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German Pages 347
Studien zum Seevölkerrecht und zur maritimen Sicherheit Studies on the Law of the Sea and Maritime Security Band 1 / Volume 1
Die Bewirtschaftung der genetischen Ressourcen des Meeresbodens jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt
Von Matthias J. Annweiler
Duncker & Humblot · Berlin
MATTHIAS J. ANNWEILER
Die Bewirtschaftung der genetischen Ressourcen des Meeresbodens jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt
Studien zum Seevölkerrecht und zur maritimen Sicherheit Studies on the Law of the Sea and Maritime Security Herausgegeben von / Edited by Wolff Heintschel von Heinegg / Stefan Talmon
Band 1 / Volume 1
Die Bewirtschaftung der genetischen Ressourcen des Meeresbodens jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt
Von Matthias J. Annweiler
Duncker & Humblot · Berlin
Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn hat diese Arbeit im Sommersemester 2016 als Dissertation angenommen.
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Geleitwort Mit der fortschreitenden Entwicklung der Gentechnik und der Verbesserung der maritimen Tauchtechnik wird die Frage nach dem völkerrechtlichen Rahmen für das sog. „Bioprospecting“, d. h. die Bewirtschaftung der genetischen Ressourcen des Meeresbodens zu wirtschaftlichen Zwecken, jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt immer drängender. Soll die Bewirtschaftung einzelnen entwickelten Staaten nach dem Prinzip „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“ zukommen, oder soll diese zum Nutzen aller Staaten unter internationaler Verwaltung erfolgen? Wie bei der Diskussion um den völkerrechtlichen Rahmen für die Erforschung und Ausbeutung der mineralischen Ressourcen des Tiefseebodens in den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts geht es um mehr als eine Rechtsfrage; es geht um internationale Verteilungsgerechtigkeit. Die Vereinten Nationen beschlossen deshalb im Juni 2015, ein internationales rechtsverbindliches Instrument zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der marinen Biodiversität jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt zu entwickeln, und setzten dazu einen Vorbereitungsausschuss ein, der einen Entwurf für ein internationales Abkommen vorlegen soll. In diesem Abkommen sollen u. a. die Bewahrung und die nachhaltige Bewirtschaftung der genetischen Ressourcen des Meeresbodens jenseits nationaler Hoheitsgewalt, einschließlich des gerechten Vorteilsausgleichs, gebietsbezogener Bewirtschaftungswerkzeuge, Kompetenzvermittlung und mariner Technologietransfer, geregelt werden. Dr. Annweiler zeigt in seiner detaillierten und kenntnisreichen Studie des völkerrechtlichen „Ist-Zustandes“, dass ein solches Abkommen dringend notwendig ist, da weder das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen von 1982 – die sog. „Verfassung der Ozeane“ – noch andere see- und umweltvölkerrechtliche Verträge die Frage der Bewirtschaftung der genetischen Ressourcen jenseits nationaler Hoheitsgewalt regeln. Diese völkervertragliche „Lücke“ wird auch nicht durch das, wie Dr. Annweiler überzeugend nachweist, heute völkergewohnheitsrechtlich geltende Prinzip des „gemeinsamen Erbes der Menschheit“ gefüllt. Als gemeinsames Erbe der Menschheit können die genetischen Ressourcen des Meeresbodens jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt nicht Gegenstand der Aneignung durch Staaten oder Private sein und sind ausschließlich zu friedlichen Zwecken zu nutzen. Ihre Verwaltung obliegt der Menschheit als Ganzes und die aus ihrer Nutzung gewonnenen Vorteile sind gerecht unter allen Mitgliedern der Staatengemeinschaft aufzuteilen. Ihre Bewirtschaftung ist nur bei nachhaltigem Schutz und bei Bewahrung der Umwelt für zukünftige Generationen zulässig. Aus all diesen Regeln lässt sich aber kein konkretes, praktisch anwendbares Bewirtschaftungsregime für die genetischen Ressourcen ableiten.
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Geleitwort
Dr. Annweiler legt in seiner Arbeit fundierte Vorschläge sowohl für die inhaltliche „Lückenfüllung“ bei den Regeln zur Bewirtschaftung der genetischen Ressourcen des Meeresbodens jenseits nationaler Hoheitsgewalt als auch für die Wahl des bestmöglichen völkerrechtlichen Instruments vor. Die Arbeit ist damit inhaltlich nicht nur auf der Höhe der gegenwärtigen völkerrechtlichen Diskussion, sondern dieser um einige Schritte voraus. Sie leistet damit einen wichtigen Beitrag sowohl zur Arbeit des Vorbereitungsausschusses der Vereinten Nationen als auch zur Arbeit einer nachfolgenden Staatenkonferenz. Bonn, Januar 2017
Stefan Talmon
Inhaltsverzeichnis Kapitel 1 Einleitung
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A. Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 B. Stand der bisherigen Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 C. Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
Kapitel 2 Die biologische Vielfalt des Meeresbodens
25
A. Definition der genetischen Ressourcen des Meeresbodens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 B. Fundorte genetischer Ressourcen jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt . . . . 29 I. Hydrothermalquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 II. Kalte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 C. Die wissenschaftliche und wirtschaftliche Bedeutung genetischer Ressourcen des Meeresbodens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 I. Die Bedeutung genetischer Ressourcen des Meeresbodens für die medizinische und biologische Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 II. Die wirtschaftliche Bedeutung der Forschungsergebnisse im Hinblick auf die Vermarktung von Erzeugnissen und Patenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 1. Die Vermarktung von Erzeugnissen genetischer Ressourcen . . . . . . . . . . . . . . . 36 2. Die Patentierbarkeit genetischer Ressourcen und darauf basierender Erfindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 D. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
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Inhaltsverzeichnis Kapitel 3 Die Anwendbarkeit bestehender völkerrechtlicher Verträge auf die Bewirtschaftung der genetischen Ressourcen des Meeresbodens
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A. Die Genfer Seerechtsübereinkommen von 1958 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 I. Das Übereinkommen über das Küstenmeer und die Anschlusszone . . . . . . . . . . . 48 II. Das Übereinkommen über den Festlandsockel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 III. Das Übereinkommen über die Hohe See . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 IV. Das Übereinkommen über die Fischerei und die Erhaltung der lebenden Ressourcen der Hohen See . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 B. Das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen von 1982 . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 I. Das Festlandsockelregime in Teil VI des SRÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 II. Das Gebietsregime in Teil XI des SRÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 1. Das gemeinsame Erbe der Menschheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 a) Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 b) Entwicklung im Seevölkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 c) Meinungsstand zur Auslegung des völkervertraglichen CHM-Prinzips . . . . 71 aa) Argumentation für eine Anwendbarkeit von Teil XI des SRÜ . . . . . . . . 71 bb) Argumentation gegen eine Anwendbarkeit von Teil XI des SRÜ . . . . . . 76 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 2. Die Internationale Meeresbodenbehörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 III. Das Regime über die Hohe See in Teil VII des SRÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 1. Einführung: Gegenstand und Reichweite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 2. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 IV. Das Regime zum Schutz und zur Bewahrung der Meeresumwelt in Teil XII des SRÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 V. Das Regime über die wissenschaftliche Meeresforschung in Teil XIII des SRÜ 96 1. Begriffsbestimmung: „wissenschaftliche Meeresforschung“ vs. „Bioprospecting“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 2. Einordnung der Bewirtschaftung genetischer Ressourcen . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 C. Das Übereinkommen über die biologische Vielfalt von 1992 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 I. Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 II. Die Bewirtschaftung genetischer Ressourcen jenseits nationaler Hoheitsgewalt 108 D. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114
Inhaltsverzeichnis
9
Kapitel 4 Die völkergewohnheitsrechtliche Anwendbarkeit des „Common Heritage of Mankind“-Prinzips auf die Bewirtschaftung genetischer Ressourcen des Meeresbodens
118
A. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 I. Der Meeresboden als Staatengemeinschaftsraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 II. Inhalt des CHM-Prinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 III. Ausgangspunkt und Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 B. Der Nachweis von Gewohnheitsrecht im Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 I. Zweistufige Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 1. Induktive Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 2. Deduktive Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 3. Die Spruchpraxis des IGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 II. Gewohnheitsrecht als Völkerrechtsquelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 III. Zuordnung von Nachweisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 1. opinio iuris . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 2. Staatenpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 3. Völkergewohnheitsrecht und Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 C. Rechtsüberzeugungen in der Staatengemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 I. Erklärungen von Staatenvertretern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 II. Das Verhalten internationaler Organisationen und Einrichtungen als Nachweis einer Rechtsüberzeugung ihrer Mitgliedsstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 1. Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen . . . . . . . . . . . . 151 a) Die Resolutionen zur Errichtung des Meeresbodenkomitees und dessen vorbereitende Arbeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 b) Die „Moratorium Resolution“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 c) Die „Prinzipienerklärung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 d) Der Ressourcenbegriff in den Resolutionen zur Bewirtschaftung des Meeresbodens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 e) Die Charta der wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten . . . . . . . . 160 f) Zeitliche Abfolge der UNGA-Resolutionen hinsichtlich des CHM-Prinzips 161 2. Erklärungen im Rahmen internationaler und regionaler Zusammenkünfte von Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 a) Die dritte Seerechtskonferenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 b) Die Asian-African Legal Consultative Organization . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 c) Der Beratungsprozess der Vereinten Nationen über die Ozeane und das Seerecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 3. Erklärungen im Rahmen der BBNJ-Working Group der Vereinten Nationen . . 169
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Inhaltsverzeichnis III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173
D. Die Bestätigung der Rechtsüberzeugung durch Staatenpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 I. Inhalt der Staatenpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 1. Völkerrechtliche Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 a) Der Antarktisvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 b) Der Weltraumvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 c) Der Mondvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 d) Das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 e) Das Übereinkommen über die biologische Vielfalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 2. Nationale Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 II. Folge mangelnder Staatenpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 1. „Spontanes“ Völkergewohnheitsrecht – Ein Vergleich mit dem Weltraum . . . . 199 2. Notwendigkeit von Staatenpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 3. Bedeutung von Unterlassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 4. Fortentwicklung des Rechtserzeugungsprozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 E. Die beharrliche Einwendung einzelner Staaten und ihre Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 F. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214
Kapitel 5 Ausblick: Erforderlichkeit, Inhalt und Erfolgsaussichten eines vertraglichen Bewirtschaftungsregimes für die genetischen Ressourcen des Meeresbodens
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A. Erforderlichkeit eines Bewirtschaftungsregimes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 I. Unzulänglichkeiten de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 II. Erforderlichkeit einer Novellierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 B. Überblick über den aktuellen Entwicklungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 I. Internationale Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 1. Vertragsstaatenkonferenzen zum SRÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 2. Der Beratungsprozess der Vereinten Nationen über die Ozeane und das Seerecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 3. Die BBNJ-Working Group der Vereinten Nationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 II. Die Europäische Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 1. Historischer Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 2. Status quo und zukünftige Vorhaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254
Inhaltsverzeichnis
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C. Regelungsinhalt de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 I. Allgemeine Prinzipien des Völkerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 1. Das gemeinsame Erbe der Menschheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 2. Billigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 3. Kooperation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 II. Besondere Prinzipien des Umweltvölkerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 1. Das Vorsorgeprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 2. Nachhaltigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 III. Ausgestaltungsmöglichkeiten eines ABS-Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 1. Zugang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 2. Vorteilsausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 3. Geistiges Eigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 IV. Die Errichtung von Meeresschutzgebieten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 1. Regelungsbefugnis in Gebieten jenseits nationaler Hoheitsgewalt . . . . . . . . . . 290 2. Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 D. Völkerrechtliche Optionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 I. Eigenständiger völkerrechtlicher Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 II. Änderung des SRÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 III. Ergänzendes Abkommen zum SRÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 E. Gegenwärtige Erfolgsaussichten einer Kodifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 F. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307
Anhang 1 EU, Scope, Parameters and Feasibility of an UNCLOS Implementing Agreement, Submission by the EU and its Member States to the UNGA’s BBNJ-Working Group, 5 March 2014
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Anhang 2 EU, Scope, Parameters and Feasibility of an UNCLOS Implementing Agreement, Additional Submission by the EU and its Member States to the UNGA’s BBNJ-Working Group, 23 May 2014
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Inhaltsverzeichnis
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 Dokumentenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 Völkerrechtliche Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 Resolutionen, Berichte und Erklärungen internationaler Organisationen . . . . . . . . 338 Europarechtliche Dokumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 Sonstige Dokumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 Entscheidungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345
Abkürzungsverzeichnis a.A. AALCC AALCO AALCO-Statut ABNJ Abs. ABS a.E. AJIL Am. Soc’y Int’l L. Proc. Am. U. Int’l L. Rev. Ariz. L. Rev. art. Art. ATS Aufl. Austrian Rev. Int’l. & Eur. L. Aust. YBIL AWZ Az. BBNJ-Working Group Bd. BfN BGBl. Brook. J. Int’l L. Brook. L. Rev. bspw. B. U. Int’l L. J. BVerfG BYIL bzw. ca. Cal. W. Int’l L. J. CBD CBD-Working Group CCALMR
anderer Ansicht Asian-African Legal Consultative Committee Asian-African Legal Consultative Organization Statutes of the Asian-African Legal Consultative Organization Area(s) Beyond National Jurisdiction Absatz Access and Benefit-Sharing am Ende The American Journal of International Law American Society of International Law Proceedings American University International Law Review Arizona Law Review article Artikel Antarctic Treaty System Auflage Austrian Review of International and European Law Australian Yearbook of International Law Ausschließliche Wirtschaftszone Aktenzeichen Ad Hoc Open-ended Informal Working Group to study issues relating to the conservation and sustainable use of marine biological diversity beyond areas of national jurisdiction Band Bundesamt für Naturschutz Bundesgesetzblatt Brooklyn Journal of International Law Brooklyn Law Review beispielsweise Boston University International Law Journal Bundesverfassungsgericht British Yearbook of International Law beziehungsweise circa California Western International Law Journal Convention on Biological Diversity Ad hoc open-ended working group on access and benefit-sharing under the CBD Convention on the Conservation of Antarctic Marine Living Resources
14 Chi. J. Int’l L. Chinese J. Int’l L. CHM CIL CLCS Colo. J. Int’l Envtl. L. & Pol’y Colum. J. Transnat’l L. Comp. & Int’l L. J. S. Afr. COP Cornell Int’l L. J. Denv. J. Int’l L. & Pol’y d. h. DNA DÜ
Abkürzungsverzeichnis Chicago Journal of International Law Chinese Journal of International Law Common Heritage of Mankind Customary International Law Commission on the Limits of the Continental Shelf Colorado Journal of International Environmental Law and Policy
Columbia Journal of Transantional Law Comparative and International Law Journal of Southern Africa Conference of the Parties Cornell International Law Journal Denver Journal of International Law and Policy das heißt Deoxyribonucleic acid; dt.: Desoxyribonukleinsäure (DNS) Übereinkommen zur Durchführung des Teils XI des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 Duke Envtl. L. & Pol’y F. Duke Environmental Law & Policy Forum EA Europa-Archiv ed./eds. editor/editors edn. Edition EJIL European Journal of International Law ENB Earth Negotiations Bulletin Envtl. & Energy L. & Pol’y Environmental and Energy Law and Policy Journal J. et al. et alii etc. et cetera EU Europäische Union EuZW Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht f. folgende FAO Food and Agriculture Organization of the United Nations FLRÜ Genfer Übereinkommen über die Fischerei und die Erhaltung der lebenden Ressourcen der Hohen See FSA „Fish Stocks Agreement“; Agreement for the Implementation of the Provisions of the United Nations Convention on the Law of the Sea of 10 December 1982 relating to the Conservation and Management of Straddling Fish Stocks and Highly Migratory Fish Stocks FSÜ Genfer Übereinkommen über den Festlandsockel G77 Group of 77/Gruppe der 77 Geo. Int’l Envtl. L. Rev. Georgetown International Environmental Law Review GYIL German Yearbook of International Law Hague Y. B. Int’l L. The Hague Yearbook of International Law Heidelberg J. of Int’l L. Heidelberg Journal of International Law (= ZaöRV) Herv. d. Verf. Hervorhebung durch Verfasser Hrsg. Herausgeber HSÜ Genfer Übereinkommen über die Hohe See ibid. ibidem
Abkürzungsverzeichnis ICJ ICRC i. e. IFLOS IGH IGH-Statut IISD ILA ILC ILM IMO Inc. Indian J. Int’l L. Int’l & Comp. L. Q. Int’l J. Marine & Coastal L. Int’l L. ISA i.S.d. Isr. L. Rev. ISGH i.S.v. ITLOS ITPGRFA IUCN i.V.m. IVPREL IWC J. Pat. & Trademark Off. Soc’y KMÜ Law Env’t & Dev. J. lit. LOSB LOSC Loy. U. Chi. Int’l L. Rev. Mar. Ecol. Prog. Ser. MARPOL Marq. Intell. Prop. L. Rev. Melb. J. Int’l L. MGR Mich. J. Int’l L. MPA MPEPIL MPYUNL
15
International Court of Justice (= IGH) International Committee of the Red Cross id est International Foundation for the Law of the Sea Internationaler Gerichtshof (= ICJ) Statut des Internationalen Gerichtshofs International Institute for Sustainable Development International Law Association International Law Commission International Legal Materials International Maritime Organization incorporated Indian Journal of International Law International and Comparative Law Quarterly The International Journal of Marine and Coastal Law International Lawyer International Seabed Authority im Sinne des/der Israel Law Review Internationaler Seegerichtshof (= ITLOS) im Sinne von International Tribunal for the Law of the Sea (= ISGH) International Treaty on Plant Genetic Resources for Food and Agriculture (= IVPREL; „FAO-Treaty“) International Union for the Conservation of Nature in Verbindung mit Internationaler Vertrag über pflanzengenetischen Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft (= ITPGRFA; „FAO-Treaty“) International Whaling Commission Journal of the Patent and Trademark Office Society Genfer Übereinkommen über das Küstenmeer und die Anschlusszone Law, Environment & Development Journal littera/litteras Law of the Sea Bulletin Law of the Sea Convention (= SRÜ) Loyola University Chicago International Law Review Marine Ecology Progress Series International Convention for the Prevention of Pollution from Ships Marquette Intellectual Property Law Review Melbourne Journal of International Law Marine Genetic Resources Michigan Journal of International Law Marine Protected Area Max Planck Encyclopedia of Public International Law Max Planck Yearbook of United Nations Law
16 MSR MSY MT
Abkürzungsverzeichnis
Marine Scientific Research maximum sustainable yield Agreement Governing the Activities of States on the Moon and Other Celestial Bodies („Moon Treaty“) m.w.N. mit weiteren Nachweisen NASA National Aeronautics and Space Administration Nat. Resources J. Natural Resources Journal Naval L. Rev. Naval Law Review NGO non-governmental organisation NIEO New International Economic Order (= NWWO) NJW Neue Juristische Wochenschrift No. numero Nordic J. Int’l L. Nordic Journal of International Law Nr. Nummer/Nummern NuR Natur und Recht NWWO Neue Weltwirtschaftsordnung (= NIEO) NYIL Netherlands Yearbook of International Law N. Z. J. Envtl. L. New Zealand Journal of Environmental Law Ocean Dev. & Int’l L. Ocean Development and International Law Oceanogr. Mar. Biol. Annu. Oceanography and Marine Biology: An Annual Review Rev. Ocean Y. B. Ocean Yearbook OCLJ Ocean and Coastal Law Journal o.g. oben genannt (-e/-en) OSPAR Convention for the Protection of the Marine Environment of the North-East Atlantic OST Treaty on Principles Governing the Activities of States in the Exploration and Use of Outer Space, Including the Moon and Other Celestial Bodies („Outer Space Treaty“) o.V. ohne Verfasser PCA Permanent Court of Arbitration (= StSH) PCIJ Permanent Court of International Justice (= StIGH) PCT Patent Cooperation Treaty (= Vertrag über die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens) Phil. Trans. R. Soc. Lond. B Philosophical Transactions of The Royal Society London B: Biological Sciences Proc. Nat. Acad. Sci. USA Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America QUTLJJ Queensland University of Technology Law and Justice Journal RECIEL Review of European Community & International Environmental Law REEI Revista Electrónica de Estudios Internationales Res. Resolution Rev. Jur. U. P. R. Revista Juridica Universidad de Puerto Rico RFMO Regional Fisheries Management Organisation RIAA Reports of International Arbitral Awards Rn. Randnummer ROV Remotely Operated Deep-Sea Vehicle
Abkürzungsverzeichnis Rs. s. San Diego L. Rev. SBSTTA
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Rechtssache siehe San Diego Law Review Subsidiary Body on Scientific, Technical and Technological Advice Ser. Serie Sing. J. Int’l & Comp. L. Singapore Journal of International and Comparative Law s. o. siehe oben SPILJ State Practice and International Law Journal SRÜ Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen ST „Seabed Treaty“; Treaty on the Prohibition of the Emplacement of Nuclear Weapons and Other Weapons of Mass Destruction on the Sea-Bed and the Ocean Floor and in the Subsoil Thereof Stan. Envtl. L. J. Stanford Environmental Law Journal StIGH Ständiger Internationaler Gerichtshof (= PCIJ) StSH Ständiger Schiedshof (= PCA) Student Advoc. The Student Advocate s. u. siehe unten Suffolk Transnat’l L. J. Suffolk Transnational Law Journal TAC total allowable catch Tex. Int’l L. J. Texas International Law Journal TRIPS Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights u. a. unter anderem UdSSR Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (Sowjetunion) UN United Nations UNCED United Nations Conference on Environment and Development (= Rio-Konferenz) UNCLOS United Nations Conference on the Law of the Sea UNCTAD United Nations Conference for Trade and Development UNEP United Nations Environment Programme UNGA United Nations General Assembly UNICPOLOS United Nations Open-ended Informal Consultative Process on Oceans and the Law of the Sea UNOOSA United Nations Office for Outer Space Affairs UNSG United Nations Secretary General UNTS United Nations Treaty Series U.S.C. United States Code Urt. Urteil Utr. L. Rev. Utrecht Law Review Vand. J. Transnat’l L. Vanderbilt Journal of Transnational Law vgl. vergleiche Vol. Volume Wash. L. Rev. Washington Law Review Willamette J. Int’l L. & Dis. Willamette Journal of International Law and Dispute Resolution Res. WIPO World Intellectual Property Organization Wis. Int’l L. J. Wisconsin International Law Journal
18 WJA Wm. & Mary L. Rev. WOR WTO WVK ZaöRV ZUR
Abkürzungsverzeichnis World Jurist Association (früher: World Peace through Law Center) William and Mary Law Review World Ocean Review World Trade Organization Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (= Heidelberg J. Of Int’l L.) Zeitschrift für Umweltrecht
Kapitel 1
Einleitung Erst in der Mitte des 20. Jahrhunderts ist der Meeresboden in den Mittelpunkt geopolitischer und -strategischer Betrachtung der Staaten gerückt. Wie bei der Besiedelung und späteren Kolonialisierung der Kontinente waren auch hier von Beginn an wirtschaftliche Notwendigkeiten und militärische Ansprüche die Taktgeber. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und am Vorabend des Kalten Krieges errichteten die Protagonisten nicht nur wechselseitige Drohkulissen vor der jeweils anderen Staatsgrenze,1 sondern versuchten auch in bislang nicht okkupierte Gebiete vorzudringen. So wurden der Weltraum und der Meeresboden zunehmend zu stillen Kriegsschauplätzen der Atommächte. Hinsichtlich des Meeresbodens konnte den militärischen Ansprüchen der Staaten schließlich im Jahre 1971 durch den sog. „Meeresbodenvertrag“ (ST)2 eine Grenze gezogen werden. Dieser verbot fortan die Stationierung von Massenvernichtungswaffen auf dem Meeresboden und gewährte allen Vertragsstaaten ein Überwachungsrecht hinsichtlich der Aktivitäten des jeweils anderen Staates in diesem Gebiet.3 Gleichzeitig waren die Staaten jedoch von wirtschaftlichen Notwendigkeiten getrieben: Das Bedürfnis an mineralischen Ressourcen stieg zunehmend an und die kontinentalen Vorkommen schienen zur Versorgung der Volkswirtschaften der großen Industrienationen nicht auszureichen. Daher erschien es nur logisch, dass man nunmehr auf die bereits Ende des 19. Jahrhunderts entdeckten sog. „Manganknollen“, bestehend aus Mangan, Nickel, Cobalt und Kupfer, zurückgriff, um diesen Bedarf zu decken. Inzwischen war die Technologie der Industrienationen weit genug entwickelt, dass eine Bewirtschaftung dieser mineralischen Ressourcen nicht nur wirtschaftlich sinnvoll, sondern deshalb auch unmittelbar bevorzustehen schien.4 Auch in wirtschaftlicher Hinsicht versuchte man – insbesondere auf Betreiben der Entwicklungs- und Schwellenländer – den Meeresboden von einzelstaatlicher Ok1 Während die USA seit 1959 nuklear bestückte Mittelstreckenraketen in Italien und der Türkei stationierten, reagierte die UdSSR 1962 mit der Stationierung ebensolcher Raketen auf Kuba, wodurch es im Oktober 1962 zur sog. „Kubakrise“ kam. 2 Treaty on the Prohibition of the Emplacement of Nuclear Weapons and Other Weapons of Mass Destruction on the Sea-Bed and the Ocean Floor and in the Subsoil Thereof, angenommen am 11. 02. 1971, in Kraft getreten am 18. 05. 1972; Original in: 955 UNTS 115; = Vertrag über das Verbot der Anbringung von Kernwaffen und anderen Massenvernichtungswaffen auf dem Meeresboden und im Meeresuntergrund, deutsche Fassung in: BGBl. II (1972), 325. 3 Vgl. Art. 1 und 2 ST. 4 Wolfrum, in: Graf Vitzthum (Hrsg.), Handbuch des Seerechts, 2006, 333, Rn. 134.
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Kap. 1: Einleitung
kupation freizuhalten. Daher wurde eine unilaterale Aneignung des Meeresbodens selbst und insbesondere seiner mineralischen Ressourcen schließlich mit dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen von 1982 (SRÜ)5 verboten und deren Nutzung stattdessen der gesamten Menschheit anheimgestellt.6 Während der Verhandlungen zum SRÜ wurden von Meeresforschern Ende der 1970er Jahre lebende Organismen auf dem Meeresboden entdeckt. Zwar schlug diese Entdeckung in der Meeresbiologie hohe Wellen, weil man zuvor noch davon ausgegangen war, dass organisches Leben mangels Sonnenlicht in der Tiefsee unmöglich sei, sodass dieser Umstand eine gewisse Sensation darstellte. Dennoch war wiederum ein wirtschaftliches Moment notwendig, bis diese Mikroorganismen zum Ende der 1990er Jahre die Aufmerksamkeit der Staatengemeinschaft erregten. Denn infolge der zu diesem Zeitpunkt neuartigen Gentechnik hatte man besondere Eigenschaften der Mikroorganismen ausmachen können, die diese wirtschaftlich äußerst attraktiv und damit finanziell potent werden ließen. Fortan firmierten diese Mikroorganismen als sog. „genetische Ressourcen des Meeresbodens“.7 Die militärisch-strategische Bedeutung des Meeresbodens überwog lange Zeit das Interesse an seiner wirtschaftlichen Ausbeutung. Trotz neuer Technologien und immenser Fortschritte in der Meereskunde,8 stellt der Meeresboden für die Menschheit auch heute noch die letzte unbezwungene Grenze des eigenen Planeten dar.9 Während seine Größe eine flächendeckende Erforschung erschwert, blockiert eine darüber liegende Wassersäule von durchschnittlich 3.500 Metern und stellenweise über 10.000 Metern Tiefe den Zugang dazu. Bislang haben mehr Menschen den Mond betreten als den Marianengraben, den im westlichen Pazifischen Ozean gelegenen und mit einer Maximaltiefe von 11.034 Metern wohl tiefsten Punkt des Meeresbodens.10 Der Meeresboden ist deshalb weitestgehend unerforscht. Dennoch hat das Interesse der Staaten an einer Bewirtschaftung des Meeresbodens, insbesondere seiner genetischen Ressourcen, einer militärischen Nutzung mittlerweile den Rang abgelaufen. Letztere findet vornehmlich in der darüber liegenden Wassersäule, der Hohen See, statt. Die auf dem Meeresboden beheimatete biologische 5 United Nations Convention on the Law of the Sea, angenommen am 10. 12. 1982, in Kraft getreten am 16. 11. 1994; Original in: 1834 UNTS 397; deutsche Fassung in: BGBl. II (1994), 1798. 6 Vgl. Art. 136 ff. SRÜ. 7 International ist der englische Begriff „Marine Genetic Resources“ (MGR) gebräuchlich, der allerdings sämtliche genetischen Ressourcen in allen Meereszonen erfasst. 8 Dieser Begriff bezeichnet die Gesamtheit der Meereswissenschaften und umfasst u. a. Meeresbiologie und Meeresgeologie. 9 He, Limitations on Patenting Inventions Based on Marine Genetic Resources of Areas Beyond National Jurisdiction, 29 Int’l J. Marine & Coastal L. (2014), 521 (522). 10 Im Rahmen von NASA-Missionen (Apollo 11 – 17) haben 12 Menschen zwischen 1969 und 1972 den Mond betreten. Bislang haben nur 3 Menschen in U-Booten den Marianengraben erreicht: Jacques Piccard und Don Walsh (1960 mit Trieste) sowie James Cameron (2012 mit Deepsea Challenger).
A. Problem
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Vielfalt hingegen ist Gegenstand reger wirtschaftlicher (und wissenschaftlicher) Nutzung und Grundlage ganzer Forschungs- und Industriebereiche.11 Ihre Ausbeutung hat längst begonnen. Schon jetzt ist die Bewirtschaftung der lebenden Ressourcen des Meeresbodens bis weit jenseits des Festlandsockels in das sog. „Gebiet“ („The Area“)12 vorangetrieben worden. Rein tatsächlich ist die Menschheit in der Lage jede Stelle des Meeresbodens zu erreichen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Mehrung wissenschaftlicher Erkenntnisse und der weitere technologische Fortschritt eine flächendeckende Ausbeutung auch der tiefsten und entlegensten Gebiete zulassen und wirtschaftlich attraktiv machen.
A. Problem Gegenstand der vorliegenden Dissertation sind die genetischen Ressourcen des Meeresbodens in Gebieten jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt. Nachdem die tatsächlichen Hindernisse zu ihrer Bewirtschaftung überwunden wurden, muss sich die Staatengemeinschaft diesbezüglich nunmehr Fragen der rechtlichen Bewertung dieser Bewirtschaftung im Rahmen des Völkerrechts stellen. Ad primam: Ist die Aneignung genetischer Ressourcen jenseits souveräner Rechte oder Hoheitsbefugnisse eines Staates – im Gebiet – überhaupt möglich? Denn die Begründung von Eigentums- oder Besitzrechten könnte eine notwendige Grundlage für deren weitere Verwendung in der Forschung und Entwicklung darauf basierender Produkte und Prozesse darstellen. Ad secundam: Gibt es de lege lata bereits ein Regime, das die Bewirtschaftung dieser Ressourcen erfasst? Das SRÜ – durch den Präsidenten der Dritten Seerechtskonferenz Tommy Koh als „Verfassung der Meere“ bezeichnet13 – beansprucht für sich, „alle das Seerecht betreffenden Fragen […] zu regeln“.14 Viele der darin vertraglich kodifizierten Normen sind darüber hinaus mittlerweile auch völkergewohnheitsrechtlich anerkannt. Möglicherweise gilt dies auch für das Prinzip vom gemeinsamen Erbe der Menschheit (CHM-Prinzip), das ursprünglich zur Bewirtschaftung des Gebiets entwickelt wurde. Ad tertiamque: Ist dieses Regime umfassend? Um umfassenden Charakter zu haben, müsste ein solches Regime nicht nur alle Belange der Bewirtschaftung selbst regeln (ratione materiae), sondern auch universelle Geltung erreicht haben, d. h. die gesamte Staatengemeinschaft binden (ratione personae). Für die Zwecke der vorliegenden Dissertation erfasst der Begriff der „Bewirtschaftung“ im Hinblick auf die genetischen Ressourcen des Meeresbodens jenseits 11
s. Kapitel 2. Vgl. Definition in Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 SRÜ. 13 Koh, A Constitution for the Oceans, in: The Law of the Sea – United Nations Convention on the Law of the Sea with Index and Final Act of the Third United Nations Conference on the Law of the Sea, 1983, xxxiii ff. 14 Vgl. Präambel des SRÜ. 12
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Kap. 1: Einleitung
der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt die gesamte Wertschöpfungskette. Bewirtschaftung wird daher im Folgenden als terminus technicus für die völkerrechtliche Regelung des Zugangs zu und des Erwerbs von Eigentum an den genetischen Ressourcen des Meeresbodens jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt verwendet, wobei auch die Nutzung dieser Ressourcen und die Verteilung der aus ihrer Nutzung erlangten Vorteile begrifflich erfasst werden sollen. Die Bewirtschaftung genetischer Ressourcen des Meeres (Marine Genetic Resources, MGR) stellt – insbesondere auf dem Meeresboden jenseits nationaler Hoheitsgewalt – wegen ihrer „Erschöpflichkeit“ eine Besonderheit dar. Zwar sind diese in großer Zahl und Vielfalt vorhanden und jeweils durchaus einer Vervielfältigung zugänglich. Das Ziel ist jedoch nicht die Erlangung einer besonders großen Menge, sondern die Entschlüsselung der in den Mikroorganismen enthaltenen DNA. Dazu genügen wenige Zellen. Diese Entschlüsselung ist zwar wiederum mehrfach möglich. Aber nur derjenige, der aufgrund der ersten Entschlüsselung eine Erfindung zum Patent anmeldet, zieht durch die ausschließlichen Rechte des geistigen Eigentums auch finanziellen Nutzen aus dem gesamten Prozess. Die Erschöpflichkeit grundsätzlich nachwachsender genetischer Ressourcen erklärt sich folglich durch die einmalige – gewinnbringende – Möglichkeit der Entschlüsselung ihrer Erbinformationen. Nachdem die Erbinformation durch Patentierung einer darauf aufbauenden Erfindung einmal kommerzialisiert wurde, ist eine weitere Entschlüsselung zwar möglich, aber wirtschaftlich wertlos. Die Grundfrage dieser Dissertation lautet folglich – untechnisch, aber prägnant: Wem gehören die genetischen Ressourcen des Meeresbodens?
B. Stand der bisherigen Forschung Die rechtliche Bewertung genetischer Ressourcen des Meeresbodens stellt kein novum in der Völkerrechtswissenschaft dar. So gab es bislang einige Beiträge, Aufsätze und Monografien, die sich etwa mit dem Zugang zu genetischen Ressourcen im Allgemeinen oder mit dem Schutz der Meeresumwelt jenseits nationaler Hoheitsgewalt befassten. Zu den größeren Werken zählen beispielsweise Friedland, Der Schutz der biologischen Vielfalt der Tiefseehydrothermalquellen (2007), Henne, Genetische Vielfalt als Ressource (1998), Lawson, Regulating Genetic Resources (2012), Leary, International Law and the Genetic Resources of the Deep Sea (2007) und Lochen, Die völkerrechtlichen Regelungen über den Zugang zu genetischen Ressourcen (2007). Während bei diesen Werken entweder die Bewirtschaftung von genetischen Ressourcen an Land15 oder nur der Schutz von MGR16 im Vordergrund stand oder sich der Untersuchungsgegenstand auf das vertraglich kodifizierte Völ15 Lochen, Die völkerrechtlichen Regelungen über den Zugang zu genetischen Ressourcen, 2007 und Lawson, Regulating Genetic Resources, 2012. 16 Friedland, Der Schutz der biologischen Vielfalt der Tiefseehydrothermalquellen, 2007.
C. Vorgehensweise
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kerrecht beschränkte,17 will die vorliegende Dissertation den Forschungsgegenstand einerseits erweitern und sich andererseits fokussierter mit der Bewirtschaftung von MGR auseinandersetzen. Eine Erweiterung erfolgt dergestalt, dass die Anwendbarkeit sowohl vertraglicher als auch gewohnheitsrechtlicher Normen des Völkerrechts auf MGR in Gebieten jenseits nationaler Hoheitsgewalt untersucht wird. Der Fokus liegt allerdings nicht wie bei den zuvor veröffentlichten Werken auf dem Schutz dieser Ressourcen, sondern auf der Regulierung ihrer Bewirtschaftung, d. h. dem Zugang dazu und einem sich möglicherweise anschließenden gerechten Vorteilsausgleich im Rahmen eines sog. „Access and Benefit-Sharing“-Systems (ABSSystem). Viele Autoren, die sich mit dem Schutz der biologischen Vielfalt jenseits nationaler Hoheitsgewalt beschäftigen, haben den Fokus scheuklappenartig auf eine Bewahrung dieser Ökosysteme um jeden Preis gelegt und eine Bewirtschaftung – wohl aus Angst vor einem expansiven Großmachtstreben einzelner Staaten – kategorisch ausgeschlossen. Hier soll keinesfalls in Abrede gestellt werden, dass jene Ökosysteme des Schutzes bedürfen und vor einem unregulierten und u. U. zerstörerischen Zugriff staatlicher sowie privater Unternehmen durch Tiefseebodenbergbau, umweltschädliche Fischfangpraktiken (bspw. Bottom-Trawling), Verschmutzung von Schiffen (bspw. Ballastwasseraustausch auf Hoher See) und Meerestourismus bewahrt werden müssen. Das sog. „Bioprospecting“, i. e. die Bewirtschaftung genetischer Ressourcen zu wirtschaftlichen Zwecken, ist jedoch nur minimal-invasiv, weil bereits wenige Zellen der Mikroorganismen zur Zweckerreichung ausreichen. Zur Nutzung der besonders wertvollen Eigenschaften dieser Ressourcen ist mithin zuvorderst ein Bewirtschaftungs-, nicht aber ein Schutzsystem, zielführend. Diese Dissertation schließt folglich eine bis dato bestehende Lücke, da – soweit ersichtlich – kein Werk die völkervertraglichen und völkergewohnheitsrechtlichen Regelungen hinsichtlich der Bewirtschaftung genetischer Ressourcen jenseits nationaler Hoheitsgewalt erfasst und bewertet.
C. Vorgehensweise Zunächst werden die genetischen Ressourcen für die Zwecke der Untersuchung definiert (Kapitel 2, A.). Sodann wird auf ihre Fundorte auf dem Meeresboden sowie ihre wissenschaftliche und wirtschaftliche Bedeutung eingegangen (Kapitel 2, B. und C.). In diesem Zusammenhang wird der (völker-)rechtliche Rahmen für die Kommerzialisierung und die Begründung von Rechten geistigen Eigentums an Produkten und Prozessen, die auf genetischen Ressourcen basieren, skizziert. Der Hauptteil der Untersuchung beschäftigt sich mit der Anwendbarkeit völkerrechtlicher Normen auf die Bewirtschaftung der genetischen Ressourcen des Meeresbodens. Hierzu werden zunächst die thematisch einschlägigen völkerrecht17
Leary, International Law and the Genetic Resources of the Deep Sea, 2007.
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Kap. 1: Einleitung
lichen Verträge untersucht (Kapitel 3). Dies sind zunächst die bestehenden multilateralen Verträge des Seevölkerrechts, namentlich die Genfer Seerechtsübereinkommen von 1958 und das SRÜ. In diesen Verträgen kommen – die dem jeweiligen Zeitgeist entstammenden – Bewirtschaftungskonzepte für die einzelnen Meereszonen zum Ausdruck. Eine Anwendbarkeit dieser Verträge auf die genetischen Ressourcen bewegt sich dabei hauptsächlich zwischen zwei grundsätzlich widerstreitenden Konzepten für die Nutzung von Gebieten jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt: Dem Prinzip der Freiheit der Hohen See und dem CHM-Prinzip. Während ersteres Prinzip allen Staaten unterschiedslos Zugang zu den Ressourcen auf Basis eines „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“-Ansatzes gewährt, verbietet das letztere eine einzelstaatliche Aneignung und beabsichtigt stattdessen eine gerechte Aufteilung der Nutzungsvorteile unter allen Mitgliedern der Staatengemeinschaft. Schließlich wird auch das Übereinkommen über die Biologische Vielfalt hinsichtlich einer Anwendbarkeit überprüft. Denn im Mittelpunkt dieses weithin akzeptierten und bindenden Übereinkommens stehen der Zugang zu genetischen Ressourcen und die gerechte Verteilung der daraus gezogenen Nutzungsvorteile. Im Anschluss daran wird die völkergewohnheitsrechtliche Anwendbarkeit des CHM-Prinzips auf die genetischen Ressourcen des Meeresbodens untersucht (Kapitel 4). Hierbei ergeben sich zunächst Fragen grundsätzlicher Natur im Zusammenhang mit der Entstehung von Völkergewohnheitsrecht, insbesondere der Notwendigkeit eines Nachweises mittels Staatenpraxis (Kapitel 4, A.). Es werden die zumeist in multilateralen Foren zum Ausdruck gebrachten Rechtsüberzeugungen der Staaten dargestellt (Kapitel 4, B.) und nach einer übereinstimmenden Staatenpraxis gesucht (Kapitel 4, C.). Danach wird in Ermangelung einer einheitlichen und konsistenten Staatenpraxis die hergebrachte dogmatische Herangehensweise hinterfragt und ein Lösungsweg für diesen und ähnliche Fälle erdacht (Kapitel 4, C. II.). Schließlich werden auch die möglichen Auswirkungen der „persistent objector“Regel behandelt, die den grundsätzlich universellen Charakter des Völkergewohnheitsrechts in diesem Fall aufweichen könnte (Kapitel 4, D.). In einem Ausblick wird am Ende auf die Erforderlichkeit, den Inhalt und die Erfolgsaussichten eines neuen vertraglichen Bewirtschaftungsregimes für die genetischen Ressourcen des Meeresbodens eingegangen (Kapitel 5). Eine Zusammenfassung der in den Kapiteln 3 und 4 gefundenen Ergebnisse begründet diese Erforderlichkeit (Kapitel 5, A.). Sodann werden der aktuelle Diskussionsstand dargestellt (Kapitel 5, B.) und auf dieser Basis Vorschläge für ein Bewirtschaftungsregime de lege ferenda gemacht (Kapitel 5, C.). Dazu werden die Implementierung konkreter Prinzipien und die Ausgestaltung eines Zugangs- und Verteilungssystems basierend auf der Grundidee eines ganzheitlichen Ansatzes zur Bewirtschaftung und zum Schutz genetischer Ressourcen jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt vorgeschlagen. Bezogen auf eine tatsächliche vertragliche Umsetzung werden schließlich verschiedene völkerrechtliche Optionen auf ihre Praxistauglichkeit hin untersucht (Kapitel 5, D.) und eine abschließende Bewertung zu den gegenwärtigen Erfolgsaussichten einer Kodifizierung abgegeben (Kapitel 5, E.).
Kapitel 2
Die biologische Vielfalt des Meeresbodens Obwohl fast drei Viertel der Erdoberfläche von den Ozeanen bedeckt ist, wurden bislang nur 5 % der Tiefsee und des Meeresbodens erforscht.1 Aus biologischer Sicht beginnt die Tiefsee in etwa 200 Metern Tiefe, weil dort ein bemerkbarer Wechsel der Fauna zu beobachten ist.2 Völkerrechtlich wird einerseits vertikal zwischen der Wassersäule und dem Meeresboden und andererseits horizontal zwischen den einzelnen staatlichen Nutzungsbefugnissen in den Meereszonen unterschieden.3 Die im Rahmen dieser Dissertation behandelten genetischen Ressourcen entspringen derjenigen besonderen biologischen Vielfalt, welche sich auf dem Meeresboden der Tiefsee in einer Meereszone befindet, in der kein einzelner Staat ausschließliche Rechte besitzt. Der jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt gelegene Meeresraum umfasst neben der Wassersäule jenseits der jeweiligen sog. „Ausschließlichen Wirtschaftszonen“ (AWZ) der Küstenstaaten auch den jenseits des Festlandsockels gelegenen Meeresboden. Während diese Wassersäule gewissermaßen mit der Entstehung des Völkerrechts als „Hohe See“ bekannt wurde, wird der darunter liegende Meeresboden im neuen Seerecht als „das Gebiet“ gekennzeichnet.4 Das Gebiet stellt bis zu 40 % der gesamten Erdoberfläche und 64 % des Meeresbodens dar; die darüberliegende Wassersäule jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt umfasst sogar fast 95 % des Meeresraumes.5 Bis heute ist über die Oberfläche des Mondes mehr bekannt, als über den Meeresboden unseres eigenen Planeten. Entgegen der früheren Annahmen, wonach auf dem Meeresboden gar kein Leben möglich sei, musste diese Ansicht spätestens seit dem Tauchgang des bemannten Tiefsee-U-Bootes Alvin im Jahre 1977 jedenfalls als unvollständig revidiert werden.
1 Ramirez-Llodra et al., Deep, Diverse and Definitely Different: Unique Attributes of the World’s Largest Ecosystem, 7 Biogeosciences (2010), 2851 (2852): „Only 5 % of the deep sea has been explored with remote instruments and less than 0.01 % of the deep sea-floor (the equivalent of a few football fields) has been sampled and studied in detail.“ 2 Ramirez-Llodra et al., Man and the Last Great Wilderness: Human Impact on the Deep Sea, 6 PLoS ONE 7 (2011), 1 (1). 3 s. dazu später Kapitel 3. 4 Henkin, How Nations behave, 2nd ed., 1979, 212: „Law of the sea is as old as nations, and the modern law of the sea is virtually as old as modern international law.“ 5 Global Environment Facility, Areas Beyond National Jurisdiction, abrufbar unter: https:// www.thegef.org/gef/ABNJ (zuletzt abgerufen am 01. 08. 2015).
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Kap. 2: Die biologische Vielfalt des Meeresbodens
Dieser Tauchgang revolutionierte das Image des als karges Ödland vernachlässigten Meeresbodens nachhaltig.6 Als Edward Forbes im Jahre 1844 nach einer „unglücklichen“7 Entnahme von Proben in der Ägäis für den gesamten Meeresboden feststellte, dass dort kein Leben zu finden sei,8 wusste man noch nicht um die biologische Vielfalt marinen Lebens in mehreren tausend Metern unter der Meeresoberfläche, welche rund 150 Jahre später wegen eben jener Vielfalt als „Garten Eden“ oder „Oasen der Tiefsee“ bezeichnet werden sollte.9 War man damals daher noch davon ausgegangen, dass auf dem Meeresboden zwar wohl reichhaltige Vorkommen seltener Metalle und Erze (sog. „Manganknollen“) oder Öl zu finden seien, jedoch aufgrund der unwirtlichen Bedingungen in bis zu 11.000 Metern Tiefe10 nicht mit lebenden Organismen zu rechnen sei, sehen sich die Forscher nun mit einer Artenvielfalt konfrontiert, die sich vor jener des tropischen Regenwaldes nicht verstecken muss.11 Auch wenn auf dem Grund der Tiefsee eine durchschnittliche Temperatur von etwa minus 1 bis plus 4 Grad Celsius bei einem Druck von etwa 1.000 bar herrscht und mangels Sonnenlicht keine Photosynthese möglich ist, sind dort Lebewesen zu finden, die sich im Laufe der Evolution an die mitunter toxischen Umstände angepasst haben. Diese Mikroorganismen entstammen nicht nur einer viel früheren Phase der Evolution, sondern sind auch in einer viel höheren biologischen Vielfalt vorhanden als ländliche Spezies.12 Die an Hydrothermalquellen sowie an kalten Quellen beheimateten genetischen Ressourcen – wegen der dort herrschenden lebensfeindlichen Umweltbedingungen auch „Extremophile“ genannt – haben im Grundsatz eines gemeinsam: Da das Sonnenlicht nur bis etwa 300 Meter unter die Wasseroberfläche vordringen kann und 6 Zur Chronologie des Tauchgangs s. Ballard, The Eternal Darkness: A Personal History of Deep-sea Exploration, 2000, 166 ff. 7 Tyler, Chapter 1: Introduction, in: Tyler (ed.), Ecosystems of the deep oceans, 2003, 1 (1): „Today one would consider this choice of sampling station as unfortunate, since this region of the Mediterranean deep sea is faunistically very poor, and the lack of animals in Forbe’s samples led to the ,azoic theory‘ that little or no life existed below 600 m.“ 8 Ramirez-Llodra et al., Deep, Diverse and Definitely Different: Unique Attributes of the World’s Largest Ecosystem, 7 Biogeosciences (2010), 2851 (2852): „[…] when Edward Forbes, dredging in the Aegean down to 420 m depth (H. M. S. Beacon, 1841 – 1842), found fewer species with increasing depth, he concluded that no life was present in the oceans below 600 m […].“ 9 Allen, Protecting the Oceanic Gardens of Eden: International Law Issues in Deep-Sea Vent Resource Conservation and Management, 13 Geo. Int’l Envtl. L. Rev. (2000 – 2001), 563 (565). 10 Die tiefste Stelle des Meeresbodens ist das im Marianengraben im Pazifischen Ozean gelegene Witjastief 1 mit 11.034 Metern unter der Meeresoberfläche. 11 Auf dem Boden der Tiefsee werden 400 verschiedene Spezies auf einem Quadratmeter vermutet, s. Ramirez-Llodra et al., Deep, Diverse and Definitely Different: Unique Attributes of the World’s Largest Ecosystem, 7 Biogeosciences (2010), 2851 (2870). 12 Anton, Law for the Sea’s Biological Diversity, 36 Colum. J. Transnat’l L. (1998), 341 (345 f.): „The deep benthos harbors the highest diversity of life in the marine environment and a higher proportion of local or regional endemic species.“
A. Definition der genetischen Ressourcen
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damit schon in wenigen hundert Metern Tiefe absolute Finsternis herrscht, ist die Energieumwandlung mittels Sonnenlicht durch Photosynthese auf dem Meeresboden unmöglich. Früher ist man davon ausgegangen, dass sich die in größeren Tiefen beheimateten Lebewesen von Plankton ernähren, der in höheren Meeresschichten unter Einfluss von Sonnenlicht entsteht und nach seinem Absterben auf den Meeresboden herabsinkt.13 Die Energieumwandlung der dort lebenden Bakterien und Archaeen findet mangels Sonnenlichts allerdings durch sog. „Chemosynthese“ (griechisch; auch: Chemolithotrophie)14 auch in völliger Dunkelheit und eisiger Kälte statt, indem diese aus den Erdspalten austretendes Methangas, Schwefelwasserstoff oder andere anorganische Substanzen zum Bau komplexer Nahrungsmoleküle nutzen.15 Die Bakterien sind wiederum eine Nahrungsquelle für andere dort lebenden Organismen und Kleintiere, wie etwa Würmer, Schnecken, Krebse und Muscheln, die sich um die Quellen herum ansiedeln. Damit bilden diese Bakterien gleichsam den Beginn der Nahrungskette unter Wasser.16 Die Besiedelungsdichte an und um die Thermalquellen herum ist um ein millionenfaches höher, als in den übrigen Gebieten des Tiefseebodens. In einiger Entfernung hat man kaum marines Leben gefunden, was die Theorie stützt, wonach an den genannten Quellen der Ursprung der Evolution belegen sein könnte.17
A. Definition der genetischen Ressourcen des Meeresbodens Die Definition genetischer Ressourcen des Meeresbodens ist zwar bislang vielfach versucht und teilweise vollendet worden. Nichtsdestotrotz konnten sich die staatlichen und nichtstaatlichen Akteure des Völkerrechts nicht auf eine allgemein
13 Armas Pfirter, The Management of Seabed Living Resources in „The Area“ under UNCLOS, 11 REEI (2006), 1 (15). 14 Bauer, Meyers Lexikon der Naturwissenschaften: Biologie, Chemie, Physik, 2008, 126. 15 Rona, Resources of the Sea Floor, 299 Science (2003), 673 (674): „Sea-floor hot springs concentrate metal deposits and energize microbes at the base of vent ecosystems that link inorganic with organic processes, open prospects for living and nonliving resources, and present conservation challenges.“ 16 Ramirez-Llodra et al., Deep, Diverse and Definitely Different: Unique Attributes of the World’s Largest Ecosystem, 7 Biogeosciences (2010), 2851 (2860 f.): „At hydrothermal vents, microorganisms play the role of primary producers, using reduced compounds (mainly H2S and CH4) as sources of energy, and inorganic carbon to produce organic matter in a process known as chemosynthesis, fuelling faunal communities that are believed to be amongst the most productive on earth […].“ 17 s. u. Kapitel 2, B. II. und Martin/Russell, On the Origins of Cells: A Hypothesis for the Evolutionary Transitions from Abiotic Geochemistry to Chemoautotrophic Prokaryotes, and from Prokaryotes to Nuclear Cells, 358 Phil. Trans. R. Soc. Lond. B (2003), 59 ff.
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Kap. 2: Die biologische Vielfalt des Meeresbodens
anerkannte Definition genetischer Ressourcen einigen,18 sodass die Diskussion über eine Definition ebenso lange andauert, wie deren Entdeckung auf dem Meeresboden her ist. Gleichwohl erscheint es angebracht, zunächst die fast universell anerkannten völkerrechtlichen Verträge zu einer ersten Interpretation heranzuziehen. Art. 2 des 1992 in Rio de Janeiro verhandelten Übereinkommens über die biologische Vielfalt (CBD)19 definiert jedenfalls zunächst einmal biologische Ressourcen im Allgemeinen. Dabei handelt es sich um „[…] genetische Ressourcen, Organismen oder Teile davon, Populationen oder einen anderen biotischen Bestandteil von Ökosystemen […], die einen tatsächlichen oder potentiellen Nutzen oder Wert für die Menschheit haben; […].“
In den folgenden Artikeln werden genetische Ressourcen als „genetisches Material von tatsächlichem oder potentiellen Wert“ und genetisches Material wiederum als „jedes Material pflanzlichen, tierischen, mikrobiellen oder sonstigen Ursprungs, das funktionale Erbeinheiten enthält“, definiert.20 Ergo, müsste es sich bei genetischen Ressourcen um jedes Material pflanzlichen, tierischen, mikrobiellen oder sonstigen Ursprungs handeln, das funktionale Erbeinheiten enthält und einen tatsächlichen oder potentiellen Nutzen oder Wert für die Menschheit hat. Diese zusammengesetzte Definition soll der Arbeit als Grundlage dienen. Ohnehin ist nicht die Definition genetischer Ressourcen als solche entscheidend, da grundsätzliche Einigkeit über deren Herkunft aus der Natur und funktionale Erbeinheiten als deren notwendiger Bestandteil besteht, sodass nur die Abgrenzung etwa zu biologischen Ressourcen der Nuancierung bedarf.21 Vielmehr ist der Belegenheitsort der genetischen Ressourcen auf dem Meeresboden von entscheidender Bedeutung, da sich danach die Auswahl des anwendbaren Regelungsgefüges, mithin deren völkerrechtliche Beurteilung richtet. Bei den hier in Rede stehenden genetischen Ressourcen des Meeresbodens handelt es sich um solche, die in ständigem unmittelbaren oder mittelbaren Kontakt mit dem Meeresboden stehen. Denn diese sind direkt auf der Erdoberfläche oder in ihrem unmittelbarem Untergrund belegen, da für deren Überleben der direkte Kontakt mit bestimmten chemischen Substanzen erforderlich ist, welche wiederum 18 Vgl. nur beispielhaft: CBD-Working Group, Report of the seventh meeting of the ad hoc open-ended working group on access and benefit-sharing under the CBD, 2009, UN Doc. UNEP/CBD/WG-ABS/7/8, 9, Nr. 42: „There had been broad differences of opinion as to what constituted a genetic resource.“ 19 Convention on Biological Diversity, angenommen am 05. 06. 1992, in Kraft getreten am 29. 12. 1993; Original in: 1760 UNTS 69; deutsche Fassung in: BGBl. II (1993), 1742. 20 Vgl. Artikel 2 Abs. 9 und 10 CBD. 21 CBD-Working Group, Report of the seventh meeting of the ad hoc open-ended working group on access and benefit-sharing under the CBD, 2009, UN Doc. UNEP/CBD/WG-ABS/7/8, 9, Nr. 42: „[…] it had been generally acknowledged that functionality should be considered the key factor in distinguishing between biological and genetic resources, the latter being characterized by the use of functional units of heredity.“
B. Fundorte genetischer Ressourcen
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auch nur auf oder direkt unter der Erdoberfläche vorkommen. Ausgenommen sind daher Organismen, die sich nur temporär auf dem Meeresboden aufhalten und sich grundsätzlich auch in der darüber liegenden Wassersäule eigenständig fortbewegen können. Anleihen für die jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt belegenen genetischen Ressourcen des Meeresbodens kann man auch bei dem zum Festlandsockelregime gehörenden Art. 77 Abs. 4 SRÜ und den sog. „sesshaften Arten“ nehmen, welche „im nutzbaren Stadium entweder unbeweglich auf oder unter dem Meeresboden verbleiben oder sich nur in ständigem körperlichen Kontakt mit dem Meeresboden oder seinem Untergrund fortbewegen können“. Auch wenn sich bei der Subsumtion genetischer Ressourcen unter diese Definition ein gewisses Maß an Unschärfe nicht vermeiden lässt,22 werden die grundsätzlichen Abgrenzungskriterien deutlich. Von besonderem Interesse sind jene Träger von Erbinformationen, die am Beginn der Nahrungskette des Ökosystems „Hydrothermalquelle“ stehen, die also dort „sesshaft“ sind.23 Zwar sind auch alle anderen Organismen in ihrer ganzen biologischen Vielfalt den Widrigkeiten der Tiefsee ausgesetzt. Allerdings kommt nur diesen Bakterien das Alleinstellungsmerkmal der Chemosynthese, also der Umwandlung anorganischer Substanzen in Energie, zu. Sie sind die Bedingung dafür, dass dort überhaupt weiteres marines Leben möglich ist. Mithin trifft die Definition der „sesshaften Arten“ auf fast alle an Hydrothermalquellen beheimateten Lebewesen zu und erfasst ausnahmslos alle Mikroorganismen, deren genetische Ressourcen hier in Rede stehen. Für die Zwecke dieser Arbeit kann in Ermangelung einer eigenen Definition für das Gebietsregime,24 jene des Festlandsockelregimes auch dafür übernommen werden, wenngleich umgekehrt eine Erweiterung des Ressourcenbegriffs aus Teil XI des SRÜ auf sesshafte Arten weder beabsichtigt noch möglich ist.25
B. Fundorte genetischer Ressourcen jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt Infolge der sog. „Kontinentaldrift“ treiben die Kontinentalplatten entweder voneinander weg oder aufeinander zu. Ist die Erdkruste aufgrund dieser tektonischen Plattenbewegungen oder vulkanischen Aktivität instabil und daher brüchig gewor22
Vgl. dazu Kapitel 3, A. II. McLaughlin, Exploiting Marine Genetic Resources Beyond National Jurisdiction and the International Protection of Intellectual Property Rights: Can They Coexist?, in: Vidas (ed.), Law, Technology and Science for Oceans in Globalisation, 2010, 371 (374): „Sedentary species are of greatest interest to researchers as a source of MGRs.“ 24 Vgl. Art. 133 ff. SRÜ. 25 s. u. Kapitel 3, B. II.; Allen, Protecting the Oceanic Gardens of Eden: International Law Issues in Deep-Sea Vent Resource Conservation and Management, 13 Geo. Int’l Envtl. L. Rev. (2000 – 2001), 563 (631). 23
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Kap. 2: Die biologische Vielfalt des Meeresbodens
den, so treten dort Substanzen aus tieferliegenden Erdschichten aus, beispielsweise Schwefel oder Erdöl. Diese Bruchstellen finden sich entlang der äußeren Grenzen der großen tektonischen Platten an sog. „unterseeischen Bergrücken“ (mid-ocean ridges), wie beispielsweise am Juan de Fuca-, am Galapagos- und am Ostpazifischen Bergrücken, die sich überwiegend im sog. „Gebiet“, folglich jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt, befinden.26 Öffnungen der Erdkruste entstehen aber auch durch unterseeische Vulkane, deren Aktivität 75 % der gesamten vulkanischen Aktivität der Erde ausmacht,27 wodurch sog. „Seeberge“ (seamounts) entstehen. Die genetischen Ressourcen der Tiefsee finden sich auf dem Meeresboden beherbergt in Ökosystemen, die entlang solcher Bruchstellen oder Öffnungen entstehen und von den nur dort herrschenden Temperaturen sowie den austretenden Substanzen genährt werden.28 Eine US-Amerikanische Forschergruppe um die Wissenschaftler Jack Corliss, Richard von Herzen und Robert Ballard entdeckte bei ihrem Tauchgang im Jahre 1977 auf dem Mittelozeanischen Rücken in etwa 2.500 Metern Tiefe, erstmalig eigenständige Ökosysteme, die um sog. „Hydrothermalquellen“ herumgewachsen sind29 und konnten damals kaum glauben, welche wissenschaftlich bedeutsame Entdeckung sie gemacht hatten.30 Im Jahre 1984 wurden im Golf von Mexiko die ersten sog. „kalten Quellen“ entdeckt, an welchen vor allem Muscheln und Röhrenwürmer siedeln.31 Seitdem haben Forscher mehr als 500 verschiedene Arten von Lebewesen auf dem Meeresboden in unmittelbarer Umgebung hydrothermaler Quellen entdecken können.32 Man nimmt an, dass neben den bereits entdeckten Arten dort noch mehrere Tausend weitere unentdeckte Arten marinen Lebens zu finden sind.33 26
Vgl. Übersicht bei: Holm, Why are Hydrothermal Systems Proposed as Plausible Environments for the Origin of Life?, Holm (ed.), Marine Hydrothermal Systems and the Origin of Life, 5 (7). 27 Van Dover, The Ecology of Deep-Sea Hydrothermal Vents, 2000, 25. 28 Zur vertieften Lektüre s. die ausführliche Darstellung zur physischen Beschaffenheit des Meeresbodens und der dortigen Lebensräume bei Warner, Protecting the Oceans Beyond National Jurisdiction, 2009, 2 ff. 29 Kiel/Tyler, Chemosynthetically-Driven Ecosystems in the Deep Sea, in: Kiel (ed.), The Vent and Seep Biota: Aspects from Microbes to Ecosystems, 1 f. 30 Ballard, The Eternal Darkness: A Personal History of Deep-sea Exploration, 2000, 171: „,Isn’t the deep ocean supposed to be like a desert?‘ he asked.“ 31 Levin, Ecology of Cold Seep Sediments: Interactions of Fauna With Flow, chemistry and microbes, 43 Oceanogr. Mar. Biol. Annu. Rev. (2005), 1 (2). 32 König, Genetic Resources of the Deep Sea – How Can They Be Preserved?, in: König et al. (eds.), International Law Today: New Challenges and the Need for Reform?, 2008, 141 (143); Ein Überblick der Verteilung von Hydrothermal- und kalten Quellen auf dem Meeresboden findet sich bei: Tunnicliffe et al., Chapter 4: Reducing environments of the deep-sea floor, in: Tyler (ed.), Ecosystems of the deep oceans, 2003, 81 (82). 33 Vanreusel et al., Ecology and Biogeography of Free-Living Nematodes Associated with Chemosynthetic Environments in the Deep Sea: A Review, 5 PLoS ONE 8 (2010), 13: „The knowledge we have to day on deep-water seep and vent meiofauna is only a tip of the iceberg.“
B. Fundorte genetischer Ressourcen
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I. Hydrothermalquellen Hydrothermalquellen (hydrothermal vents) sind auf dem Meeresboden auftretende Öffnungen der Erdkruste, die durch das Aufeinandertreffen von kaltem Meerwasser und heißem Magma aus dem Erdinneren entstehen. Durch den tektonischen Drift der Kontinentalplatten bewegen sich diese über einen Zeitraum von mehreren Millionen Jahren voneinander weg oder aufeinander zu, sodass Risse und Öffnungen in der unter dem Meer liegenden Erdkruste entstehen, die das Meerwasser bis in die unteren Schichten unseres Planeten einsickern lassen und gleichzeitig heißes Magma aus dem Erdinneren an die Oberfläche befördern. Durch das Aufeinandertreffen von Magma und Meerwasser wird letzteres auf bis zu 400 Grad Celsius erhitzt und unter hohem Druck wieder ausgestoßen.34 Aufgrund des hohen Wasserdrucks in der Tiefe siedet das Wasser nicht wie gewöhnlich bei ca. 100 Grad Celsius, sondern verbleibt in einem flüssigen Aggregatzustand. Auf dem Weg zur Erdoberfläche werden vor allem Sulfide und andere Salze, Mangan, Kupfer, Eisen und Zink im Meerwasser mitbefördert und lagern sich in einem schornsteinartigen Sedimentturm um die Austrittsöffnung herum ab.35 Je nach Zusammensetzung der in dem ausgestoßenen Meerwasser gelösten Substanzen ergibt sich aufgrund der austretenden Sedimentwolke dann das Bild eines sog. „Schwarzen Rauchers“ oder eines sog. „Weißen Rauchers“. In der unmittelbaren Umgebung der Hydrothermalquellen siedelt eine Vielzahl von Lebewesen in einem einzigartigen, reichhaltigen Ökosystem, welches als Grundsubstanz der Nahrungskette auf jene Bakterien zurückgreift, die unabhängig vom Sonnenlicht durch eine chemische Umsetzung der in der Sedimentwolke an die Erdoberfläche geförderten Substanzen, ihren Stoffwechsel betreiben.36 Innerhalb dieses Ökosystems konnten bislang viele verschiedene Arten von Würmern, Muscheln, Krabben und Seesternen gefunden werden.
II. Kalte Quellen Im Gegensatz zu den hydrothermalen Quellen tritt bei den sog. „kalten Quellen“ (cold seeps) kein mit anorganischen chemischen Substanzen angereichertes Meerwasser aus den durch tektonische Plattenbewegungen erzeugten Rissen in der Erdoberfläche aus. Vielmehr sickern hier zum Beispiel Erdöl und Erdgas an die Erdoberfläche durch, vermischen sich mit Sedimentgestein des Meeresbodens und verteilen sich über eine Fläche von mehreren hundert Quadratmetern. Die austretenden Substanzen sind dabei kaum wärmer als das sie umgebende Meerwasser. Erdgas und Erdöl bilden die Grundlage für das um diese kalten Quellen herum 34
Rona, Resources of the Sea Floor, 299 Science (2003), 673 (674). Aufgrund der Form werden diese Austrittsöffnungen im Englischen als „hydrothermal vents“ (dt.: hydrothermale Schlote) genannt. 36 Bauer, Meyers Lexikon der Naturwissenschaften: Biologie, Chemie, Physik, 2008, 126. 35
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Kap. 2: Die biologische Vielfalt des Meeresbodens
auftretende marine Leben, welches ebenso wie von den Bakterien der Hydrothermalquellen von den dort lebenden Mikroorganismen durch Chemosynthese in Energie umgewandelt wird. Kalte Quellen kommen auch in Form sog. „Salzseen“ (brine pools) vor, i. e. ein durch die stetige Auflösung großer Salzvorkommen unter dem Meeresboden entstehendes und mit einer bis zu 5-fach höheren Salzkonzentration als das sie umgebende Meerwasser angereichertes Gebiet. Diese Salzseen beheimaten Bakterien, die in einer fast vollständig mit Salz gesättigten Umgebung leben und sich reproduzieren können.37 Kalten Quellen und Hydrothermalquellen ist gemeinsam, dass in einer extrem lebensfeindlichen Umgebung über einen Zeitraum von mehreren Millionen Jahren ein nahezu autonomes Ökosystem entstanden ist, in dem sich kleinste Bakterien und Archaeen als dessen Grundsubstanzen gerade von den dort situierten giftigen Substanzen durch Chemosynthese „ernähren“ und so sonnenlichtunabhängig die Grundlage für weiteres Leben auf dem Meeresgrund jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt bilden.
C. Die wissenschaftliche und wirtschaftliche Bedeutung genetischer Ressourcen des Meeresbodens Die jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt belegenen genetischen Ressourcen des Meeresbodens, haben seit ihrer Entdeckung vor nunmehr fast vier Dekaden kontinuierlich die Aufmerksamkeit von Wissenschaft und Forschung einerseits und von Wirtschaft und Industrie andererseits gesteigert. Begünstigt durch die fortschreitende Technisierung, die es ermöglicht, etwa durch die Verwendung ferngesteuerter Unterwasserfahrzeuge (sog. „Remotely Operated Deep-Sea Vehicles“, ROVs), immer längere und tiefere Tauchgänge vorzunehmen, haben sich die Erkenntnisse über die schwer erreichbaren Ressourcen des Meeresbodens stetig gemehrt. Die außerordentliche Widerstandsfähigkeit dieser Organismen gegen die in bis zu 11.000 Metern Tiefe herrschenden unwirtlichen Bedingungen, deren einzigartige physiologische Struktur und die damit verbundene Anpassungsfähigkeit an Druck, Kälte, Toxizität und extreme pH-Werte, geben Medizinern und (Mikro-) Biologen Anlass, von der Erfindung neuartiger Medikamente zur Behandlung bislang unheilbarer Krankheiten sowie vom Nachweis des Ursprungs irdischen Lebens auf dem Meeresboden zu träumen.38 Heute werden die Hälfte aller Medikamente
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Arico/Salpin, Bioprospecting of Genetic Resources in the Deep Seabed: Scientific, Legal and Policy Aspects, 2005, 11. 38 König, Genetic Resources of the Deep Sea – How Can They Be Preserved?, in: König et al. (eds.), International Law Today: New Challenges and the Need for Reform?, 2008, 141 (144); Arico/Salpin, Bioprospecting of Genetic Resources in the Deep Seabed: Scientific, Legal and Policy Aspects, 2005, 13.
C. Wissenschaftliche und wirtschaftliche Bedeutung genetischer Ressourcen
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entweder direkt oder indirekt aus in der Natur vorkommenden Substanzen gewonnen.39 Es überrascht daher kaum, dass sich die nachgelagerte Industrie von der Verwendung chemosynthetischer Bakterien und der Patentierung neuartiger Verfahren bereits 1996 Gewinne von jährlich bis zu $ 3 Milliarden versprach.40 Diese Zahlen sind – ähnlich wie die prognostizierten Gewinne des Tiefseebodenbergbaus – bloße Schätzungen, die bis heute nicht bestätigt werden konnten.41 Daher wird eine Gewinnprognose stets vorsichtig und im Konjunktiv getroffen.42 Die bisherige Verwendung extremophiler Bakterien deutet jedoch auf einen wachsenden Markt hin: Allein im Pharmasektor wird der Gesamt-Marktwert von MGR-Produkten auf der Grundlage bereits erzielter Gewinne für das Jahr 2006 auf $ 643 Milliarden beziffert.43 Weitere Einsatzgebiete sind die Biotechnologie, die chemische Abfallverwertung, die Landwirtschaft und die Kosmetikindustrie. Die folgenden Abschnitte sollen einen kurzen Einblick in die mannigfaltigen Einsatzmöglichkeiten genetischer Ressourcen des Meeresbodens geben, um damit ein Grundverständnis zu vermitteln, welches als Grundlage für die rechtliche Analyse der Materie unabdingbar ist.
I. Die Bedeutung genetischer Ressourcen des Meeresbodens für die medizinische und biologische Forschung Während die Protagonisten im globalen Wettbewerb versuchen, den aus der Nutzung genetischer Ressourcen des Meeresbodens generierten und durch deren Vermarktung zu erzielenden Wert zu errechnen, bleibt deren Bedeutung für die
39 McLaughlin, Exploiting Marine Genetic Resources Beyond National Jurisdiction and the International Protection of Intellectual Property Rights: Can They Coexist?, in: Vidas (ed.), Law, Technology and Science for Oceans in Globalisation, 2010, 371 (371). 40 Glowka, The Deepest of Ironies: Genetic Resources, Marine Scientific Research, and the Area, 12 Ocean Y. B. (1996), 154 (160), m.w.N.: „The potential market for industrial uses of hyperthermophilic bacteria has been estimated at $3 billion per year.“ 41 Vgl. Leary, International Law and the Genetic Resources of the Deep Sea, in: Vidas (ed.), Law, Technology and Science for Oceans in Globalisation, 2010, 353 (360 f.), der vor einer Überschätzung des Potentials genetischer Ressourcen und einer übereilten Regulierung derselben warnt. 42 Van den Hove/Moreau, Deep-Sea Biodiversity and Ecosystems: A Scoping Report on Their Socio-economy, Management and Governance, 2007, 50: „Successful industrial and medical screening of deep-sea organisms […] as well as drugs and genes of all sorts and functions might return great profits.“ (Herv. d. Verf.) 43 Leary et al., Marine Genetic Resources: A Review of Scientific and Commercial Interest, 33 Marine Policy (2009), 183 (192).
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Kap. 2: Die biologische Vielfalt des Meeresbodens
globale Artenvielfalt und die wissenschaftliche Gemeinschaft unbezifferbar.44 Die Mediziner versprechen sich von der einzigartigen genetischen Struktur der Bakterien nicht weniger, als dass diese zur Gewinnung neuartiger Medikamente herangezogen werden können.45 So sollen diese etwa zur Entwicklung wirksamerer Impfstoffe und Antibiotika dienen oder auch nennenswerte Fortschritte in der Onkologie und der Bekämpfung von HIV und AIDS bewirken.46 Dabei wird den genetischen Ressourcen des Meeresbodens ein 100 %ig höheres Potential zur Heilung von Krebs zugetraut als den auf der nicht mit Meerwasser bedeckten Erdoberfläche vorkommenden Organismen.47 Auch die Erreichung der von den Vereinten Nationen ausgegebenen sog. „Millenniumziele“,48 wie beispielsweise die Verringerung der Kindersterblichkeit oder der Kampf gegen Malaria sowie den Welthunger, soll möglich werden.49 Nicht ohne Grund unterhalten die großen Pharmaunternehmen daher eigene Abteilungen für Meeresbiologie.50 Schließlich hat die Entdeckung von Hydrothermalquellen auf dem Meeresboden auch die Theorien zum Ursprung des Lebens befeuert und viele Biologen gehen heute aufgrund verschiedener Theorien davon aus, dass die Evolution auf dem Meeresboden begann.51 Jedenfalls haben die genetischen Ressourcen des Meeresbodens jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt diese entscheidend beein44 Allen, Protecting the Oceanic Gardens of Eden: International Law Issues in Deep-Sea Vent Resource Conservation and Management, 13 Geo. Int’l Envtl. L. Rev. (2000 – 2001), 563 (565). 45 Nachweise für medizinische Forschungsvorhaben finden sich bei Leary et al., Marine Genetic Resources: A Review of Scientific and Commercial Interest, 33 Marine Policy (2009), 183 (184 ff.). 46 Zewers, Bright Future for Marine Genetic Resources, Bleak Future for Settlement of Ownership Rights: Reflections on the United Nations Law of the Sea Consultative Process on Marine Genetic Resources, 5 Loy. U. Chi. Int’l L. Rev. 2 (2007 – 2008), 151 (152 f.); o.V., Rechtliche Fragen der marinen Medizinforschung, in: Maribus gGmbH (Hrsg.), WOR (2010), 192 (192). 47 Zewers, Bright Future for Marine Genetic Resources, Bleak Future for Settlement of Ownership Rights: Reflections on the United Nations Law of the Sea Consultative Process on Marine Genetic Resources, 5 Loy. U. Chi. Int’l L. Rev. 2 (2007 – 2008), 151 (151). 48 Die Millenniums-Entwicklungsziele (UN Millennium Development Goals, MDGs) entstammen der Millenniumserklärung der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2000; UNGA, 55th Session, 2000, UN Doc. A/RES/55/2. 49 Arico, Marine Genetic Resources in Areas Beyond National Jurisdiction and Intellectual Property Rights, in: Vidas (ed.), Law, Technology and Science for Oceans in Globalisation, Leiden/Boston 2010, 383 (384). 50 König, Genetic Resources of the Deep Sea – How Can They Be Preserved?, in: König et al. (eds.), International Law Today: New Challenges and the Need for Reform?, 2008, 141 (145); Salpin/Germani, Patenting of Research Results Related to Genetic Resources from Areas Beyond National Jurisdiction: The Crossroads of the Law of the Sea and Intellectual Property Law, 16 RECIEL (2007), 12 (12). 51 Vgl. Holm, Why are Hydrothermal Systems Proposed as Plausible Environments for the Origin of Life?, in: Holm (ed.), Marine Hydrothermal Systems and the Origin of Life, 1992, 5 (5 f.).
C. Wissenschaftliche und wirtschaftliche Bedeutung genetischer Ressourcen
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flusst.52 Nicht zuletzt aufgrund der dort gewonnenen Erkenntnisse versprechen sich Weltraumforscher auch auf anderen Planeten unseres Sonnensystems eine wie auch immer geartete Form des (marinen) Lebens zu finden.53 Die Suche nach Wasser als Quell des Lebens auf dem Mars durch die beiden Mars Exploration Rover „Opportunity“ (2003) und „Curiosity“ (2011) ist ein Beispiel hierfür. Die auf unserem eigenen Planeten gewonnenen Erkenntnisse könnten folglich andernorts hilfreich sein.
II. Die wirtschaftliche Bedeutung der Forschungsergebnisse im Hinblick auf die Vermarktung von Erzeugnissen und Patenten Der Abbau genetischer Ressourcen in mehreren tausend Metern unterhalb der Wasseroberfläche und mehrere hundert Seemeilen fernab der nächstgelegenen Küstenstadt ist eine kostspielige Angelegenheit. Ein solches Unterfangen setzt neben den teuren und empfindlichen technischen Utensilien auch entsprechend ausgebildetes Personal und deren Know-How voraus, um eine Probenentnahme der genetischen Ressourcen an Hydrothermalquellen durchführen zu können. Das im Jahr 1982 an einer Hydrothermalquelle im Pazifischen Ozean entdeckte Archaeon Methanococcus jannaschii wurde 1996 nach fast 15 Jahren und geschätzten Aufwendungen in Höhe von $ 3 bis 3,5 Millionen entschlüsselt.54 Die Bewirtschaftung genetischer Ressourcen des Meeresbodens setzt mithin nicht nur das Wissen über den richtigen Umgang mit diesen sehr empfindlichen Organismen voraus, wenn diese aus ihrer natürlichen Umgebung herausgelöst werden. Vielmehr ist eine Entschlüsselung ihrer Erbinformationen auch arbeits- und kostenintensiv, da hochentwickelte Ausrüstung und Technologien erforderlich sind, um die extremen Bedingungen des Meeresbodens nachzuempfinden.55 Auch wenn Dauer und Kosten infolge des technischen Fortschritts teilweise stark gesunken sind, können bislang nur wenige industrialisierte Staaten alle Vorausset52 Arico/Salpin, Bioprospecting of Genetic Resources in the Deep Seabed: Scientific, Legal and Policy Aspects, 2005, 13: „In both cases, hydrothermal systems seem to have played a key role in the development of life on Earth, and the differentiation of a common ancestor into Bacteria and Archaea.“ 53 Van Dover, The Ecology of Deep-Sea Hydrothermal Vents, 2000, 397. 54 Glowka, Evolving Perspectives on the International Seabed Area’s Genetic Resources: Fifteen Years after ,Deepest of Ironies‘, in: Vidas (ed.), Law, Technology and Science for Oceans in Globalisation, 2010, 397 (410). 55 Salpin/Germani, Patenting of Research Results Related to Genetic Resources from Areas Beyond National Jurisdiction: The Crossroads of the Law of the Sea and Intellectual Property Law, 16 RECIEL (2007), 12 (16): „In the case of deep-sea organisms, such attempts are labour and capital intensive as production in situ requires sophisticated equipment and technologies that replicate the extreme conditions of temperature, pressure and toxicity of the deep sea.“
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Kap. 2: Die biologische Vielfalt des Meeresbodens
zungen erfüllen und die benötigten Mittel aufbringen.56 Hierzu gehören etwa die USA, Australien, Neuseeland, die Mitgliedsstaaten der EU und Japan.57 Weitere Staaten schließen sich zu Forschungsgemeinschaften zusammen, um Kosten und Know-How zu teilen.58 Damit staatliche oder private Unternehmen die Anstrengungen und Unwägbarkeiten einer u. U. erfolglosen Probenentnahme auf sich nehmen, muss ein gewisser Ertrag in Aussicht gestellt werden, der das Risiko mindestens kompensiert oder besser einen Gewinn wahrscheinlich macht. Dieser finanzielle Anreiz wird üblicherweise durch ausschließliche Vermarktungs- und Patentierungsrechte geschaffen werden.59 1. Die Vermarktung von Erzeugnissen genetischer Ressourcen Die durch die wissenschaftlichen Entdeckungen auf den Plan gerufenen Industriezweige, namentlich die Bio-, Pharma- und Kosmetikindustrie sowie die Landwirtschaft, versprechen sich von den gegen Temperatur, Druck und Toxizität unempfindlichen Bakterien eine Verbesserung der Herstellungsprozesse ihrer Produkte hinsichtlich Geschwindigkeit und Effizienz. Dieser Fortschritt wird derzeit hauptsächlich durch aus den genetischen Ressourcen gewonnenen Enzymen erreicht, die den biochemischen Reaktionen als Katalysator dienen.60 Schon jetzt konnten aus der gewonnenen Biomasse Enzyme extrahiert werden, deren Fähigkeit, hochgiftige Schwefelverbindungen umzuwandeln, etwa bei der Verwertung toxischen Abfalls und der biologischen Sanierung von Ökosystemen (sog. „Bioremediation“)61 zum 56
Ibid. König, Genetic Resources of the Deep Sea – How Can They Be Preserved?, in: König et al. (eds.), International Law Today: New Challenges and the Need for Reform?, 2008, 141 (146). 58 Der Organisation InterRidge haben sich 29 Staaten angeschlossen, die sich gegenseitig bei der Erforschung des Meeresbodens unterstützen; die Mitglieder bestanden 2012 aus Principal Members (Frankreich, Japan, Deutschland, China, Vereinigtes Königreich, Vereinigte Staaten), Associate Members (Portugal, Norwegen, Canada, Südkorea, Indien) und Corresponding Members (Australien, Mexico, Österreich, Marokko, Brasilien, Neuseeland, Bulgarien, Philippinen, Chile, Russland, Dänemark, Südafrika, Island, Spanien, Irland, Schweden, Italien, Schweiz, Mauritius, Chinesisch Taipeh/Taiwan), abrufbar unter: http://www.interridge. org/de/nations (zuletzt abgerufen am 01. 08. 2015). 59 Salpin/Germani, Patenting of Research Results Related to Genetic Resources from Areas Beyond National Jurisdiction: The Crossroads of the Law of the Sea and Intellectual Property Law, 16 RECIEL (2007), 12 (17 f.): „[…] it is generally assumed that patents allow for recovery of the costs of research and development through monopoly pricing, licence fees and royalty payments.“ 60 Ramirez-Llodra et al., Man and the Last Great Wilderness: Human Impact on the Deep Sea, 6 PLoS ONE 7 (2011), 1 (14): „To date, research and product development have centered mainly on the development of novel enzymes for use in a range of industrial and manufacturing processes, and DNA polymerases for use in research and diagnosis.“ 61 UNGA, Oceans and the law of the sea – Report of the Secretary-General, 62nd Session, 2007, UN Doc. A/62/66, 81: „Bioremediation is the use of living organisms, usually micro57
C. Wissenschaftliche und wirtschaftliche Bedeutung genetischer Ressourcen
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Einsatz kommt.62 Die Temperaturunempfindlichkeit dieser Organismen ermöglicht die Verwendung in der Nahrungs- und Kosmetikherstellung, deren Prozesse regelmäßig unter Einwirkung sehr hoher Temperaturen ablaufen.63 So wurde die entzündungshemmende Eigenschaft der Federgorgonie (Pseudopterogorgia elisabethae) bereits in Cremes gegen Hautreizungen nutzbar gemacht.64 Allein das 1965 im Yellowstone Park entdeckte Bakterium Thermus aquaticus, dessen temperaturbeständige Enzyme in der Polymerase-Kettenreaktion Verwendung finden, wurde 1991 für $ 300 Millionen verkauft und bringt dem Pharmakonzern Hoffmann-La Roche nun jährlich mehrere Millionen $ ein.65 Überhaupt eignen sich die aus den genetischen Ressourcen gewonnenen Enzyme sehr gut für die industrielle Verwendung bei hohem Druck und hohen Temperaturen, wie beispielsweise die Entwicklung eines viskosereduzierenden Enzyms für Biokraftstoff zeigt.66 Weitere Möglichkeiten ergeben sich bei der Herstellung von Klebstoffen und Agar (bspw. Gelee), Sonnenschutzmitteln, Agrochemikalien (bspw. Dünger und Pflanzenschutzmittel), Farbstoffen, Lebensmittelzusatzstoffen, sog. „Anti-Fouling-Beschichtungen“ (bspw. gegen das Anwachsen von Plankton bei Schiffen) sowie in der Aufzucht von Meereslebewesen und -pflanzen, um durch Genmanipulation besondere Eigenschaften herauszubilden.67 2. Die Patentierbarkeit genetischer Ressourcen und darauf basierender Erfindungen Bei der Herstellung von medizinischen, pharmazeutischen und kosmetischen Produkten geht es schließlich auch um deren Exklusivität, mithin den Schutz des geistigen Eigentums an neuartigen Produkten und Prozessen.68 Hinsichtlich der organisms, for a wide variety of applications in hazardous waste treatment and pollution control.“ 62 Glowka, The Deepest of Ironies: Genetic Resources, Marine Scientific Research, and the Area, 12 Ocean Y. B. (1996), 154 (160 f.): „These could be useful in bioremediation of hazardous waste.“; Zewers, Bright Future for Marine Genetic Resources, Bleak Future for Settlement of Ownership Rights: Reflections on the United Nations Law of the Sea Consultative Process on Marine Genetic Resources, 5 Loy. U. Chi. Int’l L. Rev. 2 (2007 – 2008), 151 (158). 63 o.V., Rechtliche Fragen der marinen Medizinforschung, in: Maribus gGmbH (Hrsg.), WOR (2010), 192 (192). 64 Kijjoa/Sawangwong, Drugs and Cosmetics from the Sea, 2 Marine Drugs (2004), 73 (81): „It is used as an additive to prevent irritation caused by exposure to the sun or the chemicals in the Estée Lauder cosmetic skin care product, Resilience.“ 65 Milstein, Yellowstone Managers Eye Profits from Hot Microbes, 264 Science (1994), 655. 66 Leary et al., Marine Genetic Resources: A Review of Scientific and Commercial Interest, 33 Marine Policy (2009), 183 (184). 67 Farrier/Tucker, Access to Marine Bioresources: Hitching the Conservation Cart to the Bioprospecting Horse, 32 Ocean Dev. & Int’l L. (2001), 213 (215 f.), m.w.N. 68 McLaughlin, Exploiting Marine Genetic Resources Beyond National Jurisdiction and the International Protection of Intellectual Property Rights: Can They Coexist?, in: Vidas (ed.),
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Kap. 2: Die biologische Vielfalt des Meeresbodens
genetischen Ressourcen sind Patente der relevante Schutzmechanismus.69 Beginnend mit der Extraktion des Organismus aus seiner natürlichen Umgebung, über seine Bestimmung und das Erkennen seines Potentials, bis hin zur Nutzbarmachung desselben in Produkten oder Prozessen, kann in jedem Zwischenschritt eine patentierbare, neue Erfindung liegen.70 Nimmt ein Pharmaunternehmen den langen Weg bis zur Marktreife eines Produkts über mehrere Dekaden in Kauf,71 so soll dieser Aufwand neben finanzieller Entlohnung auch durch den garantierten Schutz vor Mitbewerbern gerechtfertigt sein. Dieser Schutz bezieht sich insbesondere auf die Entwicklungs- und Anlaufphase eines Produktes, da die Schutzdauer in der Regel zeitlich begrenzt ist.72 Während das deutsche Patentgesetz (PatG)73 die Patentierbarkeit für Erfindungen von Erzeugnissen aus „biologischem Material“ und deren Schutz auf nationaler Ebene regelt,74 wurde das unter der Schirmherrschaft der Welthandelsorganisation (WTO) stehende Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS-Abkommen)75 geschaffen, um „einen wirksamen und angemessenen Schutz der Rechte des geistigen Eigentums zu fördern sowie sicherzustellen“.76 Da dieses Abkommen 1994 im Rahmen der Uruguay-Runde dem Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (GATT)77 hinzugefügt wurde, entspricht
Law, Technology and Science for Oceans in Globalisation, 2010, 371 (376): „Much of the value of a drug or other commercial product depends on whether exclusive production rights can be provided by patent protection.“ 69 Jørem/Tvedt, Bioprospecting in the High Seas: Existing Rights and Obligations in View of a New Legal Regime for Marine Areas Beyond National Jurisdiction, 29 Int’l J. Marine & Coastal L. (2014), 321 (332). 70 Salpin/Germani, Patenting of Research Results Related to Genetic Resources from Areas Beyond National Jurisdiction: The Crossroads of the Law of the Sea and Intellectual Property Law, 16 RECIEL (2007), 12 (16). 71 Zewers, Bright Future for Marine Genetic Resources, Bleak Future for Settlement of Ownership Rights: Reflections on the United Nations Law of the Sea Consultative Process on Marine Genetic Resources, 5 Loy. U. Chi. Int’l L. Rev. 2 (2007 – 2008), 151 (156): „The timeline to develop and market a new drug generally spans between fifteen and twenty years and can cost up to $800 million dollars.“ 72 Nach Art. 26 Abs. 3 TRIPS-Abkommen muss die Schutzdauer mindestens 10 Jahre betragen; in Deutschland beträgt die sog. „Patentdauer“ nach § 16 Abs. 1 S. 1 PatG 20 Jahre, kann aber verlängert werden. 73 BGBl. I (1981), 1. 74 Vgl. § 1 Abs. 2 PatG. 75 Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights (TRIPS-Agreement), angenommen 1994 (Uruguay-Runde), in Kraft getreten am 01. 01. 1996; Original in: 33 ILM (1994), 83; deutsche Fassung in: BGBl. II (1994), 1730. 76 Vgl. Präambel TRIPS-Abkommen. 77 General Agreement on Tariffs and Trade, angenommen am 30. 10. 1947, in Kraft getreten am 01. 01. 1948; Original in: 1867 UNTS 187 bzw. 33 ILM (1994), 1153; deutsche Fassung in: BGBl. II (1951), 177.
C. Wissenschaftliche und wirtschaftliche Bedeutung genetischer Ressourcen
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die Anzahl der Vertragsstaaten jener der Mitglieder der WTO.78 Das TRIPS-Abkommen ist folglich mit 159 Vertragsparteien für einen sehr großen Teil der Staatengemeinschaft bindend, sodass dadurch nahezu weltweit dessen Mindeststandards gelten. Damit ist es eines der wichtigsten multilateralen Instrumente auf diesem Gebiet.79 Die Gesetzgeber der jeweiligen Vertragsstaaten dürfen die nationalen Regelungen zwar grundsätzlich individuell gestalten. Diese müssen aber mindestens den Schutz bieten, den auch das TRIPS-Abkommen gewährleistet.80 Flankiert werden diese Anforderungen von dem Grundsatz der Inländer(gleich)behandlung sowie dem Meistbegünstigungsprinzip.81 Die Patentierbarkeit einer Erfindung richtet sich nach der zentralen Vorschrift des Art. 27 Abs. 1 TRIPS-Abkommen. Danach sind „Patente für Erfindungen auf allen Gebieten der Technik erhältlich […], sowohl für Erzeugnisse als auch für Verfahren, vorausgesetzt, dass sie neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind“. Neben den drei erfindungsbezogenen Grundvoraussetzungen, „Neuheit“, „erfinderische Tätigkeit“ und „gewerbliche Anwendbarkeit“, bedarf die Reichweite der Vorschrift hinsichtlich genetischer Ressourcen genauerer Betrachtung. Der sehr weit gehaltene Wortlaut des Artikels 27 TRIPS-Abkommen erfasst grundsätzlich auch bio- und gentechnologische Erfindungen.82 Dass diese nicht per se ausgeschlossen sind, ergibt sich argumentum e contrario aus Art. 27 Abs. 3 lit. b) TRIPS-Abkommen: „(3) Die Mitglieder können von der Patentierbarkeit auch ausschließen […] b) Pflanzen und Tiere, mit Ausnahme von Mikroorganismen, und im Wesentlichen biologische Verfahren für die Züchtung von Pflanzen oder Tieren mit Ausnahme von nichtbiologischen und mikrobiologischen Verfahren. […].“
Die Mitgliedsstaaten können folglich zwar „biologische Verfahren“, nicht aber „Mikroorganismen“ oder darauf aufbauende Erfindungen von der Patentierbarkeit ausschließen.83 Schon die ausdrückliche Nennung von „Mikroorganismen“ impliziert, dass Erfindungen grundsätzlich auch solche bio- oder gentechnologischen 78 Eine Liste der Mitglieder- und Beobachterstaaten der WTO findet sich unter http://www. wto.org/english/thewto_e/whatis_e/tif_e/org6_e.htm (zuletzt abgerufen am 01. 08. 2015). 79 Gervais, The TRIPS Agreement – Drafting History and Analysis, 3rd edn., 2008, 336 f. 80 Vgl. Art. 1 Abs. 1 S. 2 TRIPS-Abkommen: „Die Mitglieder dürfen in ihr Recht einen umfassenderen Schutz als den durch dieses Übereinkommen geforderten aufnehmen, vorausgesetzt, dieser Schutz läuft diesem Übereinkommen nicht zuwider, sie sind dazu aber nicht verpflichtet.“ 81 Vgl. Art. 3 und 4 TRIPS-Abkommen. 82 Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, 10. Aufl., 2014, 279, Rn. 13. 83 Reichman, Universal Minimum Standards of Intellectual Property Protection under the TRIPS Component of the WTO Agreement, 29 Int’l L. (1995), 345 (358): „[…] adherents to TRIPS must generally provide patent protection for microorganisms […].“
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Kap. 2: Die biologische Vielfalt des Meeresbodens
Ursprungs einschließen. Das Genmaterial als solches oder andere in der Natur vorkommende Organismen können dagegen mangels Vorliegens einer sog. „erfinderischen Tätigkeit“ („inventive step“) nicht patentiert werden.84 Die alleinige Entdeckung eines Bakteriums auf dem Meeresboden reicht folglich noch nicht aus. Erforderlich ist vielmehr ein zweiter Schritt, der aus einer bereits vorhandenen Erbinformation durch Verändern oder Hinzufügen einen neuen Organismus herstellt. Um etwaigen ordnungspolitischen oder ethischen und moralischen Vorstellungen der Mitgliedsstaaten gerecht zu werden, lässt das TRIPS-Abkommen den begrenzten Ausschluss von Patentierungen zu. Zum einen kann so nach Art. 27 Abs. 2 TRIPSAbkommen im Sinne eines ordre public-Vorbehalts die Patentierbarkeit ausgeschlossen werden, wenn „die Verhinderung ihrer gewerblichen Verwertung innerhalb ihres Hoheitsgebiets zum Schutz der öffentlichen Ordnung oder zum Schutz der guten Sitten […] notwendig ist“. Dies ist eine schwerwiegende Ausnahme von der grundsätzlichen Möglichkeit ein Patent zu erwerben,85 da den Mitgliedsstaaten mangels einer einheitlich anerkannten Definition des ordre public ein erheblicher Gestaltungsspielraum bei der Frage verbleibt, welche öffentlichen Werte eines besonderen Schutzes bedürfen, sodass auch politische Motivation eine Rolle spielen kann.86 Die „Notwendigkeit“ des Schutzes der öffentlichen Ordnung kann zwar als Schranke wirken, liegt jedoch im Ermessen der Staaten und ist damit wenig effektiv.87 Folglich ist der Ausschluss von Erzeugnissen, die auf genetischen Ressourcen basieren im konkreten Einzelfall durchaus denkbar, wenn beispielsweise durch deren Einsatz in der chemischen Abfallverwertung die Volksgesundheit bedroht wird. In der Praxis kann die Volkswirtschaft eines Staates durch derartige Einschränkungen im globalen Vergleich allerdings leicht ins Hintertreffen geraten und ihre Attraktivität als Wirtschaftsstandort für Investoren einbüßen. Zum anderen können nach Art. 27 Abs. 3 TRIPS-Abkommen insbesondere bestimmte Verfahren von der Patentierbarkeit ausgeschlossen werden. Art. 27 Abs. 3 lit. a) TRIPS-Abkommen lässt dies für „diagnostische, therapeutische und chirurgische Verfahren für die Behandlung von Menschen und Tieren“ zu. Hier wird weder direkt noch indirekt auf genetische Ressourcen Bezug genommen, sodass ein Be84 Correa, Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights – A Commentary on the TRIPS Agreement, 2007, 273: „Hence, the extension of the concept of invention to genes and other matters found in nature cannot be deemed universally accepted or incorporated in the TRIPS Agreement.“; Zewers, Bright Future for Marine Genetic Resources, Bleak Future for Settlement of Ownership Rights: Reflections on the United Nations Law of the Sea Consultative Process on Marine Genetic Resources, 5 Loy. U. Chi. Int’l L. Rev. 2 (2007 – 2008), 151 (159). 85 Gervais, The TRIPS Agreement – Drafting History and Analysis, 3rd edn., 2008, 341: „Article 27(2) contains a serious restriction to the general principle of eligibility to be patented […].“ 86 Correa, Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights – A Commentary on the TRIPS Agreement, 2007, 288. 87 Kritisch dazu Ackermann, Dis’ordre’ly Loopholes: TRIPS Patent Protection, GATT, and the ECJ, 32 Tex. Int’l. L. J. (1997), 489 (493).
C. Wissenschaftliche und wirtschaftliche Bedeutung genetischer Ressourcen
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rührungspunkt wohl nicht gegeben ist.88 Gleichwohl kann davon die Gentherapie betroffen sein, bei der körpereigene Zellen entweder im Labor (in vitro) oder direkt im Körper (in vivo) behandelt werden. Allerdings handelt es sich dabei bislang nur um menschliches Erbgut, sodass die genetischen Ressourcen des Meeresbodens gegenwärtig nicht betroffen sind. Der Patentierungsausschluss in Art. 27 Abs. 3 lit. b) TRIPS-Abkommen ist im Zuge der Vertragsverhandlungen ein Streitpunkt unter den Industrienationen sowie zwischen diesen und den Entwicklungsländern gewesen und spiegelt deren unterschiedliche Vorstellungen und Bedürfnisse wieder.89 Während die Industrienationen mehrheitlich einen umfassenden Patentierungsschutz befürworteten, begehrten die Entwicklungsländer einen Patentierungsausschluss, um dem Vertrieb unlauter oder entschädigungslos angeeigneter genetischer Ressourcen vor allem durch Unternehmen technologisch reiferer Länder (sog. „Biopiraterie“) und deren Monopolisierung vorzubeugen.90 Die Reichweite des Anwendungsbereichs der Vorschrift ist umstritten. So ist Correa der Ansicht, dass die Begriffe mangels einer Einschränkung und in Ansehung des einschränkenden Begriffs „Pflanzensorten“ in Art. 27 Abs. 3 lit. b) S. 2 TRIPS-Abkommen weit auszulegen sind und somit jede Art, Sorte und Spezies von Pflanzen und Tieren erfasse.91 Stoll und Raible hingegen präferieren eine enge Auslegung und lassen einen wie auch immer gearteten bloßen Bezug zu Pflanzen und Tieren nicht ausreichen.92 Auch wenn über die Reichweite des Wortlauts „Pflanzen und Tiere“ Uneinigkeit besteht, so sind jedenfalls „Mikroorganismen“ nach dem Wortlaut explizit von einem etwaigen Patentierungsausschluss ausgenommen. Im zweiten Teil der Vorschrift sind ebenfalls „mikrobiologische Verfahren“ von der Ausschließbarkeit von „im wesentlichen biologischen Verfahren für die Züchtung von Pflanzen oder Tieren“ exkludiert. Mithin kann die Patentierbarkeit von Erzeugnissen genetischer Ressourcen des Meeresbodens und den entsprechenden mikrobiologischen Verfahren sowie nicht-biologischen Verfahren nicht durch nationale Patentgesetze der Mitgliedsstaaten ausgeschossen werden.93 88
So auch Lochen, Die völkerrechtlichen Regelungen über den Zugang zu genetischen Ressourcen, 2007, 61. 89 Correa, Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights – A Commentary on the TRIPS Agreement, 2007, 293. 90 Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, 10. Aufl., 2014, 279, Rn. 13; Lochen, Die völkerrechtlichen Regelungen über den Zugang zu genetischen Ressourcen, 2007, 61. 91 Correa, Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights – A Commentary on the TRIPS Agreement, 2007, 293: „In the absence of any distinction – and in the light also of the second sentence of the same Article, which introduces an exception for one particular classification (,plant varieties‘) – the exclusion is to be interpreted in broad terms, […].“ 92 Stoll/Raible, in: Prieß/Berrisch (Hrsg.), WTO-Handbuch, 2003, 591, Rn. 79: „Die Formulierung ist eng auszulegen in dem Sinne, dass sie nur die Patentierung von Pflanzen und Tieren an sich betrifft.“ 93 Bonfanti/Trevisanut, TRIPS on the High Seas: Intellectual Property Rights on Marine Genetic Resources, 37 Brook. J. Int’l L. (2011 – 2012), 187 (201): „On the contrary, given the nature of MGRs and the techniques employed, biotech inventions from MGRs are not affected
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Kap. 2: Die biologische Vielfalt des Meeresbodens
Da die Patentierbarkeit gentechnischer Erfindungen den Vertragsstaaten im Rahmen des TRIPS-Abkommens also grundsätzlich freigestellt ist, sind jeweils unterschiedliche Regelungen entstanden: Während in den USA schon einzelne, isolierte Gene patentierbar sind,94 erfordert die sog. „Biopatentrichtlinie“95 für die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, dass ein „Erzeugnis“ vorliegt, „das aus biologischem Material besteht oder dieses enthält, oder ein Verfahren, mit dem biologisches Material hergestellt, bearbeitet oder verwendet wird, zum Gegenstand“ hat.96 Ungeachtet der regional unterschiedlichen Ansätze bleibt festzuhalten, dass die grundsätzliche Patentierbarkeit genetischer Ressourcen oder deren Erzeugnisse neben wissenschaftlichem Fortschritt auch ein erhebliches wirtschaftliches Potential mit sich bringt und von großer Bedeutung für die Entwicklung nutzbringender Biotechnologie sowie marktfähiger Umwelttechnologien, die weniger Abfall und Verschmutzung erzeugen, ist.97
D. Zwischenergebnis Die tatsächliche Vielfalt des bislang auf dem Meeresboden entdeckten genetischen Materials kann vom jetzigen Forschungsstandpunkt der Wissenschaft aus nur erahnt oder bestenfalls hochgerechnet werden. Da diese nur zu einem kleinen Teil innerhalb der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt oder auf dem durch die „Terrani-
by Article 27.3 (b) […].“; Matsushita et al., The World Trade Organization – Law, Practice, and Policy, 2nd edn., 2011, 716: „Plants, animals, and essential biological processes may also be excluded from patentability, but micro-organisms, microbiological processes, and non-biological processes are patentable.“; im Ergebnis ebenfalls zustimmend: Lochen, Die völkerrechtlichen Regelungen über den Zugang zu genetischen Ressourcen, 2007, 61: „Sie erlauben wohl keine weiten Ausnahmeregelungen, die etwa alle Patente mit pflanzlichem oder tierischem Bezug oder die Patentierung von Genen oder Gensequenzen ausschließen.“ 94 Correa, Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights – A Commentary on the TRIPS Agreement, 2007, 272: „[…] in some jurisdictions, such as the United States, isolated genes are deemed patentable […].“; Zewers, Bright Future for Marine Genetic Resources, Bleak Future for Settlement of Ownership Rights: Reflections on the United Nations Law of the Sea Consultative Process on Marine Genetic Resources, 5 Loy. U. Chi. Int’l L. Rev. 2 (2007 – 2008), 151 (159 f.); auch die Entscheidung des US Supreme Court im Fall Diamond v. Chakrabarty (447 U.S. 303) fällt im Ergebnis bejahend hinsichtlich der Patentierbarkeit genetisch veränderter Organismen aus. 95 Richtlinie 98/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 06. 08. 1998; abgedruckt in: ABl. EU (1998) L 213/13 ff. 96 Vgl. Art. 3 Abs. 1 d. RL 98/44/EG. 97 Matsushita et al., The World Trade Organization – Law, Practice, and Policy, 2nd edn., 2011, 716: „Patentability is important for the development of both beneficial biotechnologies and marketable environmental technologies that generate less waste and pollution.“
D. Zwischenergebnis
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sierung des Meeres“98 ausgedehnten und als Funktionshoheitsraum den Küstenstaaten zugeordneten Festlandsockel belegen sind, liegt der Fokus auf den genetischen Ressourcen des Tiefseebodens jenseits küstenstaatlicher Hoheitsbefugnisse. Denn das jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt gelegene Gebiet umfasst bis zu 40 % der gesamten Erdoberfläche und 64 % des Meeresbodens,99 wodurch die bisherigen Tauchgänge von bemannten oder unbemannten Unterwasserfahrzeugen und die Entnahme von Proben genetischen Materials nur einen ersten, kleinen Einblick in das Leben auf dem Meeresboden zu geben vermögen. Allein ausgehend von der Relation zwischen unendlicher Weite und tatsächlicher Bekanntheit des Ozeans, steckt dessen Erforschung noch in den Kinderschuhen. Ungeachtet dessen kann die Annahme, dass die biologische Vielfalt des Meeresbodens noch weitaus größer ist, als wir heute mit handfesten Beweisen belegen können, nicht die Tatsache verhehlen, dass schon in diesem relativ frühen Stadium der Forschung gewaltige Fortschritte erzielt wurden. Bedeutende Fortschritte in der Medizin werden letztendlich durch die gewonnenen Erkenntnisse begründet oder katalysiert. Einerseits dient die Forschung an genetischem Material des Meeresbodens und der daraus folgende Vertrieb von Medikamenten und sonstigen Erzeugnissen damit auch dem Wohle der gesamten Menschheit. Denn dadurch werden Präparate geschaffen, die bislang unheilbare Krankheiten heilen und die Verbreitung tödlicher Epidemien verhindern können. Andererseits geschieht dies – nicht nur als Nebeneffekt, sondern sicherlich gewollt – zum finanziellen Profit der beteiligten Akteure. Finanzieller Profit und wissenschaftliche Forschung sind dabei keine Gegensätze, sondern wechselseitig bedingt und setzen sich gegenseitig voraus. Ohne einen Anreiz geschaffen zu haben, dass der an der Erforschung von Medikamenten oder anderen Erzeugnissen genetischen Materials beteiligte Unternehmer an der geldwerten Vermarktung seiner Produkte partizipiert, ist eine wissenschaftliche Forschung nicht denkbar. Die Patentierbarkeit dieser Erzeugnisse und Verfahren muss daher auch im eigenen Interesse der Staaten liegen, die selbst die meisten Expeditionen betreiben oder zumindest (mit-)finanzieren. Der Schutz von Patenten dient schließlich der wissenschaftlichen Innovation100 und rechtfertigt sich durch den Umstand, dass die Kosten für Forschung und Entwicklung eines Produkts mit dessen exklusiver Ver-
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Zum Begriff und zur Ausdehnung küstenstaatlicher Befugnisse im neuen Seerecht s. Graf Vitzthum, Terranisierung des Meeres – Die Tendenz zu einem rohstoffbezogenen Seerecht, 31 EA (1976), 129 ff. 99 Global Environment Facility, Areas Beyond National Jurisdiction, abrufbar unter: https:// www.thegef.org/gef/ABNJ (zuletzt abgerufen am 01. 08. 2015). 100 Salpin/Germani, Patenting of Research Results Related to Genetic Resources from Areas Beyond National Jurisdiction: The Crossroads of the Law of the Sea and Intellectual Property Law, 16 RECIEL (2007), 12 (17): „The issuance of patents is considered as a way to stimulate research and innovation through the award of exclusive rights of use and exploitation of the patented invention for a certain period of time.“
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Kap. 2: Die biologische Vielfalt des Meeresbodens
wendung durch den Patentinhaber entschädigt werden sollen.101 So werden auch zukünftig Anreize für die wissenschaftliche Meeresforschung geschaffen und die Entstehung neuer Produkte zum Nutzen der gesamten Menschheit gefördert. Die oben genannten Beispiele der Nutzbarmachung genetischer Ressourcen zeigen, dass die Vermarktung von Erzeugnissen, die aus deren Verwertung entstehen, schon Einzug in weite Teile der Industrie und den Verbraucherhaushalt, mithin unseren Lebensalltag gefunden hat. Es ist davon auszugehen, dass man in Zukunft noch mehr über die schon entdeckten genetischen Ressourcen des Meeresbodens erfahren und neue Arten entdecken wird. Das Verlangen nach der „Medizin der Tiefsee“ wird mindestens analog zu deren vollmundigen Erfolgsversprechungen steigen, was die wenigen Unternehmen, welche bislang in der Lage sind genetische Ressourcen in mehreren tausend Metern Tiefe zu erreichen, in Zugzwang bringt.102 Gerade weil diesen kleinen Bakterienkulturen eine solch strahlende Zukunft prophezeit wird, ist es von großer Wichtigkeit auch die Nachhaltigkeit ihrer Bewirtschaftung nicht aus den Augen zu verlieren. Die äußerst sensiblen Ökosysteme um heiße und kalte Quellen herum haben sich teilweise in einem Zeitraum von mehreren Millionen Jahren entwickelt und bedürfen zur Reproduktion ihrer selbst eines äußerst sensiblen Umgangs. Besondere Arten der Bewirtschaftung anderer lebender und nicht lebender Ressourcen des Meeresbodens zerstören ganze Ökosysteme.103 Dies trifft beispielsweise auf die vielfach genannte sog. „Schleppnetzfischerei“ (bottomtrawling) zu, bei welcher ein großes Netz über den Meeresboden gezogen wird, um dort situierte Fische zu erreichen, ohne dabei überhaupt von den dortigen Mikroorganismen zu profitieren.104 Das gezielte Abladen von häuslichem, industriellem und radioaktivem Abfall auf dem Meeresboden, insbesondere in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts, hat die dortige Fauna nachhaltig beeinträchtigt.105 Der Bewirtschaftung genetischer Ressourcen des Meeresbodens sind Auswirkungen auf die Meeresumwelt immanent. Die Erhaltung der biologischen Vielfalt der Meeresumwelt insgesamt und des Meeresbodens im Besonderen ist schon aus reinem Selbstschutz erforderlich, um Umweltveränderungen standhalten zu kön101 Correa, Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights – A Commentary on the TRIPS Agreement, 2007, 275: „Such contributions would not be possible if companies could not recover their investments in R&D and make a profit thereon.“ 102 Maxwell et al., Medicines from the Deep: The Importance of Protecting the High Seas from Bottom Trawling, 2005. 103 Eine Auflistung von Bewirtschaftungsarten und deren Auswirkungen auf die Meeresumwelt findet sich bei Ramirez-Llodra et al., Man and the Last Great Wilderness: Human Impact on the Deep Sea, 6 PLoS ONE 7 (2011), 1 (3). 104 Maxwell et al., Medicines from the Deep: The Importance of Protecting the High Seas from Bottom Trawling, 2005, 5 f.; zur Schleppnetzfischerei auf Seebergen s. Koslow et al., Seamount Benthic Macrofauna off Southern Tasmania: Community Structure and Impacts of Trawling, 213 Mar. Ecol. Prog. Ser. (2001), 111 ff. 105 Ramirez-Llodra et al., Deep, Diverse and Definitely Different: Unique Attributes of the World’s Largest Ecosystem, 7 Biogeosciences (2010), 2851 (2882), m.w.N.
D. Zwischenergebnis
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nen.106 Der Schutz und die Erhaltung der marinen biologischen Vielfalt kann gepaart mit der Ausbeutung genetischer Ressourcen durch nachhaltige Bewirtschaftung erreicht werden. Am Anfang steht jedoch stets die Frage nach einem gerechten Zugang der Staaten zu diesen Ressourcen, mit welchem dann Verpflichtungen hinsichtlich der Art und Weise der Bewirtschaftung einhergehen können. Es ist nunmehr an der Staatengemeinschaft auf bestehende Regelungen zu verweisen, diese umzusetzen und anzuwenden oder – falls nötig – neue Regelungen zu schaffen, um eine nachhaltige und gerechte Bewirtschaftung der gesamten biologischen Vielfalt des Meeresbodens zu ermöglichen. Ob und wie dies erreicht werden kann, soll im Folgenden untersucht werden.
106 Anton, Law for the Sea’s Biological Diversity, 36 Colum. J. Transnat’l L. (1998), 341 (345): „Genetic diversity, as a component of biological diversity, is extremely important environmentally because populations with greater genetic diversity are more likely to contain individuals that can withstand and adapt to environmental change.“
Kapitel 3
Die Anwendbarkeit bestehender völkerrechtlicher Verträge auf die Bewirtschaftung der genetischen Ressourcen des Meeresbodens Mit der fortschreitenden Entwicklung in der Biotechnologie und der Erkenntnis, dass es sich bei den genetischen Ressourcen des Meeresbodens um eine in hohem Maße wirtschaftlich wertvolle Materie handelt, hat sich auch zunehmend ein Bedürfnis nach Rechtssicherheit im Umgang mit diesen Ressourcen ergeben. Diesem Bedürfnis kann am ehesten durch kodifizierte Zugangs- und Nutzungsregelungen entsprochen werden. Mangels eines übergeordneten Gesetzgebers geschieht dies im Völkerrecht zwischen den Staaten auf Gleichordnungsebene durch völkerrechtliche Verträge. Völkerrechtliche Verträge sind, neben dem, durch die Staatenpraxis und einer zugrundeliegenden Rechtsüberzeugung herausgebildeten, Völkergewohnheitsrecht, die klassischen Rechtsquellen zwischenstaatlicher Beziehungen und vom Internationalen Gerichtshof ad primam anzuwendende Rechtssätze.1 Sie verpflichten die Staaten zu einer Handlung bzw. einem Unterlassen und könnten folglich eine Aussage zum Umgang mit den genetischen Ressourcen des Meeresbodens treffen. Auch wenn die grundsätzliche Erkenntnis einer Regelungsbedürftigkeit gegeben ist, verhalten sich die Staaten bei der Verhandlung und Unterzeichnung entsprechender Verträge sehr zurückhaltend. Denn was im Völkerrecht nicht verboten ist, gilt als erlaubt. Somit würde jede vertragliche Regelung das grundsätzlich Erlaubte für die jeweiligen Vertragsparteien einschränken. Diese Zurückhaltung lässt sich anhand der Entstehungsgeschichte der zu untersuchenden Verträge nachzeichnen. Gleichwohl sind einige dieser Verträge im Laufe der Zeit von einer Vielzahl an Staaten unterzeichnet worden. Das vorliegende Kapitel befasst sich daher nur mit den großen multilateralen Verträgen der Neuzeit, welche die Zugangs- und Nutzungsregelung der in und auf dem Boden der Weltmeere befindlichen Ressourcen zum Gegenstand haben. Im Gegensatz zu bilateralen oder regionalen Verträgen binden diese Verträge eine große Mehrheit der Staaten und stellen mithin, im Falle ihrer Anwendbarkeit auf die genetischen Ressourcen des Meeresbodens, nahezu global geltendes Völkerrecht dar.
1 Vgl. Art. 38 Abs. 1 lit. a) IGH-Statut; Herdegen, Völkerrecht, 14. Aufl., 2015, 117, Rn. 1 ff. (3).
Kap. 3: Die Anwendbarkeit bestehender völkerrechtlicher Verträge
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Dieses Kapitel untersucht namentlich das Genfer Seerechtsübereinkommen von 1958,2 das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen von 1982 (SRÜ) und das Übereinkommen über die biologische Vielfalt von 1992 (CBD) hinsichtlich der Anwendbarkeit der dort enthaltenen Vorschriften auf die Bewirtschaftung der genetischen Ressourcen des Meeresbodens jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt. Auch wenn diese Verträge teilweise denselben Regelungsgegenstand haben, ist eine parallele Untersuchung dieser Verträge gleichwohl erforderlich, da nicht jedem Vertrag dieselben Vertragsparteien beigetreten sind. So haben beispielsweise die Vereinigten Staaten, Israel, die Türkei und Venezuela bis heute das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen nicht unterzeichnet,3 obwohl mittlerweile insgesamt 167 Staaten ihre Zustimmung durch Ratifikation oder Beitritt erklärt haben.4 Mangels der Erstreckung eines völkerrechtlichen Vertrages auf Nicht-Vertragsparteien (vgl. Art. 34 WVK), finden einzelne Regelungen des Vertrages nur dann Anwendung auf die gesamte Staatengemeinschaft, wenn einer dahingehenden Staatenpraxis auch eine entsprechende Rechtsüberzeugung zugrunde liegt, sich mithin Völkergewohnheitsrecht herausgebildet hat. Im Folgenden kommt es zunächst auf die Frage des grundsätzlichen Vorhandenseins eines anwendbaren Regimes für die genetischen Ressourcen des Meeresbodens jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt an. Diese Gebiete sind dadurch gekennzeichnet, dass dort kein Staat ein alleiniges Aneignungs- oder Verfügungsrecht hat – weder hinsichtlich eines solchen Gebiets per se noch der dort vorkommenden Ressourcen. Ein alleiniges Verfügungsrecht des Staates über seine Ressourcen besteht nur auf seinem Territorium einerseits und andererseits auf seinem maritimen Aquitorium, also jenem küstennahen Meeresraum, der entweder dauerhaft oder zeitweise mit Wasser bedeckt ist.5 Die konkrete Reichweite des maritimen Aquitoriums richtet sich wiederum nach dem anwendbaren völkerrechtlichen Vertrag, sodass an dieser Stelle noch keine Aussage dazu getroffen werden kann, in welchem Gebiet sich die genetischen Ressourcen jenseits nationaler Hoheitsgewalt befinden. Andersherum ausgedrückt: „jenseits nationaler Hoheitsgewalt“ ist dort, wo der Staat keine Hoheitsbefugnisse oder Regelungsgewalt besitzt. Wo dies der Fall ist, versucht die nachfolgende Untersuchung zu zeigen.
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Geneva Conventions on the Law of the Sea, angenommen am 29. 04. 1958; insgesamt vier einzelne Übereinkommen: Convention on the Territorial Sea and the Contiguous Zone (CTS), Convention on the High Seas (CHS), Convention on Fishing and Conservation of the Living Resources of the High Seas (CFCLR), Convention on the Continental Shelf (CCS). 3 Graf Vitzthum, in: Graf Vitzthum (Hrsg.), Handbuch des Seerechts, 2006, 42, Rn. 95. 4 Chronologische Liste der Vertragsstaaten des SRÜ abrufbar unter: http://www.un.org/ Depts/los/reference_ files/chronological_lists_of_ratifications.htm (zuletzt abgerufen am 01. 08. 2015). 5 Graf Vitzthum, in: Graf Vitzthum (Hrsg.), Handbuch des Seerechts, 2006, 69, Rn. 1.
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A. Die Genfer Seerechtsübereinkommen von 1958 Die erste Seerechtskonferenz (UNCLOS I) fand nach vorbereitender Tätigkeit der Völkerrechtskommission der Vereinten Nationen (ILC)6 vom 24. Februar bis zum 27. April 1958 in Genf statt und brachte vier Seerechtsübereinkommen hervor: Das Übereinkommen über das Küstenmeer und die Anschlusszone (KMÜ), das Übereinkommen über den Festlandsockel (FSÜ), das Übereinkommen über die Hohe See (HSÜ) und das Übereinkommen über die Fischerei und die Erhaltung der lebenden Ressourcen der Hohen See (FLRÜ). Die Übereinkommen sind vollständig bis zum Jahre 1966 in Kraft getreten. Trotzdem wurden nicht alle regelungsbedürftigen Umstände in das Vertragswerk aufgenommen, die bereits zur Zeit seiner Entstehung bekannt waren. So ist zwar bestehendes Völkergewohnheitsrecht, wie beispielsweise die funktionale Zuordnung des Festlandsockels nach der TrumanProklamation, partiell kodifiziert worden. Aber etwa die umstrittene Frage der Breite des Küstenmeeres blieb unbeantwortet.7 Gleichfalls ungeregelt blieb die Rechtsstellung sog. „historischer Buchten“, sodass mangels völkervertraglicher Einigung hierauf weiterhin das Völkergewohnheitsrecht anzuwenden war. Da die an Hydrothermalquellen beheimateten genetischen Ressourcen der Tiefsee erst im Jahre 1977 entdeckt wurden, stellt sich die Frage, inwieweit diese jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt überhaupt erfasst werden. Genetische oder biologische Ressourcen finden jedenfalls explizit in keinem der vier Übereinkommen Erwähnung.
I. Das Übereinkommen über das Küstenmeer und die Anschlusszone Das Übereinkommen über das Küstenmeer und die Anschlusszone (KMÜ)8 bezieht sich schon per definitionem nur auf Gebiete, die der Souveränität eines Staates unterliegen: „The sovereignty of a State extends, beyond its land territory and its internal waters, to a belt of sea adjacent to its coast, described as the territorial sea.“9
Eine Anwendbarkeit jenseits nationaler Hoheitsgewalt kann damit a priori ausgeschlossen werden.
6 ILC, Report of the International Law Commission to the General Assembly, 8th Session, 1956, UN Doc. A/3159, 253 (254 ff.). 7 Rothwell/Stephens, The International Law of the Sea, 7: „The most significant was the failure to indicate the breadth of the territorial sea.“ 8 Geneva Convention on the Territorial Sea and the Contiguous Zone; angenommen am: 29. 04. 1958, in Kraft getreten am: 10. 09. 1964; Original in: 516 UNTS 206. 9 Vgl. Art. 1 KMÜ.
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II. Das Übereinkommen über den Festlandsockel Ebenso könnte es sich mit dem Übereinkommen über den Festlandsockel (FSÜ)10 verhalten. Denn dieses regelt zwar die Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen auf dem Festlandsockel. Allerdings werden diese auch in Art. 2 Abs. 1 FSÜ „souveränen Rechten“ des Küstenstaates unterworfen: „The coastal State exercises over the continental shelf sovereign rights for the purpose of exploring it and exploiting its natural resources.“
Die natürlichen Ressourcen des Festlandsockels, zu denen auch die lebenden, genetischen Ressourcen gehören, befinden sich mithin nicht jenseits nationaler Hoheitsgewalt. Ein anderes Ergebnis lässt sich auch nach Betrachtung von Art. 2 Abs. 4 FSÜ nicht finden. Dieser definiert die „natürlichen Ressourcen“ für die Zwecke des Festlandsockelübereinkommens: „The natural resources referred to in these articles consist of […] living organisms belonging to sedentary species, that is to say, organisms which, at the harvestable stage, either are immobile on or under the seabed or are unable to move except in constant physical contact with the seabed or the subsoil.“
Soweit es sich bei den genetischen Ressourcen folglich um sog. „sesshafte Arten“ i.S.d. Definition des Festlandsockelübereinkommens handelt, unterfallen diese den ausschließlichen Hoheitsbefugnissen des Küstenstaates und befinden sich nicht jenseits nationaler Hoheitsgewalt. Es stellt sich daher die Frage, ob die an Hydrothermalquellen beheimateten Bakterien zu den sesshaften Arten gehören oder nicht. Die Formulierung dieser Definition für die natürlichen Ressourcen stellte ein entscheidendes Thema in der Diskussion zwischen den Vertretern der teilnehmenden Staaten dar.11 Schließlich ging es für viele Staaten darum, die lebenden Ressourcen des Festlandsockels möglichst umfassend ihren eigenen, küstenstaatlichen Befugnissen zu unterwerfen, um damit Nahrungsmittelbedürfnisse und wirtschaftliches Fortkommen ihrer Bewohner zu decken.12 Daher hat man im Rahmen dieser Diskussion wohl kaum die genetischen Ressourcen des Meeresbodens im Blick gehabt, welche erst zwei Dekaden später entdeckt wurden.13 Vielleicht fällt gerade deshalb die Einordnung der an und um die Ökosysteme der Tiefsee siedelnden genetischen Ressourcen, insbesondere solcher auf oder unter dem Meeresboden, als sesshafte Arten so schwer. Macht die große biologische Vielfalt der Spezies die Hydrothermaloder kalten Quellen gerade so interessant, so ergibt sich gerade daraus die Proble10 Geneva Convention on the Continental Shelf; angenommen am 29. 04. 1958, in Kraft getreten am 10. 06. 1964; Original in: 499 UNTS 312. 11 United Nations Conference on the Law of the Sea, Volume VI: Fourth Committee (Continental Shelf), Ninth Meeting, 1958, UN Doc. A/CONF.13/42, 14 ff. 12 Ibid., 16, Nr. 15. 13 Leary, International Law and the Genetic Resources of the Deep Sea, 2007, 94: „It is clear that the sedentary species definition was never intended to apply to species such as those associated with hydrothermal vents.“
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matik einer rechtlichen Einordnung: Einige sind kurzlebige Migranten und bewegen sich selbstständig über den Meeresboden und das darüber liegende Gewässer, andere werden durch Strömungen des Wassers oder verschiedene äußere Einflüsse von einem in das andere Gebiet bewegt und wieder andere bewegen sich auf beide Arten fort. Einige sind nur im Larvenstadium freilebend und andere Mikroorganismen sind wiederum in einem Lebensraum im Untergrund des Meeresbodens beheimatet.14 Eher um der Vielzahl nationaler Gesetzgebung zur Beanspruchung bestimmter lebender Ressourcen des Meeresbodens Einhalt zu gebieten, wagt O’Connell die Einordnung aufgrund der Abhängigkeit der Lebewesen zu ihrer Umgebung.15 Dieser Ansatz wird vielfach aufgegriffen: Eine Definition sesshafter Arten müsse richtigerweise aufgrund biologischer Taxonomie und der Verbindung des Organismus zu seinem Ökosystem stattfinden.16 Die Einteilung des Übereinkommens greife zu kurz und könne die tatsächliche Vielfalt nicht adäquat erfassen.17 Noch weiter geht Allen, der zwar auch einen ganzheitlichen Ansatz befürwortet, welcher das gesamte Ökosystem etwa einer Hydrothermalquelle betrachten soll, aber für den sog. „sedentary species test“ deutliche, ablehnende Worte findet.18 Eine Spezies-basierte Herangehensweise erscheint aufgrund der angesprochenen Vielfalt nicht praktikabel, allerdings ist, soweit ersichtlich, bislang keine zufriedenstellende Lösung greifbar. Selbst das Kriterium des „erntefähigen Zustands“ bereitet Auslegungsprobleme, da dieser je nach Art und Weise sowie Zweck der beabsichtigten, weiteren Verwendung differieren kann.19 Außerdem befinden sich genetische Ressourcen zu jedem Zeitpunkt ihres Lebenszyklus’ in einem Zustand, der ihre weitere Verwendung im Sinne der medizinischen, biotechnologischen oder pharmazeutischen Forschung
14 Arico/Salpin, Bioprospecting of Genetic Resources in the Deep Seabed: Scientific, Legal and Policy Aspects, 2005, 12. 15 O’Connell, The International Law of the Sea, 1982, Vol. 1, 502 f.: „The categorization of living resources of the seabed can be based upon various types of relationship between creatures and their environment.“ 16 Für Art. 77 Abs. 4 SRÜ, welcher dem Wortlaut des Art. 2 Abs. 4 FSÜ entspricht: Korn et al., Deep Sea Genetic Resources in the Context of the Convention on Biological Diversity and the United Nations Convention on the Law of the Sea, 2003, 38: „Unfortunately, this definition neglects the needs of biological taxonomy and the relation between an organism and its ecosystem.“ 17 Ibid., 39. 18 Allen, Protecting the Oceanic Gardens of Eden: International Law Issues in Deep-Sea Vent Resource Conservation and Management, 13 Geo. Int’l Envtl. L. Rev. (2000 – 2001), 563 (659): „Application of the sedentary species test to vent microfauna is at best problematic and at worst farcical. Moreover, allocating conservation and management authority on a species-byspecies basis, according to which organisms meet the sedentary species test, will almost certainly preclude an ecosystem management approach to the vents.“ 19 Hayes, Charismatic Microfauna: Marine Genetic Resources and the Law of the Sea, in: Nordquist et al. (eds.), Law Science & Ocean Management, 2007, 683 (689): „The criterion of „harvestable stage“ is appropriate for fish, but inapt for genetic resources.“
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ermöglicht.20 Denn die so wertvolle genetische Erbinformation ist schon mit der ersten Zelle vorhanden. Dieses Kriterium würde dann insoweit leerlaufen. Ob die an Hydrothermalquellen und kalten Quellen beheimateten Bakterien, i. e. die genetischen Ressourcen, im „erntefähigen Zustand“ konstant an den Meeresboden oder den Meeresuntergrund gebunden sind, kann durchaus für die meisten dort vorkommenden Lebewesen, etwa Röhrenwürmer und andere Weichtiere, bejaht werden. Aber andere dort beheimatete Lebewesen, etwa Fischarten, sind ohne Zweifel auch ohne ständigen Kontakt zum Meeresboden fähig, sich fortzubewegen;21 diese würden als nicht-sesshafte Arten wiederum dem Regime der darüber liegenden Gewässer unterfallen, mithin dem des Küstenmeeres oder der Hohen See. Von besonderem Interesse sind hier jedoch die Erbinformationen solcher Mikroorganismen, die zunächst als Bakterien und Kleinstlebewesen die Basis der Ökosysteme an Hydrothermalquellen bilden. Diese sind fast ausschließlich unbeweglich und in ständigem Kontakt mit dem Meeresboden. Ein Überleben ohne die nur dort herrschenden Umweltbedingungen, i. e. warmes, mineral- und schwefelhaltiges aus dem Meeresuntergrund ausströmendes Meerwasser, ist nicht denkbar.22 Die in dieser Arbeit bezeichneten genetischen Ressourcen sind folglich als „sesshafte Arten“ im Sinne des FSÜ zu qualifizieren. Das Genfer Übereinkommen über den Festlandsockel vermag damit keine Aussage über den Umgang mit genetischen Ressourcen des Meeresbodens jenseits nationaler Hoheitsgewalt zu treffen, da es dem Küstenstaat souveräne Rechte zur Bewirtschaftung dieser Ressourcen gewährt. Nachdem der Meeresboden heute auch praktisch in jeder Tiefe erreichbar ist, würden die genetischen Ressourcen in konsequenter Anwendung des Ausbeutbarkeitskriterium aus Art. 1 FSÜ mittlerweile vollständig den souveränen Rechten der Küstenstaaten unterfallen.23 Die Rechte des einzelnen Staates könnten nur noch durch das Äquidistanzprinzip eingeschränkt werden. Hinsichtlich ihres Regelungsgegenstandes kommen daher prima facie nur die Regelungen des Übereinkommens über die Hohe See (HSÜ) und des Übereinkommens über die Fischerei und die Erhaltung der lebenden Ressourcen der Hohen See (FLRÜ) in Betracht. Von der Bundesrepublik Deutschland ist bislang nur das Übereinkommen über die Hohe See unterzeichnet und ratifiziert worden.24
20 Korn et al., Deep Sea Genetic Resources in the Context of the Convention on Biological Diversity and the United Nations Convention on the Law of the Sea, 2003, 39. 21 Leary, International Law and the Genetic Resources of the Deep Sea, 2007, 38 f. 22 Armas Pfirter, The Management of Seabed Living Resources in „The Area“ under UNCLOS, 11 REEI, 2006, 1 (19): „In fact, they simply cannot survive without such permanent physical contact, without the heat and sulphidic fluid of hydrothermal vents.“ 23 Vgl. Art. 1 FSÜ: „[…] the term ,continental shelf‘ is used as referring (a) to the seabed and subsoil of the submarine areas adjacent to the coast but outside the area of the territorial sea, to a depth of 200 metres or, beyond that limit, to where the depth of the superjacent waters admits of the exploitation of the natural resources of the said areas; […].“ 24 Vgl. BGBl. II (1972), 1089.
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III. Das Übereinkommen über die Hohe See Das Regime der Hohen See ist rechtshistorisch geprägt von den sog. „Freiheiten der Hohen See“. Diese Freiheiten wurden erstmalig im Jahre 1609 von dem niederländischen Rechtsgelehrten Hugo Grotius in seiner Schrift „Mare liberum, sive De iure quod Batavis competit ad Indicana commercio Dissertatio“ ausgeführt. Zwar handelte es sich dabei einerseits um eine durch die niederländische Vereinigte Ostindien-Kompanie (niederl.: Vereenigde Oostindische Compagnie, VOC) in Auftrag gegebene Arbeit, sodass deren Ergebnis wohl nach dem Motto „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing“ zu beurteilen ist. Andererseits widersprach die darin geäußerte Ansicht, wonach die Hohe See nicht Gegenstand staatlicher Aneignung sein konnte und damit der Nutzung durch jedermann offen steht, auch dem vorherrschenden Zeitgeist. Denn gerade hatte Papst Alexander VI. die Weltmeere nach seinen Vorstellungen aufgeteilt25 und die großen Seefahrernationen, namentlich Spanien, Portugal und das Vereinigte Königreich vertraten das entgegengesetzte mare clausum-Prinzip.26 Mit Spanien befanden sich die Vereinigten Niederlande überdies schon seit 1581 im sog. „Achtzigjährigen Krieg“, der erst mit dem Westfälischen Frieden 1648 endete und schließlich die (zeitweilige) Unabhängigkeit der Niederlande sicherte. Dennoch setzte sich der Grundgedanke Grotius‘ durch und wurde zum Grundpfeiler des modernen Seerechts.27 Mittlerweile sind die Freiheiten der Hohen See jedenfalls in ihrem Kern nicht nur völkervertraglich, sondern auch völkergewohnheitsrechtlich anerkannt.28 Das Genfer Übereinkommen über die Hohe See (HSÜ)29 kodifiziert erstmalig die gewohnheitsrechtlich auch zum damaligen Zeitpunkt bereits seit einiger Zeit anerkannten „Freiheiten der Hohen See“ in einem multilateralen völkerrechtlichen Vertrag. Im Geltungsbereich des Vertrages sind Souveränität, souveräne Rechte oder sonstige nationalstaatliche Regelungsbefugnisse nicht zu finden. Viel mehr noch verbietet Art. 2 S. 1 HSÜ ausdrücklich, die Hohe See einzelstaatlicher Souveränität zu unterwerfen: 25 Vertrag von Tordesillas (spanisch: Tratado de Tordesillas; portugiesisch: Tratado de Tordesilhas) zur Aufteilung der Einflusssphären der Welt zwischen Spanien und Portugal, 1494. 26 Vgl. Selden, Mare clausum seu de domino maris libri duo, 1635. 27 Zur völkergewohnheitsrechtlichen Anerkennung der Freiheiten der Hohen See und zur historischen Abfolge s. Fulton, The Sovereignty of the Sea: An Historical Account of the Claims of England to the Dominion of the British Seas, and of the Evolution of the Territorial Waters: With Special Reference to the Rights of Fishing and the Naval Salute, 1911, 338: „It was the appearance of Mare Liberum in 1609 that heralded the dawn of the new epoch. The little book of Grotius was at once reasoned appeal for the freedom of the seas in the general interest of mankind, and the source from which the principles of the Law of Nations have come.“ 28 Churchill/Lowe, The Law of The Sea, 3rd edn., 1999, 205: „By the first half of the nineteenth [century] the conception of the high seas as an area juridicially from national waters and not susceptible to appropriation by any State had become clearly established.“ 29 Geneva Convention on the High Seas; angenommen am: 29. 04. 1958; in Kraft getreten am: 30. 09. 1962; Original in: 450 UNTS 11; = Genfer Übereinkommen über die Hohe See, deutsche Fassung in: BGBl. II (1972), 1091.
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„The high seas being open to all nations, no State may validly purport to subject any part of them to its sovereignty.“
Im Folgenden werden die durch den Vertrag gewährten Freiheiten zwar teilweise konkret aufgezählt. So werden beispielsweise die Freiheit der Schifffahrt und die Freiheit der Fischerei genannt. Lebende oder gar genetische Ressourcen finden allerdings keine Erwähnung und lassen sich auch nicht unter die aufgeführten Beispiele subsumieren. Wegen der verwendeten Phrase „inter alia“ handelt es sich bei den vier genannten Freiheiten der Hohen See allerdings um nicht abschließend aufgezählte Beispiele.30 Ohnehin gilt – wie bereits erläutert – im Völkerrecht das Lotus-Prinzip, wonach alles erlaubt ist, solange keine Verbotsnorm existiert. Das HSÜ verbietet nur die Aneignung der Hohen See durch einen Staat, aber nicht deren Bewirtschaftung. Die Bewirtschaftung erfolgt folglich nach dem „first come, first served“-Prinzip, sodass sich die Ressourcen der Hohen See mangels staatlicher Regelungsbefugnisse jenseits nationaler Hoheitsgewalt befinden. Auch wenn die Fischerei als eine Möglichkeit der Bewirtschaftung mariner Ressourcen ausdrücklich genannt wird, stellt das HSÜ dafür kein Bewirtschaftungssystem, etwa in Form eines ABS-Systems, zur Verfügung. Auch die Bewirtschaftung der genetischen Ressourcen des Meeresbodens könnte unter die nicht abschließend definierten Freiheiten der Hohen See zu zählen sein, womit ein Zugang dazu auch völkervertraglich jedem einzelnen Staat erlaubt wäre. Dazu müssten sich die Vorschriften des HSÜ allerdings auch auf den Meeresboden und die dortigen Hydrothermalquellen erstrecken. Im HSÜ ist die Hohe See zwar nicht positiv definiert, allerdings wird ihr Anwendungsbereich negativ von den übrigen Meeresgebieten abgegrenzt. Die Hohe See umfasst nach Art. 1 HSÜ all jene Teile des Meeres, die nicht vom Küstenmeer oder den inneren Gewässern erfasst werden. Zur Zeit der Verhandlung der vier Genfer Seerechtsübereinkommen war eine voneinander unabhängige Regelung der souveränitätsfreien Räume des Meeres, namentlich der Hohen See und des sog. „Gebiets“ noch nicht bekannt und auch nicht erforderlich. Unter dem „Gebiet“ versteht man heute den Meeresboden und den Meeresuntergrund jenseits nationaler Hoheitsbefugnisse.31 Die Einführung dieses Begriffs und die damit einhergehende Trennung von Hoher See und Gebiet erfolgte aber erst im Jahr 1970 durch die Prinzipienerklärung der Generalversammlung der Vereinten Nationen, der sog. „Declaration of Principles Governing the Sea-Bed and the Ocean Floor, and the Subsoil Thereof, beyond the Limits of National Jurisdiction“.32 Man sah vorher noch kein Bedürfnis für eine Regelung, da einerseits nur mineralische Ressourcen bekannt waren und andererseits die technologische Entwicklung noch nicht so weit fortgeschritten war, als dass Ressourcen gleich welcher Art überhaupt ökonomisch sinnvoll 30 Vgl. für das „neue Seerecht“ im insoweit gleich lautenden Art. 87 SRÜ: Wolfrum, in: Graf Vitzthum (Hrsg.), Handbuch des Seerechts, 2006, 296, Rn. 11. 31 Vgl. Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 SRÜ. 32 UNGA, 25th Session, 1970, UN Doc. A/RES/25/2749.
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auf dem Meeresboden hätten erreicht werden können. Da der Staat auf dem Festlandsockel – nicht aber auf der Hohen See – souveräne Rechte besitzt, würden die genetischen Ressourcen des Meeresbodens allein bei Anwendbarkeit des HSÜ völkervertraglich jenseits nationaler Hoheitsgewalt liegen. Es sind demnach drei Szenarien für den später als „Gebiet“ bezeichneten Meeresboden vorstellbar: (1) Der Meeresboden unterfällt als Festlandsockel des jeweiligen Küstenstaates dem FSÜ, womit dort souveräne Rechte zur Bewirtschaftung der genetischen Ressourcen anwendbar wären. (2) Der Meeresboden wird vom Regime der Hohen See erfasst und unterfällt dem HSÜ, womit die dortigen Ressourcen jenseits nationaler Hoheitsgewalt belegen wären, da deren Bewirtschaftung völkervertraglich als Freiheit der Hohen See zu qualifizieren wäre. (3) Auf dem Meeresboden ist keines der genannten Regime anwendbar. Die Bewirtschaftung der Ressourcen würde sich in diesem Fall nach einem anderen Vertrag oder nur nach Völkergewohnheitsrecht richten. Die räumliche Ausdehnung des Festlandsockels bestimmt Art. 1 FSÜ, wonach sich der Festlandsockel „nur“ bis zu einer Wassertiefe von 200 Metern bzw. bis zur Grenze seiner möglichen Ausbeutbarkeit erstreckt. Heute ist die Ausbeutbarkeit des Meeresbodens – auch unter Zuhilfenahme von ROVs – grundsätzlich vollständig möglich. D. h., der Festlandsockel eines Küstenstaates würde sich unendlich weit unter dem Meer erstrecken, bis er auf den Festlandsockel eines angrenzenden bzw. gegenüberliegenden Küstenstaates trifft. Nur durch das in Art. 6 Abs. 2 FSÜ niedergelegte sog. „Äquidistanzprinzip“ („principle of equidistance“) würden sich beide Festlandsockel gegenseitig begrenzen. Der Meeresboden würde folglich allein unter den Küstenstaaten aufgeteilt werden. Diese ratio kann dem FSÜ jedoch, insbesondere aus rechtshistorischer Sicht, nicht entnommen werden, wie im Folgenden ausgeführt wird. Geburtsstunde des Festlandsockelregimes war das Jahr 1945. In der berühmten sog. „Truman-Proklamation“ beanspruchte der gleichnamige US-Präsident „jurisdiction and control“ seines Landes über den Festlandsockel.33 Der Festlandsockel lag dabei nach seinen Vorstellungen zwar unter der Hohen See, aber gleichzeitig auch unmittelbar angrenzend an die Küste seines Staates. Der IGH hat den Grund für das Erstrecken staatlicher Souveränität auf den Festlandsockel ebenfalls an das damit verbundene Landgebiet, das Territorium, geknüpft. Der Festlandsockel sei als
33 Truman, Proclamation 2667, Policy of the United States With Respect to the Natural Resources of the Subsoil and Sea Bed of the Continental Shelf, 1945, abrufbar unter: http:// www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=12332 (zuletzt abgerufen am 01. 08. 2015): „[…] the Government of the United States regards the natural resources of the subsoil and sea bed of the continental shelf beneath the high seas but contiguous to the coasts of the United States as appertaining to the United States, subject to its jurisdiction and control.“
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„natürliche Verlängerung des Staatsgebiets unter dem Meer“ zu begreifen.34 Geologisch endet der Festlandsockel mit dem sog. „Kontinentalfuß“ (foot of continental slope), der in den Tiefseeboden (deep ocean floor) übergeht. Der vom IGH beschriebene Festlandsockel endet folglich auf natürliche Weise spätestens dort, wo er in den Tiefseeboden übergeht. Sprachlich wäre es überdies widersinnig anzunehmen, ein sich über mehrere tausend Seemeilen erstreckender Festlandsockel befände sich noch „unmittelbar angrenzend“ an der Küste eines Staates. Es ist daher davon auszugehen, dass ein Meeresboden jenseits des im FSÜ definierten Festlandsockels existiert. Dieser befindet sich mangels Anwendbarkeit des FSÜ folglich jenseits nationaler Hoheitsgewalt. Nach diesem Ergebnis stellt sich wiederum die Frage, ob sich die Freiheiten der Hohen See nach dem HSÜ nicht nur auf die Wassersäule jenseits des Küstenmeeres, sondern auch auf die Hydrothermalquellen des Meeresbodens jenseits des Festlandsockels erstrecken. Art. 60 des ILC-Entwurfs zu den Genfer Seerechtsübereinkommen setzt den grundsätzlichen Status des Meeresbodens jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt („the areas“) mit jenem der Hohen See gleich.35 Zu Recht ist in den vorbereitenden Dokumenten der Staatenvertreter zur ersten Seerechtskonferenz (UNCLOS I) sogar für den Festlandsockel, dem anders als dem Tiefseeboden ein eigenes Regime zugedacht wurde, vermerkt, dass auch dort beheimatete Organismen trotz ihrer Verbundenheit zum Meeresboden bzw. -untergrund, nichtsdestoweniger im Wasser leben.36 Für den Tiefseeboden ist in den vier Übereinkommen auch kein anderes völkervertragliches oder ein danebenstehendes völkergewohnheitsrechtliches Regime vorgesehen, das mit jenem der Hohen See konkurrieren könnte. Die Anwendbarkeit des Regimes der Hohen See auch auf den unter ihr gelegenen Meeresboden erscheint damit nicht nur schlüssig, sondern auch vom Willen der Vertragsparteien gedeckt. Darüber hinaus ist auch die ILC von einer Anwendbarkeit des Regimes der Hohen See auf den Meeresboden ausgegangen, dem sich die Vertreter der Vertragsstaaten im Rahmen von UNCLOS I angeschlossen haben.37 Der jenseits des Festlandsockels gelegene 34 IGH, North Sea Continental Shelf Cases (Germany v. Denmark and Netherlands), ICJ Reports 1969, 3, Nr. 19: „[…] the rights of the coastal State in respect of the area of continental shelf that consitiutes a natural prolongation of its land territory into and under the sea exist ipso facto and ab initio, by virtue of its sovereignty over the land, and as an extension of it in an exercise of sovereign rights for the purpose of exploring the seabed and exploiting its natural resources.“ 35 ILC, Report of the International Law Commission to the General Assembly, 8th Session, 1956, UN Doc. A/3159, 253 (263, Article 60): „Such regulations will not, however, affect the general status of the areas as high seas.“ 36 United Nations Conference on the Law of the Sea, Volume I: Preparatory Documents, 1958, UN Doc. A/CONF.13/37, 187: „Such facts are of importance because of their relation to the simple yet easily overlooked fact that whatever association aquatic organisms have with the shelf proper, they nevertheless live in water.“ 37 United Nations Conference on the Law of the Sea, Federal Republic of Germany: Memorandum concerning draft articles 67 to 73, Volume VI: Fourth Committee (Continental Shelf), Ninth Meeting, 1958, UN Doc. A/CONF.13/42, 125: „The delegation of the Federal Republic of Germany shares the opinion of the International Law Commission that the principle
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Meeresboden ist damit nach den Genfer Seerechtsübereinkommen als Teil der Hohen See anzusehen.38 Der räumliche Anwendungsbereich des HSÜ erstreckt sich folglich auch auf den Meeresboden, sodass die Hohe See zum einen neben der jenseits nationaler Hoheitsgewalt gelegenen Wassersäule auch den sich unterhalb daran anschließenden Meeresboden umfasst, dessen Ressourcen sich zum anderen damit ebenfalls jenseits nationaler Hoheitsgewalt befinden. Wie oben gesehen, fällt die Bewirtschaftung der genetischen Ressourcen grundsätzlich unter die Freiheit der Hohen See, sodass nun auch die auf dem Meeresboden beheimateten genetischen Ressourcen nach dem HSÜ der Freiheit der Hohen See unterfallen. Eine Konkretisierung dieser Bewirtschaftung könnte durch das im Folgenden untersuchte Übereinkommen erfolgt sein.
IV. Das Übereinkommen über die Fischerei und die Erhaltung der lebenden Ressourcen der Hohen See Das Genfer Übereinkommen über die Fischerei und die Erhaltung der lebenden Ressourcen der Hohen See (FLRÜ)39 ist mit 39 Vertragsstaaten der von den wenigsten Staaten ratifizierte Vertrag der vier Genfer Seerechtsübereinkommen und ist erst fast 8 Jahre nach Abschluss der Verhandlungen am 20. März 1966 in Kraft getreten.40 Die geringe Akzeptanz resultierte wohl daraus, dass der Vertrag eher zu Gunsten der industrialisierten Seefahrerstaaten und zum Nachteil der Küstenstaaten ausgestaltet ist, indem zwar den Küstenstaaten eine besondere Stellung in der Erhaltung der an das Küstenmeer grenzenden lebenden Ressourcen aufgebürdet,41 aber ihnen gleichzeitig keine geeignete Handhabe bei der Disziplinierung anderer Staaten of the freedom of the high seas applies equally to the exploration and exploitation of the subsoil of the high seas […].“ 38 Rothwell/Stephens, The International Law of the Sea, 2010, 127: „Despite isolated statements to the contrary, the general view was that the deep seabed had the same status as the high seas. This was certainly implicit in the work of the ILC in the 1950 s, which suggested that except in relation to certain historic seafloor fisheries the seabed was part of the high seas.“; so auch: Beckert/Breuer, Öffentliches Seerecht, 1991, 28 f.: „Die „Hohe See“ umfaßte die gesamte verbleibende Meeresfläche; […] ihres Bodens beraubt, umfaßt die Hohe See heute nur noch eine Wassermasse zwischen den Außengrenzen der Ausschließlichen Wirtschaftszonen.“ und Colombos, The International Law of the Sea, 6th edn., 1967, 67, der noch eine Unterscheidung zwischen dem Meeresboden und dessen Untergrund vornehmen will: „A clear distinction must be drawn between the bed of the sea and its subsoil.“ 39 Geneva Convention on Fishing and Conservation of the Living Resources of the High Seas; angenommen am 29. 04. 1958, in Kraft getreten am 10. 03. 1966; Original in: 559 UNTS 285. 40 Eine aktuelle Übersicht der Vertragsstaaten findet sich unter: http://treaties.un.org/Pages/ ViewDetails.aspx? src=TREATY&mtdsg_no=XXI-3&chapter=21&lang=en (zuletzt abgerufen am 01. 08. 2015). 41 Vgl. Art. 6 Abs. 1 FLRÜ: „A coastal State has a special interest in the maintenance of the productivity of the living resources in any area of the high seas adjacent to its territorial sea.“
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in diesem Gebiet belassen wird.42 Soweit keine Einigung zwischen dem Küstenstaat und einem anderen Staat gefunden werden kann, steht die Anrufung einer relativ schwachen sog. „special commission“ frei.43 Schon in der Vertragsüberschrift werden unmittelbar die „living resources of the high sea“ adressiert. In Art. 1 Abs. 1 FLRÜ wird festgelegt, dass die Vertragsstaaten grundsätzlich das Recht zum Fischfang haben, dabei jedoch ihren Verpflichtungen aus dem Vertrag, den Interessen und Rechten der Küstenstaaten sowie den Artikeln, welche die Bewahrung der lebenden Ressourcen der Hohen See betreffen, gerecht werden müssen.44 Zentraler Gedanke dieses Übereinkommens war es, die Überfischung der Weltmeere zu verhindern und den zur See fahrenden Staaten gleichzeitig den höchstmöglichen Dauerertrag (maximum sustainable yield, MSY) zu sichern, um den Konsumanspruch der Bevölkerung an marinen Produkten zu befriedigen.45 Die lebenden Ressourcen der Hohen See dürfen von den Vertragsstaaten zu jeder Zeit bewirtschaftet werden. Dabei sind diese verpflichtet („All States have the duty […].“), in Kooperation mit den anderen Staaten, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die lebenden Ressourcen der Hohen See zu bewahren.46 Konkret werden die Ziele solcher Maßnahmen in Art. 2 FLRÜ beschrieben: ein höchstmöglicher Dauerertrag und eine höchstmögliche Versorgung von Nahrungsmitteln und anderen Produkten des Meeres. Es wird deutlich, dass die Bewahrung der dort genannten lebenden Ressourcen ursprünglich auf den Fischfang ausgerichtet war.47 Dennoch steht die Hohe See den Staaten grundsätzlich zur Bewirtschaftung aller ihrer lebenden Ressourcen frei. Dies allerdings geschieht unter der Prämisse, dass diese unter Beachtung des höchstmöglichen Dauerertrags nachhaltig bewahrt werden. Auch wenn das Übereinkommen die Art und Weise der Erhaltung lebender Ressourcen der Hohen See bestimmt, bleibt es jedoch hinsichtlich einer genauen Definition derselben stumm. Dass die lebenden Ressourcen nicht näher definiert und damit womöglich eingegrenzt wurden, könnte für eine weite Interpretation des Übereinkommens sprechen. Von zentraler Bedeutung ist jedoch die Tatsache, dass 42 Vgl. Rothwell/Stephens, The International Law of the Sea, 2010, 296: „While recognizing that coastal states have ,a special interest‘ in maintaining the productivity of high seas fisheries […], it expressly ruled out any entitlement on the part of coastal states to take enforcement action in such areas against foreign nationals, […].“ 43 Art. 9 Abs. 1 FLRÜ: „Any dispute which may arise between States under articles 4, 5, 6, 7 and 8 shall, at the request of any of the parties, be submitted for settlement to a special commission of five members […]“. 44 Art. 1 Abs. 1 FLRÜ: „All States have the right for their nationals to engage in fishing on the high seas, subject (a) to their treaty obligations, (b) to the interest and rights of coastal States as provided for in this Convention, and (c) to the provisions contained in the following articles concerning conservation of the living resources of the high seas.“ 45 Rothwell/Stephens, The International Law of the Sea, 2010, 295. 46 Vgl. Art. 1 Abs. 2 FLRÜ. 47 Vgl. insb. Art. 3 und 4 FLRÜ.
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Kap. 3: Die Anwendbarkeit bestehender völkerrechtlicher Verträge
die Existenz genetischer Ressourcen der Tiefsee bei der Verhandlung des Vertrages noch nicht bekannt war. Eine Anwendbarkeit hängt daher von der (dynamischen) Auslegung des Vertrages ab. Ausgangspunkt der Vertragsauslegung ist zunächst dessen Wortlaut.48 Lebewesen sind in der Biologie als lebende Gebilde definiert, die zu Wachstum und Fortpflanzung fähig sind, namentlich u. a. Pflanzen, Tiere und Bakterien.49 Folglich erfasst der Wortlaut grundsätzlich sämtliches Leben auf der Hohen See. Somit wären auch Kleinstlebewesen der Hohen See, wie etwa die Mikroorganismen an Hydrothermalquellen und deren genetische Erbinformation vom sachlichen Anwendungsbereich erfasst. Die Auslegung des Vertragswortlautes lässt dessen Bedeutung zwar weder „mehrdeutig oder dunkel“, noch führt sie zu einem „sinnwidrigen oder unvernünftigen Ergebnis“.50 Dennoch lohnt sich ein Blick auf die ergänzenden Auslegungsmittel, namentlich die sog. „vorbereitenden Arbeiten“ („preparatory works“ oder „travaux préparatoires“), um die Auslegung nach dem Wortlaut womöglich noch bestätigen zu können. Die vorbereitenden Arbeiten fanden von 1950 bis 1956 maßgeblich durch die ILC statt. Im Rahmen der 8. Sitzung vom 23. April bis zum 4. Juli 1956 wurden von den Mitgliedern dieser Kommission 73 Artikel angenommen, kommentiert und der Generalversammlung vorgelegt.51 Eine Definition lebender Ressourcen findet sich auch hier nicht. Gleichwohl sei es Hauptziel der Erhaltung der lebenden Ressourcen des Meeres, einen optimalen Dauerertrag zu erreichen, um eine höchstmögliche Versorgung mit Nahrungsmitteln und anderen Produkten des Meeres sicherzustellen.52 Das unmittelbare Ziel dieser Erhaltung müsse es allerdings sein, den Fischfang so zu betreiben, dass der durchschnittliche Dauerertrag angehoben oder jedenfalls beibehalten werde. Der Fischfang erscheint hier als besondere Unterart der Erhaltung bzw. der Bewirtschaftung lebender Ressourcen, denn während für sämtliche lebende Ressourcen ein „optimaler“ Dauerertrag ausreicht, so soll der Dauerertrag für den Fischfang „angehoben oder jedenfalls beibehalten werden“.53 Folglich muss der Begriff „lebende Ressourcen“ nach der Intention der ILC mehr erfassen als nur Fische. Das Postulat der Erhaltung mariner Ressourcen ist nach seinem Sinn und Zweck nur dann sinnvoll, wenn sämtliche Lebewesen erfasst werden. Die Erhaltung le48 Zur Auslegung völkerrechtlicher Verträge siehe: Fitzmaurice, in: Evans (ed.), International Law, 4th edn., 2014, 178 ff. sowie Herdegen, Völkerrecht, 14. Aufl., 2015, 133, Rn. 28 ff. 49 Chamber 21st Century Dictonary (online ed.), 2015: „Any living structure, such as a plant, animal, fungus or bacterium, capable of growth and reproduction.“ 50 Vgl. Art. 32 WVK. 51 ILC, Report of the International Law Commission to the General Assembly, 8th Session, 1956, UN Doc. A/3159, 253, (265 – 301). 52 Ibid., 289, unter Bezugnahme auf die Definition der International Technical Conference on the Conservation of the Living Resources of the Sea 1955 in Rom: „[…] the principle objective of conservation of the living resources of the seas is to obtain the optimum sustainable yield so as to secure a maximum supply of food and other marine products.“ 53 Ibid.
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bender Ressourcen setzt zweierlei voraus. Erstens eine am höchstmöglichen Dauerertrag orientierte Bewirtschaftung, die wohl vor allem die als Nahrungsmittel tauglichen Ressourcen im Blick hat, aber letztendlich auf die Erhaltung einer gewissen Grundsubstanz und die Verhinderung eines Raubbaus abzielt. Zweitens aber auch den Schutz und die Bewahrung vor äußeren Einflüssen, wie beispielsweise dem Meeresbodenbergbau oder Fischfangpraktiken wie dem Bottom-Trawling, die beide zu erheblichen Kollateralschäden führen können. Zwar werden die Bakterien zur Entschlüsselung ihrer Erbinformationen nicht in rauen Mengen benötigt, sodass eine Über-Ausbeutung wohl nicht zu befürchten ist. Die möglichen äußeren Einflüsse, die schlimmstenfalls zur Zerstörung womöglich einzigartiger genetischer Ressourcen führen können, macht jedoch eine Erhaltung auch dieser marinen Ressourcen im Sinne des ILC-Entwurfs erforderlich. Die vorbereitenden Arbeiten sind ohnehin nur subsidiär und in Fällen heranzuziehen, die hier nicht gegeben sind. In jedem Falle würde aber auch der darin zum Ausdruck kommende Sinn und Zweck der Regelung mit dem aus dem Vertragswortlaut extrahierten Willen der Vertragsparteien übereinstimmen und eine dynamische Vertragsauslegung hinsichtlich der Anwendbarkeit auf genetische Ressourcen bestätigen. Diese dynamische Entwicklung entspricht überdies ausweislich der Präambel des FLRÜ durchaus dem Willen der Vertragsparteien, wonach den Bedürfnissen der Menschheit mit neuen Entwicklungen und Entdeckungen zu begegnen ist. So haben die Vertragsparteien unter anderem angesichts der Entwicklung moderner Techniken zur Ausbeutung lebender Ressourcen des Meeres und der Gefahr vor einem Raubbau das vorgenannte Übereinkommen geschlossen.54 Es sollte mithin nicht bloß der status quo gesichert, sondern auch neuen Entwicklungen Raum gegeben werden. Eine dynamische Vertragsauslegung ist mithin durchaus gewollt, sodass auch genetische Ressourcen vom sachlichen Anwendungsbereich des Übereinkommens über die Fischerei und die Erhaltung der lebenden Ressourcen der Hohen See erfasst werden. Eine Bewirtschaftung der genetischen Ressourcen ist vertraglich bereits nach dem HSÜ durch jeden einzelnen Staat als Freiheit der Hohen See zulässig.55 Das FLRÜ schränkt diese grundsätzliche Freiheit nur marginal ein, indem es die Staaten verpflichtet, alle notwendigen Maßnahmen zu treffen, um die lebenden Ressourcen der Hohen See zu erhalten.56 Im Folgenden werden zwar besondere Regeln für den Fischfang aufgestellt, aber ein Bewirtschaftungssystem für lebende Ressourcen im Allgemeinen ist nicht vorhanden. Die genetischen Ressourcen des Meeresbodens 54
Vgl. Präambel FLRÜ: „Considering that the development of modern techniques for the exploitation of the living resources of the sea, increasing man’s ability to meet the need of the world’s expanding population for food, has exposed some of these resources to the danger of being over-exploited, […] Have agreed as follows: […].“ 55 Rothwell/Stephens, The International Law of the Sea, 2010, 120: „Prior to the deep seabed regime of the LOSC, this area was subject to the freedom of the seas, and therefore open to exploration and exploitation by all states.“ 56 Vgl. Art. 1 Abs. 2 FLRÜ: „All States have the duty to adopt, or to cooperate with other States in adopting, such measures for their respective nationals as may be necessary for the conservation of the living resources of the high seas.“
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Kap. 3: Die Anwendbarkeit bestehender völkerrechtlicher Verträge
dürfen mithin nach Belieben bewirtschaftet werden, solange sie grundsätzlich erhalten bleiben. Darüber hinaus sind an das FLRÜ ohnehin nur wenige Staaten gebunden, sodass es dadurch nur wenig zur Herausbildung von Völkergewohnheitsrecht beitragen konnte. Zudem haben Dänemark, Spanien, das Vereinigte Königreich und die USA Vorbehalte gegen einzelne Vorschriften des FLRÜ vorgebracht. Trotz Erfassung der lebenden Ressourcen der Hohen See sind der Aussagegehalt und die verpflichtende Wirkung im Hinblick auf die Staatengemeinschaft als Ganzes daher relativ gering. In seiner Bedeutung für die Staatengemeinschaft könnten die Ergebnisse der Genfer Seerechtsübereinkommen überdies – jedenfalls für die Vertragsparteien – vom Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen von 1982 sowie von fortschreitendem Völkergewohnheitsrecht überholt worden sein.57 Daher wird im Folgenden zunächst das SRÜ diesbezüglich untersucht.
B. Das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen von 1982 Das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (United Nations Convention on the Law of the Sea) wurde nach der gescheiterten zweiten Seerechtskonferenz von 1960 sowie den zu diesem Zeitpunkt drängenden Fragen des modernen Seerechts insbesondere hinsichtlich des aufkommenden Tiefseebergbaus erforderlich und nach Verhandlungen von 1973 bis 1982 schließlich am 10. Dezember 1982 in Montego Bay von den Staatenvertretern angenommen. Aufgrund der in Teil XI des Übereinkommens enthaltenen Vorschriften über den Technologietransfer und die Ressourcenverteilung im Gebiet, die als zu sehr geprägt von sozialistischem Gedankengut empfundenen wurden, weigerten sich einige wenige, aber technologisch fortschrittliche Industrienationen58 den Vertrag in der vorliegenden Form zu unterzeichnen, sodass schließlich ein Durchführungsübereinkommen zum Teil XI des SRÜ (DÜ)59 vereinbart wurde und der Vertrag infolge dessen erst am 16. November 1994 in Kraft trat. Dem SRÜ haben bislang 167 Staaten durch Ratifikation oder Beitritt zugestimmt. Es stellt damit – zum Beispiel neben der Charta der Vereinten Nationen – einen der meist konsentierten völkerrechtlichen Verträge dar, obwohl ihm beispielsweise die USA als große Seefahrernation und
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s. Kapitel 4. Die Bundesrepublik Deutschland, das Vereinigte Königreich und die USA. 59 Agreement Relating to the Implementation of Part XI of the United Nations Convention on the Law of the Sea of 10 December 1982, angenommen am 28. 07. 1994, in Kraft getreten am 28. 07. 1996, Original in: 1836 UNTS 42; = Übereinkommen zur Durchführung des Teiles XI des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982, deutsche Fassung in: BGBl. II (1994), 2566. 58
B. Das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen von 1982
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wirtschaftlich bedeutsamer Industriestaat bislang ferngeblieben sind.60 Der in der Präambel geäußerte Anspruch einer Regelung „alle[r] das Seerecht betreffenden Fragen“ macht das SRÜ mit seinen 320 Artikeln auch inhaltlich zu einem umfassenden Vertragswerk.61 Insbesondere vor dem Hintergrund genetischer Ressourcen im Gebiet muss sich das SRÜ jedoch der Frage nach seiner Zukunftsfähigkeit stellen.62 Ebenso wie in den vier Genfer Seerechtskonventionen von 1958, finden die „genetischen Ressourcen“ – jedenfalls explizit – auch im Seerechtsübereinkommen von 1982 keine Erwähnung.63 Dies mag wiederum einerseits mit deren späten Entdeckung Ende der 1970er Jahre zusammenhängen: Zu diesem Zeitpunkt war die Ressourcendefinition des Gebietsregimes in Teil XI des SRÜ von den Staatenvertretern bereits verabschiedet worden. Andererseits mag die fehlende Erwähnung auch durch den Umstand begründet sein, dass die Staatenvertreter irrtümlich von einer geringen wissenschaftlichen sowie wirtschaftlichen Bedeutung der lebenden Organismen im Vergleich zu den nicht lebenden, mineralischen Ressourcen des Meeresbodens ausgingen. Wie Glowka später zutreffend und vorausschauend bemerkte, sind es aber heute „ironischerweise“, gerade und fast ausschließlich die genetischen Ressourcen der Tiefsee, die seit etwa zwei Dekaden erforscht und bewirtschaftet werden.64 Es stellt sich mithin die Frage, ob die verschiedenen Regime des SRÜ auf genetische Ressourcen jenseits nationaler Hoheitsgewalt Anwendung finden können, obwohl sie dort nicht genannt sind. Namentlich genannt werden im Seerechtsübereinkommen nur die „lebenden Ressourcen“. Ausgehend von dessen Präambel wurde das SRÜ jedoch geschaffen, um „alle das Seerecht betreffenden Fragen im Geiste gegenseitiger Verständigung und Zusammenarbeit zu regeln“. Darüber hinaus sei es „wünschenswert […], durch dieses Übereinkommen […] eine Rechtsordnung für die Meere und Ozeane zu schaffen, die […] die ausgewogene und 60 Eine Liste der Vertragsstaaten ist abrufbar unter: http://www.un.org/Depts/los/reference_ files/chronological_ lists_of_ratifications.htm, Stand: 03. 10. 2014 (zuletzt abgerufen am 01. 08. 2015). 61 Allot, Mare Nostrum: A New International Law of the Sea, 86 AJIL (1992), 764 (784): „In the history of multilateral diplomacy, there has been nothing to equal the 1982 Convention in scope, sophistication and universality.“ 62 Freestone, The Final Frontier: The Law of the Sea Convention and Areas Beyond National Jurisdiction, 2012, 1 (2): „There are still serious lacunae in the governance regime for ABNJ. […] the governance regime of ABNJ is by no means comprehensive, and has serious deficiencies in effectiveness as well as coverage.“ 63 Vgl. Arico/Salpin, Bioprospecting of Genetic Resources in the Deep Seabed: Scientific, Legal and Policy Aspects, 2005, 30: „UNCLOS does not use the term ,genetic resources‘.“ und Matz-Lu¨ ck, The Concept of the Common Heritage of Mankind: its Viability as a Management Tool for Deep-sea Genetic Resources, in: Oude Elferink/Molenaar (eds.), The International Legal Regime of Areas Beyond National Jurisdiction: Current and Future Developments, 2010, 61 (62): „While the Convention on the Law of The Sea […] deals specifically with mineral resources of the Area […], genetic resources are not mentioned.“ 64 Glowka, The Deepest of Ironies: Genetic Resources, Marine Scientific Research, and the Area, 12 Ocean Y. B. (1996), 154 (155).
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Kap. 3: Die Anwendbarkeit bestehender völkerrechtlicher Verträge
wirkungsvolle Nutzung ihrer Ressourcen, die Erhaltung ihrer lebenden Ressourcen […] fördern wird“.65 Der Anspruch einer umfassenden Regelung seerechtlicher Fragen hinsichtlich lebender Ressourcen kommt hier nicht nur zum Ausdruck, sondern lässt auch – aus damaliger Sicht zukunftsweisend – eine Einbeziehung neuartiger Fragestellungen zu, um auch in Zukunft einen „wichtigen Beitrag zur Erhaltung von Frieden, Gerechtigkeit und Fortschritt für alle Völker der Welt“ zu leisten.66 Die Anwendbarkeit der Vorschriften des SRÜ betreffend die „lebenden Ressourcen“ könnte folglich grundsätzlich auch hinsichtlich genetischer Ressourcen gegeben sein, denn die „Erhaltung“ des status quo ist auch immer in die Zukunft gerichtet.67 Auch wenn die Vertreter der Staaten bei den Vertragsverhandlungen die genetischen Ressourcen anscheinend nicht ausdrücklich bedacht haben, so läuft die Einbeziehung derselben wohl kaum deren subjektivem Willen entgegen. Streit herrscht auch weniger über die Frage, ob die genetischen Ressourcen des Meeresbodens de lege ferenda erfasst werden sollten, als viel mehr darüber, ob sie es de lege lata tatsächlich sind.68 Die folgenden Themenbereiche beschäftigen sich daher mit der Anwendbarkeit der verschiedenen Teile des SRÜ auf die Bewirtschaftung genetischer Ressourcen des Meeresbodens, indem, von der räumlichen Gliederung des SRÜ ausgehend, zunächst der Meinungsstand in der Völkerrechtswissenschaft aufgezeigt und diskutiert wird. Sodann folgt eine Zusammenfassung der gefundenen Ergebnisse.
I. Das Festlandsockelregime in Teil VI des SRÜ Das Festlandsockelregime findet sich hauptsächlich im Teil VI des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen, bildet aber mit Vorschriften vieler anderer Teile des SRÜ ein komplexes Regelwerk.69 Während Art. 76 SRÜ den Festlandsockel definiert, mithin den räumlichen Anwendungsbereich dieses Regimes festlegt, zählt Art. 77 SRÜ die Rechte des Küstenstaats hinsichtlich seines Festlandsockels auf. Es wird auf den ersten Blick deutlich, dass sich die räumliche Anwendbarkeit sowie die Ausgestaltung der ausschließlichen Rechte gegenüber dem Festlandsockelregime der Genfer Seerechtsübereinkommen ausgedehnt und weiterentwickelt haben. War die äußerste Grenze zuvor grundsätzlich noch durch eine Kombination von Ausbeutbarkeit und Wassertiefe zu bestimmen und danach an dem Punkt be65
Vgl. Präambel des SRÜ. Ibid. 67 Arico/Salpin, Bioprospecting of Genetic Resources in the Deep Seabed: Scientific, Legal and Policy Aspects, 2005, 30: „However, considering the object and purpose of UNCLOS as set out in its Preamble and outlined above, it is assumed that such resources, which are living resources, are covered by the provisions of UNCLOS relating to living resources.“ 68 Tladi, State Practice and the Making and (Re)Making of International Law: The Case of the Legal Rules Relating to Marine Biodiversity in Areas Beyond National Jurisdiction, 1 SPILJ (2014), 97 (99). 69 Lagoni, in: Graf Vitzthum (Hrsg.), Handbuch des Seerechts, 2006, 181, Rn. 46. 66
B. Das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen von 1982
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legen, an welchem die Wassertiefe erstmalig 200 Meter erreicht, so erstreckt sich der Festlandsockel nunmehr mindestens bis zu einer Distanz von 200 sm ab der Basislinie und verlängert sich aufgrund geographischer oder geologischer Gegebenheiten bei Anwendung der Tiefenformel70 nicht selten bis 350 sm und darüber hinaus.71 Der Festlandsockel gehört allerdings nicht zum maritimen Aquitorium, untersteht mithin nicht der territorialen Souveränität des Küstenstaates. Gleichwohl übt der Küstenstaat nach Art. 77 Abs. 1 SRÜ „souveräne Rechte zum Zweck seiner Erforschung und der Ausbeutung seiner natürlichen Ressourcen aus“. Der Festlandsockel befindet sich folglich nur teilweise jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt, indem nämlich eine gebietsrechtliche Aneignung nicht erlaubt ist. Die darauf belegenen natürlichen Ressourcen befinden sich hingegen nicht jenseits nationaler Hoheitsgewalt, wenn bezüglich ihrer Bewirtschaftung souveräne Rechte des Küstenstaates gelten. Die Rechte des Küstenstaates bezüglich der lebenden und nicht lebenden Ressourcen sind in Art. 77 SRÜ niedergelegt. Die genannten natürlichen Ressourcen umfassen „die mineralischen und sonstigen nicht lebenden Ressourcen des Meeresbodens und seines Untergrunds sowie die zu den sesshaften Arten gehörenden Lebewesen“.72 Für die lebenden Ressourcen bedient sich auch das SRÜ des Begriffs der „sesshaften Arten“, der bereits aus dem FSÜ bekannt ist und all jene Lebewesen erfasst, „die im nutzbaren Stadium entweder unbeweglich auf oder unter dem Meeresboden verbleiben oder sich nur in ständigem körperlichen Kontakt mit dem Meeresboden oder seinem Untergrund fortbewegen können“.73 Die an den Hydrothermalquellen des Meeresbodens beheimateten genetischen Ressourcen gehören erstens zu den lebenden Ressourcen und sind zweitens überwiegend als „sesshafte Arten“ zu qualifizieren.74 Im Ergebnis bleibt daher analog zum FSÜ auch für das Festlandsockelregime des SRÜ festzuhalten, dass die genetischen Ressourcen des Meeresbodens auf dem Festlandsockel, als funktional begrenztem Hoheitsgebiet, der ausschließlichen Souveränität des Küstenstaates unterfallen. Die Vorschriften des SRÜ genießen Anwendungsvorrang vor jenen der Genfer Seerechtsübereinkommen von 1958, mithin auch vor denen des Festlandsockelübereinkommens.75 Da dieser Vorrang jedoch nur für die Vertragsstaaten des SRÜ gilt und diesem noch nicht alle Staaten beigetreten sind, die auch an das FSÜ gebunden sind, ist der letztgenannte Vertrag keineswegs hinfällig geworden.76 Gleichwohl sind die zentralen Elemente des Festlandsockelregimes mittlerweile
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Vgl. Art. 76 Abs. 5 SRÜ. Vgl. Art. 76 Abs. 1 SRÜ. 72 Vgl. Art. 77 Abs. 4 SRÜ. 73 Ibid. 74 s. o. bereits Kapitel 3, A. II. 75 Vgl. Art. 311 Abs. 1 SRÜ. 76 Zum Nebeneinander der verschiedenen Quellen des Festlandsockelrechts vgl.: Lagoni, in: Graf Vitzthum (Hrsg.), Handbuch des Seerechts, 2006, 181, Rn. 47 ff. 71
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Kap. 3: Die Anwendbarkeit bestehender völkerrechtlicher Verträge
wohl in Völkergewohnheitsrecht übergegangen.77 Die im Anwendungsbereich des Festlandsockelregimes befindlichen Ressourcen sind mithin nicht jenseits, sondern diesseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt belegen, soweit sie sesshaft sind. Das Festlandsockelregime stellt jedoch nicht nur eine Nutzungs-, sondern gleichzeitig eine Raumordnung dar.78 Der räumliche Anwendungsbereich des Festlandsockelregimes, also die Reichweite der souveränen Rechte des Küstenstaates ab der Basislinie gemessen, wird im SRÜ anders als noch im FSÜ bemessen. Die Reichweite des Festlandsockelregimes des SRÜ ist erheblich für die Beantwortung der Frage, ab welcher Entfernung sich die genetischen Ressourcen des Meeresbodens jenseits nationaler Hoheitsgewalt befinden. Da sich der Festlandsockel nach dem SRÜ auch ohne ausdrückliche Proklamation des Küstenstaates mindestens bis zu einer Entfernung von 200 sm ab der Basislinie erstreckt, kann ungeachtet des Wortlauts des Artikels 76 Abs. 3 S. 2 SRÜ vom juristischen Festlandsockel auch teilweise der Tiefseeboden erfasst werden, wenn der geographische Festlandsockel schmaler bemessen ist.79 Reicht der geographische Festlandsockel im umgekehrten Fall weiter als die 200 Seemeilengrenze, so ist umstritten, ob dieser eigens beansprucht werden muss oder dem Küstenstaat ebenfalls ipso facto und ab initio zusteht.80 Annehmbar erscheint hier die Variante, wonach zwar die Beanspruchung der darüber hinaus gehenden Breite des Festlandsockels, nicht aber die des Festlandsockels als solchem erforderlich ist.81 Denn nichts anderes meinte der Internationale Gerichtshof in den Nordsee-Festlandsockel-Fällen, wenn er die Existenz des Festlandsockels als Teil des Völkergewohnheitsrechts deklariert.82 Die Inanspruchnahme des Festlandsockels mit einer Breite von mehr als 200 sm ab der Basislinie stellt sich mithin als einseitiger völkerrechtlicher Akt dar,83 der sich nach 77 O’Connell, The International Law of the Sea, 1982, Vol. 1, 475 f.: „It cannot be questioned that the main principles of the continental shelf doctrine as formulated in the Geneva Convention are customary law […].“ 78 Vgl. Lagoni, in: Graf Vitzthum (Hrsg.), Handbuch des Seerechts, 2006, 184, Rn. 58 ff., der durch das Festlandsockelregime des SRÜ eine „dauerhafte Nutzung des Raumes“ in den Vordergrund treten sieht. 79 Lagoni, in: Graf Vitzthum (Hrsg.), Handbuch des Seerechts, 2006, 187, Rn. 66. 80 Gegen das Erfordernis einer Proklamierung spricht Art. 77 Abs. 3 SRÜ: „Die Rechte des Küstenstaats am Festlandsockel sind weder von einer tatsächlichen oder nominellen Besitzergreifung noch von einer ausdrücklichen Erklärung abhängig.“ 81 A.A. Oude Elferink, Article 76 of the LOSC on the Definition of the Continental Shelf: Questions concerning its Interpretation from a Legal Perspective, 21 Int’l J. Marine & Coastal Law (2006), 269 (277 f.), nach dessen Ansicht dem Küstenstaat auch ohne besondere Beanspruchung Rechte über den gesamten geographischen Festlandsockel zustünden: „The entitlement of a state exists by the sole fact that this basis of entitlement is present and does not require the establishment of outer limit lines.“ 82 IGH, North Sea Continental Shelf Cases (Germany v. Denmark and Netherlands), ICJ Reports 1969, 3, Nr. 19: „[…] the rights of the coastal State in respect of the area of continental shelf that constitutes a natural prolongation of its land territory into and under the sea exist ipso facto and ab initio, by virtue of its sovereignty over the land […].“ 83 Lagoni, in: Graf Vitzthum (Hrsg.), Handbuch des Seerechts, 2006, 188, Rn. 74.
B. Das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen von 1982
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dem SRÜ außerdem mit der Empfehlung der sog. „Festlandsockelkommission“ („Commission on the Limits of the Continental Shelf“, CLCS) decken muss.84 Die Beanspruchung des Festlandsockels jenseits von 200 sm ist folglich nur hinsichtlich dessen Breite, nicht aber hinsichtlich dessen tatsächlicher Existenz erforderlich. Soweit der Küstenstaat folglich einen weiter als 200 sm ab der Basislinie reichenden Festlandsockel widerspruchslos und in Absprache mit der CLCS geltend gemacht hat, unterfallen auch die darauf situierten genetischen Ressourcen dessen Hoheitsgewalt und befinden sich damit zwar im sachlichen Anwendungsbereich „natürlicher Ressourcen“ bzw. „sesshafter Arten“, gleichzeitig und denklogisch aber nicht jenseits nationaler Hoheitsgewalt. Auf die jenseits des so beanspruchten Festlandsockels belegenen Ressourcen des Meeresbodens finden keine Hoheitsbefugnisse oder souveränen Rechte des Küstenstaates Anwendung. Diese befinden sich nach dem SRÜ mithin jenseits nationaler Hoheitsgewalt. Welche Art der Bewirtschaftung hier einschlägig ist, entscheidet sich danach, welches der folgenden Regime auf die genetischen Ressourcen des Meeresbodens jenseits nationaler Hoheitsgewalt anwendbar ist.
II. Das Gebietsregime in Teil XI des SRÜ Die Art. 133 bis 191 des SRÜ stellen im Vergleich zu den zuvor bekannten seevölkerrechtlichen Verträgen und dem entsprechenden Völkergewohnheitsrecht ein novum dar. Denn den bis zur Verhandlung des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen bestehenden vier Genfer Seerechtsübereinkommen war ein spezielles Regelungsgefüge für den Tiefseeboden unbekannt. Der jenseits des Festlandsockels belegene Teil der Erdoberfläche wurde vom Regime der darüber liegenden Gewässer, mithin den Freiheiten der Hohen See, beherrscht.85 Dementsprechend bestand eine Ausbeutungsbefugnis für alle Staaten, ohne Rücksicht auf geopolitische oder sozial-ökonomische Besonderheiten. Es zählte schlicht das Recht des Stärkeren. Erst im Vorfeld der dritten Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen (UNCLOS III) konnte sich Arvid Pardo mit seinen Bestrebungen, das sog. „Gebiet“ zum gemeinsamen Erbe der Menschheit zu erklären, Gehör verschaffen.86 Um diesen Grundsatz herum, der in seiner Nuancierung auch abseits des SRÜ für Staatengemeinschaftsräume bereits vielfach kontrovers diskutiert wurde, wurde das Gebietsregime in Teil XI des SRÜ geschaffen. Nachdem man im Rahmen der Challenger-Expedition87 im Jahre 1873 bereits die ersten Manganknollen gefunden hatte und deren Abbau zum Ende des 20. Jahr84
Vgl. Art. 76 Abs. 8 SRÜ i.V.m. Anlage II zum SRÜ. Vgl. unter Vielen Rothwell/Stephens, The International Law of the Sea, 2010, 127. 86 UNGA, 22nd Session, 1967, UN Doc. A/C.1/PV.1516. 87 Zur Entdeckung der Manganknollen s. Thomson, The Voyage of the Challenger: The Atlantic, Vol. 1, 1877, 195 f.: „The dredge came up […] with […] a number of very peculiar 85
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Kap. 3: Die Anwendbarkeit bestehender völkerrechtlicher Verträge
hunderts in greifbare Nähe zu rücken schien, wurde insbesondere unter den Entwicklungsländern und den am wenigsten entwickelten Ländern der Ruf nach einer einvernehmlichen Lösung laut. Das Problem bestand darin, dass eben jene Länder weder über die finanziellen Mittel, noch das nötige Wissen verfügten, um Tiefseebergbau zu betreiben. Die westlichen Industrienationen der NATO und die Staaten des Warschauer Pakts hingegen befanden sich auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges, welcher den Protagonisten noch bis in die 1990er Jahre hinein im Sinne ihrer Abschreckungsdoktrinen einen immensen Rüstungsaufwand abverlangte. Dabei kamen die mineralischen Bodenschätze des Tiefseebodens gerade recht. Von der Befürchtung getrieben, dass die eigenen Bodenschätze an Exportwert verlieren könnten und die Staaten der westlichen Welt ihren schon vorhandenen Vorsprung noch weiter ausbauen könnten sowie vor dem Hintergrund der gescheiterten zweiten Seerechtskonferenz und dem Bedürfnis eine friedliche Nutzung des Meeresbodens zu erzielen, ergriffen zahlreiche weniger entwickelte Staaten die Initiative. Die Veränderung des Rohstoffmarktes sowie das Auffinden neuer Rohstoffe an Land und effizientere Methoden zu ihrem Abbau haben schließlich dazu beigetragen, dass der Meeresbodenbergbau bis heute kaum ernsthaft betrieben wurde.88 Auch wenn Hydrothermalquellen und die sie umgebenden genetischen Ressourcen bereits Ende der 1970er Jahre, also inmitten von UNCLOS III, entdeckt worden waren, fanden diese wenig Beachtung. Dies lag wohl insbesondere daran, dass die noch am Anfang stehende moderne Gentechnik das Potential der genetischen Ressourcen der Tiefsee nicht zu erkennen vermochte. Man ging von einem weitaus größeren wirtschaftlichen Potential des Öls, der Erze und der Metalle aus. Folglich versteht das SRÜ in Teil XI unter „Ressourcen“ gemäß Art. 133 lit. a) SRÜ, „alle festen, flüssigen oder gasförmigen mineralischen Ressourcen in situ, die sich im Gebiet auf oder unter dem Meeresboden befinden, einschließlich polymetallischer Knollen […]“. Entgegen aller Prognosen sind es heute aber nicht die mineralischen, sondern die genetischen Ressourcen des Meeresbodens, die einerseits einer ökonomisch sinnvollen Bewirtschaftung zugänglich sind und andererseits auch gewinnbringend vermarktet werden können.89 Es stellt sich mithin die Frage, ob das Gebietsregime des SRÜ trotz seiner zwar historisch bedingten, aber eindeutigen Fokussierung auf nicht lebende, mineralische Ressourcen, etwa im Wege der dynamischen Vertragsauslegung, dennoch einen
black oval bodies about an inch long, with the surface irregularly reticulated, and within the reticulations closely and symmetrically granulated […]. My first impression was that […] the concretions were drifted fossils, but on handing over a portion […] to Mr. Buchanan for examination, he found that it consisted of almost pure peroxide of manganese.“ 88 Tuerk, Reflections on the Contemporary Law of the Sea, 2012, 46. 89 Glowka, Evolving Perspectives on the International Seabed Area’s Genetic Resources: Fifteen Years after ,Deepest of Ironies‘, in: Vidas (ed.), Law, Technology and Science for Oceans in Globalisation, 2010, 397 (398): „[…] it was the Area’s genetic resources that were its most immediately exploitable and potentially lucrative natural resource.“
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Anwendungsbereich für die genetischen oder allgemein für lebende Ressourcen des Meeresbodens bereithält. 1. Das gemeinsame Erbe der Menschheit Das SRÜ proklamiert in seinem Art. 136 das „Gebiet und seine Ressourcen“ als „gemeinsames Erbe der Menschheit“ („Common Heritage of Mankind“, CHM). Gleichwohl erfolgt weder an dieser Stelle noch in den weiteren Artikeln des Teil XI eine Erklärung dieses Begriffs im Sinne einer Definition, sodass ausfüllungsbedürftig bleibt, was die Vertragsstaaten unter diesem Konzept eines gemeinsamen Erbes der Menschheit verstehen dürfen. Was also macht das CHM-Prinzip aus? Welche Vorstellungen liegen ihm zu Grunde und welche Aussagen werden durch dessen Implementierung in das SRÜ für die genetischen Ressourcen im Gebiet getroffen? a) Historische Entwicklung Der Gedanke eines gemeinsamen Erbes der Menschheit, also ein bestimmtes Gut der alleinigen Verfügungsgewalt und Obhut der Menschheit als Ganzes anzuvertrauen, wurde schon vor UNCLOS III diskutiert. Bereits 1830 regte der südamerikanische Philosoph und Völkerrechtler Andrés Bello an, dass solche Güter von der Staatengemeinschaft als „gemeinsames Erbe“ anzusehen seien, deren Besitz durch einen Staat allein nicht möglich ist, ohne gleichzeitig einen anderen Staat zu benachteiligen.90 Im Jahre 1898 führte der französische Rechtsgelehrte Albert Geouffre de Lapradelle diese Idee in Bezug auf die Ozeane fort und bezeichnete diese als „Erbe der Menschheit“.91 Während der ersten Seerechtskonferenz machte die ILC den Vorschlag, die Erforschung und Ausbeutung des Meeresbodens jenseits nationaler Hoheitsgewalt den Vereinten Nationen oder einer dort angegliederten Organisation zu unterstellen, da die gesamte Menschheit davon profitieren solle.92 Dieses Ansinnen wurde allerdings wegen befürchteter Einschränkungen der Freiheiten der Hohen See abgelehnt und schließlich verworfen. Eine völkerrechtliche Kodifizierung des Prinzips vom gemeinsamen Erbe der Menschheit fand erstmalig Eingang in
90 Schmidt, Common Heritage or Common Burden? The United States Position on the Development of a Regime for Deep Sea-bed Mining in the Law of the Sea Convention, 1989, 23. 91 Ibid. 92 ILC, Report of the International Law Commission to the General Assembly, 8th Session, 1956, UN Doc. A/3159, 253 (296): „The Commission is aware that exploration and exploitation of the seabed and subsoil, which involves the exercise of control and jurisdiction by the coastal State, may affect the freedom of the seas, particularly in respect of navigation. Nevertheless, this cannot be a sufficient reason for obstructing a development which, in the opinion of the Commission, can be to the benefit of all mankind.“
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Kap. 3: Die Anwendbarkeit bestehender völkerrechtlicher Verträge
den Weltraumvertrag (OST)93 von 1967, dessen Art. 1 die „Erforschung und Nutzung des Weltraums einschließlich des Mondes und anderer Himmelskörper“ zur „Sache der gesamten Menschheit“ erklärt.94 Ebenso erklärt der Mondvertrag (MT)95 – eine Ergänzungsvereinbarung zum Weltraumvertrag aus dem Jahr 1979 – die Erforschung und Nutzung des Mondes zur „Sache der gesamten Menschheit“, welche „zum Nutzen und im Interesse aller Staaten“ vorgenommen werden solle.96 Der Mond selbst und seine Ressourcen stellen nach Art. 11 des Mondvertrages das „gemeinsame Erbe der Menschheit dar“.97 Schließlich erkennt auch der Antarktisvertrag in seiner Präambel an, dass eine ausschließliche, friedliche Nutzung der Antarktis im „Interesse der gesamten Menschheit“ liege.98 Die Idee, die Menschheit als globalen Sachwalter eines bestimmten Gutes jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt einzusetzen, ist folglich schon teilweise umgesetzt worden, auch wenn die genannten Verträge längst nicht von der Mehrheit der Staatengemeinschaft ratifiziert worden sind und insbesondere dem Mondvertrag etwa die großen Weltraumfahrernationen ferngeblieben sind.99 Auch wenn das CHM-Prinzip in Bezug auf den Weltraum als Gebiet jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt zwar eine erste Kontur verliehen bekommen hat, so bleibt es doch unvollendet.100
93 Treaty on Principles Governing the Activities of States in the Exploration and Use of Outer Space, Including the Moon and Other Celestial Bodies, angenommen am 27. 01. 1967, in Kraft getreten am 10. 10. 1967; Original in: 610 UNTS 205; = Vertrag über die Grundsätze zur Regelung der Tätigkeiten von Staaten bei der Erforschung und Nutzung des Weltraums einschließlich des Mondes und anderer Himmelskörper, deutsche Fassung in: BGBl. II (1969), 1967. 94 Vgl. Art. 1 OST: „The exploration and use of outer space, including the Moon and other celestial bodies, […] shall be the province of all mankind.“ 95 Agreement Governing the Activities of States on the Moon and Other Celestial Bodies, angenommen am 05. 12. 1979, in Kraft getreten am: 11. 07. 1984; Original in: 1363 UNTS 3. 96 Vgl. Art. 4 Abs. 1 S. 1 MT: „The exploration and use of the moon shall be the province of all mankind and shall be carried out for the benefit and in the interests of all countries, irrespective of their degree of economic or scientific development.“ 97 Ibid., Art. 11 Abs. 1: „The moon and its natural resources are the common heritage of mankind […].“ 98 Vgl. Präambel des Antarktisvertrags: „Recognizing that it is in the interest of all mankind that Antarctica shall continue forever to be used exclusively for peaceful purposes and shall not become the scene or object of international discord.“ 99 Zum Status der internationalen Verträge mit Weltraumbezug s. UNOOSA, Status of International Agreements relating to Activities in Outer Space, abrufbar unter: http://www.oosa. unvienna.org/oosa/en/Space Law/treatystatus/index.html (zuletzt abgerufen am 01. 08. 2015). 100 Guntrip, The Common Heritage of Mankind: An Adequate Regime or Managing the Deep Seabed?, 4 Melb. J. Int’l L. (2003) 376 (395): „As a result, the common heritage of mankind principle remains an inchoate principle in the context of outer space.“
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b) Entwicklung im Seevölkerrecht Für die Implementierung dieses Gedankens in das Seevölkerrecht zeichnet sich die Delegation von Malta verantwortlich, namentlich deren Gesandter Arvid Pardo, der im Rahmen der 22. Sitzung der Generalversammlung der Vereinten Nationen im Jahre 1967 den Staatenvertretern vorschlug, den Meeresboden und -untergrund zum gemeinsamen Erbe der Menschheit zu erklären.101 Damit wollte er erreichen, dass der Meeresboden jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt hinsichtlich der Ausbeutung seiner Ressourcen einerseits nur zu friedlichen Zwecken genutzt wird und andererseits ausschließlich zum Nutzen der gesamten Menschheit offen steht. Darüber hinaus sollten sämtliche Gebietsansprüche auf den Meeresboden „eingefroren“ werden, solange eine Definition des Festlandsockels nicht einheitlich akzeptiert ist.102 Eine Annahme dieser Vorschläge erfolgte zunächst durch die sog. „Moratorium Resolution“ vor der UN-Generalversammlung.103 Da diese allerdings nur mit einer schwachen Mehrheit von 62 Stimmen angenommen und von 28 abgelehnt wurde sowie sich weitere 28 Stimmen enthalten haben, wird diese Resolution überwiegend als nicht bindend betrachtet.104 Im Jahr 1970, also noch vor Beginn der dritten Seerechtskonferenz, wurde von der Generalversammlung mit großer Mehrheit (Dafür: 108/Dagegen: 0/Enthaltung: 14) eine Prinzipienerklärung hinsichtlich des Meeresbodens jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt („Declaration of Principles Governing the Sea Bed and Ocean Floor, and the Subsoil Thereof, beyond the Limits of National Jurisdiction“) abgegeben, welche das Gebiet und seine Ressourcen zum gemeinsamen Erbe der Menschheit erklärte und jede Art von Besitzergreifung im Gebiet verbot.105 Auch wenn diese Resolution von der Gruppe der 77 (G77), einem Zusammenschluss von mittlwerweile 130 Entwicklungs- und Schwellenländern, nun als bindend betrachtet wurde, wird darin überwiegend nicht mehr als eine politische Absichtserklärung gesehen, durch die zwar Akzeptanz für ein Gebietsregime per se gewonnen wurde, die aber gleichzeitig durch die dadurch hervorgerufenen widerstreitenden Auffassungen an Rechtssicherheit eingebüßt hat.106 Letztere konnte auch durch den Abschluss völkerrechtlicher Verträge nur teilweise wiederhergestellt werden, da eine einheitliche Definition des Prinzips vom gemeinsamen Erbe der Menschheit bis heute nicht anerkannt ist.107 101
UNGA, 22nd Session, 1967, UN Doc. A/C.1/PV.1516, Nr. 13. Ibid., Nr. 14. 103 UNGA, 24th Session, 1969, UN Doc. A/RES/24/2574. 104 Churchill/Lowe, The Law of The Sea, 3rd edn., 1999, 227; zur Erzeugung von Völkerrecht durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen s. Herdegen, Völkerrecht, 14. Aufl., 2015, 163: „Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen haben grundsätzlich nur empfehlenden Charakter.“ 105 UNGA, 25th Session, 1970, UN Doc. A/RES/25/2749. 106 Churchill/Lowe, The Law of The Sea, 3rd edn., 1999, 228. 107 Noyes, The Common Heritage of Mankind: Past, Present, and Future, 40 Denv. J. Int’l L. & Pol’y (2011 – 2012), 447 (451 ff.). 102
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Die universelle Akzeptanz des CHM-Prinzips in der Staatengemeinschaft erfolgte schließlich durch dessen Integration in das Seerechtsübereinkommen.108 Das Prinzip vom gemeinsamen Erbe der Menschheit im Seevölkerrecht wird im SRÜ von fünf Elementen bestimmt: Erstens ist jeder Akt nationaler Aneignung im Gebiet ausgeschlossen;109 zweitens darf die Nutzung des Meeresbodens ausschließlich zu friedlichen Zwecken erfolgen;110 drittens wird das Gebiet einer treuhänderischen Verwaltung durch die Staatengemeinschaft als Ganzes anvertraut111; viertens geschieht der Abbau der Ressourcen zum Nutzen der gesamten Staatengemeinschaft112 und fünftens auch unter der Prämisse des nachhaltigen Schutzes und der Bewahrung der Umwelt.113 Der Begriff „Erbe“ impliziert des Weiteren, dass die Erhaltung der Umwelt nicht um ihrer selbst Willen erfolgt, sondern um diese an zukünftige Generationen übergeben zu können.114 Teilweise werden auch noch die Erforderlichkeit einer bevorzugten Behandlung der Entwicklungsländer sowie die Errichtung einer internationalen Verwaltungsorganisation mit einbezogen.115 Ein obligatorischer und zugunsten der Entwicklungsländer vorzunehmender Technologietransfer konnte sich aufgrund heftigen Widerspruchs der westlichen Industrienationen jedoch nicht durchsetzen und wurde überdies durch das Durchführungsübereinkommen zu Teil XI aus dem Jahre 1994 abbedungen. Die Errichtung einer internationalen Organisation ist allerdings nicht als zwingender Ausfluss des CHM-Prinzips zu verstehen, da das Erfordernis einer Verwaltung durch die Menschheit auch durch einzelne Staaten, die als funktionaler Arm eines Organs der Staatengemeinschaft handeln, hätte erreicht werden können.116 Eine einzelstaatliche Aneignung des Meeresbodens war zwar schon durch Art. 2 HSÜ verboten. Das CHM-Prinzip des SRÜ entzieht die Ressourcen des Meeresbodens allerdings nun ebenfalls einer einzelstaatlichen Aneignung und versucht den aus einer Bewirtschaftung erzielten Gewinn gerecht zwischen den Staaten zu verteilen. Da bislang nur Erforschungslizenzen, nicht aber Abbaulizenzen für mine108
Dupuy/Vignes (eds.), A Handbook on the New Law of the Sea, 1991, Vol. 1, 579: „Although the moon and the celestial bodies, the orbit of geostationary satellites, the frequency spectrum and the world’s cultural heritage constitute elements of the common heritage of mankind, this concept came to be universally accepted when it was applied to the sea-bed.“ 109 Vgl. Art. 137 Abs. 1 SRÜ. 110 Vgl. Art. 141 SRÜ. 111 Vgl. Art. 137 Abs. 2 SRÜ. 112 Vgl. Art. Art. 140 SRÜ. 113 Vgl. Art. 145 und 147 SRÜ. 114 Kiss, Conserving the Common Heritage of Mankind, 59 Rev. Jur. U. P. R. (1990), 773 (776): „[…] the concept of the common heritage of mankind is mainly a concept of conservation and of transmission of a heritage to the future generations.“ 115 Wolfrum, The Principle of the Common Heritage of Mankind, 43 Heidelberg J. of Int’l L. 5 (1983), 312 (316). 116 Ibid., 317: „To avoid any misunderstanding it should be emphasized that the establishment of an international organization empowered with a resource-oriented jurisdiction is no peremptory consequence derived from the common heritage principle.“
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ralische Ressourcen an Unternehmen vergeben worden sind, die dementsprechend noch keine Bewirtschaftungsaktivitäten auf dem Meeresboden entfaltet haben, bleibt die Praxistauglichkeit dieses Systems abzuwarten.117 Ohnehin wäre das Zugangsund Verteilungssystem des SRÜ, die mineralischen Ressourcen unter dem CHMPrinzip betreffend, nicht ohne Änderungen auf die Bewirtschaftung genetischer Ressourcen anwendbar.118 Denn die genetischen Ressourcen stellen nicht schon per se einen volkswirtschaftlichen Wert dar, sondern werden erst nach einem langen und kostenintensiven Prozess kommerzialisierbar sein, falls das enthaltene Erbgut sich dazu eignet. Das CHM-Prinzip kann daher zunächst auf einer ersten Stufe sicherstellen, dass die Bewirtschaftung (i. e. Zugang und Nutzung) der genetischen Ressourcen zum Wohle aller Staaten erfolgen muss. Dies wäre der Fall, wenn sämtliche, also lebende wie nicht lebende Ressourcen vom Gebietsregime des SRÜ erfasst und damit dem CHM-Prinzip unterworfen wären. c) Meinungsstand zur Auslegung des völkervertraglichen CHM-Prinzips In der Völkerrechtslehre besteht Uneinigkeit hinsichtlich der Anwendbarkeit des Gebietsregimes aus Teil XI des Seerechtsübereinkommens und des darin enthaltenen CHM-Prinzips auf genetische Ressourcen. Neben dem Wortlaut, der teilweise als nicht eindeutig angesehen wird, kommen daher die durch die Wiener Konvention über das Recht der Verträge (WVK) zur Verfügung gestellten Auslegungsregeln zur Anwendung. aa) Argumentation für eine Anwendbarkeit von Teil XI des SRÜ Teilweise wird eine Anwendbarkeit des Gebietsregimes und damit auch des CHM-Prinzips auf die lebenden Ressourcen bejaht oder jedenfalls nicht verneint.119 Oude Elferink beispielsweise vertritt die Ansicht, dass der Grundsatz vom gemeinsamen Erbe der Menschheit nach Art. 136 SRÜ auf das gesamte Gebiet per se 117 Skeptisch äußert sich Tuerk, Reflections on the Contemporary Law of the Sea, 2012, 46 f: „International legal rules were elaborated which were too far ahead of economic developments. Theory thus overtook facts on the basis of overoptimistic assumptions and predictions, while voices sounding a note of caution were ignored.“ 118 s. näher hierzu Kapitel 5. 119 Oude Elferink, The Regime of the Area: Delineating the Scope of Application of the Common Heritage Principle and Freedom of the High Seas, 22 Int’l J. Marine & Coastal L. (2007), 143 (174): „Another controversial issue is whether the living resources of the Area are the common heritage of mankind. An analysis of the relevant provisions of Part XI points to an affirmative conclusion.“; Drankier et al., Marine Genetic Resources in Areas beyond National Jurisdiction: Access and Benefit-Sharing, 27 Int’l J. Marine & Coastal L. (2012), 375 (403): „Furthermore, Article 133 as it is worded does not exclude living resources or other non-mineral resources from the scope of application of Part XI.“
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Anwendung finde.120 Dessen Ansicht zufolge stünden „das Gebiet“ und „seine Ressourcen“ dem Wortlaut nach gleichberechtigt nebeneinander, wodurch der Grundsatz sowohl einerseits auf das Gebiet als solches, als auch andererseits auf die dort belegenen Ressourcen, welche in Art. 133 SRÜ als ausschließlich mineralischer Natur definiert werden, Anwendung findet. Das „Gebiet“ hingegen ist ein umfassender Begriff, der für den Bereich des Meeresbodens jenseits des (äußeren) Festlandsockels sämtliche Ressourcen erfasst, auch zukünftigen Entdeckungen offen steht und damit einer solchen Argumentationsweise zugänglich ist. Nur, weil mineralische Ressourcen im Rahmen des Artikels 133 SRÜ explizit genannt würden, hieße dies im Umkehrschluss jedoch nicht, dass nicht-mineralische, also lebende Ressourcen, ausgeschlossen seien. Vielmehr biete das Gebietsregime keine erschöpfende Ressourcendefinition, sondern sage nur aus, dass der Ressourcenbegriff „im Sinne dieses Teiles“, also in Teil XI des SRÜ, lediglich mineralische Ressourcen erfasst.121 Da das CHM-Prinzip nach dieser Ansicht daneben auch auf das Gebiet als solches Anwendung findet und dieses in Art. 1 SRÜ für das gesamte Seerechtsübereinkommen als „Meeresboden und […] Meeresuntergrund jenseits der Grenzen des Bereichs nationaler Hoheitsbefugnisse“ definiert wird, würden so auch die genetischen Ressourcen an Hydrothermalquellen und in anderen Ökosystemen der Tiefsee erfasst. Der Wortlaut schließe lebende oder andere nicht-mineralische Ressourcen jedenfalls nicht vom Anwendungsbereich des Teils XI aus.122 Dass der raumbezogene Gebietsbegriff nicht lediglich mineralischen, sondern auch lebenden Ressourcen offen steht, bestätige Art. 145 lit. b) SRÜ, wonach „die natürlichen Ressourcen des Gebiets“ zu schützen und zu erhalten sind.123 Diese relativ unspezifische Bezeichnung der Ressourcen im Gebiet ließe sich ebenfalls für einen ganzheitlichen, sowohl mineralische als auch lebende Ressourcen umfassenden, Ansatz anführen. Darüber hinaus weisen die vorbereitenden Arbeiten des 1. Komitees, die gemäß Art. 32 WVK als ergänzendes Auslegungsmittel heranzuziehen sind, wenn die Auslegung nach Art. 31 WVK mehrdeutig bleibt, Bezüge sowohl zu lebenden als auch mineralischen Ressourcen auf, wobei daraus keinesfalls hervorgehe, dass sich die Staatenvertreter auf den Ausschluss lebender Ressourcen vom Anwendungsbereich des Teil XI geeinigt hätten.124 Diese Behauptung ist nicht ganz 120 Oude Elferink, The Regime of the Area: Delineating the Scope of Application of the Common Heritage Principle and Freedom of the High Seas, 22 Int’l J. Marine & Coastal L. (2007), 143 (150): „Article 136 makes the common heritage principle not only applicable to the mineral resources of the Area, but also to the Area as such.“ 121 Drankier et al., Marine Genetic Resources in Areas beyond National Jurisdiction: Access and Benefit-Sharing, 27 Int’l J. Marine & Coastal L., 2012, 375 (402): „However, Article 133 does not provide an exhaustive definition of the term ,resources‘ for the purposes of Part XI, but stipulates that one specific category of resources, that is, mineral resources present in the Area, for the purposes of Part XI will be referred to as ,resources‘.“ 122 Ibid., 403: „Furthermore, Article 133 as it is worded does not exclude living resources or other non-mineral resources from the scope of application of Part XI.“ 123 Ibid., 402. 124 Ibid., 403.
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unberechtigt, zumal die Vertreter der Staaten im Rahmen der Verhandlungen jedenfalls teilweise beabsichtigten, ein Regime für sämtliche im Gebiet belegenen Ressourcen zu schaffen.125 Diese können zwar dem sie ausbeutenden Land zu Fortschritt und Wohlstand verhelfen, was auch durchweg beabsichtigt wurde. Gleichzeitig entstünde durch einen neuartigen Kolonialismus aber eine uneinholbare Diskrepanz zu den Entwicklungsländern. Der Grundsatz vom Gemeinsamen Erbe der Menschheit bilde die Basis für dieses neue Meeresbodenregime.126 Ein solches Regime sei daher nur dann sinnvoll, wenn sämtliche kommerziell nutzbaren Ressourcen des Meeresbodens erfasst würden.127 Diesem Wunsch entspricht auf den ersten Blick auch die Präambel des Seerechtsübereinkommens. Eine Präambel ist – soweit vorhanden – gemäß Art. 31 Abs. 2 WVK zur Auslegung eines Vertrages heranzuziehen, um dessen Bestimmungen, entsprechend der ihnen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung, auslegen zu können. Vor allem aber kann diese Vertragsziel und -zweck offenlegen, denen gegenüber sich die Vertragsparteien mit dem Vertragsschluss verpflichten wollten. Die Vertragsstaaten des Seerechtsübereinkommens sind nach dem Wortlaut des ersten Absatzes der Präambel „von dem Bestreben geleitet, alle das Seerecht betreffenden Fragen […] zu regeln“ und damit einen „wichtigen Beitrag[s] zur Erhaltung von Frieden, Gerechtigkeit und Fortschritt für alle Völker der Welt“ zu leisten. Der Ansatz einer ganzheitlichen Regelung findet sich ebenfalls in Absatz 3 der Präambel, „in dem Bewusstsein, dass die Probleme des Meeresraums eng miteinander verbunden sind und als Ganzes betrachtet werden müssen“. Warum also sollte das Seerechtsübereinkommen dann in Teil XI – entgegen der mutmaßlichen Aussage der Präambel – eine beschränkte Anwendbarkeit auf nicht lebende, mineralische Ressourcen des Meeresbodens bezwecken, wo doch eine umfassende Regelung sämtlicher seerechtlichen Fragen gewollt war? Die Antwort ist so simpel wie überzeugend: Die Frage stellte sich nicht. Damit ist auch keine Beantwortung beabsichtigt oder erforderlich gewesen. Das SRÜ wollte alle das Seerecht bis dato betreffenden Fragen regeln. Zwar wurde die Annahme, dass kein Leben auf dem Meeresboden möglich sei, schon während der Verhandlungsphase von UNCLOS III widerlegt. Das wirtschaftliche Potential genetischer Ressourcen ist jedoch erst viel später bekannt geworden, sodass es sich bei der Frage nach der Bewirtschaftung genetischer Ressourcen des Meeresbodens nicht um eine
125 Third United Nations Conference on the Law of the Sea, 7th Meeting, Volume II, First Committee, 2nd Session, 1974, UN Doc. A/CONF.62/C.1/SR.7, Nr. 5, 12, 54. 126 Third United Nations Conference on the Law of the Sea, 2nd Meeting, Volume II, First Committee, 2nd Session, 1974, UN Doc. A/CONF.62/C.1/SR.2, Nr. 46: „The concept of a ,common heritage‘ would serve as the corner-stone of the international regime and machinery.“ 127 Vgl. ibid., Nr. 2: „He hoped that the provisions stating that the sea-bed would be used for the benefit of mankind as a whole, with special consideration for the needs of the developing countries, would help to overcome to a certain extent the economic, scientific and technological differences between countries, which was one of the most regrettable legacies of colonialism.“
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damals aktuelle Frage handelte, die das SRÜ mithin auch nicht zu beantworten suchte. Das sog. „Durchführungsübereinkommen“ (DÜ) modifiziert die auf den Tiefseebergbau anwendbaren Vorschriften des Teils XI des SRÜ im Sinne vieler westlicher Industrienationen, die ein solches Übereinkommen zur Bedingung gemacht hatten, um das SRÜ schließlich zu ratifizieren bzw. ihm beizutreten. In zeitlichhistorischer Hinsicht ist vor allem bedeutsam, dass das DÜ geschlossen wurde, nachdem einerseits die Existenz und andererseits das Potential genetischer Ressourcen des Meeresbodens bekannt war. Dennoch – so wird teilweise argumentiert – habe man keinen Bedarf gesehen, Art. 133 SRÜ hinsichtlich lebender Ressourcen im Gebiet zu erweitern.128 Argumentativ soll damit belegt werden, dass man wohl davon ausging, die lebenden Ressourcen im Gebiet bereits mit Art. 136 SRÜ erfasst zu haben, wonach dort der Grundsatz vom gemeinsamen Erbe der Menschheit gilt. Eine „Nachverhandlung“ wäre demnach nicht notwendig gewesen. Außerdem bestätigen die Vertragsparteien in der Präambel des Durchführungsübereinkommens nochmal, dass sowohl das Gebiet, als auch die Ressourcen des Gebiets als gemeinsames Erbe der Menschheit anzusehen seien, ohne dabei Einschränkungen hinsichtlich der Beschaffenheit der Ressourcen vorzunehmen.129 Wahrscheinlicher ist wohl eher, dass eine erneute Eröffnung der Verhandlungen zu diesem Thema kein konsensfähiges Ergebnis gebracht hätte. Denn das Gebietsund Tiefseebergbauregime des SRÜ konnte ohnehin nur in langen Verhandlungen von 1973 bis 1982 und durch sog. „package deals“ als Kompromiss ausgehandelt werden. Darüber hinaus ist in den Verhandlungen zum DÜ stets von den „deep seabed mining provisions“ die Rede. Da der Bergbau eindeutig und ausschließlich auf die Manganknollen des Meeresbodens, mithin nur die mineralischen Ressourcen, bezogen ist und darüber hinaus auch dem im DÜ verwendeten Ressourcenbegriff jener des Teils XI des SRÜ zugrunde liegt, ist davon auszugehen, dass die an der Verhandlung beteiligten Staatenvertreter eben nicht (stillschweigend) von der Einbeziehung lebender Ressourcen ausgingen.130 Fraglich ist nach alledem, ob der Ressourcenbegriff und die daraus folgende Anwendbarkeit des Grundsatzes vom gemeinsamen Erbe der Menschheit, einer sog. 128 Oude Elferink, The Regime of the Area: Delineating the Scope of Application of the Common Heritage Principle and Freedom of the High Seas, 22 Int’l J. Marine & Coastal L. (2007), 143 (153): „By contrast, when the 1994 Agreement was negotiated, the value of genetic resources of organisms of the deep seabed had been recognized. It has been observed that it is particularly interesting that during the negotiations of the 1994 Agreement, no one proposed to broaden the definition of resources in Article 133 to include living resources.“ 129 Vgl. Präambel des DÜ: „Reaffirming that the seabed and ocean floor and subsoil thereof, beyond the limits of national jurisdiction (hereinafter referred to as ,the Area‘), as well as the resources of the Area, are the common heritage of mankind, […].“ 130 Vgl. Report of the Secretary-General, Consultations of the Secretary-General on outstanding issues relating to the deep seabed mining provisions of the United Nations Convention on the Law of the Sea, 09. 06. 1994, 48th Session, UN Doc. A/48/950.
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„dynamischen Vertragsauslegung“ zugänglich sind. Soweit man dies bejahte, würde dadurch die Anwendbarkeit bestimmter Tatbestandsmerkmale auch auf zukünftige, bei Vertragsabschluss nicht gekannte Sachverhalte möglich gemacht. Die Schöpfer eines Vertragswerks können nicht sämtlichen Änderungen der Umwelt und sich daraus entwickelnden, potentiellen Auslegungsvarianten im Vorhinein begegnen.131 Die Vertragsgestaltung kann nur die wissenschaftlichen Erkenntnisse bis dato erfassen und regeln.132 Daher ist der Vertragsgestaltung stets eine gewisse Statik inhärent, welche jedoch durch die dynamische Vertragsauslegung überwunden werden kann, soweit dies vom Willen der Vertragsparteien gedeckt ist.133 Die Verwendung des Ressourcenbegriffs in Teil XI des Seerechtsübereinkommens ist unbestritten geprägt von der Regulierung des Abbaus mineralischer Ressourcen. Gleichwohl verschließt sich der Anwendungsbereich des CHM-Prinzips – zumindest nach teilweise vertretener Meinung134 – nicht der Anwendbarkeit auf andere, beispielsweise lebende und genetische Ressourcen im Gebiet.135 Da es sich demnach um einen „entwicklungsoffenen“ Begriff handelt und der Vertrag auf eine langfristige Ordnung des Meeresbodens zwischen den Parteien abzielt, steht es zu vermuten, dass die Vertragsstaaten auch jeweils aktuelle Entwicklungen des Seerechts erfasst sehen wollten.136 Schließlich konnte man sich nur auf die vorhandenen Informationen stützen und man wusste, dass der Meeresboden nur zu einem äußerst kleinen Teil erforscht war. Mithin muss vor dem Hintergrund der bis heute andauernden überwiegenden Unkenntnis des Meeresbodens eine zukunftsorientierte Offenheit des Vertrages als logische Konsequenz angesehen werden.
131 s. dazu McNair, The Law of Treaties, 1961, 364: „There is no part of the law of treaties which the text-writer approaches with more trepidation than the question of interpretation.“ 132 Wolfrum, Concluding Remarks, IFLOS Symposium on ,Biodiversity and Genetic Resources of the Deep Sea‘, 24 Int’l J. Marine & Coastal L. (2009), 343 (343): „While scientific findings are always dynamic – they develop and they progress – law by its very nature is static.“ 133 IGH, Dispute regarding Navigational and Related Rights (Costa Rica v. Nicaragua), ICJ Reports 2009, 213 (242), Nr. 64.: „[…] there are situations in which the parties’ intent upon conclusion of the treaty was, or may be presumed to have been, to give the terms used – or some of them – a meaning or content capable of evolving, not one fixed once and for all, so as to make allowance for, among other things, developments in international law. In such instances it is indeed in order to respect the parties’ common intention at the time the treaty was concluded, not to depart from it, that account should be taken of the meaning acquired by the terms in question upon each occasion on which the treaty is to be applied.“ 134 Drankier et al., Marine Genetic Resources in Areas beyond National Jurisdiction: Access and Benefit-Sharing, 27 Int’l J. Marine & Coastal L., 2012, 375 (403). 135 Vgl. Art. 136 SRÜ. 136 Vgl. zur dynamischen Auslegung von Verträgen im Allgemeinen Herdegen, Völkerrecht, 14. Aufl., 2015, 134, Rn. 29.
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bb) Argumentation gegen eine Anwendbarkeit von Teil XI des SRÜ Die überwiegende Ansicht in der Völkerrechtslehre lehnt hingegen eine Anwendbarkeit des Gebietsregimes auf lebende – und damit zwangsläufig auch auf genetische – Ressourcen des Meeresbodens ab.137 Der Wortlaut und die Systematik der Artikel sei eindeutig: Nach Art. 136 SRÜ findet das CHM-Prinzip auf das Gebiet und die dort situierten Ressourcen Anwendung. Dabei wird der Ressourcenbegriff für den gesamten Teil XI in Art. 133 lit. a) SRÜ legal definiert, womit ausschließlich die mineralischen Ressourcen, insbesondere die sog. „polymetallischen Knollen“ oder „Manganknollen“ im Gebiet gemeint sind. Der Wortlaut des Artikels 133 SRÜ lässt in der Tat wenig Spielraum für Interpretation und ist darüber hinaus auch ad primam als Auslegungsinstrument heranzuziehen.138 Explizit wird im Vertragstext nur auf die nicht lebenden Ressourcen des Meeresbodens Bezug genommen. Die namentliche Nennung lebender oder gar genetischer Ressourcen unterbleibt in Teil XI des SRÜ gänzlich. Die ausdrückliche Benennung des Einen enthalte nach Allen gleichzeitig den Ausschluss des Anderen.139 Folglich mache die auch beispielhafte Nennung mineralischer Ressourcen („[…] einschließlich polymetallischer Knollen […].“) in Art. 133 lit. a) SRÜ eine Anwendung des Gebietsregimes auf lebende Ressourcen unmöglich. Der Wortlaut lasse überdies mangels der Verwendung des Passus „unter anderem“ eine weitergehende Anwendung nicht zu, wie dies beispielsweise in Art. 87 Abs. 1 und Art. 202 lit. a) SRÜ indiziert wird und der folgenden Aufzählung von Befugnissen bzw. Aufgaben einen nicht abschließenden Charakter verleiht. Selbst wenn man die Nichtnennung lebender Ressourcen nicht gleichzeitig als Ausschlussgrund begreifen möchte und damit eine Mehrdeutigkeit des Wortlauts festzustellen glaubt, so würde man nach Art. 32 lit. a) WVK zunächst die vorbereitenden Arbeiten sowie die Umstände des Vertragsabschlusses als ergänzende Auslegungsmittel heranziehen
137 U. a. Allen, Protecting the Oceanic Gardens of Eden: International Law Issues in DeepSea Vent Resource Conservation and Management, 13 Geo. Int’l Envtl. L. Rev. (2000 – 2001), 563 (630): „A textual approach thus leads to the conclusion that no LMRs fall within the CHM regime established by Part XI.“; Arico/Salpin, Bioprospecting of Genetic Resources in the Deep Seabed: Scientific, Legal and Policy Aspects, 2005, 31: „[…] there is no specific measure addressing exploration for, and exploitation of, biological resources in the Area under Part XI […].“; Lehmann, The Legal Status of Genetic Resources of the Deep Seabed, 11 N. Z. J. Envtl. L. (2007), 33 (52): „Genetic resources in the Area are not regulated.“ 138 Fitzmaurice, in: Evans (ed.), International Law, 4th edn., 2014, 178 („Principle I“); Graf Vitzthum, in: Graf Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 6. Aufl., 2013, 47, Rn. 123; Herdegen, Völkerrecht, 14. Aufl., 2015, 133, Rn. 28. 139 Allen, Protecting the Oceanic Gardens of Eden: International Law Issues in Deep-Sea Vent Resource Conservation and Management, 13 Geo. Int’l Envtl. L. Rev. (2000 – 2001), 563 (630): „Because Article 133 lacks the inter alia ,extender‘ found in Article 87, the familiar expressio unius est exclusio alterius canon of construction supports the conclusion that Article 133 excludes resources other than mineral resources.“
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müssen, „um die sich unter Anwendung des Artikels 31 ergebende Bedeutung zu bestätigen oder die Bedeutung zu bestimmen“.140 Die Vorbereitungen und die Ausformulierung eines Regelungsgefüges für den Meeresboden und dessen Untergrund jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt wurden im Rahmen von UNCLOS III durch das 1. Komitee vorgenommen, dem – wie auch den anderen Komitees – die Vertreter sämtlicher Verhandlungsstaaten angehörten.141 In der Tat waren die Entwicklungsländer, insbesondere solche, die sich im Rahmen von UNCTAD zur G77 zusammengeschlossen hatten, darum bemüht, die als bindend betrachtete Prinzipienerklärung aus dem Jahre 1970 als Grundlage für ein neues Gebietsregime heranzuziehen. Ein solches Regime sollte nach ihrer Vorstellung sowohl auf mineralische als auch auf lebende Ressourcen Anwendung finden und somit eine ganzheitliche Regelung der Bewirtschaftung des Meeresbodens sicherstellen.142 Da man etwa die Hohe See und das Gebiet zwar rechtlich, nicht aber tatsächlich, trennen kann, war der Vertreter Kenias der Ansicht, dass die Fragen des Seerechts insgesamt in einem wechselseitigen Bezug zueinander stünden, sodass auch die Bewirtschaftung der lebenden Ressourcen im Gebiet bedacht werden müsse.143 Ebenso gab der Vertreter Mexikos zu bedenken, dass die Begrenzung eines zukünftigen Regimes auf mineralische, nicht lebende Ressourcen dem Konzept vom gemeinsamen Erbe der Menschheit abträglich sei.144 Ein ganzheitlicher Ansatz wurde auch von der Delegation Pakistans befürwortet. Es dürfe kein Unterschied zwischen lebenden und nicht lebenden Ressourcen gemacht werden, wenn es um deren Bewirtschaftung und die Verteilung der daraus gewon140
Art. 32 lit. a) WVK. Third United Nations Conference on the Law of the Sea, 1st Meeting, Volume II, First Committee, 2nd Session, 1974, A/CONF.62/C.1/SR.1, Nr. 2: „[…] the First Committee would have as its working base the Declaration of Principles Governing the Sea-Bed and the Ocean Floor and the Subsoil Thereof beyond the Limits of National Jurisdiction; it should also take account of the concept that the area and its resources constituted the common heritage of mankind, which transcended the inherent opposition between the doctrines of res nullius and res communis.“ 142 Third United Nations Conference on the Law of the Sea, 2nd Meeting, Volume II, First Committee, 2nd Session, 1974, UN Doc. A/CONF.62/C.1/SR.2, Nr. 48: „[…] the regime must be applied to the area of the sea-bed and the ocean floor beyond the limits of national jurisdiction, and to the subsoil and resources thereof, whether mineral or living resources, or minerals existing in solution in the water column […].“ 143 Third United Nations Conference on the Law of the Sea, 5th Meeting, Volume II, First Committee, 2nd Session, 1974, UN Doc. A/CONF.62/C.1/SR.5, Nr. 33: „All issues of the law of the sea were therefore interrelated and his delegation felt that the appropriate committees might begin consideration of the question of regulation and rational management of the living resources of the open sea and the preservation and enhancement of the marine environment in that same area.“ 144 Third United Nations Conference on the Law of the Sea, 7th Meeting, Volume II, First Committee, 2nd Session, 1974, UN Doc. A/CONF.62/C.1/SR.7, Nr. 13: „Such a system would undermine the very spirit of the future international regime and would be very detrimental to the content and scope of the concept of a common heritage.“ 141
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nenen Vorteile gehe.145 Gleich zu Beginn der fast zehn Jahre dauernden Verhandlungsrunden von UNCLOS III wurde deutlich, dass es den Entwicklungsländern um eine umfassende Regulierung sämtlicher Aktivitäten im Gebiet ging. Nach deren Vorstellung sollte eine Behörde mit der, einem starken, umfassenden Gebietsregime entsprechenden, Kompetenz und dem passenden Werkzeug zu deren Umsetzung ausgestattet werden.146 Diese Kompetenz sollte auch die notwendigen Regulierungsmaßnahmen lebender Ressourcen im Gebiet mit einschließen.147 Dass schließlich mit dem DÜ, insbesondere auf Betreiben der westlichen Industrienationen, nahezu das entgegengesetzte Szenario eintrat, war von jenen Staaten wohl kaum gewollt.148 Vorhersehbar aber war, dass jene Nationen, welche bereits teilweise Tiefseebergbau betrieben hatten oder jedenfalls die notwendige Technologie dazu besaßen und auf absehbare Zeit zum Einsatz bringen konnten, um ihren Bedarf an mineralischen Rohstoffen zu decken, hinsichtlich des Tiefseebodens so wenig Regulierung wie möglich zulassen wollten. Folglich sprach sich beispielsweise der Vertreter der Sowjetunion dafür aus, die Behörde nicht zu einem schwerfälligen Apparat aufzublasen, da dadurch, soweit deren Kompetenzen auch auf die lebenden Ressourcen ausgeweitet werden würden, die Basis für ein konsensfähiges Regime zerstört würde.149 Dies überrascht einerseits kaum, da die UdSSR am vermeintlichen „Vorabend des Tiefseebergbaus“ zu den mit Abstand größten Verbrauchern von Mangan zählte.150 Andererseits markiert diese Aussage einen Wendepunkt der Verhandlungen bezüglich der Betrachtung des Tiefseebodens und der Formulierung eines ressourcenspezifischen Gebietsregimes: Weitere Staatenvertreter sprachen sich nunmehr vor allem im Sinne einer konsensualen Lösung für eine Beschränkung des Gebietsregimes auf die mineralischen Ressourcen und den Tiefseebergbau aus.151 In den 145
Third United Nations Conference on the Law of the Sea, 7th Meeting, Volume II, First Committee, 2nd Session, 1974, UN Doc. A/CONF.62/C.1/SR.7, Nr. 54: „It favoured the treatment of the ocean space beyond national jurisdiction as a single entity, in which no distinction was made between living and non-living resources with regard to the regulation of their exploitation and conservation and to the distribution of benefits derived from them.“ 146 Diese Aufgabe nimmt heute die ISA wahr. 147 Third United Nations Conference on the Law of the Sea, 8th Meeting, Volume II, First Committee, 2nd Session, 1974, UN Doc. A/CONF.62/C.1/SR.8, Nr. 20: „All States parties to the future convention should be members of the Authority, which must have full control over the exploitation of the resources of the sea-bed in the area and the competence to adopt the necessary regulations for the conservation of its living resources.“ 148 s. u. Kapitel 3. 149 Third United Nations Conference on the Law of the Sea, 8th Meeting, Volume II, First Committee, 2nd Session, 1974, UN Doc. A/CONF.62/C.1/SR.8, Nr. 30: „Attempts to invest the international organization with functions relating to ocean space and its living resources would destroy the very basis for a generally acceptable regime for the sea-bed.“ 150 Foders/Kim, Perspektiven des Manganmarktes am Vorabend des Tiefseebergbaus: Eine Analyse alternativer Szenarien, 1 Die Weltwirtschaft (1982), 75 (77 f.). 151 Third United Nations Conference on the Law of the Sea, 8th Meeting, Volume II, First Committee, 2nd Session, 1974, UN Doc. A/CONF.62/C.1/SR.8, Nr. 44, 47, 57.
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folgenden 48 Sitzungen des 1. Komitees (von insgesamt 56 Sitzungen) finden „lebende Ressourcen“ keine Erwähnung mehr. Stattdessen wird in den Verhandlungen meist allgemein von „Ressourcen des Meeresbodens“ gesprochen. Eine Konkretisierung erfolgt ausschließlich in Richtung mineralischer oder metallischer Ressourcen. Insoweit also von einer auch nur annährend gleichberechtigten Diskussion zur Einbeziehung lebender Ressourcen einerseits und mineralischer Ressourcen andererseits zu sprechen, spiegelt den Verhandlungsgang nicht nur ungenügend, sondern vielmehr unzutreffend wieder. Die Betrachtung der vorbereitenden Arbeiten des 1. Komitees zeigt deutlich, dass man von einem ganzheitlichen Ansatz unter Einbeziehung der lebenden Ressourcen im Gebiet mangels einer konsensfähigen Mehrheit abgerückt ist. Dies stützt die aus der Interpretation des Wortlauts ad primam gewonnene Ansicht, wonach das Gebietsregime des Seerechtsübereinkommens ausschließlich auf mineralische Ressourcen gleich welchen Aggregatzustandes, nicht aber auf lebende Ressourcen, Anwendung findet. Es muss davon ausgegangen werden, dass das SRÜ nur unter Ausschluss lebender Ressourcen aus dem Gebietsregime überhaupt konsensfähig war. Schließlich können nach Art. 32 WVK ergänzend außerdem die „Umstände des Vertragsabschlusses“ herangezogen werden, wenn man von einer Mehrdeutigkeit i.S.v. Art. 32 lit. a) WVK ausgehen will. Die ersten metallischen Vorkommen jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt wurden, wie erwähnt, durch die Challenger-Expedition im Jahre 1873 entdeckt. Als man etwa ein Jahrhundert später erkannte, dass das Kriterium der „Ausbeutbarkeit“ des Festlandsockels nach dem Genfer Festlandsockelübereinkommen von 1958 aufgrund der fortschreitenden technologischen Entwicklung und der prognostizierten baldigen, ökonomisch vertretbaren Bewirtschaftung des Meeresbodens kein taugliches Tatbestandsmerkmal mehr darstellte, um die dortigen Aktivitäten und einhergehenden Gebietsansprüche der Staaten zu begrenzen, musste ein neuartiges Regime gefunden werden.152 Initiiert und katalysiert durch die tatsächliche Kommerzialisierbarkeit der in mehreren tausend Metern Tiefe auf dem Meeresboden situierten Metalle, wurde überhaupt erst darüber nachgedacht, das Gebiet einer gemeinschaftlichen Nutzung und Regulierung zu unterwerfen. Dies geschah – wie oben dargestellt – erstmalig in Bezug auf den Meeresboden durch den Vorstoß Pardos vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen im Jahre 1967.153 Der Ruf nach einem internationalen Regime wurde dann unter anderem zum Anlass genommen, die dritte Seerechtskonferenz am 3. Dezember 1973 einzuberufen. Erst im Jahre 1977 aber wurden erstmalig Hydrothermalquellen und die dort beheimateten genetischen Ressourcen des Meeresbodens 152
Churchill/Lowe, The Law of The Sea, 3rd edn., 1999, 225: „It was foreseeable that eventually the whole ocean floor would be divided up among coastal States; and, as accidents of geography and colonial history would have it, if the equidistance principle were to be used in delimitation in such circumstances a handful of rich developed States would end up with the lion’s share.“ 153 UNGA, 22nd Session, 1967, UN Doc. A/C.1/PV.1516, Nr. 13.
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jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt entdeckt.154 Bis dato war man davon ausgegangen, dass organisches Leben dort unmöglich sei. Es bestand zuvor demnach gar kein Anlass sich Gedanken über die Bewirtschaftung lebender Ressourcen im Gebiet zu machen. Dass dennoch über ein Gebietsregime verhandelt wurde, zeigt die offensichtliche Intention und den alleinigen Fokus auf die mineralischen Ressourcen des Meeresbodens. Zudem trat das wirtschaftliche Potential der genetischen Ressourcen auch zum Ende der Verhandlungen noch nicht annährend deutlich zu Tage. Folglich streiten auch die Umstände des Vertragsabschlusses für die anfangs gefundene Wortlautauslegung. Nur kurz soll an dieser Stelle auf die nach Art. 31 Abs. 3 lit. b) WVK ebenfalls zur Auslegung von Verträgen heranzuziehende „spätere Übung bei der Anwendung des Vertrages“ eingegangen werden, um den vorherigen Argumentationsgang zu unterstützen, ohne dabei der Untersuchung des Völkergewohnheitsrechts in Kapitel 4 vorzugreifen. Fest steht, dass es bereits einige Unternehmungen seitens der Vertragsstaaten selbst oder durch von dort aus operierende private Unternehmen gegeben hat, um genetisches Material zu Forschungszwecken abzubauen.155 Eine kommerzielle Verwendung war regelmäßig die Folge. Die Staatenpraxis zeige demnach, dass lebende Ressourcen nicht erfasst werden, da die nach dem Flaggenstaatsprinzip zuständigen Staaten die Aktivitäten ihrer Schiffe hinsichtlich des Abbaus genetischer Ressourcen bislang weder beschränkt noch reguliert haben und umgekehrt auch nicht gegen solche Aktivitäten eines anderen Staates protestiert wurde.156 Andere Autoren wollen in der bloß gelegentlich durchgeführten Bewirtschaftung genetischer Ressourcen im Gebiet mangels aussagekräftigen Umfangs keine nachfolgende Staatenpraxis bei der Anwendung des Vertrages erkennen.157 Einerseits ist ein Vertrag nach objektiven Kriterien, also unter maßgeblicher Bezugnahme auf seinen Wortlaut und dessen „gewöhnliche“ Bedeutung, auszulegen.158 Dies findet Ausdruck in Art. 31 Abs. 1 WVK und ist auch völkergewohnheitsrechtlich anerkannt.159 Die Berücksichtigung späterer Übungen nach Art. 31 Abs. 3 lit. b) WVK enthält jedoch andererseits eine subjektive Komponente, die dem aktuellen Parteiwillen Rechnung trägt und damit gegebenenfalls eine dynamische
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s. hierzu Kapitel 2, B. Vgl. Bspe. in Kapitel 2. 156 Lehmann, The Legal Status of Genetic Resources of the Deep Seabed, 11 N. Z. J. Envtl. L. (2007), 33 (47). 157 Oude Elferink, The Regime of the Area: Delineating the Scope of Application of the Common Heritage Principle and Freedom of the High Seas, 22 Int’l J. Marine & Coastal L. (2007), 143 (174). 158 Fitzmaurice, in: Evans (ed.), International Law, 4th ed., 2014, 178 („Principle II“); Graf Vitzthum, in: Graf Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 6. Aufl., 2013, 47, Rn. 123; Herdegen, Völkerrecht, 14. Aufl., 2015, 134, Rn. 29. 159 IGH, Oil Platforms (Islamic Republic of Iran v. United States of America), ICJ Reports 1996, 803, Nr. 23. 155
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Vertragsauslegung befördert.160 Grundsätzlich sind daher an die Auslegungsmethoden nach Art. 31 Abs. 3 lit. a) bis c) WVK hohe Anforderungen zu stellen, um eine Umgehung der objektiven Kriterien zu vermeiden. Problematisch erscheint hier, dass die Bewirtschaftung der genetischen Ressourcen des Meeresbodens nicht von allen Vertragsstaaten auch tatsächlich durchgeführt wird. Es bedarf folglich der rechtlichen Qualifizierung des Unterlassens im Rahmen der Anwendung des Vertrages. Das Unterlassen einer Ausbeutung genetischer Ressourcen des Meeresbodens durch die Vertragsstaaten kann einerseits bedeuten, dass eine Rechtsüberzeugung besteht, die genetischen Ressourcen unterlägen der Anwendung von Teil XI des SRÜ und dürften nur zum Wohle der gesamten Menschheit abgebaut werden. Andererseits kann aus dem Unterlassen einzelstaatlicher Ausbeutung geschlossen werden, dass die Vertragsstaaten schlicht nicht in der Lage sind, bis auf den Meeresboden vorzudringen. Letzteres ist ohne Frage für den weit überwiegenden Teil der Staaten anzunehmen. Denn den meisten Staaten, insbesondere jenen, die sich gegen einen Ausschluss lebender Ressourcen vom CHMPrinzip ausgesprochen haben, fehlen bis heute die erforderlichen finanziellen und technischen Möglichkeiten, um eine Erforschung oder gar einen Abbau der Ressourcen des Meeresbodens gleich welcher Art durchzuführen. Der weit überwiegende Anteil der Vertragsstaaten könnte demnach – selbst wenn er wollte – gar nicht zu einer wie auch immer gearteten Staatenpraxis beitragen. Dieses Dilemma wird schließlich bei der möglichen Entstehung von Völkergewohnheitsrecht näher zu betrachten sein.161 Einstweilen kann daher für eine auslegungserhebliche „spätere Übung“ nur festgehalten werden, dass vereinzelt Aktivitäten zum Abbau genetischer Ressourcen stattgefunden haben, die allesamt als Freiheit der Hohen See oder jedenfalls nicht als Bewirtschaftung i.S.d. CHM-Prinzips begriffen wurden. Bei der Gewichtung dieses Umstandes ist zu berücksichtigen, dass nur ein verschwindend geringer Bruchteil aller Vertragsstaaten zu dieser Übung beiträgt. Eine Korrektur der objektiven Auslegung, wonach die genetischen Ressourcen des Meeresbodens nicht vom CHM-Prinzip erfasst werden, ist daher aus zwei Gründen nicht möglich. Erstens reicht die Summe der nachfolgenden Praxis nicht aus und zweitens würde diese Staatenpraxis ohnehin nur das bereits nach Auslegung des Vertragstextes gefundene Ergebnis bestätigen: Die genetischen Ressourcen des Meeresbodens jenseits nationaler Hoheitsgewalt unterfallen nicht dem CHM-Prinzip des SRÜ. d) Zwischenergebnis Es wurden teilweise erhebliche argumentative Anstrengungen unternommen, um eine Begründung für die Anwendbarkeit des Gebietsregimes und insbesondere des darin enthaltenen CHM-Prinzips auch auf lebende und genetische Ressourcen zu 160 Graf Vitzthum, in: Graf Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 6. Aufl., 2013, 47, Rn. 123: „Letztlich zielt [u. a. die spätere Übung] auf den jeweils aktuellen Parteienkonsens.“ 161 s. u. Kapitel 4, C. III. 3.
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finden.162 Auch wenn diese Auslegungsvariante nicht nur in der Völkerrechtslehre, sondern vor allem in der Staatenwelt sehr zahlreich vertreten wird, lassen der eindeutige Wortlaut des Vertragstextes, die spätere Übung sowie hilfsweise die vorbereitenden Arbeiten und die Umstände des Vertragsschlusses ein entgegenstehendes Ergebnis erkennen. Der Teil XI des Seerechtsübereinkommens ist mithin allein auf eine Regulierung der Bewirtschaftung mineralischer Ressourcen im Gebiet ausgelegt, sodass nur diese dem CHM-Prinzip unterworfen sind und nur deren Bewirtschaftung nach dessen – im SRÜ niedergelegten – Elementen zu erfolgen hat. Genetische Ressourcen fallen nicht in den Anwendungsbereich des vertraglichen CHM-Prinzips im SRÜ. 2. Die Internationale Meeresbodenbehörde Das Bedürfnis der Staaten, die auf dem Meeresboden jenseits nationaler Hoheitsgewalt belegenen Ressourcen zu bewirtschaften und die damit verbundene Etablierung eines internationalen Regimes für das Gebiet, erforderten zwangsläufig auch die Errichtung eines Verwaltungsorganes.163 Dieses sollte einerseits als eine Art Regulierungsbehörde für den Meeresboden die Einhaltung entsprechender Vorschriften überwachen. Andererseits wird durch die obligatorische Mitgliedschaft aller Staaten, eine Beteiligung der gesamten Staatengemeinschaft sowie eine gerechte Verteilung der Erträge aus dem Abbau der marinen Ressourcen sichergestellt: Alle Vertragsstaaten sind ipso facto Mitglieder der durch das Seerechtsübereinkommen geschaffenen Behörde.164 Erst im Rahmen der zweiten Verhandlungsrunde wurde vom Vertreter Australiens erstmalig die Errichtung einer „International SeaBed Authority“ angeregt.165 Die gemeinschaftliche Verwaltung des Gebiets als Staatengemeinschaftsraum ist jedoch Ausfluss Pardos Gedankens vom gemeinsamen Erbe der Menschheit, wonach die Menschheit als Ganzes Treuhänder des Meeresbodens, seines Untergrunds und der dortigen Ressourcen sein soll. Diese Art der Verwaltung und die gerechte Verteilung der daraus gewonnenen Erträge durch die ISA sind wegen ihres teuren Bürokratieapparates oftmals kritisiert worden, letztlich jedoch der einzig konsensfähige Distributionsmechanismus gewesen. Das detaillierte System des SRÜ bildet einen signifikanten Unterschied zu den anderen teilweise völkervertraglich regulierten Staatengemeinschaftsräumen, wie etwa der Antarktis oder dem Weltraum mit seinen Himmelskörpern, welche zwar die Elemente des CHM-Prinzips kodifizieren und infolgedessen etwa eine Aneignung 162 Vgl. nur Oude Elferink, The Regime of the Area: Delineating the Scope of Application of the Common Heritage Principle and Freedom of the High Seas, 22 Int’l J. Marine & Coastal L. (2007), 143 (174). 163 Rothwell/Stephens, The International Law of the Sea, 2010, 136. 164 Vgl. Art. 146 Abs. 2 SRÜ: „Alle Vertragsstaaten sind ipso facto Mitglieder der Behörde.“ 165 Third United Nations Conference on the Law of the Sea, 2nd Meeting, Volume II, First Committee, 2nd Session, 1974, UN Doc. A/CONF.62/C.1/SR.2, Nr. 15.
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verbieten sowie eine Nutzung nur zu friedlichen Zwecken zulassen, aber keine Verwaltungsbehörde für die dort situierten Ressourcen geschaffen haben. Diese Aufgabe wird in Bezug auf das Gebiet nunmehr von der durch das Seerechtsübereinkommen eingerichteten ISA übernommen, die im Rahmen des Übereinkommens schlicht als „Behörde“ adressiert wird. Deren Aufgaben und Befugnisse sind in Teil XI des Seerechtsübereinkommens sowie im Durchführungsübereinkommen von 1994 enthalten. Es wäre allerdings verfehlt anzunehmen, dass das Gebiet von der Behörde beherrscht wird.166 Vielmehr findet eine Verwaltung in Bezug auf konkrete Aufgaben und Befugnisse statt, welche etwa den Abbau der Ressourcen des Gebiets sowie vor- und nachgelagerte Aufgaben, wie etwa die Erteilung von Lizenzen und die Verteilung des durch den Abbau erzielten Ertrages unter den Vertragsstaaten, einschließt. Darüber hinaus nimmt die Behörde die auf den Abbau dieser Ressourcen bezogenen notwendigen Befugnisse im Bereich der wissenschaftlichen Meeresforschung, Art. 143 SRÜ, und zum Schutz der Meeresumwelt, Art. 145 SRÜ, wahr.167 Das CHM-Prinzip des SRÜ ist auf genetische Ressourcen zwar nicht anwendbar. Ungeachtet dessen könnten der ISA allerdings innerhalb ihres Kompetenzbereichs Aufgaben und Befugnisse hinsichtlich des Gebiets zustehen, die auch genetische Ressourcen erfassen. Es ist durchaus denkbar und nicht prima facie ausgeschlossen, dass der Behörde abseits des CHM-Prinzips auch ein Regulierungsmechanismus für die lebenden Ressourcen im Gebiet zugedacht ist. Die einzelnen Kompetenzen der ISA finden sich in Teil XI des SRÜ, insbesondere in dessen Abschnitt 4, der den Titel „Die Behörde“ trägt. In Art. 157 Abs. 1 und 2 SRÜ sind der Charakter sowie (Haupt-)Aufgaben und Befugnisse der Behörde niedergelegt. Danach organisiert und überwacht die Behörde die in Teil XI beschriebenen „Tätigkeiten im Gebiet“.168 Des Weiteren hat die Behörde sog. „Nebenbefugnisse“, die wiederum an die „Tätigkeiten im Gebiet“ geknüpft sind.169 Diese Haupt- und Nebenbefugnisse sind in Abschnitt 2 enthalten, der die für das Gebiet geltenden Grundsätze aufstellt. Hauptaufgabe der Behörde ist nicht nur die Verwaltung der Ressourcen im Gebiet, sondern auch die Regulierung dortiger Aktivitäten: Art. 137 Abs. 2 SRÜ macht die Behörde zum Treuhänder für die Menschheit bezüglich der „Ressourcen des Gebiets“ und Art. 140 Abs. 2 SRÜ beauftragt die Behörde mit der diskriminierungsfreien Verteilung derjenigen Vorteile, „die aus 166
Churchill/Lowe, The Law of The Sea, 3rd edn., 1999, 239 f. De la Fayette, A New Regime for the Conservation and Sustainable Use of Marine Biodiversity and Genetic Resources Beyond the Limits of National Jurisdiction, 24 Int’l J. of Marine & Coastal L. (2009), 221 (236). 168 Vgl. Art. 157 Abs. 1 SRÜ: „Die Behörde ist die Organisation, durch welche die Vertragsstaaten in Übereinstimmung mit diesem Teil die Tätigkeiten im Gebiet organisieren und überwachen, insbesondere im Hinblick auf die Verwaltung der Ressourcen im Gebiet.“ 169 Vgl. Art. 157 Abs. 2: „[…] Sie hat die mit dem Übereinkommen im Einklang stehenden Nebenbefugnisse, die mit der Wahrnehmung dieser Befugnisse und Aufgaben in Bezug auf Tätigkeiten im Gebiet zusammenhängen und dafür erforderlich sind.“ 167
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Tätigkeiten im Gebiet stammen“. Die Nebenbefugnisse der Behörde erstrecken sich einerseits auf die wissenschaftliche Meeresforschung170 sowie andererseits auf den Schutz der Meeresumwelt171 im Gebiet, soweit diese „das Gebiet und seine Ressourcen“ bzw. „Tätigkeiten im Gebiet“ betreffen. Alle vorgenannten Vorschriften, welche die Befugnisse der Behörde im Gebiet betreffen, rekurrieren entweder auf die „Ressourcen des Gebiets“ oder auf „Tätigkeiten im Gebiet“. Bezüglich des in Teil XI verwendeten Ressourcenbegriffs, der in Art. 133 lit. a) SRÜ definiert wird, ist bereits herausgearbeitet worden, dass sich dieser ausschließlich auf mineralische Ressourcen erstreckt.172 Daraus folgt, dass diejenigen Aufgaben und Befugnisse der Behörde, die akzessorisch zu den Ressourcen im Gebiet bestehen, nur auf mineralische Ressourcen anwendbar sind und genetische Ressourcen mithin unberührt lassen. Hierüber besteht in der Völkerrechtslehre weitgehend Einigkeit.173 Es verbleibt die Frage, ob der im Rahmen der Befugnisse der Behörde verwendete Tätigkeitsbegriff einen allgemeineren Anwendungsbereich hat als der Ressourcenbegriff. Die „Tätigkeiten im Gebiet“ könnten entsprechend einer am Wortlaut orientierten Auslegung sowohl den Tiefseebergbau als auch die Bewirtschaftung genetischer Ressourcen erfassen. Einer solchen Auslegungsvariante steht allerdings die Legaldefinition der „Tätigkeiten im Gebiet“ in Art. 1 Abs. 1 Nr. 3 SRÜ entgegen, wonach darunter „alle Tätigkeiten zur Erforschung und Ausbeutung der Ressourcen des Gebiets“ zu verstehen sind. Da sämtliche ressourcenbezogenen Vorschriften in Teil XI des SRÜ auf mineralische Ressourcen beschränkt sind, müssen die sich darauf unmissverständlich beziehenden Tätigkeiten analog dazu ebenfalls nur auf mineralische Ressourcen beschränkt sein. Alle Aufgaben und Befugnisse der ISA, welche die „Tätigkeiten im Gebiet“ betreffen, sind folglich gemäß Art. 1 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Art. 133 lit. a) SRÜ auf die 170 Vgl. Art. 143 Abs. 2 S. 1 SRÜ: „Die Behörde kann wissenschaftliche Meeresforschung in Bezug auf das Gebiet und seine Ressourcen durchführen […].“ 171 Vgl. Art. 145 SRÜ: „Hinsichtlich der Tätigkeiten im Gebiet werden in Übereinstimmung mit diesem Übereinkommen die notwendigen Maßnahmen ergriffen, um die Meeresumwelt vor schädlichen Auswirkungen, die sich aus den Tätigkeiten ergeben können, wirksam zu schützen. Zu diesem Zweck beschließt die Behörde geeignete Regeln, Vorschriften und Verfahren, um unter anderem […] b) die natürlichen Ressourcen des Gebiets zu schützen und zu erhalten […].“ 172 s. o. Kapitel 3, B. II. 1. c) bb). 173 Armas Pfirter, The Management of Seabed Living Resources in „The Area“ under UNCLOS, 11 REEI (2006), 1 (27); Churchill/Lowe, The Law of The Sea, 3rd edn., 1999, 240; De la Fayette, A New Regime for the Conservation and Sustainable Use of Marine Biodiversity and Genetic Resources Beyond the Limits of National Jurisdiction, 24 Int’l J. of Marine & Coastal L. (2009), 221 (236); Hayes, Charismatic Microfauna: Marine Genetic Resources and the Law of the Sea, in: Nordquist et al. (eds.), Law Science & Ocean Management, 2007, 683 (688). Rothwell/Stephens, The International Law of the Sea, 2010, 136; Scovazzi, Some Considerations on Future Directions for the International Seabed Authority, in: ISA, Proceedings of the Tenth Anniversary Commemoration of the Establishment of the International Seabed Authority, 2004, 162 (162); Wood, The international Seabed Authority: Fifth to Twelfth Sessions (1999 – 2006), 11 MPYUNL (2007), 47 (58 f.).
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mineralischen Ressourcen im Gebiet beschränkt.174 Dies gilt insbesondere für die Befugnisse der ISA zum Schutz der Meeresumwelt gemäß Art. 145 SRÜ, die nur hinsichtlich der Auswirkungen des Tiefseebodenbergbaus, mithin der Bewirtschaftung mineralischer Ressourcen, ausgeübt werden dürfen.175 Diese Interpretation deckt sich auch mit der Aussage der vorbereitenden Arbeiten des Vertrages, die den Verhandlungsprotokollen zu entnehmen sind: Zu Beginn der dritten Seerechtskonferenz stand die Frage im Raum, ob die neu zu schaffende Behörde hinsichtlich des Gebiets und seiner Ressourcen einen umfassenden Auftrag erhält oder ob die Einräumung von Befugnissen hinsichtlich mineralischer Ressourcen ausreichend sei. Jene Staaten, die sich zuvor schon für eine ganzheitliche Anwendbarkeit des CHM-Prinzips ausgesprochen hatten, betrachteten den Ausschluss lebender Ressourcen als „unangebracht“ und „schädlich“ für die Befugnisse der Behörde.176 Die Vertreterin Vietnams forderte die Kontrolle der Behörde über die Bewirtschaftung und den Schutz der lebenden Ressourcen im Gebiet.177 Dennoch konnte sich das Verlangen der Entwicklungsländer nach einem einheitlichen Regime und damit einer sowohl auf mineralische wie auch auf lebende Ressourcen bezogene Befugnis der Behörde nicht durchsetzen. Replizierend auf deren Ansinnen sprachen sich etwa die Vertreter der UdSSR vor allem im Sinne einer konsensualen Lösung für eine Beschränkung der Befugnisse der Behörde auf die mineralischen Ressourcen und den Tiefseebergbau aus.178
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Leary, International Law and the Genetic Resources of the Deep Sea, in: Vidas (ed.), Law, Technology and Science for Oceans in Globalisation, 2010, 353 (362): „As such the International Seabed Authority has a mandate only to regulate exploitation of the mineral resources of the Area.“; Noyes, The Common Heritage of Mankind: Past, Present, and Future, 40 Denv. J. Int’l L. & Pol’y (2011 – 2012), 447 (469). 175 Rothwell/Stephens, The International Law of the Sea, 2010, 136: „Article 145 of the LOSC indicates that the ISBA is to adopt rules, regulations and procedures for effectively protecting the marine environment from damage from prospecting, exploring, and mining resources on the deep seabed. But these are to be directed to mitigating the environmental impact of mineral resource activities, not any and all activities on the deep seabed, that would include practices such as bioprospecting and pure MSR.“ 176 Third United Nations Conference on the Law of the Sea, 7th Meeting, Volume II, First Committee, 2nd Session, 1974, UN Doc. A/CONF.62/C.1/SR.7, Nr. 12, 13, 54. 177 Third United Nations Conference on the Law of the Sea, 8th Meeting, Volume II, First Committee, 2nd Session, 1974, UN Doc. A/CONF.62/C.1/SR.8, Nr. 20: „All States parties to the future convention should be members of the Authority, which must have full control over the exploitation of the resources of the sea-bed in the area and the competence to adopt the necessary regulations for the conservation of its living resources.“ 178 Third United Nations Conference on the Law of the Sea, 8th Meeting, Volume II, First Committee, 2nd Session, 1974, UN Doc. A/CONF.62/C.1/SR.8, Nr. 44, 47, 57.
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III. Das Regime über die Hohe See in Teil VII des SRÜ Nachdem zuvor bereits das Gebietsregime des SRÜ für nicht anwendbar erachtet wurde, stellt sich im Folgenden die Frage, ob das Regime der Hohen See aus Teil VII des SRÜ Regelungen hinsichtlich genetischer Ressourcen des Meeresbodens trifft und damit gleichsam die Lücke füllt, welche Teil XI des SRÜ bezüglich der lebenden Ressourcen insgesamt hinterlassen hat. 1. Einführung: Gegenstand und Reichweite Die in Teil VII des SRÜ niedergelegten sechs Freiheiten der Hohen See umfassen nach Art. 87 Abs. 1 SRÜ die Freiheit der Schifffahrt, des Überflugs, des Verlegens unterseeischer Kabel und Rohrleitungen, der Errichtung künstlicher Inseln und anderer nach dem Völkerrecht zulässiger Anlagen sowie die Freiheit der Fischerei und der wissenschaftlichen Forschung, wobei die letztgenannten vier Freiheiten weiteren Vorschriften des SRÜ unterliegen. Zwar umfasst das SRÜ damit namentlich zwei Hohe See-Freiheiten mehr, als noch durch die Genfer Konvention über die Hohe See von 1958 anerkannt waren. Allerdings sind die Freiheiten auch hier nicht abschließend aufgezählt, wie die Einleitung des Artikels mit den Worten „unter anderem“ bzw. „inter alia“ zeigt. Zentraler Gedanke der Freiheiten der Hohen See ist es, die Ausübung von Hoheitsgewalt über alle Teile der Hohen See auszuschließen und dabei gleichzeitig allen Staaten freien Zugang zu denselben zu gewähren. Daraus folgt einerseits, dass kein Staat einen anderen Staat von der Nutzung der Hohen See zu friedlichen Zwecken ausschließen kann und andererseits, dass im Rahmen dieser Nutzung auch kein Staat Hoheitsgewalt über unter fremder Flagge fahrende Schiffe ausüben darf.179 Den Freiheiten ist folglich eine umfassende Nutzungs- und Ausbeutungsbefugnis inhärent. Einzige Einschränkung bildet das Rücksichtnahmegebot aus Art. 87 Abs. 2 SRÜ. Teil VII ist folglich die „Antithese“ zum CHM-Prinzip aus Teil XI.180 Die „Hohe See“ wird im SRÜ selbst nicht definiert. Der räumliche Anwendungsbereich der Vorschriften des Teils VII wird gleichwohl in dessen Art. 86 S. 1 – mittlerweile traditionell – negativ definiert und gilt danach „für alle Teile des Meeres, die nicht zur ausschließlichen Wirtschaftszone, zum Küstenmeer oder zu den inneren Gewässern eines Staates oder zu den Archipelgewässern eines Archipelstaates gehören“. Das Regime der Hohen See erstreckt sich damit – horizontal – auf sämtliche Gewässer, die nicht schon zuvor durch das SRÜ positiv definiert worden sind und denen eine eigene Rechtsordnung gegeben wurde.
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Churchill/Lowe, The Law of The Sea, 3rd edn., 1999, 205. Tladi, State Practice and the Making and (Re)Making of International Law: The Case of the Legal Rules Relating to Marine Biodiversity in Areas Beyond National Jurisdiction, 1 SPILJ (2014), 97 (100). 180
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2. Sachlicher Anwendungsbereich Wie kurz zuvor gesehen, wird jener „Teil des Meeres“ vom Regime der Hohen See aus Teil VII des SRÜ und damit auch von dessen Freiheiten beherrscht, der – positiv formuliert – nicht bereits anderweitig zugeordnet worden ist. Es stellt sich mithin die Frage, ob sich aus dem Umstand, dass die lebenden Ressourcen des Meeresbodens nicht vom Gebietsregime aus Teil XI des SRÜ erfasst werden, zwangsläufig ergibt, dass sich das Regime der Hohen See insoweit in das Gebiet hinein erstreckt. Mit den Freiheiten der Hohen See würde dieses Regime zwar einerseits auch das Verbot der Ausübung von Hoheitsgewalt, andererseits aber auch die freie Nutzung der lebenden Ressourcen aus völkervertraglicher Sicht mit sich bringen. Damit könnte sich zumindest die stattliche Anzahl der Vertragsparteien auf ihr einzelstaatliches Freiheitsrecht zur Bewirtschaftung der genetischen Ressourcen berufen. Ein Raubbau durch die wenigen dazu fähigen Staaten wäre zweifelsfrei die Folge. Möglicherweise sind diesbezüglich aber weder die Vorschriften aus Teil XI noch aus Teil VII des SRÜ anwendbar. Denkbar wäre nämlich auch, dass das Gebietsregime zwar nicht die lebenden Ressourcen des Meeresbodens erfasst, das Regime der Hohen See aber gleichwohl auf die Wassersäule oberhalb des Meeresbodens beschränkt bleibt. In der Folge verbliebe dann aus völkervertraglicher Sicht eine „Lücke“ in Bezug auf die im Gebiet belegenen genetischen Ressourcen, die das SRÜ wohl auch im Übrigen nicht zu schließen vermag. Die genetischen Ressourcen unterlägen somit stattdessen allein der Anwendung möglicher anderer Verträge oder dem Völkergewohnheitsrecht. Ob das Völkergewohnheitsrecht nun freien Zugang für alle gewährt oder die lebenden Ressourcen einer gemeinschaftlichen Verwaltung durch das CHM-Prinzip unterwirft, bleibt einer späteren Betrachtung in Kapitel 4 vorbehalten. Ursprünglich, d. h. vor in Kraft treten des SRÜ, umfasste das Regime der Hohen See nach dem Vertragsvölkerrecht, namentlich dem Genfer Übereinkommen über die Hohe See (HSÜ), in vertikaler Hinsicht den Meeresboden jenseits der Grenzen des Festladsockels, die darüber liegende Wassersäule sowie die Wasseroberfläche und nahm auch Einfluss auf die darüber liegende Luftsäule und fand seine horizontalen Grenzen erst am Küstenmeer der Küstenstaaten.181 Mit dem aufkommenden Interesse an den (mineralischen) Ressourcen des Meeresbodens in den 1960er Jahren wurde ein eigenes Regelungsgefüge für dieses Gebiet als unumgänglich erachtet und schließlich auch (unvollständig) geschaffen. Da die lebenden Ressourcen des Meeresbodens nicht unter das Gebietsregime des SRÜ fallen und damit jedenfalls völkervertraglich von einer Anwendbarkeit des CHM-Prinzips ausgeschlossen sind, ist zumindest die Frage nach den Grenzen des Gebietsregimes beantwortet. Es blieb 181
Beckert/Breuer, Öffentliches Seerecht, 1991, 29 f., Rn. 77 f.; Oude Elferink, The Regime of the Area: Delineating the Scope of Application of the Common Heritage Principle and Freedom of the High Seas, 22 Int’l J. Marine & Coastal L. (2007), 143 (144): „Traditionally what is now ,the Area‘ was part of the high seas, in which all States have the right to exercise the freedoms of the high seas.“
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bislang allein unbeantwortet, ob die Hohe See in Bezug auf die lebenden Ressourcen nahtlos an diese Grenze anschließt oder bis auf den Meeresboden und gegebenenfalls seinen Untergrund vordringt und damit die Unzulänglichkeiten des Gebietsregimes ausgleicht. Schließlich nehmen schon die ausdrücklich genannten Freiheiten der Hohen See per se in nicht ganz unerheblichem Maße Einfluss auf den Meeresboden, wenn es etwa um das Verlegen unterseeischer Kabel und Rohrleitungen sowie die Errichtung künstlicher Inseln und anderer Anlagen geht.182 Einerseits wird die Auffassung vertreten, dass auf die genetischen Ressourcen des Meeresbodens die Vorschriften zur Hohen See, mithin die in Art. 87 Abs. 1 lit. a) bis f) SRÜ (nicht abschließend) genannten Freiheiten, Anwendung finden.183 Art. 87 SRÜ mache deutlich, dass sich die Freiheiten der Hohen See auch in das Gebiet hinein erstrecken können, da „die Freiheit der Hohen See […] gemäß den Bedingungen dieses Übereinkommens“ ausgeübt werden müsse. Dieser Artikel impliziere durch den Verweis auf die übrigen Vorschriften des SRÜ, dass Teil XI den Anwendungsbereich der Freiheiten der Hohen See mitbestimme.184 Soweit also das Gebietsregime keine Regelungen hinsichtlich genetischer Ressourcen trifft, wäre das Regime der Hohen See anwendbar. Aus dem Wortlaut der Einleitung in Art. 87 Abs. 1 SRÜ („unter anderem“) ergibt sich unumstritten, dass die dort genannten Freiheiten nicht abschließend aufgezählt wurden.185 Daraus und aus einer weiten Interpretation des Begriffs der „Fischerei“ könne man die Anwendbarkeit auch auf genetische Ressourcen des Meeresbodens ableiten.186 Unterstützend ist anzumerken, dass es einer solchen hilfsweise weiten Interpretation der Fischerei gar nicht bedürfte, da die Freiheiten der Hohen See in Art. 87 SRÜ wie gesagt nicht abschließend aufgezählt werden. Darüber hinaus wollte das Seerechtsübereinkommen schließlich, und ausweislich seiner Präambel, eine lückenlose Rechtsordnung für alle Teile des
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Vgl. Art. 87 Abs. 1 lit. c) und d) SRÜ. Allen, Protecting the Oceanic Gardens of Eden: International Law Issues in Deep-Sea Vent Resource Conservation and Management, 13 Geo. Int’l Envtl. L. Rev. (2000 – 2001), 563 (659): „Collecting those living resources from vents located beyond any nation’s continental shelf must be seen, for the present, as an incident of the high seas freedoms.“; Oude Elferink, The Regime of the Area: Delineating the Scope of Application of the Common Heritage Principle and Freedom of the High Seas, 22 Int’l J. Marine & Coastal L. (2007), 143 (144); Glowka, The Deepest of Ironies: Genetic Resources, Marine Scientific Research, and the Area, 12 Ocean Y. B. (1996), 154 (155); Proelß, Die Bewirtschaftung der genetischen Ressourcen des Tiefseebodens – Ein neues Seerechtsproblem?, NuR (2007), 650 (654). 184 Oude Elferink, The Regime of the Area: Delineating the Scope of Application of the Common Heritage Principle and Freedom of the High Seas, 22 Int’l J. Marine & Coastal L. (2007), 143 (173): „This Article implies that Part XI is part of the framework for assessing the scope of high seas freedoms in the Area.“ 185 Churchill/Lowe, The Law of The Sea, 3rd edn., 1999, 205. 186 So Lehmann, The Legal Status of Genetic Resources of the Deep Seabed, 11 N. Z. J. Envtl. L. (2007), 33 (44), die eine solche „neue“ Freiheit der Hohen See aber auch kritisch betrachtet, ibid., 46. 183
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Meeres bereitstellen.187 Von dieser Prämisse ausgehend, ist es die logische Folge, dass die Freiheiten der Hohen See auf all jene Ressourcen Anwendung finden, die nicht bereits von einem anderen im SRÜ enthaltenen Regime erfasst sind. Andererseits mutet diese Prämisse angesichts der Tatsache, dass lebende Ressourcen auf dem Meeresboden im gesamten Vertragstext mit keinem Wort erwähnt werden, eher wie eine Hypothese an, die des Beweises bedarf, um als Wahrheit angenommen werden zu können. Es muss nach all den vergeblichen Versuchen, das SRÜ für eine Anwendbarkeit auf die genetischen Ressourcen des Meeresbodens passend zu machen, auch die Möglichkeit in Betracht gezogen werden, dass trotz des hehren Anspruchs „alle das Seerecht betreffenden Fragen zu regeln“,188 vergessen wurde, den Umgang mit diesen Ressourcen zu regeln. Dabei ist mangels Kenntnis ihrer Existenz bzw. ihres wirtschaftlichen Potentials wohl richtiger, dass eine Regelung des Umgangs mit genetischen Ressourcen nicht hinreichend antizipiert wurde. Bei der Auslegung eines völkerrechtlichen Vertrages ist zunächst von dessen Wortlaut auszugehen.189 Die Definition der Hohen See in Art. 86 SRÜ zeigt durch die negative Abgrenzung von anderen Teilen des Meeres, dass sich Teil VII aus mehreren Gründen nur auf die Wassersäule zwischen Meeresboden und Wasseroberfläche beziehen kann, nicht aber den Meeresboden selbst oder gar dessen Untergrund mit einschließt: „Dieser Teil gilt für alle Teile des Meeres, die nicht zur ausschließlichen Wirtschaftszone, zum Küstenmeer oder zu den inneren Gewässern eines Staates oder zu den Archipelgewässern eines Archipelstaats gehören.“190
Erstens gilt der Anwendungsbereich von Teil VII danach für die im Folgenden nichtgenannten „Teile des Meeres“ (orig.: „parts of the sea“). Schon dem Wortlaut nach handelt es sich bei dem Meer um eine „sich weithin ausdehnende Menge des Wassers auf der Erdoberfläche“.191 Vom Meeresboden ist nicht die Rede; der übliche Wortsinn erfasst nur die Gewässer auf der Erdoberfläche, mithin über dem Meeresboden. Zweitens sind die vertraglichen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang auszulegen.192 Die in Art. 86 S. 1 SRÜ abschließend aufgezählten Teile des Meeres beziehen sich mit ihren Rechtsregimen stets nur auf die jeweilige Wassersäule, 187 De la Fayette, A New Regime for the Conservation and Sustainable Use of Marine Biodiversity and Genetic Resources Beyond the Limits of National Jurisdiction, 24 Int’l J. of Marine & Coastal L. (2009), 221 (262): „Most importantly, the fundamental ethos of the LOSC as a whole is that all activities on the oceans are to be regulated. The Preamble to the LOSC states the intention of settling all issues relating to the law of the sea […].“ 188 Vgl. Präambel des SRÜ. 189 Vgl. Art. 31 Abs. 1 WVK. 190 Vgl. Art. 86 S. 1 SRÜ. 191 Wermke et al. (Hrsg.), Duden – Das Bedeutungswörterbuch, Bd. 10, 4. Aufl., 2010, 635. 192 Vgl. Art. 31 Abs. 1 WVK.
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mithin nur den Raum zwischen Meeresboden und Wasseroberfläche. Nach Teil II des SRÜ steht das Küstenmeer als „Meeresstreifen“193 neben dem „Meeresboden und Meeresuntergrund“.194 Andernfalls hätte es einer separaten Aufzählung nicht bedurft. Das Regime der AWZ in Teil V des SRÜ verweist hinsichtlich des Meeresbodens auf Teil VI, namentlich das Festlandsockelregime.195 Für den unter der Wassersäule liegenden Meeresboden sowie den Meeresuntergrund und seine Ressourcen beinhaltet das SRÜ mit dem Festlandsockelregime in Teil VI (bzw. dem Gebietsregime in Teil XI) folglich eigene Regelungen. Das SRÜ trennt demnach grundsätzlich systematisch zwischen Meeresboden und den darüber liegenden Gewässern.196 Das auf eine Ressource anwendbare rechtliche Regime richtet sich nach der vom SRÜ bestimmten Meereszone und nicht nach der Art der Ressource.197 Ausnahmen werden davon nur gemacht, wenn dies im SRÜ ausdrücklich vorgesehen ist. Erst dann erstrecken sich diese jeweiligen Rechte in der Wassersäule auch auf den Meeresboden und den Meeresuntergrund. Dies gilt für die genannten Teile hinsichtlich der küstenstaatlichen „Souveränität“ nur für das Küstenmeer und die Archipelgewässer in Art. 2 Abs. 2 SRÜ sowie hinsichtlich „souveräner Rechte“ für die AWZ in Art. 56 Abs. 1 lit. a) SRÜ. Für die Hohe See existiert eine solche Regelung nicht. Argumentum e contrario erstrecken sich die Rechte der Hohen See mithin nicht auf den Meeresboden und dessen Untergrund. Drittens werden weder Festlandsockel noch das Gebiet in Art. 86 SRÜ zur negativen Abgrenzung der Hohen See herangezogen. Hätte sich das Regime der Hohen See auch auf die Ressourcen im Gebiet erstrecken sollen, hätte man den „Festlandsockel“ als weitere negative Abgrenzung in der Definition der Hohen See benennen müssen. Denn auf dem Festlandsockel gelten die Freiheiten der Hohen See genauso wenig wie im Küstenmeer oder in der AWZ, es sei denn, das SRÜ enthält einen Erlaubnistatbestand.198 Nimmt man aber an, dass sich die Freiheiten der Hohen See auch auf den Meeresboden erstrecken, hätte der Festlandsockel als negatives Abgrenzungskriterium zwingend benannt werden müssen, um die Schlüssigkeit des Vertrages zu gewährleisten. Denn der äußere Festlandsockel befindet sich jenseits 193
Art. 2 Abs. 1 SRÜ. Art. 2 Abs. 2 SRÜ. 195 Vgl. Art. 56 Abs. 3 SRÜ. 196 Leary, International Law and the Genetic Resources of the Deep Sea, in: Vidas (ed.), Law, Technology and Science for Oceans in Globalisation, 2010, 353 (362): „Separate legal regimes clearly apply to the ,high seas‘ and the ,Area‘.“ 197 Tladi, State Practice and the Making and (Re)Making of International Law: The Case of the Legal Rules Relating to Marine Biodiversity in Areas Beyond National Jurisdiction, 1 SPILJ (2014), 97 (101): „The most serious flaw of the freedom of the high seas argument, however, is that it ignores the fundamental logic of the Convention, namely that the regulation of various resources in the Convention, and the rights and obligations of States Parties in relation to such resources, is dependent on the maritime zone in which the resource is found and not on the nature of the resource.“ 198 Eine solche Erlaubnis besteht bspw. für das Legen unterseeischer Kabel und Rohrleitungen, vgl. Art. 79 SRÜ. 194
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von 200 sm ab der Basislinie. Da die AWZ bis maximal 200 sm beansprucht werden kann, befindet sich der äußere Festlandsockel grundsätzlich unter der Hohen See. Würden sich die Freiheiten der Hohen See nun bis auf den Meeresboden erstrecken, würden diese zu den souveränen Rechten des Küstenstaates im Widerspruch stehen. Das SRÜ wäre in sich nicht schlüssig. Es ist mithin nur eine Auslegungsalternative denkbar, wonach das Regime der Hohen See nur auf die Wassersäule oberhalb des Meeresbodens anwendbar ist. Die Freiheiten der Hohen See aus Teil VII erfassen daher nur die in ihrer Wassersäule belegenen Ressourcen. Das Regime der Hohen See war nie dazu gedacht, lebende Ressourcen auf dem Meeresboden zu erfassen.199 Die Hohe See und das Gebiet sind nach dem SRÜ getrennt voneinander zu betrachten.200 Es kann nach dem vorgenannten nicht davon ausgegangen werden, dass das Regime der Hohen See in das Gebiet „hineinregiert“. Zur umgekehrten Abgrenzung zieht Leary Art. 135 SRÜ heran, der bestimmt, dass das Gebietsregime den Rechtsstatus der Gewässer und des Luftraums über dem Gebiet unberührt lässt.201 In der Folge verbleibt eine vertragliche Lücke,202 ein Umstand, der mangels Kenntnis nicht geregelt wurde und der auch durch die Anwendung anderer Vorschriften nicht adäquat geschlossen werden kann. Dennoch: Angenommen, die genetischen Ressourcen würden tatsächlich vom Regime der Hohen See erfasst, zu welchem Ergebnis würde dies führen? Hielte Teil VII des SRÜ überhaupt ein adäquates Nutzungsregime für die Erforschung und Ausbeutung genetischer Ressourcen bereit? Insbesondere die Art. 117 und 118 SRÜ statuieren Pflichten der Vertragsstaaten, Maßnahmen zur Erhaltung und zur Bewirtschaftung der Lebenden Ressourcen der Hohen See zu ergreifen und fordern eine dahingehende Zusammenarbeit ein. Konkrete Maßnahmen, wie etwa die Bestimmung der zulässigen Fangmenge (TAC), um den höchstmöglichen Dauerertrag zu erreichen (MSY), finden sich in Art. 119 SRÜ. Der Verweis auf diese Vorschriften durch die Befürworter einer Anwendbarkeit des Regimes der Hohen See, enthüllt 199 Armas Pfirter, The Management of Seabed Living Resources in „The Area“ under UNCLOS, 11 REEI (2006), 1 (27): „Nevertheless what clearly comes out from the negotiations is that these species never were considered as assimilated to the high seas’ regime.“; De la Fayette, A New Regime for the Conservation and Sustainable Use of Marine Biodiversity and Genetic Resources Beyond the Limits of National Jurisdiction, 24 Int’l J. of Marine & Coastal Law (2009), 221 (261): „Furthermore, the freedom of the high seas only applies to activities in the water column. Nothing in the LOSC indicates that it also applies to the Area.“ 200 Leary, International Law and the Genetic Resources of the Deep Sea, in: Vidas (ed.), Law, Technology and Science for Oceans in Globalisation, 2010, 353 (362): „[…] the high seas and the Area are separate and discrete jurisdictional zones.“ 201 Ibid. 202 Scovazzi, The Conservation and Sustainable Use of Marine Biodiversity, Including Genetic Resources, in Areas Beyond National Jurisdiction: A Legal Perspective, 2011, abrufbar unter: http://www.un.org/Depts/los/consultative_process/ICP12_Presentations/Scovazzi_Presen tation.pdf (zuletzt abgerufen am 01. 08. 2015): „But, for the same chronological reasons, the regime of freedom of the high seas does not apply to genetic resources either. […] A legal gap exists in this regard.“
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gleichzeitig deren Schwachstelle: Fortwährend ist zwar allgemein von lebenden Ressourcen die Rede. Es lässt sich allerdings nicht verbergen, dass der verwendete Wortschatz („catch“, „harvested“, „fishing“, „fish stocks“, „fishermen“) keinesfalls auf genetische Ressourcen zugeschnitten ist.203 Denn diese werden nicht „gefischt“ oder „gefangen“. Auch von „ernten“ kann man in diesem Zusammenhang kaum sprechen.204 Denn die Ernte beschreibt nicht nur eine Tätigkeit, die das Einbringen zumeist landwirtschaftlicher Gewächse und Früchte erfasst. Sie beschreibt darüber hinaus auch jenen Zeitpunkt, an dem die Erzeugnisse ihren Anbauzweck, die sog. „Reife“, erreicht haben. Die Gewinnung genetischer Ressourcen ist hingegen zu jedem Zeitpunkt möglich, da zur Entschlüsselung der Erbinformationen bzw. zur Reproduktion nur eine Zelle egal welchen Alters oder welcher Reifestufe benötigt wird.205 Außerdem geschieht deren Ausbeutung nicht durch Fischerei im klassischen Sinne, denn es kommt nicht auf den einzelnen Fisch und dessen Beschaffenheit, sondern nur auf die Identifizierung des Erbgutes an.206 Selbst wenn man die – nicht ernsthaft gewollte und noch weniger mögliche – taxonomische Zuordnung der (zumeist pflanzlichen) Mikroorganismen des Meeresbodens zu den Fischen (pisces) vernachlässigen würde, so würden die Erforschung und die Ausbeutung von genetischen Ressourcen – nicht nur solcher des Meeresbodens, sondern jeglicher genetischer Ressourcen – unter keiner denkbaren Auslegungsvariante vom Wortlaut des Vertragstextes erfasst werden. Teil VII des SRÜ bietet daher schlicht keinen Regulierungsmechanismus für die lebenden Ressourcen des Meeresbodens. Jegliche anderen lebenden und nicht lebenden Ressourcen, sei es im Küstenmeer, in der AWZ, in der Hohen See oder auf dem Festlandsockel, unterliegen einem bestimmten Bewirtschaftungssystem. Diese Systeme gewähren den Vertragsparteien entweder einzelstaatliche souveräne Rechte über eine Ressource oder gemeinschaftliche Befugnisse. Die gemeinschaftlichen Befugnisse betreffen die Ressourcen jenseits nationaler Hoheitsgewalt, namentlich die mineralischen Ressourcen im Gebiet und die lebenden Ressourcen der Hohen See. Jeweils ist deren Ausbeutung nicht schrankenlos möglich, sondern an bestimmte Regeln, wie etwa den Nutzen für die gesamte Menschheit207 oder eine maximal zulässige Fangmenge,208 geknüpft. Für 203 So auch: Scovazzi, Some Considerations on Future Directions for the International Seabed Authority, in: ISA, Proceedings of the Tenth Anniversary Commemoration of the Establishment of the International Seabed Authority, 2004, 162 (178), der die Anwendung dieser Artikel auf genetische Ressourcen für „unlogisch“ hält. 204 Jørem/Tvedt, Bioprospecting in the High Seas: Existing Rights and Obligations in View of a New Legal Regime for Marine Areas Beyond National Jurisdiction, 29 Int’l J. Marine & Coastal L. (2014), 321 (325): „It is not customary, however, to speak of ,fishing for microorganisms‘.“ 205 Vgl. hierzu die Definition „sesshafter Arten“ in Art. 77 Abs. 4 SRÜ die auf einen „erntefähigen Zustand“ abstellt; s. o. Kapitel 3, A. II. 206 Tladi, State Practice and the Making and (Re)Making of International Law: The Case of the Legal Rules Relating to Marine Biodiversity in Areas Beyond National Jurisdiction, 1 SPILJ (2014), 97 (100 f.). 207 Vgl. Art. 140 SRÜ.
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die lebenden Ressourcen im Gebiet hält das SRÜ jedoch keine eigene Regelung bereit.209 Unzweifelhaft liegt der Fokus der Regulierung lebender Ressourcen der Hohen See in den Artikeln 116 ff. SRÜ auf der nachhaltigen Bewirtschaftung der Fisch- und Walbestände, mithin jenen lebenden Ressourcen, die zur Ernährung der Bevölkerung eines Staates taugen.210 Genetische Ressourcen hingegen sind weder genießbar noch nahrhaft. Ihr (Nutz-)Wert kann allenfalls in einem zweiten Schritt bemessen werden. Zwar muss auch hinsichtlich dieser Mikroorganismen, analog zur Vermeidung einer Überfischung, dafür gesorgt werden, dass deren Bestand nachhaltig bewirtschaftet wird. Allerdings bergen besondere Arten des Fischfangs, wie beispielsweise das sog. „Bottom-Trawling“, oder der Tiefseebergbau größere Gefahren für die Ökosysteme der Tiefsee, als ein vermeintlicher Raubbau an genetischen Ressourcen, der allein wegen des natürlich limitierten Zugangs bislang kaum stattfindet. Eine analoge Anwendung eines bereits im SRÜ enthaltenen Bewirtschaftungssystems wäre überdies nicht möglich, da die genetischen Ressourcen weder mit Manganknollen noch mit Fischen zu vergleichen sind: Genetische Ressourcen sind reproduzierbar, aber gleichzeitig genügt in der Theorie bereits eine Zelle eines Exemplars, um einen wirtschaftlichen Erfolg zu erreichen. Das Fehlen eines Bewirtschaftungssystems für die genetischen Ressourcen des Meeresbodens in Teil VII stützt die obige Auslegung des Vertrages, wonach diese nicht dem vertraglichen Regime der Hohen See unterfallen. 3. Zwischenergebnis Nach alledem erscheint die teilweise befürwortete Anwendung des Regimes der Hohen See auf die lebenden Ressourcen des Meeresbodens allein zu dem Zweck konstruiert, dass eine lückenlose Erfassung aller Ressourcen des Meeres durch das Vertragswerk gewährleistet wird. Die lückenlose Erfassung aller Ressourcen war ohne Zweifel auch beabsichtigt, ist aber offensichtlich nicht gelungen. Zwar streiten für jede Ansicht nachvollziehbare Argumente. Nach dem objektiven Willen der Vertragsparteien sollen die Freiheiten der Hohen See jedoch auf die in Art. 86 S. 1 SRÜ negativ abgegrenzte Wassersäule beschränkt bleiben und sich nicht auf die lebenden Ressourcen des darunter liegenden Meeresbodens erstrecken. Selbst wenn man versuchte, ein Regime schablonenartig auf die genetischen Ressourcen des Meeresbodens zu legen und dabei großzügig über Wortlaut und Systematik des 208
Vgl. Art. 119 SRÜ. De la Fayette, A New Regime for the Conservation and Sustainable Use of Marine Biodiversity and Genetic Resources Beyond the Limits of National Jurisdiction, 24 Int’l J. of Marine & Coastal L. (2009), 221 (265): „Consequently, LOSC Part VII does not provide an appropriate legal regime for the regulation of marine biodiversity and MGR.“ 210 Ibid., 264: „This position is rather puzzling, since, despite the generality of the term ,living resources‘, it is clear that section 2 refers to primarily to fish and other forms of marine life harvested for food or other purposes.“ 209
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Vertrages hinweg sieht, so steht der Anwender stets vor der Frage, welche Konsequenz daraus zu ziehen ist, also nach welchen Prinzipien die Bewirtschaftung der genetischen Ressourcen erfolgt. Die nach dem SRÜ einzig mögliche Antwort wäre: Mangels eines anwendbaren Systems wird die Bewirtschaftung vollständig in das Ermessen der Staaten gelegt. Ein solches Bewirtschaftungskonzept ist dem SRÜ allerdings fremd. Dies zeigt sich dadurch, dass sämtliche im SRÜ genannten Ressourcen durch dieses auch einem gewissen Bewirtschaftungssystem unterworfen werden. Dies gilt sogar für jene Ressourcen, die grundsätzlich den Freiheiten der Hohen See unterfallen. Das Regime der Hohen See aus Teil VII des SRÜ ist daher auf die genetischen Ressourcen des Meeresbodens jenseits nationaler Hoheitsgewalt nicht anwendbar. Ungeachtet der Nichtanwendbarkeit der Freiheiten der Hohen See aus vertraglicher Sicht wäre die Bewirtschaftung dieser Ressourcen gleichwohl keiner Beschränkung unterworfen, solange sich auch in anderen vertraglichen Bestimmungen oder im Völkergewohnheitsrecht keine Verbotsnorm finden lässt.
IV. Das Regime zum Schutz und zur Bewahrung der Meeresumwelt in Teil XII des SRÜ Nachdem die Anwendbarkeit der zunächst auf der Hand liegenden Regelungsgefüge, namentlich des Gebietsregimes aus Teil XI sowie des Regimes der Hohen See aus Teil VII des SRÜ, abgelehnt wurde, könnten sich gleichwohl aus den generellen Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens Berührungspunkte mit der Bewirtschaftung genetischer Ressourcen des Meeresbodens ergeben. Die Art. 192 bis 237 des SRÜ behandeln den Schutz und die Bewahrung der Meeresumwelt in allen Gebieten des Meeres und sind unter Umständen auch dazu geeignet, Implikationen zur Bewirtschaftung der lebenden Ressourcen aufzuzeigen. In Art. 192 SRÜ ist eine an die Vertragsstaaten gerichtete allgemeine Verpflichtung enthalten, wonach diese verpflichtet sind, „die Meeresumwelt zu schützen und zu bewahren“. Konkrete Maßnahmen, insbesondere in Bezug auf die Gefahr der Verschmutzung des Meeres werden den Staaten in Art. 194 SRÜ auferlegt. Nach Art. 194 Abs. 3 S. 2 lit. c) SRÜ sollen die Staaten Maßnahmen ergreifen, um „die Verschmutzung durch Anlagen und Geräte, die bei der Erforschung oder Ausbeutung der natürlichen Ressourcen des Meeresbodens und seines Untergrunds eingesetzt werden, […] zu regeln“. Auch wenn hierdurch keinerlei Regulierungsmechanismus für die Bewirtschaftung genetischer Ressourcen geschaffen wird, so werden wenigstens deren potentielle Folgen für die Meeresumwelt bedacht und ein Versuch unternommen, diese „auf ein Mindestmaß zu beschränken“.211 Dem Wortlaut nach sind bestimmte „Maßnahmen zur Verhütung, Verringerung und Überwachung“ u. a. derjenigen Verschmutzungen zu treffen, die im Rahmen der Bewirtschaftung der „natürlichen 211
Vgl. Art. 194 Abs. 3 S. 2 SRÜ.
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Ressourcen des Meeresbodens und -untergrundes“ entstehen.212 Schon prima facie werden hierdurch sowohl nicht lebende, mineralische als auch lebende, genetische Ressourcen erfasst. Mangels einer vorstehenden Ressourcendefinition in Teil XII, wie dies beispielsweise für Teil XI durch Art. 133 lit. a) SRÜ geschieht, ist in Übereinstimmung mit den Auslegungsregeln der WVK davon auszugehen, dass die vorzunehmenden Maßnahmen bei der Verschmutzung der Meeresumwelt durch den Abbau sämtlicher Ressourcen des Meeresbodens, gleich welchen Aggregatzustandes und ob anorganischer oder organischer Natur, anzuwenden sind.213 Folglich werden auch die genetischen Ressourcen als Unterfall lebender Ressourcen von Teil XII erfasst. Erstmalig wird keine Unterscheidung mehr zwischen mineralischen und lebenden Ressourcen vorgenommen oder nur eine der beiden Gruppen explizit adressiert; ein Verweis auf Teil XI des SRÜ findet ebenfalls nicht statt. Im Umkehrschluss bestätigt die Tatsache, dass sich das SRÜ mit den „natürliche[n] Ressourcen“ hier eines weiteren und umfassenderen Begriffs bedient, die für Teil XI gefundene Auslegung, wonach das Gebietsregime des SRÜ „Ressourcen“ grundsätzlich eigenschaftslos nennt, aber diese zu Beginn ausschließlich auf solche mineralischer Natur konkretisiert.214 Der Sinn und Zweck von Teil XII, namentlich die Gewährleistung eines umfassenden Umweltschutzes durch die Vertragsparteien, wird nicht nur durch diesen weiten Ressourcenbegriff, sondern auch durch den Anwendungsbereich des Artikels 194 SRÜ im Übrigen deutlich. Denn die nach Art. 194 Abs. 5 SRÜ in Übereinstimmung mit Teil XII bei der Bewirtschaftung der Ressourcen zu treffenden Maßnahmen sind nicht auf die Meeresverschmutzung beschränkt. Die Maßnahmen zum Schutz und zur Bewahrung seltener und empfindlicher Ökosysteme, wie etwa solchen an Hydrothermalquellen, beabsichtigen vielmehr den Meeresumweltschutz insgesamt. Das SRÜ betrachtet die Überwachung der Meeresverschmutzung mithin nur als einen Teil des von den Vertragsparteien zu beachtenden Meeresumweltschutzes.215 Art. 209 SRÜ fordert die Vertragsstaaten auf, „internationale Regeln, Vorschriften und Verfahren“ (Abs. 1) sowie „Gesetze und sonstige Vorschriften“ (Abs. 2) aufzustellen, um der Verschmutzung durch „Tätigkeiten im Gebiet“ zu begegnen. So soll die Etablierung eines Regelungsgefüges auf internationaler sowie auf nationaler Ebene sichergestellt werden. Dass dadurch auch die genetischen Ressourcen im Gebiet einbezogen werden, ist schon wegen der offensichtlichen Bezugnahme auf den Tiefseebergbau nicht anzunehmen. Denn in Art. 209 Abs. 1 SRÜ wird einerseits Bezug auf Teil XI des SRÜ genommen. Sämtliche Regelungen 212
Vgl. Art. 194 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 S. 2 lit. c) SRÜ. So auch ISGH, Southern Bluefin Tuna Cases (New Zealand v. Japan; Australia v. Japan), 1999, Nr. 70. 214 Vgl. Art. 133 lit. a) SRÜ. 215 StSH, Chagos Marine Portected Area Arbitration (Mauritius v. United Kingdom), 2015, 128, Nr. 320. 213
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internationaler Art müssen „in Übereinstimmung mit Teil XI“ aufgestellt werden. Der Verweis bedeutet nichts weniger, als dass die Verschmutzung in Bezug auf den Tiefseebergbau, mithin die Bewirtschaftung der mineralischen Ressourcen des Meeresbodens, einer Regelung zu unterwerfen ist. Auswirkungen des Abbaus genetischer Ressourcen bleiben unbedacht.216 Andererseits sollen die Vertragsstaaten die Regelungen aus Absatz 1 und 2 hinsichtlich der Verschmutzung „durch Tätigkeiten im Gebiet“ aufstellen. Art. 1 Abs. 1 Nr. 3 SRÜ definiert die Tätigkeiten im Gebiet für das gesamte SRÜ als solche Tätigkeiten, die der „Erforschung und Ausbeutung der Ressourcen des Gebiets“ dienen. Damit sind wiederum nur die mineralischen Ressourcen gemeint, wie sie das Gebietsregime in Art. 133 lit. a) SRÜ bestimmt.217 Die Verschmutzung der Meeresumwelt bei der Bewirtschaftung genetischer Ressourcen wird hierdurch nicht erfasst. Gleiches gilt für Art. 215 SRÜ, welcher zur Durchsetzung etwaiger Regelungen auf Teil XI verweist. Jedenfalls aber vermag auch die Vorgabe in Art. 194 Abs. 3 S. 2 SRÜ, die Verschmutzung der Meeresumwelt bei der Bewirtschaftung aller natürlichen Ressourcen im Gebiet auf ein Mindestmaß zu beschränken, nichts zur Bewirtschaftung genetischer Ressourcen als solcher beizutragen. Die zentralen Kriterien der Nachhaltigkeit, der Vorsorge und der Berechtigung der Bewirtschaftung bleiben ungeregelt, sodass die Vorschriften des Teils XII nur einen geringen Beitrag hinsichtlich des Schutzes, nicht aber des Zugangs und der Verteilung leisten, wenn die Mikroorganismen auf dem Meeresboden jenseits nationaler Hoheitsgewalt in Rede stehen.
V. Das Regime über die wissenschaftliche Meeresforschung in Teil XIII des SRÜ Teil XIII des Seerechtsübereinkommens regelt in seinen Artikeln 238 bis 265 die Durchführung und Förderung der sog. „wissenschaftlichen Meeresforschung“ (Marine Scientific Research, MSR) in den verschiedenen Meereszonen sowie auf dem Festlandsockel und im Gebiet, mithin sowohl innerhalb als auch jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt. Jegliche menschliche Aktivitäten haben innerhalb eines breiten Spektrums Auswirkungen auf die Umwelt. Sie sind potentiell sowohl dazu geeignet die Umwelt unseres Planeten zu beeinträchtigen als auch gleichzeitig Erkenntnisse von grundlegender wissenschaftlicher Bedeutung zu erzeugen. Folglich müssen auch für die wissenschaftliche Meeresforschung gewisse Regeln gelten, um deren Umfang zu regulieren und deren Nutzen gegebenenfalls den Vertragsstaaten zugänglich zu machen. Die Meeresforschung ist genauso wie die 216
Arico/Salpin, Bioprospecting of Genetic Resources in the Deep Seabed: Scientific, Legal and Policy Aspects, 2005, 35: „Regulating bioprospecting on this basis is therefore excluded.“ 217 Ibid.: „Pursuant to the definition of ,activities in the Area‘, measures adopted under Article 209 would only relate to activities for exploration for, and exploitation of, the resources of the Area, i. e. non-living resources.“
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kommerzielle Bewirtschaftung genetischer Ressourcen zunächst auf einen Wissenszuwachs ausgerichtet. Daher ist es möglich, dass die in Teil XIII enthaltenen Vorschriften beide Bereiche erfassen und regeln. Dazu bedarf es einer Bestimmung des im SRÜ verwendeten Begriffs der „wissenschaftlichen Meeresforschung“ sowie erforderlichenfalls einer Abgrenzung zu dem in diesem Zusammenhang zunehmend verwendeten Begriff des „Bioprospecting“. Schließlich muss die Bewirtschaftung genetischer Ressourcen entsprechend eingeordnet werden.
1. Begriffsbestimmung: „wissenschaftliche Meeresforschung“ vs. „Bioprospecting“ Das Seerechtsübereinkommen bedient sich in vielen Vorschriften und insbesondere in Teil XIII des Begriffs der „wissenschaftlichen Meeresforschung“.218 Da sich die Verhandlungsparteien im Rahmen von UNCLOS III nicht auf eine Definition dieses Begriffs einigen konnten,219 bleibt das SRÜ eine nähere Erläuterung oder eine Abgrenzung von anderen Aktivitäten schuldig.220 Daher muss eine Erklärung für diesen Begriff in der Systematik des SRÜ selbst oder außerhalb dessen gefunden werden. Ausgangspunkt ist einmal mehr die gewöhnliche Bedeutung des Begriffs, mithin sein Wortlaut.221 Hauptziel der wissenschaftlichen Meeresforschung im Seerechtsübereinkommen ist es, die wissenschaftlichen Kenntnisse der Menschheit hinsichtlich der Meeresumwelt zu vergrößern und das Verständnis der Organismen und Ökosysteme des Meeres zu verbessern.222 Grundsätzlich werden dabei durch das SRÜ sowohl die wissenschaftlichen Kenntnisse hinsichtlich lebender als auch solche hinsichtlich nicht lebender Ressourcen erfasst. Art. 246 Abs. 5 lit. a) SRÜ erlaubt es den Küstenstaaten, beispielsweise die wissenschaftliche Meeresforschung in der AWZ oder auf dem Festlandsockel zu versagen, wenn diese von unmittelbarer Bedeutung für „die Erforschung und Ausbeutung der lebenden oder nicht lebenden Ressourcen“ 218 Abgesehen von Teil XIII selbst, der mit „Wissenschaftliche Meeresforschung“ überschrieben ist, wird darauf in Art. 21 Abs. 1 lit. g), Art. 40, Art. 56 Abs. 1 lit. b) ii), Art. 143, Art. 266 Abs. 2 und Art. 270 SRÜ Bezug genommen. 219 Salpin/Germani, Patenting of Research Results Related to Genetic Resources from Areas Beyond National Jurisdiction: The Crossroads of the Law of the Sea and Intellectual Property Law, 16 RECIEL (2007), 12 (16): „In view of the impossibility at reaching consensus, the term was left undefined in the convention.“ 220 De la Fayette, A New Regime for the Conservation and Sustainable Use of Marine Biodiversity and Genetic Resources Beyond the Limits of National Jurisdiction, 24 Int’l J. of Marine & Coastal L. (2009), 221 (270): „There is no internationally agreed definition of MSR and none in the LOSC.“ 221 Vgl. Art. 31 Abs. 1 WVK. 222 De la Fayette, A New Regime for the Conservation and Sustainable Use of Marine Biodiversity and Genetic Resources Beyond the Limits of National Jurisdiction, 24 Int’l J. of Marine & Coastal L. (2009), 221 (270): „The main value of MSR is to increase our understanding of marine organisms and marine ecosystems.“
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ist.223 Damit ist im Rahmen der wissenschaftlichen Meeresforschung auch die Entnahme von Proben lebender Ressourcen des Meeres erlaubt.224 Andernfalls hätte es einer derartigen Klarstellung mangels Konfliktpotentials nicht bedurft. Eine Studie des wissenschaftlichen Beirats zum Übereinkommen über die Biologische Vielfalt (Subsidiary Body on Scientific, Technical and Technological Advice, SBSTTA), der die Vertragsstaatenkonferenzen hinsichtlich wissenschaftlicher und technischer Aspekte berät, stellt zunächst ebenfalls fest, dass das SRÜ selbst keine Definition für die wissenschaftliche Meeresforschung bereithält.225 Gleichwohl versucht sich der SBSTTA an einer eigenen Interpretation, wonach darunter eine Aktivität zu verstehen sei, die „das Sammeln und die Analyse von Informationen, Daten und Proben beinhaltet und auf die Vergrößerung des menschlichen Wissens über die Umwelt gerichtet ist, ohne dabei einen wirtschaftlichen Gewinn zu beabsichtigen“.226 Im Mittelpunkt steht mithin eine Wissensmehrung zu Gunsten der gesamten Menschheit. Der wissenschaftlichen Meeresforschung haftet zudem eine immer wieder benannte „Offenheit“ an, welche sich in der Pflicht zur Veröffentlichung und Verbreitung der durch die entnommenen Proben gewonnenen Daten auswirkt und dadurch wiederum die Menschheit als Profiteur wissenschaftlicher Meeresforschung benennt.227 Neben der reinen wissenschaftlichen Meeresforschung (pure MSR) hat sich seit dem Aufkommen der Gentechnik der Begriff des sog. „Bioprospecting“228 – als Synonym für die angewandte Wissenschaftliche Meeresforschung (applied MSR) – Bahn gebrochen.229 Der Unterschied liegt in der historischen Entwicklung und wirtschaftlichen Bedeutung genetischer Ressourcen begründet: Nennenswerte wissenschaftliche Erkenntnisse in der Gentechnik sind erst seit den 1970er Jahren zu 223
Vgl. Art. 246 Abs. 5 lit. a) SRÜ: „Die Küstenstaaten können […] ihre Zustimmung […] versagen, wenn das Vorhaben a) von unmittelbarer Bedeutung für die Erforschung und Ausbeutung der lebenden oder nichtlebenden Ressourcen ist; […].“ 224 Drankier et al., Marine Genetic Resources in Areas beyond National Jurisdiction: Access and Benefit-Sharing, 27 Int’l J. Marine & Coastal L. (2012), 375 (405): „The right to conduct marine scientific research includes the right to gather samples of living resources.“ 225 SBSTTA, Study of the relationship between the Convention on Biological Diversity and the United Nations Convention on the Law of the Sea with regard to the conservation and sustainable use of genetic resources on the deep seabed, 2003, UN Doc. UNEP/CBD/SBSTTA/ 8/INF/3/Rev.1, 13, Nr. 47. 226 Ibid.: „[…] marine scientific research could be defined as an activity that involves collection and analysis of information, data or samples aimed at increasing mankind’s knowledge of the environment, and is not undertaken with the intent of economic gain.“ 227 Lehmann, The Legal Status of Genetic Resources of the Deep Seabed, 11 N. Z. J. Envtl. L. (2007), 33 (49): „Marine scientific research is characterised by openness, data or sample collecting, publication and dissemination of those results. These principles support human scientific knowledge and can therefore benefit mankind.“ 228 Biological diversity prospecting = Suche nach biologischer Vielfalt. 229 Mangels einer zufriedenstellend verwendbaren deutschen Übersetzung für das „Bioprospecting“, wird der englische Begriff im Folgenden auch weiterhin verwendet.
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verzeichnen. Daher wurde erst im Laufe der 1980er Jahre deutlich, dass Erbinformationen neben wissenschaftlichen Erkenntnissen über die Evolution auch ein wirtschaftliches Potential bergen.230 Multilaterale Übereinkommen auf völkerrechtlicher Ebene, die sich mit dieser Nutzbarmachung befassen, folgten daraufhin erst mit einigem zeitlichen Abstand. Der Begriff des Bioprospecting etablierte sich erst Anfang der 1990er Jahre, insbesondere durch das Übereinkommen über die biologische Vielfalt (CBD). Daher ist er im SRÜ von 1982 gar nicht zu finden.231 Die Vertragsstaatenkonferenz des CBD hat das Bioprospecting hinsichtlich der biologischen Ressourcen des Meeres als „Erforschung der biologischen Vielfalt nach wirtschaftlich wertvollen genetischen und biochemischen Ressourcen“ beschrieben.232 Während die wissenschaftliche Meeresforschung per se also auf Vermehrung von wissenschaftlichen Erkenntnissen abzielt, will das Bioprospecting ab initio daraus auch einen wirtschaftlichen Nutzen ziehen. Dem Entdecker soll mithin ein geldwerter Vorteil, etwa durch Vermarktung oder Patentierung, verschafft werden. Daher sind die so gewonnenen Erkenntnisse auch nicht zwangsläufig für die Öffentlichkeit bzw. die Menschheit frei zugänglich, sondern beinhalten eine Vertraulichkeit der Tätigkeit und geschützte Rechte daran.233 Das ist auch verständlich, da ein etwa auf dem CHM-Prinzip basierender Technologie- und Wissenstransfer nicht zur Patentierung neuartiger Verfahren taugen, und in der Folge auch keinen wirtschaftlichen Vorteil für den Entdecker darstellen würde, der durch eine Vermarktung regelmäßig seine hohen Investitionskosten ausgleichen möchte. Bioprospecting bedeutet dementsprechend einen singulären Wissenszuwachs des Unternehmens oder Staates, der Proben von genetischen Ressourcen abgebaut und marktfähig gemacht hat. Die Ergebnisse aus der wissenschaftlichen Meeresforschung hingegen müssen nach Art. 244 SRÜ – unter besonderer Beachtung der Entwicklungsländer – verbreitet und veröffentlicht werden. Der SBSTTA kommt daher zu dem Schluss, dass die Abgrenzung zwischen wissenschaftlicher Meeresforschung und Bioprospecting allein anhand des Zwecks erfolgt, zu welchem diese Tätigkeit unternommen wird:234 Sind nur der wissenschaftliche Erkenntnisgewinn 230
Im Jahre 1980 entschied der United States Supreme Court im Fall Diamond v. Chakrabarty, 447 US 303 (1980) erstmalig, dass eine Patentierung lebender Mikroorganismen möglich ist. 231 Salpin/Germani, Patenting of Research Results Related to Genetic Resources from Areas Beyond National Jurisdiction: The Crossroads of the Law of the Sea and Intellectual Property Law, 16 RECIEL (2007), 12 (16). 232 Conference of the Parties to the Convention on Biological Diversity, 5th Meeting, 2000, UN Doc. UNEP/CBD/COP/5/INF/7, 2, Nr. 6. 233 SBSTTA, Study of the relationship between the Convention on Biological Diversity and the United Nations Convention on the Law of the Sea with regard to the conservation and sustainable use of genetic resources on the deep seabed, 2003, UN Doc. UNEP/CBD/SBSTTA/ 8/INF/3/Rev.1, 14, Nr. 49: „Indeed, such activities may involve confidentiality and proprietary rights.“ 234 SBSTTA, Study of the relationship between the Convention on Biological Diversity and the United Nations Convention on the Law of the Sea with regard to the conservation and
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und eine bloße Vermehrung des Wissens beabsichtigt, dann handelt es sich um MSR. Werden – zusätzlich oder ausschließlich – wirtschaftliche Interessen, mithin eine spätere Vermarktung von Verfahren und Erzeugnissen aus der wissenschaftlichen Meeresforschung beabsichtigt, dann handelt es sich stets um Bioprospecting. Diese Abgrenzung ist ausschließlich; eine Tätigkeit kann zwar gleichzeitig wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Zwecken dienen, ist dann aber zwangsläufig als Bioprospecting zu qualifizieren. Dabei ist unerheblich, auf welcher Stufe des Forschungsprozesses eine Kommerzialisierung beabsichtigt ist oder tatsächlich eintritt. Nach dieser Ansicht schließen sich wissenschaftliche Meeresforschung und Bioprospecting gegenseitig aus, mit der Folge, dass letzteres nicht vom SRÜ erfasst wird.235 Teilweise wird das Bioprospecting aber auch als Unterfall der wissenschaftlichen Meeresforschung angesehen. MSR bildet dann den Oberbegriff aller wissenschaftlichen Tätigkeiten im Meer, dem Meeresboden sowie dessen Untergrund und erfasst neben der reinen auch die angewandte Meeresforschung.236 Zum Beleg dafür wird Art. 246 SRÜ herangezogen: Dieser mache unter dem Oberbegriff der wissenschaftlichen Meeresforschung – jedenfalls für die AWZ und den Festlandsockel – eine Untergliederung in solche Tätigkeiten, welche „zur Erweiterung der wissenschaftlichen Kenntnisse über die Meeresumwelt zum Nutzen der gesamten Menschheit durchzuführen sind“ (Abs. 3) und jene, die „von unmittelbarer Bedeutung für die Erforschung und Ausbeutung der lebenden oder nicht lebenden Ressourcen“ (Abs. 5 lit. a)) sind.237 Profiteure der wissenschaftlichen Meeresforschung sind demnach einerseits die gesamte Menschheit und andererseits der jeweilige Vertragsstaat. Es sei daher nicht ganz fernliegend, dass auch die einzelstaatliche Ausbeutung von Ressourcen zu kommerziellen Zwecken von der wissenschaftlichen
sustainable use of genetic resources on the deep seabed, 2003, UN Doc. UNEP/CBD/SBSTTA/ 8/INF/3/Rev.1, 14, Nr. 50: „[…] the distinction between marine scientific research and other commercially oriented activities, such as bioprospecting, resides solely in the purpose and intent for which the activity is undertaken.“ 235 So auch: Arico/Salpin, Bioprospecting of Genetic Resources in the Deep Seabed: Scientific, Legal and Policy Aspects, 2005, 30: „There is currently no specific international regime addressing bioprospecting in the deep seabed.“; Armas Pfirter, The Management of Seabed Living Resources in „The Area“ under UNCLOS, 11 REEI (2006), 1 (26); König, Genetic Resources of the Deep Sea – How Can They Be Preserved?, in: König et al. (eds.), International Law Today: New Challenges and the Need for Reform?, 2008, 141 (157). 236 So etwa Salpin/Germani, Patenting of Research Results Related to Genetic Resources from Areas Beyond National Jurisdiction: The Crossroads of the Law of the Sea and Intellectual Property Law, 16 RECIEL (2007), 12 (16): „In the absence of a formal definition, negotiators’ and practitioners’ understanding has been that MSR under UNCLOS encompasses both types of research.“ 237 Scovazzi, Mining, Protection of the Environment, Scientific Research and Bioprospecting: Some Considerations on the Role of the International Sea-Bed Authority, 19 Int’l J. Marine & Coastal L. (2004), 383 (402).
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Meeresforschung im SRÜ erfasst werde.238 Eine Unterscheidung im Sinne der o. g. Zweckrichtung sei überdies lebensfern, da nicht bereits im Zeitpunkt der Erlangung von genetischen Proben festgestellt werden kann, ob diese später zur Vermarktung und Entwicklung taugen.239 Einen Tauchgang nachträglich als reine wissenschaftliche Meeresforschung bzw. als Bioprospecting zu deklarieren erscheint nicht nur unpraktikabel. Dieses Unterscheidungskriterium verbaut zudem die Zielerreichung von Teil XIII, da die wissenschaftliche Meeresforschung im Gebiet nach Art. 143 Abs. 1 SRÜ insgesamt zum „Nutzen der gesamten Menschheit“ durchgeführt werden soll.240 Darüber hinaus wäre die Anwendbarkeit des SRÜ einer gewissen Volatilität unterworfen und ließe bezüglich der genetischen Ressourcen eben jenen Raubbau zu, der durch das SRÜ in diesem Bereich eigentlich verhindert werden soll. Denn gleich zu Beginn der Präambel des SRÜ wird das übergeordnete Ziel des Vertrages ausgegeben: Eine gerechte internationale Wirtschaftsordnung. Daraus folgert etwa Scovazzi, dass das Bioprospecting nicht von einer Anwendbarkeit des SRÜ ausgeschlossen werden könne.241 Aus der Unkenntnis der genetischen Ressourcen des Meeresbodens zum Zeitpunkt der Verhandlungen des SRÜ wird im Folgenden nicht etwa geschlossen, dass diese nicht erfasst werden. Vielmehr würden genetische Ressourcen grundsätzlich erfasst, wenngleich aufgrund dieser Unkenntnis ein Regulierungsmechanismus dafür „ungewollt“ fehle.242 Sobald die Suche nach biologischem Material einen finanziellen Gewinn abwerfen soll, führt diese Absicht nach der erstgenannten Ansicht zu einem ausschließlichen Nutzungsrecht einzelner Unternehmen und Staaten, die finanziell und technologisch dazu in der Lage sind, den Meeresboden zu erreichen. In der Praxis könnten sich die Staaten dadurch jederzeit der Anwendbarkeit der Vorschriften über die wissenschaftliche Meeresforschung des SRÜ entziehen und die Befürchtungen Pardos würden wahr werden: „The strong would get stronger, the rich richer“.243 Diese Tatsache macht eine an der beabsichtigten Verwendung orientierte Unterscheidung nicht per se unpraktikabel, sondern allenfalls scheinbar nicht beabsichtigt. 238
Ibid.: „This distinction provides some credibility to the opinion that, under the UNCLOS regime, also research directly related to the purpose of commercial exploitation of resources falls under the general label of ,marine scientific research‘.“ 239 Hayes, Charismatic Microfauna: Marine Genetic Resources and the Law of the Sea, in: Nordquist et al. (eds.), Law Science & Ocean Management, 2007, 683 (692): „[…] determining the primary purpose of the collection of samples is just as difficult as discerning whether an artist’s creation was motivated by the need for self expression or for financial benefit and fame.“ 240 Glowka, Evolving Perspectives on the International Seabed Area’s Genetic Resources: Fifteen Years after ,Deepest of Ironies‘, in: Vidas (ed.), Law, Technology and Science for Oceans in Globalisation, 2010, 397 (399). 241 Scovazzi, Mining, Protection of the Environment, Scientific Research and Bioprospecting: Some Considerations on the Role of the International Sea-Bed Authority, 19 Int’l J. Marine & Coastal L. (2004), 383 (402 f.). 242 Ibid., 404, m.w.N.: „The lack of regulation for the search for the almost ,intangible‘ units of heredity of sea-bed organisms has arisen ,by accident rather than design‘.“ 243 Ibid.
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Auch wenn das Ergebnis nicht erstrebenswert erscheint, so kann dies nicht über die einfache Tatsache hinweg helfen, dass das Bioprospecting zum Zeitpunkt der Verhandlungen des Seerechtsübereinkommens nicht bekannt war, nicht durchgeführt wurde (bzw. werden konnte) und dementsprechend keine Berücksichtigung bei der Beantwortung „alle[r] das Seerecht betreffenden Fragen“ fand.244 Nicht unbedingt die Unkenntnis lebender Ressourcen auf dem Meeresboden, sondern vielmehr die Unkenntnis über ihre genetischen Eigenschaften und die sich daraus ergebenden potentiellen Verwendungsmöglichkeiten ist der historisch unumstößliche Beleg dafür, dass diese selbst und ihre Bewirtschaftung nicht vom SRÜ adressiert werden. Eine dynamische Vertragsauslegung kann auch nicht etwa über den Wortlaut des Vertrages hinaus erfolgen, denn dieser gibt keinen Raum für eine Anwendbarkeit des Bioprospecting. Dies ergibt sich argumentum e contrario aus Art. 241 SRÜ: „Tätigkeiten der wissenschaftlichen Meeresforschung bilden keine Rechtsgrundlage für einen Anspruch auf irgendeinen Teil der Meeresumwelt oder ihrer Ressourcen.“
Der Wortlaut der Vorschrift ist in jeder Hinsicht sehr weit gehalten; eine Definition wissenschaftlicher Meeresforschung erfolgt auch hier nicht. Prima facie kann MSR daher für die gesamte Meeresumwelt nicht als Anspruchsgrundlage dienen. Ohne dass dies notwendig wäre, wird dies noch einmal insbesondere für die Ressourcen der Meeresumwelt klargestellt. Mangels Konkretisierung im Wortlaut oder in systematischer Hinsicht erfasst diese Klarstellung sowohl lebende als auch nicht lebende Ressourcen. Aus der Entstehungsgeschichte des Artikels wird deutlich, dass Art. 241 SRÜ dazu geschaffen wurde, jegliche Ansprüche infolge von MSR auszuschließen.245 Auch wenn allein aus der Patentierung einer extrahierten Erbinformation – soweit nach nationaler Gesetzgebung überhaupt zulässig – kein Eigentumsrecht des Patentinhabers begründet werden kann,246 werden dadurch zeitlich begrenzte, eigentumsähnliche Rechte, wie zum Beispiel die ausschließliche Nutzung, gewährt.247 Durch den weiten Wortlaut („any claim to any part“) würden allerdings auch solche Ansprüche ausgeschlossen sein. Darüber hinaus geht auch aus den vorbereitenden Arbeiten zum SRÜ hervor, dass wissenschaftliche Meeresforschung die gewerbliche Forschung und die Bewirtschaftung mariner Ressourcen ausschließt.248 244
Vgl. Präambel des SRÜ. Nordquist et al. (eds.), United Nations Convention on the Law of the Sea 1982: A Commentary, Vol. IV, 1990, 464. 246 Jabour-Greene/Nicol, Bioprospecting in Areas outside National Jurisdiction: Antarctica and the Southern Ocean, 4 Melb. J. Int’l L. (2003), 76 (88): „Contrary to this popular misconception, the patent system does not grant ownership in the traditional sense.“ 247 Salpin/Germani, Patenting of Research Results Related to Genetic Resources from Areas Beyond National Jurisdiction: The Crossroads of the Law of the Sea and Intellectual Property Law, 16 RECIEL (2007), 12 (18). 248 Thrid United Nations Conference on the Law of the Sea, Volume III, Third Committee, UN Doc. A/CONF.62/C.3/L.17, Alternative C, IV.: „In these articles the term ,marine scientific research‘ means any study of and related experimental work in the marine environment, ex245
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Bioprospecting ist aber gerade darauf ausgelegt, dass ein einzelnes Unternehmen ausschließliche Ansprüche an genetischem Material begründen kann, um dieses in der Folge patentieren und vermarkten zu können. Die Patentierung gibt einen Anspruch auf ausschließliche Nutzung und Verwertung der Erfindung und kann sich außerdem auch auf das verwendete genetische Material selbst erstrecken.249 Sollte diese Möglichkeit tatsächlich allen Vertragsparteien des SRÜ verwehrt sein, würde der Zweck des Bioprospecting ausgehöhlt werden. Dem Bioprospecting ist ein wirtschaftlicher Faktor inhärent.250 Es ist kaum vorstellbar, dass private Unternehmen mehrere Milliarden US-Dollar aufwenden werden, um ihre Erkenntnisse schließlich mit jedermann zu teilen. Marines Bioprospecting wird ohne den Anreiz ausschließlicher Rechte nicht stattfinden. Im Umkehrschluss aus Art. 241 SRÜ kann das Bioprospecting daher nicht unter die wissenschaftliche Meeresforschung des SRÜ fallen, da sich deren elementare Voraussetzungen und Ziele gegenseitig ausschließen. Diese Sichtweise ist erstaunlicherweise nur für das Gebiet, nicht aber für die Hohe See umstritten, obwohl sich diesbezüglich in beiden Regimen keine Unterschiede ergeben. Kein Staat hat bislang gegen eine Entnahme von Meersalz oder Fischen auf der Hohen See zum Zwecke des Verkaufs bzw. einer optimierten Aufzucht oder Kreuzung der Arten protestiert. Gleichwohl gehören diese einerseits nach Art. 241 SRÜ zur Meeresumwelt oder ihren Ressourcen und andererseits wird ein Eigentumsbzw. Nutzungsrecht durch das jeweilige Unternehmen daran begründet. Wäre die Erforschung der biologischen Vielfalt nach wirtschaftlich wertvollen genetischen und biochemischen Ressourcen (Bioprospecting) als Unterfall der wissenschaftlichen Meeresforschung anzusehen, könnten sämtliche derartige Ressourcen des Meeres nicht mehr zu kommerziellen Zwecken angeeignet werden. Ein gewisser Aneignungsakt ist jedoch grundsätzlich Voraussetzung der weiteren Verwendung. Bioprospecting und wissenschaftliche Meeresforschung schließen sich mithin gegenseitig aus, wobei nur letztere im SRÜ geregelt ist. 2. Einordnung der Bewirtschaftung genetischer Ressourcen Die Bewirtschaftung genetischer Ressourcen des Meeresbodens beginnt mit der Suche nach dort lebenden Organismen und der Entnahme von Proben ihres genetischen Materials. Die in einer Probe enthaltene Erbinformation wird schließlich dazu verwendet, in den verschiedensten Industriezweigen Produkte herzustellen, die cluding industrial exploration and other activities aimed directly at the exploitation of marine resources designed to increase man’s knowledge and conducted for peaceful purposes.“ 249 Ibid., 21: „A patent is a claim to the exclusive use and exploitation of the patented invention. […] a patent is therefore also a claim over the exclusive use and exploitation of the resource.“ 250 Frisvold/Day-Rubenstein, Bioprospecting and Biodiversity Conservation: What Happens When Discoveries are Made?, 50 Ariz. L. Rev. (2008), 545 (546): „Bioprospecting is the search among living organisms for compounds that have commercial value […].“
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Kap. 3: Die Anwendbarkeit bestehender völkerrechtlicher Verträge
später auf dem globalen Markt vertrieben werden und Umsatz erwirtschaften sollen. Zwar werden beispielsweise in der Medizin dadurch gewaltige Fortschritte erzielt und dies geschieht auch zum Wohle der Menschheit als solcher. Allerdings findet schon die anfängliche Suche nach solchen Organismen nicht zum bloßen Selbstzweck oder in altruistischer Manier statt, sondern hat einen finanziellen Ertrag zum Ziel, der sicherlich unter anderem die Forschungs- und Produktionskosten eines Unternehmens rechtfertigen sollte. Die Bewirtschaftung genetischer Ressourcen erfolgt schon dem Namen nach überwiegend mit dem Ziel die dadurch gewonnenen Erkenntnisse gewinnbringend in der Biotechnologie und der Medizin sowie zahlreichen anderen Industriezweigen zu verwerten. Da die Bewirtschaftung genetischer Ressourcen also über die bloße Erhebung wissenschaftlicher Daten hinaus geht und als entscheidendes Kriterium einen wirtschaftlichen Zweck verfolgt, wird diese Tätigkeit in fast allen Fällen als Bioprospecting zu qualifizieren sein. Die eindeutige Absicht der Vermarktung von Verfahren oder Erzeugnissen, die aus der Erbinformation gewonnen wurden und die damit notwendige Vertraulichkeit sowie geschützte, eigentumsähnliche und patentierfähige Rechte daran, machen die Bewirtschaftung der genetischen Ressourcen des Meeresbodens unvereinbar mit den Verpflichtungen die das Regime der wissenschaftlichen Meeresforschung an die Vertragsstaaten und ihre Unternehmen stellt.251 Selbst wenn die Entnahme einzelner Proben zunächst nur zur reinen wissenschaftlichen Meeresforschung gedacht war, wird damit spätestens nach Feststellung eines wirtschaftlichen Potentials eine kommerzielle Absicht verfolgt. Die Vorschriften des SRÜ über die wissenschaftliche Meeresforschung vermögen die Bewirtschaftung genetischer Ressourcen daher nicht zu erfassen. Das spätere Bekanntwerden lebender Ressourcen auf dem Meeresboden, könnte jedoch zur Anwendbarkeit neuerer Verträge im Umweltvölkerrecht führen, dessen prominentester Vertreter im Folgenden untersucht wird.
C. Das Übereinkommen über die biologische Vielfalt von 1992 Das Übereinkommen über die biologische Vielfalt (CBD) ist ein zwischen 1988 und 1992 verhandelter völkerrechtlicher Vertrag, der am 5. Juni 1992 in Rio de Janeiro zur Unterzeichnung freigegeben wurde und schließlich am 29. Dezem251
De la Fayette, A New Regime for the Conservation and Sustainable Use of Marine Biodiversity and Genetic Resources Beyond the Limits of National Jurisdiction, 24 Int’l J. of Marine & Coastal Law (2009), 221 (272): „The key obligations for both the ISA and States with respect to MSR in the Area are: to promote MSR, to promote international cooperation, to disseminate the results of research and to assist developing countries to develop their scientific capabilities. These obligations would be incompatible with the confidentiality and commercial purpose of bioprospecting and with benefits only being enjoyed by the company that patented a product.“
C. Das Übereinkommen über die biologische Vielfalt von 1992
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ber 1993 in Kraft getreten ist. Dem CBD gehören mittlerweile 196 Vertragsparteien an.252 Zu den Nicht-Vertragsstaaten gehören beispielsweise die Vereinigten Staaten. Diese haben das Übereinkommen zwar unterzeichnet, sind aber bislang nicht beigetreten. Daher sind sie völkerrechtlich zwar nicht daran gebunden, aber dennoch verpflichtet, „sich aller Handlungen zu enthalten, die Ziel und Zweck des Vertrags vereiteln würden“.253 Von besonderer Bedeutung für die Bewirtschaftung genetischer Ressourcen ist das 2010 auf der 10. Vertragsstaatenkonferenz (Conference of the Parties, COP) beschlossene, aber noch nicht in Kraft getretene sog. „Nagoya-Protokoll“ (Nagoya Protocol on Access to Genetic Resources and the Fair and Equitable Sharing of Benefits Arising from Their Utilization), welches den Zugang zu genetischen Ressourcen und den gerechten Vorteilsausgleich (sog. „Access and BenefitSharing“, ABS), insbesondere im Hinblick auf die Eindämmung von Biopiraterie in den Entwicklungsländern, regelt und die Rechte indigener Bevölkerungen stärkt.254 Das CBD ist auf drei Ziele fokussiert:255 (1) Die Erhaltung der biologischen Vielfalt, (2) der nachhaltige Nutzen ihrer Bestandteile und (3) die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus der Nutzung der biologischen Vielfalt ergebenden Vorteile. Die gerechte Ressourcenverteilung war, wie schon beim Gebietsregime des SRÜ, Triebfeder der Verhandlungsparteien.256 Das CBD nimmt aber anders als die multilateralen völkerrechtlichen Verträge mit Umweltbezug aus den vorangegangenen Jahren ausdrücklich Bezug auf genetische Ressourcen. Dies ist ein entscheidender Fortschritt, weil genetische Ressourcen nicht mehr durch Auslegung in den Vertragstext „hineingelesen“ werden müssen. Diese werden in Art. 2 CBD zunächst als „genetisches Material von tatsächlichem oder potentiellem Wert“ definiert. Darüber hinaus sind sie dem Oberbegriff der „biologischen Ressourcen“ sowie der von dem Übereinkommen adressierten „biologischen Vielfalt“ zuzurechnen.
I. Geltungsbereich Das Übereinkommen über die biologische Vielfalt unterscheidet in Art. 4 CBD hinsichtlich seines jurisdiktionellen Geltungsbereichs danach, ob sich die genetischen Ressourcen innerhalb oder außerhalb des Hoheitsgebiets eines Staates be252 Eine Liste der Vertragsstaaten zur CBD findet sich unter: http://www.cbd.int/informati on/parties.shtml (zuletzt abgerufen am 01. 08. 2015). 253 Vgl. Art. 18 lit. a) WVK. 254 Vgl. Art. 7 und 12 Nagoya-Protokoll. 255 Vgl. Art. 1 CBD; s. auch Anton, Law for the Sea’s Biological Diversity, 36 Colum. J. Transnat’l L. (1998), 341 (356); Sands et al. (eds.), Principles of International Environmental Law, 3rd edn., 2012, 453 f. 256 Glowka, Evolving Perspectives on the International Seabed Area’s Genetic Resources: Fifteen Years after ,Deepest of Ironies‘, in: Vidas (ed.), Law, Technology and Science for Oceans in Globalisation, 2010, 397 (402): „Equity was the principle driving the negotiations of the CBD’s ABS provisions.“
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Kap. 3: Die Anwendbarkeit bestehender völkerrechtlicher Verträge
finden. In Bezug auf die genetischen Ressourcen des Meeresbodens entscheidet darüber das internationale Seerecht.257 Der Anwendungsbereich des Übereinkommens ist in Bezug auf die seewärts der Basislinie belegenen genetischen Ressourcen damit abhängig von den vertraglich festgelegten oder unilateral erklärten Meereszonen nach dem SRÜ.258 Deren Nutzungsregime entscheiden jeweils darüber, ob sich die Ressourcen innerhalb oder jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt befinden. Dies gilt einerseits für die Wassersäule, mithin die Grenze zwischen der AWZ und Hoher See, sowie andererseits für den Meeresboden, mithin die Grenze zwischen dem Festlandsockel und dem Gebiet. Erstere kann durch den Küstenstaat bis zu einer maximalen Breite von 200 sm ab der Basislinie beansprucht werden.259 Letztere steht dem Küstenstaat ebenfalls bis zu dieser Breite zu und wird darüber hinaus durch die natürlichen geographischen Gegebenheiten bestimmt.260 D. h., soweit die Befugnisse eines Staates durch das Festlandsockelregime, also nach den durch das SRÜ vorgegebenen Formeln und in Abstimmung mit der CLCS, festgelegt wurden, befinden sich die dortigen Ressourcen entweder diesseits oder jenseits der Grenze nationaler Hoheitsgewalt. Die Bewirtschaftung der genetischen Ressourcen an Hydrothermalquellen unterfällt – wie oben gesehen – überwiegend keinerlei Hoheitsbefugnissen oder souveränen Rechten, sodass diese jenseits nationaler Hoheitsgewalt belegen sind. Da hier nur die genetischen Ressourcen des Meeresbodens jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt von Interesse sind, ist fraglich, welche Vorschriften des CBD in diesem Bereich Anwendung finden. Das CBD nimmt dabei – im Unterschied zum SRÜ – keine Unterscheidung zwischen Wassersäule und Meeresboden vor, sondern beschränkt sich auf die Differenzierung von Gebieten innerhalb und außerhalb eines „nationalen Hoheitsbereichs“.261 Für die genetischen Ressourcen des Meeresbodens bedeutet dies in Anlehnung an das oben Gesagte:262 Während auf die „sesshaften Arten“ des Festlandsockels, das Übereinkommen nach Art. 4 lit. a) CBD Anwendung findet, kann auf die genetischen Ressourcen im Gebiet nach Art. 4 lit. b) CBD nur hinsichtlich „Verfahren und Tätigkeiten“ Einfluss genommen werden. Denn die Bestimmungen 257
(357).
Anton, Law for the Sea’s Biological Diversity, 36 Colum. J. Transnat’l L. (1998), 341
258 Matz, Marine Biological Resources: Some Reflections on Concepts for the Protection and Sustainable Use of Biological Resources in the Deep Sea, 2 Non-State Actors and International Law (2002), 279 (284): „It depends on these maritime zones whether and to what extent the rules of the Convention on Biological Diversity are applicable to the protection of marine biological diversity, because its rules differ concerning the location of biological resources.“ 259 Vgl. Art. 55 ff. SRÜ, insb. Art. 57 SRÜ: „Die ausschließliche Wirtschaftszone darf sich nicht weiter als 200 Seemeilen von den Basislinien erstrecken, von denen aus die Breite des Küstenmeers gemessen wird.“; die Erklärung einer AWZ ist optional: Crawford, Brownlie’s Principles of Public International Law, 8th edn., 2012, 277: „Both under UNCLOS and customary law the zone is optional and its existence depends upon an actual claim.“ 260 Vgl. Art. 76 ff. SRÜ. 261 Vgl. Art. 4 CBD. 262 Vgl. Kapitel 3, B.
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des Übereinkommens finden außerhalb des „nationalen Hoheitsbereichs“ nur Anwendung: „[…] b) auf Verfahren und Tätigkeiten, die unter ihrer Hoheitsgewalt oder Kontrolle entweder innerhalb ihres nationalen Hoheitsbereichs oder außerhalb der nationalen Hoheitsbereiche durchgeführt werden, unabhängig davon, wo diese Verfahren und Tätigkeiten sich auswirken.“263
Eine direkte Anwendung des CBD auf die „Bestandteile der biologischen Vielfalt“ ist für die jenseits nationaler Hoheitsgewalt belegenen Ressourcen nicht möglich.264 Zwar nimmt das CBD darauf auch außerhalb nationaler Hoheitsbereiche indirekt durch solche Aktivitäten Bezug, die unter der „Hoheitsgewalt oder Kontrolle“ eines Vertragsstaates ausgeführt werden. Der Anwendungsbereich des CBD erstreckt sich dort jedoch nicht auf die genetischen Ressourcen als solche.265 Vielmehr will das CBD einer „Vertragsflucht“ vorbeugen, indem sämtliche durch eine Vertragspartei kontrollierbare Aktivitäten erfasst werden. Folglich kann eine Anwendbarkeit des im CBD enthaltenen ABS-Systems für jene genetischen Ressourcen ebenfalls nur hinsichtlich Verfahren und Tätigkeiten möglich sein, da keiner der Vertragsstaaten hinsichtlich der genetischen Ressourcen des Meeresbodens die dazu erforderliche Hoheitsgewalt besitzt.266 Tätigkeiten zur Bewirtschaftung genetischer Ressourcen jenseits nationaler Hoheitsgewalt werden entweder durch staatseigene oder private Unternehmen aus den Vertragsstaaten durchgeführt. Dazu dringen diese von Schiffen oder mobilen Plattformen, überwiegend mit ROVs, bis zum Meeresboden vor und entnehmen eine oder mehrere Proben des genetischen Materials. Die Rechtsstellung dieser Schiffe auf der Hohen See wird durch das SRÜ bestimmt, denn das CBD lässt die „Rechte und Pflichten einer Vertragspartei aus bestehenden völkerrechtlichen Überein-
263 Vgl. Art. 4 lit. b) CBD; gegen eine Anwendbarkeit des CBD auf der Hohen See und im Gebiet: Verhoosel, Prospecting for Marine and Coastal Biodiversity: International Law in Deep Water?, 13 Int’l J. Marine & Coastal L. (1998), 91 (103). 264 Umkehrschluss aus Art. 4 lit. a) CBD: Die Bestimmungen des Übereinkommens finden „in Bezug auf jede Vertragspartei Anwendung a) auf Bestandteile der biologischen Vielfalt in Gebieten, die innerhalb ihres nationalen Hoheitsbereichs liegen; […].“ 265 So auch: Arico/Salpin, Bioprospecting of Genetic Resources in the Deep Seabed: Scientific, Legal and Policy Aspects, 2005, 38: „Per se, deep seabed genetic resources beyond national jurisdiction are therefore excluded from the CBD’s scope.“; Drankier et al., Marine Genetic Resources in Areas beyond National Jurisdiction: Access and Benefit-Sharing, 27 Int’l J. Marine & Coastal L. (2012), 375 (409); Korn et al., Deep Sea Genetic Resources in the Context of the Convention on Biological Diversity and the United Nations Convention on the Law of the Sea, 2003, 33. 266 De la Fayette, A New Regime for the Conservation and Sustainable Use of Marine Biodiversity and Genetic Resources Beyond the Limits of National Jurisdiction, 24 Int’l J. of Marine & Coastal L. (2009), 221 (243): „The CBD cannot apply to specific components of marine biodiversity in ABNJ, because under the law of the sea, States parties individually do not have jurisdiction or sovereign rights over these components.“
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Kap. 3: Die Anwendbarkeit bestehender völkerrechtlicher Verträge
künften [grundsätzlich] unberührt“.267 Hinsichtlich der Meeresumwelt soll das CBD sogar ausdrücklich in Einklang mit dem Seerecht durchgeführt werden.268 Nach Art. 92 Abs. 1 S. 1 SRÜ stehen die Schiffe unter der ausschließlichen Hoheitsgewalt des jeweiligen Entsendestaates, mithin jenes Staates, unter dessen Flagge das (Mutter-)Schiff fährt.269 Wird also von diesen Schiffen aus Bioprospecting betrieben, dann fällt zwar diese Aktivität („Verfahren und Tätigkeiten“), nicht aber die genetischen Ressourcen selber, nach Art. 4 lit. b) CBD i.V.m. dem Flaggenstaatsprinzip des SRÜ unter den Anwendungsbereich des CBD. Genetische Ressourcen jenseits nationaler Hoheitsgewalt unterliegen selbst nicht der Anwendbarkeit des CBD. Die Entnahme von Proben genetischen Materials, das Bioprospecting und allgemein die Bewirtschaftung der genetischen Ressourcen des Meeresbodens unterliegen hingegen den Vorschriften des CBD, soweit diese Aktivitäten unter der Hoheitsgewalt oder Kontrolle eines Vertragsstaates durchgeführt werden. Dem CBD gehören derzeit 196 Vertragsparteien an. Damit sind fast alle Staaten der Erde, insbesondere jene, die die genetischen Ressourcen des Meeresbodens auch tatsächlich erreichen können, seinen Regeln verpflichtet. Bislang hat jedoch kein Staat diese Aktivitäten seiner Staatsangehörigen geregelt.270 Im Folgenden wird daher zu erörtern sein, welche konkreten Regelungen das CBD hinsichtlich dieser Verfahren und Tätigkeiten trifft, zu deren Umsetzung die Vertragsstaaten verpflichtet sein könnten.
II. Die Bewirtschaftung genetischer Ressourcen jenseits nationaler Hoheitsgewalt Die grundsätzliche Anwendbarkeit des CBD hinsichtlich Aktivitäten in Gebieten jenseits nationaler Hoheitsgewalt beantwortet nicht ohne weiteres die Frage danach, welche Vorschriften auf die dort belegenen genetischen Ressourcen Anwendung finden. Die Bewirtschaftung genetischer Ressourcen wird im CBD im Rahmen eines ABS-Systems geregelt, das den Zugang zu und die Verteilung von genetischen Ressourcen umfasst. Dieses ABS-System findet direkt nur Anwendung auf genetische Ressourcen unter nationaler Hoheitsgewalt.271 Inwieweit dieses ABS-System allerdings auch auf die mit den genetischen Ressourcen jenseits nationaler Hoheitsgewalt im Zusammenhang stehenden „Tätigkeiten und Verfahren“ Anwendung findet, bedarf der näheren Betrachtung einzelner Vorschriften. 267
Vgl. Art. 22 Abs. 1 CBD. Vgl. Art. 22 Abs. 2 CBD, dazu sogleich. 269 Vgl. Art. 92 Abs. 1 S. 1 SRÜ: „Schiffe fahren unter der Flagge eines einzigen Staates und unterstehen auf Hoher See seiner ausschließlichen Hoheitsgewalt […].“ 270 Leary, International Law and the Genetic Resources of the Deep Sea, in: Vidas (ed.), Law, Technology and Science for Oceans in Globalisation, 2010, 353 (363). 271 Vgl. Art. 4 Abs. 1 i.V.m. Art. 15 Abs. 1 CBD. 268
C. Das Übereinkommen über die biologische Vielfalt von 1992
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Die nachhaltige Nutzung genetischer Ressourcen ist ein erklärtes Ziel des Übereinkommens über die biologische Vielfalt. Schon in der Präambel wird erkannt, dass „die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt für die Befriedigung der Nahrungsmittel-, Gesundheits- und sonstigen Bedürfnisse einer wachsenden Weltbevölkerung von ausschlaggebender Bedeutung sind und dass dazu der Zugang zu genetischen Ressourcen und zu Technologien sowie die Teilhabe daran wesentlich sind“. Darüber hinaus wird die Nutzung aller Bestandteile der biologischen Vielfalt sowie deren „ausgewogene und gerechte Aufteilung“ in Art. 1 CBD als erklärtes Ziel des Übereinkommens ausgegeben. Zu welchen Konditionen die Nutzung der biologischen Vielfalt gewollt ist, kann den nachfolgenden Artikeln entnommen werden. Zunächst fordert Art. 6 CBD von den Vertragsparteien „zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt“ die Entwicklung „nationaler Strategien, Pläne und Programme“. Die Unbestimmtheit dieses Artikels hat zwei Folgen: Einerseits reicht der Umfang der zu entwickelnden Maßnahmen sehr weit und andererseits wird den Staaten dadurch ein gewisser Spielraum bei der Ausgestaltung eines konkreten Nutzungsregimes zugebilligt.272 Bei der zukünftigen Entwicklung von Plänen etc. sind weitere Vorschriften des CBD zu beachten, insbesondere sind nach Art. 10 lit. a) CBD „Gesichtspunkte der Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der biologischen Ressourcen in den innerstaatlichen Entscheidungsprozess mit einzubeziehen“.273 Die Erhaltung der biologischen Vielfalt muss nach den Artikeln 8 und 9 CBD „soweit möglich und sofern angebracht“ sowohl in-situ als auch ex-situ erfolgen. Die nachhaltige Nutzung erlaubt den Gebrauch der Ressourcen, unter Beachtung ihrer Erhaltung für nachfolgende Generationen.274 Das Nachhaltigkeitskriterium steht der kommerziellen Nutzung genetischer Ressourcen folglich weder entgegen noch mag es darauf gerichtete Verfahren und Tätigkeiten beeinflussen, da dazu regelmäßig nur kleinste Proben entnommen werden, die das Ökosystem im Übrigen unberührt lassen. Auch Art. 10 CBD selbst trifft keine spezifischen Aussagen hinsichtlich der Nutzung der biologischen Vielfalt, d. h. eine Bewirtschaftung genetischer Ressourcen wird auch hier nicht reglementiert. Vielmehr werden die Erfordernisse an die Nachhaltigkeit einer etwaigen Nutzung konkretisiert, ohne dabei die Frage zu beantworten, wer den Abbau betreiben und die daraus resultierenden Vorteile behalten darf. Dies ist wohl auch dem Umstand geschuldet, dass das CBD maßgeblich auf Gebiete innerhalb der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt zugeschnitten ist und dabei grundsätzlich davon ausgeht, dass die dortigen Ressourcen ohnehin der Hoheits272 Vgl. Glowka et al., A Guide to the Convention on Biological Diversity, 1994, 29, die diese Unbestimmtheit als Vorteil werten: „One advantage of this technique is that it emphasizes process, rather than final product or outcome.“ 273 Ibid.: „Because the substance of article 6 is about planning, it is relevant to almost every substantive article in the Convention, most notably article 10(a) […].“ 274 Russell, The Sustainability Principle, 4 Envtl. & Energy L. & Pol’y J. (2009), 165 (166): „It is the intergenerational Golden Rule: use the resources but do not use them up.“
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Kap. 3: Die Anwendbarkeit bestehender völkerrechtlicher Verträge
gewalt des jeweiligen Staates unterliegen.275 Deswegen bestimmt Art. 15 Abs. 1 CBD den Zugang zu genetischen Ressourcen auch ausschließlich unter diesem Gesichtspunkt: „In Anbetracht der souveränen Rechte der Staaten in Bezug auf ihre natürlichen Ressourcen liegt die Befugnis, den Zugang zu genetischen Ressourcen zu bestimmen, bei den Regierungen der einzelnen Staaten und unterliegt den innerstaatlichen Rechtsvorschriften.“
Den Zugang zu genetischen Ressourcen erhält danach grundsätzlich nur der Staat, auf dessen Territorium sich jene Ressourcen befinden. Das ABS-System des CBD stellt den Zugang zu genetischen Ressourcen erstmalig der nationalen Souveränität eines Staates anheim.276 Dies geschieht im Gegensatz zu den bis dahin bestehenden internationalen Regularien, beispielsweise der FAO277 und des SRÜ278, wodurch die souveränen Rechte desjenigen Staates, auf dessen Territorium diese Ressourcen belegen sind, gestärkt werden.279 Die Anerkennung dieser Rechte soll wiederum ein Anreiz für die Staaten sein, eigene Gesetze nach den Vorgaben des CBD zu schaffen und damit die Ziele des CBD zu unterstützen.280 Ein Eigentumsrecht wird dadurch nicht begründet und bleibt folglich Gegenstand nationaler Gesetzgebung.281 Nach Art. 15 Abs. 5 CBD kann jeder Staat anderen Staaten ebenfalls den Zugang zu seinen Ressourcen gewähren. Diese Vorschrift sollte vor allem der sog. „Biopiraterie“ Einhalt gebieten und so etwa die widerrechtliche Aneignung traditionellen Wissens indigener Bevölkerungen und dessen Patentierung durch Drittstaaten oder -organi275
Vgl. Art. 3 CBD. Vgl. Präambel des CBD: „[…] in Bekräftigung dessen, daß die Staaten souveräne Rechte über ihre eigenen biologischen Ressourcen haben, […].“; Glowka et al., A Guide to the Convention on Biological Diversity, 1994, 76: „The Convention on Biological Diversity is the first international instrument which acknowledges a State’s sovereign rights over the genetic resources within ist jurisdiction […].“ 277 FAO, International Undertaking on Plant Genetic Resources, 1983, FAO Doc. CPGR/87/ Inf.3: „[…] plant genetic resources are a heritage of mankind to be preserved, and to be freely available for use, for the benefit of present and future generations; […].“ (Herv. d. Verf.). 278 Das SRÜ verbietet eine einzelstaatliche Aneignung, vgl. Art. 89 und 137 Abs. 1 SRÜ, und gewährt überwiegend partielle Nutzungsrechte, die ihrerseits mit den Interessen anderer Staaten in Einklang zu bringen sind, vgl. Chandler, The Biodiversity Convention: Selected Issues of Interest to the International Lawyer, 4 Colo. J. Int’l Envtl. L. & Pol’y (1993), 141 (153): „In implementing their obligations with respect to living marine resources, Contracting Parties are subject to the rights of other States with respect to highly migratory species, straddling stocks, catadramous species, and anadramous species, for example.“ 279 Glowka et al., A Guide to the Convention on Biological Diversity, 1994, 5; Keating, Access to Genetic Resources and Equitable Benefit Sharing Through a New Disclosure Requirement in the Patent System: An Issue in Search of a Forum, 87 J. Pat. & Trademark Off. Soc’y (2005), 525 (527). 280 Anton, Law for the Sea’s Biological Diversity, 36 Colum. J. Transnat’l L. (1998), 341 (356): „The recognition of these sovereign rights is, among other things, an attempt to internalize the otherwise public benefits behind the value of biological diversity, and to make it worthwhile for states to develop municipal law in support of the C.B.D.’s objectives.“ 281 Glowka et al., A Guide to the Convention on Biological Diversity, 1994, 76. 276
C. Das Übereinkommen über die biologische Vielfalt von 1992
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sationen verhindern.282 Die vorgenannte Zugangsregelung findet ausweislich des eindeutigen Wortlauts mithin ausschließlich Anwendung auf genetische Ressourcen innerhalb der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt.283 Das Zugangs- und Nutzungsregime aus Art. 15 CBD kann folglich keine Geltung bezüglich genetischer Ressourcen jenseits nationaler Hoheitsgewalt beanspruchen, deren direkte Bewirtschaftung damit nach dem CBD unreguliert bleibt.284 Die biologische Vielfalt jenseits nationaler Hoheitsgewalt unterliegt zwar nicht der Souveränität eines Staates, da das Seerecht eine Aneignung weder von Teilen der Hohen See noch des Gebiets anerkennt. Dementsprechend findet auch das Zugangsund Nutzungsregime des CBD, das auf die biologische Vielfalt innerhalb des Territoriums eines Staates abzielt, keine Anwendung. Dennoch müssen die jeweiligen Flaggenstaaten, wenn sie auch Vertragsstaaten des CBD sind, deren Ziele und Grundprinzipien bei den unter ihrer Kontrolle durchgeführten Verfahren und Tätigkeiten beachten.285 Konkret muss daher eine Kontrolle von Schiffen, Besatzungen und angewandten Bewirtschaftungstechniken durch den Flaggenstaat durchgeführt werden, um die Nachhaltigkeit der Bewirtschaftung genetischer Ressourcen sicherzustellen.286 Dadurch soll einerseits eine vollständige Zerstörung vermieden und andererseits eine kontinuierliche Regeneration der Ressourcen gewährleistet werden. Ebenso darf der Umwelt insgesamt kein Schaden zugefügt werden.287 Die Vertragsstaaten müssen die Erhaltung der diese Mikroorganismen beherbergenden Ökosysteme sicherstellen, mithin eine völlige Ausbeutung oder die Zerstörung der
282 Für eine erfolgreiche Verhinderung von Biopiraterie bei gleichzeitiger Kommerzialisierung von genetischen Ressourcen zugunsten des diese zur Verfügung stellenden Staates steht der sog. „Merck-INBio-Vertrag“ zwischen dem Pharmaunternehmen Merck & Co. und der Regierung Costa Ricas; s. dazu Coughlin, Using the Merck-INBio Agreement to Clarify the Convention on Biological Diversity, 31 Colum. J. Transnat’l L. (1993 – 1994), 337 (356 ff.). 283 Korn et al., Deep Sea Genetic Resources in the Context of the Convention on Biological Diversity and the United Nations Convention on the Law of the Sea, 2003, 63 f.: „Furthermore, the provisions of access to genetic resources (Art. 15 CBD) are limited to resources within national jurisdiction.“ 284 Drankier et al., Marine Genetic Resources in Areas beyond National Jurisdiction: Access and Benefit-Sharing, 27 Int’l J. Marine & Coastal L. (2012), 375 (423): „Marine genetic resources in ABNJ remain unregulated with respect to access and benefit-sharing; […].“; Wolfrum/Matz, The Interplay of the United Nations Convention on the Law of the Sea and the Convention on Biological Diversity, MPYUNL (2000), 445 (471). 285 De la Fayette, A New Regime for the Conservation and Sustainable Use of Marine Biodiversity and Genetic Resources Beyond the Limits of National Jurisdiction, 24 Int’l J. of Marine & Coastal L. (2009), 221 (243). 286 Vgl. Art. 1 CBD. 287 Vgl. Art. 3 CBD: „Die Staaten haben […] die Pflicht, dafür zu sorgen dass durch Tätigkeiten, die innerhalb ihres Hoheitsbereichs oder unter ihrer Kontrolle ausgeübt werden, der Umwelt in anderen Staaten oder in Gebieten außerhalb der nationalen Hoheitsbereiche kein Schaden zugefügt wird.“
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Kap. 3: Die Anwendbarkeit bestehender völkerrechtlicher Verträge
Ökosysteme durch bestimmte Abbautechniken aktiv und präventiv verhindern.288 Zu diesem Zweck muss wenigstens eine Identifizierung und Überwachung der unter der Hoheitsgewalt eines Vertragsstaates durchgeführten Tätigkeiten erfolgen, um die Einhaltung der vorgenannten Prinzipien zu gewährleisten.289 Soweit also die Ausübung souveräner Rechte nicht erforderlich ist, muss der Flaggenstaat auch bei der Bewirtschaftung von genetischen Ressourcen im Gebiet Konformität mit den Zielen aus Art. 1 CBD, dem Grundsatz aus Art. 3 CBD und der Präambel sicherstellen. Die Erhaltung der biologischen Vielfalt durch die nachhaltige Nutzung ihrer Bestandteile und die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus der Nutzung ihrer genetischen Ressourcen ergebenden Vorteile bezieht sich folglich nur auf die Tauchgänge zur Erforschung oder Ausbeutung genetischen Materials auf dem Meeresboden im Gebiet. Gleichwohl hält auch das CBD keine Zugangsregelung für die genetischen Ressourcen im Gebiet bereit. Die Zielsetzung in Art. 1 CBD, wonach eine „ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus der Nutzung der genetischen Ressourcen ergebenden Vorteile“ angestrebt werden soll, läuft ebenfalls leer, weil nicht nur ein Zugangs-, sondern auch ein Verteilungssystem für die genetischen Ressourcen jenseits nationaler Hoheitsgewalt fehlt. Damit bleibt die initiale Frage, wer die Bewirtschaftung genetischer Ressourcen jenseits nationaler Hoheitsgewalt überhaupt vornehmen darf, unbeantwortet. Die Regelung des CBD diese Ressourcen betreffend erscheint absurd. Während die erste Stufe der Bewirtschaftung, namentlich der Zugang zu genetischen Ressourcen, nicht geregelt ist, werden auf einer zweiten Stufe eine nachhaltige Nutzung sowie eine gerechte Aufteilung der Ressourcen angestrebt. Es scheint, als ginge das CBD mangels einer Regelung davon aus, dass der Zugang zu genetischen Ressourcen jenseits nationaler Hoheitsgewalt jedem Staat offensteht und nur die Art und Weise ihrer Bewirtschaftung dem Endziel des Übereinkommens entsprechen muss: Die Erhaltung der biologischen Vielfalt und die nachhaltige Nutzung ihrer Bestandteile.290 Die ausschließliche Anwendbarkeit des CBD auf dieser zweiten Stufe wirft daher Fragen hinsichtlich des Umgangs mit genetischen Ressourcen jenseits nationaler Hoheitsgewalt auf. Nach teilweise vertretener Ansicht impliziere die zulässige Ausübung von Hoheitsgewalt über Verfahren und Tätigkeiten nach Art. 4 lit. b) CBD, dass eine einzelstaatliche Aneignung der dadurch gewonnenen Ressourcen zulässig sei.291 Damit werde das grundsätzliche Aneignungsverbot des Gebiets und seiner Ressourcen nach dem CHM-Prinzip umgangen.292 288 Korn et al., Deep Sea Genetic Resources in the Context of the Convention on Biological Diversity and the United Nations Convention on the Law of the Sea, 2003, 63: „Therefore they have to ensure, for example, that activities within their jurisdiction and control cause no environmental damages to other States or areas beyond national jurisdiction.“ 289 Birnie et al., International Law and the Environment, 3rd edn., 2009, 620. 290 Vgl. Art. 1 CBD. 291 Korn et al., Deep Sea Genetic Resources in the Context of the Convention on Biological Diversity and the United Nations Convention on the Law of the Sea, 2003, 63.
C. Das Übereinkommen über die biologische Vielfalt von 1992
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Dieser Ansatz unterschlägt jedoch erstens, dass das CHM-Prinzip des SRÜ nur auf das Gebiet und seine mineralischen Ressourcen Anwendung findet. Die lebenden, genetischen Ressourcen des Meeresbodens unterfallen nach teilweise vertretener Ansicht allenfalls dem Regime der Hohen See des SRÜ.293 Nach der hier vertretenen Ansicht mangels völkervertraglicher Regelung aber wohl eher allein dem Völkergewohnheitsrecht. Ein vertragliches Aneignungsverbot hinsichtlich der genetischen Ressourcen im Gebiet besteht mithin nach allen Meinungen nicht. D. h., selbst wenn man davon ausginge, dass das CBD dem Staat, unter dessen Hoheitsgewalt Tätigkeiten zur Bewirtschaftung genetischer Ressourcen stattfinden, eine eigentumsrechtliche Stellung einräumte, so würde dies keine Kollision mit dem Gebietsregime des SRÜ auslösen, sondern nur die von letzterem hinterlassene vertragliche Lücke hinsichtlich genetischer Ressourcen im Gebiet füllen. Ginge man indes von einer Kollision zwischen einem Aneignungsrecht (CBD) und dem CHMPrinzip (SRÜ) hinsichtlich genetischer Ressourcen aus, so sind beide Verträge zunächst als gleichwertig zu beachten. Grundsätzlich geht das Völkerrecht dann von der Regel lex posterior derogat legi priori aus.294 Wenn allerdings aufeinanderfolgende Verträge über denselben Gegenstand geschlossen worden sind, so kann eine besondere vertragliche Bestimmung das Gegenteil bewirken.295 In diesem Fall stellt Art. 22 Abs. 2 CBD den besonderen Bezug beider Verträge dar, wonach dem SRÜ explizit Vorrang eingeräumt wird. Die Vorschrift ist dabei eng auszulegen, sodass die „Rechte und Pflichten der Staaten aufgrund des Seerechts“ nur beachtet werden müssen, soweit die Anwendung des CBD die sich aus dem Seerecht ergebenden Rechte und Pflichten der Staaten konkret beeinträchtigt. Eine Unterordnung des gesamten Übereinkommens unter das Seerecht ist nicht gewollt.296 Im vorliegenden Fall würde das vermeintliche Aneignungsrecht aus dem CBD hinter dem CHMPrinzip des SRÜ zurücktreten müssen und ebenso die scheinbar vertraglich gewährte Befugnis, über die genetischen Ressourcen Eigentumsrechte auszuüben.297 Nach jedem hypothetischen Szenario ist allein aufgrund des CBD jedenfalls keine Beanspruchung von Eigentumsrechten möglich. Zweitens bestimmt das CBD nicht, wo staatliche „Hoheitsgewalt oder Kontrolle“ bestehen, sondern knüpft ihre Anwendbarkeit in Art. 4 lit. b) CBD hinsichtlich 292 Ibid.: „In case of government funded research activities with their vessels in the Area, the State could then claim property rights over the living marine resource findings ignoring the common heritage principle.“ 293 s. o. Kapitel 3, B. III. 294 Thirlway, in: Evans (ed.), International Law, 4th edn., 2014, 109. 295 Vgl. Art. 30 Abs. 2 WVK: „Bestimmt ein Vertrag, dass er einem früher oder später geschlossenen Vertrag untergeordnet ist oder nicht als mit diesem unvereinbar anzusehen ist, so hat der andere Vertrag Vorrang.“ 296 Wolfrum/Matz, The Interplay of the United Nations Convention on the Law of the Sea and the Convention on Biological Diversity, MPYUNL (2000), 445 (476). 297 Zur hierarchischen Wechselwirkung zwischen CBD und SRÜ s. grundsätzlich: Wolfrum/Matz, The Interplay of the United Nations Convention on the Law of the Sea and the Convention on Biological Diversity, MPYUNL (2000), 445 (472 ff.).
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Kap. 3: Die Anwendbarkeit bestehender völkerrechtlicher Verträge
„Verfahren und Tätigkeiten“ an die Tatsache des Bestehens von „Hoheitsgewalt oder Kontrolle“. Durch das CBD werden eigentumsrechtliche Ansprüche im Sinne einer einzelstaatlichen Aneignungsbefugnis genetischer Ressourcen weder ausdrücklich genannt noch impliziert. Vielmehr wird eine Anwendbarkeit nur hinsichtlich „Verfahren und Tätigkeiten“, nicht aber eine Zugangsbefugnis hinsichtlich „Bestandteile[n] der biologischen Vielfalt“ bejaht. Ob sich diese Ressourcen innerhalb oder jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt befinden, entscheidet sich nach dem übrigen Völkerrecht. Einstweilen bleibt es also dabei, dass durch das CBD nicht der Zugang zu genetischen Ressourcen jenseits nationaler Hoheitsgewalt geregelt wird, sondern nur die Art und Weise ihrer Nutzung. Auch wenn diese lückenhafte Adressierung genetischer Ressourcen im CBD unbefriedigend ist, bleibt eine einzelstaatliche Bewirtschaftung genetischer Ressourcen jenseits nationaler Hoheitsgewalt mangels völkervertraglicher Regelung dadurch grundsätzlich erlaubt, solange diese nachhaltig ist.298
D. Zwischenergebnis Ziel der vorstehenden Untersuchung bestehender multilateraler völkerrechtlicher Verträge war es, deren Vorschriften hinsichtlich der Anwendbarkeit auf die genetischen Ressourcen des Meeresbodens jenseits nationaler Hoheitsgewalt zu überprüfen. Namentlich wurden dabei die vier Genfer Seerechtsübereinkommen von 1958, das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen von 1982 sowie das Übereinkommen über die biologische Vielfalt von 1994 untersucht. Dabei ist der Frage nachgegangen worden, ob und inwieweit die genannten Verträge Regelungen für den Zugang und die Bewirtschaftung genetischer Ressourcen sowie einen Mechanismus zum gerechten Vorteilsausgleich (Access and Benefit-Sharing) des daraus u. U. gezogenen wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Nutzens bereithalten. Die Untersuchung erfolgte in zeitlich-historischer Reihenfolge, sodass ad primam die Genfer Seerechtsübereinkommen einer diesbezüglichen Untersuchung unterzogen wurden. Nachdem keines der vier Übereinkommen die genetischen Ressourcen des Meeresbodens direkt benennt, beschäftigt sich zumindest das Übereinkommen über die Fischerei und die Erhaltung der lebenden Ressourcen der Hohen See (FLRÜ) allgemein mit den lebenden Ressourcen in der Hohen See. Wie sich dem Genfer Übereinkommen über die Hohe See (HSÜ) entnehmen lässt, erstreckt sich die Hohe See auch auf den Meeresboden und dessen Untergrund jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt. Die darin gewährten Freiheiten der Hohen See gelten 298 Ibid., 479: „Living and genetic resources of the high seas and the deep sea-bed are freely accessible, no matter whether genetic resources are considered to be a category of their own or considered to come under a wide interpretation of living resources. For this area a gap exists as far as the management of marine genetic resources is concerned.“
D. Zwischenergebnis
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folglich auch hinsichtlich der an Hydrothermalquellen beheimateten genetischen Ressourcen, sodass diese – jedenfalls danach – einer einzelstaatlichen Bewirtschaftungsbefugnis unterliegen. Für das FLRÜ bedeutet dies ebenfalls eine grundsätzliche Anwendbarkeit auf die genetischen, weil lebenden, Ressourcen des Meeresbodens. Der Umstand, dass marines Leben auf dem Tiefseeboden erst Ende der 1970er Jahre entdeckt wurde, spiegelt sich in der eindeutigen Ausrichtung des FLRÜ wieder. Der Fokus dieses Übereinkommens liegt auf der Nahrungsversorgung mit marinen Lebewesen mittels Fischerei. So verwundert es kaum, dass der Zugang zu jeglichen lebenden Ressourcen infolge der Freiheiten der Hohen See zwar allen Staaten gewährt wird, aber ein Regulierungsmechanismus, der etwa deren nachhaltige Bewirtschaftung und einen gerechten Vorteilsausgleich regelt, nicht vorhanden ist. Die außerdem vergleichsweise geringe Akzeptanz des FLRÜ in der Staatengemeinschaft lässt die Genfer Seerechtsübereinkommen insgesamt wenig aussagekräftig für die Bewirtschaftung genetischer Ressourcen jenseits nationaler Hoheitsgewalt erscheinen. Das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen hält ad secundam im Vergleich zu den spärlich bemessenen Vorschriften der Genfer Seerechtsübereinkommen in nicht weniger als 320 Artikeln und neun Anhängen ein umfassendes Regelungsgefüge für die Fragen des Seerechts bereit.299 Dennoch finden genetische Ressourcen keine Erwähnung darin. Zur Frage der Anwendbarkeit des Vertrages muss daher stets auf die „lebenden Ressourcen“ abgestellt werden. War bis dato allein das Regime der Hohen See für die Ressourcen jenseits nationaler Hoheitsgewalt maßgebend, tritt nun das Gebietsregime als Regelungsmaterie für den Meeresboden hinzu. Das Gebietsregime in Teil XI des SRÜ beinhaltet zwei grundsätzliche Neuerungen: Zum einen wird das Prinzip vom gemeinsamen Erbe der Menschheit (CHM-Prinzip) für das Seerecht etabliert und zum anderen wird die Verwaltung dieses Gebiets jenseits nationaler Hoheitsgewalt der Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA) als Treuhänderin für die Staatengemeinschaft überantwortet, sodass ein Regime vorhanden wäre, das Zugang, Bewirtschaftung und Verteilung der Ressourcen regelt. Allerdings erfasst dieses Regime ausschließlich mineralische Ressourcen. Insbesondere die genetischen Ressourcen werden damit von einer Anwendbarkeit ausgeschlossen.300 Dieses Ergebnis ist ebenso eindeutig wie unbefriedigend und lässt sich ausgehend von Wortlaut, vorbereitenden Arbeiten und den Umständen bei Vertragsschluss auch durch eine dynamische oder evolutive Vertragsauslegung nicht ändern. Das Gebietsregime vermag mithin keine Aussagen hinsichtlich der dort belegenen genetischen Ressourcen zu treffen. 299 Vgl. Talmon, Law of the Sea, in: Volger (ed.), A Concise Encyclopedia of the United Nations, 2nd edn., 2010, 466 (471), der das SRÜ als „one of the most impressive treaties in the whole history of international law“ bezeichnet. 300 A.A. Oude Elferink, The Regime of the Area: Delineating the Scope of Application of the Common Heritage Principle and Freedom of the High Seas, 22 Int’l J. Marine & Coastal L. (2007), 143 (174), der Teil XI des SRÜ auch hinsichtlich der lebenden Ressourcen im Gebiet für anwendbar hält.
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Kap. 3: Die Anwendbarkeit bestehender völkerrechtlicher Verträge
Die vom Gebietsregime des SRÜ hinterlassene „Lücke“ ist ohne Frage ausfüllungsbedürftig, sei es völkervertraglich, etwa durch das vorgenannte HSÜ, oder völkergewohnheitsrechtlich, etwa durch die Freiheiten der Hohen See oder ein anderes Prinzip. Innerhalb des SRÜ könnte diese Aufgabe vom Regime der Hohen See aus Teil VII des SRÜ übernommen werden. Grundsätzlich ließe sich vergleichbar dem Genfer Übereinkommen über die Hohe See festhalten, dass lebende Ressourcen allgemein von den Freiheiten der Hohen See erfasst werden. Diese Freiheiten sind im Zuge der dritten Seerechtskonferenz ausgeweitet worden und umfassen immer noch die Freiheit der Fischerei als Regelbeispiel. Auch wenn die Bewirtschaftung genetischer Ressourcen ohne Zweifel nicht der Fischerei zugerechnet werden kann, so sind diese Regelbeispiele dennoch nicht abschließend. Es verbliebe mithin noch Raum für genetische Ressourcen, deren Gewinnung auch vertraglich dem grotianischen Gedanken unterfallen könnte, soweit sich die Hohe See auch auf die lebenden Ressourcen des Meeresbodens erstreckte. Die Schaffung des Gebietsregimes führte zu einer weitergehenden Differenzierung der jenseits nationaler Hoheitsgewalt belegenen Bereiche in vertikaler Hinsicht. Bei genauer Betrachtung von Wortlaut und Systematik des Vertrages wird deutlich, dass die Freiheiten der Hohen See nunmehr nur noch die Wassersäule erfassen sollen, von der der Meeresboden zugunsten eines eigenen Regimes abgetrennt wurde. Das Gebietsregime erfasst zwar nur die mineralischen Ressourcen. Soweit es die lebenden Ressourcen des Meeresbodens betrifft, ist jedoch nicht davon auszugehen, dass das Regime der Hohen See dort hinein regiert. Vielmehr muss diese „Lücke“ im vertraglichen System hingenommen werden. Autoren anderer Auffassung können die sachliche Erstreckung von Teil VII auf sämtliche Lebewesen zwar nachvollziehbar darlegen.301 Sie vermögen es aber nicht zu begründen, warum jenes Regime trotz Vorhandenseins des Gebietsregimes dort ausnahmsweise hinsichtlich der lebenden Ressourcen Anwendung findet. Dass Teil VII grundsätzlich immer jenseits der AWZ bzw. des Küstenmeeres Anwendung findet und nur dann zurücktritt „soweit es […] von den Bestimmungen über den Tiefseebodenbergbau verdrängt wird“, ist vor dem Wortlaut von Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 SRÜ, wonach das Gebiet „den Meeresboden und den Meeresuntergrund jenseits der Grenzen des Bereichs nationaler Hoheitsbefugnisse“ umfasst, sowie der negativen Abgrenzung der Hohen See in Art. 86 S. 1 SRÜ, nicht haltbar. Folgte man der Gegenmeinung dennoch, so unterfallen die genetischen Ressourcen des Meeresbodens vertraglich den Freiheiten der Hohen See, mithin einer einzelstaatlichen Zugangs- und Nutzungsbefugnis. Die weiteren Vorschriften zum Schutz und zur Bewahrung der Meeresumwelt (Teil XII) und zur wissenschaftlichen Meeresforschung (Teil XIII) können weder den Zugang zu noch das Management von genetischen Ressourcen regeln. Insbesondere das sog. „Biopro301
Proelß, Die Bewirtschaftung der genetischen Ressourcen des Tiefseebodens – Ein neues Seerechtsproblem?, NuR (2007), 650 (654), m.w.N: „Würde [die ,Erhaltung und Bewirtschaftung der lebenden Ressourcen der Hohen See‘] nicht auch andere Lebewesen als Fische erfassen, hätten die sesshaften Arten nicht ausdrücklich vom Regime der AWZ ausgenommen werden müssen, wie in Art. 68 SRÜ geschehen.“
D. Zwischenergebnis
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specting“, das neben einem wissenschaftlichen insbesondere einen wirtschaftlichen Nutzen anstrebt, fällt aus dem Anwendungsbereich sämtlicher Vorschriften des SRÜ heraus und verbleibt damit vertraglich ungeregelt.302 Ad tertium nimmt das Übereinkommen über die biologische Vielfalt (CBD) zwar einerseits auf genetische Ressourcen Bezug und hält andererseits auch ein ABSSystem bereit. Das Übereinkommen ist allerdings jenseits nationaler Hoheitsgewalt nicht auf die genetischen Ressourcen selbst anwendbar, sondern nur auf die Verfahren und Tätigkeiten, die etwa zu deren Ausbeutung führen. Daher ist das im CBD enthaltene ABS-System nicht auf die genetischen Ressourcen jenseits nationaler Hoheitsgewalt anwendbar. Auf sie finden nur die Ziele und Grundprinzipien des CBD Anwendung, die beispielsweise eine nachhaltige Bewirtschaftung erfordern. Eine viel wichtigere Zugangs- und Verteilungsregelung wird allerdings nicht getroffen. Folglich bleibt es dabei, dass weder das Seerecht noch das CBD den Zugang, Abbau und den gerechten Vorteilsausgleich genetischer Ressourcen des Meeresbodens jenseits nationaler Hoheitsgewalt adäquat und zufriedenstellend erfassen können, sodass diesbezüglich in völkervertraglicher Hinsicht eine rechtliche „Lücke“ besteht.303
302 So auch: UNGA, Oceans and the law of the sea – Report of the Secretary-General, 59th Session, 2004, UN Doc. A/59/62, 66, Nr. 261 f. 303 Lehmann, The Legal Status of Genetic Resources of the Deep Seabed, 11 N. Z. J. Envtl. L. (2007), 33 (64); Scovazzi, The Conservation and Sustainable Use of Marine Biodiversity, Including Genetic Resources, in Areas Beyond National Jurisdiction: A Legal Perspective, 2011, 7 f., abrufbar unter: http://www.un.org/Depts/los/consultative_process/ICP12_Presenta tions/Scovazzi_Presentation.pdf (zuletzt abgerufen am 01. 08. 2015).
Kapitel 4
Die völkergewohnheitsrechtliche Anwendbarkeit des „Common Heritage of Mankind“-Prinzips auf die Bewirtschaftung genetischer Ressourcen des Meeresbodens Das Prinzip vom gemeinsamen Erbe der Menschheit (CHM-Prinzip) hat nicht nur Eingang in das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen gefunden. Eine Vielzahl von völkerrechtlichen Verträgen haben schon zuvor oder danach, direkt oder indirekt auf das CHM-Prinzip Bezug genommen und beispielsweise den Mond und die Himmelskörper, die Antarktis oder den Orbit geostationärer Satelliten zum gemeinsamen Erbe der Menschheit erklärt.1 Gleichwohl ist das SRÜ der prominenteste Vertreter unter den verschiedenen multilateralen völkerrechtlichen Verträgen, da erst durch die Erklärung des Meeresbodens jenseits nationaler Hoheitsgewalt – des sog. „Gebiets“ – zum gemeinsamen Erbe der Menschheit, eine weitreichende Akzeptanz dieses Prinzips geschaffen wurde.2
A. Grundlagen Der Schutz der maritimen Flora und Fauna ist von großer Wichtigkeit für das Überleben der Erde, da die in Rede stehenden Bakterien und Kleinstlebewesen ökosystemare Grundlagen schaffen, auf denen nachgelagerte Arten und Spezies aufbauen.3 Allerdings wird eine Bewirtschaftung auch jener sensiblen Gebiete nicht ausbleiben. In Ansehung der zu erwartenden Erkenntnisse ist dies im Gegenteil sogar sehr wünschenswert, sodass eine gerechte Regulierung der Bewirtschaftung zum Nutzen der internationalen Gemeinschaft angestrebt werden sollte. Zur Bewirtschaftung der genetischen Ressourcen müssen sowohl der Zugang dazu, als auch die weitere Verwendung, d. h. Forschung, Entwicklung und Vermarktung, der daraus erzeugten Produkte geregelt werden. Durch die Anwendbarkeit des CHM-Prinzips 1
Dazu sogleich unter Kapitel 4, C. I. 1. Dupuy, in: Dupuy/Vignes, A Handbook on the New Law of the Sea, Vol. 1, 1991, 579. 3 Anton, Law for the Sea’s Biological Diversity, 36 Colum. J. Transnat’l L. (1998), 341 (345 f.); zum Umweltschutz im Gebiet s. Friedland, Der Schutz der biologischen Vielfalt der Tiefseehydrothermalquellen – ein internationales Regime für die genetischen Tiefseeressourcen, 2007. 2
A. Grundlagen
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könnte die Vorfrage der Zugangsbefugnis zu den genetischen Ressourcen jenseits nationaler Hoheitsgewalt beantwortet werden, sodass allein noch ein konkretes System zum gerechten Vorteilsausgleich fehlt, um auch dort von einem vollständigen „ABS-System“ sprechen zu können. Denn die dem ursprünglichen Gedanken eines „gemeinsamen Erbes der Menschheit“ zugrundeliegenden Prinzipien bilden die bislang einzige und anerkannte Alternative zu den Freiheiten der Hohen See oder einem unilateralen Aneignungsrecht und der Ausübung souveräner Rechte einzelner Staaten im Sinne eines neuerlichen Expansionismus der wenigen dazu fähigen Industrienationen. Letztere Optionen bedeuteten schlichten Wettbewerb um die genetischen Ressourcen des Meeresbodens, dessen Ausgang leicht vorhersehbar wäre und im sozialdarwinistischen Obsiegen des Stärkeren resultierte. Die Anwendung eines solchen – zu Recht reaktionär anmutenden – Faustrechts und eine dadurch befürchtete Gefährdung des Weltfriedens haben bereits im Zusammenhang mit den mineralischen Ressourcen des Meeresbodens zur Besorgnis Anlass gegeben.4 Auch wenn die Freiheit der Hohen See noch vor etwa 400 Jahren als neuste Errungenschaft gepriesen wurde, so ist es heute das diese Freiheit einschränkende Prinzip vom gemeinsamen Erbe der Menschheit, welches den gemeinsamen Bedürfnissen der Staaten im 20. und 21. Jahrhundert bestmöglich gerecht wird. Nachdem nunmehr die gesamte Erde potentiell für eine Bewirtschaftung durch ihre Bewohner in Frage kommt und die fortschreitende Globalisierung erhöhte Interdependenzen geschaffen hat, stellt sich die Frage nach einer gerechten Ressourcenallokation. Dies gilt insbesondere für „erschöpfliche“, d. h. nicht nachwachsende Ressourcen, deren begrenzte Verfügbarkeit ihre Zuteilung erforderlich macht. Die Knappheit der grundsätzlich nachwachsenden genetischen Ressourcen erklärt sich dadurch, dass nach einmal erfolgter Entschlüsselung ihrer Erbinformationen, jede weitere Entschlüsselung (nahezu) wertlos ist. Denn infolge der Patentierung von aus genetischen Ressourcen entwickelten Produkten und Prozessen sichert sich der Patentinhaber ausschließliche Rechte.5 Darüber hinaus gibt das CHM-Prinzip eine Möglichkeit, nachhaltige Bewirtschaftung in Gebieten jenseits nationaler Hoheitsgewalt durchzusetzen und hat damit nicht nur die gegenwärtigen Interessen und Bedürfnisse der Staatengemeinschaft, sondern auch jene zukünftiger Generationen im Blick.6
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UNGA, Examination of the question of the reservation exclusively for peaceful purposes of the sea-bed and the ocean floor, and the subsoil thereof, underlying the high seas beyond the limits of present national jurisdiction, and the use of their resources in the interest of mankind, 22nd Session, 1967, UN Doc. A/C.1/PV.1515, Nr. 91: „The consequences will be very grave: at the very least a dramatic escalation of the arms race and sharply increasing world tensions, caused also by the intolerable injustice that would reserve the plurality of the world’s resources for the exclusive benefit of less than a handful of nations.“ 5 s. o. bereits Kapitel 2, C. II. 2. 6 s. dazu Proelß, in: Graf Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 6. Aufl., 2013, 395, Rn. 75, der das CHM-Prinzip sogar als ein „Leitbild der nachhaltigen Entwicklung“ bezeichnet.
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Kap. 4: Anwendbarkeit des „Common Heritage of Mankind“-Prinzips
I. Der Meeresboden als Staatengemeinschaftsraum Die rechtliche Bewertung des Meeresbodens jenseits nationaler Hoheitsgewalt als res communis omnium oder gar als res nullius wird kaum mehr ernsthaft vertreten und kann auch nicht als Lösung des Problems betrachtet werden, welches die besondere Bedeutung der genetischen Ressourcen betrifft, wenn man sich dem CHM-Prinzip als Status sui generis verweigerte.7 Denn die Anwendung dieser Rechtsbegriffe im Gebiet würde sprichwörtlich auf die Redensart „wer zuerst kommt, mahlt zuerst“ hinsichtlich der dort belegenen Ressourcen bzw. sowohl hinsichtlich der dort belegenen Ressourcen, als auch des Meeresbodens selbst hinauslaufen. Schließlich gilt im Völkerrecht das Lotus-Prinzip.8 Danach ist eine bestimmte Handlung so lange als rechtmäßig anzusehen, bis nicht der Nachweis einer völkerrechtlichen Verbotsnorm erbracht ist. In Bezug auf die genetischen Ressourcen des Meeresbodens jenseits nationaler Hoheitsgewalt würde dies – auch in Ermangelung einer völkervertraglichen Regelung – den freien Zugang für jedermann bedeuten. Sowohl ein Aneignungsrecht, als auch das Recht eines offenen, unbeschränkten Zugangs zu seinen Ressourcen werden dem Meeresboden jenseits nationaler Hoheitsgewalt als internationalisiertem Gebiet jedoch nicht gerecht. Das CHM-Prinzip kann und will keinen eigentumsrechtlich relevanten Titel verschaffen. Zentrale Aufgabe des CHM-Prinzips ist nicht etwa, einem Staat Eigentum an den genetischen Ressourcen des Meeresbodens zu verschaffen, sondern den (gerechten) Zugang dazu.9 Daher bilden auch die Funktionshoheitsräume der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) oder des Festlandsockels kein adäquates Regime. Das Gebiet und seine Ressourcen sind weder staatliches Territorium, noch einem solchen vorgelagert. Es handelt sich auch nicht um aneignungsfähiges Niemandsland. Dieser Zwischenstatus rechtfertigt die Annahme eines Status sui generis, dessen Zielvorstellungen durch die Elemente des CHM-Prinzips am treffendsten formuliert werden.
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Während die Vereinigten Staaten wohl noch am res communis-Konzept hinsichtlich des Meeresbodens festhalten, findet sich eine exemplarische Ablehnung des res nullius-Konzepts in der Antwort des U.S. State Department auf eine Anfrage der Deepsea Ventures Inc. zur Besitzergreifung von Manganknollen auf dem Meeresboden jenseits nationaler Hoheitsgewalt, in: 14 ILM (1975), 51 (66): „The Department of State does not grant or recognize exclusive mining rights to the mineral resources of an area of the seabed beyond the limits of national jurisdiction.“ 8 StIGH, The Case of the S. S. „Lotus“ (France v. Turkey), PCIJ Reports Ser. A, No. 10 (1927), 18: „International law governs relations between States. The rules of law binding upon States therefore emanate from their own free will as expressed in conventions or by usages generally accepted as expressing principles of law and established in order to regulate the relations between these co-existing independent communities or with a view to the achievement of common aims. Restrictions upon the independence of States cannot therefore be presumed.“ 9 Joyner, Legal Implications of the Concept of the Common Heritage of Mankind, 35 Int’l & Comp. L.Q. 1 (1986), 190 (194).
A. Grundlagen
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II. Inhalt des CHM-Prinzips Zwar lässt sich keine einheitliche Definition des „Prinzips“, „Grundsatzes“ oder „Konzepts“ vom gemeinsamen Erbe der Menschheit i.S.e. Legaldefinition finden. Dessen Elemente sind jedoch durch die UN-Generalversammlung herausgearbeitet und konkretisiert worden. Folglich besteht in der Völkerrechtslehre grundsätzlich Einigkeit darüber, dass das gemeinsame Erbe der Menschheit von den folgenden fünf Elementen bestimmt wird:10 (1) Die Nutzung des gemeinsamen Erbes soll ausschließlich zu friedlichen Zwecken erfolgen.11 (2) Das gemeinsame Erbe kann einerseits nicht Gegenstand einer Aneignung durch Staaten oder Private sein. Andererseits können darüber auch keine Hoheitsgewalt oder sonstigen souveränen Rechte ausgeübt werden. (3) Die Verwaltung des gemeinsamen Erbes obliegt der Menschheit als Ganzes, wobei diese nicht selbst Rechtsträger sein kann.12 Stattdessen kann die Verwaltung etwa einer internationalen Organisation anvertraut werden, welche dann gleichsam als Sachwalter für die gesamte Menschheit agiert. (4) Die aus der Nutzung des gemeinsamen Erbes gewonnenen Vorteile, etwa durch den Abbau von Ressourcen, werden gerecht unter allen Mitgliedern der Staatengemeinschaft aufgeteilt. (5) Die Bewirtschaftung des gemeinsamen Erbes geschieht unter der Prämisse des nachhaltigen Schutzes und der Bewahrung der Umwelt für zukünftige Generationen. Teilweise wird außerdem noch eine besondere Beachtung und Bevorzugung der Entwicklungsländer bei der Verteilung von erlangten Nutzungsvorteilen eingeräumt.13 Diese Bevorzugung ergebe sich insbesondere aus der durch viele Ent10 s. unter Vielen Frakes, The Common Heritage of Mankind Principle and the Deep Seabed, Outer Space, and Antarctica: Will Developed and Developing Nations Reach a Compromise?, 21 Wis. Int’l L. J. (2003), 409 (411 ff.) und Vajic, The Law of Outer Space and the Law of the Sea: A Joint Contribution to the Emergence of the Common Heritage of Mankind Concept, in: Vukas (ed.), Essays on the New Law of the Sea, 1985, 537 (551); zu den Elementen im Einzelnen vgl. Wolfrum, Die Internationalisierung staatsfreier Räume, 1984, 336 ff. und ausführlich Baslar, The Concept of the Common Heritage of Mankind in International Law, 1998, 79 ff. 11 Der Friede zwischen den Völkern war eigentlicher Antrieb und Grundgedanke Pardos, s. Mann Borgese, Arvid Pardo (1914 – 1999): In Memoriam, 14 Ocean Y. B. (2000), xix (xxiv): „The new law of the sea as conceived by Pardo, based on the principle of the common heritage of mankind, is intrinsically a peace system, within which international resource management, a new science policy, and the control of technologies for development rather than destruction, would systematically restrict both military uses and abuses of technologies and resources.“ 12 Herdegen, Völkerrecht, 14. Aufl., 2015, 60 f., Rn. 19. 13 Harry, The Deep Seabed: The Common Heritage of Mankind or Arena for Unilateral Exploitation?, Naval L. Rev. (1992), 207 (226); van Dyke/Yuen, „Common Heritage“ v.
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Kap. 4: Anwendbarkeit des „Common Heritage of Mankind“-Prinzips
wicklungsländer in den sechziger und siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts geforderten sog. „Neuen Weltwirtschaftsordnung“ (NWWO; New International Economic Order, NIEO).14 Diese führte mit der Unterstützung der blockfreien und kommunistischen Staaten schließlich auch zur Annahme der Charta der wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen.15 Auch wenn die meisten westlichen Industrienationen gegen diese Resolution stimmten oder sich enthielten, ist ein solcher Ansatz hinsichtlich der Ausgestaltung des CHM-Prinzips nicht ganz von der Hand zu weisen.16 Denn sowohl der NWWO als auch dem CHM-Prinzip liegt derselbe Gedanke zugrunde: die gerechte Verteilung der weltweiten Ressourcen.17 Überdies enthält Art. 29 der Charta den expliziten Verweis auf das CHM-Prinzip, indem dieser den Meeresboden jenseits nationaler Hoheitsgewalt und seine Ressourcen in Anlehnung an die Resolution 2749 (XXV) der Generalversammlung zum gemeinsamen Erbe der Menschheit erklärt.18
III. Ausgangspunkt und Vorgehensweise Ein Bezug zwischen dem CHM-Prinzip, dem Internationalen Seerecht sowie insbesondere den Ressourcen des Meeresbodens jenseits nationaler Hoheitsgewalt wurde erstmalig mit der von den maltesischen Vertretern bei den Vereinten Nationen angestoßenen Resolutionen 2574 (sog. „Moratorium Resolution“) und 2749 (Declaration on Principles Governing the Sea-Bed and the Ocean Floor, and the Subsoil Thereof, Beyond the Limits of National Jurisdiction) hergestellt. Erstere verbot jegliche Tätigkeiten hinsichtlich der Ausbeutung von Ressourcen auf dem Meeresboden jenseits der Grenzen Nationaler Hoheitsgewalt und stellte fest, dass kein Hoheitsanspruch hinsichtlich dieses Gebiets oder seiner Ressourcen anerkannt werden würde.19 Letztere erklärte den Meeresboden und den Meeresuntergrund „Freedom Of The High Seas“: Which Governs The Seabed?, 19 San Diego L. Rev. (1981 – 1982), 493 (530, 551). 14 Joyner, Legal Implications of the Concept of the Common Heritage of Mankind, 35 Int’l & Comp. L.Q. 1 (1986), 190 (192 f.): „This more extremist version draws its legal and philosophical bases from the ideology advocating the creation of a New International Economic Order (NIEO).“ 15 UNGA, Charter of Economic Rights and Duties of States, 29th Session, 1974, UN Doc. A/RES/29/3281; Übersicht bei Herdegen, Principles of International Economic Law, 2013, 16 ff. 16 Zur Parallelität von NWWO und CHM-Prinzip s. Wolfrum, Die Internationalisierung staatsfreier Räume, 1984, 381 ff. 17 Talmon, Law of the Sea, in: Volger (ed.), A Concise Encyclopedia of the United Nations, 2nd edn., 2010, 466 (469 f.). 18 UNGA, Charter of Economic Rights and Duties of States, 29th Session, 1974, UN Doc. A/RES/29/3281, Art. 29. 19 UNGA, 24th Session, 1969, UN Doc. A/RES/24/2574/D.
A. Grundlagen
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jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt schließlich ohne Gegenstimmen zum gemeinsamen Erbe der Menschheit.20 Dessen Grundaussagen hatte der maltesische Botschafter bei den Vereinten Nationen, Arvid Pardo, zuvor erläutert und insbesondere auf die drohende Diskrepanz zwischen den westlichen Industrienationen und den rohstoffreichen, aber sehr viel ärmeren Entwicklungsländern hingewiesen, falls keine Regelung gefunden würde.21 Die mineralischen, nicht lebenden Ressourcen im Gebiet wurden mit dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen aus dem Jahre 1982 vertraglich dem CHM-Prinzip unterworfen. Die lebenden, genetischen Ressourcen im Gebiet fanden dagegen wenig Beachtung, sodass eine Kodifizierung unterblieb. Nachdem eine vertragliche Anwendbarkeit des im SRÜ enthaltenen CHMPrinzip auf die genetischen Ressourcen des Meeresbodens oben ausgeschlossen wurde, stellt sich die Frage, ob dieses Prinzip neben seiner vertraglichen Kodifizierung mittlerweile als Völkergewohnheitsrecht anzusehen ist oder bereits zuvor diesen Status innehatte. Denn neben dem SRÜ, d. h. parallel dazu, könnte eine völkergewohnheitsrechtliche Entwicklung stattgefunden haben, die genetische Ressourcen in die Anwendbarkeit des CHM-Prinzips auf dem Meeresboden einschließt. Mithin steht nun eine mögliche Annahme des CHM-Prinzips als Völkergewohnheitsrecht in der Staatengemeinschaft im Mittelpunkt der Untersuchungen. Im Folgenden soll der Versuch unternommen werden den dazu erforderlichen Nachweis zu führen. Zuvor wird der Nachweis von Gewohnheitsrecht im Völkerrecht im Allgemeinen betrachtet und die Verwertbarkeit von Quellen zum Nachweis dieses Gewohnheitsrechts dargestellt, bevor das gefundene Material auf seine Tauglichkeit untersucht wird. Ob dieses Prinzip grundsätzlich auch dazu geeignet sein kann, den Rahmen für ein adäquates Regime zum Schutz und zur Bewirtschaftung der genetischen Ressourcen des Meeresbodens jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt zu bieten, wird Gegenstand weiterer Untersuchungen in Kapitel 5 sein.22 20 UNGA, 25th Session, 1970, UN Doc. A/RES/25/2749: „The sea-bed and ocean floor, and the subsoil thereof, beyond the limits of national jurisdiction (hereinafter referred to as the area), as well as the resources of the area, are the common heritage of mankind.“ 21 UNGA, 22nd Session, 1967, UN Doc. A/C.1/PV.1515, Nr. 91: „The strong would get stronger, the rich richer, and among the rich themselves there would arise an increasing and insuperable differentiation between two or three and the remainder.“ 22 Zustimmend: Anton, Law for the Sea’s Biological Diversity, 36 Colum. J. Transnat’l L. (1998), 341 (360): „[…] the concept of common heritage […] is also potentially important for the wise use and conservation of marine biological diversity.“; Jagels-Sprenger, „Common Heritage of Mankind“. Vom internationalen Nutzungs- und Verteilungsregime zur Herausbildung einer Bewirtschaftungsordnung zum Schutz der natürlichen Ressourcen, 24 Kritische Justiz 4 (1991), 409 (424), die ihre Hypothese am Wiener Übereinkommen zum Schutz der Ozonschicht und dem Montrealer Protokoll belegt; a.A. Leary, International Law and the Genetic Resources of the Deep Sea, 2007, 100: „Since the common heritage of mankind is an unclearly defined concept in international law, the adoption of which was contentious and stalled negotiations on a comprehensive oceans regime, is it worthwhile to embark on this
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Kap. 4: Anwendbarkeit des „Common Heritage of Mankind“-Prinzips
B. Der Nachweis von Gewohnheitsrecht im Völkerrecht Das Völkerrecht setzt sich aus einer Vielzahl von Rechtssätzen zusammen, die nur teilweise in völkerrechtlichen Verträgen kodifiziert und damit dauerhaft festgehalten sind. Ein großer und gewichtiger Teil dieser Rechtssätze ist jedoch bislang nicht vertraglich niedergeschrieben worden: Das Völkergewohnheitsrecht. Es wird ebenfalls durch die Völkerrechtssubjekte, die Staaten, bestimmt und kann von diesen auch jederzeit erzeugt, geändert oder aufgehoben werden – viel unkomplizierter als dies bei Verträgen möglich wäre.23 Die Kehrseite mangelnder Kodifizierung ist die Nachweisbarkeit eines solchen Rechtssatzes und folglich seine Geltung im Völkerrecht und für die Staatengemeinschaft. Bestehendes Völkergewohnheitsrecht entfaltet zwar genauso wie völkerrechtliche Verträge Bindungswirkung. Anders als völkerrechtliche Verträge, die nur inter partes wirken, bindet das Völkergewohnheitsrecht jedoch grundsätzlich die gesamte Staatengemeinschaft, mit Ausnahme eines solchen Staates, der beharrlich Einwendung dagegen erhebt, der sog. „persistent objector“.24 Diese – grundsätzlich – universelle Geltung gegenüber allen Staaten muss teuer erkauft werden. Denn an den Nachweis von Gewohnheitsrecht im Völkerrecht werden besonders hohe Anforderungen gestellt. Während sich ein völkervertraglicher Konsens der Staaten im Wortlaut des Vertrags selber wiederspiegelt, muss dieser Konsens im Gewohnheitsrecht, i. e. opinio iuris, anhand tatsächlicher Belege, der sog. „Staatenpraxis“, erst herausgearbeitet werden.
I. Zweistufige Vorgehensweise Klassischerweise wird die völkergewohnheitsrechtliche Geltung eines Rechtssatzes objektiv durch das Verhalten der Staaten, welchem subjektiv eine entsprechende Rechtsüberzeugung zugrunde liegt, nachgewiesen.25 Diese Voraussetzungen zur Entstehung von Völkergewohnheitsrecht sind nach allgemeiner Meinung in Art. 38 Abs. 1 lit. b) IGH-Statut enthalten.26 Art. 38 des Statuts des Internationalen Gerichtshofs zählt all jene Rechtssätze auf, welche der Gerichtshof bei der Entdebate again for another ocean resource, the genetic resources of hydrothermal vents? I think not.“ 23 Denn grundsätzlich gilt Art. 26 WVK: „Pacta sunt servanda.“; s. dazu Crawford, Brownlie’s Principles of Public International Law, 8th edn., 2012, 377. 24 Zur Ausnahme des persistent objector und den dazu vertretenen Ansichten s. Charney, The Persistent Objector Rule and the Development of Customary International Law, 56 BYIL 1 (1985), 1 ff. 25 IGH, North Sea Continental Shelf Cases (Germany v. Denmark and Netherlands), ICJ Reports 1969, 3, Nr. 77: „[…] two conditions must be fulfilled. Not only must the acts concerned amount to a settled practice, but they must also be such, or be carried out in such a way, as to be evidence of a belief that this practice is rendered obligatory by the existence of a rule of law requiring it.“ 26 Vgl. nur Herdegen, Völkerrecht, 14. Aufl., 2015, 143, Rn. 1.
B. Der Nachweis von Gewohnheitsrecht im Völkerrecht
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scheidung der ihm vorgebrachten Streitigkeiten anwendet. Daher kodifiziert er auch die zur Bestimmung von Völkergewohnheitsrecht erforderlichen Elemente:27 „Der Gerichtshof, dessen Aufgabe es ist, die ihm unterbreiteten Streitigkeiten nach dem Völkerrecht zu entscheiden, wendet an […] b) das internationale Gewohnheitsrecht als Ausdruck einer allgemeinen, als Recht anerkannten Übung; […].“
Daraus werden für das Entstehen von Völkergewohnheitsrecht zwei Voraussetzungen abgeleitet. Erstens das Vorliegen einer Rechtsüberzeugung (opinio iuris) und zweitens eine darauf gründende allgemeine Übung (consuetudo) der Staaten. Die Staaten müssen dabei zum Ausdruck bringen, dass sie sich rechtlich verpflichtet fühlen, auf eine bestimmte Art und Weise zu handeln. Ist diese Staatenpraxis einheitlich und andauernd bei der weit überwiegenden Mehrheit der Staatengemeinschaft nachweisbar, dann entsteht dadurch Völkergewohnheitsrecht, an das grundsätzlich alle Staaten gebunden sind.28 1. Induktive Methode Seit dem Jahr 2012 ist Sir Michael Wood als Mitglied und sog. „Special Rapporteur“ der Völkerrechtskommission der Vereinten Nationen (ILC) mit der Berichterstattung zur Entwicklung von Völkergewohnheitsrecht beauftragt.29 Er hat der ILC bislang zwei Berichte vorgelegt, einen zur Entstehung und zum Nachweis von Völkergewohnheitsrecht30 (2013) sowie einen zur Bestimmung von Völkergewohnheitsrecht31 (2014). Dem ersten Bericht lässt sich entnehmen, dass der klassische, zweistufige Ansatz, bestehend aus Staatenpraxis und einer zugrundeliegenden Rechtsüberzeugung zur Bestimmung von Völkergewohnheitsrecht in Rechtsprechung und Literatur nach wie vor vorherrschend ist: „The ,traditional‘ approach, reflected in Article 38.1 (b) of the Statute of the International Court of Justice, has been widely understood as requiring two components for the formation of a rule of customary international law: (a) general State practice and (b) acceptance of such practice as law. […] This approach, recognized as the ,dominant position in the
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Thirlway, in: Evans (ed.), International Law, 4th edn., 2014, 98 ff. Zu den Elementen des Völkergewohnheitsrechts vgl. Crawford, Brownlie’s Principles of Public International Law, 8th edn., 2012, 23 ff. 29 ILC, Provisional Summary Record, 64th Session, 3132nd Meeting, 2012, UN Doc. A/CN.4-SR.3132, 16. 30 ILC, First report on formation and evidence of customary international law, 2013, UN Doc. A/CN.4/663. 31 ILC, Second report on identification of customary international law, 2014, UN Doc. A/CN.4/672. 28
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Kap. 4: Anwendbarkeit des „Common Heritage of Mankind“-Prinzips
mainstream theory of customary international law‘, regards each of the two elements as indispensable; […].“32
Das Element der Staatenpraxis soll folglich ebenso konstitutiven Charakter haben wie jenes der Rechtsüberzeugung.33 Von erheblicher Bedeutung ist die Frage nach dem Verhältnis der beiden Elemente, Rechtsüberzeugung und Staatenpraxis, zueinander. Nach Wood soll die empirisch erfassbare Staatenpraxis innerhalb dieses zweistufigen Ansatzes den Ausgangspunkt bilden: „[…] within this bipartite conception it seems to award primacy to State practice, in the sense that ,custom begins with ,acts‘ that become a ,settled practice‘; that practice may then give rise to the belief that it had become obligatory‘.“34
Im Wege der Induktion wird sodann geprüft, ob hinter diesem Verhalten der Staaten ein damit einhergehendes Verpflichtungsbewusstsein steht, das auf eine allgemeine Rechtsüberzeugung schließen lässt. Nach diesem Muster ist der Internationale Gerichtshof in den Nordsee-Festlandsockel-Fällen – der wohl wichtigsten und grundlegendsten IGH-Entscheidung zur Entstehung von Völkergewohnheitsrecht – vorgegangen.35 2. Deduktive Methode Mit der im Jahr 1986 folgenden Nicaragua-Entscheidung36 ist ein anderer Ansatz verfolgt worden.37 Aufgrund dieser Entscheidung glaubte man eine Trendwende dahingehend ausgemacht zu haben, dass nunmehr im Wege der Deduktion, von einer (vermuteten) allgemeinen Rechtsüberzeugung ausgehend, ein Nachweis dieser
32 ILC, First report on formation and evidence of customary international law, 2013, UN Doc. A/CN.4/663, 45 f., Nr. 96. 33 Ibid., 28, Nr. 66: „[…] overall there is substantial reliance on the approach and case law of the International Court of Justice, including the constitutive role attributed to the two elements of State practice and opinio juris.“ 34 Ibid., 45 f., Nr. 96. 35 IGH, North Sea Continental Shelf Cases (Germany v. Denmark and Netherlands), ICJ Reports 1969, 3, Nr. 77. 36 IGH, Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. United States of America), ICJ Reports 1986, 14, Nr. 186: „In order to deduce the existence of customary rules, the Court deems it sufficient that the conduct of States should, in general, be consistent with such rules, and that instances of State conduct inconsistent with a given rule should generally have been treated as breaches of that rule, not as indications of the recognition of a new rule.“ 37 Roberts, Traditional and Modern Approaches to Customary International Law: A Reconciliation, 95 AJIL (2001), 757 (758): „A good example of the deductive approach is the Merits decision in Military and Paramilitary Activities in and Against Nicaragua.“
B. Der Nachweis von Gewohnheitsrecht im Völkerrecht
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Rechtsüberzeugung durch Staatenpraxis geführt werden würde.38 Denn der IGH erkannte die sog. „Friendly-Relations-Declaration“39 der UN-Generalversammlung als Bestätigung für die Rechtsüberzeugung in der Staatengemeinschaft insoweit an, als dass eine Verpflichtung bestehe, sich in internationalen Beziehungen der Drohung mit und der Anwendung von Gewalt zu enthalten.40 Eine Trendwende erfolgte damit allerdings nur scheinbar. Denn neuerer Rechtsprechung des IGH zu diesem Thema, namentlich der Staatenimmunität-Entscheidung, ist zu entnehmen, dass die Staatenpraxis von einer notwendigen Rechtsüberzeugung begleitet („accompanied“) werden muss, wenn Völkergewohnheitsrecht erzeugt werden soll.41 Auch wenn die Wortwahl des IGH in diesem Fall nicht mit derjenigen früherer Entscheidungen übereinstimmt, so rekurriert das Urteil dennoch zunächst auf die vom IGH in den Nordsee-Festlandsockel-Fällen gefundenen Grundsätze.42 Darüber hinaus ist einer jeden „Begleitung“ das Vorhandensein eines Bezugsobjekts als Ausgangspunkt – hier: die Staatenpraxis – inhärent. Ohne vom grundsätzlichen Erfordernis beider Elemente abzusehen, nimmt der IGH eine Priorisierung innerhalb der zu prüfenden Elemente vor und schließt im Wege der Induktion von der Staatenpraxis auf das Vorliegen einer entsprechenden opinio iuris.43
38 Herdegen, Völkerrecht, 14. Aufl., 2015, 141 f., Rn. 1; Meron, International Law in the Age of Human Rights: General Course on Public International Law, 301 Recueil des Cours (2003), 9 (378). 39 UNGA, Declaration on Principles of International Law concerning Friendly Relations and Co-operation among States in accordance with the Charter of the United Nations, 25th Session, 1970, UN Doc. A/RES/25/2625. 40 IGH, Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. United States of America), ICJ Reports 1986, 14, Nr. 188: „This opinio juris may, though with all due caution, be deduced from, inter alia, the attitude of the Parties and the attitude of States towards certain General Assembly resolutions, and particularly resolution 2625 (XXV) entitled ,Declaration on Principles of International Law concerning Friendly Relations and Co-operation among States in accordance with the Charter of the United Nations‘.“ 41 IGH, Jurisdictional Immunities of the State (Germany v. Italy; Greece intervening), ICJ Reports 2012, 99, Nr. 77: „That practice is accompanied by opinio juris, as demonstrated by the positions taken by States and the jurisprudence of a number of national courts which have made clear that they considered that customary international law required immunity.“ 42 Ibid., Nr. 55. 43 Vgl. u. a. Bleckmann, Zur Feststellung und Auslegung von Völkergewohnheitsrecht, ZaöRV (1977), 504 (505): „In solchen Fällen ist die Feststellung der opinio iuris sehr schwierig. Gelingt dieser Nachweis, muss aus den einzelnen Sachverhalten die generelle Regel des Völkergewohnheitsrechts induziert werden. Zu diesem Zweck müssen aus den historischen Sachverhalten jedes Falles die wahrscheinlich rechtsrelevanten Fakten herauskristallisiert werden.“; Crawford, Brownlie’s Principles of Public International Law, 8th edn., 2012, 23; und sehr detailliert Talmon, Determining Customary International Law: The ICJ’s Methodology between Induction, Deduction and Assertion, Bonn Research Papers on Public International Law, Paper No 4/2014, 2014, 6, m.w.N.: „There is widespread agreement that customary international law is, as a rule, ascertained by induction.“
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Kap. 4: Anwendbarkeit des „Common Heritage of Mankind“-Prinzips
Von dieser Vorgehensweise ist im Einzelfall abgewichen worden, insbesondere dann, wenn Staatenpraxis nicht oder nur unzureichend vorlag.44 Das Verhältnis der beiden Elemente zueinander erlangt dann umso größere Bedeutung, wenn mangels vorhandener Staatenpraxis nicht auf eine zugrundeliegende Rechtüberzeugung geschlossen werden kann. Dies ist bei der Bewirtschaftung genetischer Ressourcen jenseits nationaler Hoheitsgewalt zweifelsohne der Fall, da der Meeresboden in diesen Tiefen bislang nur sporadisch Gegenstand von Forschungsvorhaben war.45 Eine großflächige Bewirtschaftung im Sinne eines systematischen Abbaus ist noch gar nicht durchgeführt worden. Die Brisanz des Themas ergibt sich folglich gerade aus der bevorstehenden – weil nunmehr ökonomisch sinnvollen – Gewinnung dieser einmaligen Erbinformationen. Daher wird die zweistufige Vorgehensweise mit der Staatenpraxis als Ausgangspunkt hier jedenfalls näherer Betrachtung bedürfen, um diesen und vergleichbare neuartige Sachverhalte nicht von der Entwicklung im Völkergewohnheitsrecht auszuschließen. In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage nach der Eigenschaft von Staatenpraxis als konstitutivem oder bloß deklaratorischem Element des Völkergewohnheitsrechts.46 In seinem zweiten Bericht zur Bestimmung von Völkergewohnheitsrecht stellt Wood klar, dass die Staatenpraxis „unverzichtbar“ für jede Norm des Völkergewohnheitsrechts sei.47 Denn Staatenpraxis sei deren Grundlage: „Practice, often referred to as the ,material‘ or ,objective‘ element, plays an ,essential role‘ in the formation and identification of customary international law. It may be seen as the ,raw material‘ of customary international law, as the latter emerges from practice, which ,both defines and limits it‘. Such practice consists of ,material and detectable‘ acts of subjects of international law, and it is these ,instances of conduct‘ that may form ,a web of precedents‘ in which a pattern of conduct may be observed.“48 44
IGH, Delimitation of the Maritime Boundary in the Gulf of Maine Area (Canada v. United States of America), ICJ Reports 1984, 246, Nr. 81: „Although the practice is still rather sparse, owing to the relative newness of the question, it too is there to demonstrate that each specific case is, in the final analysis, different from all the others, that it is monotypic and that, more often than not, the most appropriate criteria, and the method or combination of methods most likely to yield a result consonant with what the law indicates, can only be determined in relation to each particular case and its specific characteristics. This precludes the possibility of those conditions arising which are necessary for the formation of principles and rules of customary law giving specific provisions for subjects like those just mentioned.“ 45 Vgl. Talmon, Determining Customary International Law: The ICJ’s Methodology between Induction, Deduction and Assertion, Bonn Research Papers on Public International Law, Paper No 4/2014, 2014, 7. 46 Zur Generierung von sog. „modern custom“ durch Modifizierung der zweistufigen Vorgehensweise s. ILC, First report on formation and evidence of customary international law, 2013, UN Doc. A/CN.4/663, 49 ff., Nr. 98, m.w.N., der diesen Ansätzen wohl eher ablehnend gegenüber steht. 47 ILC, Second report on identification of customary international law, 2014, UN Doc. A/CN.4/672, 8, Nr. 23: „The two elements are indeed indispensable for any rule of customary international law properly so called.“ 48 Ibid., 15, Nr. 32, m.w.N.
B. Der Nachweis von Gewohnheitsrecht im Völkerrecht
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Im Falle (noch) nicht vorhandener Staatenpraxis ist – jedenfalls auf dieser Grundlage – die Entstehung von Völkergewohnheitsrecht nicht möglich. Zwar müsse das Gericht die beiden Elemente in jedem Falle unabhängig voneinander bestimmen.49 Allerdings räumt Wood auch ein, dass das Handeln von Staaten in einigen Fällen zugleich als Nachweis der Staatenpraxis und der opinio iuris dienen kann.50 Hierauf wird später näher eingegangen werden.51 Staatenpraxis kann ihren Ausdruck auch in einem Unterlassen finden, etwa wenn ein Staat glaubt, eine Handlung nicht vornehmen zu dürfen, weil sie rechtlich verboten ist: „Abstention from acting, also referred to as a ,negative practice of States‘, may also count as practice. Inaction by States may be central to the development and ascertainment of rules of customary international law, in particular when it qualifies (or is perceived) as acquiescence.“52
Offen bleibt indes, wie das Unterlassen eines Staates im Rahmen der Staatenpraxis zu bewerten ist, der faktisch gar keine Möglichkeit hat, eine entsprechende Handlung vorzunehmen, weil ihm, etwa bei der Anwendung neuartiger Technologien, die finanziellen oder technischen Mittel dazu fehlen.53 Auch hierauf soll später eingegangen werden.54 3. Die Spruchpraxis des IGH Die Beziehung beider Elemente wird vom IGH nicht nur hinsichtlich ihrer Reihenfolge und ihres grundsätzlichen Erfordernisses konkretisiert. Der Internationale Gerichtshof hat mit den vorgenannten Entscheidungen auch eine sukzessive Abschwächung der Erfordernisse an die Staatenpraxis vorgenommen. In den NordseeFestlandsockel-Fällen wurden bereits Aussagen zu Dauer (duration), Einheitlichkeit (consistency) und Verbreitung (generality) der Übung dahingehend getroffen, dass eines der Erfordernisse, namentlich die Dauer der Staatenpraxis, durch ein sehr ausgeprägtes Bestehen der anderen ausgeglichen werden könne.55 Ist beispielsweise 49 Ibid., 51, Nr. 70: „In any case, it is important that the court or tribunal should […] in fact have separately identified the two elements.“ 50 Ibid.: „Some practice may thus in itself be evidence of opinio juris, or, in other words, be relevant both in establishing the necessary practice and its ,acceptance as law‘.“ 51 s. u. Kapitel 4, C. II. 2. 52 ILC, Second report on identification of customary international law, 2014, UN Doc. A/CN.4/672, 27, Nr. 42. 53 Weitere Untersuchungen zu diesem Thema stellt Wood in einem weiteren Bericht an die ILC in Aussicht, vgl. ibid. 54 s. u. Kapitel 4, C. II. 3. 55 IGH, North Sea Continental Shelf Cases (Germany v. Denmark and Netherlands), ICJ Reports 1969, 3 (43), Nr. 74: „[…] the passage of only a short period of time is not necessarily […] a bar to the formation of a new rule of customary international law […].“
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Kap. 4: Anwendbarkeit des „Common Heritage of Mankind“-Prinzips
eine einheitliche und weitverbreitete Übung vorhanden, so ist keine bestimmte Dauer mehr erforderlich.56 Da für die Bewirtschaftung genetischer Ressourcen des Meeresbodens kaum Staatenpraxis vorhanden ist, die auch nach nur kurzer Dauer zur Entstehung von Völkergewohnheitsrecht hätte beitragen können, ist eine weitere Entwicklung viel bedeutsamer: Das Erfordernis der Staatenpraxis ist hinsichtlich seiner Beweiskraft für die Rechtsüberzeugung der Staaten aufgeweicht worden. Während die Staatenpraxis in den Nordsee-Festlandsockel-Fällen noch als „Beweis“ („evidence“) einer bestehenden Rechtsüberzeugung galt,57 bedurfte diese Rechtsüberzeugung nach der Nicaragua-Entscheidung (nur noch) einer „Bestätigung“ durch die Staatenpraxis: „The court must satisfy itself that the existence of the rule in the opinio juris of States is confirmed by practice.“58
Wenn also die Anforderungen an die erforderliche Staatenpraxis geringer werden, dann muss im Umkehrschluss der Anspruch an die Rechtsüberzeugung steigen, um für den Nachweis von Völkergewohnheitsrecht insgesamt eine gleichwertige Basis zu erhalten. Durch die Anwendung der deduktiven Methode erfährt gleichzeitig die opinio iuris als Element im Rechtserzeugungsprozess eine stärkere Betonung.59 Würde man alleine die induktive Methode zur Bestimmung von Völkergewohnheitsrecht gelten lassen und damit die Staatenpraxis stets als Ausgangspunkt begreifen, so könnte sich in einigen Bereichen des Völkerrechts niemals Gewohnheitsrecht herausbilden, weil staatliches Handeln dort (noch) nicht möglich ist. Wie die Rechtsprechung des IGH zeigt, wird die Herangehensweise zur Bestimmung von Völkergewohnheitsrecht stets vom Einzelfall bestimmt und gleicht daher einer Mischung mehrerer Methoden.60
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Crawford, Brownlie’s Principles of Public International Law, 8th edn., 2012, 24. IGH, North Sea Continental Shelf Cases (Germany v. Denmark and Netherlands), ICJ Reports 1969, 3, Nr. 77: „[…] evidence of a belief that this practice is rendered obligatory by the existence of a rule of law requiring it.“ 58 IGH, Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. United States of America), ICJ Reports 1986, 14, Nr. 184. 59 Roberts, Traditional and Modern Approaches to Customary International Law: A Reconciliation, 95 AJIL (2001), 757 (758): „Traditional custom is evolutionary and is identified through an inductive process in which a general custom is derived from specific instances of state practice. […] By contrast, modern custom is derived by a deductive process that begins with general statements of rules rather than particular instances of practice. This approach emphasizes opinio juris rather than state practice because it relies primarily on statements rather than actions.“ 60 Talmon, Determining Customary International Law: The ICJ’s Methodology between Induction, Deduction and Assertion, Bonn Research Papers on Public International Law, Paper No 4/2014, 2014, 29: „In practice, when determining the rules of customary international law, the Court does not use one single methodology but a mixture of induction, deduction and assertion.“ 57
B. Der Nachweis von Gewohnheitsrecht im Völkerrecht
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II. Gewohnheitsrecht als Völkerrechtsquelle Damit ist das Gewohnheitsrecht– neben dem Vertragsrecht und den allgemeinen Rechtsgrundsätzen – nach Art. 38 Abs. 1 lit. b) IGH-Statut eine der vom IGH anzuwendenden Völkerrechtsquellen, wobei zwischen Verträgen, Gewohnheitsrecht und allgemeinen Rechtsgrundsätzen kein Hierarchieverhältnis besteht.61 Ein solches kann allenfalls zwischen den vorgenannten Völkerrechtsquellen und den in lit. d) genannten „Hilfsmitteln“, namentlich den „richterlichen Entscheidungen“ und den „Lehrmeinungen der fähigsten Völkerrechtler“ ausgemacht werden.62 Es kann jedoch festgestellt werden, dass das Völkergewohnheitsrecht, wenngleich kein Bestandteil des Völkervertragsrechts, gleichwohl teilweise durch Verträge initiiert und beschleunigt wurde.63 Der Nachweis bestehenden Völkergewohnheitsrechts im Hinblick auf den Zugang zu bzw. den Abbau und den Schutz von genetischen Ressourcen des Meeresbodens jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt könnte von dem Dilemma befreien, welches die zuvor untersuchten Verträge hinterlassen haben: Während eine Anwendbarkeit dieser Verträge auf die genannten Ressourcen nicht möglich bzw. nur unbefriedigend war, können diese gleichwohl die Herausbildung entsprechenden Völkergewohnheitsrechts für die Gebiete jenseits nationaler Hoheitsgewalt befördert haben. Das Vorliegen von Völkergewohnheitsrecht könnte auch unter dem Aspekt hilfreich sein, dass daran nicht nur die jeweiligen Vertragsparteien gebunden wären, sondern jenes grundsätzlich Bindungswirkung gegenüber der gesamten Staatengemeinschaft entfaltet.64 Dies bedeutete beispielsweise, dass auch solche Staaten gebunden wären, die das SRÜ bislang weder unterschrieben noch ratifiziert haben: beispielsweise die Vereinigten Staaten, die Türkei, Israel, Syrien, Peru, Eritrea, Venezuela und andere.65 Denn völkergewohnheitsrechtlich würde die Ausbeutung der lebenden Ressourcen des Meeresbodens seit Grotius als Freiheit der Hohen See anzusehen sein. Dies könnte sich jedoch durch einen neuen völkergewohnheitsrechtlichen Rechtssatz geändert haben, welcher etwa von den G77-Staaten schon lange propagiert wird: Die auch völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung aller Ressourcen des Meeresbodens als gemeinsames Erbe der Menschheit. Dadurch 61 Sabharwal, ,Treaties are Treaties and Custom is Custom and Never the Twain Shall Meet‘? Examining the Interplay of Treaties and Custom in International Law, 12 Student Advoc. (2000), 113 (122). 62 Joyner, U.N. General Assembly Resolutions and International Law: Rethinking the Contemporary Dynamics of Norm-Creation, 11 Cal. W. Int’l L. J. (1981), 445 (455). 63 Vgl. Herdegen, Völkerrecht, 14. Aufl., 2015, 152, Rn. 11, der von Verträgen als „Katalysator“ für die Entwicklung des Gewohnheitsrechts spricht. 64 s. o. Kapitel 4, A. 65 Vgl. Status of the United Nations Convention on the Law of the Sea, of the Agreement relating to the implementation of Part XI of the Convention and of the Agreement for the implementation of the provisions of the Convention relating to the conservation and management of straddling fish stocks and highly migratory fish stocks, abrufbar unter: http://www. un.org/depts/los/reference_files/status2010.pdf (zuletzt abgerufen am: 01. 08. 2015).
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Kap. 4: Anwendbarkeit des „Common Heritage of Mankind“-Prinzips
könnte nicht nur die vom Vertragsrecht hinterlassene Lücke geschlossen, sondern auch eine globale Bindungswirkung erreicht werden, ohne dass dazu ein neuer Vertrag oder ein weiteres Durchführungsübereinkommen notwendig wäre. Letztere wird bislang als wahrscheinlichste, aber nicht unumstrittene Option angesehen. Die Anerkennung eines solchen Rechtssatzes in der Staatengemeinschaft, insbesondere hinsichtlich der genetischen Ressourcen des Meeresbodens, gilt es im Folgenden zu bestätigen oder zu wiederlegen, jedenfalls aber den status quo eines möglichen Entwicklungsprozesses aufzuzeigen, um belegen zu können, ob und inwieweit das CHM-Prinzip bereits völkergewohnheitsrechtlichen Charakter angenommen hat und Bindungswirkung entfaltet. Davon abhängig bzw. darauf aufbauend würde schließlich ein neues völkerrechtliches Regime geschaffen werden können, um nach der Zugangsfrage auch die Modalitäten zum Abbau und Schutz der Ressourcen des Meeresbodens vollständig zu regeln sowie deren Nutzen für die gesamte Staatengemeinschaft im Sinne einer nachhaltigen und gerechten Bewirtschaftung zu bestimmen. Die Völkerrechtslehre hält zur Bestimmung von Völkergewohnheitsrecht unter Zugrundelegung der beiden o. g. Grundelemente verschiedene Methoden bereit.66 Dabei wird je nach Ansicht dem subjektiven oder dem objektiven Element größeres Gewicht beigemessen oder eines der beiden auch für gänzlich vernachlässigbar erklärt.67 In Anlehnung an den Wortlaut des Art. 38 Abs. 1 lit. b) IGH-Statut wird hier zunächst dem Prozedere der überwiegend vertretenen Meinung gefolgt, wonach einerseits eine Rechtsüberzeugung der Staaten und andererseits eine entsprechende allgemeine Übung erforderlich sind. Die zahlreichen möglichen Quellen von Gewohnheitsrecht bedürfen sodann einer Zuordnung, da eine politische Aussage beispielsweise zwar Ausdruck einer Rechtsüberzeugung sein kann, aber zum Nachweis von Staatenpraxis nicht geeignet ist.68 In einem ersten Schritt sollen die als Nachweis dienenden möglichen Quellen einem Element zugeordnet werden (Kapitel 4, A. II.), um die spätere Auswertung vorzubereiten (Kapitel 4, B. und C.). Eine Gewichtung für die vorliegende Fragestellung und eine Schlussfolgerung kann erst nach dieser Auswertung erfolgen (Kapitel 4, C. II. und III.).
66 Übersicht bei Simma, Die Erzeugung ungeschriebenen Völkerrechts: Allgemeine Verunsicherung – klärende Beiträge Karl Zemaneks, in: Ginther (Hrsg.), Völkerrecht zwischen normativem Anspruch und politischer Realität, Festschrift für Karl Zemanek, 1994, 94 (98) und Fidler, Challenging the Classical Concept of Custom: Perspectives on the Future of Customary International Law, 39 GYIL (1996), 198 ff. 67 ILC, First report on formation and evidence of customary international law, 2013, UN Doc. A/CN.4/663, 48, Nr. 98, m.w.N. 68 Eine beispielhafte Aufzählung findet sich bei Crawford, Brownlie’s Principles of Public International Law, 8th edn., 2012, 24.
B. Der Nachweis von Gewohnheitsrecht im Völkerrecht
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III. Zuordnung von Nachweisen Nachfolgend werden die Quellen des Völkergewohnheitsrechts bestimmt und einem seiner beiden Elemente, namentlich der opinio iuris oder der Staatenpraxis zugeordnet, soweit dies möglich ist und sinnvoll erscheint. Denn die Zuordnung kann nicht immer trennscharf erfolgen, da der Nachweis beider Elemente – ebenso wie auch die Elemente selbst – teilweise miteinander verwoben sind. So kann eine Handlung zugleich der Identifizierung von Staatenpraxis und dem Nachweis einer Rechtsüberzeugung dienen,69 weil Staatenpraxis immer eine sichtbare Komponente, namentlich das staatliche Verhalten an sich, und eine (meist) unsichtbare Komponente, namentlich die innere Haltung dazu, beinhaltet.70 1. opinio iuris Der Nachweis des subjektiven Elements, namentlich der opinio iuris, eines oder mehrerer Staaten ist am einfachsten durch eine konkrete Aussage seines Staatsoberhauptes oder eines seiner Regierungsmitglieder, wie beispielsweise einem Präsidenten oder Außenminister, zu erbringen, die beispielsweise im Rahmen multilateraler Staatenkonferenzen, bei den Vereinten Nationen oder auch vor nationalen oder internationalen Gerichten vorgebracht werden.71 Leider sind derart öffentliche Aussagen kaum zu finden.72 Überdies wird es kaum jemals der Fall sein, dass die Rechtsüberzeugung eines Staates durch die Aussage „unsere Rechtsüberzeugung lautet wie folgt: …“ derart klar hervortritt und darüber hinaus als solche gekennzeichnet wird. Die Meinungsbildung findet bei Staaten stets im Verborgenen statt und dringt allenfalls Jahre später an die Öffentlichkeit. Daher verbleibt stets dem Völkerrechtler die Aufgabe, zu vermuten, was mit einer staatlichen Erklärung rechtlich bezweckt wird.73 Die Erklärung eines Staatenvertreters bedarf nicht nur eines konkreten Inhalts, sondern muss auch in einem entsprechenden Kontext geäußert werden. Denn daraus muss ein entsprechendes Verpflichtungsbewusstsein
69 ILC, Second report on identification of customary international law, 2014, UN Doc. A/CN.4/672, 51, Nr. 70: „Some practice may thus in itself be evidence of opinio juris, or, in other words, be relevant both in establishing the necessary practice and its ,acceptance as law‘.“ 70 Müllerson, On the Nature and Scope of Customary International Law, 2 Austrian Rev. Int’l. & Eur. L. (1997), 341 (344). 71 ILC, Second report on identification of customary international law, 2014, UN Doc. A/CN.4/672, 53, Nr. 75. 72 ILC, First report on formation and evidence of customary international law, 2013, UN Doc. A/CN.4/663, 20, Nr. 48. 73 Mendelson, The Subjective Element in Customary International Law, 66 BYIL (1995), 177 (195): „We cannot know what States believe, it is suggested. First of all States, being abstractions or institutions, do not have minds of their own; and in any case, since much of the decision-making within governments takes place in secret, we cannot know what States (or those who direct or speak for them) really think, but only what they say they think.“
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Kap. 4: Anwendbarkeit des „Common Heritage of Mankind“-Prinzips
abgeleitet werden können, dass ein bestimmter Rechtssatz als verbindlich angesehen wird. Der IGH formuliert dazu wie folgt: „The States concerned must […] feel that they are conforming to what amounts to a legal obligation.“74
Bloße allgemeinpolitische oder wahlkämpferische Äußerungen reichen in der Regel dazu nicht aus; ebensowenig Handlungen, die nur aus Höflichkeit, Zweckmäßigkeit oder Tradition vorgenommen werden: „The frequency, or even habitual character of the acts is not in itself enough. There are many international acts, e. g., in the field of ceremonial and protocol, which are performed almost invariably, but which are motivated only by considerations of courtesy, convenience or tradition, and not by any sense of legal duty.“75
Der Kontext einer Äußerung kann ihr eben jenen rechtsverbindlichen Charakter verleihen. Dies gilt insbesondere für im Rahmen multilateraler Konferenzen abgegebene Erklärungen zu bestimmten Tagesordnungspunkten. In diesen Fällen kommt es den Staatenvertretern gerade darauf an in einem thematisch relevanten Forum rechtsverbindliche Aussagen zu treffen. Zu diesen Foren zählen insbesondere Vertragsstaatenkonferenzen unter dem Dach internationaler Organisationen (im Rahmen der Vereinten Nationen als sog. „Conferences of the Parties“, COPs, bekannt), Gipfeltreffen (Bsp.: Treffen der G7 bzw. G8, G20 oder G77) und Zusammenkünfte ihrer Gremien oder Ausschüsse. Die Relevanz der Äußerung und ihr rechtserheblicher Charakter werden dadurch deutlich, dass der Staatenvertreter die Rechtsansicht seiner Delegation zu einem Thema zu Protokoll gibt. Damit gibt er zu verstehen, dass daraus eine rechtliche Verpflichtung entspringt, die für ihn handlungsleitend ist. Einen besonderen Stellenwert dabei haben die ordentlichen und außerordentlichen Tagungen, sog. „Sessions“, der Generalversammlung der Vereinten Nationen. Die Generalversammlung kann entsprechend ihrer Aufgaben und Befugnisse aus Kapitel IV der UN-Charta Resolutionen erlassen. Als Folge des in Art. 2 Nr. 1 UNCharta niedergelegten Grundsatzes der Staatengleichheit hat jedes Mitglied der Generalversammlung eine Stimme.76 Besonderheit erlangen die Resolutionen der Generalversammlung deswegen, weil die UN-Charta mit 193 Mitgliedern von nahezu allen Staaten der Staatengemeinschaft ratifiziert worden ist. Die Generalversammlung umfasst daher als Abbild der Vertragsstaaten die potentielle opinio iuris der gesamten Staatengemeinschaft und hat als solche einen erheblichen Einfluss auf die Zusammensetzung des Völkergewohnheitsrechts.77 Diese Rechtsüberzeugung 74 IGH, North Sea Continental Shelf Cases (Germany v. Denmark and Netherlands), ICJ Reports 1969, 3, Nr. 77. 75 Ibid. 76 Vgl. Art. 18 Abs. 1 UN-Charta. 77 Joyner, U.N. General Assembly Resolutions and International Law: Rethinking the Contemporary Dynamics of Norm-Creation, 11 Cal. W. Int’l L. J. (1981), 445 (448): „[…] there is little doubt that by virtue of its nearly universal representation and by powers specifically
B. Der Nachweis von Gewohnheitsrecht im Völkerrecht
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erfährt etwa durch das Abstimmungsverhalten der Staaten im Rahmen von Resolutionen der Generalversammlung völkergewohnheitsrechtliche Relevanz, wenngleich ein solcher Rückschluss mit der gebotenen Vorsicht zu ziehen ist.78 Denn eine Resolution der Generalversammlung hat keinen bindenden Charakter für die Staatengemeinschaft.79 Sie vermag also per se keine Rechte und – ungleich wichtiger – Pflichten für die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen hervorzurufen. Weil die Staaten in eben jenem Bewusstsein abstimmen, ist ihrem Stimmverhalten daher auch nicht zwangsläufig eine Rechtsüberzeugung in diesem Sinne zu entnehmen. Die völkergewohnheitsrechtliche Relevanz ergibt sich im Einzelfall unter besonderer Berücksichtigung des Inhalts und der Umstände, unter denen die Resolution zustande gekommen ist.80 Während zahlreiche Gegenstimmen oder Enthaltungen die normative Kraft einer Resolution schmälern,81 kann eine überwältigende Zustimmung – oder sogar die einmütige Annahme – eine entsprechende Rechtsüberzeugung der Staaten zum Ausdruck bringen.82 So hat der Internationale Gerichtshof beispielsweise in seiner Nicaragua-Entscheidung festgestellt, dass die Zustimmung zu einer Resolution, namentlich der sog. „Friendly Relations Declaration“, gleichfalls als Zustimmung zu ihrer Gültigkeit verstanden werden könne und die opinio iuris der Staaten damit aus deren Verhalten gegenüber UN-Resolutionen abgeleitet.83 Zwar stellt die „Friendly Relations Degranted in the Charter, it is the United Nation’s General Assembly which has most directly influenced the nature and substance of contemporary international law.“ 78 IGH, Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. United States of America), ICJ Reports 1986, 99 f. 79 Vgl. unter Vielen Joyner, U.N. General Assembly Resolutions and International Law: Rethinking the Contemporary Dynamics of Norm-Creation, 11 Cal. W. Int’l L. J. (1981), 445 (461): „[…]; the resolution remains a non-binding recommendation.“ 80 IGH, Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons (Advisory Opinion), ICJ Reports 1996, 226 (254 f.), Nr. 70. 81 Ibid., 255, Nr. 71: „[…] although [resolutions with substantial numbers of negative votes and abstentions] are a clear sign of deep concern regarding the problem […], they still fall short of establishing the existence of an opinio juris […].“ 82 IGH, Legal Consequences for States of the Continued Presence of South Africa in Namibia (South West Africa) notwithstanding Security Council Resolution 276 (1970) (Advisory Opinion), Separate Opinion of Vice-President Ammoun, ICJ Reports, 1971, 16 (79), Nr. 7: „This resolution, adopted unanimously but for the two votes of South Africa and Portugal, demonstrates that the international community as a whole deems it legitimate to defend human rights by force of arms; […].“ und IGH, Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory (Advisory Opinion), Separate Opinion of Judge Al-Khasawneh, ICJ Reports 2004, 136 (236), Nr. 3: „[…] one may cite the very large number of resolutions adopted by […] the General Assembly often unanimously or by overwhelming majorities, […] which, while not binding, nevertheless produce legal effects and indicate a constant record of the international community’s opinio juris.“ 83 IGH, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. United States of America), ICJ Reports, 1986, 14 (89 f.), Nr. 188: „This opinio juris may, though with all due caution, be deduced from, inter alia, the attitude of the Parties and the attitude of States towards certain General Assembly resolutions, and particularly resolution
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Kap. 4: Anwendbarkeit des „Common Heritage of Mankind“-Prinzips
claration“ insoweit eine Besonderheit dar. Allerdings wird auch anderen Resolutionen der Generalversammlung rechtserzeugender Charakter zugesprochen,84 beispielsweise den sog. „Principles Governing Outer Space“, die in der Erklärung über rechtliche Grundsätze zur Erforschung und Nutzung des Weltraums enthalten sind.85 Eine Dekade später hat der IGH in seinem Gutachten zur Rechtmäßigkeit des Gebrauchs und der Drohung mit Atomwaffen erneut UN-Resolutionen zum Nachweis einer dementsprechenden Rechtsüberzeugung herangezogen.86 Auch in Bezug auf den Meeresboden jenseits nationaler Hoheitsgewalt und dessen Bewirtschaftung hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen mehrere Resolutionen – teilweise mit überwältigenden Mehrheiten – angenommen; sie werden später ob ihrer rechtlichen Relevanz für die genetischen Ressourcen untersucht.87 Es gibt Fälle, in denen die opinio iuris eines Staates nicht hinreichend eindeutig festgestellt werden kann.88 Dies ist namentlich beim Unterlassen, insbesondere im Rahmen von Verbotsregeln der Fall.89 Zwar kann das Absehen eines Staates von einer Handlung nach allgemeiner Meinung als Staatenpraxis gewertet werden.90 Allerdings ist im Falle des Nichtstuns nicht nur keine sichtbare Handlung vorhanden, sondern darüber hinaus auch die Motivation dazu unsichtbar. Es ist mithin zweifelhaft, ob ihr eine Rechtsüberzeugung des unterlassenden Staates zugrunde liegt oder der Staat aus anderen Gründen von einer Handlung abgesehen hat. Zu diesen 2625 (XXV) […]. The effect of consent to the text of such resolutions […] may be understood as an acceptance of the validity of the rule or set of rules declared by the resolution by themselves.“ 84 Aufzählung bei Crawford, Brownlie’s Principles of Public International Law, 8th edn., 2012, 42. 85 UNGA, Declaration of Legal Principles Governing the Activities of States in the Exploration and Use of Outer Space, 18th Session, 1963, UN Doc. A/RES/18/1962. 86 IGH, Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons (Advisory Opinion), ICJ Reports 1996, 226, Nr. 70 ff.: „They can, in certain circumstances, provide evidence important for establishing the existence of a rule or the emergence of an opinio juris.“ 87 s. u. Kapitel 4, B. II. 1. 88 Mendelson, The Subjective Element in Customary International Law, 66 BYIL (1995), 177 (198 ff.). 89 Jung, Rechtserkenntnis und Rechtsfortbildung im Völkergewohnheitsrecht, 2012, 68. 90 StIGH, The Case of the S. S. „Lotus“ (France v. Turkey), PCIJ Reports Ser. A, No. 10 (1927), 28: „[…] if such abstention were based on their being conscious of having a duty to abstain would it be possible to speak of an international custom.“; IGH, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. United States of America), ICJ Reports 1986, 14 (99), Nr. 188; IGH, Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons (Advisory Opinion), ICJ Reports 1996, 226 (253 f.), Nr. 65 f.; IGH, Jurisdictional Immunities of the State (Germany v. Italy; Greece intervening), ICJ Reports 2012, 99 (135), Nr. 77: „The almost complete absence of contrary jurisprudence is also significant, as is the absence of any statements by States in connection with the work of the International Law Commission regarding State immunity […].“; Chodosh, Neither Treaty nor Custom: The Emergence of Declarative International Law, 26 Tex. Int’l L. J. (1991), 87 (100); Meijers, How is International Law Made? – The Stages of Growth of International Law and the Use of its Customary Rules, 9 NYIL (1978), 3 (4).
B. Der Nachweis von Gewohnheitsrecht im Völkerrecht
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anderen Gründen können beispielweise fehlende Regelungsgewalt oder schlichtes Desinteresse zählen.91 Form und Folge der Rechtsüberzeugung hängen davon ab, in welchem Kontext und mit welchem Ziel sie geäußert wird: Enthält die Norm ein Verbot, eine Verpflichtung oder gewährt sie nur ein Recht, sich in einer bestimmten Art und Weise zu verhalten?92 Bei Völkergewohnheitsrecht, das durch die aktive Vornahme von Handlungen erzeugt wird, gleicht das Unterlassen eines Staates seinem Einverständnis mit der in der Entstehung befindlichen Norm.93 Bei Völkergewohnheitsrecht, das durch Unterlassen erzeugt wird, weil damit einer aus Sicht des unterlassenden Staates rechtlich verbindlichen Verbotsregel nachgekommen werden soll, ist es für diese Staaten schwieriger, den gemäß Art. 38 Abs. 1 lit. b) IGH-Statut erforderlichen Beweis zu erbringen. Zwar kann dieser Beweis in vielen verschiedenen Formen angetreten werden, allerdings ist – wie auch bei der Vornahme einer Handlung – eine „hinreichende Erkennbarkeit“ für einen „durchschnittlich wachsamen Staat“ erforderlich.94 Gerade wenn die Staatenpraxis in „Unterlassen, kombiniert mit einem Schweigen“, besteht, so wird ein zusätzlicher Anhaltspunkt dafür erforderlich sein, dass der einzelne Staat sich davon eine Relevanz für die Staatengemeinschaft verspricht.95 Nähme man ein Verbot der einzelstaatlichen Bewirtschaftung der genetischen Ressourcen des Meeresbodens jenseits nationaler Hoheitsgewalt an, so stellte sich für die diese Rechtsüberzeugung teilenden Staaten die Frage, wie Sie ihre opinio iuris den übrigen Staaten nicht nur mitteilen, sondern auch beweisen könnten. Die Schwierigkeit besteht nun darin, zu differenzieren, ob es sich entweder um ein stillschweigendes Einverständnis mit diesem Verbot oder vielmehr um ein Unterlassen in Ermangelung anderer Handlungsmöglichkeiten handelt. Und käme letzterer Erkenntnis deswegen ein geringerer Beweiswert zu oder würde dadurch am Ende die souveräne Gleichheit der Staaten in Frage gestellt?
91 Vgl. Mendelson, The Subjective Element in Customary International Law, 66 BYIL (1995), 177 (199), der dies am Bsp. des Lotus-Falls des StIGH zeigt. 92 Henckaerts/Doswald-Beck (eds.), Customary International Humanitarian Law, Vol. 1, 2005, xlv. 93 Nur gegenläufige Praxis oder Protest würden einen Staat nicht binden und zum persistent objector machen, s. u. Kapitel 4, D. 94 Meijers, How is International Law Made? – The Stages of Growth of International Law and the Use of its Customary Rules, 9 NYIL (1978), 3 (7): „The only general requirement placed on the acts or omissions in question is that they should be sufficiently discoverable by another state to which the rule could become applicable for it to be reasonable to expect that such state has taken notice of them. The fact that the will has been formed must be cognoscible to a reasonably alert state.“ 95 Henckaerts/Doswald-Beck (eds.), Customary International Humanitarian Law, Vol. 1, 2005, xlv f.: „If the practice largely consists of abstention combined with silence, there will need to be some indication that the abstention is based on a legitimate expectation to that effect from the international community.“
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Kap. 4: Anwendbarkeit des „Common Heritage of Mankind“-Prinzips
2. Staatenpraxis Die Staatenpraxis dient als objektives Element des Völkergewohnheitsrechts dazu, eine vermutete Rechtsüberzeugung zu bestätigen, sie „zu Tage“ zu befördern. Der IGH betont, dass das Bestehen einer opinio iuris durch Staatenpraxis bestätigt werden müsse.96 An die Qualität und Quantität der Staatenpraxis werden bestimmte Anforderungen gestellt. Eine vollständige Akzeptanz im Sinne einer alle Staaten umfassenden Praxis ist nicht erforderlich; es ist vielmehr eine nahezu einheitliche Übung (virtually uniform practice), eine sog. „Quasi-Universalität“97 gemeint, die eine weit überwiegende Mehrheit der Staaten ausreichen lässt.98 Die vorgefundene Staatenpraxis muss allerdings sowohl in zeitlicher, als auch in personeller Hinsicht konstant und kohärent sein, d. h. die Staatenpraxis muss über eine gewisse Dauer und auch von den sich darauf berufenden Staaten einheitlich vertreten werden.99 Auch ein kurzer Zeitraum steht der Entstehung eines gewohnheitsrechtlichen Rechtssatzes nicht entgegen, solange eine weitverbreitete und nahezu einheitliche Staatenpraxis unter Einschluss jener Staaten vorliegt, deren Interessen besonders betroffen sind.100 Diese als Staatenpraxis bezeichnete „allgemeine Übung“ kann in vielfältiger Form vorliegen, um der Rechtsüberzeugung nach außen hin Ausdruck zu verleihen. Deren Nachweis kann etwa durch entsprechende nationale Gesetzgebung oder die Vornahme tatsächlicher Handlungen bei staatlicher Zurechenbarkeit erbracht werden. Die Ableitung einer Staatenpraxis allein aus Handlungen, die in Übereinstimmung mit einem den Staat ohnehin bindenden Vertrag geschehen, ist zwar nicht zur Bestätigung einer Rechtsüberzeugung geeignet;101 wie zuvor gesehen, wird die Bewirtschaftung genetischer Ressourcen in Gebieten jenseits nationaler Hoheits96 IGH, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. United States of America), ICJ Reports 1986, 14, Nr. 184: „The Court must satisfy itself that the existence of the rule in the opinio juris of States is confirmed by practice.“ 97 Herdegen, Völkerrecht, 14. Aufl., 2015, 144 f., Rn. 3. 98 IGH, North Sea Continental Shelf Cases (Germany v. Denmark and Netherlands), ICJ Reports 1969, 3 (43), Nr. 74; kritisch dazu: Charney, Universal International Law, 87 AJIL (1993), 529 (537): „[…] when authorities examine the evidence necessary to establish customary law, they consider actions of a limited number of states […].“ 99 IGH, Asylum Case (Colombia v. Peru), ICJ Reports 1950, 266 (276): „[…] custom is established […] in accordance with a constant and uniform usage practised by the States in question.“ 100 IGH, North Sea Continental Shelf Cases (Germany v. Denmark and Netherlands), ICJ Reports 1969, 3 (43), Nr. 74: „[…] the passage of only a short period of time is not necessarily […] a bar to the formation of a new rule of customary international law […].“ 101 Lowe, International Law, 2007, 85: „For States Parties to the treaty, however, the obvious reason for a State to express a norm in its practice is that it is acting in conformity with the treaty, rather than in conformity with customary international law.“; kritisch zu diesem Umstand: Charney, International Agreements and the Development of Customary International Law, 61 Wash. L. Rev. (1986), 971 (990): „The conclusion that more than the agreement itself must be shown before customary law is found presents problems for one seeking to find evidence of state practice and opinio juris. […] It is this dilemma that may force some to use tenuous evidence in support of new norms of customary law.“
B. Der Nachweis von Gewohnheitsrecht im Völkerrecht
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gewalt von den bedeutenden Verträgen des internationalen Seerechts auch nicht erfasst, sodass sich diese Frage etwa bei Vornahme einer solchen Handlung gar nicht stellen würde. Die Zustimmung einer Vielzahl von Staaten zu völkerrechtlichen Verträgen kann jedoch grundsätzlich als Staatenpraxis zum Erzeugungsprozess von Völkergewohnheitsrecht beitragen.102 Diese Generierung von Völkergewohnheitsrecht aus Verträgen wurde anfänglich sehr skeptisch betrachtet. Doehring beispielsweise befürchtete die Verletzung der Souveränität der Nicht-Vertragsstaaten, wenn für diesen nunmehr eine vertragliche Norm gewohnheitsrechtlich gelten solle, die eigentlich nur die Vertragsparteien verpflichtete.103 Art. 38 WVK räumt indes sogar ausdrücklich die Möglichkeit ein, dass „eine vertragliche Bestimmung als ein Satz des Völkergewohnheitsrechts, der als solcher anerkannt ist, für einen Drittstaat verbindlich wird“. Es handelt sich dabei auch nicht um die Erstreckung bi- oder multilateral vereinbarter, vertraglicher Klauseln auf Drittstaaten, sondern um die Schaffung neuen, danebenstehenden Rechts. Dieses Gewohnheitsrecht erfährt seine Initiierung oder Bestätigung dadurch, dass die Vertragsparteien durch Verhandlung eines Vertrages ihre Rechtsüberzeugung zum Ausdruck bringen und schließlich mit dessen Abschluss praktisch umsetzen: ein Vertrag kann der Bestätigung einer bestehenden opinio iuris dienen und mithin Staatenpraxis darstellen.104 Die weitverbreitete und repräsentative Beteiligung an einem Vertrag kann einen zunächst nur vertraglich manifestierten Rechtssatz auch ohne Berücksichtigung eines bestimmten Zeitraumes zu einem allgemeinen Rechtsgrundsatz werden lassen, wenn jene Staaten daran beteiligt sind, deren Interessen besonders betroffen sind.105 102
Crawford, Brownlie’s Principles of Public International Law, 8th edn., 2012, 31: „Although treaties are as such binding only on the parties, the number of parties, the explicit acceptance of these rules by states generally and, in some cases, the declaratory character of the provisions combine to produce a powerful law-creating effect.“; Fidler, Challenging the Classical Concept of Custom: Perspectives on the Future of Customary International Law, 39 GYIL (1996), 198 (202): „In engaging in the empirical task of identifying whether State practice is general and uniform, international lawyers consider all types of evidence: treaties, policy statements, diplomatic correspondence, national legislation, resolutions of multilateral fora and much more.“; a.A. Doehring, Gewohnheitsrecht aus Verträgen, ZaöRV (1976), 77 (81). 103 Doehring, Gewohnheitsrecht aus Verträgen, ZaöRV (1976), 77 (92 f.), der für die gewohnheitsrechtliche Geltung von Verträgen fast unüberwindbare Hürden aufstellt: „Immer müßte hinzukommen, daß festgestellt werden kann, die angeführte Vertragspraxis bestätige ein unabwendbares, intensives und als lebensnotwendig empfundenes Interesse der Staatengemeinschaft oder auch ein solches Interesse, dem dasjenige an der Aufrechterhaltung der staatlichen Souveränität nicht in besonderem Maße entgegengesetzt werden kann.“ 104 D’Amato, The Concept of Custom in International Law, 1971, 104: „Not only do [treaties] carve out law for the immediate parties, but they also have a profound impact upon general customary law for nonparties. For a treaty arguably is a clear record of a binding international commitment that constitutes the ,practice of states‘ and hence is as much a record of customary behavior as any other state act or restraint.“ 105 IGH, North Sea Continental Shelf Cases (Germany v. Denmark and Netherlands), ICJ Reports 1969, 3 (43), Nr. 73: „[…] it might be that, even without the passage of any considerable period of time, a very widespread and representative participation in the convention might suffice of itself, provided it included that of States whose interests were specifically affected.“
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Kap. 4: Anwendbarkeit des „Common Heritage of Mankind“-Prinzips
Der IGH hat zum Verhältnis von Verträgen und Gewohnheitsrecht herausgearbeitet, dass ein vertraglich verankerter Rechtssatz aus drei Gründen daneben auch im Völkergewohnheitsrecht ent- bzw. bestehen kann: „[…] either because the treaty had merely codified the custom, or caused it to ,crystallize‘, or because it had influenced its subsequent adoption.“106
Im Falle der Kodifikation wird ein schon vorher bestehender Rechtssatz des Völkergewohnheitsrechts im Vertragstext bloß neu formuliert.107 Die „Kristallisation“ hingegen verleiht einem im Entstehen begriffenen Rechtssatz erst seine konkrete Gestalt.108 Schließlich kann die vertragliche Fixierung eine nachfolgende gewohnheitsrechtliche Akzeptanz bewirken. Während Gewohnheitsrecht im ersten Fall schon vorhanden ist, wird dessen Entstehung in den anderen beiden Fällen durch Verträge erst beschleunigt bzw. initiiert. Ein Vertrag ist in diesen beiden Fällen notwendig, um das darin kodifizierte Vertragsrecht als Gewohnheitsrecht aus der Taufe zu heben. 3. Völkergewohnheitsrecht und Verträge Ein im Entstehen begriffenes CHM-Prinzip für sämtliche Ressourcen des Meeresbodens könnte durch entsprechende Verankerung in völkerrechtlichen Verträgen zu Völkergewohnheitsrecht geworden sein. Die Annahme eines völkerrechtlichen Vertrages kann bewirken, dass sich ein darin kodifiziertes Prinzip als gewohnheitsrechtlicher Rechtssatz „herauskristallisiert“.109 Das im Entstehungsprozess befindliche Gewohnheitsrecht wird gleichsam durch Verträge „katalysiert“.110 Dieser Entstehung von Völkergewohnheitsrecht durch „Kristallisation“ aus einer vertraglichen Norm liegen folgende durch den IGH bestimmte Prämissen zu Grunde:111 (1) Die in Rede stehende Norm muss geeignet sein, die Basis für einen allgemeinen Rechtsgrundsatz zu bilden.112
106 IGH, Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. United States of America), ICJ Reports 1986, 84 f., Nr. 177. 107 Sabharwal, ,Treaties are Treaties and Custom is Custom and Never the Twain Shall Meet‘? Examining the Interplay of Treaties and Custom in International Law, 12 Student Advoc. (2000), 113 (117). 108 Ibid. 109 IGH, North Sea Continental Shelf Cases (Germany v. Denmark and Netherlands), ICJ Reports 1969, 3 (38), Nr. 61. 110 Herdegen, Völkerrecht, 14. Aufl., 2015, 150, Rn. 11. 111 Vgl. Sabharwal, ,Treaties are Treaties and Custom is Custom and Never the Twain Shall Meet‘? Examining the Interplay of Treaties and Custom in International Law, 12 Student Advoc. (2000), 113 (119 f.). 112 IGH, North Sea Continental Shelf Cases (Germany v. Denmark and Netherlands), ICJ Reports 1969, 3 (42 f.), Nr. 72.
B. Der Nachweis von Gewohnheitsrecht im Völkerrecht
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(2) Die Norm darf keinem Vorbehalt unterliegen.113 (3) Der die Norm enthaltende Vertrag muss eine weitverbreitete und repräsentative Zustimmung erfahren haben und jene Staaten einschließen, deren Interessen besonders betroffen sind.114 (4) Die Staatenpraxis muss hinsichtlich der in Rede stehenden Norm sowohl flächendeckend als auch nahezu einheitlich sein und wiederum jene Staaten einschließen, deren Interessen besonders betroffen sind.115 (5) Schließlich schließt eine nur kurze Dauer der Staatenpraxis die Entstehung neuen Völkergewohnheitsrechts nicht aus.116 Darüber hinaus kann von einer der Norm entsprechenden Staatenpraxis der Vertragsparteien allein nicht auf Völkergewohnheitsrecht geschlossen werden.117 Denn diese sind den anderen Parteien gegenüber bereits vertraglich zur Normbefolgung verpflichtet (s. o.). Vielmehr muss daher auf das Verhalten der Nicht-Vertragsparteien abgestellt werden.118 Besteht unter ihnen eine weit verbreitete – mit der Norm übereinstimmende – Staatenpraxis und fühlen sich diese Nicht-Vertragsstaaten auch zu normkonformem Verhalten verpflichtet, so kann aus einer vertraglich kodifizierten Norm eine Norm des Völkergewohnheitsrechts werden. Eine solche Entwicklung wird im Allgemeinen etwa für die Ausdehnung der AWZ auf 200 sm angenommen, die nach der Verhandlung des SRÜ auch von Nicht-Vertragsstaaten beansprucht wurde.119 Dass der normative Charakter des CHM-Prinzips als Basis für einen allgemeinen Rechtsgrundsatz geeignet ist, könnte durch die vielfache Implementierung in völkerrechtlichen Verträgen, also eine Gesamtschau völkervertraglicher Aktivitäten, nachgewiesen werden. Die wiederholte Erwähnung und Verwendung des CHMPrinzips darin kann dieses zu einem Grundsatz des Völkerrechts werden lassen.120 Die weiteren Prämissen sind jeweils konkret am Vertragswerk zu belegen. Insbesondere ist eine übereinstimmende Normbefolgung von Nicht-Vertragsparteien nachzuweisen. 113
Ibid., 39 f., Nr. 63. Ibid., 43, Nr. 73. 115 Ibid., 43, Nr. 74. 116 Ibid. 117 Ibid., 44, Nr. 76: „From their action no inference could legitimately be drawn as to the existence of a rule of customary international law […].“ 118 Ibid., 45, Nr. 77. 119 Herdegen, Völkerrecht, 14. Aufl., 2015, 152 f. (153), Rn. 12 a.E., aber ablehnend bezüglich des im SRÜ enthaltenen Regimes zum Tiefseebergbau. 120 Zustimmend Baslar, The concept of the common heritage of mankind in international law, 1998, 350 und van Hoof, Legal Status of the Concept of the Common Heritage of Mankind, 7 Grotiana 1 (1986), 49 (58): „[…] the concept of the Common Heritage of Mankind has now entered the purview of international law.“ 114
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Kap. 4: Anwendbarkeit des „Common Heritage of Mankind“-Prinzips
Die Entstehungsgeschichte völkerrechtlicher Verträge ist mithin wesentlich mit jener des Völkergewohnheitsrechts und vice versa verbunden. Die Wechselwirkung zwischen beiden Entstehungsprozessen geschieht nicht etwa dadurch, dass das Gewohnheitsrecht vom Vertragsrecht in dem Sinne konsumiert würde, dass nur letzteres übrig bliebe. Vielmehr bestehen beide Normen – die gewohnheitsrechtliche sowie die vertragsrechtliche Norm – nebeneinander.121 Man könnte von einer wechselseitigen Befruchtung, ohne Aufgabe der eigenen Existenz sprechen. Das parallele Bestehen einer Norm im Gewohnheits- und im Vertragsrecht hat deutliche Auswirkungen. Völkerrechtliche Verträge wirken grundsätzlich inter partes, begründen also für Drittstaaten weder Pflichten noch Rechte.122 Völkergewohnheitsrecht bindet – abgesehen vom persistent objector – die gesamte Staatengemeinschaft. Würde ein im Entstehen begriffener Rechtssatz durch einen sodann folgenden Vertrag konsumiert werden, bestünde für die Nicht-Unterzeichner keine Bindungswirkung (mehr). Darüber hinaus könnten sich vertragliche „Anpassungen“ im Wege der Vertragsverhandlung als manifeste Änderungen der gewohnheitsrechtlichen Norm im finalen Vertragstext entpuppen. Die grundsätzliche Akzeptanz des CHM-Prinzips und seine Beschränkung auf mineralische Ressourcen im Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen von 1982 kann einem sich parallel entwickelnden Völkergewohnheitsrecht demnach durch „Kristallisation“ zum Durchbruch verholfen haben. Gleichwohl erscheint es zudem möglich, dass sich bereits zuvor und parallel dazu ein gewohnheitsrechtliches Prinzip entwickelt hat, wonach die Ressourcen im Gebiet – freilich ohne eine Beschränkung auf mineralische Ressourcen – das gemeinsame Erbe der Menschheit darstellen. Das im SRÜ enthaltene CHM-Prinzip würde dann nur noch eine (teilweise) Kodifizierung bereits bestehenden Gewohnheitsrechts darstellen. Falls zuvor jedoch kein Gewohnheitsrecht bestand, würde durch den Kristallisationsprozess lex ferenda in lex lata umgewandelt werden.123 Dies könnte für das CHM-Prinzip und die genetischen Ressourcen des Meeresbodens dann gelten, wenn eine Zustimmung der Staaten zu diesem Prinzip in völkerrechtlichen Verträgen nach den o. g. Prämissen des IGH nachzuweisen ist.124
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IGH, Military and Paramilitary Acivities in and against Nicaragua (Nicaragua v. United States of America), ICJ Reports 1986, 85, Nr. 178: „[…] and even if the States in question are bound by these rules both on the level of treaty-law and on that of customary international law, these norms retain a separate existence.“ 122 Vgl. Art. 34 WVK. 123 Thirlway, in: Evans (ed.), International Law, 4th edn., 2014, 108: „[…] it is possible that a multilateral treaty states rules and principles which can be found reflected in the practice of States prior the adoption of the treaty, so that they can be regarded as lex ferenda which is ripe for transition to lex lata; […].“ 124 Zustimmend Holmila, Common Heritage of Mankind in the Law of the Sea, 1 Acta Societatis Martensis (2005), 187 (203).
C. Rechtsüberzeugungen in der Staatengemeinschaft
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C. Rechtsüberzeugungen in der Staatengemeinschaft Zunächst muss der Nachweis geführt werden, dass eine Rechtsüberzeugung in der Staatengemeinschaft besteht, wonach das CHM-Prinzip einerseits überhaupt völkergewohnheitsrechtliche Geltung erlangt hat und dies andererseits auch hinsichtlich der genetischen Ressourcen des Meeresbodens jenseits nationaler Hoheitsgewalt gilt. Die Staaten müssen sich rechtlich dazu verpflichtet fühlen, das Gebiet jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt und seine genetischen bzw. lebenden Ressourcen insgesamt als gemeinsames Erbe der Menschheit anzusehen, woraus sich dann zwangsläufig bestimmte Folgeverpflichtungen ergeben, die durch den konsensualen Kernbestand der o. g. fünf Elemente gebildet werden.125 Es ist nicht zielführend, die völkergewohnheitsrechtliche Geltung des CHM-Prinzips per se oder in Bezug auf die mineralischen Ressourcen festzustellen, was zum Teil schon getan wurde.126 Denn auch wenn dadurch zunächst in eine gewisse Richtung gewiesen würde und eine entsprechende Annahme Indizwirkung für das Thema dieser Dissertation entfalten könnte, so brächte dies für die genetischen Ressourcen des Meeresbodens kein unmittelbar verwertbares Ergebnis. Ob eine Überzeugung in der Staatengemeinschaft besteht, rechtlich oder aus Notwendigkeit (opinio iuris sive necessitatis), die genetischen Ressourcen des Meeresbodens diesem Regime zu unterwerfen, kann durch eine Vielzahl von Möglichkeiten nachgewiesen werden.127 Doch trotz des Vorliegens zahlreicher Beispiele einer vermeintlichen Staatenpraxis, lässt sich daraus so lange keine Rechtsüberzeugung ableiten, wie diese bloß aus „Höflichkeit, Bequemlichkeit oder Tradition“ erfolgt; für den Staat muss vielmehr ein rechtliches Verpflichtungsbewusstsein handlungsleitend gewesen sein.128 Das Bewusstsein einer rechtlichen Verpflichtung muss dementsprechend stets zusätzlich nachgewiesen werden, kann sich aber auch aus den Umständen ergeben. Das bloße Unterlassen einer einseitigen Ausbeutung genetischer Ressourcen auf dem Meeresboden jenseits nationaler Hoheitsgewalt oder das Absehen von entsprechenden Gebietsansprüchen führen als bloße Annahme, ohne eine nachgewiesene Rechtsüberzeugung, daher ebenso noch nicht zum Nachweis einer Völkergewohnheitsrecht erzeugenden Staatenpraxis.129 Im Folgenden gilt es daher zunächst anhand von Erklärungen, etwa einseitigen politischen Stellungnahmen oder multi- und bilateraler diplomatischer Korrespon-
125
s. o. Kapitel 4. Egede, Africa and the Deep Seabed Regime: Politics and International Law of the Common Heritage of Mankind, 2011, 66. 127 Aufzählung bspw. bei Crawford, Brownlie’s Principles of Public International Law, 8th edn., 2012, 24. 128 IGH, North Sea Continental Shelf Cases (Germany v. Denmark and Netherlands), ICJ Reports 1969, 3 (44), Nr. 77. 129 Darüber hinaus wäre die Beweiskraft des Unterlassens bei faktischer Unmöglichkeit der Vornahme einer Handlung, wie dies derzeit auf den Großteil der Staaten zutrifft, sehr fraglich. 126
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Kap. 4: Anwendbarkeit des „Common Heritage of Mankind“-Prinzips
denz sowie dem Verhalten von Staaten in internationalen Foren, die opinio iuris dieser Staaten herauszuarbeiten.
I. Erklärungen von Staatenvertretern Staatenvertreter üben sich in der Regel in diplomatischer Zurückhaltung und halten sich mit aussagekräftigen Äußerungen in der Öffentlichkeit leider grundsätzlich eher zurück, sodass auch in Bezug auf die genetischen Ressourcen des Meeresbodens nicht mit direkten Aussagen aufgewartet werden kann.130 Zunächst sollen dem einzelnen Staat zurechenbare Aussagen dargestellt werden, die nicht im Rahmen von Vertragsstaatenkonferenzen oder Sitzungen der Vereinten Nationen getätigt wurden, sondern eher den Charakter einer politischen Standortbestimmung haben. Gleichwohl kann man dadurch Rückschlüsse auf die opinio iuris der Staaten ziehen, wenn man Anlass und Zweck solcher „statements“ miteinbezieht. Dabei ist insbesondere die Rechtsüberzeugung der USA hervorzuheben, die einerseits wohl als Vorreiter der Inanspruchnahme maritimen Aquitoriums bezeichnet werden können und andererseits – neben einigen wenigen westlichen Industrienationen – die Möglichkeit und den Willen haben, genetische Ressourcen zu bewirtschaften und nutzbar zu machen.131 Inmitten der Epoche des neuzeitlichen Kolonialismus und als die USA gerade etwa zwanzig Jahre zuvor ihre Unabhängigkeit erklärt hatten, bezeichnete deren zweiter Präsident John Adams die Weltmeere und ihre Schätze als „Allgemeingut der Menschen“.132 Dies geschah freilich in Unkenntnis irgendwelcher Ressourcen im Gebiet und war wohl auf die zum Verzehr geeigneten lebenden Ressourcen der Hohen See bezogen. Bevor überhaupt der Abbau gleich welcher Ressourcen jenseits nationaler Hoheitsgewalt ernsthaft in Betracht gezogen wurde, wurden der Meeresboden, der Tiefseeboden und dessen Untergrund durch den damaligen US-Präsidenten Lyndon B. Johnson im Jahre 1966 zum „Erbe aller Menschen“ erklärt.133 130 ILC, First report on formation and evidence of customary international law, 2013, UN Doc. A/CN.4/663, Nr. 48: „[…] there seems to be relatively little publicly available material that directly addresses the attitude of Sates to the formation and evidence of customary international law.“ 131 Zur Begrifflichkeit des „maritimen Aquitoriums“ vgl. Proelß, in: Graf Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 6. Aufl., 2013, 374, Rn. 38; als Lehrbeispiel einer erfolgreichen Entstehung von Völkergewohnheitsrecht gilt die sog. „Truman-Proklamation“, durch welche der damalige Präsident Harry S. Truman im Jahre 1945 „jurisdiction and control“ über die Ressourcen des Festlandsockels beanspruchte, mithin eine Rechtsüberzeugung, die mit der nachfolgenden Staatenpraxis bestätigt wurde. 132 Hierzu und zum Umgang der Vereinigten Staaten mit dem SRÜ insgesamt: Duff, The United States and the Law of the Sea Convention: Sliding Back from Accession and Ratification, 11 Ocean and Coastal Law Journal 1 & 2 (2005 – 2006), 1 (5). 133 Johnson, Remarks at the Commissioning of the Research Ship – Oceanographer, 1966, abrufbar unter: http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=27711 (zuletzt abgerufen am 01. 08.
C. Rechtsüberzeugungen in der Staatengemeinschaft
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Zwar war man mittlerweile teilweise auf den Meeresboden vorgedrungen. Gleichwohl waren zu diesem Zeitpunkt bloß die mineralischen Ressourcen des Meeresbodens bekannt und man ging davon aus, dass Leben dort nicht möglich sei. Durch die auf dem Meeresboden vermuteten Reichtümer dürfe keinesfalls ein kolonialer Wettbewerb unter den Seefahrernationen ausbrechen.134 Johnson folgerte also aus der Formulierung eines „gemeinsamen Erbes“, dass Gebietsansprüche diesbezüglich nicht gestellt werden dürften. Dem zustimmend forderte sein Nachfolger Richard Nixon die Staatengemeinschaft im Jahre 1970 darüber hinaus dazu auf, nationale Ansprüche hinsichtlich der Ressourcen des Meeresbodens jenseits nationaler Hoheitsgewalt aufzugeben und diese stattdessen als „gemeinsames Erbe der Menschheit“ anzusehen.135 Im selben Jahr überreichte Nixon seine Vorschläge in einem Entwurf an das Meeresbodenkomitee.136 Unter den Grundprinzipien findet sich, ohne ausdrückliche Unterscheidung lebender und nicht lebender Ressourcen, an erster Stelle: „The International Seabed Area would be the common heritage of mankind and no State could exercise sovereignty or sovereign rights over this area or its resources, or, except as provided in the Convention, acquire any right or interest therein.“137
Auch im weiteren Entwurfstext wird durch die Verwendung des Begriffs „natürliche Ressourcen“ ein holistischer Ansatz hinsichtlich der Ressourcen im Gebiet angestrebt.138 In Bezug auf die lebenden Ressourcen des Meeresbodens jenseits nationaler Hoheitsgewalt erkennt der Entwurf das Recht aller Vertragsparteien zu deren Erforschung und Bewirtschaftung an, wobei notwendige Erhaltungsmaßnahmen vorzunehmen seien.139 Als Beispiel wird die sog. „Königskrabbe“ angeführt.140 Bei dieser Formulierung fällt auf, dass der Fokus wiederum auf denjenigen lebenden Ressourcen des Meeresbodens liegt, welche zur Befriedigung der Nahrungsbedürfnisse bestimmt sind. Dies verwundert kaum, wenn man weiß, dass das marine Leben an Hydrothermalquellen zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht bekannt war und
2015): „We must be careful to avoid a race to grab and to hold the lands under the high seas. We must ensure that the deep seas and the ocean bottoms are, and remain, the legacy of all human beings.“ 134 Ibid. 135 United States Policy for the Seabed: Statement by President Nixon, in: Lay et al. (eds.), New Directions in the Law of the Sea: Documents, Vol. 2, 1973, 751. 136 Summary of Provisions of Draft „United Nations Convention on the International Seabed Area“(Prepared by John R. Stevenson, Legal Advisor, Department of State), ibid., 753 ff. 137 Ibid., 754. 138 Ibid., 755: „Exploration and exploitation of the natural resources of the Area […].“ 139 Ibid., 756. 140 Ibid.
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Kap. 4: Anwendbarkeit des „Common Heritage of Mankind“-Prinzips
auch die Gentechnik noch in den Kinderschuhen steckte.141 Ungeachtet dessen erfasst der ganzheitliche Ansatz der Nixon-Administration sämtliche bis zu diesem Zeitpunkt bekannten Ressourcen des Meeresbodens. Durch die Bezugnahme auf lebende und nicht lebende Ressourcen kann davon ausgegangen werden, dass das CHM-Prinzip nicht auf bestimmte, bekannte Ressourcen beschränkt sein sollte, sondern den Meeresboden als Gebiet jenseits nationaler Hoheitsgewalt insgesamt beherrschen sollte. Indem alles bis dato Bekannte erfasst wird, wird eine grundsätzliche Rechtsüberzeugung dahingehend deutlich, dass dieser Staatengemeinschaftsraum und alle seine natürlichen Ressourcen dem CHM-Prinzip unterfallen sollen. Dass die Ausbeutung lebender Ressourcen des Meeresbodens im SRÜ schließlich nur auf den Festlandsockel innerhalb der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt beschränkt wurde, vermag an der in dem Entwurf geäußerten Rechtsüberzeugung nichts zu ändern.142 Denn das SRÜ stellt – wie jeder völkerrechtliche Vertrag – nur den größtmöglichen Konsens unter den beteiligten Staaten dar, aber nicht notwendigerweise deren jeweilige Rechtsüberzeugung. Würden alle Staaten eine opinio iuris teilen, so bedürfte es keines Vertrages. Am 14. November 1974 setzte die US-amerikanische Firma Deepsea Ventures Inc. den Außenminister der Vereinigten Staaten Henry Kissinger darüber in Kenntnis, dass man auf dem Meeresboden jenseits des Festlandsockels der Vereinigten Staaten vor der kalifornischen Küste Manganknollen gefunden habe, hinsichtlich derer man nun ausschließliche Abbaurechte sowie diplomatischen Schutz und Investitionsschutz beanspruche.143 Die veröffentlichte Antwort des Außenministeriums fiel knapp aber bestimmt aus: Es würden keine ausschließlichen Abbaurechte jenseits nationaler Hoheitsgewalt gewährt oder anerkannt.144 Der ebenfalls befragte kanadische Botschafter in den Vereinigten Staaten Cadieux teilte mit, dass die Bewirtschaftung der Ressourcen jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt zum Wohle der gesamten Menschheit zu erfolgen habe und Kanada daher die Erklärung der Deepsea Ventures Inc. nicht akzeptieren könne.145 Zwar haben diese Aussagen unmittelbar nur Bedeutung für die mineralischen Ressourcen des Meeresbodens, jedoch wird insbesondere durch die kanadische Antwort deutlich, dass
141 Der Beginn der modernen Gentechnik wird mit der erstmaligen Erzeugung eines genetisch veränderten rekombinanten Bakteriums im Jahre 1973 durch Cohen et al. angenommen, vgl. Cohen et al., Construction of Biologically Functional Bacterial Plasmids In Vitro, 70 Proc. Nat. Acad. Sci. USA 11 (1973), 3240 ff. 142 Argumentum e contrario Art. 77 Abs. 4 SRÜ, der die „mineralischen und sonstigen nichtlebenden Ressourcen des Meeresbodens […] sowie die zu den sesshaften Arten gehörenden Lebewesen“ erfasst. Eine vergleichbare Regelung in Teil XI fehlt, sodass hierdurch keine lebenden Ressourcen erfasst werden. 143 Deepsea Ventures Inc., Notice of Discovery and Claim of Exclusive Mining Rights and Request for Diplomatic Protection and Protection of Investment, 14 ILM (1975), 51 ff. 144 Ibid., 66: „The Department of State does not grant or recognize exclusive mining rights to the mineral resources of an area of the seabed beyond the limits of national jurisdiction.“ 145 Ibid., 67 f.
C. Rechtsüberzeugungen in der Staatengemeinschaft
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sich dessen Aussage auf alle Ressourcen im Gebiet bezog.146 Der kanadische Botschafter macht darüber hinaus deutlich, dass Kanada keine einseitige Entscheidung treffen könne, sondern die Entscheidung der Staatengemeinschaft im Rahmen von UNCLOS III abgewartet und respektiert werden müsse.147 Es zeigt sich auch hier, dass die Staatengemeinschaft in ihrer Gesamtheit dazu berufen ist, über die Bewirtschaftung dieser Ressourcen zu entscheiden und diese treuhänderisch wahrzunehmen. Zwar ist es richtig, dass aus der kategorischen Ablehnung im Fall Deepsea Ventures Inc. keine unmittelbare Aussage über die genetischen Ressourcen des Meeresbodens getroffen werden kann. Allerdings waren im Jahre 1974 Manganknollen eben jene neuen und erstrebenswerten Ressourcen jenseits nationaler Hoheitsgewalt, wie es die genetischen Ressourcen an Hydrothermalquellen heute sind. Ein anwendbares vertragliches Regime war bzw. ist in beiden Fällen nicht vorhanden (gewesen), sodass der Staat hierzu eine grundsätzliche Aussage treffen musste, welche in beiden Fällen ein ausschließliches Bewirtschaftungsrecht eines einzelnen Staates oder eines dort ansässigen Unternehmens ausschließt. Die Anwendbarkeit eines freien Zgangsregimes (wie etwa dem der Hohen See) für die Ressourcen des Meeresbodens jenseits nationaler Hoheitsgewalt wird abgelehnt und schon vor einer entsprechenden völkervertraglichen Kodifizierung dem CHM-Prinzip überantwortet. Van Dyke et al. kommen in Ansehung dieser historischen Entwicklung zu dem Ergebnis, dass die Präsidenten Nixon, Ford und Carter stets ein Regime auf Grundlage der Prinzipienerklärung aus UN-Resolution 2749 (XXV) für das Gebiet befürworteten und Vorbehalte zu keiner Zeit vorgebracht worden seien.148 Die Erklärung des Gebiets zum gemeinsamen Erbe der Menschheit wurde mithin nicht in Frage gestellt, sondern im Gegenteil befürwortet. Soweit als Referenz dazu auch noch auf jene Prinzipienerklärung aus dem Jahre 1970 Bezug genommen wird, dann will diese Aussage umso mehr Geltung für alle Ressourcen des Meeresbodens beanspruchen. Denn sowohl die Prinzipienerklärung als auch die Moratoriumsresolution aus dem Jahre 1969 unterscheiden nicht zwischen mineralischen und lebenden Ressourcen, sondern gelten allgemein und unterschiedslos für „the resources of the area“. Nach dem erfolgreichen Ende von UNCLOS III (1982) und mit der Amtsübernahme Ronald Reagans (1981) wurden die Bestrebungen der Vereinigten Staaten zur 146 Ibid.: „It is the policy of the Canadian Government to seek, through the Development of International Law, in appropriate for a, the establishment of a legal regime to govern the exploration and exploitation of the resources of the deep seabed beyond the limits of national jurisdiction. […] the exploitation of these resources should be carried out for the benefit of mankind as a whole.“ 147 Ibid. 148 Van Dyke/Yuen, „Common Heritage“ v. „Freedom Of The High Seas“: Which Governs The Seabed?, 19 San Diego L. Rev. (1981 – 1982), 493 (527).
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Kap. 4: Anwendbarkeit des „Common Heritage of Mankind“-Prinzips
Ratifizierung des SRÜ merklich reduziert.149 Nachdem man zunächst versuchte, andere Staaten von der Unterzeichnung des SRÜ abzuhalten, versuchte man schließlich Vorbehalte anzubringen, die jedoch aufgrund von Art. 309 SRÜ jedenfalls bedenklich gewesen wären und darüber hinaus wohl auch gegen den Vertragszweck an sich verstoßen hätten.150 Statt des CHM-Prinzips wurden fortan eher die Freiheit der Hohen See und die Angst vor einer vermeintlichen Limitierung nationaler Unternehmen propagiert.151 Das von Reagan in den Vereinigten Staaten für das SRÜ geprägte Akronym „LOST“ (Law of the Sea Treaty) trug sein Übriges zur öffentlichen Meinungsbildung bei und nannte gleichzeitig das gewünschte Ergebnis etwaiger Beitrittsbemühungen. Diese Bestrebungen sind unmittelbarer Ausfluss der Reagan‘schen Außenpolitik, die von einer antikommunistischen Rollback-Politik bestimmt war und den Einfluss der Sowjetunion auf die Entwicklungs- und Schwellenländer zu verhindern suchte.152 In den Folgejahren waren fast sämtliche Regierungen der Vereinigten Staaten bemüht, das SRÜ zu ratifizieren, scheiterten jedoch regelmäßig an unüberwindbaren innenpolitischen Hindernissen. Nachdem sich insbesondere die USA erheblich am Gebietsregime des SRÜ mit seinem verpflichtenden Transfer von Technologie und Erlös stießen, wurde insbesondere auf Betreiben von Präsident George H. W. Bush – Reagans vormaligem Vizepräsidenten – dieser Teil mit dem Durchführungsübereinkommen zu Teil XI des SRÜ (DÜ) überarbeitet. Da das DÜ erst am 28. Juli 1994, mithin ein Jahr nach dem Ende seiner Präsidentschaft, fertiggestellt wurde, hatte Bush Sr. keinen Einfluss mehr auf dessen innenpolitischen Werdegang. Gleichwohl scheiterten die Präsidenten Bill Clinton und George W. Bush sodann jeweils am Widerstand im Senat.153 Anstoß wurde jeweils am Streitbeilegungsmechanismus, an der Verpflichtung zum Vorteilsausgleich und an der einseitigen Bevorzugung von Entwicklungsländern genommen.154 Schon in seiner ersten Amtsperiode befürwortete Präsident Barack
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Rothwell/Stephens, The International Law of the Sea, 2010, 14. Vgl. Art. 309 SRÜ: „Vorbehalte oder Ausnahmen zu diesem Übereinkommen sind nur zulässig, wenn sie ausdrücklich in anderen Artikeln des Übereinkommens vorgesehen sind.“; zur Unvereinbarkeit von Vorbehalten mit Ziel und Zweck des Vertrages vgl. Art. 19 lit. c) WVK. 151 Thompson, International Law of the Sea/Seed: Public Domain versus Private Commodity, 44 Nat. Resources J. (2004), 841 (848). 152 Meiertöns, Die Doktrinen U.S.-amerikanischer Sicherheitspolitik: Völkerrechtliche Bewertung und ihr Einfluss auf das Völkerrecht, 2006, 165. 153 Für die Position der George W. Bush-Administration vgl. U.S. Ocean Action Plan, 2004, 5, abrufbar unter: http://www.cmts.gov/downloads/US_ocean_action_plan.pdf (zuletzt abgerufen am 01. 08. 2015): „As a matter of national security, economic self-interest, and international leadership, the Bush Administration is strongly committed to U.S. accession to the UN Convention on the Law of the Sea. The Administration urges Congress to provide advice and consent to this treaty early as possible in the 109th Congress.“ 154 Scott, The LOS Convention as a Constitutional Regime for the Oceans, in: Oude Elferink (ed.), Stability and Change in the Law of the Sea: The Role of the LOS Convention, 2005, 9 (28). 150
C. Rechtsüberzeugungen in der Staatengemeinschaft
149
Obama eine Ratifikation des SRÜ, konnte sich damit bislang jedoch nicht durchsetzen.155 Gerade, weil die USA die Erklärung des Gebiets zum gemeinsamen Erbe der Menschheit insbesondere in der Vorbereitung von UNCLOS III durchaus befürworteten, verwundert es, dass die Ratifizierung des SRÜ bzw. ein Beitritt dazu bis heute ausgeblieben ist.156 Dies ist wohl aber eher auf den auch in jüngerer Zeit erneut kritisierten Verteilungsmechanismus der aus der Bewirtschaftung mineralischer Ressourcen gezogenen Vorteile und Technologien an die Entwicklungsländer zurückzuführen, wodurch Einbußen der nationalen Wirtschaft und ein Präjudiz für andere Staatengemeinschaftsräume – etwa den Mond und den Weltraum – befürchtet werden.157 Diese Bedenken konnte auch das 1994 vereinbarte Durchführungsübereinkommen zu Teil XI nicht zerstreuen, welches zwar von den USA maßgeblich mitgestaltet und ratifiziert wurde, aber schließlich nicht zur gleichzeitigen Annahme des SRÜ geführt hat. Die auf den Grundgedanken von Solidarität und Gerechtigkeit beruhende Weitergabe von Technologie und wissenschaftlichen Kenntnissen an die Entwicklungsländer und weniger entwickelten Nationen stößt wegen ihres sozialistischen Einschlags auch noch lange nach dem Ende des Kalten Krieges auf herben Widerstand. Dennoch kann für die geäußerte Rechtsüberzeugung der USA jedenfalls konstatiert werden, dass der Status des Meeresbodens jenseits nationaler Hoheitsgewalt mit allen seinen Ressourcen als „gemeinsames Erbe der Menschheit“ schon lange vor einer vertraglichen Kodifizierung anerkannt wurde. Konsequenzen wurden daraus zumindest dahingehend gezogen, dass dieses Erbe erstens nicht aneignungsfähig ist und zweitens die daraus zu gewinnenden Vorteile der Menschheit als Ganzes zustünden. Beide Schlussfolgerungen dienen letztendlich dem Zweck, den Frieden und die Zusammenarbeit zwischen den Völkern zu erhalten bzw. zu fördern, dessen Verfolgung insbesondere bei Johnson und Nixon zu erkennen ist.
155
Becker, International Law of the Sea, 43 Int’l L. 2 (2009), 915 (916); im Jahr 2012 richteten sich 31 Senatoren der Republikanischen Partei in einem gemeinsamen Brief an den US-Senator und Mehrheitsführer Harry Reid, in dem sie ihre Ablehnung des SRÜ im Falle einer Abstimmung darüber im Senat wegen „political, economic, and ideological assumptions which are inconsistent with American values and sovereignty“ signalisierten. Zu einer Abstimmung kam es nicht. 156 Vgl. Holmila, Common Heritage of Mankind in the Law of the Sea, 1 Acta Societatis Martensis (2005), 187 (191). 157 Wong, Rumsfeld still Opposes Law of the Sea Treaty, The Washington Times, 14. 06. 2012.
150
Kap. 4: Anwendbarkeit des „Common Heritage of Mankind“-Prinzips
II. Das Verhalten internationaler Organisationen und Einrichtungen als Nachweis einer Rechtsüberzeugung ihrer Mitgliedsstaaten Internationale Organisationen bilden als über- oder zwischenstaatliche Zusammenschlüsse ein internationales Forum für einen teilweise beachtlichen Teil der Staatengemeinschaft, das je nach Anzahl und räumlicher Verbreitung ihrer Mitglieder einen beachtlichen Einfluss auf das Völkerrecht nehmen kann. Innerhalb internationaler Organisationen kommen deren Mitglieder zusammen, um in stetiger Kooperation die Aufgaben und Belange der Staatengemeinschaft einer Lösung zuzuführen.158 Internationale Organisationen können dabei zwar nicht rechtssetzend tätig werden.159 Gleichwohl kann insbesondere durch das Diskussions- und Abstimmungsverhalten ihrer Mitglieder eine bestimmte Rechtsüberzeugung nach außen getragen werden; dies gilt insbesondere für öffentlich gemachte Beschlüsse internationaler Organisationen zu bestimmten Themen.160 Dabei sind die Vereinten Nationen und unter ihrem Dach zusammenkommende Vertragsstaatenkonferenzen oder Arbeitsgruppen sowie die Generalversammlung als Vollversammlung ihrer Mitglieder in besonderer Weise hervorzuheben.161 Der Zusammenschluss von 193 Staaten in der Generalversammlung stellt nicht nur ein Abbild der Staatengemeinschaft dar, sondern umfasst damit nahezu alle Staaten der Erde.162 Durch die Resolutionen der Generalversammlung kann zwar kein neues Recht gesetzt werden; diese können aber als rechtserhebliche Äußerung im Sinne einer opinio iuris ein Element des Völkergewohnheitsrechts darstellen.163 Sie formen damit per se kein neues Völkerrecht, können allerdings zu einem völkergewohnheitsrechtlichen Rechtserzeugungsprozess beitragen.164 Denn durch Resolutionen der UN-General158
O’Brien, International Law, 2001, 166: „The international organisation exists to ensure that such a level of co-operation is achieved.“ 159 Zur Bindungswirkung von Resolutionen der UNGA vgl. Öberg, The Legal Effects of Resolutions of the UN Security Council and General Assembly in the Jurisprudence of the ICJ, 16 EJIL 5 (2006), 879 (883): „The binding effect of GA decisions is limited, ratio materiae, to organizational matters, but may cover, ratio personae, the entire UN sphere.“ 160 Herdegen, Völkerrecht, 14. Aufl., 2015, 163, Rn. 2; O’Brien, International Law, 2001, 72: „An international organisation may enjoy law making power and this is a matter to be taken into account in considering the nature of state practice.“ 161 Joyner, U.N. General Assembly Resolutions and International Law: Rethinking the Contemporary Dynamics of Norm-Creation, 11 Cal. W. Int’l L. J. (1981), 445 (448): „[…] there is little doubt that by virtue of its nearly universal representation and by powers specifically granted in the Charter, it is the United Nation’s General Assembly which has most directly influenced the nature and substance of contemporary international law.“ 162 Mit Ausnahme des Vatikaanstaats, der einen Beobachterstatus innehat, sind alle von den Vereinten Nationen anerkannten Staaten auch Mitglieder. Eine aktuelle Mitgliederliste findet sich unter http://www.un.org/en/members/ (zuletzt abgerufen am 01. 08. 2015). 163 Herdegen, Völkerrecht, 14. Aufl., 2015, 164 f., Rn. 2 a.E. 164 Joyner, U.N. General Assembly Resolutions and International Law: Rethinking the Contemporary Dynamics of Norm-Creation, 11 Cal. W. Int’l L. J. (1981), 445 (476 f.).
C. Rechtsüberzeugungen in der Staatengemeinschaft
151
versammlung kann die dazu erforderliche opinio iuris mehrerer – bis zu 193 – Staaten gleichzeitig nachgewiesen werden. Diesen Resolutionen kommt damit ein ungleich größeres Gewicht zu, als vergleichbaren Entscheidungen regionaler Organisationen, wie beispielsweise der Organisation Amerikanischer Staaten, der Afrikanischen Union oder auch dem Europarat, deren Mitglieder sich nur aus einem Teil der Staatengemeinschaft rekrutieren und somit die erforderliche Mindestanforderung der sog. „Quasi-Universalität“ schon prima facie nicht erfüllen können.165 Ebenso verhält es sich mit unter dem Dach der Vereinten Nationen abgehaltenen Vertragsverhandlungen und den sich im Falle des Vertragsschlusses anschließenden Vertragsstaatenkonferenzen (Conference of Parties, COP) sowie den von der Generalversammlung eingesetzten Arbeitsgruppen zu bestimmten Themen: Innerhalb dieser Beratungen kann sich jedes der 193 Mitglieder Gehör verschaffen und umgekehrt selbst die Äußerungen der übrigen Mitglieder vernehmen. Jede Äußerung wir damit im Idealfall sowohl gegenüber der gesamten Staatengemeinschaft, als auch in einem bestimmten Kontext abgegeben. Durch diese Verbindung kann die opinio iuris eines Staates hervortreten. Die Annahme oder Ablehnung einer UN-Resolution bringt wegen ihres förmlichen Charakters insbesondere dann eine entsprechende Rechtsüberzeugung zum Ausdruck, wenn sie eine nahezu einheitliche Annahme erfährt und damit die sog. „Quasi-Universalität“ erreicht.166 Im Folgenden werden daher erstens die Rechtsüberzeugungen der teilnehmenden Vertragsstaaten bei den Vereinten Nationen und ihren Unterorganisationen sowie zweitens im Rahmen von Vertragsstaatenkonferenzen und Arbeitsgruppen herausgearbeitet, die Aufschluss über deren Ansichten zur Anwendbarkeit des CHMPrinzips auf genetische Ressourcen des Meeresbodens jenseits nationaler Hoheitsgewalt geben können. 1. Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen Die Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen haben keinen rechtssetzenden Charakter, da die Generalversammlung nach Art. 10 UN-Charta nur Erörterungs- und Empfehlungsbefugnisse besitzt und keine verbindlichen Beschlüsse fassen kann.167 Welches Gewicht einer Rechtsüberzeugung in der Staatengemeinschaft zukommt und ob es zur Herausbildung einer völkergewohnheitsrechtlich relevanten opinio iuris ausreicht, lässt sich anhand des Abstimmungsverhaltens im Rahmen von Resolutionen sowie unter Bezugnahme auf Inhalt und 165
Gleichwohl kann auch dort sog. „regionales Völkergewohnheitsrecht“ entstehen. s. o. Kapitel 4, A. II. 1.; a.A. Herdegen, Völkerrecht, 14. Aufl., 2015, 160 f., Rn. 2.: „Hieran [an dem Bewusstsein rechtlicher Verbindlichkeit] fehlt es häufig gerade bei den mit großer Mehrheit oder gar einstimmig angenommenen Resolutionen, die jedenfalls von einem Teil der Staaten nur als Erklärung mit politischem Gehalt verstanden werden.“ 167 Klein/Schmahl, in: Graf Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 6. Aufl., 2013, 291, Rn. 129. 166
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Kap. 4: Anwendbarkeit des „Common Heritage of Mankind“-Prinzips
Umstände der Annahme bemessen.168 Betrachtet man die Stimmabgabe dann in ihrer Gesamtheit, so lässt sich daraus völkergewohnheitsrechtliche Relevanz ableiten. Stimmen beispielsweise nahezu alle Mitglieder der Generalversammlung einer eingebrachten Resolution zu – oder jedenfalls die Mehrheit bei keinen oder nur wenigen Gegenstimmen – und kommt durch entsprechende Wortmeldungen auch die Wichtigkeit des behandelten Themas zum Ausdruck, dann kann sich hieraus eine opinio iuris in der Staatengemeinschaft ergeben. Ab den 1960er Jahren sind mehrere Resolutionen von der Generalsversammlung der Vereinten Nationen gefasst worden, die den Meeresboden jenseits nationaler Hoheitsgewalt und seine Ressourcen zum Gegenstand hatten. Der Vorstoß Arvid Pardos im Jahre 1967 markiert den Beginn der Befassung der Generalversammlung mit dem CHM-Prinzip hinsichtlich des Meeresbodens jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt. Die entscheidenden Resolutionen in Bezug auf das CHMPrinzip erfolgten daraufhin in kurzen Abständen und mündeten schließlich in den Verhandlungen zum SRÜ. a) Die Resolutionen zur Errichtung des Meeresbodenkomitees und dessen vorbereitende Arbeiten Im unmittelbaren Anschluss an Pardos Rede befasste sich die Generalversammlung in den Resolutionen 2340 (XXII) und 2467 (XXIII) mit der Untersuchung der Frage nach der Verwendung des Meeresbodens jenseits nationaler Hoheitsgewalt ausschließlich zu friedlichen Zwecken und der Verwendung seiner Ressourcen im Interesse der Menschheit.169 Zu diesem Zweck wurde mit Resolution 2340 (XXII) ein (Ad Hoc-)Komitee eingesetzt, welches einen Bericht über die wissenschaftlichen, technischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Aspekte der Bewirtschaftung des Meeresbodens benennen und praktische Hinweise zur Förderung internationaler Kooperation auf diesem Gebiet geben sollte.170 Das Komitee legte sodann einen Bericht zur 23. Tagung der Generalversammlung vor.171 Da man sich innerhalb des Komitees nicht auf einen gemeinsamen Text einigen konnte, wurden zwei Textvorschläge an die Generalversammlung übermittelt: Eine „Draft declaration of general principles“ sowie ein „Draft statement of agreed principles“. Schon der 168
IGH, Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons (Advisory Opinion), ICJ Reports 1996, 226 (254 f.), Nr. 70. 169 Vgl. Examination on the question of the reservation exclusively for peaceful purposes of the sea-bed and the ocean floor, and the subsoil thereof, underlying the high seas beyond the limits of present national jurisdiction, and the use of their resources in the interest of mankind: UNGA, 22nd Session, 1967, UN Doc. A/RES/22/2340 und UNGA, 23rd Session, 1968, UN Doc. A/RES/23/2467. 170 UNGA, 22nd Session, 1967, UN Doc. A/RES/22/2340. 171 UNGA, Report of the Ad hoc Committee to Study the Peaceful Uses of the Sea-bed and the Ocean Floor Beyond the Limits of National Jurisdiction, 23rd Session, 1968, UN Doc. A/7230.
C. Rechtsüberzeugungen in der Staatengemeinschaft
153
Bezeichnung ist zu entnehmen, dass eine Prinzipienerklärung größeres Gewicht haben würde als eine bloße Stellungnahme. Erstere erklärte den Meeresboden und seine Ressourcen zum gemeinsamen Erbe der Menschheit, während letztere diesen Terminus vermied. An dieser Stelle sei vorweggenommen, dass der Wortlaut ersterer Prinzipienerklärung auch später Eingang in die gleichnamige Resolution 2749 (XXV) gefunden hat. Der Ressourcenbegriff wird in dem Bericht nicht näher definiert oder erläutert. Folglich muss aus dem Zusammenhang geschlossen werden, ob nur mineralische oder auch lebende Ressourcen auf dem Meeresboden vom CHMPrinzip erfasst werden sollten. Zwar werden überwiegend die undifferenzierte Bezeichnung „the sea-bed and the ocean floor, and the subsoil thereof, underlying the high seas beyond the limits of present national jurisdiction, and the use of their resources“172 sowie die ausschließliche Bezeichnung „mineral resources“173 gebraucht. Allerdings wird bei der Frage der Abgrenzung des Festlandsockels vom Gebiet jenseits nationaler Hoheitsgewalt auch auf Art. 4 Abs. 2 FSÜ Bezug genommen,174 der unter „natural resources“ ebenfalls lebende Ressourcen, namentlich die sog. „sesshaften Arten“, versteht. Dieser Begriff wird sodann auf das Gebiet jenseits nationaler Hoheitsgewalt ausgedehnt, wenn es um die „exploitation and use of the natural resources of the sea-bed and the ocean floor“ geht.175 Schon hier wird deutlich, dass sich das Komitee nicht ausschließlich mit den mineralischen Ressourcen, sondern auch mit lebenden Ressourcen auf dem Meeresboden auseinander gesetzt hat. Darüber hinaus wird teilweise ausdrücklich auf lebende Ressourcen des Meeresbodens abgestellt. Der im Anhang zu dem Bericht beigefügte Vorschlag Islands enthält einen Resolutionsentwurf zur Verhinderung einer Verschmutzung der Meeresumwelt im Zusammenhang mit der Bewirtschaftung des Meeresbodens: „[…] in connexion with the elaboration of principles underlying a possible future international régime for the area concerned, a study should be made of the modalities of exploration and exploitation with a view to clarifying all aspects underlying the principle of protection against the consequences of pollution of the living and other resources of the seabed and ocean floor, and the superjacent waters; […].“176
Auch wenn der isländische Entwurf – wohl mangels Konsens – schließlich keinen Eingang in den Textvorschlag des Komitees gefunden hat und daher nur die opinio iuris Islands darstellen kann, zeigt die Berücksichtigung lebender Ressourcen auf dem Meeresboden eindeutig, dass die Staaten nicht nur von mineralischen, nicht lebenden Ressourcen, sondern auch von lebenden Ressourcen auf dem Meeresboden ausgegangen sind. Wird also im Bericht des Komitees undifferenziert von Ressourcen gesprochen, so ist davon auszugehen, dass alle dort belegenen Ressourcen erfasst sind. 172 173 174 175 176
Vgl. beispielhaft ibid., 1, Nr. 1. Ibid., 13, Nr. 58. Ibid., 11, Nr. 50. Ibid., 15, Nr. 70. Ibid., 60.
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Kap. 4: Anwendbarkeit des „Common Heritage of Mankind“-Prinzips
Nachdem die vorbereitenden Arbeiten des ersten Komitees damit abgeschlossen waren, wurde mit der Resolution 2467 (XXIII) ein weiteres aus 42 Staaten bestehendes Komitee, das sog. „Meeresbodenkomitee“ (Sea-Bed Committee) mit der Aufgabe betraut, nunmehr rechtliche Prinzipien und Normen für die Bewirtschaftung des Meeresbodens jenseits nationaler Hoheitsgewalt und seiner Ressourcen zum Wohle der gesamten Menschheit auszuarbeiten. Die Arbeiten des Meeresbodenkomitees führten u. a. zur Annahme der folgenden Resolution.177 b) Die „Moratorium Resolution“ Im Jahre 1969 verabschiedete die Generalversammlung Resolution 2574 (XXIV), die sog. „Moratorium Resolution“. Darin forderte die Generalversammlung den Generalsekretär auf, sich um eine neues Seerechtsregime zu bemühen, das insbesondere eine international anerkannte Definition für den Meeresboden jenseits nationaler Hoheitsgewalt enthält sowie einen Mechanismus zur Verfügung stellt, der die Erforschung und Bewirtschaftung dieses Gebiets zum Wohle der gesamten Menschheit regelt.178 Solange dieses Regime noch aussteht werden sämtliche Aktivitäten auf dem Meeresboden suspendiert und keine gebietsrechtlichen Ansprüche über das Gebiet oder seine Ressourcen anerkannt, mithin ein Moratorium in Kraft gesetzt:179 „The General Assembly, […] Declares that, pending the establishment of the aforementioned international régime: (a) States and persons, physical or juridical, are bound to refrain from all activities of exploitation of the resources of the area of the sea-bed and ocean floor, and the subsoil thereof, beyond the limits of national jurisdiction; (b) No claim to any part of that area or its resources shall be recognized.“180
Hierbei handelt es sich freilich nur um eine übergangsweise Regelung, die jedoch so lange in Kraft bleiben sollte, bis ein internationales Regime für das Gebiet geschaffen wurde. Das internationale Regime soll die Gerechtigkeit fördern und eine einheitlich akzeptierte Definition dieses Gebiets und möglicher Aktivitäten darin enthalten: „Noting that the establishment of an equitable international régime for this area would facilitate the task of determining the limits of which that régime is to apply, […].
177
Sohn et al., Cases and Materials on the Law of the Sea, 2nd edn., 2014, 561. UNGA, 24th Session, 1969, UN Doc. A/RES/24/2574/A, C: „Requests the SecretaryGeneral to prepare a further study […] covering […] the […] powers of an international machinery […] to regulate, co-ordinate, supervise and control all activities relating to the exploration and exploitation of their resources, for the benefit of mankind as a whole […].“ 179 UNGA, 24th Session, 1969, UN Doc. A/RES/24/2574/D. 180 Ibid. 178
C. Rechtsüberzeugungen in der Staatengemeinschaft
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[…] Requests the Secretary-General […] to arrive at a clear, precise and internationally accepted definition of the area […], in the light of the international régime to be established for that area.“181
Ein ausschließlicher Bezug der Anforderungen an das neue Regime auf mineralische Ressourcen ist nicht erkennbar. Vielmehr kann aus dem Wortlaut der Resolution gefolgert werden, dass bis auf weiteres eine Aneignung des Gebiets und jeglicher dort befindlicher Ressourcen untersagt ist. Das Verbot einer einseitigen Aneignung ist zentrales Element des CHM-Prinzips. Daher auch die inoffizielle Bezeichnung als „Moratorium“. Wenn überhaupt, dann dürfe eine Nutzung des Gebiets nur zum Wohle der gesamten Menschheit erfolgen, weswegen immer wieder auf die entsprechenden vorangegangenen Resolutionen rekurriert wird, die eben dies zum Gegenstand hatten. Da die „Menschheit“ nicht selbst Träger von völkerrechtlichen Rechten und Pflichten sein kann, mithin nicht Völkerrechtssubjekt ist, würde diese Nutzung wiederum ein anerkanntes Zugangs- und Verteilungssystem (ABSSystem) voraussetzen, das zumindest hinsichtlich der genetischen bzw. lebenden Ressourcen bis heute nicht geschaffen wurde. Folglich kann man davon ausgehen, dass die Moratoriumsresolution insoweit bis zum heutigen Tage aktuell und auch nicht vom Gebietsregime des SRÜ überholt ist, da sie unterschiedslos auf alle Ressourcen des Meeresbodens so lange Anwendung findet, bis ein internationales Regime geschaffen wurde: „pending the establishment of the aforementioned international regime“.182 Teil XI des SRÜ regelt die Bewirtschaftung der mineralischen Ressourcen; im Hinblick auf die genetischen Ressourcen des Meeresbodens jenseits nationaler Hoheitsgewalt existiert ein solches Regime dagegen nicht. Mit der Resolution 2574 (XXIV) haben sich 62 Staaten, vornehmlich die Entwicklungs- und Schwellenländer, für ein (temporäres) Tätigkeits- und Aneignungsverbot entschieden, während 28 Staaten, unter ihnen die westlichen Industrienationen Europas, die UdSSR und die Vereinigten Staaten dagegen votierten; 28 Staaten enthielten sich.183 Ein ähnliches Abstimmungsbild zeigte sich auch während UNCLOS III: Während sich die zur Bewirtschaftung des Meeresbodens vermeintlich fähigen Industrienationen das Recht auf unilateralen Abbau der Ressourcen offen halten wollen, befürchteten die Entwicklungs- und Schwellenländer überwiegend aufgrund fehlender finanzieller und technischer Möglichkeiten ins Hintertreffen zu geraten. Daraus in Bezug auf letztere Staaten den Gedanken abzuleiten, „wenn wir nicht können, soll es keiner dürfen“, ist zu kurz gegriffen. Vielmehr ging es um ein durch die Vorstellungen einer neuen Weltwirtschaftsordnung angetriebenes Gerechtigkeitsempfinden in der Staatenwelt, welches die bis dahin ungelöste, ideologisch zu verortende Problematik zwischen dem Recht des Stärkeren und dem gleichberechtigten Anspruch auf gemeinsame Ressourcen aus-
181 182 183
UNGA, 24th Session, 1969, UN Doc. A/RES/24/2574/A. UNGA, 24th Session, 1969, UN Doc. A/RES/24/2574/D. UNGA, 24th Session, 1969, UN Doc. A/PV.1833, Nr. 22.
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Kap. 4: Anwendbarkeit des „Common Heritage of Mankind“-Prinzips
gelöst hatte und der Pardo entgegenzuwirken suchte, als er sein Anliegen mit dem „Frieden zwischen den Völkern“ begründete.184 Auch wenn die Resolution letztlich nicht völlig einheitlich angenommen worden ist und nur weniger als ein Drittel aller Staaten eine entgegenstehende Rechtsüberzeugung zum Ausdruck brachten, lässt sich hieraus ableiten, dass die Mehrheit aller Staaten dem Moratorium in Ansehung eines neuen internationalen Regimes zugestimmt hat. In der Einheitlichkeit einer Rechtsüberzeugung liegt jedoch die entscheidende Bedeutung. Zu den ablehnenden Stimmen zählen die westlichen Industrienationen, denen die Fähigkeit den Meeresboden jenseits nationaler Hoheitsgewalt zu bewirtschaften unverändert als Alleinstellungsmerkmal zu Gute kommt. Gerade weil für die Entstehung von Völkergewohnheitsrecht aber eine nahezu einheitliche Rechtsüberzeugung erforderlich ist, welche jene Staaten, deren Interessen besonders betroffen sind, einschließt, kann die Resolution 2574 (XXIV) nicht als opinio iuris im Sinne der erforderlichen „Quasi-Universalität“ herangezogen werden. c) Die „Prinzipienerklärung“ Anders verhält es sich mit der noch bedeutenderen Resolution 2749 (XXV), der „Declaration of Principles Governing the Sea-Bed and the Ocean Floor, and the Subsoil Thereof, Beyond the Limits of National Jurisdiction“, die im darauffolgenden Jahr 1970 von der Generalversammlung mit 108 Stimmen und keiner Gegenstimme bei 14 Enthaltungen angenommen wurde.185 Noch bedeutender als die Tatsache, dass die Staatengemeinschaft hier fast einmütig ihre Rechtsüberzeugung zum Ausdruck gebracht hat, ist der Inhalt der Resolution. Die Generalversammlung beschließt feierlich und ad primam: „The sea-bed and ocean floor, and the subsoil thereof, beyond the limits of national jurisdiction (hereinafter referred to as the area), as well as the resources of the area, are the common heritage of mankind.“186
Die namentliche Bezeichnung des Meeresbodens jenseits nationaler Hoheitsgewalt als gemeinsames Erbe der Menschheit stellt ein novum in der Geschichte des Völkerrechts dar. Diese Bezeichnung ist als solche daher ausfüllungsbedürftig und zieht Erklärungsbedarf nach sich. Erste Konturen werden dem gemeinsamen Erbe der Menschheit durch die weiteren Beschlüsse der Resolution verliehen, welche den Vorschlägen Pardos folgen und auch heute als grundsätzliche Elemente des CHMPrinzips angesehen werden: (1) Das Aneignungsverbot und das Verbot der Aus184 UNGA, 22nd Session, 1967, UN Doc. A/C.1/PV.1515, Nr. 55: „Legitimate defence needs and the balance of terror, as well as the interests of all countries, can far better be safeguarded by developing within an international framework credible assurances that the seabed and the ocean floor will be used exclusively for peaceful purposes.“ 185 UNGA, 25th Session, 1970, UN Doc. A/PV.1933, Nr. 230. 186 UNGA, 25th Session, 1970, UN Doc. A/RES/25/2749, Nr. 1.
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übung von Hoheitsrechten hinsichtlich des Meeresbodens jenseits nationaler Hoheitsgewalt, (2) die Bewirtschaftung der Ressourcen des Gebiets soll einem internationalen Regime unterliegen sowie (3) zum Nutzen der gesamten Menschheit erfolgen, (4) das Gebiet soll ausschließlich zu friedlichen Zwecken genutzt werden und (5) die Verschmutzung der Meeresumwelt soll vermieden werden.187 Auf diesen Vorgaben ist schließlich Teil XI des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen aufgebaut worden. Einzige – und vielleicht entscheidende – Ausnahme bildet die Tatsache, dass die Prinzipienerklärung der Resolution keine Differenzierung zwischen lebenden und nicht lebenden Ressourcen im Gebiet vornimmt, während das spätere SRÜ in Teil XI nur auf mineralische Ressourcen, vornehmlich Manganknollen, abstellt.188 Wenn – wie hier – der weit überwiegende Teil der Staatengemeinschaft ein solch weitreichendes Prinzip des Völkerrechts annimmt und sich auch der besonderen Umstände bewusst ist, also nicht nur eine politische Erklärung abgeben will, dann kann dadurch der Nachweis einer (nahezu) einheitlichen Rechtsüberzeugung erbracht werden. Unter diesen Staaten befanden sich auch etwa die USA, deren grundsätzliche Haltung zu den Ressourcen jenseits nationaler Hoheitsgewalt sich zumindest bis zum Ende der Nixon-Präsidentschaft in dieser Resolution 2749 (XXV) wiederspiegelt.189 Daher wird hierin – jedenfalls teilweise – der manifeste Beweis dafür gesehen, dass das CHM-Prinzip gerade in Bezug auf den Meeresboden und seine Ressourcen zu Völkergewohnheitsrecht erstarkt ist.190 Degan nimmt sogar an, dass das CHM-Prinzip damals den Status zwingenden Völkerrechts,191 sog. „ius cogens“, erreicht haben könnte, mithin eine Norm darstellte, die von der internationalen Staatengemeinschaft in ihrer Gesamtheit als eine Norm angenommen und anerkannt wird, von der nicht abgewichen werden darf.192
187
Ibid., Nr. 2 – 9, 11. s. o. Kapitel 3, B. II. 1. d) und Armas Pfirter, The Management of Seabed Living Resources in „The Area“ under UNCLOS, 11 REEI (2006), 1 (27). 189 Degan, The Common Heritage of Mankind in the Present Law of the Sea, in: Ando et al. (eds.), Liber Amicorum Judge Shigeru Oda, 2002, Vol. 2, 1363 (1365). 190 Holmila, Common Heritage of Mankind in the Law of the Sea, 1 Acta Societatis Martensis (2005), 187 (203 f.); Vajic, The Law of Outer Space and the Law of the Sea: A Joint Contribution to the Emergence of the Common Heritage of Mankind Concept, in: Vukas (ed.), Essays on the New Law of the Sea, 1985, 537 (552); a.A. Harry, The Deep Seabed: The Common Heritage of Mankind or Arena for Unilateral Exploitation?, Naval L. Rev. (1992), 207 (228) und wohl auch van Zyl, The „Common Heritage of Mankind“ and the 1982 Law of the Sea Convention: Principle, Pain, or Panacea?, 26 Comp. & Int’l L. J. S. Afr. (1993), 49 (58). 191 Degan, The Common Heritage of Mankind in the Present Law of the Sea, in: Ando et al. (eds.), Liber Amicorum Judge Shigeru Oda, 2002, Vol. 2, 1363 (1374): „There is little doubt that the Hague Court would at that time have ascribed the character of jus cogens to the rules on the legal régime of the Area, on the same basis as it later established in its 1986 judgment in the Nicaragua case: the principle of non-intervention.“ 192 Vgl. Art. 53 WVK. 188
158
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d) Der Ressourcenbegriff in den Resolutionen zur Bewirtschaftung des Meeresbodens Die vorgenannten Resolutionen zeichnen den Weg nach, der im Jahre 1970 schließlich zur Prinzipienerklärung hinsichtlich des Meeresbodens und seiner Ressourcen führte und beide zum gemeinsamen Erbe der Menschheit erklärte. Beachtlich ist dabei, dass stets die Gesamtheit der Ressourcen des Meeresbodens adressiert wurde: „[…] as well as the resources of the area, are the common heritage of mankind.“ Das schon während der vorangegangenen Resolutionen geforderte internationale Regime soll unterschiedslos alle Ressourcen im Gebiet erfassen: „All activities regarding the exploration and exploitation of the resources of the area and other related activities shall be governed by the international régime to be established.“193
Die Bewirtschaftung aller Ressourcen im Gebiet soll zum Wohle der gesamten Menschheit erfolgen: „The exploration of the area and the exploitation of its resources shall be carried out for the benefit of mankind as a whole, […].“194
Im Wortlaut der Resolution 2749 (XXV) werden mineralische Ressourcen nicht ausdrücklich erwähnt. Dies ist kaum verwunderlich, da nicht nur Pardo, sondern mit ihm 108 Staatenvertreter bei den Vereinten Nationen davon ausgingen, es werde ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt, der sämtliche Ressourcen im Gebiet erfasst. Es kann folglich davon ausgegangen werden, dass – auch in Anbetracht des überwältigenden Abstimmungsverhältnisses dieser Resolution – eine nahezu einheitliche opinio iuris in der Staatenwelt vorherrschte. Die Staaten fühlten sich mithin rechtlich dazu verpflichtet, das CHM-Prinzip auf sämtliche Ressourcen des Meeresbodens anzuwenden, obgleich diese Verpflichtung zu diesem Zeitpunkt praktisch nicht relevant war. Schon die ersten Resolutionen, die auf den vorbereitenden Arbeiten des Meeresbodenkomitees aufbauten, legten – inhaltlich übereinstimmend mit der Forderung Pardos – fest, dass die zukünftige Bewirtschaftung des Meeresbodens und seiner Ressourcen „zum Wohle der gesamten Menschheit“ erfolgen soll.195 Weder durch den Wortlaut noch durch den Inhalt der in Bezug auf den Meeresboden angenommenen Resolutionen wird eine Differenzierung zwischen lebenden und nicht lebenden Ressourcen vorgenommen. Es kann nicht eindeutig beantwortet werden, ob die Staaten dadurch eine Erfassung aller potentiell vorhandenen Ressourcen beabsichtigten oder nur die damals bekannten mineralischen Ressourcen, namentlich die Manganknollen, erfassen wollten. Denn in den Resolutionen ist zu keiner Zeit zusammenhängend und gleichzeitig von beiden Arten, also etwa von „lebenden und 193
UNGA, 25th Session, 1970, UN Doc. A/RES/25/2749, Nr. 4. Ibid., Nr. 7. 195 s. unter anderem UNGA, 23rd Session, 1968, UN Doc. A/RES/23/2467/A: „Convinced that such exploitation should be carried out for the benefit of mankind as a whole […].“ 194
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nicht lebenden Ressourcen“, oder nur von „mineralischen Ressourcen“ die Rede. Wegen der späteren Ressourcendefinition im Gebietsregime des SRÜ, die ausschließlich Ressourcen mineralischer Natur erfasst, liegt die Annahme nahe, es habe sich in der Diskussion schon immer nur um diese Ressourcen gehandelt. Doch es gibt – neben den oben im Zusammenhang mit dem Meeresbodenkomitee bereits teilweise angeführten Argumenten – logische Argumente und tatsächliche Hinweise darauf, dass die Staaten mit ihrer in den Resolutionen zum Ausdruck kommenden opinio iuris alle Ressourcen des Meeresbodens unterschiedslos erfassen wollten. Dass der Meeresboden damals – wie auch heute noch – nur zu einem geringen Bruchteil erforscht war, schließt nicht aus, auch in der Zukunft möglicherweise zu entdeckende Ressourcen einzubeziehen. Im Gegenteil: Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass die Staatenvertreter tatsächlich davon ausgegangen sind, dass auf dem Meeresboden ausschließlich Manganknollen, Erdöl und Erdgas, d. h. nur „feste [n], flüssige[n] oder gasförmige[n] mineralische[n] Ressourcen“,196 zu finden sind, die dem undifferenzierten und damit – für die Sprache der Resolutionen gewählten – sehr weiten Ressourcenbegriff unterfallen würden. Eine solche Annahme wäre bestenfalls naiv. Falls dies gewollt gewesen wäre, hätte man außerdem schon in den Resolutionen und nicht erst während UNCLOS III und im SRÜ auf die mineralischen Ressourcen abstellen und diese näher definieren können. Die Staaten wollten ohne weitere Konkretisierung vielmehr alle bekannten oder unbekannten dort belegenen Ressourcen erfassen. Dies ist auch mit dem Sinn und Zweck der Resolutionen in Einklang zu bringen. Schließlich ging es der Pardo-Initiative nicht nur um die gerechte Verteilung der mineralischen Ressourcen, sondern auch um die Vermeidung einer Besitzergreifung (occupation) des Meeresbodens durch eine neuerliche Kolonialisierung und des Entfallens seiner Reichtümer auf einen nur geringen Teil der Staatengemeinschaft.197 Notwendiger Zwischenschritt sollte stets die Erklärung des Gebiets und seiner Ressourcen zum gemeinsamen Erbe der Menschheit sein. Es wäre daher wenig sinnvoll gewesen einige Ressourcen von der Anwendbarkeit des CHMPrinzips auszuschließen, auch wenn diese zum Beginn von UNCLOS III noch nicht bekannt waren.198 In einem – alle Ressourcen umfassenden – Sinne interpretierte der norwegische Präsident der 25. Tagung der Generalversammlung Edvard Hambro im Jahre 1970 die kurz zuvor angenommene Prinzipienerklärung im Ergebnis mit Erleichterung und Genugtuung: 196
Vgl. Art. 133 lit. a) SRÜ. UNGA, 22nd Session, 1967, UN Doc. A/C.1/PV.1515, Nr. 58 und 91: „The process has already started and will lead to a competitive scramble for sovereign rights over the land underlying the world’s seas and oceans, surpassing in magnitude and in its implication last century’s colonial scramble for territory in Asia and Africa.“ 198 Millicay, A Legal Regime for the Biodiversity of the Area, in: Nordquist et al. (eds.), Law Science & Ocean Management, 2007, 739 (811): „[…] given the nature of the common heritage of mankind principle, would it be reasonable to conclude that some of the resources of the Area shall not follow the legal status of the Area only because they were unknown when the Convention was negotiated?“. 197
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Kap. 4: Anwendbarkeit des „Common Heritage of Mankind“-Prinzips
„The sea-bed is being decolonized before it is colonized. We have also agreed that its benefits shall go to all mankind, that its riches shall be the common heritage of mankind.“199
Sinn und Zweck der dem Meeresbodenregime vorausgehenden Prinzipienerklärung ist die gerechte Verteilung der „Vorteile“ und „Reichtümer“ des Meeresbodens. Weiter und umfassender als mit diesen Worten kann man die Ressourcen des Meeresbodens kaum definieren. Mithin ist davon auszugehen, dass alle Ressourcen des Meeresbodens – ob lebend oder nicht lebend, ob bekannt oder unbekannt – dem in den Resolutionen für anwendbar erklärten gemeinsamen Erbe der Menschheit zugerechnet werden sollten. Die unterschiedslose Anwendung der Elemente des CHM-Prinzips auf alle Ressourcen des Meeresbodens erfolgt zudem ausdrücklich im Hinblick auf die Nutzung zu ausschließlich friedlichen Zwecken,200 die umweltverträgliche bzw. nachhaltige Bewirtschaftung201 und unter Beachtung der besonderen Bedürfnisse der Entwicklungsländer202. e) Die Charta der wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten Auch nachdem die Debatte um das CHM-Prinzip mit dem Ende von UNCLOS III vorläufig beendet war, hat es die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen weiterhin beschäftigt: Die Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (United Nations Conference for Trade and Development, UNCTAD), der als Organ der Vereinten Nationen auch alle ihre Mitglieder angehören, hat das CHM-Prinzip in die „Charta über die wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten“ inhaltlich und namentlich aufgenommen. Diese von der Generalversammlung der Vereinten Nationen im Jahre 1974 angenommene Charta bemühte sich um die Stärkung der internationalen Kooperation zwischen den Staaten, um insbesondere die wirtschaftliche Position der Entwicklungsländer zu verbessern.203 In Anlehnung an die Prinzipienerklärung von 1970 werden der Meeresboden jenseits nationaler Hoheitsgewalt und seine Ressourcen zum gemeinsamen Erbe der Menschheit erklärt.204 Die ausschließlich friedliche Nutzung der Ressourcen, ein gerechter Vorteilsausgleich unter besonderer Berücksichtigung der Entwicklungsländer und die Ver199
UNGA, 25th Session, 1970, UN Doc. A/PV.1933, 31, Nr. 386. Ibid.: „[…] Establishes a Committee on the Peaceful Uses of the Sea-Bed and the Ocean Floor beyond the Limits of National Jurisdiction […].“ 201 UNGA, 23rd Session, 1968, UN Doc. A/RES/23/2467/B, Nr. 1: „[…] Welcomes the adoption by States of appropriate safeguards against the dangers of pollution and other hazardous and harmful effects that might arise from the exploration and exploitation of the resources of the sea-bed […].“ 202 UNGA, 23rd Session, 1968, UN Doc. A/RES/23/2467/A: „[…] Convinced that such exploitation should […] tak[e] into account the special interests and needs of the developing countries.“ 203 UNGA, 29th Session, 1974, UN Doc. A/RES/29/3281, Charter of Economic Rights and Duties of States. 204 Ibid., Art. 29. 200
C. Rechtsüberzeugungen in der Staatengemeinschaft
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waltung des Gebiets und seiner Ressourcen durch die internationale Gemeinschaft, sind jene Elemente des CHM-Prinzips, welche die Charta zu seiner Konkretisierung heranzieht.205 Die Charta sieht dies als „gemeinsame Verantwortung gegenüber der internationalen Gemeinschaft“ an.206
f) Zeitliche Abfolge der UNGA-Resolutionen hinsichtlich des CHM-Prinzips Datum Ereignis
Bemerkung
01. 11. Arvid Pardos Rede vor der UNGA 1967
Vorschlag, den Meeresboden und seine Ressourcen zum gemeinsamen Erbe der Menschheit zu erklären sowie Erläuterung des CHM-Prinzips.207
18. 12. UNGA Resolution 2340 (XXII) 1967
Einsetzung eines Ad Hoc-Komitees, das Vorbereitungen hinsichtlich wissenschaftlicher, technischer, wirtschaftlicher und rechtlicher Aspekte der Bewirtschaftung des Meeresbodens und seiner Ressourcen treffen soll.208
21. 12. UNGA Resolution 2467 (XXIII) 1968
Einsetzung des Komitees zur friedlichen Nutzung des Meeresbodens (sog. „Meeresbodenkomitee“), um ein Regime zur Bewirtschaftung und Nutzung des Meeresbodens auszuarbeiten, das dem Wohle und den Interessen der gesamten Menschheit dienen soll.209
15. 12. UNGA Resolution 2574 (XXIV), sog. 1969 „Moratorium Resoulution“
Die Aneignung und Aktivitäten hinsichtlich des Meeresbodens und seiner Ressourcen werden so lange suspendiert, bis ein internationales Regime geschaffen wurde.210
205
Ibid. Vgl. ibid.. Überschrift Kapitel III, Art. 29. 207 UNGA, 22nd Session, 1967, UN Doc. A/C.1/PV.1515 f. 208 UNGA, 22nd Session, 1967, UN Doc. A/RES/22/2340: „Requests the Ad Hoc Committee […] to prepare […] (b) An account of the scientific, technical, economic, legal and other aspects of this item; […].“ 209 UNGA, 23rd Session, 1968, UN Doc. A/RES/23/2467/A, Nr. 2. lit. a). 210 UNGA, 24th Session, 1969, UN Doc. A/RES/24/2574/D. 206
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Kap. 4: Anwendbarkeit des „Common Heritage of Mankind“-Prinzips
Datum Ereignis
Bemerkung
17. 12. UNGA Resolution 2749 (XXV), 1970 sog. „Prinzipienerklärung“
Der Meeresboden und -untergrund jenseits nationaler Hoheitsgewalt sowie dessen Ressourcen werden zum gemeinsamen Erbe der Menschheit erklärt.211 Die Elemente des CHMPrinzips werden einzeln aufgelistet und erklärt.212
17. 12. UNGA Resolution 2750 1970
UNCLOS III wird einberufen mit der Aufgabe ein gerechtes internationales Regime u. a. für den Meeresboden und seine Ressourcen zu schaffen.213
12. 12. UNGA Resolution 3281 (XXIX), sog. In Art. 29 wird wörtlich UN1974 „Charta über die wirtschaftlichen Rechte Resolution 2749 (XXV) wiedergegeben und Pflichten von Staaten“ und das CHM-Prinzip als Kern eines neuen völkerrechtlichen Vertrages in Aussicht gestellt.
2. Erklärungen im Rahmen internationaler und regionaler Zusammenkünfte von Staaten Staatenkonferenzen bieten den teilnehmenden Staaten ebenso wie die Generalversammlung der Vereinten Nationen neben einer politischen Bühne auch ein Forum, Rechtsüberzeugungen hinsichtlich bestimmter Sachverhalte zu äußern und vor allem diesbezüglich gehört zu werden. Vorteilhaft ist es, wenn diese Erklärungen im Rahmen von sog. „Vertragsstaatenkonferenzen“ abgegeben werden. Darunter versteht man Konferenzen, die von den Vertragsparteien eines völkerrechtlichen Vertrages oder Übereinkommens in regelmäßigen Abständen abgehalten werden, um etwa den Fortschritt bei der Umsetzung des Vertrages zu erörtern. Auch hier ergibt sich durch den Vertragszweck unmittelbar der thematische Bezug der Erklärung, der dadurch gleichfalls das notwendige Verpflichtungsbewusstsein für eine rechtserhebliche opinio iuris anhaftet. Außerdem wird die erklärte Rechtsüberzeugung durch die Anwesenheit vieler Staaten auf eine breitere Basis gestellt, als dies bei unilateralen Äußerungen abseits solcher Zusammenkünfte überhaupt möglich wäre. Hierbei stehen insbesondere die Konferenzen mit unmittelbarem Bezug zum Seerecht, namentlich UNCLOS III und UNICPOLOS im Fokus der Betrachtung. 211
UNGA, 25th Session, 1970, UN Doc. A/RES/25/2749, Nr. 1. Ibid., Nr. 2 – 9, 11. 213 UNGA, 25th Session, 1970, UN Doc. A/RES/25/2750/C, Nr. 2: „Decides to convene in 1973 […] a conference on the law of the sea which would deal with the establishment of an equitable international régime – including an international machinery – for the area and the resources of the sea-bed and the ocean floor, and the subsoil thereof, beyond the limits of national jurisdiction, including a precise definition of the area […].“ 212
C. Rechtsüberzeugungen in der Staatengemeinschaft
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a) Die dritte Seerechtskonferenz Mit dem auf die vorgenannten Resolutionen und UNCLOS III folgenden Seerechtsübereinkommen beabsichtigten die Staaten schließlich ein umfassendes Regime für den Meeresboden jenseits nationaler Hoheitsgewalt zu schaffen, um dieses „Gebiet“ – je nach Rechtsauffassung – entweder dem Regime der Hohen See zu entziehen oder das bis dahin bestehende rechtliche Vakuum zu füllen.214 Es erfolgte jedoch keine 1:1-Umsetzung der Prinzipienerklärung in den Vertragstext des SRÜ. Dies wird anhand der travaux préparatoires deutlich: Es ist anzunehmen, dass bei Annahme der Prinzipienerklärung, die unterschiedslos nur „Ressourcen“ und nicht etwa „lebende“ oder „mineralische Ressourcen“ zum Inhalt hatte, das Vorhandensein von Leben auf dem Meeresboden nicht bekannt war. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass der Ressourcenbegriff der oben näher betrachteten Resolutionen sämtliche Ressourcen des Meeresbodens erfassen sollte.215 Erst als zum Ende der 1970er Jahre die biologische Vielfalt des Meeresbodens in Ansätzen bekannt wurde und die dritte Seerechtskonferenz bereits in vollem Gange war, wurde unter den verhandelnden Parteien die Absicht hin zu einer ausschließlichen Erfassung der mineralischen, nicht lebenden Ressourcen im Gebiet deutlich. Während die Vertreterin der Republik Vietnam beispielsweise die Kompetenzen der Meeresbodenbehörde auch auf die Bewahrung der lebenden Ressourcen im Gebiet ausdehnen wollte,216 sollten diese Kompetenzen nach dem Willen des Vertreters der UdSSR auf die mineralischen Ressourcen beschränkt bleiben, um nicht die konsensfähige Basis des Gebietsregimes zu zerstören.217 Die Staaten waren sich folglich der (möglichen) Gegenwart lebender Ressourcen im Gebiet bewusst. Fortan wurden lebende Ressourcen im Meeresboden-Komitee von UNCLOS III gleichwohl nicht mehr thematisiert. Es ist demnach nicht etwa von einem sog. „Redaktionsversehen“ auszugehen, sondern von einer bewussten Entscheidung gegen die Einbeziehung der lebenden Ressourcen des Meeresbodens. Das Vertragsregime weicht insoweit von der im Rahmen der vorangegangenen Resolutionen gebildeten Rechtsüberzeugung ab. Die Begrenzung des Anwendungsbereichs bzw. die Unterscheidung zwischen den Regeln für das Gebiet einerseits und für die Hohe See andererseits war folglich insbesondere im Hinblick auf die dort belegenen Ressourcen durchaus beabsichtigt. 214 Harry, The Deep Seabed: The Common Heritage of Mankind or Arena for Unilateral Exploitation?, Naval L. Rev. (1992), 207 (227): „According to the U.S. view, the seabed has always been subject to the high seas regime. The Group of 77 alleges that the seabed was actually in a legal vacuum.“ 215 s. o. bereits Kapitel 4, B. II. 1. d). 216 Third United Nations Conference on the Law of the Sea, 8th Meeting, Volume II, First Committee, 2nd Session, 1974, UN Doc. A/CONF.62/C.1/SR.8, Nr. 20: „[…] the Authority, […] must have full control over the exploitation of the resources of the sea-bed in the area and the competence to adopt the necessary regulations for the conservation of its living resources.“ 217 Ibid., Nr. 30: „Attempts to invest the international organization with functions relating to ocean space and its living resources would destroy the very basis for a generally acceptable regime for the sea-bed.“
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Kap. 4: Anwendbarkeit des „Common Heritage of Mankind“-Prinzips
Bezüglich der jeweils zugrundeliegenden opinio iuris ist allerdings zwischen der Zeit vor und nach dem Bekanntwerden der Mikroorganismen auf dem Meeresboden zu unterscheiden. Für die ersten Jahre der Verhandlungen ist anzunehmen, dass eine explizite Regelung der lebenden Ressourcen des Meeresbodens deshalb nicht getroffen wurde, weil man deren Vorhandensein bestenfalls vermuten, aber den ihnen heute zugesprochenen Wert keinesfalls ermessen konnte. Andererseits wusste man auch in der Zeit nach deren Bekanntwerden noch viel zu wenig über eine mögliche Nutzbarmachung, als dass vor allem die Industrienationen deren Bewirtschaftung hätten regeln wollen. Zudem waren die Verhandlungen hinsichtlich des Ressourcenbegriffs in Teil XI bereits zum Ende der dritten Tagung („Third Session“) am 07. 05. 1975 abgeschlossen.218 Danach waren die finanzielle Ausstattung und der Verteilungsmechanismus des Tiefseebergbaus beherrschendes Thema der Tagungen des ersten Komitees, die schließlich mit dem Bericht des Vorsitzenden im Frühjahr 1979 endeten.219 Lebewesen, insbesondere in Form kleiner Bakterien an Hydrothermalquellen, wurden allerdings erst im Jahre 1977 entdeckt, als der Anwendungsbereich des Teil XI, insbesondere jener des darin enthaltenen CHM-Prinzips, längst abgesteckt war.220 Darüber hinaus dienen etwa Röhrenwürmer nicht unbedingt der Ernährung und das Potential der darin enthaltenen Erbinformationen wurde erst seit den 1990er Jahren mit der sich dann entwickelnden Gentechnik schrittweise bekannt. Wohl auch mangels unmittelbar erkennbaren Wertes der im Gebiet lebenden Ressourcen, blieben diese unberücksichtigt. Die letztgenannte Auffassung hat sich im 1. Komitee durchgesetzt und schließlich Eingang in Teil XI des Seerechtsübereinkommens erhalten, wodurch gleichzeitig, um überhaupt einen Konsens erzielen zu können, dem Willen der Industrienationen entsprochen und das Gebietsregime nur auf nicht lebende Ressourcen anwendbar gemacht wurde. Das CHM-Prinzip ist dementsprechend vertraglich ebenfalls insoweit limitiert. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass die Rechtsüberzeugung in der Staatengemeinschaft mehrheitlich, wenn nicht sogar nahezu einheitlich, der Resolution 2749 (XXV) entsprach: Sämtliche Ressourcen, d. h. auch die lebenden Ressourcen des Meeresbodens, sollten unterschiedslos als Bestandteil des Gebiets jenseits nationaler Hoheitsgewalt nicht nur einem gleichberechtigten Zugang, sondern auch einem gerechten Verteilungsmechanismus unterliegen. Mithin das gemeinsame Erbe der Menschheit sein. Dies ist die Essenz der aus den verschiedenen UN-Resolutionen gewonnenen opinio iuris. Obschon das SRÜ ausweislich seiner späteren Präambel beabsichtigte „alle das Seerecht betreffenden Fragen“ zu regeln, hielt man hilfsweise fest, „dass für Fragen, 218 Third United Nations Conference on the Law of the Sea, 23rd Meeting, Volume IV, First Committee, 3rd Session, 1975, UN Doc. A/CONF.62/C.1/SR.23. 219 Third United Nations Conference on the Law of the Sea, Report of the Chairman of the group of legal experts on the settlement of disputes relating to part XI of the informal composite negotiating text, Volume XI, First Committee, 8th Session, 1979, UN Doc. A/CONF.62/C.1/ L.25 and Add.1. 220 Zur Entdeckung von Lebewesen auf dem Meeresboden s. o. Kapitel 2, B.
C. Rechtsüberzeugungen in der Staatengemeinschaft
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die in diesem Übereinkommen nicht geregelt sind, weiterhin die Regeln und Grundsätze des allgemeinen Völkerrechts gelten“.221 Nachdem das SRÜ die Bewirtschaftung der genetischen Ressourcen des Meeresbodens nicht regelt, ist hier folglich das übrige allgemeine Völkerrecht einschlägig, dem, insbesondere unter Einbeziehung zahlreicher UNGA-Resolutionen, jedenfalls eine eindeutige opinio iuris zu entnehmen ist. Schon im Zuge der Verhandlungen zum SRÜ hatte die sog. „Gruppe der 77“ (G77) ihre rechtliche Position hinsichtlich der Erforschung und Bewirtschaftung der Ressourcen des Meeresbodens dahingehend erklärt, dass das Gebiet als gemeinsames Erbe der Menschheit nicht aneignungsfähig sei und seine Ressourcen zum Nutzen der gesamten Menschheit, mit besonderem Bedacht der Entwicklungsländer, bewirtschaftet werden sollten.222 Den Anlass dazu gab ein während UNCLOS III erlassenes nationales Gesetz der Vereinigten Staaten, welches seinen Bürgern einseitig die Erforschung und Bewirtschaftung der Ressourcen im Gebiet erlaubte. Hieraus wird nicht nur die Rechtsüberzeugung der G77 deutlich, sondern darüber hinaus deren Ansicht, dass das CHM-Prinzip bereits vor Abschluss der Verhandlungen zum SRÜ völkergewohnheitsrechtliche Bindungswirkung i.S.v. ius cogens entfaltet habe, wogegen mit der einseitigen Gesetzgebung verstoßen würde: „Given that the principle of the Common Heritage of Mankind is a customary rule which has the force of peremptory norm, the unilateral legislation and limited agreements are illegal, and are violations of this principle.“223
Insbesondere infolge der Resolution 2749 (XXV) der Generalversammlung hätten die Staaten ausgedrückt, dass es sich bei dessen Inhalt um aktuelles Völkergewohnheitsrecht handele.224 Während sich die ersten Vertragsstaatenkonferenzen zum Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen nach Inkrafttreten desselben im Jahre 1994 gar nicht mit dem CHM-Prinzip und dessen Anwendbarkeit befassten oder es in Frage stellten, fällt in der letzten Dekade zweierlei auf: Erstens wiederholen die Staaten gebetsmühlenartig, dass es sich bei dem Gebiet als solchem um das gemeinsame Erbe der Menschheit handele.225 Dies dient sicherlich einerseits dem Ausdruck einer gewissen Überzeugung. Andererseits ist dies wohl gleichzeitig mit einem Appell an andere Staaten verbunden, die diese Überzeugung bislang nicht teilen, etwa weil sie dem SRÜ nicht beigetreten sind, ihrem Argumentationsgang zu folgen. Zweitens sind einige Staaten der Auffassung, dass auch die genetischen Ressourcen des Meeresbodens jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt auf Basis des SRÜ als ge221
Vgl. Präambel des SRÜ. G77, Letter dated 29 August 1980 from the Chairman of the Group of 77 to the President of the Conference, UNCLOS III, Resumed Ninth Session, UN Doc. A/CONF.62/106, 111. 223 Ibid., 112. 224 Ibid. 225 Vgl. unter anderem United Nations Convention on the Law of the Sea, Meeting of State Parties, 17th Meeting, 2007, SPLOS/164, Nr. 70. 222
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Kap. 4: Anwendbarkeit des „Common Heritage of Mankind“-Prinzips
meinsames Erbe der Menschheit anzusehen seien.226 Um die unregulierte und einseitige Nutzung dieser Ressourcen zu verhindern, sollen auch zukünftige Regime auf Basis des CHM-Prinzips geschaffen werden.227 Die aus dem wissenschaftlichen oder wirtschaftlichen Gebrauch der genetischen Ressourcen jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt gezogenen Vorteile sollen dazu vielmehr gerecht aufgeteilt werden.228 Dafür habe die ISA nach Ansicht einiger Vertragsstaaten jetzt schon die notwendige Kompetenz.229 Vertraglich ergibt sich weder für das Gebietsregime noch für die ISA eine Anwendbarkeit auf genetische Ressourcen des Meeresbodens.230 Trotzdem gehen die Vertragsstaaten teilweise vom Gegenteil aus. Auch wenn dies die wortlautorientierte Interpretation des SRÜ nicht erschüttern kann, zeigt sich dadurch die Überzeugung dieser Staaten, rechtlich an die Bewertung der genetischen Ressourcen als gemeinsames Erbe der Menschheit gebunden zu sein. Und deren Wille, andere Staaten ebenfalls von ihrer rechtlichen Bewertung zu überzeugen. b) Die Asian-African Legal Consultative Organization Im Jahre 1991 erklärte das Asian-African Legal Consultative Committee (AALCC),231 ein Zusammenschluss afrikanischer, arabischer und asiatischer Staaten mit dem Ziel, völkerrechtliche Themen zu beraten,232 dass man das CHM-Prinzip auf Basis des SRÜ als Teil des Völkergewohnheitsrechts ansehe.233 Hierdurch wird sowohl der Anspruch einer völkergewohnheitsrechtlichen Geltung als auch die daraus resultierende Bindung von Drittstaaten deutlich. Allerdings fehlt durch die Bezugnahme auf das Gebietsregime des SRÜ, dessen Artikel das CHM-Prinzip nur 226 United Nations Convention on the Law of the Sea, Meeting of State Parties, 17th Meeting, 2007, SPLOS/164, Nr. 103 und 18th Meeting, 2008, SPLOS/184: „Regarding marine genetic resources, some delegations stated that the regime for genetic resources was governed by the principles and provisions of the Convention and supported the idea that deep seabed genetic resources in areas beyond national jurisdiction were the common heritage of mankind.“ 227 United Nations Convention on the Law of the Sea, Meeting of State Parties, 16th Meeting, 2006, SPLOS/148, Nr. 87. 228 United Nations Convention on the Law of the Sea, Meeting of State Parties, 18th Meeting, 2008, SPLOS/184, Nr. 113. 229 United Nations Convention on the Law of the Sea, Meeting of State Parties, 21st Meeting, 2011, SPLOS/231, Nr. 76. 230 s. o. Kapitel 3, B. II. 1. d) und Kapitel 3, B. II. 2. c). 231 Gegründet am 15. 11. 1956 als Asian Legal Consultive Committee (ALCC) und 1958 in AALCC umbenannt, um die Mitgliedschaft von afrikanischen Staaten zu ermöglichen. 232 Vgl. Art. 1 lit. a) AALCO-Statut: „[…] to consider and deliberate on issues related to international law that may be referred to the Organization by the Member States and to make such recommendations to governments as deemed necessary; […].“ 233 AALCC, Combined Reports of the Sessions 26 – 30 (1987 – 1991), 27 (37): „In this context it is our view that the principle of common heritage of mankind has also entered into realm of customary international law due to its nearly universal acceptance.“
C. Rechtsüberzeugungen in der Staatengemeinschaft
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auf mineralische Ressourcen anwendbar machen, eine Erklärung bezüglich der lebenden Ressourcen des Meeresbodens. Eine verwertbare Rechtsüberzeugung kann mithin nicht entnommen werden; gleichwohl ist insgesamt die Tendenz erkennbar, die bekannten und für wertvoll befundenen Ressourcen jenseits nationaler Hoheitsgewalt zum gemeinsamen Erbe der Menschheit zu erklären und die Möglichkeit einer unilateralen Bewirtschaftung bereits im Aufkeimen zu ersticken. Die Bewirtschaftung genetischer Ressourcen jenseits nationaler Hoheitsgewalt wurde im Rahmen der 50. Tagung der – nunmehr umbenannten – Asian-African Legal Consultative Organization (AALCO)234 2011 erstmalig thematisiert. Der Vertreter Irans informierte über die „fruchtlos“ verlaufenen Gespräche im Rahmen der UNGA dazu.235 Man teile die Rechtsauffassung der G77 und China: Die genetischen Ressourcen sollen dem im Gebietsregime des SRÜ kodifizierten CHMPrinzip unterfallen, das außerdem Teil des Völkergewohnheitsrechts geworden sei.236 Eine entsprechende Resolution aller Mitgliedstaaten der AALCO wurde jedoch nicht verabschiedet. Im Jahr 2013 wiederholte der iranische Vertreter seine Rechtsauffassung.237 Die nunmehr verabschiedete Resolution zum Seerecht nennt jedoch nicht ausdrücklich die genetischen Ressourcen, sondern beschränkt sich vielmehr auf eine undifferenzierte Bestätigung dahingehend, dass das Gebiet und seine Ressourcen in Übereinstimmung mit dem SRÜ das gemeinsame Erbe der Menschheit darstellen.238 In einem vom AALCO-Sekretariat für diese 52. Tagung vorbereiteten Bericht zum Seerecht hatte der als Rechtsexperte geladene frühere japanische Diplomat Moritaka Hayashi zuvor die von den Staaten vertretenen Rechtsauffassungen dargestellt,239 ohne jedoch eine Wertung vorzunehmen oder sich einer Rechtsauffassung anzuschließen.240 Er schlug stattdessen vor, dass zunächst ein thematischer Konsens gefunden werden solle, bevor über die Umsetzung in einen etwaigen völkerrechtlichen Vertrag entschieden werde.241
234
Delhi. 235
Die Umbenennung des AALCC erfolgte im Rahmen der 40. Tagung im Jahr 2011 in Neu
AALCO, Verbatim Record of Discussions, 50th Session, 2011, AALCO Doc. AALCO/ 50/COLOMBO/2011/VR, 86. 236 Ibid. 237 AALCO, Summary Report, 52nd Session, 2013, 56, Nr. 6.61. 238 AALCO, The Law of the Sea, 52nd Session, 2013, AAALCO Doc. AALCO/RES/52/S 2, 2, Nr. 1: „The Asian-African Legal Consultative Organization […] Reaffirms that in accordance with the UNCLOS, the ,Area‘ and its resources are the common heritage of mankind.“ 239 Zu den im Rahmen der sog. „BBNJ-Working Group“ vertretenen Rechtsauffassungen s. sogleich Kapitel 3, B. II. 3. 240 AALCO, The Law of the Sea, Secretariat Report, 52nd Session, 2013, AALCO Doc. AALCO/52/ HEADQUARTERS (NEW DELHI)/2013/SD/S 2, 19, Nr. 85 ff. 241 Ibid., 20.
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Kap. 4: Anwendbarkeit des „Common Heritage of Mankind“-Prinzips
Im Rahmen der 53. und 54. Tagung wurden Resolutionen gleichen Wortlauts verabschiedet.242 Ob damit nun der Rechtsauffassung Irans folgend eine Anwendbarkeit des vertraglichen CHM-Prinzips des SRÜ auch auf genetische Ressourcen vertreten wird oder, ob nur eine völkergewohnheitsrechtliche Geltung des mit den Resolutionen zitierten und nur auf mineralische Ressourcen anwendbaren Art. 136 SRÜ beansprucht wird, lässt sich dem zusammenfassenden Abschlussbericht nicht entnehmen, denn eine weitergehende Diskussion darüber fand anscheinend nicht statt. c) Der Beratungsprozess der Vereinten Nationen über die Ozeane und das Seerecht Um einen effektiven Austausch über die Entwicklung der Ozeane und des Seevölkerrechts zu ermöglichen und sicherzustellen, schuf die Generalversammlung der Vereinten Nationen im Jahre 1999 den United Nations Open-ended Informal Consultative Process on Oceans and the Law of the Sea (UNICPOLOS).243 Die konferierenden Staaten erstatten der Generalversammlung einmal jährlich Bericht über ihre Tätigkeiten, die im Ergebnis zu mehr Koordination und Kooperation zwischen Staaten und Behörden der Vereinten Nationen führen sollen.244 Bemerkenswerterweise wurde erst im Zuge der vierten Sitzung 2003 von einigen Delegationen der teilnehmenden Staaten angemerkt, dass etwa Kaltwasser-Korallenriffe reich an biologischer Vielfalt seien und wegen ihrer genetischen Ressourcen eines ganz besonderen Schutzes bedürften, sodass dieser Vorschlag seitdem in weiteren Sitzungen thematisiert wurde.245 Wiederholt wurde zunächst die verschiedentliche Interpretation des SRÜ unter den Staaten hinsichtlich der Anwendbarkeit des Gebietsregimes auf genetische Ressourcen deutlich:246 Während die Entwicklungsländer darauf verwiesen, dass alle Ressourcen des Meeresbodens jenseits nationaler Hoheitsgewalt, einschließlich der biologischen Vielfalt des Meeres, das gemeinsame Erbe der Menschheit darstellten und in den Anwendungsbereich von Teil XI des SRÜ fielen, waren die Industrienationen der Ansicht, dass lebende Ressourcen vom Gebietsregime des SRÜ nicht erfasst seien und daher nicht dem CHM-Prinzip unterfielen. Viele Delegationen äußerten jedoch ihr grundsätzliches Verständnis, wonach die gesamte Menschheit von der Bewirtschaftung genetischer Ressourcen profitieren solle.247 Die genetischen Ressourcen des Meeresbodens jenseits nationaler Hoheitsgewalt seien das „gemeinsame Erbe der Menschheit“.248 Außerdem wird an242 AALCO, 53rd Session, 2014, AALCO Doc. AALCO/RES/53/S2 und 54th Session, 2015, AALCO Doc. AALCO/RES/54/S2. 243 UNGA, 54th Session, 1999, UN Doc. A/RES/54/33. 244 Ibid., Nr. 2. 245 UNICPOLOS, 4th Meeting, 58th Session, 2003, UN Doc. A/58/95, Nr. 94. 246 UNICPOLOS, 5th Meeting, 59th Session, 2004, UN Doc. A/59/122, Nr. 90 f. 247 UNICPOLOS, 8th Meeting, 62nd Session, 2007, UN Doc. A/62/169, Nr. 33. 248 Ibid., Nr. 71.
C. Rechtsüberzeugungen in der Staatengemeinschaft
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geführt, dass das CHM-Prinzip älter als das SRÜ sei und deswegen dadurch in seiner Bedeutung und Reichweite nicht eingeschränkt werden könne.249 d) Zwischenergebnis Bei allem vorgenannten Vorbringen wird deutlich, dass – trotz vereinzelter Zwischenrufe – eine überwiegende Auffassung das CHM-Prinzip unabhängig von dessen vertraglicher Kodifizierung im SRÜ als Völkergewohnheitsrecht ansieht und sich dessen Anwendbarkeit auf den gesamten Meeresboden jenseits nationaler Hoheitsgewalt, einschließlich seiner lebenden und nicht lebenden Ressourcen, erstreckt. Die Entstehung des CHM-Prinzips als völkerrechtliche Norm wird vielfach bereits vor UNCLOS III als abgeschlossen angesehen. Folglich hätte das SRÜ dieses Gewohnheitsrecht, beschränkt auf die mineralischen Ressourcen, nur noch vertraglich fixiert. 3. Erklärungen im Rahmen der BBNJ-Working Group der Vereinten Nationen Die Arbeitsgruppe zur Erhaltung und zum nachhaltigen Nutzen der biologischen Vielfalt des Meeres jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt (Ad Hoc Openended Informal Working Group to study issues relating to the conservation and sustainable use of marine biological diversity beyond areas of national jurisdiction, sog. „BBNJ-Working Group“) wurde im Jahre 2004 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen eingesetzt, um unter anderem durch internationale Kooperation die nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt zu fördern.250 Seit die Arbeitsgruppe im Jahr 2006 ihre Arbeit aufnahm, äußerten sich die Staatenvertreter dort fortwährend zur rechtlichen Bewertung der genetischen Ressourcen jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt. Während der Block jener Staaten – namentlich die G77 und China –, die sich für eine Anwendbarkeit des CHM-Prinzips auf diese Ressourcen aussprechen, argumentativ zunächst nur auf der Anwendbarkeit des Gebietsregimes des SRÜ beharrte,251 wird in jüngerer Zeit der völkergewohnheitsrechtliche Geltungsanspruch des CHM-Prinzips verstärkt betont.252 Unmittelbare Folge der völkergewohnheitsrechtlichen Anwendbarkeit des CHM-Prinzips sei der gerechte Vorteilsausgleich.253 Ein gleichberechtigter Zugang auf Basis des „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“-Ansatzes würde die nachhaltige Bewirtschaftung genetischer Ressourcen im Gebiet konter249
Ibid., Nr. 72: „A view was further expressed that the principle of the common heritage of mankind predated the Convention and that its codification in the Convention did not reduce its significance and impact.“ 250 UNGA, 59th Session, 2004, UN Doc. A/RES/59/24, Nr. 73. 251 BBNJ-Working Group, 61st Session, 2006, UN Doc. A/61/65, Nr. 71. 252 BBNJ-Working Group, 65th Session, 2010, UN Doc. A/65/68, Nr. 71. 253 Ibid.
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Kap. 4: Anwendbarkeit des „Common Heritage of Mankind“-Prinzips
karieren.254 Dagegen wenden sich die westlichen Industrienationen, die den Zugang zu genetischen Ressourcen des Meeresbodens jenseits des Festlandsockels nach wie vor als Freiheit der Hohen See qualifizieren.255 Einigkeit besteht derweil nur dahingehend, dass man sich nicht einig ist.256 Insoweit ergibt sich auch nach dem sechsten Treffen der Arbeitsgruppe im August 2013, dem unter anderem Vertreter Deutschlands und Großbritanniens fernblieben, nichts grundlegend Neues. Einerseits wird die Auffassung vertreten, dass die genetischen Ressourcen des Meeresbodens von einem aus der Prinzipienerklärung von 1970 abgeleiteten völkergewohnheitsrechtlichen CHM-Prinzip erfasst würden. Eine Anwendbarkeit des SRÜ de lege lata wird nicht (mehr) thematisiert: „In their view, the resources of the seabed and ocean floor and subsoil thereof beyond the limits of national jurisdiction were the common heritage of mankind, […]. In this regard, these delegations drew attention to the principle of the common heritage of mankind as embodied in General Assembly resolution 2749 (XXV), which they considered to be part of customary international law and as the guiding principle when addressing marine biodiversity of the Area.“257
Die einseitige Bewirtschaftung der genetischen Ressourcen im Gebiet sei weder mit dem CHM-Prinzip noch mit allgemeinen Rechtsgrundsätzen des Völkerrechts, wie etwa dem Gerechtigkeitsprinzip, vereinbar.258 Die andererseits geäußerte Auffassung anderer Delegationen läuft dem insoweit nicht zuwider, als dass nach deren Ansicht (nur) die mineralischen Ressourcen von Teil XI des SRÜ erfasst werden.259 Soweit jedoch die Bewirtschaftung genetischer Ressourcen völkervertraglich gemäß Teil VII des SRÜ als Freiheit der Hohen See angesehen wird und eine völkergewohnheitsrechtliche Geltung des CHM-Prinzips auf genetische Ressourcen abgelehnt wird, stellt dies die absolute Gegenmeinung dar: „Other delegations expressed the view that only the mineral resources of the Area were the common heritage of mankind and that marine genetic resources were regulated by the high seas regime under Part VII of the Convention. In their view, the application of the common heritage of mankind to marine biodiversity beyond areas of national jurisdiction was not customary international law.“260 254
BBNJ-Working Group, 66th Session, 2011, UN Doc. A/66/119, Nr. 17. Ibid., Nr. 16. 256 Freestone, The Final Frontier: The Law of the Sea Convention and Areas Beyond National Jurisdiction, 2012, 1 (8): „The result has been something of a stalemate in the discussions at the BBNJ Working Group […].“ 257 Report of the Ad Hoc Open-ended Informal Working Group to study issues relating to the conservation and sustainable use of marine biological diversity beyond areas of national jurisdiction and Co-Chairs’ summary of discussions, 68th Session, 2013, Nr. 17. 258 Ibid., Nr. 27. 259 Ibid., Nr. 19. 260 Ibid. 255
C. Rechtsüberzeugungen in der Staatengemeinschaft
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Einigkeit besteht mittlerweile folglich dahingehend, dass die genetischen Ressourcen des Meeresbodens nicht von Teil XI des SRÜ adressiert werden. Die daraus gezogenen Schlussfolgerungen differieren allerdings. Während teilweise eine völkervertragliche oder völkergewohnheitsrechtliche Geltung des grotianischen Freiheitsprinzips auch oder immer noch für die lebenden Ressourcen im Gebiet angenommen wird, sieht die Gegenmeinung hier eine Lücke, die durch die Annahme des CHM-Prinzips als völkergewohnheitsrechtlicher Norm für das Gebiet und seine Ressourcen insgesamt geschlossen worden sei. Eine völkergewohnheitsrechtliche Geltung des CHM-Prinzips in Bezug auf die genetischen Ressourcen im Gebiet ist jedoch seit Einberufung der Arbeitsgruppe umstritten, sodass sich aus den in diesem Rahmen geäußerten Rechtsüberzeugungen keine einheitliche opinio iuris bilden lässt. Die G77 und China haben ihre Auffassung auch nach Abschluss der 3. Seerechtskonferenz bekräftigt und in eigenen Stellungnahmen an die Arbeitsgruppe gerichtet: Das aus Resolution 2749 (XXV) erwachsene CHM-Prinzip sei Teil des Völkergewohnheitsrechts.261 Während anfänglich noch davon ausgegangen wurde, dass alle Belange, die die Ressourcen jenseits nationaler Hoheitsgewalt betreffen, durch das SRÜ geregelt würden,262 verweisen die Stellungnahmen neuerer Zeit zusätzlich auf eine völkergewohnheitsrechtliche Geltung des CHM-Prinzips, insbesondere bezüglich der wertvollen genetischen Ressourcen im Gebiet.263 Daran anknüpfend sei die einseitige Bewirtschaftung der genetischen Ressourcen mit den Prinzipien des Völkerrechts und den Prinzipien des SRÜ nicht vereinbar, da die Ressourcen des Gebiets zum Wohle der gesamten Menschheit zu erforschen und zu bewirtschaften sind. Diese Auffassung wird unverändert und wiederholt von den Staaten der G77 seit Bestehen der Arbeitsgruppe vorgebracht: „As established in General Assembly resolution 2749 (XXV) which is part of customary international law, activities in the area ,sea-bed and ocean floor, and the subsoil thereof, beyond the limits of national jurisdiction‘ shall be carried out for the benefit of mankind as a whole, taking into particular consideration the interests and needs of developing States. […] 261
Vgl. G77, Statements on behalf of the Group of 77 and China at the Ad Hoc Open-Ended Informal Working Group to Study Issues Relating to the Conservation and Sustainable Use of Marine Biological Diversity beyond Areas of National Jurisdiction, 13. 02. 2006, 01. 02. 2010, 31. 05. 2011, 01. 06. 2011, 07. 05. 2012, abrufbar unter: http://www.g77.org/statement/ (zuletzt abgerufen am 01. 08. 2015). 262 G77, Statement on behalf of the Group of 77 and China at the Ad Hoc Open-Ended Informal Working Group to Study Issues Relating to the Conservation and Sustainable Use of Marine Biological Diversity beyond Areas of National Jurisdiction, 13. 02. 2006: „The Convention regulates all resources beyond national jurisdiction.“ 263 Vgl. bspw. G77, Statement on behalf of the Group of 77 and China at the Ad Hoc OpenEnded Informal Working Group to Study Issues Relating to the Conservation and Sustainable Use of Marine Biological Diversity beyond Areas of National Jurisdiction, 07. 05. 2012: „As established in General Assembly resolution 2749 (XXV) which is part of customary international law, activities in the area […] shall be carried out for the benefit of mankind as a whole […].“
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Kap. 4: Anwendbarkeit des „Common Heritage of Mankind“-Prinzips
That is to say, that the common heritage of mankind principle applies to the biological resources of the area […].“264
Die zweigleisige Argumentationslinie, welche einerseits auf die vertragsrechtliche Anwendbarkeit des CHM-Prinzips abstellt und andererseits daneben einen völkergewohnheitsrechtlichen Geltungsanspruch desselben erhebt, vermag auf den ersten Blick nicht sehr erfolgsversprechend sein, wenn sich dieser Rechtsüberzeugung nicht auch andere Staaten anschließen und somit eine „Quasi-Universalität“ erreicht wird. Der wiederholte Ausdruck einer Rechtsüberzeugung kann jedoch zur Verfestigung derselben auf dem Weg zur Entstehung von Völkergewohnheitsrecht führen. Es ist davon auszugehen, dass diese Entwicklung nicht bloß in Kauf genommen, sondern vielmehr beabsichtigt wurde, insbesondere, weil die Prinzipienerklärung nach teilweise vertretener Ansicht per se noch nicht Ausdruck eines völkergewohnheitsrechtlichen Rechtssatzes ist.265 Man ist folglich versucht sich hilfsweise für den Fall abzusichern, dass die Prinzipienerklärung nicht das Ende, sondern den Anfang des Entwicklungsprozesses darstellt. Auch während des sechsten Treffens der Arbeitsgruppe im Jahre 2013 wurde die gewohnheitsrechtliche Geltung des CHM-Prinzips hinsichtlich der genetischen Ressourcen des Meeresbodens u. a. durch die G77 unterstrichen.266 Die Staaten der G77 beschränken sich in ihrer Forderung nach einem gerechten Vorteilsausgleich zum Wohle der gesamten Menschheit hierbei nicht mehr nur auf die Bewirtschaftung an sich, sondern nunmehr auch auf die durch deren Verwendung erzielten Vorteile.267 Das CHM-Prinzip sei außerdem auf die „biologischen Ressourcen“ im Gebiet anwendbar.268 Damit sei eine einseitige Bewirtschaftung nicht nur unvereinbar, sondern habe auch erhebliche sozialökonomische Konsequenzen.269 Die Aussagen im Rahmen der Arbeitsgruppe sind aufseiten der jeweiligen „Blöcke“ so eindeutig, wie die Fronten verhärtet sind.270 Dadurch lässt sich zwar 264
G77, Statement on behalf of the Group of 77 and China at the Ad Hoc Open-Ended Informal Working Group to Study Issues Relating to the Conservation and Sustainable Use of Marine Biological Diversity beyond Areas of National Jurisdiction, 01. 02. 2010. 265 Wolfrum, in: Graf Vitzthum (Hrsg.), Handbuch des Seerechts, 2006, 343, Rn. 175. 266 G77, Statement on Behalf of the Group of 77 and China to the United Nations, during the „General Debate“ of the Ad Hoc Open-Ended Informal Working Group to Study Issues Relating to the Conservation and Sustainable Use of Marine Biological Diversity beyond Areas of National Jurisdiction, 19. 08. 2013; abrufbar unter: http://www.g77.org/statement/getstatement. php?id=130819 (zuletzt abgerufen am 01. 08. 2015). 267 Ibid.: „The fair and equitable sharing of benefits arising from the use of marine genetic resources of areas beyond national jurisdiction is thus an important element in the examination of the issue.“ 268 Ibid. 269 Ibid. 270 Tladi, State Practice and the Making and (Re)Making of International Law: The Case of the Legal Rules Relating to Marine Biodiversity in Areas Beyond National Jurisdiction, 1 SPILJ (2014), 97 (112): „The impasse is reflected in the constant restatement of both debates in the
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hinsichtlich der völkergewohnheitsrechtlichen Geltung des CHM-Prinzips in Bezug auf die genetischen Ressourcen des Meeresbodens resümieren, dass eine solche von vielen Staaten angenommen wird, da es als rechtliche Pflicht angesehen wird, die genetischen Ressourcen nachhaltig zu bewirtschaften und einen gerechten Vorteilsausgleich zwischen den Nationen herbeizuführen.271 Hierbei fällt abermals der stetige Verweis auf Resolution 2749 (XXV) ins Auge. Die Prinzipienerklärung wird von den G77 und anderen mit ihr sympathisierenden Staaten verständlicherweise an vorderster Front ins Feld geführt, da diese nicht nur mit großer Mehrheit in der Generalversammlung angenommen wurde, sondern auch die lebenden, mithin die genetischen Ressourcen erfasst. Eine nahezu einheitliche Rechtsüberzeugung vermag sich zwar aus der Resolution ableiten lassen, wenn man von der bewussten Einbeziehung sämtlicher, mithin auch lebender Ressourcen ausgeht. Dies gilt aber nicht für die Erklärungen im Rahmen der Arbeitsgruppe, da dort der Widerstand gegen eine völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung des CHM-Prinzips zu groß ist. Selbst wenn über die vereinzelte Ablehnung einiger Staaten die Rechtsfigur des persistent objectors auf dem Weg zur Entstehung von Völkergewohnheitsrecht hinweghelfen würde, wäre das Ziel einer umfassenden Bindungswirkung verfehlt worden. Diese Bindungswirkung ist erforderlich, da sich gerade jene Staaten gegen die völkergewohnheitsrechtliche Geltung wenden, denen allein eine Bewirtschaftung des Meeresbodens schon heute möglich ist.
III. Zwischenergebnis Staaten sind die Hauptakteure im Völkerrecht.272 Als solchen kommt ihnen die entscheidende Rolle bei der Setzung neuen Rechts, so auch bei der Erzeugung von Völkergewohnheitsrecht, zu. Völkergewohnheitsrecht ist daher nach allen Auffassungen maßgeblich auf den Nachweis einer einheitlich geäußerten Rechtsüberzeugung in der Staatengemeinschaft angewiesen. Die Staaten müssen sich darüber hinaus rechtlich dazu verpflichtet fühlen, in einer bestimmten Art und Weise zu handeln. Bloße Absichtsbekundungen innerhalb und abseits internationaler Foren sind nicht von der für die Erzeugung von Völkergewohnheitsrecht erforderlichen Qualität. Der Nachweis einer Rechtsüberzeugung in der Staatengemeinschaft zur Anwendbarkeit des CHM-Prinzips auch auf die genetischen Ressourcen des Meeresbodens jenseits nationaler Hoheitsgewalt, bewegt sich maßgeblich auf einer Argumentationslinie. Es wird ein ums andere Mal auf die Zustimmung zu verschiedenen Resolutionen der Generalversammlung rekurriert, die zwar per se kein Völkerrecht reports of the ad hoc Working group. The most recent report of the ad hoc Working Group [2012] is illustrative of the impasse.“ 271 BBNJ-Working Group, 66th Session, 2011, UN Doc. A/66/119, Nr. 15, 17. 272 Herdegen, Völkerrecht, 14. Aufl., 2015, 70, Rn. 3.
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Kap. 4: Anwendbarkeit des „Common Heritage of Mankind“-Prinzips
zu setzen vermögen, aber auch und gerade im Falle des CHM-Prinzips sehr wohl als Nachweis einer Völkergewohnheitsrecht erzeugenden opinio iuris dienen können.273 Als Folge des Vorschlags Pardos, das Gebiet und seine Ressourcen zum gemeinsamen Erbe der Menschheit zu erklären, wurde u. a. die sog. „Moratorium Resolution“ mit einem relativ ausgewogenen Abstimmungsverhalten verabschiedet, um zunächst jeden Akt der Aneignung und Bewirtschaftung im Gebiet zu verhindern. Kernaussage dieser Resolution ist: Solange kein internationales Regime für den Meeresboden und seine Ressourcen eingerichtet wurde, dürfen diesbezüglich weder Aktivitäten vorgenommen werden noch eine Aneignung stattfinden. Gegenstand dieser Regelung sind dabei neben dem Gebiet selbst auch sämtliche dort belegenen Ressourcen, ob mineralische oder genetische. Teil XI des SRÜ hat ein solches internationales Regime nach allgemeiner Meinung nur für die mineralischen Ressourcen geschaffen. Streitbar ist jedoch die Frage, ob das Hohe See-Regime des Teils VII als dieses „internationale Regime“ für die lebenden Ressourcen des Meeresbodens angesehen werden kann, mit der Folge, dass das Moratorium überwunden wäre. Nach der hier vertretenen Auffassung ist eine Anwendbarkeit des Hohe See-Regimes auf die genetischen Ressourcen des Meeresbodens nicht möglich.274 Das Moratorium ist mithin in Bezug auf die genetischen Ressourcen im Gebiet bis heute gültig und müsste diesbezüglich grundsätzlich eine Bewirtschaftung durch die UN-Mitglieder verbieten, auch wenn diese Resolution nur von mehr als der Hälfte der Mitglieder angenommen wurde. Hindernis ist dabei aber wohl weniger die mangelnde Zustimmung aller Staaten, als vielmehr die mangelnde Bindungswirkung von Resolutionen der UN-Generalversammlung. Der Prinzipienerklärung der Vereinten Nationen aus dem Jahre 1970, betreffend den Meeresboden jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt, haben schließlich fast alle Staaten, unter ihnen auch die zur Bewirtschaftung des Tiefseebodens fähigen Industrienationen, zugestimmt. Der fortan als „Gebiet“ bezeichnete Meeresboden und seine Ressourcen sind damit konsensual zum gemeinsamen Erbe der Menschheit erklärt worden. Bemerkenswert ist dabei, dass das auf dieser Prinzipienerklärung aufbauende Seerechtsübereinkommen zwar wie kein Vertrag zuvor die Elemente des CHM-Prinzips kodifiziert. Gleichzeitig beschränkt sich das SRÜ aber, trotz des hehren Ziels „alle das Seerecht betreffenden Fragen […] zu regeln“ und obwohl die Existenz von Bakterien und Kleinstlebewesen auf dem Meeresboden seit Ende der 1970er Jahre bekannt war, in seiner Anwendbarkeit auf die mineralischen Ressourcen des Meeresbodens. Diese Ansicht wird von den Entwicklungsländern und solchen der G77 freilich nicht geteilt und insbesondere nach Feststellung des immensen wirtschaftlichen Werts der Erbinformationen der lebenden Organismen angegriffen. Die hilfsweise vorgebrachte Argumentation, wonach bereits u. a. mit der Prinzipienerklärung der Generalversammlung aus dem Jahre 1970 das CHM-Prinzip 273
Brownlie, Principles of Public International Law, 7th edn., 2008, 245: „[…] ,Western‘ writers tend to ignore the fact that such resolutions may provide vehicles for the generation of state practice and, in the present context, that is precisely what has happened.“ 274 Vgl. o. Kapitel 3, B. III. 3.
C. Rechtsüberzeugungen in der Staatengemeinschaft
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als völkergewohnheitsrechtliches Prinzip etabliert wurde, ist indes überzeugender. Überdies ist allein ausgehend von der in dieser Resolution zum Ausdruck kommenden Rechtsüberzeugung ein Nachweis in Bezug auf genetische Ressourcen des Meeresbodens als gemeinsames Erbe der Menschheit möglich. Die darin enthaltene opinio iuris ist nahezu einheitlich und besteht bis heute überwiegend fort. Das SRÜ vermag dem CHM-Prinzip zwar zum Durchbruch verholfen haben. Gleichwohl hat daneben die Entwicklung eines völkergewohnheitsrechtlichen CHM-Prinzips stattgefunden, das gleichermaßen Geltung beansprucht.275 Letzteres war nicht von Beginn an auf eine bestimmte Art von Ressourcen beschränkt, sondern suchte sämtliche Ressourcen im Gebiet zu adressieren. Nicht ohne Grund war die Einbeziehung lebender Ressourcen des Meeresbodens im 1. Komitee der dritten Seerechtskonferenz, welches sich mit dem Meeresboden jenseits nationaler Hoheitsgewalt befasste, hoch umstritten.276 Im Zuge der – zugegeben konsensfähigeren – sog. „package deals“ fiel die Entscheidung schließlich auf den Ausschluss aller anderen Ressourcen als der mineralischen, in Form von Manganknollen. Das Abstimmungsergebnis der Resolutionen in der Generalversammlung bleibt davon indes unberührt. Insoweit ist es sogar als Vorteil anzusehen, dass eine Anwendung auf die lebenden Ressourcen im Gebiet vertraglich nicht vorgesehen war, sodass auch das Durchführungsübereinkommen von 1994 die Strahlkraft der Prinzipienerklärung nicht einzuschränken vermag und keine entgegenstehenden vertraglichen Regeln überwunden werden müssen, da sich die völkergewohnheitsrechtliche Entwicklung parallel und nicht dadurch bedingt vollzog. In der Folgezeit haben jene Staaten, die von Beginn an einem holistischen Ansatz des CHM-Prinzips zugetan waren, wiederholt dessen völkergewohnheitsrechtliche Geltung auch in Bezug auf die lebenden Ressourcen betont und beansprucht.277 Während die westlichen Industrienationen, denen es bislang technisch und finanziell allein möglich ist, die Bewirtschaftung des Meeresbodens zu betreiben, bis zum Beginn der 1980er Jahre ebenfalls vom res communis-Konzept der Hohen See für den Meeresboden Abstand genommen zu haben schienen und das Prinzip vom gemeinsamen Erbe der Menschheit propagierten, wird seit dem Abschluss der 3. Seerechtskonferenz zu dieser vormaligen Überzeugung in Widerspruch getreten, indem eine Rückbesinnung – nunmehr auf vertraglicher Argumentationsbasis – vollzogen wird: Die lebenden Ressourcen des Meeresbodens jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt seien dem Hohe See-Regime des SRÜ zuzurechnen.278 275
Vgl. Tladi, State Practice and the Making and (Re)Making of International Law: The Case of the Legal Rules Relating to Marine Biodiversity in Areas Beyond National Jurisdiction, 1 SPILJ (2014), 97 (106): „[…] beyond serving as an interpretative tool, if GA Resolution 2749 (XXV) is customary international law then it continues to apply and coexists with the Convention i. e. it has binding force independent of and even beyond the Convention.“ 276 Vgl. Third United Nations Conference on the Law of the Sea, 8th Meeting, Volume II, First Committee, 2nd Session, 1974, UN Doc. A/CONF.62/C.1/SR.8, Nr. 20, 30. 277 Vgl. Stellungnahmen der G77 und China, s. o. Kapitel 4, B. II. 2. 278 BBNJ-Working Group, 66th Session, 2011, UN Doc. A/66/119, Nr. 16.
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Kap. 4: Anwendbarkeit des „Common Heritage of Mankind“-Prinzips
Damit entfiele erstens eine vertragliche Anwendbarkeit des Gebietsregimes. Zweitens und entscheidend fehlt es nach dieser Sichtweise aber darüber hinaus an der völkervertraglichen „Lücke“, die das Vorhandensein von Völkergewohnheitsrecht auch für die Vertragsstaaten so wichtig werden lassen würde. Gleichwohl treten eben jene Staaten zwar nicht in gleicher Anzahl wie seine Befürworter, aber mit gleicher Bestimmtheit gegen eine völkergewohnheitsrechtliche Geltung des CHM-Prinzips hinsichtlich der lebenden Ressourcen des Meeresbodens ein. Soweit sich diese damit als persistent objector279 verstehen und diesen Status für sich beanspruchen, erkennen sie gleichzeitig auch das Bestehen einer völkergewohnheitsrechtlichen Regelung an.280 Insbesondere die in der Gruppe der 77 zusammengeschlossenen Staaten, deren Mitgliederzahl mittlerweile auf 130 Staaten (inklusive China) angestiegen ist,281 sprechen sich seit Beginn der Meeresbodenproblematik für eine internationale Verwaltung und einen gerechten Vorteilsausgleich aller Ressourcen des Meeresbodens aus. Seitdem die Bewirtschaftung genetischer Ressourcen des Meeresbodens immer näher zur rücken scheint, verstärken diese Staaten Argumentationsaufwand und -häufigkeit in den entsprechenden Foren, beispielsweise der BBNJ-Working Group und UNICPOLOS.282 Auch wenn der Widerstand dagegen ungebrochen zu sein scheint, wird er doch nur von einer viel kleineren Zahl industrialisierter Nationen getragen, denen allerdings die Möglichkeit der Bewirtschaftung als Alleinstellungsmerkmal zugutekommt. Die G77 und China bemühen sich indes im Sinne der IGH-Rechtsprechung durch einen immer wiederkehrenden Verweis darauf, dass die biologischen Ressourcen des Meeresbodens dem völkergewohnheitsrechtlichen CHM-Prinzip unterfallen, eben jenes Prinzip als Völkergewohnheitsrecht zu etablieren. Der IGH stellte in seiner Nicaragua-Entscheidung für das in Art. 2 Abs. 4 UN-Charta enthaltene Gewaltverbot fest, dass die wiederholte Bezugnahme von Staatenvertretern auf dieses Prinzip, eben jenes zu einem grundlegenden Prinzip des Völkergewohnheitsrechts gemacht habe: „A further confirmation of the validity as customary international law of the principle of the prohibition of the use of force expressed in Article 2, paragraph 4, of the Charter of the United Nations may be found in the fact that it is frequently referred to in statements by State representatives as being not only a principle of customary international law but also a fundamental or cardinal principle of such law.“283 279
s. u. Kapitel 4, D. Brownlie, Principles of Public International Law, 7th edn., 2008, 245 f.: „However, the dissident states, such as the United States, might be said to have the status of persistent objectors, having opposed the new customary rule while it was in the process formation; but to claim this status would involve conceding the existence of the new rule.“ 281 Vor dem EU-Beitritt von Malta, Rumänien und Zypern umfasste die G77 gar 133 Mitgliedstaaten. 282 Vgl. bspw. UNICPOLOS, 8th Meeting, 62nd Session, 2007, UN Doc. A/62/169, Nr. 71 f. 283 IGH, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. United States of America), ICJ Reports 1986, 14 ff., Nr. 190. 280
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Staatenvertreter haben im Rahmen verschiedenster Foren auf das CHM-Prinzip als fundamentales Prinzip des Völkergewohnheitsrechts, insbesondere im Hinblick auf die genetischen Ressourcen im Gebiet, Bezug genommen. Diese Bezugnahme ist zwar nicht unumstritten. Das war beispielsweise die völkergewohnheitsrechtliche Geltung des Gewaltverbots jedoch ebenfalls nicht. So war das ius ad bellum noch bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts nicht geregelt, mit der Folge, dass ein Staat jederzeit einen Krieg beginnen durfte.284 Dieses Faktum wurde als „radikale Lücke“ im Völkerrecht betrachtet.285 Dennoch dauerte es fast ein weiteres halbes Jahrhundert und zwei Weltkriege, bis das Gewaltverbot durch wiederholte Bezugnahme von Staatenvertretern und in völkerrechtlichen Verträgen auch völkergewohnheitsrechtlich als fundamentale Norm, und mittlerweile als ius cogens,286 angesehen wurde. Ab welchem Zeitpunkt genau das Gewaltverbot auch völkergewohnheitsrechtliche Geltung beanspruchen kann, kann kaum rekonstruiert werden; das steigende Interesse der Staaten, eine derartige Verbotsnorm als verpflichtend anzusehen, hat schließlich den heutigen Charakter dieser Norm geschärft.287 Die wiederholte Bezugnahme der Mehrheit der Staatenvertreter auf das CHMPrinzip stellt folglich nicht nur den Ausdruck ihrer opinio iuris dar, sondern kann auch die Rechtsgültigkeit eines völkergewohnheitsrechtlichen Rechtssatzes bestätigen. Es ist davon auszugehen, dass eben diese Absicht für die bis zuletzt repetitiv geäußerten Rechtsüberzeugungen handlungsleitend ist. Denn eben jene Staaten gehen auch davon aus, dass das CHM-Prinzip in Bezug auf die genetischen Ressourcen im Gebiet bereits seit der Prinzipienerklärung 1970 zu Völkergewohnheitsrecht geworden ist. Insofern ist deren Verhalten nur konsequent. Dass diese Meinung darüber hinaus nicht unstreitig ist, ändert nicht ihre völkerrechtliche Relevanz als opinio iuris. Fraglich bleibt noch, welche der widerstreitenden Ansichten mit einer „allgemeinen Übung“ unter den Staaten bestätigt werden kann. Zwar sieht der weit überwiegende Teil der Staatengemeinschaft die lebenden Ressourcen des Meeresbodens jenseits nationaler Hoheitsgewalt als gemeinsames Erbe der Menschheit an. Diese von großen Teilen der Staatengemeinschaft getragene opinio iuris bedarf zum Nachweis eines völkergewohnheitsrechtlichen Rechtssatzes jedoch grundsätzlich noch einer Bestätigung durch die Staatenpraxis, also dem aus der Rechtsüberzeu284
Heilborn, Grundbegriffe und Geschichte des Völkerrechts, 1912, 23. Trendelenburg, Lücken im Völkerrecht: Betrachtungen und Vorschläge aus dem Jahr 1870, 1870, 32: „Es ist die radikale Lücke im Völkerrecht, daß überhaupt Krieg ausbrechen kann; […].“ 286 Zustimmend und unter Bezugnahme auf Art. 2 Abs. 4 UN-Charta Henkin, Use of Force: Law and U.S. Policy, in: Henkin et al. (eds.), Right v. Might – International Law and the Use of Force, 2nd edn., 1991, 37 (38): „It is the principle norm of international law of this century.“; s. auch Green, Questioning the Peremptory Status of the Prohibition of the Use of Force, 32 Mich. J. Int’l L. (2010 – 2011), 215 (216), m.w.N., der die bedenkenlose Hinnahme des Gewaltverbots als jus cogens-Norm kritisiert. 287 Doehring, Gewohnheitsrecht aus Verträgen, ZaöRV (1976), 77 (88). 285
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Kap. 4: Anwendbarkeit des „Common Heritage of Mankind“-Prinzips
gung abgeleiteten Verhalten dieser Staaten, welches von dem Bewusstsein getragen wird zu einer solchen Übung rechtlich (oder aus Notwendigkeit) verpflichtet zu sein. Ob das Bestehen einer Rechtsüberzeugung als Nachweis einer Völkerrechtsnorm allein ausreichen kann, ist in der Völkerrechtslehre umstritten.288 Die herrschende Meinung sowie der IGH verneinen die allein von einer allgemeinen Rechtsüberzeugung ausgehende Entstehung „spontanen“ Völkergewohnheitsrechts (sog. „instant customary law“) bislang und fordern zum Nachweis bzw. zur Bestätigung stets auch eine einheitliche Staatenpraxis.289 Bei aller Grundsätzlichkeit wird die Betrachtung im Folgenden zeigen, inwieweit Staatenpraxis vorhanden ist und welche Folgen eine fehlende oder (noch) unzureichende Staatenpraxis haben kann.
D. Die Bestätigung der Rechtsüberzeugung durch Staatenpraxis Die Entstehung von Völkergewohnheitsrecht erfolgt grundsätzlich durch den Nachweis der beiden in Art. 38 Abs. 1 lit. b) IGH-Statut genannten Elemente, namentlich einer Rechtsüberzeugung und einer diese bestätigenden allgemeinen Übung in der Staatengemeinschaft, der sog. „Staatenpraxis“. Staatenpraxis und opinio iuris sind – wie gesehen – eng miteinander verwoben.290 Beide Elemente bedingen sich nach h.M. in der Weise, dass die opinio iuris durch die Staatenpraxis bestätigt (nicht begründet) wird. Ob dies die einzige Möglichkeit einer Bestätigung ist, soll zunächst dahinstehen; jedenfalls ist diese Bestätigungsweise anerkannt. Auf dieser zweiten Stufe ist zunächst das Bestehen einer Staatenpraxis nachzuweisen, welche die zuvor gefundene opinio iuris bestätigt, wonach die genetischen Ressourcen des Meeresbodens jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt das gemeinsame Erbe der Menschheit darstellen. Sodann erfolgt eine Gewichtung nach Art des Nachweises, Umfang der Staatenpraxis sowie Ausmaß und Beharrlichkeit von Einwendungen.291
288 Wolfrum, in: Graf Vitzthum (Hrsg.), Handbuch des Seerechts, 2006, 343 f., Rn. 177; vgl. auch Joyner, U.N. General Assembly Resolutions and International Law: Rethinking the Contemporary Dynamics of Norm-Creation, 11 Cal. W. Int’l L. J. (1981), 445 (458), der instant customary law als Folge von UN-Resolutionen ablehnt: „The rule-creating process has been both accelerated and facilitated, and, has led publicists to sometimes aver that from this institutionalized situation has been the sudden emergence of a novel customary norm, namely, an ,instant custom‘.“; a.A. wohl Baslar, The Concept of the Common Heritage of Mankind in International Law, 1998, 350 f. 289 Vgl. hierzu Thirlway, in: Evans (ed.), International Law, 4th edn., 2014, 100. 290 Thirlway, in: Evans (ed.) International Law, 4th edn., 2014, 98. 291 Tladi, State Practice and the Making and (Re)Making of International Law: The Case of the Legal Rules Relating to Marine Biodiversity in Areas Beyond National Jurisdiction, 1 SPILJ (2014), 97 (103).
D. Die Bestätigung der Rechtsüberzeugung durch Staatenpraxis
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I. Inhalt der Staatenpraxis Die Bewirtschaftung der lebenden sowie der nicht lebenden Ressourcen des Meeresbodens hat bislang aufgrund verschiedener Gründe kaum stattgefunden. Zum einen sind nur wenige Unternehmen finanziell und technisch dazu in der Lage mittels unbemannter U-Boote auf den Meeresboden jenseits des Festlandsockels in durchschnittlich 4.000 Metern Tiefe vorzudringen. Zum anderen sind die Kosten derartiger Expeditionen im Vergleich zu einem prognostizierten Ertrag bislang zu hoch, als dass solch tiefe Tauchfahrten derzeit wirtschaftlich sinnvoll wären. Mit der sich rapide entwickelnden Technologie, der zunehmenden Erforschung und Kartierung des Tiefseebodens sowie dem steigenden Bedarf an Extremophilen in der Industrie, wird in naher Zukunft mit einer Bewirtschaftung der genetischen Ressourcen im Sinne eines flächendeckenden Bioprospecting zu rechnen sein. Daher ist zum jetzigen Zeitpunkt nur vereinzelt Staatenpraxis vorhanden, die zum Nachweis einer opinio iuris dienen kann. Dies sind beispielsweise völkerrechtliche Verträge, die das CHM-Prinzip direkt enthalten oder auch nur Bezug auf seine Elemente nehmen. Hierdurch kann das CHM-Prinzip als Zugangs- und Verteilungsordnung für Ressourcen jenseits nationaler Hoheitsgewalt bestätigt worden sein oder sich „herauskristallisiert“ haben und damit zu einem völkergewohnheitsrechtlichen Prinzip geworden sein. Zudem ist bislang vereinzelt nationale Gesetzgebung erlassen worden, die sich mit dem Meeresboden jenseits nationaler Hoheitsgewalt befasst.292 Es bedarf darüber hinaus in beiden Fällen allerdings noch eines entsprechenden Bezugs zu den dort belegenen lebenden Ressourcen, um die Anwendbarkeit dieses womöglich allgemeingültigen völkerrechtlichen Prinzips auch hinsichtlich der genetischen Ressourcen nachzuweisen. 1. Völkerrechtliche Verträge Ein völkerrechtlicher Vertrag regelt eine Rechtsbeziehung zum einen zwischen den Vertragsparteien und zum anderen in der Regel nur auf einem bestimmten Gebiet des (besonderen) Völkerrechts, wie beispielsweise des humanitären Völkerrechts, des Umweltvölkerrechts oder des Seerechts. D. h., völkerrechtliche Verträge begründen aufgrund ihrer begrenzten inter partes-Geltung für Drittstaaten weder Pflichten noch Rechte.293 Ihre Anwendbarkeit beschränkt sich auf den Sachverhalt wie er nach dem Willen der Vertragsparteien geregelt worden ist. Auch wenn die Verträge nur für ihre Vertragsparteien bindend sind, kann ein völkerrechtlicher Vertrag in bestimmten Fällen zur Entstehung von Völker(gewohnheits)recht beitragen,294 ohne selbst Staatenpraxis darzustellen: 292
s. u. Kapitel 4, C. II. 2. Vgl. Art. 34 WVK. 294 Crawford, Brownlie’s Principles of Public International Law, 8th edn., 2012, 31: „Although treaties are as such binding only on the parties, the number of parties, the explicit acceptance of these rules by states generally and, in some cases, the declaratory character of the 293
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„[…] it is generally recognized that treaties may be reflective of pre-existing rules of customary international law; generate new rules and serve as evidence of their existence; or, through their negotiation processes, have a crystallizing effect for emerging rules of customary international law.“295
Verträge können mithin die Herausbildung von Völkergewohnheitsrecht beschleunigen, indem sie den Nachweis für das Vorhandensein einer solchen Norm liefern.296 Allerdings sind die bestehenden völkerrechtlichen Verträge für das Seerecht allesamt nicht fähig, die genetischen Ressourcen des Meeresbodens jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt zu adressieren.297 Mithin können diese nicht unmittelbar als Bestätigung einer Rechtsüberzeugung herangezogen werden. Gleichwohl könnte es möglich sein, dass diese und andere Verträge Aussagen zum Inhalt des CHM-Prinzips treffen können, insbesondere zur Regelung des Zugangs zu und des Abbaus von jenseits nationaler Hoheitsgewalt belegenen Ressourcen. Auch wenn die genetischen Ressourcen nicht Bestandteil der Regelung sind, lässt sich diesen Verträgen u. U. ein allgemeiner Gedanke entnehmen. Die Kodifizierung eines solchen allgemeinen Gedankens in völkerrechtlichen Verträgen, die nahezu einheitliche Zustimmung erfahren haben, wäre der Nachweis bzw. die Bestätigung der oben dargestellten Rechtsüberzeugung durch eine allgemeine Übung. Die Zustimmung, mit der Folge durch einen Vertrag gebunden zu sein, erfolgt bei multilateralen Verträgen in der Regel durch sog. „Ratifikation“ gemäß Art. 11 i.V.m. Art. 14 WVK. Unter Ratifikation versteht man „die so bezeichnete völkerrechtliche Handlung, durch die ein Staat im internationalen Bereich seine Zustimmung bekundet, durch einen Vertrag gebunden zu sein“.298 Der Ausdruck dieser Gebundenheit an einen Vertrag und die darin niedergelegten Rechtssätze ist die Manifestation des Willens der jeweiligen Vertragspartei, sich rechtlich zu binden. Die im Folgenden dargestellten völkerrechtlichen Verträge haben das CHM-Prinzip entweder ausdrücklich zum Gegenstand oder beziehen sich auch ohne ausdrückliche Nennung auf seine Elemente. Darüber hinaus finden diese Verträge jeweils auf Staatengemeinschaftsräume Anwendung, also auf solche Gebiete, die einzelstaatlicher Souveränität nicht zugänglich sind. Die Zustimmung zu in den im jeweiligen Vertrag enthaltenen Prinzipien könnte als Staatenpraxis die Entstehung von Ge-
provisions combine to produce a powerful law-creating effect.“; a.A. wohl Frakes, The Common Heritage of Mankind Principle and the Deep Seabed, Outer Space, and Antarctica: Will Developed and Developing Nations Reach a Compromise?, 21 Wis. Int’l L. J. (2003), 409 (411). 295 ILC, First report on formation and evidence of customary international law, 2013, UN Doc. A/CN.4/663, 15, Nr. 34. 296 Jia, The Relations between Treaties and Custom, 9 Chinese J. Int’l L. (2010), 81 (92): „Here, treaties become sources of material or evidence in support of a potential rule of customary law.“ 297 Für die Genfer Seerechtskonventionen von 1958 und das SRÜ vgl. o. Kapitel 3, D. 298 Vgl. Art. 2 lit. b) WVK.
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wohnheitsrecht befördern, wobei der Vertragsinhalt jeweils im Lichte der Adressierung genetischer Ressourcen zu betrachten wäre. a) Der Antarktisvertrag Der Antarktisvertrag299 aus dem Jahre 1959 ist insbesondere von den Anrainerstaaten und solchen Staaten geschlossen worden, die aus anderen Gründen einen Gebietsanspruch auf die Antarktis erhoben. Einen Gebietsanspruch erheben Argentinien, Australien, Chile, Frankreich, Großbritannien, Neuseeland und Norwegen.300 Neben den ursprünglichen 12 Vertragsparteien sind dem Vertrag zahlreiche Konsultativstaaten beigetreten.301 Diese Staaten sind berechtigt an den Vertragsstaatenkonferenzen teilzunehmen, „solange [sie] durch die Ausführung erheblicher wissenschaftlicher Forschungsarbeiten in der Antarktis […] ihr Interesse an der Antarktis bekunde[n]“.302 Übergeordnetes Ziel des Vertrages ist es, einerseits die friedliche Nutzung und andererseits die Möglichkeit zur Erforschung der Antarktis für die gesamte Menschheit sicherzustellen.303 Als solcher war er der erste völkerrechtliche Vertrag, der das auch im CHM-Prinzip zum Ausdruck kommende Postulat der friedlichen Nutzung eines Staatengemeinschaftsraumes aufnahm und seine Parteien dazu verpflichtete. Dabei wird der Begriff vom „gemeinsamen Erbe der Menschheit“ zwar nicht wörtlich verwendet. Allerdings wird in der Präambel des Vertrages ausgeführt, dass die friedliche Nutzung der Antarktis im „Interesse der gesamten Menschheit“ liege und ihre wissenschaftliche Erforschung dem „Fortschritt der gesamten Menschheit“ dienen solle.304 In Anbetracht der vor Abschluss des Vertrages geäußerten Gebietsansprüche mehrerer Staaten, sei der Vertrag nicht so auszulegen, „als stelle er einen vollständigen oder teilweisen Verzicht einer Vertragspartei auf vorher geltend gemachte Rechte oder Ansprüche auf Gebietshoheit in der Antarktis dar“.305 Auch wenn die Antarktis der gemeinsamen, friedlichen und wissenschaftlichen Erforschung zugänglich sein sollte, so beabsichtigte dennoch keiner der Vertragsstaaten gänzlich auf seinen jeweils zuvor geäußerten Gebietsanspruch zu verzichten. Umgekehrt begründen Handlungen oder Tätigkeiten in der Antarktis weder ge299
Antarctic Treaty; angenommen am 01. 12. 1959; in Kraft getreten am 23. 06. 1961; Original in: 402 UNTS 71; = Antarktisvertrag, deutsche Fassung in: BGBl. II (1978), 1518. 300 Herdegen, Völkerrecht, 14. Aufl., 2015, 194, Rn. 14. 301 Liste der Vertrags- und Konsultativstaaten abrufbar unter: http://www.ats.aq/devAS/ats_ parties.aspx (zuletzt abgerufen am 01. 08. 2015). 302 Vgl. Art. 9 Abs. 2 Antarktisvertrag. 303 Vgl. Präambel und Art. 1 Abs. 1 S. 1 Antarktisvertrag: „Die Antarktis wird nur für friedliche Zwecke genutzt.“ 304 Vgl. Präambel des Antarktisvertrags: „[…] Recognizing that it is in the interest of all mankind that Antarctica shall continue for ever to be used exclusively for peaceful purposes and […] the progress of all mankind.“ 305 Vgl. Art. 4 Abs. 1 lit. a) Antarktisvertrag.
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bietsrechtliche Ansprüche noch Hoheitsrechte und für die Geltungsdauer des Vertrages „werden keine neuen Ansprüche oder Erweiterungen bestehender Ansprüche auf Gebietshoheit in der Antarktis geltend gemacht“.306 Die Antarktis unterliegt danach einem nur schwachen und rechtlich relativ unsicheren Aneignungsverbot, das ohne einen absoluten und dauerhaften Verzicht auf gebietsrechtliche Ansprüche einem Moratorium mit Hintertür gleichkommt.307 Es ist jedoch erstmalig die Tendenz erkennbar, hinsichtlich eines Gebiets jenseits der eigenen nationalen Hoheitsgewalt nicht mehr den erstmaligen Zugriff eines einzelnen Staates darauf als Aneignungsakt anzuerkennen, wie dies die Triebfeder des Kolonialismus war, sondern vielmehr ein „Interesse der gesamten Menschheit“ daran zu begründen. Die Menschheit wird dabei – in der Präambel – als Inhaber des Interesses einer friedlichen und gemeinsamen Nutzung etabliert. Da die Menschheit nicht selbst Völkerrechtssubjekt sein kann, ist dies als Hinweis auf eine gerechte und gemeinsame Nutzung aller Staaten der Staatengemeinschaft, einem wesentlichen Element des CHM-Prinzips, zu verstehen. Im Gegensatz zum CHM-Prinzip welches davon ausgeht, dass das danach bezeichnete gemeinsame Erbe der Menschheit, namentlich die Ressourcen eines Gebiets, sowohl der Verwaltung durch die Menschheit als Gesamtheit untersteht, als auch die aus der Nutzung gezogenen Vorteile eben jener zustehen sollen, verbietet der Antarktisvertrag eine unilaterale Bewirtschaftung der Ressourcen allerdings nicht. Vielmehr wird die Antarktis als eine Art res communis omnium angesehen, dessen Aneignung zwar temporär suspendiert ist, aber dessen Erforschung jedem Staat gestattet ist.308 Die Bewirtschaftung lebender Ressourcen ist nicht geregelt, soll aber gleichwohl Bestandteil noch auszuarbeitender Maßnahmen durch die Vertragsstaaten sein.309 Der Antarktisvertrag bildet heute zusammen mit weiteren speziellen Verträgen, welche insbesondere auf die Erhaltung lebender Ressourcen in der Antarktis abzielen, das sog. „Antarctic Treaty System“ (ATS). Teil des ATS ist das 1980 geschlossene Übereinkommen über die Erhaltung der lebenden Meeresschätze der Antarktis (CCAMLR).310 Dieses Übereinkommen enthält Regulierungsvorgaben für 306
Vgl. Art. 4 Abs. 2 Antarktisvertrag. Jabour-Green/Nicol, Bioprospecting in Areas outside national jurisdiction: Antarctica and the Southern Ocean, 4 Melb. J. Int’l L. (2003), 76 (82): „In other words, sovereignty (and therefore jurisdiction) is unproven in law.“ 308 Zur hier verwendeten Auslegung des Begriffs res communis omnium s. Dahm et al., Völkerrecht: Der Staat und andere Völkerrechtssubjekte; Räume unter internationaler Verwaltung, Bd. 1, 2. Aufl., 2002, 342 f.; a.A.: Herdegen, Völkerrecht, 14. Aufl., 2015, 194, Rn. 14. 309 Vgl. Art. 9 Abs. 1 lit. f) Antarktisvertrag. 310 Convention on the Conservation of Antarctic Marine Living Resources; angenommen am 01. 08. 1980; in Kraft getreten am 07. 04. 1982; Original in: 1329 UNTS 48; = Übereinkommen über die Erhaltung der lebenden Meeresschätze der Antarktis, deutsche Fassung in: BGBl. II (1982), 421. 307
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die nachhaltige Bewirtschaftung der lebenden Ressourcen des antarktischen Raumes, wobei davon ausgegangen wird, dass die Ressourcen in Anlehnung an den Antarktisvertrag dem unilateralen Zugang aller Vertragsstaaten unterliegen.311 Es wird deutlich, dass der Fokus des Anwendungsbereichs auf den als Nahrungsmittel tauglichen Meereslebewesen liegt: „Als lebende Meeresschätze der Antarktis werden die Populationen von Fischen, Weichtieren, Krustentieren und alle anderen, südlich der antarktischen Konvergenz anzutreffenden Arten lebender Organismen, einschließlich Vögeln, bezeichnet.“312 Bakterien und genetische Ressourcen im Allgemeinen finden hier keine Erwähnung. Für die genannten lebenden Ressourcen muss daher konstatiert werden, dass deren Bewirtschaftung – ähnlich dem Regime der Hohen See des SRÜ – der gleichberechtigten Bewirtschaftung aller Staaten offensteht, sodass sich letztlich nur das Aneignungsverbot (der Antarktis selbst, nicht seiner Ressourcen) und das Gebot der friedlichen Nutzung der Antarktis als Elemente des CHM-Prinzips wiederspiegeln. Zur „Kristallisation“ eines völkergewohnheitsrechtlichen CHM-Prinzips aus dem Antarktisvertrag trägt die weitverbreitete und repräsentative Zustimmung der Staaten mit Gebietsansprüchen bei. Jene Staaten, deren Interessen im konkreten Fall besonders betroffen sind, sind dem Vertrag vollständig beigetreten. Vorbehalte hinsichtlich der friedlichen Nutzung der Antarktis sowie des Interesses der gesamten Menschheit daran sind vertraglich zwar nicht ausgeschlossen, wurden jedoch auch nicht erklärt. Soweit ersichtlich wurden darüber hinaus keine Gebietsansprüche erhoben und das Gebiet der Antarktis nur zu friedlichen (Forschungs-)Zwecken genutzt, wodurch eine nun über mehrere Jahrzehnte andauernde, flächendeckende und einheitliche Staatenpraxis vorliegt, die jedenfalls die Elemente des Aneignungsverbots und der friedlichen Nutzung hinsichtlich dieses Staatengemeinschaftsraumes erfasst. Allerdings schafft das ATS keine Grundlage für die gerechte Verteilung von Ressourcen, da ein einzelstaatlicher Zugriff darauf grundsätzlich nicht verboten, d. h. im Umkehrschluss erlaubt ist.313 b) Der Weltraumvertrag Der Vertrag über die Grundsätze zur Regelung der Tätigkeiten von Staaten bei der Erforschung und Nutzung des Weltraums einschließlich des Mondes und anderer Himmelskörper (OST) – sog. „Weltraumvertrag“ – ist unter dem Dach der Vereinten Nationen am 27. 01. 1967 angenommen worden. Der Vertrag ist bislang von 103 Nationen ratifiziert worden, 25 weitere Nationen haben den Vertrag zumindest unterzeichnet, sodass durchaus von einer weitverbreiteten und repräsentativen Zustimmung in der Staatengemeinschaft die Rede sein kann, zumal vor allem jene 311
Vgl. Art. 9 CCAMLR. Vgl. Art. 1 Abs. 2 CCAMLR. 313 Brunnée, in: Bodansky et al. (eds.), International Environmental Law, 2007, 563: „[…] the Antarctic regime is not concerned with equitable allocation of proceeds from resource exploitation.“ 312
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Staaten eine Ratifizierung vorgenommen haben, die den Weltraum etwa durch eigene Raumflüge/-stationen oder Satelliten nutzen.314 Der Weltraumvertrag erkennt das „gemeinsame[n] Interesse[s] der gesamten Menschheit an der fortschreitenden Erforschung und Nutzung des Weltraums zu friedlichen Zwecken“ an.315 Die „Erforschung und Nutzung des Weltraums“ solle „zum Wohle aller Völker“ erfolgen.316 Auch wenn das CHM-Prinzip wiederum nicht expressis verbis genannt wird, so lassen sich dessen Elemente aus dem Vorgenannten extrahieren. Zunächst soll die Nutzung des Weltraums als Staatengemeinschaftsraum zu friedlichen Zwecken erfolgen. Dies ist ein elementarer Grundsatz des CHMPrinzips. Des Weiteren erscheinen die „Menschheit“ oder „alle Völker“ auch abseits der Präambel wiederholt als Zuordnungsobjekt von Erforschung und Nutzung: Nach Art. 1 S. 1 OST sind die „Erforschung und Nutzung des Weltraums […] Sache der gesamten Menschheit“. Eine mit dem Gebietsregime des SRÜ vergleichbare treuhänderische Tätigkeit der Menschheit scheint auch mangels ausdrücklicher Nennung von (lebenden oder nicht lebenden) Ressourcen prima facie nicht vorgesehen zu sein. Den Staaten steht nämlich die Nutzung des Mondes „im Einklang mit dem Völkerrecht“ frei; zu allen Gebieten auf Himmelskörpern besteht „uneingeschränkter Zugang“.317 Außerdem bestehen keine Zugangsregelung zu den Ressourcen der Himmelskörper oder gar ein ABS-System, sodass davon ausgegangen werden könnte, dass auch die Bewirtschaftung von lebenden oder nicht lebenden Ressourcen der Himmelskörper von der diskriminierungsfreien und gleichberechtigten Nutzung abgedeckt wird. Die gleichberechtigte Nutzung ist dabei eher ein Element des res communis omnium,318 als eines des CHM-Prinzips, dessen Ziel die gerechte Verteilung der aus der Ressourcennutzung gezogenen Vorteile unter allen Staaten ist. Gleichwohl sind der Weltraum und seine Himmelskörper als solche dazu bestimmt, der gesamten Menschheit zu dienen. Zwar stehen allen Staaten Zugang und Nutzung des Weltraums, des Mondes und anderer Himmelskörper frei. Elementar ist jedoch die Formulierung in Art. 2 OST, wonach diese „keiner nationalen Aneignung durch Beanspruchung der Hoheitsgewalt, durch Benutzung oder Okkupation oder durch andere Mittel“ unterliegen. D. h., durch die Ingebrauchnahme des Mondes, wird daran kein Eigentum begründet. Diese „Benutzung“ der Himmelskörper schließt auch die Bewirtschaftung etwaiger Ressourcen ein. Da mit einer solchen Bewirtschaftung nach dem Willen der Vertragsparteien kein Aneignungsakt verbunden sein kann, können die Ressourcen selbst auch nicht einzelstaatlich angeeignet werden. Folglich ist auch eine Ressourcenverwertung nur durch die Staa314
Der aktuelle Status des OST und anderer von UNOOSA verwalteter Verträge ist abrufbar unter: http://www.unoosa.org/oosa/en/ourwork/spacelaw/treaties/status/index.html (zuletzt abgerufen am 01. 08. 2015). 315 Präambel des OST. 316 Ibid. 317 Art. 1 S. 2 OST. 318 Durner, Common Goods, 2001, 146.
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tengemeinschaft als Ganzes zulässig. Auch wenn der letzte bemannte Mondflug im Rahmen der Apollo 17-Mission im Jahre 1972 eine gewisse Zeit zurück liegt, so hat das Interesse an der Erforschung des Mondes auch im 21. Jahrhundert nicht nachgelassen.319 Sollten die auf dem Mond bislang bekannten Rohstoffe, wie beispielsweise Kalium, Phosphor, Eisen und Seltene Erden tatsächlich einmal bewirtschaftet werden, müsste dies von einer Art Treuhänder für die Menschheit durchgeführt werden, da der Mond als „Sache der gesamten Menschheit“320 den Elementen des CHM-Prinzips unterworfen wurde. Die vorgenannten vertraglichen Regelungen des Weltraumvertrags korrelieren teilweise mit den Elementen des CHM-Prinzips, namentlich der ausschließlichen Nutzung zu friedlichen Zwecken, dem Verbot einzelstaatlicher Aneignung von Gebiet und Ressourcen sowie der Ausübung von Hoheitsgewalt und der Zuordnung des Raumes zur Menschheit als Ganzes, obwohl ein expliziter Verweis auf das „gemeinsame Erbe der Menschheit“ fehlt.321 Diese Begrifflichkeit wurde erst mit dem Mondvertrag322 in das internationale Recht eingeführt, schmälert jedoch die Bedeutung der bereits im OST enthaltenen Elemente, die heute dieses Prinzip formen keineswegs. Insoweit hat auch eine weitreichende, repräsentative Zustimmung in der Staatengemeinschaft stattgefunden, die eine entsprechende nachfolgende Staatenpraxis erkennen lassen hat. Die Benutzung des Mondes, aus der kein hoheitsrechtlicher Anspruch geltend gemacht werden kann, umfasst auch die Bewirtschaftung seiner – soweit überhaupt vorhandenen – lebenden Ressourcen. Mithin ist deren Bewirtschaftung auch nur nach den Elementen des CHM-Prinzips zulässig. c) Der Mondvertrag Der sog. „Mondvertrag“ (Moon Treaty, MT) wurde am 05. 12. 1979 von den Verhandlungsparteien als Ergänzung zum Weltraumvertrag angenommen und verkörpert als solcher dieselben Grundsätze.323 In der Präambel wird bereits direkt auf den Weltraumvertrag Bezug genommen und die Absicht zur friedlichen Nutzung des Mondes erklärt.324 Ausdrücklich wird hier auch auf die möglichen Nutzungsvorteile natürlicher Ressourcen des Mondes verweisen, welche bei seiner Bewirtschaftung zu 319 Allein die NASA der Vereinigten Staaten schickte mit ARTEMIS P1 und P2 (2007), dem Lunar Reconnaissance Orbiter und LCROSS (2009), GRAIL (2011) sowie LADEE (2013) mehrere Orbiter zum Mond, um dessen Beschaffenheit und Umfeld zu untersuchen. 320 Vgl. Art. 1 S. 1 OST. 321 Vajic, The Law of Outer Space and the Law of the Sea: A Joint Contribution to the Emergence of the Common Heritage of Mankind Concept, in: Vukas (ed.), Essays on the New Law of the Sea, 1985, 537 (551). 322 s. dazu sogleich Kapitel 4, C. I. 1. c). 323 Agreement Governing the Activities of States on the Moon and Other Celestial Bodies, in: 1363 UNTS 3. 324 Präambel MT: „Desiring to prevent the moon from becoming an area of international conflict.“; nachfolgend noch durch Art. 2 und 3 MT bekräftigt.
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erwarten seien.325 Der Vertrag verpflichtet seine Parteien zur ausschließlich friedlichen Nutzung des Mondes.326 Insbesondere sind die Anwendung von Gewalt und die Errichtung militärischer Stützpunkte verboten.327 Diese Verpflichtung ist bereits aus dem OST bekannt und bildet ein Element des CHM-Prinzips. Art. 4 MT regelt die Bewirtschaftung des Mondes und erklärt diese zum „Zuständigkeitsbereich der gesamten Menschheit“. Die daraus gewonnenen Vorteile sollen allen Staaten zustehen.328 Die Bewirtschaftung soll unter Beachtung der Interessen gegenwärtiger und zukünftiger Generationen erfolgen.329 Beide Elemente sind bereits vom CHM-Prinzip bekannt. In den Absätzen des Artikels 11 MT findet das CHM-Prinzip schließlich nicht nur namentliche Erwähnung, sondern wird in Bezug zu den natürlichen Ressourcen des Mondes gesetzt und überdies gleichzeitig mit dem bereits bekannten Inhalt gefüllt,330 wobei zu beachten gilt, dass der Mondvertrag dem SRÜ zeitlich vorhergeht. Art. 11 MT liest sich wie folgt: „(1) The moon and its natural resources are the common heritage of mankind […].“
Die Erklärung des Mondes und seiner „natürlichen Ressourcen“ zum gemeinsamen Erbe der Menschheit ist umfassend und adressiert – soweit überhaupt vorhanden – sowohl lebende als auch nicht lebende Ressourcen des Mondes, da etwa eine dem SRÜ vergleichbare Ressourcendefinition fehlt und auch eine darüber hinaus gehende Konkretisierung mit einschränkendem Charakter nicht ersichtlich ist. Gleichzeitig wird wiederum ein Aneignungsverbot ausgesprochen: „(2) The moon is not subject to national appropriation by any claim of sovereignty, by means of use or occupation, or by any other means. (3) Neither the surface nor the subsurface of the moon, nor any part thereof or natural resources in place, shall become property of any State, international intergovernmental or non-governmental organization, national organization or non-governmental entity or of any natural person. […].“
Damit wird eine dem Gebietsregime des SRÜ vergleichbare Regelung getroffen, die jede staatliche Aneignung und die Ausübung von Hoheitsgewalt auf dem Mond 325 Ibid.: „Bearing in mind the benefits which may be derived from the exploitation of the natural resources of the moon and other celestial bodies.“ 326 Vgl. Art. 3 MT. 327 Ibid. 328 Vgl. Art. 4 Abs. 1 S. 1 MT: „The exploration and use of the moon shall be the province of all mankind and shall be carried out for the benefit and the interest of all countries, irrespective of their degree of economic or scientific development.“ 329 Vgl. Art. 4 Abs. 1 S. 2 MT: „Due regard shall be paid to the interests of present and future generations […]“. 330 Wolfrum, Common Heritage of Mankind, in: Wolfrum (ed.), MPEPIL (online-Version), 2010, Nr. 6: „[…] Art. 11 Moon Treaty, together with Art. 5 Moon Treaty, provides the common heritage principle with legal content.“
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und über seine Ressourcen verbietet. Dabei besteht jedoch ein entscheidender Unterschied: Das völkervertraglich manifestierte CHM-Prinzip des Mondvertrags erfasst auch genetische Ressourcen, sodass Aneignungsverbot und nachhaltige Bewirtschaftung auch diesbezüglich Geltung beanspruchen. Zwar enthält auch der Mondvertrag kein ausformuliertes ABS-System. Art. 11 Abs. 5 MT fordert die Vertragsparteien jedoch auf, ein internationales Regime zu errichten, um die Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen des Mondes zu regeln, sobald diese möglich wird.331 Insbesondere soll dabei die gerechte Verteilung der aus den Ressourcen gewonnenen Vorteile unter den Vertragsstaaten eingeschlossen werden, wobei sowohl die Belange der Entwicklungsländer als auch die Belange jener Nationen zu beachten sind, die zur Erforschung des Mondes beigetragen haben.332 Der Mondvertrag bringt alle Elemente des CHM-Prinzips mehr als deutlich hervor. Besonderes Augenmerk ist hierbei auf die ganzheitliche Zugangsregelung zu den Ressourcen des Mondes zu legen, welche auch genetische Ressourcen einer unilateralen Aneignung entziehen und zum Gegenstand eines nachhaltigen Vorteilsausgleichssystems zwischen allen Staaten machen würde. Hierdurch wird die Zustimmung der Vertragsparteien deutlich, eine jenseits nationaler Hoheitsgewalt belegene Ressource eben nicht dem „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“-Grundsatz anheimfallen zu lassen, sondern dem Prinzip vom gemeinsamen Erbe der Menschheit zu überantworten. Überdies wird der Anerkennung erneut Ausdruck verliehen, dass Staatengemeinschaftsräume nicht dem Zugriff der zu ihrer Ausbeutung fähigsten Nation unterliegen, sondern der Verwaltung der gesamten Staatengemeinschaft obliegen. Grundsätzlich liegt mit dem im Mondvertrag enthaltenen CHM-Prinzip eine Norm vor, deren Inhalt als allgemeiner Rechtsgrundsatz geeignet scheint und die auch lebende Ressourcen adressiert. Durch die vertragliche Konkretisierung und Manifestierung ist die Herausbildung eines völkergewohnheitsrechtlichen Grundsatzes denkbar. Leider hat der Mondvertrag jedoch bislang wenig Anerkennung gefunden. Die großen Weltraumfahrernationen (Vereinigte Staaten, Russland, China, Indien und die Staaten der Europäischen Union) haben sich bislang nicht zu einem Beitritt durchringen können. Deren Fürsprache wäre jedoch erforderlich, um nicht nur eine weitverbreitete und repräsentative Zustimmung zu erhalten, sondern eine allgemeine Übung eben jener Staaten nachweisen zu können, deren Interessen besonders be-
331 Vgl. Art. 11 Abs. 5 S. 1 MT: „States Parties to this Agreement hereby undertake to establish an international regime, including appropriate procedures, to govern the exploitation of the natural resources of the moon as such exploitation is about to become feasible.“ 332 Vgl. Art. 11. Abs. 7: „The main purpose of the international regime to be established shall include: […] d) An equitable sharing by all States Parties in the benefits derived from those resources, whereby the interests and needs of the developing countries, as well as the efforts of those countries which have contributed either directly or indirectly to the exploration of the moon, shall be given special consideration.“
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troffen sind.333 Damit ist der Aussagegehalt des Vertrages mit seinen bislang nur 13 Vertragsparteien hinsichtlich einer die opinio iuris bestätigenden Staatenpraxis eher von geringer Nachweiskraft. d) Das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen Das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen hat dem CHM-Prinzip zu Durchbruch und Anerkennung in der Staatenwelt verholfen.334 Dies ist einerseits sicherlich durch das sehr ausführlich geregelte Gebietsregime in Teil XI des SRÜ begründet. Andererseits sind dem SRÜ bislang 167 Staaten als Vertragsparteien beigetreten; das Durchführungsübereinkommen zu Teil XI verzeichnet immerhin noch 147 Vertragsparteien. Hierdurch wird in ganz besonderem Maße die weitverbreitete Zustimmung in der Staatengemeinschaft deutlich, das bereits durch vorangegangene UN-Resolutionen im Entstehungsprozess befindliche CHM-Prinzip als Regime für Gebiete jenseits nationaler Hoheitsgewalt, namentlich den Meeresboden, anzuerkennen. Die Kernelemente des CHM-Prinzips sind hierin niedergelegt: Die Ressourcen im Gebiet unterliegen dem Verbot der einseitigen Aneignung und sind zur Verwaltung durch die Menschheit als Ganzes bestimmt, damit die aus der Nutzung gezogenen Vorteile unter allen Staaten gerecht aufgeteilt werden; bei der Bewirtschaftung des Gebiets sind dessen Nutzung zu ausschließlich friedlichen Zwecken sowie der nachhaltige Schutz und die Bewahrung der Umwelt für zukünftige Generationen zu beachten. Dieses im SRÜ kodifizierte Prinzip eignet sich als allgemeiner Rechtsgrundsatz für das Gebiet jenseits nationaler Hoheitsgewalt und ist aufgrund seiner weitverbreiteten und repräsentativen Zustimmung in der Staatenwelt darüber hinaus dazu geeignet, die „Kristallisation“ des CHM-Prinzips im Völkergewohnheitsrecht zu bewirken. Auch das teilweise Fernbleiben einzelner Nationen vermag diese Erkenntnis nicht zu schmälern, zumal mit Ausnahme der USA alle Staaten, deren Interessen im Hinblick auf die Bewirtschaftung des Meeresbodens besonders betroffen sind, dem SRÜ beigetreten sind. Zwar wurden die ursprünglichen Vorschriften des Gebietsregimes durch das Durchführungsübereinkommen zu Teil XI aus dem Jahre 1994 teilweise abgeändert und „entschärft“, weil sich insbesondere die industrialisierten Staaten des Westens mit der Verteilung der aus mineralischen und mithin nicht nachwachsenden Ressourcen gezogenen Vorteile sowie der Weitergabe der genutzten Technologie im Sinne eines „Meeresressourcen-
333 Frakes, The Common Heritage of Mankind Principle and the Deep Seabed, Outer Space, and Antarctica: Will Developed and Developing Nations Reach a Compromise?, 21 Wis. Int’l L. J. (2003), 409 (420): „In order to become effective, these agreements must be signed by those nations possessing the technology to exploit the resources of outer space.“ 334 Holmila, Common Heritage of Mankind in the Law of the Sea, 1 Acta Societatis Martensis (2005), 187 (202): „There are two distinct ways in which UNCLOS III or UNCLOS 1982 may have contributed to the development of customary international law: firstly, by codifying the existing law, and secondly, by providing impetus for emergence of new rules.“
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Sozialismus“ nicht einverstanden erklären wollten.335 Nur Umfang sowie Art und Weise des Vorteilsausgleichs wurden modifiziert; über das grundsätzliche Erfordernis eines solchen gerechten Vorteilsausgleichs zum Wohle der gesamten Menschheit besteht indes auch nach Annahme des Durchführungsübereinkommens Konsens. Der Status des Gebiets und seiner Ressourcen blieb jedoch unangetastet. Überdies sind Vorbehalte nach Art. 309 SRÜ „nur zulässig, wenn sie ausdrücklich in anderen Artikeln des Übereinkommens vorgesehen sind“. Teil XI sieht solche Vorbehalte jedoch nicht vor, womit hinsichtlich des CHM-Prinzips insgesamt Vorbehalte ausgeschlossen sind. Das im SRÜ niedergelegte Prinzip vom gemeinsamen Erbe der Menschheit hat folglich als vertragliche Norm die insbesondere schon durch die Prinzipienerklärung der Generalversammlung von 1970 bestehende opinio iuris durch Staatenpraxis bestätigt und dadurch einen neuen Rechtssatz des Völkergewohnheitsrechts geschaffen.336 Allerdings vermag das CHM-Prinzip des SRÜ nur die mineralischen Ressourcen des Meeresbodens zu erfassen und trifft daher für die Bewirtschaftung der lebenden Ressourcen keine Aussage.337 Auch wenn die vorgenannten UN-Resolutionen sowie die travaux préparatoires des SRÜ deutlich zeigen, dass der ursprüngliche Gedanke des gemeinsamen Erbes der Menschheit alle Ressourcen auf und unter dem Meeresboden erfassen sollte, gelang eine vertragliche Kodifikation nur für die mineralischen Ressourcen. Diese Tatsache ist letztlich den in „package deals“ verabschiedeten Verhandlungsergebnissen geschuldet, die zum Zweck multilateraler Zustimmung den Preis einer umfassenden Ressourcenregelung zahlten. Das SRÜ ist daher im Sinne einer allgemeinen Übung zum Nachweis einer auch die genetischen Ressourcen erfassenden opnio juris nicht geeignet.
335 Duff, The United States and the Law of the Sea Convention: Sliding Back from Accession and Ratification, 11 OCLJ 1 & 2 (2005 – 2006), 1 (30); Frakes, The Common Heritage of Mankind Principle and the Deep Seabed, Outer Space, and Antarctica: Will Developed and Developing Nations Reach a Compromise?, 21 Wis. Int’l L. J. (2003), 409 (419). 336 Vajic, The Law of Outer Space and the Law of the Sea: A Joint Contribution to the Emergence of the Common Heritage of Mankind Concept, in: Vukas (ed.), Essays on the New Law of the Sea, 1985, 537 (552 f.): „States have, through the years, expressed their position toward the CHM by drafting and stating precisely the provisions relative to the sea-bed and its subsoil on the basis of the 1970 principles, adopting with a big majority the LOS Convention and, eventually, signing it in even bigger numbers, as well as participating in the work of the Preparatory Commission for the International Sea-Bed Authority and for the International Tribunal of the Law of the Sea. Consequently, the concept that the sea-bed and its subsoil are the CHM has been generally accepted and is to be regarded as a part of the customary law of the sea binding all States, independent of the entry into force of the LOS Convention.“; a.A. wohl Wolfrum, in: Graf Vitzthum (Hrsg.), Handbuch des Seerechts, 2006, 342 f. 337 Vgl. o. Kapitel 3, B.; hierzu auch: Mann Borgese, The Common Heritage of Mankind: From Non-living to Living Resources and Beyond, in: Ando et al. (eds.), Liber Amicorum Judge Shigeru Oda, 2002, Vol. 2, 1313 (1328).
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Kap. 4: Anwendbarkeit des „Common Heritage of Mankind“-Prinzips
e) Das Übereinkommen über die biologische Vielfalt Das Übereinkommen über die biologische Vielfalt (CBD) setzt sich die Erhaltung der biologischen Vielfalt, die nachhaltige Nutzung ihrer Bestandteile sowie die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich daraus ergebenden Vorteile zum Ziel.338 Das CBD bestätigt in der Präambel zunächst, dass „die Erhaltung der biologischen Vielfalt ein gemeinsames Anliegen der Menschheit“ sei. Nachdem sich die Staaten während der Verhandlungen nicht auf die Implementierung des CHMPrinzips einigen konnten, stellt das sog. „gemeinsame Anliegen der Menschheit“ („Common Concern of Mankind“, CCM) den weitest gehenden, konsensfähigen Kompromiss dar. Die Elemente des CHM-Prinzips waren nach Ansicht der meisten Staaten mit den Zielen des CBD nicht vereinbar.339 Gleichwohl werden beide Konzepte teilweise synonym verwendet.340 Man könnte daher annehmen, dass sich trotz abweichender Bezeichnung, vergleichbare Pflichten für die Vertragsstaaten daraus ergeben. Die Ziele des CBD reichen von der Erhaltung der biologischen Vielfalt, über die nachhaltige Nutzung genetischer Ressourcen und eine gerechte Aufteilung ihrer Bestandteile bis zur Gewährung eines angemessenen Zugangs dazu sowie der Weitergabe einschlägiger Technologien.341 Einziges klar auszumachendes Element des CHM-Prinzips ist der Umweltschutz, welcher durch die Nachhaltigkeit der Bewirtschaftung bezweckt wird.342 Die Erhaltung der biologischen Vielfalt soll zwar ein gemeinsames Anliegen der Menschheit sein. Deren Nutzen muss aber nicht der gesamten Menschheit dienen oder durch diese treuhänderisch verwaltet werden. Ebenso wenig ist eine einzelstaatliche Aneignung der genetischen Ressourcen jenseits nationaler Hoheitsgewalt verboten, weil diese Ressourcen vom ABS-System des CBD gar nicht erfasst werden.343 Eine Vergleichbarkeit mit den Kernelementen des CHM-Prinzips ist mithin nicht gegeben. Beiden Prinzipien liegen unterschiedliche Ansätze zugrunde: Während das CHM-Prinzip zu allererst ein gerechtes Nutzungsregime für Staatengemeinschaftsräume schaffen will, verpflichtet das CCM-Prinzip die Staatengemeinschaft zur Vermeidung von Umweltschäden, die die 338
Vgl. Art. 1 CBD. Ad Hoc Working Group of Experts on Biological Diversity, 2nd Session, 1990, UN Doc. UNEP/Bio.Div./2/3, 3, Nr. 11: „The [Working] Group agreed that whenever the concept of ,common heritage‘ is used, it does not mean the establishment of collective international rights to resources within national jurisdictions nor does it infringe upon permanent sovereignty of States over natural resources.“ 340 Hohmann, Environmental Implications of the Principle of Sustainable Development and Their Realisation in International Law, in: Chowdhury et al. (eds.), The Right to Development in International Law, 1992, 274 (278); Dupuy, Soft Law and the International Law of the Environment, 12 Mich. J. Int’l L. (1990 – 1991), 420 (427). 341 Vgl. Art. 1 CBD. 342 Vgl. Art. 10 CBD. 343 Innerhalb der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt bestimmen die Staaten den Zugang zu genetischen Ressourcen ausdrücklich selbst, vgl. Art. 15 Abs. 1 CBD. 339
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Menschheit beeinträchtigen können.344 Letzteres ist dabei nicht auf Staatengemeinschaftsräume beschränkt, sondern entfaltet seine Wirkung gerade innerhalb der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt. Dies stellt den entscheidenden Unterschied zum CHM-Prinzip dar. Denn innerhalb der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt würden die Elemente des CHM-Prinzips eine gegensätzliche Wirkung im Vergleich zu Gebieten jenseits nationaler Hoheitsgewalt erzeugen: Die auf dem Territorium eines Staates belegenen genetischen Ressourcen wären der gesamten Menschheit zugänglich.345 Nicht ohne Grund verhinderten die Entwicklungsländer daher dessen Einbringung, da sie dadurch innerhalb ihrer Staatsgrenzen den Verlust von Souveränität und einen neuerlichen Kolonialismus fürchteten.346 Stattdessen entschied man sich für ein ABS-System, das auf der Prämisse staatlicher Souveränität fußt.347 Das CHMPrinzip widerspricht folglich den wesentlichen Zielvorstellungen des CBD. Von einer Kodifizierung des CHM-Prinzips oder seiner Elemente kann daher nicht gesprochen werden. Trotz seiner weitverbreiteten Zustimmung (193 Vertragsparteien) kann das Übereinkommen über die biologische Vielfalt nicht als Bestätigung einer Rechtsüberzeugung dienen, welche (genetische) Ressourcen jenseits nationaler Hoheitsgewalt als gemeinsames Erbe der Menschheit ansieht. 2. Nationale Gesetzgebung Durch nationale Gesetze, die eine internationale Materie betreffen, lässt ein Staat seine u. U. bislang nur vermutete Rechtsüberzeugung zu Tage treten, sie dienen als Staatenpraxis dem Nachweis einer opinio iuris.348 Durch eigene Gesetzgebung bringt ein Staat neben der Bestätigung seiner opinio iuris außerdem zum Ausdruck, dass er Gesetzgebungskompetenz auf diesem Gebiet besitzt. Jenseits der Grenzen staatlicher Hoheitsgewalt, i. e. die Hohe See mit der darüber liegenden Luftsäule sowie der 344 IUCN, Commentary on the Draft International Covenant on Environment and Development, 2004, Art. 3, 27 (36), abrufbar unter: http://data.iucn.org/dbtw-wpd/edocs/EPLP-031_ rev2.pdf (zuletzt abgerufen am 01. 08. 2015). 345 Baslar, The concept of the common heritage of mankind in international law, 1998, 309 f.: „[…] the drafters of the Convention deliberately avoided using the common heritage of mankind language in order not to lead to a misunderstanding that the Convention seeks to internationalize ownership of biological resources or gives a common right of access to resources and benefits deriving from the use of the resources.“ 346 Keating, Access to Genetic Resources and Equitable Benefit Sharing Through a New Disclosure Requirement in the Patent System: An Issue in Search of a Forum, 87 J. Pat. & Trademark Off. Soc’y (2005), 525 (530): „Developing country parties to the negotiation of the CBD argued that the ,common heritage of mankind‘ notion supported a form of colonialism, as it would allow developed countries to continue to exploit the genetic resources of the developing world.“ 347 Ibid.: „Through their insistence, ABS was adopted by the CBD.“ 348 IGH, Arrest Warrant of 11 April 2000 (Congo v. Belgium), ICJ Reports 2002, 3, Nr. 58; Crawford, Brownlie’s Principles of Public International Law, 8th edn., 2012, 24; Shaw, International Law, 6th edn., 2008, 82.
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Kap. 4: Anwendbarkeit des „Common Heritage of Mankind“-Prinzips
Meeresboden jenseits des Festlandsockels, fehlt eine staatliche Gesetzgebungskompetenz grundsätzlich. Auf der Hohen See kommt den einzelnen Staaten nur über den Anknüpfungspunkt der unter ihrer Flagge fahrenden Schiffe Regelungsgewalt zu. Auf diesen Schiffen hat der jeweilige Staat im Rahmen des Flaggenstaatsprinzips die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz, die sog. „flag state jurisdiction“.349 Der Lotus-Fall350 des StIGH zeigt, dass die Regelungsgewalt eines Staates auf Hoher See – hier durch das passive Personalitätsprinzip – auch über die Grenzen des eigenen Schiffes hinausgehen kann.351 Der Meeresboden und seine Ressourcen hingegen sind nicht Gegenstand von Souveränität oder der Ausübung hoheitlicher Rechte. Wenn nun ein Staat durch nationale Gesetzgebung die Bewirtschaftung des Meeresbodens jenseits nationaler Hoheitsgewalt für seine Staatsangehörigen regelt, kommt damit seine entsprechende Rechtsüberzeugung zum Ausdruck, dazu befugt zu sein; entweder aufgrund eines völkerrechtlichen Erlaubnissatzes oder mangels eines völkerrechtlichen Verbots. Denn ohne Nachweis einer völkerrechtlichen Verbotsnorm, steht es einem Staat grundsätzlich frei nach belieben zu agieren und dementsprechend auch Regelungen für seine Staatsangehörigen zu treffen. Vor Inkrafttreten des SRÜ wurde diese Ansicht in Bezug auf die mineralischen Ressourcen jenseits nationaler Hoheitsgewalt trotz der Prinzipienerklärung der UNGeneralversammlung von 1970 von einigen Industrienationen vertreten: die mineralischen Ressourcen auf und unter dem Meeresboden könnten zu jeder Zeit von jedem einzelnen Staat ausgebeutet werden. In den 1980er Jahren, folglich noch während der Vertragsverhandlungen zum SRÜ, beschlossen acht Industrienationen, namentlich Belgien, Frankreich, Deutschland, Italien, Japan, die Niederlande, das Vereinigte Königreich und die Vereinigten Staaten, die Aktivitäten auf dem Meeresboden unter sich zu regeln, damit deren heimische Unternehmen, welche schon erhebliche Aufwendungen für den Tiefseebergbau betrieben hatten, nunmehr zeitnah mit dessen Bewirtschaftung beginnen konnten, ohne das Inkrafttreten des SRÜ abwarten zu müssen.352 Sinn und Zweck dieses Vorgehens war es überdies, einen Gegenentwurf zum SRÜ zu bilden und möglichst viele Staaten für ihre Vorgehensweise zu begeistern, um damit schließlich ein Inkrafttreten des SRÜ – durch Nichterreichen der Mindestzahl an Ratifikationen – zu verhindern. Zu diesem Zweck wurden jeweils nationale Gesetze erlassen.353 Dagegen hat sich in der Staatenwelt unmittelbar danach heftiger Widerspruch geregt.354 349
Vgl. Art. 92 Abs. 1 SRÜ. StIGH, The Case of the S. S. „Lotus“ (France v. Turkey), PCIJ Reports Ser. A, No. 10 (1927). 351 Wolfrum, in: Graf Vitzthum, Handbuch des Seerechts, 2006, 303, Rn. 40. 352 Zum sog. „Reciprocating States Regime“ s. Churchill/Lowe, The Law of the Sea, 3rd edn., 1999, 232 ff., m.w.N. 353 In Deutschland bspw. das „Gesetz zur vorläufigen Regelung des Tiefseebergbaus“, in: BGBl. I (1980), 1457. 354 G77, Letter dated 29 August 1980 from the Chairman of the Group of 77 to the President of the Conference, UNCLOS III, Resumed Ninth Session, UN Doc. A/CONF.62/106, 111 ff.; 350
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Gleichwohl widersprach auch die innerstaatliche Staatenpraxis dem während UNCLOS III erdachten und schließlich ins SRÜ übernommenen CHM-Prinzip nicht. So enthielt der im Jahre 1980 in den USA geschaffene Deep Seabed Hard Mineral Resources Act355 beispielsweise einen Treuhandfonds, den „Deep Seabed Revenue Sharing Trust Fund“. Die in diesem nationalen Treuhandfonds gesammelten Beträge sollen nach einem – aus damaliger Perspektive – zukünftigen internationalen Meeresbodenvertrag als Beiträge aus den Erträgen des Meeresbodenbergbaus zum Zwecke der Verteilung unter den Staaten dienen.356 Das Gesetz erkennt mithin den Status des Meeresbodens als gemeinsames Erbe der Menschheit im Hinblick auf gemeinsame Verwaltung sowie gerechte Nutzung und Verteilung der gewonnenen Vorteile an, auch wenn dies freilich nur für die dort belegenen mineralischen Ressourcen gilt. Eine vergleichbare nationale Gesetzgebung für die Bewirtschaftung lebender Ressourcen jenseits nationaler Hoheitsgewalt ist bislang nicht erfolgt. Kein Staat hat bislang ein Gesetz erlassen oder vergleichbare Maßnahmen getroffen, um die Bewirtschaftung genetischer Ressourcen durch seine Staatsangehörigen oder von unter seiner Flagge fahrenden Schiffen ausgehenden Aktivitäten zu regeln.357 Es stellt sich mithin die Frage, welche völkerrechtliche Relevanz dem Unterlassen einer solchen Regelung beizumessen ist. Die Schwierigkeit, durch das Unterlassen einer Handlung als Bestehen einer Staatenpraxis eine zugrundeliegende opinio iuris nachzuweisen, liegt auf der Hand. Ein solcher Nachweis wird grundsätzlich nur dann gelingen, wenn eine Verbotsnorm besteht, die das positive Tun verbietet. Da im Falle der genetischen Ressourcen jenseits nationaler Hoheitsgewalt jedoch keine Verbotsnorm besteht, kann ein Unterlassen nicht die tatsächliche Akzeptanz dieser Verbotsnorm durch die Staaten anzeigen. Mangels entgegenstehender völkervertraglicher Verpflichtung könnten die Staaten jede Regelung für die Bewirtschaftung der genetischen Ressourcen des Meeresbodens treffen und damit diese Ressourcen einem nach ihren Vorstellungen reglementierten Zugriff durch private Einzelpersonen oder Unternehmen aussetzen. Dass eine solche Regelung auf nationaler Ebene bislang nicht getroffen wurde, könnte für sich schon den Nachweis einer opinio iuris durch Staatenpraxis dahingehend darstellen, dass die Staaten davon ausgehen, eine solche Regelung entweder s. auch Knight, The Deep Seabed Hard Mineral Resources Act – A Negative View, 10 San Diego L. Rev. (1972 – 1973), 446 (448). 355 Deep Seabed Hard Mineral Resources Act vom 28. 06. 1980, 30 U.S.C. 1401 ff., in: 19 ILM (1980), 1003 ff. 356 Vgl. Section 403(d) Deep Seabed Hard Mineral Resources Act: „[…] amounts in the Trust Fund shall be available, as provided by appropriations Acts, for making contributions required under such treaty for purposes of the sharing among nations of the revenues from deep seabed mining.“ 357 Arico/Salpin, Bioprospecting of Genetic Resources in the Deep Seabed: Scientific, Legal and Policy Aspects, United Nations University – Institute of Advanced Studies (UNUIAS) Report, 2005, 55.
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Kap. 4: Anwendbarkeit des „Common Heritage of Mankind“-Prinzips
nicht treffen zu können oder nicht treffen zu müssen. In ersterem Fall gingen die Staaten einerseits mithin davon aus, dass die Bewirtschaftung des Meeresbodens nach dem CHM-Prinzip der Menschheit als Ganzes obliegt und zunächst ein Zugangs- und Verteilungsmechanismus – vergleichbar mit der Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA) für die mineralischen Ressourcen – geschaffen werden muss. Denn jedenfalls die westlichen Industrienationen beabsichtigen und sind finanziell sowie technisch in der Lage, eine derartige Bewirtschaftung vorzunehmen.358 Eine Regelung können die Staaten daher nur gemeinsam treffen; solange eine solche nicht vorliegt, kann auch keine einseitige, nationale Gesetzgebung erfolgen. Andererseits gingen die Staaten in letzterem Fall davon aus, dass die genetischen Ressourcen des Meeresbodens bereits von einer anderen Regelungsmaterie – etwa dem Regime der Hohen See – erfasst werden, sodass für eine nationale Regelung gar kein Bedarf besteht. Dann nämlich wäre die Bewirtschaftung dieser Ressourcen den Freiheiten der Hohen See zuzurechnen und jedermann dürfte sich jederzeit daran bedienen. Beide Fälle stellen bloße Hypothesen dar, die jeweils nur durch ein Unterlassen „nachgewiesen“ werden können. Eben jenes Unterlassen ist jedoch nie eindeutig einer bestimmten Rechtsüberzeugung zuzuordnen. Fehlende nationale Gesetzgebung ist mithin in keiner Richtung ein Indiz oder gar ein Nachweis für eine bestimmt opinio iuris. 3. Zwischenergebnis In zahlreichen völkerrechtlichen Verträgen ist das Prinzip vom gemeinsamen Erbe der Menschheit in Bezug auf die Bewirtschaftung von Ressourcen entweder ausdrücklich erwähnt worden,359 oder seine Elemente kommen auch ohne dessen ausdrückliche Nennung teilweise zur Anwendung.360 In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat, bedingt durch eine veränderte geopolitische Ausrichtung der Staaten nach dem 2. Weltkrieg sowie der Forderung nach einer NWWO, ein Umdenken in der Behandlung von Staatengemeinschaftsräumen stattgefunden. Insbesondere dem Weltraum, dem Mond und dem Meeresboden ist dabei gemein, dass die technische Entwicklung zunächst eine grundsätzliche Erreichbarkeit dieser Gebiete ermöglichte, bevor die Bewirtschaftung der dort belegenen Ressourcen daraufhin zunehmend in den Fokus der Staaten rückte und einer Reglementierung bedurfte. Hierbei sprechen die untersuchten völkerrechtlichen Verträge eine eindeutige Sprache: Nutznießer aller Staatengemeinschaftsräume ist stets „die Menschheit“, mithin die Gesamtheit der Staaten. Die Intensität der Zuordnung des Nutzens von lebenden und nicht lebenden Ressourcen zur Menschheit ist beginnend mit dem
358 Für die Bewirtschaftung der Tiefsee (nicht des Gebiets) s. die Beispiele bei Lochen, Die völkerrechtlichen Regelungen über den Zugang zu genetischen Ressourcen, 2007, 251 f. 359 Vgl. oben etwa MT und SRÜ. 360 Vgl. oben etwa ATS, OST und CBD.
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Antarktisvertrag von 1959 bis zum Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen von 1982 ansteigend. Während im Antarktisvertrag und im Weltraumvertrag noch von einer „gemeinsamen Sache der Menschheit“ gesprochen wird, beginnen sich dort schon einzelne Elemente des späteren CHM-Prinzips, namentlich das Aneignungsverbot des Staatengemeinschaftsraumes und dessen friedliche Nutzung, zu etablieren. Der Mondvertrag erklärt den Mond schließlich zum „gemeinsamen Erbe der Menschheit“ und verbietet eine einseitige Aneignung. Dies schließt neben dem Mond selbst auch sämtliche dort belegenen Ressourcen, ob lebende oder nicht lebende, mit ein. Es sei dahingestellt, ob wertvolle – mineralische oder lebende – Ressourcen dort überhaupt vorhanden sind. Jedenfalls wird zwar jedem einzelnen Staat Zugang zum Mond und seinen Ressourcen gewährt, aber deren Bewirtschaftung nur der Menschheit als Ganzes überantwortet. Das ist die unmittelbare Folge aus dem Verbot einzelstaatlicher Aneignung sowie als zentralem Element des CHM-Prinzips, das dieses von anderen Konzepten zum Umgang mit Staatengemeinschaftsräumen unterscheidet. Seine bislang letzte Fortentwicklung erreicht das CHM-Prinzip mit dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen. Durch Teil XI dieses Übereinkommens wird der Meeresboden einer internationalen Verwaltung durch „die Menschheit“ unterstellt und dessen Nutzung soll „zum Wohle der gesamten Menschheit“ erfolgen. Während zuvor allen Staaten ein Zugangsrecht im Rahmen einer friedlichen Nutzung eingeräumt wurde, sollen nun darüber hinaus alle Staaten von der Nutzung des Meeresbodens und seiner (mineralischen) Ressourcen profitieren. Die Ausgestaltung der Bewirtschaftung des gemeinsamen Erbes zum Wohle der gesamten Menschheit, insbesondere des gerechten Vorteilsausgleichs bleibt dabei (noch) den Staaten überlassen.361 Die Schaffung einer internationalen Behörde zur Regulierung der Bewirtschaftung genetischer Ressourcen des Meeresbodens nach dem Beispiel der ISAwäre nur eine Möglichkeit, den Anforderungen des CHMPrinzips gerecht zu werden. Die vorgenannten Verträge erwähnen genetische oder lebende Ressourcen nicht und vielfach werden in diesen Gebieten auch keine solchen zu finden sein. In der fehlenden Bezugnahme eines grundsätzlich als Staatenpraxis verwertbaren völkerrechtlichen Vertrages auf genetische Ressourcen liegt leider auch dessen Schwäche begründet. Durch eine Gesamtschau der Verträge zeigt sich eine entwickelnde Staatenpraxis dahingehend, dass Gebiete, die als Staatengemeinschaftsräume zu begreifen sind, von den Elementen des CHM-Prinzips regiert werden sollen. Es soll nicht nur ein Zugang für alle Staaten zu den Ressourcen gewährt werden; die aus der Nutzung dieser Ressourcen gezogenen Vorteile sollen darüber hinaus unter allen Staaten gerecht verteilt werden. Kann folglich davon ausgegangen werden, dass sich durch die zunehmende Konkretisierung seiner Elemente schließlich ein auf sämt361 Wolfrum, Common Heritage of Mankind, in: Wolfrum (ed.), MPEPIL (online-Version), 2010, Nr. 25: „It remains within each State’s discretion whether to attempt to achieve this objective by refraining from unilateral, in favour of joint, activities, by seeking co-operation on a bilateral or multilateral basis, or by distributing revenues or information.“
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Kap. 4: Anwendbarkeit des „Common Heritage of Mankind“-Prinzips
liche jenseits nationaler Hoheitsgewalt situierte Ressourcen anwendbares völkergewohnheitsrechtliches Prinzip herauskristallisiert hat? Das CHM-Prinzip ist hinsichtlich der Nutzung von Staatengemeinschaftsräumen zum Teil des Völkergewohnheitsrechts geworden.362 Dadurch wird einer Entwicklung Rechnung getragen, die bereits Ende der 1950er Jahre begann und anhand der geschlossenen Verträge nachgezeichnet werden kann, die als Staatenpraxis zur Bestätigung der von den Staaten geäußerten Rechtsüberzeugung geeignet ist. Aber bezieht sich dieses CHMPrinzip auch auf genetische Ressourcen? Sind die geschlossenen Verträge zur Bestätigung einer Rechtsüberzeugung hinsichtlich genetischer Ressourcen geeignet? Die vertragliche Kodifizierung des CHM-Prinzips im Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen und die Bestätigung dieser Vorschriften durch das Durchführungsübereinkommen werden als Nachweis einer bestehenden allgemeinen Rechtsüberzeugung in der Staatengemeinschaft angesehen, um das CHM-Prinzip als völkergewohnheitsrechtlichen Rechtssatz in Bezug auf den Meeresboden jenseits nationaler Hoheitsgewalt begreifen zu können.363 Dem SRÜ und dem Durchführungsübereinkommen zu dessen Teil XI wurden auch in der Tat große Zustimmung zuteil: Ersteres wurde bislang von 167 Staaten ratifiziert, Letzteres von 145.364 Von einer nahezu einheitlichen Staatenpraxis könnte mithin ausgegangen werden. Auch die verhältnismäßig kurze Dauer einer Übung steht dessen Erwachsen in Völkergewohnheitsrecht nicht entgegen und kann überdies durch eine eindeutig festzustellende Rechtsüberzeugung kompensiert werden.365 Hinsichtlich der genetischen Ressourcen im Gebiet ist diese Überlegung allerdings unzureichend, da das Gebietsregime des SRÜ auf mineralische Ressourcen beschränkt ist.366 Die mit der Zustimmung zum SRÜ zum Ausdruck kommende Staatenpraxis kann mithin nicht als Nachweis eines auf genetische Ressourcen bezogenen CHM-Prinzips verwendet werden, da diese nicht von Teil XI des SRÜ umfasst werden. Es lässt sich – in Verbindung mit anderen Verträgen zum Umgang mit Staatengemeinschaftsräumen – eine grundsätzliche Entwicklung in der Staatengemeinschaft ausmachen, dass Gebiete und Ressourcen jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt dem CHMPrinzip unterfallen sollen. Diese Grundaussage lässt sich sowohl den einzelnen Verträgen, als auch einer Gesamtschau der progressiven Entwicklung dieser Verträge entnehmen und hat das CHM-Prinzip von einem abstrakten Konzept zu einem 362
Ibid.: „The common heritage principle, as far as the use of common spaces is concerned, is part of customary international law.“ 363 Egede, Africa and the Deep Seabed Regime: Politics and International Law of the Common Heritage of Mankind, 2011, 69: „The widespread ratification of the LOSC and Agreement evinces the necessary state practice and opinio juris.“ 364 Eine Liste der Vertragsstaaten ist abrufbar unter: http://www.un.org/depts/los/reference_ files/chronological _lists_of_ratifications.htm (zuletzt abgerufen am 01. 08. 2015). 365 Herdegen, Völkerrecht, 14. Aufl., 2015, 146 ff. (174), Rn. 4. 366 Vgl. unter Vielen Millicay, A Legal Regime for the Biodiversity of the Area, in: Nordquist et al. (eds.), Law Science & Ocean Management, 2007, 739 (812): „The definition of ,resources‘ to which Part XI applies is clearly limited to minerals. In addition to that, the regime of Part XI is a regime for mineral resources only.“
D. Die Bestätigung der Rechtsüberzeugung durch Staatenpraxis
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Grundsatz des Völkerrechts werden lassen.367 Als Katalysator für die Erzeugung einer völkergewohnheitsrechtlichen Regel vermögen diese Verträge allein in Bezug auf die mineralischen Ressourcen einen Nachweis zu erbringen. Schließlich ist kaum anzunehmen, dass, obschon der Ressourcenbegriff im Mondvertrag umfassend ausgestaltet ist, dort tatsächlich Leben existiert. Auch wenn diese Verträge dem Nachweis oder der Kristallisation von Völkergewohnheitsrecht nicht dienlich sein können, so ist ihnen immerhin die Anwendbarkeit des CHM-Prinzips für Gebiete und Ressourcen jenseits nationaler Hoheitsgewalt als ein allgemeiner Grundsatz zu entnehmen. Der Nachweis einer opinio iuris, welche die genetischen Ressourcen im Gebiet erfasst, ist ebenfalls nicht durch auf nationaler Ebene erlassene Gesetze möglich. Ein nationales Gesetz, welches einen Anhaltspunkt für eine diesbezügliche Staatenpraxis geben könnte, existiert bislang nicht.
II. Folge mangelnder Staatenpraxis Nachdem Staatenpraxis zwar allgemein hinsichtlich des CHM-Prinzips vorhanden ist, aber ein konkreter Nachweis für die zuvor herausgearbeitete Rechtsüberzeugung in Bezug auf genetische Ressourcen nicht zu erbringen ist, stellt sich die entscheidende Frage: Wie soll also der Nachweis von Staatenpraxis in einem solchen Fall erfolgen und was ist die Folge mangelnder Staatenpraxis für die Erzeugung von Völkergewohnheitsrecht in diesem Fall? Denn einerseits ist durch die Resolutionen 2340 (XXII), 2467 (XXIII), 2574 (XXIV) und insbesondere 2749 (XXV) der Generalversammlung der Vereinten Nationen eine nahezu einheitliche Rechtsüberzeugung zu Tage getreten. Andererseits fehlt es nun nach der „Zwei-ElementenTheorie“ noch an einer bestätigenden Staatenpraxis.368 Dass dieser Nachweis bislang ausgeblieben ist, ist erstens mit einem mangelnden Konsens zwischen den Staaten zu erklären; denn würde ein solcher Konsens bestehen, könnte dieser völkervertraglich kodifiziert werden und als bestätigende Staatenpraxis dienen. Zweitens besteht eine gewisse Rechtsunsicherheit der Staaten in Bezug auf die lebenden Ressourcen des Meeresbodens, die diese davon abhält nationale Regeln zu entwickeln, um eine 367 Vajic, The Law of Outer Space and the Law of the Sea: A Joint Contribution to the Emergence of the Common Heritage of Mankind Concept, in: Vukas (ed.), Essays on the New Law of the Sea, 1985, 537 (543): „Through the long period of negotiations which led to the adoption of this treaties through the acceptance of the CHM concept in many declarations and working papers and through several negotiating texts and drafts in both fields – although with some differences – the status of CHM ,moved well beyond an abstract concept‘.“; IGH, North Sea Continental Shelf Cases (Germany v. Denmark and Netherlands), ICJ Reports 1969, 3, Nr. 70 ff. (71), zur Erzeugung von Gewohnheitsrecht aus Verträgen: „There is no doubt that this process is a perfectly possible one and does from time to time occur: it constitutes indeed one of the recognized methods by which new rules of customary international law may be formed.“ 368 Zum Begriff „Zwei-Elementen-Theorie“ vgl. Thirlway, in: Evans (ed.), International Law, 4th edn., 2014, 98 ff.
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Kap. 4: Anwendbarkeit des „Common Heritage of Mankind“-Prinzips
Bewirtschaftung durch deren Private oder Unternehmen gesetzlich zu erlauben oder zu verbieten. Schließlich fällt drittens die faktische Möglichkeit, i. e. das Vorhandensein technischer und finanzieller Ressourcen, für die Vornahme einer Bewirtschaftung der Ressourcen im Gebiet durch einen Staat oder seine Staatsangehörigen ganz erheblich ins Gewicht, wenn es um die Herausbildung einer Staatenpraxis geht. Gerade im Hinblick auf die genetischen Ressourcen des Meeresbodens ist deren Bewirtschaftung de facto nur einigen wenigen Staaten möglich. Die weit überwiegende Mehrheit der Staatengemeinschaft, namentlich die G77 und China, spricht sich dafür aus, dass die genetischen Ressourcen des Meeresbodens jenseits nationaler Hoheitsgewalt als gemeinsames Erbe der Menschheit anzusehen seien und schließt damit sowohl eine einseitige Aneignung als auch eine einseitige Bewirtschaftung aus. Damit soll die Bewirtschaftung der genetischen Ressourcen zum Wohle der gesamten Menschheit erfolgen und einer Verwaltung durch die Staatengemeinschaft als Ganzes obliegen. Eben jenen Staaten ist aber auch gemein, dass Sie weder über die technischen noch über die finanziellen Mittel verfügen, um auf absehbare Zeit eine Bewirtschaftung dieser Ressourcen zu realisieren. Folglich ist eine dahingehende Bestätigung in Form einer „allgemeinen Übung“ zurzeit noch nicht möglich. Im Gegensatz dazu sind die Staaten, welche die Freiheit der Hohen See auch hinsichtlich der genetischen Ressourcen des Meeresbodens annehmen, schon jetzt dazu fähig, diese auch zu praktizieren und so alleine in der Position, eine Bestätigung ihrer geäußerten Rechtsüberzeugung in Form einer allgemeinen Übung beizubringen. Dieser Umstand darf nicht unberücksichtigt bleiben.369 Es ist offensichtlich, dass das Festhalten an der Staatenpraxis als unabdingbarem Erfordernis zur Entstehung von Völkergewohnheitsrecht in diesem Fall einer Einbahnstraße gleicht: Die Erschaffung eines völkergewohnheitsrechtlichen Rechtssatzes in Bezug auf die genetischen Ressourcen des Meeresbodens ist nur den zumeist westlichen Industrienationen möglich, da diese als Einzige tatsächlich in der Lage sind die genetischen Ressourcen in mehreren tausend Metern Tiefe zu erreichen, zu bewirtschaften und schließlich zu kommerzialisieren. Trotz des Vorbringens einer einheitlichen Rechtsüberzeugung werden etwa die Staaten der G77 ihren Worten solange keine Taten folgen lassen können, bis auch ihnen die dafür notwendige Technologie zur Verfügung steht. Bis dahin werden durch die Staaten, „deren Interessen besonders betroffen sind“,370 die Erbinformationen der genetischen Ressourcen des Meeresbodens bereits einseitig kommerzialisiert worden sein. Durch diese einzelstaatliche Bewirtschaftung des Meeresbodens wird diesbezüglich dann schon neues, gegenläufiges Völkergewohnheitsrecht entstanden sein, namentlich die Erstreckung der Freiheiten der Hohen See auf den Meeresboden. Die Fortentwicklung des Völkergewohnheitsrechts scheint folglich nur in eine Richtung mög369 So auch Tladi, State Practice and the Making and (Re)Making of International Law: The Case of the Legal Rules Relating to Marine Biodiversity in Areas Beyond National Jurisdiction, 1 SPILJ (2014), 97 (105). 370 Vgl. IGH, North Sea Continental Shelf Cases (Germany v. Denmark and Netherlands), ICJ Reports 1969, 3 (43), Nr. 73.
D. Die Bestätigung der Rechtsüberzeugung durch Staatenpraxis
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lich, wenn das opinio iuris-Element wie hier nur von einigen wenigen Staaten durch Staatenpraxis überhaupt nachgewiesen werden kann. Das Problem der nur einseitigen Nachweisbarkeit einer Völkergewohnheitsrecht erzeugenden Staatenpraxis stellt sich immer dann, wenn ein Staat aufgrund bestimmter faktischer Gegebenheiten zwar eine eigene Rechtsüberzeugung zum Ausdruck bringen kann, es ihm aber gleichzeitig nicht möglich ist, ihre Existenz durch die Teilnahme an entsprechender Staatenpraxis zu beweisen bzw. zu bestätigen.371 Dies gilt beispielsweise sowohl für Binnenstaaten bei der Abgrenzung von Küstengewässern,372 für die nicht an einem Weltraumprogramm beteiligten Staaten bei der Erforschung und Besiedelung des Weltraums und der Himmelskörper, für die Nicht-Atommächte bei der Verwendung von Kernwaffen, als auch für diejenigen Staaten, die mangels technischer und finanzieller Möglichkeiten nicht an der Bewirtschaftung der genetischen Ressourcen des Meeresbodens teilnehmen können. 1. „Spontanes“ Völkergewohnheitsrecht – Ein Vergleich mit dem Weltraum Einer vergleichbaren Situation sah sich die Staatengemeinschaft in den 60er und 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts ausgesetzt, als die technischen Entwicklungen in der Luftfahrt auch eine bemannte Raumfahrt möglich werden ließen. Nachdem am 04. 10. 1957 zunächst der sowjetische Satellit Sputnik in eine Erdumlaufbahn gebracht werden konnte, umrundete der sowjetische Kosmonaut Juri Gagarin am 12. 04. 1961 als erster Mensch die Erde. Diese Erfolge der UdSSR wurden vom damaligen US-Senator John F. Kennedy mit den folgenden Worten kommentiert: „If the Soviets control space they can control earth, as in past centuries the nation that controlled the seas dominated the continents.“373
Offensichtlich wurde die Kontrolle über dieses Gebiet als äußerst wichtig empfunden, sodass auch von den Vereinigten Staaten in den folgenden Jahren immense Anstrengungen unternommen wurden und schließlich mit Alan Shepard am 05. 05. 1961 der erste US-amerikanische Astronaut den Weltraum erreichte. Der Zug in den Weltraum, insbesondere zum Mond, hatte Fahrt aufgenommen und ein Erreichen der Himmelskörper, deren Nutzung oder gar Besiedelung durch Menschen schien in greifbare Nähe zu rücken. Daher musste ein Rechtsregime für dieses zu diesem Zeitpunkt noch nicht erreichte, aber in naher Zukunft erreichbar scheinende Gebiet 371 Thirlway, in: Evans (ed.), International Law, 4th edn., 2014, 99: „Such States may have a view as to the existence of such a rule, but one which cannot be demonstrated by acts of practice, and thus not a true opinio juris.“ 372 Ibid. 373 Kennedy, If the Soviets Control Space – They Can Control Earth, Missiles and Rockets (1960), 12 (12), abrufbar unter: http://www.jfklink.com/speeches/joint/app17_missilesandro ckets.html (zuletzt abgerufen am 01. 08. 2015).
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Kap. 4: Anwendbarkeit des „Common Heritage of Mankind“-Prinzips
geschaffen werden. Ein solches konnte erstmalig mit dem Weltraumvertrag aus dem Jahre 1967 geschaffen werden, bevor am 20. 07. 1969 Neil Armstrong und Edwin „Buzz“ Aldrin als erste Menschen den Mond betraten. Konnte zuvor in Bezug auf den Mond allein eine opinio iuris der Staaten vernommen bzw. vermutet werden, war nunmehr auch eine Bestätigung durch die Staatenpraxis vorhanden: Die Erforschung und Nutzung des Weltraumes ist nach Art. 1 OST Sache der gesamten Menschheit. In der Zwischenzeit, also vom Beginn der Raumfahrtprogramme bis zum Abschluss des Weltraumvertrages bzw. bis zur ersten Mondlandung – mithin in einer Zeit, in der zwar eine opinio iuris geäußert worden war, aber nicht mit Staatenpraxis bestätigt werden konnte – wurde zwischen den Staaten die Frage erörtert, wie der Weltraum und die Himmelskörper zu behandeln seien und wem eine Aneignung und Nutzung zustünde.374 Es stellte sich eine der aktuellen Sachlage hinsichtlich der Bewirtschaftung der genetischen Ressourcen des Meeresbodens vergleichbare Konstellation dar: Die Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedete zunächst die Resolution 1721 (XVI), wonach der Weltraum und die Himmelskörper keiner nationalen Aneignung unterliegen und die Erforschung dessen zur Verbesserung der Menschheit und zum Wohle aller Staaten erfolgen solle.375 Schon ihrem Wortlaut nach hat diese Resolution nur empfehlende, nicht aber bindende Wirkung.376 Der durch diese Resolution ebenfalls eingesetzte Ausschuss für die friedliche Nutzung des Weltraums (Committee on the Peaceful Uses of Outer Space, COPUOS) entwickelte einen Entwurf, welcher schließlich mit der Resolution 1962 (XVIII) als „Prinzipienerklärung“ von der Generalversammlung angenommen wurde.377 Gleichzeitig war jedoch de facto keine Besiedelung oder Bewirtschaftung der Himmelskörper möglich. Staatenpraxis war mithin weder vorhanden, noch sollte diese innerhalb der nächsten sieben Jahre zu erwarten sein. Die Parallelen zur Entwicklung des Meeresbodenregimes sind offensichtlich. Welche Auswirkungen hatte diese zwischenzeitliche Entwicklung auf die Entstehung von Völkergewohnheitsrecht? Inwieweit hat sich in der Zwischenzeit durch die in den UN-Resolutionen zum Ausdruck kommende Rechtsüberzeugung Völkergewohnheitsrecht entwickelt? Die Meinungen zu einer Entwicklung von Völkergewohnheitsrecht in Ermangelung der Möglichkeit zur Erbringung von Staatenpraxis liegen weit auseinander. Während der Großteil der Völkerrechtslehre eine allein auf den Resolutionen der Generalversammlung basierende Entwicklung von Völkergewohnheitsrecht entschieden ablehnte und statisch auf der „Zwei-Elementen-Theorie“ beharrte und
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s. hierzu UNGA, 16th Session, 1961, UN Doc. A/RES/16/1721/A, und UNGA, 18th Session, 1963, UN Doc. A/RES/18/1962. 375 UNGA, 16th Session, 1961, UN Doc. A/RES/16/1721/A. 376 Ibid.: „The General Assembly, […] 1. Commends to States for their guidance in the exploration and use of outer space the following principles: […].“ 377 UNGA, 18th Session, 1963, UN Doc. A/RES/18/1962.
D. Die Bestätigung der Rechtsüberzeugung durch Staatenpraxis
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beharrt,378 versuchte sich Bin Cheng an einem Erklärungsversuch.379 Er versuchte, auch ohne den Nachweis von Staatenpraxis, dem Dilemma zu entkommen, welches sich infolge der Nichterreichbarkeit der Himmelskörper einerseits und mangelnder Bereitschaft zur vertraglichen Kodifizierung eines Weltraumregimes andererseits ergab. Er ließ daher eine durch einmütig angenommene Resolutionen zum Ausdruck gebrachte opinio iuris für die Entstehung von sog. „spontanem“ Völkergewohnheitsrecht genügen.380 Dabei sah Cheng UN-Resolutionen nicht gleichzeitig als Nachweis von opinio iuris und allgemeiner Übung an, sondern ging vielmehr davon aus, dass die eindeutig geäußerte Rechtsüberzeugung der Staaten keines Nachweises mehr durch eine entsprechende Staatenpraxis bedurfte.381 Er ging auch nicht davon aus, dass UN-Resolutionen per se rechtssetzenden Charakter haben. Vielmehr sah er die kumulierten Rechtsüberzeugungen in der Generalversammlung als Abbild der Staatengemeinschaft an, die durch eine nahezu einheitliche Rechtsüberzeugung Recht setzen kann. Dies hätte auch im Rahmen eines anderen Forums erfolgen können, da seine Bewertung nur von der Prämisse einer einheitlich geäußerten Rechtsüberzeugung ausgeht. Im Falle des Weltraumrechts wurde das Bedürfnis nach einem völkergewohnheitsrechtlichen Regime durch den 1967 geschlossenen Weltraumvertrag überholt und damit obsolet, da sich an ihm auch die Weltraumfahrernationen beteiligten. Im Falle der Bewirtschaftung der genetischen Ressourcen des Meeresbodens stellte es eher einen Euphemismus als eine begründete Hoffnung dar, von einer bevorstehenden völkervertraglichen Kodifizierung auszugehen. Vielmehr ist – angenommen ein solcher Vertrag würde verhandelt werden – von einem Fernbleiben einiger gewichtiger Staaten auszugehen, sodass allein ein völkergewohnheitsrechtlicher Rechtssatz die gewünschte Bindungswirkung des CHMPrinzips für alle Staaten schaffen kann. 378
Bleckmann, Zur Feststellung und Auslegung von Völkergewohnheitsrecht, ZaöRV (1977), 504 (507); D’Amato, The Concept of Custom in International Law, 1971, 268; Malanczuk, Akehurst’s Modern Introduction to International Law, 7th edn., 1997, 45 f.; Jennings, in: Cheng (ed.), International Law: Teaching and Practice, 1982, 3 (5). 379 Cheng, United Nations Resolutions on Outer Space: ,Instant‘ International Customary Law?, 5 Indian J. Int’l L. (1965), 23 ff. 380 Ibid., 36: „Consequently, international customary law has in reality only one constitutive element, the opinio juris. Where there is opinio juris, there is a rule of international customary law.“ 381 Ibid.: „Not only is it unnecessary that the usage should be prolonged, but there need also be no usage at all in the sense of repeated practice, provided that the opinio juris of States concerned can be clearly established.“; so verstehen es auch Petersen, Customary Law Without Custom? Rules, Principles, and the Role of State Practice in International Norm Creation, 23 Am. U. Int’l L. Rev. (2008), 275 (281), und Scharf, Seizing the „Grotian Moment“: Accelerated Formation of Customary International Law in Times of Fundamental Change, 43 Cornell Int’l L. J. (2010), 439 (446): „Professor Cheng opined that, not only is prolonged state practice unnecessary, but instant customary international law formation requires no state practice at all, provided that the relevant states clearly establish their opinio juris by, for example, their votes on U.N. General Assembly resolutions.“, wohingegen Thirlway, in: Evans (ed.), International Law, 4th edn., 2014, 124, fälschlich davon ausgeht, Cheng wolle mit Resolutionen der UN-Generalversammlung beide Elemente erfassen.
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Kap. 4: Anwendbarkeit des „Common Heritage of Mankind“-Prinzips
2. Notwendigkeit von Staatenpraxis Für das völkergewohnheitsrechtliche CHM-Prinzip ist es entscheidend, ob die Staatenpraxis überhaupt als konstitutives Element anzusehen ist oder, ob Völkergewohnheitsrecht auch ohne Staatenpraxis entstehen kann, wenn das Bestehen einer opinio iuris bereits anderweitig nachgewiesen worden ist. Die Staatenpraxis wäre bloßes fakultatives, allenfalls deklaratorisches Element, wenn der Nachweis, dass eine einheitliche und andauernde Rechtsüberzeugung besteht, auch anderweitig geführt werden kann. Wenn eine Rechtsüberzeugung nur vermutet wird, weil ein eindeutiger Anhaltspunkt dafür fehlt, dann liegt schon keine nachgewiesene Rechtsüberzeugung vor. Wenn aber eine Rechtsüberzeugung durch entsprechende Äußerungen, Erklärungen, Ansprüche oder Ähnliches bekannt gemacht, eventuell sogar wiederholt und bekräftigt wurde, dann ist das Erfordernis von Staatenpraxis nur noch die Bestätigung des bereits Bekannten, ein redundanter Akt. Der erforderliche Nachweis ist schon durch die Rechtsüberzeugung selbst geführt worden; die Existenz des subjektiven Elements, namentlich einer opinio iuris, ist erbracht und eine allgemeine Übung ist zu deren Nachweis überflüssig, mindestens aber nicht mehr erforderlich. Wie viel mehr Beweis verträgt die Aussage des Vertreters der G77, wenn er wiederholt vorträgt: „[…] the G77 and China is convinced […]. […] that the common heritage of mankind principle applies to the biological resources of the area […].“382
Ob der Eindeutigkeit dieser und ähnlicher Aussagen wird man in diesem Fall zur Bestätigung der Existenz des subjektiven Elements wohl kaum einer weiteren Bestätigung bedürfen. Denn zu nichts mehr als das zieht auch der IGH die Staatenpraxis heran: Zur Bestätigung einer bestehenden opinio iuris.383 In früheren Zeiten, in denen die Rechtsüberzeugung eines Staates über moderne Kommunikationswege nicht derart einfach bekannt gemacht werden konnte, war die Vornahme tatsächlicher Handlungen erforderlich, um den übrigen Staaten überhaupt deren Existenz nahe zu bringen. Mehr noch trat erst durch die über eine gewisse Dauer praktizierte allgemeine Übung das Bewusstsein eines Staates hervor, zu einem Tun oder Unterlassen rechtlich verpflichtet zu sein. Die Juristen des Mittelalters bedienten sich verschiedener Kriterien, wie etwa der Dauer und der Häufigkeit von Staatenpraxis sowie der stillschweigenden Zustimmung (sog. „tacitus consensus“) zu einem Verhalten, um rechtlich unerhebliches Verhalten von bindendem Ge-
382 G77, Statement on Behalf of the Group of 77 and China to the United Nations, during the „General Debate“ of the Ad Hoc Open-Ended Informal Working Group to Study Issues Relating to the Conservation and Sustainable Use of Marine Biological Diversity beyond Areas of National Jurisdiction, 19. 08. 2013. 383 IGH, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. United States of America), ICJ Reports 1986, 14 ff., Nr. 184: „The Court must satisfy itself that the existence of the rule in the opinio juris of States is confirmed by practice.“
D. Die Bestätigung der Rechtsüberzeugung durch Staatenpraxis
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wohnheitsrecht zu unterscheiden.384 Staatenpraxis war folglich notwendig, um die opinio iuris, also die Überzeugung der Staaten zu einem bestimmten Verhalten auch rechtlich verpflichtet zu sein, überhaupt nachweisen zu können. Damit konnte oder musste die Staatenpraxis als konstitutives Element des Völkergewohnheitsrechts angesehen werden.385 Die Welt ist seitdem, insbesondere durch die Errichtung multilateraler Foren sowie durch kürzere und schnellere Kommunikationswege infolge technologischer Innovation, näher zusammengerückt, sie ist metaphorisch kleiner geworden. Dadurch ergibt sich eine engere Verbindung und ein höherer Grad der Abhängigkeit zwischen den einzelnen Staaten, deren Einfluss auf den Rechtserzeugungsprozess nicht einfach von der Hand zu weisen ist.386 Ein Staat bzw. seine Vertreter können sich beispielsweise vor der Generalsversammlung in Anwesenheit aller Staatenvertreter oder bei zahlreichen Gipfeltreffen schneller und leichter erklären und bedürfen dazu keiner Übung mehr. Das rechtliche Verpflichtungsbewusstsein kann durch den jeweiligen Kontext, mithin dem Konnex zwischen inhaltlicher Äußerung und Forum, bestimmt werden. Staatenpraxis erscheint mithin nur noch als deklaratorischer Annex, ohne normativen Inhalt; sie ist heute weder zwangsläufig erforderlich, um die Existenz einer opinio iuris zu beweisen, noch, um eine solche zu bestätigen. Darüber hinaus muss das Völkerrecht einen Weg finden, mit dem raschen technologischen Fortschritt, der die Welt zusehends dominiert, Schritt zu halten. Einen Vorschlag liefert Scharf unter dem Terminus „Grotian Moment“387, wonach in Zeiten grundlegender Veränderung neues Völkergewohnheitsrecht mit ungewöhnlicher Geschwindigkeit und Akzeptanz entstehen könne.388 Das Element der Staatenpraxis wird nicht aufgegeben, aber auf ein Minimum reduziert, sofern eine eindeutige und weitverbreitete opinio iuris vorliegt.389 Stellt die Erreichbarkeit des 384 Kadens/Young, How Customary is Customary International Law?, 54 Wm. & Mary L. Rev. (2012 – 2013), 885 (889). 385 So nach wie vor die h.M., vgl. ILC, First report on formation and evidence of customary international law, 2013, UN Doc. A/CN.4/663, 28, Nr. 66: „Notwithstanding the specific contexts in which these other courts and tribunals work, overall there is substantial reliance on the approach and case law of the International Court of Justice, including the constitutive role attributed to the two elements of State practice and opinio juris.“ 386 Charney, Universal International Law, 87 AJIL (1993), 529 (529): „In this shrinking world, states are increasingly interdependent and interconnected, a development that has affected international law.“ 387 Der Begriff „Grotian Moment“ wurde wohl von Richard A. Falk im Jahre 1985 erstmalig verwendet. Er nimmt Bezug auf den Niederländer Hugo Grotius (1583 – 1645), der als Begründer des modernen Völkerrechts gilt. 388 Scharf, Seizing the „Grotian Moment“: Accelerated Formation of Customary International Law in Times of Fundamental Change, 43 Cornell Int’l L. J. (2010), 439 (440). 389 Ibid., 467 f.: „Unlike the oft-criticized notion of ,instant customary international law‘, the concept of ,Grotian Moment‘ does not do away with the requirement of the state practice or rely solely on General Assembly resolutions; rather, the ,Grotian Moment‘ minimizes the extent and duration of the state practice that is [467/468] necessary during such transformative times, provided there is an especially clear and widespread expression of opinio juris.“
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Kap. 4: Anwendbarkeit des „Common Heritage of Mankind“-Prinzips
Meeresbodens und seiner Ressourcen durch den Menschen in den 1970er Jahren nicht zweifelsohne einen entsprechenden Fortschritt und eine grundlegende Veränderung dar? Als gelungenes Beispiel hierfür nennt er UNGA-Resolution 1962 (XVIII), die sog. „Declaration of Legal Principles Governing the Activities of States in the Exploration and Use of Outer Space“.390 Diese Resolution, die unter gleichen Umständen wie die „Prinzipienerklärung zum Meeresboden“ zustande gekommen ist, zeigt, dass die Entstehung von Völker(gewohnheits)recht auch ohne Staatenpraxis möglich ist.391 Folgte man aber dem entgegenstehenden Ansatz auch heute noch, so bedeutete dies, dass in einem Bereich des Völkerrechts, in dem die Möglichkeit zur Erbringung einer allgemeinen Übung fehlt, schlicht kein Gewohnheitsrecht existieren kann.392 Es sind aber doch die Staaten als Völkerrechtssubjekte, welche die Erzeuger ihrer eigenen Rechte und Pflichten, mithin des Völkerrechts, sind. Wenn sie wollen, sollte man es dann nicht ihnen überlassen, sich allein aufgrund einer gemeinsamen Rechtsüberzeugung zu verpflichten und damit Völkergewohnheitsrecht zu erschaffen?393
3. Bedeutung von Unterlassen Ist das Erfordernis einer allgemeinen Übung noch zeitgemäß? Der Internationale Gerichtshof hat das Verhältnis zwischen opinio iuris und Staatenpraxis mittlerweile – und diese Entwicklung konnte Cheng 1965 nicht voraussehen – einer modifizierenden Auslegung unterzogen, die dem objektiven gegenüber dem subjektiven Element an Bedeutung nimmt.394 Obwohl der Gerichtshof grundsätzlich von zwei Elementen zur Annahme von Völkergewohnheitsrecht ausgeht,395 legte er in der Nicaragua-Entscheidung von 1986 einen fast ausschließlichen Fokus auf das subjektive Element – die opinio iuris – ohne diese durch eine entsprechende Staaten390
Ibid., 450. Lachs, The Law of Outer Space: An Experience in Contemporary Law-Making, 1972, 128: „[…] it is difficult to regard the 1963 Declaration as a mere recommendation: it was an instrument which has been accepted as law.“ 392 Thirlway, in: Evans (ed.), International Law, 4th edn., 2014, 100: „[…] the position appears to be that in a field of activity in which there has not yet been any opportunity for State practice, there is no customary law in existence.“ 393 Für das Weltraumrecht bejahend Cheng, United Nations Resolutions on Outer Space: ,Instant‘ International Customary Law?, 5 Indian J. Int’l L. (1965), 37: „If States consider themselves bound by a given rule as a rule of international law, it is difficult to see why it should not be treated as such in so far as these States are concerned, […].“ 394 Zur Entwicklung der IGH-Rechtsprechung s. o. Kapitel 4, B. I. 3. 395 IGH, Military and Paramilitary Activities (Nicaragua v. United States of America), ICJ Reports 1986, 14, Nr. 184: „The mere fact that States declare their recognition of certain rules is not sufficient for the Court to consider these as being part of customary international law, and as applicable as such to those States. Bound as it is by Article 38 of its Statute to apply, inter alia, international custom ,as evidence of a general practice accepted as law‘.“ 391
D. Die Bestätigung der Rechtsüberzeugung durch Staatenpraxis
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praxis zu bestätigen.396 Dabei geht er insbesondere auf entsprechende Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen ein.397 In seinem Gutachten zur Rechtmäßigkeit des Gebrauchs und der Drohung mit Atomwaffen musste der IGH feststellen, dass es ihm nicht möglich ist, aus dem Unterlassen einer Nutzung von Atomwaffen über mehrere Jahrzehnte den Nachweis einer opinio iuris zu ziehen.398 Dieser Aussage ist zweierlei zu entnehmen. Bei der Bestimmung von Völkergewohnheitsrecht hält der IGH zunächst am Element der Staatenpraxis fest. Gleichzeitig muss er jedoch erkennen, dass er sich damit in eine Pattsituation manövriert hat, denn nach dessen Feststellung kann durch Unterlassen keine opinio iuris bestätigt werden und in der Folge kein Völkergewohnheitsrecht entstehen. Im Falle des Nichtgebrauchs von Atomwaffen, wie auch der Nichtbewirtschaftung genetischer Ressourcen auf dem Meeresboden, könnte der IGH keinen völkergewohnheitsrechtlichen Rechtssatz finden. Durch die Nichtbeachtung von Unterlassen zur Bestimmung von Staatenpraxis übersieht der IGH, dass auch in einer Nicht-Handlung, namentlich im Unterlassen einer bestimmten Handlung, eine rechtserhebliche Betätigung, mithin eine allgemeine Übung liegen kann. Dies muss umso mehr gelten, wenn man bedenkt, dass souveränen Staaten im Völkerrecht grundsätzlich alles erlaubt ist, was nicht einer besonderen Verbotsnorm unterliegt. Die Nichtvornahme einer mutmaßlich erlaubten Handlung stellt daher keinen qualitativen Unterschied gegenüber der Vornahme einer Handlung dar. Beide sind zur Bestätigung einer Rechtsüberzeugung geeignet. Art. 38 Abs. 1 lit. b) IGH-Statut geht zudem nicht davon aus, dass Staatenpraxis nur in einem positiven Tun besteht. Ansonsten hätte man dies im Text des Statuts ohne weiteres zum Ausdruck bringen können. Stattdessen wurde das neutrale Wort „Übung“ („practice“) als Oberbegriff gewählt, zu dem kein Antonym besteht, sodass es sowohl Tun als auch Unterlassen („action or inaction“) abdeckt. Eine Unterscheidung zwischen „positiver“ und „negativer“ Übung wird nicht vorgenommen. Dass ein Unterlassen kaum nachzuweisen ist, ist zwar verständlich. Allerdings muss die Völkerrechtslehre in derartigen Fällen auf die Fragestellung eine dogmatische Antwort liefern, anstatt sich ob der vermeintlichen Unlösbarkeit eines Problems in
396 Ibid., Nr. 187 – 195; so auch Petersen, Customary Law Without Custom? Rules, Principles, and the Role of State Practice in International Norm Creation, 23 Am. U. Int’l L. Rev. (2008), 275 (280): „Thus, the court in principle had upheld the traditional two-pronged approach, while in substance it only examined opinio juris.“ 397 Kritisch dazu Simma/Alston, The Sources of Human Rights Law: Custom, Jus Cogens, and General Principles, 12 Aust. YBIL (1988 – 1989), 82 (96 f.): „It is astonishing how readily the Court accepted the consent of the parties to certain General Assembly resolutions and other soft law instruments as the manifestation of an appropriate opinio juris, without looking for positive evidence of ,external‘ State practice in conformity with these positions.“ 398 IGH, Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons (Advisory Opinion), ICJ Reports 1996, 226, Nr. 64 ff. (67): „Under these circumstances the Court does not consider itself able to find that there is such an opinio juris.“
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Kap. 4: Anwendbarkeit des „Common Heritage of Mankind“-Prinzips
der Negation desselben zu erschöpfen. Denn auch einem Unterlassen kann und muss völkerrechtliche Relevanz zukommen.399 Petersen hat versucht, das Erfordernis von Staatenpraxis zur Erzeugung eines völker(gewohnheits)rechtlichen Rechtssatzes zu umgehen, indem er zwischen zwei verschiedenen Arten von Normen im Völkerrecht unterschied: Rechtssätzen und Prinzipien.400 Letztere bedürfen seiner Ansicht nach keiner Gewohnheit als Ausgangspunkt der Induktion, da sie „werte-gebunden“ und nicht „handlungs-gebunden“ seien.401 Auch wenn er die Frage nach dem Erfordernis von Staatenpraxis als notwendigem Element des Völkergewohnheitsrechts selbst unbeantwortet lässt, wird aus seiner Betrachtung verschiedener dogmatischer Ansätze zur Bestimmung von Völkergewohnheitsrecht deutlich, dass Staatenpraxis zwar wohl als ein Element dessen angesehen wird, aber gleichwohl nur ein Hilfsmittel darstellt, mithin kein konstitutives Element von Völkergewohnheitsrecht ist.402 Davon und von der dies bestätigenden Rechtsprechung des IGH ausgehend, dürfte sich dieses Hilfsmittel leicht austauschen lassen. Es ließe sich vielmehr gänzlich vernachlässigen, wenn keine Notwendigkeit zu einem hilfsweisen Rückgriff darauf besteht. Und sofern die opinio iuris eines Nachweises bedarf, muss nicht zwangsläufig auf Staatenpraxis zurückgegriffen werden, um nachzuweisen, dass die Staaten einen Rechtssatz als verbindlich und verpflichtend ansehen. Es entspricht dem Grundsatz der souveränen Gleichheit der Staaten, dass alle Staaten an der Herausbildung von Völkergewohnheitsrecht gleichermaßen beteiligt werden müssen. Die einseitige Beschneidung von Freiheitsrechten, etwa das Verbot einer Bewirtschaftung der genetischen Ressourcen des Meeresbodens, würde diese Souveränität verletzen.403 Abgesehen davon, dass ein solches Verbot nicht zielführend wäre, entspräche es auch nicht dem Völker(gewohnheits)recht.404 Die Beteiligung aller Staaten muss erst recht dann gelten, wenn eine ohne diese Beteiligung erfolgte Entwicklung unumkehrbar wäre. Die in den genetischen Ressourcen des Meeresbodens enthaltenen Erbinformationen können nur einmal gewinnbringend entschlüsselt werden. Ist dies einmal geschehen, ist eine Vermarktung nicht mehr aufzuhalten und unwiderruflich. Folglich muss auch das Unterlassen einer einseitigen Bewirtschaftung als möglicherweise bestätigende Staatenpraxis mit einbezo399 Chodosh, Neither Treaty nor Custom: The Emergence of Declarative International Law, 26 Tex. Int’l L. J. (1991), 87 (100): „Practice may take many forms, both affirmative and negative. […] Even inaction may constitute practice.“; Tunkin, Co-Existence and International Law, 95 Recueil des Cours (1958), 5 (11 f.): „Practice of States may be that of taking actions in certain circumstances or taking no action. […] there is no reason whatsoever to deny the possibility of creating a customary rule by way of a negative practice.“ 400 Petersen, Customary Law Without Custom? Rules, Principles, and the Role of State Practice in International Norm Creation, 23 Am. U. Int’l L. Rev. (2008), 275 (310). 401 Ibid. 402 Ibid., 294 ff. 403 Ibid., 303. 404 Wolfrum, in: Graf Vitzthum (Hrsg.), Handbuch des Seerechts, 2006, 343, Rn. 177.
D. Die Bestätigung der Rechtsüberzeugung durch Staatenpraxis
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gen werden, insbesondere wenn sich hierfür eine entsprechende Rechtsüberzeugung finden lässt. Auch wenn der IGH für die Staatenpraxis stets nur eine gewisse Anzahl an Staaten untersucht und dabei jenen Staaten ein besonderes Gewicht beimisst, deren Interessen besonders betroffen sind, so kann daraus nicht abgeleitet werden, dass allein diese Staaten eine Entscheidung herbeiführen könnten.405 Vielmehr muss auf das Verhalten jener Staaten rekurriert werden, denen, ungeachtet ihrer Autorität und ihres Durchsetzungsvermögens, eine zentrale Bedeutung bei der Entstehung der neuen Norm zukommt.406 Dabei kann man auch zu dem Ergebnis gelangen, dass allen Staaten diese zentrale Bedeutung in derselben Weise zukommt, weil sie alle ein Interesse an einer Regelung haben oder davon gleichermaßen betroffen sind.407 Dies gilt wohl für die meisten Fälle.408 Im vorliegenden Fall sind wegen des in Rede stehenden Staatengemeinschaftsraumes und der Erklärung des Gebiets per se zum „gemeinsamen Erbe der Menschheit“ alle Staaten der internationalen Gemeinschaft expressis verbis gleichermaßen interessiert und betroffen. Es verbietet sich daher im Rahmen der Staatenpraxis eine Differenzierung vorzunehmen. Der Rückgriff auf die Staatenpraxis nur einiger weniger Staaten verletzt außerdem die souveräne Gleichheit der übrigen Staaten.409 Dies wäre der Fall, ließe man (mit dem IGH) das Unterlassen als Nachweis einer Rechtsüberzeugung unberücksichtigt. Folglich muss eine die souveräne Gleichheit aller Staaten berücksichtigende Lösung gefunden werden.
405 So aber IGH, North Sea Continental Shelf Cases (Germany v. Denmark and Netherlands), ICJ Reports 1969, (43), Nr. 74: „[…] State practice, including that of States whose interests are specially affected, should have been both extensive and virtually uniform in the sense of the provision invoked […].“ 406 Worster, The Transformation of Quantity into Quality: Critical Mass in the Formation of Customary International Law, 31 B. U. Int’l L. J. (2013), 1 (70 f.): „This practice of selecting specially interested states to form a sample pool, and then analyzing the sample pool, might be applied in light of the study of critical mass by identifying states that have authority based on cosmopolitan engagement and a desire (and ability) to promote norms as ,interested‘. However, there might nonetheless still be a need to identify actors from various other cultural, geographic, and legal backgrounds to offer any necessary corrections for lack of cosmopolitanism. Based on this method, assessment can focus on the legal actors that are central to the diffusion of the norm, and thus its adoption in international law.“ 407 So zustimmend für das Humanitäre Völkerrecht Henckaerts/Doswald-Beck (eds.), Customary International Humanitarian Law, Vol. 1, 2005, xlv: „Notwithstanding the fact that there are specially affected States in certain areas of international humanitarian law, it is also true that all States have a legal interest in requiring respect for international humanitarian law by other States, even if they are not a party to the conflict […]. As a result, the practice of all States must be considered, whether or not they are ,specially affected‘ in the strict sense of that term.“ 408 ILC, Second report on identification of customary international law, 2014, UN Doc. A/CN.4/672, 36 f., Nr. 54: „In many cases, all States are affected equally.“ 409 Ibid.: „Admittedly, some States will often be ,specially affected‘; as mandated by the principle of sovereign equality, however, it is only in such capacity that their practice may be assessed and attributed particular weight.“
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Kap. 4: Anwendbarkeit des „Common Heritage of Mankind“-Prinzips
Die Geltung des Völkerrechts gründet sich auf dem Konsensprinzip.410 Die souveräne Gleichheit der Staaten und ihre Souveränität sind mithin nur ein Produkt des Konsenses der Staaten. Umgekehrt sind Souveränität und Gleichheit die Voraussetzung dafür, dass Staaten durch Konsens Recht erschaffen können. Beide Prinzipien bedingen sich gegenseitig und machen Staaten erst in cumolo zu ihren eigenen Normgebern. Völkergewohnheitsrecht kann mithin nur durch einen verhältnismäßigen Ausgleich beider Prinzipien und nicht durch Obsiegen eines unreflektierten Souveränitätsprinzips entstehen.411 Bleiben einzelne oder gar mehrere Staaten im völkergewohnheitsrechtlichen Entstehungsprozess unberücksichtigt, wird dadurch nicht nur das Prinzip der souveränen Gleichheit verletzt. Vielmehr mangelt es dadurch auch an dem normative Rechtskraft erzeugenden Konsens aller Staaten. Eine Zustimmung durch Schweigen kann hier keinesfalls angenommen werden, da die Rechtsüberzeugung dieser Staaten hinreichend bekannt ist.412 Die hergebrachte Methodik, einschließlich jener des IGH, sieht sich Fragen ausgesetzt, die sie nicht beantworten kann. Indem diese Methodik jedoch unumwunden angewandt statt hinterfragt wird, werden wiederum nur unbefriedigende und lückenhafte, scheinbare Ergebnisse erzielt. Das Bestehen oder Nichtbestehen von Völkerrecht wird – wider besseres Wissen – nur von wenigen Staaten bestimmt, denen ein gewisses „Gewicht“ zugestanden wird.413 Dadurch macht sich die sklavische Anwendung der „Zwei-Elementen-Theorie“ angreifbar, weil ihr Produkt, das Völkergewohnheitsrecht, an Legitimität verliert und sich die Antwort des IGH in einem non liquet erschöpft. Die souveräne Gleichheit der Staaten wird zu einer inhaltsleeren Floskel, wenn im Völkerrecht anscheinend gleiche Staaten von gleicheren Staaten dominiert werden. Die besondere Bewertung des Unterlassens gepaart mit einer weit verbreiteten Rechtsüberzeugung hinsichtlich der Bewirtschaftung genetischer Ressourcen jenseits nationaler Hoheitsgewalt, lassen erhebliche Zweifel an der normativen Gültigkeit von Völkergewohnheitsrecht entstehen, das unter Vernachlässigung dieser Umstände geschaffen wird.
410 Ipsen, Völkerrecht, 6. Aufl., 2014, 15, Rn. 49; a.A. Kelsen, Principles of international law, 2nd edn., 1967, 247, 445: „Hence customary law cannot be interpreted as created by the common consent of the members of the international community.“ 411 Charney, Universal International Law, 87 AJIL (1993), 529 (530): „If sovereignty and autonomy prevailed in all areas of international law, however, one could hardly hope to develop rules to bind all states.“ 412 Eine Zustimmung durch Schweigen wurde wohl erstmalig im sog. „Fischereifall“ angenommen, vgl. IGH, Fisheries Case (United Kingdom v. Norway), ICJ Reports 1951, 116 (139): „The Court notes that in respect of a situation which could only be strengthened with the passage of time, the United Kingdom Government refrained from formulating reservations.“ 413 De Visscher, Theory and Reality in Public International Law, 1957, 149, vergleicht das Entstehen von Völkergewohnheitsrecht mit dem eines Weges über unberührtes Land: „Among the users there are always some who mark the soil more deeply with their footprints than others, either because of their weight, which is to say their power in this world, or because their interests bring them more frequently this way.“
D. Die Bestätigung der Rechtsüberzeugung durch Staatenpraxis
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4. Fortentwicklung des Rechtserzeugungsprozesses Möglicherweise könnte der bisherige Prozess zur Entstehung von Gewohnheitsrecht modifiziert oder jedenfalls behutsam fortentwickelt werden. Die von Vielen als sakrosankt betrachtete „Zwei-Elementen-Theorie“ des Völkergewohnheitsrechts muss sich der Frage stellen, wie mit derartigen Situationen umgegangen wird. Im Falle der bemannten Raumfahrt und der damit verbundenen Erforschung des Weltraums haben Weltraum- und Mondvertrag die Entwicklung von Völkergewohnheitsrecht, jedenfalls für die Vertragsstaaten, obsolet werden lassen; im Falle der genetischen Ressourcen des Meeresbodens lässt die technische Entwicklung einiger Staaten mittlerweile eine Bewirtschaftung zu. Gleichwohl können eben jene Staaten, die seit der Prinzipienerklärung 1970 eine Anwendbarkeit des CHMPrinzips auf die genetischen Ressourcen befürworten, keine Staatenpraxis als Nachweis ihrer opinio iuris anbringen, da etwa eine dahingehende nationale Gesetzgebung, mangels zur Bewirtschaftung fähiger Unternehmen, leerliefe. Es ergibt sich folglich ein mit der Entwicklung der Raumfahrt vergleichbares Problem: Bis die meisten Staaten der Welt in der Lage sein werden, ihre Rechtsüberzeugung durch Staatenpraxis zu bestätigen, werden die übrigen Staaten der Welt ihre Rechtsüberzeugung schon durch Staatenpraxis nachgewiesen haben. Und viel entscheidender: Eine Bewirtschaftung der genetischen Ressourcen hat bereits begonnen und eine Kommerzialisierung der gewonnenen Erbinformationen hat stattgefunden. Dieser Widerspruch kann von der Völkerrechtslehre durch ein starres und stures Festhalten an dem – wenngleich tradierten – Grundsatz der „Zwei-Elementen-Theorie“ nicht hingenommen werden. In begründeten Fällen muss hiervon eine Ausnahme gemacht werden können. Diese Ausnahme erfährt ihre Legitimation dadurch, dass nur dadurch das Konsensprinzip und die souveräne Gleichheit der Staaten in ihrem Kernbestand gewahrt werden können.414 Konsens und souveräne Gleichheit können nur dann bestehen, wenn alle Staaten gleichermaßen berücksichtigt werden. Da aber ein Unterlassen als relevante Staatenpraxis regelmäßig unmöglich nachzuweisen ist, wodurch ein Großteil der Staatengemeinschaft unberücksichtigt bliebe, muss den Normgebern im Völkerrecht zugestanden werden, in bestimmten Konstellationen Völkergewohnheitsrecht entstehen zu lassen, ohne eine allgemeine Übung als konstitutives Element anzusehen. Ein Verzicht auf eine allgemeine Übung könnte möglich sein, wenn (1) eine nahezu einheitliche opinio iuris bekannt ist, (2) die Mehrheit aller Staaten den Nachweis dieser Rechtsüberzeugung durch Staatenpraxis faktisch nicht erbringen kann oder der Nachweis in einem Unterlassen bestehen würde und 414 Vgl. hierzu Hesses Lösung von Normenkollisionen durch sog. „praktischen Konkordanz“, in: Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl., 1999, 28, Rn. 72: „[…] beiden Gütern müssen Grenzen gezogen werden, damit beide zu optimaler Wirksamkeit gelangen können.“
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Kap. 4: Anwendbarkeit des „Common Heritage of Mankind“-Prinzips
(3) ohne eine völkerrechtliche Regelung ein erheblicher, dauerhafter Nachteil für die Mehrheit der Staaten entstehen würde. Erstens ist es unerheblich, ob diese opinio iuris aus Resolutionen der Generalversammlung oder anderen Quellen gewonnen wird. Resolutionen stellen aber eben aufgrund des Forums der Generalversammlung, als Abbild der gesamten Staatengemeinschaft, eine sehr brauchbare Quelle dar. Dies ist vom IGH zuletzt in seinem Gutachten zur Rechtmäßigkeit des Gebrauchs und der Drohung mit Atomwaffen bestätigt worden.415 Entscheidend ist nur, dass die Rechtsüberzeugung nahezu einheitlich ausfällt. Das Erfordernis der „Quasi-Universalität“ wird damit vom vormaligen Element der allgemeinen Übung hin zum einzig verbleibenden Element der opinio iuris gezogen, um die Zustimmung der überwiegenden Mehrheit sicherzustellen. Hier wird die nahezu einheitliche Zustimmung zu einer völkergewohnheitsrechtlichen Geltung des CHM-Prinzips in Bezug auf die genetischen Ressourcen des Meeresbodens jenseits nationaler Hoheitsgewalt durch die Resolution 2749 (XXV), der Prinzipienerklärung für den Meeresboden, deutlich. Auch wenn man davon ausginge, dass sich eine einmal bestandene opinio iuris dynamisch fortund zurückentwickeln kann, so stellen die wiederholten Stellungnahmen der G77 und China mit ihren 130 Mitgliedsstaaten auch heute noch eine nahezu einheitliche Rechtsüberzeugung dar. Zweitens ist der Mehrheit aller Staaten ein Zugang zu den Ressourcen des Meeresbodens aufgrund eingeschränkter oder nicht vorhandener technischer und finanzieller Möglichkeiten verwehrt. Es ist ihnen folglich nicht möglich eine allgemeine Übung durchzuführen, obwohl allen Staaten ein besonderes Interesse an der Bewirtschaftung genetischer Ressourcen zuzugestehen ist. Überdies bestünde diese allgemeine Übung, bis zur Einigung auf ein konkretes ABS-System, welches die aus der Nutzung des gemeinsamen Erbes gezogenen Vorteile gerecht unter allen Staaten verteilt, in einem Unterlassen. Denn das CHM-Prinzip lässt eine einseitige Bewirtschaftung im Gebiet nicht zu. Das Unterlassen wird im Rahmen der Staatenpraxis bislang vom IGH allerdings nicht berücksichtigt. Im Ergebnis heißt es nach beiden Alternativen: Eine Staatenpraxis ist nicht zu erbringen. Schließlich müsste sich mangels eines anwendbaren völkerrechtlichen Rechtssatzes ein erheblicher Nachteil für die Mehrheit aller Staaten ergeben. Nimmt man das Fehlen vertraglichen oder gewohnheitsrechtlichen Völkerrechts an, so ist nach dem Lotus-Prinzip alles erlaubt. In der gleichnamigen Entscheidung führt der StIGH aus, dass, solange die Zustimmung zu einer Verbotsnorm nicht erwiesen ist, „eine Beschränkung der Unabhängigkeit von Staaten nicht angenommen werden“ kann.416
415
Vgl. hierzu bereits Kapitel 4, A. II. 1. StIGH, The Case of the S. S. „Lotus“ (France v. Turkey), PCIJ Reports Ser. A, No. 10 (1927), 18: „International law governs relations between States. The rules of law binding upon States therefore emanate from their own free will as expressed in conventions or by usages generally accepted as expressing principles of law and established in order to regulate the 416
D. Die Bestätigung der Rechtsüberzeugung durch Staatenpraxis
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Ein erheblicher Nachteil liegt schon im Vollzug dieser Regelung begründet. Die genetischen Ressourcen des Meeresbodens werden bereits abgetragen und ihre Erbinformationen werden kommerzialisiert worden sein, bevor der Mehrheit der Staaten eine Bewirtschaftung möglich sein wird. Es besteht gewissermaßen Gefahr im Verzug. Dass diese lebenden Ressourcen nachwachsen steht genauso wenig außer Frage, wie es dem Ergebnis nicht entgegensteht, da schon die einmalige Entschlüsselung der Erbinformationen als Grundlage für ein Produkt und dessen Patentierung ausreicht. Eine wiederholte Verwendung dieser Erbinformation ist folglich möglich, aber wertlos. Ungehinderter und unbedingter Zugang zu den genetischen Ressourcen würde damit einen erheblichen Nachteil für den weit überwiegenden Teil der internationalen Staatengemeinschaft bedeuten.
III. Zwischenergebnis Das Festhalten an Staatenpraxis als notwendigem Element des Völkergewohnheitsrechts verhindert in vielen Fällen seine Entstehung. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Staatenpraxis in einem Unterlassen besteht. Aus einem Unterlassen lässt sich nicht ohne Weiteres ein Rückschluss auf eine entsprechende opinio iuris ziehen, da sich kaum feststellen lässt, ob das Unterlassen auch von der Rechtsüberzeugung geleitet ist, dass man etwas nicht tun darf oder aber nur bloßes Nichtstun ohne rechtliche Relevanz und Anspruch darstellt. Wird diese Art der Übung jedoch deswegen negiert, weil bislang kein Weg zur differenzierten Bestimmung der zugrundeliegenden Rechtsüberzeugung gefunden wurde, verletzt dies die souveräne Gleichheit der Staaten. Daher muss sich die Erzeugung von Völkergewohnheitsrecht im Einzelfall anpassen oder Ausnahmen zulassen. Dem stehen die Spruchpraxis des IGH und dessen Statut auch nicht entgegen, da die Staatenpraxis danach zur bloßen Bestätigung einer vorhandenen bzw. vermuteten opinio iuris dient. Art. 38 IGH-Statut legt nicht fest, wie Völkerrecht entsteht. Er gibt dem Gerichtshof nur eine Auswahl anzuwendender Rechtssätze an die Hand. Der Verzicht auf eine allgemeine Übung zur Erzeugung von Völkerrecht entspricht zwar nicht der darin kodifizierten, hergebrachten Meinung. Gleichzeitig gibt es jedoch keinen Grundsatz des Völkerrechts, der dieser Entwicklung entgegenstünde.417 Ganz im Gegenteil: Es liegt in der Hand der Staaten selbst und allein, ihre Spielregeln durch Konsens zu bestimmen.418 Der allgemeinen Übung kommt als solcher keine normative Eigenschaft zu. Allein die Rechtsüberzeugung besitzt als Ausdruck des staatlichen Verpflichtungswillens normativen Charakter. In multinationalen Foren äußern die Staatenvertreter ihre Rechtsüberzeugungen mit dem Ziel, relations between these co-existing independent communities or with a view to the achievement of common aims. Restrictions upon the independence of States cannot therefore be presumed.“ 417 Charney, Universal International Law, 87 AJIL (1993), 529 (545). 418 Ibid.
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Kap. 4: Anwendbarkeit des „Common Heritage of Mankind“-Prinzips
gemeinsame Anliegen zu erörtern; gipfeln diese Anstrengungen in einem Konsens, dann liegt darin zugleich ein normgebendes und normgebundenes Verpflichtungsbewusstsein.419 Dies hat der IGH ausdrücklich für Resolutionen der UN-Generalversammlung angenommen, welche nach allgemeiner Meinung den Ausdruck einer opinio iuris darstellen.420 Die allgemeine Übung dient als Hilfsmittel darum nur ihrer Kenntlichmachung, soweit dies nicht schon ohnehin geschehen ist. Folglich kann bereits die mit der Prinzipienerklärung im Jahre 1970 eindeutig erklärte, sowie seitdem wiederholt und nahezu einheitlich durch die Staaten zum Ausdruck gebrachte Rechtsüberzeugung, den Meeresboden mit allen seinen Ressourcen zum gemeinsamen Erbe der Menschheit zu erklären, neues Völkerrecht erschaffen haben.421
E. Die beharrliche Einwendung einzelner Staaten und ihre Folgen Sofern man davon ausgeht, dass allein die nahezu einheitliche opinio iuris der Staaten im Falle der genetischen Ressourcen des Meeresbodens (ausnahmsweise) einen völkergewohnheitsrechtlichen Rechtssatz zu begründen vermag, entfaltet dieser Rechtssatz auch grundsätzlich Bindungswirkung gegenüber allen Mitgliedern der Staatengemeinschaft. Der sog. „persistent objector“ bildet eine Ausnahme davon. Wenn ein Staat gegen einen im Entstehungsprozess befindlichen völkergewohnheitsrechtlichen Rechtssatz beharrlich Einwendungen vorbringt, dann kann er verhindern, dass dieser Rechtssatz ihm gegenüber Bindungswirkung entfaltet.422 Dies hat der IGH erstmalig im Asyl-Fall423 in Betracht gezogen und im FischereiFall424 bestätigt. Umgekehrt kann die beharrliche Einwendung einiger Staaten sogar dazu führen, dass eine von der Mehrheit der Staaten favorisierte Verbotsnorm nicht zu Völkerrecht erstarkt und folglich insgesamt keine Bindungswirkung entfaltet. So haben die 419 Ibid., 544: „Sometimes these efforts result in a consensus on solving the problem and express it in normative terms of general application.“ 420 IGH, Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons (Advisory Opinion), ICJ Reports (1996), 226, Nr. 70: „The Court notes that General Assembly resolutions, even if they are not binding, may sometimes have normative value.“ 421 Charney, Universal International Law, 87 AJIL (1993), 529 (546): „In theory, however, one clearly phrased and strongly endorsed declaration at a near-universal diplomatic forum could be sufficient to establish new international law.“ 422 A.A. wohl Charney, Universal International Law, 87 AJIL (1993), 529 (539): „The evidence shows that no such recognition is accorded to objecting states. Rather, they are treated as if they were in fact lawbreakers.“ und D’Amato, The Concept of Custom in International Law, 1971, 98 ff. 423 IGH, Asylum Case (Colombia v. Peru), ICJ Reports 1950, 266 (277 f.). 424 IGH, Fisheries Case (United Kingdom v. Norway), ICJ Reports 1951, 116 (131).
E. Die beharrliche Einwendung einzelner Staaten und ihre Folgen
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wenigen Atommächte beispielsweise das Entstehen einer völkergewohnheitsrechtlichen Norm verhindert, die die Rechtswidrigkeit der Drohung mit und der Nutzung von Nuklearwaffen zur Folge gehabt hätte. Ein entsprechender Rechtssatz war zwar durch die mehrheitliche opinio iuris aller Staaten befürwortet worden. Die entgegenstehende Praxis der Atommächte war nach dem IGH jedoch ausschlaggebend, um die Etablierung einer Verbotsnorm zu verhindern.425 Die beharrlichen Einwendungen eines Staates müssen während des Entstehungsprozesses der Norm erfolgt sein, also bevor man vom Bestehen eines völkergewohnheitsrechtlichen Rechtssatzes sprechen kann.426 Das verspätete Vorbringen eines Staates kann die Geltung der Norm ihm gegenüber nicht mehr verhindern.427 Dadurch werden etwa solche Staaten benachteiligt, die sich erst nach Bestehen des Rechtssatzes in den Prozess einbringen oder erst selbst zu diesem Zeitpunkt entstanden sind.428 Die Zustimmung eines Staates kann zwar in der Phase des Entstehungsprozesses noch zurückgehalten werden, es ist allerdings nicht möglich durch beharrlichen Widerspruch einen „Rücktritt“ zu erklären, nachdem bereits Völkergewohnheitsrecht entstanden und bindend geworden ist.429 Wie oben dargestellt, wurde die Entwicklung des CHM-Prinzips in Bezug auf die Ressourcen des Meeresbodens, ob lebend oder nicht lebend, mit der Rede Arvid Pardos vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen aus dem Jahre 1967 angestoßen. Unmittelbar darauf folgten die Resolutionen 2340 (XXII) und 2467 (XXIII), die das Meeresboden-Komitee einsetzten und damit den Grundstein für die völkergewohnheitsrechtliche Entwicklung des CHM-Prinzips in Bezug auf den Meeresboden und seine Ressourcen legten. Weitere Resolutionen gipfelten schließlich in der Prinzipienerklärung der Generalversammlung von 1970 betreffend den Meeresboden jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt. Infolge der überwältigenden Zustimmung der Staaten gelten der Meeresboden und alle seine Ressourcen seitdem völkergewohnheitsrechtlich als gemeinsames Erbe der Menschheit. Ein verbales Abrücken von der zuvor nahezu einheitlich bekundeten Prinzipienerklärung wurde am Beispiel der Vereinigten Staaten erst durch Präsident Reagan ab dem Jahre 1981 vollzogen. Dem schlossen sich – allerdings nur hinsichtlich der mineralischen Ressourcen – einige westliche Industrienationen im Rahmen des sog. „Reciprocating 425 IGH, Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons (Advisory Opinion), ICJ Reports 1996, 226, Nr. 73: „The emergence, as lex lata, of a customary rule specifically prohibiting the use of nuclear weapons as such is hampered by the continuing tensions between the nascent opinio juris on the one hand, and the still strong adherence to the practice of deterrence on the other.“ 426 Shaw, International Law, 6th edn., 2008, 90. 427 ILA, Statement of Principles applicable to the Formation of General Customary International Law, 2000, 27: „In other words, there is no ,subsequent objector‘ rule.“ 428 Ibid. 429 Fitzmaurice, The Law and Procedure of the International Court of Justice, 1951 – 54: General Principles and Sources of Law, 30 BYIL (1953), 1 (26): „But this is not to say that States subject to international law can ,contract out‘ of its rules, so to speak, by purporting to revoke their consent.“
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Kap. 4: Anwendbarkeit des „Common Heritage of Mankind“-Prinzips
States Regime“ an.430 Eine tatsächliche Bewirtschaftung der lebenden Ressourcen fand bislang nur auf dem Festlandsockel oder der Hohen See, nicht aber im Gebiet, statt. Fraglich ist, von welcher Qualität die Einwendung sein muss.431 Sind hierzu verbale Äußerungen ausreichend oder muss eine gegenläufige Handlung des persistent objectors verlangt werden, die seine Einwendung zum Ausdruck bringt? Selbst wenn man das Abrücken von der Ratifizierung des SRÜ und eine mutmaßlich durchgeführte Bewirtschaftung des Meeresbodens als beharrliche Einwendung und gegenläufige Handlung werten wollte, so wäre dies schlicht zu spät. Denn der Rechtserzeugungsprozess, der alle Ressourcen des Meeresbodens zum gemeinsamen Erbe der Menschheit erklärte, war bereits mit der ohne Gegenstimmen erklärten Annahme der Prinzipienerklärung durch die UN-Generalversammlung im Jahre 1970 abgeschlossen. Folglich hat das SRÜ, freilich ausschließlich in Bezug auf mineralische Ressourcen, nicht zur „Kristallisation“ von in der Entstehung befindlichem Gewohnheitsrecht beigetragen, sondern schon bestehendes Gewohnheitsrecht kodifiziert. Das gewohnheitsrechtliche CHM-Prinzip hat sich dementsprechend parallel zum Vertragsvölkerrecht entwickelt und besteht bis heute fort. Völkergewohnheitsrechtlich macht dieses Prinzip damit alle Ressourcen des Meeresbodens jenseits nationaler Hoheitsgewalt zum gemeinsamen Erbe der Menschheit für die gesamte Staatengemeinschaft, während das SRÜ dies nur für die mineralischen Ressourcen erreicht.
F. Zwischenergebnis Der Status des CHM-Prinzips im Völkerrecht ist auf vertraglicher wie auch auf gewohnheitsrechtlicher Ebene sehr umstritten. Während einerseits eine bloße Geltung auf vertraglicher Basis, also nur für mineralische Ressourcen und nur für die Vertragsstaaten des SRÜ angenommen wird,432 wird andererseits sogar von einer die gesamte Staatengemeinschaft bindenden und nicht dispositiven ius cogens-Norm ausgegangen.433 Das Ergebnis der vorangegangenen Untersuchung liegt dazwischen.
430
s. Kapitel 4, C. I. 2. Zur Art und Weise der Einwendungen vgl. Steinfeld, Nuclear Objections: The Persistent Objector Rule and the Legality of the Use of Nuclear Weapons, 62 Brook. L. Rev. (1996), 1635 (1648 ff.). 432 Joyner, Legal Implications of the Concept of the Common Heritage of Mankind, 35 Int’l & Comp. L. Q. 1 (1986), 190 (199): „As yet the CHM is not a principle of international law erga omnes. The CHM today is neither the product of ,instant custom‘ nor jus cogens. Rather it is merely a philosophical notion with the potential to emerge and crystallise as a legal norm.“ 433 Baslar, The concept of the common heritage of mankind in international law, 1998, 367: „[…] why should not the common heritage of mankind, a thirty-year-old concept, be a peremptory norm?“ 431
F. Zwischenergebnis
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Die Zuordnung von Staatengemeinschaftsräumen nicht zu einem Staat alleine, sondern zur Staatengemeinschaft als Ganzes hat seit Mitte des 20. Jahrhunderts gute Tradition. Seit den 1960er Jahren, als man glaubte, den Meeresboden ökonomisch sinnvoll bewirtschaften zu können, beschworen die jeweiligen Staatenvertreter, dass der Meeresboden der gesamten Menschheit dienen solle und kein Staat dort ein alleiniges Aneignungs- oder Zugriffsrecht genieße. Für diese Erklärungen nutzten sie zahlreiche multilaterale Foren, die sich aufgrund der fortschreitenden technischen Entwicklungen zunehmend mit der Nutzung von Staatengemeinschaftsräumen beschäftigen mussten. Im Mittelpunkt dieser Erklärungen standen stets die Kernelemente des späteren CHM-Prinzips: ein Aneignungsverbot, eine Bewirtschaftung zum Wohle der gesamten Menschheit und eine ausschließlich friedliche Nutzung. Eben jene Kernelemente wurden auch von Arvid Pardo in dessen Rede vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen im Jahre 1967 zu den „Konzepten“ gezählt, welche durch ein neu zu schaffendes Meeresbodenregime Anwendung auf das Gebiet finden sollten.434 Diese Äußerungen umfassten stets den Meeresboden als solchen und alle dort belegenen Ressourcen, sodass diese Gesamtheit als sog. „Gebiet“ mit der Resolution 2749 (XXV) schließlich durch die Generalversammlung – ohne Gegenstimmen – zum gemeinsamen Erbe der Menschheit erklärt wurde. Die durch die Zustimmung zu dieser „Prinzipienerklärung für den Meeresboden“ zum Ausdruck gebrachte einheitliche opinio iuris, wurde von den Staaten im Folgenden durch Erklärungen im Rahmen von UNICPOLOS oder der COPs zum SRÜ bestätigt. Bis zum heutigen Tage bekräftigen insbesondere die G77 und China bei den Treffen der Arbeitsgruppe zur Erhaltung und zum nachhaltigen Nutzen der biologischen Vielfalt des Meeres jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt („BBNJWorking Group“), dass der Meeresboden und alle seine Ressourcen das gemeinsame Erbe der Menschheit darstellen. Das CHM-Prinzip habe insoweit völkergewohnheitsrechtliche Geltung.435 Dieses sei bereits durch die „Prinzipienerklärung für den Meeresboden“ endgültig zu einem Rechtssatz des Völkerrechts geworden.436 Jede weitere Aussage dazu würde mithin nur eine Bekräftigung der Fortgeltung dieses Rechtssatzes darstellen.437 Dogmatisch lässt sich diese vielfach vertretene Meinung mit den hergebrachten Werkzeugen zur Schaffung von Völkerrecht schwerlich begründen: Für diese bis heute nahezu einheitlich bestehende opinio iuris ist derzeit (noch) keine verwertbare Staatenpraxis vorhanden, welche die subjektive Äußerung der Staaten auch objektiv 434
UNGA, 22nd Session, 1967, UN Doc. A/C.1/PV.1516, Nr. 12 ff. Report of the Ad Hoc Open-ended Informal Working Group to study issues relating to the conservation and sustainable use of marine biological diversity beyond areas of national jurisdiction and Co-Chairs’ summary of discussions, 68th Session, 2013, Nr. 17. 436 Dupuy/Vignes (eds.), A Handbook on the New Law of the Sea, Bd. 1, 1991, 81 f.; Mann Borgese, Arvid Pardo (1914 – 1999): In Memoriam, 14 Ocean Y. B. (2000), xix (xxi): „[The] Declaration of Principles […] elevated the principle of the seabed as a common heritage of mankind to a norm of international law.“ 437 A.A. Wolfrum, in: Graf Vitzthum (Hrsg.), Handbuch des Seerechts, 2006, 343, Rn. 175. 435
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bestätigen könnte. Denn obschon seit dem Ende der 1950er Jahre zahlreiche völkerrechtliche Verträge zur Nutzung von Staatengemeinschaftsräumen geschlossen worden sind, welche Elemente des CHM-Prinzips enthalten, erfasst keiner dieser Verträge explizit die Bewirtschaftung von (lebenden) Ressourcen im Allgemeinen oder gar im Gebiet im Besonderen. Eine tatsächliche Bewirtschaftung der genetischen Ressourcen des Meeresbodens hat – soweit ersichtlich – bislang auch ausschließlich auf dem Festlandsockel stattgefunden, der zum funktionalen Hoheitsbereich des Küstenstaates gehört. Jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt ist der Meeresboden bislang nicht kommerziell genutzt worden, sodass auch der nationalen Gesetzgebung der Staaten keine entsprechenden Regelungen zu entnehmen sind.438 Gerade weil die Bewirtschaftung der genetischen (und mineralischen) Ressourcen des Meeresbodens heute auch ökonomisch sinnvoll erscheint, stellt sich die Frage, aus welchem Grund diesbezüglich – jedenfalls von den zu dieser Bewirtschaftung fähigen Staaten – bislang keine Regelungen getroffen worden sind. Entweder glauben sie, dass eine solche Regelung nicht notwendig ist, weil die lebenden Ressourcen nach teilweise vertretener Ansicht vom Regime der Hohen See erfasst werden, sodass eine einseitige Bewirtschaftung jederzeit möglich wäre. Denn selbst wenn die lebenden Ressourcen des Gebiets durch keine völkerrechtliche Regelung reguliert würden, wäre deren Bewirtschaftung nach dem Lotus-Prinzip jedenfalls nicht verboten. Oder die Staaten gehen andererseits davon aus, dass eine Bewirtschaftung der lebenden Ressourcen im Gebiet von ihnen ohnehin nicht einseitig geregelt werden kann, da hierfür, nachdem dort das CHM-Prinzip anwendbar ist, die gesamte Menschheit zuständig wäre. Die Ausgestaltung eines ABS-Systems würde demnach einer mit der ISA vergleichbaren Behörde oder einem sonstigen Treuhänder obliegen, um die gerechte Verteilung des aus der Bewirtschaftung gezogenen Nutzens unter allen Staaten sicherzustellen. Letztendlich kann darüber jedoch mangels beweiserheblicher Anhaltspunkte nur spekuliert werden. Beide Alternativen würden die Frage nach einer völkergewohnheitsrechtlichen Geltung des CHM-Prinzips ohnehin keiner Lösung zuführen, da die so gefundene Staatenpraxis im jeweiligen Falle nur durch ein Unterlassen nachgewiesen werden könnte. Das Unterlassen einer bestimmten Handlung entbehrt nach dem Internationalen Gerichtshof jedoch jeder Beweiskraft, sodass sich dieser nicht in der Lage sieht, darin Anhaltspunkte für eine die opinio iuris bestätigende allgemeine Übung zu sehen.439 Es bliebe folglich nur abzuwarten, dass eine der beiden Alternativen durch eine entsprechende Staatenpraxis der Staaten bestätigt wird und die zugrundeliegende opinio iuris auf diesem Wege zu Völkergewohnheitsrecht erstarkt. Die ungleiche 438 Für den Abbau mineralischer Ressourcen auf dem Boden des Indischen Ozeans hat Deutschland Ende 2013 zunächst eine Lizenz bei der ISA beantragt: Deutschland sichert sich Zugang zu Tiefseeschätzen, Die Welt, 28. 12. 2013, abrufbar unter: http://www.welt.de/wis senschaft/article123363387/Deutschland-sichert-sich-Zugang-zu-Tiefseeschaetzen.html (zuletzt abgerufen am 01. 08. 2015). 439 IGH, Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons (Advisory Opinion), ICJ Reports 1996, 226, Nr. 64 ff. (67).
F. Zwischenergebnis
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Konzeption der beiden möglichen Denkweisen, wonach einerseits die einseitige Bewirtschaftung nicht verboten ist und andererseits die gemeinsame Bewirtschaftung nach dem CHM-Prinzip erfolgen muss, hat zur Folge, dass erstere Alternative ungleich einfacher durch Staatenpraxis nachzuweisen ist, als letztere. Um das Nichtvorhandensein einer Verbotsnorm durch eine allgemeine Übung zu bestätigen, genügt die einseitige Bewirtschaftung der genetischen Ressourcen durch einige wenige westliche Industrienationen. Um dagegen eine Rechtsüberzeugung für die Geltung des CHM-Prinzips hinsichtlich der lebenden Ressourcen im Gebiet mit einer nahezu einheitlichen Staatenpraxis nachzuweisen, ist die treuhänderische Verwaltung dieser Ressourcen durch die gesamte Menschheit und zum Wohle der gesamten Menschheit erforderlich. Dies ist durch einseitige Regelungen kaum möglich und kann dementsprechend nur durch einen völkerrechtlichen Vertrag mit nahezu einheitlicher Beteiligung der Staatengemeinschaft erfolgen. Hierbei einen Fokus auf jene Staaten zu legen, „deren Interessen besonders betroffen sind“, erscheint nicht angebracht. Da aus dem Sinn und Zweck der Erklärung eines Gebiets zum gemeinsamen Erbe der Menschheit denknotwendig folgt, dass die gesamte Menschheit daran gleichermaßen interessiert ist, verbietet es sich, einigen Staaten bei der Bewertung ihrer Staatenpraxis einen besonderen Stellenwert zukommen zu lassen.440 Wegen dieses offensichtlichen Ungleichgewichts zum Nachweis von Staatenpraxis und der gleichzeitig nahezu einheitlichen Rechtsüberzeugung in der Staatengemeinschaft, welche sämtliche Ressourcen des Meeresbodens jenseits nationaler Hoheitsgewalt als gemeinsames Erbe der Menschheit ansieht, ist eine Entwicklung des Völkerrechts auf absehbare Zeit nur in eine Richtung möglich. Einige wenige Staaten sind allein in der Lage dazu, das Völkerrecht nach Belieben zu setzen. Selbst wenn durch deren Handlungen kein dauerhafter oder für die übrigen Staaten verbindlicher Rechtssatz geschaffen wird, so wäre die einseitige Bewirtschaftung der äußerst wertvollen Ressourcen auf dem Meeresboden solange zulässig, bis keine entgegenstehende Norm geschaffen wurde. Grundsätzlich wäre dagegen nichts einzuwenden, da eben jenes Lotus-Prinzip der souveränen Gleichheit unter den Staaten Rechnung trägt. Jeder könnte theoretisch davon profitieren, solange die Ökosysteme in Takt bleiben und nicht völlig ausgebeutet oder zerstört werden. Im Falle der genetischen Ressourcen des Meeresbodens handelt es sich allerdings weder um nachwachsende Pflanzen oder Tiere, noch um begrenzte mineralische Rohstoffvorkommen. Zwar sind genetische Ressourcen reproduzierbar. Da die Entschlüsselung der Erbinformationen der genetischen Ressourcen aber nur einmalig möglich ist, kann auch nur der Erste daraus wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Nutzen ziehen. Es ist folglich unerheblich, ob sich danach anderslautendes Völkerrecht entwickelt, das ausschließlich eine Bewirtschaftung zum Wohle der gesamten Menschheit für zulässig erklärt.
440 Dies ist zwar ständige Rechtsprechung des IGH, verbietet sich aber schon aus dem Prinzip der souveränen Gleichheit der Staaten, vgl. o. Kapitel 4, D. II. 3.
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Kap. 4: Anwendbarkeit des „Common Heritage of Mankind“-Prinzips
Dass eine Entwicklung des Völkerrechts nur in eine Richtung möglich ist, während sich der weit überwiegende Teil der Staatengemeinschaft dagegen nicht zur Wehr setzen kann, obwohl dort nachgewiesenermaßen eine opinio iuris besteht und mehrfach geäußert wurde, läuft dem völkergewohnheitsrechtlichen Konsensprinzip sowie dem Prinzip der souveränen Gleichheit der Staaten zuwider. Um beide Prinzipien zu wahren, muss eine Fortentwicklung desjenigen Rechtserzeugungsprozesses stattfinden, der zur Entstehung von Völkergewohnheitsrecht führt. Es kann nicht ernsthaft behauptet werden, dass das Vorhandensein einer bis heute zuhauf in entsprechendem Kontext geäußerten opinio iuris durch einen Großteil der Staatengemeinschaft noch keinen hinreichenden Beleg darstellt, sodass eine zusätzliche Bestätigung durch die Staatenpraxis erforderlich wäre. Denn nichts anderes als eine bloße Bestätigung einer vermuteten Rechtsüberzeugung stellt die Staatenpraxis dar.441 Von einer nicht nachgewiesenen Vermutung kann im Falle des CHM-Prinzips hinsichtlich der genetischen Ressourcen des Meeresbodens kaum mehr gesprochen werden, nachdem dies nunmehr über ein halbes Jahrhundert hinweg in sämtlichen damit befassten multilateralen Foren bejaht wurde, während dem nur wenige Staaten widersprachen. Durch das Vorbringen beharrlicher Einwendungen versuchen sie sich einen persistent objector-Status zu sichern, erkennen damit gleichzeitig aber das Bestehen einer völkergewohnheitsrechtlichen Regel an, wenn ein solches Vorbringen nicht ohnehin schon als verspätet anzusehen wäre.442 Es ist nach alledem kein Grund ersichtlich, im konkreten Fall an der Notwendigkeit einer Bestätigung durch übereinstimmende Staatenpraxis festzuhalten, denn das Vorhandensein einer opinio iuris steht nicht in Frage. Überdies kommt dem objektiven Element des Völkergewohnheitsrechts alleine keine normative Relevanz zu. Erst im Zusammenspiel mit einer entsprechenden Rechtsüberzeugung tritt das Bewusstsein der Staaten zu Tage, eine rechtlich verbindliche Handlung zu vollziehen, mithin eine Verpflichtung anzuerkennen. Die von den Staaten nachweislich in verschiedenen internationalen Foren geäußerte Rechtsüberzeugung ist folglich notwendig, aber auch ausreichend, um die genetischen Ressourcen des Meeresbodens zum gemeinsamen Erbe der Menschheit zu erklären.
441 IGH, Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. United States of America), ICJ Reports 1986, 14, Nr. 184: „The court must satisfy itself that the existence of the rule in the opinio juris of States is confirmed by practice.“ 442 Brownlie, Principles of Public International Law, 7th edn., 2008, 245 f.: „However, the dissident states, such as the United States, might be said to have the status of persistent objectors, having opposed the new customary rule while it was in the process formation; but to claim this status would involve conceding the existence of the new rule.“
Kapitel 5
Ausblick: Erforderlichkeit, Inhalt und Erfolgsaussichten eines vertraglichen Bewirtschaftungsregimes für die genetischen Ressourcen des Meeresbodens Das folgende Kapitel fasst zunächst die Ergebnisse der Kapitel 3 und 4 zusammen, in denen die Anwendbarkeit völkerrechtlicher Verträge und eines völkergewohnheitsrechtlichen CHM-Prinzips auf die Bewirtschaftung genetischer Ressourcen des Meeresbodens untersucht wurde. Auf der Grundlage dieses Ergebnisses erklärt sich, warum ein neues Bewirtschaftungssystem für die genetischen Ressourcen jenseits nationaler Hoheitsgewalt notwendig ist.1 In zahlreichen multilateralen Foren, insbesondere unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen und der Europäischen Union, hat es bislang Bemühungen um ein solches Regime gegeben.2 Inwieweit diese Bemühungen zielführend waren, wird die Untersuchung und Bewertung des aktuellen Entwicklungsstandes zeigen. Ein (ernüchternder) Teil der Antwort darauf lässt sich schon jetzt geben: Die vertragliche Kodifizierung eines Regimes zum Schutz und zur Bewirtschaftung genetischer Ressourcen jenseits nationaler Hoheitsgewalt ist bislang ausgeblieben.3 Daher macht der Autor im weiteren Verlauf eigene Vorschläge für den Regelungsinhalt eines neu zu schaffenden Regimes, um ein adäquates Bewirtschaftungssystem zu errichten. Die bereits etablierten völkerrechtlichen Prinzipien müssen dabei wegen der besonderen Eigenschaften dieser genetischen Ressourcen unter Umständen modifiziert werden, da diese selbst zwar wie lebende Ressourcen nachwachsen und damit bei nachhaltiger Bewirtschaftung grundsätzlich unerschöpflich und auch reproduzierbar sind. Gleichzeitig sind die in den Zellen dieser Mikroorganismen enthaltenen Erbinformationen jedoch nur begrenzt verwendbar, gleichsam erschöpflich, da nach ihrer einmaligen Entschlüsselung eine „Entwertung“ dieser Information eintritt. Dass bislang keine Antwort gefunden wurde, mag auch an dem sehr streitigen Zugangsund Nutzungsanspruch der Staaten liegen, sodass bei der Formulierung eines Vertragswerks insbesondere auf einen konsensfähigen Inhalt geachtet werden muss, der 1
Die Ergebnisse finden sich in Kapitel 3, D. und Kapitel 4, F. s. hierzu insb. die sog. „BBNJ-Working Group“ der Vereinten Nationen (Kapitel 5, B. I. 3.) und die „Gruppe Seerecht“ der Europäischen Kommission (Kapitel 5, B. II.). 3 Auch durch dynamische Auslegung der in Frage kommenden völkerrechtlichen Verträge kann keine Anwendbarkeit auf genetische Ressourcen erreicht werden, s. bspw. zum Gebietsregime Kapitel 3, B. II. 1. d). 2
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Kap. 5: Ausblick
die technologisch weiter fortgeschrittenen Industrienationen zu binden vermag.4 Schließlich werden auch vor diesem Hintergrund die tatsächlichen Erfolgsaussichten einer vertraglichen Kodifizierung erörtert, bevor dieser Teil mit einem Ergebnis endet.
A. Erforderlichkeit eines Bewirtschaftungsregimes Das internationale Seerecht ist so alt wie die Staaten, die es geschaffen haben.5 Im Laufe der Jahrhunderte gab es eine Vielzahl von Bewirtschaftungssystemen für die marinen Ressourcen der Meere, die etwa infolge machtpolitischer Erwägungen,6 fortschreitender Technisierung7 oder der Entdeckung neuer Ressourcen8 an die jeweiligen Umstände angepasst werden mussten. Die wohl bahnbrechendste Errungenschaft des Seerechts ist die von Hugo Grotius im Jahre 1609 formulierte „Freiheit der Meere“.9 Seitdem wird die Hohe See als res communis omnium betrachtet,10 wodurch dort etwa die Schifffahrt und die Fischerei jedem Staat gleichberechtigt zustehen.11 Das Okkupationsverbot der Hohen See ist darüber hinaus als ius cogens anerkannt.12 Diese Freiheiten sind seitdem durch zahlreiche Einschränkungen zu4
Eine auch im internationalen Seerecht während UNCLOS III praktizierte Lösungsmöglichkeit ist etwa die Herbeiführung eines Konsenses durch sog. „package deals“, vgl. Caminos/ Molitor, Progressive Development of International Law and the Package Deal, 79 AJIL (1985), 871 (889): „More than 150 states agreed to the consensus and package deal negotiating procedures that judicially bound this final category of provisions to the entire Convention package.“ 5 Henkin, How Nations Behave, 2nd edn., 1979, 212. 6 Vgl. die Entwicklung vom mare clausum zum mare liberum seit Beginn des 17. Jahrhunderts. 7 Vgl. die Änderung des Festlandsockelregimes vom sog. „Ausbeutbarkeitskriterium“ (Art. 1 FSÜ) zu einer geologisch-wissenschaftlich bestimmten Grenze (Art. 76 SRÜ). 8 Vgl. das Meeresbodenregime und die Etablierung des CHM-Prinzips für mineralische Ressourcen in Teil XI. des SRÜ. 9 Grotius, Mare Liberum sive de iure quod Batavis competit ad Indicana commercia dissertatio, 1618. 10 Crawford, Brownlie’s Principles of Public International Law, 8th edn., 2012, 251 f.; Colombos, The International Law of the Sea, 6th edn., 1967, 66: „[…] the legal position of the high seas is based on the conception that it is common and open to all nations.“; Durner, Common Goods, 2001, 140 f. 11 Wolfrum, in: Graf Vitzthum, Handbuch des Seerechts, 2006, 295, Rn. 8; teilweise wird noch zwischen der Hohen See als solcher (res communis) und ihren Ressourcen (res nullius) unterschieden, vgl. Kiss, The Common Heritage of Mankind: Utopia or Reality?, 40 Int’l J. (1984 – 1985), 423 (423 f.). 12 Graf Vitzthum, From the Rhodian Sea Law to UNCLOS III, in: Ehlers et al. (eds.), Marine Issues: From a Scientific, Political and Legal Perspective, 2002, 1 (9): „[…] the freedom of the seas has become a generally recognized principle of international law, even a norm of jus cogens.“; Nieto-Navia, International Peremptory Norms (Jus Cogens) and International
A. Erforderlichkeit eines Bewirtschaftungsregimes
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rückgedrängt worden. Die gestiegenen Bedürfnisse der Menschheit – etwa im Hinblick auf die Nahrungsbeschaffung aus dem Meer – haben diese Freiheiten durch maximal zulässige Fangmengen13 und die Pflicht zur zwischenstaatlichen Kooperation14 eingeschränkt, um jene Ressourcen zu erhalten und die überlebenswichtige Versorgung der Menschheit mit Nahrung auch in Zukunft sicherzustellen. Nukleargetriebene Schiffe, Supertanker, Schleppnetzfischerei und der Meeresbodenbergbau haben die Notwendigkeit des Meeresumweltschutzes auf die Tagesordnung gebracht und die Freiheit der Schifffahrt und der Fischerei von dessen Einhaltung abhängig gemacht.15 Die genetischen Ressourcen des Meeresbodens haben das große Potential, der gesamten Menschheit durch ihre besonderen Eigenschaften zu dienen. Seit ihrer Entdeckung herrscht Uneinigkeit über ihren rechtlichen Status, insbesondere ihre Zuordnung und Aneignungsfähigkeit; seitdem auch die technischen Mittel zu ihrer Bewirtschaftung vorhanden sind, werden die Unzulänglichkeiten des bisherigen Seerechts offensichtlich.16 Nachdem auch in der Biotechnologie erhebliche Fortschritte verzeichnet werden konnten, die den tatsächlichen und potentiellen wirtschaftlichen Wert der Ressourcen offengelegt haben,17 ist eine Anpassung notwendig. Veränderte Ansprüche an das Meer und seine Ressourcen machen auch eine Veränderung des Seerechts erforderlich. Waren die Gedanken Grotius‘ im 17. Jahrhundert – ungeachtet ihres „Auftragscharakters“ – auch von einer wegweisenden Vision getragen, so bedarf diese im 21. Jahrhundert (erneut) der Überarbeitung.18 Anscheinend ist es wieder einmal an der Zeit, das Seerecht zu modifizieren und an die neuen Umstände anzupassen und die völkerrechtlich gewährten Freiheiten – inklusive der Freiheiten der Hohen See – einem gemeinsamen Interesse der Menschheit unterzuordnen.19 Unter Umständen ist eine solche Unterordnung Humanitarian Law, in: Vorah et al. (eds.), Man’s Inhumanity to Man, Essays on International Law in Honour of Antonio Cassese, 2003, 595 (617). 13 Vgl. Art. 119 SRÜ; Fischfangquoten auf der Hohen See sind bislang nur regional vereinbart worden, vgl. für die EU: European Commission, Fishing TACs and quotas, 2014, abrufbar unter: http://ec.europa.eu/fisheries/cfp/fishing_rules/tacs/index_en.htm (zuletzt abgerufen am 01. 08. 2015). 14 Vgl. Art. 118 SRÜ. 15 Vgl. insb. Art. 192 ff. SRÜ und MARPOL 73/78. 16 Eine Art „aktuellen Defizitbericht“ zum 30-jährigen Bestehen des SRÜ gibt Oral, 1982 UNCLOS +30: Confronting New Complexities in the Protection of Biodiversity and Marine Living Resources in the High Seas, 106 Am. Soc’y Int’l L. Proc. (2012), 403 ff. 17 Jeffery, Bioprospecting: Access to Genetic Resources and Benefit-Sharing under the Convention on Biodiversity and the Bonn Guidelines, 6 Sing. J. Int’l & Comp. L. (2002), 747 (747): „The rapid advancement in science and biotechnology has increased the potential uses of genetic resources and, hence, their actual and potential economic value, prompting a surge of interest in these resources and stimulating their trade.“ 18 Scovazzi, The Concept of Common Heritage of Mankind and the Genetic Resources of the Seabed Beyond the Limits of National Jurisdiction, 25 Agenda Internacional (2007), 11 (22). 19 Oral, 1982 UNCLOS +30: Confronting New Complexities in the Protection of Biodiversity and Marine Living Resources in the High Seas, 106 Am. Soc’y Int’l L. Proc. (2012), 403
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Kap. 5: Ausblick
unter das CHM-Prinzip aber gar nicht erforderlich, wenn das gewünschte Ergebnis einer gerechten Ressourcenallokation auf anderem Wege erreicht werden kann. Etwa indem diese grundsätzlichen Freiheiten (der Hohen See) nur unter einer Bedingung gewährt werden.20 Dies ist auf der Hohen See ohnehin schon für sämtliche Aktivitäten unter dem Gesichtspunkt gegenseitiger Rücksichtnahme und Kooperation der Fall.21 Dazu müsste eine solche Bedingung zwar nicht zwingend die einzelstaatliche Bewirtschaftung genetischer Ressourcen auf dem Meeresboden ausschließen, wohl aber eine Pflicht zu gemeinnützigem Handeln begründen, wonach der die Summe aus Investitionskosten und einem fairen Gewinn für das jeweilige Unternehmen übersteigende Betrag unter der Staatengemeinschaft zu verteilen wäre.22 Leitidee ist jedenfalls die Herauslösung einer als gemeinschaftliche Sache angesehenen Ressource aus dem völkerrechtlichen Erlaubnisgrundsatz und ihre Nutzbarmachung für die gesamte Menschheit.23 Dies begründet durch völkerrechtlich anerkannte Prinzipien und Grundsätze, insbesondere aus Erwägungen zwischenstaatlicher Gerechtigkeit. Wie so oft liegt die Schwierigkeit dabei nicht in der neuen Idee selbst, sondern vielmehr darin, die alte Idee hinter sich zu lassen.24
I. Unzulänglichkeiten de lege lata Das moderne Seerecht konnte nach fast zehnjährigen Verhandlungen – und mehr als einer weiteren Dekade bis zu seinem Inkrafttreten – nahezu umfassend im Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen kodifiziert werden.25 Ungeachtet seines Umfangs und seines Anspruchs,26 enthält das SRÜ schwerwiegende Rege-
(406): „The regime of the high seas is entering a new phase. We have progressed from the open access regime of the 17th century, to the partial enclosure of UNCLOS III, and now to developing a regime to manage the global commons for the common interest of humanity.“ 20 Freestone, Problems of High Seas Governance, in: Vidas/Schei (eds.), The World Ocean in Globalisation: Climate Change, Sustainable Fisheries, Biodiversity, Shipping, Regional Issues, 2011, 99 (121 f.). 21 Vgl. Art. 87 Abs. 2 SRÜ: „Diese Freiheiten werden von jedem Staat unter gebührender Berücksichtigung der Interessen anderer Staaten an der Ausübung der Freiheit der Hohen See […] ausgeübt. 22 Vgl. etwa die Verpflichtung der Staaten zur Zusammenarbeit bei der Erhaltung und Bewirtschaftung der lebenden Ressourcen in den Gebieten der Hohen See gem. Art. 87 Abs. 2 i. V. m. Art. 116 lit. c), 117 f. SRÜ. 23 Das sog. „Lotus-Prinzip“ besagt, dass souveränen Staaten solange alles erlaubt ist, wie keine konkrete völkerrechtliche Verbotsnorm besteht. 24 Arnold, The Common Heritage of Mankind as a Legal Concept, 9 Int’l L. (1975), 153 (158): „However, the difficulty lies, not in the new idea, but in escaping from the old ones.“ 25 Graf Vitzthum, in: Graf Vitzthum, Handbuch des Seerechts, 2006, 46, Rn. 106. 26 Vgl. Präambel des SRÜ, wonach „die Vertragsstaaten […] von dem Bestreben geleitet [sind], alle das Seerecht betreffenden Fragen […] zu regeln“.
A. Erforderlichkeit eines Bewirtschaftungsregimes
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lungslücken für Gebiete jenseits nationaler Hoheitsgewalt.27 Im SRÜ ist insbesondere kein Regime zur Bewirtschaftung genetischer Ressourcen jenseits nationaler Hoheitsgewalt vorgesehen. Lebende Ressourcen des Meeresbodens werden im aktuellen internationalen Seerecht generaliter nur auf dem Festlandsockel,28 nicht aber jenseits nationaler Hoheitsgewalt erfasst. Daher ist derzeit kein völkerrechtliches Vertragswerk vorhanden, das ihre Bewirtschaftung (i. e. Zugang, Verteilung und Nutzung) regelt.29 Selbst wenn man mit der teilweise vertretenen Ansicht30 davon ausginge, dass das Regime der Hohen See aus Teil VII des SRÜ auf die genetischen Ressourcen des Meeresbodens mutatis mutandis Anwendung findet,31 dann wird zwar der einzelstaatliche Zugang zu diesen Ressourcen als Freiheit der Hohen See gewährt. Folglich bleibt damit nicht nur die Frage nach einer gerechten – und regelungsbedürftigen – Verteilung dieser wertvollen Ressourcen unbeantwortet, sondern auch deren eigene Erhaltung sowie die der sie umgebenden Ökosysteme auf dem Meeresboden. Diese extremophilen Lebewesen sind mit der übrigen Flora und Fauna der Erde nicht vergleichbar, da sie nicht durch pflanzliche Photosynthese, sondern durch Chemosynthese ihre Energie gewinnen.32 Daher kann deren Bewirtschaftung allenfalls bei einer ausschließlichen Verwendung zu Nahrungszwecken von den Freiheiten der Hohen See bzw. dem Erhaltungsmechanismus in Teil VII des SRÜ adressiert werden. Die Erhaltung der lebenden Ressourcen der Hohen See ist im SRÜ nur rudimentär geregelt und bezieht sich zumeist auf den Fischfang,33 sodass diese Erhaltungsmaßnahmen für die genetischen Ressourcen des Meeresbodens (und die sie umgebenden Ökosysteme) ohnehin nicht passen, da diese nicht als Nahrungsmittel dienen sollen.34 27 Freestone, The Final Frontier: The Law of the Sea Convention and Areas Beyond National Jurisdiction, 2012, 1 (2). 28 Vgl. zu den sog. „sesshaften Arten“ Art. 77 Abs. 4 SRÜ. 29 Vgl. Ergebnis in Kapitel 3; Arico/Salpin, Bioprospecting of Genetic Resources in the Deep Seabed: Scientific, Legal and Policy Aspects, 2005, 30: „There is currently no specific international regime addressing bioprospecting in the deep seabed.“ 30 Allen, Protecting the Oceanic Gardens of Eden: International Law Issues in Deep-Sea Vent Resource Conservation and Management, 13 Geo. Int’l Envtl. L. Rev. (2000 – 2001), 563 (659); Oude Elferink, The Regime of the Area: Delineating the Scope of Application of the Common Heritage Principle and Freedom of the High Seas, 22 Int’l J. Marine & Coastal L. (2007), 143 (144); Glowka, The Deepest of Ironies: Genetic Resources, Marine Scientific Research, and the Area, 12 Ocean Y. B. (1996), 154 (155); Proelß, Die Bewirtschaftung der genetischen Ressourcen des Tiefseebodens – Ein neues Seerechtsproblem?, NuR (2007), 650 (654). 31 Crawford, Brownlie’s Principles of Public International Law, 8th edn., 2012, 327. 32 Scovazzi, The Concept of Common Heritage of Mankind and the Genetic Resources of the Seabed Beyond the Limits of National Jurisdiction, 25 Agenda Internacional (2007), 11 (16). 33 Vgl. Art. 116 ff. SRÜ. 34 Scovazzi, Some Considerations on Future Directions for the International Seabed Authority, in: ISA, Proceedings of the Tenth Anniversary Commemoration of the Establishment of the International Seabed Authority, 2004, 162 (178): „While also the research for, and collection
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Kap. 5: Ausblick
Selbstverständlich könnte man argumentieren, dass der Zugang zu diesen Ressourcen mangels vertraglichen Regelungswillens der Staaten, allen offen stehen soll.35 Ein unregulierter Raubbau dieser Ressourcen ist von der Mehrheit der Staaten jedoch nicht gewollt. Vielmehr wird mehrheitlich ein Zugangs- und Verteilungssystem nach dem CHM-Prinzip befürwortet und als völkergewohnheitsrechtlich bindend betrachtet.36 Außerdem würde ein unbeschränkter Raubbau eine Gefährdung der mit den extremophilen Bakterien verbundenen Ökosysteme darstellen, da erstere den Grund für die Existenz letzterer darstellen. Auch wenn völkergewohnheitsrechtlich eine Anwendbarkeit des CHM-Prinzips für die genetischen Ressourcen des Meeresbodens begründet werden kann, so begegnet dieses Ergebnis erheblichem Widerspruch von Seiten jener Staaten, die unmittelbar vor einer Erschließung des Tiefseebodens zu stehen scheinen.37 Deren beharrlicher – aber nachträglicher – Widerspruch in neuerer Zeit kann diese heute zwar kaum mehr zu persistent objectors machen.38 Das CHM-Prinzip allein ist allerdings unvollkommen, weil es kein umfassendes Bewirtschaftungssystem bietet, sodass ungeachtet seiner umstrittenen völkergewohnheitsrechtlichen Geltung weiterhin Regelungsbedarf besteht. Die Anwendbarkeit des CHM-Prinzips bewirkt hinsichtlich der genetischen Ressourcen in Anlehnung an seine Elemente nur, dass (1) eine einzelstaatliche Aneignung verboten ist, (2) ihre Bewirtschaftung der Menschheit als Ganzes obliegt und (3) die sich aus ihrer Nutzung ergebenden Vorteile unter allen Mitgliedern der Staatengemeinschaft aufgeteilt werden.39 Soweit man ein völkergewohnheitsrechtliches CHM-Prinzip anerkennt, vermag dieses folglich nur den einzelstaatlichen Zugang verbieten und eine gerechte Verteilung des Ertrags per se zu bestimmen. Nach welchen Grundsätzen die genetischen Ressourcen selbst oder daraus entstehende Produkte oder ein diesbezüglicher Patentschutz aufgeteilt werden, ist nicht bestimmt. Zu einem vollständigen Bewirtschaftungssystem fehlt mithin eine Regelung über die Art und Weise der Bewirtschaftung. Dabei müssen die besonderen Eigenschaften der genetischen Ressourcen, namentlich die Erschöpfbarkeit der ihnen innewohnenden Informationen und ihr Wert für die gesamte Menschheit, of, organisms for genetic purposes may cause a risk to the preservation of biodiversity in the deep seabed, it would be illogical to apply to activities directed at the genetic material of the sea the rules of the UNCLOS relating to fishing and conservation and management of the living resources of the high seas (Articles 116 to 120).“ 35 So etwa die Vereinigten Staaten, die auch in der Zukunft kein Regelungsbedürfnis sehen. 36 Vgl. Ergebnis in Kapitel 4. 37 Report of the Ad Hoc Open-ended Informal Working Group to study issues relating to the conservation and sustainable use of marine biological diversity beyond areas of national jurisdiction and Co-Chairs’ summary of discussions, 68th Session, 2013, Nr. 19. 38 ILA, Statement of Principles applicable to the Formation of General Customary International Law, 2000, 27: „In other words, there is no ,subsequent objector‘ rule.“ 39 Zu den Elementen des CHM-Prinzips s. ausführlich Baslar, The Concept of the Common Heritage of Mankind in International Law, 1998, 79 ff.
A. Erforderlichkeit eines Bewirtschaftungsregimes
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berücksichtigt werden. Denn nicht ohne Grund können weder das Regime für mineralische Ressourcen, noch jenes für Fische als Modell dienen.
II. Erforderlichkeit einer Novellierung Die Errichtung eines neuen Bewirtschaftungssystems ist aus zwei Gründen erforderlich. Erstens vermag das vorhandene Völkerrecht die Bewirtschaftung genetischer Ressourcen nicht adäquat zu adressieren. Die Unvollkommenheit auch des – allenfalls völkergewohnheitsrechtlich anwendbaren – CHM-Prinzips selbst erzeugt das Bedürfnis einer neuen Regelung. Die bestehende Unvollkommenheit lässt insbesondere viele ressourcenspezifische Fragen offen: Wie wird der Zugang zu den genetischen Ressourcen gewährt? Wie werden diese selbst und wie der aus ihrer Nutzung gezogene Gewinn unter den Staaten aufgeteilt?40 Wie wird trotz Verteilungsmechanismus ein Anreiz für Investitionen geschaffen? Wer erhält das Recht an Patenten auf Produkte und Prozesse und wie lange? Besteht eine Pflicht zum Technologie- und Wissensaustausch? Sind bei der Bewirtschaftung (präventive) Maßnahmen hinsichtlich der Meeresumwelt zu beachten?41 Ein neues Regime zur Bewirtschaftung genetischer Ressourcen jenseits nationaler Hoheitsgewalt ist erforderlich, um diese Fragen zu beantworten. Denn Entdeckungen und Errungenschaften in Wissenschaft und Technik haben eine Regelungslücke offenbart, die mit dem völkerrechtlichen Erlaubnisgrundsatz nicht zufriedenstellend geschlossen werden kann. Auf völkervertraglicher Ebene besteht für die genetischen Ressourcen des Meeresbodens eine Regelungslücke, denn weder im SRÜ noch in einem anderen völkerrechtlichen Vertrag ist deren Bewirtschaftung geregelt. Außerdem besteht nach der Ansicht des überwiegenden Teils der Staatengemeinschaft ein Regelungsbedarf.42 Der Zugang zu Ressourcen, die nicht souveränen Rechten eines einzelnen Staates unterliegen, sich also jenseits nationaler Hoheitsgewalt befinden, ist damit – in Ermangelung einer völkervertraglichen Regelung – geprägt vom gewohnheitsrechtlichen Prinzip der Freiheit der Hohen See, i. e. der „first come, first served“- bzw. der „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“-Ansatz. Ursprünglich sollte auch dieses Prinzip die gerechte Verteilung einer Ressource sicherstellen. Nach der mittelalterlichen Mühlenordnung sollte an den öffentlich zugänglichen Mühlen das Getreide der Bauern unabhängig von Stand und Ansehen, nur nach dem Kriterium des Eintreffens an der Mühle gemahlen werden. Diese scheinbare Selbstverständlichkeit des Prioritätsprinzips – „wer zuerst kommt, mahlt 40 Churchill/Lowe, The Law of the Sea, 3rd edn., 1999, 253: „The Convention does not stipulate the manner in which the financial benefits are tob e shared out; only that the sharing should be ,equitable‘ (LOSC, art. 140).“ 41 Maßnahmen zum Umweltschutz sind auch an anderer Stelle ausführlich erörtert worden: Friedland, Der Schutz der biologischen Vielfalt der Tiefseehydrothermalquellen – ein internationales Regime für die genetischen Tiefseeressourcen, 2007. 42 s. u. Kapitel 5, B.
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Kap. 5: Ausblick
zuerst“ – galt zunächst als Gewohnheitsrecht und wurde schließlich in Eike von Repgows Sachsenspiegel kodifiziert. Im Völkerrecht gilt dieser Grundsatz für die Gebiete jenseits nationaler Hoheitsgewalt und die darin belegenen Ressourcen, wenn nicht völkerrechtliche Regeln eine Regulierung im Sinne eines Verbots, einer Beschränkung oder einer Bedingung vorsehen. So erfahren die Freiheiten der Hohen See etwa eine völkervertragliche Beschränkung durch das SRÜ, indem Fischfangquoten festgelegt werden können, die einen Grundbestand sichern sollen.43 Im Übrigen bleib das Prioritätsprinzip unangetastet. In Bezug auf die mineralischen Ressourcen im Gebiet ist eine einzelstaatliche Aneignung verboten; die Bewirtschaftung muss zum Wohle der gesamten Menschheit erfolgen.44 Es stellt sich daher die Frage, ob für die genetischen Ressourcen überhaupt eine Zugangsregulierung erforderlich ist? Warum kann nicht nach dem Prioritätsprinzip verfahren werden und – falls nicht – wie müsste ein anderes Bewirtschaftungsregime ausgestaltet sein? Das Prioritätsprinzip darf hier nicht zur Anwendung gelangen, weil der Zugang zum Meeresboden ohnehin nur einigen wenigen Staaten möglich ist. Bei genetischen Ressourcen handelt es sich um eine begrenzte, erschöpfliche Ressource. Dies nicht, weil sie in einem engeren Sinne nicht nachwachsen würde, sondern weil sie in einem weiteren Sinne „verbraucht“ wird. Denn das finanziell attraktive Kerngeschäft des Bioprospecting liegt in der Feststellung und Entschlüsselung wertvoller Erbinformationen sowie der Patentierung und schließlich der Vermarktung ihrer Produkte. Die erstmalige Patentierung macht eine weitere Patentierung wegen ihres ausschließlichen Charakters unmöglich und die Ressource damit wertlos. Genetische Ressourcen sind folglich ebenso begrenzt, wie der Orbit für geostationäre Satelliten und das Frequenzspektrum. Die Knappheit dieser Ressource macht eine Regulierung erforderlich.45 Der „first come, first served“-Ansatz würde folglich nicht die gerechte Verteilung einer gemeinschaftlichen, begrenzten Ressource sicherstellen, sondern das gegenteilige Ergebnis begünstigen.46 Zweitens ergeben sich bei der Bewirtschaftung der genetischen Ressourcen des Meeresbodens Besonderheiten, die eine Abgrenzung zu anderen lebenden oder nicht lebenden Ressourcen des Meeres, insbesondere zu solchen jenseits nationaler Hoheitsgewalt, erforderlich macht. Das Völkerrecht bewertet Ressourcen in Staatengemeinschaftsräumen unterschiedlich, indem es nach dem „Erschöpflichkeitskriterium“ trennt. Reproduzierbare bzw. nachwachsende Rohstoffe dürfen von jedermann jederzeit ausgebeutet werden. Ihre Bewirtschaftung muss nur nachhaltig sein, darf also die Grundsubstanz nicht vollständig zerstören.47 Nicht nachwachsende
43
Vgl. Art. 119 SRÜ. Vgl. Art. 137 Abs. 1 und 2 SRÜ. 45 Ogunbanwo, International Law and Outer Space Activities, 1975, 184 f. 46 Scovazzi, Open Questions on the Exploitation of Genetic Resources in Areas Beyond National Jurisdiction, 107 Am. Soc’y Int’l L. Proc. (2013), 119 (121). 47 Vgl. Art. 61 und 119 SRÜ. 44
A. Erforderlichkeit eines Bewirtschaftungsregimes
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Rohstoffe unterliegen dagegen sowohl auf dem Mond48 als auch auf dem Meeresboden49 ausschließlich dem Zugriff der Menschheit als Ganzes. Während dem ersten Anschein nach alle Staaten auf alle Rohstoffe jenseits nationaler Hoheitsgewalt zugreifen dürfen, liegt der entscheidende Unterschied in ihrer Regenerationsfähigkeit: Der Zugang zu nicht regenerativen Ressourcen und ihre Nutzung werden nur unter der Bedingung gewährt, dass der daraus resultierende Gewinn der gesamten Menschheit zusteht, d. h. in der Staatengemeinschaft aufgeteilt wird; der Ertrag regenerativer Ressourcen muss indes nicht geteilt werden. In der Praxis bedarf es für die erstgenannten Ressourcen eines Mechanismus, der Zugang, Nutzung und Verteilung überwacht und sicherstellt. Während also die Fische des Meeres dem einzelstaatlichen, weitgehend ungeregelten Zugang unterliegen, findet auf die mineralischen Ressourcen des Meeresbodens das CHM-Prinzip Anwendung. Genetische Ressourcen sind als Bewirtschaftungsobjekt mit keiner der beiden Bewirtschaftungsarten vergleichbar, sodass eine direkte Analogie ausscheidet. Ein neues Bewirtschaftungsregime muss sich daher an ihren besonderen Eigenschaften orientieren: @ jenseits nationaler Hoheitsgewalt belegen, @ nachwachsend bzw. regenerativ, aber @ Erbinformation nur einmal (gewinnbringend) verwendbar, @ vergleichsweise hohe Investitionskosten, aber @ schon eine kleine Menge birgt großes wirtschaftliches Potential. Der Belegenheitsort der genetischen Ressourcen des Meeresbodens in Gebieten jenseits nationaler Hoheitsgewalt unterscheidet sie von solchen auf dem Territorium eines Staates, die beispielsweise vom ABS-System des CBD erfasst werden.50 Es geht im Zuge der Bewirtschaftung auch nicht primär darum, eine Art vor dem Aussterben zu bewahren oder den Bestand ganzer Ökosysteme zu schützen. Denn die wertvolle Erbinformation ist bereits in einem DNS-Strang enthalten, die nach Entschlüsselung im Labor reproduzierbar wäre. Vielmehr sind genetische Ressourcen zwar – ähnlich den Fischen – in mehrfacher Ausführung vorhanden, aber – ähnlich den mineralischen Ressourcen – nur einmal gewinnbringend verwendbar. Im Vergleich zur Hochseefischerei sind sehr hohe Investitionskosten und spezielles Fachwissen erforderlich, um den Meeresboden in mehreren tausend Metern Tiefe zu erreichen. Gleichzeitig zielt das Bioprospecting nur auf eine sehr geringe Menge ab, die – ihre Geeignetheit vorausgesetzt – enormen wirtschaftlichen Gewinn verspricht. Daher sind eine Kombination beider Regime sowie eine Implementierung neuer Modi erforderlich, um ein neues Regime zu schaffen.
48 49 50
Vgl. Art. 11 MT. Vgl. Art. 136 f. SRÜ. Vgl. Art. 4 lit. a) i.V.m. Art. 15 Abs. 1 CBD.
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Kap. 5: Ausblick
Dennoch begegnet der Ruf nach einem neuen Regime auch kritischen Stimmen.51 Ob der aufkommenden Frustration über eine bislang ausgebliebene Regelung, stelle sich die Frage nach einem vernünftigen Grund für ein neues Bewirtschaftungssystem neben einem unstreitig benötigten Schutz für die Meeresumwelt. In einigen neueren Beiträgen zum Schutz und zur Bewirtschaftung genetischer Ressourcen des Meeresbodens kommen Zweifel daran auf, ob diese überhaupt einer Regelung bedürfen, etwa weil deren wissenschaftliches und wirtschaftliches Potential überbewertet worden sei. Glowka, der 1996 als einer der ersten auf das enorme wissenschaftliche Potential genetischer Ressourcen hingewiesen und Fragen nach einem gerechten Zugang dazu aufgeworfen hatte,52 zeichnet nun die Vision einer Gentechnik, die nicht mehr auf Feldforschung sondern auf frei zugänglichen Daten aus dem Internet basieren solle.53 Die Debatte um Zugang zu MGRs sei demzufolge obsolet.54 Hinsichtlich des finanziellen Ertrags habe man „unrealistische Erwartungen“ gehegt.55 Nach Leary dürfe der „fundamentalistische Ansatz“ derjenigen Staaten, die das CHM-Prinzip befürworten, nicht die Sicht auf das Kernproblem versperren.56 „Fundamentalistisch“ sei dieser Ansatz deswegen, weil ein stures Festhalten daran, eine konsensuale Lösung blockiere.57 Überdies dürfe man nicht dieselben Fehler begehen, wie schon bei den mineralischen Ressourcen, indem man etwas regelt, das noch nicht hinreichend erforscht ist. Ob die genetischen Ressourcen überhaupt wirtschaftlichen Wert besitzen, steht – entgegen vorheriger Einschätzungen58 – nunmehr offenbar in Frage.59 Im Kern ginge es schließlich eher um Patente und eine 51 Glowka, Evolving Perspectives on the International Seabed Area’s Genetic Resources: Fifteen Years after ,Deepest of Ironies‘, in: Vidas (ed.), Law, Technology and Science for Oceans in Globalisation, 2010, 397, und Leary, International Law and the Genetic Resources of the Deep Sea, in: Vidas (ed.), Law, Technology and Science for Oceans in Globalisation, 2010, 353. 52 Glowka, The Deepest of Ironies: Genetic Resources, Marine Scientific Research, and the Area, 12 Ocean Y. B. (1996), 154 (160). 53 Glowka, Evolving Perspectives on the International Seabed Area’s Genetic Resources: Fifteen Years after ,Deepest of Ironies‘, in: Vidas (ed.), Law, Technology and Science for Oceans in Globalisation, 2010, 397 (418). 54 Ibid. 55 Ibid., 414. 56 Leary, International Law and the Genetic Resources of the Deep Sea, in: Vidas (ed.), Law, Technology and Science for Oceans in Globalisation, 2010, 353 (365). 57 Leary, Moving the Marine Genetic Resources Debate Forward: Some Reflections, 27 Int’l J. Marine & Coastal L. (2012), 435 (437 f.). 58 Zuversichtlicher äußerte sich derselbe Autor zuvor noch in Leary, International Law and the Genetic Resources of the Deep Sea, 2007, 226: „There is very clear evidence of commercial and scientific interest in the biotechnology potential of hydrothermal vents species, especially microbial life forms. As scientific understanding of the deep sea grows and technology makes these areas more accessible the commercial interest will increase.“ 59 Glowka, Evolving Perspectives on the International Seabed Area’s Genetic Resources: Fifteen Years after ,Deepest of Ironies‘, in: Vidas (ed.), Law, Technology and Science for Oceans in Globalisation, 2010, 397 (414).
B. Überblick über den aktuellen Entwicklungsstand
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Verbindung beider Problemfelder – des Zugangs und der Patentierbarkeit – miteinander, als den Zugang allein.60 Die These, dass das Potential der genetischen Ressourcen des Meeresbodens überbewertet worden sei, vermag nicht zu überzeugen. Es ließen sich zahlreiche Beispiele anführen, die dies heute schon widerlegen und eine günstige Prognose zutreffender erscheinen lassen, als die scheinbare Wertlosigkeit dieser Organismen.61 Insbesondere kann aus einer anderslautenden Vermutung sowie der Frustration über das Nichtzustandekommen eines neuen Regimes nicht dessen Überflüssigkeit gefolgert werden. Die Staatengemeinschaft ist sich hinsichtlich des hohen Stellenwerts von MGRs einig, woraus die Notwendigkeit ihrer Erhaltung und einer nachhaltigen Nutzung abgeleitet wird.62 Richtig ist daher, dass Zugang und Verteilung genetischer Ressourcen Hand in Hand mit ihrer Patentierung, d. h. ihrer wirtschaftlichen Verwendung, zu regeln sind. Die Verknüpfung des Zugangs zu genetischen Ressourcen mit einer Patentierbarkeit von daraus geschaffenen Produkten oder Prozessen könnte sich als sinnvolle Option herausstellen, da Zweck des Bioprospecting schließlich die wirtschaftliche Nutzbarmachung durch Patentierung und Vermarktung ist. Möglicherweise können entsprechende Regelungen im internationalen Recht des geistigen Eigentums Defizite im Bereich des Seerechts ausgleichen. Eine – zusätzliche oder alleinige – Novellierung des internationalen Seerechts ist jedoch unumgänglich.
B. Überblick über den aktuellen Entwicklungsstand Die Staatengemeinschaft hat sich auf internationaler und regionaler Ebene seit Beginn des 21. Jahrhunderts in verschiedenen Foren mit den genetischen Ressourcen des Meeresbodens jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt beschäftigt. Dabei stand zunächst insbesondere der Schutz der Ressourcen selbst und der sie beheimatenden Ökosysteme auf der Tagesordnung. Seitdem in geringerer Tiefe, beispielsweise auf dem Festlandsockel, extremophile Bakterien erbeutet und deren Eigenschaften gewinnbringend eingesetzt werden konnten, rückt neben deren Schutz zunehmend auch die Kommerzialisierung ihrer genetischen Informationen in den Fokus der Betrachtung. Da sich der Großteil der Staatengemeinschaft nicht mit einem ungeregelten Zugang abfinden will, steht die Frage einer gerechten Res60
Leary, International Law and the Genetic Resources of the Deep Sea, in: Vidas (ed.), Law, Technology and Science for Oceans in Globalisation, 2010, 353 (367): „Simply, this issue is about patents and how any access and benefit-sharing regime might interact with the patent system. Getting mired down in debates about the common heritage of mankind diverts us from this core issue.“ 61 s. o. Kapitel 2, C. 62 BBNJ-Working Group, 63rd Session, 2008, UN Doc. A/63/79, Nr. 32: „Delegations agreed that marine genetic resources provided important ecosystems goods and services to humankind. Therefore, ensuring the conservation and sustainable use of marine biodiversity beyond areas of national jurisdiction was essential.“
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Kap. 5: Ausblick
sourcenverteilung in Staatengemeinschaftsräumen seit Beginn dieser multilateralen Prozesse im Raum. Die von den Vereinten Nationen und der Europäischen Union eingesetzten Arbeitsgruppen versuchen darauf eine Antwort zu finden. Im Folgenden wird über diese Entwicklungen jeweils ein historischer Überblick gegeben, bisherige Ergebnisse genannt und bewertet sowie eine Prognose hinsichtlich zukünftiger Vorhaben getroffen.
I. Internationale Entwicklungen Auf internationaler Ebene sind unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen mit Beginn des 21. Jahrhunderts drei Prozesse initiiert worden, die sich einerseits teilweise, andererseits ausschließlich mit der Bewirtschaftung genetischer Ressourcen jenseits nationaler Hoheitsgewalt befassen.63 1. Vertragsstaatenkonferenzen zum SRÜ Die Vertragsstaatenkonferenzen zum Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (Meeting of States Parties to the 1982 Convention on the Law of the Sea, SPLOS) haben schon dem Namen nach die Entwicklung des Seerechts auf Grundlage des SRÜ zum Gegenstand. Seit dem Inkrafttreten des SRÜ im Jahre 1994 beruft der Generalsekretär der Vereinten Nationen diese jährlichen Tagungen ein64 und „berichtet allen Vertragsstaaten […] über Fragen allgemeiner Art, die in Bezug auf dieses Übereinkommen entstanden sind“.65 Die genetischen Ressourcen des Meeresbodens sind dabei erstmalig im Rahmen der 16. Konferenz 2006 thematisiert worden: „With respect to biodiversity beyond national jurisdiction, several delegations addressed the subject of genetic resources, in particular the need to consider new approaches on the basis of the Convention to promote international cooperation and access and benefit sharing.“66
Der Anspruch der Staaten, internationale Kooperation sowie ein Zugangs- und Verteilungssystem voranzutreiben, zeigt deutlich, dass die genetischen Ressourcen als Gemeingut betrachtet werden und deren Bewirtschaftung ein gemeinsames Anliegen darstellt. Um diesen Anspruch sicherzustellen, vertreten mehrere Vertragsstaaten die Ansicht, dass die genetischen Ressourcen des Meeresbodens als 63 Informationen zum Meeting of the State Parties to the Convention, des UNICPOLOS und der BBNJ-Working Group finden sich bei der United Nations Division for Oceans and the Law of the Sea (UNDOALOS) unter http://www.un.org/Depts/los/index.htm (zuletzt abgerufen am 01. 08. 2015). 64 Vgl. Art. 319 Abs. 2 lit. e) SRÜ. 65 Art. 319 Abs. 2 lit. a) SRÜ. 66 United Nations Convention on the Law of the Sea, Meeting of State Parties, 16th Meeting, 2006, SPLOS/148, Nr. 87.
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gemeinsames Erbe der Menschheit anzusehen seien.67 Dieses Ergebnis wird dadurch erreicht, dass als Prämisse von einer Anwendbarkeit des Gebietsregimes aus Teil XI des SRÜ auch auf die genetischen Ressourcen ausgegangen wird: „Regarding marine genetic resources, some delegations stated that the regime for genetic resources was governed by the principles and provisions of the Convention and supported the idea that deep seabed genetic resources in areas beyond national jurisdiction were the common heritage of mankind.“68
Diese Ansicht begegnet jedoch erheblichen Bedenken69 und wird auch von ihren Vertretern selbst in Frage gestellt, wenn diese Staaten ein neues Vertragswerk zur „Vermeidung einer unregulierten und einzelstaatlichen Bewirtschaftung der genetischen Ressourcen“ fordern:70 „One delegation stated that in order to prevent a situation of unregulated and unilateral use of those resources, future negotiations should aim at adopting a binding instrument which would further elaborate the provisions of the Convention on marine scientific research on the basis of the principle of the common heritage of mankind.“71
Die Schaffung neuer Regelungen für den Zugang zu MGRs wäre gar nicht erforderlich, wenn man von einer Anwendbarkeit des SRÜ in diesem Falle ausgeht. Gleichwohl bliebe eine Regelung für die gerechte Verteilung der aus dieser Bewirtschaftung gezogenen Vorteile erforderlich, da das Verteilungssystem für mineralische Ressourcen hierauf nicht passt. Prämisse und Forderung stehen in einem Widerspruch zueinander. Um diesen Widerspruch aufzulösen, wird die Forderung nach einem neuen Regime im Rahmen der Vertragsstaatenkonferenz 2008 entsprechend angepasst: „In relation to marine genetic resources beyond areas of national jurisdiction, a delegation stated that the seabed, ocean floor and subsoil thereof and their resources in areas beyond national jurisdiction constituted the common heritage of mankind, and that there should be a fair and equitable distribution of the benefits arising from their use, whether for scientific or commercial purposes.“72
Während an der Anwendbarkeit des CHM-Prinzips für die genetischen Ressourcen festgehalten wird, soll die Verteilung der aus ihrer Bewirtschaftung gewonnenen Vorteile ungeachtet der späteren Verwendung „billig und gerecht“ erfolgen. Der Zugang zu genetischen Ressourcen wird vom CHM-Prinzip bestimmt; 67 United Nations Convention on the Law of the Sea, Meeting of State Parties, 17th Meeting, 2007, SPLOS/164, Nr. 103 und 18th Meeting, 2008, SPLOS/184, Nr. 113. 68 United Nations Convention on the Law of the Sea, Meeting of State Parties, 17th Meeting, 2007, SPLOS/164, Nr. 103. 69 Vgl. o. Kapitel 3, B. II. 1. d). 70 United Nations Convention on the Law of the Sea, Meeting of State Parties, 16th Meeting, 2006, SPLOS/148, Nr. 87. 71 Ibid. 72 United Nations Convention on the Law of the Sea, Meeting of State Parties, 18th Meeting, 2008, SPLOS/184, Nr. 113.
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Kap. 5: Ausblick
ein Verteilungsmechanismus muss noch eingerichtet werden. Prämisse und Forderung stehen nun wieder im Einklang miteinander. Einigkeit – im Sinne einer Zustimmung durch Schweigen – scheint zwar grundsätzlich dahingehend zu bestehen, dass die genetischen Ressourcen des Meeresbodens hinsichtlich ihres Schutzes und ihrer Bewirtschaftung einer Regelung zugeführt werden müssen.73 Allerdings wird nicht von allen Vertragsstaaten die Schaffung eines neuen Regimes bevorzugt. Teilweise fallen die Äußerungen auch zurückhaltender aus: Es sollten vielmehr die bereits für die biologische Vielfalt unter staatlicher Hoheitsgewalt bestehenden Systeme gestärkt und auf deren effektive Umsetzung hingewirkt werden, bevor ein neues Vertragswerk ausgearbeitet wird.74 Dies ist wohl als Verweis auf das ABS-System des CBD zu verstehen. Die geforderte Evaluation der „bestehenden Vertragswerke und ihrer Mittel“ schließt auch und insbesondere das SRÜ selbst mit ein.75 Dieser Weg sei zunächst zu beschreiten, bevor man sich auf Diskussionen über ein neues Bewirtschaftungssystem einlasse.76 Als ein solches Mittel wird die Internationale Meeresbodenbehörde angesehen. Ihre Befugnisse würden nicht nur die mineralischen Ressourcen im Gebiet erfassen, sondern sie spiele auch bezüglich anderer Tätigkeiten im Gebiet eine Rolle.77 Diese Befugnisse beziehen sich jedoch nur dann auf Tätigkeiten im Gebiet, wenn und soweit diese mit der Bewirtschaftung der mineralischen Ressourcen des Meeresbodens im Zusammenhang stehen – beispielsweise der Schutz der Meeresumwelt nach Art. 145 SRÜ vor negativen Auswirkungen des Tiefseebergbaus auf die marine Flora und Fauna.78 Für die Regulierung der Bewirtschaftung der dort belegenen genetischen Ressourcen selbst hat die ISA (noch) keinen Auftrag.79 Daher werden die 73
United Nations Convention on the Law of the Sea, Meeting of State Parties, 16th Meeting, 2006, SPLOS/148, Nr. 87 und 21st Meeting, 2011, SPLOS/231, Nr. 113: „The hope was expressed for rapid development of a legal regime for marine genetic resources in areas beyond national jurisdiction.“ 74 Ibid. 75 United Nations Convention on the Law of the Sea, Meeting of State Parties, 18th Meeting, 2008, SPLOS/184, Nr. 113. 76 Ibid. 77 United Nations Convention on the Law of the Sea, Meeting of State Parties, 17th Meeting, 2007, SPLOS/164, Nr. 105. 78 Vgl. Art. 1 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. Art. 133 lit. a) SRÜ. 79 Armas Pfirter, The Management of Seabed Living Resources in „The Area“ under UNCLOS, 11 REEI (2006), 1 (27); Churchill/Lowe, The Law of The Sea, 3rd edn., 1999, 240; De la Fayette, A New Regime for the Conservation and Sustainable Use of Marine Biodiversity and Genetic Resources Beyond the Limits of National Jurisdiction, 24 Int’l J. of Marine & Coastal L. (2009), 221 (236); Hayes, Charismatic Microfauna: Marine Genetic Resources and the Law of the Sea, in: Nordquist et al. (eds.), Law Science & Ocean Management, 2007, 683 (688). Rothwell/Stephens, The International Law of the Sea, 2010, 136; Scovazzi, Some Considerations on Future Directions for the International Seabed Authority, in: ISA, Proceedings of the Tenth Anniversary Commemoration of the Establishment of the International Seabed Authority, 2004, 162 (162); Wood, The international Seabed Authority: Fifth to Twelfth Sessions (1999 – 2006), 11 MPYUNL (2007), 47 (58 f.).
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Befugnisse der Behörde im Rahmen der Vertragsstaatenkonferenz 2011 eher als eine wünschenswerte zukünftige Aufgabe formuliert: „A view was expressed that the role of the Authority was not restricted to mineral resources but should cover all resources, including marine genetic resources of the Area.“80
Durch die genetischen Ressourcen des Meeresbodens sollten sich anfänglich sowohl neue Möglichkeiten als auch neue Herausforderungen ergeben.81 Bislang ist es überwiegend bei den Herausforderungen geblieben. Schon zu Beginn der Thematisierung in der Vertragsstaatenkonferenz zum SRÜ zeigt sich eine Divergenz zwischen den proaktiv agierenden Staaten auf der einen Seite und den passiv abwartenden Staaten auf der anderen Seite. Zwischen den Jahren 2006 und 2011 wurden Zugang, Verteilung und Nutzung der genetischen Ressourcen des Meeresbodens zwar innerhalb dieses Forums adressiert. Es wurde allerdings weder eine mögliche Anwendbarkeit der bestehenden Vertragswerke untersucht, noch konkrete Vorschläge für ein neues Vertragswerk gemacht. Beide Optionen werden stets mit derselben zirkulären Argumentation zunichte gemacht: Ein neues Vertragswerk sei nicht erforderlich, da die bestehenden Werkzeuge in principio herangezogen werden sollten. Diese vermögen die genetischen Ressourcen des Meeresbodens allerdings nicht zu erfassen; insbesondere sei eine Anwendbarkeit des CHM-Prinzips ausgeschlossen.82 Damit bleiben die genetischen Ressourcen des Meeresbodens – trotz des scheinbar von allen Vertragsstaaten bekundeten Willens, zügig ein rechtliches System dafür zu entwickeln83 – unreguliert. In den folgenden Konferenzen der Jahre 2012 und 2013 sind die genetischen Ressourcen nicht mehr thematisiert worden, sodass aus diesem Forum wohl keine Impulse mehr zu erwarten sind. 2. Der Beratungsprozess der Vereinten Nationen über die Ozeane und das Seerecht Der von der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 24. November 1999 geschaffene Beratungsprozess über die Ozeane und das Seerecht (United Nations Open-ended Informal Consultative Process on Oceans and the Law of the Sea, UNICPOLOS)84 kam im Jahre 2000 zu seiner ersten Konferenz zusammen.85 Seitdem tagen die unter diesem Dach zusammengefassten Mitglieder der Vereinten 80 United Nations Convention on the Law of the Sea, Meeting of State Parties, 21st Meeting, 2011, SPLOS/231, Nr. 76. 81 ISGH, Press Release, 1999, ITLOS/Press 20, 3. 82 So auch die ganz h.M.; vgl. etwa Lehmann, The Legal Status of Genetic Resources of the Deep Seabed, 11 N. Z. J. Envtl. L. (2007), 33 (52): „Genetic resources in the Area are not regulated.“ 83 United Nations Convention on the Law of the Sea, Meeting of State Parties, 21st Meeting, 2011, SPLOS/231, Nr. 113. 84 UNGA, 54th Session, 1999, UN Doc. A/RES/54/33. 85 UNICPOLOS, 1st Meeting, 55th Session, 2000, UN Doc. A/55/247.
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Kap. 5: Ausblick
Nationen jährlich, um – unter Berücksichtigung des SRÜ und Kapitel 17 der Agenda 2186 – Themen zu bearbeiten und vorzuschlagen, die von der UNGA in Betracht gezogen werden sollten, um den Bericht des Generalsekretärs über die Ozeane und das Seerecht zu unterstützen sowie die Koordination und die Kooperation zwischen den Staaten auf dem Gebiet des Seerechts zu verbessern.87 Im Rahmen der zweiten UNICPOLOS-Konferenz 2001 ließ der damalige stellvertretende Generalsekretär des United Nations Office of Legal Affairs (UNOLA), Hans Corell, verlauten, dass man sich um die Entwicklung eines Regimes für genetische Ressourcen des Meeres bemühe.88 Insbesondere die Delegation Norwegens wies während der Konferenz des Jahres 2003 auf die wertvollen genetischen Ressourcen an Kaltwasser-Korallenriffen hin, die etwa unter Einschluss der International Coral Reef Initiative (ICRI) geschützt werden müssten.89 Nachdem das Verlangen nach einer zwischenstaatlichen Kooperation folglich zunächst nur den Schutz bzw. die Erhaltung (conservation) der genetischen Ressourcen und ihrer Ökosysteme zum Gegenstand hatte, rückte kurz darauf auch ihre Bewirtschaftung in den Blick der Staaten. So wurde etwa von der Delegation der Niederlande auch für die nachhaltige Nutzung (sustainable use) dieser Ressourcen ein rechtlicher Rahmen gefordert.90 Da jedoch sowohl das SRÜ als auch das CBD nicht in der Lage seien, die genetischen Ressourcen des Meeresbodens jenseits nationaler Hoheitsgewalt adäquat zu adressieren, müsse nach einer anderen Lösung gesucht werden.91 Hierzu werden drei mögliche Optionen angeregt: „The options for addressing these issues include, inter alia, [(1)] maintaining the status quo, [(2)] using the legal regime of the Area and its resources under UNCLOS as a framework and
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Kapitel 17 der Agenda 21 befasst sich u. a. mit der nachhaltigen Nutzung der lebenden Ressourcen der Ozeane, wobei der Fokus auf den Fischen der Hohen See liegt, vgl. bspw. UNCED, Agenda 21, 1992, Chapter 17, Nr. 17.1. lit. c) und 17.44. ff. 87 UNGA, 54th Session, 1999, UN Doc. A/RES/54/33, Nr. 2: „Decides, consistent with the legal framework provided by the United Nations Convention on the Law of the Sea and the goals of chapter 17 of Agenda 21, to establish an open-ended informal consultative process in order to facilitate the annual review by the General Assembly, in an effective and constructive manner, of developments in ocean affairs by considering the Secretary General’s report on oceans and the law of the sea and by suggesting particular issues to be considered by it, with an emphasis on identifying areas where coordination and cooperation at the intergovernmental and inter-agency levels should be enhanced; […].“ 88 UNICPOLOS, 2nd Meeting, 56th Session, 2001, UN Doc. A/56/121, Annex I, Nr. 18. 89 UNICPOLOS, 4th Meeting, 58th Session, 2003, UN Doc. A/AC.259/10, Nr. 5: „Biological diversity is particularly rich on these reefs, and they are of major importance […] as a source of marine genetic resources. It is therefore of utmost importance that they be given appropriate protection. “. 90 UNICPOLOS, 4th Meeting, 58th Session, 2003, UN Doc. A/AC.259/8, Nr. 18 ff. 91 Ibid., Nr. 18: „The provisions of UNCLOS and the Convention on Biological Diversity are complementary and mutually supportive, but they do not provide a specific legal regime for the conservation and sustainable use of marine genetic resources in deep seabed areas beyond national jurisdiction.“
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[(3)] amending the Convention on Biological Diversity to extend its scope to components of biodiversity beyond national jurisdiction.“92
Die Beibehaltung des status quo erscheint aus mehreren Gründen nicht als ernsthaft in Erwägung zu ziehende Alternative.93 Die Ausweitung des Gebietsregimes des SRÜ auf genetische Ressourcen oder die Ausdehnung des Anwendungsbereichs des CBD auf die biologische Vielfalt jenseits nationaler Hoheitsgewalt könnten auf den ersten Blick zielführend sein. Das SRÜ regelt den Zugang für alle Staaten und die gerechte Verteilung der Vorteile unter ihnen nach dem CHMPrinzip und das CBD hält ein ABS-System für genetische Ressourcen bereit. Beide Alternativen sind jedoch für sich genommen unzureichend, denn das CHM-Prinzip selbst legt nur das „Ob“, nicht aber das „Wie“ der Verteilung von Vorteilen fest;94 das ABS-System des CBD kann zwar die nachhaltige Nutzung genetischer Ressourcen befördern, nicht aber deren Verteilung, da es grundsätzlich von einzelstaatlichen souveränen Rechten hinsichtlich dieser Ressourcen ausgeht.95 Außerdem ist das CBD gegenüber dem SRÜ bezüglich der Meeresumwelt als subsidiär anzusehen, sodass eine zweigleisige vertragliche Änderung Konfliktpotential i.S.v. Auslegungsschwierigkeiten birgt.96 Im Rahmen der fünften Konferenz 2004 wurde zunächst darum gebeten, umfassende Informationen über die Methoden zur Identifizierung, Bewertung und Beobachtung der genetischen Ressourcen, über ihren Zustand und ihre Entwicklung, einschließlich der Benennung von Bedrohungen, zu sammeln.97 Zudem zeigt sich auch in diesem Forum das bekannte Abbild der widerstreitenden Ansichten der Staaten hinsichtlich des Rechtsstatus genetischer Ressourcen auf dem Meeresboden: Während diese nach teilweise vertretener Ansicht als gemeinsames Erbe der Menschheit anzusehen seien und außerdem den Regeln über die wissenschaftliche Meeresforschung unterliegen sollten,98 gehen andere Staaten im Falle des Bioprospecting von einer Regelungslücke aus,99 wodurch dies den Freiheiten der Hohen See unterfallen würde.100 Im Zusammenhang mit der wissenschaftlichen Meeresfor92
Ibid. UNICPOLOS, 12th Meeting, 66th Session, 2011, UN Doc. A/66/186, Nr. 42. 94 Eine analoge Anwendung des Verteilungsmechanismus für mineralische Ressourcen scheidet überdies wegen der besonderen Eigenschaften genetischer Ressourcen aus, vgl. bereits oben Kapitel 5, A. II. 95 Vgl. Art. 15 Abs. 1 CBD. 96 Vgl. Art. 22 Abs. 2 CBD. 97 UNICPOLOS, 5th Meeting, 59th Session, 2003, UN Doc. A/59/122, Nr. 61. 98 UNICPOLOS, 5th Meeting, 59th Session, 2003, UN Doc. A/59/122, Nr. 90; die Vertreter der Staaten rekurrieren in diesem Zusammenhang nicht nur – wie üblich – auf das CHM-Prinzip des SRÜ, sondern auch auf die UNGA-Resolution 2749 (XXV) („Declaration of Principles“), um ihre Argumentation zu stützen. 99 Ibid., Nr. 93. 100 Für die widerstreitenden Ansichten zu „wissenschaftlicher Meeresforschung“ und „Biorprospecting“ vgl. ausführlich o. Kapitel 3, B. V. 1. 93
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Kap. 5: Ausblick
schung wird erstmals auch die weitere Verwendung der daraus gewonnenen Forschungsergebnisse in den Blick genommen: „Access to the biodiversity and genetic resources in the Area should be equitable and subject to the regime of marine scientific research. The derivatives of such research should be subject to benefit-sharing, on a non-discriminatory basis.“101
Nicht nur die Ressourcen selbst sollen einer gerechten Verteilung unter den Staaten zugeführt werden, sondern auch die auf einer zweiten Stufe u. U. gewonnenen Erkenntnisse. Die Forderung nach einer diskriminierungsfreien Verteilung von Forschungsergebnissen ist mit dem von Art. 144 SRÜ hinsichtlich des im Rahmen des Tiefseebergbaus verlangten Technologietransfers vergleichbar. Im Unterschied zum Tiefseebergbau liegt beim Bioprospecting der Wert der abgebauten Ressourcen jedoch nicht bereits in den Ressourcen selbst, sondern erst in denjenigen Produkten und Prozessen, die unter Verwendung ihrer Eigenschaften „erfunden“ werden. Denn mangels „erfinderischer Tätigkeit“102 ist ein Schutz der Ressource selbst durch das Recht des geistigen Eigentums nicht möglich.103 Die Forderung nach einer diskriminierungsfreien Verbreitung von Forschungsergebnissen schließt im Ergebnis mithin eine gewinnbringende Patentierung dieser Erkenntnisse für ein einzelnes (staatliches oder privates) Unternehmen aus. Umgekehrt würde die unangemessene Inanspruchnahme des Immaterialgüterrechts solche Staaten benachteiligen, die mangels vorhandener Technologie derzeit gar kein Bioprospecting vornehmen können sowie ihre jetzigen und folgenden Generationen der daraus gezogenen Vorteile berauben.104 Dass jedoch, ob des gewaltigen Investitionsaufwandes, ein gewisser Anreiz für die Bewirtschaftung der genetischen Ressourcen des Meeresbodens geschaffen werden bzw. Bestand haben muss, scheint zwischen den Staaten unstreitig zu sein.105 Die achte Konferenz befasste sich 2007 zwar auf dieser Grundlage dezidiert mit MGRs und berichtete der UNGA sodann von den Ergebnissen der in den Ausschüssen geleisteten Vorarbeit.106 Allerdings wurde an der Forderung einer Verbreitung von aus der wissenschaftlichen Meeresforschung (die hier von den Staaten als Oberbegriff für das Bioprospecting verwendet wird) gewonnenen Forschungs101
Ibid., Nr. 90. Art. 27 Abs. 1 TRIPS-Abkommen. 103 Correa, Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights – A Commentary on the TRIPS Agreement, 2007, 273: „Hence, the extension of the concept of invention to genes and other matters found in nature cannot be deemed universally accepted or incorporated in the TRIPS Agreement.“; Zewers, Bright Future for Marine Genetic Resources, Bleak Future for Settlement of Ownership Rights: Reflections on the United Nations Law of the Sea Consultative Process on Marine Genetic Resources, 5 Loy. U. Chi. Int’l L. Rev. 2 (2007 – 2008), 151 (159). 104 UNICPOLOS, 5th Meeting, 59th Session, 2003, UN Doc. A/59/122, Nr. 90. 105 UNICPOLOS, 8th Meeting, 62th Session, 2007, UN Doc. A/62/169, Nr. 18 und Nr. 100: „The view was expressed that Governments needed to provide incentives for research, as opposed to disincentives that increased commercial risk.“ 106 Ibid., Nr. 15. 102
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ergebnissen und eines diesbezüglichen Technologietransfers festgehalten.107 Der wissenschaftliche Informationsaustausch solle durch vereinfachten Zugang zu Forschungsergebnissen und die Einrichtung offener Datenbanken erreicht werden.108 Dabei rückt das Patent als Mittel des Anreizes zu wissenschaftlicher Meeresforschung und der Beförderung von Innovation zunehmend in den Hintergrund: Es gebe auch andere Möglichkeiten, Erfindungen zu schützen;109 das Patentregime der WIPO hinsichtlich der „Neuartigkeit“ bereits existierender Lebensformen sei zu hinterfragen;110 und schließlich könne die Gewährung von Rechten geistigen Eigentums im Ergebnis zu weniger frei zugänglichem Wissen führen.111 Patente werden folglich nicht erst nach der erfolgreichen Extraktion und Erforschung des Organismus wichtig, sondern haben bereits bei der Entschließung zu einem Forschungsvorhaben große Bedeutung. Soweit darüber hinaus Eigentumsrechte an Forschungsergebnissen grundsätzlich in Frage gestellt werden, ist ein unternehmerischer Wille zum Bioprospecting mangels Anreiz kaum mehr vorstellbar.112 Ungeachtet des notwendigen wirtschaftlichen Anreizes, stellt sich die Frage einer possessorischen Zuordnung der genetischen Ressourcen selbst ebenfalls bereits zu Beginn und muss dort erstmalig entschieden werden. Wiederholt sprechen sich einige Staaten für die CHM-Lösung als vorzugswürdige der möglichen Optionen aus.113 Weder solle ein neues Regime demjenigen der Hohen See gleichgestellt werden, noch könne ein innerhalb der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt anwendbares ABS-System als Grundlage verwendet werden.114 Es verbleiben mithin einzig die Elemente des CHM-Prinzips. Dass eine „ausgewogene und wirkungsvolle Nutzung“ von MGRs in Gebieten jenseits nationaler Hoheitsgewalt sichergestellt werden müsse, folge aus der Präambel des SRÜ:115 „[…] in der Erkenntnis, dass es wünschenswert ist, durch dieses Übereinkommen unter gebührender Berücksichtigung der Souveränität aller Staaten eine Rechtsordnung für die Meere und Ozeane zu schaffen, die […] die ausgewogene und wirkungsvolle Nutzung ihrer Ressourcen, die Erhaltung ihrer lebenden Ressourcen […] fördern wird; […].“116 107
Ibid., Nr. 21. Ibid., Nr. 38 f. 109 Ibid., Nr. 46. 110 Ibid., Nr. 47. 111 Ibid: „Some delegations were concerned that the application for intellectual property rights may essentially result in less knowledge being available in the public domain.“ 112 Ibid.: „Some delegations further highlighted the issue of ownership of research results as an important consideration.“ 113 Ibid., Nr. 71. 114 Ibid.: „They argued that the regime applicable to marine genetic resources should not be equated to that governing marine living resources in the high seas. These delegations thus noted that access and benefit sharing could not be based on contractual approaches relevant to areas within national jurisdiction, but rather on principles of the common heritage of mankind.“ 115 Ibid. 116 Vgl. Präambel des SRÜ. 108
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Kap. 5: Ausblick
Die „ausgewogene“ (equitable) Nutzung der Ressourcen ist hier nicht im Sinne einer nachhaltigen Bewirtschaftung, sondern vielmehr im Sinne ihrer gerechten Verteilung unter den Staaten zu verstehen. Denn einerseits wird die Nachhaltigkeit nachfolgend unmittelbar durch die „Erhaltung ihrer lebenden Ressourcen“ adressiert. Andererseits ergibt sich dies aus der Entstehungsgeschichte der Präambel: Der von der Delegation Fidschis für die G77 eingebrachte Entwurf, der auch als Grundlage für den späteren Vertragstext diente,117 berücksichtigt im dritten Absatz die Notwendigkeit „gerechte und ausgewogene Bedingungen für die Bewirtschaftung mariner Ressourcen“ zu schaffen.118 Der Inhalt dieses Absatzes wurde schließlich unter den Absätzen 4 und 5 aufgeteilt,119 wobei letzterer die gerechte Verteilung von Ressourcen außerdem durch eine Bezugnahme auf die NWWO unterstreicht.120 Die gerechte Verteilung von Ressourcen gilt mithin generell für das Seerecht und findet ihren konkreten Ausdruck etwa in den Elementen des CHMPrinzips, wonach die Vorteile aus der Nutzung des gemeinsamen Erbes der Menschheit als Ganzes zustehen. Von dieser generellen Prämisse ausgehend, sei ein unregulierter, einzelstaatlicher Zugang zu den genetischen Ressourcen nicht zulässig, weil dieser eben nicht „ausgewogen“ sei.121 Hinsichtlich der Anwendbarkeit eines Rechtsregimes auf die genetischen Ressourcen jenseits nationaler Hoheitsgewalt sind von den teilnehmenden Staaten im Rahmen von UNICPLOS drei verschiedene Ansichten geäußert worden. Erstens wird davon ausgegangen, dass das vertraglich im SRÜ kodifizierte CHMPrinzip sowohl die mineralischen als auch die genetischen Ressourcen des Meeresbodens erfasse:
117 Nordquist (ed.), United Nations Convention on the Law of the Sea 1982: A Commentary, Vol. I, 1985, 458, Rn. 10. 118 Third United Nations Conference on the Law of the Sea, Draft text of preamble proposed by Fiji on behalf of the Group of 77, Volume IX, Plenary, Resumed 7th Session, 1978, UN Doc. A/CONF.62/L.33: „Bearing further in mind the need to lay down just and equitable conditions for the exploitation of the resources of the sea with a view to establishing a new international economic order in accordance with the relevant United Nations resolutions and safeguarding the special interests and needs of the developing countries, […].“ 119 Third United Nations Conference on the Law of the Sea, Report of the President on the work of the informal plenary meeting of the Conference on the preamble, Volume XIII, Plenary, 9th Session, 1980, UN Doc. A/CONF.62/L.49. 120 Vgl. Abs. 5 der Präambel des SRÜ: „in dem Bewusstsein, dass die Erreichung dieser Ziele zur Verwirklichung einer gerechten und ausgewogenen internationalen Wirtschaftsordnung beitragen wird, […].“ 121 UNICPOLOS, 8th Meeting, 62th Session, 2007, UN Doc. A/62/169, Nr. 73: „In addition, some delegations noted that marine genetic resources beyond areas of national jurisdiction could thus not be subject to free access and private ownership, as those models were not equitable.“
B. Überblick über den aktuellen Entwicklungsstand
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„[…] article 133 of the Convention, could not be interpreted as excluding marine genetic resources in the deep seabed beyond areas of national jurisdiction from the umbrella of the common heritage of mankind.“122
Ein zukünftiges ergänzendes Abkommen zum SRÜ solle klarstellen, dass die genetischen Ressourcen ebenfalls unter das CHM-Prinzip des SRÜ fallen.123 Zweitens geht ein anderer Teil der Staaten davon aus, dass diese genetischen Ressourcen zwar nicht unter das Gebietsregime aus Teil XI des SRÜ fallen und sich auch jenseits der Befugnisse der ISA befinden, wohl aber vom Regime der Hohen See in dessen Teil VII adressiert würden.124 Hier seien insbesondere die Vorschriften über die „Erhaltung und Bewirtschaftung der lebenden Ressourcen der Hohen See“125 maßgeblich.126 Diese böten die notwendige Dynamik für eine nachhaltige Nutzung.127 Ein neues Regelwerk werde weder benötigt, noch sei ein solches erwünscht; überdies würde ein Regime, das in die Freiheiten der Hohen See eingreift, abgelehnt werden.128 Drittens halten weitere Staatenvertreter schließlich weder Teil XI noch Teil VII des SRÜ für anwendbar.129 Im Ergebnis gehen diese Staaten mithin von einer rechtlichen Lücke im SRÜ aus, die es mittels eines neuen Vertragswerks zu schließen gilt: „They proposed that a comprehensive and practical framework for exploring and exploiting all marine genetic resources in areas beyond national jurisdiction should be developed by the international community within the framework of the Convention in order to protect and preserve those resources and for access and benefit-sharing.“130
Das neue Vertragswerk solle einem ganzheitlichen Ansatz („integrated approach“) folgen und dadurch Bewirtschaftung und Schutz genetischer Ressourcen sowohl des Meeresbodens als auch der darüber liegenden Wassersäule jenseits nationaler Hoheitsgewalt regeln.131 Während die Errichtung eines neuen Regimes einerseits kategorisch als überflüssig abgelehnt wird, wird diese andererseits – sei es zur Bestätigung eines als (gewohnheitsrechtlich) vorhanden angesehenen Prinzips oder als Lückenfüller eines 122
Ibid., Nr. 72. Ibid.: „However, notwithstanding the fact that it was clear under the Convention that marine genetic resources were part of the common heritage of mankind, any future implementing agreement to the Convention should clarify that point.“ 124 Ibid., Nr. 74. 125 Vgl. Art. 117 f. SRÜ. 126 UNICPOLOS, 8th Meeting, 62th Session, 2007, UN Doc. A/62/169, Nr. 74. 127 Ibid., Nr. 79. 128 Ibid. 129 Ibid., Nr. 75. 130 Ibid. 131 Ibid. 123
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Kap. 5: Ausblick
nicht bedachten Umstands – als notwendig angesehen. Doch selbst wenn man das Regime der Hohen See aus Teil VII zugunsten einer einzelstaatlichen Zugangsbefugnis für anwendbar erklärte, so ist darin keine Regelung hinsichtlich der Art und Weise der Bewirtschaftung enthalten. Denn das SRÜ kennt keine genetischen Ressourcen und ist daher insoweit unvollkommen, weil es weniger eine Rechtslücke als vielmehr eine Regelungslücke aufweist. Alles Vorbringen jener Staaten, die auf ein neues Regelwerk drängen, ist offenbar durch die gerechte Verteilung der aus der Nutzung der Ressourcen gezogenen Vorteile motiviert.132 Aus ihrer Sicht ist das Prinzip vom gemeinsamen Erbe der Menschheit das bevorzugte Mittel, um dieses Ziel zu erreichen.133 Wenn von anderen Staatenvertretern nicht ausdrücklich auf das CHM-Prinzip Bezug genommen wird, so wird jedenfalls deutlich, dass Zugang und Vorteilsausgleich („access and benefit-sharing“) reguliert werden müssen und mithin nicht einem Staat alleine zustehen sollen.134 Der Wille zur Beteiligung aller Staaten umfasst dabei teilweise nicht nur die genetischen Ressourcen selbst, sondern erstreckt sich auch auf Forschungsergebnisse und dabei eingesetzte Technologien.135 Eine erzwungene Weitergabe dieser Informationen macht den wirtschaftlichen Faktor des Bioprospecting zunichte, weil es die Grundlage für eine gewinnbringende Patentierung entzieht und nimmt damit gleichzeitig jeglichen Anreiz für die kostenaufwändige Erforschung der Ressourcen des Meeresbodens. Die Risiken der Bewirtschaftung genetischer Ressourcen werden allerdings nur bei entsprechendem Anreiz übernommen.136 Ohne das Hinzutreten anderer ausgleichender Anreize ist diese Methode folglich kaum konsensfähig. Dies hat bereits der erzwungene Technologietransfer im Rahmen des Tiefseebergbaus gezeigt.137 Erst durch das Durchführungsübereinkommen zu Teil XI aus dem Jahr 1994, das die Verpflichtung zum Technologietransfer zugunsten der Industrienationen stark abschwächte,138 wurde das das SRÜ in seiner Gesamtheit konsensfähig und konnte dadurch schließlich in Kraft treten.139 Richtigerweise ist daher beim Zugang und nicht bei der nachfolgenden wirtschaftlichen Verwertung durch Vertrieb und Patentierung anzusetzen. Eine solche Zugangsregelung soll nach dem Willen der meisten Staaten gepaart mit einem Verteilungs- und Erhaltungssystem als ganzheitliches Bewirt132
UNICPOLOS, 5th Meeting, 59th Session, 2003, UN Doc. A/59/122, Nr. 90. UNICPOLOS, 8th Meeting, 62th Session, 2007, UN Doc. A/62/169, Nr. 71. 134 Ibid., Nr. 75: „[…] a comprehensive and practical framework for exploring and exploiting all marine genetic resources in areas beyond national jurisdiction should be developed in order to protect and preserve those resources and for access and benefit-sharing.“ 135 Ibid., Nr. 100. 136 Ibid., Nr. 18. 137 Vgl. Art. 144 SRÜ. 138 Talmon, Law of the Sea, in: Volger (ed.), A Concise Encyclopedia of the United Nations, 2nd edn., 2010, 466 (471). 139 Anderson, Resolution and Agreement Relating to the Implementation of Part XI of the UN Convention on the Law of the Sea: A General Assessment, 55 ZaöRV (1995), 275 (287): „These provisions should allay the fears of all concerned.“ 133
B. Überblick über den aktuellen Entwicklungsstand
241
schaftungssystem durch ein ergänzendes Abkommen („implementing agreement“) zum SRÜ verwirklicht werden.140 Seit 2011 haben sich die UNICPOLOS-Konferenzen nicht mehr mit MGRs jenseits nationaler Hoheitsgewalt befasst. Einstweilen konnte sich folglich die blockierende Haltung derjenigen Staaten – namentlich Australien, Island und die USA141 – durchsetzen, die eine Anwendung und Umsetzung bestehender Vertragswerke fordern.142 Immerhin wird auch auf die Arbeit der sog. „BBNJ-Working Group“143 Bezug genommen, die eine solche Identifizierung nur als Zwischenschritt zur Errichtung eines neuen Regimes ansieht und die den Staffelstab insoweit übernommen zu haben scheint.144 3. Die BBNJ-Working Group der Vereinten Nationen Am 17. November 2004 setzte die UNGA eine Ad Hoc-Arbeitsgruppe ein, um die Erhaltung und die nachhaltige Nutzung der marinen biologischen Vielfalt in Gebieten jenseits nationaler Hoheitsgewalt in einem multilateralen Forum adressieren zu können.145 Die Delegierten dieser sog. „BBNJ-Working Group“ haben ihre Tätigkeit im Jahre 2006 aufgenommen und seitdem in unregelmäßigen Abständen sieben weitere Male am Hauptsitz der Vereinten Nationen in New York getagt. Im Anschluss an die jeweiligen Konferenzen erstattet die Arbeitsgruppe der UNGA einen Bericht in Form eines Briefs ihrer Vorsitzenden an den Präsidenten der Generalversammlung. Auf die Arbeitsgruppe wird durch UNICPOLOS146 sowie die SPLOS147 immer wieder Bezug genommen und in Fragen der Erhaltung und nachhaltigen Nutzung mariner biologischer Vielfalt konsultiert, sodass diese – trotz ihrer vergleichsweise späten Einsetzung – zumindest hinsichtlich der Bewirtschaftung genetischer Ressourcen des Meeresbodens eine Vorreiterrolle einzunehmen scheint. Da die BBNJ-Working Group unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen steht, kann sie der gesamten Staatengemeinschaft als Plattform dienen. Die Arbeitsgruppe nimmt den Gedanken und Sachstand der thematisch mit ihr verwandten internationalen Foren, namentlich SPLOS und UNICPOLOS, auf und 140
UNICPOLOS, 12th Meeting, 66th Session, 2011, UN Doc. A/66/186, Nr. 71 und 8th Meeting, 62th Session, 2007, UN Doc. A/62/169, Nr. 75: „[…] a comprehensive and practical framework […] should be developed by the international community within the framework of the Convention […].“ 141 IISD, 25 ENB 14 (2005), 1; abrufbar unter: http://www.iisd.ca/oceans/icp6/ (zuletzt abgerufen am 01. 08. 2015). 142 UNICPOLOS, 12th Meeting, 66th Session, 2011, UN Doc. A/66/186, Nr. 72. 143 BBNJ = Biodiversity Beyond National Jurisdiction; zur Arbeitsgruppe selbst s. sogleich. 144 UNICPOLOS, 15th Meeting, 69th Session, 2014, UN Doc. A/69/90, Nr. 10. 145 UNGA, 59th Session, 2004, UN Doc. A/RES/59/24, Nr. 73. 146 UNICPOLOS, 12th Meeting, 66th Session, 2011, UN Doc. A/66/186, Nr. 40. 147 United Nations Convention on the Law of the Sea, Meeting of State Parties, 23rd Meeting, 2013, SPLOS/263, Nr. 81.
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Kap. 5: Ausblick
knüpft an die dort gefundenen Ergebnisse an. Dabei ergeben sich Wiederholungen, aber auch Präzisierungen, da allein die biologische Vielfalt jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt im Fokus der Beratungen steht. Aufgrund dieses vergleichsweise engen Aufgabenbereichs wird eine unmittelbare Befassung mit dem Kernthema sichergestellt. Ein Schwerpunkt der Konferenzen liegt dabei auf der rechtlichen Bewertung der Bewirtschaftung genetischer Ressourcen in der Hohen See und im Gebiet, einschließlich eines diesbezüglichen Vorteilsausgleichs.148 Im Mittelpunkt der Diskussion über die Bewirtschaftung genetischer Ressourcen stehen die Vorschriften des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen.149 Während grundsätzlich Einigkeit dahingehend besteht, dass der status quo ungenügend sei,150 herrscht Uneinigkeit, wie dieses Problem zu lösen ist.151 Die Staatenvertreter machen hierzu die bereits aus anderen Foren bekannten Lösungsvorschläge. Einige Delegationen erachten das Regime der Hohen See aus Teil VII des SRÜ für anwendbar.152 Nach Ansicht dieser Staaten, zu denen neben den USA etwa auch Kanada, Russland und Island gehören,153 bestehe mithin keine rechtliche Lücke,154 sodass weder ein neues Regime zur Bewirtschaftung der genetischen Ressourcen geschaffen werden müsse, noch eine Ausweitung des Mandats der ISA erforderlich sei: „[…] these resources were covered by the regime of freedom of the high seas, which provided the legal framework for all activities relating to them, in particular marine scientific research. These delegations did not agree that there was a need for a new regime to address the exploitation of marine genetic resources in areas beyond national jurisdiction or to expand the mandate of the International Seabed Authority.“155
Darüber hinaus würde ein neues Vorteilsausgleichssystem sowohl die Forschung als auch die Entwicklung an genetischen Ressourcen des Meeresbodens erschweren, wovon letztlich doch die gesamte Menschheit profitiere.156 Daher solle man eher auf
148 BBNJ-Working Group, 61st Session, 2006, UN Doc. A/61/65, Nr. 71 ff.; 66th Session, 2011, UN Doc. A/66/119, Nr. 15 ff.; 67th Session, 2012, UN Doc. A/67/95, Nr. 15 ff.; 68th Session, 2013, UN Doc. A/68/399, Nr. 27 ff. 149 BBNJ-Working Group, 66th Session, 2011, UN Doc. A/66/119, Nr. 19. 150 Ibid., Nr. 42: „It was generally recognized that the status quo was not a sustainable situation, nor an acceptable option.“ 151 Vgl. bspw. BBNJ-Working Group, 67th Session, 2012, UN Doc. A/67/95, Nr. 15. 152 BBNJ-Working Group, 65th Session, 2010, UN Doc. A/65/68, Nr. 72. 153 IISD, Briefing Note on UNGA WG on Marine Biodiversity (2010), 2, abrufbar unter: http://www.iisd.ca/oceans/marinebiodiv3/ (zuletzt abgerufen am 01. 08. 2015). 154 BBNJ-Working Group, 61st Session, 2006, UN Doc. A/61/65, Nr. 30. 155 Ibid., Nr. 72. 156 BBNJ-Working Group, 65th Session, 2010, UN Doc. A/65/68, Nr. 75.
B. Überblick über den aktuellen Entwicklungsstand
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eine Selbstkontrolle der wissenschaftlichen Gemeinschaft durch Richtlinien und Verhaltensregeln hinwirken.157 Zahlreiche andere Delegationen hingegen halten das bisherige Regelwerk für nicht anwendbar oder nicht ausreichend.158 Insbesondere war zunächst fraglich, ob eine Verbindung zwischen der im SRÜ genannten wissenschaftlichen Meeresforschung (MSR) und dem zur Extraktion von Erbinformationen führenden Bioprospecting besteht.159 Von einigen wird eine Trennung beider Verfahren gefordert, von anderen eine Einbeziehung des Bioprospecting in MSR: „The suggestion was made that international regulations on the sharing of benefits arising from the utilization of marine genetic resources beyond areas of national jurisdiction should be discussed separately from marine scientific research. On the other hand, the view was expressed that the definition of marine scientific research should be expanded to include marine technology and bioprospecting and that consideration should be given to the distinction between pure and applied research.“160
Es besteht mithin Einigkeit dahingehend, dass die Verwendung biologischer Organismen des Meeresbodens zu kommerziellen Zwecken, i. e. Bioprospecting – jedenfalls de lege lata –, nicht unter das MSR-Regime des SRÜ fällt. Im weiteren Verlauf wurden zahlreiche völkerrechtliche Prinzipien angeführt, die die Notwendigkeit einer vertraglichen Regulierung aufzeigen. So zogen diese Delegationen etwa einen Vergleich zu den mineralischen Ressourcen im Gebiet und sprechen sich dafür aus, auch die dort belegenen genetischen Ressourcen als gemeinsames Erbe der Menschheit anzusehen, da nur dadurch ein gerechter Vorteilsausgleich erreicht werden könne.161 Gerechtigkeit ist das vorherrschende Prinzip, wenn der Zugang zu und die Verteilung von genetischen Ressourcen in Rede stehen. Der Vorteilsausglich hinsichtlich genetischer Ressourcen müsse von Gerechtigkeitserwägungen geleitet sein.162 Ließe man die einzelstaatliche Ausbeutung genetischer Ressourcen jenseits nationaler Hoheitsgewalt mangels eines anwendbaren Regimes zu, so habe dies nicht nur erhebliche wirtschaftliche und gesellschaftliche Folgen.163 Das völkerrechtliche Gerechtigkeitsprinzip verbiete überdies
157
BBNJ-Working Group, 63rd Session, 2008, UN Doc. A/63/79, Nr. 33. So bspw. Argentinien, Brasilien, Südafrika, Sri Lanka, Trinidad und Tobago, Indien sowie die G77 und China, vgl. IISD, Briefing Note on UNGA WG on Marine Biodiversity (2010), 2, abrufbar unter: http://www.iisd.ca/oceans/marinebiodiv3/ (zuletzt abgerufen am 01. 08. 2015). 159 BBNJ-Working Group, 61st Session, 2006, UN Doc. A/61/65, Nr. 29. 160 BBNJ-Working Group, 68th Session, 2013, UN Doc. A/68/399, Nr. 27. 161 BBNJ-Working Group, 61st Session, 2006, UN Doc. A/61/65, Nr. 29. 162 Ibid. 163 BBNJ-Working Group, 67th Session, 2012, UN Doc. A/67/95, Nr. 16. 158
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Kap. 5: Ausblick
eine derartige Bewirtschaftung.164 Im Zuge der Bewirtschaftung solle sich die Staatengemeinschaft von den Zielen der Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt des Meeres leiten lassen.165 Der „first come, first served“Gedanke der Freiheiten der Hohen See sei mit dem Ziel der nachhaltigen Nutzung mariner Ressourcen allerdings nicht vereinbar.166 Außerdem spreche die „symbiotische Verbindung“ der genetischen Ressourcen mit den mineralischen und anderen lebenden Ressourcen in der Umgebung für eine gleichartige Behandlung.167 Die an Hydrothermalquellen beheimateten Extremophilen benötigen einerseits etwa dort austretende Sulfide zur Chemosynthese und bilden damit andererseits die Nahrungsgrundlage anderer Organismen, etwa von Röhrenwürmern. Um u. a. die Bewirtschaftung genetischer Ressourcen wirksam zu regulieren, könne das Mandat der ISA erweitert werden.168 Erstaunlicherweise bildet die Anwendbarkeit des CHMPrinzips bzw. eine Befugnis der Behörde hier erstmalig nicht mehr (nur) die Prämisse, sondern gibt diese als erstrebenswertes Ziel aus.169 Zwar wird das CHMPrinzip teilweise auch weiterhin als Rechtssatz mit völkergewohnheitsrechtlicher Geltung beansprucht.170 Allerdings wird gleichzeitig ein neues und umfassendes Regelwerk, als Durchführungsabkommen zum SRÜ, gefordert: „Many delegations called for the elaboration of a comprehensive legal regime, through an implementing agreement to the Convention, that would take into consideration all aspects related to marine biodiversity beyond areas of national jurisdiction, including conservation, sustainable use and equitable sharing of benefits thereof, capacity-building and transfer of marine technology.“171
Diese Forderung ist mehrfach wiederholt worden.172 Zudem solle die Arbeitsgruppe ihr Augenmerk nicht auf die Bestimmung eines (möglicherweise) anwend-
164 BBNJ-Working Group, 68th Session, 2013, UN Doc. A/68/399, Nr. 27: „Several delegations expressed the view that this was also inconsistent with general principles of international law, including those on equity.“ 165 BBNJ-Working Group, 66th Session, 2011, UN Doc. A/66/119, Nr. 17. 166 Ibid. 167 BBNJ-Working Group, 61st Session, 2006, UN Doc. A/61/65, Nr. 29. 168 Ibid. 169 Ibid.: „[…] a number of delegations stated that, in accordance with their understanding of the principle of the common heritage of mankind, access to genetic resources in the deep seabed beyond areas of national jurisdiction should be, in principle, like the mineral resources in the Area, subject to the sharing of benefits based on consideration of equity.“ (Herv. d. Verf.) 170 BBNJ-Working Group, 63rd Session, 2008, UN Doc. A/63/79, Nr. 36; 65th Session, 2010, UN Doc. A/65/68, Nr. 71; 66th Session, 2011, UN Doc. A/66/119, Nr. 15: „They also observed that, according to General Assembly resolution 2749 (XXV) and Part XI of the Convention, which they considered part of customary international law, the Area and its resources were the common heritage of mankind.“ 171 BBNJ-Working Group, 66th Session, 2011, UN Doc. A/66/119, Nr. 42. 172 63th Session, 2008, UN Doc. A/63/79, Nr. 37; 65th Session, 2010, UN Doc. A/65/68, Nr. 74 f.; 68th Session, 2013, UN Doc. A/68/399, Nr. 27.
B. Überblick über den aktuellen Entwicklungsstand
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baren Regimes richten, sondern sich vielmehr dem Entwurf von Regeln für den Zugang zu genetischen Ressourcen und ihrem Vorteilsausgleich widmen.173 Die Vorschläge der BBNJ-Working Group zielen auf ein umfassendes Regime für die Bewirtschaftung genetischer Ressourcen ab, wobei sowohl eine gerechte Verteilung als auch die Erhaltung und nachhaltige Nutzung im Mittelpunkt stehen. Dabei sollen nicht nur die genetischen Ressourcen des Meeresbodens, sondern auch solche der darüber liegenden Wassersäule adressiert werden. Das SRÜ stellt bezüglich der Rechte und Pflichten von Staaten grundsätzlich auf die jeweilige Meereszone ab. Dies gilt auch für die dort belegenen Ressourcen. Beispielsweise übt der Küstenstaat über die lebenden Ressourcen auf dem äußeren Festlandsockel – i. e. jenseits von 200 sm ab der Basislinie – nach Art. 77 Abs. 1 und 4 SRÜ ausschließliche souveräne Rechte zum Zweck ihrer Ausbeutung aus. Diejenigen lebenden Ressourcen, die nicht zu den sog. „sesshaften Arten“ gehören und sich in der Wassersäule unmittelbar darüber befinden, unterfallen jedoch den Freiheiten der Hohen See aus Teil VII des SRÜ und dürfen mithin von allen Staaten ausgebeutet werden.174 Während dem Küstenstaat im ersten Fall nur ein Recht zur Ausbeutung gewährt wird, ihm nicht aber eine Pflicht zur Erhaltung obliegt, treffen die Staaten im zweiten Fall Erhaltungs- und Kooperationspflichten.175 Werden die lebenden Ressourcen des Festlandsockels infolge rücksichtsloser Ausbeutung durch den Küstenstaat zerstört, so betrifft dies auch die in der Nahrungskette nachfolgenden Organismen der Hohen See. Die zonengeleitete Herangehensweise erscheint aus völkerrechtlicher Sicht zwar durchaus praktikabel und gerecht. Tatsächlich lassen sich die marinen Ökosysteme aber nicht durch Meereszonen begrenzen. Auch die Lebewesen im Gebiet bilden mit denen der Hohen See ein gemeinsames Ökosystem, das oftmals durch symbiotische Verbindungen geprägt ist.176 Eine künstliche Trennung würde den natürlichen Umständen nicht gerecht und wirft bereits heute die vorgenannten Widersprüche auf. Vor diesem Hintergrund vermag der ganzheitliche Ansatz („integrated approach“) der BBNJ-Working Group gerade im Hinblick auf lebende Ressourcen zu überzeugen.177 Nicht nur für die Erhaltung, sondern auch für die Bewirtschaftung muss die Betrachtung der genetischen Ressourcen in ihrem na173 BBNJ-Working Group, 61st Session, 2006, UN Doc. A/61/65, Nr. 71: „[…] the Working Group should not focus on the definition of the legal regime applicable to the genetic resources of the seabed but on the drafting of norms regarding the access and the distribution of benefits derived from their exploitation […].“ 174 Vgl. Art. 87 SRÜ. 175 Vgl. Art. 117 f. SRÜ. 176 Auf dem Mittelatlantischen Rücken (MAR) leben Muscheln in Symbiose mit Chemosynthese-Bakterien an Hydrothermalquellen, s. Duperron et al., A Dual Symbiosis Shared by two Mussel Species, Bathymodiolus Azoricus and Bathymodiolus Puteoserpentis (Bivalvia: Mytilidae), from Hydrothermal Vents along the Northern Mid-Atlantic Ridge, 8 Environmental Microbiology (2006), 1441 ff. 177 BBNJ-Working Group, 65th Session, 2010, UN Doc. A/65/68, Nr. 76: „Several delegations stressed the need to address marine genetic resources beyond areas of national jurisdiction on the basis of integrated and ecosystem approaches.“
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Kap. 5: Ausblick
türlichen Habitat und nicht innerhalb einer künstlich geschaffenen Meereszone handlungsleitend sein. Dieser Ansatz trägt der engen Verbindung zwischen Bewirtschaftung und Erhaltung einerseits und Meeresboden und darüber liegender Wassersäule andererseits Rechnung.178 Der ganzheitliche Regulierungsansatz entfernt sich zugunsten einer ökosystemaren Betrachtungsweise („ecosystem approach“)179 zunehmend von einem zonalen bzw. sektoralen Verständnis des Meeres,180 wie es seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts – insbesondere durch das SRÜ – geprägt wurde.181 Selbstverständlich stößt dieser Regulierungsansatz nicht ausschließlich auf fruchtbaren Boden, weil jeder Regulierung eines per se „freien Marktes“ auch Verbote inhärent sind. Daher wird vielfach auf völkervertraglicher und -gewohnheitsrechtlicher Ebene an den Freiheiten der Hohen See festgehalten.182 Die Delegierten bringen jedoch mehrheitlich zum Ausdruck, dass es eines neuen Regelwerkes bedarf, sodass den Konferenzen der Arbeitsgruppe zusammenfassend folgende Vorschläge entnommen werden können: (1) Ein umfassendes Regelwerk für die Bewirtschaftung genetischer Ressourcen jenseits nationaler Hoheitsgewalt soll als ergänzendes Abkommen (implementing agreement) zum SRÜ geschaffen werden.183 (2) Das Mandat der Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA) könne zu diesem Zweck erweitert werden.184 (3) Das ergänzende Abkommen soll ein ABS-System beinhalten, das einen gerechten Vorteilsausgleich auf Grundlage des CHM-Prinzips herbeiführt.185 178 Beslier, The Protection and Sustainable Exploitation of Genetic Resources of the High Seas from the European Union’s Perspective, 24 Int’l J. Marine & Coastal L. (2009), 333 (336): „Even if it is not obvious from a technical or legal point of view, there is a very strong political link between the question of the protection of MGR and the legal regime governing its exploitation.“ 179 Zur Notwendigkeit einer ganzheitlichen Betrachtungsweise von Ökosystemen s. Rosenberg, Regional Governance and Ecosystem-Based Management of Ocean and Coastal Resources: Can We Get There from Here?, 16 Duke Envtl. L. & Pol’y F. (2005 – 2006), 179 (182 f.). 180 BBNJ-Working Group, 68th Session, 2013, UN Doc. A/68/399, Nr. 49. 181 Vgl. Graf Vitzthum, in: Graf Vitzthum (Hrsg.), Handbuch des Seerechts, 2006, 39 f., Rn. 89 f.: „Die geopolitisch inspirierten Festlandsockel-Proklamationen, die 1945 einsetzten, waren der Startschuss für einen sich beschleunigenden Prozess der Verzonung des Küstenvorfelds.“ 182 Vgl. zuletzt noch BBNJ-Working Group, 68th Session, 2013, UN Doc. A/68/399, Nr. 19. 183 BBNJ-Working Group, 66th Session, 2011, UN Doc. A/66/119, Nr. 42. 184 BBNJ-Working Group, 61st Session, 2006, UN Doc. A/61/65, Nr. 71 und 65th Session, 2010, UN Doc. A/65/68, Nr. 74. 185 BBNJ-Working Group, 61st Session, 2006, UN Doc. A/61/65, Nr. 29, 71 und 68th Session, 2013, UN Doc. A/68/399, Nr. 27: „Several delegations expressed the view that access and benefit-sharing related to marine genetic resources of areas beyond national jurisdiction was a key issue that should be addressed, including in any future normative instrument.“
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(4) Zur Erreichung der Ziele soll das Regelwerk außerdem bestimmte allgemeine Grundsätze und Prinzipien des (See- und Umwelt-)Völkerrechts enthalten:186 @ das Nachhaltigkeitsprinzip,187 @ das Vorsorgeprinzip,188 @ die ganzheitliche Betrachtung von Ökosystemen,189 @ eine Umweltverträglichkeitsprüfung190 sowie @ die Verbreitung von Forschungsergebnissen191 und einen Technologietransfer.192 Im Vergleich zu anderen internationalen Foren, die sich in der Betonung ihrer widerstreitenden Meinungen verlieren, werden im Rahmen der BBNJ-Working Group schnell konkrete Vorschläge präsentiert und Verbindungen zwischen den einzelnen Themen aufgezeigt. Dies wird insbesondere durch die sog. „Draft Resolution on Oceans and the Law of the Sea“ deutlich, die konkrete Vorstellungen für den Anwendungsbereich und die Rahmenbedingungen eines neuen Regimes manifestiert und damit den Grundstein eines neuen vertraglichen Abkommens unter dem Dach des Seerechtsübereinkommens legte.193 Konkrete Aussagen zu der Bewirtschaftung genetischer Ressourcen werden darin allerdings nicht getroffen. Diese finden nur insoweit Erwähnung, als dass ihre herausgehobene Bedeutung festgestellt wird; eine Stellungnahme oder ein Bekenntnis zu gerechtem Zugang und Vorteilsausgleich fehlt.194 Das CHM-Prinzip findet keine Erwähnung. Dabei war das CHM-Prinzip zuvor stets Ausgangspunkt und Verbindungsstück aller Überlegungen, weil es im Sinne eines ganzheitlichen Ansatzes sowohl den Schutz der Meeresumwelt als auch ihre Bewirtschaftung anspricht.195 Schließlich könne man insbesondere diese beiden Themen als Verhandlungspaket (sog. „pack186
BBNJ-Working Group, 68th Session, 2013, UN Doc. A/68/399, Nr. 48 f. BBNJ-Working Group, 65th Session, 2010, UN Doc. A/65/68, Nr. 76. 188 Ibid. 189 Ibid., Nr. 76 und 68th Session, 2013, UN Doc. A/68/399, Nr. 49. 190 BBNJ-Working Group, 66th Session, 2011, UN Doc. A/66/119, Nr. 30 ff. 191 BBNJ-Working Group, 65th Session, 2010, UN Doc. A/65/68, Nr. 73: „[…] delegations highlighted the following practical measures: […]; establishment of mechanisms for cooperation, sharing of information and knowledge resulting from research on marine genetic resources, […].“ 192 BBNJ-Working Group, 61st Session, 2006, UN Doc. A/61/65, Nr. 29. 193 UNGA, Oceans and the law of the sea, 68th Session, 2013, UN Doc. A/RES/68/70. 194 Ibid., Nr. 202 f. 195 Vgl. nur: BBNJ-Working Group, 66th Session, 2011, UN Doc. A/66/119, Nr. 17: „The view was also expressed that a link existed between the common heritage of mankind and the conservation and preservation of the marine environment. In that regard, the common heritage of mankind was not solely about benefit sharing, but just as much about conservation and preservation.“ 187
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Kap. 5: Ausblick
age deal“) angehen, um so einerseits die Erhaltung der biologischen Vielfalt und andererseits die Bewirtschaftung der genetischen Ressourcen des Meeresbodens sicherzustellen.196 Während die USA jedem neuen Regime mit Ablehnung gegenüber stehen,197 führte diese Vorgehensweise die Anliegen der Hauptakteure – namentlich die Mitgliedstaaten der Europäischen Union einerseits und die G77 und China andererseits – zusammen. Denn für die G77 und China stehen der Zugang zu den genetischen Ressourcen des Meeresbodens jenseits nationaler Hoheitsgewalt sowie ein darauf gerichteter Vorteilsausgleich und Technologietransfer im Vordergrund. Den Mitgliedstaaten der EU hingegen ist hinsichtlich der dortigen Meeresgebiete in erster Linie an einem effektiven Schutz der biologischen Vielfalt gelegen. Während eine Abkehr vom Prioritätsprinzip, d. h. dem „first come, first served“Ansatz, für genetische Ressourcen zwar auch von den EU-Mitgliedstaaten als grundsätzlich erforderlich betrachtet wird, bestehen hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung eines ABS-Systems oder der Notwendigkeit eines Technologietransfers Bedenken und Zurückhaltung. Dies ist wiederum für die G77 und China wesentlicher Bestandteil eines neuen Regimes, wobei das CHM-Prinzip nur eine Ausgestaltungsmöglichkeit darstellt. Beides ist nur gemeinsam zu erlangen. Denn nur durch Zufriedenstellung der Hauptakteure erhält ein späteres Übereinkommen die erforderliche breite Zustimmung in der Staatengemeinschaft. Daher will man im Rahmen der BBNJ-Working Group „im Zusammenhang und als Ganzes“ über die vier Säulen des zukünftigen Übereinkommens beraten: (1) Die genetischen Ressourcen des Meeres, einschließlich eines gerechten Vorteilsausgleichs; (2) eine gebietsbezogene Bewirtschaftung, einschließlich Meeresschutzgebieten; (3) Umweltverträglichkeitsprüfungen sowie (4) Technologietransfer und Kompetenzbildung.198 Diese Themen bilden also die Grundlage für weitere Verhandlungen. Auf der 8. und bislang letzten Tagung der BBNJ-Working Group vom 20. bis 23. Januar 2015 haben die teilnehmenden Staaten Empfehlungen an die UN-Generalversammlung für eine weitere Vorgehensweise gerichtet: Zur Vorbereitung auf eine Staatenkonferenz solle ein Vorbereitungskomitee (preparatory committee) eingesetzt werden, um Vorschläge für ein „international legally binding instrument
196 Ibid.: „Addressing all issues as a ,package deal‘ that would cover measures for both the preservation and conservation of marine biodiversity, including marine protected areas, and the management of marine genetic resources on the seabed, including aspects relating to benefit sharing thereof, was thus proposed.“ 197 IISD, 25 ENB 70 (2011), 4: „The US and Japan stated that the freedom of the high seas apply to MGRs, with the US opposing a new legal regime on MGRs that would impede research and development.“; abrufbar unter: http://www.iisd.ca/oceans/marinebiodiv4/ (zuletzt abgerufen am 01. 08. 2015). 198 BBNJ-Working Group, 69th Session, 2014, UN Doc. A/69/82, Nr. 14: „Many delegations recalled the mandate of the Working Group, […] to address […] together and as a whole, marine genetic resources, including questions on the sharing of benefits, measures such as areabased management tools, including marine protected areas, and environmental impact assessments, capacity-building and the transfer of marine technology.“
B. Überblick über den aktuellen Entwicklungsstand
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under the Convention“ zu erarbeiten.199 Inhaltlich sollen die bereits im Jahre 2011 im sog. „package“ zusammengefassten Themenbereiche behandelt werden,200 namentlich: „[…] the conservation and sustainable use of marine biological diversity of areas beyond national jurisdiction, in particular, together and as a whole, marine genetic resources, including questions on the sharing of benefits, measures such as area-based management tools, including marine protected areas, environmental impact assessments and capacitybuilding and the transfer of marine technology; […].“201
Mit einer Einigung auf diesen umfassenden Ansatz können der Schutz und die Bewirtschaftung genetischer Ressourcen des Meeresbodens (und der Hohen See), gleichzeitig behandelt und einer Fragmentierung der einzelnen Bereiche vorgebeugt werden. Außerdem werden nachgelagerte Fragestellungen, wie der Technologietransfer – evtl. als Ausgleich für die Gewährung ausschließlicher Rechte an der Kommerzialisierung genetischer Ressourcen – ausdrücklich eingeschlossen. Das Vorbereitungskomitee soll seine Arbeit 2016 aufnehmen und Ende 2017 der UNGA einen ersten Bericht erstatten. Vor dem Ende der 72. Tagung der Generalversammlung im Jahre 2017 solle diese dann über die Einberufung einer entsprechenden Staatenkonferenz entscheiden. Diese Staatenkonferenz soll sodann die Vorschläge des Vorbereitungskomitees aufnehmen und ein „international legally binding instrument under the Convention“ ausarbeiten.202 Der Vorschlag der Arbeitsgruppe fällt mithin eindeutig zugunsten eines ergänzenden Abkommens zum SRÜ aus. Es ist davon auszugehen, dass die Generalversammlung diesen Empfehlungen im Rahmen ihrer 69. Tagung zum Ende des Jahres 2015 folgen wird. In Anbetracht der zeitlichen Dimensionen der vorangegangenen Seerechtskonferenzen wird eine kurzfristige vertragliche Lösung dennoch nicht zu erwarten sein.203 Gleichwohl rückt der Zeitpunkt für die Notwendigkeit, eine wegweisende Entscheidung zu treffen, näher.
II. Die Europäische Union Die Europäische Union (EU) umfasst mittlerweile 28 Mitgliedstaaten, deren seewärtige Grenzen sich auf eine beinahe 66.000 km lange Küstenlinie erstrecken. Seit ihrer Erweiterung im Jahre 2007 grenzte die EU bereits im Westen an den Atlantik, im Norden an die Nord- und Ostsee, im Süden an das Mittelmeer und im 199
BBNJ-Working Group, 69th Session, 2015, UN Doc. A/69/780, Nr. 1 lit. (e). Zum angesprochenen „package deal“ vgl. BBNJ-Working Group, 66th Session, 2011, UN Doc. A/66/119, Nr. 17. 201 BBNJ-Working Group, 69th Session, 2015, UN Doc. A/69/780, Nr. 1 lit. (f). 202 Ibid., Nr. 1 lit. (e). 203 Die Verhandlungen im Rahmen von UNLCOS I dauerten beispielsweise von 1956 bis 1958 und UNCLOS III sogar von 1973 bis 1982. 200
250
Kap. 5: Ausblick
Osten das Schwarze Meer. Die Bewirtschaftung der Meere – insbesondere der zur Nahrungsbeschaffung dienende Fischfang204 – gehört mithin seit jeher zu den wirtschaftlichen und politischen Hauptinteressen der EU.205 Mit dem Beitritt der damaligen Europäischen Gemeinschaft (EG) zum Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen im Jahre 1998, hat sich dieses innere Anliegen auch nach außen völkerrechtlich niedergeschlagen.206 Die Europäische Union kann wegen ihrer geographischen Lage und der geopolitischen Bedeutung ihrer Mitgliedsstaaten, die über 505 Millionen Einwohner beherbergen, als der einflussreichste regionale Staatenverbund207 der Welt angesehen werden.208 Nahezu jedes seerechtliche Thema steht auf der Agenda wenigstens eines EU-Mitgliedsstaates.209 Dies gilt in Ansehung ihres fortgeschrittenen technologischen Entwicklungsstandes insbesondere für die Bewirtschaftung des Meeresbodens. Daher kommt den europäischen Entschließungen hinsichtlich der dort belegenen genetischen Ressourcen eine herausgehobene Bedeutung zu, sodass deren historische Entwicklung und zukünftige Vorhaben im Folgenden näher untersucht werden. 1. Historischer Überblick Parallel zum Beitritt der EG zum SRÜ und zum Durchführungsübereinkommen zu Teil XI des SRÜ im Jahre 1998 hat der Europäische Rat innerhalb des ihm zuarbeitenden Vorbereitungsgremiums für auswärtige Angelegenheiten eine Arbeitsgruppe, die sog. „Gruppe Seerecht“ (orig.: „Working Party on the Law of the Sea“), eingesetzt.210 Diese Gruppe koordiniert nunmehr innerhalb der EU alle Belange des Seerechts und trägt die Anliegen der Mitgliedstaaten diesbezüglich im Europäischen 204 Die gemeinsame Fischereipolitik (GFP) wurde – ursprünglich als Bestandteil der gemeinsamen Agrarpolitik – bereits in den Vertrag von Rom (1957) aufgenommen und findet ihre Grundlage heute in den Art. 38 ff. AEUV. 205 Zur Entwicklung der europäischen Fischereipolitik s. Churchill/Lowe, The EC Common Fisheries Policy, 2010, 1 ff. 206 Beschluss des Rates vom 23. März 1998 über den Abschluss des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 und des Übereinkommens vom 28. Juli 1994 zur Durchführung des Teils XI des Seerechtsübereinkommens durch die Europäische Gemeinschaft, 98/392/EG. 207 Zur völker- und staatsrechtlichen Begrifflichkeit des Staatenverbundes s. BVerfG, Maastricht-Urteil, Urt. v. 12. 10. 1993, Az.: 2 BvR 2134, 2159/92, in: NJW 1993, 3047 (3052): „Der Unionsvertrag begründet […] einen Staatenverbund zur Verwirklichung einer immer engeren Union der – staatlich organisierten – Völker Europas […], keinen sich auf ein europäisches Staatsvolk stützenden Staat.“ 208 De Vivero, Marine Policy: Europe and Beyond, 15 Willamette J. Int’l L. & Dis. Res. (2007), 167 (174): „Europe and its waters are now the most widely extended political entity on the planet.“ 209 Long, The European Union and Law of the Sea Convention at the Age of 30, 27 Int’l J. Marine & Coastal L. (2012), 711 (714). 210 Council of the European Union, List of Council preparatory bodies, EU Doc. 5312/14, Annex I, 7.
B. Überblick über den aktuellen Entwicklungsstand
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Rat sowie in internationalen Foren gebündelt vor.211 Dies gilt insbesondere für die BBNJ-Working Group. Als Teil des Gremiums „Auswärtige Angelegenheiten“ steht die Gruppe Seerecht seit 2009 unter der Leitung des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik.212 Der Aufgabenbereich der Gruppe Seerecht ist sehr weit gefasst. Innerhalb der EU beschäftigt sie sich daher insbesondere auch mit dem Schutz und der Bewirtschaftung genetischer Ressourcen des Meeresbodens jenseits nationaler Hoheitsgewalt.213 Dieses Thema nimmt auch unter den dort behandelten seerechtlich brisanten Fragestellungen mittlerweile einen besonderen Stellenwert ein.214 Die genetischen Ressourcen des Meeres stehen – soweit ersichtlich – seit dem Jahr 2005 als eigener Tagesordnungspunkt auf der Agenda dieser Arbeitsgruppe.215 Seitdem hat die „Gruppe Seerecht“ durch die EU-Mitgliedstaaten entscheidende Beiträge zur BBNJWorking Group der Vereinten Nationen gleistet und sich intensiv um ein völkerrechtliches Regime für die nachhaltige Nutzung genetischer Ressourcen bemüht.216 Denn unter den Mitgliedsstaaten der EU besteht Einigkeit dahingehend, dass bislang kein umfassender Rechtsrahmen besteht, der die genetischen Ressourcen jenseits nationaler Hoheitsgewalt hinsichtlich ihrer Erhaltung und ihrer nachhaltigen Nutzung adäquat zu erfassen vermag.217 Daher solle die EU eine aktive und führende Rolle in dieser wichtigen und dringenden Angelegenheit einnehmen. Eine einheitliche Position sei dabei notwendig, um diese auf den Konferenzen internationaler Organisationen sowie Vertragsstaatenkonferenzen, wie beispielsweise im Rahmen von UNICPOLOS, der COPs zur CBD, der SPLOS-Konferenzen und der BBNJWorking Group, gebündelt vorzubringen.218 Hinsichtlich genetischer Ressourcen des Meeresbodens geht es stets um zwei Seiten derselben Medaille: Wie können die biologische Vielfalt des Meeres und ihre 211 Frank, The European Community and Marine Environmental Protection in the International Law of the Sea: Implementing Global Obligations at the Regional Level, 2007, 168. 212 Bisweilen wird die „Gruppe Seerecht“ auch unter dem informellen Begriff „COMAR“ adressiert. Dabei handelt es sich nicht um eine offizielle Abkürzung, sondern um ein ratsinternes und sprachenunabhängiges Akronym mit der sinngemäßen Bedeutung „GASP: Seerecht“. 213 Long, The European Union and Law of the Sea Convention at the Age of 30, 27 Int’l J. Marine & Coastal L. (2012), 711 (716). 214 COMAR, Meeting of the „Law of the Sea“ Working Party, 11. 02. 2011, EU Doc. CFSP/ SEC/0327/11: „[…] one COMAR will be totally dedicated to MGRs […] and a further COMAR [to] ABNJ […].“ 215 Council of the European Union, Notice of Meeting and provisional Agenda, EU Doc. CM 3617/05. 216 Zu den aktuellen Entwicklungen und Planungen s. Long, The European Union and Law of the Sea Convention at the Age of 30, 27 Int’l J. Marine & Coastal L. (2012), 711 (720). 217 Council of the European Union, Conservation and sustainable use of biodiversity in marine areas beyond the limits of national jurisdiction, EU position 2nd draft, 2005, EU Doc. 8339/05 EXT 1, Annex. 218 Ibid.
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Kap. 5: Ausblick
genetischen Ressourcen geschützt werden; und wie wird ihre Bewirtschaftung geregelt.219 Um diese beiden Ziele zu erreichen, wurden kurz- und mittelfristige Wege dorthin ausgegeben.220 Kurzfristig solle erstens die Koordination zwischen den mit genetischen Ressourcen befassten Organisationen, namentlich UN, ISA, IMO, FAO, CBD, RFMOs und UNEP, verbessert werden, indem Informationen und Personal ausgetauscht werden. Zweitens solle dringendem Handlungsbedarf umgehend nachgekommen werden. Dringender Handlungsbedarf bestehe etwa im Falle gefährdeter Ökosysteme, beispielsweise solcher an Hydrothermalquellen. Drittens will die EU private Initiativen unterstützen, die auf eine (Selbst-)Regulierung hinwirken, etwa indem diese privaten Organisationen ihre Mitglieder zu bestimmten Verhaltensmaßregeln verpflichten. Mittelfristig solle ein neues Regime zur Erhaltung und zur nachhaltigen Nutzung der Biologischen Vielfalt jenseits nationaler Hoheitsgewalt geschaffen werden. Die EU-Mitgliedsstaaten haben sich dabei für ein ergänzendes Abkommen (Implementing Agreement) unter dem Dach des SRÜ ausgesprochen. Die EU nimmt eine vermittelnde Position zwischen den extremen Ansichten der G77 und China und der Gruppe um die USA ein. Einerseits befürwortet sie ein neues umfassendes Regime zum Schutz und zur Bewirtschaftung der biologischen Vielfalt jenseits nationaler Hoheitsgewalt. Andererseits soll dies jedoch nicht auf Grundlage des CHM-Prinzips, sondern eines ABS-Systems sui generis erfolgen. Die EU trägt damit schon auf europäischer Ebene ihrer eigenen Pluralität Rechnung. Denn während die Unternehmen einiger weniger Staaten, wie beispielsweise Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens, Belgiens und der Niederlande, auch im internationalen Vergleich eine Vorreiterrolle bei der Erforschung genetischer Ressourcen und der Patentierung ihrer Produkte einnehmen,221 fehlen anderen Staaten Technologie und finanzielle Mittel dazu. Im Jahre 2006 hat die Kommission der Europäischen Union ein sog. „Grünbuch“ herausgegeben, um eine öffentliche und wissenschaftliche Diskussion zur Zukunft der gemeinschaftlichen Meerespolitik anzustoßen.222 Darin wird das Bedürfnis eines internationalen Regulierungsmechanismus zur Bewirtschaftung genetischer Ressourcen der Tiefsee nur grundsätzlich angesprochen, indem eine einheitliche Positionierung der EU dazu angestrebt wird. Dass ein neues Regime für die Bewirtschaftung genetischer Ressourcen benötigt wird, weil der „first come, first served“-
219
Beslier, The Protection and Sustainable Exploitation of Genetic Resources of the High Seas from the European Union’s Perspective, 24 Int’l J. Marine & Coastal L. (2009), 333 (335). 220 Diese „short-term and medium-term tracks“ finden sich bei Council of the European Union, Conservation and sustainable use of biodiversity in marine areas beyond the limits of national jurisdiction, EU position 2nd draft, 2005, EU Doc. 8339/05 EXT 1, Annex. 221 Arnaud-Haond et al., Marine Biodiversity and Gene Patents, 331 Science (2011), 1521 (1521). 222 Commission of the European Communities, Green Paper – Towards a future Maritime Policy for the Union: A European vision for the oceans and seas, 2006.
B. Überblick über den aktuellen Entwicklungsstand
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Ansatz dazu keine adäquate Antwort liefert, scheint zwar unstreitig zu sein.223 Dennoch wird die Regelungsbedürftigkeit eines gerechten Vorteilsausgleichs – jedenfalls zu diesem Zeitpunkt – noch in Frage gestellt.224 2. Status quo und zukünftige Vorhaben Die EU und ihre Mitgliedstaaten setzen sich seit Beginn des Verhandlungsprozesses im Rahmen der BBNJ-Working Group für ein ergänzendes Abkommen zum SRÜ ein. Die EU führt diese unter dem Arbeitstitel „Scope, parameters and feasibility of an UNCLOS Implementing Agreement on the conservation and sustainable use of marine biological diversity beyond areas of national jurisdiction“ in der „Gruppe Seerecht“ zusammen.225 Von dort werden die Ergebnisse gebündelt der Division for Ocean Affairs and the Law of the Sea der Vereinten Nationen (UNDOALOS) angetragen. Die „Gruppe Seerecht“ beteiligt sich derzeit sehr intensiv an den Vorarbeiten eines neuen Regelwerks, indem sie die Mitgliedstaaten der EU regelmäßig zu Beiträgen anhält. Der EU und ihren Mitgliedstaaten kommt in dem Bestreben innerhalb der Staatengemeinschaft daher durchaus eine Vorreiterrolle zu. So war die Gruppe Seerecht beispielsweise maßgeblich und bereits seit der ersten Fassung im Jahre 2011daran beteiligt, die sog. „Draft Resolution on Oceans and the Law of the Sea“ vom Dezember 2013 auszuarbeiten.226 Auch nach dem aktuellen Treffen der BBNJ-Working Group hält die EU daran fest, zum Ende der 69. Sitzungsperiode im Jahr 2015 eine Entscheidung für die Aufnahme von Vertragsverhandlungen erwarten zu können.227
223 EU, Ad Hoc Open-ended Informal Working Group to study issues relating to the conservation and sustainable use of marine biological diversity beyond areas of national jurisdiction; Key issues and questions; Statement by Prof. Dr. Gerhard Hafner, Austrian Federal Ministry for Foreign Affairs, on behalf of the European Union, 15. 02. 2006, abrufbar unter: http://www.eu-un.europa.eu/articles/en/article_5705_en.htm (zuletzt abgerufen am 01. 08. 2015). 224 Commission of the European Communities, Green Paper – Towards a future Maritime Policy for the Union: A European vision for the oceans and seas, 2006, 43. 225 COMAR, Meeting of the „Law of the Sea“ Working Party, 16. 06. 2014, EU Doc. CFSP/ SEC/0418/14. Unter dieser Überschrift ist auch die BBNJ-Working Group von der UNGA dazu aufgefordert worden, Beiträge zu einem ergänzenden Abkommen im Rahmen des SRÜ zu leisten, vgl. BBNJ-Working Group, 69th Session, 2014, UN Doc. A/69/82, Nr. 27 ff. 226 COMAR, Meeting of the „Law of the Sea“ Working Party, 09. 09. 2011, EU Doc. CFSP/ SEC/0758/11. 227 EU, Scope, Parameters and Feasibility of an UNCLOS Implementing Agreement, Additional Submission by the EU and its Member States to the UNGA’s BBNJ-Working Group, 23. 05. 2014, Nr. 2.
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Kap. 5: Ausblick
III. Zwischenergebnis Die Arbeiten der BBNJ-Working Group sind ins Stocken geraten.228 Dabei besteht weniger Uneinigkeit darüber, dass die Natur geschützt werden muss, als vielmehr darüber, zu wessen Gunsten die Natur – hier: deren genetische Ressourcen – ausgebeutet werden dürfen. Die beteiligten Akteure der Staatengemeinschaft sowie die internationalen Organisationen haben den Anspruch, eine ganzheitliche völkerrechtliche Regelung zu schaffen. Die Verantwortung der Akteure hat De Vivero zutreffend beschrieben: „We are all aware of the complexity inherent in the decision making of international organizations due to the high number of actors and the divergence of interests. At a time when fast environmental, economic, and political changes are taking place, countries and political entities such as the EU and the U.S. bear special responsibilities. They bear these responsibilities because they have the knowledge and means necessary, not only within their own national jurisdictions and for their own benefit, but especially in common areas such as the waters of the seas and the ocean beds. For this reason, the marine policies that are now being constructed should also be pioneering instruments at the service of global interests.“229
Es ist daher nunmehr an der Zeit, Entscheidungen zu treffen, um die Verhandlungen für ein ergänzendes Abkommen zum SRÜ beginnen zu lassen. Die Notwendigkeit eines neuen – vertraglich niedergelegten – Regimes für die Bewirtschaftung und den Schutz genetischer Ressourcen jenseits nationaler Hoheitsgewalt wird von nahezu allen Akteuren erkannt.230 Nur vereinzelt sind Staaten – wie beispielsweise die USA, aber auch Russland, Norwegen, Kanada, Japan, Südkorea und Island231 – noch der Auffassung es bedürfe keines Regimes, weil die Freiheiten der 228 Freestone, Problems of High Seas Governance, in: Vidas/Schei (eds.), The World Ocean in Globalisation: Climate Change, Sustainable Fisheries, Biodiversity, Shipping, Regional Issues, 2011, 99 (130): „Unfortunately the lively debates on improved governance have been overshadowed by controversy over the future regime for exploitation of marine genetic resources beyond national jurisdiction.“ 229 De Vivero, Marine Policy: Europe and Beyond, 15 Willamette J. Int’l L. & Dis. Res. (2007), 167 (180 f.). 230 Für die EU vgl. EU, Scope, Parameters and Feasibility of an UNCLOS Implementing Agreement, Additional Submission by the EU and its Member States to the UNGA’s BBNJWorking Group, 23. 05. 2014, Nr. 10: „The EU and its Member States believe that the intended objectives can be best achieved by legally binding rules under an UNCLOS Implementing Agreement.“ 231 Island scheint jedoch in neuerer Zeit seine ablehnende Haltung aufzugeben, vgl. Pálsson, Oceans and the Law of the Sea – Statement of Iceland, 09. 12. 2014: „In the view of Iceland, if the development of an agreement will indeed be considered feasible, focus should be given to the issue of sharing of benefits from the exploitation of marine genetic resources in areas beyond national jurisdiction. Since the negotiation of the Law of the Sea Convention, there has been a huge development in the knowledge of the deep seabed and the value of marine genetic resources. It is therefore natural that the [BBNJ-] Working Group gives focus to this issue.“
B. Überblick über den aktuellen Entwicklungsstand
255
Hohen See auch für die genetischen Ressourcen des Meeresbodens gelten (sollen).232 Dies verwundert kaum, wenn man bedenkt, dass insbesondere die Unternehmen dieser Staaten die Bewirtschaftung und Erforschung der genetischen Ressourcen des Meeresbodens betreiben. Nur zehn Staaten halten 90 % aller Patente in Verbindung mit MGR, 70 % davon entfallen auf drei Staaten: Die USA, Deutschland und Japan.233 Den Staaten, die ein neues Regime bislang ablehnen, kommt damit gleichzeitig eine Schlüsselstellung zu, weil ein solches ohne ihre Beteiligung sinnlos wäre. Auf nationaler Ebene werden Befürchtungen vor der Beschneidung ihrer Wirtschaft und Forschung laut, wodurch die internationale Politik beeinflusst und die Angst vor der Aufgabe der Freiheiten der Hohen See geschürt wird. Obwohl die abwechselnden Regierungen aus Republikanern und Demokraten das SRÜ stets unterstützten, hat Lobbyismus den Beitritt der USA dazu über mehrere Dekaden bis heute vereitelt: Während die Erdöl- und Erdgasindustrie – aus Angst vor Ausgleichszahlungen an eine „bürokratische internationale Organisation“ – damals das Meeresbodenregime ablehnte,234 macht heute die Pharmaindustrie mobil gegen die Beschränkung von Zugangs- und Patentrechten sowie Offenlegungspflichten. Auch dies verwundert vor dem Hintergrund dieses sehr lukrativen Marktes kaum.235 Die Frage der Realisierbarkeit eines neuen Regimes ist daher keine rechtliche, sondern vielmehr eine solche des (nationalen) politischen Willens und Engagements.236 Eben jenen Willen haben die Außenminister der G7 bei ihrem Treffen im Jahr 2015 unter deutschem Vorsitz demonstriert, indem sie die Wichtigkeit des Schutzes und der nachhaltigen Bewirtschaftung der biologischen Vielfalt entsprechend den Vorschlägen der BBNJ-Working Group bekräftigten.237 Auch wenn gerade die Bewirtschaftung bislang scheinbar eher stiefmütterlich behandelt wurde, so ist davon auszugehen, dass im Rahmen von Vertragsverhandlungen rasch konkrete Vorschläge für einen gerechten Zugang und Vorteilsausgleich gemacht werden. Diese Vorschläge müssen – wie so oft in der Diplomatie – den Bedürfnissen und Ängsten der anderen Staaten Rechnung tragen, um die Zustimmung aller Staaten zu erreichen. Der folgende Abschnitt befasst sich daher damit, welche Regelungen im Einzelnen getroffen werden könnten und sollten.
232 Hodgson et al., Towards a Possible Implementation Agreement in Marine Biodiversity in Areas Beyond National Jurisdiction, 2014. 233 Arnaud-Haond et al., Marine Biodiversity and Gene Patents, 331 Science (2011), 1521 (1521). 234 Pecquet, Opposition to Law of the Sea Treaty heats up, The Hill, 25. 05. 2012: „U.S. accession to the 30-year-old treaty is championed by the U.S. Navy and oil and gas industries, who say it’s in the United States’ interest to be able to craft international maritime law.“ 235 Lehman, The Pharmaceutical Industry and the Patent System, 2003, 8. 236 EU, Scope, Parameters and Feasibility of an UNCLOS Implementing Agreement, Submission by the EU and its Member States to the UNGA’s BBNJ-Working Group, 05. 03. 2014, Nr. 16. 237 G7, Foreign Ministers’ Declaration on Maritime Security, 15. 04. 2015, Nr. 10.
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Kap. 5: Ausblick
C. Regelungsinhalt de lege ferenda Im allgemeinen Völkerrecht und insbesondere im Umweltvölkerrecht haben sich zahlreiche Prinzipien herausgebildet, die sowohl Einzug in multilaterale Verträge erhalten haben als auch teilweise völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung genießen. Diese Prinzipien betreffen Art und Weise des menschlichen Umgangs mit der Natur. Als primäres Ziel sind dabei stets der Schutz und die nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen zu beobachten.238 Der Schutz der biologischen Vielfalt und ihrer genetischen Ressourcen wurde jedoch schon an anderer Stelle ausführlich erörtert und es wurden Lösungswege hinsichtlich des Inhalts eines neuen Regimes239 sowie Implementierungsmöglichkeiten240 aufgezeigt. Dies soll hier nicht wiederholt werden. Vielmehr sollen auch diese Prinzipien in Ermangelung spezifischer völkerrechtlicher Bewirtschaftungskonzepte für lebende Ressourcen in Gebieten jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt, auf ihre Tauglichkeit zur Regulierung einer Bewirtschaftung untersucht werden. Denn Schutz und Bewirtschaftung genetischer Ressourcen gehen Hand in Hand. Internationale und regionale Organisationen haben sich in speziellen Arbeitsgruppen seit nunmehr einer Dekade mit den genetischen Ressourcen des Meeres (-bodens) jenseits nationaler Hoheitsgewalt beschäftigt und sich dabei stets für eine ganzheitliche Herangehensweise (sog. „integrated approach“) ausgesprochen, die neben dem Schutzkriterium auch die Bewirtschaftungsmodalitäten regeln soll. Fraglich ist daher, ob sich aus diesen Prinzipien gleichzeitig auch eine Aussage über die Bewirtschaftung genetischer Ressourcen extrahieren lässt, deren Zugang und gerechte Verteilung in einem neu zu schaffenden Regime – gleich welcher Art der formale Rahmen sein mag241 – an erster Stelle der Überlegungen stehen sollte. Von Argentinien beispielsweise wird die Einigung auf bestimmte Grundprinzipien als Voraussetzung für ein konkretes Bewirtschaftungsregime verstanden:242 „The view was expressed that there should first be a focus on drafting specific standards for access to marine genetic resources in areas beyond national jurisdiction and benefit-sharing before addressing the legal regime relating to those resources.“243
238 Vgl. Art. 1 CBD; Art. 1 und 6 IVPREL; Prinzip Nr. 4 der Rio-Erklärung über Umwelt und Entwicklung. 239 Leary, International Law and the Genetic Resources of the Deep Sea, 2007, 225 ff. 240 Friedland, Der Schutz der biologischen Vielfalt der Tiefseehydrothermalquellen – ein internationales Regime für die genetischen Tiefseeressourcen, 2007, 199 ff. 241 s. u. Kapitel 5, D. 242 IISD, 25 ENB 43 (2007), 3; abrufbar unter: http://www.iisd.ca/oceans/icp8/ (zuletzt abgerufen am 01. 08. 2015). 243 UNICPOLOS, 8th Meeting, 62th Session, 2007, UN Doc. A/62/169, Nr. 76.
C. Regelungsinhalt de lege ferenda
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Im Gegensatz dazu erscheint es aus Sicht der Vereinigten Staaten ausreichend, unverbindliche Verhaltensregeln zu schaffen:244 „Some delegations welcomed the initiatives of scientists […] which demonstrated that scientists had an incentive to protect the sites they studied. They considered codes of conduct an effective means for promoting responsible research practices.“245
Derzeit ist kein völkervertragliches Regime ersichtlich, das einerseits die genetischen Ressourcen des Meeresbodens jenseits nationaler Hoheitsgewalt adäquat erfasst und andererseits Bindungswirkung gegenüber der gesamten Staatengemeinschaft entfaltet. Daher erscheint eine Fokussierung auf verpflichtende Standards, die eine gerechte Bewirtschaftung ermöglichen, nur folgerichtig. Die nachfolgenden Prinzipien haben sich etabliert und werden daher daraufhin untersucht, ob ihnen die erforderlichen Standards für einen gerechten Zugang und Vorteilsausgleich im Hinblick auf genetische Ressourcen innewohnen.
I. Allgemeine Prinzipien des Völkerrechts 1. Das gemeinsame Erbe der Menschheit Das Prinzip vom gemeinsamen Erbe der Menschheit formuliert einen Leitgedanken für jegliche staatlichen Aktivitäten jenseits nationaler Hoheitsgewalt.246 Danach sind die ihm unterfallenden Gebiete insbesondere nicht aneignungsfähig und eine Bewirtschaftung von natürlichen Ressourcen erfolgt zum Wohle der gesamten Menschheit.247 Diesem Gedanken liegt zunächst eine offensichtliche Tatsache zugrunde: Die Ressourcen befinden sich nicht innerhalb staatlicher Territorien, sondern jenseits deren Grenzen. Sie sind damit grundsätzlich dem Zugriff aller Staaten ausgesetzt; sie sind „Sachen der Gemeinschaft“ (res communis omnium). Bestimmte Interessen der Menschheit müssen jedoch darüber hinaus in besonderer Weise abgesichert werden,248 sodass das CHM-Prinzip noch weiter reicht.249 Der entscheidende Unterschied zum res communis-Regime liegt darin, dass die Zugriffsbefugnis
244 IISD, 25 ENB 43 (2007), 3; abrufbar unter: http://www.iisd.ca/oceans/icp8/ (zuletzt abgerufen am 01. 08. 2015). 245 UNICPOLOS, 8th Meeting, 62th Session, 2007, UN Doc. A/62/169, Nr. 67. 246 Noyes, The Common Heritage of Mankind: Past, Present, and Future, 40 Denv. J. Int’l L. & Pol’y (2011 – 2012), 447 (449). 247 Vgl. etwa Art. 140 Abs. 1 SRÜ; zu den Elementen des CHM-Prinzips s. o. Kapitel 4. 248 Baslar, The Concept of the Common Heritage of Mankind in International Law, 1998, 110: „[…] only those natural and cultural resources which globally affect the survival and welfare of mankind can be exploited, conserved or protected under the common heritage regime.“ 249 Kiss, The common heritage of mankind: utopia or reality?, 40 Int’l J. (1984 – 1985), 423 (425).
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Kap. 5: Ausblick
auf das gemeinsame Erbe eingeschränkt250 und reguliert251 wird. Während das res communis-Regime hinsichtlich lebender Ressourcen allenfalls eine nachhaltige Nutzung erfordert,252 müssen diese Ressourcen bzw. ihr Ertrag unter dem CHMPrinzip zudem gerecht unter der Staatengemeinschaft aufgeteilt werden.253 Ein einzelstaatlicher Zugriff bzw. eine einzelstaatliche Verwertung ist nicht zulässig. Denn schon aufgrund ihres Belegenheitsortes stehen diese Ressourcen der gesamten Menschheit zu. Darüber hinaus erfordert die Tatsache, dass es sich um genetisches Material handelt, das von der Natur zur Verfügung gestellt wird, die Möglichkeit einer Wertschöpfung für die gesamte Menschheit. Die „Menschheit“ beinhaltet dabei zwei Faktoren: ratione personae et temporis erfasst sie einerseits jeden einzelnen Bewohner des Planeten sowie andererseits die Generationen der Gegenwart und der Zukunft. Das CHM-Prinzip kann mithin den intra- und intergenerationalen Zugang zu den genetischen Ressourcen des Meeresbodens sichern. Dass des Weiteren eine Differenzierung unter den lebenden Ressourcen – hier zwischen Fischen und den genetischen Ressourcen des Meeresbodens – erforderlich ist, liegt am „Erschöpflichkeitskriterium“. Das CHM-Prinzip ist eigens dazu konzipiert, erschöpfliche Ressourcen gerecht unter der Staatengemeinschaft aufzuteilen. Es ist im Fahrwasser einer neuen Weltwirtschaftsordnung aus Gerechtigkeitserwägungen entstanden, um wertvolle Ressourcen allen Staaten ungeachtet ihres aktuellen Entwicklungsstandes zugänglich zu machen.254 Daher ist das CHM-Prinzip zunächst einmal ein generelles Zugangs- und Verteilungsregime, erst in zweiter Instanz ein Schutzregime. Die genetischen Ressourcen an Hydrothermalquellen sind wertvoll und erschöpflich zugleich. Die Entschlüsselung ihrer Erbinformationen ist durch die gewinnbringende Patentierung nur einmal möglich, da die weitere Verwendung ihrer besonderen Eigenschaften danach nur dem Patentinhaber als „QuasiMonopolisten“ zusteht.255 Das CHM-Prinzip stellt folglich zwar keine konkreten Regeln zum Vorteilsausgleich auf und ist wegen dieser „Unvollkommenheit“ aus250 Noyes, The Common Heritage of Mankind: Past, Present, and Future, 40 Denv. J. Int’l L. & Pol’y (2011 – 2012), 447 (451): „The notion that rights vest in humankind as a whole does, however, radically diverge from the concept of high seas freedoms, which permits individual acquisition of fish or other resources.“ 251 Shaw, International Law, 6th edn., 2008, 534: „[…] while a res communis regime permits freedom of access, exploration and exploitation, a common heritage regime as envisaged in the examples noted above would strictly regulate exploration and exploitation, […].“ 252 Vgl. Art. 119 Abs. 1 lit. a) SRÜ, wonach die zulässigen Fangmengen (TACs) anhand des größtmöglichen Dauerertrags (MSY) bemessen werden. 253 Noyes, The Common Heritage of Mankind: Past, Present, and Future, 40 Denv. J. Int’l L. & Pol’y (2011 – 2012), 447 (451). 254 Baslar, The Concept of the Common Heritage of Mankind in International Law, 1998, 110: „[…], application of the concept should be extended only to those resources where monopolization of very significant natural or cultural resources threatens global economic and environmental balances and international peace and security.“ 255 Leary, International Law and the Genetic Resources of the Deep Sea, 2007, 228: „More significantly though the very act of granting a patent is a sovereign act, it is the grant of a monopoly to exploit a particular invention within that States jurisdiction.“
C. Regelungsinhalt de lege ferenda
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füllungsbedürftig. Es stellt jedoch Regeln über einen gerechten Zugang und Verteilung einer bestimmten Ressource zur Verfügung. Durch Anwendung des CHMPrinzips und seiner Elemente auf die genetischen Ressourcen des Meeresbodens lässt sich mithin ihr rechtlicher Status hinsichtlich Zugang und Verteilung konkretisieren: Erstens wird der Zugang dazu durch Einsetzung eines internationalen Verwaltungsorgans von der Staatengemeinschaft als Ganzes geregelt – also etwa von einer internationalen Organisation unter dem Dach der Vereinten Nationen, vergleichbar mit der ISA. Dieses Verwaltungsorgan kann dazu staatlichen oder privaten Unternehmen die Erlaubnis erteilen, in einem bestimmten Gebiet – stellvertretend für die Menschheit – tätig zu werden. Zweitens werden die aus den genetischen Ressourcen unmittelbar oder mittelbar gezogenen Vorteile, d. h. Nutzungsvorteile gleich welcher Art, unter allen Staaten gerecht aufgeteilt. Das CHM-Prinzip bewirkt dabei nur, dass ein Ausgleich für die Gewährung des Zugangs erfolgen muss, weil die Nutzung des gemeinsamen Erbes der Menschheit auch eben jener in ihrer Gesamtheit zugutekommen soll. Der Vorteilsausgleich kann im Vorhinein, durch Gewährung einer Zugangslizenz, oder im Nachhinein, nach Kommerzialisierung der genetischen Ressourcen durch die Entschlüsselung ihrer DNS und der nachfolgenden Vermarktung von Produkten und Prozessen, erfolgen. Wie dieser Ausgleich ausgestaltet wird – ob finanziell oder etwa mittels Wissenstransfer – legt das CHM-Prinzip nicht fest. Jedenfalls aber muss eine Art „Rückerstattung“ an die übrige Staatengemeinschaft stattfinden. 2. Billigkeit Das Prinzip der Billigkeit hat weit verbreiteten Einfluss auf das Völkerrecht genommen und spielt eine beherrschende Rolle im Umgang der Staaten mit Gebieten, die noch nicht vollständig erforscht und deren Ressourcen noch nicht ausgebeutet wurden.256 Billigkeit (lat.: aequitas) ist nicht mit Gerechtigkeit (lat.: iustitia) zu verwechseln. Gleichwohl kann Gerechtigkeit im Einzelfall durch Billigkeit erreicht werden;257 Billigkeit ist eine Art „Gerechtigkeitsideal“.258 Dies geschieht entweder unter dem Gesetz (infra legem), neben dem Gesetz (praeter legem) oder entgegen dem Gesetz (contra legem).259 Teilweise wird auch noch die Möglichkeit erwogen, Gerechtigkeit durch ein Urteil nach „Recht und Billigkeit“ (ex aequo et
256
Lowe, The Role of Equity in International Law, 12 Aust. YBIL (1988 – 1989), 54 (54); Mau, Equity, the Third World and the Moon Treaty, 8 Suffolk Transnat’l L. J. (1984), 221 (221). 257 White, Equity – A General Principle of Law Recognised by Civilised Nations?, 4 QUTLJJ (2004), 103 (103): „In general terms [equity] tends to suggest justice attained through what is fair.“ 258 Dahm et al., Völkerrecht: Die Grundlagen. Die Völkerrechtssubjekte, Bd. I/1, 2. Aufl., 1989, 67. 259 Ausführlich: Lowe, The Role of Equity in International Law, 12 Aust. YBIL (1988 – 1989), 54 (56 ff.).
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Kap. 5: Ausblick
bono) zu erlangen.260 Diese letzte Möglichkeit unterscheidet sich von den übrigen vor allem darin, dass sie keinerlei Verbindung zu rechtlichen Erwägungen aufweist und das Gericht damit gleichsam nach „Treu und Glauben“ entscheiden lässt.261 Der Billigkeitsgedanke ist in mehreren Jahrhunderten durch das Recht der Staaten geprägt worden. Das Prinzip der Billigkeit wird daher im Völkerrecht teilweise als ein von den Kulturvölkern anerkannter allgemeiner Rechtsgrundsatz im Sinne von Art. 38 Abs. 1 lit. c) IGH-Statut angesehen.262 Gerade weil im Gerechtigkeitsempfinden der Staaten jedoch die Werte des jeweiligen Rechtssystems zum Ausdruck kommen,263 es mithin subjektiv ist,264 verwundert es kaum, dass der richterliche Rückgriff auf dieses Prinzip auf internationaler Ebene umstritten ist.265 Billigkeit im Völkerrecht ist daher wie das Völkerrecht selbst getrennt vom jeweiligen Staatsrecht zu betrachten.266 Sie ist aber nicht grundsätzlich eine abstrakte Quelle des Völkerrechts,267 sondern kommt vielmehr nur durch die Anwendung eines solchen Rechtssatzes zum Tragen, der seinerseits die Anwendung gerechter und billiger Prinzipien erfordert – mittelbar also.268 Zwar darf die Anwendung des Billigkeits260 Scheuner, Decisions ex aequo et bono by International Courts and Arbitral Tribunals, in: Sanders (ed.), International Arbitration: Liber Amicorum for Martin Domke, 1967, 275. 261 Lapidoth, Equity in International Law, 22 Isr. L. Rev. (1987 – 1988), 161 (172): „A decision ex aequo et bono may in fact belong to any of the above three alternatives, but differs from them in that it does not have to be at all related to judicial considerations.“ 262 Dahm et al., Völkerrecht: Die Grundlagen. Die Völkerrechtssubjekte, Bd. I/1, 2. Aufl., 1989, 67; White, Equity – A General Principle of Law Recognised by Civilised Nations?, 4 QUTLJJ (2004), 103 (116); StIGH, Diversion of Waters from the Meuse (Netherlands v. Belgium), PCIJ Reports Ser. A/B, No. 70 (1937), Dissenting Opinion of M. Anzelotti, 4 (50). 263 Shaw, International Law, 6th edn., 2008, 106; Akehurst, Equity and General Principles of Law, 25 Int’l & Comp. L. Q. (1976), 801 (810): „One of the problems about equity is that it can often be defined only by reference to a particular ethical system.“ 264 Mau, Equity, the Third World and the Moon Treaty, 8 Suffolk Transnat’l L. J. (1984), 221 (226): „Equity notions are subjective; their use will vary according to the attendant needs of the country employing the doctrine.“ 265 White, Equity – A General Principle of Law Recognised by Civilised Nations?, 4 QUTLJJ (2004), 103 (116): „[…] there is deep unease amongst international scholars both from the common law tradition and the civil law tradition at the unconfined discretion which would repose in judges were they permitted to have recourse to equity as an unstructured concept.“ 266 StSH, Norwegian Shipowners’ Claim (Norway v. United States of America), 1922, in: RIAA, Vol. XI, 309: „The majority of international lawyers seem to agree that these words are to be understood to mean general principles of justice as distinguished from any particular system of jurisprudence or the municipal law of any State.“ 267 Malanczuk, Akehurst’s Modern Introduction to International Law, 7th ed., 1997, 55. 268 IGH, North Sea Continental Shelf Cases (Germany v. Denmark and Netherlands), ICJ Reports 1969, 3 (47), Nr. 85: „[…] it is not a question of applying equity simply as a matter of abstract justice, but of applying a rule of law which itself requires the application of equitable principles, […].“; Goldie, Equity and the International Management of Transboundary Resources, 25 Nat. Resources J. (1985), 665 (674): „[…] international equity is not a separate jurisprudence.“
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prinzips keinem Gesetzgebungsakt gleichkommen.269 Allerdings dürfe in den Grenzen des Art. 38 Abs. 2 IGH-Statut – ex aequo et bono – ein „verborgenes Recht ans Licht geholt werden“.270 Eben diese mittelbare Anwendbarkeit hat der IGH in den Nordsee-Festlandsockel-Fällen für die seitliche Abgrenzung des Festlandsockels angenommen, indem er eine direkte Anwendbarkeit des Gerechtigkeitsprinzips ausgeschlossen und stattdessen auf die (gewohnheitsrechtliche) Anwendbarkeit von Art. 6 Abs. 2 FSÜ verwiesen hat.271 Auch wenn dessen Anwendbarkeit schließlich abgelehnt wurde, so stellte der IGH fest, dass das darin zum Ausdruck kommende Äquidistanzprinzip die Anwendung von „Prinzipien der Billigkeit“ erfordere.272 Prinzipien der Billigkeit sind folglich innerhalb der Norm zu suchen.273 Die Anwendungsmöglichkeit eines Billigkeitsausgleichs eröffnet dem Anwender damit zwar eine gewisse Beweglichkeit, lässt aber dadurch gleichzeitig Bestimmtheit und Rechtssicherheit vermissen.274 Nichtsdestotrotz ist Billigkeit die treibende Kraft bei der weltweiten Ressourcenallokation.275 Dies gilt sowohl für solche Ressourcen, die einem Staat alleine bzw. mehreren Staaten gemeinsam gehören, als auch für jene, die sich jenseits nationaler Hoheitsgewalt befinden, sodass schon eine possessive Zuordnung per se in Frage steht. In letzterem Fall ergeben sich Probleme dann, wenn es sich um seltene, bedrohte oder gar „erschöpfliche“ Ressourcen handelt, die gleichzeitig nur einem kleinen Teil der Staatengemeinschaft zugänglich sind.276 Daher sind für die Gebiete, die diese Ressourcen beheimaten, namentlich den Mond und die Meereszonen jenseits nationaler Hoheitsgewalt, entsprechende Regelungen getroffen worden. Sie 269 Cheng, General Principles of Law as applied by International Courts and Tribunals, 1953, 19. 270 Ibid.: „[…] the [international tribunals], in applying [general principles of law], brought latent rules of law to light, they did not create new rules; […].“ 271 IGH, North Sea Continental Shelf Cases (Germany v. Denmark and Netherlands), ICJ Reports 1969, 3 (47), Nr. 88 ff. 272 Lagoni, in: Graf Vitzthum, Handbuch des Seerechts, 2006, 268 f., Rn. 290. 273 IGH, North Sea Continental Shelf Cases (Germany v. Denmark and Netherlands), ICJ Reports 1969, 3 (47), Nr. 88: „[…] the decision finds its objective justification in considerations lying not outside but within the rules, and in this field it is precisely a rule of law that calls for the application of equitable principles.“ 274 Shaw, International Law, 6th edn., 2008, 108; kritisch: Akehurst, Equity and General Principles of Law, 25 Int’l & Comp. L. Q. (1976), 801 (809): „Although it is desirable that rules of law should be just, it is perhaps even more desirable that they should be certain, clear and predictable.“ 275 Insbesondere im Rahmen einer NWWO, vgl. Malanczuk, Akehurst’s Modern Introduction to International Law, 7th ed., 1997, 56; außerdem: Glowka, Evolving Perspectives on the International Seabed Area’s Genetic Resources: Fifteen Years after ,Deepest of Ironies‘, in: Vidas (ed.), Law, Technology and Science for Oceans in Globalisation, 2010, 397 (402): „Equity was the principle driving the negotiations of the CBD’s ABS provisions.“; Shelton, in: Bodansky et al. (eds.), International Environmental Law, 2007, 653: „These questions of allocation of shared resources […] have brought the issue of equity to the fore.“ 276 Shelton, in: Bodansky et al. (eds.), International Environmental Law, 2007, 653.
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Kap. 5: Ausblick
finden sich in Art. 11 Abs. 7 lit. d) MT, der eine gerechte Verteilung der Ressourcen des Mondes fordert. Genauso verhält es sich auch im modernen Seerecht mit den Artikeln 59, 74 und 83 SRÜ. Durch sie kann das Billigkeitsprinzip im konkreten Fall bei der Zuweisung von Rechten in der AWZ und der Abgrenzung von AWZ und Festlandsockeln zweier Staaten zur Anwendung gelangen, um eine gerechte Lösung zu finden.277 Nunmehr gilt es auch die genetischen Ressourcen des Meeresbodens einem gerechten Bewirtschaftungsmechanismus zu unterstellen. Wie bei den oben genannten Beispielen geht es nicht darum absolute Gerechtigkeit beim Zugang zu Ressourcen jenseits nationaler Hoheitsgewalt zu schaffen. Vielmehr muss ein der Billigkeit entsprechender Ausgleich zwischen Industrienationen und Entwicklungsländern gefunden werden, der sie nicht nur de iure, sondern auch de facto zu Gleichberechtigten bei der Verteilung dieser Ressourcen macht.278 Das CHM-Prinzip ist ein erster Versuch, einen solchen gerechten Ausgleich zu erreichen und die Ausrichtung des Völkerrechts zu ändern.279 Der Gerechtigkeitsgedanke ist dem CHM-Prinzip gewissermaßen immanent. Das kommt insbesondere durch völkerrechtliche Verträge zum Ausdruck, die ein „gemeinsames Erbe der Menschheit“ benennen.280 Die Elemente des CHM-Prinzips streben danach, den Zugang zu Ressourcen und die daraus gewonnenen Vorteile allen Staaten zu sichern.281 Dies geschieht im Einzelnen etwa durch das Verbot einzelstaatlicher Aneignung und die gleichzeitige Verpflichtung, stattdessen ein internationales Verwaltungsorgan zu errichten, das die Ressourcen im Interesse aller Staaten verwaltet.282 Das CHM-Prinzip ist jedoch zu einseitig ausgelegt, indem es von der Prämisse ausgeht, dass nur die Entwicklungsländer einer besonderen Berücksichtigung beim Zugang zu den Ressourcen und ihrer Verteilung bedürfen. Diese Prämisse macht das CHM-Prinzip unflexibel, denn es sind auch die Industrienationen, die durch Technologie, finanzielle Mittel und Know-How überhaupt erst die Möglichkeit des Bioprospecting in der Tiefsee und die wissenschaftliche Erforschung genetischen Materials an Land ermöglichen.283 Der 277 Für Art. 74 und 83 vgl. IGH, Maritime Delimitation in the Area between Greenland and Jan Mayen (Denmark v. Norway), ICJ Reports 1993, 38 (59), Nr. 48. 278 Mau, Equity, the Third World and the Moon Treaty, 8 Suffolk Transnat’l L. J. (1984), 221 (227 f.). 279 Mau, Equity, the Third World and the Moon Treaty, 8 Suffolk Transnat’l L. J. (1984), 221 (225): „[…] the concept of the ,common heritage of mankind‘ is an attempt to change the orientation of international law.“ 280 Vgl. Art. 11 Abs. 7 lit. d) MT; Präambel und Art. 140 Abs. 2 SRÜ. 281 Guneratne, Genetic Resources, Equity and International Law, 2008, 89: „A CHH regime repudiates the notion of State sovereignty over these resources in favour of allocating them equitably to all of humanity.“ 282 Für die Errichtung multinationaler Unternehmen zur gerechten Ressourcennutzung vgl. Goldie, Equity and the International Management of Transboundary Resources, 25 Nat. Resources J. (1985), 665 (693 ff.). 283 Mau, Equity, the Third World and the Moon Treaty, 8 Suffolk Transnat’l L. J. (1984), 221 (233 f.).
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Billigkeitsausgleich kann darüber hinweg helfen. Denn er ist keine Einbahnstraße, sondern vermeidet das einseitige Geben oder Nehmen nur eines Teils der Staatengemeinschaft. Die Billigkeit beseitigt die ansonsten verbleibende Ungerechtigkeit. Der Billigkeitsgedanke könnte in Bezug auf die genetischen Ressourcen konkret wie folgt zum Ausdruck kommen: Zugang und Verteilung genetischer Ressourcen könnten beispielsweise „unter besonderer Berücksichtigung der Interessen und Bedürfnisse der Entwicklungsländer“ sowie „jener Staaten, die direkt oder indirekt zur Erforschung des Gebiets beigetragen haben“ erfolgen.284 Bei der konkreten Ausgestaltung des Vorteilsausgleichs wird dem Risiko der staatlichen oder privaten Unternehmen, die die insbesondere zeitlich und finanziell unkalkulierbare Erforschung des Tiefseebodens auf sich nehmen, Rechnung getragen, indem ihr Risiko durch nachfolgende ausschließliche Rechte (bspw. Patente) für ihre Erfindungen verringert wird. Gleichzeitig wird – zugunsten der übrigen Staaten – ein Vorteilsausgleichssystem eingeführt. Durch die gegenseitige Verteilung von Chancen und Risiken wird ein gerechter und angemessener Ausgleich gefunden, der sich in entsprechenden einzelnen Normen niederschlägt, die wiederum unter Anwendung des Billigkeitsgedankens auszulegen sind. Nichts anderes bezweckt auch der sog. „package deal“, der im Rahmen der BBNJ-Working Group zwischen den Staaten ausgehandelt wurde und als Grundlage für die Arbeit des Vorbereitungskomitees dienen soll:285 Zur Wahrung der Interessen aller Beteiligten sind sowohl die nachhaltige Bewirtschaftung (sustainable use) genetischer Ressourcen als auch ihre Erhaltung (conservation) im Rahmen des Meeresumweltschutzes als thematischer Rahmen vorgesehen. Der Billigkeitsgedanke erfährt seine konkrete Ausprägung folglich auch durch die Gestaltung der Normen in ihrer Gesamtheit. Billigkeitsnormen vermögen eine gewisse Beweglichkeit bei der Frage nach dem Zugang zu genetischen Ressourcen und ihrer Verteilung zu eröffnen.286 Gerade bei der Verteilung von knappen Ressourcen und sehr unterschiedlichen Entwicklungsgraden der Staaten im Hinblick auf eine Bewirtschaftung, wird neben grundsätzlichen Regeln auch ein Korrektiv im Einzelfall benötigt. Das Gerechtigkeitsprinzip findet zwar keine generelle Anwendung als Prinzip des Völkerrechts, kann aber als Teil einer Norm im Einzelfall ein zufriedenstellendes – ein „billiges“ – Ergebnis erst möglich machen und ein Ungleichgewicht verhindern.287 Gerade im Hinblick auf die sich stetig verändernden geo-politischen Umstände und dem diesem Prozess ebenfalls unterworfenen subjektiven Gefühl für Recht und Gerechtigkeit, kann in vielen
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Für die mineralischen Ressourcen im Gebiet vgl. bspw. Art. 140 Abs. 1 SRÜ. BBNJ-Working Group, 69th Session, 2015, UN Doc. A/69/780, Nr. 1 lit. (f). 286 Sands et al., Principles of International Environmental Law, 3rd edn., 2012, 213 f.: „[…] equity can provide a conveniently flexible means of leaving the extent of rights and obligations to be decided at a subsequent date […].“ 287 Goldie, Equity and the International Management of Transboundary Resources, 25 Nat. Resources J. (1985), 665 (673). 285
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Kap. 5: Ausblick
Fällen nur ein Billigkeitsausgleich zwischen zwei Parteien eben jenes zufriedenstellende Ergebnis herbeiführen.288 3. Kooperation Die Pflicht zur internationalen Kooperation ist wesentlicher Bestandteil der Friendly-Relations-Erklärung von 1970,289 die von der Generalversammlung der Vereinten Nationen einstimmig angenommen wurde.290 Diese Pflicht umfasst personell sowohl die Kooperation unter den Staaten selbst als auch zwischen den Staaten und den Vereinten Nationen, jeweils in Übereinstimmung mit der UN-Charta. Die Kooperationspflicht besteht mit dem übergeordneten Ziel, erstens den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu erhalten und zweitens wirtschaftliche Stabilität, Fortschritt und Wohlstand zu fördern: „States have the duty to co-operate with one another, irrespective of the differences in their political, economic and social systems, in the various spheres of international relations, in order to maintain international peace and security and to promote international economic stability and progress, the general welfare of nations and international co-operation free from discrimination based on such differences.“291
In Bezug auf die Aktivitäten im Gebiet hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen mit der Resolution 2467 (XXIII) das Meeresboden-Komitee eingesetzt und mit der Ausarbeitung eines Regimes zur Bewirtschaftung der dortigen Ressourcen beauftragt.292 In dessen Mittelpunkt sollte die Förderung zwischenstaatlicher Kooperation stehen, um eine Bewirtschaftung zum Wohle der gesamten Menschheit zu gewährleisten.293 Die Kooperation soll dabei letztlich der Wahrung des Friedens und der Sicherheit in der Welt dienen, indem ein kontinuierlicher Dialog zwischen den Staaten stattfindet und so günstigstenfalls Einigkeit über völkerrechtliche Fragen erzielt wird.294 Das Kooperationsprinzip ist zu diesem Zweck von internationalen
288
Shelton, in: Bodansky et al. (eds.), International Environmental Law, 2007, 653: „[…] negotiators must rely on equity to resolve conflicts […].“; kritisch abermals Akehurst, Equity and General Principles of Law, 25 Int’l & Comp. L. Q. (1976), 801 (809 f.): „The other main danger of applying equity lies in the fact that equity is subjective. […]; in other words, there was only a thin distinction between equity and political horse-trading.“ 289 UNGA, Friendly-Relations-Declaration, 25th Session, 1970, UN Doc. A/Res/25/2625. 290 McWhinney, The UN Declaration on Friendly Relations and the System of the Sources of International Law, 75 AJIL (1981), 391 (393). 291 UNGA, Friendly-Relations-Declaration, 25th Session, 1970, UN Doc. A/RES/25/2625: „The duty of States to co-operate with one another in accordance with the Charter.“ 292 UNGA, 23rd Session, 1968, UN Doc. A/RES/23/2467/A. 293 Ibid.: „To study the elaboration of the legal principles and norms which would promote international co-operation in the exploitation and use of the sea-bed and the ocean-floor […] and ensure the exploitation of their resources for the benefit of mankind […].“ 294 Brownlie, Principles of Public International Law, 7th edn., 2008, 249.
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Gerichten angewendet und in internationale Verträge implementiert worden.295 Das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen enthält beispielsweise eine Vielzahl an Kooperationsverpflichtungen für seine Vertragsstaaten auf regionaler und überregionaler Ebene.296 Die Staaten sollen etwa bei der Bewirtschaftung, Erhaltung und Erforschung der lebenden Ressourcen des Meeres sowie hinsichtlich des Schutzes und der Erhaltung der Meeresumwelt zusammenarbeiten.297 Das „allgemeine Verhalten“ im Gebiet muss im Interesse der „Förderung der internationalen Zusammenarbeit und gegenseitigen Verständigung“ erfolgen.298 Auch das sog. „Fish-Stocks-Agreement“ (FSA)299 aus dem Jahre 1995 stellt in Teil III Mechanismen für die Internationale Zusammenarbeit auf.300 Das Kooperationsprinzip hat seit Beginn des 20. Jahrhunderts Einzug in nahezu alle Umweltübereinkommen erhalten301 und wird insbesondere auf regionaler Ebene zum Schutz der Meeresumwelt angewandt.302 Der Austausch von Informationen, die Benachrichtigung und die Rücksprache mit dem Kooperationspartner sind praktische Ausformungen der Kooperationspflicht im Umweltvölkerrecht.303 Letztlich dienen sie zunächst der Zugangsverschaffungspflicht, dessen konkrete Gestaltungsmöglichkeiten sich zwischen Technologietransfer und der ungleich weniger einschneidenden Gewinnbeteiligung bewegen. Die Kooperationspflicht betrifft hierbei allerdings nicht nur die Bewirtschaftung der Ressourcen, sondern auch
295 Vgl. Beispiele bei Sands et al., Principles of International Environmental Law, 3rd edn., 2012, 204 f. 296 Forteau, Regional Co-operation, in: Wolfrum (ed.), MPEPIL (online-Version), 2010, Nr. 26; Tladi, State Practice and the Making and (Re)Making of International Law: The Case of the Legal Rules Relating to Marine Biodiversity in Areas Beyond National Jurisdiction, 1 SPILJ (2014), 97 (101). 297 Vgl. Art. 118 f. bzw. 197 SRÜ. 298 Vgl. Art. 138 SRÜ. 299 Agreement for the Implementation of the Provisions of the United Nations Convention on the Law of the Sea of 10 December 1982 relating to the Conservation and Management of Straddling Fish Stocks and Highly Migratory Fish Stocks; angenommen am 04. 08. 1995, in Kraft getreten am 11. 12. 2001; Original in: 2167 UNTS 88; = Übereinkommen zur Durchführung der Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 über die Erhaltung und Bewirtschaftung von gebietsübergreifenden Fischbeständen und Beständen weit wandernder Fische, deutsche Fassung in: BGBl II (2000), 1022. 300 Vgl. etwa Art.8 Abs. 1 FSA: „Die Küstenstaaten und die auf Hoher See Fischfang betreibenden Staaten bemühen sich in Übereinstimmung mit dem Seerechtsübereinkommen um eine Zusammenarbeit […], um die wirksame Erhaltung und Bewirtschaftung […] sicherzustellen.“ 301 Sands et al., Principles of International Environmental Law, 3rd edn., 2012, 204. 302 Am Bsp. des Schwarzen Meeres s. Oral, Regional Co-operation and Protection of the Marine Environment under International Law, 2013, 76 ff. 303 UNEP, Environmental Law Guidelines and Principles on Shared Natural Resources (Draft Principles), 1978, Principle 7.
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Kap. 5: Ausblick
spezifische Verpflichtungen zum Umweltschutz.304 Nach den vom Internationalen Seegerichtshof beschlossenen vorläufigen Maßnahmen im MOX-Plant-Fall handelt es sich bei der Kooperationspflicht zur Vermeidung von Umweltverschmutzungen um ein „grundlegendes Prinzip“, das sich sowohl aus Teil XII des SRÜ, als auch aus dem allgemeinen Völkerrecht ergibt.305 Doch was sagt das Kooperationsprinzip hinsichtlich der Bewirtschaftung genetischer Ressourcen des Meeresbodens jenseits nationaler Hoheitsgewalt aus? Das Kooperationsprinzip statuiert eine Pflicht und ein Recht zur Beteiligung aller Staaten an einem bestimmten Prozess. Einerseits betrifft dies die Pflicht zum Informationsaustausch und andererseits das Recht zur Teilhabe an Entscheidungen.306 Teilweise wird hierzu die Schaffung regionaler Organisationen angeregt.307 Die zwischenstaatliche Kooperation dient dabei nicht nur der schlichten Zusammenarbeit als Selbstzweck. Vielmehr steht die Erreichung eines bestimmten Ziels durch Kooperation im Mittelpunkt. Hier etwa dient sie der nachhaltigen Bewirtschaftung genetischer Ressourcen und der Bewahrung der sie beherbergenden Meeresumwelt durch alle Mitglieder der Staatengemeinschaft. Zwischenstaatliche Kooperation ist der Weg, gerechte Ressourcenallokation das Ziel. Dieses Ziel erfordert nicht nur einen gerechten, sondern auch einen kooperativen Lösungsansatz.308 Der gerechte bzw. gleichberechtigte Zugang allein („open access“-Prinzip) bewirkt als abstrakte Möglichkeit bloß die rücksichtslose Ausbeutung einer wertvollen Ressource nach dem „first come, first served“-Prinzip, während hingegen eine Kooperationspflicht diesen Zugang auf einer ersten Stufe auch tatsächlich für alle Kooperationspartner ermöglicht. Denn Kooperation bedeutet Teilhabe an der Entscheidung, die genetischen Ressourcen nur gemeinschaftlich abzubauen. Durch die Kooperationspflicht kann außerdem auf der zweiten Stufe die gerechte Verteilung der Ressource unter den Mitgliedern der Staatengemeinschaft erreicht werden, indem diese in ihrer Gesamtheit an der Entscheidung über die Nutzbarmachung und Kommerzialisierung beteiligt werden. Da die Zusammenarbeit der Staaten zur Bewirtschaftung des gemeinsamen Erbes nicht notwendiger Bestandteil des CHM-Prinzips ist und insbesondere die Errichtung einer internationalen oder regionalen Organisation nicht zwingende Folge des Erfordernisses einer Verwaltung durch die Menschheit ist,309 304
Sands et al., Principles of International Environmental Law, 3rd edn., 2012, 204. ISGH, The MOX Plant Case (Ireland v. United Kingdom), 2001, Nr. 82: „[…] the duty to cooperate is a fundamental principle in the prevention of pollution of the marine environment under Part XII of the Convention and general international law […].“ 306 Sands et al., Principles of International Environmental Law, 3rd edn., 2012, 204. 307 Vgl. Art. 123 SRÜ für die Bewirtschaftung lebender Ressourcen durch die Anliegerstaaten von umschlossenen oder halbumschlossenen Meeren. 308 Shelton, in: Bodansky et al. (eds.), International Environmental Law, 2007, 661: „Without cooperative and equitable solution to the issue of allocation, competitive utilization of the resource may continue until the resource is depleted.“ 309 Wolfrum, The Principle of the Common Heritage of Mankind, 43 Heidelberg J. of Int’l L. 5 (1983), 312 (317): „To avoid any misunderstanding it should be emphasized that the estab305
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wirkt das Kooperationsprinzip folglich nicht nur ergänzend und konkretisierend, sondern kann schließlich unentbehrlich sein, um das Ziel überhaupt zu erreichen: Den gleichberechtigten Zugang und eine gerechte Ressourcenallokation. Selbstverständlich stehen im Umweltvölkerrecht Schutz und Bewahrung der Meeresumwelt im Mittelpunkt der zwischenstaatlichen Kooperation. Daher kann die (nachhaltige) Bewirtschaftung genetischer Ressourcen nicht völlig isoliert davon betrachtet werden. Das Kooperationsprinzip befördert mithin den vielfach geforderten ganzheitlichen Ansatz, indem es den Meeresumweltschutz mit Modalitäten der Bewirtschaftung verbindet. Da gewisse Ziele nur durch die Mitwirkung aller beteiligten Protagonisten zu erreichen sind, erscheint es sinnvoll, diese zu verbinden. Dies gilt beispielsweise für die Kooperation beim Fischfang auf der Hohen See: Die Erreichung eines höchstmöglichen Dauerertrags (MSY) bedarf der Einhaltung der Fischfangmengen (TACs) durch alle Küstenstaaten und jene übrigen Staaten, die auf der Hohen See Fischfang betreiben.310 Entzieht sich aber auch nur ein Staat der Kooperationspflicht kann es zur dauerhaften Erschöpfung der Ressource kommen, wodurch Bewirtschaftungsinteressen und Meeresumwelt gleichermaßen betroffen werden. Gleiches gilt – umso mehr – für die genetischen Ressourcen des Meeresbodens. Die Mikroorganismen bilden nicht nur Grundlage und Voraussetzung der an Hydrothermalquellen und anderswo in der Tiefsee beheimateten Ökosysteme; eine unachtsame Bewirtschaftung kann folglich fatale Folgen für das Leben auf dem Meeresboden haben und nicht nur die Ressource selbst, sondern sämtliche von ihr abhängige Flora und Fauna zerstören. Die Mikroorganismen sind vielmehr auch Informationsträger von besonderem Wert. Die Gefahr liegt nicht nur in der Vernichtung einer Nahrungsquelle, sondern darin, dass die genetische Information unwiederbringlich, im Zweifel vor allem aber nicht substituierbar ist. Die Staaten müssen daher verpflichtet werden, als Mitglieder einer internationalen oder regionalen Organisation, miteinander zu kooperieren. Eine vertragliche Verpflichtung zur Zusammenarbeit ist unabdingbar, um eine gerechte Bewirtschaftung und Verteilung der Ressourcen sicherzustellen. Der Kooperationsgedanke macht die Staaten zu gleichberechtigten Partnern, die nicht nur gemeinsame Pflichten, sondern auch gemeinsame Rechte teilen. Der Verpflichtung zur Bewahrung der Meeresumwelt steht die Berechtigung zum Bioprospecting gegenüber. Als Anreiz dazu dienen die gegenseitige Beteiligung und der Austausch von Forschungsergebnissen. Darüber hinaus vermag dies auch die Effizienz bei der Erforschung und Entwicklung von wichtigen Medikamenten oder anderen nützlichen Produkten zu steigern. Denn ob der Größe des Meeresbodens ist es für ein Unternehmen – nicht einmal für einen Staat – möglich, von allen marinen Organismen Proben zu nehmen.
lishment of an international organization empowered with a resource oriented jurisdiction is no peremptory consequence derived from the common heritage principle.“ 310 Vgl. Art. 118 f. SRÜ.
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Kap. 5: Ausblick
II. Besondere Prinzipien des Umweltvölkerrechts 1. Das Vorsorgeprinzip Das Vorsorgeprinzip (precautionary principle) ist ein Mittel zum präventiven Umweltschutz im Völkerrecht. Es fußt auf der Prämisse, dass die Menschheit hinsichtlich der Auswirkungen ihres Handelns auf die Umwelt nur über begrenztes Wissen verfügt. Bis die Wissenschaft aber über vollständige oder jedenfalls hinreichende Kenntnisse verfügt, könnten schon unumkehrbare Umweltschäden eingetreten sein.311 Diese Ungewissheit um die Auswirkungen menschlichen Handelns auf die Umwelt soll jedoch nicht von Schutzmaßnahmen befreien. Im Gegenteil: Diese Ungewissheit muss gerade zu vorbeugenden Maßnahmen verpflichten. Das Vorsorgeprinzip verschiebt das Zeitmoment der umweltschützenden Maßnahme, indem bereits das Risiko einer Umweltschädigung präventives Handeln erfordert und nicht erst ihre Auswirkungen eine Schadensbegrenzung und -behebung nach sich ziehen.312 Die Maßnahme erfolgt demnach antizipatorisch, um zukünftige Schädigungen zu vermeiden.313 Die Ungewissheit der Handlungsfolgen streitet damit im Zweifel für die Natur: In dubio pro natura.314 Erstmalig wurde der Gedanke eines vorbeugenden Umweltschutzes zu Beginn der 1970er Jahre in nationalen Rechtssystemen kodifiziert.315 In den 1980er Jahren erschien er schließlich auch auf der politischen Tagesordnung des Völkerrechts.316 Dieser Gedanke wurde 1992 im Rahmen der UNCED-Konferenz in Rio als Vorsorgeansatz (precautionary approach) konkretisiert und in der Agenda 21 niedergeschrieben.317 Daneben hat das Vorsorgeprinzip Eingang in zahlreiche multilaterale völkerrechtliche Verträge, insbesondere die namhaften Verträge des internationalen Umweltvölkerrechts,318 gefunden.319 Es ist sowohl als völkerrechtliches Prinzip
311 Freestone/Hey, in: Freestone/Hey (eds.), The Precautionary Principle and International Law, 1996, 3 (12). 312 Ibid., 13. 313 Wiener, in: Bodansky et al. (eds.), International Environmental Law, 2007, 597 (598). 314 Trouwborst, Precautionary Rights and Duties of States, 2006, 29. 315 Vgl. für die Bundesrepublik Deutschland: § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG, in: BGBl. I (1974), 721 (724): „Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass […] Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen getroffen wird […].“ (Herv. d. Verf.) 316 Zur geschichtlichen Entwicklung vgl. Sands et al., Principles of International Environmental Law, 3rd edn., 2012, 217 f., m.w.N. 317 UNCED, Agenda 21, 1992, Chapter 35, Nr. 3: „[…] In the face of threats of irreversible environmental damage, lack of full scientific understanding should not be an excuse for postponing actions which are justified in their own right. The precautionary approach could provide a basis for policies relating to complex systems that are not yet fully understood and whose consequences of disturbances cannot yet be predicted.“ 318 Bsp.: Art. 194 SRÜ (1982), Montreal Protokoll (1987); Agenda 21 (1992), CBD (1992), Klimarahmenkonvention (1992), NAFTA (1992) und Art. 6 FSA (1995).
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weitestgehend anerkannt und – ausgehend von hinreichend vorhandener Staatenpraxis – nach überwiegender Ansicht wohl auch Teil des Völkergewohnheitsrechts geworden.320 Die internationalen Gerichte stimmen bei der Bewertung des Vorsorgeprinzips indes nicht überein. Während der Internationale Gerichtshof das Vorbringen der Parteien hinsichtlich des Vorsorgeprinzips im Gabcˇ íkovo-NagymarosFall321 bei der Entscheidungsfindung zunächst unberücksichtigt ließ, wurde dessen mögliche Auswirkung auf das Völkerrecht 2010 im Pulp-Mills-Fall322 immerhin anerkannt.323 Eine Anerkennung des Vorsorgeprinzips als völkergewohnheitsrechtliche Norm folgt daraus nicht. Überzeugter zeigt sich dagegen mittlerweile der Internationale Seegerichtshof: Zwar fand das Vorsorgeprinzip auch im Southern Bluefin Tuna-Fall aus dem Jahr 1999 trotz der Bezugnahme beider Parteien darauf im Urteil keinen Niederschlag.324 Im MOX-Plant-Fall ordnete der ISGH dann jedoch an, dass vorsorgliche Maßnahmen getroffen werden, um eine Verschmutzung der Meeresumwelt durch die Verarbeitung von Uran in der Anlage zu verhindern.325 Schließlich stellte die Meeresbodenkammer des ISGH im Jahr 2011 fest, dass Staaten, die Tätigkeiten im Gebiet unterstützen, die „Pflicht zur Beachtung des
319 Freestone, Problems of High Seas Governance, in: Vidas/Schei (eds.), The World Ocean in Globalisation: Climate Change, Sustainable Fisheries, Biodiversity, Shipping, Regional Issues, 2011, 99 (124), m.w.N. 320 Cameron/Abouchar, in: Freestone/Hey (eds.), The Precautionary Principle and International Law, 1996, 29 (51 f.); Kravchenko et al., in: Alam et al. (eds.), Routledge Handbook of International Environmental Law, 2013, 50: „Despite the difference among academics about the legal status of the precautionary principle, the broad support and evidence of state practice in instruments such as the Rio Declaration, the UNFCCC and the CBD justify a strong argument that it reflects a principle of customary international law. “; zum Streitstand s. Wiener, in: Bodansky et al. (eds.), International Environmental Law, 2007, 597 (601), m.w.N. 321 IGH, Gabcˇ íkovo-Nagymaros Project (Hungary v. Slovakia), ICJ Reports 1997, 7, Nr. 97 und 113. 322 IGH, Pulp Mills on the River Uruguay (Argentina v. Uruguay), ICJ Reports 2010, 14, Nr. 164. 323 Sands et al., Principles of International Environmental Law, 3rd edn., 2012, 224: „Whilst this falls very short of any confirmation as to a requirement of precaution in customary law, the Court appears to have recognised that the principle is not without effect, even if in a limited way.“ 324 Gleichwohl erachtet Richter Treves in seinem Sondervotum das Vorsorgeprinzip beim (zukünftigen) Thunfischfang für anwendbar: ISGH, Southern Bluefin Tuna Cases (New Zealand v. Japan; Australia v. Japan), 1999, Separate Opinion of Judge Treves, Nr. 8: „While, of course, a precautionary approach by the parties in their future conduct is necessary, such precautionary approach, in my opinion, is necessary also in the assessment by the Tribunal of the urgency of the measures it might take. In the present case, it would seem to me that the requirement of urgency is satisfied only in the light of such precautionary approach.“ 325 ISGH, The MOX Plant Case (Ireland v. United Kingdom), 2001, Nr. 89 (1) (c): „THE TRIBUNAL […] Prescribes […] the following provisional measure […]: Ireland and the United Kingdom shall […] devise, as appropriate, measures to prevent pollution of the marine environment which might result from the operation of the MOX plant.“
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Kap. 5: Ausblick
Vorsorgeprinzips“ haben.326 Die Kammer rekurriert dabei insbesondere auf den einschlägigen Text der Agenda 21, der dazu beigetragen habe, den „precautionary approach“ zu einem Teil des Völkergewohnheitsrechts werden zu lassen.327 Es steht außer Frage, dass das Vorsorgeprinzip dazu geeignet und bestimmt ist, Gefahren und Risiken zu begegnen, die wir (noch) nicht vollständig einschätzen können. Während die Grundidee dieses Prinzips zunächst jedoch nur auf den Schutz der Umwelt vor Verschmutzung abzielte, ist sein Anwendungsbereich im Laufe der Zeit nunmehr auch auf den Schutz vor schädlicher Bewirtschaftung erweitert worden.328 Kann das Vorsorgeprinzip also auch einen Beitrag zur Regulierung der Bewirtschaftung leisten? Kann es den Zugang zu genetischen Ressourcen des Meeresbodens gar gerechter gestalten? Dazu sind zunächst die einzelnen Bestandteile des Vorsorgeprinzips näher zu betrachten. Bei Anwendung des Vorsorgeprinzips erfordert die Ungewissheit eines Schadenseitritts für die Umwelt das unverzügliche Unterlassen der Handlung bzw. das Ergreifen vorbeugender Maßnahmen, die das Risiko eines Schadenseintritts auf ein vertretbares Maß reduzieren. Daraus ergeben sich zwei Erkenntnisse: Erstens, die drei Elemente des Prinzips, namentlich (1) ein drohender Schaden, (2) Ungewissheit und (3) Handlungspflicht.329 Zweitens wird dadurch auch der Bezug der Elemente zueinander deutlich. Während die ersten beiden Elemente die Anwendungsvoraussetzungen darstellen, zeigt das dritte Element die Rechtsfolge, die notwendige Verpflichtung zur Handlung, auf. Die Variable dieser Gleichung ist die Ungewissheit. Allein die Ungewissheit eines Schadenseintritts rechtfertigt weder das Unterlassen noch die Vornahme einer Handlung. Die Handlungsverpflichtung bemisst sich nach den erwarteten Folgen im Vergleich zu den zur Verfügung stehenden Alternativen.330 Durch die Vornahme vorbeugender Maßnahmen kann also die Ungewissheit, mithin das Risiko eines Schadenseintritts, verringert werden. Daran knüpfen sich wiederum zwei Fragen: Wo beginnt die Schwelle zur Gewissheit und wer muss diese nachweisen? Jeder Pionierleistung, jedem Erstlingswerk und jeder neuen Entdeckung wohnt auch eine bestimmte Ungewissheit hinsichtlich ihrer Auswirkungen inne. Vollständige Gewissheit ist kaum jemals zu erlangen. Vielmehr scheint die Ungewissheit einer Umweltschädigung mit dem Anstieg unseres Wissens über die Um326
ISGH (Seabed Disputes Chamber), Responsibilities and Obligations of States Sponsoring Persons and Entities with Respect to Activities in the Area (Advisory Opinion), 2011, Nr. 122 ff.: „Among the most important of these direct obligations incumbent on sponsoring States are: […] the obligation to apply a precautionary approach […].“ 327 Ibid., Nr. 135.: „In the view of the Chamber, this has initiated a trend towards making this approach part of customary international law.“ 328 Sage-Fuller, The Precautionary Principle in Marine Environmental Law – With special Reference to High Risk Vessels, 2013, 72. 329 Ausführlich: Trouwborst, Precautionary Rights and Duties of States, 2006, 30 f. 330 Wiener, in: Bodansky et al. (eds.), International Environmental Law, 2007, 597 (607): „The choice depends on the relative expected consequences of each action compared to alternatives.“
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welt selbst zu steigen.331 Auch rückblickend kann oft nicht der höchste Grad an Gewissheit erlangt werden. Ein Restrisiko ist wohl nie auszuschließen, sodass der höchstmögliche Grad an Gewissheit als Standard handlungsleitend sein muss, sei es dann ein „annehmbares“, ein „nicht vermeidbares“ oder ein „unerhebliches“ Risiko.332 Denn das Erfordernis einer absoluten Gewissheit um die Nichtschädlichkeit einer Handlung würde jede Forschungsaktivität auf dem Meeresboden hemmen, vielleicht ganz verhindern. Die Beweislast im Völkerrecht trägt grundsätzlich derjenige, der eine Handlung verbieten möchte.333 Nur folgerichtig ist es daher auch in diesem Fall, dass derjenige Staat, der einem anderen Staat einen potentiell gefährlichen Eingriff in die (Meeres-)Umwelt verbieten oder ihn zu vorbeugenden Maßnahmen zwingen möchte, eben jene Schädlichkeit mit höchstmöglicher Gewissheit nachweisen muss. Eine teilweise beim Vorsorgeprinzip geforderte Beweislastumkehr (shift in the burden of proof) findet nicht statt.334 Für das Bioprospecting auf dem Meeresboden jenseits nationaler Hoheitsgewalt bedeutet dies: Jeder Eingriff kann das Gefüge des Ökosystems beeinträchtigen. Dies gilt umso mehr, wenn durch Beprobung der Mikroorganismen aktiv in die Lebensgrundlage ganzer Ökosysteme an Hydrothermalquellen eingegriffen und diese potentiell gestört oder vernichtet wird. Das jeweilige Unternehmen, das dort Bioprospecting betreibt, ist jedoch nicht verpflichtet, vorsorgliche Maßnahmen zu treffen und einer Umweltschädigung vorzubeugen. Diese Verpflichtung kann entweder durch nachweisbare Erkenntnisse der Umweltschädlichkeit einer Handlung oder durch ein völkervertragliches Verbot bzw. eine Beschränkung erreicht werden. Letztere könnte die Protagonisten dazu verpflichten, das Bioprospecting so durchzuführen, dass die genetischen Ressourcen intra- und intergenerationalen Nachfolgern zur Verfügung stehen und nicht durch unachtsame Vorgehensweise ganze Ökosysteme zerstört werden. 2. Nachhaltigkeit Nachhaltigkeit ist ein Grundsatz für die Bewirtschaftung natürlicher Ressourcen. Sie ist Teil des Konzepts einer nachhaltigen Entwicklung (sustainable develop-
331
Rayfuse, Precaution and the Protection of Marine Biodiversity in Areas beyond National Jurisdiction, 27 Int’l J. Marine & Coastal L. (2012), 773 (773). 332 Hildreth et al., Roles for a Precautionary Approach in Marine Resources Management, 10 Ocean Y. B. (2005), 33 (36); Wiener, in: Bodansky et al. (eds.), International Environmental Law, 2007, 597 (606). 333 Sands et al., Principles of International Environmental Law, 3rd edn., 2012, 222. 334 IGH, Pulp Mills on the River Uruguay (Argentina v. Uruguay), ICJ Reports 2010, 14, Nr. 164; a.A.: Hildreth et al., Roles for a Precautionary Approach in Marine Resources Management, 10 Ocean Y. B. (2005), 33 (36 f.).
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Kap. 5: Ausblick
ment).335 Das Prinzip einer nachhaltigen Entwicklung hat seit den 1980er Jahren durch zahlreiche Verträge Einzug in das Völkerrecht erhalten, wurde von internationalen Gerichten angewendet und ist als Rechtsprinzip im Völkerrecht anerkannt.336 Eine erste und prägende Definition des Konzepts nachhaltiger Entwicklung lieferte die Weltkommission für Umwelt und Entwicklung 1987 mit dem sog. „Brundlandt Report“:337 „Sustainable Development is development that meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs. It contains within it two key concepts: @ the concept of ,needs‘, in particular the essential needs of the world’s poor, to which overriding priority should be given; and @ the idea of limitations imposed by the state of technology and social organization on the environment’s ability to meet present and future needs.“338
Nachhaltigkeit ist demnach auf die Befriedigung von Bedürfnissen ausgerichtet und strebt diese auf zwei Wegen an. Erstens durch die nachhaltige Nutzung einer Ressource. Da (auch) bei nachwachsenden Ressourcen die absolute Grenze ihres Abbaus in ihrer Erschöpfung liegt, versucht das Konzept der Nachhaltigkeit eben dies durch Regulierung zu vermeiden. Es darf nicht mehr verbraucht werden, als nachwachsen oder künftig wieder bereitgestellt werden kann. Die Bewirtschaftung einer Ressource wird folglich dadurch reguliert, dass die natürliche Regenerationsfähigkeit des Organismus als limitierender Faktor seiner Bewirtschaftung begriffen wird. Im Völkerrecht wird dieses Konzept daher verständlicherweise häufig gebraucht, wenn die Verteilung einer gemeinschaftlich genutzten Ressource in Rede steht,339 um ihre Nutzbarkeit für alle Staaten zu erhalten. Darum kommt dieser Gedanke beispielsweise im Seerechtsübereinkommen bei der Erhaltung der lebenden Ressourcen des Meeres zum Tragen.340 Bei der Fischerei auf der Hohen See verpflichtet Art. 119 SRÜ die Staaten, Maßnahmen zu ergreifen, um einen größtmöglichen Dauerertrag (maximum sustainable yield, MSY) bei der Bewirtschaftung lebender Ressourcen zu sichern. Dies geschieht durch Festlegung einer zulässigen 335 Magraw/Hawke, in: Bodansky et al. (eds.), International Environmental Law, 2007, 613 (629): „Achieving sustainable development requires that natural resources be used in an equitable and sustainable manner.“ 336 Zum Prinzip der nachhaltigen Entwicklung im Völkerrecht s. ILA, New Delhi Declaration of Principles of International Law Relating to Sustainable Development, 2 International Environmental Agreements: Politics, Law and Economics (2002), 211 – 216; im Einzelnen bspw.: UNCED, Prinzipien Nr. 5, 7, 8 und 12 der Rio-Erklärung über Umwelt und Entwicklung, 1992; UNGA, Prinzipien Nr. 6, 22 und 23 der Millenium Declaration, 55th Session, 2000, UN Doc. A/RES/55/2. 337 Benannt nach der Vorsitzenden der Kommission und ehem. norwegischen Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland. 338 WCED, Our Common Future (Brundtland Report), Teil I, Kapitel 2. Nr. 1. 339 Sands et al., Principles of International Environmental Law, 3rd edn., 2012, 213, m.w.N. 340 Vgl. Art. 61 Abs. 3, Art. 62 Abs. 1, Art. 119 Abs. 1 lit. a) und Art. 150 lit. b) SRÜ.
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Fangmenge (total allowable catch, TAC), die sich wiederum an wissenschaftlichen Erkenntnissen über die Art der Ressource, insbesondere ihrer Regenerationsfähigkeit, orientiert.341 Dadurch wird im Falle der Fischerei eine sog. „Überfischung“ vermieden, die in absehbarer Zeit das Aussterben eines Schwarms oder einer ganzen Art zur Folge hätte. Die genetischen Ressourcen des Meeresbodens sind weniger vom Aussterben bedroht, denn bei ihnen kommt es regelmäßig nicht darauf an, eine möglichst große Menge zu erbeuten. Die Entschlüsselung der Erbinformationen kann durch wenige Zellen eines Organismus erfolgen, sodass im Rahmen des Bioprospecting eine kleine Probe ausreichend ist, um so gewonnene Erkenntnisse zu kommerzialisieren. Bei den genetischen Ressourcen betrifft die nachhaltige Nutzung mithin vielmehr die Erhaltung der von ihnen abhängigen Ökosysteme, die durch die wissenschaftliche Meeresforschung und das zunehmende Bioprospecting in der Hohen See und auf dem Meeresboden der Gefahr ihrer Zerstörung ausgesetzt sind. Die nachhaltige Nutzung ist jedoch nicht nur auf die Ressource selbst, sondern auch auf ihre Verwendung zu beziehen. Während erstere den Fortbestand der Ressource und der von ihr abhängigen anderen Ressourcen sicherstellen möchte, dient die nachhaltige Nutzung einer Ressource auch der intra- und intergenerationalen Gerechtigkeit.342 Daher ist die Befriedigung der Bedürfnisse gegenwärtiger und zukünftiger Generationen das zweite Ziel der Nachhaltigkeit, wobei erhöhte Bedürfnisse etwa der Entwicklungsländer zu berücksichtigen sind. Dieses Bedürfnis wird zunächst einmal durch die grundsätzliche Erhaltung der Ressource infolge ihrer nachhaltigen Nutzung erreicht. Denn dadurch wird einerseits eine Nutzungsmöglichkeit für die Mitglieder derselben Generation ermöglicht und andererseits ein Fortbestand für die Mitglieder zukünftiger Generationen erhalten. In beiden Fällen soll die Nachhaltigkeit der Bewirtschaftung eine gerechte Verteilung der Ressource ermöglichen. Damit ist die nachhaltige Bewirtschaftung das Gegenteil einzelstaatlicher Ausbeutung.343 Denn letztere ist nur auf die Befriedigung der Bedürfnisse des Einzelnen gerichtet. Die Verpflichtung zur nachhaltigen Bewirtschaftung der genetischen Ressourcen des Meeresbodens hat indes die Bedürfnisse aller Staaten im Blick und sorgt gleichzeitig für eine gerechte Ressourcenallokation. Zwar bewirkt das Prinzip der Nachhaltigkeit allein nicht, dass alle Staaten mit den notwendigen Mitteln zur eigenen Bewirtschaftung des Meeresbodens ausgestattet werden oder ihnen jedenfalls ein Vorteilsausgleich zugute kommt. Allerdings wird insbesondere durch das Erfordernis intergenerationale Gerechtigkeit der gleichberechtigte Zugang zu den genetischen Ressourcen jenseits nationaler Hoheitsgewalt ermöglicht, sodass auch dieses Prinzip einen weiteren Baustein in einem neuen Regime darstellen könnte. 341 342
(630).
Vgl. Art. 119 Abs. 1 lit. a) SRÜ. Magraw/Hawke, in: Bodansky et al. (eds.), International Environmental Law, 2007, 613
343 BBNJ-Working Group, 66th Session, 2011, UN Doc. A/66/119, Nr. 17: „They underlined that the ,first come, first served‘ approach existing on the high seas was counterproductive and undermined sustainability.“
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Kap. 5: Ausblick
III. Ausgestaltungsmöglichkeiten eines ABS-Systems Zur konkreten Ausgestaltung eines Systems zum Zugang und zum gerechten Vorteilsausgleich – sog. „Access and Benefit-Sharing“-System (ABS-System) – bieten sich verschiedene Möglichkeiten. Die Zugangsregelung bietet wenige Spielräume, denn Ziel ist ja die Bewirtschaftung, sodass eine Versagung des Zugangs nicht in Betracht kommt. Er kann aber an die Einhaltung bestimmter Normen geknüpft werden. Während der Zugang also nur von einzelnen Bedingungen abhängig gemacht werden kann, sind den Möglichkeiten eines gerechten Vorteilsausgleichs kaum Grenzen gesetzt. Dabei soll Gerechtigkeit nicht nach einem – wenn überhaupt – nur rechtsphilosophisch zu bestimmenden Ideal bewertet werden. Der gerechte Vorteilsausgleich strebt vielmehr eine Nivellierung der Unterschiede zwischen den entwickelten Industrienationen und den Entwicklungsländern an, ohne dabei einseitig zu benachteiligen.344 Das CHM-Prinzip stellt einen ersten Schritt in diese Richtung dar, ist aber nicht ausreichend. Nachdem dadurch jedoch weder Art und Weise des Zugangs noch eine Verteilung geregelt werden, bedarf es einer Konkretisierung dieses Systems, gegebenenfalls unter Zuhilfenahme anderer Prinzipien des Völkerrechts. Das CHM-Prinzip bildet folglich den Rahmen und beantwortet die Fragen nach dem „ob“ und „wer“, indem es das gemeinsame Erbe der Menschheit und seine Ressourcen für nicht aneignungsfähig durch einen einzelnen Staat erklärt. Ein ABS-System beantwortet das „wie“, indem es konkrete Bedingungen für den Zugang und Verpflichtungen des Vorteilsausgleichs aufstellt. ABS-Systeme finden sich bereits in einigen multilateralen völkerrechtlichen Verträgen. Das SRÜ spricht zwar nicht ausdrücklich von einem Vorteilsausgleich, beinhaltet aber Regeln für eine gerechte Ressourcenverteilung.345 Insbesondere die ABS-Systeme der völkerrechtlichen Verträge aus der jüngeren Vergangenheit können als Leitbild dienen.346 Sie sind allerdings auf genetische Ressourcen zugeschnitten, die souveränen Rechten zumindest eines Staates unterliegen. Dazu gehören beispielsweise das CBD und das Nagoya-Protokoll (NP).347 Letzteres konkretisiert das im CBD angesprochene ABS-System. Mangels souveräner Rechte der Staaten im Gebiet kann dieses ABS-System auf dortigen genetischen Ressourcen nicht angewandt werden.348 Der Internationale Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft der FAO (IVPREL)349 errichtet ein 344
s. o. Kapitel 5, C. I. 2. Jørem/Tvedt, Bioprospecting in the High Seas: Existing Rights and Obligations in View of a New Legal Regime for Marine Areas Beyond National Jurisdiction, 29 Int’l J. Marine & Coastal L. (2014), 321 (322). 346 So etwa ein Vorschlag der Mitgliedstaaten der EU, in: BBNJ-Working Group, 63rd Session, 2008, UN Doc. A/63/79, Nr. 38. 347 Vgl. Art. 15 ff. CBD und Art. 5 und 6 NP. 348 He, Limitations on Patenting Inventions Based on Marine Genetic Resources of Areas Beyond National Jurisdiction, 29 Int’l J. Marine & Coastal L. (2014), 521 (541). 349 International Treaty on Plant Genetic Resources for Food and Agriculture (ITPGRFA, auch: „FAO-Treaty“); angenommen am 03. 11. 2001, in Kraft getreten am 29. 06. 2004; Original 345
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multilaterales System (MLS), das Zugang und Vorteilsausgleich regelt sowie einen erleichterten Zugang zu pflanzengenetischen Ressourcen, einen Informationsaustausch, Zugang zu und Weitergabe von Technologie, Kapazitätsaufbau und Aufteilung der finanziellen und sonstigen Vorteile aus der Vermarktung vorsieht.350 Jedes ABS-System darf die Erforschung genetischer Ressourcen nicht verhindern, sondern muss vielmehr Anreize schaffen, dass Wissenschaftler und Investoren zukünftig derartige Wagnisse eingehen.351 1. Zugang Ein Zugang nach dem „first come, first served“-Ansatz ist wegen der besonderen Eigenschaften der genetischen Ressourcen und des unterschiedlichen technologischen Fortschritts der Staaten ungeeignet.352 Gerade weil der Zugang nur einigen wenigen Staaten möglich ist, ist es aber auch nicht zielführend, diesen Staaten den Zugang zu verbieten oder einzuschränken. Zwar bedarf es einer Regelung, wie der Zugang zu den genetischen Ressourcen auch für diejenigen Staaten ermöglicht wird, denen es in Ermangelung von Know-How sowie finanzieller und technischer Möglichkeiten (bislang) verwehrt ist, die genetischen Ressourcen auf dem Meeresboden eigenständig zu bewirtschaften. Erwägungen die sich aus dem Gesichtspunkt einer gleichberechtigten Teilhabe an Ressourcen jenseits nationaler Hoheitsgewalt ergeben, sollten aber richtigerweise auf der Ebene eines gerechten Vorteilsausgleichs oder der Zulässigkeit einer Patentierung zum Tragen kommen. Welche Rechtsposition soll für die Staaten durch den Zugang geschaffen werden? Hierbei bieten sich verschiedene Modelle an, wobei diese teilweise schon durch den Status des sog. „Gebiets“ selbst als gemeinsames Erbe der Menschheit ausgeschlossen sind. Die weitreichendsten Rechte über ein Gebiet gewährt die territoriale Souveränität. Souveränität verschafft dem Staat die uneingeschränkte – und ausschließliche – Verfügungsgewalt und Gesetzgebungskompetenz. Sie schließt nicht nur das Eigentum an Oberfläche und Untergrund, sondern auch an seinen Ressourcen ein. Das CHM-Prinzip, das sowohl völkervertraglich als auch völkergewohnheitsrechtlich für das Gebiet selbst gilt, schließt jedoch die Ausübung von Souveränität darüber aus.353 Die umfassende Rechtsposition der territorialen Souveränität ist folglich nicht mit dem Rechtsstatus des Meeresbodens jenseits nationaler Hoheitsgewalt vereinbar.
in: 2400 UNTS 303; = Internationaler Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft, deutsche Fassung in: BGBl. II (2003), 906. 350 Vgl. Art. 10 ff. IVPREL. 351 Greiber, Access and Benefit Sharing in Relation to Marine Genetic Resources from Areas Beyond National Jurisdiction: A Possible Way Forward, 2011, 31. 352 s. o. Kapitel 5, A. I. 353 Vgl. Art. 137 Abs. 1 SRÜ.
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Kap. 5: Ausblick
Jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt können einem Staat bestimmte funktionale Rechte eingeräumt werden, die zur Vornahme einer bestimmten Handlung – etwa zur wirtschaftlichen Nutzung der Ressourcen – benötigt werden. Die gebietsrechtliche wird von der nutzungsrechtlichen Gewalt getrennt und erschafft einen sog. „Funktionshoheitsraum“.354 Zu diesem Zweck erhält ein Staat dann souveräne Rechte (sovereign rights) oder Hoheitsbefugnisse (jurisdiction).355 Beiden Rechtspositionen ist allerdings gemein, dass sie andere von der Vornahme derselben Handlung in diesem Gebiet ausschließen würden. Durch die Zuweisung zwar funktionaler aber auch vorrangiger Rechte wird gleichsam ein „Exklusionsregime“ geschaffen.356 Das Bioprospecting soll allerdings allen Staaten im gesamten Gebiet möglich sein. Dies schließt insbesondere nicht die gleichzeitige Entnahme von Proben genetischer Ressourcen an derselben Hydrothermalquelle aus, denn es ist – im Gegensatz zum Meeresbodenbergbau – durchaus denkbar, dass zwei oder mehrere Unternehmen an derselben Hydrothermalquelle Bioprospecting betreiben. Der Wettbewerb wird schließlich nicht auf dem Meeresboden, sondern bei der DNASequenzierung und der nachfolgenden Produktentwicklung im Labor an Land entschieden. Überdies schließt das CHM-Prinzip jedenfalls auch die Ausübung „souveräner Rechte“ im Gebiet aus. Staaten bzw. deren Unternehmen müssen an den genetischen Ressourcen auch kein Eigentum begründen dürfen. Denn das Eigentum an einer Sache ist keine notwendige Voraussetzung für die Forschung daran. Außerdem können Rechte geistigen Eigentums unmittelbar daran mangels einer erfinderischen Tätigkeit ohnehin nicht begründet werden.357 Mithin ist die Gewährung funktional begrenzter – aber ausschließlicher – Rechte keine Option für das Bioprospecting auf dem Meeresboden. Es ist nötig, aber auch ausreichend, dass der Zugang zu den genetischen Ressourcen des Meeresbodens mittels einfacher Rechte gewährt wird. Hierzu gehört das Recht zur Entnahme und Erforschung der Mikroorganismen, sowie zur Begründung ausschließlicher Rechte des geistigen Eigentums an den Forschungsergebnissen. Da diese Rechte schon unter den Freiheiten der Hohen See gewährt würden, muss diese Rechtsposition untrennbar mit der Verpflichtung zum Vorteilsausgleich verknüpft werden. Während hinsichtlich der mineralischen Ressourcen im Gebiet das SRÜ eine ausschließliche Zugangslizenz mit der Verteilung des gewonnenen Vorteils an die gesamte Menschheit, d. h. die Staatengemeinschaft, verknüpft, muss dies für die genetischen Ressourcen auf zwei Ebenen geregelt werden. Der Zugang wird gewissermaßen allen Staaten diskriminierungsfrei gewährt, mit der Bedingung, dass sich auf der nachfolgenden Ebene den Regeln des Vorteilsausgleichs unterworfen wird. Denn während über den Zugang zu den genetischen Ressourcen auf dem Territorium eines Staates der jeweilige Staat kraft seiner Souveränität entscheidet, 354 Diese Bezeichnung trifft bspw. für die AWZ zu, vgl. Proelß, in: Graf Vitzthum, Handbuch des Seerechts, 2006, 229, Rn. 217. 355 Vgl. Art. 56 Abs. 1 SRÜ. 356 Proelß, in: Graf Vitzthum, Handbuch des Seerechts, 2006, 229, Rn. 217. 357 Vgl. Art. 27 Abs. 1 S. 1 TRIPS-Abkommen.
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handelt es sich bei den genetischen Ressourcen jenseits nationaler Hoheitsgewalt um ein allgemeines Gut.358 Wenn aber der Zugang dazu gewährt wird, muss gewährleistet sein, dass die Verpflichtung zum Vorteilsausgleich dann gegenüber der gesamten Staatengemeinschaft und nicht nur gegenüber einem einzelnen Staat erwächst. Daher muss das Zugangsrecht an Bedingungen geknüpft werden. Erste Bedingung ist mithin die antizipierte Verpflichtung zum Vorteilsausgleich auf der zweiten Stufe. Die weiteren Bedingungen im Sinne gleichzeitiger Verpflichtungen betreffen den Meeresumweltschutz. Der Zugang zu genetischen Ressourcen darf nur in Übereinstimmung und bei Einhaltung der Bestimmungen zum Meeresumweltschutz gewährt werden.359 Dazu zählt im Einzelnen etwa eine nachhaltige Bewirtschaftung (sustainability),360 die die Erhaltung der Ressourcen selbst und der auf sie angewiesenen Ökosysteme sicherstellt, sowie das Vorsorgeprinzip (precautionary principle).361 Zur Sicherstellung der Haftung bei Umweltschäden muss darüber hinaus das Verursacherprinzip (polluter pays principle, PPP) Anwendung finden. Weil die extremophilen Mikroorganismen die Grundlage ganzer Ökosysteme an Hydrothermalquellen bilden, würde ihre unachtsame Zerstörung im Rahmen der Bewirtschaftung das gesamte dortige Leben auslöschen. Das PPP stellt ein geeignetes strategisches Mittel zum Schutz der Umwelt vor Verschmutzung und Zerstörung dar.362 Schließlich sollte eine Umweltverträglichkeitsprüfung (environmental impact assessment, EIA) durchgeführt werden.363 Dabei handelt es sich um ein Mittel der Risko- und Folgenabschätzung, um die konkreten Auswirkungen des Bioprospecting in einem bestimmten Gebiet auf dem Meeresboden im Vorhinein in den Entscheidungsprozess der Zugangsgewährung mit einbeziehen und im Zweifel untersagen zu können. Dies zielt insbesondere auf die Methoden der Entnahme des genetischen Materials sowie außerdem auf das dabei eingesetzte Equipment – von den Schrauben des eingesetzten Schiffs bis zur Beschaffenheit des Schaufelarms eines ROV – ab. Die Verpflichtung zur Beachtung dieser dem Umweltvölkerrecht entspringenden und dort anerkannten Prinzipien schützt und erhält die Meeresumwelt und ermöglicht, dass auch kommende Generationen wieder darauf zu(rück) greifen können. 358 Kamau/Winter, An Introduction to the International ABS Regime and a Comment on its Transposition by the EU, 9 Law Env’t & Dev. J. (2013), 107 (110): „All in all, the fact that states have sovereign rights over genetic resources means that genetic resources have been privatised in relation to other states. Each state however has the prerogative to either use these rights or waive them making genetic resources a global common good.“ 359 EU, Scope, Parameters and Feasibility of an UNCLOS Implementing Agreement, Submission by the EU and its Member States to the UNGA’s BBNJ-Working Group, 05. 03. 2014, Nr. 9. 360 s. o. Kapitel 5, C. II. 2. 361 s. o. Kapitel 5, C. II. 1. 362 Kravchenko et al., in: Alam et al. (eds.), Routledge Handbook of International Environmental Law, 2013, 53. 363 Zu Entwicklung und heutigem Status des EIA vgl. Sands et al., Principles of International Environmental Law, 3rd edn., 2012, 601 ff.
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Kap. 5: Ausblick
Zur sinnvollen Verwirklichung der oben genannten Bedingungen muss der Zugang der Bekanntmachung und Genehmigung unterliegen.364 Nur dadurch kann die nachgelagerte Verpflichtung auch tatsächlich festgestellt und umgesetzt werden. In praktischer Hinsicht kann der Zugang entweder von dem jeweiligen Flaggenstaat des Schiffs, von dem aus operiert wird, genehmigt und bekannt gemacht werden oder von einer internationalen Organisation – beispielsweise durch Erweiterung des ISAMandats. Beide leiten ihre Verfügungsbefugnis von der Staatengemeinschaft in ihrer Gesamtheit ab, der die Ressourcen originär zustehen (sollen). Eine internationale Organisation könnte neben einer Überwachung der Bekanntmachung auch eine Koordinierungsfunktion zwischen den Staaten einnehmen, um die gleichzeitige Bewirtschaftung eines Gebiets durch allzu viele Staaten zu vermeiden. 2. Vorteilsausgleich Nachdem der Zugang zu den genetischen Ressourcen des Meeresbodens de lege ferenda zwar allen Staaten unter bestimmten Bedingungen erlaubt ist, aber diese Möglichkeit de facto nur wenige Staaten wahrnehmen können, ist ein Vorteilsausgleich erforderlich, um die gesamte Staatengemeinschaft an dieser Ressource teilhaben zu lassen. Der Vorteilsausgleich im CBD oder dem NP hat gewissermaßen einen Tausch zum Gegenstand: Ein Staat gewährt einem anderen Staat Zugang zu genetischen Ressourcen, die sich unter seiner Hoheitsgewalt befinden und erhält dafür im Gegenzug einen bestimmten Ausgleich.365 Für die Ressourcen jenseits nationaler Hoheitsgewalt ergeben sich jedoch Unterschiede. Die genetischen Ressourcen im Gebiet sind nicht von Beginn an Gegenstand von souveränen Rechten oder der Souveränität eines Staates. Sie stehen allen Staaten gleichermaßen zu. Diesbezügliche Rechte des Zugangs oder des geistigen Eigentums müssen erst durch das Völkerrecht geschaffen werden. Der Tausch vollzieht sich daher in der Art und Weise, dass einem Staat zunächst das Recht zur Bewirtschaftung dieser Ressourcen eingeräumt wird. Der einzelne Staat erhält mithin Zugang zu einer Ressource, obwohl er diesbezüglich ursprünglich keine eigenen Rechte besaß. Im Gegenzug werden die übrigen Staaten für diesen einseitigen Vorteil gewissermaßen entschädigt. Es erfolgt ein Vorteilsausgleich. Der Vorteilsausgleich kann praktisch in zweierlei Art und Weise durchgeführt werden. Zum einen kommt ein Ausgleich finanzieller Art, mithin die Zahlung eines bestimmten Geldbetrages, in Betracht. Diese Zahlung könnte als Vorauszahlung, 364 EU, Scope, Parameters and Feasibility of an UNCLOS Implementing Agreement, Submission by the EU and its Member States to the UNGA’s BBNJ-Working Group, 05. 03. 2014, Nr. 9. 365 Keating, Access to Genetic Resources and Equitable Benefit Sharing Through a New Disclosure Requirement in the Patent System: An Issue in Search of a Forum, 87 J. Pat. & Trademark Off. Soc’y (2005), 525 (543): „ABS is based upon a ,quid pro quo‘ principal, whereby a country provides access to genetic resources to an entity in exchange for a share in any benefits that may arise from their exploitation.“
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also beispielsweise als Zugangsgebühr, die je entnommener Probe erhoben wird, oder als Lizenzgebühr ausgestaltet sein.366 Die Lizenz kann als ausschließliche Bewirtschaftungserlaubnis für ein bestimmtes Gebiet, etwa für die Hydrothermalquellen entlang einer tektonischen Verschiebung, gelten. Die Erhebung von Vorauszahlungen erscheint beim Bioprospecting auf dem Meeresboden allerdings nicht sinnvoll.367 Denn ein derartiges Unterfangen ist ohnehin erstens schon sehr kostenträchtig und zweitens ist ein Erfolg ungewiss. Unter diesen Voraussetzungen einen „Eintrittspreis“ zu verlangen, hemmt Forschung und Entwicklung. Das ABSSystem soll aber gerade einen Anreiz zu diesbezüglichen Investitionen geben und nicht bereits im Vorhinein besonders hohe Hürden aufstellen. Unter Umständen wird es sogar erforderlich sein über eine Anschubfinanzierung dieser risikoreichen Investitionen nachzudenken.368 Zielführender ist daher ein nachträglicher finanzieller Ausgleich, der an tatsächliche Gewinne anknüpft, wie er etwa auch in Art. 82 SRÜ für die Ausbeutung des äußeren Festlandsockels jenseits von 200 sm vorgesehen ist.369 Dies wird dem Umstand eher gerecht, dass Unternehmen – im Gegensatz zum Meeresbodenbergbau im Gebiet – keine Gewissheit haben, dass sich aus den dort u. U. zu findenden genetischen Ressourcen auch tatsächlich gewinnbringende Produkte herstellen oder Prozesse entwickeln lassen.370 Im Falle der erfolgreichen Vermarktung eines auf genetischen Ressourcen basierenden Produkts, kann durchaus eine Lizenzgebühr für diese Vermarktung erhoben werden.371 Diese Gebühr kann auch an die Patentierung geknüpft werden.372 Die Verteilung erfolgt dann nicht unmittelbar an die Staaten, sondern die Ausgleichszahlung wird beispielsweise in Treuhandfonds angelegt, welche die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt fördern.373 Auf diese Weise wird eine nachhaltige Bewirtschaftung der Ressourcen gefördert, die wiederum der gesamten Staatengemeinschaft zugute kommt. Zum anderen kann – daneben oder stattdessen – ein Ausgleich nicht-fi366
Vgl. Abs. 1 lit. a) und d) der Anlage zum NP. Vgl. bspw. Art. 12 Abs. 2 lit. b) IVPREL: „[Der Zugang] ist entweder kostenlos oder die für ihn erhobene Gebühr überschreitet nicht die anfallenden Mindestkosten.“ 368 Greiber, Access and Benefit Sharing in Relation to Marine Genetic Resources from Areas Beyond National Jurisdiction: A Possible Way Forward, 2011, 31: „However, any ABS regime must not discourage the further exploration of marine genetic resources in ABNJ in the future. Especially private scientists and bioprospectors still need to be rewarded for their exploration efforts and for their risk of making upfront investments.“ 369 Art. 82 Abs. 2 SRÜ gewährt eine fünfjährige Karenzzeit nach deren Ablauf Ausgleichszahlungen prozentual vom Gewinn zu erbringen sind. 370 Auch beim Meeresbodenbergbau sind die Unternehmen nicht schon in der Erforschungsphase, sondern erst beim Abbau zum Vorteilsausgleich verpflichtet, vgl. Art. 13 des Annex III zum SRÜ. 371 Vgl. Abs. 1 lit. e) der Anlage zum NP: „Monetary benefits may include, but not be limited to: Licence fees in case of commercialization.“ 372 McLaughlin, Exploiting Marine Genetic Resources Beyond National Jurisdiction and the International Protection of Intellectual Property Rights: Can They Coexist?, in: Vidas (ed.), Law, Technology and Science for Oceans in Globalisation, 2010, 371 (381). 373 Abs. 1 lit. f) der Anlage zum NP. 367
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Kap. 5: Ausblick
nanzieller Art erfolgen, insbesondere in Form eines „Wissenstransfers“. Der IVPREL errichtet dazu ein sog. „Multilaterales System“ (MLS), das den Rahmen für den Austausch zwischen den Staaten bietet: „The Contracting Parties agree that benefits arising from the use, including commercial, of plant genetic resources for food and agriculture under the Multilateral System shall be shared fairly and equitably through the following mechanisms: the exchange of information, access to and transfer of technology, capacity-building, and the sharing of the benefits arising from commercialization, taking into account the priority activity areas in the rolling Global Plan of Action, under the guidance of the Governing Body: […].“374
Das MLS ist seiner Art nach nicht auf Gebiete unter nationaler Hoheitsgewalt beschränkt. Eine Anwendbarkeit kommt folglich dem Grunde nach auch für die genetischen Ressourcen des Meeresbodens jenseits nationaler Hoheitsgewalt in Betracht. Der Vorteilsausglich wird im Rahmen des MLS durch einen „Wissensaustausch“ erreicht. An erster Stelle steht die Teilhabe an Forschungs- und Entwicklungsergebnissen, d. h. der Austausch wissenschaftlicher Informationen, die im Rahmen des Bioprospecting und der nachgelagerten Forschung gewonnen wurden bzw. die Bereitstellung dieser Informationen in internationalen Foren oder Einrichtungen.375 Die Informationen können beispielsweise ein Verzeichnis des genetischen Materials, einschließlich Fundorten, Eigenschaften, DNS-Struktur, Verwendungsmöglichkeiten, Erfahrungen etc. einschließen. Forschungsergebnisse müssen mithin in Datenbanken publiziert werden.376 Diese Datenbanken sind frei zugänglich, berechtigen die Verwender unter dem MLS allerdings nicht dazu, eigenes geistiges Eigentum an den Informationen zu begründen.377 Anknüpfend an den Austausch von Informationen zu genetischen Ressourcen, kann auch das genetische Material selbst hinterlegt werden. Zweitens kann dadurch also ein Vorteilsausgleich durch die Zurverfügungstellung der im Rahmen des Bioprospecting erlangten Proben erreicht werden. Im IVPREL geschieht dies durch sog. „Material Transfer Agree374
Art. 13 Abs. 2 IVPREL. Abs. 2 lit. a) und b) der Anlage zum NP: „Non-monetary benefits may include, but not be limited to: (a) Sharing of research and development results; (b) Collaboration, cooperation and contribution in scientific research activities, where possible in the Party providing genetic resources; […].“ 376 Glowka sieht in diesem Schritt sogar ein mögliches Ende der Debatte um possessorische Zuordnung genetischer Ressourcen jenseits nationaler Hoheitsgewalt, vgl. Glowka, Evolving Perspectives on the International Seabed Area’s Genetic Resources: Fifteen Years after ,Deepest of Ironies‘, in: Vidas (ed.), Law, Technology and Science for Oceans in Globalisation, 2010, 397 (419): „The end result could be de facto recognition of the Area as a ,biological commons‘, which would avert the need to legally enclose one of the world’s last open-access genetic commons through additional regulation and dramatically new or expanded institutional mandates.“ 377 Art. 12 Abs. 3 lit. d) IVPREL: „Recipients shall not claim any intellectual property or other rights that limit the facilitated access to the plant genetic resources for food and agriculture, or their genetic parts or components, in the form received from the Multilateral System; […].“ 375
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ments“ (MTAs).378 Dabei handelt es sich um Verträge, die einen rechtlichen Rahmen für die Überlassung einer Substanz – hier: genetisches Material – zum Zwecke der weiteren Erforschung oder wirtschaftlichen Nutzung schaffen.379 Sie werden zumeist zwischen Industrie und Wissenschaft oder umgekehrt geschlossen und verhelfen auf diese Weise beiden Vertragspartnern zu einem Wissenszuwachs.380 MTAs zielen allerdings nicht nur auf dem Austausch zwischen Meeresforschern und Pharmaunternehmen, sondern insbesondere zwischen Industrienationen und Entwicklungsländern ab. Denn der Vorteilsausgleich soll ja gerade letztere begünstigen, weil sie die Proben nicht selber erlangen können. Drittens könnte schließlich über einen Technologietransfer nachgedacht werden.381 Dabei würden etwa die Entwicklungsländer mit der notwendigen Technologie ausgestattet, um Bioprospecting zukünftig in Eigenregie zu betreiben. Diese Art des Vorteilsausgleichs war ursprünglich auch im Seerechtsübereinkommen als verpflichtend vorgesehen. Die Art. 144 und 150 lit. d) SRÜ sowie Art. 5 der Anlage III zum SRÜ verpflichteten die Vertragsstaaten beim Meeresbodenbergbau zur „Weitergabe von Technologie an das Unternehmen und an Entwicklungsstaaten“.382 Nachdem sich dagegen erheblicher Widerstand der westlichen Industrienationen geregt hatte, die ihre privaten Unternehmen nicht zur Weitergabe einheimischer Technologien verpflichtet sehen wollten, wurden die Verpflichtungen zum Technologietransfer mit dem Durchführungsübereinkommen zu Teil XI des SRÜ im Jahre 1994 gelockert.383 Eine Weitergabe durfte nun vor allem entgeltlich und mit
378
Art. 12 Abs. 4 IVPREL. Rodriguez, Material Transfer Agreements: Open Science vs. Proprietary Claims, 23 Nature Biotechnology (2005), 489 (489): „In industry, MTAs will authorize the exchange of materials between collaborating companies for the purpose of developing a product, prohibit the materials‘ use or transfer to third parties for purposes other than the collaboration, and define a mechanism for marketing the product.“ 380 Bekanntestes Beispiel ist wohl die Kooperation zwischen der Regierung Costa Ricas und dem privaten Instituto Nacional de Biodiversidad (INBio), das mit Privaten MTAs über den Zugang zu genetischen Ressourcen abschließt, so beispielsweise das Merck-INBIO Plant Agreement aus dem Jahr 1991 mit dem US-Amerikanischen Pharmakonzern Merck & Co. Inc.; zu INBio und zu MTAs s. Putterman, Model Material Transfer Agreements for Equitable Biodiversity Prospecting, 7 Colo. J. Int’l Envtl. L. & Pol’y (1996), 149 (153). 381 Jørem/Tvedt, Bioprospecting in the High Seas: Existing Rights and Obligations in View of a New Legal Regime for Marine Areas Beyond National Jurisdiction, 29 Int’l J. Marine & Coastal L. (2014), 321 (342): „[…] the principle of technology transfer envisages a transaction from those enjoying greater benefits to those enjoying fewer. Accordingly, it is a form of benefit sharing.“ 382 Zu den Verpflichtungen des Technologietransfers im SRÜ und den Vorbehalten der Staaten dagegen, s. Stavridis, Marine Technology Transfer and the Law of the Sea, in: Moore/ Turner (eds.), International Law Studies, Vol. 68, Readings on International Law From the Naval War College Review (1978 – 1994), 147 ff. 383 Churchill/Lowe, The Law of the Sea, 3rd edn., 1999, 249. 379
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Kap. 5: Ausblick
dem Schutz geistigen Eigentums erfolgen.384 Für die Weitergabe von Technologie zur Bewirtschaftung und zur Erforschung genetischer Ressourcen des Meeresbodens erscheint es angesichts der erforderlichen Zustimmung auch der Industrienationen zu einem ABS-System nicht sinnvoll auf einem unbeschränkten und unentgeltlichen Technologietransfer zu beharren. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass gerade damit ein empfindlicher Nerv derjenigen Staaten getroffen wird, ohne die Bioprospecting auf dem Meeresboden gar nicht stattfinden könnte. Vielmehr gilt es daher durch einen „package deal“ den gegenseitigen Ausgleich von Interessen zu erlangen und die Balance im Sinne eines quid pro quo zu wahren, indem der von den Industrienationen geforderte Meeresumweltschutz und der insbesondere von den G77 und China geforderte gerechte Vorteilsausgleich gleichermaßen berücksichtigt werden.385 Werden einer Seite zu viele Zugeständnisse abverlangt, wird sie sich kaum vertraglich dazu verpflichten lassen. Weitere Möglichkeiten des nicht-finanziellen Vorteilsausgleichs umfassen etwa den Kapazitätsaufbau (capacity building) in institutioneller, personeller und materieller Hinsicht. Der Kapazitätsaufbau verfolgt wiederum das Ziel des „Wissenstransfers“ im weiteren Sinne, indem Programme und Einrichtungen geschaffen werden, um das Verständnis für die nachhaltige Bewirtschaftung genetischer Ressourcen in der Staatengemeinschaft zu fördern.386 Ein Ausgleich durch die Aufteilung von Rechten geistigen Eigentums erscheint hingegen ebenso problematisch, wie der oben angesprochene Technologietransfer. 3. Geistiges Eigentum Rechte geistigen Eigentums (intellectual property rights, IPRs) schaffen etwa durch Urheberrechte und Patente die rechtliche Grundlage für den Schutz menschlicher Schöpfungen auf allen Gebieten der Technik. Zu den schützbaren Schöpfungen gehören Erfindungen, literarische und künstlerische Arbeiten sowie Symbole, Namen und Bilder.387 Die grundsätzliche Möglichkeit der Gewährung von Rechten geistigen Eigentums durch Patente auf Produkte und Prozesse, die durch Verwendung genetischer Ressourcen entwickelt werden, wurde bereits zuvor erörtert
384
Anlage zum DÜ, Abschnitt 5, Nr. 1 lit. b): „If the Enterprise or developing States are unable to obtain deep seabed mining technology, the Authority may request all or any of the contractors and their respective sponsoring State or States to cooperate with it in facilitating the acquisition of deep seabed mining technology by the Enterprise or its joint venture, or by a developing State or States seeking to acquire such technology on fair and reasonable commercial terms and conditions, consistent with the effective protection of intellectual property rights.“ 385 Zur Rechtssetzung im Völkerrecht durch Verhandlungspakete s. Jennings, Law-Making and Package Deal, in: Mélanges Offerts a Paul Reuter, 1981, 347. 386 Vgl. Art. 13 Abs. 2 lit. c) IVPREL. 387 WIPO, What is Intellectual Property?, 2012, 2.
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und bejaht.388 Patente werden nicht auf genetische Ressourcen selbst vergeben. Denn der Mikroorganismus ist nicht Gegenstand menschlicher Schöpfung. Erst durch geistige Tätigkeit kann geistiges Eigentum entstehen. D. h., nur das Produkt aus genetischer Ressource und erfinderischer Tätigkeit befähigt zur Patentierung dieser neuen Erfindung. Die Gewährung von Rechten geistigen Eigentums an einer Erfindung ist Sache des nationalen Rechts.389 Völkerrechtliche Verträge legen hierfür nur einen Rahmen fest, indem sie die Vertragsstaaten zur Gewährung von Mindeststandards zum Schutz geistigen Eigentums verpflichten. Auf internationaler Ebene sind hierfür internationale Organisationen, namentlich die WTO und die WIPO, zuständig. Auch wenn unter dem Dach dieser beiden Organisationen derzeit 27 Verträge und Abkommen zum geistigen Eigentum verwaltet werden, hat keines von ihnen ausdrücklich Erfindungen zum Gegenstand, die aufgrund von genetischen Ressourcen jenseits nationaler Hoheitsgewalt geschaffen werden.390 Der Anwendbarkeit schadet dies gleichwohl nicht. Dennoch stellt sich die Frage, ob ausschließliche Rechte durch Patente und der Vorteilsausgleich durch ein ABS-System miteinander zu vereinbaren sind. Ziel einer jeden Bewirtschaftung genetischer Ressourcen im Gebiet ist die Erlangung von Patenten unter einem bestimmten ABS-Regime.391 Auf den ersten Blick verfolgen beide Regime nicht nur unterschiedliche, sondern vielmehr widersprüchliche Ziele: Während die Rechte geistigen Eigentums dem Erfinder – zumindest zeitlich begrenzt – ausschließliche Rechte der wirtschaftlichen Nutzung gewähren, verpflichtet ein ABS-System zum Teilen jener Informationen, die gerade im Rahmen einer Patentierung wirtschaftlichen Wert besitzen. Von den genetischen Ressourcen im Gebiet soll nicht ein Staat alleine, sondern die gesamte Staatengemeinschaft profitieren. Ob diese Prämisse aus dem Umstand der Belegenheit der Ressourcen jenseits nationaler Hoheitsgewalt, aus dem CHM-Prinzip oder aus einem Konzept sui generis folgt, kann dahinstehen, denn jedenfalls ist dies grundsätzlicher Konsens der multilateralen Beratungen. Ebenso wie eine einzelstaatliche Aneignungsbefugnis des Organismus selbst, so könnte auch eine ausschließliche Verwendungsbefugnis der daraus gewonnenen Erkenntnisse infolge Patentschutzes dieser Prämisse zuwider laufen. Denn ein Vorteilsausgleich ist den Rechten am geistigen Eigentum fremd.392 Ginge man davon aus, dass sich der Vorteilsausgleich in jeder Stufe der Wertschöpfungskette – also beim Zugang auf dem Meeresboden und bei der späteren Verwendung an 388
s. o. Kapitel 2, C. II. 2. Heafey, Access and Benefit Sharing of Marine Genetic Resources from Areas Beyond National Jurisdiction: Intellectual Property – Friend, Not Foe, 14 Chi. J. Int’l L. (2013 – 2014), 493 (502). 390 Zu den von der WIPO verwalteten Verträgen siehe: http://www.wipo.int/treaties/en/ (zuletzt abgerufen am 01. 08. 2015). 391 Leary, International Law and the Genetic Resources of the Deep Sea, in: Vidas (ed.), Law, Technology and Science for Oceans in Globalisation, 2010, 353 (367). 392 He, Limitations on Patenting Inventions Based on Marine Genetic Resources of Areas Beyond National Jurisdiction, 29 Int’l J. Marine & Coastal L. (2014), 521 (540). 389
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Land – vollziehen müsste, so müsste sich das ABS-Regime demnach nicht nur auf die Ressourcen selbst, sondern auch auf den aus ihrer Verwendung gezogenen Nutzen erstrecken. D. h. auch hinsichtlich der nach jahrelanger Forschung erschaffenen patentierbaren Erfindungen hätte ein Vorteilsausgleich zu erfolgen. Die Möglichkeit, ausschließliche Rechte auch an einer Erfindung zu erlangen, die auf den jenseits nationaler Hoheitsgewalt belegenen genetischen Ressourcen fußt, ist von großer Wichtigkeit. Ausschließliche Rechte des geistigen Eigentums begründen dabei kein Eigentum i.S.v. Art. 241 SRÜ an den genetischen Ressourcen selbst393 Auch wenn die Mikroorganismen an Hydrothermalquellen besondere Eigenschaften und enormes wirtschaftlich Potential bergen, ist deren Abbau mit einem ebenso enormen finanziellen Aufwand verbunden. Hinzu kommt die Ungewissheit, ob die Erbinformationen nach einer wiederum aufwendigen und kostenträchtigen Entschlüsselung überhaupt als Grundlage gewinnbringender Produkte und Prozesse taugen. Diese Umstände machen es erforderlich, einen Anreiz zu schaffen, dass staatliche oder private Unternehmen dieses Wagnis auf sich nehmen. Der Anreiz liegt in der Gewährung ausschließlicher Rechte, durch die einer anfänglichen Investition wenigstens die Möglichkeit eines wirtschaftlichen Ausgleichs gegenübergestellt wird. Das Risiko der Erlangung „untauglicher“ Erbinformationen wird dadurch nicht ausgeschlossen, aber verringert.394 Der Schutz seines geistigen Eigentums ist eine Belohnung für den Erfinder, unabhängig davon, ob er diese Anstrengung aus finanziellen oder ideellen Motiven verfolgt. Patente begünstigen Erfindungen, weil sie dem Patentinhaber eine Wiedererlangung der aufgewendeten Kosten ermöglichen.395 Ein Ausschluss genetischer Ressourcen jenseits nationaler Hoheitsgewalt von dieser Möglichkeit hemmt Forschung und Entwicklung auf diesem Gebiet. Sinn und Zweck geistigen Eigentums ist es daher, einen Anreiz dafür zu schaffen, den Bestand
393 Ibid., 525: „Patent protection constitutes no claim to any part of the marine environment or its resources, and is also in the interest of mankind as a whole.“ und Heafey, Access and Benefit Sharing of Marine Genetic Resources from Areas Beyond National Jurisdiction: Intellectual Property – Friend, Not Foe, 14 Chi. J. Int’l L. (2013 – 2014), 493 (510). 394 Ein erhöhtes Risiko sieht auch Hayes, Charismatic Microfauna: Marine Genetic Resources and the Law of the Sea, in: Nordquist et al. (eds.), Law Science & Ocean Management, Leiden, 2007, 683 (700): „If only one in every 10,000 samples results in a marketable product, however, profits from that one product will have to cover the overhead from licensing and tracking the other 9,999 samples. With odds like that, where is the incentive for potential investors in research and development?“. 395 Salpin/Germani, Patenting of Research Results Related to Genetic Resources from Areas Beyond National Jurisdiction: The Crossroads of the Law of the Sea and Intellectual Property Law, 16 RECIEL (2007), 12 (17 f.): „The issuance of patents is considered as a way to stimulate research and innovation through the award of exclusive rights of use and exploitation of the patented invention for a certain period of time. […] As a result, it is generally assumed that patents allow for recovery of the costs of research and development through monopoly pricing, licence fees and royalty payments.“
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menschlichen Wissens zu vergrößern.396 Gerade weil diesen Ressourcen besonderes Potential in der Medizin, Biologie und Chemie beigemessen wird, muss dieser Anreiz, mithin auch die Anerkennung geistigen Eigentums, erhalten bleiben. Geistiges Eigentum ist nicht dazu gedacht, die Entwicklung zu blockieren, sondern den Abbau einer Ressource zu fördern und ihren Nutzen zu verbessern.397 Die Anerkennung geistigen Eigentums, bedarf indes eines Ausgleichs. Dieser gründet auf dem Umstand, dass die genetischen Ressourcen des Meeresbodens jenseits nationaler Hoheitsgewalt belegen sind und weder der Substanz, noch dem daraus gezogenen Nutzen nach, einem Staat alleine zustehen sollen.398 Ein Ausgleich wird zum einen bereits durch einen weitreichenden Wissenstransfer im Rahmen des Vorteilsausgleichs erreicht. Zum anderen kann dazu aber auch direkt an das Patent angeknüpft werden. Dazu könnte beispielsweise die Dauer des Patentschutzes verkürzt werden. Derzeit beträgt die durch Art. 12 TRIPS-Abkommen zu gewährende Schutzdauer an einer Erfindung mindestens 50 Jahre. Diese Zeitspanne könnte beispielsweise auf die Hälfte verkürzt werden. Dadurch würde ein früherer Technologietransfer möglich, wobei gleichzeitig der Anreiz zum Abbau und zur Erforschung erhalten bleibt.399 Darüber hinaus werden im Austausch für ausschließliche Rechte des Patentinhabers verschiedene Pflichten zur Offenlegung (disclosure requirements) ins Spiel gebracht.400 Der Patentinhaber ist im Rahmen der Patentanmeldung üblicherweise nicht zwingend dazu verpflichtet die Herkunft der genetischen Ressource offenzulegen. Der Vertrag über die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens verpflichtet den Erfinder nur dazu, „die Erfindung so deutlich und vollständig zu offenbaren, dass ein Fachmann sie danach ausführen kann“.401 Daher ist es möglich, dass zahlreiche Produkte aus den genetischen Eigenschaften von Mikroorganismen von Hydrothermalquellen oder Tiefseebergen
396 Heafey, Access and Benefit Sharing of Marine Genetic Resources from Areas Beyond National Jurisdiction: Intellectual Property – Friend, Not Foe, 14 Chi. J. Int’l L. (2013 – 2014), 493 (522). 397 Gervais, Towards a New Core International Copyright Norm: The Reverse Three-Step Test, 9 Marq. Intell. Prop. L. Rev. (2005), 1 (7): „Copyright is not a dam, it is a river. It was always used to channel use and optimize exploitation, not to entirely shut out a new medium.“ 398 A.A.: He, Limitations on Patenting Inventions Based on Marine Genetic Resources of Areas Beyond National Jurisdiction, 29 Int’l J. Marine & Coastal L. (2014), 521 (540 ff.), der einen Anspruch der Staatengemeinschaft auf die aus den genetischen Ressourcen gezogenen Nutzungen für nicht begründbar hält und stattdessen eine „Steuer“ zugunsten der Erhaltung der Meeresumwelt erheben will. 399 Heafey, Access and Benefit Sharing of Marine Genetic Resources from Areas Beyond National Jurisdiction: Intellectual Property – Friend, Not Foe, 14 Chi. J. Int’l L. (2013 – 2014), 493 (522). 400 Greiber, Access and Benefit Sharing in Relation to Marine Genetic Resources from Areas Beyond National Jurisdiction: A Possible Way Forward, 2011, 26. 401 Art. 5 PCT.
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stammen, dies aber nicht bekannt ist.402 Eine Verbindung zwischen Genmaterial und Produkt kann daher kaum hergestellt werden.403 Ob das Genmaterial auf dem Territorium eines Staates oder auf dem Meeresboden jenseits nationaler Hoheitsgewalt erlangt wurde, ist für die Frage der Patentierbarkeit auch nicht erheblich. Der Herkunftsort ist jedoch für die Anwendbarkeit eines ABS-Regimes von Bedeutung, weil der Erfinder im Falle der Belegenheit der Ressource auf dem Meeresboden zu einem Vorteilsausgleich verpflichtet wäre. Daher ist es wahrscheinlich, dass die Patentanmeldung mangels Erfordernisses keine Angaben zum Herkunftsort enthält, um nicht den Regeln eines ABS-Regimes zu unterfallen. Die Offenlegungspflicht gewährt selbst keinen Vorteilsausgleich, sie ermöglicht diesen erst.404 Die Gewährung eines Patents muss folglich durch die Offenlegung bestimmter Eigenschaften der Erfindung bedingt sein.405 Dazu zählen erstens die Offenlegung des Herkunftsorts der genetischen Ressource (disclosure of source); zweitens der Nachweis, dass Regelungen eines bestehenden ABS-Systems eingehalten wurden (disclosure of compliance); und drittens die Offenlegung der Verbindung zwischen genetischer Ressource und Produkt, mithin die Art und Weise, in der die genetische Ressource zu der Erfindung beigetragen hat (disclosure of relationship).406 Diese Offenlegungspflichten schmälern den Wert des Patents keineswegs, sondern tragen dem Umstand Rechnung, dass sich die genetischen Ressourcen jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt befinden. Die effektive Umsetzung eines Vorteilsausgleichs ist ohne die Anpassung des geltenden Patentregimes, wodurch den genetischen Ressourcen ein Patentschutz eigener Art zukommen wird, kaum möglich.407
IV. Die Errichtung von Meeresschutzgebieten Um ausgewählte Regionen der Meere und Ozeane einem besonderen Schutz zu unterstellen, besteht die Möglichkeit sog. „Meeresschutzgebiete“ (Marine Protected 402
Salpin/Germani, Patenting of Research Results Related to Genetic Resources from Areas Beyond National Jurisdiction: The Crossroads of the Law of the Sea and Intellectual Property Law, 16 RECIEL (2007), 12 (12). 403 Hayes, Charismatic Microfauna: Marine Genetic Resources and the Law of the Sea, in: Nordquist et al. (eds.), Law Science & Ocean Management, 2007, 683 (699). 404 Keating, Access to Genetic Resources and Equitable Benefit Sharing Through a New Disclosure Requirement in the Patent System: An Issue in Search of a Forum, 87 J. Pat. & Trademark Off. Soc’y (2005), 525 (543). 405 Salpin/Germani, Patenting of Research Results Related to Genetic Resources from Areas Beyond National Jurisdiction: The Crossroads of the Law of the Sea and Intellectual Property Law, 16 RECIEL (2007), 12 (19). 406 WIPO, Glossary of Key Terms Related to Intellectual Property and Genetic Resources, 2011, WIPO Doc. WIPO/GRTKF/IWG/3/13, Anhang, 7. 407 Salpin/Germani, Patenting of Research Results Related to Genetic Resources from Areas Beyond National Jurisdiction: The Crossroads of the Law of the Sea and Intellectual Property Law, 16 RECIEL (2007), 12 (23).
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Areas, MPAs) zu errichten.408 Auch wenn unter diesen Oberbegriff heute eine Vielzahl gesondert bezeichneter Meeresschutzgebiete fallen, ist er bislang nicht eindeutig definiert worden. Gleichwohl hat die von der Weltnaturschutzunion (International Union for the Conservation of Nature, IUCN) geprägte Definition weitgehende Verwendung gefunden,409 die anlässlich ihrer 17. Generalversammlung den damit thematisch befassten Internationalen Organisationen und Einrichtungen – namentlich FAO, IMO und IWC sowie UNEP und UNESCO – zur Verwendung vorgeschlagen wurde. Danach ist eine MPA definiert als: „Any area of the intertidal or subtidal terrain, together with its overlying water and associated flora, fauna, historical and cultural features, which has been reserved by law or other effective means to protect part or all of the enclosed environment.“410
Völkerrechtliche Verträge wie beispielsweise die MARPOL 73/78-411 und OSPAR-412Übereinkommen sowie auch das SRÜ bieten Möglichkeiten zur Errichtung solcher Gebiete. Das SRÜ koppelt die (einzige) Befugnis zur Errichtung von Meeresschutzgebieten in Art. 211 an die souveränen Rechte des Küstenstaates,413 sodass diese mithin nicht in Gebieten jenseits nationaler Hoheitsgewalt möglich ist.414 Nach Konsultation der übrigen Mitgliedstaaten und mit Zustimmung der zuständigen internationalen Organisation kann der Küstenstaat dann in einem besonderen Gebiet in seiner AWZ Gesetze und sonstige Vorschriften erlassen. Unter „zuständige internationale Organisation“ wird in erster Linie die Internationale Seeschifffahrts-Organisation (International Maritime Organization, IMO), eine UN-Sonderorganisation, ver-
408 Tanaka, Reflections on High Seas Marine Protected Areas: A Comparative Analysis of the Mediterranean and the North-East Atlantic Models, 81 Nordic J. Int’l L. (2012), 295 (297). 409 Molenaar/Oude Elferink, Marine Protected Areas in Areas Beyond National Jurisdiction – The Pioneering Efforts under the OSPAR Convention, 5 Utr. L. Rev. (2009), 5 (6). 410 IUCN General Assembly, Protection of the coastal and marine environment, 17th Session, 1988, Res. 17.38. 411 International Convention for the Prevention of Pollution from Ships (MARPOL 73/78); angenommen am: 02. 11. 1973 und 17. 02. 1978, in Kraft getreten am: 02. 10. 1983; Original in: 1340 UNTS 62; = Internationales Übereinkommen von 1973 zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe und Protokoll von 1978 dazu, deutsche Fassung in: BGBl. II (1982), 2. 412 Convention for the Protection of the Marine Environment of the North-East Atlantic (auch: OSlo-PARis-Übereinkommen); angenommen am: 22. 09. 1992, in Kraft getreten am 25. 03. 1998; Original in: 23 LOSB 32; = Übereinkommen zum Schutz der Meeresumwelt des Nordostatlantiks, deutsche Fassung in: BGBl. II (1994), 1360. 413 Vgl. Art. 211 Abs. 6 lit. a) SRÜ, wonach der Küstenstaat nur „in einem bestimmten, genau bezeichneten Gebiet in seiner ausschließlichen Wirtschaftszone […] im Zusammenhang mit […] dem Schutz seiner Ressourcen […] besondere obligatorische Maßnahmen zur Verhütung der Verschmutzung durch Schiffe [ergreifen kann] […].“ 414 Matz-Lück/Fuchs, Die Ausweisung mariner Schutzgebiete in hoheitsfreien Räumen am Beispiel des OSPAR-Abkommens, ZUR (2012), 532 (535).
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standen.415 Ebenfalls nur in der AWZ ist gemäß Art. 234 SRÜ der Erlass einzelner „nichtdiskriminierender Gesetze und sonstiger Vorschriften“ zum Schutz der Meeresumwelt in eisbedeckten Gebieten zulässig. In den Artikeln 194 und 196 SRÜ werden den Staaten allgemeine Aufgaben zur „Verhütung, Verringerung und Überwachung der Meeresumwelt“ übertragen,416 die insbesondere bei der „Anwendung von Technologien im Rahmen ihrer Hoheitsbefugnisse oder unter ihrer Kontrolle“ zu beachten sind.417 Diese umfassen „Maßnahmen zum Schutz und zur Bewahrung seltener oder empfindlicher Ökosysteme […] der Tier- und Pflanzenwelt des Meeres“.418 Konkrete Regulierungswerkzeuge werden den Staaten dazu aber nicht an die Hand gegeben, sodass ihnen die Mittel zur Zielerreichung selbst überlassen bleiben. Zwar gelten diese Verpflichtungen aus Teil XII für alle Meereszonen. Ein Recht zur Errichtung von Meeresschutzgebieten jenseits nationaler Hoheitsgewalt lässt sich daraus jedoch nicht ableiten, weil dies einerseits die vertraglich zugesicherten Freiheiten der Hohen See gemäß Art. 87 SRÜ beschneiden würde. Jeder ungerechtfertigte Eingriff in diese und andere „Rechte“ des SRÜ wäre gemäß Art. 164 Abs. 4 SRÜ unzulässig. Soweit die Errichtung von Meeresschutzgebieten andererseits das Gebiet betrifft, stehen dem aus Teil XI keine vertraglichen Rechte entgegen.419 Denn der Meeresumweltschutz dort obliegt der ISA nur „hinsichtlich der Tätigkeiten im Gebiet“,420 d. h. im Zusammenhang mit der Bewirtschaftung der mineralischen Ressourcen.421 Meeresschutzgebiete zum Schutz und zur Bewirtschaftung genetischer Ressourcen fallen mithin nicht in den ausschließlichen Zuständigkeitsbereich der ISA. Darüber hinaus kann die ISA gemäß Art. 143 Abs. 2 SRÜ im Gebiet nur wissenschaftliche Meeresforschung betreiben, nicht aber Bioprospecting durchführen.422 Geht man allerdings davon aus, dass das Regime der Hohen See aus Teil VII hinsichtlich der lebenden Ressourcen in den Meeresboden „hineinregiert“,423 dann stünden einer MPA-Errichtung wiederum dessen Freiheiten entgegen.
415 Molenaar/Oude Elferink, Marine Protected Areas in Areas Beyond National Jurisdiction – The Pioneering Efforts under the OSPAR Convention, 5 Utr. L. Rev. (2009), 5 (10). 416 Art. 194 Abs. 1 SRÜ. 417 Art. 196 Abs. 1 SRÜ. 418 Art. 194 Abs. 5 SRÜ. 419 Molenaar/Oude Elferink, Marine Protected Areas in Areas Beyond National Jurisdiction – The Pioneering Efforts under the OSPAR Convention, 5 Utr. L. Rev. (2009), 5 (9): „Part XI does not seem to affect the competence of States to act individually or jointly in respect of other activities for which Part XI’s general principles are relevant.“ 420 Art. 145 SRÜ. 421 Vgl. Art. 1 Abs. 3 i.V.m. Art. 133 lit. a) SRÜ; Vgl. auch Matz-Lück/Fuchs, Die Ausweisung mariner Schutzgebiete in hoheitsfreien Räumen am Beispiel des OSPAR-Abkommens, ZUR (2012), 532 (536). 422 Zur Differenzierung von „wissenschaftlicher Meeresforschung“ und „Biorprospecting“ s. o. Kapitel 3, B. V. 1. 423 Ablehnend bereits o. Kapitel 3, B. III. 2.
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Im Gegensatz dazu legt beispielsweise MARPOL 73/78 die Meeresschutzgebiete durch Nennung von geographischen Koordinaten unmittelbar fest.424 Jede der 152 Parteien ist folglich bereits durch ihren Beitritt zum Vertrag an die MPAs gebunden.425 In diesen sog. „special areas“426 bestehen besondere Einschränkungen zur Müllentsorgung,427 zum Ablassen von Öl oder Ölgemischen von Schiffen428 und Bohrinseln429 sowie zum Ablassen und Auswaschen von (Ballastwasser-)Tanks,430 die mit giftigen Flüssigkeiten befüllt waren. Das OSPAR-Übereinkommen definiert eine einzige sog. „maritime area“, die horizontal den Nordost-Atlantik und die Nordsee sowie vertikal die Hohe See, den Meeresboden und dessen Untergrund umfasst.431 Ziel des Übereinkommens ist der generelle Schutz der maritimen Umwelt vor jedweder schädlicher Einwirkung durch den Menschen in diesem Gebiet.432 Daneben wurden bislang auch zahlreiche sog. „particularly sensitive sea areas“ (PSSAs) durch die IMO ausgewiesen.433 Im Jahre 2001 hat die Versammlung der IMO Richtlinien zur Bestimmung und Ausweisung von PSSAs angenommen,434 die 2005 noch einmal überarbeitet wurden.435 In diesen Gebieten, zu denen beispielsweise das Great Barrier Reef in Australien und das Wattenmeer vor der dänisch424 Für special areas vgl. MARPOL 73/78, Annex I, Regulation 10 (Methods for the Prevention of Oil Pollution from Ships while Operating in Special Areas). 425 Eine Ausnahme bilden die Anlagen II, IV und V, die sog. „Optional Annexes“, nach Art. 14 MARPOL 73/78. 426 Definition u. a. in MARPOL 73/78, Annex I, Nr. 10: „Special area means a sea area where for recognized technical reasons in relation to its oceanographical and ecological condition and to the particular character of its traffic the adoption of special mandatory methods for the prevention of sea pollution by oil is required.“ 427 Ibid., Annex V, Regulation 5 (Disposal of Garbage within Special Areas). 428 Ibid., Annex I, Regulation 9 (Control of Discharge of Oil). 429 Ibid., Annex I, Regulation 21 (Special Requirements for Drilling Rigs and other Platforms). 430 Ibid., Annex II, Regulation 5 (Discharge of Noxious Liquid Substances). 431 Vgl. Art. 1 lit. a) OSPAR-Übereinkommen: „,Maritime area‘ means the internal waters and the territorial seas of the Contracting Parties, the sea beyond and adjacent to the territorial sea under the jurisdiction of the coastal state to the extent recognised by international law, and the high seas, including the bed of all those waters and its sub-soil, situated within the following limits: […].“ 432 Vgl. Art. 2 Abs. 1 lit. a) OSPAR-Übereinkommen: „The Contracting Parties shall, in accordance with the provisions of the Convention, take all possible steps to prevent and eliminate pollution and shall take the necessary measures to protect the maritime area against the adverse effects of human activities so as to safeguard human health and to conserve marine ecosystems and, when practicable, restore marine areas which have been adversely affected.“ 433 Eine Liste der PSSAs findet sich hier: http://www.imo.org/OurWork/Environment/ PSSAs/Pages/Default.aspx (zuletzt abgerufen am 01. 08. 2015). 434 IMO, Guidelines for the Designation of Special Areas under MARPOL 73/78 and Guidelines for the Identification and Designation of Particularly Sensitive Sea Areas, 22nd Session, 2001, IMO Doc. A 22/Res.927, Annex II. 435 IMO, Revised Guidelines for the Identification and Designation of Particularly Sensitive Sea Areas, 24th Session, 2005, IMO Doc. A 24/Res.982, Annex.
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deutsch-niederländischen Küste zählen, soll die besonders empfindliche Meeresumwelt insbesondere vor Verschmutzungen geschützt werden, die durch die Seeschifffahrt hervorgerufenen werden: „A PSSA is an area that needs special protection through action by IMO because of its significance for recognized ecological, socio-economic, or scientific attributes where such attributes may be vulnerable to damage by international shipping activities.“436
Dieser Schutz soll insbesondere durch Umfahrung (ships routeing measures) der PSSAs – entweder durch alle Schiffe oder auch nur bestimmte Schiffsklassen – erreicht werden.437 MPAs jenseits nationaler Hoheitsgewalt dienen folglich in erster Linie dem Schutz der Meeresumwelt vor schädlichen Einwirkungen durch Schiffe. Mittel zu diesem Zweck ist stets das Verbot bestimmter Handlungen in diesen Gebieten bis hin zu einem vollständigen Durchfahrtsverbot. Allen MPAs ist darüber hinaus gemein, dass sie stets nur zwischen den Vertragsparteien und nicht gegenüber Drittstaaten Bindungswirkung entfalten, da es sich um einen völkerrechtlichen Vertrag bzw. dessen Anwendung handelt. Der kleine Adressatenkreis wird am Beispiel des OSPAR-Übereinkommens deutlich: Nur 15 Staaten und die EU – mehrheitlich die Anrainer des Nordost-Atlantiks438 – sind durch die Regelungen des Übereinkommens verpflichtet. Für die Bewirtschaftung genetischer Ressourcen an Hydrothermalquellen auf dem Meeresboden jenseits nationaler Hoheitsgewalt können die bestehenden Meeresschutzgebiete bzw. Mechanismen zur Errichtung solcher Gebiete nicht dienen, weil sie keine Regelungen zu Zugang oder Verteilung enthalten. In Bezug auf diese genetischen Ressourcen und ein zukünftiges Regime zu ihrer Bewirtschaftung stellen sich daher zwei Fragen: Erstens, ist die Errichtung einer MPA im Gebiet völkerrechtlich zulässig? Und zweitens, ist eine MPA geeignet die Bewirtschaftung der dort belegenen genetischen Ressourcen sinnvoll zu regeln? 1. Regelungsbefugnis in Gebieten jenseits nationaler Hoheitsgewalt Das Völkerrecht gewährt keinem Staat Souveränität oder souveräne Rechte auf dem Meeresboden jenseits nationaler Hoheitsgewalt. Dies wird bereits aus der Terminologie deutlich und ist darüber hinaus – neben der Kodifizierung in Art. 137 Abs. 1 SRÜ – auch völkergewohnheitsrechtlich anerkannt.439 Zwar ist die Errichtung von Meeresschutzgebieten im Gebiet völkerrechtlich nicht verboten, allerdings besteht – wie oben gesehen – kein multilateraler Vertrag oder Mechanismus aufgrund 436
Ibid., Nr. 1.2. Ibid., Nr. 6.1.2. 438 Einige Staaten haben nur indirekten Kontakt mit dem in Art. 1 lit. a) OSPAR-Übereinkommen festgelegten Geltungsbereich des Vertrages: Finnland (über die Ostsee und Flüsse in die Barentsee), Luxemburg (über die Mosel bzw. den Rhein) und Schweiz (über den Rhein). 439 Wolfrum, in: Graf Vitzthum (Hrsg.), Handbuch des Seerechts, 2006, 345, Rn. 180. 437
C. Regelungsinhalt de lege ferenda
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dessen ein Staat eine MPA dort ausweisen könnte.440 Daher entfaltet eine unilaterale Ausweisung von Meeresschutzgebieten – gleich welcher Art – keine rechtliche Bindungswirkung für andere Staaten, solange dort keine entsprechende Regelungsgewalt besteht.441 Vielmehr bedürfte eine MPA jenseits nationaler Hoheitsgewalt einer völkerrechtlichen Rechtfertigungsnorm, um universale Geltung beanspruchen zu können.442 Auf regionaler Ebene können zwar Vereinbarungen zwischen Staaten getroffen werden.443 Diese Vereinbarungen können – soweit sie die Hohe See oder das Gebiet betreffen – allerdings nur die unter ihrer eigenen Flagge fahrenden Schiffe erfassen, weil die Staaten dort nur insoweit Gesetzgebungskompetenzen wahrnehmen können.444 Fraglich ist, welche Möglichkeiten der (indirekten) Einflussnahme bestehen. Druck auf die unter fremder Flagge fahrenden Schiffe könnte man beispielsweise insoweit ausüben, als dass man diesen das Anlaufen eigener Häfen nur gestattet, wenn sie sich an die Verhaltensregeln in den MPAs halten. Denn grundsätzlich dürfen die Küstenstaaten fremden Schiffen das Einlaufen in ihre inneren Gewässer und Häfen aufgrund ihrer territorialen Souveränität verwehren und von Auflagen abhängig machen.445 Dies ist aus Sicherheitsgründen beispielsweise für nukleargetriebene oder Atomwaffen tragende Schiffe möglich und wird praktiziert.446 Auch zur „Verhütung, Verringerung und Überwachung der Verschmutzung der Meeresumwelt“ darf der Küstenstaat fremden Schiffen nach dem SRÜ Bedingungen für das Einlaufen in seine Häfen auferlegen.447 Andere multi- und bilaterale völkerrechtliche Verträge stehen dem nicht entgegen, solange der Küstenstaat das Zugangsrecht zu seinen Häfen diskriminierungsfrei regelt,448 d. h. das Einlaufen von fremden wie 440
Scott, Conservation on the High Seas: Developing the Concept of the High Seas Marine Protected Areas, 27 Int’l J. of Marine & Coastal Law (2012), 849 (851): „Although there is no rule – under treaty or custom – prohibiting the creation of high seas MPAs, there is also no explicit multilateral basis on which they may be designated.“; Wolf/Bischoff, Marine Protected Areas, in: Wolfrum (ed.) MPEPIL (online edition), 2013, Rn. 2: „Likewise, no universally applicable and comprehensive legal regime for establishing and protecting MPAs exists.“ 441 Wolf/Bischoff, Marine Protected Areas, in: Wolfrum (ed.) MPEPIL (online edition), 2013, Rn. 8: „[…] States can apply and enforce restrictions such as those outlined above only where they have jurisdiction to regulate and to enforce.“ 442 Tanaka, Reflections on High Seas Marine Protected Areas: A Comparative Analysis of the Mediterranean and the North-East Atlantic Models, 81 Nordic J. Int’l L. (2012), 295 (315). 443 Matz-Lück/Fuchs, Die Ausweisung mariner Schutzgebiete in hoheitsfreien Räumen am Beispiel des OSPAR-Abkommens, ZUR (2012), 532 (535). 444 Vgl. o. Kapitel 4, C. I. 2. 445 IGH, Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. United States of America), ICJ Reports 1986, 14 (111), Nr. 213: „It is also by the virtue of its sovereignty that the coastal State may regulate access to its ports.“ 446 Heintschel von Heinegg/Rosin, Atomgesetz und Seevölkerrecht, 38 AVR (1998), 44 (58). 447 Vgl. Art. 211 Abs. 3 SRÜ. 448 Vgl. Art. 2 des Genfer Statuts über die internationale Rechtsordnung der Seehäfen, RGBl. II (1928), 22.
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eigenen Schiffen gleichermaßen von der Anerkennung von Verhaltensregeln in MPAs abhängig macht. Ungeachtet der völkerrechtlichen Zulässigkeit würde eine solche einseitige Vorgehensweise aber neben wirtschaftlichen Einbußen des Im- und Exports wohl auch politische Verwerfungen mit sich bringen. Darüber hinaus werden Schiffe, von denen aus mittels sog. „Remotely Operated Vehicles“ (ROVs) Bioprospecting auf dem Meeresboden betrieben wird, kaum darauf angewiesen sein, die Häfen eines bestimmten Küstenstaates anzulaufen. Denn es handelt sich nicht um eine Warendistribution, die lokal gebunden ist. Vielmehr wird es daher Anrainer jedes Hydrothermalquellen beherbergenden Ozeans geben, die das Einlaufen fremder Schiffe in ihre Häfen nicht von der Anerkennung fremder MPAs abhängig machen und überdies dem wissenschaftlichen Fortschritt gerne eine Plattform bieten. MPAs entpuppen sich mithin als stumpfes Schwert für universelle Regelungen in Gebieten jenseits nationaler Hoheitsgewalt. Denn ihre Errichtung ist nur unter Einschluss aller Staaten sinnvoll und effektiv. Dies würde jedoch – ebenso wie ein völkerrechtlicher Vertrag – einen Konsens unter den Staaten voraussetzen. 2. Regelungsgegenstand Gegenstand der Regelungen in Meeresschutzgebieten sind der Schutz und die Bewahrung der Meeresumwelt vor umweltschädlichen Eingriffen durch den Menschen.449 Schwerpunkt sind dabei bislang eher die Regulierung des Fischfangs und der Schifffahrt,450 als Raumordnung und Zugang.451 Dazu legen regionale Fischereiorganisationen (regional fisheries management organizations, RFMOs) – auch auf der Hohen See – maximale Fangmengen (total allowable catches, TACs) fest, um den höchstmöglichen Dauerertrag (maximum sustainable yield, MSY) zu ermöglichen.452 In Einzelfällen kann innerhalb sog. „no-take-MPAs“ auch ein zero-TAC appliziert werden, wenn etwa einzelne Arten vom Aussterben bedroht sind.453 Die Bewirtschaftung wird teilweise außerdem hinsichtlich der Fischfangpraktiken (bspw. 449 Rayfuse, Precaution and the Protection of Marine Biodiversity in Areas beyond National Jurisdiction, 27 Int’l J. of Marine & Coastal Law (2012), 773 (778): „The objectives of the MPAs are to protect, conserve and restore species, habitats and ecological processes which have been adversely affected by human activities, to prevent degradation of and damage to species, habitats and ecological processes, and to protect and conserve areas that best represent the range of species habitats and ecological processes in the maritime area.“ 450 Molenaar/Oude Elferink, Marine Protected Areas in Areas Beyond National Jurisdiction – The Pioneering Efforts under the OSPAR Convention, 5 Utr. L. Rev. (2009), 5 (7). 451 Für die Antarktis vgl. Scott, Conservation on the High Seas: Developing the Concept of the High Seas Marine Protected Areas, 27 Int’l J. of Marine & Coastal Law (2012), 849 (853). 452 Vgl. bspw. die Fischfangquoten in der EU: European Commission, Fishing TACs and quotas, 2014, abrufbar unter: http://ec.europa.eu/fisheries/cfp/fishing_rules/tacs/index_en.htm (zuletzt abgerufen am 01. 08. 2015). 453 Vgl. bspw. die Ausweisung von Schutzgebieten für Wale durch die IWC: International Convention for the Regulation of Whaling, 1946, Schedule (As amended by the Commission at the 64th Annual Meeting, 212), Nr. 7 lit. a) (Indian Ocean Sanctuary) und b) (Southern Ocean Sanctuary).
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bottom-trawling) und des dabei eingesetzten Equipments (bspw. Netze mit speziellen durchlässigen Maschengrößen) reguliert, um die Zerstörung von Ökosystemen auf dem Meeresboden und ungewollten Beifang zu vermeiden. Soweit ersichtlich ist bislang jedoch keine MPA – weder auf der Hohen See oder im Gebiet, noch in der AWZ, im Küstenmeer oder in den Binnengewässern – mit einem Bewirtschaftungsmechanismus für solche lebenden Ressourcen errichtet worden, deren Nutzen nicht direkt aus der Ressource selbst, sondern infolge der Auswertung und Verwendung ihrer genetischen Eigenschaften gewonnen wird. Ist dies bereits ein Hinweis auf die „Regelungs(un)fähigkeiten“ von MPAs für die Bewirtschaftung genetischer Ressourcen? Fraglich ist, ob Meeresschutzgebiete konzeptionell dazu geeignet sind, Regelungen zur Bewirtschaftung genetischer Ressourcen auf dem Meeresboden im Sinne eines ABS-Systems zu treffen. In Anlehnung an die einer MPA originär innewohnende Schutzfunktion, wäre es durchaus möglich, in einem bestimmten Gebiet das Bioprospecting insgesamt oder die Vornahme bestimmter, schädlicher Praktiken zu untersagen. Solche no-take-MPAs bestehen zum Schutz der biologischen Vielfalt wie oben gesehen bereits in besonders sensiblen Gebieten. Durch ein kategorisches Entnahmeverbot genetischen Materials an einer bestimmten Hydrothermalquelle oder entlang einer gesamten unterseeischen Verwerfung, wird zwar der Schutz dieses marinen Ökosystems gewährleistet. Allerdings wird die Bewirtschaftungsproblematik, i. e. gerechter Zugang und Vorteilsausgleich, nicht gelöst, sondern nur auf andere Vorkommen verschoben. Man kann die Zulässigkeit der Bewirtschaftung auch nicht auf nur einige wenige Standorte beschränken. Denn es ist keinesfalls davon auszugehen, dass Mikroorganismen jeder Art an jeder Hydrothermalquelle vorkommen. Zwar ist durchaus anzunehmen, dass bei etwa gleichen Umgebungsbedingungen (Salz- und Schwefelgehalt sowie Wassertiefe, -temperatur und -druck) eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für das Vorkommen gleicher Arten besteht. Eine Garantie dafür gibt es allerdings nicht. Ein einfaches Beispiel: Auch wenn Kängurus und Koalabären aufgrund der äußeren Bedingungen sicher auch anderswo leben könnten, kamen sie ursprünglich nur in Australien vor. Die äußeren Umstände, insbesondere der Inselcharakter Australiens, haben sie daran gehindert, sich auch auf andere Kontinente auszubreiten. Entsprechend bilden auch die nur an bestimmten Stellen des Meeresbodens vorkommenden Hydrothermalquellen eine Oase für unterschiedliche Arten von Röhrenwürmern, Muscheln und anderen (poly-)extremophilen Mikroorganismen. „Biologische Vielfalt“ ist daher mehr als eine Phrase und birgt die Möglichkeit, dass die DNS eines bestimmen Organismus tatsächlich nur an einer Stelle des Meeresbodens gefunden werden kann, sie buchstäblich einzigartig ist. Es ist nicht gesagt, dass die Menschheit dieser Information jemals habhaft werden wird, denn der Meeresboden ist zu weitläufig für systematisches Bioprospecting. Aber durch kategorischen Ausschluss einiger Gebiete wird der Menschheit – jedenfalls teilweise – schon die Möglichkeit zum Gewinn dieser Erkenntnis genommen. Zudem begegnet die Ausweisung von Meeresschutzgebieten in der Praxis einer weiteren Herausforderung: Über den Meeresboden jenseits nationaler Hoheitsgewalt
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ist viel zu wenig bekannt, als dass man zu diesem Zeitpunkt bereits entscheiden könnte, welche Gebiete eines erhöhten Schutzes bedürfen und welche nicht.454 Ein durch MPAs herbeigeführtes flächendeckendes oder punktuelles Verbot von Bioprospecting ist folglich nicht zielführend, weil erstens bereits die Errichtung einer MPA als Regulierungsmechanismus für die Bewirtschaftung in sich Probleme birgt und zweitens kein umfassendes Regime für den ganzen Meeresboden darstellen kann.
V. Zwischenergebnis Die besonderen Eigenschaften der hier behandelten genetischen Ressourcen stellen auch besondere Anforderungen an ein neues Regime zu ihrer Bewirtschaftung. Das Völkerrecht stellt zwar einige Prinzipien und Modi zur Bewirtschaftung und zum Schutz genetischer Ressourcen zur Verfügung. Diese müssen allerdings de lege ferenda angepasst werden. Dies liegt vor allem daran, dass die genetischen Ressourcen einerseits auf dem Meeresboden jenseits nationaler Hoheitsgewalt belegen sind und andererseits nicht die Ressource selbst, sondern erst das Patent, das auf ein daraus gewonnenes Produkt gewährt werden kann, wirtschaftlichen Wert besitzt. Auch wenn der Fokus auf der Bewirtschaftung, mithin auf Regeln zum gerechten Zugang und zum Vorteilsausgleich liegt, so muss das neue Regime auch dem Umwelt- und Patentschutz gerecht werden. Für die Bewirtschaftung von Ressourcen im Gebiet spielt das Prinzip vom gemeinsamen Erbe der Menschheit eine gewichtige Rolle. Denn es verwirft den „first come, first served“-Ansatz gänzlich und postuliert stattdessen die gerechte Verteilung einer gemeinschaftlichen Ressource. Um die Unvollkommenheit des CHM-Prinzips auszugleichen und um neuen Erkenntnissen in der Wissenschaft Rechnung zu tragen, muss ein neues Regime weitere Prinzipien beinhalten. Das Prinzip der Billigkeit im Völkerrecht greift das eigentliche Bedürfnis der weltweiten Ressourcenallokation auf und bietet die Möglichkeit, im Einzelfall gerechte Ergebnisse zu erzielen, indem es sowohl die Bedürfnisse der Entwicklungsländer als auch jene der Industrienationen berücksichtigt. Während erstere an einer gerechten Aufteilung der aus den genetischen Ressourcen erzielten wirtschaftlichen Gewinne interessiert sind, verfügen letztere allein über die zum Abbau erforderlichen Mittel. Das Kooperationsprinzip fördert dabei nicht nur das gemeinsame Ziel, sondern verpflichtet seinerseits auch dazu Schutz und Bewirtschaftung gemeinsam zu erreichen. Der Schutz ist von einer Bewirtschaftung nicht zu trennen, da jede Form des Bioprospecting auch einen Eingriff in ein äußerst sensibles Ökosystem bedeutet, das gerade von den Mikroorganismen abhängig ist, die Ziel des Interesses sind. Das im Umweltvölkerrecht anerkannte Vorsorgeprinzip und das Prinzip nachhaltiger Nutzung dienen nicht nur dem Umweltschutz, sondern können gleichzeitig auch Einfluss auf die Art und Weise der Bewirtschaftung haben. 454 Tanaka, Reflections on High Seas Marine Protected Areas: A Comparative Analysis of the Mediterranean and the North-East Atlantic Models, 81 Nordic J. Int’l L. (2012), 295 (317).
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Damit diese Prinzipien Bindungswirkung gegenüber alle Staaten und Unternehmen entfalten, sollten die sich daraus ergebenden Verpflichtungen vertraglich kodifiziert werden, weil die „umweltschutzwilligen“ Staaten hinsichtlich eines möglichen Umweltschadens de lege lata stets beweisbelastet sind und dieser Beweis angesichts des geringen Wissens über die Ökosysteme der Tiefsee unter Umständen schwierig oder gar nicht zu führen ist. Die Regeln für einen gerechten Zugang und Vorteilsausgleich können keinem anderen ABS-System vollständig entlehnt werden, da diese von einzelstaatlicher Souveränität hinsichtlich der genetischen Ressource ausgehen. Die finanziellen und nicht-finanziellen Möglichkeiten des Vorteilsausgleichs können jedoch auch diesem Umstand gerecht werden und eine Beteiligung der gesamten Staatengemeinschaft – beispielsweise durch einen Wissenstransfer – ermöglichen. Zwar dient eine Weitergabe von Informationen über und Proben von genetischen Ressourcen dem Wissenszuwachs insgesamt und sollte daher gefördert werden. Allerdings muss dies insbesondere unter Beachtung der Rechte des geistigen Eigentums an den daraus entwickelten Produkten und Prozessen geschehen. Denn gerade darin liegt der wirtschaftliche Wert der genetischen Ressourcen des Meeresbodens. Daher muss die Anerkennung geistigen Eigentums daran bestehen bleiben. Sie ist unabdingbarer Anreiz für den Erfinder. Eine Offenlegungspflicht ist zur effektiven Umsetzung des Vorteilsausgleichs hingegen erforderlich. Dies ist der angemessene Ausgleich für die Gewährung ausschließlicher Rechte.455 Dadurch wird keineswegs eine Weitergabe von Technologie durch die Hintertür praktiziert, denn das ausschließliche Recht zur Vermarktung bleibt bestehen und sichert dem Erfinder den wirtschaftlichen Nutzen seiner auf der genetischen Ressource beruhenden Erfindung. Schließlich ist auch die Ausweisung von Meeresschutzgebieten zur Bewirtschaftung genetischer Ressourcen nicht sinnvoll. Keiner der oben untersuchten völkerrechtlichen Verträge kann eine effektive Regelung zur Errichtung von Meeresschutzgebieten auf dem Meeresboden jenseits nationaler Hoheitsgewalt anbieten, weil die erforderlichen umfassenden Zuständigkeiten – ratione loci (im gesamten Gebiet), ratione personae (gegenüber allen Staaten) und ratione materiae (in allen Angelegenheiten) – fehlen. Es müsste folglich ein neues Regime geschaffen werden, das die Zustimmung aller Staaten erhält. Selbst wenn man darin einerseits einen Errichtungsmechanismus für MPAs und andererseits einen Bewirtschaftungsmechanismus in diesen Gebieten für genetische Ressourcen implementieren könnte, so wäre die Methode der MPA schon per se für genetische Ressourcen unpraktikabel. Ein punktuelles Bewirtschaftungsregime durch MPAs bietet sich nicht an, weil die Bewirtschaftung genetischer Ressourcen wegen ihrer Einzigartigkeit umfassend für den gesamten Meeresboden geregelt werden muss, um effektiv zu sein. 455 Jørem/Tvedt, Bioprospecting in the High Seas: Existing Rights and Obligations in View of a New Legal Regime for Marine Areas Beyond National Jurisdiction, 29 Int’l J. Marine & Coastal L. (2014), 321 (333): „The patent system balances the exclusivity conferred by a patent claim with publication. This is often referred to as the quid pro quo of patent law.“
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Im Ergebnis ist festzustellen, dass für die genetischen Ressourcen des Meeresbodens jenseits nationaler Hoheitsgewalt ein Bewirtschaftungssystem sui generis geschneidert werden muss. Darin müssen die übergreifenden Prinzipien des Völkerrechts, die einer gerechten Bewirtschaftung und dem Meeresumweltschutz dienen, zum Ausdruck kommen. Insoweit hat der Regelungsinhalt eines neuen vertraglichen Regimes auch in der Staatengemeinschaft grundsätzlich Anerkennung gefunden. Entscheidend ist nun die vertragliche Ausgestaltung im Rahmen der bevorstehenden Verhandlungen.
D. Völkerrechtliche Optionen Die Kodifizierung eines Bewirtschaftungsregimes für genetische Ressourcen des Meeresbodens jenseits nationaler Hoheitsgewalt kann entweder in Form eines eigenen völkerrechtlichen Vertrages oder als ergänzendes Abkommen zu einem bestehenden Vertragswerk erfolgen. Unter den völkerrechtlichen Verträgen, die als Grundwerk in Betracht kommen, werden je nach Entstehungszeitpunkt „lebende“ oder „genetische“ Ressourcen adressiert. Ungeachtet dieser teilweisen Übereinstimmungen erscheint es für die genetischen Ressourcen des Meeresbodens naheliegend, insbesondere das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen auf eine Erweiterungsmöglichkeit hin zu untersuchen. Denn die „Verfassung der Meere“ ist das bestimmende Vertragswerk für Aktivitäten auf, in, unter und über dem Wasser jenseits nationaler Hoheitsgewalt und beinhaltet auch Vorschriften zum Meeresumweltschutz. Das CBD hingegen adressiert genetische Ressourcen zwar direkt. Allerdings ist sein ABS-System auf genetische Ressourcen ausgelegt, die sich auf dem Gebiet eines bestimmten Staates befinden, mithin unter seine Souveränität gestellt sind.
I. Eigenständiger völkerrechtlicher Vertrag Ein eigenständiger völkerrechtlicher Vertrag bietet die Möglichkeit, ein völlig neues Regime für die Bewirtschaftung genetischer Ressourcen jenseits nationaler Hoheitsgewalt zu schaffen. Von Vorteil ist dabei, dass Vertragsverhandlungen ohne eine Vorbelastung aufgenommen werden können, die besteht, wenn ein Bewirtschaftungsregime an andere Regime zur Bewirtschaftung, zum Umweltschutz oder zum Vorteilsausgleich etwa des SRÜ oder des CBD, angepasst werden muss.456 456 Matz, Marine Biological Resources: Some Reflections on Concepts for the Protection and Sustainable Use of Biological Resources in the Deep Sea, 2 Non-State Actors and International Law (2002), 279 (296): „It might be more viable to try and harmonise these diverging approaches in a new treaty on marine biological resources, open to all states regardless of whether they are states party to the Convention on Biological Diversity or the UN Convention on the Law of the Sea.“
D. Völkerrechtliche Optionen
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Insbesondere das SRÜ ist durch das Gebietsregime ideologisch derart aufgeladen,457 dass einige Staaten deswegen weder dem SRÜ selbst, noch dem stark abgeschwächten Durchführungsübereinkommen zu Teil XI von 1994 beigetreten sind.458 Das sozialistisch anmutende CHM-Prinzip könnte eher Hemmnis als Motivation darstellen, auch wenn es auf die mineralischen Ressourcen im Gebiet beschränkt bliebe. Denn die genetischen Ressourcen des Meeresbodens erfordern in jeder Hinsicht einen eigenen Lösungsansatz, der nicht durch unpassende Bewirtschaftungssysteme für andere Ressourcen begrenzt oder verwässert wird. Dies kann wohl am ehesten durch ein Regime sui generis gewähreistet werden. Weitere Staaten lehnen das SRÜ zudem aus anderen Gründen ab und würden einem Durchführungsübereinkommen daher vermutlich von Beginn an nicht zugetan sein: Israel hält hinsichtlich der Bewirtschaftung seines Festlandsockels an der sog. „Ausbeutbarkeitsgrenze“459 fest und will sich dabei nicht durch das Festlandsockelregime des SRÜ beschränken lassen.460 Außerdem sieht Israel insbesondere die Freiheit der Schifffahrt im Mittelmeer in Gefahr, da es aus Angst vor Waffentransporten nach Gaza das Recht beansprucht, auch mehrere hundert Seemeilen vor der eigenen Küste, Schiffe aufzubringen. Die Türkei befürchtet Benachteiligungen im Streit mit Griechenland um Durchfahrts- und Überflugrechte in der Ägäis.461 Venezuela sieht sich durch die Art. 15, 74, 83 und 121 Abs. 3 SRÜ in der Ausdehnung von Küstenmeer, AWZ und Festlandsockel vor seiner Küste sowie bei unbewohnten Felsen benachteiligt.462 Gleichzeitig liegt in der freien Ausgestaltungsmöglichkeit und der Schöpfung eines eigenständigen Vertrages jedoch auch die Gefahr, dass durch eine solche Fragmentierung des Völkerrechts Widersprüche zu anderen Vertragswerken entstehen. Ein Staat kann dann möglicherweise nicht mehr alle vertraglichen Verpflichtungen erfüllen, die er eingegangen ist.463 Auch durch das lex posterior-Prinzip gelangt man dann nur zu einer unbefriedigenden Lösung, weil die Regelungen beider 457
Crawford, Brownlie’s Principles of Public International Law, 8th edn., 2012, 328. Zum Widerstand der USA gegen das Gebietsregime vgl. Rothwell/Stephens, The International Law of the Sea, 2010, 14 und Prows, Tough Love: The Dramatic Birth and Looming Demise of UNCOS Property Law (and What Is to Be Done About It), 42 Tex. Int’l L. J. (2006 – 2007), 241 (28): „The biggest defect for the original UNCLOS, of course, came from opposition over Part XI by the United States and other industrialized countries.“ 459 Vgl. Art. 1 lit. a) Alt. 2 FSÜ. 460 Das FSÜ würde vom Festlandsockelregime des SRÜ gem. Art. 311 Abs. 1 für die Vertragsstaaten verdrängt werden. 461 Letter dated 21 June 1995 from the Permanent Representative of Turkey to the United Nations addressed to the Secretary-General, 50th Session, 1995, UN Doc. A/50/256. 462 Jagota, Maritime Boundary, 1985, 251 f. 463 Report of the Study Group of the International Law Commission, 58th Session, 2006, UN Doc. A/CN.4/L.682, Nr. 24: „A strict notion would presume that conflict exists if it is possible for a party to two treaties to comply with one rule only by thereby failing to comply with another rule. This is the basic situation of incompatibility. An obligation may be fulfilled only by thereby failing to fulfil another obligation.“ 458
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Verträge erhalten bleiben sollen.464 Vermehrung und Spezialisierung des Völkerrechts haben diese Fragmentierung insbesondere im Umweltschutz befördert.465 Dadurch wird für ein neues Vertragswerk, das die Bewirtschaftung und den Schutz genetischer Ressourcen jenseits nationaler Hoheitsgewalt regelt, eine „Harmonisierung“ mit multilateralen Verträgen notwendig.466 Dies gilt unter Berücksichtigung eines ganzheitlichen Ansatzes für den Zugang zu genetischer Ressourcen und einen Vorteilsausgleich, den Umweltschutz und den Schutz geistigen Eigentums. Während das Verhältnis zwischen dem SRÜ und anderen Verträgen ausdrücklich geregelt ist,467 müsste das Regime eines eigenständigen Vertrages wiederum eine Vielzahl von völkerrechtlichen Verträgen – einschließlich das SRÜ – berücksichtigen. Schließlich könnte ein eigenständiger Vertrag auch im Falle der Streitbeilegung zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, weil die meisten internationalen Gerichte nur ihr eigenes Recht anwenden.468 Im Ergebnis würde ein eigenständiger völkerrechtlicher Vertrag für eine unnatürliche Aufspaltung des im SRÜ kodifizierten Seerechts sorgen.469
II. Änderung des SRÜ Das SRÜ hat den Anspruch, „alle das Seerecht betreffenden Fragen“ zu regeln.470 De facto sind die genetischen Ressourcen im Gebiet darin jedoch – vor allem mangels Kenntnis zum Zeitpunkt der entscheidenden Vertragsverhandlungen – nicht behandelt worden. Daher erscheint es als logische Konsequenz, das SRÜ dahingehen zu ändern. Die Vorteile liegen auf der Hand: Das SRÜ bietet mit dem CHM-Prinzip und der Wahlmöglichkeit zwischen ISGH, IGH und Schiedsgerichten bereits Bewirtschaftungs- und Streitbeilegungsmechanismen.471 Es wäre daher ein Leichtes, 464
Art. 30 Abs. 3 WVK. Hafner, Pros and Cons Ensuing from Fragmentation of International Law, 25 Mich. J. Int’l L. (2003 – 2004), 849 (856). 466 Matz, Marine Biological Resources: Some Reflections on Concepts for the Protection and Sustainable Use of Biological Resources in the Deep Sea, 2 Non-State Actors and International Law (2002), 279 (296); kritisch zu einer harmonisierenden Auslegung äußert sich Herdegen, Völkerrecht, 14. Aufl., 2015, 63. 467 Für das CBD vgl. Art. 22 Abs. 2 CBD; für die Genfer Seerechtsübereinkommen vgl. Art. 311 Abs. 1 SRÜ. 468 Vgl. dazu bspw. den MOX Plant-Fall, der sowohl den ISGH, The MOX Plant Case (Ireland v. United Kingdom), 2001, als auch den EuGH, MOX-Plant (Kommission v. Irland), Urt. v. 30. 05. 2006, Rs. C-459/03, in: EuZW 2006, 464, beschäftigte und Hafner, Pros and Cons Ensuing from Fragmentation of International Law, 25 Mich. J. Int’l L. (2003 – 2004), 849 (853 und 857). 469 Greiber, Access and Benefit Sharing in Relation to Marine Genetic Resources from Areas Beyond National Jurisdiction: A Possible Way Forward, 2011, 46. 470 Präambel zum SRÜ. 471 Vgl. Art. 287 Abs. 1 SRÜ. 465
D. Völkerrechtliche Optionen
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die Regelungen des SRÜ zu modifizieren. Dies etwa durch Erweiterung des Anwendungsbereichs des Gebietsregimes auf genetische Ressourcen, indem die Begriffsbestimmung in Art. 133 SRÜ um einen entsprechenden Zusatz erweitert wird oder die Beschränkung des CHM-Prinzips auf mineralische Ressourcen in Art. 136 SRÜ entfällt. Mit einer solchen Erweiterung des Gebietsregimes würden auch Befugnisse der ISA zur Regelung der (kommerziellen) Erforschung genetischer Ressourcen begründet. Der ISA kommt bislang die Kompetenz zur Regelung des Meeresbodenbergbaus zu und sie ist in diesem Zusammenhang auch zum Meeresumweltschutz berufen.472 Die Ausweitung ihres Mandats würde die Errichtung einer zusätzlichen internationalen Organisation zur Überwachung des Bioprospecting überflüssig machen und zu einer optimalen Koordination der Bewirtschaftung genetischer und mineralischer Ressourcen auf dem Meeresboden in einer Hand führen.473 Die Änderung des SRÜ begegnet allerdings erheblichen Bedenken in Theorie und Praxis. Erstens lassen die Art. 312 und 313 SRÜ eine Änderung des SRÜ nur insoweit zu, als sich diese „nicht auf Tätigkeiten im Gebiet bezieh[en]“. Änderungen der Bestimmungen, die sich ausschließlich auf Tätigkeiten im Gebiet beziehen sind nur nach Art. 314 SRÜ möglich, der eine Genehmigung dieser Änderungen durch den Rat der Behörde als obligatorisch vorschreibt.474 Nach Art. 161 Abs. 8 lit. d) SRÜ fasst der Rat solche Beschlüsse, die eine Änderung von Teil XI betreffen, allerdings nur durch Konsens. Konsens bedeutet danach „das Fehlen jedes förmlichen Einspruchs“.475 Mit dieser kaum überwindbaren Hürde wollte man zwar ursprünglich einer Abschaffung und nicht einer Erweiterung des CHM-Prinzips im Gebietsregime vorbeugen. Eine Änderung des Gebietsregimes erscheint dadurch gleichwohl ausgeschlossen.476 Zweitens beinhaltet das SRÜ bislang keine Differenzierung zwischen „reiner“ und „angewandter“ wissenschaftlicher Meeresforschung. Für das Bioprospecting, das bislang nicht vom SRÜ erfasst wird, müssten daher auch diese Vorschriften geändert werden, wenn ein neues Vertragswerk nicht zur Debatte steht. Eine Änderung ist auch bei theoretischer Machbarkeit in der Praxis kaum denkbar. Denn auch eine solche Änderung soll nach Kräften durch einen Konsens aller Vertragsstaaten herbeigeführt werden.477 Dieser ist jedoch angesichts der fast zehn Jahre 472
Vgl. Art. 145 SRÜ. Matz, Marine Biological Resources: Some Reflections on Concepts for the Protection and Sustainable Use of Biological Resources in the Deep Sea, 2 Non-State Actors and International Law (2002), 279 (298); im Ergebnis zustimmend, aber unter Verweis auf Umsetzungsschwierigkeiten: Leary, International Law and the Genetic Resources of the Deep Sea, 2007, 224. 474 Zu den Voraussetzungen einer Änderung s. Nordquist et al. (ed.), United Nations Convention on the Law of the Sea 1982: A Commentary, Vol. V, 1989, 270 ff. 475 Art. 161 Abs. 8 lit. d) SRÜ. 476 Greiber, Access and Benefit Sharing in Relation to Marine Genetic Resources from Areas Beyond National Jurisdiction: A Possible Way Forward, 2011, 46 f. 477 Vgl. Art. 312 Abs. 2 SRÜ. 473
300
Kap. 5: Ausblick
überdauernden Verhandlungen sowie der damaligen und aktuellen Vorbehalte der Staaten kaum denkbar: Eine Abstimmung der Konferenz der Vertragsstaaten würde nach Art. 9 Abs. 2 WVK eine Zweidrittelmehrheit erfordern.478 Der größte Nachteil einer Änderung des SRÜ liegt allerdings darin, dass davon nur dessen (bisherige) Vertragsstaaten erfasst würden. Es geht aber insbesondere darum auch die USA als eine jener hochentwickelten Industrienationen für ein neues Regime zu gewinnen, der eine Bewirtschaftung des Meeresbodens möglich ist, die aber dem SRÜ bislang nicht beigetreten ist. Für solche Staaten wäre aber ein teilweiser Beitritt zum SRÜ, beispielsweise nur hinsichtlich einer neuen Regelung zum Bioprospecting, nicht möglich. Denn im Übrigen müssten dann Vorbehalte erklärt werden, um die Rechtswirkungen einzelner Vertragsbestimmungen in der Anwendung auf diesen Staat auszuschließen.479 Vorbehalte sind im SRÜ gemäß Art. 309 allerdings nur in so bezeichneten Ausnahmefällen möglich.480 Keinesfalls ist jedoch ein Vorbehalt zu ganzen Teilen des SRÜ zulässig, weil dies wohl dem Gegenstand und Zweck des Vertrages – „alle das Seerecht betreffenden Fragen zu regeln“ – zuwider laufen würde.481
III. Ergänzendes Abkommen zum SRÜ Schließlich kommt ein ergänzendes Abkommen zum SRÜ in Betracht, das im Rahmen der BBNJ-Working Group wohl von den allermeisten Staaten befürwortet wird.482 In diesem Sinne forderte auch die damalige EU-Kommissarin für Fischerei und maritime Angelegenheiten Damanaki, dass die biologischen Ressourcen jenseits nationaler Hoheitsgewalt in einer vernünftigen und annehmbaren Weise abgeerntet werden müssten.483 Dazu solle das SRÜ durch ein ergänzendes Abkommen aktualisiert werden, das die Fragen des Zugangs zu und des Vorteilsausgleich von genetischen Ressourcen regelt.484 478 Nordquist et al. (ed.), United Nations Convention on the Law of the Sea 1982: A Commentary, Vol. V, 1989, 266. 479 Vgl. Art. 2 Abs. 1 lit. d) WVK. 480 Ein Vorbehalt kann bspw. nicht für das Gebietsregime erklärt werden, vgl. Art. 309 SRÜ: „Vorbehalte oder Ausnahmen zu diesem Übereinkommen sind nur zulässig, wenn sie ausdrücklich in anderen Artikeln des Übereinkommens vorgesehen sind.“ 481 Vgl. Art. 19 lit. c) WVK. 482 BBNJ-Working Group, 66th Session, 2011, UN Doc. A/66/119, Nr. 42. 483 EU’s Damanaki calls for high seas biodiversity protection treaty, United Press International, 15. 04. 2013, abrufbar unter: http://www.upi.com/Business_News/Energy-Resources/2 013/04/15/EUs-Damanaki-calls-for-high-seas-biodiversity-protection-treaty/UPI-969913 65998580/ (zuletzt abgerufen am 01. 08. 2015). 484 Damanaki, A European Vision for the Sustainable Management of the Oceans, Speech at the International Conference „The High Seas, our Future“, 2013, abrufbar unter: http://ec.euro pa.eu/commission_2010 – 2014/damanaki/headlines/speeches/2013/04/20130411_speech_en. htm (zuletzt abgerufen am 01. 08. 2015).
D. Völkerrechtliche Optionen
301
Dadurch könnte die teilweise vorhandene Infrastruktur des SRÜ genutzt werden, ohne dabei gleichzeitig einer streitbaren Ideologie oder dem Problem mangelnden Konsenses ausgesetzt zu sein. Denn das SRÜ bleibt, ungeachtet seines teilweise streitbaren Inhalts, das Dach, unter dem alle Angelegenheiten des Meeres ausgetragen werden sollten. Ein ergänzendes Abkommen könnte sowohl weitergehende Erfordernisse zum Meeresumweltschutz aufstellen als auch ein System zum Zugang und Vorteilsausgleich genetischer Ressourcen erschaffen. Dies könnte ohne eine Änderung der Vorschriften des SRÜ im Übrigen erfolgen, da diese die genetischen Ressourcen des Meeresbodens nicht erfassen und nur weitergehende Schutz- und Bewirtschaftungsstandards eingefügt würden. Eine Änderung des SRÜ in Bezug auf Aktivitäten im Gebiet wäre vor dem Hintergrund des Artikels 312 SRÜ ohnehin problematisch.485 Die Vertragsstaaten können jedoch grundsätzlich untereinander Übereinkünfte schließen, die die Bestimmungen des SRÜ modifizieren oder suspendieren, solange diese nicht mit der Verwirklichung von Ziel und Zweck des Übereinkommens unvereinbar sind.486 Bei einer Änderung des CHM-Prinzips ist allerdings Art. 311 Abs. 6 SRÜ zu beachten, der die in seinem Abs. 3 beschriebene Unvereinbarkeit konkretisiert.487 Danach darf das in Art. 136 SRÜ niedergelegte CHM-Prinzip nicht geändert werden (Alt. 1) und die Vertragsstaaten dürfen nicht Vertragspartei einer Übereinkunft werden, die von diesem Prinzip abweicht (Alt. 2). Zunächst würde durch ein ergänzendes Abkommen keine Änderung des SRÜ selbst erfolgen, sodass Alt. 1 hier nicht einschlägig ist. Das „Abweichungsverbot“ i.S.d. Alt. 2 könnte jedoch einer Erweiterung des CHMPrinzips auf die lebenden Ressourcen im Gebiet entgegenstehen. Sinn und Zweck dieses Abweichungsverbots ist die Sicherung der Erhaltung des im SRÜ niedergelegten CHM-Prinzips, denn dieses Prinzip wurde von den Vertragsstaaten als so fundamental angesehen, dass es auch bei einer zukünftigen Veränderung äußerer Umstände nicht mehr zu ihrer Dispoisition stehen sollte.488 Demenstprechend wurde von den Vertretern Chiles im Rahmen von UNCLOS III sogar eine Formulierung vorgeschlagen, wonach das CHM-Prinzip als zwingendes Völkerrecht (ius cogens) anzusehen sei.489 Diese war zwar letztendlich nicht konsensfähig.490 Gleichwohl sind der Charakter der Norm und der Umgang mit einem Verstoß dagegen nicht zwei485
s. o. Kapitel 5, D. II. Vgl. Art. 311 Abs. 3 SRÜ. 487 Nordquist et al. (ed.), United Nations Convention on the Law of the Sea 1982: A Commentary, Vol. V, 1989, 242, Nr. 311.10 a.E.: „[…] it supplies some guidance for the interpretation and application of the expressions […] in paragraph 3, ,a provision derogation from which is incompatible with the effective execution of the object and purpose of this Convention‘, although it is not exclusive or conclusive at that point.“ 488 Lodge, The Common Heritage of Mankind, 27 Int’l J. Marine & Coastal L. (2012), 733 (735). 489 Nordquist et al. (ed.), United Nations Convention on the Law of the Sea 1982: A Commentary, Vol. V, 1989, 241, Nr. 311.9. 490 Ibid. 486
302
Kap. 5: Ausblick
felsfrei bestimmbar.491 Nach dem Willen der Vertragsstaaten soll jedenfalls jede einschränkende, d. h. negative, Abweichung vermieden werden. Dies insbesondere deswegen, weil das SRÜ als „package deal“ den bestmöglichen Konsens zwischen den einzelnen im Rahmen von UNCLOS III vertretenen Interessengruppen darstellt, dessen ausgewogene und vereinbarte Balance entfiele, wenn einzelne Staaten in wesentlichen Punkten abweichende Regeln beschließen würden. Schließen einzelne Staaten jedoch ein über den im SRÜ enthaltenen Bestand des CHM-Prinzips hinausgehendes Abkommen auch für die lebenden Ressourcen, so läge darin nur eine zusätzliche Beschränkung ihrer Freiheiten, ohne dabei ihre Pflichten gegenüber den übrigen Vertragsstaaten zu verringern. Eine erweiternde, d. h. positive, Abweichung muss mithin zulässig sein. Da sich der Anwendungsbereich des CHM-Prinzips im SRÜ nur auf die mineralischen Ressourcen bezieht, wird dieser durch eine Erweiterung des CHM-Prinzips auf die lebenden Ressourcen im Gebiet in seinem Bestand auch nicht angetastet. Art. 311 Abs. 6 SRÜ steht einem ergänzenden Abkommen mithin nicht nur nicht entgegen. Vielmehr stellt dies für die SRÜ-Vertragsstaaten auch die einzige völkerrechtliche Option dar, ein Bewirtschaftungsregime für die lebenden bzw. genetischen Ressourcen des Meeresbodens durch Erweiterung des CHM-Prinzips zu schließen.492 Für ein ergänzendes Abkommen spricht außerdem die Historie des SRÜ, die durch das erfolgreiche Durchführungsübereinkommen zu Teil XI des SRÜ (DÜ) und das sog. „Fish-Stocks-Agreement“ (FSA) gezeigt hat, dass es einer derartigen Herausforderung gewachsen ist. Überdies können dem ergänzenden Abkommen auch Staaten beitreten, die das SRÜ nicht ratifiziert haben oder ihm beigetreten sind, beispielsweise die USA. Umgekehrt bedarf ein ergänzendes Abkommen nicht der Zustimmung oder dem zwingenden Beitritt der Vertragsstaaten. Ein ergänzendes Abkommen würde folglich einen Kompromiss zwischen einem eigenständigen völkerrechtlichen Vertrag und einer Änderung des SRÜ darstellen und möglicherweise zu einem Beitritt derjenigen Staaten führen, die einen Beitritt zum SRÜ bislang abgelehnt haben.493 Zudem könnten Anleihen am Streitbeilegungsmechanismus des FSA genommen werden. Streitigkeiten technischer Art würden danach durch ein Sachverständigengremium beigelegt.494 Für Streitigkeiten über die Auslegung und Anwendung eines ergänzenden Abkommens würde auf die vorhandenen Streitbeilegungsmöglichkeiten in Teil XV des SRÜ verwiesen, die dadurch sowohl für die
491
Freestone/Oude Elferink, Felxibility and Innovation in the Law of the Sea – Will the LOS Convention Amendment Procedures Ever Be Used?, in: Oude Elferink (ed.), Stability and Change in the Law of the Sea: The Role of the LOS Convention, 2005, 169 (175). 492 So wohl auch Oude Elferink, The Regime of the Area: Delineating the Scope of Application of the Common Heritage Principle and Freedom of the High Seas, 22 Int’l J. Marine & Coastal L. (2007), 143 (159 f.). 493 Greiber, Access and Benefit Sharing in Relation to Marine Genetic Resources from Areas Beyond National Jurisdiction: A Possible Way Forward, 2011, 48 f. 494 Vgl. Art. 29 FSA.
E. Gegenwärtige Erfolgsaussichten einer Kodifizierung
303
Parteien beider Verträge als auch für die Parteien nur des ergänzenden Abkommens Anwendung findet.495 Schließlich sind Schwierigkeiten einer Einigung zwischen den Staaten in inhaltlicher Hinsicht kein durchschlagendes Gegenargument, da sie jeder (Vertrags-) Verhandlung innewohnen. Im Verhältnis beider Vertragswerke würden die sich aus dem SRÜ ergebenden Rechte und Pflichten nicht beeinträchtigt und eine Auslegung müsste stets in Übereinstimmung mit den Vorschriften des SRÜ erfolgen.496
E. Gegenwärtige Erfolgsaussichten einer Kodifizierung Die Art und Weise durch die ein Regime für die Bewirtschaftung und den Schutz genetischer Ressourcen jenseits nationaler Hoheitsgewalt geschaffen wird erscheint auf den ersten Blick zweitrangig, da ohnehin eine umfassende Beteiligung der Staatengemeinschaft erzielt werden muss, um die gewünschte Bindungswirkung gegenüber Industrienationen und Entwicklungsländern gleichermaßen zu erreichen. Daher ist für den Erfolg eines neuen Regimes sicherlich in erster Linie der Vertragsinhalt maßgeblich. Die Einigung auf einen bestimmten Vertragsinhalt wird allerdings nicht unerheblich durch die Begleitumstände beeinflusst. Dies gilt hier umso mehr, weil ein Kernelement des SRÜ, namentlich das Gebietsregime und das darin enthaltene CHM-Prinzip, bei Staaten deren Teilnahme erforderlich wäre, hoch umstritten sind,497 gleichwohl aber eine Fragmentierung des Seerechts vermieden werden soll. Der Schlüssel zum Konsens aller oder der meisten Staaten für ein neues Regime liegt in einem ganzheitlichen Ansatz. Erstens – ratione loci – im Hinblick auf den örtlichen Geltungsbereich, der sowohl den Meeresboden jenseits nationaler Hoheitsgewalt als auch die darüber liegende Wassersäule, also einen Teil der Hohen See, erfassen muss. Zweitens – ratione materiae – im Hinblick auf den materiellrechtlichen Geltungsbereich, der sowohl die Bewirtschaftung als auch den Schutz genetischer Ressourcen und der sie umgebenden Meeresumwelt erfassen muss. Beide Materien sollten nicht nur im Sinne der einheitlichen Betrachtung von Ökosystemen zusammen geregelt werden. Vielmehr geht es darum die Interessen der sich herausgebildeten Lager zu vereinen und einen „package deal“ zu schließen. Auf diese Weise werden für alle Staaten gleichermaßen Anreize geschaffen, sich einem solchen Regime zu unterwerfen, durch das sie teilweise Freiheiten aufgeben, aber
495
Vgl. Art. 30 FSA. Vgl. bspw. Art. 4 FSA. 497 Wong/Lengell, DeMint: Law of the Sea Treaty Now Dead, The Washington Times, 16. 07. 2012: „Critics of the treaty argue that it would subject U.S. sovereignty to an international body [i. e. the ISA], require American businesses to pay royalties for resource exploitation [i. e. the CHM-Principle] and subject the U.S. to unwieldy environmental regulations as defined.“ 496
304
Kap. 5: Ausblick
auch neue Rechte gewinnen. Die Balance dieser beiden Komponenten entscheidet über einen Erfolg der vertraglichen Kodifizierung.
F. Zusammenfassung Die anfänglichen Untersuchungen haben zweierlei gezeigt: Einerseits erfassen die vorhandenen völkerrechtlichen Verträge die Bewirtschaftung der genetischen Ressourcen des Meeresbodens nicht oder nicht umfassend. Denn jedenfalls fehlt es an einem anwendbaren System zum gerechten Zugang und Vorteilsausgleich. Andererseits kann das Völkergewohnheitsrecht – jedenfalls nach der hier vertretenen Auffassung – mit dem CHM-Prinzip zwar einen Rahmen für diese Bewirtschaftung bieten. Dieser Rahmen bleibt allerdings ebenfalls hinsichtlich Zugangs- und Nutzungsregulierung ausfüllungsbedürftig. Die Erforderlichkeit eines neuen Bewirtschaftungsregimes ist mithin offenbar geworden. Die Unzulänglichkeiten bestehender Regelungen zeigen eine Regelungslücke hinsichtlich der Bewirtschaftung und dem Schutz genetischer Ressourcen des Meeresbodens jenseits nationaler Hoheitsgewalt auf, die nach dem Willen der weit überwiegenden Mehrheit der Staatengemeinschaft durch eine vertragliche Kodifizierung auf multilateraler Basis geschlossen werden soll. Das neue Bewirtschaftungsregime soll einen gerechten Zugang zu und eine gerechte Verteilung von diesen genetischen Ressourcen ermöglichen. Dabei sollen sowohl der Umweltschutz als auch die besonderen Belange der Entwicklungsländer beachtet werden. Denn letztere haben überwiegend aus eigener Kraft keine Möglichkeit, den Meeresboden in 5.000 bis 11.000 Metern Tiefe zu erreichen oder das genetische Material zu kommerzialisieren. Dazu haben sich auf zwischenstaatlicher Ebene zahlreiche Foren herausgebildet, die sich etwa seit Beginn dieses Jahrhunderts damit beschäftigen, zur Bewirtschaftung der genetischen Ressourcen jenseits nationaler Hoheitsgewalt eine konsensuale Lösung herauszuarbeiten. Im Laufe der Jahre hat sich die sog. „BBNJWorking Group“ der Vereinten Nationen als ertragreichste Arbeitsgruppe herauskristallisiert. Bei ihr werden die auf nationaler und regionaler Ebene erlangten Erkenntnisse und Fortschritte gebündelt, wodurch ihre Entscheidungen durch die Beteiligung der gesamten Staatengemeinschaft auf ein breites Fundament gestellt werden. Zum Ende der 69. Sitzungsperiode der UN-Generalversammlung im Jahre 2015 sollen die Vorbereitungen hinsichtlich der Fragen zu Anwendungsbereich, Rahmenbedingungen und Durchführbarkeit eines neuen Vertragswerkes abgeschlossen sein, sodass danach unmittelbar in die Verhandlungen zu einem neuen Vertragswerk übergegangen werden könnte.498 Da sich nach derzeitigem Sachstand 498 Nachtrag aufgrund aktueller Entwicklungen nach Einreichung der Dissertation: Am 19. 06. 2015 hat die UNGA wie erwartet beschlossen, die Verhandlungen für ein internationales rechtsverbindliches Instrument zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der marinen Biodiversität jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt als ergänzendes Abkommen zum SRÜ
F. Zusammenfassung
305
fast alle beteiligten Staaten für solch ein neues Vertragswerk aussprechen, sind derartige Vertragsverhandlungen unter dem Dach der Vereinten Nationen auch am wahrscheinlichsten. Inhaltlich ist den Vorbereitungen bislang nur wenig Konkretes zu entnehmen. Fest steht aber, dass ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt wird, bei dem sowohl die Bewirtschaftung als auch der Umweltschutz gleichrangig einfließen sollen. Damit wird den Anforderungen beider Lager Rechnung getragen. Die Industrienationen, namentlich die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, sehen den Schwerpunkt ihrer Bemühungen im Meeresumweltschutz. Die Entwicklungsländer, namentlich die G77 und China, fordern ein System zum gerechten Vorteilsausgleich. Dabei scheinen diese schließlich die ideologische Vorbelastung des CHM-Prinzips bemerkt zu haben und pochen nun nicht mehr mit aller Vehemenz auf dessen Einzug in ein neues Regime. Gleichwohl wird nach wie vor eine völkergewohnheitsrechtliche Geltung des CHM-Prinzips für die lebenden Ressourcen des Meeresbodens jenseits nationaler Hoheitsgewalt beansprucht. Letztlich werden beide Interessen, die nicht im Widerspruch zueinander stehen, sondern vielmehr miteinander als ganzheitlicher Ansatz kodifiziert werden müssen, durch package deals einer für beide Seiten annehmbaren Lösung zugeführt werden können. Auch wenn diese Lösung eines Bewirtschaftungsregimes sui generis bedarf, so kann sich das neue Vertragswerk zahlreicher Prinzipien des Völkerrechts bedienen, die bereits erfolgreich in andere völkerrechtliche Verträge, insbesondere Verträge des Seevölkerrechts, implementiert worden sind. Dazu zählen insbesondere das Billigkeitsprinzip und die Verpflichtung zu zwischenstaatlicher Zusammenarbeit (Kooperationsprinzip), die wichtige Zwischenschritte auf dem Weg zu einem gerechten Bewirtschaftungssystem darstellen. Besondere Prinzipien des Umweltvölkerrechts zielen zunächst auf den Umweltschutz ab, können aber auch die Art und Weise der Bewirtschaftung entscheidend steuern. So trüge die vertragliche Implementierung des Vorsorgeprinzips beispielsweise dem Umstand Rechnung, dass unser Wissen über den Meeresboden sehr begrenzt ist und hülfe, möglichen Umweltschäden vorzubeugen. Die Auswirkungen des Bioprospecting auf die Meeresumwelt mögen noch so gering sein, sie sind jedenfalls nicht vollständig bekannt und müssen wegen der Empfindlichkeit der Ökosysteme an den Hydrothermalquellen durch vorbeugende Maßnahmen geschützt werden.499 Die nachhaltige Bewirtschaftung lebender vorzubereiten (vgl. UN Doc. A/RES/69/292, Nr. 1). Das zu diesem Zweck eingesetzte Vorbereitungskomitee hat seine Arbeit mit einer ersten Sitzung vom 28.03. bis 08. 04. 2016 unter dem Vorsitz von Botschafter Eden Charles (Trinidad und Tobago) und unter Beteiligung von u. a. 98 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen, 12 zwischenstaatlichen Organisationen und 17 NGOs aufgenommen. Eine zweite Sitzung fand vom 26.08. bis 09. 09. 2016 statt. Ein erster Bericht über den Stand der Vorbereitungen wird zum Ende des Jahres 2017 erwartet. Aktuelle Informationen und Dokumente sind abrufbar unter: http://www.un.org/depts/los/biodiversity/ prepcom.htm (zuletzt abgerufen am: 08. 11. 2016). 499 Zu des Auswirkungen des Bioprospecting auf die Meeresumwelt s. Farrier/Tucker, Access to Marine Bioresources: Hitching the Conservation Cart to the Bioprospecting Horse, 32 Ocean Dev. & Int’l L. (2001), 213 – 239 (118 ff.); Leary, International Law and the Genetic Resources of the Deep Sea, 2007, 189 ff.
306
Kap. 5: Ausblick
Ressourcen kann außerdem gleichzeitig einen Beitrag zur intra- und intergenerationalen Gerechtigkeit leisten und mithin den zu schaffenden Bewirtschaftungsmechanismus maßgeblich beeinflussen. Zwar bieten sich zur praktischen Umsetzung des Bewirtschaftungsregimes in einen völkerrechtlichen Vertrag zahlreiche Möglichkeiten, von denen hier einige diskutiert wurden. Auch ist der Vertragsinhalt für die Staaten wohl der maßgebliche Faktor, um eine Annahme zu erwägen. Allerdings bietet ein ergänzendes Abkommen zum Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen gegenüber anderen völkerrechtlichen Optionen klare Vorteile. Erstens wird einer Fragmentierung des Seevölkerrechts vorgebeugt, indem ein bestehendes und fast universal anerkanntes Vertragswerk – das SRÜ – genutzt wird, um unter einem Dach ergänzende Regelungen zu verhandeln. Zweitens wird damit gleichzeitig allen Mitgliedern der Staatengemeinschaft die Möglichkeit eröffnet, ungeachtet ihres Verhältnisses zum SRÜ, sich ausschließlich oder zusätzlich an ein ergänzendes Abkommen zur Bewirtschaftung der genetischen Ressourcen zu binden. Anders als bei einer Änderung bestehender Verträge besteht so jedenfalls die Möglichkeit einer universellen Anerkennung aller Staaten, insbesondere solcher, die dem CHM-Prinzip skeptisch gegenüber standen und stehen. Die Erfolgsaussichten eines neuen Bewirtschaftungsregimes werden folglich sowohl durch den Vertragsinhalt als auch durch die praktische Umsetzung bestimmt. Dass es zu Verhandlungen über ein neues Vertragswerk kommen wird, ist nach den bisher vernommenen Äußerungen stark anzunehmen. Es bleibt jedoch abzuwarten in welchem zeitlichen Rahmen einerseits die Vertragsverhandlungen und andererseits die erforderlichen Zustimmungen für ein Inkrafttreten erfolgen werden. Die UNCLOS-Historie hält hierfür jedenfalls ein breit gefächertes Repertoire bereit, das vom Inkrafttreten eines Vertrages zwölf Jahre nach seiner Verhandlung bis zum Scheitern der Vertragsverhandlungen innerhalb nur eines Jahres reicht.
Thesen 1.
Die genetischen Ressourcen des Meeresbodens jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt bieten ein enormes – zum jetzigen Zeitpunkt nur erahnbares – wissenschaftliches und wirtschaftliches Potential.
2.
Genetische Ressourcen sind „erschöpflich“, d. h. sie wachsen zwar nach – wie grundsätzlich alle lebenden Organismen –, aber eine Entschlüsselung der in diesen Mikroorganismen enthaltenen DNA ist wegen denen mit einer Patentierung verbundenen ausschließlichen Rechten nur einmal gewinnbringend möglich.
3.
Von den Genfer Seerechtskonventionen von 1958 erfasst nur das Genfer Übereinkommen über die Hohe See (HSÜ) die genetischen Ressourcen des Meeresbodens, wonach diese dem Regime der Hohen See, d. h. einer grundsätzlich unbedingten und unbegrenzten einzelstaatlichen Zugangs- und Aneignungsfreiheit, unterfallen.
4.
Keines der völkervertraglich im Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen von 1982 (SRÜ) kodifizierten Regime findet Anwendung auf die lebenden bzw. genetischen Ressourcen des Meeresbodens jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt, darunter insbesondere weder das Regime der Hohen See, noch das Meeresbodenregime mit dem Prinzip vom gemeinsamen Erbe der Menschheit (CHM-Prinzip), sodass im SRÜ diesbezüglich eine „Lücke“ besteht.
5.
Der im Übereinkommen über die biologische Vielfalt von 1992 (CBD) enthaltene Zugangs- und Vorteilsausgleichsmechanismus (Access and BenefitSharing System) findet keine direkte Anwendung auf genetische Ressourcen jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt.
6.
Die sog. „Prinzipienerklärung“ in Resolution 2749 (XXV) der Generalversammlung der Vereinten Nationen erklärte den gesamten Meeresboden und dessen Untergrund jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt sowie die darauf und darin belegenen lebenden und nicht-lebenden Ressourcen zum gemeinsamen Erbe der Menschheit.
7.
Das CHM-Prinzip ist auch in Bezug auf die lebenden bzw. genetischen Ressourcen des Meeresbodens zu Völkergewohnheitsrecht geworden, ist allerdings im Hinblick auf ihre Bewirtschaftung unvollkommen, weil ein Mechanismus zum Vorteilsausgleich fehlt.
8.
Soweit einzelne Staaten gegen die völkergewohnheitsrechtliche Geltung des CHM-Prinzips beharrlich Einwendungen vorgebracht haben (persistent objec-
308
Thesen
tor), so geschah dies erst nach Abschluss des Rechtserzeugungsprozesses und damit zu spät. 9.
Meeresschutzgebiete bieten keine geeignete Möglichkeit zu einer ganzheitlichen Regelung der Bewirtschaftung der genetischen Ressourcen.
10. In Ermangelung eines anwendbaren bzw. umfassenden, völkervertraglichen und völkergewohnheitsrechtlichen Regimes für die Bewirtschaftung der genetischen Ressourcen jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsgewalt ist eine völkervertragliche Regelung erforderlich, die neben der Bewirtschaftung auch den Meeresumweltschutz berücksichtigt und vorzugsweise in einem ergänzenden Abkommen zum SRÜ umgesetzt werden sollte.
Anhang 1
EU, Scope, Parameters and Feasibility of an UNCLOS Implementing Agreement, Submission by the EU and its Member States to the UNGA’s BBNJ-Working Group, 5 March 2014
310
Anhang 1
Anhang 1
311
312
Anhang 1
Anhang 1
313
314
Anhang 1
Anhang 2
EU, Scope, Parameters and Feasibility of an UNCLOS Implementing Agreement, Additional Submission by the EU and its Member States to the UNGA’s BBNJ-Working Group, 23 May 2014
316
Anhang 2
Anhang 2
317
318
Anhang 2
Anhang 2
319
320
Anhang 2
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Dokumentenverzeichnis Völkerrechtliche Verträge Agreement for the Implementation of the Provisions of the United Nations Convention on the Law of the Sea of 10 December 1982 relating to the Conservation and Management of Straddling Fish Stocks and Highly Migratory Fish Stocks; angenommen am 04. 08. 1995, in Kraft getreten am 11. 12. 2001; Original in: 2167 UNTS 88; = Übereinkommen zur Durchführung der Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 über die Erhaltung und Bewirtschaftung von gebietsübergreifenden Fischbeständen und Beständen weit wandernder Fische, deutsche Fassung in: BGBl II (2000), 1022. Agreement Governing the Activities of States on the Moon and Other Celestial Bodies, angenommen am 05. 12. 1979, in Kraft getreten am 11. 07. 1984; Original in: 1363 UNTS 3. Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights (TRIPS-Agreement), angenommen 1994 (Uruguay-Runde), in Kraft getreten am 01. 01. 1996; Original in: 33 ILM (1994), 83; = Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums, deutsche Fassung in: BGBl. II (1994), 1730. Agreement Relating to the Implementation of Part XI of the United Nations Convention on the Law of the Sea of 10 December 1982, angenommen am 28. 07. 1994, in Kraft getreten am 28. 07. 1996, Original in: 1836 UNTS 42; = Übereinkommen zur Durchführung des Teiles XI des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982, deutsche Fassung in: BGBl. II (1994), 2566. Antarctic Treaty; angenommen am 01. 12. 1959; in Kraft getreten am 23. 06. 1961; Original in: 402 UNTS 71; = Antarktisvertrag, deutsche Fassung in: BGBl. II (1978), 1518. Convention for the Protection of the Marine Environment of the North-East Atlantic; angenommen am: 22. 09. 1992, in Kraft getreten am 25. 03. 1998; = Übereinkommen zum Schutz der Meeresumwelt des Nordostatlantiks, Original in: 23 LOSB 32; deutsche Fassung in: BGBl. II (1994), 1360. Convention on Biological Diversity, angenommen am 05. 06. 1992, in Kraft getreten am 29. 12. 1993; Original in: 1760 UNTS 69; = Übereinkommen über die biologische Vielfalt, deutsche Fassung in: BGBl. II (1993), 1742. Convention on the Conservation of Antarctic Marine Living Resources; angenommen am 01. 08. 1980; in Kraft getreten am 07. 04. 1982; Original in: 1329 UNTS 48; = Übereinkommen über die Erhaltung der lebenden Meeresschätze der Antarktis, deutsche Fassung in: BGBl. II (1982), 421. General Agreement on Tariffs and Trade, angenommen am 30. 10. 1947, in Kraft getreten am 01. 01. 1948; Original in: 1867 UNTS 187 bzw. 33 ILM (1994), 1153; = Allgemeines Zollund Handelsabkommen, deutsche Fassung in: BGBl. II (1951), 177.
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Geneva Convention on Fishing and Conservation of the Living Resources of the High Seas; angenommen am 29. 04. 1958, in Kraft getreten am 10. 03. 1966; Original in: 559 UNTS 285. Geneva Convention on the Continental Shelf; angenommen am 29. 04. 1958, in Kraft getreten am 10. 06. 1964; Original in: 499 UNTS 312. Geneva Convention on the High Seas; angenommen am 29. 04. 1958; in Kraft getreten am 30. 09. 1962; Original in: 450 UNTS 82; = Genfer Übereinkommen über die Hohe See, deutsche Fassung in: BGBl. II (1972), 1091. Geneva Convention on the Territorial Sea and the Contiguous Zone; angenommen am: 29. 04. 1958, in Kraft getreten am: 10. 09. 1964; Original in: 516 UNTS 206. International Convention for the Prevention of Pollution from Ships; angenommen am: 02. 11. 1973 und 17. 02. 1978, in Kraft getreten am: 02. 10. 1983; Original in: 1340 UNTS 62; = Internationales Übereinkommen von 1973 zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe und Protokoll von 1978 dazu, deutsche Fassung in: BGBl. II (1982), 2. International Treaty on Plant Genetic Resources for Food and Agriculture; angenommen am 03. 11. 2001, in Kraft getreten am 29. 06. 2004; Original in: 2400 UNTS 303; = Internationaler Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft, deutsche Fassung in: BGBl. II (2003), 906. Statute of the International Court of Justice; angenommen am 26. 06. 1945, in Kraft getreten am 24. 10. 1945; Original in: 33 UNTS 993; = Statut des Internationalen Gerichtshofs, deutsche Fassung in: BGBl. II (1973), 505. Statutes of the Asian-African Legal Consultative Organization; angenommen 2004 (26th Annual Session, Bangkok), in Kraft getreten 25. 06. 2004; Original abrufbar unter: http:// www.aalco.int/STATUTES.pdf (zuletzt abgerufen am 01. 08. 2015). Treaty on Principles Governing the Activities of States in the Exploration and Use of Outer Space, Including the Moon and Other Celestial Bodies, angenommen am 27. 01. 1967, in Kraft getreten am 10. 10. 1967; Original in: 610 UNTS 205; = Vertrag über die Grundsätze zur Regelung der Tätigkeiten von Staaten bei der Erforschung und Nutzung des Weltraums einschließlich des Mondes und anderer Himmelskörper, deutsche Fassung in: BGBl. II (1969), 1967 Treaty on the Prohibition of the Emplacement of Nuclear Weapons and Other Weapons of Mass Destruction on the Sea-Bed and the Ocean Floor and in the Subsoil Thereof, angenommen am 11. 02. 1971, in Kraft getreten am 18. 05. 1972; Original in: 955 UNTS 115; = Vertrag über das Verbot der Anbringung von Kernwaffen und anderen Massenvernichtungswaffen auf dem Meeresboden und im Meeresuntergrund, deutsche Fassung in: BGBl. II (1972), 325. United Nations Convention on the Law of the Sea, angenommen am 10. 12. 1982, in Kraft getreten am 16. 11. 1994; Original in: 1834 UNTS 397; = Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen, deutsche Fassung in: BGBl. II (1994), 1798.
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– 23rd Meeting, Volume IV, First Committee, 3rd Session, 1975, UN Doc. A/CONF.62/C.1/ SR.23. – Draft text of preamble proposed by Fiji on behalf of the Group of 77, Volume IX, Plenary, Resumed 7th Session, 1978, UN Doc. A/CONF.62/L.33. – Report of the Chairman of the group of legal experts on the settlement of disputes relating to part XI of the informal composite negotiating text, Volume XI, First Committee, 8th Session, 1979, UN Doc. A/CONF.62/C.1/L.25 and Add.1. – Report of the President on the work of the informal plenary meeting of the Conference on the preamble, Volume XIII, Plenary, 9th Session, 1980, UN Doc. A/CONF.62/L.49. UNCED, Agenda 21, 1992. UNGA, International co-operation in the peaceful uses of outer space, 16th Session, 1961, UN Doc. A/RES/16/1721. – Declaration of Legal Principles Governing the Activities of States in the Exploration and Use of Outer Space, 18th Session, 1963, UN Doc. A/RES/18/1962. – First Committee, 1515th Meeting, Agenda Item 92: Examination of the question of the reservation exclusively for peaceful purposes of the sea-bed and the ocean floor, and the subsoil thereof, underlying the high seas beyond the limits of present national jurisdiction, and the use of their resources in the interest of mankind, 22nd Session, 1967, UN Doc. A/C.1/ PV.1515 and 1516. – Examination of the question of the reservation exclusively for peaceful purposes of the seabed and the ocean floor, and the subsoil thereof, underlying the high seas beyond the limits of present national jurisdiction, and the use of their resources in the interest of mankind, 22nd Session, 1967, UN Doc. A/RES/22/2340. – Report of the Ad hoc Committee to Study the Peaceful Uses of the Sea-bed and the Ocean Floor Beyond the Limits of National Jurisdiction, 23rd Session, 1968, UN Doc. A/7230. – Examination of the question of the reservation exclusively for peaceful purposes of the seabed and the ocean floor, and the subsoil thereof, underlying the high seas beyond the limits of present national jurisdiction, and the use of their resources in the interest of mankind, 23rd Session, 1968, UN Doc. A/RES/23/2467. – Question of the reservation exclusively for peaceful purposes of the sea-bed and the ocean floor, and the subsoil thereof, underlying the high seas beyond the limits of present national jurisdiction, and the use of their resources in the interest of mankind, 24th Session („Moratorium Resolution“), 1969, UN Doc. A/RES/24/2574. – Question of the reservation exclusively for peaceful purposes of the sea-bed and the ocean floor, and the subsoil thereof, underlying the high seas beyond the limits of present national jurisdiction, and the use of their resources in the interest of mankind, 24th Session (Voting), 24th Session, 1969, UN Doc. A/PV.1833. – Declaration on Principles of International Law concerning Friendly Relations and Cooperation among States in accordance with the Charter of the United Nations, 25th Session, 1970, UN Doc. A/RES/25/2625.
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Sonstige Dokumente G7, Foreign Ministers’ Declaration on Maritime Security, 15. 04. 2015; abrufbar unter: http:// www.g8.utoronto.ca/foreign/formin150415-maritime.html (zuletzt abgerufen am 01. 08. 2015). G77, Letter dated 29 August 1980 from the Chairman of the Group of 77 to the President of the Conference, UNCLOS III, Resumed Ninth Session, UN Doc. A/CONF.62/106. – Statements on behalf of the Group of 77 and China at the Ad Hoc Open-Ended Informal Working Group to Study Issues Relating to the Conservation and Sustainable Use of Marine Biological Diversity beyond Areas of National Jurisdiction, 13. 02. 2006, 01. 02. 2010, 31. 05. 2011, 01. 06. 2011, 07. 05. 2012, abrufbar unter: http://www.g77.org/statement/ (zuletzt abgerufen am 01. 08. 2015). – Statement on Behalf of the Group of 77 and China to the United Nations, during the „General Debate“ of the Ad Hoc Open-Ended Informal Working Group to Study Issues Relating to the Conservation and Sustainable Use of Marine Biological Diversity beyond Areas of National Jurisdiction, 19. 08. 2013; abrufbar unter: http://www.g77.org/statement/getstatement.php? id=130819 (zuletzt abgerufen am 01. 08. 2015).
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Dokumentenverzeichnis
IISD, 25 ENB 14 (2005), 1; abrufbar unter: http://www.iisd.ca/oceans/icp6/ (zuletzt abgerufen am 01. 08. 2015). – 25 ENB 43 (2007), 3; abrufbar unter: http://www.iisd.ca/oceans/icp8/ (zuletzt abgerufen am 01. 08. 2015). – Briefing Note on UNGA WG on Marine Biodiversity (2010), 2, abrufbar unter: http://www. iisd.ca/oceans/marinebiodiv3/ (zuletzt abgerufen am 01. 08. 2015). – 25 ENB 70 (2011); abrufbar unter: http://www.iisd.ca/oceans/marinebiodiv4/ (zuletzt abgerufen am 01. 08. 2015). IUCN General Assembly, Protection of the coastal and marine environment, 17th Session, 1988, Res. 17.38. Letter dated 21 June 1995 from the Permanent Representative of Turkey to the United Nations addressed to the Secretary-General, 50th Session, 1995, UN Doc. A/50/256. SBSTTA, Study of the relationship between the Convention on Biological Diversity and the United Nations Convention on the Law of the Sea with regard to the conservation and sustainable use of genetic resources on the deep seabed, 2003, UN Doc. UNEP/CBD/ SBSTTA/8/INF/3/Rev. 1.
Entscheidungsverzeichnis BVerfG, Maastricht-Urteil, Urt. v. 12. 10. 1993, Az.: 2 BvR 2134, 2159/92, in: NJW 1993, 3047 (3052). EuGH, MOX-Plant (Kommission v. Irland), Urt. v. 30. 05. 2006, Rs. C-459/03, in: EuZW 2006, 464. IGH, Asylum Case (Colombia v. Peru), ICJ Reports 1950, 266. – Fisheries Case (United Kingdom v. Norway), ICJ Reports 1951, 116. – North Sea Continental Shelf Cases (Germany v. Denmark and Netherlands), ICJ Reports 1969, 3. – Legal Consequences for States of the Continued Presence of South Africa in Namibia (South West Africa) notwithstanding Security Council Resolution 276 (1970) (Advisory Opinion), Separate Opinion of Vice-President Ammoun, ICJ Reports, 1971, 16. – Delimitation of the Maritime Boundary in the Gulf of Maine Area (Canada v. United States of America), ICJ Reports 1984, 246. – Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. United States of America), ICJ Reports 1986, 14. – Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons (Advisory Opinion), ICJ Reports 1996, 226. – Oil Platforms (Islamic Republic of Iran v. United States of America), ICJ Reports 1996, 803. – Gabcˇ íkovo-Nagymaros Project (Hungary v. Slovakia), ICJ Reports 1997, 7. – Arrest Warrant of 11 April 2000 (Congo v. Belgium), ICJ Reports 2002, 3. – Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory (Advisory Opinion), Separate Opinion of Judge Al-Khasawneh, ICJ Reports 2004, 136. – Dispute regarding Navigational and Related Rights (Costa Rica v. Nicaragua), ICJ Reports 2009, 213. – Pulp Mills on the River Uruguay (Argentina v. Uruguay), ICJ Reports 2010, 14. – Jurisdictional Immunities of the State (Germany v. Italy; Greece intervening), ICJ Reports 2012, 99. ISGH, Southern Bluefin Tuna Cases (New Zealand v. Japan; Australia v. Japan), 1999. – Southern Bluefin Tuna Cases (New Zealand v. Japan; Australia v. Japan), 1999, Separate Opinion of Judge Treves. – The MOX Plant Case (Ireland v. United Kingdom), 2001. – (Seabed Disputes Chamber), Responsibilities and Obligations of States Sponsoring Persons and Entities with Respect to Activities in the Area (Advisory Opinion), 2011.
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Entscheidungsverzeichnis
StIGH, The Case of the S. S. „Lotus“ (France v. Turkey), PCIJ Reports Ser. A, No. 10 (1927), 18. – Diversion of Waters from the Meuse (Netherlands v. Belgium), Dissenting Opinion of M. Anzelotti, PCIJ Reports Ser. A/B, No. 70 (1937), 4. StSH, Norwegian Shipowners’ Claim (Norway v. United States of America), 1922, in: RIAA, Vol. XI, 309. – Chagos Marine Portected Area Arbitration (Mauritius v. United Kingdom), 2015.
Sachwortverzeichnis ABS-System 108, 274 ff. Agenda 21 270 Äquidistanzprinzip 54 BBNJ-Working Group 169, 241 Biopatentrichtlinie 42 Bioprospecting 97 ff. Bioremediation s. Sanierung von Ökosystemen Bottom-Trawling 93, 293 (s.a. Schleppnetzfischerei) Brundlandt Report 272 Challenger-Expedition 65, 79 Chemosynthese 27 CHM-Prinzip 21, 67 ff., 257 – Elemente des 70, 121 Commission on the Limits of the Continental Shelf s. Festlandsockelkommission Deep Seabed Hard Mineral Resources Act 193 Deepsea Ventures Inc. 146 erfinderische Tätigkeit 39, 40 Erschöpflichkeit 22 Europäische Union 249 Extremophile 26, 179 Festlandsockel 62 ff. Festlandsockelkommission 65 Friendly-Relations-Declaration 127, 135 f., 264 G77 69, 77, 171, 198 Gebiet 25 Gebietsregime 65 ff. Gemeinsames Erbe der Menschheit s. CHMPrinzip Genetische Ressourcen 27 ff., 227 Genfer Seerechtsübereinkommen 48 ff.
– über das Küstenmeer und die Anschlusszone 48 – über den Festlandsockel 49 – über die Fischerei und die Erhaltung der Lebenden Ressourcen der Hohen See 56 – über die Hohe See 52 Grotius, Hugo 52, 220 Hydrothermalquelle 31 IMO 287 Internationale Meeresbodenbehörde 82 ff. ius ad bellum 177 ius cogens 157, 177 Johnson, Lyndon B. 144 Kalte Quelle 31 Kalter Krieg 66 Kennedy, John F. 199 Kontinentaldrift 29 Lotus-Prinzip 53, 120, 210 Manganknollen 19, 76 mare clausum-Prinzip 52 MARPOL 73/78 287, 289 Meeresressourcen-Sozialismus 188 f. Meeresschutzgebiet 286 Millenniumziele 34 Moratorium Resolution 154, 161 Neue Weltwirtschaftsordnung 122, 194 non liquet 208 opinio iuris 133, 143, 178 OSPAR 287, 289 f. Pardo, Arvid 65 Patentierbarkeit 37 persistent objector 124, 142, 173, 212 ff.
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Sachwortverzeichnis
Prinzipienerklärung 156, 162 Prioritätsprinzip 225 Reagan, Ronald 147 f. Rechtsüberzeugung s. opinio iuris Reciprocating States Regime 192, 213 Remotely Operated Vehicle s. Unterwasserfahrzeug res communis 120, 175, 182, 184, 220 res nullius 120 Sachsenspiegel 226 Sanierung von Ökosystemen 36 Schleppnetzfischerei 44 Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen 60 ff., 188 sesshafte Arten 49 ff., 63, 153, 245 Staatenpraxis 138, 178, 202 – und Unterlassen 204 Truman-Proklamation 54
Übereinkommen über die Biologische Vielfalt 104 ff., 190 UNCLOS I 48, 55 UNCLOS III 163, 230 UNCTAD 160 UNICPOLOS 168, 233 Unterwasserfahrzeug 33, 179, 292 Völkergewohnheitsrecht 131 – spontanes 178, 199 ff. – und Verträge 140, 179 Völkerrechtskommission 125 Vorteilsausgleich 278 (s.a. ABS-System) Weltraum 199 Wood, Sir Michael 125 Zwei-Elementen-Theorie 197, 200, 208