perspektive heraus zeigt sich, dass das kūfische Gedankengut insbesondere Ṯawrīs Zeit der Entwicklung seiner Persönlichkeit prägte, da er ja bis zum Jahre 154 oder 155 n. H.568 und demnach bis etwa zu seinem 56. Lebensjahr in Kūfa gelebt hat. ʿAbdurraḥmān b. Mahdī (gest. 198/813–14) nennt als die vier Ḥāfiẓu-­l Ḥadīṯ (jemand, der sehr viele Hadithe auswendig kann) in Kūfa, deren Überlieferungen zweifelsfrei anzunehmen sind, Manṣūr b. al-­Muʿtamir (gest. 132/750), Abū Ḥusayn (gest. 128/745), Salama b. Kuhayl (gest. 122/739) und Amr b. Murra (gest. 116/734 ?).569 Dass Ṯawrī von ausnahmslos jeder dieser Autoritäten Wissen erwarb, zeigt, dass er vom kūfischen Wissenserbe mittels solidester Bezugspersonen profitierte. Zudem waren seine Lehrer, von denen er während seiner Bildungsreisen vor seiner Ausreise aus Kūfa und nach seinem endgültigen Fortgang von dort Wissen erwarb, überwiegend medinensische und basrische Persönlichkeiten. Ferner gab es, wie zuvor erwähnt, innerhalb der Prophetengefährten drei Personen, die einen Lehrkreis hatten: Zayd b. Ṯābit übte seine wissenschaftlichen Aktivitäten in Medina, ʿAbdullāh b. Masʿūd in Kūfa und Ibn ʿAbbās in Mekka aus.570 Wenngleich Sufyān aṯ-­Ṯawrī überwiegend von dem kūfischen Wissenschaftszentrum beeinflusst war, so vermehrte er sein Wissen mittels einiger seiner Lehrer doch auch aus dem wissenschaftlichen Erbe Mekkas und Medinas. 567 Ḏahabī, Siyar, VII, S. 234. 568 Buḫārī, at-­Tārīḫ, IV, S. 92 f.; Fasawī, al-­Maʿrifa, I, S. 412; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 171; Nawawī, Tahḏību l-­Asmāʾ, I, S. 223; Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 169. 569 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, VI, S. 160; Mizzī, Tahḏīb, XIX, S. 403; Ḏahabī, Siyar, V, S. 413; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, VII, S. 116. 570 Fasawī, al-­Maʿrifa, I, S. 404; Ḏahabī, Siyar, II, S. 438, IV, S. 55.

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Durch folgende Überlieferungswege kam Ṯawrī indirekt mit dem Gedankengut von Medina in Kontakt: 1) Sufyān aṯ-­Ṯawrī => ʿAmr b. Murra => Saʿīd b. Musayyab => Zayd b. Ṯābit 2) Sufyān aṯ-­Ṯawrī => Ḥammād b. Abī Sulaymān => Saʿīd b. Musayyab => Zayd b. Ṯābit 3) Sufyān aṯ-­Ṯawrī => ʿAbdullāh b. Dīnār => Sulaymān b. Yasār => Zayd b. Ṯābit 4) Sufyān aṯ-­Ṯawrī => Muḥammad b. al-­Munkadir => Saʿīd b. Musayyab => Zayd b. Ṯābit 5) Sufyān aṯ-­Ṯawrī => Suhayl b. Abī Ṣāliḥ => Saʿīd b. Musayyab => Zayd b. Ṯābit 6) Sufyān aṯ-­Ṯawrī => Yaḥyā b. Saʿīd al-­Anṣārī => Saʿīd b. Musayyab + Sulaymān b. Yasār => Zayd b. Ṯābit 7) Sufyān aṯ-­Ṯawrī => Maʿmar571 => Zuhrī572 => Schüler Zayd b. Ṯābits => Zayd b. Ṯābit 8) Sufyān aṯ-­Ṯawrī => Ǧaʿfar aṣ-­Ṣādiq => ʿUrwa b. Zubayr => Zayd b. Ṯābit Durch folgende Überlieferungswege kam Ṯawrī indirekt mit dem Gedankengut von Mekka in Kontakt: 1) Sufyān aṯ-­Ṯawrī => ʿAmr b. Murra => Saʿīd b. Ǧubayr => Ibn ʿAbbās 2) Sufyān aṯ-­Ṯawrī => Ḥabīb b. Abī Ṯābit => Saʿīd b. Ǧubayr + Ṭāwus b. Kaysān => ʿAṭāʾ b. Abī Rabāḥ => Ibn ʿAbbās 3) Sufyān aṯ-­Ṯawrī => Ḥammād b. Abī Sulaymān => Saʿīd b. Ǧubayr => Ibn ʿAbbās 4) Sufyān aṯ-­Ṯawrī => Salama b. Kuhayl => Saʿīd b. Ǧubayr + Muǧāhid => Ibn ʿAbbās 5) Sufyān aṯ-­Ṯawrī => Ṣāliḥ b. Nabhān=> Ibn ʿAbbās 6) Sufyān aṯ-­Ṯawrī => ʿAmr b. Dīnār => Sechsköpfiger Schülerkreis von Ibn ʿAbbās573 => Ibn ʿAbbās 571 Sufyān aṯ-­Ṯawrī konnte von Zuhrī nicht profitieren, da er aufgrund seiner finanziellen Notlage nicht zu ihm gehen konnte. Er eignete sich aber nach seiner eigenen Aussage von seinem Schüler Maʿmar „den gesamten Wissensvorrat Zuhrīs in solch einem Ausmaß an, dass es keiner Übermittlung durch Zuhrī selbst bedurfte“; vgl. Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 57, 76; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 8. 572 Derjenige, der das Wort und den Hadith der Schüler Zayd b. Ṯābits am besten wusste, war Ibn Šihāb az-­Zuhrī; vgl. Fasawī, al-­Maʿrifa, I, S. 404; Ḏahabī, Siyar, II, S. 438, IV, S. 55. 573 Derjenige, der diese sechs am besten kennt, ist ʿAmr b. Dīnār, denn er tagte mit jedem dieser Personen; vgl. Fasawī, al-­Maʿrifa, I, S. 404; Ḏahabī, Siyar, II, S. 438, IV, S. 55.

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7) Sufyān aṯ-­Ṯawrī => Abū Isḥāq as-­Sabīʿī => Ibn ʿAbbās 8) Sufyān aṯ-­Ṯawrī => Abū Ḥusayn => Saʿīd b. Ǧubayr + Muǧāhid => Ibn ʿAbbās 9) Sufyān aṯ-­Ṯawrī => Muḥammad b. al-­Munkadir => Saʿīd b. Ǧubayr + Ibn ʿAbbās 10) Sufyān aṯ-­Ṯawrī => Ayyūb as-­Saḫtiyānī => Saʿīd b. Ǧubayr + Muǧāhid b. Ǧabr + ʿIkrima al-­Barbarī + ʿAṭāʾ b. Abī Rabāḥ => Ibn ʿAbbās 11) Sufyān aṯ-­Ṯawrī => Manṣūr b. al-­Muʿtamir => Saʿīd b. Ǧubayr + Muǧāhid b. Ǧabr => Ibn ʿAbbās 12) Sufyān aṯ-­Ṯawrī => Ḥusayn b. ʿAbdirraḥmān => Saʿīd b. Ǧubayr + ʿAṭāʾ b. Abī Rabāḥ => Ibn ʿAbbās 13) Sufyān aṯ-­Ṯawrī => al-ʿAlāʾ b. ʿAbdirraḥmān => ʿIkrima al-­Barbarī => Ibn ʿAbbās 14) Sufyān aṯ-­Ṯawrī => Yūnus b. ʿUbayd => ʿIkrima al-­Barbarī +ʿAṭāʾ b. Abī Rabāḥ => Ibn ʿAbbās 15) Sufyān aṯ-­Ṯawrī => ʿĀṣim al-­Aḥwal => Saʿīd b. Ǧubayr + Muǧāhid => Ibn ʿAbbās 16) Sufyān aṯ-­Ṯawrī => Sulaymān at-­Taymī => Ṭāwūs b. Kaysān => Ibn ʿAbbās 17) Sufyān aṯ-­Ṯawrī => Ibn Šubruma => ʿAṭāʾ b. Abī Rabāḥ => Ibn ʿAbbās 18) Sufyān aṯ-­Ṯawrī => al-­Aʿmaš => Saʿīd b. Ǧubayr + Muǧāhid b. Ǧabr=> Ibn ʿAbbās 19) Sufyān aṯ-­Ṯawrī => Ibn Abī Laylā => ʿAṭāʾ b. Abī Rabāḥ => Ibn ʿAbbās 20) Sufyān aṯ-­Ṯawrī => Ǧaʿfar aṣ-­Ṣādiq => ʿIkrima al-­Barbarī + ʿAṭāʾ b. Abī Rabāḥ => Ibn ʿAbbās 21) Sufyān aṯ-­Ṯawrī => Ibn Ǧurayǧ => Muǧāhid b. Ǧabr+ Ṭāwūs b. Kaysān + ʿAṭāʾ b. Abī Rabāḥ => Ibn ʿAbbās 22) Sufyān aṯ-­Ṯawrī => ʿAbdullāh b. ʿAwn => Saʿīd b. Ǧubayr + ʿAṭāʾ b. Abī Rabāḥ => Ibn ʿAbbās Wie hieraus zu ersehen ist, profitierte Ṯawrī in einem nicht zu unterschätzenden Ausmaß mittels acht seiner Lehrer vom Gedankengut Medinas und mittels 22 seiner Lehrer vom Gedankengut Mekkas. Es ist offensichtlich, dass dies eine große Rolle bei seiner Anerkennung als religiöse Autorität spielte. Daneben zeigt der generell auch bei anderen Gelehrten jener Zeit vorherrschende, lebendige Wissensaustausch, dass das Gedankengut Ṯawrīs nicht nur durch das kūfische Wissenszentrum begrenzt war. Aus diesem Grund ist eine generelle Bezeichnung der religiösen Autoritäten der Ära als Muǧtaḥids nur eines einzigen Wissenschaftszentrums unzutreffend, wie beispielsweise die Darstellung Ṯawrīs nur als Imam des Kūfa-­Wissenschaftszentrums. So ist davon auszugehen, dass die geographischen Zugehörigkeiten wie aus Kūfa 162

oder aus Mekka, welche sich in den Quellen wiederfinden lassen, vorwiegend mit dem Wohnsitz oder dem Todesort des jeweiligen Gelehrten zusammenhängen.

2.1.6.3 Seine Schüler Die Anzahl der Personen, die von Sufyān aṯ-­Ṯawrī Hadithe überlieferten, ist sehr groß. Ḏahabī erachtet allerdings die Angabe, dass dies 20 000 Personen waren, für unrealistisch und merkt an, dass diese Zahl im besten Fall etwa 1000 betragen könnte und vielmehr Imam Mālik mit 1400 von ihm überliefernden Personen als derjenige zu gelten habe, von dem am meisten überliefert wurde.574 Unter anderem überlieferten von Sufyān aṯ-­Ṯawrī seine Lehrer oder bekannte Kommilitonen wie al-­Aʿmaš (gest. 148/765), ʿAbdullāh b. ʿAwn (gest. 151/768), Maʿmar b. Rāšid (gest. 153/770), al-­Awzāʿī (gest. 157/774), Šuʿba b. al-­Ḥaǧǧāǧ (gest. 160/776), Ḥammād b. Salama (gest. 167/784), Mālik (gest. 179/795), Fuḍayl b. ʿIyāḍ (gest. 187/802), al-­Awzāʿīs Schüler Walīd b. Muslim (gest. 195/810) und Sufyān b. ʿUyayna (gest. 198/813).575 Nach Mitteilungen von ʿAlī b. al-­Madīnī aus Basra bestand der Gefährtenkreis von Sufyān aṯ-­Ṯawrī aus sechs Personen: Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān (gest. 198/813), ʿAbdurraḥmān b. Mahdī (gest. 198/814), Wakīʿ b. al-­Ǧarrāḥ (gest. 197/812), Abū Nuʿaym Faḍl b. Dukayn (gest. 219/834), Abū ʿAbdirraḥmān al-­ Ašǧaʿī (gest. 182/798) und ʿAbdullāh b. al-­Mubārak (gest. 181/797). Die zuverlässigsten unter ihnen waren die ersten drei.576 Aḥmad b. Ḥanbal (gest. 241/854) bevorzugte jedoch ʿAbdurraḥmān vor Wakīʿ.577 Ferner sagte Yaḥyā b. Maʿīn (gest. 233/848), dass der Gefährtenkreis von aṯ-­Ṯawrī, dessen Hadithe am meisten denen von Sufyān ähnelten, neben Abū ʿAbdirraḥmān al-­Ašǧaʿī aus den fünf oben genannten Personen bestand.578 Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān führt auf, dass jene, die nach diesen fünf Gelehrten sich am besten mit dem Wissen von Sufyān auskannten, sieben Personen waren: Yaḥyā b. Ādam (gest. 203/818), ʿUbaydullāh b. Mūsā (gest. 213/829), Abū Aḥmad az-­Zubayrī (gest. 203/818), Abū Huḏayfa (gest. 220/835), Qabīṣa (gest. 215/830), Muʿāwiya al-­Qaṣṣār (gest. 254–255/868–869) und Muḥammad b. Yūsuf al-­Firyābī (gest. 212/827).579

574 Ḏahabī, Siyar, VII, S. 234; Tārīḫ, X, S. 225. 575 Buḫārī, at-­Tārīḫ, IV, S. 92 f.; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 152; Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 161–164; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 234 ff.; Nawawī, Tahḏību l-­Asmāʾ, I, S. 222. 576 Fasawī, al-­Maʿrifa, I, S. 405; Ḏahabī, Siyar, IX, S. 152. 577 Ḏahabī, Siyar, IX, S. 153. 578 Fasawī, al-­Maʿrifa, I, S. 405; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 392. 579 Fasawī, al-­Maʿrifa, I, S. 405; Ḏahabī, Siyar, IX, S. 152, 153.

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In den Quellen ist zu lesen, dass der letzte zuverlässige Tradierer, der von Ṯawrī überlieferte, ʿAlī b. al-­Ǧaʿd al-­Ǧawharī (gest. 230/844–45)580 und die letzte Person, die in Bagdad Rechtsauskünfte nach der tawrīschen Rechtsschule gab, Abū Bakr ʿAbdulġaffār b. ʿAbdirraḥmān ad-­Dīnawrī (gest. 405/1014) war.581 Nachstehend wird versucht, den engsten, aus sechs Personen bestehenden Lehrkreis Sufyān aṯ-­Ṯawrīs, seine sekundär wichtigen sieben Schüler und die weiteren zwei bekannten Gelehrten, die Ṯawrīs Wissen an nachfolgende Generationen weitervermittelten, in chronologischer Reihenfolge vorzustellen. Sufyān aṯ-­Ṯawrīs engster, aus sechs Personen bestehender Lehrkreis: 1. ʿAbdullāh b. al-­Mubārak (gest. 181/797): Sein voller Name ist Abū ʿAbdirraḥmān ʿAbdullāh b. al-­Mubārak b. Wāḍiḥ al-­Ḥanẓalī al-­Marwazī. Er war ein bekannter Hadith- und Fiqh-­Gelehrter, Asket und Poet seiner Zeit, der der Tābiʿu t-­Tābiʿīn-­Generation zugehörte. Unter den Gelehrten, von denen er Wissen erlangte, waren bekannte Personen, wie sein erster Lehrer Rabīʿ b. Anas al-­Ḫurasānī aus Marw, Sulaymān at-­Taymī, ʿĀṣim al-­Aḥwal, Ḥumayd aṭ-­Ṭawīl, Ismāʿīl b. Abī Ḫālid, Yaḥyā b. Saʿīd al-­Anṣārī, ʿAbdullāh b. ʿAwn, Ḥammād b. Zayd und Ḥammād b. Salama (die Ḥammādayn), Ibn Ǧurayǧ, Maʿmar b. Rāšid, al-­Aʿmaš, Šuʿba, Sufyān aṯ-­ Ṯawrī, Sufyān b. ʿUyayna, al-­Awzāʿī, Abū Ḥanīfa, Mālik b. Anas, Layṯ b. Saʿd und Ismāʿīl b. ʿAyyāš. Von ihm überlieferten an erster Stelle seine Lehrer Maʿmar b. Rāšid und Sufyān aṯ-­Ṯawrī, und dazu führende Hadith-­Gelehrte wie Abū Isḥāq al-­Fazārī, ʿAbdurraḥmān b. Mahdī, ʿAbdarrazzāq b. Hammām, Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān, Yaḥyā b. Maʿīn, Yaḥyā b. Ādam, Abū Bakr b. Abī Šayba und Isḥāq b. Rāḥūya.582

580 Ḏahabī, Tārīḫ,  X, S.  242; Suyūṭī, Ǧalāluddīn ʿAbdurraḥmān b. Abī Bakr (gest. 911/1505), Ṭabaqātu l-­Ḥuffāẓ, Dāru l-­Kutubi l-ʿIlmiyya, Beirut 1403, S. 178; Sezgin, GAS, I, S. 105; ʿAbdulḥalīm Maḥmūd, Sufyān aṯ-­Ṯawrī Amīru l-­Muʾminīn fi l-­Ḥadīṯ, Kairo, o. J., 20–25. 581 Ibnu l-­Ğawzī, Abu l-­Faraǧ Ǧamāluddīn ʿAbdurraḥmān b. ʿAlī Muḥammad alBaġdādī (gest. 597/1201), al-­Muntaẓam fī Tārīḫi l-­Mulūk wa l-­Umam, Dāru Sādir, Beirut 1358,  VII, S.  274; Ibn Kaṯīr, Ismāʿīl b. ʿUmar b. Kaṯīr Abu l-­Fidāʾ (gest. 774/1373), al-­Bidāya wa n-­Nihāya, ed. ʿAlī Šīrī, Dāru Iḥyāʾi t-­Turāṯi l-ʿArabī, Beirut 1408/1988, XI, S. 408, Ṣafadī, Abu ṣ-­Ṣafā (Abū Saʿīd) Ṣalāḥuddīn Ḫalīl b. ʿIzziddīn Aybak b. ʿAbdillāh aṣ- Ṣafadī (gest. 764/1363), al-­Wāfī bi l-­Wafayāt, ed. Aḥmad al-­ Arnaʾūṭ, Turkī Muṣṭafā, Dāru Iḥyāʾi t-­Turāṯ, Beirut 2000, XIX, S. 16. 582 Buḫārī, at-­Tārīḫ, V, S. 212; Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, V, S. 179; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, X, S. 152 f.; Ibn Ḫallikān, Wafayāt, III, S. 32; Mizzī, Tahḏīb, XVI, S. 5–14; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 378 ff.; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, V, S. 334 ff.; Brockelmann, GAL Suppl., I,

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Kritiker haben in Bezug auf seine Zuverlässigkeit die gleiche Auffassung. Ibn Saʿd legt dar, dass er von vielen Personen Wissen erlangte, Bildungsreisen nach dem Irak, nach Ḥiǧāz, Šām, Ägypten und in den Jemen machte und viele wissenschaftliche Schriften verfasste. Er war ein Gelehrter im memorialen Besitz vieler Hadithe, von dessen Wissen viele Personen profitierten; zudem war er ṯiqa, ein Imam und Ḥuǧǧa. Aḥmad al-ʿIǧlī sagte, dass er ṯiqa, ṣāliḥ, Poet und ein Gelehrter mit großem Wissensschatz sei. Ḏahabī bemerkte, dass seine Hadithe nach einheitlicher Auffassung ḥuǧǧa seien. Als natürliche Folge dieses Vertrauens wurden seine Überlieferungen in die Kutubu Sitta aufgenommen.583 Ibnu l-­Mubārak wurde auch in den wissenschaftlichen Kreisen seiner Zeit als ein kompetenter Gelehrte in den Hadith-­Wissenschaften angesehen. So wurde in Kūfa, wo er eine Zeit lang blieb, im Falle einer Divergenz in Bezug auf einen Hadith mit den Worten „Kommt! Lasst uns zum Arzt dieser Wissenschaft gehen!“584 an ihn appelliert. Offenbar verfügte Ibnu l-­Mubārak auch über das Gedankengut Syriens. So gab Nasāʾī an, dass Ibnu 1-Mubārak hinsichtlich des Wissensschatzes des syrischen Gelehrten al-­Awzāʿī der Verlässlichste unter den Menschen sei.585 Sein Lehrer Sufyān aṯ-­Ṯawrī konstatierte, dass er Ibnu l-­Mubāraks Wissen und seine Lebensweise beneidete. Er unterstrich dies mit folgender Aussage: „Ich wünschte, ein Jahr meines Lebens würde wie ein Lebensjahr Ibnu l-­Mubāraks sein. Doch ich wäre nicht einmal im Stande, einen Tag so zu sein, geschweige denn ein Jahr.“586

Sufyān b. ʿUyayna beschrieb ihn als einen großzügigen und mutigen Gelehrten, der ein Faqīh, ʿĀbid, Zāhid und Poet sei, und er sagte, dass kein Mensch zu ihnen käme, der Ibnu l-­Mubārak und Yaḥyā b. Zakariyyā b. Abī Zāʾida hinsichtlich deren Wissens ebenbürtig sei. Aufgrund seiner sittlich wertvollen Eigenschaften verglich Sufyān b. ʿUyayna ihn mit den Prophetengefährten und betonte, dass Ibnu l-­Mubārak ihnen, außer ihren Konversationen mit dem Propheten und ihrer Teilnahme an Kriegen, überlegen sei.587

583 584 585 586 587

S. 256; Sezgin, GAS, I, S. 95; Sandıkçı, İlk Üç Asırda İslam Coğrafyasında Hadis, S. 414 ff.; Robson, J., Ibn al-­Mubārak, (New Edition), Leiden 1986, III, S. 879; Van Ess, Theologie und Gesellschaft, V, 226. Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VII, S. 372; al-ʿIǧlī, Maʿrifa, II, S. 54; Ibn Ḥibbān, aṯ-­Ṯiqāt, VII, S. 7 f.; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 380. Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 404. Ebenda, S. 419. Mizzī, Tahḏīb, XVI, S. 15; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 389. Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, V, S. 180; Mizzī, Tahḏīb, XVI, S. 16; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 390, 407; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, V, S. 336.

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Aḥmad b. Ḥanbal sagte, dass es keinen in dieser Ära gäbe, der das Wissen mehr begehre als er und er wichtige Wissenszentren jener Zeit, wie den Jemen, Ägypten, Šām, Basra und Kūfa besuchte.588 Dass er der erste Gelehrte in der Region von Chorasan, insbesondere in Marw, wo viele Gelehrten heranwuchsen, war,589 der Hadithe niederschrieb, war ein weiterer Grund, welcher ihn namhafter machte. Die Wissenskreise der Ära schreiben ihm viele positive Attribute zu, wie ʿIlm, Fiqh, Anstand, Syntax, lexikalisches Wissen, Zuhd, Rhetorik, Poesie, Bereicherung seiner Nächte mit Gebeten und Gottesgedenken (Iḥyāʾu l-­Layl), Gottesdienst, Pilgerfahrt, Schlacht, Mut, Scharfsinn, Kraft, Unterlassung der unnötigen Rede, Gnade und wenig Widerspruch gegenüber seinen Freunden. Aus diesem Grund lobte sein Lehrer, der Hadith-­Wissenschaftler Ismāʿīl b. ʿAyyāš aus Šām, sein Wissen und seine Charaktereigenschaften mit der Aussage „dass es keine gute Eigenschaft gegeben habe, welche ihm Allah nicht gewährt habe.“590 Aufgrund dieser Aussagen lässt sich festhalten, dass ʿAbdullāh b. al-­Mubārak von vielen bekannten Gelehrten verschiedener Wissenszentren der Epoche profitierte, in der Region von Chorasan und besonders in Marw der erste Gelehrte war, der Hadithe niederschrieb, der gemeinsame Schüler von Sufyānayn war, weiterhin an erster Stelle der führenden Schüler Sufyān aṯ-­Ṯawrīs stand, die dessen Wissensgut am besten beherrschten, und ein wichtiger Wissenschaftler der Ära war, der seinen Wissensvorrat an spätere Generationen weitergab. 2. Abū ʿAbdirraḥmān al-­Ašǧaʿī (gest. 182/798): Sein voller Name ist Abū ʿAbdirraḥmān ʿUbaydullāh b. ʿUbaydirraḥmān al-­Ašǧaʿī al-­Kūfī. Er war ein bekannter Ḥāfiẓu-­l Ḥadīṯ aus Kūfa. Unter seinen Lehrern befanden sich bekannte Persönlichkeiten wie Sufyān aṯ-­Ṯawrī, Hišām b. ʿUrwa, Šuʿba und Ismāʿīl b. Abī Ḫālid. Unter den Personen, die von ihm Wissen erlangten, befanden sich Gelehrte wie ʿAbdullāh b. al-­Mubārak, Aḥmad b. Ḥanbal, Yaḥyā b. Maʿīn und ʿUṯmān b. Abī Šayba.591 588 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, V, S. 180; Mizzī, Tahḏīb, XVI, S. 15 f.; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 397; al-ʿIbar fī Ḫabari man Ġabar, ed. Abū Hāǧir Muḥammad as-­Saʿīd b. Basyūnī Zaġlūl, Dāru l-­Kutubi l-ʿIlmiyya, Beirut 1405/1985, I, S. 217. 589 Küçük, Raşit, Abdullah b. Mübârek, in: DİA, İstanbul 1988, I, S. 123. 590 Mizzī, Tahḏīb, XVI, S. 18 ff.; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 348, 397; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, V, S. 336 f. 591 Buḫārī, at-­Tārīḫ,  V, S.  390  f.; Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ,  V, S.  323; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, X, S. 311; Mizzī, Tahḏīb, XIX, S. 107 f.; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 514 f.; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, VII, S. 31.

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In den Quellen wird angegeben, dass Ašǧaʿī und Yaḥyā b. Ādam 30 000 Hadithe von Ṯawrī erlangten.592 Als Ṯawrī starb, wurde Ašǧaʿī gebeten, seine Stelle einzunehmen. Wies er dies anfangs noch zurück, kam er doch später dieser Bitte nach.593 Die Hadith-­Kritiker hatten eine positive Auffassung von ihm. Ibn Saʿd sagte, dass er die Bücher seines Lehrers Sufyān aṯ-­Ṯawrī angemessen überliefere, wobei er besonders betonte, dass er Ṯawrīs Werk al-­Ǧāmiʿ überliefere.594 Nach al-ʿIǧlī war er eine zuverlässige und fromme Person und der verlässlichste unter denjenigen, die von Ṯawrī überlieferten.595 Aḥmad b. Ḥanbal zählte unter Ṯawrīs wichtigsten Schülern Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān, Wakīʿ b. al-­Ǧarrāḥ, ʿAbdurraḥmān b. Mahdī und Ašǧaʿī auf.596 Yaḥyā b. Maʿīn wies mit folgenden Worten auf die nächsten und zuverlässigsten Schüler Ṯawrīs hin: „Bezüglich der Beherrschung der Hadithe Ṯawrīs gibt es keinen, der ʿAbdullāh b. al-­ Mubārak, Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān, Wakīʿ b. al-­Ǧarrāḥ, ʿAbdurraḥmān b. Mahdī und Abū Nuʿaym Faḍl b. Dukayn ebenbürtig ist.“

Später zählte er der Reihenfolge nach Ašǧaʿī, Yaḥyā b. Ādam, ʿUbaydullāh b. Mūsā, Abū Aḥmad az-­Zubayrī, Abū Huḏayfa, Qabīṣa, Muʿāwiya b. Hišām al-­ Qaṣṣār, Muḥammad b. Yūsuf al-­Firyābī und Abū Dāwūd al-­Ḥufrī’yi auf; zudem wies er darauf hin, dass Ašǧaʿī zuverlässig und fromm sei.597 Auch nach Nasāʾī war er zuverlässig. Ibn Ḥibbān erwähnte ihn in seinem Werk aṯ-­Ṯiqāt, und auch in der Kutubu Sitta sind Überlieferungen von ihm enthalten.598 Ausgehend von diesen Informationen kann gesagt werden, dass Ašǧaʿī einer der nächsten und zuverlässigsten Schüler Sufyān aṯ-­Ṯawrīs in Kūfa war und einen so umfangreichen Wissensschatz besaß, dass er al-­Ǧāmiʿ, das Werk seines Lehrers, überliefern konnte. Allerdings hat er aufgrund seines vorzeitigen Todes (gest. 182/798) im Vergleich zu Wakīʿ (gest. 197/812), al-­Qaṭṭān (gest. 198/813) und Abū Nuʿaym (gest. 219/834) von seinem Lehrer weniger überliefert. 592 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, X, S. 311; Mizzī, Tahḏīb, XIX, S. 109; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 515, VII, S. 247, 273; Tārīḫ, X, S. 227. 593 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, X, S. 311; Mizzī, Tahḏīb, XIX, S. 109; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 515. 594 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VII, S. 328. 595 Al-ʿIǧlī, Maʿrifa, II, S. 116; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, VII, S. 32. 596 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, V, S. 324; Mizzī, Tahḏīb, XIX, S. 109; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 515; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, VII, S. 31. 597 Mizzī, Tahḏīb, XIX, S. 110; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 515 f. 598 Ibn Ḥibbān, aṯ-­Ṯiqāt, VIII, S. 403; Mizzī, Tahḏīb, XIX, S. 110; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 516.

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3. Wakīʿ b. al-­Ǧarrāḥ (gest. 197/812): Sein voller Name ist Abū Sufyān Wakīʿ b. al-­Ǧarrāḥ b. Malīḥ b. ʿAdiy b. al-­Faras b. Sufyān b. al-­Ḥāriṯ b. ʿAmr b. ʿUbayd b. Ruʿās b. Kilāb b. Rabīʿa b. ʿĀmir b. Ṣaʿṣaʿa al-­Kūfī. Er ist einer der bekannten Hadith-­Ḥuffāẓ Kūfas und lernte von führenden Gelehrten seiner Zeit, wie Hišām b. ʿUrwa, al-­Aʿmaš, Ismāʿīl b. Abī Ḫālid, ʿAbdullāh b. ʿAwn, Ibn Ǧurayǧ, al-­ Awzāʿī, Ibn Abī Laylā, Musʿir b. Kidām, Sufyān aṯ-­Ṯawrī, Sufyān b. ʿUyayna, Abū Ḥanīfa, Šuʿba und Šarīk b. ʿAbdillāh. Unter jenen, die von ihm überlieferten, waren vor allem sein Lehrer Sufyān aṯ-­Ṯawrī, Ṯawrīs andere drei wichtige Schüler ʿAbdullāh b. al-­Mubārak, Yaḥyā b. Ādam und ʿAbdurraḥmān b. Mahdī sowie Ḥumaydī, Musaddad, ʿAlī b. al-­Madīnī, Aḥmad b. Ḥanbal und Yaḥyā b. Maʿīn.599 Wakīʿ b. al-­Ǧarrāḥ erhielt durchwegs positive Kritiken. So führte Ibn Saʿd auf, dass er ṯiqa, ḥuǧǧa und ein Gelehrter mit hohem Wissensgrad war und viele Hadithe kannte. Aḥmad al-ʿIǧlī zählte ihn mit Bezug auf Ṯawrīs Wissensgut zu den zuverlässigsten Personen und sagte, dass er ṯiqa, ʿābid, ṣāliḥ, adīb, ḥāfiẓ und muftī war. Nach Ḏahabī ist er „ein Ozean im Wissen und einer von den Imamen der Memorierung.“ Ibn Ḥibbān führte ihn in seinem Buch aṯ-­Ṯiqāt auf, und seine Überlieferungen fanden ihren Platz in der Kutubu Sitta.600 Noch im Kindesalter erweckte er das Interesse seines Lehrers Ṯawrī und wurde im Laufe der Zeit zu dessen bestem Schüler. Ṯawrī, der sein wissenschaftliches Talent bemerkte, schaute einmal in Wakīʿs Augen und sagte: „Der hier mit dem großen Kopf wird nicht sterben, bevor er großen Ruhm erlangt.“601 So nahm Wakīʿ einem Bericht von Yaḥyā b. Yamān zufolge die Stelle seines Lehrers Ṯawrī ein, nachdem dieser verstorben war.602 Es gibt allerdings auch Überlieferungen, die besagen, dass Ašǧaʿī die Stelle Ṯawrīs nach dessen Tod einnahm.603 Zieht man jedoch die Wertschätzung Ṯawrīs sowie der Wissenschaftskreise für Wakīʿ b. al-­Ǧarrāḥ in Betracht, so ist es wahrscheinlicher, dass dieser die Stelle seines Lehrers einnahm. Vielleicht traten aber auch Ašǧaʿī und Wakīʿ in verschiedenen Regionen an Ṯawrīs Stelle. 599 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VI, S. 394; Buḫārī, at-­Tārīḫ, VIII, S. 179; Ibn Abī Ḥātim, al-­ Ǧarḥ, IX, S. 37; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, XIII, S. 496 f.; Mizzī, Tahḏīb, XXX, S. 462–470; Ḏahabī, Siyar, IX, S. 140 ff.; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, XI, S. 109 f. 600 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VI, S. 394; al-ʿIǧlī, Maʿrifa, II, S. 341; Ibn Ḥibbān, aṯ-­Ṯiqāt, VII, S. 562; Mizzī, Tahḏīb, XXX, S. 482 f.; Ḏahabī, Siyar, IX, S. 142. 601 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VIII, S. 369; Mizzī, Tahḏīb, XXX, S. 478; Ḏahabī, Siyar, IX, S. 142. 602 Abū Nuʿaym, Ḥilya,  VIII, S.  369; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād,  XIII, S.  499; Mizzī, Tahḏīb, XXX, S. 478; Ḏahabī, Siyar, IX, S. 142, 146; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, XI, S. 113. 603 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, X, S. 311; Mizzī, Tahḏīb, XIX, S. 109; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 515.

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Anscheinend war Wakīʿ in Šām wissenschaftlich tätig und genoss in den Wissenschaftskreisen dieser Region ein großes Ansehen. Daher sagte wohl Yaḥyā b. Maʿīn, indem er ihn mit dem syrischen Muǧtahid al-­Awzāʿī verglich: „Wakīʿ zu seiner Zeit, ist so wie al-­Awzāʿī zu seiner Zeit.“604 Hadith-­Autoritäten betonten vor allem Wakīʿs Gedächtniskraft im Vergleich zu anderen wichtigen Schülern Ṯawrīs und führten ihn diesbezüglich an erster Stelle auf. So unterstrich auch Aḥmad b. Ḥanbal diese seine Eigenschaft und stellte über die nächsten vier Schüler Ṯawrīs Folgendes fest: „Ich sah keinen größeren Ḥāfiẓ als Wakīʿ. Hinsichtlich der Kenntnis und Solidität leistet dir ʿAbdurraḥmān b. Mahdī Genüge. Bezüglich der Hadith-­Tradierer sah ich unter den Gelehrten keinen gemäßigteren als Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān. Er hält hierbei seine Worte nicht aus Liebe zu jemandem zurück, doch übertreibt auch nicht und verhält sich bei einer Meinungsäußerung äußerst besonnen. Abū Nuʿaym Faḍl b. Dukayn ist von diesen vier derjenige, der die wenigsten Fehler macht. Für mich ist er ṯiqa und ḥuǧǧa im Hadith.“605

In diesem Zusammenhang verweist der Hadith-­Gelehrte Isḥāq b. Rāhūyah (gest. 238/853) aus Marw auf diese Eigenschaft Wakīʿ b. al-­Ǧarrāḥs mit den folgenden Worten: „Mein Memorieren und das von ʿAbdullāh b. Mubārak ist eine Anstrengung. Das Memorieren von Wakīʿ ist dagegen ursprünglich. Einmal ist Wakīʿ aufgestanden, hat sich an etwas angelehnt und siebenhundert Hadithe aus dem Gedächtnis überliefert.“606

Auch Aḥmad b. Ḥanbal sagte, dass das Memorieren bei ihm zum Naturzustand wurde.607 In den Quellen wird überliefert, dass er deswegen Hadithe überlieferte, ohne Bücher und Hefte zur Hand zu haben.608 ʿAlī b. al-­Madīnī aus Basra führte als die drei zuverlässigsten Schüler Sufyāns Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān, ʿAbdurraḥmān b. Mahdī und Wakīʿ b. al-­Ǧarrāḥ auf.609 Wakīʿ legte auch Wert auf die Auswertung der Hadithe gemäß der Fiqh-­ Wissenschaft. So gab Aḥmad b. Ḥanbal an, dass er keinen ihm Ebenbürtigen gesehen habe, Wakīʿ die Hadithe sehr gut auswendig lernte, sie auch nach den

604 Abū Nuʿaym, Ḥilya,  VIII, S.  371; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād,  XIII, S.  504; Mizzī, Tahḏīb, XXX, S. 475; Ḏahabī, Siyar, IX, S. 144; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, XI, S. 111 f. 605 Mizzī, Tahḏīb, XXX, S. 473; Ḏahabī, Siyar, IX, S. 147; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, XI, S. 111. 606 Ḏahabī, Siyar, IX, S. 157; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, XIII, S. 504 f. 607 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, XIII, S. 504 f.; Mizzī, Tahḏīb, XXX, S. 471; Ḏahabī, Siyar, IX, S. 157; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, XI, S. 110, 114. 608 Ibn Ḥibbān, aṯ-­Ṯiqāt,  VII, S.  562; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād,  XIII, S.  505  f.; Mizzī, Tahḏīb, XXX, S. 480; Ḏahabī, Siyar, IX, S. 151. 609 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, IX, S. 38; Ḏahabī, Siyar, IX, S. 152.

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Richtlinien der Fiqh-­Wissenschaft analysierte und dies auch aufgrund seiner Ehrfurcht und seines Iǧtihāds sehr gut machte. Unter den überlieferten Mitteilungen finden sich auch Angaben darüber, dass Wakīʿ zu den hanafitischen Fuqahāʾ gehörte und unter Zugrundelegung der Ansichten Abū Ḥanīfas Rechtsauskünfte gab.610 Wakīʿ war demnach ein Schüler der Sufyānayn und gehörte zu deren innerstem Schülerkreis. Er profitierte am meisten von Sufyān aṯ-­Ṯawrī, stand bezüglich der Gedächtniskraft in diesem Kreis an erster Stelle und nahm, wie bereits angesprochen, nach dem Tod seines Lehrers Ṯawrī dessen Stelle ein. Sein Wissensgut wurde vor allem in Büchern wie die Kutubu Sitta an die heutige Zeit weitergegeben. 4. ʿAbdurraḥmān b. Mahdī (gest. 198/813–14): Sein voller Name ist Abū Saʿīd ʿAbdurraḥmān b. Mahdī b. Ḥassān b. ʿAbdirraḥmān al-ʿAnbarī al-­Azdī al-­Luʾluʾī al-­Baṣrī. Er war ein bekannter Hadith-­Tradierer und Rechtsgelehrter der Tābiʿu t-­Tābiʿīn-­Generation. Unter seinen Lehrern befanden sich wichtige Gelehrten seiner Zeit, wie Sufyān aṯ-­Ṯawrī, Sufyān b. ʿUyayna, Šuʿba, Mālik b. Anas, Ḥammād b. Salama und Ḥammād b. Zayd. Von ihm selbst tradierten andere führende Gelehrte wie ʿAbdullāh b. al-­ Mubārak, ʿAlī b. al-­Madīnī, Yaḥyā b. Maʿīn, Aḥmad b. Ḥanbal, Isḥāq b. Rāhūyah, Bundār (gest. 252/866), Abū Ḫayṯama (gest. 234/849), Ibn Abī Šayba (gest. 235/849) und al-­Qawārīrī (gest. 235/849) Hadithe.611 Unter den Kritikern besteht Übereinstimmung darüber, dass Ibn Mahdī, der nicht aus Büchern, sondern aus seinem Gedächtnis überlieferte,612 über ein starkes Gedächtnis verfügte und ein zuverlässiger Gelehrter war. Nach Ibn Saʿd waren seine Hadith-­Überlieferungen sehr zuverlässig.613 Aḥmad al-ʿIǧlī zählte ihn in Bezug auf Ṯawrīs Wissensgut zu den vertrauenswürdigsten Personen.614 Aḥmad b. Ḥanbal sagte, dass er „sogar wenn er von einem unbekannten Tradierer überliefern würde, dennoch ḥuǧǧa wäre.“615 ʿAlī b. al-­Madīnī verglich die Hadith-­Kenntnisse

610 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, XIII, S. 501, 505; Mizzī, Tahḏīb, XXX, S. 475; Ḏahabī, Siyar, IX, S. 148, 155; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, XI, S. 111. 611 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VII, S. 297; Buḫārī, at-­Tārīḫ, V, S. 354; Ibn Abī Ḥātim, al-­ Ǧarḥ, V, S. 288 f.; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, X, S. 240; Mizzī, Tahḏīb, XVII, S. 430–435; Ḏahabī, Siyar, IX, S. 192 f.; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, VI, S. 250 f. 612 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, X, S. 247; Mizzī, Tahḏīb, XVII, S. 439; Ḏahabī, Siyar, IX, S. 203. 613 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VII, S. 297. 614 Al-ʿIǧlī, Maʿrifa, II, S. 88. 615 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, X, S. 243; Mizzī, Tahḏīb, XVII, S. 441; Ḏahabī, Siyar, IX, S. 203; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, VI, S. 252.

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von ʿAbdurraḥmān mit Magie. Als vertrauenswürdigste Schüler Ṯawrīs sah er Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān, ʿAbdurraḥmān b. Mahdī, Wakīʿ und Abū Nuʿaym an. Jedoch merkte er an, dass in Bezug auf Hadithe ʿAbdurraḥmān b. Mahdī über mehr Kenntnisse verfüge, während sich Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān hinsichtlich der Hadith-­Tradierer besser auskenne.616 Ḏahabī führte auf, dass er im Wissen und in der Praktizierung ein Imam, Ḥuǧǧa und ein Führer sei.617 Ibn Ḥibbān erwähnte ihn in seinem Werk aṯ-­Ṯiqāt. Infolge dieser positiven Beurteilungen haben seine Überlieferungen in der Kutubu Sitta Platz gefunden. In den Quellen wird Ibn Mahdī im Hinblick auf seine Solidität und die Anzahl der ihm zur Verfügung stehenden Hadithe im Kreis der sechs engsten Schüler Ṯawrīs Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān und Wakīʿ vorgezogen. Bei dieser Einschätzung spielte die Tatsache, dass Ibn Mahdī die von ihm gesammelten Hadithe seinem Lehrer Ṯawrī vortrug, eine wichtige Rolle.618 Wie bereits erwähnt, zeigt die Tatsache, dass sich unter der begrenzten Zahl von Ṯawrīs Schülern bei der Ausübung geheimer wissenschaftlicher Aktivitäten in seinen letzten unter Verfolgung in Basra verbrachten Jahren ʿAbdurraḥmān b. Mahdī befand und dieser ihm bei seinem Tod beistand, dass sich Ṯawrī auch in Ausnahmesituationen auf Ibn Mahdī verließ. Darüber hinaus ist die Angabe, dass Ṯawrī, wenn er die Unzufriedenheit Ibn Mahdīs über eine von Ṯawrī in einer Angelegenheit erteilte Rechtsauskunft erkannte, er ihn nach seiner Meinung fragte, und falls Ibn Mahdī eine gegensätzliche Auffassung vertrat, schwieg,619 im Hinblick auf Ṯawrīs Wertschätzung von Ibn Mahdīs Meinungen von Bedeutung. Bekannt wurde Ibn Mahdī durch sein Memorieren und seine sehr guten Kenntnisse der Überlieferungswege und Eigenschaften der Hadith-­Tradierer. Aus diesem Grund erfuhren die Lehrsitzungen während seines Aufenthalts in Bagdad eine große Nachfrage.620 Auch wurde er durch sein Wissen, ob ein tradierter Hadith von ihm oder einem anderen tradiert wurde, bekannt.621 Es wird auch berichtet, dass zu seiner Zeit in Basra keiner des Kadititels würdiger war als er,622 wie auch, dass er als derjenige anerkannt wurde, der nach Zuhrī 616 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, V, S. 289; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, X, S. 246; Mizzī, Tahḏīb, XVII, S. 439; Ḏahabī, Siyar, IX, S. 195; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, VI, S. 252. 617 Ḏahabī, Siyar, IX, S. 194. 618 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, V, S. 290; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, X, S. 243; Mizzī, Tahḏīb, XVII, S. 441; Ḏahabī, Siyar, IX, S. 195; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, VI, S. 252. 619 Ḏahabī, Siyar, IX, S. 201. 620 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, X, S. 240 f. 621 Ḏahabī, Siyar, IX, S. 203; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, VI, S. 252. 622 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, X, S. 242.

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und Mālik die Aussagen der sieben medinensischen Fiqh-­Gelehrten (Fuqahāʾu s-­Sabʿa), die als Schüler von Zayd b. Ṯābit gelten, der innerhalb der Prophetengefährten einen Wissenskreis leitete, am besten kannte.623 Dies zeigt, dass Ibn Mahdī außer in der Hadith-­Wissenschaft auch über profunde Kenntnisse in der Fiqh verfügte. So sagte Aḥmad b. Ḥanbal, dass er mehr Faqīh sei als Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān.624 So ist zu verstehen, dass Ibn Mahdī auch eine wichtige Rolle bei der Verbreitung der rechtswissenschaftlichen Ansichten Imam Māliks in der Region von Basra spielte, der die Sunna anstelle der Raʾy präferierte. In diesem Zusammenhang berichtete ʿAlī b. al-­Madīnī, dass er nach Imam Mālik die Methode von Ahlu l-­Madīna verfolgte.625 Ibn Mahdī war demnach der gemeinsame Schüler der Sufyānayn, befand sich im nächsten Schülerkreis von Ṯawrī, und seine Meinung bei der Erteilung einer Rechtsauskunft in einer Angelegenheit wurde von Ṯawrī geschätzt. Bedenkt man, dass Ibn Mahdī einer der Ḥāfiẓu-­l Ḥadīṯ war, der das Wissensgut der basrischen Hadith-­ Gelehrten und die Eigenschaften der Tradierer am besten kannte, so kann sogar gesagt werden, dass er in diesem Punkt das Wissensgut seines Lehrers anreicherte. Darüber hinaus reichte Ibn Mahdī das Wissensgut der Sufyānayn an die nächsten Generationen weiter, vertrat aber später in der Fiqh die Methode von Imam Mālik. 5. Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān (gest. 198/813): Sein voller Name ist Abū Saʿīd Yaḥyā b. Saʿīd b. Farrūḫ at-­Tamīmī al-­Baṣrī al-­Qaṭṭān. Er gehörte zu den bekanntesten Hadith-, Fiqh-, Rezitations-, und Siyar-­Gelehrten in Basra. Unter seinen Lehrern befanden sich zahlreiche bekannte Gelehrte, wie Šuʿba b. al-­Ḥaǧǧāǧ, Sufyān aṯ-­Ṯawrī, Sufyān b. ʿUyayna, Sulaymān at-­Taymī, al-­Aʿmaš, Ḥumayd aṭ-­Ṭawīl, Hišām b. ʿUrwa, Yaḥyā b. Saʿīd al-­Anṣārī, ʿAbdullāh b. ʿAwn, Saʿīd b. Abī ʿArūba, Ǧaʿfar b. Muḥammad, Ibn Ǧurayǧ, al-­Awzāʿī und Mālik b. Anas. Von ihm überlieferten neben seinen Lehrern, wie Šuʿba b. al-­Ḥaǧǧāǧ, Sufyān aṯ-­Ṯawrī, Sufyān b. ʿUyayna und Sulaymān at-­Taymī, weitere bekannte Gelehrte, wie ʿAbdurraḥmān b. Mahdī, Musaddad (gest. 228/843), Abū Bakr b. Abī Šayba, ʿAlī b. al-­Madīnī (gest. 234/849), Aḥmad b. Ḥanbal (gest. 241/854), ʿAmr b. ʿAlī al-­Fallās (gest. 249/864), Bundār (gest. 252/866) und Muḥammad b. al-­Muṯannā (gest. 252/866).626 623 Ebenda, S. 242 f.; Ḏahabī, Siyar, IX, S. 202 624 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, X, S. 242; Ḏahabī, Siyar, IX, S. 194. 625 Ḏahabī, Siyar, IX, S. 200. 626 Buḫārī, at-­Tārīḫ, VIII, S. 276 f.; Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, IX, S. 150; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, XIV, S. 135; Mizzī, Tahḏīb, XXXI, S. 329–334; Ḏahabī, Siyar, IX, S. 175 ff.; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, XI, S. 190.

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Bezüglich der Zuverlässigkeit al-­Qaṭṭāns sind sich die Kritiker einig. Ibn Saʿd sagte, dass er ṯiqa, ḥuǧǧa und ein ranghoher Gelehrter war.627 Nasāʾī zählte ihn zusammen mit Šuʿba und Mālik zu den zuverlässigen Dienern Allahs auf Erden und gab an, dass er ṯiqa war.628 Aḥmad al-ʿIǧlī stellte dar, dass er ṯiqa und eine Persönlichkeit war, die nur von Ṯiqas überliefere.629 Aḥmad b. Ḥanbal sagte aus, dass er in der Hadith-­Wissenschaft seinesgleichen nicht gesehen habe und zu seiner Zeit keine ihm ebenbürtige Person vorhanden gewesen sei. Ferner führte Abū Zurʿa aus, dass er einer der zuverlässigen Ḥuffāẓ war.630 Ibn Ḥibbān erwähnte ihn mit lobreichen Worten in seinem Werk aṯ-­Ṯiqāt.631 Infolge dieses Vertrauens der Autoritäten fanden seine Überlieferungen Aufnahme in die Kutubu Sitta. Al-­Qaṭṭān unternahm viele Wissensreisen und brachte der Hadith-­Wissenschaft die höchstmögliche Wertschätzung entgegen; auch übertraf er seine Kommilitonen in wissenschaftlicher Hinsicht und bildete wichtige Schüler aus.632 Unter seinen Lehrern waren Šuʿba b. al-­Ḥaǧǧāǧ und Sufyān aṯ-­Ṯawrī von besonderer Bedeutung. Zwanzig Jahre lang war er Schüler bei Šuʿba633 und nahm nach dessen Tod seine Stelle ein.634 Er wird als einer derjenigen betrachtet, der sich mit Ṯawrīs Hadithen am besten auskannte.635 Als Sufyān aṯ-­Ṯawrī in Basra, wo er unter Verfolgung lebte, ankam, sagte er zu ʿAbdurraḥmān b. Mahdī: „Bring mir einen Menschen, mit dem ich mich wissenschaftlich austauschen kann!“ Ibn Mahdī brachte daraufhin al-­Qaṭṭān zu ihm, und Ṯawrī führte mit ihm eine wissenschaftliche Diskussion. Als al-­Qaṭṭān wieder gegangen war, sagte Ṯawrī zu Ibn Mahdī: „Ich sagte dir, dass du einen Menschen bringen solltest, aber du brachtest mir einen Teufel!“636 Er betonte so seine Bewunderung für die Intelligenz von al-­Qaṭṭān. 627 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VII, S. 293. 628 Ḏahabī, Siyar, IX, S. 181. 629 Al-ʿIǧlī, Maʿrifa, II, S. 353; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, XIV, S. 142 f.; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, XI, S. 192. 630 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ,  IX, S.  151; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād,  XIV, S.  139; Mizzī, Tahḏīb, XXXI, S. 336 f., 340; Ḏahabī, Siyar, IX, S. 177; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, XI, S. 191 f. 631 Ibn Ḥibbān, aṯ-­Ṯiqāt, VII, S. 611. 632 Ḏahabī, Siyar, IX, S. 176. 633 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, XIV, S. 136; Mizzī, Tahḏīb, XXXI, S. 334; Ḏahabī, Siyar, IX, S. 177; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, XI, S. 190. 634 Ibn Raǧab, Zaynuddīn ʿAbdurraḥmān b. Aḥmad b. Raǧab al-­Ḥasan al-­Ḥanbalī, (gest. 795/1393), Šarḫu ʿIlali t-­Tirmiḏī, ed. Hammām ʿAbdurraḥīm Saʿīd, Maktabatu l-­ Manār, Jordan 1407/1987, I, S. 30, 464. 635 Al-ʿIǧlī, Maʿrifa, II, S. 353. 636 Ḏahabī, Siyar, IX, S. 177.

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Al-­Qaṭṭān, der großen Wert auf die Untersuchung der Überliefererkette legte,637 wurde insbesondere durch seine Spezialisierung im Bereich der Hadith-­Tradierer (Riǧalu l-­Ḥadīṯ) bekannt. ʿAlī b. al-­Madīnī führte aus, dass er keinen sehe, der die Riǧalu l-­Ḥadīṯ besser als Yaḥyā al-­Qaṭṭān kannte.638 Al-­Qaṭṭān überlieferte aus seinem Gedächtnis,639 und dort, wo er keine sichere Überlieferung finden konnte, gab er Rechtsauskünfte anhand der Ansichten Abū Ḥanīfas.640 Im Lichte dieser Informationen lässt sich sagen, dass Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān ein gemeinsamer Schüler der Sufyānayn war und von herausragenden Gelehrten seiner Zeit profitierte, dazu insbesondere im Bereich der Hadith-­Tradierer ein Spezialist war sowie bedeutende Autoritäten heranbildete. Daher ist seine Rolle in der Weitergabe des Wissensgutes der Sufyānayn an die nächsten Generationen nicht zu unterschätzen. Dass Aḥmad b. Ḥanbal, der auch ein Schüler Sufyān b. ʿUyaynas war und dessen Rechtsschule noch heute existiert, auch vom ihm profitierte, wirft zudem interessanter Weise ein Licht auf die Wurzeln der hanbalitischen Rechtsschule. 6. Abū Nuʿaym Faḍl b. Dukayn (gest. 219/834): Sein voller Name ist Abū Nuʿaym Faḍl b. Dukayn (ʿAmr) b. Ḥammād b. Zuhayr b. Dirham at-­Taymī al-­ Mulāʾī al-­Kūfī. Er war einer der bekannten Hadith-­Gelehrten aus Kūfa. Unter den Lehrern, von denen er Wissen erwarb, waren Gelehrte wie al-­Aʿmaš, Zakariyyā b. Abī Zāʾida, Musʿir b. Kidām, Sufyān aṯ-­Ṯawrī, Sufyān b. ʿUyayna, Šuʿba, Šarīk b. ʿAbdillāh, Mālik b. Anas, Abū Ḥanīfa und Ibn Abī Laylā. Unter seinen Schülern befanden sich Persönlichkeiten, wie Buḫārī, der einer der Imame der Kutubu Sitta war, ʿAbdullāh b. al-­Mubārak, Yaḥyā b. Maʿīn, Isḥāq b. Rāhūyah, Aḥmad b. Ḥanbal, ʿAbd b. Ḥumayd und Abū Ḥātim ar-­Rāzī.641 Abū Nuʿaym sagte, dass er von etwa 100 Lehrern Sufyān aṯ-­Ṯawrīs profitierte und von Ṯawrī 4000 Hadithe erlangte. Ḏahabī konstatiert, dass die Zahl seiner Lehrer 203 betrug.642

637 Ebenda, S. 188. 638 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, X, S. 246, XIV, S. 138; Mizzī, Tahḏīb, XXXI, S. 336; Ḏahabī, Siyar, IX, S. 177; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, XI, S. 191. 639 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, XIV, S. 140; Mizzī, Tahḏīb, XXXI, S. 338; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, XI, S. 192. 640 Ḏahabī, Siyar, IX, S. 176. 641 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VI, S. 400; Buḫārī, at-­Tārīḫ, VII, S. 118; Ibn Abī Ḥātim, al-­ Ǧarḥ, VII, S. 61; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, XII, S. 346 f.; Mizzī, Tahḏīb, XXIII, S. 197–204; Ḏahabī, Siyar, X, S. 142, 144 ff. 642 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, XII, S. 348; Mizzī, Tahḏīb, XXIII, S. 205; Ḏahabī, Siyar, X, S. 146, 154 f.

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Führende Hadith-­Kritiker waren sich bezüglich seiner Zuverlässigkeit einig. Ibn Saʿd legte dar, dass er ṯiqa, ḥuǧǧa und jemand mit großem Hadith-­Wissen war.643 Auch Aḥmad al-ʿIǧlī berichtete, dass er ṯiqa war.644 Ibn Ḥibbān erwähnte ihn in seinem Werk aṯ-­Ṯiqāt.645 Seine Überlieferungen fanden in vielen Hadith-­ Quellen, insbesondere in der Kutubu Sitta, ihren Platz. Der kūfische Jurist Abū Yūsuf (gest. 182/798) sagte über ihn: „Unsere Gefolgschaft ist im Hinblick darauf im Konsens, dass seine Solidität und sein Memorieren die höchste Stufe erreicht haben. Er ist wahrlich ḥuǧǧa.“646

ʿAbdullāh b. al-­Mubārak (gest. 181/797), der zu Ṯawrīs engstem Schülerkreis zählte, sagte, nachdem er die Bücher, die Abū Nuʿayms Überlieferungen beinhalteten, untersuchte, er habe keine zuverlässigere Hadith-­Quelle als diese gesehen.647 Aḥmad b. Ḥanbal verwies darauf, dass Abū Nuʿaym ein intelligenter, nach der Wahrheit suchender Hadith-­Gelehrter war. Ihn mit Wakīʿ b. al-­Ǧarrāḥ vergleichend zeigt er auf, dass Wakīʿ in der Rechtswissenschaft überlegen war, Abū Nuʿaym jedoch weniger Fehler machte und hinsichtlich der Tradierer und ihrer Abstammung über mehr Wissen verfügte als Wakīʿ. Ferner merkt er auch an, dass ʿAbdurraḥmān b. Mahdī im Vergleich zu Wakīʿ Hadith-­Texte besser verstand. Des Weiteren erwähnt er, dass nach dem Tode Abū Nuʿayms etwaige Meinungsverschiedenheiten in Bezug auf die Überlieferungen durch das Nachschlagen in seinen Werken gelöst wurden.648 Wie bereits angedeutet, gab Aḥmad b. Ḥanbal zudem an, dass unter den nächsten Schülern Ṯawrīs, zu denen Wakīʿ, ʿAbdurraḥmān b. Mahdī, Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān und Abū Nuʿaym Faḍl b. Dukayn gezählt wurden, Abū Nuʿaym Faḍl b. Dukayn derjenige mit der geringsten Fehlerquote war.649 Der Unterdrückung durch den Kalifen der Abbasiden Maʾmūn (198–218/ 813–833) während der Miḥna-­Ereignisse650 war auch Abū Nuʿaym ausgesetzt, 643 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VI, S. 401. 644 Al-ʿIǧlī, Maʿrifa, II, S. 205. 645 Ibn Ḥibbān, aṯ-­Ṯiqāt, VII, S. 319. 646 Fasawī, al-­Maʿrifa, III, S. 12; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, XII, S. 353; Mizzī, Tahḏīb, XXIII, S. 212. 647 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, XII, S. 348; Mizzī, Tahḏīb, XXIII, S. 213; Ḏahabī, Siyar, X, S. 156. 648 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, XII, S. 353; Mizzī, Tahḏīb, XXIII, S. 206, 208; Ḏahabī, Siyar, X, S. 146 f. 649 Mizzī, Tahḏīb, XXIII, S. 208, XXX, S. 473; Ḏahabī, Siyar, IX, S. 147, X, S. 154; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, XI, S. 111. 650 Für detailliertes Wissen über „die Miḥna“ siehe Van Ess, Theologie und Gesellschaft, III, Kapitel 3.3, Die Miḥna, S. 446–508. Die ausführliche Erläuterung des

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da er die Auffassung, dass der Koran erschaffen sei, ablehnte. Als er vor seinem Verhör in Kūfa über die bedrückende Prozedur während des Verhörs informiert wurde, sagte er, indem er einen Knopf seines Gewandes abriss und zerbrach: „Der Koran ist Allahs Wort. Das, was ihr Unterdrückung nennt, besteht letztendlich aus der Traktierung mit Peitschenschlägen. Mein Genick ist nicht einmal dieses Knopfes wert.“651

Ḏahabī sagte, dass Abū Nuʿaym in geringem Maße schiitisch orientiert war. Dass ihm Schiismus unterstellt wurde, war möglicherweise auf seine Aussage „ʿAlī zu lieben, ist eine ʿIbāda. Und die schönste ʿIbāda ist das Verborgene“ zurückzuführen. Doch zieht man andererseits seine Aussage „Die Engel vermerkten nicht, dass ich Muʿāwiya beleidigte“652 in Betracht, so lässt sich feststellen, dass er mit dem fanatischen Schiismus nicht in Verbindung gebracht werden konnte und er nur in der großen Liebe zu ʿAlī ein Schiite war. Diese in einer politisch aufgewühlten Phase getätigte Aussage von ihm wurde, wenn man sie schon seinerzeit bereits als übertrieben empfand, dann später auch seitens der Sunniten generell in gleicher Weise aufgefasst. Dass Abū Nuʿaym, der in finanzieller Hinsicht ein sehr schwieriges Leben führen musste, gelegentlich von den Personen, denen er Hadithe überlieferte, oder nach Ḏahabī auch vom Kalifen etwas Geld annahm, wurde zu einem Kritikpunkt. Er erwiderte diesen mit der Aussage, dass diejenigen, die ihn aus diesem Grund kritisierten, im Unrecht seien und verwies auf seine 13-köpfige Familie, die nicht einmal ein Fladenbrot zum Essen habe.653 So kann man sagen, dass Abū Nuʿaym ein weiterer gemeinsamer Schüler der Sufyānayn war, zu Ṯawrīs engstem Schülerkreis gehörte und seitens führender Hadith-­Autoritäten als ṯiqa anerkannt wurde. Er war der Lehrer von Buḫārī, einem der Imame der Kutubu Sitta, und von Aḥmad b. Ḥanbal, dessen Rechtsschule heute noch lebendig ist, und übermittelte das Wissensgut, das er von den Sufyānayn erwarb, insbesondere im Werk Buḫārīs und in anderen Hadith-­Quellen an die nächsten Generationen. Ṯawrīs in sekundärer Hinsicht wichtigen sieben Schüler: Wie bereits erwähnt, waren nach Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān und den anderen erwähnten fünf Gelehrten noch folgende sieben Personen am besten mit Sufyāns Wissen vertraut: Miḥna-­Ereignises wird im Kapitel „2.2.6.3 Seine Schüler“ unter dem Abschnitt über Aḥmad b. Ḥanbal folgen. 651 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, XII, S. 349; Mizzī, Tahḏīb, XXIII, S. 214 f.; Ḏahabī, Siyar, X, S. 149. 652 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, XII, S. 351; Ḏahabī, Siyar, X, S. 151. 653 Mizzī, Tahḏīb, XXIII, S. 218; Ḏahabī, Siyar, X, S. 152.

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7. Muʿāfā b. ʿImrān (gest. 184/–800): Sein voller Name ist Abū Masʿūd al-­Muʿāfā b. ʿImrān b. Nufayl b. Ǧābir b. Ǧabala al-­Azdī al-­Fahmī an-­Nufaylī al-­Mūṣilī.654 Sein Lehrer Sufyān aṯ-­Ṯawrī versah Muʿāfā mit dem lobenden Beinamen „Yāqūtatu l-ʿUlamāʾ = der Rubin der Gelehrten“ und drückte mit den Worten „Stellt die Menschen aus Mūṣul mit Muʿāfā auf die Probe!“ aus, dass diejenigen, die ihn würdigten, Ahlu s-­Sunna, und diejenigen, die ihn als fehlerhaft ansahen, Ahlu l-­Bidʿa waren.655 Muʿāfā, der über eine lange Zeit hinweg mit Sufyān aṯ-­Ṯawrī zusammen war, profitierte hinsichtlich der Hadith- und Fiqh-­Wissenschaften sowie der sittlichen Regeln ausgiebig von ihm und gehörte zu denjenigen, die al-­Ǧāmiʿu ṣ-­Ṣaġīr, das Werk seines Lehrers, überlieferten.656 Nach Ibn Saʿd657, Yaḥyā b. Maʿīn, Abū Ḥātim ar-­Rāzī658 und al-ʿIǧlī659 war er zuverlässig. Ibn Ḥibbān erwähnt ihn in seinem Werk aṯ-­Ṯiqāt660 und seine Überlieferungen fanden in der Kutubu Sitta ihren Platz.661 8. Abū Isḥāq al-­Fazārī (gest. 188/804): Sein voller Name ist Abū Isḥāq Ibrāhīm b. Muḥammad b. al-­Ḥāriṯ al-­Fazārī al-­Kūfī aš-­Šāmī al-­Miṣīṣī.662 Nach Ibn Saʿd, Yaḥyā b. Maʿīn, Nasāʾī, al-ʿIǧlī, Ibn Ḥibbān und anderen Kritikern war er ṯiqa. Abū Ḥātim sagte, dass sich die Gelehrten darüber einig waren, dass Abū Isḥāq al-­Fazārī, ohne auf jemandes Verteidigung angewiesen zu sein, ein Imam war, dem es zu folgen galt. In der Kutubu Sitta sind Überlieferungen von ihm vorhanden.663 654 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VII, S. 487; Buḫārī, at-­Tārīḫ, VIII, S. 60; Ibn Abī Ḥātim, al-­ Ǧarḥ, VIII, S. 399 f.; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, XIII, S. 226–229; Ibnu l-­Ğawzī, Ṣifatu ṣ-­Ṣafwa, IV, S. 180 f.; Mizzī, Tahḏīb, XXVIII, S. 147–156; Ḏahabī, Siyar, IX, S. 80–86; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, X, S. 180 f.; Sezgin, GAS, I, S. 348. 655 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VII, S. 487; Mizzī, Tahḏīb, XXVIII, S. 152 f.; Ḏahabī, Siyar, IX, S. 82. 656 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, XIII, S. 226 f. 657 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VII, S. 487. 658 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, VIII, S. 400; Mizzī, Tahḏīb, XXVIII, S. 151; Ḏahabī, Siyar, IX, S. 83. 659 Al-ʿIǧlī, Maʿrifa, II, S. 283. 660 Ibn Ḥibbān, aṯ-­Ṯiqāt, VII, S. 529. 661 Mizzī, Tahḏīb, XXVIII, S. 156. 662 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt,  VII, S.  488; Abū Nuʿaym, Ḥilya,  VIII, S.  253–265; Mizzī, Tahḏīb,  II, S.  167–170; Ḏahabī, Siyar,  VIII, S.  539–543; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb,  I, S. 131 f.; IV, S. 102, VI, S. 218; Sezgin, GAS, I, S. 292. 663 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VII, S. 488; al-ʿIǧlī, Maʿrifa, I, S. 205; Ibn Ḥibbān, aṯ-­Ṯiqāt, VI, S. 23; Mizzī, Tahḏīb, II, S. 169; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 540.

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9. Yaḥyā b. Ādam (gest. 203/818): Sein voller Name ist Abū Zakariyyā Yaḥyā b. Ādam b. Sulaymān al-­Maḫzūmī al-­Qurašī al-­Kūfī.664 Kritiker haben ihm gegenüber im Allgemeinen eine positive Auffassung. Nach Ibn Saʿd, Aḥmad al-ʿIǧlī, Abū Ḥātim und Ibn Ḥibbān war er ṯiqa. In der Kutubu Sitta sind ebenfalls Überlieferungen von ihm vorhanden.665 10. Abū Aḥmad az-­Zubayrī (gest. 203/818): Sein voller Name ist Abū Aḥmad Muḥammad b. ʿAbdillāh b. Zubayr b. ʿUmar al-­Asadī az-­Zubayrī al-­Kūfī.666 Abū Aḥmad, der offenbar die Hadithe, die er von seinem Lehrer Sufyān bekam, auswendig lernte und über ein starkes Gedächtnis verfügte, sagte, dass es ihn nicht bekümmern würde, sollten Ṯawrīs Bücher entwendet werden, da er alle darin enthaltenen Überlieferungen auswendig gelernt habe.667 Einige Kritiker waren ihm gegenüber jedoch negativ eingestellt. Aḥmad b. Ḥanbal sagte, dass er in den Hadithen, die er von Ṯawrī überliefere, sehr viele Fehler beginge. Ferner berichtete Abū Ḥātim, dass er ein Ḥāfiẓu l-­Ḥadīṯ, ʿĀbid und Muǧtahid sei, doch auch Argwohn habe.668 Dementgegen war er jedoch nach Ibn Saʿd ṣadūq669 und jemand, der über viele Hadithe verfügte.670 Aḥmad al-ʿIǧlī sagte wiederum, dass er ṯiqa war und zum Schiimus neigte.671 Nach Yaḥyā b. Maʿīn war er zuverlässig. Abū Zurʿa bezeichnete ihn als ṣadūq. Nasāʾī urteilte: „Lā baʾsa bih“ (es ist nichts falsch an ihm).672 Ibn

664 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VI, S. 402; Buḫārī, at-­Tārīḫ, VIII, S. 261 f.; Fasawī, al-­Maʿrifa, I, S. 405; Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, IX, S. 128 f.; Ibn Ḥibbān, aṯ-­Ṯiqāt, IX, S. 252; Mizzī, Tahḏīb, XXXI, S. 188–192; Ḏahabī, Siyar, IX, S. 152 f.; 522–529; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, XI, S. 154 f. 665 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VI, S. 402; al-ʿIǧlī, Maʿrifa, I, S. 38; Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, IX, S. 128; Ibn Ḥibbān, aṯ-­Ṯiqāt, IX, S. 252. 666 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt,  VI, S.  402; Buḫārī, at-­Tārīḫ,  I, S.  133; Ibn Abī Ḥātim, al-­ Ǧarḥ, VII, S. 297; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, V, S. 402; Mizzī, Tahḏīb, XXV, S. 476–481; Ḏahabī, Siyar, IX, S. 529–532; Taḏkiratu l-­Ḥuffāẓ, ed. Zakariyyā ʿUmayrāt, Dāru l-­Kutubi l-ʿIlmiyya, Beirut 1998, I, S. 261 f.; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IX, S. 227 f. 667 Mizzī, Tahḏīb, XXV, S. 478; Ḏahabī, Siyar, IX, S. 530. 668 Mizzī, Tahḏīb, XXV, S. 479, 480; Ḏahabī, Siyar, IX, S. 530. 669 Ein Begriff, welcher für einen Tradierer verwendet wird, der nach Ḏahabī und ʿIrāqī sich in der 3. Taʿdīl-­Stufe, nach Saḥāwī in der 5. Stufe befindet. Die Überlieferung solch eines Tradierers wird niedergeschrieben und erforscht; siehe Aydınlı, Hadis Istılahları Sözlüğü, S. 132; Koçyiğit, Hadis Istılahları, S. 375. 670 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VI, S. 402. 671 Al-ʿIǧlī, Maʿrifa, I, S. 38. 672 Mizzī, Tahḏīb, XXV, S. 479 f.; Ḏahabī, Siyar, IX, S. 530.

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Ḥibbān erwähnt ihn in seinem aṯ-­Ṯiqāt,673 und seine Überlieferungen wurden in die Kutubu Sitta aufgenommen. 11. Muḥammad b. Yūsuf al-­Firyābī (gest. 212/827): Sein voller Name ist Abū ʿAbdillāh Muḥammad b. Yūsuf b. Wāqid b. ʿUṯmān aḍ-­Ḍabbī al-­Firyābī.674 Nach Ansicht vieler Kritiker, wie beispielsweise al-ʿIǧlī675, Nasāʾī, Abū Ḥātim und Ḍāraquṭnī, war er ṯiqa.676 Ibn Ḥibbān erwähnt ihn in seinem aṯ-­Ṯiqāt,677 und seine Überlieferungen fanden in der Kutubu Sitta ihren Platz. 12. ʿUbaydullāh b. Mūsā (gest. 213/829): Sein voller Name ist Abū Muḥammad ʿUbaydullāh b. Mūsā b. Abi l-­Muḫtār Bāḏām al-ʿAbsī al-­Kūfī.678 Nach Ibn Maʿīn, Abū Ḥātim und al-ʿIǧlī war er ṯiqa.679 Ibn Ḥibbān erwähnt ihn mit dem Hinweis, dass er ein Schiite sei, in seinem aṯ-­Ṯiqāt.680 Nach Ibn Saʿd war er ein Gelehrter, der über viele Hadithe verfügte. Doch wurde er von vielen Autoritäten als schwach (ḍaʿīf) eingestuft, da er ein Schiite war und Munkar-­Hadithe681 über den Schiismus tradierte. Letzen Endes war er nach Ibn Saʿd „Inšāallāh“ (so Allah will) ṯiqa und ṣadūq.682 Gemäß dem Bericht von Ḏahabī ist ʿUbaydullāh b. Mūsā der Erste, der in Kūfa ein Werk in der Art von Musnad gemäß der Ordnung der Prophetengefährten niederschrieb, während dies in Basra Abū Dāwūd aṭ-­Ṭayālisī (gest. 204/819) tat.683 Ḏahabī erwähnt, dass ʿUbaydullāh b. Mūsās schiitische Neigung auf das Volk in seiner Ortschaft, das von dieser Bidʿa geprägt war, zurückzufüh-

673 Ibn Ḥibbān, aṯ-­Ṯiqāt, IX, S. 58. 674 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VII, S. 489; Buḫārī, at-­Tārīḫ, I, S. 264 f.; Fasawī, al-­Maʿrifa, I, S. 64; Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, VIII, S. 119 f.; Mizzī, Tahḏīb, XXVII, S. 52–61; Ḏahabī, Siyar, X, S. 114–118; Taḏkiratu l-­Ḥuffāẓ, I, S. 275 f.; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IX, S. 472 f.; Sezgin, GAS, I, S. 40. 675 Al-ʿIǧlī, Maʿrifa, II, S. 257. 676 Mizzī, Tahḏīb, XXVII, S. 57 f.; Ḏahabī, Siyar, X, S. 116. 677 Ibn Ḥibbān, aṯ-­Ṯiqāt, IX, S. 57. 678 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VI, S. 400; Aḥmad b. Ḥanbal, al-ʿIlal, S. 91, 137; Buḫārī, at-­ Tārīḫ, V, S. 401; Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, V, S. 334 f.; Mizzī, Tahḏīb, XIX, S. 164–170; Ḏahabī, Siyar, IX, S. 553–557; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, VII, S. 46 ff. 679 Al-ʿIǧlī, Maʿrifa, II, S. 114; Mizzī, Tahḏīb, XIX, S. 168; Ḏahabī, Siyar, IX, S. 555. 680 Ibn Ḥibbān, aṯ-­Ṯiqāt, VII, S. 152. 681 Nach Ibn Ḥaǧar al-ʿAskalānī (gest. 852/1448) ist Munkar-­Hadith solch ein Hadith, welcher ein schwacher Tradierer im Widerspruch zu zuverlässigen Tradierern überliefert und in seiner Tradierung alleinsteht; vgl. Koçyiğit, Hadis Istılahları, S. 287. 682 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VI, S. 400. 683 Ḏahabī, Siyar, IX, S. 555.

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ren ist, er jedoch ein ʿĀbid, der seine Nächte mit Gebeten und Gottesgedenken bereicherte, sowie ein Schüler von Ḥamza b. Ḥabīb az-­Zayyāt (gest. 156/773), einem der sieben Rezitationsimame, war und sein Benehmen internalisierte. Ḏahabī, der anführte, dass in der Überliefererkette des Hadithes von ʿAlī, „Die Besten nach unserem Propheten sind Abū Bakr und ʿUmar“, auch ʿUbaydullāh b. Mūsā vorhanden war, deute an, dass ʿUbaydullāh die ersten beiden Kalifen voranstellte und folglich seine schiitische Neigung nicht extrem war und damit seine Hadith-­Tradierung nicht beschädigte. Er sagte auch, dass in der Kutubu Sitta Überlieferungen von ʿUbaydullāh vorhanden seien, hielt aber auch fest, dass dieser gegenüber ʿAlīs Gegnern feindselig eingestellt war und Personen mit dem Namen Muʿāwiya nicht in seiner Wohnung akzeptierte sowie ihnen keine Hadithe überlieferte.684 13. Qabīṣa b. ʿUqba (gest. 215/830): Sein voller Name ist Abū ʿĀmir Qabīṣa b. ʿUqba b. Muḥammad as-­Suwāʾī al-­Kūfī. Er war einer der Hadith-­Wissenschaftler von Kūfa.685 Es wird in den Quellen besonders betont, dass Qabīṣa b. ʿUqba ein starkes Gedächtnis hatte und die von seinem Lehrer Ṯawrī gehörten Hadithe ohne jegliche Veränderung überlieferte.686 Mit dieser Besonderheit ragte er unter den sekundär wichtigen Schülern von Ṯawrī hervor. Qabīṣa wird hinsichtlich seiner Überlieferungen von seinen Lehrern außer Ṯawrī als ṯiqa akzeptiert. Da er aber schon in jungen Jahren von Ṯawrī profitierte, traten im Bezug auf seine Überlieferungen einige Bedenken auf.687 Berücksichtigt man die Überlieferung, gemäß der Qabīṣa selbst sagte, dass er mit 16 Jahren in Ṯawrīs Wissenskreis eintrat und bei ihm drei Jahre lang lernte,688 so lässt sich verstehen, dass er in Anbetracht der Gegebenheiten jener Zeit nicht allzu sehr jung war, als er von Ṯawrī profitierte.

684 Ḏahabī, Siyar, IX, 555 ff. 685 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VI, S. 403; Buḫārī, at-­Tārīḫ, VII, S. 177; Ibn Abī Ḥātim, al-­ Ǧarḥ, VII, S. 126 f.; Mizzī, Tahḏīb, XXIII, S. 481–490; Ḏahabī, Siyar, X, S. 130–135; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, VIII, S. 312 f.; Ibnu l-­Imād, Abu l-­Falāḥ ʿAbdulḥayy b. Aḥmad (gest. 1089/1679), Šaḏarātu ḏ-­Ḏahab fī Aḫbāri man Ḏahab, ed. ʿAbdulqādir al-­ Arnaʾūṭ, Maḥmūd al-­Arnaʾūṭ, Dāru Ibn Kaṯīr, Dimašq 1406/1985, II, S. 35; Sezgin, GAS, I, S. 40; Sandıkçı, İlk Üç Asırda İslam Coğrafyasında Hadis, S. 209; Şenel, Abdülkadir, Kabîsa b. Ukbe, in: DİA, İstanbul 2001, XXIV, S. 38 f. 686 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, VI, S. 178; VII, S. 126; Mizzī, Tahḏīb, XXIII, S. 212 f., 486; Ḏahabī, Siyar, X, S. 132, 148. 687 Ḏahabī, Siyar, X, S. 131. 688 Mizzī, Tahḏīb, XXIII, S. 488; Ḏahabī, Siyar, X, S. 134.

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Nach Ibn Saʿd689 und al-ʿIǧlī war er ṯiqa.690 Nasāʾī benutzt für ihn den Ausdruck „Lā baʾsa bih = es ist nichts falsch an ihm.“691 Ibn Ḥibbān erwähnt ihn in seinem aṯ-­Ṯiqāt,692 und in der Kutubu Sitta sind Überlieferungen von ihm vorhanden. Andere bekannte Wissenschaftler, die Ṯawrīs Wissensgut an spätere Generationen übertrugen, waren: 14. Abū Ḥuḏayfa an-­Nahdī (gest. 220/835): Sein voller Name ist Abū Ḥuḏayfa Mūsā b. Masʿūd an-­Nahdī al-­Baṣrī.693 Ṯawrī heiratete die Mutter von Abū Ḥuḏayfa, der ihm in den Jahren seines Exils in Basra beistand.694 Während dieses Zusammenseins erlangte Abū Ḥuḏayfa von Ṯawrī ungefähr 10 000 Hadithe.695 Abū Ḥuḏayfa an-­Nahdī wurde von einigen Autoritäten kritisiert, da er in seinen Überlieferungen Taṣḥīf696 beging. Aus diesem Grund sagte der basrische Kritiker Bundār (gest. 252/866), dass Abū Ḥuḏayfa schwach (ḍaʿīf) sei.697 Ibn Saʿd führte jedoch an, dass er über viele Hadithe verfügte, und tätigte die Aussage: „Inšāallāh ist er ṯiqa“698. Al-ʿIǧlī sagte, dass er ṣadūq und ṯiqa war. Auch Aḥmad b. Ḥanbal, Abū Ḥātim und Ḏahabī bezeichneten ihn als ṣadūq.699 Ibn Ḥibbān erwähnte ihn in seinem aṯ-­Ṯiqāt, merkte jedoch aber an, dass Abū Ḥuḏayfa Fehler mache.700 Buḫārī nahm mittels der Mutābaʿa701 Überlieferungen 689 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VI, S. 403. 690 Al-ʿIǧlī, Maʿrifa, II, S. 215. 691 Mizzī, Tahḏīb, XXIII, S. 487; Ḏahabī, Siyar, X, S. 133. 692 Ibn Ḥibbān, aṯ-­Ṯiqāt, IX, S. 21. 693 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VII, S. 304; Buḫārī, at-­Tārīḫ, VII, S. 295; al-ʿIǧlī, Maʿrifa, II, S. 305; Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, VIII, S. 163 f.; Mizzī, Tahḏīb, XXIX, S. 145–149; Ḏahabī, Siyar, X, S. 137 ff.; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, X, S. 329 ff. 694 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VII, S. 304; Mizzī, Tahḏīb, XXIX, S. 149, Ḏahabī, Siyar, X, S. 139. 695 Mizzī, Tahḏīb, XXIX, S. 148; Ḏahabī, Siyar, X, S. 138. 696 Das bedeutet, in einem Hadith Fehler bezüglich der Punktsetzung, der Buchstaben oder der Vokalisation zu begehen; siehe Aydınlı, Hadis Istılahları Sözlüğü, S. 150 f.; Koçyiğit, Hadis Istılahları, S. 428 f. 697 Mizzī, Tahḏīb, XXIX, S. 148; Ḏahabī, Siyar, X, S. 139. 698 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VII, S. 304. 699 Mizzī, Tahḏīb, XXIX, S. 148; Ḏahabī, Siyar, X, S. 137 f. 700 Ibn Ḥibbān, aṯ-­Ṯiqāt, IX, S. 160. 701 Damit ist gemeint, dass ein anderer Hadith, welcher mit den Wörtern und der Bedeutung eines Hadithes konform geht, zum Teil oder komplett von einem anderen als dem vorherigen Tradierer mit der gleichen Überliefererkette tradiert wird. So stützen sich die beiden Hadithe und Tradierer gegenseitig; siehe Aydınlı, Hadis Istılahları Sözlüğü, S. 118 f.; Koçyiğit, Hadis Istılahları, S. 334 ff.

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von ihm in sein Werk Ṣaḥīḥ auf. Bei Abū Dāwūd, Tirmiḏī und Ibn Māǧa sind Überlieferungen von ihm vorhanden.702 15. Muʿāwiya b. Hišām al-­Qaṣṣār (gest. 254–255/868–869): Sein voller Name ist Abu l-­Ḥasan Muʿāwiya b. Hišām al-­Qaṣṣār al-­Azdī al-­Kūfī.703 ʿAlī b. al-­Madīnī sagte, dass die drei Schüler Ṯawrīs, Muʿāwiya b. Hišām, Qabīṣa und Firyābī, in wissenschaftlicher Hinsicht nah beieinander lägen.704 Wahrscheinlich wurden seine Überlieferungen von Ṯawrī aufgrund seines jungen Alters mit Behutsamkeit entgegengenommen. Über seine Zuverlässigkeit äußerte sich Ibn Saʿd mit den Worten „Ṣadūq und verfügt über viele Hadithe“705, Abū Ḥātim mit der Feststellung „Ṣadūq“, Aḥmad b. Ḥanbal mit dem Ausspruch „hat viele Fehler“, Abū Dāwūd mit den Worten ṯiqa und Yaḥyā b. Maʿīn mit der Aussage „Ṣāliḥūn wa laysa bi ḏāk706“.707 Nach al-ʿIǧlī war er ṯiqa.708 Ibn Ḥibbān erwähnt ihn in seinem aṯ-­Ṯiqāt, führt aber auch an, dass er Fehler mache.709 In Buḫārīs Adabu l-­Mufrad sowie bei Muslim, Ibn Māǧa, Abū Dāwūd, Tirmiḏī und Nasāʾī sind Überlieferungen von ihm vorhanden.710

2.1.6.4 Allgemeine Beurteilung der Schüler Sufyān aṯ-­Ṯawrīs Außer den zuvor aufgezählten Autoritäten überlieferten von Ṯawrī, wie schon erwähnt, inklusive seiner Zeitgenossen ʿAbdullāh b. ʿAwn (gest. 151/768), Maʿmar b. Rāšid (gest. 153/770), al-­Awzāʿī (gest. 157/774), Imam Mālik (gest. 179/795) und Sufyān b. ʿUyayna (gest. 198/813) ungefähr 20 bekannte Gelehrten. Betrachtet man den engsten, aus sechs Personen bestehenden Schülerkreis Ṯawrīs, so erkennt man, dass dieser aus zuverlässigen Personen bestand und von

702 Mizzī, Tahḏīb, XXIX, S. 149; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, X, S. 331. 703 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VI, S. 403; Buḫārī, at-­Tārīḫ, VII, S. 337; Ibn Abī Ḥātim, al-­ Ǧarḥ, VIII, S. 385; Mizzī, Tahḏīb, XXVIII, S. 218–221; Ḏahabī, Mizān, IV, S. 138; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, X, S. 196 f. 704 Mizzī, Tahḏīb, XXVIII, S. 220; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, X, S. 196 f. 705 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VI, S. 403. 706 Ein Ausdruck, welcher in der ersten Ǧarḥ-­Stufe verwendet wird. Ein mit diesem Ausdruck beschriebener Tradierer ist zwar in einem Punkt kritisiert (maǧrūḥ), aber er verliert nicht seine Zuverlässigkeit in Bezug auf die Gerechtigkeit. Aus diesem Grund werden seine Hadithe ausschließlich zur Betrachtung herangezogen; siehe Koçyiğit, Hadis Istılahları, S. 205. 707 Mizzī, Tahḏīb, XXVIII, S. 220; Ḏahabī, Mizān, IV, S. 138; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, X, S. 197. 708 Al-ʿIǧlī, Maʿrifa, II, S. 285. 709 Ibn Ḥibbān, aṯ-­Ṯiqāt, IX, S. 166 f. 710 Mizzī, Tahḏīb, XXVIII, S. 221.

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jedem von ihnen Überlieferungen in Hadith-­Standardwerken wie der Kutubu Sitta vorhanden sind. Wenn auch bezüglich Abū Aḥmad az- Zubayrī (gest. 203/818), ʿUbaydullāh b. Mūsā (gest. 213/829), Abū Ḥuḏayfa (gest. 220/835) und Muʿāwiya al-­Qaṣṣār (gest. 254 oder 255/868 oder 869), die zu den sekundär bedeutendsten Schülern Ṯawrīs gehören, einige Kritik herrscht, betonten doch Hadith-­Autoritäten, dass diese Kritikpunkte aus der Sicht der Uṣūlu l-­Ḥadīṯ-­Wissenschaft ihre Zuverlässigkeit nicht beschädigten. Hinsichtlich der Zuverlässigkeit seiner anderen Schüler sind sich die Hadith-­Autoritäten aber einig. Bemerkenswert ist, dass von den 15 wichtigsten Schülern Ṯawrīs zehn aus Kūfa, drei aus Basra, einer aus Marw und einer aus Mūṣul kamen. Somit ist zu sehen, dass Ṯawrī ein großes wissenschaftliches Umfeld beeinflusste. Berücksichtigt man hingegen die weit größere Anzahl seiner Schüler aus Kūfa, so lässt sich sagen, dass er größtenteils den Wissenschaftskreis in Kūfa beeinflusste und dazu Spuren in Basra hinterließ, wo er seine letzten Lebensjahre verbrachte.  Sufyān aṯ-­Ṯawrīs 15 wichtigste Schüler

Sufyān aṯ-Ṯawrī

Marw (1): ʿAbdullāh b. al-Mubārak (gest. 181/797)*

Kūfa (10) : 1. Abū ʿAbdirraḥmān al-Ašǧaʿī (gest. 182/798)* 2. Abū Isḥāq al-Fazarī (gest. 188/804)** 3. Wakīʿ b. al-Ǧarrāḥ (gest. 197/812)* 4. Abū Nuʿaym Faḍl b. Dukayn (gest. 219/834)* 5. Yaḥyā b. Ādam (gest. 203/818)** 6. Abū Aḥmad az-Zubayrī (gest. 203/818)** 7. Muḥammad b. Yūsuf al-Firyābī (gest. 212/827)** 8. ʿUbaydullāh b. Mūsā (gest. 213/829)** 9. Qabīṣa b. ʿUqba (gest. 215/830)** 10. Muʿāwiya b. Hišām al-Qaṣṣār (gest. 254 oder 455/868 oder 869)***

Mūṣul (1): Muʿāfā b. ʿImrān (gest. 184/800)**

Basra (3): 1. ʿAbdurraḥmān b. Mahdī (gest. 198/813–14)* 2. Yaḥyā b. Saʿīd al-Qaṭṭān (gest. 198/813)* 3. Abū Ḥuḏayfa an-Nahdī (gest. 220/835)***

* = Sufyān aṯ-­Ṯawrīs engster, aus sechs Personen bestehender Schülerkreis. ** = Sufyān aṯ-­Ṯawrīs sekundär wichtige sieben Schüler. *** = Andere bekannte Wissenschaftler, die Sufyān aṯ-­Ṯawrīs Wissensgut an die nächste Generation weiterreichten.

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 Bekannte Gleichaltrige, die von Sufyān aṯ-­Ṯawrī Wissen erlangten

1. ʿAbdullāh b. ʿAwn (gest. 151/768) 2. Maʿmar b. Rāšid (gest. 153/770)

Sufyān aṯ-Ṯawrī (gest. 161/778)

3. al-Awzāʿī (gest. 157/774) 4. Imam Mālik (gest. 179/795) 5. Sufyān b. ʿUyayna (gest. 198/813)

2.1.7 Seine Persönlichkeit Nach den Quellen war aṯ-­Ṯawrīs hervorstechendste Charaktereigenschaft, dass er seine wissenschaftlichen Tätigkeiten über alles andere stellte. Er war jemand, der im Hinblick auf die wissenschaftliche Lern- und Lehrtätigkeit jede erdenkliche Schwierigkeit in Kauf nahm, sogar ein Zerwürfnis mit der Staatsführung. Aufgrund einiger im Kapitel 2.1.4 erwähnter Grundsätze, die er verteidigte, war seine Beziehung zum Staat eher problematisch, und er musste den letzten sechsoder siebenjährigen Abschnitt seines Lebens im Exil verbringen. Auch gegenüber dem Volk wahrte er eine gewisse Distanz. Im Folgenden werden seine Charaktereigenschaften aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet.

2.1.8 Seine Charakterzüge (Aḫlāq) Sufyān aṯ-­Ṯawrī besaß schon seit seinen jungen Jahren bis zu seinem Lebensende eine große Leidenschaft zum Wissenserwerb. Wenn er einen Gelehrten angetroffen hatte, fragte er ihn „Gibt es irgendeinen ʿIlm, den du mitbekommen hast?“ Wenn dieser Šayḫ mit „Nein, keinen“ antwortete, sagte er „Allah soll dir kein Heil geben!“ Er war so sehr auf die Lenkung der Kinder hin zur wissenschaftlichen Bildung bedacht, dass er sogar sagte: „Ein Mann soll sein Kind zur Nachfrage nach Hadithen zwingen, denn er trägt dafür Verantwortung.“711

Ṯawrī, der bemerkte „Solange wir jemanden finden, der uns lehrt, entfernen wir uns nicht vom Lernen“ und „Der Mann bedarf des Wissens mehr als des Brotes und des

711 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VI, S. 365; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 273.

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Fleisches“ betonte zudem, dass es nach den religiösen Pflichten (Farāʾiḍ) nichts gebe, was noch besser als das Verlangen nach Wissen sei.712 Farqad, der Imam der Basra-­Moschee, berichtete, dass Sufyān sogar auf dem Sterbebett einige Personen empfing und jemand ihm einen Hadith überlieferte. Als dieser Hadith Sufyān gefiel, holte er unter dem Bett einige Schreibtafeln hervor und schrieb diesen Hadith auf. Nebenbei gab er den Personen, die ihm die Frage stellten „Sogar in diesem Zustand schreibst du Hadithe auf?!“, die Antwort, womit er auf seine Liebe zum ʿIlm verwies: „Dieser Hadith ist schön. Wenn ich am Leben bleibe, habe ich etwas Schönes gehört, sollte ich sterben, so habe ich etwas Schönes aufgeschrieben.“713

Er sagte ferner, dass die Begierde nach Gütern die Krankheit der Umma, der Gelehrte jedoch der Arzt der Umma sei, und fragte danach, wie der Gelehrte denn Heil bringen solle, wenn er selbst an dieser Krankheit erkranke.714 Sufyān, der den Jugendlichen seiner Ära nachdrücklich das ʿIlm empfahl, betonte, dass das ʿIlm, falls Jugendliche nicht danach verlangten, an andere überginge, und führte aus, dass das ʿIlm im Dies- und Jenseits eine Ehre und Würde sei.715

2.1.8.1 Seine Gottesfurcht (Taqwā) Über das Thema „Taqwā“ lassen sich die Ansichten Ṯawrīs, der in Bezug auf das Erlernen des ʿIlm mit derart großer Leidenschaft vorging, anhand seiner folgenden Aussage über den Zweck der Beschäftigung mit dem ʿIlm verdeutlichen: „Das Wissen wird nur verlangt, um mit dem erworbenen Wissen sich vor Allah zu fürchten. Aus diesem Grund wurde das Wissen mehr als alles andere geschätzt. Wenn dies nicht wäre, so würde das ʿIlm genau so sein wie das Herkömmliche.“716

Nach Ṯawrī sollte Wissen nur verlangt werden, um Gottesfurcht zu erlangen. Wissen sei das wichtigste Mittel, wenn es darum ginge, Allah kennenzulernen. Dank diesem Kennenlernen kommt die Gottesfurcht zu Stande. So wird auch im Koran gesagt: „Nur die Wissenden unter seinen Dienern fürchten Allah.“717 Beim Thema „Askese“ (Zuhd) schenkte Ṯawrī der Bedeutungstiefe mehr Beachtung als der Form. Ihm zufolge war „Askese im Diesseits, die Zukunftswünsche 712 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VI, S. 363, VII, S. 65. 713 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 64. 714 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VI, S. 361; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 243. 715 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VI, S. 368. 716 Ebenda, S. 362. 717 Fāṭir, 35/28.

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knapp zu halten. Es ist nicht das Essen von schweren Speisen und das Anziehen von Filzmänteln.“718 Nach ihm war die Welt vergänglich; demnach solle man in profanen Angelegenheiten keine langfristigen Pläne aufstellen. Allerdings erfordert die Askese nicht das Nicht-­Profitieren von weltlichen halal Gütern. So entgegnete Ṯawrī jemandem, der ihn beim Essen von dünn geschnittenem Fleisch und Eiern sah und diesen Zustand irritiert betrachtete: „Ich befahl euch nicht, dass ihr nicht von halal und guten Gütern essen sollt. Erwerbt halal und gute Güter und esst von diesen!“719

Dies zeigt, dass Ṯawrī weltliche Güter nicht als Ziel, sondern als Mittel zum Jenseits betrachtete. Darauf deutet auch eine Episode hin, welche der bekannte jemenitische Hadith-­Wissenschaftler ʿAbdurrazzāq (gest. 211/826–27) übermittelte: „Als Sufyān zu uns kam, kochte ich für ihn ein Fleischgericht, das mit Essig zubereitet wird. So aß er davon. Daraufhin brachte ich ihm getrocknete Datteln aus Ṭāʾif. Davon aß er auch und sagte: ‚Oh ʿAbdurrazzāq! Der Esel ist verfüttert und erschöpft.‘ Daraufhin stand er auf und verrichtete bis zum Morgen Gebete [Ṣalāt].“720

Die Gelehrten seiner Zeit waren sich darüber einig, dass Ṯawrī sein Leben mit einer solchen asketischen Auffassung führte. Ḏahabī verwies darauf und unterstrich, dass Sufyān ein Vorreiter in der Askese, im Dienste Allahs, in der Gottesfurcht, im Auswendiglernen (der Hadithe), in der Kenntnis der Überlieferungen der vorherigen Generationen und in der Fiqh-­Wissenschaft sei.721 Der bekannte basrische Hadith-­Wissenschaftler Šuʿba (gest. 160/776) sagte über die Waraʿ und das ʿIlm Ṯawrīs: „Wahrlich ist Sufyān in Bezug auf Waraʿ und ʿIlm der Herr der Menschen geworden.“722

2.1.8.2 Seine Bescheidenheit Es gibt keinen Zweifel daran, dass Ṯawrī finanziell ein sehr bescheidenes Leben führte. Ḏahabī berichtet, dass sehr viele Personen überlieferten, dass Ṯawrī ein bescheidenes Leben hatte und sogar alte Kleidung trug.723 Es ist bekannt, dass Ṯawrī insbesondere Schülern gegenüber sehr demütig war. So zeigte er dies ausdrücklich mit den folgenden Worten:

718 719 720 721 722 723

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Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 101; Abū Nuʿaym, Ḥilya, VI, S. 386. Ḏahabī, Siyar, VII, S. 277. Ḏahabī, Siyar, VII, S. 277. Ebenda, S. 241. Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 167; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 240. Ḏahabī, Siyar, VII, S. 275.

„Kämen die Hadith-­Schüler nicht zu mir, ginge ich zu ihnen nach Hause“ und „Hätte ich jemanden gekannt, der [aufrichtig] nach Hadithen verlangt hätte, so wäre ich zu ihm nach Hause gegangen und hätte ihm Hadithe überliefert.“724

Sein Zeitgenosse, der berühmte Sufi und Hadith-­Gelehrte Ibrāhīm b. Adham (gest. 161/778), der Ṯawrīs Bescheidenheit prüfen wollte, bestellte ihn zu sich nach Ramla oder Baytu l-­Maqdis, damit Ṯawrī ihm Hadithe überliefere. Ṯawrī ging zu ihm und überlieferte.725 Wenn, um auszudrücken, dass Ṯawrī eine große wissenschaftliche Persönlichkeit war, von ihm gesagt wurde „Er kommt in Träumen vor“, so prahlte er nicht damit, sondern bewies ganz im Gegensatz mit den Worten „Ich kenne mich selbst besser als diejenigen, die mich in Träumen sehen“726, welche Demut und Bescheidenheit er besaß. Ṯawrī, der in dieser wissenschaftlich blühenden Zeit aufgrund seines breiten Wissensspektrums eine große Beliebtheit bei den Menschen genoss, betrachtete sich selbst aber nie ihrer Komplimente würdig. So sagte er, sein Wissensgut als unzureichend bewertend, als er während seines Aufenthalts in Mekka sah, dass sich sehr viele Menschen um ihn versammelt hatten, um von ihm Wissen zu erlangen: „Welch Wunder! [Subḥānallāh!] Weil Menschen auf jemanden wie mich angewiesen sind, befürchte ich, dass Allah diese Umma zugrunde richten wird.“727

Gleicherweise finden sich in den Quellen Informationen darüber, dass er sich aufgrund seiner Bescheidenheit in Versammlungsräumen nicht an den vordersten Platz, sondern an die Wandseite setzte.728 Wie bereits erwähnt verhielt sich Ṯawrī andererseits, um seine Gedanken frei aussprechen zu können, gegenüber Staatsmännern nicht demütig, sondern bewahrte ganz im Gegensatz stets eine äußerst große Distanz zu ihnen.

2.1.8.3 Umsetzung seines Wissens in die Tat In der Hadith-­Tradierung, welche zu den bedeutendsten wissenschaftlichen Aktivitäten jener Epoche zu zählen ist, zählen neben anderen Kriterien das Begehen von als Sünde geltenden Handlungen und das abweichende Handeln gegenüber dem überlieferten Hadith zu den wichtigen Faktoren, die der Zuverlässigkeit des Tradie-

724 725 726 727 728

Abū Nuʿaym, Ḥilya, VI, S. 366. Ebenda, S. 367. Ḏahabī, Siyar, VII, S. 252. Ḏahabī, Siyar, VII, S. 275. Ibnu l-­Ğawzī, Ṣifatu ṣ-­Ṣafwa, III, S. 147 f.

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rers schaden. In diesem Zusammenhang war es in den damaligen Wissenschaftskreisen gängig und unausweichlich zu kontrollieren, ob sich der Hadith-­Tradierer davon fernhielt, die jedermann als Sünde bekannten Handlungen zu begehen und in seinem Verhalten von dem von ihm überlieferten Hadith abzuweichen. Dies spielte bei der Akzeptanz oder der Ablehnung der Überlieferungen eines Tradierers eine wichtige Rolle. Aus diesem Grund ist die Erfüllung dieser Kriterien seitens eines Tradierers erwiesen, wenn er als ein Zuverlässiger akzeptiert wird. Da kein Zweifel daran besteht, dass Ṯawrī ein ṯiqa Tradierer war, ist hier logischerweise festzuhalten, dass er ein Leben führte, welches seinem Wissen entsprach. Nach ihm gibt es zwischen dem Wissen und der Praxis eine untrennbare Beziehung. In diesem Zusammenhang antwortete er, als ihm die Frage gestellt wurde, ob ihm das Streben nach Wissen oder die Praxis lieber sei, wie folgt: „Das Wissen wird nur verlangt, um zu praktizieren. Höre nicht auf, für die Praxis nach Wissen zu streben, und um des Wissens willen zu praktizieren!“729

Die von ihm angenommene Haltung hinsichtlich der Beziehung zwischen Wissen und Praxis ist auch von seiner Methode her zu verstehen, an der er sich in diesem Punkt orientierte. Er formulierte die Methode, mit der Wissen angeeignet werden sollte, in der Form, dass zuerst nach Wissen zu verlangen, dieses Wissen dann zu memorieren, anschließend mit diesem Wissen zu praktizieren und als Letztes dieses Wissen zu publizieren und zu lehren sei.730 Hiernach sei es nicht möglich, die restlichen Glieder der Kette zu vervollständigen, ohne über einen zuverlässigen Wissensstand zu verfügen. Weil das dem Wissensgut nicht angemessene Handeln nach dem Erwerb des Wissens ein inkonsequentes Verhalten wäre, würde dies der Zuverlässigkeit schaden und das letzte Glied der Kette würde geschwächt werden. Ṯawrīs Auffassung von der Intention, die beim Erlangen von Wissen zugegen sein sollte, lässt sich mit dem folgenden, auch von ihm selbst überlieferten Hadith beleuchten: „Wer Wissen verlangt, um bei Gelehrten zu prahlen oder mit Unklugen zu streiten oder aber mit seinem Wissen von den Menschen etwas [Weltliches] zu erhalten, dem ist die Hölle angemessener.“731

Nach ihm soll Wissen nicht für eine profane Intention verlangt werden. Wissenschaftlich gebildet zu sein, sollte die Möglichkeit bieten, den Schöpfer besser kennenzulernen. Mit seinen eigenen Worten: 729 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 12. 730 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VI, S. 371; Abū Nuʿaym, Ḥilya, VI, S. 362. 731 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 96.

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„Das Wissen wird nur verlangt, um mit dem erworbenen Wissen sich vor Allah zu fürchten. Aus diesem Grund wurde das Wissen mehr als alles andere geschätzt. Wenn dies nicht wäre, so würde das ʿIlm genau so sein wie das Herkömmliche.“732

2.1.9 Sein Tod Ṯawrī lehnte das Angebot des 2. abbasidischen Kalifen Manṣūr (136–158/ 754–775), ihn zum Kadi zu ernennen, ab. Indes ist es schwer mit Gewissheit zu sagen, wann dieses Angebot gemacht wurde und wie dieser Prozess ablief. Berücksichtigt man die Überlieferung, welche davon berichtet, dass angesichts des Todes des Kadis von Kūfa, Ibn Abī Laylā (Ramaḍān 148/765), der abbasidische Kalif Manṣūr Abū Ḥanīfa, Sufyān aṯ-­Ṯawrī und Šarīk b. ʿAbdillāh zu sich rief und allen dreien gleichzeitig ein Angebot machte,733 so stellt sich heraus, dass dieses Angebot im gleichen Jahr gemacht wurde. Neben seiner Ablehnung des Angebots des Kalifen floh Sufyān, der ihn bezüglich seiner ungerechten Praktiken gegenüber den Nachkommen des Propheten (Ahlu l-­Bayt) sehr hart kritisierte, im Jahre 148 n. H. heimlich in den Jemen, kehrte aber später noch einmal nach Kūfa zurück.734 Die Quellen berichten nämlich, dass Ṯawrīs endgültiger Fortgang aus Kūfa erst im Jahre 154735 oder 155736 n. H. erfolgte. Danach verbrachte er die restlichen sechs oder sieben Jahre seines Lebens stets im Verborgenen und wechselte ständig seinen Aufenthaltsort. Der Kalif Manṣūr befahl 158 n. H. während seines Aufbruchs zur Pilgerfahrt nach Mekka, dass Sufyān, wo man ihn auch erblickte, gefasst und hingerichtet werden sollte. Als Beauftragte, die den Galgen für die Hinrichtung vorbereiteten, Ṯawrī in dem Zustand sahen, dass er im Ḥaram-­Gebiet seinen Kopf in Fuḍayl b. ʿIyāḍs Schoß und seine Füße in Sufyān b. ʿUyaynas Schoß gelegt hatte, wunderten sie sich und sagten: „O Abā ʿAbdillāh! Fürchte dich vor Allah! Mach uns vor unseren Feinden nicht zu Narren!“ Anschließend ging Ṯawrī zur Kaaba, hielt ihre Vorhänge fest und sagte „Wenn Abū Ǧaʿfar Mekka betritt, bin ich weit fern von ihm.“ Das Schicksal wollte es, dass Manṣūr, noch bevor er Mekka betreten konnte, am 3. Tag des Ḏī l-­Ḥiǧǧa-­Monats an einem Ort mit dem Namen Biʾru Maymūn infolge 732 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VI, S. 362. 733 Ibn Ḥaǧar al-­Haytamī, al-­Ḫayrātu l-­Ḥisān, S. 71. 734 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 105 f.; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 257. 735 Buḫārī, at-­Tārīḫ, IV, S. 93. 736 Buḫārī, at-­Tārīḫ, IV, S. 92 f.; Fasawī, al-­Maʿrifa, I, S. 412; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 171; Samʿānī, al-­Ansāb, III, S. 153; Nawawī, Tahḏību l-­Asmāʾ, I, S. 223; Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 169.

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eines Sturzes von seinem Pferd starb. Als Sufyān von seinem Tod Kenntnis erhielt, äußerte er sich nicht dazu.737 Auch Manṣūrs Sohn Mahdī (158–169/775–785) konnte, als er eine starke Person wie Sufyān für sich gewinnen wollte, dabei keinen Erfolg erzielen. Einmal ließ Mahdī ihn zu sich rufen, zog seinen Ring ab, warf ihn ihm zu und sagte: „O Abā ʿAbdillāh! Hier ist mein Ring. Arbeite mit dem Koran und der Sunna für diese Umma.“ Daraufhin verlangte Sufyān vom Kalifen Redeerlaubnis unter der Voraussetzung, dass sein Leben verschont werde, und als er vom Kalifen diese Sicherheit zugestanden bekam, brach er mit den folgenden Worten auch jegliche Verbindung zu Mahdī ab: „Solange ich nicht zu dir komme, so schicke mir keinen Gesandten, damit ich zu dir komme! Solange ich dich nicht um etwas bitte, so gib mir nichts!“

Nachfolgend erließ der Kalif Mahdī, der sich als Anführer der Pilger in Mekka aufhielt, den Befehl, Ṯawrī zu fassen, und versprach dem ihn Festnehmenden eine Belohnung von 10 000 Dīnār beziehungsweise Dirham.738 Sufyān, der sich eine gewisse Zeit in Mekka versteckt hielt, pflegte in dieser Zeitspanne keinen Kontakt zu Personen mit Ausnahme von einigen Wissenschaftlern, die sich nicht davor fürchteten, mit ihm zusammen zu sein. Schließlich floh er im Jahre 158 n. H. nach Basra, wo er bis zu seinem Tod ein Leben im Verborgenen führen sollte.739 Als er in Basra ankam, sahen ihn, während er Gärten bewachte, um seinen Lebensunterhalt zu finanzieren, Beamte, die den Zehnten einsammelten, und fragten ihn, woher er denn käme. Daraufhin sagte er, dass er aus Kūfa sei. Die Vollziehungsbeamten fragten nun: „Ist die frische Dattel aus Basra oder die frische Dattel aus Kūfa leckerer?“ Sufyān erwiderte, dass er die Dattel aus Basra noch nicht probiert habe, jedoch die frische Dattel der Sorte Ṣābirī aus Kūfa sehr genussreich sei. Die Beamten, die dem keinen Glauben schenkten, beschuldigten ihn mit der Behauptung, dass die Guten wie die Schlechten, ja sogar die Hunde die frische Dattel sofort probiert hätten, des Schwindels und informierten sofort den Hauptbeamten. Dieser sagte ihnen, dass diese Person Sufyān sei und befahl ihnen seine sofortige Festnahme, um ihn an den Kalifen Mahdī auszuliefern. Doch Sufyān,

737 Al-­Yaʿqūbī, Tārīḫu l-­Yaʿqūbī, S. 268 f.; Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 41 f.; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 159; Nawawī, Tahḏību l-­Asmāʾ, I, S. 223; Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 167; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 251; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IV, S. 101. 738 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 4. 739 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VI, S. 372; Fasawī, al-­Maʿrifa, I, S. 406; Ibn Abī Ḥātim, al-­ Ǧarḥ, I, S. 108; Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 40 f.; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 160; Ibn Ḫallikān, Wafayāt, II, S. 387 f.; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 244 f.

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der die drohende Gefahr spürte, verließ seinen Standort und die zurückgekehrten Beamten konnten ihn nicht fassen.740 In Basra ließ er sich in einem Haus in der Nähe von Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭāns Haus nieder, zog später in das Nachbarhaus um und ließ zwischen diesen beiden Häusern eine geheime Türe einbauen, wodurch basrische Hadith-­Gelehrte, wie Ǧarīr b. Ḥāzim, Mubārak b. Faḍāla, Ḥammād b. Salama, Marḥūm al-ʿAṭṭār, Ḥammād b. Zayd und ʿAbdurraḥmān b. Mahdī, mit ihm in Kontakt treten konnten.741 ʿAbdurraḥmān b. Mahdī, der sich schon vor Sufyāns Ankunft in Basra zehn Mal mit ihm getroffen hatte, teilte mit, dass sie, bevor ihr Lehrer Sufyān zu ihnen gekommen war, den Großteil der Nacht geschlafen hatten, doch nach seiner Ankunft nur noch einen kleinen Teil mit Schlafen verbringen konnten. Er sei zudem nach der Erkrankung seines Lehrers nicht mehr zum Verrichten des gemeinschaftlichen Gebets gegangen, sondern habe sein Gebet neben ihm verrichtet und mit vielen Fragen von ihm profitiert.742 Daran lässt sich erkennen, dass Sufyān, wenn er auch aufgrund seiner Verfolgung mit einem kleineren Lehrkreis vorliebnehmen musste, doch in seinen wissenschaftlichen Aktivitäten nicht nachließ. Die Begebenheit auf dem Sterbebett, als Sufyān den Hadith eines Mannes aufschrieb,743 zeigt außerdem, dass er bis zu seinem Tode seine wissenschaftlichen Tätigkeiten leidenschaftlich fortführte. Als auch diese seine Unterkunft bekannt wurde, forderte er seinen Schüler Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān auf, ihn an einen anderen Ort zu bringen, worauf ihn dieser in die Unterkunft von Hayṯam b. Manṣūr al-­Aʿraǧī brachte. Als auch diese Unterkunft bekannt wurde, sprach Ḥammād b. Zayd (gest. 179/795) mit Sufyān, der es leid war, dauerhaft versteckt zu leben, darüber, dass er seine Beziehung zum Kalifen etwas verbessern solle. Sufyān sprach sich mit den Worten, dass ein solches Vorgehen die Handlungsweise der Ahlu l-­Bidʿa widerspiegle und man sich vor Staatsführern nicht fürchten solle, zwar anfänglich noch gegen diesen Vorschlag aus, ließ sich letztendlich aber davon überzeugen, zusammen mit Hammād nach Bagdad zu gehen. In seinem Brief an den Kalifen Mahdī, welchen er trotz seiner schwierigen Lage in einer für das Amt des Regierungschefs unangemessenen Ausdrucksweise formulierte, forderte er für sich und die Personen, die seinetwegen verfolgt wurden, die Gewährung von Schutz und ein landesweites Freizügigkeitsrecht. Als er auf seine Forderung eine positive Rückmeldung bekam, 740 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 13; Ibn Ḫallikān, Wafayāt, II, S. 388; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 258 f. 741 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VI, S. 373. 742 Fasawī, al-­Maʿrifa, I, S. 406; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 250. 743 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 64.

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wurde er in dem Augenblick, als er sich auf den Weg zum Kalifen begeben wollte, von starkem Fieber erfasst und lag im Sterben.744 Wenn man davon ausgeht, dass Sufyān im Jahre 158 n. H. nach Basra floh, gilt es eine Antwort darauf zu finden, ob er bis zu seinem Sterbedatum im Jahre 161 n. H. Basra verließ oder nicht. ʿAbdurraḥmān b. Mahdī (gest. 198/813–14), der bekanntlich sagte, dass er seinen Lehrer Sufyān, schon bevor er nach Basra gekommen war, zehn Mal getroffen hatte, teilte mit, dass er in den Jahren 151, 152 und 153 n. H. auf Pilgerfahrt war, im Jahre 154 n. H. heiratete, in den Jahren 155, 156, 157, 158 und 159 n. H. nochmals pilgerte und bei all diesen Pilgerfahrten mit seinem Lehrer Sufyān zusammentraf.745 Zieht man in Betracht, dass Ṯawrī im Šaʿbān-­Monat des Jahres 161 n. H. verstarb746 und in seinen letzten Lebensjahren stets bestrebt war, jedes Jahr zu pilgern, so kann gesagt werden, dass er Basra mehrmals heimlich verließ und im Jahre 159 n. H. sowie höchstwahrscheinlich im Jahre 160 n. H. nach Mekka pilgerte und wieder zurückkam. Auch Rāzīs Informationen untermauern diese Wahrscheinlichkeit. Ein basrischer Mann wollte Sufyān beharrlich mit einer basrischen Frau verheiraten. Er war damit einverstanden und ging nach Mekka. Der Mann bat in seinem Namen um die Hand der Frau, die die Tochter eines reichen Mannes aus der basrischen Elite war. Die Familie der Frau akzeptierte das Angebot. Daraufhin ging der Mann nach Mekka und berichtete Sufyān davon, doch dieser lehnte es ab, die Frau zu heiraten.747 ʿAbdurraḥmān b. Mahdī sagt, dass er Sufyān während seines Todes beistand.748 In seinen letzten Augenblicken untersuchte ihn ʿAbdurraḥmān b. Isḥāq al-­Kinānī und Sufyān gab ihm ein Säckchen, welches sich unter seinem Kopf befand und mit 30 Dirham gefüllt war. Er teilte ihm mit, dass diese Barschaft das verbliebene Brautgeld (Mihr) seiner Frau sei, die sich zu diesem Zeitpunkt im selben Zimmer hinter einer Gardine befand, und ʿAbdurraḥmān unter der Bedingung, dass Sufyāns Frau damit einverstanden sei, mit diesem Geld Sufyāns Leichentuch kaufen und ihn einwickeln solle, falls sie aber nicht einverstanden sei, man ihn mit seiner Kleidung beisetzen möge. Als er starb und ʿAbdurraḥmān b. Isḥāq al-­Kinānī seine Hose löste, um ihn zu waschen, fand er darunter ein mit einem Hadith beschriebenes Blatt Papier.749 Al-­Ḥasan b. ʿAyyāš (gest. 172/787) wurde von Sufyān beauftragt, sich 744 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VI, S. 373; Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 107 ff., 111; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 244 f. 745 Fasawī, al-­Maʿrifa, I, S. 408. 746 Ḏahabī, Siyar, VII, S. 279. 747 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 90 f. 748 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 12. 749 Ebenda, S. 62.

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um seine Hinterlassenschaft zu kümmern, während der fromme ʿAbdurraḥmān b. ʿAbdilmalik b. Abǧar sein Totengebet vorbeten sollte.750 Sufyāns Beisetzung erfolgte heimlich in der Nacht.751 ʿAbdurraḥmān b. ʿAbdilmalik b. Abǧar und Ḫālid b. Ḥāriṯ legten seine Leiche ins Grab.752 Ibn Ḥibbān berichtet, dass sich sein Grab im Friedhof von Banī Kulayb in Basra befand und er es oftmals besucht hatte.753 Als Sufyān starb, hinterließ er bei einem Mann, der in seinem Namen Handel betrieb, ungefähr 200 Dīnār.754 Sein Erbe vermachte er seiner Schwester und deren Sohn, wobei er seinem Bruder Mubārak nichts hinterließ.755 Die Quellen sind sich darüber einig, dass Sufyān im Šaʿbān-­Monat des Jahres 161/778 in Basra verstarb.756

2.1.10 Seine Werke Es ist bekannt, dass im 2. Jahrhundert n. H. infolge der intensiv durchgeführten Beschäftigung mit der Niederschrift (Tadwīn) und der Kategorisierung (Taṣnīf) in den islamischen Wissenschaften viele Werke entstanden, die den nachfolgenden Generationen als Quelle dienten. Unter denjenigen, die in diesem Zeitabschnitt Werke hinterließen, befindet sich auch Sufyān aṯ-­Ṯawrī. Dies beleuchten folgende Informationen Rāmahurmuzīs (gest. 360/970): „Wie bekannt waren diejenigen, die die Hadithe als erste niederschrieben und in Kategorien aufteilten, in Basra Rabīʿ b. Ṣabīḥ [gest. 160/777] und dann Saʿīd b. Abī ʿArūba [gest. 156/773], im Jemen der ʿAbd genannte Ḫālid b. Ǧamīl und Maʿmar b. Rāšid

750 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 160. 751 Ibn Kutayba, al-­Maʿārif, S. 497; Ibn Nadīm, al-­Fihrist, S. 314; Abū Nuʿaym, Ḥilya, VI, S. 371 f.; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 171 f.; Ibn Ḫallikān, Wafayāt, II, S. 391. 752 Ḏahabī, Siyar, VII, S. 246. 753 Ibn Ḥibbān, Mašāhīr, S. 268. 754 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 105; Ḏahabī, Tārīḫ, X, S. 235; Ibn Kutayba berichtet, dass er 150 Dīnār hinterließ; siehe Ibn Kutayba, al-­Maʿārif, S. 498. 755 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VI, S. 372; Ibn Kutayba, al-­Maʿārif, S. 498; Ibn Nadīm, al-­ Fihrist, S. 314; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 242. Wenn auch das Erbrecht seiner Ehefrau in Betracht gezogen wird, so könnte es sein, dass Ṯawrī diese 200 Dinar in vorigen Jahren schon seiner Schwester und deren Sohn schenkte. 756 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VI, S. 372; Buḫārī, at-­Tārīḫ, IV, S. 93; Ibn Kutayba, al-­Maʿārif, S. 497; Ṭabarī, Tārīḫu ṭ-­Ṭabarī, XI, S. 657; Abū Zurʿa, ʿAbdurraḥmān b. ʿAmr b. ʿAbdillāh b. Ṣafwān an-­Naṣrī (gest. 280/893), Tārīḫu Abī Zurʿa ad-­Dimašqī (Riwāyatu Abi l-­Maymūn b. Rāšid), ed. Šukrullāh Niʿmatullāh al-­Kawǧānī, Maǧmaʿu l-­Luġati l-ʿArabiyya, Dimašq, o. J., I, S. 25; Ibn Ḥibbān, Mašāhīr, S. 268; Ibn Nadīm, al-­Fihrist, S. 314; Šīrāzī, Ṭabaqāt, 84; Samʿānī, al-­Ansāb, III, S. 153; Ibn Ḫallikān, Wafayāt, II, S. 390 f.; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 279.

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[gest. 153/770], in Mekka Ibn Ǧurayǧ [gest. 150/767], dann in Kūfa Sufyān aṯ-­Ṯawrī [gest. 161/778], in Basra Ḥammād b. Salama [gest. 176/793], wieder in Mekka Sufyān b. ʿUyayna, in Damaskus Walīd b. Muslim ad-­Dimašqī [gest. 195/810], in Ray Ǧarīr b. ʿAbdilḥāmid [gest. 182/797], in Chorasan und Marw ʿAbdullāh b. al-­Mubārak [gest. 181/796], in Wāsiṭ Hušaym b. Bašīr [gest. 183/798], wieder in diesem Jahrhundert in Kūfa Ibn Abī Zāʾida [gest. 182/797], Ibn Fuḍayl [gest. 196/811] und später im Jemen ʿAbdurrazzāq [gest. 211/826–27] und Abū Qurra Mūsā b. Ṭāriq.“757

Jedoch existieren Überlieferungen auch dahingehend, dass Ṯawrī seine Bücher vernichtete, indem er einige vergraben und andere mit Wasser auswaschen ließ. In den Quellen wird erwähnt, dass er aufgrund seiner großen Begierde nach Hadithen und seinem Wunsch, in diesem Bereich bekannt zu werden, sogar von einigen schwachen Überlieferern Hadithe niedergeschrieben hatte, dies jedoch später bereute, und als es ihm schwerfiel, die authentischen von den nicht authentischen Hadithen zu unterscheiden, er das Vergraben seiner in dieser Weise verfassten Bücher anordnete.758 Dass diejenigen Personen, denen er dies befahl, Kūfenser waren und er in den Anfangsjahren seiner Ausbildung auch schwache Hadithe niederschrieb, lässt darauf schließen, dass diese Bücher höchstwahrscheinlich solche waren, die seiner Kūfa-­Zeit zuzurechnen sind. So beschrieb Abū ʿAbdirraḥmān al-­Ḥāriṯī al-­Kūfī (gest. 143?/760), der an der Vernichtungsaktion der betroffenen Bücher teilnahm, das Ereignis wie folgt: „Sufyān begrub seine Bücher. Ich half ihm dabei. So sagte ich ihm: ‘O Abā ʿAbdillāh! Bei den [gefundenen] Schätzen gibt es [für den Finder] ein Fünftel des Anteils! [Ich möchte ein Fünftel davon].’ Er sagte: ‘Nimm dir, was du möchtest.’ Ich habe eines davon herausgenommen. Aus diesem überlieferte er mir Hadithe.“759

Ṯawrī sprach über einige seiner anderen Bücher, von denen angenommen wird, dass sie vor seinem Fortgang aus Kūfa entstanden, als Vermächtnis für ʿAmmār b. Sayf aḍ-­Ḍabbī al-­Kūfī folgende Worte: „Wasche die aus, die mit Tinte [beschrieben] sind und vernichte die, die mit etwas anderem als Tinte beschrieben sind.“

ʿAmmār b. Sayf berichtet: „Wir haben Wasser erwärmt. Ṯawrī bat uns um Hilfe. Er holte sehr viele Bücher heraus und wir fingen an, diese Bücher waschend zu vernichten.“760

757 Rāmahurmuzī, al-­Muḥaddiṯu l-­Fāṣil, S. 611 f.; Sezgin, Buhârî’nin Kaynakları, S. 82 f. 758 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 38, 64; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 261; Ibnu l-­Mulaqqin, Abū Ḥafṣ Sirāǧuddīn ʿUmar b. ʿAlī b. Aḥmad (gest. 804/1401), Ṭabaqātu l-­Awliyāʾ, ed. Nūruddīn Šurayba, Maktabatu l-­Ḥanǧī, Kairo 1994, S. 32. 759 Ḏahabī, Siyar, VII, S. 267 f. 760 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 116.

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In den Quellen wird auch erwähnt, dass Ṯawrī in seinen letzten Jahren, die er in Basra unter Verfolgung verbrachte, über einige seiner Bücher sprach, welche er wahrscheinlich in Kūfa vergraben hatte oder zurückließ. So sagte er zu seinem Schüler Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān: „O du Yaḥyā! Du willst von mir Hadithe in Form von Abū Wāʿil [berichtete] von ʿAbdullāh’ erlangen. Woher findest du die Zeit dafür?! Geh nach Kūfa und bringe mir meine Bücher, so werde ich dir Hadithe überliefern!“

Daraufhin antwortete Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān wie folgt: „Ich komme zu dir [um Hadithe zu bekommen]. Hinsichtlich [meiner Kūfa-­Reise] fürchte ich mich um mein Leben. Wie soll ich dahin [gehen] und deine Bücher bringen?!“761

Es ist auch wahrscheinlich, dass Ṯawrī einige seiner Bücher, die noch der Kūfa-­ Zeit angehören, bei seinem Fortgang aus Kūfa mitnahm. Einige Briefe und Ratschläge Ṯawrīs an verschiedene seiner Freunde bezüglich Themen, die die Askese und Gottesfurcht betreffen, sind in den Tabaqāt-­Büchern bis in unsere Zeit gelangt. Von ihnen sind zu nennen: Risāla ilā ʿAbbād b. ʿAbbād al-­Arsūfī762, Risāla ilā ʿUṯmān b. Zāʾida763, Waṣiyyatuhū ilā ʿAlī b. Ḥasan as-­Salīmī764, Rasāʾilu Kīmyāiyya765, Ǧawābu Hārūn ar-­Rašīd ilā Sufyān aṯ-­Ṯawrī und Iǧābatu Sufyān lahū.766 Darüber hinaus sind in den Quellen Werke wie Kitābu Ādābi Sufyān aṯ-­Ṯawrī767 enthalten, auf die zwar verwiesen wird, über deren Inhalte jedoch keine weitere sichere Kenntnis vorliegt. Ibn Nadīm (gest. 385/995) nannte die Namen von vier Büchern, die Ṯawrī zugeschrieben wurden. Sie lauten: Al-­Ǧāmiʿu l-­Kabīr, al-­Ǧāmiʿu ṣ-­Ṣaġīr, Kitābu

Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 160. Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 86–89; Abū Nuʿaym, Ḥilya, VI, S. 376 f. Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 98. Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 24 f., 35, 82–85. Der Traktat (Risāla) im Bereich der Chemie befindet sich in der Ẓāhiriyya-­Bibliothek der Universität Teheran (nmr. 1178, waraq 133b–135b). Eine persische Übersetzung desselben Traktats ist in der Teheraner Parlamentsbibliothek vorhanden. Seine Zugehörigkeit zu Ṯawrī bedarf jedoch der Untersuchung; siehe Özdirek/Çavuşoğlu, Süfyân es-­Sevrî, S. 24 f. 766 Sezgin sagt, dass der Text in der Dāru l-­Kutubi l-­Miṣriyya-­Bibliothek (Maǧmūʿā, 155) registriert ist, allerdings seine Zugehörigkeit zu Ṯawrī recherchiert werden muss; siehe Sezgin, GAS, I, S. 519; Özdirek/Çavuşoğlu, Süfyân es-­Sevrî, S. 25. 767 Ibn Ḫayr al-­Išbīlī, Abū Muḥammad b. Ḫayr b. ʿUmar b. Ḫalīfa al-­Amawī (gest. 575/1179), Fahrasa, ed. Muḥammad Fuʾād Manṣūr, Dāru l-­Kutubi l-ʿIlmiyya, Beirut 1998, S. 241. 761 762 763 764 765

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l-­Farāiḍ, Risāla ilā ʿAbbād b.ʿAbbād al-­Arsūfī.768 Zudem sind in den Quellen die Werke at-­Tafsīr und Kitabu l-­Iʿtiqād zu finden, die auch Ṯawrī zugeschrieben werden. Im Folgenden wird kurz auf die fünf wichtigsten dieser Werke eingegangen: 1. Al-­Ǧāmiʿu l-­Kabīr: Ein Werk, welches die Fatāwā der Ṣaḥāba- und Tābiʿūn-­Gelehrten zur Fiqh enthält. Der Name des Werkes wurde von Išbilī (gest. 575/1179), einem der Gelehrten von Andalusien aus Sevilla, als al-­Ǧāmiʿu l-­Kabīr fī l-­Fiqh wa l-­Iḫtilāf verzeichnet.769 Unter den Überlieferern des Werkes wurden Yazīd b. Abī Ḥukaym, ʿAbdullāh b. al-­Walīd al-ʿAdanī, Ibrāhīm b. Ḫālid aṣ-­Ṣanʿānī, ʿAbdulmalik al-­Ḥayrānī und Ḥasān b. Ḥafṣ al-­Aṣfahānī erwähnt.770 Es gibt keine Hinweise darauf, dass das Werk bis in unsere Zeit gelangt ist. 2. Al-­Ǧāmiʿu ṣ-­Ṣaġīr: Ein Werk über Hadithe, wobei unter den Überlieferern al-­Ašǧaʿī, Ġassān b. ʿUbayd, Ḥasān b. Ḥafṣ al-­Aṣfahānī, Muʿāfā b. ʿImrān al-­Mūṣilī, ʿAbdulʿazīz b. Abān, ʿAbduṣṣamad b. Ḥassān, Zayd b. Abi z-­Zarqāʾ, Qāsim b. Yazīd al-­Ǧurmī aufgezählt wurden.771 Auch bezüglich dieses Werkes gibt es keine Hinweise darauf, dass es eigenständig bis in unsere Zeit gelangt ist. Es gibt aber auch die Auffassung, dass das Werk al-­Muṣannaf von ʿAbdurrazzāq b. Hammām aṣ-­Ṣanʿānī (gest. 211/826–27) wahrscheinlich aus Werken wie Kitābu s-­Sunan von Ibn Ǧurayǧs (gest. 150/767), al-­Ǧāmiʿu l-­Kabīr und al-­Ǧāmiʿu ṣ-­ Ṣaġīr von Sufyān aṯ-­Ṯawrī besteht.772 3. Kitābu l-­Farāiḍ: Dieses Werk beschäftigt sich mit dem islamischen Erbrecht und gehört zu den ältesten diesbezüglichen Exemplaren. Seine Überlieferer waren Ṯawrīs Schüler Qabīṣa b. ʿUqba (gest. 215/830) und Abū Nuʿaym Faḍl b. Dukayn (gest. 219/834). Die einzige bis heute erhaltene handschriftliche Ausfertigung (Maǧmūʿā 38, Waraq 25a–37a), welche aus dem 6. Jahrhundert n. H. stammt und sich in der Dimašq Ẓāhiriyya-­Bibliothek befindet, wurde von Hans Peter Raddatz unter dem Namen Frühislamisches Erbrecht nach dem Kitāb al-­Farāiḍ des Sufyān aṯ-Ṯaurī im Jahr 1971 in zusammengefasster Form publiziert. Außerdem wurde es von ʿAbdulʿazīz b. ʿAbdillāh al-­Ḫalīl unter dem Namen al-­Farāiḍ li ṯ-­Ṯawrī im Jahr 1410/1989 in Riad nochmals veröffentlicht. Das Werk erreichte uns in großem Umfang auch in Bayhaqīs (gest. 458/1066) Werk as-­Sunnanu l-­Kubrā.773 768 Ibn Nadīm, al-­Fihrist, S. 314. 769 Ibn Ḫayr al-­Išbīlī, Fahrasa, S. 113 f. 770 Qalʿaǧī, Muḥammad Rawwās, Mawsūʿatu Fiqhi Sufyān aṯ-­Ṯawrī, Dāru n-­Nafās, Beirut 1997, S. 62 f. 771 Qalʿaǧī, Mawsūʿatu Fiqhi Sufyān aṯ-­Ṯawrī, S. 63. 772 Motzki, Harald, Die Anfänge der islamischen Jurisprudenz, S. 58, Uçar, Bülent, Batı’da Hadis Çalışmalarının Tarihi Seyri, S. 96, 180. 773 Özdirek/Çavuşoğlu, Süfyân es-­Sevrî, S. 24.

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4. At-­Tafsīr: Das Werk lehnt sich an die Überlieferung Abū Ḥuḏayfa Mūsā b. Masʿūd an-­Nahdīs, einem basrischen Schüler Ṯawrīs, an und gehört zu den wichtigen Koranexegese-­Arbeiten des 2. Jahrhunderts n. H. In diesem Werk, welches sich von späteren Koranexegesewerken, die den ganzen Koran exegieren, ohne ein Kapitel und einen Koranvers zu überspringen, unterscheidet, wird nicht der ganze Koran vom Anfang bis zum Ende exegiert, sondern nur Koranverse, deren Erklärungen als notwendig erscheinen oder es werden lediglich einige Wörter in den Koranversen mit Hilfe der Überlieferungsmethode (Riwāya) kurz erläutert. Diese Methode ist eine typische Vorgehensweise der frühislamischen Arbeiten zur Koranexegese.774 Das Werk, welches die Exegese von 49 Koransuren enthält, beginnt mit der Exegese der Sure Baqara. Es endet mit der 52. Koransure (Ṭūr), wobei der Kommentar der 44. Koransure (Duḫān) und jener der 47. Koransure (Muḥammad) übersprungen werden. Die einzige Ausfertigung, welche sich in der Rāmpūr Riḍā-­Bibliothek befindet, wurde von Imtiyāz ʿAlī ʿAršī editiert und unter dem Namen Tafsīru Sufyān aṯ-­Ṯawrī im Jahre 1965 in Rāmpūr und nochmals später im Jahre 1983 in Beirut publiziert.775 5. Kitabu l-­Iʿtiqād: Das Buch, das al-­Lālakāʾī und Ḏahabī in ihren Werken überlieferten,776 besteht aus den den Ahlu s-­Sunna-­Prinzipien entsprechenden Antworten und den Empfehlungen Ṯawrīs auf die glaubensbezogenen Fragen Šuʿayb b. Ḥarbs. Außerdem befindet sich eine Ausfertigung, welche von Ibn Taymiyya (gest. 728/1327) untersucht wurde, in der Dimašq Ẓāhiriyya-­Bibliothek (Maǧmūʿā, 139/14, Waraq 191a–192a).777

2.1.11 Seine Beziehung zu den politischen Kreisen jener Epoche Sufyān aṯ-­Ṯawrī wurde im Jahre 97/716 zur Zeit der Herrschaft des 7. umayyadischen Kalifen Sulaymān b. ʿAbdilmalik (96–99/715–717) geboren und starb im Jahre 161/778 in der Regierungszeit des 3. abbasidischen Kalifen al-­Mahdī (158–169/775–785). Er erlebte die Regierungsjahre der letzten acht umayyadischen und der ersten drei abbasidischen Kalifen. Ungefähr 35 Jahre seiner 64-jährigen Lebenszeit verbrachte er unter der Herrschaft der Umayyaden, die restlichen 29 Jahre unter der Herrschaft der Abbasiden. 774 Özdirek/Çavuşoğlu, Süfyân es-­Sevrî, S. 24; Van Ess, Theologie und Gesellschaft, I, S. 227. 775 Ṯawrī, Sufyān b. Saʿīd b. Masrūq (gest. 161/778), Tafsīru ṯ-­Ṯawrī, ed. Imtiyāz ʿAlī ʿAršī, Dāru l-­Kutubi l-ʿIlmiyya, Beirut 1403/1983, S. 2, 39. 776 Al-­Lālakāʾī, Abu l-­Qāsim Hibatullāh b. al-­Ḥasan b. Manṣūr (gest. 418/1027), Iʿtiqādu Ahli s-­Sunna, ed. Aḥmad Saʿd Ḥamdān, Dāru ṭ-­Ṭayyiba, Riyad 1402, I, S. 151–154; Ḏahabī, Taḏkiratu l-­Ḥuffāẓ, I, S. 153. 777 Qalʿaǧī, Mawsūʿatu Fiqhi Sufyān aṯ-­Ṯawrī, S. 63.

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Ṯawrī wahrte während seiner gesamten Lebenszeit Distanz zu den Staatsführern und befand sich insbesondere in der Zeit nach seinem Fortgang aus Kūfa in einer kompromiss- und furchtlosen sowie strengen Opposition zu ihnen. Es ist zu verstehen, dass unter den wichtigsten Gründen, die seiner distanzierten Haltung gegenüber den Kalifen zugrunde liegen, seine Furcht wiederzufinden ist, unter ihrer Leitung die eigene Meinungsfreiheit zu verlieren. Zu den weiteren wichtigen Gründen zählten auch die, dass er sich nicht vor den Regenten erniedrigen mochte und einem offiziellen Amt und Posten keinen Wert beimaß, sowie seine Bedenken, aufgrund der Schenkungen der Staatsmänner ihre Fehler nicht als solche betrachten zu können und ein Handlanger ihrer Missetaten zu werden. So begründete er seine distanzierte Haltung gegenüber den Kalifen wie folgt: „Das, was mich davon abhält, zu ihnen zu gehen, ist nicht die Tatsache, dass ich es als falsch erachte, ihnen zu gehorchen. Doch ich bin jemand, der gutes Essen mag. Sonach befürchte ich, dass sie mich [gedanklich] vergiften.“778

Zu diesem Zweck trug Ṯawrī immer eine Mindestmenge an Geld bei sich, damit er auf niemanden angewiesen war, schon gar nicht auf die Herrscher. So antwortete Ṯawrī, als eines Tages ein Mann zu ihm kam und fragte: „O Abā ʿAbdillāh! [Auch du] trägst diese Dinare bei dir?!“ Folgendes zu ihm: „Sei still! Wären diese Dinare nicht da, so würden wir zu Tüchern in den Händen der Könige werden, mit denen sie sich abwischen.“

Im gleichen Zusammenhang wird in den Quellen erwähnt, dass er sagte „Hätten wir keine finanziellen Mittel, so würden die Herrscher mit uns spielen.“779 Wie seiner oben genannten Aussage zu entnehmen ist, sagte er aber nicht, dass die Regierung der Kalifen nicht legitim sei und erachtete daher eine Rebellion gegen sie keinesfalls als richtig. Dass er sich in einer Zeit, die durch viele politische Unruhen geprägt war, an keiner Rebellion beteiligte sowie über die Kalifen die Aussage „Yā Amīra l-­Muʾminīn!“ tätigte,780 deutet ebenfalls auf diese seine Haltung hin. Weiter wird in einer Überlieferung von Sufyān b. ʿUyayna davon berichtet, dass der damalige Gouverneur von Mekka, Muḥammad b. Ibrāhīm al-­Hāšimī, Ṯawrī eine finanzielle Hilfe von 200 Dinar zukommen ließ. Als Ṯawrī diese Hilfe ablehnte, sagte Sufyān b. ʿUyayna zu Ṯawrī: „O Abā ʿAbdillāh! Anscheinend siehst du die Annahme dieser Hilfe nicht als halal an?“ Daraufhin antwortete ihm Ṯawrī: 778 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 45. 779 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VI, S. 381; Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 168; Ḏahabī, Tārīḫ, X, S. 235. 780 Ḏahabī, Siyar, VII, S. 242, 262.

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„Nein, [ganz im Gegenteil sehe ich es als halal an], meine Väter und Großväter erhielten oft Spenden [der Staatsmänner]. Ich finde es jedoch schlecht, mich von den Herrschenden erniedrigen zu lassen.“781

In den Quellen sind keine Aussagen darüber zu finden, dass Ṯawrī, der grundsätzlich eine distanzierte Haltung gegenüber Staatsoberhäuptern wahrte, bis zur Regierungszeit des 2. abbasidischen Kalifen Manṣūr (136–158/757–775) sich auf einen Streit mit irgendeinem Kalifen eingelassen hatte. Betrachtet man die Tatsache, dass Ṯawrī in der Regierungszeit von Manṣūr noch im relativ jungen Alter von 40 Jahren war, lässt sich sagen, dass sich Ṯawrī bis zu diesem Alter intensiv mit der Wissenschaft beschäftigte, sich nicht in die staatlichen Angelegenheiten einmischte und aus diesem Grund auch die Kalifen ihn nicht behelligten. Doch sein steigender wissenschaftlicher Ruhm und sein Einfluss in den Wissenschaftskreisen ließen ihn ab dem Kalifat Manṣūrs unvermeidlich mit den Herrschern zusammenprallen. Wie im Kapitel 2.1.9 „Sein Tod“ bereits angesprochen, lehnte er wahrscheinlich im Jahre 148/765782 das Angebot des 2. abbasidischen Kalifen Manṣūr, ihn zum Kadi zu ernennen, ab und floh heimlich in den Jemen.783 Außerdem fand später, als er auf Šarīk b. ʿAbdillāh (gest. 177/794) traf, der das Kadi-­Angebot akzeptiert hatte, folgender vorwurfsvoller Dialog zwischen ihnen statt: Sufyān: „O ʿAbdullāh! Bist du nach Islam, Fiqh und Wohltaten zum Kadi geworden?!“ Šarīk: „O Abā ʿAbdillāh! Die Menschen brauchen auch einen Kadi.“ Sufyān: „Die Menschen brauchen Sicherheitskräfte.“784

Es ist zu erkennen, dass Ṯawrī wahrscheinlich im Jahre 148/765, als er in den Jemen floh, zwecks Pilgerfahrt Mekka besuchte. Der Onkel des Kalifen Manṣūr, der damalige Gouverneur von Mekka, ʿAbduṣṣamad b. ʿAlī al-­Hāšimī785 kam trotz Ṯawrīs unzugänglicher Haltung zum Einholen von dessen Rechtsmeinung über

781 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 114; Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 40. 782 Ibn Ḥaǧar al-­Haytamī, al-­Ḫayrātu l-­Ḥisān, S. 67 f.; Ṣaymarī, Abū ʿAbdillāh Ḥusayn b. ʿAlī b. Muḥammad (gest. 436/1044), Aḥbāru Abī Ḥanīfa, Beirut 1985, S. 71. 783 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 105 f.; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 257. 784 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 47; Ibn Ḫallikān, Wafayāt, II, S. 387; Ḏahabī, Tārīḫ, X, S. 238 f. 785 Der Kalif Manṣūr ernannte seinen Onkel ʿAbduṣṣamad b. ʿAlī al-­Hāšimī im Jahre 146 n. H. zum Gouverneur von Mekka und Ṭāʾif, entließ ihn aber 149 n. H. und bestimmte an seiner Stelle Muḥammad b. Ibrāhīm. Auch im Jahre 155 n. H. übte ʿAbduṣṣamad b. ʿAlī al-­Hāšīmī den Pilgerführerdienst aus; siehe Qalʿaǧī, Mawsūʿatu Fiqhi Sufyān aṯ-­Ṯawrī, S. 19.

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die Ḏī l-­Ḥiǧǧa-­Mondsichel zu ihm, da er Ṯawrīs Wissen schätzte. Doch dieser schimpfte ihn aus. ʿAbdullāh b. Numayr schildert das Ereignis wie folgt: „Ich traf zwischen Ṣafā und Marwa auf Ṯawrī. Ṯawrī hielt meine Hand zum Gruß. Danach machte er sich mit mir zusammen auf den Weg nach Hause. Plötzlich sah er, dass ʿAbduṣṣamad b. ʿAlī vor seiner Haustür sitzend auf ihn wartete. ʿAbduṣṣamad b. ʿAlī war der gegenwärtige Gouverneur von Mekka. Als er Ṯawrī sah, sagte er [scherzhaft]: ‚Ich kenne keinen, der die Muslime mehr betrügt als du!“ Sufyān bereitete sich auf das rituelle Gebet vor und sagte: ‚Ich bin mit etwas Nötigerem als deinem Herkommen beschäftigt.’ Danach teilte ʿAbduṣṣamad b. ʿAlī ihm mit, dass eine Volksgruppe zu ihm kam und ihn über ihre Sichtung der Ḏī l-­Ḥiǧǧa-­Mondsichel informierte, und er fragte Ṯawrī, was er nun machen solle. Ṯawrī sagte ihm, er solle den Menschen befehlen, dass sie auf die Berge steigen sollten [um die Mondsichel zu sehen], danach solle er dies den Menschen verkünden. Seine Hand war immer noch in meiner. ʿAbduṣṣamad b. ʿAlī, der vor seiner Türe saß, ließen wir in diesem Zustand und traten in sein Haus ein. Mir wurde eine vorzügliche Platte mit geschnittenem Brot und Käse gebracht. So haben wir [uns hingesetzt und zusammen] gespeist.“786

Es ist demnach festzuhalten, dass Ṯawrī wieder nach Kūfa zurückkehrte, denn die Quellen berichten, dass die Zeit, in der Ṯawrī Kūfa ohne Wiederkehr verließ, das Jahr 154/771787 oder 155/772788 war. Die restlichen sechs oder sieben Jahre seines Lebens nach seinem endgültigen Fortgang aus Kūfa verbrachte er stets unter permanentem Ortswechsel und in wechselnden Verstecken. Auch in dieser Zeit führte er seine furchtlose und strenge Haltung gegenüber den ungern getroffenen Staatsmännern weiter fort. Mufaḍḍal b. Muhalhal (gest. 167/784) überliefert eine interessante Diskussion, die sich zwischen ʿAbduṣṣamad b. ʿAlī al-­Hāšimī, dem Onkel des Kalifen Manṣūr,, der im Jahre 155 n. H. in Mekka die Pilger anführte, und Ṯawrī abspielte, und die den führenden syrischen Muǧtahid der Ära, al-­Awzāʿī, ängstigte: „Wir haben uns mit Sufyān aṯ-­Ṯawrī auf die Pilgerfahrt begeben. Als wir in Mekka ankamen, trafen wir hier al-­Awzāʿī. Ich, al-­Awzāʿī und Sufyān versammelten uns in einem Haus. ʿAbduṣṣamad b. ʿAlī al-­Hāšimī war [in diesem Jahr] der Pilgerführer. Es klopfte an der Tür. Wir sagten ‘Wer ist da?’ Derjenige an der Türe sagte ‘Der Pilgerführer.’ Ṯawrī stand sofort auf und begab sich in ein verstecktes Abteil des Zimmers. Al-­Awzāʿī stand auf und empfing den Führer. ʿAbduṣṣamad b. ʿAlī fragte ‘Wer bist du, o Scheich?’ Er erwiderte: ‘Abū ʿAmr al-­Awzāʿī’. ʿAbduṣṣamad b. ʿAlī sagte ‘Allah soll dich in Sicherheit erhalten. Deine Schriften [Briefe] erreichten uns, und wir deckten deine Bedürfnisse. Was hat Sufyān aṯ-­Ṯawrī

786 Ḏahabī, Siyar, VII, S. 265. 787 Buḫārī, at-­Tārīḫ, IV, S. 93. 788 Buḫārī, at-­Tārīḫ, IV, S. 92 f.; Fasawī, al-­Maʿrifa, I, S. 412; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 171; Samʿānī, al-­Ansāb, III, S. 153; Nawawī, Tahḏību l-­Asmāʾ, I, S. 223; Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 169.

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gemacht?’ ‘Er hat sich in das geheime Abteil des Zimmers begeben’ sagte al-­Awzāʿī und ging in das geheime Abteil des Zimmers, wo sich Ṯawrī versteckt hielt, und sagte ihm ‘Fürwahr, dieser Mann beabsichtigt nicht mehr als das, was du beabsichtigtest’. Daraufhin kam Ṯawrī wütend aus seinem Versteck heraus und sagte ‘Salāmun ʿalaykum, wie geht es euch?’.‘Ich bin gekommen, um die Haǧǧ-­Pflichten von dir aufzuschreiben’, entgegnete ʿAbduṣṣamad b. ʿAlī. Ṯawrī sagte ihm: ‘Soll ich dir etwas Besseres als das zeigen?’. ʿAbduṣṣamad b. ʿAlī sagte daraufhin: ‘Was ist es?’ ‘Dass du deinen [Pilgerführer-]Dienst aufgibst’, antwortete Ṯawrī. Als ʿAbduṣṣamad b. ʿAlī antwortete: ‘ Wie könnte ich Amīru l-­Muʾminīn Abū Ǧaʿfar Manṣūr so etwas antun?!’, sagte Ṯawrī: ‘Wenn du [deinen Dienst aufgeben] willst, dann wird dir gegen Abū Ǧaʿfar Allah beistehen’. Daraufhin sagte al-­Awzāʿī zu Ṯawrī: ‚O Abā ʿAbdillāh! Wahrlich werden diese Staatsführer mit dir nicht zufrieden sein, sofern du ihnen keinen Respekt zeigst’. Daraufhin sagte Ṯawrī zu al-­Awzāʿī: ‘O Abā ʿAmr! Unsere Kraft reicht nicht aus, um diese hier zu schlagen, doch wir erziehen sie, so wie du es gesehen hast. Mufaḍḍal b. Muhalhal bemerkt dazu noch: Ich habe mich zu al-­Awzāʿī gedreht. al-­Awzāʿī sagte: ‘Lass uns von hier verschwinden. Ich traue diesem Mann nicht. Er wird uns noch zu demjenigen schicken, der uns hinrichten wird, doch ihm ist es völlig egal.“789

Wahrscheinlich in den gleichen Jahren fand zwischen ʿAbduṣṣamad b. ʿAlī al-­ Hāšimī und Ṯawrī ein noch härterer Dialog statt: „ʿAbduṣṣamad b. ʿAlī besuchte den zu der Zeit kranken Ṯawrī. Als er eintrat, drehte Ṯawrī sein Gesicht zur Wand und nahm nicht einmal den Gruß ʿAbduṣṣamads an. Trotzdem sagte ʿAbduṣṣamad b. ʿAlī zu einem Mann neben ihm: „O Sayf! Ich glaube, Abū ʿAbdillāh schläft.“ „Ja, ich denke, er schläft, Allah soll seinen Zustand bessern“ antwortete jemand im Zimmer. Daraufhin tadelte Sufyān den Mann mit der Aussage „Lüge nicht! Ich schlafe nicht.“ Als ʿAbduṣṣamad b. ʿAlī trotz Ṯawrīs unerträglicher Haltung ihn fragte: „O Abā ʿAbdillāh! Benötigst du etwas?“, antwortete Ṯawrī: „Ja, ich habe drei Bedürfnisse: Besuche mich nicht ein zweites Mal. [Falls ich sterbe,] komme nicht zu meiner Bestattung und sprich mir keinen Segen aus.“ ʿAbduṣṣamad b. ʿAlī, der angesichts dieser erniedrigenden Haltung aus Scham nicht mehr wusste, was zu tun war, verließ den Raum, und als er draußen war, sagte er: „Wallāhi, eigentlich hätte ich nicht hier herauswollen, ohne seinen Kopf zu nehmen.“ Doch er tötete ihn nicht.“790

Wie bereits angesprochen, hatte der Kalif Manṣūr befohlen, dass Ṯawrī wegen dieses unmöglichen Benehmens im Jahre 158 n. H., sobald er gesichtet würde, gefasst und hingerichtet werden sollte. Doch Manṣūr starb, noch bevor er Mekka erreichte.791 789 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 39. 790 Ḏahabī, Siyar, VII, S. 244. 791 Al-­Yaʿqūbī, Tārīḫu l-­Yaʿqūbī, S. 268 f.; Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 41 f.; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 159; Nawawī, Tahḏību l-­Asmāʾ, I, S. 223; Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 167; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 251; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IV, S. 101.

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Wenn auch der Sohn Manṣūrs, der 3. abbasidische Kalif Mahdī (158–169/ 775–785), versuchte, eine starke Persönlichkeit wie Sufyān auf seine Seite zu ziehen, hatte er doch keinen Erfolg damit. Ṯawrī sprach auch zu Mahdī, der ihn zu sich bestellte, in einem respektlosen Ton und verließ den Raum, womit er jegliche Beziehung zu ihm abbrach. Daraufhin erließ der Kalif Mahdī, der sich anlässlich der Pilgerfahrt in Mekka befand, einen Haftbefehl und setzte demjenigen, der Ṯawrī ergreifen würde, eine Belohnung von 10 000Dinar/Dirham aus. Ṯawrī, der sich eine Zeit lang in Mekka versteckt hielt, flüchtete 158 nach Basra, wo er den Rest seines Lebens verbringen sollte.792 Ḥammād b. Zayd (gest. 179/795) überzeugte Ṯawrī, der es in den letzten Jahren seines Lebens leid war, sich dauernd versteckt zu halten, davon, seine Beziehung zum Kalifen etwas zu verbessern. In seinem Brief an den Kalifen Mahdī, welchen er trotz seiner schwierigen Lage in einer dem Amt des Regierungschefs unangemessenen Ausdrucksweise formulierte, forderte er für sich und für die Personen, die seinetwegen verfolgt wurden, Schutzgewährung und Freizügigkeitsrecht im Land.793 Ṯawrī, der aufgrund der benannten Motive eine große Distanz zu den Herrschenden wahrte, empfahl ihm nahestehenden Personen, keinen zu engen Kontakt zu jenen zu pflegen, dass man nicht zu ihnen gehen solle, auch wenn sie einen zu sich riefen, um die Sure Iḫlāṣ zu rezitieren, da die Nähe zu ihnen nämlich das Herz verderbe. Er verdeutlichte auch, dass er keine Angst vor ihrer Verachtung habe, sondern sich im Gegenteil vor ihren Beschenkungen fürchte, weil diese ihn nämlich hindern würden, ihre Fehler als Fehler anzukreiden.794 In den Quellen wird auch erwähnt, dass er während seiner Wanderung auf der Straße bei Nacht sogar seinen Weg änderte, um nicht einen Nutzen vom Licht der Wachmänner zu haben, welche er aus der Ferne sah. In den Quellen wird auch berichtet, dass er sagte, sogar das Ausleihen von Gegenständen wie Reittieren, Sätteln und Zäumen von den Sultanen würde das Herz des Betreffenden zu deren Gunsten schlagen lassen. Er fürchtete sich nicht davor, sie nötigenfalls aufs Schärfste zu kritisieren und verglich sogar die Fitna der Machthaber mit der des Daǧǧāls. Er äußerte, dass jemand, der in irgendeiner Hinsicht von den Führern profitierte, anfangen würde, sie auf dem richtigen Weg zu sehen sowie zu einem ihrer Helfer zu werden, ferner, 792 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VI, S. 372; Fasawī, al-­Maʿrifa, I, S. 406; Ibn Abī Ḥātim, al-­ Ǧarḥ, I, S. 108; Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 4, 40 f.; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 160; Ibn Ḫallikān, Wafayāt, II, S. 387 f.; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 244 f., 262. 793 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VI, S. 373; Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 107 ff., 111; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 244 f. 794 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 88 f.; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 262.

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dass jemand, der mit ihnen zusammen sei, mit Sicherheit gedanklich beschmutzt werde. Über die sehr strenge und respektlose Haltung Ṯawrīs gegenüber den Herrschenden werden in den Quellen noch andere Beispiele erwähnt.795 Was Ṯawrīs Furcht betrifft, seine Meinungsfreiheit zu verlieren, und die Tatsache, dass er es nicht wollte, vor den Machthabern erniedrigt sowie ein Handlanger ihrer Fehltaten zu werden, so sieht man ihn im Recht. Es kann angenommen werden, dass vor allem in den letzten Regierungsjahren der Umayyaden und in den ersten der Abbasiden die willkürlichen Handlungen der Kalifen während der Auseinandersetzungen um politische Interessen, ferner ihre Verletzungen der grundsätzlichen Islamregeln und ihre Bedenkenlosigkeit, Personen, die ihrer politischen Macht gefährlich zu werden drohten, aus dem Weg zu räumen, Ṯawrī zu solch einer Haltung bewegten. Allerdings äußerte er, dass er sich vor keinem möglichen Schaden inklusive eines Tötungsbefehls vonseiten der Machthaber fürchtete. So entschied er sich dafür, persönlich um keinen Preis der Welt irgendwelchen Handlungen der Staatsmänner als Referenz zu dienen. Auf der anderen Seite stellt sich seine extrem strenge, respektlose und unzugängliche Haltung gegenüber den Ansichten der Regierung als eine überzogene Reaktion dar. Ohnehin wurde ihm diese Haltung zum Verhängnis und er wurde nach seinem Fortgang aus Kūfa für den Rest seines Lebens dauerhaft verfolgt. Jedoch ist seine exorbitant distanzierte Haltung gegenüber den Staatsmännern wohl nicht als eine allgemeine Empfehlung, sondern als seine persönliche Wahl zu sehen. Dies zeigt auch die folgende Aussage: „Wahrlich, ich treffe auf einen Mann, auf den ich wütend bin. Würde er zu mir ‘wie hast du übernachtet?’ oder ‘wie geht es dir?’ sagen, so würde mein Herz ihm gegenüber weich werden. Wie würde ich also über jemanden denken, dessen Essen ich gespeist habe?!“796

Ṯawrī hat, wie oben angeschnitten, nicht behauptet, dass das Annehmen von staatlichen Hilfeleistungen haram oder die Ausübung eines Amtes unerlaubt sei; darüber hinaus hat er auch nie für einen Aufstand gegen die Staatsführung geworben. So wie es zu keinem durch die Agitation Ṯawrīs verursachten Aufstand kam, so nahm er auch selbst an keinem solchen teil. Darüber hinaus haben einige damals führende Autoritäten wie Sufyān b. ʿUyayna, Imam Mālik und Šarīk b. ʿAbdillāh, sowohl um einen gerechten Fortgang des Staates zu gewährleisten als auch um dem gemeinen Volk besser zu nutzen, gute Beziehungen zu den Staatsmännern gepflegt, ab und zu deren Hilfeleistungen angenommen 795 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 40, 47 f.; ʿAbdulḥalīm Maḥmūd, Sufyān aṯ-­Ṯawrī Amīru l-­Muʾminīn fi l-­Ḥadīṯ, S. 183, 187; Van Ess, Theologie und Gesellschaft, I, S. 223. 796 Ḏahabī, Siyar, VII, S. 260.

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und verschiedene staatliche Dienste ausgeübt. Man kann sogar sagen, dass diese Haltung Ṯawrīs eine sehr außergewöhnliche Ausnahme war und die meisten der führenden Wissenschaftler seiner Zeit versuchten, gute Beziehungen zu den Machthabern zu pflegen.

2.1.12 Sufyān aṯ-­Ṯawrī als Gelehrter Wie bereits im Kapitel 2.1.6 „Seine Lehrer und Schüler“ angesprochen wurde, waren die führenden Gelehrten des 2. Jahrhunderts n. H. vielseitige Wissenschaftler. So war auch Ṯawrī kein fachlich einseitiger Gelehrter, sondern jemand, der im Bereich der islamischen Grundwissenschaften im Zeitalter der Tābiʿu t-­tābiʿūn-­ Generation Gehör fand. Im Folgenden wird daher seine wissenschaftliche Persönlichkeit in den islamischen Grundwissenschaften näher beleuchtet.

2.1.12.1 Seine Stellung in den Koran-­Wissenschaften Es ist bekannt, dass in der wissenschaftlichen Auffassung jener Epoche die religiöse Bildung mit dem Lernen der Koranrezitation begann. Dieser Tradition entsprechend hatte Ṯawrī, der in jungen Jahren den Koran auswendig lernte, die Rezitationswissenschaft (ʿIlmu l-­Qirāʾa) von zweien der als Aʾimmatu l-­Qirāʾati s-­Sabʿa bekannten sieben Rezitationsimame gelernt. Der Erste von ihnen war der Kūfenser ʿᾹṣim b. Bahdala (gest. 127/745). Die Koranrezitationssammlung des blinden ʿᾹṣim basierte durch Vermittlung seines Lehrers Abū ʿAbdirraḥmān as-­ Sūlamī (gest. 73/692 [?]) auf der Rezitation von ʿAlī b. Abī Ṭālib (gest. 40/661) und durch Vermittlung von Ḏir b. Ḥubayš al-­Asadī (gest. 82/701) auf der Rezitation von Ibn Masʿūd (gest. 32/652–53).797 In diesem Fall reichen Ṯawrīs wissenschaftliche Wurzeln in dieser Wissenschaft dank seines Lehrers ʿᾹṣim b. Bahdala bis zu ʿAlī b. Abī Ṭālib und Ibn Masʿūd zurück, die zu den Gefährten des Propheten gehörten. Fraglos hat Ṯawrī seinen Lehrer ʿᾹṣim b. Bahdala in der Rechtswissenschaft überholt. So ist bekannt, dass ʿᾹṣim seine Rechtsmeinung erfragte und sagte: „Als du klein warst, kamst du zu uns, während du groß bist, kommen wir zu dir.“798 Ein anderer Lehrer Ṯawrīs, von dem er hinsichtlich der Rezitationswissenschaft profitierte, war der Kūfenser Ḥamza b. Ḥabīb az-­Zayyāt (gest. 156/773), der auch einer der sieben Rezitationsimame war. Die Lehrer von Ḥamza in der Rezitationswissenschaft sind wiederum Ḥumrān b. Aʿyan und Muḥammad b. ʿAbdirraḥmān

797 Ḏahabī, Siyar, V, S. 256 ff.; Sarı, Mehmet Ali, Âsım b. Bahdala, in: DİA, III, S. 476. 798 Ḏahabī, Siyar, VII, S. 249.

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b. Abī Laylā. Ṯawrī hat Ḥamza b. Ḥabīb az-­Zayyāt den Koran vier Mal vom Anfang bis zum Ende aus seinem Gedächtnis aufgesagt.799 Dass Ṯawrī trotz einiger Einwände bezüglich Ḥamzas Rezitation sagte, dass jedes Merkmal seiner Rezitation zu belegen sei und er ihn somit verteidigte, hatte einen Einfluss auf die Verbreitung dieser Rezitation.800 Außerdem ist Ṯawrī einer der Überlieferer der Rezitation von Aʿmaš, welche zu den Šāḏḏ-­Rezitationen gezählt wird.801 Diese Informationen zeigen, dass Ṯawrī über ein umfangreiches Wissen in der Rezitationswissenschaft verfügte und in diesem Bereich zu den anerkannten Autoritäten seiner Zeit gezählt wurde. In der Koranexegese lässt Ṯawrīs Aussage „Nehmt [Lernt] die Koranexegese von vier Personen: Saʿīd b. Ǧubayr [gest. 95/714], Muǧāhid [gest. 103/721], ʿAṭāʾ [gest. 114/732] und ʿIkrima [gest. 105/723]“802 erkennen, welche Lehrmeinung er in dieser Wissenschaft bevorzugte. Angesichts dessen, dass sich gemäß der Überlieferung von Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān, einem der basrischen Schüler Ṯawrīs, innerhalb des aus sechs Personen bestehenden Wissenschaftskreises von Ibn ʿAbbās die Gelehrten Muǧāhid (gest. 103/721), Ṭāwūs (gest. 106/725), ʿAṭā ͗ (gest. 114/732), Saʿīd b. Ǧubayr (gest. 95/714), ʿIkrima (gest. 105/723) und Ǧābir b. Zayd (gest. 93/711–12) befanden,803 lässt sich sagen, dass sich Ṯawrī in der Tafsīr-­Wissenschaft vorwiegend auf Überlieferungen dieser vier Personen stützte. Zudem ist sein Wissensschatz in diesem Bereich auf Ibn ʿAbbās, dem Imam der Tafsīr-­Schule Mekkas, zurückzuführen. Ṯawrī reichte sein erlangtes Wissen an spätere Generationen weiter und leistete auch einen Beitrag zur Entwicklung der Riwāya-­Methode in der Koranexegese, insbesondere im 2. Jahrhundert n. H. Sufyān hat den Koran häufig studiert und stets in ihm nachgeschlagen. Falls er an einem Tag nicht in den Koran schaute, nahm er ihn und legte ihn auf seine Brust. Jede Nacht las er einen Ǧuzʾ (einen der 30 Teile des Korans) und ein Heft (Ǧuzʾ) des Hadith.804 Diese seine intensiven Koranuntersuchungen sorgten auch dafür, dass er sein Wissen in der Tafsīr-­Wissenschaft vermehrte. Dass er in diesem 799 Ebenda, S. 234; Pellat, Ch., Ḥamza b. Ḥabīb, in: EI², (New Edition), Leiden 1986, III, S. 155. 800 Altıkulaç, Tayyar, Hamza b. Habîb, in: DİA, İstanbul 1997, XV, S. 512. 801 Özdirek/Çavuşoğlu, Süfyân es-­Sevrî, S. 25. 802 In manchen Überlieferunegn wird an Stelle von Aṭāʾ Daḥḥāk erwähnt; siehe Abū Nuʿaym, Ḥilya, III, S. 329; Mizzī, Tahḏīb, XIII, S. 293, XX, S. 274; Ḏahabī, Siyar, IV, S. 451, V, S. 18. 803 Ḏahabī, Siyar, V, S. 18. 804 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 116; Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 19.

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Bereich über einen großen Wissensschatz verfügte, bekundete er letztendlich auch selbst mit seiner Aussage: „Fragt hinsichtlich der Koranexegese und der Rituale der Pilgerfahrt [Manāsiku l-­Ḥaǧǧ] mich, denn bezüglich dieser beiden Themen bin ich wissend.“805

Ṯawrī krönte dieses Wissen mit dem Verfassen einer eigenen Koranexegese. Wie aber bereits im Kapitel 2.1.10 „Seine Werke“ beschrieben, hat Ṯawrī in diesem Buch nicht den ganzen Koran vom Anfang bis zum Ende ohne das Überspringen eines Koranverses exegiert, sondern lediglich einige Wörter mit Hilfe der Überlieferungsmethode kurz erläutert, deren Erklärung er als notwendig erachtete. Nach der Überlieferung seines Schülers Wakīʿ (gest. 197/812) „fanden Leute wie Kalbī, die einen Koranvers vom Anfang bis zum Ende exegierten, keinen Gefallen bei Ṯawrī.“806 Es kam vor, dass Sufyān, der hinsichtlich der mehrdeutigen Verse (Mutašābih) im Koran generell der Salaf-­Linie folgte und sich prinzipiell von der Interpretation der Mutašābih-­Koranverse zurückhielt, von Zeit zu Zeit aber auch solche Koranverse interpretierte. Beispielsweise sagt er bei der im 255. Koranvers der Sure al-­Baqara vorkommenden Aussage „Sein Kursī [Thron] umfasst die Himmel und die Erde“, dass mit Kursī „Allahs Wissen“ gemeint sei.807

2.1.12.2 Sein Stellenwert in der Hadith-­Wissenschaft Sufyān aṯ-­Ṯawrī, Primus der Hadith-­Gelehrten zu Zeiten der Tābiʿu t-­Tābiʿūn-­ Generation, reiste zu den damaligen Wissenschaftszentren wie Kūfa, Mekka, Medina, Damaskus und Basra und eignete sich durch seine Kontakte mit den führenden Gelehrten seiner Zeit ein reiches Wissen an. Wie schon erwähnt, registrierte Ḏahabī (gest. 748/1347), dass er von 600 Gelehrten Wissen erlangte.808 Man sieht, dass Ṯawrī im Vergleich zu allen anderen Wissenschaften der Hadith-­Wissenschaft einen weit höheren Wert zuschrieb. Seine Antwort „Gibt es eine wohltätigere Sache als die Hadith-­Wissenschaft, womit ich mich beschäftige? Wahrhaftig ist die Hadith-­Wissenschaft die wohltätigste auf Erden“ auf die Frage „Bis wann möchtest du die Hadith-­Wissenschaft studieren?“809 sowie seine Aussage „Es gibt nichts Nützlicheres für den Menschen als die Hadith-­ 805 806 807 808 809

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Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 117 ff.; Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 57 f. Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 79. Ṯawrī, Tafsīru ṯ-­Ṯawrī, S. 71. Ḏahabī, Siyar, VII, S. 234. Ebenda, S. 243.

Wissenschaft“810 deuten darauf hin. Jedoch bedeuten diese Aussagen nicht, dass er auf die anderen religiösen Wissenschaften keinen Wert legte oder sie als überflüssig betrachtete. Wenn man seine Kompetenz in diesen Wissenschaften in Betracht zieht, so wollte er mit diesen Aussagen möglicherweise darauf hinweisen, dass der Beschäftigung mit der Hadith-­Wissenschaft noch mehr Vorrang gewährt werden solle, da die Hadithe in dieser Zeit noch nicht systematisiert zusammengeführt wurden und die Hadith-­Wissenschaft noch nicht vollständig entstanden war. Einer der Gründe, die für seine herausragende Rolle in der Hadith-­Wissenschaft sprechen, ist, dass er unter den Gelehrten war, die bei den erstmaligen Kategorisierungs- und Trennungsarbeiten der Hadithe nach Kapiteln im 2. Jahrhundert n. H. eine Pionierrolle spielten. Wie auch vorhin erwähnt, zählt Rāmahurmuzī (gest. 360/970) auch Sufyān aṯ-­Ṯawrī aus Kūfa unter den Gelehrten, die erste wissenschaftliche Arbeiten in diesem Bereich in den verschiedenen wichtigen Wissenszentren verrichteten.811 In diesem Kontext ist es gesichert, dass Sufyān aṯ-­Ṯawrī einen bedeutenden Beitrag zur Überlieferung des Hadith-­Erbes an die nachfolgenden Generationen geleistet hat. Es lässt sich feststellen, dass die Überlieferer bei den Arbeiten, in denen die Hadithe von einem Hadith-­Gelehrten mit unterschiedlichen Methoden aufgenommen und an andere weitergeleitet wurden, ohne irgendwelche Ausnahmen sehr gründlich auf ihre Gerechtigkeit (ʿAdāla) und Merkfähigkeit (Ḍabṭ) hin durchleuchtet wurden. Aufgrund dessen war es zu diesen Zeiten sehr schwer, die Anerkennung der verschiedenen Wissenszentren zu erlangen und eine religiöse Autorität zu werden. Wie später noch in Ibn ʿUyaynas Kapitel zu behandeln sein wird, wurde Ibn ʿUyaynas Andeutung auf ein Nachlassen seines Gedächtnisses in den letzten sieben Monaten seines Lebens812 trotz seiner Berühmtheit in den Wissenszentren seiner Zeit nicht außer Acht gelassen und rief harte Diskussionen über die Zuverlässigkeit seiner Überlieferungen hervor. In einer solchen Zeit, in der eine derartige Kritik vorkam, entdeckten die Hadith-­Kritiker keinen Mangel, welcher die Zuverlässigkeit der Überlieferungen Ṯawrīs hätte beschädigen können. Im Rahmen dieses Prozesses erhielt er für seine Hadith-­Sammlung Lob von vielen Kritikern aus den verschiedenen Wissenszentren. Von den damaligen wissenschaftlichen Kreisen wird sehr stark betont, dass er über ein sehr solides Gedächtnis und eine hohe Intelligenz verfügte. In diesem

810 Ebenda, S. 255. 811 Rāmahurmuzī, al-­Muḥaddiṯu l-­Fāṣil, S. 611 f.; Sezgin, Buḫārī’nin Kaynakları, S. 82 f. 812 Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IV, S. 106 f.

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Zusammenhang überlieferte sein jemenitischer Schüler ʿAbdurrazzāq aṣ-­Ṣanʿānī (gest. 2011/826–27), dass Sufyān sagte: „Es gibt Nichts, was ich meinem Herzen anvertraute [auswendig lernte] und dessen mein Herz mich verriet [es vergaß].“813 Eine der wissenschaftlichen Auffassungen jener Zeit war, dass das Gedächtnis und Wissensgut eines Gelehrten von Autoritäten verschiedener Wissenszentren mit anderen Gelehrten verglichen wurde. Beispielsweise wird Ṯawrī mit Wissenschaftlern wie al-­Aʿmaš (gest. 148/765) und Šuʿba (gest. 160/776), die zugleich Ṯawrīs Lehrer sind und zu den weiteren bekannten Gelehrten der irakischen Schule gehören, sowie mit dem Medinenser Mālik (gest. 179/795) und Ibnu l-­Mubārak (gest. 181/797) aus Marw verglichen und zuweilen sogar als ihnen überlegen angesehen. Diese Vergleiche ermöglichen es heute, die Kritik der Autoritäten an diesem Gelehrten abzuwägen und einen sehr guten Eindruck von dessen Wissensschatz zu erhalten. In diesem Zusammenhang sagt Abū Muāwiya Hušaym b. Bašīr (gest. 183/799): „Nach dem Tod von al-­Aʿmaš traf mich Sufyān. Er fragte mich: „Wie geht es dir?“ Danach fragte er „Hast du von al-­Aʿmaš gehört, dass er dies gesagt hat?“ Ich antwortete: „Nein“. Er fragte: „Hast du von ihm gehört, dass er jenes gesagt hat?“ Ich antwortete: „Nein“. Er begann mir nun jene Hadithe vorzutragen, als wüsste er, dass ich sie nie gehört hatte.“

Abū Muāwiya sagte auch: „Sufyān kam zu mir und tauschte sich mit mir über die Hadithe von Aʿmaš aus. Ich sah niemanden, der sich mit diesen Hadithen besser auskannte als Sufyān.“814

Der andere Gelehrte Sufyān b. ʿUyayna, der in dieser Arbeit nachfolgend behandelt wird, sagte Folgendes: „Die Aṣhābu l-­Ḥadīṯ sind drei: ʿAbdullāh b. ʿAbbās zu seiner Zeit, Šaʿbī zu seiner Zeit und Ṯawrī zu seiner Zeit.“815 Sufyāns und zugleich Māliks (gest. 179/795) und Ḥammād b. Zayds (gest.179/795) basrische Schüler ʿAbdurraḥmān b. Mahdī (gest. 198/813–14) sagte über ihn Folgendes aus: „Ich sah niemanden, der die Hadithe von al-­Aʿmaš [gest. 148/765] besser auswendig konnte als Sufyān.“816 ʿAbdurraḥmān b. Mahdī wiederum erwähnte in einer anderen Aussage: „Ich kam zu Sufyān b. ʿUyayna. Er begann, mich über Hadith-­Gelehrte auszufragen, und sagte: ‚Im Irak gibt es keinen außer Sufyān, der die Hadiṯhe auswendig lernt.’“817

813 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 63; Ḏahabī, Tārīḫ, X, S. 226. 814 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 60, 64. 815 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, III, S. 227, IX, S. 154. 816 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 63. 817 Ebenda.

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Ein anderer Schüler Ṯawrīs in Basra, Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān (gest. 198/813), sagte: „Ich sah niemanden, dessen Gedächtnis stärker als das von Sufyān war.“ Als er gefragt wurde: „Wer [kommt] nach ihm?“ antwortete er: „Šuʿba.“ Als er nochmal gefragt wurde: „Wer [kommt] danach?“ antwortete er: „Hušaym b. Bašīr.“ In einer anderen Aussage sagte er: „Es gibt keinen, der mir lieber ist als Šuʿba. Meiner Meinung nach ist ihm auch niemand ebenbürtig. Wenn jedoch Sufyān ihm widerspricht, nehme ich Sufyāns Meinung an.“818

Yaḥyā b. Maʿīn (gest. 233/848), der Sufyān als zuverlässig anerkannte, sagte über ihn: „Es gibt niemanden, der sich mit den Hadithen von al-­Aʿmaš besser auskennt als Sufyān“ und „Es gibt niemanden, der sich mit den Hadithen von Abū Isḥāq as-­Sabīʿī [gest. 127/745] und Manṣūr b. al-­Muʿtamir (gest. 132/750) besser auskennt als Sufyān.“819

Isḥāq b. Rāhūyah an-­Nisābūrī (gest. 238/853) überlieferte, dass ʿAbdurraḥmān b. Mahdī Sufyān, Šuʿba, Mālik und Ibnu l-­Mubārak erwähnte und dass Sufyān der beste Gelehrte unter ihnen sei.820 Man fragte Aḥmad b. Ḥanbal (gest. 241/855): „Wer ist dir am liebsten in Bezug auf die Hadithe von al-­Aʿmaš?“ und er antwortete: „Sufyān“. Als man ihm erwiderte „Nicht Šuʿba b. al-­Ḥaǧǧāǧ (gest. 160/776)?“, antwortete er nochmals mit „Sufyān.“821 ʿAbdurraḥmān b. Bişr (gest. 260/873–74) übermittelte, dass er von seinem Vater Folgendes gehört hatte: „Derjenige mit dem stärksten Gedächtnis im Schülerkreis von al-­Aʿmaš war Sufyān.“ Wiederum leitete er von seinem Vater folgende Worte weiter: „Sufyān ist faqīh, ḥāfiẓ und zāhid. Er ist der Imam der Iraker und der Solideste im Schülerkreis von Abū Isḥāq. Er ist ein besserer Ḥāfiẓ als Šuʿba. Wenn Ṯawrī und Šuʿba sich widersprechen, dann [bevorzuge ich] Ṯawrī.“822

Man sieht, dass hin und wieder auch einige Wissenschaftler zugaben, dass Ṯawrī ein besserer Gelehrte als sie selbst war. Beispielsweise äußerte Šuʿba b. al-­Ḥaǧǧāǧ (gest. 160/776), der einer der wichtigen basrischen Lehrern Ṯawrīs war, oftmals, dass Ṯawrī ihn an Wissen übertraf. So überlieferte Abū Dāwūd aṭ-­Ṭayālisī (gest. 204/819), dass Šuʿba Folgendes sagte: „Sollte Sufyān mir bezüglich einem Ha818 Ebenda. 819 Ebenda, S. 64. 820 ʿAbdulḥalīm Maḥmūd, Sufyān aṯ-­Ṯawrī Amīru l-­Muʾminīn fi l-­Ḥadīṯ, S. 59. 821 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 63 f. 822 Ebenda, S. 64 ff.

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dith widersprechen, dann ist der Hadith sein Hadith.“ Wiederum überliefert Abū Dāwūd aṭ-­Ṭayālisī von Šuʿba Folgendes: „Es gibt niemanden, der mir von einem Hadith-­Gelehrten überlieferte, ohne dass dieser Gelehrte, wenn ich ihn selbst fragte, mir eine von der Nachricht des Überliefernden abweichende Überlieferung gab außer Sufyān. Es gibt keine Überlieferung, die Sufyān mir von einem Hadith-­Gelehrten tradierte, die mir dieser Hadith-­Gelehrte nicht genauso überlieferte, als ich darum fragte.“823

Diese Ansicht von Šuʿba wird auch von Yaḥyā b. (Abī) Bukayr und Wakīʿ b. al-­Ǧarrāḥ (gest. 197/812) überliefert.824 Einer von Ṯawrīs Schülern, Wakīʿ b. al-­ Ǧarrāḥ (gest. 197/812), sagte: „Šuʿba überlieferte einen Hadith von Abū Isḥāq. Als ein Mann sagte: ‚Sufyān widerspricht dir in dieser Hinsicht‘, antwortete Šuʿba: ‚Lasst die Überlieferung von mir! Sufyān ist ein besserer Ḥāfiẓ als ich.‘“825 Aḥmad b. Ḥanbal (gest. 241/855) erläuterte jenen Bereich, in dem Ṯawrī überlegener als Šuʿba war, wie folgt: „Sufyān kennt sich mit den Überliefererketten und Namen der Überlieferer besser als Šuʿba aus.“826 Die gleiche Überzeugung teilte der bekannte Hadith-­Wissenschaftler Abū Zurʿa (gest. 281/894) aus Damaskus: „Die Solidesten im Schülerkreis von Abū Isḥāq sind Sufyān, Šuʿba und Isrāʾīl. Unter diesen ist mir Ṯawrī lieber. Hinsichtlich der Überliefererkette und Hadith-­Texte war Ṯawrī ein besserer Ḥāfiẓ als Šuʿba.“827

Es ist zu verstehen, dass Ṯawrī bei der korrekten Überlieferung der Hadithe sehr akribisch vorging. In diesem Zusammenhang sagte Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān (gest. 198/813): „Wenn Sufyān mir einen Hadith überlieferte, ihn jedoch nicht vollkommen überliefern konnte, sagte er mir, dass ich ihn nicht aufschreiben solle.“828

Von wissenschaftlichen Kreisen dieser Zeit wird zum Ausdruck gebracht, dass sich Ṯawrī um keinen kümmerte, der ihm bezüglich seiner Überlieferung widersprach, weil er nicht vergaß, was er auswendig lernte.829 In diesem Zusammenhang übermittelte der basrische Kritiker ʿAlī b. al-­Madīnī (gest. 234/849), dass Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān Folgendes sagte:

823 Ebenda, S. 63, 67. 824 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VI, S. 372; Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 67 f. 825 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 65. 826 Ebenda, S. 66. 827 Ebenda. 828 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 67. 829 Ebenda, S. 65.

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„Bezüglich einem Hadith, den mir Sufyān von ʿAmr b. Murra tradierte, sagte er mir nach 18 oder 19 Jahren ‚Hatte ich dir diesen Hadith nicht schon einmal tradiert?’“; „Ich fragte Sufyān über die Rechtsmeinung von Ibn Abbās bezüglich der abtrünnigen Frau im Hadith von ʿᾹṣim. Er lehnte diese ab und sagte ‚dies gehört nicht zu meinen Hadithen.’“830

Folgende Information von ʿUṯmān b. Saʿīd ad-­Dārimī (gest. 280/894) über die Hadith-­Autoritäten seiner Epoche zeigt die Kompetenz Ṯawrīs in diesem Bereich: „Wer die von Šuʿba, Sufyān aṯ-­Ṯawrī, Mālik, Ḥammād b. Zayd, Sufyān b. ʿUyayna überlieferten Hadithe nicht sammelt, geht in der Hadith-­Wissenschaft bankrott. [Ḏahabī sagte: Er meinte, er erreichte nicht den Ḥāfiẓ-­Grad.]“

Nachdem Ḏahabī dieser Aussage von ihm anfügte, dass derjenige, der das Wissensgut dieser fünf Gelehrten zusammengetragen, ihre auf ʿālī und nāzil Überlieferungswegen831 tradierten Hadithe niedergeschrieben und deren Gründe begriffen hatte, zweifellos die Hälfte – vielleicht sogar mehr als das – der prophetischen Sunna umfasste, sagte er: „Wenn jemand nur die Hadithe von Ṯawrī untersuchen, diese mit ihren Überliefererketten weitschweifig notieren und erläutern würde, welche von ihnen gesund und welche schwach sind, so würde eine zehn bändige Musnad entstehen.“832

Ṯawrī, welcher sich der großen Verantwortung bei der Hadith-­Überlieferung bewusst war, sagte: „Außer meiner Beschäftigung mit der Hadith-­Wissenschaft fürchte ich Nichts, das mich in die Hölle eintreten lassen sollte.“833

Daran sieht man, dass Ṯawrī bezüglich der Hadith-­Überlieferung sehr akribisch handelte, sich mit der Kritik an Tradierern beschäftigte und somit einen Beitrag zur Entstehung und Entwicklung der Ǧarḥ wa Taʿdīl-­Wissenschaft834 leistete. In 830 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 66. 831 Wenn die Anzahl der Überlieferer eines Hadith-­Textes, der mit verschiedenen Überliefererketten tradiert wurde, geringer ist als die Anzahl der Überlieferer desselben Textes, wird dies als „ʿālī Hadith“ benannt. Ein Hadith, dessen Anzahl der Überlieferer im Vergleich zum ʿālī Hadith größer ist, wird als „nāzil Hadith“ bezeichnet. Da die Anzahl der Überlieferer eines ʿālī Hadith geringer ist, erreicht er durch einen kürzeren Weg die Quelle des Berichtes, und die Fehlermöglichkeit der Überlieferer ist im Vergleich zum nāzil Hadith geringer; deswegen wird in der Regel ein ʿālī Hadith als wertvoller als ein nāzil Hadith betrachtet; siehe Koçyiğit, Hadis Istılahları, S. 30, 359 f. 832 Ḏahabī, Siyar, VII, S. 255. 833 Ebenda. 834 Eine Wissenschaft, die sich mit dem Zustand eines Tradierers hinsichtlich der Gerechtigkeit (ʿAdāla) und Merkfähigkeit (Ḍabṭ) beschäftigt. Damit stellt man fest,

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diesem Zusammenhang äußerte er deutlich, dass Hadithe eines Lügners abgelehnt würden.835 Indem er sagte „Die Überliefererkette [Isnād] ist die Waffe des Muʾmins. Womit soll denn jemand ohne Waffe kämpfen?!“836, brachte er zum Ausdruck, dass er sehr großen Wert auf die Überliefererkette legte. Ṯawrī, der auch bei der Auswahl seiner Schüler große Sorgfalt walten ließ, machte es sich zum Prinzip, keine minderwertigen Menschen, die die Tiefgründigkeit, den Zweck und die Bedeutung der Sache nicht begriffen und üble Taten begingen, ʿIlm zu lehren.837 Ṯawrī war der Meinung, dass die sinngemäße Überlieferung der Hadithe unter bestimmten Voraussetzungen möglich sei. Als er gefragt wurde: „Hast du uns so tradiert wie du es gehört hast?“, antwortete er: „Nein. Bei Allah! Dazu gibt es keine Möglichkeit. Diese [die ich euch tradiert habe] sind ausschließlich die Bedeutungen.“838 Hieran anknüpfend sagte er auch: „Hätten wir gewollt, euch einen Hadith so zu überliefern, wie wir ihn hörten, so könnten wir euch keinen einzigen Hadith überliefern.“839

Aufgrund all seiner vorzüglichen Eigenschaften in der Hadith-­Wissenschaft wurde Ṯawrī von vielen Autoritäten seiner Zeit der Titel des „Amīru l-­Muʾminīn fi l-­Ḥadīṯ“ verliehen, der für jene Persönlichkeiten gebraucht wird, die als die größten Hadith-­Gelehrten der jeweiligen Epoche akzeptiert wurden.840

2.1.12.3 Sein Stellenwert in der Fiqh-­Wissenschaft Es ist eine Tatsache, dass Sufyān aṯ-­Ṯawrī neben seinem besonderen Ansehen in der Hadith-­Wissenschaft auch eine Autorität in der Fiqh-­Wissenschaft war. Ausgehend von dem Verständnis seines reichlichen Hadith-­Wissens befasste er sich auch mit der Lösung alltäglicher Probleme des Lebens und hob sich dadurch von seinen Zeitgenossen ab. Auch Sufyān b. ʿUyayna wies auf diese Seite Ṯawrīs hin, indem er sagte: „Ich habe keinen gesehen, der das Halal und Haram besser kennt als Sufyān aṯ-­Ṯawrī.“841 ʿAbdullāh b. al-­Mubārak (gest. 181/797), der dem

835 836 837 838 839 840 841

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ob der Tradierer zuverlässig ist oder nicht; siehe Aydınlı, Hadis Istılahları Sözlüğü, S. 44, 147. Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 72. Ḏahabī, Siyar, VII, S. 273 f. Abū Nuʿaym, Ḥilya, VI, S. 369. Ebenda, S. 370; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 256. Ḏahabī, Tezkira, I, S. 153. Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 118 f.; Ḏahabī, Tezkira, I, S. 4, 152; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IV, S. 100. Ḏahabī, Siyar, VII, S. 238.

engsten sechsköpfigen Schülerkreis von Ṯawrī angehörte, sagte ebenfalls: „Unter den Fuqahāʾ gibt es für mich keinen überlegeneren als Sufyān aṯ-­Ṯawrī.“842 Auch der syrische Muǧtahid al-­Awzāʿī (gest. 157/774) führte aus: „Wenn man mir sagen würde, wähle ein Mann aus, der das Buch Allahs und die Sunna des Propheten am besten bewahren kann, dann würde ich Ṯawrī auswählen.“843

Wenn man bedenkt, dass es in den damaligen Wissenschaftskreisen nicht leicht war, ein derartiges Lob zu erhalten, so zeigt dies, dass auch andere Wissenschaftler von Ṯawrī beeinflusst waren. Schon im Kapitel 2.1.6.1 über Ṯawrīs Lehrer wurde erwähnt, dass er zu seiner Ausbildungsphase von den kūfischen Wissenschaftlern profitierte; dies zeigt, dass er im Fiqh-­Bereich am meisten von der kūfischen Schule beeinflusst wurde. Er entwickelte sein Wissen in diesem Bereich aber durch seine umfangreichen Kenntnisse der Wissenstradition von Mekka, Medina und Basra weiter. Ṯawrī gehörte zur vierten Generation der kūfischen Schule, deren Lehre sich auf ʿAbdullāh b. Masʿūd und ʿAlī stützte.844 Im Hinblick auf die Beleuchtung der Wurzeln von Ṯawrīs Fiqh-­Wissen sind vor allem die Mitteilungen von Ibn Qayyūm al-­Ǧawziyya (gest. 751/1350), in denen er die kūfischen Fiqh-­Wissenschaftler schichtweise behandelte, von Bedeutung. Unter den wichtigsten Rechtswissenschaftlern der ersten Generation waren folgende Persönlichkeiten: ʿAlqama b. Qays an-­Naḫaʿī, Aswad b. Yazīd an-­ Naḫaʿī (ʿAlqamas Onkel), ʿAmr b. Šuraḥbīl al-­Hamadānī, Masrūq b. al-­Aǧdaʿ al-­Hamadānī, ʿAbīda as-­Salmānī, Šurayḥ b. al-­Qāḍī, Sulaymān b. Rabīʿa al-­Bāhilī, Ḥāriṯ b. Qays al-­Ǧuʿfī, Ḫayṯama b. ʿAbdirraḥmān und ʿAmr b. Maymūn al-­Awdī. Die wichtigsten Rechtswissenschaftler der zweiten Generation waren: Ibrāhīm an-­Naḫaʿī, ʿᾹmir aš-­Šaʿbī, Saʿīd b. Ǧubayr, Qāsim b. ʿAbdirraḥmān b. ʿAbdillāh b. Masʿūd, Abū Bakr b. Abī Mūsā, Muḥārib Diṯār, Ḥakam b. ʿUtayba, Ǧabala b. Suḥaym und Ṣaḥb b. ʿAmr. Die wichtigsten Rechtswissenschaftler der dritten Generation waren: Ḥammād b. Abī Sulaymān, Sulaymān b. al-­Muʿtamir, Sulaymān al-­Aʿmaš und Musʿir b. Kidām. Die wichtigsten Rechtswissenschaftler der vierten Generation waren: Muḥammad b. ʿAbdirraḥmān b. Abī Laylā, ʿAbdullāh b. Šubruma, Saʿīd b. Ašwaʿ, Šarīk al-­Qāḍī, Qāsim b. Maʿn, Sufyān aṯ-­Ṯawrī, Abū Ḥanīfa und Ḥasan b. Ṣāliḥ b. Ḥayy. 842 Ḏahabī, Siyar, VII, S. 238. 843 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VI, S. 358. 844 Saraḫsī, al-­Mabsūṭ, XI, S. 3.

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Die wichtigsten Rechtswissenschaftler der fünften Generation waren: Ḥafṣ b. Ġiyāṯ, Wakīʿ b. al-­Ǧarrāḥ, Abū Ḥanīfas Schüler Abū Yūsuf al-­Qāḍī, Zufar b. Huḏayl, Ḥammād b. Abī Ḥanīfa, Ḥasan b. Ziyād al-­Luʾluʾī al-­Qāḍī, Muḥammad b. Ḥasan al-­Qāḍī, Sufyān aṯ-­Ṯawrīs Schüler al-­Ašǧaʿī, Muʿāfā b. ʿImrān, Ḥasan b. Ḥayy und Yaḥyā b. Ᾱdam.845 In diesem Zusammenhang sagte ʿAlī b. al-­Madīnī und deutete somit auf das wissenschaftliche Erbe hin, auf das er sich in der Fiqh-­Wissenschaft stützte: „Es sind sechs Personen, die im Schülerkreis von ʿAbdullāh b. Masʿūd sind, die bei ihm lernten und Rechtsauskünfte gaben. Nach ihnen folgten vier Personen. Nach ihnen folgte Sufyān. Er folgte deren Weg und urteilte mit ihren Rechtsauskünften.“846

Man sieht auch, dass Sufyān eine geistreiche Beziehung mit Abū Ḥanīfa (gest. 150/767) pflegte, der einer der führenden Vertreter der kūfischen Raʾy-­Schule und Imam der heutzutage immer noch sehr populären hanafitischen Rechtsschule war. Ṯawrī nahm nicht davon Abstand, seinen eigenen Wissensvorrat in der Fiqh zu betonen, auch wenn er die Kompetenz Abū Ḥanīfas im Bereich der Fiqh würdigte. Beispielsweise sagte er zu einem Mann, der von Abū Ḥanīfa zu ihm kam: „Wahrlich kommst du von dem besten Fiqh-­Gelehrten auf der Welt.“ Ein andermal sagte er: „Jemand, der Abū Ḥanīfa widerspricht, muss einen höheren Grad und ein breiteres Wissen als er aufweisen. So einen zu finden, ist jedoch sehr schwierig.“847

In den Quellen wird auch erwähnt, dass Sufyān Abū Ḥanīfa vor sich gehen ließ, als sie zusammen auf Pilgerfahrt waren, und wenn einmal jemand eine Frage stellte, er diese nicht beantwortete, bis Abū Ḥanīfa diese zuerst beantwortet hatte. Abū Yūsuf (gest. 182/798), einer der wichtigsten Schüler von Abū Ḥanīfa sagte: „Sufyān aṯ-­Ṯawrī folgt Abū Ḥanīfa mehr als ich“ und wies somit auf Sufyāns hohe Wertschätzung für den Genannten hin.848 Jedoch sagte Ṯawrī, dass er seinem Zeitgenossen Abū Ḥanīfa, der älter als er selbst und im Hinblick auf seine Nähe zu den ersten Generationen auch dienstälter war, niemals eine Frage stellte, und als sie sich trafen, umgekehrterweise Abū Ḥanīfa ihn befragte und somit andeutete, dass er sein Wissen würdigte.849 Die Aussage von ʿAbdullāh b. al-­Mubārak (gest. 181/797), der dem engsten sechsköpfigen Schülerkreis von Ṯawrī angehörte,

845 Ibn Qayyum al-­Ğawziyya, Iʿlāmu l-­Muwaqqiʿīn, I, S. 25 f. 846 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 58. 847 Ibn Ḥaǧar al-­Haytamī, al-­Ḫayrātu l-­Ḥisān, S. 33. 848 Ebenda. 849 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 36.

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„Wenn Sufyān aṯ-­Ṯawrī und Abū Ḥanīfa sich in einem Thema einig sind, ist dieser Beschluss sicher“850 zeigt, dass das Fiqh-­Wissen dieser beiden in Wissenschaftskreisen sehr beachtet wurde. Als ʿAlī b. al-­Madīnī (gest. 234/849) Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān (gest. 198/813) aus Basra, der zu dem engsten sechsköpfigen Schülerkreis von Ṯawrī gehörte, fragte „Was ist dir lieber? Die Rechtsmeinung Ṯawrīs oder Māliks?“ antwortete er: „Ohne Zweifel die Rechtsmeinung Ṯawrīs.“851 Das zeigt, dass Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān Ṯawrī in der Fiqh-­Wissenschaft über Imam Mālik einordnete. Es ist eine bekannte Tatsache, dass die Ahlu l-­Ḥadīṯ-­Kreise, die die Überlieferungen der Vernunft bevorzugten und im Allgemeinen von Analogien Abstand nahmen, sich entsprechend den damaligen Umständen häufig von der sich dem Weg der Analogie zuwendenden Ahlu r-­Raʾy-­Irak-­Schule distanzierten und sich ihr gegenüber strikt oppositionell verhielten. Es gab sogar manche Kritik daran, dass Abū Ḥanīfa die Ratio der Überlieferung vorzog. Als jedoch nach dem 2. Jahrhundert n. H. mit der Entstehung der Uṣūlu l-­Fiqh-­Wissenschaft die rationale Herleitung der Urteile an bestimmte Methoden gebunden war, reduzierte sich die Kritik an der Benutzung der Ratio auf ein plausibles Maß. Ṯawrī, der sich zwar mehr der Überlieferung (Naql) zuwandte, aber gegebenenfalls auch von der Ratio Gebrauch machte, obwohl er der Ahlu r-­Raʾy-­Irak-­Schule angehörte, wurde nicht persönlich zur Zielscheibe der anfänglich harten Kritik an der Ahlu r-­Raʾy. Der Grund dafür war wohl der, dass er durch seine sehr umfangreiche Hadith-­ Sammlung die Zuneigung der Ahlu l-­Ḥadīṯ gewann. Aufgrund dessen wurde von der Ahlu l-­Ḥadīṯ meist nicht Abū Ḥanīfa (gest. 150/767), sondern Ṯawrī unter die führenden Gelehrten Kūfas gezählt. Letztendlich sagte der Basrenser ʿAbdurraḥmān b. Mahdī (gest. 198/813–14), Schüler von Sufyān, Mālik und Ḥammād b. Zayd, dass es zu seiner Zeit vier Imame gegeben habe, und zwar Sufyān aṯ-­Ṯawrī in Kūfa, Mālik in Ḥiǧāz, al-­Awzāʿī in Šām und Ḥammād b. Zayd in Basra.852 Der bei der Analyse islamrechtlicher Probleme sich prinzipiell an die Koranund Hadith-­Texte haltende Ṯawrī wandte sich bei Fragestellungen, deren Antworten er nicht direkt in diesen Quellen finden konnte, natürlicherweise an die Iǧtihād. Jedoch legte er bei seinen Rechtsfindungen großen Wert auf die Wissensakkumulation der früheren Generationen. In diesem Zusammenhang betonte er, dass man ohne die Kenntnis des wissenschaftlichen Erbes der früheren Gelehrten keinen fundierten Wissensvorrat ansammeln könne und wies auf die Bedeutung

850 Ḏahabī, Siyar, VII, S. 246 f. 851 Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IV, S. 102. 852 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 118; Ḏahabī, Siyar, IX, S. 205.

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des vom Propheten und den Prophetengefährten überlieferten Wissensgutes hin. Diesbezüglich sagte er: „Lernt die Überlieferungen der früheren Gelehrten (Āṯār)! Wenn jemand nach seiner eigenen Rechtsmeinung [Raʾy] urteilt, so sagt ihm ‚meine Rechtsmeinung ist wie deine Rechtsmeinung!’“

An anderer Stelle meinte er: „Das ʿIlm kommt nur durch Āṯār zu Stande.“853 Seine traditionell geprägte Haltung gefiel der Ahlu l-­Ḥadīṯ und so wurde er von ihnen auch zu den Hadith-­Gelehrten gezählt. Führt man sich aber vor Augen, dass Ṯawrī eine eigene Rechtsschule besaß und die Koran- und Hadith-­Texte im Unterschied zur Fülle der Bedürfnisse nach Rechtsauskünften nur beschränkt heranzuziehen sind, so lässt sich wohl festhalten, dass er nicht zur reinen Ahlu l-­Ḥadīṯ-­Schule gezählt werden kann und er bei der Lösung der praktischen alltäglichen Probleme notwendigerweise von der Raʾy Gebrauch machte. Außer von Abū Ḥanīfas Fiqh hielt Ṯawrī auch große Stücke auf Ibn Šubruma und Ibn Ᾱbī Laylā und sagte über sie: „Unsere Fiqh-­Gelehrten sind Ibn Šubruma und Ibn Abī Laylā.“854 Bei der Exegese des 282. Verses der Sure al-­Baqara, in der die Aufforderung „Nimmt euch bei euren Einkäufen Zeugen!“ vorkommt, sagte Ṯawrī unter Berufung auf die Überlieferung von Layṯ b. Saʿd: „Wenn du auf eine zukünftige Zahlung hin verkaufst, so nimm dir einen Zeugen und schreib es auf!“ und zeigte somit, dass er den Ansichten von Layṯ b. Saʿd Achtung schenkte, der den Wissensschatz von Ägypten und Ḥiǧāz in seiner Person vereinte.855 Man sieht auch, dass Ṯawrī nicht bloß seine eigene Iǧtihād als richtig, sondern auch die anderer Gelehrter seiner Ära als eine wissenschaftliche Bereicherung und Erleichterung für das Volk empfand. In diesem Zusammenhang ist seine Toleranz gegenüber anderen Fiqh-­Ansichten beachtenswert. Diesbezüglich sagte er: „Wenn du jemanden siehst, der eine umstrittene Lösung vertritt und du einer anderen Ansicht bist, so hindere ihn nicht [daran, jene zu vertreten!]“856

Außer seinem Buch Farāʾiḍ über das Erbrecht sind zwar keine anderen Werke Ṯawrīs bis zu unserer Zeit gelangt, jedoch sind seine rechtswissenschaftlichen Ansichten in verschiedenen Fiqh-­Quellen wie dem Buch Muṣannaf seines Schülers ʿAbdurrazzāq aṣ-­Ṣanʿānī (gest. 211/826–27), dem Kitābu s-­Siyar von seinem

853 854 855 856

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Abū Nuʿaym, Ḥilya, VI, S. 367. Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VII, S. 248; Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 72. Ṯawrī, Tafsīru ṯ-­Ṯawrī, S. 73; Qalʿaǧī, Mawsūʿatu Fiqhi Sufyān aṯ-­Ṯawrī, S. 73. Abū Nuʿaym, Ḥilya, VI, S. 368.

Schüler Abū Isḥāq al-­Fazārī (gest. 188/804) und insbesondere dem Werk Iḫtilāfu l-­ Fuqahāʾ des šāfiʿītischen Rechtswissenschaftlers Muḥammad b. Naṣr al-­Marwazī (gest. 294/906) mitüberliefert worden. Eine besondere Stellung unter diesen Werken nimmt al-­Marwazīs Iḫtilāfu l-­Fuqahāʾ ein, da es in rechtswissenschaftlichen Angelegenheiten erst die Rechtsmeinung Ṯawrīs, dann die der kūfischen Rechtswissenschaftler und schließlich die der anderen Rechtswissenschaftler wiedergibt. Auch wenn Ṯawrī eine eigenständige Rechtsschule besaß,857 erreichte doch außer dem Buch Farāʾiḍ kein Werk unsere Zeit, welches uns Einblicke in seine Uṣūlu l-­Fiqh und Furūʿu l-­Fiqh gewähren würde. Seine Rechtsschule, die unter seinem eigenen Namen bekannt wurde, wurde von seinen Schülern am Leben gehalten, indem sie seine Hadithe und rechtswissenschaftlichen Ansichten in diversen Zentren verbreiteten. Seine Schüler Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān in Basra, Yaḥyā b. Abī Zāʾida in Kūfa, ʿUbaydullāh b. ʿAbdirraḥmān al-­Ašǧaʿī in Bagdad, Muʿāfā b. ʿImrān und Abū Isḥāq al-­Fazārī in Šām, Ṣaʿd (Ṣaʿdawayh) b. Saʿīd al-­Ǧurǧānī in Ǧurǧān, Abu l-­Munḏir Nuʿmān b. ʿAbdissalām, ʿIṣām (Ǧabr) b. Yazīd b. ʿAǧlān und Ḥusayn b. Ḥafṣ in Isfahan sowie ʿAlī b. Ziyād al-ʿAbsī im Maghreb verbreiteten Ṯawrīs Lehre und erteilten auf deren Grundlage ihre Rechtsauskünfte. Somit war Ṯawrīs Rechtsschule in den genannten Regionen verbreitet und bewahrte dort ihre Lebenskraft.858 Den Angaben der Quellen zufolge führte ʿAlī b. Ziyād al-ʿAbsī at-­Tūnusī (gest. 183/799) erstmals das Werk Muwaṭṭaʾ von Imam Mālik und das Werk al-­ Ǧāmiʿ von Ṯawrī im Maghreb ein.859 Abū Bakr ʿAbdulġaffār b. ʿAbdirraḥmān ad-­Dīnawrī (gest. 405/1014) war der letzte Mufti, der in der Manṣūr-­Moschee in Bagdad Rechtsauskünfte im Sinne von Ṯawrīs Rechtsschule erteilte.860 Ibn Taymiyya (gest. 728/1327) sagte, dass Ṯawrīs Rechtsschule bis zu seiner Zeit in

857 Šaʿrānī, ʿAbdulwahhāb b. Aḥmad b. ʿAlī Abū Muḥammad (gest. 973/1565), Mīzānu l-­Kubrā wa bi Ḥāmišihī Kitābu Raḥmati l-­Umma fī Iḫtilāfi l-­Aʾimma li l-ʿAllāma aš-­Šayḫ Muḥammad b. ʿAbdirraḥmān ad-­Dimašqī al-ʿUṯmānī aš-­Šāfiʿī, Maṭbaʿatu l-­Kastalliyya, Miṣr 1279, I, S. 43. 858 Qalʿaǧī, Mawsūʿatu Fiqhi Sufyān aṯ-­Ṯawrī, S. 60 f.; Özdirek, Recep/Çavuşoğlu, Ali Hakan, Süfyân es-­Sevrî, in: DİA, XXXVIII, S. 26. 859 Ibn Mākūlā, Abū Naṣr al-­Amīr al-­Ḥāfiẓ ʿAlī b. Hibatillāh b. Mākūlā al-ʿIǧlī (gest. 475/1082), al-­Ikmāl fī Rafʿi l-­Irtiyāb ani l-­Muʾtalif wa l-­Muḫtalif fil-­Asmāʾ wa l-­Kunā wa l-­Ansāb, Dāru l-­Kutubi l-ʿIlmiyya, Beirut 1411, I, S. 524. 860 Ibn Taġrībardī, Abu l-­Maḥāsin Ǧamāluddīn Yūsuf b. Taġrībardī aẓ-­Ẓāhirī al-­Ḥanafī (gest. 874/1470) an-­Nuǧūmu ẓ-­Ẓāhira fī Mulūki Miṣr wa l-­Qāhira, Dāru l-­Kutub, Miṣr, o. J., IV, S. 238; Ṣafadī, al-­Wāfī bi l-­Wafayāt, XIX, S. 16.

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Chorasan Bestand gehabt habe.861 Ḏahabī (gest. 748/1347), einer der Autoren des 8. Jahrhunderts n. H. (14. Jahrhundert n. Chr.), stellte fest, dass in diesem Jahrhundert keine andere außer den bekannten vier Rechtsschulen existierte.862 Nach diesen Informationen hat Ṯawrīs Schule bis zum 8. Jahrhundert n. H. ihre Existenz bewahren können. Die Verbreitung und das Lehren dieser Rechtsschule stießen jedoch auf große Schwierigkeiten. Zur Zeit der Umayyaden hatte sie sich noch nicht gänzlich ausgebildet und in der Ära der Abbasiden förderte die Regierung stattdessen Fiqh-­ Gelehrte der hanafitischen und malikitischen Rechtsschule. Auch baute Ṯawrī mit seiner kompromisslosen Haltung eine strenge Distanz zu den Regierungsoberhäuptern auf und verlor dadurch die Unterstützung der Regierung. Zudem waren im Gegensatz zu den Gepflogenheiten der anderen vier Rechtsschulen in seiner Rechtsschule die Methodologie (Uṣūl) und praktische Lösungen (Furūʿ) anfangs noch nicht in ein systematisiertes Gebilde integriert worden. Ṯawrīs Schule verlor somit im Laufe der Zeit ihre Anhänger und konnte ihre Existenz nicht mehr fortführen.

2.1.12.4 Seine Stellung in der Kalām-­Wissenschaft Betrachtet man Ṯawrīs Ansichten in einigen wichtigen Angelegenheiten seiner Zeit, die zwischen den Schulen generell für Meinungsverschiedenheiten bezüglich des Glaubens sorgten, wie die Glaube-­Praxis-­Beziehung, die mehrdeutigen Koranverse und Hadithe (Mutašābih Naṣṣ), die Vorherbestimmung (Qadar), das Erschaffensein des Koran (Ḫalqu l-­Qurʾān) und generelle Uneinigkeiten zwischen den Prophetengefährten, so lässt sich deutlich erkennen, dass Ṯawrī der Salaf-­ Linie folgte. Jedoch darf man bei der Beschäftigung mit derartigen Themen ihren Kontext und ihre Form, die sie im Verlauf der Geschichte letztendlich annahmen, nicht außer Acht lassen. Untersucht man den historischen Entwicklungsprozess der Kalām-­Wissenschaft, so wird klar, dass mit ihrer Bildung ab dem 2. Jahrhundert n. H. und der Annahme einer systematischen Form im nächsten Jahrhundert genauso wie beim Raʾy-­Gebrauch während der Erschließung von Handlungsnormen (Istiḫrāǧu l-­Aḥkām) auch die anfänglich ausgeübte extrem harte Kritik in solchen Problemen auf ein plausibles Maß reduziert wurde. 861 Ibn Taymiyya, Abu l-ʿAbbās Aḥmad ʿAbdulḥalīm b. Taymiyya al-­Ḥarrānī (gest. 728/1327), Kutub wa Rasāʾil wa Fatāwā Šayḫi l-­Islām Ibn Taymiyya, ed. ʿAbdurraḥmān b. Muḥammad b. Qāsim al-ʿĀṣimī an-­Naǧdī, o. O., o. J., XX, S. 583. 862 Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 92.

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Da sich die islamischen Wissenschaften noch in der Entstehungsphase befanden, gab es angesichts der politischen Auseinandersetzungen sowie der sozialen und kulturellen Krisen insbesondere in Ahlu l-­Ḥadīṯ-­Kreisen eine übermäßige Empfindlichkeit gegenüber der Ahlu r-­Raʾy und der Kalām-­Wissenschaft. Zum Beispiel war das damalige Aussprechen der Aussage, „dass die Praxis kein Bestandteil des Īmāns sei“, die im Nachhinein auch zu einem der Grundsätze der Ahlu s-­Sunna-­Schule wurde, ein ausreichender Grund dafür, dass man als Murǧiʾī beschuldigt wurde. Das Verteidigen dieser Ansicht hatte daher zur Folge, dass man mit starken Reaktionen und Beschuldigungen wie der Zugehörigkeit zur Ahlu l-­Bidʿa konfrontiert wurde. In diesen Auseinandersetzungen zwischen den maßgeblichen Ahlu l-­Ḥadīṯ-­Kreisen, die gegen die Minderbewertung der Praxis zu opponieren versuchten, und der Ahlu r-­Raʾy und den Kalām-­Wissenschaftlern, die die Īmān-­Praxis-­Beziehung auf eine rationelle und konsequente Art zu erläutern versuchten, wurden, wie bereits erwähnt, Gelehrte wie ʿAmr b. Murra (gest. 116/734?) und Ḥammād b. Abī Sulaymān (gest. 120/738) beschuldigt, Murǧiʾī zu sein.863 Erweitert man aber das Blickfeld, so wird die Ungerechtigkeit dieser Behauptungen deutlich. Einige Salaf-­Gelehrte, wie eben auch Ṯawrī, die sagten, dass die Praxis ein Teil des Īmāns sei, und der Ansicht waren, dass dieses aus „Bestätigung, Bekenntnis und Praxis“ bestünde, brachten mit diesen Aussagen ihrerseits einen starken Einwand gegen die Lehrmeinung der Murǧiʾa-­Schule vor, die besagte, dass die Praxis unbedeutend und das Begehen von Sünden für das Īmān nicht schädlich sei. Die Praxis als einen wesentlichen Bestandteil des Īmāns zu betrachten, würde aber erfordern, dass jemand, der eine pflichtgemäße Tat unterlässt oder eine Sünde begeht, ungläubig wird, wie es nach der Ḫāriǧī-­Schule der Fall ist.864 Jedoch kommt es in den Quellen nicht vor, dass die Salaf-­Gelehrten wie Ṯawrī die Ansicht verteidigten, dass die Unterlassung einer pflichtgemäßen oder das Begehen einer verbotenen Tat, ohne dabei die Offenbarungsnorm bezüglich der jeweiligen Tat zu verleugnen oder zu verachten, Kufr ist. Dass sie die Praxis als einen Bestandteil des Īmāns ansahen, bedeutete in diesem Fall nicht, dass sie jene als einen wesentlichen, sondern vielmehr als einen charakteristischen Bestandteil des Īmāns betrachteten, der eine große Rolle bei der Bewahrung des Īmāns spielte, wobei diese Ansicht zum Grundprinzip der in den nächsten Jahrhunderten entstandenen sunnitischen Ašʿārī- und Māturīdī-­Schulen wurde.865 Aus diesem 863 Siehe die Ausführungen über ʿAmr b. Murra (gest. 116/734 ?) und Ḥammād b. Abī Sulaymān (gest. 120/738) im Kapitel 2.1.6.1 „Lehrer“. 864 Al-­Qārī, Ḍawʾu l-­Maʿālī, S. 131. 865 Ebenda, S. 130 ff.

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Grund ist es konsequenter, dieses heiß umstrittene Thema aus dieser Perspektive zu betrachten. Davon ausgehend werden im Folgenden Ṯawrīs Ansichten bezüglich der allgemeinen glaubensbezogenen Angelegenheiten behandelt. Ṯawrīs Ansichten zum Verhältnis zwischen Handlung und Glauben (ʿAmal-­ Īmān): Wie schon oben dargelegt wurde, besteht das Īmān nach Ṯawrīs Lehre aus dem Wort (Qawl), der Bestätigung (Taṣdīq) und der Handlung (ʿAmal). Das Īmān vermehrt und verringert sich.866 Nach ihm erhält das Wort ausschließlich durch die Praxis seine Richtigkeit, das Wort und die Praxis die ihre ausschließlich durch die Absicht (Niyya), das Wort, die Praxis und die Absicht die ihre ausschließlich durch die Konformität mit der Sunna. Ṯawrī, der das Īmān mit einer Rüstung verglich, sagte: „Īmān ist wie eine Rüstung. Wenn du möchtest, ziehst du es dir an und wenn du möchtest, ziehst du es dir aus.“867

Zudem fand er es nicht angemessen, hinter jemandem zu beten, der der Meinung war, dass „Īmān bloß ein Wort ohne jegliche Praxis ist.“868 Nach ihm müsse Īmān einer Person aus reiner, zweifelsfreier Praxis und einem gleichartigen Bekenntnis, wie sie die Gepäckträger, heimische Frauen und Kinder aufweisen, bestehen.869 Ṯawrīs Ansichten über die Vorherbestimmung (Qadar): Er glaubte an die Vorherbestimmung und daran, dass das Gute und Böse von Allah komme. Er war der Überzeugung, dass niemand mehr als das erreichen konnte, was Allah in der Urewigkeit ihm beigemessen hatte, und die Bestimmung Allahs in der Urewigkeit – sei es zu seinen Gunsten oder zu seinem Nachteil – abwenden könne. Seiner Ansicht nach kam alles, was dem Menschen zustößt, von Allah.870 Mit der Begründung, dass jener, der die Vorherbestimmung verleugne, zum Ungläubigen (Kāfir) würde, hielt er es nicht für angemessen, hinter solch jemandem zu beten. Einst fragte ein Mann Ṯawrī, ob er hinter jemandem beten würde, der nicht an die Vorherbestimmung glaubte, und er antwortete: „Lasst ihn nicht euer Imam sein!“ Als der Mann erwiderte: „Aber er ist der Imam unseres Dorfes, wir haben auch keinen anderen Imam als ihn“ schrie Ṯawrī: „Lasst ihn nicht euer Imam sein! Lasst ihn nicht euer Imam sein!“ ʿAbdullāh b. al-­Mubārak überlieferte,

866 Ḏahabī, Tezkira, I, S. 153; diesbezüglich stützt er sich auf den 173. Vers der Sure Āli ʿImrān.; siehe Ṯawrī, Tafsīru ṯ-­Ṯawrī, S. 82; Van Ess, Theologie und Gesellschaft, I, S. 227 f. 867 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 32. 868 Ebenda, S. 27. 869 Ebenda, S. 30. 870 Ebenda, S. 33.

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dass Ṯawrī die Ǧahmiyya und die Qadariyya zu Ungläubigen (Kāfir) erklärte. Als Ibnu l-­Mubārak nach seiner diesbezüglichen Überzeugung befragt wurde, antwortete er: „Meine Ansicht über dieses Thema ist die gleiche wie Sufyāns.“871 Ṯawrīs Ansichten bezüglich der Murǧiʾa: Das Wort Murǧiʾa stammt entweder aus dem Wort Irǧāʾ, was hinauszögern bedeutet, oder aus dem Wort Raǧāʾ = hoffen.872 Ṯawrī hatte keinen Einwand gegen die Irǧāʾ-Auffassung in dem Sinne, dass jede Angelegenheit, zu der wir keine endgültigen Beschlüsse fällen können, Allah zu überlassen sei. Nach seiner Auffassung können wir die letztendliche Bestimmung Allahs, ob nun ein Mensch als gläubiger Mensch (Muʾmin) oder als Ungläubiger (Kāfir) sterben wird, nicht wissen. Ṯawrī sagte dazu: „Menschen können unserer Meinung nach Muʾmin und Muslim sein. Jedoch können wir nicht wissen, was sie endgültig bei Allah sein werden.“

Das diesbezügliche Urteil müsse man daher Allah überlassen. Indem Ṯawrī auf die Frage „Bist du ein Muʾmin?“ daher mit „Inšāallāh [wenn Allah wollte, bin ich ein Muʾmin]“ antwortete, überließ er das letzte Urteil Allah.873 Da dieses Urteil Allahs aber nicht erkannt werden kann, könne der Schein über eine Person trügen. Eine Person könne jemand anderen, der Allah liebe, hassen und jemanden, den Allah nicht liebe, lieben. Eine Person könne zwar gegenwärtig ein Götzendiener sein, jedoch könne sie letztendlich von Allah als einer der Glückseligen bestimmt worden sein.874 Aus diesem Grund brachte Ṯawrī weinend zum Ausdruck, dass er Angst habe, im Ur-­Buch (Ummu l-­Kitāb) als Unglückseliger (Šaqī) registriert worden zu sein.875 Indem er „Überlasse [mach Irǧāʾ] alles, was du nicht weiß, Allah! Aber sei kein Murǧiʾī!“ sagte, nahm Ṯawrī eine strikte Haltung gegen die Murǧiʾa-­Schule ein, die die Ansicht vertrat, dass das Īmān bloß aus dem Wort (Qawl) ohne dessen Praxis bestehe und dass die Sünde dem Īmān nicht schaden würde. Gemäß Ṯawrī hat die Murǧiʾa die Religion dünner als ein neues dünnes Tuch gemacht. Es gäbe keinen, der ferner vom Koran sei, als die Anhänger der Murǧiʾa-­Schule.876 Ṯawrī

871 Ebenda, S. 26 ff. 872 Zabīdī, Abu l-­Fayḍ Muḥammad al-­Murtaḍā b. Muḥammad b. Muḥammad b. ʿAbdirrazzāq az-­Zabīdī al-­Ḥusaynī (gest. 1205/1791), Tāǧu l-ʿArūs min Ǧawāhiri l-­ Qāmūs, Dāru l-­Hidāya, o. O., o. J., siehe „Raǧaʾa“ und „Raǧā“. 873 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 26, 29, 30, 32, 33; Ḏahabī, Tārīḫ, X, S. 228; Van Ess, Theologie und Gesellschaft, I, S. 225. 874 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 26, 29. 875 Ebenda, S. 51. 876 Ebenda, S. 26, 29, 33.

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sah es sogar als unzulässig an, für einen Murǧiʾa-­Anhänger das Totengebet zu verrichten. Als Antwort auf Ibrāhīm b. Muġīras Frage: „Soll ich hinter jemandem das Gebet verrichten, der sagt, dass das Īmān lediglich ein Wort [Qawl] ohne dessen Praxis ist?“ sagte Ṯawrī: „Nein, nein. Bei ihm gibt es keine Würde (Karāma).“877 Um diese Überzeugung offenkundig zu machen, ging er zum Totengebet des Murǧiʾa-­ Angehörigen ʿAbdulʿazīz b. Abī Rawwād (gest. 159/776) in das Ḥaram-­Gebiet, durchbrach demonstrativ die Gebetsreihen und ging fort, ohne das Totengebet für ihn zu verrichten.878 Ṯawrīs Ansichten bezüglich des Erschaffenseins des Koran (Ḫalqu l-­ Qurʾān): Wie die Quellen einstimmig berichten, stand die Angelegenheit des Erschaffenseins des Koran in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts n. H. zur Diskussion. Ǧaʿd b. Dirham (gest. 124/742) brachte das Thema als Erster in einen Kalām-­wissenschaftlichen Diskurs ein und Ǧahm b. Ṣafwān (gest. 128/745–46) nahm es an und verbreitete es. Nach dem Tod der beiden Gelehrten verlor diese Angelegenheit fürs Erste ihre Aktualität, stand jedoch gegen Ende des Jahrhunderts bei schiitischen Gelehrten wie Hišām b. Ḥakam (gest. 179/795) sowie bei muʿtazilītischen Kalām-­Wissenschaftlern wieder im Zentrum der Diskurse und wurde durch die Bekundung des 7. abbasidischen Kalifen Maʾmūn (198–218/813–833) von seinem Glauben an die Erschaffenheit des Koran zur offiziellen Staatsideologie. Ab diesem Zeitpunkt waren Gelehrte wie Aḥmad b. Ḥanbal, Nuʿaym b. Ḥammād (gest. 228/843), Muḥammad b. Nūḥ (gest. 218/833) und Aḥmad b. Naṣr al-­Ḫuzāʿī (gest. 231/846), die diese Auffassung nicht akzeptierten, schlimmen Folterungen ausgesetzt. Diese rund 16 Jahre anhaltende Ära der Unterdrückung und Folter endete mit dem 10. abbasidischen Kalifen Mutawakkil ʿAlallāh (232–247/847–861), und das Aussprechen der Erschaffenheit des Koran wurde dann für eine Weile verboten. Nachdem der politische Druck aufgehoben wurde, wurde diese Thematik aber weiterhin wissenschaftlich diskutiert.879 Da Ṯawrī im Jahre 161/778 verstarb, erlebte er die Zeit der Folterungen, die durch den Kalifen Maʾmūn mit der Erhebung des Erschaffenseins des Koran zur offiziellen Staatsideologie begann und auch als Miḥna-­Ära bezeichnet wurde, nicht mehr. Jedoch ist aus seinen Ansichten zu entnehmen, dass er sich mit diesem Thema intensiv befasste und an den Diskussionen teilnahm. Hierbei lehnte Ṯawrī die Erschaffenheit des Koran unverkennbar ab, denn Allah sei von seinem Wesen und seinen Attributen her fern (munazzah) von Mängeln. Der Koran sei das 877 Ebenda, S. 27. 878 Ebenda, S. 26, 29; Ḏahabī, Tārīḫ, IX, S. 504. 879 Yavuz, Yusuf Şevki, Halku’l-­Kur’ân, in: DİA, İstanbul 1997, XV, S. 371 f.; Yıldız, Abbâsîler, S. 42.

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Kalām-­Attribut Allahs. Jemand aber, von dem ein Attribut erschaffen worden sei, dessen Wesen sei notwendigerweise auch erschaffen. Die Behauptung, dass der Koran erschaffen sei, würde daher die Erschaffenheit von Allahs Kalām-­Attribut und daher die seines Wesens erfordern. Deshalb wurde jemand, der behauptete, dass der Koran erschaffen sei, nach Ansicht Sufyāns zum Ungläubigen (Kāfir).880 Ṯawrīs Ansichten über die Prophetengefährten: Auch bezüglich der Gerechtigkeit (ʿAdāla) der Prophetengefährten, die die aus dem Koran und der Sunna bestehenden islamischen Hauptquellen den nachfolgenden Generationen weiterleiteten, vertrat er die Ansichten der Salaf hinsichtlich der absoluten Gerechtigkeit der Ṣaḥāba. Ṯawrī sagte diesbezüglich, dass die in der Sure an-­Naml, Vers 59: „Salām sei den auserwählten Dienern Allahs“ erwähnten „auserwählten Diener“, die Prophetengefährten seien.881 Indem er auch den Hadith „Wer die Prophetengefährten beleidigt, auf dem sei Allahs Fluch“ tradierte,882 legte er seine unmissverständliche Haltung zur Gerechtigkeit der Prophetengefährten dar.

2.1.13 Äußerungen und Meinungen anderer Gelehrter über ihn Führende Gelehrte diverser Wissenschaftskreise der damaligen Zeit äußerten sich sehr lobend über Ṯawrī, der schon in seinen jungen Jahren mit seiner Ausbildung begonnen hatte, von vielen verschiedenen Gelehrten profitierte und in kurzer Zeit zur religiösen Autorität wurde. In Ṯawrīs Zeit entstand eine Fülle wissenschaftlicher Arbeiten. In ihnen wurde insbesondere in der Tradierung von Hadithen die Fragestellung thematisiert, wessen Hadithe akzeptiert würden, und die Wissenschaftler, die sich mit der Tradierung befassten, sahen sich einer scharfen Kritik ausgesetzt, die sich daran entzündete, welche Kriterien zur Beurteilung der Zuverlässigkeit der Tradierer gelten sollten. Aus den Quellen geht hervor, dass bei der kritischen Untersuchung der Tradierer niemand privilegiert wurde und die Zuverlässigkeit der Überlieferung jedes Tradierers unabhängig von seiner Person hinterfragt wurde. Beispielsweise wurde die zweite Persönlichkeit dieser Arbeit, Sufyān b. ʿUyayna, aufgrund einer Andeutung, die er in den letzten sieben Monaten seines Lebens dahingehend gemacht hatte, dass sein Gedächtnis nicht mehr so gut wie früher sei, einer ernsthaften kritischen Untersuchung ausgesetzt, und obwohl Sufyān b. ʿUyayna bereits eine bekannte Autorität war, fanden doch heftige Diskurse über ihn statt, auf die später noch eingegangen wird. Wenn außerdem ein Tradierer 880 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 30; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 273. 881 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 77. 882 Ebenda, S. 103.

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eine Sünde wie das Lügen beging, nicht religiös war, dem, was er tradierte, zuwiderhandelte, sein Gedächtnis völlig verlor oder die Überlieferungen vermischte, so wurden seine Überlieferungen außer Acht gelassen. Dass die kritische Untersuchung und Anerkennung bei der Anordnung der Zuverlässigkeit eines Tradierers nicht nur aus einem einzelnen Wissenschaftskreis stammt, ermöglicht es, diese Äußerungen abzuwägen. Nicht nur die Ansichten der Gelehrten einer Schule reichen dabei aus, sondern auch die Auffassungen der Gelehrten anderer Kreise sind zu berücksichtigen, denn die Ansichten der Angehörigen einer Schule allein könnten parteiisch sein. Die Bewertung der Ansichten verschiedener Kreise eröffnet jedoch die Möglichkeit, ein objektiveres Ergebnis zu erhalten. Es ist logischerweise unmöglich, dass positive oder negative Meinungen über eine Person von vielen verschiedenen Kreisen gleichermaßen parteiisch sein können, wie am Beispiel des Kūfensers Ṯawrī zu sehen ist. Nicht nur die Auswertungen der Wissenschaftler, die der kūfischen Schule angehören, sondern auch die anderen wichtigen Wissenschaftskreisen angehörigen Wissenschaftler aus Mekka, Medina, Basra, Damaskus (Šām) oder dem Jemen wurden bei der Bewertung seiner Zuverlässigkeit berücksichtigt. Aus diesem Grund war es damals gar nicht so einfach, eine Autorität mit dem einhelligen Vertrauen der wissenschaftlichen Kreise zu werden. Außerdem spielte bei der Feststellung der Zuverlässigkeit eines Tradierers die Anzahl der Wissenschaftler, die diese affirmativ oder ablehnend beurteilten, eine große Rolle. So wurde dabei versucht, sich weitgehend auf objektive Kriterien zu stützen. Da diese Kriterien zum Fachbereich des Uṣūlu l-­Ḥadīṯ gehören, konnte nicht auf alle Details dieser Kriterien eingegangen werden. Jedoch wurde bei der Überlieferung der Ansichten und Beurteilungen der Autoritäten seiner Zeit über Ṯawrī versucht, sich an diese Kriterien zu halten und dieses Thema objektiv zu bewerten. Auch wenn die in dieser Arbeit überlieferten Aussagen über Ṯawrī relativ übertrieben scheinen, sind sie doch deshalb von Bedeutung, weil sie beweisen, dass er aus der Sicht der damaligen wissenschaftlichen Kreise als eine religiöse Autorität betrachtet wurde. Ṯawrī war einer derjenigen, der das volle Vertrauen seiner zeitgenössischen Wissenschaftler erlangt hatte. Im Folgenden werden nun einige Aussagen der führenden Wissenschaftler jener Epoche über Ṯawrī in chronologischer Reihung zitiert: Ayyūb as-­Saḫtiyānī al-­Baṣrī (gest. 131/748): „Aus Kūfa ist uns kein überlegenerer Wissenschaftler als Sufyān aṯ-­Ṯawrī gekommen.“883 883 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VI, S. 360.

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Muṯannā b. aṣ-­Ṣabāḥ al-­Yamānī (gest. 147 oder 149/764 oder 166): „Sufyān ist der ʿĀlim und ʿĀbid der Umma.“884 Maʿmar b. Rāšid aṣ-­Ṣanʿānī (gest. 153/770): Als er die Nachricht empfing, dass Sufyān aṯ-­Ṯawrī ihn in den Jemen besuchen komme, sagte er: „Wahrlich, der Hadith-­Gelehrte der Araber kommt zu euch.“885 Imam al-­Awzāʿī ad-­Dimašqī (gest. 157/774): In einem Brief an ʿAbdullāh b. Yazīd über den zahlmäßig raschen Rückgang der Gelehrten schrieb er, dass es außer Sufyān aṯ-­Ṯawrī keinen gäbe, über den sich die Allgemeinheit der Menschen bezüglich seiner Anerkennung und Authentizität einig sind.886 „Aus der Ahlu l-ʿIlm bleiben nur noch diese beiden Gelehrte: Ibn ʿAwn und Sufyān.“887 „Wenn Sufyān aṯ-­Ṯawrī und Ibn ʿAwn sterben, sind die Menschen [sich wissenschaftlich] gleich.“888 „Würde man mich vor die Wahl stellen, eine Person zu nennen, die das Buch Allahs und die Sunna des Propheten am besten bewahren kann, so würde ich Ṯawrī nennen.“889

Ibn Abī Ḏiʾb al-­Madanī (gest. 159/776): „Ich habe keinen dem Ṯawrī ähnelnden Mann aus dem Irak gesehen.“890 Šuʿba b. al-­Ḥaǧǧaǧ al-­Wāsiṭī al-­Baṣrī (gest. 160/776): „Sufyān ist in der Hadith-­Wissenschaft ein Amīru l-­Muʾminīn.“891 Ḥasan b. Ṣāliḥ al-­Kūfī al-­Hamadānī (gest. 168/784–85): „Wir saßen im Lehrkreis Ibn Abī Laylās [gest. 148/765] und hatten uns über ein wissenschaftliches Thema ausgetauscht. Auf einmal kam Sufyān. Ibn Abī Laylā sagte: „Fragt ihn in der Angelegenheit!“ Sufyān setzte sich in meine Nähe, beantwortete die Frage und fand die richtige Lösung. Ich habe mitbekommen, wie er Allah dankte. Er strebte mit gutem Vorsatz nach dem ʿIlm.“892 Imam Mālik al-­Madanī (gest. 179/795): „Früher maßen sich die Iraker mit uns mit ihren Waren und Kleidungen und nun mit Sufyān aṯ-­Ṯawrī.“893 Abū ʿAbdillāh Aḥmad b. Ḥanbal (gest. 241/855) sagte: „Al-­Awzāʿī und Sufyān betraten das Zimmer Māliks. Nachdem sie wieder weg waren, sagte Mālik: 884 885 886 887 888 889 890 891 892 893

Ebenda, S. 357; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 238. Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 57. Ebenda, S. 55 f. Ebenda, S. 57. Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 36. Abū Nuʿaym, Ḥilya, VI, S. 358. Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 59. Abū Nuʿaym, Ḥilya, VI, S. 356. Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 58. Ḏahabī, Tārīḫ, X, S. 234; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IV, S. 102.

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‚Einer von denen ist gebildeter als der andere, jedoch nicht als Imam tauglich. Der andere ist als Imam tauglich.‘ Ich fragte Abū ʿAbdillāh: ‚Wen meinte Mālik als den Gebildeteren, ist es Sufyān?‘ und er sagte: ‚Ja, Sufyān ist der Gebildetere von den beiden.‘“894 ʿAbdullāh b. al-­Mubārak al-­Marwazī (gest. 181/797): „Ich kenne auf der Welt keinen besseren Gelehrten als Sufyān aṯ-­Ṯawrī.“ „Ich sah keinen, der besser als Sufyān ist.“ „Ich sah noch nie einen wie Sufyān; als wäre er für diese Sache [ʿIlm] geschaffen.“ „Als mir eine Problematik zu schwer vorkam, ging ich zu Sufyān und fragte ihn. Er tauchte wie in ein Meer in sie hinein und löste sie.“ „Es gibt keinen, der mir beschrieben wurde und den ich nicht niedriger beurteilte, als er mir beschrieben wurde, außer Sufyān.“ „Auch wenn er recht haben sollte, soll derjenige, der sich in der Hadith-­Wissenschaft Sufyān aṯ-­Ṯawrī widersetzt, zugrunde gehen.“895 Yazīd b. Zurayʿ al-­Baṣrī (gest. 182/798): „Sufyān war Tradierer und Muftī“896 Muʿtamir b. Sulaymān al-­Baṣrī (gest. 187/803): Muḥammad b. al-­Muʿtamir b. Sulaymān fragte seinen Vater Muʿtamir b. Sulaymān: „Wer ist der Fiqh-­Gelehrte der Araber?“ und der antwortete: „Sufyān aṯ-­Ṯawrī.“897 Fuḍayl b. ʿIyāḍ al-­Kūfī al-­Makkī (gest. 187/802): „Die Herzen dieser Menschen sind mit der Liebe zu Abū Ḥanīfa bewässert worden. Genau wie die Schia bei ihrer Liebe zu ʿAlī übertrieben hat, so glauben sie übertriebenerweise, dass es keinen Gelehrteren als ihn gibt. Bei Allah! Sufyān ist wissender als Abū Ḥanīfa.“898 Walīd b. Muslim ad-­Dimašqī (gest. 195/810): „Ich sah, dass Sufyān in Mekka nach einer Fatwā gefragt wurde.“899 ʿAbdurraḥmān b. Mahdī al-­Baṣrī (gest. 198/814): „Ich sah keinen intelligenteren als Mālik und keinen gelehrteren als Sufyān.“ Isḥāq b. Rāhūyah überlieferte, dass ʿAbdurraḥmān b. Mahdī erzählte, dass Sufyān hinsichtlich des Wissens der Überlegenere im Vergleich mit Šuʿba, Mālik und ʿAbdullāh b. al-­Mubārak gewesen sei.900 Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān al-­Baṣrī (gest. 198/813): „Dass ich von Sufyān die Hadithe von al-­Aʿmaš aufschreibe, ist mir lieber, als dass ich sie von al-­Aʿmaš höre.“ 894 Fasawī, al-­Maʿrifa, I, S. 408; Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 59; Šīrāzī, Ṭabaqātul-­ Fuqahā ͗, 84 f. 895 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 56 f., 68; Abū Nuʿaym, Ḥilya, VI, S. 357; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 157. 896 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 59. 897 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 57. 898 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VI, S. 358. 899 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 56. 900 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VI, S. 359 f.

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„Sufyān kannte die Tradierer der Hadithe besser als al-­Aʿmaš.“901 Als ʿAlī b. al-­ Madīnī al-­Baṣrī (gest. 234/849) Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān (gest. 198/813) fragte: „Ist dir die Meinung von Mālik [gest. 179/795] oder die von Sufyān lieber?“, antwortete er: „Die des Sufyān. Darüber zweifeln wir nicht.“902 Bišr b. al-­Ḥāriṯ al-­Ḥāfī al-­Marwazī (gest. 227/841): „Meiner Meinung nach ist Sufyān aṯ-­Ṯawrī der Imam der Menschen.“903 Yaḥyā b. Maʿīn al-Baġdādī (gest. 233/848): „Es gibt keinen, der die Hadithe von al-­Aʿmaš, Abū Isḥāq as-­Sabīʿī und Manṣūr b. al-­Muʿtamir besser kennt als Sufyān.“904 ʿAlī b. al-­Madīnī al-­Baṣrī (gest. 234/849): „Ich sah, dass die Überliefererkette sich um sechs Personen dreht: Zuhrī aus Medina, ʿAmr b. Dīnār aus Mekka, Qatāda und Yaḥyā b. Abī Kaṯīr aus Basra, Abū Isḥāq und al-­Aʿmaš aus Kūfa. Dann kommt das Wissen dieser sechs Personen bei Sufyān aṯ-­Ṯawrī aus Kūfa an.“905 Wie man sieht, war Sufyān jemand, der die Zuverlässigkeit und die Achtung der damaligen Wissenschaftskreise erlangt hatte. So sagten spätere Autoren wie Ḫaṭīb al-­Baġdādī (gest. 463/1071), Nawawī (gest. 676/1277) und Ibn Ḫallikān (gest. 681/1282), dass sich die Menschen über seine Religiösität, Gottesfurcht, Askese und Zuverlässigkeit einig waren.906 Abū Nuʿaym (gest. 430/1038) beschrieb sein Wissensgut und die Menge seiner Überlieferungen wie folgt: „Wie ein nie endender Ozean und eine nie aufhörende Flut.“907

2.1.14 Die Kritik an ihm Es wurde schon erwähnt, dass im 2. Jahrhundert n. H., in dem die islamischen Wissenschaften ihre Entstehungsphase erlebten, insbesondere in der Hadith-­Tradierung intensive wissenschaftliche Tätigkeiten durchgeführt wurden. Besonders war auch, dass das Wissensgut, der Lebensstil, die charakterlichen Eigenschaften und die Zuverlässigkeit der Gelehrten sowohl in der breiten Öffentlichkeit als auch in den damaligen wissenschaftlichen Kreisen unter Beobachtung standen. So war es ihnen, solange sie mit der Wissenschaft beschäftigt waren und im Namen der Religion sprachen, nahezu unmöglich, ihre Qualifikationen in Bezug auf ihr Wissensgut und Abū Nuʿaym, Ḥilya, VI, S. 359 f. Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 57. Abū Nuʿaym, Ḥilya, VI, S. 357. Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 64. Ebenda, S. 59 f.; Ḏahabī, Siyar, IX, S. 526. Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 152; Nawawī, Tahḏību l-­Asmāʾ, I, S. 222; Ibn Ḫallikān, Wafayāt, II, S. 386. 907 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 125.

901 902 903 904 905 906

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ihre Zuverlässigkeit zu verbergen. Jeder, der in den Wissenschaftskreisen ein Mitspracherecht haben wollte, musste es riskieren, einer scharfen Kritik unterzogen zu werden. In dieser Atmosphäre der intensiven Kritik blieb nahezu keine der Handlungen der Gelehrten verborgen und ihre Biographien wurden in jeder Hinsicht unter die Lupe genommen. Daher mussten solche Wissenschaftler, die im Rampenlicht standen, transparent sein. Wenn Gelehrte, deren Lebensläufe dies nicht waren, auf der Wissenschaftsbühne auftreten wollten, führte dies zu schlechten Ergebnissen, wodurch sie im Endeffekt ihr vorhandenes Ansehen verloren. Infolge der Kritik, die von den diversen Wissenschaftskreisen geübt wurde und sich im Laufe der Zeit systematisierte, entwickelten sich bei der Feststellung des Wissensgutes und der Zuverlässigkeit der Gelehrten einige allgemeingültige Prinzipien, und die Wissensakkumulation der Gelehrten, die diese Kriterien nicht erfüllten, wurde nicht anerkannt. Auch die beiden Persönlichkeiten, die im Fokus dieser Forschung stehen, wurden auf diese Prinzipien hin kritisiert. Wie im vorigen Kapitel dargestellt wurde, steht Ṯawrī dabei als eine religiöse Autorität da, die das volle Vertrauen der Gelehrten jener Ära gewann. Trotzdem wurde auch an einigen Ansichten und Verhaltensweisen von Ṯawrī Kritik geübt, was aber seinem Wissensgut und seiner Zuverlässigkeit letztendlich nicht schadete. In diesem Zusammenhang sagte Ḏahabī während seiner endgültigen Bewertung über Ṯawrī: „Sufyān ist in Hinsicht auf seine Askese, gottesdienstliche Handlungen, Gottesfurcht, Memorierung, seines Wissensgutes aus der Zeit vor ihm und seiner Fiqh-­Wissenschaft ein Anführer. Er fürchtet es nicht von jemandem bezüglich Allahs Religion getadelt zu werden. Er ist einer der Imame der Religion.“908

Er zählt jedoch auch folgende drei Kritikpunkte auf: 1) Dass es bei Ṯawrī einige wenige Anzeichen der schiitischen Glaubensrichtung gebe, weil er bei der Frage, wer unter den ersten vier Kalifen die anderen übertreffe, ʿAlī über ʿUṯmān setzte, 2) dass Ṯawrī es als erlaubt ansah, Nabīḏ zu trinken, wobei er später aber seine Meinung zu diesen beiden Kritikpunkten änderte, und 3) dass er Tadlīs machte.909 Diese drei Kritikpunkte werden im Folgenden erläutert.

2.1.14.1 Der Schiismus-­Vorwurf Den Quellen ist zu entnehmen, dass Ṯawrī anfangs den 4. Kalifen ʿAlī gegenüber dem 1. Kalifen Abū Bakr und dem 2. Kalifen ʿUmar bevorzugte und dies

908 Ḏahabī, Siyar, VII, S. 241 f. 909 Ebenda.

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der Grund für die an ihm geübte Kritik war. Die Quellen zeigen jedoch, dass sich Ṯawrīs Einschätzung der ersten vier Kalifen mit der Zeit änderte. Ṯawrī, der dem kūfischen Wissenschaftskreis angehörte, in dem sich überwiegend Anhänger von ʿAlī befanden, bevorzugte, wie gesagt, anfangs ʿAlī gegenüber Abū Bakr und ʿUmar. Als er im Jahre 154 oder 155 n. H.910 Kūfa für immer verließ und nach Basra reiste, änderte er seine Ansicht und vertrat, wie Ḏahabī mitteilt, nunmehr die Meinung, dass die ersten zwei Kalifen Abū Bakr und ʿUmar dem 4. Kalifen ʿAlī vorzuziehen seien, jedoch blieb er dabei, ʿAlī über den 3. Kalifen ʿUṯmān zu stellen. Nach Ṯawrīs Meinung habe ʿAlī mit niemandem zu Unrecht Krieg geführt.911 Jedoch ist festzustellen, dass er trotz dieser Ansicht keinen der genannten Kalifen hasste. Er sagte sogar, dass jemand, der Abū Bakr beleidigte, aus dem Glauben austrete.912 In diesem Zusammenhang hob Ṯawrī hervor, dass er nicht wisse, ob die Taten einer Person, welche die Auffassung vertrete, dass ʿAlī das Kalifat mit größerer Berechtigung innegehabt habe als Abū Bakr und ʿUmar und dadurch implizit behaupte, dass Abū Bakr, ʿUmar, ʿAlī, die Muhāǧirūn und Anṣār einen Fehler begangen hätten, in den Himmel hinaufsteigen würden (das heißt, von Allah akzeptiert würden) oder nicht. Außerdem sagte er, dass die Liebe zu ʿAlī und die Liebe zu ʿUṯmān nur in den Herzen von auserwählten Menschen zusammenfänden.913 Auch wenn Ibn Qutayba (gest. 276/889) vermutlich aufgrund Ṯawrīs anfänglicher Ansicht behauptete, dass Ṯawrī ein Schiit sei,914 und Ibn Nadīm (gest. 385/995) der Meinung war, dass er ein Zaydī sei,915 zeigen diese Behauptungen doch nicht, dass er die später zu einem Glaubensbekenntnis gewandelten Doktrinen der Schiiten verteidigte, sondern diese entstanden vielmehr aus der extremen Sensibilität gegenüber derartigen Themen. So vermerkte Ibn Ḥaǧar, dass mit dem Begriff Schiit in der Literatur der frühen Gelehrten (Mutaqaddimūn) die Einstellung gemeint war, ʿAlī im Vergleich zu ʿUṯmān zu bevorzugen und bei den geführten Kriegen ʿAlī im Recht und seine Gegner im Unrecht zu sehen, dabei aber jedoch dennoch die ersten beiden Kalifen als ʿAlī überlegen zu betrachten, wohingegen man in der Literatur der späteren Gelehrten (Mutaʾaḫḫirūn) unter dem Begriff Schiit diejenigen verstand, die die ersten drei Kalifen gänzlich ablehnten.916 910 Buḫārī, at-­Tārīḫ, IV, S. 92 f.; Fasawī, al-­Maʿrifa, I, S. 412; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 171; Samʿānī, al-­Ansāb, III, S. 152; Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 169. 911 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 31; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 241, 253. 912 Ḏahabī, Siyar, VII, S. 253. 913 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 31 f.; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 253. 914 Ibn Qutayba, al-­Maʿārif, S. 624. 915 Ibn Nadīm, al-­Fihrist, S. 253. 916 Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, I, S. 81 f.

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„Zu den elementaren Voraussetzungen und Qualifikationen [der religiösen Autoritätswerdung] gehören vor allem die Vermittlung von ortsspezifischen kulturellen Sensibilitäten.“917 Genau aus diesem Grund empfahl Ṯawrī in Damaskus, wo sich überwiegend Muʿāwiya-­Anhänger befanden, ʿAlīs Tugenden (Manāqib), und in Kūfa, wo sich überwiegend ʿAlīs Anhänger befanden, die Tugenden von Abū Bakr, ʿUmar und ʿUṯmān zu erzählen, um der Verbreitung von Unruhen zwischen den Muslimen vorzubeugen und ihre Einheit zu gewährleisten.918 So sagte Ṯawrī, der ein Gegner des Fanatismus war und in diesem Punkt die übertriebene Ansicht der Schia kritisierte: „Die Schia hat es verhindert, dass wir ʿAlīs Tugenden erzählen.“919 Selbst wenn daher schiitische Quellen Ṯawrīs Überlieferungen von Ǧaʿfar aṣ-­Ṣādiq (gest. 148/765) Platz gewähren, wird darin angegeben, dass er zwar der Ahlu l-­Bayt nahestand, jedoch nicht als Schiit anerkannt wird.920 Obwohl durch die Schia Überlieferungen von Prophetengefährten wie ʿUmar, Abū Bakr, ʿᾹiša, Abū Hurayra, ʿAbdullāh b. ʿUmar abgelehnt werden,921 ist zu beobachten, dass Ṯawrī die Überlieferungen dieser Prophetengefährten tradierte922 und die ersten vier Kalifen unter den zehn Prophetengefährten (al-ʿAšaratu l-­ Mubaššara) aufzählte, denen der Prophet das Paradies verkündete.923 Als Fazit hob Ṯawrī hervor, dass die ersten vier Kalifen und der 8. umayyadische Kalif ʿUmar b. ʿAbdilʿazīz (gest.101/720) zu den gerechten Imamen zählten, und dass jene, die etwas anderes behaupteten, ihre Grenzen überschreiten würden.924 Während er die ersten beiden Kalifen als den anderen überlegen sah, liebte er gleichzeitig beide und stellte ʿAlī über ʿUṯmān. Allgemein überlieferte er folgenden Hadith: „Wer die Prophetengefährten beleidigt, auf dem liege Allahs 917 Uçar, Bülent, Islamische Theologie im deutschen Kontext. Zwischen Status quo und Entwicklungsmöglichkeiten, in: Religiöse Bildung im Dialog zwischen Christen und Muslimen, Kohlhammer Verlag, Stuttgart 2011, S. 205. 918 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 27; Ḏahabī, Tārīḫ, X, S. 237. 919 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 27. 920 Al-­Ḫansārī, Mirzā Muḥammad Bāqir (gest. 1313/1895), Rawdātu l-­Ǧannāt fī Aḥwāli l-ʿUlamāʾ wa s-­Sādāt, ad-­Dāru l-­Islāmiyya, Beirut 1411/1991, IV, S. 60–65; Muḥsin al-­Amīn, Aʿyānu š-­Šīʿa, ed. Ḥasan al-­Amīn, Dāru t-­Taʿāruf li l-­Matbūʿāt, Beirut 1403/1983, VII, S. 264 ff. 921 Kandemir, M. Yaşar, Hadis, in: DİA, İstanbul 1997, XV, S. 38; Çolak, Ahmet, Şia Hadis Alma Usûlünde İlk Râvîler, (unveröffentlichte Master-­Arbeit), AÜSBE., Erzurum 1993, S. 24. 922 Vgl. Ṯawrī, Tafsīru ṯ-­Ṯawrī, S. 18 f., 36, 49, 51, 72 f., 78, 92 ff., 97, 116, 121, 175, 222 f., 239, 266, 277. 923 Ṯawrī, Tafsīru ṯ-­Ṯawrī, S. 160. 924 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VI, S. 378, VII, S. 32.

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Fluch.“925 Seine endgültige Überzeugung von ʿAlī wurde von anderen Autoritäten seiner Zeit nicht als übertrieben empfunden und hatte keinen negativen Einfluss auf seine Zuverlässigkeit.

2.1.14.2 Seine Erlaubnis, Nabīḏ zu trinken Die Diskussion drehte sich damals um die Frage, ob Nabīḏ haram (verboten) sei oder nicht, ob der Verzehr des Nabīḏ die Sinne berauschte und ob dies unter den Begriff des Ḫamr, welcher im Koran absolut verboten ist, fiele. Nabīḏ ist ein Getränk, welches durch das Einlegen von Datteln, Rosinen, Honig, Getreide, Gerste und anderen Lebensmitteln in Wasser gewonnen wird. Egal ob es die Sinne berauscht oder nicht, wird diese Art von Getränk Nabīḏ genannt. Genauso wie Nabīḏ „Wein“ (Ḫamr) genannt wird, so trägt auch der durch das Auspressen von Trauben gewonnene Wein die Bezeichnung Nabīḏ.926 Aus dieser Definition geht hervor, dass es neben dem berauschenden Nabīḏ auch nicht berauschende Nabīḏe gibt. Außerdem trägt auch die Benennung des Weins als Nabīḏ dazu bei, das Thema zu einer komplizierten und zweifelhaften Problematik werden zu lassen. Nach kūfischen Fiqh-­Gelehrten wie Ibrāhīm an-­Naḫaʿī, Abū Ḥanīfa, Ṯawrī, Ibn Abī Laylā und Ibn Šubruma ist ausschließlich das aus Trauben gewonnene und berauschende Getränk als Ḫamr definiert. Die aus anderen Lebensmitteln als Trauben gewonnenen berauschenden Getränke sind nur metaphorisch als Ḫamr definiert. Alle anderen berauschenden Getränke, außer Ḫamr, sind nicht durch den 90. Vers der Sure al-­Māʾida927 verboten worden, sondern durch die Analogie und al-­Ḫabaru l-­Wāḥid. Die malikitischen, schafiitischen und hanbalitischen Rechtsschulen und die Mehrheit der Ahlu l-­Ḥadīṯ und Ahlu l-­Ḥiǧāz sind der Ansicht, dass alle berauschenden Getränke als Ḫamr zu bezeichnen sind, egal aus welcher Materie sie hergestellt werden, und damit unter das genannte Ḫamr-­ Verbot im 90. Vers der Sure al-­Māʾida fallen.928 925 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 103. 926 Ibnu l-­Aṯīr, Abu s-­Saʿādāt Maǧduddīn al-­Mubārak b. Aṯīriddīn Muḥammad b. Muḥammad aš-­Šaybānī al-­Ǧazarī (gest. 606/1210), an-­Nihāya fī Ġarībi l-­Hadīṯ wa l-­Aṯar, ed. Ṭāhir Aḥmad az-­Zāwī, Maḥmūd Muḥammad aṭ-­Ṭanāḥī, al-­Maktabatu l-ʿIlmiyya, Beirut 1399/1979, V, S. 7. 927 Māʾida, 5/90. 928 Ǧaṣṣāṣ, Abū Bakr Aḥmad b. ʿAlī ar-­Rāzī (gest. 370/981), Aḥkāmu l-­Qurʾān li l-­ Ǧaṣṣāṣ, ed. aṣ-­Ṣādiq Qamḥāwī, Dāru Iḥyāʾi t-­Turāṯi l-ʿArabī, Beirut 1405/1985, II, S.  5,  IV, S.  122; Saraḫsī, al-­Mabsūṭ,  XXIV, S.  2, 15  f.; Qurṭubī, Abū ʿAbdillāh Muḥammad b. Aḥmad b. Abī Bakr b. Farḥ (gest. 671/1273), al-­Ǧāmiʿu li Aḥkāmi

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Bei der Bezeichnung des aus Trauben gewonnenen berauschenden Weins als Ḫamr besteht Einmütigkeit. Ebenso existiert Konsens darüber, dass die Substanz des Ḫamr (ʿAynu l-­Ḫamr) an-­Naǧāsatu l-­Ġalīẓa929 ist und dessen Menge, egal ob wenig oder viel, durch den Koran, die Sunna und den allgemeinen Konsens (Iǧmāʿ) verboten ist.930 Auch Sprachwissenschaftler sind sich über die Benennung des aus Traubensaft gewonnenen berauschenden Getränkes zwar nicht in Anbetracht der metaphorischen, sondern der ursprünglichen Bedeutung als Ḫamr einig.931 Ausgehend davon vertreten kūfische Fiqh-­Gelehrte die Ansicht, dass der 90. Vers der Sure al-­Māʾida nur das aus Trauben gewonnene Ḫamr verbietet, die metaphorische Bedeutung an jenen Stellen zu vermeiden ist, wo die ursprüngliche Bedeutung herangezogen werden kann, und dass der Vers nicht darauf deutet, dass alles, was den Verstand berauscht, als Ḫamr bezeichnet werden kann. Zudem unterstützen sie ihre Ansicht mit verschiedenen lexikalischen Beispielen bezüglich des arabischen Sprachgebrauchs und mit einigen von den Prophetengefährten überlieferten Hadithen. Allerdings ist die Mehrheit der Gelehrten der Meinung, dass der Begriff Ḫamr im Vers nicht nur das aus Trauben gewonnene berauschende Getränk, sondern auch die von anderen Obstsorten gewonnenen Rauschgetränke, die die gleichen Eigenschaften wie das Ḫamr besitzen, umfasst und somit auch diese durch das Verbot im Vers verboten werden.932 Auch wenn durch den Sprach- und Methodologiediskurs der Gelehrten eine Meinungsverschiedenheit entstand, besteht doch Übereinstimmung in der Auffassung, dass man sich von jeglichen berauschenden Getränken fernhalten muss, und dies wird von allen Rechtsschulen einschließlich der hanafitischen als allgemeines Prinzip akzeptiert: „Alle berauschenden Getränke sind haram“.933 So bezeichnen die Hanafiten auch Getränke, die nicht von Trauben gewonnen

l-­Qurʾān, ed. Aḥmad al-­Bardūnī, Ibrāhīm Atfīš, Dāru l-­Kutubi l-­Miṣriyya, Kairo 1384/1964, III, S. 52; Ṣābūnī, Muḥammad ʿAlī, Rawāʾiʿu l-­Bayān Tafsīru Āyāti l-­ Aḥkām mina l-­Qurʾān, Darsaʿādat, Istanbul, o. J., I, S. 258 f. 929 an-­Naǧāsatu l-­Ġalīẓa sind Gegenstände, die in der islamischen Rechtswissenschaft als unrein und daher als haram angesehen werden, wie etwa Menschenstuhlgang und -urin, der Wein oder das Fleisch eines verendeten Tieres; siehe Öğüt, Salim, Taharet, in: DİA, İstanbul 2010, XXXIX, S. 383. 930 Saraḫsī, al-­Mabsūṭ, XXIV, S. 2 f., 9. 931 Ebenda, S. 4. 932 Ebenda, S. 4 f., 15 f. 933 Saraḫsī, al-­Mabsūṭ, XXIV, S. 3, 15 ff.; Ǧaṣṣāṣ, Aḥkāmu l-­Qurʾān, IV, S. 125; Baktır, Mustafa, İçki, in: DİA, İstanbul 2000, XXI, S. 460.

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werden und beispielsweise durch das Gären lassen von einem Monat oder zehn Tagen fermentiert sind und infolgedessen eine berauschende Eigenschaft erhalten, als Bruder des Ḫamr, womit sie gleichzeitig zum Ausdruck bringen, dass diese Getränke haram sind und, solange der Saft nicht durch das Kochen zu zwei Drittel verdampft, auch nicht halal werden können.934 Nach Abū Ḥanīfas Rechtsmeinung wie auch der letzten von Abū Yūsuf ist der Verzehr von Traubensaft haram, wenn er nur kurze Zeit gekocht wird oder weniger als zwei Drittel des Saftes durch das Kochen verdampfen, er danach säuert sowie anschließend aufbläht und Schaum aufsetzt. Von Imam Muḥammad gibt es jedoch drei Überlieferungen: Er interpretierte das restliche eine Drittel ebenfalls als makrūh (unerwünscht), oder er traf zu diesem Thema keine Aussagen oder meinte, wenn es berauschend sei, sei das Ganze haram, wobei auch Mālik und aš-­Šāfiʿī dieser Ansicht waren.935 Die Hanafiten erlauben das Nabīḏ in geringen Maßen zu verzehren, wenn es nicht fermentiert, sondern nur gesäuert ist und lediglich bei übermäßigem Verzehr berauschend wirkt.936 Welche Menge verzehrt werden darf, ist in den Quellen nicht angegeben, jedoch versteht es sich, dass dies von Person zu Person und durch die vorhandenen Wetterverhältnisse variiert. Hier ist auch zu erwähnen, dass durch den übermäßigen Verzehr von Quitten, Birnen, Maulbeeren und deren Säften der Alkoholgehalt im Blut zunimmt;937 jedoch sind sich islamische Gelehrte darüber einig, dass der Verzehr solcher Obstsorten und ihrer unfermentierten Säfte erlaubt (ǧāʾiz) ist.938 Die Hanafiten handhaben die Getränke separat und beurteilen diese detailliert. Beispielsweise untersuchten sie die Getränke außer dem Wein, die aus Rosinen, getrockneten Datteln, Gerste, Hirse und Honig gewonnen und auch Nabīḏ, Faḍīḥ, Ḫaliṭān usw. genannt werden, und berücksichtigen, wie lange sie im Wasser gegart werden, ob sie gekocht werden oder nicht, dazu den Siedepunkt, den Grad des Schäumens und der Säuerung, ob sie pur oder gemischt sind, ja sogar die Her-

934 Saraḫsī, al-­Mabsūṭ, XXIV, S. 6 935 Saraḫsī, al-­Mabsūṭ, XXIV, S. 4, 13 ff. 936 Ebenda, S. 5, 9, 11 ff., 29; Qurṭubī, al-­Ǧāmiʿu li Aḥkāmi l-­Qurʾān, III, S. 52. 937 Saraḫsī, al-­Mabsūṭ, XXIV, S. 18 f., 31; Schwarzacher, W., Blutalkoholgehalt und Obstgenuss, in: Deutsche Zeitschrift für die gesamte gerichtliche Medizin, 1938, Volume 29, Issue 6, S. 518; Kuntz, Erwin; Kuntz, Hans-­Dieter, Hepatology: Textbook and Atlas. 3rd ed. 2008, Wiesbaden: Springer Berlin Heidelberg, S. 64. 938 Nawawī, Abū Zakariyyā Muḥyiddīn Yaḥyā b. Šaraf (gest. 676/1277), al-­Minhāǧ Šarḥu Ṣaḥīḥi Muslim b. Ḥaǧǧaǧ, ed. aš-­Šayḫ Ḫālīl Maʾmūn Šīḥā, Dāru l-­Maʿrifa, Beirut 1997, XIII, S. 174–179.

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stellungsweise und die bei der Herstellung benutzten Gefäße und in welchem Stadium diese haram sind. Im Anschluss an diese reichlich detaillierten Untersuchungen verfassen sie dementsprechende Urteile.939 Davon ausgehend ist der Verzehr, Kauf und Verkauf des gewonnenen Nabīḏ, wenn es in einem dieser Stadien fermentiert ist, nunmehr verboten. Falls es nicht fermentiert ist, ist gegen den Verzehr nichts einzuwenden. In diesem Zusammenhang ist es nach den Hanafiten auch erlaubt, durch verschiedene Vorgänge Wein zu Essig weiterzuverarbeiten sowie auch, nachdem der Wein gekocht wurde und infolgedessen zwei Drittel davon kondensiert sind, das restliche Drittel zu verzehren oder zu verkaufen und den mit Wasser verdünnten Saft, welcher durch seine Säuerung an einer berauschenden Wirkung zweifeln lässt, zu trinken.940 Also ist der Verzehr der Getränke, wenn diese erneut zu fermentieren beginnen und die Ḫamr-­Eigenschaft verlieren, erlaubt. Ferner gibt es auch gesunde Hadithe, in denen steht, dass der Prophet und die Prophetengefährten Nabīḏ getrunken hätten. In diesem Zusammenhang nahm Muslim in seinem Werk aṣ-­Ṣaḥīḥ unter dem eigenständigen Kapitel „Die Zulässigkeit des Trinkens des nicht gesäuerten und nicht berauschenden Nabīḏ“ diesbezüglich verschiedene Hadithe auf. Um das Thema näher zu beleuchten, werden nachfolgend zwei Hadithe daraus entnommen. „Ibn ʿAbbās, Allahs Wohlgefallen sei auf ihm, sagte: Am Anfang der Nacht wurde für den Propheten Nabīḏ zubereitet. Als es Morgen wurde, trank er an dem Tag und dessen Nacht, den darauffolgenden Tag und dessen Nacht, bis zum Nachmittag des darauffolgenden Tages diesen Nabīḏ. Wenn etwas von dem Nabīḏ übrigblieb, gab er es seinem Diener oder befahl, es nun wegzuschütten.“941

Nach dieser Überlieferung ist verständlich, dass der Prophet drei Tage nach der Zubereitung des Nabiḏs aufgrund der diesem zugekommenen möglichen berauschenden Eigenschaft es nicht mehr trank. Auch gibt es Überlieferungen, aus denen hervorgeht, dass der Prophet je nach den Umständen nicht nur den drei Tage alten Nabīḏ, sondern sogar den nur mehr als einen halben Tag alten Nabīḏ nicht trank. In einem weiteren von Ibn ʿAbbās überlieferten Hadith steht: „Wir bereiteten dem Propheten in einem Gefäß, dessen obere Seite geschlossen werden kann, Nabīḏ zu. Unter diesem Gefäß war ein Loch [wie ein Hahn]. Wir bereiteten es mor-

939 Baktır, Mustafa, İçki, S. 460. 940 Saraḫsī, al-­Mabsūṭ, XXIV, S. 7 f., 11, 15 ff., 18, 22; Qurṭubī, al-­Ǧāmiʿu li Aḥkāmi l-­Qurʾān, VI, S. 290. 941 Muslim, Ašriba, 79.

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gens zu und er trank es abends [danach nicht mehr]. Wir bereiteten es abends zu und er trank es morgens [danach nicht mehr].“942

Aus dieser Überlieferung geht nun hervor, dass der Prophet einen halben Tag nach der Zubereitung des Nabiḏs aufgrund der möglichen berauschenden Eigenschaft diesen nicht mehr trank. Nawawī (gest. 676/1277), der Kommentator von Muslims Buch Ṣaḥīḥu Muslim, sagte bei der Kommentierung der Hadithe in diesem Kapitel, dass es in diesen Hadithen einen Hinweis auf die Erlaubnis für die Zubereitung und den Verzehr des Nabiḏs gebe, solange dieses süß, unverändert und nicht gesäuert bliebe, und dass der Verzehr des derartigen Nabiḏs mit dem Konsens der Umma erlaubt sei. Da, bedingt durch klimatische Veränderungen, das Nabīḏ selbst Veränderungen ausgesetzt ist, waren laut Nawawī zu der Frage, ab wann das Trinken von Nabīḏ nicht mehr erlaubt sei, verschiedene Überlieferungen vorhanden und er bemerkt, dass der Verzehr des berauschenden Nabīḏs, da es unter die Klausel „alles, was berauscht, ist haram“ fällt, verboten sei.943 Es versteht sich, dass es keine einheitlichen Grenzen für die Dauer und den Grad einer berauschenden Eigenschaft des Nabiḏs gibt. Diese variieren je nach Zustands-, Klima-, und Raumbedingungen und in welchen Gefäßen das Nabīḏ verarbeitet wird. Kalte Gebiete erlauben es, das Nabīḏ drei oder mehrere Tage ohne berauschende Eigenschaften zu lagern. In wärmeren Gebieten hingegen kommt es vor, dass das Nabīḏ bereits nach einem halben Tag eine berauschende Eigenschaft erhalten kann. Außerdem verbietet der Prophet den Verzehr des aus verschiedenen Obstsorten, wie Datteln und Trauben oder gereiften und bunten Datteln, gewonnenem Nabiḏ, weil derartige Mischungen rasch berauschende Eigenschaften erhalten.944 Sufyān aṯ-­Ṯawrī gehörte zu den Tradierern, die derartige Hadithe überlieferten.945 Aus diesen Informationen geht hervor, dass beim Trinkverbot jeglicher Getränke mit berauschender Eigenschaft eine Übereinstimmung vorhanden ist und somit auch Ṯawrī Nabīḏ nicht mehr trank, sobald dieser den berauschenden Grad erreicht hatte. Es ist nämlich offensichtlich, dass, wenn er ein solches Getränk zu sich genommen hätte, seine Überlieferungen mit Sicherheit keine Anerkennung seitens der Wissenschaftskreise gefunden hätten. Es gibt aber, wie bereits fest-

942 Ebenda, 85. 943 Nawawī, al- Minhāǧ, XIII, S. 174–179. 944 Muslim, Ašriba, 16–29. 945 Ibn Ḥazm, Abū Muḥammad ʿAlī b. Aḥmad b. Saʿīd b. Ḥazm al-­Andalusī al-­Qurṭubī (gest. 456/1064), al-­Muḥallā bi l-­Āṯār, Dāru l-­Fikr, Beirut, o. J., VI, S. 177.

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gestellt, keinerlei Zweifel an Ṯawrīs Zuverlässigkeit. In Anbetracht der Tatsache, dass sein Name auch in der Überliefererkette der Hadithe zu finden ist, in denen der Prophet den Verzehr eines aus verschiedenen Obstsorten gewonnenen Nabiḏs verbietet, wird deutlich, dass auch Ṯawrī diese Art von Nabīḏ nicht getrunken hat. So wurde auch insbesondere in den Ahlu r-­Raʾy-­Kreisen immer betont, dass ein im Widerspruch zu seinen Überlieferungen stehendes Handeln eines Tradierers oder dass Erteilen einer Fatwā, die seinen Überlieferungen widersprach, seinem Attribut „Gerechtigkeit“ (ʿAdāla) schadete.946 Es ist auch zu erwähnen, dass Ṯawrī definitiv gegen das Trinken des berauschenden Nabīḏs war, obwohl er anfangs selber nichtberauchenden Nabīḏ trank, dies aber, wenn man auch den genauen Zeitpunkt nicht erfassen kann, später unterließ. So sagte sein Schüler ʿAbdurraḥmān b. Mahdī al-­Baṣrī (gest. 198/814), der auch zum Zeitpunkt von Ṯawrīs Tod bei ihm war: „Man fragte Sufyān aṯ-­Ṯawrī, ob man Nabīḏ trinken dürfe. Er sagte: Trinkt es nicht, wenn es berauschend ist!“

ʿAbdurraḥmān b. Mahdī bezeugte, dass die Menschen behaupteten, dass sich Sufyān zum Nachmittagsgebet verspätet habe und eilig einen Gebetsraum suchte; genauso behaupteten sie, dass er Nabīḏ getrunken habe. Jedoch wurde Sufyān zu Zeiten, wo er krank war, Nabīḏ als Arznei angeboten, indem er gefragt wurde: „Sollen wir Nabīḏ bringen?“, worauf er antwortete: „Nein, bringt mir Honig und Wasser!“947 Somit bezeugt ʿAbdurraḥmān, dass Sufyān nun keinen Nabīḏ mehr trank. In einer anderen Überlieferung antwortete Ṯawrī auf die Frage, ob man Nabīḏ trinken dürfe: „Iss Feigen, iss Trauben!“948 So verhält es sich im wörtlichen Sinne mit den Meinungsverschiedenheiten bezüglich des Nabīḏ. Jedoch gilt es hier nun noch zu untersuchen, weshalb die Ahlu r-­Raʾy Irak-­Schule im Allgemeinen und speziell der Kūfenser Ṯawrī bezüglich des Nabīḏ-­Verzehrs kritisiert wurden. Bekanntlich waren im 2. Jahrhundert n. H. Begriffe wie Raʾy, Qiyās und Istiḥsān noch nicht genau festgelegt und wurden methodologisch sowie inhaltlich intensiv diskutiert. Dabei war die Frage sehr umstritten, ob der Nabiḏ-­ Verzehr halal oder haram sei. In den ersten Jahrhunderten n.  H. lag eine besondere Sorgfalt darin, den islamischen Fundamentalquellen, sprich dem Koran und der Sunna, zu folgen. Dabei wurden der Begriffsinhalt des Ḫamr und das Thema, ob Nabīḏ und andere derartig bekannte Getränke unter den 946 Šaʿbān, Zakiyuddīn, Uṣūlu l-­Fiqh, S. 75. 947 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 32, 37. 948 Ebenda, S. 72.

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Begriff des Ḫamr, welches im Koran absolut verboten ist, fielen oder nicht, aus methodologischer Sicht intensiv diskutiert; eine dementsprechende Festlegung kristallisierte sich erst in den späteren Jahrhunderten mit der Entstehung der Rechtsschulen heraus. Nichtsdestotrotz hat Ṯawrī zu jener Zeit aufgrund der extremen Sensibilität für solche umstrittenen Themen zu Unrecht Kritik erleiden müssen. Eine besondere Aufmerksamkeit verdient dabei der Umstand, dass Gelehrte der Ahlu r-­Raʾy-­Schule im Irak besonders von den Ahlu l-­Ḥadīṯ-­Kreisen aufgrund dessen kritisiert wurden, dass sie es erlaubten, das anfänglich noch nicht der Fermentation ausgesetzte Nabiḏ, welches noch keine berauschenden Eigenschaften hatte, zu genießen. Dies zeigt, dass die damaligen Gelehrten ständig unter Beobachtung der Kritiker standen, und, auch wenn sie sich nicht mit Hauptthemen befassten, jedes Detail bewertet und bezüglich seiner Zuverlässigkeit benotet wurde. Wohlmöglich wollte Ṯawrī vermeiden, Dinge, die nicht als absolut haram bewertet wurden, als haram zu beurteilen. Er berücksichtigte die Sensibilität der damaligen Öffentlichkeit bezüglich dieses Themas und hörte auf, in den letzten Jahren seines Lebens Nabīḏ zu trinken, auch wenn dieses nicht berauschend war. Das deutet darauf hin, dass er auf die generelle Akzeptanz der Gesellschaft Wert legte. Man kann seinen Nabiḏ-­Verzicht aber auch so sehen, dass er damit zeigen wollte, dass Gelehrte, die als Vorbilder fungierten, jegliche Handlungen unterlassen sollten, die falsch verstanden werden konnten.

2.1.14.3 Tadlīs Eine Kritik an Ṯawrī bezog sich darauf, dass er Tadlīs beging. Um diese Kritik zu verstehen, bedarf es primär der Beleuchtung des Begriffs Tadlīs. Das linguistisch aus dem Wort dalas = Dunkelheit entstammende Wort Tadlīs hat Bedeutungen wie „die Mängel von etwas verbergen“, „etwas in einer nicht der Realität entsprechenden Form zeigen“ und „die Mängel des verkauften Gegenstandes vor dem Käufer verbergen.“949 Der Begriff Tadlīs in der Hadith-­Terminologie bedeutet im Zusammenhang mit der Bedeutung im Wörterbuch, dass ein Tradierer die Hadithe, welche er von seinem Lehrer gehört, und die, welche er nicht von ihm gehört hat, tradiert, ohne sie voneinander zu trennen. Da der Tradierer den Anschein erweckt, die Hadithe gehört zu haben, verbirgt er ihre Mängel und Fehler.950 Wenn auch die Hadith-­ 949 Ibn Manẓūr, Ǧamāluddīn Abu l-­Faḍl Muḥammad b. Mukarram (gest. 711/1311), Lisānu l-ʿArab, Dāru Ṣādr, Beirut 1955, VI, S. 86. 950 Koçyiğit, Hadis Istılahları, S. 432.

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Autoritäten von verschiedenen Tadlīs-­Formen reden,951 so gibt es allgemein doch nur zwei verschiedene Arten davon: a) Tadlīsu l-­Isnād: Diese Deutung besagt, dass ein Tradierer von einem zeitgenössischen Gelehrten, dem er persönlich begegnet ist, einen Hadith, welchen er nicht direkt von ihm, sondern nur durch einen Zwischenvermittler gehört hat, tradiert und diesen Vermittler dabei ausblendet, als hätte er den Hadith von seinem Lehrer direkt gehört. Bei der Tradierung der Hadithe verwendet er Formulierungen wie „qāla fulānun = Jemand hat so gesagt“, „ʿan fulānin = von jemandem“ oder „anna fulānan qāla = wahrlich hat jemand so gesagt“ und lässt die Wahrscheinlichkeit offen, dass die Überliefererkette lückenlos (muttaṣil) ist. Somit erweckt er den Anschein, er habe den Hadith direkt von seinem Lehrer gehört, obwohl dies nicht dem Sachverhalt entspricht. Einen Tradierer, der Tadlīs begeht, nennt man Mudallis und den Hadith, den er tradiert, Mudallas.952 Wie aus der Definition hervorgeht, ist es nötig, dass der Tradierer dem Gelehrten, von dem er tradiert, begegnet ist, damit die Hadithe als Mudallas gelten. Wenn er einem Gelehrten begegnet ist, ist er natürlich auch dessen Zeitgenosse. Wenn ein Tradierer von einem zeitgenössischen Lehrer, von dem man weiß, dass der Tradierer diesem nicht begegnete, überliefert, nennt man dies nicht Tadlīs, sondern Irsāl. Beim Tadlīs hingegen überliefert der Tradierer von einem Lehrer, dem er begegnet ist und sogar Hadithe von ihm gehört hat, aber auch solche, die er von ihm nie hörte, und erweckt somit den Eindruck, als hätte er auch diese Hadithe von ihm gehört.953 b) Tadlīsu š-­Šuyūḫ: Dieser Begriff bedeutet, dass der Tradierer in der Überliefererkette den Gelehrten, von dem er den Hadith entgegennimmt, nicht mit seinem bekannten Namen, Kunya, Laqab oder Nasab, sondern mit einem unbekannten Namen, Kunya, Laqab oder Nasab erwähnt.954 Somit erschwert der Tradierer das Erkennen des von ihm tradierten Gelehrten.

951 Es gibt auch Kritiker, die sagen, dass es andere Arten von Tadlīs gibt, wie etwa Tadlīsu t-­Taswiya, Tadlīsu l-ʿAṭf oder Tadlīsu s-­Suqūṭ. Jedoch fallen diese unter den Begriff des Tadlīsu l-­Isnād. So behandeln Ibn Ṣalāḥ und Suyūṭī diese Thematik unter zwei Punkten; vgl. Ibn Ṣalāḥ, Abū ʿAmr Taqyuddīn ʿUṯmān b. ʿAbdirraḥmān aš-­Šahrazūrī (gest. 643/1245), ʿUlūmu l-­Ḥadīṯ, Dāru l-­Fikr, Beirut 2004, S. 73; Suyūṭī, Tadrību r-­Rāwī, I, S. 223; Koçyiğit, Hadis Istılahları, S. 435 f. 952 Koçyiğit, Hadis Istılahları, S. 249, 251, 432 f.; Aydınlı, Hadis Istılahları Sözlüğü, S. 152. 953 Koçyiğit, Hadis Istılahları, S. 434. 954 Ebenda, S. 435; Aydınlı, Hadis Istılahları Sözlüğü, S. 152.

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Der springende Punkt bei der Tradierung mit Tadlīs ist, dass der Tradierer Hadithe, die er von einem Gelehrten nicht gehört hat, so tradiert, als hätte er sie von ihm gehört, und er somit die Menschen irreführt. Auffällig ist, dass im 2. Jahrhundert n. H., in dem die Überlieferungstätigkeiten mit hoher Intensivität durchgeführt wurden, zeitgenössische Autoritäten bezüglich der Niederschreibung der Hadithe und deren Trennung, ob sie gesund (ṣaḥīḥ) waren oder nicht, durch eine penible Arbeit solche erkannten Mängel der Tradierer registrierten und die hierzu notwendige Kritik äußerten. So brachten sie gerade gegen Tradierungen mit Tadlīs einige Vorbehalte vor. Allgemein gibt es drei Ansichten über den Tadlīs erster Art: a) Šuʿba b. al-­Ḥaǧǧāǧ (gest. 160/776) war derjenige, der am heftigsten gegen diese Art von Tadlīs argumentierte: „Lieber begehe ich Unzucht, als dass ich Tadlīs mache. Tadlīs ist der Bruder der Lüge.“955 Einige der Ahlu l-­Ḥadīṯ- und Fiqh-­Gelehrten, die dieser Linie folgten, sahen diejenigen, die Tadlīs machten, als verletzt (maǧrūḥ) an und akzeptierten deren Tradierungen nicht, egal ob sie erläuterten, von wem sie sie gehört hatten oder nicht.956 Vonseiten einiger Gelehrten wurde diese Einstellung als übertrieben empfunden und es wurde dargelegt, dass Šuʿba b. al-­Ḥaǧǧāǧs Absicht das Fernhalten und das Abschrecken der Leute von Tadlīs war.957 Auch nach Auffassung des Verfassers dieser Arbeit wollte Šuʿba mit dieser Aussage im Rahmen der intensiv durchgeführten Tradierungsaktivitäten im 2. Jahrhundert n. H. betonen, dass man vor denjenigen, die Tadlīs machten, sehr auf der Hut sein müsse, um die Originalität der Religion zu schützen und deren Missbrauch vorzubeugen. Zudem ist es eine soziologische Tatsache, dass die ersten Reaktionen, die sich gegen irgendwelche in einer Epoche entstehenden und zu schlimmen Folgen führenden Vorkommnisse richten, generell äußerst stark sind und dass sie erst später angemesseneren Beurteilungen Platz machen. b) Die Mehrheit derjenigen, die Mursal-­Hadithe958 als Beweis (Ḥuǧǧa) akzeptierten, akzeptierten auch die Hadithe einer Person, die Tadlīs machte, als Beweis. Diejenigen, die hingegen Mursal-­Hadithe nicht als Beweis akzeptierten, akzep955 Suyūṭī, Tadrību r-­Rāwī , I, S. 228. 956 Ibn Ṣalāḥ, ʿUlūmu l-­Ḥadīṯ, S. 74; Suyūṭī, Tadrību r-­Rāwī , I, S. 229. 957 Ibn Ṣalāḥ, ʿUlūmu l-­Ḥadīṯ, S. 74. 958 Hadith, welche ein Tradierer aus der Tābiʿūn-­Generation direkt vom Propheten in Form von „qāla Rasūlullāh = Der Prophet hat so gesagt“ tradierte, indem er den Prophetengefährten ausschließt, von dem er es bekam; vgl. Koçyiğit, Hadis Istılahları, S. 291; Aydınlı, Hadis Istılahları Sözlüğü, S. 112.

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tierten auch nicht die Hadithe eines Mudallis, die er in Form von „ʿanʿana“959 tradierte.960 c) Nach Auffassung einiger Hadith-­Gelehrter waren jedoch die Überlieferungen der zuverlässigen Mudallis-­Tradierer, die ausschließlich von ebenfalls zuverlässigen Tradierern überlieferten, zu akzeptieren. Ibn ʿAbdi l-­Barr (gest. 463/1071) drückte aus, dass die Hadith-­Imame sagten: „Die Tadlīse von Sufyān b. ʿUyayna werden akzeptiert“, weil er sie von zuverlässigen Persönlichkeiten wie Ibn Ǧurayǧ (gest. 150/767) und Maʿmar b. Rāšid (gest. 153/770) machte. In den Überlieferungen, bei denen er Tadlīs machte, legte er beinahe bei allen Hadithen dar, von wem er die Überlieferung hatte.961 Die Abwertung des Tadlīs der zweiten Art wird im Vergleich zur ersten generell als milder empfunden, denn bei dieser Art war es schwer, ausschließlich einen Tradierer in der Überliefererkette zu erkennen. Hierbei änderte sich der Fall je nach der Intention desjenigen, der Tadlīs macht. Wenn die Intention des Mudallis die Verheimlichung des Zustands eines schwachen Tradierers war, wurde seine Überlieferung nicht akzeptiert. Wenn der Tadlīs von anderen Gründen herrührte, wie etwa dass der Tradierer, von dem der Mudallis Hadithe erlangte, aus einer niederen Herkunft stammte, altersmäßig jünger war, sein Tod sehr spät erfolgte oder der Mudallis sich scheute, seinen Namen immer auf gleiche Art und Weise zu wiederholen, weil er viele Hadithe von ihm gehört hatte, so wurde dies mit Toleranz entgegengenommen.962 Aus den Informationen der Quellen geht hervor, dass es keine Zweifel darüber gab, dass Ṯawrī Tadlīs begann. Sogar Ḏahabī (gest. 748/1347) sagt, dass er manchmal von schwachen Tradierern Tadlīs machte.963 Man muss aber dennoch Klarheit darüber erlangen, warum Ṯawrī, der im Endeffekt vonseiten aller Wissenschaftler als zuverlässig akzeptiert wurde und dessen Überlieferungen, obwohl er Tadlīs machte, angenommen wurden, von Tradierern, die mehreren Autoritäten zufolge als schwach galten, Hadithe überlieferte und Tadlīs machte. Es ist bekannt, dass ein Tradierer, der nach einigen Kritikern als schwach gilt, für andere Kritiker jedoch als zuverlässig gelten kann, denn Kritiker urteilen nach den Angaben, die sie zur Hand haben. Aus diesem Grund ist Taḍʿīf und Taḥsīn 959 Die bloße Tradierung in Form von „ʿan“, ohne den Lehrer, von dem er selbst es definitiv gehört hat, anzugeben; vgl. Aydınlı, Hadis Istılahları Sözlüğü, S. 35 f. 960 Suyūṭī, Tadrību r-­Rāwī, I, S. 229. 961 Ebenda. 962 Suyūṭī, Tadrību r-­Rāwī, I, S. 230 f. 963 Ḏahabī, Siyar, VII, S. 242.

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ein Iǧtihād-­bezogenes Thema.964 Demgemäß kann es sein, dass Ṯawrī Überlieferungen eines seiner Meinung nach zuverlässigen Tradierers annahm, welcher anderen jedoch als schwach erschienen sein mag. In diesem Fall registrierten diejenigen, die diesen Tradierer als schwach beurteilten, natürlicherweise sachlich, dass Ṯawrī von schwachen Tradierern überlieferte. Vermutlich sind Ṯawrīs Überlieferungen, die er von schwachen Tradierern erlangte, seiner Meinung nach als valid zu bewerten, weil er sie auch auf anderen Wegen erworben hatte. Wenn Ṯawrī in diesem Fall den Namen eines schwachen Tradierers beim Überliefern eines seiner eigenen Meinung nach einwandfreien Hadithes erwähnte, könnte dies von Kreisen, die den Tradierer als schwach ansahen, abgelehnt worden sein. Im kausal bedingten Anschluss daran könnte es sein, dass Ṯawrī den Namen dieses Tradierers in der Überliefererkette verheimlichte. Gelehrte, die diese Methode Ṯawrīs kannten, sahen in solchen seiner Überlieferungen aber keine Probleme. In diesem Zusammenhang führt der bekannte basrische Kritiker Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān (gest. 198/813) aus: „Ich lege keinerlei Wert darauf, dass Ṯawrī für einen Tradierer vor ihm [in der Überliefererkette] ‚von jenem habe ich gehört‘ sagt oder nicht. Mir ist hingegen lediglich wichtig, dass er in seiner Überlieferung ‚ḥaddaṯanā = überlieferte uns’ sagt.“965

Ibn Ḥibbān (gest. 354/965), der in den Quellen als Ḥāfiẓu l-­Ḥadīṯ, der Hadith-­Šayḫ erwähnte und mit seinen Arbeiten bezüglich der Bestimmung der Richtigkeit der Hadithe und der Zuverlässigkeit der Tradierer bekannte966 Wissenschaftler des 4. Jahrhunderts n. H., der Ṯawrī zu den zuverlässigen und gerechten Mudallisūn zählte, brachte seine endgültige Überzeugung über den Tadlīs folgenderweise zum Ausdruck: „Wenn die Überlieferung eines Mudallis, der mitteilt, von wem er es hörte, für mich auf anderem Wege ṣaḥīḥ wird, so macht es mir nichts aus, dass er nicht nennt, von wem er diese Hadithe gehört hat.“967

Andererseits überlieferte Ḏahabī bezüglich Ṯawrīs Aussage über die Verantwortung bei der Beschäftigung mit der Hadith-­Wissenschaft „Über mich [er meint sein 964 Zurqānī, Abū ʿAbdillāh Muḥammad b. ʿAbdilbāqī b. Yūsuf (gest. 1122/1710), Šarḥu Manẓūmati l-­Bayqūniyya maʿa Ḥāšiyati š-­Šayḫ ʿAtiyya al-­Uǧhūrī, ed. Abū ʿAbdirrahmān Muḥammad ʿUwayḍa, Beirut 2004, S. 90. 965 Buḫārī, at-­Tārīḫ, IV, S. 93. 966 Sönmez, Mehmet Ali, İbn Hibbân, in: DİA, İstanbul 1999, XX, S. 63. 967 Ibn Ḥibbān, Abū Ḥātim Muḥammad b. Ḥibbān at-­Tamīmī al-­Bustī, (gest. 354/965), Ṣaḥīḥu Ibn Ḥibbān bi Tartībi Ibn Balabān, ed. Šuʿayb al-­Arnaʾūṭ, Muʾassasatu r-­ Risāla, Beirut 1414/1993, I, S. 161 f.

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Ende] befürchte ich nichts außer Hadithe“ folgenden Kommentar von Muḥammad b. ʿAbdillāh b. Numayr: „Weil Ṯawrī von schwachen Tradierern überlieferte“ und sagte: „Weil Ṯawrī von schwachen Tradierern Tadlīs machte. Er fürchtete seine extreme Leidenschaft [für Hadith] und dass er zeitweilig keine [aufrichtige] Absicht verinnerlicht hatte.“968

Hier ist zu vermuten, dass diese Tatsache dazu führte, dass er einige Bücher vernichten ließ. Wie zuvor schon erläutert wurde, überlieferte Ṯawrī zu Beginn seiner Ausbildung einige Hadithe von schwachen Tradierern. Nachdem er sich jedoch in die Wissenschaft vertieft hatte, bereute er dies und ließ vermutlich diese seine Werke vernichten. Höchstwahrscheinlich liegt es daran, dass Ḏahabī sagte, dass man Aussagen wie, er habe Tadlīs gemacht und Hadithe von Lügnern überliefert, keinerlei Beachtung schenken solle.969 Zieht man außerdem in Betracht, dass Ṯawrī den letzten sechs- oder siebenjährigen Abschnitt seines Lebens unter staatlicher Beobachtung und permanentem Ortswechsel verbrachte, so ist es durchaus vorstellbar, dass er mit der Verheimlichung der Namen einiger Personen, mit denen er im wissenschaftlichen Austausch stand, bezweckte, sie von vermutlichen Gefahren fern zu halten, da es äußerst riskant war, mit Leuten Umgang zu pflegen, für die ein staatlicher Haftbefehl ausgestellt war. Aus diesem Grund trafen sich, insbesondere zu der Zeit, in der der Kalif Manṣūr ein Todesurteil über ihn ausgesprochen hatte, nur wenige Wissenschaftler mit Ṯawrī, wie in Mekka Ibn ʿUyayna und Fuḍayl b. ʿIyāḍ sowie in Basra ʿAbdurraḥmān b. Mahdī. Damit zeigt sich, dass der Tadlīs eines Tradierers, der nicht zuverlässig (ṯiqa) war, wie auch die Überlieferungen eines Tradierers – auch wenn er selbst zuverlässig war –, die er von Personen erhalten hatte, über welche Einmütigkeit darüber bestand, dass sie nicht zuverlässig waren, auf keinen Fall akzeptiert werden konnten. Es ist zu sagen, dass der Tadlīs von jemandem, der zuverlässig war und nur von zuverlässigen oder gemäß seinem eigenen Iǧtihād als zuverlässig anerkannten Personen Tadlīs machte, akzeptiert wurde, auch dann, wenn er bei Fragen, von wem er diesen Hadith gehört habe, darüber Auskunft gab. Ebenso war der Tadlīs von zuverlässigen Gelehrten akzeptabel, wenn sich der mit Tadlīs überlieferte Hadith durch andere Überlieferungsketten als ṣaḥīḥ herausstellte. Genau zu diesen Gelehrten zählte Ṯawrī.

968 Ḏahabī, Siyar, VII, S. 274. 969 Ḏahabī, Mizān, II, S. 169.

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2.2 Das Leben von Sufyān b. ʿUyayna (gest. 198/813) In diesem Kapitel wird das Leben des zweiten im Fokus der vorliegenden Dissertation stehenden Gelehrten Sufyān b. ʿUyayna untersucht.

2.2.1 Name, Kunya, Nisba und Laqab Sein voller Name lautet Sufyān b. ʿUyayna b. Abī ʿImrān Maymūn al-­Hilālī al-­Kūfī al-­Makkī. Sein Kunya ist Abū Muḥammad. Er ist der Mawlā der Söhne ʿAbdullāh b. Ruwaybas, welche Söhne des Hilāl b. ʿĀmir b. Ṣaʿṣaʿa sind. In einigen Quellen wird auch gesagt, dass er der Mawlā Muḥammad b. Muzāḥim (Bruder des aḍ-­ Ḍaḥḥāk b. Muzāḥim) al-­Hilālīs ist.970 Er trägt die Nisba „al-­Kūfī“, weil er in Kūfa geboren wurde, die Nisba „al-­ Hilālī“, weil er von den Söhnen Hilāls abstammte, und die Nisba „al-­Makkī“, weil er mit seinem Vater von Kūfa nach Mekka ausgewandert war und sich dort niedergelassen hatte. Sein Laqab lautet „Aʿwar“.971

2.2.2 Seine Geburt und Familie Sufyān b. ʿUyayna wurde zu Zeiten des 10. Kalifen der Ummayyaden Hišām b. ʿAbdilmalik (105–125/724–743) im Jahre 107 n. H. in der Mitte des Monats Šaʿbān in Kūfa geboren. Über sein Geburtsjahr und den Geburtsort besteht kein Zweifel.972 Laut den Informationen Ibn Saʿds war sein Vater ʿUyayna mit der Kunya Abū ʿImrān bekannt. Er gehörte zu den Mitarbeitern des irakischen Gouverneurs der Umayyaden Ḫālid b. ʿAbdillāh al-­Qaṣrī (gest.126/743). Als Ḫālid 120/738 des Amtes enthoben und der Enkel des Onkels des bekannten Tyrannen Ḥaǧǧāǧ b. Yūsuf b. al-­Ḥakam aṯ-­Ṯaqafī (gest. 95/714), Yūsuf b. ʿUmar b. Muḥammad aṯ-­ Ṯaqafī (gest. 127/744), an seiner Stelle ernannt wurde, ließ dieser Ḫālid töten973 970 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, V, S. 497; Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 32; Ibn Ḥibbān, Mašāhīr, S. 235; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 174; Samʿānī, al-­Ansāb, XIII, S. 440; Nawawī, Tahḏību l-­Asmāʾ, I, S. 224; Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 177 f.; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 454; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IV, S. 104; Ziriklī, al-­Aʿlām, III, S. 105. 971 Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 178; Suyūṭī, Ṭabaqātu l-­Ḥuffāẓ, S. 119; Ziriklī, al-­Aʿlām, III, S. 105. 972 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, V, S. 497; Buḫārī, at-­Tārīḫ, IV, S. 94; Fasawī, al-­Maʿrifa, I, S. 57; Ibn Ḥibbān, Mašāhīr, S. 235 f.; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 175 f.; Samʿānī, al-­ Ansāb, XIII, S. 440; Nawawī, Tahḏību l-­Asmāʾ, S. I, S. 225; Ibn Ḫallikān, Wafayāt, II, S. 393; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 455, 474; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IV, S. 105. 973 Yiğit, Emevîler, S. 93.

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und seine Mitarbeiter verfolgen, die deshalb nach Mekka flohen. Auch ʿUyayna b. Abī ʿImrān ging mit ihnen und ließ sich in Mekka nieder. Später kam er nach Bagdad.974 Daraus lässt sich ableiten, dass Sufyān, als er nach Mekka kam, 13 Jahre alt war. Als sein Vater ʿUyayna starb, war er etwa 30 Jahre alt.975 In einer anderen Überlieferung wird erzählt, dass Sufyān b. ʿUyaynas Vater ein Schmied in Kūfa war und aufgrund hoher Schulden nach Mekka zog. Als Sufyān b. ʿUyayna dort zur Masdschid kam und ʿAmr b. Dīnār (gest. 126/744) sah, überlieferte ihm dieser acht Hadithe. Bis ʿAmr aus dem Gebet zurückkam, passte er auf seinen Esel auf. Daraufhin trug ihm Sufyān b. ʿUyayna diese acht Hadithe auswendig vor, und der darüber erfreute ʿAmr bedankte sich mit dem Gebetsspruch „Möge Allah dir Segen geben.“976 Demnach ist es denkbar, dass beim Umzug der ʿUyayna-­Familie nach Mekka auch finanzielle Probleme eine Rolle gespielt haben. Ibn Abī Ḥatim (gest. 327/938) berichtet, dass Sufyāns Vater ʿUyayna Kassendisponent in Kūfa war und vor Ṭāriq b. ʿAmr al-­Makkī al-­Amawī floh.977 Jedoch ist dies eine widersprüchliche Überlieferung, denn Ṭāriq wurde zu Zeiten ʿAbdulmalik b. Marwāns (65–86/685–705) seines Amtes in Medina enthoben und war im Irak nicht beschäftigt.978 Sufyān b. ʿUyayna hatte neun Geschwister; von vieren von ihnen (Muḥammad, Ādam, ʿImrān und Ibrāhīm) wurden Hadithe überliefert.979 Fünf Geschwister wurden in Kūfa geboren.980 Über seine anderen vier Geschwister liegen keine Informationen vor.

2.2.3 Seine Heirat In den Quellen gibt es keine stichhaltigen Informationen, ob Sufyān b. ʿUyayna verheiratet war. Genauso wie es Mitteilungen gibt, dass er nicht verheiratet war, gibt es auch solche, dass er verheiratet gewesen sei. Er antwortete auf die Frage „Möchtest

974 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, V, S. 497; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 174; Ibn Ḫallikān, Wafayāt, II, S. 229; Ḏahabī, Siyar, V, S. 443. 975 Muḫayirī, Aḥmad Ṣāliḥ, Tafsīru Sufyān b. ʿUyayna, Maktabatu l-­Islāmī, Riyad 1983, S. 145. 976 Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 460; Tārīḫ, XIII, S. 194. 977 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, VII, S. 31. 978 Muḫayirī, Tafsīru Sufyān b. ʿUyayna, S. 121. 979 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 174; Samʿānī, al-­Ansāb, XIII, S. 441; Nawawī, Tahḏību l-­Asmāʾ, I, S. 224; Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 178; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 465. 980 Ibn Ḥibbān, Mašāhīr, S. 235.

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du nicht heiraten?“ mit „Soll ich eine sterbliche Frau heiraten?!“981 Es gab Leute, die nach dieser Überlieferung sagten, dass Ibn ʿUyayna nie geheiratet habe.982 Die Information, die darauf hindeutet, dass er geheiratet haben soll, geht auf Yaḥyā b. Yaḥyā zurück, der sagte: „Als ich neben Sufyān b. ʿUyayna war, kam ein Mann und sagte: „Oh Abā Muḥammad! Ich beschwere mich bei dir über jemanden [er meinte dabei seine Frau]. Neben ihr bin ich eines der meist verachteten und gedemütigten Dinge.“ Daraufhin beugte Sufyān seinen Kopf nach vorne, und nachdem er eine Weile nachgedacht hatte, hob er seinen Kopf und sagte: „Vermutlich hast du sie gewollt, um deine Ehre zu steigern.“ Der Mann erwiderte: „Ja, oh Abā Muḥammad!“ Sufyān fuhr fort: „Wer sich der Ehre zuwendet, wird mit Verachtung geprüft. Wer sich weltlichen Gütern zuwendet, wird mit Armut geprüft. Wer sich der Religion zuwendet, bei dem vereint Allah die Religion gemeinsam mit Ehre und Reichtum.“ Danach fing er an zu erzählen und sagte: „Wir waren vier Geschwister.983 Muḥammad, ʿImrān, Ibrāhīm und ich. Muḥammad war der Älteste, ʿImrān der Jüngste und ich der Mittlere. Muḥammad hat aufgrund seines Wunsches nach Adel eine adlige Frau geheiratet. Allah hat ihn mit Verachtung geprüft. ʿImrān hat aufgrund seines Wunsches nach weltlichen Gütern eine reichere Frau geheiratet. Allah hat ihn mit Armut geprüft. Man hat ihm seine Güter genommen und ihm nichts gegeben. Ich habe lange über deren Zustände nachgedacht. Als Maʿmar b. Rāšid [gest. 153/770] zu uns kam, habe ich ihm die Zustände meiner Geschwister erzählt und wir befanden uns in einem Wissensaustausch. Daraufhin überlieferte er mir die Hadithe von Yaḥyā b. Ǧaʿda und ʿĀʾiša. Der Hadith Yaḥyā b. Ǧaʿdas lautet: Der Prophet sagte Folgendes: ‚Man heiratet eine Frau aus vier Gründen: wegen ihrer Frömmigkeit, ihrer edlen Abstammung, ihres Reichtums und ihrer Schönheit. Entscheide dich für die Fromme. Andernfalls wirst du armselig.‘ Der Hadith ʿĀʾišas lautet: ‚Der Prophet sagte Folgendes: ‚Hinsichtlich des Segens ist die beste Frau jene, deren Lebensunterhalt am einfachsten ist.‘ Aus diesem Grund habe ich mich an die Sunna des Propheten gehalten und die Religion [also die Frömmigkeit] und die Erleichterung des Unterhalts gewählt. Und Allah vereinte bei mir gemeinsam mit der Religion die Ehre und den Reichtum.“984

Basierend auf dieser Überlieferung erwähnten einige Forscher, dass er verheiratet war.985 Auch wenn unter Berücksichtigung dieser Informationen angenommen

981 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 273. 982 Ad-­Dakr, ʿAbdulġanī, Sufyān b. ʿUyayna Šayḫu Šuyūḫi Makka fī ʿAṣrihī, Dāru l-­ Qalam Beirut, 1992, S. 18. 983 Wie vorher erläutert wurde, hatte Sufyān neun Geschwister. Um die Zustände der drei Geschwister Muḥammad, ʿImrān und Ibrāhīm zu betonen, sagte er an dieser Stelle wohl: „Wir waren vier Geschwister.“ 984 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 289 f.; Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 194 f. 985 Muḫayirī, Tafsīru Sufyān b. ʿUyayna, S. 146.

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werden sollte, dass er geheiratet hatte, liegen doch, obwohl die Quellen ansonsten sehr detaillierte Mitteilungen über sein Leben geben, keine Informationen über seine Frau und allfällige Kinder vor. Daher ist es schwer zu behaupten, dass er verheiratet war.

2.2.4 Sein Lebensunterhalt Sufyān b. ʿUyaynas Lebensunterhalt war während der Jahre in Kūfa und Mekka Veränderungen unterworfen. Wie oben schon erwähnt, war sein Vater Mitarbeiter des irakischen Gouverneurs der Umayyaden Ḫālid b. ʿAbdillāh al-­Qaṣrī (gest.126/743). Als Resultat des damaligen staatlichen Verständnisses von Stammesfanatismus wurde Ḫālid b. ʿAbdillāh al-­Qaṣrī (gest.126/743) im Jahre 120/738 des Amtes enthoben. Als Yūsuf aṯ-­Ṯaqafī (gest. 127/744) Ḫālid ermordete und seine Anhänger verfolgen ließ, war Sufyāns Vater ʿUyayna gezwungen, von Kūfa nach Mekka zu fliehen. Daraus lässt sich ersehen, dass Sufyān bis zur Auswanderung aus finanzieller Sicht ein 13-jähriges Leben in relativ hoher Prosperität geführt hatte. Aus der erzwungenen Flucht ist jedoch zu erahnen, dass ʿUyaynas Familie danach mit ernsten finanziellen Problemen zu kämpfen hatte. Der Vater, der sich bis zu seinem Tod mit Handel beschäftigte, lenkte seinen Sohn Sufyān weiterhin in Richtung von Lehrsitzungen. Sufyān b. ʿUyaynas Bruder Muḥammad b. ʿUyayna sagte bezüglich der angenehmen Zeiten in Kūfa: „Wir waren sehr ehrenvoll. Wir besaßen Kamele, die wir mit Wasser versorgten.“986 Sufyān b. ʿUyayna betonte, dass jemand, der sein Leben der Wissenschaft widmete, natürlicherweise fern von weltlichen Genüssen sei und aufgrund intensiver wissenschaftlicher Arbeiten wenig Zeit für seine Familie, ja sogar Probleme mit seinem nahen Bekanntenkreis haben könne. Diesbezüglich sagte er: „Es gibt niemanden, der Schreibfedern und Tintenfässer mit nach Hause nimmt, dessen Familie und Kinder nicht aufständig sein werden.“987

Eines Tages fragte er einen Mann nach seinem Beruf, und dieser antwortete: „Ich strebe nach Hadith.“ Daraufhin sagte er: „Überbringe deiner Familie die ‚frohe Botschaft‘ über ihren Bankrott!“988 Mit folgenden Worten brachte er sogar zum Ausdruck, dass finanzielle Nöte im Allgemeinen das Schicksal von Gelehrten sind: „Wer sich an Wissen bereichert, dessen Lebensunterhalt verringert sich.“989 986 987 988 989

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Fasawī, al-­Maʿrifa, II, S. 95. Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 275; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 461; Tārīḫ, XIII, S. 195. Ḏahabī, Tārīḫ, XIII, S. 196. Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 271; Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 191; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 461; Tārīḫ, XIII, S. 196.

Ibn ʿUyayna hielt sich davon fern, Geld für das Lehren von ʿIlm anzunehmen. Eines Tages kam ein Mann aus Chorasan zu einer seiner Lehrsitzungen, warf ihm zwei Dirham vor die Füße und sagte: „Tradiere mir Hadithe als Leistung für diese zwei Dirham!“ Als die dort Anwesenden auf ihn zugingen, rief Ibn ʿUyayna: „Lasst ihn!“, bewegte sich etwas nach hinten und trug folgendes Gedicht vor: „Handle nach meinen Worten, auch wenn meine Handlungen mangelhaft sind. * Meine Worte sind nützlich für dich. Die Mangelhaftigkeit meiner Handlungen fügt dir keinen Schaden zu.“990

Es ist überliefert, dass Ibn ʿUyayna, der aus Prinzip eine einfache Lebensführung bevorzugte, nach dem Tod seines Vaters sein Leben mit den Spenden von wohltätigen Personen unterhielt. In den Quellen gibt es keinerlei Angaben, dass er mit Handel beschäftigt war oder irgendein offizielles Amt ausübte. Ibn ʿUyayna, der auf weltliche Güter keinen Wert legte, nahm sich aus den Spenden nur so viel, wie sein Bedürfnis es verlangte, und verteilte den Rest an seine Schüler oder andere Bedürftige. Im Zuge dieses Verständnisses führte er ein sehr bescheidenes Leben. Er hatte sich nicht einmal ein eigenes Haus bauen lassen, sondern wohnte zur Miete.991 Ḥarmala b. Yaḥyā überliefert, dass Ibn ʿUyayna eines Tages seine Hand hielt, ihn irgendwohin führte und später anhielt, aus dem Ärmel seiner Kleidung ein Stück Gerstenbrot zog und sagte: „Oh Ḥarmala! Lass es, was die Menschen sagen! Seit 60 Jahren ist meine Mahlzeit dies hier.“992

2.2.5 Seine Ausbildung Die Quellen geben preis, dass Sufyān b. ʿUyayna schon sehr früh mit seiner Ausbildung begann und von den damaligen führenden religiösen Autoritäten profitierte. Mit vier Jahren lernte er den Koran auswendig und mit sieben fing er an, Hadithe zu schreiben.993 Aus diesen Informationen geht hervor, dass damals sehr viel Wert auf die Wissenschaft und die Gelehrten gelegt wurde und dass Kinder sehr früh zu jenen zur Ausbildung geschickt wurden. 990 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 276. 991 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 273; al-­Huǧwīrī, ʿAlī b. ʿUṯmān b. Abī ʿAlī al-­Ǧullābī Abu l-­Ḥasan al-­Huǧwīrī (gest. 465/1072 [?]), Kašfu l-­Maḥǧūb, ed. Isʿād ʿAbdulḥādī Qindīl, Maktabatu l-­Iskandariyya, Kairo 1974, S. 309 f.; Muḫayirī, Tafsīru Sufyān b. ʿUyayna, S. 145 f. 992 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 272; Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 191; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 461; Tārīḫ, XIII, S. 195. 993 Nawawī, Tahḏību l-­Asmāʾ, I, S. 225; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 455; Šaʿrānī, aṭ-­Ṭabaqātu l-­Kubrā, I, S. 48.

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Ibn ʿUyayna, der mit 13 Jahren nach Mekka, eines der damaligen wichtigen Wissenschaftszentren, kam, ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen, schon in jungen Jahren von den lokalen berühmten Autoritäten zu profitieren. So sagt er Jahre später: „Ich ging in den Masdschid und suchte nach Lehrkreisen. Wenn ich einen Gelehrten oder einen alten Mann sah, setzte ich mich zu ihnen. Und in diesen Tagen umkreisten mich die Kinder.“994

Es ist zu verstehen, dass auch sein Vater einen großen Beitrag dazu leistete, dass Ibn ʿUyayna der Wissenschaft so leidenschaftlich zugetan war. So motivierte er seinen Sohn, als dieser 15 Jahre alt war, mit folgenden Worten für die Wissenschaft: „Mein Söhnchen! Du hast nun keine Kindheitsanzeichen mehr. Sei mit Tugendhaften zusammen, damit du auch einer von ihnen wirst. Wisse auch, dass du nur dann glückselig wirst, wenn du den Gelehrten gehorchst. Gehorche ihnen, damit du glücklich wirst. Diene ihnen, damit du etwas von ihrem Wissen erhältst.“995

Anknüpfend an diese Empfehlung sagte Ibn ʿUyayna später: „Von nun an begann ich, mich der Empfehlung meines Vaters zuzuneigen und mich nicht mehr von dieser abzuwenden.“996

Sufyān b. ʿUyayna sagte, dass er, als er 15 war, von seinem ersten Lehrer ʿAbdulkarīm Abū Umayya unterrichtet wurde und dass dieser 126 n. H. verstarb.997 Hiernach begann Ibn ʿUyayna, bevor er zu seinen eigentlichen Lehrern Zuhrī (gest. 124/742) und ʿAmr b. Dīnār (gest. 126/744) kam, mit seiner Ausbildung bei ʿAbdulkarīm Abū Umayya al-­Ǧazarī (gest. 126 oder 127/744 oder 745). Der bekannte basrische Hadith-­Wissenschaftler ʿAlī b. al-­Madīnī (gest. 234/849) übermittelte, dass Ibn ʿUyayna ihm Folgendes sagte: „Ich besuchte zwei Jahre den Lehrkreis von ʿAbdulkarīm al-­Ǧazarī. Er sagte dem anwesenden Volk: ‚Seht euch diesen pubertierenden Jungen an! Er stellt mir Fragen, ihr nicht!‘“998

In diesem Alter profitierte er auch von Ibn Abī Naǧīḥ (gest. 131–32/748–49) aus Mekka. ʿAlī b. al-­Madīnī überliefert, dass er von Ibn ʿUyayna Folgendes hörte: „Ibn Abī Naǧīḥ besuchte mich öfters als ich ein pubertierendes Kindlein war. Tag und Nacht trennte ich mich lange Zeit nicht von ihm.“999

994 Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 188. 995 Nawawī, Tahḏību l-­Asmāʾ, I, S. 225. 996 Ebenda. 997 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, V, S. 497; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 464; Tārīḫ, XIII, S. 198. 998 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 34; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 462; Tārīḫ, XIII, S. 197. 999 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 50 f.

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Aufgrund dessen lässt sich feststellen, dass die damaligen Gelehrten ein großes Potential in Sufyān b. ʿUyayna sahen und auf seine Ausbildung einen besonderen Wert legten. Erwähnenswert ist auch folgende Information von Ḏahabī, welche darauf hinweist, dass Sufyān b. ʿUyayna mit sehr jungen Jahren mit seiner Ausbildung begann: Aḥmad b. Naḍr al-­Hilālīs Vater Naḍr al-­Hilālī sagte: „Ich war in der Sitzung von Sufyān b. ʿUyayna. Sufyān schaute ein Kind in der Runde an. Die Leute in seiner Gegenwart nahmen den Kleinen nicht ernst, weil er noch jung war. Daraufhin rezitierte Sufyān folgenden Vers: ‚Auch ihr wart einst so. Dann aber erwies Allah euch seine Gnade.‘1000 Dann sagte er: ‚Oh Naḍr! Du hättest mich sehen sollen als ich zehn Jahre alt war. Fünf Handbreit groß, mein Gesicht so groß wie ein Dinar. Ich war wie eine Feuerflamme. Meine Kleidung klitzeklein, meine Ärmel kurz, die Kleiderspitzen winzig, meine Schuhe wie Mäuseohren. Ich verkehrte mit führenden Gelehrten verschiedener Städte wie Zuhrī und ʿAmr b. Dīnār. Ich saß unter ihnen wie eine Nadel. Mein Tintenfass war wie eine Walnuss, mein Stiftebehälter wie eine Banane und mein Stift wie eine Mandel. Als ich ihre Sitzung betrat, sagten sie ‚Macht Platz für den kleinen Šayḫ!‘. Daraufhin lachte er.“1001

Ḏahabī meint jedoch im Anschluss an diese Erzählung, dass es Zweifel über ihre Authentizität gegeben habe, denn Ibn ʿUyayna fing erst mit 15 Jahren oder später an, von den genannten Gelehrten Hadithe zu hören.1002 Dennoch deutet diese Überlieferung darauf hin, dass Sufyān b. ʿUyayna schon sehr früh mit seiner Ausbildung begann. Die größte Rolle bei Ibn ʿUyaynas Entwicklung zu einer wissenschaftlichen Autorität spielte seine Ausbildung in Mekka. Er erwähnte, schon mit neun Jahren im Jahre 116 n. H. und mit 13 Jahren im Jahre 120 n. H. auf Pilgerschaft gegangen zu sein und sagte, dass er im Jahre 123 n. H. als 16-Jähriger in Mekka den bekannten Gelehrten von Ḥiǧāz Ibn Šihāb az-­Zuhrī (gest. 124/742) traf und während dieses Gespräches auch Saʿd b. Ibrāhīm anwesend war. Saʿd b. Ibrāhīm sagte zu Zuhrī, der Sufyān b. ʿUyaynas Frage in Sachen Hadithe nicht beantwortete: „Beantworte dem Jugendlichen seine Frage!“, worauf Zuhrī antwortete: „Wahrlich werde ich ihm das, was ihm zusteht, geben.“1003 Zuhrī, einer der beiden wichtigsten Lehrer Sufyān b. ʿUyaynas, sagte später über ihn: „Ich sah keinen Jüngeren, der nach dieser Sache strebte.“1004 Folgende Aussage von Sufyān zeigt auch, dass er sehr früh von Zuhrī profitierte: 1000 Nisāʾ, 4/94. 1001 Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 459. 1002 Ebenda. 1003 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, V, S. 497; Fasawī, al-­Maʿrifa, I, S. 57; Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 34; Ibn Ḥibbān, Mašāhīr, S. 236; Samʿānī, al-­Ansāb, V, S. 657. 1004 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 176; Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 188.

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„[Ich fühlte mich,] als würden alle meine Zähne ausfallen. Dies erzählte ich Zuhrī. Er sagte: ‘Deine [Milch-]Zähne sterben ab. Du wirst weiterbestehen.’ Und ich bestand weiter und Allah machte alle meine Körperglieder zum Muḥaddīṯ.“1005

Genauso berichtete er, dass er im Alter von 16 Jahren begann, auch von einem weiteren seiner wichtigsten Lehrer ʿAmr b. Dīnār (gest. 126/744) Wissen zu erwerben, und dass jener starb, als Sufyān 19 Jahre alt war.1006 Demnach lernte er etwa zwei Jahre von Zuhrī und drei Jahre von ʿAmr b. Dīnār. Sufyān b. ʿUyayna verglich das große Ausmaß seines dreijährigen Profitierens von ʿAmr b. Dīnār mit der Dauer des Verbleibs des Propheten Noah in seinem Volk (950 Jahre).1007 Dies zeigt, dass er diesen Lehrer besonders schätzte. So bezeichnete er ʿAmr b. Dīnār als einen größeren Gelehrten als Zuhrī und beschrieb ihn als „den größten Gelehrten der Ahlu l-­Makka“, weil ʿAmr Hadithe von Ǧābir hörte und Zuhrī nicht.1008 Er sagte sogar über ihn: „Es ist mir lieber, Hadithe von ʿAmr zu hören, anstatt von zwanzig anderen Leuten.“1009 Außerdem berichtete Ibn ʿUyayna, dass er im Jahre 124 n. H. mit etwa 17 Jahren auch von Muḥammad b. ʿAǧlān (gest. 148–49/765–66) Hadithe auswendig lernte.1010 Der Basrenser Šuʿba b. al-­Ḥaǧǧāǧ (gest. 160/776), einer der damaligen führenden Hadith-­Gelehrten, bezeugte mit folgenden Worten, dass Ibn ʿUyayna mit sehr jungen Jahren von ʿAmr b. Dīnār zu profitieren begann: „Als Ibn ʿUyayna ein pubertierender Jugendlicher war, sah ich ihn in der Lehrsitzung ʿAmr b. Dīnārs mit langen Tafeln in der Hand und einem Ohrring am Ohr.“1011

Der bekannte basrische Hadith-­Wissenschaftler Ḥammād b. Zayd (gest. 179/795) bestätigte Šuʿba mit den Worten: „Als Ibn ʿUyayna ein pubertierender Jugendlicher war, sah ich ihn in der Lehrsitzung ʿAmr b. Dīnārs mit langen Tafeln in der Hand und einem Haarschopf.“1012

1005 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 178; Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 189; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 460; Tārīḫ, XIII, S. 194. 1006 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 176 f. 1007 Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 190; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 460; Tārīḫ, XIII, S. 196; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IV, S. 106. 1008 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 39; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 462; Tārīḫ, XIII, S. 197. 1009 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 49. 1010 Ebenda, S. 35. 1011 Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 462. 1012 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 34.

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Sufyān b. ʿUyayna sagte, dass Musʿir b. Kidām (gest. 155/772) der Erste war, der ihn schon in jungen Jahren zu den damaligen führenden Gelehrten zählte. Auf die Aussage Ibn ʿUyaynas „Ich bin noch sehr jung“ hin erwiderte Musʿir ihm mit den Worten: „Wahrlich sind Zuhrī [gest. 124/742] und ʿAmr b. Dīnār [gest. 126/744] mit dir“1013 und wies somit darauf hin, dass er nun auch als eine junge religiöse Autorität anerkannt werden sollte. Noch bevor er sein 20. Lebensjahr vollendet hatte, ging Sufyān b. ʿUyayna nach Kūfa und befand sich in wissenschaftlichen Diskursen mit dem Imam der Ahlu r-­Raʾy Irak-­Schule Abū Ḥanīfa (gest. 150/767). Sufyān b. ʿUyayna formuliert dies mit eigenen Worten wie folgt: „Bevor ich mein zwanzigstes Lebensjahr vollendete, betrat ich Kūfa. Abū Ḥanīfa sagte seinen Gefährten und der Bevölkerung von Kūfa: ‚Zu euch kam jener, der ʿAmr b. Dīnārs Wissensgut memorierte.‘ Die Leute kamen zu mir, um mich über ʿAmr b. Dīnār zu befragen. Der Erste, der mich als Hadith-­Gelehrter anerkannte, war Abū Ḥanīfa. Ich befand mich mit ihm in wissenschaftlichen Diskursen. Er sagte mir: ‚Mein Söhnchen! Ich hörte nur drei Hadithe von ʿAmr. Man ist dazu verpflichtet, seine Hadithe auswendig zu lernen.‘“1014

Auch in der Überlieferung von Ṣaymarī (gest. 436/1044) sind parallele Aussagen zu finden. Demnach sagte Ibn ʿUyayna: „Der Erste, der mich für Hadith-­Tradierungen vor sich setzte, war Abū Ḥanīfa. Als ich nach Kūfa kam, sagte Abū Ḥanīfa seinen Gefährten: ‚Dieser junge Mann ist jener, der ʿAmr b. Dīnār am besten kennt.‘ Daraufhin versammelten sich die dortigen Hadith-­Gelehrten um mich herum, um mich nach den Hadithen ʿAmr b. Dīnārs zu fragen.“1015

Diese Ibn ʿUyayna von den damals bekannten Gelehrten Musʿir b. Kidām und Abū Ḥanīfa erwiesene Anerkennung wurde zu einem Wendepunkt in seinem Leben. Obwohl er erst um die 20 Jahre alt war, wurde er bereits zu einer ernstzunehmenden jungen religiösen Autorität. Der basrische Hadith-­Kritiker ʿAlī b. al-­Madīnī (gest. 234/849) erwähnte, dass Sufyān b. ʿUyayna im Jahre 107 n. H. geboren wurde und dass fünf Jahre vor dem Tod des kūfischen Gelehrten al-­Aʿmaš im Jahre 142 n. H. von Ibn ʿUyayna, der damals 35 Jahre alt war, Hadithe geschrieben wurden.1016 Abū

1013 Buḫārī, at-­Tārīḫ, IV, S. 94; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, Beirut, IX, S. 176; Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 188; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 460; Tārīḫ, XIII, S. 194; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IV, S. 105. 1014 Ibn Ḫallikān, Wafayāt, II, S. 393; siehe auch Fasawī, al-­Maʿrifa, I, S. 59; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 183. 1015 Ṣaymarī, Aḫbāru Abī Ḥanīfa, S. 82. 1016 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 175; Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 188; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IV, S. 105.

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Muʿāwiya aḍ-­Ḍarīr (gest. 195/810) bestätigte durch die Aussage „Wir verließen die Lehrsitzung von al-­Aʿmaš und begaben uns zur Lehrsitzung von Ibn ʿUyayna.“1017, dass bereits zu Lebzeiten von al-­Aʿmaš Hadithe von Ibn ʿUyayna erworben wurden. Der kūfische Hadith-­Wissenschaftler Wakīʿ b. Ǧarrāḥ (gest. 197/812) sagte: „Wir schrieben Hadithe von Sufyān b. ʿUyayna und al-­Aʿmaš. Qays verwendete für die Hadithe, die er von Sufyān erlangte, die Formulierung: ‚ḥaddaṯanā Abū Muḥammad al-­ Hilālī = Abū Muḥammad al-­Hilālī überlieferte uns.‘“1018

Wakīʿ betonte mit den Worten „Zu Zeiten von al-­Aʿmaš schrieben wir Hadithe von Ibn ʿUyayna“1019, dass dieser schon im jungen Alter eine angesehene religiöse Autorität war. Gemäß den Mitteilungen von Fasawī (gest. 277/890) sagte Wakīʿ b. Ǧarrāḥ: „Al-­Aʿmaš ist im Jahre 148 gestorben. Wir schrieben ein Jahr vor dem Tod von al-­Aʿmaš Hadithe von Ibn ʿUyayna. Ibn ʿUyayna war zu den Zeiten, als wir von ihm Hadithe schrieben, vierzig Jahre alt.“1020

Laut der Überlieferung von Rāzī (gest. 327/938) sagte Wakīʿ b. Ǧarrāḥ: „Wir schrieben im Jahre 146 Hadithe von Ibn ʿUyayna, als al-­Aʿmaš noch am Leben war.“1021 Nach dieser Überlieferung versteht es sich, dass Ibn ʿUyayna zu jener Zeit 39 oder 40 Jahre alt war. Wie überliefert wurde, begannen die Menschen in Kūfa in der Lehrsitzung von Abū Ḥanīfa Hadithe von Ibn ʿUyayna zu schreiben, als er 20 Jahre alt war. Ibn ʿUyaynas Popularität verbreitete sich allmählich in den Wissenschaftskreisen, das Lernen von ihm hielt in den folgenden Jahren an, und er befand sich im Wissensaustausch mit den anderen bekannten Autoritäten seiner Zeit. So erwähnte ʿAbdullāh b. Dāwūd, dass Sufyān b. ʿUyayna zu Lebzeiten von al-­Aʿmaš (gest. 148/765) nach Kūfa kam und in der Lehrsitzung von al-­Aʿmaš 50 Hadithe überlieferte. Dazu sagte er: „Al-­Aʿmaš trug Sufyān einen Hadith vor und Sufyān trug al-­Aʿmaš einen Hadith vor. Al-­ Aʿmaš sagte zu Sufyān: ‚Auf dem Markt ist eine festliche Stimmung aufgekommen und die Menschen sind mit zwei Personen anstatt einer zufrieden.‘“1022

1017 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 50. 1018 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 176. 1019 Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 458. 1020 Fasawī, al-­Maʿrifa, I, S. 14. 1021 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 50. 1022 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 175.

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Außerdem wird in den Quellen auch erwähnt, dass al-­Aʿmaš Ibn ʿUyayna nach einigen Hadithen fragte.1023 Sufyān b. ʿUyayna, der nach eigenen Worten in den Jahren 150 n. H. und 152 n. H. im Alter von etwa 40 Jahren in den Jemen ging, erwähnte, dass der berühmte jemenitische Gelehrte Maʿmar b. Rāšid (153/770) zu dieser Zeit noch am Leben war.1024 Auf dieser Reise in den Jemen traf Sufyān einige Gelehrte und führte mit ihnen wissenschaftliche Diskurse. Nach den Angaben von Ḏahabī traf er sich auch mit dem Fürsten des Jemen Maʿn b. Zāʾida und predigte ihm.1025 Einer der Orte, die er auf seiner Reise in den Jemen besuchte, um Wissen zu erlangen, war die heutige jemenitische Großstadt Aden. Ibn ʿUyayna, der das Desinteresse der Bevölkerung von Aden an der Wissenschaft und den Wissenschaftlern beklagte, sagte: „Ich betrat die Stadt Aden und niemand fragte mich etwas.“1026 Dennoch sagte er über al-­Ḥakam b. Abān, den er unter den Gelehrten in Aden am meisten mochte: „Ich kam in Aden an und sah dort keinen wie al-­ Ḥakam b. Abān.“1027 Aus den Quellen ist zu ersehen, dass Ibn ʿUyayna, obwohl er durch seinen Aufenthalt in Mekka die Gelegenheit hatte, insbesondere zu Pilgerzeiten viele Gelehrte anzutreffen, stets sein Wissensrepertoire durch Bildungsreisen in die unterschiedlichen Wissenschaftszentren der damaligen Zeit steigerte und aktualisierte.

2.2.6 Seine Lehrer und Schüler In diesem Kapitel werden zuerst die Namen der Lehrer und Schüler von Ibn ʿUyayna chronologisch aufgeführt, und es wird zudem über jene Wissenschaftler informiert, die am meisten zur Ausbildung von Ibn ʿUyayna beitrugen. Darauffolgend werden diejenigen Schüler von Ibn ʿUyayna behandelt, die ihm sehr nahestanden, von ihm am meisten profitierten und die die folgenden Generationen am stärksten prägten. Danach widmet sich die Untersuchung denjenigen Schülern und Lehrern sowie deren Gemeinsamkeiten und Unterschiede, die am meisten dazu beitrugen, dass die beiden im Fokus dieser Arbeit stehenden Persönlichkeiten zu wissenschaftlichen Autoritäten wurden.

1023 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 311; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 175. 1024 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, V, S. 497. 1025 Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 459; Taḏkiratu l-­Ḥuffāẓ, I, S. 193; Tārīḫ, XIII, S. 193. 1026 Fasawī, al-­Maʿrifa, II, S. 83. 1027 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 49.

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2.2.6.1 Lehrer Sufyān b. ʿUyayna, ein Gelehrter der Tābiʿu t-­Tābiʿīn, hatte die Möglichkeit, von annähernd 80 führenden Gelehrten der Tābiʿūn zu profitieren.1028 Im Folgenden wird eine differenzierte Darstellung von Ibn Šihāb az-­Zuhrī und ʿAmr b. Dīnār, die den größten Beitrag zu seiner Ausbildung leisteten, gegeben. Zudem werden, um den Rahmen dieser Arbeit nicht zu sprengen, von manchen weiteren Gelehrten, bei denen festgestellt wurde, dass Sufyān von ihnen profitierte, nur die Namen chronologisch erwähnt. Die umfangreichste Liste der Lehrer und Schüler von Sufyān b. ʿUyayna lieferte uns Mizzī (gest. 742/1341).1029 1. Ibn Šihāb az-­Zuhrī (gest. 124/742): Sein vollkommener Name lautet Abū Bakr Muḥammad b. Muslim b. ʿUbaydillāh b. ʿAbdillāh b. Šihāb b. ʿAbdillāh b. al-­Ḥāriṯ b. Zuhra b. Kilāb b. Murra al-­Qurašī az-­Zuhrī. Er war ein bekannter Hadith- und Fiqh-­Wissenschaftler des Ḥiǧāz-­Gebiets und überdies ein Tābiʿūn-­ Gelehrter. Einige Gelehrte, von denen er Wissen erwarb, waren: ʿAbdullāh b. ʿUmar b. al-­Ḫaṭṭāb (gest. 73/693), Ǧābir b. ʿAbdillāh (gest.78/697) und Anas b. Mālik (gest. 93/712); diese waren auch Gefährten des Propheten. Des Weiteren sind Abū Salama b. ʿAbdirraḥmān b. ʿAwf, ʿUbaydullāh b. ʿAbdillāh b. ʿUtba, Abū Bakr b. ʿAbdirraḥmān, Saʿīd b. Musayyab, Sulaymān b. Yasār, ʿUrwa b. az-­Zubayr und Ḫāriǧa b. Zayd zu erwähnen, die die „Fuqahāʾu s-­Sabʿa = sieben medinensischen Fiqh-­Gelehrten“ bildeten. Außerdem erwarb Ibn Šihāb noch Wissen von einigen anderen bekannten Gelehrten, wie Abu ṭ-­Ṭufayl, Ḥasan b. Muḥammad b. Ḥanafiyya und ʿAṭāʾ b. Abī Rabāḥ. Einige seiner Schüler waren: ʿAṭāʾ b. Abī Rabāḥ, ʿUmar b. ʿAbdilʿazīz, ʿAmr b. Dīnār, Sāliḥ b. Kaysān, Yaḥyā b. Saʿīd al-­Anṣārī, Ayyūb as-­Saḫtiyānī, ʿAbdullāh b. Muslim az-­Zuhrī, al-­Awzāʿī, Ibn Ǧurayǧ, Muḥammad b. al-­Munkadir, Manṣūr b. al-­Muʿtamir, Hišām b. ʿUrwa, Mālik b. Anas, Maʿmar und Ibn Abī Ḏiʾb.1030 Über seine Zuverlässigkeit sind sich die Autoritäten einig. In dieser Hinsicht formulierte Ibn Saʿd, dass er ein ṯiqa Tradierer gewesen sei, darüber hinaus über viele Hadithe, großes Wissen und zahlreiche Überlieferungen verfügte und auch ein mit reichlichem Wissensgut ausgestatteter Fiqh-­Wissenschaftler

1028 Abū Nuʿaym, Ḥilya,VII, S. 307; Ḫaṭīb Baġdādī, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 174 f.; Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 178–183; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IV, S. 104 f. 1029 Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 178–188. 1030 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, IX, S. 158 f.; Buḫārī, at-­Tārīḫ, I, S. 220 f.; Ibn Abī Ḥātim, al-­ Ǧarḥ, VIII, S. 71 f.; Mizzī, Tahḏīb, XXVI, S. 419–431; Ḏahabī, Siyar, V, S. 326 ff.; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IX, S. 395 f.

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war.1031 Nach al-ʿIǧlīs Meinung war er ṯiqa.1032 Ibn Ḥibbān erwähnte ihn in seinem Buch aṯ-­Ṯiqāt als den besten Ḥāfiẓ seiner Zeit, als den besten im Bereich der Darlegung der überlieferten Schriften und als einen Faqīh und tugendhaften Menschen.1033 Seine Tradierungen nahmen einen Platz in den kanonischen Hadith-­Werken ein. Es wird überliefert, dass Zuhrī ein ausgeprägtes Gedächtnis besaß und den kompletten Koran innerhalb von 80 Tagen auswendig lernte.1034 Er sagte, dass er nie einen Hadith, den er einmal zu hören bekam, wiederholen ließ; niemals bei einem seiner Hadithe, mit Ausnahme von einem, in Zweifel geriet und letztendlich bei seinen Untersuchungen feststellte, dass dieser genau so geschrieben stand, wie er in seinem Gedächtnis vorhanden war.1035 In diesem Zusammenhang sagte er: „Es kam niemals vor, dass ich etwas auswendig lernte und mein Gedächtnis mich betrog.“1036 Er erwarb acht oder zehn Jahre Wissen von Saʿīd b. Musayyab, dem Schüler von Zayd b. Ṯābit, einem der drei Gelehrten unter den Prophetengefährten, die einen eigenen Lehrkreis besaßen.1037 Diejenigen Personen, die die Aussagen der Fuqahāʾu s-­Sabʿa, die als Schüler Zayd b. Ṯābits gelten, am besten beherrschen, sind erst Zuhrī, dann Mālik (gest. 179/795) und anschließend ʿAbdurraḥmān b. Mahdī (gest. 198/813–14).1038 Zuhrī, der sich in das von Zayd b. Ṯābit vermittelte medinensische Gedankengut vertiefte, bemühte sich fortwährend, seinen Wissensschatz durch das Erwerben des Gedankenguts verschiedener Wissenschaftszentren zu erweitern. In diesem Zusammenhang sagte er, dass er für das Sammeln von Hadithen 45 Jahre lang zwischen Šām und Ḥiǧāz hin- und hergereist sei.1039 Der basrische Hadith-­Gelehrte ʿAlī b. al-­Madīnī (gest. 234/849) sagte, dass sich das Wissen von zuverlässigen Gelehrten in Ḥiǧāz um Zuhrī und ʿAmr b. Dīnār, in

1031 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, IX, S. 187. 1032 Al-ʿIǧlī, Maʿrifa, II, S. 253. 1033 Ibn Ḥibbān, aṯ-­Ṯiqāt, V, S. 349. 1034 Buḫārī, at-­Tārīḫ, I, S. 221; Ḏahabī, Siyar, V, S. 332. 1035 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, IX, S. 167; Mizzī, Tahḏīb, XXVI, S. 435; Ḏahabī, Siyar, V, S. 333, 344; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IX, S. 397. 1036 Buḫārī, at-­Tārīḫ, I, S. 221. 1037 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, IX, S. 166, 172; Mizzī, Tahḏīb, XXVI, S. 433; Ḏahabī, Siyar, V, S. 332. 1038 Fasawī, al-­Maʿrifa, I, S. 404; Ḫaṭīb Baġdādī, Tārīḫu Baġdād, X, S. 242 f.; Ḏahabī, Siyar, IX, S. 202. 1039 Ḏahabī, Siyar, V, S. 335.

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Basra um Qatāda und Yaḥyā b. Abī Kaṯīr und in Kūfa um Abū Isḥāq und al-­Aʿmaš drehe. Bezüglich Zuhrī sagte er: „Er verfügt über etwa zweitausend Hadithe.“1040 Laut Abū Ḥātim war Zuhrī der zuverlässigste der Gefährten von Anas b. Mālik (gest. 93/711–12), der einer der sich in Basra niederlassenden bedeutenden Prophetengefährten war.1041 Der Lehrer des syrischen Juristen al-­Awzāʿī Makḥūl verwies auf sein Wissensgut, indem er ausdrückte, dass es nunmehr keinen auf Erden gäbe, der die Sunna-­ Sammlung der vorhergehenden Generationen besser kenne als Ibn Šihāb.1042 Dies zeigt ebenfalls, dass Zuhrī auch im syrischen Wissenschaftszentrum anerkannt war. Imam Mālik sagte über Zuhrī, der auch in Ḥiǧāz ein großes Ansehen genoss: „Es ist [von den Gelehrten] nur noch Ibn Šihāb übrig. Ihm ist auf Erden keiner ebenbürtig.“1043 Aḥmad b. Ḥanbal sagte: „Zuhrī ist aus Sicht der Hadith-­Wissenschaft der beste und aus Sicht der Überliefererkette der solideste unter den Menschen.“1044 Sufyān b. ʿUyayna sagte über einen seiner wichtigsten Lehrer Zuhrī: „Zuhrī war der größte Gelehrte der Ahlu l-­Madīna.“1045 Zweifellos war sein größter Beitrag für die Hadith-­Wissenschaft die Sammlung und Niederschrift von Hadithen, die in ungeordneten Schriftstücken und Gedanken enthalten waren. Dies geschah auf Befehl des 8. umayyadischen Kalifen ʿUmar b. ʿAbdilʿazīz (gest. 101/719), der sich aufgrund seiner Gerechtigkeit von den anderen umayyadischen Kalifen abhob. Dass er die Niederschrift von Hadithen in die Wege leitete, wurde zu einem Wendepunkt in der Hadith-­Wissenschaft. In diesem Zusammenhang sagte Zuhrī: „Bevor ich dieses ʿIlm niedergeschrieben habe, hat niemand es vor mir niedergeschrieben.“1046 Dies zeigt, dass ihm eine Pionierrolle bei den Niederschreibungsarbeiten zukam. Auch Imam Mālik b. Anas (gest. 179/795) konstatierte, dass Zuhrī „Awwalu man dawwana l-ʿIlm = Der Erste, der das ʿIlm niedergeschrieben hat“ war.1047 Außerdem sagte ʿUmar b. ʿAbdilʿazīz über ihn:

1040 Mizzī, Tahḏīb, XXVI, S. 431; Ḏahabī, Siyar, V, S. 328, 345; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IX, S. 396. 1041 Ḏahabī, Siyar, V, S. 335. 1042 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, IX, S. 179; Mizzī, Tahḏīb, XXVI, S. 436; Ḏahabī, Siyar, V, S. 336; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IX, S. 397. 1043 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, VIII, S. 72. 1044 Ḏahabī, Siyar, V, S. 335. 1045 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, VIII, S. 74; Ḏahabī, Siyar, V, S. 334. 1046 Kattānī, ar-­Risālatu l-­Mustaṭrafa, S. 4. 1047 Ibn ʿAbdilbarr, Ǧāmiʿu Bayān,  I, S.  76; Abū Nuaym, Ḥilya,  III, S.  363; Ḏahabī, Siyar, V, S. 334.

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„Für euch ist Ibn Šihāb notwendig. Haltet euch an ihn! Wahrlich werdet ihr keinen treffen, der die Sunna-­Sammlung der vorhergehenden Generationen besser kennt als er.“1048

Zuhrī, der das Vertrauen nahezu aller Wissenschaftskreise gewann, bildete das gemeinsame Kettenglied der vertrauenswürdigsten Überliefererketten (Aṣaḥḥu l-­Asānīd): ʿAlī b. Abī Ṭālib => Ḥusayn b. ʿAlī => ʿAlī b. Ḥusayn => Zuhrī; Ibn ʿAbbās => ʿUbaydullāh b. ʿAbdillāh b. ʿUtba => Zuhrī.1049 Gemäß den Quellen vertiefte sich Zuhrī in das medinensische Wissenserbe, welches über Zayd b. Ṯābit kam.1050 Somit wurde er zum ersten der drei Persönlichkeiten, die das Wissensrepertoire dieser Region am besten kannten. Sein Wissenserwerb von ʿAṭāʾ b. Abī Rabāḥ, dem Schüler des Ibn ʿAbbās, zeigt, dass er ebenfalls nicht arm an mekkanischem Gedankengut war. Seine jahrelangen Reisen nach Syrien hatten zur Folge, dass er in einem nicht zu unterschätzenden Maße von dem Wissensgut dieses Gebiets profitierte. Ibn ʿUyayna wurde über seinen Lehrer Zuhrī vor allem mit dem Gedankengut Mekkas und Medinas und anderer bekannten Wissenschaftszentren seiner Zeit vertraut. In dieser Hinsicht hatte Zuhrī einen großen Einfluss auf die Ausbildung von Ibn ʿUyayna. 2. ʿAmr b. Dīnār (gest. 126/744): Sein vollständiger Name lautet Abū Muḥammad al-­Aṯram al-­Makkī al-­Ǧumaḥī. ʿAmr b. Dīnār erwarb Hadithe von der Ṣaḥāba, vor allem von der ʿAbādila1051 und von ʿAlī b. Abī Ṭālib, Ǧābir b. ʿAbdillāh, Abū Hurayra, Barāʾ b. ʿĀzib und ebenso von Tābiʿūn-­Gelehrten wie Saʿīd b. Musayyab, Saʿīd b. Ǧubayr, Ṭāwūs, Muǧāhid, ʿIkrima, Wahb b. Munabbih, ʿAṭāʾ b. Abī Rabāḥ, ʿAṭāʾ b. Yasār und Sālim b. ʿAbdillāh. Viele Gelehrte wie Ibn Ǧurayǧ, Ǧaʿfar aṣ-­Ṣādiq, Qatāda, Zuhrī, Ayyūb as-­Saḫtiyānī, Mālik, Šuʿba, Ḥammād b. Zayd und Ḥammād b. Salama (die

1048 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, VIII, S. 72; Ḏahabī, Siyar, V, S. 336. 1049 Mizzī, Tahḏīb, XXVI, S. 435; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IX, S. 397. 1050 Fasawī, al-­Maʿrifa, I, S. 404; Ḏahabī, Siyar, II, S. 438, IV, S. 55. 1051 Die vier Prophetengefährten (Ṣaḥāba), die für ihre umfangreiche Fiqh-­Kultur und für ihre Rechtsauskünfte berühmt waren: ʿAbdullāh b. ʿAbbās, ʿAbdullāh b. ʿUmar, ʿAbdullāh b. Zubayr und ʿAbdullāh b. ʿAmr b. ʿĀṣ. Der Grund dafür, dass ʿAbdullāh b. Masʿūd nicht zur ʿAbādila gezählt wird, ist, dass er sehr früh verstorben und der Begriff „ʿAbādila“ erst nach seinem Tod entstanden ist. Nichtsdestotrotz werden ʿAbdullāh b. Masʿūd, ʿAbdullāh b. ʿUmar und ʿAbdullāh b. ʿAbbās in den hanafitischen Quellen zur ʿAbādila gezählt; vgl. Küçük, Raşit, Abâdile, DİA, İstanbul 1988, I, S. 7.

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Ḥammādayn), Sulaymān b. Kaṯīr, Sufyān b. ʿUyayna und Sufyān aṯ-­Ṯawrī tradierten Hadithe von ihm.1052 Die Hadith-­Kritiker sind sich über die Zuverlässigkeit ʿAmr b. Dīnārs einig. Auch nach Ibn Saʿd1053, al-ʿIǧlī1054, Nasāʾī, Abū Zurʿa und Abū Ḥātim ist er ṯiqa.1055 Ḏahabī unterstrich, dass Behauptungen, er sei Schiit gewesen, nicht zutreffend seien.1056 Ibn Ḥibbān erwähnte ihn in seinem aṯ-­Ṯiqāt.1057 In der Kutubu Sitta fanden seine Tradierungen ihren Platz. Es lässt sich erkennen, dass das dreijährige Lernen des 16-jährigen Ibn ʿUyayna von ʿAmr b. Dīnār zwar quantitativ gering, qualitativ aber sehr umfangreich war. Er persönlich verglich diese drei Jahre mit der Dauer des Verbleibs des Propheten Noah in seinem Volk (950 Jahre).1058 Deshalb ist ʿAmr b. Dīnār der Lehrer, von dem Ibn ʿUyayna am meisten profitierte, und dieser wiederum derjenige Schüler von ʿAmr b. Dīnār, der am meisten von ihm tradierte.1059 Sufyān b. ʿUyayna erwähnte, dass er es vorziehen würde, einen Hadith von ʿAmr b. Dīnār zu hören anstatt zwanzig andere Hadithe von jemand anderem. Er drückte sein Erstaunen über ihn so aus: „ʿAmr b. Dīnār ist eine Persönlichkeit, die ‚ṯiqa, ṯiqa, ṯiqa‘ ist“1060; „ʿAmr b. Dīnār war der größte Gelehrte der Ahlu l-­Makka“1061; „ʿAmr b. Dīnār, was für ein solider Gelehrter!“1062

Außerdem steht in den Quellen, dass er über seinen Lehrer Folgendes sagte: „Es gibt wahrlich keinen unter uns, der ein besserer Faqīh, ein besserer ʿᾹlim und ein besserer Ḥāfiẓ ist, als ʿAmr b. Dīnār.“1063

ʿAmr b. Dīnār ist derjenige Wissenschaftler, der das mekkanische Wissensgut der Schüler von Ibn ʿAbbās, eine der drei Personen, die unter den Prophe-

1052 Mizzī, Tahḏīb, XXII, S. 5–8; Ḏahabī, Siyar, V, S. 300 ff.; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, VIII, S. 26 f.; Uzunpostalcı, Amr b. Dînâr, S. 83. 1053 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, V, S. 480. 1054 Al-ʿIǧlī, Maʿrifa, II, S. 175. 1055 Mizzī, Tahḏīb, XXII, S. 11; Ḏahabī, Siyar, V, S. 304, 307; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, VIII, S. 27. 1056 Ḏahabī, Siyar, V, S. 302; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, VIII, S. 27. 1057 Ibn Ḥibbān, aṯ-­Ṯiqāt, V, S. 167. 1058 Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 190; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 460; Tārīḫ, XIII, S. 196; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IV, S. 106. 1059 Al-ʿIǧlī, Maʿrifa, II, S. 175. 1060 Mizzī, Tahḏīb, XXII, S. 10. 1061 Ebenda. 1062 Ḏahabī, Siyar, V, S. 303. 1063 Ḏahabī, Siyar, V, S. 303; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, VIII, S. 27.

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tengefährten einen Lehrkreis besaßen, am besten kannte. Diejenigen, die den Wissensvorrat ʿAmr b. Dīnārs am besten kannten, waren Sufyān b. ʿUyayna und Ibn Ǧurayǧ.1064 Ibn ʿUyayna sagte, dass ʿAṭāʾ b. Abī Rabāḥ (gest. 114/732) aus dem Schülerkreis des Ibn ʿAbbās gefragt wurde, wessen Linie sie nach ihm folgen sollten, worauf er mit „ʿAmr b. Dīnār“ antwortete. Dies zeigt, dass ʿAmr b. Dīnār nach dem Tod seines Lehrers ʿAṭāʾ dessen Stelle einnahm. Auch die Aussage von Aḥmad b. Ḥanbal (gest. 241/854): „Er ist der Solideste bezüglich des Wissensguts von ʿAṭāʾ b. Abī Rabāḥ“1065 unterstützte diese Ansicht über ʿAmr b. Dīnār. In den Quellen wird hervorgehoben, dass dieser seinen Kommilitonen überlegen war, sei es im Bereich „Fiqh“ oder „Hadith“. Beispielsweise sagten Gelehrte wie Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān und Aḥmad b. Ḥanbal über ihn: „ʿAmr ist solider als Qatāda.“ Auch Zuhrī sagte über ihn: „Ich sah keinen, der authentische Hadithe ausdrücklicher überlieferte als dieser Šayḫ.“1066 Im Bereich der Fiqh-­Wissenschaft ragte ʿAmr b. Dīnār heraus und erteilte 30 Jahre lang Rechtsauskünfte in Mekka.1067 Ibn Abī Naǧīḥ, der nach seinem Tod die Fatwā-­Stelle einnahm,1068 sagte: „Ich sah keinen besseren Faqīh als ʿAmr b. Dīnār. Weder ʿAṭāʾ noch Muǧāhid oder Ṭāwūs [waren besser als er].“ Auch Šuʿba sagte bezüglich seiner Zuverlässigkeit: „Ich sah keinen Solideren als ʿAmr b. Dīnār.“1069 Gemäß den Quellen profitierte Ibn ʿUyayna durch diesen Lehrer vom wissenschaftlichen Erbe der als ʿAbādila bekannten Fiqh-­Wissenschaftler. Nach ʿAmr b. Dīnār war Sufyān b. ʿUyayna eine der beiden Persönlichkeiten, die das mekkanische Wissensgut am besten beherrschten, welches über Ibn ʿAbbās kam. Da ʿAmr b. Dīnār darüber hinaus auch von Saʿīd b. Musayyab überlieferte, welcher im Lehrkreis von Zayd b. Ṯābit1070 tätig war, profitierte somit Ibn ʿUyayna durch seinen Lehrer auch vom medinensischen Wissensgut. 3. Ṣāliḥ b. Nabhān, Abū Muḥammad Ṣāliḥ b. Abī Ṣāliḥ Mawla t-­Tawʾama binti Umayya b. Ḫalaf al-­Madanī (gest. 125/743): Der gemeinsame Lehrer der Sufyānayn. Im Kapitel über Ṯawrīs Lehrer wurden bereits Informationen über diese Persönlichkeit gegeben. 1064 Fasawī, al-­Maʿrifa, I, S. 404; Ḏahabī, Siyar, II, S. 438, IV, S. 55. 1065 Mizzī, Tahḏīb, XXII, S. 10 f.; Ḏahabī, Siyar, V, S. 303 f.; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, VIII, S. 27. 1066 Mizzī, Tahḏīb, XXII, S. 10; Ḏahabī, Siyar, V, S. 304; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, VIII, S. 27. 1067 Ḏahabī, Siyar, V, S. 301. 1068 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, V, S. 480. 1069 Mizzī, Tahḏīb, XXII, S. 9; Ḏahabī, Siyar, V, S. 302; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, VIII, S. 27. 1070 Fasawī, al-­Maʿrifa wa t-­Tārīḫ, I, S. 404; Ḏahabī, Siyar, II, S. 438, IV, S. 55.

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4. ʿAbdulkarīm b. Mālik al-­Ǧazarī al-­Amawī Abū Saʿīd al-­Ḥarrānī (gest. 126–27/744–45): Sufyān b. ʿUyaynas erster Lehrer, dessen Lehrkreis er mit 15 Jahren besuchte. Er war ṯiqa gewesen und ein Gelehrter mit vielen Hadithen.1071 5. Abu z-­Zubayr Muḥammad b. Muslim al-­Asadī al-­Makkī (gest. 126/744)1072 6. ʿUbaydullāh b. Abī Yazīd al-­Makkī (gest. 126/744)1073 7. Saʿd b. Ibrāhīm b. ʿAbdirraḥmān b. ʿAwf Abū Isḥāq az-­Zuhrī Qādi l-­ Madīna al-­Madanī (gest. 126 oder 127/744 oder 745)1074 8. ʿAbdurraḥmān b. al-­Qāsim b. Muḥammad b. Abī Bakr aṣ-­Ṣiddīq at-­ Taymī Abū Muḥammad al-­Madanī (gest. 126 oder 131/744 oder 748)1075 9. Abū Isḥāq as-­Sabīʿī, ʿAmr b. ʿAbdillāh b. ʿAlī b. Aḥmad al-­Kūfī (127/745): Abū Isḥāq as-­Sabīʿī war ein gemeinsamer Lehrer der Sufyānayn. Das Kapitel über Ṯawrīs Lehrer beschäftigte sich bereits mit dieser Persönlichkeit. 10. ʿAbdullāh b. Dīnār Mawlā Ibn ʿUmar Abū ʿAbdirraḥmān al-ʿAdawī al-ʿUmarī al-­Madanī (gest. 127/745): Ein anderer gemeinsamer Lehrer der Sufyānayn. Im Kapitel über Ṯawrīs Lehrer wurde bereits Bezug auf diesen Gelehrten genommen. 11. ʿĀṣim b. Bahdala, Abū Bakr ʿĀṣim b. Abi n-­Naǧūd Bahdala al-­Asadī al-­Kūfī (gest. 127/745): Gemeinsamer Lehrer der Sufyānayn. Er wurde bereits im Kapitel über Ṯawrīs Lehrer behandelt. 12. Sālim b. Abī Umayya at-­ Tamīmī, Abu n-­ Naḍr al-­ Madanī (gest. 129/747)1076 13. ʿAlī b. Zayd b. Ǧudʿān at-­Taymī Abu l-­Ḥasan al-­Baṣrī (gest. 129 oder 131/747 oder 749)1077 14. ʿAbdulʿazīz b. Rāfīʿ (Rufayʿ) al-­Asadī Abū ʿAbdillāh al-­Makkī (gest. 130/748)1078 15. Abu z-­Zinād ʿAbdullāh b. Ḏakwān al-­Qurašī al-­Madanī (gest. 130/748): Gemeinsamer Lehrer der Sufyānayn. Das Kapitel über Ṯawrīs Lehrer beschäftigte sich bereits mit diesem Gelehrten. 1071 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, V, S. 497; Mizzī, Tahḏīb, XVIII, S. 252–258; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 464; Tārīḫ, XIII, S. 198; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, VI, S. 333 f. 1072 Ḏahabī, Siyar, V, S. 380–386. 1073 Mizzī, Tahḏīb, XIX, S. 178 f. 1074 Ḏahabī, Siyar, V, S. 418–421. 1075 Mizzī, Tahḏīb, XVII, S. 347–352. 1076 Mizzī, Tahḏīb, X, S. 127–130. 1077 Mizzī, Tahḏīb, XX, S. 434–445. 1078 Mizzī, Tahḏīb, XVIII, S. 134 ff.

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16. Ḥumayd b. Qays al-­Aʿraǧ al-­Makkī (gest. 130/748)1079 17. Muḥammad b. al-­Munkadir at-­Taymī al-­Madanī (gest. 131/748): Ebenfalls ein gemeinsamer Lehrer der Sufyānayn, der schon im Kapitel über Ṯawrīs Lehrer behandelt wurde. 18. Ayyūb as-­Saḫtiyānī, Abū Bakr Ayyūb b. Abī Tamīma Kaysān as-­ Saḫtiyānī al-­Baṣrī (gest. 131/748): Gemeinsamer Lehrer der Sufyānayn. Auch er wurde bereits im Kapitel über Ṯawrīs Lehrer genannt. 19. Muḥammad b. Ǧuḥāda al-­Awdī al-­Kūfī (gest. 131/749)1080 20. ʿAbdullāh b. Abī Naǧīḥ Yasār aṯ-­Ṯaqafī, Abū Yasār al-­Makkī (gest. 131–32/748–49)1081 21. Sumayy Mawlā Abī Bakr b. ʿAbdirraḥmān b. al-­Ḥāriṯ b. Hišām al-­ Maḫzūmī al-­Madanī (gest. 131 oder 135/749 oder 753)1082 22. ʿAbdullāh b. ʿUṯmān b. Ḥuṯaym al-­Qārī al-­Makkī (gest. 132/749)1083 23. Ṣafwān b. Sulaym Abū ʿAbdillāh al-­Madanī (gest. 132/750)1084 24. Ayyūb b. Mūsā b. ʿAmr b. Saʿīd Abū Mūsā al-­Makkī (gest. 132/750)1085 25. Ibrāhīm b. Maysara aṭ-­Ṭāʾifī (gest. 132/750)1086 26. Manṣūr b. al-­Muʿtamir b. ʿAbdillāh Abū ʿAttāb al-­Kūfī (gest. 132/750): Auch ein gemeinsamer Lehrer der Sufyānayn, der schon im Kapitel über Ṯawrīs Lehrer behandelt wurde. 27. Isḥāq b. ʿAbdillāh b. Abī Ṭalḥa al-­Ansārī al-­Madanī (gest. 132 oder 134/750 oder 752)1087 28. Yazīd b. Yazīd b. Ǧābir al-­Azdī ad-­Dimašqî (gest. 133–34/751–52)1088 29. ʿAbdullāh b. Ṭāwūs b. Kaysān al-­Yamānī (gest. 132/749)1089 30. Salama b. Dīnār al-­Aʿraǧ Abū Ḥāzim al-­Madanī (gest. 133 oder 135/750 oder 752)1090

1079 Mizzī, Tahḏīb, VII, S. 384–389. 1080 Mizzī, Tahḏīb, XXIV, S. 575–579. 1081 Mizzī, Tahḏīb, XVI, S. 215–219. 1082 Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IV, S. 209 f. 1083 Mizzī, Tahḏīb, XV, S. 279–282. 1084 Mizzī, Tahḏīb, XIII, S. 184–191; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IV, S. 373 f. 1085 Mizzī, Tahḏīb, III, S. 494–497. 1086 Mizzī, Tahḏīb, II, S. 221 ff. 1087 Ḏahabī, Siyar, VI, S. 33 f. 1088 Mizzī, Tahḏīb, XXXII, S. 273–280. 1089 Mizzī, Tahḏīb, XV, S. 130–133. 1090 Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 272–279.

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31. Abū ʿAbdirraḥmān Muṭarrif b. Ṭarīf al-­Ḥāriṯī al-­Kūfī (gest. 133 oder 141–42/751 oder 758–59)1091 32. Ismāʿīl b. Muḥammad b. Saʿd b. Abī Waqqāṣ Abū Muḥammad al-­ Madanī (gest. 134/752)1092 33. ʿAbdullāh b. Abī Bakr b. Muḥammad b. ʿAmr b. Ḥazm al-­Ansārī Abū Muḥammad al-­Madanī (gest. 135/752)1093 34. Burd b. Sinān aš-­Šāmī Abu l-ʿAlāʾ ad-­Dimašqī (gest. 135/752)1094 35. Ziyād b. ʿAlāqa (ʿIlāqa) b. Mālik aṯ-­Ṯaʿlabī Abū Mālik al-­Kūfī (gest. 135/753)1095 36. ʿAbdulmalik b. ʿUmayr b. Suwayd b. Ḥāriṯa al-­Qurašī al-­Laḫmī al-­Qibtī al-­Kūfī (gest. 136/753): Ebenfalls ein gemeinsamer Lehrer der Sufyānayn, der im Kapitel über Ṯawrīs Lehrer Berücksichtigung fand. 37. Zayd b. Aslam al-ʿAdawī Abū Usāma al-­Madanī (gest. 136/754)1096 38. ʿAtāʾ b. as-­Sāʾib b. Mālik al-­Kūfī (gest. 137/754)1097 39. Yazīd b. Abī Ziyād al-­Qurašī al-­Hāšimī Abū ʿAbdillāh al-­Kūfī (gest. 137/755)1098 40. Manṣūr b. ʿAbdirraḥmān b. Ṭalḥa b. al-­Ḥāriṯ b. Ṭalḥa b. Abī Ṭalḥa b. ʿAbdilʿuzzā b. ʿUṯmān b. ʿAbdiddār b. Qaṣṣī al-­Qurašī al-ʿAbdī al- Ḥaǧbî al-­ Makkī (gest. 137 oder 138/754 oder 755)1099 41. Sulaymān b. Abī Sulaymān Abū Isḥāq aš-­Šaybānī al-­Kūfī (gest. 138 oder 142/755 oder 759)1100 42. Al-ʿAlāʾ b. ʿAbdirraḥmān b. Yaʿqūb al-­Ḥaraqī Abū Šibl al-­Madanī (gest. 138/755): Auch ein gemeinsamer Lehrer der Sufyānayn, der bereits im Kapitel über Ṯawrīs Lehrer erwähnt wurde. 43. Ismāʿīl b. Umayya b. ʿAmr al-­Amawī al-­Makkī (gest. 139/756)1101 44. Ṣāliḥ b. Kaysān al-­Madanī (gest. 140/757)1102

1091 Mizzī, Tahḏīb, XXVIII, S. 62–67 1092 Mizzī, Tahḏīb, III, S. 189–193. 1093 Mizzī, Tahḏīb, XIV, S. 349–352. 1094 Mizzī, Tahḏīb, IV, S. 43–46. 1095 Mizzī, Tahḏīb, IX, S. 498 ff. 1096 Mizzī, Tahḏīb, X, S. 12–18. 1097 Mizzī, Tahḏīb, XX, S. 86–94. 1098 Mizzī, Tahḏīb, XXXII, S. 135–140. 1099 Mizzī, Tahḏīb, XXVIII, S. 538 ff. 1100 Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 444–448. 1101 Mizzī, Tahḏīb, III, S. 45–49. 1102 Mizzī, Tahḏīb, XIII, S. 79–84.

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45. Sālim b. Abī Ḥafṣa al-ʿIǧlī Abū Yūnus al-­Kūfī (gest. 140/757)1103 46. Mūsā b. ʿUqba b. Abī ʿAyyaš al-­Asadī al-­Madanī (gest. 141/758)1104 47. ʿĀṣim b. Sulaymān al-­ Aḥwal Abū ʿAbdirraḥmān al-­Baṣrī (gest. 142/759): Ein weiterer gemeinsamer Lehrer der Sufyānayn, der im Kapitel über Ṯawrīs Lehrer besprochen wurde. 48. Ḥumayd b. Abī Ḥumayd Abū ʿUbayda aṭ-­Ṭawīl al-­Ḫuzāʿī al-­Baṣrī (gest. 142/759): Auch ein gemeinsamer Lehrer der Sufyānayn und ebenfalls Gegenstand der Beschäftigung im Kapitel über Ṯawrīs Lehrer. 49. Yaḥyā b. Saʿīd b. Qays al-­Ansārī al-­Madanī (gest. 143/760): Noch ein gemeinsamer Lehrer der Sufyānayn, über den ebenfalls Einzelheiten im Kapitel über Ṯawrīs Lehrer zu finden sind. 50. Sulaymān b. Ṭarḫān at-­Taymī al-­Baṣrī (143/760): Wieder ein gemeinsamer Lehrer der Sufyānayn. Auch mit dieser Persönlichkeit beschäftigte sich das Kapitel über Ṯawrīs Lehrer. 51. Muḥammad b. ʿAmr b. ʿAlqama b. Waqqāṣ al-­Layṯī Abū ʿAbdillāh al-­ Madanī (gest. 144/761)1105 52. Hišām b. ʿUrwa b. az-­Zubayr b. al-ʿAwwām al-­Asadī al-­Madanī (gest. 145 oder 146/762 oder 763)1106 53. Ismāʿīl b. Ḫālid al-­Baǧalī al-­Aḥmasī Abū ʿAbdillāh al-­Kūfī (gest. 146/763)1107 54. ʿUbaydullāh b. ʿUmar b. Ḥafṣ al-ʿAdawī al-ʿUmarī Abū ʿUṯmān al-­ Madanī (gest. 147/764)1108 55. Al-­Aʿmaš, Sulaymān b. Mihrān Abū Muḥammad al-­Kūfī (gest. 148/765): Ebenfalls ein gemeinsamer Lehrer der Sufyānayn, der bereits im Kapitel über Ṯawrīs Lehrer behandelt wurde. 56. Ibn ʿAǧlān, Muḥammad b. ʿAǧlān al-­Qurašī Abū ʿAbdillāh al-­Madanī (gest. 148 oder 149/765 oder 766)1109 57. Zakariyyā b. Abī Zāʾida Ḫālid b. Maymūn Abū Yaḥyā al-­Kūfī (gest. 148 oder 149/765 oder 766)1110

1103 Mizzī, Tahḏīb, X, S. 133–138. 1104 Mizzī, Tahḏīb, XXIX, S. 115–122. 1105 Mizzī, Tahḏīb, XXVI, S. 212–218. 1106 Mizzī, Tahḏīb, XXX, S. 232–242. 1107 Mizzī, Tahḏīb, III, S. 69–76. 1108 Mizzī, Tahḏīb, XIX, S. 124–130. 1109 Mizzī, Tahḏīb, XXVI, S. 101–108. 1110 Mizzī, Tahḏīb, IX, S. 359–363.

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58. Ibn Abī Laylā, Muḥammad b. ʿAbdirraḥmān b. Abī Laylā al-­Ansārī Abū ʿAbdirraḥmān al-­Kūfī (gest. 148/765): Ein anderer gemeinsamer Lehrer der Suf­ yānayn und gleichfalls Gegenstand der Beschäftigung im Kapitel über Ṯawrīs Lehrer. 59. Ibn Ǧurayǧ, Abu l-­Walīd ʿAbdulmalik b. Abdilʿazīz al-­Makkī (gest. 150/767): Ebenfalls ein gemeinsamer Lehrer der Sufyānayn, der im Kapitel über Ṯawrīs Lehrer besprochen wurde. 60. Al-­Walīd b. Kaṯīr al-­Maḫzūmī Abū Muḥammad al-­Madanī (gest. 151/768)1111 61. Ṣāliḥ b. Ṣāliḥ b. Ḥayy al-­Kūfī (gest. 153/770)1112 62. Musʿir b. Kidām al-­Hilalī Abū Salama al-­Kūfī (gest. 155/772)1113 63. Al-­Awzāʿī, ʿAbdurraḥmān b. ʿAmr b. Yuḥmid Abū ʿAmr ad-­Dimašqî (gest. 157/774)1114 64. Šuʿba b. al-­Ḥaǧǧāǧ b. al-­Ward Abū Bisṭām al-­Wasiṭī al-­Baṣrī (gest. 160/776): Ebenso ein gemeinsamer Lehrer der Sufyānayn. Auch von ihm handelt das Kapitel über Ṯawrīs Lehrer. 65. Sufyān b. Saʿīd b. Masrūq aṯ-­Ṯawrī Abū ʿAbdillāh al-­Kūfī (gest. 161/777) 66. Zāʾida b. Qudāma aṯ-­Ṯaqafī Abū ṣ-­Ṣalt al-­Kūfī (gest. 161/778)1115 Ibn ʿUyaynas weitere Lehrer, deren Todesdaten sich nicht feststellen ließen, werden hier nicht erwähnt.

2.2.6.2 Allgemeine Beurteilung der Lehrer von Sufyān b. ʿUyayna Die nach den Wissenschaftszentren vorgenommene Aufteilung der genannten 66 Lehrer Sufyān b. ʿUyaynas stellt sich wie folgt dar: Seine medinensischen Lehrer (24) 1. Ibn Šihāb az-­Zuhrī (gest. 124/742) 2. Ṣāliḥ b. Nabhān (gest. 125/743) 3. Saʿd b. Ibrāhīm b. ʿAbdirraḥmān (gest. 126–127/744–745) 4. ʿAbdurraḥmān b. al-­Qāsim b. Muḥammad (gest. 126 oder 131/744 oder 748) 5. ʿAbdullāh b. Dīnār (gest. 127/745) 6. Sālim b. Abī Umayya (gest. 129/747) 7. Abu z-­Zinād (gest. 130/748) 8. Muḥammad b. al-­Munkadir (gest. 131/748) 9. Sumayy Mawlā Abī Bakr b. ʿAbdirraḥmān (gest. 131 oder 135/749 oder 753) 10. Ṣafwān b. Sulaym (gest. 132/750)

1111 Mizzī, Tahḏīb, XXXI, S. 73 ff. 1112 Mizzī, Tahḏīb, XIII, S. 54 ff.; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IV, S. 344. 1113 Mizzī, Tahḏīb, XXVII, S. 461–469. 1114 Ḏahabī, Siyar, VII, S. 107–134. 1115 Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, III, S. 264 f.

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11. Al-ʿAlāʾ b. ʿAbdirraḥmān (gest.138/755) 12. Isḥāq b. ʿAbdillāh b. Abī Ṭalḥa (gest. 132 oder 134/750 oder 752) 13. Salama b. Dīnār al-­Aʿraǧ (gest. 133 oder 135/750 oder 752) 14. Ismāʿīl b. Muḥammad b. Saʿd (gest. 134/752) 15. ʿAbdullāh b. Abī Bakr b. Muḥammad (gest. 135/752) 16. Zayd b. Aslam (gest. 136/754) 17. Ṣāliḥ b. Kaysān (gest. 140/757) 18. Mūsā b. ʿUqba (gest. 141/758) 19. Yaḥyā b. Saʿīd b. Qays (gest. 143/760) 20. Muḥammad b. ʿAmr b. ʿAlqama (gest. 144/761) 21. Hišām b. ʿUrwa b. az-­Zubayr (gest. 145 oder 146/762 oder 763) 22. ʿUbaydullāh b. ʿUmar b. Ḥafṣ (gest. 147/764) 23. Ibn ʿAǧlān (gest. 148 oder 149/765 oder766) 24. Al-­Walīd b. Kaṯīr (gest. 151/768) Seine kūfischen Lehrer (19) 1. Abū Isḥāq as-­Sabīʿī (127/745) 2. ʿĀṣim b. Bahdala (gest. 127/745) 3. Muḥammad b. Ǧuḥāda (gest. 131/749) 4. Manṣūr b. al-­Muʿtamir (gest. 132/750) 5. Abū ʿAbdirraḥmān Muṭarrif b. Ṭarīf (gest. 133/751 oder 141/758 oder 142/759) 6. Ziyād b. ʿAlāqa (ʿIlāqa) (gest. 135/753) 7. ʿAbdulmalik b. ʿUmayr (gest. 136/753) 8. ʿAtāʾ b. as-­Sāʾib (gest. 137/754) 9. Yazīd b. Abī Ziyād (gest. 137/755) 10. Abū Isḥāq aš-­Šaybānī (gest. 138 oder 142/755 oder 759) 11. Sālim b. Abī Ḥafṣa (gest. 140/757) 12. Ismāʿīl b. Ḫālid (gest. 146/763) 13. Al-­Aʿmaš (gest. 147/765) 14. Zakariyyā b. Abī Zāʾida (gest. 148 oder 149/765 oder 766) 15. Ibn Abī Laylā (gest. 148/765) 16. Ṣāliḥ b. Ṣāliḥ b. Ḥayy (gest. 153/770) 17. Musʿir b. Kidām (gest. 155/772) 18. Sufyān aṯ-­Ṯawrī (gest. 161/777) 19. Zāʾida b. Qudāma (gest. 161/778) Seine mekkanischen Lehrer (11) 1. ʿAmr b. Dīnār (gest. 126/744) 2. ʿAbu z-­Zubayr Muḥammad b. Muslim (gest. 126/744) 3. ʿUbaydullāh b. Abī Yazīd (gest. 126/744) 4. ʿAbdulʿazīz b. Rāfīʿ (Rufayʿ) (gest. 130/748) 5. Ḥumayd b. Qays (gest. 130/748) 6. ʿAbdullāh b. Abī Naǧīḥ (gest. 131 oder 132/748 oder 749) 7. ʿAbdullāh b. ʿUṯmān b. Ḥuṯaym (gest. 132/749) 8. Ayyūb b. Mūsā b. ʿAmr (gest. 132/750) 9. Manṣūr b. Ṣafiyya (gest. 137 oder 138/755 oder 756) 10. Ismāʿīl b. Umayya b. ʿAmr (gest. 139/756) 11. Ibn Ǧurayǧ (gest. 150/767)

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Seine basrischen Lehrer (6) 1. ʿAlī b. Zayd b. Ǧudʿān (gest. 129 oder 131/747 oder 749) 2. Ayyūb as-­ Saḫtiyānī, (gest. 131/748) 3. ʿĀṣim b. Sulaymān al-­Aḥwal (gest. 142/759) 4. Ḥumayd b. Abī Ḥumayd (gest. 142/759) 5. Sulaymān b. Ṭarḫān (143/760) 6. Šuʿba b. al-­Ḥaǧǧāǧ (gest. 160/776) Seine Lehrer aus Damaskus (3) 1. Yazīd b. Yazīd b. Ǧābir (gest. 133 oder 134/751 oder752) 2. Burd b. Sinān (gest. 135/752) 3. Al-­Awzāʿī (gest. 157/774) Sein Lehrer aus Ḥarrān (1) ʿAbdulkarīm b. Mālik (gest. 126 oder127/744 oder 745) Sein Lehrer aus Ṭāʾif (1) Ibrāhīm b. Maysara (gest. 132/750) Sein jemenitischer Lehrer (1) ʿAbdullāh b. Ṭāwūs b. Kaysān (gest. 132/749) Davon waren seine zwei wichtigsten Lehrer: 1. ʿAmr b. Dīnār al-­Makkī (gest. 126/744) 2. Ibn Šihāb az-­Zuhrī al-­Madanī (gest. 124/742) Wenn man die oben genannten 66 Lehrer Sufyān b. ʿUyaynas nach ihren Lehrorten untersucht, so ist zu erkennen, dass er aus Medina 24, aus Kūfa 19, aus Mekka neun, aus Basra sechs, aus Damaskus drei Lehrer und aus Ḥarrān, Ṭāʾif und dem Jemen jeweils einen Lehrer hatte.

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An dieser Stelle ist festzuhalten, dass die Gesamtzahl der Lehrer, von denen Ibn ʿUyayna profitierte, sich nicht auf die genannten 66 Personen beschränkte. Es können vielmehr hier nur die Wissenschaftler beleuchtet werden, die Ibn ʿUyayna am meisten beeinflussten, wesentlich zur Bildung seiner wissenschaftlichen Persönlichkeit beitrugen und dabei mitwirkten, dass er zu einer religiösen Autorität wurde. Untersucht man jedoch Ibn ʿUyaynas Lehrer nach ihrer Qualität, so sieht man, dass sie generell zuverlässige Tradierer waren. Als Sufyān b.ʿUyayna etwa 16 Jahre alt war, erwarb er am meisten Wissen von seinem mekkanischen Lehrer ʿAmr b. Dīnār (gest. 126/744) und danach von seinem medinensischen Lehrer Zuhrī (gest. 124/742). Die fundierte Ausbildung, die er in jungen Jahren von diesen beiden Lehrern erhielt, spielte bei der Herausbildung seiner wissenschaftlichen Persönlichkeit eine große Rolle. Als er dann mit etwa 20 Jahren nach Kūfa reiste, wurde von den Imamen des wissenschaftlichen Zentrums Kūfas insbesondere Abū Ḥanīfa auf sein von ʿAmr b. Dīnār erworbenes Wissen aufmerksam gemacht. Man kann sagen, dass er durch die sechs bekannten basrischen Gelehrten auch mit dem Gedankengut des Wissenschaftszentrums von Basra vertraut war. Dass Ibn ʿUyayna, auch wenn die Mehrheit seiner Lehrer Medinenser waren, in den Quellen generell als mekkanischer Gelehrter erwähnt wird, hängt vermutlich damit zusammen, dass er in Mekka wohnhaft war und dass ʿAmr b. Dīnār, der Lehrer, von dem er am meisten profitierte, ebenfalls Mekkaner war. Wie bereits erwähnt, gab es unter den Prophetengefährten drei Personen, welche einen Wissenschaftskreis hatten. Wissenschaftliche Arbeiten betrieben in Medina Zayd b. Ṯābit, in Kūfa ʿAbdullāh b. Masʿūd und in Mekka Ibn ʿAbbās.1116 Ibn ʿUyayna erhielt so durch seinen Lehrer ʿAmr b. Dīnār das von Ibn ʿAbbās kommende Gedankengut Mekkas und durch seinen Lehrer Ibn Šihāb az-­Zuhrī das von Zayd b. Ṯābit kommende Gedankengut Medinas vermittelt. Wenn in Betracht gezogen wird, dass Ibn ʿUyayna zudem von 19 Gelehrten aus Kūfa profitierte, so zeigt sich, dass auch das sich auf ʿAbdullāh b. Masʿūd stützende Gedankengut Kūfas einen erheblichen Einfluss auf ihn ausübte. Da er am meisten von ʿAmr b. Dīnār al-­Makkī profitierte, lässt sich sagen, dass sich die Grundlage seines Wissens überwiegend an die mekkanische Wissenstradition anlehnte. Daneben finden sich bei ihm auch intensive Spuren des wissenschaftlichen Fundus von Medina, denn dort profitierte er vor allem von seinem zweiten wichtigen Lehrer Ibn Šihāb az-­Zuhrī al-­Madanī wie auch von 1116 Fasawī, al-­Maʿrifa, I, S. 404; Ḏahabī, Siyar, II, S. 438, IV, S. 55.

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weiteren 17 Gelehrten, welche die sich auf Zayd b. Ṯābit stützende medinensische Wissenstradition verkörperten und nachstehend aufgelistet sind. Durch folgende Verbindungen erhielt Sufyān b.ʿUyayna indirekt Zugang zum Gedankengut von Medina: 1) Sufyān b. ʿUyayna => Zuhrī => Fuqahāʾu s-­Sabʿa (= Die sieben medinensischen Rechtsgelehrten) => Zayd b. Ṯābit 2) Sufyān b. ʿUyayna => ʿAmr b. Dīnār => Saʿīd b. Musayyab => Zayd b. Ṯābit 3) Sufyān b. ʿUyayna => ʿAbdullāh b. Dīnār => Sulaymān b. Yasār => Zayd b. Ṯābit 4) Sufyān b. ʿUyayna=> Saʿd b. Ibrāhīm => Saʿīd b. Musayyab + ʿUrwa b. Zubayr => Zayd b. Ṯābit 5) Sufyān b. ʿUyayna=> ʿAbdurraḥmān b. al-­Qāsim => Saʿīd b. Musayyab => Zayd b. Ṯābit 6) Sufyān b. ʿUyayna => Abu z-­Zinād => Fuqahāʾu s-­Sabʿa => Zayd b. Ṯābit 7) Sufyān b. ʿUyayna => Sālim b. Abī Umayya => Saʿīd b. Musayyab + Sulaymān b. Yasār + ʿUbaydullāh b. ʿAbdillāh b. ʿUtba + Abū Salama b. ʿAbdirraḥmān=> Zayd b. Ṯābit 8) Sufyān b. ʿUyayna => Ḥumayd b. Qays => Abān b. ʿUṯmān + Saʿīd b. Musayyab + Ḥāriǧa b. Zayd => Zayd b. Ṯābit 9) Sufyān b. ʿUyayna => Muḥammad b. al-­Munkadir => ʿAbdullāh b. ʿAbbās 10) Sufyān b. ʿUyayna => Sumayy Mawlā Abī Bakr b. ʿAbdirraḥmān => Saʿīd b. Musayyab => Zayd b. Ṯābit 11) Sufyān b. ʿUyayna => Ṣafwān b. Sulaym => Saʿīd b. Musayyab + Abū Salama b. ʿAbdirraḥmān + Sulaymān b. Yasār => Zayd b. Ṯābit 12) Sufyān b. ʿUyayna => Abū Ḥāzim Salama b. Dīnār => Saʿīd b. Musayyab + Abū Salama b. ʿAbdirraḥmān => Zayd b. Ṯābit 13) Sufyān b. ʿUyayna => ʿAbdullāh b. Abī Bakr b. Muḥammad => Sulaymān b. Yasār + ʿUrwa b. Zubayr => Zayd b. Ṯābit 14) Sufyān b. ʿUyayna => Ṣāliḥ b. Kaysān => Sulaymān b. Yasār + ʿUbaydullāh b. ʿAbdillāh b. ʿUtba + ʿUrwa b. Zubayr => Zayd b. Ṯābit 15) Sufyān b. ʿUyayna => Mūsā b. ʿUqba b. Abī ʿAyyaš => Abū Salama b. ʿAbdirraḥmān + ʿUrwa b. Zubayr => Zayd b. Ṯābit 16) Sufyān b. ʿUyayna => Muḥammad b. ʿAmr b. ʿAlqama => Abū Salama b. ʿAbdirraḥmān => Zayd b. Ṯābit 17) Sufyān b. ʿUyayna => Hišām b. ʿUrwa b. az-­Zubayr => ʿUrwa b. Zubayr + Abū Salama b. ʿAbdirraḥmān => Zayd b. Ṯābit

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Durch folgende Verbindungen erhielt Sufyān b.ʿUyayna indirekt Zugang zum Gedankengut von Kūfa: 1) Sufyān b. ʿUyayna => Abū Isḥāq as-­Sabīʿī => ʿAmr b. Šuraḥbīl => ʿAbdullāh b. Masʿūd 2) Sufyān b. ʿUyayna => ʿĀṣim b. Bahdala => Ḏir b. Ḥubayṣ al-­Asadī => ʿAbdullāh b. Masʿūd Es ist zu erkennen, dass Sufyān b. ʿUyayna neben dem Wissenschaftszentrum Mekka durch 17 Lehrer von dem an Zayd b. Ṯābit angelehnten Gedankengut Medinas und durch zwei Lehrer von dem sich auf ʿAbdullāh b. Masʿūd stützenden Gedankengut Kūfas profitierte. Der ebenfalls von den Gelehrten der Ära betriebene lebhafte Wissensaustausch zeigt, dass Ibn ʿUyaynas Wissensgut sich nicht nur auf das des Wissenschaftszentrums Mekka begrenzte. In diesem Fall stellt sich heraus, dass bei der Bildung von Ibn ʿUyaynas wissenschaftlicher Persönlichkeit der Schwerpunkt zwar in Mekka lag, das wissenschaftliche Umfeld des Hiǧāz jedoch ebenfalls dazu beitrug.

2.2.6.3 Seine Schüler Die Zahl derer, die von Ibn ʿUyayna ihren Nutzen zogen, war überaus hoch. Den Berichten Ḏahabīs zufolge kamen aufgrund seiner Stellung als Imam in der Hadith-­Wissenschaft und seiner soliden Überliefererkette zahlreiche Schüler trotz großer Schwierigkeiten aus verschiedenen Regionen zum Ḥaǧǧ, um Sufyān b.ʿUyayna zu treffen und von seinem Wissen zu profitieren. Während der Pilger-­ Saison bildeten sich große Gruppen um ihn. Ebenso hielten sich viele Ḥāfiẓu l-­Ḥadīṯ bei ihm auf.1117 Es ist daher nicht möglich, die genaue Zahl seiner Schüler festzustellen. An dieser Stelle soll deswegen nur auf jene fünf Schüler Ibn ʿUyaynas, die am meisten von ihm überlieferten und die wissenschaftlichen Arbeiten der nachkommenden Jahrhunderte am stärksten beeinflussten1118 – Imam aš-­Šāfiʿī (gest. 204/820), Ḥumaydī (gest. 219/834), Ibrāhīm b. Baššār ar-­Ramādī (gest. 228/842), ʿAlī b. al-­Madīnī (gest. 234/849) und Imam Aḥmad b. Ḥanbal (gest. 241/855) – eingegangen werden. Die Namen einiger weiterer Schüler werden dazu chronologisch angeführt.1119

1117 Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 457; Tārīḫ, XIII, S. 192. 1118 Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 457. 1119 Buḫārī, at-­Tārīḫ,  IV, S.  94  f.; Abū Nuʿaym, Ḥilya,  VII, S.  307  f.; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 174 f.; Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 183–188; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IV, S. 105.

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1. Imam aš-­Šāfiʿī (gest. 204/820): Sein voller Name lautet Abū ʿAbdillāh Muḥammad b. Idrīs b. al-ʿAbbās b. ʿUṯmān b. Šāfiʿ b. as-­Sāʾib b. ʿUbayd b. ʿAbdiyazīd b. Hāšim b. al-­Muṭṭalib b. ʿAbdumanāf. Außer Sufyān b. ʿUyayna hatte er noch weitere folgende Lehrer: Den Mufti von Mekka Muslim b. Ḫālid az-­Zanǧī (gest. 181/797), den Imam Mālik, Dāwūd b. ʿAbdirraḥmān al-ʿAṭṭār, seinen Onkel Muḥammad b. ʿAlī b. Šāfiʿī, ʿAbdurraḥmān b. Abī Bakr al-­Mālikī, Saʿīd b. Sālim, Fuḍayl b. ʿIyāḍ, Ibrāhīm b. Abī Yaḥyā, Muṭarrif b. Māzin, Abū Ḥanīfas Schüler Imam Muḥammad b. Ḥasan und Ismāʿīl b. ʿUlayya. Einige seiner Schüler, die von ihm tradierten und dazu beitrugen, sein wissenschaftliches Erbe zu einer Rechtsschule herauszubilden, waren: Zaʿfarānī (gest. 260/874), Karābīsī (gest. 245/860), Abū Ṯawr (gest. 240/854) und Aḥmad b. Ḥanbal (gest. 241/855). Diese waren seine Schüler in seiner qawlu qadīm-­Phase, während Buwaytī (gest. 231/846), Muzanī (gest. 264/878), Rabīʿ b. Sulaymān al-­Murādī (gest. 270/884), Abū Bakr ʿAbdullāh b. Zubayr al-­Ḥumaydī (gest. 219/834), Ḥarmala b. Yaḥyā (gest. 243/858), Muḥammad b. ʿAbdillāh b. Abdilḥakam (gest. 268/882), Rabīʿ b. Sulaymān al-­Ǧīzī (gest. 256/869) und Yūnus b. Abdulaʿlā aṣ-­Ṣadafī (gest. 264/878) seine Schüler in seiner qawlu ǧadīd-­Phase waren.1120 Es wird überliefert, dass aš-­Šāfiʿī, der offenbar bereits in jungen Jahren mit seiner Ausbildung begann, schon mit sieben Jahren den Koran und mit 13 Jahren den Muwaṭṭaʾ des Imams Mālik auswendig konnte.1121 Aš-­Šāfiʿī, der sein Studium mit dem Sammeln des Wissensgutes von Mekka begann, lernte danach vom medinensischen Gelehrten Imam Mālik. Anschließend eignete er sich vom Imam Muḥammad b. Ḥasan (gest. 189/805), dem Schüler Abū Ḥanīfas (gest. 150/767), die Fiqh-­Wissenschaft der irakischen Ahlu r-­Raʾy-­Schule an.1122 Der anfangs wie ein Verteidiger Māliks gegen die Sichtweise der Ahlu r-­Raʾy handelnde aš-­Šāfiʿī lernte in dieser Phase die Schwächen und Stärken beider Anschauungen kennen und verteidigte später die Thesen der Ahlu l-­Ḥadīṯ mit starken Beweisen gegen die Ahlu r-­Raʾy. Seine Haltung erweckte die Begeisterung Aḥmad b. Ḥanbals und der anderen Ahlu l-­Ḥadīṯ. Hierfür sind sowohl die Belobigungen Aḥmad b. Ḥanbals als auch der weiteren führenden Hadith-­Gelehrten in der Tabakāt-­Literatur ein Indikator.1123 1120 Mizzī, Tahḏīb, XXIV, S. 355–358, Ḏahabī, Siyar, X, S. 5–8; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IX, S. 23 f.; Aybakan Bilal, İmam Şâfiî ve Fıkıh Düşüncesinin Mezhepleşmesi, S. 153, 160. 1121 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, II, S. 63; Ḏahabī, Siyar, X, S. 11, 54. 1122 Ḏahabī, Siyar, X, S. 6 f. 1123 Aybakan Bilal, İmam Şâfiî ve Fıkıh Düşüncesinin Mezhepleşmesi, S. 158 f.

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Als aš-­Šāfiʿī in Ägypten, wo er die letzten vier Jahre seines Lebens verbrachte, ankam, verwirklichte er die für ihn charakteristische und endgültige Synthese seiner eigenen Rechtsschule. In der kurzen Zeit von nur vier Jahren hinterließ aš-­ Šāfiʿī als Folge von sehr intensiven wissenschaftlichen Arbeiten ein recht großes wissenschaftliches Erbe.1124 Zur Beleuchtung der Wurzeln und des Ausmaßes von aš-­Šāfiʿīs Wissensgut trägt die folgende Information von Ḏahabī bei: „Nach den Prophetengefährten waren die Gelehrten des Ḥaram-­Gebietes ʿAṭāʾ und Muǧāhid. Die Nachfolge dieser beiden sind Qays b. Saʿd und Ibn Ǧurayǧ. Danach stand Ibn Ǧurayǧ als alleiniger Imam und schrieb das ʿIlm nieder. Die Menschen erlangten von ihm [Wissen]. Von Ibn Ǧurayǧ lernte Muslim b. Ḫālid az-­Zanǧī die Fiqh-­Wissenschaft. Von Muslim b. Ḫālid az-­Zanǧī lernte aš-­Šāfiʿī die Fiqh-­Wissenschaft. Aš-­Šāfiʿī durchschaute Ibn Ǧurayǧs Wissen und beherrschte dessen Feinheiten und das Wissen Sufyān b. ʿUyaynas.“1125

Imam aš-­Šāfiʿīs folgende Worte stellen dar, welch wichtige Rolle Sufyān b. ʿUyayna in der Bildung Imam aš-­Šāfiʿīs, in dessen Prägung und bei der Gründung einer noch heute fortlebenden, selbstständigen Rechtsschule spielte: „Die Hadithe der Aḥkām sind etwa fünfhundert an der Zahl. Bis auf sechs Hadithe habe ich alle Hadithe der Aḥkām bei Ibn ʿUyayna gefunden. Wiederum habe ich bis auf dreißig Hadithe alle Hadithe der Aḥkām bei Imam Mālik gefunden.“1126

Ḏahabī, der diese Informationen überlieferte, konstatierte, dass der Grund für Ibn ʿUyaynas derart großes Wissen darin lag, dass er das wissenschaftliche Erbe des Ḥiǧāz und des Iraks in seiner Person vereinte.1127 Seine folgenden Worte über seine beiden Lehrer, die einen großen Einfluss auf ihn hatten, sind berühmt geworden: „Gäbe es Mālik und Ibn ʿUyayna nicht, wäre das Wissen des Ḥiǧāz verschwunden.“1128 Um die wissenschaftliche Kompetenz seines Lehrers Ibn ʿUyayna auszudrücken, sagte aš-­Šāfiʿī: „Ich sah niemanden, der die Hilfswissenschaften [wie Syntax und Morphologie] so gut beherrschte, wie Ibn ʿUyayna. Ich sah niemanden, der sich vor Erteilung einer Fatwā so zurückhielt wie er“; „Ich sah niemanden, der die Hadithe so gut interpretierte, wie er“;

1124 Ebenda, S. 12. 1125 Ḏahabī, Siyar, VI, S. 332. 1126 Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 457 ff.; Tārīḫ, XIII, S. 192. 1127 Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 457 ff.; Tārīḫ, XIII, S. 192. 1128 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 32; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 179; Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 189; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 457.

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„Ich sah niemanden unter den Menschen, der ein so umfangreiches Wissen besaß, wie Ibn ʿUyayna.“1129

Es ist zu erkennen, dass auch Ibn ʿUyayna einen besonderen Wert auf aš-­Šāfiʿī legte. Die Quellen berichten darüber, dass, wenn jemand mit einer Frage bezüglich einer Exegese oder einer Fatwā zu Ibn ʿUyayna kam, er sich zu seinem Schüler aš-­Šāfiʿī wandte und sagte: „Fragt diesen jungen Mann!“1130 Auf seiner Ägyptenreise nahm aš-­Šāfiʿī Sufyan b.ʿUyaynas Bücher aus Ḥiǧāz mit.1131 Man kann daher sagen, dass, als aš-­Šāfiʿī seine selbstständige Rechtsschule gründete, Ibn ʿUyaynas Bücher zu den Primärquellen gehörten, die er nutzte. Die um Wissensaneignung aus unterschiedlichen islamischen Regionen heranreisenden Schüler erwarben neben aš-­Šāfiʿīs Hadith-­Gut auch seine Fiqh-­Akkumulation. Da der Großteil der Erwerber dieser Werke (Kutubu š-­Šāfiʿī) aus den Ahlu l-­Ḥadīṯ-­ Kreisen kam, verbreiteten sich aš-­Šāfiʿīs Fiqh-­Gedanken im 3. Jahrhundert n. H. durch die Überlieferungstätigkeiten dieses Umfeldes in weite Regionen.1132 Nach diesen Informationen ist der beachtliche Beitrag Ibn ʿUyaynas sowohl bei der Ausbildung Imam aš-­Šāfiʿīs als auch zum Weiterleben der schafiitischen Rechtsschule bis in die heutige Zeit und deren Akzeptanz durch einen bedeutenden Teil der sunnitischen Welt garantiert. Beachtet man, dass Sufyān b. ʿUyayna ʿAmr b. Dīnārs und dieser wiederum Ibn ʿAbbās’ Schüler waren, so kann man sagen, dass aš-­Šāfiʿī durch Sufyān b. ʿUyayna ein Erbe des auf Ibn ʿAbbās beruhenden mekkanischen Gedankengutes war und dass bei der Bildung seiner wissenschaftlichen Persönlichkeit die Richtlinien von Ibn ʿAbbās einen bedeutenden Stellenwert innehatten. 2. Ḥumaydī (gest. 219/834): Sein voller Name ist Abū Bakr ʿAbdullāh b. az-­ Zubayr b. ʿĪsā al-­Qurašī al-­Ḥumaydī al-­Makkī. Unter seinen Lehrern waren Gelehrte wie Muslim b. Ḫālid az-­Zanǧī, Fuḍayl b. ʿĪyāḍ, Wakīʿ b. al-­Ǧarrāḥ, ad-­Darāwardī, Ibn ʿUyayna und aš-­Šāfiʿī. Wichtige Hadith-­Autoritäten wie Buḫārī (gest. 256/870), Yaʿqūb b. Sufyān al-­Fasawī (gest. 277/890), Muḥammad b. Yaḥyā aḏ-­Ḏuhlī, Salama b. Šabīb, Abū Zurʿa ar-­Rāzī und Abū Ḥātim ar-­Rāzī tradierten von ihm Hadithe.1133 1129 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 32 f.; Nawawī, Tahḏību l-­Asmāʾ, I, S. 224; Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 190; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 458; Tārīḫ, XIII, S. 193; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IV, S. 106. 1130 Šīrāzī, Ṭabaqātul-­Fuqahā ͗, S. 72; Ḏahabī, Siyar, X, S. 17. 1131 Bayhaqī, Abū Bakr Aḥmad b. al-­Ḥusayn b. ʿAlī (gest. 458/1066), Manāqibu š-­Šāfiʿī, ed. as-­Sayyid Aḥmad ʿAbbās Ṣaqr, Dāru t-­Turāṭ, Kairo 1970, I, S. 240. 1132 Aybakan Bilal, İmam Şâfiî ve Fıkıh Düşüncesinin Mezhepleşmesi, S. 242. 1133 Buḫārī, at-­Tārīḫ, V, S. 96 f.; Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, V, S. 56 f.; Mizzī, Tahḏīb, XIV, S. 512 f.; Ḏahabī, Siyar, X, S. 616 f.

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Die Meinungen der Kritiker über Ḥumaydī sind positiv. Laut Ibn Saʿd war er ṯiqa.1134 Isḥāq b. Rāhūyah und Aḥmad b. Ḥanbal benutzten für ihn den Ausdruck „Imam“.1135 Ibn Ḥibbān erwähnte ihn in seinem aṯ-­Ṯiqāt als „Ṣāḥibu s-­Sunna“, tugendhaft und religiös.1136 Seine Überlieferungen sind in der Kutubu Sitta vorhanden. Da er 19 Jahre lang an Sufyān b. ʿUyaynas Unterricht teilnahm und an die zehntausend seiner Hadithe auswendig lernte, wurde er von denen akzeptiert, die Ibn ʿUyaynas Hadithe am besten kannten.1137 Wahrscheinlich nannte Ibn Ḫayr al-­Išbīlī (gest. 575/1179) daher den al-­Musnad von Ḥumaydī als „Musnadu l-­ Ḥumaydī ʿan Sufyān b. ʿUyayna“.1138 Ḥumaydī reiste mit aš-­Šāfiʿī nach Ägypten und nahm bis zu dessen Tod an seinem Unterricht teil, wonach er nach Mekka zurückkehrte.1139 Sein Zeugnis ist von besonderer Bedeutung, da es das Ausmaß des Einflusses von Sufyān b. ʿUyayna auf die nachfolgenden wissenschaftlichen Arbeiten zeigt und die Anerkennung seiner religiösen Autorität vonseiten der wissenschaftlichen Kreise bekundet. Wenn man Ḥumaydīs Werk al-­Musnad untersucht, wird der große Einfluss Ibn ʿUyaynas auf Ḥumaydī, Ḥumaydīs Schüler Buḫārī und andere Autoren der Kutubu Sitta ersichtlich. So war der gemeinsame letzte Tradierer der 1240 von 1309 Hadithen im al-­Musnad Sufyān b. ʿUyayna. 25 dieser Hadithe stehen mit identischen Überliefererketten im Ǧuzʾ von Sufyān.1140 Dass nahezu alle Hadithe im al-­Musnad durch Sufyān b. ʿUyayna überliefert wurden, lässt darauf schließen, dass Ḥumaydī in seinem Werk zum Großteil von den Werken Sufyān b. ʿUyaynas profitiert hat, fast sogar soweit, dass Sufyāns al-­Ǧāmiʿ in Ḫumaydīs al-­Musnad wiederzufinden wäre. Die Hadithe in Ḥumaydīs Werk verteilen sich wie folgt auf die Kutubu Sitta: Buḫārī: 821 Hadith/Ḫabar; Muslim: 681 Hadith/Ḫabar; Abū Dāwūd: 458 Hadith/ 1134 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, V, S. 502. 1135 Subkī, Tāǧuddīn ʿAbdulwahhāb b. ʿAlī (gest. 771/1370), Ṭabaqātu š-­Šāfiʿiyyati l-­ Kubrā, ed. Maḥmūd Muḥammad aṭ-­Ṭanāḥī, ʿAbdulfattāḥ Muḥammad al-­Ḥulw, Kairo 1413/1992, II, S. 140; Ḏahabī, Siyar, X, S. 617 ff. 1136 Ibn Ḥibbān, aṯ-­Ṯiqāt, VIII, S. 341. 1137 Buḫārī, at-­Tārīḫ, V, S. 97; Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, V, S. 57; Mizzī, Tahḏīb, XIV, S. 514; Ḏahabī, Siyar, X, S. 617 f.; Subkī, Ṭabaqātu š-­Šāfiʿiyyati l-­Kubrā, II, S. 140; Nagel, Geschichte der islamischen Theologie, S. 83. 1138 Ibn Ḫayr al-­Išbīlī, Fahrasa, S. 121. 1139 Šīrāzī, Ṭabaqātul-­Fuqahā ͗, 99 f.; Subkī, Ṭabaqātu š-­Šāfiʿiyyati l-­Kubrā, II, S. 140; Ḏahabī, Siyar, X, S. 619. 1140 Evgin, A. Kadir, Buhari’nin Hocası Abdullah b. Zubeyr el-­Humeydi ve Musnedi, Avrasya Yay., Ankara 2004, S. 87 ff., 94, 138.

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Ḫabar; Tirmiḏī: 515 Hadith/Ḫabar; Nasāʾī: 442 Hadith/Ḫabar; Ibn Māǧa: 422 Hadith/Ḫabar.1141 Dass ein wichtiger Teil der Hadithe von Ḥumaydīs Werk in der Kutubu Sitta überliefert wurde, unterstreicht das Ausmaß des Einflusses von Ibn ʿUyayna auf die nach ihm verfassten Hadith-­Werke und legt dar, dass Ḥumaydī eine sehr wichtige Rolle bei der Weiterleitung der Wissensressource von Ibn ʿUyayna auf die nachkommenden Generationen spielte. 3. ar-­Ramādī (gest. 228/842): Sein voller Name lautet Ibrāhīm b. Baššār Abū Isḥāq al-­Ǧurǧānī al-­Baṣrī ar-­Ramādī. Er war ein bekannter Muḥaddiṯ unter den Schülern Sufyān b. ʿUyaynas. Außer Ibn ʿUyayna gehörten auch Gelehrte wie Abū Muʿāwiya, ʿUṯmān b. ʿAbdirraḥmān at-­Ṭarāʾifī und ʿAbdullāh b. Raǧāʾ al-­Makkī zu seinen Lehrern. Von ihm überlieferten Buḫārī, Abū Dāwūd, Ismāʿīl al-­Qādī, Aḥmad b. Zuhayr, Abū Muslim al-­Kaǧǧī und andere.1142 Auch wenn er in den Quellen zu den von Ibn ʿUyayna meisttradierten fünf Personen gezählt wird,1143 liegt doch keine ausführliche Information darüber vor, in welchem Maße er von Ibn ʿUyayna profitierte. Darüber hinaus sind im Gegensatz zu den anderen von Ibn ʿUyayna meisttradierten vier Personen über ihn nur begrenzte und behutsame Aussagen zu finden. Laut Buḫārī war er ṣadūq.1144 Gemäß Nasāʾī war er nicht stark in der Überlieferung, gehörte jedoch nach Ibn ʿAdiyy zu den Ahlu ṣ-­ Ṣidq und war der größte Asket seiner Zeit.1145 Aḥmad b. Ḥanbal kritisierte Ibrāhīm b. Baššār mit folgender Aussage: „Als sei der Sufyān, von dem Ibrāhīm b. Baššār tradiert, nicht Ibn ʿUyayna“. Nach Ḥākim an-­Nīsābūrī (gest. 405/1014) war er ṯiqa.1146 Ibn Ḥibbān sagte, dass er sicher und ḍābiṭ1147 sei, eine lange Zeit mit Ibn ʿUyayna verbracht und mehrfach dessen Hadithe gehört habe.1148 Trotz dieser kritischen Aussagen wurden seine Überlieferungen von Tirmiḏī und Abū Dāwūd aufgenommen. 4. ʿAlī b. al-­Madīnī (gest. 234/849): Sein voller Name ist ʿAlī b. ʿAbdillāh b. Ǧaʿfar b. Naǧīḥ Abu l-­Ḥasan b. al-­Madīnī as-­Saʿdī al-­Baṣrī.

1141 Ebenda, S. 123. 1142 Buḫārī, at-­Tārīḫ, I, S. 277; Mizzī, Tahḏīb, II, S. 56 f.; Ḏahabī, Siyar, X, S. 510 f.; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, I, S. 94. 1143 Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 457. 1144 Buḫārī, at-­Tārīḫ, I, S. 277; siehe dazu auch Fußnote 406. 1145 Ḏahabī, Siyar, X, S. 511; Mizzī, Tahḏīb, II, S. 58, 61. 1146 Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, I, S. 95. 1147 Ein Tradierer, der einen Hadith so, wie er es aufnahm, bis zum Zeitpunkt seines Tradierens bewahrt; vgl. Aydınlı, Hadis Istılahları Sözlüğü, S. 162; siehe dazu auch Fußnote 1615. 1148 Ibn Ḥibbān, aṯ-­Ṯiqāt, VIII, S. 72.

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Neben Sufyān b. ʿUyayna erwarb er sein Wissen von damaligen bekannten Gelehrten wie Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān (gest. 198/813), Ḥammād b. Zayd (gest. 179/795), Imam aš-­Šāfiʿī (gest. 204/819) und ʿAbdurraḥmān b. Mahdī (gest. 198/814) sowie von al-­Awzāʿīs Schüler Walīd b. Muslim (gest. 195/810). Viele bekannte Personen wie Buḫārī, Abū Dāwūd, Abū Ḥātim, Abū Muslim al-­Kaǧǧī, Abū Yaʿlā al-­Mawṣilī, Abu l-­Qāsim al-­Baġawī und Zaʿfarānī erwarben wiederum von ihm Wissen.1149 Er wurde „Amīru l-­Muʾminīn fi l-­Ḥadīṯ“1150 genannt. Abū Ḥātim ar-­Rāzī meinte, dass er in der Hadith-­Kenntnis und bei der Beherrschung der Gründe, weshalb ein Hadith als schwach zu gelten habe, von den Menschen wie eine Symbolfigur empfunden wurde.1151 Insbesondere war er durch seine Spezialisierung auf die ʿIlalu l-­Ḥadīṯ1152 und die Überlieferer des Isnād bekannt. So erwähnten Ibn Ḥibbān und einige Kritiker, dass er zu seiner Zeit zu denen gehörte, welche über die meiste Kenntnis über die ʿIlalu l-­Ḥadīṯ verfügten.1153 Darüber hinaus war er ein Experte in Bezug auf die Beherrschung der Hadithe Ibn ʿUyaynas. In diesem Zusammenhang bemerkte ʿAbdurraḥmān b. Mahdī, dass „ʿAlī b. al-­Madīnī unter den Menschen der beste Kenner der Hadithe des Propheten, insbesondere Sufyān b. ʿUyaynas Hadithe“1154 war. Auch ist bekannt, dass sein Lehrer Ibn ʿUyayna ein besonderes Interesse für ʿAlī b. al-­Madīnī zeigte. So sagte Ibn ʿUyayna im Zusammenhang mit seiner Kompetenz in der Hadith-­Wissenschaft: „Da ich ʿAlī mag, tadelt ihr mich. Wallāhi, mehr als er von mir gelernt hat, lernte ich von ihm“; „Wahrlich, ich möchte mich nicht zu euch gesellen. Wäre ʿAlī b. al-­Madīnī nicht da, hätte ich mich auch nicht zu euch gesetzt.“1155

Wegen der Stärke seiner Sunna- und Überliefererkenntnisse, seines Scharfsinns und seiner schnellen Auffassung sowie weil er die Feinheiten erkannte, die schwache Personen übersahen, nannte Ibn ʿUyayna ihn „die Schlange des Tals“. Und

1149 Buḫārī, at-­Tārīḫ, VI, S. 284; Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, VI, S. 193 f.; Ḏahabī, Siyar, XI, S. 41 ff.; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, V, S. 152; Sezgin, GAS, I, S. 108. 1150 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VII, S. 308; Ḏahabī, Siyar, XI, S. 41. 1151 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, VI, S. 194; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, XI, S. 458; Ḏahabī, Siyar, XI, S. 43. 1152 Jedweder Makel, welcher die Gesundheit (Ṣiḥḥa) des Hadith beschädigt; vgl. Aydınlı, Hadis Istılahları Sözlüğü, S. 75. 1153 Ibn Ḥibbān, aṯ-­Ṯiqāt, VIII, S. 469; Ḏahabī, Siyar, XI, S. 49. 1154 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, XI, S. 460; Ḏahabī, Siyar, XI, S. 45. 1155 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, XI, S. 459; Ḏahabī, Siyar, XI, S. 44 f.

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so sagte er, wenn er über etwas gefragt wurde: „Wäre doch nur die ‘Schlange des Tals’ hier.“1156 ʿAlī b. al-­Madīnī gehörte auch zu den berühmtesten Schülern Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭāns, von dem er etwa 10 000 Hadithe niederschrieb. Auch al-­Qaṭṭān wies wie Sufyān b. ʿUyayna mit den Worten „Die Menschen tadeln mich, weil ich mit ʿAlī sitze. Mehr als er von mir gelernt hat, lernte ich von ihm“1157 auf das Ausmaß der Wissensakkumulation seines Schülers hin. ʿAlī b. al-­Madīnī gehörte zu den Hadith-­Wissenschaftlern seiner Zeit, die viele Werke verfassten. Ḏahabī (gest. 748/1347) spricht davon, dass dies etwa 200 Werke sind.1158 Es ist bekannt, dass andere Autoritäten der damaligen Zeit seine Ansichten berücksichtigten. So stand er, als er nach Bagdad reiste, mit Gelehrten wie Yaḥyā b. Maʿīn, Aḥmad b. Ḥanbal und Muʿayṭī im Gedankenaustausch. In umstrittenen Angelegenheiten hatte ʿAlī b. al-­Madīnī stets das letzte Wort. Buḫārī, ein Verfasser der Kutubu Sitta, sagte über ihn: „Bei niemandem fühlte ich mich kleiner als bei ihm.“1159 In diesem Zusammenhang teilte ʿAbdullāh b. Abī Ziyād al-­Qaṭwānī, um das Ansehen ʿAlī b. al-­Madīnīs in den damaligen wissenschaftlichen Kreisen darzustellen, folgende von Abū ʿUbayd überlieferte Worte mit: „Die Wissenschaft erreicht bei vier Personen ihre Grenzen: Abū Bakr b. Abī Šayba ist einer unter den Menschen, der die Wissenschaft am schönsten bekundet. Aḥmad b. Ḥanbal ist der beste Faqīh unter den Menschen. ʿAlī b. al-­Madīnī ist der beste Gelehrte und Yaḥyā b. Maʿīn ist der, der das Wissen am umfänglichsten niedergeschrieben hat.“1160

In den Quellen finden sich dahingehende Mitteilungen, dass Ibnu l-­Madīnī außerhalb von Basra die Sunna darlegte, in Basra sich jedoch schiitischen Ansichten zuwandte. Ḏahabī begründet dies damit, dass ʿUṯmān in der Basra-­Region mehr Achtung geschenkt wurde und gegenüber ʿAlī ungerechte Auffassungen vertreten wurden.1161 Demzufolge erkennt man, dass Ibnu l-­Madīnī um den gesellschaftlichen Frieden in dieser Region aufrechtzuerhalten, eine ausgleichende Politik verfolgte.

1156 Ḏahabī, Siyar, XI, S. 44 f. 1157 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, XI, S. 461; Ḏahabī, Siyar, XI, S. 45 f. 1158 Ḏahabī, Siyar, XI, S. 59. Für die Liste seiner Werke, die bis zu unserer Zeit gelangt sind, siehe Sönmez, M. Ali, Ali b. el-­Medînî, in: DİA, İstanbul 1989, II, S. 411. 1159 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, XI, S. 463; Ḏahabī, Siyar, XI, S. 46 f. 1160 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, XI, S. 465; Ḏahabī, Siyar, XI, S. 48 1161 Ḏahabī, Siyar, XI, S. 47.

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Man kann sagen, dass die Ansichten der seinerzeitigen Kritiker hinsichtlich seiner Vertrauenswürdigkeit bis zum Miḥna-­Ereignis1162 stets positiv waren, jedoch nach diesem Ereignis einige der Kritiker ihre Meinungen änderten. Während des Miḥna-­Ereignisses erlitt Ibnu l-­Madīnī in Fußfesseln acht Monate sehr schwere Folter und musste, um sein Leben zu retten, die Auffassung von der „Erschaffenheit des Korans“ akzeptieren.1163 Aus diesem Grund tradierten einige Muḥaddiṯūn wie Abū Zurʿa und Aḥmad b. Ḥanbal nach diesem Ereignis nicht mehr von ihm.1164 Letzterer erwähnte nach diesem Ereignis in seinen Überlieferungen den Namen von Ibnu l-­Madīnī nicht mehr, sondern sprach zeitweise von ihm als „ein Mann“ und gab es später gänzlich auf, von ihm zu tradieren.1165 Auch wenn Ḏahabī sagte, in Aḥmad b. Ḥanbals Musnad seien Überlieferungen von Ibnu l-­Madīnī vorhanden,1166 so gibt es doch andere Wissenschaftler, die meinen, dass die Hadithe in seinem Werk zum Zeitabschnitt vor diesem Ereignis gehören.1167 Die Mehrheit der Kritiker wies zu Ibnu l-­Madīnīs Verteidigung jedoch darauf hin, dass er im Miḥna-­Ereignis entschuldigt sei, und vertrat die Ansicht, dass seine Zuverlässigkeit dadurch nicht beschädigt wurde. In diesem Zusammenhang äußerte Yaḥyā b. Maʿīn, dass er kein Abtrünniger gewesen sei, doch angesichts der Furcht, umgebracht zu werden, gezwungen war, diese Auffassung anzunehmen.1168 Indem Buḫārī 303 Hadithe von ihm in seine Saḥīḥ aufnahm, zeigte er, dass er ihn als zuverlässig betrachtete.1169 Nach diesem Ereignis wiederholte Ibnu l-­Madīnī zu verschiedenen Anlässen, dass seine wahre Meinung das Gegenteil der von ihm geäußerten sei, er aber die schweren Foltern habe nicht ertragen können und so, ohne daran zu glauben, gezwungen war, mündlich zu äußern, dass der Koran erschaffen worden sei. Mit seiner damaligen Haltung rettete er zugleich viele Menschen in der Stadt Mossul vor der Folter.1170

1162 Das Miḥna-­Ereignis wird nachfolgend im Abschnitt über Aḥmad b. Ḥanbal ausführlich erläutert. 1163 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, XI, S. 466, 471; Ḏahabī, Siyar, XI, S. 52, 57 f.; Van Ess, Theologie und Gesellschaft, III, S. 475. 1164 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, VI, S. 194; Ḏahabī, Siyar, XI, S. 59; Mizān, III, S. 138. 1165 Ḏahabī, Mizān, III, S. 138. 1166 Ḏahabī, Siyar, XI, S. 59. 1167 Sönmez, Ali b. el-­Medînî, S. 411. 1168 Ḏahabī, Siyar, XI, S. 57. 1169 Sönmez, Ali b. el-­Medînî, S. 411. 1170 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, XI, S. 471 f.; Ḏahabī, Siyar, XI, S. 57 ff.; Mizān , III, S. 141; Van Ess, Theologie und Gesellschaft, III, S. 475.

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Aufgrund dieser Informationen wird deutlich, dass seine Erklärung angesichts der Todesdrohung nicht seine wahre Überzeugung über dieses Thema zum Ausdruck brachte. Dass er, nachdem dieses unheilvolle Ereignis nicht mehr aktuell war, seine eigentliche Meinung veröffentlichte, stellt dies klar dar. In letzter Konsequenz führte seine Haltung im Miḥna-­Ereignis die Mehrheit der Kritiker nicht dazu, sein reichliches Wissensgut als inexistent zu betrachten. So nahmen die Imame der Kutubu Sitta seine Überlieferungen auch in ihre Werke auf. 5. Aḥmad b. Ḥanbal (gest. 241/855): Sein voller Name ist Aḥmad b. Muḥammad b. Ḥanbal Abū ʿAbdillāh aš-­Šaybānī al-­Marwazī. Er war Imam der hanbalitischen Rechtsschule, Muḥaddiṯ und Faqīh. Unter seinen Lehrern befanden sich außer Sufyān b. ʿUyayna noch weitere führende Gelehrte der Ära wie Wakīʿ b. al-­Ǧarrāḥ, der hanafitische Faqīh Abū Yūsuf, Hušaym b. Bašīr, Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān, ʿAbdurraḥmān b. Mahdī, Imam aš-­Šāfiʿī und ʿAbdurrazzāq b. Hammām. Zu seinen bekannten Schülern zählen Buḫārī, Muslim, Abū Dāwūd, Tirmiḏī, Nasāʾī, der gleichaltrige Yaḥyā b. Maʿīn, ʿAlī b. al-­Madīnī, Abū Zurʿa ar-­Rāzī und Abū Ḥātim ar-­Rāzī sowie seine beiden Söhne Ṣāliḥ und ʿAbdullāh. Seine Lehrer Imam aš-­Šāfiʿī, ʿAbdurrazzāq und ʿAbdurraḥmān b. Mahdī tradierten von ihm Hadithe.1171 Laut den Überlieferungen in seinem berühmten Werk al-­Musnad betrug die Anzahl seiner Lehrer 280.1172 Nach Ibn Saʿd war er ṯiqa und hatte viele Hadithe.1173 Gemäß al-ʿIǧlī war er ṯiqa und faqīh.1174 Vielen Kritikern wie Abū Zurʿa, Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān, aš-­Šāfiʿī und Nasāʾī zufolge war er ein zuverlässiger Tradierer, der sich mit der Fiqh der Hadithe auskannte.1175 Ibn Ḥibbān erwähnte ihn in seinem aṯ-­Ṯiqāt.1176 Aḥmad b. Ḥanbal, der nach Kūfa, Basra, Mekka und Medina, in den Jemen, nach Šām und Ǧazīra Bildungsreisen unternahm,1177 bereicherte sein Wissensgut durch Gelehrte aus verschiedenen Wissenschaftskreisen. Der Lehrer, von dem er die meis-

1171 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IV, S. 412 f.; Mizzī, Tahḏīb, I, S. 437–442; Ḏahabī, Siyar, XI, S. 177, 180–183; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, I, S. 62 f.; Brockelmann, GAL, I, S. 193 f.; Sezgin, GAS, I, S. 502–509; Laoust, H., Aḥmad b. Ḥanbal, in: EI2, (New Edition), Leiden 1986, I, S. 272. 1172 Ḏahabī, Siyar, XI, S. 181. 1173 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VII, S. 354. 1174 Al-ʿIǧlī, Maʿrifa, I, S. 194. 1175 Ḏahabī, Siyar, XI, S. 187 ff., 195, 198 f.; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, I, S. 65. 1176 Ibn Ḥibbān, aṯ-­Ṯiqāt, VIII, S. 18. 1177 Ḏahabī, Siyar, XI, S. 183 f.

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ten Hadithe niederschrieb, war Wakīʿ b. al-­Ǧarrāḥ; an zweiter Stelle folgte Sufyān b. ʿUyayna. Vom Imam aš-­Šāfiʿī lernte er Fiqh und Uṣūlu l-­Fiqh.1178 Wenn auch nicht regelmäßig, so profitierte Aḥmad b. Ḥanbal doch zu verschiedenen Anlässen von aš-­Šāfiʿīs Wissensgut und wurde zu den Überlieferern seines qawlu qadīm gezählt.1179 Es lässt sich erkennen, dass Ibn Ḥanbal auch einen Anteil an Sufyān aṯ-­Ṯawrīs Wissensgut hatte. Betrachtet man, dass Aḥmad b. Ḥanbal die Hadithe Sufyān aṯ-­ Ṯawrīs mit Wakīʿ, der zum engsten sechsköpfigen Schülerkreis Ṯawrīs gehörte, studierte,1180 so wird ersichtlich, dass Ibn Ḥanbal sich in Ṯawrīs Wissensschatz auskannte. In diesem Zusammenhang zählte eine andere Autorität, ʿAbdurraḥmān b. Mahdī, der gleichfalls zum engsten sechsköpfigen Schülerkreis Ṯawrīs gehörte, Ibn Ḥanbal zu denen, die Ṯawrīs Hadithe am besten kannten. Außerdem berichtete Ibn Ḥanbal, dass, als Wakīʿ und ʿAbdurraḥmān b. Mahdī bei sechzig Hadithen Ṯawrīs nicht übereinstimmten, er diesen Fragenkomplex an Ibn Mahdī weiterleitete und dass dieser darin nun von ihm tradierte.1181 Bedenkt man, dass der Lehrer, von dem er am zweithäufigsten tradierte, Ibn ʿUyayna war, so kann man sagen, dass Ibn ʿUyayna unmittelbar und Ṯawrī mittelbar Ibn Ḥanbal beeinflusst haben. Aḥmad b. Ḥanbal ist daneben auch durch seinen unnachgiebigen zivilen Widerstand während des Miḥna-­Ereignisses1182, dadurch, dass er der Imam der noch heute lebenskräftig weiterbestehenden hanbalitischen Rechtsschule war und durch sein berühmtes Hadith-­Werk Musnad bekannt. Der 7. abbasidische Kalif Maʾmūn (198–218/813–833) stellte im Jahre 212/827 unter dem Einfluss von Muʿtazila-­Gelehrten wie Aḥmad b. Abī Duʾād (gest. 240/854) und Bišr b. Ġiyāṯ al-­Marīsī (gest. 218/833) die These von der „Erschaffenheit des Korans“ auf, erklärte diese dann im Jahre 218/833 zur offiziellen Staatsdoktrin und begann den Miḥna-­Prozess. Da Aḥmad b. Ḥanbal diese These ablehnte, wurde er unter Maʾmūns Regierung ins Gefängnis geworfen und war in der Zeit des 8. Kalifen Muʿtasim (218–227/838–842) schweren Foltern ausgesetzt.1183 Diese Politik wurde auch unter dem 9. Kalifen Wāṯiq (227–232/842–847) fortgeführt.

1178 Kandemir, M. Yaşar, Ahmed b. Hanbel, in: DİA, İstanbul 1989, II, S. 75. 1179 Aybakan Bilal, İmam Şâfiî ve Fıkıh Düşüncesinin Mezhepleşmesi, S. 158 f. 1180 Ḏahabī, Siyar, XI, S. 186 f. 1181 Ḏahabī, Siyar, XI, S. 186 f. 1182 Dieser Widerstand von Ibn Ḥanbal wird von Van Ess in zwei separaten Unterkapiteln detailreich behandelt. Siehe dafür Van Ess, Theologie und Gesellschaft, III, Kapitel 3.3.2, Die Verfolgung des Ibn Ḥanbal. Quellenlage, S. 456–460 und Kapitel 3.3.2.1, Die zweite Verhandlung gegen Ibn Ḥanbal, S. 460–465. 1183 Nagel, Die Festung des Glaubens, S. 109; Nagel, Die Islamische Welt bis 1500, S. 63 f; Van Ess, Theologie und Gesellschaft, III, S. 446 f.

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Der bis zu Wāṯiqs Tod unter Hausarrest gehaltene Ibn Ḥanbal konnte dadurch fünf Jahre lang niemandem außer seinen Söhnen Hadithe tradieren. Zur Zeit des 10. Kalifen Mutawakkil (232–247/847–861) legte sich zwar die Diskussion über dieses Thema, aber Ibn Ḥanbals Haus wurde aufgrund einer Verleumdung, dass er darin einen Nachkommen ʿAlīs verstecke und er auf ihn einen Treueschwur abgeleistet habe, durchsucht und er wurde befragt.1184 Während die Miḥna-­Ereignisse das Ansehen Aḥmad b. Ḥanbals und der Ahlu l-­ Ḥadīṯ stärkten, haben sie das Prestige der Muʿtazila und der ihnen Nahestehenden unterminiert.1185 Da man mit Gewalt nicht über das Gewissen herrschen kann, nahm das Miḥna-­Ereignis als eine unglückliche Reminiszenz, welche im Endeffekt keinerlei praktische Vorteile brachte und in der Gesellschaft nur Unruhe verursachte, seinen Platz in der Geschichte ein. Sufyān b. ʿUyaynas Lehrer, die von ihm Wissen erwarben: 6. Sulaymān b. Mihrān al-­Aʿmaš al-­Kūfī (gest. 148/765)1186 7. Ibn Ǧurayǧ, Abu l-­Walīd ʿAbdulmalik b. ʿAbdilʿazīz al-­Makkī (gest. 150/767)1187 8. Musʿir b. Kidām al-­Hilālī al-­Kūfī (gest. 155/772)1188 9. Al-­Awzāʿī, ʿAbdurraḥmān b. ʿAmr b. Yuḥmid Abū ʿAmr ad-­Dimašqī (gest. 157/774)1189 10. Šuʿba b. al-­Ḥaǧǧāǧ b. al-­Ward Abū Bisṭām al-­Wāsiṭī al-­Baṣrī (gest. 160/776)1190 11. Sufyān aṯ-­Ṯawrī al-­Kūfī (gest. 161/777) 1184 Subkī, Ṭabaqātu š-­Šāfiʿiyyati l-­Kubrā,  II, S.  43–51; Akoğlu, Muharrem, Mihne Sürecinde Mu’tezile, İz Yayıncılık, İstanbul 2006, S. 127–178; Sakallı, Talat, Halife Me’mûn ve Hadisçilerle Olan Münasebetleri I, in: Erciyes Üniversitesi İlahiyat Fakültesi Dergisi, Kayseri 1989, Nr. 6, S. 256; Sakallı, Talat, Halife Me’mûn ve Hadisçilerle Olan Münasebetleri II, Kayseri 1990, Nr. 7, S. 116–119, 122–125; Yücesoy, Hayrettin, Mihne, DİA, İstanbul 2005, XXX, S. 26 ff. 1185 Nagel, Die Islamische Welt bis 1500; S. 64; Aybakan Bilal, İmam Şâfiî ve Fıkıh Düşüncesinin Mezhepleşmesi, S. 13. 1186 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt,  VI, S.  342; Buḫārī, at-­Tārīḫ,  IV, S.  37; Ibn Abī Ḥātim, al-­ Ǧarḥ, IV, S. 146; Ḏahabī, Siyar, VI, S. 226 ff. 1187 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, V, S. 491 f.; Buḫārī, at-­Tārīḫ, V, S. 422 f.; Ibn Abī Ḥātim, al-­ Ǧarḥ, V, S. 356; Mizzī, Tahḏīb, XVIII, S. 338–346; Ḏahabī, Siyar, VI, S. 326 f.; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, VI, S. 357 f. 1188 Mizzī, Tahḏīb, XXVII, S. 461–469. 1189 Ḏahabī, Siyar, VII, S. 107–134. 1190 Mizzī, Tahḏīb, XII, S. 479–489; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 202–205; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IV, S. 297–301 ff.

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Weitere Wissenschaftler, die von Sufyān b. ʿUyayna Wissen erwarben: 12. Hammām b. Yaḥyā al-­Baṣrī (gest. 164/781)1191 13. Qays b. ar-­Rabīʿ al-­Kūfī (gest. 167/784)1192 14. Ḥammād b. Zayd al-­Baṣrī (gest. 179/795)1193 15. Salām b. Sulaym Abu l-­Aḥwaṣ al-­Kūfī (gest. 179/795)1194 16. ʿAbdullāh b. al-­Mubārak al-­Marwazī (gest. 181/797)1195 17. Yaḥyā b. Zakariyyā b. Abī Zāʾida al-­Kūfī (gest. 182/798)1196 18. Muʿtamir b. Sulaymān al-­Baṣrī (gest. 187/803)1197 19. Abū Isḥāq al-­Fazārī al-­Kūfī (gest. 188/804)1198 20. Wakīʿ b. al-­Ǧarrāḥ al-­Kūfī (gest. 197/812)1199 21. ʿAbdullāh b. Wahb al-­Miṣrī (gest. 197/813)1200 22. Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān al-­Baṣrī (gest. 198/814)1201 23. ʿAbdurraḥmān b. Mahdī al-­Baṣrī (gest. 198/814)1202 24. Rawḥ b. ʿUbāda Abū Muḥammad al-­Baṣrī (gest. 205/820)1203

1191 Mizzī, Tahḏīb, XXX, S. 302–310; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 296–301; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, XI, S. 60 ff. 1192 Mizzī, Tahḏīb, XXIV, S. 25–38; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 41–44; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, VIII, S. 350–353. 1193 Mizzī, Tahḏīb, VII, S. 239–252; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 456–466; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, III, S. 9–11. 1194 Mizzī, Tahḏīb, XII, S. 282–285; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 281–284; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IV, S. 248. 1195 Mizzī, Tahḏīb, XVI, S. 5–14; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 378–380; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, V, S. 334 ff. 1196 Mizzī, Tahḏīb,  XXXI, S.  305–312; Ḏahabī, Siyar,  VIII, S.  337–341; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, XI, S. 183 f. 1197 Mizzī, Tahḏīb,  XXVIII, S.  250–256; Ḏahabī, Siyar,  VIII, S.  477  ff.; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, X, S. 204 f. 1198 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt,  VII, S.  488; Abū Nuʿaym, Ḥilya,  VIII, S.  253–265; Mizzī, Tahḏīb, II, S. 167–170; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 539–543. 1199 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VI, S. 394; Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, IX, S. 37; Mizzī, Tahḏīb, XXX, S. 462–470; Ḏahabī, Siyar, IX, S. 140 ff. 1200 Mizzī, Tahḏīb, XVI, S. 277–287. 1201 Mizzī, Tahḏīb, XXXI, S. 329–334; Ḏahabī, Siyar, IX, S. 175 ff.; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, XI, S. 190. 1202 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VII, S. 297; Mizzī, Tahḏīb, XVII, S. 430–435; Ḏahabī, Siyar, IX, S. 192 f. 1203 Mizzī, Tahḏīb, IX, S. 238–245; Ḏahabī, Siyar, IX, S. 402–407; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, III, S. 253 ff.

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25. ʿAbdurrazzāq b. Hammām aṣ-­Ṣanʿānī (gest. 211/826–27)1204 26. Muḥammad b. Yūsuf al-­Firyābī (gest. 212/827)1205 27. Abū Nuʿaym al-­Faḍl b. Dukayn al-­Kūfī (gest. 219/834)1206 28. Mālik b. Ismāʿīl Abū Ġassān an-­Nahdī al-­Kūfī (219/834)1207 29. Hišām b. ʿAbdilmalik Abu l-­Walīd aṭ-­Ṭayālisī al-­Baṣrī (gest. 227/841)1208 30. Saʿīd b. Manṣūr Abū ʿUṯmān al-­Marwazī al-­Balḫī (gest. 227/842)1209 31. ʿAmr b. Bukayr b. Sābūr an-­Nākid al-­Baġdādī (gest. 232/847)1210 32. Yaḥyā b. Maʿīn al-­Baġdādī (gest.233/848)1211 33. Zuhayr b. Ḥarb b. Šaddād Abū Ḫayṯama an-­Nasāʾī al-­Baġdādī (gest. 234/849)1212 34. ʿAbdullāh b. Muḥammad b. ʿAlī Abū Ǧaʿfar an-­Nufaylī al-­Ḥarrānī (234/849)1213 35. Muḥammad b. ʿAbdillāh b. Numayr Abū ʿAbdirraḥmān al-­Kūfī (gest. 234/849)1214 36. ʿAbdullāh b. Muḥammad b. Ibrāhīm Abū Bakr b. Abī Šayba al-­Kūfī (gest. 235/849)1215 37. Isḥāq b. Rāhūyah al-­Marwazī an-­Nīsābūrī (gest. 238/853)1216

1204 Mizzī, Tahḏīb, XVIII, S. 52–63; Ḏahabī, Siyar, IX, S. 563–580; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, VI, S. 278–281. 1205 Mizzī, Tahḏīb, XXVII, S. 52–61; Ḏahabī, Siyar, X, S. 114–118; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IX, S. 472 f. 1206 Mizzī, Tahḏīb, XXIII, S. 197–204; 142–157. 1207 Mizzī, Tahḏīb, XXVII, S. 86–91; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, X, S. 3 ff. 1208 Mizzī, Tahḏīb, XXX, S. 226–232. 1209 Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 77–82; Ḏahabī, Siyar, X, S. 586–590; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IV, S. 78–80. 1210 Mizzī, Tahḏīb, XXII, S. 213–218; Ḏahabī, Siyar, XI, S. 147 f.; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, VIII, S. 85 f. 1211 Mizzī, Tahḏīb, XXXI, S. 543–568; Ḏahabī, Siyar, XI, S. 71–96; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, XI, S. 246–252. 1212 Mizzī, Tahḏīb, IX, S. 402–406; Ḏahabī, Siyar, XI, S. 489–492; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, III, S. 296 f. 1213 Mizzī, Tahḏīb, XVI, S. 88–92; Ḏahabī, Siyar, X, S. 634–637. 1214 Mizzī, Tahḏīb, XXV, S. 566–570; Ḏahabī, Siyar, XI, S. 455–458. 1215 Mizzī, Tahḏīb, XVI, S. 34–42; Ḏahabī, Siyar, XI, S. 122–127; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, VI, S. 3 f. 1216 Mizzī, Tahḏīb, II, S. 373–388; Ḏahabī, Siyar, XI, S. 358–383; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, I, S. 190 ff.

282

38. Kutayba b. Saʿīd Abū Raǧāʾ al-­Balḫī (gest. 240/855)1217 39. Ar-­Rabīʿ b. Nāfiʿ Abū Tawba al-­Ḥalabī aṭ-­Ṭarsūsī (gest. 241/855)1218 40. Muḥammad b. Yaḥyā b. Abī ʿUmar Abū ʿAbdillāh al-ʿAdanī (gest. 243/858)1219 41. Hārūn b. ʿAbdillāh b. Marwān al-­Ḥammāl al-­Baġdādī (gest. 243/857)1220 42. Abū Ǧaʿfar Aḥmad b. Munīʿ al-­Baġdādī (gest. 244/859)1221 43. ʿAlī b. Huǧr Abu l-­Ḥasan al-­Marwazī (gest. 244/858)1222 44. Aḥmad b. Ṣāliḥ Abū Ǧaʿfar al-­Miṣrī (gest. 248/862)1223 45. Muḥammad b. al-ʿAlāʾ b. Kurayb Abū Kurayb al-­Kūfī (gest. 248/862)1224 46. ʿAmr b. ʿAlī al-­Fallās Abū Ḥafṣ al-­Baṣrī (gest. 249/864)1225 47. Al-­Ḥasan b. aṣ-­Ṣabbāḥ Abū ʿAlī al-­Bazzār al-­Wāsiṭī al-­Baġdādī (gest. 249/863)1226 48. Isḥāq b. Manṣūr Abū Yaʿqūb al-­Kawsaǧ al-­Marwazī an-­Nīsābūrī (gest. 251/865)1227 49. Muḥammad b. al-­Muṯannā Abū Mūsā al-ʿAnazī al-­Baṣrī (gest.252/866)1228 50. Az-­Zubayr b. Bakkār Abū ʿAbdillāh al-­Madanī (gest. 256/870)1229

1217 Mizzī, Tahḏīb, XXIII, S. 523–537; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, VIII, S. 321–323. 1218 Mizzī, Tahḏīb, IX, S. 103–106; Ḏahabī, Siyar, X, S. 653–655; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, III, S. 218. 1219 Mizzī, Tahḏīb, XXVI, S. 639–642; Ḏahabī, Siyar, XII, S. 96 ff.; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IX, S. 457 f. 1220 Mizzī, Tahḏīb, XXX, S. 96–100; Ḏahabī, Siyar, XII, S. 115 f.; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, XI, S. 9 f. 1221 Mizzī, Tahḏīb, I, S. 495 ff.; Ḏahabī, Siyar, XI, S. 483 f.; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, I, S. 72 f. 1222 Mizzī, Tahḏīb, XX, S. 355–361; Ḏahabī, Siyar, XI, S. 507–514. 1223 Mizzī, Tahḏīb, I, S. 340–354; Ḏahabī, Siyar, XII, S. 160–177; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, I, S. 34 ff. 1224 Mizzī, Tahḏīb, XXVI, S. 243–248; Ḏahabī, Siyar, XI, S. 394–398; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IX, S. 342 f. 1225 Mizzī, Tahḏīb, XXII, S. 162–165; Ḏahabī, Siyar, XI, S. 470 ff.; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, VIII, S. 70 f. 1226 Mizzī, Tahḏīb, VI, S. 191–195; Ḏahabī, Siyar, XII, S. 192–195; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, II, S. 252. 1227 Mizzī, Tahḏīb, II, S. 474–478; Ḏahabī, Siyar, XII, S. 258 ff.; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, I, S. 218 f. 1228 Mizzī, Tahḏīb,  XXVI, S.  359–365; Ḏahabī, Siyar,  XII, S.  123–126; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IX, S. 377 f. 1229 Mizzī, Tahḏīb, IX, S. 293–299; Ḏahabī, Siyar, XII, S. 311–315.

283

51. ʿAlī b. Ḫašram Abu l-­Ḥasan al-­Marwazī (gest. 257/871)1230 52. Al-­Ḥasan b. Muḥammad b. aṣ-­Ṣabāh Abū ʿAlī al-­Baġdādī az-­Zaʿfarānī (gest. 260/874)1231 53.ʿAbdurraḥmān b. Bišr b. al-­Ḥakam Abū Muḥammad an-­Nīsābūrī (gest. 260/874)1232 54. Muḥammad b. ʿĀṣim b. ʿAbdillāh Abū Ǧaʿfar aṯ-­Ṯaqafī al-­Iṣbahānī (gest. 262/876)1233 55. Bišr b. Maṭar b. Ṯābit Abū Aḥmad al-­Wāsiṭī (gest. 262/876)1234 56. Yūnus b. ʿAbdulʿalāʾ Abū Mūsā al-­Miṣrī (gest. 264/878)1235 57. ʿAlī b. Ḥarb Abu l-­Ḥasan al-­Mūṣilī (gest. 265/879)1236 58. Saʿdān b. Naṣr b. Manṣūr Abū ʿUṯmān al-­Baġdādī (gest. 265/879)1237 59. Aḥmad b. Šaybān Abū ʿAbdulmuʾmin ar-­Ramlī (gest. 268/882)1238 60. Zakariyyā b. Yaḥyā b. Asad Abū Yaḥyā al-­Marwazī (gest. 270/884)1239 61. Muḥammad b. ʿĪsā b. Ḥayyān Abū ʿAbdillāh al-­Madāʾinī (gest. 274/888)1240 62. Abū Naṣr al-­Yasaʿ b. Zayd az-­Zaynabī al-­Makkī (gest. 282/895). Er war der Letzte, der von Sufyān b. ʿUyayna überlieferte.1241

2.2.6.4 Allgemeine Beurteilung der Schüler von Sufyān b. ʿUyayna Die Schüler von Sufyān b. ʿUyayna verteilen sich auf die Wissenschaftszentren wie folgt:

1230 Mizzī, Tahḏīb, XX, S. 421 ff.; Ḏahabī, Siyar, XI, S. 552 f.; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, VII, S. 278 f. 1231 Mizzī, Tahḏīb, VI, S. 310–313; Ḏahabī, Siyar, XII, S. 262–265; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, II, S. 275. 1232 Mizzī, Tahḏīb, IV, S. 114–117; Ḏahabī, Siyar, XII, S. 340–344; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, I, S. 392. 1233 Ḏahabī, Siyar, XII, S. 377 f. 1234 Ibn Ḥaǧar, Abu l-­Faḍl Šihabuddīn Aḥmad b. ʿAlī b. Muḥammad al-ʿAsqalānī (gest. 852/1449), Lisānu l-­Mīzān, ed. ʿAbdulfattāḥ Abū Ġudda, Dāru l-­Bašāiri l-­Islāmiyya, Beirut 2002, II, S. 312. 1235 Subkī, Ṭabaqātu š-­Šāfiʿiyyati l-­Kubrā, II, S. 170–173. 1236 Mizzī, Tahḏīb, XX, S. 361–365; Ḏahabī, Siyar, XII, S. 251 ff.; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, VII, S. 260 f. 1237 Ḏahabī, Siyar, XII, S. 357 f. 1238 Ebenda, S. 346. 1239 Ebenda, S. 347 f. 1240 Ḏahabī, Siyar, XIII, S. 21 ff. 1241 Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 457, XII, S. 633.

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Kūfische Schüler (13) 1. Aʿmaš (gest. 148/765) 2. Musʿir b. Kidām (gest. 155/772) 3. Sufyān aṯ-­ Ṯawrī (gest. 161/777) 4. Qays b. ar-­Rabīʿ (gest. 167/784) 5. Salām b. Sulaym (gest. 179/795) 6. Yaḥyā b. Zakariyyā b. Abī Zāʾida (gest. 182/798) 7. Abū Isḥāq al-­Fazārī (gest. 188/804) 8. Wakīʿ b. al-­Ǧarrāḥ (gest. 197/812) 9. Abū Nuʿaym al-­Faḍl b. Dukayn (gest. 219/834) 10. Mālik b. Ismāʿīl (219/834) 11. Muḥammad b. ʿAbdillāh b. Numayr (gest. 234/849) 12. ʿAbdullāh b. Muḥammad b. Ibrāhīm (gest. 235/849) 13. Muḥammad b. al-ʿAlāʾ b. Kurayb (gest. 248/862) Basrische Schüler (12) 1. Šuʿba b. al-­Ḥaǧǧāǧ (gest. 160/776) 2. Hammām b. Yaḥyā (gest. 164/781) 3. Ḥammād b. Zayd (gest. 179/795) 4. Muʿtamir b. Sulaymān (gest. 187/803) 5. Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān (gest. 198/814) 6. ʿAbdurraḥmān b. Mahdī (gest. 198/814) 7. Rawḥ b. ʿUbāda (gest. 205/820) 8. Hišām b. ʿAbdilmalik Abu l-­Walīd aṭ-­Ṭayālisī (gest. 227/841) 9. Ar-­Ramādī (gest. 228/842) 10. ʿAlī b. al-­Madīnī (gest. 234/849) 11. ʿAmr b. ʿAlī al-­Fallās (gest. 249/864) 12. Muḥammad b. al-­Muṯannā (gest. 252/866) Schüler aus Marw (8) 1. ʿAbdullāh b. al-­Mubārak (gest. 181/797) 2. Saʿīd b. Manṣūr (gest. 227/842) 3. Isḥāq b. Rāhūyah (gest. 238/853) 4. Aḥmad b. Ḥanbal (gest. 241/855) 5. ʿAlī b. Huǧr (gest. 244/858) 6. Isḥāq b. Manṣūr (gest. 251/865) 7. ʿAlī b. Ḫašram (gest. 257/871) 8. Zakariyyā b. Yaḥyā b. Asad (gest. 270/884) Schüler aus Bagdad (8) 1. ʿAmr b. Bukayr b. Sābūr (gest. 232/847) 2. Yaḥyā b. Maʿīn (gest.233/848) 3. Zuhayr b. Ḥarb (gest. 234/849) 4. Hārūn b. ʿAbdillāh b. Marwān (gest. 243/857) 5. Abū Ǧaʿfar Aḥmad b. Munīʿ (gest. 244/859) 6. Al-­Ḥasan b. aṣ-­ Ṣabbāḥ Abū ʿAlī al-­Bazzār (gest. 249/863) 7. Az-­Zaʿfarānī (gest. 260/874) 8. Saʿdān b. Naṣr b. Manṣūr (gest.265/879)

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Mekkanische Schüler (4) 1. Ibn Ǧurayǧ (gest. 150/767) 2. Aš-­Šāfiʿī (gest. 204/820) 3. Ḥumaydī (gest. 219/834) 4. Abū Naṣr al-­Yasaʿ b. Zayd (gest. 282/895) Ägyptische Schüler (3) 1. ʿAbdullāh b. Wahb (gest. 197/813) 2. Aḥmad b. Ṣāliḥ (gest. 248/862) 3. Yūnus b. ʿAbdulʿalāʾ (gest. 264/878) Jemenitische Schüler (2) 1. ʿAbdurrazzāq b. Hammām (gest. 211/826–27) 2. Muḥammad b. Yaḥyā b. Abī ʿUmar (gest. 243/858) Wissenschaftszentren, aus denen jeweils ein Schüler kam (12) 1. Medina: Az-­Zubayr b. Bakkār (gest. 256/870) 2. Damaskus: al-­Awzāʿī (gest. 157/774) 3. Firyāb: Muḥammad b. Yūsuf al-­Firyābī (gest. 212/827) 4. Ḥarrān: ʿAbdullāh b. Muḥammad b. ʿAlī (234/849) 5. Balḫ: Kutayba b. Saʿīd (gest. 240/855) 6. Ṭarsūs: Ar-­Rabīʿ b. Nāfiʿ (gest. 241/855) 7. Nīsābūr: ʿAbdurraḥmān b. Bišr b. al-­Ḥakam (gest. 260/874) 8. Isfahan: Muḥammad b. ʿĀṣim b. ʿAbdillāh (gest. 262/876) 9. Wāsiṭ: Bišr b. Maṭar b. Ṯābit (gest. 262/876) 10. Mossul: ʿAlī b. Ḥarb (gest. 265/879) 11. Palästina/Ramla: Aḥmad b. Šaybān (gest.268/882) 12. Madāʾin: Muḥammad b. ʿĪsā b. Ḥayyān (gest. 274/888) Wichtigste Schüler Ibn ʿUyaynas (5) 1. Imam aš-­Šāfiʿī (gest. 204/820) 2. Ḥumaydī (gest. 219/834) 3. Ibrāhīm b. Baššār ar-­Ramādī (gest. 228/842) 4. ʿAlī b. al-­Madīnī (gest. 234/849) 5. Aḥmad b. Ḥanbal (gest. 241/855)

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Von den 62 kamen demnach 13 aus Kūfa, 12 aus Basra, 8 aus Marw, 8 aus Bagdad, 4 aus Mekka, 3 aus Ägypten, jeweils 2 aus dem Jemen und aus Medina und jeweils einer aus Damaskus, Firyāb, Ḥarrān, Balḫ, Ṭarsūs, Nīsābūr, Isfahan, Wāsiṭ, Mossul, Palästina/Ramla und Madāʾin. Demnach war das von Ibn ʿUyayna geprägte Umfeld sehr groß. Am meisten beeinflusste er die Wissenschaftszentren Kūfa und Basra. In Marw, Bagdad, Mekka, Ägypten und im Jemen trug er dazu bei, dass mehrere Wissenschaftler ausgebildet wurden, und an weiteren Orten war er an der Ausbildung jeweils eines Gelehrten und der Verbreitung der wissenschaftlichen Arbeiten in diesen Regionen beteiligt. Untersucht man die aufgezählten Personen im Hinblick auf ihre wissenschaftliche Qualität, so erkennt man, dass seine fünf wichtigsten Schüler zuverlässige Gelehrte waren und ihre Überlieferungen in primären Hadith-­Quellen wie der Kutubu Sitta vorhanden sind. Auch die anderen Schüler von Ibn ʿUyayna waren generell zuverlässige Persönlichkeiten. Des Weiteren verweist die Tatsache, dass seine sechs Lehrer aus verschiedenen Wissenschaftskreisen von ihm Hadithe tradierten, explizit auf Ibn ʿUyaynas religiöse Autoritätswerdung. Die Prägung, die spätere Generationen von Ibn ʿUyayna erhielten, wurde vor allem durch seine fünf meistgenannten Schüler vermittelt: Imam aš-­Šāfiʿī (gest. 204/820), Buḫārīs Lehrer Ḥumaydī (gest. 219/834), Ibrāhīm b. Baššār ar-­Ramādī (gest. 228/842), ʿAlī b. al-­Madīnī (gest. 234/849) und Aḥmad b. Ḥanbal (gest. 241/855).1242 Imam aš-­Šāfiʿī und Imam Aḥmad b. Ḥanbal sind Gründer der bis heute fortwährenden zwei Rechtsschulen. Darüber hinaus wurde ein sehr großer Teil der Hadithe im Werk al-­Musnad von Buḫārīs Lehrer Ḥumaydī in die Kutubu Sitta aufgenommen. Dies verdeutlicht die wichtige Rolle von Ibn ʿUyayna besonders bei der Entstehung der Hadith- und Fiqh-­Wissenschaften. Man kann sagen, dass Sufyān b. ʿUyayna in Bezug auf diese fünf Schüler auf Ḥumaydī und aš-­Šāfiʿī einen großen Einfluss ausübte und daneben Aḥmad b. Ḥanbal zum Teil prägte. Obwohl Ibrāhīm b. Baššār ar-­Ramādī viel von Ibn ʿUyayna überlieferte, sieht man aufgrund seines geringen Einflusses auf die nachkommenden Generationen, dass er eher im Schatten der drei Genannten stand. ʿAlī b. al-­Madīnī schließlich, der vor allem durch seine Spezialisierung auf die ʿIlalu l-­Ḥadīṯ und die Überliefererkette sehr bekannt wurde, leistete mit seinen vielen wissenschaftlichen Arbeiten in diesem Bereich einen großen Beitrag zur Entwicklung der Hadith-­Methodologie. 1242 Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 457.

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2.2.7 Seine Persönlichkeit Die Charaktereigenschaften von Ibn ʿUyayna, der schon in jungen Jahren die Gelegenheit bekam, von führenden Wissenschaftlern der Ära wie Zuhrī und ʿAmr b. Dīnār ausgebildet zu werden und schon im Kindesalter an wichtigen ʿIlm-­Sitzungen teilnahm, standen im Einklang mit seiner fundierten Ausbildung. Sein Charakter wurde in lebhaften wissenschaftlichen Konversationen geformt, und Ibn ʿUyayna erreichte letztendlich eine angesehene Stellung in den damaligen Wissenschaftskreisen. Einige seiner Charaktereigenschaften werden im Folgenden beschrieben.

2.2.8 Seine Charakterzüge (Aḫlāq) Als Resultat seiner elitären religiösen Ausbildung entstand als Grundprinzip, an welchem sich seine Lebensanschauung orientierte, die von Allah und seinem Gesandten aufgestellten Maßstäbe zu befolgen. Den Quellen ist zu entnehmen, dass er in seinen Worten und Taten von diesem Standpunkt heraus agierte. Beispielsweise wies er darauf hin, dass die Ungehorsamkeit gegenüber Allah nicht mit der Dankbarkeit zu vereinen sei und jene ungeachtet seiner Gaben eine Undankbarkeit darstelle. Dazu fand er folgende Worte über die Dankbarkeit: „Eine Art der Dankbarkeit für die Gaben Allahs ist, dass du ihn als Gegenleistung für seine Gaben lobpreist und ihm mit Hilfe seiner Gaben gehorsam bist. Derjenige, der mit Hilfe seiner Gaben ihm ungehorsam ist, hat ihn nicht lobgepriesen.“1243

Bezüglich des Themas „Furcht und Hoffnung = Ḫawf und Raǧāʾ“, welches im Koran mehrfach erwähnt wird,1244 war Ibn ʿUyayna der Meinung, dass selbst wenn ein Mensch ein Sünder sei, er doch die Hoffnung auf die Barmherzigkeit Allahs nicht verlieren und sich vor seiner Bestrafung nicht sicher fühlen solle. Dazu sagte er: „Die größte unter den großen Sünden ist es, etwas Allah beizugesellen [Širk], die Hoffnung über seine Barmherzigkeit zu verlieren und sich vor seiner Bestrafung sicher zu fühlen.“1245

Ibn ʿUyayna vertrat die Meinung, dass man sich vor Augendienerei wahren müsse.1246 Sein Leben war von Schlichtheit geprägt, und er schätzte nicht die profanen Dinge, sondern die Koran-­Wissenschaften. So äußerte er diesbezüglich: 1243 Abū Nuʿaym, Ḥilya,VII, S. 278; Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 192. 1244 Zumar, 39/53, Ḥiǧr, 15/55, 56; Šūrā, 42/28; Rūm, 30/36. 1245 Diese Ansicht lehnt er an die Verse ʿArāf, 7/99, Yūsuf, 12/87, Ḥiǧr, 15/56; siehe Abū Nuʿaym, Ḥilya,VII, S. 298. 1246 Abū Nuʿaym, Ḥilya,VII, S. 281.

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„Wem der Koran [seine Lehre] gegeben wird, und der seine Augen auf die Dinge richtet, die der Koran nicht würdigt, wahrlich diese Person setzt sich dem Koran entgegen. Hast du denn nicht die Worte Allahs gehört ‚Richte deine Augen bloß nicht auf die Verlockungen des diesseitigen Lebens, welches wir einigen unter ihnen zur Prüfung gewährten. Die Gabe [der Koran] deines Herrn ist besser und beständiger.‘1247“1248

Dass man sich nicht mit Schlechten, sondern mit Guten anfreunden solle, begründete er folgendermaßen: „Dass du einen frommen Feind hast, ist besser für dich als dass du einen schlechten Freund hast. Denn der Glaube eines frommen Feindes verhindert ihn, dich zu quälen und dass dir etwas zustößt, was dir nicht gefällt. Einen schlechten Freund jedoch kümmert nicht, was dir zustößt.“1249

Erwähnenswert ist an dieser Stelle auch folgende Aussage: „Verkehre mit weisen Leuten. Ihre Gesellschaft ist eine Bereicherung. Die Unterhaltung mit ihnen ist ein Segen und die Bruderschaft mit ihnen ist eine Ehre.“1250

Im Hinblick auf die Charakterentwicklung wies Ibn ʿUyayna mit den Worten „Während man die Namen der Frommen erwähnt, wird Segen herabgesandt“1251 auf die Wichtigkeit hin, mit guten Menschen zusammen zu sein. Eine weitere Tugend, die er strikt betonte, ist die Geduld. Für ihn war die Geduld ein Zustand dergestalt, dass, wenn eine Person bei einer Plage geduldig ist, sie im ruhigen Zustand vor der Plage verbleibt. Den Menschen wurde so keine größere Gabe beschert als die Geduld. Dank ihr treten die Menschen ins Paradies ein.1252 Ibn ʿUyayna bevorzugte die Dankbarkeit während eines Wohlergehens vor der Geduld während einer Plage. Als man ihm nach dem Grund fragte, antwortete er: „Wahrlich, ich habe den Koran gelesen. Darin habe ich gesehen, dass sowohl über den sich im Wohlergehen befindenden Propheten Sulaymān gesagt wurde‚… welch ein vortrefflicher Diener! Er wandte sich stets zu Allah.‘1253, als auch über den von einer Plage geprüften Propheten Ayyūb‚… welch ein vortrefflicher Diener! Er wandte sich stets zu Allah.‘1254

1247 Ṭāhā, 20/131. 1248 Abū Nuʿaym, Ḥilya,VII, S. 303. 1249 Ebenda, S. 281. 1250 Ebenda, S. 284. 1251 Abū Nuʿaym, Ḥilya,VII, S. 285. 1252 Ebenda, S. 281, 305 f. 1253 Ṣād, 38/30. 1254 Ṣād, 38/44.

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Hier ist der Zustand zwischen dem sich in Wohlergehen Befindenden und dem von einer Plage Geprüften gleich. In diesem Fall erkannte ich, dass die Dankbarkeit durch die Geduld ersetzt wurde. So gesehen ist es mir lieber, mich im Wohlergehen zu befinden und dafür zu danken, als mich in Plage zu befinden und mich zu gedulden.“1255

Seiner Ansicht nach dient niemand Allah besser als eine intelligente Person. Eine intelligente Person hat einige Eigenschaften: Die Menschen sind vor der Arroganz eines intelligenten Menschen sicher. Sie hoffen auf seine Ratschläge. Ihm ist die Erniedrigung lieber als die Erhabenheit und die Armut lieber als der Reichtum. Diese Person wird lebenslang ein ʿIlm-­Schüler sein. Sie bemüht sich, nicht die diesseitige, sondern die jenseitige Ehre zu steigern. Sie sieht sich kleiner als alle Menschen, denen sie begegnet.1256 Ibn ʿUyayna meinte dazu: „Wenn ein intelligenter Mensch nicht von wenig Rat profitieren kann, werden viele Ratschläge nur seinen Übel vermehren.“1257

Der in allen seine Absichten auf das Jenseits hin ausgerichtete Ibn ʿUyayna sagte: „Das Leben ist nur nach dem Tod und die Endlosigkeit nach dem jüngsten Tag“1258 und legte für sich selbst nicht das Urteil des Volkes, sondern nur das Urteil Allahs zugrunde. So sagte er einst auch: „Dass eine schlechte Eigenschaft, die sich bei dir nicht befindet, erzählt wird, ist besser als, dass eine gute Eigenschaft, die sich bei dir befindet, erzählt wird.“

Danach las er den jeweiligen Teil des Verses über die Verleumdung (Ifk): „Jene, die [die Ehefrau des Propheten] schwer verleumdet haben, sind zweifellos eine Gruppe unter euch. Denkt nicht, dass dies etwas Übles für euch sei! Im Gegenteil, das ist für euch etwas Gutes…“1259

In diesem Zusammenhang betonte er, dass die Komplimente der Menschen eine Person, die sich selbst kennt, nicht täuschen können.1260 Ibn ʿUyayna, der auf einige Prinzipien für eine ausgeglichene und konsequente Lebensführung aufmerksam machte, überlieferte von Ibn Abī Naǧīh (gest. 131 oder 132/748 oder 749) folgende Worte des Propheten Sulaymān: „Einige [Gaben], die den Menschen gegeben und auch nicht gegeben wurden, wurden uns gegeben. Einige Dinge, die den Menschen gelehrt wurden und auch nicht gelehrt wurden,

1255 Abū Nuʿaym, Ḥilya,VII, S. 283; Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 193. 1256 Abū Nuʿaym, Ḥilya,VII, S. 282. 1257 Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 192. 1258 Abū Nuʿaym, Ḥilya,VII, S. 284. 1259 Nūr, 24/11. 1260 Abū Nuʿaym, Ḥilya,VII, S. 284 f., 302.

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wurden uns gelehrt. Darunter konnten wir nichts Wertvolleres finden als diese drei Dinge: 1) Weise Worte im Zorn. 2) Zufriedenheit in der Armut, Sparsamkeit im Reichtum. 3) Die Furcht vor Allah im Verborgenen und in der Öffentlichkeit.“1261

2.2.8.1 Seine Gottesfurcht (Taqwā) Ibn ʿUyayna, der stets eine schlichte Lebensweise bevorzugte und das Profane nicht sehr schätzte, verstand die Askese (Zuhd) nicht als eine gänzliche Abwendung von weltlichen Gaben. Er zählte das Danken für Gaben und das Dulden bei Unheil als Askese. So antwortete er auf die Frage, was die Askese sei, folgendermaßen: „Wer dankt, wenn Allah ihm eine Gabe schenkt, und wer geduldig ist, wenn er ihn mit einem Unheil prüft, dann ist das die Askese.“1262

Als ihm gesagt wurde, dass das Danken für Gaben und das Dulden bei Unheil keine Askese sei, sondern die Gaben festzuhalten seien, erwiderte er: „Sei still! Jemand, den ein Unheil nicht verhindert zu dulden und den eine Gabe nicht abhält zu danken, ist ein Asket.“1263

Ibn ʿUyayna sah das Verzichten auf profane Gaben nicht als Askese an. So erwiderte er, als man ihn über die Askese fragte, wie folgt: „Askese ist bei den Dingen, die Allah verbot. Was die Dinge, die Allah erlaubte, betrifft, so ließ Allah diese zu. Die Propheten heirateten, ritten [auf einem Tier], trugen [Kleidung] und aßen. Falls Allah ihnen jedoch etwas verbot, unterließen sie dies sofort. Dadurch wurden sie Asketen.“1264

Vor diesem gedanklichen Hintergrund meinte er, dass der Prophet ʿĪsā nicht aufgrund seiner Askese keine Frau wollte, sondern weil er ohne Vater außerhalb biologischer Normen erschaffen wurde.1265 Die für die Fortwährung des Lebens notwendigen profanen Sachen zu verlangen, zählte er nicht zur allgemein negativ empfundenen „Liebe zum Diesseits = Ḥubbu d-­Dunyā“.1266 Nach Ibn ʿUyayna ist „die Askese die Geduld und das Erwarten des Todes“.1267 Auf den Unterschied zwischen der Askese, dem Erwarten des Todes und dem Verlangen nach dem Diesseits wies er folgendermaßen hin: 1261 Ebenda, S. 299 f. 1262 Abū Nuʿaym, Ḥilya,VII, S. 273; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 468. 1263 Abū Nuʿaym, Ḥilya,VII, S. 273; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 468. 1264 Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 194; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 469. 1265 Abū Nuʿaym, Ḥilya,VII, S. 299; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 469. 1266 Abū Nuʿaym, Ḥilya,VII, S. 273; Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 191. 1267 Abū Nuʿaym, Ḥilya,VII, S. 272; Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 191; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 462; Tārīḫ, XIII, S. 196.

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„Jemandes Liebe zum Diesseits wird durch sein Verlangen ewig hier zu bleiben und durch seinen grenzenlosen Wunsch nach weltlichen Gütern erkennbar. Bis zum Weltuntergang wird sich sein Wunsch nach den weltlichen Gütern nicht mindern. Seine Askese wird durch seine Liebe zum Tod deutlich. Hast du denn Allahs folgende Worte nicht gehört?!: „Sag: ‚Wenn die Wohnstätte des Jenseits bei Allah nicht anderen Menschen, sondern nur euch gehört, dann wünscht euch den Tod, wenn ihr die Wahrheit sagt!‘“ [Baqara, 2/94]

Anschließend sagte er: „Und sicherlich findest du sie unter den Menschen, die am gierigsten nach Leben sind. [Baqara, 2/96]“1268 Ibn ʿUyayna erwähnte, dass Sünden eine psychologische Trauer verursachen, und sagte: „Derjenige, der Allah gegenüber ungehorsam ist, verbreitet einen Gestank um sich, denn Ungehorsam ist Gestank.“1269

Er meinte damit, dass eine solche Person ihr Umfeld psychologisch störe. Dass ein gegenüber Allah Ungehorsamer bei Allah zu den Toten gehöre, drückte er folgendermaßen aus: „Allah offenbarte Mūsā Folgendes: Der Erste, der starb, ist Iblīs. Dies ist, weil er der Erste mir gegenüber Ungehorsame war. Die mir gegenüber Ungehorsamen zähle ich zu den Toten.“1270

In diesem Zusammenhang erklärte er den Weg zur wahren Gottesfurcht: „Solange bis jemand zwischen die Sünde und sich selbst ein erlaubtes Hindernis legt und die Sünde und die der Sünde ähnelnde Dinge verlässt, gelangt er nicht zur wahren Taqwā.“1271

Auch ist zu erkennen, dass sich Ibn ʿUyayna keine Sorgen um seinen Lebensunterhalt machte. Dies zeigen seine Aussagen über den Propheten ʿĪsā: „ʿĪsā versteckte keine Nahrung für den Abend. Er versteckte keine Nahrung für das Morgen. Er sagte: ‚Es gibt den Unterhalt für jeden Tag und jede Nacht.‘ Auch besaß er kein Haus, was zu einer Ruine werden könnte.“1272

Ein wichtiger Punkt seines Askese- und Taqwā-­Verständnisses lag auch darin, dass man Allahs Entscheidungen absolut zustimmt. Nach seiner Auffassung konnte derjenige, dem göttliche Entscheidungen nicht gefielen, auch kein Wohlgefallen 1268 Abū Nuʿaym, Ḥilya,VII, S. 306. 1269 Ebenda, S. 298. 1270 Ebenda, S. 304. 1271 Ebenda, S. 288. 1272 Abū Nuʿaym, Ḥilya,VII, S. 273.

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an seinen eigenen Entscheidungen finden. Der folgende Ausspruch spiegelt seine Einstellung dazu wider: „Falls ein Engel vom Himmel kommen und sagen würde, dass jeder Mensch ins Paradies eintreten werde, doch ich in die Hölle kommen würde, würde ich auch damit einverstanden sein.“1273

Ibn ʿUyayna meinte, dass zwischen der ʿIbāda, der Askese, der Fiqh und der Geduld ein fester Zusammenhang bestehe und sagte: „Die ʿIbāda ist nur zusammen mit der Askese, die Askese nur zusammen mit der Fiqh und die Fiqh nur zusammen mit der Geduld nützlich.“1274

Über Waraʿ legte er seine Anschauung wie folgt dar: „Waraʿ ist das Streben nach dem ʿIlm, durch das die Waraʿ erkennbar wird. Einige meinen, dass Waraʿ langes Schweigen und wenig Sprechen sei. Jedoch ist dies nicht Waraʿ, denn ein sprechender Gelehrte hat meiner Meinung nach mehr Waraʿ als ein Unwissender, der schweigt.“1275

2.2.8.2 Seine Bescheidenheit Es ist ersichtlich, dass Ibn ʿUyayna mehrmals auf die Wichtigkeit der Bescheidenheit und den Schaden der Arroganz hinwies. Zu denjenigen, die der Wissenschaft wegen zu ihm kamen, sagte der äußerst bescheidene Gelehrte: „Wenn ich sehe, dass ihr zu mir kommt, schimpfe ich mit mir selbst und sage: Diese Leute kommen nur für das Gute zu mir, was sie denken, dass ich es hätte.“1276

Ibn ʿUyayna, der interessante Vergleiche über die Arroganz als dem Gegenteil der Bescheidenheit anstellte, wies mit folgenden Worten auf die Verwerflichkeit der Arroganz hin: „Sei hoffnungsvoll über den, der aufgrund seiner Begierden Sünde begeht! Habe Angst um den, der aufgrund seiner Arroganz Sünde begeht! Wahrlich, Adam befolgte aufgrund seiner Begierden das Gebot seines Herrn nicht und ihm wurde verziehen. Iblīs hingegen befolgte aufgrund seiner Arroganz das Gebot seines Herrn nicht und er wurde verflucht.“1277

Dass jemand sich besser als andere betrachte, stufte er als Arroganz ein und machte auf den Zustand des Iblīs aufmerksam, der Adam erachtete und sich daher weigerte, 1273 Ebenda, S. 278, 294 f.; Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 192. 1274 Abū Nuʿaym, Ḥilya,VII, S. 302. 1275 Abū Nuʿaym, Ḥilya,VII, S. 299; Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 194; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 465. 1276 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 285. 1277 Abū Nuʿaym, Ḥilya,VII, S. 272; Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 191; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 461; Tārīḫ, XIII, S. 196.

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sich vor ihm zu verbeugen.1278 Als Heilung der Arroganz und Angeberei erwähnte Ibn ʿUyayna das Im-­Gedächtnis-­Behalten, dass man lange im Grab weilen werde.1279 ʿAlī b. al-­Madīnī (gest. 234/849) aus Basra, einer von Ibn ʿUyaynas fünf Schülern, die von ihm am meisten überlieferten, berichtete, dass sich Ibn ʿUyayna bei Themen, die er nicht kannte, äußerst zurückhielt, und sagte: „Wenn Ibn ʿUyayna [über ein Thema, das er nicht kannte] gefragt wurde, erwiderte er ‚Ich kenne dieses Thema nicht genau‘. Wir fragten ‚Wen sollen wir denn fragen?‘ Er antwortete ‚Fragt die Gelehrten und erhofft den Erfolg ausschließlich von Allah!“1280

Dazu überlieferte Aḥmad b. Abī Dāwūd noch folgendes Ereignis: „Wir verrichteten mit Ibn ʿUyayna ein Totengebet. Ein Mann fragte ihn in einer Angelegenheit. Er erwiderte ‚Ich kenne dieses Thema nicht genau.“1281

Ibn ʿUyayna sah sich keineswegs als einzige religiöse Autorität und nahm die Auslegungen anderer Wissenschaftler demütig zur Kenntnis. So schilderte Aḥmad b. Abī Dāwūd folgendes Geschehen: „Als ich mit Ibn ʿUyayna im Masǧidu l-­Ḥarām saß, fragte ihn ein Mann ‚Oh Abā Muḥammad! Wir führen Krieg im römischen Gebiet. Während unserer Reise werden auch Mühlenwerkzeuge mitgenommen, was meinst du?‘ Darauf antwortete Ibn ʿUyayna folgendermaßen: ‚Frag die syrischen [Gelehrten] zu diesem Thema. Wahrlich sind sie in diesem Thema wissender als wir.“1282

2.2.8.3 Umsetzung seines Wissens in die Tat Nach den Angaben der Quellen war Ibn ʿUyayna einer, der sein Wissen praktizierte, ein ʿᾹbid und Asket. Man kann sagen, dass Ibn ʿUyayna im Verhältnis von Wissen und Praxis das Wissen bevorzugte, jedoch das nicht in die Tat umgesetzte Wissen für nicht ausreichend und sogar für nachteilig hielt. In diesem Zusammenhang antwortete er, als er über den Stellenwert des Wissens gefragt wurde, folgendermaßen: „Hast du denn nicht gehört, dass Allah im Vers ‚Wisse, es gibt keinen Gott außer Allah‘1283 mit dem „ʿIlm“ begann und anschließend ‚Bitte um die Vergebung deiner Sünde‘ sagend die „ʿAmal“ befahl?!“1284

1278 Abū Nuʿaym, Ḥilya,VII, S. 271 f.; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 468. 1279 Abū Nuʿaym, Ḥilya,VII, S. 283. 1280 Ebenda, S. 274 f.; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 468. 1281 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 295. 1282 Ebenda. 1283 Muḥammad, 47/19. 1284 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 285, 305 f.

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Er glaubte an den Vorrang des Wissens vor der Praxis, da sowohl in diesem als auch in anderen Versen1285 zuerst das Wissen und erst danach die Praxis befohlen wurde. Dass er im Vers „…helfet einander bei der Güte und der Gottesfurcht! …“1286 das „helfet einander“ als „in Gottesfurcht leben, dazu einladen, hierbei zu helfen und den Weg zu weisen“ interpretierte,1287 ist ein weiteres Beispiel dafür, wie wichtig er die Praxis fand. Den Schaden des nicht umgesetzten Wissens drückte er mit den Worten „Falls das Wissen dir keinen Nutzen bringt, schadet es dir“1288 aus. Die nachfolgend angeführte Aussage spiegelt sein Verständnis wider: „Was soll ich mit dem Wissen, was ich niederschrieb, wenn meine Tage wie die eines Narren und meine Nächte wie die eines Unwissenden werden?!“1289

Nach seiner Anschauung waren Wissenschaftler ausschließlich jene, die ihr Wissen umsetzten.1290 Er war der Meinung, dass „… der wahre Gelehrte nicht jemand ist, der das Gute und Böse kennt. Der wahre Gelehrte ist der, der das Gute kennt und diesem folgt und das Böse kennt und sich davon fernhält.“1291

Das Wissen erlegt dem Gelehrten eine große Verantwortung auf. Daher überliefert er die Aussage Fuḍayl b. ʿIyāḍs (gest. 187/802): „Bevor einer Sünde eines Gelehrten verziehen wird, werden dem Unwissenden siebzig Sünden verziehen.“1292

Darüber hinaus betonte er, dass das nicht umgesetzte Wissen dem Wissenden schade: „Es gibt für euch nichts Schlechteres als schlechte Könige und das nicht praktizierte Wissen.“1293

Dass bei demjenigen, der nicht im Einklang mit seinem Wissen handelt, keine Gottesfurcht vorhanden ist, und dass der, der wissend praktiziert, große göttliche Belohnungen erhalten wird, erwähnte er wie folgt: 1285 Ḥadīd, 57/20; Anfāl, 8/28, 41. 1286 Māʾida, 5/2. 1287 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 284. 1288 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 277; Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 192; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 462; Tārīḫ, XIII, S. 196. 1289 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 271. 1290 Ebenda. 1291 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 274; Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 191 f. 1292 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 286. 1293 Ebenda, S. 287.

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„Einige Rechtsgelehrten (Fuqahāʾ) sagten: Die Gelehrten sind als ‚ʿĀlimun Billāh‘, ‚ʿĀlimun bi Amrillāh‘ und ‚ʿĀlimun Billāh und bi Amrillāh‘ in drei Gruppen aufgeteilt. Was denjenigen, der ‚ʿĀlimun bi Amrillāh‘ ist, betrifft, so ist dies derjenige, der die Sunna kennt, aber Allah nicht fürchtet. Was denjenigen, der ‚ʿĀlimun Billāh‘ ist, betrifft, so ist dies derjenige, der Allah fürchtet, doch die Sunna nicht kennt. Was denjenigen, der ‚ʿĀlimun Billāh und bi Amrillāh‘ ist, betrifft, so ist dies derjenige, der die Sunna kennt und Allah fürchtet. Diese Person wird von [den Engeln] der Himmel als ‚hochrangige Person‘ aufgerufen werden.“1294

Seiner Ansicht nach galt: „Der ‚ʿĀlimun Billāh und bi Amrillāh‘ erreichte die zu erreichende Stufe. Den Menschen wurde keine größere Gabe als das Kennen von Allah und seinen Vorschriften, und keine härtere Strafe, als das Unwissen über Allah und seinen Vorschriften auferlegt.“1295

Nach Ibn ʿUyaynas Ansicht besteht zwischen dem Verlangen nach Wissen und der Umsetzung ein starkes Verhältnis. Je mehr man sein Wissen umsetzt, desto leidenschaftlicher verlangt man danach.1296 Ein weiterer Punkt, mit dem er auf die Umsetzung des Wissens aufmerksam machte, ist die Aufrichtigkeit. Diesen Zustand erklärte er folgendermaßen: „Die nützliche Tat [al-ʿAmalu ṣ-­Ṣāliḥ] ist die, von der du nicht möchtest, dass jemand außer Allah dich [dafür] lobt.“1297

Seine klare Haltung gegenüber verwerflichen Neuerungen (Bidʿa), welche nicht mit der Seele der Religion kompatibel sind, ist anhand seiner folgenden Aussagen zu erkennen: „Es gibt keinen verwerflichen Neuerer (Ṣāḥibu l-­Bidʿa) auf der Welt, den eine Erniedrigung nicht heimsucht. Das ist in Allahs Buch vorzufinden.“ Die dort Anwesenden fragten ihn: ‚Wo in Allahs Buch befindet sich dies?‘ Darauf erwiderte er: ‚Habt ihr denn nicht die Worte Allahs ‚Denjenigen, die nun das Kalb vergöttlicht haben, wird wahrlich der Zorn ihres Herrn und Erniedrigung im diesseitigen Leben erreichen…‘1298 gehört?‘ Die sich bei ihm Befindenden hielten ihm entgegen: ‚Oh Abā Muḥammad! Ist dieser Vers nicht auf jene bezogen, die das Kalb vergöttlichen?‘

1294 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 280 f. 1295 Ebenda; Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 192. 1296 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 281 f. 1297 Ebenda, S. 282. 1298 Aʿrāf, 7/152.

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Ibn ʿUyayna antwortete: ‚Nein! Lest auch‚…So vergelten wir die Verleumder.‘ welcher die Fortsetzung des Verses ist. Demnach gilt das Urteil des Verses für alle Verleumder und verwerfliche Neuerer bis zum Weltuntergang.‘“1299

Wie man weiß, spielen die Gefühle und Emotionen bei der Entstehung von Taten eine große Rolle. Ibn ʿUyayna machte mit folgenden Worten auf die Bedeutung des Ḍikrullāh (das Gedenken Allahs mit der Zunge oder mit dem Herzen) für die Erziehung dieser Gefühle aufmerksam: „Im Jenseits ‚Lā Ilāha Illallāh’ ist wie das Wasser im Diesseits. Nichts auf der Welt kann ohne Wasser leben. Allah sagte: ‚Jedes einzelne Lebewesen haben wir aus Wasser erschaffen. Glauben sie denn nicht?!’1300 Daher ist ‚Lā Ilāha Illallāh’ auf der Welt wie Wasser. Jemand, der nicht ‚Lā Ilāha Illallāh’ aufsagt, ist ein Toter. Derjenige, der ‚Lā Ilāha Illallāh’ aufsagt, ist lebendig.“1301

In diesem Zusammenhang sagte er: „Niemand wurde mit einer Gabe wie Ḍikrullāh beschenkt.“1302

2.2.9 Sein Tod Dadurch, dass Ibn ʿUyayna in Mekka lebte, verrichtete er 70 oder 72 Mal die Ḥaǧǧ.1303 Er stellte fest, dass er ab seinem sechsten Lebensjahr mit seinem Vater 27 Mal die Ḥaǧǧ verrichtete und dass ʿAṭāʾ b. Abī Rabāh (gest. 114/732) bei einer dieser Pilgerfahrten noch am Leben war.1304 Da Ibn ʿUyayna 107/725 geboren wurde, lässt sich daraus ableiten, dass er mit sechs oder sieben Jahren ʿAṭāʾ aus dem Schülerkreis von Ibn ʿAbbās gesehen hatte. Sulaymān b. Ayyūb überlieferte, dass Sufyān b. ʿUyayna „Ich habe mich 80 Mal in ʿArafat aufgehalten [Waqfa]“1305 sagte. Nach dieser Überlieferung zählte Ibn ʿUyayna möglicherweise auch die Pilgerfahrten dazu, die er in seiner Kindheit gemacht hatte. Der im Jahre 197 n. H. mit seinem Neffen Ḥasan b. ʿImrān die Pilgerreise verrichtende Sufyān b. ʿUyayna betete liegend in seinem Bett:

1299 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 280. 1300 Anbiyāʾ, 21/30. 1301 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 272; Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 191. 1302 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 307. 1303 Fasawī, al-­Maʿrifa, I, S. 59; Ibn Ḥibbān, Mašāhīr, S. 236; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 183; Samʿānī, al-­Ansāb, XIII, S. 441; Ibn Ḫallikān, Wafayāt, II, S. 391; Ḏahabī, Tārīḫ, XIII, S. 199. 1304 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 176; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 458; Tārīḫ, XIII, S. 193. 1305 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 289; Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 195; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 465; Tārīḫ, XIII, S. 200.

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„Zu diesem Ort bin ich 70  Jahre gekommen und sage jedes Jahr: ‚O mein Herr! Lasse diese Pilgerreise nicht mein letzter Akt an diesem Ort sein. Ich schäme mich dafür, dies nochmals von Allah zu wünschen.‘“1306

Am Samstag den 1. Raǧab 198 n. H. verstarb Sufyān b. ʿUyayna mit 91 Jahren in Mekka und wurde am Haǧūn1307 genannten Ort begraben.1308 Einige meinen, dass er am letzten Tag des Ǧamāḏi l-­Awwal oder Ǧamazi l-­Āḫir gestorben ist.1309 Sufyān b. ʿUyayna (107–198/725–813) lebte im Zeitfenster am Ende der Umayyaden (40–132/661–750) und in der ersten Phase der Abbasiden (132–233/750–847), die auch als Hohe Kalifatszeit benannt1310 und in der islamischen Geschichte politisch als die herausragendste, stabilste und am längsten andauernde Epoche bezeichnet wird.1311

2.2.10 Seine Werke Es gibt unterschiedliche Meinungen darüber, ob Ibn ʿUyayna Werke verfasst hat oder nicht. Der kūfische Kritiker Aḥmad b. ʿAbdillāh al-ʿIǧlī (gest. 261/875) bemerkt in diesem Zusammenhang: „Sufyān b. ʿUyayna hatte etwa 7000 Hadithe. Jedoch hatte er kein Buch.“1312 Ibn Nadīm (gest. 385/995) stellte jedoch neben der Anmerkung „Er hat kein Buch“ auch fest: „Man hat seiner Koranexegese

1306 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, V, S. 498; Ṭabarī, Tārīḫu ṭ-­Ṭabarī, XI, S. 661; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 184. 1307 Der Name eines Berges in Mekka, auf dem die Verstorbenen beerdigt werden; siehe Yāqūt, Muʿǧamu l-­Buldān, II, S. 225. 1308 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, V, S. 498; Ṭabarī, Tārīḫu ṭ-­Ṭabarī, XI, S. 661; Ibn Nadīm, al-­ Fihrist, S. 316; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 184; Nawawī, Tahḏību l-­Asmāʾ, I, S. 225; Ibn Ḫallikān, Wafayāt, II, S. 392 f.; Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 195 f.; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 465; Tārīḫ, XIII, S. 200; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IV, S. 106; Suyūṭī, Ṭabaqātu l-­Ḥuffāẓ, S. 119. 1309 Fasawī, al-­Maʿrifa, I, S. 53; Ibn Ḥibbān, Mašāhīr, S. 236; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 184; Samʿānī, al-­Ansāb, XIII, S. 440; Ibn Ḫallikān, Wafayāt, II, S. 393; Ḏahabī, Tārīḫ, XIII, S. 200 f. 1310 Hodgson, Marshall G. S., The Venture of Islam, (İslam’ın Serüveni, ins Türkische übersetzt von İ. Akyol, S. Demirci, A. Demirhan, İ. Durdu, M. Karabaşoğlu, E. Karataş), İz Yay. İstanbul 1993, I, S. 180. 1311 Koçyiğit, Talat, Hadis Tarihi, Ankara Üniversitesi İlahiyat Fakültesi Yay., Ankara 1977, S. 116. 1312 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 179; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 458; al-ʿIbar fī Ḫabari man Ġabar, I, S. 254.

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zugehört, von der man weiß, dass es seine ist.“1313 Auch Ḫaṭīb al-­Baġdādī1314 und M. Muṣtafā Aʿzamī1315 behaupten, dass es kein einziges Buch von Sufyān b. ʿUyayna gibt. Zieht man in Betracht, dass Rāmahurmuzī (gest. 360/971) Sufyān b. ʿUyayna unter den Personen aufzählt, die erstmalig die Hadithe in Mekka kategorisierten und in Kapitel unterteilten,1316 und nimmt man die persönliche Aussage Ibn ʿUyaynas hinzu „Ich habe niemals etwas niedergeschrieben, ohne dies vorher auswendig gelernt zu haben“1317, so besteht kein Zweifel daran, dass er ein werkbesitzender Muǧtahid war. So teilen einige Quellen mit, dass Sufyān b. ʿUyayna der Autor von Werken wie al-­Ǧāmiʿ fi l-­Ḥadīṯ1318, Ǧuzʾu Sufyān b. ʿUyayna1319 und Kitābu t-­Tafsīr ist. Über diese Werke werden nun einige kurze Informationen gegeben: 1) Al-­Ǧāmiʿ fi l-­Ḥadīṯ: In der Hadith-­Terminologie werden nach Themen (Abwāb) unterteilte, aus acht Hauptpunkten bestehende und nahezu alle religiösen Themenbereiche umfassende Werke „Ǧāmiʿ“ genannt.1320 Das im 2. Jahrhundert n. H. verfasste und bis in die Gegenwart gelangte erste Werk in der Art von Ǧāmiʿ stammt von Maʿmar b. Rāšid. Auch gehörten Sufyān b. ʿUyayna, Sufyān aṯ-­Ṯawrī und ʿAbdullāh b. Wahb b. Muslim (gest. 197/813) zu den religiösen Autoritäten, die in diesem Jahrhundert ein Werk in der Art von Ǧāmiʿ verfassten.1321 Die Wichtigkeit dieses Werkes von Ibn ʿUyayna ist an seiner Wirkung auf die nach ihm kommenden Kutubu-­Sitta-­Verfasser zu ersehen. Auch wenn das Werk nicht mehr im Original vorliegt, ist es doch seinen Schülern Ḥumaydī (gest. 219/834) und Imam aš-­Šāfiʿī (gest. 204/820) zu verdanken, dass der Inhalt des Werkes an die nachkommenden Generationen weitergegeben wurde, denn die große Menge der Hadithe, welche durch Sufyān b. ʿUyayna in Ḥumaydīs und

1313 Ibn Nadīm, al-­Fihrist, S. 316. 1314 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 179. 1315 Al-­Aʿẓamī, Studies in Early Hadith Literature: with A Critical Edition of Some Early Texts, (İlk Devir Hadis Edebiyatı (ins Türkische übersetzt von Hulusi Yavuz), İz Yay., İstanbul 1993, S. 151. 1316 Rāmahurmuzī, al-­Muḥaddiṯu l-­Fāṣil, S. 611 f. 1317 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 179. 1318 Kattānī, ar-­Risālatu l-­Mustaṭrafa, S. 9, 41; Ziriklī, al-­Aʿlām, III, S. 105. 1319 Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 466; Kātip Çalabī, Haǧī Ḫalīfa Muṣṭafā b. ʿAbdillāh (gest. 1067/1657), Kašfu ẓ-­Ẓunūn ʿan Asāmi l-­Kutub wa l-­Funūn, Bagdad 1941, I, S. 587. 1320 Kandemir, M. Yaşar, Câmi’, in: DİA, İstanbul 1993, VII, S. 94. 1321 Kattānī, ar-­Risālatu l-­Mustaṭrafa, S. 41; Koçyiğit, Hadis Tarihi, S. 212.

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Imam aš-­Šāfiʿīs Werken zu finden sind, wurden diesem Werk entnommen.1322 So ist der gemeinsame letzte Überlieferer von 1240 der 1309 Hadithe in Ḥumaydīs Werk al-­Musnad Sufyān b. ʿUyayna.1323 Die Verteilung der in Ḥumaydīs Werk enthaltenen Hadithe auf die Kutubu Sitta stellt sich folgendermaßen dar: Buḫārī: 821 Hadith/Ḫabar; Muslim: 681 Hadith/ Ḫabar; Abū Dāwūd: 458 Hadith/Ḫabar; Tirmiḏī: 515 Hadith/Ḫabar; Nasāʾī: 442 Hadith/Ḫabar; Ibn Māǧa: 422 Hadith/Ḫabar.1324 Demnach ist zu sehen, dass die große Mehrheit der Hadithe im al-­Musnad Ḥumaydīs sowohl Buḫārī als auch weitere Werke der Kutubu Sitta reflektiert. Somit ist der erhebliche Einfluss Ibn ʿUyaynas auf diese Werke offensichtlich. 2) Ǧuzʾu Sufyān b. ʿUyayna: Der Anfang der in der Hadithgeschichte als Ǧuz1325 bezeichneten Werke liegt im 2. Jahrhundert n. H. Die drei Werke von Suhayl b. Abī Ṣāliḥ (gest. 138/755), ʿUbaydullāh b. ʿUmar (gest. 147/764) und Abu l-­Yamān Ḥakam b. Nāfiʿ (gest. 211/826) seien als Beispiele für Ǧuzʾ für diesen Zeitraum genannt.1326 Sufyān b. ʿUyaynas Ǧuzʾ ist auch ein Werk, welches bis in die Gegenwart gelangt ist.1327 Das aus der Überlieferung von Abū Yaḥyā Zakariyyā b. Yaḥyā b. Asad al-­Marwazī (gest. 270/883) stammende Werk beinhaltet 50 Hadithe von 28 Hadith-­Gelehrten. Der letzte Tradierer in der Überliefererkette ist Ibn Ḥaǧar al-ʿAskalānī (gest. 852/1448). Sein Ǧuzʾ wurde von Abū ʿAbdirraḥmān Masʿad b. Abdilhamīd as-­Saʿdanī editiert und im Jahre 1412/1992 vom Dāru s-­Ṣahāba li t-­Turāṯ-­Verlag in Ṭanṭā veröffentlicht. Nach as-­Saʿdanī gibt es in verschiedenen Bibliotheken noch weitere Exemplare des Ǧuzʾ mit zweifelsfreier Zuschreibung zu Sufyān. Eines dieser Exemplare befindet sich in der Dāru l-­Kutubi l-­Qawmiyya mit der Signatur „Hadith/1831“ und ein weiteres in der Ẓāhiriyya-­Bibliothek mit den Signaturen „18/12–13 (qāf 263/a-270/b), 22/7 (qāf 75/a-84/a) und 81 (qāf 113/a-128/b)“.1328

1322 Kırbaşoğlu, M. Hayri, Sünni Paradigmanın Oluşumunda Şâfiî’nin Rolü, Kitabiyât, Ankara 2003, S. 208–211. 1323 Evgin A. Kadir, Buhârî’nin Hocası Abdullah b. Zübeyr el-­Humeydî ve Müsnedi, S. 87. 1324 Ebenda, S. 123. 1325 Hadithe, die nur von einer Person überliefert wurden oder eine Sammlung der Hadithe zu einem Thema. S. Aydınlı, Hadis Istılahları Sözlüğü, S. 45. 1326 Diese drei Ǧuzʾ wurden durch al-­Aʿẓamī publiziert; siehe el-­A’zamî, İlk Devir Hadis Edebiyatı, S. 243 f., 248 f., 250 f. 1327 Sezgin, Buhârî’nin Kaynakları, S. 76. 1328 al-­Marwazī, Ǧuzʾu Ḥadīṯi Sufyān b. ʿUyayna, S. 19 f.

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Die besondere Bedeutung des Ǧuzʾ liegt in seinem Einfluss auf die nachfolgenden Epochen. Dass nahezu die Hälfte der im Ǧuzʾ enthaltenen Hadithe mit nur kleinen Unterschieden und mit fast identischen Überliefererketten in der Kutubu Sitta zu finden sind,1329 zeigt, dass die Autoren der Kutubu Sitta von diesem Werk profitiert haben. 3) Kitābu t-­Tafsīr: Da im Rahmen der intensiv durchgeführten Beschäftigungen mit der Niederschrift im 2. Jahrhundert n. H. die Überlieferungen bezüglich der Exegese unter dem Namen „Kitābu t-­Tafsīr“ in separaten Kapiteln gesammelt wurden, werden die Hadith-­Gelehrten, die erstmals die Hadithe sammelten, gleichzeitig als die ersten Exegeten in der Tafsīr-­Geschichte angesehen. Aus diesem Grund werden Šuʿba b. al-­Ḥaǧǧāǧ (gest. 160/776), Wakīʿ b. al-­Ǧarrāḥ (gest. 197/812), Sufyān aṯ-­Ṯawrī und Sufyān b. ʿUyayna (gest. 198/813) gleichzeitig als Exegeten bezeichnet.1330 Die Koranexegese Ibn ʿUyaynas ist besonders wichtig, da sie die frühen Exegesearbeiten beleuchtet. Das Werk, welches im Original verschollen ist, wurde von Aḥmad Ṣāliḥ al-­Muḥāyirī mit dem Titel Tafsīru Sufyān b. ʿUyayna auf der Grundlage unterschiedlicher Quellen zusammengestellt, editiert und anschließend 1983 vom Maktabatu l-­Islāmī-­Verlag in Riad veröffentlicht. Muḥāyirī konstatiert, dass in Sufyān b. ʿUyaynas Exegese zwei Überliefererketten vorhanden sind. Bei diesen ist der letzte Überlieferer der ersten Überliefererkette Abū Isḥāq aṯ-­Ṯaʿlabī (gest. 427/1035) und der letzte Überlieferer in der zweiten Überliefererkette Ibn Ḥaǧar al-ʿAskalānī (gest. 852/1449).1331 Bei einer Untersuchung des Werkes stellte man fest, dass es, wie weitere Koranexegesen seiner Zeit, nicht die gesamten Suren des Koran beinhaltet. Im Werk, in dem 41 Suren nicht kommentiert wurden, wurden die als nötig empfundenen Verse oder einige Wörter eines Verses überwiegend in einer traditionsbasierten Methode (Riwāya-­Methode) exegiert. Bedenkt man, dass im Kapitel Kitābu t-­Tafsīr in Buḫārīs Werk Ṣaḥīḥ mehrere Überlieferungen von Ibn ʿUyayna enthalten sind,1332 so wird deutlich, dass Ibn ʿUyayna auch bei der Koranexegese viele nach ihm kommende Autoren beeinflusst hat. Ein weiteres auffälliges Merkmal ist hierbei, dass Buḫārī von Büchern, 1329 Karabulut, Fuat, Süfyân b. Uyeyne ve Hadis İlmindeki Yeri, (unveröffentlichte Dissertation), Erzurum 2007, S. 88; Evgin, A. Kadir, Süfyan b. Uyeyne (107–198/725–813) ve Hadis Cüz’ü, in: Dinbilimleri Akademik Araştırma Dergisi, III/3, 2003, S. 69–107. 1330 Özpınar, Ömer, Hadis Edebiyatının Oluşumu, Ankara Okulu Yay., Ankara 2005, S. 100. 1331 Muḫayirī, Tafsīru Sufyān b. ʿUyayna, S. 198. 1332 Karabulut, Süfyân b. Uyeyne ve Hadis İlmindeki Yeri, S. 90.

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deren Überlieferungserlaubnis er besaß, mit den Worten haddaṯanā und aḫbaranā, von den Büchern hingegen, deren Überlieferungserlaubnis er nicht besaß, mit dem Ausdruck qāla berichtete.1333 Dass einige Überlieferungen in Sufyān b. ʿUyaynas Tafsīr mit dem Ausdruck haddaṯanā im Kapitel Kitābu t-­Tafsīr von Buḫārīs Ṣaḥīḥ enthalten sind, zeigt, dass Buḫārī die Erlaubnis zur Überlieferung von Ibn ʿUyaynas Koranexegese besaß.1334 Außer diesen drei Werken werden in den Quellen noch einige andere Werke, wie Ǧawābātu l-­Qurʾān1335, Aǧzāʾ fi l-­Ḥadīṯ1336, al-ʿAwālī1337, Ḥadīṯ1338 und Muṣannaf1339 Ibn ʿUyayna zugeschrieben. Der als Kawsaǧ bekannte Abū Yaʿqūb Isḥāq b. Manṣūr al-­Marwazī (gest. 251/865) trug die an Aḥmad b. Ḥanbal und Isḥāq b. Rāhūyah gestellten Fragen über seine Rechtsmeinungen und ihre Antworten darauf in seinem Masāʾilu Aḥmad b. Ḥanbal wa Isḥāq b. Rāhūyah genannten Werk zusammen. In den Quellen wird konstatiert, dass Ḥabbāl die ʿālī Hadithe1340 Sufyān b. ʿUyaynas sammelte.1341

2.2.11 Seine Beziehungen zu den Regierenden seiner Zeit Sufyān b. ʿUyayna wurde zur Zeit des 10. umayyadischen Kalifen Hišām b. Abdilmalik im Jahre 107/725 geboren und starb im Jahre 198/813, als Maʾmūn das Kalifat antrat. Er erlebte fünf der umayyadischen Kalifen und – zählt man Maʾmūn nicht mit – sechs der abbasidischen Kalifen. 25 Jahre seines 91-jährigen Lebens verbrachte er unter dem Umayyadenkalifat und die weiteren 66 Jahre unter dem Abbasidenkalifat. In den Quellen sind keine Angaben enthalten, ob er an irgendeiner politischen Auseinandersetzung oder Rebellion in der Umayyaden- und Abbasiden-­Ära teilnahm oder eine solche unterstützte. Zum Beispiel ergriff er in der Umayyaden-­ Ära im Alter von etwa 15 Jahren weder während der Rebellion von Zayd b. ʿAlī b. Ḥusayn im Jahre 122 n. H. Partei noch während der Rebellion von Nafsu z-­Zakiyya 1333 Sezgin, Buhârî’nin Kaynakları, S. 127. 1334 Karabulut, Süfyân b. Uyeyne ve Hadis İlmindeki Yeri, S. 91. 1335 Ibn Nadīm, al-­Fihrist, S. 52. 1336 Kaḥḥāla, ʿUmar Riḍā (gest. 1987), Muʿǧumu l-­Muʾallifīn, Beirut, o. J., IV, S. 235. 1337 Kattānī, ar-­Risālatu l-­Mustaṭrafa, S. 164. 1338 Sezgin, GAS, I, S. 97. 1339 Das Werk ist die Überlieferung von Muḥammad b. Abī ʿAmr al-ʿAdanī und 18 Ǧuzʾ. Siehe Ibn Ḫayr al-­Išbīlī, Fahrasa, S. 112. 1340 Die Definition dieses Begriffes wurde bereits im Kapitel 2.1.12.2 „Sein Stellenwert in der Hadith-­Wissenschaft“ behandelt. 1341 Hatiboğlu, İbrahim, Süfyân b. Uyeyne, in: DİA, XXXVIII, S. 29.

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im Jahre 127, als er im Alter von etwa 20 Jahren war. Auch verhielt er sich in der Abbasiden-­Ära im Alter von etwa 38 Jahren während der Rebellion von Muḥammad b. ʿAbdillāh b. Ḥusayn im Jahre 145 n. H. und im Alter von etwa 62 Jahren während der Rebellion von Ḥusayn b. ʿAlī b. Ḥasan b. ʿAlī b. Abī Ṭālib im Jahre 169 n. H. neutral.1342 Möglicherweise blieb er zu Zeiten der Umayyaden von solchen Auseinandersetzungen fern, weil er sich noch in seiner Bildungsphase befand und sich anschließend intensiv auf wissenschaftliche Arbeiten konzentrierte. Seine unparteiische Haltung und seine Wahl, sich mit wissenschaftlichen Arbeiten zu beschäftigen, schützten seine Bildungs- und Erziehungslaufbahn vor möglichen Unterbrechungen. Nach den Angaben der Quellen pflegte Ibn ʿUyayna, ganz anders als Sufyān aṯ-­Ṯawrī, sein Leben lang gute Beziehungen zu den Staatsmännern seiner Ära und folgte keiner Konfrontationspolitik. Obgleich er sich nicht durch Fehler der Regierung instrumentalisieren ließ, hielt er sich dennoch von regierungskritischen Äußerungen nicht zurück. Dank dieser konsequenten Haltung erhielt er ihre Achtung. So beleuchtet folgende Erzählung von Aḥmad b. Ḥanbal (gest. 241/855), der zu den fünf Schülern zählt, die am meisten von ihm tradierten, seine gemäßigte Grundhaltung gegenüber den Regierenden: „Als Sufyān b. ʿUyayna sich in Jemen aufhielt, ging er zum jemenitischen Gouverneur Maʿn b. Zāʾida [158 oder 151/774 oder 768]. Ohne von irgendwelchen Gaben der politischen Autorität befleckt [korrumpiert] zu werden, predigte Sufyān Maʿn und erinnerte ihn an seine Aufgaben um die Sorgen der Muslime. Daraufhin fing Maʿn an zu fragen: ‚Bist du ihr Vater oder ihr Bruder?!‘“1343

Als zeitweise die Kalifen in einer Sache nach seiner Meinung fragten, half er ihnen, indem er sich dazu äußerte. Auch liegt die Mitteilung vor, dass der 2. abbasidische Kalif Manṣūr (136–158/754–775), als das Volk von Zypern einen bestehenden Vertrag annulieren wollte, einige Gelehrte, zu denen auch Ibn ʿUyayna gehörte, um Rat bat, woraufhin ihm dieser eine schriftliche Antwort verfasste.1344 Dies zeigt, dass Ibn ʿUyayna von den Staatsoberhäuptern als eine geachtete religiöse Autorität betrachtet wurde. Angesichts der Aussage „Sayyidu n-­Nās = der Herr der Menschen“ des 5. abbasidischen Kalifen Hārūn ar-­Rašīd (170–193/786–809) über Ibn ʿUyayna1345 lässt sich verstehen, dass auch dieser Kalif Ibn ʿUyaynas Wissen schätzte.

1342 Muḫayirī, Tafsīru Sufyān b. ʿUyayna, S. 109. 1343 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 53; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 459; Taḏkiratu l-­Ḥuffāẓ, I, S. 193. 1344 Balāzūrī, Aḥmad b. Yaḥyā b. Ǧābir b. Dāwūd (gest. 279/892–93), Futūḥu l-­Buldān, Dāru wa Maktabatu l- Hilāl, Beirut 1988, S. 156. 1345 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 179.

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In den Quellen sind keine Informationen zu finden, dass Ibn ʿUyayna ein offizielles Amt bekleidete. Er schenkte den profanen Dingen keinerlei Beachtung, nahm von den Spenden nur so viel wie er benötigte und gab den Rest an seine Schüler und Bedürftige, weil er sich ständig wissenschaftlichen Arbeiten widmete. Gelegentlich nahm er auch Spenden von Staatsoberhäuptern an. Hārūn ar-­Rašīd, der für seine Wertschätzung der Wissenschaftler bekannt war, übergab ihm einmal 100 000 Dinar.1346

2.2.12 Sufyān b. ʿUyayna als Gelehrter Sufyān b. ʿUyayna war ein Gelehrter, der von der Tābiʿu t-­Tābiʿūn-­Generation im 2. Jahrhundert n. H. als eine religiöse Autorität in den islamischen Grundwissenschaften anerkannt wurde. Unter den wichtigen Wissenszentren seiner Ära hatte besonders die mekkanische Schule einen großen Anteil an der Bildung seiner wissenschaftlichen Persönlichkeit. Ibn ʿUyayna gehörte zur fünften Stufe der Gelehrten dieser Schule.1347 Wie bereits im Abschnitt „Seine Lehrer und Schüler“ angesprochen wurde, ragte Ibn ʿUyayna, weil er auch von vielen Gelehrten aus anderen Wissenszentren seiner Ära profitierte, als eine wissenschaftliche Persönlichkeit mit breit gefächertem Wissen heraus. Der zu den wichtigsten Hadith-­Autoritäten seiner Zeit zählende Sufyān b. ʿUyayna war unter anderem ein Faqīh (Rechtsgelehrter) und Mufassir (Koranexeget).1348 Sufyān b. ʿUyayna war zudem in der Siyar- und Ahnenkunde bewandert. In diesem Zusammenhang war er ein Gelehrter, der sich mit der Familie und den Verwandten des Propheten sehr gut auskannte. Zwei Beispiele, die Abū Ġassān Mālik b. Ismāʿīl (gest. 219/834) überlieferte, stellen dies explizit dar. Abū Ġassān Mālik b. Ismāʿīl überliefert, dass Sufyān b. ʿUyayna sagte: „Die Tanten des Propheten, welche Abdulmuṭṭalibs Töchter waren, sind: ʿĀtika, Ummu Ḥakīm – welche Bayḍāʾ heißt und ʿAbdullāh bemutterte –, Ṣafiyya – sie ist die Mutter Zubayrs –, Barra und Umayma.“1349

Wiederum sagte Ibn ʿUyayna in einer anderen Überlieferung von Abū Ġassān Mālik b. Ismāʿīl: „Die Kinder der Fāṭimas sind folgende: Die Erste unter ihnen ist die Großmutter [väterlicherseits] des Propheten Fāṭima binti ʿAbdillāh b. ʿAmr b. ʿImrān b. Maḫzūm. Die Zweite

1346 Suyūṭī, Tārīḫu l-­Ḫulafāʾ, S. 208. 1347 Aḥmad Amīn, Faǧru l-­Islām, Dāru l-­Kutubi l-ʿArabī, Beirut 1969, S. 173 f. 1348 Sezgin, GAS, I, S. 96. 1349 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 53.

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ist die Mutter von ʿAlī, Fāṭima binti Asad b. Hāšim. Die Dritte ist, Ḥasan und Ḥusayns [die Enkel des Propheten] Mutter Fāṭima binti Rasūlillāh. Daher wurden sie die beiden Söhne der Fāṭimas genannt.“1350

Ibn ʿUyayna, der sein Leben dem Lernen und Lehren widmete, war der Überzeugung, dass das ʿIlm ausschließlich begabten Personen vermittelt werden sollte.1351 Nach seiner Auffassung ist der Anfang des ʿIlm das Zuhören, dann ist schweigend darüber nachzudenken, danach gilt es, das Gehörte auswendig zu lernen, anschließend ist das Gelernte in die Tat umzusetzen und letztlich ist es zu veröffentlichen.1352 In einer weiteren Aussage erwähnte er Folgendes: „Die Ḥikma [Weisheit] entsteht durch folgende drei Wege: Diese sind das schweigende Zuhören, das Hinhören und das Festhalten des Aufgenommenen. Die Weisheit gedeiht durch drei Tugenden. Diese drei sind sich dem ewigen Jenseits zuzuwenden, sich vom betrügerischen Diesseits abzuwenden und bevor der Tod kommt, sich auf ihn vorzubereiten.“1353

Ibn ʿUyayna schätzte nicht nur die Überlieferung, sondern auch das Nachdenken über das Gelernte. Dieses betrachtete er als den Schlüssel der Barmherzigkeit und drückte dies in einem Gedicht folgendermaßen aus: „Wenn jemand über ein Reflexionsvermögen verfügt, so liegt für ihn in jeder Sache eine Lehre“1354 Auch betonte er, dass ein Gelehrter kontinuierlich sein Wissen erweitern und seinen Wissensvorrat auf dem neuesten Stand halten sollte. Einmal fragte er die Menschen, die sich um ihn versammelten: „Wer sind die Bedürftigsten für dieses Wissen?“ Die Menschen schwiegen erst und erwiderten dann: „Sag du es, oh Abā Muḥammad!“ Er beantwortete seine eigene Frage mit: „Die unter den Menschen dem Wissen am meisten Bedürftigen sind die Gelehrten. Denn ihre Unwissenheit [Ǧahāla] ist schlechter. Denn sie sind das Ziel der Menschen. Sie fragen sie, was sie nicht wissen.“1355

Yaḥyā b. ʿAbdilḥamīd al-­Ḥimmānī erzählt über Ibn ʿUyayna, der offensichtlich beachtliche Massen unterrichtete, Folgendes: „Ich war im Saal von Sufyān b.ʿUyayna. In seinem Saal befanden sich etwa tausend Personen.“1356 1350 Ebenda, I, S. 53 f. 1351 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 273. 1352 Ebenda, S. 274. 1353 Ebenda, S. 280. 1354 Ebenda, S. 306. 1355 Ebenda, S. 281; Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 192. 1356 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 293.

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Das nächste Kapitel befasst sich mit Ibn ʿUyaynas Akkumulationen in den islamischen Grundwissenschaften.

2.2.12.1 Seine Stellung in den Koran-­Wissenschaften Vertieft man sich in die Quellen, so sieht man deutlich, dass die in den ersten zwei Jahrhunderten n. H. lebenden Gelehrten nicht einseitig ausgerichtet waren. Ein als religiöse Autorität anerkannter Gelehrter in dieser Zeit, in der die islamischen Wissenschaften noch nicht in separate Disziplinen eingeteilt waren, verfügte nicht nur in der Hadith-­Wissenschaft, sondern zugleich in den islamischen Grundwissenschaften wie der Fiqh und Tafsīr über ein tiefgründiges Wissen. Ibn ʿUyayna war ein solcher Gelehrter. Wie zuvor schon erwähnt, werden die Hadith-­Wissenschaftler des 2. Jahrhundert n. H. zugleich als die ersten Exegeten in der Tafsīr-­Geschichte betrachtet. Aus diesem Grund werden Gelehrte wie Šuʿba b. al-­Ḥaǧǧāǧ (gest. 160/776), Wakīʿ b. al-­Ǧarrāḥ (gest. 197/812), Sufyān aṯ-­Ṯawrī, Sufyān b. ʿUyayna (gest. 198/813) als Exegeten angesehen. Das Hauptmerkmal der Koranexegesen jener Zeit war, dass die Überlieferungen der Prophetengefährten und der Tābiʿūn-­ Generation intensiv angewendet wurden und sie in der Regel vermehrt sprachbezogen und kurz waren.1357 Vermutlich gingen sie nach dieser Methode vor, weil das intellektuelle Niveau der Zeit äußerst hoch war. So befassten sie sich ausschließlich mit Wörtern, deren Verständnis als schwer empfunden werden könnte, und begnügten sich damit, die Überlieferungen mit ihren Isnād zu übertragen. Es ist deutlich zu sehen, dass Ibn ʿUyaynas Tafsīr diese Eigenschaften widerspiegelt. Da diese Tafsīr im Kapitel „Seine Werke“ behandelt wurde, sei hier nur noch Folgendes angemerkt: Seine Tafsīr sind im Allgemeinen ein auf Überlieferungsmethoden basierendes Werk. Ibn ʿUyayna griff jedoch von Zeit zu Zeit auch auf seine eigene Meinung zurück, wobei zu sehen ist, dass er die Verse gelegentlich mit Hilfe von Išārī-­Methoden interpretierte. In Fragen, wie die mehrdeutigen Verse (Mutašābih) im Koran und in den Hadithen zu verstehen sind und ob sie ausgelegt werden sollen oder nicht, folgte er der Salaf-­Linie und akzeptierte diese Art von Koranversen und Hadithen, ohne sie auszulegen. So antwortete er, als er über einige Mutašābih-­Hadithe gefragt wurde, folgendermaßen: „Diese sind wie sie tradiert wurden. Wir bekennen sie. Ohne jegliche Modalität [Kayfiyya] überliefern wir sie weiter.“1358

1357 Özpınar, Ömer, Hadis Edebiyatının Oluşumu, S. 100. 1358 Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 466 f.

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Seine Kommentare, die diese Eigenschaften beinhalten, liegen in vielen Beispielen vor, wie etwa: „Als die Frau ihre Lästereien [Makrahunna] hörte, sandte sie einen Boten zu ihnen …“1359 Das Wort „Makrahunna“ in diesem Vers legte er als „die Handlung [ʿAmal]“ aus und sagte, dass jeder „Makr“ im Koran „ʿAmal“ bedeutete.1360 Wiederum bemerkte er in Anlehnung an die durch Ibn Abī ʿArūba tradierte Überlieferung von Qatāda, dass mit dem im Vers „Sicherlich besitzt er Wissen [ḏū ʿIlm], denn wir lehrten ihn…“1361 genannten „ḏū ʿIlm“ „Jemand, der sein Wissen praktiziert“ gemeint sei und einer, der nicht mit seinem Wissen handele, nicht als Gelehrter gelte.1362 Die Beispiele seiner Kommentare ließen sich beliebig vermehren. Da dies jedoch nicht das Hauptthema der vorliegenden Arbeit ist, sei hinsichtlich dieser Kommentare auf das von Muḥāyirī publizierte Werk verwiesen. Unter den Islamgelehrten gibt es einen Konsens darüber, dass die erste Quelle, die man in jeglicher Angelegenheit nachschlagen sollte, der Koran ist; dies gilt auch für die Islamgelehrten zur Zeit von Ibn ʿUyayna. Für sie war nicht nur in ihren Lehrveranstaltungen, sondern auch in ihrem alltäglichen Sprachgebrauch der Koran die oberste Richtschnur, aus dem sie zitierten sowie Fragen stellten und diese beantworteten. Dazu sei folgendes Beispiel gegeben: Fuḍayl b. Iyāḍ stand an Sufyān b. ʿUyaynas Seite und bat ihn mit folgendem Zitat aus dem Koran um einen Vortrag für die um ihn versammelte Gemeinschaft: „Oh Abā Muḥammad! Sag: Über die Huld [Faḍl] Allahs und über seine Barmherzigkeit [Raḥma], ja darüber sollen sie sich freuen. Dies ist besser als das, was sie [an Weltlichem] zusammentragen.“1363

Daraufhin antwortete Ibn ʿUyayna: „Oh Abā ʿAlī! Bei Allah! Bis einer das Heilmittel Koran zu sich nimmt und es auf seine Herzkrankheit anwendet, wird er sich niemals beruhigen.“1364

Ibn ʿUyayna wies mit dieser Antwort auch darauf hin, dass mit „Faḍl und Raḥma“ im Vers der Koran gemeint ist. Dass Ibn ʿUyayna es sehr schätzte, wenn sich jemand mit dem Koran beschäftigte, da dies eine große Verantwortung mit sich brachte, ist seiner folgenden Aussage zu entnehmen: 1359 Yūsuf, 12/31. 1360 Muḫayirī, Tafsīru Sufyān b. ʿUyayna, S. 272. 1361 Yūsuf, 12/68. 1362 Muḫayirī, Tafsīru Sufyān b. ʿUyayna, S. 275. 1363 Yūnus, 10/58. 1364 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 71, 278 f.

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„Wer den Koran liest, ist für all das verantwortlich, wozu die Propheten verantwortlich sind, außer der Übermittlung [Tabliġ] des Prophetentums.“1365

In dieser Hinsicht ist auch seine Aussage „Wer den Koran liebt, liebt mit Sicherheit auch Allah“1366 von Bedeutung. Gemäß den Quellen brachten es viele Autoritäten zum Ausdruck, dass Ibn ʿUyayna eine kompetente Autorität in der Tafsīr-­Wissenschaft war. Beispielsweise merkte ʿAbdullāh b. Wahb (gest. 197/813) an: „Ich kenne niemanden, der sich mit der Koranexegese besser auskennt, als Ibn ʿUyayna.“1367 Und Nuʿaym b. Ḥammād (gest. 228/843) gibt an: „Ibn ʿUyayna war derjenige, der sich unter den Menschen mit dem Koran am besten auskannte. Ich kenne niemanden, der verstreute Informationen besser zusammenbringt als Ibn ʿUyayna.“1368

Sogar Ṯawrīs basrischer Schüler ʿAbdurraḥmān b. Mahdī sagte: „Ibn ʿUyayna besaß einige Kenntnisse in den Koranwissenschaften und der Hadith-­ Interpretation, die bei Sufyān aṯ-­Ṯawrī nicht vorhanden waren.“1369

Damit drückt er aus, dass Ibn ʿUyayna Ṯawrī auf diesem Gebiet überlegen war.

2.2.12.2 Seine Stellung in der Hadith-­Wissenschaft Wie bereits im Abschnitt zu seiner Bildungslaufbahn (Kapitel 2.2.5) erwähnt wurde, profitierte Ibn ʿUyayna von über 80 Gelehrten seiner Zeit, ging auf Bildungsreisen (Riḥla) nach Wissenszentren wie Medina, Kūfa, in den Jemen, nach Bagdad und Aden und wurde bereits mit etwa 20 Jahren von Gelehrten wie Abū Ḥanīfa (gest. 150/767) als Hadith-­Gelehrter berücksichtigt.1370 Ibn ʿUyayna maß der Hadith-­Wissenschaft und den Ahlu l-­Ḥadīṯ einen großen Wert bei. Den Begriff Ahlu l-­Ḥadīṯ kann man bis zu den Prophetengefährten zurückführen. Wenn man Abū Saʿīd al-­Ḫudrīs (gest. 74/693–94) Aussage über Jugendliche, die Hadithe zu lernen versuchten, „Ihr seid unsere Nachfolger und die Ahlu l-­Ḥadīṯ“, berücksichtigt, so wird verständlich, dass Ausdrücke wie „Ahlu l-­Ḥadīṯ/Aṣhābu l-­Ḥadīṯ“ zu Zeiten der Prophetengefährten verwendet wurden. Im Laufe der Zeit bekam der Fachausdruck „Ahlu l-­Ḥadīṯ“ die Deutung „Jemand, 1365 Ebenda, S. 281. 1366 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 302. 1367 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 33; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 458. 1368 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 33 f. 1369 Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 458. 1370 Ṣaymarī, Aḫbāru Abī Ḥanīfa, S. 82.

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der versucht, nach dem Hadith zu handeln“. So definierte der führende Vertreter der Ahlu l-­Ḥadīṯ Aḥmad b. Ḥanbal „Ṣāḥibu’l-­ḥadiṯ“ als „jemanden, der nach dem Hadith handelt.“1371 Ibn ʿUyayna, der diese Konzeption fortführte, bemerkte, dass mit dem Ausdruck „die Märtyrer und Rechtschaffenen“ im Vers „Wer Allah und dem Gesandten gehorcht, ist mit den Propheten, Wahrhaftigen, Märtyrern und Rechtschaffenen zusammen, denen Allah seine Huld gewährt.“1372 die Aṣhābu l-­ Ḥadīṯ gemeint sind.1373 Als logische Folge dieses Verständnisses wurde er zu den Gelehrten gezählt, welche, wenn zu einem Thema ein Koranvers, ein Hadith, eine Aussage der Prophetengefährten oder die Iǧtihād der führenden Tābiʿūn-­ Gelehrten zu finden waren, prinzipiell darauf verzichteten, auf die eigene Rechtsmeinung (Raʾy) zurückzugreifen.1374 Da Ibn ʿUyayna jedoch ein eigenständiger Muǧtahid war und von 19 führenden Gelehrten der Kūfa-­Schule Wissen erwarb, lässt sich verstehen, dass er auch seine eigene Raʾy verwendete. Ibn ʿUyayna und Mālik sind in Bezug auf ihre Zuverlässigkeit zwei einander gleichgestellte Autoritäten. Jedoch stünde Mālik b. Anas (gest. 179/795) laut Ḏahabī, weil er sich an Autoritäten wie Nāfīʿ (gest. 117/735) und Saʿīd al-­Maqbarī (gest. 125/743) anlehnte, gemäß seinem Repertoire über Ibn ʿUyayna.1375 Ibn ʿUyayna war neben seiner Hadith-­Überlieferung auch als Kritiker berühmt. So zählt Ḏahabī (gest. 748/1347) ihn unter den drei Kategorien der Kritiker auf, die ihre Ansichten über die Zuverlässigkeit der Überlieferer äußerten. Diese Stufen waren: 1) Kritiker wie Ibn Maʿīn (gest.233/848) und Abū Ḥātim ar-­Rāzī (gest. 277/890), die ihre Meinung über die meisten Überlieferer äußerten. 2) Kritiker wie Mālik b. Anas (gest. 179/795) und Šuʿba b. al-­Ḥaǧǧāǧ (gest. 160/776), die ihre Meinung über viele Überlieferer äußerten. 3) Kritiker wie Ibn ʿUyayna und aš-­Šāfiʿī (gest. 204/820), die ihre Meinung über einige Überlieferer äußerten.1376 Auf der anderen Seite zählten religiöse Autoritäten wie Mālik b. Anas, Sufyān aṯṮawrī, Sufyān b. ʿUyayna, al-­Awzāʿī (gest. 157/774), aš-­Šāfiʿī, Aḥmad b. Ḥanbal 1371 Aydınlı, Abdullah, Ehl-­i Hadîs, in: DİA, İstanbul 1994, XX, S. 507. 1372 Nisāʾ, 4/69. 1373 Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 469. 1374 Karaman, Hayrettin, İslâm Hukuk Tarihi, İz Yay., İstanbul 1999, S. 161. 1375 Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 457. 1376 Ḏahabī, Šamsuddīn Muḥammad b. Aḥmad b. ʿUṯmān (gest. 748/1347), Ḏikru Man Yuʿtamadu Qawluhū fi l-­Ǧarḥ wa t-­Taʿdīl, Arbaʿu Rasāʾil fī ʿUlūmi l-­Ḥadīṯ, ed. ʿAbdulfattāh Abū Ğudda, Beirut 1990, S. 171, 177.

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(gest. 241/855) sowohl bei den Ahlu l-­Ḥadīṯ als auch in anderen Wissenschaftskreisen zu den renommierten Hadith-­Wissenschaftlern, über deren Zuverlässigkeit keinerlei Bedenken bestanden.1377 Sufyān b.ʿUyayna, der im Bezug auf die Personen, deren Hadithe er nahm, äußerst akribisch war, bemühte sich, nicht von Angehörigen von Gruppen wie den Šīʿa, Qadariyya, Murǧiʾa, Ǧabriyya, Muǧassima, Mušabbiha oder Karrāmiyya, bei welchen es verbreitet war, Hadithe zu erfinden,1378 zu tradieren. Als man zum Beispiel sah, dass er die Überlieferungen von Saʿīd b. Abī ʿArūba (gest. 156/773) reduzierte, wurde er nach dem Grund dafür gefragt. Daraufhin antwortete er: „Wie soll ich die Überlieferung von ihm nicht verringern, nachdem ich von ihm hörte, dass er ‚so wie es meine Ansicht über die Vorherbestimmung [Qadar] ist, ist es auch die Ansicht von Ḥasan und Qatāda‘ gesagt hat.“1379

Ebenso hielt er es nicht einmal für richtig, an der Sitzung ʿAbdurraḥmān b. Isḥāqs, der der Ansicht der Qadariyya ist, teilzunehmen, geschweige denn eine Überlieferung von ihm anzunehmen.1380 Ibn ʿUyayna nahm eine sehr vorsichtige und stringente Haltung gegenüber Überlieferern erfundener Hadithe (Mawḍuʿ) ein und vertrat die Meinung, dass solche Personen hingerichtet werden müssten.1381 Auch wenn es verschiedene Meinungen darüber gab, ob Sufyān b. ʿUyayna die sinnliche Überlieferung für zulässig oder verboten hielt,1382 sah er diese doch bei der Einhaltung bestimmter Voraussetzungen als zulässig an. So sagte ʿAlī b. Ḥašram al-­Marwazī (gest. 257/871): „IbnʿUyayna überlieferte uns Hadithe. Als man ihn später [erneut] nach diesen Hadithen fragte, gab er sie [diesmal] mit anderen Wörtern wieder. Die Bedeutung des Hadith blieb jedoch dieselbe.“1383

1377 Koçyiğit, Hadis Istılahları, S. 20. 1378 Kandemir, M. Yaşar, Mevzû, in: DİA, Ankara 2004, XXIX, S. 493. 1379 Ḫaṭīb, Abū Bakr al-­Ḫaṭīb Aḥmad b. ʿAlī b. Ṯābit (gest. 463/1071), al-­Kifāya fī ʿIlmi r-­Riwāya, ed. Abū ʿAbdillāh as-­Sawraqī, Ibrahīm Ḥamdī al-­Madanī, Maktabatu l-ʿIlmiyya, Medina, o. J., S. 123. 1380 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 47. 1381 Für ausfühliche Information siehe Kandemir Yaşar, Mevzu Hadisler, Menşei, Tanıma Yolları, Tenkidi, MÜİFV Yayınları, İstanbul 1997, S. 137 f. 1382 Ahmed Naim, Sahîh-­i Buhârî Muhtasarı Tecrid-­i Sarih Tercemesi (Mukaddime), DİB Yay., Ankara 1982, I, S. 454 ff.; Koçyiğit, Talat, Hadis Usûlü, Ankara Üniversitesi İlahiyat Fakültesi Yay., 1967, S. 77. 1383 Ḫaṭīb, al-­Kifāya fī ʿIlmi r-­Riwāya, S. 210.

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2.2.12.3 Seine Stellung in der Fiqh-­Wissenschaft Ibn ʿUyayna gehörte zu den herausragenden Rechtswissenschaftlern, die eine eigenständige Rechtsschule besaßen.1384 Er hielt dabei nicht nur die Hadith-­ Traditionen, sondern auch die Bedeutungen der Hadithe für relevant und machte mit den Worten „Begreift ganz und gar, was euch gesagt wird [also lernt dessen Fiqh!]“1385 auf seine Sorgfalt aufmerksam. Man könnte sogar behaupten, dass er die Fiqh-­Kenntnis als ein Präferenzkriterium in Bezug auf die Zuverlässigkeit des Überlieferers erachtete. So bewertete er Ayyūb b. Mūsā aufgrund dessen Fiqh-­ Kenntnis höher als Ismāʿīl b. Umayya. Seine Aussage „Ich sah keinen größeren Faqīh als Zuhrī, Qatāda und Ḥammād“1386 verdeutlicht, welchen Wert er der Fiqh beimaß. Aš-­Šāfiʿī wies mit seiner Aussage, dass die Hadithe der Aḥkām etwa 500 betrugen und er bis auf sechs Hadithe alle bei Ibn ʿUyayna gefunden hatte, auf Ibn ʿUyaynas Kompetenz in der Fiqh-­Wissenschaft hin.1387 Auch Ibn Nadīm (gest. 385/995) war der Meinung, dass Ibn ʿUyayna ein sehr guter Faqīh sei.1388 In Bezug auf Ibn ʿUyaynas Wissensrepertoire und seine Qualifikation für das Verständnis und die Kommentierung des Koran und der Hadithe ist die folgende Aussage Imam aš-­Šāfiʿīs (gest. 204/820), der zu Ibn ʿUyaynas wichtigsten fünf Schülern gehörte, bemerkenswert: „Ich sah niemanden, der die Hadithe schöner als er erläutert.“1389 Des Weiteren hielt sich Ibn ʿUyayna, der sich trotz seines tiefgründigen Wissens in der Fiqh-­Wissenschaft der großen Verantwortung für eine Rechtsauskunft (Fatwā) bewusst war, davon zurück, eine Rechtsauskunft in einer Sache zu erteilen, von der er keine genaue Kenntnis besaß, und sagte dazu: „Ich weiß es nicht“ oder „Ich verfüge [darüber] kein genaues Wissen“. So sagte er eines Tages auch zu einem Šayḫ, der zu ihm kam: „Mich erreichte, dass du in deiner Region Fatwā aussprichst, ist das wahr?“ Als der Šayḫ „Ja, oh Abā Muḥammad!“ antwortete, erwiderte er: „Bei Allah! Du bist ein Narr!“1390 Jedoch ist auch zu erwähnen, dass er, wenn es sein musste, sich nicht weigerte, seine eigene Rechtsmeinung (Raʾy) auszudrücken.

1384 Šaʿrānī, Mīzānu l-­Kubrā, I, S. 43. 1385 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 302. 1386 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 38, 42. 1387 Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 457 ff.; Tārīḫ, XIII, S. 192. 1388 Ibn Nadīm, al-­Fihrist, S. 316. 1389 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 33; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 458. 1390 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 274, 275, 295; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 468.

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Ibn ʿUyayna, der teilweise die Ahlu l-­Ḥadīṯ gegen die Ahlu r-­Raʾy-­Irak-­Schule unterstützte und sie zum Kommentieren der Naṣṣ (Koran und Hadithe) motivierte, betonte, dass nicht nur die Überlieferung, sondern die Fiqh der Naṣṣ mindestens genauso wichtig sei wie ihre Überlieferungen. In diesem Zusammenhang ist seine folgende Aussage beachtenswert: „Oh Aṣḥābu l-­Ḥadīṯ! Lernt die Fiqh der Hadithe, damit die Aṣḥābu r-­Raʾy euch nicht bezwingt. Es gibt Nichts, worüber Abū Ḥanīfa [gest. 150/767] eine Meinung äußerte und wir diesbezüglich ein oder zwei Hadithe nicht tradierten.“1391

Neben der Unterstützung für die Ahlu l-­Ḥadīṯ war Ibn ʿUyayna auch der Meinung, die Fiqh der Kūfa-­Schule nicht außer Acht lassen zu können und machte auf die Kompetenz Abū Ḥanīfas, des Imams der Kūfa-­Schule, aufmerksam: „Meine Augen erblickten niemanden wie Abū Ḥanīfa. Wer die Maġāzī-­Wissenschaft wünscht, wende sich der Stadt Medina zu! Wer die Manāsik-­Wissenschaft wünscht, wende sich der Stadt Mekka zu! Und wer die Fiqh-­Wissenschaft wünscht, wende sich der Stadt Kūfa zu und trenne sich dort nicht von den Gefährten Abū Ḥanīfas!“1392

Es ist zu erkennen, dass sich die führenden Gelehrten der Kūfa-­Schule, die einen wichtigen Beitrag zur Ausbildung Ibn ʿUyaynas leisteten, seiner Wertschätzung der Fiqh bewusst waren und ihn nicht mit den reinen Ahlu l-­Ḥadīṯ gleichsetzten. Beispielsweise maß Abū Yūsuf (gest. 182/798), ein bedeutender Schüler Abū Ḥanīfas, Ibn ʿUyaynas Wissensschatz einen großen Wert bei. So erzählte ein weiterer Schüler Abū Ḥanīfas, Ḥasan b. Ziyād al-­Luʾluʾī (gest. 204/819) Folgendes: „Wir machten uns mit Abū Yūsuf auf den Weg zur Ḥaǧǧ. Abū Yūsuf erkrankte auf dem Weg. Aus diesem Grund übernachteten wir im Ort namens Biʾru Maymūn. Sufyān b. ʿUyayna besuchte ihn. Abū Yūsuf sagte uns, ‚Nimmt die Hadithe Abū Muḥammads!’ Daraufhin tradierte Sufyān b. ʿUyayna uns vierzig Hadithe. Als Sufyān sich [zum Verlassen] richtete, sprach Abū Yūsuf: ‚Nimmt die Hadithe, die er euch überliefert hat.’ Trotz seines Alters, seiner körperlichen Schwäche, Krankheit und Beschäftigung mit der Reise, las er uns die vierzig Hadithe auswendig vor, welche Sufyān b. ʿUyayna überlieferte.“1393

Beim respektvollen Umgang der Ahlu r-­Raʾy und Ibn ʿUyayna spielte auch sein intensives Profitieren durch die Kūfa-­Wissenschaftstradition eine nicht zu unterschätzende Rolle. 1391 Ḥākim an-­Nīsābūrī, Abū ʿAbdillāh Muḥammad b. ʿAbdullāh (gest. 405/1014), Maʿrifatu ʿUlūmi l-­Ḥadīṯ, ed. as-­Sayyid Muʿẓam Ḥusayn, Dāru l-­Kutubi l-ʿIlmiyya, Beirut, 1977, S. 112. 1392 Ṣaymarī, Aḫbāru Abī Ḥanīfa, S. 82; Ibn Ḥaǧar al-­Haytamī, al-­Ḫayrātu l-­Ḥisān, S. 32 f. 1393 Ṣaymarī, Aḫbāru Abī Ḥanīfa, S. 100 f.

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2.2.12.4 Seine Stellung in der Kalām-­Wissenschaft Wie schon im Kapitel 2.1.12.4 über Sufyān aṯ-­Ṯawrīs Stellung in der Kalām-­ Wissenschaft erwähnt, war der untersuchte Zeitabschnitt eine Phase, in der die islamischen Grundwissenschaften ihre Entstehungsprozesse durchlebten. In der Geschichte sieht man, dass die Entstehungsphase neuer Theorien in der Regel eine Phase ist, in der intensive und heftige Diskussionen stattfinden, die anschließend daran gelassener geführt werden und letztlich zu plausiblen Resultaten führen. Das 2. Jahrhundert n. H. ist auch eine Phase, in der neue Anschauungen bezüglich der Glaubenslehre massiv diskutiert wurden. Die Bedeutung dieser Diskussionen aus der Sicht des hier behandelten Themas rührt daher, dass die Haltung zu einigen Angelegenheiten der Glaubenslehre die religiöse Autoritätswerdung direkt beeinflusste. Beim Erforschen der Quellen sieht man, dass auch der in diesem Jahrhundert lebende Sufyān b. ʿUyayna in glaubensbezogenen Angelegenheiten einer klaren Linie folgte. Seine Ansichten dazu werden im Folgenden näher beleuchtet. Sufyān b. ʿUyaynas Ansichten zum Verhältnis zwischen Handlung und Glauben (ʿAmal-­Īmān): Fragen wie diejenigen, ob die Handlung ein Teil des Glaubens sei oder nicht und ob sich der Glaube vermehre und auch verringere, gehörten zu den heikelsten Themen jener Zeit. Gemäß dem Weg der Salaf folgenden Ibn ʿUyayna ist der Glaube das Wort (Qawl) und die Handlung (ʿAmal). Der Glaube vermehrt und verringert sich.1394 Als er gefragt wurde: „Vermehrt und verringert sich der Glaube?“ antwortete er: „Ja.“ und fuhr, etwas Kleines vom Boden aufhebend, fort: „Sogar bis er so wird [verringert er sich].“ Anschließend rezitierte er den folgenden Vers: „Wenn ihnen Allahs Verse vorgelesen werden, vermehren sie sie im Glauben.“1395 Bei der Exegese dieses Verses bemerkte er Folgendes: „Der Koran sagt, dass der Glaube sich vermehrt und verringert. Die Aussage im Vers ‚vermehren sie sie im Glauben‘, ist das Vermehren des Glaubens. Wenn wir in Unachtsamkeit verfallen, in Vergessenheit geraten und [letztlich die ʿAmal] verlieren, auch dies ist das Verringern des Glaubens.“1396

Wie auch bei Sufyān aṯ-­Ṯawrīs Meinungen zu diesen Angelegenheiten bereits erwähnt wurde, ist dies hier ein nicht zu übersehender Punkt. Ibn ʿUyayna lehnte nämlich die als „So wie dem Ungläubigen die Gehorsamkeit [Ṭāʿa] nichts nützt, so

1394 Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 468. 1395 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 290; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 468; Anfāl, 8/2. 1396 Muḫayirī, Tafsīru Sufyān b. ʿUyayna, S. 254.

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schadet dem Gläubigen die Sünde nicht“1397 formulierte Ansicht der Murǧiʾa ab. Die folgende Aussage verdeutlicht, was er meinte: „Wer aus Faulheit oder aus Nachlässigkeit eine Pflicht [Farḍ] unterlässt, hat einen unvollkommenen Īmān und wir erziehen ihn; wer sie absichtlich [das Urteil der ʿAmal leugnend] unterlässt, ist ein Kāfir“1398

Er meinte, dass die ʿAmal nicht der Basisbestandteil des Īmān, sondern im Gegenteil sein Merkmal, also seine Vollkommenheitsbedingung, sei. Dementsprechend sei jemand, der eine Pflicht, ohne ihr Urteil zu leugnen, unterlasse, kein Kāfir, sondern werde nur jemand mit schwachem Glauben, also ein Sündiger. Eigentlich ist dies die Herangehensweise, welche im Nachhinein als die Sicht der Ahlu s-­Sunna-­Schule systematisiert wurde. Zu behaupten, dass eine Person, die eine Pflicht ohne das Urteil der ʿAmal zu leugnen, unterlässt, ein Kafir wird, ist die Meinung, welche den Ḫāriǧīten zu eigen war.1399 In diesem Fall ist die von Ibn ʿUyayna vertretene Ansicht eine andere als die der Murǧiʾa und der Ḥāriǧīten. Sufyān b. ʿUyaynas Ansichten über die Vorherbestimmung (Qadar): Ibn ʿUyayna war wie Sufyān aṯ-­Ṯawrī der Meinung, dass alles nur durch Allahs Urteil und Ermessen geschehe. Er hielt eine klare Distanz zu denjenigen, die das Qadar leugneten. Beispielsweise hielt er es nicht einmal für richtig, an der Sitzung ʿAbdurraḥmān b. Isḥāqs, der der Ansicht der Qadariyya war, teilzunehmen, geschweige denn eine Überlieferung von ihm anzunehmen.1400 Er konstatierte, dass auch die führenden Persönlichkeiten seiner Zeit wie ʿAmr b. Dīnār, Muḥammad b. al-­Munkadir, Ayyūb b. Mūsā, al-­Aʿmaš und Musʿir b. Kidām der gleichen Meinung waren, dass man sich von Leugnern des Qadar fernhalten sollte1401 und brachte zum Ausdruck, dass die Aussage in den Versen 48 und 49 der Sure Qamar „… Spürt die Berührung der Höllenqual (Saqar). Wahrlich wir haben alles mit einem Qadar erschaffen“ die Qadar-­Leugner verurteile.1402 Sufyān b. ʿUyaynas Ansichten über Ḫalqu l-­Qurʾān (= die Erschaffenheit des Koran): Der geschichtliche Verlauf des Ḫalqu l-­Qurʾān-­Themas wurde bereits behandelt.

1397 Ašʿarī, ʿAlī b. Ismāʿīl Abu l-­Ḥasan (gest. 324/935–36), Maqālātu l-­Islāmiyyīn, Dāru Iḥyāʾi t-­Turāṯi l-ʿArabī, Beirut, o. J., S. 147; al-­Qārī, Ḍawʾu l-­Maʿālī, S. 132. 1398 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 296. 1399 Taftazānī, Masʿūd b. ʿUmar Saʿduddīn (gest. 792/1390), Šarḫu l-ʿAqāidi n-­Nasafiyya, o. O., 1304/1886, S. 189, 196, 247 ff.; al-­Qārī, Ḍawʾu l-­Maʿālī, S. 131 f. 1400 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 47. 1401 Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 468. 1402 Muḫayirī, Tafsīru Sufyān b. ʿUyayna, S. 330.

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Sufyān b. ʿUyayna verstarb im Jahre 198/813, in dem der Kalif Maʾmūn (198–218/813–833), der die These von der Erschaffenheit des Koran als Staatsdoktrin einführte, den Thron bestieg. Demnach erlebte Ibn ʿUyayna die im Jahre 212/827 beginnende und „Miḥna“ genannte Folterphase nicht mehr, nahm jedoch noch an Diskussionen über diese These teil. Seine Ansicht bezüglich des Ḫalqu l-­Qurʾan war eindeutig. Nach ihm wurde der Koran nicht erschaffen. So antwortete Ibn ʿUyayna auf die Frage eines Mannes „Was meinst du über den Koran [ob er erschaffen ist oder nicht]?“ folgendermaßen: „Der Koran ist das Wort Allahs [Kalāmullāh]. Es kam aus ihm und wird zu ihm zurückkehren.“1403

Ibn ʿUyayna brachte damit zum Ausdruck, dass viele Gelehrte, wie beispielsweise ʿAmr b. Dīnār, Muḥammad b. Munkadir, Ayyūb b. Mūsā, al-­Aʿmaš und Musʿir der Ansicht waren, dass der Koran das Wort Allahs sei und damit nicht erschaffen wurde und dass Allahs Fluch jene, die das Gegenteil behaupten, erreichen werde und die Gelehrten dazu verpflichtet seien, sich von ihnen zu distanzieren.1404 Sufyān b. ʿUyaynas Ansichten bezüglich Ruʾyatullāh (= Der Anblick Allahs im Paradies): Zu den wichtigen Diskussionsthemen der Ära gehörte die Frage, ob Allah im Jenseits zu sehen sei. Ibn ʿUyayna war der Überzeugung, dass dies der Fall sei. Als er über die Hadithe, die er bezüglich der Ruʾyatullāh tradiert hatte, gefragt wurde, antwortete er: „Laut Informationen, die wir von Personen erhalten haben, auf die wir uns verlassen und mit denen wir zufrieden sind, ist dies [der Anblick Allahs im Jenseits] wahr.“1405

Als Sufyān ʿUyayna erzählt wurde, dass Bišr al-­Marīsī (gest. 218/833) sagte: „Allah wird am jüngsten Tag nicht gesehen“, antwortete er: „Allah soll dieses Tierchen peinigen. Hat er denn nichts von Allahs folgendem Wort gehört: ‚Nein! Sie werden an jenem Tag wahrlich ihren Herrn [seinen Anblick] entbehren.’1406 Wenn sowohl die Freunde, als auch die Feinde Allahs seinen Anblick entbehren werden, welche Überlegenheit haben die Freunde Allahs denn in diesem Fall über seine Feinde?!“1407

1403 Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 466. 1404 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 296. 1405 Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 466. 1406 Muṭaffifīn, 83/15. 1407 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 296; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 468.

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2.2.13 Äußerungen und Meinungen anderer Gelehrter über ihn Beginnend mit den zeitgenössischen Autoritäten wird in diesem Abschnitt versucht, die Urteile der Wissenschaftler aus den verschiedenen Wissenschaftszentren über Sufyān b. ʿUyayna wiederzugeben. Als ʿAbdurrazzāq seinem Lehrer, dem Jemeniten Maʿmar b. Rāšid (gest. 153/770), einen Hadith von Sufyān b. ʿUyayna tradierte, äußerte Maʿmar sein Vertrauen zu Ibn ʿUyayna folgendermaßen: „Dein Freund ist wahrlich zuverlässig.“1408 Der zu seiner Zeit berühmte basrische Hadith-­Kritiker Šuʿba (gest. 160/776) zeigte auf, dass Ibn ʿUyayna, der 25 Jahre jünger war als er selbst, einer von denjenigen war, die die Wissensakkumulation ʿAmr b. Dīnārs am besten kannten, und verwendete dazu folgende Worte: „Wer das wissenschaftliche Erbe von ʿAmr b. Dīnār anstrebt, sollte sich an dem jungen Ibn ʿUyayna al-­Hilālī wenden; wer das wissenschaftliche Erbe von Abū Ayyūb as-­Saḫtiyanī anstrebt, sollte sich an Ḥammād b. Zayd wenden.“1409

Auf die Frage, „Wer besitzt das authentischste Wissen über ʿAmr b. Dīnār?“, antwortete auch Šuʿba: „In dieser Hinsicht gibt es niemanden außer Sufyān b. ʿUyayna.“1410 Indem ʿAbdullāh b. Wahb al-­Miṣrī (gest. 197/813) sagte: „Ich habe niemanden gesehen, der das Buch Allahs besser kennt als Ibn ʿUyayna“ und „Ich kenne niemanden, der die Tafsīr-­Wissenschaft besser beherrscht als Ibn ʿUyayna“1411, wies er auf Ibn ʿUyaynas Kompetenz in dieser Wissenschaftsdisziplin hin. Als der Basrenser Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān (gest. 198/813), der dem engsten Schülerkreis von Sufyān aṯ-­Ṯawrī angehörte, gefragt wurde: „Wer ist dir in Bezug auf die Tradierung von Zuhrī lieber, Maʿmar oder Ibn ʿUyayna?“, antwortete er mit „Ibn ʿUyayna“.1412 Nach Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭāns Ansicht ist Ibn ʿUyayna „seit vierzig Jahren ein Imam in der Hadith-­Wissenschaft“. Außerdem sagte er: „Einen Besseren in der Hadith-­Wissenschaft als Ibn ʿUyayna habe ich nicht gesehen.“1413 1408 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 52. 1409 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 180. 1410 Fasawī, al-­Maʿrifa, II, S. 13. 1411 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād,  IX, S.  183; Nawawī, Tahḏību l-­Asmāʾ,  I, S.  224; Ḏahabī, Tārīḫ, XIII, S. 199; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IV, S. 106. 1412 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 178. 1413 Fasawī, al-­Maʿrifa,  III, S.  127; Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ,  I, S.  51; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 178,180 ff.; Nawawī, Tahḏību l-­Asmāʾ, I, S. 224; Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 189; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 461; Tārīḫ, XIII, S. 195; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IV, S. 106.

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ʿAbdurraḥmān b. Mahdī (198/814), ein basrischer Hadith-­Wissenschaftler, der wiederum dem engsten Schülerkreis von Sufyān aṯ-­Ṯawrī angehörte, bevorzugte Ibn ʿUyayna vor Šuʿba. Dies bekundete er mit folgenden Worten: „Ich hörte mir Hadithe von Ibn ʿUyayna an. Dann stand ich auf und hörte Šuʿba zu. Er überlieferte auch denselben Hadith, jedoch schrieb ich mir ihn nicht auf.“1414

Außerdem vermerkte ʿAbdurraḥmān b. Mahdī, dass Ibn ʿUyayna über manches Wissen in den Koran- und Hadith-­Wissenschaften verfügte, welches Ṯawrī allerdings fehlte, und Ibn ʿUyayna aus diesem Grunde Sufyān aṯ-­Ṯawrī übergeordnet sei.1415 Er drückte Ibn ʿUyaynas Stellenwert folgendermaßen aus: „Ibn ʿUyayna ist der die Hadithe der Ḥiǧāz-­Region am besten kennende Mensch.“1416 Die Quellen zeigen, dass die führenden Gelehrten der Epoche Ibn ʿUyayna äußerst respektvoll behandelten, um von seinem Wissensgut zu profitieren. ʿAbdurraḥmān b. Mahdī berichtete, dass Maḥmūd b. Ādam al-­Marwazī folgende Beobachtung schilderte: „Ich habe nie gesehen, dass Wakīʿ sich im Beisein von Ibn ʿUyayna anders verhielt, als sich stillschweigend hinzuknien.“1417

Es ist den Quellen auch zu entnehmen, dass einige Gelehrte denjenigen als Referenz dienten, die beabsichtigten, von Ibn ʿUyayna zu lernen. So sagte Yaḥyā b. Saʿīd al-­Amawī: „Ich sah Musʿir, während er Ibn ʿUyayna bat, einer Person Hadithe zu tradieren.“1418 Der kūfische Hadith- und Fiqh-­Gelehrte Yaḥyā b. Ādam (gest. 203/818), der zu den zweitrangigen Schülern Ṯawrīs zählte, sagte: „Außer Sufyān b. ʿUyayna habe ich niemanden gesehen, der es versuchte, sich mit der Hadith-­Wissenschaft auseinanderzusetzen, und dabei keinen Fehler beging.“1419

Imam aš-­Šāfiʿī (gest. 204/820), der sowohl der Schüler von Imam Mālik als auch der von Ibn ʿUyayna war, sagte aus, dass seine beiden Lehrer hinsichtlich der Aṯar,1420 gleichgestellt waren. Ebenso legte die Aussage von Imam aš-­Šāfiʿī „Falls 1414 Fasawī, al-­Maʿrifa, III, S. 128; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 180; Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 190; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IV, S. 106. 1415 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 182; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 458; Tārīḫ, XIII, S. 193. 1416 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 32; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 457; Tārīḫ, XIII, S. 193. 1417 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 50. 1418 Ebenda. 1419 Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 464. 1420 Nach Hadith-­Wissenschaftlern: Worte, Taten und Zustimmungen des Propheten, der Ṣaḥaba und Tābiʿūn. Das Synonym zu Marfūʿ-, Mawqūf- und Maqtūʿ-Hadith.

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es Mālik und Ibn ʿUyayna nicht gäbe, ginge das Wissen der Ḥiǧāz-­Region zunichte“1421 dar, in welch großem Maße diese beiden Autoritäten von Relevanz für diese Region waren. Imam aš-­Šāfiʿī übermittelte, dass sein mekkanischer Lehrer Muslim b. Ḫālid az-­Zanǧī (gest. 181/797), auf dessen Ratschlag hin er sich der Wissenschaft widmete und bei dem er sein erstes religiöses Studium begann,1422 über Ibn ʿUyayna sagte: „Ich habe diese Hadithe nicht nach meinem Verständnis, sondern nach Ibn ʿUyaynas Verständnis von Zuhrī aufgenommen. Dies war folgendermaßen: Ich saß in der Lehrsitzung von Zuhrī. Er fragte, wie dieser Berg hieß und welchen Namen jenes Tal trug. Dann kam Ibn ʿUyayna, fragte ihn diese Hadithe und ich hörte dieser nicht nach meinem Verständnis, sondern nach dem Verständnis Ibn ʿUyaynas zu.“1423

Mit dieser Formulierung deutet Muslim b. Ḫālid az-­Zanǧī darauf hin, dass er sich die Methode und Vorgehensweise, Hadithe von einem Hadith-­Imam zu erlernen und von seinem Wissen auf die bestmögliche Weise zu profitieren, von Ibn ʿUyayna aneignete. Der bekannte jemenitische Hadith-­ Wissenschaftler ʿAbdurrazzāq (gest. 211/826–27) sagte über ihn: „Nach Ibn Ǧurayǧ habe ich niemanden gesehen, der hinsichtlich der Schönheit der Logik (Ḥusnu l-­Manṭiq) Sufyān Ibn ʿUyayna gleichkommt.“1424 In den Quellen finden sich viele Aussagen über die auffallende Intelligenz Ibn ʿUyaynas, wie zum Beispiel die Worte von Abū Ġassān Mālik b. Ismāʿīl an-­Nahdī al-­Kūfī (gest. 219/834): „Wie intelligent er war!“1425 Zudem wird erwähnt, dass Ibn ʿUyayna, der ein sehr starkes Gedächtnis besaß, nie etwas aufschrieb, ohne es vorher auswendig gelernt zu haben.1426

In der Hadith-­Literatur ist Aṯar auch als ein Synonym für Ḫabar zu finden. Nach Fiqh-­Wissenschaftlern aus Chorasan: Worte, Taten und Zustimmungen der Ṣaḥaba und Tābiʿūn. Siehe Aydınlı, Hadis Istılahları Sözlüğü, S. 54; Said Abdurrahman Mûsâ el-­Gazefî, Eser, in: DİA, İstanbul 1995, XI, S. 372. 1421 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 32 f.; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 179; Mizzî, Tahḏīb, XI, S. 189; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 457; Tārīḫ, XIII, S. 192; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IV, S. 105; Suyūṭī, Ṭabaqātu l-­Ḥuffāẓ, S. 119; Ziriklī, al-­Aʿlām, III, S. 105. 1422 Ḏahabī, Siyar, X, S. 85; Aybakan Bilal, İmam Şâfiî ve Fıkıh Düşüncesinin Mezhepleşmesi, S. 24. 1423 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 32. 1424 Ebenda, S. 52 f.; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 464; Tārīḫ, XIII, S. 199. 1425 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 183. 1426 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 179; Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 189; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 461; Tārīḫ, XIII, S. 194.

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Der Hadith-­Kritiker Yaḥyā b. Maʿīn (gest. 233/848) aus Bagdad sah Ibn ʿUyayna als zuverlässig an.1427 Außerdem stufte er ihn hinsichtlich des Erlernens des Wissens von ʿAmr b. Dīnār höher ein als Šuʿba (gest. 160/776), Sufyān aṯ-­Ṯawrī (gest. 161/778) und Ḥammād b. Zayd (gest. 179/795), obwohl Ibn ʿUyayna jünger war als die genannten Gelehrten. Als Yaḥyā b. Maʿīn nämlich die Frage gestellt wurde „Ist dir in Bezug auf [die Überlieferung von] ʿAmr b. Dīnār Ibn ʿUyayna oder Ṯawrī lieber?“ lautete seine Antwort: „Ibn ʿUyayna kennt ʿAmr b. Dīnār besser.“ Als er dann gefragt wurde, was er über Šuʿba in diesem Zusammenhang sagen würde, gab er zur Antwort: „Wie viel hat schon Šuʿba von ihm tradiert?! Šuʿba hat von ʿAmr b. Dīnār lediglich etwa hundert Hadithe tradiert.“

In einer anderen Äußerung sagte er, dass bezüglich der Überlieferungen von ʿAmr b. Dīnār Ibn ʿUyayna die authentischste Person (Aṯbat) sei.1428 Der Basrenser ʿAlī b. al-­Madīnī (gest. 234/849), einer der fünf Schüler Ibn ʿUyaynas, die am meisten von ihm tradierten, sagte: „Unter dem Schülerkreis von Zuhrī gibt es keinen authentischeren als Ibn ʿUyayna.“ Gefragt, wer bezüglich der Hadith-­Überlieferungen von Zuhrī an erste Stelle käme, bevorzugte er Sufyān b. ʿUyayna. Nach ihm gab es gar keine Zweifel daran, dass Ibn ʿUyayna die Hadithe durch Zuhören von Zuhrī aufgenommen hatte. So wie sich niemand über Ibn ʿUyayna negativ äußerte, gab es auch niemanden, der ihn kritisierte. Wiederum nach der Ansicht von ʿAlī b. al-­Madīnī ist Ibn ʿUyayna in der Hadith-­ Wissenschaft Sufyān aṯ-­Ṯawrī und Šuʿba überlegen; zudem wiederholte ʿAlī b. al-­Madīnī das Urteil von Bišr b. al-­Mufaḍḍal (gest. 187/803 [?]), dass es zu Ibn ʿUyaynas Zeit niemanden auf Erden gab, der ihm gleichkam.1429 Auch Aḥmad b. Ḥanbal (gest. 241/855), ebenfalls einer der fünf Schüler Ibn ʿUyaynas, die am meisten von ihm tradierten, legte dar, dass Sufyān b. ʿUyayna bezüglich des Wissensgutes von ʿAmr b. Dīnār der Gelehrteste sei. Außerdem sagte er: „Ich sah niemanden, der über mehr Wissen hinsichtlich der Sunna-­Taten verfügt als Ibn ʿUyayna.“; „Seinesgleichen sahen wir nicht.“1430

1427 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 52. 1428 Yaḥyā b. Maʿīn, Tārīḫu Ibn Maʿīn (Riwāyatu ʿUṯmān ad-­Dārimī), Dāru l-­Maʾmūn Li t-­Turāṯ, ed. Aḥmad Muḥammad Nūr Sayf, Dimašq 1400, S. 55; Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 33, 36; Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 190; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 458. 1429 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ,  I, S.  52; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād,  IX, S.  178, 180; Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 189; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 458, 461; Tārīḫ, XIII, S. 195; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IV, S. 105 f.; Suyūṭī, Ṭabaqātu l-­Ḥuffāẓ, S. 119. 1430 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ,  I, S.  33; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād,  IX, S.  181  ff.; Ḏahabī, Tārīḫ, XIII, S. 193 ff.

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„Bei Fragen über die Rituale der Pilgerfahrt [Manāsik] antwortete Ibn ʿUyayna mit Leichtigkeit, bei Fragen über die Scheidung [Ṭalāq] fiel ihm die Antwort schwer.“1431

Buḥārī (gest. 256/870), der Schüler von Ḥumaydī (gest. 219/834), der zu den fünf wichtigsten Schülern Ibn ʿUyaynas zählte, sagt: „Sufyān b. ʿUyayna ist Ḥammād b. Zayd in der Memorisierung überlegen.“1432 Der kūfische Kritiker Aḥmad b. ʿAbdillāh al-ʿIǧlī (gest. 261/875) vermerkte, dass Ibn ʿUyayna hinsichtlich der Hadithe Zuhrīs die authentischste Person unter den Menschen und einer der weisen Hadith-­Leute sei, über ein gutes Hadith-­ Wissen verfüge und ungefähr 7000 Hadithe tradiert, aber kein Buch verfasst habe.1433 Es wurde jedoch bereits angeführt, dass Ibn ʿUyaynas Werke vorhanden waren. Abū Ḥātim ar-­Rāzī (gest. 277/890) sagte Folgendes: „Die Zuverlässigsten unter der Gefolgschaft Zuhrīs sind Sufyān b. ʿUyayna und Mālik. Sufyān b. ʿUyayna kannte die Hadithe von Amr b. Dīnār besser als Šuʿba. Er ist ein zuverlässiger Imam.“1434

Nawawī (gest. 676/1277) verzeichnete, dass Sufyān aṯ-­Ṯawrī von Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān folgende Aussage übermittelte: „Darüber, dass Sufyān b. ʿUyayna ein Imam ist, eine große Autorität darstellt und einen hohen Rang innehat, sind sich die Gelehrten einig.“1435

Als Resultat all dieser Beurteilungen findet man Sufyān b. ʿUyayna in der Überliefererkette „Ǧābir => ʿAmr b. Dīnār => Sufyān b. ʿUyayna“, die unter den regionsspezifischen authentischsten Überliefererketten (Aṣaḥḥu l-­Asānīd) als Beispiel für Mekka vorgezeigt wurde. Ebenso fällt auf, dass Sufyān auch in anderen authentischen Überliefererketten als ein Eckpfeiler fungiert.1436 Als Schlussfolgerung lässt sich festhalten, dass sich die Autoritäten über Sufyān b. ʿUyaynas Zuverlässigkeit einig waren und ihn mit Bezeichnungen wie Imam, ʿĀlim, Ṯabt und Ḥuǧǧa beschrieben. Gelehrte wie Mālik b. Anas, Sufyān aṯ-­Ṯawrī, Sufyān Ibn ʿUyayna, al-­Awzāʿī, aš-­Šāfiʿī und Aḥmad b. Ḥanbal waren nach der Ansicht der Hadith-­Autoritäten Persönlichkeiten, deren Gerechtigkeit unter den 1431 Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 190. 1432 Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 457 f. 1433 Al-ʿIǧlī, Maʿrifa, I, S. 417; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 179; Nawawī, Tahḏību l-­ Asmāʾ, I, S. 224 f.; Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 189; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 458; Tārīḫ, XIII, S. 193; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IV, S. 105. 1434 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 52. 1435 Nawawī, Tahḏību l-­Asmāʾ, I, S. 224. 1436 Ḥākim an-­Nīsābūrī, Maʿrifatu ʿUlūmi l-­Ḥadīṯ, S. 40, 99.

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Hadith-­Wissenschaftlern und auch in anderen Wissenschaftskreisen in einem jeglichen Zweifel ausschließenden Maße bekannt geworden waren und die somit keiner ihre Gerechtigkeit belegende Beweise (Muʿaddila) mehr bedurften.1437 Nach den positiven Aussagen über Sufyān b. ʿUyayna wird im folgenden Kapitel „Die Kritik an ihm“ darüber reflektiert, dass er ab dem Jahre 197 n. H. begann, sich bei der Tradierung zu vertun (Iḫtilāṭ).

2.2.14 Die Kritik an ihm Nach den Informationen in den Quellen ist zu beobachten, dass der im 2. Jahrhundert n. H. – dem Jahrhundert der intensiven Tradierungsaktivitäten – vorherrschenden wissenschaftlichen Auffassung zufolge jeder, wer auch immer er sein mochte, einer scharfen Kritik zu unterziehen war. Auch wenn Ibn ʿUyayna einer der bekanntesten Wissenschaftler seiner Zeit war, genoss er dennoch keine Privilegien und wurde folglich auch aus verschiedenen Perspektiven heraus kritisiert, um mit letzter Sicherheit festzustellen, ob er eine zuverlässige religiöse Autorität war oder nicht. Die in diesem Kontext an ihm geäußerten Kritiken können unter vier Überschriften thematisiert werden.

2.2.14.1 Tadlīs Die erste Kritik, die Ibn ʿUyayna erntete, war, dass er Tadlīs beging. Dass auch Sufyān aṯ-­Ṯawrī derselben Kritik ausgesetzt war, wurde ebenso bereits dargelegt wie die Erläuterung des Tadlīs-­Begriffes. Es sei daher nur noch erwähnt, dass es zwei Arten von Tadlīs gibt, zum einen Tadlīsu l-­Isnād und zum anderen Tadlīsu š-­Šuyūḫ. Die Erörterung gilt daher nun der Frage, ob das Begehen von Tadlīs Ibn ʿUyaynas Zuverlässigkeit schadete. Als Beispiel dafür, dass Ibn ʿUyayna Tadlīs in der Art von Tadlīsu l-­Isnād beging, wird in den Quellen angeführt, dass ʿAlī b. Ḥašram al-­Marwazī (gest. 257/871) gesagt habe: „Wir waren bei Ibn ʿUyayna. Er sagte: „az-­Zuhrī …“. Als er mit der Frage, ‚Hat az-­Zuhrī euch dies tradiert?‘ konfrontiert wurde, schwieg er. Er sagte dann wieder ‚az-­Zuhrī‘. Es kam wieder die Frage: ‚Hast du dies von az-­Zuhrī gehört?‘ Daraufhin antwortete er folgendermaßen: ‚Nein, ich habe es nicht von az-­Zuhrī gehört, und nicht von dem, der es von az-­Zuhrī gehört hat, sondern ʿAbdurrazzāq tradierte es mir von Maʿmar und er von az-­Zuhrī.‘“1438

1437 Koçyiğit, Hadis Istılahları, S. 20. 1438 Ibn Ṣalāḥ, ʿUlūmu l-­Ḥadīṯ, S. 74. Für eine ähnliche Überlieferung des Ereignisses siehe Ḥākim an-­Nīsābūrī, Maʿrifatu ʿUlūmil-­Ḥadīṯ, S. 164.

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Obwohl in den Quellen offen erwähnt wird, dass Ibn ʿUyayna Tadlīs beging, wird auch hervorgehoben, dass er Tadlīs ausschließlich von zuverlässigen Tradierern beging,1439 auf die Frage hin, von wem er den Hadith, den er mit Tadlīs überlieferte, erhalten hatte, stets deren Namen nannte,1440 und dass die Überlieferungen von den Mudallis-­Tradierern wie Ibn ʿUyayna, die lediglich von zuverlässigen Tradierern Tadlīs begingen, akzeptabel seien. Demzufolge führte Ibn ʿAbdilbarr (gest. 463/1071) an, dass die Hadith-­Imame, „Das Tadlīs von Sufyān b. ʿUyayna ist zulässig“, sagten, denn Sufyān b. ʿUyaynas Tadlīs stammte von zuverlässigen und seriösen Persönlichkeiten, wie zum Beispiel Ibn Ǧurayǧ und Maʿmar b. Rāšid. Sufyān b. ʿUyayna beging daher nur von zuverlässigen und seriösen Personen Tadlīs. Bei fast all seinen Überlieferungen mit Tadlīs gab er im Nachhinein bekannt, von wem er den Hadith erhalten hatte.1441 Ibn Ḥibbān (gest. 354/965), ein Wissenschaftler aus dem 4. Jahrhundert n. H., der mit Eigenschaften wie „Ḥāfiẓu l-­Ḥadīṯ“ und „Šayḫ von Chorasan“ bezeichnet wurde und mit seinen Werken im Fachbereich der Tradiererkritik und Feststellung der Gesundheit (Ṣiḥḥa) von Hadithen bekannt geworden ist1442, äußerte seine Ansicht hinsichtlich der Tadlīs begehenden Hadith-­Wissenschaftler und speziell über Ibn ʿUyayna wie folgt: „Was die in der Religion Taqwā und Waraʿ besitzenden Imame wie Ṯawrī, al-­Aʿmaš, Abū Isḥāq und andere Mudallisūn, die zuverlässig und gerecht sind, anbelangt, so führen wir ihre Nachrichten nicht als Beweise an, sofern sie nicht bekannt gegeben haben, von wem sie diese hörten. Wenn wir nämlich die Nachrichten von einem Mudallis, der nicht verkündigt, von wem er dies hat – auch wenn er zuverlässig ist – akzeptieren, so sind wir in diesem Fall dazu angehalten, alle Maqṭūʿ- und Mursal-­Nachrichten zu akzeptieren, denn man kann nicht wissen, ob er von einem schwachen Tradierer Tadlīs gemacht hat. Falls dieser Gesichtspunkt klar wurde: Oh mein Herr! Nur mit der Absicht, die Wahrheit zu treffen, sage ich: Falls es gewiss ist, dass der Mudallis ausschließlich von einer zuverlässigen Person Tadlīs begeht, so ist in diesem Fall seine Überlieferung zulässig, auch wenn er nicht bekannt gibt, von wem er sie gehört hat. Diese Eigenschaft trifft auf der Erde nur bei Sufyān b. ʿUyayna zu. Ibn ʿUyayna beging zwar Tadlīs, jedoch nur von zuverlässigen und seriösen Personen. Unter den Überlieferungen, bei denen Ibn ʿUyayna Tadlīs beging, gibt es fast keine, bei der er nicht bekannt gab, es von einer zuverlässigen Person gehört zu haben.“1443

1439 Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 459, 465; Tārīḫ, XIII, S. 200. 1440 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 300. 1441 Suyūṭī, Tadrību r-­Rāwī , I, S. 229. 1442 Sönmez, Mehmet Ali, İbn Hibban, in: DİA, Istanbul 1999, XX, S. 63. 1443 Ibn Ḥibbān, Ṣaḥīḥu Ibn Ḥibbān, I, S. 161 f.

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Nach diesen Erkenntnissen lässt sich festhalten, dass über Ibn ʿUyaynas Zuverlässigkeit Übereinstimmung herrschte, er aus plausiblen Gründen, die im Kapitel über Ṯawrīs Tadlīs-­Begehen erläutert wurden, nur von zuverlässigen Überlieferern Tadlīs beging und auf die Frage, von wem er diese Überlieferung erhielt, stets den Überlieferer nannte. Diesen ließ er in der Überliefererkette weg, weshalb seine Überlieferungen von den Hadith-­Kritikern anerkannt wurden, wobei jedoch die ihre Objektivität bewahrenden Hadith-­Kritiker Ibn ʿUyaynas Tadlīs-­Begehen auf eine transparente Weise verzeichneten.

2.2.14.2 Der Schiismus-­Vorwurf Die zweite Kritik, mit der Sufyān b. ʿUyayna konfrontiert wurde, war die Behauptung, er sei ein Schiit gewesen. Ibn Ḥaǧar (gest. 852/1449) überlieferte in seinem Werk Tahḏību t-­Tahḏīb die Aussage von Ibn ʿAdī (gest. 365/976), Sufyān b. ʿUyayna vertrete eine Art Schiitentum (Tašayyuʿ), wofür Ibn ʿAdī als Begründung folgende Information nannte: „Ibn ʿUyayna übermittelte einen Hadith. Als ihm die Frage ‚War in der Überliefererkette dieses Hadithes nicht auch ʿUṯmān vorhanden?‘ gestellt wurde, antwortete er: ‚Ja, aber ich habe ihn nicht erwähnt, denn ich bin ein Jugendlicher aus Kūfa.‘“1444

Um diese Behauptung zu beleuchten, ist es vonnöten, den Begriff Šīʿa, dessen Bedeutungsunterschied in der Frühzeit des Islam und in den späteren Epochen, das Hadith-­Verständnis der Šīʿa und die Haltung Ibn ʿUyaynas gegenüber der schiitischen Auffassung zu untersuchen. Das Wort Šīʿa, welches im Arabischen der Infinitiv des Verbs ša-­ya-ʿa ist, hat folgende Bedeutungen: Gruppe, Partei, Menge, Helfer oder Anhänger von jemandem sein, jemandem folgen, etwas verbreiten und sich in einer Auffassung einig sein. Der Plural des Wortes Šīʿa ist Šiyaʿ und bedeutet „Parteien, Gruppen“.1445 Nach Nawbaḫtī (gest. 310/922 [?]) und Qummī (gest. 301/913), den schiitischen Autoritäten der frühislamischen Zeit, die als Quelle für viele spätere Werke fungierten, bezeichnet der Fachbegriff Šīʿa folgenden Sachverhalt: „Die Gruppe, die zu Lebzeiten des Propheten von ihm als ‚Šīʿatu ʿAlī‘ genannt wurde und nach seinem Ableben ʿAlī als Kalif ansah.“1446

1444 Ibn ʿAdī, ʿAbdullāh b. ʿAdī b. ʿAbdillāh Abū Aḥmad al-­Ǧurǧānī (gest. 365/976), al-­ Kāmil fī Ḍuʿafāi r-­Riǧāl, ed. ʿĀdil Aḥmad ʿAbdulmawǧūd, ʿAlī Muḥammad Muʿawwiḍ, al-­Kutubu l-ʿIlmiyya, Beirut 1418/1997, VI, S. 544; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IV, S. 107. 1445 Ibn Manẓūr, Lisānu l-ʿArab, VIII, S. 188 ff.; Zabīdī, Tāǧu l-ʿArūs, XXI, S. 302 ff. 1446 Nawbaḫtī, Firāqu š-­Šīʿa, S. 17; Qummī, Saʿd b.ʿAbdillāh Abū Ḫalaf al-­Ašʿarī (gest. 301/913–14), Kitābu l-­Makālāt wa l-­Firaq, ed. M. Ǧawād Maškūr, Teheran 1963, S. 15.

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Wiederum nach einer der frühislamischen schiitischen Quellen, Šayḫ Mufīḍ (gest. 413/1022), ist die Šīʿa „… ein Name, mit dem alle bezeichnet werden, die durch Wilāya mit ʿAlī b. Abī Ṭālib verbunden sind, akzeptieren, dass er nach dem Propheten ohne eine zeitliche Unterbrechung durch den Koran und die göttliche Ernennung der rechtmäßige Imam sei, und sich von den vorherigen Kalifen distanzieren.“1447

Nach Quhbāʾī (gest. 1016/1607) werden aber diejenigen als „Schiiten“ bezeichnet, „… die bei Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Prophetengefährten nach dem Ableben des Propheten ʿAlī Folge leisten, und bei Meinungsverschiedenheiten nach dem Ableben ʿAlīs Ǧaʿfar aṣ-­Ṣādiq [gest. 148/765] Folge leisten.“1448

In diesen Definitionen werden die Aspekte unterstrichen, dass ʿAlī b. Abī Ṭālib eine Gruppe um sich hatte, die zu Lebzeiten des Propheten Šīʿatu ʿAlī genannt wurde, dass er nach dem Propheten der tugendhafteste Mensch gewesen sei und durch den Koran und die göttliche Ernennung als Imam eingesetzt wurde, dass man sich von den vorherigen drei Kalifen distanzieren müsse und dass das Imamtum durch letztwillige Verfügung an seine Kinder überging. Unter den von der Schia vertretenen Ansichten sind insbesondere die Begriffe Ṣaḥaba und Ḥadīṯ in Bezug auf die Beleuchtung der Behauptung, Sufyān b. ʿUyayna sei ein Schiit gewesen, von großer Bedeutung. Die Nachkommen des Propheten (Ahlu l-­Bayt) spielen nach der Schia eine Schlüsselrolle, damit eine Aussage den Wert eines Hadithes erlangen kann. Nach diesem Verständnis sind die Worte, Taten und Zustimmungen des Propheten und der zwölf Imame, die wie der Prophet unfehlbar seien, ein Hadith, und zwischen ihnen gibt es in der Beweiskraft keinen Unterschied. Damit ein Hadith gesund (ṣaḥīḥ) ist, muss er über das Ahlu l-­Bayt, also vom Vater zum Sohn, über den folgenden Weg tradiert werden: Ǧaʿfar aṣ-­Ṣādiq => Muḥammad al-­Bāqir => Zaynalʿābidīn => Ḥusayn => ʿAlī => Allahs Prophet. Die Überlieferungen von Prophetengefährten, die nicht zum Ahlu l-­Bayt gehören, wie zum Beispiel Abū Hurayra, Ṯamura b. Ǧundab oder ʿAmr b. ʿĀṣ haben keinerlei Bedeutung. Abū Hurayras, ʿAbdullāh b. ʿUmars und ʿĀišas Überlieferungen sind bedeutungslos, und nach deren Überlieferungen darf auch nicht praktiziert werden.1449

1447 Šayḫ Mufīd, Abū ʿAbdillāh Muḥammad b. Muḥammad b. an-­Nuʿmān al-­Ḥārisī alʿUkbarī (gest. 413/1022), Awāʾilu l-­Maqālāt fi l-­Maḏāhibi l-­Muḫtārāt, ed. Hibatuddīn aš-­Šahristānī, Täbris 1364, S. 33. 1448 Quhbāʾī, ʿInāyatullāh ʿAlī (gest. 1016/1607), Maǧmau r-­Riǧāl, Ghom, 1384, I, S. 22. 1449 Çolak, Ahmet, Şia Hadis Alma Usûlünde İlk Râvîler, S. 24.

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Bei der Beleuchtung der genannten Behauptung ist es außerdem wichtig festzustellen, ob Ibn ʿUyayna in den schiitischen Kreisen eine Akzeptanz genoss. Bei der Untersuchung der schiitischen Quellen stellte es sich zunächst heraus, dass kein Konsens darüber herrschte, ob Sufyān b. ʿUyayna zu den zuverlässigen schiitischen Tradierern zu zählen ist oder nicht. Sufyān b. ʿUyayna ist unter den Überlieferern von al-­Kaššī, al-­Mamakānī und an-­Naǧāšī vorzufinden.1450 Zudem wird dargelegt, dass Ibn ʿUyayna von Ǧaʿfar aṣ-­Ṣādiq Hadithe tradierte, von Zeit zu Zeit belobigt, von Zeit zu Zeit aber auch unter die schwachen Überlieferer gezählt und über ihn Folgendes gesagt wurde: „Er ist weder einer von unseren Gefährten noch einer von unseren Feinden.“1451 Wie bereits angedeutet wurde, unterscheidet sich auch der Bedeutungsumfang des ein und selben Begriffes Schiismus in der Literatur der frühislamischen Gelehrten (Mutaqaddimūn) von dem in der Literatur der späteren Gelehrten (Mutaʾaḫḫirūn). Während dieser Begriff für die frühislamischen Gelehrten die Ansichten wiedergibt, dass ʿAlī überlegener als ʿUṯmān ist, sich hinsichtlich der kriegerischen Ereignisse im Recht befindet und seine Widersacher im Unrecht und die ersten beiden Kalifen den anderen überlegen sind, bedeutet dieser Begriff in der Literatur der späteren Gelehrten, die ersten drei Kalifen gänzlich anzufechten.1452 Jedoch ist zu beobachten, dass Ibn ʿUyayna die oben genannten Prinzipien der Šīʿa nicht als Tradierungskriterien übernahm, im Gegenteil sogar von den ersten drei Kalifen, Abū Hurayra, ʿAbdullāh b. ʿUmar und ʿĀiša, deren Hadithe von der Šīʿa als inakzeptabel betrachtet werden, eine Vielzahl von Hadithen tradierte. So finden sich denn auch in seinem 50 Hadithe umfassenden Ǧuzʾ ein von ʿUṯmān überlieferter Hadith,1453 drei von Abū Hurayra überlieferte Hadithe1454 und ein von ʿĀiša überlieferter Hadith.1455 Zudem wurden von den insgesamt 1309 Überlieferungen in Ḥumaydīs Musnad 1240 direkt von Sufyān b. ʿUyayna tradiert und ein bedeutender Teil der Hadithe aus dem Musnad in die Kutubu Sitta übernommen.1456 In den Überliefererketten dieser über Ibn ʿUyayna weitergegebenen Hadithe sind die von der Šīʿa ange1450 Ḥaʾirī, Muḥammad Ḥusayn al-ʿAlamī, Dāʾiratu l-­Maʿārifi š-­Šīʿa al-ʿĀmma, Muʾassasatu l-ʿAlam li l-­Maṭbūʿāt, Beirut, o. J., X, S. 413. 1451 Muḥsin al-­Amīn, Aʿyānu š-­Šīʿa, VII, S. 266 f. 1452 Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, I, S. 81 f. 1453 Al-­Marwazī, Ǧuzʾu Ḥadīṯi Sufyān b. ʿUyayna, S. 41 (8. Hadith). 1454 Ebenda, S. 43, 61, 69 (11., 30. und 43. Hadithe). 1455 Ebenda, S. 31 (2. Hadith). 1456 Evgin A. Kadir, Buhari’nin Hocası Abdullah b. Zubeyr el-­Humeydi ve Musnedi, S. 87, 123.

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fochtenen Persönlichkeiten ʿUṯmān, ʿĀiša, Abū Hurayra und Muʿāwiya b. Abī Sufyān vorhanden.1457 Im Lichte all dieser Fakten ist zu erkennen, dass die Bezichtigung Sufyān b. ʿUyaynas, er sei Schiit gewesen, unzutreffend war. Angenommen, Ibn ʿUyayna sprach jenen inkriminierten Satz aus, so ist dies wie folgt zu erklären: Die Ermordung ʿUṯmāns hatte bekanntlich in der muslimischen Gesellschaft für politische Unruhen und Kriege um das Kalifat gesorgt, aus denen eine politische Polarisierung resultierte. Dies führte zu subjektiven und affektiven Bewertungen der Ereignisse und der Personen. Die Mehrzahl der Wissenschaftsautoritäten dieser Ära legte jedoch eine besonnene und souveräne Haltung an den Tag und war bestrebt, die aufgekommenen Unruhen zu schlichten und wissenschaftlich objektiv zu handeln. In diesem Kontext sagte zum Beispiel Sufyān aṯ-­ Ṯawrī, der eine enge Freundschaft zu Ibn ʿUyayna pflegte, zu ʿAtāʾ b. Muslim: „Wenn du dich in Šām aufhältst, erzähle von den tugendhaften Taten ʿAlīs; wenn du dich in Kūfa aufhältst, erzähle von den tugendhaften Taten Abū Bakrs und ʿUmars!“1458

Mit dieser Aussage beabsichtigte Ṯawrī, die in Šām gegen ʿAlī und in Kūfa gegen Abū Bakr und ʿUmar entstandene emotionsgesteuerte Antipathie zu beseitigen. So sagte er auch zu Usām b. ʿAlī: „Die Liebe zu ʿUṯmān und zu ʿAlī vereinigt sich nur im Herzen der erlesenen Menschen.“1459 Außerdem ist in den Quellen keine einzige Information darüber enthalten, dass Ibn ʿUyayna und Ṯawrī eine negative Haltung im Allgemeinen gegenüber den Prophetengefährten und im Speziellen gegenüber den ersten drei Kalifen eingenommen hätten. In diesem Fall könnte Ibn ʿUyayna mit dem genannten Satz – falls er ihn tatsächlich aussprach – auf solch einen Nutzen – die Entschärfung der aufgeheizten Stimmung – gezielt haben.

2.2.14.3 Der Rassismus- bzw. Diskriminierungs-­Vorwurf in Bezug auf die Mawālī Die an Sufyān b. ʿUyayna gerichtete dritte Kritik ist die Behauptung, er habe arabischen Rassismus betrieben. Juynboll brachte diese Behauptung folgendermaßen zum Ausdruck: 1457 Karabulut stellt dar, dass in Ḥumaydīs Musnad drei von den vier Hadithen, die von ʿUṯmān tradiert wurden, 121 von den 128 Hadithen, die von ʿĀiša tradiert wurden, 240 von den 248 Hadtihen, die von Abū Hurayra tradiert wurden, und alle sieben Hadithe, die von Muʿāwiya b. Abī Sufyān tradiert wurden, mittels Sufyān b. ʿUyayna überliefert wurden; siehe Karabulut, Süfyân b. Uyeyne ve Hadis İlmindeki Yeri, S. 138. 1458 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 27. 1459 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 32.

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„Sufyān b. ʿUyayna [gest. 198/814] sagte: ‚Bis in Kūfa Abū Ḥanīfa [gest. 150/767], in Basra ʿUṯmān b. Muslim al-­Battī und in Madina Rabīʿa b. ʿAbdirraḥmān in Erscheinung traten, liefen die Angelegenheiten der Menschen noch aufrichtig. Wenn wir die neu in Erscheinung tretenden uns anschauen, sehen wir, dass diese von den Völkern der eroberten Länder abstammen.‘“1460

Diese Überlieferung wird jedoch in Ibn ʿAbdilbarrs (gest. 463/1071) Werk in folgender Weise übermittelt: „Ibn ʿUyayna sagte Folgendes: ‚Bis Abū Ḥanīfa in Erscheinung trat, war der Zustand der kūfischen Bevölkerung ausgewogen. Mūsā sagte: Er [Abū Ḥanīfa] ist eines von den Kindern der Sklaven dieser Umma. Seine Mutter ist aus Sind und sein Vater ist Nabṭī. Die, die das Raʾy [die eigene Rechtsmeinung] hervorbrachten, sind drei Personen und alle Kinder der Sklaven der Umma: In Madina Rabīʿa, in Basra ʿUṯmān und in Kūfa Abū Ḥanīfa.“1461

Wie zu sehen ist, ist der letzte Teil der in der Überlieferung mitgeteilten Aussage nicht Ibn ʿUyayna, sondern Mūsā b. ʿUqba (gest. 141/758) zuzuschreiben. Darüber hinaus lässt sich sagen, dass es angebracht ist, diese Behauptung im Zusammenhang mit der Kritik der Ahlu l-­Ḥadīṯ, den sie an manchen dem Ahlu r-­Raʾy angehörigen Gelehrten übten, zu bewerten. Im Allgemeinen mündet diese Kritik in drei Themen: Ein Murǧiʾī oder ein Schiit zu sein, oder die gesunden Hadithe außer Acht lassend mit dem Raʾy zu urteilen. Wie bereits erwähnt breiteten sich die islamischen Grenzen im 2. Jahrhundert n. H. enorm aus, und als Ergebnis der Konfrontation mit fremden Kulturen traten neue Problemstellungen und neue Herangehensweisen zur Lösung derselben auf. In dieser Epoche, in der die Fachtermini noch nicht ausgereift waren und die Parteien sich gegenseitig mit der äußersten Zurückhaltung und Härte begegneten, wurde aufgrund von Fehlverständnissen oft unrechte Kritik geübt. Zu dieser Zeit bildeten den einen Pol die Murǧiʾa, welche die These verteidigten, Sünden würden den Glauben nicht beschädigen,1462 während auf dem Gegenpol zum einen die Ḫawāriǧ, die die Gegenthese, Sünder kämen vom Glauben ab, vertraten,1463 und zum anderen die Muʿtazila, die behaupteten, dass ein Sündiger weder Kafir noch Muʾmin wäre, verortet waren.1464 In dieser intellektuellen Aufbruchszeit vertrat zum Beispiel Abū Ḥanīfa (gest. 150/767) trotz aller Kritik die Ansicht, dass das Begehen einer Sünde einen Muʾmin nicht zum Kafir mache, so1460 Juynboll, G. H. A., Muslim Tradition – Studies in Chronology, Provinance and Authorship of Early Hadith, Cambridge University Press 1983, S. 176 f. 1461 Ibn ʿAbdilbarr, Ǧāmiʿu Bayān, II, S. 147 f. 1462 Ašʿarī, Maqālātu l-­Islāmiyyīn, S. 132 ff.; al-­Qārī, Ḍawʾu l-­Maʿālī, S. 132. 1463 Ašʿarī, Maqālātu l-­Islāmiyyīn, S. 86 f. 1464 Ebenda, S. 269 f.

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lange die Sündhaftigkeit dieser Tat nicht geleugnet werde.1465 Diese Ansicht wurde ab dem 4. Jahrhundert n. H. von Imam Māturīdī (gest. 333/944) und Imam Ašʿarī (gest. 324/935–36) systematisiert und etablierte sich als einer der Grundsätze des sunnitischen Verständnisses, das heute das am weitesten verbreitete innerhalb des Islam ist.1466 Da allerdings diese Ansicht Abū Ḥanīfas fehlinterpretiert wurde, wurden er und manche anderen Gelehrten, die seine Ansicht teilten, bezichtigt, ein Murǧiʾī zu sein, und waren somit unberechtigter Kritik ausgesetzt,1467 obwohl Abū Ḥanīfa nie äußerte, dass die Sünde dem Glauben eines Muʾmins nicht schaden würde, wie es die Murǧiʾa tat.1468 Zu dieser Zeit konnte wiederum jemand, der unter Umständen nach seiner eigenen Rechtsmeinung (Raʾy) urteilte, sofort mit einer Raʾy-­Anhängerschaft, und jemand, der seine Liebe zu ʿAlī äußerte, mit dem Schiitentum beschuldigt werden. Angesichts dieser Tatsache ist es offenkundig, dass bei den insbesondere in den Ṭabaqāt-­Büchern vorhandenen Informationen, in denen einige Gelehrten als Murǧiʾī oder Šīʿī bezeichnet werden, nicht die in der fachspezifischen Bedeutung verwendeten Begriffe Murǧiʾī und Šīʿī verstanden werden können. Sufyān aṯ-­Ṯawrī verwendete zum Beispiel das Wort Irǧāʾ, das Abstammungswort von Murǧiʾa, in dem herkömmlichen Sinn und sagte: „Überlasse [Irǧāʾ] alles, was du nicht weißt, Allah, sei aber kein Murǧiʾa!“1469 Mit dieser Aussage legte er deutlich dar, dass sich seine Gedanken völlig von denen der Murǧiʾa-­Schule unterschieden. Ebenso beschwerte er sich über die eben genannte harte Haltung mit seinen Worten: „Die Šīʿa hielt uns davon ab, von den Tugenden ʿAlīs zu erzählen.“1470 Dementsprechend ist der Vorwurf, Abū Ḥanīfa habe mit seinem Raʾy geurteilt und die gesunden Hadithe beiseitegelassen, obwohl diese vorhanden waren, eine überspitzte und nicht haltbare These. Es ist gewiss, dass er unter bestimmten Umständen gesunde Hadithe als Beweis verwendete. Dass er im Bedarfsfall auf die Analogie (Qiyās) zurückgriff, bedeutet aber nicht, dass er die gesunden Hadithe abgelehnt hätte. Das einige der von Abū Ḥanīfa tradierten Hadithe und

1465 Sulaymān Ğawǧī, Minaḥu r-­Rawḍi l-­Azhar fī Šarhi l-­Fiqhi l-­Akbar li l-ʿAllāmati l-­Muḥaddiṯi l-­Faqīh ʿAlī b. Sulṭān Muḥammad al-­Qārī wa maʿahū at-­Taʿlīqu l-­ Muyassar ʿalā Šarhi l-­Fiqhi l-­Akbar, Beirut 1998, S. 210 f. 1466 Taftazānī, Šarḫu l-ʿAqāidi n-­Nasafiyya, S. 189, 196, 247; al-­Qārī, Ḍawʾu l-­Maʿālī, S. 131. 1467 Ibn ʿAbdilbarr, Ǧāmiʿu Bayān, II, S. 148; siehe außerdem die beiden Abschnitte „ʿAmr b. Murra (gest. 116/734 ?)“ und „Ḥammād b. Abī Sulaymān (gest. 120/738)“. 1468 Sulaymān Ğawǧī, Minaḥu r-­Rawḍi l-­Azhar, S. 229. 1469 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 33. 1470 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 27.

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seine Rechtsmeinungen beinhaltende Werk Kitabu l-­Āṯār seines Schülers Abū Yūsuf ist zum Beispiel ein hinreichender Beleg dafür, dass Abū Ḥanīfa Hadithe als Beweisquellen verwendete. Außerdem ist bekannt, dass auch Muǧtahid-­Gelehrte, die nicht der irakischen Schule angehörten, wie zum Beispiel Mālik und aš-­Šāfiʿī, in ihren Werken gegebenenfalls vom Raʾy Gebrauch machten. Trotz dieser Tatsachen entwickelte sich im 2. Jahrhundert n. H., in dem die Grundbausteine der Rechtsschulen gelegt wurden, eine zeitweise übermäßig kritische Haltung der Ahlu l-­Ḥadīṯ insbesondere zur irakischen Schule mit der Intention, die Sunna zu bewahren. In diesem Kontext kritisierten die Ahlu l-­Ḥadīṯ die Ahlu r-­Raʾy dahingehend, dass sie die Koranverse und Hadithe beiseitelassen und mit ihrem bloßen Raʾy urteilen würden, und umgekehrt kritisierten die Ahlu r-­Raʾy die Ahlu l-­Ḥadīṯ damit, dass sie die Koranverse und Hadithe nicht auf gerechte Weise verstehen würden. Da ein Fiqh-­Gelehrter, der nicht auf Raʾy zurückgreift, im Grunde nicht vorstellbar ist, lockerte sich diese anfänglich harte Haltung in den kommenden Jahrzehnten natürlicherweise zunehmend. Aus diesem Grunde trug Ibn ʿAbdilbarr (gest. 463/1071) die in dieser Weise unberechtigten Kritiken in einem Kapitel auf den Seiten 150–163 zusammen und legte dar, dass trotz aller Kritik die Zahl derjenigen, die sich im Sinne der Zuverlässigkeit Abū Ḥanīfas äußerten, die Zahl derjenigen übertraf, die sich gegen ihn wandten. Zudem stellte er fest, dass auch die Gelehrten Menschen seien und daher die aus Zorn geäußerten Aussagen sich von den im ausgewogenen Zustand geäußerten unterscheiden würden. Diejenigen, die über Wissen, Verständnis und Unterscheidungsvermögen verfügten, würden den subjektiven Beschuldigungen, mit denen die den in der Religion als Imame anerkannten zuverlässigen Gelehrten überhäuft wurden, keine Beachtung schenken.1471 Auch Yaḥyā b. Maʿīn (gest. 233/848), einer der Schüler Ibn ʿUyaynas, sagte in diesem Zusammenhang, dass die Ahlu l-­Ḥadīṯ bei ihrer Kritik an Abū Ḥanīfa (gest. 150/767) und seiner Gefolgschaft das Maß überschritten.1472 Es gilt hier das ganze Bild in den Blick zu nehmen und zu überprüfen, ob die von den Gelehrten wechselseitig geäußerten Aussagen wissenschaftlich und objektiv waren. Nur aus diesem Blickwinkel betrachtet ist es möglich, konsequente Ergebnisse zu erlangen, denn bezüglich Abū Ḥanīfa und seiner Gefolgschaft sind auch lobende Aussagen von Ibn ʿUyayna vorhanden. Dieser sagte nämlich auch: „Der Erste, der mich zum Sitzen bat, damit ich Hadithe tradiere, war Abū Ḥanīfa. Als ich in der Stadt Kūfa ankam, sagte Abū Ḥanīfa zu seiner Gefolgschaft: ‚Dieser Jugendliche

1471 Ibn ʿAbdilbarr, Ǧāmiʿu Bayān, II, S. 149, 152, 155. 1472 Tahānawī, Ẓafar Aḥmad b. Laṭīf at-­Tahānawī al-ʿUṯmānī (gest.1394/1974), Qawāʿid fī ʿUlūmi l-­Ḥadīṯ, ed. ʿAbdulfattāḥ Abū Ġudda, Beirut 1984, S. 328.

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ist derjenige, der ʿAmr b. Dīnār am besten kennt.‘ Daraufhin scharten sich die dortigen Hadith-­Scheichs um mich, um mich nach den Hadithen von ʿAmr b. Dīnār zu fragen.“1473

Hier ist wieder zu beobachten, dass Ibn ʿUyayna dem Wissen Abū Ḥanīfas Achtung entgegenbrachte und von Zeit zu Zeit auf seine Ansicht zurückgriff. Bišr b. al-­Walīd al-­Qāḍī (gest. 238/853) sagte nämlich: „Wir waren bei Sufyān b. ʿUyayna. Wenn uns eine schwierige Frage gestellt wurde, fragte er: ‚Gibt es unter euch jemanden aus dem Gefolge Abū Ḥanīfas?!‘ Als ‚Bišr ist hier‘ gesagt wurde, sagte er, ‚Dann antworte auf diese Frage!‘ Als ich dann antwortete, sagte er: ‚Sich den Fiqh-­Gelehrten zu ergeben, ist der sicherste Weg in der Religion.‘“1474

In diesem Kontext sagte Ibn ʿUyayna ein andermal: „Es gibt zwei Dinge, deren gleiche ich nicht gesehen habe: Die Qirāʾa Ḥamzas und das Raʾy des Imams [Abū Ḥanīfa]. Diese beiden haben die Grenzen Kūfas überschritten und die Horizonte [der Welt] erreicht.“1475

Im Lichte dieser Fakten ist die Tatsache, dass Ibn ʿUyayna einigen Ansichten von Abū Ḥanīfa nicht zustimmte und andere Gelehrte kritisierte, kein Indiz für eine arabisch-­diskriminierende Gesinnung auf seiner Seite. Ibn ʿUyaynas wissenschaftliche Persönlichkeit und seine Lebensdaten zeigen deutlich auf, dass er keine ethnische Diskriminierung beging. Zudem gehörte er selber zu den Mawālī.

2.2.14.4 Die Gedächtnisschwäche in seinem letzten Lebensabschnitt Die vierte Kritik, mit der Sufyān b. ʿUyayna konfrontiert wurde, ist die Gedächtnisschwäche in den letzten sieben Monaten seiner Lebenszeit. Um diesen Kritikpunkt zu erhellen, muss man sich mit dem Begriff Iḫtilāṭ auseinandersetzen. Linguistisch bedeutet Iḫtilāṭ „Mischung, Geistes- und Bewusstseinsstörung“.1476 In der Terminologie der Hadith-­Wissenschaft trägt er jedoch die Bedeutung „Die Gedächtnisschwäche des Überlieferers aus Gründen wie hohem Alter, Demenz [oder] extremer Trauer, und folglich der Verlust der Überlieferungsbefähigung.“ Die Hadith-­Kritiker sind sich darüber einig, dass die Überlieferungen des unter Iḫtilāṭ leidenden Tradierers (Muḫtaliṭ) vor seinem Iḫtilāṭ akzeptiert werden. Seine Überlieferungen nach dem Iḫtilāṭ allerdings 1473 Ṣaymarī, Aḫbāru Abī Ḥanīfa, Beirut 1985, S. 82. 1474 Tahānawī, Qawāʿid fī ʿUlūmi l-­Ḥadīṯ, S. 330. 1475 Es sind noch andere zahlreiche lobende Aussagen über ihn seitens der zeitgenössischen Gelehrten vorhanden; siehe Tahānawī, Qawāʿid fī ʿUlūmi l-­Ḥadīṯ, S. 326, 308 u. a. 1476 Ibn Manẓūr, Lisānu l-ʿArab, II, S. 169.

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werden in der Regel nicht anerkannt. Die Überlieferungen des Muḫtaliṭs, von denen es nicht gewiss ist, ob sie vor oder nach dieser Erkrankung gesammelt wurden, wurden im Allgemeinen auch abgelehnt. Im Falle jedoch, dass das Iḫtilāṭ nur von kurzer Dauer war und nur wenige Fehler daraus folgten oder dass in diesem Zeitabschnitt überhaupt keine Überlieferungen getätigt wurden, blieben die Zuverlässigkeit und die Überlieferungen des Überlieferers unangetastet.1477 In den Quellen gibt es bezüglich der Frage, ob Ibn ʿUyaynas Gedächtnis in den letzten sieben Monaten seines Lebens nachließ und ob er aus diesem Grunde die Hadithe durcheinanderbrachte, unterschiedliche Auffassungen. Ibn ʿAmmār übermittelte, dass Yaḥyā b. Ṣaʿīd al-­Qaṭṭān (gest. 198/813) sagte: „Seid Zeuge! Ab dem Jahre 197 begann Sufyān b. ʿUyayna, die Überlieferungen zu verwechseln. Wenn jemand sich von ihm in und ab diesem Jahr einen Hadith anhört, so ist dieser Hadith lā Šayʾun [= ein Nichts, ungültig].“1478

Ausgehend von dieser überlieferten Aussage wurden heftige Kontroversen darüber geführt, ob Ibn ʿUyaynas Gedächtnis in seinem letzten Lebensabschnitt schwand oder nicht. Zu diesem Thema äußerte sich Ḏahabī (gest. 748/1347) folgendermaßen: „Meine überwiegende Meinung ist folgende: Abgesehen von Muḥammad b. ʿĀṣim haben alle Lehrer der Kutubu Sitta-­Imame vor dem Jahre 197 von Ibn ʿUyayna Hadithe erhalten. Jedoch im Jahre 198, in dem Ibn ʿUyayna verstarb, ist ihm keiner von ihnen begegnet, denn Ibn ʿUyayna verstarb vier Monate vor der Ankunft der Pilger. Dass al-­Qaṭṭān diese Aussage traf, sehe ich als fern [unwahrscheinlich] an. Ich zähle das als einen Fehler von Ibn ʿAmmār. Denn al-­Qaṭṭān verstarb im Monat Ṣafar des Jahres 198 vor der Ankunft der Pilger, wobei die Ankunftszeit der Pilger die Zeit ist, in der die Hadithe des Ḥiǧāz überliefert wurden. Wie ist es dann möglich, dass Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān von den Hadith-­ Verwechselungen Sufyāns hörte und dies bezeugte?! Wann soll ihm denn diese Nachricht erreicht und er es weiterberichtet haben, obwohl al-­Qaṭṭān schon längst verstorben war?! Vielleicht hat ihm solch eine Nachricht im Jahre 197 erreicht. Al-­Qaṭṭān ist im Hinblick auf die Tradierer-­Kritik ohnehin schon sehr verletzend [mutaʿannit]. Ibn ʿUyayna ist [hingegen] absolut zuverlässig.“1479

Nachdem Ibn Ḥaǧar (gest. 852/1449) die eben genannte Meinung Ḏahabīs zitierte, brachte er seinen Einwand wie folgt zum Ausdruck: 1477 Uğur, Mücteba, İhtilat, in: DİA, İstanbul 2000, XXI, S. 571. 1478 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 183; Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 196; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 465, 469; Tārīḫ, XIX, S. 199; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IV, S. 106. 1479 Ḏahabī, Mizān, II, S. 171; Siyar, VIII, S. 465 f., 469; Tārīḫ, XIX, S. 199; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IV, S. 106.

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„Diese Ansicht von Ḏahabī ist eine Ansicht, die niemand aussprach außer er selbst. Denn auch Ibn ʿAmmār gehört zu denen, die ṯabt und muṭqin1480 sind. Was ist denn das Hindernis dafür, dass Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān diese Nachricht von einer Pilgergruppe, die in jenem Jahr den Ḥaǧǧ durchführte, erhielt, wobei die Zahl dieser Gruppen groß ist, sich auf diese Aussage von ihnen stützte und bezeugte, wie sie diese Nachricht verbreiteten?! Ich fand etwas, was der Grund für diese Aussage gegen Ibn ʿUyayna, die Ibn ʿAmmār von Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān übermittelte, sein könnte. Dies ist die folgende Information, die Abū Saʿīd b. as-­Samʿānī, anhand der Biographie von Ismāʿīl b. Abī Sāliḥ al-­Muʾaḏḏin aus dem Buch ‚Ḏaylu Tārīḫi Baġdad‘ zitierend, mit einem starken auf ʿAbdurraḥmān b. Bišr al-­Ḥakam gestützten Isnād lieferte: Ich hörte Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān Folgendes sagen: Ich sagte zu Ibn ʿUyayna: ‚Du schriebst Hadithe auf. Heute jedoch überlieferst du die Hadithe mit Auslassungen und Hinzufügungen in den Überliefererketten. [Was sagst du darüber?]‘ Ibn ʿUyayna antwortete mir wie folgt: ‚Halte dich an dem fest, was du [von mir] zuerst hörtest. Ich habe [in den letzten Zeiten] wahrlich [an Gewicht] zugenommen.‘“1481

Da Sufyān b. ʿUyayna bei seinen Überlieferungstätigkeiten mit solch einer Akribie vorging, dass er Hadithe, die er nicht auswendig lernte, nicht tradierte,1482 brachte er nach Ansicht des Verfassers mit dieser Aussage nicht zum Ausdruck, dass er in seinem letzten Lebensabschnitt die Hadithe verwechselte, sondern nur, dass sein Gedächtnis lediglich im Vergleich zu früher nachließ, denn Rabāḥ b. Ḫālid al-­Kūfī sagte auch: „Ich sagte zu Ibn ʿUyayna: ‚Oh Abā Muḥammad! Abū Muʿāwiya überliefert von dir heute einige Hadithe, die du nicht auswendig kennst. Auch Wakīʿ b. al-­Ǧarrāḥ übt auf gleiche Weise Überlieferungen aus.‘ Daraufhin gab er die Antwort: ‚Bestätige sie! Denn ich besaß früher ein stärkeres Gedächtnis als heute.‘“1483

Vor dem Hintergrund der in den Quellen dargebotenen Fakten lässt sich Folgendes festhalten: Die Debatte, ob Sufyān b. ʿUyayna Hadithe verwechselte oder nicht, betrifft lediglich die letzten sieben Monate seines Lebens. Zudem sind keinerlei Daten vorhanden, die bezeugen würden, dass er vor diesem Lebensabschnitt Hadithe verwechselte. Außerdem wurde er von allen Hadith-­Autoritäten als zuverlässig

1480 Ṯabt: Ein ehrlicher Tradierer, dessen Merkfähigkeit (Ḍabṭ) vollkommen ist und dessen Überlieferungen als Beweise gelten. Muṭqin: Ein zuverlässiger Tradierer, der beim Erwerb und der Weitergabe des Hadith akribisch vorgeht und seine Arbeit ernst nimmt. Siehe Aydınlı, Abdullah, S. 121, 136. 1481 Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IV, S. 106 ff. 1482 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 179; Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 189; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 461; Tārīḫ, XIII, S. 194. 1483 Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 459 f.; Tārīḫ, XIII, S. 194.

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anerkannt. Bezüglich den letzten sieben Monaten seines Lebens, die von dem Monat Ḏi l-­Ḥiǧǧa – der in der Pilgersaison liegt – des Jahres 197 bis zu seinem Todesdatum 1. Raǧab 198 reichen, ist nur von Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān eine kritische Aussage vorzufinden. Obwohl al-­Qaṭṭān im Monat Ṣafar des Jahres 198 n. H. verstarb, bevor die meisten Pilger ihre Heimatsorte erreichen konnten, könnte ihm die Nachricht über Ibn ʿUyaynas Gedächtnisschwund auf irgendeine Weise erreicht haben. Auch wenn angenommen wird, dass Ibn ʿUyayna in diesem Zeitabschnitt Hadithe verwechselte, ist eine siebenmonatige Gedächtnisschwäche eines Überlieferers am Ende seiner Lebenszeit keineswegs ausreichend, um alle seiner Überlieferungen abzulehnen. Anders formuliert: Das 90 Jahre lang von Ibn ʿUyayna angesammelte und von diversen Wissenschaftlern verzeichnete Wissen abzulehnen, wäre wissenschaftlich gesehen ein Unrecht. Schließlich werden nach dem Konsens der Hadith-­ Autoritäten zwar die Überlieferungen von jemandem, der unter ständigem und lebenslangem Gedächtnisschwund leidet, abgelehnt, wenn jedoch ein Hadith von jemandem überliefert wurde, dessen Gedächtnis zuvor gesund war, und es gewiss ist, dass dieser Hadith vor seiner Gedächtnisschwäche überliefert wurde, wird dieser Hadith akzeptiert. Die Überlieferungen nach seiner Gedächtnisschwäche werden allerdings abgelehnt.1484 Der Name des Überlieferers, der in diesem siebenmonatigen Zeitraum von Ibn ʿUyayna Hadithe übernahm, und der Hadith selbst, den er in diesem Zeitfenster erhielt, sind bekannt. Muḥammad b. ʿĀṣim erhielt von Ibn ʿUyayna im Jahre 197 n. H. einen Hadith.1485 Wie es auch Ḏahabī anführt, haben sich die Kutubu Sitta-­Imame vor diesem Jahr Hadithe von Ibn ʿUyayna angehört. Im Hinblick darauf lässt sich mit Gewissheit sagen, dass es bezüglich seiner Hadithe vor 197 n. H. keinerlei Zweifel gab. Diese Feststellung wird auch dadurch erhärtet, dass die Kritiker ja die Zustände der Überlieferer ausnahmslos unter die Lupe nahmen und jedwede negative Eigenschaft, die sie feststellen konnten, auf eine objektive Weise verzeichneten, auch wenn es sich um einen noch so prominenten Gelehrten wie Ibn ʿUyayna handelte.

2.3 Das Verhältnis der beiden Autoritäten zueinander und ihre gegenseitigen Aussagen Nach den Angaben der Quellen wurde Ibn ʿUyayna zu den führenden Muǧtahid-­ Gelehrten der mekkanischen Schule gezählt, obwohl er aus Kūfa stammte, und er genoss insbesondere in den Ahlu l-­Ḥadīṯ-­Kreisen eine große Wertschät1484 Ahmed Naim, Sahîh-­i Buhârî Muhtasarı Tecrid-­i Sarih Tercemesi (Mukaddime), I, S. 333. 1485 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 308.

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zung. Demgegenüber zählte Ṯawrī zu den bekannten Muǧtahid-­Gelehrten der kūfensischen Schule und galt als eine Persönlichkeit, die der Ahlu l-­Ḥadīṯ Unterstützung leistete. Aus diesem Grunde wird hier die Auffassung vertreten, dass Ṯawrī im Vergleich zu der Ahlu r-­Raʾy, welche beschuldigt wurden, die Koranverse und Hadithe nicht zu berücksichtigen, von Ahlu l-­Ḥadīṯ-­Kreisen einer gesonderten Bewertung unterzogen wurde. Darüber hinaus ist zu beobachten, dass Ibn ʿUyayna, der zwar der mekkanischen Schule angehörte, aber die Wissenschaftstradition in Kūfa genauestens kannte, gegenüber dem zur kūfensischen Schule gehörenden Ṯawrī eine noch positivere Haltung einnahm als die Ahlu l-­Ḥadīṯ. Fügt man diesem Verständnis noch die enge Freundschaft der beiden Gelehrten hinzu, so wird verständlich, dass in den Quellen keine direkte gegenseitige Kritik vorzufinden ist. Ganz im Gegensatz sind dort sehr viele ehrende Aussagen der beiden vorhanden, die zeigen, dass sie gegenseitig den Wissensbestand des anderen wertschätzten. In diesem Zusammenhang zählte der zehn Jahre ältere Ṯawrī bei seiner Antwort auf die Frage „Von wem sollen wir uns Hadithe anhören?“, auch den jüngeren Ibn ʿUyayna auf.1486 So begegneten sie auch den Kontroversen zwischen der Ahlu r-­Raʾy und der Ahlu l-­Ḥadīṯ in souveräner und besonnener Weise. Falls Probleme bezüglich der Überliefererketten der Hadithe auftauchten, wandten sich einige Hadith-­Gelehrte der Zeit an Ibn ʿUyayna und befragten ihn nach seiner Ansicht, woraufhin sie zu Sufyān aṯ-­Ṯawrī gingen und ihm dieselben Problemstellungen vorlegten. Sufyān aṯ-­Ṯawrī stellte ihnen dann die Gegenfrage, ob sie sich schon an Ibn ʿUyayna gewandt hätten oder nicht. Wenn sie ihm entgegneten, dass sie bereits zu ihm gegangen seien, und ihm Ibn ʿUyaynas diesbezügliche Ansicht berichteten, bestätigte Ṯawrī Ibn ʿUyayna, indem er sagte: „Die Angelegenheit ist so, wie er es sagt.“1487 Es gab auch lobende Aussagen Sufyān b. ʿUyaynas im Hinblick auf Ṯawrīs wissenschaftliches Repertoire und seine Zuverlässigkeit. Einige dieser Aussagen lauteten: „Nach der Gefolgschaft des Gesandten Allahs sind die Imame der Menschen drei [jeder dieser jeweils zu seiner Zeit]: Ibn ʿAbbās [gest. 68/687–88] zu seiner Zeit, Šaʿbī [gest. 103/721] zu seiner Zeit und Sufyān aṯ-­Ṯawrī zu seiner Zeit.“ „Ich sah niemanden, der Sufyān überlegen war. Auch Sufyān selbst hat seinesgleichen nicht gesehen.“1488

1486 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 33; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 462. 1487 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 181. 1488 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VI, S. 356 f.

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Seine Kompetenz in der Fiqh-­Wissenschaft brachte er mit den Worten „Ich sah keinen Mann, der das Halal und Haram besser kannte, als Sufyān aṯ-­Ṯawrī“ zum Ausdruck. Über sein wissenschaftliches Repertoire sagte er wiederum: „Sicherlich wirst du mit deinen Augen bis zu deinem Tod niemanden erblicken, der Sufyān gleichkommt.“ Obwohl Ṯawrīs Wissensgut überwiegend auf der irakischen Ahlu r-­Raʾy-­Schule basierte, unterzog ihn Ibn ʿUyayna einer von jener gesonderten Bewertung, indem er sagte: „Im Irak gibt es niemanden, der die Hadithe besser aufbewahrt [auswendig lernt] als Sufyān aṯ-­Ṯawrī.“1489 Muḥammad b. Yūsuf al-­Firyābī (gest. 212/827), einer der Schüler Ibn ʿUyaynas, spiegelte Ibn ʿUyaynas Einstellung zu Ṯawrī wie folgt wider: „Ich stellte Sufyān b. ʿUyayna eine Frage. Er beantwortete mir diese. Ich sagte: ‚Sufyān aṯ-­Ṯawrī widerspricht dir in diesem Punkt.‘ Er erwiderte: ‚Nie hast du mit deinen Augen jemanden gesehen, der Sufyān gleichkommt.‘“1490

Neben den Fakten, dass die Sufyānayn gemeinsame Lehrer und Schüler besaßen und sich im wissenschaftlichen Austausch befanden, gab es auch eine sehr enge Freundschaft zwischen ihnen, denn Sufyān aṯ-­Ṯawrī sagt über Ibn ʿUyayna: „Er ist einer der beiden Einzigartigen, der Nahrungsvorrat, der Weg. Wie brillant doch sein [Wissen] ist!“1491 Diese Freundschaft trat in den letzten sechs oder sieben Lebensjahren Ṯawrīs ab dem Jahre 154 oder 1551492 n. H., in dem er Kūfa verließ, um nie wieder zurückzukehren und ab dem er bis zu seinem Tod aufgrund von staatlicher Verfolgung angehalten war, ständig den Ort zu wechseln, besonders hervor. Zu den wenigen Personen, denen Ṯawrī in dieser Periode viel Vertrauen schenkte und die nicht davor zurückschreckten, sich mit ihm blicken zu lassen, gehörte auch Ibn ʿUyayna. Bekanntlich erließ Manṣūr (136–158/754–775), der 2. Kalif der Abbasiden, auf dem Weg zur Pilgerfahrt nach Mekka ein Dekret bezüglich der sofortigen Festnahme und Hinrichtung Sufyāns, wo immer er auch gesichtet werden sollte. Trotz dieser äußerst riskanten Situation wurde Ṯawrī im Ḥaram-­Gebiet beobachtet, wie er 1489 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 58, 63; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 270; Tārīḫ, X, S. 234, 240. 1490 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 58; Abū Nuʿaym, Ḥilya, VI, S. 356. 1491 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ,, I, S. 33; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 180; Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 189; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 461; Tārīḫ, XIII, S. 195 f. Nawawī übermittelt hier anstelle des Ausdrucks „Aḥadu l-­Aḥadayn = Er ist einer der beiden Einzigartigen“ den Ausdruck „Aḥadu l-­Āḫiḏayn = Er ist einer der beiden, [die das Wissen aufnahmen]“. s. Nawawī, Tahḏību l-­Asmāʾ, I, S. 224. 1492 Buḫārī, at-­Tārīḫ, IV, S. 92 f.; Fasawī, al-­Maʿrifa, I, S. 412; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 171; Samʿānī, al-­Ansāb, III, S. 152; Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 169.

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seinen Kopf auf den Schoß von Fuḍayl b. ʿIyāḍ und seine Füße auf den Schoß von Sufyān b. ʿUyayna legte.1493 Nach diesen Fakten ist festzuhalten, dass diese beiden ihre gemeinsamen wissenschaftlichen Aktivitäten in einer sehr engen, auf vollem Vertrauen basierenden Freundschaft ausübten.

2.4 Die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Autoritäten hinsichtlich ihrer bedeutsamsten Lehrer und Schüler Es wurde bereits erwähnt, dass Ṯawrī insgesamt 34 wichtige Lehrer hatte. 26 unter ihnen, von denen 10 aus Kūfa, 8 aus Medina, 5 aus Basra, 2 aus Mekka und einer aus dem Jemen stammten, waren gleichzeitig auch Lehrer Ibn ʿUyaynas. Zieht man die Vielzahl der gemeinsamen Lehrer und die enge Beziehung zwischen ihnen in Betracht, so wird die Ähnlichkeit des Wissensgutes der Sufyānayn verständlich. Daher weisen die Ansichten der beiden insbesondere in den glaubensbezogenen Themen starke Parallelen auf. Dass die Lehrer, von denen Ṯawrī insbesondere in seiner Ausbildungsphase profitierte, aus Kūfa stammen, zeigt selbstverständlich, dass er am meisten von dieser Schule geprägt wurde. Dass er jedoch daneben das Wissensgut der mekkanischen und medinensischen Schule bei berühmten Autoritäten dieser Regionen studierte, verhinderte seine einseitige Ausrichtung. Auf der anderen Seite war Ibn ʿUyayna ein Gelehrter, der sich auch das Wissensgut der Wissenschaftskreise in Kūfa aneignete, sei es durch seine kūfensischen Lehrer oder durch seine enge Beziehung zu Ṯawrī. Dass beide dieser Autoritäten von den fünf führenden Persönlichkeiten der basrischen Schule profitierten, bezeugt, dass das von ihnen aus dieser Region erlangte Wissen von nicht zu unterschätzendem Ausmaß war. Angesichts dessen ist festzuhalten, dass diese beiden Persönlichkeiten nicht nur von einem Wissenskanal, sondern von vielen Wissenschaftlern aus verschiedenen zeitgenössischen Wissenschaftskreisen reichlich Profit zogen und somit über ein vielseitiges Wissensgut verfügten. Auch hinsichtlich der Schüler sind Gemeinsamkeiten zwischen den Sufyānayn zu beobachten. Zehn unter den 15 wichtigen Schülern Ṯawrīs, von denen sieben aus Kūfa, zwei aus Basra und einer aus Marw stammten, waren auch Ibn ʿUyaynas Schüler. 1493 Al-­Yaʿqūbī, Tārīḫu l-­Yaʿqūbī, 268 f.; Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 41 f.; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 159; Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 167; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 251; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IV, S. 101.

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Gemeinsame Lehrer und Schüler der Sufyānayn Kūfa (10):

Medina (8): 1. Ṣāliḥ b. Nabhān (gest. 125/743) 2. ʿAbdullāh b. Dīnār (gest. 127/745) 3. Abu z-Zinād (gest. 130/748) 4. Muḥammad b. al-Munkadir (gest. 131/748) 5. Al-ʿAlāʾ b. ʿAbdirraḥmān (gest. 138/755) 6. Suhayl b. Abī Ṣāliḥ (gest. 138/755) 7. Yaḥyā b. Saʿīd al-Anṣārī (gest. 143/760) 8. Ǧaʿfar aṣ-Ṣādiq (gest. 148/765)

1. Abū Isḥāq as-Sabīʿī (gest. 127/745) 2. ʿĀṣim b. Bahdala (gest. 127/745) 3. Abū Ḥuṣayn (gest. 128/745) 4. Manṣūr b. al-Muʿtamir (gest. 132/750), 5. ʿAbdulmalik b. ʿUmayr (gest. 136/753) 6. Ibn Šubruma (gest. 144/761) 7. Ismāʿīl b. Abī Ḫālid (gest. 146/763) 8. Aʿmaš (gest. 148/765) 9. Ibn Abī Laylā (gest. 148/765) 10. Fuḍayl b. ʿIyāḍ (gest. 187/802)

Basra (5): 1. Ayyūb as-Saḫtiyānī (gest. 131/748) 2. ʿĀṣim al-Aḥwal (gest. 142/759) 3. Ḥumayd aṭ-Ṭawīl (gest. 143/750) 4. Sulaymān at-Taymī (gest. 143/760) 5. Šuʿba b. al-Ḥaǧǧāǧ (gest. 160/776)

Jemen (1):

Mekka (2): 1. ʿAmr b. Dīnār (gest.

1. Maʿmar b. Rāšid (gest. 153/770)

126/744), 2. Ibn Ǧurayǧ (gest. 150/767)

Sufyānayn

Basra (2): 1. ʿAbdurraḥmān b. Mahdī (gest. 198/813–14) 2. Yaḥyā b. Saʿīd al-Qaṭṭān (gest. 198/813)

Kūfa (7) : 1. Abū ʿAbdirraḥmān al-Ašǧaʿī (gest. 182/798) 2. Abū Isḥāq al-Fazārī (gest. 188/804) 3. Wakīʿ b. al-Ǧarrāḥ (gest. 197/812) 4. Yaḥyā b. Ādam (gest. 203/818) 5. Muḥammad b. Yūsuf al-Firyābī (gest. 212/827) 6. ʿUbaydullāh b. Mūsā (gest. 213/829) 7. Abū Nuʿaym Faḍl b. Dukayn (gest. 219/834)

Marw (1): 1. ʿAbdullāh b. alMubārak (gest. 181/797)

Angesichts ihrer Lehrer und Schüler ist zu sagen, dass die Sufyānayn sowohl über gemeinsame Wissensquellen als auch über einen gemeinsamen Einfluss verfügten, 337

und dass Ibn ʿUyayna auch in den Wissenschaftskreisen außerhalb von Mekka, und hier vor allem in der Stadt Kūfa, in der Ṯawrī herangewachsen war, ein hohes Ansehen genoss. Wenn die von dem Basrenser ʿAlī b. al-­Madīnī (gest. 234/849) gelieferten Daten1494 in Betracht gezogen werden, gab es unter den Prophetengefährten drei Persönlichkeiten, die einen Lehrkreis innehatten. Zayd b. Ṯābit (gest. 45/665 [?]) leitete in Medina die wissenschaftlichen Aktivitäten, ʿAbdullāh b. Masʿūd (gest. 32/652–53) in Kūfa und Ibn ʿAbbās (gest. 68/687–88) in Mekka. Es ist festzustellen, dass Sufyān aṯ-­Ṯawrī sich das von Ibn Masʿūd weitergegebene Wissensgut mittels seiner kūfensischen Lehrer aneignete, da ihn das Wissensrepertoire der Gelehrten, die zum fünfköpfigen Lehrkreis Ibn Masʿūds gehörten, erreichte. Wenn man außerdem bedenkt, dass al-­Aʿmaš derjenige war, der die Hadithe Ibn Masʿūds am besten beherrschte, und Sufyān aṯ-­Ṯawrī derjenige, der wiederum die Hadithe von al-­Aʿmaš am besten – ja sogar besser als al-­Aʿmaš selbst – kannte,1495 wird deutlich erkennbar, wie sehr Ṯawrī der kūfensischen Wissenstradition mächtig war. Darüber hinaus profitierte Ṯawrī von Ibn Ǧurayǧ (gest. 150/767) und von ʿAmr b. Dīnār (gest. 126/744), der einer der wichtigsten Vertreter der mekkanischen Schule und einer der gemeinsamen Lehrer der Sufyānayn war. Das wissenschaftliche Repertoire derjenigen Personen, die sich im sechsköpfigen Lehrkreis von Ibn ʿAbbās befanden, wurde am besten von ʿAmr b. Dīnār beherrscht, und Sufyān b. ʿUyayna und Ibn Ǧurayǧ waren gerade diejenigen, die wiederum das Wissensgut von ʿAmr b. Dīnār am besten beherrschten. Einer der drei Gelehrten, die das wissenschaftliche Repertoire der zum neunköpfigen Lehrkreis von Zayd b. Ṯābit gehörenden Persönlichkeiten am besten kannten, war Ibn Šihāb az-­Zuhrī (gest. 124/742).1496 Wenn man nun zusammenfassend bewertet, dass Ṯawrī von ʿAmr b. Dīnār und Ibn Ǧurayǧ profitierte, das Wissensgut von Zuhrī, den er in Medina aufgrund finanzieller Schwierigkeiten nicht mehr erreichen konnte, nach seinen eigenen Worten „dermaßen von Maʿmar, dem Schüler Zuhrīs übernahm, dass es nicht mehr nötig war, es von Zuhrī selbst zu hören“1497, und dass bei den Sufyānayn jeweils einer von dem anderen Überlieferungen tätigte, so ist zu erkennen, dass Ṯawrī auch mit dem wissenschaftlichem Erbe von Zayd b. Ṯābit und von Ibn ʿAbbās vertraut war. Ibn ʿUyayna konnte das von Zayd b. Ṯābit überlassene wissenschaftliche Erbe durch die Vermittlung von Zuhrī, einem seiner wichtigsten Lehrer, das von ʿAb1494 Fasawī, al-­Maʿrifa, I, S. 404; Ḏahabī, Siyar, II, S. 438, IV, S. 55. 1495 Ḏahabī, Siyar, VI, S. 233, VII, S. 239. 1496 Fasawī, al-­Maʿrifa, I, S. 404; Ḏahabī, Siyar, II, S. 438, IV, S. 55. 1497 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 57, 76; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 8.

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dullāh b. Masʿūd tradierte Wissensgut mittels 19 kūfensischer Gelehrter, zu denen auch Sufyān aṯ-­Ṯawrī und al-­Aʿmaš zu zählen sind, und das von Ibn ʿAbbās überlassene wissenschaftliche Erbe mit Hilfe von ʿAmr b. Dīnār, der wiederum einer seiner wichtigsten Lehrer war, erwerben. Schließlich zeigt sich, dass Sufyān aṯ-­Ṯawrī über einen kürzeren Weg das Gedankengut Ibn Masʿūds und auf indirekte Weise den Wissensvorrat von Zayd b. Ṯābit und Ibn ʿAbbās erlangte, wohingegen Sufyān b. ʿUyayna über einen kürzeren Weg das Gedankengut von Zayd b. Ṯābit und Ibn ʿAbbās und auf indirekte Weise den Wissensvorrat von Ibn Masʿūd erlangte. Letztlich ist festzuhalten, dass die Sufyānayn das wissenschaftliche Erbe der drei Prophetengefährten Zayd b. Ṯābit, ʿAbdullāh b. Masʿūd und Ibn ʿAbbās genauestens kannten.

2.5 Die Dimensionen des ʿUlamāʾ-Siyāsa-­Verhältnisses am Beispiel der beiden Autoritäten Es ist zu beobachten, dass die Wissenschaftler in der Geschichte eine positive, negative oder distanziert indifferente Haltung gegenüber der Staatspolitik einnahmen. Da die Staatsmänner wiederum ihre politische Autorität nicht gefährden wollten, erachteten sie den Rückhalt aus den Wirtschafts-, Wissenschafts- und Kunstkreisen stets für wichtig. Mit dieser Intention waren die politischen Machthaber des 2. Jahrhundert n. H. bemüht, die Unterstützung der eben genannten Kreise für sich zu gewinnen, und gaben den führenden Persönlichkeiten aus diesen Kreisen nicht die Gelegenheit, sich zu einem Machtzentrum gegen die politische Autorität zu entwickeln. Wissenschaftliche und bürokratische Persönlichkeiten, die gegen die Staatspolitik im Hinblick auf die Thronkämpfe und Ernennung der Statthalter opponieren könnten, wurden von den Staatsoberhäuptern verfolgt und im Namen des Schutzes der staatlichen Autorität nahmen sie auch nicht davon Abstand, sie gegebenenfalls auch zu eliminieren. So war beispielsweise der Vater von Sufyān b. ʿUyayna, Abū ʿImrān, ein Mitarbeiter des erfolgreichen Statthalters der Umayyaden im Irak, Ḫālid b. ʿAbdillāh al-­Qaṣrī (gest. 126/743). Als Ḫālid mit der Begründung, er hätte die Jemeniten im Irak unterstützt, im Jahre 120/738 seines Amtes enthoben und Yūsuf b. ʿUmar b. Muḥammad aṯ-­Ṯaqafī (gest. 127/744) an seiner Stelle zum Statthalter ernannt wurde, tötete Yūsuf seinen Amtsvorgänger Ḫālid und verfolgte dessen Mitarbeiter. Aus diesem Grunde war die ʿUyayna-­Familie gezwungen, nach Mekka zu fliehen.1498

1498 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, V, S. 497; Yiğit, Emevîler, S. 93.

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Die Machthaber, die darauf abzielten, die Unterstützung der Wissenschaftler für sich zu gewinnen, versuchten diese insbesondere in den staatlichen Rechtsämtern einzustellen. Einige der Wissenschaftler nahmen diese staatlichen Angebote positiv auf und bekleideten Ämter wie das Kadi-­Amt, wohingegen einige andere Wissenschaftler diese Art von Angeboten ablehnten. Dieser ablehnenden Haltung einiger Gelehrter lag die Befürchtung zugrunde, für die willkürlichen Anordnungen der Staatsmänner instrumentalisiert zu werden. Auf das Ableben Ibn Abī Laylās im Jahre 148/765, des Kadis in Kūfa, rief zum Beispiel der 2. Kalif der Abbasiden, Manṣūr (136–158/754–775), die drei Gelehrten Abū Ḥanīfa, Sufyān aṯ-­Ṯawrī und Šarīk b. ʿAbdillāh (gest. 177/794) zu sich und bot allen dreien das Kadi-­Amt an.1499 Daraufhin lehnte Ṯawrī nicht nur das Angebot des Kalifen ab, sondern kritisierte auch seine ungerechten Sanktionen gegen die Ahlu l-­Bayt aufs Schärfste und musste folglich in den Jemen fliehen.1500 Šarīk b. ʿAbdillāh hingegen nahm das Angebot an, weshalb Ṯawrī ihm, wie bereits erwähnt, Vorwürfe machte.1501 Der Grund für Ṯawrīs extrem distanzierte Haltung gegenüber den Staatsführern war – wie er auch selbst bekundete – die Intention, nicht zu falschen Zwecken instrumentalisiert und nicht gedanklich bevormundet zu werden. Allerdings ist zu ergänzen, dass Ṯawrī die Kalifen als „Yā Amīra l-­Muʾminīn“ anredete, sie als legitime Herrscher ansah und somit keineswegs einen Aufstand gegen sie befürwortete.1502 Diese distanzierte Einstellung Ṯawrīs wurde ihm jedoch zum Verhängnis, sodass er sich in seinen letzten Lebensjahren ständig verstecken und stets den Ort wechseln musste. Im Gegensatz dazu übte Ibn Šubruma (gest. 144/761), den Ṯawrī mit den Worten „Unsere Fiqh-­Gelehrten sind Ibn Šubruma und Ibn Abī Laylā“1503 ehrte, in Kūfa die Tätigkeit des Kadis aus. Doch aus einem politischen Grund gingen Ibn Šubruma und der 2. Kalif der Abbasiden, Manṣūr, auf Distanz zueinander. Manṣūr ließ ʿAbdullāh b. ʿAlī, der sich zum Kalifen ernannte, in Gewahrsam nehmen, übergab ihn an ʿĪsā b. Mūsā, den abbasidischen Kronprinzen und Statthalter des Irak, und sandte diesem anschließend einen Brief mit dem Hinrichtungsbefehl. ʿĪsā jedoch befolgte die Ratschläge von Ibn Šubruma, der ihm diese Tatbestände als eine Verschwörung gegen ihn selbst darstellte, indem er ihn festnahm und dem 1499 Ibn Ḥaǧar al-­Haytamī, al-­Ḫayrātu l-­Ḥisān, S. 67 f.; Ṣaymarī, Aḫbāru Abī Ḥanīfa, S. 71. 1500 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 105 f.; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 257. 1501 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 47; Ibn Ḫallikān, Wafayāt, II, S. 387; Ḏahabī, Tārīḫ, X, S. 238 f. 1502 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 45; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 242, 262. 1503 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VII, S. 248; Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 72.

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Kalifen die Nachricht übermittelte, dass er die Hinrichtung ʿAbdullāh b. ʿAlīs hatte durchführen lassen. Als der Kalif Manṣūr von der Rolle Ibn Šubrumas dabei erfuhr, schwor er, ihn hinzurichten. Ibn Šubruma, der davon hörte, versteckte sich und verstarb in Chorasan, wohin ʿĪsā ihn geschickt hatte.1504 Entsprechend den epochentypischen politisch sensiblen Umständen wurde Imam aš-­Šāfiʿī (gest. 204/820), einer der fünf wichtigsten Schüler Ibn ʿUyaynas, die am meisten von ihm tradierten,1505 während seines Aufenthalts im Jemen mit der Verleumdung konfrontiert, er würde einen Aufstand gegen die Regierung anzetteln. Im Jahre 184 n. H. wurde er schließlich zusammen mit weiteren sieben oder neun Personen festgenommen und in Rakka dem 5. Kalifen der Abbasiden, Hārūn Rašīd (170–193/786–809), vorgeführt. Während die mit ihm dorthin verbrachten Personen hingerichtet wurden, konnte sich aš-­Šāfiʿī in letzter Not doch noch retten. Nachdem aš-­Šāfiʿīs Unschuld bewiesen wurde, verbesserte sich im Zuge der Zeit sein Verhältnis zum Kalifen.1506 In Anbetracht dieser Geschehnisse ist festzustellen, dass denjenigen, die die staatliche Autorität gefährdeten, keinerlei Toleranz seitens der Machthaber gewährt wurde, auch wenn es sich um eine bekannte Persönlichkeit wie den Imam aš-­Šāfiʿī handelte. In diesem Kontext ist die folgende Aussage von ʿAbdulmalik b. ʿUmayr (gest. 136/753), der ein gemeinsamer Lehrer der Sufyānayn war und zugleich über viele politische Machtrivalitäten berichtete, äußerst interessant: „Ich habe sehr kuriose Dinge gesehen. Ich sah, wie Ḥusayns [gest. 61/680] Haupt zu ʿUbaydullāh b. Ziyād [gest. 67/686] gebracht und ihm vorgelegt wurde. Dann sah ich, wie ʿUbaydullāh b. Ziyāds Haupt zu Muḫtār aṯ-­Ṯaqafī [gest. 67/687] gebracht und ihm vorgelegt wurde. Dann sah ich, wie Muḫtār aṯ-­Ṯaqafīs Haupt zu Musʿab b. Zubayr [gest. 72/691] gebracht und ihm vorgelegt wurde. Dann wurde das Haupt von Musʿab zu Ḥaǧǧāǧ (gest. 95/714] gebracht und ihm vorgelegt.“1507

Zur Frage, wie sich ʿAbdulmalik b. ʿUmayr angesichts dieser Ereignisse positionierte, liegen in den Quellen leider keine Informationen vor. Als andererseits die Kadis infolge der fortschreitenden Entwicklung der rechtlichen Institutionen – parallel zur Entwicklung des islamischen Rechtswesens – in ihrer Rechtsprechung zunehmend autonomer wurden, wurde in der Amtszeit des 5. Kalifen der Abbasiden, Hārūn Rašīd, die Institution des Qāḍi 1504 Al-ʿIǧlī, Maʿrifa, II, S. 35; Mizzī, Tahḏīb, XV, S. 78, Ḏahabī, Siyar, VI, S. 348 f. 1505 Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 457. 1506 Ibn Kaṯīr, Ismāʿīl b. ʿUmar b. Kaṯīr Abu l-­Fidāʾ (gest. 774/1373), Manāqibu l-­Imām aš-­Šāfiʿī, ed. Ḫalīl Ibrāhīm Molla Ḫāṭir, Maktabatu l-­Imāmi š-­Šāfiʿī, Riyad 1992, S. 247; Aybakan Bilal, İmam Şâfiî ve Fıkıh Düşüncesinin Mezhepleşmesi, S. 30 f. 1507 Al-ʿIǧlī, Maʿrifa, II, S. 105.

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l-­Quḍāt (Leiter des Kadi-­Amtes), der einen großen Einfluss auf die Ernennung der Kadis und die Regelung des Rechtswesen hatte, etabliert, und Imam Abū Yūsuf (gest. 182/798), einer der führenden hanafitischen Rechtsgelehrten, wurde als Erster zu diesem Amt ernannt. Später bekleideten Abu l-­Baḫtarī Wahb b. Wahb (gest. 200/815–16) und Imam Muḥammad b. Ḥasan aš-­Šaybānī (gest. 189/805) das Amt des Kadis.1508 Wie erwähnt, versuchten einige zeitgenössische Machthaber insbesondere die Wissenschaftler zeitweise für ihre willkürlichen Machenschaften zu instrumentalisieren. So verkündete zum Beispiel Maʾmūn (198–218/813–833), der 7. Kalif der Abbasiden, die Ḫalqu l-­Qurʾan-­These, die weder für den Staat noch für das Volk von Nutzen war, im Jahre 212/827 als offizielles staatlich-­politisches Programm, indem er einige schiitische und muʿtazilītische Gelehrte auf seine Seite zog, und zwang alle anderen zeitgenössischen Gelehrten, diese These zu akzeptieren. Im Laufe dieser Ereignisse, die als Miḥna in die Geschichte eingingen, wurden führende Gelehrte wie Aḥmad b. Ḥanbal (gest. 241/855), Nuʿaym b. Ḥammād (gest. 228/843), Muḥammad b. Nūḥ (gest. 218/833) und Aḥmad b. Naṣr al-­Ḫuzaʿī (gest. 231/846) schwerer Folter unterzogen.1509 Allerdings erlebte Ibn ʿUyayna die Miḥna-­Ereignisse nicht mit, da er im Jahre 198/813 verstarb. Im Kontrast zu der kompromisslosen und strikten Haltung Ṯawrīs gegenüber den Regenten ist zu vermerken, dass Sufyān b. ʿUyayna ein mildes, aber prinzipiengeleitetes Verhältnis zu den staatlichen Machthabern aufbaute, sie gegebenenfalls sogar ermahnte1510 und ihre Belohnungen nicht ablehnte, auch wenn er in keinem Staatsorgan aktiv tätig war.1511 Die diskriminierende Politik gegenüber den Mawālī im 2. Jahrhundert n. H. – insbesondere die der Umayyaden und auch teilweise die der Abbasiden – führte von Zeit zu Zeit zu Aufständen.1512 Diese ungerechte Politik führte jedoch die Mawālī zu den nicht von der Unterdrückung geprägten Branchen, wie der Wissenschaft und der Kunst, sodass viele Wissenschaftler und Künstler aus ihnen hervorgingen.1513 1508 Yıldız, Abbâsîler, S. 42; Bozkurt, Hârûnürreşîd, S. 260. 1509 Akoğlu, Muharrem, Mihne Sürecinde Mu’tezile, S. 127 f.; Yavuz, Halku’l-­Kur’ân, S. 371 f.; Yücesoy, Mihne, S. 26 ff; Van Ess, Theologie und Gesellschaft, III, Kapitel 3.3, Die Miḥna, S. 446–508. 1510 Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 459; Taḏkiratu l-­Ḥuffāẓ, I, S. 193; Ḏahabī, Tārīḫ, XIII, S. 193. 1511 Al-­Huǧwīrī, Kašfu l-­Maḥǧūb, S. 309 f. 1512 Muḥammad Ǧamāluddīn Surūr, al-­Ḥayātu s-­Siyāsiyya fī d-­Dawlati l-ʿArabiyyati l-­Islāmiyya, S. 166 f. 1513 Yiğit, Mevâlî, S. 426.

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Im Allgemeinen ist zu erkennen, dass die Mehrheit der zeitgenössischen Wissenschaftler ein gutes Verhältnis zu den Staatsmännern hatte und manche von ihnen sogar in staatlichen Ämtern tätig waren. Beispielsweise waren ʿĀṣim al-­Aḥwal (gest. 142/759), einer der Lehrer Ṯawrīs, zur Amtszeit des 2. abbasidischen Kalifen Manṣūr in Madāʾin und ʿAbdullāh b. Lahīʿa (gest. 174/791) im Jahre 155/772 in Ägypten zum Kadi ernannt worden.1514 Negative Einstellungen von Gelehrten wie Ṯawrī zur Annahme von Staatsämtern blieben rein persönliche Überzeugungen und fanden in der Allgemeinheit keine Akzeptanz. Dass die Mehrheit der Gelehrten eine gute Beziehung zum Staat pflegte, half ihnen dabei, ihren eigenen wissenschaftlichen Tätigkeiten einfacher nachzugehen und ihr Gedankengut den späteren Generationen leichter weiterzugeben. So lässt sich schließen, dass die harte oppositionelle Haltung Ṯawrīs gegenüber dem Staat zu den möglichen Gründen dafür gezählt werden kann, dass seine Rechtsschule ihre lebhafte Präsenz einbüßte. Schließlich ist es ein historisches Faktum, dass die weltlichen Machthaber um der Kontinuität des Staates willen teilweise rechtswidrige politische Ziele verfolgten, aus dieser Intention heraus die Wissenschaftler zeitweise politisch verfolgten und gegebenenfalls die Oppositionellen sogar liquidierten. Obgleich sich die Staatsmänner bei ihren willkürlichen politischen Machenschaften der legitimierenden Rechtsauslegungen der Gelehrten bedienten, insbesondere denen der Muʿtazilīten, wie es bei den Miḥna-­Ereignissen der Fall war, blieben diese Rechtsauslegungen doch im Schatten der Ansicht der Mehrheit der Gelehrten und gerieten im Zuge der Zeit in Vergessenheit. Dass die Kalifen wie jeder andere Mensch auch sterblich waren, hinderte die Fortdauer ihrer einseitigen Politik, sodass Herrscher mit sehr unterschiedlichen Einstellungen kamen und gingen. Ungeachtet der allgemeinen Haltung der meisten Gelehrten gegenüber den abwegigen politischen Praktiken der Staatsführer hielten sie sich aber den Aufständen fern und blieben im Rahmen einer wissenschaftlichen Kritik und eines zivilen Widerstandes. Durch diese Haltung bewahrten sie die Möglichkeit, ihre wissenschaftlichen Aktivitäten fortzuführen. Letztlich kamen diejenigen, die eine extreme politische Ansicht in diesem Kontext vertraten, und die Machthaber, die diese unterstützten, mit der Zeit ins Hintertreffen, wohingegen die Haltung der Gelehrtenmehrheit auf lange Sicht stets die Oberhand gewann. Dessen ungeachtet gab es auch Kalifen, wie der 8. umayyadische Kalif ʿUmar b. ʿAbdilʿazīz (gest. 101/719), der in der islamisch-­sunnitischen Tradition als der 5. rechtgeleitete Kalif angenommen wird,1515 die durch ihre gerechte Regentschaft bekannt waren.

1514 Mizzī, Tahḏīb, XIII, S. 490, Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 26. 1515 Hawting, Umayyads, S. 842.

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Folglich wies Sufyān aṯ-­Ṯawrī Umar mit der Aussage „Die Kalifen sind fünf: Abū Bakr, ʿUmar, ʿUṯmān, ʿAlī und ʿUmar b. ʿAbdilʿazīz“1516 in Bezug zu den anderen umayyadischen und abbasidischen Kalifen eine Sonderstellung zu. Daneben ist zu beobachten, dass in Zeiten, in denen die staatlichen Institutionen und wirtschaftlichen Strukturen sehr stark ausgeprägt waren, wie zur Amtszeit Hārūn Rašīds, das Verhältnis der Gelehrten zu den Staatsmännern toleranter war und die Gelehrten finanziell unterstützt wurden. Allerdings zögerten die Herrscher in keiner Weise, Personen, die in irgendeiner Form an ihrer Autorität rüttelten, zu liquidieren. Dies war stets ihre rote Linie.

1516 Abū Dāwūd, Sunan, Sunna, 8; Suyūṭī, Tārīḫu l-­Ḫulafāʾ, S. 169.

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3 Die Entstehung religiöser Autorität Dieses Kapitel befasst sich mit dem Begriff der „religiösen Autorität“, mit dessen Bedeutungsreichweite und -grenzen. Im Anschluss werden jene vier Instanzen, denen gemäß den Hauptquellen des Islam die religiöse Autorität zugewiesen wird, in separaten Unterkapiteln thematisiert, wobei die Legitimität, Reichweite und Verbindlichkeit ihrer Autorität erörtert werden. Danach werden anhand eines breiten Spektrums von im 2. Jahrhundert n. H. als religiöse Autorität akzeptierten Gelehrten, wie Ṯawrī, Ibn ʿUyayna und deren Lehrern und Schülern, die allgemeingültigen Kriterien zur religiösen Autoritätswerdung untersucht.

3.1 Der Begriff der „religiösen Autorität“ Der Begriff „der religiösen Autorität“ besteht aus den Wörtern „Religion“ (Dīn) und „Autorität“. Zunächst wird kurz auf diese beiden Begriffe eingegangen.

3.1.1 Religion (Dīn) In der Linguistik hat das Wort Dīn die Bedeutungen: „Gegenleistung (Ǧazāʾ), Belohnung, Urteil, Abrechnung, Übertreffen, Beherrschung, Erniedrigung, Gehorsam, Ergebung, Dienen, Anbetung, Brauch, Weg, Gesetz, Scharia, Millah, Maḏhab“.1517 In der islamischen Literatur sind diverse Definitionen von Religion vorhanden. Die Definition von Tahānawī (gest. nach 1158/1745) lautet: „Religion ist eine von Allah auferlegte Gesetzgebung, die die Vernunftbesitzenden mit ihrem eigenen Willen zum Wohlergehen im Diesseits und zum Heil im Jenseits führt.“1518

Die Beziehung zwischen der terminologischen und der linguistischen Bedeutung ist offenkundig. Um es kurz darzulegen, ist die Religion göttlichen Ursprungs und eine Gesetzgebung, die Gott mittels der Propheten den Menschen verkündete. Gott, der die absolute Autorität besitzt, verlangt von den Menschen, sich diesen Gesetzen gegenüber gehorsam zu verhalten, zählt den Gehorsam als eine

1517 Rāġib al-­Iṣfahānī, Ḥusayn b. Muḥammad b. al-­Mufaḍḍal Abu l-­Qāsim (gest. im 1. Quartal des 5./11. Jh.), al-­Mufradāt fī Ġarībi l-­Qurʾān, ed. Ṣafwān ʿAdnān Dāwūdī, Beirut 1412, S. 323; Zabīdī, Tāǧu l-ʿArūs, Artikel „d-­y-n“, XXXV, S. 49 ff. 1518 Tahānawī, Muḥammad b. ʿAlī b. Muḥammad Ḥāmid at-­Tahānawī al-­Fārūqī (gest. nach 1158/1745), Kaššāfu Iṣṭilāḥāti l-­Funūn wa l-ʿUlūm, ed. ʿAlī Daḥrūǧ, Maktabatu Lubnān, Beirut 1996, I, S. 814.

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Anbetung (ʿIbāda) und sichert als deren Gegenleistung den Menschen zu, sie im Diesseits und im Jenseits zu belohnen. Andererseits besteht eine enge Beziehung zwischen den Begriffen Dīn, Scharia, Millah und Maḏhab. Diese Begriffe haben im Wesentlichen dieselbe Bedeutung inne. Ǧurǧānī (gest. 816/1413) erläuterte dies wie folgt: „Die Wörter ‚Dīn‘ und ‚Millah‘ sind vom Wesen her eins, von der Perspektive her unterschiedlich: Die Scharia wird hinsichtlich dessen, dass ihr Gehorsamkeit geleistet wird, als Dīn; hinsichtlich dessen, dass man sich durch sie vereint, als Millah und hinsichtlich dessen, dass man sich auf sie beruft, als Maḏhab bezeichnet. Der Unterschied zwischen Dīn, Millah und Maḏhab ist, dass Dīn auf Allah, Millah auf den Propheten und Maḏhab auf den Muǧtahid bezogen wird.“1519

Auch Tahānawī sagte, dass die Religion in Anbetracht ihrer Quelle auf Allah, in Anbetracht ihrer Bekundung auf den Propheten und in Anbetracht dessen, dass sie angenommen und befolgt wird, auf die Umma bezogen sei.1520 Gemäß diesen Definitionen ist festzustellen, dass Allah, die Propheten und die Muǧtahid-­Gelehrten eine Autorität besitzen, die in ihrer Verbindlichkeit unterschiedlichen Grades ist.

3.1.2 Autorität Der Autoritätsbegriff ist lateinischen (lat. auctoritas) Ursprungs und hat folgende Bedeutungen: „Macht, Befugnis, zuständiges Amt, Einfluss, legitime Macht, eine Person, deren Ansichten von vielen Menschen akzeptiert werden, Befehlsgewalt, die Macht, zur Gehorsamkeit zu zwingen, ehrenvolle und befugte Person“.1521

Terminologisch wird die Autorität als „das Recht einer Person oder Gruppe, andere Menschen zur Tat aufzufordern, und das Recht etwas zu tun oder etwas abzuverlangen“1522 definiert. Aus der Bezeichnung „Autorität“ mit dem Adjektiv „legitim“ 1519 Ǧurǧānī, Abu l-­Ḥasan ʿAlī b. Muḥammad b. ʿAlī (gest. 816/1413), at-­Taʿrīfāt, Dāru l-­Kitābi l- ʿArabī, Beirut 1405, S. 141. 1520 Tahānawī, Kaššāfu Iṣṭilāḥāti l-­Funūn wa l-ʿUlūm, I, S. 814. 1521 Petit Larousse Illustré, Librairie Larousse, Paris 1974, Autorité Art.; Saraç, Tahsin, Fransızca-­Türkçe Sözlük, Adam Yay., İstanbul 1985, Otorite, mad.; Stanley I, Benn, Authority, Encyclopedia of Philosophy (ed. Paul Edwards), I, S. 215; http://www. larousse.fr/dictionnaires/francais/autorit%c3%a9/6838?q=Autorit%c3%a9#6806 (20.10.2016); http://fr.thefreedictionary.com/autorite (20.10.2016). 1522 Downie, R. S., Authority, The Oxford Campanion to Philosophy (ed. Ted Honderich), Oxford 1995, S. 68 f.

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geht hervor, dass sich die Autorität vom Begriff der Gewalt unterscheidet, falls die Anordnungen der Autoritätspersonen von ihren Anhängern freiwillig befolgt werden.1523 Der Begriff der „religiösen Autorität“ bedeutet demnach eine Befugnis, deren Quelle und Legitimität religiös fundiert ist. Von dieser Befugnis machen in der Regel Gott, der Prophet, die Religionsgelehrten und die Staatsführer Gebrauch. Die menschliche Autorität ist im Vergleich zur göttlichen Autorität stets beschränkt. Alle anderen Autoritäten der Instanzen sind gegenüber der göttlichen Autorität nur relativ und dieser auch untergeordnet.1524 In der islamischen Literatur ist die „religiöse Autorität“ jedoch ein Begriff, der die Repräsentation der Macht und der Befugnisse im Namen des Islam und deren Zugehörigkeit zu diesem ausdrückt; sie ist dem Ausdruck „aṣ-­Sulṭatu d-­Dīniyya“ gleichzustellen.1525 Zudem ist zu beobachten, dass das Wort Sulṭān, das „Autorität und Macht“ bedeutet, manchmal als Titel für die die politische Autorität innehabenden Staatsführer und manchmal in der Bedeutung „religiöse Autorität“ Verwendung fand.1526 In heutiger Sicht mag die religiöse Autorität verschiedene Ausprägungen und Funktionen haben, wie zum Beispiel die Befugnis, den authentischen Glauben und die Praktiken oder die Orthodoxie und Orthoproxie zu definieren; die Fähigkeit, die Gedanken und das Verhalten anderer zu beeinflussen; die Macht, irrige beziehungsweise abwegige Ansichten, die Abkehr von der Religion und die Verfechter oder Vermittler derselben zu bestimmen, zu marginalisieren, zu bestrafen und zu diskriminieren; die Person, die über die Kompetenz verfügt, die Methoden zur Interpretation der Hauptschriften einer Religion festzulegen und als religiöse Standardwerke anerkannte Schriften zu verfassen. Die Inhaber dieser Befugnisse können sowohl Individuen als auch eine Institution oder Gruppe sein.1527

1523 Stanley I, Authority, S. 215; Krämer/Schmidtke, Speaking for Islam, S. 1.; Müller, Max et al.: Autorität, Lexikon für Theologie und Kirche, Freiburg et al. 1993, I, S. 1298. 1524 Vgl. Müller et al.: Autorität, S. 1298 f. 1525 Yavuz, Yusuf Şevki, Kuran-­ı Kerim’de Dînî Otorite, („Karadeniz Teknik Üniversitesi Rize İlahiyat Fakültesi, İlahiyat Fakülteleri Kelam Ana Bilim dalı VIII. Koordinasyon Toplantısı ve Dînî Otorite Sempozyumu, Rize 2003“), Ensar Neşriyat, İstanbul 2006, S. 25. 1526 Kramers, J. H./[C. E. Bosworth], Sulṭān, in: EI2 (New Edition), Leiden 1997, IX, S. 849. 1527 Krämer/Schmidtke, Speaking for Islam, S. 1 f.

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3.2 Die religiöse Autorität in den islamischen Hauptquellen Da der Autoritätsbegriff nichtarabischen Ursprungs ist, gibt es in den arabischen Hauptquellen des Islam auch logischerweise keine Erwähnung des Ausdruckes „religiöse Autorität“. Untersucht man jedoch die Gesamtheit des Koran, sind vier Instanzen der religiösen Autorität vorzufinden. Hierzu lautet ein Koranvers wie folgt: „Oh ihr Gläubigen! Gehorcht Allah, gehorcht dem Propheten und den Ulu l-­Amr unter euch. Falls ihr euch in einer Angelegenheit uneinig werden solltet, so legt diese Allah und seinem Gesandten vor, wenn ihr doch tatsächlich an Allah und an den Jüngsten Tag gläubig seid. Dies ist besser und bringt bessere Resultate hervor.“1528

In diesem Vers wurde der Gehorsam gegenüber Allah, dem Propheten und den Ulu l-­Amr in dieser Reihenfolge befohlen. Nach der Mehrheit der islamischen Gelehrten sind im Begriff Ulu l-­Amr die Staatsführer und islamischen Gelehrten enthalten, sodass dementsprechend diese nach Allah und dem Propheten als die religiöse Autorität repräsentierenden Instanzen bezeichnet werden und aus diesem Grunde auch der Gehorsam der Muslime ihnen gegenüber erwartet wird.1529 Nachfolgend werden diese Instanzen der Reihe nach thematisiert.

3.2.1 Die Autorität Allahs Nach den islamischen Quellen ist Allah das allerhabene und von allen Mängeln ferne Wesen, der absolute Machthaber, der das Universum aus dem Nichts erschaffende Schöpfer, der alleinige Besitzer der Erde und der Himmel. Dazu sind an sehr vielen Stellen im Koran Verweise vorhanden, wie zum Beispiel: „Alles, was sich im Himmel und auf Erden befindet, gehört Ihm. Auch die Religion gehört einzig Ihm.“1530 „Die Herrschaft der Himmel und Erden gehört allein Allah. Allah ist über alles allmächtig.“1531

Da Allah der Schöpfer und absolute Machthaber ist, sandte er die Religion mittels der Propheten herab und erläuterte den Inhalt seiner Religion, um den Glauben und 1528 Nisāʾ, 4/59. 1529 Qurṭubī, al-­Ǧāmiʿu li Aḥkāmi l-­Qurʾān, V, S. 259; Suyūṭī, Ǧalāluddīn ʿAbdurraḥmān b. Abī Bakr (gest. 911/1505), ad-­Durru l-­Manṯūr fi t-­Tafsīri bi l-­Maʾṯūr, Dāru Ḥiǧr, Miṣr 1424/2003, IV, S. 503 f. 1530 Naḥl, 16/52. 1531 Āli ʿImrān, 3/189; vgl. folgende Verse in diesem Kontext: Baqara, 2/107; Āli ʿImrān, 3/26; Māʾida, 5/18, 40, 120; Aʿrāf, 7/158; Tawba, 9/116; Nūr, 24/42; Furqān, 25/2; Fāṭir, 35/13; Šūrā, 42/49; Zuḫruf, 43/85; Ǧāṯiya, 45/28; Fatḥ, 48/14; Ḥadīd, 57/2, 5; Mulk, 67/1; Burūǧ, 85/9.

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die Praxis seiner Geschöpfe zu gestalten. Hierbei steht die einzige absolute Autorität Allah zu. Im Koran sind sehr viele Verse zu finden, die diesen Punkt ansprechen: „Er ist derjenige, der seinen Gesandten mit der Rechtleitung und der wahren Religion sandte.“1532 Dass er seinen Geschöpfen manches befiehlt und manches verbietet, denjenigen unter ihnen, die seinen Befehlen folgen, Belohnung, und denjenigen, die ihm nicht gehorchen, Bestrafung verspricht, dass an vielen Stellen im Koran der Befehl „Gehorcht Allah!“ wiederholt wird,1533 und dass letztlich das endgültige Urteil Allah zustehen wird, sind zudem Aspekte, die darlegen, dass einzig Allah die absolute Autorität besitzt. Hierzu sind unter den islamischen Gelehrten keinerlei Meinungsunterschiede vorhanden, weil etwas, das an seinem Wesen oder seinen Attributen irgendeinen Mangel aufweist, kein Gott sein kann.

3.2.2 Die Autorität des Propheten Da nach der islamischen Auffassung Allah, der die wahre und eigentliche religiöse Autorität innehat, weder eine Substanz (Ǧawhar) noch eine Akzidenz (ʿAraḍ) ist,1534 verkündete er den Menschen seine Autorität mittels der Propheten. Aus diesem Grund wird in diversen Koranversen darauf hingewiesen, dass die Propheten religiöse Autorität besitzende Diener sind. Dass in dem oben genannten 59. Vers der Sure Nisāʾ Allah als Erstes Erwähnung findet, deutet auf seine absolute und unmittelbare Autorität hin. Die Erwähnung des Propheten an zweiter Stelle zeigt auf, dass der Prophet zu seiner Lebenszeit persönlich und nach seinem Ableben durch seine Sunna eine indirekte und stellvertretende religiöse Autorität darstellt. Dadurch, dass der Gehorsamsbefehl hinsichtlich Allahs und seines Propheten, ohne eingeschränkt zu werden, in absoluter Form wiederholt wird, wird die absolute Autorität Allahs und die religiöse Verbindlichkeit, die Autorität des Propheten aufgrund des göttlichen Befehls anzuerkennen, verdeutlicht.1535 So wird an vielen Koranstellen der Gehorsam gegenüber dem Propheten zusammen mit dem Gehorsam gegenüber Allah befohlen.1536 Es wird dargelegt, dass der Gehorsam gegenüber dem Propheten 1532 Fatḥ, 48/28; siehe auch Tawba, 9/33; Ṣaff, 61/9. 1533 Āli ʿImrān, 3/32, 132; Nisāʾ, 4/59; Māʾida, 5/92; Anfāl, 8/1, 20, 46; Ṭāhā, 20/90; Nūr, 24/54; Muḥammad, 47/33; Muǧādala, 58/13; Taġābun, 64/12. 1534 Taftazānī, Šarḫu l-ʿAqāidi n-­Nasafiyya, 63 f.; al-­Qārī, Ḍawʾu l-­Maʿālī, S. 31 ff. 1535 Ṭabarī, Abū Ǧaʿfar Muḥammad b. Ǧarīr b. Yazīd b. Kaṯīr b. Ġālib al-ʿĀmilī (gest. 310/923), Ǧāmiʿu l-­Bayān fī Taʾwīli l-­Qurʾān, ed. Aḥmad Muḥammad Šākir, Muʾassasatu r-­Risāla, o. O., 1420/2000, VIII, S. 495 f. 1536 Āli ʿImrān, 3/32, 132; Māʾida, 5/92; Anfāl, 8/1, 20, 46; Ṭāhā, 20/90; Nūr, 24/54, 56; Muḥammad, 47/33; Muǧādala, 58/13; Taġābun, 64/12.

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zugleich auch Gehorsam gegenüber Allah bedeutet.1537 Denjenigen, die ihm Folge leisten, wird das Paradies als Belohnung verkündet,1538 und diejenigen, die sich ihm widersetzen, werden mit Strafen im Jenseits bedroht.1539 All dies zeigt auf, dass im islamischen Glauben auch der Prophet über religiöse Autorität verfügt. Andererseits werden als natürliche Konsequenz der religiösen Autorität auch gewisse Befugnisse des Propheten im Koran geschildert. Beispielsweise wird betont, dass der Prophet bei Konfliktsituationen als Richter fungiert und der Koran zu diesem Zweck herabgesandt wurde und folglich, dass die Muslime sich an ihn wenden und sich seinem Urteil mit voller Zufriedenheit fügen müssen; andernfalls hätten sie nicht tatsächlich an den Propheten geglaubt.1540 All dies legt die Ernennung des Propheten seitens Allahs zur religiösen Autorität, wie auch dass er im Namen Allahs urteilt, dar. Im Grunde steht die religiöse Autorität Allah zu; doch wurden die Propheten von Allah als religiöse Autorität ernannt. Die Propheten machten im Namen Allahs von dieser Befugnis durch die Offenbarungen Gebrauch. Daher gibt es unter den muslimischen Gelehrten keinerlei Meinungsunterschiede darüber, dass Allah und die Propheten über religiöse Autorität verfügen und deren Urteile von den Muslimen unbedingt zu befolgen sind. Zugleich ist dieser Aspekt ein natürliches Resultat des Glaubens an Allah und den Propheten, was zu den Glaubensgrundlagen gehört.

3.2.3 Die Autorität der Staatsführer Nach dem islamischen Glauben sind die Staatsoberhäupter die dritte religiöse Autoritätsinstanz. Im Grunde verfügen sie in erster Linie über die weltliche Autorität. Da jedoch die Gewährleistung von religiöser Bildung und Lehre und von religiösen Dienstleistungen vom allgemeinen Administrationsgebilde nicht zu trennen ist, haben die Staatsführer auf indirekte Weise religiöse Autorität inne. Sie verfügen nicht über die Befugnis, die Glaubensgrundlagen und Anbetungspraktiken zu ändern oder im Namen Allahs gewisse Handlungen als halal oder als haram zu deklarieren; allerdings dürfen sie im Rahmen des öffentlichen Rechts Verordnungen zu Gunsten des Individuums und der Gesellschaft erlassen.1541 Jedoch sind Regenten, die in den Religionswissenschaften nicht kompetent sind,

1537 Nisāʾ, 4/80. 1538 Nisāʾ, 4/13, 69; Nūr, 24/52; Aḥzāb, 33/71; Fatḥ, 48/17. 1539 Nisāʾ, 4/14; Aḥzāb, 33/36; Ǧinn, 72/23. 1540 Baqara, 2/213; Nisāʾ, 4/59, 65, 105; Māʾida, 5/49; Naḥl, 16/64; Aḥzāb, 33/36. 1541 Yavuz, Yusuf Şevki, Kuran-­ı Kerim’de Dînî Otorite, S. 31.

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dazu angehalten, bezüglich ihrer beabsichtigten Dekrete die Ansicht der Religionsgelehrten zu erfragen. Die Autorität der weltlichen Herrscher ist jedoch im Gegensatz zur Autorität von Allah und der der Propheten nicht absolut, sondern an Bedingungen gebunden. Während nämlich im oben genannten 59. Vers der Sure Nisāʾ bei der Äußerung des Gehorsamkeitsbefehles gegenüber Allah und dem Propheten der Imperativ „gehorcht!“ jeweils separat wiederholt wird, wurde der Imperativ „gehorcht!“ bezüglich der Ulu l-­Amr nicht wiederholt. Diese Formulierungsweise legt dar, dass der Gehorsam gegenüber der Ulu l-­Amr nicht absolut, sondern beschränkt ist.1542 Die rote Linie bei der Gehorsamkeitsleistung gegenüber der Ulu l-­Amr wurde durch den Hadith „Bei Ungehorsam gegenüber Allah gibt es keinen Gehorsam gegenüber den Geschöpfen“1543 definiert. Demnach sind die den unstrittigen Urteilen des Islam widersprechenden Verordnungen der weltlichen Machtinhaber für die Muslime nicht verbindlich und nicht zu befolgen. Auch wenn dies das Ideal darstellt, nahmen doch manche Staatsoberhäupter im 2. Jahrhundert n. H. auch ihre Zuflucht zu Verfahrensweisen, die dem Koran und der Sunna zuwider waren. Wie bereits angesprochen, gab es einige administrative Praktiken, die nicht mit den islamischen Grundprinzipien vereinbar waren, wie zum Beispiel, dass während der Regentschaft der Umayyaden der Ahlu l-­Bayt ungerechte Sanktionen auferlegt wurden, die Mawālī im Zuge des arabischen Überlegenheistanspruchs als Menschen zweiten Ranges behandelt und trotz ihrer muslimischen Identität zu Steuern verpflichtet wurden, dass einige Kalifen Alkohol genossen und dass unter der abbasidischen Herrschaft im Laufe der Miḥna-­ Ereignisse einige Gelehrten gezwungen wurden, die Theorie der Erschaffenheit des Korans zu akzeptieren, und bei Widerstand schweren Foltern unterzogen wurden. Es ist zu beobachten, dass die Staatsmänner sehr großen Wert auf die Anerkennung ihrer Autorität von jedem einzelnen Glied der Gesellschaft legten, um den gesellschaftlichen Frieden zu gewährleisten und um die Stabilität der Staatsführung zu bewahren. Deshalb griffen sie zu den härtesten Maßnahmen und waren äußerst bemüht, die aufkommenden Aufstände unverzüglich zu unterdrücken. 1542 Ibn Kaṯīr, Tafsīru l-­Qurʾāni l-ʿAẓīm, II, S. 345. 1543 Tirmiḏī widmete dieser Thematik ein separates Kapitel. Siehe Tirmiḏī, Abū ʿIsā Muḥammad b. ʿIsā b. Sawra b. Mūsā b. aḍ-­Ḍaḥḥāk, (gest. 279/892), Sunanu t-­Tirmiḏī, ed. Baššār ʿAwwād Maʿrūf, Dāru l-­Ġarbu l-­Islāmī, Beirut 1998, III, S. 261; Aḥmad b. Ḥanbal, Aḥmad b. Muḥammad b. Ḥanbal Abū ʿAbdillāh aš-­Šaybānī al-­Marwazī (gest. 241/855), Musnad, ed. Šuʿayb al-­Arnaʾūṭ, Muassasatu Qurṭuba, Kairo, o. J., I, S. 131, 409; V, S. 66.

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Der Grund dafür war ihre Überzeugung, dass jegliche Schwäche, die sie zeigten, ihre Regierung in Frage stelle und schließlich dazu führe, dass sie ihre Herrschaft verlören. Daher zögerten sie keineswegs, ihre potenziellen Gegner, insbesondere Staatsbedienstete, zu beseitigen. Beispielsweise liquidierte der 2. abbasidische Kalif Manṣūr (136–158/754–775) Abū Muslim al-­Ḫurasānī (gest. 137/755), der einen großen Beitrag zum Erfolg der abbasidischen Putschbewegung leistete, und der 5. Kalif der Abbasiden, Hārūn ar-­Rašīd (170–193/786–809), ließ die Familie der Barmakiden, die in der staatlichen Administration sehr erfolgreich und als Staatsfunktionäre für Hārūn ar-­Rašīd von großem Nutzen waren, beseitigen, da er deren Einfluss auf den Staat als allzu bedrohlich empfand.1544 Die mit den Grundprinzipien des Islam unvereinbaren Praktiken der Regenten führten zeitweise auch zu Aufständen. In solchen Fällen war es die Grundhaltung der Mehrheit der islamischen Gelehrten, nicht zu revoltieren, sondern stattdessen sich weiterhin mit wissenschaftlichen Aktivitäten zu beschäftigen und sich um die Lenkung der Gesellschaft in die richtige Richtung zu bemühen. Diese Haltung kann als „ziviler Widerstand“ bezeichnet werden, denn obwohl Sufyān aṯ-­Ṯawrī, wie bereits erwähnt, gegenüber den weltlichen Machthabern eine äußerst scharfe und verbale oppositionelle Haltung an den Tag legte, sah er ihre Herrschaft doch nicht als illegitim an, war demzufolge auch kein Befürworter der Revolten und rief das Volk niemals zum Aufstand auf. Allerdings führte diese seine Haltung dazu, dass er seine letzten Lebensjahre unter staatlicher Verfolgung verbringen musste. Sufyān b. ʿUyayna andererseits pflegte eine formelle, prinzipiengeleitete und ausgewogene Beziehung zu den Machthabern und ermahnte sie gegebenenfalls mit einer adäquaten Ausdrucksweise. Interessant ist jedoch, dass die ungerechten politischen Verordnungen der weltlichen Herrscher, die mit den islamischen Grundprinzipien nicht konform waren, keine Akzeptanz bei der Mehrheit der Muslime fanden und aufgrund dessen nicht von langfristiger Dauer waren. Ḥaǧǧāǧ b. Yūsuf aṯ-­Ṯaqafī (gest. 95/714), der umayyadische Statthalter des Irak, wurde sogar aufgrund seiner ungerechten und tyrannischen Politik in der islamischen Geschichte mit dem Beinamen „Ẓālim = der Tyrann“ versehen.1545 Die Muslime beteten für ihn nicht um Allahs Gnade, sondern als Haṣan al-­Baṣrī (gest. 110/728) vom Tod des Statthalters erfuhr, warf er sich zur Danksagung nieder und betete zu Allah: „Oh Allah! Du nahmst sein Leben, so nimm auch den von ihm eingeleiteten Weg von uns.“ Ibrāhīm an-­Naḫaʿī (gest. 96/714) brach 1544 Barthold,/[Sourdel], ,al-­Barāmika, S. 1033; Moscati, S., ,Abū Muslim’, in: EI², (New Edition), Leiden 1986, I, S. 141; Yıldız, Hakkı Dursun, Ebû Müslim-­i Horasânî, in: DİA, İstanbul 1999, X, S. 198; Yıldız, Bermekîler, in: DİA, İstanbul 1992, V, S. 519. 1545 Ḏahabī, Siyar, IV, S. 343.

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sogar vor Freude in Tränen aus.1546 Trotz der staatlichen Behinderungen erhielt sich die Rechtsschule von Aḥmad b. Ḥanbal (gest. 241/855), der im Zuge der Miḥna-­ Ereignisse gefoltert wurde, ihre lebhafte Präsenz bis heute.

3.2.4 Die Autorität der islamischen Gelehrten Die vierte Instanz, der im Koran religiöse Autorität zugewiesen wird, sind die muslimischen Religionsgelehrten. Es gibt keinen Zweifel, dass mit dem „Ulu l-­ Amr“- Begriff, der im 59. Vers der Sure Nisāʾ genannt wird, auch muslimische Religionsgelehrte gemeint sind.1547 Mit dem Ausdruck Ulu l-­Amr wurden nach Sufyān aṯ-­Ṯawrī „die Fiqh-­Gelehrten und Ahlu l-ʿIlm“ und nach Sufyān b. ʿUyayna die Ahlu l-ʿIlm bezeichnet.1548 Dass muslimische Religionsgelehrte zugleich religiöse Autoritätsträger sind, rührt aus ihren Aufgaben her, den Islam richtig und genau zu verstehen, ihn mit einer angemessenen Methode den Menschen zu vermitteln, als Vorbild zu fungieren und die Religion vor Bidʿa zu bewahren. Sie sind die „Hauptakteure religiöser Dienste, lokale Vertreter der universalen islamischen Gelehrsamkeit, leisten religiöse Bildung und Erziehung und sind zugleich […] Repräsentanten des muslimischen Lebenswegs, der islamischen Bildungstradition und verfügen über die Befugnis religiöse Inhalte festzulegen und darüber hinaus Auskunft zu geben.“1549

Aus diesem Grund werden ihre Ansichten zu religiösen Fragen berücksichtigt. In diesem Kontext steht im Koran: „Es ist nicht angebracht, dass alle Gläubigen zusammen sich auf den Weg zur Schlacht begeben. Aus jeder Gemeinde von ihnen soll eine Gruppe zurückbleiben, um vertieftes Wissen in der Religion zu erwerben und ihr Volk nach ihrer Rückkehr zu ermahnen, damit sie sich vorsehen.“1550

In diesem Vers wird verlangt, dass die Religionsgelehrten nicht am Kampf teilnehmen, da sie der religiösen Aufgabe nachgehen müssen, die Religion bis in ihre 1546 Ibn Kaṯīr, al-­Bidāya wa n-­Nihāya, IX, S. 159. 1547 Suyūṭī, ad-­Durru l-­Manṯūr fi t-­Tafsīri bi l-­Maʾṯūr, IV, S. 503 f. 1548 Ṭabarī, Ǧāmiʿu l-­Bayān fī Taʾwīli l-­Qurʾān, VIII, S. 500 f. 1549 Uçar, Bülent, Die Gelehrten sind die Erben der Propheten: Auf dem Weg zu einer Imamausbildung an der Universität Osnabrück, in: Evangelischer Pressedienst (epd) Dokumentation, Frankfurt a. M. 2010, Nr. 13–14, S. 4; Ders. Einführungsrede, in: Imamausbildung in Deutschland. Islamische Theologie im europäischen Kontext, Veröffentlichungen des Instituts für Islamische Theologie der Universität Osnabrück, Band 3, Osnabrück 2010, S. 37. 1550 Tawba, 9/122.

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Feinheiten zu erlernen und sie den Menschen zu lehren. In dem gleichen Kontext steht in einem anderen Koranvers: „Unter euch soll eine Gemeinschaft sein, die zum Guten einlädt, zum Gebilligten aufruft und vom Missbilligten abrät. Eben diese sind die Glückseligen.“1551

Hierbei wird auf die Notwendigkeit der Erziehung einer Generation, die das „Gute“ als solches und das „Schlechte“ als solches samt ihrer Begründung darlegt, hingewiesen; diejenigen, die diese Aufgabe erfüllen, werden gelobt. Aus der Gesamtheit dieser und ähnlicher Koranverse kann der Schluss gezogen werden, dass bei Themen, zu denen im Koran und in der authentischen Sunna kein eindeutiges Urteil geäußert wird, die muslimischen Religionsgelehrten zur Anwendung ihrer Iǧtihād befugt sind. Da sich außerdem die Staatsführung prinzipiell nach der Fiqh-­Wissenschaft zu richten hat, steht die Fiqh über der Politik. Die Verordnungen der Regenten erhalten ihre Legitimität erst durch ihre Konformität mit der Fiqh. Aus diesem Grund sind die von den Islamgelehrten gefällten Urteile den von den ungelehrten Staatsmännern gefällten Urteilen übergeordnet.1552 Das Primat und das Privileg der Gelehrten (ʿUlamāʾ) rühren im Grunde davon her, dass sie ihr Wissen auf direkte oder indirekte Weise vom Propheten erhielten und somit in diesem Sinne als sein „Erbe“ anzusehen sind.1553 Es gibt im Islam jedoch keinen Klerus. Die muslimischen Gelehrten aus der Frühzeit des Islam brachten die Wahrheit zum Ausdruck, indem sie den Koran und die Sunna gemäß ihres Wissensvorrats auslegten und anerkannte Texte verfassten.1554 Dabei ist jedoch die Autorität der muslimischen Gelehrten – in welcher Ära auch immer – keineswegs absolut, uneingeschränkt und übermenschlich. Sie sind „keineswegs unfehlbar und ohne weiteres für die Muslime verbindlich, sondern [ihre Autorität] muss vielmehr auf den Grundlagen der islamischen Quellen, Tradition und den Vorgaben der Vernunft argumentativ nachvollziehbar sein.“1555 Ihre Autorität ist nur dann gültig, wenn sie den in den islamischen Hauptquellen dargelegten Prinzipien entspricht. Da bei ihren durch die Iǧtihād gewonnenen Urteilen bezüglich der in den Hauptquellen nicht offenbarten Themen eine ge-

1551 Āli ʿImrān, 3/104. 1552 Vogel, F. E., Siyāsa, EI2 (New Edition), IX, S. 695; Krämer Gudrun und Schmidtke Sabine, Introduction: Religious Authority and Religious Authorities in Muslim Societies. A Critical Overview, S. 3. 1553 Repp, R. C., ʿUlamā, in: EI2, (New Edition), X, S. 802. 1554 Krämer/Schmidtke, Speaking for Islam, S. 5 f. 1555 Uçar, Die Gelehrten sind die Erben der Propheten, S. 4.

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wisse Verfehlungswahrscheinlichkeit besteht, haben solche Urteile im Gegensatz zum Koran und der Sunna keine Verbindlichkeit. Dass nämlich die Muǧtahid-­ Gelehrten hinsichtlich der zur Anwendung der Iǧtihād offenen Themen zu sehr unterschiedlichen Lösungen kommen können, und dass die Muslime, die nicht über eine Gelehrsamkeit auf dem Iǧtihād-­Niveau verfügen, aus diesen Lösungsvorschlägen sich eine Fatwā einer der Rechtsschulen zum Praktizieren frei aussuchen können, legt offenkundig dar, dass die muslimischen Religionsgelehrten nicht die Befugnis, eine Religion zu begründen, sondern lediglich die Aufgabe, die vorhandenen Koranverse und Hadithe zu interpretieren, innehaben. Die Arbeiten der Gelehrten in diesem Kontext befreien die Fiqh-­Wissenschaft von einem statischen Charakter und stellen den Muslimen eine breite Spanne an Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Genau an dieser Stelle tauchen nun einige Fragen auf: Mit welchen Attributen müssen die muslimischen Gelehrten ausgestattet sein, die dazu befugt sind, die Hauptquellen des Islam zu verstehen, zu interpretieren und ihre Interpretationsergebnisse an die Gesellschaft zu vermitteln? Ist jeder Muslim, der mehr oder minder über Religionswissen verfügt, dazu ermächtigt? Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um als religiöse Autorität bezeichnet zu werden? Genau diese Fragen verweisen auf die Grundprobleme, die es in der vorliegenden Arbeit zu klären gilt. Aus dieser Perspektive heraus wird im Folgenden anhand der beiden Persönlichkeiten, die im Fokus dieser Untersuchung stehen, und eines breiten Spektrums von Lehrern und Schülern dieser beiden Gelehrten versucht, die bei der Mehrheit der Muslime allgemein anerkannten Eigenschaften der als religiöse Autorität angesehenen Gelehrten darzulegen.

3.3 Kriterien der Autoritätswerdung In diesem Kapitel werden die von der Mehrheit der Muslime allgemein akzeptierten Kriterien für die Anerkennung der Autoritätsperson untersucht. Dabei werden die Ansichten führender Wissenschaftler aus dem 2. Jahrhundert n. H. aus bekannten Wissenschaftszentren wie Mekka, Medina, Kūfa, Basra, Šām, dem Jemen und Ägypten berücksichtigt. Auf dem Weg zur religiösen Autorität zählen nicht nur die Qualität oder die Qualifikation, sondern auch die gesellschaftliche Anerkennung ist äußerst wichtig.1556 Aus diesem Grund wird bei der Feststellung der Kriterien versucht,

1556 Krämer/Schmidtke, Speaking for Islam, S. 2.

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von zwei vom Großteil der muslimischen Gesellschaft als religiöse Autorität anerkannten Wissenschaftlern, Sufyān aṯ-­Ṯawrī und Sufyān b. ʿUyayna, und stellenweise ihren Lehrern und Schülern auszugehen. Obwohl in dieser Arbeit hauptsächlich diese beiden Persönlichkeiten betrachtet werden, befasst sie sich auch in allgemeinen Zügen mit deren Lehrern und Schülern, sodass sich die Summe der betrachteten und verschiedenen Wissenschaftskreisen zugehörigen Wissenschaftler sehr vermehrt. Dies zwingt dazu, ein sehr großes Spektrum zu untersuchen. Da dies es andererseits ermöglicht, das gesamte Feld in den Blick zu nehmen, erleichtert es auch zugleich die Feststellung der von den damaligen breiten Wissenschaftskreisen anerkannten allgemeingültigen Kriterien. Darüber hinaus werden lobende Aussagen über manche Gelehrten, statt sie nur als ein Lob an sich wahrzunehmen, als eine Reflexion der allgemeinen Überzeugung dieser Ära bewertet. Zum Beispiel bedeutet nach Auffassung des Verfassers das Lob eines Hadith-­Kritikers „Ich sah keinen Gelehrten seinesgleichen“ nicht, dass es keinen größeren Gelehrten als den betreffenden Wissenschaftler gab, sondern dass er in diesem Kreis eventuell der kompetenteste und zuverlässigste Wissenschaftler gewesen ist. Gleichzeitig ist es möglich, dass ein anderer Kritiker eine negative Bewertung über diese Person abgab. Wenn jedoch die positive Anschauung über jemanden von der Mehrheit der Kritiker dieser Ära unterstützt wurde, galt dieser Gelehrte in den damaligen Wissenschaftskreisen allgemein als zuverlässig und angesehen, und die negativen Meinungen der Minderheit etablierten sich nicht als gängige Anschauung. Mit anderen Worten, die negative Beurteilung eines Kritikers über einen Gelehrten wird nicht sofort zur allgemeinen Sichtweise, sondern auch die Meinungen weiterer Kritiker dieser Ära werden bei der endgültigen Analyse berücksichtigt. Da diese Tatsache einen Vergleich über die Kritiken ermöglicht, zwingt er die Kritiker, sich von ihrer Willkür fernzuhalten und objektiv zu bleiben. Im Endeffekt entsteht währenddessen im wissenschaftlichen Umfeld eine plausible und akzeptable Ansicht über diesen Gelehrten. Da jedoch, wie bereits erwähnt, in dieser Zeit eine sehr ernste, strenge und von der Kritik beherrschte Atmosphäre bestand, war es für einen Gelehrten besonders schwierig, die Zustimmung aller Wissenschaftskreise zu erlangen. Angenommen man hatte festgestellt, dass ein Tradierer log oder einen erfundenen Hadith überlieferte, so gab es Einstimmigkeit darüber, dass man seine Überlieferungen nunmehr nicht anerkannte.1557 Die beiden Gelehrten, die den Gegenstand der vorliegenden Arbeit bilden, waren anerkannte religiöse Autoritäten, die dank ihrer besonderen Eigenschaften das allgemeine Vertrauen aller Wissenschaftskreise ihrer Zeit gewannen. 1557 Zurqānī, Šarḥu Manẓūmati l-­Bayqūniyya, S. 224.

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Nachfolgend wird auf einige wichtige Marksteine auf dem Wege zur religiösen Autorität der genannten beiden Persönlichkeiten im Besonderen und von Islamgelehrten im Allgemeinen eingegangen. Diese wurden nicht ausschließlich anhand der beiden zentralen Figuren dieser Arbeit identifiziert, sondern anhand einer dreigliedrigen Gelehrtenkette (die beiden Persönlichkeiten mit ihren Lehrern und Schülern) und stellen die von den Muslimen grundsätzlich anerkannten Kriterien dar.

3.3.1 Gelehrsamkeit Bekanntlich ist allgemein die erste Voraussetzung, um in einem Gebiet als Autorität zu gelten, darin über ein beachtliches Fachwissen zu verfügen. Unter den Kriterien des Entstehens einer religiösen Autorität ist hier bei der „Gelehrsamkeit“ besonders das Wissensrepertoire bezüglich des Koran und der Hadithe zu verstehen. Das Wissensgut in diesen beiden Punkten gilt als Quelle für alle Bereiche der islamischen Wissenschaften, und durch das interpretative Auswerten dieses Wissensvorrats entstehen weitere islamische Wissenschaften wie Fiqh und Kalām. Aus diesem Grund ist die Prävalenz in einem anderen Fachgebiet mit einem tiefgründigen Wissensgut in diesen beiden Wissenschaften verbunden. Ḏahabī sagte, dass Ṯawrī von 600 Personen Wissen erwarb.1558 Ṯawrī bekam sowohl durch Forschungsreisen (Riḥla) als auch durch Pilgerreisen die Gelegenheit, von sehr unterschiedlichen Wissenschaftsfeldern zugehörigen Gelehrten zu profitieren, und er versuchte sein Leben lang, seinen Wissensvorrat zu bereichern. Sogar auf dem Sterbebett hielt er sich nicht davor zurück, einen von ihm zum ersten Mal gehörten Hadith niederzuschreiben.1559 Seine Leidenschaft zur Wissenschaft führte dazu, dass er in den religiösen Wissenschaften einen sehr großen Wissensfundus und eine dementsprechende wissenschaftliche Tiefe erlangte und zu einem vielseitigen Gelehrten wurde. Auch Ibn ʿUyayna begann wie Ṯawrī in sehr jungen Jahren mit dem Wissenserwerb. Bereits mit vier Jahren lernte er den Koran auswendig, mit sieben begann er Hadithe niederzuschreiben.1560 Durch Studienreisen nach verschiedenen Regionen erweiterte er sein Wissensgut und wurde, von über 80 führenden zeitgenössischen Gelehrten wie Zuhrī (gest. 124/742) und ʿAmr b. Dīnār (gest. 126/744) profitierend,1561 zu einem vielfältigen Gelehrten.

1558 Ḏahabī, Siyar, VII, S. 234. 1559 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 64. 1560 Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 455; Šaʿrānī, aṭ-­Ṭabaqātu l-­Kubrā, I, S. 48. 1561 Abū Nuʿaym, Ḥilya,VII, S. 307; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 174 f.; Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 178–183; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IV, S. 104 f.

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Nach Angaben der Quellen ist die deutlichste Eigenschaft einer als religiöse Autorität anerkannten Person im 2. Jahrhundert n. H. die, dass sie in den religiösen Wissenschaften einen weitgefächerten, tiefgründigen und vielseitigen Wissensvorrat vorwies. Selbst wenn beispielsweise Ṯawrīs Kenntnisse in der Hadith-­Wissenschaft hervortreten, so verfügte er auch über ein derart reichliches Wissen in der Rechtswissenschaft, dass er als Muǧtahid galt und seine eigene Rechtsschule besaß. So deutet der zu seinem engsten sechsköpfigen Schülerkreis gehörende ʿAbdullāh b. al-­Mubārak (gest. 181/797) diesen Sachverhalt folgendermaßen: „Wann immer ich es ersehnte, sah ich Sufyān aṯ-­Ṯawrī beim Ṣalāt-­Verrichten. Wann immer ich es ersehnte, sah ich ihn beim Hadith-­Tradieren. Wann immer ich es ersehnte, sah ich ihn vertieft in die Fiqh-­Wissenschaft.“1562

Ṯawrī erwarb die Rezitationslehre von ʿĀṣim b. Bahdala al-­Kūfī (gest. 127/745) und Ḥamza b. Ḥabīb az-­Zayyāt al-­Kūfī (gest. 156/773), welche zu den „Qirāʾatu s-­Sabʿa-­Imamen = die sieben Rezitationsimame“ gehörten.1563 Darüber hinaus gehörte er selbst zu den Überlieferern der als Šāḏḏ geltenden Rezitationsart von al-­Aʿmaš al-­Kūfī (gest. 148/765).1564 Dies genügte, dass er zu einer Autorität in den Koranrezitationsarten wurde. Dass Ṯawrī in der Tafsīr-­Wissenschaft insbesondere von den Überlieferungen der vier Gelehrten Saʿīd b. Ǧubayr (gest. 95/714), Muǧāhid (gest. 103/721), ʿAṭāʾ (gest. 114/732) und ʿIkrima (gest. 105/723), die zum sechsköpfigen Schülerkreis des Imams der mekkanischen Tafsīr-­Schule Ibn ʿAbbās gehörten,1565 profitierte, jede Nacht ein Ǧuzʾ aus dem Koran und ein Ǧuzʾ Hadithe las und dabei den Koran und die Hadithe intensiv erforschte, verschaffte ihm eine solche Tiefe in diesem Fachgebiet, dass er eine eigene Exegese verfasste. Mit seiner Äußerung „Fragt mich über die Tafsīr und Manāsīku l-­Ḥāǧǧ, denn in diesen beiden Fachgebieten bin ich kundig“1566, wies er auf sein reiches Wissen auf diesem Gebiet hin. Ibn ʿUyayna wurde neben Gelehrten wie Šuʿba b. al-­Ḥaǧǧāǧ (gest. 160/776), Wakīʿ b. al-­Ǧarrāḥ (gest. 197/812) und Sufyān aṯ-­Ṯawrī (gest. 161/778) zu den ersten Exegeten gezählt.1567 Dies zeigt, dass auch er in diesem Gebiet über ein reiches Wissen verfügte. So brachten viele Autoritäten der damaligen Zeit zum

1562 Buḫārī, at-­Tārīḫ, IV, S. 92. 1563 Ḏahabī, Siyar, V, S. 256 ff.; Pellat, Ḥamza b. Ḥabīb, S. 155. 1564 Özdirek/Çavuşoğlu, Süfyân es-­Sevrî, S. 25. 1565 Ḏahabī, Siyar, V, S. 18. 1566 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 117 ff.; Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 57 f. 1567 Özpınar, Ömer, Hadis Edebiyatının Oluşumu, S. 100.

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Ausdruck, dass Ibn ʿUyayna in der Tafsīr-­Wissenschaft eine kompetente Autorität war. Zum Beispiel meinte ʿAbdullāh b. Wahb (gest. 197/813): „In der Koranexegese kenne ich niemanden, der kenntnisreicher als Ibn ʿUyayna ist.“1568 Und Nuʿaym b. Ḥammād (gest. 228/843) machte mit den folgenden Worten auf Ibn ʿUyaynas Interpretationsfähigkeit aufmerksam: „Ibn ʿUyayna war derjenige, der sich unter den Menschen mit dem Koran am besten auskannte. Ich kenne niemanden, der verstreute Informationen besser zusammenbringt als Ibn ʿUyayna.“1569

Was Ṯawrīs ausgedehnten Wissensvorrat in der Hadith-­Wissenschaft betrifft, so ist dies, wie bereits angeführt, der von etwa 600 Gelehrten, die sehr unterschiedlichen Wissenschaftskreisen zugehörten, erworbenen und dementsprechend äußerst umfangreichen Hadith-­Ansammlung geschuldet. Diese Akkumulation nutzte er bei der im 2. Jahrhundert n. H. erstmaligen Kategorisierung der Hadithe in Kapiteln.1570 So gehörte er in diesem Fachgebiet zu den Pionieren der Tābiʿu t-­ Tābiʿīn-­Ära. Des Weiteren ist anzumerken, dass er in der Hadith-­Wissenschaft ein Werk namens al-­Ǧāmiʿu ṣ-­Ṣaġīr besaß. ʿUṯmān b. Saʿīd ad-­Dārimī (gest. 280/894) sagte: „Wer die von Šuʿba, Sufyān aṯ-­Ṯawrī, Mālik, Ḥammād b. Zayd und Sufyān b. ʿUyayna überlieferten Hadithe nicht sammelt, ist in der Hadith-­Wissenschaft ohne Kenntnis.“ Ḏahabī sagte: „Er meinte, er erreicht nicht den Ḥāfiẓ-­Grad.“1571

Nachdem Ḏahabī (gest. 748/1347) dieser seiner Aussage noch hinzufügte, dass derjenige, der das Wissensgut dieser fünf Gelehrten zusammengetragen, ihre auf den ʿālī und nāzil Überlieferungswegen1572 tradierten Hadithe niedergeschrieben und deren Gründe begriffen hatte, zweifellos die Hälfte – vielleicht sogar mehr als das – der prophetischen Sunna umfasste, sagte er: „Wenn jemand nur die Hadithe von Ṯawrī untersuchen, diese mit ihren Überliefererketten weitschweifig notieren und erläutern würde, welche von ihnen gesund und welche schwach sind, würde eine zehn bändige Musnad entstehen.“1573

Diese Worte von Ḏahabī legen deutlich dar, über welch großes Hadith-­Wissen Ṯawrī und Ibn ʿUyayna verfügten. 1568 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 33; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 458. 1569 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 33 f. 1570 Rāmahurmuzī, al-­Muḥaddiṯu l-­Fāṣil, S. 611 f.; Sezgin, Buhârî’nin Kaynakları, S. 82 f. 1571 Ḏahabī, Siyar, XIII, S. 323. 1572 Siehe Fußnote 831. 1573 Ḏahabī, Siyar, XIII, S. 323.

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Das Wissensgut Ibn ʿUyaynas in der Hadith-­Wissensschaft fand bereits Beachtung, als er noch in seinem 20. Lebensjahr stand. Erinnert soll an dieser Stelle nochmals an folgende Worte: „Bevor ich mein zwanzigstes Lebensjahr vollendete, betrat ich Kūfa. Abū Ḥanīfa sagte seinen eigenen Gefährten und der Bevölkerung von Kūfa: ‚Zu euch kam jener, der ʿAmr b. Dīnārs Wissensgut memorierte.‘ Die Leute kamen zu mir, um mich über ʿAmr b. Dīnār zu befragen. Der Erste, der mich als Hadith-­Gelehrter anerkannte, war Abū Ḥanīfa. Ich befand mich mit ihm in wissenschaftlichen Diskursen. Er sagte mir: ‚Mein Söhnchen! Ich hörte nur drei Hadithe von ʿAmr. Man ist dazu verpflichtet, seine Hadithe auswendig zu lernen.‘“1574

Ein weiterer Beleg für den umfangreichen Wissensvorrat Ibn ʿUyaynas in der Hadith-­Wissenschaft ist der, dass er als Quelle für die als Kutubu Sitta bekannten sechs grundlegenden Hadith-­Werke fungierte, denn von den insgesamt 1309 im Buch al-­Musnad von Ḥumaydī (gest. 219/834), dem Schüler von Ibn ʿUyayna, vorhandenen Hadithen wurden 1240 mit Hilfe von Sufyān b. ʿUyayna überliefert. Die Streuung der in diesem Werk von Ḥumaydī, dem Lehrer von Buḫārī (gest. 256/870), aufgenommenen Hadithe in der Kutubu Sitta ist wie folgt: Buḫārī: 821 Hadith/Ḫabar; Muslim: 681 Hadith/Ḫabar; Abū Dāwūd: 458 Hadith/Ḫabar; Tirmiḏī: 515 Hadith/Ḫabar; Nasāʾī: 442 Hadith/Ḫabar; Ibn Māǧa: 422 Hadith/ Ḫabar.1575 Die folgende Aussage von Imam aš-­Šāfiʿī (gest. 204/820), der der Imam einer auch heute noch lebendigen Rechtsschule ist und sowohl Schüler von Imam Mālik (gest. 179/795) als auch von Ibn ʿUyayna war, ist hinsichtlich dessen, dass sie die Wissensansammlungen der beiden Gelehrten in der Hadith-­Wissenschaft beschreibt, von Bedeutung: „Die Hadithe der Aḥkām sind etwa fünfhundert an der Zahl. Bis auf sechs Hadithe habe ich alle Hadithe der Aḥkām bei Ibn ʿUyayna gefunden. Wiederum habe ich bis auf dreißig Hadithe alle Hadithe der Aḥkām bei Imam Mālik gefunden.“1576

Ḏahabī, der diese Informationen überlieferte, begründete diesen großen Umfang des Wissensgutes von Ibn ʿUyayna damit, dass er das wissenschaftliche Erbe von Ḥiǧāz und vom Irak in seiner Person vereinte.1577 Ebenso unterstreichen die Worte 1574 Ibn Ḫallikān, Wafayāt, II, S. 393; siehe auch Fasawī, al-­Maʿrifa, I, S. 59; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 183. 1575 Evgin A. Kadir, Buhârî’nin Hocası Abdullah b. Zübeyr el-­Humeydî ve Müsnedi, S. 123. 1576 Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 457, 459; Tārīḫ, XIII, S. 192. 1577 Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 457.

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aš-­Šāfiʿīs: „Gäbe es Mālik und Ibn ʿUyayna nicht, wäre das ʿIlm von Ḥiǧāz verloren gegangen“1578 den wissenschaftlichen Reichtum der beiden Gelehrten und ihre Schlüsselrolle bei der Bewahrung und Übertragung des wissenschaftlichen Erbes von Ḥiǧāz. Man kann sehen, dass auch andere als religiöse Autorität anerkannte Gelehrte im 2. Jahrhundert n. H. über einen umfangreichen Wissensvorrat verfügten. Die angeführten Informationen dürften jedoch genügen, um aufzuzeigen, dass eine breite und tiefe Wissensakkumulation die erste Voraussetzung für die Anerkennung als religiöse Autorität gewesen ist.

3.3.2 Starkes und zuverlässiges Gedächtnis In der Wissenschaftstradition des 2. Jahrhunderts n. H. war es üblich, dass in der Regel zuerst der Koran auswendig gelernt und erst danach mit der Hadith-­ Wissenschaft begonnen wurde. Ṯawrī und Ibn ʿUyayna haben nach dieser Tradition in jungen Jahren den Koran auswendig gelernt.1579 Diese Vorgehensweise verfolgte wahrscheinlich die Intention, die Gedächtnisstärke der Schüler auf die Probe zu stellen, um herauszufinden, ob sie zur Aneignung von Wissen geeignet waren. In der forschungsintensiven Hadith-­Niederschriftsphase (Tadwīn-­Phase), die Ende des 1. Jahrhunderts begann und ungefähr bis zur Mitte des 2. Jahrhunderts n. H. andauerte, wurden die in diversen Schriften zerstreut festgehaltenen und teilweise noch verbal überlieferten Hadithe zusammengeführt.1580 Während dieser wissenschaftlichen Arbeiten legte man großen Wert auf die Gedächtnisstärke der Tradierer, wobei diese Funktion auch bei der Autoritätswerdung eines Gelehrten eine wichtige Rolle spielte. Der bekannte basrische Kritiker ʿAbdurraḥmān b. Mahdī (gest. 198/813–14), der dem engsten sechsköpfigen Schülerkreis Ṯawrīs angehörte, antwortete auf die Frage „Ist es dir lieber, dass eine deiner Sünden vergeben wird oder dass du einen Hadith auswendig lernst?“ mit „Einen Hadith auswendig zu lernen.“1581 Diese Antwort ist eines von vielen Beispielen für die Wertschätzung des Auswendiglernens der Hadithe in dieser Epoche. Der damalige hohe Stellenwert eines starken und zuverlässigen Gedächtnisses hatte einige plausible Gründe. Die Verlässlichkeit des Gedächtnisses eines

1578 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 32; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 179; Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 189; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 457; Tārīḫ, XIII, S. 192 1579 Ḏahabī, Siyar, VII, S. 234; Šaʿrānī, aṭ-­Ṭabaqātu l-­Kubrā, I, S. 48. 1580 Aydınlı, Hadis Istılahları Sözlüğü, S. 21 f. 1581 Ḏahabī, Siyar, IX, S. 197.

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Tradierers hatte gewiss einen Einfluss auf die Zuverlässigkeit seiner Überlieferungen. Bei einem Tradierer, der seine Überlieferungen verwechselte, wurden die Überlieferungen vor dem Verwechseln (Iḫtilāṭ) noch akzeptiert, aber die Überlieferungen nach seinem Iḫtilāṭ in der Regel nicht mehr. Die Überlieferungen eines Tradierers, der von Iḫtilāṭ betroffen war und von denen man nicht wusste, ob die Überlieferung vor oder nach jener Situation stattfand, wurden in der Regel auch abgelehnt.1582 Da aber ein Tradierer, dessen Überlieferungen aufgrund seiner Gedächtnisschwäche abgelehnt wurden, nicht mehr als religiöse Autorität anerkannt wurde, war die Solidität und Stärke des Gedächtnisvermögens eines Gelehrten eine Voraussetzung dafür, sich zu einer Autorität entwickeln zu können. In diesem Zusammenhang werden die Gedächtnisstärke und die brillante Intelligenz von Ṯawrī in den Quellen sehr stark hervorgehoben. Beispielsweise überlieferte der jemenitische Schüler Ṯawrīs, ʿAbdurrazzāq aṣ-­Ṣanʿānī (gest. 211/826–27), dass Ṯawrī sagte: „Es gibt Nichts, was ich meinem Herzen anvertraute [auswendig lernte] und dessen mein Herz mich verriet [es vergaß].“1583

Des Weiteren sagte ʿAbdurraḥmān b. Mahdī (gest. 198/813–14), der dem engsten sechsköpfigen Schülerkreis von Ṯawrī angehörte: „Ich habe niemanden gesehen, der die Hadithe von al-­Aʿmaš (gest. 148/765) besser auswendig kennt als Sufyān.“1584

Von den Wissenschaftskreisen der Epoche wird zum Ausdruck gebracht, dass Ṯawrī, keinem, der ihm widersprach, Achtung schenkte, da er dank seines starken Gedächtnisses das, was er auswendig gelernt und einmal gehört hatte, niemals vergaß.1585 Diese Fähigkeit half ihm offensichtlich sehr dabei, eine Autorität zu werden. Außerdem sieht man, dass im 2. Jahrhundert n. H. ein Tradierer, der Hadithe auswendig überlieferte, ohne dabei einer Niederschrift zu bedürfen, im Allgemeinen ein höheres Ansehen genoss als ein Tradierer, der aus Niederschriften, nicht aber aus dem Gedächtnis überlieferte. Beispielsweise sagte der Kūfenser Wakīʿ (gest. 197/812), der ebenfalls aufgrund seines sehr starken Gedächtnisvermögens zum engsten sechsköpfigen Schülerkreis Ṯawrīs gehörte: 1582 Uğur, İhtilat, S. 571. 1583 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 63; Ḏahabī, Tārīḫ, X, S. 226. 1584 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 63. 1585 Ebenda, S. 65.

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„Im Beisein von Ṯawrī habe ich nie Hadithe aufgeschrieben, sondern auswendig gelernt. Ich schrieb sie auf, nachdem ich nach Hause gegangen war.“1586

Der bekannte Hadith-­Gelehrte Isḥāq b. Rāhūyah (gest. 238/853) aus Marw wies mit folgender Aussage auf Wakīʿs Gedächtnisstärke hin: „Mein Memorieren und das von ʿAbdullāh b. Mubārak ist eine Anstrengung. Das Memorieren von Wakīʿ ist dagegen ursprünglich. Einmal ist Wakīʿ aufgestanden, hat sich an etwas angelehnt und siebenhundert Hadithe aus dem Gedächtnis überliefert.“1587

Es wird in den Quellen berichtet, dass der bekannte basrische Kritiker ʿAbdurraḥmān b. Mahdī (gest. 198/813–14), ein weiterer Schüler aus dem engsten sechsköpfigen Schülerkreis Ṯawrīs, während der Tradierung keine Bücher bereit hielt, aufgrund seines starken Gedächtnisses auswendig überlieferte und somit ein zuverlässiger Hadith-­Wissenschaftler war.1588 ʿAbdullāh b. al-­Mubārak al-­ Marwazī (gest. 181/797), ein anderer Schüler aus dem engsten Schülerkreis von Ṯawrī, wurde von seinem Vater mit dem Satz „Wenn ich deine Bücher finde, verbrenne ich sie“ bedroht. Er antwortete daraufhin mit „Was macht es denn schon aus?! Sie sind in meinem Herzen [aufbewahrt].“1589 Ebenso sagte auch Abū Aḥmad az-­Zubayrī (gest. 203/818), falls das Buch seines Lehrers Ṯawrī gestohlen werden sollte, mache es ihm nichts aus, da er alle Überlieferungen in diesem Buch bereits auswendig gelernt habe.1590 Diese Informationen weisen darauf hin, dass nicht nur Ṯawrī, sondern auch ihm nahestehende Schüler im Hinblick auf ihr Gedächtnisvermögen starke Persönlichkeiten waren. Dass ein Überlieferer die Hadithe, welche er niederschrieb, nicht auswendig lernte, wurde dagegen von den Hadith-­Wissenschaftlern als negativ empfunden, da man es in der Regel als eine Bindung an die Niederschriften bewertete. In diesem Zusammenhang kann man den Satz „Ich habe niemals etwas niedergeschrieben, ohne dies vorher auswendig gelernt zu haben“1591 von Ibn ʿUyayna als ein Bespiel für diese Auffassung bringen. Dass Ibn ʿUyayna ein starkes Gedächtnis besaß, unterliegt keinem Zweifel. Als er in seinem 13. Lebensjahr mit seiner Familie nach Mekka auswanderte, traf er ʿAmr b. Dīnār (gest. 126/744), der später einer seiner wichtigsten Lehrer 1586 Fasawī, al-­Maʿrifa, I, S. 405. 1587 Ḏahabī, Siyar, IX, S. 157. 1588 Ebenda, S. 203. 1589 Ḏahabī, Tezkira, I, S. 203, VIII, S. 393. 1590 Ḏahabī, Siyar, IX, S. 530. 1591 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 179; Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 189; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 461; Tārīḫ, XIII, S. 194.

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wurde und von dem er am meisten überlieferte, zum ersten Mal vor der Gebetsstätte. Hier tradierte ʿAmr b. Dīnār ihm acht Hadithe, und Ibn ʿUyayna lernte diese auswendig, während er ʿAmr b. Dīnārs Esel hütete, bis dieser vom Gebet wiederkam. Als sein Lehrer die Gebetsstätte verließ, trug Ibn ʿUyayna ihm diese acht Hadithe vor, sodass es ihm gelang, ʿAmr aufzufallen. Die Gedächtnisstärke von Ibn ʿUyayna gefiel ʿAmr und er betete „Möge Allah dich segnen!“1592 Berücksichtigt man, dass der Mekkaner Ḥumaydī (gest. 219/834), der eine der wichtigsten Schüler von Ibn ʿUyayna und ebenso einer der wichtigsten Lehrer von Buḫārī (gest. 256/870) war, 19 Jahre lang am Unterricht von Sufyān b. ʿUyayna teilnahm und 10 000 Hadithe auswendig lernte, die von diesem überliefert wurden,1593 so fällt auf, dass sich in der unmittelbaren Umgebung von Ibn ʿUyayna gedächtnisstarke Hadith-­Gelehrte befanden. Ein Tradierer, der ein Ḥāfiẓu l-­Ḥadīṯ war, musste aber nicht unbedingt zugleich auch zuverlässig sein.1594 Neben einem starken Gedächtnisvermögen mussten im Hinblick auf die Überlieferung auch andere Bedingungen erfüllt sein. Die Wichtigkeit, die diesem Kriterium dessen ungeachtet beigemessen wurde, führte in den folgenden Jahrhunderten dazu, viele Werke über die Ḥāfiẓu l-­Ḥadīṯ zu verfassen. Die berühmtesten Werke in diesem Genre sind Kibāru l-­ Ḥuffāẓ von Ibnu l-­Ǧawzī (gest. 597/1201) und Taḏkiratu l-­Ḥuffāẓ von Ḏahabī (gest. 748/1347).

3.3.3 Beherrschung der arabischen Sprache Da der Koran und die Hadithe, welche die grundlegenden Quellen der islamischen Wissenschaften darstellen, in Arabisch geschrieben sind, wird von den religiösen Autoritäten natürlich eine dementsprechende Beherrschung dieser Sprache erwartet, um die Obliegenheit, diese beiden Quellen richtig zu verstehen und zu interpretieren, erfüllen zu können. Die Beherrschung der arabischen Sprache hatte daher im 2. Jahrhundert n. H., in dem sehr dynamische wissenschaftliche Arbeiten durchgeführt wurden, einen wachsenden Einfluss auf die Zuverlässigkeit der Überlieferer und somit auch auf deren Ansehen als Autoritäten. In diesem Zusammenhang führte die nach der arabischen Grammatik inkorrekte Aussprache eines Hadithes zu einer negativen Bewertung des jeweiligen Überlieferers. So wurde auch Abū Ḥuḏayfa an-­Nahdī (gest. 220/835), ein basrischer Schüler von Ṯawrī, der in seinen Überlieferungen 1592 Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 460; Tārīḫ, XIII, S. 194. 1593 Ḏahabī, Siyar, X, S. 617 f. 1594 Kandemir, M. Yaşar, Hâfız, in: DİA, XV, S. 79.

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Taṣḥīf1595 beging, von einigen Hadith-­Wissenschaftlern kritisiert, weswegen der basrische Kritiker Bundār (gest. 252/866) auch sagte, dass er schwach sei.1596 Ibn Ḥibbān hat wahrscheinlich aus diesem Grund vermerkt, dass Abū Ḥuḏayfa in seinen Überlieferungen Fehler begangen habe.1597 Der bekannte arabische Grammatiker und Autor des Kitābu l-ʿAyn, das als das erste Wörterbuch der arabischen Sprache gilt, Ḫalīl b. Aḥmad al-­Farāhīdī (gest. 175/791), der die Syntax (ʿIlmu n-­Naḥw) und Metrik (ʿIlmu l-ʿArūḍ) systematisierte,1598 sagte über Ayyūb as-­Saḫtiyānī al-­Baṣrī (gest. 131/748), der von Sufyān aṯ-­Ṯawrī als „einer der vier Beispiellosen in Basra“ bezeichnet und von Šuʿba als „Sayyidu l-­Fuqahāʾ= der Herr der Fiqh-­Gelehrten“ gelobt wurde1599 und einer der 86 Tābiʿūn-­Gelehrten war, die Ibn ʿUyayna traf und der durch die Aussage Ibn ʿUyaynas, dass keiner unter ihnen sei wie er, herausgestellt wurde,1600 Folgendes: „Ayyūb beging in einem Buchstaben einen Fehler und [nachdem er seinen Fehler berichtigt hatte] sagte er ‚Astaġfirullāh’“ [= Ich bitte um Allahs Vergebung].1601

Diese Tatsache beweist, wie sehr die Überlieferer von den Kritikern beobachtet wurden, gleich wer es auch war. Sofern ein Fehler begangen wurde, wurde dieser auch notiert, was zeigt, wie sehr die Beherrschung der arabischen Grammatik die Zuverlässigkeit der Überlieferer und somit auch den Aufstieg zur Autorität beeinflusste.

3.3.4 Balance zwischen der Objektivität und der Ehrerbietung (Adab) gegenüber den Wissenschaftlern Im Folgenden zeigt sich, dass in der islamischen Tradition der Ehrerbietung gegenüber den Gelehrten im Allgemeinen und insbesondere im Lehrer-­Schüler-­ Verhältnis eine große Relevanz zugewiesen wird. Da die Ehrerbietung gegenüber einem Gelehrten sich im Grunde nicht auf dessen Person, sondern auf dessen Wissen bezieht, wird die Beachtung dieser Tugend, sei es auf der Schülerseite 1595 Bei der Hadith-­Tradierung einen Fehler in einem Punkt, Buchstaben oder Vokal zu begehen; siehe Aydınlı, Hadis Istılahları Sözlüğü, S. 150 f.; Koçyiğit, Hadis Istılahları, S. 428 f. 1596 Ḏahabī, Siyar, X, S. 138 f. 1597 Ibn Ḥibbān, aṯ-­Ṯiqāt, IX, S. 160. 1598 Topuzoğlu, Tevfik Rüştü, Halil b. Ahmed, in: DİA, İstanbul 1997, XV, S. 309; Sellheim, R., al-­Khalil b. Aḥmad, in: EI2, (New Edition), Leiden 1997, IV, S. 962 f. 1599 Ḏahabī, Siyar, VI, S. 19. 1600 Ebenda, S. 17. 1601 Ebenda, S. 20.

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gegenüber dem Lehrer oder auch auf Seiten der religiösen Autoritäten untereinander, als eine Respektierung der Wissenschaft angesehen. Aus diesem Grunde nahm die Ehrerbietung ihren Platz unter den unabdinglichen Charakteristika der zur religiösen Autorität gewordenen Gelehrten ein. So brachte Sufyān aṯ-­Ṯawrī seine Ehrerweisung gegenüber Šuʿba b. al-­Ḥaǧǧāǧ (gest. 160/776), dem bekannten basrischen Hadith-­Gelehrten, zum Ausdruck, indem er Salm b. Kutayba (gest. 200/815), den Schüler von Šuʿba b. al-­Ḥaǧǧāǧ, fragte: „Was tut unser Meister Šuʿba?“1602, und dass Šuʿba wiederum mit seiner Aussage „Ich bin der Diener von all denen, von denen ich auch nur einen einzigen Hadith niedergeschrieben habe“1603 seine äußerste Ehrerweisung gegenüber denjenigen äußerte, von denen er profitierte. Die führenden Gelehrten der Zeit behandelten Ibn ʿUyayna mit äußerstem Respekt, um von seinem Wissensgut profitieren zu können. In diesem Kontext berichtete ʿAbdurraḥmān b. Mahdī von Maḥmūd b. Ᾱdam al-­Marwazī, dass er Folgendes sagte: „Ich sah Wakīʿ in der Anwesenheit von Ibn ʿUyayna in niemals einem anderen Zustand als sich niederkniend und schweigend.“1604

Dass gleichermaßen Ibn ʿUyayna diese Tugend im höchsten Grade beachtete, zeigte er, indem er aus Respekt vor seinem engen Freund Fuḍayl b. ʿIyāḍ (gest. 187/802), dem mekkanischen Hadith-­Gelehrten, diesem zwei Mal die Hand küsste.1605 Hierbei ist auch zu erwähnen, dass alle Teilnehmer einer Sitzung von ʿAbdurraḥmān b. Mahdī diesem dermaßen aufmerksam und ehrfürchtig zuhörten, als ob sie sich im Gebet befänden oder auf ihren Köpfen ein Vogel säße, den sie zu erschrecken befürchteten. Falls jemand die Ruhe der Sitzung gestört haben sollte, indem er etwas sagte, lachte oder aufstand, zog sich Ibn Mahdī seine Schuhe an und verließ die Sitzung.1606 Es ist zu verstehen, dass es der praktische Sinn einer solchen Ehrerbietung war, im höchstmöglichen Grade von dem Lehrer zu profitieren. Als beispielsweise ʿAbdullāh b. al-­Mubārak (gest. 181/797), einer aus dem engsten sechsköpfigen Schülerkreis von Ṯawrī, in Anwesenheit von Ibn ʿUyayna mit einer Fragestellung konfrontiert wurde, wies er mit seiner Antwort „Im Beisein unserer großen Ge1602 Ḏahabī, Siyar, VII, S. 212. 1603 Ebenda, S. 208. 1604 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 50. 1605 Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 438. 1606 Ḏahabī, Siyar, IX, S. 201, 202.

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lehrten zu sprechen wurde uns verboten“,1607 darauf hin, dass er die Beantwortung der Frage Ibn ʿUyayna überließ, um über sein bereits vorhandenes Wissen hinaus von Ibn ʿUyaynas Wissen zu profitieren und somit sein eigenes Wissen erweitern zu können. Es wird auch berichtet, dass die bedeutendsten Schüler von Ibn ʿUyayna, wie Aḥmad b. Ḥanbal (gest. 241/855), ʿAlī b. al-­Madīnī (gest. 234/849) und Yaḥyā b. Maʿīn (gest. 233/848), vor Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān (gest. 198/813), der eine Ehrfurcht einflößende Persönlichkeit besaß, mit gefalteten Händen standen und in diesem Zustand von ihm Hadithe erfragten, und dass zudem auch die Fiqh-­ Gelehrten ihm großen Respekt erwiesen und ihm stillschweigend zuhörten, wenn er das Wort ergriff.1608 Über den ehrerbietigen Umgang der Wissenschaftler jener Zeit miteinander gibt es noch weitere Quellenbelege, die zeigen, dass ein solcher Umgang als ein wichtiges Prinzip in den damaligen Wissenschaftskreisen galt. An dieser Stelle ist allerdings zu ergänzen, dass zwischen der Ehrerbietung während des Wissensaustausches und zwischen der Objektivität sorgfältig unterschieden wurde. Daher wurden auch jegliche Fehler, von wem sie auch stammen mochten, zwar im Rahmen des respektvollen Umgangs miteinander, jedoch ohne Vorbehalt zum Ausdruck gebracht, und es wurde niemand tabuisiert. Zum Beispiel sagte Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān (gest. 198/813), der dem engsten sechsköpfigen Schülerkreis Ṯawrīs angehörte und ein besonders hohes wissenschaftliches Ansehen genoss: „Immer wenn ich einen Fehler beging, sagte Ṯawrī zu mir: ‚Oh Yaḥyā, du hast einen Fehler begangen.‘ Eines Tages übermittelte mir Ṯawrī einen Hadith über goldene und silberne Behälter mit der Überliefererkette: ʿUbaydullāh => Nāfiʿ => Ibn ʿUmar. So sagte ich zu ihm: ‚Du hast einen Fehler begangen, oh Abā ʿAbdillāh! Jenes sollte für dich leichter sein: ʿUbaydullāh hat von Nāfiʿ und dieser von Yazīd b. ʿAbdillāh und dieser von ʿAbdullāh b. ʿAbdirraḥmān und dieser von Ummu Salama folgendes berichtet.‘ Daraufhin antwortete Ṯawrī: ‚Du hast recht.‘“1609

In diesem Kontext entstand im Beisein des basrischen Kritikers Šuʿba (gest. 160/776), einem der gemeinsamen Lehrer der Sufyānayn, eine Kontroverse über ein Thema. Die anwesenden Personen erwarteten von Šuʿba, dass er einen vermittelnden Richter bestimmte, woraufhin er seine Zustimmung zu Yaḥyā b.

1607 Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 420. 1608 Mizzī, Tahḏīb, XXXI, S. 339; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, XI, S. 192. 1609 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, XIV, S. 136 f.; Mizzī, Tahḏīb, XXXI, S. 334 f.; Ḏahabī, Siyar, IX, S. 184; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, XI, S. 190 f.

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Saʿīd al-­Qaṭṭān äußerte. Als Yaḥyā trotz der Tatsache, dass Šuʿba sein Lehrer war, schließlich sein Urteil gegen Šuʿba fällte, sagte Šuʿba zu seinem von Geburt aus schielenden Schüler Yaḥyā: „Wer kann sich denn deiner Kritik widersetzen, oh Schieler!“1610, und brachte somit sein Vertrauen zu ihm und seine Anerkennung zum Ausdruck. Außerdem können die zuvor thematisierten Kritikpunkte, denen Ṯawrī und Ibn ʿUyayna ausgesetzt waren, und die Tatsache, dass sogar ein kleiner Buchstabenfehler von Ayyūb as-­Saḫtiyānī vermerkt wurde, hier als weitere Beispiele erwähnt werden.

3.3.5 Religiosität und die Korrelation von Wissen und Praxis Untersucht man den Koran, so ist festzustellen, dass an sehr vielen Stellen nach dem Glauben die religiöse Praxis Erwähnung findet,1611 die Koexistenz von Wissen und Praxis intensiv betont wird, die Praxis ohne Wissen oder das Wissen ohne praktische Umsetzung nicht als positiv angesehen wird, und dass Allah mit dem Ungehorsam (Fisq) nicht zufrieden ist.1612 Als Widerspiegelung dieser Auffassung wird in der islamischen Wissenschaftstradition der Koexistenz von Wissen und Praxis eine große Relevanz beigemessen, und die praktische Umsetzung wird als ein unzertrennliches Charakteristikum des Wissens angesehen, denn die religiöse Autorität hat eine Vorbildfunktion. Wenn sie die Gebote des Islam nicht ernst nimmt, dann wird sie keine Glaubwürdigkeit bei den Menschen haben und in der breiten Masse der Muslime keine Akzeptanz erfahren. Die religiöse Autorität erlangt das Ansehen, die Würde und den Respekt nicht ohne die vorbildhafte Tat.1613 Im 2. Jahrhundert n. H., in dem das Fundament der islamischen Wissenschaften gelegt wurde, wurden neben den wissenschaftlichen Tätigkeiten der Gelehrten auch ihre praktischen Lebensweisen seitens der Kritiker genau beobachtet. Die praktische Lebensweise der Tradierer wurde im Allgemeinen

1610 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ,  IX, S.  150; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād,  XIV, S.  136; Mizzī, Tahḏīb, XXXI, S. 334; Ḏahabī, Siyar, IX, S. 180. 1611 Siehe Māʾida, 5/69; Kahf, 18/88; Maryam, 19/60; Ṭāhā, 20/82; Qaṣaṣ, 28/67, 80; Sabaʾ, 34/37. 1612 Tawba, 9/96. 1613 Yoldas, Mustafa, Fachkompetenz für muslimische Theologen. Eine Stellungnahme der Schura zur Errichtung einer Professur in islamischer Theologie, in: Neumann, Ursula, Islamische Theologie: internationale Beiträge zur Hamburger Debatte, Hamburg 2002, S. 149.

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unter dem Aspekt der „Gerechtigkeit“ (ʿAdāla)1614 und die Tragweite ihrer wissenschaftlichen Kompetenz unter dem Aspekt der „Merkfähigkeit“ (Ḍabṭ)1615 untersucht, um ihre Zuverlässigkeit festzustellen. Dabei wurde laut der Uṣūlu l-­Ḥadīṯ-­Wissenschaft unter dem Begriff der „Gerechtigkeit“ von denen, die eine religiöse Autorität sein sollten, abverlangt, dass sie gottesfürchtig waren, sich von den großen Sünden fernhielten, in kleinen Sünden nicht verharrten und jegliche Tat vermieden, die nach der Anschauung der Gesellschaft ihre Würde befleckte und ihren Ruf beschädigen würde, auch wenn die Tat religiös erlaubt (mubāḥ) sein sollte.1616 Zudem wurde insbesondere in den Kreisen der Ahlu r-­Raʾy zum Ausdruck gebracht, dass es die Gerechtigkeitseigenschaft des Tradierers beschädigen würde, wenn er seiner eigenen Überlieferung zuwider handeln oder eine Rechtsauskunft erteilen sollte, welche im Widerspruch zu seiner eigenen Überlieferung stand.1617 Da solche Personen, die diesen von den Hadith-­Kritikern unter dem Begriff der „Gerechtigkeit“ aufgestellten Kriterien nicht gerecht werden konnten, nicht als zuverlässig angesehen wurden, wurden sie von breiten Kreisen natürlicherweise auch nicht als religiöse Autorität anerkannt. Folglich lässt sich mit Sicherheit festhalten, dass neben der wissenschaftlichen Bedeutung auch die Lebenspraxis der Gelehrten von großer Bedeutung war, um als Autorität anerkannt zu werden. In diesem Zusammenhang ist zu beobachten, dass die Hadith-­Kritiker des 2. Jahrhunderts n. H. die Koexistenz von Wissen und Praxis als äußerst relevant erachteten und diese Anschauung sowohl auf persönlicher als auch auf gesellschaftlicher Ebene anwandten. Die Allgemeinheit der Religionsgelehrten dieser Epoche sah die Praxis als den Einklang zwischen dem Glauben und der praktischen Lebensweise und als einen Beweis für die Aufrichtigkeit gegenüber Allah an. Dies betraf die persönliche Seite des Themas, denn als an Ṯawrī die Frage „Ist dir das Streben nach Wissen oder die Praxis lieber?“ gestellt wurde, erwiderte er: 1614 In der Hadith-­Terminologie bedeutet ʿAdāla eine Charaktereigenschaft, die den Menschen dazu führt, die Gebote Allahs zu erfüllen, seine Verbote zu meiden und sich von Worten und Handlungen fernzuhalten, welche in der Öffentlichkeit seine Persönlichkeit verletzen. Siehe Aydınlı, Hadis Istılahları Sözlüğü, S. 31. 1615 Fachspezifisch bedeutet Ḍabṭ, dass ein Tradierer einen Hadith so, wie er ihn aufnahm, bis zum Zeitpunkt seines Tradierens bewahrt. Siehe Aydınlı, Hadis Istılahları Sözlüğü, S. 162. 1616 Zurqānī, Šarḥu Manẓūmati l-­Bayqūniyya, S. 44 f. 1617 Šaʿbān, Zakiyuddīn, Uṣūlu l-­Fiqh, S. 75.

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„Das Wissen wird nur verlangt, um zu praktizieren. Höre nicht auf, für die Praxis nach Wissen zu streben und um des Wissens willen zu praktizieren!“1618

Gleichermaßen äußerte Ibn ʿUyayna seine Ansicht, dass mit dem im Vers „Sicherlich besitzt er Wissen [ḏū ʿIlm], denn wir lehrten ihn …“1619 genannten „ḏū ʿIlm“ „Jemand, der sein Wissen praktiziert“ gemeint ist, und jener, der nicht gemäß seinem Wissen handelt, kein wahrer Gelehrter sei.1620 Was die gesellschaftliche Dimension dieses Themas anbelangt, so ist zu beobachten, dass die Gelehrten der Epoche unter Berücksichtigung der Gesellschaftspsychologie auch der allgemeingültigen Auffassung der Gesellschaft über die religiöse Praxis Relevanz beimaßen. So sagte Ibn Šihāb az-­Zuhrī (gest. 124/742), einer der beiden bedeutendsten Lehrer von Ibn ʿUyayna, in diesem Zusammenhang: „Die Menschen werden mit den Taten von den Gelehrten, die ihr Wissen nicht praktizieren, und von denjenigen, die ohne Wissen praktizieren, nicht zufrieden sein.“1621

Wie aus dieser Aussage zu verstehen ist, bildete nach Zuhrī die Koexistenz von Wissen und Praxis für die Gesellschaft einen großen Maßstab, um jemanden als religiöse Autorität anzuerkennen und ihm Achtung zu schenken. Entlang der Geschichte setzten die muslimischen Gesellschaften bei den Gelehrten immer voraus, dass diese keine Lebensweise führten, die ihrer Gelehrsamkeit widersprach. Darüber hinaus wurde von ihnen sogar erwartet, im Vergleich zu den ungelehrten Muslimen sehr viel mehr Wert auf die Religionsausübung zu legen. So legte der Mekkaner Fuḍayl b. ʿIyāḍ (gest. 187 /804), der einer der engen Freunde Ṯawrīs war und darauf aufmerksam machte, dass das ʿIlm eine große Verantwortung abverlange und die Religionsausübung ohne ʿIlm schade, durch seine von Sufyān b. ʿUyayna überlieferte Aussage „Bevor einer Sünde eines Gelehrten vergeben wird, werden siebzig Sünden eines Ungelehrten vergeben“1622 dar, dass die wissentlich begangenen Sünden schandbarer sind als die unwissentlich begangenen und dass deshalb die Verantwortung der Gelehrten weitaus größer ist. Ein weiterer interessanter Grund dafür, dass die Allgemeinheit der Gelehrten des 2. Jahrhunderts n. H. der Religionspraxis und Vermeidung von Sünden eine große Bedeutung beimaß, war die von ihnen vertretene Ansicht, dass Sünden dem 1618 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 12. 1619 Yūsuf, 12/68. 1620 Muḫayirī, Tafsīru Sufyān b. ʿUyayna, S. 275. 1621 Ḏahabī, Siyar, V, S. 341. 1622 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 286.

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Gedächtnis schaden würden. So antwortete zum Beispiel der bereits genannte Wakīʿ b. al-­Ǧarrāḥ auf die Frage von ʿAlī b. Ḫašram (gest. 257/871) aus Marw, was das Heilmittel gegen die Vergesslichkeit sei, folgendermaßen: „Das Vermeiden von Ungehorsam gegen Allah. Nach meiner Erfahrung gibt es nichts anderes als dies, das so sehr das Gedächtnis bewahrt.“1623

Zusätzlich dazu, dass die Allgemeinheit der Gelehrten des 2. Jahrhunderts n. H. die Koexistenz von Wissen und Praxis als sehr wichtig erachtete, sei es um ihre Vertrauenswürdigkeit innerhalb der Wissenschaftskreise zu bewahren oder als aufrichtige Muslime das Vertrauen der Gesellschaft zu gewinnen oder ihr Gedächtnisvermögen zu pflegen, ist zu beobachten, dass sie ein gottesfürchtiges Leben führten, indem sie sich nicht nur von Sünden fernhielten, sondern sich weitaus mehr als die einfachen Menschen den Anbetungen widmeten, gleichzeitig aber ihre wissenschaftliche Tätigkeiten keineswegs vernachlässigten. Hierzu liefern die Quellen sehr viele Informationen. So äußerte sich zum Beispiel Sufyān b. ʿUyayna über ʿAmr b. Dīnār (gest. 126/744), einen seiner zwei bedeutendsten Lehrer: „ʿAmr b. Dīnār teilte seine Nächte in drei Abschnitte auf. In einem Abschnitt schlief er, in einem anderen Abschnitt studierte er Hadithe und im letzten Abschnitt verrichtete er Gebete.“1624

Über Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān (gest. 198/813) aus Basra sagte sein Schüler Bundār (gest. 252/866): „Ich bin zwanzig Jahre lang zu ihm hingegangen und habe niemals eine einzige Ungehorsamkeit von ihm gegen Allah gesehen. Außerdem maß er weltlichen Gütern keine Bedeutung bei.“1625

In dieser Epoche ist zu beobachten, dass unter dem Begriff der ʿIbāda das Verrichten des Gebets (Ṣalāh), das Fasten, die Rezitation des Koran, die Pilgerfahrt und die intensive Unterrichtung von Schülern verstanden wird. Allerdings ist das damalige Bemühen, diese Aktivitäten durchzuführen, ohne dabei vom sozialen Leben abgeschottet zu werden, bemerkenswert. Beispielsweise wurde übermittelt, dass Šuʿba b. al-­Ḥaǧǧāǧ (gest. 160/776) aus Basra, einer der gemeinsamen Lehrer der Sufyānayn, dermaßen viele Anbetungen ausübte und dazu alle zwei Tage fastete (Ṣawmu d-­Dahr) und viele Gebete verrichtete, dass er fast nur noch aus 1623 Mizzī, Tahḏīb, XXX, S. 480; Ḏahabī, Siyar, IX, S. 151; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, XI, S. 113. 1624 Ḏahabī, Siyar, V, S. 302. 1625 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, XIV, S. 142; Mizzī, Tahḏīb, XXXI, S. 340; Ḏahabī, Siyar, IX, S. 178; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, XI, S. 192.

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Haut und Knochen bestand.1626 In den Überlieferungen ist auch zu finden, dass der bekannte basrische Kritiker ʿAbdurraḥmān b. Mahdī (gest. 198/813–14), der neben seiner Gelehrsamkeit auch sehr fromm war, die gemeinschaftliche Verrichtung des Ṣalāh als sehr wichtig ansah, jedes Jahr pilgerte und jede Nacht die Hälfte des Koran rezitierte und analysierte.1627 Bezüglich dessen, dass die Allgemeinheit der Gelehrten der Ära die Koexistenz von Wissen und Praxis in ihrem Leben umsetzte, sind viele weitere Überlieferungen vorhanden. Anhand dieser Informationen lässt sich mit Gewissheit folgern, dass zu jener Zeit dem Wissen und der auf dem Wissen basierenden Praxis eine große Bedeutung beigemessen wurde und dies bei der Akzeptanz eines Gelehrten als Autorität eine einflussreiche Rolle spielte.

3.3.6 Vortrefflicher Charakterzug Es ist zu beobachten, dass die religiösen Autoritäten des 2. Jahrhunderts n. H. großen Wert darauf legten, über eine gute Ethik zu verfügen. Es gibt einige Koranverse und Hadithe (Naṣṣ), die diese Persönlichkeiten, welche die Mission, die Religion den Nachfolgegenerationen zu übermitteln, erfüllten, auf diesen Weg hinleiteten. Beispielsweise wird im Koran dem Propheten in diesem Sinne gesagt: „Wahrlich verfügst du über einen vortrefflichen Charakterzug.“1628 Es wurde tradiert, dass der Prophet sagte: „Ich wurde entsandt, um die gute Moral [ḥusnu l-­Ḫuluq] zu vervollständigen.“1629 Dem ist zu entnehmen, dass das Wissen allein nicht ausreicht, sondern auch ein edler Charakter eine wichtige Rolle einnimmt. Bülent Uçar meint hierzu: „Der Prophet betont nicht nur die Bedeutung von Kenntnissen: Der Beste unter euch ist derjenige, der den Koran lernt und lehrt, sondern auch der Beste unter euch ist derjenige, der den schönsten Charakter bzw. die schönste Moral hat.“1630 Diese Aussage verdeutlicht, dass nicht nur das reine Wissen, sondern auch vortreffliche Charaktereigenschaften von großer Bedeutung waren. Da bei der Untersuchung der Ethik der Sufyānayn sowie der ihrer Gelehrten und Schüler bereits einige Beispiele für ihre guten Charakterzüge genannt wurden, werden diese hier nicht wiederholt. Stattdessen gilt es zu untersuchen, 1626 Ḏahabī, Tezkira, I, S. 144 f. 1627 Ḏahabī, Siyar, IX, S. 203 f. 1628 Qalam, 68/4. 1629 Mālik b. Anas, Abū ʿAbdillāh Mālik b. Anas al-­Aṣbahī (gest. 179/795), Muwaṭṭaʾu Mālik (Riwāyatu Yaḥyā al-­Layṯī), ed. Muḥammad Fuʾād ʿAbdulbāqī, Dāru Iḥyāʾi t-­Turāṯi l-ʿArabī, Ägypten, o. J., II, S. 904; Aḥmad b. Ḥanbal, Musnad, II, S. 381. 1630 Uçar, Bülent, Islamische Theologie in Deutschland?, in: Herder Korrespondenz, Heft Spezial 2, Berlin 2009, S. 35.

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warum hohe moralische Ansprüche Auswirkungen darauf haben, ob jemand eine religiöse Autorität wurde. Im Wissenschaftsverständnis jener Zeit wurde es als Widerspruch zwischen der persönlichen Handlung und eigenen Überlieferung wahrgenommen, wenn jemand den Menschen Überlieferungen über die in den Naṣṣ empfohlenen Prinzipien des vortrefflichen Charakters, wie Großzügigkeit, Bescheidenheit, Sanftmütigkeit und Geduld, zwar tradierte, diese Prinzipien jedoch selbst vernachlässigte. Aus diesem Grund war es in den wissenschaftlichen Kreisen ein unausgesprochenes Gesetz, keine Personen mit verwerflichem Charakterzug zu lehren und von diesen auch kein Wissen anzunehmen. In Anbetracht dessen, dass ein Gelehrter Profanem nicht nachstreben sollte, sagte Ṯawrī: „Mir gefällt die Genügsamkeit des Hadith-­Wissenschaftlers. Denn wahrlich erreichen Plagen diesen eher. Die Kritik der Menschen richtet sich eher auf ihn.“1631

Er drückte damit aus, dass den Personen mit verwerflichem Charakterzug, die die Tiefen, Zwecke und Werte des Wissens nicht begriffen und üble Taten begingen, kein Wissen gelehrt werden sollte, und er erwartete diesbezüglich von den Gelehrten mehr Feinfühligkeit. Daneben war eine gute Ethik auch wichtig für die Gesellschaftspsychologie. Im Vergleich zu einfachen Menschen standen die Charaktereigenschaften von Gelehrten viel mehr unter den wachsamen Augen der Öffentlichkeit. Aus diesem Grund war dies, wenn jemand zwar über Wissen und Praxis, aber über keine gute Ethik verfügte, ein Umstand, der beim Volk Antipathie erweckte und das Ansehen beschädigte. Auf der anderen Seite stellte der Besitz einer guten Ethik beim Volk unweigerlich eine Sympathie und ein Vertrauen her. Eine gute Ethik beeinflusste daher sowohl persönlich als auch gesellschaftlich das Ansehen des Gelehrten und wirkte sich auf seine religiöse Autorität aus. Allerdings ist dabei zu betonen, dass das ausschließliche Verfügen über eine gute Ethik nicht ausreichend dafür war, den Status einer religiösen Autorität zu erlangen.

3.3.7 Akribie bei der Tradierung Im Rahmen der im 2. Jahrhundert n. H. intensiv durchgeführten Tradierungsaktivitäten ist zu beobachten, dass die damaligen Gelehrten bei der richtigen Überlieferung der Hadithe, die bei der Lösung von religiösen Problemfeldern als Referenz gelten konnten, viele Kräfte ausschöpften. Die von ihnen über1631 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VI, S. 369.

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lieferten Hadithe wurden in den späteren Jahrzehnten nämlich kommentiert und dienten den religiösen Texten, die der Gestaltung des praktischen Lebens zugrunde lagen, als Quelle. Aus diesem Grund wurde die Überlieferung von Dingen, die nicht zum Ursprung der Religion gehörten, als eine große Sünde bewertet, wenn sie dem Schein erwecken sollten, als entsprängen sie sehr wohl der Religion. So bemühte man sich stets, gesunde Überlieferungen von nicht gesunden zu unterscheiden. Der wichtigste Grund, der die Gelehrten zu diesem Verständnis motivierte, waren wohl folgende Worte des Propheten: „Wer in meinem Namen absichtlich einen Hadith erfindet, der bereite in der Hölle seinen Platz!“1632 Ausgehend davon wurden die Ketten (Sanad) und Texte (Matn) der Überlieferungen von den Kritikern dieser Zeit akribisch auf ihre Gesundheit (Ṣiḥḥa) hin überprüft. Ṯawrī und der bekannte basrische Kritiker Šuʿba b. al-­Ḥaǧǧāǧ, die sich der großen Verantwortlichkeit bei Überlieferungsaktivitäten bewusst waren, sagten: „Ich fürchte Nichts, das mich in die Hölle fördern könnte, als meine Beschäftigung mit der Hadith-­Wissenschaft.“1633 Ṯawrī, der in diesem Sinne offen ausdrückte, dass die Überlieferungen von jemandem, der log, abgelehnt würden,1634 brachte die Wichtigkeit der Überliefererkette wie folgt zum Ausdruck: „Die Überliefererkette ist die Waffe des Mumins. Womit soll eine Person kämpfen, die keine Waffe hat?!“1635. Auch Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān, der für seine Spezialisierung auf den Bereich der Hadith-­Tradierer bekannt war,1636 sagte: „Schaut euch nicht den Hadith an. Schaut euch die Überliefererkette des Hadiths an. Wenn die Überliefererkette gesund ist, dann ist es in Ordnung. Lasst euch nicht von dem Hadith täuschen, wenn die Überliefererkette nicht gesund ist.“1637

Er wies damit auf die Wichtigkeit der Überprüfung von Überliefererketten hin. Der Mekkaner Fuḍayl b. ʿIyāḍ (gest. 187/802), der zum engsten Freundeskreis Ṯawrīs gehörte und der sich der zuvor geschilderten Verantwortung ebenfalls bewusst war, drückte mit folgenden Worten aus, dass ihm die Hadith-­Überlieferung sehr schwerfiel:

1632 Buḫārī, ʿIlm, 39, Aḥādīṯu l-­Anbiyāʾ, 60; Muslim, Muqaddima, 2. Da dieser Hadith von etwa 100 Prophetengefährten überliefert wurde, wird er von den Hadith-­Autoritäten als Mutawātir akzeptiert. Siehe Zurqānī, Šarḥu Manẓūmati l-­Bayqūniyya, S. 117. 1633 Ibn Saʿd, at-­Ṭabaqātu l-­Kubrā, VII, S. 280; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 213, 255. 1634 Abū Nuʿaym, Ḥilyatu l-­Awliyā, VII, S. 72. 1635 Ḏahabī, Siyar, VII, S. 273 f. 1636 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, X, S. 246. 1637 Ḏahabī, Siyar, IX, S. 188.

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„Wenn du nur von mir einen Dinar gefordert hättest! Deine Forderung eines Dinars fiele mir leichter als deine Forderung eines Hadiths.“1638

In den seinerzeitigen Überlieferungsstudien galt das Prinzip, ausschließlich die Überlieferungen von zuverlässigen Gelehrten zur Grundlage zu nehmen. Einer der sechs engsten Schüler Ṯawrīs, der Basrenser ʿAbdurrahmān b. Mahdī (gest. 198/813–14), sagte beispielsweise, dass jemandes Rechtsauskunft bezüglich eines Themas haram sei, es sei denn, er höre sie von einem zuverlässigen Gelehrten. ʿAbdurrahmān b. Mahdī selber akzeptierte die Überlieferungen mancher Leute nicht, die von der Ṣaḥāba überlieferten, da er sich über deren Authentizität nicht sicher war.1639 Ibn Ḥibbān (gest. 354/965), einer der Kritiker aus dem 4. Jahrhundert n. H., bezeichnete Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān und ʿAbdurrahmān b. Mahdī als die zwei Personen, welche den Zustand der Hadith-­Überlieferer am penibelsten inspizierten und die schwachen Überlieferer am konsequentesten ausschieden. Sie entwickelten somit diese Überlieferungskritik zu einer Kunst, entfernten sich jedoch nicht von der Religiosität, unterließen Zweifelhaftes (Waraʿ) und beherrschten den Fiqh der Hadithe gut.1640 Somit zeigt sich hier am Beispiel dieser zwei Persönlichkeiten die Akribie der führenden Gelehrten jener Zeit bei Überlieferungsaktivitäten. Unter den Informationen ist auch zu finden, dass Abū Nuʿaym Faḍl b. Dukayn (gest. 219/834), der sich unter den sechs engsten Schülern Ṯawrīs befand, vor allem die Hadithe, die er von Ṯawrī auswendig lernte, ohne jegliche Änderungen und jedes Mal mit demselben Wortlaut überlieferte und bei seinen Überlieferungen unter niemandes Einwirkungen und Einfluss stand. Höchstwahrscheinlich wies Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān auf diese Seite von ihm mit folgenden Worten hin: „Nachdem dieses Schielauge mit mir übereinstimmte, nehme ich diejenigen, die sich mir widersetzen, nicht zur Kenntnis.“1641

Viele Quellen weisen auch auf die Bedeutung des Kriteriums „Akribie bei der Tradierung“ hin. So legt die Aussage ʿAbdurrahmān b. Mahdīs „Jemand, der alles überliefert, was er hört, von jedem überliefert und Ausnahmeansichten überliefert, 1638 Abū Nuʿaym, Ḥilyatu l-­Awliyā, VIII, S. 87. 1639 Ibn Ḥibbān, aṯ-­Ṯiqāt, VIII, S. 373; Ḏahabī, Siyar, IX, S. 206. 1640 Ibn Ḥibbān, Abū Ḥātim Muḥammad b. Ḥibbān at-­Tamīmī al-­Bustī, (gest. 354/965), al-­Maǧrūḥīn mina l-­Muḥaddiṯīn wa d-­Duʿafāʾ wa l-­Matrūkīn, ed. Maḥmūd Ibrāhīm Zāyid, o. O., o. J., I, S. 52; Ḏahabī, Siyar, IX, S. 206. 1641 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, VI, S. 178; Mizzī, Tahḏīb, XXIII, S. 212 f.; Ḏahabī, Siyar, X, S. 148, 151, 156.

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der kann in der Wissenschaft kein Imam werden“1642 dar, wie viel Wert in den damaligen wissenschaftlichen Kreisen bei der Bewertung eines Gelehrten als Autorität auf das Kriterium einer akribischen Tradierung gelegt wurde.

3.3.8 Beurteilungen der anderen religiösen Autoritäten derselben Ära Wenn man die Quellen untersucht, so ist festzustellen, dass im 2. Jahrhundert n. H. die Meinungen der bekannten Gelehrten aus unterschiedlichen Wissenszentren darüber, ob jemand als wissenschaftliche Autorität zu betrachten sei, eine äußerst wichtige Rolle einnahmen. In den intensiven Überlieferungsaktivitäten jener Zeit wurde der Wert der Überlieferungen von Gelehrten nach dem Maßstab ihrer Vertrauenswürdigkeit bemessen. Die Vertrauenswürdigkeit der Überlieferer hing dabei von ihrer Gerechtigkeit (ʿAdāla) und Merkfähigkeit (Ḍabṭ) ab, die dem Urteil der anderen religiösen Autoritäten aus verschiedenen Wissenschaftskreisen unterlagen. Aus diesem Grund spielten die Beurteilungen von Hadith-­Kritikern bei der Feststellung der Vertrauenswürdigkeit von Überlieferern und bei der Akzeptanz von deren religiöser Autorität eine wichtige Rolle. Die Beurteilungen anderer Autoritäten derselben Ära über die Zuverlässigkeit der zwei Persönlichkeiten, die im Fokus dieser Arbeit stehen, und von deren Lehrern und Schülern wurden bereits vorgetragen. Daher sollen die Urteile der Kritiker, dass die Sufyānayn zuverlässige religiöse Autoritäten waren, nicht wiederholt werden. An dieser Stelle ist jedoch folgender Umstand zu betonen: Eine Person, die damals nicht als zuverlässig galt oder die ihre Zuverlässigkeit verlor, wurde nicht als religiöse Autorität anerkannt. Allein die gemeinsamen Beurteilungen der Mehrheit der anderen Gelehrten legten die Zuverlässigkeit eines Gelehrten fest. Im Rahmen der Überlieferungsaktivitäten von Gelehrten aus verschiedenen Wissenszentren wurden bereits wichtige Fakten zum Leben der Überlieferer wie ihr Name, ihr Geburts- und Sterbedatum, ihre Solidität in puncto Gedächtnis, ihre Gelehrten und Schüler, das Umfeld, in dem sie aufwuchsen, ihre religiöse Lebensweise und die Glaubenslinie, die sie befolgten, zusammengetragen. Beispielsweise wird in den Quellen erwähnt, dass der gemeinsame Lehrer der Sufyānayn, der Kūfenser Hadith-­Gelehrte Abū Ḥuṣayn (gest. 128/745), von Prophetengefährten wie Ǧābir b. Samura, ʿAbdullāh b. ʿAbbās, ʿAbdullāh b. Zubayr, Anas b. Mālik und Abū Saʿīd al-­Ḫudrī und von führenden Gelehrten der Tābiʿūn-­Generation wie Ibrāhīm an- Naḫaʿī, Šaʿbī, Qāḍī Šurayḥ, Muǧāhid und 1642 Ḏahabī, Siyar, IX, S. 203.

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Saʿīd b. Ǧubayr überlieferte.1643 Der Basrenser Hadith-­Gelehrte ʿAlī b. al-­Madīnī (gest. 234/849) zählte ihn zu den führenden Gefährten des berühmten kūfischen Hadith-­Wissenschaftlers Šaʿbī. ʿAbdurraḥmān b. Mahdī zählte Abū Ḥuṣayn, über den in den Quellen vorkommt, dass er die Annahme staatlicher Dienste und von Spenden mied1644 und in der Moschee von Kūfa 50 Jahre unterrichtete,1645 zu den vier Ḥāfiẓu l-­Ḥadīṯen in Kūfa, deren Überlieferungen ohne irgendwelche Zweifel betrachtet wurden.1646 Schließlich wurde Abū Ḥuṣayn von Autoritäten wie al-ʿIǧlī, Yaḥyā b. Maʿīn, Abū Ḥātim, Abū Nuʿaym, Aḥmad b. Ḥanbal und Nasāʾī als ṯiqa akzeptiert, und seine Überlieferungen fanden in der Kutubu Sitta Platz.1647 Dieses Beispiel möge hier genügen, da viele ähnliche Beurteilungen der Gelehrten und Schüler der Sufyānayn bereits vorgelegt wurden. Diese allgemeinen Informationen lassen es verstehen, dass andere Gelehrte ebenfalls der gleichen Kritik unterzogen wurden und dass man festzustellen versuchte, ob sie zuverlässig waren oder nicht. Ein anderer Aufmerksamkeit erregender Umstand ist der, dass das Leben der Gelehrten, die zu jener Zeit intensive wissenschaftliche Tätigkeiten ausübten, vor den Augen der wissenschaftlichen Öffentlichkeit verlief. Aus diesem Grund war es den Gelehrten hinsichtlich ihres Lernens, Lehrens und ihrer religiösen Lebensweise nicht möglich, sich zu verbergen. Beispielsweise wird in den Quellen erwähnt, dass der Basrenser Ayyūb as-­Saḫtiyānī (gest. 131/748), der zu den gemeinsamen Lehrern der Sufyānayn gehörte, sich vier Jahre lang im Lehrkreis Ḥasan al-­Baṣrīs (gest. 110/728) aus der Tābiʿūn-­Generation befand.1648 Sufyān aṯ-­ Ṯawrī zählte diesen zudem an erster Stelle unter den vier Personen in Basra, deren gleiche er nach eigener Aussage nicht begegnet sei,1649 und Sufyān b. ʿUyayna nannte ihn unter den 86 Tābiʿūn, denen er persönlich begegnete, als denjenigen, für den es keinen Ebenbürtigen gebe.1650 Ebenso ist die Information zu finden, dass der Mekkaner Ibn Ǧurayǧ (gest. 150/767), der ebenfalls ein gemeinsamer Lehrer der Sufyānayn war und der als die Persönlichkeit anerkannt wurde, die in Mekka das Wissen als Erste nieder1643 Mizzī, Tahḏīb, XIX, S. 401 f. 1644 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VI, S. 321; Mizzī, Tahḏīb, XIX, S. 406. 1645 Mizzī, Tahḏīb, XIX, S. 406. 1646 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, VI, S. 160; Mizzī, Tahḏīb, XIX, S. 403; Ḏahabī, Siyar, V, S. 413. 1647 Al-ʿIǧlī, Maʿrifa, II, S. 129; Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, VI, S. 161; Mizzī, Tahḏīb, XIX, S. 401, 403, 405. 1648 Abū Nuʿaym, Ḥilya, III, S. 11. 1649 Ḏahabī, Siyar, VI, S. 19. 1650 Abū Nuʿaym, Ḥilya, III, S. 3; Ḏahabī, Siyar, VI, S. 17.

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schrieb,1651 18 oder 19 Jahre lang Schüler von ʿAṭā ͗ b. Abī Rabāḥ (gest. 114/732) war und nach der Vollendung seines Studiums bei ihm sieben oder neun Jahre lang Schüler von ʿAmr b. Dīnār (gest. 126/744) wurde.1652 Ein solches Umfeld hinderte die Gelehrten weitgehend daran, die Zustände, die ihre Zuverlässigkeit beeinflussen konnten, zu verbergen, und erforderte, dass sie sich transparent verhielten. Wenn ein Überlieferer angesichts solch einer wissenschaftlichen Aufsicht nicht bekannt wurde, wurde er von den Kritikern als unbekannt (maǧhūl) bezeichnet.1653 Da über die Gerechtigkeit (ʿAdāla) einer unbekannten Person keine Meinung ausgedrückt werden kann, ist es offensichtlich, dass sie auch nicht als zuverlässig betrachtet werden konnte. Zudem testeten die Wissenschaftler fortwährend ihr Wissensgut im Vergleich mit anderen Gelehrten, denen sie bei verschiedenen Anlässen begegneten. Beispielsweise wird in den Quellen erwähnt, dass sich der medinensische Gelehrte Muḥammad b. al-­Munkadir (gest. 131/748), der zu den gemeinsamen Gelehrten der Sufyānayn gehört, jedes Jahr bei der Pilgerfahrt mit Gelehrten und Asketen wie Ṣafwān b. Sulaym, Abū Ḥāzim, Sulaymān b. Suḥaym, Yazīd b. Ḥuḏayfa, Abū Saḫr al-­Aylī zusammenfand und mit ihnen Wissen austauschte.1654 Dies leistete einen Beitrag dazu, dass die Stärken und Schwächen der genannten Gelehrten in den Wissenschaftskreisen bekannt wurden. Entsprechend den Informationen in den Quellen ist zu beobachten, dass man sich unter diesem strengen Prozess der Kritik bei der Feststellung der Zuverlässigkeit eines Überlieferers nicht mit der Beurteilung einer Autorität allein begnügte, sondern auch die Ansichten von anderen Kritikern der unterschiedlichen Schulen beachtete.1655 Somit konnten individuelle Beurteilungen nicht sogleich zu einer kollektiven Beurteilung werden. Dies ermöglichte es den Wissenschaftlern, die aufgeworfenen Ansichten abzuwägen, und zwang die Kritiker, bewusst und objektiv zu handeln. Ebenso wurden extreme Ansichten, seien diese positiv oder negativ, eo ipso eliminiert. Somit wurde eine plausible Linie erreicht, und schließlich kam zu Tage, welche Person als religiöse Autorität anerkannt werden konnte und welche nicht.

1651 Ḏahabī, Siyar, VI, S. 326. 1652 Ebenda, S. 327. 1653 Kutlu, Emin Aşık, Meçhul, in: DİA, Ankara 2003, XXVIII, S. 286 f.; für einige Bespiele siehe Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 29, X, S. 12, 67, 74. 1654 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, IX, S. 191 f. 1655 Kutlu, Meçhul, S. 288.

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3.3.9 Akribie bei der Selektierung der Schüler Die Quellen berichten, dass die Gelehrten des 2. Jahrhunderts n. H. prinzipiell der Ansicht waren, das Wissen nur von zuverlässigen Personen zu erwerben und es selbst nur zuverlässigen Personen zu lehren. Als ein Mann ʿAbdullāh b. al-­ Mubārak (gest. 181/797) fragte, von wem denn das Wissen erworben werden sollte, so antwortete er darauf: „Manchmal wird jemand als ṯiqa akzeptiert, überliefert jedoch von jemandem, der nicht ṯiqa ist. Und manchmal wird jemand nicht als ṯiqa akzeptiert, überliefert jedoch von jemandem, der ṯiqa ist. Das Wesentliche ist jedoch die Überlieferung eines Ṯiqa von einem Ṯiqa.“1656

Diese Aussagen von ihm sind hinsichtlich ihrer Widerspiegelung der allgemeinen Ansicht dieser Ära von Bedeutung. Als Resultat dieser Ansicht machte sich Ṯawrī, der bei der Auswahl der Personen, denen er sein Wissensgut übermitteln wollte, sehr selektiv vorging, es sich zum Prinzip, verachtenswerten Menschen, die die Tiefgründigkeit der Sache, ihren Zweck und ihren Wert nicht begriffen und schlechte Taten begingen, das Wissen nicht zu lehren. Er äußerte dazu, dass der Hadith-­Erwerb grundsätzlich eine gute Sache sei; dass Menschen, die versuchen, gute Sachen zu machen, weniger geworden waren; dass er jedoch nunmehr eine größere Nachfrage nach dem Hadith-­Erwerb beobachte und er aus diesem Grund befürchte, dass nicht jeder, der diesem Wissen nachstrebte, guten Willens sein kann.1657 Als ein Mann Ṯawrī, der daran glaubte, dass der Zweck des Wissenserwerbs nicht weltlicher Nutzen, sondern ausschließlich die Erlangung des Segens von Allah sein dürfte, sagte „Würdest du dein Wissen verbreiten, so würden manche Diener Allahs davon profitieren und du würdest davon göttliche Belohnungen erhalten“ antwortete ihm Ṯawrī: „Bei Allah! Wenn ich wüsste, dass irgendeine Person, die dieses Wissen erstrebt, ausschließlich die Erlangung des Segens von Allah beabsichtigt, so würde ich diese Person höchstpersönlich in ihrem Hause besuchen und ihr mein Wissen, von dem ich erhoffe, dass Allah ihm damit Nutzen gebe, übermitteln.“1658

Ibn ʿUyayna betonte auch, dass das Wissen lediglich denen gelehrt werden sollte, die dazu befähigt seien. Diese Ansicht drückte er mit folgenden Worten des Propheten Jesus aus: 1656 Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 404. 1657 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VI, S. 369. 1658 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VI, S. 369.

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„Wahrlich gibt es für die Weisheit (Ḥikma) befähigte Menschen. Falls du die Weisheit jemandem lehrst, der nicht dazu befähigt ist, so verschwendest du sie. Falls du die Weisheit jemandem vorenthältst, der dazu befähigt ist, so verschwendest du sie auch. Sei wie ein Arzt, der das Heilmittel an richtiger Stelle verwendet!“1659

ʿAbdullāh b. al-­Mubārak nahm die Hadithe von denjenigen nicht an, die nicht dazu befähigt waren, und überlieferte solchen Personen auch keine weiter. So kam einmal der Gouverneur der Stadt Marw ʿAbdullāh b. Abī ʿAbbās aṭ-­Ṭarsūsī aus dem Prophetenstamm Banī Hāšim mit seinen Schreibmaterialien zu Ibnu l-­Mubārak nach Hause, um Hadithe von ihm zu nehmen. Obwohl er aus dem Prophetenstamm kam, lehnte Ibnu l-­Mubārak es ab, ihn Hadithe zu lehren, da er ihn als nicht befähigt für das Hadith-­Wissen erachtete. Als der Gouverneur auf sein Kamel steigen und wieder gehen wollte, kam Ibnu l-­Mubārak zu ihm, half ihm, indem er seinen Steigbügel festhielt, und sagte: „Ich erniedrige für dich meinen Körper, jedoch lasse ich es nicht zu, den Hadith des Propheten für dich zu erniedrigen.“1660

In den Quellen gibt es viele weitere Beispiele dafür, dass Personen, die nicht zum Wissen befähigt waren oder den Zweck und die Wichtigkeit des Wissens nicht begriffen, kein Wissen gelehrt werden sollte. Bei der Auswertung der genannten Quellen kann man feststellen, dass im Allgemeinen die führenden Gelehrten jener Zeit bei der Auswahl der Personen, die in Zukunft zu religiösen Autoritäten werden sollten, sehr sorgfältig handelten und es vermieden, denjenigen, die nicht befähigt waren, die Würde einer religiösen Autorität zu erhalten, ihr Wissensgut zu übertragen.

3.3.10 Besitz eines tiefgründigen Wissens in der Hadith-­Überlieferung und der Fiqh-­Wissenschaft Die Quellen belegen, dass im 2. Jahrhundert n. H. im Allgemeinen eine Fokussierung auf die Hadith-­Tradierung stattfand. Es fällt aber auch auf, dass besonders die Seite der Gelehrten, die ihre Kompetenz in der Fiqh-­Wissenschaft widerspiegelt, betont wurde. Beispielsweise eröffnet Rāzī (gest. 327/938) über die ʿIlmund Fiqh-­Kenntnisse Ibn ʿUyaynas, den er als einen Kritiker herausstellte, der die gesunden Hadithe von den nicht gesunden unterschied, ein separates Kapitel.1661 Ebenso nannte Ḏahabī Ṯawrī, nachdem er diesen in den Hadith-­Wissenschaften

1659 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 273. 1660 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VIII, S. 169; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 404. 1661 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 32.

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als „den Imam der Ḥuffāẓ“ bezeichnet hatte, einen Fiqh-­Gelehrten, der Muǧtahid sei.1662 Wenn die in dieser Ära bekannten anderen Hadith-­Gelehrten auch Kompetenzen in der Fiqh-­Wissenschaft aufwiesen, wurde dies in den Quellen besonders hervorgehoben. Der grundlegende Leitgedanke dahinter war der, dass die Fuqahāʾ unter der ʿUlamāʾ besonders als jene Gruppe hervorstach, die bei der Bestimmung, ob etwas islamisch ist oder nicht, die beste Ausgangslage hatte.1663 Auf Ṯawrīs Wissensgut in der Fiqh wiesen auch die wichtigen zeitgenössischen religiösen Autoritäten hin; zusätzlich legte er mit Hilfe seines Wissensrepertoires im Koran und in den Hadithen Wert auf die Lösung rechtswissenschaftlicher Probleme. In diesem Sinne sagte Sufyān b. ʿUyayna: „Ich sah keinen Mann, der mehr Kenntnis über halal und haram hatte als Sufyān aṯ-­Ṯawrī.“1664 Ebenso sagte ʿAbdullāh b. al-­Mubārak al-­Marwāzī über ihn: „Meiner Ansicht nach gibt es unter den Fiqh-­Gelehrten keinen besseren als Ṯawrī.“1665 In der Aussage „Aṯar1666 soll eure Stütze sein. Nehmt auch Rechtsmeinungen, die euch einen Hadith erläutern!“1667 wies er darauf hin, dass ein Hadith-­Gelehrter, der sein diesbezügliches Wissen mit dem der Fiqh-­Wissenschaft ausschmücke, noch angesehener sei. Außerdem wurde besonders in der Ahlu r-­Raʾy-­Fiqh-­Schule die Überlieferung eines Tradierers, der mit seinem Fiqh-­Wissen und seiner Befähigung zum Iǧtiḥad bekannt war, gegenüber der Überlieferung eines Tradierers ohne ein solches Wissen bevorzugt.1668 Anders ausgedrückt erhöhte die Fiqh des Tradierers sein Ansehen noch zusätzlich. In diesem Sinne stellte Wakīʿ b. al-­Ǧarrāḥ (gest. 197/812) eines Tages seinen Schülern zwei unterschiedliche Überliefererketten (Isnād) vor, deren erste „al-­Aʿmaš => Abū Wāʾil => ʿAbdullāh“ und deren zweite „Sufyān aṯ-­Ṯawrī => Manṣūr b. al-­Muʿtamir => Ibrāhīm an-­Naḫaʿī => ʿAbdullāh b. Masʿūd“ lautete, und fragte sie, welche Isnād ihnen denn mehr gefiele. Seine Schüler antworteten, dass sie die Isnād, in dem sich al-­Aʿmaš befand, als solider empfanden. Daraufhin brachte Wakīʿ zum Ausdruck, dass das Gegenteil der Fall und die zweite Isnād solider sei, da die gesamte Isnād aus Fiqh-­Wissenschaftlern, die andere Isnād jedoch nur aus Hadith-­Scheichs bestehe, und dass der Hadith, den die Fiqh-­ 1662 Ḏahabī, Siyar, VII, S. 230. 1663 Berkey, Jonathan Porter, Popular Preaching and Religious Authority in the Medieval Islamic Near East, University of Washington Press Seattle and London 2001, S. 89. 1664 Ebenda, S. 238. 1665 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 157. 1666 Siehe Fußnote 1420. 1667 Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 398. 1668 As-­Saḫāwī, Fatḥu l-­Muġīṯ, II, S. 9; Šaʿbān, Zakiyuddīn, Uṣūlu l-­Fiqh, S. 77.

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Wissenschaftler verwendeten, besser sei als derjenige, den die Hadith-­Scheichs verwendeten.1669 Obwohl zu seiner Zeit die Hadith-­ Wissenschaften hochaktuell waren, machte auch der Basrenser ʿAlī b. al-­Madīnī (gest. 234/849) neben den Hadith-­ Sammlungen auf die Bedeutung der Fiqh-­Kenntnis aufmerksam. „Die feinen Bedeutungen der Hadithe zu verstehen [Tafaqquh] ist die Hälfte des ʿIlm. Die Tradierer in der Überliefererkette zu kennen ist die andere Hälfte des ʿIlm.“1670

Ibn ʿUyayna, dem die Wichtigkeit des Verstehens der Naṣṣ (Koranverse und Hadithe) bewusst war, sagte: „Versteht die Bedeutungen der euch übermittelten Aussagen tiefgründig und erlernt deren Fiqh!“1671 und wies somit neben der Wichtigkeit der Hadith-­Kenntnis auf die der Fiqh-­Kenntnis hin. Dass Ṯawrī und Ibn ʿUyayna, die über eine sehr reiche Hadith-­Sammlung verfügten und vertrauenswürdige Hadith-­Wissenschaftler waren, eine eigenständige Rechtsschule hatten1672 – auch wenn diese heute nicht mehr bestehen –, leistete einen wichtigen Beitrag zu ihrer Anerkennung als religiöse Autoritäten. Ebenso ist es offensichtlich, dass das Faqīh-­Sein der vier Imame, deren Rechtsschulen heute noch ihre Aktualität besitzen, eine große Rolle dabei spielte, sie als religiöse Autoritäten anzuerkennen. Es ist für einfache Menschen nämlich leichter, von praktischen Fiqh-­Lösungen zu profitieren als direkt von der Naṣṣ selbst. Aus diesem Grund standen die Muǧtahids, welche praktische Fiqh-­Lösungen herausarbeiteten, im Unterschied zu den Hadith-­Wissenschaftlern mehr im Vordergrund. Alle diese Informationen zeigen, dass damals ein tiefgründiges Wissen in den Fiqh-­Wissenschaften eine bedeutende Rolle für die Anerkennung als Autorität spielte. In den Quellen kommt sogar vor, dass die Hadith-­Wissenschaftler, die schwerpunktmäßig in der entsprechenden Überlieferung tätig waren und somit in der Fiqh-­Wissenschaft keine Bekanntheit erreichten, mit Pharmazeuten verglichen wurden und die Fiqh-­Wissenschaftler mit Ärzten.1673 Daraus kann abgeleitet werden, dass diejenigen Wissenschaftler, die ebenso Fiqh- wie auch Hadith-­Wissenschaftler waren, zugleich als Pharmazeut und als Arzt akzeptiert wurden.

1669 Ḏahabī, Siyar, IX, S. 158; As-­Saḫāwī, Fatḥu l-­Muġīṯ, III, S. 359. 1670 Ḏahabī, Siyar, XI, S. 48. 1671 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 302. 1672 Šaʿrānī, Mīzānu l-­Kubrā, I, S. 43. 1673 Ibn ʿAbdilbarr, Ǧāmiʿu Bayān, II, S. 130 f.

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3.3.11 Zeitliche Nähe zum Propheten In der islamischen Wissenschaftstradition wird den Gelehrten der ersten drei Generationen, die als Aṣḥāb, Tābiʿūn und Tābiʿu t-­Tābiʿīn bekannt sind, ein besonderer Stellenwert zugeschrieben. Der Grund hierfür ist folgender Hadith: „Die besten meiner Umma sind diejenigen, die in meiner Epoche leben. Danach sind es die darauffolgenden und danach sind es die darauffolgenden …“1674

Der den Aṣḥāb zugeschriebene Wert rührt daher, dass sie den Propheten sahen, dass sie das sich auf die Offenbarung (Waḥy) stützende Wissen als Erste erlangten, dass sie zu Beginn wichtige Dienstleistungen für den Islam erbrachten und dass sie als erste Generation das vom Propheten erworbene Wissensgut der Tābiʿūn weiterleiteten. Aus diesem Grund werden sie als die beste Generation der Umma anerkannt. Diese Tatsache wird im Koran mit den Worten: „Die Muhāǧirūn und Anṣār, die den Islam als Erste akzeptierten…“1675 zum Ausdruck gebracht. Nach den Quellen ist der letzte Verstorbene der Aṣḥāb Abū ṭ-­Ṭufayl ʿĀmir b. Wāṯila. Obwohl es sicher ist, dass er in Mekka verstarb, datieren die Quellen das Todesdatum 100/718, 102/720, 107/725 oder 110/728. Die letzten Verstorbenen der Aṣḥāb außerhalb von Mekka waren: Maḥmūd b. Rabīʿ (gest. 99/717) in Medina, Anas b. Mālik (gest. 93/711–12) in Basra, ʿAbdullāh b. Busr al-­Māzinī (gest. 88/707) in Damaskus, ʿAbdullāh b. Abī Awfā (gest. 86/705) in Kūfa, ʿAbdullāh b. Ḥāriṯ b. Ǧaz az-­Zabīdī (gest. 86/705) in Ägypten, ʿAbdullaḥ b. ʿAbbās (gest. 68/687–88) in Ṭāʾif, Nābiġa al-­Ǧaʿdī (gest. 65/685?) in Isfahan, Burayda b. Ḥuṣayb al-­Aslamī (gest. 63/682) in Chorasan, Faḍl b. ʿAbbās (gest. 63/683) in Samarqand und Ruwayfiʿ b. Ṯābit al-­Anṣārī (gest. 56/676) in Afrika.1676 Die Nachfolgegeneration der Aṣḥāb, die Tābiʿūn-­Generation, die nicht mehr den Propheten, sondern seine Gefährten sah und von ihrem Wissen profitierte, wurde als den Gelehrten der dritten Generation, der Tābiʿu t-­Tābiʿīn, überlegen erachtet, da sie dem Propheten im Vergleich zu den späteren Generationen näherstanden. Bezüglich des Beginns und des Endes der Tābiʿūn-­Epoche gibt es unterschiedliche Meinungen. Diese Epoche beginnt theoretisch mit dem Tod des Propheten, und es wird angenommen, dass die Tābiʿūn-­Generation vor allem in den Jahren 65–135 (684–752) lebte.1677

1674 Buḫārī, Faḍāilu Aṣḥābi n-­Nabī, 62; Müslim, Faḍāilu ṣ-­Ṣaḥāba, 44. 1675 Tawba, 9/100. 1676 Suyūṭī, Tadrību r-­Rāwī, II, S. 228 f.; Efendioğlu, Sahâbe, S. 494. 1677 Ulu, Arif, Tâbiîn, in: DİA, İstanbul 2010, XXXIX, S. 328.

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Die Tābiʿu t-­Tābiʿīn-­Gelehrten waren diejenigen, die die Aṣḥāb nicht sahen, aber vom Wissen der Tābiʿūn-­Gelehrten profitierten. Da sie dem Propheten, der die erste Wissensquelle ist, näherstanden als diejenigen, die nach ihnen kamen, werden sie den späteren Generationen überlegen erachtet. Den Quellen zufolge endet die Tābiʿūn-­Epoche und beginnt die Tābiʿu t-­Tābiʿīn-­Epoche um das Jahr 150/767. Jene, die nach dem Jahre 140/757 starben, wurden nicht mehr zu den Tābiʿūn gezählt. Ausgehend von Ḫalaf b. Ḫalīfa (gest. 180/796), der Letzte der Tābiʿūn, der den als Letzten der Aṣḥāb akzeptierten Abū ṭ-­Ṭufayl ʿĀmir b. Wāṯila (gest. 110/728) noch sah, gibt es auch welche, die der Auffassung sind, dass die Epoche der Aṣḥāb bis zum Jahre 110 n. H. und die Epoche der Tābiʿūn bis zum Jahre 180 n. H. angedauert hat.1678 Das Unterscheidungskriterium bei dieser Einstufung liegt darin, ob die nachfolgende Generation von der vorherigen Generation unmittelbar profitierte oder nicht. Derjenige also, der den Propheten direkt sah und von ihm profitierte, wurde zur Ṣaḥābī gezählt; derjenige, der einen Ṣaḥābī direkt sah und von ihm profitierte, wurde zur Tābiʿūn gerechnet, und derjenige, der einen Tābiʿī direkt sah und von ihm profitierte, wurde zur Tābiʿu t-­Tābiʿīn gezählt. Demnach wurden Ṯawrī (gest. 161/778) und Ibn ʿUyayna (gest. 198/814), da sie nicht unmittelbar von der Ṣaḥāba, aber direkt von den Tābiʿūn-­Gelehrten profitierten, zu den religiösen Autoritäten der Tābiʿu t-­Tābiʿīn-­Generation gerechnet. Als eine logische Folge der Wertschätzung, die der zeitlichen Nähe zur ersten Wissensquelle, dem Propheten, beigemessen wird, resultiert, dass in den Quellen besonders darauf verwiesen wird, wenn ein Gelehrter von einem Ṣaḥābī Wissen erwarb. Beispielsweise wird hervorgehoben, dass Ḥammād b. Abī Sulaymān (gest. 120/738), der sich, wie bereits erwähnt, unter den wichtigen Gelehrten Ṯawrīs befand, Ṣāliḥ b. Nabhān (gest. 125/743), der ein gemeinsamer Gelehrter der Sufyānayn war, Abu z-­Zinād (gest. 130/748), ʿAbdulmalik b. ʿUmayr (gest. 136/753) und al-ʿAlāʾ b. ʿAbdirraḥmān (gest. 138/755) direkt Hadithe von den Aṣḥāb tradierten. Bekanntlich ist nach der Uṣūlu l-­Ḥadīṯ-­Wissenschaft die beste Überliefererkette die kürzeste, deren Überlieferer zuverlässig sind.1679 Weil im Wissensverständnis dieser Epoche prinzipiell darauf Wert gelegt wurde, auf dem kürzesten Weg das aktuellste Wissen zu erreichen, wurde das Wissen, das sich an den Propheten mit der kürzesten gesunden Überliefererkette anschloss, als die angesehenste Überlieferung

1678 Saḥāwī, Fatḥu l-­Muġīṯ, IV, S. 91; Suyūṭī, Tadrību r-­Rāwī, II, S. 228; Ulu, Tâbiîn, S. 328 f. 1679 Zurqānī, Šarḥu Manẓūmati l-­Bayqūniyya, S. 129 ff.

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angenommen und als „al-­Ḥadīṯu l-ʿĀlī“ bezeichnet.1680 In diesem Sinne drückte Ibn ʿUyayna mit den Worten „Zwischen den Aṣḥāb und mir steht nur eine Person“1681 aus, dass er den Propheten mittels seiner zwei wichtigsten Gelehrten, deren Zuverlässigkeit zweifelsfrei war, dem Medinenser Zuhrī (gest. 124/742) und dem Mekkaner ʿAmr b. Dīnār (gest. 126/744), mit der kürzesten Überliefererkette erreichte. An diesem Punkt sollte jedoch erwähnt werden, dass nicht jedes einzelne Individuum dieser drei Generationen in Bezug auf sein fundiertes Wissen jedem einzelnen Individuum der Nachfolgegeneration überlegen war, sondern es wird nur die vorherige Generation als Ganze als der nachfolgenden überlegen angesehen. Beispielsweise konnten unter den Tābiʿu t-­Tābiʿīn-­Gelehrten Personen sein, die vom Wissen her überlegener als mancher von den Aṣḥāb und Tābiʿūn waren. In diesem Sinne verglich Sufyān b. ʿUyayna ʿAbdullāh b. al-­Mubārak al-­Marwazī von dessen Wissen her mit den Aṣḥāb und meinte, dass er keine Überlegenheit von ihnen gegenüber Ibnu l-­Mubārak sehe, außer dass sich die Aṣḥāb mit dem Propheten zusammen befanden und ihn im Krieg begleiteten.1682 Es bleibt demnach festzuhalten, dass in der behandelten Epoche neben dem tiefgründigen Wissen eines Gelehrten die Zugehörigkeit zu einer der genannten drei Generationen im Vergleich zu den nachfolgenden Generationen eine wirksame Rolle bei der Anerkennung als religiöse Autorität spielte, da diese Zugehörigkeit das Erreichen des aktuellsten Wissens ermöglichte.

3.3.12 Bekanntheit der Lehrer und ihrer Schüler und ihre Überlieferungen voneinander Die Qualität der Ausbildung ist für die Akzeptanz und Bildung der religiösen Autorität elementar wichtig.1683 Es ist zu beobachten, dass sich in den ersten Jahrhunderten n. H. um manche bekannten Wissenschaftler eine breite Schülerschaft sammelte und so mit der Zeit viele Schüler von ihnen profitierten. Dass eine Person von einem oder mehreren bekannten Gelehrten Wissen erwarb, dass mehrere Gelehrte von dem Wissen dieser Person profitierten oder dass diese Gelehrten bekannte Personen waren, steigerte natürlicherweise die Anerkennung des Wissens dieser Person.

1680 Ebenda. 1681 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 177. 1682 Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 390. 1683 Uçar, Bülent, Zur Beheimatung des Islam, der Islamischen Theologie und des Islamischen Religionsunterrichts in Deutschland, in: Denkströme, Journal der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Heft 7, Leipzig 2011, S. 199.

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Ob die Lehrer einer Person zuverlässige und bekannte Gelehrte aus unterschiedlichen Schulen waren oder nicht, hatte auch eine direkte Wirkung auf deren Zuverlässigkeit und religiöse Autoritätswerdung. Die Überlieferungen einer Person, deren Name und Werdegang unbekannt (maǧhūl) war, wurden nämlich nach Ansicht der meisten Uṣūl-­Gelehrten nicht akzeptiert, da die Gerechtigkeit (ʿAdāla) dieser Person nicht festgestellt werden konnte.1684 Die Überlieferung von einer unbekannten Person wurde natürlicherweise bei den Bewertungen negativ herangezogen. Da die Gelehrten und Schüler von Ṯawrī und Ibn ʿUyayna bereits behandelt wurden, wird deren Bekanntheit und Zuverlässigkeit hier nicht wiederholt. Zu erwähnen ist jedoch, dass die große Mehrheit der 34 wichtigen Gelehrten Ṯawrīs – 16 aus Kūfa, 8 aus Medina, 7 aus Basra, 2 aus Mekka und einer aus dem Jemen – in den Wissenschaftskreisen bekannt und zuverlässige religiöse Autoritäten waren.1685 Die Anzahl der Schüler, die von Ṯawrī profitierten, war sehr hoch. Ḏahabī fand die Information, 20 000 Personen hätten von Ṯawrī überliefert, nicht wahrheitsgetreu und äußerte, dass die Zahl höchstens bei etwa 1000 Personen liegen könnte und dass die Person, von der am meisten überliefert wurde, Imam Mālik (gest. 179/795) mit 1400 Personen sei.1686 Auch wenn dies der Fall sein sollte, zeigen doch diese Zahlen, dass Ṯawrī eine anerkannte religiöse Autorität war. Auch die wichtigsten 15 Schüler Ṯawrīs – 10 aus Kūfa, 3 aus Basra und je einer aus Marw und aus Mossul – waren zuverlässige Persönlichkeiten, und von ihnen allen sind Überlieferungen in elementaren Hadith-­Werken wie der Kutubu Sitta zu finden.1687 Dies zeigt, dass Ṯawrīs Schüler seinen Ruf in unterschiedliche Gebiete trugen, seine religiöse Autorität verstärkten und dadurch gleichzeitig, indem sie Schüler von ihm waren, ihre eigene Anerkennung steigerten. Bei Ibn ʿUyayna ist das Gleiche der Fall. Von den 66 wichtigsten Lehrern Ibn ʿUyaynas, welcher insgesamt die Möglichkeit wahrnahm, von etwa 80 führenden Tābiʿūn-­Gelehrten zu profitieren,1688 waren 24 aus Medina, 19 aus Kūfa, 11 aus Mekka, 6 aus Basra, 3 aus Damaskus und jeweils ein Gelehrter aus Ḥarrān, Ṭāʾif und dem Jemen.1689 Unter diesen Gelehrten, die alle ṯiqa und bekannte Überlieferer waren, nahmen zwei eine besondere Stelle ein: 1684 Kutlu, Meçhul, S. 286 f. 1685 Siehe Kapitel 2.1.6.1 „Allgemeine Beurteilung der Lehrer Sufyān aṯ-­Ṯawrīs“. 1686 Ḏahabī, Siyar, VII, S. 234; Tārīḫ, X, S. 225. 1687 Siehe Kapitel 2.1.6.4 „Allgemeine Beurteilung der Schüler von Sufyān aṯ-­Ṯawrīs“. 1688 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 307; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 174 f.; Mizzī, Tahḏīb, XI, S. 178–183; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IV, S. 104 f. 1689 Siehe Kapitel 2.2.6.2 „Allgemeine Beurteilung der Lehrer Sufyān b. ʿUyaynas“.

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Der Erste war sein mekkanischer Lehrer ʿAmr b. Dīnār (gest. 126/744), von dem Ibn ʿUyayna am meisten Hadithe erwarb, der sich in den Fiqh- und Hadith-­ Wissenschaften auszeichnete, zu seiner Zeit der Scheich des Ḥaram-­Gebiets war und in Mekka 30 Jahre lang Rechtsauskünfte (Fatwā) erteilte. Der zweite Gelehrte war der Medinenser Ibn Šiḥab az-­Zuhrī (gest. 124/742), der ein berühmter Hadith-­Wissenschaftler und Faqīh im Ḥiǧāz-­Gebiet war und den der Imam Mālik (gest. 179/795) als „Awwalu man dawwana l-ʿIlm = Der Erste, der das Wissen niederschrieb“ bezeichnete.1690 Welch große Anerkennung das Profitieren Ibn ʿUyaynas allein von diesen beiden Persönlichkeiten ihm verlieh, ist offensichtlich. Zu Sufyān b. ʿUyayna kamen, besonders zur Pilgersaison, viele Schüler aus verschiedenen Regionen. So bildete sich im Laufe der Zeit um ihn eine große Zahl an Hadith-­Ḥuffāẓ.1691 Dass 62 bekannte Gelehrte – 13 aus Kūfa, 12 aus Basra, 9 aus Marw, 8 aus Bagdad, 4 aus Mekka, 2 aus Ägypten, 2 aus dem Jemen und jeweils einer aus Medina, Damaskus, Firyāb, Ḥarrān, Balḫ, Tarsus, Nīsābūr, Isfahan, Wāsiṭ, Mosul, Palästina/Ramla und Madāʾin – von Ibn ʿUyaynas Wissen profitierten,1692 verdeutlicht zum einen seine weitverbreitete wissenschaftliche Anerkennung und zum anderen die Anerkennung derjenigen, die von seinem Wissen profitierten. Hinsichtlich ihres Einflusses auf die Nachfolgegenerationen ragten besonders drei Persönlichkeiten hervor, die Ibn ʿUyayna einen Großteil ihres Wissens verdankten; die erste war Ḥumaydī (gest. 219/834), der etwa 19 Jahre lang den Unterricht von Sufyān b. ʿUyayna besuchte, dem zugesprochen wird, rund 10 000 Hadithe von Ibn ʿUyayna auswendig gelernt zu haben.1693 Ein großer Teil der in seinem Werk al-­Musnad befindlichen Hadithe fand einen Platz in der Kutubu Sitta.1694 Die anderen beiden Persönlichkeiten, zu deren wissenschaftlicher Erziehung Ibn ʿUyayna einen großen Beitrag leistete und deren Rechtsschulen heute noch fortwähren, waren Imam aš-­Šāfiʿī (gest. 204/820) und Aḥmad b. Ḥanbal (gest. 241/855). Der große Anteil, den Ibn ʿUyayna an der Ausbildung dieser drei berühmten Gelehrten hatte, war einer der vielen Gründe, die sein Ansehen und seine religiöse Autorität in den Wissenschaftskreisen seiner Zeit stärkten. Auf der anderen Seite steigerten diese drei Gelehrten wiederum ihr eigenes Ansehen durch das Lernen von ihm. 1690 Ḏahabī, Siyar, V, S. 334; Abū Nuʿaym, Ḥilya, III, S. 363; Ibn ʿAbdilbarr, Ǧāmiʿu Bayān, I, S. 76. 1691 Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 457; Tārīḫ, XIII, S. 192. 1692 Siehe Kapitel 2.2.6.4 „Allgemeine Beurteilung der Schüler Sufyān b. ʿUyaynas“. 1693 Ḏahabī, Siyar, X, S. 617 f. 1694 Šīrāzī, Ṭabaqātul-­Fuqahā ͗, 99 f.; Ḏahabī, Siyar, X, S. 616–621; Subkī, Ṭabaqātu š-­ Šāfiʿiyyati l-­Kubrā, II, S. 40 f.; Evgin A. Kadir, Buhârî’nin Hocası Abdullah b. Zübeyr el-­Humeydî ve Müsnedi, S. 123.

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Die Überlieferung eines Lehrers von seinem Schüler trägt zudem zu dessen Prestige bei. Manche bekannten Lehrer oder Altersgenossen von Ṯawrī, wie ʿAbdullāh b. ʿAwn (gest. 151/768), Maʿmar b. Rāšid (gest. 153/770), al-­Awzāʿī (gest. 157/774), Imam Mālik (gest. 179/795) und Sufyān b. ʿUyayna profitierten von seinem Wissensgut. Das Gleiche galt auch für Ibn ʿUyayna. Viele Lehrer von ihm, welche führende Persönlichkeiten dieser Ära waren, wie al-­Aʿmaš al-­Kūfī (gest. 148/765), Ibn Ǧurayǧ al-­Makkī, Musʿir b. Kidām al-­Kūfī (gest. 155/772), Imam al-­Awzāʿī ad-­ Dimašqī (gest. 157/774), Šuʿba b. al-­Ḥaǧǧāǧ al-­Bašrī (gest. 160/776) und Sufyān aṯ-­Ṯawrī (gest. 161/777 nutzten ebenfalls sein Wissensrepertoire.1695 Es lässt sich also sagen, dass die Anerkennung der religiösen Autorität eines Gelehrten proportional mit der Anerkennung seines Wissenschaftskreises wuchs, und andererseits die Vielzahl der Schüler eines als religiöse Autorität geachteten Lehrers oder deren Ansehen die Anerkennung und Autorität ihres Lehrers bekräftigte. Hier fand demnach eine wechselseitige Wirkung statt: Zum einen diente der Lehrer seinem Schüler als Referenz und umgekehrt, und zum anderen steigerte der Lehrer das Ansehen seines Schülers und umgekehrt.

3.3.13 Erleichterungen bei Rechtsurteilen unter Berücksichtigung der sozialen Realität Wie zuvor schon festgestellt, legten die religiösen Autoritäten im 2. Jahrhundert n. H. dem Zusammenspiel von Wissen (ʿIlm) und Praxis (ʿAmal) einen sehr hohen Wert bei. Dabei gingen sie in Anbetracht der unterschiedlichen Umstände der Menschen bei der Formulierung von Lösungen sehr feinfühlig vor. Auch wenn sie mit Nachdruck die Grundsäulen des Islam betonten und die Religion selber in einem hohen Maße praktizierten, ist es doch auffällig, dass sie im Allgemeinen von einfachen Menschen nicht dasselbe wie von sich selbst erwarteten, sondern einen praktikablen Islam anstrebten, der die Menschen nicht von ihrem sozialen Umfeld trennt und zu keinem unerträglichen Leben führt. Diese Einstellung ist bei Ṯawrī deutlich zu erkennen. So sagte er: „Unserer Ansicht nach ist das ʿIlm eine Erleichterung (Ruḫṣa), welches die zuverlässigen Personen aufzeigten. Was das Erschweren angeht, so kann dies jeder Mensch ziemlich gut.“1696

1695 Siehe Kapitel 2.4 „Die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Autoritäten hinsichtlich ihrer bedeutsamsten Lehrer und Schüler“. 1696 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VI, S. 367.

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Er machte damit darauf aufmerksam, dass bei rechtlichen Lösungen dem Volke Erleichterungen gewährt werden sollten. In diesem Sinne sollten „islamische Theologen und Gelehrte normative Texte unter die Lebensrealitäten subsumieren.“1697 Šuʿayb b. Ḥarb stellte ihm die Frage: „Wenn ein Mann, dessen Arbeit Wäsche waschen ist, nicht mit der Gemeinde [in die Moschee] beten geht, so verdient er einen Dirham und kann somit seinen eigenen Lebensunterhalt und den seiner Familie sichern. Wenn aber derselbe Mann mit der Gemeinde [in die Moschee] beten geht, so verdient er nur noch vier Ḏāniq [1/6 eines Dirhams] und kann weder seinen eigenen Lebensunterhalt noch den seiner Familie sichern. Was meinst du bezüglich solch einer Person?“1698

Ṯawrī antwortete: „Er betet selbstständig und verdient einen Dirham“ und wies somit darauf hin, dass die Menschen nicht überlastet werden sollten. Ebenso sagte er im Sinne der Barmherzigkeit gegenüber Menschen, dass die Umma des Propheten seine Familie sei.1699 Ṯawrī selbst betete mehr als die einfachen Menschen. Dies zeigt auch die folgende Information, die der bekannte jemenitische Hadith-­Wissenschaftler ʿAbdurrazzāq (gest. 211/826–27) übermittelte: „Als Sufyān zu uns kam, kochte ich für ihn ein Fleischgericht, das mit Essig zubereitet wird. So aß er davon. Daraufhin brachte ich ihm getrocknete Datteln aus Ṭāʾif. Davon aß er auch und sagte: ‚Oh ʿAbdurrazzāq! Der Esel ist verfüttert und erschöpft.‘ Daraufhin stand er auf und verrichtete bis zum Morgen Gebete [Ṣalāh].“1700

Auffällig ist, dass Ṯawrī trotz alledem den Gastgeber nicht aufforderte, ebenfalls zu beten. Obwohl der Lehrer der Sufyānayn, der Basrenser Ayyūb as-­Saḫtiyānī (gest. 131/748), die Bidʿa-­Treibenden bekämpfte, 40 Mal pilgerte, bis in die Morgenstunden betete, ʿābid, zāhid, tugendhaft und an die Sunna gebunden war, machte er dies niemandem kenntlich und sagte Folgendes: „Jemandes Askese sollte auf keinen Fall zur Qual anderer Menschen werden. Dass der Mann seine Askese verbirgt, ist besser als, dass er sie offenbart.“1701

Es ist auch zu beobachten, dass die Gelehrten dieser Ära, welche prinzipiell Menschen Erleichterungen gewährten, um einem Verfall der Grundprinzipien

1697 Uçar, Zur Beheimatung des Islam, S. 199. 1698 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 16 f. 1699 Ebenda, S. 19. 1700 Ḏahabī, Siyar, VII, S. 277. 1701 Abū Nuʿaym, Ḥilya, III, S. 5 f.; Ibnu l-­Ğawzī, Ṣifatu ṣ-­Ṣafwa, III, S. 292.

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des Islam vorzubeugen, rieten, insbesondere nicht allgemein akzeptierte und der Mehrheit der Gesellschaft keinen Nutzen bringende Rechtsauskünfte zu meiden. Der basrische Wissenschaftler Sulaymān at-­Taymī (gest. 143/760), ein Lehrer der Sufyānayn, fastete alle zwei Tage und bereicherte seine Nächte mit Gebeten und Gottesgedenken (Iḥyāʾu l-­Layl). Er wies mit folgenden Worten auf dieses Gleichgewicht hin: „Wenn du den Erleichterungen [Ruḫaṣ] oder Fehlern [Zalla] jedes Gelehrten folgst, sammelt sich alles Schlechte bei dir.“1702

Auch sind folgende Worte des syrischen Rechtsgelehrten Imam al-­Awzāʿī in diesem Zusammenhang zu erwähnen: „Wer sich an die seltenen Rechtsauskünfte der Gelehrten hält, der tritt aus dem Islam.“1703 In den Quellen kommen noch andere Beispiele für dieses Prinzip vor. In ihrer Gesamtheit gesehen, wurden die Rechtsauskünfte von Gelehrten, die solche feinfühligen Haltungen darlegen, von der großen Mehrheit der Gesellschaft mit Freude entgegengenommen und leisteten auch einen Beitrag dazu, dass diese Gelehrten als religiöse Autoritäten angenommen wurden. So ist gleichermaßen zu verstehen, dass die Rechtsauskünfte derjenigen, die ein solches Gleichgewicht nicht aufrechterhalten konnten, keine allgemeine Akzeptanz fanden und somit keinen Bestand hatten. Daraus lässt sich schließen, dass das Fällen realistischer Urteile anhand einer richtigen Analyse der Gesellschaftspsychologie eine einflussreiche Rolle beim Werden einer religiösen Autorität spielte.

3.3.14 Empfindlichkeit bei allgemeinen Glaubensprinzipien des Islam und die Geisteshaltung gegen die Ahlu l-­Bidʿa Der Begriff Bidʿa ist allgemein als „eine den Hauptquellen des Islam widersprüchliche, von den Gelehrten der ersten Generation nicht akzeptierte, von den religiösen Beweisen nicht erforderte und im Nachhinein erschienene Sache“1704 definiert. Menschen, die sich nach dem Propheten manche von den Hauptquellen des Islam abweichende Glaubensgrundsätze und Verhaltensweisen aneigneten, werden als Ahlu l-­Bidʿa gekennzeichnet.1705 1702 Abū Nuʿaym, Ḥilya, III, S. 32; Ḏahabī, Siyar, VI, S. 197 f. 1703 Ḏahabī, Siyar, VII, S. 125. 1704 Ǧurǧānī, at-­Taʿrīfāt, S. 62. Für ausführliche Informationen siehe Yaran, Rahmi, Bid’at, DİA, İstanbul 1992, VI, S. 129 ff.; Yavuz, Yusuf Şevki, Ehl-­i Bid’at, in: DİA, İstanbul 1999, X, S. 501–505. 1705 Ebenda.

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An diesem Punkt ist jedoch hervorzuheben, dass im Nachhinein erschienene Sachen, die im Kern des Islam nicht vorhanden sind, aber dessen Grundprinzipien nicht widersprechen, wie die Sammlung von Hadithen, das Verfassen wissenschaftlicher Bücher oder das Bauen von Gebäuden wie Medresen oder Moscheen, nicht als verwerfliche Bidʿa beurteilt werden. So wird die Bidʿa sowohl in der klassischen als auch in der modernen islamwissenschaftlichen Literatur je nach der ihr zukommenden Bewertung von haram, makrūh (verpönt), mubāḥ (erlaubt) oder mandūb (empfehlenswert) bis hin zur Bewertung wāǧib (erforderlich) in diese fünf Kategorien aufgeteilt.1706 Das Thema Bidʿa findet sich unter den empfindlichen Themen des 2. Jahrhunderts n. H, in dem es intensive Aktivitäten gab, um die Grundtexte des Islam zu überliefern, die dann in späteren Zeiten interpretiert wurden und den praktischen Urteilen als Referenz dienten. Der wichtigste Beweggrund für die Empfindlichkeit der Gelehrten gegen die Bidʿa war dabei, die Religion von denjenigen Dingen, die nicht im Kern der Religion vorhanden waren und erst im Nachhinein erschienen, zu schützen und den Verfall der Religion zu verhindern. Diskussionen bezüglich der glaubensbezogenen Themen, wie Allahs Attribute, die Erschaffenheit des Koran, die Vorherbestimmung (Qadar), der Wille (Irāda) oder die Beziehung des Begehens von großen Sünden zum Glauben, nahmen ab dem Ende des 1. und besonders im 2. Jahrhundert n. H. zu und bereiteten den Boden für die Entstehung der Kalām-­Wissenschaft. Zur gleichen Zeit begannen die ersten Bekenntnisgruppen zu entstehen, wie die Šīʿa, Ḫawāriǧ, Qadariyya, Ǧabriyya, Ǧahmiyya, Murǧiʾa, Mušabbiha, Muǧassima und Muʿtazila, welche sich von der Hauptlinie des Islam trennten und daher von den Gelehrten der Ahlu s-­Sunna, die die Mehrheit ausmachten, als Ahlu l-­Bidʿa gekennzeichnet wurden.1707 Nach den Quellen ist zu beobachten, dass die Mehrheit der führenden Gelehrten dieser Ära eine klare Stellung gegen solche Strömungen bezog, vor allem Überlieferungen von ihnen prinzipiell ablehnte und es vermied, ihnen Hadithe zu überliefern. Folglich sagte der basrische Hadith-­Wissenschaftler Muḥammad b. Sīrīn (gest. 110/729), welcher unter den ersten Gelehrten war, die gegen die Überlieferungen der Ahlu l-­Bidʿa Stellung bezogen:

1706 ʿIzzuddīn ʿAbdissalām, Abū Muḥammad ʿIzzuddīn ʿAbdulʿazīz b. ʿAbdissalām b. Abi l-­Qāsim b. al-­Ḥasan as-­Sulamī (gest. 660/1262), Qawāʿidu l-­Aḥkām fī Maṣālīḥi l-­Anām, ed. Ṭāhā ʿAbdurraʿūf Saʿd, Maktabatu l-­Kulliyyāti l-­Azhariyya, Kairo 1991, II, S. 204; Berkey, Popular Preaching, S. 30. 1707 Yavuz, Ehl-­i Bid’at, S. 501 ff.

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„Früher fragten sie [diejenigen, die sich mit Hadithen beschäftigten] nicht nach der Isnād. Als aber die Fitan [die Ereignisse 35 n. H. zwischen ʿAlī und Muʿāwiya] eintraten, begannen sie ‚Nennt uns die Namen eurer Überlieferer!‘ zu sagen. In diesem Fall beachtete man diejenigen, die von der Ahlu s-­Sunna sind, und nahm ihre Hadithe. Wiederum beachtete man diejenigen, die von der Ahlu l-­Bidʿa sind, und nahm ihre Hadithe nicht.“1708

Wie bereits erwähnt, nahm Ṯawrī gegenüber den Gruppierungen der Ahlu l-­Bidʿa eine harte Stellung ein. Beispielsweise gab es nach seiner Meinung niemanden, der ferner von Allahs Buch war als jemand von der Murǧiʾa, der vertrat, dass das Īmān ohne jegliche Praktizierung ausschließlich aus Worten bestehe und die Sünde dem Īmān keinen Schaden zufüge. Ebenso war seiner Ansicht nach das Verrichten des Totengebets eines Murǧiʾīten nicht erlaubt. Um diese seine Überzeugung offensichtlich zu demonstrieren, kam er zum Totengebet des Murǧiʾīten ʿAbdulʿazīz b. Abī Rawwād (gest. 159/776) im Ḥaram-­Gebiet und entfernte sich wieder, indem er durch die Reihen ging, ohne am Totengebet teilgenommen zu haben.1709 Auch lehnte Ṯawrī die von der Muʿtazila vertretene Ansicht von der Erschaffenheit des Koran offensichtlich ab und sagte, dass derjenige Kufr begehe, der die Erschaffenheit des Koran behaupte.1710 Auch überlieferte er folgenden Hadith: „Wer die Prophetengefährten beleidigt, auf ihn liege Allahs Fluch“1711 und bewahrte eine klare Distanz zwischen sich und den Kreisen, die einige Prophetengefährten bis hin zur Beleidigung kritisierten. Nach der Ansicht von Ṯawrī durfte man hinter jemandem kein Gebet verrichten, der das Qadar verleumdete, da man dadurch seinen Glauben verlieren würde. Der gemeinsame Schüler der Sufyānayn und einer der engsten sechs Schüler Ṯawrīs, ʿAbdullāh b. al-­Mubārak (gest. 181/797), überlieferte von Ṯawrī, dass dieser sagte, die Ǧahmiyya und die Qadariyya seien Kāfir. Als Ibnu l-­Mubārak nach seiner Ansicht bezüglich dieses Themas gefragt wurde, antwortete er: „Meine Ansicht bezüglich dieses Themas ist dieselbe [wie die] Sufyāns.“1712 Die Ansichten von Ibn ʿUyayna bezüglich der Ahlu l-­Bidʿa weisen Parallelen zu Ṯawrīs Ansichten auf. Als Beispiel kann hier erwähnt werden, dass Ibn ʿUyayna es nicht einmal für richtig hielt, an der Sitzung ʿAbdurraḥmān b. Isḥāqs teilzunehmen, geschweige denn einen Hadith von ihm anzunehmen, da dieser Anschauungen der Qadariyya vertrat.1713 Er äußerte, dass man sich von Personen, die 1708 Nawawī, Ṣaḥīḥu Muslim bi Šarḥi l-­Imām Muḥyiddīn an-­Nawawī, I, S. 44. 1709 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 26 f., 29, 33; Ḏahabī, Tārīḫ, IX, S. 504. 1710 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 30; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 273. 1711 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 103. 1712 Ebenda, S. 26 ff. 1713 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 47.

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das Qadar verleugneten und die Erschaffenheit des Koran behaupteten, fernhalten solle, dass führende Gelehrte wie ʿAmr b. Dīnār, Muḥammad b. Munkadir, Ayyūb b. Mūsā, al-­Aʿmaš und Musʿir b. Kidām diesbezüglich die gleiche Ansicht wie er vertreten würden, und dass auf diejenigen, die das Gegenteil behaupteten, Allahs Fluch doppelt niederfahren werde.1714 Unter den Informationen ist vorzufinden, dass der gemeinsame Lehrer der Sufyānayn, Sulaymān at-­Taymī, gegen die Ahlu l-­Bidʿa behutsam vorging. Zunächst prüfte er die Person, der er einen Hadith weiter überliefern wollte, mit dem berühmten Thema dieser Ära, dem Qadar, und wenn diese Person behauptete, an das Qadar zu glauben, ließ er sie einen diesbezüglichen Schwur ablegen. Erst dann überlieferte er ihr einen Hadith.1715 Auch ʿAbdurraḥmān b. Mahdī (gest. 198/813–14), einer der sechs engsten Schüler Ṯawrīs, nahm die gleiche Haltung ein, indem er sagte: „Meide die Führer einer Bidʿa-­Bewegung und diejenigen, die zur Bidʿa einladen!“1716 Außer von den Sufyānayn gab es auch von weiteren führenden Gelehrten viele ähnliche überlieferte Aussagen. Dies zeigt, dass die Mehrheit der damaligen religiösen Autoritäten bezüglich der Ahlu l-­Bidʿa die gleichen Ansichten vertraten, zumindest aber ihnen mit Bedacht begegneten. Ab dem 3. Jahrhundert n. H. wurden viele Abhandlungen über die Eigenheiten von Ahlu l-­Bidʿa-­Gruppierungen und zur Kritik an diesen verfasst. Zu ihnen können unter anderem die Werke ar-­Radd ʿalā Ahli l-­Ahwāʾ von Imam aš-­Šāfiʿī (gest. 204/820) und ar-­Radd ʿala z-­Zanādiqa wa l-­Ǧahmiyya von Aḥmad b. Ḥanbel (gest. 241/855), welche beide Schüler von Ibn ʿUyayna waren, gezählt werden. Diesen Informationen ist zu entnehmen, dass die Zugehörigkeit zur Ahlu l-­ Bidʿa als ein die Vertraulichkeit brechender Aspekt bewertet wurde, und es eine äußerst große Rolle spielte, ob jemand als religiöse Autorität anerkannt wurde oder nicht. Jemand, dessen Stellungnahme zur Ahlu l-­Bidʿa nicht gebilligt wurde, wurde von der Mehrheit der muslimischen Gelehrten und weiten Gesellschaftskreisen auch nicht als religiöse Autorität akzeptiert.

3.3.15 Sinn für Humor Von elementarer Bedeutung für die religiöse Autoritätswerdung ist die pädagogische Eignung.1717 Dazu gehört auch der Sinn für Humor, denn bekanntlich spielt die Motivation bei der Bildung des Menschen eine wichtige Rolle. Die Schüler 1714 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 296; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 468. 1715 Ḏahabī, Siyar, VI, S. 200. 1716 Ḏahabī, Siyar, IX, S. 199. 1717 Uçar, Islamische Theologie im deutschen Kontext, S. 204.

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für die Wissenschaft anzuspornen und ihre Begeisterung für diese aufrechtzuerhalten, trägt dazu bei, ihre Leistung im Laufe ihres Bildungsweges zu steigern. Bei einer ernsthaften Tätigkeit, wie es der Bildungserwerb nun einmal ist, erleichtert es diese, wenn die Lernfähigkeit und die Aufmerksamkeit von Schülern mit kleinen Scherzen aufgefrischt werden. Daher machten die Gelehrten des 2. Jahrhunderts n. H. von Zeit zu Zeit humorvolle Bemerkungen, um die Motivation ihrer Schüler zu steigern. Beispielsweise hatte der Kūfenser Wakīʿ b. al-­Ǧarrāḥ (gest. 197/812), ein gemeinsamer Schüler der Sufyānayn und einer der engsten sechs Schüler von Ṯawrī, einen schwergewichtigen Körper. Wakīʿ fiel seinem Lehrer Ṯawrī in einem Alter auf, in dem er noch als Kind bezeichnet werden konnte, und wurde im Laufe der Zeit zu einem seiner beliebtesten Schüler. Der Name einer der Großväter von Wakīʿ lautete Ruʾās -und bedeutete so viel wie „Großkopf “. Um seinen Schüler für die Wissenschaft anzuspornen, machte Ṯawrī mit dem Begriff Ruʾās Andeutungen auf seinen Großvater und rief Wakīʿ mit den Worten „O Ruʾāsī! Komm!“ Er fragte Wakīʿ, von wem er welche Hadithe hörte, und Wakīʿ übermittelte diese seinem Lehrer. Ṯawrī wiederum lächelte ihm zu und staunte über seine Wiedergabefähigkeit.1718 Ṯawrī zeigte mit solch einem Scherz gegenüber einem seiner talentierten, noch im Kindesalter befindlichen Schüler, dass er der Erziehungswissenschaft mächtig war, und leistete somit einen großen Beitrag zur Ausbildung einer religiösen Autorität wie Wakīʿ. Auch einer der führenden Wissenschaftler Kūfas, al-­Aʿmaš (gest. 148/765), welcher auch ein gemeinsamer Lehrer der Sufyānayn war, verfügte über eine sehr witzige und schlagfertige Charaktereigenschaft. Der Kūfenser Wakīʿ b. al-­Ǧarrāḥ profitierte außer von Ṯawrī auch lange Jahre von al-­Aʿmaš. Als al-­Aʿmaš erfuhr, dass sein Gesprächspartner „Wakīʿ“ hieß, was so viel wie „stark, stabil, memorierfähig“ bedeutete, machte er einen netten Scherz, indem er bemerkte, dass dies ein ehrenhafter Name sei, der darauf hinweise, dass Wakī später eine starke und das Wissen gut memorierende Person werde, und sagte zu ihm: „Meines Erachtens nach wirst du [als Wissenschaftler] eine erhabene Person werden.“1719 Dass die Gelehrten dieser Ära solche Scherze machten, stellte neben dem Effekt, dass es eine Monotonie während des Unterrichts verhinderte, die Schwierigkeit der Ausbildung behob und die Leistung anhob, zwischen ihnen und der Schülerschaft im Speziellen und dem Volk im Allgemeinen eine gute Beziehung

1718 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, XIII, S. 505; Mizzī, Tahḏīb, XXX, S. 477; Ḏahabī, Siyar, IX, S. 146; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, XI, S. 112. 1719 Mizzī, Tahḏīb, XXX, S. 477; Ḏahabī, Siyar, IX, S. 145; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, XI, S. 112.

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her und steigerte die ihnen geschenkte Zuneigung und das Interesse an ihnen. Dadurch verstärkte sich sowohl bei der Schülerschaft als auch beim Volk der Eindruck, dass die Gelehrten dieser Ära von allen erreichbare, bescheidene Persönlichkeiten waren. So hatte die Beachtung dieses Prinzips einen, wenn auch nur indirekten, Einfluss in weiten Gesellschaftskreisen auf die Anerkennung einer Person als religiöse Autorität.

3.3.16 Bevorzugung der Beschäftigung mit dem ʿIlm gegenüber der Beschäftigung mit Nāfila-­Anbetungen In der islamischen Wissenschaftstradition erhielten wissenschaftliche Arbeiten im Allgemeinen den Vorzug vor der Beschäftigung mit Nāfila-­Anbetungen. Die Bedeutung, die in den Hauptquellen des Islam dem Wissen und den Gelehrten beigelegt wird, war bei der Etablierung dieses Verständnisses sicherlich wirksam gewesen. Im Koran wird erwähnt, dass nur die Gelehrten Ehrfurcht vor Allah haben,1720 und es wird somit darauf verwiesen, dass die Gelehrten den Schöpfer am besten kennen. Außerdem spornten viele Überlieferungen dazu an, die Worte und Taten des Propheten, die eine gewisse Exegese des Korans widerspiegeln, zu verstehen und an die Nachfolgegenerationen richtig weiterzureichen.1721 Dies gilt besonders für die Aussagen, die betonen, dass der ʿĀlim dem ʿĀbid überlegen sei,1722 und die davon in Kenntnis setzen, dass das Streben nach Wissen für jeden Muslim eine Pflicht (farḍ) sei1723 und als Buße für die begangenen Sünden diene.1724 Sie hielten damit die Menschen jener Zeit zum Wissenserwerb an und führten sie zu angestrengten wissenschaftlichen Tätigkeiten. So entstand letztlich im 2. Jahrhundert n. H. eine sehr lebendige, den Wissensaustausch förderliche Atmosphäre. In diesem Verständnis verliebten sich die führenden Gelehrten jener Ära geradezu in das Wissen und gaben den wissenschaftlichen Arbeiten angesichts ihres gesellschaftlichen Nutzens den Vorzug vor den Nāfila-­Anbetungen. In den Quellen stößt man auf viele Gelehrte, die damals dieses Verständnis vertraten. Beispielsweise sagte Ṯawrī: „Wenn die Absicht aufrichtig ist, dann gibt 1720 Fāṭir, 35/28. 1721 „Verkündet [es], auch wenn es nur ein Zeichen [Āya] von mir ist!“ Buḫārī, Aḥādīṯu l-­Anbiyāʾ, 60. 1722 „Die Überlegenheit eines ʿĀlim gegenüber einem ʿĀbid ist wie meine Überlegenheit gegenüber dem Niedrigsten von euch.“ Tirmiḏī, ʿIlm, 42. 1723 „Das Streben nach dem ʿIlm ist Pflicht (farḍ) für jeden Muslim.“ Ibn Māǧa, I, S. 81, Hadith-­Nmr: 224. 1724 „Wer nach ʿIlm strebt, dem dient dies seinen vergangenen Sünden als Buße.“ Tirmiḏī, ʿIlm, 42; Dārimī, I, S. 139.

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es keine tugendhaftere Beschäftigung als das Streben nach Hadith [ʿIlm]“1725 und verwies damit darauf, dass es nach den Farḍ-­Anbetungen nichts Tugendhafteres als das Streben nach Wissen gebe. In einer anderen Aussage sagte er: „Ich kenne keine tugendhaftere Anbetung [ʿIbāda], als den Menschen das Wissen zu lehren.“1726 In diesem Sinne ist die folgende Aussage des gemeinsamen Schülers der Sufyānayn ʿAbdullāh b. al-­Mubārak zu sehen: „Nach dem Prophetentum kenne ich nichts Überlegeneres als das Verbreiten von Wissen.“1727 Einer der wichtigsten fünf Schülern von Ibn ʿUyayna, Imam aš-­Šāfiʿī (gest. 204/820), sagte auch: „Das Streben nach Wissen ist wertvoller als das Nāfila-­ Gebet.“1728 Der gemeinsame Schüler der Sufyānayn, Wakīʿ b. al-­Ǧarrāḥ, hielt die Beschäftigung mit der Hadith-­Wissenschaft für wertvoller als das Verrichten eines Nāfila-­Gebets und sagte: „Wenn ich wüsste, dass das Verrichten eines Nāfila-­Gebets wertvoller als die Beschäftigung mit der Hadith-­Wissenschaft wäre, dann würde ich keinen Hadith überliefern.“1729

Der Basrenser ʿAbdurraḥmān b. Mahdī (gest. 198/814), ein anderer der engsten sechs Schüler Ṯawrīs, führte aus, dass er, als sein Lehrer in Basra in den letzten Jahren seines Lebens, die er dort verborgen verbrachte, erkrankte, nicht zu den Gebeten mit der Gemeinde ging, sondern bei seinem Lehrer blieb und von ihm Fragen stellend profitierte.1730 Die Gelehrten jener Zeit, die sich dieses Prinzip aneigneten, begnügten sich nicht mit ihrem vorhandenen Wissensgut, sondern frischten dieses immer wieder auf. Anstelle von Nāfila-­Anbetungen, deren Nutzen mehr individueller Art war, rieten sie den Menschen zu wissenschaftlichen Tätigkeiten, die für die Gesellschaft nützlicher waren. Dieses Verständnis ermöglichte ihnen schließlich, dass sie eher als Wissenschaftler bekannt wurden, und trug sehr zu ihrer religiösen Autorität bei. Die Gelehrten hingegen, die die Nāfila-­Anbetungen dem Wissen bevorzugten, förderten eher die Praxis. Jene Gelehrten, die Beides ausbalanciert praktizierten, bewahrten ihrerseits mehr das Prinzip des „Zusammenspiels von Wissen und Praxis“, welches ebenfalls zu Kriterien der Entwicklung einer religiösen Autorität zählte. 1725 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VI, S. 366. 1726 Ibn ʿAbdilbarr, Ǧāmiʿu Bayān, I, S. 25, 47. 1727 Mizzī, Tahḏīb, XVI, S. 20; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 387. 1728 Abū Nuʿaym, Ḥilya, IX, S. 119; Ḏahabī, Siyar, X, S. 23, 53. 1729 Mizzī, Tahḏīb, XXX, S. 482; Ḏahabī, Siyar, IX, S. 151 f. 1730 Fasawī, al-­Maʿrifa, I, S. 406; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 250.

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3.3.17 Präferierung eines einfachen Lebens Beim Studium der Quellen ist zu beobachten, dass die führenden religiösen Autoritäten des 2. Jahrhunderts n. H. im Allgemeinen ein sehr einfaches Leben führten und den Luxus vermieden. Sicher stand im Hintergrund dieser Bevorzugung eines einfachen Lebens außer dem Vermeiden von Verschwendung auch das Streben, die finanziellen Mittel mehr für wissenschaftliche Arbeiten zu verwenden. Der Besitz von weltlichen Gütern aller Art, die den eigenen Bedarf übersteigen, erforderte ja das Verdienen von Geld, und das wiederum den Verbrauch von Zeit und Geist. Dies aber nahm zwangsläufig Zeit, welche für wissenschaftliche Arbeiten investiert werden konnte, in Anspruch, schwächte die Konzentration auf die Wissenschaft und hielt sogar von wissenschaftlichen Arbeiten ab. Die in dieser Hinsicht äußerst einfache Lebensführung der Sufyānayn wurde bereits in den jeweiligen Abschnitten „Sein Lebensunterhalt“ und „Seine Bescheidenheit“1731 behandelt. Das dort Gesagte traf auch für die Allgemeinheit der führenden zeitgenössischen Gelehrten zu. Beispielsweise ist bekannt, dass al-­Aʿmaš (gest. 148/765), welcher als der beste Kenner der Hadithe von Ṣaḥābī Ibn Masʿūd bezeichnet wurde1732 und einer der gemeinsamen Lehrer der Sufyānayn war, nachdem er sich dem Wissen widmete und sein Lebensmittelgeschäft in Kūfa aufgab, zwar ein sehr armer, aber sehr genügsamer Mensch war und Ibn ʿUyayna zufolge sogar wegen seiner Bekleidung als Bettler angesehen wurde.1733 Der bereits vielfach genannte Mekkaner ʿAmr b. Dīnār (gest. 126/744) sagte über den Medinenser Ibn Šihāb az-­Zuhrī (gest. 124/742), der 45 Jahre lang zwischen Šām und Ḥiǧāz hin-­und herreiste1734 und wissenschaftlich sehr aktiv war: „Ich sah niemanden, dessen Hadith deutlicher [anaṣṣu] als der von Zuhrī war. Ich sah niemanden, bei dem die Dirhams wertloser waren als bei ihm. Seiner Ansicht nach waren die Dirhams von so viel Wert wie Kamelexkremente.“1735

Der gleichfalls oft erwähnte ʿAbdurraḥmān b. Mahdī (gest. 198/813–14) sagte: „Ich sah niemanden, der die Hadith-­Wissenschaft besser beherrschte als Sufyān aṯ-­Ṯawrī, der intelligenter war als Anas b. Mālik, der das Leben in Luxus und Wohlstand mehr unterließ als Šuʿba und der der Umma mehr Gutes antat als Ibnu l-­Mubārak.“1736

1731 Abschnitte 2.1.4 und 2.1.8.2 sowie 2.2.4 und 2.2.8.2. 1732 Buḫārī, at-­Tārīḫ, IV, S. 38; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 10; Ḏahabī, Siyar, VI, S. 233, 246. 1733 Ḏahabī, Siyar, VI, S. 229, 233. 1734 Ḏahabī, Siyar, V, S. 335. 1735 Mizzī, Tahḏīb, XXVI, S. 435; Ḏahabī, Siyar, V, S. 334. 1736 Mizzī, Tahḏīb, XVI, S. 17; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 237; Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, V, S. 336.

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Der Basrenser Šuʿba b. al-­Ḥaǧǧāǧ (gest. 160/776), der seine Genügsamkeit mit Wenigem mit den Worten „Wenn ich Zucker und Mehl habe, so nehme ich das Diesseits nicht ernst“1737 ausdrückte, wurde als Folge seiner intensiven wissenschaftlichen Arbeiten von den Kritikern als „Amīru l-­Muʾminīn fi l-­Ḥadīṯ“1738 akzeptiert. Eines der interessanten Beispiele in diesem Kontext ist, dass der Imam der noch heute ihre Aktualität bewahrenden malikitischen Rechtsschule und einer der bekannten Muḥaddiṯūn und Fuqahaʾ von Medina, Mālik b. Anas (gest. 179/795), während seiner Ausbildung aufgrund finanzieller Schwierigkeiten das Dach seines Hauses abriss und das Holz verkaufte, damit er Bücher kaufen konnte.1739 Zu jener Zeit gab es andererseits auch wohlhabende Wissenschaftler, die allerdings ebenfalls ein einfaches Leben bevorzugten, ihre finanziellen Mittel eher für wissenschaftliche Arbeiten aufwandten und andere Gelehrte finanziell unterstützten. Beispielsweise ist bekannt, dass ʿAbdullāh b. ʿAwn (gest. 151/768), der sich unter den Lehrern von Ṯawrī befand und als einer der vier Grundpfeiler des basrischen Wissenschaftszentrums angesehen wurde,1740 ein wohlhabender, großzügiger und schön gekleideter Mann war, aber niemals mit Geld in seiner Hand gesichtet wurde und die Augendienerei (Riyāʾ), Konflikte mit Menschen wie auch deren Demütigung stets mied.1741 Das jährliche Einkommen des bekannten ägyptischen Gelehrten Layṯ b. Saʿd (gest. 175/791) wiederum betrug 80 000 Dinar. Er spendete bedürftigen Menschen, die ihn besuchten, in beachtlichen Mengen. Da er auch vielen Gelehrten wie Ibn Lahīʿa (gest. 174/790) und Imam Mālik (gest. 179/795) großzügige finanzielle Unterstützungen leistete und dadurch niemals über ein Vermögen verfügte, wurde ihm die Abgabe von Pflichtalmosen (Zakāt) niemals farḍ.1742 Es wird auch berichtet, dass Ḥammād b. Salama (gest. 176/793), der in Basra zu den Personen zählte, die die Hadithe als erste kategorisierten und in Kapitel ein-

1737 Ḏahabī, Siyar, VII, S. 207. 1738 Buḫārī, at-­Tārīḫ, IV, S. 245. 1739 Qāḍī ʿIyāḍ, Abu l-­Faḍl ʿIyāḍ b. Mūsa al-­Yaḥṣūbī (gest. 544/1149), Tartību l-­Madārik wa Taqrību l-­Masālik, 8 Bände, ed.: 1. Band: Ibn Tāwīt aṭ-­Ṭanǧī, 1965; 2., 3., 4. Band: ʿAbdulqādir aṣ-­Ṣaḥrāwī, 1966, 1970; 5. Band: Muḥammad b. Šarīfa; 6., 7., 8. Band: Saʿīd Aḥmad ʿArāb, Maṭbaʿatu Fuḍāla, Maġrib 1981, 1983, I, S. 130. 1740 Ḏahabī, Siyar, VI, S. 365 f. 1741 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VII, S. 262 ff., 267; Ḏahabī, Siyar, VI, S. 366, 369 f. 1742 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 322; Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, XIII, S. 7; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 148 f.

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teilten,1743 mit dem Textilhandel beschäftigt war, und wenn er eine seinen Tagesbedarf deckende Menge verkauft hatte, sein Geschäft schloss und seine restliche Zeit für wissenschaftliche Arbeiten oder religiöse Praktiken nutzte.1744 Da der gemeinsame Schüler der Sufyānayn, der Basrenser Yaḥyā b. Saʿīd al-­Qaṭṭān, mit dem Baumwollhandel beschäftigt war, erhielt er den Beinamen (Laqab) „al-­Qaṭṭān“.1745 Es wird jedoch überliefert, dass er ein sehr bescheidener und sich mit allen Nahrungsmitteln, die er vorfand, begnügender Mensch war, der jede Nacht den Koran rezitierte und intensive Forschungstätigkeiten ausführte.1746 Diese Beispiele ließen sich anhand der Quellen noch beliebig vermehren. Man kann daher sagen, dass die Allgemeinheit der führenden Wissenschaftler jener Zeit ein einfaches Leben bevorzugte und ihre finanziellen Mittel wissenschaftlichen Arbeiten zuteilwerden ließen. Diese Einstellung ermöglichte es ihnen, sich kontinuierlich mit diesen Arbeiten zu beschäftigen. Auch wenn diese keine direkten Auswirkungen darauf hatte, ob sie zu religiösen Autoritäten wurden, erhöhte es doch das Vertrauen des Volkes zu ihnen und dessen Zuneigung und bekräftigte ihr vorhandenes Ansehen innerhalb der Wissenschaft.

3.3.18 Beziehungen zum Volk und Nützlichkeit für die Gesellschaft Auch „Sozialkompetenzen sind von elementarer Bedeutung für die religiöse Autoritätswerdung“1747. So ist zu beobachten, dass die Allgemeinheit der führenden religiösen Autoritäten des 2. Jahrhunderts n. H. ihre Zeit intensiv für wissenschaftliche Arbeiten aufwendeten, das Verkehren mit Menschen mit verwerflichen Charaktereigenschaften mieden, mit dem Volk im Allgemeinen eine niveauvolle Beziehung pflegten und versuchten, für die Allgemeinheit der Gesellschaft nützlich zu sein. Durch diese Haltung bewahrten sie die Würde der Gelehrsamkeit. Nach dem bereits genannten ʿAbdurraḥmān b. Mahdī (gest. 198/813–14) sollte jemand, der vom Wissen her einem größeren Menschen begegnete, diesen hochschätzen, und wenn er einem Gleichwertigen begegnete, mit ihm Wissen austauschen und somit sein eigenes Wissen bereichern. Wenn er vom Wissen her einem Rangniedrigeren begegnete, sollte er bescheiden sein und ihm ʿIlm lehren.

1743 Rāmahurmuzī, al-­Muḥaddiṯu l-­Fāṣil, S. 611 f.; Sezgin, Buhârî’nin Kaynakları, S. 82 f. 1744 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VI, S. 250. 1745 Šaybānī, Abu l-­Ḥasan ʿAlī b. Abi l-­Karam Muḥammad b. Muḥammad al-­Ǧazarī (gest. 630), al-­Lubāb fī Tahḏībi l-­Ansāb, Beirut 1400/1980, III, S. 44. 1746 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, XIV, S. 142. 1747 Uçar, Islamische Theologie im deutschen Kontext, S. 204.

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Diesem Verständnis entsprechend hielt Ibn Mahdī den Verkehr mit Menschen, die nach Belieben und ohne die Koranverse und Hadithe zu berücksichtigen nur ihre eigene Meinung kundtaten, nicht für schicklich.1748 Die Wissenschaftler legten, wie erwähnt, Wert auf Charakterzüge wie diese, keine Konflikte mit dem Volk einzugehen und es nicht zu demütigen. So kam es vor, dass ʿAbdullāh b. ʿAwn (gest. 151/768) mit niemandem einen verbalen Konflikt einging, niemanden je demütigte und seine Zunge stets beherrschte. Dass er außerdem einen christlichen Stellvertreter hatte, der die Erträgnisse seiner Geschäfte auf dem Markt verwaltete und er selber in der oberen Etage seines Hauses wohnte und in der unteren Etage sein Mieter christlichen Glaubens, ist ein bemerkenswertes Beispiel für die interkulturellen Beziehungen innerhalb des Volkes zu jener Zeit.1749 Der gleichfalls bereits des Öfteren genannte ʿAbdullāh b. al-­Mubārak (gest. 181/797) mochte kein inhaltloses Gerede und hatte einen verträglichen, gerechten und großzügigen Charakter.1750 An dieser Stelle sei nochmals betont, dass die führenden Gelehrten besonders gegenüber Schülern äußerst bescheiden waren. Diese Haltung führte dazu, dass sie die Zuneigung und den Respekt ihrer Schüler wie auch allgemein des Volkes gewannen. Die führenden Wissenschaftler achteten den gesellschaftlichen Frieden und maßen daher der Beziehung zum Volk einen wichtigen Wert bei. Beispielsweise kommt in den Quellen vor, dass einer der gemeinsamen Lehrer der Sufyānayn, der Basrenser Ḥumayd aṭ-­Ṭawīl (gest. 143/750), der als eine solche besonnene und respektierte Persönlichkeit bekannt war, die die Konflikte unter den Menschen löste und aus diesem Grund als „Muṣliḥu Ahli l-­Baṣra = diejenige Person, die innerhalb des basrischen Volkes den Frieden stiftet“1751 angesehen wurde. Es sei hier auch nochmals daran erinnert, dass, auch wenn in Ṯawrīs Beziehung zur Staatsführung1752 überhaupt keine Versöhnung zu finden ist, dieser doch niemals eine Rebellion gegen den Staat unterstützte, um keinen Anlass für eine gesellschaftliche Unruhe und Unfrieden zu geben, während sich Ibn ʿUyayna mit der Staatsführung1753 aussöhnte und eine reibungslose Beziehung mit ihr pflegte. Von den Kritikern der behandelten Epoche wurde neben den Wissensressourcen der Wissenschaftler auch deren Nutzen für die Bevölkerung betrachtet. So 1748 Ḏahabī, Siyar, IX, S. 203, 207. 1749 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, VII, S. 263 f.; Ḏahabī, Siyar, VI, S. 365 f., 369. 1750 Ḏahabī, Siyar, 397. 1751 Mizzī, Tahḏīb, VII, S. 363; Ḏahabī, Siyar, VI, S. 167. 1752 Zur Ṯawrīs Beziehung zur Staatsführung siehe Kapitel 2.1.11 und 2.5 1753 Zur ʿUyaynas Beziehung zur Staatsführung siehe Kapitel 2.2.11 und 2.5

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sagte der Kūfenser Abū Isḥāq al-­Fazārī (gest. 188/804), ein gemeinsamer Schüler der Sufyānayn und al-­Awzāʿīs, bezüglich der Wissenssammlung von Ṯawrī: „Wenn ich für diese Umma eine freie Wahl [hinsichtlich der Wissenssammlung] erhielte, würde ich keinen außer Sufyān auswählen.“1754

Als er jedoch Ṯawrī und al-­Awzāʿī hinsichtlich ihres Nutzens für die Bevölkerung verglich, sagte er, al-­Awzāʿīs Vorzüglichkeit in dieser Hinsicht betonend: „Ich sah noch nie zwei Menschen wie al-­Awzāʿī und Ṯawrī. Was al-­Awzāʿī betrifft, so war er ein Mann des Volkes. Ṯawrī hingegen war ein besonderer Mensch. Wenn ich für diese Umma eine freie Wahl [hinsichtlich des Nutzens für die Gesellschaft] erhielte, würde ich al-­Awzāʿī auswählen. Denn al-­Awzāʿī war ein toleranterer Mensch. Bei Allah! Er war ein Imam.“1755

Fazārī drückte mit diesen Worten wohl aus, dass der Gelehrte Ṯawrī sich nie mit der Staatsführung aussöhnte, infolgedessen seinen letzten Lebensabschnitt unter der Verfolgung des Staates verbrachte und deswegen für das Volk nicht so sehr von Nutzen war. Unter Berücksichtigung dessen lässt sich feststellen, dass diejenigen Wissenschaftler, die innerhalb der Bevölkerung mit jedem seinem Rang entsprechend umgingen, soziale Probleme vernünftig und in einer wissenschaftlichen Art und Weise behandelten und den gesellschaftlichen Nutzen voranstellten, auch bei der Allgemeinheit der Bevölkerung die größte Akzeptanz fanden.

3.3.19 Fleiß und Kontinuität bei wissenschaftlichen Tätigkeiten Die Quellen sagen aus, dass für die religiösen Autoritäten im 2. Jahrhundert n. H. die wissenschaftlichen Tätigkeiten im Mittelpunkt ihres Lebens standen. Wie bereits in den Kapiteln 2.1.5 und 2.2.5 zur Ausbildung der Sufyānayn erwähnt wurde, bemühten sich die zu religiösen Autoritäten gewordenen Gelehrten allgemein, bereits in jungen Jahren ein Leben lang mit Leidenschaft von den führenden Gelehrten ihrer Zeit zu lernen und ihre eigenen wissenschaftlichen Arbeiten fortzuführen. In diesem Zusammenhang verbanden die mühsamen Bildungsreisen (Riḥla) die damaligen Wissenszentren miteinander und hielten den Kontakt untereinander lebendig. Dies führte zur Weiterverbreitung des Wissens und zum Erreichen eines gewissen Wissensstandards.1756 1754 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, IX, S. 162. 1755 Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb, IV, S. 102, VI, S. 218. 1756 Repp, R. C., ʿUlamā, in: EI2, (New Edition), Leiden 2000, X, S. 802.

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Während dieser ihrer Tätigkeiten ist zu beobachten, dass die Gelehrten zeitweilig – begründet durch das Fehlen von materiellen Gütern – vom Wissen eines führenden Gelehrten dieser Ära nicht profitieren konnten, jedoch sich stets bemühten, durch andere Mittel ihr Wissen zu erweitern. Beispielsweise konnte Ṯawrī aufgrund von fehlenden materiellen Gütern den Medinenser Ibn Šihāb az-­Zuhrī (gest. 124/742), welcher als „Awwalu man dawwana l-ʿIlm=Der Erste, der das ʿIlm niederschrieb“ akzeptiert wurde,1757 nicht besuchen. Er lernte jedoch durch eine Reise in den Jemen Zuhrīs komplettes Wissensgut von dessen Schüler Maʿmār b. Rašīd (gest. 153/770) mit seinen eigenen Worten „in solch einem Grade, dass er des Hörens von Zuhrī nicht bedurfte“1758 und verfolgte das von dieser Ader abstammende Wissenserbe zurück. Diese Bemühung und Leidenschaft Ṯawrīs verführten ihn sogar im Sterbebett dazu, einen neu vernommenen Hadith aufzuzeichnen.1759 Auch sind der Fleiß und die Leidenschaft von Zuhrī bei der Ausübung wissenschaftlicher Tätigkeiten bemerkenswert. In diesem Zusammenhang sagte er: „Meine Knie berührten acht Jahre lang die Knie von Saʿīd b. Musayyab (gest. 94/712)“ und drückte mit diesen Worten aus, dass er sein Schüler war. Außerdem sagte er aus, dass er 45 Jahre lang, um Hadithe zu sammeln, zwischen Šām und Ḥiǧāz hin- und herreiste.1760 Diese seine Leidenschaft und dieser Fleiß erreichten solch einen Grad, dass er, wenn er sich über seine Bücher beugte, niemandem und nichts anderem Aufmerksamkeit schenkte. Aus diesem Grund klagte seine Ehefrau über diese seine Haltung mit folgenden Worten: „Bei Allah! Diese Bücher von dir sind für mich schlimmer auszuhalten als drei Nebenfrauen.“1761 Zuhrī, der immer auf den Fleiß und die Kontinuität bei wissenschaftlichen Tätigkeiten aufmerksam machte, sagte: „Nur das Vergessen und die Unterlassung von Diskursen bringen das ʿIlm zum Verfall.“1762 Der für seine Leidenschaft für das Wissen und seinen Fleiß bekannte ʿAbdullāh b. al-­Mubārak aus Marw (gest. 181/797) äußerte, dass er 30 Jahre lang die Ethik und 20 Jahre die anderen Wissenschaften studiert hatte. Aḥmad b. Ḥanbal (gest. 241/855) verwies darauf und sagte: „Ich sah niemanden, der das ʿIlm mehr als er 1757 Ḏahabī, Siyar, V, S. 334; Abū Nuʿaym, Ḥilya, III, S. 363; Ibn ʿAbdilbarr, Ǧāmiʿu Bayān, I, S. 76. 1758 Ibn Abī Ḥātim, al-­Ǧarḥ, I, S. 57, 76; Ḏahabī, Siyar, VII, S. 8. 1759 Abū Nuʿaym, Ḥilya, VII, S. 64. 1760 Abū Nuʿaym, Ḥilya, III, S. 362; Ḏahabī, Siyar, V, S. 335; Melchert, The Etiquette of Learning in the Early Islamic Study Circle, S. 6. 1761 Ibnu l-­Imād, Šaḏarātu ḏ-­Ḏahab, I, S. 162 f. 1762 Ḏahabī, Siyar, V, S. 337.

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anstrebte.“ Auf die Frage „Wie lange willst du denn noch nach ʿIlm streben?“ antwortete er: „Ich hoffe, dass ihr mich bis zu meinem Tode im Eifer seht.“1763 Und auf die Frage „Leidest du nicht unter dieser Einsamkeit?!“ antwortete Ibnu l-­Mubārak, der sich auch zuhause sehr viel mit ʿIlm beschäftigte: „Wie sollte ich denn unter Einsamkeit leiden, während ich mit dem Propheten und seinen Gefährten bin?!“1764

Ṭāwūs b. Kaysān (gest. 106/725), einer der Schüler von Ibn ʿAbbās, wies mit den Worten „Wahrlich machte dieser ʿAmr b. Dīnār seine Ohren für jeden Gelehrten zu einem Trichter“1765 auf den Eifer und die Kontinuität bei den wissenschaftlichen Tätigkeiten von ʿAmr b. Dīnār (gest. 126/744), einem der wichtigsten beiden Lehrer von Ibn ʿUyayna, hin. In den Quellen sind in diesem Zusammenhang auch Informationen über die anderen Gelehrten vorzufinden. Wenn diese Mitteilungen allgemein bewertet werden, dann sticht die Wichtigkeit der Rolle von Fleiß und Eifer auf dem Weg zu einer religiösen Autorität hervor. So ist zu verstehen, dass diejenigen Wissenschaftler, die ihr Leben überwiegend auf das Lernen und Lehren fokussierten, mit außerordentlichem Eifer wissenschaftliche Arbeiten durchführten und ihr Wissen stets auf dem neuesten Stand hielten, auf diese Art und Weise die Anerkennung der Mehrheit der Gesellschaft und der wissenschaftlichen Kreise erhielten.

1763 Qāḍī ʿIyāḍ, Tartību l-­Madārik wa Taqrību l-­Masālik, III, S. 39. 1764 Ḫaṭīb, Tārīḫu Baġdād, X, S. 154; Ibnu l-­Ğawzī, Ṣifatu ṣ-­Ṣafwa, IV, S. 136; Ḏahabī, Siyar, VIII, S. 382. 1765 Ibn Saʿd, aṭ-­Ṭabaqāt, V, S. 479.

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4 Schlussfolgerungen In der von der Geburt Sufyān aṯ-­Ṯawrīs (97/716) bis zum Tode Sufyān b. ʿUyaynas (198/813) rund 100 Jahre langen Ära fanden viele bedeutende politische, soziale und wissenschaftliche Entwicklungen statt. Der politische Zustand: Aufgrund wichtiger Gründe, wie der Verfolgung von einer allgemein am Verständnis des arabischen Stammesfanatismus ausgerichteten Politik, der Anwendung einiger diskriminierenden Praktiken gegenüber nichtarabische Muslime (Mawālī) und der Machtübernahme von Kalifen, denen die für die Staatsführung erforderlichen Voraussetzungen fehlten, kam es in der Umayyaden-­Ära zu vielen Aufständen. Diese schwächten den Umayyaden-­ Staat in seinen letzten 35  Jahren immer mehr. Zum anderen gewann die im Jahre 100/718–19 insgeheim begonnene abbasidische Putschbewegung, um den Umayyaden-­Staat zu stürzen, mit derartigen Aufständen sukzessive an Stärke und schließlich stürzte die abbasidische Putschbewegung den Umayyaden-­Staat. Die anfangs mit der Behauptung einer nichtrassischen Grundlage begonnene abbasidische Rebellion gegen die Umayyaden-­Dynastie, die im Allgemeinen eine diskriminierende Politik betrieb, hatte als Folge eines gemeinsamen Bündnisses unterschiedlicher Interessengruppen Erfolg. Nachdem die abbasidischen Führer die Herrschaft komplett an sich gerissen hatten, zögerten sie nicht, diejenigen Gruppierungen und Personen, die sie bei der Vernichtung der Umayyaden stark unterstützt hatten, sich aber später gegen sie wandten und ihnen gefährlich wurden, zu eliminieren. Politische Auseinandersetzungen zeigten sich vor allem beim Kampf um den Thron, welche sogar zeitweilig Kriege (wie zwischen Amīn und Maʾmūn) auslösten. Im Verlauf der Geschichte der behandelten Epoche gab es immer eine unausweichliche Beziehung zwischen den Wissenschaftlern und der Politik. Beispielsweise gingen die Machthaber immer dann gegen Wissenschaftler vor, wenn für sie die Gefahr bestand, ihre weltliche Führung zu verlieren. Ansonsten hatten die Wissenschaftler im Allgemeinen die Möglichkeit, ihre Meinungen frei zu äußern, und übten ihre wissenschaftlichen Tätigkeiten ungestört aus. Doch zögerten die Staatsführer nicht, diejenigen – wer auch immer sie waren – zu beseitigen, die ihre politische Autorität und die Einheit des Staates gefährdeten. Allerdings gab es auch Machthaber, die die Kritik der Wissenschaftler an der Führung berücksichtigten. So lässt sich sagen, dass die Wissenschaftler jener Ära in den Beziehungen mit der Regierung allgemein eine ehrenhafte Haltung bewiesen. Diese Haltung der Gelehrten gegenüber den Fehlern der Führer, welche in Formen von passiven 405

Widerständen zu Tage trat, bremsten die Legitimierung ungerechter Praktiken mancher Führer und führten langfristig zum Sieg der Vernunft. Der soziale Zustand: Auch wenn die Mawālī in der Ära der Umayyaden über die gleichen gesetzlichen Rechte wie die Araber verfügten, wurden sie in der Praxis – mit Ausnahme der kurzfristigen Ära von ʿUmar b. ʿAbdilʿazīz (99–101/717–720) – ungerecht behandelt. Daneben führte diese diskriminierende Politik der Umayyaden dazu, dass sich die Mawālī den unterschiedlichen Bereichen der Wissenschaften und Künste widmeten, in denen keine Diskriminierungen vorhanden waren. So kamen einige der berühmtesten religiösen Autoritäten der bekannten Wissenszentren dieser Ära aus den Reihen der Mawālī. Den Ḏimmīs im 2. Jahrhundert n. H., deren Mehrheit die Christen und Juden ausmachten, wurden im Glauben weiträumige Freiheiten gewährt. Allgemein lebten sie im Alltag ruhig und friedlich unter den Muslimen, und da sie in der Regel keine politischen Opponenten waren, waren sie nie einer nennenswerten Unterdrückung ausgesetzt. Diese relative Religionsfreiheit unter den Bedingungen jener Zeit, die den Nichtmuslimen vom Staat gewährleistet wurden, wirkten sich bei der Konvertierung mancher Nichtmuslime zum Islam aus. Die Umayyaden stützten ihre Autorität auf die arabische Bevölkerung, die die Mehrheit des Šām-­Gebiets ausmachte. Dem entgegen stützten sich die Abbasiden auf die iranische Bevölkerung, die bei der Gründung ihres Staates von ihnen große Hilfen erhielt, und teilten wichtige Ämter des Staates Iranstämmigen zu. Aus diesem Grund kam es zwischen den Arabern und den Iranern zu Spannungen bezüglich des jeweiligen Einflusses. Diese Spannungen traten unter verschiedenem politischem Gewand zum Vorschein und führten hier und da sogar zu blutigen Auseinandersetzungen. Der wissenschaftliche Zustand: Das 2. Jahrhundert n. H. ist für alle islamischen Wissenschaften eine besonders wichtige Periode, in der die intensiven wissenschaftlichen Arbeiten in einem sich sukzessiv beschleunigenden Vorgang fortwährten; so wurden in bekannten Wissenszentren intensive Riwāya-, Tadwīn- und Taṣnīf-­Tätigkeiten durchgeführt. Durch diese intensiven Aktivitäten wurden die Fundamente der islamischen Wissenschaften gelegt, und jede von ihnen schritt schnell auf dem Weg zu einer eigenständigen Disziplin fort. Gegen Ende des 2. und zu Beginn des 3. Jahrhunderts n. H. wurde die Aufteilung der islamischen Wissenschaften in eigenständige Disziplinen dann offenkundig. Alle diese Tätigkeiten zeigen, dass im 2. Jahrhundert n. H. ein äußerst lebendiges Wissensumfeld, welches die Ausbildung vieler religiöser Autoritäten zu Folge hatte, vorhanden war und dass die in den folgenden Jahrhunderten geführten Arbeiten auf diesem Fundament aufbauten. 406

Es gab zwingende Gründe dafür, dass die Gelehrten solche lebendigen und intensiven wissenschaftlichen Arbeiten durchführten. Durch das Ausweiten der Grenzen der islamischen Länder vermehrten sich die Kontakte mit fremden Kulturen. Dieser Umstand brachte neue Probleme mit sich, und die Suche nach Entwicklungen von Lösungsstrategien mit unterschiedlichen Methoden wurde notwendig. Dabei löste das Prinzip eines dynamischen Hinterfragens der Probleme nunmehr die Haltung einer statischen Herangehensweise ab. Die wissenschaftlichen Tätigkeiten verhinderten es, die neu aufkommenden Probleme unter den Teppich zu kehren, ernste Probleme der Unlösbarkeit auszusetzen und, was am wichtigsten war, die islamischen Wissenschaften auf der Stelle treten zu lassen. Dass die Übersetzungstätigkeiten von Werken fremder Kulturen in diesem Jahrhundert eine systematische Form annahmen und sich beschleunigten, war andererseits ein Wendepunkt in der Entwicklung der islamischen Wissenschaften. Als Resultat dieser Tätigkeiten entstand bei der Lösung von Problemen eine neue Ansichtsweise, die den Verstand effektiv benutzte, und die Wege der wissenschaftlichen Arbeiten wurden geöffnet. Eine andere auffallende Eigenschaft des Wissenschaftsverständnisses dieser Epoche war, dass die Mehrheit der Wissenschaftler nicht introvertiert, sondern sehr weltoffen war und die Probleme der Gesellschaft zu lösen bestrebt waren. Diese Haltung hatte für die islamische Kultur im wissenschaftlichen Sinne einen großen Nutzen. Die Gelehrten analysierten die Fortschritte richtig und betrieben eine realistische Wissenschaftspolitik. Sie erschlossen viele wertvolle fremde Werke für die arabische Sprache. Diese Haltung gewährleistete eine Stabilität bei der Entwicklung der islamischen Wissenschaften. Die Wissenschaftskreise jener Ära wechselten in kürzester Zeit von der anfänglich reinen „Verwendung“ dieser Übersetzungen zur Tätigkeit des „eigenen Produzierens neuer Werke“. Hätte man zu jener Zeit versucht, die Probleme ausschließlich mit den Methoden der vorangegangenen Jahrhunderte zu bewältigen, wären keine realistischen Lösungen gefunden worden, da damit nur eine anachronistische und intolerante Haltung demonstriert worden wäre. Da zu dieser Zeit die islamischen Wissenschaften noch nicht in ganz eigenständige Einzeldisziplinen unterteilt waren, wandten sich die Gelehrten nicht nur einem Bereich zu, sondern verfügten im Allgemeinen über einen mehrdimensionalen, reichen Wissensschatz. Man könnte auch sagen, dass die Art und Weise der Ausbildung der Wissenschaftler jener Ära eine wirksame Anwendung des heutigen modernen Bildungsverständnisses war, welches zur Beherrschung der Grundwerke in den islamischen Wissenschaften führte, somit eine einseitige Wissensaneignung verhinderte und es ermöglichte, die Probleme aus einem breiteren Blickwinkel zu bewerten. 407

Die Ṣaḥāba-­Generation ist im Hinblick darauf, dass sie die Kerngruppe der intensiven wissenschaftlichen Tätigkeiten im 2. Jahrhundert n. H. bildete, von Bedeutung. Als Resultat der von ihnen in ihren Gebieten begonnenen wissenschaftlichen Tätigkeiten sind in verschiedenen Gebieten, wie vor allem in den alten Mittelpunktstädten Mekka und Medina und dazu in Basra, Kūfa, Šām, Ägypten, im Jemen und in Chorasan im Laufe der Zeit verschiedene Wissenschaftszentren mit unterschiedlichen Methoden entstanden. Bei deren Entstehung und bei der Ausbildung der Gelehrten in den anderen Gebieten fällt besonders die Tätigkeit der drei Ṣaḥābī-­Gelehrten, die eigene Lehrkreise innehatten, ins Auge. Dies waren der Vertreter der medinensischen Wissenstradition Zayd b. Ṯābit (gest. 45/665 [?]), der Vertreter der kūfischen Wissenstradition ʿAbdullāh b. Masʿūd (gest. 32/652–53) und der Vertreter der mekkanischen Wissenstradition Ibn ʿAbbās (gest. 68/687–88). Das in diesen Zentren entstandene Wissensgut wurde von der Tābiʿūn als Schüler der Ṣaḥāba und von der Tābiʿu t-­Tābiʿīn, die wiederum Schüler der Tābiʿūn waren, weiterentwickelt und den späteren Generationen übermittelt. In diesen Zentren wurden sehr viele religiöse Autoritäten ausgebildet. Beispielsweise gehörten Imam Mālik (gest. 179/795) zu Medinas, Sufyān aṯ-­Ṯawrī zu Kūfas und Sufyān b. ʿUyayna zu Mekkas bekanntesten religiösen Autoritäten, die das Wissensgut ihrer Gebiete am besten beherrschten. Die religiöse Autorität: Der Terminus „religiöse Autorität“ bedeutet die „Befugnis, im Namen der Religion Urteile abzugeben und Meinungen vertreten zu können“, deren Quellen und Legitimität sich auf die Religion stützen. Die religiöse Autorität wird nach den islamischen Quellen von Allah, dem Propheten, religiösen Gelehrten und Staatsführern repräsentiert. Diese Gruppen verfügen über eine für die Gläubigen religiöse Autorität von unterschiedlich großer Verbindlichkeit. Die absolute religiöse Autorität gebührt in Wirklichkeit nur Allah. Im Namen Allahs verfügt auch der Prophet über eine unumstrittene religiöse Autorität. Ansonsten ist die Befugnis derjenigen Personen und Gruppen, die religiöse Autoritäten repräsentieren, eingeschränkt, da bei ihren Urteilen Fehler möglich und sie selbst nicht übermenschlich sind. Die Kriterien der religiösen Autoritätswerdung: Damit ein Gelehrter von der Mehrheit der Muslime als religiöse Autorität akzeptiert wird, muss er einige Kriterien erfüllen. Die Kriterien, die, ausgehend von den zwei Gelehrten Sufyānayn des 2. Jahrhunderts n. H., in dem die islamischen Wissenschaften ihre Entstehungsphase erlebten, und ausgehend von den breiten Wissenschaftskreisen, die aus ihren Gelehrten und Schülern bestand, festgelegt wurden, besitzen heute noch ihre Gültigkeit, wenn auch nicht eins zu eins, so doch in ihren Ursprüngen. Da408

mit wird jedoch nicht behauptet, dass diese Kriterien auf die in der vorliegenden Arbeit Mitgeteilten begrenzt sind. Einer der elementaren Voraussetzungen, um von der Mehrheit der Muslime als religiöse Autorität anerkannt zu werden, ist zweifelsohne das Wissensgut. Es ist zu beobachten, dass bedeutsame religiöse Autoritäten wie die Sufyānayn, in den islamischen Wissenschaftsbereichen multiperspektivisch waren und über ernsthafte Wissensressourcen verfügten. Jemand, der heutzutage als religiöse Autorität akzeptiert werden möchte, müsste insbesondere mit den islamischen Hauptquellen vertraut sein. Wer in diesem Bereich nicht über einen ausreichenden Wissensstand verfügt, kann unmöglich eine religiöse Autorität werden. Diejenigen, von denen nicht bekannt ist, in welchem Wissenschaftskreis sie ausgebildet wurden und welche Schüler sie wiederum ausbildeten, und diejenigen, die über keine ausreichenden Wissensressourcen verfügen, leiten die Menschen unausweichlich fehl oder führen sie zu marginalen Ansichten, da sie das Gesamtbild nicht ersehen können. Es ist jedoch offenkundig, dass diejenigen, die im Bereich der Religion allein über ein wissenschaftliches Abschlusszeugnis verfügen, nicht von der Mehrheit der Muslime direkt als religiöse Autorität anerkannt werden, sondern dass dazu noch weitere Kriterien berücksichtigt werden müssen. Dieser Zustand verhindert es eigentlich, das Sprachrecht im Namen der Religion willkürlich zu gebrauchen, sowie das Vorherrschen der einseitigen Ansichten enger Kreise. Im 2. Jahrhundert n. H. wurde ständig nachgeprüft, ob die Religionsgelehrten über ein starkes und solides Gedächtnis verfügten. Die Überlieferungen derjenigen, deren Gedächtnis geschädigt war, wurden nicht akzeptiert. Auch heutzutage erfordert das Verfügen über große Wissensressourcen in den religiösen Wissenschaften ein starkes Gedächtnis und Urteilsvermögen. Jemand, der ein starkes Gedächtnis besitzt, wird auch in seinem Fachgebiet stark sein. Es ist ganz offensichtlich, dass jemand, dessen Gedächtnis schwach oder geschädigt ist, kein ausreichendes Wissen sammeln und mit seinem vorhandenen Wissen nicht konsequent urteilen kann. Die Islamgelehrten sind sich darüber einig, dass die Informationen, die jemand mit geschädigtem Gedächtnis übermittelt, nicht zuverlässig sind. Aus diesem Grund ist es erforderlich, dass jemand, der eine religiöse Autorität werden möchte, über ein starkes Gedächtnis und eine solide Dialektik verfügt. Da die Hauptquellen der islamischen Wissenschaften, der Koran und die Hadithe, in Arabisch verfasst sind, wurden im 2. Jahrhundert n. H. auch die Überlieferungstätigkeiten in arabischer Sprache ausgeführt. Auch wenn heutzutage keine Überlieferungstätigkeiten im klassischen Sinne mehr stattfinden, ist es doch wichtig, dass derjenige, der eine religiöse Autorität werden möchte, diese Sprache 409

beherrscht. Wer nämlich dieser Sprache mächtig ist, wird die arabischen Originaltexte eigenständig lesen und verstehen, auf Übersetzungen, die in gewissen Maßen eigene Auslegungen sind, nicht angewiesen sein und im Gegenteil dazu über eine persönliche Auslegung verfügen. Die Auffassung, dass der wissenschaftliche Genuss an einem in der originalen Sprache – egal in welcher auch immer – verfassten Text anhand dessen Übersetzung nicht in vollem Umfang erfahren werden kann, wird in wissenschaftlichen Kreisen allgemein akzeptiert. Daher kann die Rolle der arabischen Sprachwissenschaften für das richtige Verstehen und Interpretieren der Grundtexte nicht verleugnet werden. Es ist zu beobachten, dass die religiösen Autoritäten des 2. Jahrhunderts n. H., wie die Sufyānayn, bei ihren wissenschaftlichen Tätigkeiten auf die Ausgewogenheit des Respekts und der Objektivität äußersten Wert legten und mit der Berücksichtigung des Respekts auch Kritik an einem Gelehrten – wer immer es auch war –, der einen Fehler begangen hatte, nicht scheuten. Derjenige, der eine religiöse Autorität werden möchte, muss in Wort und Tat respektvoll und objektiv sein. Jedoch dürfen die Rücksichtnahme und der Respekt das freie Denken nicht beeinträchtigen und dazu führen, dass Personen tabuisiert und Fehler übersehen werden. Der Zweck einer Kritik ist ohnehin nicht das Diffamieren des Erfolgs von anderen, sondern der, mit plausiblen Kritiken die Mängel aufzuzeigen und somit das vorhandene wissenschaftliche Erbe in einer verfeinerten Form den Nachfolgegenerationen zu übermitteln. Im Wissenschaftsverständnis des 2. Jahrhunderts n. H. wurde dem Einklang von ʿIlm und ʿAmal großer Wert beigemessen. Diejenigen, die ihren Überlieferungen zuwider handelten, wurden nicht als zuverlässig und als religiöse Autoritäten akzeptiert, da sie durch ein solches Handeln ihre ʿAdāla-­Eigenschaft beschädigten. Das Übereinstimmen von Wort und Tat gehört auch heute noch sowohl in der individuellen als auch in der gesellschaftlichen Dimension im islamtheologischen Kontext zu den Voraussetzungen dafür, eine religiöse Autorität zu werden. ʿAmal ist aus individueller Sicht der Einklang zwischen dem Glauben einer Person und deren praktischem Leben und ein Parameter, der die Aufrichtigkeit gegenüber Allah widerspiegelt. Eine starke Beziehung besteht auch zwischen der Religiosität des Gelehrten und seiner gesellschaftlichen Anerkennung. Wenn auch die breite Masse der Gesellschaft nicht sehr religiös ist, so erwartet sie doch, dass die religiösen Autoritäten religiöser als sie selbst leben. Aus diesem Grund werden Gelehrte, die ihr Wissen nicht in die Tat umsetzen, oder Personen, die ohne Wissen praktizieren, von der Mehrheit der Gesellschaft nicht anerkannt. Daher ist es von elementarer Bedeutung, sich nicht vom sozialen Leben abzulösen und die gottzugewandten wissenschaftlichen Arbeiten im theoloischen Diskurs fortzuführen. 410

Im Wissenschaftsverständnis des 2. Jahrhunderts n. H. wurde auch Wert darauf gelegt, dass die Wissenschaftler über vortreffliche Charakterzüge verfügten. Als Resultat dieses Verständnisses werden auch heutzutage vortreffliche Charakterzüge wie die Bescheidenheit, die Aufrichtigkeit und der Fleiß in der Gesellschaft als eine Zierde des Wissenschaftlers angesehen. Wenn ein bei einfachen Menschen kaum auffallender charakterlicher Mangel bei einem Wissenschaftler auftritt, wird er wie ein sofort auffallender Fleck auf einem weißen Hemd wahrgenommen, und die Anerkennung des betreffenden Gelehrten in der Gesellschaft wird beschädigt. Dem entgegen verstärkt es die Zuverlässigkeit eines Wissenschaftlers und dessen Anerkennung in der Gesellschaft, wenn er über vortreffliche Charakterzüge verfügt. Im 2. Jahrhundert n. H. wurde auch auf das Prinzip der Akribie in der Überlieferung ein äußerst hoher Wert gelegt und versucht, auf der Basis gesunder Überlieferungen zu Lösungen zu gelangen. Auch in unserer Zeit ist es notwendig, dass die religiösen Wissenschaftler versuchen, gestützt auf authentisches Wissen, Lösungen für Probleme zu finden. Jener, der in diesem Zusammenhang die Authentizität des erreichten Wissens nicht hinterfragt, sondern alles, was er zu hören bekommt, ungeprüft weiterreicht und vernunftwidrige, nicht allgemein akzeptierte Ansichten als Grundlage nimmt, wird natürlicherweise keine religiöse Autorität werden können. Eine sehr bedeutsame Rolle spielten im betrachteten Jahrhundert auch die Meinungen bekannter Wissenschaftler aus den verschiedenen Wissenschaftszentren über jemanden, der eine religiöse Autorität werden wollte. Auch heutzutage ist die Referenz der Mehrheit anderer Wissenschaftler aus unterschiedlichen Kreisen für jenen Wissenschaftler, der über die zuvor genannten Eigenschaften wie die wissenschaftliche Kompetenz und Religiosität verfügt, von großer Bedeutung, um von der breiten Mehrheit der Gesellschaft als eine religiöse Autorität akzeptiert zu werden. Außerdem ermöglichen es die positiven oder negativen Meinungen anderer Wissenschaftler, unter diesen Meinungen besser abzuwägen und inkonsequente Ansichten auszusondern. Zudem zwingen diese Meinungen sowohl den betroffenen Wissenschaftler selbst als auch seine Kritiker zur Objektivität und verhindern eine allgemeine Akzeptanz mancher überzogenen Kritiken. Somit vermag es die wahre Akzeptanz des Wissenschaftlers, sowohl in den Wissenschaftskreisen als auch in der Gesellschaft zum Vorschein zu kommen. Bekannte Islamgelehrte des 2. Jahrhunderts n. H. waren aus Prinzip der Ansicht, dass diejenigen, die wissenschaftlich unbegabt waren, nicht gelehrt werden durften. Aus diesem Grund gingen die damals führenden Gelehrten bei der Auswahl von Schülern, denen sie ihr wissenschaftliches Gut übermitteln wollten, 411

akribisch vor und machten es sich zum Prinzip, denjenigen verächtlichen Leuten, welche die Tiefsinnigkeit, den Zweck und den Wert des Wissens nicht begriffen und Bösartigkeiten begingen, ihr Wissen nicht zu lehren. Auch heutzutage ist es eine Notwendigkeit des Respekts gegenüber dem Wissen, Personen mit verwerflichem Charakter, die die Würde einer Autorität nicht zu tragen vermögen, nicht zu lehren. Es ist offensichtlich, dass solche Personen auch von der breiten Masse der Gesellschaft nicht als religiöse Autorität angenommen würden. Im 2.  Jahrhundert n.  H. wurde neben der Wertschätzung der Hadith-­ Sammlungen auch auf Gelehrte wie die Sufyānayn, die in der Fiqh-­Wissenschaft einen Namen besaßen, ein besonderer Wert gelegt. Ein Gelehrter, der neben der Hadith-­Wissenschaft auch in der Fiqh-­Wissenschaft kompetent war, wurde im Allgemeinen gegenüber den reinen Hadith-­Gelehrten bevorzugt. Besonders in der Ahlu r-­Raʾy Fiqh-­Schule wurde die Überlieferung von jemandem, der das Fiqh-­ Wissen und die Iǧtihād-­Befähigung besaß, der Überlieferung von jemandem, bei dem dies nicht der Fall war, vorgezogen. Wenn jemand heutzutage außerhalb seines Fachgebiets über Fiqh-­Wissen verfügt, verschafft ihm dies eine zusätzliche Anerkennung, da die Fiqh- und die Uṣūlu l-­Fiqh-­Wissenschaft beim richtigen Begreifen des Koran und der Hadithe eine große Rolle spielen. In der islamischen Wissenschaftstradition wird den Gelehrten der ersten drei Generationen (Aṣḥāb, Tābiʿūn und Tābiʿu t-­Tābiʿīn), aufgrund ihrer großen Bemühungen um das Lehren des Islam und die Übermittlung des wissenschaftlichen Erbes des Propheten ein besonderer Wert beigemessen, denn diese drei Generationen leisteten einen großen Beitrag zur Entstehung und Entwicklung der islamischen Wissenschaften. Aus diesem Grund ist es heute auch für diejenigen, die eine religiöse Autorität werden und richtige Lösungen für aktuelle Probleme finden wollen, notwendig, mit dem geschichtlichen Verlauf der islamischen Wissenschaften und den Wissenssammlungen von Gelehrten der ersten drei Generationen vertraut zu sein. Das Lernen von bekannten zuverlässigen Wissenschaftlern und die Ausbildung anderer bekannter Wissenschaftler zählte im 2. Jahrhundert n. H. zu den Merkmalen religiöser Autorität. Auch heutzutage ist es von großer Bedeutung für die Anerkennung eines Theologen bzw. Religionswissenschaftlers, ob er seine Ausbildung von bekannten Wissenschaftlern erhielt oder nicht. Je anerkannter der Wissenschaftskreis eines Gelehrten ist, desto anerkannter ist auch seine religiöse Autorität in der breiten Masse der Gesellschaft. Eine reiche Wissenssammlung ist verbunden mit einer tief verwurzelten wissenschaftlichen Linie. Die Ausbildung von vielen oder von ehrenwerten Schülern verstärkt außerdem die Autorität und die Anerkennung einer religiösen Autorität. 412

Bekannte religiöse Autoritäten des 2. Jahrhunderts n. H. beachteten die sozialen Realitäten und machten es sich zum Prinzip, rechtswissenschaftliche Urteile nicht erschwerend, sondern erleichternd wirken zu lassen. Die zeitgenössischen Gelehrten, die sich das Prinzip aneigneten, den Menschen zu helfen, berieten über das Meiden außergewöhnlicher Ansichten, die der Mehrheit der Gesellschaft keinen Nutzen brachten, um den Zerfall von Grundprinzipien des Islam zu verhindern. Auch wenn die religiösen Autoritäten jener Zeit im Allgemeinen neben den wissenschaftlichen Arbeiten noch mit vielen religiösen Übungen beschäftigt waren, erwarteten sie doch vom einfachen Volk kein asketisches Leben im gleichen Maße und machten ihr eigenes asketisches Leben somit nicht zur Qual anderer Menschen. Auch diejenigen Theologen unserer Zeit, die diese behutsame Haltung zeigen, werden von der breiten Masse der Gesellschaft gern als religiöse Autorität angenommen werden. Die Überlieferung von Grundtexten des Islam, die in den folgenden Generationen interpretiert werden und als Referenz für praktische Urteile dienen sollten, wurde im 2. Jahrhundert n. H. intensiv geführt. Die Gelehrten dieser Ära führten ernste wissenschaftliche Kämpfe gegen die zu dieser Zeit auftretenden verwerflichen Neuerungen (Bidʿa), um die Religion vor Dingen zu bewahren, die nicht zu ihrem Wesen gehörten, und damit ihre Degenerierung zu verhindern. Sie gingen gegenüber der Ahlu l-­Bidʿa mit Behutsamkeit vor. Auch das Ablehnen falscher Praktiken, die nicht zum Wesen des Islam gehören und der Religion schaden, wirkt bei der Akzeptanz der Theologen der Gegenwart als religiöse Autoritäten mit. Wenn in Betracht gezogen wird, dass die damals führenden religiösen Autoritäten, wie die Sufyānayn, bei der Ausbildung von bekannten Gelehrten erfolgreich waren, ist auch ihre religionspädagogische Kompetenz zu erwähnen. Es ist auch heute undenkbar, dass Theologen einer pädagogischen Ausbildung entbehren. Eine unter Berücksichtigung der Schüler- und Gesellschaftspsychologie stattfindende Bildung und Lehre wird sowohl die Erfolgsquoten der Theologen als auch das Interesse der Gesellschaft an ihnen erhöhen und ihre Akzeptanz als religiöse Autoritäten vereinfachen. Im 2. Jahrhundert n. H. schätzten die Wissenschaftler im Allgemeinen die Beschäftigung mit der Wissenschaft mehr als die Beschäftigung mit freiwilligen religiösen Übungen (Nāfila), sodass sie sogar die Beschäftigung mit der Wissenschaft selbst zur religiösen Anbetung (ʿIbāda) zählten. Eine Aneignung dieser Haltung durch die Wissenschaftler unserer Zeit dürfte es ihnen ermöglichen, ihr Wissensgut ständig zu erweitern und dazu führen, eine größere Zahl wissenschaftlicher Werke zu erzeugen. Auch dies wird einen Beitrag dazu leisten, dass sie als religiöse Autoritäten anerkannt werden. 413

Führende religiöse Autoritäten der genannten Ära maßen im Allgemeinen dem Weltlichen nur wenig Wert bei und führten ein sehr einfaches Leben. Der Versuch, mehr als nötig über Weltliches zu verfügen, wird nämlich zusätzliche Zeit und Kraft in Anspruch nehmen und dies wird zwangsläufig die Zeit, die jemand in wissenschaftliche Tätigkeiten zu investieren vermag, verringern. Die Annahme dieser Grundhaltung durch die religiösen Wissenschaftler unserer Tage dürfte, auch wenn sie sich nicht direkt auf ihre Autorität auswirkt, dazu führen, sich einerseits mehr Zeit für wissenschaftliche Tätigkeiten zu nehmen und andererseits in der Gesellschaft mehr Anerkennung zu erhalten. Führende Wissenschaftler des 2. Jahrhunderts n. H. waren in ihren Beziehungen zum Volk sehr sorgfältig. In diesem Sinne lebten sie im Allgemeinen mitten im Volk, pflegten eine niveauvolle Beziehung zu diesem und versuchten, der Allgemeinheit der Gesellschaft nützlich zu sein. Sie lernten auch von Menschen niederen Standes und versuchten, von denjenigen höheren Standes in der Religion zu profitieren. Gemäß diesem Verständnis machten sie es sich zum Prinzip, Wissenschaftler zu respektieren, einfache Menschen nicht zu demütigen, mit ihnen nicht in Polemik zu geraten, nicht überflüssig zu reden und das Volk nicht zur Rebellion anzuspornen. Diese ihre besonnene Haltung leistete einen großen Beitrag zur Bewahrung des gesellschaftlichen Friedens. Das Annehmen einer solchen Haltung durch Wissenschaftler unserer Zeit würde dazu führen, dass sie die Liebe und den Respekt ihrer Schüler wie auch der Allgemeinheit des Volkes gewinnen, und es wird eine wichtige Rolle dabei spielen, den gesellschaftlichen Frieden zu bewahren. Führende religiöse Autoritäten der damaligen Zeit versuchten, im Allgemeinen bereits ab jungen Jahren bis zum Lebensende ihre wissenschaftlichen Tätigkeiten mit großem Eifer fortzuführen. Wenn die Theologen unserer Zeit dementsprechend in ihren wissenschaftlichen Aktivitäten fleißig und kontinuierlich ihr Wissensgut erweitern, wird dies bei ihrer Anerkennung als Autorität eine große Rolle spielen. Nach Meinung des Verfassers sind die normativen Positionierungen derjenigen, die diese festgestellten Kriterien überhaupt nicht erfüllen, für den theologischen Diskurs zur Bedeutungslosigkeit verurteilt. Selbst wenn sie nicht einfach vergessen werden sollten, werden sie doch mit der Zeit anachronistisch sein, denn da sie in der Gesellschaft keinen Anklang finden, werden sie ihre Funktionalität verlieren. Auch wenn ihre Stimmen vorübergehend laut klingen und sie manche Gesellschaftsschichten beeindrucken, beachtet doch die Allgemeinheit der Muslime die Ansichten derjenigen, die diese Kriterien nicht erfüllen, bei der Gestaltung ihrer Lebensweise nicht. Auch diejenigen, die diese Kriterien nur teilweise erfüllen, werden von der muslimischen Gesellschaft nur in begrenztem Umfang als religiöse Autoritäten akzeptiert werden. 414

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Index A Abbasiden 5, 26, 27, 29, 33, 37, 38, 44, 60, 61, 62, 63, 65, 66, 68, 69, 70, 71, 72, 73, 74, 75, 76, 80, 85, 88, 90, 149, 150, 158, 175, 197, 203, 218, 298, 335, 340, 341, 342, 352, 406, 426 ʿAbdullāh b. al-Mubārak 58, 87, 138, 140, 141, 144, 153, 155, 156, 157, 163, 164, 166, 167, 168, 170, 174, 175, 194, 212, 214, 220, 226, 281, 285, 358, 363, 366, 379, 380, 381, 385, 392, 396, 400, 402 ʿAbdullāh b. Masʿūd 49, 54, 95, 96, 108, 122, 160, 213, 214, 257, 267, 269, 338, 339, 381, 408 ʿAbdullāh b. Muqaffaʿ 78, 84, 88 ʿAbdulmalik b. Abǧar al-Kinānī 60 ʿAbdurraḥmān al-Ġāfiqī 35 ʿAbdurraḥmān b. Hurmuz al-Aʿraǧ 47, 126 ʿAbdurraḥmān b. Isḥāq al-Kinānī 103, 192 ʿAbdurrazzāq b. Hammām 51, 52, 81, 83, 196, 278, 282, 286, 415 ʿĀbid 165, 225, 395 Abschiedswallfahrt 91 Abu d-Dawānīq 63 Abū Ḥanīfa 23, 41, 44, 54, 56, 57, 83, 84, 86, 114, 122, 126, 143, 146, 149, 150, 156, 157, 158, 164, 168, 174, 189, 213, 214, 215, 226, 231, 251, 252, 267, 308, 312, 327, 328, 329, 330, 340, 360 Abū Hurayra 50, 117, 119, 126, 134, 230, 257, 324, 325, 326 Abu l-Aswad ad-Duʾalī 46, 80 Abu l-ʿAbbās al-Farġānī 89

Abu l-ʿĀliya 48, 146 Abū Muslim al-Ḫurasānī 35, 38, 352 Abū Muslim-Bewegung 35 Adabu l-Mufrad 143 Ägypten 39, 44, 49, 55, 66, 79, 83, 91, 92, 93, 94, 165, 166, 216, 271, 273, 287, 343, 355, 372, 383, 387, 408, 425 Aḫlāq 6, 7, 184, 288 Ahlu l-Bayt 189, 230, 324, 340, 351 Ahlu l-Ḥadīṯ 54, 83, 216, 231, 239, 270, 280, 308, 310, 312, 327, 329, 334 Ahlu r-Raʾy 54, 83, 219, 236, 251, 312, 327, 329, 334, 369, 412 Aḥmad b. Ḥanbal 24, 50, 82, 100, 107, 111, 116, 118, 120, 122, 123, 125, 126, 132, 134, 135, 136, 137, 138, 140, 142, 143, 144, 149, 151, 155, 163, 166, 167, 168, 169, 170, 172, 173, 174, 175, 176, 179, 209, 210, 222, 225, 256, 259, 269, 270, 273, 274, 276, 277, 278, 279, 285, 286, 287, 302, 303, 309, 319, 320, 342, 351, 353, 367, 372, 377, 387, 402, 415, 425 Aḫṭal 42 Akzeptanz 14, 128, 188, 237, 272, 325, 343, 352, 368, 372, 376, 385, 390, 401, 411, 413 Akzidenz (ʿAraḍ) 349 Alexandria 45, 59, 60 al-Farrāʾ 81 al-Firyābī 52, 83, 95, 163, 167, 282, 286, 335 al-Ǧāmiʿu ṣ-Ṣaḥīḥ 143 al-Ǧazīra 38, 61, 66, 68, 72 al-Ḥadīṯu l-ʿĀlī 385 435

ʿAlī b. al-Madīnī 24, 95, 96, 98, 112, 120, 125, 126, 131, 132, 133, 137, 138, 147, 163, 168, 169, 170, 172, 174, 210, 214, 215, 227, 248, 251, 255, 269, 274, 275, 276, 278, 285, 286, 287, 294, 319, 338, 367, 377, 382, 415 al-Kisāʾī 70, 81 ʿAmal 153, 294, 307, 313, 314, 388, 410 ʿĀmir aš-Šaʿbī 49 Amīru l-Muʾminīn fi l-Ḥadīṯ 14, 164, 203, 209, 275, 398, 415 ʿAmr b. Dīnār 41, 48, 52, 55, 95, 109, 120, 127, 128, 145, 147, 151, 152, 154, 156, 161, 227, 244, 248, 249, 250, 251, 254, 255, 257, 258, 259, 265, 266, 267, 268, 288, 314, 315, 316, 319, 320, 330, 338, 339, 357, 360, 363, 371, 378, 385, 387, 393, 397, 403 ʿAmr b. Murra 107, 110, 111, 112, 117, 125, 134, 146, 148, 153, 154, 156, 161, 211, 219, 328 Amudarja (Ǧayḥun) 30 Anatolien 30, 68 Anbār 61, 62 ʿAnbasa b. Maʿdān al-Fīl 47 Andalusien 35, 61, 63, 79, 90, 110, 196 Anerkennung 14, 162, 207, 224, 225, 235, 251, 273, 351, 355, 361, 368, 382, 385, 386, 387, 388, 395, 403, 410, 411, 412, 414 an-Naǧāsatu l-Ġalīẓa 232 Anṣār 229, 383 ʿanʿana 240 Araber 32, 34, 39, 40, 41, 46, 72, 74, 225, 226, 406 Arabisch 15, 16, 46, 126, 364, 409 ʿArḍ 121 Aristoteles 78, 88 436

Aṣaḥḥu l-Asānīd 257, 320 Aserbaidschan 37 Aṣḥāb 47, 53, 383, 384, 385, 412 aṣ-Ṣaḥīfatu ṣ-Ṣaḥīḥa 50 as-Suddī al-Kabīr 49 aṣ-Sulṭatu d-Dīniyya 347 Astrolabium 89 Astronomie 59, 63, 77, 78, 89 Ašʿārī 219 Āṯār 84, 216, 235, 329, 421 ʿAṭāʾ b. Abī Rabāḥ 48, 136, 138, 143, 148, 149, 150, 151, 152, 153, 154, 161, 162, 254, 257, 259 ʿAṭāʾ b. Dīnār 49 ʿAṭāʾ b. Muslim al-Ḫurasānī 49 Aṯbat 319 Augendienerei (Riyāʾ) 398 Ausbildung 6, 7, 76, 94, 103, 107, 108, 110, 117, 194, 223, 242, 247, 248, 249, 253, 254, 257, 267, 270, 272, 287, 288, 312, 385, 387, 394, 398, 401, 406, 407, 408, 412, 413 Authentizität 21, 23, 82, 131, 225, 249, 375, 411 Authenzitätsprüfung 50 Autonomie 42 Autorit 409, 425 Autorität 8, 14, 16, 17, 18, 23, 24, 37, 63, 68, 104, 110, 113, 127, 128, 130, 147, 150, 155, 160, 212, 223, 224, 249, 251, 267, 273, 279, 303, 308, 320, 339, 341, 344, 345, 346, 347, 348, 349, 350, 351, 353, 354, 355, 357, 358, 359, 361, 362, 365, 366, 368, 369, 372, 373, 376, 378, 380, 382, 385, 388, 390, 393, 394, 396, 403, 405, 406, 408, 411, 412, 414 Autoritätswerdung 8, 13, 14, 16, 17, 18, 27, 230, 287, 313, 345, 355, 361, 386, 393, 399, 408 ʿAwāṣim 67

Awzāʿī 41, 44, 52, 55, 83, 84, 85, 107, 109, 127, 140, 146, 153, 155, 163, 164, 165, 168, 169, 172, 200, 213, 215, 225, 254, 256, 264, 266, 280, 286, 309, 320, 388, 390, 401 Ayyāmu n-Nās 44 Ayyūb as-Saḫtiyānī 109, 127, 128, 129, 130, 136, 137, 140, 141, 145, 146, 153, 154, 156, 162, 224, 254, 257, 261, 266, 365, 368, 377, 389 Aʾimmatu l-Qirāʾati s-Sabʿa 204 B Bagdad 62, 65, 69, 70, 71, 72, 75, 77, 78, 79, 89, 108, 164, 171, 191, 217, 244, 276, 285, 287, 308, 319, 387 Balāṭu š-Šuhadāʾ 35 Balḫ 286, 287, 387 Banī Kulayb 193 Banu l-Ḥarīṣ 40 Barmakiden 69, 70, 352 Basra 20, 44, 46, 55, 58, 62, 73, 80, 85, 91, 92, 93, 94, 103, 106, 108, 109, 115, 117, 129, 131, 137, 138, 139, 140, 142, 147, 153, 154, 159, 163, 166, 169, 171, 172, 173, 190, 191, 192, 193, 195, 202, 206, 209, 213, 215, 217, 224, 227, 229, 242, 256, 266, 267, 276, 278, 287, 294, 327, 336, 355, 365, 371, 377, 383, 386, 387, 396, 398, 408 Battānī 89 Baytu l-Ḥikma 26, 77, 78, 79 Berbern 32, 35, 40 Bibliothek 77, 78, 79, 195, 196, 197, 300 Bidʿa 8, 50, 129, 144, 191, 219, 296, 353, 390, 391, 392, 393, 413 Biographie 25, 58, 88, 332 Biʾru Maymūn 64, 189, 312 Brautgeld (Mihr) 103, 192 Buḫārā 34, 61, 102, 108, 109

C Chinesen 61, 79 Chorasan 38, 49, 58, 63, 64, 71, 90, 91, 93, 94, 101, 108, 166, 194, 218, 247, 318, 322, 341, 383, 408 Christen 41, 42, 74, 230, 406, 431 D ḍābiṭ 274 Ḍaḥḥāk b. Muzāḥim 49, 243 Damaskus 35, 37, 40, 55, 58, 59, 68, 83, 89, 95, 111, 194, 206, 210, 224, 230, 266, 286, 287, 383, 386, 387, 425, 427 Dichter 42, 47 Dichtkunst 43 Ḏimmīs 32, 39, 41, 42, 74, 75, 406 Dinar 107, 193, 198, 249, 304, 375, 398 Dirāya-Methode 81 Dirham 103, 104, 174, 190, 192, 202, 247, 389 Diskriminierung 41, 330 Dīwān 40, 47 Dīwānu z-Zanādiqa 64 Dīwānu z-Zimām 65 Dynastie 29, 32, 36, 37, 40, 42, 60, 61, 66, 74, 405 E Ehrerbietung 8, 365, 366, 367 Eisagoge 78, 88 Erbrecht (ʿIlmu l-Farāʾiḍ) 146 Erlaubnis (Iǧāza) 152 Erziehung 57, 76, 102, 107, 110, 297, 353, 354, 387 Europa 35, 79 F Fadak-Ländereien 32 Faḍl b. Rabīʿ 70, 71 Faḍl b. Sahl 70, 71, 72, 429 437

Faqīh 126, 132, 141, 143, 149, 157, 165, 172, 255, 258, 259, 276, 278, 304, 311, 328, 387, 430 Farazdaq 47 Fatwā 107, 108, 113, 124, 125, 226, 236, 271, 272, 311, 355, 387 Fiqh 5, 44, 52, 53, 83, 84, 93, 108, 126, 128, 129, 131, 133, 149, 150, 151, 153, 154, 166, 172, 196, 199, 214, 216, 217, 236, 259, 278, 279, 293, 306, 311, 312, 357, 369, 375, 381, 382, 387, 428 Fisq 368 Frankreich 30 Freiheit 39, 41 Frieden 31, 35, 64, 140, 276, 351, 400, 414 Frühzeit des Islam 15, 22, 323, 354 Fuḍayl b. ʿIyāḍ 58, 69, 87, 109, 130, 134, 156, 157, 163, 226, 242, 270, 336, 366, 370, 374, 429 Fuqahāʾ 170, 213, 217, 296, 365, 381 Fuqahāʾu s-Sabʿa 54, 126, 140, 141, 172, 254, 255, 268 Furūʿ 218 G Ǧabriyya 41, 56, 310, 391 Ǧāhiliyya 39, 40, 68, 80, 141, 425 Ǧāḥiẓ 45, 59, 69, 85, 419 Ǧahm b. Ṣafwān 41, 56, 86, 222 Ǧahmiyya 41, 221, 391, 392, 393 Ġālib b. Masʿūd 40 Ǧāmiʿ 21, 44, 82, 145, 167, 217, 273, 299 Ǧannatu l-Bāqīʿ 92 Ġaylān ad-Dimašqī 56 ǧāʾiz 233 Ǧaʿd b. Dirham 41, 86, 222 Gebetsstätten (Masāǧīd) 43 Gedächtnis 8, 44, 114, 119, 120, 130, 132, 133, 136, 149, 169, 170, 174, 438

205, 207, 208, 209, 223, 255, 318, 331, 332, 333, 361, 362, 363, 371, 376, 409 Gedächtnisstärke 361, 362, 363, 364 Gedächtnisvermögen 363, 364, 371 Gedankengut 86, 114, 116, 117, 119, 122, 125, 128, 129, 130, 132, 134, 135, 136, 138, 139, 140, 141, 142, 143, 148, 149, 151, 153, 154, 160, 161, 162, 165, 255, 257, 267, 268, 269, 339, 343 Gelehrsamkeit 8, 22, 353, 355, 357, 370, 372, 399 Gelehrter 6, 7, 15, 31, 47, 59, 88, 120, 122, 127, 129, 145, 146, 150, 156, 164, 165, 168, 170, 173, 175, 204, 216, 223, 240, 251, 254, 258, 260, 267, 304, 305, 306, 307, 308, 316, 329, 336, 339, 340, 360, 370, 373, 381, 384, 386, 408, 412 gemeinsamer Lehrer 123, 135, 136, 139, 140, 141, 142, 143, 144, 145, 260, 261, 262, 263, 264, 341, 377, 394 gemeinsamer Schüler 174, 394, 401 Geometrie 63, 77 Gerechtigkeit (ʿAdāla) 118, 130, 148, 159, 207, 211, 223, 376, 378, 386 Gesellschaftspsychologie 370, 373, 390, 413 Gewalt 31, 33, 280, 347 Glaubwürdigkeit 368 Gleichberechtigung 38 Gorgan 30, 108, 109 Gottesdienste 41 Gouverneur 33, 35, 64, 71, 198, 199, 200, 303, 380 Grammatik 43, 364, 365 Ǧurǧan 101 Ǧuzʾ 49, 152, 205, 273, 300, 301, 302, 325, 358

H Hadith-Wissenschaft 6, 7, 21, 49, 50, 82, 110, 114, 120, 133, 136, 152, 155, 172, 173, 206, 207, 211, 212, 225, 226, 241, 256, 269, 275, 306, 308, 316, 317, 319, 330, 358, 359, 360, 361, 374, 396, 397, 412 Ḥāfiẓu-l Ḥadīṯ 112, 160, 166, 172 Ḥaǧǧ 206, 269, 297, 312, 332 Ḥaǧǧāǧ b. Yūsuf aṯ-Ṯaqafī 352 Ḥakam-Ereignisse 55 Ḫālid b. ʿAbdullāh al-Qaṣrī 34 Ḫalīl b. Aḥmad 70, 80, 123, 365 Ḫalqu l-Qurʾān 23, 86, 218, 222, 314 Ḥammādayn 135, 164, 258 Ḥammād b. Abī Sulaymān 19, 54, 107, 108, 113, 114, 121, 126, 143, 161, 213, 219, 328, 384 Ḥammād b. Salama 44, 52, 83, 85, 114, 128, 132, 135, 137, 139, 140, 141, 151, 163, 164, 170, 191, 194, 257, 398 Hammām b. Munabbih 50, 145 Ḫamr 231, 232, 233, 236 Ḥarām 137 Ḥaram-Gebiet 189, 222, 335, 392 Ḫāriǧīten 31, 33, 36, 37, 66, 314 Ḫariǧiyya 56 Ḥāriṯ al-Muḥāsibī 87 Ḥāriṯ b. Surayǧ 34 Ḥarrān 37, 266, 286, 287, 386, 387 Harṯama b. Aʿyān 72, 73 Hārūn ar-Rašīd 56, 65, 67, 68, 69, 70, 71, 75, 78, 84, 85, 89, 195, 303, 304, 352 Ḥasan al-Baṣrī 41, 49, 53, 55, 56, 58, 84, 114, 127, 128, 129, 130, 131, 136, 138, 139, 140, 141, 153, 154, 260, 415 Ḥasan b. Sahl 72, 73 Ḥasan-Hadith 135 Ḥāšimīten 60

Ḫawf und Raǧāʾ 288 Herrscher 33, 60, 198, 340, 343, 351, 352 Ḥiǧāz 51, 65, 109, 141, 165, 215, 216, 231, 249, 255, 256, 271, 272, 331, 360, 397, 402 Ḥiǧāziyyūn 54, 83 Hiǧra 28 Ḥikma 78, 305, 380 Hišām b. ʿAbdilmalik 29, 34, 35, 36, 40, 43, 243, 282, 285 Hišām b. ʿUrwa 52, 82, 85, 126, 127, 166, 168, 172, 254, 263, 265, 268 Historiographie 88, 429 Ḫizānatu l-Ḥikma 77, 78 Homs 37, 94 ḥuǧǧa 118, 120, 126, 165, 168, 169, 170, 173, 175 Ḥumayd aṭ-Ṭawīl 52, 83, 136, 139, 140, 156, 164, 172, 400 Ḥumaydī 119, 168, 269, 270, 272, 273, 274, 286, 287, 299, 320, 360, 364, 387 Humor 8, 69, 393 ḥusnu l-Ḫuluq 372 I ʿIbāda 137, 176, 293, 346, 371, 396, 413 Ibn Abī Mulayka 48, 126, 151 Ibn Ǧurayǧ 21, 44, 52, 83, 85, 96, 109, 112, 118, 119, 127, 135, 141, 145, 148, 150, 151, 152, 162, 164, 168, 172, 194, 240, 254, 257, 259, 264, 265, 271, 280, 286, 318, 322, 338, 377, 388 Ibn Isḥāq 25, 44, 58, 88 Ibn Masʿūd 93, 115, 121, 146, 148, 204, 338, 339 Ibn Šihāb az-Zuhrī 51, 52, 53, 95, 135, 145, 161, 249, 254, 264, 266, 267, 338, 370, 397, 402 439

Ibn Sīnā 88 Ibn ʿAbbās 47, 48, 93, 95, 96, 112, 113, 114, 117, 119, 120, 122, 125, 128, 130, 132, 134, 135, 137, 138, 139, 142, 143, 148, 149, 150, 152, 154, 160, 161, 162, 205, 234, 257, 258, 259, 267, 272, 297, 334, 338, 339, 358, 403, 408 Ibn ʿĀmir al-Yaḥṣubī 47 Ibrāhīm an- Naḫaʿī 115, 376 Ibrāhīm b. Adham 58, 87, 130, 187 Ibrāhīm b. Walīd 29 Identität 42, 103, 105, 351 Iǧtihād 83, 115, 215, 216, 242, 309, 354 Iḫtilāṭ 321, 330, 362 Iḥyāʾu l-Layl 166, 390 ʿIkrima 48, 52, 95, 114, 128, 129, 134, 135, 136, 138, 149, 150, 162, 205, 257, 358 ʿIlalu l-Ḥadīṯ 275, 287 ʿIlm 8, 45, 51, 100, 104, 113, 129, 152, 153, 166, 184, 185, 186, 189, 212, 216, 225, 226, 247, 256, 271, 293, 294, 305, 307, 353, 361, 370, 374, 380, 382, 387, 388, 395, 396, 399, 402, 410, 420, 433 Imam aš-Šāfiʿī 83, 84, 134, 155, 269, 270, 275, 278, 279, 286, 287, 299, 317, 341, 360, 387, 393, 396 Imam Mālik 51, 52, 54, 70, 83, 84, 118, 163, 172, 203, 215, 217, 225, 256, 270, 271, 317, 360, 386, 387, 388, 398, 408 Indien 30, 78, 89 Inqiṭāʿ 156 Iqrār 115 Irak 33, 34, 37, 38, 40, 49, 52, 61, 65, 72, 83, 90, 115, 147, 155, 165, 208, 225, 237, 244, 335, 339, 340, 352, 360 ʿIrāqiyyūn 54, 83 440

Irǧāʾu l-Fuqahāʾ 115 Isfahan 217, 286, 287, 383, 387 Islam 347, 354, 355, 385, 389 Isnād 120, 212, 238, 275, 306, 321, 332, 381, 392 Istiḫrāǧu l-Aḥkām 218 Ittiṣāl 156 J Jemen 44, 52, 55, 65, 72, 73, 83, 85, 90, 91, 93, 94, 104, 105, 108, 109, 145, 152, 159, 165, 166, 189, 193, 199, 224, 225, 253, 266, 278, 287, 303, 308, 336, 340, 341, 355, 386, 387, 402, 408 Jerusalem 18, 108, 424 Juden 41, 42, 74, 406 Jurisprudenz 15, 21, 27, 145, 196, 425 K Kadi-Amt 340 Kāfir 220, 221, 223, 314, 392 Kalām-Wissenschaft 5, 6, 7, 55, 56, 76, 85, 86, 218, 219, 313, 391 Kalif 29, 30, 31, 33, 34, 35, 36, 37, 61, 62, 64, 65, 66, 67, 68, 69, 70, 71, 73, 74, 75, 77, 78, 84, 89, 93, 129, 158, 189, 190, 199, 201, 202, 230, 242, 279, 303, 315, 323, 335, 340, 342, 343, 352 Kalifat 26, 33, 35, 36, 37, 38, 55, 60, 62, 63, 64, 65, 69, 70, 71, 72, 73, 74, 90, 199, 229, 302, 326, 426 Karāma 222 Karbalāʾ 66 Karl Martell 35 Karrāmiyya 310 Kategorisierung 14, 44, 49, 53, 148, 193, 359 Kātib 40 Kitābatu l-Ḥadīṯ 49

Kitābu l-ʿIlm 43 Kompetenz 113, 118, 154, 155, 207, 211, 214, 271, 275, 311, 312, 316, 335, 347, 369, 380, 411, 413 Konstantinos 65 Kopfsteuer 40, 42 Koranexegese 5, 47, 48, 49, 81, 108, 205, 206, 298, 301, 308, 359 Koranrezitation 5, 46, 47, 81, 108, 120, 151, 204 Koranwissenschaften 47, 81, 308 Kreuz 42 Kriegsbeute 34, 43 Kriterien 8, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 23, 24, 27, 99, 159, 187, 223, 224, 228, 345, 355, 356, 357, 369, 396, 408, 409, 414 Kronprinz 62, 69 Kūfa 22, 33, 37, 38, 44, 46, 47, 48, 54, 58, 61, 66, 73, 85, 91, 92, 93, 94, 101, 107, 108, 109, 110, 111, 112, 113, 114, 115, 116, 117, 120, 121, 125, 126, 130, 131, 132, 133, 136, 137, 138, 143, 147, 149, 152, 154, 157, 159, 160, 165, 166, 167, 174, 176, 189, 190, 194, 195, 198, 200, 203, 206, 207, 215, 217, 224, 227, 229, 230, 243, 244, 246, 251, 252, 256, 266, 267, 269, 278, 287, 308, 312, 323, 326, 327, 329, 333, 334, 335, 336, 338, 340, 355, 360, 377, 383, 386, 387, 397, 408 Kufr 219, 392 Kultur 46, 74, 77, 78, 79, 80, 257, 407, 417 Kumayt al-Asʿadī 47 Künstler 41, 342 Kunya 6, 99, 101, 238, 243 Kursī 206 Kuttāb 43 Kutubu Sitta 101, 102, 111, 112, 115, 116, 121, 122, 123, 124, 125, 126,

127, 128, 130, 133, 135, 136, 138, 139, 140, 142, 144, 145, 146, 150, 151, 153, 155, 165, 167, 168, 170, 171, 173, 174, 175, 258, 273, 276, 278, 287, 300, 301, 325, 360, 377, 386, 387 L Lā baʾsa bih 133, 135 Laqab 6, 99, 238, 243, 399 Layṯ b. Saʿd 55, 84, 94, 122, 140, 164, 216, 398 Legitimität 345, 347, 354, 408 Lehrkreis 76, 93, 95, 112, 113, 116, 117, 119, 122, 125, 126, 128, 130, 132, 135, 136, 141, 151, 160, 164, 191, 225, 248, 255, 259, 260, 338, 377 Lexikographie 43 Literatur 5, 28, 46, 57, 69, 72, 75, 76, 80, 90, 229, 270, 318, 325, 345, 347, 391, 417 Logik 63, 77, 88, 318 Luxus 75, 397 M Macht 30, 31, 37, 60, 65, 68, 73, 74, 203, 249, 346, 347 Machthaber 106, 107, 202, 203, 339, 340, 341, 342, 343, 348, 405 Machtkämpfen 30 Madāʾin 139, 286, 287, 343, 387 Maḏhab 345, 346 Maġāzī 25, 44, 88, 420 maǧhūl 378, 386 Mahdī 29, 64, 65, 74, 78, 85, 95, 106, 111, 116, 117, 125, 128, 131, 144, 146, 155, 156, 157, 160, 163, 164, 167, 168, 169, 170, 171, 172, 173, 175, 190, 191, 192, 197, 202, 208, 209, 215, 226, 236, 242, 255, 275, 278, 279, 281, 285, 308, 317, 361, 441

362, 363, 366, 372, 375, 377, 393, 396, 397, 399, 424 makrūh 233, 391 Manāqib 230 Manāsik 320 mandūb 391 Manṣūr 19, 29, 45, 56, 59, 62, 63, 64, 74, 75, 77, 78, 84, 85, 86, 87, 88, 96, 99, 108, 111, 112, 116, 117, 120, 130, 131, 137, 139, 154, 156, 158, 160, 162, 189, 191, 195, 197, 199, 201, 209, 227, 242, 254, 261, 262, 265, 282, 283, 284, 285, 302, 303, 335, 340, 343, 352, 381, 416, 419, 421, 424, 425, 428 Marianos 45, 59 Marw 71, 72, 90, 108, 157, 164, 166, 169, 194, 208, 285, 287, 336, 363, 371, 380, 386, 387, 402 Marwān 29, 36, 37, 38, 45, 59, 77, 283, 285 Māsarǧawayh 60 Masǧidu l-Aqṣā 65 Masǧidu l-Ḥarām 65, 294 Masǧidu n-Nabawī 65, 66 Maslama b. ʿAbdilmalik 30, 33 Mathematik 59, 77, 78, 89 Māturīdī 86, 328 Mawālī 7, 19, 32, 34, 36, 38, 39, 40, 41, 60, 65, 70, 326, 330, 342, 351, 405, 406, 425 Maymūn b. al-Aqran 47 Maʿbad al-Ǧuhanī 56 Maʿmar b. Rāšid 21, 50, 52, 59, 82, 83, 85, 105, 109, 127, 128, 130, 138, 143, 145, 146, 152, 155, 163, 164, 193, 225, 240, 245, 253, 299, 316, 322, 388 Medina 31, 44, 48, 52, 54, 58, 65, 82, 83, 85, 90, 91, 92, 93, 94, 108, 109, 112, 113, 119, 126, 136, 140, 141,

442

147, 150, 152, 159, 160, 161, 206, 213, 224, 227, 244, 266, 267, 268, 278, 286, 287, 308, 310, 312, 336, 338, 355, 383, 386, 387, 398, 408, 420, 423 Medizin 44, 45, 59, 63, 77, 88, 233, 429 Mehrheitsgesellschaft 42 Meinungsfreiheit 105, 198, 203 Mekka 44, 47, 48, 52, 55, 64, 66, 73, 74, 82, 83, 85, 91, 92, 93, 94, 102, 104, 106, 107, 108, 109, 112, 121, 131, 133, 137, 138, 147, 152, 154, 157, 158, 159, 160, 161, 163, 187, 189, 190, 192, 194, 198, 199, 200, 201, 202, 206, 213, 224, 226, 227, 242, 243, 244, 246, 248, 249, 253, 259, 266, 267, 269, 270, 273, 278, 287, 297, 298, 299, 312, 320, 335, 336, 338, 339, 355, 363, 377, 383, 386, 387, 408 Merkfähigkeit (Ḍabṭ) 118, 130, 134, 148, 159, 207, 211, 332, 376 Metrik (ʿIlmu l-ʿArūḍ) 80, 365 Miḥna 175, 315, 342 Mihriǧān 76 Minderheiten 42, 69, 70, 72, 75 Mossul 66, 277, 286, 287, 386 Motivation 393, 394 mubāḥ 369, 391 Mudallis 18, 238, 240, 241, 322 Muḍarī (Nordaraber) 39 Muḍarīten 68 Muǧāhid b. Ǧabr 48, 95, 128, 129, 130, 132, 146, 148, 151, 152, 162 Muǧassima 310, 391 Muḥaddiṯ 274, 278 Muḫaḍramūn 141 Muhāǧirūn 229, 383 Muhallab b. Abī Ṣufra 33 Muḥammad an-Nafsu z-Zakiyya 63

Muḥammad b. Ibrāhīm al-Fazārī 89 Muḥammad b. Kaʿb al-Quraẓī 48 Muḥammad b. Mūsā al-Ḫārizmī 89 Muḥammad b. Qāsim aṯ-Ṯaqafī 30 Muḥammad b. Sīrīn 55, 391 Muḫtaliṭ 330 Murǧiʾa 22, 56, 85, 221, 310, 314, 327, 328, 391, 392 Murǧiʾī 18, 115, 221 Murǧiʾīt 19 Murra b. al-Hamadānī 49 Mursal 146 Mušabbiha 310, 391 Mūsā b. Nuṣayr 30 Muṣannaf 21, 22, 51, 82, 145, 196, 216, 302, 415 Musik 43, 69 Mutābaʿa 123 Mutakallimūn 56 Mutaqaddimūn 229, 325 Mutaṣawwifa 87 Mutawakkil 222, 280 Mutaʾaḫḫirūn 229, 325 muttaṣil 238 Muʿaddila 321 Muʿāwiya 36, 45, 50, 59, 61, 63, 69, 71, 77, 92, 120, 163, 167, 176, 252, 274, 326, 332, 392 Muʿtazila 37, 41, 56, 76, 85, 86, 280, 327, 391, 392, 419 N Nabīḏ 6, 228, 231, 233, 234, 235, 236, 237 Nachkommen von ʿAlī 32 Nāfila 413 Nawrūz 76 Nīsābūr 286, 287, 387 Nisba 6, 99, 243 Niẓāmulmulk 77 Nordafrika 32, 35, 67, 79, 90, 110

O Objektivität 8, 323, 365, 367, 410, 411 Opposition 34, 36, 60, 198 Orientalistik 20 P Pachtvertrag (Muḍāraba) 104 pädagogische Eignung 393 Palästina 36, 37, 52, 83, 286, 287, 387 Persien 38 Pförtner (Ḥāǧib) 40 Philosophie 44, 59, 63, 77, 79 Poitiers 35 Politik 35, 40, 41, 61, 64, 65, 68, 73, 129, 150, 276, 279, 342, 343, 352, 354, 405, 406 Politische Auseinandersetzungen 405 Prinz 45, 59 Privilegierung 34 Propaganda 36, 38, 60 Q Qabīṣa b. Ḏuʾayb 31 Qadar 56, 138, 142, 218, 220, 310, 314, 391, 392, 393 Qadariyya 56, 221, 310, 314, 391, 392 Qāḍi l-Quḍāt 85, 342 Qāḍī Šurayḥ 41, 124, 376 Qāsīyūn-Berg 89 Qatāda b. Diʿāma 49, 52, 120, 128, 129, 145, 154 Qawl 220, 221, 313 Qirāʾa 5, 47, 81, 120, 152, 204, 330 Qirāʾatu s-Sabʿa = die sieben Rezitationen 47 Qirāʾatu s-Sabʿa-Imamen 123, 358 Qiyās 53, 236, 328 Qurrāʾ 82, 127, 152, 154 Qutayba b. Muslim 30 443

R Rabīʿ b. Ṣābur 40 Raǧāʾ b. Ḥaywa 31, 139, 153, 154 Rasāʾil 52, 218, 309, 418, 422 Rassismus 7, 19, 40, 326 Rationalismus 20, 67, 426 Rāwandīten 63 Raʾy 44, 52, 53, 94, 115, 135, 143, 172, 216, 219, 236, 270, 309, 311, 312, 327, 328, 329, 330 Rebellen 38, 60, 66, 71 Rebellion 33, 35, 37, 38, 67, 68, 198, 302, 400, 405, 414 Rechtsauskunft (Fatwā) 107, 108, 311 Rechtsgelehrter 15, 170, 304 Rechtswissenschaftler 41, 115, 213, 214, 217 Referenz 13, 203, 317, 373, 388, 391, 411, 413 Regentschaft 31, 40, 343, 351 Regierung 24, 30, 31, 33, 38, 39, 40, 60, 61, 67, 69, 70, 75, 76, 198, 203, 218, 279, 303, 341, 352, 405 Religion 8, 13, 14, 24, 40, 89, 91, 93, 105, 221, 227, 228, 239, 245, 296, 322, 329, 330, 345, 346, 347, 348, 353, 355, 372, 374, 388, 391, 408, 409, 413, 414, 431 Religionsfreiheit 42, 75, 406, 430, 431 religiöse Autorit 369 religiöse Autorität 8, 14, 17, 24, 57, 99, 108, 162, 207, 224, 228, 251, 252, 294, 303, 304, 306, 321, 345, 347, 348, 349, 350, 353, 355, 356, 358, 361, 362, 368, 369, 370, 373, 376, 378, 385, 386, 387, 388, 393, 395, 408, 409, 410, 411, 412, 413 religiöse Bildung 31, 204, 353 religiöse Instanz 17 religiöse Praxis 19, 368, 370 444

Religiosität 8, 368, 375, 410, 411 Respekt 69, 142, 201, 366, 367, 368, 400, 410, 414 Revolten 37, 352 Revolutionsbewegung 35, 38, 60 Rezitationsgelehrte 47 Rezitationsimam 47 Rezitationswissenschaft 20, 41, 47, 123, 204, 205 Riǧalu l-Ḥadīṯ 174 Riḥla 49, 94, 308, 357, 401 Riwāya 197, 310, 406, 420 Riwāya-Methode 81, 205, 301 Ruḫaṣ 390 Ruḫṣa 142, 388 Ruʾyatullāh 315 S Sabäer 41 Šāḏḏ 135, 358 ṣadūq 123, 149, 274 Saffāḥ 29, 38, 61, 64, 74 Saǧda 113 Ṣaḥāba 44, 83, 84, 90, 92, 93, 96, 114, 117, 154, 196, 223, 257, 375, 383, 384, 408 Ṣaḥābī 47, 128, 139, 384 Salaf 102, 223, 313 Ṣāliḥu l-Ḥadīṯ 119, 132, 133, 135 Šām 44, 51, 91, 92, 93, 94, 108, 109, 154, 165, 166, 169, 215, 217, 224, 255, 278, 326, 355, 397, 402, 408 Sanad 374 Šāriʿ 115 Šawḏab 33 Sayyidu l-Muḥaddiṯīn 146 Sayyidu n-Nās 303 Saʿīd b. Ǧubayr 48, 95, 110, 112, 113, 114, 116, 117, 124, 125, 127, 128, 129, 130, 131, 133, 134, 137, 138, 139, 146, 148, 153, 154, 161, 162, 205, 213, 257, 358, 377

Schiit 18, 229, 230, 258, 323, 324, 326, 327 Schlacht 35, 61, 62, 66, 71, 79, 100, 166, 353 Schule 17, 20, 31, 46, 48, 49, 54, 56, 60, 80, 83, 86, 111, 114, 115, 116, 117, 120, 121, 131, 134, 142, 148, 149, 158, 205, 208, 213, 214, 215, 216, 218, 219, 221, 224, 236, 237, 251, 270, 304, 309, 312, 314, 328, 329, 333, 334, 335, 336, 338, 358, 381, 412 Schülerkreis 124, 125, 134, 141, 161, 170, 172, 175, 209, 210, 213, 214, 259, 279, 297, 316, 317, 319, 358, 361, 362, 363, 366, 367 Schutzbefohlenen 32, 74 Sind 30, 32, 327 Siyar 15, 28, 47, 51, 58, 59, 69, 85, 87, 88, 96, 100, 101, 103, 104, 105, 106, 108, 109, 110, 111, 112, 113, 114, 115, 116, 117, 119, 120, 121, 122, 123, 124, 125, 126, 127, 128, 129, 130, 131, 132, 133, 134, 135, 136, 137, 138, 139, 140, 141, 142, 143, 144, 145, 146, 147, 148, 149, 150, 151, 152, 153, 154, 155, 156, 157, 158, 160, 161, 163, 164, 165, 166, 167, 168, 169, 170, 171, 172, 173, 174, 175, 176, 177, 178, 179, 180, 181, 184, 185, 186, 187, 189, 190, 191, 192, 193, 194, 198, 199, 200, 201, 202, 203, 204, 205, 206, 211, 212, 213, 215, 216, 218, 223, 225, 227, 228, 229, 240, 242, 243, 244, 246, 247, 248, 249, 250, 251, 252, 253, 254, 255, 256, 257, 258, 259, 260, 261, 264, 267, 269, 270, 271, 272, 273, 274, 275, 276, 277, 278, 279, 280, 281, 282, 283, 284, 287, 291, 293, 294, 295, 297, 298, 299, 303, 304, 306, 308, 309, 311,

313, 314, 315, 316, 317, 318, 319, 320, 322, 331, 332, 334, 335, 336, 338, 340, 341, 342, 343, 352, 357, 358, 359, 360, 361, 363, 364, 365, 366, 367, 368, 370, 371, 372, 374, 375, 376, 377, 378, 379, 380, 381, 382, 385, 386, 387, 389, 390, 392, 393, 394, 396, 397, 398, 400, 402, 403 Šīʿa 27, 56, 150, 230, 310, 323, 324, 325, 391, 419, 425, 426 Sklave 40 Sklavenrechte 42 Sklaverei 42 Soġd 34 Solidität 112, 117, 144, 169, 171, 175, 362, 376 Spanien 30 Sprache 5, 8, 14, 41, 44, 46, 47, 80, 87, 364, 365, 407, 409 Sprachwissenschaft 46 Staatskasse 31, 41, 43, 64 Staatsmänner 17, 43, 59, 74, 75, 76, 198, 199, 203, 339, 340, 343, 351 Stammesauseinandersetzungen 31 Stammesfanatismus 30, 246, 405 Staphon 45 Statthalter 31, 33, 34, 37, 91, 339, 340, 352 Substanz (Ǧawhar) 349 Ṣūfiyya 87, 158, 429 Sufyānayn 13, 15, 98, 119, 121, 122, 125, 126, 127, 129, 130, 131, 133, 135, 136, 139, 140, 141, 142, 143, 144, 146, 148, 149, 150, 152, 156, 158, 166, 170, 172, 174, 259, 260, 261, 262, 263, 264, 335, 336, 337, 338, 339, 341, 367, 371, 372, 376, 377, 378, 384, 389, 390, 392, 393, 394, 396, 397, 399, 400, 401, 408, 409, 410, 412, 413 Sühne 42, 111 445

Sulaymān at-Taymī 52, 83, 123, 137, 138, 139, 141, 142, 153, 162, 164, 172, 390, 393 Sulaymān b. ʿAbdilmalik 29, 30, 31, 100, 197 Sulaym b. Qays 53 Sultanat 33, 60 Sunan 21, 82, 196, 344 Ṣunbaz 62 Sunna 32, 50, 51, 52, 53, 57, 83, 91, 129, 172, 190, 197, 211, 213, 220, 223, 225, 232, 236, 245, 273, 275, 276, 296, 329, 344, 349, 351, 354, 359, 389, 391, 392, 422, 425, 428 Sure 48, 197, 202, 206, 216, 220, 223, 231, 232, 314, 349, 351, 353 Šuʿba b. al-Ḥaǧǧāǧ 52, 83, 101, 111, 114, 117, 118, 120, 122, 124, 128, 130, 139, 145, 148, 149, 154, 163, 172, 173, 209, 239, 250, 264, 266, 280, 285, 301, 306, 309, 358, 366, 371, 374, 388, 398 Syntax (ʿIlmu n-Naḥw) 46, 80, 365 Syrien 36, 37, 38, 39, 61, 71, 85, 90, 257 T Ṭabaqāt 93, 100, 101, 102, 103, 104, 106, 107, 113, 114, 120, 121, 122, 123, 124, 125, 126, 127, 128, 129, 131, 132, 133, 135, 136, 137, 138, 139, 140, 141, 142, 143, 144, 145, 146, 147, 148, 149, 151, 153, 155, 157, 165, 167, 168, 170, 173, 174, 175, 177, 178, 179, 180, 181, 182, 188, 190, 191, 192, 193, 202, 210, 216, 243, 244, 248, 249, 253, 254, 255, 256, 258, 259, 260, 273, 275, 278, 280, 281, 298, 339, 340, 377, 378, 398, 400, 403 Ṭabarī 24, 25, 48, 81, 100, 193, 298, 349, 353, 430 446

Tabaristan 30, 62 Tābiʿu t-Tābiʿīn 383, 384 Tabliġ 308 ṯabt 134, 136, 332 Tadlīs 6, 7, 18, 19, 112, 121, 130, 133, 139, 142, 146, 151, 153, 156, 228, 237, 238, 239, 240, 241, 242, 321, 322 Tadwīn 49, 101, 152, 193, 406, 427 Tafsīr 5, 47, 81, 151, 196, 197, 299, 301, 306 Tamīm 33 Taqwā 6, 7, 185, 291, 292, 322 Ṭarīqa 57 Ṭarsūs 286, 287 Taṣawwuf 5, 6, 57, 86, 415 Tašayyuʿ 144, 323 Taṣdīq 115, 220 Taṣḥīf 365 Taṣnīf 49, 51, 53, 82, 148, 152, 193 Taṯbīt 49 Taṯṯabut 49 Tawhīd 115 Ṯawrīyyūn 101 Ṭāwūs 41, 48, 55, 95, 112, 113, 141, 142, 145, 151, 152, 162, 205, 257, 259, 261, 266, 403 Ṭāʾif 113, 186, 199, 266, 383, 386, 389 Ṯaʿlabī 48, 262, 301 Theologie 11, 14, 16, 22, 32, 36, 37, 41, 50, 51, 55, 56, 62, 73, 77, 79, 83, 84, 85, 86, 165, 175, 197, 203, 220, 221, 230, 273, 277, 279, 342, 347, 353, 368, 372, 385, 393, 399, 425, 426, 431, 432 Thron 30, 37, 62, 69, 70, 206, 315, 405 Thronfolger 30, 31, 33 Ṭirimmāḥ 47 Toleranz 32, 75, 216, 240, 341 Tours 35

Tradierer 31, 111, 112, 113, 118, 119, 120, 121, 123, 132, 133, 134, 139, 146, 156, 164, 169, 170, 171, 172, 174, 175, 178, 179, 181, 182, 188, 212, 223, 226, 227, 237, 238, 239, 240, 241, 254, 267, 273, 274, 278, 300, 322, 332, 356, 361, 362, 364, 368, 369, 374, 382 Tradition 13, 54, 91, 204, 327, 343, 354, 361, 365, 423 Transoxanien 30, 32, 90, 110 Treueeid 60 Treueschwur 61, 73, 280 Tribalismus 33 Tribut 42, 68 Türken 32, 40, 61, 73, 74, 79 Turkestan 30 U Ubayy b. Kaʿb 48 Überliefererkette 22, 50, 120, 123, 126, 139, 147, 156, 174, 181, 210, 212, 227, 236, 238, 240, 241, 256, 269, 287, 300, 301, 320, 323, 367, 374, 382, 384, 385 Überlieferung 8, 37, 44, 45, 49, 51, 54, 81, 82, 86, 119, 123, 125, 132, 133, 156, 174, 178, 189, 197, 198, 205, 206, 207, 210, 211, 212, 215, 216, 223, 224, 234, 235, 236, 240, 241, 244, 245, 249, 251, 252, 274, 297, 300, 302, 304, 305, 307, 309, 310, 312, 314, 319, 321, 322, 323, 327, 362, 364, 369, 373, 374, 379, 380, 381, 382, 384, 386, 388, 411, 412, 413 Überlieferungstexte 21 Übersetzung 78, 89, 195, 410 Ulu l-Amr 348, 351, 353 Umarā 51 ʿUmar b. Hubayra 33 ʿUmar b. ʿAbdilʿazīz 29, 31, 32, 33, 34, 36, 40, 45, 50, 58, 59, 61,

77, 82, 230, 254, 256, 343, 406, 423 Umayyaden 5, 29, 30, 32, 33, 36, 39, 40, 41, 43, 44, 45, 46, 47, 48, 49, 52, 55, 56, 58, 59, 60, 61, 68, 75, 76, 80, 81, 83, 87, 90, 115, 129, 149, 150, 197, 203, 218, 243, 246, 298, 302, 339, 342, 351, 406 Umma 154, 155, 185, 187, 190, 217, 225, 235, 327, 346, 383, 389, 397, 401, 428 Ummu l-Kitāb 221 Uṣūli l-Fiqh 83 Uṣūlu l-Ḥadīṯ 49, 224 V Verbindlichkeit 345, 346, 349, 355, 408 Vergeltungsakten 33 Versklavung 42 Verwaltung 34, 41, 70, 92 Vorbild 36, 57, 158, 353 Vorbildfunktion 368 W wāǧib 391 Walāʾ (die Obhut) 39 Walīd 29, 30, 36, 37, 41, 43, 68, 85, 95, 107, 129, 151, 163, 194, 196, 226, 264, 265, 275, 280, 282, 285, 330, 416 Waqfa 297 Wāqidī 25, 58, 88 Waraʿ 186, 293, 322, 375 Wāṣil b. ʿAṭāʾ 41, 56, 85, 86 Wissensakkumulation 22, 215, 228, 276, 316, 361 Wissenschaftskreise 20, 93, 141, 168, 227, 235, 257, 336, 356, 371, 407 Wissenserbe 112, 115, 126, 129, 131, 138, 139, 151, 152, 154, 160, 257, 402 447

Wissenserwerb 43, 94, 107, 109, 184, 257, 357, 395 Wissensgut 24, 104, 112, 129, 146, 152, 153, 158, 166, 168, 170, 172, 187, 188, 208, 211, 227, 228, 251, 254, 256, 257, 258, 259, 269, 271, 278, 279, 317, 335, 336, 338, 339, 357, 359, 360, 366, 378, 379, 380, 381, 383, 388, 396, 402, 408, 409, 413, 414 Wissensrepertoire 253, 257, 311, 338, 357, 388 Wissensressource 274 Wissenssammlung 401, 412 Wissenstradition 98, 113, 144, 213, 267, 338, 408 Wissensvorrat 57, 161, 166, 214, 215, 259, 305, 339, 357, 358, 359, 360, 361 Y Yaḥyā b. Abī Kaṯīr 52, 128, 145, 147, 154, 227, 256 Yamāma 37 Yamanī (Südaraber) 39 Yazīd 29, 33, 36, 37, 43, 45, 49, 54, 59, 68, 77, 95, 100, 114, 127, 129, 135, 145, 196, 213, 217, 225, 226, 260, 261, 262, 265, 266, 349, 367, 378, 416, 430

448

Yaʿqūb b. Isḥāq al-Kindī 79 Yuḥanna b. Māsawayh 78, 89 Yūnus al-Aswārī 56 Yūsuf b. ʿUmar aṯ-Ṯaqafī 40, 149 Z Zakāt 398 Zalla 390 Zanādiqa 64, 66, 393 Zap-Gewässer 38 Zayd b. Aslam 48, 145, 262, 265 Zayd b. Ṯābit 54, 92, 95, 96, 112, 122, 146, 150, 160, 161, 172, 255, 257, 259, 267, 268, 269, 338, 339, 408 Zayd b. ʿAlī 34, 53, 302 Zaydī 229 Zivilisation 80 Zoroastrier 41, 62, 71 Zuhd 57, 166, 185, 291 Zuverlässigkeit 19, 27, 49, 114, 116, 117, 118, 125, 127, 128, 136, 139, 140, 144, 145, 153, 155, 158, 165, 173, 175, 182, 187, 188, 207, 223, 224, 227, 228, 231, 236, 237, 241, 254, 258, 259, 277, 309, 310, 311, 320, 321, 323, 329, 331, 334, 362, 364, 365, 369, 376, 378, 385, 386, 411 zuverlässig (ṯiqa) 101, 242

Im Zentrum des Bandes steht die Frage nach den Entstehungskriterien religiöser Autorität in der Frühzeit des Islam. Es geht dabei um jene Kriterien, die den Gelehrten die Berechtigung verliehen, im Namen des Islam zu sprechen. Grundlage der Analyse sind die beiden islamischen Gelehrten Sufyān aṯṮawrī (gest. 161/778) und Sufyān b. ̔Uyayna (gest. 198/813) aus dem 2. Jahrhundert n. H. (8./9. Jahrhundert n. Chr.) – einer Zeit, in der die islamischen Wissenschaften ihre Entstehungsphase erlebten. Im Rahmen einer deskriptiven und kritisch-analytischen Methode zeichnet der Autor das wissenschaftliche Netzwerk dieser beiden Wissenschaftler nach, erarbeitet die Kriterien der Autoritätswerdung und hinterfragt ihre aktuelle Gültigkeit.

Hüseyin Uçan studierte Islamische Theologie und Islamische Grundwissenschaften an der Marmara Universität in Istanbul und der Süleyman Demirel Universität in Isparta. Er schloss eine Promotion in Bonn und Osnabrück an. Derzeit ist er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für islamische Theologie (IIT) der Universität Osnabrück tätig.