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German Pages 278 Year 2019
Schriften zum Prozessrecht Band 257
Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen im Zivilprozess
Von Christoph Seidl
Duncker & Humblot · Berlin
CHRISTOPH SEIDL
Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen im Zivilprozess
Schriften zum Prozessrecht Band 257
Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen im Zivilprozess
Von Christoph Seidl
Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristische Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München hat diese Arbeit im Jahre 2019 als Dissertation angenommen.
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© 2019 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany
ISSN 0582-0219 ISBN 978-3-428-15734-1 (Print) ISBN 978-3-428-55734-9 (E-Book) ISBN 978-3-428-85734-0 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Vorwort Die Juristische Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität zu München hat die vorliegende Arbeit im Wintersemester 2018/19 als Promotionsleistung anerkannt. Ich danke all jenen, die mich während dieser Zeit begleitet und unterstützt haben. Ganz besonderer Dank gilt meiner Doktormutter, Frau Professorin Dr. Beate Gsell, die mich zunächst auf das Thema der vorliegenden Arbeit aufmerksam machte und mir anschließend die Möglichkeit gab, mein Promotionsvorhaben in die Tat umzusetzen. Ihre Anregungen und ihre Unterstützung über das gesamte Verfahren hinweg haben maßgeblichen Anteil an dessen Gelingen. Zudem danke ich Herrn Professor Dr. Wolfgang Hau für die äußerst zügige Erstellung des Zweitgutachtens und insbesondere für seine eingehende Auseinandersetzung mit der vorliegenden Arbeit sowie seine wertvollen weiterführenden Hinweise. Besonderer Dank gilt auch meinem Bruder, Sebastian Seidl, der das zeitintensive Korrekturlesen übernahm und hierdurch insbesondere für sprachliche Verfeinerungen sorgte. Von Herzen danke ich schließlich meinen Eltern, Monika und Josef Seidl, die mich mein ganzes Leben lang auf jede nur erdenkliche Weise unterstützt haben. Ihnen widme ich dieses Buch in tiefer Liebe und Verbundenheit. München, im September 2019
Christoph Seidl
Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 1. Kapitel
Klärung der wesentlichen Begrifflichkeiten und Einführung in die Problematik 23
A. Die Aufgabenverteilung zwischen den Parteien und dem Gerichthinsichtlich der Beschaffung der Urteilsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 I.
II.
Die Beibringung des Tatsachenstoffs als Aufgabe der Parteien .. . . . . . . . . . . 24 1. Allgemeines zum Verhandlungsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 2. Widerspiegelung des Verhandlungsgrundsatzes in der ZPO . . . . . . . . . . 25 3. Ergänzungen, Modifizierungen und Einschränkungen des Verhandlungsgrundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Die Aufgaben des Gerichts hinsichtlich der Beschaffung der Urteilsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 1. Die rechtliche Würdigung des vorgetragenen Sachverhalts . . . . . . . . . . . 28 2. Aufklärungs- und Hinweispflichten im Rahmen richterlicher Prozess leitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
B. Tatsachen und Rechtsbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 I. Tatsachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 1. Die Bedeutung des Tatsachenbegriffs für das zivilprozessuale Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 2. Die Definition des Tatsachenbegriffs durch den Bundesgerichtshof und die Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 3. Tatsachenbehauptungen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 a) Der Unterschied zwischen Tatsachen und Tatsachenbehauptungen . 33 b) Entscheidung gegen die Bezeichnung „Tatsachenurteil“ .. . . . . . . . . . 33 c) Bedeutung der Tatsachenbehauptungen im Prozess . . . . . . . . . . . . . . . 37 II. Rechtsbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 1. Keine Definition des Terminus durch Rechtsprechung und h. L.; Relevanz des Terminus für die vorliegende Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 2. Frühere Untersuchungen des Terminus .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 a) Einleitung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 b) Relevante Thesen der Untersuchungen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
Inhaltsverzeichnis
8
aa) Umfasste Begriffskategorien nach Engisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 bb) Gemeinsames Merkmal der Begriffe .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 cc) Relevanz für die vorliegende Thematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 3. Die Verwendung des Terminus durch die h. M. im Hinblick auf juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 a) Gemeinsames Merkmal der Begriffe und Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . 46 b) Hintergrund der entsprechenden Verwendung des Terminus . . . . . . . 47 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 III. Tatsachen- vs. Rechtsbegriffsbehauptungen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 1. Unterscheidung durch Rechtsprechung und Teile der Literatur . . . . . . . 49 2. Kritische Würdigung der Unterscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 a) Gemeinsamkeiten der Behauptungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 aa) Urteilende Tätigkeit im Falle von Aussagen über Tatsachen .. 50 bb) Mögliche Beurteilungen bei Rechtsbegriffsbehauptungen .. . . 51 b) Unterschiede zwischen den Behauptungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 C. Juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 II.
Die Merkmale juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen . . . . . . . . . . 55
1. Verwendung von Rechtsbegriffen durch die Parteien .. . . . . . . . . . . . . . . . 55 2. Verwendung der Rechtsbegriffe, (auch) um Tatsachen darzulegen .. . . 56 a) Einleitung und Abgrenzung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 b) Konkretisierung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 c) Anhaltspunkte zur Bestimmung, mit welchem Zweck Rechtsbegriffe gebraucht werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 aa) „Isolierter“ Vortrag eines Rechtsbegriffs .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 bb) Vortrag eines Rechtsbegriffs zusätzlich zur Darlegung des entsprechenden Sachverhalts .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 3. Irrelevanz der „Geläufigkeit“ der Rechtsbegriffe .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 a) Entscheidungen, die für die Irrelevanz der „Geläufigkeit“ sprechen 61 b) Entscheidungen, nach denen die „Geläufigkeit“ ein konstitutives Merkmal sein könnte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 c) Fazit .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 III. Definition der „juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen“ .. . . . . . . 67 D. Präjudizielle Rechtsverhältnisse .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 I.
Die Bedeutung präjudizieller Rechtsverhältnisse für die vorliegende Arbeit 67
II.
Definition des Begriffs „präjudizielle Rechtsverhältnisse“ . . . . . . . . . . . . . . . . 68 1. „Rechtsverhältnisse“ im Sinne des § 256 Abs. 2 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . 68 a) Definition der „Rechtsverhältnisse“ im Sinne des § 256 ZPO . . . . . 68 b) Beispiele für „Rechtsverhältnisse“ i. S. d. § 256 ZPO . . . . . . . . . . . . . . 69
Inhaltsverzeichnis
9
c) Vorfragen und Elemente eines Rechtsverhältnisses als Gegenstand einer (Zwischen-)Feststellungsklage nach § 256 ZPO? . . . . . . . . . . . . 70 2. „Vorgreiflichkeit“ des Rechtsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 E. Juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen vs. Vorträge von präjudiziellen Rechtsverhältnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 I.
Begriffliche Unterscheidung durch Rspr. und Teile der Lit. . . . . . . . . . . . . . . . 72
II.
(Mögliche) Grundlagen der Unterscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
1. Unterscheidung nach den umfassten Rechtsbegriffen . . . . . . . . . . . . . . . . 73 2. Unterscheidung nach den Absichten der Parteien .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 a) Darstellung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 b) Hintergründe .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 III. Stellungnahme .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 1. Kritik an der h. M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 2. Anhaltspunkte zur Bestimmung, mit welchem Zweck Rechtsbegriffe gebraucht werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 F. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 I.
Die Aufgaben der Parteien und des Gerichts hinsichtlich der Beschaffung der Urteilsgrundlagen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
II.
Tatsachen und Tatsachenbehauptungen, Rechtsbegriffe und Rechtsbegriffsbehauptungen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
III. Juristisch eingekleidete und reine Tatsachenbehauptungen . . . . . . . . . . . . . . . . 81 IV. Präjudizielle Rechtsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 2. Kapitel
Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen im Zivilprozess 82
A. Juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungenund die Darlegungslast der Parteien .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 I.
Allgemeines zu Darlegungslast und Substantiierungspflicht . . . . . . . . . . . . . . 83
II.
Bisheriger Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 1. Die Ansicht der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 a) Entscheidungen unmittelbar die Darlegungslast betreffend . . . . . . . . 85 aa) BGH, Urt. v. 2. 6. 1995 – V ZR 304/93 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 bb) BGH, Urt. v. 13. 3. 1998 – V ZR 190/97 .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 b) Weitere relevante Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 aa) Entscheidungen zur Geständnisfähigkeit juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 bb) Entscheidungen zur Bindung der Rechtsmittelinstanzen . . . . . 89
10
Inhaltsverzeichnis c) Hintergründe .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 aa) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 bb) Auslegung der Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 cc) Relativierung der „allgemeinen Bekanntheit“ durch die Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 d) Fazit .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 2. Ansichten in der Literatur .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 a) Erfüllung der Darlegungslast bei Annahme der korrekten Verwendung der Rechtsbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 b) Keine Notwendigkeit der Angabe der Entstehungstatsachen präjudizieller Rechtsverhältnisse .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 c) Weitgehende Zulässigkeit der Verwendung von Rechtsbegriffen .. 97 III. Stellungnahme .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 1. Argumente für die Zulassung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 a) Prozessökonomie und praktisches Bedürfnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 b) Juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen als Sachvortrag .. 100 c) Grundsätzliche Unerheblichkeit der Notwendigkeit rechtlicher Beurteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 d) Zulässigkeit pauschalen Sachvortrags .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 2. Beschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 a) Notwendigkeit einer Beschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 aa) Gründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 bb) Folge .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 b) Lösungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 aa) Kritik an der herrschenden Meinung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 bb) Die Annahme der korrekten Verwendung der Rechtsbegriffe als maßgebliches Kriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 (1) Begründung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 (2) Das Begriffsverständnis der verhandelnden Parteien als Grundvoraussetzung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 (3) Keine Anhaltspunkte für Zweifel an der Korrektheit der Begriffsverwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 (4) Hinweis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 c) Keine Ausnahme für präjudizielle Rechtsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . 114 d) Zwischenergebnis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 e) Anwaltsprozess .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 aa) Pflichten des Rechtsanwalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 (1) Im Rahmen der Sachverhaltsaufklärung .. . . . . . . . . . . . . . . . . 116 (2) Im Rahmen des prozessualen Sachvortrags . . . . . . . . . . . . . . 117 bb) Folgen anwaltlicher Vertretung für den Prozess . . . . . . . . . . . . . . 118 3. Prozessuale Folgen juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen 119
Inhaltsverzeichnis
11
a) Bei Annahme des korrekten Begriffsgebrauchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 b) Bei Zweifeln an der Korrektheit des Begriffsgebrauchs . . . . . . . . . . . 120 B. Folgen des Nichtbestreitens juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen 121 I.
Anwendung der Geständnisfiktion nach § 138 Abs. 3 ZPO .. . . . . . . . . . . . . . . 121
II.
1. Allgemeines zu § 138 Abs. 3 ZPO .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 2. Bisheriger Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 a) Rechtsprechung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 aa) Grundsätzliche Anwendbarkeit des § 138 Abs. 3 ZPO . . . . . . . 123 bb) Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 cc) Gegenstand des fingierten Geständnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 b) Meinungsstand in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 aa) Grundsätzliche Anwendbarkeit des § 138 Abs. 3 ZPO . . . . . . . 127 bb) Keine bzw. beschränkte Anwendbarkeit des § 138 Abs. 3 ZPO 128 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 a) Grundsätzliche Anwendbarkeit des § 138 Abs. 3 ZPO .. . . . . . . . . . . . 129 aa) Argumente für die Anwendbarkeit des § 138 Abs. 3 ZPO . . . . 129 bb) Beschränkung und deren Gründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 cc) Ablehnung entgegenstehender Ansichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 dd) Kein Widerspruch zur Aufgabenverteilung zwischen Parteien und Gericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 b) Ausnahmen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 aa) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 bb) Keine Anwendung des § 138 Abs. 3 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 c) Gegenstand der Geständnisfiktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 aa) Die juristisch eingekleidet behaupteten Tatsachen .. . . . . . . . . . . 135 bb) Kein anderes Ergebnis bei anderer Ansicht .. . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 Anwendung der Geständnisfiktion des § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO .. . . . . . . . . . . . 137 1. Allgemeines zu § 331 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 2. Bisheriger Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 a) Anwendbarkeit des § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 b) (Mutmaßliche) Ansicht der h. M. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 aa) Folgerungen aus der Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen im Übrigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 bb) Auslegung scheinbar widersprechender Ausführungen . . . . . . 140 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 a) Grundsätzliche Anwendbarkeit des § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO . . . . . . . . 142 aa) Argumente für die Anwendbarkeit des § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO 142 bb) Beschränkungen und deren Gründe .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 cc) Kein Widerspruch zur Aufgabenverteilung zwischen Parteien und Gericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144
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b) Ausnahmen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 c) Gegenstand des fingierten Geständnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 C. Anwendung der §§ 288 ff. ZPO .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 I.
Allgemeines zu den §§ 288 ff. ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145
II.
1. § 288 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 2. § 290 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 a) Beweis der Unwahrheit der zugestandenen Tatsachenbehauptungen 147 b) Beweis eines Irrtums bei der Erklärung des Geständnisses . . . . . . . . 147 Bisheriger Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148
1. Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 a) Grundsätzliche Anwendbarkeit des § 288 ZPO .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 aa) Voraussetzungen und Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 bb) Entwicklung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 (1) Relevanz der Entscheidungen zum Parteieid nach der CPO 150 (2) Rechtsprechung des Reichsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 (3) Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 (4) Teilweise Änderung der Rechtsprechung bzgl. der Geständnisfähigkeit rechtlicher Beurteilungen . . . . . . . . . . . 163 cc) Entschiedene Einzelfälle .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 b) Ausnahmen von der Anwendbarkeit des § 288 ZPO .. . . . . . . . . . . . . . 170 aa) Unvereinbarkeit von Rechtsbegriffs- und Sachvortrag . . . . . . . 170 bb) Unklarheit über den Bezugspunkt des „Geständnisses“ . . . . . . 172 c) Gegenstand des Geständnisses .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 d) Voraussetzungen des Widerrufs des Geständnisses . . . . . . . . . . . . . . . . 174 2. Forschungsstand in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 a) Grundsätzliche Anwendbarkeit des § 288 ZPO .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 aa) Bei Annahme der korrekten Verwendung der Rechtsbegriffe durch die Parteien .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 (1) Ältere Literatur .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 (2) Jüngere Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 (3) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 bb) Bestimmung der Anwendbarkeit nach anderen Kriterien .. . . . 184 (1) Bethmann-Hollweg und Wittmaack . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 (2) Als mögliche Folge der Geständnisfähigkeit rechtlicher Beurteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 (3) Künzl .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 b) Ausnahmen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 c) Gegenstand des Geständnisses .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 d) Voraussetzungen des Widerrufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 III. Stellungnahme .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196
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1. Voraussetzungen der Anwendung der §§ 288 ff. ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . 196 a) Grundsätzliche Anwendbarkeit der §§ 288 ff. ZPO .. . . . . . . . . . . . . . . 196 b) Notwendigkeit einer restriktiven Anwendung des § 288 ZPO und deren Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 c) Anwaltsprozess .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 2. Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 3. Gegenstand des Geständnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 4. Voraussetzungen des Widerrufs .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 5. Kein Widerspruch zur Aufgabenverteilung zwischen Parteien und Gericht .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 6. Auseinandersetzung mit den vertretenen Ansichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 a) Herrschende Meinung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 b) Bethmann-Hollweg und Wittmaack .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 c) Künzl .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 d) Geständnisfähigkeit rechtlicher Beurteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 aa) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 bb) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 D. Folgen des Bestreitens juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen . . . . 210 I.
Wirksames Bestreiten .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210
II.
Prozessuale Folgen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 1. Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 a) Folgen des einfachen Bestreitens reiner Tatsachenbehauptungen .. 212 b) Folgen des substantiierten Bestreitens reiner Tatsachenbehauptungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 c) Juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 aa) Folgen substantiierten Bestreitens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 bb) Folgen einfachen Bestreitens .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 2. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 a) Substantiierungsobliegenheit in jedem Fall des Bestreitens .. . . . . . . 216 b) (Wohl) Andere Ansichten .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 aa) Juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen als potentielle Beweisgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 bb) Vermeintliche Konsequenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 cc) (Scheinbare) Widersprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 dd) Mögliche Interpretationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 a) Folgen substantiierten Bestreitens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 aa) Substantiierungsobliegenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 bb) Gegenstand der Beweisaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 cc) Richterliche Hinweispflicht nach § 139 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . 226
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b) Folgen einfachen Bestreitens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 aa) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 bb) Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 c) Fazit .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 E. Bindungswirkungen gegenüber den Rechtsmittelinstanzen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 I.
Allgemeines zu § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO und § 559 ZPO .. . . . . . . . . . . . . . . . . . 233
II.
1. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 2. § 559 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 Bisheriger Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236
1. Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 a) Grundsätzliche Anwendbarkeit der §§ 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 1, 559 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 b) Ausnahmen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 2. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 a) § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 b) § 559 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 III. Stellungnahme .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 1. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 a) Grundsätzliche Bindung des Berufungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 b) Ausnahmen von der Bindungswirkung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 aa) Aufgrund neuen Vorbringens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 (1) Neues Vorbringen der Gegenseite .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 (2) Neues Vorbringen der darlegungsbelasteten Partei . . . . . . . 248 bb) Aufgrund von Verfahrensfehlern bei der Feststellung . . . . . . . . 250 2. § 559 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 a) § 559 Abs. 1 S. 1, 2 Halbs. 1 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 b) Keine Bindung bei Zweifeln an der Korrektheit des Begriffsgebrauchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 c) Keine Bindung im Falle erfolgreicher Verfahrensrügen . . . . . . . . . . . 255 aa) Kein Angriff der Feststellungen allein durch neue Tatsachenbehauptungen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 bb) Mögliche Grundlagen der Verfahrensrügen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 A. Juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen und die Darlegungslast der Parteien .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 B. Folgen des Nichtbestreitens juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen 261
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C. Anwendung der §§ 288 ff. ZPO .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 D. Folgen des Bestreitens juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen . . . . 263 E. Bindungswirkungen gegenüber den Rechtsmittelinstanzen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 F. Ersuchen an Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274
Abkürzungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis
a. A. a. A. O. Abs. abw. AcP a. E. a. F. AG AktG allgM Anm. Art. Aufl. BAG BeckOK BFH BGB BGH BGHZ bspw. BT-Drs. bzgl. bzw. CPO DDR ders. d. h. DS dt. Einf EnWG etc. EUR evtl. f./ff. FG Fn. FS
andere Ansicht am angegebenen Ort Absatz abweichend/e Archiv für die Civilistische Praxis (Zeitschrift) am Ende alte Fassung Amtsgericht Aktiengesetz allgemeine Meinung Anmerkung Artikel Auflage Bundesarbeitsgericht Beck’scher Online-Kommentar Bundesfinanzhof Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen beispielsweise Bundestagsdrucksache bezüglich beziehungsweise Civilprozessordnung von 1877 Deutsche Demokratische Republik derselbe das heißt Der Sachverständige (Zeitschrift) deutsch Einführung Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung et cetera Euro eventuell folgende Finanzgericht Fußnote Festschrift
Abkürzungsverzeichnis
gem. GG ggfs. Halbs. h. L. h. M. Hrsg. i. H. v. i. R. d. i. S. d. i. S. v. i. V. m. JA jurisPR-BGHZivilR JuS JW JZ Kap. KO LG lit. MDR m.E. MüKoBGB MüKoZPO m. w. N. NJ NJW Nr. NZM OLG PU RG RGZ RheinZ Rn. Rspr. S. sog. st. StromGVV
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gemäß Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland gegebenenfalls Halbsatz herrschende Literatur herrschende Meinung Herausgeber in Höhe von im Rahmen des/der im Sinne des/der im Sinne von in Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter (Zeitschrift) juris PraxisReport BGH-Zivilrecht Juristische Schulung (Zeitschrift) Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) Juristische Zeitung (Zeitschrift) Kapitel Konkursordnung in der Fassung vom 1.1.1964 Landgericht littera Monatsschrift für Deutsches Recht (Zeitschrift) meines Erachtens Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung mit weiteren Nachweisen Neue Justiz (Zeitschrift) Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) Nummer Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht (Zeitschrift) Oberlandesgericht Philosophische Untersuchungen Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Rheinische Zeitschrift für Zivil- und Prozeßrecht des In- und Auslandes (Zeitschrift) Randnummer Rechtsprechung Seite/Seiten/Satz/Sätze sogenannte/sogenannter ständige/r Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung mit Elektrizität aus dem Niederspannungsnetz
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u. a. u. ä. Urt. usw. u.U. v. VermG vgl. Vor/Vorb VU z. B. ZfBR Zif. zit. ZPO ZRP ZZP
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unter anderem und ähnliche Urteil und so weiter unter Umständen vom/von Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (Vermögensgesetz) vergleiche Vorbemerkung Versäumnisurteil zum Beispiel Zeitschrift für deutsches und internationales Bau- und Vergaberecht (Zeitschrift) Ziffer zitiert Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik (Zeitschrift) Zeitschrift für Zivilprozeß (Zeitschrift)
Einleitung Einleitung
„Die Juristen haben es nie verstanden, für ihre Wissenschaft jenseits der Fachleute Aufmerksamkeit zu erwecken, und was sich an rechtswissenschaftlichen Kenntnissen in dem Wissensstoffe findet, den man heutzutage als allgemeine Bildung fordert, dürfte sich in der Regel nicht weit über die populären naturwissenschaftlichen Kenntnisse zur Zeit des Hexenwahnes erheben.“1
Mit dieser Feststellung leitet Franz Klein seine Abhandlung über „Zeit- und Geistesströmungen im Prozesse“ ein. Und obgleich der Verweis auf die Zeit des Hexenwahnes etwas übertrieben erscheinen mag, lässt sich doch kaum am wahren Kern von Kleins Aussage zweifeln. Denn ungeachtet der großen Bedeutung, die dem Recht für jeden Einzelnen sowie für die Gesellschaft insgesamt zukommt, scheint es doch nicht genügend Interesse bei Laien zu erwecken, um sich wirklich näher mit der Juristerei zu befassen. Dementsprechend oberflächlich sind die Rechtskenntnisse der weiten Bevölkerung – und das nicht nur, was komplexe und für Laien weitgehend irrelevante Rechtsfragen angeht, sondern auch im Hinblick auf rechtliche Wertungen, die für die meisten Menschen nahezu jeden Tag potentiell von Bedeutung sind. Dies belegt nicht zuletzt der Umgang rechtlicher Laien mit juristischen Begriffen. So wird der Eigentümer häufig als „Besitzer“ bezeichnet, die Miete als „Leihe“ oder das Erbe als „Vermächtnis“. Und auch von diesen klassischen Beispielen abgesehen, werden zahlreiche Rechtsbegriffe häufig, wenn nicht gar standardmäßig, aus juristischer Sicht falsch verwendet: Wer sagt, dass er eine Sache „gekauft“ habe, will damit meistens (auch) sagen, dass er das Eigentum an der Sache erworben hat. Wer sagt, dass er jemanden „beauftragt“ habe, meint damit häufig, dass er eine Tätigkeit gegen Zahlung eines Entgelts verrichten lässt und so weiter. Die Gründe für die juristisch inkorrekte Verwendung von Rechtsbegriffen sind sicher vielfältig: Das von Klein bemängelte fehlende bzw. falsche Verständnis des Rechtssystems (Stichwort: Trennungs- und Abstraktionsprinzip). Das mangelnde Interesse an der genauen Bedeutung der Begriffe in der Rechtswissenschaft. Die fehlende Motivation, auf die juristische Korrektheit der eigenen Aussage zu achten. Und nicht zuletzt die Erkenntnis bzw. Erfahrung, dass das Gegenüber normalerweise auch bei einem juristisch inkorrekten Gebrauch der Begriffe versteht, was gemeint ist. Gerade Letzteres kann nun nicht nur für den Einzelnen ein Argument bilden, um seine – aus rechtlicher Sicht – falsche Verwendung von Rechtsbegriffen zu 1
Klein, Zeit- und Geistesströmungen, S. 3.
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Einleitung
rechtfertigen. Es belegt vielmehr, dass die Bedeutung, mit der wir Juristen unsere Rechtsbegriffe gebrauchen, häufig überhaupt nicht die einzige Bedeutung ist, mit der die Begriffe verwendet werden können – und mithin, dass die juristisch inkorrekte Verwendung eines Begriffs nicht stets mit dessen absolut falscher Verwendung gleichzusetzen ist. Denn wie könnten wir behaupten, ein Begriff würde „falsch“ gebraucht, wenn der Durchschnittsbürger – wir eingeschlossen – versteht, was der Aussagende mit diesem Begriff mitteilen will. Zahlreiche Rechtsbegriffe besitzen – ebenso wie unzählige Begriffe anderer Fachrichtungen und der Alltagsprache – schlicht verschiedene Bedeutungsgehalte. Das heißt, die Begriffe können mit verschiedenen Bedeutungen gebraucht werden. So kann beispielsweise der Begriff „Sache“ nicht nur für einen körperlichen Gegenstand (vgl. § 90 BGB) stehen, sondern auch für eine Angelegenheit („Das ist nicht deine Sache.“), für einen Rechtsstreit („In der Sache X gegen Y“) und sogar für Kilometer pro Stunde („Ich fahr’ mit 200 Sachen.“). Erst die konkrete Verwendung des Begriffs entscheidet darüber, welcher Bedeutungsgehalt sich im Einzelfall realisiert. Die juristisch inkorrekte Verwendung von Rechtsbegriffen kann ihren Grund mithin nicht nur in einem falschen oder fehlenden Rechtsverständnis haben, sondern auch schlicht darin, dass die entsprechenden Begriffe in der Alltagssprache mit einer (unter Umständen nur leicht) abweichenden Bedeutung gebraucht werden. Solch ein „untechnischer“ Gebrauch von Rechtsbegriffen ist selbstverständlich legitim und in den allermeisten Fällen auch völlig unproblematisch, wenn und weil der Gegenüber keinen Wert auf eine juristisch korrekte Verwendung der Begriffe legt. Es gibt allerdings Situationen, in denen eine juristisch inkorrekte Verwendung von Rechtsbegriffen – unabhängig davon, worauf sie beruht – zu negativen Konsequenzen führen kann. In diesen Fällen ist es daher durchaus von Bedeutung, ob die Begriffe mit ihren rechtlich-technischen Bedeutungen (und dabei korrekt) gebraucht werden oder nicht. Dies gilt unter anderem in zivilrechtlichen Gerichtsverfahren und dabei insbesondere im Rahmen der Sachverhaltsdarlegung durch die Parteien. Denn die Zivilgerichte ermitteln den entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht von Amts wegen. Vielmehr obliegt es den Parteien des Prozesses, sämtliche Tatsachen vorzutragen, die das Gericht zur Grundlage seiner Entscheidung machen soll. Verwenden die Parteien nun Rechtsbegriffe, um den Sachverhalt mitzuteilen, kann der juristisch inkorrekte Gebrauch der Begriffe dazu führen, dass das Gericht seine Entscheidung auf Tatsachen stützt, die nicht der Wahrheit entsprechen bzw. welche die Parteien nicht zur Entscheidungsgrundlage machen wollten. Denn das Gericht wird Rechtsbegriffsbehauptungen in der Regel als Behauptungen solcher Tatsachen verstehen, aus denen sich die mit den behaupteten Rechtsbegriffen bezeichneten Rechtsfolgen ergeben – das Gericht wird also in der Regel von einer juristisch korrekten Verwendung der Rechtsbegriffe ausgehen. Behauptet beispielsweise der Kläger einer Kaufpreis-
Einleitung
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klage, er habe dem Beklagten die streitgegenständliche Sache „verkauft“ (ohne den Verkaufsvorgang im Einzelnen zu schildern) und bestreitet der Beklagte diese Behauptung nicht, wird das Gericht vermutlich davon ausgehen, dass ein Kaufvertrag im Sinne des § 433 BGB zustande gekommen ist. Verwenden die Parteien Rechtsbegriffe juristisch inkorrekt, stimmt die tatsächliche Entscheidungsgrundlage des Gerichts daher unter Umständen nicht mit dem Sachverhalt überein, den die Parteien vortragen wollten bzw. vorgetragen hätten, wenn sie keinem Rechtsirrtum erlegen wären. So könnte im vorigen Beispiel kein wirksamer Kauvertrag zustande gekommen sein, etwa weil der Beklagte das Angebot des Klägers nicht wirksam angenommen hatte, der Kläger bei der Abgabe des Angebots nicht wirksam vertreten war oder ähnliches – der Beklagte hat die prozessuale Behauptung des Klägers dabei eventuell nur deshalb nicht bestritten, weil er aufgrund eines Rechtsirrtums von dem wirksamen Abschluss eines Kaufvertrages ausging. Entsprechende Divergenzen zwischen dem tatsächlichen Geschehen und der tatsächlichen Entscheidungsgrundlage des Gerichts könnten, zumindest weitgehend, vermieden werden, wenn die Gerichte die Parteien stets auffordern würden, ihre Rechtsbegriffsbehauptungen aufzuschlüsseln und den genauen Hergang des Geschehens zu schildern. Dann würde den Gerichten nämlich in der Regel auffallen, ob die Parteien die Rechtsbegriffe juristisch korrekt verwenden. Gleichzeitig ist es offensichtlich, dass eine unbedingte Aufforderung der Parteien zur Zerlegung sämtlicher vorgetragener Rechtsbegriffe in deren einzelnen Momente die Sachverhaltsdarstellung häufig unnötig und mitunter extrem ausdehnen würde und mithin praktisch nicht durchführbar ist. Die Gerichte müssen sich daher täglich entscheiden: Vertrauen sie – trotz der durchschnittlich geringen Rechtskenntnisse juristischer Laien sowie der häufig abweichenden Bedeutung, mit der Rechtsbegriffe im Alltag gebraucht werden – darauf, dass die verhandelnden Parteien die vorgetragenen Rechtsbegriffe juristisch korrekt zur Tatsachenumschreibung verwenden? Oder fordern sie die Parteien zur Zerlegung der vorgetragenen Rechtsbegriffe in deren einzelne tatsächliche Momente auf? Was sind die Konsequenzen, wenn die Gegenseite eine Rechtsbegriffsbehauptung nicht bestreitet oder gar positiv bestätigt? Können Behauptungen, die Rechtsbegriffe enthalten, im Falle des Bestreitens durch die Gegenseite ein zulässiges Beweisthema bilden? Und inwieweit sind die Feststellungen der Vorinstanzen bezüglich solcher Behauptungen für die Rechtsmittel instanzen bindend? Aufgrund der enormen praktischen Relevanz dieser Fragestellungen haben Rechtsprechung und Literatur selbstverständlich bereits Kriterien entwickelt, die den Gerichten bei der Entscheidungsfindung helfen sollen. Wie die nachfolgende Untersuchung zeigen wird, werden diese Kriterien inzwischen allerdings lediglich formelhaft – und dabei sogar unzutreffend – umschrieben. Die Konsequenz
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Einleitung
ist, dass die Ausführungen von Rechtsprechung und herrschender Literatur für den Rechtsanwender kaum brauchbar sind. Eines der Ziele dieser Arbeit ist es daher, Richtlinien zu entwickeln und vor allem auch derart zu formulieren, dass sie den Rechtsanwender im konkreten Fall beim Umgang mit entsprechenden Parteivorträgen unterstützen. Um dieses Ziel zu erreichen, werden die Voraussetzungen und die Konsequenzen der Zulassung des Gebrauchs von Rechtsbegriffen zur Tatsachenumschreibung – unter kritischer Würdigung der Ansichten von Rechtsprechung und Literatur – in den verschiedenen Stadien des zivilprozessualen Verfahrens untersucht. Angesichts der Vielzahl an Rechtsbegriffen und der schier unendlichen Anzahl an denkbaren Konstellationen können die nachfolgenden Ausführungen zwar keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Allgemeingültigkeit erheben. Sie sollen aber zumindest einen Anreiz für Rechtsprechung und Lehre bilden, den oberflächlichen Umgang mit der Problematik und vor allem die schlagwortartige Bezeichnung ihrer Lösungsansätze aufzugeben, um fortan den Kern des Problems ausdrücklich zu benennen und dem Rechtsanwender wieder eine echte Orientierungshilfe zu bieten.
1. Kapitel
Klärung der wesentlichen Begrifflichkeiten und Einführung in die Problematik 1. Kap.: Klärung der wesentlichen Begrifflichkeiten
In diesem Kapitel wird zunächst die Aufgabenverteilung zwischen den Parteien und dem Gericht im Zivilprozess als Grundlage der Diskussion um die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen dargestellt (dazu unter Abschnitt A.). Anschließend werden die Termini „Tatsachen“ und „Rechtsbegriffe“ erläutert (dazu unter Abschnitt B.) sowie die einzelnen Merkmale des Begriffs „juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung“ untersucht (dazu unter Abschnitt C.). Nach einer kurzen Erläuterung des Begriffs „präjudizielle Rechtsverhältnisse“ (dazu unter Abschnitt D.) wird untersucht, wie die herrschende Meinung zwischen Vorträgen präjudizielle Rechtsverhältnisse und juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen unterscheidet (dazu unter Abschnitt E.). Abschließend werden die wesentlichen Ergebnisse dieses Kapitels kurz zusammengefasst (dazu unter Abschnitt F.).
A. Die Aufgabenverteilung zwischen den Parteien und dem Gerichthinsichtlich der Beschaffung der Urteilsgrundlagen Die Aufgabenverteilung zwischen den Parteien und dem Gericht in Bezug auf die Beschaffung der Urteilsgrundlagen lässt sich allgemein durch die Formel „da mihi facta, dabo tibi ius“1 umschreiben 2, was so viel bedeutet wie „Gib mir die Tatsachen, ich gebe dir das Recht“. Die Parteien sind verantwortlich für die Beschaffung der tatsächlichen Entscheidungsgrundlage (dazu unter I.), die umfassende rechtliche Würdigung des Parteivortrags ist Aufgabe des Gerichts (dazu unter II.).
1 Oder auch: „narra mihi factum, narro tibi ius“ („dt.: Erzähle mir die Tatsache, ich erzähle dir das Recht“). Zu lesen unter anderem bei Stein, Privates Wissen, S. 174. Ein inhaltlicher Unterscheid besteht nicht zwischen den beiden Formeln. 2 Würthwein, Umfang und Grenzen des Parteieinflusses, S. 15.
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1. Kap.: Klärung der wesentlichen Begrifflichkeiten
I. Die Beibringung des Tatsachenstoffs als Aufgabe der Parteien Die Aufgaben der Parteien hinsichtlich der Beschaffung des Prozessstoffs ergeben sich in erster Linie aus dem Verhandlungsgrundsatz. Dieser stellt eine der Prozessmaximen des heutigen Zivilprozesses dar und besagt u. a., dass die Parteien die entscheidungserheblichen Tatsachen beizubringen haben (dazu unter 1.). Die Geltung des Verhandlungsgrundsatzes lässt sich dabei insbesondere den Bestimmungen über die Erklärungspflichten der Parteien entnehmen (dazu unter 2.). Verschiedene Vorschriften der ZPO enthalten jedoch Ergänzungen, Modifizierungen und Einschränkungen des Verhandlungsgrundsatzes (dazu unter 3.). 1. Allgemeines zum Verhandlungsgrundsatz Der Zivilprozess wird von verschiedenen Prozessmaximen (oder auch Verfahrensgrundsätzen) beherrscht.3 Prozessmaximen sind diejenigen Rechtsgrundsätze, auf deren Grundlage der Gesetzgeber den äußeren Ablauf eines Verfahrens und das Verhältnis zwischen den Parteien und dem Gericht regelt.4 Für das Verständnis der Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen ist dabei insbesondere der Verhandlungsgrundsatz5 von Bedeutung. Der Verhandlungsgrundsatz betrifft die Beschaffung des Prozessstoffs.6 Er besagt zunächst, dass die Parteien die entscheidungserheblichen Tatsachen vorzutragen haben. Das Gericht ermittelt den Sachverhalt im Zivilprozess also nicht von Amts wegen. Vielmehr haben die Parteien den für die Entscheidung des Gerichts relevanten Tatsachenstoff beizubringen. Daher wird der Verhandlungsgrundsatz häufig auch als „Beibringungsgrundsatz“ bezeichnet. Das Gericht ist grundsätzlich an den Vortrag der Parteien gebunden und darf seiner Entscheidung nur die von den Parteien vorgetragenen Tatsachen zugrunde legen.7 Die Parteien bestimmen demnach über den der gerichtlichen Entscheidung zu Grunde zu legenden Prozessstoff.8 Eigene Nachforschungen sind dem Gericht grundsätzlich nicht gestattet.9 Daher muss übereinstimmender Sachvortrag der Parteien nach
3 Zu den Verfahrensgrundsätzen insgesamt siehe Musielak/Voit/Musielak, ZPO, Einleitung Rn. 26 ff. 4 MüKoZPO/Rauscher, ZPO, Einleitung Rn. 309 f. 5 Zum Verhandlungsgrundsatz siehe bspw. MüKoZPO/Rauscher, ZPO, Einleitung Rn. 328 ff. 6 Zöller/Greger, ZPO, Vor § 128 Rn. 10. 7 Möller, JA 1/2010, 47, 49. 8 BGH, Urt. v. 18. 11. 2004 – IX ZR 229/03 (= BGHZ 161, 138 – 145) – Rn. 17, zitiert nach juris. 9 Siehe dazu auch Würthwein, Umfang und Grenzen des Parteieinflusses, S. 15.
A. Die Aufgabenverteilung zwischen den Parteien und dem Gericht
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§§ 288, 138 Abs. 3 ZPO grundsätzlich auch ohne Beweisaufnahme übernommen werden, selbst wenn das Gericht Zweifel an dessen Richtigkeit hat.10 Den Gegensatz zum Verhandlungsgrundsatz bildet der sog. Untersuchungsgrundsatz (oder auch Amtsermittlungsgrundsatz).11 Dieser gilt beispielsweise im Verwaltungsprozess gemäß § 86 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Danach erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen. Es ist weder an das Vorbringen noch an die Beweisanträge der Beteiligten gebunden. Die fehlende Bindung des Gerichts an die Beweisanträge der Beteiligten stellt einen Gegensatz zum zweiten Grundgedanken der Verhandlungsmaxime dar. Die Parteien haben danach nicht nur die Tatsachen vorzutragen, sie müssen auch die Beweismittel beschaffen, falls ihre Tatsachenbehauptungen bestritten werden.12 Allerdings erfährt der Verhandlungsgrundsatz gerade in dieser Hinsicht auch im Zivilprozess erhebliche Einschränkungen.13 2. Widerspiegelung des Verhandlungsgrundsatzes in der ZPO Der Verhandlungsgrundsatz ist nicht ausdrücklich in der ZPO normiert. Seine Geltung lässt sich aber einigen ihrer Bestimmungen entnehmen. So sollen gemäß § 130 Nr. 3 ZPO schon die vorbereitenden Schriftsätze „die Angabe der zur Begründung der Anträge dienenden tatsächlichen Verhältnisse“ enthalten. Die Parteien sollten also schon in den vorbereitenden Schriftsätzen die wesentlichen Tatsachenbehauptungen vorbringen. Bei § 130 ZPO handelt es sich zwar nur um eine Soll-Vorschrift. Die Darlegung der anspruchsbegründenden Tatsachen ist jedoch spätestens bei der Klageerhebung unbedingte Pflicht des Klägers. Denn die Klageschrift muss gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO die „Angabe […] des Grundes des erhobenen Anspruchs“ enthalten. Der „Grund des erhobenen Anspruchs“ ist dabei der Tatsachenkomplex bzw. Lebenssachverhalt, mit dem der Kläger sein Klagebegehren begründet.14 § 138 Abs. 2 ZPO bestimmt sodann, dass sich jede Partei „über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären“ hat. Eine Erklärung mit Nichtwissen ist dabei gemäß § 138 Abs. 4 ZPO „nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind“. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, hat die erklärungsbelastete Partei grundsätzlich eine Gegendarstellung15 abzugeben und muss zu den tatsächlichen 10 Zöller/Greger,
ZPO, Vor § 128 Rn. 10. BeckOK VwGO/Breunig, § 86 Rn. 1 ff. 12 Zöller/Greger, ZPO, Vor § 128 Rn. 11. 13 Siehe dazu unten 3. 14 MüKoZPO/Becker-Eberhard, ZPO, § 253 Rn. 75. 15 MüKoZPO/Fritsche, ZPO, § 138 Rn. 19 f. 11
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1. Kap.: Klärung der wesentlichen Begrifflichkeiten
Behauptungen der Gegenseite „gezielt Stellung“ nehmen16 – wenn möglich, „mit näheren positiven Angaben“17. Nachdem sich die Erklärungspflicht nach § 138 Abs. 2 ZPO auf die von der Gegenseite behaupteten Tatsachen bezieht, erfordert die Stellungnahme ebenfalls eine Darlegung von Tatsachen. § 138 Abs. 2 ZPO verfolgt mitunter den Zweck, den „Prozessstoff möglichst vollständig zu sammeln“18. Unterbleibt eine Stellungnahme der Gegenseite, tritt deshalb die Geständnisfiktion des § 138 Abs. 3 ZPO ein. Unbestrittene Behauptungen sind danach als zugestanden anzusehen und werden der Entscheidung des Gerichts als wahr zugrunde gelegt, soweit sie für diese erheblich sind. Gerade § 138 Abs. 3 ZPO bildet ein Kernstück des Verhandlungsgrundsatzes, weil die Vorschrift die Herrschaft der Parteien über den Streitstoff belegt.19 Erklärt sich eine Partei nicht zu den Tatsachenbehauptungen der Gegenseite, gelten die Behauptungen als zugestanden und werden der Entscheidung als wahr zugrunde gelegt. Es erfolgt keine Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen. Die Parteien haben daher grundsätzlich die Befugnis – aber auch die Obliegenheit – diejenigen Tatsachen vorzutragen, die das Gericht zur Grundlage seiner Entscheidung machen soll. Noch weitere Vorschriften lassen die Geltung des Verhandlungsgrundsatzes erkennen.20 Auf eine ausführlichere Darstellung kann vorliegend allerdings verzichtet werden. 3. Ergänzungen, Modifizierungen und Einschränkungen des Verhandlungsgrundsatzes Der Verhandlungsgrundsatz gilt nicht uneingeschränkt. Nach § 138 Abs. 1 ZPO haben die Parteien „ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben“. Zum Zwecke einer redlichen und fairen Prozessführung21 ist es den Parteien also verboten zu lügen. Sie sind folglich nicht vollkommen frei, was die Beschaffung der tatsächlichen Urteilsgrundlagen angeht. Während grundsätzlich eine Bindung des Gerichts an den Parteivortrag besteht, darf es das Vorbringen einer Partei wegen § 138 Abs. 1 ZPO nicht berücksichtigen, wenn es erkennt, dass diese lügt.22 16
A. a. O. BGH, Urt. v. 11. 3. 2010 – IX ZR 104/08 – Rn. 16, zitiert nach juris. 18 Musielak/Voit/Stadler, ZPO, § 138 Rn. 9. 19 MüKoZPO/Fritsche, ZPO, § 138 Rn. 24. 20 So z. B. §§ 282 i. V. m. 296, 288, 330 ff. ZPO; siehe hierzu auch Prütting/Gehrlein/ Prütting, ZPO, Einleitung Rn. 28. 21 MüKoZPO/Fritsche, ZPO, § 138 Rn. 1. 22 Musielak/Voit/Musielak, ZPO, Einleitung Rn. 40. 17
A. Die Aufgabenverteilung zwischen den Parteien und dem Gericht
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Eine weitere Ergänzung erfährt der Verhandlungsgrundsatz durch § 139 ZPO. Nach dessen Abs. 1 S. 2 hat das Gericht darauf hinzuwirken, dass sich die Parteien rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen. Die Parteien sind bei der Beschaffung des Tatsachenstoffs also nicht komplett auf sich allein gestellt. Das Gericht darf ungenügendes Vorbringen nicht einfach als unsubstantiiert zurückweisen.23 Zuvor muss es sich um „Klärung und Vervollständigung des Tatsachenvortrags bemühen“.24 Das Verbot von Überraschungsentscheidungen nach § 139 Abs. 2 ZPO ergänzt diese Pflicht des Gerichts. Nachdem es dahin zu wirken hat, dass sich die Parteien vollständig über die erheblichen Tatsachen erklären, darf es seine Entscheidung nur dann auf einen Gesichtspunkt stützen, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, wenn es daraufhin hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Eine Aufhebung des Verhandlungsgrundsatzes ist in § 139 ZPO allerdings nicht zu sehen. Denn es bleibt Sache der Parteien, den Hinweisen des Gerichts zu folgen und ihren Vortrag entsprechend zu korrigieren.25 Eine bedeutende Einschränkung bzw. Auflockerung erfährt der Verhandlungsgrundsatz schließlich hinsichtlich der Pflicht der Parteien, die Beweismittel zu beschaffen.26 Denn das Gericht kann in erheblichem Umfang auch von Amts wegen Beweise erheben.27 Sowohl die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige (§ 144 Abs. 1 S. 1 ZPO) als auch die Vorlage von Urkunden (§ 142 Abs. 1 S. 1 ZPO) oder Akten (§ 143 ZPO) und die Vernehmung einer oder beider Parteien (§ 448 ZPO) können vom Gericht angeordnet werden. Allein der Beweis durch Zeugen ist nur auf Antrag der Parteien zu erheben 28. Der Unterschied zum Untersuchungsgrundsatz besteht jedoch darin, dass das Gericht grundsätzlich nicht zur Beweiserhebung von Amts wegen verpflichtet ist.29
II. Die Aufgaben des Gerichts hinsichtlich der Beschaffung der Urteilsgrundlagen Dem Gericht kommen im Zivilprozess verschiedene Aufgaben zu. Nachfolgend werden nur die für die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbe23 MüKoZPO/Fritsche,
ZPO, § 139 Rn. 20. A. a. O. 25 Musielak/Voit/Musielak, ZPO, Einleitung Rn. 39. 26 Siehe hierzu Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 21. Auflage, vor § 128 Rn. 78. 27 A. a. O. 28 BeckOK ZPO/Scheuch, § 373 Rn. 1. 29 Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 21. Auflage, vor § 128 Rn. 78. 24
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1. Kap.: Klärung der wesentlichen Begrifflichkeiten
hauptungen relevanten dargestellt. Dazu zählt vor allem die entscheidende Aufgabe des Gerichts, den von den Parteien vorgetragenen Sachverhalt rechtlich zu würdigen (dazu unter 1.). Von Bedeutung ist zudem die Pflicht des Gerichts, die Parteien vor ihrer eigenen Unerfahrenheit oder Nachlässigkeit zu schützen (dazu unter 2.). 1. Die rechtliche Würdigung des vorgetragenen Sachverhalts Die wichtigste Aufgabe des Gerichts besteht in der rechtlichen Würdigung des von den Parteien vorgetragenen Sachverhalts. Im Wege der Subsumtion hat es festzustellen, ob die von den Parteien vorgetragenen Tatsachen das Klagebegehren rechtfertigen, und diesbezüglich eine Entscheidung zu treffen. Dabei hat es die Rechtsanwendung unter allen denkbaren rechtlichen Gesichtspunkten vorzunehmen.30 Sind dem Gericht die notwendigen Rechts- und Erfahrungssätze nicht bekannt, hat es sie in freier Forschungstätigkeit zu ermitteln.31 Die Parteien brauchen keinerlei Rechtsausführungen zu machen (iura novit curia). Denn „Kenntnis, Feststellung, Auslegung und Anwendung des Rechts ist Sache des Gerichts“.32 Selbstverständlich sind den Parteien aber Rechtsausführungen gestattet und auch durchaus sinnvoll, weil sie das Gericht bei der Rechtsfindung unterstützen33. Eine Bindung an die Rechtsauffassungen der Parteien besteht allerdings nicht.34 Denn die Rechtsanwendung unterliegt nicht dem Verhandlungsgrundsatz.35 Ein Einverständnis der Parteien bezüglich der rechtlichen Beurteilung des Sachverhalts ist daher grundsätzlich unerheblich.36 Die Aufgabenzuweisung an das Gericht, den Tatsachenvortrag der Parteien rechtlich zu würdigen, hat in der ZPO keine ausdrückliche Normierung erfahren. Die Offensichtlichkeit des Bestehens dieser Aufgabe scheint eine solche überflüssig zu machen. Denn die Gerichte sind Teile der Rechtsprechung. Und ein Rechtsspruch bedarf grundsätzlich einer rechtlichen Würdigung des Geschehenen. Zudem ist die Rechtsprechung nach Art. 20 Abs. 3 GG an „Gesetz und Recht gebunden“. Die Gerichte haben ihre Entscheidungen also Gesetz und Recht entsprechend zu treffen. Voraussetzung hierfür ist wiederum die Kenntnis und Anwendung des Rechts. Als Grundlage der Pflicht des Gerichts, den Sachverhalt rechtlich zu würdigen, werden dementsprechend häufig schlicht die allgemeinen 30 MüKoZPO/Becker-Eberhard,
ZPO, § 253 Rn. 76. ZPO, 21. Auflage, vor § 128 Rn. 107. 32 Musielak/Voit/Huber, ZPO, § 293 Rn. 1. 33 MüKoZPO/Rauscher, ZPO, Einleitung Rn. 344. 34 A. a. O. 35 A. a. O. 36 Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 21. Auflage, vor § 128 Rn. 107. 31 Stein/Jonas/Leipold,
A. Die Aufgabenverteilung zwischen den Parteien und dem Gericht
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Grundsätze „iura novit curia“ (dt.: „Das Gericht kennt das Recht“) und „da mihi facta, dabo tibi ius“ (dt.: „Gib mir die Tatsachen, ich werde dir das Recht geben“) genannt.37 Einigen Vorschriften der ZPO lässt sich aber zumindest mittelbar entnehmen, dass das Gericht den Sachverhalt anhand von Gesetz und Recht zu würdigen hat, während die Parteien von der Pflicht zur rechtlichen Beurteilung befreit sind. So gehören Rechtsausführungen nicht zum notwendigen Inhalt der Klageschrift nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Parteien brauchen also grundsätzlich nur die Tatsachen vorzutragen, weil die Rechtsfindung allein dem Gericht obliegt. Dies lässt sich auch § 293 ZPO im Umkehrschluss entnehmen. Denn nach § 293 S. 1 ZPO besteht die Möglichkeit einer Beweiserhebung nur für das ausländische Recht, das Gewohnheitsrecht und das statuarische Recht. Für das übrige Recht ist eine Beweisaufnahme ausgeschlossen.38 Das Gericht muss es „kennen (bzw. selbständig feststellen), auslegen und anwenden“.39 Es kann die Parteien nicht zur Ermittlung des Rechts heranziehen und verpflichten.40 Die Aufgabenverteilung zwischen Gericht und Parteien ist überdies der Grund dafür, dass der Anwendungsbereich des Geständnisses nach § 288 ZPO auf Tatsachen(behauptungen) beschränkt ist: Gesteht eine Partei die von der Gegenseite behaupteten Tatsachen zu, bedürfen diese insoweit keines Beweises (§ 288 Abs. 1 ZPO). Das Gericht kann diese Tatsachen seiner Subsumtion zugrundlegen, ohne Beweis über sie erheben zu müssen. Ein Geständnis rechtlicher Beurteilungen ist hingegen grundsätzlich weder möglich noch nötig. Nachdem es alleinige Aufgabe des Gerichts ist, die vorgebrachten Tatsachen rechtlich zu würdigen, müssen Rechtsansichten der Parteien nämlich nicht bewiesen werden. Ein Geständnis hätte diesbezüglich also keine Folgen. Es würde etwas entbehrlich, was ohnehin nicht geschehen muss: die Beweiserhebung über rechtliche Wertungen der Parteien. 2. Aufklärungs- und Hinweispflichten im Rahmen richterlicher Prozessleitung Die Darlegung der entscheidungserheblichen Tatsachen ist grundsätzlich die Aufgabe der Parteien. Es wurde allerdings schon darauf hingewiesen, dass das Gericht diesbezüglich bestimmte Aufklärungs- und Hinweispflichten hat. So muss das Gericht dahin wirken, dass sich die Parteien „vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären“ (§ 139 Abs. 1 S. 2 ZPO). Dementsprechend muss das Gericht bei erkennbar mehrdeutigem Parteivortrag sein Fragerecht gemäß 37
So z. B. in MüKoZPO/Prütting, ZPO, § 293 Rn. 2. ZPO, § 293 Rn. 3. 39 A. a. O. Rn. 2. 40 A. a. O. Rn. 6. 38 MüKoZPO/Prütting,
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1. Kap.: Klärung der wesentlichen Begrifflichkeiten
§ 139 ZPO ausüben.41 Es muss dabei auf sein Verständnis des Parteivortrags hinweisen, um der Partei eine sachdienliche Klarstellung des Vortrags zu ermöglichen.42 Auch auf fehlenden Sachvortrag, der von seinem Standpunkt aus entscheidungserheblich ist, muss das Gericht nach § 139 ZPO unmissverständlich hinweisen und der darlegungsbelasteten Partei die Möglichkeit der entsprechenden Ergänzung ihres Vortrags eröffnen.43 Die konkrete Anwendung des § 139 ZPO hängt dabei von den Umständen des Einzelfalls ab, sodass sich kaum verallgemeinerungsfähige Aussagen treffen lassen.44 Entscheidend ist stets der Zweck der Vorschrift, ein faires, willkürfreies und auf Wahrheitsermittlung gerichtetes Verfahren45 sicherzustellen. Das Gericht trifft somit jedenfalls grundsätzlich die Pflicht, die Parteien vor ihrer eigenen „Ungeschicklichkeit, Unerfahrenheit oder Nachlässigkeit“ zu schützen.46 Die Grenze richterlicher Aufklärungs- und Hinweispflichten bildet dabei insbesondere die Unparteilichkeit des Gerichts.47
B. Tatsachen und Rechtsbegriffe Die Bedeutungen der Begriffe „Tatsachen“ und „Rechtsbegriffe“ sind entscheidend für die vorliegende Arbeit. Denn juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen zeichnen sich dadurch aus, dass Rechtsbegriffe verwendet werden, um Tatsachen in den Prozess einzuführen. Die Termini „Tatsachen“ und „Rechtsbegriffe“ werden im Rahmen der nachfolgenden Untersuchung deshalb regelmäßig wiederkehren. Nach einer Erläuterung der beiden Begriffe (zum Begriff „Tatsachen“ unter I., zum Begriff „Rechtsbegriffe“ unter II.), werden daher auch die Gemeinsamkeiten und die Unterschiede entsprechender Begriffsvorträge untersucht (dazu unter III.).
I. Tatsachen Der Begriff „Tatsache“ findet sich innerhalb bestimmter Regelungsbereiche der ZPO besonders häufig. Dementsprechend hat seine Bedeutung gerade hier 41
BGH, Urt. v. 25. 2. 2002 – II ZR 346/00 – Rn. 8, zitiert nach juris. A. a. O. – Rn. 10, zitiert nach juris. 43 BGH, Urt. v. 8. 2. 1999 – II ZR 261/97 – Rn. 5, zitiert nach juris (m. w. N.). 44 BeckOK ZPO/von Selle, § 139 Rn. 14. 45 Musielak/Voit/Stadler, ZPO, § 139 Rn. 1. 46 Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 21. Auflage, vor § 128 Rn. 102. 47 In diesem Sinne auch BeckOK ZPO/von Selle, § 139 Rn. 14. 42
B. Tatsachen und Rechtsbegriffe
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großen Einfluss auf das zivilprozessuale Verfahren (dazu unter 1.). Für die Praxis existiert dabei eine Definition des Bundesgerichtshofs, welche dieser in ständiger Rechtsprechung verwendet (dazu unter 2.). Es ist allerdings zu beachten, dass sich die Gerichte nur in Ausnahmefällen mit den Tatsachen selbst auseinandersetzen. Der Sachverhalt wird regelmäßig vielmehr durch Tatsachenbehauptungen der Parteien an sie heran getragen (dazu unter 3.). 1. Die Bedeutung des Tatsachenbegriffs für das zivilprozessuale Verfahren Der Begriff „Tatsache“ bzw. „tatsächliche Umstände“ oder „tatsächliche Verhältnisse“ findet sich besonders häufig i. R. d. Vorschriften über die Erklärungspflichten der Parteien. So sollen schon die vorbereitenden Schriftsätze nach § 130 Nr. 3 und 4 ZPO „die Angabe der zur Begründung der Anträge dienenden tatsächlichen Verhältnisse“ und „die Erklärung über die tatsächlichen Behauptungen des Gegners“ enthalten. § 138 ZPO als zentrale Norm die Erklärungspflichten der Parteien betreffend bestimmt, dass die Parteien ihre Erklärungen über „tatsächliche Umstände“ vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben haben (Abs. 1), jede Partei sich über die vom Gegner behaupteten „Tatsachen“ zu erklären hat (Abs. 2), dass „Tatsachen“, die nicht ausdrücklich oder konkludent bestritten werden, als zugestanden anzusehen sind (Abs. 3) und dass eine Erklärung mit Nichtwissen nur über bestimmte „Tatsachen“ zulässig ist. Die Bedeutung der Begriffe „Tatsachen“ und „tatsächliche Umstände“ prägt damit maßgeblich die Pflichten der Parteien im Rahmen der Sachverhaltsdarlegung. Der Inhalt des Tatsachenbegriffs besitzt überdies besondere Bedeutung für das Beweisverfahren. Nach § 288 Abs. 1 ZPO bedürfen die von einer Partei behaupteten „Tatsachen“ keines Beweises, wenn sie vom Gegner zugestanden sind. Nach § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO (Freie Beweiswürdigung) hat das Gericht darüber zu entscheiden, ob eine „tatsächliche Behauptung“ für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. Nach § 359 Nr. 1 ZPO enthält der Beweisbeschluss die Bezeichnung der streitigen „Tatsachen“, über die der Beweis zu erheben ist. Die Vorschriften über die verschiedenen Beweismittel bestimmen schließlich, dass die Beweismittel dem Beweis von „Tatsachen“ dienen.48 Die Bestimmung des Tatsachenbegriffs ermöglicht somit auch die Bestimmung des Beweisgegenstands.49 Darüber hinaus hat das Berufungsgericht nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO seiner Verhandlung und Entscheidung grundsätzlich die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten „Tatsachen“ zugrunde zu legen. Nach § 559 ZPO sind die „tatsächlichen Feststellungen“ des Berufungsgerichts für das Revisionsgericht 48 § 371 Abs. 1 ZPO (Beweis durch Augenschein), § 373 ZPO (Zeugenbeweis), § 424 ZPO (Urkundenbeweis), § 445 ZPO (Parteivernehmung). 49 Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 284 Rn. 13.
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1. Kap.: Klärung der wesentlichen Begrifflichkeiten
bindend. Der Reichweite des Tatsachenbegriffs ist damit auch entscheidend für die Beantwortung der Frage, inwieweit die höheren Instanzen an Feststellungen der Vorinstanzen gebunden sind. 2. Die Definition des Tatsachenbegriffs durch den Bundesgerichtshof und die Literatur „Tatsachen“ sind nach ständiger Rechtsprechung „konkrete, nach Zeit und Raum bestimmte, der Vergangenheit oder Gegenwart angehörige Geschehnisse oder Zustände der Außenwelt und des menschlichen Seelenlebens“.50
Mitunter finden sich auch leicht abweichende Formulierungen. Diese deuten allerdings weniger auf ein anderes Verständnis des Tatsachenbegriffs hin als auf die mangelnde Relevanz der Bestimmung des exakten Inhalts in den zu entscheidenden Fällen. Die Literatur hat sich der Definition des Bundesgerichtshofs weitgehend angeschlossen, wobei dessen Formel teilweise um einzelne Elemente verkürzt51 bzw. erweitert52 wird. Auch diesen geringen Modifizierungen ist jedoch kein grundlegend anderes Verständnis des Begriffs der „Tatsachen“ zu entnehmen. 3. Tatsachenbehauptungen Bereits an dieser Stelle soll auf den Unterschied zwischen Tatsachen im soeben genannten Sinn und Tatsachenbehauptungen hingewiesen werden (dazu unter lit. a)). Denn auch bei dem Begriff der „Tatsachenbehauptungen“ handelt es sich um einen im Folgenden regelmäßig wiederkehrenden und grundlegenden für die behandelte Thematik. Nach der Begründung der Begriffswahl (dazu unter lit. b)) wird die Bedeutung der Tatsachenbehauptungen im Prozess dargestellt (dazu unter lit. c.)).
50
BGH, Urt. v. 25. 11. 1997 – VI ZR 306/96 – Rn. 29, zitiert nach juris (m. w. N.). ZPO/Bacher, § 288 Rn. 3 verkürzt um das Element „der Vergangenheit oder Gegenwart angehörige“; MüKoZPO/Prütting, ZPO, § 288 Rn. 16 verkürzt um dasselbe Element, erweitert dafür um „[…] die dem verhandelten Einzelfall angehörigen […]“. 52 BeckOK ZPO/von Selle, § 138 Rn. 7 erweitert um das Element „[…] die das objektive Recht zur Voraussetzung einer Rechtswirkung gemacht hat […]“; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 284 Rn. 9 erweitert um das Element „[…] die dem verhandelten Einzelfall zugehörigen […]“. 51 BeckOK
B. Tatsachen und Rechtsbegriffe
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a) Der Unterschied zwischen Tatsachen und Tatsachenbehauptungen Tatsachenbehauptungen sind Aussagen von Personen über Tatsachen53. Der „Tatsachen“-Definition des Bundesgerichtshofs entsprechend handelt es sich bei Tatsachenbehauptungen also um Aussagen von Personen über konkrete, nach Zeit und Raum bestimmte, der Vergangenheit oder Gegenwart angehörige Geschehnisse oder Zustände der Außenwelt und des menschlichen Seelenlebens. A klagt gegen B auf Kaufpreiszahlung. B behauptet, er habe A den Kaufpreis bereits in bar übergeben. Die von B behauptete Übergabe des Bargeldes stellt eine Tatsache im Sinne der Definition des Bundesgerichtshofs dar. Denn bei der Übergabe des Bargeldes handelt es sich (die Wahrheit des Vortrags unterstellt) um ein der Vergangenheit angehöriges Geschehnis der Außenwelt. Die Behauptung des B, er habe A das Bargeld übergeben, ist eine Tatsachenbehauptung. Denn B behauptet ein bestimmtes Geschehnis in der Vergangenheit, trifft also eine Aussage über eine Tatsache.
Die ZPO unterscheidet nicht konsequent zwischen Tatsachen und Tatsachenbehauptungen.54 Die Unterscheidung mag zunächst auch überflüssig erscheinen – sie ist allerdings gerade im Hinblick auf die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen durch Rechtsprechung und Lehre von Bedeutung. Denn das (logische) Urteil des Behauptenden, das jeder Tatsachenbehauptung zugrunde liegt55, bildet eine der Grundlagen für die teilweise vertretene Gleichstellungsmöglichkeit juristisch eingekleideter und reiner Tatsachenbehauptungen56. b) Entscheidung gegen die Bezeichnung „Tatsachenurteil“ Der Begriff „Tatsachenbehauptungen“ findet sich nicht im Gesetz.57 Auch in der Literatur werden Aussagen von Personen über Tatsachen nicht einheitlich als Tatsachenbehauptungen bezeichnet. Teilweise findet sich auch die Bezeichnung
53 Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 284 Rn. 9, allerdings mit der Bezeichnung „Tatsachenurteile (im Sinne der Logik)“. 54 Stein, Privates Wissen, S. 10 f., bezeichnet es als „kleine aber leicht erträgliche Ungenauigkeit des Gesetzes und damit des auf dem Gesetz fußenden Sprachgebrauchs der Juristen […], wenn bei der Bezeichnung des Beweisgegenstandes Tatsache und tatsächliche Behauptung gleichwertig für einander gebraucht […] werden“. 55 Siehe dazu unten III. 2. a) aa). 56 Zum Begriff der „reinen Tatsachenbehauptungen“ siehe unten III. 3. 57 In §§ 130 Nr. 4, 286 Abs. 1. S. 1, 294 Abs. 1, 559 Abs. 2 ZPO wird allerdings der Begriff „tatsächliche(n) Behauptung(en)“ verwendet.
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1. Kap.: Klärung der wesentlichen Begrifflichkeiten
„Tatsachenurteile“58. Der Begriff „Tatsachenurteile“ hat dabei einen bestimmten Vorteil gegenüber der Bezeichnung „Tatsachenbehauptungen“, weil er zum Ausdruck bringt, dass jede Erzählung eines Menschen über Tatsachen ein Urteil im Sinne der Logik enthält. Dies ist gerade für die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen von Bedeutung, weshalb an späterer Stelle noch näher darauf einzugehen sein wird.59 Hier wurde dennoch die Bezeichnung „Tatsachenbehauptungen“60 gewählt. Denn der Begriff „Tatsachenurteile“ scheint aufgrund des Elements Urteil einen rechtlichen Gehalt aufzuweisen und birgt daher die Gefahr einer dahingehenden Interpretation in sich. Dies zeigt sich nicht zuletzt an der unterschiedlichen Verwendung des Begriffs in der Literatur. Nach Leipold61 sind Tatsachenurteile das, was vorliegend als Tatsachenbehauptungen bezeichnet wird, nämlich Aussagen von Personen über Tatsachen: „Die Tatsachen selbst kann der Richter nur wahrnehmen, wenn sie ihm beim Augenschein unmittelbar gegenübertreten. Bei den übrigen Beweismitteln, also der Urkunde, der Zeugenaussage, dem Sachverständigengutachten und der Parteivernehmung, treten sie dagegen stets als Aussagen von Personen über die Tatsachen, d. h. als ‚Tatsachenurteile‘ (im Sinne der Logik), auf. […] Vom Tatsachenurteil als einer Aussage über die Tatsache als solche ist die Subsumtion (Beurteilung) der unstreitigen oder bewiesenen Tatsachen unter die Tatbestandsmerkmale der Rechtssätze zu unterscheiden.“
Diese Ansicht vertritt auch Rosenberg62: „Wie die Tatsachen nur durch die Behauptungen der Parteien über sie, d. h. als Tatsachenurteile in den Prozeß eingeführt werden […], so sind auch nur Tatsachenurteile Gegenstand und Erfolg des Beweises. Denn der Beweis durch Urkunden und die Vernehmung von Zeugen oder der Parteien bringt dem Richter nur Aussagen über Tatsachen, also nur Tatsachenurteile […].“
Greger63 hingegen bezeichnet nicht sämtliche Aussagen von Personen über Tatsachen als „Tatsachenurteile“. Er verwendet den Begriff vielmehr nur für eine bestimmte Form des prozessualen Vortrags. So beschreibt er es als Aufgabe des Richters im Hinblick auf den Gegenstand der Beweiswürdigung,
58 Rosenberg, Zivilprozessrecht, S. 545 f.; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 284 Rn. 9 ff.; so wohl auch Walsmann, Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben, 236, 242 ff. (siehe dazu sogleich). 59 Siehe dazu unten III. 2. a) aa). 60 So auch Stein, Privates Wissen, S. 9; Braun, Lehrbuch des Zivilprozeßrechts, § 32 II. 1. 61 Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 284 Rn. 9 ff. 62 Rosenberg, Zivilprozessrecht, S. 545 f. 63 Zöller/Greger, ZPO, § 286 Rn. 9.
B. Tatsachen und Rechtsbegriffe
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„den beweiserhebl Tatsachenvortrag der Parteien, Zeugen u sonst Auskunftspersonen von unmaßgebl Werturteilen u Tatsachenurteilen (zB die Aussage, jemand sei Eigentümer, Erbe usw, sei bösgläubig, leichtsinnig, habe eine Notlage ausgebeutet usw)64 zu trennen.“65
Greger sieht Tatsachenurteile demnach als Gegensatz zum beweiserheblichen Tatsachenvortrag. Dies widerspricht dem Verständnis von Leipold und Rosenberg. Nachdem diese Tatsachenurteile schlicht als Aussagen von Personen über Tatsachen verstehen, stellen Tatsachenurteile nach deren Ansicht beweiserheblichen Tatsachenvortrag dar. Anhand der von Greger genannten Beispiele wird zudem deutlich, dass Tatsachenurteilen nach seiner Ansicht stets auch rechtliche Beurteilungen von Tatsachen durch den Behauptenden innewohnen. Nach Leipold66 ist dies gerade nicht der Fall: „Vom Tatsachenurteil als einer Aussage über die Tatsache als solche ist die Subsumtion (Beurteilung) der unstreitigen oder bewiesenen Tatsachen unter die Tatbestandsmerkmale der Rechtssätze zu unterscheiden. Nicht zu den Tatsachen [im Sinne des § 284 ZPO] gehören daher die rechtlichen Folgerungen (sog. juristische Tatsachen oder juristische Urteile). Dabei handelt es sich um Aussagen darüber, dass in bestimmten Tatsachen ein Rechtsbegriff (Verjährung, Zufall, Verschulden usw.) verkörpert sei oder dass ein tatsächlicher Hergang ein bestimmtes Rechtsverhältnis (Kauf, Miete usw.) darstelle, oder dass ein Anspruch oder eine Rechtsfolge anderer Art bestehe.“
Leipold bezeichnet also Aussagen, die rechtliche Beurteilungen enthalten, als „juristische Tatsachen oder juristische Urteile“. Schon die Verwendung unterschiedlicher Begriffe („Tatsachenurteil“, „juristische Tatsachen/ juristische Urteile“) zeigt, dass „Tatsachenurteile“ nach Leipold keine rechtliche Beurteilung des Behauptenden beinhalten. Tatsachenurteile sind seiner Ansicht nach eben schlicht „Aussagen von Personen über die Tatsachen“67. Zu Beginn seiner Ausführungen wählt Leipold68 mehrfach die Bezeichnung „Tatsachenurteil (im Sinne der Logik)“. Dies wohl um klarzustellen, dass das Element „Urteil“ hier nicht im rechtlichen Sinne zu verstehen ist. Unklar bleibt, was genau Walsmann69 unter „Tatsachenurteilen“ versteht. Nachdem er darlegt, dass Tatsache und Urteil ineinander übergehen würden, was „namentlich für die sog. Tatsachenurteile“70 gelte, behauptet er, das Reichsgericht habe hier von jeher den Standpunkt vertreten, dass „schwierige Tatsachen64
Hervorhebung nicht im Original. ZPO, § 286 Rn. 9. 66 Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 284 Rn. 13. 67 A. a. O. Rn. 9 ff.; so im Ergebnis auch Rosenberg, Zivilprozessrecht, S. 545 f. 68 Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 284 Rn. 9 ff. 69 Walsmann, Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben, 236, 242 ff. 70 A. a. O., S. 242. 65 Zöller/Greger,
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1. Kap.: Klärung der wesentlichen Begrifflichkeiten
urteile zum Eide nicht verstellt werden dürfen“71. In Verbindung mit den beiden anschließend zitierten Entscheidungen liegt der Schluss nahe, dass Walsmann unter Tatsachenurteilen nicht jede Aussage von Personen über Tatsachen versteht, sondern die Kundgabe bestimmter (auch rechtlicher) Beurteilungen bzw. Bewertungen der Tatsachen durch den Behauptenden. Denn in der ersten zitierten Entscheidung72 begründet das Reichsgericht seine Ansicht, dass Rechtsbegriffe und Urteile unter Umständen in die Eidesnorm aufgenommen werden könnten, mit der Schwierigkeit einer scharfen Trennung der Tatsachen von Rechtsbegriffen und Urteilen sowie dem Umstand, dass gewisse Rechtsbegriffe und die Befähigung zu gewissen Urteilen bei den Parteien vorausgesetzt werden dürften und solche Begriffe und Urteile damit im Sinne des Gesetzes als etwas Tatsächliches aufzufassen seien. In der zweiten zitierten Entscheidung73 heißt es dann ganz ausdrücklich, dass sich „eine ganz scharfe Grenze zwischen reinen und rechtlich qualifizierten Tatsachen nicht ziehen lässt, und dass dergleichen einfache und aus dem täglichen Leben jedem erwachsenen Menschen geläufige Rechtsbegriffe […] unbedenklich in Eidessätze aufgenommen werden können“. Nachdem Gegenstand der zitierten Entscheidungen also die Frage ist, inwieweit Rechtsbegriffe bzw. rechtlich qualifizierte Tatsachen(behauptungen) in die Eidessätze aufgenommen werden können, scheint Walsmann unter Tatsachenurteilen auch solche Aussagen zu verstehen, die rechtliche Beurteilungen des Behauptenden enthalten. An späterer Stelle74 verwendet Walsmann den Begriff dann in Zusammenhang mit den sog. hypothetischen Tatsachen(behauptungen), also hypothetischen Schlussfolgerungen über die Vergangenheit75. Auch dies lässt erkennen, dass Tatsachenurteile nach Walsmann nicht bloße Aussagen von Personen über Tatsachen darstellen, sondern Beurteilungen der (bzw. aufgrund der) Tatsachen. Es existieren noch weitere Beispiele für die unterschiedliche Verwendung des Begriffs „Tatsachenurteile“ durch verschiedene Autoren. Doch schon die soeben aufgeführten sollen als Grund genügen, um im Folgenden ausschließlich den mindestens ebenso deutlichen und mit geringerem Verwechslungspotential ausgestatteten Begriff der „Tatsachenbehauptungen“ zu gebrauchen. Neben der geringeren Gefahr einer unterschiedlichen Deutung bringt der Begriff „Tatsachenbehauptung“ schließlich noch einen weiteren Vorteil mit sich. Dank des Merkmals der „Behauptung“ kommt klar zum Ausdruck, dass damit stets Äußerungen von Personen gemeint sind. Tatsachenurteile im Sinne der Logik hingegen sind streng genommen auch bloß innere, also (noch) nicht geäußerte Beurteilungen eines 71
A. a. O. RG, Urt. v. 26. 10. 1881 – I 589/81 – juris = RGZ 7, 1 – 8. 73 RG, Urt. v. 3. 12. 1891 – VI 209/91 = Gruchots Beiträge 37, 387. 74 Walsmann, Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben, 236, 244. 75 MüKoZPO/Prütting, ZPO, § 284 Rn. 41. 72
B. Tatsachen und Rechtsbegriffe
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Menschen über das Vorliegen von Tatsachen. Denn jede diesbezügliche Überzeugungsbildung beinhaltet ein Urteil darüber, ob das Wahrgenommene „unter gewisse allgemeine Begriffe oder Erfahrungssätze als Obersätze“ untergeordnet werden kann.76 Auch dies spricht dafür, nachfolgend einheitlich den Begriff der „Tatsachenbehauptungen“ für die Aussagen von Personen über Tatsachen zu gebrauchen. c) Bedeutung der Tatsachenbehauptungen im Prozess Den Tatsachenbehauptungen kommt im Prozess eine überragende Bedeutung zu. Die Tatsachen selbst sind nämlich häufig längst geschehen und können nicht reproduziert, sondern nur erzählt, nur referiert werden.77 Im vorherigen Beispiel ist die Übergabe des Bargeldes (die Wahrheit des Vortrags unterstellt) bereits geschehen. Das Gericht kann diese also nicht mehr selbst wahrnehmen. Es kann somit allein die Tatsachenbehauptung des B, er habe dem A das Bargeld übergeben, rechtlich würdigen. Sollte A den Vortrag des B bestreiten, könnte B zum Beweis Zeugen benennen. Auch diese könnten wiederum nur Tatsachen behaupten, bspw. dass sie die Übergabe gesehen hätten oder dass eine der Parteien ihnen von der Übergabe erzählt habe. Derartige Aussagen der Zeugen wären ebenfalls Tatsachenbehauptungen, in diesem Fall in Form von Behauptungen über der Vergangenheit angehörige Geschehnisse der Außenwelt. Die Tatsache der Übergabe können auch die Zeugen nicht reproduzieren, ebenso wenig wie eine etwaige Erzählung einer der Parteien ihnen gegenüber von der Übergabe des Geldes.
Der Sachverhalt tritt dem Gericht also in der großen Mehrheit der Fälle nur in Form von Tatsachenbehauptungen gegenüber. Mit den (entscheidungserheblichen) Tatsachen selbst hat das Gericht nur zu tun, wenn diese ausnahmsweise in der mündlichen Verhandlung geschehen (bspw. wenn der Beklagte dem Kläger in der mündlichen Verhandlung die eingeklagte Summe in bar übergibt) oder im Rahmen der Beweisaufnahme bei der Einnahme des Augenscheins78. Denn beim Augenschein treten dem Richter die Tatsachen unmittelbar gegenüber, hier kann er sie also selbst wahrnehmen.79 Im Übrigen ist das Gericht beschränkt auf die Erzählungen der Parteien, der Zeugen usw. von den Tatsachen, also auf Tatsachenbehauptungen.
76
Rosenberg, Zivilprozessrecht, S. 546. Staub, JW 1886, 131, 132. 78 Stein, Privates Wissen, S. 8. 79 Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 284 Rn. 9. 77
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1. Kap.: Klärung der wesentlichen Begrifflichkeiten
II. Rechtsbegriffe Es existiert keine gängige, allgemein anerkannte Definition des Terminus „Rechtsbegriff“ (dazu unter 1.). Einigen Untersuchungen zur Bedeutung des Begriffs lassen sich aber wichtige Erkenntnisse für die hier behandelte Thematik entnehmen (dazu unter 2.). Rechtsprechung und h. L. treffen die Unterscheidung zwischen Rechtsbegriffs- und Tatsachenbehauptungen danach, ob mit dem vorgetragenen Begriff in der Rechtssprache eine rechtliche Beurteilung von Tatsachen bezeichnet wird (dazu unter 3.). Dem wird sich vorliegend angeschlossen (dazu unter 4.). 1. Keine Definition des Terminus durch Rechtsprechung und h. L .; Relevanz des Terminus für die vorliegende Arbeit Die h. M. differenziert zwischen (Vorträgen von) „Rechtsbegriffen“ und „Tatsachen(behauptungen)“. So heißt es beispielsweise in einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs80 aus dem Jahr 1994: „Danach [nach § 288 ZPO] können nur Tatsachen zugestanden werden. Nach allgemeiner Auffassung in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann dies aber auch eine Tatsache in ihrer juristischen Einkleidung sein, wenn es sich um einen einfachen Rechtsbegriff handelt, der jedem Teilnehmer am Rechtsverkehr geläufig ist […].“81
Der Erläuterung im zweiten Satz des Zitats, unter welchen Voraussetzungen ein Rechtsbegriffsvortrag nach § 288 ZPO zugestanden werden kann, hätte es nicht bedurft, wenn nicht zwischen Rechtsbegriffsvorträgen und Tatsachenbehauptungen unterschieden würde. In Rechtsprechung und gängiger Kommentarliteratur findet sich allerdings keine Definition des Terminus „Rechtsbegriff“. Das Gleiche gilt für die gängigen Rechtswörterbücher. In Creifelds’ Rechtswörterbuch beispielweise findet sich zwar das Stichwort „Tatsache“ 82. In den Ausführungen zu diesem Begriff wird auch auf die Gegensätzlichkeit der „Tatsache“ zum „Rechtsbegriff“ hingewiesen und es werden sogar Beispiele für „Einfache Rechtsbegriffe“ genannt („Eigentum“ und „Mietverhältnis“). Dennoch fehlt „Rechtsbegriff“ als eigenständiges Stichwort und mithin eine Definition des Terminus. Es mangelt an einer allgemein anerkannten, prägnanten, aber auch aussagekräftigen Definition des Terminus, die zur Qualifizierung von Parteivorträgen
80
BGH, Urt. v. 18. 5. 1994 – IV ZR 169/93 – juris. BGH, Urt. v. 18. 5. 1994 – IV ZR 169/93 – Rn. 8, zitiert nach juris. 82 Creifelds, Rechtswörterbuch, S. 1290 f. 81
B. Tatsachen und Rechtsbegriffe
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herangezogen werden könnte.83 Auch wenn eine alle denkbaren Rechtsbegriffe erfassende und gleichzeitig praktisch zu gebrauchende Definition des Begriffs schwer zu finden sein wird, bedarf es vorliegend dennoch einer Auseinandersetzung mit der Bedeutung des Terminus „Rechtsbegriff“. Diese ist für die vorliegende Arbeit nämlich von hoher Relevanz, weil jede juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung mindestens einen Rechtsbegriff enthält. Die (vermeintlichen) Unterschiede zwischen Rechtsbegriffen und anderen Begriffen sind überdies der Grund für die Frage nach dem Umgang mit juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen. Es muss daher, zumindest soweit wie für die vorliegende Thematik relevant, geklärt werden, welche Begriffe als „Rechtsbegriffe“ bezeichnet werden können und wie sich diese Begriffe auszeichnen. 2. Frühere Untersuchungen des Terminus Die bisherigen Untersuchungen des Terminus „Rechtsbegriff“ liefern keine Definition des Begriffs, die für die vorliegende Arbeit verwendet werden kann (dazu unter lit. a)). Einige ihrer Grundgedanken sind aber auch für die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen relevant (dazu unter lit. b)). a) Einleitung Der Terminus „Rechtsbegriff“ wurde in der juristischen Wissenschaft schon vielfach interpretiert und definiert. Selten wurde er dabei aber eingehend untersucht. Die entsprechenden Äußerungen erfolgen weit überwiegend „bei Gelegenheit“, in Schriften, die eigentlich andere Fragen betreffen.84 Dementsprechend verschieden und teilweise auch einander widersprechend sind die dabei erarbeiteten Definitionen.85 Doch auch diejenigen Untersuchungen, die sich speziell den Rechtsbegriffen bzw. dem entsprechenden Terminus widmen86, liefern keine für die vorliegende Arbeit brauchbare Definition. So wurden zwar u. a. die Bildung juristischer Begriffe erläutert87, die verschiedenen Rechtsbegriffe kategorisiert, die Besonderheiten der Rechtsbegriffe und somit ihr Unterscheidungsmerkmal von anderen
83 So im Ergebnis auch Künzl, Dispositionsmöglichkeiten, S. 238 zum Begriff „Rechtsfragen“. 84 Salomon, Das Problem der Rechtsbegriffe, S. 13. 85 A. a. O. 86 Z. B. Eltzbacher, Über Rechtsbegriffe; Rümelin, Juristische Begriffsbildung; Somlo, Juristische Grundlehre, S. 26 ff.; Stammler, Lehrbuch der Rechtsphilosophie, S. 240 ff.; Zitelmann, Irrtum und Rechtsgeschäft, S. 17 ff. 87 Rümelin, Juristische Begriffsbildung.
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1. Kap.: Klärung der wesentlichen Begrifflichkeiten
Begriffen elaboriert88, und damit stets einhergehend auch das Wesen der Rechtsbegriffe und somit auch die Bedeutung des Terminus „Rechtsbegriff“ erörtert. Dies hatte jedoch ebenfalls keine übereinstimmende Definition des Terminus zur Folge. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die verschiedenen Lösungsversuche unterschiedliche Ziele verfolgten89 und die Autoren damit schon unterschiedliche Begriffe im Blick hatten, die sie der Begriffskategorie „Rechtsbegriffe“ zuordneten. In der Folge mussten auch die Definitionen des Terminus voneinander abweichen. Die gefundenen Definitionen sind überdies sehr abstrakt gehalten, weil die Untersuchungen von einem sehr weiten Begriffsverständnis ausgingen bzw. ein solches zur Folge hatten. Dies ist insofern unausweichlich, als dass Ziel einer jeden wissenschaftlichen Begriffsdefinition sein muss, ihre Ergebnisse auf alle erdenklichen Begriffe übertragen zu können, die der Begriffskategorie angehören (sollen). Macht man sich nun die Unbestimmtheit des Terminus „Rechtsbegriff“ bewusst und betrachtet man die unzähligen Begriffe, die eine Verbindung zum rechtlichen Sprachgebrauch aufweisen (und die damit möglicherweise auch als Rechtsbegriffe bezeichnet werden könnten) so verwundert das weite Begriffsverständnis nicht. Zitelmann90 bspw. versteht unter Rechtsbegriffen all „diejenigen Begriffe, die als Bestandteile eines Rechtssatzes vorkommen“. Eltzbacher91 kritisiert dies als noch viel zu eng und definiert Rechtsbegriffe als „Begriffe von Rechtsnormen“92. Dabei versteht er unter Rechtsnormen aber gerade nicht nur die Rechtssätze, sondern auch „Gattungen der Rechtsnormen“. Daher zählten auch Begriffe wie „Gewohnheitsrecht“ oder „Rechtsordnung“ zu den Rechtsbegriffen.93 Die Einzelheiten sind hier nicht von Bedeutung. Nach Engisch94 solle der Begriff sogar noch viel weiter reichen, als von Eltzbacher angenommen95. Engisch legt allerdings, soweit ersichtlich, nicht ausdrücklich dar, welche von ihm als Rechtsbegriffe qualifizierten Begriffe nicht unter die Definition Eltzbachers fallen sollten. Gemeinsam ist den Autoren jedenfalls, dass sie den Terminus „Rechtsbegriff“ in einem sehr viel weiteren Sinn verstehen, als es der Bundesgerichtshof in seiner Rechtsprechung und die h. L. in ihren Ausführungen zu den juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen tun.96 Bei Über88
Z. B. von Eltzbacher, Über Rechtsbegriffe, S. 22 ff. Salomon, Das Problem der Rechtsbegriffe, S. 22. 90 Irrtum und Rechtsgeschäft, S. 17. 91 Über Rechtsbegriffe, S. 23 f. 92 A. a. O., S. 33. 93 A. a. O., S. 34 ff. 94 Relativität der Rechtsbegriffe, S. 315 ff. 95 A. a. O., S. 317. 96 Siehe dazu unten 3. 89
B. Tatsachen und Rechtsbegriffe
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nahme der bzw. einer der gefundenen Definitionen könnte daher keine sinnvolle Auseinandersetzung mit der Ansicht der h. M. erfolgen. b) Relevante Thesen der Untersuchungen Engisch97 vertritt ausdrücklich die Auffassung, dass auch völlig triviale Begriffe, die in Rechtssätzen enthalten sind, zu den Rechtsbegriffen gehören (dazu unter lit. aa)). Denn auch diesen Begriffen komme eine spezielle Bedeutung für den Rechtssatz zu (dazu unter lit. bb)). Dies zeigt, dass stets der konkrete Zusammenhang beachtet werden muss, in dem ein Begriff verwendet wird (dazu unter lit. cc)). aa) Umfasste Begriffskategorien nach Engisch Es wurde bereits erwähnt, dass Rechtsbegriffe nach Zitelmann98 „diejenigen Begriffe [sind], die als Bestandteile eines Rechtssatzes vorkommen“. Engisch99 zufolge gelte dies auch für auf den ersten Blick gänzlich neutrale, also nicht spezifisch rechtliche Begriffe wie „‚wird‘, ‚oder‚ usw.“. Die Bezeichnung als „Rechtsbegriff“ sei hier deswegen angebracht, weil der Zusammenhang, in dem die „scheinbar triviale[n]“ Begriffe verwendet werden, diesen eine spezifische Bedeutung für den Rechtssatz vermittele. Als Beispiel wählt Engisch die Formulierung „wird bestraft“ in den Paragraphen des deutschen Strafgesetzbuches. „Wird bestraft“ bedeute in diesem Zusammenhang in etwa „soll bestraft werden“. Neben den soeben behandelten, in gültigen Rechtssätzen verwendeten Begriffen, seien auch die Begriffe „von Rechtssätzen und Rechtssatzkomplexen“ Rechtsbegriffe.100 Das seien diejenigen Begriffe, „die von den Rechtssätzen im ganzen gebildet werden“, also Begriffe wie „öffentlich-rechtliche Norm“ oder „Gewohnheitsrecht“. Zudem seien auch „freie rechtwissenschaftliche Begriffe“101 wie „Rechtfertigungsgrund“, „Zumutbarkeit“ oder „adäquate Kausalität“, Begriffe, die von Juristen im Rahmen der rechtsgeschichtlichen und rechtsvergleichenden
97 Den Ausführungen Zitelmanns und Eltzbachers lässt sich nicht zweifelsfrei entnehmen, ob auch sie die trivialen, in den Rechtssätzen vorkommenden Begriffe als Rechtsbegriffe qualifizieren. Nach dem Wortlaut von Zitelmanns „Definition“ gehören zwar auch diese zu den Rechtsbegriffen, allerdings finden sie in seinen weiteren Ausführungen keine Beachtung. Eltzbacher kritisiert Zitelmanns Begriffsverständnis zwar als zu eng, zielt dabei aber offensichtlich nicht auf die trivialen Begriffe ab. 98 Irrtum und Rechtsgeschäft, S. 17. 99 Engisch, Relativität der Rechtsbegriffe, S. 315. 100 A. a. O., S. 316. Siehe dazu auch Eltzbacher, Über Rechtsbegriffe, S. 23 f. 101 Engisch, Relativität der Rechtsbegriffe, S. 318 ff.
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1. Kap.: Klärung der wesentlichen Begrifflichkeiten
Forschung gebraucht werden102 und rechtswissenschaftliche Grundbegriffe103 wie „Rechtsnorm“, „Rechtspflicht“ oder „Rechtssubjekt“ Rechtsbegriffe. bb) Gemeinsames Merkmal der Begriffe Gemeinsames Merkmal der „Rechtsbegriffe“ nach Engisch ist, dass sie eine spezifisch rechtliche Bedeutung im weitesten Sinn haben. D. h., sie haben eine oder mehrere spezifische Bedeutungen im rechtlichen Sprachgebrauch allgemein bzw. in den Rechtssätzen, in denen sie verwendet werden. Diese spezifisch rechtliche Bedeutung ist einigen der Begriffe insofern immanent, als dass sie der Rechtswissenschaft selbst entstammen und damit erst „geschaffen“ wurden, um rechtliche Phänomene, Vorgänge oder Zustände u.ä. zu beschreiben. So liegt es bspw. bei einigen der rechtswissenschaftlichen Grundbegriffe104 wie den Begriffen der „Rechtsnorm“ oder der „Rechtspflicht“. Diese Begriffe besitzen schon ihrem Namen nach eine spezifische Bedeutung für den rechtlichen Sprachgebrauch. Die meisten Rechtsbegriffe im weiteren Sinn haben jedoch weder ihren Ursprung in der Rechtswissenschaft noch werden sie ausschließlich in rechtlichen Zusammenhängen gebraucht. Einige von ihnen wurden allerdings von der Rechtswissenschaft für ihre Zwecke definiert und besitzen damit eine (mehr oder weniger) feststehende Bedeutung im rechtlichen Sprachgebrauch. So finden Begriffe wie „Zumutbarkeit“ oder „Rechtfertigungsgrund“ zwar auch in anderen Zusammenhängen Verwendung. Im rechtlichen Sprachgebrauch sind sie aber mit einer (mehr oder weniger) feststehenden Bedeutung versehen, sodass auch diesen Begriffen bei entsprechender Verwendung eine spezifisch rechtliche Bedeutung zugesprochen werden kann. Ähnlich verhält es sich mit vielen der sog. Rechtssatzbegriffe. So finden sich in den Rechtssätzen zahlreiche Begriffe, die auch in anderen, also nicht-rechtlichen Zusammenhängen gebraucht werden, z. B. Begriffe wie „Sache“ oder „Mensch“. Auch diese Begriffe wurden jedoch für juristische Zwecke definiert und besitzen damit spezifische Bedeutungen im rechtlichen Sprachgebrauch. Andere Rechtssatzbegriffe haben demgegenüber keine derartigen Definitionen durch die Rechtswissenschaft erfahren. Zudem werden sie tagtäglich unzählige Male in nicht-rechtlichen Zusammenhängen gebraucht und werden auch weder im rechtlichen Sprachgebrauch noch in den Rechtsätzen selbst mit einheitlicher Bedeutung verwendet. Das betrifft gerade die bereits angesprochenen trivialen Rechtssatzbegriffe wie „und“, „oder“, „er“, „sie“, „es“ und so weiter. Deren Qualifikation als Rechtsbegriffe erscheint daher zunächst fernliegend. Denn sie besitzen scheinbar keine spezifische rechtliche Bedeutung. Das ist allerdings 102
A. a. O., S. 320 f. A. a. O., S. 321 f. 104 Mit dieser Bezeichnung u. a. Stammler, Lehrbuch der Rechtsphilosophie, S. 240. 103
B. Tatsachen und Rechtsbegriffe
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nur zum Teil richtig. Diese Begriffe haben zwar keine feststehende Bedeutung im rechtlichen Sprachgebrauch. Das bedeutet jedoch nicht, dass ihnen überhaupt keine spezifisch rechtliche Bedeutung zukommt. Denn die Bedeutung eines jeden Begriffs hängt von seiner konkreten Verwendung ab. Wird ein Begriff nun vom Gesetzgeber in einem Rechtssatz verwendet, erhält er eine für den Rechtssatz spezifische Bedeutung. In diesem Fall kann von einer spezifisch rechtlichen Bedeutung der Begriffe gesprochen werden, was deren Qualifikation als Rechtsbegriffe rechtfertigt. cc) Relevanz für die vorliegende Thematik Der Terminus „Rechtsbegriff“ wird nachfolgend in einem engeren Sinn als von den angeführten Autoren gebraucht.105 Der Grundgedanke Engischs ist jedoch auch für die hier behandelte Thematik relevant. Denn es ist nicht von der Hand zu weisen, dass sich die Bedeutung eines Begriffs nur in Bezug auf seine konkrete Verwendung eindeutig bestimmen lässt. Nahezu jeder abstrakte Begriff besitzt verschiedene (potentielle) Bedeutungsgehalte und hat damit per se keine feststehende Bedeutung.106 Erst der Zusammenhang, in dem ein Begriff gebraucht wird, und die Absicht des den Begriff Verwendenden entscheiden darüber, welcher Bedeutungsgehalt sich konkret verwirklicht.107 Die (jeweilige) Bedeutung eines Begriffs ergibt sich damit erst aus seinem konkreten Gebrauch. „Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache.“ 108 Der abstrakte Begriff „Sache“ weist verschiedene potentielle Bedeutungsgehalte auf. Nach dem Duden109 kann mit dem Begriff „Sache“ bspw. Folgendes bezeichnet werden: ein Ding; ein Gegenstand; Kleidung(sstücke); eine Angelegenheit; ein 105
Siehe dazu unten 4. Siehe dazu auch Demko, Zur Relativität der Rechtsbegriffe, S. 16 mit dem Beispiel der verschiedenen Möglichkeiten, den Begriff „Bank“ zu gebrauchen. 107 Zur Bedeutung der konkreten Umstände für die Bedeutung eines Wortes siehe auch Danz, Die Auslegung der Rechtsgeschäfte, S. 62 ff. 108 Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen, S. 91. Eike von Savigny, Ludwig Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen, S. 8, weist darauf hin, dass diese Formulierung Wittgensteins eine andere Funktion habe, als die Gleichsetzung der Bedeutung von Wörtern oder des Sinns von Sätzen mit deren Verwendung auszudrücken. Dennoch lasse sich Wittgenstein in den Philosophischen Untersuchungen auf diese Gleichsetzung „ernsthaft“ festlegen, weil an vielen Stellen der Philosophischen Untersuchungen Annahmen eine Rolle für die jeweilige Argumentation spielten, die mit einer solchen Gleichsetzung verwandt seien. Nachdem die zitierte Formulierung zudem zum Sinnbild der Gebrauchstheorie der Bedeutung nach Wittgenstein wurde, erfolgte ihre Zitierung vorliegend trotz soeben dargelegten Divergenzen zwischen ihrer (wohl) eigentlichen Bedeutung und ihrem üblichen Verständnis. 109 http://www.duden.de/rechtschreibung/Sache. 106
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1. Kap.: Klärung der wesentlichen Begrifflichkeiten
Vorgang; ein Umstand; eine Rechtssache; der Gegenstand, um den es geht, wie der Gegenstand der Diskussion; etwas, wofür sich jemand einsetzt; ein Ziel; ein Anliegen; umgangssprachlich: die Stundenkilometer. Der abstrakte Begriff „Sache“ hat also nicht eine bestimmte Bedeutung. Er kann z. B. alltagssprachlich verwendet werden: „Es ist doch nicht deine Sache (Angelegenheit), wie ich mein Leben führe.“, mit spezifisch rechtlicher Bedeutung: „A kann von B Ersatz gem. § 994 Abs. 1 BGB verlangen, weil er notwendige Verwendungen auf die Sache (den körperlichen Gegenstand) gemacht hat.“ oder umgangssprachlich: „Wir sind mit 200 Sachen (Stundenkilometern) auf der Autobahn gefahren.“
Ebenso wie Begriffe, die auf den ersten Blick keine spezifisch rechtliche Bedeutung haben, aufgrund ihrer konkreten Verwendung als Rechtsbegriffe verstanden werden können, können auch vermeintlich typische Rechtsbegriffe mit einem von ihrer juristischen Bedeutung abweichenden Sinn gebraucht werden. Diesbezüglich stellt das Bundesverfassungsgericht110 fest: „Es ist anerkannt, daß selbst Rechtsbegriffe nicht ohne weiteres im fachlich-rechtlichen Sinn verstanden werden dürfen, wenn sie im öffentlichen Meinungskampf fallen […]. Vielmehr muss den Umständen entnommen werden, ob eine technische oder eine alltagssprachliche Begriffsverwendung vorliegt.“111
Denn selbst ganz typische Rechtsbegriffe (wie z. B. „Kauf“) weisen neben ihrem rechtlichen Bedeutungsgehalt noch weitere Bedeutungsgehalte auf.112 Der Begriff „Kauf“ kann nicht nur als Abkürzung für den Begriff „Kaufvertrag“ und damit mit seiner spezifisch rechtlichen Bedeutung gebraucht werden. Umgangssprachlich wird auch eine Bestechung als „Kauf“ bezeichnet, wenn z. B. vom „Kauf von Zeugen“113 die Rede ist. Zudem existiert bspw. die Redewendung „etwas in Kauf nehmen“114. Wird der Begriff in dieser Weise verwendet, gebraucht ihn der Verwender nicht mit einer spezifisch rechtlichen Bedeutung.
Gerade sehr bekannte Begriffe aus der Rechtssprache werden von rechtlichen Laien überdies häufig in einem Sinn verwendet, der dem spezifisch recht110
BVerfG, Beschluss vom 9. 10. 1991 – 1 BvR 1555/88 (= BVerfGE 85, 1 – 23) – juris. BVerfG, Beschluss vom 9. 10. 1991 – 1 BvR 1555/88 (= BVerfGE 85, 1 – 23) – Rn. 56, zitiert nach juris. 112 In diesem Sinne auch Künzl, Dispositionsmöglichkeiten, S. 374 ff., der zwischen der „tatsächlichen“ und der „rechtlichen“ Komponente mancher Rechtsbegriffe unterscheidet. 113 http://www.duden.de/rechtschreibung/Kauf. 114 A. a. O. 111
B. Tatsachen und Rechtsbegriffe
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lichen Bedeutungsgehalt sehr nahe kommt, aber nicht komplett mit ihm übereinstimmt. Der Begriff des „Kaufs“ oder auch des „Kaufvertrags“ wird von rechtlichen Laien häufig zur Bezeichnung des Erwerbs einer Sache gegen Geld verwendet. Nachdem aber kaum jemandem das Trennungs- und das Abstraktionsprinzip bekannt sind, bezeichnet der Begriff dabei nicht bloß das Verpflichtungsgeschäft, sondern auch (oder wohl eher nur) die Verfügungsgeschäfte über die Sache und das Geld. Eine Sache zu kaufen bedeutet dann also, das Eigentum an der Sache zu erwerben und dafür einen Kaufpreis zu bezahlen. Genauso verhält es sich mit vielen anderen Bezeichnungen für obligatorische Verträge. Aufgrund der fehlenden Kenntnis von Trennungs- und Abstraktionsprinzip werden die Begriffe insbesondere zur Bezeichnung der Erfüllungsgeschäfte gebraucht.115
Entsprechende Verwendungen der Begriffe sind zwar aus juristischer Sicht „falsch“. Es muss allerdings beachtet werden, dass die verschiedenen Bedeutungsgehalte abstrakter Begriffe überwiegend das Ergebnis des Gebrauchs der Begriffe durch verschiedene Personen(gruppen) über einen längeren Zeitraum hinweg sind. Dementsprechend kann die dauerhafte „falsche“ Verwendung eines Begriffs dazu führen, dass er im Lauf der Zeit einen weiteren Bedeutungsgehalt erfährt. Dieser Bedeutungsgehalt entspricht dann zwar nicht dem des terminus technicus. Dennoch wäre es verfehlt, die entsprechende Verwendung des Begriffs generell als falsch zu bezeichnen. Eine solche Bewertung erscheint unangebracht, wenn die Beteiligten einander verstehen und die Verwendung des Begriffs damit ihren Zweck erfüllt. A sagt zu ihrem Ehemann B: „Geh bitte zum Bäcker und kauf ein paar Brötchen.“. In dieser Aussage hat der Begriff „kauf“ die im vorherigen Beispiel beschriebene Bedeutung. Diese stimmt zwar nicht mit der Bedeutung des Begriffs „Kaufvertrag“ bzw. des daraus abgeleiteten Begriffs „Kauf“ im Bürgerlichen Gesetzbuch überein. Dennoch kann die Verwendung des Begriffs durch A nicht als falsch bezeichnet werden. Denn B versteht, was A von ihm möchte.
Die „untechnische“ Verwendung juristisch definierter Begriffe kann noch aus einem weiteren Grund nicht generell als falsch bezeichnet werden. Viele von der Rechtswissenschaft definierte Begriffe wurden „von der Jurisprudenz nicht […] 115 Es ließen sich noch zahlreiche weitere Beispiele für Rechtsbegriffe aufzählen, die im Alltag (auch) mit anderer als ihrer fachlich-technischen Bedeutung gebraucht werden (das Angebot im Schaufenster, der Leihwagen, der Skiverleih, der Auftrag, die Versammlung, der Schaden usw.).
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1. Kap.: Klärung der wesentlichen Begrifflichkeiten
geschaffen, sondern vorgefunden“116. Die Begriffe wurden also schon von der Gesellschaft verwendet, bevor sie von den Juristen für deren Zwecke definiert wurden. In einer Untersuchung Staubs117 zur Bedeutung des Terminus „Rechtsbegriff“ heißt es diesbezüglich: „Kaufen, z. B. ist zwar ein Rechtsbegriff, aber eben so gut ein volkswirtschaftlicher Begriff […]. Ja die volkswirtschaftliche Seite des Begriffes „Kaufen“ war früher da, als die juristische. Denn zunächst haben die Menschen gekauft und verkauft, und dann erst haben die Juristen den Begriff untersucht und zerlegt, und gelehrte Schriften über das Wesen des Kaufs geschrieben.“118
Dabei führt die nachträgliche Definition eines Begriffs für rechtliche Zwecke unter Umständen dazu, dass der (neu definierte) terminus technicus andere Merkmale aufweist als der „faktische“119 Begriff in seiner alltäglichen Verwendung. Im Rahmen der „Verwandlung“ eines faktischen Begriffs in einen juristisch-technischen können dem faktischen Begriff innewohnende Merkmale weggenommen und/oder neue zugesetzt werden, deren Vorliegen dann Voraussetzung der juristischen Relevanz des Begriffs ist.120 Die „untechnische“, alltägliche Verwendung des Begriffs wird aber dadurch nicht nachträglich falsch. Der Begriff hat vielmehr schlicht einen weiteren Bedeutungsgehalt erfahren. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass weder die Qualifikation eines Begriffs als „Rechtsbegriff“ bedeutet, dass dieser Begriff nur eine juristisch-technische Bedeutung aufweist noch, dass die „Nicht-Rechtsbegriffe“ keine spezifisch rechtliche Bedeutung besitzen können. 3. Die Verwendung des Terminus durch die h. M. im Hinblick auf juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen a) Gemeinsames Merkmal der Begriffe und Beispiele Bundesgerichtshof und h. L. verwenden den Terminus „Rechtsbegriff“ im Zusammenhang mit juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen für Begriffe, welche im juristischen Sprachgebrauch rechtliche Beurteilungen von Sachverhalten bezeichnen können. Diese Begriffe finden sich fast ausnahmslos auch in Rechtssätzen. Entscheidend ist jedoch allein, dass der entsprechende Begriff für eine rechtliche Würdigung von Tatsachen stehen kann.
116
Zitelmann, Irrtum und Rechtsgeschäft, S. 17. JW 1886, S. 131. 118 Staub, JW 1886, 131, 135 f. 119 Mit dieser Bezeichnung Zitelmann, Irrtum und Rechtsgeschäft, S. 17. 120 A. a. O., mit den Begriffsbeispielen „Persönlichkeit“ und „Ehe“. 117
B. Tatsachen und Rechtsbegriffe
47
Der Bundesgerichtshof bezeichnet in seiner Rechtsprechung zu juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen u. a. folgende Begriffe als „Rechtsbegriffe“: „Erbe“ und „Pflichtteilsberechtigter“121, „Eigentum“ und „Kauf “122, „Kommanditist“123, „Abtretung“124, „Rechtsnachfolge“125, „Vertragspartei“126, „ausdrückliche oder konkludente Genehmigung“127, „Verstoß gegen die guten Sitten“128, „Zurechnung einer Vermögensposition zum Anfangsvermögen“129 und „Nebenberuflichkeit“130. In der Literatur finden sich beispielhaft noch Begriffe wie „Darlehen“131 oder „wichtiger Grund“132. b) Hintergrund der entsprechenden Verwendung des Terminus Hintergrund der Unterscheidung zwischen Tatsachen- und Rechtsbegriffsbehauptungen entsprechend der h. M. ist die Aufgabenverteilung zwischen den Parteien und dem Gericht hinsichtlich der Beschaffung der Urteilsgrundlagen133. Die Parteien bestimmen nach dem Verhandlungsgrundsatz darüber, welche Tatsachen der gerichtlichen Entscheidung zugrunde zu legen sind. Die Parteien müssen die entscheidungserheblichen Tatsachen daher zunächst in den Prozess einführen. Tragen sie Begriffe vor, die rechtliche Beurteilungen von Tatsachen bezeichnen können (also Rechtsbegriffe im Sinne der h. M.), stellt sich dabei die Frage, ob damit (auch) Tatsachen oder ausschließlich rechtliche Beurteilungen dargelegt werden. 121 BGH, Urt. v. 6. 3. 1952 – IV ZR 45/50 = https://www.jurion.de/Urteile/BGH/1952 – 03 – 06/IV-ZR-45_50. 122 BGH, Urt. v. 29. 9. 1958 – II ZR 342/56 = NJW 1958, 1968; für das „Eigentum“ zudem BGH, Urt. v. 2. 6. 1995 – V ZR 304/93 – Rn. 7, zitiert nach juris. 123 BGH, Urt. v. 7. 7. 1986 – II ZR 167/85 – Rn. 6, zitiert nach juris. 124 BGH, Urt. v. 2. 2. 1990 – V ZR 245/88 – Rn. 11, zitiert nach juris; Urt. v. 19. 3. 2004 – V ZR 104/03 (= BGHZ 158, 295 – 310) – Rn. 13, zitiert nach juris. 125 BGH, Urt. v. 14. 3. 1997 – V ZR 9/96 (= BGHZ 135, 92 – 107) – Rn. 13, zitiert nach juris. 126 BGH, VU v. 16. 7. 2003 – XII ZR 100/00 – Rn. 17, zitiert nach juris; Urt. v. 23. 9. 2004 – IX ZR 137/03 – Rn. 11, zitiert nach juris; Urt. v. 6. 10. 2005 – III ZR 367/04 – Rn. 20, zitiert nach juris. 127 BGH, Urt. v. 22. 2. 2011 – XI ZR 261/09 – Rn. 12, zitiert nach juris; Urt. v. 19. 1. 2012 – IX ZR 2/11 (= BGHZ 192, 221 – 236) – Rn. 24, zitiert nach juris. 128 BGH, Urt. v. 29. 9. 1958 – II ZR 342/56 = = NJW 1958, 1968. 129 BGH, Urt. v. 31. 10. 2001 – XII ZR 292/99 – Rn. 14, zitiert nach juris. 130 BGH, Urt. v. 21. 3. 2013 – VII ZR 224/12 (= BGHZ 197, 100 – 110) – Rn. 28, zitiert nach juris. 131 Musielak/Voit/Huber, ZPO, § 288 Rn. 4. 132 Rosenberg, Zivilprozessrecht, S. 546. 133 Siehe dazu oben A.
48
1. Kap.: Klärung der wesentlichen Begrifflichkeiten
A behauptet zur Begründung seiner Klage auf Herausgabe einer Sache gegen B, dass er (A) Eigentümer der Sache sei. Trägt A damit ausschließlich eine rechtliche Schlussfolgerung vor oder enthält sein Vortrag auch eine Tatsachenbehauptung?
Tatsachenbehauptungen der Gegenseite können überdies unstreitig gestellt (§ 138 Abs. 3 ZPO) und ausdrücklich zugestanden werden (§ 288 ZPO). In diesen Fällen ist das Gericht grundsätzlich an den entsprechenden Vortrag gebunden und muss ihn seiner Entscheidung ungeprüft zugrunde legen. In der rechtlichen Würdigung dieser Tatsachenbehauptungen ist das Gericht aber grundsätzlich frei. Bleibt nun eine Behauptung der Gegenseite, die einen Rechtsbegriff im Sinne der h. M. enthält, unbestritten oder wird eine solche ausdrücklich zugestanden, stellt sich daher die Frage, ob bzw. inwieweit das Gericht an den entsprechenden Parteivortrag gebunden ist. Im vorherigen Beispiel trägt B ebenfalls vor, dass A Eigentümer der Sache sei. Muss das Gericht seiner Entscheidung nun zwingend zugrunde legen, dass A Eigentümer der Sache ist oder dürfte es die Eigentümerstellung des A unter Umständen verneinen?
Die Umsetzung des Verhandlungsgrundsatzes erfordert also eine Unterscheidung zwischen dem Vortrag von Tatsachen und der Kundgabe von Rechtsansichten. Die h. M. unterscheidet in der Konsequenz zwischen denjenigen Begriffen, die rechtliche Beurteilungen von Tatsachen bezeichnen können („Rechtsbegriffe“) und anderen Begriffen. 4. Ergebnis Im Rahmen der nachfolgenden Untersuchung erfolgt die Zuordnung von Begriffen zu den „Rechtsbegriffen“ anhand der soeben dargelegten Kriterien von Rechtsprechung und h. L. Denn im Hinblick auf die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen ergeben sich die Notwendigkeit und folglich auch die Grundlage der Unterscheidung zwischen Rechtsbegriffsvorträgen und Tatsachenbehauptungen im Ergebnis vorwiegend aus dem Verhandlungsgrundsatz. Als „Rechtsbegriffe“ werden nachfolgend also Begriffe bezeichnet, die im juristischen Sprachgebrauch rechtliche Beurteilungen von Sachverhalten bezeichnen können. „Rechtsbegriffsbehauptungen“ sind folglich Aussagen, die Rechtsbegriffe im soeben genannten Sinn enthalten.
B. Tatsachen und Rechtsbegriffe
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III. Tatsachen- vs. Rechtsbegriffsbehauptungen Rechtsprechung und Teile der Literatur unterscheiden grundlegend zwischen Tatsachen- und Rechtsbegriffsbehauptungen (dazu unter 1.). Unterschiede bestehen jedoch nur dann, wenn Rechtsbegriffe (auch) zur Bezeichnung rechtlicher Beurteilungen gebraucht werden (dazu unter 2.). 1. Unterscheidung durch Rechtsprechung und Teile der Literatur Es wurde bereits erwähnt134, dass die Rechtsprechung zwischen Tatsachenund Rechtsbegriffsbehauptungen unterscheidet. Dies ist insbesondere den Ausführungen zu den juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen zu entnehmen. So heißt es bspw. in einem Urteil des Bundesgerichtshofs135 bezüglich des Gegenstands des Geständnisses nach § 288 ZPO: „Ob in diesem Vortrag, wie die Beklagten meinen, ein bindendes gerichtliches Geständnis im Sinne von § 288 ZPO zu sehen war, ist deshalb zweifelhaft, weil grundsätzlich nur Tatsachen Gegenstand eines Geständnisses sein können. Um einen geständnisfähigen einfachen Rechtsbegriff, der jedem Teilnehmer des Rechtsverkehrs geläufig ist […], ging es bei der Frage, ob der Liegenschaftsfonds anstelle des Landes B. für Vertragsverletzungen aus der Zeit vor dem 9. November 2000 einzustehen hatte, gerade nicht.“136
Würde der Bundesgerichtshof nicht zwischen Tatsachenbehauptungen und Behauptungen von Rechtsbegriffen unterscheiden, müsste bzw. könnte er die Geständnisfähigkeit von letzteren nicht auf die Behauptung einfacher Rechtsbegriffe, die jedem Teilnehmer des Rechtsverkehrs geläufig sind, beschränken. Denn die Geständnisfähigkeit von Tatsachen(behauptungen) ist nach dem Bundesgerichtshof nicht entsprechend beschränkt. Noch deutlicher kommt die Unterscheidung in einer anderen Entscheidung137 zum Ausdruck: „Gegenstand eines Geständnisses können nur Tatsachenbehauptungen sein, wie sich aus dem Wortlaut dieser Vorschrift [§ 288 Abs. 1 ZPO] ergibt. Es ist zwar anerkannt, daß auch Rechtsbegriffe oder Rechtsverhältnisse inhaltlich tatsächliches Vorbringen werden können, wenn sie einfach und allgemein bekannt sind […].“138
134
Oben II. 1. BGH, Urt. v. 16. 9. 2010 – IX ZR 203/08 – juris. 136 BGH, Urt. v. 16. 9. 2010 – IX ZR 203/08 – Rn. 14, zitiert nach juris. 137 BGH , Urt. v. 20. 3. 1995 – II ZR 205/94 (= BGHZ 129, 136 – 178) – juris. 138 BGH , Urt. v. 20. 3. 1995 – II ZR 205/94 (= BGHZ 129, 136 – 178) – Rn. 38, zitiert nach juris. 135
50
1. Kap.: Klärung der wesentlichen Begrifflichkeiten
Wenn Behauptungen von Rechtsbegriffen oder Rechtsverhältnissen nur unter gewissen Voraussetzungen inhaltlich zu Tatsachenbehauptungen „werden können“, müssen sie nach Ansicht des Bundesgerichtshofs eigentlich etwas anderes darstellen. Das gleiche Bild zeigt sich in Teilen der Literatur. Auch hier werden Tatsachen- und Rechtsbegriffsbehauptungen als unterschiedliche Formen des Parteivortrags angesehen. So heißt es bspw. bei von Selle139: „Tatsachen sind nach ständiger Rspr. alle konkreten, nach Raum und Zeit bestimmten, vergangenen oder gegenwärtigen Geschehnisse oder Zustände der Außenwelt und des menschlichen Seelenlebens, die das objektive Recht zur Voraussetzung einer Rechtswirkung gemacht hat […]. Rechtsbegriffe oder die Bezeichnung von Rechtsverhältnissen können allerdings nur dann als inhaltlich tatsächliches Vorbringen angesehen werden, wenn sie einfach und allgemein bekannt sind […].“
Große Teile der Literatur folgen dem Bundesgerichtshof also darin, dass Rechtsbegriffsbehauptungen nur unter Umständen als Tatsachenbehauptungen angesehen werden können. 2. Kritische Würdigung der Unterscheidung Sowohl Rechtsbegriffs- als auch Tatsachenbehauptungen enthalten Urteile des Behauptenden (dazu unter lit. a)). Die Behauptungen unterscheiden sich nur dann, wenn Rechtsbegriffe (auch) zur Bezeichnung rechtlicher Beurteilungen gebraucht werden (dazu unter lit. b)). a) Gemeinsamkeiten der Behauptungen aa) Urteilende Tätigkeit im Falle von Aussagen über Tatsachen Jede Aussage eines Menschen über Tatsachen enthält ein Urteil.140 Denn der Aussagende nimmt die Tatsachen zunächst nur durch Sinneseindrücke wahr. Anschließend verarbeitet er diese und beurteilt sie nach den Regeln, die er im Lauf seines Lebens erlernt hat. Dabei muss er stets (aber meist nur sehr gerin-
139 BeckOK ZPO/von Selle, § 138 Rn. 7 f.; in diesem Sinne u. a. auch Saenger/Saenger, ZPO, § 288 Rn. 5 f. 140 Siehe dazu in Bezug auf das Recht grundlegend Staub, JW 1886, 131 (passim), der sich am Beispiel des Parteieids intensiv mit der Grenze zwischen Tatsache und Urteil befasst und dabei eingehend erörtert hat, dass jede Aussage, die ein Mensch tätigt, ein Urteil enthält; Stein, Privates Wissen, S. 8 ff.; Kisch, in: FS Laband, S. 174; Kisch, RheinZ 12, 389 f.; Orfanidis, in: FS Ishikawa, S. 384, Schmidt, Der richterliche Eid, S. 1 ff.; Sobernheim, Das ungünstige Parteivorbringen, S. 55; Fitting, Der Reichs-Civilproceß, § 72 II. (Fn. 4); Lent, Wahrheits- und Aufklärungspflicht, S. 20.
B. Tatsachen und Rechtsbegriffe
51
ge) Gedankenarbeit leisten, auch wenn ihm selbst dies nahezu nie bewusst sein wird.141 Behauptet beispielweise ein Zeuge wahrheitsgemäß, er sei dabei gewesen, als der Kläger dem Beklagten ein Buch gegeben habe, so hat der Zeuge (in und für sich) mehrere Beurteilungen getroffen. Er hat beurteilt, dass der Gegenstand, den der Kläger dem Beklagten gegeben hatte, ein Buch ist. Ebenso hat er beurteilt, dass die Handlung des Klägers als Geben zu qualifizieren ist. Entsprechendes gilt für alle weiteren Behauptungen des Zeugen. Der Zeuge muss stets seine Sinneseindrücke unter die (alltäglichen bzw. tatsächlichen142) Obersätze subsumieren, die er im Laufe seines Lebens erlernt hat. Diese lauten im Beispiel etwa: „Ein Gegenstand, der aus gebundenen Seiten besteht, mit einem mehr oder weniger festen Einband, ist ein ‚Buch‘“ und „Entlässt eine Person etwas freiwillig aus ihren Händen in die eines anderen, ist das ein ‚Geben‘“. Die Aussage des Zeugen ebenso wie die alltäglichen Obersätze selbst ließen sich noch mehrfach aufspalten. Vorliegend ist jedoch nur die Erkenntnis entscheidend, dass ein Menschenhirn Sinneseindrücke nicht automatisch und ohne eigene Mitarbeit wiedergibt143, sondern dass jede Aussage über Tatsachen das Ergebnis von Beurteilungen des Behauptenden ist. bb) Mögliche Beurteilungen bei Rechtsbegriffsbehauptungen Im Falle von Rechtsbegriffsbehauptungen erscheint die Kundgabe einer persönlichen Beurteilung des Behauptenden offensichtlich. Denn Rechtsbegriffe im hier verstandenen Sinn bezeichnen in der Rechtssprache regelmäßig rechtliche Beurteilungen von Sachverhalten. Jede Rechtsbegriffsbehauptung scheint damit als Kundgabe einer rechtlichen Beurteilung verstanden werden zu können. Das ist jedoch in dieser Pauschalität nicht richtig. Rechtsbegriffe können zwar selbstverständlich zur Bezeichnung rechtlicher Beurteilungen gebraucht werden. A frägt den Jurastudenten B, um welchen Vertragstyp es sich handele, wenn man sein Auto zur Reparatur gebe. B antwortet: „Das ist normalerweise ein Werkvertrag“.
Wie bereits dargestellt, weisen zahlreiche Rechtsbegriffe allerdings verschiedene Bedeutungsgehalte auf. Welche Art von Beurteilung einer Rechtsbegriffsbehauptung zugrunde liegt, hängt somit davon ab, wie der Rechtsbegriff konkret 141
Stein, Privates Wissen, S. 8 f. Orfanidis, in: FS Ishikawa, S. 384. 143 Stein, Privates Wissen, S. 9. 142
52
1. Kap.: Klärung der wesentlichen Begrifflichkeiten
verwendet wird.144 Wird ein Rechtsbegriff mit seinem rechtlich-technischen Bedeutungsgehalt verwendet (eventuell auch nur entsprechend der „Parallelwertung in der Laiensphäre“), liegt der Behauptung eine rechtliche Beurteilung zugrunde. Wird ein Rechtsbegriff aber mit einem seiner anderen Bedeutungsgehalte gebraucht, liegt der Behauptung keine rechtliche, sondern eine alltägliche bzw. tatsächliche145 Beurteilung zugrunde. A erzählt B, er habe sich im Urlaub auf Mallorca ein Auto geliehen, um die Insel zu erkunden. Das hätte nur EUR 15,– am Tag gekostet. C sagt zu D: „Es ist doch nicht deine Sache, wie ich mein Leben führe.“
Im ersten Beispiel verwendet A den Begriff „geliehen“ wohl nicht, um eine (inkorrekte) rechtliche Beurteilung des Nutzungsvertrags über das Auto als Leihe nach § 598 BGB mitzuteilen. Er gebraucht den Begriff wohl eher ausschließlich, um Tatsachen zu umschreiben – nämlich, dass er sich einen Wagen organisiert hatte, den er für eine gewisse Zeit nutzen durfte. Für diese Auslegung der Aussage des A spricht die Lebenserfahrung. Der Begriff „geliehen“ wird in entsprechenden Zusammenhängen nämlich regelmäßig zur abkürzenden Umschreibung der genannten Tatsachen gebraucht (Leihwagen, Skiverleih). Eine rechtliche Beurteilung der Tatsachen liegt solchen Aussagen meist nicht zugrunde. Im zweiten Beispiel ist offensichtlich, dass C den Begriff „Sache“ nicht mit dessen rechtlichem Bedeutungsgehalt (vgl. § 90 BGB) gebraucht. Eine rechtliche Beurteilung liegt der Aussage des C damit ebenfalls nicht zugrunde. Nachdem Rechtsbegriffe nicht stets mit ihrem rechtlich-fachlichen Bedeutungsgehalt gebraucht werden, liegen Rechtsbegriffsbehauptungen auch nicht stets rechtliche Beurteilungen zugrunde. Beurteilungen enthalten die Behauptungen nach dem oben Gesagten gleichwohl in jedem Fall. Es handelt sich aber eben nicht stets um rechtliche Beurteilungen. b) Unterschiede zwischen den Behauptungen Sowohl Tatsachen- als auch Rechtsbegriffsbehauptungen enthalten Urteile des Behauptenden. Sofern Rechtsbegriffe nicht mit ihrem rechtlich-technischen Bedeutungsgehalt gebraucht werden, unterscheiden sich die in Rechtsbegriffsbehauptungen enthaltenen Urteile nicht von denjenigen in Tatsachenbehauptungen. Es handelt sich jeweils um Urteile „nur“ darüber, dass bestimmte Tatsachen vorliegen.
144 Zu den verschiedenen Beurteilungen, die einer Rechtsbegriffsbehauptung zugrunde liegen können, siehe auch Lent, Wahrheits- und Aufklärungspflicht, S. 20 ff. 145 In Anlehnung an die Begrifflichkeiten von Orfanidis, in: FS Ishikawa, S. 384.
B. Tatsachen und Rechtsbegriffe
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Wird ein Rechtsbegriff aber mit seinem spezifisch rechtlichen Bedeutungsgehalt gebraucht, enthält die entsprechende Behauptung eine juristische Beurteilung. Diese „juristischen Urteile“ unterscheiden sich dabei nicht grundlegend von den alltäglichen bzw. tatsächlichen146 Urteilen. Es handelt sich jeweils um Syllogismen147, also um aus zwei Prämissen gezogene logische Schlüsse vom Allgemeinen auf das Besondere148. Behauptet C, er möchte ein Auto kaufen, lautet der Syllogismus in etwa: Ein Auto zu kaufen, bedeutet, ein Auto gegen Zahlung von Geld zu erwerben. (Obersatz) Ich möchte ein Auto gegen Zahlung von Geld erwerben. (Untersatz) Also möchte ich ein Auto kaufen. (Schlussfolgerung)
Alltägliche und juristische Urteile unterscheiden sich allerdings durch den Obersatz des jeweiligen Syllogismus.149 Bei alltäglichen Urteilen handelt es sich um Obersätze alltäglicher Art. Bei juristischen Urteilen hingegen bilden Rechtssätze die Obersätze.150 Obersatz des juristischen Urteils: Durch den Mietvertrag [nach § 535 BGB] wird der Vermieter [u. a.] verpflichtet, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache während der Mietzeit zu gewähren. Der Mieter ist verpflichtet, dem Vermieter die vereinbarte Miete zu entrichten. Obersatz des alltäglichen Urteils: Eine Sache zu mieten, bedeutet, Geld dafür zu zahlen, dass man die Sache für eine gewisse Dauer benutzen darf. Untersatz der Syllogismen: A und B haben sich darüber geeinigt, dass A eine Sache des B gegen Zahlung von Geld für eine bestimmte Zeit nutzen darf. Schlussfolgerungen: Also hat A eine Sache von B gemietet.
146
Nachfolgend wird einheitlich die Bezeichnung „alltägliche Urteile“ verwendet. Orfanidis, in: FS Ishikawa, S. 384. 148 http://www.duden.de/rechtschreibung/Syllogismus; Stein, Privates Wissen, S. 11 bezeichnet das Urteil als „eine conclusio aus Ober- und Untersatz“. 149 Allgemein zur Abgrenzung zwischen Rechts- und Tatfrage (jeweils in Bezug auf das Revisionsrecht) siehe z. B. Henke, Die Tatfrage, S. 176 f.; ders., ZZP 81, 196 (passim). 150 Stein, Privates Wissen, S. 13; Staub, JW 1886, 131, 133; Schmidt, Der richterliche Eid, S. 1 ff.; Orfanidis, in: FS Ishikawa, S. 384. 147
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1. Kap.: Klärung der wesentlichen Begrifflichkeiten
In Bezug auf Rechtsbegriffsbehauptungen bedeutet das: ein juristisches Urteil liegt vor, wenn ein Rechtsbegriff mit seinem rechtlich-technischen Bedeutungsgehalt gebraucht wird. Ein alltägliches Urteil liegt vor, wenn ein Rechtsbegriff mit einem seinem anderen Bedeutungsgehalte verwendet wird. Die Untersätze der Syllogismen hingegen können sogar identisch sein.151 3. Ergebnis Rechtsbegriffsbehauptungen unterscheiden sich nur dann grundlegend von Tatsachenbehauptungen, wenn die Rechtsbegriffe in diesen ausschließlich zur Bezeichnung rechtlicher Wertungen gebraucht werden. Sobald die Rechtsbegriffe (auch) zur Bezeichnung von Tatsachen verwendet werden, stellen die entsprechenden Behauptungen selbst Tatsachenbehauptungen152 dar. Nachdem solche Tatsachenbehauptungen aber in einem Zivilprozess nichts stets genauso behandelt werden können wie Tatsachenbehauptungen, die keine Rechtsbegriffe enthalten, muss eine begriffliche Unterscheidung zwischen diesen beiden Formen der Tatsachenbehauptungen getroffen werden. Während Tatsachenbehauptungen, die Rechtsbegriffe enthalten, als „juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen“ bezeichnet werden153, werden Tatsachenbehauptungen, die keine Rechtsbegriffe enthalten, daher nachfolgend als „reine Tatsachenbehauptungen“ bezeichnet.
C. Juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen I. Einleitung Nachdem die Bedeutungen der Begriffe „Tatsachen(behauptung)“ und „Rechtsbegriff(sbehauptung)“ dargestellt wurden, kann nun der Begriff der „juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen“ erläutert und untersucht werden. Der Begriff „juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung“ findet sich nicht in der Zivilprozessordnung. Er wird auch in Literatur und Rechtsprechung nicht einheitlich und konsequent verwendet. Weitgehend synonym werden mitunter die Bezeichnungen „juristisch bezeichnete Tatsachen“154, „juristische Tatsachen“155,
151
Stein, Privates Wissen, S. 13. Zur Definition des Begriffs „Tatsachenbehauptung“ siehe oben I. 3. a). 153 Ausführlich hierzu siehe sogleich. 154 Hegler, Beiträge zur Lehre vom prozessualen Anerkenntnis und Verzicht, S. 269. 155 BGH, Urt. v. 6. 3. 1952 – IV ZR 45/50 = https://www.jurion.de/Urteile/ BGH/1952 – 03 – 06/IV-ZR-45_50; MüKoZPO/Prütting, ZPO, § 288 Rn. 17. 152
C. Juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen
55
„Rechtstatsachen“156 oder „juristisch gefärbte Einkleidung einer Tatsachenbehauptung“157 gebraucht. Nachdem aber gerade der Bundesgerichtshof 158 inzwischen zum Begriff „juristisch eingekleidete Tatsachen“ bzw. „Tatsachen in ihrer juristischen Einkleidung“ tendiert, soll diese Bezeichnung auch hier als Grundlage dienen. Gemäß der obigen Unterscheidung zwischen Tatsachen und Tatsachenbehauptungen159 wird jedoch konsequent die Bezeichnung „juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen“160 verwendet, weil es sich stets um Vorträge der Parteien und damit um Aussagen von Personen über Tatsachen handelt. Der Bundesgerichtshof hat den Begriff „juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen“ noch nicht ausdrücklich definiert. Die Merkmale juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen lassen sich allerdings seiner Rechtsprechung entnehmen. Diese Merkmale werden in der nachfolgenden Darstellung erläutert.
II. Die Merkmale juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen Der Bundesgerichtshof spricht von juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen, wenn die Parteien eines Zivilprozesses in ihrem Vortrag Rechtsbegriffe verwenden (dazu unter 1.), (auch) um Tatsachen darzulegen (dazu unter 2.). Dabei ist unerheblich, ob es sich um Rechtsbegriffe handelt, die auch vielen rechtlichen Laien geläufig sind (dazu unter 3.). 1. Verwendung von Rechtsbegriffen durch die Parteien Der Bundesgerichtshof gebraucht die Bezeichnung „juristisch eingekleidete Tatsachen“161 für bestimmte Formen des Parteivortrags. In Rede stehen also nur Behauptungen der Parteien. Die Bezeichnung wurde, soweit ersichtlich, noch 156 BGH, Urt. v. 19. 3. 2004 – V ZR 104/03 (= BGHZ 158, 295 – 310) – Rn. 13, zitiert nach juris; Künzl, Dispositionsmöglichkeiten, S. 365. 157 BGH, Urt. v. 25. 6. 1974 – VI ZR 18/73 – Rn. 9, zitiert nach juris (m. w. N.); Stein/ Jonas/Leipold, ZPO, § 284 Rn. 14. 158 So etwa in BGH, Urt. v. 21. 3. 2013 – VII ZR 224/12 (= BGHZ 197, 100 – 110) – Rn. 28, zitiert nach juris („Tatsachen in ihrer juristischen Einkleidung“); Urt. v. 19. 1. 2012 – IX ZR 2/11 (= BGHZ 192, 221 – 236) – Rn. 24, zitiert nach juris; Urt. v. 22. 2. 2011 – XI ZR 261/09 – Rn. 12, zitiert nach juris; Urt. v. 18. 6. 2007 – II ZR 89/06 – Rn. 16, zitiert nach juris (jeweils „juristisch eingekleidete Tatsache(n)“). 159 Siehe dazu oben B. I. 3. a). 160 Mit dieser Bezeichnung bspw. auch Orfanidis, in: FS Ishikawa, S. 394; Sobernheim, Das ungünstige Parteivorbringen, S. 53. 161 Bzw. die synonym verwendeten Bezeichnungen.
56
1. Kap.: Klärung der wesentlichen Begrifflichkeiten
nie in Bezug auf Aussagen der Gerichte selbst oder von Zeugen oder Sachverständigen verwendet. Die entsprechenden Behauptungen müssen allerdings nicht unmittelbar durch die Parteien abgegeben werden. Auch Vorträge der Prozessbevollmächtigten im Namen der Parteien können juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen darstellen.162 Juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen enthalten überdies stets Rechtsbegriffe (also Begriffe, mit denen im juristischen Sprachgebrauch rechtliche Beurteilungen von Sachverhalten bezeichnet werden können). Dabei spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob die Rechtsbegriffe in den konkreten Fällen mit ihren rechtlich-technischen Bedeutungsgehalten verwendet werden. Häufig kann nämlich schon gar nicht ohne Weiteres festgestellt werden, mit welchem Bedeutungsgehalt ein Rechtsbegriff gebraucht wird.163 Nur ausnahmsweise, wenn ein Rechtsbegriff ganz offensichtlich nicht mit seinem rechtlichen Bedeutungsgehalt gebraucht wird, scheidet eine Bezeichnung des Vortrags als „juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung“ aus (Bsp.: „Es ist nicht Sache der Klägers, die Rechte des X geltend zu machen.“) 2. Verwendung der Rechtsbegriffe, (auch) um Tatsachen darzulegen a) Einleitung und Abgrenzung Ein weiteres entscheidendes Merkmal juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen ist, dass die Parteien die Rechtsbegriffe verwenden, um Tatsachen in den Prozess einzuführen. Wie bereits erörtert wurde164, haben die Parteien die entscheidungserheblichen Tatsachen darzulegen. Sie müssen dem Gericht also erzählen, was in tatsächlicher Hinsicht passiert ist. Grundsätzlich tun sie dies durch reine Tatsachenbehauptungen, also durch Aussagen über Tatsachen, die keine Rechtsbegriffe enthalten. A verklagt B auf Kaufpreiszahlung. In der Klageschrift behauptet A, B habe zu ihm gesagt „Ich möchte dein Fahrrad haben. Ich würde dir dafür EUR 100,00 geben.“ A habe entgegnet: „Okay, ich bringe es dir morgen vorbei. Dann gibst du mir das Geld.“ Dieser Vortrag besteht ausschließlich aus reinen Tatsachenbehauptungen, weil A nur von der Vergangenheit angehörigen Geschehnissen der Außenwelt erzählt, ohne dabei Rechtsbegriffe zu verwenden.
162 So etwa in BGH, Urt. v. 19. 3. 2004 – V ZR 104/03 (= BGHZ 158, 295 – 310) – Rn. 13, zitiert nach juris. 163 Näher dazu unten 2. c). 164 Oben A. II. 1.
C. Juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen
57
Im Optimalfall besteht der Tatsachenvortrag der Parteien ausschließlich aus reinen Tatsachenbehauptungen. Dann kann das Gericht den Vortrag frei von jeder eigenen Wertung der Parteien rechtlich würdigen. Die Parteien verwenden aber aus verschiedenen Gründen regelmäßig auch Rechtsbegriffe, wenn sie dem Gericht den Sachverhalt mitteilen. Dabei sollen diejenigen Fälle außer Betracht bleiben, in denen sich nur deshalb Rechtsbegriffe im Rahmen des Sachvortrags finden, weil die Parteien ihren Tatsachenvortrag nicht ordentlich von ihren Rechtsausführungen trennen.165 A verklagt B auf Kaufpreiszahlung. In der Klageschrift erklärt A, er habe B eine Sache „verkauft“. B hätte dabei erklärt, „[…]“, A habe entgegnet „[…]“. Deshalb bestehe ein Anspruch aus § 433 Abs. 2 BGB. B stünden keinerlei Einreden zu, weil er (A) dem B bereits das „Eigentum“ verschafft habe. Er (A) hätte dem B die Sache am 1.1. gegeben und so weiter.
Die Rechtsbegriffe werden hier nicht verwendet, um die entscheidungserheblichen Tatsachen in den Prozess einzuführen. Der Tatsachenvortrag erfolgt vielmehr (zumindest weit überwiegend) durch reine Tatsachenbehauptungen. Die Rechtsbegriffe werden hingegen zur Bezeichnung rechtlicher Wertungen des Geschehenen gebraucht. Tatsachenvortrag und rechtliche Würdigung werden aber derart durcheinander geworfen, dass keine klare Trennung zwischen beidem möglich ist. Diese Form der parteilichen bzw. anwaltlichen Nachlässigkeit ist lästig und bereitet den Gerichten häufig Probleme. Es handelt sich bei entsprechenden Vorträgen aber nicht um juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen. b) Konkretisierung Wie sich schon aus der Bezeichnung ergibt, handelt es sich bei juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen um Fälle, in denen Tatsachenbehauptungen juristisch, namentlich durch Rechtsbegriffe, „eingekleidet“ werden. Im Gegensatz zu den gerade genannten Fällen finden sich im Parteivortrag also nicht reine Tatsachenbehauptungen bezüglich jeder entscheidungserheblichen Tatsache und zusätzlich Rechtsbegriffe, die eine rechtliche Wertung des Tatsachenvortrags ausdrücken. Charakteristisch für juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen ist vielmehr, dass die in ihnen enthaltenen Rechtsbegriffe selbst und unmittelbar bestimmte Tatsachen in den Prozess einführen sollen. A verklagt B auf Kaufpreiszahlung. A trägt in der Klageschrift keine Einzeltatsachen zum Vertragsschluss vor. A behauptet nur, er habe B sein Fahrrad „verkauft“ oder zwischen ihm und B sei ein „Kaufvertrag“ zustande gekommen. Die Begriffe 165
Zu dieser Problematik siehe bspw. Gaier, ZRP 2015, 101.
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1. Kap.: Klärung der wesentlichen Begrifflichkeiten
„verkauft“ bzw. „Kaufvertrag“ ersetzen hier den Tatsachenvortrag zum Vertragsschluss. A verklagt B auf Herausgabe eines Pkw. In der Klageschrift behauptet A, er sei „Eigentümer“ des Wagens. Er trägt keine Tatsachen vor, aus denen sich sein Eigentumserwerb ergibt. Hier ersetzt der Begriff „Eigentümer“ den Tatsachenvortrag zur tatsächlichen Beziehung des A zum streitgegenständlichen Pkw.
Die Rechtsbegriffe drücken in diesen Fällen also nicht (nur) eine rechtliche Wertung des Sachverhalts aus. Sie dienen vielmehr selbst dem Tatsachenvortrag. c) Anhaltspunkte zur Bestimmung, mit welchem Zweck Rechtsbegriffe gebraucht werden Juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen liegen nach dem soeben Aufgezeigten nur vor, wenn Rechtsbegriffe (auch) zur Tatsachenumschreibung gebraucht werden. Rechtsbegriffe können allerdings auch ausschließlich zur Bezeichnung einer rechtlichen Würdigung von Tatsachen verwendet werden. Daher müsste theoretisch in jedem Einzelfall festgestellt werden, mit welchem Zweck der vorgetragene Rechtsbegriff konkret gebraucht wurde, um eine Qualifizierung der Behauptung als juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung zu ermöglichen. Fraglich ist allerdings, wie die entsprechende Feststellung getroffen werden soll. Denn den Zweck, mit dem ein Rechtsbegriff gebraucht wird, kennt nur der den Rechtsbegriff Verwendende selbst. Eine sichere Feststellung des Zwecks könnte daher nur durch eine entsprechende Nachfrage, im Zweifel durch das Gericht, erreicht werden. Dies würde die Grenzen richterlicher Aufklärungspflicht aber offensichtlich sprengen. Möglich und unbedingt nötig ist aber zumindest die Formulierung einiger Grundregeln, welche Anhaltspunkte regelmäßig für welchen Zweck der Begriffsverwendung sprechen. aa) „Isolierter“ Vortrag eines Rechtsbegriffs Führt eine Partei die Tatsachen, die einem Tatbestandsmerkmal zugrunde liegen, nicht durch reine Tatsachenbehauptungen in den Prozess ein, sondern trägt sie ausschließlich („isoliert“) den entsprechenden Rechtsbegriff vor, wird regelmäßig davon auszugehen sein, dass die Partei den Rechtsbegriff (auch) zur Tatsachenumschreibung gebraucht. A verklagt B auf Kaufpreiszahlung. Hinsichtlich des Zustandekommens des Vertrages trägt A in der Klageschrift ausschließlich vor: „Mit Vertrag vom 8. 5. 2015 verkaufte der Kläger dem Beklagten einen DVD-Player für EUR 200,00.“
C. Juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen
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Auch hier kann zwar selbstverständlich nicht mit letzter Sicherheit festgestellt werden, mit welcher Absicht A den Begriff „verkaufte“ verwendet hat. Für die Annahme einer Absicht des A, Tatsachen in den Prozess einzuführen, spricht aber zunächst die Lebenserfahrung. Denn die Parteien wissen grundsätzlich, dass sie dem Gericht den Sachverhalt mitteilen müssen, den das Gericht seiner Entscheidung zugrunde legen soll. Auch rechtlichen Laien ist klar, dass das Gericht den Sachverhalt nicht selbst miterlebt hat und deshalb ihrer Informationen über die Tatsachen bedarf. A hat hier keine reinen Tatsachenbehauptungen gebraucht, um dem Gericht den Vertragsschluss mitzuteilen. Daher spricht einiges dafür, dass A das Vorliegen der entsprechenden Willenserklärungen von ihm und B durch den Begriff „verkaufte“ abkürzend umschreiben wollte. Dabei ist auch zu beachten, dass es sich bei den isoliert vorgetragenen Rechtsbegriffen häufig um solche handeln wird, die den Parteien aus dem alltäglichen Leben („Kauf“, „Miete“, „Eigentum“, „Vertrag“, „Angebot“ usw.) oder aufgrund ihrer besonderen Sachkunde bekannt sind (z. B. Handelsleute – „Kommanditist“, Steuerberater – „Sanierungsabsicht“ usw.). Den Parteien wird daher beim Vortrag dieser Begriffe häufig gar nicht bewusst sein, dass sie gerade einen Rechtsbegriff verwenden. Sie werden die Begriffe eben vielmehr wie im (Berufs-)Alltag zur abkürzenden Umschreibung bestimmter Tatsachen gebrauchen. Diese Auslegung dient schließlich auch der Prozessökonomie. So obliegt es den Parteien zwar nach dem Verhandlungsgrundsatz, die entscheidungserheblichen Tatsachen in den Prozess einzuführen. A hätte seine Darlegungslast daher grundsätzlich nicht erfüllt, wenn seine Rechtsbegriffsbehauptung ausschließlich als Kundgabe einer rechtlichen Würdigung gewertet würde. Seine Klage könnte aber dennoch nicht aus diesem Grund abgewiesen werden. Das Gericht müsste A vielmehr zunächst auf die Lückenhaftigkeit seines Vortrags hinweisen und ihn zur Darlegung der entsprechenden Tatsachen auffordern (§ 139 ZPO).166 Angesichts der Vielzahl der Rechtsbegriffe, welche die Parteien verwenden, würde es die Gerichte aber völlig überlasten, wenn sie die Parteien in solchen Fällen stets zur Tatsachendarlegung auffordern müssten. Die Umstände des Einzelfalls können dabei selbstverständlich auch zu einer anderen Interpretation des Parteivortrags führen. Dann muss das Gericht seiner Aufklärungs- und Hinweispflicht nach § 139 ZPO nachkommen. Grundsätzlich sprechen aber gute Gründe dafür, die isolierte Nennung eines Rechtsbegriffs im Rahmen der Sachverhaltsdarlegung als Tatsachenvortrag zu werten.
166
Näher dazu siehe oben A. II. 2.
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1. Kap.: Klärung der wesentlichen Begrifflichkeiten
bb) Vortrag eines Rechtsbegriffs zusätzlich zur Darlegung des entsprechenden Sachverhalts Der Vortrag eines Rechtsbegriffs wird regelmäßig ausschließlich der Bezeichnung einer rechtlichen Beurteilung dienen, wenn die behauptende Partei den Rechtsbegriff zusätzlich zu dem Sachverhalt vorträgt, dessen rechtliche Beurteilung mit dem Rechtsbegriff bezeichnet wird. A verklagt B auf Herausgabe eines Fahrrads. In der Klageschrift behauptet A unter anderem: „Der Kläger ist Eigentümer des Fahrrads. Denn der Kläger hat das Fahrrad am 12. 3. 2015 von dem Fahrradhändler Herrn X erworben. Beweis: Zeugnis des Herrn X, wohnhaft in (…).“
A gebraucht den Rechtsbegriff „Eigentümer“ hier offensichtlich nicht, um die Tatsachen, aus denen sich seine Eigentümerstellung ergeben soll, in den Prozess einzuführen. Diese Tatsachen legt A nämlich ausdrücklich – (vorwiegend) durch reine Tatsachenbehauptungen – dar. Anders kann der Fall liegen, wenn die behauptende Partei den Rechtsbegriff offensichtlich falsch versteht. Im vorherigen Fall erläutert A seinen Eigentumserwerb in der Klageschrift nicht. Bezüglich des Tatbestandsmerkmals „Eigentümer“ (vgl. § 985 BGB) trägt er ausschließlich vor, dass er Eigentümer des Fahrrads sei. Hinsichtlich des Besitzes des B trägt A allerdings Folgendes vor: „Der Kläger hatte C erlaubt, sein Fahrrad ein paar Tage zu gebrauchen. Der Kläger hatte es zu dieser Zeit nicht benötigt. C hat das Fahrrad nach Wissen des Klägers dann aber einfach für EUR 100,– an den Beklagten verkauft. Der Beklagte wusste natürlich nicht, dass das Rad nicht C gehört. Der Kläger geht davon aus, dass sich das Rad auch jetzt noch beim Beklagten befindet.“
Auch hier trägt A einen Rechtsbegriff („Eigentümer“) zusätzlich zu dem Sachverhalt vor, dessen rechtliche Würdigung mit dem Rechtsbegriff bezeichnet wird. Dies erkennt A jedoch nicht. Denn er versteht offensichtlich nicht, dass sich aus seinem Vortrag zum Besitz des B ergibt, dass B auch Eigentümer des Fahrrads geworden ist. A gebraucht den Rechtsbegriff „Eigentümer“ daher wohl nicht ausschließlich, um eine rechtliche Beurteilung zu bezeichnen. Nachdem A den Rechtsbegriff seiner Ansicht nach verwendet, ohne entsprechenden Tatsachenvortrag bezüglich einer Eigentümerstellung zu liefern, muss in diesem Fall davon ausgegangen werden, dass A mit dem Rechtsbegriff (auch) Tatsachen in den Prozess einführen wollte. Diesbezüglich gelten die zuvor dargestellten Grundsätze.
C. Juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen
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3. Irrelevanz der „Geläufigkeit“ der Rechtsbegriffe Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wirft abschließend noch die Frage auf, ob die verwendeten Rechtsbegriffe bestimmte Eigenschaften aufweisen müssen. Die Mehrzahl der Entscheidungen spricht dafür, jede Behauptung eines Rechtsbegriffs zur Tatsachendarlegung als juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung zu bezeichnen (dazu unter lit. a)). Einige Entscheidungen ließen sich aber auch in dem Sinne interpretieren, dass juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen nur dann vorliegen, wenn die verwendeten Rechtsbegriffe einfach und allgemein bekannt bzw. jedem Teilnehmer des Rechtsverkehrs geläufig sind (dazu unter lit. b)). Im Ergebnis sprechen die besseren Gründe dafür, jedwede Behauptung von Rechtsbegriffen zur Tatsachendarlegung als juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung zu bezeichnen (dazu unter lit. c)). a) Entscheidungen, die für die Irrelevanz der „Geläufigkeit“ sprechen Die Mehrheit der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs spricht dafür, jede parteiliche Verwendung eines Rechtsbegriffs zur Umschreibung von Tatsachen als juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung zu bezeichnen. So heißt es in der Entscheidung BGH, Urt. v. 21. 3. 2013 – VII ZR 224/12167: „Bei der Nebenberuflichkeit handelt es sich nicht um eine Tatsache im Sinne dieser Vorschrift [§ 288 Abs. 1 ZPO], sondern um einen Rechtsbegriff. Die Rechtsprechung stellt tatsächlichen Umständen zwar Tatsachen in ihrer juristischen Einkleidung gleich, wenn dies durch einen einfachen Rechtsbegriff geschieht, der jedem Teilnehmer des Rechtsverkehrs geläufig ist […] So liegt es hier jedoch nicht.“168
Aus dieser Formulierung ergibt sich, dass die Verwendung einfacher und jedem Teilnehmer des Rechtsverkehrs geläufiger Rechtsbegriffe kein konstitutives Merkmal der juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen ist. Denn der Bundesgerichtshof unterscheidet zwischen zwei Momenten: dem Vorliegen einer juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptung und deren Gleichstellung mit reinen Tatsachenbehauptungen. Nur letztere hänge dabei von der Verwendung einfacher und jedem Teilnehmer des Rechtsverkehrs geläufiger Rechtsbegriffe ab. „Die Rechtsprechung stellt […] gleich, wenn dies durch einen einfachen Rechtsbegriff geschieht, der jedem Teilnehmer des Rechtsverkehrs geläufig ist […].“169
Noch deutlicher kommt die Unterscheidung zwischen den zwei Momenten in der Entscheidung BGH, Urt. v. 31. 10. 2001 – XII ZR 292/99170 zum Ausdruck: 167
– juris (= BGHZ 197, 100 – 110). BGH, Urt. v. 21. 3. 2013 – VII ZR 224/12 (= BGHZ 197, 100 – 110) – Rn. 28, zitiert nach juris. 169 Hervorhebung nicht im Original. 170 – juris. 168
62
1. Kap.: Klärung der wesentlichen Begrifflichkeiten
„Gegenstand eines Geständnisses im Sinne von § 288 ZPO können nur Tatsachen sein, gegebenenfalls auch in Form einer juristischen Einkleidung [1. Vorliegen einer juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptung], soweit es sich um einfache, jedem Teilnehmer im Rechtsverkehr gebräuchliche Rechtsbegriffe handelt [2. Geständnisfähigkeit der juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptung, wenn der vorgetragene Rechtsbegriff einfach und jedem Teilnehmer im Rechtsverkehr gebräuchlich ist] […].“171
Auch nach dieser Entscheidung können Vorträge von Rechtsbegriffen, die nicht einfach und jedem Teilnehmer im Rechtsverkehr gebräuchlich sind, als juristische Einkleidungen von Tatsachenbehauptungen bezeichnet werden. Andernfalls wäre es überflüssig, die Geständnisfähigkeit juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen ausdrücklich von der Verwendung einfacher und jedem Teilnehmer im Rechtsverkehr gebräuchlicher Rechtsbegriffe abhängig zu machen. Denn diese Voraussetzung wäre ohnehin stets erfüllt, wenn die Verwendung entsprechender Rechtsbegriffe schon konstitutives Merkmal juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen wäre. Juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen wären dann stets geständnisfähig. Die zitierten Entscheidungen sprechen dafür, jede parteiliche Umschreibung von Tatsachen durch Rechtsbegriffe als „juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung“ zu bezeichnen. Allein die Gleichstellung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen mit reinen Tatsachenbehauptungen hänge davon ab, ob einfache und jedem Teilnehmer im Rechtsverkehr gebräuchliche Rechtsbegriffe verwendet werden. b) Entscheidungen, nach denen die „Geläufigkeit“ ein konstitutives Merkmal sein könnte Dem soeben dargelegten Verständnis der Rechtsprechung widersprechen allerdings andere Entscheidungen des Bundesgerichtshofs. So heißt es bspw. in BGH, Urt. v. 18. 6. 2007 – II ZR 89/06172: „Gegenstand eines Geständnisses können zunächst Tatsachen sein, zu denen auch innere Tatsachen wie eine Willensrichtung gehören. Einem Geständnis zugänglich sind darüber hinaus auch juristisch eingekleidete Tatsachen173 […].“174
Der Bundesgerichtshof bezeichnet juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen hier als einem Geständnis zugänglich. Die Geständnisfähigkeit setzt dabei voraus, dass die Behauptungen als Tatsachenvortrag gewertet werden. Denn nach dem Wortlaut des § 288 Abs. 1 ZPO sind nur Tatsachen (bzw. Tatsachen171
BGH, Urt. v. 31. 10. 2001 – XII ZR 292/99 – Rn. 13, zitiert nach juris. – juris. 173 Hervorhebung nicht im Original. 174 BGH, Urt. v. 18. 6. 2007 – II ZR 89/06 – Rn. 16, zitiert nach juris. 172
C. Juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen
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behauptungen) geständnisfähig. Voraussetzung dieser Wertung solle nach den oben zitierten Entscheidungen die Einkleidung der Tatsachenbehauptungen in einfache und allgemein bekannte175 bzw. jedem Teilnehmer im Rechtsverkehr gebräuchliche/geläufige Rechtsbegriffe sein. Diese Voraussetzung erwähnt der Bundesgerichtshof hier jedoch nicht. Genauso verhält es sich in der Entscheidung BGH, Urt. v. 6. 10. 2005 – III ZR 367/04176. Auch dort finden sich keine Hinweise auf eine Beschränkung der Geständnisfähigkeit juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen: „Das Geständnis nach § 288 Abs. 1 ZPO muss eine Tatsache betreffen. Dazu sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs indessen auch juristisch eingekleidete Tatsachen zu zählen, wie etwa der Vortrag, wer Vertragspartei geworden sei […].“177
Es sind grundsätzlich nur zwei Alternativen denkbar, warum die erkennenden Senate die Gleichstellung juristisch eingekleideter und reiner Tatsachenbehauptungen nicht ausdrücklich von der Verwendung einfacher und allgemein bekannter Rechtsbegriffe abhängig machen. Entweder waren die Senate davon ausgegangen, dass die entsprechende Gleichstellung unabhängig von der Verwendung einfacher und allgemein bekannter Rechtsbegriffe erfolgen könne. Oder den Entscheidungen lag ein anderes Verständnis des Begriffs der „juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen“ zugrunde. Ersteres kann dabei mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Die Gleichstellung juristisch eingekleideter und reiner Tatsachenbehauptungen durch den Bundesgerichtshof beruht nämlich auf der Erwägung, dass die Parteien eine Vorstellung von der Bedeutung der verwendeten Rechtsbegriffe besäßen und sie deshalb „korrekt“ gebrauchen.178 Da die Parteien normalerweise keine Rechtskenntnisse besitzen, wird ihnen das entsprechende Begriffsverständnis aber nur bezüglich bestimmter Begriffe zugetraut. Nämlich bezüglich solcher Rechtsbegriffe, die der Bundesgerichtshof als einfach und allgemein bekannt bezeichnet. Auch die erkennenden Senate werden den Parteien kaum zutrauen, die Bedeutung sämtlicher Rechtsbegriffe zu verstehen. Die Gleichstellung jedweder Rechtsbegriffsbehauptung zur Tatsachenumschreibung mit reinen Tatsachenbehauptungen hätte daher eine besondere, anders gelagerte Begründung erfordert. Denn sie wäre nicht mit der Argumentation aus den früheren Entscheidungen zu den 175 Der Bundesgerichtshof spricht häufig von allgemein bekannten Rechtsbegriffen anstelle von jedem Teilnehmer im Rechtsverkehr gebräuchlichen/geläufigen Rechtsbegriffen. Inhaltliche Unterschiede bestehen dabei offensichtlich nicht. Zur besseren Lesbarkeit wird nachfolgend ebenfalls die kürzere Formulierung allgemein bekannte Rechtsbegriffe verwendet. 176 – juris. 177 BGH, Urt. v. 6. 10. 2005 – III ZR 367/04 – Rn. 20, zitiert nach juris. 178 Näher zum Ganzen unten im 2. Kapitel A. III. 1.
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1. Kap.: Klärung der wesentlichen Begrifflichkeiten
juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen zu rechtfertigen gewesen. Eine entsprechende Begründung ist aber nicht erfolgt. Um die Geständnisfähigkeit juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen zu belegen, zitiert BGH, Urt. v. 18. 6. 2007 – II ZR 89/06179 vielmehr ausdrücklich eine frühere Entscheidung des Bundesgerichtshofs180, nach der die Gleichstellung mit reinen Tatsachenbehauptungen von der Verwendung einfacher und allgemein bekannter Rechtsbegriffe abhänge. Eine Ausweitung der Gleichstellung gegenüber der früheren Rechtsprechung war daher offensichtlich nicht beabsichtigt. Dafür spricht schließlich auch, dass die Gleichstellung in zwei nachfolgenden Entscheidungen181 wieder ausdrücklich von der Verwendung einfacher und allgemein bekannter Rechtsbegriffe abhängig gemacht wurde, ohne dass dabei auf die erörterten Entscheidungen eingegangen wurde. Letztere werden also auch von der Rechtsprechung selbst nicht in dem Sinn verstanden, dass sie die Gleichstellung jedweder Rechtsbegriffsbehauptung zur Tatsachenumschreibung mit reinen Tatsachenbehauptungen postulieren wollten. Es muss somit davon ausgegangen werden, dass die erkennenden Senate den Begriff der „juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen“ in einem engeren Sinn als die zuvor erörterten Entscheidungen verstanden haben. Sie haben den Begriff offensichtlich zur Bezeichnung nur solcher Parteivorträge verwendet, in denen Tatsachen durch einfache und allgemein bekannte Rechtsbegriffe umschrieben werden. Deshalb konnten juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen insgesamt als einem Geständnis zugänglich bezeichnet werden, ohne dass sich daraus eine Abweichung von der früheren Rechtsprechung ergäbe. c) Fazit In der Rechtsprechung variiert also die Bedeutung, genauer gesagt die „Weite“, mit welcher der Begriff „juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen“ gebraucht wird. Ähnlich verhält es sich in der Literatur.182 Auch hier werden teilweise sämtliche Rechtsbegriffsbehauptungen, die Tatsachen umschreiben sollen, als juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen bezeichnet.183 Teilweise wird 179
– Rn. 16, zitiert nach juris. BGH, Urt. v. 4. 11. 1991 – II ZR 26/91 – Rn. 8, zitiert nach juris. 181 BGH 16. 9. 2010 – IX ZR 203/08 – Rn. 14, zitiert nach juris; Urt. v. 21. 3. 2013 – VII ZR 224/12 (= BGHZ 197, 100 – 110) – Rn. 28, zitiert nach juris. 182 Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass in Rechtsprechung und Literatur verschiedene Begriffe synonym zum Begriff „juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen“ verwendet werden. Zur Vereinfachung der Darstellung wird nachfolgend aber ausschließlich der Begriff „juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen“ gebraucht. 183 So etwa bei Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 288 Rn. 6; wohl auch bei Musielak/Voit/ Huber, ZPO, § 288 Rn. 4; unklar bei MüKoZPO/Prütting, ZPO, § 288 Rn. 17. 180
C. Juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen
65
der Begriff aber auch nur für Vorträge verwendet, in denen Tatsachen durch einfache und allgemein bekannte Rechtsbegriffe umschrieben werden.184 Dies erschwert die Untersuchung der entsprechenden Ausführungen, weil stets geprüft werden muss, auf welche Parteivorträge sie sich beziehen. Deshalb soll der Begriff zumindest im Rahmen dieser Arbeit mit einheitlicher Bedeutung verwendet werden. Die besseren Gründe sprechen dabei dafür, sämtliche Rechtsbegriffsbehauptungen, mit denen die Parteien Tatsachen umschreiben, als juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen zu bezeichnen: Für das enge Begriffsverständnis spräche zwar, dass die Bezeichnung vieler Rechtsbegriffsbehauptungen als juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen ein wenig seltsam anmutet. Dies gilt insbesondere für Rechtsbegriffe, deren genaue Bedeutungen rechtlichen Laien üblicherweise nicht bekannt sind („Reallast“, „Geschäftsbesorgungsvertrag“, „beschränkt persönliche Dienstbarkeit“ u.ä.). Parteiliche Vorträge solcher Begriffe scheinen keine „Einkleidungen“ von Tatsachenbehauptungen sein zu können, weil instinktiv davon ausgegangen wird, dass die Parteien gar nicht wüssten, welche Tatsachen hinter diesen Begriffen stehen. Daher scheinen die Parteien die Begriffe auch nicht zur Umschreibung von Tatsachenkomplexen verwenden zu können. Es darf allerdings nicht übersehen werden, dass die Verwendung solcher Rechtsbegriffe gerade zur Tatsachenumschreibung durchaus möglich ist185 und auch praktiziert wird. Manche Parteien besitzen eben doch die entsprechenden Rechtskenntnisse oder meinen zumindest, diese zu besitzen. Deshalb können auch solche Rechtsbegriffe zur „Einkleidung“ von Tatsachenbehauptungen gebraucht werden.186 Die Beschränkung des Begriffs „juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen“ auf Behauptungen einfacher und allgemein bekannter Rechtsbegriffe hätte schließlich noch für sich, dass eine Bezeichnung gerade für diejenigen Rechtsbegriffsbehauptungen gegeben wäre, die den reinen Tatsachenbehauptungen durch die h. M. gleichgestellt werden. Es würde eine Bezeichnung gerade für diejenigen Vorträge existieren, die eine spezielle, vom Normalfall abweichende Behandlung erfahren.187 Eine solche Beschränkung ist dennoch nicht sinnvoll möglich. Denn die von Rechtsprechung und herrschender Lehre postulierten Kriterien würden keine sichere Zuordnung von Rechtsbegriffsbehauptungen zu den juristisch eingekleide184 So etwa bei BeckOK ZPO/Bacher, § 288 Rn. 4; Saenger/Saenger, ZPO, § 288 Rn. 6; Zöller/Greger, ZPO, § 138 Rn. 11a. 185 Siehe dazu bspw. auch Braun, Lehrbuch des Zivilprozeßrechts, § 32 II. 1. a). 186 Es ist eine andere, von der Begriffsbildung zu trennende Frage, wie mit solchen Behauptungen umgegangen wird. 187 Dies wird wohl auch der Grund dafür sein, dass Teile der Rechtsprechung und der Literatur (zumindest zeitweise) zu dem engen Begriffsverständnis übergegangen sind.
66
1. Kap.: Klärung der wesentlichen Begrifflichkeiten
ten Tatsachenbehauptungen in einem solch engen Sinn ermöglichen.188 Zunächst ist unklar, welche Rechtsbegriffe allgemein bekannt bzw. jedem Teilnehmer des Rechtsverkehrs geläufig sein sollen. Kein Rechtsbegriff erfüllt diese Kriterien wirklich, wenn sie beim Wort genommen werden. Zur Allgemeinheit und zu den Teilnehmern des Rechtsverkehrs gehören nämlich u. a. auch (Klein-)Kinder, Altersdemente, Menschen mit geistigen Behinderungen und weitere Personengruppen, die nahezu überhaupt keine Rechtsbegriffe (mehr) kennen. Dementsprechend werden die Kriterien von der h. M. auch nicht wörtlich genommen, sondern nur sinngemäß angewendet.189 Voraussetzung einer solch sinngemäßen Anwendung – entsprechend der h. M. – ist aber das Verständnis, unter welchen Gesichtspunkten die h. M. die Kriterien auslegt, und damit das Verständnis der Gesamtproblematik. Fehlt dieses Verständnis, werden die Kriterien evtl. nicht in derselben Weise ausgelegt wie von der h. M. Das entsprechende Verständnis ist jedoch nicht bei allen Rechtsanwendern gegeben. Daher darf die Definition des Begriffs der „juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen“ dieses Verständnis auch nicht voraussetzen. Im Übrigen bleibt es – unabhängig von der Auslegung der Kriterien – eine Wertungsfrage, ob ein Rechtsbegriff allgemein bekannt bzw. jedem Teilnehmer des Rechtsverkehrs geläufig ist. Ein Rechtsbegriff, der für den einen allgemein bekannt erscheint, tut es für den anderen nicht. Es fehlt an einem hinreichend anerkannten Maßstab, anhand dessen die allgemeine Bekanntheit beurteilt werden könnte. Aus demselben Grund darf auch die Einfachheit der verwendeten Rechtsbegriffe kein konstitutives Merkmal juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen bilden. Die Einfachheit von Rechtsbegriffen bzw. von rechtlichen Beurteilungen wird von verschiedenen Personen naturgemäß unterschiedlich beurteilt. Auch dieses Kriterium würde daher keine sichere Zuordnung von Parteivorträgen zu den juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen ermöglichen. Während einige Personen bestimmte Rechtsbegriffsbehauptungen zu den juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen zählen würden, weil sie die verwendeten Rechtsbegriffe als einfach qualifizieren, würden andere gegensätzlich verfahren. Keines von beidem wäre wirklich falsch. Denn es existieren keine objektiven Kriterien, um die Einfachheit eines Rechtsbegriffs zu bestimmen. Dementsprechend wäre für jeden nicht explizit erörterten Rechtsbegriff unklar, ob seine Verwendung zur Tatsachenumschreibung eine juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung darstellt oder nicht. Damit wäre ebenfalls unklar, ob 188 Insgesamt zur Kritik an den Kriterien der h. M. siehe unten im 2. Kapitel A. III. 2. b) aa). 189 Zur Auslegung der von der h. M. postulierten Kriterien siehe unten im 2. Kapitel A. III. 1. c) bb).
D. Präjudizielle Rechtsverhältnisse
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die nachfolgenden Ausführungen zur Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen auch für diesen Rechtsbegriff gelten. Dies widerspräche dem Zweck einer Begriffsdefinition. Die Einfachheit und die allgemeine Bekanntheit eines Rechtsbegriffs dürfen deshalb keinen Einfluss darauf haben, ob die Verwendung des Rechtsbegriffs zur Tatsachenumschreibung als juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung zu qualifizieren ist. Der Begriff „juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen“ wird daher nachfolgend in einem weiten Sinn verstanden – als Bezeichnung für sämtliche Rechtsbegriffsbehauptungen, mit denen die Parteien Tatsachen umschreiben.
III. Definition der „juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen“ Aufgrund der beschriebenen Merkmale lässt sich der Begriff „juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen“ wie folgt definieren: „Juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen“ sind Behauptungen der Parteien eines Zivilprozesses, die Rechtsbegriffe enthalten, welche die Parteien (auch) zur Darlegung von Tatsachen gebrauchen.
D. Präjudizielle Rechtsverhältnisse Die Behandlung der Behauptungen präjudizieller Rechtsverhältnisse kann sich auf die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen auswirken (dazu unter I.). Unter präjudiziellen Rechtsverhältnissen sind dabei Rechtsverhältnisse zu verstehen, von deren Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung eines Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt (dazu unter II.).
I. Die Bedeutung präjudizieller Rechtsverhältnisse für die vorliegende Arbeit Nach drei relativ jungen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs190 können parteiliche Behauptungen bzgl. des Bestehens präjudizieller Rechtsverhältnisse
190 BGH, VU v. 16. 7. 2003 – XII ZR 100/00 – Rn. 18, zitiert nach juris; Urt. v. 4. 4. 2006 – X ZR 155/03 (= BGHZ 167, 118 – 139) – Rn. 28, zitiert nach juris; VU v. 30. 4. 2015 – IX ZR 1/13 – Rn. 15, zitiert nach juris.
68
1. Kap.: Klärung der wesentlichen Begrifflichkeiten
Gegenstand eines Geständnisses nach § 288 ZPO sein.191 Behauptungen bzgl. des Bestehens präjudizieller Rechtsverhältnisse enthalten dabei ebenso wie juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen stets Rechtsbegriffe. Denn präjudizielle Rechtsverhältnisse werden mit Rechtsbegriffen bezeichnet. Teilweise sind Behauptungen bzgl. des Bestehens präjudizieller Rechtsverhältnisse „rein äußerlich“ überhaupt nicht von juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen zu unterscheiden.192 Die Behandlung entsprechender Behauptungen kann daher unter Umständen auch Einfluss auf die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen haben. Unter Umständen wird nämlich die Geständnisfähigkeit einer juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptung bejaht, weil der Parteivortrag fälschlicherweise als eine Behauptung bzgl. des Bestehens eines präjudiziellen Rechtsverhältnisses verstanden wird.193 Daher wird auch der Begriff des „präjudiziellen Rechtsverhältnisses“ nachfolgend kurz erläutert.
II. Definition des Begriffs „präjudizielle Rechtsverhältnisse“ Präjudizielle Rechtsverhältnisse sind Rechtsverhältnisse, von deren Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung eines Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, § 256 Abs. 2 ZPO. Es muss also ein Rechtsverhältnis vorliegen (dazu unter 1.), das für die Entscheidung eines Rechtsstreits vorgreiflich ist (dazu unter 2.). 1. „Rechtsverhältnisse“ im Sinne des § 256 Abs. 2 ZPO a) Definition der „Rechtsverhältnisse“ im Sinne des § 256 ZPO Der Bundesgerichtshof definiert „Rechtsverhältnisse“ i. S. d. § 256 ZPO als die „aus einem konkreten Lebenssachverhalt entstandenen Rechtsbeziehungen von Personen zu Personen oder von Personen zu Sachen“194 oder auch als eine „bestimmte, rechtlich geregelte Beziehung einer Person zu einer anderen Person
191 In der Literatur wird diese Ansicht z. B. vertreten von: Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 288 Rn. 12; Saenger/Saenger, ZPO, § 288 Rn. 6; BeckOK ZPO/Bacher, § 288 Rn. 4; MüKoZPO/Prütting, ZPO, § 288 Rn. 17, 18, wenn auch mit fragwürdiger Begründung; unklar Musielak/Voit/Huber, ZPO, § 288 Rn. 4 aufgrund der Einschränkung: „wenn es sich um einen Tatsachenkomplex in seiner juristischen Zusammenfassung handelt“. 192 Näher dazu unten E. 193 Ausführlich dazu siehe unten im 2. Kapitel C. II. 1. a) bb) (4) und a. a. O. 2. a) bb) (2). 194 BGH, Urt. v. 5. 5. 2011 – VII ZR 179/10 – Rn. 19, zitiert nach juris; Urt. v. 4. 5. 1984 – V ZR 27/83 – Rn. 21, zitiert nach juris (beide zu § 256 Abs. 2 ZPO).
D. Präjudizielle Rechtsverhältnisse
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oder einer Person zu einer Sache“195. Die Literatur schließt sich der Definition des Bundesgerichtshofs grundsätzlich an, wobei die Reichweite der Zulässigkeit einer Zwischenfeststellungsklage im Einzelnen strittig ist.196 Es steht jedenfalls fest, dass in Bezug auf den Begriff des „Rechtsverhältnisses“ keine Unterschiede zwischen § 256 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO gelten.197 Unstrittig ist zudem, dass Tatsachen keine Rechtsverhältnisse i. S. d. § 256 ZPO darstellen.198 Dies ergibt sich bereits aus der Definition des Bundesgerichtshofs. Die Gesamtheit der Tatsachen stellt nämlich (nur) den „konkreten Lebenssachverhalt“ dar, aus dem sich die „Rechtsbeziehungen“ ergeben. Überdies wäre die Bestimmung in § 256 Abs. 1 ZPO, wonach auch auf die Feststellung der Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde Klage erhoben werden kann, überflüssig, wenn Tatsachen bereits unter den Begriff des „Rechtsverhältnisses“ fallen würden. Bei der Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde handelt es sich nämlich um eine Tatsache.199 b) Beispiele für „Rechtsverhältnisse“ i. S . d. § 256 ZPO Zu den Rechtsverhältnissen i. S. d. § 256 ZPO gehören zunächst „absolute und relative subjektive Rechte aller Art“200. Beispiele für absolute Rechte sind das „Eigentum und eigentumsähnliche Rechte, beschränkte dingliche Rechte, wie Pfand-, Grundpfandrechte und Dienstbarkeiten, gewerbliche Rechte, wie Urheber-, Marken-, Muster- und Patenrechte“201. A kann gem. § 256 Abs. 1 ZPO auf Feststellung klagen, dass ihm das Eigentum an einem PKW zustehe, von dem B behauptet, er würde ihm gehören.
195
BGH, VU v. 16. 9. 2008 – VI ZR 244/07 – Rn. 10, zitiert nach juris; Urt. v. 7. 6. 2001 – I ZR 21/99 – Rn. 15, zitiert nach juris; Urt. v. 31. 5. 2000 – XII ZR 41/98 – Rn. 22, zitiert nach juris (alle zu § 256 Abs. 1 ZPO). 196 Zum Ganzen siehe Stein/Jonas/Roth, ZPO, § 256 Rn. 21 ff. 197 So u. a. BGH, Urt. v. 6. 7. 1989 – IX ZR 280/88 – Rn. 31, zitiert nach juris (nach dieser Entscheidung könne eine Feststellungsklage im Falle der nachträglichen Erhebung einer „Hauptklage“ als Zwischenfeststellungsklage weitergeführt werden. Dies ist grundsätzlich nur möglich, wenn die Bedeutung des Begriffs „Rechtsverhältnis“ in beiden Absätzen des § 256 ZPO identisch ist, weil beide Absätze ein „Rechtsverhältnis“ voraussetzen.); Urt. v. 4. 5. 1984 – V ZR 27/83 – Rn. 21, zitiert nach juris; Stein/Jonas/Roth, ZPO, § 256 Rn. 103. 198 BGH, Urt. v. 19. 4. 2000 – XII ZR 332/97 – Rn. 12, zitiert nach juris; aus der Literatur siehe dazu statt aller Stein/Jonas/Roth, ZPO, § 256 Rn. 22, 29. 199 Mit dieser Argumentation Stein/Jonas/Roth, ZPO, § 256 Rn. 29, 41. 200 Stein/Jonas/Roth, ZPO, § 256 Rn. 23. 201 MüKoZPO/Becker-Eberhard, ZPO, § 256 Rn. 11 (siehe dort auch für weitere Beispiele).
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1. Kap.: Klärung der wesentlichen Begrifflichkeiten
A ist der Ansicht, er sei Eigentümer eines Fahrrads. Dieses habe er B geliehen. Nachdem A den Leihvertrag für beendet hält, verlangt er Herausgabe von B. B verweigert die Herausgabe. A klagt daraufhin gegen B auf Herausgabe des Fahrrads. B vertritt im Prozess die Ansicht, er sei Eigentümer des Fahrrads geworden. A kann nun Zwischenfeststellungsklage gem. § 256 Abs. 2 ZPO erheben mit dem Antrag festzustellen, dass er (A) Eigentümer des Fahrrads sei.
Zu den relativen subjektiven Rechten gehören insbesondere die schuldrechtlichen Vertragsverhältnisse, „wie [u. a.] Kauf, Miete, Pacht, Werkvertrag, Darlehensvertrag“202. Die (Zwischen-)Feststellungsklage kann dabei zum Beispiel der Feststellung dienen, dass zwischen den Parteien ein Kaufvertrag besteht. Darüber hinaus kann auch eine Feststellung bezüglich der rechtlichen Einordnung eines Rechtsverhältnisses zwischen den Parteien begehrt werden, „wenn die Entscheidung geeignet ist, die Rechtsunsicherheit zwischen den Parteien zu beseitigen“.203 Eine (Zwischen-) Feststellungsklage nach § 256 ZPO muss schließlich nicht notwendig das „gesamte“ Rechtsverhältnis zum Gegenstand haben. Vielmehr ist es zulässig, auf die Feststellung einzelner Rechte und Pflichten aus einem Rechtsverhältnis zu klagen.204 c) Vorfragen und Elemente eines Rechtsverhältnisses als Gegenstand einer (Zwischen-)Feststellungsklage nach § 256 ZPO? Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können „bloße Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses, reine Tatsachen oder etwa die Wirksamkeit von Willenserklärungen oder die Rechtswidrigkeit eines Verhaltens“ nicht Gegenstand einer Feststellungsklage nach § 256 ZPO sein.205 Entsprechende, nicht feststellungsfähige Vorfragen bzw. Elemente eines Rechtsverhältnisses sind zum Beispiel das Pflichtteilsentziehungsrecht des künftigen Erblassers als bloße Vorfrage für das Bestehen eines Pflichtteilsrechts206 oder das (Nicht-)Vorliegen des Schuldnerverzugs207.208 Diese Ansicht ist allerdings nicht unbestritten. Teile der Literatur sind der Auffassung, dass Vorfragen und Elemente von Rechtsverhältnissen ebenfalls Gegenstand einer (Zwischen-)Feststellungsklage nach § 256 ZPO sein können.209 Denn 202
A. a. O. Wiederum mit weiteren Beispielen. A. a. O.; so im Ergebnis auch Stein/Jonas/Roth, ZPO, § 256 Rn. 22. 204 Stein/Jonas/Roth, ZPO, § 256 Rn. 26 mit zahlreichen Beispielen. 205 BGH, Urt. v. 19. 4. 2000 – XII ZR 332/97 – Rn. 12, zitiert nach juris. 206 BGH, Urt. v. 20. 1. 1993 – IV ZR 139/91 – Rn. 10, zitiert nach juris. 207 BGH, Urt. v. 19. 4. 2000 – XII ZR 332/97 – Rn. 12, zitiert nach juris. 208 Weitere Beispiele bei Stein/Jonas/Roth, ZPO, § 256 Rn. 27 ff. 209 So z. B. Stein/Jonas/Roth, ZPO, § 256 Rn. 27 (m. w. N.). 203
D. Präjudizielle Rechtsverhältnisse
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„die Abgrenzung zwischen einem (feststellungsfähigen) selbständigen Rechtsverhältnis samt Einzelrechten und –pflichten und einem (nicht feststellungsfähigen) ‚bloßen Element‘ (Vorfrage) eines Rechtsverhältnisses“ sei kaum möglich.210 Dieser Streit bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Der Gegenstand der (Zwischen-)Feststellungsklage nach § 256 ZPO ist hier nämlich nur insoweit relevant, als sich aus dessen Behandlung Konsequenzen für die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen ergeben (können). Letzteres ist nur der Fall, soweit die Geständnisfähigkeit bestimmter Parteivorträge nach § 288 ZPO damit begründet wird, dass ebenso gut eine (Zwischen-)Feststellungsklage bezüglich des Gegenstandes dieses Parteivortrags erhoben werden könnte, welche einem Anerkenntnis der Gegenseite nach § 307 ZPO zugänglich wäre.211 Kann der Gegenstand einer (Zwischen-)Feststellungsklage aber schon nicht nach § 288 ZPO zugestanden werden, kann sich die Behandlung entsprechender Behauptungen auch nicht auf die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen auswirken. Es besteht nämlich keine Gefahr, dass eine juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung aufgrund einer Fehlinterpretation des Parteivortrags als geständnisfähig gewertet wird.212 Vorfragen und Elemente von Rechtsverhältnissen können nun (wohl) auch nach der Ansicht, welche diese als potentielle Gegenstände einer (Zwischen-) Feststellungsklage sieht, nicht nach § 288 ZPO zugestanden werden. So führt Leipold 213 aus: „Hinsichtlich einzelner Teilfragen der rechtlichen Beurteilung sollte es dagegen dabei bleiben, dass die Parteien den Richter weder analog §§ 306 f. noch nach § 288 binden können.“
Bei Vorfragen und Elementen von Rechtsverhältnissen handelt es sich gerade um einzelne Teilfragen einer rechtlichen Beurteilung. Daher ist davon auszugehen, dass die Geständnisfähigkeit von Vorfragen und Elementen von Rechtsverhältnissen auch nach dieser Ansicht ausscheidet. Die Behandlung von Behauptungen über Vorfragen und Elemente von Rechtsverhältnissen kann sich damit nicht auf die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen auswirken. 2. „Vorgreiflichkeit“ des Rechtsverhältnisses Ein Rechtsverhältnis ist vorgreiflich („präjudiziell“) i. S. d. § 256 Abs. 2 ZPO, wenn dessen Bestehen zumindest teilweise maßgeblich für die Entscheidung 210
A. a. O. Mit dieser Argumentation u. a. Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 288 Rn. 12. Ausführlich dazu siehe unten im 2. Kapitel C. II. 2. a) bb) (2). 212 Zu dieser Möglichkeit siehe schon oben I. 213 Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 288 Rn. 12. 211
72
1. Kap.: Klärung der wesentlichen Begrifflichkeiten
in der Hauptsache des Rechtsstreits ist.214 Die Entscheidung in der Hauptsache muss also davon abhängen, ob das Rechtsverhältnis besteht oder nicht. Dies setzt grundsätzlich voraus, dass zumindest in den Entscheidungsgründen215 des Urteils zur Hauptsache „ohnehin darüber befunden werden muss, ob das streitige Rechtsverhältnis besteht“216. Das bedeutet jedoch nicht, dass das Gericht seine Entscheidung auch tatsächlich darauf stützen muss, dass das Rechtsverhältnis (nicht) besteht.217 Bei mehreren Begründungsmöglichkeiten reicht es vielmehr aus, „dass das Rechtsverhältnis für einen der möglichen Begründungswege ein notwendiges Glied ist“.218 Wird über das (Nicht-)Bestehen des Rechtsverhältnisses aber schon im Urteil über die Hauptklage gem. § 322 ZPO rechtskräftig entschieden, liegt allerdings keine Präjudizialität vor.219 Vorgreiflich in diesem Sinne sind bspw. das Eigentum für einen Herausgabeanspruch nach § 985 BGB,220 das Bestehen eines wirksamen Kaufvertrages für einen Anspruch auf Kaufpreiszahlung nach § 433 Abs. 2 BGB oder die wirksame Abtretung, wenn aus dieser die Aktiv- oder die Passivlegitimation abgeleitet wird 221.
E. Juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen vs. Vorträge von präjudiziellen Rechtsverhältnissen I. Begriffliche Unterscheidung durch Rspr. und Teile der Lit. Rechtsprechung und Teile der Literatur unterscheiden häufig zwischen juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen und Behauptungen222 präjudizieller Rechtsverhältnisse.223 Diese Unterscheidung leuchtet nicht unmittelbar ein. In ju214 Musielak/Voit/Foerste,
ZPO, § 256 Rn. 41. ZPO, § 256 Rn. 104. 216 BGH, Urt. v. 2. 7. 2007 – II ZR 111/05 – Rn. 17, zitiert nach juris. 217 BGH, Urt. v. 15. 12. 2009 – XI ZR 110/09 – Rn. 19, zitiert nach juris. 218 A. a. O. 219 MüKoZPO/Becker-Eberhard, ZPO, § 256 Rn. 85 220 A. a. O. (mit weiteren Beispielen). 221 Stein/Jonas/Roth, ZPO, § 256 Rn. 104 (mit weiteren Beispielen). 222 Ebenso, wie die h. M. häufig von „juristisch eingekleideten Tatsachen“ spricht, ist regelmäßig schlicht von „präjudiziellen Rechtsverhältnissen“ die Rede. Nachdem es aber stets um Vorträge der Parteien geht, erscheint es angebracht, von „Behauptungen präjudizieller Rechtsverhältnisse“ bzw. „Behauptungen über das Bestehen präjudizieller Rechtsverhältnisse“ zu sprechen. 223 So z. B. in BGH, Urt. v. 4. 4. 2006 – X ZR 155/03 (= BGHZ 167, 118 – 139) – Rn. 28, zitiert nach juris; VU v. 16. 7. 2003 – XII ZR 100/00 – Rn. 17 f., zitiert nach juris; BeckOK 215 Stein/Jonas/Roth,
E. Juristische Tatsachenbehauptungen vs. präjudizielle Rechtsverhältnisse
73
ristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen finden sich nämlich regelmäßig Rechtsbegriffe, die für die konkrete Entscheidung präjudizielle Rechtsverhältnisse bezeichnen. A verklagt B auf Herausgabe eines Fahrrads. In der mündlichen Verhandlung behauptet A, er sei Eigentümer des Fahrrads, das B bei sich habe.
Die Behauptung, man sei Eigentümer einer Sache, stellt eine typische juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung dar, wenn keine Einzelheiten zum Eigentumserwerb vorgetragen werden.224 Gleichzeitig kann das Eigentum an einer Sache ein präjudizielles Rechtsverhältnis bilden. So zum Beispiel, wenn der Kläger vom Beklagten – wie im Beispielsfall – Herausgabe einer Sache aufgrund seines Eigentums an der Sache verlangt.225 Daher muss untersucht werden, weshalb und vor allem nach welchen Kriterien Rechtsprechung und Literatur zwischen juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen und Behauptungen präjudizieller Rechtsverhältnisse unterscheiden.
II. (Mögliche) Grundlagen der Unterscheidung Denkbar wäre, dass die h. M. die Unterscheidung danach trifft, ob die vorgetragenen Rechtsbegriffe nur Vorfragen oder Elemente von Rechtsverhältnissen i. S. d. § 256 ZPO bezeichnen oder ob sie die Rechtsverhältnisse im Ganzen benennen (dazu unter 1.). Regelmäßig wird die Unterscheidung allerdings danach getroffen, ob die Parteien mit den Rechtsbegriffen Tatsachen umschreiben oder unmittelbar Rechtswirkungen darlegen wollen (dazu unter 2.). 1. Unterscheidung nach den umfassten Rechtsbegriffen Die Bezeichnungen „juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen“ und „Behauptungen präjudizieller Rechtsverhältnisse“ unterscheiden sich jedenfalls insoweit, als dass erstere weit mehr Konstellationen erfasst. Denn als „juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen“ werden sämtliche Rechtsbegriffsbehauptungen bezeichnet, die der Umschreibung von Tatsachen dienen. Es kann sich also auch um Rechtsbegriffe handeln, die nur einzelne Elemente oder Vorfragen von Rechtsverhältnissen bezeichnen, wie z. B. die Begriffe „Vertragsabschluss“226 ZPO/Bacher, § 288 Rn. 4; Musielak/Voit/Huber, ZPO, § 288 Rn. 4; Saenger/Saenger, ZPO, § 288 Rn. 6; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 288 Rn. 12. 224 So im Ergebnis auch BGH, Urt. v. 2. 6. 1995 – V ZR 304/93 – Rn. 7, zitiert nach juris. 225 Das war auch in BGH, Urt. v. 2. 6. 1995 – V ZR 304/93 – juris der Fall. 226 So z. B. in BGH, Urt. v. 29. 10. 1979 – VIII ZR 293/78 – Rn. 15, zitiert nach juris.
74
1. Kap.: Klärung der wesentlichen Begrifflichkeiten
oder „Vertragspartei“227. Nachdem diese Begriffe keine Rechtsverhältnisse i. S. d. § 256 ZPO benennen, könnten entsprechende Behauptungen dabei nicht als „Behauptungen präjudizieller Rechtsverhältnisse“ bezeichnet werden. Theoretisch könnte also insoweit zwischen den Bezeichnungen unterschieden werden, als dass der Begriff „juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen“ nur für die Behauptung von Rechtsbegriffen verwendet wird, die Vorfragen oder Elemente von Rechtsverhältnissen i. S. d. § 256 ZPO beschreiben. Als „Behauptungen präjudizieller Rechtsverhältnisse“ könnten dann Vorträge von Rechtsbegriffen bezeichnet werden, die komplette Rechtsverhältnisse i. S. d. § 256 ZPO beschreiben. Dies widerspräche allerdings der Verwendung des Begriffs „juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen“ durch Rechtsprechung und Literatur. Der Begriff wird nämlich nicht in der dargelegten Weise beschränkt. Er wird vielmehr auch zur Bezeichnung von Tatsachenumschreibungen durch Rechtsbegriffe verwendet, welche komplette (präjudizielle) Rechtsverhältnisse beschreiben.228 Die Differenzierung muss also nach anderen Kriterien erfolgen. 2. Unterscheidung nach den Absichten der Parteien a) Darstellung Die Unterscheidung zwischen juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen und Behauptungen präjudizieller Rechtsverhältnisse wird häufig danach getroffen, was die Parteien mit den Rechtsbegriffsbehauptungen mitteilen wollen. Dient der Rechtsbegriff der Umschreibung von Tatsachen, wird der Vortrag als „juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung“ bezeichnet. Wird der Rechtsbegriff von den Parteien verwendet, um Rechtswirkungen darzulegen, soll es sich um die „Behauptung über das Bestehen eines präjudiziellen Rechtsverhältnisses“ handeln. Diese Ansicht vertritt bspw. Hegler229. Er unterscheidet zwischen dem Geständnis von „Rechtsverhältnissen, d. h. von ideellen rechtlichen Beziehungen, 227 So z. B. in BGH, VU v. 16. 7. 2003 – XII ZR 100/00 – Rn. 17, zitiert nach juris; Urt. v. 23. 9. 2004 – IX ZR 137/03 – Rn. 11, zitiert nach juris; Urt. v. 6. 10. 2005 – III ZR 367/04 – Rn. 20, zitiert nach juris. 228 So z. B. in BGH, Urt. v. 6. 3. 1952 – IV ZR 45/50 = https://www.jurion.de/Urteile/BGH/1952 – 03 – 06/IV-ZR-45_50 („Erbe“ und „Pflichtteilsberechtigter“); Urt. v. 29. 9. 1958 – II ZR 342/56 = NJW 1958, 1968 („Eigentum“ und „Kauf “); für das „Eigentum“ zudem: BGH, Urt. v. 2. 6. 1995 – V ZR 304/93 – Rn. 7, zitiert nach juris; Urt. v. 7. 7. 1986 – II ZR 167/85 – Rn. 6, zitiert nach juris („Kommanditist“); Urt. v. 2. 2. 1990 – V ZR 245/88 – Rn. 11, zitiert nach juris; Urt. v. 19. 3. 2004 – V ZR 104/03 (= BGHZ 158, 295 – 310) – Rn. 13, zitiert nach juris (jeweils „Abtretung“); Urt. v. 14. 3. 1997 – V ZR 9/96 (= BGHZ 135, 92 – 107) – Rn. 13, zitiert nach juris („Rechtsnachfolge“). 229 Beiträge zur Lehre vom prozessualen Anerkenntnis und Verzicht, S. 269 ff. Mit diesem Verständnis Heglers und diesem insoweit folgend Orfanidis, in: FS Ishikawa, S. 382.
E. Juristische Tatsachenbehauptungen vs. präjudizielle Rechtsverhältnisse
75
die das Recht als Wirkungen an einen Komplex von Tatsachen, einen Tatbestand knüpft […]“ und dem Geständnis „juristisch bezeichneter Tatsachen“, worunter er Abkürzungen des Tatsachenvortrags durch „Rechtsbegriffe, welche juristische Tatsachen, Tatbestandsmomente, nicht wie im ersten Fall rechtliche Wirkungen, Rechtsverhältnisse wiedergeben“ versteht. Dem folgend führt Orfanidis230 aus, dass Rechtsbegriffen im Prozess „eine doppelte Bedeutung“ zukäme. Sie könnten zum einen „Tatsachen wiedergeben“ und zum anderen „Rechtswirkungen darstellen“. Letzteres sei bei den präjudiziellen Rechtsverhältnissen der Fall.231 Auch in der jüngeren Literatur und der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs findet sich diese Form der Unterscheidung zwischen juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen und Behauptungen präjudizieller Rechtsverhältnisse. Dabei wird zwar kaum näher erläutert, mit welcher genauen Bedeutung die Begriffe verwendet werden. Einigen Ausführungen lässt sich aber in der Gesamtschau entnehmen, dass die Unterscheidung nach den dargestellten Kriterien erfolgt. So unterscheidet bspw. Leipold 232 zwischen gerichtlichen Geständnissen von Tatsachen in ihrer juristischen Einkleidung233 und „Parteivereinbarungen […], die sich unmittelbar auf eine Rechtsfolge beziehen, die für den geltend gemachten prozessualen Anspruch präjudiziell ist“234. Als Beispiele für Rechtsbegriffe, die Tatsachenbehauptungen zusammenfassen und damit juristisch einkleiden könnten, nennt er mitunter solche Rechtsbegriffe, die auch präjudizielle Rechtsverhältnisse bezeichnen können („Eigentum“, „Erbe“, „Pflichtteilsberechtigter“). Dementsprechend erläutert er, dass „auch Tatsachenkomplexe in ihrer juristischen Zusammenfassung als Rechtsverhältnisse den Gegenstand des Geständnisses bilden [können], namentlich als bedingende Rechtsverhältnisse […].“235 Leipold beschränkt die Verwendung des Begriffs „juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen“ also nicht auf den Gebrauch bestimmter Rechtsbegriffe. Auch Behauptungen von Rechtsbegriffen, die präjudizielle Rechtsverhältnisse bezeichnen, könnten sich als juristische Zusammenfassungen von Tatsachenkomplexen darstellen. Als „Parteivereinbarungen […], die sich unmittelbar auf eine Rechtsfolge beziehen, die für den geltend gemachten prozessualen Anspruch präjudiziell ist“, kommen insbesondere Geständnisse bzw. anerkenntnisähnliche Erklärungen in Betracht, die sich auf Behauptungen der Gegenseite bezüglich des Bestehens ei230
In: FS Ishikawa, S. 382 (unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Hegler). A. a. O. 232 Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 288 Rn. 6 ff. 233 A. a. O. Rn. 6. 234 A. a. O. Rn. 12. 235 A. a. O. Rn. 6 f. 231
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1. Kap.: Klärung der wesentlichen Begrifflichkeiten
nes präjudiziellen Rechtsverhältnisses beziehen.236 Solche Behauptungen der Gegenseite erschöpfen sich nun häufig in der Behauptung eines bestimmten Rechtsbegriffs. Der Kläger behauptet im Prozess auf Herausgabe einer Sache, er sei Eigentümer der herausverlangten Sache.
Nach dem oben Aufgezeigten könnte die Behauptung des Klägers nach Leipold aber auch eine juristische Zusammenfassung eines Tatsachenkomplexes darstellen. Allein nach dem Wortlaut des Parteivortrags kann Leipold damit nicht entscheiden, ob eine juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung vorliegt oder eine Behauptung bzgl. des Bestehens eines präjudiziellen Rechtsverhältnisses. Entscheidend muss daher sein, ob der Behauptende mit dem Rechtsbegriff Tatsachen zusammenfassen oder Rechtswirkungen darlegen will. Eine Behauptung des Bestehens eines präjudiziellen Rechtsverhältnisses – als mögliche Grundlage für eine Parteivereinbarung, die sich unmittelbar auf eine Rechtsfolge bezieht – liegt dabei vor, wenn der Behauptende unmittelbar Rechtswirkungen bzw. Rechtsfolgen darlegen will. Eine juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung liegt vor, wenn der Behauptende mit dem Rechtsbegriff einen Tatsachenkomplex zusammenfassen will. Der Bundesgerichtshof scheint sich dieser Verwendung der Begriffe anzuschließen. So heißt es in BGH, VU v. 16. 7. 2003 – XII ZR 100/00237, dass Gegenstand eines Geständnisses nach § 288 ZPO neben Tatsachenbehauptungen und juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen auch „präjudizielle Rechtsverhältnisse“ sein könnten. Unter „juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen“ hat der Bundesgerichtshof dabei stets Parteivorträge verstanden, in denen Tatsachen durch Rechtsbegriffe umschrieben werden.238 Es liegen keine Anhaltspunkte vor, dass sich diesbezüglich etwas geändert hätte. Den Zitierungen des Bundesgerichtshofs bezüglich der Geständnisfähigkeit präjudizieller Rechtsverhältnisse lässt sich nun entnehmen, dass er unter „Behauptungen präjudizieller Rechtsverhältnissen“ solche Vorträge versteht, mit denen die Parteien unmittelbar Rechtswirkungen behaupten wollen. Der Bundesgerichtshof 239 stützt sich nämlich „insbesondere“ auf die soeben erörterte Ansicht Leipolds240, wonach 236 In diesem Sinne muss wohl Leipolds Zitat a. a. O., Rn. 12 (Fn. 24) verstanden werden: „BAG NJW 1996, 1299, 1300 geht ohne weiteres davon aus, ein Geständnis könne sich auf präjudizielle Rechtsverhältnisse beziehen […].“ 237 – Rn. 17 f., zitiert nach juris. 238 Siehe dazu oben C. II. 239 BGH, VU v. 16. 7. 2003 – XII ZR 100/00 – Rn. 18, zitiert nach juris. 240 Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 21. Auflage, § 288 Rn. 8 (in der 22. Auflage finden sich die entsprechenden Ausführungen unter Rn. 12).
E. Juristische Tatsachenbehauptungen vs. präjudizielle Rechtsverhältnisse
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„auch die Anerkennung solcher Parteivereinbarungen in Betracht [komme], die sich unmittelbar auf eine Rechtsfolge beziehen, die für den geltend gemachten prozessualen Anspruch präjudiziell ist.“ Bei Geständnissen präjudizieller Rechtsverhältnisse handelt es sich nach Ansicht des Bundesgerichtshofs also um entsprechende „Parteivereinbarungen“. Die zugestandenen Behauptungen müssen sich folglich unmittelbar auf Rechtsfolgen beziehen. Die h. M. unterscheidet juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen und Behauptungen präjudizieller Rechtsverhältnisse also nicht nach den verwendeten Rechtsbegriffen. Die Behauptung ein und desselben Rechtsbegriffs kann eine juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung oder eine Behauptung bzgl. des Bestehens eines präjudiziellen Rechtsverhältnisses sein. Ersteres sei der Fall, wenn der Rechtsbegriff der Darlegung von Tatsachen dient, die Bezeichnung einer Rechtswirkung mithin nur „mittelbare“ Folge der Behauptung des Begriffs ist. Eine Behauptung bzgl. des Bestehens eines präjudiziellen Rechtsverhältnisses liege hingegen vor, wenn die Verwendung des Rechtsbegriffs „unmittelbar“ dazu diene, die mit ihm bezeichnete Rechtswirkung darzulegen. b) Hintergründe Die h. M. muss Rechtsbegriffsbehauptungen nach den dahinter stehenden Absichten der Parteien unterscheiden. Denn sie behandelt parteiliche Vorträge (unmittelbar) von Rechtswirkungen anders als durch Rechtsbegriffe umschriebene Tatsachenbehauptungen. Dies gilt insbesondere im Rahmen der Anwendung der §§ 288 ff. ZPO. Die h. M. wertet durch Rechtsbegriffe umschriebene Tatsachenbehauptungen nur dann als geständnisfähig nach § 288 ZPO, wenn von einer korrekten Verwendung der Rechtsbegriffe durch die Parteien auszugehen ist.241 Denn nur unter dieser Voraussetzung würden sich die Rechtsbegriffsbehauptungen als abgekürzte Behauptungen der den Rechtsbegriffen zugrundeliegenden Tatsachen darstellen. Parteiliche Behauptungen (unmittelbar) von Rechtswirkungen sollen hingegen nach Teilen der Literatur stets geständnisfähig sein, nach weit verbreiteter Meinung zumindest dann, wenn das (Nicht-)Bestehen eines präjudiziellen Rechtsverhältnisses behauptet wird.242 Die Geständnisfähigkeit solcher Behauptungen wird dabei nicht davon abhängig gemacht, dass von einer rechtlich korrekten Würdigung des Sachverhalts durch die Parteien auszugehen ist und mithin auch nicht davon, dass die Parteien die vorgetragenen Rechtsbegriffe juristisch korrekt verwenden. Den Parteien wird nämlich vielfach eine (teilweise) Dispositionsbefugnis über die rechtlichen Urteilsgrundlagen zugestanden. Die behaupteten Rechts241 242
Näher dazu siehe unten im 2. Kapitel C. II. 2. a) aa). Näher dazu siehe unten im 2. Kapitel C. II. 2. a) bb) (2).
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1. Kap.: Klärung der wesentlichen Begrifflichkeiten
wirkungen müssten daher nicht wirklich bestehen. Ausreichend wäre vielmehr, dass die Parteien diese der gerichtlichen Entscheidung übereinstimmend zugrunde legen wollen. Möchten die Parteien durch einen Rechtsbegriff das Bestehen eines präjudiziellen Rechtsverhältnisses behaupten, wäre es folglich irrelevant, ob davon auszugehen ist, dass sich der wahre Sachverhalt unter diesen Rechtsbegriff subsumieren lässt. Entscheidend wäre allein, dass die Parteien überstimmend wünschen, dass das Gericht seiner Entscheidung das Bestehen des mit dem Rechtsbegriff bezeichneten Rechtsverhältnisses zugrunde legt.
III. Stellungnahme 1. Kritik an der h. M. Grundsätzlich ist es sinnvoll und auch erforderlich, parteiliche Rechtsbegriffsbehauptungen danach zu unterscheiden, was die Parteien mit ihnen ausdrücken wollen. Das gilt unabhängig davon, ob den Parteien Dispositionen über die rechtlichen Urteilsgrundlagen zugestanden werden. Denn nicht nur die Beurteilung der Geständnisfähigkeit von Rechtsbegriffsbehauptungen, sondern deren gesamte Behandlung hängt davon ab, mit welcher Absicht die Parteien die Rechtsbegriffe vortragen. Die begriffliche Differenzierung zwischen „juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen“ und „Behauptungen präjudizieller Rechtsverhältnisse“ erscheint dabei grundsätzlich auch geeignet. Unter präjudiziellen Rechtsverhältnissen sind nach wohl allgM Rechtsbeziehungen einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache zu verstehen, die wenigstens teilweise maßgeblich für die Hauptentscheidung sind. Wollen die Parteien das Bestehen entsprechender Rechtsbeziehungen behaupten, ist es konsequent, solche Behauptungen als „Behauptungen präjudizieller Rechtsverhältnisse“ zu bezeichnen. Für die Verwendung von Rechtsbegriffen zur Tatsachenumschreibung hat sich die Bezeichnung „juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen“ (weitgehend) durchgesetzt. Problematisch ist jedoch, dass die h. M. die dargestellten Grundlagen ihrer begrifflichen Differenzierung kaum ausdrücklich darlegt. Regelmäßig werden die (teilweise) Geständnisfähigkeit juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen und der Behauptungen präjudizieller Rechtsverhältnisse schlicht nach einander dargestellt, ohne konkret aufzuzeigen, worin der Unterschied zwischen diesen beiden Formen des Parteivortrags liegen soll.243 Das Verständnis der Grundlagen dieser Unterscheidung wird dabei zusätzlich dadurch erschwert, dass als Bei243 So z. B. bei BeckOK ZPO/Bacher, § 288 Rn. 4; Musielak/Voit/Huber, ZPO, § 288 Rn. 4; Saenger/Saenger, ZPO, § 288 Rn. 6. Ansätze der Grundlage der begrifflichen Unterscheidung finden sich bspw. bei MüKoZPO/Prütting, ZPO, § 288 Rn. 17 f.
E. Juristische Tatsachenbehauptungen vs. präjudizielle Rechtsverhältnisse
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spiele für geständnisfähige juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen vor allem Rechtsbegriffe angeführt werden, die auch präjudizielle Rechtsverhältnisse bezeichnen können. Dies ist schließlich auch deshalb so problematisch, weil die h. M. keinerlei Kriterien nennt, anhand derer beurteilt werden könnte, welche Form der Rechtsbegriffsbehauptung im konkreten Fall vorliegt. Der Kläger behauptet, er sei Eigentümer der herausverlangten Sache. Der Kläger behauptet, der Beklagte habe etwas von ihm gekauft. Der Beklagte behauptet, er müsse die vom Kläger herausverlangte Wohnung nicht räumen und herausgeben, weil ein Mietvertrag zwischen den Parteien bestehe.
Benutzen die Parteien die Rechtsbegriffe hier, um Tatsachen zu umschreiben, oder wollen sie durch die Rechtsbegriffe vortragen, dass präjudizielle Rechtsverhältnisse bestehen? Die Ausführungen der h. M. bieten keine Anhaltspunkte dafür, wie diese Frage beantwortet werden soll. 2. Anhaltspunkte zur Bestimmung, mit welchem Zweck Rechtsbegriffe gebraucht werden Hinsichtlich der Anhaltspunkte zur Bestimmung, mit welchem Zweck Rechtsbegriffe gebraucht werden, kann grundsätzlich auf die obigen Ausführungen zu den Kriterien juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen244 verwiesen werden. Soweit die Geständnisfähigkeit von Behauptungen präjudizieller Rechtsverhältnisse mit einer (teilweisen) Dispositionsbefugnis der Parteien über die rechtlichen Urteilsgrundlagen begründet wird, muss allerdings Folgendes beachtet werden: Selbst wenn die Parteien Rechtsbegriffe verwenden, um Rechtswirkungen darzulegen, bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass sie im Falle des übereinstimmenden Vortrags der Rechtsbegriffe wünschen, dass das Gericht seiner Entscheidung diese Rechtswirkungen ohne eigene Prüfung zugrunde legt. Die Parteien werden vielmehr auch im Falle des übereinstimmenden Vortrags entsprechend verwendeter Rechtsbegriffe regelmäßig davon ausgehen und auch wünschen, dass das Gericht die Rechtslage unabhängig von ihrer Begriffsverwendung prüft. A verklagt B auf Kaufpreiszahlung. In der mündlichen Verhandlung behauptet A, er habe dem B sein Fahrrad verkauft. Denn er und der damals 17-jährige B hätten sich am 1.5. darüber geeinigt, dass B das Fahrrad gegen Zahlung von EUR 250 bekommen werde. B erwidert, es sei zwar richtig, dass er das Fahrrad des A gekauft habe, er habe dem A jedoch schon das Geld dafür gegeben. 244
Oben C. II. 2. c).
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1. Kap.: Klärung der wesentlichen Begrifflichkeiten
A und B verwenden hier übereinstimmend den Rechtsbegriff des „Kaufs“ (in den Abwandlungen verkauft und gekauft). Beide scheinen den Rechtsbegriff hier auch nicht zur bloßen Umschreibung von Tatsachen zu verwenden, sondern um eine rechtliche Beurteilung darzulegen. Dennoch kann hier nicht davon ausgegangen werden, dass beide Parteien wünschen, dass das Gericht seiner Entscheidung ohne eigene Prüfung zugrunde legt, dass ein wirksamer Kaufvertrag zwischen A und B nach § 433 BGB zustande gekommen ist. Insbesondere B wird darauf vertrauen, dass das Gericht den gesamten Sachvortrag der Parteien unabhängig von deren Rechtsansichten rechtlich würdigt und bspw. in seine Entscheidung miteinbezieht, dass B zum Zeitpunkt des „Kaufs“ noch minderjährig war. Zumindest B will mit seinem Rechtsbegriffsvortrag also nicht über die rechtlichen Urteilsgrundlagen disponieren. Übereinstimmende Kundgaben von Rechtsansichten können dementsprechend nicht stets als Dispositionen über die rechtlichen Urteilsgrundlagen gewertet werden. Vielmehr bedarf es grundsätzlich weiterer Anhaltspunkte, um von einem Willen der Parteien zu entsprechenden Dispositionen auszugehen.
IV. Fazit Parteiliche Rechtsbegriffsbehauptungen, die (auch) dem Tatsachenvortrag dienen, werden auch nachfolgend stets als „juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen“ bezeichnet. Wollen die Parteien mit Vorträgen von Rechtsbegriffen, die präjudizielle Rechtsverhältnisse bezeichnen können, unmittelbar das Bestehen entsprechender präjudizieller Rechtsverhältnisse behaupten, liegen „Behauptungen präjudizieller Rechtsverhältnisse“ vor. Entscheidend ist also nicht, welcher Rechtsbegriff gebraucht wird, sondern mit welcher Absicht der Rechtsbegriff verwendet wird.
F. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse I. Die Aufgaben der Parteien und des Gerichts hinsichtlich der Beschaffung der Urteilsgrundlagen Nach dem Verhandlungsgrundsatz obliegt es den Parteien, die entscheidungserheblichen Tatsachen in den Prozess einzuführen. Dem Gericht kommen diesbezüglich bestimmte Aufklärungs- und Hinweispflichten zu. Hauptaufgabe des Gerichts ist jedoch die rechtliche Würdigung des vorgetragenen Sachverhalts. Diesbezüglich ist das Gericht grundsätzlich frei und nicht an die Rechtsauffassungen der Parteien gebunden.
F. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
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II. Tatsachen und Tatsachenbehauptungen, Rechtsbegriffe und Rechtsbegriffsbehauptungen „Tatsachen“ sind nach st.Rspr. „konkrete, nach Zeit und Raum bestimmte, der Vergangenheit oder Gegenwart angehörige, Geschehnisse oder Zustände der Außenwelt und des menschlichen Seelenlebens“. „Tatsachenbehauptungen“ sind Aussagen von Personen über Tatsachen in diesem Sinn. „Rechtsbegriffe“ sind Begriffe, die im juristischen Sprachgebrauch rechtliche Beurteilungen von Sachverhalten bezeichnen können. „Rechtsbegriffsbehauptungen“ sind Aussagen von Personen, die Rechtsbegriffe in diesem Sinn enthalten.
III. Juristisch eingekleidete und reine Tatsachenbehauptungen „Juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen“ sind Behauptungen von Parteien eines Zivilprozesses, die Rechtsbegriffe enthalten, welche (auch) der Darlegung von Tatsachen dienen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die verwendeten Rechtsbegriffe bestimmte Kriterien erfüllen. „Reine Tatsachenbehauptungen“ sind Aussagen von Personen über Tatsachen, die keine Rechtsbegriffe enthalten.
IV. Präjudizielle Rechtsverhältnisse „Präjudizielle Rechtsverhältnisse“ sind die aus einem konkreten Lebenssachverhalt entstandenen Rechtsbeziehungen von Personen zu Personen oder von Personen zu Sachen, die wenigstens teilweise maßgeblich für die Entscheidung in der Hauptsache eines zivilprozessualen Verfahrens sind.
2. Kapitel
Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen im Zivilprozess 2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen ist während des gesamten zivilprozessualen Verfahrens relevant. Zunächst stellt sich die Frage, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen die Parteien mit juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen ihre Darlegungslast erfüllen können (dazu unter Abschnitt A.). Soweit dies bejaht wird, müssen die Folgen möglicher Reaktionen der Gegenseite untersucht werden. Fraglich ist dabei, ob das schlichte Nichtbestreiten der Behauptungen die Geständnisfiktion nach § 138 Abs. 3 ZPO bzw. § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO bewirkt (dazu unter Abschnitt B.), ob juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen nach § 288 ZPO zugestanden werden können (dazu unter Abschnitt C.) und welche Folgen das Bestreiten der Behauptungen durch die Gegenseite nach sich zieht (dazu unter Abschnitt D.). Schließlich ist fraglich, inwieweit die Rechtsmittelinstanzen an die Feststellungen der Vorinstanzen bzgl. der (Un-)Wahrheit juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen gebunden sind (dazu unter Abschnitt E.).
A. Juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen und die Darlegungslast der Parteien Jede Partei muss diejenigen Tatsachen vortragen, für die sie darlegungsbelastet ist. Der Umfang der Substantiierungspflicht bestimmt dabei, wie konkret die darlegungsbelastete Partei ihren Sachvortrag ausgestalten muss (dazu unter Abschnitt I.). Die h. M. vertritt im Ergebnis die Auffassung, dass die Parteien ihrer Darlegungslast durch juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen genügen, wenn von einer korrekten Verwendung der vorgetragenen Rechtsbegriffe auszugehen ist (dazu unter Abschnitt II.). Dem ist grundsätzlich zu folgen. Der h. M. ist allerdings vorzuwerfen, dass sich aus ihren Standardformulierungen nicht ergibt, unter welchen Voraussetzungen sie juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen als Sachvortrag wertet (dazu unter Abschnitt III.).
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I. Allgemeines zu Darlegungslast und Substantiierungspflicht Der Verhandlungsgrundsatz besagt, dass die Parteien die entscheidungserheblichen Tatsachen in den Prozess einzuführen haben. Sie haben den Sachverhalt vorzutragen, welchen das Gericht seiner Entscheidung zugrunde legen soll. Das Gericht hat dabei darauf hinzuwirken, dass sich die Parteien „rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen“, § 139 Abs. 1 S. 2 ZPO. Trotz dieser Hinweispflicht des Gerichts kommt es in Prozessen immer wieder vor, dass relevanter Vortrag zu entscheidungserheblichen Tatsachen fehlt. Zu wessen Lasten das Fehlen des Tatsachenvortrags dabei geht, entscheidet sich danach, welcher Partei die objektive Darlegungslast (oder auch Behauptungslast) bezüglich der Tatsachen zukommt.1 A verklagt B auf Rückzahlung eines Darlehens inkl. der vereinbarten Zinsen. B wendet ein, dass der Darlehensvertrag sittenwidrig und damit nichtig gem. § 138 Abs. 1 BGB sei. Zur Begründung trägt B ausschließlich Umstände vor, aus denen sich die objektive Sittenwidrigkeit des Vertrages ergibt. Auch nach entsprechendem richterlichen Hinweis gem. § 139 ZPO trägt B nichts zum Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit bei A vor. A trägt diesbezüglich ebenfalls nichts vor. Nach allgemeinen Grundsätzen trägt derjenige, der sich auf die Nichtigkeit eines Vertrages wegen Sittenwidrigkeit beruft, die Darlegungslast bezüglich der objektiven und der subjektiven Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit. Im vorliegenden Fall trifft die entsprechende Darlegungslast also B. Das Fehlen von Vortrag bezüglich der subjektiven Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit geht somit zu Lasten von B. Das Gericht muss also davon ausgehen, dass der Vertrag nicht sittenwidrig ist. Falls B keine anderen Einwendungen vorbringt, wird er antragsgemäß zur Zahlung verurteilt werden.
Jede Partei muss somit Tatsachen zu denjenigen Tatbestandsvoraussetzungen vortragen, bezüglich derer sie darlegungsbelastet ist. Wie detailliert der entsprechende Vortrag sein muss, hängt dabei vom Umfang der Substantiierungspflicht ab.2 Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt eine Partei „ihrer Darlegungslast bereits dann, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen“.3 Das Gericht müsse nur in der Lage sein, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens zu entscheiden, ob die gesetzlichen 1
BeckOK ZPO/Bacher, § 284 Rn. 68. Zum Ganzen siehe Saenger/Saenger, ZPO, § 286 Rn. 84 ff. 3 BGH, Urt. v. 28. 2. 2013 – I ZR 180/11 – Rn. 40, zitiert nach juris. 2
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Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Anspruchs vorliegen.4 Dabei gelte die Grundregel, dass sich der Umfang der Substantiierungspflicht nach der Einlassung des Gegners richtet.5 Dementsprechend können „Zergliederungen der Sachdarstellung in Einzelheiten […] allenfalls bedeutsam werden, wenn der Gegenvortrag dazu Anlaß bietet“.6 Die darlegungsbelastete Partei müsse die Gegenseite dabei aber grundsätzlich nicht in die Lage versetzen, sich möglichst eingehend auf ihre Behauptungen einlassen zu können.7 Der Tatsachenvortrag bedürfe vielmehr nur dann der Ergänzung, wenn er infolge der Einlassung des Gegners unklar wird und nicht mehr den Schluss auf die Entstehung des geltend gemachten Rechts zulässt.8 Es kann daher nicht abstrakt bzw. „dauerhaft“ beantwortet werden, ob ein parteilicher Vortrag der Substantiierungspflicht genügt. Denn die Einlassung des Gegners kann dazu führen, dass ein Vortrag, der zunächst ausreichend substantiiert war, näher erläutert werden muss. A verklagt B auf Werklohnzahlung wegen der Reparatur eines Computers. In der Klageschrift trägt A zum Vertragsschluss vor: „Am 1.3. einigten sich die Parteien in der Wohnung des Beklagten, dass der Kläger den Computer des Beklagten repariere und dafür ein Entgelt in Höhe von EUR 200,00 erhalte.“ Mit diesem Vortrag hat A seine Darlegungslast bezüglich des Vertragsschlusses zunächst erfüllt. Trägt B nun aber vor, dass bei dem Gespräch am 1.3. keine Einigung zustande gekommen sei, A ihm vielmehr nur ein Angebot gemacht habe, muss A seinen Vortrag näher substantiieren. Denn sein bisheriger Vortrag lässt nach der Einlassung des B nicht mehr den Schluss auf die Entstehung des geltend gemachten Rechts zu.
Nachfolgend wird daher ausschließlich die Frage behandelt, unter welchen Voraussetzungen die Parteien ihre Darlegungslast durch juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen erfüllen können, soweit (noch) kein Gegenvortrag vorliegt. Nach dem soeben Gesagten muss allerdings beachtet werden, dass die Reaktion der Gegenseite in jedem Fall eine nähere Substantiierung des Vortrags erforderlich machen kann.9
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BGH, Urt. v. 23. 4. 1991 – X ZR 77/89 – Rn. 20, zitiert nach juris. BGH, Urt. v. 20. 5. 1996 – II ZR 301/95 – Rn. 6, zitiert nach juris; Urt. v. 23. 4. 1991 – X ZR 77/89 – Rn. 20, zitiert nach juris. 6 BGH, Urt. v. 23. 4. 1991 – X ZR 77/89 – Rn. 20, zitiert nach juris; aus der Literatur z. B. Saenger/Saenger, ZPO, § 286 Rn. 89. 7 BGH, Urt. v. 23. 4. 1991 – X ZR 77/89 – Rn. 20, zitiert nach juris. 8 A. a. O. 9 Näher dazu siehe insbesondere unten D. 5
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II. Bisheriger Meinungsstand Nach der Rechtsprechung können die Parteien ihre Darlegungslast durch juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen erfüllen, wenn davon auszugehen ist, dass die Parteien die vorgetragenen Rechtsbegriffe korrekt verwenden (dazu unter 1.). Die herrschende Literatur vertritt die gleiche Auffassung. Nach anderen Stimmen in der Literatur bedarf es zumindest in bestimmten Fällen nicht der Annahme einer korrekten Begriffsverwendung (dazu unter 2.). 1. Die Ansicht der Rechtsprechung Der Bundesgerichtshof stellt juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen reinen Tatsachenbehauptungen gleich, wenn davon auszugehen ist, dass die Parteien die vorgetragenen Rechtsbegriffe juristisch korrekt verwenden. Liegt diese Voraussetzung vor, können die Parteien ihrer Darlegungslast folglich auch durch juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen genügen. Es existieren zwar wenige Entscheidungen des Bundesgerichtshofs, die sich explizit mit dieser Frage auseinandersetzen (dazu unter lit. a)). Es lässt sich allerdings zahlreichen Entscheidungen zumindest mittelbar entnehmen, dass juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen der Darlegungslast genügen können (dazu unter lit. b)). a) Entscheidungen unmittelbar die Darlegungslast betreffend aa) BGH, Urt. v. 2. 6. 1995 – V ZR 304/93 Im Urt. v. 2. 6. 1995 – V ZR 304/9310 entschied der Bundesgerichtshof ausdrücklich, dass die juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung, Eigentümer einer Sache zu sein, den Anforderungen an einen schlüssigen Klagevortrag genügt. Die Klägerin hatte die Beklagte aufgrund Eigentums auf Räumung und Herausgabe von Grundstücken in Anspruch genommen. Nach dem Tatbestand des Urteils waren die Grundstücke im Grundbuch als Volkseigentum in der Rechtsträgerschaft des Rats einer Stadt in der ehemaligen DDR eingetragen. Soweit aus dem Urteil ersichtlich, hatte die Klägerin bzgl. des Eigentums im Übrigen nur vorgetragen, dass sie Eigentümerin dieser Grundstücke sei. Sie hatte also keine konkreten Tatsachen behauptet, aus denen sich ihre Eigentümerstellung ergeben solle, sondern schlicht ihre Eigentümerstellung behauptet. Die Beklagte hatte hierzu erstinstanzlich offensichtlich nichts vorgetragen. Mit der Revision machte sie dann aber geltend, die Klägerin habe ihr Eigentum nicht schlüssig dargelegt. Damit hatte die Beklagte allerdings keinen Erfolg.
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Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs hatte die Klägerin ihrer Darlegungslast genügt.11 Die Rechtsprechung stelle juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen reinen Tatsachenbehauptungen gleich, wenn die vorgetragenen Rechtsbegriffe einfach und jedem Teilnehmer des Rechtsverkehrs geläufig sind. Diese Voraussetzungen seien beim Begriff „Sacheigentum“ erfüllt.12 Dabei komme es auch nicht darauf an, „ob die Herleitung der Eigentümerstellung, wie bei ehemaligem Volkseigentum häufig, rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten“ begegne. Maßgeblich sei allein „das von der Partei vorgetragene Ergebnis dieses Vorgangs, die behauptete Inhaberschaft an dem Rechte“.13 Das Berufungsgericht habe seiner Entscheidung mithin das Eigentum der Klägerin an den Grundstücken als behauptete und nicht bestrittene Tatsache zugrunde legen können. Von diesem Tatbestand habe auch das Revisionsgericht auszugehen.14 Die Möglichkeit der Gleichstellung der juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptung, Eigentümer eines Grundstücks zu sein, mit reinen Tatsachenbehauptungen wurde sogar im 4. Leitsatz der Entscheidung festgehalten: „Der Vortrag, Eigentümer eines ehedem volkseigenen Grundstücks zu sein, kann im Prozeß der Behauptung einer Tatsache gleichstehen.“
bb) BGH, Urt. v. 13. 3. 1998 – V ZR 190/97 Im Urt. v. 13. 3. 1998 – V ZR 190/9715 entschied der Bundesgerichtshof, dass die juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung, bei einem bestimmten Weg handele es sich um einen gewidmeten öffentlichen Weg, eine ausreichend substantiierte Darlegung tatsächlicher Umstände i. S. d. § 138 Abs. 1 ZPO darstellen könne.16 Die Klägerin als darlegungsbelastete Partei hatte keine Einzeltatsachen vorgetragen, aufgrund derer sie vom Vorliegen eines gewidmeten öffentlichen Weges im Rechtssinn ausging. Den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils17 ist zu entnehmen, dass sie schlicht behauptet hatte, der betreffende Weg sei ein öffentlicher Weg. Diese Behauptung war unstreitig geblieben. Der erkennende Senat des Berufungsgerichts war der Ansicht, er habe daher schon „nach dem unstreitigen Parteivortrag“ feststellen können, dass es sich um einen öffentlichen Weg han11
BGH, Urt. v. 2. 6. 1995 – V ZR 304/93 – Rn. 7, zitiert nach juris. A. a. O. 13 A. a. O. Zum diesbezüglichen Ausnahmecharakter der Entscheidung siehe unten unter lit. c) bb). 14 A. a. O. 15 – juris. 16 BGH, Urt. v. 13. 3. 1998 – V ZR 190/97 – Rn. 18, zitiert nach juris. 17 Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Urt. v. 2. 5. 1997 – 14 U 51/96 – juris. 12
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delt.18 Der Begriff des „öffentlichen Weges“ sei ein Rechtstatsachenbegriff 19. Das Nichtbestreiten bewirke bei ihm, dass das Gericht von seinem Vorliegen ausgehen könne, ohne insoweit in eine Beweisaufnahme eintreten zu müssen.20 Der Bundesgerichtshof stimmte dem Berufungsgericht insoweit zu. Das Berufungsgericht sei „mit Recht von einer unstreitigen Tatsache des ,öffentlichen Weges‘ aus[gegangen] (§ 138 Abs. 1 ZPO)“.21 Der Bundesgerichtshof begründete dies wiederum damit, dass die Rechtsprechung juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen reinen Tatsachenbehauptungen gleichstelle, wenn die vorgetragenen Rechtsbegriffe einfach und jedem Teilnehmer des Rechtsverkehrs geläufig sind. Dazu gehöre auch die Tatsache, dass es sich „um einen schon seit dem vorigen Jahrhundert ausgewiesenen und festgelegten öffentlichen Weg“ handle.22 Maßgeblich sei dabei wiederum nicht, ob diese Feststellung rechtlich und tatsächlich schwierig sein könne, sondern „allein das von der Klägerin behauptete Ergebnis dieses Vorgangs, d. h. die Wegeöffentlichkeit“.23 Die fehlende Nennung von Einzeltatsachen war nach Ansicht des Bundesgerichtshofs auch deshalb unschädlich, weil sich „der Umfang der Substantiierungspflicht der Klägerin nach den konkreten Umständen des Einzelfalles insbesondere der Einlassung der Beklagten (hier: Nichtbestreiten) richtete […]“.24 Die Möglichkeit der Gleichstellung juristisch eingekleideter mit reinen Tatsachenbehauptungen wurde auch in dieser Entscheidung in den Leitsätzen festgehalten: „2. Daß ein bestimmter Weg über ein Privatgrundstück ein seit unvordenklicher Zeit ausgewiesener und festgelegter öffentlicher Weg ist, kann der Behauptung einer Tatsache gleichstehen.“
18 Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Urt. v. 2. 5. 1997 – 14 U 51/96 – Rn. 26, zitiert nach juris. 19 A. a. O. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass teilweise auch der Begriff „Rechtstatsachen“ gebraucht wird, um Einkleidungen von Tatsachenbehauptungen in Rechtsbegriffe zu bezeichnen. 20 Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Urt. v. 2. 5. 1997 – 14 U 51/96 – Rn. 26, zitiert nach juris. 21 BGH, Urt. v. 13. 3. 1998 – V ZR 190/97 – Rn. 18, zitiert nach juris. 22 A. a. O. 23 A. a. O. Zum diesbezüglichen Ausnahmecharakter der Entscheidung siehe unten unter lit. c) bb). 24 BGH, Urt. v. 13. 3. 1998 – V ZR 190/97 – Rn. 18, zitiert nach juris.
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b) Weitere relevante Entscheidungen aa) Entscheidungen zur Geständnisfähigkeit juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen Aus zahlreichen weiteren Entscheidungen des Bundesgerichtshofs ergibt sich mittelbar, dass die Parteien ihre Darlegungslast u.U. auch durch juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen erfüllen können. Das gilt zunächst für diejenigen Entscheidungen, in denen die Geständnisfähigkeit bestimmter juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen nach §§ 138 Abs. 3, 288 Abs. 1 ZPO bejaht wird.25 Tatsachenbehauptungen können nämlich nur dann nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gelten, wenn sie ausreichend substantiiert sind. Denn die Gegenseite ist nur unter dieser Voraussetzung nach § 138 Abs. 2 ZPO verpflichtet, sich über die Tatsachenbehauptungen der anderen Partei zu erklären.26 Besteht im Falle von unsubstantiiertem Sachvortrag schon keine Obliegenheit, auf diesen zu erwidern, kann das Fehlen einer Erwiderung folglich nicht die Geständnisfiktion des § 138 Abs. 3 ZPO nach sich ziehen. Unsubstantiierter Vortrag kann schließlich auch nicht nach § 288 Abs. 1 ZPO zugestanden werden, weil er prozessual unbeachtlich ist. Aus den Entscheidungen, welche die Geständnisfähigkeit juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen bejahen, ergibt sich daher, dass die Behauptungen als ausreichend substantiierter Sachvortrag behandelt wurden. In der Entscheidung BGH, Urt. v. 22. 2. 2011 – XI ZR 261/0927 wurde bspw. die Behauptung der Klägerin, eine Lastschrift sei nicht durch ausdrückliche Erklärung genehmigt worden, als geständnisfähig betrachtet: Die klagende Bank hatte die Beklagte auf Erstattung eines Lastschriftbetrags aus § 812 Abs. 1 S. 1 Fall 2 BGB in Anspruch genommen, den sie im Einzugsermächtigungsverfahren zunächst von der Kontoinhaberin eingezogen und nach einem Widerruf zurückgebucht hatte. Die Klägerin war dabei darlegungsbelastet dafür, dass die Beklagte den Lastschriftbetrag ohne rechtlichen Grund erhal25 Z. B. BGH, Urt. v. 6. 3. 1952 – IV ZR 45/50 = https://www.jurion.de/Urteile/ BGH/1952 – 03 – 06/IV-ZR-45_50, Rn. 50 („Erbe“ und „Pflichtteilsberechtigter“); Urt. v. 29. 9. 1958 – II ZR 342/56 = NJW 1958, 1968 („Eigentum“ und „Kauf“); Urt. v. 29. 10. 1979 – VIII ZR 293/78 – Rn. 15, zitiert nach juris („Abschluss eines Vertrages“); Urt. v. 7. 7. 1986 – II ZR 167/85 – Rn. 6, zitiert nach juris („Kommanditist“); VU v. 16. 7. 2003 – XII ZR 100/00 – Rn. 17, zitiert nach juris; Urt. v. 23. 9. 2004 – IX ZR 137/03 – Rn. 11, zitiert nach juris; Urt. v. 6. 10. 2005 – III ZR 367/04 – Rn. 20, zitiert nach juris (jeweils für den Begriff „Vertragspartei“); Urt. v. 22. 2. 2011 – XI ZR 261/09 – Rn. 12, zitiert nach juris; Urt. v. 19. 1. 2012 – IX ZR 2/11 (= BGHZ 192, 221 – 236) – Rn. 24, zitiert nach juris (jeweils „ausdrückliche und konkludente Genehmigung“). 26 MüKoZPO/Fritsche, ZPO, § 138 Rn. 18. 27 – juris.
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ten hatte. Fraglich war dabei u. a., ob die Kontoinhaberin die Lastschrift durch ausdrückliche Erklärung genehmigt hatte. Die diesbezügliche juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung der Klägerin, die Lastschrift sei nicht durch ausdrückliche Erklärung der Kontoinhaberin genehmigt worden, hatte die Beklagte nach Ansicht des Bundesgerichtshofs gem. § 288 Abs. 1 ZPO zugestanden.28 Das Geständnis der Behauptung war dabei nach dem soeben Aufgezeigten nur möglich, weil die Behauptung zunächst als ausreichend substantiierter Sachvortrag gewertet wurde. Andernfalls wäre sie prozessual unbeachtlich gewesen und hätte nicht gem. § 288 Abs. 1 ZPO zugestanden werden können. bb) Entscheidungen zur Bindung der Rechtsmittelinstanzen Die Behandlung bestimmter juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen als substantiierter Sachvortrag ergibt sich schließlich auch aus Entscheidungen, in denen eine Bindung der Rechtsmittelinstanzen an die Feststellungen der Vorinstanzen bzgl. der Wahrheit juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen angenommen wird.29 Es ist wiederum zu bedenken, dass unsubstantiierter Sachvortrag grundsätzlich prozessual unbeachtlich ist. Unsubstantiierter Sachvortrag kann daher nicht als wahr festgestellt werden und die Rechtsmittelinstanzen können nicht an eine entsprechende Feststellung gebunden sein. Soweit eine Bindung der Rechtsmittelinstanzen bejaht wird, müssen die als wahr festgestellten juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen folglich als ausreichend substantiierter Sachvortrag qualifiziert worden sein. In der Entscheidung BGH, Urt. v. 19. 3. 2004 – V ZR 104/0330 wurde bspw. eine Bindung der Rechtsmittelinstanzen an die erstinstanzliche Feststellung, die Klageforderungen seien abgetreten worden, bejaht: Erstinstanzlich hatte der damalige Prozessbevollmächtigte des Klägers vorgetragen, dass der Kläger sämtliche Forderungen aus der Klage an ihn abgetreten habe. Gleichwohl hatte der Kläger die Aufrechterhaltung eines Vollstreckungsbescheids beantragt, nach welchem die Beklagte Zahlung an ihn selbst (also den Kläger) zu leisten habe. Das erkennende Landgericht hatte den Vollstreckungsbe28 BGH, Urt. v. 22. 2. 2011 – XI ZR 261/09 – Rn. 12, zitiert nach juris. Der erkennende Senat setzt sich dabei nicht ausdrücklich mit der Frage auseinander, ob die vorgetragenen Rechtsbegriffe einfach und allgemein bekannt sind. Das bedeutet jedoch nicht, dass der erkennende Senat jegliche juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung wie reine Tatsachenbehauptungen behandelt. Es handelt sich vielmehr um eine der Entscheidungen, die den Begriff „juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen“ in einem engeren Sinn verwenden. Ausführlich dazu oben im 1. Kapitel C. II. 3. b). 29 Z. B. BGH, Urt. v. 14. 3. 1997 – V ZR 9/96 (= BGHZ 135, 92 – 107) – Rn. 13, zitiert nach juris („Rechtsnachfolge“); Urt. v. 19. 3. 2004 – V ZR 104/03 (= BGHZ 158, 295 – 310) – Rn. 13, zitiert nach juris („Abtretung“). 30 (= BGHZ 158, 295 – 310) – juris.
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scheid aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Kläger sei wegen der erfolgten Abtretung nicht mehr aktivlegitimiert. Mit seiner Berufung hatte der Kläger u. a. beantragt, den Vollstreckungsbescheid unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils aufrechtzuerhalten. Zur Begründung führte er aus, die Abtretungserklärung hätte sich nicht auf die streitgegenständliche Forderung bezogen. Das Oberlandesgericht wies die Berufung zurück. Es sah sich an die Feststellung im landgerichtlichen Urteil gebunden, dass der Kläger die Klageforderungen an seinen Prozessbevollmächtigten abgetreten habe. Der Bundesgerichtshof gab dem Oberlandesgericht insoweit Recht.31 Die von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO angeordnete Bindungswirkung der erstinstanzlichen Feststellungen erstrecke sich nämlich auch auf Feststellungen zu sogenannten Rechtstatsachen32. Voraussetzung war nach dem oben Gesagten wiederum, dass die juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung, die Klageforderungen seien an den Prozessbevollmächtigten abgetreten worden, zunächst als substantiierter Sachvortrag gewertet wurde. c) Hintergründe aa) Grundlagen Der Bundesgerichtshof begründet in den dargestellten Entscheidungen nicht näher, weshalb er Behauptungen einfacher und jedem Teilnehmer des Rechtsverkehrs geläufiger Rechtsbegriffe als substantiierten Sachvortrag wertet. Die Grundlage dieser Wertung ergibt sich aber aus anderen Entscheidungen zur Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen.33 Danach sei die Einführung entsprechender Rechtsbegriffe in den Prozess deren Zerlegung in die einzelnen tatsächlichen Momente gleichzuachten.34 Die Behauptung bspw. des Eigentums an einer Sache sei also der Behauptung der Entstehungstatsachen des Eigentumsrechts an der Sache gleichzuachten. Der Vortrag eines entsprechenden Rechtsbegriffs wird damit als Umschreibung solcher Tatsachen gewertet, deren rechtliche Beurteilung mit dem vorgetragenen Rechtsbegriff bezeichnet wird. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass die Parteien die als einfach und jedem 31 BGH, Urt. v. 19. 3. 2004 – V ZR 104/03 (= BGHZ 158, 295 – 310) – Rn. 13, zitiert nach juris. 32 Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass der Bundesgerichtshof verschiedene Bezeichnungen gebraucht, um die parteiliche Verwendung von Rechtsbegriffen zur Tatsachendarlegung zu beschreiben. 33 Insbesondere aus BGH, Urt. v. 29. 9. 1958 – II ZR 342/56 = NJW 1958, 1968; siehe auch RG, Urt. v. 29. 5. 1883 – II 106/83 – juris = RGZ 10, 364 – 366 (zu der Frage, inwiefern Rechtsbegriffe Gegenstand eines gerichtlichen Geständnisses sein können). Zur Entwicklung der Rechtsprechung zu juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen siehe unten C. II. 1. a) bb). 34 BGH, Urt. v. 29. 9. 1958 – II ZR 342/56 = NJW 1958, 1968.
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Teilnehmer am Rechtsverkehr geläufig qualifizierten Rechtsbegriffe juristisch korrekt verwenden würden. bb) Auslegung der Kriterien Was genau der Bundesgerichtshof unter einfachen und allgemein bekannten bzw. jedem Teilnehmer am Rechtsverkehr geläufigen Rechtsbegriffen versteht, erklärt er weder in den dargestellten noch, soweit ersichtlich, in anderen Entscheidungen.35 Das Merkmal der allgemeinen Bekanntheit bzw. Geläufigkeit von Rechtsbegriffen braucht dabei auch nicht näher erläutert zu werden. Nach der üblichen Definition von „Allgemeinheit“36 ist ein Rechtsbegriff allgemein bekannt, wenn er der Öffentlichkeit, der Gesamtheit der Menschen, allen bekannt ist. Dabei ist offensichtlich, dass dieses Kriterium nicht wörtlich zu verstehen ist. Kein Rechtsbegriff ist allen Menschen bekannt oder jedem Teilnehmer des Rechtsverkehrs geläufig. Zu diesen Personengruppen gehören auch Kinder, Demente, Menschen mit geistiger Behinderung und andere Personengruppen, die aus verschiedensten Gründen nahezu überhaupt keine Rechtsbegriffe (mehr) kennen. Mit allgemein bekannten Rechtsbegriffen können also nur Rechtsbegriffe gemeint sein, die volljährigen, durchschnittlich gebildeten und geistig gesunden Parteien üblicherweise bekannt sind.37 Schwieriger festzustellen ist, unter welchen Voraussetzungen die Rechtsprechung vom Vorliegen eines einfachen Rechtsbegriffs ausgeht. Eine positive Aussage findet sich diesbezüglich in der Entscheidung BGH, Urt. v. 7. 7. 1986 – II ZR 167/8538. Danach sei die Kommanditistenstellung ein einfaches Rechtsverhältnis, weil sie von den Parteien des Rechtsstreits (Kaufleuten) leicht beurteilt werden könne.39 Im Übrigen finden sich in der Rechtsprechung aber vor allem Hinweise darauf, wann kein einfacher Rechtsbegriff vorliegen solle. So entschied das Reichsgericht40, dass kein Rechtsverhältnis einfacher Art vorliege, wenn sich das Rechtsverhältnis nur nach Erwägung verschiedenartiger rechtlicher und rechts35 Würthwein, Umfang und Grenzen des Parteieinflusses, S. 126 behauptet, die Rechtsprechung habe sich bemüht, den Begriff des einfachen Rechtsverhältnisses zu bestimmen und inhaltlich auszufüllen. Nachweise für dieses Bemühen bringt Würthwein allerdings nicht. 36 http://www.duden.de/rechtschreibung/Allgemeinheit. 37 Zur tatsächlichen Handhabung des Kriteriums der allgemeinen Bekanntheit siehe sogleich unter lit. cc). 38 – juris. 39 BGH, Urt. v. 7. 7. 1986 – II ZR 167/85 – Rn. 6, zitiert nach juris. 40 Urt. v. 11. 6. 1895 – III 69/95 – juris = RGZ 35, 409 – 412 (Zugehörigkeit zum hohen deutschen Adel).
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
historischer Momente feststellen lasse. Der Bundesgerichtshof41 verneinte die Einfachheit für den Begriff der „Nebenberuflichkeit“ (der Tätigkeit eines Handelsvertreters), weil sich die Abgrenzung zwischen haupt- und nebenberuflicher Tätigkeit eines Handelsvertreters nach der Verkehrsauffassung richte und bereits im Gesetzgebungsverfahren42 darauf hingewiesen worden sei, dass dies mit Rücksicht auf viele Zweifelsfälle im Einzelfall sehr schwer festzustellen sein könne. Im Ergebnis liegt nach der Rspr. also dann ein einfacher Rechtsbegriff vor, wenn die Parteien leicht beurteilen können, ob die rechtliche Würdigung eines Sachverhalts mit dem entsprechenden Rechtsbegriff bezeichnet wird. Voraussetzung dafür ist, dass keine komplexen juristischen Er- und Abwägungen im Rahmen der Subsumtion des Sachverhalts unter den Rechtsbegriff notwendig sind, weil es sich z. B. um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt oder seine Abgrenzung von anderen Rechtsbegriffen stark einzelfallabhängig ist. Nach drei Entscheidungen des V. Senats des Bundesgerichtshofs43 sollen evtl. auftretende rechtliche und tatsächliche Schwierigkeiten bei der Herleitung des rechtlichen Ergebnisses bei der Beurteilung der Einfachheit allerdings außer Betracht bleiben.44 „Die Rechtsprechung stellt tatsächlichen Umständen (§ 138 Abs. 1 ZPO) Tatsachen in ihrer juristischen Einkleidung gleich, wenn dies durch einen einfachen Rechtsbegriff geschieht, der jedem Teilnehmer des Rechtsverkehrs geläufig ist […]. Hierher gehört das Sacheigentum, wobei es nicht darauf ankommt, ob die Herleitung der Eigentümerstellung, wie bei ehemaligem Volkseigentum häufig, rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten begegnet. Maßgeblich ist das von der Partei vorgetragene Ergebnis dieses Vorgangs, die behauptete Inhaberschaft an dem Rechte.“45
Die Ausführungen des V. Senats sind allerdings schwer nachvollziehbar. Zunächst lässt sich die Herleitung bspw. einer Eigentümerstellung in Bezug auf die Schwierigkeit der rechtlichen Beurteilung nicht sinnvoll vom Ergebnis dieses Vorgangs – der Eigentümerstellung selbst – trennen. Denn wie sollte es einfach zu beurteilen sein, wer Eigentümer einer Sache ist, wenn die Herleitung der Eigentümerstellung rechtlich kompliziert ist? Die Außerachtlassung der Umstände des Einzelfalls widerspricht zudem der übrigen Rspr. zu den juristisch 41 Urt. v. 21. 3. 2013 – VII ZR 224/12 (= BGHZ 197, 100 – 110) – Rn. 28, zitiert nach juris. 42 BT-Drucks. 1/3856, S. 43. 43 BGH, Urt. v. 2. 6. 1995 – V ZR 304/93 – Rn. 7, zitiert nach juris; Urt. v. 14. 3. 1997 – V ZR 9/96 (= BGHZ 135, 92 – 107) – Rn. 13, zitiert nach juris; Urt. v. 13. 3. 1998 – V ZR 190/97 – Rn. 18, zitiert nach juris. 44 Zu zwei der Entscheidungen siehe schon oben unter lit. a). Die entsprechende Formulierung findet sich nun auch in einer Entscheidung des II. Senats (BGH, Urt. v. 29. 7. 2014 – II ZR 353/12 (= BGHZ 202, 180) – Rn. 43, zitiert nach juris). 45 BGH, Urt. v. 2. 6. 1995 – V ZR 304/93 – Rn. 7, zitiert nach juris.
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eingekleideten Tatsachenbehauptungen. So wurde bspw. die Gleichstellung der Behauptung des vermeintlich einfachen Rechtsbegriffs „Schenkung“ mit reinen Tatsachenbehauptungen verneint, weil es im konkreten Fall um Zuwendungen im Rahmen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft ging und das Unterfallen solcher Zuwendungen unter den Begriff der „Schenkung“ i.S.d §§ 516 ff. BGB „äußerst umstritten“ sei.46 Die genannten Entscheidungen des V. Senats sind damit als Ausnahmen oder schlicht als unglücklich formuliert zu betrachten. Es muss mithin davon ausgegangen werden, dass die Rspr. rechtliche und tatsächliche Schwierigkeiten bei der Herleitung des rechtlichen Ergebnisses i. R. d. Beurteilung der Einfachheit auch weiterhin beachtet. Insgesamt stellt sich das Kriterium der Einfachheit der Rechtsbegriffe gewissermaßen als Korrektiv dar. Auch Behauptungen von Rechtsbegriffen, die vielen Menschen bekannt sind, können danach nicht als Tatsachenvortrag gewertet werden, wenn die juristisch korrekte Verwendung der Rechtsbegriffe durch den Behauptenden (im konkreten Fall) zweifelhaft ist. cc) Relativierung der „allgemeinen Bekanntheit“ durch die Rechtsprechung Betrachtet man die relevanten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs, so stellt man fest, dass er insbesondere das Kriterium der allgemeinen Bekanntheit der Rechtsbegriffe nicht seinem Wortlaut entsprechend – auch nicht bei praxistauglicher Auslegung47 – anwendet. So wurden bspw. die Behauptungen, es sei bei Schulderlass mit Sanierungsabsicht gehandelt worden48 und es sei die Unverfallbarkeit von Ruhegehaltsansprüchen vereinbart worden49, als geständnisfähig nach § 288 ZPO und damit als substantiierter Sachvortrag gewertet. Dabei ist offensichtlich, dass die Bedeutung dieser Begriffe bzw. Formulierungen nicht allen volljährigen, durchschnittlich gebildeten und geistig gesunden Parteien bekannt ist. Ausreichend war daher offensichtlich vielmehr, dass die Begriffe den konkret verhandelnden Parteien bekannt waren. Dementsprechend begründete der Bundesgerichtshof seine Wertung der Behauptung einer Abtretung als Tatsachenvortrag dann auch ganz ausdrücklich damit, dass die Parteien durch Rechtsanwälte vertreten gewesen sein und „jedenfalls für sie […] der Abtretungsvertrag (§ 398 BGB) ein einfacher und geläufiger Rechtsbegriff “ sei.50 Ebenso sei die Gleichstellung der Behauptung der Kommanditistenstellung mit der Behauptung der dieser zugrundeliegenden Tatsachen 46
BGH, Urt. v. 4. 11. 1991 – II ZR 26/91 – Rn. 8, zitiert nach juris. Siehe oben unter lit. bb). 48 BGH, Urt. v. 13. 3. 2014 – IX ZR 23/10 – Rn. 17, zitiert nach juris. 49 BGH, Urt. v. 18. 6. 2007 – II ZR 89/06 – Rn. 16, zitiert nach juris. 50 BGH, Urt. v. 2. 2. 1990 – V ZR 245/88 – Rn. 11, zitiert nach juris. 47
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
möglich, weil der Begriff „Kaufleuten, um die es hier geht, bekannt ist und von ihnen leicht beurteilt werden kann.“51 Zuvor wurde in diesen Entscheidungen aber dennoch jeweils dargelegt, dass (nur) Behauptungen einfacher und allgemein bekannter bzw. jedem Teilnehmer am Rechtsverkehr geläufiger Rechtsbegriffe als inhaltlich tatsächliches Vorbringen angesehen werden könnten. Der Bundesgerichtshof hält also grundsätzlich an seinen Standardformulierungen bzgl. der Voraussetzungen einer Gleichstellung von juristisch eingekleideten und reinen Tatsachenbehauptungen fest. Wenn überhaupt, wird erst im Rahmen der Subsumtion ausgeführt bzw. angedeutet, dass es nicht darauf ankomme, ob ein Rechtsbegriff allgemein bekannt ist, sondern ob er den konkret verhandelnden Parteien bzw. deren Prozessvertretern bekannt ist. Dies muss bei der Lektüre der Rspr. beachtet werden. Die Bezeichnungen „einfach“ und „allgemein bekannt“ bzw. „jedem Teilnehmer am Rechtsverkehr geläufig“ werden schlagwortartig verwendet, um die wirklichen Voraussetzungen abkürzend zu umschreiben. d) Fazit Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs können die Parteien ihrer Darlegungslast auch durch juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen genügen. Voraussetzung sei, dass die vorgetragenen Rechtsbegriffe einfach und allgemein bekannt bzw. jedem Teilnehmer des Rechtsverkehrs geläufig sind. Dies ist in dem Sinne zu verstehen, dass die konkret verhandelnden Parteien die Bedeutung der vorgetragenen Rechtsbegriffe verstehen müssen und auch die Umstände des Einzelfalls keine Zweifel an der juristischen Korrektheit der Begriffsverwendung entstehen lassen dürfen. Sind diese Voraussetzungen gegeben, werden die Rechtsbegriffsvorträge als abgekürzte Behauptungen der den Rechtsbegriffen zugrundeliegenden Tatsachen gewertet. 2. Ansichten in der Literatur Die herrschende Literatur teilt die Ansicht der Rspr. bezüglich der Voraussetzungen, unter denen die Parteien ihre Darlegungslast durch juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen erfüllen können (dazu unter lit. a)). Teilweise wird aber auch vertreten, dass die Entstehungstatsachen präjudizieller Rechtsverhältnisse generell nicht angegeben werden müssten (dazu unter lit. b)). Schließlich wird auch eine noch weitergehende Einkleidung von Tatsachenbehauptungen in Rechtsbegriffe für der Darlegungslast genügend erachtet (dazu unter lit. c)).
51
BGH, Urt. v. 7. 7. 1986 – II ZR 167/85 – Rn. 6, zitiert nach juris.
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a) Erfüllung der Darlegungslast bei Annahme der korrekten Verwendung der Rechtsbegriffe Die herrschende Literatur teilt die Ansicht der Rechtsprechung. Die Parteien würden ihrer Darlegungslast also durch juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen genügen, wenn von einer juristisch korrekten Verwendung der Rechtsbegriffe durch die Parteien auszugehen ist. Dies wird zwar relativ selten im Rahmen der Ausführungen zur Behauptungslast selbst dargelegt.52 Es lässt sich aber wiederum auch den Ausführungen zu §§ 138 Abs. 353, 288 ZPO54 entnehmen. Juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen sind nämlich auch nach Ansicht der h. L. geständnisfähig nach diesen Vorschriften, wenn von einer korrekten Verwendung der Rechtsbegriffe auszugehen ist. Die Geständnisfähigkeit setzt dabei wiederum voraus, dass die Behauptungen als substantiierter Sachvortrag gewertet werden. Auch wenn im Ergebnis wohl stets auf die Annahme der Korrektheit der Begriffsverwendung abgestellt wird, werden die Voraussetzungen, unter denen juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen substantiierten Sachvortrag darstellen sollen, in der Lit. unterschiedlich bezeichnet. So heißt es u. a., die Rechtsbegriffe müssten „einfach und allgemein bekannt“55, nur „allgemein bekannt“56 oder allgemein geläufig57 oder „im Leben gebräuchlich“58 sein. Teilweise werden die Rechtsbegriffe, deren Vortrag reinem Tatsachenvortrag vergleichbar sein soll, auch als „Rechtstatsachen“ bezeichnet.59 Dass es im Ergebnis dennoch stets darauf ankommen solle, ob die Parteien die vorgetragenen Rechtsbegriffe korrekt verwenden, ergibt sich insbesondere daraus, dass zum Beleg regelmäßig die oben dargestellten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zitiert werden. Diese lassen schlicht keine andere Interpretation zu. Die Möglichkeit der Erfüllung der Darlegungslast durch juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen wird dabei damit begründet, dass die Parteien nach den allgemeinen Grundsätzen zur Substantiierungspflicht zunächst sehr pauschal vortragen könnten. Die verwendeten Rechtsbegriffe müssten deshalb 52 Z. B. von Schneider, Die Klage im Zivilprozess, Rn. 2112; Mertins, NJ 11/09, 441, 444; MüKoZPO/Fritsche, ZPO, § 138 Rn. 18; BeckOK ZPO/von Selle, § 138 Rn. 8; Lent, Wahrheits- und Aufklärungspflicht, S. 20 ff. 53 Siehe unten B. I. 2. b) aa). 54 Siehe unten C. II. 2. a) aa). 55 Z. B. bei BeckOK ZPO/von Selle, § 138 Rn. 8. 56 Z. B. bei Schneider, Die Klage im Zivilprozess, Rn. 2113. 57 Z. B. bei Zöller/Greger, ZPO, § 138 Rn. 11a. 58 Z. B. bei Mertins, NJ 11/09, 441, 444. 59 Z. B. bei Saenger/Wöstmann, ZPO, § 138 Rn. 6. Der Begriff findet sich auch bei BeckOK ZPO/von Selle, § 138 Rn. 8.
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
erst aufgelöst werden, wenn die Gegenseite den pauschalen Vortrag bestreitet.60 Dementsprechend dürfe der Kläger bspw. „bei der Herausgabeklage einfach sein Eigentumsrecht, bei der Kaufpreisklage einfach den Vertragsschluss behaupten“ und habe erst auf das Bestreiten des Beklagten hin die Einzelheiten zu schildern.61 Tatsachenbehauptungen der Einfachheit halber in juristische Begriffe einzukleiden, entspreche vielfach dem praktischen Bedürfnis.62 Nach Bacher63 dürften dabei jedoch keine Rechtsbegriffe verwendet werden, „deren Beurteilung definitionsgemäß stets von den Umständen des Einzelfalles oder von der Verkehrsauffassung abhängt und die deshalb nicht als ‚einfach‘ […] angesehen werden können“. b) Keine Notwendigkeit der Angabe der Entstehungstatsachen präjudizieller Rechtsverhältnisse Nach anderer Ansicht64 müssen die Entstehungstatsachen eines präjudiziellen Rechtsverhältnisses generell nicht angegeben werden, solange nicht dessen rechtliche Bedeutung oder tatsächliche Grundlagen von der Gegenseite bestritten werden. Denn bis dahin würden präjudizielle Rechtsverhältnisse für den Prozess nur als bedingende Tatsachen in dem Sinn erscheinen, dass sie nicht den unmittelbaren Gegenstand der Entscheidung, sondern nur dessen Voraussetzung bilden.65 Der Richter würde mithin erst genötigt, auch über diese Rechtsverhältnisse zu entscheiden, wenn deren rechtliche Bedeutung oder tatsächliche Grundlagen bestritten werden. Präjudizielle Rechtsverhältnisse bzw. die sie bezeichnenden Rechtsbegriffe könnten also zunächst einfach behauptet werden. Juristisch eingekleidete Tatsa60
Mertins, NJ 11/09, 441, 444. ZPO, § 138 Rn. 18. Dem folgend Prütting/Gehrlein/Prütting, ZPO, § 138 Rn. 9. 62 BeckOK ZPO/von Selle, § 138 Rn. 8. 63 BeckOK ZPO/Bacher, § 288 Rn. 4.3 (die Ausführungen betreffen zwar die Geständnisfähigkeit juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen nach § 288 ZPO. Sie können aber problemlos auf die vorliegende Thematik übertragen werden). 64 Stein/Jonas/Schumann, ZPO, 21. Auflage, § 253 Rn. 137; Demmler, Das Gerichtliche Geständnis von Rechtsverhältnissen, S. 21 ff.; im Ergebnis auch Lent, Gesetzeskonkurrenz, S. 360 ff. 65 Lent, Gesetzeskonkurrenz, S. 378 ff. Die entsprechenden Ausführungen Schumanns (Stein/Jonas/Schumann, ZPO, 21. Auflage, § 253 Rn. 137) finden sich zwar in der Kommentierung zu § 253 ZPO und betreffen damit in erster Linie die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Klageerhebung. Dass sie aber auch hinsichtlich der Anforderungen an die Schlüssigkeit einer Klage Geltung beanspruchen, ergibt sich daraus, dass Schumann ausdrücklich darlegt, präjudizielle Rechtsverhältnisse würden „für den Prozess (insbesondere auch für § 331), solange nur als bedingende Tatsache“ erscheinen, bis deren rechtliche Bedeutung oder tatsächliche Grundlage bestritten würden. 61 MüKoZPO/Fritsche,
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chenbehauptungen würden folglich der Darlegungslast genügen, wenn die in ihnen enthaltenen Rechtsbegriffe für das konkrete Verfahren präjudizielle Rechtsverhältnisse bezeichnen. Die Annahme der juristisch korrekten Verwendung der Rechtsbegriffe durch die Parteien solle dabei offensichtlich keine Rolle spielen. c) Weitgehende Zulässigkeit der Verwendung von Rechtsbegriffen Schließlich wird vertreten, die Parteien dürften ihre Tatsachenbehauptungen weitgehend in Rechtsbegriffe einkleiden, ohne dabei stets den genannten Beschränkungen zu unterliegen.66 Weder müsse also unbedingt von einer juristisch korrekten Verwendung der vorgetragenen Rechtsbegriffe auszugehen sein noch müssen die Rechtsbegriffe präjudizielle Rechtsverhältnisse bezeichnen. Nach dieser Ansicht ist es den Parteien daher auch möglich, Tatsachenbehauptungen in unbestimmte Rechtsbegriffe einzukleiden.67 So könne z. B. in einer Verkehrssache zunächst schlicht die „Fahrlässigkeit“ des Verhaltens der Gegenseite behauptet werden, ohne dass einzelne Tatsachen genannt werden müssten, die auf die Fahrlässigkeit schließen lassen.68
III. Stellungnahme Vieles spricht dafür, juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen u.U. als substantiierten Sachvortrag zu werten (dazu unter 1.). Es bedarf allerdings gewisser Beschränkungen, um die Parteien vor ihrer eigenen Unerfahrenheit und rechtlichen Unkenntnis zu schützen (dazu unter 2.). Die prozessualen Folgen des Vortrags juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen hängen davon ab, ob die Parteien ihrer Darlegungslast mit den Behauptungen genügen (dazu unter 3.). 1. Argumente für die Zulassung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen Die Prozessökonomie und das praktische Bedürfnis erfordern vielfach Vorträge von juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen (dazu unter lit. a)). Juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen enthalten zudem Aussagen über Tatsachen und stellen damit Sachvortrag dar (dazu unter lit. b)). Die rechtliche Beurteilung, die den Behauptungen zugrunde liegt, steht der Zulässigkeit entsprechender Vorträge nicht generell entgegen (dazu unter lit. c)). Das Gleiche gilt 66 Wieczorek/Schütze/Gerken,
ZPO, § 138 Rn. 10. Die damit verbundenen Probleme löst diese Ansicht über eine einschränkende Auslegung des § 138 Abs. 3 ZPO (siehe dazu unten B. I. 2. b) bb)). 68 Wieczorek/Schütze/Gerken, ZPO, § 138 Rn. 10. 67
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für die Pauschalisierung des Sachvortrags, die juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen mit sich bringen (dazu unter lit. d)). a) Prozessökonomie und praktisches Bedürfnis Für die Zulassung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen im Rahmen der Sachverhaltsdarlegung sprechen zunächst die Prozessökonomie und das praktische Bedürfnis. Die Umschreibung einzelner Tatsachenkomplexe durch Rechtsbegriffe ermöglicht nämlich bedeutende Abkürzungen des Tatsachenvortrags.69 Dürfte bspw. der Kläger einer Herausgabeklage nach § 985 BGB nicht behaupten, er sei „Eigentümer“ der heraus verlangten Sache, müsste er unter Umständen70 umfangreich darlegen, wie und von wem er das Eigentum erworben hat, wie und vom wem der Vormann das Eigentum erworben hat usw.71 Von den Schwierigkeiten einer entsprechenden (wahrheitsgetreuen) Sachverhaltsschilderung ganz abgesehen72, wäre eine solche häufig auch völlig überflüssig. Zumeist wird der Beklagte das „Eigentum“ des Klägers nämlich gar nicht bestreiten, sondern bspw. Tatsachen darlegen, aus denen sich sein Recht zum Besitz nach § 986 Abs. 1 S. 1 BGB ergeben soll. Entsprechendes gilt auch in vielen anderen Fällen. Regelmäßig streiten die Parteien nur über bestimmte Punkte des Sachverhalts, während sie sich über den Großteil des Geschehenen völlig einig sind. Teilweise streiten die Parteien auch nur über die rechtlichen Folgen der komplett unstreitigen Tatsachen. In solchen Fällen tragen juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen dazu bei, die Sachverhaltsdarstellung auf ein angemessenes Maß zu reduzieren. A verklagt B auf Zahlung rückständiger Miete in Höhe von EUR 1.000,–. A und B sind sich völlig einig, dass ein Vertrag zwischen ihnen besteht, der A zur entgeltlichen Überlassung seiner Wohnung an B verpflichtet. Sie streiten ausschließlich darüber, ob die letzte Mietanpassung des A rechtmäßig war.
Dürfte A hier keine juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen vortragen, könnte er bspw. nicht behaupten, dass ein „Mietvertrag“ zwischen den Parteien besteht oder dass B die Wohnung von ihm „mietet“. A müsste also entweder Formulierungen finden, die keinerlei Rechtsbegriffe enthalten oder 69 So u. a. auch Lent, Gesetzeskonkurrenz, S. 80 f.; ders., Wahrheits- und Aufklärungspflicht, S. 21. 70 Z. B., wenn er nie Besitzer der Sache war und ihm die Vermutung des § 1006 Abs. 2 BGB somit nicht zugute kommt. Siehe dazu Staudinger/Gursky, BGB, § 985 Rn. 37. 71 Näher dazu a. a. O. 72 Nicht umsonst wird die entsprechende Problematik i. R. d. Beweisführung als „probatio diabolica“ bezeichnet (mit dieser Bezeichnung bspw. Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts, § 196 Fn. 3).
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zumindest den genauen Wortlaut der Erklärungen wiedergeben, mit denen der Vertrag geschlossen wurde. Ersteres ist teilweise überhaupt nicht möglich oder wäre zumindest äußerst umständlich. Denn auch im alltäglichen Sprachgebrauch werden etliche Umstände und Geschehnisse durch Rechtsbegriffe umschrieben. Und nicht immer existieren Synonyme, die genauso gebräuchlich sind wie die Rechtsbegriffe. So dürfte A zum Beispiel auch nicht vortragen, er hätte B etwas „angeboten“, es sei ein „Vertrag“ abgeschlossen worden etc. Dabei ist offensichtlich, dass es wenige begriffliche Alternativen gibt, mit denen A diese Sachverhaltsdetails allgemeinverständlich schildern könnte. Die Parteien wären somit häufig gezwungen, den Sachverhalt bis ins letzte Detail zu zergliedern. Eine solche Vorgehensweise hätte aber völlig ausufernde Schriftsätze und Verhandlungen zur Folge, ohne dass dem irgendein Mehrwert gegenüberstünde.73 Den Großteil des detailliert vorgetragenen Sachverhalts würde die Gegenseite nämlich auch nicht bestreiten, wenn er abgekürzt durch Rechtsbegriffe behauptet würde. Im Übrigen würden sich regelmäßig auch im detailliert vorgetragenen Sachverhalt noch Rechtsbegriffe finden. So heißt es bspw. in vielen Standardmietverträgen „Der Vermieter vermietet an den Mieter die Wohnung74 in […]“, Kaufvertragsverhandlungen werden mit der Aussage eingeleitet „Ich würde dir dein […] abkaufen“ usw. Ein generelles Verbot juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen ließe sich schließlich auch noch aus einem weiteren Grund nicht durchführen. Häufig werden sich die Parteien nämlich schlicht nicht mehr an alle Sachverhaltsdetails erinnern, sondern nur noch die Ergebnisse der Vorgänge im Gedächtnis haben.75 Diese Ergebnisse des Geschehenen bezeichnen die Parteien nun aber häufig auch für sich selbst mit Rechtsbegriffen. Sie erinnern sich bspw. nur noch daran, eine Sache verkauft oder gemietet zu haben, einen Vertrag geschlossen zu haben und so weiter. Die Parteien sind also teilweise gar nicht in der Lage, den Sachverhalt bis ins letzte Detail zu schildern.76
73 So auch das OLG Koblenz, Urt. v. 2. 4. 1992 – 5 U 1326/91 – Rn. 20, zitiert nach juris. 74 Auch der Begriff „Wohnung“ ist ein Rechtsbegriff. Man denke nur an die Bestimmungen des BGB bzgl. von Mietverhältnissen über „Wohnraum“, das „Wohnungseigentumsgesetz“ usw. 75 So auch Staub, JW 1886, 131, 134: „Ob ein Kaufmann mit seinem Kunden für eine bestimmter Waare einen bestimmten Preis vereinbart hat, wird er nach Jahresfrist noch wissen; aber er wird verlegen werden, wenn er nach Jahresfrist noch haarklein auseinandersetzen soll, in welcher Weise sich die Vorgänge, aufgrund derer er sich das Urteil gebildet hat, es sei eine Preisvereinbarung erfolgt, zugetragen haben.“ 76 So auch Orfanidis, in: FS Ishikawa, S. 394 f.
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b) Juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen als Sachvortrag Die Parteien müssen juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen auch deshalb zur Sachverhaltsdarlegung verwenden dürfen, weil juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen Aussagen über Tatsachen enthalten. Rechtsbegriffe können zwar auch ausschließlich zur Bezeichnung rechtlicher Beurteilungen gebraucht werden. Juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen zeichnen sich aber gerade dadurch aus, dass die in ihnen enthaltenen Rechtsbegriffe Tatsachen umschreiben sollen.77 Der Unterschied zu reinen Tatsachenbehauptungen besteht mithin nur darin, dass Tatsachenbehauptungen in juristische Begriffe eingekleidet werden. Weder die ZPO noch die im Zivilprozess geltenden Prozessmaximen schreiben jedoch vor, dass die entscheidungserheblichen Tatsachen durch bestimmte Begriffe in den Prozess eingeführt werden müssen. Die Verwendung von Begriffen aus der juristischen Fachsprache darf der Wertung einer Behauptung als ausreichend substantiierter Sachvortrag daher grundsätzlich nicht entgegenstehen. Dabei ist auch zu beachten, dass auch Vorträge von Begriffen anderer Fachrichtungen zur Tatsachenumschreibung unstrittig als ausreichend substantiierter Sachvortrag gewertet werden. Der Kläger einer Schadensersatzklage behauptet, der Beklagte habe die Katze des Klägers überfahren. Der Begriff „Katze“ ist (auch) ein biologischer Begriff. Der Kläger einer Kaufpreisklage behauptet, der Beklagte habe das Auto des Klägers gekauft. Der Begriff „Auto“ (kurz für Automobil) ist (auch) ein technischer Begriff.
Es werden also unzählige Begriffe zur Tatsachenumschreibung zugelassen, obwohl die Begriffe bspw. der biologischen, der technischen oder der wirtschaftlichen Fachsprache entstammen oder in diese übernommen wurden. Entsprechende Behauptungen werden dabei als ausreichend substantiierter Sachvortrag gewertet, wenn von einer korrekten Verwendung der Begriffe durch die Parteien ausgegangen werden kann. In diesem Fall können die Begriffsvorträge nämlich als bloße Abkürzungen bzw. Zusammenfassungen der Behauptungen von Einzeltatsachen behandelt werden. Für juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen kann grundsätzlich nichts anderes gelten.78 Der Unterschied zu Vorträgen von Begriffen anderer Fachrichtungen liegt nämlich nur darin, dass die korrekte Be-
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Näher dazu oben im 1. Kapitel C. II. 2. Vergleichbarkeit der Behauptungen von Rechtsbegriffen und von anderen Begriffen, die eine besondere Sachkunde erfordern, siehe auch RG, Urt. v. 26. 10. 1881 – I 589/81 – juris = RGZ 7, 1 – 8; Orfanidis, in: FS Ishikawa, S. 388; Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann, ZPO, Einf § 284 Rn. 21. 78 Zur
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griffswahl hier keine biologische, wirtschaftliche oder technische, sondern eine rechtliche Beurteilung erfordert. Dies ist jedoch grundsätzlich unerheblich.79 c) Grundsätzliche Unerheblichkeit der Notwendigkeit rechtlicher Beurteilungen Die Verwendung eines Rechtsbegriffs mit dessen juristisch-technischem Bedeutungsgehalt erfordert eine rechtliche Beurteilung.80 Beim Vortrag juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen wird das Gericht nun, sofern keine entgegenstehenden Anhaltspunkte vorliegen, davon ausgehen müssen, dass die Rechtsbegriffe mit deren juristisch-technischen Bedeutungsgehalten gebraucht werden. Juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen erscheinen folglich regelmäßig als Kundgaben (auch) rechtlicher Beurteilungen. Dies scheint in zweifacher Hinsicht problematisch. Erstens sind die Parteien üblicherweise rechtliche Laien. Ihnen fehlen daher regelmäßig fundierte Rechtskenntnisse. Das kann jedoch nicht bedeuten, dass Vorträge juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen generell unzulässig sind. Es bedarf nämlich nicht unbedingt vertiefter Rechtskenntnisse, um Rechtsbegriffe korrekt zu verwenden. Das zeigt wiederum der Vergleich mit Begriffen anderer Fachrichtungen. So ist es den Parteien bspw. gestattet, sich Begriffen wie „Auto“ oder „Bilanz“ zu bedienen, auch wenn sie technische oder wirtschaftliche Laien sind. Denn diese Begriffe sind in der Alltagssprache derart gebräuchlich, dass auch Laien ihre grundsätzliche Bedeutung – zumindest in laienhafter Parallelwertung – verstehen. Das Gleiche gilt auch für zahlreiche Rechtsbegriffe. Rechtliche Laien kennen Begriffe wie „Kauf“ oder „Miete“ aus dem alltäglichen Leben und verstehen deren grundsätzliche Bedeutung. Zumindest wissen sie regelmäßig, dass der Erwerb einer Sache gegen Zahlung von Geld als „Kauf“ bezeichnet wird, die entgeltliche Nutzung einer Sache für bestimmte Zeit hingegen als „Miete“. Allein das Vorkommen eines Begriffs in der Rechtsprache steht dessen korrekter Verwendung durch rechtliche Laien damit nicht generell entgegen (man denke nur an Begriffe wie „Sache“, „Mensch“, „Geburt“, „Tier“, „Zahlung“ usw.). Die rechtlichen Beurteilungen, die juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen zugrunde liegen, erscheinen zudem deshalb problematisch, weil die rechtliche Beurteilung des Sachverhalts Aufgabe des Gerichts ist. Auch dies kann jedoch nicht dazu führen, dass die Parteien generell keine juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen vortragen dürfen. Dem Gericht wird die rechtliche Beurteilung des Sachverhalts nämlich nicht entzogen, wenn die Parteien ihre Tatsa79 80
Siehe dazu sogleich. Siehe oben im 1. Kapitel B. III. 2. b).
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chenbehauptungen juristisch einkleiden. Der „einseitige“ Vortrag einer juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptung entfaltet nämlich keinerlei Bindungswirkung gegenüber dem Gericht. Eine Bindung käme erst und nur dann in Betracht, wenn das Vorbringen unbestritten bleibt (§ 138 Abs. 3 ZPO) oder ausdrücklich zugestanden wird (§ 288 Abs. 1 ZPO). Vorliegend geht es aber nur um die Frage, ob die Parteien ihre Darlegungslast durch juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen erfüllen können. Die Reaktion der Gegenseite auf den Vortrag ist in diesem Stadium des Verfahrens noch völlig unklar. Häufig wird die Gegenseite den Vortrag bspw. mit eigenen Sachangaben bestreiten. In diesem Fall muss der Behauptende seinen Vortrag ohnehin durch Angabe der dem Rechtsbegriff zugrundeliegenden Einzeltatsachen substantiieren.81 Die rechtliche Würdigung des Sachverhalts verbleibt also allein beim Gericht. Aber auch wenn die Gegenseite den Vortrag nicht bestreitet, ist das Gericht nicht an die rechtliche Beurteilung der behauptenden Partei gebunden. Es steht dem Gericht nämlich auch in diesem Fall frei, die Angabe der dem Rechtsbegriff zugrundeliegenden Einzeltatsachen zu verlangen. Die rechtliche Würdigung verbleibt damit auch bei unstreitigen juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen beim Gericht, wenn das Gericht dies für nötig hält. Ein generelles Verbot juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen kann folglich auch nicht mit der Aufgabenverteilung zwischen den Parteien und dem Gericht begründet werden. d) Zulässigkeit pauschalen Sachvortrags Juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen stellen regelmäßig sehr pauschalen Vortrag dar. Denn den vorgetragenen Rechtsbegriffen können häufig viele verschiedene Sachverhaltskonstellationen zugrunde liegen. Eine Partei behauptet, sie sei Eigentümerin der streitgegenständlichen Sache.
Es existieren zahlreiche Möglichkeiten, Eigentum an einer Sache zu erwerben (rechtsgeschäftlicher Erwerb, Ersitzung, Verarbeitung, Erbschaft etc.). Der Behauptung der Partei im Beispielsfall ist nicht zu entnehmen, aufgrund welcher dieser Möglichkeiten die Partei Eigentümerin der Sache geworden sein soll. Dies ist aber grundsätzlich unproblematisch. Es ist den Parteien nämlich gestattet, zunächst sehr pauschal vorzutragen. Zergliederungen der Sachverhaltsdarstellung werden erst erforderlich, wenn der Gegenvortrag dazu Anlass bietet. Pauschaler Vortrag enthält aber stets auch generalisierende Begriffe. Ein die Zahlung von Werklohn fordernder Kläger trägt in der Klageschrift vor, der Beklagte habe die vom Kläger durchgeführte Reparatur nicht bezahlt. 81
Näher dazu unten D. II. 3. a).
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Der Begriff „Reparatur“ steht für eine Vielzahl von Fallgestaltungen. Auch in diesem Beispielsfall werden dem Gericht also nicht alle Sachverhaltsdetails hinsichtlich der Handlungen des Klägers präsentiert. Dabei besteht nun kein grundlegender Unterschied zwischen der Behauptung alltäglicher generalisierender Begriffe und der Behauptung von Rechtsbegriffen. Auch alltägliche generalisierende Begriffe bezeichnen eine Vielzahl von Fallgestaltungen. Dem Gericht werden also auch bei deren Behauptung nicht alle Einzelheiten des Sachverhalts vorgetragen. Es wird ihm nur mitgeteilt, dass ein Sachverhalt geschehen sei, der üblicherweise mit dem verwendeten Begriff bezeichnet wird. Juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen stellen insoweit keine Besonderheit dar. 2. Beschränkungen Juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen können nicht in jedem Fall als Umschreibungen der den Rechtsbegriffen zugrundeliegenden Tatsachen gewertet werden (dazu unter lit. a)). Sie stellen daher nur dann substantiierten Sachvortrag dar, wenn im konkreten Fall davon auszugehen ist, dass die vorgetragenen Rechtsbegriffe juristisch korrekt verwendet werden (dazu unter lit. b)). a) Notwendigkeit einer Beschränkung Die Wertung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen als substantiierter Sachvortrag muss von bestimmten Voraussetzungen abhängig gemacht werden, um die Parteien vor ihrer eigenen rechtlichen Unkenntnis zu schützen (dazu unter lit. aa)). Daher ist die Ansicht abzulehnen, nach der die Einkleidung von Tatsachenvortrag in juristische Begriffe ohne ersichtliche Beschränkung zulässig sei (dazu unter lit. bb)). aa) Gründe Juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen können nur unter gewissen Voraussetzungen als substantiierter Sachvortrag gewertet werden. Es müssen nämlich die verschiedenen Zwecke beachtet werden, denen die Darlegung der entscheidungserheblichen Tatsachen dient. Einmal soll dem Gericht durch das Vorbringen die Entscheidung ermöglicht werden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen der Rechte vorliegen.82 Zudem soll die Gegenseite in die Lage versetzt werden, die Berechtigung der geltend gemachten Ansprüche oder Einwendungen nachzuprüfen83, um sich sachgerecht verteidigen zu können84. 82
BGH, Urt. v. 14. 3. 1979 – VIII ZR 78/78 – Rn. 20, zitiert nach juris. A. a. O.; MüKoZPO/Fritsche, ZPO, § 138 Rn. 18. 84 OLG Düsseldorf, Urt. v. 12. 1. 1996 – 7 U 22/95 – Rn. 4, zitiert nach juris. 83
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Beides führt dazu, dass juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen nicht in jedem Fall als der Darlegungslast genügend erachtet werden können. Zunächst kann das Gericht nur dann entscheiden, ob die Voraussetzungen eines Rechts oder Anspruchs gegeben sind, wenn es dem Vortrag der Parteien die tatsächlichen Umstände entnehmen kann, die zur Grundlage der Entscheidung werden sollen. Diese Voraussetzung ist aber nicht stets erfüllt, wenn juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen vorgetragen werden. Begriffsvorträge können nämlich generell nur dann als Vorträge der Tatsachen gewertet werden, die üblicherweise mit den Begriffen beschrieben werden, wenn der Behauptende die Bedeutung der Begriffe versteht. Denn jeder Begriffsvortrag basiert auf dem Urteil des Aussagenden, dass sich seine Gedanken bzw. Wahrnehmungen unter den von ihm verwendeten Begriff unterordnen lassen.85 Versteht der Aussagende aber schon nicht die Bedeutung des Begriffs, fehlt es bereits an der Grundlage einer korrekten Beurteilung.86 Nachdem rechtliche Laien die Bedeutungen vieler Rechtsbegriffe nicht kennen, können juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen daher nicht stets als abgekürzte Behauptungen von Tatsachen gewertet werden, die den vorgetragenen Rechtsbegriffen zugrunde liegen. Fehlt es am Begriffsverständnis des Behauptenden, bleibt vielmehr unklar, welche Tatsachen er durch den Rechtsbegriffsvortrag in den Prozess einführen wollte. Denn es besteht die Möglichkeit, dass er den Rechtsbegriff juristisch inkorrekt verwendet und ihn zur Umschreibung von Tatsachen gebraucht, deren rechtliche Beurteilung eigentlich mit einem anderen Rechtsbegriff bezeichnet wird. Entsprechende Rechtsbegriffsvorträge sind daher mehrdeutig und missverständlich. Sie genügen somit nicht den Anforderungen an die Substantiierungslast.87 Die Gegenseite kann die Wahrheit des Vorbringens der anderen Partei zudem nur nachprüfen, wenn sie dieses Vorbringen auch versteht. Die darlegungsbelastete Partei muss sich daher Begriffen und Formulierungen bedienen, deren Verständnis von der Gegenseite erwartet werden kann.88 Grundsätzlich kann dabei das Verständnis solcher Begriffe erwartet werden, die im üblichen Sprachgebrauch der betreffenden Verkehrskreise verwendet werden. Dazu gehören viele Rechtsbegriffe aber gerade nicht. Die Parteien sind üblicherweise rechtliche Laien und daher nicht mit der Bedeutung der meisten Rechtsbegriffe vertraut. Teilweise ist es den Parteien zwar zuzumuten, sich aufgrund der konkreten Strei85
Näher dazu oben im 1. Kapitel B. III. 2. a) aa). In diesem Sinne auch Lent, Wahrheits- und Aufklärungspflicht, S. 21. 87 BGH, Urt. v. 25. 2. 2002 – II ZR 346/00 – Rn. 8, zitiert nach juris (bzgl. der Pflicht des Gerichts, im Falle mehrdeutigen Vortrags sein Fragerecht nach § 139 ZPO auszuüben. Dies impliziert, dass mehrdeutiger Vortrag nicht den Anforderungen an die Substantiierungspflicht genügt); MüKoZPO/Fritsche, ZPO, § 139 Rn. 19. 88 Einer der wenigen, der das Begriffsverständnis der Gegenseite miteinbezieht, ist Lent, Wahrheits- und Aufklärungspflicht, S. 20 ff. 86
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tigkeit über die Bedeutung relevanter Fachbegriffe zu informieren.89 Das bedeutet jedoch nicht, dass sie sich über die Bedeutung von Rechtsbegriffen informieren müssen, weil sie sich in einem gerichtlichen Verfahren befinden. Rechtskenntnisse werden von den Parteien bekanntlich gerade nicht erwartet. Die rechtliche Würdigung des Sachverhalts und damit auch die Kenntnis der entsprechenden Bezeichnungen ist Aufgabe des Gerichts. Im Übrigen ist eine Beschränkung der Wertung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen als ausreichend substantiierter Sachvortrag auch nötig, um die behauptende Partei selbst zu schützen. Denn auch die behauptende Partei selbst könnte Nachteile erleiden, wenn von ihr juristisch inkorrekt gebrauchte Rechtsbegriffe als abgekürzte Tatsachenbehauptungen behandelt würden. Das Risiko eines Fehlgebrauchs muss daher auch zum Schutz der behauptenden Partei selbst minimiert werden. bb) Folge Rechtsbegriffsbehauptungen können nach dem soeben Aufgezeigten nicht stets als Umschreibungen der den Rechtsbegriffen zugrundeliegenden Tatsachen gewertet werden. Daher ist die Ansicht abzulehnen, welche juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen stets als der Darlegungslast genügend erachtet. Bei zahlreichen juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen wäre unklar, welche Tatsachen die Parteien mit den Rechtsbegriffen umschreiben wollen. Regelmäßig bestünde die Gefahr, dass die Parteien die Rechtsbegriffe zur Umschreibung von Tatsachen verwenden, deren rechtliche Beurteilungen überhaupt nicht mit den vorgetragenen Rechtsbegriffen bezeichnet werden. Zudem sähe sich die Gegenseite häufig Behauptungen ausgesetzt, deren genaue Bedeutungen sie als rechtlicher Laie nicht versteht. Eine sachgerechte Verteidigung wäre ihr in diesen Fällen nicht möglich. Diese Probleme können dabei auch nicht dadurch gelöst werden, dass die entsprechenden Behauptungen vom Anwendungsbereich des § 138 Abs. 3 ZPO ausgenommen werden.90 b) Lösungsansatz Der eigentliche Lösungsansatz der h. M. ergibt sich nicht aus den von dieser verwendeten Standardformulierungen (dazu unter lit. aa)). Juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen stellen nur dann substantiierten Sachvortrag dar, 89 So wird sich bspw. der Bauherr in einem Prozess gegen einen Bauunternehmer wegen mangelhafter Erfüllung der Bauleistung über die Bedeutung der relevanten Fachbegriffe informieren müssen. 90 So aber offensichtlich Wieczorek/Schütze/Gerken, ZPO, § 138 Rn. 10, 36. Näher dazu siehe unten B. I. 2. b) bb).
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
wenn davon auszugehen ist, dass die Parteien die vorgetragenen Rechtsbegriffe korrekt verwenden (dazu unter lit. bb)). aa) Kritik an der herrschenden Meinung Das Hauptproblem am Umgang der h. M. mit juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen ist, dass sich aus deren Standardformulierungen nicht klar ergibt, unter welchen Voraussetzungen sie juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen als ausreichend substantiierten Sachvortrag wertet. Die Analyse der Rspr. – und damit auch der dieser weitgehend folgenden Literatur – hat gezeigt, dass die h. M. juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen dann als substantiierten Sachvortrag wertet, wenn von einer korrekten Verwendung der Rechtsbegriffe durch die Parteien auszugehen ist. Dies hänge in erster Linie vom grundsätzlichen Begriffsverständnis der Parteien ab. Es müsse aber auch beachtet werden, ob die Umstände des Einzelfalls die Korrektheit der Begriffsverwendung – trotz des grundsätzlichen Begriffsverständnisses – zweifelhaft erscheinen lassen.91 Ausdrücklich wird allerdings fast ausschließlich darauf abgestellt, ob die verwendeten Rechtsbegriffe einfach und allgemein bekannt bzw. jedem Teilnehmer am Rechtsverkehr geläufig sind. Diesen Formulierungen lässt sich der wirkliche Lösungsansatz nicht entnehmen. So ist zunächst das Abstellen auf die allgemeine Bekanntheit der Rechtsbegriffe bzw. deren Geläufigkeit für jeden Teilnehmer am Rechtsverkehr trügerisch. Denn es vermittelt den Eindruck, als wäre die Möglichkeit der Erfüllung der Darlegungslast durch juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen sehr begrenzt. Auch wenn man diese Formulierungen in dem Sinne auslegt, dass die verwendeten Rechtsbegriffe „nur“ den durchschnittlich gebildeten, volljährigen und geistig gesunden Parteien üblicherweise bekannt sein müssen, würden nämlich relativ wenige Rechtsbegriffe diese Voraussetzung erfüllen. So dürften zwar Begriffe wie „Kauf“ und „Miete“ noch allgemein bekannt im vorgenannten Sinn sein, Begriffe wie „Unverfallbarkeit von Ruhegehaltsansprüchen“, „Abtretung“ oder „Kommanditistenstellung“ hingegen wohl kaum. Juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen würden folglich höchstens dann substantiierten Sachvortrag darstellen, wenn die Parteien Rechtsbegriffe vortragen, die Eingang in die Alltagssprache gefunden haben oder dieser entstammen. Wenn überhaupt, können nämlich nur solche Rechtsbegriffe als den durchschnittlich gebildeten, volljährigen und geistig gesunden Parteien üblicherweise bekannt vorausgesetzt werden. Dementsprechend wird in der Literatur auch teilweise verlangt, dass es sich um Rechtsbegriffe des täglichen Lebens
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Siehe dazu schon oben II. 1. c) und d) und ausführlich unten C. II. 1. a).
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handeln müsse.92 Auch die Verwender dieser Formulierung zitieren aber zum Beleg anschließend (kritiklos) die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs. Damit offenbaren sie, dass es sich bei der Formulierung „Rechtsbegriffe des täglichen Lebens“ um eine ebenso inhaltsleere Floskel wie bei derjenigen der „allgemeinen Bekanntheit“ handelt. Durch die Verwendung solcher Floskeln wird der Rechtssuchende getäuscht. Ihm wird der Eindruck vermittelt, dass nur einige wenige Rechtsbegriffsbehauptungen als Sachvortrag gewertet werden. In Wirklichkeit geht die h. M. bei der Gleichstellung juristisch eingekleideter und reiner Tatsachenbehauptungen aber viel weiter. Das Abstellen auf die Einfachheit der vorgetragenen Rechtsbegriffe ist schließlich problematisch, weil kein abstrakter Rechtsbegriff als einfach qualifiziert werden kann. So mag zwar die Schlussfolgerung, dass die Einigung zweier Menschen über den dauerhaften Austausch von Sachen gegen Geld als „Kauf“ bezeichnet wird, auch rechtlichen Laien möglich sein. Die Schlussfolgerung, dass die Belastung eines Grundstücks in der Weise, dass derjenige, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, berechtigt ist, das Grundstück in einzelnen Beziehungen zu benutzen, als „beschränkte persönliche Dienstbarkeit“ bezeichnet wird, wohl eher weniger. Dennoch kann nicht behauptet werden, dass es stets einfach zu beurteilen wäre, ob ein Kauf vorliegt oder nicht.93 Behauptet eine Partei, dass eine Sache „verkauft“ worden sei, behauptet sie nämlich nicht nur, dass es sich bei der entsprechenden Vereinbarung um einen Kaufvertrag i. S. d. Bürgerlichen Gesetzbuches handele. Sie behauptet (zumindest konkludent) auch, dass diese Vereinbarung wirksam zustande gekommen sei. Diese Beurteilung kann aber von komplizierten rechtlichen Erwägungen abhängen. So z. B., wenn die Parteien nicht selbst, sondern durch Vertreter handelten, minderjährig waren, ihre Geschäftsfähigkeit fraglich ist oder ähnliches. Rechtsbegriffe lassen sich daher nicht in einfache und schwierige einteilen. Nur mit Blick auf die Gesamtumstände kann beurteilt werden, ob die mit ihnen bezeichneten rechtlichen Schlussfolgerungen auch rechtlichen Laien zugetraut werden können. Dies ist selbstverständlich auch der Rspr. bewusst. Dementsprechend beurteilt sie die Einfachheit der vorgetragenen Rechtsbegriffe (zumindest grundsätzlich) auch nicht losgelöst vom konkreten Fall.94 Das kann der Rechtssuchende aber nicht ohne weiteres erkennen, wenn der Bundesgerichtshof bspw. ausführt:
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Z. B. von Saenger/Koch, ZPO, § 559 Rn. 5. So auch Würthwein, Umfang und Grenzen des Parteieinflusses, S. 127. 94 Das zeigen insbesondere die Entscheidungen RG, Urt. v. 21. 12. 1893 – VI 256/93 – juris = RGZ 32, 407 – 409 (bzgl. des Begriffs „Eigentum“) und BGH, Urt. v. 4. 11. 1991 – II ZR 26/91 – Rn. 8, zitiert nach juris (bzgl. des Begriffs „Schenkung“). 93
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
„Die Rechtsprechung stellt tatsächlichen Umständen (§ 138 Abs. 1 ZPO) Tatsachen in ihrer juristischen Einkleidung gleich, wenn dies durch einen einfachen Rechtsbegriff95 geschieht, der jedem Teilnehmer des Rechtsverkehrs geläufig ist […].“96
Solche Formulierungen erwecken vielmehr den Eindruck, es gäbe es nach Ansicht der Rechtsprechung einfache und schwierige Rechtsbegriffe und die Möglichkeit der Gleichstellung hinge davon ab, ob der vorgetragene Rechtsbegriff in seiner abstrakten Form als einfach zu qualifizieren sei. Den gewählten Formulierungen lässt sich eben gerade nicht entnehmen, dass es auf die Umstände des konkreten Falls ankommt. Das gilt schließlich für die Formulierungen der h. M. insgesamt. Sie vermitteln den Eindruck, als wären die Umstände des Einzelfalls – wie das Begriffsverständnis der konkret verhandelnden Parteien und die tatsächlichen Gegebenheiten des zu entscheidenden Falls – unbeachtlich und es käme nur darauf an, wie der vorgetragene Rechtsbegriff „objektiv“ zu bewerten sei. Sei er allgemein bekannt, müsse nicht geprüft werden, ob auch die konkret verhandelnden Parteien seine Bedeutung verstehen. Sei er einfach, sei es irrelevant, ob der konkrete Sachverhalt rechtliche Tücken aufweist. In diesem Sinn wurde die h. M. auch regelmäßig interpretiert, was (nachvollziehbarer Weise) seit jeher die Grundlage für die Kritik an deren Ansicht bildete.97 bb) Die Annahme der korrekten Verwendung der Rechtsbegriffe als maßgebliches Kriterium (1) Begründung Juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen können als abgekürzte Behauptungen der den vorgetragenen Rechtsbegriffen zugrundeliegenden Tatsachen behandelt werden, wenn davon auszugehen ist, dass die Parteien die Rechtsbegriffe im konkreten Fall korrekt verwenden. Zunächst weiß das Gericht unter dieser Voraussetzung, welche Tatsachen es seiner Entscheidung zugrunde legen soll. Mit einem bestimmten Rechtsbegriff können nämlich nur bestimmte Tatsachen(-konstellationen) juristisch korrekt bezeichnet werden. Der Vortrag ist also nicht in dem Sinne mehrdeutig, als dass unklar wäre, welche Tatsachen der Behauptende in den Prozess einführen wollte. Juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen bergen zudem keine Risiken für die Parteien, wenn sie nur im Falle der Annahme der korrekten Verwendung der Rechtsbegriffe als Sachvortrag gewertet werden. Unter dieser Voraussetzung führt die behauptende Partei mit ihrer Rechtsbegriffsbehauptung nur diejenigen 95
Hervorhebung nicht im Original. BGH, Urt. v. 2. 6. 1995 – V ZR 304/93 – Rn. 7, zitiert nach juris. 97 Siehe dazu unten C. II. 2. a) aa) (1). 96
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Tatsachen in den Prozess ein, die sie einführen wollte. Die Gegenseite ist dabei in der Lage, die Berechtigung der geltend gemachten Ansprüche nachzuprüfen und sich sachgerecht zu verteidigen, weil sie das Vorbringen der anderen Seite versteht. Der (wirklichen) Ansicht der h. M. entsprechend kann dabei von einer korrekten Verwendung der Rechtsbegriffe ausgegangen werden, wenn die konkret verhandelnden Parteien die Bedeutung der vorgetragenen Rechtsbegriffe grundsätzlich verstehen und sich auch aus den Umständen des Einzelfalls keine Zweifel an der Korrektheit der Begriffsverwendung ergeben. (2) Das Begriffsverständnis der verhandelnden Parteien als Grundvoraussetzung Die Annahme der korrekten Verwendung von Rechtsbegriffen durch die Parteien hängt nicht davon ab, ob die vorgetragenen Rechtsbegriffe weiten Teilen der Bevölkerung bekannt sind. Auch wenn dies der Fall ist, müssen die Bedeutungen der Begriffe nämlich nicht auch den konkret verhandelnden Parteien bekannt sein. Behauptungen „allgemein bekannter“ Rechtsbegriffe können damit nicht stets als abkürzende Behauptungen der den Rechtsbegriffen zugrundeliegenden Tatsachen gewertet werden. Die entsprechende Wertung setzt vielmehr voraus, dass die konkret verhandelnden Parteien den vorgetragenen Rechtsbegriff verstehen. Dies muss das Gericht anhand der Gesamtumstände feststellen. Dabei hat es insbesondere den Bildungsstand der Parteien, deren berufliche Tätigkeiten, deren rechtliche Erfahrung und deren sonstigen Vortrag zu berücksichtigen. Den Gerichten wird mit der Beurteilung, ob das notwendige Begriffsverständnis vorliege, zwar zugegebenermaßen eine schwierige Aufgabe zuteil.98 Für die Gleichstellung juristisch eingekleideter und reiner Tatsachenbehauptungen ist diese Beurteilung allerdings unerlässlich. Andernfalls besteht das Risiko eines Fehlgebrauchs der Rechtsbegriffe mit den genannten Folgen. Man wird den Gerichten aber zumindest zugestehen können, das Verständnis bestimmter Rechtsbegriffe als üblicherweise gegeben voraussetzen zu dürfen. Das gilt namentlich für diejenigen Rechtsbegriffe, die Eingang in die Alltagssprache gefunden haben bzw. dieser entstammen und deren rechtliche Bedeutungsgehalte weitgehend mit ihren alltäglichen Bedeutungsgehalten übereinstimmen („kaufen“, „mieten“ usw.).99 Ohne entgegenstehende Anhaltspunkte kann nämlich davon ausgegangen werden, dass die Parteien die grundsätzliche Bedeutung dieser Begriffe verstehen. Sollten sich allerdings Zweifel am Begriffsverständnis der Parteien ergeben, z. B. aufgrund des Bildungsstands der Parteien oder ihres sons98 Darauf weist auch Schmidt, Der richterliche Eid, S. 9 hin. Orfanidis, in: FS Ishikawa, S. 389 spricht gar davon, dass das Gericht damit „überfordert“ sei. 99 So im Ergebnis auch Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 284 Rn. 14.
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tigen Sachvortrags, muss das Gericht die Parteien auch dann zur Darlegung der Einzeltatsachen auffordern, wenn es sich um vermeintlich „allgemein bekannte“ Rechtsbegriffe „des täglichen Lebens“ handelt.100 Die „Vermutung“ des Begriffsverständnisses gilt dabei von vornherein nicht für unbestimmte Rechtsbegriffe, selbst wenn sich diese wortgleich im alltäglichen Sprachgebrauch finden („gute Sitten“, „grobe Fahrlässigkeit“ usw.). Nachdem sich die rechtlich-technischen und die alltäglichen Bedeutungsgehalte dieser Begriffe stark unterscheiden bzw. die rechtlich-technischen Bedeutungsgehalte der Begriffe erst durch Auslegung zu ermitteln sind, kann hier nämlich keine Rede davon sein, dass die Parteien die Bedeutungen dieser Rechtsbegriffe üblicherweise verstehen. Das Gleiche gilt für Rechtsbegriffe, deren inhaltliche Abgrenzung von anderen Rechtsbegriffen sich nach der Verkehrsauffassung richtet und „mit Rücksicht auf viele Zweifelsfälle im Einzelfall sehr schwer festzustellen sein kann“.101 Nachdem es auf das Begriffsverständnis der konkret verhandelnden Parteien ankommt, können aber gleichzeitig auch Behauptungen solcher Rechtsbegriffe als Sachvortrag gewertet werden, die nur wenigen rechtlichen Laien bekannt sind. Denn die Korrektheit der Verwendung eines Rechtsbegriffs zur Tatsachenumschreibung hängt nicht davon ab, welche anderen Personen die Bedeutung des Begriffs verstehen. Die Gefahr des „Ausuferns“ von Vorträgen juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen besteht deshalb nicht.102 Je unbekannter ein Rechtsbegriff in Laienkreisen ist, desto unwahrscheinlicher ist es nämlich auch, dass die konkret verhandelnden Parteien dessen Bedeutung verstehen. Das Gericht wird daher bei Vorträgen entsprechender Rechtsbegriffe nicht ohne weiteres vom Begriffsverständnis der Parteien ausgehen können. Sollte es das Begriffsverständnis nicht aufgrund der rechtlichen Erfahrung der Parteien oder anderer konkreter Anhaltspunkte für gegeben erachten, muss es die Parteien folglich zur Darlegung der Einzeltatsachen auffordern. (3) Keine Anhaltspunkte für Zweifel an der Korrektheit der Begriffsverwendung Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen als substantiierter Sachvortrag ist schließlich ausgeschlossen, wenn es trotz des grundsätzlichen Begriffsverständnisses der Parteien zweifelhaft erscheint, ob die Parteien die vorgetragenen Rechtsbegriffe juristisch korrekt verwenden. Dies könnte bspw. der Fall sein, wenn es sich um einen rechtlich und/oder tatsächlich komplizierten Sachverhalt handelt. 100
So auch Lent, Wahrheits- und Aufklärungspflicht, S. 20 ff. BGH, Urt. v. 21. 3. 2013 – VII ZR 224/12 (= BGHZ 197, 100 – 110) – Rn. 28, zitiert nach juris (zum Begriff der „Nebenberuflichkeit“ eines Handelsvertreters). 102 So allerdings Orfanidis, in: FS Ishikawa, S. 389 f. 101
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A verklagt B auf Rückzahlung von EUR 1.000,–. Zur Begründung trägt A vor, er habe B diese Summe am 1. 3. 2014 überwiesen. B wehrt sich gegen die Klage mit der Behauptung, A habe ihr das Geld geschenkt. Dem weiteren Sachvortrag der Parteien ist zu entnehmen, dass sich diese zum Zeitpunkt der finanziellen Zuwendung in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft befunden hatten und dass B das Geld für Einrichtungsgegenstände für eine Wohnung verwendet hatte, in welcher die Parteien damals gemeinsam lebten.
Die Behauptung der B, A habe ihr die EUR 1.000,– geschenkt, stellt keinen substantiierten Sachvortrag dar. Es bestehen nämlich Zweifel, ob B den Rechtsbegriff „geschenkt“ hier juristisch korrekt verwendet. So findet sich der Begriff der „Schenkung“ zwar in der Alltagssprache und sein alltäglicher und sein rechtlich-technischer Bedeutungsgehalt decken sich grundsätzlich auch weitgehend. Es kann daher grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass B die Bedeutung des Begriffs versteht. Es ist allerdings „äußerst umstritten, ob und unter welchen Voraussetzungen Zuwendungen, die im Rahmen von nichtehelichen Lebensgemeinschaften zur Schaffung bleibender Vermögenswerte erbracht werden, unter den Rechtsbegriff der Schenkung im Sinne der §§ 516 ff. BGB fallen“.103 Die rechtliche Beurteilung, ob die Zuwendung des A eine Schenkung darstellt, hängt daher von den genauen Umständen des Einzelfalls ab (z. B. davon, ob A wusste und wollte, dass B das Geld für die Einrichtung der gemeinsamen Wohnung verwendet). Es kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass B diese Beurteilung juristisch korrekt vorgenommen hat. Aufgrund der komplizierten Rechtslage kann die Behauptung der Schenkung des Geldes damit nicht als abgekürzte Behauptung von Tatsachen gewertet werden, aus denen sich eine Schenkung i. S. d. § 516 ff. BGB ergibt.104 Daher ist den Ausführungen des Bundesgerichtshofs, genauer gesagt des V. Senats, in den oben105 genannten (Ausnahme-)Entscheidungen106 nicht zuzustimmen. Begegnet bspw. die Herleitung der Eigentümerstellung im konkreten Fall rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten, kann die Behauptung des Eigentums nicht als substantiierter Sachvortrag gewertet werden. In diesem Fall kann das Gericht nämlich nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass die behauptende Partei die Tatsachen juristisch korrekt bewertet. Die juristische Bewertung des 103
BGH, Urt. v. 4. 11. 1991 – II ZR 26/91 – Rn. 8, zitiert nach juris. So im Ergebnis auch BGH, Urt. v. 4. 11. 1991 – II ZR 26/91 – Rn. 8, zitiert nach juris mit der Begründung, es handele sich bei dem Begriff der „Schenkung“ zumindest in einem solchen Fall nicht um einen einfachen Rechtsbegriff. 105 Unter Abschnitt II. 1. c) bb). 106 BGH, Urt. v. 2. 6. 1995 – V ZR 304/93 – Rn. 7, zitiert nach juris; Urt. v. 14. 3. 1997 – V ZR 9/96 (= BGHZ 135, 92 – 107) – Rn. 13, zitiert nach juris; Urt. v. 13. 3. 1998 – V ZR 190/97 – Rn. 18, zitiert nach juris. 104
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
Ergebnisses des Erwerbsvorgangs, also der „Inhaberschaft an dem Rechte“107 lässt sich dabei – entgegen dem V. Senat108 – auch nicht von der Bewertung des Vorgangs an sich trennen. Denn das rechtliche Ergebnis, wer Eigentümer ist, hängt ja gerade von der Subsumtion der tatsächlichen Vorgänge unter die Rechtssätze ab. Oder wie sollte man rechtlich beurteilen, wer Eigentümer ist, ohne sämtliche relevante Erwerbsvorgänge zu untersuchen? Die Behauptung des Eigentums an einer Sache ist daher nicht der Behauptung der Entstehungstatsachen des Eigentums gleichzustellen, wenn die Herleitung der Eigentümerstellung im konkreten Fall rechtlichen und/oder tatsächlichen Schwierigkeiten begegnet. Liegen allerdings keine Anhaltspunkte vor, dass es sich um einen rechtlich und/oder tatsächlich komplizierten Sachverhalt handelt, kann die Behauptung des Eigentums grundsätzlich reinem Tatsachenvortrag gleichgestellt werden. Lent109 ist zwar zuzugeben, dass rechtliche Laien die Begriffe „Eigentum“ und „Besitz“ regelmäßig verwechseln bzw. mit dem Begriff „Besitz“ das Eigentum bezeichnen und dass ähnliches auch für einige andere Rechtsbegriffe gilt, die in der Alltagssprache verwendet werden (Verwechslung von „Miete“ und „Leihe“, Bezeichnung einer entgeltlichen Geschäftsbesorgung als „Auftrag“). In den allermeisten Fällen wird sich allerdings schnell zeigen, ob derartige Verwechslungen vorliegen. Diese Formen des Fehlgebrauchs der Begriffe begründen daher kein großes Risiko, dass das Gericht seiner Entscheidung einen falschen Sachverhalt zugrunde legt.110 Schließlich ist zwar auch richtig, dass rechtliche Laien solch „alltägliche“ Rechtsbegriffe tendenziell eher vortragen, ohne sich zuvor über deren genaue Bedeutung zu unterrichten, als ihnen nicht gebräuchliche Rechtsbegriffe.111 Dies hat seinen Grund aber nur darin, dass die Parteien die Bedeutungen „alltäglicher“ Rechtsbegriffe regelmäßig schon kennen. Daher ist im Falle des Vortrags dieser Begriffe zumindest kein solches Misstrauen geboten, dass das Gericht stets deren nähere Substantiierung durch den Vortrag der Einzeltatsachen verlangen müsste. Eine nähere Substantiierung ist nur dann erforderlich, wenn die Korrektheit der Begriffsverwendung aufgrund konkreter Anhaltspunkte zweifelhaft erscheint. So zum Beispiel, wenn die Parteien die Begriffe offensichtlich mit anderen verwechseln.
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BGH, Urt. v. 2. 6. 1995 – V ZR 304/93 – Rn. 7, zitiert nach juris. A. a. O. 109 Gesetzeskonkurrenz, S. 78. 110 Siehe dazu auch sogleich. 111 Lent, Gesetzeskonkurrenz, S. 78. 108
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(4) Hinweis Es wurde schon darauf hingewiesen112, dass viele Rechtsbegriffe, die auch im Alltag gebraucht werden („Kauf“, „Miete“, „Eigentum“, „Besitz“ usw.), im alltäglichen Sprachgebrauch häufig nicht mit der exakt gleichen Bedeutung verwendet werden wie im rechtlich-fachlichen Sprachgebrauch. Denn teilweise ist dem durchschnittlichen rechtlichen Laien die genaue juristische Bedeutung der Begriffe schlicht nicht bekannt. Mit dem Begriff des „Kaufs“ werden meistens nicht nur ein vertragliches Verpflichtungsgeschäft, sondern auch die darauf basierenden Übereignungen des Kaufpreises und des Kaufgegenstandes bezeichnet. Rechtlichen Laien fehlt nämlich regelmäßig die Kenntnis des Trennungsprinzips. Sie wissen daher nicht, dass ein Kaufvertrag i. S. d. BGB nur ein Verpflichtungsgeschäft darstellt, der Käufer durch den Abschluss des Kaufvertrages mithin noch kein Eigentum am Kaufgegenstand erwirbt.
Einige „alltägliche“ Rechtsbegriffe besitzen in der Alltagssprache auch keinen fest umrissenen Bedeutungsgehalt bzw. sie werden je nach Situation und je nachdem, ob der Verwender Wert auf eine korrekte Verwendung legt, zur Bezeichnung verschiedener Tatsachen gebraucht. Der Begriff „Leihe“ wird im alltäglichen Sprachgebrauch sowohl zur Bezeichnung einer unentgeltlichen Nutzung („Kannst du mir dein Fahrrad leihen?“) als auch einer entgeltlichen Nutzung (Skiverleih, Leihwagen) einer Sache für gewisse Dauer gebraucht. Mit dem Begriff „Besitz“ wird in der Alltagssprache nicht nur die tatsächliche Herrschaft über eine Sache, sondern häufig auch eine dem Eigentum i. S. d. § 903 BGB vergleichbare Position bezeichnet, nach Belieben mit der Sache verfahren zu können („Irgendwann möchte ich ein eigenes Haus besitzen.“).
Daher erscheint es zunächst verfehlt zu behaupten, das Gericht könne – soweit keine entgegenstehenden Anhaltspunkte vorliegen – davon ausgehen, dass die Parteien die juristisch-technischen Bedeutungen dieser Begriffe verstehen. Denn aus dem Vorkommen der Begriffe im alltäglichen Sprachgebrauch allein folgt gerade nicht, dass rechtliche Laien die juristisch-technischen Bedeutungen der Begriffe verstehen. Es ist allerdings zu beachten, dass die alltäglichen Bedeutungsgehalte der Begriffe ihren rechtlichen zumeist sehr ähnlich sind. Daher sind rechtlichen Laien die juristisch-technischen Bedeutungen der Begriffe häufig zumindest im Sinne 112
Oben im 1. Kapitel B. II. 2. b) cc).
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
einer „laienhaften Parallelwertung“113 bekannt. In den meisten Fällen wird dem Gericht zudem schnell auffallen, wenn die Begriffe aufgrund der Unterschiede zwischen den Bedeutungsgehalten oder dem Fehlen eines fest umrissenen Bedeutungsgehalts in der Alltagssprache juristisch inkorrekt verwendet werden. A und B kollidierten mit ihren Pkw, weil B eine rote Ampel übersehen hatte. Der Wagen des A muss für einige Tage in die Werkstatt, weil die Achse gebrochen ist. Da A einen Pkw für die Fahrt zur Arbeit benötigt, besorgt er sich einen Mietwagen. A fordert die Kosten der Reparatur und für den Mietwagen von B ein. B zahlt zwar die Reparaturkosten, verweigert aber die Zahlung der Kosten für den Mietwagen. Daraufhin verklagt A B auf Schadensersatz. In der Klageschrift schildert A den Unfall und trägt hinsichtlich seines Schadens vor, er habe sich einen Wagen leihen müssen.
Es wird dem Gericht hier sofort auffallen, dass A den Rechtsbegriff der „Leihe“ juristisch inkorrekt gebraucht. Nachdem A auf Zahlung von Schadensersatz klagt, wird er schon in seinem Klageantrag eine Geldsumme nennen, die er einfordert. Im Rahmen der Sachverhaltsdarstellung wird er darlegen, welche Kosten ihm für die Nutzung des Mietwagens entstanden sind. Es ist damit offensichtlich, dass A den Begriff der „Leihe“ verwendet, um die nur vorübergehende Nutzung des Wagens zu beschreiben. Eine Aussage bezüglich der Unentgeltlichkeit der Nutzung sollte augenscheinlich nicht getroffen werden. Es liegen damit Anhaltspunkte vor, dass A die juristische Bedeutung des Rechtsbegriffs „Leihe“ nicht versteht bzw. zumindest dafür, dass er den Begriff im konkreten Fall nicht korrekt gebraucht. Entsprechende Anhaltspunkte für einen Fehlgebrauch der Rechtsbegriffe werden sich regelmäßig ergeben, wenn der Fehlgebrauch aus den Unterschieden zwischen Alltags- und Fachsprache resultiert. Liegen keine entsprechenden Anhaltspunkte vor, kann das Gericht deshalb davon ausgehen, dass die Parteien die Bedeutungen dieser Begriffe verstehen und sie im konkreten Fall juristisch korrekt verwenden. c) Keine Ausnahme für präjudizielle Rechtsverhältnisse Die dargestellte Beschränkung der Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen als substantiierter Sachvortrag muss auch dann gelten, wenn die Behauptungen dem Vortrag von Tatsachen dienen, aus denen sich das Bestehen eines präjudiziellen Rechtsverhältnisses ergeben würde. Denn der Vortrag muss auch in diesen Fällen für die Gegenseite verständlich sein, um dieser die 113 Mit dieser Bezeichnung und in diesem Sinne auch BeckOK ZPO/von Selle, § 138 Rn. 8.
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Nachprüfung von dessen Wahrheit zu ermöglichen. Zudem kann auch hier nicht davon ausgegangen werden, dass die behauptende Partei das nötige Verständnis sämtlicher in Betracht kommender Rechtsbegriffe besitzt. Es besteht damit wiederum die Gefahr einer juristisch inkorrekten Verwendung von Rechtsbegriffen. A verklagt B auf Zahlung von EUR 1.000,–. Zur Begründung trägt A u. a. vor, B komme seinen Verpflichtungen aus einer zugunsten des A bestehenden Reallast nicht nach. Aufgrund welcher Tatsachen die Reallast bestehen soll, gibt A nicht an. Beide Parteien sind rechtliche Laien und nicht anwaltlich vertreten.
Sollte wirklich eine Reallast i. S. d. § 1105 BGB zugunsten des A bestehen, die B zur Zahlung der eingeklagten EUR 1.000,– verpflichtet, würde die entsprechende Reallast ein präjudizielles Rechtsverhältnis bilden. Die Behauptung des Bestehens einer Reallast durch A stellt hier grundsätzlich dennoch keinen substantiierten Sachvortrag dar. Nachdem A rechtlicher Laie ist, ist nämlich zweifelhaft, ob er den Rechtsbegriff „Reallast“ juristisch korrekt verwendet. Das Gericht kann der Behauptung des A damit nicht die Tatsachen entnehmen, die es seiner Entscheidung zugrunde legen soll. Es ist zudem zweifelhaft, ob B den Begriff „Reallast“ und damit die Behauptung des A insoweit versteht, als dass er diese auf ihre Wahrheit überprüfen kann. Etwas anderes würde hier höchstens dann gelten, wenn das Gericht aufgrund der Gesamtumstände die Überzeugung gewinnt, dass beide Parteien den Begriff „Reallast“ juristisch korrekt verwenden können. Eine besondere Behandlung von Rechtsbegriffen, die präjudizielle Rechtsverhältnisse bezeichnen, rechtfertigt sich auch nicht dadurch, dass sich präjudizielle Rechtsverhältnisse für den Prozess zunächst nur als bedingende Tatsachen in dem Sinn darstellen, dass sie nicht den unmittelbaren Gegenstand der Entscheidung bilden.114 Bedingende Tatsachen in diesem Sinn sind nämlich auch alle anderen Tatbestandsmerkmale der entscheidungsrelevanten Vorschriften (z. B. die „Widerrechtlichkeit“ oder die „Fahrlässigkeit“ i. R. d. § 823 Abs. 1 BGB). Auch diese bilden nicht den unmittelbaren Gegenstand der Entscheidung, sondern nur dessen Voraussetzungen. Wäre die Angabe der Entstehungstatsachen solch bedingender Tatsachen zunächst nicht nötig, könnten sich die Parteien zur Geltendmachung ihrer Rechte weitestgehend auf die Behauptung von Tatbestandsmerkmalen beschränken. Das ist aber nicht der Standpunkt des Gesetzes und der Rechtsprechung. Nach diesem ist grundsätzlich vielmehr die Angabe der Tatsachen erforderlich ist, die den gesetzlichen Tatbestand erfüllen sollen. Es sind keine Gründe ersichtlich, die Ausnahmen von diesem Grundsatz gerade für präjudizielle Rechtsverhältnisse rechtfertigen würden. Das Gericht kann auch über deren Bestehen nur dann selbst entscheiden, wenn ihm die Tatsachen mitgeteilt werden, 114
Zu der entsprechenden Argumentation siehe oben II. 2. b).
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aufgrund derer die Parteien von dem Bestehen ausgehen. Dass das Gericht über das Bestehen präjudizieller Rechtsverhältnisse entscheiden muss, ergibt sich dabei schon daraus, dass deren Bestehen die Entscheidung in der Hauptsache bedingt. Daher ist es auch völlig verfehlt zu behaupten, der Richter würde erst dann genötigt, über präjudizielle Rechtsverhältnisse zu entscheiden, wenn deren rechtliche Bedeutung oder deren tatsächliche Grundlagen bestritten werden.115 Auch mit dieser Begründung kann eine besondere Behandlung präjudizieller Rechtsverhältnisse also nicht begründet werden. d) Zwischenergebnis Juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen können nur dann als substantiierter Sachvortrag behandelt werden, wenn von einer korrekten Verwendung der Rechtsbegriffe auszugehen ist. Nur unter dieser Voraussetzung kann das Gericht den Behauptungen die Tatsachen entnehmen, die es seiner Entscheidung zugrunde legen soll. Und nur dann bestehen keine Risiken für die Parteien aufgrund eines Nicht- oder Missverständnisses der Rechtsbegriffe. Die entsprechende Beschränkung gilt daher unabhängig davon, ob die vorgetragenen Rechtsbegriffe präjudizielle Rechtsverhältnisse bezeichnen oder nicht. e) Anwaltsprozess Rechtsanwälte dürfen nicht auf die juristische Korrektheit juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen ihrer Auftraggeber vertrauen (dazu unter lit. aa)). Die Gerichte können juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen allerdings in erweitertem Umfang als substantiierten Sachvortrag werten, wenn die Parteien anwaltlich vertreten sind (dazu unter lit. bb)). aa) Pflichten des Rechtsanwalts (1) Im Rahmen der Sachverhaltsaufklärung Rechtsanwälte dürfen sich grundsätzlich auf die Richtigkeit von Informationen ihrer Mandanten verlassen, soweit die Informationen tatsächlicher Art sind; eigene Nachforschungen müssen sie insoweit nicht anstellen.116 Dieser „anwaltliche Vertrauensschutz“117 gilt allerdings nicht, wenn die tatsächlichen Informatio115
So aber Stein/Jonas/Schumann, ZPO, 21. Auflage, § 253 Rn. 137. der Rspr. bspw. BGH, Beschluss v. 21. 9. 2006 – IX ZR 137/05 – Rn. 4, zitiert nach juris; Urt. v. 19. 1. 2006 – IX ZR 232/01 – Rn. 22, zitiert nach juris; Urt. v. 13. 3. 1997 – IX ZR 81/96 – Rn. 16, zitiert nach juris; aus der Literatur z. B. Vill, in: HB der Anwaltshaftung, § 2 Rn. 41; Vollkommer, Anwaltshaftungsrecht, § 10 Rn. 2. 117 Vollkommer, Anwaltshaftungsrecht, § 10 Rn. 17. 116 Aus
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nen in Rechtsbegriffe eingekleidet sind.118 Hier besteht nämlich offenkundig die Gefahr, dass der üblicherweise rechtsunkundige Mandant die Rechtsbegriffe juristisch inkorrekt gebraucht. Entsprechende Angaben des Mandanten sind daher unzuverlässig.119 Der Anwalt muss daher durch gezielte Fragen an den Mandanten klären, welche tatsächlichen Umstände und Vorgänge den juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen zugrunde liegen.120 Verletzt der Anwalt diese Pflicht aus dem Anwaltsvertrag, kann dies zu einem Schadensersatzanspruch des Mandanten führen. So zum Beispiel, wenn der Mandant (juristisch inkorrekte) Angaben dazu macht, wann ihm ein Urteil zugestellt worden sei und der Rechtsanwalt darauf vertrauend Fristen falsch berechnet.121 (2) Im Rahmen des prozessualen Sachvortrags Nachdem Rechtsanwälte nicht auf die juristische Korrektheit der juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen ihrer Mandanten vertrauen dürfen, dürfen sie diese selbstverständlich auch nicht ungeprüft verwenden, um die entscheidungserheblichen Tatsachen in den Prozess einzuführen. Trägt ein Anwalt eine juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung seines Mandanten vor, in der ein Rechtsbegriff falsch verwendet wird, und verliert der Mandant aus diesem Grund den Prozess, kommt daher ein Schadensersatzanspruch des Mandanten in Betracht. Im Übrigen ist Rechtsanwälten der Gebrauch juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen aber ebenso gestattet wie den Parteien selbst. Sie können damit grundsätzlich sowohl die juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen ihrer Mandanten verwenden – wenn sie diese auf ihre Korrektheit überprüft haben –, als auch reinen Tatsachenvortrag der Mandanten erstmals in Rechtsbegriffe einkleiden. Nachdem das Gericht das entsprechende Vorbringen aber nur dann als substantiierten Sachvortrag werten wird bzw. darf, wenn es von der Korrektheit der Begriffsverwendung überzeugt ist, sollten auch Rechtsanwälte „sparsam“ mit der Einkleidung von Tatsachenvortrag in Rechtsbegriffe umgehen. Denn das Gericht kann und darf auch dann nicht in jedem Fall von einer korrekten Begriffsverwendung ausgehen, wenn ein Rechtsanwalt juristisch eingekleidete 118 BGH, Urt. v. 18. 11. 1999 – IX ZR 420/97 – Rn. 18, zitiert nach juris; Urt. v. 13. 3. 1997 – IX ZR 81/96 – Rn. 16, zitiert nach juris; Urt. v. 21. 4. 1994 – IX ZR 150/93 – Rn. 8, zitiert nach juris; Vill, in: HB der Anwaltshaftung, § 2 Rn. 42; Vollkommer, Anwaltshaftungsrecht, § 10 Rn. 17. 119 BGH, Urt. v. 13. 3. 1997 – IX ZR 81/96 – Rn. 16, zitiert nach juris; Vill, in: HB der Anwaltshaftung, § 2 Rn. 42. 120 BGH, Urt. v. 18. 11. 1999 – IX ZR 420/97 – Rn. 18, zitiert nach juris; Urt. v. 20. 6. 1996 – IX ZR 106/95 – Rn. 26, zitiert nach juris; Urt. v. 21. 4. 1994 – IX ZR 150/93 – Rn. 8, zitiert nach juris. 121 Siehe dazu BGH, Urt. v. 21. 4. 1994 – IX ZR 150/93 – juris.
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
Tatsachenbehauptungen vorträgt.122 Deshalb wird das Gericht den Rechtsanwalt zur näheren Substantiierung auffordern, wenn der Sachvortrag zu viele Rechtsbegriffe enthält. Im ungünstigsten Fall droht dem Anwalt sogar eine Pflicht zum Schadensersatz gegenüber seinem Mandanten. Die juristische Einkleidung von Tatsachenvortrag kann nämlich u.U. die Pflicht verletzen, alles vorzubringen, was die Entscheidung für den Mandanten günstig beeinflussen kann.123 So hat der Bundesgerichtshof im Urt. v. 10. 12. 2015 – IX ZR 272/14124 entschieden, dass ein Anwalt seiner Pflicht zu schlüssigem Vortrag nicht genüge, wenn er schlicht behauptet, die von seinem Mandaten verklagte Gegenseite habe die zwischen den Parteien vereinbarte All-Risk-Versicherung nicht abgeschlossen. Nachdem es sich bei dieser speziellen Versicherungsart nicht um einen „jedermann geläufigen einfachen Rechtsbegriff “ handele, bedürfe es vielmehr der Erläuterung, „dass eine solche Versicherung verschuldensunabhängig sämtliche bei der Beförderung erlittenen Beschädigungen ausgeglichen hätte“.125 Versäume der Anwalt die entsprechende Erläuterung und verliere sein Mandant in der Folge den Prozess, weil sich das Gericht nicht mit der Frage befasst, ob der Abschluss einer All-Risk-Versicherung vereinbart war und welche Folgen dieser Abschluss für den Schadensverlauf gehabt hätte, könne dies zu einer Schadensersatzpflicht des Anwalts führen. Der Rechtsanwalt sei nämlich verpflichtet, „die zugunsten seiner Partei sprechenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte so umfassend wie möglich darzustellen, damit sie das Gericht bei seiner Entscheidung berücksichtigen kann“.126 Deshalb entlaste es den Rechtsanwalt auch nicht, wenn ihn das Gericht entgegen § 139 Abs. 1 S. 2 ZPO nicht auf die Lückenhaftigkeit seines Sachvortrags hingewiesen hat. Denn die Fehlerhaftigkeit der materiellen Prozessleitungspflicht beruhe dann „maßgeblich auf Fehlern, deren Auftreten der […] [Rechtsanwalt] durch sachgemäßen Vortrag hätte verhindern müssen“.127 bb) Folgen anwaltlicher Vertretung für den Prozess Eine anwaltliche Vertretung der Parteien kann bewirken, dass juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen in erweitertem Umfang als substantiierter Sachvortrag zu werten sind. Denn das Gericht kann bei Rechtsanwälten eher als bei rechtlichen Laien davon ausgehen, dass Rechtsbegriffe juristisch korrekt zur Tatsachenumschreibung verwendet werden. Daher ist dem Bundesgerichtshof grund122
Siehe dazu sogleich. dieser Pflicht siehe bspw. BGH, Urt. v. 10. 12. 2015 – IX ZR 272/14 – Rn. 6, 8, zitiert nach juris. 124 – juris. 125 BGH, Urt. v. 10. 12. 2015 – IX ZR 272/14 – Rn. 12, zitiert nach juris. 126 A. a. O. – Rn. 6, zitiert nach juris. 127 A. a. O. – Rn. 14, zitiert nach juris. 123 Zu
A. Juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen
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sätzlich zuzustimmen, soweit er die Behauptung der Abtretung einer Forderung als Tatsachenvortrag wertet, wenn und weil die juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung von einem Rechtsanwalt vorgetragen wird.128 Voraussetzung der erweiterten Zulassung von juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen ist aber grundsätzlich, dass beide Parteien anwaltlich vertreten sind. Andernfalls besteht nämlich das Risiko, dass die nicht anwaltlich vertretene Gegenseite das Vorbringen nicht versteht und damit in ihrer Verteidigungsfähigkeit beschränkt wird. Die anwaltliche Vertretung der Parteien wird und darf aber nicht dazu führen, dass der Sachvortrag in erheblichem Maß juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen enthält. Zunächst kann das Gericht nicht darauf vertrauen, dass Rechtsanwälte Tatsachenbehauptungen stets juristisch korrekt in Rechtsbegriffe einkleiden. Auch Juristen unterlaufen Fehler bei rechtlichen Beurteilungen von Sachverhalten. Die Rechtskenntnisse von Rechtsanwälten erlauben es dem Gericht damit nur, stärker als bei rechtlichen Laien, aber eben auch nicht grenzenlos darauf zu vertrauen, dass die vorgetragenen Rechtsbegriffe juristisch korrekt gebraucht werden. Insbesondere beim Vorliegen von Anhaltspunkten, dass es sich um einen rechtlich und/oder tatsächlich komplizierten Sachverhalt handelt oder wenn unbestimmte Rechtsbegriffe vorgetragen werden, wird das Gericht daher regelmäßig den Vortrag von Einzeltatsachen fordern müssen. Das folgt auch daraus, dass das Gericht für die rechtliche Beurteilung des Sachverhalts zuständig ist. Dieser Aufgabe darf es sich nicht entledigen, indem es den Rechtsanwälten die rechtliche Beurteilung des kompletten unstreitigen129 Sachverhalts überlässt. 3. Prozessuale Folgen juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen Stellen juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen (zunächst) substantiierten Sachvortrag dar, entscheidet die Reaktion der Gegenseite darüber, ob eine nähere Substantiierung des Vortrags erforderlich wird (dazu unter lit. a)). Kann das Gericht nicht davon ausgehen, dass die Parteien die vorgetragenen Rechtsbegriffe juristisch korrekt verwenden, muss es die nähere Substantiierung der Behauptungen gem. § 139 ZPO verlangen (dazu unter lit. b)). a) Bei Annahme des korrekten Begriffsgebrauchs Kleiden die Parteien ihre Tatsachenbehauptungen in Rechtsbegriffe ein, welche sie nach Ansicht des Gerichts juristisch korrekt verwenden, genügen sie vor128 BGH, Urt. v. 19. 3. 2004 – V ZR 104/03 (= BGHZ 158, 295 – 310) – Rn. 11, zitiert nach juris; Urt. v. 2. 2. 1990 – V ZR 245/88 – Rn. 11, zitiert nach juris. 129 Bestreitet die Gegenseite eine juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung, muss die darlegungsbelastete Partei ihren Vortrag entweder näher substantiieren oder die Einzeltatsachen werden i. R. d. Beweisaufnahme festgestellt (näher dazu siehe unten D.).
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
erst ihrer Darlegungslast. Dann entscheidet die Reaktion der Gegenseite darüber, ob die darlegungsbelastete Partei ihr Vorbringen näher substantiieren muss oder nicht. Die verschiedenen Folgen der möglichen Reaktionen der Gegenseite bilden die Gegenstände der folgenden Abschnitte. b) Bei Zweifeln an der Korrektheit des Begriffsgebrauchs Bestehen Zweifel daran, dass die Parteien die vorgetragenen Rechtsbegriffe juristisch korrekt verwenden, liegt kein substantiierter Sachvortrag vor. Die Parteien genügen mit den entsprechenden Behauptungen also nicht ihrer Darlegungslast. In diesen Fällen wird die Aufklärungs- und Hinweispflicht des Gerichts nach § 139 Abs. 1 ZPO bedeutsam. Denn das Gericht hat „dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen“ (§ 139 Abs. 1 S. 2 ZPO). Das Gericht darf also bspw. nicht einfach die Klage abweisen, wenn der Kläger anspruchsbegründende Tatsachen durch die Behauptung eines Rechtsbegriffs in den Prozess einführen will, den er nach Ansicht des Gerichts aber falsch gebraucht. Das Gericht hat vielmehr darauf hinzuweisen, dass die nähere Substantiierung des Vortrags erforderlich ist, der Kläger mithin einzelne konkrete Tatsachen zu behaupten hat.130 Unter Einschränkung des Verhandlungsgrundsatzes muss es insoweit auf die Aufklärung des Sachverhalts dringen131. In dem richterlichen Hinweis hat das Gericht explizit darzulegen, dass es an Vortrag zu entscheidungserheblichen Tatsachen fehlt, weil die Behauptung des Rechtsbegriffs aufgrund von Zweifeln an der Korrektheit des Begriffsgebrauchs nicht als abgekürzte Behauptung entsprechender Tatsachen gewertet werden kann. Weiter ist die darlegungsbelastete Partei zur Darlegung der Tatsachen aufzufordern, die sie mit dem Rechtsbegriff umschreiben wollte. A verklagt B auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme. Zur Begründung trägt A u. a. vor, B habe sein (A’s) Auto geleast. Einzelheiten zum Vertragsschluss trägt A nicht vor. Aufgrund der Gesamtumstände hat das Gericht Zweifel daran, ob A den Begriff des „Leasings“ richtig versteht und verwendet. Das Gericht könnte bspw. folgenden Hinweis nach § 139 ZPO erlassen: „Der bisherige Vortrag des Klägers enthält keine Angaben bezüglich des Zustandekommens eines Leasingvertrages zwischen den Parteien. Die Behauptung des Klägers, der Beklagte habe das Auto des Klägers ‚geleast‘, kann nicht als abgekürzte Behauptung dieser Tatsachen gewertet werden. Das Gericht hat Zweifel daran, dass der Kläger die Bedeutung des Rechtsbegriffs ‚Leasing‘ richtig versteht und damit, 130 Stein/Jonas/Leipold, 131
ZPO, § 284 Rn. 14. Schneider, Die Klage im Zivilprozess, 1. Auflage, 2000, Rn. 894.
B. Folgen des Nichtbestreitens juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen 121
ob er diesen Rechtsbegriff juristisch korrekt zur Tatsachenumschreibung verwendet. Der Kläger hat seine Darlegungslast bezüglich der anspruchsbegründenden Tatsachen daher noch nicht vollumfänglich erfüllt. Das Gericht fordert den Kläger hiermit auf, die Tatsachen vorzutragen, aufgrund derer er vom Zustandekommen eines Leasingvertrages zwischen den Parteien ausgeht.“
Das Gericht muss den entsprechenden Hinweis dabei nicht unbedingt sofort erteilen, nachdem die Behauptung aufgestellt wurde. In der Praxis wird es häufig erst die Reaktion der Gegenseite abwarten. Denn die nähere Substantiierung kann auch deshalb erforderlich werden, weil die Gegenseite die juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung bestreitet. Äußert sich die Gegenseite aber nicht zu der Behauptung, muss das Gericht von sich aus die nähere Substantiierung verlangen. Allein das Schweigen der Gegenseite genügt nämlich nicht, um doch von einer juristisch korrekten Verwendung des Rechtsbegriffs auszugehen.
B. Folgen des Nichtbestreitens juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen Die Folgen des Nichtbestreitens von Tatsachenvortrag bestimmen sich in der Regel nach § 138 Abs. 3 ZPO. Liegt kein (wirksames) Bestreiten vor, weil der Beklagte „säumig“ i. S. d. §§ 331 ff. ZPO ist, findet § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO Anwendung. Daher muss auch bei der Untersuchung der Folgen des Nichtbestreitens juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen zwischen der Anwendung des § 138 Abs. 3 ZPO (dazu unter Abschnitt I.) und der Anwendung des § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO (dazu unter Abschnitt II.) unterschieden werden.
I. Anwendung der Geständnisfiktion nach § 138 Abs. 3 ZPO Bleiben reine Tatsachenbehauptungen unbestritten, gelten sie gem. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden (dazu unter 1.). Rechtsprechung und h. L. wenden § 138 Abs. 3 ZPO grundsätzlich auch auf juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen an, soweit sie diese reinen Tatsachenbehauptungen gleich stellen (dazu unter 2.). Dem ist insbesondere deshalb zu folgen, weil die Qualifikation dieser Behauptungen als substantiierter Sachvortrag andernfalls ins Leere liefe (dazu unter 3.).
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
1. Allgemeines zu § 138 Abs. 3 ZPO Nach § 138 Abs. 3 ZPO sind die von einer Partei behaupteten Tatsachen als zugestanden anzusehen, wenn sie nicht ausdrücklich oder konkludent bestritten werden. Rechtsfolge des Nichtbestreitens ist mithin die Fiktion eines Geständnisses durch die Gegenseite. Die behaupteten Tatsachen bedürfen damit keines Beweises (§ 288 ZPO) und können der Entscheidung der Gerichts als unstreitig zugrunde gelegt werden. Voraussetzung ist dabei stets, dass die unbestrittenen Tatsachenbehauptungen ihrerseits der Substantiierungspflicht genügen. Die Gegenseite muss sich nämlich grundsätzlich nur zu ausreichend substantiiertem Vorbringen erklären.132 Potentieller Gegenstand eines fingierten Geständnisses nach § 138 Abs. 3 ZPO sind ausschließlich Tatsachen(behauptungen).133 Rechtsansichten können nicht als zugestanden gelten. Dafür spricht neben dem Wortlaut der Vorschrift auch der Umstand, dass die Parteien das Gericht grundsätzlich nicht an ihre Rechtsauffassungen binden können. Eine fehlende Reaktion auf Äußerungen von Rechtsansichten darf der Gegenseite im Übrigen auch deshalb nicht zum Nachteil gereichen, weil die Parteien grundsätzlich keine Rechtsausführungen zu machen brauchen. Der Unterschied des fingierten Geständnisses nach § 138 Abs. 3 ZPO zum gerichtlichen Geständnis nach § 288 Abs. 1 ZPO liegt darin, dass der Zugestehende nicht an das fingierte Geständnis gebunden ist. Ein Geständnis nach § 288 Abs. 1 ZPO kann nur unter den Voraussetzungen des § 290 ZPO widerrufen werden. Die Geständnisfiktion nach § 138 Abs. 3 ZPO hingegen kann durch (nachträgliches) einfaches Bestreiten der entsprechenden Tatsachenbehauptungen beseitigt werden. Das Bestreiten kann dabei im Lauf des Prozesses nachgeholt werden, soweit dem nicht die Vorschriften über die Präklusion wegen Verspätung (§§ 282, 296, 528 ZPO) entgegenstehen.134 2. Bisheriger Meinungsstand a) Rechtsprechung Nach der Rspr. gelten unbestrittene juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen, die ausreichend substantiierten Sachvortrag darstellen, gem. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden (dazu unter lit. aa)). Voraussetzung sei, dass der Behauptende keine Umstände vorträgt, die im Widerspruch zu den juristisch eingekleideten 132 MüKoZPO/Fritsche,
ZPO, § 138 Rn. 18. BGH, Urt. v. 11. 2. 2008 – II ZR 187/06 – Rn. 15, zitiert nach juris; Saenger/Wöstmann, ZPO, § 138 Rn. 5. 134 MüKoZPO/Fritsche, ZPO, § 138 Rn. 26. 133
B. Folgen des Nichtbestreitens juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen 123
Tatsachenbehauptungen stehen (dazu unter lit. bb)). Gegenstand des fingierten Geständnisses seien die in den Rechtsbegriffsvortrag eingekleideten Tatsachenbehauptungen (dazu unter lit. cc)). aa) Grundsätzliche Anwendbarkeit des § 138 Abs. 3 ZPO Nach der Rechtsprechung kann § 138 Abs. 3 ZPO unter bestimmten Voraussetzungen auch auf juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen angewendet werden. Das belegt schon die bereits besprochene Entscheidung BGH, Urt. v. 2. 6. 1995 – V ZR 304/93135: „Die Rechtsprechung stellt tatsächlichen Umständen (§ 138 Abs. 1 ZPO) Tatsachen in ihrer juristischen Einkleidung gleich, wenn dies durch einen einfachen Rechtsbegriff geschieht, der jedem Teilnehmer des Rechtsverkehrs geläufig ist […]. Hierher gehört das Sacheigentum […]. Das Berufungsgericht konnte mithin das Eigentum der Klägerin an den Grundstücken als behauptete und nicht bestrittene Tatsache seiner Entscheidung zugrunde legen.136“137
Die juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung, Eigentümerin von Grundstücken zu sein, stellte nach Ansicht des Bundesgerichtshofs also nicht nur substantiierten Vortrag der Klägerin dar. Nachdem die Behauptung unbestritten blieb, hätten die Tatsacheninstanzen sie ihren Entscheidungen auch als nicht bestrittene Tatsachenbehauptung zugrunde legen können. Auch wenn der Bundesgerichtshof § 138 Abs. 3 ZPO dabei nicht ausdrücklich erwähnt, zog das Nichtbestreiten der juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptung somit die Geständnisfiktion dieser Vorschrift nach sich. In einer früheren Entscheidung138 erklärte der Bundesgerichtshof ganz ausdrücklich, dass bestimmte juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen gem. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gelten können: „Rechtsfehlerfrei durfte das Berufungsgericht […] davon ausgehen, daß den Klägern gegen die ARGE wegen der mangelnden Schalldämmung eine Forderung von mindestens 1.600 DM zugestanden hat. Insoweit handelte es sich zwar – wie die Revision geltend macht – nicht allein um den Vortrag von Tatsachen, sondern um eine Wertung von Tatsachen. Dennoch konnte das Berufungsgericht diese übereinstimmende Wertung als inhaltlich tatsächliches Vorbringen, als eine lediglich ‚juristisch gefärbte Einkleidung einer Tatsachenbehauptung‘ ansehen, die ebenfalls gemäß §§ 138 Abs. 3, 288 ZPO zugestanden werden kann139 […].“140 135
– juris. Hervorhebung nicht im Original. 137 BGH, Urt. v. 2. 6. 1995 – V ZR 304/93 – Rn. 7, zitiert nach juris. 138 BGH, Urt. v. 25. 6. 1974 – VI ZR 18/73 – juris. 139 Hervorhebung nicht im Original. 140 BGH, Urt. v. 25. 6. 1974 – VI ZR 18/73 – Rn. 9, zitiert nach juris. 136
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
Die gemeinsame Nennung der §§ 138 Abs. 3, 288 ZPO lässt darüber hinaus erkennen, dass die Anwendbarkeit der beiden Vorschriften nach Ansicht des Bundesgerichtshofs auch bezüglich juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen einheitlich zu beurteilen ist. Dies erscheint insofern konsequent, als dass sich beide Vorschriften auf Tatsachenbehauptungen der Gegenseite beziehen. Die grundsätzliche Anwendbarkeit des § 138 Abs. 3 ZPO auf den Vortrag bestimmter juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen kann daher mittelbar auch den Entscheidungen141 entnommen werden, welche die Geständnisfähigkeit des entsprechenden Vorbringens nach § 288 ZPO bejahen. Die grundsätzliche Anwendbarkeit des § 138 Abs. 3 ZPO ist schließlich nur die logische Konsequenz daraus, dass die Rechtsprechung bestimmte juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen reinen Tatsachenbehauptungen gleichstellt. Reine Tatsachenbehauptungen können nämlich in jedem Fall nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gelten. Soweit juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen diesen gleichgestellt werden, müssen also auch sie vom Anwendungsbereich der Vorschrift umfasst sein. Daraus ergeben sich zugleich die Voraussetzungen der Anwendbarkeit des § 138 Abs. 3 ZPO. Die Geständnisfiktion tritt nach der Rspr. nur im Falle des Nichtbestreitens solcher juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen ein, die reinen Tatsachenbehauptungen gleichzustellen sind. Es müsse mithin davon auszugehen sein, dass die Parteien die Rechtsbegriffe juristisch korrekt zur Tatsachenumschreibung verwenden. Bezüglich der Voraussetzungen dieser Annahme gilt vollumfänglich das oben Gesagte. bb) Ausnahmen § 138 Abs. 3 ZPO kann nach der Rspr. nicht stets angewendet werden, wenn juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen unbestritten bleiben. Die Vorschrift finde insbesondere dann keine Anwendung, wenn der weitere Vortrag der behauptenden Partei im Widerspruch zu ihrer juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptung steht.142 Ein entsprechender Sachverhalt lag einer Entscheidung des OLG Koblenz143 zugrunde: Die Klägerin hatte (zu ihren eigenen Ungunsten – freilich ohne dies merken) vorgetragen, sie sei Eigentümerin bestimmter Wirtschaftswege. Die Be141
Zu Beispielen siehe oben A. II. 1. b) aa) und ausführlich unten C. II. 1. dem Fall, dass der Vortrag der Gegenseite im Widerspruch zu einer juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptung steht, obwohl die Gegenseite diese nicht absichtlich bestreitet, siehe unten D. I. 143 Urt. v. 2. 4. 1992 – 5 U 1326/91 – juris. Zu dieser Entscheidung siehe auch Schneider, Die Klage im Zivilprozess, Rn. 2127. In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall stand zwar ein ausdrückliches Geständnis und damit die Anwendung des § 288 ZPO im Raum. Die Ausführungen des OLG Koblenz lassen sich allerdings vollumfänglich auf § 138 Abs. 3 ZPO übertragen. 142 Zu
B. Folgen des Nichtbestreitens juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen 125
klagte war dieser Behauptung nicht entgegengetreten. Die Behauptung der Klägerin wurde dennoch nicht als zugestanden gem. § 138 Abs. 3 ZPO144 behandelt. Der Vortrag der Klägerin enthielt nämlich überdies Angaben zu Einzelheiten eines Flurbereinigungsverfahrens, das auch die streitgegenständlichen Wirtschaftswege betraf. Aus diesen ergab sich, dass nicht die Klägerin, sondern die Beklagte Eigentümerin der Wirtschaftswege ist. Das OLG Koblenz machte diese Angaben und nicht die juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung der Klägerin zur Grundlage seiner Entscheidung. In seiner Begründung stellte es zunächst die Ansicht der h. M. dar, wonach Rechtsbegriffe als tatsächliche Behauptungen gebraucht und damit zugestanden werden können, wenn es sich um einfache und allgemeine (Rechts-) Begriffe des täglichen Lebens handelt. Dazu zähle nach der h. M. auch der hier zu beurteilende Begriff „Eigentum“. Dem folge der erkennende Senat zwar im Grundsatz, wenn die Parteien übereinstimmend und ausschließlich vortragen würden, irgendjemand sei Eigentümer. Im vorliegenden Fall verhalte es sich aber anders: „Trägt die Partei […] mehr vor als nur den Begriff ‚Eigentum‘, z. B. gerade den Entstehungssachverhalt selbst, so kann ihr Vorbringen widersprüchlich oder auch gegebenenfalls ‚klageschädlich‘ werden. Ein Mehr an Vortrag kann damit zu einem Weniger an Tatsachenvorbringen führen. […] Im zu entscheidenden Fall haben beide Parteien mehr vorgetragen als nur die Behauptung des Eigentums der Klägerin. Beide Parteien haben zusätzlich die Einzelheiten des Flurbereinigungsverfahrens vorgetragen. Dieses weitere Vorbringen hat der Senat bei der Eigentumsfrage zu beachten.“145
Das OLG Koblenz verweist dabei auch auf ein Beispiel Schneiders146, in dem die Parteien den Begriff „Kauf“ übereinstimmend verwenden, ihr übriger Sachvortrag aber ergibt, dass sie den Begriff juristisch inkorrekt gebrauchen. Nach Ansicht des OLG Koblenz entziehe der weitere Sachvortrag hier der Schlussfolgerung Kauf den Boden. Der „alltägliche einfache Begriff ‚Kauf‘“ werde nur noch als unrichtige Wertung verwendet bzw. ein Kauf werde von den Parteien „nach ihrem Gesamtvorbringen (Einheitlichkeit der mündlichen Verhandlung) gar nicht mehr vorgetragen“.147 Unbestrittene juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen sollen danach also nicht als zugestanden gelten, wenn der übrige Parteivortrag ergibt, dass die rechtliche Würdigung des Sachverhalts nicht mit dem vorgetragenen Rechtsbegriff bezeichnet wird. In diesen Fällen habe das Gericht seiner Entscheidung allein den weiteren Parteivortrag zugrunde zu legen. 144
Bzw. § 288 ZPO. Siehe oben. OLG Koblenz, Urt. v. 2. 4. 1992 – 5 U 1326/91 – Rn. 19 f., zitiert nach juris. 146 Der Zivilrechtsfall in Prüfung und Praxis, 6. Auflage, S. 48 (in der 7. Auflage findet sich das Beispiel auf Seite 40 unter Rn. 148). 147 OLG Koblenz, Urt. v. 2. 4. 1992 – 5 U 1326/91 – Rn. 20, zitiert nach juris. 145
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
Diese Ansicht vertritt auch der Bundesgerichtshof in der Entscheidung BGH, Urt. v. 11. 2. 2008 – II ZR 187/06148: Fraglich war in diesem Fall u. a., ob bei einem Treffen der Gesellschafter der beklagten Gesellschaft ein Gesellschafterbeschluss gefasst worden war. Der Kläger hatte diesbezüglich – für ihn günstig – vorgetragen, dass dem nicht so gewesen sei. Die Beklagte vertrat im Prozess die gleiche Ansicht.149 (Auch) der Kläger hatte allerdings zusätzlich Protokollentwürfe der betreffenden Gesellschafterversammlung vorgelegt, denen sich entnehmen ließ, dass ein Gesellschafterbeschluss gefasst worden war. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs – entgegen der Ansicht der Vorinstanzen – galt die Behauptung des Klägers, es sei kein Beschluss gefasst worden, deshalb nicht als zugestanden nach § 138 Abs. 3 ZPO150: „Geständnisfähig sind lediglich Tatsachen. Wenn die Parteien übereinstimmend einen Rechtsbegriff gebrauchen, aber zusätzlich Umstände vortragen, nach denen die rechtliche Würdigung unzutreffend ist, sind nur Letztere für das Gericht beachtlich (Zöller/ Greger, ZPO 26. Aufl. § 138 Rdn. 11a m.w.Nachw.).“151
cc) Gegenstand des fingierten Geständnisses Es ist davon auszugehen, dass die Rspr. als Gegenstand des fingierten Geständnisses die Tatsachen wertet, die den vorgetragenen Rechtsbegriffen zugrunde liegen. Theoretisch käme aber auch ein Geständnis unmittelbar der rechtlichen Beurteilungen in Betracht, die mit den vorgetragenen Rechtsbegriffen bezeichnet werden. Manche Formulierungen des Bundesgerichtshofs könnten in letzterem Sinne verstanden werden: „Das Berufungsgericht konnte mithin das Eigentum der Klägerin an den Grundstücken als behauptete und nicht bestrittene Tatsache seiner Entscheidung zugrunde legen.“152
Der Bundesgerichtshof bezeichnet hier nicht die in dem Begriff „Eigentum“ zusammengefassten Tatsachen als behauptet und nicht bestritten, sondern das Eigentum selbst. Dies könnte in dem Sinne interpretiert werden, dass unmittelbar das mit dem Begriff „Eigentum“ bezeichnete Rechtsverhältnis den Gegenstand des Geständnisses nach § 138 Abs. 3 ZPO bilden solle. 148
– juris. stand auch in diesem Fall weniger die Anwendung des § 138 Abs. 3 ZPO als ein gerichtliches Geständnis der juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptung nach § 288 ZPO im Raum. Denn die Beklagte hatte selbst behauptet, es sein kein Beschluss gefasst worden. Die Ausführungen des Bundesgerichtshofs lassen sich aber auf § 138 Abs. 3 ZPO übertragen. 150 Bzw. nach § 288 ZPO. Siehe oben. 151 BGH, Urt. v. 11. 2. 2008 – II ZR 187/06 – Rn. 15, zitiert nach juris. 152 BGH, Urt. v. 2. 6. 1995 – V ZR 304/93 – Rn. 7, zitiert nach juris. 149 Daher
B. Folgen des Nichtbestreitens juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen 127
Gegen diese Interpretation spricht aber schon die soeben genannte Entscheidung BGH, Urt. v. 11. 2. 2008 – II ZR 187/06153. Danach sind nämlich nur Tatsachen geständnisfähig. Der übereinstimmende Gebrauch eines Rechtsbegriffs bei gleichzeitiger Angabe diesem entgegenstehender Tatsachen habe daher gerade nicht die Geständnisfiktion des § 138 Abs. 3 ZPO bezüglich der mit dem Rechtsbegriff bezeichneten Rechtswirkungen zur Folge.154 Es sind keine Gründe ersichtlich, warum der Bundesgerichtshof dann unmittelbar die rechtlichen Beurteilungen als zugestanden werten sollte, wenn die Parteien keine diesen entgegenstehenden Tatsachen vortragen. In einer anderen Entscheidung155 den Gegenstand von Geständnissen betreffend bestimmt der Bundesgerichtshof dementsprechend ausdrücklich, dass „nicht ein ‚Rechtsverhältnis als solches‘, sondern grundsätzlich nur die Tatsachen, aus denen sich dieses Rechtsverhältnis ergeben soll, bestritten oder zugestanden werden können (§§ 138 Abs. 3, 288 ZPO).“156
b) Meinungsstand in der Literatur Die herrschende Literatur folgt der Ansicht der Rspr. nahezu vollumfänglich (dazu unter lit. aa)). Nach einer Mindermeinung findet § 138 Abs. 3 ZPO auf juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen generell keine Anwendung (dazu unter lit. bb)). aa) Grundsätzliche Anwendbarkeit des § 138 Abs. 3 ZPO Die herrschende Literatur157 teilt die Ansicht der Rechtsprechung sowohl hinsichtlich der grundsätzlichen Anwendbarkeit des § 138 Abs. 3 ZPO auf juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen als auch bezüglich der notwendigen Voraussetzungen. Teilweise wird diese Ansicht zwar nicht ausdrücklich geäußert, 153
– juris. BGH, Urt. v. 11. 2. 2008 – II ZR 187/06 – Rn. 15, zitiert nach juris. 155 BGH, Urt. v. 17. 9. 1986 – IVa ZR 13/85 (= BGHZ 98, 226 – 235) – juris. Diese Entscheidung betrifft nicht die Anwendung des § 138 Abs. 3 ZPO auf juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen. Dem Zitat lässt sich aber entnehmen, dass der Bundesgerichtshof grundsätzlich nur Tatsachen und nicht Rechtswirkungen als mögliche Gegenstände eines Geständnisses nach § 138 Abs. 3 ZPO betrachtet. 156 BGH, Urt. v. 17. 9. 1986 – IVa ZR 13/85 (= BGHZ 98, 226 – 235) – Rn. 24, zitiert nach juris. 157 So z. B. MüKoZPO/Fritsche, ZPO, § 138 Rn. 18, 26; Zöller/Greger, ZPO, § 138 Rn. 11a; Saenger/Wöstmann, ZPO, § 138 Rn. 6; i.E. auch BeckOK ZPO/von Selle, § 138 Rn. 8, nach dem (nur) der unstreitige Vortrag eines Rechtsbegriffs den Schluss rechtfertigen könne, dass die Parteien mit dem Rechtsbegriff zugleich stillschweigend die ihn ausfüllenden Tatsachen vorgetragen hätten (jeweils mit dem Begriff „Rechtstatsachen“); Schneider, Die Klage im Zivilprozess, Rn. 2113 f. 154
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
sie ergibt sich aber aus der Gesamtheit der Ausführungen.158 Soweit juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen als substantiierter Sachvortrag gewertet werden, muss ihr Nichtbestreiten nämlich nach allgemeinen Grundsätzen zum Eintritt der Geständnisfiktion führen.159 Soweit diesbezüglich keine Einschränkungen genannt werden, kann folglich von der Wertung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen als substantiierter Sachvortrag auf die Befürwortung der Anwendung des § 138 Abs. 3 ZPO geschlossen werden. Hinsichtlich der Voraussetzungen, welche die vorgetragenen Rechtsbegriffe bzw. der Parteivortrag insgesamt erfüllen müsse, variieren wiederum nur die Bezeichnungen.160 Inhaltlich sind keine Unterschiede zu erkennen. Diesbezüglich gilt das oben161 Gesagte. Die Geständnisfiktion trete allerdings – wiederum der Ansicht der Rspr. entsprechend – nicht ein, wenn juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen zwar unbestritten bleiben, der weitere Parteivortrag aber ergibt, dass die rechtliche Würdigung des Sachverhalts nicht mit dem vorgetragenen Rechtsbegriff bezeichnet wird.162 In diesem Fall seien für das Gericht nicht die in den vorgetragenen Rechtsbegriff eingekleideten Tatsachenbehauptungen beachtlich, sondern ausschließlich der zusätzliche Parteivortrag. Tritt die Geständnisfiktion ein, besteht Einigkeit mit der Rspr. schließlich wohl auch darin, dass nicht die rechtlichen Würdigungen als zugestanden gelten, sondern die in die vorgetragenen Rechtsbegriffe eingekleideten Tatsachenbehauptungen. Das Nichtbestreiten entsprechender Behauptungen bewirke damit, dass das Gericht von den Gegebenheiten ausgehen dürfe, die durch den konkret vorgetragenen Rechtsbegriff umschrieben werden. Der Vortrag könne damit als „schlüssig und nicht beweisbedürftig“ angesehen werden.163 bb) Keine bzw. beschränkte Anwendbarkeit des § 138 Abs. 3 ZPO Nach anderer Ansicht164 können die Geständniswirkungen des § 138 Abs. 3 ZPO im Falle des Nichtbestreitens juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptun158
So z. B. bei Musielak/Voit/Stadler, ZPO, § 138 Rn. 12. Näher dazu siehe unten 3. a) aa). 160 Teilweise ist nur von „allgemein bekannten“ Rechtsbegriffen die Rede (Schneider, Die Klage im Zivilprozess, Rn. 2113), teilweise von allgemein geläufigen Begriffen (Zöller/Greger, ZPO, § 138 Rn. 11a), teilweise von Rechtsbegriffen, die „einfach und allgemein bekannt sind“ (BeckOK ZPO/von Selle, § 138 Rn. 8). 161 Unter Abschnitt A. II. 2. a). 162 So ausdrücklich Zöller/Greger, ZPO,§ 138 Rn. 11a; MüKoZPO/Fritsche, ZPO, § 138 Rn. 26; Saenger/Wöstmann, ZPO, § 138 Rn. 6; Schneider, Die Klage im Zivilprozess, Rn. 2126; BeckOK ZPO/von Selle, § 138 Rn. 9; Musielak/Voit/Stadler, ZPO, § 138 Rn. 12. 163 Zöller/Greger, ZPO, § 138 Rn. 11a. 164 Wieczorek/Schütze/Gerken, ZPO, § 138 Rn. 10, 36. 159
B. Folgen des Nichtbestreitens juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen 129
gen nicht eintreten. Das gelte unabhängig davon, welche Rechtsbegriffe vorgetragen werden. Auch mit allgemein geläufigen Rechtsbegriffen wie „Kauf“ oder „Miete“ könnten nämlich komplizierte rechtliche Sachverhalte verbunden sein, „die eine nähere Prüfung schon im Bereich der Schlüssigkeit und damit auch dann erfordern, wenn der Beklagte keine Einwände“ erhebt. Dem Gericht müsse es daher freistehen, von den Parteien eine nähere Substantiierung zu fordern. Das Bestreiten durch die Gegenseite unterbleibe hier evtl. auch nur deshalb, weil rechtliche Problematiken nicht erkannt werden. Das Gericht müsse jedoch nicht stets nachhaken. In „einfach gelagerten Fällen“ werde es keinen weiteren Sachvortrag fordern, wenn die Gegenseite einer juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptung nicht widerspricht.165 3. Stellungnahme Unbestrittene juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen gelten grundsätzlich gem. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden, soweit sie substantiierten Sachvortrag darstellen (dazu unter lit. a)). Dies gilt jedoch nicht, wenn der weitere Parteivortrag im Widerspruch zu den behaupteten Rechtsbegriffen steht (dazu unter lit b)). Gegenstand des fingierten Geständnisses sind die Tatsachenbehauptungen, die in den vorgetragenen Rechtsbegriff eingekleidet sind (dazu unter lit. c)). Daraus ergibt sich kein Widerspruch zur grundsätzlichen Aufgabenverteilung zwischen den Parteien und dem Gericht (dazu unter lit. d)). a) Grundsätzliche Anwendbarkeit des § 138 Abs. 3 ZPO Unbestrittene juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen gelten grundsätzlich gem. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden, soweit sie als substantiierter Sachvortrag gewertet werden können. aa) Argumente für die Anwendbarkeit des § 138 Abs. 3 ZPO § 138 Abs. 3 ZPO erfasst juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen schon deshalb, weil diese Tatsachenvortrag enthalten. Denn der Behauptende legt seinem Rechtsbegriffsvortrag gedanklich bestimmte Tatsachen zugrunde, die er in dem Rechtsbegriff zusammenfasst. Die Behauptung des Rechtsbegriffs stellt sich folglich (zumindest auch) als eine Aussage über Tatsachen dar. Dabei ist jedoch stets erforderlich, dass der Behauptende den vorgetragenen Rechtsbegriff in ausreichendem Maß versteht. Denn nur dann steht fest, welche
165
A. a. O., Rn. 36.
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
Tatsachenbehauptungen der Vortragende in die Rechtsbegriffsbehauptung einkleidet.166 Soweit juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen als substantiierter Sachvortrag gewertet werden, ist die Anwendung des § 138 Abs. 3 ZPO sogar zwingend.167 Denn die Qualifizierung als substantiierter Sachvortrag besagt, dass die darlegungsbelastete Partei mit den Behauptungen ihre Pflicht erfüllt, die entscheidungserheblichen Tatsachen in den Prozess einzuführen, solange der Gegenvortrag keine nähere Erläuterung veranlasst. Werden die Behauptungen nicht bestritten, müssen die mit ihnen behaupteten Tatsachen folglich ohne weiteres zur Entscheidungsgrundlage werden. Im Falle des bloßen Nichtbestreitens – durch eine nicht-säumige Partei168 – kann dies nach der Zivilprozessordnung grundsätzlich nur über die Anwendung der Geständnisfiktion des § 138 Abs. 3 ZPO erreicht werden. Denn nur wenn die Geständnisfiktion eintritt, entfällt die Beweisbedürftigkeit der behaupteten Tatsachen. Andere Vorschriften, welche die Beweisbedürftigkeit beseitigen würden, greifen nämlich nicht bzw. nur im Ausnahmefall. So liegt im Falle des bloßen Nichtbestreitens kein Geständnis nach § 288 ZPO vor.169 Regelmäßig werden die Tatsachen auch nicht beim Gericht offenkundig sein (§ 291 ZPO). § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO findet schließlich nur Anwendung, wenn der Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung säumig ist. Die Anwendung des § 138 Abs. 3 ZPO ist folglich notwendig, um die Qualifizierung der Behauptungen als substantiierter Sachvortrag konsequent zur Geltung zu bringen. bb) Beschränkung und deren Gründe Juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen sind der Geständnisfiktion des § 138 Abs. 3 ZPO nur dann zugänglich, wenn davon auszugehen ist, dass die Parteien die vorgetragenen Rechtsbegriffe juristisch korrekt zur Tatsachenumschreibung verwenden. Das folgt zunächst aus dem Umstand, dass die Gegenseite nur unter dieser Voraussetzung weiß, welche Tatsachen behauptet wurden und mithin, gegen welchen Sachvortrag sie sich zur Wehr setzen müsste. Nur dann erscheint das Nichtbestreiten dem Geständnis der Behauptungen vergleichbar. 166 Näher dazu und zu den weiteren Gründen der entsprechenden Beschränkung der Anwendung des § 138 Abs. 3 ZPO siehe sogleich unter lit. bb). 167 So auch Demmler, Das Gerichtliche Geständnis von Rechtsverhältnissen, S. 57 f. [zur Geständnisfiktion des § 296 S. 1 CPO (= § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO)]. 168 Zur Anwendung der Geständnisfiktion des § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO im Falle des Nichtbestreitens aufgrund von Säumnis siehe unten II. 169 Siehe statt aller BGH, Urt. v. 7. 12. 1998 – II ZR 266/97 (= BGHZ 140, 156 – 166) – Rn. 7, zitiert nach juris.
B. Folgen des Nichtbestreitens juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen 131
Die Anwendung des § 138 Abs. 3 ZPO muss überdies entsprechend beschränkt werden, weil das Gericht die als zugestanden geltenden Tatsachen seiner Entscheidung zugrunde legen muss. Letzteres setzt voraus, dass keine Zweifel daran bestehen, welche Tatsachen vorgetragen wurden bzw. werden sollten. Werden Rechtsbegriffe zur Tatsachenumschreibung gebraucht, ist diese Voraussetzung nur erfüllt, wenn von einer juristisch korrekten Verwendung der Rechtsbegriffe auszugehen ist. Nur dann kann das Gericht die Rechtsbegriffsbehauptung als Behauptung der dem Rechtsbegriff zugrundeliegenden Tatsachen werten. Fehlt bspw. das ausreichende Begriffsverständnis beim Behauptenden, bleibt nämlich unklar, welche Tatsachen er durch den Rechtsbegriff umschreiben möchte. Das Gericht könnte der Behauptung daher nicht ohne weiteres die Tatsachen entnehmen, die es seiner Entscheidung zugrunde legen soll. Die Beschränkung folgt schließlich auch daraus, dass juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen nur unter den genannten Voraussetzungen als substantiierter Sachvortrag gewertet werden können.170 Das Vorliegen substantiierten Sachvortrags ist unbedingte Voraussetzung der Anwendung des § 138 Abs. 3 ZPO. Die Gegenseite muss sich nämlich nur bezüglich substantiierten Vorbringens gem. § 138 Abs. 2 ZPO erklären. Das Bestehen einer entsprechenden Erklärungspflicht ist wiederum Voraussetzung für den Eintritt der Geständnisfiktion im Falle des Nichtbestreitens. Muss sich die Gegenseite schon gar nicht zu Behauptungen erklären, kann ihr Nichtbestreiten nämlich nicht die für sie nachteilige Geständnisfiktion auslösen. Liegen die genannten Voraussetzungen nicht vor, findet § 138 Abs. 3 ZPO folglich keine Anwendung. Das Gericht muss dann auch im Falle des Nichtbestreitens der Behauptungen deren nähere Erläuterung verlangen. Gegebenenfalls muss es die darlegungsbelastete Partei in einem richterlichen Hinweis nach § 139 ZPO zur näheren Substantiierung auffordern.171 cc) Ablehnung entgegenstehender Ansichten Aus den besagten Gründen ist die Ansicht abzulehnen, die sich generell gegen den Eintritt der Geständnisfiktion des § 138 Abs. 3 ZPO im Falle des Nichtbestreitens juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen ausspricht. So ist zwar zuzugeben, dass auch dem Vortrag „einfacher“ Rechtsbegriffe rechtlich komplizierte Sachverhalte zugrunde liegen können und dass es dem Gericht daher stets – unabhängig von den verwendeten Rechtsbegriffen – gestattet sein muss, eine nähere Substantiierung zu verlangen, wenn es Zweifel an der korrekten Verwendung der Begriffe hat. Sollte das Gericht entsprechende 170 171
Ausführlich dazu siehe oben A. Zu dessen möglichem Inhalt siehe oben A. III. 3 b).
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
Zweifel haben, ergibt sich diese Befugnis (und sogar Pflicht) aber schon daraus, dass die juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen keinen substantiierten Sachvortrag darstellen. § 138 Abs. 3 ZPO findet in diesen Fällen schon (aber auch nur) deshalb keine Anwendung. Die generelle Ablehnung der Anwendung des § 138 Abs. 3 ZPO führt schließlich zu unauflösbaren Widersprüchen, wenn das Gericht keine Zweifel an der Korrektheit der Verwendung der Rechtsbegriffe hat und mithin keine nähere Substantiierung verlangt172. Diese Konstellation wird von den entsprechenden Autoren leider nicht im Detail behandelt. Den obigen Ausführungen lässt sich aber entnehmen, dass die Nicht-Anwendung des § 138 Abs. 3 ZPO in diesen Fällen zu völlig widersprüchlichen Ergebnissen führen würde. Die juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen wären einerseits noch beweisbedürftig, weil keine Vorschrift eingreift, nach der ihre Beweisbedürftigkeit entfällt. Gleichzeitig stünde eine Beweiserhebung in offensichtlichem Widerspruch zu den Interessen der Parteien – und wäre mithin auch unzulässig –, weil sich die Parteien nicht im Streit über die Tatsachen befinden. Nachdem deren Beweisbedürftigkeit aber nicht entfallen würde, könnte das Gericht sie seiner Entscheidung nicht ohne weiteres zugrunde legen. Dem Gericht bliebe daher nur die Möglichkeit, nun doch die nähere Substantiierung der Behauptungen gem. § 139 ZPO zu verlangen. Dies widerspräche aber dem Umstand, dass das Gericht gerade keine nähere Substantiierung der Behauptungen verlangte, weil es keine Zweifel an der Korrektheit der Verwendung der Rechtsbegriffe hatte.173 Schließlich würde dies auch dazu führen, dass juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen letztendlich stets aufgeschlüsselt werden müssten. Das widerspräche den dargelegten Gründen für die Zulassung der juristischen Einkleidung von Tatsachenbehauptungen. dd) Kein Widerspruch zur Aufgabenverteilung zwischen Parteien und Gericht Die Anwendung des § 138 Abs. 3 ZPO auf juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen steht nicht im Widerspruch zu dem Grundsatz, dass das Gericht in der rechtlichen Würdigung der vorgetragenen Tatsachen frei und unabhängig 172 Das Gericht muss auch nach der Ansicht, welche die Anwendung des § 138 Abs. 3 ZPO generell ablehnt, nicht stets weiteren Vortrag verlangen, wenn Rechtsbegriffe zur Tatsachenumschreibung gebraucht werden. In „einfach gelagerten Fällen“ werde es dies sogar in der Regel nicht tun (Wieczorek/Schütze/Gerken, ZPO, § 138 Rn. 36). 173 Es ist daher davon auszugehen, dass die Geständnisfiktion in diesen Fällen auch nach der dargestellten Ansicht Anwendung finden soll. Die Aussage, dass Geständniswirkungen nach § 138 Abs. 3 ZPO bei juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen nicht eintreten könnten, scheint mithin nur unglücklich formuliert. Damit soll wohl nur ausgedrückt werden, dass das Gericht im Falle von Rechtsbegriffsbehauptungen zur Tatsachenumschreibung stets nachfragen und eine nähere Substantiierung verlangen können soll.
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von den Rechtsauffassungen der Parteien ist. Das gilt trotz der Konsequenz der Geständnisfiktion, dass das Gericht stets zu der Rechtsfolge gelangen muss, die mit dem vorgetragenen Rechtsbegriff bezeichnet wird174. Denn diese Konsequenz kann erst und nur dann eintreten, wenn das Gericht den Rechtsbegriffsvortrag als substantiierten Sachvortrag wertet. Im Rahmen dieser Bewertung unterliegt das Gericht keinerlei Bindungen durch die Parteien. Das Gericht entscheidet frei und unabhängig, ob es den Parteien ein ausreichendes Verständnis der vorgetragenen Rechtsbegriffe zutraut oder nicht. Hat es Zweifel an deren Begriffsverständnis, darf bzw. muss es stets eine nähere Substantiierung des Vortrags nach § 139 ZPO verlangen. Die Parteien können das Gericht also nicht zwingen, sich mit einem Rechtsbegriffsvortrag zufrieden zu geben und sich ihrer rechtlichen Beurteilung des Sachverhalts anzuschließen. Daher stellen sich die Konsequenzen eines Geständnisses juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen nach § 138 Abs. 3 ZPO nicht als – mittelbare – Bindung des Gerichts an Rechtsauffassungen der Parteien dar. Sie sind vielmehr bloße Folge der freien und unabhängigen Entscheidung des Gerichts, den Parteien die Fähigkeit zu gewissen rechtlichen Beurteilungen zuzutrauen.175 b) Ausnahmen Der h. M. ist auch hinsichtlich der dargestellten Ausnahmen von der Anwendung des § 138 Abs. 3 ZPO zu folgen. Juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen gelten also nicht als zugestanden, wenn sie zwar nicht bestritten werden, der übrige Vortrag der darlegungsbelasteten Partei aber ergibt, dass die rechtliche Würdigung des Sachverhalts nicht mit dem vorgetragenen Rechtsbegriff bezeichnet wird. aa) Vorbemerkung Im Rahmen der Begriffsdefinition wurde dargestellt, dass Voraussetzung einer jeden juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptung ist, dass ein Rechtsbegriff „stellvertretend“ für die diesem zugrundeliegenden Tatsachen behauptet wird.176 Die entsprechenden Tatsachen werden also nicht im Einzelnen genannt, sondern ausschließlich durch die Behauptung des Rechtsbegriffs in den Prozess eingeführt. In den hier besprochenen Fällen verhält es sich jedoch anders. Hier werden Rechtsbegriffe neben bzw. zusätzlich zu den Tatsachen vortragen, die den Rechtsbegriffen zugrunde liegen. Es wäre daher denkbar, entsprechende Rechts174
Näher dazu siehe unten unter lit. c) bb). In diesem Sinne auch Kleinfeller, Die geschichtliche Entwicklung des Thatsachen eides, S. 268 f. bezüglich der Eideszuschiebung über juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen. 176 Siehe dazu oben im 1. Kapitel C. II. 2. 175
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
begriffsbehauptungen nicht als juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen zu bezeichnen. Es muss allerdings zwischen zwei Konstellationen unterschieden werden. Ist der behauptenden Partei bewusst, dass ihr weiterer Sachvortrag Tatsachen enthält, die den vorgetragenen Rechtsbegriff betreffen, liegt keine juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung vor. In diesem Fall verwendet die Partei den Rechtsbegriff nämlich nicht, um Tatsachen in den Prozess einzuführen. Ihr Rechtsbegriffsvortrag stellt vielmehr die Kundgabe einer Rechtsansicht dar. Ist der Partei allerdings nicht bewusst, dass ihr weiterer Sachvortrag auch den vorgetragenen Rechtsbegriff betrifft, handelt es sich bei dem Rechtsbegriffsvortrag um eine juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung. Denn die Partei verwendet den Rechtsbegriff gerade, um Tatsachen in den Prozess einzuführen. bb) Keine Anwendung des § 138 Abs. 3 ZPO § 138 Abs. 3 ZPO kann nicht angewendet werden, wenn der weitere Sachvortrag der Parteien im Widerspruch zu ihren unbestrittenen Rechtsbegriffsbehauptungen steht. Das gilt unabhängig davon, ob die Rechtsbegriffsbehauptungen als Äußerungen von Rechtsansichten anzusehen sind oder ob sie dem Sachvortrag dienen. Wie bereits dargelegt, erscheinen die Rechtsbegriffsbehauptungen in den entsprechenden Fällen häufig als Kundgaben von Rechtsansichten. Wenn die den Rechtsbegriffen vermeintlich zugrundeliegenden Tatsachen bewusst im einzelnen vorgetragen werden, dienen die Rechtsbegriffsbehauptungen nämlich nicht deren Einführung in den Prozess. Die Rechtsbegriffe bezeichnen mithin nur die rechtlichen Schlussfolgerungen, die der Behauptende aus den vorgetragenen Tatsachen zieht. So lag es z. B. in dem Fall, der der angeführten Entscheidung des Bundesgerichtshofs177 zugrunde lag: Die Behauptung des Klägers, es sei kein Beschluss gefasst worden, stellte nichts anderes dar als die Mitteilung seiner (falschen) rechtlichen Beurteilung der im Einzelnen vorgetragenen Tatsachen zum Treffen der Gesellschafter. Eine Bindung des Gerichts nach § 138 Abs. 3 ZPO ist in diesen Fällen schon deshalb ausgeschlossen, weil die Vorschrift nur Tatsachenbehauptungen erfasst. Rechtsansichten können gerade nicht als zugestanden gelten. Das Gericht muss seiner Entscheidung daher die konkret vorgetragenen Tatsachen zugrunde legen.178 Rechtsbegriffsbehauptungen können in den entsprechenden Fällen nur dann als Teile des Sachvortrags verstanden werden, wenn dem Behauptenden nicht 177
BGH, Urt. v. 11. 2. 2008 – II ZR 187/06 – juris. Sollte der diesbezügliche Vortrag unbestritten sein, findet § 138 Abs. 3 ZPO selbstverständlich Anwendung. 178
B. Folgen des Nichtbestreitens juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen 135
bewusst ist, dass sein weiterer Vortrag auch den Sachverhalt betrifft, den er abgekürzt durch den Rechtsbegriff behaupten will.179 Eine solche Konstellation lag bspw. der angeführten Entscheidung des OLG Koblenz180 zugrunde. Die Klägerin wollte ihr Eigentum an den Wirtschaftswegen allein durch die Behauptung des entsprechenden Begriffs darlegen. Sie erkannte nicht, dass ihr – aus anderen Gründen erfolgter – Vortrag zum Flurbereinigungsverfahren auch ihre Eigentümerstellung betraf. Doch auch in diesen Fällen können die Tatsachen, deren rechtliche Würdigung mit dem vorgetragenen Rechtsbegriff bezeichnet wird, nicht gem. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gelten. Diese Tatsachen werden nämlich gar nicht in den Prozess eingeführt.181 Die darauf abzielende Behauptung stellt sich als unklar und damit nicht der Substantiierungspflicht genügend dar. Nachdem der weitere Vortrag im Widerspruch zu der juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptung steht, ist nämlich offensichtlich, dass der Behauptende die Bedeutung des Rechtsbegriffs nicht in ausreichendem Maß versteht. Seine Rechtsbegriffsbehauptung kann damit nicht als Zusammenfassung der dem Rechtsbegriff zugrundeliegenden Tatsachen gewertet werden. Das Gericht hat den Behauptenden deshalb nach § 139 ZPO auf die Widersprüchlichkeit seines Vorbringens hinzuweisen. Nachdem der Behauptende dieses regelmäßig nicht wird korrigieren können, ohne seine Wahrheitspflicht zu verletzen, wird das Gericht seine Entscheidung auf die konkret vorgetragenen Tatsachen stützen müssen. c) Gegenstand der Geständnisfiktion aa) Die juristisch eingekleidet behaupteten Tatsachen Gegenstand des nach § 138 Abs. 3 ZPO fingierten Geständnisses sind auch nach hier vertretener Auffassung die in dem vorgetragenen Rechtsbegriff zusammengefasst behaupteten Tatsachen. Die Geständnisfiktion bezieht sich also nicht unmittelbar auf die rechtliche Würdigung dieser Tatsachen. Das ergibt sich zunächst aus den dargestellten Ausnahmen von der Anwendung des § 138 Abs. 3 ZPO. Könnte sich das Geständnis auch auf rechtliche Beurteilungen beziehen, müssten diese nämlich immer dann als zugestanden gelten, wenn ihr Vortrag unbestritten bleibt. Es wäre mithin irrelevant, ob sich aus den zusätzlich zu den Rechtsbegriffen vorgetragenen Tatsachen andere Rechtswirkungen ergeben, als sie die unbestritten vorgetragenen Rechtsbegriffe bezeichnen. Dies ist nach hier vertretener Ansicht aber gerade nicht der Fall.
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Siehe hierzu das Beispiel im 1. Kapitel C. II. 2. c) bb). OLG Koblenz, Urt. v. 2. 4. 1992 – 5 U 1326/91 – juris. 181 A. a. O. 180
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
Gegen die Geständnisfähigkeit von Rechtsansichten spricht auch der Wortlaut des § 138 Abs. 3 ZPO. Nach diesem können ausschließlich „Tatsachen“ als zugestanden gelten. Überdies passt auch die Rechtsfolge der Vorschrift nicht zu einem Geständnis von Rechtswirkungen. Das als zugestanden Geltende bedarf nämlich keines Beweises (§ 138 Abs. 3 ZPO i. V. m. § 288 Abs. 1 ZPO). Nachdem rechtliche Beurteilungen von Tatsachen bzw. Rechtswirkungen ohnehin keines Beweises bedürfen, würde die Geständnisfiktion diesbezüglich ins Leere laufen. Schließlich stünde ein fingiertes Geständnis rechtlicher Beurteilungen im Widerspruch zu dem Grundsatz, dass die Parteien das Gericht nicht an ihre Rechtsauffassungen binden können. Das Gericht muss seiner Entscheidung das als zugestanden Geltende nämlich ungeprüft zugrunde legen. Die Anwendung des § 138 Abs. 3 ZPO auf Kundgaben rechtlicher Beurteilungen hätte daher eine Bindung des Gerichts an die Rechtsauffassungen der Parteien zur Folge. Eine solche Bindung ist nach der dargestellten Aufgabenverteilung zwischen den Parteien und dem Gericht grundsätzlich ausgeschlossen. bb) Kein anderes Ergebnis bei anderer Ansicht Für den Ausgang des Prozesses spielt der genaue Gegenstand des Geständnisses im Ergebnis allerdings keine Rolle, soweit juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen im hier verstandenen Sinn vorliegen. Das Gericht wird dem unbestrittenen Vortrag einer – grundsätzlich geständnisfähigen – juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptung nämlich in jedem Fall die Rechtsfolge entnehmen, die mit dem behaupteten Rechtsbegriff bezeichnet wird. Im Falle der Geständnisfähigkeit rechtlicher Beurteilungen wäre es dabei unmittelbar an den diesbezüglichen Parteivortrag gebunden. Aber auch wenn – wie nach hier vertretender Auffassung – „nur“ die Tatsachen als zugestanden gelten, die abgekürzt durch den vorgetragenen Rechtsbegriff behauptet werden, kann das Gericht zu keinem anderen Ergebnis gelangen. Denn § 138 Abs. 3 ZPO findet nur Anwendung, wenn das Gericht davon ausgeht, dass der Behauptende den Rechtsbegriff juristisch korrekt zur Tatsachenumschreibung gebraucht hat. Das Ergebnis der rechtlichen Würdigung dieser Tatsachen durch das Gericht muss folglich ebenfalls mit dem vorgetragenen Rechtsbegriff bezeichnet werden. Der auf Kaufpreiszahlung klagende A trägt zur Begründung seines Klageantrags vor, dass ein Kaufvertrag zwischen den Parteien zustande gekommen sei. Geht das Gericht aufgrund der Gesamtumstände davon aus, dass A mit dem Begriff „Kaufvertrag“ den juristisch korrekten Begriff gewählt hat, um das tatsächlich Geschehene zu umschreiben, muss das Ergebnis der rechtlichen Würdigung dieser Tatsachen ebenfalls mit dem Begriff „Kaufvertrag“ bezeichnet werden.
B. Folgen des Nichtbestreitens juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen 137
Die Bestimmung des Gegenstands des Geständnisses nach § 138 Abs. 3 ZPO ist daher nur in den Fällen relevant, in denen Tatsachenvortrag und Rechtsbegriffsbehauptung voneinander abweichen. Hier kann nach dem oben Gesagten nur der Tatsachenvortrag als zugestanden gelten.
II. Anwendung der Geständnisfiktion des § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO Der Tatsachenvortrag des Klägers ist im Falle der Säumnis des Beklagten gem. § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO als zugestanden anzunehmen (dazu unter 1.). Die h. M. scheint diese Geständnisfiktion auch auf juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen anzuwenden, soweit sie diese als substantiierten Sachvortrag behandelt (dazu unter 2.). Dem ist zuzustimmen, weil die Qualifikation als substantiierter Sachvortrag andernfalls ins Leere liefe (dazu unter 3.). 1. Allgemeines zu § 331 ZPO § 331 ZPO ermöglicht den Erlass eines Versäumnisurteils zugunsten des Klägers, wenn der Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erscheint. Die Vorschrift beruht „auf den Verfahrensgrundsätzen der Mündlichkeit und der Verhandlungsmaxime“.182 Voraussetzung eines entsprechenden Versäumnis urteils ist u. a., dass das mündliche Vorbringen des Klägers den Klageantrag rechtfertigt (Schlüssigkeit der Klage). Der klägerische Sachvortrag ist dabei gem. § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO als zugestanden anzunehmen, selbst wenn er in einem früheren Termin oder schriftsätzlich bestritten war183. Der Sachvortrag ist daher nicht beweisbedürftig (§ 288 Abs. 1 ZPO). Die Geständnisfiktion umfasst dabei nur das tatsächliche Vorbringen des Klägers. Die rechtliche Beurteilung der als zugestanden geltenden Tatsachen bleibt dem Gericht überlassen.184 2. Bisheriger Meinungsstand Teile der Literatur sprechen sich ausdrücklich für die Anwendung des § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO auf juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen aus, soweit von der juristisch korrekten Verwendung der Rechtsbegriffe ausgegangen werden kann (dazu unter lit. a)). Es ist anzunehmen, dass auch die Rechtsprechung und der Großteil der übrigen Literatur diese Auffassung vertreten (dazu unter lit. b)). 182 MüKoZPO/Prütting,
ZPO, § 331 Rn. 1. ZPO, § 331 Rn. 6, § 332 Rn. 1. 184 Siehe statt aller OLG Koblenz, Urt. v. 15. 11. 2007 – 6 U 537/07 – Rn. 30, zitiert nach juris. 183 Zöller/Herget,
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
a) Anwendbarkeit des § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO Die Anwendbarkeit des § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO auf juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen wird in der Literatur relativ selten thematisiert. Soweit eine explizite Auseinandersetzung erfolgt, werden juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen unter denselben Voraussetzungen als geständnisfähig nach § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO betrachtet, unter denen sie als substantiierter Sachvortrag und als geständnisfähig nach § 138 Abs. 3 ZPO gewertet werden. Voraussetzung der Anwendung des § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO sei also wiederum, dass von der juristisch korrekten Verwendung der Rechtsbegriffe zur Tatsachenumschreibung auszugehen ist.185 Den weiteren Ausführungen zu juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen entsprechend sei dies insbesondere dann der Fall, wenn der Kläger seine Tatsachenbehauptungen in „Rechtsbegriffe des täglichen Lebens“186 bzw. einfache und allgemein bekannte Rechtsbegriffe oder Rechtsverhältnisse187 kleide „oder doch solche [Rechtsbegriffe], die dem Aussagenden aufgrund seiner Lebensstellung bekannt und geläufig sind“188. Gegenstand des fingierten Geständnisses müssen dabei die in die Rechtsbegriffe eingekleideten Tatsachenbehauptungen sein. Das ergibt sich daraus, dass die rechtliche Beurteilung des als zugestanden anzunehmenden Sachvortrags (auch) nach dieser Ansicht stets dem Gericht überlassen bleibt.189 Die mit den 185 So z. B. Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, § 331 Rn. 2 i. V. m. Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 21. Auflage, § 284 Rn. 13 f. (die 22. Auflage enthält diesbezüglich keine wesentlichen Änderungen); i.E. auch Wach, Vorträge, S. 177: „Das Geständniss [nach § 296 CPO = § 331 Abs. 1, 2 ZPO] aber ergreift ebensowohl juristisch qualificirte Thatbestände (Darleihen, Miethen, Kaufen) […]“. Die Annahme der juristisch korrekten Verwendung der Rechtsbegriffe ist auch nach denjenigen Autoren Voraussetzung der Geständnisfähigkeit, die das nicht ausdrücklich darlegen (z. B. MüKoZPO/Prütting, ZPO, § 331 Rn. 11; BeckOK ZPO/ Toussaint, § 331 Rn. 5). Dies ergibt sich daraus, dass die Autoren die Anwendung des § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO auf einfache und allgemein bekannte Rechtsbegriffe des täglichen Lebens beschränken (siehe dazu sogleich). Für die grundsätzliche Möglichkeit der Anwendung des § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO wohl auch Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, § 331 Rn. 7, der auf die Ausführungen von Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, Vorb § 284 Rn. 13 verweist (danach müsse der Richter Begriffe wie „kaufen“ und „Eigentum“ nur „in Einzelvorgänge auflösen“, wenn dies nötig sei. Eine Auflösung müsse mithin nicht in jedem Fall stattfinden). 186 MüKoZPO/Prütting, ZPO, § 331 Rn. 11 mit den Beispielen „Kauf “, „Schenkung“ und „Miete“. 187 BeckOK ZPO/Toussaint, § 331 Rn. 5 mit den Beispielen „Kaufvertrag“ und „Vertragsschluss“. 188 Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 284 Rn. 14. 189 MüKoZPO/Prütting, ZPO, § 331 Rn. 13 („Nicht zugestanden werden können […] alle Rechtsfragen.“); BeckOK ZPO/Toussaint, § 331 Rn. 5a („Die Wertung der vorgetragenen (und ggf. nach § 331 Abs. 1 S. 1 als zugestanden zu behandelnden) Tatsachen obliegt allein dem Richter, so dass die vom Kläger vorgenommenen Bewertungen des Sachverhalts in rechtlicher […] Hinsicht nicht von § 331 Abs. 1 S. 1 erfasst werden.“)
B. Folgen des Nichtbestreitens juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen 139
vorgetragenen Rechtsbegriffen bezeichneten Rechtswirkungen können also nicht von der Geständnisfiktion umfasst sein. b) (Mutmaßliche) Ansicht der h. M. aa) Folgerungen aus der Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen im Übrigen Es kann davon ausgegangen werden, dass auch die Rspr. und der Großteil der übrigen Lit. juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen als geständnisfähig nach § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO betrachten, wenn die soeben genannten Voraussetzungen vorliegen. Die h. M. stellt juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen reinen Tatsachenbehauptungen nämlich auch im Übrigen gleich, wenn von einer juristisch korrekten Verwendung der vorgetragenen Rechtsbegriffe auszugehen ist. Um diese Gleichstellung konsequent zur Geltung zu bringen, ist mitunter die Anwendung des § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO notwendig. So würde bspw. die von der h. M. vorgenommene Qualifizierung entsprechender Behauptungen als ausreichend substantiierter Sachvortrag ins Leere laufen, wenn die Geständnisfiktion des § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO im Falle der Säumnis des Beklagten nicht eintreten könnte.190 Das Gericht könnte die in den Rechtsbegriffsvortrag eingekleideten Tatsachen seiner Entscheidung dann nämlich nicht ohne weiteres zugrunde legen. Mangels Alternativen müsste der Kläger seinen Vortrag also näher substantiieren oder die Klage würde als unschlüssig abgewiesen. Beides widerspräche der Qualifizierung der Behauptungen als substantiierter Sachvortrag. Für die Anwendung des § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO spricht darüber hinaus insbesondere, dass juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen von der h. M. auch als geständnisfähig nach §§ 138 Abs. 3, 288 ZPO betrachtet werden.191 Denn diese Vorschriften bestimmen ebenfalls, dass der zugestandene bzw. als zugestanden geltende Vortrag keines Beweises bedarf und der Entscheidung des Gerichts ungeprüft zugrunde zu legen ist. Die Rechtsfolgen des § 288 ZPO sind für die zugestehende Partei sogar noch „stärker“, weil die Partei grundsätzlich an ihr Geständnis gebunden ist (§ 290 ZPO). Es sind keine Gründe ersichtlich, warum 190
Näher dazu siehe sogleich 3. a) aa). Zur Anwendung des § 138 Abs. 3 ZPO siehe oben I. 2., zur Anwendung des § 288 ZPO siehe unten C. II. Dementsprechend werden mitunter Gerichtsentscheidungen sowie Ausführungen der übrigen Literatur zur Geständnisfähigkeit juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen nach §§ 138 Abs. 3, 288 ZPO zitiert, um die Anwendbarkeit des § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO zu belegen (mit dem Verweis auf entsprechende Gerichtsentscheidungen bspw. BeckOK ZPO/Toussaint, § 331 Rn. 5; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, § 331 Rn. 7 über den Verweis auf die Ausführungen von Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, Vorb § 284 Rn. 13; mit dem Verweis auf entsprechende Literaturmeinungen bspw. Stein/Jonas/ Grunsky, ZPO, § 331 Rn. 2; MüKoZPO/Prütting, ZPO, § 331 Rn. 11). 191
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen dann nicht als dem „milderen“ § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO zugänglich betrachtet werden sollten. bb) Auslegung scheinbar widersprechender Ausführungen In der Rechtsprechung finden sich teilweise Ausführungen, nach denen Rechtsbegriffsbehauptungen der Geständnisfiktion des § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO nicht zugänglich seien, ohne dass dabei irgendwelche Ausnahmen genannt würden. So entschied das AG Wiesbaden192, dass die klägerische Behauptung, man sei Grundversorgerin der Beklagten, nicht nach § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO zugestanden sein könne. Denn der Begriff „Grundversorgung“ sei ein Rechtsbegriff und keine Tatsache.193 Die Ansicht der h. M. zur Gleichstellung bestimmter juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen und reiner Tatsachenbehauptungen erwähnt das AG Wiesbaden dabei nicht. Auch ein Urteil des OLG Brandenburg194 könnte in dem Sinne ausgelegt werden, dass § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO auf den Vortrag von Rechtsbegriffen generell keine Anwendung finde: „Zwar haben die Kläger im vorliegenden Fall die fehlende Aktivlegitimation der Beklagten nicht gerügt, sondern gehen ihrerseits von einer Verfügungsbefugnis der Beklagten aus, indem sie sie auf Herausgabe der Nutzungen in Anspruch genommen haben. Darin liegt jedoch kein Geständnis i.S. des § 288 ZPO, da es sich bei der Verfügungsbefugnis nicht um eine einem Geständnis zugängliche Tatsache, sondern um einen Rechtsbegriff handelt, dessen Voraussetzungen nach § 2 Abs. 3 S. 1 VermG von dem Anspruchsteller im Rahmen der schlüssigen Darlegung seines Anspruchs vorzutragen sind. […] Ebenso wie im Fall der Säumnis des Anspruchsgegners nach § 331 Abs. 2 ZPO ist zu prüfen, ob das Vorbringen der Beklagten schlüssig ist, wozu auch die schlüssige Darlegung der Anspruchsinhaberschaft gehört.“195
Der – wie im Falle der Säumnis des Beklagten nach § 331 Abs. 2 ZPO – erforderlichen Schlüssigkeit der Darlegung der Anspruchsinhaberschaft sei also nicht Genüge getan, wenn schlicht die Verfügungsbefugnis der Gegenseite behauptet werde. Denn dabei handele es sich um einen Rechtsbegriff, nicht um eine Tatsache. Möglichkeiten der Gleichstellung juristisch eingekleideter und reiner Tatsachenbehauptungen werden wiederum nicht erwähnt. Entgegen ihrer absoluten Formulierungen sind die Entscheidungen jedoch wohl nicht in dem Sinne zu verstehen, dass juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen nach Ansicht der erkennenden Gerichte niemals als nach § 331 192
Urt. v. 26. 4. 2013 – 93 C 850/13 – juris. A. a. O. – Rn. 10, zitiert nach juris. Dies wurde auch im ersten Leitsatz der Entscheidung festgehalten. 194 Urt. v. 18. 12. 2008 – 12 U 111/08 – juris. 195 A. a. O. – Rn. 31, zitiert nach juris. 193
B. Folgen des Nichtbestreitens juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen 141
Abs. 1 S. 1 ZPO zugestanden anzunehmen sein können. Eine Auseinandersetzung mit der Ansicht der h. M., nach der juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen reinen Tatsachenbehauptungen u.U. gleichgestellt werden können, unterblieb vermutlich nur deshalb, weil die Voraussetzungen dieser Gleichstellung in den zu entscheidenden Fällen offensichtlich nicht gegeben waren. Die behaupteten Rechtsbegriffe der „Grundversorgung“ und der „Verfügungsbefugnis“ gehören nämlich nicht zu den Rechtsbegriffen, deren Bedeutungen auch rechtlichen Laien üblicherweise in ausreichendem Maß bekannt sind. In diese Richtung deuten auch manche Ausführungen in den in Rede stehenden Entscheidungen: „Voraussetzung für das Bejahen der Grundversorgung ist eine umfangreiche rechtliche Prüfung, die voraussetzt, dass erstens der Betreiber eines Energieversorgungsnetzes eine Klägerin als Grundversorgerin gemäß den Voraussetzungen des § 36 II EnWG festgestellt hat, dass zweitens ein Vertragsschluss nach § 2 StromGVV gegeben ist und dass drittens eine Koinzidenz zwischen Vertragsschluss nach § 2 StromGVV und der Eigenschaft der Klägerin als Grundversorgerin gegeben ist. Der Vortrag der Klägerin füllt den zweiten und dritten Punkt nicht aus.“196 „[…] [Die Annahme der „Verfügungsbefugnis“ nach § 2 Abs. 3 S. 1 VermG] setzt voraus, dass die Beklagte unabhängig von dem Vorbringen der Gegenseite schlüssig darzulegen vermag, woraus sie ihre geltend gemachten Ansprüche herleitet, zumal wenn, wie hier, in der von ihr zur Begründung ihrer Ansprüche herangezogenen Vorschrift des § 7 Abs. 7 S. 4 VermG ausdrücklich von dem bisherigen Verfügungsberechtigten als Anspruchsberechtigten die Rede ist, bei dem es sich nach dem unstreitigen Parteivorbringen nicht um die Beklagte handelt.“197
Die der Grundversorgung zugrundeliegenden Tatsachen müssen also deshalb im Einzelnen dargelegt werden, weil das Bejahen dieses Tatbestandsmerkmals stets eine „umfangreiche rechtliche Prüfung“ erfordere. Die der Verfügungsbefugnis zugrundeliegenden Tatsachen vor allem aufgrund des Widerspruchs zwischen den Bestimmungen der in Frage kommenden Anspruchsgrundlage und des unstreitigen (übrigen) Parteivortrags. Es konnte mithin weder allgemein noch aufgrund der Umstände des Einzelfalls – namentlich des Begriffsverständnisses der konkret verhandelnden Parteien – davon ausgegangen werden, dass die Parteien die Rechtsbegriffe juristisch korrekt verwenden. Die entsprechenden Behauptungen der Parteien konnten folglich nicht als (korrekte) Zusammenfassungen der den Rechtsbegriffen zugrundeliegenden Tatsachen gewertet werden. Damit war die Grundvoraussetzung der Gleichstellung von juristisch eingekleideten und reinen Tatsachenbehauptungen nicht gegeben. Nachdem eine Gleichstellung mithin nicht in Betracht kam, wäre die Darstellung ihrer grundsätzlichen Möglichkeit überflüssig gewesen. Die Entscheidungen müssen folglich nicht als Ablehnung der h. M. verstanden werden. 196 197
AG Wiesbaden, Urt. v. 26. 4. 2013 – 93 C 850/13 – Rn. 11, zitiert nach juris. OLG Brandenburg, Urt. v. 18. 12. 2008 – 12 U 111/08 – Rn. 31, zitiert nach juris.
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
3. Stellungnahme Juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen können gem. § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO als zugestanden anzunehmen sein, wenn von einem juristisch korrekten Gebrauch der vorgetragenen Rechtsbegriffe auszugehen ist (dazu unter lit. a)). Es gelten jedoch die gleichen Ausnahmen wie im Rahmen der Anwendung des § 138 Abs. 3 ZPO (dazu unter lit. b)). Gegenstand des fingierten Geständnisses sind die in den Rechtsbegriffsvortrag eingekleideten Tatsachen (dazu unter lit. c)). a) Grundsätzliche Anwendbarkeit des § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO aa) Argumente für die Anwendbarkeit des § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO Für die Anwendbarkeit des § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO auf juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen sprechen zunächst die gleichen Erwägungen wie für die Anwendbarkeit des § 138 Abs. 3 ZPO.198 So erfasst auch § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO die Behauptungen schon deshalb unmittelbar, weil juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen Aussagen über Tatsachen enthalten. Nachdem aber wiederum feststehen muss, welche Tatsachenbehauptungen der Kläger in die Rechtsbegriffsbehauptung einkleidet, kann auch § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO nur angewendet werden, wenn von der juristisch korrekten Verwendung der Rechtsbegriffe zur Tatsachenumschreibung ausgegangen werden kann.199 Im Fall der Säumnis des Beklagten ist die Anwendung des § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO schließlich notwendig, um die Qualifizierung bestimmter juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen als substantiierter Sachvortrag konsequent zur Geltung zu bringen.200 Gemäß dieser Qualifizierung hat der Kläger mit den Behauptungen nämlich (zunächst) seine Pflicht erfüllt, die entscheidungserheblichen Tatsachen in den Prozess einzuführen. Bei Säumnis des Beklagten liegt nun kein (wirksamer) Gegenvortrag vor, der die nähere Erläuterung der Behauptungen veranlassen könnte. Die mit den juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen in den Prozess eingeführten Tatsachen müssen folglich ohne weiteres zur Urteilsgrundlage werden. Dies kann bei Säumnis des Beklagten regelmäßig nur über die Anwendung des § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO erreicht werden. Andere Vorschriften, welche die Beweisbedürftigkeit der entsprechenden Tatsachen entfallen lassen, greifen nämlich nicht bzw. nur in Ausnahmefällen ein. So liegen die Voraussetzungen des § 291 ZPO in aller Regel nicht vor. § 138 Abs. 3 ZPO findet im Fall der Säumnis generell keine Anwendung. Ein Geständnis nach § 288 198
Siehe dazu oben I. 3. a) aa). Näher dazu und zu den weiteren Gründen für die entsprechende Beschränkung der Anwendung des § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO siehe sogleich unter lit. bb). 200 So auch Demmler, Das Gerichtliche Geständnis von Rechtsverhältnissen, S. 57 f. [zu § 296 S. 1 CPO (= § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO)]. 199
B. Folgen des Nichtbestreitens juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen 143
ZPO ist schließlich ebenfalls ausgeschlossen, wenn sich der Beklagte aufgrund seiner Säumnis überhaupt nicht (wirksam) zu den Behauptungen des Klägers äußert. Daher ist regelmäßig die Anwendung des § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO nötig, um die Beweisbedürftigkeit der Tatsachen zu beseitigen. Würde die Vorschrift nicht angewendet, liefe die Qualifizierung bestimmter juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen als substantiierter Sachvortrag im Falle der Säumnis des Beklagten hingegen regelmäßig ins Leere.201 bb) Beschränkungen und deren Gründe Juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen sind der Geständnisfiktion des § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO nur dann zugänglich, wenn davon auszugehen ist, dass die Parteien die Rechtsbegriffe juristisch korrekt zur Tatsachenumschreibung verwenden. Das folgt aus den überwiegend gleichen Gründen, aus denen auch die Anwendung des § 138 Abs. 3 ZPO in entsprechender Weise beschränkt werden muss. Zunächst ist auch der Eintritt der – für den Beklagten wiederum nachteiligen – Geständnisfiktion nach § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO nur dann gerechtfertigt, wenn der Beklagte das Vorbringen des Klägers verstehen konnte und mithin wusste, gegen welchen Sachvortrag er sich hätte zur Wehr setzen müssen. Zudem hat das Gericht auch den gem. § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO als zugestanden anzunehmenden Vortrag seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Dies setzt wiederum voraus, dass das Gericht dem Vortrag die Tatsachen entnehmen kann, die zur Urteilsgrundlage werden sollen. Dies ist nur möglich, wenn davon auszugehen ist, dass der Kläger die vorgetragenen Rechtsbegriffe juristisch korrekt verwendet. Die Anwendbarkeit des § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO ist schließlich auch deshalb entsprechend beschränkt, weil juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen nur beim Vorliegen der genannten Voraussetzungen als substantiierter Sachvortrag gewertet werden können. Auch diesbezüglich gilt das zu § 138 Abs. 3 ZPO Gesagte entsprechend.202 Juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen sind der Geständnisfiktion folglich nicht zugänglich, wenn das Gericht nicht davon ausgehen kann, dass die 201 Auch die weiteren Folgen der Nichtanwendung des § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO wären dementsprechend widersprüchlich: Die Abweisung der Klage wäre wegen § 139 Abs. 1, 2 S. 1 ZPO nicht zulässig. Würde das Gericht nun, mangels Alternativen, die Darlegung der den Rechtsbegriffen zugrundeliegenden Tatsachen verlangen, stünde dies in offensichtlichem Widerspruch zur vorherigen Qualifizierung der Behauptungen als ausreichend substantiiert. Von diesem Widerspruch ganz abgesehen, könnte selbst bei näherer Erläuterung des Vortrags kein Versäumnisurteil ergehen. Ein entsprechender Antrag des Klägers wäre nach § 335 Nr. 3 ZPO zurückzuweisen, weil dem Beklagten das entsprechende Vorbringen nicht rechtzeitig mitgeteilt worden wäre. 202 Siehe dazu oben I. 3. a) bb).
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
Parteien die vorgetragenen Rechtsbegriffe juristisch korrekt verwenden. Rechtfertigt der übrige klägerische Vortrag (also ohne die juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen) den Sachantrag nicht, kann mithin auch kein Versäumnisurteil nach § 331 Abs. 1, 2 ZPO ergehen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass das Gericht den Kläger regelmäßig schon vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung auf die Mängel seines Sachvortrags hinweisen muss. Denn die juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen stellen schon keinen substantiierten Sachvortrag dar, wenn die juristisch korrekte Verwendung der Rechtsbegriffe durch die Parteien zweifelhaft ist. cc) Kein Widerspruch zur Aufgabenverteilung zwischen Parteien und Gericht Die Anwendung des § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO auf juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen steht nicht im Widerspruch zu dem Grundsatz, dass das Gericht in der rechtlichen Würdigung der vorgetragenen Tatsachen frei und unabhängig von den Rechtsauffassungen der Parteien ist. Dies gilt trotz der Konsequenz der Anwendung des § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO, dass das Gericht dabei stets zu der Rechtsfolge gelangen muss, die mit dem vorgetragenen Rechtsbegriff bezeichnet wird 203. Auch diesbezüglich kann auf die Ausführungen zu § 138 Abs. 3 ZPO204 verwiesen werden. b) Ausnahmen Juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen sind nicht als nach § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO zugestanden anzusehen, wenn der übrige Klägervortrag offenbart, dass die rechtliche Würdigung des Sachverhalts nicht mit dem vom Kläger vorgetragenen Rechtsbegriff bezeichnet wird. Hinsichtlich der möglichen Konstellationen und der Gründe, aus denen § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO in diesen Fällen keine Anwendung findet, gilt das zu § 138 Abs. 3 ZPO Gesagte205 entsprechend. c) Gegenstand des fingierten Geständnisses Gegenstand des nach § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO fingierten Geständnisses sind stets die in die Rechtsbegriffsbehauptungen eingekleideten Tatsachenbehauptungen. Die mit den vorgetragenen Rechtsbegriffen bezeichneten Rechtswirkungen sind der Geständnisfiktion nicht zugänglich. Denn die Geständnisfiktion ist schon nach dem Wortlaut des § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO auf das „tatsächliche mündliche Vorbringen des Klägers“ beschränkt. Ihre Anwendung auf rechtliche Beurteilungen des Sachverhalts stünde zudem im Widerspruch zur grundsätzli203
Siehe dazu schon oben I. 3. c) bb). Oben I. 3. a) dd). 205 Oben I. 3. b). 204
C. Anwendung der §§ 288 ff. ZPO
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chen Aufgabenverteilung zwischen den Parteien und dem Gericht hinsichtlich der Beschaffung der Urteilsgrundlagen. Diesbezüglich und bezüglich der weiteren Gründe, aus denen rechtliche Beurteilungen der Geständnisfiktion des § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO nicht zugänglich sind, gilt das zu § 138 Abs. 3 ZPO Gesagte206 entsprechend. Für den Ausgang des Prozesses spielt der Gegenstand des fingierten Geständnisses allerdings wiederum keine Rolle. Auch im Falle eines Geständnisses juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen nach § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO wird das Gericht nämlich stets zu den Rechtsfolgen gelangen, die mit den vorgetragenen Rechtsbegriffen bezeichnet werden. Dies gilt unabhängig davon, ob die den vorgetragenen Rechtsbegriffen zugrundeliegenden Tatsachen als zugestanden anzusehen sind oder unmittelbar die mit den Rechtsbegriffen bezeichneten Rechtswirkungen. Auch diesbezüglich gilt das zu § 138 Abs. 3 ZPO Gesagte207 entsprechend.
C. Anwendung der §§ 288 ff. ZPO Das gerichtliche Geständnis nach § 288 ZPO bewirkt, dass die zugestandenen Tatsachenbehauptungen der Entscheidung des Gerichts ungeprüft zugrunde gelegt werden können. Der Widerruf eines gerichtlichen Geständnisses ist nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich (dazu unter Abschnitt I.). Rechtsprechung und h. L. wenden die §§ 288 ff. ZPO auf juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen an, soweit sie diese reinen Tatsachenbehauptungen gleichstellen (dazu unter Abschnitt II.) Aufgrund der Bindungswirkung des gerichtlichen Geständnisses kann dem nur gefolgt werden, wenn das Gericht von der juristisch korrekten Verwendung der vorgetragenen Rechtsbegriffe überzeugt ist (dazu unter Abschnitt III.).
I. Allgemeines zu den §§ 288 ff. ZPO Nach § 288 ZPO bedürfen die vom Gegner zugestandenen Tatsachen keines Beweises (dazu unter 1.). Der Widerruf eines gerichtlichen Geständnisses ist nach § 290 ZPO nur unter strengen Voraussetzungen möglich (dazu unter 2.).
206 207
Oben I. 3. c). A. A. O.
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
1. § 288 ZPO „Das gerichtliche Geständnis ist die innerhalb des Rechtsstreits abgegebene Erklärung einer Partei, dass eine vom Gegner behauptete, ihr im Rechtssinne ungünstige Tatsache wahr sei.“208
Die entsprechende Erklärung braucht dabei nicht ausdrücklich abgegeben zu werden.209 Schlüssiges Verhalten genügt.210 Dem Verhalten muss aber unbedingt zu entnehmen sein, dass der Zugestehende die behaupteten Tatsachen gegen sich gelten lassen will.211 Denn nur dann liegt der erforderliche Geständniswille vor. Bloßes Stillschweigen auf gegnerische Behauptungen genügt daher nicht.212 Letzteres unterfällt ausschließlich § 138 Abs. 3 ZPO. Wird eine Tatsachenbehauptung ausdrücklich oder konkludent zugestanden, bedarf sie nach § 288 Abs. 1 ZPO keines Beweises. Sie kann bzw. muss der Entscheidung des Gerichts damit grundsätzlich ungeprüft zugrunde gelegt werden.213 In dieser Hinsicht unterscheidet sich die Wirkung des gerichtlichen Geständnisses nicht von denjenigen der §§ 138 Abs. 3, 331 Abs. 1 S. 1 ZPO. Alle drei Vorschriften spiegeln diesbezüglich nur den Grundsatz der Verhandlungsmaxime wieder, nach dem ohne weiteres zur Urteilsgrundlage wird, was eine Partei gegen sich gelten lässt.214 Die spezifische Wirkung des gerichtlichen Geständnisses nach § 288 ZPO liegt in seiner Bindungswirkung gegenüber der erklärenden Partei.215 Während die aus dem einfachen Nichtbestreiten resultierende Geständnisfiktion nämlich grundsätzlich schon allein durch das Nachholen des Bestreitens (bzw. im Falle des § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO durch einen Einspruch gegen das Versäumnisurteil) beseitigt werden kann, bedarf der Widerruf eines gerichtlichen Geständnisses gem. § 290 ZPO eines doppelten Nachweises.216 Das einfache nachträgliche Bestreiten nach § 288 ZPO zugestandener Tatsachenbehauptungen ist damit ausgeschlossen bzw. wirkungslos.
208
BGH, VU v. 19. 5. 2005 – III ZR 265/04 – Rn. 12, zitiert nach juris. BGH, Urt. v. 12. 3. 1991 – XI ZR 85/90 – Rn. 12, zitiert nach juris; MüKoZPO/Prütting, ZPO, § 288 Rn. 30. 210 BGH, Urt. v. 12. 3. 1991 – XI ZR 85/90 – Rn. 12, zitiert nach juris. 211 So im Ergebnis BGH, VU v. 19. 5. 2005 – III ZR 265/04 – Rn. 12, zitiert nach juris. 212 AllgM. Aus der Rechtsprechung siehe z. B. BGH, Urt. v. 12. 3. 1991 – XI ZR 85/90 – Rn. 12, zitiert nach juris; BGH, Urt. v. 7. 3. 1983 – VIII ZR 331/81 (= BGHZ 87, 88 – 95) – Rn. 13, zitiert nach juris; im Ergebnis auch BGH, VU v. 19. 5. 2005 – III ZR 265/04 – Rn. 14, zitiert nach juris; aus der Lit. siehe statt aller MüKoZPO/Prütting, ZPO, § 288 Rn. 30. 213 MüKoZPO/Prütting, ZPO, § 288 Rn. 32. 214 BGH, VU v. 19. 5. 2005 – III ZR 265/04 – Rn. 12, zitiert nach juris. 215 A. a. O. 216 A. a. O. Näher dazu sogleich. 209
C. Anwendung der §§ 288 ff. ZPO
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2. § 290 ZPO Der Widerruf eines gerichtlichen Geständnisses bedarf gem. § 290 ZPO eines doppelten Nachweises. Die widerrufende Partei muss sowohl beweisen, dass das Geständnis nicht der Wahrheit entspreche (dazu unter lit. a)) als auch, dass es durch einen Irrtum veranlasst sei (dazu unter lit. b)). a) Beweis der Unwahrheit der zugestandenen Tatsachenbehauptungen Die widerrufende Partei muss gem. § 290 ZPO beweisen, dass ihr Geständnis nicht der Wahrheit entspreche. Sie muss also die Unwahrheit der zugestandenen Tatsachenbehauptungen nachweisen.217 Das gerichtliche Geständnis bewirkt damit eine Beweislastumkehr bezüglich der entsprechenden Tatsachen.218 Gegenstand eines gerichtlichen Geständnisses können nämlich grundsätzlich nur solche Tatsachenbehauptungen sein, die für den Zugestehenden ungünstig sind und die mithin Tatsachen betreffen, für welche die behauptende Gegenseite ursprünglich beweisbelastet war.219 Da die zugestehende Partei für den Widerruf ihres Geständnisses nun die Unwahrheit der zugestandenen Tatsachenbehauptungen beweisen muss, kehrt sich die Beweislast hinsichtlich dieser Tatsachen um. b) Beweis eines Irrtums bei der Erklärung des Geständnisses Der Widerruf eines gerichtlichen Geständnisses erfordert darüber hinaus den Beweis, dass das Geständnis durch einen Irrtum, also durch den „irrigen Glauben an die Wahrheit der Tatsache“220 veranlasst war. Dabei spielt es keine Rolle, ob die zugestehende Partei ihren Irrtum verschuldet hat oder nicht.221 Nach weit verbreiteter Ansicht solle es zudem unbeachtlich sein, ob es sich um einen Tatsachen- oder um einen Rechtsirrtum handelt.222 Nach dieser Ansicht müssen
217 MüKoZPO/Prütting,
ZPO, § 290 Rn. 4. ZPO, § 290 Rn. 9; BeckOK ZPO/Bacher, § 290 Rn. 5; i.E. auch MüKoZPO/Prütting, ZPO, § 290 Rn. 4; unklar Saenger/Saenger, ZPO, § 290 Rn. 11 („insoweit also ggf Beweislastumkehr“ – Hervorhebung nicht im Original). 219 MüKoZPO/Prütting, ZPO, § 288 Rn. 20 ff. (auch zu den Einzel- und Sonderfällen des gerichtlichen Geständnisses). 220 Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 290 Rn. 10. 221 BGH, Urt. v. 13. 1. 2005 – IX ZR 457/00 – Rn. 16, zitiert nach juris; RG, Urt. v. 26. 1. 1883 – III 379/82 – juris = RGZ 11, 405, 408 (mit dem Hinweis darauf, dass das Gesetz selbst nicht zwischen verschuldeten und unverschuldeten Irrtümern unterscheide); Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 290 Rn. 12; Saenger/Saenger, ZPO, § 290 Rn. 8; MüKoZPO/ Prütting, ZPO, § 290 Rn. 5. 222 So z. B. Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 290 Rn. 12; MüKoZPO/Prütting, ZPO, § 290 Rn. 5; Musielak/Voit/Huber, ZPO, § 290 Rn. 2; Saenger/Saenger, ZPO, § 290 Rn. 8; RG, 218 Stein/Jonas/Leipold,
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
auch Geständnisse von Rechtsbegriffsvorträgen möglich sein.223 Rechtsirrtümer können nämlich nicht dazu führen, dass irrig an die Wahrheit reiner Tatsachenbehauptungen geglaubt wird. Sie werden nur relevant, wenn Behauptungen von Rechtsbegriffen zugestanden wurden und widerrufen werden sollen. Der Widerruf eines gerichtlichen Geständnisses ist ausgeschlossen, wenn sich der Zugestehende bei Abgabe des Geständnisses bewusst war, die Wahrheit oder Unwahrheit der zugestandenen Tatsachenbehauptung nicht zu kennen.224 In diesem Fall nimmt er das Risiko der Unwahrheit nämlich bewusst in Kauf und kann sich folglich nicht im Irrtum darüber befinden. Andererseits solle ein Irrtum über den Inhalt des Geständnisses ausreichen, wenn und weil auch ein solcher dazu führt, dass der Gestehende unzutreffende Vorstellungen über die Wahrheit der zugestandenen Behauptung hat.225
II. Bisheriger Meinungsstand Nach der Rechtsprechung sind juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen einem Geständnis nach § 288 ZPO zugänglich, wenn und soweit von der juristisch korrekten Verwendung der vorgetragenen Rechtsbegriffe ausgegangen werden kann (dazu unter 1.). Die herrschende Literatur vertritt die gleiche Auffassung (dazu unter 2.). 1. Rechtsprechung Nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen Gegenstand eines Geständnisses nach § 288 ZPO sein, wenn von der juristisch korrekten Verwendung der vorgetragenen Rechtsbegriffe ausgegangen werden kann (dazu unter lit. a)). Von diesem Grundsatz macht die Rechtsprechung verschiedene Ausnahmen (dazu unter lit. b)). Gegenstand eines entsprechenden Geständnisses seien die in den Rechtsbegriffsvortrag eingekleideten Tatsachenbehauptungen (dazu unter lit. c)). Urt. v. 26. 1. 1883 – III 379/82 – juris = RGZ 11, 405, 408 (mit dem Hinweis darauf, dass das Gesetz selbst nicht zwischen tatsächlichen Irrtümern und Rechtsirrtümern unterscheide). 223 Den Rechtsirrtum ausdrücklich auf Rechtsgeständnisse beziehend Saenger/Saenger, ZPO, § 290 Rn. 8. 224 OLG Saarbrücken, Urt. v. 25. 7. 2001 – 1 U 40/01 – 11, 1 U 40/01 – Rn. 34, zitiert nach juris; OLG Düsseldorf, Urt. v. 12. 5. 2000 – 14 U 244/99 – Rn. 5, zitiert nach juris; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 290 Rn. 11; Zöller/Greger, ZPO, § 290 Rn. 2. 225 BGH, Beschluss v. 10. 8. 2005 – XII ZR 97/02 – Rn. 26, zitiert nach juris: Möglichkeit des Widerrufs eines gerichtlichen Geständnisses aufgrund von Verständigungsschwierigkeiten bzw. unzureichenden Sprachkenntnissen der zugestehenden Partei bei Abgabe des Geständnisses; BeckOK ZPO/Bacher, § 290 Rn. 6.
C. Anwendung der §§ 288 ff. ZPO
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Die Voraussetzungen des Widerrufs der Geständnisse bestimmen sich nach § 290 ZPO (dazu unter lit. d)). a) Grundsätzliche Anwendbarkeit des § 288 ZPO Juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen sind nach der Rechtsprechung geständnisfähig, wenn davon auszugehen ist, dass die Parteien die vorgetragenen Rechtsbegriffe juristisch korrekt verwenden (dazu unter lit. aa)). Diese Ansicht hat in der Rechtsprechung eine lange Tradition (dazu unter lit. bb)). Dementsprechend existieren viele Entscheidungen zur Geständnisfähigkeit juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen (dazu unter lit. cc)). aa) Voraussetzungen und Grenzen Der Bundesgerichtshof wendet § 288 ZPO auf Geständnisse juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen an, weil und soweit er die Behauptungen reinen Tatsachenbehauptungen gleichstellt. Grundlage und Grenzen der Anwendung des § 288 ZPO sind damit dieselben wie die der Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen als substantiierter Sachvortrag und die der Anwendung der §§ 138 Abs. 3, 331 Abs. 1 S. 1 ZPO im Falle des Nichtbestreitens der entsprechenden Behauptungen. § 288 ZPO könne folglich nur Anwendung finden, wenn es sich bei den die Tatsachenbehauptungen einkleidenden Rechtsbegriffen um einfache und allgemein bekannte bzw. jedem Teilnehmer am Rechtsverkehr geläufige Rechtsbegriffe handelt. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, wird wiederum anhand der Umstände des konkreten Einzelfalls bestimmt.226 Daher hängt auch die Anwendung des § 288 ZPO im Ergebnis davon ab, ob von der juristisch korrekten Verwendung der vorgetragenen Rechtsbegriffe zur Tatsachenumschreibung ausgegangen werden kann. bb) Entwicklung der Rechtsprechung Nach dem soeben Gesagten bestehen hinsichtlich der Voraussetzungen und der Grenzen der Anwendung des § 288 ZPO keine Besonderheiten im Vergleich zur Gleichstellung juristisch eingekleideter und reiner Tatsachenbehauptungen durch die Rspr. im Übrigen. Dennoch sollen nachfolgend einige relevante Entscheidungen dargestellt werden. Denn die Möglichkeit der Gleichstellung reiner und juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen und die hierfür notwendigen Voraussetzungen wurden von der Rspr. vorwiegend in Entscheidungen zum gerichtlichen Geständnis – bzw. zum Parteieid nach der CPO227 – ausführlich 226
Siehe dazu oben A. II. 1. c) und d). Civilprozeßordnung in der Fassung vom 30. Januar 1877 (= § 445 Civilprozeßordnung in der Fassung vom 20. Mai 1898) lautete: „Die Eideszuschiebung ist nur über 227 § 410
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
dargelegt228. Die Zusammenschau der Entscheidungen offenbart zudem, weshalb der Bundesgerichtshof ausdrücklich auf die „Einfachheit“ und die „allgemeine Bekanntheit“ der Rechtsbegriffe abstellt, obwohl er die Gleichstellung im Ergebnis von der Annahme der juristisch korrekten Verwendung der Rechtsbegriffe abhängig macht. (1) Relevanz der Entscheidungen zum Parteieid nach der CPO Die Entscheidungen zum Parteieid nach der CPO besitzen vor allem aus zwei Gründen eine hohe Relevanz für den Gegenstand des gerichtlichen Geständnisses. Erstens war die Eideszuschiebung ebenso wie das gerichtliche Geständnis nach dem Gesetz auf Tatsachen bzw. Tatsachenbehauptungen beschränkt. Denn der Parteieid wurde als ein Beweismittel angesehen.229 Zweitens entfaltete der Parteieid eine dem Geständnis ähnliche Bindungswirkung gegenüber dem Gericht. Denn der Parteieid nach der CPO besaß formelle Beweiskraft in dem Sinn, dass durch die Ablegung des Eides voller Beweis der beschworenen Tatsachen begründet wurde, durch die Verweigerung des Eides hingegen das Gegenteil der zu beschwörenden Tatsache als voll bewiesen galt230.231 Dem Gericht war folglich „– im Gegensatz zur Zeugenvernehmung – ein nachträgliches Eindringen in die Wissensquelle der Partei bzw. in ihre Urteilsfähigkeit verschlossen“.232 Während also bspw. im Rahmen einer Zeugenvernehmung nachgefragt werden konnte und kann, welche Tatsachen der Zeuge einem von ihm verwendeten Rechtsbegriff zugrunde legt, war dies im Falle des Beweises durch Eid nicht möglich. Die AbThatsachen zulässig, welche in Handlungen des Gegners, seiner Rechtsvorgänger oder Vertreter bestehen oder welche Gegenstand der Wahrnehmung dieser Personen gewesen sind.“ 228 Auch wenn die entsprechende Ansicht vorwiegend in Entscheidungen zum gerichtlichen Geständnis und zum Parteieid ausführlich dargelegt wurde, kann nicht behauptet werden, sie sei in den entsprechenden Entscheidungen „entwickelt“ worden. Denn die Frage der Geständnisfähigkeit juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen bzw. der Zulässigkeit von deren Aufnahme in Eidessätze stellt sich erst und nur, wenn die Behauptungen als substantiierter Sachvortrag gewertet werden. Es musste und muss daher schon im Rahmen der Prüfung, ob die entscheidungserheblichen Tatsachen durch substantiierten Vortrag in den Prozess eingeführt wurden, entschieden werden, inwieweit juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen reinen Tatsachenbehauptungen gleichgestellt werden können. 229 Hahn, Die gesammten Materialien zur Civilprozeßordnung, S. 331; Orfanidis, in: FS Ishikawa, S. 381. 230 Münks, Vom Parteieid zur Parteivernehmung, S. 136. 231 Wieczorek/Schütze/Völzmann-Stickelbrock, ZPO, Vor § 445 Rn. 1 f. (auch dazu, dass der Parteieid u. a. aufgrund dieser formalen Beweiswirkung durch die Parteivernehmung ersetzt wurde). 232 Stein/Jonas, ZPO, 14. Auflage, § 445 I.
C. Anwendung der §§ 288 ff. ZPO
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legung eines Eides über juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen führte damit ebenso wie deren gerichtliches Geständnis dazu, dass die beschworenen bzw. zugestandenen Behauptungen der Entscheidung des Gerichts ungeprüft zugrunde gelegt werden mussten. Daher werden die Entscheidungen zum Gegenstand des Parteieids an dieser Stelle behandelt und nicht – obwohl der Parteieid ein Beweismittel war – im Rahmen der Ausführungen zu der Frage, ob juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen das Thema einer Beweisaufnahme bilden können 233. (2) Rechtsprechung des Reichsgerichts Das Reichsgericht234 entschied bereits im Jahr 1880, dass der Rechtsbegriff „Zahlungseinstellung“ grundsätzlich in die Eidesnorm aufgenommen werden könne, weil das Gesetz davon ausgehe, dass die Zahlungseinstellung sich durch „eine bestimmte, wahrnehmbare Handlung vollziehe, deren Erkenntnis von jedermann verlangt werden könne“ und dass „Begriff und Bedeutung des Wortes ‚Zahlungseinstellung‘ allen Verkehrskreisen vollständig geläufig sei“.235 Die Aufnahme von Rechtsbegriffen in Eidesnormen war also schon nach dieser frühen Entscheidung nicht generell ausgeschlossen.236 Die Eideszuschiebung war in dem zu entscheidenden Fall allerdings aus anderen Gründen unzulässig. Das Reichsgericht musste daher nicht entscheiden, ob die Eideszuschiebung über die Kenntnis der Zahlungseinstellung in jedem Fall, und damit auch dann zulässig gewesen wäre, wenn die konkreten Parteien die Bedeutung des Begriffs, entgegen der Vermutung des Gesetzes, nicht gekannt hätten. In einer Entscheidung237 aus dem Jahr 1881 legte das Reichsgericht dar, dass § 410 CPO, nach dem die Eideszuschiebung nur über Tatsachen zulässig war238, „nicht in dem Sinne eines unbedingten Verbotes, Rechtsbegriffe oder Urteile in die Eidesnorm aufzunehmen, verstanden werden“ dürfe.239 Aufgrund „der Schwierigkeit einer scharfen Trennung der Thatsachen von Rechtsbegriffen und Urteilen, sowie mit Rücksicht darauf, daß gewisse Rechtsbegriffe und die Befähigung zu gewissen Urteilen bei einem jeden oder doch bei den konkreten Parteien vorausgesetzt werden dürfen“, sei es nicht ausgeschlossen, „solche Begriffe und 233
Siehe dazu unten D. II. 3. b). Urt. v. 7. 12. 1880 – II 281/80 – juris = RGZ 3, 395 – 400. 235 RG, Urt. v. 7. 12. 1880 – II 281/80 – juris = RGZ 3, 395, 398. Im Ergebnis bestätigt durch RG, Urt. v. 8. 7. 1889 – VI 115/89 = JW 1889, 324 f. 236 Das Berufungsgericht hatte die Eideszuschiebung hingegen aufgrund der Verwendung des Begriffs „Zahlungseinstellung“ als unzulässig zurückgewiesen. 237 RG, Urt. v. 26. 10. 1881 – I 589/81 – juris = RGZ 7, 1 – 8. 238 Siehe dazu oben Fn. 227. 239 RG, Urt. v. 26. 10. 1881 – I 589/81 – juris = RGZ 7, 1, 2. 234
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
Urteile im Sinne des Gesetzes als etwas thatsächliches aufzufassen und mithin die Eideszuschiebung darüber zu gestatten […]. Ob aber im einzelnen Falle eine solche Erkenntnis bezw. Befähigung als vorhanden anzunehmen sei […]“, sei Sache des richterlichen Ermessens.240 Entscheidend für die Möglichkeit der Gleichstellung juristisch eingekleideter und reiner Tatsachenbehauptungen sei danach also die Fähigkeit der konkret verhandelnden Parteien, die vorgetragenen Rechtsbegriffe juristisch korrekt zu verwenden. Knapp zwei Jahre später stellte das Reichsgericht241 dann bezüglich des Gegenstands des gerichtlichen Geständnisses fest: „Wenn auch […] nachgegeben wird, daß auch Rechtsverhältnisse zugestanden werden können, so gilt dies doch nur für Rechtsverhältnisse von so einfacher Natur, daß die Anführung des Rechtsbegriffs (Kauf, Darleihen […]) der Zerlegung desselben in seine einzelnen Momente gleich zu erachten ist. Im gegebenen Falle handelt es sich aber nicht nur nicht um einen so einfachen Rechtsbegriff, sondern es sind sogar die Thatsachen, aus welchen das in Frage stehende Rechtsverhältnis sich ergeben soll […] unbestritten, so daß lediglich die rechtliche Folgerung daraus zu ziehen war. […] die Erklärung der ersteren ist daher kein Geständnis, sondern Abgabe einer für das Gericht in keiner Weise bindenden rechtlichen Beurteilung.“242
Hier stellte das Reichsgericht also nicht ausdrücklich auf die Urteilsfähigkeit der Parteien ab, sondern auf die „Einfachheit“ der vorgetragenen Rechtsbegriffe. Ein inhaltlicher Unterschied ist dem allerdings – entgegen teilweise vertretener Auffassung243 – nicht ohne weiteres zu entnehmen. Es muss nämlich beachtet werden, dass eine tiefergehende Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen der Gleichstellung juristisch eingekleideter und reiner Tatsachenbehauptungen schon deshalb unterbleiben konnte, weil die dem vorgetragenen Rechtsbegriff (Erwerb eines Unterpfandrechts an Liegenschaften) angeblich zugrundeliegenden Tatsachen ausdrücklich vorgetragen wurden. Dieser Parteivortrag offenbarte zudem, dass die Parteien den Rechtsbegriff falsch verwendet hatten.244 Die Befähigung zur juristisch korrekten Verwendung des Rechtsbegriffs lag bei den konkret verhandelnden Parteien damit offensichtlich nicht vor. Trotz der scheinbar unbedingten Forderung des Reichsgerichts, es müsse sich um „Rechtsverhältnisse von […] einfacher Natur“ handeln, steht die Entscheidung damit nicht zwangsläufig im Widerspruch zu der oben dargestellten Entscheidung bzgl. des Gegenstands des Parteieids.
240
A. a. O. = RGZ 7, 1, 2 f. RG, Urt. v. 29. 5. 1883 – II 106/83 – juris = RGZ 10, 364 – 366. 242 A. a. O. = RGZ 10, 364, 365 f. 243 Siehe dazu unten 2. a) aa) (1). 244 RG, Urt. v. 29. 5. 1883 – II 106/83 – juris = RGZ 10, 364, 366. 241
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In einer Entscheidung245 zum richterlichen Eid 246 setzte sich das Reichsgericht nochmal ausführlich mit der Aufnahme von Rechtsbegriffen in Eidesnormen auseinander. Dabei brachte es deutlich zum Ausdruck, dass die Gleichstellung von Rechtsbegriffs- und Tatsachenbehauptungen davon abhängig zu machen sei, ob die konkret verhandelnden Parteien die vorgetragenen Rechtsbegriffe juristisch korrekt verwenden: „Zwar muss der Revision zugegeben werden, daß nach § 437 der CPO Gegenstand des richterlichen Eides […] nur Thatsachen sein können, und daß der Scheinvertrag ein rechtlicher Begriff ist, der, wenn er in die Eidesnorm aufgenommen wird, gewisse Denkoperationen der zum Eide verstatteten Partei voraussetzt. […] Niemals läßt sich indes ein Urteil von der sinnlichen Wahrnehmung ganz losreißen. […] Hiervon ausgehend ist die Praxis zu dem Rechtssatz gelangt, daß das Gericht nach der Bildung, den technischen Kenntnissen und den Erfahrungen des Schwörenden zu ermessen hat, inwieweit Rechtsbegriffe in den Eid aufgenommen werden dürfen. […] Er [der vorliegende Eid] ist zulässig, wenn die Kenntnisse, die Erfahrungen, der Bildungsgrad der Klägerin die Gewähr dafür bieten, daß sie den Rechtsbegriff der Simulation richtig erfaßt hat und die Thatsachen unter diesem Begriff richtig subsumieren wird. Er ist unstatthaft, wenn dies nicht der Fall.“247
In einer weiteren Entscheidung248 zum Gegenstand des Parteieids nannte das Reichsgericht dann das zweite der heute249 regelmäßig genannten Kriterien, die „Geläufigkeit“ der Rechtsbegriffe: „[…] so ist vom Reichsgericht schon öfters ausgesprochen worden, daß sich in Ansehung des Beweis durch Eid eine ganz scharfe Grenze zwischen reinen und rechtlich qualifizierten Thatsachen nicht ziehen lässt, und daß dergleichen einfache und aus dem täglichen Leben jedem erwachsenen Menschen geläufige Rechtsbegriffe, wie der der Vereinbarung, unbedenklich in Eidessätze aufgenommen werden können. Freilich kommt es dabei einigermaßen auf die Umstände des besonderen Falles an, und wo gerade auch die Rechtfrage, ob durch gewisse Vorgänge eine Vereinbarung im Rechtssinne zu Stande gekommen sein würde, den Gegenstand des Streites gebildet hat, da wird man den Eid nicht unmittelbar auf diesen Begriff abstellen dürfen.“250
Gegenüber der entsprechenden Formulierung des Bundesgerichtshofs weist die Formulierung des Reichsgerichts schon den Vorteil der größeren Genauigkeit auf. 245
RG, Urt. v. 9. 7. 1887 – V 120/87 = Seufferts Archiv, Band 43 Nr. 69. § 437 Civilprozeßordnung in der Fassung vom 30. Januar 1877 konnte das Gericht einer der Parteien einen Eid über eine streitige Tatsache auferlegen, wenn das Ergebnis der Verhandlungen und der Beweisaufnahme nicht ausreichten, um das Gericht von der Wahrheit oder Unwahrheit der entsprechenden Tatsache zu überzeugen. 247 RG, Urt. v. 9. 7. 1887 – V 120/87 = Seufferts Archiv, Band 43 Nr. 69. 248 RG, Urt. v. 3. 12. 1891 – VI 209/91 = Gruchots Beiträge 37, 387. 249 Siehe dazu sogleich (3). 250 RG, Urt. v. 3. 12. 1891 – VI 209/91 = Gruchots Beiträge 37, 387, 389. 246 Nach
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
Denn im Gegensatz zum Bundesgerichtshof stellt das Reichsgericht nicht darauf ab, ob die vorgetragenen Rechtsbegriffe jedem Teilnehmer des Rechtsverkehrs geläufig sind, sondern ob sie „aus dem täglichen Leben jedem erwachsenen Menschen“ geläufig sind. Zwar wird auch diese Voraussetzung kein Rechtsbegriff wirklich erfüllen. Sie erscheint allerdings nicht ganz so uferlos wie die vom Bundesgerichtshof postulierte. Zudem legt das Reichsgericht ausdrücklich dar, dass die Aufnahme solcher Rechtsbegriffe in Eidessätze auch von den Umständen des Einzelfalls abhänge. Dies macht deutlich, dass keine generelle Kategorisierung abstrakter Rechtsbegriffe in „einfache und geläufige“ und „schwierige und unbekannte“ vorgenommen werden sollte. Die „Einfachheit und Geläufigkeit“ sei vielmehr im Hinblick auf die verhandelnden Parteien unter Berücksichtigung der Umstände des konkreten Falls zu beurteilen. Demgemäß wurde die Möglichkeit der Gleichstellung einer Rechtsbegriffsbehauptung mit reinen Tatsachenbehauptungen bzgl. ein und desselben Rechtsbegriffs teilweise unterschiedlich beurteilt. So bestimmte das Reichsgericht im Urt. v. 20. 9. 1888 – VI 146/88251, dass die Eideszuschiebung über die Kenntnis des Eigentums zulässig sei, wenn die Verhältnisse einfach sind: „Ob eine Eideszuschiebung über Kenntnis des Eigentums zu verwerfen sein würde, wenn diese Kenntnis wegen Verwickelung der thatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse als völlig unsicher sich darstellte, kann dahingestellt bleiben. In dem vorliegenden Fall erhebt sich in dieser Beziehung kein Bedenken. Die Verhältnisse sind vielmehr hier so einfach, daß der Beklagte sich auf Grund des vorgelegten Briefes der Klägerin und der ihm sonst bekannten Thatsachen sehr wohl eine bestimmte Überzeugung darüber, ob die Klägerin Eigentümerin der fraglichen Pferde sei, bilden konnte.“252
In der Entscheidung RG, Urt. v. 21. 12. 1893 – VI 256/93253 verneinte das Reichsgericht hingegen die Bindung der Beklagten an ihr „Geständnis“254 bezüglich 251
– juris = RGZ 21, 402 – 404. A. a. O. = RGZ 21, 402, 403. Zur Zulässigkeit der Aufnahme des Begriffs „Eigentum“ in die Eidesnorm siehe auch RG, Urt. v. 31. 1. 1905 – II 603/04 = JW 1905, 179 (mit ausdrücklichem Verweis auf RG, Urt. v. 26. 10. 1881 – I 589/81 – juris = RGZ 7, 1 – 8 und RG, Urt. v. 20. 9. 1888 – VI 146/88 – juris = RGZ 21, 402 – 404). 253 – juris = RGZ 32, 407 – 410. 254 Das Reichsgericht spricht in dieser Entscheidung, dem Tatbestand der erstinstanzlichen Entscheidung entsprechend, vom „Anerkenntnis“ des Eigentums durch die Beklagte. Es weist aber auch darauf hin, dass § 278 CPO (der im Wesentlichen dem heutigen § 307 ZPO entspricht) ersichtlich keine Anwendung finden könne, weil die Beklagte die Klageabweisung beantragt hatte. In Rede stand damit kein Anerkenntnis des Klageanspruchs durch die Beklagte, sondern ein gerichtliches Geständnis der Behauptung des Eigentums der Klägerin durch die Beklagte. Dies zeigen auch die weiteren Ausführungen des Reichsgerichts. Denn in diesen wird insbesondere thematisiert, ob die Beklagte ihre Erklärung nur unter den Voraussetzungen des § 263 CPO (der im Wesentlichen dem heutigen § 290 ZPO entspricht) widerrufen könne oder nicht. 252
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des Eigentums der Kläger. Denn die entsprechende juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung könne einer reinen Tatsachenbehauptung in diesem Fall nicht gleichgestellt werden. Es könne nämlich nur anhand der Umstände des Einzelfalls entschieden werden, ob das Geständnis eines Rechtsverhältnisses als Geständnis der das Rechtsverhältnis begründenden Tatsachen gewertet werden kann, „[…] da derselbe Rechtsbegriff je nach Lage der Verhältnisse einfach oder durch streitige rechtliche Folgerungen verwickelt sein kann. Im gegenwärtigen Prozesse lässt sich nun der Begriff des Eigentumes nicht als ein so einfacher ansehen, daß er einer ‚Thatsache‘ im Sinne der Civilprozeßordnung […] gleichgeachtet werden könnte.“255
In einer Entscheidung256 aus dem Jahr 1895 finden sich schließlich Ausführungen dazu, wann ein Rechtsverhältnis – zumindest im Regelfall – als „schwierig“ zu bewerten und damit nicht geständnisfähig sei: „[…] vielmehr handelt es sich [bei der Zugehörigkeit zum hohen deutschen Adel] um ein kompliziertes Verhältnis, um eine Rechtsthatsache, die, wie eine häufige Erfahrung lehrt, nur nach Erwägung verschiedenartiger rechtlicher und rechtshistorischer Momente sich feststellen lässt.“257
Rechtsbegriffsbehauptungen seien also nicht als abgekürzte Tatsachenbehauptungen zu werten, wenn die mit den Rechtsbegriffen bezeichneten rechtlichen Schlussfolgerungen regelmäßig auf komplizierten Erwägungen beruhen. Es existieren noch zahlreiche weitere Entscheidungen des Reichsgerichts, in denen die Geständnisfähigkeit258 juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen bzw. die Zulässigkeit von deren Aufnahme in Eidessätze259 thematisiert wird. Auf deren Darstellung wird vorliegend aber verzichtet. Denn die Voraussetzungen und die Grenzen der Gleichstellung juristisch eingekleideter und reiner Tatsachenbehauptungen ergeben sich hinreichend aus den dargestellten Entscheidungen. Dabei kann folgendes Ergebnis festgehalten werden: Nach dem Reichsgericht war entscheidend, ob von einer juristisch korrekten Verwendung der Rechtsbegriffe durch die Parteien auszugehen ist. Dies beurteilte das Reichsgericht in erster Linie anhand des Begriffsverständnisses der Parteien. Auch wenn das Begriffsverständnis grundsätzlich gegeben war, konnte eine 255 RG, Urt. v. 21. 12. 1893 – VI 256/93 – juris = RGZ 32, 407, 409. Gegen die Zulässigkeit der Verwendung des Begriffs „Eigentum“ in der Eidesnorm sprechen sich auch RG, Urt. v. 16. 12. 1884 – II 309/84 = JW 1885, 26 und RG, Urt. v. 27. 5. 1898 – II 101/98 = JW 1898, 415 aus. 256 RG, Urt. v. 11. 6. 1895 – III 69/95 – juris = RGZ 35, 409 – 412. 257 A. a. O. = RGZ 35, 409, 412. 258 Zu Beispielen siehe etwa Würthwein, Umfang und Grenzen des Parteieinflusses, S. 64 ff. 259 Siehe dazu die Nachweise bei Kleinfeller, Die geschichtliche Entwicklung des Thatsacheneides, S. 300 ff. (Fn. 457 ff.) und insbesondere bei Kisch, RheinZ 12, 389, 391 ff.
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
Gleichstellung aber ausgeschlossen sein, wenn die Korrektheit des Begriffsgebrauchs aufgrund der Umstände des Einzelfalls zweifelhaft erschien. Soweit das Reichsgericht dabei auf die „Einfachheit“ und die „Geläufigkeit“ der Rechtsbegriffe abstellte, beurteilte es das Vorliegen dieser Voraussetzungen dementsprechend anhand der Umstände des konkreten Falls. Eine, die Umstände des Einzelfalls ignorierende, Kategorisierung abstrakter Rechtsbegriffe fand nicht statt. (3) Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Der Bundesgerichtshof vertritt bzgl. der Frage der Geständnisfähigkeit260 juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen grundsätzlich die gleiche Auffassung wie das Reichsgericht. Der Bundesgerichtshof erwähnte die Geständnisfähigkeit juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen erstmals in der Entscheidung BGH, Urt. v. 6. 3. 1952 – IV ZR 45/50261: „Dennoch können auch solche geläufigen Rechtsbegriffe wie Erbe und Pflichtteilsberechtigter als sog. juristische Tatsachen in manchen Beziehungen prozessrechtlich ebenso behandelt werden wie natürliche Tatsachen. Sie können insbesondere zugestanden (§ 288 ZPO) und daher auch als unstreitiges Parteivorbringen in den Tatbestand aufgenommen werden.“262
Nachdem die Entscheidung aber nicht unmittelbar die Anwendung des § 288 ZPO zum Gegenstand hat, wird an dieser Stelle auf ihre nähere Darstellung verzichtet.263 Speziell mit den Voraussetzungen und den Grenzen der Geständnisfähigkeit juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen setzte sich der Bundesgerichtshof, soweit ersichtlich, nur einmal wirklich ausführlich auseinander. So in der Entscheidung BGH, Urt. v. 29. 9. 1958 – II ZR 342/56264: 260 Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Gegenstand der Parteivernehmung nach § 445 ZPO wird an dieser Stelle nicht erörtert. Denn die Parteivernehmung nach § 445 ZPO ist nicht mit dem Parteieid nach der CPO vergleichbar. Zunächst kann das Gericht der zu vernehmenden Partei sämtliche Fragen stellen, die ihm für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Aussage erforderlich erscheinen. Das Gericht ist also nicht in dem Sinne an den Wortlaut des Beweisantrags gebunden, dass es nur fragen dürfte, ob die zu beweisende (juristisch eingekleidete) Tatsachenbehauptung wahr ist oder nicht. Zudem unterliegt das Ergebnis der Parteivernehmung der freien Beweiswürdigung nach § 286 ZPO (vgl. § 453 Abs. 1 ZPO). Die Parteivernehmung besitzt damit nicht die formelle Beweiskraft des Parteieids. 261 = https://www.jurion.de/Urteile/BGH/1952 – 03 – 06/IV-ZR-45_50. 262 BGH, Urt. v. 6. 3. 1952 – IV ZR 45/50 = https://www.jurion.de/Urteile/ BGH/1952 – 03 – 06/IV-ZR-45_50. 263 Siehe aber unten E. III. 1. a). 264 = NJW 1958, 1968.
C. Anwendung der §§ 288 ff. ZPO
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„Es [Das Gericht] ist grundsätzlich nur an tatsächliche Behauptungen einer Partei gebunden, soweit diese von der anderen Partei zugestanden oder nicht bestritten werden (§§ 288, 138 Abs. 3 ZPO). Dagegen ist das Gericht in der Subsumtion festgestellter Tatsachen unter gesetzliche Vorschriften frei. Die Parteien können daher nicht durch ein Geständnis von Rechtsverhältnissen oder durch übereinstimmende Kundgabe von Rechtsansichten eine eigene rechtliche Beurteilung durch das Gericht ausschließen […]. Allerdings können tatsächliche Behauptungen in Rechtsbegriffe eingekleidet sein, so wenn z. B. vorgetragen wird, eine Partei sei Eigentümerin einer Sache oder es sei ein Kauf zwischen den Parteien abgeschlossen. Rechtsbegriffe oder Rechtsverhältnisse können aber nur dann als inhaltlich tatsächliches Vorbringen angesehen werden, wenn sie einfach und allgemein bekannt sind. Nur in diesem Fall ist die Einführung eines Rechtsbegriffes seiner Zerlegung in die einzelnen tatsächlichen Momente gleichzuachten, so daß ein Geständnis das Gericht hindert, die Wahrheit eines solchen Vorbringens zu prüfen. Handelt es sich jedoch um einen schwierigen Rechtsbegriff, oder ist die Zusammenfassung eines Tatsachenkomplexes als Rechtsverhältnis zweifelhaft, dann wird das Gericht durch ein Zugeständnis des Gegners nicht gebunden. Es muß auf die Tatsachen zurückgreifen und ihre rechtliche Einordnung selbst vornehmen […].“265
Der Bundesgerichtshof fasst hier die Rechtsprechung des Reichsgerichts bezüglich der Gleichstellung juristisch eingekleideter und reiner Tatsachenbehauptungen gewissermaßen zusammen. Das Begriffsverständnis bzw. die Urteilsfähigkeit der Parteien erwähnt er dabei nicht ausdrücklich. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Bundesgerichtshof das Vorliegen eines einfachen und allgemein bekannten Rechtsbegriffs unabhängig von den Umständen des Einzelfalls beurteilt und es mithin irrelevant sei, ob von der juristisch korrekten Verwendung der Rechtsbegriffe durch die Parteien im konkreten Fall auszugehen ist. Entscheidend sei nämlich gerade, ob die Behauptung eines Rechtsbegriffs der „Zerlegung in die einzelnen tatsächlichen Momente gleichzuachten“ ist. Letzteres ist – unabhängig davon, wie viele Menschen den Rechtsbegriff kennen und verstehen – nur dann der Fall, wenn die konkret verhandelnden Parteien die Bedeutung des Begriffs verstehen. Denn nur dann kann von einer korrekten Verwendung des Begriffs im konkreten Fall ausgegangen werden, sodass die Behauptung des Begriffs als abkürzende Behauptung der diesem zugrundeliegenden Tatsachen gewertet werden kann. Überdies legt die fast wörtliche Übernahme der Formulierungen des Reichsgerichts nahe, dass der Bundesgerichtshof dessen Ansicht teilt. Die „Einfachheit“ und die „allgemeine Bekanntheit“ bzw. „Geläufigkeit“ eines Rechtsbegriffs müssen daher auch nach dem Bundesgerichtshof grundsätzlich anhand der Umstände des Einzelfalls, insbesondere dem Begriffsverständnis der konkret verhandelnden Parteien, beurteilt werden. Eine Kategorisierung abstrakter Rechtsbegriffe in „geständnisfähige“ (weil stets „einfach und allgemein bekannt“) und „nicht geständnisfähige“ (weil stets zu „schwierig“) findet nicht statt. 265
BGH, Urt. v. 29. 9. 1958 – II ZR 342/56 = NJW 1958, 1968.
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
Dies belegen zunächst die Entscheidungen BGH, Urt. v. 7. 7. 1986 – II ZR 167/85266 und BGH, Urt. v. 2. 2. 1990 – V ZR 245/88267. In ersterer heißt es bezüglich der Gleichstellung von Rechtsbegriffs- und Tatsachenbehauptungen: „Allerdings handelt es sich bei der Frage, ob jemand Kommanditist ist, nicht allein um den Vortrag von Tatsachen, sondern auch um deren Wertung; die Beklagten führen in ihrer Revisionserwiderung aber zutreffend aus, daß auch Rechtsbegriffe oder Rechtsverhältnisse als inhaltlich tatsächliches Vorbringen angesehen werden können, wenn sie einfach und allgemein bekannt sind. […] Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Kommanditistenstellung ein Rechtsverhältnis, das Kaufleuten, um die es hier geht, bekannt ist und von ihnen leicht beurteilt werden kann.“268
Entscheidend war nach dem Bundesgerichtshof also nicht, ob der Begriff der „Kommanditistenstellung“ – wie nicht – allgemein bekannt ist, sondern dass er den Parteien als Kaufleuten bekannt gewesen ist. Auch die Einfachheit des Begriffs wurde damit im Hinblick auf die konkreten Parteien des Rechtsstreits, nicht für den durchschnittlichen juristischen Laien beurteilt. Ähnlich verfuhr der Bundesgerichtshof in der zweiten Entscheidung. In dieser stellte er allerdings auf das Begriffsverständnis der die Parteien vertretenden Rechtsanwälte ab: „Richtig ist, daß nur Tatsachen zugestanden werden können. Nach allgemeiner Auffassung in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann dies aber auch eine Tatsache in ihrer juristischen Einkleidung (sog. juristisches Urteil) sein, wenn es sich um einen einfachen Rechtsbegriff handelt, der jedem Teilnehmer am Rechtsverkehr geläufig ist […]. Eine scharfe Scheidung zwischen rechtlicher Schlußfolgerung und reiner Tatsache verbietet das praktische Bedürfnis. Die Grenze läßt sich nicht allgemein, sondern nur von Fall zu Fall ziehen. Die Parteien waren durch Rechtsanwälte vertreten. Jedenfalls für sie ist der Abtretungsvertrag (§ 398 BGB) ein einfacher und geläufiger Rechtsbegriff.“269
Es können folglich auch Behauptungen von Rechtsbegriffen, welche dem durchschnittlichen juristischen Laien nicht bekannt sind, als abgekürzte Tatsachenbehauptung gewertet werden. Es müsse „nur“ davon auszugehen sein, dass die konkret verhandelnden Parteien bzw. die für sie handelnden Rechtsanwälte die Rechtsbegriffe richtig verstehen und gebrauchen. Die zitierten Ausführungen zeigen dabei auch, dass der Bundesgerichtshof selbst dann an seinen „Standard-Formulierungen“ bzgl. der Voraussetzungen der Gleichstellung juristisch eingekleideter und reiner Tatsachenbehauptungen festhält, wenn diese im konkreten Fall offensichtlich unpassend sind. Das kon266
– juris. – juris. 268 BGH, Urt. v. 7. 7. 1986 – II ZR 167/85 – Rn. 6, zitiert nach juris. 269 BGH, Urt. v. 2. 2. 1990 – V ZR 245/88 – Rn. 11, zitiert nach juris. 267
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sequente Abstellen auf die Einfachheit und die allgemeine Bekanntheit bzw. die Geläufigkeit der Rechtsbegriffe für jeden Teilnehmer am Rechtsverkehr muss daher als abkürzende Umschreibung des wirklichen Erfordernisses verstanden werden, nämlich die Annahme einer korrekten Verwendung der Rechtsbegriffe im konkreten Fall. Die bereits erwähnte Entscheidung BGH, Urt. v. 4. 11. 1991 – II ZR 26/91270 belegt dementsprechend, dass es nach dem Bundesgerichtshof auch dann auf die Umstände des Einzelfalls ankommt, wenn weitläufig bekannte Rechtsbegriffe vorgetragen werden. „Richtig ist, daß die Prozeßbevollmächtigten der Parteien die Zuwendungen des Beklagten […] ausdrücklich und übereinstimmend als ‚Schenkungen‘ bezeichnet haben. Hierin liegt jedoch kein Geständnis im Sinne des § 288 Abs. 1 ZPO. Zwar können Rechtsbegriffe oder Rechtsverhältnisse als inhaltlich tatsächliches Vorbringen angesehen werden, wenn sie einfach und allgemein bekannt sind. In solchen Fällen ist ihre Einführung in den Prozeß ihrer Zerlegung in die einzelnen Elemente gleich zu achten, so daß ein Geständnis das Gericht hindert, die Wahrheit eines solchen Vorbringens zu prüfen […]. Es kann auf sich beruhen, ob es sich bei dem Rechtsbegriff der Schenkung in der Regel um einen solchen einfachen Begriff handelt. Das ist jedenfalls für einen Sachverhalt, wie er hier zu beurteilen ist, zu verneinen. Es ist äußerst umstritten, ob und unter welchen Voraussetzungen Zuwendungen, die im Rahmen von nichtehelichen Lebensgemeinschaften zur Schaffung bleibender Vermögenswerte erbracht werden, unter den Rechtsbegriff der Schenkung im Sinne der §§ 516 ff. BGB fallen. Daher ist zumindest im vorliegenden Fall der Begriff der Schenkung einem Geständnis nicht zugänglich, zumal der Vortrag der Parteien über den Zweck der Zuwendung nicht übereinstimmt.“271
Demnach können auch Behauptungen von Rechtsbegriffen, welche vielen Menschen aus dem täglichen Leben bekannt sind, im Einzelfall nicht als abgekürzte Tatsachenbehauptung zu werten sein. Es komme nämlich auch beim Vortrag solcher Rechtsbegriffe darauf an, ob von einer juristisch korrekten Verwendung der Begriffe im konkreten Fall auszugehen ist. In den zahlreichen weiteren Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zur Geständnisfähigkeit juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen werden die Voraussetzungen von deren Gleichstellung mit reinen Tatsachenbehauptungen nicht mehr ausführlich erläutert. Der Bundesgerichtshof belässt es vielmehr bei schlichten Feststellungen wie: „Auf ganz einfache Rechtsbegriffe, die jedem Teilnehmer am Rechtsverkehr geläufig sind, wie den Abschluß eines Vertrages beispielsweise, kann sich nach allgemeiner Meinung ein Geständnis durchaus beziehen.“272 270
– juris. BGH, Urt. v. 4. 11. 1991 – II ZR 26/91 – Rn. 8, zitiert nach juris. 272 BGH, Urt. v. 29. 10. 1979 – VIII ZR 293/78 – Rn. 15, zitiert nach juris. 271
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
„Danach [nach § 288 ZPO] können nur Tatsachen zugestanden werden. Nach allgemeiner Auffassung in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann dies aber auch eine Tatsache in ihrer juristischen Einkleidung sein, wenn es sich um einen einfachen Rechtsbegriff handelt, der jedem Teilnehmer am Rechtsverkehr geläufig ist […].“273
Seit der Jahrtausendwende bezeichnet der Bundesgerichtshof juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen häufig sogar als geständnisfähig, ohne dabei Einschränkungen bzw. Voraussetzungen für die Geständnisfähigkeit zu nennen: „Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die unbeschränkte Inanspruchnahme einer Diensterfindung durch den Arbeitgeber zu den tatsächlichen Tatumständen, juristisch eingekleideten Tatsachen oder präjudiziellen Rechtsverhältnissen gehört, die nach herrschender Meinung […] Gegenstand eines Geständnisses sein können […].“274 „Gegenstand eines Geständnisses können zunächst Tatsachen sein […]. Einem Geständnis zugänglich sind darüber hinaus auch juristisch eingekleidete Tatsachen […].“275
Das bedeutet jedoch nicht, dass der Bundesgerichtshof inzwischen sämtliche juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen als geständnisfähig betrachtet. Dies belegt insbesondere eine Entscheidung276 aus dem Jahr 2013: „Zu Unrecht meint die Revision, die Klägerin habe in erster Instanz zugestanden, dass die Beklagte nebenberuflich für sie tätig gewesen sei, § 288 Abs. 1 ZPO. Bei der Nebenberuflichkeit handelt es sich nicht um eine Tatsache im Sinne dieser Vorschrift, sondern um einen Rechtsbegriff. Die Rechtsprechung stellt tatsächlichen Umständen zwar Tatsachen in ihrer juristischen Einkleidung gleich, wenn dies durch einen einfachen Rechtsbegriff geschieht, der jedem Teilnehmer des Rechtsverkehrs geläufig […]. So liegt es hier jedoch nicht.“277
Der teilweise Verzicht auf die Nennung der Voraussetzungen der Geständnisfähigkeit hat seinen Grund also wohl nur darin, dass unter „juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen“ teilweise schon nur Behauptungen einfacher und allgemein bekannter bzw. geläufiger Rechtsbegriffe verstanden werden 278. Insgesamt unterscheidet sich die Ansicht des Bundesgerichtshofs bzgl. der Voraussetzungen und der Grenzen einer Gleichstellung juristisch eingekleideter und reiner Tatsachenbehauptungen kaum von der diesbezüglichen Ansicht des
273 274
juris.
275
BGH, Urt. v. 18. 5. 1994 – IV ZR 169/93 – Rn. 8, zitiert nach juris. BGH, Urt. v. 4. 4. 2006 – X ZR 155/03 (= BGHZ 167, 118 – 139) – Rn. 28, zitiert nach
BGH, Urt. v. 18. 6. 2007 – II ZR 89/06 – Rn. 16, zitiert nach juris. BGH, Urt. v. 21. 3. 2013 – VII ZR 224/12 (= BGHZ 197, 100 – 110) – juris. 277 BGH, Urt. v. 21. 3. 2013 – VII ZR 224/12 (= BGHZ 197, 100 – 110) – Rn. 28, zitiert nach juris. 278 Siehe dazu schon oben im 1. Kapitel C. II. 3. 276
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Reichsgerichts. Allein drei Entscheidungen des V. Senats279 und eine Entscheidung des II. Senats280 scheinen auf eine teilweise Abweichung hinzudeuten. Diese Entscheidungen betreffen zwar nicht unmittelbar die Geständnisfähigkeit juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen nach § 288 ZPO. Sie behandeln vielmehr die Fragen, ob die Parteien ihre Darlegungslast durch entsprechende Behauptungen erfüllen können bzw. ob die Rechtsmittelinstanzen an Feststellungen der Vorinstanzen zu juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen gebunden sind. Auch die Beantwortung dieser Fragen hängt aber davon ab, ob bzw. wann juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen reinen Tatsachenbehauptungen gleichgestellt werden können.281 Die Ausführungen des Bundesgerichtshofs in den entsprechenden Entscheidungen zu den Voraussetzungen und den Grenzen dieser Gleichstellung beanspruchen daher grundsätzlich auch im Rahmen der Anwendung des § 288 ZPO Geltung. Im Urt. v. 2. 6. 1995 – V ZR 304/93282 heißt es diesbezüglich: „Die Rechtsprechung stellt tatsächlichen Umständen (§ 138 Abs. 1 ZPO) Tatsachen in ihrer juristischen Einkleidung gleich, wenn dies durch einen einfachen Rechtsbegriff geschieht, der jedem Teilnehmer des Rechtsverkehrs geläufig ist […]. Hierher gehört das Sacheigentum, wobei es nicht darauf ankommt, ob die Herleitung der Eigentümerstellung, wie bei ehemaligem Volkseigentum häufig, rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten begegnet. Maßgeblich ist das von der Partei vorgetragene Ergebnis dieses Vorgangs, die behauptete Inhaberschaft an dem Rechte283.“284
Dementsprechend stellt der V. Senat auch in den Entscheidungen BGH, Urt. v. 14. 3. 1997 – V ZR 9/96285 und BGH, Urt. v. 13. 3. 1998 – V ZR 190/97286 auf die Einfachheit des von den Parteien vorgetragenen Ergebnisses ab und bezeichnet die evtl. auftretenden rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten bei dessen
279 BGH, Urt. v. 2. 6. 1995 – V ZR 304/93 – juris; Urt. v. 14. 3. 1997 – V ZR 9/96 (= BGHZ 135, 92 – 107) – juris; Urt. v. 13. 3. 1998 – V ZR 190/97 – juris. 280 BGH, Urt. v. 29. 7. 2014 – II ZR 353/12 (= BGHZ 202, 180) – juris. 281 Dementsprechend verweist der Bundesgerichtshof in den Entscheidungen zum Beleg seiner Ausführungen, dass die Rechtsprechung tatsächlichen Umständen (§ 138 Abs. 1 ZPO) Tatsachen in ihrer juristischen Einkleidung gleichstelle, wenn dies durch einen einfachen Rechtsbegriff geschieht, der jedem Teilnehmer des Rechtsverkehrs geläufig ist, auch auf Entscheidungen zur Geständnisfähigkeit juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen nach § 288 ZPO. 282 – juris. 283 Hervorhebung nicht im Original. 284 BGH, Urt. v. 2. 6. 1995 – V ZR 304/93 – Rn. 7, zitiert nach juris. 285 (= BGHZ 135, 92 – 107) – Rn. 13, zitiert nach juris („Rechtsnachfolge“). 286 – Rn. 18, zitiert nach juris („Wegeöffentlichkeit“).
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
Herleitung als irrelevant. Der II. Senat hat diese Formulierung schließlich ins Urt. v. 29. 7. 2014 – II ZR 353/12287 übernommen. Diese Entscheidungen scheinen der Ansicht des Reichsgerichts teilweise zu widersprechen. Denn das Reichsgericht hatte bspw. in der Entscheidung RG, Urt. v. 21. 12. 1893 – VI 256/93288 eine Bindung der Beklagten an ihr „Geständnis“, dass die Kläger Eigentümer seien, verneint, „[…] da derselbe Rechtsbegriff je nach Lage der Verhältnisse einfach oder durch streitige rechtliche Folgerungen verwickelt sein kann. Im gegenwärtigen Prozesse lässt sich nun der Begriff des Eigentums nicht als ein so einfacher ansehen, daß er einer ‚Thatsache‘ im Sinne der Civilprozeßordnung […] gleichgeachtet werden könnte.“289
Nach Ansicht des Reichsgerichts hing die Gleichstellung der Behauptung des Eigentums mit der Behauptung der dem Eigentum zugrundeliegenden Tatsachen also gerade davon ab, ob die Herleitung des vermeintlichen Eigentums im konkreten Fall auf rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten beruhte („durch streitige rechtliche Folgerungen verwickelt“). Die dargestellten Ausführungen des V. und des II. Senats widersprechen überdies den übrigen Ausführungen des Bundesgerichtshofs hinsichtlich der Gleichstellung juristisch eingekleideter und reiner Tatsachenbehauptungen. Stellt sich die Herleitung bspw. des Eigentums als rechtlich oder tatsächlich kompliziert dar, muss die Korrektheit der parteilichen Subsumtion der Tatsachen unter den entsprechenden Rechtsbegriff nämlich angezweifelt werden. Es ist mithin nicht ohne weiteres davon auszugehen, dass die Parteien den vorgetragenen Rechtsbegriff juristisch korrekt zur Tatsachenumschreibung verwenden. Letzteres ist nach der übrigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unabdingbare Voraussetzung der Gleichstellung juristisch eingekleideter und reiner Tatsachenbehauptungen. Soweit der V. und der II. Senat auf die Einfachheit des vorgetragenen Ergebnisses, der behaupteten Rechtsinhaberschaft abstellen, ist schließlich völlig unklar, inwiefern dieses Ergebnis von den zu ihm führenden Vorgängen getrennt werden soll. Denn das rechtliche Ergebnis, wer bspw. Eigentümer oder Rechtsnachfolger ist, hängt ja gerade von der Subsumtion der tatsächlichen Vorgänge unter die Rechtssätze ab. Oder wie sollte man rechtlich beurteilen, wer Eigentümer ist, ohne sämtliche relevante Erwerbsvorgänge zu untersuchen? Die Beurteilung, wer Eigentümer ist, kann folglich nicht „einfach“ sein, wenn die Herleitung des angeblichen Eigentums auf rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten beruht. Das Abstellen auf das vorgetragene Ergebnis könnte jedoch auch in dem Sinn zu verstehen sein, dass der V. und der II. Senat die abstrakten Rechtsbegriffe 287
(= BGHZ 202, 180) – Rn. 43, zitiert nach juris („Eigentum“). – juris = RGZ 32, 407 – 410. Zu dieser Entscheidung siehe schon oben unter Unterabschnitt (2). 289 RG, Urt. v. 21. 12. 1893 – VI 256/93 – juris = RGZ 32, 407, 409. 288
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bspw. des „Eigentums“ und der „Rechtsnachfolge“ als „einfach und allgemein bekannt“ qualifizieren. Würde eine solche Kategorisierung abstrakter Begriffe stattfinden, spielten die Umstände des Einzelfalls nämlich keine Rolle. Auch dies widerspräche jedoch der Ansicht des Reichsgerichts sowie des Bundesgerichtshofs im Übrigen.290 Die in Rede stehenden Entscheidungen sind daher nicht mit der übrigen Rspr. bezüglich der Voraussetzungen der Geständnisfähigkeit juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen in Einklang zu bringen. Sie müssen daher als Ausnahmen bzw. als schlicht unglücklich formuliert verstanden werden. Insgesamt hat sich die Ansicht des Bundesgerichtshofs bezüglich der Voraussetzungen und der Grenzen der Geständnisfähigkeit juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen seit der Entscheidung BGH, Urt. v. 29. 9. 1958 – II ZR 342/56291 nicht geändert. Wie schon nach Ansicht des Reichsgerichts sei stets entscheidend, ob die Behauptung des Rechtsbegriffs der Behauptung der ihm zugrundeliegenden Tatsachen (seiner Zerlegung in die einzelnen tatsächlichen Momente) gleichzuachten ist. Voraussetzung sei, dass von einer juristisch korrekten Verwendung des Rechtsbegriffs durch die Parteien auszugehen ist, was anhand der Umstände des Einzelfalls entschieden werden müsse. (4) Teilweise Änderung der Rechtsprechung bzgl. der Geständnisfähigkeit rechtlicher Beurteilungen Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat sich jedoch in Bezug auf eine andere Thematik geändert. Diese Änderung könnte sich auch auf die Beurteilung der Geständnisfähigkeit juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen auswirken. In der Entscheidung BGH, VU v. 16. 7. 2003 – XII ZR 100/00292 legt der Bundesgerichtshof dar: „[…] Gegenstand eines Geständnisses können darüber hinaus aber auch juristisch eingekleidete Tatsachen sein; hierzu ist auch der Vortrag zu rechnen, wer Vertragspartei geworden sei […]. Hinzu kommt, daß nach herrschender Meinung, der sich der Senat anschließt, grundsätzlich auch präjudizielle Rechtsverhältnisse Gegenstand eines Geständnisses sein können (vgl. BAG NJW 1966 [zu lesen: 1996], 1299, 1300 unter II 3 m.N.; Musielak/Huber ZPO 3. Aufl. § 288 Rdn. 4; und insbesondere Stein/Jonas/Leipold ZPO 21. Aufl. § 288 Rdn. 8, der die Auffassung vertritt, auch anerkenntnisähnliche Erklärungen sollten für das Gericht bindend sein, wenn sie sich auf solche Rechtsfolgen beziehen, die auch Gegenstand einer selbständigen Feststellungsklage sein und dann der Parteidisposition durch Anerkenntnis unterliegen könnten). Um solch einen Fall handelt es sich hier: Streitgegenstand sind die Ansprüche der Klägerin auf Räumung 290 Siehe nur die Entscheidung BGH, Urt. v. 4. 11. 1991 – II ZR 26/91 – juris zum Begriff der „Schenkung“. 291 = NJW 1958, 1968. 292 – juris.
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
und Zahlung, für die das Bestehen eines Nutzungsvertrages zwischen den Parteien, das Gegenstand einer gesonderten Feststellungsklage hätte sein können, präjudiziell ist.“293
Auch in den Entscheidungen BGH, Urt. v. 4. 4. 2006 – X ZR 155/03294 und BGH, VU v. 30. 4. 2015 – IX ZR 1/13295 werden „präjudizielle Rechtsverhältnisse“ – mit Verweis auf die soeben genannte Entscheidung aus dem Jahr 2003 und unter begrifflicher Abgrenzung von juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen – als mögliche Gegenstände eines gerichtlichen Geständnisses genannt. Unter „präjudiziellen Rechtsverhältnissen“ bzw. deren Behauptungen sind dabei Kundgaben von Rechtsansichten bzgl. des Bestehens präjudizieller Rechtsverhältnisse i. S. d. § 256 Abs. 2 ZPO zu verstehen.296 Die Hereinnahme solcher Behauptungen in den Anwendungsbereich des § 288 ZPO stellt eine Änderung der Rspr. dar. Nach der bisherigen Rspr. konnten die Parteien das Gericht nämlich nicht an ihre rechtlichen Beurteilungen binden. Damit waren auch Geständnisse in Bezug auf mitgeteilte Rechtsansichten nach § 288 ZPO ausgeschlossen.297 Diese Änderung in der Rspr. kann sich auch auf die Beurteilung der Geständnisfähigkeit juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen auswirken. Nicht immer wird parteilichen Rechtsbegriffsbehauptungen nämlich zu entnehmen sein, ob der Behauptende mit dem Rechtsbegriff Tatsachen umschreiben oder unmittelbar das Bestehen eines präjudiziellen Rechtsverhältnisses behaupten will.298 A verklagt B auf Herausgabe einer Sache und behauptet schlicht, er wäre Eigen tümer der Sache.
Gesteht B hier die Behauptung des A zu und nimmt das Gericht an, A habe den Begriff „Eigentümer“ nicht ausschließlich zur Umschreibung von Tatsachen verwendet, sondern (auch) zur Bezeichnung seiner rechtlichen Beziehung zu der herausverlangten Sache, läge nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein gerichtliches Geständnis der Behauptung vor. Denn das Eigentum des A bildet in diesem Fall ein präjudizielles Rechtsverhältnis i. S. d. § 256 Abs. 2 ZPO. Den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zur Geständnisfähigkeit präjudizieller Rechtsverhältnisse ist auch nicht zu entnehmen, dass deren Geständnisfä293
BGH, VU v. 16. 7. 2003 – XII ZR 100/00 – Rn. 17 f., zitiert nach juris. (= BGHZ 167, 118 – 139) – Rn. 28, zitiert nach juris. 295 – Rn. 15, zitiert nach juris. 296 Näher dazu siehe oben im 1. Kapitel E. II. 2. 297 Näher dazu siehe oben B. I. 2. a) cc). 298 Zu Anhaltspunkten, um die Absicht der Parteien zu bestimmen, siehe oben im 1. Kapitel E. III. 2. 294
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higkeit davon abhängen solle, ob von der Korrektheit der rechtlichen Beurteilung der Parteien ausgegangen werden kann. Der Verweis auf die Möglichkeit eines Anerkenntnisses des Bestehens präjudizieller Rechtsverhältnisse nach § 307 ZPO im Falle einer Feststellungsklage299 spricht vielmehr gegen diese Voraussetzung. Ein Anerkenntnisurteil nach § 307 ZPO setzt nämlich gerade nicht voraus, dass das Gericht von der juristischen Korrektheit der Entscheidung überzeugt ist. Im Falle des Anerkenntnisses ist das Gericht vielmehr von der „Prüfung des Streitstoffes in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht“ enthoben.300 Der Behauptung des A im Beispielsfall ist nun nicht mit letzter Sicherheit zu entnehmen, ob A eine Rechtsansicht mitteilen oder Tatsachen umschreiben wollte. Sollte Letzteres der Fall sein, würde seine Behauptung eine juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung darstellen. Deren Geständnisfähigkeit hinge nach der Rspr. davon ab, ob von der juristisch korrekten Verwendung des Rechtsbegriffs „Eigentümer“ zur Tatsachenumschreibung durch die Parteien ausgegangen werden kann. Das Vorliegen dieser Voraussetzung hätte das Gericht aber nicht geprüft, weil bzw. wenn es die Behauptung als Kundgabe einer Rechtsansicht versteht. Die Rspr. zur Geständnisfähigkeit von Rechtsansichten bzgl. des Bestehens präjudizieller Rechtsverhältnisse könnte mithin dazu führen, dass juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen in erweitertem Maß als geständnisfähig betrachtet werden. Bezeichnet der vorgetragene Rechtsbegriff ein für den Rechtsstreit präjudizielles Rechtsverhältnis und dient die Behauptung des Begriffs nicht eindeutig und ausschließlich der Umschreibung von Tatsachen, könnte die Behauptung unabhängig vom Begriffsverständnis der Parteien und den tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten des Einzelfalls als geständnisfähig nach § 288 ZPO gewertet werden. Anders läge es nur, wenn die Gerichte stets untersuchen bzw. nachfragen würden, mit welcher Absicht die Parteien die Rechtsbegriffe vortragen. In der Entscheidung BGH, VU v. 16. 7. 2003 – XII ZR 100/00301 finden sich allerdings keinerlei Anhaltspunkte für ein entsprechendes Vorgehen. Vielmehr könnte die Entscheidung als Musterbeispiel für die soeben beschriebene Problematik dienen. So heißt es anschließend an die oben zitierten Ausführungen bezüglich der Geständnisfähigkeit juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen und von Behauptungen präjudizieller Rechtsverhältnisse: „4. Ein derartiges Geständnis des Beklagten liegt hier vor. Der Kläger hatte schon in der Klageschrift vorgetragen, der Beklagte sei Mieter des im Vertrag bezeichneten Mietobjekts (vgl. auch GA I 93: er habe die ‚von ihm angemietete‘ Gewerberäumlich299
BGH, VU v. 16. 7. 2003 – XII ZR 100/00 – Rn. 18, zitiert nach juris. ZPO, § 307 Rn. 22. 301 – juris. 300 MüKoZPO/Musielak,
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
keit zu räumen). Das hat der Beklagte mehrfach zugestanden, indem er vorgetragen hat, er sei voll und ganz ‚seinen‘ Zahlungsverpflichtungen aus dem Vertrag nachgekommen, und ‚zwischen den Parteien‘ sei ‚im Jahre 1990 zunächst eine monatliche Grundmiete von 3.143,05 DM vereinbart‘ worden, wobei unter ‚Parteien‘ ersichtlich die Prozeßparteien zu verstehen sind. In diesem Sinne war auch sein Vortrag zu verstehen, er, der Beklagte, schulde (ausschließlich) den Grundbruttomietzins, und die Klägerin könne den Vertrag schließlich nicht einseitig ohne Vereinbarung ‚mit dem Beklagten‘ ändern. Gleiches gilt für seine Einwendungen zur Höhe der Klageforderung, mit denen er für die Jahre 1991 bis 1997 im einzelnen dargelegt hat, was ‚der Beklagte der Klägerin schuldet‘, und zwar ‚nach dem Nutzungsvertrag zwischen der Straßenbau und Immobilien K. Straße und dem Beklagten‘.“302
Dieser Begründung ist nicht zweifelsfrei zu entnehmen, ob sich das Geständnis des Beklagten nach Ansicht des Bundesgerichtshofs auf eine juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung der Klägerin (der Beklagte sei Vertragspartner) oder auf deren Behauptung eines präjudiziellen Rechtsverhältnisses (es bestehe ein Mietvertrag zwischen den Parteien) bezogen haben soll. Schon die erstmaligen Ausführungen des Bundesgerichtshofs zur Geständnisfähigkeit präjudizieller Rechtsverhältnisse sprechen allerdings dafür, dass sich das Geständnis des Beklagten auch auf eine entsprechende Behauptung bezogen haben soll. Soweit aus dem Urteil ersichtlich, hatte die Klägerin überdies auch nicht ausdrücklich vorgetragen, der Beklagte sei Vertragspartner des streitgegenständlichen Mietvertrages. Den Zitierungen des Bundesgerichtshofs aus den Gerichtsakten lässt sich dabei entnehmen, dass die Behauptung eines präjudiziellen Rechtsverhältnisses in der Behauptung der Klägerin, der Beklagte habe die „von ihm angemietete“ Gewerberäumlichkeit zu räumen, zu sehen sein solle. Diese Behauptung könnte nun aber ebenso gut eine juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung dargestellt haben. Zumindest aus dem Urteil ist nämlich nicht ersichtlich, dass die Klägerin mit dieser Behauptung ausschließlich ihre rechtliche Beurteilung der Tatsachen mitteilen wollte. Wollte die Klägerin mit ihrer Behauptung (auch) Tatsachen vortragen, wäre Grundvoraussetzung für die Geständnisfähigkeit der Behauptung, dass von einer juristisch korrekten Verwendung des Rechtsbegriffs „angemietet“ durch die Klägerin sowie dem entsprechenden Verständnis des Beklagten ausgegangen werden kann. Beides dürfte grundsätzlich der Fall sein. Dies war allerdings nicht das einzige, und vor allem nicht das entscheidende, Problem des Falles. Vielmehr hatte der Beklagte in der Berufung vorgetragen, der streitgegenständliche Mietvertrag sei nicht mit ihm persönlich, sondern mit dem Unternehmen seiner Ehefrau zustande gekommen. Im Kopf der Vertragsur302
BGH, VU v. 16. 7. 2003 – XII ZR 100/00 – Rn. 18, zitiert nach juris.
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kunde war als „Nutzer“ nämlich die Firma „T. W.“ (die Einzelfirma der Ehefrau des Beklagten), vertreten durch den Beklagten, genannt. Der Beklagte hatte den Vertrag allerdings ohne Vertretungszusatz unterschrieben. Das Berufungsgericht hielt den Beklagten dennoch, anders als das Landgericht, für nicht passiv legitimiert. Denn es folgte dem erstmals im Laufe des Berufungsverfahrens vorgetragenen Einwand des Beklagten, dieser habe den Nutzungsvertrag nicht im eigenen Namen geschlossen, sondern als Vertreter der im Handelsregister eingetragenen Einzelfirma seiner Ehefrau. Die hiergegen gerichtete Revision der Klägerin hatte Erfolg, eben weil der Bundesgerichtshof deren Ansicht teilte, dass der Beklagte im ersten Rechtszug gemäß § 288 ZPO zugestanden habe, den Vertrag im eigenen Namen geschlossen zu haben und Vertragspartei des Nutzungsvertrages geworden zu sein. Handelte es sich bei der Behauptung der Klägerin, dass der Beklagte die „von ihm angemietete“ Gewerberäumlichkeit zu räumen habe, (auch) um eine juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung, bestünden allerdings Zweifel an deren Geständnisfähigkeit nach der Rspr. des Bundesgerichtshofs. In einem Sachverhalt wie dem der Entscheidung zugrundeliegenden kann nämlich nicht ohne weiteres angenommen werden, dass die Parteien verstehen, mit wem der Vertrag zustande gekommen ist. Daher kann man auch nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass die Behauptung „von ihm angemietete“ juristisch korrekt umschreibt, dass der Beklagte den Vertrag im eigenen Namen geschlossen habe. Das Gleiche gilt für die vom Bundesgerichtshof zitierten Ausführungen des Beklagten, die als Geständnis der Behauptung der Klägerin gewertet wurden. Es erscheint nämlich durchaus denkbar, dass der Beklagte diese Aussagen nur deshalb tätigte, weil er den Vertrag unterzeichnet hatte, dass er damit aber nicht sagen wollte, er habe sich selbst durch den Vertrag verpflichten wollen. Dies umso mehr, als der andere potentielle Vertragspartner das Unternehmen seiner Ehefrau war, mit dem er sich vermutlich „verbunden“ fühlte. Der Beklagte trennte eventuell gedanklich nicht zwischen Verpflichtungen seiner Ehefrau, von deren Unternehmen und von sich selbst. Eventuell ging er auch davon aus, dass derjenige, der einen Vertrag unterzeichnet, stets auch Vertragspartner wird. Selbstverständlich muss aber auch beachtet werden, dass die Parteien schon in erster Instanz anwaltlich vertreten gewesen sein müssen. Daher ist es grundsätzlich denkbar, auch in diesem nicht ganz einfachen Fall davon auszugehen, dass die Behauptungen der Parteien die Tatsachen rechtlich korrekt umschrieben haben. Die anwaltliche Vertretung allein bildet in entsprechenden Fällen jedoch nur ein schwaches Argument für die Annahme der rechtlich korrekten Verwendung der Begriffe. Letztlich kann und muss vorliegend nicht entschieden werden, was die Parteien mit ihren Behauptungen ausdrücken wollten und wie dies im Ergebnis zu behandeln gewesen wäre. Denn dafür bedürfte es mehr Informationen, als sie das Urteil des Bundesgerichtshofs enthält. Dies ist vorliegend aber auch nicht
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
entscheidend. Entscheidend ist vielmehr, dass sich der Bundesgerichtshof mit den dargestellten Erwägungen offenbar nicht einmal auseinandergesetzt hatte. Soweit aus dem Urteil ersichtlich, wurde schlicht nicht hinterfragt, was die Parteien mit ihren Behauptungen darlegen wollten. Und genau dieses Vorgehen kann dazu führen, dass sich die Annahme der Geständnisfähigkeit von Behauptungen über das Bestehen präjudizieller Rechtsverhältnisse auch auf die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen auswirkt. Inwieweit der Bundesgerichtshof an der Geständnisfähigkeit von Behauptungen bzgl. des Bestehens präjudizieller Rechtsverhältnisse festhält, ist noch nicht absehbar. Bisher wurde die potentielle Geständnisfähigkeit solcher Behauptungen nur in den drei genannten Entscheidungen erwähnt und allein im VU v. 16. 7. 2003 – XII ZR 100/00303 ein Geständnis einer entsprechenden Behauptung angenommen. cc) Entschiedene Einzelfälle Die nachfolgenden Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zur (fehlenden) Geständnisfähigkeit bestimmter juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen sind in Bezug auf die in diesen verwendeten Rechtsbegriffe nicht verallgemeinerungsfähig. Den soeben dargestellten Grundsätzen entsprechend hängt die Geständnisfähigkeit nämlich stets vom Begriffsverständnis der konkret verhandelnden Parteien und den weiteren Umständen des Einzelfalls ab. Die Entscheidungen bieten daher, wenn überhaupt, nur eine Orientierungshilfe. Als geständnisfähig nach § 288 ZPO wurden in den jeweiligen Fällen bspw. die folgenden juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen betrachtet: jemand habe bei Schulderlass „mit Sanierungsabsicht gehandelt“304, eine Lastschrift sei durch „ausdrückliche Erklärung oder konkludentes Verhalten genehmigt“ worden305, es sei die „Unverfallbarkeit von Ruhegehaltsansprüchen“ vereinbart worden306, die Gegenseite sei „Vertragspartei“307, eine Person sei bei „Abgabe eines Schenkungsversprechens geschäftsfähig gewesen“308, eine Partei sei „Rechts-
303
– juris. BGH, Urt. v. 13. 3. 2014 – IX ZR 23/10 – Rn. 17, zitiert nach juris. 305 BGH, Urt. v. 19. 1. 2012 – IX ZR 2/11 (= BGHZ 192, 221 – 236) – Rn. 24, zitiert nach juris; Urt. v. 22. 2. 2011 – XI ZR 261/09 – Rn. 12, zitiert nach juris. 306 BGH, Urt. v. 18. 6. 2007 – II ZR 89/06 – Rn. 16, zitiert nach juris. 307 BGH, Urt. v. 6. 10. 2005 – III ZR 367/04 – Rn. 20, zitiert nach juris; Urt. v. 23. 9. 2004 – IX ZR 137/03 – Rn. 11, zitiert nach juris; VU v. 16. 7. 2003 – XII ZR 100/00 – Rn. 17, zitiert nach juris. 308 BGH, Urt. v. 25. 2. 2003 – X ZR 240/00 – Rn. 15 f., zitiert nach juris. 304
C. Anwendung der §§ 288 ff. ZPO
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nachfolgerin“ eines Dritten309, eine Partei sei „Eigentümer“ einer Sache310, eine bestimmte Sache sei „verkauft“ worden311, Forderungen seien „abgetreten“ worden312, jemand habe innerhalb einer Gesellschaft die Stellung als „Kommanditist“ inne313, es sei ein „Vertrag abgeschlossen“ worden314, einer Partei hätte „eine Forderung zugestanden“315, die Gegenseite habe eine bestimmte Geldsumme „als Darlehen erhalten“316, eine Partei sei „Eigentümerin einer Sache oder es sei ein Kauf zwischen den Parteien abgeschlossen“317, jemand sei „Erbe“ oder „Pflichtteilsberechtigter“318. Als nicht geständnisfähig wurden bspw. die folgenden Behauptungen betrachtet: die „Verjährung“ habe zu einem bestimmten Zeitpunkt begonnen319, ein Handelsvertreter sei „nebenberuflich“ für eine Gesellschaft tätig gewesen320, ein „Liegenschaftsfonds hätte anstelle eines Landes für Vertragsverletzungen aus einem bestimmten Zeitraum einzustehen“321, eine Aktiengesellschaft sei „überschuldet“ i. S. d. § 207 Abs. 1 KO i. V. m. § 92 Abs. 2 S. 2 AktG gewesen322, bei Zuwendungen, die im Rahmen von nichtehelichen Lebensgemeinschaften zur Schaffung bleibender Vermögenswerte erbracht werden, handele es sich um eine „Schenkung“323, es hätten „Verbindlichkeiten in Höhe der negativen Kapitalkon309 BGH, Urt. v. 14. 3. 1997 – V ZR 9/96 (= BGHZ 135, 92 – 107) – Rn. 13, zitiert nach juris (der Bundesgerichtshof nennt § 288 ZPO hier zwar nicht ausdrücklich. Er stellt aber fest, dass die „Rechtsnachfolge“ zu den Rechtsbegriffen gehöre, die tatsächlichen Umständen nach § 138 Abs. 1 ZPO gleichzustellen seien). 310 BGH, Urt. v. 2. 6. 1995 – V ZR 304/93 – Rn. 7, zitiert nach juris (der BGH nennt § 288 ZPO hier zwar nicht ausdrücklich. Er stellt aber fest, dass das „Sacheigentum“ zu den Rechtsbegriffen gehöre, die tatsächlichen Umständen nach § 138 Abs. 1 ZPO gleichzustellen seien. Dabei verweist er zudem auch auf eine Entscheidung zu § 288 ZPO). 311 BGH, Urt. v. 8. 5. 1992 – V ZR 95/91 – Rn. 10, zitiert nach juris. 312 BGH, Urt. v. 2. 2. 1990 – V ZR 245/88 – Rn. 11, zitiert nach juris. 313 BGH, Urt. v. 7. 7. 1986 – II ZR 167/85 – Rn. 6, zitiert nach juris. 314 BGH, Urt. v. 29. 10. 1979 – VIII ZR 293/78 – Rn. 15, zitiert nach juris. 315 BGH, Urt. v. 25. 6. 1974 – VI ZR 18/73 – Rn. 9, zitiert nach juris. 316 BGH, Urt. v. 24. 5. 1962 – VII ZR 46/61 (= BGHZ 37, 154 – 156) – Rn. 23, zitiert nach juris. 317 BGH, Urt. v. 29. 9. 1958 – II ZR 342/56 = NJW 1958, 1968. 318 BGH, Urt. v. 6. 3. 1952 – IV ZR 45/50 = https://www.jurion.de/Urteile/ BGH/1952 – 03 – 06/IV-ZR-45_50. 319 BGH, Urt. v. 30. 4. 2015 – IX ZR 1/13 – Rn. 15, zitiert nach juris. 320 BGH, Urt. v. 21. 3. 2013 – VII ZR 224/12 (= BGHZ 197, 100 – 110) – Rn. 28, zitiert nach juris. 321 BGH, Urt. v. 16. 9. 2010 – IX ZR 203/08 – Rn. 14, zitiert nach juris. 322 BGH, Urt. v. 20. 3. 1995 – II ZR 205/94 (= BGHZ 129, 136 – 178) – Rn. 38, zitiert nach juris. 323 BGH, Urt. v. 4. 11. 1991 – II ZR 26/91 – Rn. 8, zitiert nach juris.
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
ten bestanden“324, ein „Vertrag verstoße gegen die guten Sitten und sei deshalb nichtig“325. Die Geständnisfähigkeit folgender juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen bzw. Rechtsbegriffe hat der Bundesgerichtshof in den jeweiligen Fällen ausdrücklich offen gelassen: „unbeschränkte Inanspruchnahme einer Diensterfindung durch den Arbeitsgeber“326, eine Partei sei „Mieter“ geworden327, jemand sei „Kaufmann“328, „Aktivlegitimation“329, „Schenkung“330. b) Ausnahmen von der Anwendbarkeit des § 288 ZPO aa) Unvereinbarkeit von Rechtsbegriffs- und Sachvortrag § 288 ZPO findet nach der Rspr. keine Anwendung, wenn die Parteien zwar übereinstimmend einen Rechtsbegriff verwenden, der übrige Sachvortrag der darlegungsbelasteten Partei331 aber offenbart, dass die rechtliche Würdigung des Sachverhalts nicht mit dem vorgetragenen Rechtsbegriff bezeichnet wird. Wie bereits dargelegt332, stellen die Rechtsbegriffsbehauptungen in den entsprechenden Fällen nicht stets juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen dar. Denn die Rechtsbegriffe werden hier nicht anstelle, sondern zusätzlich zu den ihnen (vermeintlich) zugrundeliegenden Tatsachen vorgetragen. Dabei sind jedoch wiederum zwei grundlegende Konstellationen zu unterscheiden. Einmal kann den Parteien (oder zumindest einer von ihnen) nicht bewusst sein, dass der weitere Sachvortrag Tatsachenbehauptungen enthält, die den vorgetragenen Rechtsbegriff betreffen. Die Parteien tragen hier also einerseits einen Rechtsbegriff vor, um die ihm zugrundeliegenden Tatsachen in den Prozess einzuführen. Gleichzeitig behauptet die darlegungsbelastete Partei Tatsachen, deren rechtliche Würdigung ergibt, dass der Rechtsbegriff juristisch inkorrekt zur Tatsachenumschreibung gebraucht wurde. Zumindest einer der Parteien ist dabei nicht bewusst, dass dieser Vortrag Tatsachenbehauptungen enthält, die ge324
BGH, Urt. v. 23. 10. 1985 – IVb ZR 62/84 – Rn. 8, zitiert nach juris. BGH, Urt. v. 29. 9. 1958 – II ZR 342/56 = NJW 1958, 1968. 326 BGH, Urt. v. 4. 4. 2006 – X ZR 155/03 (= BGHZ 167, 118 – 139) – Rn. 28, zitiert nach juris. 327 BGH, Urt. v. 29. 5. 2002 – XII ZR 28/99 – Rn. 22, zitiert nach juris. 328 BGH, Urt. v. 21. 11. 1996 – IX ZR 264/95 (= BGHZ 134, 127 – 137) – Rn. 37, zitiert nach juris. 329 BGH, Urt. v. 18. 5. 1994 – IV ZR 169/93 – Rn. 8, zitiert nach juris. 330 BGH, Urt. v. 4. 11. 1991 – II ZR 26/91 – Rn. 8, zitiert nach juris. 331 Zu dem Fall, dass der übrige Sachvortrag der Gegenseite im Widerspruch zu dem vorgetragenen Rechtsbegriff steht, siehe unten D. I. 332 Oben B. I. 3. b). 325
C. Anwendung der §§ 288 ff. ZPO
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gen das mit dem Rechtsbegriff bezeichnete rechtliche Ergebnis sprechen.333 Nach der Rechtsprechung sind in diesem Fall nur die reinen Tatsachenbehauptungen (also der übrige Sachvortrag) der darlegungsbelasteten Partei für das Gericht beachtlich. Das Gericht sei mithin nicht nach § 288 ZPO an den übereinstimmenden Rechtsbegriffsvortrag gebunden. Diesbezüglich kann auf die oben dargestellten334 Ausführungen des OLG Koblenz im Urt. v. 2. 4. 1992 – 5 U 1326/91335 verwiesen werden. Im zweiten Fall ist beiden Parteien bewusst, dass der übrige Sachvortrag auch Behauptungen zu den dem Rechtsbegriff zugrundeliegenden Tatsachen enthält. Die Parteien gehen also entweder fälschlicherweise davon aus, dass sich aus dem weiteren Sachvortrag das mit dem Rechtsbegriff bezeichnete rechtliche Ergebnis ergibt. Oder sie wissen, dass die rechtliche Würdigung des Sachvortrags nicht mit dem vorgetragenen Rechtsbegriff bezeichnet wird. In beiden Konstellationen verwenden die Parteien den Rechtsbegriff nicht, um Tatsachen darzulegen, sondern um ein rechtliches Ergebnis zu bezeichnen. Zumindest wenn den Parteien nicht bewusst ist, dass sie den Rechtsbegriff juristisch inkorrekt gebrauchen, hat der Bundesgerichtshof dabei die Anwendbarkeit des § 288 ZPO verneint. Diesbezüglich kann auf die oben dargestellten336 Ausführungen des Bundesgerichtshofs in der Entscheidung BGH, Urt. v. 11. 2. 2008 – II ZR 187/06337 verwiesen werden. Grundsätzlich müsste das auch dann entsprechend gelten, wenn den Parteien bewusst ist, dass sich die rechtliche Würdigung des Sachvortrags nicht mit dem vorgetragenen Rechtsbegriff bezeichnen lässt. Die Anwendbarkeit des § 288 ZPO auf Geständnisse rechtlicher Beurteilungen wurde vom Bundesgerichtshof nämlich ursprünglich stets verneint.338 Nach der jüngeren Rspr. zur Geständnisfähigkeit präjudizieller Rechtsverhältnisse339 ist aber zumindest unter gewissen Voraussetzungen auch ein anderes Ergebnis denkbar. Der übereinstimmende Vortrag von Rechtsfolgen in Kenntnis des Umstands, dass sich diese nicht aus dem Tatsachenvortrag ergeben, kann nämlich als Versuch einer Disposition über die rechtlichen Urteilsgrundlagen verstanden werden. Eine solche Disposition soll nach dem Bundesgerichtshof 340 in Form eines Geständnisses nach § 288 ZPO möglich sein, wenn sie sich auf ein präjudizielles Rechtsverhältnis i. S. d. § 256 333 Eine entsprechende Konstellation lag der Entscheidung OLG Koblenz, Urt. v. 2. 4. 1992 – 5 U 1326/91 – juris zugrunde. 334 Oben B. I. 2. a) bb). 335 – Rn. 19 ff., zitiert nach juris. 336 Oben B. I. 2. a) bb). 337 – juris. 338 Siehe dazu oben B. I. 2. a) cc). 339 Siehe dazu oben unter Buchstabe a) bb) (4). 340 Ausführlich dazu siehe BGH, VU v. 16. 7. 2003 – XII ZR 100/00 – Rn. 18, zitiert nach juris.
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
Abs. 2 ZPO bezieht. Ob der Bundesgerichtshof solche Dispositionen in Zukunft wirklich unbedingt zulässt, ist derzeit aber noch nicht absehbar. bb) Unklarheit über den Bezugspunkt des „Geständnisses“ Nach der Rspr. sei eine juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung auch dann nicht gemäß § 288 ZPO zugestanden, wenn nach dem Sachvortrag der Parteien verschiedene tatsächliche Vorgänge in Betracht kommen, aufgrund derer die mit dem Rechtsbegriff bezeichnete Rechtsfolge eingetreten sein könnte und Zweifel bestehen, auf welchen dieser Vorgänge sich das „Geständnis“ beziehen soll. In der Entscheidung BGH, Urt. v. 29. 5. 2002 – XII ZR 28/99341 ging es dabei um die Frage, ob eine der Beklagten (die Beklagte zu 2) nach § 288 ZPO zugestanden hatte, Mieterin des streitgegenständlichen Objekts gewesen zu sein. Der Bundesgerichtshof verneinte ein entsprechendes Geständnis. Zwar könne die Erklärung, Mieter geworden zu sein, im Einzelfall als Tatsachenerklärung gewertet werden. Dies setze aber voraus, dass für die Art und Weise, wie das Mietverhältnis zustande gekommen sein soll, nur ein ganz bestimmtes tatsächliches Geschehen in Betracht kommt. „Denn nicht das Rechtsverhältnis als solches, sondern nur die Tatsachen, aus denen sich dieses Rechtsverhältnis ergeben soll“, könnten bestritten oder aber zugestanden werden.342 „Als Geständnis einer Tatsache kann die einen solchen Begriff [Mieter] verwendende Erklärung aber auch dann nicht angesehen werden, wenn – wie hier – schon der Mietvertrag selbst hinsichtlich der Frage, ob neben der auf Mieterseite unterzeichnenden Naturalperson auch eine juristische Person Mitmieterin sein sollte, der Auslegung bedarf und mehrere, einander zum Teil ausschließende tatsächliche Vorgänge in Betracht kommen, infolge derer die juristische Person ebenfalls Partei dieses Vertrages geworden sein könnte. Denn der Erklärung der Beklagten zu 2 ist hier lediglich zu entnehmen, daß sie einer bestimmten Vertragsauslegung (zunächst) nicht entgegentreten will, nicht aber, daß damit zugleich eine von mehreren in Betracht kommenden tatsächlichen Voraussetzungen für das Zustandekommen des Vertrages auch mit ihr unstreitig gestellt werden solle.“343
Nach der geänderten Rspr. zur Geständnisfähigkeit präjudizieller Rechtsverhältnisse wäre in solchen Fällen aber auch ein anderes Ergebnis denkbar. Danach kann nämlich auch ein „Rechtsverhältnis als solches“ zugestanden werden, solange und soweit es sich um ein präjudizielles Rechtsverhältnis i. S. d. § 256 Abs. 2 ZPO handelt. Dann kann es aber grundsätzlich auch nicht darauf ankommen, ob dem „Geständnis“ zu entnehmen ist, auf welche tatsächlichen Vorgänge es sich 341
– juris. BGH, Urt. v. 29. 5. 2002 – XII ZR 28/99 – Rn. 22, zitiert nach juris. 343 A. a. O. – Rn. 23, zitiert nach juris. 342
C. Anwendung der §§ 288 ff. ZPO
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beziehen soll. Denn das Geständnis müsse sich überhaupt nicht auf Tatsachen beziehen. Es könne sich vielmehr unmittelbar auf die Rechtswirkungen beziehen. c) Gegenstand des Geständnisses Das gerichtliche Geständnis einer juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptung bezieht sich nach der Rspr. auf die hinter dem vorgetragenen Rechtsbegriff liegenden Tatsachen. Diese müsse das Gericht seiner Entscheidung ungeprüft zugrunde legen. Die mit dem Rechtsbegriff bezeichnete Rechtsfolge sei hingegen nicht Gegenstand des Geständnisses. Das ergibt sich schon daraus, dass rechtliche Beurteilungen bzw. Rechtswirkungen – bis vor Kurzem – als generell nicht geständnisfähig gemäß § 288 ZPO betrachtet wurden344: „Denn nicht das Rechtsverhältnis als solches, sondern nur die Tatsachen, aus denen sich dieses Rechtsverhältnis ergeben soll, können bestritten oder aber zugestanden werden […].“345
Besonders deutlich kommt dies auch in der Entscheidung BGH, Urt. v. 23. 10. 1985 – IVb ZR 62/84346 zum Ausdruck: „Die von der Revision zur Nachprüfung gestellte Frage, ob die Klägerin Verbindlichkeiten in Höhe der negativen Kapitalkonten im Sinne des § 288 ZPO zugestanden hat, […] hat das Berufungsgericht zutreffend verneint. Dem gerichtlichen Geständnis nach § 288 ZPO zugänglich war nur der äußere Sachverhalt, daß am Stichtag negative Kapitalkonten in der bezeichneten Höhe bestanden haben. Die Bewertung dieses Sachverhalts ist der Geständniswirkung entzogen und Gegenstand der rechtlichen Beurteilung.347“ 348
Die Entscheidungen, welche die Geständnisfähigkeit rechtlicher Beurteilungen über das Bestehen präjudizieller Rechtsverhältnisse bejahen, widersprechen dieser Interpretation der Rspr. nicht. Vielmehr stützen sie diese Interpretation. Die nach den entsprechenden Entscheidungen möglichen Geständnisse von Rechtswirkungen bezeichnet der Bundesgerichtshof nämlich als Geständnisse präjudizieller Rechtsverhältnisse. Letztere grenzt er dabei begrifflich von Geständnissen juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen ab.349 Nun enthalten aber 344 Siehe z. B. BGH, Urt. v. 29. 5. 2002 – XII ZR 28/99 – Rn. 22, zitiert nach juris; Urt. v. 17. 9. 1986 – IVa ZR 13/85 (= BGHZ 98, 226 – 235) – Rn. 24, zitiert nach juris; Urt. v. 23. 10. 1985 – IVb ZR 62/84 – Rn. 8, zitiert nach juris; Urt. v. 29. 9. 1958 – II ZR 342/56 = NJW 1958, 1968; RG, Urt. v. 29. 5. 1883 – II 106/83 – juris = RGZ 10, 364, 365 f. 345 BGH, Urt. v. 29. 5. 2002 – XII ZR 28/99 – Rn. 22, zitiert nach juris. 346 – juris. 347 Hervorhebung nicht im Original. 348 BGH, Urt. v. 23. 10. 1985 – IVb ZR 62/84 – Rn. 8, zitiert nach juris. 349 So in BGH, VU v. 30. 4. 2015 – IX ZR 1/13 – Rn. 15, zitiert nach juris; Urt. v. 4. 4. 2006 – X ZR 155/03 (= BGHZ 167, 118 – 139) – Rn. 28, zitiert nach juris; VU v. 16. 7. 2003 – XII ZR 100/00 – Rn. 17 f., zitiert nach juris.
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
auch juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen häufig Rechtsbegriffe, die präjudizielle Rechtsverhältnisse i. S. d. § 256 Abs. 2 ZPO bezeichnen. Der Unterschied zwischen den beiden Vortragsarten muss nach dem Bundesgerichtshof also darin liegen, dass juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen als Tatsachenvortrag angesehen werden, in denen Tatsachenbehauptungen durch Rechtsbegriffsbehauptungen abgekürzt werden, Behauptungen präjudizieller Rechtsverhältnisse hingegen als Mitteilungen von Rechtsansichten.350 Stellen juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen mithin Tatsachenvortrag dar, müssen die auf sie bezogenen Geständnisse folglich auch Tatsachen zum Gegenstand haben. d) Voraussetzungen des Widerrufs des Geständnisses Geständnisse juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen können nach Ansicht der Rspr. nur widerrufen werden, wenn die Voraussetzungen des § 290 ZPO vorliegen. Dies belegen verschiedene Entscheidungen des Bundesgerichtshofs. In der Entscheidung BGH, Urt. v. 23. 10. 1985 – IVb ZR 62/84351 ließ der Bundesgerichtshof die vom Berufungsgericht erwogene Frage, ob ein durch Rechtsirrtum beeinflusstes Geständnis nach § 290 ZPO widerrufbar ist, noch unbeantwortet.352 Bereits ein Jahr später353 wendete der Bundesgerichtshof dann aber ausdrücklich § 290 ZPO an auf den Widerruf des Geständnisses der juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptung, „Kommanditistin“ zu sein. Dabei verneinte er einen wirksamen Widerruf, weil das Geständnis nicht auf einem Rechtsirrtum beruht habe. Neben der Anwendbarkeit des § 290 ZPO auf Widerrufe von Geständnissen juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen kann der Entscheidung somit entnommen werden, dass nach der Rspr. auch Rechtsirrtümer als mögliche Irrtümer i. S. d. § 290 ZPO in Betracht kommen. Die Anwendbarkeit des § 290 ZPO auf Widerrufe entsprechender Geständnisse wird schließlich auch durch die Entscheidungen BGH, Urt. v. 18. 6. 2007 – II ZR 89/06354 und BGH, Urt. v. 19. 1. 2012 – IX ZR 2/11355 bestätigt. In der zuerst genannten Entscheidung hatte die Beklagte nach Ansicht der Bundesgerichtshofs gem. § 288 ZPO zugestanden, dass die Unverfallbarkeit bestimmter Ruhegehalts350
Ausführlich dazu siehe oben im 1. Kapitel E. II. 2. a). – juris. 352 BGH, Urt. v. 23. 10. 1985 – IVb ZR 62/84 – Rn. 8, zitiert nach juris. Es bedurfte auch keiner Beantwortung dieser Frage, weil der Bundesgerichtshof schon kein Geständnis der Behauptung des Bestehens von „Verbindlichkeiten in Höhe der negativen Kapitalkonten“ angenommen hatte. 353 BGH, Urt. v. 7. 7. 1986 – II ZR 167/85 – Rn. 6, zitiert nach juris. 354 – juris. 355 – juris (= BGHZ 192, 221 – 236). 351
C. Anwendung der §§ 288 ff. ZPO
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ansprüche vereinbart worden sei. Bezüglich eines etwaigen Widerrufs dieses Geständnisses führt der Bundesgerichtshof dabei aus: „Ein wirksamer Widerruf dieses Geständnisses durch die Beklagte (§ 290 ZPO) liegt nicht vor.“356
In der zweitgenannten Entscheidung erklärt der Bundesgerichtshof, die zugestehende Partei bleibe an ihr Geständnis bezüglich der Behauptung, eine Lastschrift sei nicht durch ausdrückliche Erklärung oder konkludentes Verhalten genehmigt worden, auch im Revisionsrechtszug gebunden, weil diese nichts zu den Voraussetzungen des § 290 ZPO vorgetragen habe.357 2. Forschungsstand in der Literatur Nach der herrschenden Literatur können juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen unter gewissen Voraussetzungen nach § 288 ZPO zugestanden werden (dazu unter lit. a)). Ein gerichtliches Geständnis könne aber nicht angenommen werden, wenn sich die Rechtsbegriffsbehauptung und der (übrige) Sachvortrag der Parteien widersprechen (dazu unter lit. b)). Gegenstand des Geständnisses seien die durch den Rechtsbegriff umschriebenen Tatsachen (dazu lit. c)). Die Voraussetzungen des Widerrufs entsprechender Geständnisse sind umstritten (dazu lit. d)). a) Grundsätzliche Anwendbarkeit des § 288 ZPO Juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen sind nach weit überwiegender Meinung in der Literatur geständnisfähig, wenn von einer juristisch korrekten Verwendung der vorgetragenen Rechtsbegriffe durch die Parteien auszugehen ist (dazu unter lit. aa)). Teilweise wird die Geständnisfähigkeit anders begründet (dazu unter lit. bb)). aa) Bei Annahme der korrekten Verwendung der Rechtsbegriffe durch die Parteien Der absolute Großteil der Literatur vertritt die Ansicht, dass juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen einem Geständnis nach § 288 ZPO zugänglich seien, wenn von einer juristisch korrekten Verwendung der Rechtsbegriffe zur Tatsachenumschreibung ausgegangen werden könne.358 356 357
juris.
BGH, Urt. v. 18. 6. 2007 – II ZR 89/06 – Rn. 16, zitiert nach juris. BGH, Urt. v. 19. 1. 2012 – IX ZR 2/11 (= BGHZ 192, 221 – 236) – Rn. 24, zitiert nach
358 Z. B. Musielak/Voit/Huber, ZPO, § 288 Rn. 4; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, § 288 Rn. 1; Blomeyer, Zivilprozeßrecht, § 68 I. 2.; Bruns, ZPO, § 29 Nr. 156 a; Jauernig/Hess,
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
(1) Ältere Literatur Schon von Savigny359 vertrat die Ansicht, dass unter Umständen auch Rechtsbegriffsbehauptungen Gegenstand eines gerichtlichen Geständnisses sein könnten. Nachdem jedem Rechtsverhältnis Tatsachen zugrundlägen, und da oft die Sache eine so „einfache Natur“ habe, dass nur die Tatsachen streitig sein können, könne unter Umständen auch die über ein Rechtsverhältnis abgegebene Erklärung den vollen Beweis einer Tatsache bilden. Dies sei etwa der Fall, wenn jemand erkläre, dass er einem anderen einen bestimmten Geldbetrag aus einem Darlehen oder aus einem Kaufvertrag schuldig sei. Denn darin läge unzweifelhaft die Erklärung, dass er den Geldbetrag als Darlehen empfangen oder als Kaufpreis versprochen habe.360 Letzteres kann dabei nur angenommen werden, wenn die Parteien die juristische Bedeutung des verwendeten Rechtsbegriffs verstehen und die Umstände des Einzelfalls nicht so kompliziert sind, dass die korrekte Verwendung des Begriffs trotz des grundsätzlichen Verständnisses bezweifelt werden muss. Daher muss die Annahme der korrekten Verwendung der Rechtsbegriffe auch nach von Savigny Voraussetzung der Geständnisfähigkeit juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen sein. Sein Abstellen auf die „einfache Natur“ der rechtlichen Schlussfolgerung muss folglich in dem Sinne zu verstehen sein, dass die entsprechende „Einfachheit“ im Hinblick auf die konkret verhandelnden Parteien und die sonstigen Umstände des Einzelfalles festgestellt werden müsse. In diesem Sinne sind auch Demmler361 und Walsmann362 zu verstehen. Nach Demmler seien scheinbare Rechtsbehauptungen Tatsachenbehauptungen (und darauf bezogene Geständnisse damit Tatsachengeständnisse), wenn landläufige, „dem gemeinen Leben wie der Rechtssprache“ geläufige Rechtsbegriffe anstelle der diesen zugrundeliegenden Tatsachen vorgetragen würden. Denn es sei anzunehmen, dass der Behauptende juristisch korrekt subsumiert habe, wenn ihm der betreffende Begriff geläufig sei. Eine solche Rechtsbegriffsbehauptung sei also „in Wahrheit eine abgekürzte Thatsachenbehauptung“.363 Nach Walsmann364 seien Gegenstand des gerichtlichen Geständnisses nur Tatsachen-, nicht Rechtsbehauptungen. Die Parteien könnten Tatsachen aber auch mit „gemeinverständZivilprozessrecht, § 44 I. Rn. 4; Grunsky/Jacoby, ZPO, Rn. 416; Schellhammer, Zivilprozess, Rn. 302 und 342; Schneider, Die Klage im Zivilprozess, Rn. 2109 ff. (dabei insb. unter Rn. 2114); Lüke, ZPO, 6. Kapitel Rn. 223. 359 System des heutigen Römischen Rechts, VII, S. 41 ff. 360 A. a. O., S. 45 zum außergerichtlichen Geständnis. Bzgl. des gerichtlichen Geständnisses hielt von Savigny „Rechtsverhältnisse“ sogar für das „eigenthümlichste Gebiet“, in dem es wirke (a. a. O., S. 42). 361 Das Gerichtliche Geständnis von Rechtsverhältnissen. 362 Seuffert-Walsmann, ZPO, § 288 Nr. 2 f). 363 Das Gerichtliche Geständnis von Rechtsverhältnissen, S. 36 f. (Fn. 2). 364 Seuffert-Walsmann, ZPO, § 288 Nr. 2 f).
C. Anwendung der §§ 288 ff. ZPO
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lichen juristischen Ausdrücken“ bezeichnen.365 Sei die juristische Qualifikation der Tatsachen nicht zweifelhaft, liege „in dem Geständnis einer solchen Behauptung ein echtes Tatsachengeständnis“. Auch diese Ausführungen dürfen, entgegen dem ersten Anschein, nicht in dem Sinn verstanden werden, dass die „Geläufigkeit“ bzw. „Gemeinverständlichkeit“ der Rechtsbegriffe abstrakt zu beurteilen wäre. Sie ergeben vielmehr nur Sinn, wenn dies im Hinblick auf die Umstände des konkreten Einzelfalls beurteilt wird. Nur dann kann nämlich angenommen werden, dass eine juristisch korrekte Subsumtion stattgefunden hat. Die dargestellten Ausführungen lassen jedoch nicht klar erkennen, ob die Autoren auch parteiliche Behauptungen „komplizierter“ bzw. „nicht-geläufiger“ Rechtsbegriffe für geständnisfähig hielten, wenn im konkreten Fall von einer korrekten Verwendung der Rechtsbegriffe ausgegangen werden kann. Gegen die Annahme einer Geständnisfähigkeit scheint die Verwendung von Bezeichnungen wie „einfache Natur“ (der Rechtsbegriffe) und „landläufige“ Rechtsbegriffe zu sprechen. Nachdem diese Voraussetzungen aber (wohl) nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt wurden und die entscheidende Voraussetzung der Geständnisfähigkeit damit die Annahme einer korrekten Verwendung der Rechtsbegriffe sei, müssten theoretisch auch andere als einfache und geläufige Rechtsbegriffe zugestanden werden können.366 Auch nach Sobernheim367 konnten Rechtsbegriffe Gegenstand eines gerichtlichen Geständnisses sein. Dabei ließ er ausdrücklich offen, ob er die schon damals von der h. M. befürwortete Beschränkung auf Behauptungen von Rechtsbegriffen „einfacher Natur“ für zutreffend hält.368 Er sprach dem Geständnis aber jedenfalls dann die Wirksamkeit ab, wenn dieses nicht mit dem (übrigen) Tatsachenvortrag vereinbar war.369 Dies könnte in dem Sinne interpretiert werden, dass ein
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A. a. O., mit den Beispielen „Hingabe eines Darlehens“, „Abschluß eines Kaufvertrags oder Mietvertrags“ und „Bestellung eines Pfands“. 366 Bzgl. von Savigny spricht für diese Auslegung auch der Umstand, dass sich seine im Text dargestellten Ausführungen auf das außergerichtliche Geständnis beziehen. Bzgl. des gerichtlichen Geständnisses stellt von Savigny nicht auf die „einfache Natur“ der Schlussfolgerung ab: „Das gerichtliche Geständniß kann aber auch auf Rechtsverhältnisse gehen, ja dieses ist das eigenthümlichste Gebiet, worin es wirkt.“ (System des heutigen Römischen Rechts, VII, S. 42). Wittmaack, AcP 88, 1, 65 ist deshalb der Ansicht, dass sich die Ausführungen von Savignys zum Gegenstand des außergerichtlichen Geständnisses nicht auf das gerichtliche Geständnis übertragen lassen und von Savigny beim gerichtlichen Geständnisse keine entsprechende Beschränkung befürwortet habe. 367 Das ungünstige Parteivorbringen, S. 201 ff. 368 Sobernheim, Das ungünstige Parteivorbringen, S. 202. 369 A. a. O., S. 202 ff. Sobernheim sah die Wirkungen eines Geständnisses von Rechtsbegriffsbehauptungen nämlich in erster Linie darin, dem Gegner die Substantiierung zu ersparen.
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
Geständnis von Rechtsbegriffen nur wirksam sein sollte, wenn von einer korrekten Verwendung der Rechtsbegriffe ausgegangen werden konnte. Im Hinblick auf den Gegenstand des Parteieids nach der CPO370 wurde teilweise ganz ausdrücklich dargelegt, dass die Gleichstellung juristisch eingekleideter und reiner Tatsachenbehauptungen vom Begriffsverständnis der konkret verhandelnden Parteien abhänge.371 Die entsprechenden Autoren wandten sich dabei ausdrücklich gegen die (vermeintliche) Ansicht der Rspr. und Lehre, nach der es ausschließlich darauf ankomme, ob die verwendeten Rechtsbegriffe allgemein bekannt372, gemeinverständlich373 oder „landläufig“374 seien. Nach Staub375 sei das Kriterium der „Gemeinverständlichkeit“ einerseits nicht ausreichend, um eine angemessene Begrenzung des Gegenstands des Parteieides zu gewährleisten. Denn auch im Falle der Verwendung angeblich gemeinverständlicher Begriffe könnten die Parteien den Begriffen verschiedene Bedeutungen beimessen. Andererseits sei die Gemeinverständlichkeit eines Begriffs nicht erforderlich, weil es nur darauf ankommen könne, dass „die im Prozesse mitwirkenden Personen, Parteien und Richter, die Bedeutung des Begriffs erfassen“. Auch Kleinfeller376 wies darauf hin, dass „der Umstand, dass ein Rechtsbegriff im täglichen Leben von dem Laien richtig angewendet zu werden pflegt, […] nicht die unrichtige Anwendung im einzelnen Falle“ ausschließe. Jeder „allgemeine Satz, der die Zulässigkeit der Anwendung von Rechtsbegriffen bei der Feststellung des Eidessatzes näher bestimmen will, [müsse] vermieden werden“.377 Die Eideszuschiebung über juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen sei daher nur zulässig, wenn der Richter aufgrund des Sachvortrags der Parteien die Überzeugung 370
Zum Parteieid nach der CPO siehe oben 1. a) bb) (1). insbesondere von Staub, JW 1886, 131, 136; Stein, Privates Wissen, S. 13 f. (Fn. 45), 60 f.; Kleinfeller, Die geschichtliche Entwicklung des Thatsacheneides, S. 267 ff.; Schmidt, Der richterliche Eid, S. 6 ff.; Weismann, ZZP 18, 279, 286 („Mit vollstem Rechte nimmt die Praxis denn auch Rechtsbegriffe und Urtheile in den Eidessatz auf, wenn nur die nöthige Einsicht bei dem Schwurpflichtigen vorausgesetzt werden darf.“); im Ergebnis wohl auch Planck, Lehrbuch des Deutschen Civilprozessrechts, § 125 IV. 1. Siehe dazu, dass die diesbezüglichen Ausführungen auch für die vorliegende Frage fruchtbar gemacht werden können, oben 1. a) bb) (1). 372 Stein, Privates Wissen, S. 13 f. (Fn. 45) unter ausdrücklicher Bezugnahme auf RG, Urt. v. 3. 12. 1891 – VI 209/91 = Gruchots Beiträge 37, 387, 389. 373 Staub, JW 1886, 131, 136. 374 Kleinfeller, Die geschichtliche Entwicklung des Thatsacheneides, S. 267 ff. 375 JW 1886, S. 136. 376 Die geschichtliche Entwicklung des Thatsacheneides, S. 268. 377 A. a. O., S. 270. So im Ergebnis auch Schuppe, Gruchots Beiträge 30, 233, 238 („Schwierig im Einzelfalle und durch keine Theorie zu entscheiden ist die Frage, welche rechtlichen Begriffe einer bestimmten Partei so vertraut sind, daß sie unbedenklich über dieselben zum Eide zugelassen werden kann […].“). 371 So
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gewonnen habe, dass die Parteien den Rechtsbegriff richtig aufgefasst und seiner rechtlichen Bedeutung entsprechend zur Tatsachenumschreibung angewendet haben.378 Schmidt kritisierte dies als zu weit gehend.379 Denn diese Forderung lasse sich praktisch nicht durchführen. Der Richter würde sich überdies „bei der Partei lächerlich machen, wenn er mit ihr ein Examen über Dinge veranstalten wollte, die jedem Kinde bekannt sind.“ Das gelte bei Rechtsbegriffen wie dem des „Kauf “ ebenso wie bei alltäglichen Begriffen wie „Haus“ oder „Baum“. Der Richter könne vielmehr davon ausgehen, dass einer Partei „als einem vernünftigen Menschen der allgemein verständliche Rechtsbegriff ebenfalls bekannt“ sei. Er müsse folglich nur dann aufklären, ob dieses Verständnis gegeben ist, „wenn die Verhandlung im einzelnen Fall Zweifel darüber aufkommen läßt.“380 Ob sich diese Ansicht wirklich von der Ansicht Kleinfellers unterscheidet, erscheint zweifelhaft. Kleinfellers Ausführungen ist nämlich nicht zu entnehmen, dass der Richter in jedem Falle ausführlich prüfen müsse, ob die Parteien die Rechtsbegriffe richtig verstehen und verwenden. Die nach Kleinfeller notwendige Überzeugung des Richters vom Begriffsverständnis der Parteien könnte sich schließlich auch schlicht daraus ergeben, dass es sich um einen Rechtsbegriff handelt, der grundsätzlich auch rechtlichen Laien bekannt ist, und die Umstände des Einzelfalls keinerlei Anlass dazu bieten, am Begriffsverständnis der konkret verhandelnden Parteien zu zweifeln. Konsequent ist jedenfalls Schmidts Folgerung, dass es auch im Falle „schwieriger“ Rechtsbegriffe in erster Linie darauf ankomme, ob den Parteien „die zur Beurteilung notwendigen Rechtskenntnisse zuzutrauen“ seien. Und dass „der Eid über die Rechtsbehauptung für zulässig zu erachten“ sei, wenn dies der Fall ist.381 Die von den Autoren (auch) an der Rspr. des Reichsgerichts geübte Kritik erscheint aber zumindest aus heutiger Sicht verfehlt. Denn die oben382 dargestellten Entscheidungen zeigen, dass auch das Reichsgericht die Gemeinverständlichkeit von Rechtsbegriffen nicht abstrakt, losgelöst vom konkreten Fall beurteilte, sondern im Hinblick auf die konkret verhandelnden Parteien und die sonstigen Umstände des Einzelfalls. Auch nach dem Reichsgericht war damit entscheidend, ob von einer korrekten Verwendung der Rechtsbegriffe im konkreten Fall ausgegangen werden kann.383 Den Autoren 378 Die geschichtliche Entwicklung des Thatsacheneides, S. 268; so im Ergebnis auch Stein, Privates Wissen, S. 61 (Fn. 37). 379 Schmidt, Der richterliche Eid, S. 14 f. 380 A. a. O., S. 14. 381 A. a. O., S. 20. 382 Unter Ziffer 1. a) bb) (2). 383 Die Kritik Staubs erklärt sich in erster Linie dadurch, dass dessen Beitrag aus dem Jahr 1886 stammt. Damals war (wohl) noch nicht wirklich ersichtlich, ob das Reichsgericht die Gemeinverständlichkeit von Rechtsbegriffen abstrakt oder für jeden Fall gesondert beurteilen will. Kleinfeller hingegen weist selbst darauf hin, dass einige Entscheidungen des Reichsgerichts seiner Ansicht sehr nahe kämen (S. 301 mit Hinweis auf RG, Urt. v.
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
ist aber zuzugeben, dass das Reichsgericht – so wie heute der Bundesgerichtshof – gut daran getan hätte, dies stets ausdrücklich darzulegen. Denn das Abstellen auf die allgemeine Bekanntheit, die Gemeinverständlichkeit oder die Geläufigkeit der Rechtsbegriffe für jeden Teilnehmer am Rechtsverkehr vermittelt den Eindruck, dass Rechtsbegriffe diesen Kategorien abstrakt zugeordnet werden könnten und müssten.384 Der Vollständigkeit halber sei noch darauf hingewiesen, dass nach den genannten Autoren noch weitere Voraussetzungen – neben der Urteilsfähigkeit der Parteien – vorliegen mussten, um juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen reinen Tatsachenbehauptungen gleichstellen zu können. So konnten Rechtsbegriffe nach Ansicht Staubs385 nur dann tauglicher Gegenstand eines Parteieides sein, wenn es den Parteien nicht möglich war, die Rechtsbegriffe noch weiter in ihre „logischen Elemente“ zu zergliedern. Unter „logischen Elementen“ sind dabei grundsätzlich die Tatsachen zu verstehen, welche den Rechtsbegriffen zugrunde liegen. Soweit den Parteien eine solche Zerlegung, also die Darlegung von Einzeltatsachen, möglich ist, müsse sie erfolgen. Darauf habe das Gericht durch Gebrauch seines Fragerechts hinzuwirken. In die Eidesformel wären dann anstelle der Rechtsbegriffsbehauptung die streitigen Elemente der zergliederten Sachverhaltsdarstellung aufzunehmen. Im Ergebnis waren Rechtsbegriffe nach Ansicht Staubs mithin nur dann zulässiger Gegenstand eines Parteieides, wenn sich die Parteien nicht an die konkreten Vorgänge erinnerten, welche sie mit dem Rechtsbegriff beschrieben hatten. In allen anderen Fällen hätten die Parteien den Sachverhalt nämlich entsprechend detailliert schildern können und müssen. Stein386 und Schmidt387 wandten sich ausdrücklich gegen diese Ansicht Staubs. Nach Stein müsse der Richter bei der „Analyse“ vielmehr nur soweit gehen, „bis er sicher ist, dass der Obersatz unzweifelhaft und verstanden ist“.388 Sei der Richter sicher, dass die Parteien die verwendeten Rechtsbegriffe verstehen, müssten die den Rechtsbegriffen zugrundeliegenden Tatsachen also nicht angegeben werden, auch wenn dies möglich wäre. Der rechtliche Obersatz müsse aber in jedem Fall „unzweifelhaft“ sein. „Unzweifelhaft“ sei der Obersatz dabei, wenn er „außer Streit“ stehe.389 Die Eideszuschiebung über eine juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung wäre danach ausgeschlossen gewesen, wenn die Parteien (auch) darüber gestritten hätten, ob sich der Sachverhalt mit dem verwendeten Rechts26. 10. 1881 – I 589/81 – juris = RGZ 7, 1 – 8 und RG, Urt. v. 9. 7. 1887 – V 120/87 = Seufferts Archiv, Band 43 Nr. 69). 384 Zur diesbezüglichen Kritik an der Rspr. siehe schon oben A. III. 2. b) aa). 385 A. a. O., S. 134 ff. 386 Privates Wissen, S. 61 (Fn. 37). 387 Der richterliche Eid, S. 10 ff. 388 Stein, Privates Wissen, S. 61 (Fn. 37). 389 A. a. O. i. V. m. S. 13 f. (Fn. 45).
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begriff bezeichnen lässt.390 Diese Beschränkung ist bzgl. des gerichtlichen Geständnisses nach § 288 ZPO aber nicht relevant. Streiten die Parteien darüber, mit welchem Rechtsbegriff sich der Sachverhalt zusammenfassen lässt, kann nämlich kein Geständnis der Rechtsbegriffsbehauptung der Gegenseite vorliegen. (2) Jüngere Literatur Auch in der jüngeren Literatur ist es die vorherrschende Ansicht, dass juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen nach § 288 ZPO zugestanden werden können, wenn von einer juristisch korrekten Verwendung der Rechtsbegriffe durch die Parteien auszugehen ist. Teilweise wird dies ausdrücklich dargelegt, teilweise können und müssen die Ausführungen in diesem Sinne interpretiert werden. Letzteres gilt zunächst für diejenigen Ausführungen, welche sich hauptsächlich in der Darstellung der Rspr. erschöpfen. So wird die Geständnisfähigkeit juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen bspw. schlicht davon abhängig gemacht, ob die vorgetragenen Rechtsbegriffe einfach391 und/oder jedem Teilnehmer des Rechtsverkehrs geläufig bzw. allgemein bekannt sind392. Als Beleg werden dabei die bzw. einige der oben dargestellten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zitiert. Die fast wörtliche und kritiklose Übernahme der Formulierungen der Rechtsprechung i. V. m. dem Verweis auf deren Entscheidungen zeigen, dass die entsprechenden Autoren die Ansicht der Rspr. teilen, wonach es auf die Annahme der korrekten Verwendung der Begriffe zur Tatsachenumschreibung ankomme. Angesichts einiger der als „einfach und allgemein bekannt“ qualifizierten Rechtsbegriffe („Kommanditist“, „Sanierungsabsicht“) kann dabei auch kein Zweifel bestehen, dass die Rspr. das Vorliegen dieser Voraussetzungen anhand der Umstände des Einzelfalls und der konkret verhandelnden Parteien bestimmt. Und dass nach der Rspr. folglich auch Rechtsbegriffe zugestanden werden können, deren Bedeutungen juristischen Laien üblicherweise nicht bekannt sind. 390 So auch Kleinfeller, Die geschichtliche Entwicklung des Thatsacheneides, S. 269; im Ergebnis auch Goldschmidt, Zivilprozessrecht, § 49 Nr. 3. Eingehend zu den verschiedenen Konstellationen des Streits über die Ober- und Untersätze siehe Schmidt, Der richterliche Eid, S. 15 ff. 391 So z. B. Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess, Kap. 2 Rn. 7; Blomeyer, Zivilprozeßrecht, § 68 I. 2. 392 Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, § 288 Rn. 1; Saenger/Saenger, ZPO, § 288 Rn. 6; BeckOK ZPO/Bacher, § 288 Rn. 4; Jauernig/Hess, Zivilprozessrecht, § 44 I. Rn. 4 ff.; in diesem Sinne auch Baumgärtel/Laumen, Handbuch der Beweislast, Grundlagen, Kap. 3 Rn. 3 („einfache und allgemeine (Rechts-) Begriffe des täglichen Lebens“); Prütting/Gehrlein/Laumen, ZPO, § 288 Rn. 3 („allgemeine (Rechts-)Begriffe des täglichen Lebens“); Musielak/Voit/Huber, ZPO, § 288 Rn. 4 („Ein Geständnis kann juristisch eingekleidete Tatsachen betreffen, die den Parteien als Rechtsbegriffe oder Rechtsverhältnisse bekannt sind […]“); Schellhammer, Zivilprozess, Rn. 302 („Das Geständnis beschränkt sich auf Tatsachen und gängige Rechtsbegriffe […].“).
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
Gegen Letzteres spricht sich allerdings Hartmann393 aus. Nach ihm lasse sich die Grenze zwischen Tatsachenvortrag und juristischen Urteilen zwar „mit Rücksicht auf den Bildungsgrad und die Begabung der Mittelsperson und die Einfachheit und Geläufigkeit des Begriffs […] nur von Fall zu Fall ziehen“.394 (Auch) Behauptungen einfacher Rechtsbegriffe sind mithin (auch) nach Hartmann nur dann geständnisfähig, wenn von einer korrekten Verwendung der Begriffe durch die Parteien auszugehen ist. Nach Auffassung Hartmanns könne sich ein Geständnis aber – offenbar unabhängig vom Bildungsgrad und der Begabung der Mittelsperson – nicht „auf einen schwierigen Rechtsbegriff erstrecken“, sondern nur „auf einen ganz geläufigen einfachen Rechtsbegriff “. 395 Mitunter sind die Ausführungen zur Geständnisfähigkeit juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen auch noch kürzer gehalten. So wird die Geständnisfähigkeit teilweise schlicht bejaht, ohne konkrete Voraussetzungen zu nennen.396 Dass die Geständnisfähigkeit aber auch hier von der Annahme einer korrekten Verwendung der Rechtsbegriffe abhängig gemacht wird, ergibt sich daraus, dass als Beleg die Entscheidungen der Rspr. und/oder die Literaturstimmen (kritiklos) zitiert werden, denen sich diese Ansicht entnehmen lässt. Schließlich wird von manchen Autoren ausdrücklich dargelegt, dass die entscheidende Voraussetzung der Geständnisfähigkeit juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen sei, dass von einer korrekten Verwendung der Rechtsbegriffe ausgegangen werden kann. So wird die Geständnisfähigkeit bspw. bejaht, „wenn die richtige Subsumtion der Tatsachen unstreitig oder durch das Verständnis des Zugestehenden gewährleistet“ ist397 oder „wenn solche Beurteilungen 393 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 73. Auflage, § 288 Rn. 3 i. V. m. Einf § 284 Rn. 21; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 288 Rn. 3, 3a i. V. m. Einf § 284 Rn. 21. 394 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 288 Rn. 3 i. V. m. Einf § 284 Rn. 21. 395 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 73. Auflage, § 288 Rn. 3 (u. a. mit den Beispielen „Gesellschaftereigenschaft“, „Bürgschaft“, „Abnahme“, „Rechtsnachfolge“ – jeweils mit Verweis auf entsprechende Urteile). In der 75. Auflage finden sich die zitierten Ausführungen nicht mehr. Die Ausführungen unter Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann, ZPO, § 288 Rn. 3a – „Gesellschafter“, „Juristische Tatsache“, „Rechtsfolge“, „Rechtsnachfolge“ und „Schenkung“ sprechen aber dafür, dass sich die Ansicht Hartmanns nicht geändert hat. 396 MüKoZPO/Prütting, ZPO, § 288 Rn. 17 („Auch juristische Tatsachen können solche iSd. § 288 sein. Juristische Tatsachen liegen beispielsweise dann vor, wenn Tatsachenbehauptungen mit juristischen Begriffen eingekleidet werden.“); Musielak/Voit, Grundkurs ZPO, Rn. 740 („Allerdings können auch Tatsachen Gegenstand eines Geständnisses sein, die juristisch eingekleidet werden, wie zB dass ein Vertrag im eigenen Namen geschlossen wurde.“); Zimmermann, ZPO, § 288 Rn. 3 („Gegenstand eines Geständnisses können auch juristisch eingekleidete Tatsachen sein […].“). 397 Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 288 Rn. 6. Im Ergebnis auch Grunsky/Jacoby, ZPO, Rn. 416 f. („Auch Rechtsbegriffe wie Eigentum, Kauf, Miete können Gegenstand eines
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einer eindeutigen und unzweifelhaften Subsumtion zu entnehmen sind“398. Dies könne insbesondere bei „einfachen Rechtsbegriffen“399 bzw. bei Rechtsbegriffen des täglichen Lebens „wie Kauf, Schenkung, Miete, Darlehen“400 angenommen werden oder bei solchen Rechtsbegriffen, „die dem Aussagenden aufgrund seiner Lebensstellung bekannt und geläufig sind“401. Eine (wohl) nur vermeintlich abweichende Meinung vertritt Greger402. Seiner Ansicht nach können „Rechtsbegriffe“ nicht gem. § 288 Abs. 1 ZPO zugestanden werden, weil Rechtsbegriffsbehauptungen neben den geständnisfähigen Tatbestandselementen eine rechtliche Beurteilung enthielten, die „auch bei scheinbar einfachen Begriffen von Rechtirrtum beeinflusst sein“ könne403 und deshalb dem Gericht vorbehalten bleiben müsse.404 „Richtigerw[eise] ist in solchen Fällen entweder von einem Geständnis der den Rechtsbegriff begründenden Tatsachen […] oder von einem bloßen Nichtbestreiten […] auszugehen (Auslegungsfrage)“. Greger wendet sich dabei ausdrücklich gegen Rspr. und h. L. und wird dementsprechend auch von Teilen der Literatur als von der h. M. abweichend angeführt405. Beides scheint aber (zumindest teilweise) auf einem Missverständnis zu beruhen. Soweit Greger darlegt, dass „in solchen Fällen […] von einem Geständnis der den Rechtsbegriff begründenden Tatsachen“ auszugehen sei, entspricht seine Ansicht nämlich derjenigen der h. M. Denn auch nach der Rechtsprechung beziehen sich Geständnisse juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen auf die den vorgetragenen Rechtsbegriffen zugrundeliegenden Tatsachen.406 Rechtliche Beurteilungen sind auch nach der Rspr. grundsätzlich nicht geständnisfähig. Das Gleiche gilt für die überwiegende Literatur.407 Das ergibt sich jeweils auch daraus, dass weder Rspr. noch h. L. ein gerichtliches Geständnis annehmen, wenn Geständnisses sein. Selbst schwierigere präjudizielle Rechtsverhältnisse, wenn sich der Zugestehende ihrer Bedeutung bewusst ist […].“). 398 Rosenberg/Schwab, Zivilprozessrecht, § 117 I. 1. a); Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 112 I. 1. (jeweils mit der Bezeichnung „juristisch gefärbte Tatsachen“). 399 Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 288 Rn. 6. 400 Rosenberg/Schwab, Zivilprozessrecht, § 117 I. 1. a); Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 112 I. 1. 401 Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 284 Rn. 14 mit der Bezeichnung „juristisch gefärbte Einkleidung einer Tatsachenbehauptung“. 402 Zöller/Greger, ZPO, § 288 Rn. 1a. 403 Siehe dazu auch Gsell, jurisPR-BGHZivilR 49/2005 Anm. 4. 404 Zöller/Greger, ZPO, § 288 Rn. 1a; so auch OLG Frankfurt, Urt. v. 29. 2. 2012 – 19 U 92/11 – Rn. 46, zitiert nach juris (mit Zitierung Gregers). 405 So z. B. von Saenger/Saenger, ZPO, § 288 Rn. 6. Anders bspw. MüKoZPO/Prütting, ZPO, § 288 Rn. 17. 406 Siehe dazu oben 1. c). 407 Siehe dazu sogleich unter lit. c).
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der übrige Sachvortrag der Parteien im Widerspruch zu der „zugestandenen“ juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptung steht. Gregers Ansicht unterscheidet sich also nur insofern von derjenigen der h. M., als dass ein „Zugestehen“ juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen nach ihm nicht stets als gerichtliches Geständnis nach § 288 ZPO, sondern unter Umständen nur als schlichtes Nichtbestreiten nach § 138 Abs. 3 ZPO zu werten sei. Soweit Greger ein gerichtliches Geständnis der die Rechtsbegriffe begründenden Tatsachen annimmt, scheint auch er die korrekte Verwendung der Rechtsbegriffe als entscheidende Voraussetzung anzusehen. Denn Greger „verneint“ die Geständnisfähigkeit von Rechtsbegriffen gerade mit dem Hinweis auf die Möglichkeit von Rechtsirrtümern. Nachdem aber auch ein Geständnis der die Rechtsbegriffe begründenden Tatsachen dazu führt, dass das Gericht die mit dem vorgetragenen Rechtsbegriff bezeichnete Rechtsfolge annehmen muss – etwaige Rechtsirrtümer sich mithin in gleichem Maß auswirken – kann Greger ein solches Geständnis nur bejahen, wenn von einer korrekten Verwendung der Rechtsbegriffe auszugehen ist. (3) Fazit Die Geständnisfähigkeit juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen hängt nach den dargestellten Literaturstimmen von der Annahme einer korrekten Verwendung der vorgetragenen Rechtsbegriffe durch die Parteien ab. Auch wenn dies nicht stets ausdrücklich dargelegt wird, kann es sämtlichen Ausführungen (zumindest mittelbar) entnommen werden. Nach der h. L. liege damit kein gerichtliches Geständnis vor, wenn unklar ist, ob die Parteien den vorgetragenen Rechtsbegriff juristisch korrekt verwenden. Das gelte auch, wenn die Bedeutung des vorgetragenen Rechtsbegriffs rechtlichen Laien üblicherweise bekannt ist. Unterschiedliche Auffassungen bestehen lediglich hinsichtlich der Frage, ob Behauptungen von Rechtsbegriffen, die stets tiefergehende Rechtskenntnisse erfordern, nach § 288 ZPO zugestanden werden können. bb) Bestimmung der Anwendbarkeit nach anderen Kriterien (1) Bethmann-Hollweg und Wittmaack Bethmann-Hollweg408 vertrat schon zum Zivilprozess des gemeinen Rechts die Ansicht, dass „rechtliche Thatsachen, über welche nicht ohne Anwendung juristischer Kenntnisse und juristischer Schlüsse, etwas ausgesagt werden kann“ Gegenstände eines gerichtlichen Geständnisses sein können.409 Denn die Angabe 408
Versuche über einzelne Theile der Theorie des Civilprozesses. Bethmann-Hollweg nennt dabei das Bestehen des Eigentums oder einer Forderung als Beispiele (Versuche über einzelne Theile der Theorie des Civilprozesses, S. 305). 409
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der den Rechtsbegriffen zugrundeliegenden Tatsachen werde nur verlangt, um das Beweisthema möglichst genau zu bestimmen. Nachdem das von der Gegenseite Zugestandene keines Beweises bedarf, sei die Angabe näherer Einzelheiten im Falle des gerichtlichen Geständnisses nicht notwendig.410 Insoweit unterscheidet sich die Ansicht Bethmann-Hollwegs noch nicht grundlegend von der heute herrschenden Ansicht. Seine weiteren Ausführungen411 lassen jedoch erkennen, dass es seiner Ansicht nach unerheblich war, ob das Gericht von einer korrekten Verwendung der Rechtsbegriffe durch die Parteien ausgehen konnte. Er weist nämlich darauf hin, dass das Gericht im gemeinen Prozess nicht der Vormund der Parteien sei und dass es die Parteien dementsprechend auch nicht durch eine Aufforderung zur Substantiierung vor Irrtümern schützen müsse. Auch wenn die Parteien ihre Interessen nicht gehörig wahrnehmen, könne der Richter ihre Geständnisse folglich verwerten. „Denn von seiner eignen Ueberzeugung ist hierbei gar nicht die Rede.“412 Nach Ansicht Bethmann-Hollwegs sei es Aufgabe der Parteien, nur solche Begriffe vorzutragen und zuzugestehen, die sie auch verstehen. Eine ähnliche Ansicht vertrat Wittmaack413. Auch seiner Meinung nach konnten Rechtsbegriffe Gegenstand eines gerichtlichen Geständnisses sein. Dabei sprach er sich ausdrücklich gegen eine Beschränkung auf einfache und allgemein bekannte Rechtbegriffe aus.414 Das Geständnis sollte allerdings keine Wirksamkeit entfalten, wenn dieses nicht mit dem (übrigen) Tatsachenvortrag vereinbar war.415 Dies könnte in dem Sinne interpretiert werden, dass ein Geständnis von Rechtsbegriffen nach Wittmaack nur wirksam sein sollte, wenn von einer korrekten Verwendung der Rechtsbegriffe ausgegangen werden konnte. Nach Wittmaack habe das Gericht jedoch, „wenn ein Rechtsverhältnis zugestanden wird, nicht zu untersuchen, ob dem Geständnis etwa ein Irrtum in jure oder in judicando zu Grunde liege […] Aber etwas anderes ist es, wenn ohne weiteres zufällig hervortritt, daß die Erklärung auf einem Zugeständnis von Rechtssätzen oder auf einem unrichtigen Urteil beruhen muss“.416 Die Annahme der Korrektheit des Begriffsgebrauchs besitzt mithin auch nach Wittmaack nicht den entscheidenden Stellenwert. Denn das Gericht müsse in keiner Weise prüfen, ob die Rechtsbegriffe korrekt verstanden und verwendet wurden.
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A. a. O., S. 304 ff. A. a. O., S. 306. 412 A. a. O. 413 AcP 88, 1, 62 ff. 414 Wittmaack, AcP 88, 1, 63 ff. 415 A. a. O., 69 ff. Nach Wittmaack bestand die Wirkung eines Geständnisses von Rechtsbegriffsbehauptungen nämlich in erster Linie darin, dem Gegner die Substantiierung zu ersparen. 416 A. a. O., 69 f. 411
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
Die Geständnisfähigkeit juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen resultierte nach Ansicht Bethmann-Hollwegs und Wittmaacks also in erster Linie daraus, dass es im Falle übereinstimmenden Parteivortrags nicht die Aufgabe des Gerichts sei, diesen auf seine Richtigkeit zu überprüfen. (2) Als mögliche Folge der Geständnisfähigkeit rechtlicher Beurteilungen Teile der Literatur vertreten schon lange die Auffassung, dass die Parteien (zumindest in gewissem Umfang) über die rechtlichen Urteilsgrundlagen disponieren können. Die Parteien sollen das Gericht also unter bestimmten Voraussetzungen an ihre Rechtsauffassungen binden können. Häufig wird dabei eine (analoge) Anwendung der §§ 288 ff. ZPO befürwortet. Die Befolgung dieser Ansicht kann dazu führen, dass juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen in erweitertem Umfang als geständnisfähig betrachtet werden.417 Parteilichen Rechtsbegriffsbehauptungen ist nämlich nicht stets zu entnehmen, ob die Parteien Tatsachen umschreiben oder Rechtsansichten mitteilen wollen.418 Manche Autoren419 sprechen sich für eine weitgehende Bindung des Gerichts an übereinstimmende Rechtsauffassungen der Parteien aus.420 Würthwein421 begründet dies mit der tatsächlichen Freiheit der Parteien, über ihre Rechte zu disponieren. Mit „tatsächlicher“ Freiheit sei dabei die Freiheit der Parteien gemeint, darüber zu entscheiden, ob sie ihre Rechte überhaupt durchsetzen wollen.422 So werde niemand gezwungen, seine Ansprüche einzuklagen und niemand werde gehindert, nicht bestehende Schulden zu erfüllen. Den Parteien stehe daher ein „rein faktisches Verfügungsrecht über ihre Rechte“ zu.423 Können die Parteien dementsprechend darüber entscheiden, ob sie ihre Rechte überhaupt durchsetzen wollen, müssten sie auch darüber entscheiden können, wie sie diese durchsetzen wollen.424 Dafür spreche auch der Zweck des Zivilprozesses, nämlich die „Lösung und wahre Befriedung des zwischen ihnen [den Parteien] bestehenden Konflikts“.425 Eine Selbsthilfe der Parteien könne nämlich nur ersetzt werden, wenn das Gericht die wirklichen Streitpunkte der Parteien übernehme. Dementspre417
Ausführlich dazu siehe oben 1. a) bb) (4). Näher dazu siehe a. a. O. und im 1. Kapitel E. III. 1. 419 So z. B. Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, § 3 II. 3.; Wolf, Das Anerkenntnis im Prozeßrecht, S. 61 ff.; Würthwein, Umfang und Grenzen des Parteieinflusses, S. 61 ff.; Schlosser, Einverständliches Parteihandeln, S. 33 f. 420 Anders die h. L. Siehe dazu sogleich. 421 Umfang und Grenzen des Parteieinflusses, S. 103 ff. 422 A. a. O., S. 103. 423 A. a. O. 424 A. a. O., S. 104. 425 A. a. O., S. 105. 418
C. Anwendung der §§ 288 ff. ZPO
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chend habe sich das Gericht auch in Rechtsfragen auf das zwischen den Parteien Streitige zu beschränken. Andernfalls würden die Parteien in den streitigen Fällen praktisch zur Lüge gezwungen. Denn sie müssten den Sachverhalt so darstellen, dass das Gericht von sich aus die rechtlichen Schlussfolgerungen zieht, die sie zur Urteilsgrundlage machen wollen.426 Ähnlich argumentiert Grunsky427. Auch er folgert aus der Freiheit der Parteien, ihre Rechte nicht geltend zu machen und/oder Tatsachen nicht vorzutragen, aus denen sich Rechte ergeben würden, die Freiheit, auf Rechtsfolgen zu verzichten, die sich aus vorgetragenen Tatsachen ergeben.428 Die Grenze liege dort, „wo das streitige Recht nicht der materiell-rechtlichen Verfügungsgewalt der Parteien unterliegt“.429 Diese Grenze zieht auch Schlosser430. Soweit es sich um disponibles Recht handelt, sei es aber sowohl praktisch unnütz als auch überflüssig, die Parteien „auf den Weg einer materiellrechtlichen Vereinbarung zu verweisen“, wenn sie bereit sind, auf die Anwendung ihnen „günstigen disponiblen Rechts im Prozeß zu verzichten“.431 Würthwein hingegen hält parteiliche Dispositionen über Rechtsfragen auch im Bereich des zwingenden Rechts für grundsätzlich zulässig.432 Die Parteien können sich nach ihm auch über die Anwendung zwingender Rechtsnormen hinwegsetzen, soweit diese lediglich ihrem eigenen Schutz dienen, das Gericht nicht zu einer Prüfung von Amts wegen verpflichtet ist und ein Rechtsschutzbedürfnis für das entsprechende Handeln der Parteien anzuerkennen ist.433 Die wohl h. L. hält Kundgaben rechtlicher Beurteilungen zumindest, aber auch nur dann, für geständnisfähig, wenn diese sich auf das Bestehen präjudizieller Rechtsverhältnisse i. S. d. § 256 Abs. 2 ZPO beziehen.434 Grundsätzlich könnten 426
A. a. O., S. 129 f. Grundlagen des Verfahrensrechts, § 3 II. 3. 428 A. a. O. 429 A. a. O. So auch Wolf, Das Anerkenntnis im Prozeßrecht, S. 63. 430 Einverständliches Parteihandeln, S. 34 (wobei Baur, in: FS Bötticher, S. 3 darauf hinweist, dass es sich bei den von Schlosser in dessen Beispielen genannten Rechtsvorschriften gerade nicht um disponibles Recht handelt). Zustimmend zumindest soweit sich die Dispositionen auf das Bestehen präjudizieller Rechtsverhältnisse beziehen Baumgärtel, ZZP 87, 121, 135. 431 A. a. O. 432 Umfang und Grenzen des Parteieinflusses, S. 128 ff. 433 A. a. O., S. 141 ff. 434 So z. B. Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 288 Rn. 12; MüKoZPO/Prütting, ZPO, § 288 Rn. 17 f.; Saenger/Saenger, ZPO, § 288 Rn. 6; BeckOK ZPO/Bacher, § 288 Rn. 4; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, § 288 Rn. 1; Baur, in: FS Bötticher, S. 10; Rosenberg, Zivilprozessrecht, S. 549; Blomeyer, Zivilprozeßrecht, § 68 I. 2.; Hellwig, System I, S. 441; Goldschmidt, Zivilprozessrecht, § 34 Nr. 3; ders., Der Prozess als Rechtslage, S. 494 (Fn. 2600); Canstein, ZZP 1, 257, 276, 340; Kleinfeller, ZPO, § 87, S. 333 f. (Fn. 5); Zeiss/Schreiber, 427
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
die Parteien das Gericht zwar nicht an ihre Rechtsauffassungen binden und dem Gericht mithin nicht „die rechtlichen Grundlagen seiner Prüfung aufzwingen“435. Eine Ausnahme gelte allerdings für Dispositionen über das Bestehen präjudizieller Rechtsverhältnisse. Dies wird in erster Linie damit begründet, dass die Parteien das Bestehen solcher Rechtsverhältnisse auch zum Gegenstand einer (Zwischen-)Feststellungsklage machen könnten und das Bestehen der Rechtsverhältnisse damit der Parteidisposition durch Anerkenntnis und Verzicht unterliegen würde.436 Diese Überlegung scheint auch ausschlaggebend dafür gewesen zu sein, dass sich der Bundesgerichtshof im VU v. 16. 7. 2003 – XII ZR 100/00437 der genannten Ansicht angeschlossen hat.438 Im Unterschied zum Bundesgerichtshof legen manche Autoren ausdrücklich dar, dass auch das Bestehen „komplizierter“ präjudizieller Rechtsverhältnisse geständnisfähig sei.439 Wolf440 kritisiert dabei die Praxis der Rechtsprechung (des Reichsgerichts), auf die „Einfachheit“ der Rechtsbegriffe abzustellen. Es käme nämlich „nicht auf die Fähigkeit der Parteien an, die dem Richter vorbehaltene Subsumtionstätigkeit durchzuführen“. Entscheidend sei allein der „Anerkennungswille“ der Parteien.441 Dies erscheint insofern konsequent, als dass beim Anerkenntnis nach § 307 ZPO auch keine Beschränkungen im Hinblick auf die „Kompliziertheit“ der anerkannten Ansprüche ZPO, § 55 II. 2.; unklar Jauernig/Hess, Zivilprozessrecht, § 44 I. Rn. 4 f.; Bruns, ZPO, § 29 Nr. 156 a; a. A. Häsemeyer, ZZP 85, 207 (passim). 435 Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 288 Rn. 8 f. 436 So z. B. Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 288 Rn. 12; Baur, in: FS Bötticher, S. 5 (der auch auf die Möglichkeit eines Teilvergleichs hinweist); Lent, Gesetzeskonkurrenz, S. 79 f. (der in Wahrheits- und Aufklärungspflicht, S. 20 ff. dann allerdings die Auffassung vertritt, rechtliche Beurteilungen der Parteien seien für das Gericht niemals bindend); Wolf, Das Anerkenntnis im Prozeßrecht, S. 62 f. (der entsprechende Dispositionen als echte Anerkenntnisse nach § 307 ZPO versteht); Blomeyer, Zivilprozeßrecht, § 68 I. 2.; Saenger/ Saenger, ZPO, § 288 Rn. 6; BeckOK ZPO/Bacher, § 288 Rn. 4; Zeiss/Schreiber, ZPO, § 55 II. 2.; Arens, ZZP 83, 356, 360 f. Rosenberg, Zivilprozessrecht, S. 545 ff. hingegen begründete die Geständnisfähigkeit des Bestehens präjudizieller Rechtsverhältnisse schlicht damit, dass eine „Tatsache“ i. S. d. Beweis- und damit auch des Geständnisrechts alles sei, „was zum Tatbestande der anzuwendenden Rechtssätze“ gehöre und „den Untersatz des richterlichen Syllogismus bilde“. 437 – juris. Siehe dazu schon oben 1. a) bb) (4). 438 Dafür spricht zumindest, dass der Bundesgerichtshof die dargestellte Ansicht von Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 21. Auflage, § 288 Rn. 8 (= 22. Auflage, Rn. 12) wiedergibt (BGH, VU v. 16. 7. 2003 – XII ZR 100/00 – Rn. 18, zitiert nach juris). 439 Z. B. Zeiss/Schreiber, ZPO, § 55 II. 2.; Blomeyer, Zivilprozeßrecht, § 68 I. 2.; Wolf, Das Anerkenntnis im Prozeßrecht, S. 64 (Fn. 20), der die Geständnisfähigkeit rechtlicher Beurteilungen allerdings auch nicht auf das Bestehen präjudizieller Rechtsverhältnisse beschränkt. 440 Anerkenntnis, S. 64 (Fn. 20). 441 A. a. O. Daher könne bspw. auch anerkannt werden, dass „ein Verhalten den guten Sitten“ widerspreche.
C. Anwendung der §§ 288 ff. ZPO
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gelten. Die von Wolf kritisierte Praxis der Rspr. bezieht sich allerdings auf Geständnisse juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen, nicht auf Dispositionen der Parteien unmittelbar über Rechtsfragen. Ob bzw. inwieweit die Rspr. die in jüngerer Zeit bejahte Geständnisfähigkeit rechtlicher Beurteilungen über das Bestehen präjudizieller Rechtsverhältnisse von der „Einfachheit“ der rechtlichen Beurteilungen abhängig macht, ist derzeit noch nicht abzusehen. Aus der von der h. L. gegebenen Begründung ergeben sich jedenfalls keine Einschränkungen der Geständnisfähigkeit. Die Befolgung der dargestellten Ansichten kann dazu führen, dass juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen in erweitertem Maß als geständnisfähig betrachtet werden. Diesbezüglich kann grundsätzlich auf die obigen Ausführungen zu den möglichen Konsequenzen der Änderung der Rspr.442 verwiesen werden. Auch in der Lit. finden sich nämlich kaum Ausführungen dazu, inwieweit das Gericht zu prüfen habe, ob die Rechtsbegriffsbehauptungen der Parteien und die darauf bezogenen Geständnisse der Tatsachenumschreibung dienen oder unmittelbar der Bezeichnung rechtlicher Beurteilungen. Vielmehr werden die beiden Möglichkeiten, „einfache“ Rechtsbegriffe als abgekürzte Tatsachenbehauptungen zuzugestehen und § 288 ZPO auf Geständnisse rechtlicher Beurteilungen über das Bestehen präjudizieller Rechtsverhältnisse anzuwenden, regelmäßig schlicht nacheinander dargestellt. Auf die Notwendigkeit einer Überprüfung durch den Richter, welche der beiden Möglichkeiten im konkreten Fall einschlägig sein könnte, wird nicht hingewiesen. Von der Nennung der Grundlagen einer solchen Überprüfung ganz zu schweigen. Etwas anderes gilt allerdings für Würthwein. Er weist darauf hin, dass „bei jedem Auftauchen von übereinstimmenden parteilichen Rechtserklärungen zunächst die Vorfrage zu stellen [sei], ob die Parteien selbst mit ihren Ausführungen überhaupt den Zweck verfolgen, die richterliche Überprüfung dieser Frage wirklich auszuschalten.“ 443 Der Richter könne dabei im Zweifel „mit Hilfe des Fragerechts des § 139 ZPO überprüfen, wie eine Rechtsaussage gemeint ist“.444 Dabei zielt Würthwein wohl nicht auf die Problematik des Ausuferns der Geständnisfähigkeit juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen ab.445 Fragen die Gerichte im Zweifel nach, wie eine Rechtsbegriffsbehauptung gemeint ist, besteht aber auch keine bzw. eine weitaus geringere Gefahr, dass juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen als Kundgaben rechtlicher Beurteilungen behandelt werden und mithin, dass § 288 ZPO angewendet wird, ohne dass der Korrektheit des Begriffsgebrauchs Beachtung geschenkt wird. Ausführungen wie diejenigen Würthweins stellen allerdings die 442
Oben 1. a) bb) (4). Umfang und Grenzen des Parteieinflusses, S. 63 f. 444 A. a. O., S. 64. 445 Siehe aber a. a. O., S. 125 ff. 443
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
Ausnahme dar.446 Die h. L. läuft deshalb Gefahr, die von ihr befürwortete Beschränkung der Geständnisfähigkeit juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen zu konterkarieren. Vielleicht auch deshalb spricht sich Gottwald447 dafür aus, „präjudizielle Rechtsverhältnisse“ nur dann als geständnisfähig nach § 288 ZPO anzusehen, „wenn es sich dabei um einen Tatsachenkomplex in seiner juristischen Zusammenfassung handelt“.448 Entgegen der h. M. sei nämlich nicht an die „Möglichkeit der Zwischenfeststellungsklage mit sich daran anschließendem Anerkenntnis“, sondern „an die Überlegungen zu den Rechtsbegriffen des täglichen Lebens an [zuknüpfen]“.449 Dies muss in dem Sinn verstanden werden, dass auch Rechtsbegriffe, die präjudizielle Rechtsverhältnisse bezeichnen, nur dann geständnisfähig sein sollen, wenn von einer korrekten Verwendung der vorgetragenen Rechtsbegriffe ausgegangen werden kann.450 Die Geständnisfähigkeit der „Rechtsbegriffe des täglichen Lebens“ folgt nach Gottwald451 nämlich daraus, dass solche „[rechtlichen] Beurteilungen einer eindeutigen und unzweifelhaften Subsumtion zu entnehmen sind (juristisch gefärbte Tatsachen)“.452 Die Geständnisfähigkeit von Rechtsbegriffsbehauptungen setzt nach Gottwald also stets voraus, dass von einer korrekten Verwendung der Rechtsbegriffe durch die Parteien ausgegangen werden kann. Dies gelte auch dann, wenn die vorgetragenen Begriffe präjudizielle Rechtsverhältnisse i. S. d. § 256 Abs. 2 ZPO bezeichnen. 446 Eine Unterscheidung, die derjenigen zwischen juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen und Kundgaben rechtlicher Beurteilungen über das Bestehen präjudizieller Rechtsverhältnisse nahekommt, trifft auch Hegler, Beiträge zur Lehre vom prozessualen Anerkenntnis und Verzicht, S. 269 ff. 447 Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 112 I. 1.; so auch schon Rosenberg/Schwab, Zivilprozessrecht, § 117 I. 1. a); anders noch Rosenberg, Zivilprozessrecht, S. 549 (zur teilweisen Widersprüchlichkeit der Ausführungen Rosenbergs siehe Baur, in: FS Bötticher, S. 2 f.). 448 In diesem Sinne wohl auch MüKoZPO/Prütting, ZPO, § 288 Rn. 17 f., wenn auch im Ergebnis unklar (siehe dazu sogleich). Nach Musielak/Voit/Huber, ZPO, § 288 Rn. 4 sei dies sogar die allgemeine Meinung („allgM“). Das ist nach dem Gesagten aber gerade nicht der Fall. Dies erkennt auch Saenger/Saenger, ZPO, § 288 Rn. 6, der Gottwald dementsprechend als von seiner eigenen Ansicht abweichend bezeichnet. 449 Auch nach MüKoZPO/Prütting, ZPO, § 288 Rn. 18 sei es unnötig, auf die Möglichkeit einer Zwischenfeststellungsklage mit anschließendem Anerkenntnis zu verweisen, weil sich die Möglichkeit eines Geständnisses bereits daraus ergebe, dass sich die präjudizielle Rechtsfolge als ein Tatsachenkomplex in seiner juristischen Zusammenfassung erfassen lasse. Letzteres ist aber nur richtig, wenn die behauptende Partei versteht, aus welchen Tatsachen sich die behauptete Rechtsfolge ergibt. Dieses Verständnis ist für Teile der Literatur gerade nicht Voraussetzung der Geständnisfähigkeit von Behauptungen präjudizieller Rechtsverhältnisse. Einige der Zitate Prüttings scheinen folglich unzutreffend. 450 So im Ergebnis auch Lent, Gesetzeskonkurrenz, S. 75 ff. 451 Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 112 I. 1. 452 A. a. O.
C. Anwendung der §§ 288 ff. ZPO
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(3) Künzl Eine ganz eigene Ansicht vertritt Künzl453. Grundsätzlich spricht sich Künzl gegen eine Dispositionsbefugnis der Parteien über Rechtsfragen aus.454 Die Parteien könnten das Gericht also nicht an ihre Rechtsauffassungen binden. Dies gelte allerdings nur bedingt für „einfache Rechtsfragen und Rechtstatsachen“. Diese sind von Künzls übriger Untersuchung ausdrücklich ausgeklammert und werden gesondert behandelt.455 Unter „einfachen Rechtsfragen und Rechtstatsachen“ versteht Künzl weit überwiegend solche Rechtsbegriffe, die von der h. M. als „einfach“ und „allgemein bekannt“ und damit als geständnisfähig nach § 288 ZPO betrachtet werden. Künzls Ausführungen zeigen zudem, dass er sich auf Behauptungen solcher Rechtsbegriffe (auch) zur Tatsachendarlegung bezieht456, seine Ausführungen mithin juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen im hier verstandenen Sinn betreffen. Hinsichtlich des Begriffs der „Rechtstatsachen“ legt Künzl zunächst dar, dass man diesen weitgehend „synonym für ‚einfache Rechtsbegriffe‘“ verwende.457 Der Begriff der „Rechtstatsachen“ erfährt im Laufe von Künzls Ausführungen allerdings einen Bedeutungswandel. Letztendlich sind „Rechtstatsachen“ nach Künzl „als Tatsachenbegriffe mit rechtlicher Komponente zu verstehen“.458 Zu den nach § 288 ZPO geständnisfähigen Rechtstatsachen zählt Künzl bspw. die Begriffe „Ehe“, „Erbe“, „Pflichtteilsberechtigter“, „Nachlassverwalter“, „Eigentum“, „Pfandrecht“, „Wasserbenutzungsrecht an einer gekauften Gerechtsame“ und „Halter [eines Kfz]“. Grundlage der Geständnisfähigkeit sei dabei nicht die Geläufigkeit oder allgemeine Bekanntheit der Begriffe. Künzl geht vielmehr davon aus, dass diese Begriffe neben ihrer rechtlichen Komponente auch eine tatsächliche Komponente besäßen. Mit dem Begriff „Eigentum“ bspw. werde eine tatsächliche Beziehung eines Menschen zu einer Sache bezeichnet. Eine rechtliche Bedeutung erfahre der Begriff erst durch seine Verwendung in einem juristischen Obersatz.459 Daher komme den Rechtstatsachen eine „Doppelrelevanz“ zu.460 Sie seien im Falle ihrer Verwendung durch die Parteien (ausschließlich) „Sammelbegriffe für tatsächliche Vorgänge oder Zustände“ und stellen sich
453
Dispositionsmöglichkeiten, S. 238 ff. Künzl, Dispositionsmöglichkeiten, S. 364. 455 A. a. O., S. 365 ff. 456 Siehe insbesondere a. a. O., S. 369 f. 457 A. a. O., S. 369. 458 A. a. O., S. 375; der Begriff „Rechtstatsachen“ wird daher im Folgenden, Künzl entsprechend, mit dieser Bedeutung gebraucht. 459 A. a. O., S. 374. 460 A. a. O., S. 375. 454
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
dabei als den Rechtsbegriffen synonyme soziale Begriffe dar.461 Im Falle ihrer Verwendung durch die Parteien würden Rechtstatsachen also Tatsachen i. S. d. Definition der Rechtsprechung bezeichnen – konkrete, nach Zeit und Raum bestimmte, der Vergangenheit oder Gegenwart angehörige Geschehnisse oder Zustände der Außenwelt und des menschlichen Seelenlebens.462 Daher stellen sich die Vorträge dieser Begriffe nach Künzl als reine Tatsachenbehauptungen dar und können dementsprechend nach § 288 Abs. 1 ZPO zugestanden werden. So erklärt sich auch der, in Anbetracht von Begriffen wie „Eigentum“, „Besitz“, „Ehe“ und „Pfandrecht“, zunächst seltsam anmutende letzte Satz von Künzls Zusammenfassung und Lösung463 „Negativ kann [zur Bestimmung, ob ein Begriff zu den geständnisfähigen Rechtstatsachen gehört] zudem danach abgegrenzt werden, dass der jeweilige Begriff keine juristische Wertung enthalten darf.“
Auf dieser Grundlage scheiden Rechtsbegriffe, die der Bezeichnung von Vertragstypen dienen, nach Künzl von den geständnisfähigen Rechtstatsachen aus. Während nämlich der Akt des Vertragsschlusses tatsächlicher Natur sei, beinhalte die rechtliche Qualifizierung des geschlossenen Vertrages lediglich eine rechtliche Wertung.464 Künzls Ansicht lässt sich damit wie folgt zusammenfassen: Rechtsbegriffe sind auch nach Künzl geständnisfähig, wenn von deren korrekter Verwendung durch die Parteien auszugehen ist. Dies beurteilt Künzl aber nicht nach dem Begriffsverständnis der Parteien und den Umständen des Einzelfalls. Vielmehr gäbe es bestimmte Rechtsbegriffe, deren alltäglicher und rechtlicher Bedeutungsgehalt sich komplett entsprechen. Obwohl diese Rechtsbegriffe von den Parteien stets mit ihrer alltäglichen Bedeutung verwendet würden, könne daher in jedem Fall auch von einer juristisch korrekten Verwendung der Rechtsbegriffe durch die Parteien ausgegangen werden. b) Ausnahmen § 288 ZPO findet nach Teilen der Literatur keine Anwendung, wenn die Parteien übereinstimmend einen Rechtsbegriff verwenden, der weitere Vortrag der darlegungsbelasteten Partei aber erkennen lässt, dass sie den Rechtsbegriff juristisch inkorrekt gebrauchen. Schneider465 hat diesbezüglich folgendes Beispiel entwickelt: 461
A. a. O. A. a. O., S. 376 f. 463 A. a. O., S. 383 f. 464 A. a. O., S. 382. 465 Die Klage im Zivilprozess, Rn. 2124. 462
C. Anwendung der §§ 288 ff. ZPO
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„Der Kläger trägt vor: Ich handele mit Motorbooten. Im Juni 2005 habe ich dem Beklagten schriftlich angeboten, ihm ein Motorboot preisgünstig zu verkaufen. In dem Schreiben heißt es ausdrücklich: ‚Als Kaufmann darf ich erwarten, dass Sie sich bis zum 10. Juli 2005 zu meinem Angebot äußern. Ihr Schweigen werde ich als Annahme auffassen und das Motorboot zur Fracht geben.‘ Der Beklagte hat darauf nicht geantwortet. Deshalb habe ich am 15. Juli das Boot an B versandt. Es ist am 18. Juli bei ihm angekommen. Er schuldet mir den Kaufpreis von 70 000 Euro. […] [Der Beklagte] B erklärt bei seiner mündlichen Anhörung [in der mündlichen Verhandlung]: ‚Ich wollte das Boot gar nicht kaufen, kann aber das Vorbringen des Klägers nicht bestreiten. Die Ablehnungsfrist habe ich tatsächlich versäumt. Aber zahlen werde ich erst, wenn ein Transportschaden behoben ist.‘“
Nach Schneider466 habe B die Behauptung des „Kaufs“ des Motorboots nicht zugestanden. Der Vortrag des Klägers zeige nämlich eindeutig, dass kein Kaufvertrag zustande gekommen ist und mithin, dass die Parteien den Begriff des „Kaufs“ missverstanden hätten. Dies müsse der Richter beachten und dürfe den Kaufabschluss folglich nicht als unstreitig behandeln.467 Nach Schneider seien im Falle eines solchen Widerspruchs zwischen dem übereinstimmend vorgetragenen Rechtsbegriff und den dargelegten Tatsachen nur letztere beachtlich.468 Nach Zimmermann469 seien die Rechtsbegriffsbehauptungen hier schon gar nicht als Tatsachenbehauptungen, sondern als Kundgaben von „Rechtsansichten“ zu betrachten.470 Auch daraus ergibt sich, dass § 288 ZPO keine Anwendung finden soll. Denn rechtliche Beurteilungen werden, zumindest grundsätzlich, als nicht geständnisfähig betrachtet.471 Soweit mindestens einer der Parteien nicht bewusst ist, dass sich die Rechtsbegriffsbehauptung und der (übrige) Sachvortrag widersprechen, dürfte § 288 ZPO auch nach der h. L. keine Anwendung finden. In diesen Fällen können die übereinstimmenden Rechtsbegriffsbehauptungen nämlich nicht als Dispositionen über die rechtlichen Urteilsgrundlagen gewertet werden. Die Anwendung des § 288 ZPO könnte folglich nicht damit begründet werden, dass die Parteien u.U. auch rechtliche Beurteilungen nach § 288 ZPO zugestehen können. Im Übrigen werden Rechtsbegriffsbehauptungen von der h. L. nur dann als geständnisfähig betrachtet, wenn sie der Tatsachenumschreibung dienen und anzunehmen ist, dass die Parteien die Rechtsbegriffe hierbei juristisch korrekt verwenden. Beides ist in den in Rede stehenden Konstellationen nicht der Fall. Die Tatsachen, welche die Parteien den Rechtsbegriffen zugrunde legen, werden im Einzelnen 466
A. a. O., Rn. 2125. A. a. O. 468 A. a. O., Rn. 2126. 469 Klage, Gutachten und Urteil, Rn. 107. 470 A. a. O. („Wenn der Begriff aus rechtlichen Gründen nicht zutreffen kann.“). 471 So auch Zimmermann, Klage, Gutachten und Urteil, Rn. 163 i. V. m. Rn. 107. 467
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
vorgetragen. Und dieser Tatsachenvortrag ergibt, dass die Rechtsbegriffe falsch gewählt wurden. c) Gegenstand des Geständnisses Geständnisse juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen beziehen sich nach der Literatur auf die in die Rechtsbegriffsvorträge einkleideten Tatsachenbehauptungen.472 Dies wird zwar selten ausdrücklich dargelegt.473 Dass die behaupteten Tatsachen und nicht die mit den Rechtsbegriffen bezeichneten rechtlichen Beurteilungen den Gegenstand des Geständnisses bilden sollen, ergibt sich allerdings aus verschiedenen Erwägungen. Zunächst sind rechtliche Beurteilungen nach der h. L. grundsätzlich schon nicht geständnisfähig, weil die rechtliche Beurteilung des Sachverhaltes Sache des Gerichts sei und die Parteien das Gericht dementsprechend nicht an ihre rechtlichen Beurteilungen binden könnten. Dass Behauptungen über das Bestehen präjudizieller Rechtsverhältnisse von der h. L. als geständnisfähig betrachtet werden, bestätigt dabei nur, dass sich Geständnisse juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen nach der h. L. auf Tatsachen beziehen. Der Unterschied zwischen „juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen“ und Behauptungen „präjudizieller Rechtsverhältnisse“ kann nämlich nur darin liegen, dass mit ersteren Tatsachen, mit letzteren rechtliche Beurteilungen behauptet werden.474 Werden mit juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen Tatsachen behauptet, stellen die darauf bezogenen Geständnisse aber denknotwendig Tatsachengeständnisse dar.475 Schließlich zeigen auch die Ausnahmen von der Anwendung der §§ 288 ff. ZPO wiederum, dass die h. L. Geständnisse juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen nicht als Geständnisse rechtlicher Beurteilungen versteht. Würden sich die Geständnisse unmittelbar auf juristische Beurteilungen beziehen, spielte es nämlich keine Rolle, ob der weitere Sachvortrag den „juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen“ bzw. Rechtsbegriffsbehauptungen widerspricht.
472 Mit dieser Schlussfolgerung auch Sobernheim, Das ungünstige Parteivorbringen, S. 202. 473 So aber z. B. von Lüke, ZPO, 6. Kapitel Rn. 223; Demmler, Das Gerichtliche Geständnis von Rechtsverhältnissen, S. 36 f. (Fn. 2). 474 Ausführlich dazu siehe oben im 1. Kapitel E. II. 2. 475 So auch Demmler, Das Gerichtliche Geständnis von Rechtsverhältnissen, S. 36 f. (Fn. 2).
C. Anwendung der §§ 288 ff. ZPO
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d) Voraussetzungen des Widerrufs Eine eingehende Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen des Widerrufs von Geständnissen über Rechtsfragen findet sich bei Würthwein476. Würthwein unterscheidet dabei zwischen zwei Fällen, namentlich zwischen „echten Dispositionen“ der Parteien, also bewussten und gewollten Vorträgen einer unrichtigen Rechtslage, die zur Urteilsgrundlage gemacht werden sollen, und parteilichen Rechtserklärungen, welche in der Überzeugung ihrer Richtigkeit abgegeben wurden. Erstere seien gänzlich unwiderruflich, letztere könnten widerrufen werden unter der Voraussetzung, dass die Parteien einen erheblichen Irrtum (Rechts- oder Tatsachenirrtum) bei der rechtlichen Würdigung nachweisen477.478 Diese Ausführungen lassen sich allerdings nur bedingt auf die vorliegende Frage übertragen. Denn Würthwein hat in erster Linie Geständnisse von Behauptungen rechtlicher Beurteilungen im Blick, keine Geständnisse juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen. So entfällt das Erfordernis des Beweises der Unwahrheit des Geständnisses nach Würthwein, weil der Widerrufende andernfalls die wahre Rechtslage aufzuklären hätte, was dem Grundsatz „iura novit curia“ widersprechen würde.479 Es geht Würthwein also gerade nicht um Geständnisse von Tatsachenbehauptungen, die in Rechtsbegriffe eingekleidet sind, sondern um Geständnisse der rechtlichen Beurteilungen selbst. Soweit es sich bei letzteren nicht um „echte Dispositionen“ handelt, spricht sich Würthwein aber zumindest gegen eine freie Widerruflichkeit aus. Es ist davon auszugehen, dass die heute h. L. § 290 ZPO vollumfänglich auf Widerrufe von Geständnissen juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen anwendet. Eine eingehende Auseinandersetzung mit dieser Thematik fehlt zwar. Das spricht aber gerade für die Anwendung des § 290 ZPO nach allgemeinen Grundsätzen. Denn die Anwendung des § 288 ZPO auf Geständnisse juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen bringt die Anwendung des § 290 ZPO auf den Widerruf entsprechender Geständnisse grundsätzlich ohne weiteres mit sich. Würde § 290 ZPO nicht angewendet, gäbe es auch keinen Unterschied zwischen gerichtlichen Geständnissen juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen nach § 288 ZPO und deren schlichtem Nichtbestreiten nach § 138 Abs. 3 ZPO. Auch § 288 ZPO würde damit im Ergebnis nicht wirklich angewendet. Die Ausführungen der h. L. zeigen in jedem Fall zumindest, dass Widerrufe von Geständnissen juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen den Beweis eines Irrtums bei deren Abgabe erfordern sollen. Als mögliche Irrtümer 476
Umfang und Grenzen des Parteieinflusses, S. 135 ff. Hellwig, System I, S. 447 und Lent, Gesetzeskonkurrenz, S. 82 sind entsprechende Geständnisse hingegen frei widerruflich. 478 Würthwein, Umfang und Grenzen des Parteieinflusses, S. 140. 479 A. a. O. 477 Nach
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
im Rahmen der Anwendung des § 290 ZPO werden nämlich regelmäßig auch Rechtsirrtümer genannt.480 Rechtsirrtümer sind dabei nur für Geständnisse von Rechtsbegriffsbehauptungen (juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen oder Behauptungen rechtlicher Beurteilungen) relevant. Geständnisse reiner Tatsachenbehauptungen können nämlich nicht durch Rechtsirrtümer veranlasst sein.
III. Stellungnahme § 288 ZPO findet auf Geständnisse juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen Anwendung, wenn das Gericht davon überzeugt ist, dass die Parteien die vorgetragenen Rechtsbegriffe korrekt verwenden (dazu unter 1). Widersprechen sich ein übereinstimmender Rechtsbegriffsvortrag und der (übrige) Tatsachenvortrag der Parteien, liegt kein Geständnis nach § 288 ZPO vor (dazu unter 2.). Gegenstand des Geständnisses sind die in die Rechtsbegriffe eingekleideten Tatsachenbehauptungen (dazu unter 3.). Soll das Geständnis einer juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptung widerrufen werden, müssen die Voraussetzungen des § 290 ZPO vorliegen (dazu unter 4.). Die Anwendung des § 288 ZPO auf Geständnisse juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen widerspricht auch nicht der Aufgabenverteilung zwischen den Parteien und dem Gericht (dazu unter 5.). Keiner der bisher vertretenen Ansichten bzgl. der Anwendung der §§ 288 ff. ZPO kann vollumfänglich gefolgt werden (dazu unter 6.). 1. Voraussetzungen der Anwendung der §§ 288 ff. ZPO Die §§ 288 ff. ZPO können grundsätzlich auf Geständnisse juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen angewendet werden (dazu unter lit. a)). Aufgrund der Bindungswirkung des gerichtlichen Geständnisses darf die Anwendung des § 288 ZPO allerdings nur restriktiv erfolgen (dazu unter lit. b)). Etwas anderes gilt im Anwaltsprozess (dazu unter lit. c)). a) Grundsätzliche Anwendbarkeit der §§ 288 ff. ZPO Die §§ 288 ff. ZPO können grundsätzlich auf Geständnisse juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen angewendet werden. Denn juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen stellen Tatsachenvortrag dar. Die auf sie gerichteten Geständnisse beziehen sich folglich auf Tatsachenbehauptungen. Der Anwen480 Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 290 Rn. 12; MüKoZPO/Prütting, ZPO, § 290 Rn. 5; Musielak/Voit/Huber, ZPO, § 290 Rn. 2; Saenger/Saenger, ZPO, § 290 Rn. 8; Zöller/Greger, ZPO, § 290 Rn. 2 („Lässt man Rechtsgeständnis […] zu, genügt auch Rechtsirrtum […]“).
C. Anwendung der §§ 288 ff. ZPO
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dungsbereich der §§ 288 ff. ZPO ist damit grundsätzlich eröffnet. Dies gilt allerdings nur, wenn von einer juristisch korrekten Verwendung der Rechtsbegriffe zur Tatsachenumschreibung ausgegangen werden kann. Denn nur unter dieser Voraussetzung können die Vorträge als abgekürzte Behauptungen von Tatsachen, aus denen sich die mit den Rechtsbegriffen bezeichneten Rechtsfolgen ergeben, verstanden werden.481 Andernfalls stellen juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen keinen substantiierten Sachvortrag dar. Nach § 288 ZPO geständnisfähig ist jedoch nur ausreichend substantiiertes Vorbringen. b) Notwendigkeit einer restriktiven Anwendung des § 288 ZPO und deren Folgen Die Anwendung des § 288 ZPO hängt ebenso wie die Anwendung der §§ 138 Abs. 3, 331 Abs. 1 S. 1 ZPO und die Qualifizierung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen als substantiierter Sachvortrag davon ab, dass die Behauptungen reinem Tatsachenvortrag gleichzustellen sind. Aufgrund der Bindungswirkung des gerichtlichen Geständnisses können juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen reinen Tatsachenbehauptungen i. R. d. § 288 ZPO aber nur unter verschärften Voraussetzungen gleichgestellt werden. Wegen dieser Bindungswirkung sind die Folgen möglicher Rechtsirrtümer nämlich ungleich gravierender für die zugestehende Partei: Soweit juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen der erstmaligen Einführung von Tatsachen in den Prozess dienen, ist die Reaktion der Gegenseite noch nicht abzusehen. Es ist daher noch völlig offen, ob nicht ohnehin noch Vortrag von Einzeltatsachen erfolgen muss, der etwaige Rechtsirrtümer offenbart. Überdies kann die behauptende Partei ihren Vortrag auch unabhängig vom Verhalten der Gegenseite korrigieren, wenn sie erkennt, dass sie den falschen Rechtsbegriff gewählt hat, um die Tatsachen zu umschreiben. Die Anwendung der §§ 138 Abs. 3, 331 Abs. 1 S. 1 ZPO hat zwar zunächst zur Folge, dass die juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen als zugestanden gelten. Die Gegenseite hat aber grundsätzlich noch die Möglichkeit, das Bestreiten nachzuholen, wenn sie erkennt, dass sich die Tatsachen nicht mit dem vorgetragenen Rechtsbegriff umschreiben lassen. Es scheint daher gerechtfertigt, juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen reinem Tatsachenvortrag in diesem Rahmen gleichzustellen, wenn von einer korrekten Verwendung der Rechtsbegriffe auszugehen ist. Werden Geständnisse juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen § 288 ZPO unterstellt, ist die zugestehende Partei aber grundsätzlich an ihr Geständnis gebunden. Denn die Anwendung des § 288 ZPO hat konsequenterweise auch die 481 Näher dazu und zu den Voraussetzungen, unter denen von einer juristisch korrekten Verwendung der Rechtsbegriffe auszugehen ist, siehe oben A. III. 2. a) und b).
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
Anwendung des § 290 ZPO zur Folge. Beruht das Geständnis auf einem Rechts irrtum, muss die zugestehende Partei folglich nicht nur diesen beweisen, sondern darüber hinaus auch noch, dass die juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung nicht der Wahrheit entspricht.482 Insbesondere Letzteres erfordert ein restriktives Vorgehen bei der Anwendung des § 288 ZPO. Die Umkehr der Beweislast bzgl. des Vorliegens der behaupteten Tatsachen kann die zugestehende Partei nämlich in arge Bedrängnis bringen, wenn ihr die nötigen Beweismittel fehlen. Grundsätzlich ist die aus § 290 ZPO folgende Beweislastumkehr zwar gerechtfertigt. Denn sie schützt das Interesse des Gegners, auf ein einmal abgegebenes Geständnis zu vertrauen und verhindert ein „taktisches Hin und Her der zugestehenden Partei“.483 Voraussetzung muss jedoch sein, dass die zugestehende Partei mit Sicherheit versteht, welche Tatsachen durch den vorgetragenen Rechtsbegriff umschrieben werden. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass der zugestehenden Partei im Falle des Widerrufs die ihr ursprünglich nicht obliegende Beweislast zugewiesen wird, obwohl ihr ein Irrtum bei der Subsumtion der Tatsachen unter den vorgetragenen Rechtsbegriff unterlaufen ist. Dies widerspräche dem Grundsatz, dass die Parteien keine Rechtskenntnisse zu besitzen brauchen (iura novit curia) und ihnen Rechtsirrtümer folglich nicht zum Nachteil gereichen dürfen. Das Gericht muss daher bei der Anwendung des § 288 ZPO zurückhaltend vorgehen. Es reicht nicht aus, dass davon auszugehen ist, dass die zugestehende Partei den zugestandenen Rechtsbegriff juristisch korrekt verwendet bzw. dass sie versteht, welche Tatsachen diesem zugrunde liegen. Das Gericht muss vielmehr von der juristisch korrekten Verwendung der Rechtsbegriffe überzeugt sein. § 288 ZPO darf damit nur dann auf Geständnisse juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen angewendet werden, wenn der Vortrag der zugestehenden Partei keinen Zweifel daran lässt, dass die Partei gerade die mit dem Rechtsbegriff umschriebenen Tatsachen gegen sich gelten lassen will. Diese Voraussetzung wird nur in Ausnahmefällen gegeben sein. Auch Vorträgen ganz geläufiger Rechtsbegriffe („Kauf“, „Miete“) können nämlich rechtlich komplizierte Sachverhalte zugrunde liegen, ohne dass dies für das Gericht zu erkennen wäre. Es reicht daher i. R. d. Anwendung des § 288 ZPO nicht aus, dass es sich um einen Rechtsbegriff handelt, dessen grundsätzliche Bedeutung die Parteien verstehen und dass keine Anhaltspunkte für eine juristisch inkorrekte Verwendung des Rechtsbegriffs im konkreten Fall vorliegen. Vielmehr muss sich aus dem Gesamtvortrag positiv ergeben, dass die Parteien den korrekten Rechtsbegriff zur Tatsachenumschreibung gewählt haben. Dies wird schon allein deshalb selten der Fall sein, weil die Parteien die Rechtsbegriffe gerade zur Abkürzung des Tatsachenvortrags verwenden. Eingehende Äußerungen zu den dem Rechtsbegriff zu482
Näher dazu siehe unten 4. ZPO, § 290 Rn. 3.
483 Stein/Jonas/Leipold,
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grundeliegenden Tatsachen fehlen daher regelmäßig. Es besteht jedoch nur unter den genannten Voraussetzungen kein bzw. kaum ein Risiko, dass das Geständnis auf einem Rechtsirrtum beruht. Zum Schutz der Parteien darf § 288 ZPO deshalb nur angewendet werden, wenn diese Voraussetzungen vorliegen. Die Anwendung des § 288 ZPO ist schließlich auch keine notwendige Konsequenz aus der Qualifizierung bestimmter juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen als substantiierter Sachvortrag.484 Nachdem die Behauptungen im Falle des „Geständnisses“ offensichtlich nicht bestritten werden, kann nämlich zumindest § 138 Abs. 3 ZPO angewendet werden, wenn die Voraussetzungen der Anwendung des § 288 ZPO nicht vorliegen.485 Das Gericht kann die den Rechtsbegriffen zugrundeliegenden Tatsachen seiner Entscheidung daher in jedem Fall ungeprüft zugrunde legen. Die Gegenseite ist nur nicht an ihr Nichtbestreiten gebunden. Das ist allerdings gerechtfertigt, wenn das Gericht schon nicht hundertprozentig überzeugt ist, ob sie die Bedeutung ihres Geständnisses vollumfänglich versteht. Die Präklusionsvorschriften (§§ 282, 296, 528 ZPO) verhindern schließlich, dass ein etwaiges nachträgliches Bestreiten der juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen die Erledigung des Rechtsstreits ungebührlich verzögert. c) Anwaltsprozess Das soeben Gesagte gilt nur eingeschränkt, wenn die zugestehende Partei durch einen Rechtsanwalt vertreten ist. Denn die anwaltliche Vertretung der Partei mindert das Risiko, dass ihr Geständnis auf einem Rechtsirrtum beruht. Es ist zudem auch die Verantwortung des Rechtsanwalts, in diesem Sinne „falsche“ Geständnisse zu verhindern. Der Rechtsanwalt besitzt die notwendigen Rechtskenntnisse, um überprüfen zu können, ob die darlegungsbelastete Partei die Rechtsbegriffe korrekt zur Tatsachenumschreibung verwendet. Notfalls kann und muss er sich die entsprechenden Rechtskenntnisse verschaffen. Fehlt es ihm dabei an der Kenntnis des entsprechenden Sachverhalts, muss er diesen durch Befragung seines Mandanten in Erfahrung bringen. Verwendet sein Mandant dabei selbst juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen oder bestätigt er schlicht diejenigen der Gegenseite, darf sich der Anwalt nicht ohne weiteres auf die Angaben des Mandanten verlassen. Er muss den Mandanten vielmehr zu den Einzelheiten des Geschehens befragen. Erfüllt der Rechtsanwalt diese Pflichten ordnungsgemäß, besteht kein bzw. kaum ein Risiko, dass eine juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung der Gegenseite aufgrund eines Rechtsirrtums zugestanden wird. Das Gericht darf sich dabei
484 485
Im Gegensatz zur Anwendung der §§ 138 Abs. 3, 331 Abs. 1 S. 1 ZPO. Siehe dazu auch Zöller/Greger, ZPO, § 288 Rn. 1a.
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
grundsätzlich auf die ordnungsgemäße Erfüllung der Pflichten durch den Anwalt verlassen. Die praktischen Gegebenheiten und der Parteischutz erfordern aber dennoch eine gewisse Zurückhaltung bei der Anwendung des § 288 ZPO. Rechtsanwälte werden den genannten Pflichten nämlich nicht stets ordnungsgemäß nachkommen. Zudem können auch Rechtsanwälte Rechtsirrtümern unterliegen. Eine unbeschränkte Anwendung des § 288 ZPO kann in diesen Fällen nicht allein damit gerechtfertigt werden, dass den Mandanten evtl. Schadensersatzansprüche gegen ihre Anwälte zustehen. Denn die Mandanten werden entsprechende Ansprüche nicht in jedem Fall durchsetzen können. § 288 ZPO darf daher auch bei anwaltlicher Vertretung der zugestehenden Partei nur dann angewendet werden, wenn davon auszugehen ist, dass die Partei die hinter dem Rechtsbegriff stehenden Tatsachen gegen sich gelten lassen will. Dabei gelten die Grundsätze zur Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen als substantiierter Sachvortrag und zur Anwendung der §§ 138 Abs. 3, 331 Abs. 1 S. 1 ZPO entsprechend. Es muss sich also zunächst um Rechtsbegriffe handeln, deren Bedeutung der zugestehenden Partei – unter Berücksichtigung ihrer anwaltlichen Vertretung – grundsätzlich bekannt ist. Zudem dürfen sich aus den Umständen des konkreten Falls keine Zweifel an der juristisch korrekten Verwendung der Rechtsbegriffe ergeben. 2. Ausnahmen Der Ansicht der h. M. entsprechend findet § 288 ZPO im Falle des übereinstimmenden Vortrags von Rechtsbegriffen keine Anwendung, wenn sich die Rechtsbegriffsbehauptungen und der (übrige) Sachvortrag der Parteien widersprechen. Diesbezüglich gilt das zu § 138 Abs. 3 ZPO Gesagte486 entsprechend. § 288 ZPO könnte in diesen Fällen – wenn überhaupt – nur dann Anwendung finden, wenn den Parteien eine (teilweise) Dispositionsbefugnis über die rechtlichen Urteilsgrundlagen zugebilligt wird. Dann könnten die Rechtsbegriffsbehauptungen nämlich u.U. zugestanden werden, wenn und soweit sie ausschließlich der Bezeichnung von Rechtsfolgen dienen.487 Selbst wenn eine entsprechende Dispositionsbefugnis bejaht würde, müsste aber zumindest durch ein geregeltes Verfahren sichergestellt werden, dass die Parteien auch wirklich über die rechtlichen Urteilsgrundlagen disponieren wollen.488 Denn es besteht auch die Möglichkeit, dass die Parteien nicht erkennen, dass sich die Rechtsbegriffsbehauptung 486
Siehe oben B. I. 3. b). Zu den möglichen Absichten der Parteien bei Verwendung der Rechtsbegriffe siehe oben B. I. 3. b) aa). 488 Näher dazu siehe unten 6. d) bb). 487
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und der Sachvortrag widersprechen. Da die Parteien in diesem Fall nicht versuchen, über die rechtliche Bewertung des Sachverhalts zu disponieren, könnte die Anwendung des § 288 ZPO auch nicht mit einer entsprechenden Dispositionsbefugnis der Parteien begründet werden. 3. Gegenstand des Geständnisses Gegenstand des gerichtlichen Geständnisses einer juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptung sind die in die Rechtsbegriffsbehauptung eingekleideten Tatsachenbehauptungen. Das Geständnis bezieht sich also nicht unmittelbar auf die mit dem Rechtsbegriff bezeichnete Rechtsfolge. Diesbezüglich gilt grundsätzlich das zum Gegenstand der Geständnisfiktion nach § 138 Abs. 3 ZPO Gesagte489 entsprechend. Etwas anderes würde auch dann nicht gelten, wenn man die (teilweise) Geständnisfähigkeit von Kundgaben rechtlicher Beurteilungen bejahen würde. Dienen Rechtsbegriffsbehauptungen nicht der Tatsachenumschreibung, sondern ausschließlich der Bezeichnung von Rechtsfolgen, liegen nämlich keine juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen vor. Die Bejahung der Geständnisfähigkeit rechtlicher Beurteilungen sowie die Bestimmung des Gegenstandes eines solchen Geständnisses haben daher keine Auswirkungen auf die Bestimmung des Geständnisgegenstands bei juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen. Bezieht sich ein gerichtliches Geständnis auf eine juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung, hat das Gericht seiner Entscheidung damit Tatsachenbehauptungen als wahr zugrunde zu legen, aus denen sich die mit dem Rechtsbegriff bezeichnete Rechtsfolge ergibt. Die rechtliche Würdigung dieser Tatsachenbehauptungen verbleibt beim Gericht. Für den Ausgang des Prozesses spielt es im Ergebnis aber wiederum keine Rolle, ob die rechtliche Beurteilung an sich oder die dieser zugrundeliegenden Tatsachen als Gegenstand des gerichtlichen Geständnisses gewertet werden. Denn das Gericht muss in beiden Fällen zu demjenigen rechtlichen Ergebnis gelangen, das mit dem vorgetragenen Rechtsbegriff bezeichnet wird. Auch diesbezüglich gilt das zu § 138 Abs. 3 ZPO Gesagte490 entsprechend. 4. Voraussetzungen des Widerrufs Die Voraussetzungen des Widerrufs von Geständnissen juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen bestimmen sich nach § 290 ZPO. Diesbezüglich ist der (wohl) herrschenden Meinung zu folgen. 489 490
Siehe oben B. I. 3. c) aa). Siehe a. a. O. unter lit. bb).
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
Die Anwendung des § 290 ZPO ist die zwingende Folge der Anwendung des § 288 ZPO. Würde § 290 ZPO nicht angewendet, sondern bspw. von einer freien Widerrufbarkeit der Geständnisse ausgegangen, bestünde nämlich kein Unterscheid zwischen dem gerichtlichen Geständnis einer juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptung und deren schlichtem Nichtbestreiten. In beiden Fällen könnte das Gericht seiner Entscheidung die den Rechtsbegriffen zugrundliegenden Tatsachen ungeprüft zugrunde legen, die Behauptungen könnten aber grundsätzlich weiterhin bestritten werden. Nur dass im Falle des „gerichtlichen Geständnisses“ zunächst noch der freie(!) Widerruf des Geständnisses notwendig wäre. Eine konsequente Anwendung des § 288 ZPO läge nicht vor. Liegen die Voraussetzungen der Anwendung des § 288 ZPO vor, gibt es auch keinen Grund, § 290 ZPO nicht vollumfänglich anzuwenden. Den Gefahren einer Bindung der Parteien an Geständnisse von Behauptungen, die sie nicht vollumfänglich verstehen, ist schon auf der Ebene des § 288 ZPO zu begegnen.491 Steht aber fest, dass die Parteien einen Rechtsbegriff korrekt zur Tatsachenumschreibung verwenden, liegt ein Tatsachengeständnis vor. Ein solches kann nur unter den Voraussetzungen des § 290 ZPO widerrufen werden. Macht es doch keinen Unterschied, ob sämtliche Einzeltatsachen vorgetragen und zugestanden werden oder ob die Einzeltatsachen in einem Rechtsbegriff zusammengefasst werden, sofern nur beide Parteien nachweislich verstehen, welche Tatsachen in dem Rechtsbegriff zusammengefasst sind. Für den Widerruf eines entsprechenden Geständnisses muss der Widerrufende folglich zunächst beweisen, dass die zugestandene juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung nicht der Wahrheit entspricht. Er muss also beweisen, dass die Tatsachen, deren rechtliche Würdigung mit dem vorgetragenen Rechtsbegriff bezeichnet wird, nicht vorliegen. A wird von B auf Kaufpreiszahlung verklagt. Zur Begründung behauptet B, A hätte am 15. 4. 2016 ein Fahrrad von ihm gekauft. Der anwaltlich vertretene A gesteht diese Behauptung zunächst zu. A hatte nämlich am 1. 4. 2016 ein Rundschreiben von B erhalten, in dem es hieß, ein Angebot des B auf Abschluss eines Kaufvertrages über ein Fahrrad gelte als angenommen, wenn der Empfänger nicht innerhalb von zwei Wochen widerspricht. A hatte nicht widersprochen und ging davon aus, dass er das Fahrrad damit gekauft habe. Diesen Sachverhalt hatte A seinem Rechtsanwalt nicht offenbart. Nachdem A von einem anderen Rechtsanwalt erfährt, dass tatsächlich kein Kaufvertrag zustande gekommen ist, will A sein Geständnis widerrufen.
Zum Widerruf seines Geständnisses muss A zunächst beweisen, dass die von B (juristisch eingekleidet) behaupteten Tatsachen nicht vorliegen. A muss also 491
Siehe dazu oben 1.
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beweisen, dass er und B sich nicht am 15. 4. 2016 darüber geeinigt haben, dass B ihm ein Fahrrad gegen Zahlung von Geld übergeben und übereignen wird. Um diese Obliegenheit zu erfüllen, kann A den wahren Sachverhalt vortragen und das Rundschreiben des B zum Beweis vorlegen. Nachdem § 290 ZPO vollumfänglich auf den Widerruf des Geständnisses des A Anwendung findet, muss A schließlich auch noch beweisen, dass sein Geständnis durch einen Irrtum veranlasst war. Hier kommt nur ein Rechtsirrtum in Frage. Denn A hatte sich nicht über die wahren Geschehnisse geirrt, sondern über deren rechtliche Bewertung. Mit der h. M. kann es sich bei dem nach § 290 ZPO relevanten „Irrtum“ aber auch um einen Rechtsirrtum handeln. Dies ist die Konsequenz aus der Anwendung des § 288 ZPO auf Geständnisse juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen. Lässt man Geständnisse von Tatsachenbehauptungen zu, die in Rechtsbegriffe eingekleidet wurden, muss dem Zugestehenden der Widerruf seines Geständnisses nämlich auch dann gestattet werden, wenn er sich nicht über die tatsächlichen Geschehnisse geirrt hat, sondern darüber, dass diese nicht mit dem vorgetragenen Rechtsbegriff bezeichnet werden. Auch in diesem Fall hat er ein berechtigtes Interesse daran, sich von seinem Geständnis zu lösen. Die Parteien brauchen zudem keine Rechtskenntnisse zu besitzen. Die falsche rechtliche Bewertung der Tatsachen kann dem Zugestehenden daher grundsätzlich nicht vorgeworfen werden. 5. Kein Widerspruch zur Aufgabenverteilung zwischen Parteien und Gericht Soweit die §§ 288 ff. ZPO auf Geständnisse juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen angewendet werden, stellt dies keinen Widerspruch zur Aufgabenverteilung zwischen den Parteien und dem Gericht hinsichtlich der Beschaffung der Urteilsgrundlagen dar. Diesbezüglich gilt grundsätzlich das zu §§ 138 Abs. 3, 331 Abs. 1 S. 1 ZPO Gesagte492 entsprechend. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Bindungswirkung des gerichtlichen Geständnisses gegenüber der zugestehenden Partei nach § 290 ZPO. Denn die Parteien können zwar ihre Rechtsansichten jederzeit ändern493, weil von ihnen keine Rechtskenntnisse verlangt werden und das Gericht in der rechtlichen Würdigung des Sachverhalts ohnehin frei und unabhängig ist. Liegen die Voraussetzungen der Anwendung des § 288 ZPO vor, handelt es sich bei den Geständnissen allerdings um Geständnisse von Tatsachenbehauptungen. Die zugestehende Partei bleibt damit nicht an ihre Rechtsauffassungen gebunden, sondern an ihre Er492
Siehe oben B. I. 3. a) dd) bzw. II. 3. a) cc). ZPO, § 290 Rn. 1: „Während die einseitige Parteibehauptung und das Zugestehen von Rechtsfragen […] frei widerruflich sind […]“. 493 Stein/Jonas/Leipold,
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
klärung, dass die mit dem vorgetragenen Rechtsbegriff umschriebenen Tatsachen ungeprüft zur Urteilsgrundlage gemacht werden können. Dies stellt keinen Widerspruch zur Aufgabenverteilung zwischen den Parteien und dem Gericht dar. 6. Auseinandersetzung mit den vertretenen Ansichten a) Herrschende Meinung Der Grundgedanke der h. M., Geständnisse juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen § 288 ZPO zu unterstellen, wenn die Behauptungen reinem Tatsachenvortrag gleichstehen, ist konsequent und richtig. Problematisch ist aber wiederum, dass die h. M. die Voraussetzungen der Gleichstellung nicht ausdrücklich benennt, sondern auf die „Einfachheit“ und „allgemeine Bekanntheit“ bzw. „Geläufigkeit“ der Rechtsbegriffe abstellt. Neben den daraus resultierenden Problemen für die Parteien und deren Prozessvertreter494 kann dies nämlich auch dazu führen, dass die Gerichte §§ 288 ff. ZPO auf Geständnisse juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen anwenden, obwohl die Voraussetzungen einer Gleichstellung mit reinen Tatsachenbehauptungen nicht vorliegen. Insbesondere wenn Behauptungen von Rechtsbegriffen des täglichen Lebens wie „Kauf“ oder „Miete“ durch die Gegenseite bestätigt werden, besteht die Gefahr, dass vorschnell Geständnisse nach § 288 ZPO bejaht werden. Es liegen nämlich scheinbar „einfache“ und „allgemein bekannte“ Rechtsbegriffe vor. Daher unterbleibt u.U. die Prüfung, ob die konkret verhandelnden Parteien diese Begriffe im zu entscheidenden Fall juristisch korrekt zur Tatsachenumschreibung verwenden. Dies wäre im Rahmen der Prüfung der Anwendbarkeit des § 288 ZPO umso problematischer, weil die fehlerhafte Anwendung des § 288 ZPO – wie dargestellt – erhebliche Nachteile für die zugestehende Partei mit sich bringen kann. Die h. M. sollte daher gerade im Hinblick darauf, dass die Gleichstellung juristisch eingekleideter und reiner Tatsachenbehauptungen auch die Anwendung der §§ 288 ff. ZPO mit sich bringen kann, die Voraussetzungen der Gleichstellung genau benennen. Gleichzeitig soll nicht behauptet werden, dass die Rspr. die §§ 288 ff. ZPO tatsächlich vorschnell auf Geständnisse juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen anwendet. In der Mehrzahl der vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fälle wurden Rechtsbegriffe zugestanden, die offensichtlich nicht „einfach“ und „allgemein bekannt“ sind.495 Dies deutet darauf hin, dass die Vorinstanzen und/ oder der Bundesgerichtshof die §§ 288 ff. ZPO allein deshalb angewendet haben, weil sie davon ausgegangen sind, dass die Parteien – unter Beachtung ihrer etwaigen anwaltlichen Vertretung – die Rechtsbegriffe im konkreten Fall juristisch korrekt verwendet haben. Dabei scheinen die Gerichte auch überwiegend richtig 494 495
Ausführlich zum Ganzen siehe oben A. III. 2. b) aa). Siehe dazu oben II. 1. a) cc).
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gelegen zu haben. Soweit aus den Entscheidungen ersichtlich, haben die Parteien nämlich – wenn überhaupt – die Anwendung der §§ 288 ff. ZPO auf Geständnisse juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen generell angegriffen. Aus den Urteilen ergibt sich hingegen nicht, dass die Parteien vorgetragen hätten, die §§ 288 ff. ZPO hätten im konkreten Fall nicht angewendet werden dürfen, weil sie die juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen aufgrund von Rechtsirrtümern zugestanden hätten. Im Interesse der Rechtssicherheit sollten die Voraussetzungen der Anwendung der §§ 288 ff. ZPO dennoch konkret benannt werden. b) Bethmann-Hollweg und Wittmaack Der Ansicht Bethmann-Hollwegs und Wittmaacks kann nicht gefolgt werden, soweit sich diese für die Geständnisfähigkeit juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen unabhängig davon aussprachen, ob von einer juristisch korrekten Verwendung der Rechtsbegriffe auszugehen war. Grundlage dieser Ansicht ist nämlich, dass dem Gericht im gemeinen Prozess nicht die Aufgabe zukam, die Parteien vor ihrer eigenen Unerfahrenheit und Unkenntnis zu schützen. Dementsprechend ließ der gemeine Prozeß auch Geständnisse über Rechtsverhältnisse ohne Beschränkung zu.496 Im heutigen Zivilprozess gelten jedoch andere Grundsätze. Nach heutigem Verständnis hat der Staat eine Fürsorgepflicht gegenüber seinen Bürgern.497 Das Gericht darf deshalb nicht einfach hinnehmen, dass eine Partei aufgrund ihrer Unkenntnis oder auch Arglosigkeit prozessuale Nachteile erleidet.498 Dies zeigen insbesondere auch die §§ 138, 139 ZPO.499 Diese Fürsorgepflicht erfordert eine Beschränkung der Anwendung des § 288 ZPO auf Geständnisse juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen. Aufgrund der begrenzten Rechtskenntnisse der Parteien ist das Risiko einer juristisch inkorrekten Verwendung von Rechtsbegriffen nämlich stets vorhanden und für das Gericht offensichtlich. Das Gericht würde prozessuale Nachteile für die zugestehende Partei aufgrund ihrer begrenzten Rechtskenntnisse daher billigend in Kauf nehmen, wenn es Geständnisse juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen in jedem Fall § 288 ZPO unterstellt. Damit würde es gegen seine Pflichten gegenüber den Parteien verstoßen. § 288 ZPO darf daher nur dann Anwendung finden, wenn die oben dargestellten Voraussetzungen vorliegen.
496
Förster/Kann, § 288 Nr. 4 b). Würthwein, Umfang und Grenzen des Parteieinflusses, S. 125 f. (mit dem Hinweis darauf, dass wir in einem „sozialen Rechtsstaat“ leben). 498 A. a. O.; in diesem Sinne auch Klein, Zeit- und Geistesströmungen, S. 16 ff. 499 Würthwein, Umfang und Grenzen des Parteieinflusses, S. 126. 497
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
c) Künzl Der Ansicht Künzls bezüglich der Geständnisfähigkeit der von ihm als „Rechtstatsachen“ qualifizierten Rechtsbegriffe ist nicht zu folgen. Zunächst ist schon völlig unklar, welche Kriterien ein Begriff erfüllen muss, um eine „Rechtstatsache“ nach Künzl darzustellen. Die bereits erwähnte Definition, Rechtstatsachen seien „Tatsachenbegriffe mit rechtlicher Komponente“500 lässt dabei keine Subsumtion zu. Sie ist schlicht zu unbestimmt, als dass sie eine Zuordnung der vielen verschiedenen Rechtsbegriffe ermöglichen würde. Und auch die von Künzl statuierten „Abgrenzungskriterien“ helfen nicht weiter. Nach diesen müsse es sich um Begriffe handeln, die Tatsachen beschreiben, aber keine juristische Wertung enthalten.501 Soweit Begriffe wie „Kaufvertrag“ und „Mietvertrag“ von den Rechtstatsachen ausgeschlossen werden, weil zwar der Akt des Vertragsschlusses tatsächlicher Natur sei, die rechtliche Qualifizierung des Vertrages aber eine rechtliche Wertung beinhalte502, scheint Künzl dies zwar konsequent zu beachten. In Anbetracht seiner Beispiele für „Rechtstatsachen“ verlieren die Kriterien aber jeden Wert. Denn es ist völlig offensichtlich, dass auch Behauptungen von Begriffen wie „Eigentum“ und „Besitz“ eine rechtliche Wertung enthalten können. Handelt es sich doch um Begriffe, die in der Rechtssprache zur Bezeichnung rechtlicher Wertungen von Tatsachen verwendet werden. Die Qualifizierung der Begriffe „Erbe“, „Pflichtteilsberechtigter“, „Nachlassverwalter“, „Pfandrecht“ und „Wasserbenutzungsrecht an einer gekauften Gerechtsame“ als „Rechtstatsachen“ lässt die Kategorisierung Künzls dann endgültig willkürlich erscheinen. Künzl begründet seine Qualifizierung zwar damit, dass die Behauptung dieser Begriffe gerade durch die Parteien(!) angeblich keinerlei rechtliche Wertung enthalte. Es würden angeblich nur tatsächliche Beziehungen von Menschen zu Sachen beschrieben. Dass dem so ist, ist aber eine reine Behauptung Künzls. Einen Nachweis bleibt er schuldig. Diese Behauptung ist auch falsch. Denn es kann nicht generell ausgeschlossen werden, dass die Parteien mit Rechtsbegriffen (auch) rechtliche Würdigungen kundtun wollen. Richtig ist zwar, dass die Parteien die entsprechenden Begriffe häufig nur laienhaft bzw. „sozial“ zur Beschreibung von Tatsachenkomplexen verwenden. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass die Parteien mit diesen Begriffen niemals eine rechtliche Wertung bezeichnen wollen. Zu denken ist bspw. an Fälle, in denen die Parteien rechtlich beraten wurden, selbst rechtliche Grundkenntnisse besitzen oder sich speziell für das in Rede stehende Verfahren informiert haben. Es ist also durchaus vorstellbar, dass sie die Begriffe bewusst gebrauchen, um dem Gericht neben den ent500
Künzl, Dispositionsmöglichkeiten, S. 375. A. a. O., S. 383 f. 502 A. a. O., S. 382. 501
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scheidungserheblichen Tatsachen auch deren rechtliche Beurteilung mitzuteilen. Aufgrund der Verwendung gleichlautender Begriffe kann den Parteierklärungen dabei nicht angesehen werden, welche Qualität sie haben. Überdies behauptet Künzl, die Rechtstatsachen stellten sich in der Verwendung durch die Parteien als den „Rechtsbegriffen synonyme503 soziale Begriffe dar“.504 Er ist also der Auffassung, dass die Parteien durch die Behauptung von Rechtstatsachen stets genau solche Tatsachen(komplexe) beschreiben würden, deren rechtliche Beurteilungen in der Rechtssprache mit den von den Parteien verwendeten Rechtsbegriffen bezeichnet werden. Von der Behauptung eines Rechtsbegriffs unterscheide sich eine solche Behauptung nur dadurch, dass die Parteien keine rechtliche Wertung träfen. Mit dem Begriff „Besitz“ würden die Parteien also bspw. stets beschreiben, dass ein Mensch die tatsächliche Gewalt über eine Sache innehat. Dies würde jedoch voraussetzen, dass die von Künzl als „Rechtstatsachen“ qualifizierten Rechtsbegriffe im laienhaften Sprachgebrauch auch wirklich in jedem Fall – bis auf die rechtliche Wertung – synonym zu den entsprechenden Rechtsbegriffen verwendet werden. Das ist aber nicht der Fall. Einige der Begriffe besitzen im alltäglichen Sprachgebrauch keine fest umrissene Bedeutung. So wird bspw. der Begriff „Besitz“ im Volksmund nicht stets zur Beschreibung der tatsächlichen Herrschaft über eine Sache gebraucht. „Ich möchte irgendwann einmal ein Haus besitzen“ kann in der Laiensprache z. B. vielmehr auch den Wunsch ausdrücken, Eigentümer eines Hauses zu sein. Künzl lässt dementsprechend auch offen, welche Tatsachen die Parteien seiner Meinung nach mit den „Rechtstatsachen“ beschreiben. Bezüglich „Eigentum“ und „Besitz“ ist jeweils von einer Beziehung einer Person zu einer Sache die Rede.505 Aber worin unterscheiden sich die von den Parteien angeblich behaupteten Beziehungen? Wie sollte das „Eigentum“ überhaupt beschrieben werden, ohne die rechtliche(!) Wertung zu treffen, dass der Eigentümer andere Personen grundsätzlich von jeder Einwirkung auf die Sache ausschließen kann? All dies lässt sich Künzls Ausführungen nicht entnehmen. Ähnliches wie für die Begriffe „Eigentum“ und „Besitz“ gilt dabei auch für die Begriffe „Erbe“ und „Pflichtteilsberechtigter“. Wer vom „Pflichtteilsberechtigten“ spricht, meint zwar vielleicht wirklich nur den Pflichtteilsberechtigten im rechtlichen Sinn. Letzterer wird von Laien aber teilweise auch als „Erbe“ bezeichnet, weil sie nicht wissen, dass ein Pflichtteilsberechtigter kein Erbe im rechtlichen Sinn ist. Wenn schließlich die Begriffe „Wasserbenutzungsrecht (an einer gekauften Gerechtsame)“ und „Nachlassverwalter“ als geständnisfähige „Rechtstatsachen“ qualifiziert werden, muss schon bezweifelt werden, dass über503
Hervorhebung nicht im Original. A. a. O., S. 375. 505 Für das Eigentum a. a. O., S. 374, für den Besitz a. a. O., S. 376 f. 504
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
haupt wortgleiche Begriffe in der Alltagssprache existieren. Diese Begriffe werden wohl kaum in nicht-rechtlichen Zusammenhängen verwendet. d) Geständnisfähigkeit rechtlicher Beurteilungen aa) Vorbemerkung Die Geständnisfähigkeit rechtlicher Beurteilungen bzw. die Dispositionsbefugnis der Parteien über die rechtlichen Urteilsgrundlagen gehört nicht zum Gegenstand der vorliegenden Arbeit. Juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen im hier verstandenen Sinn dienen dem Sachvortrag.506 Deren Geständnisse beziehen sich damit auf Tatsachenbehauptungen, nicht unmittelbar auf rechtliche Beurteilungen. Daran ändert sich im Grundsatz nichts durch die Umstände, dass entsprechende Geständnisse mittelbar auch das Ergebnis der rechtlichen Würdigung durch das Gericht vorweg nehmen und dass eine genaue Bestimmung des Inhalts entsprechender Vorträge häufig nicht möglich ist. Zumindest soweit offensichtlich ist, dass die Behauptungen nicht dem Sachvortrag dienen – weil z. B. die dem vorgetragenen Rechtsbegriff zugrundeliegenden Tatsachen im Einzelnen vorgetragen werden – liegen jedenfalls unzweifelhaft keine juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen vor. Zur Geständnisfähigkeit rechtlicher Beurteilungen wird daher nur insoweit Stellung genommen, als dass dies die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen betrifft. bb) Kritik Die analoge Anwendung der §§ 288 ff. ZPO auf „Geständnisse“ von Rechtsbehauptungen scheint auf den ersten Blick zumindest in gewissem Umfang gerechtfertigt. Beziehen sich die Behauptungen auf das Bestehen präjudizieller Rechtsverhältnisse, scheinen den Parteien auf diesem Weg nämlich Kosten und Mühen erspart zu werden, ohne dass ihre Befugnisse erweitert würden. Denn die Parteien könnten eine Bindung des Gerichts an ihre entsprechende Rechtsansicht auch über eine Zwischenfeststellungsklage mit anschließendem Anerkenntnis erreichen. Der Parteischutz erfordert allerdings in jedem Fall zumindest eine Beschränkung der analogen Anwendung der §§ 288 ff. ZPO. Denn die analoge Anwendung würde zwar zu keinem grundsätzlich anderen Ergebnis führen als eine Zwischenfeststellungsklage mit anschließendem Anerkenntnis. Entscheidend 506 Zum
Unterschied zwischen Geständnissen rechtlicher Beurteilungen (am Beispiel präjudizieller Rechtsverhältnisse) und solchen juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen siehe auch Hegler, Beiträge zur Lehre vom prozessualen Anerkenntnis und Verzicht, S. 267 ff.; zu den beiden unterschiedlichen Möglichkeiten der Verwendung von Rechtsbegriffen siehe auch Lent, Wahrheits- und Aufklärungspflicht, S. 21.
C. Anwendung der §§ 288 ff. ZPO
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sind jedoch die Unterschiede zwischen den Wegen, auf denen dieses Ergebnis erreicht wird. Erhebt eine Partei eine Zwischenfeststellungsklage auf Feststellung des Bestehens eines präjudiziellen Rechtsverhältnisses, besteht kaum eine Gefahr, dass die Gegenseite das Bestehen dieses Rechtsverhältnisses leichtfertig bestätigt. Nachdem ein eigener Klageantrag vorliegt, sind der Gegenseite die Bedeutung des Bestehens des Rechtsverhältnisses und ihrer etwaigen Bestätigung bewusst („Wer anerkennt, weiß, daß er verliert […]507“). Ist sich die Gegenseite aufgrund mangelnder Rechtskenntnisse nicht sicher, wie sich Rechtsverhältnisse wie das behauptete auszeichnen, wird sie den Klageantrag daher kaum vorschnell anerkennen. Schon die grundsätzlich bestehende Pflicht zur Kostentragung wird sie davon Abstand nehmen lassen, ein Rechtsverhältnis zu bestätigen, von dessen Bestehen sie nicht wirklich überzeugt ist. Das Verfahren der Zwischenfeststellungsklage bietet der Gegenseite daher einen gewissen Schutz auch in Bezug auf ihre mangelnden Rechtskenntnisse. Im Rahmen der §§ 288 ff. ZPO fehlt es hingegen grundsätzlich an einem entsprechenden Schutz. Das Geständnis nach § 288 ZPO kann sich auf sämtliche (Tatsachen-)Behauptungen der anderen Partei beziehen, die diese im Lauf des Prozesses äußert. Es ist kein Antrag der anderen Partei erforderlich und das Geständnis braucht noch nicht einmal ausdrücklich erklärt zu werden. Die Gegenseite wird folglich nicht durch ein besonderes Verfahren davor geschützt, ein Geständnis zu erklären, das nicht der Wahrheit entspricht. Dies ist grundsätzlich auch nicht nötig, weil sich das Geständnis nach § 288 ZPO auf Tatsachenbehauptungen bezieht und damit auf Behauptungen, deren Bedeutung die Gegenseite grundsätzlich ohne weiteres versteht („wer gesteht, ist sich zumindest in aller Regel der Wahrheit oder Unwahrheit seiner Aussage bewusst.“508). Letzteres ist bei Kundgaben rechtlicher Beurteilungen aber gerade nicht der Fall. Die §§ 288 ff. ZPO können daher nicht ohne weiteres auf „Geständnisse“ sämtlicher Rechtsbehauptungen angewendet werden, die auch Gegenstand einer Zwischenfeststellungsklage sein könnten. Um die Parteien vor negativen Folgen ihrer mangelnden Rechtskenntnisse zu schützen, müsste – Teilen der Literatur entsprechend – zumindest eine Beschränkung entsprechend derjenigen bei Geständnissen juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen erfolgen. Die Anwendung der §§ 288 ff. ZPO würde damit voraussetzen, dass das Gericht davon überzeugt ist, dass die Parteien die Bedeutung des vorgetragenen Rechtsbegriffs und die (für sie im konkreten Fall relevanten) Folgen des Bestehens des entsprechenden Rechtsverhältnisses verstehen.509
507
Würthwein, Umfang und Grenzen des Parteieinflusses, S. 126. A. a. O. 509 Im Ergebnis so wohl auch Lent, Gesetzeskonkurrenz, S. 79. 508
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
Unter dieser Voraussetzung würde sich die Anwendung der §§ 288 ff. ZPO auf Kundgaben rechtlicher Beurteilungen grundsätzlich auch nicht nachteilig auf die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen auswirken. Das Gericht könnte nämlich nicht – aus Versehen – ein Geständnis einer juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptung annehmen, die es mangels Überzeugung vom Begriffsverständnis der Parteien für eigentlich nicht für geständnisfähig hielte, weil es die Behauptung fälschlicherweise als Kundgabe einer rechtlichen Beurteilung wertet. Denn Voraussetzung der Anwendung der §§ 288 ff. ZPO wäre in jedem Fall, dass die Parteien das entsprechende Verständnis aufweisen. Zumindest im Ergebnis wäre es daher irrelevant, wenn das Gericht die parteiliche Behauptung irrtümlich als Kundgabe einer rechtlichen Beurteilung wertet. Wird die Anwendung der §§ 288 ff. ZPO hingegen nicht von den genannten Voraussetzungen abhängig gemacht, besteht die bereits erörterte510 Gefahr der unbewussten und ungerechtfertigten Ausweitung der Anwendung der Geständnisvorschriften auf Geständnisse juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen. Dieser Gefahr könnte zwar auch dadurch begegnet werden, dass sich das Gericht davon überzeugt, ob die Parteien mit ihren Rechtsbegriffsbehauptungen allein Tatsachen umschreiben oder (auch) Rechtswirkungen behaupten wollen. Eine entsprechende Feststellung wird allerdings häufig nicht ohne weiteres möglich sein.511 Das Gericht müsste die behauptende Partei daher regelmäßig gezielt befragen, mit welcher Absicht sie den Rechtsbegriff verwendet. Dies würde aber insbesondere dem Vereinfachungseffekt, dem juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen häufig dienen, widersprechen.
D. Folgen des Bestreitens juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen I. Wirksames Bestreiten Die obigen Ausführungen haben gezeigt, dass juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen, die als substantiierter Sachvortrag zu werten sind, von der Gegenseite bestritten werden müssen, wenn sie nicht nach § 138 Abs. 3 ZPO bzw. § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO als zugestanden gelten sollen. Regelmäßig genügt dabei das einfache Bestreiten der Behauptungen, um das Eintreten der Geständnisfiktion zu verhindern. Die Erwiderung der Gegenseite muss nämlich grundsätzlich nicht substantiierter sein als die Behauptung, gegen die sie sich richtet.512 Nach510
Siehe dazu oben II. 1. a) bb) (4). Näher dazu siehe oben im 1. Kapitel C. II. 2. b) und c). 512 Zöller/Greger, ZPO, § 138 Rn. 8a; Wieczorek/Schütze/Gerken, ZPO, § 138 Rn. 24. 511
D. Folgen des Bestreitens juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
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dem juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen üblicherweise sehr pauschale Vorträge darstellen, darf sich die Gegenseite deshalb grundsätzlich auf das einfache Bestreiten des Vorbringens beschränken. Das Bestreiten braucht dabei nicht ausdrücklich erklärt zu werden. Nach § 138 Abs. 3 ZPO genügt vielmehr schon, dass die Absicht, die Erklärung bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Gegenseite hervorgeht. Die Erklärungen können mithin auch konkludent bestritten werden. Trägt die darlegungsbelastete Partei juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen vor, kann sich dabei eine besondere Situation ergeben. Denn entsprechende Behauptungen werden zwar nur dann als substantiierter Sachvortrag gewertet, wenn grundsätzlich von einem ausreichenden Verständnis beider Parteien von der Bedeutung der vorgetragenen Rechtsbegriffe ausgegangen werden kann. Dieses Verständnis wird aber nicht in jedem Einzelfall auch wirklich gegeben sein. Es kann deshalb vorkommen, dass die Gegenseite eine juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung nicht direkt „bestreitet“513 (eben weil sie die rechtliche Bedeutung des verwendeten Rechtsbegriffs nicht versteht), ihr Sachvortrag aber offenbart, dass sie von einer anderen Tatsachengrundlage ausgeht, als durch die juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung dargelegt. A verklagt B auf Kaufpreiszahlung wegen des Verkaufs einer Maschine. Zur Begründung behauptet A u. a., B habe ein Angebot des A auf Abschluss eines entsprechenden Vertrages „angenommen“. B will sich gegen diese Behauptung nicht zur Wehr setzen, weil er davon ausgeht, er habe tatsächlich ein Angebot des A angenommen. Bezüglich des Zustandekommens des Vertrages erklärt B aber: „A bot die Maschine durch ein Rundschreiben mit der Klausel an, es solle eine Maschine als bestellt gelten, wenn der Empfänger des Rundschreibens nicht sofort ablehne; leider habe ich das Angebot nicht sofort abgelehnt.“514
In diesen Fällen liegt ein konkludentes Bestreiten der juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen vor, auch wenn die Gegenseite nicht die Absicht hat, diese bestreiten zu wollen. Ihr Vortrag steht zu den Behauptungen nämlich offensichtlich in Widerspruch. Die fehlende Absicht, die Erklärungen bestreiten zu wollen, darf der Gegenseite dabei schon allein deshalb nicht zum Nachteil gereichen, weil diese keine Rechtskenntnisse zu besitzen braucht. Für das Gericht dürfte es im Übrigen regelmäßig auch offensichtlich sein, dass die juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen allein aufgrund des falschen Verständnisses der vorgetragenen Rechtsbegriffe nicht ausdrücklich bestritten werden. Sollte es dennoch Zweifel daran haben, müsste es diese durch Fragen nach § 139 513
Oder sogar „zugesteht“. Angelehnt an das Beispiel von Schneider, Der Zivilrechtsfall in Prüfung und Praxis, Rn. 148. 514
212
2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
ZPO ausräumen. Eine entsprechende Aufklärung ist nämlich stets geboten, wenn dem Gericht trotz gegensätzlicher Sachdarstellungen unklar ist, inwieweit den Behauptungen der anderen Partei entgegengetreten werden soll.515
II. Prozessuale Folgen Nach der ganz h. M. muss die darlegungsbelastete Partei ihren Vortrag näher erläutern, wenn die Gegenseite ihre juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen substantiiert bestreitet. Unklar ist, ob nach der Rspr. eine Beweisaufnahme mit den juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen als Beweisthema stattfinden kann, wenn diese ohne nähere Sachangaben bestritten werden (dazu unter 1.). Nach der überwiegenden Literatur sei letzteres wohl möglich. Die entsprechenden Ausführungen lassen allerdings auch eine andere Deutung zu. Nach einem Teil der Lit. müsse die darlegungsbelastete Partei ihren Vortrag hingegen in jedem Fall des Bestreitens näher substantiieren (dazu unter 2.). Die besseren Argumente sprechen dabei dafür, das Bestehen einer entsprechenden Obliegenheit davon abhängig zu machen, ob die Gegenseite die juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen mit eigenen Sachangaben bestreitet oder nicht (dazu unter 3.). 1. Rechtsprechung a) Folgen des einfachen Bestreitens reiner Tatsachenbehauptungen Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bewirkt das Bestreiten einer reinen Tatsachenbehauptung durch die Gegenseite nicht in jedem Fall, dass die darlegungsbelastete Partei ihren Vortrag näher substantiieren muss. Die Angabe konkreter Einzelheiten sei vielmehr nur dann erforderlich, wenn der Tatsachenvortrag infolge der Einlassung des Gegners unklar werde und nicht mehr den Schluss auf die Entstehung des geltend gemachten Rechts zulasse.516 Diese Voraussetzungen lägen regelmäßig nicht vor, wenn die Gegenseite Tatsachenbehauptungen ohne nähere Sachangaben – also „einfach“ – bestreitet.517 Folglich dürfe das Gericht eine Beweiserhebung über die bestrittenen Tatsachenbehauptungen 515 BGH, Urt. v. 26. 4. 2001 – III ZR 102/00 – Rn. 8 f., zitiert nach juris; Thomas/Putzo/ Seiler, ZPO, § 138 Rn. 17. 516 BGH, Beschluss v. 1. 6. 2005 – XII ZR 275/02 – Rn. 7, zitiert nach juris; Urt. v. 23. 4. 1991 – X ZR 77/89 – Rn. 20, zitiert nach juris; Urt. v. 12. 7. 1984 – VII ZR 123/83 – Rn. 13, zitiert nach juris; Urt. v. 16. 5. 1962 – VIII ZR 79/61 = NJW 1962, 1394, 1395. 517 BGH, Beschluss v. 1. 6. 2005 – XII ZR 275/02 – Rn. 7, zitiert nach juris; Urt. v. 21. 1. 1999 – VII ZR 398/97 – Rn. 9, zitiert nach juris; Urt. v. 23. 4. 1991 – X ZR 77/89 – Rn. 20, zitiert nach juris; Urt. v. 12. 7. 1984 – VII ZR 123/83 – Rn. 13, zitiert nach juris; Urt. v. 16. 5. 1962 – VIII ZR 79/61 = NJW 1962, 1394, 1395.
D. Folgen des Bestreitens juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
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in diesen Fällen nicht mit der Begründung ablehnen, die Behauptungen seien nicht hinreichend substantiiert.518 b) Folgen des substantiierten Bestreitens reiner Tatsachenbehauptungen Der darlegungsbelasteten Partei obliege nach der Rechtsprechung aber dann eine nähere Darstellung, wenn die Gegenseite ihr Vorbringen substantiiert angreift. Denn der Umfang der Substantiierungspflicht bestimme sich aus dem Wechselspiel von Vortrag und Gegenvortrag. Die Ergänzung und Aufgliederung des Sachvortrags bei hinreichendem Gegenvortrag sei dabei immer zunächst Sache der darlegungs- und beweispflichtigen Partei.519 Komme diese ihrer Pflicht, den Vortrag näher zu substantiieren, nicht nach, könne das Gericht eine Beweis erhebung folglich ablehnen.520 c) Juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen aa) Folgen substantiierten Bestreitens Es ist davon auszugehen, dass die Rechtsprechung auch im Falle juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen521 nach den dargestellten Grundsätzen verfährt. Das gilt jedenfalls, soweit juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen substantiiert bestritten werden. So bedürfe es nach BGH, Beschluss v. 28. 3. 2006 – VIII ZB 100/04522 der Darlegung tatsächlicher Umstände, die den vorgetragenen Rechtsbegriff ausfüllen, wenn die in ihrer juristischen Einkleidung behauptete Tatsache substantiiert bestritten werde.523 Komme die darlegungsbelastete Partei dieser Obliegenheit nicht nach, müsse das Gericht folglich keinen Beweis für ihre Behauptungen erheben. Denn es fehle schon an hinreichend konkretem Sachvortrag.524 518 BGH, Beschluss v. 1. 6. 2005 – XII ZR 275/02 – Rn. 6 ff., zitiert nach juris; Urt. v. 21. 1. 1999 – VII ZR 398/97 – Rn. 6 ff., zitiert nach juris; Urt. v. 23. 4. 1991 – X ZR 77/89 – Rn. 20 f., zitiert nach juris; Urt. v. 12. 7. 1984 – VII ZR 123/83 – Rn. 10 ff., zitiert nach juris. 519 BGH, Beschluss v. 1. 6. 2005 – XII ZR 275/02 – Rn. 8, zitiert nach juris; Urt. v. 21. 1. 1999 – VII ZR 398/97 – Rn. 9, zitiert nach juris; Urt. v. 24. 10. 1991 – VII ZR 81/90 – Rn. 11, zitiert nach juris. 520 BGH, Beschluss v. 28. 3. 2006 – VIII ZB 100/04 – Rn. 14 ff., zitiert nach juris (bezüglich der juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptung, die Beklagten hätten einen „Wohnsitz“ im Inland). 521 Soweit nicht anders gekennzeichnet, beziehen sich die folgenden Ausführungen nur auf solche juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen, die als substantiierter Sachvortrag zu werten sind. 522 – juris. 523 BGH, Beschluss v. 28. 3. 2006 – VIII ZB 100/04 – Rn. 15, zitiert nach juris. 524 A. a. O. – Rn. 14 f.
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
bb) Folgen einfachen Bestreitens Es ist unklar, ob der Bundesgerichtshof auch dann von einer entsprechenden Obliegenheit der darlegungsbelasteten Partei ausgeht, wenn deren juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen schlicht bzw. einfach bestritten werden. Soweit ersichtlich, wurde dies noch nicht vom Bundesgerichtshof entschieden. Dölling525 zitiert zwar als Beleg für seine Behauptung „Sobald die in ihrer juristischen Einkleidung behauptete Tatsache von der Gegenseite bestritten wird, bedarf es auch hier der Darlegung tatsächlicher Umstände, die den Rechtsbegriff ausfüllen.“
die soeben dargestellte Entscheidung BGH, Beschluss v. 28. 3. 2006 – VIII ZB 100/04526. Dabei verkennt Dölling aber offensichtlich, dass die juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung des Klägers, die Beklagten hätten einen „Wohnsitz“ im Inland, in dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall substantiiert bestritten wurde. Der Entscheidung lässt sich daher nicht entnehmen, ob der darlegungsbelasteten Partei eine nähere Substantiierung nach dem Bundesgerichtshof auch dann obliegt, wenn ihre juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen ohne nähere Sachangaben bestritten werden. Eine solche Obliegenheit müsste u. a. dann bestehen, wenn juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen schon kein zulässiges Beweisthema wären. Dann käme eine Beweisaufnahme über diese Behauptungen nämlich von vornherein nicht in Betracht. Die darlegungsbelastete Partei müsste ihren Vortrag im Falle des Bestreitens folglich schon deshalb näher substantiieren, um eine Beweiserhebung zu ermöglichen. In diese Richtung weist eine Entscheidung des Bundessozialgerichts527. Danach sei ein Beweisantrag mit dem Thema, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt eine „volle Erwerbsminderung“ bei einer Person vorgelegen habe, nicht prozessordnungsgemäß. „Denn der Begriff der vollen Erwerbsminderung ist ein Rechtsbegriff und damit dem Tatsachenbeweis von vornherein unzugänglich.“528
Nach Entscheidungen des Bundesfinanzhofs529 und des OLG München530 können Beweisanträge hingegen auch dann hinreichend substantiiert und bestimmt sein, wenn sie Rechtsbegriffe enthalten. In dem der Entscheidung des Bundesfinanzhofs zugrundeliegenden Fall hatte die Klägerin beantragt, zwei Zeugen darüber zu ver525
Die Voraussetzungen der Beweiserhebung im Zivilprozess, NJW 2013, 3121, 3123. – juris. 527 Beschluss v. 25. 9. 2014 – B 5 R 188/14 B = BeckRS 2014, 72944. 528 Bundessozialgericht, Beschluss v. 25. 9. 2014 – B 5 R 188/14 B = BeckRS 2014, 72944 – Rn. 9. 529 Beschluss vom 1. 2. 2007 – VI B 118/04 – juris. 530 Urt. v. 19. 11. 1999 – 23 U 4502/99 – juris. 526
D. Folgen des Bestreitens juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
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nehmen, dass sie während eines bestimmten Zeitraums ihren „Lebensmittelpunkt“ (ausschließlich) in einer bestimmten Gemeinde gehabt habe. Das Finanzgericht war diesem Beweisantrag nicht nachgekommen, weil es ihn für unsubstantiiert gehalten hatte. Damit handelte es nach dem Bundesfinanzhof nicht rechtmäßig: „Das FG hat im Streitfall nicht beachtet, dass der […] Begriff des (örtlichen) ‚Mittelpunkts der Lebensinteressen‘ nicht nur einen Rechtsbegriff, sondern auch eine beweisfähige Tatsachenbehauptung darstellt. Dem steht nicht entgegen, dass die Entscheidung über den Lebensmittelpunkt eine tatrichterliche Würdigung aller Umstände des Einzelfalles erfordert […] bzw. sich diese Tatsache aus einer Zusammenschau mehrerer Einzeltatsachen ergibt (u. a. Verhältnisse des Steuerpflichtigen, Art und Intensität der sozialen Kontakte, Vereinszugehörigkeiten und andere Aktivitäten […]. Angesichts dieser seit vielen Jahren bekannten Sach- und Rechtslage würde eine Pflicht zur Angabe aller dieser Einzeltatsachen eine überspitzte Anforderung an die Zulässigkeit des Beweisantrags darstellen. Die Angabe der Klägerin war mithin konkret genug, um dem Gericht eine Grundlage für seine Beweiserhebung zu geben bzw. den ‚Gegenstand der Vernehmung‘ (§ 377 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) zureichend zu bestimmen [m. w. N.].“531
In dem der Entscheidung des OLG München zugrundeliegenden Fall hatte die Beklagte behauptet, ihr sei ein streitgegenständliches Sparguthaben „schenkweise überlassen worden“. Zum Beweis dieser Behauptung bot sie einen Zeugen an. Das Landgericht München I lehnte die Vernehmung des Zeugen ab, weil es den Beweisantrag für nicht ausreichend substantiiert hielt. Damit überspannte es nach Ansicht des OLG München jedoch die Anforderungen an die Substantiiertheit: „Es trifft allerdings zu, daß das Landgericht München I in erster Instanz dadurch einen Verfahrensfehler begangen hat, daß es den von der Beklagten angebotenen Zeugen … zur Frage der Schenkung des Sparguthabens nicht vernommen hat. Der entsprechende Beweisantrag der Beklagten war ausreichend substantiiert. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes darf ein Beweisantrag zu einer erheblichen Tatsache nur dann abgelehnt werden, wenn ihre Erheblichkeit mangels näherer Bezeichnung der unter Beweis gestellten Tatsachen nicht zu beurteilen ist […]. Zur Substantiierung des behaupteten Tatsachenvortrages hat der Bundesgerichtshof wiederholt […] entschieden, daß der Vortrag von Tatsachen ausreichend ist, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, die daraus abgeleiteten Rechtsfolgen zu tragen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist grundsätzlich nur dann nötig, wenn diese für die Rechtsfolgen von Bedeutung sind oder wenn die Angabe weiterer Umstände erforderlich ist, um dem Gegner die Nachprüfung der behaupteten Tatsachen und den Antritt von Gegenbeweisen zu ermöglichen. […] Die vom Landgericht München I für die Substantiierung des Beweisantrages weiter geforderten Angaben zum Anlaß der Schenkung, zu Äußerungen der Erblasserin bei Übergabe des Sparbuchs, zum Ort der Übergabe und zur Kenntnis des angebotenen Zeugen F. hiervon waren damit allesamt zur Substantiierung des Beweisantrages nicht erforderlich.“532 531 532
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 1. 2. 2007 – VI B 118/04 – Rn. 8, zitiert nach juris. OLG München, Urt. v. 19. 11. 1999 – 23 U 4502/99 – Rn. 8, zitiert nach juris.
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
Danach kommen also grundsätzlich auch juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen als Beweisthemen in Betracht.533 Den Entscheidungen lässt sich überdies entnehmen, dass das Bestreiten juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen nach Ansicht der erkennenden Gerichte nicht stets zu einer Substantiierungsobliegenheit der darlegungsbelasteten Partei führt. Andernfalls hätten die Beweisanträge zumindest aus diesem Grund als nicht ausreichend substantiiert zurückgewiesen werden müssen. 2. Literatur Teile der Literatur sind der Ansicht, dass die darlegungsbelastete Partei ihre juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen stets näher substantiieren muss, wenn die Gegenseite das Vorbringen bestreitet (dazu unter lit. a)). Die Ausführungen der h. L. deuten in eine andere Richtung. Aufgrund (scheinbar) widersprüchlicher Formulierungen lässt sich aber nicht zweifelsfrei feststellen, unter welchen genauen Voraussetzungen die h. L. eine Substantiierungsobliegenheit annimmt (dazu unter lit. b)). a) Substantiierungsobliegenheit in jedem Fall des Bestreitens Nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht bewirke nicht nur das substantiierte, sondern auch das einfache Bestreiten einer juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptung, dass die darlegungsbelastete Partei ihren diesbezüglichen Vortrag näher erläutern muss.534 Dies wird jedoch unterschiedlich begründet. Nach einer Ansicht müsse die darlegungspflichtige Partei ihren Sachvortrag – unabhängig davon, ob dieser nur reine oder auch juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen enthält – generell näher substantiieren, wenn dieser bestritten wird. Auch das einfache Bestreiten reiner Tatsachenbehauptungen löse mithin eine Substantiierungsobliegenheit des Darlegungspflichtigen aus.535 Das Gleiche gelte, wenn juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen ohne nähere Sachangaben bestritten werden.536 533 So im Ergebnis auch BFH, Urt. v. 13. 3. 1996 – II R 39/94 – Rn. 13, zitiert nach juris (bezüglich eines Beweisantrags mit dem Thema, dass die „Aufnahme des Geschäftsbetriebs“ bis zu einem bestimmten Zeitpunkt erfolgt sei). 534 So im Ergebnis etwa Zöller/Greger, ZPO, § 138 Rn. 8a; Dölling, NJW 2013, 3121, 3123 f.; Schneider, Die Klage im Zivilprozess, Rn. 2118 ff.; wohl auch Anders/Gehle, Das Assessorexamen im Zivilrecht, A. Rn. 101; BeckOK ZPO/Bacher, § 284 Rn. 5. 535 So z. B. Zöller/Greger, ZPO, § 138 Rn. 8a. 536 A. a. O. Auch wenn Greger dies nicht ausdrücklich darlegt, ergibt sich dieses Ergebnis insbesondere aus seinem, die dargestellten Grundsätze veranschaulichendem, Beispiel. In diesem wird nämlich gerade eine juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung – der „Abschluss eines Vertrages“ – einfach bestritten. Den dargestellten Ausführungen ent-
D. Folgen des Bestreitens juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
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Nach anderer Ansicht stellen bestrittene juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen bloße Mitteilungen von Rechtsansichten dar.537 Der Beweiserhebung seien sie damit nicht zugänglich. Juristisch eingekleidet behauptete Tatsachen wären nämlich nur dann Gegenstand von Sachvortrag, wenn die Parteien die vorgetragenen Rechtsbegriffe übereinstimmend verwenden.538 Wäre eine Beweiserhebung über juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen dementsprechend generell nicht möglich, müsste die darlegungspflichtige Partei ihren Vortrag folglich auch dann näher erläutern, wenn dieser ohne nähere Sachangaben bestritten wird. Ohne die Angabe konkreter Einzeltatsachen läge nach der dargestellten Ansicht nämlich schon kein zulässiges Beweisthema vor. Mit ähnlichen Argumenten kommt auch eine weitere Ansicht zu dem Ergebnis, dass jede Form des Bestreitens juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen eine Substantiierungsobliegenheit des Darlegungspflichtigen auslöst. Nach dieser Ansicht würde dem Gericht die rechtliche Würdigung der Tatsachen aus der Hand genommen, wenn Beweisaufnahmen mit juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen als Beweisthemen stattfänden.539 Würde etwa über die Behauptung eines Klägers, dass der Beklagte einen Gegenstand vom Kläger gekauft habe, Beweis erhoben durch Vernehmung eines Zeugen, würde der Zeuge nämlich den Rechtsstreit entscheiden, indem er darüber befindet, ob der Beklagte vom Kläger „gekauft“ hat oder nicht. Der Zeuge übe mithin das Amt des Richters aus.540 Da dies nicht zulässig sei, müsse das Gericht gem. § 139 ZPO die nähere Substantiierung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen verlangen, wenn die Gegenseite die Behauptungen bestreitet.541 Auf die Substantiiertheit des Bestreitens selbst kann es dabei wiederum nicht ankommen, wenn juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen schon keine zulässigen Beweisthemen sind. Die Notwendigkeit einer Substantiierung in jedem Fall des Bestreitens wird auch damit begründet, dass nur der unstreitige Vortrag eines Rechtsbegriffs den Schluss rechtfertigen könne, die Parteien hätten mit dem Vorbringen zugleich die den Rechtsbegriff ausfüllenden Tatsachen vorgetragen542: „Ist zwischen den Parteien zB der Abschluss eines Kaufvertrags streitig, kann das sowohl an einem unterschiedlichen Verständnis des Rechtsbegriffs Kaufvertrag liegen als auch daran, dass sie von einer unterschiedlichen Tatsachengrundlage ausgehen. sprechend müsse der Darlegungspflichtige in diesem Fall nun die konkreten Umstände darlegen, die seines Erachtens zu einem Vertrag führten. 537 Dölling, NJW 2013, 3121, 3124. 538 A. a. O., 3123. 539 Schneider, Die Klage im Zivilprozess, Rn. 2121 ff., 2312 f. 540 A. a. O., Rn. 2121 f. 541 A. a. O., Rn. 2123. 542 BeckOK ZPO/von Selle, § 138 Rn. 8.
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
Das kann das Gericht nur aufklären, wenn die darlegungsbelastete Partei die tatsächlichen Umstände, die ihres Erachtens den Rechtsbegriff Kauf erfüllen, vorträgt. Eine Beweisaufnahme über die Behauptung eines Kaufvertrags ist demzufolge unzulässig, solange sie nicht durch entsprechenden Tatsachenvortrag substantiiert wird, denn es bleibt ja immer möglich, dass die darlegungsbelastete Partei einem Subsumtionsirrtum erlegen ist. Die Beweisaufnahme erfordert daher in jedem Fall ‚die Angabe der zu beweisenden Tatsachen‘ […].“543
Schließlich wird die generelle Substantiierungsobliegenheit im Falle des Bestreitens damit begründet, dass ohne die Angabe von Einzeltatsachen in der folgenden Beweisaufnahme nicht geprüft werden könne, ob das durch den vorgetragenen Rechtsbegriff bezeichnete Tatbestandsmerkmal zu bejahen ist. Denn die den Tatbestandsmerkmalen zugrundeliegenden Tatsachen dürften nicht erst im Rahmen der Beweisaufnahme zum Beispiel durch Befragung eines Zeugen ermittelt werden.544 b) (Wohl) Andere Ansichten aa) Juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen als potentielle Beweisgegenstände Die überwiegende Literatur ist der Ansicht, dass juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen zulässige Beweisthemen seien und mithin den Gegenstand einer Beweisaufnahme bilden könnten, wenn die Parteien ein ausreichendes Verständnis der vorgetragenen Rechtsbegriffe besitzen.545 bb) Vermeintliche Konsequenz Die Nennung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen als potentielle Beweisgegenstände müsste eigentlich bedeuten, dass das Bestreiten der Behauptungen nach Ansicht der h. L. keine generelle Substantiierungsobliegenheit der darlegungsbelasteten Partei bewirkt. Denn eine Beweiserhebung findet nur bezüglich solcher Behauptungen statt, die zwischen den Parteien streitig sind. Auch juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen können mithin nur dann Beweisthema sein, wenn sie bestritten wurden. Würde deren Bestreiten aber in 543
A. a. O., Rn. 8.1. Anders/Gehle, Das Assessorexamen im Zivilrecht, A. Rn. 101. 545 So z. B. Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 284 Rn. 14; Baumgärtel/Laumen, Handbuch der Beweislast, Grundlagen, Kap. 3 Rn. 3; Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess, Kap. 2 Rn. 6; Prütting/Gehrlein/Laumen, ZPO, § 284 Rn. 8; Musielak/Voit/Foerste, ZPO, § 284 Rn. 2; BeckOK ZPO/Scheuch, § 373 Rn. 31 f.; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, Einf § 284 Rn. 21; Saenger/Saenger, ZPO, § 284 Rn. 11; wohl auch MüKoZPO/Prütting, ZPO, § 284 Rn. 41. 544
D. Folgen des Bestreitens juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
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jedem Fall eine Substantiierungsobliegenheit auslösen, kämen sie selbst nicht als Beweisthemen in Betracht: entweder würde die darlegungspflichtige Partei ihren Vortrag trotz des Bestreitens nicht näher substantiieren. Über die juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen könnte dennoch kein Beweis erhoben werden, weil diese keinen hinreichend substantiierten Sachvortrag (mehr) darstellen würden. Aufgrund der – unterstellten – Substantiierungsobliegenheit wäre ja gerade deren nähere Erläuterung erforderlich gewesen. Oder der Darlegungspflichtige würde seinen Vortrag – der unterstellten Substantiierungsobliegenheit entsprechend – näher erläutern. Dann würde – falls auch dieser substantiierte Vortrag bestritten wird – nicht über die juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen, sondern über die sie konkretisierenden Behauptungen Beweis erhoben. Ausgangsfall: A verklagt B auf Kaufpreiszahlung. Zur Begründung trägt A u. a. vor, B hätte ein Motorrad von ihm „gekauft“. Zum Beweis dieser Behauptung benennt A den Zeugen C. B bestreitet die Behauptung des A einfach, also ohne nähere Sachangaben. Unterstellte Rechtslage: Juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen sind stets näher zu substantiieren, wenn sie von der Gegenseite bestritten werden. Variante 1: A erläutert durch konkrete Angaben zum Vertragsschluss, warum er davon ausgeht, dass ein Kaufvertrag zwischen ihm und B zustande gekommen ist. B bestreitet diesen Vortrag des A mit eigenen Sachangaben. Folge: Es wird Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen C. Gegenstand der Beweis aufnahme sind die Angaben des A zum Vertragsschluss. Die juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung, B hätte ein Motorrad von A „gekauft“, scheidet als Beweisgegenstand aus. Denn es liegen konkrete Angaben des A vor, welche diese erläutern. Variante 2: A unterlässt es, seine Behauptung, B hätte ein Motorrad von ihm „gekauft“, näher zu erläutern. Folge: Die Klage wird abgewiesen. Denn A hat die anspruchsbegründenden Tatsachen nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Aufgrund des Bestreitens des B wäre eine nähere Erläuterung der Behauptung, B hätte ein Motorrad von A „gekauft“, erforderlich gewesen. Die juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung genügt den Anforderungen der Substantiierungspflicht nicht (mehr). Folglich scheidet auch eine Beweiserhebung über diese Behauptung aus. Denn auch der entsprechende Beweis antrag ist nicht hinreichend substantiiert.
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
Beweiserhebungen über juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen kommen folglich nur dann in Betracht, wenn die entsprechenden Behauptungen nicht in jedem Fall des Bestreitens näher substantiiert werden müssen. cc) (Scheinbare) Widersprüche Einige Ausführungen der herrschenden Literatur stehen zu der dargestellten Konsequenz zumindest scheinbar in Widerspruch. Denn einerseits werden juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen – wie eingangs dargelegt – unter gewissen Voraussetzungen als zulässige Beweisthemen betrachtet. Andererseits wird häufig ausgeführt, die darlegungsbelastete Partei müsste im Falle des Bestreitens einer juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptung546 die Tatsachen vortragen, die den behaupteten Rechtsbegriff ausfüllen547 bzw. dass die Gleichstellung juristisch eingekleideter und reiner Tatsachenbehauptungen nur zulässig sei, wenn die Parteien den vorgetragenen Rechtsbegriff übereinstimmend verwenden, die Gegenseite den Rechtsbegriff also nicht bestreitet548. Aufgrund dieses zumindest scheinbaren Widerspruchs ist fraglich, welche Ansicht die h. L. tatsächlich vertritt.
546
Ohne dass zwischen einfachem und substantiiertem Bestreiten unterschieden wird. BeckOK ZPO/Bacher, § 284 Rn. 5 („Wird eine entsprechende [juristisch eingekleidete Tatsachen-]Behauptung bestritten […], müssen die konkreten Tatsachen vorgetragen werden, aus denen sich die geltend gemachte Rechtsfolge ergibt.“); MüKoZPO/Fritsche, ZPO, § 138 Rn. 18 („Erst auf das Bestreiten des Beklagten hin hat er [der Kläger] die Einzelheiten des maßgeblichen Vorgangs zu schildern; etwa den Erwerb des Eigentums, die Verhandlungen und die näheren Umstände des Abschlusses des Vertrages […].“); Prütting/ Gehrlein/Laumen, ZPO, § 284 Rn. 8 („Werden sie [einfache und allgemeine Rechtsbegriffe des täglichen Lebens] dagegen bestritten, muss der Rechtsbegriff aufgelöst und auf einzelne konkrete Tatsachen zurückgeführt werden.“); ähnlich auch Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 284 Rn. 14 („Sowie aber die Subsumtion […] unter den Parteien streitig […] ist, muss auf die einzelnen konkreten Tatsachen zurückgegangen werden.“) 548 So z. B. bei Baumgärtel/Laumen, Handbuch der Beweislast, Grundlagen, Kap. 3 Rn. 3 („Die Gleichstellung von Rechtsbegriffen und Tatsachenbehauptungen findet aber dort ihre Grenze, wo der Gegner den Rechtsbegriff bestreitet […].“); Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess, Kap. 2 Rn. 7 („Zulässig ist die Abkürzung [von Tatsachenvortrag durch Rechtsbegriffsbehauptungen] ferner dann nicht, wenn es wegen des Streits der Parteien gerade auf die konkreten Einzeltatsachen ankommt.“). Auch dies bedeutet im Ergebnis, dass die darlegungsbelastete Partei ihren Vortrag stets näher substantiieren muss, wenn die Gegenseite eine juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung bestreitet. Denn eine Beweiserhebung über juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen käme nur in Betracht, wenn deren Vortrag zulässig wäre und diese reinen Tatsachenbehauptungen gleichgestellt werden könnten. 547
D. Folgen des Bestreitens juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
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dd) Mögliche Interpretationen Denkbar wäre, dass nach Ansicht der h. L. zwar stets eine Substantiierungsobliegenheit besteht, wenn juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen bestritten werden, dass aber – entgegen der hier vertretenen Ansicht – dennoch die juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen den Gegenstand der Beweisaufnahme bilden können, wenn auch der substantiierte Vortrag bestritten wird. Im vorherigen Beispiel erläutert A, wie in Variante 1, durch konkrete Angaben zum Vertragsschluss, warum er davon ausgeht, dass ein Kaufvertrag zwischen ihm und B zustande gekommen ist. B bestreitet diesen Vortrag mit eigenen Sachangaben. Es wird folgender Beweisbeschluss erlassen: „Es ist Beweis zu erheben über die Behauptung des Klägers, der Beklagte habe vom Kläger ein Motorrad gekauft, durch Vernehmung von C als Zeugen.“
In diesem Sinne könnten bspw. die bereits zitierten Ausführungen verstanden werden: „Eine Beweisaufnahme über die Behauptung eines Kaufvertrags ist demzufolge unzulässig, solange549 sie nicht durch entsprechenden Tatsachenvortrag substantiiert wird, denn es bleibt ja immer möglich, dass die darlegungsbelastete Partei einem Subsumtionsirrtum erlegen ist. Die Beweisaufnahme erfordert daher in jedem Fall ‚die Angabe der zu beweisenden Tatsachen‘ […].“550
Dass eine Beweisaufnahme über die Behauptung eines Kaufvertrages unzulässig sei, solange sie nicht durch entsprechenden Tatsachenvortrag substantiiert werde, könnte so zu verstehen sein, dass nach der Substantiierung über die Behauptung des Kaufvertrages Beweis erhoben werden könnte. Bei diesem Verständnis bestünde kein Widerspruch zwischen dem unbedingten Verlangen einer Substantiierung im Fall des Bestreitens und der Nennung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen als potentielle Beweisgegenstände. Diese Auslegung erscheint dennoch eher fernliegend.551 Pauschale Behauptungen können nämlich grundsätzlich nicht Beweisthema sein, wenn bezüglich der durch sie vorgetragenen Tatsachen auch konkretere Behauptungen vorliegen.552 Ebenfalls denkbar und wohl auch naheliegender ist daher, dass der (scheinbare) Widerspruch auf ungenauen Formulierungen beruht. Dass also, entgegen dem ersten Anschein, nicht jegliches, sondern nur substantiiertes Bestreiten eine 549
Hervorhebung nicht im Original. BeckOK ZPO/von Selle, § 138 Rn. 8.1. 551 Deshalb wurden die Ausführungen von BeckOK ZPO/von Selle, § 138 Rn. 8.1 der oben dargestellten Ansicht zugeordnet, nach der eine Substantiierungsobliegenheit unabhängig vom Maß der Substantiiertheit des Bestreitens bestehe. 552 Näher dazu siehe sogleich 3. a) bb). 550
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
Substantiierungsobliegenheit für den Darlegungspflichtigen nach sich ziehen solle. Anhaltspunkte für eine entsprechende Auslegung ergeben sich bspw. aus den folgenden Ausführungen: „Die Gleichstellung von Rechtsbegriffen und Tatsachenbehauptungen findet aber dort ihre Grenze, wo der Gegner den Rechtsbegriff bestreitet.“553 „Sowie aber die Subsumtion […] unter den Parteien streitig […] ist, muss auf die einzelnen konkreten Tatsachen zurückgegangen werden.“554
Das Abstellen auf das Bestreiten des Rechtsbegriffs bzw. auf die Streitigkeit der Subsumtion könnte in dem Sinne verstanden werden, dass die Gleichstellung juristisch eingekleideter und reiner Tatsachenbehauptungen nur dann enden solle, wenn die Gegenseite behauptet, die Tatsachen ließen sich nicht mit dem vorgetragenen Rechtsbegriff bezeichnen. Das einfache Bestreiten der Behauptungen würde mithin keine Substantiierungsobliegenheit auslösen. Letztendlich kann nicht zweifelsfrei festgestellt werden, auf welchen Erwägungen die Ausführungen der h. L. basieren. Daher muss es vorliegend bei der Darstellung der verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten belassen werden. 3. Stellungnahme Werden juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen substantiiert bestritten, muss die darlegungsbelastete Partei ihren Vortrag näher erläutern. Eine Beweiserhebung über die juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen ist in diesem Fall ausgeschlossen (dazu unter lit. a)). Im Falle des einfachen Bestreitens kann hingegen grundsätzlich eine Beweiserhebung zu den juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen stattfinden. Etwas anderes gilt nur, wenn das Gericht aufgrund des Bestreitens am Begriffsverständnis der Parteien zweifelt oder eine Beweiserhebung über die juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen nicht zielführend erscheint (dazu unter lit. b)). a) Folgen substantiierten Bestreitens aa) Substantiierungsobliegenheit Bestreitet die Gegenseite eine juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung mit eigenen Angaben zum Geschehen, muss die darlegungsbelastete Partei ihren Vortrag näher erläutern. Das folgt schon aus dem allgemeinen Grundsatz, dass sich der Umfang der Substantiierungslast nach dem Vortrag des Gegners richtet. Dieser Grundsatz be553 Baumgärtel/Laumen, 554 Stein/Jonas/Leipold,
Handbuch der Beweislast, Grundlagen, Kap. 3 Rn. 3. ZPO, § 284 Rn. 14.
D. Folgen des Bestreitens juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
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ansprucht im Falle juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen umso mehr Geltung. Denn die Abkürzung des Tatsachenvortrags durch die Verwendung von Rechtsbegriffen wird in erster Linie deshalb für zulässig erachtet, weil eine unnötige Aufblähung der Sachverhaltsdarstellung vermieden werden soll. Der Vortrag der den Rechtsbegriffen zugrundeliegenden Tatsachen ist aber sehr wohl nötig, wenn die Gegenseite durch eigene Sachangaben darlegt, warum eine juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung nicht der Wahrheit entspreche. Die Substantiierungsobliegenheit wird sich häufig zudem auch daraus ergeben, dass der Vortrag der darlegungsbelasteten Partei aufgrund der Angaben der Gegenseite unklar wird und nicht mehr den Schluss auf die Entstehung des geltend gemachten Rechts zulässt.555 Schließlich kann der Gegenvortrag auch dazu führen, dass das Gericht daran zweifelt, ob die darlegungsbelastete Partei den vorgetragenen Rechtsbegriff korrekt verwendet. In diesem Fall ist eine nähere Erläuterung der juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen schon deshalb notwendig, weil die Voraussetzungen von deren Gleichstellung mit reinen Tatsachenbehauptungen nicht (mehr) gegeben sind. bb) Gegenstand der Beweisaufnahme Juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen scheiden als Beweisthemen aus, wenn sie substantiiert bestritten werden. Das gilt unabhängig davon, ob der Darlegungspflichtige seinen Vortrag näher erläutert oder nicht. Substantiiert der Darlegungspflichtige seinen Sachvortrag und wird auch der substantiierte Vortrag (teilweise) bestritten, bilden den Gegenstand der Beweis aufnahme die konkretisierenden (streitigen) Behauptungen. Das gilt zunächst in den Fällen, in denen die Gegenseite nur einzelne Momente des substantiierten Vorbringens bestreitet. Wären hier die juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen Beweisgegenstand, würde nämlich Beweis auch über unstreitigen Sachvortrag erhoben. A verklagt B auf Kaufpreiszahlung. Zur Begründung trägt A u. a. vor, er hätte B am 1.3. ein Fahrrad für EUR 500 ,– „verkauft“. Zum Beweis der Behauptung benennt A den Zeugen C. B bestreitet die Behauptung des A und gibt an, er hätte ein entsprechendes Angebot des A nicht angenommen. A substantiiert seinen Vortrag daraufhin, indem er dar555 In
diesem Fall obliegt der darlegungsbelasteten Partei nach ständiger Rechtsprechung die Substantiierung ihres Sachvortrags. So z. B. nach BGH, Beschluss v. 1. 6. 2005 – XII ZR 275/02 – Rn. 7, zitiert nach juris; Urt. v. 23. 4. 1991 – X ZR 77/89 – Rn. 20, zitiert nach juris; Urt. v. 12. 7. 1984 – VII ZR 123/83 – Rn. 13, zitiert nach juris; Urt. v. 16. 5. 1962 – VIII ZR 79/61 = NJW 1962, 1394, 1395.
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
legt, er hätte am 1.3. zu B gesagt, B könne sein Fahrrad für EUR 500,– haben. B habe daraufhin erklärt, dass er das Fahrrad unbedingt haben wolle und mit dem Kaufpreis einverstanden sei. B erwidert, dass es zwar stimme, dass A ihm das Fahrrad für EUR 500,– angeboten habe. Er (B) habe das Angebot aber nicht angenommen. Denn er habe zwar gesagt, dass er das Fahrrad unbedingt haben wolle und dass EUR 500,– ein fairer Preis sei. Er habe A aber darauf hingewiesen, dass er momentan nicht soviel Geld zur Verfügung habe und er sich erst überlegen müsse, wie er den Kaufpreis finanzieren könne. A trägt vor, dass Letzteres nicht der Wahrheit entspreche.
Würde in diesem Fall über die juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung des A, dass er B am 1.3. ein Fahrrad für EUR 500 ,– „verkauft“ habe, Beweis erhoben, wäre (auch) unstreitiger Sachvortrag Beweisthema. Denn ein Kaufvertrag kommt durch einen entsprechenden Antrag und dessen Annahme zustande. Die Behauptung, dass etwas „verkauft“ worden sei, beinhaltet mithin die Behauptungen, dass ein entsprechender Antrag gemacht und dieser von der anderen Partei angenommen worden sei. Die Behauptung des A bezüglich der Tatsachen, aus denen sich ein Antrag nach § 145 BGB ergeben soll, ist aber zwischen den Parteien unstreitig. Der Zeuge C dürfte deshalb nicht über diese Behauptung vernommen werden.556 Diese kann somit nicht zum Beweisgegenstand gehören. Die juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen können aber auch dann nicht das Beweisthema bilden, wenn die Gegenseite den substantiierten Vortrag insgesamt bestreitet. Zunächst sind schon keinerlei Gründe ersichtlich, warum Beweis über pauschale Behauptungen erhoben werden sollte, wenn konkreter Sachvortrag vorliegt. Eine Beweiserhebung über die pauschalen Behauptungen wäre überdies auch nicht zulässig. Aufgrund der Substantiierung sind diese nämlich gewissermaßen überholt. Prozessual beachtlich sind nur noch die sie konkretisierenden Behauptungen. Das zeigt sich z. B. daran, dass das Gericht seiner Entscheidung ausschließlich die konkreten Tatsachenbehauptungen zugrunde legen müsste, falls es diese nach der Beweisaufnahme für wahr erachtet. Wie im vorherigen Beispiel, nur dass B sämtliche (die juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung konkretisierenden) Behauptungen bestreitet. Das Gericht erhebt Beweis durch Vernehmung des Zeugen C. C bestätigt glaubwürdig sämtliche Behauptungen des A. B trägt keine anderen Einwendungen oder Einreden vor. 556 In der Praxis würde C zwar vermutlich auch dann möglichst offen befragt, wenn nur die Erklärung des B Beweisthema wäre. C würde sich folglich wohl auch über die Erklärung des A äußern. Solange der Inhalt dieser Erklärung zwischen den Parteien unstreitig ist, muss das Gericht diesen seiner Entscheidung aber auch dann als wahr zugrunde legen, wenn die Erklärung nach den Aussagen des C nicht wie von A und B behauptet abgegeben wurde.
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Das Gericht würde B in diesem Fall zur Kaufpreiszahlung verurteilen. In den Entscheidungsgründen müsste es die Behauptungen des A zum Geschehen am 1.3. wiedergeben und ausführen, dass die Vernehmung des Zeugen C diese bestätigt habe. Es könnte sich nicht auf die Ausführung beschränken, C habe bestätigt, dass A dem B am 1.3. ein Fahrrad für EUR 500,– „verkauft“ habe. Denn die Rechtsfolgen ergeben sich aus dem tatsächlich Geschehenen. Teilen die Parteien dem Gericht die Tatsachen konkret mit, muss das Gericht seine Entscheidung folglich auf die entsprechenden Behauptungen stützen. Für die Beweisaufnahme gilt Entsprechendes. Denn es sind die konkret vorgetragenen Tatsachen zu beweisen, nicht pauschale Behauptungen, welche zwar diese, aber auch zahlreiche andere Konstellationen umfassen. So dient die Beweisaufnahme im Beispielsfall nicht dem Beweis irgendwelcher Tatsachen, aus denen sich das Zustandekommen eines Kaufvertrages zwischen A und B ergibt. Die Beweisaufnahme dient vielmehr der Überprüfung der Richtigkeit der von A aufgestellten Behauptungen zum Geschehen am 1.3. Um dies auch im Beweisbeschluss kenntlich zu machen, sollte dieser, wie auch grundsätzlich557, möglichst genau bezeichnen, über welche Tatsachen Beweis erhoben wird. Dabei ist zwar nicht unbedingt die genaue Wiedergabe der Parteibehauptungen nötig.558 Das Gericht darf sich aber auch nicht mit der Nennung einer pauschalen (juristisch eingekleideten) Tatsachenbehauptung begnügen. Das Beweisthema muss nämlich so genau bezeichnet werden, dass bspw. ein Zeuge von sich aus über den streitigen Vorgang berichten kann.559 Nachdem nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, dass Zeugen die Bedeutungen von Rechtsbegriffen verstehen, sollten Beweisbeschlüsse soweit wie möglich von diesen frei gehalten werden. Denn Zeugen müssen das Beweisthema verstehen, um unbefangen darüber berichten zu können. Der Grundsatz, dass Beweisbeschlüsse soweit als möglich von Rechtsbegriffen frei zu halten sind, gilt umso mehr im Falle des Beweises durch Sachverständige.560 Die Nennung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen als Beweisthemen kann nämlich die Aufgabenverteilung zwischen dem Gericht (rechtliche Beurteilung der Tatsachen) und dem Sachverständigen (Ermittlung der Tatsachengrundlage) missachten.561 Nachlässigkeiten bei der Formulierung des Beweisthemas machen zudem häufig Ergänzungsgutachten nötig und verzögern folglich das Verfahren.562 557
Siehe dazu bspw. BeckOK ZPO/Bach, § 359 Rn. 3. Reinecke, MDR 1990, 1061. 559 Reichold, DS 2010, 298, 299. 560 Siehe dazu auch unten unter lit. b) bb). 561 Seibel, ZfBR 2011, 731, 732 (ausführlich zum Bauprozess); ders., NJW 2014, 1628. 562 A. a. O. 558
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
Die komplette Aussparung von Rechtsbegriffen ist zwar auch bei der Formulierung von Beweisbeschlüssen häufig ebenso unmöglich wie bei der Formulierung des Sachvortrags der Parteien. Dann muss aber zumindest diejenige juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung zur Bezeichnung des Beweisthemas gewählt werden, welche die Tatsachen am konkretesten benennt. Denn je konkreter die Behauptung ist, desto klarer ist – auch für rechtliche Laien – die Bedeutung des verwendeten Rechtsbegriffs. Schließlich können die juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen auch dann nicht das Beweisthema bilden, wenn der Darlegungspflichtige seinen Vortrag nicht näher substantiiert. In diesem Fall findet schon keine Beweiserhebung über den entsprechenden Vortrag statt. Denn die darlegungspflichtige Partei hat ihrer Substantiierungspflicht nicht genügt. Aufgrund der Substantiierungsobliegenheit wäre eine nähere Erläuterung der juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptung nötig gewesen. Folglich kann das Gericht einen Beweisantrag, welcher die juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung als Beweisthema bezeichnet, aufgrund mangelnder Bestimmtheit ablehnen. cc) Richterliche Hinweispflicht nach § 139 ZPO Sollte die darlegungsbelastete Partei ihrer Substantiierungsobliegenheit nicht von allein nachkommen, muss das Gericht einen Hinweis nach § 139 ZPO erlassen. Nach § 139 Abs. 1 S. 2 ZPO muss das Gericht nämlich auch die Ergänzung unvollständiger und die Berichtigung fehlerhafter Beweisanträge anregen563, wenn z. B. das Beweisthema nicht bestimmt genug angegeben ist564. In dem Hinweis muss es die darlegungsbelastete Partei dazu auffordern, die dem behaupteten Rechtsbegriff zugrundeliegenden Tatsachen vorzutragen. Wie konkret der Sachverhalt dabei geschildert werden muss, ist eine Frage des Einzelfalls. Dabei wird es stets auch auf den Inhalt des Gegenvortrags ankommen.565 Probleme können auftreten, wenn sich die darlegungsbelastete Partei nicht mehr an die Einzelheiten des Sachverhalts erinnert. Dann wird es ihr evtl. nicht möglich sein, die konkreten Tatsachen zu benennen, die sie dem verwendeten Rechtsbegriff zugrunde gelegt hat. Regelmäßig dürfte ihr aber zumindest die Angabe von Begleitumständen möglich sein. Werden diese plausibel dargelegt, wird dies häufig eine weitere Zergliederung des Sachverhalts auch bezüglich des bestrittenen Vorgangs ermöglichen.
563 MüKoZPO/Fritsche,
ZPO, § 139 Rn. 28. A. a. O.; RG, Urt. v. 28. 11. 1919 – VII 237/19 – juris = RGZ 97, 206, 210; Musielak/ Voit/Stadler, ZPO, § 139 Rn. 14. 565 Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 284 Rn. 14. 564
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b) Folgen einfachen Bestreitens Werden juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen ohne nähere Sachangaben bestritten, muss die darlegungsbelastete Partei ihren Vortrag grundsätzlich nicht näher substantiieren (dazu unter lit. aa)). Ausnahmen gelten insbesondere dann, wenn das Gericht aufgrund des Bestreitens am Begriffsverständnis der Parteien zweifelt (dazu unter lit. bb)). aa) Grundsatz Das einfache Bestreiten juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen löst grundsätzlich keine Substantiierungsobliegenheit der darlegungsbelasteten Partei aus. Zunächst ist festzuhalten, dass der Darlegungspflichtige seinen Vortrag – entgegen teilweise in der Literatur vertretener Ansicht – nicht generell näher erläutern muss, wenn die Gegenseite diesen einfach bestreitet. Nach der Rspr. des Bundesgerichtshofs bedarf der Vortrag vielmehr nur dann der Ergänzung, wenn er infolge der Einlassung des Gegners unklar werde und nicht mehr den Schluss auf die Entstehung des geltend gemachten Rechts zulasse.566 Unabhängig davon, ob reine oder juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen bestritten werden, liegen diese Voraussetzungen im Falle des einfachen Bestreitens regelmäßig nicht vor. Trägt die Gegenseite inhaltlich nichts zu dem – durch die Rechtsbegriffe – behaupteten Geschehen vor, wird die innere Plausibilität der Behauptungen nämlich nicht angegriffen. So wird bspw. die Behauptung eines „Kaufvertrages“ nicht „unklar“, wenn die Gegenseite schlicht vorträgt, es bestehe kein solcher Vertrag. Denn es ist immer noch klar und eindeutig, welche Tatsachen der Darlegungspflichtige mit dieser Behauptung vorträgt.567 Die Behauptung lässt folglich trotz des Bestreitens „den Schluss auf die Entstehung des geltend gemachten Rechts“ zu. Eine generelle Substantiierungsobliegenheit ergibt sich auch nicht aus den Besonderheiten juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen. Zunächst ist es verfehlt, juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen im Fall des Bestreitens als bloße Mitteilungen von Rechtsansichten zu qualifizieren. Die entsprechenden Behauptungen stellen Sachvortrag dar, weil sie der Darlegung der den Rechtsbe-
566 St. Rspr., z. B. nach BGH, Beschluss v. 1. 6. 2005 – XII ZR 275/02 – Rn. 7, zitiert nach juris; Urt. v. 23. 4. 1991 – X ZR 77/89 – Rn. 20, zitiert nach juris; Urt. v. 12. 7. 1984 – VII ZR 123/83 – Rn. 13, zitiert nach juris; Urt. v. 16. 5. 1962 – VIII ZR 79/61 = NJW 1962, 1394, 1395. 567 Selbstverständlich nur unter der Voraussetzung, dass der darlegungspflichtigen Partei ein ausreichendes Verständnis des Rechtsbegriffs zugetraut werden kann. Hiervon wird vorliegend aber stets ausgegangen.
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
griffen zugrundeliegenden Tatsachen dienen.568 Daran ändert sich selbstverständlich nichts, nur weil die Behauptungen von der Gegenseite(!) bestritten werden. Die Qualifizierung ist daher wohl eher in dem Sinne zu verstehen, dass – einer weiteren dargelegten Ansicht entsprechend – nur der unstreitige Vortrag eines Rechtsbegriffs den Schluss rechtfertigen könne, die Parteien hätten mit dem Vorbringen zugleich die den Rechtsbegriff ausfüllenden Tatsachen vorgetragen. Nachdem die Qualifizierung aber auch bei diesem Verständnis – und mit ihr die entsprechende Ansicht – nur bedingt zutrifft, ergibt sich daraus gleichwohl keine generelle Substantiierungsobliegenheit. Denn es ist zwar richtig, dass Grundlage des Bestreitens sowohl ein unterschiedliches Rechtsbegriffsverständnis der Parteien als auch die Annahme einer unterschiedlichen Tatsachengrundlage sein können. Allein das einfache Bestreiten juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen lässt aber regelmäßig keinen Schluss dahingehend zu, dass die Parteien von einer unterschiedlichen Bedeutung der vorgetragenen Rechtsbegriffe ausgehen. A verklagt B auf Kaufpreiszahlung. Zur Begründung trägt A u. a. vor, er hätte B am 1.6. seinen Laptop „verkauft“. B bestreitet diese Behauptung ohne nähere Sachangaben.
Sollte in diesem Fall bezweifelt werden, dass A und B den Begriff „verkauft“ übereinstimmend verstehen, nur weil B die Behauptung des A bestreitet? Die grundsätzliche Bedeutung des Begriffs ist so bekannt, dass dies kaum angebracht erscheint. Es könnte sogar – im Gegenteil – vermutet werden, dass das Bestreiten gerade nicht auf einem anderen Begriffsverständnis beruht, wenn die Gegenseite eine juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung ohne jegliche eigene Angaben bestreitet. Sollte sie nämlich der Ansicht sein, dass sich der Sachverhalt nicht mit dem vorgetragenen Rechtsbegriff bezeichnen lässt, erscheint es naheliegend, dass sie dies auch äußert. Dies wäre eine einfache Variante, sich gegen die Behauptung zur Wehr zu setzen. Sollte das einfache Bestreiten aber tatsächlich auf einem unterschiedlichen Begriffsverständnis beruhen, würde sich dies regelmäßig spätestens im Rahmen der Beweisaufnahme zeigen. Würde etwa im vorherigen Beispielsfall ein Zeuge dazu befragt, ob A den Laptop an B „verkauft“ habe, würde sich aus dessen Angaben und den diesbezüglichen Reaktionen der Parteien ergeben, ob A den korrekten Begriff gewählt hat, um den Sachverhalt zu bezeichnen. Es ist daher auch nicht richtig, dass das Gericht die Grundlage des Bestreitens nur dann endgültig aufklären könne, wenn der Darlegungsbelastete bereits vor der Beweisaufnahme 568 Dies wird im Ergebnis auch von Dölling anerkannt, der die Behauptungen im Fall des Bestreitens dennoch als Mitteilungen von Rechtsansichten wertet (Dölling, NJW 2013, 3121, 3123).
D. Folgen des Bestreitens juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
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die konkreten Tatsachen vorträgt, die er der Rechtsbegriffsbehauptung zugrunde legt.569 Auch damit lässt sich eine generelle Substantiierungsobliegenheit folglich nicht begründen. Eine generelle Substantiierungsobliegenheit kann weiter auch nicht damit begründet werden, dass Rechtsbegriffe der Beweiserhebung generell nicht zugänglich seien. Ein entsprechender Ausschluss der Rechtsbegriffe von den zulässigen Beweisgegenständen wäre schon praktisch nicht durchführbar. Denn wie bereits erörtert, ist es den Parteien nicht möglich, ihren Sachvortrag komplett von Rechtsbegriffen frei zu halten. Folglich können auch Beweisanträge nicht in jedem Fall und vollständig von Rechtsbegriffen freigehalten werden. Überdies sind keine durchgreifenden Argumente für einen generellen Ausschluss der Rechtsbegriffe von den zulässigen Beweisthemen ersichtlich. Die Bedenken gegen die Aufnahme von Rechtsbegriffen in Beweisanträge und -beschlüsse scheinen zunächst zumindest teilweise darauf zu beruhen, dass Rechtsbegriffsbehauptungen ausschließlich als Mitteilungen von Rechtsansichten verstanden werden.570 Dies ist aber wie bereits ausführlich erläutert nicht richtig. Es ist ebenfalls unzutreffend, dass eine Beweiserhebung über juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen bspw. im Falle des Zeugenbeweises dazu führen würde, dass der Zeuge die Aufgaben des Richters wahrnehme.571 Diese Folge könnte nämlich, wenn überhaupt, nur dann eintreten, wenn der Zeuge ausschließlich dazu befragt würde, ob die juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung wahr sei oder nicht. Nur dann würde die Entscheidung des Rechtsstreits von der rechtlichen Beurteilung des Zeugen abhängen. Diese Gefahr besteht allerdings in der Praxis nicht.572 Denn eine Zeugenvernehmung erschöpft sich nicht in der einen Frage nach der Wahrheit der zu beweisenden (juristisch eingekleideten) Tatsachenbehauptung. Zunächst wird das Gericht reine Ja-oder-Nein-Fragen – zumindest zu Beginn der Befragung – vermeiden, um die Gefahr einer Sugges tivwirkung möglichst gering zu halten. Regelmäßig werden überdies mehrere Fragen notwendig sein, allein um die Glaubhaftigkeit der Zeugenaussage beurteilen zu können. Nach der Rspr. des Bundesgerichtshofs setzt eine etwaige Pau569
So aber BeckOK ZPO/von Selle, § 138 Rn. 8.1. wohl das Bundessozialgericht im Beschluss v. 25. 9. 2014 – B 5 R 188/14 B = BeckRS 2014, 72944 – Rn. 9. Danach seien Rechtsbegriffe nämlich dem „Tatsachenbeweis von vornherein unzugänglich“ (Hervorhebung nicht im Original). 571 So im Ergebnis auch Staub, JW 1886, 131, 133 (Fn. 6: „Beim Zeugeneid findet sich die Einschränkung nicht, daß er nur über Thatsachen zulässig sei. Denn das vom Zeugen Beschworene beeinträchtigt die Erwägungsfreiheit des Richters nicht“). 572 So im Ergebnis auch Orfanidis, in: FS Ishikawa, S. 383 („Die freie Beweiswürdigung, die Möglichkeit von einer erneuten Vernehmung sowie der Gebrauch des Fragerechts des Gerichts bieten eine Garantie dafür, daß letzten Endes eine freie von juristischen Ausführungen Sachdarstellung zu gewährleisten sein wird.“). 570 So
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
schalität der zu beweisenden Behauptung dem Gericht dabei keine Grenzen. Dem Gericht bleibe es vielmehr unbenommen, den Zeugen zu allen Einzelheiten des tatsächlichen Geschehens zu befragen, die ihm für die Beurteilung der Zuverlässigkeit der Bekundung erforderlich erscheinen, auch wenn die zu beweisende Behauptung pauschal gehalten sei und das Gericht vom Darlegungspflichtigen – nach den Grundsätzen der Substantiierungspflicht – keine nähere Erläuterung verlangen und folglich auch die Beweiserhebung nicht von einer solchen abhängig machen dürfe.573 Das ist auch richtig. Während nämlich die Darlegung aller Einzelheiten nicht verlangt werden kann, wenn das Verhalten der Gegenseite dazu keinen Anlass bietet, kann die Richtigkeit pauschaler Behauptungen häufig gleichwohl nur festgestellt werden, wenn die Einzelheiten des tatsächlichen Geschehens erfragt werden. Denn pauschale Behauptungen umfassen eine Vielzahl von Sachverhalten. Entsprechender Vortrag beinhaltet damit stets die Beurteilung des Behauptenden, dass die Tatsachen mit den pauschalisierenden Begriffen bezeichnet werden können. Es besteht jedoch keine Gewähr für die Urteilsfähigkeit des Zeugen. Daher kann das Gericht häufig nur durch Erfragung der Einzelheiten feststellen, ob sich das tatsächliche Geschehen auch wirklich mit den pauschalisierenden Begriffen bezeichnen lässt und mithin, ob der pauschale Vortrag der Wahrheit entspricht. Das gilt für juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen wie für alle anderen Formen des pauschalen Sachvortrags. Eine generelle Substantiierungsobliegenheit kann daher auch nicht damit begründet werden, dass andernfalls eine unzulässige Ermittlung der den Tatbestandsmerkmalen zugrundeliegenden Tatsachen (erst) durch die Beweisaufnahme stattfinden würde. Soweit die Befragung von bspw. Zeugen nach Einzelheiten, die vom Darlegungspflichtigen nicht explizit dargelegt wurden, als entsprechende Ermittlung gewertet wird, muss diese nach dem soeben Gesagten zulässig sein. Andernfalls wäre eine Beweisaufnahme über pauschale Behauptungen – unabhängig von der Verwendung von Rechtsbegriffen – niemals möglich. Denn eine entsprechende „Ermittlung“ findet stets statt, wenn die in pauschale Behauptungen eingekleideten Tatsachen erfragt werden. Schließlich wäre auch keine sinnvolle Grenzziehung möglich. Auch (scheinbar) konkrete Behauptungen benennen nämlich regelmäßig keine einzelnen Tatsachen, sondern fassen mehrere tatsächliche Geschehnisse zusammen. Für die Möglichkeit einer Beweiserhebung über juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen und damit gegen eine generelle Substantiierungsobliegenheit im Falle des einfachen Bestreitens spricht schließlich, dass die entsprechenden Behauptungen prozessual auch im Übrigen wie reine Tatsachenbehauptungen behandelt werden, wenn von einer korrekten Verwendung der Rechtsbegriffe 573 BGH, Urt. v. 21. 1. 1999 – VII ZR 398/97 – Rn. 9, zitiert nach juris; Urt. v. 12. 7. 1984 – VII ZR 123/83 – Rn. 15, zitiert nach juris.
D. Folgen des Bestreitens juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
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auszugehen ist. Liegt diese Voraussetzung vor, können juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen nach der h. M. und – mit gewissen Einschränkungen – auch nach hier vertretener Ansicht insbesondere als zugestanden nach § 138 Abs. 3 ZPO gelten und Gegenstand eines gerichtlichen Geständnisses nach § 288 ZPO sein. Daher müssen die Behauptungen grundsätzlich auch Gegenstand einer Beweisaufnahme sein können.574 Denn die Rechtsfolgen des (fingierten) Geständnisses liegen in erster Linie darin, dass die Beweisbedürftigkeit der Behauptungen entfällt. Beweisbedürftig ist aber grundsätzlich nur, was auch beweisfähig ist. Die Anwendbarkeit der §§ 138 Abs. 3, 288 ZPO impliziert folglich die Beweisfähigkeit juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen. Wohl aus diesem Grund werden die Beweis- und die Geständnisfähigkeit juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen häufig auch gemeinsam thematisiert.575 Teilweise werden in der Literatur sogar Gerichtsentscheidungen zur Geständnisfähigkeit juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen angeführt, um zu belegen, dass die Behauptungen Gegenstand einer Beweiserhebung sein können.576 bb) Ausnahmen In bestimmten Fällen muss der Darlegungspflichtige seine juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen näher erläutern, auch wenn die Gegenseite diese ohne eigene Sachangaben bestreitet. Eine generelle Substantiierungsobliegenheit besteht zunächst dann, wenn das Gericht aufgrund des Bestreitens am Begriffsverständnis der Parteien zweifelt. Dies wird nach dem oben Gesagten die Ausnahme sein. Denn das Bestreiten allein bietet regelmäßig keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Parteien den vorgetragenen Rechtsbegriff unterschiedlich verstehen. Sollte es sich im Einzelfall aber anders verhalten, muss eine nähere Substantiierung erfolgen. Dann kann die Rechtsbegriffsbehauptung nämlich nicht mehr als Zusammenfassung der dem Rechtsbegriff zugrundeliegenden Tatsachen gewertet werden. Bezüglich dieser Tatsachen fehlt es mithin an ordnungsgemäßem Sachvortrag. Eine Substantiierungsobliegenheit besteht schließlich auch dann, wenn eine Beweiserhebung über juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen aufgrund des potentiellen Beweismittels nicht zielführend erscheint. Dies ist insbesondere beim Beweis durch Sachverständige denkbar.577 Denn während das Gericht 574
Mit dieser Schlussfolgerung auch Orfanidis, in: FS Ishikawa, S. 394. So z. B. bei Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 284 Rn. 13; Prütting/Gehrlein/Laumen, ZPO, § 284 Rn. 8; Orfanidis, in: FS Ishikawa (passim). 576 So z. B. bei BeckOK ZPO/Scheuch, § 373 Rn. 31 f.; Saenger/Saenger, ZPO, § 284 Rn. 11; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, Vorb § 284 Rn. 13. 577 Ausführlich dazu Seibel, ZfBR 2011, 731; ders., NJW 2014, 1628; Kramarz, DS 2014, 170, 172 f. 575
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
beim Beweis durch Zeugen – durch Stellung entsprechender Fragen – darauf hinwirken kann, dass sich der Zeuge zu den hinter dem Rechtsbegriff liegenden Tatsachen äußert, kann es auf die Beantwortung der Beweisfrage durch einen Sachverständigen nicht entsprechend Einfluss nehmen. Enthält die Beweisfrage Rechtsbegriffe, besteht damit die Gefahr, dass der Sachverständige rechtliche Beurteilungen abgibt. Dazu ist er aber weder befugt noch berufen.578 Deshalb sollte in entsprechenden Beweisbeschlüssen die Nennung von Rechtsbegriffen soweit wie möglich vermieden werden. Dies setzt jedoch voraus, dass der Darlegungspflichtige die den Rechtsbegriffen zugrundeliegenden Tatsachen vorträgt. Eine entsprechende Substantiierungsobliegenheit kann folglich unabhängig davon bestehen, ob die Gegenseite juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen mit oder ohne nähere Sachangaben bestreitet. c) Fazit Werden juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen substantiiert bestritten, muss die darlegungsbelastete Partei ihren Vortrag nach allgemeinen Grundsätzen näher erläutern. Denn der Umfang der Substantiierungslast bestimmt sich aus einem Wechselspiel zwischen Vortrag und Gegenvortrag. Bestreitet die Gegenseite eine juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung ohne eigene Sachangaben, ist hingegen grundsätzlich keine Substantiierung des Vortrags erforderlich. Liegen auch die weiteren Voraussetzungen vor, kann mithin Beweis über die juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung erhoben werden. Etwas anderes gilt dann, wenn das Gericht aufgrund des Bestreitens am korrekten Rechtsbegriffsverständnis der Parteien zweifelt oder eine Beweisaufnahme über die juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung nicht zielführend erscheint.
E. Bindungswirkungen gegenüber den Rechtsmittelinstanzen Nach § 529 Abs. 1 ZPO und § 559 ZPO bestimmt sich maßgeblich, welche Tatsachen die Rechtsmittelinstanzen ihren Entscheidungen zugrunde zu legen haben und inwieweit sie dabei an die Feststellungen der Vorinstanzen gebunden sind (dazu unter Abschnitt I.). Nach Rechtsprechung und h. L. erfassen die Vorschriften auch juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen, wenn von einer korrekten Verwendung der Rechtsbegriffe auszugehen ist (dazu unter Abschnitt II.). Dem ist grundsätzlich zu folgen (dazu unter Abschnitt III.).
578 BGH, Urt. v. 16. 12. 2004 – VII ZR 16/03 – Rn. 40, zitiert nach juris; Prütting/Gehrlein/Katzenmeier, ZPO, Vor §§ 402 ff. Rn. 3; Seibel, ZfBR 2011, 731.
E. Bindungswirkungen gegenüber den Rechtsmittelinstanzen
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I. Allgemeines zu § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO und § 559 ZPO § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bestimmt, inwieweit das Berufungsgericht an die Tatsachenfeststellungen des erstinstanzlichen Gerichts gebunden ist (dazu unter 1.). § 559 Abs. 1 ZPO bestimmt, welches Parteivorbringen der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt; § 559 Abs. 2 ZPO bestimmt, inwieweit das Revisionsgericht dabei an die Feststellung der (Un-)Wahrheit von Tatsachenbehauptungen durch das Berufungsgericht gebunden ist (dazu unter 2.). 1. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung grundsätzlich die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen. „Festgestellt“ sind dabei nicht nur solche Tatsachen bzw. Tatsachenbehauptungen „hinsichtlich derer das erstinstanzliche Gericht aufgrund einer freien Beweiswürdigung gemäß § 286 Abs. 1 ZPO die Entscheidung getroffen hat, daß sie wahr oder nicht wahr sind“, sondern u. a. auch solche Tatsachenbehauptungen, die „das erstinstanzliche Gericht seiner Entscheidung ohne Prüfung der Wahrheit zugrunde gelegt hat, weil sie offenkundig oder gerichtsbekannt (§ 291 ZPO), ausdrücklich zugestanden (§ 288 ZPO) oder […] unstreitig (§ 138 Abs. 3 ZPO) waren […].“579 Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO besteht diese Bindung nicht, soweit konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Entsprechende Anhaltspunkte für Zweifel können sich dabei aus Verfahrensfehlern des erstinstanzlichen Gerichts bei der Feststellung des Sachverhalts ergeben.580 So z. B., wenn gemäß § 139 ZPO erforderliche richterliche Hinweise unterblieben sind581, das Erstgericht Tatsachenvortrag der Parteien übergangen oder von den Parteien nicht vorgetragene Tatsachen verwertet hat582 oder wenn unstreitige oder zugestandene Tatsachenbehauptungen als streitig
579 BGH, Urt. v. 19. 3. 2004 – V ZR 104/03 (= BGHZ 158, 295 – 310) – Rn. 14, zitiert nach juris; aus der Literatur z. B. MüKoZPO/Rimmelspacher, ZPO, § 529 Rn. 3. 580 BT-Drs. 14/4722, S. 100; BGH, Beschluss v. 10. 5. 2005 – VI ZR 245/04 – Rn. 5, zitiert nach juris; Urt. v. 19. 3. 2004 – V ZR 104/03 (= BGHZ 158, 295 – 310) – Rn. 16, zitiert nach juris; Rimmelspacher, NJW 2002, 1897, 1901; Schnauder, JuS 2002, 68, 74; Stackmann, NJW 2003, 169, 171; Gaier, NJW 2004, 2041, 2044; Stein/Jonas/Althammer, ZPO, § 529 Rn. 18. 581 Stein/Jonas/Althammer, ZPO, § 529 Rn. 19; Rimmelspacher, NJW 2002, 1897, 1901. 582 BGH, Urt. v. 19. 3. 2004 – V ZR 104/03 (= BGHZ 158, 295 – 310) – Rn. 16, zitiert nach juris; Stackmann, NJW 2003, 169, 171; Musielak/Voit/Ball, ZPO, § 529 Rn. 5.
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
bzw. streitiges Vorbringen als unstreitig behandelt wurde583. Dabei ist umstritten, ob die Beachtlichkeit eines nicht von Amts wegen zu beachtenden Verfahrensfehlers584 voraussetzt, dass dieser nach § 529 Abs. 2 S. 1 ZPO i. V. m. § 520 Abs. 3 ZPO „geltend gemacht und darauf gestützt eine bestimmte erstinstanzliche Tatsachenfeststellung angegriffen worden ist“585. Während eine entsprechende Rügeobliegenheit von Teilen der Lit. und Teilen der Rspr. bejaht wird586, sei das Berufungsgericht insbesondere nach der Rspr. des Bundesgerichtshofs auch ohne eine entsprechende Rüge befugt und verpflichtet, den gesamten Prozessstoff der ersten Instanz auf Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen zu überprüfen587. Die Richtigkeit oder Vollständigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen kann schließlich auch durch neue Angriffs- und Verteidigungsmittel zweifelhaft werden, soweit diese nach §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO in der Berufungsinstanz zu berücksichtigen sind.588 § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO wirkt insofern in § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hinein.589
583
Stackmann, NJW 2003, 169, 171; Musielak/Voit/Ball, ZPO, § 529 Rn. 5. Abgrenzung zwischen von Amts wegen zu beachtenden und nicht von Amts wegen zu beachtenden Verfahrensmängeln siehe MüKoZPO/Rimmelspacher, ZPO § 529 Rn. 28. 585 MüKoZPO/Rimmelspacher, ZPO, § 529 Rn. 11. 586 MüKoZPO/Rimmelspacher, ZPO, § 529 Rn. 11; Musielak/Voit/Ball, § 529 Rn. 9, 23 mit 21; Gehrlein, MDR 2003, 421, 428; Hinz, NZM 13/2001, 601, 605; Wieczorek/Schütze/ Gerken, ZPO, § 529 Rn. 21; OLG Saarbrücken, Urt. v. 25. 9. 2002 – 1 U 273/02 – 65 – Rn. 12, zitiert nach juris; wohl auch Stackmann, NJW 2004, 1838, 1839. 587 BGH, Urt. v. 9. 3. 2005 – VIII ZR 266/03 (= BGHZ 162, 313 – 320) – Rn. 9, zitiert nach juris; Urt. v. 12. 3. 2004 – V ZR 257/03 (= BGHZ 158, 269 – 282) – Rn. 19 ff., zitiert nach juris; Braunschneider, Strategien für die Berufung im Zivilprozess, Rn. 559 ff.; Gaier, NJW 2004, 110, 112 (Prüfungspflicht des Berufungsgerichts auch ohne entsprechende Rüge zumindest bzgl. der Frage, ob bei der erstinstanzlichen Entscheidung der maßgebliche Prozessstoff Berücksichtigung fand); Gaier, NJW 2004, 2041, 2043; Eichele/Hirtz/ Oberheim/Hirtz, Berufung im Zivilprozess, Kap. G. Rn. 85 ff.; Roth, JZ 2005, 174, 175; Schwarz, Die reformierte Berufung im Spannungsfeld, S. 243. 588 BT-Drs. 14/6036, S. 123; BT-Drs. 14/4722, S. 101; BGH, Urt. v. 13. 1. 2012 – V ZR 183/10 – Rn. 11, zitiert nach juris; Urt. v. 18. 10. 2005 – VI ZR 270/04 (= BGHZ 164, 330 – 336) – Rn. 9, zitiert nach juris; Urt. v. 19. 3. 2004 – V ZR 104/03 (= BGHZ 158, 295 – 310) – Rn. 17, zitiert nach juris; Rimmelspacher, NJW 2002, 1897, 1901; Crückeberg, MDR 2003, 10; Rixecker, NJW 2004, 705, 708; Gaier, NJW 2004, 2041, 2044; Stein/Jonas/ Althammer, ZPO, § 529 Rn. 19; Musielak/Voit/Ball, ZPO, § 529 Rn. 19. 589 Rimmelspacher, NJW 2002, 1897, 1901; MüKoZPO/Rimmelspacher, ZPO, § 529 Rn. 12. 584 Zur
E. Bindungswirkungen gegenüber den Rechtsmittelinstanzen
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2. § 559 ZPO Nach § 559 Abs. 1 S. 1 ZPO unterliegt der Beurteilung des Revisionsgerichts nur dasjenige tatsächliche Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Neuer Tatsachenvortrag ist in der Revisionsinstanz mithin grundsätzlich nicht zu berücksichtigen.590 Ausnahmen von diesem Grundsatz gelten u. a. bezüglich des Vortrags von Tatsachen, mit denen eine Verfahrensrüge begründet wird, §§ 559 Abs. 1 S. 2, 551 Abs. 3 Nr. 2b ZPO.591 Nach § 559 Abs. 2 Halbs. 1 ZPO ist das Revisionsgericht an die Feststellungen des Berufungsgerichts bzgl. der (Un-)Wahrheit parteilicher Tatsachenbehauptungen gebunden. Dabei ist gleichgültig, worauf die Feststellungen beruhen.592 Sie können u. a. auf einer freien Beweiswürdigung beruhen oder darauf, dass die entsprechenden Tatsachen offenkundig oder gerichtsbekannt, ausdrücklich zugestanden (§ 288 ZPO) oder schlicht unstreitig (§ 138 Abs. 3 ZPO) waren.593 Keine Bindung besteht allerdings dann, wenn die Feststellungen des Berufungsgerichts mit Mängeln behaftet sind, die sie unverwertbar machen.594 So entfällt die Beweiskraft des Tatbestandes und damit auch die Bindung des Revisionsgerichts, „soweit die Feststellungen Widersprüche, Lücken oder Unklarheiten aufweisen“.595 Nach § 559 Abs. 2 Halbs. 2 ZPO besteht eine Bindung im Übrigen auch dann nicht, wenn in Bezug auf die Feststellung ein zulässiger und begründeter Revisionsangriff, also eine Verfahrensrüge596, erhoben ist. Bezugspunkt entsprechender Verfahrensrügen muss ein Verfahrensfehler des Berufungsgerichts bei der Tatsachenfeststellung sein.597 Die Tatsachenfeststellung des Berufungsgerichts ist u. a. dann fehlerhaft, wenn Tatsachenbehauptungen oder Beweisanträge übergangen598 bzw. 590 BGH, Urt. v. 1. 2. 1993 – II ZR 106/92 – Rn. 18, zitiert nach juris; Stein/Jonas/Jacobs, ZPO, § 559 Rn. 2; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, § 559 Rn. 7. 591 Zu den weiteren, nicht gesetzlich geregelten Ausnahmen vom Grundsatz der Unbeachtlichkeit neuen Tatsachenvortrags siehe statt aller Stein/Jonas/Jacobs, ZPO, § 559 Rn. 18 ff. 592 MüKoZPO/Krüger, ZPO, § 559 Rn. 8; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, § 559 Rn. 15. 593 BGH, Urt. v. 19. 3. 2004 – V ZR 104/03 (= BGHZ 158, 295 – 310) – Rn. 14, zitiert nach juris (zu § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 1 ZPO mit dem Hinweis, dass dies dem allgemeinen Verständnis „des in § 559 Abs. 2 ZPO verwendeten Begriffs der von dem Revisionsgericht zugrunde zu legenden Feststellungen“ entspreche). 594 MüKoZPO/Krüger, ZPO, § 559 Rn. 10. 595 BGH, Urt. v. 17. 5. 2000 – VIII ZR 216/99 – Rn. 25, zitiert nach juris (m. w. N.). 596 Stein/Jonas/Jacobs, ZPO, § 559 Rn. 51. 597 Wieczorek/Schütze/Prütting, ZPO, § 559 Rn. 28. 598 Wieczorek/Schütze/Prütting, ZPO, § 559 Rn. 29; BGH, Urt. v. 1. 2. 1993 – II ZR 260/91 – Rn. 11, zitiert nach juris (Verfahrensfehler wegen des rechtswidrigen Unterlassens einer Zeugenvernehmung).
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
nicht vorgetragene Tatsachen verwertet599 wurden oder wenn das Gericht seine Aufklärungspflicht nach § 139 ZPO verletzt hat600.
II. Bisheriger Meinungsstand Nach der Rechtsprechung erstreckt sich die Bindungswirkung der §§ 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 1, 559 ZPO auch auf Feststellungen zu juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen. Im Rahmen der Prüfung des § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO sollen dabei (wohl) keine Besonderheiten gelten (dazu unter 1.). Die h. L. vertritt grundsätzlich die gleiche Ansicht, wobei teilweise eine Berücksichtigung der Besonderheiten juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen gefordert wird (dazu unter 2.). 1. Rechtsprechung Nach der Rspr. des Bundesgerichtshofs umfasst die von §§ 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 1, 559 ZPO angeordnete Bindungswirkung auch Feststellungen zu juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen, wenn von einer korrekten Verwendung der vorgetragenen Rechtsbegriffe durch die Parteien ausgegangen werden kann (dazu unter lit. a)). Eine Bindung bestehe aber u. a. dann nicht, wenn sich die Rechtsbegriffsbehauptung nicht als abgekürzte Tatsachenbehauptung, sondern als Kundgabe einer Rechtsansicht darstellt (dazu unter lit. b)). a) Grundsätzliche Anwendbarkeit der §§ 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 1, 559 ZPO In der Entscheidung BGH, Urt. v. 6. 3. 1952 – IV ZR 45/50601 bestimmte der Bundesgerichtshof, dass eine in der Revisionsinstanz vorgetragene juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung unbeachtlich sei, wenn sie in Widerspruch zu einer in den Vorinstanzen vorgetragenen, von diesen für wahr befundenen, juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptung steht. Voraussetzung sei, dass die Behauptungen reinen Tatsachenbehauptungen gleichgestellt werden können, weil von einer korrekten Verwendung der vorgetragenen Rechtsbegriffe durch die Parteien ausgegangen werden kann. „Der Kläger hat in diesem Rechtszuge vortragen lassen, er sei bei richtiger Auslegung der gesamten letztwilligen Verfügungen seiner Eltern nicht nur Pflichtteils-, sondern erbberechtigt. Dieses Vorbringen ist schon deshalb unbeachtlich, weil es im Wider599 BGH, Urt. v. 22. 1. 1993 – V ZR 164/90 – Rn. 8, zitiert nach juris; Wieczorek/Schütze/Prütting, ZPO, § 559 Rn. 29; Stein/Jonas/Jacobs, ZPO, § 559 Rn. 51. 600 Stein/Jonas/Jacobs, ZPO, § 559 Rn. 51. 601 = https://www.jurion.de/Urteile/BGH/1952 – 03 – 06/IV-ZR-45_50.
E. Bindungswirkungen gegenüber den Rechtsmittelinstanzen
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spruch zu dem aus dem Berufungsurteil ersichtlichen Parteivorbringen steht und daher nach § 561 ZPO [a. F.; entspricht dem heutigen § 559 ZPO] nicht der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt. Denn auch noch nach dem Tatbestand des Schlussurteils des Berufungsgerichts macht der Kläger – wie schon in der Klagschrift – nur einen Pflichtteilsanspruch geltend. Zwar bezieht § 561 sich nur auf tatsächliches Vorbringen, nicht auf Rechtsausführungen […] Die Frage, ob jemand Pflichtteilsberechtigter oder Erbe ist, ist nun zwar bei Anwendung der gesetzlichen Auslegungsgrundsätze […] nicht nur eine Frage der tatsächlichen Feststellung, sondern auch der rechtlichen Beurteilung der vom Erblasser abgefassten letztwilligen Verfügung oder Verfügungen. […] Dennoch können auch solche geläufigen Rechtsbegriffe wie Erbe und Pflichtteilsberechtigter als sog. juristische Tatsachen in manchen Beziehungen prozessrechtlich ebenso behandelt werden wie natürliche Tatsachen. Sie können insbesondere zugestanden (§ 288 ZPO) und daher auch als unstreitiges Parteivorbringen in den Tatbestand aufgenommen werden. Als eine solche unstreitige juristische Tatsache ist aber das Vorbringen des Klägers, er sei pflichtteilsberechtigt, von beiden Tatsachengerichten ohne Rechtsverstoss behandelt worden.“602
Der erkennende Senat sei also an die Feststellung der Vorinstanzen, der Kläger sei pflichtteilsberechtigt, gebunden gewesen. Denn die zugrundeliegende Behauptung des Klägers sei reinen Tatsachenbehauptungen gleichzustellen. Auch wenn dies im Urteil nicht ganz klar zum Ausdruck kommt, muss der erkennende Senat auch die Behauptung des Klägers in der Revisionsinstanz, der Kläger sei „erbberechtigt“, reinen Tatsachenbehauptungen gleichgestellt haben. Vorträge von Rechtsansichten sind nämlich auch in der Revisionsinstanz beachtlich. In die gleiche Richtung weist auch das schon mehrfach erwähnte Urt. v. 2. 6. 1995 – V ZR 304/93603, in dem der Bundesgerichtshof die Behauptung der Klägerin, sie sei „Eigentümerin“ eines früher volkseigenen Grundstücks, reinen Tatsachenbehauptungen gleichstellte. Denn der Bundesgerichtshof zog aus dieser Gleichstellung nicht nur die Konsequenz, dass die Klägerin mit der Behauptung des Eigentums ihre Darlegungslast erfüllt habe. Vielmehr habe das Berufungsgericht das Eigentum der Klägerin an den Grundstücken auch als behauptete und nicht bestrittene Tatsache seiner Entscheidung zugrunde legen können. Von diesem Tatbestand habe dann schließlich auch der Bundesgerichtshof nach §§ 559 Abs. 1 S. 1604, 314 ZPO auszugehen gehabt.605 Feststellungen zu juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen können danach also von §§ 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 1, 559 ZPO erfasst werden. 602 BGH, Urt. v. 6. 3. 1952 – IV ZR 45/50 = https://www.jurion.de/Urteile/BGH/1952– 03–06/IV-ZR-45_50–Rn. 50. 603 – juris. 604 Im Originaltext der Entscheidung stellt der Bundesgerichtshof auf § 561 Abs. 1 S. 1 ZPO ab. § 559 Abs. 1 S. 1 ZPO in der heutigen Fassung entspricht § 561 Abs. 1 S. 1 ZPO in der zum Zeitpunkt des Urteilserlasses geltenden Fassung. 605 BGH, Urt. v. 2. 6. 1995 – V ZR 304/93 – Rn. 7, zitiert nach juris.
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
Mit nahezu identischem Wortlaut wie in der soeben genannten Entscheidung bestimmte der Bundesgerichtshof auch im Urt. v. 14. 3. 1997 – V ZR 9/96606, dass das Berufungsgericht die Behauptung der Klägerin, „Rechtsnachfolgerin“ einer bestimmten Gesellschaft zu sein, seiner Entscheidung als unstreitig habe zugrunde legen können. Denn das beklagte Land hatte die Rechtsnachfolge der Klägerin erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesgerichtshof bezweifelt. Der erkennende Senat selbst habe dabei nach §§ 559 Abs. 1 S. 1607, 314 ZPO von dem Tatbestand des Berufungsurteils auszugehen, in welchem die Klägerin (mithin ohne Rechtsverstoß) als „Rechtsnachfolgerin“ der Gesellschaft bezeichnet war.608 Die Gleichstellung juristisch eingekleideter und reiner Tatsachenbehauptungen setzt dabei auch nach dem erkennenden V. Senat die „Einfachheit“ und die „Geläufigkeit“ der vorgetragenen Rechtsbegriffe voraus. Wie aber bereits dargestellt wurde, komme es für die Beurteilung der „Einfachheit“ und der „Geläufigkeit“ der Begriffe nach den beiden zuletzt genannten Entscheidungen nicht darauf an, ob die Rechtsbegriffe (bzw. die mit ihnen bezeichneten rechtlichen Schlussfolgerungen) auf rechtlich und tatsächlich schwierigen Vorgängen beruhen können. Maßgeblich sei allein „das von der Partei vorgetragene Ergebnis, die behauptete Rechtsinhaberschaft“.609 Danach wäre es irrelevant, ob von einer korrekten Verwendung der Rechtsbegriffe im konkreten Fall ausgegangen werden kann. Diesbezüglich stehen die beiden Urteile aber im Widerspruch zur übrigen Rechtsprechung.610 In der Entscheidung BGH, Urt. v. 19. 3. 2004 – V ZR 104/03611 legte der Bundesgerichtshof dar, dass das Berufungsgericht nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an die erstinstanzliche Feststellung, der Kläger habe die Klageforderung nach Eintritt der Rechtshängigkeit abgetreten, gebunden gewesen sei. Denn es hätten keine Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit dieser Feststellung bestanden. Nach § 559 Abs. 2 ZPO sei diese Feststellung auch für die Revisionsinstanz verbindlich.612 Im Rahmen der Begründung bestimmte der 606
(= BGHZ 135, 92 – 107) – juris. Im Originaltext der Entscheidung stellt der Bundesgerichtshof auf § 561 Abs. 1 S. 1 ZPO ab. § 559 Abs. 1 S. 1 ZPO in der heutigen Fassung entspricht § 561 Abs. 1 S. 1 ZPO in der zum Zeitpunkt des Urteilserlasses geltenden Fassung. 608 BGH, Urt. v. 14. 3. 1997 – V ZR 9/96 (= BGHZ 135, 92 – 107) – Rn. 13, zitiert nach juris. 609 BGH, Urt. v. 2. 6. 1995 – V ZR 304/93 – Rn. 7, zitiert nach juris; Urt. v. 14. 3. 1997 – V ZR 9/96 (= BGHZ 135, 92 – 107) – Rn. 13, zitiert nach juris. 610 Zum Ganzen siehe oben C. II. 1. a) bb) (3) a. E. 611 – juris (= BGHZ 158, 295 – 310). 612 BGH, Urt. v. 19. 3. 2004 – V ZR 104/03 (= BGHZ 158, 295 – 310) – Rn. 11, zitiert nach juris. 607
E. Bindungswirkungen gegenüber den Rechtsmittelinstanzen
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Bundesgerichtshof zunächst ganz ausdrücklich, dass auch Feststellungen zu juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen von § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 1 ZPO erfasst werden können: „Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung die von dem Eingangsgericht festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen. […] Die damit angeordnete Bindungswirkung der erstinstanzlichen Feststellungen […] erstreckt sich auch auf sogenannte Rechtstatsachen. Den tatsächlichen Umständen (§ 138 Abs. 1 ZPO) stehen nämlich Tatsachen in ihrer juristischen Einkleidung gleich, wenn dies durch einen einfachen Rechtsbegriff geschieht, der jedem Teilnehmer des Rechtsverkehrs geläufig ist […]. Hierher gehört der den Abschluß eines Abtretungsvertrags gemäß § 398 BGB umschreibende Begriff der Abtretung jedenfalls dann, wenn er, wie hier, von einem Rechtsanwalt verwendet wird […].“613
Anschließend begründete der Bundesgerichtshof, warum keine konkreten Anhaltspunkte für Zweifel an der vom Erstgericht festgestellten „Abtretung“ des Klageanspruchs vorgelegen hätten. Dabei legte der Bundesgerichtshof keinen besonderen Maßstab im Hinblick darauf an, dass es sich bei der Behauptung der „Abtretung“ um eine juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung handelt. Er hielt die mit der Berufung erhobene Rüge, das erstinstanzliche Urteil beruhe auf einer von den Parteien nicht vorgetragenen Abtretungserklärung, vielmehr für schlicht sachlich unzutreffend. Denn der Kläger habe schriftsätzlich die „Abtretung“ behauptet.614 Den anschließenden Ausführungen zu § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO lässt sich entnehmen, dass das erstinstanzliche Gericht nach Ansicht des Bundesgerichtshofs weder habe darauf hinweisen müssen, dass es die Behauptung der „Abtretung“ als tatsächlichen Vortrag wertet noch habe es eine nähere Substantiierung dieser Behauptung verlangen müssen.615 Schließlich stellte der Bundesgerichtshof fest, dass das Unterlassen der Geltendmachung der tatsächlichen Umstände, die nach Auffassung des Klägers der Annahme einer Abtretung der Klageforderung entgegenstünden, auf Nachlässigkeit beruht habe. Deren Berücksichtigung in der Berufungsinstanz sei damit gem. § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO ausgeschlossen gewesen.616 Dass es sich bei der Behauptung der „Abtretung“ um eine juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung handelt, erwähnte der Bundesgerichtshof auch an dieser Stelle nicht. Die dargestellten Entscheidungen belegen, dass Feststellungen zu juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen nach Ansicht des Bundesgerichtshofs von der Bindungswirkung der §§ 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 1, 559 ZPO umfasst sein können. Voraussetzung sei, dass die juristisch eingekleideten Tatsachenbehaup613
A. a. O. – Rn. 12 f., zitiert nach juris. A. a. O. – Rn. 16, zitiert nach juris. 615 A. a. O. – Rn. 19, zitiert nach juris. 616 A. a. O. – Rn. 20, zitiert nach juris. 614
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
tungen reinen Tatsachenbehauptungen nach den üblichen Grundsätzen gleichgestellt werden können. Der Entscheidung BGH, Urt. v. 19. 3. 2004 – V ZR 104/03617 ist darüber hinaus zu entnehmen, dass im Rahmen der Prüfung, ob konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Feststellungen begründen, keine Besonderheiten gelten sollen. Dabei muss allerdings beachtet werden, dass in dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Fall ein Rechtsanwalt die juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung vorgetragen hatte. b) Ausnahmen In der Entscheidung BGH, Urt. v. 30. 10. 2003 – III ZR 32/00618 verneinte der Bundesgerichtshof eine Bindung des Berufungs- und des Revisionsgerichts an den Vortrag der Parteien, dass der streitgegenständliche Kaufvertrag „unwirksam“ sei. In dem zugrundliegenden Fall waren in erster Instanz noch beide Parteien von der Wirksamkeit des Kaufvertrages ausgegangen. In der Berufungsinstanz vertrat die Klägerin dann – unter Offenlegung der für sie maßgeblichen Umstände – die Auffassung, dass der Kaufvertrag nicht wirksam beurkundet worden und damit nichtig sei. Die Beklagte machte sich diese Auffassung hilfsweise zu eigen. Dem Vortrag der Klägerin folgend ging das Berufungsgericht von der Unwirksamkeit des Kauvertrages aus. Dazu war das Berufungsgericht nach Ansicht des Bundesgerichtshofs nicht berechtigt, weil die von der Klägerin für die Unwirksamkeit angegebenen Gründe diese rechtliche Bewertung nicht rechtfertigten. Es habe die Behauptung der Unwirksamkeit des Vertrages seiner Entscheidung insbesondere auch nicht als „bindendes unstreitiges Vorbringen“ zugrunde legen dürfen.619 Letzteres hatte die Beklagte in ihrer Revisionserwiderung angenommen und dabei auf die oben dargestellte Entscheidung BGH, Urt. v. 14. 3. 1997 – V ZR 9/96620 verwiesen. Nach Ansicht der Beklagten seien sowohl das Berufungsgericht als auch der Bundesgerichtshof an den übereinstimmenden Vortrag der Parteien zur Unwirksamkeit des Vertrages gebunden gewesen, weil es sich auch bei der Unwirksamkeit des Vertrages um einen einfachen und jedem Teilnehmer am Rechtsverkehr geläufigen Rechtsbegriff handele. Der Bundesgerichtshof folgte dieser Auffassung nicht. Nach ihm habe die Frage der Wirksamkeit des abgeschlossenen Kaufvertrages ohne weiteres der revisionsrechtlichen Überprüfung unterlegen.621 Denn die Sachverhalte der beiden Entscheidungen hätten maßgeblich voneinander abgewi617
– juris (= BGHZ 158, 295 – 310). – juris. 619 BGH, Urt. v. 30. 10. 2003 – III ZR 32/00 – Rn. 9, zitiert nach juris. 620 – juris (= BGHZ 135, 92 – 107). 621 BGH, Urt. v. 30. 10. 2003 – III ZR 32/00 – Rn. 9, zitiert nach juris. 618
E. Bindungswirkungen gegenüber den Rechtsmittelinstanzen
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chen. Dies insbesondere, weil die Parteien in dem zu entscheidenden Fall erst in der Berufungsinstanz „übereinstimmend“ von der Unwirksamkeit des Vertrages ausgegangen waren, während in dem der Entscheidung BGH, Urt. v. 14. 3. 1997 – V ZR 9/96622 zugrundeliegenden Fall die Beklagte die Aktivlegitimation der Klägerin erst in der Revisionsverhandlung bestritten habe. Überdies habe sich die Beklagte die Behauptung der Klägerin, dass der Kaufvertrag „unwirksam“ sei, im zu entscheidenden Fall nur hilfsweise zu eigen gemacht, diese Behauptung aber in erster Linie bekämpft und für ihre Rechtsauffassung in einem anderen Verfahren erfolgreich Revision geführt. Schließlich habe die Klägerin die für sie maßgebenden Gesichtspunkte bzgl. der Unwirksamkeit des Kaufvertrages angegeben. Letzteres zeigt, dass es sich bei der Behauptung der Unwirksamkeit des Vertrages in diesem Fall nicht um eine juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung im hier verstandenen Sinn handelte. Die Klägerin teilte mit ihrer Behauptung vielmehr eine Rechtsansicht mit. Denn sie verwendete den Rechtsbegriff der „Unwirksamkeit“ nicht, um Tatsachen zu umschreiben. Sie beurteilte damit vielmehr die im Einzelnen dargelegten Tatsachen. 2. Literatur a) § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Soweit eine explizite Auseinandersetzung mit dieser Frage erfolgt, soll sich die von § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 1 ZPO angeordnete Bindungswirkung auch nach der h. L. auf Feststellungen des Erstgerichts zu juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen erstrecken können.623 Aus der Verwendung des Begriffs „Rechtstatsachen“624 i. V. m. den zum Beleg der Ansicht zitierten Entscheidungen625 ergibt sich, dass dies aber nur dann gelten solle, wenn die Tatsachen durch einfache Rechtsbegriffe umschrieben werden, die jedem Teilnehmer des Rechtsverkehrs geläufig sind.626 Teilweise wird dies auch ausdrücklich dargelegt.627 622
– juris (= BGHZ 135, 92 – 107). ZPO, § 529 Rn. 5, 13; MüKoZPO/Rimmelspacher, ZPO, § 529 Rn. 3; Wieczorek/Schütze/Gerken, ZPO, § 529 Rn. 12; Schellhammer, Zivilprozess, Rn. 1037 (Fn. 223). 624 Stein/Jonas/Althammer, ZPO, § 529 Rn. 5; MüKoZPO/Rimmelspacher, ZPO, § 529 Rn. 3; Wieczorek/Schütze/Gerken, ZPO, § 529 Rn. 12; Eichele/Hirtz/Oberheim/Hirtz, Berufung im Zivilprozess, Kap. G. Rn. 73. 625 Insbesondere BGH, Urt. v. 19. 3. 2004 – V ZR 104/03 (= BGHZ 158, 295 – 310) – juris. 626 Ausdrücklich auf solche Rechtsbegriffe abstellend Eichele/Hirtz/Oberheim/Hirtz, Berufung im Zivilprozess, Kap. G. Rn. 73. 627 Stein/Jonas/Althammer, ZPO, § 529 Rn. 13; Wieczorek/Schütze/Gerken, ZPO, § 529 Rn. 12 (mit den Beispielen „Kaufvertrag“, „Eigentum“, „Abtretung“); Schellhammer, Zivilprozess, Rn. 1037 (Fn. 223: „auch einfache Rechtsbegriffe anstelle von Tatsachen“). 623 Stein/Jonas/Althammer,
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
Liegen diese Voraussetzungen vor, stünde das Vorbringen reinen Tatsachenbehauptungen gleich. Darauf gerichtete Feststellungen des Erstgerichts bezögen sich damit trotz des Vortrags von Rechtsbegriffen nicht auf Rechtsansichten, sondern auf Tatsachenbehauptungen.628 Daher fielen entsprechende Feststellungen unter § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 1 ZPO.629 Das Abstellen auf die „Einfachheit“ und die „Geläufigkeit“ der verwendeten Rechtsbegriffe stellt sich auch hier wieder als formelhafte Umschreibung des wirklichen Erfordernisses, nämlich der Annahme einer korrekten Verwendung der Rechtsbegriffe durch die Parteien bzw. deren Prozessbevollmächtigte, dar. Das ergibt sich schon daraus, dass zum Beleg regelmäßig (auch) die oben dargestellte Entscheidung BGH, Urt. v. 19. 3. 2004 – V ZR 104/03630 zitiert wird.631 Denn in dieser Entscheidung wurden die „Einfachheit“ und die „Geläufigkeit“ des Rechtsbegriffs der „Abtretung“ in Bezug auf den vortragenden Rechtsanwalt beurteilt. Entscheidend war damit gerade nicht, ob der Begriff – wie nicht – jedem Teilnehmer des Rechtsverkehrs, und damit auch juristischen Laien, geläufig ist. Nach teilweise vertretener Ansicht dürfen die Anforderungen an eine Berufungsrüge im Wege der Darlegung konkreter Anhaltspunkte für Zweifel an den getroffenen Feststellungen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO) im Falle juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen aber nicht zu hoch angesetzt werden.632 Es müsse einer Partei nämlich möglich sein, die den Rechtsbegriffen zugrundeliegenden Tatsachen in den Prozess einzuführen, wenn sie erst durch das Urteil erkennt, dass die Darlegung dieser Tatsachen zur „zweckentsprechenden Rechtsverfolgung“ nötig gewesen wäre. Die Beschränkungen des § 531 Abs. 2 ZPO seien dabei zu beachten. In jedem Fall sei zu prüfen, ob das Erstgericht seinen Aufklärungs- und Hinweispflichten nach § 139 ZPO genügt habe.633 Liege ein entsprechender Verfahrensfehler vor, seien neue Feststellungen nämlich unabhängig von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO möglich.634
628 Stein/Jonas/Althammer,
ZPO, § 529 Rn. 13. ZPO, § 529 Rn. 12. 630 (= BGHZ 158, 295 – 310) – juris. 631 Z. B. von Stein/Jonas/Althammer, ZPO, § 529 Rn. 5, 13; Wieczorek/Schütze/Gerken, ZPO, § 529 Rn. 12; Schellhammer, Zivilprozess, Rn. 1037; MüKoZPO/Rimmelspacher, ZPO, § 529 Rn. 3 (das zeigt, dass sich bei Rimmelspacher nur deshalb keine Beschränkung hinsichtlich der vorgetragenen Rechtbegriffe findet, weil er unter dem Begriff „Rechtstatsachen“ ohnehin nur solche juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen versteht, welche die genannten Voraussetzungen erfüllen). 632 Wieczorek/Schütze/Gerken, ZPO, § 529 Rn. 12. 633 A. a. O. 634 A. a. O. 629 Wieczorek/Schütze/Gerken,
E. Bindungswirkungen gegenüber den Rechtsmittelinstanzen
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b) § 559 ZPO In der jüngeren Literatur wird kaum diskutiert, ob juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen zu dem Parteivorbringen gehören können, das der Beurteilung des Revisionsgerichts nach § 559 Abs. 1 ZPO unterliegt. Soweit eine ausdrückliche Auseinandersetzung erfolgt, wird diese Frage bejaht, wenn die Tatsachenbehauptungen in „Rechtsbegriffe des täglichen Lebens“ eingekleidet werden635 bzw. wenn es sich um „Rechtstatsachen“ handele636. Diese Beschränkungen sind dabei (wohl) wiederum in dem Sinne zu verstehen, dass es sich um Vorträge von Rechtsbegriffen handeln müsse, welche die Parteien in ausreichendem Maße verstehen. Denn nur dann kann von einer korrekten Verwendung der Begriffe durch die Parteien ausgegangen werden, sodass die Rechtsbegriffsbehauptungen als abgekürzte Tatsachenbehauptungen erscheinen. Gegen diese Interpretation spricht zwar die Anmerkung Kochs637, dass es nicht darauf ankomme, ob diese (die Rechtsbegriffe bzw. die mit den Rechtsbegriffen bezeichneten rechtlichen Beurteilungen) auf rechtlich oder tatsächlich schwierigen Vorgängen beruhen, sondern dass allein das von der Partei vorgetragene Ergebnis maßgeblich sei. Denn danach wäre es gerade irrelevant, ob von einer korrekten Verwendung der Rechtsbegriffe im konkreten Fall auszugehen ist.638 Diese Formulierung wurde aber offensichtlich aus der zum Beleg zitierten Entscheidung BGH, Urt. v. 14. 3. 1997 – V ZR 9/96639 übernommen. Aufgrund der diesbezüglichen Ausnahmestellung der Entscheidung erscheint es zweifelhaft, ob Koch diese Ansicht wirklich teilt oder ob er schlicht die Ansicht des erkennenden Senats darstellt. In der Literatur finden sich schließlich keine Ausführungen zu der Frage, ob das Revisionsgericht gem. § 559 Abs. 2 ZPO an die Feststellungen des Berufungsgerichts bzgl. der (Un-)Wahrheit juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen gebunden ist. Es ist aber davon auszugehen, dass eine entsprechende Bindung bejaht wird, soweit juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen zu demjenigen Parteivorbringen gezählt werden, das der Beurteilung des Revisionsgerichts nach § 559 Abs. 1 ZPO unterliegt und/oder zu demjenigen, welches das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 1 ZPO zugrunde zu legen hat. Denn es sind keine Gründe ersichtlich, warum das Revisionsgericht nicht an die Feststellungen des Berufungsgerichts bzgl. der (Un-)Wahrheit juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen gebunden sein sollte, wenn diese seiner Beurteilung nach § 559 Abs. 1 ZPO unterliegen. 635 Saenger/Koch, ZPO, § 559 Rn. 5 (mit den Beispielen „Kauf “, „Miete“, „Darlehen“, „Eigentum“, „Besitz“, „Grundschuld“, „Rechtsnachfolge“). 636 BeckOK ZPO/Kessal-Wulf, § 559 Rn. 1. 637 Saenger/Koch, ZPO, § 559 Rn. 5. 638 Näher dazu siehe oben C. II. 1. a) bb) (3) a. E. 639 – juris (= BGHZ 135, 92 – 107).
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
Ebenso wenig ist ersichtlich, warum das Berufungsgericht an Feststellungen des Erstgerichts zu juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen gebunden sein sollte, das Revisionsgericht aber nicht an die entsprechenden Feststellungen des Berufungsgerichts. Stets vorausgesetzt, dass die Parteien keine Verfahrensrüge bzgl. der Feststellungen zu juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen erhoben haben. Von der älteren Literatur hat sich insbesondere Henke640 damit befasst, inwieweit juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen zum revisibelen Prozessstoff gehören. Nach ihm sei es im Ergebnis gerechtfertigt, wenn die Revisionsgerichte „einfache“ Rechtsbegriffe wie „Kauf“, „Miete“ oder „Darlehen“ als nicht-revisibele Tatsachenbegriffe behandeln, „wenn der Fall juristisch unproblematisch ist und die Bildung der Parteien das richtige Verständnis dieser Bezeichnung erwarten läßt“.641 Denn in Wirklichkeit würden die Parteien hier eigentlich keine Rechtsbegriffe, sondern die synonymen sozialen Begriffe gebrauchen, mit denen sie Tatsachenkomplexe (wie den Abschluss der entsprechenden Verträge) abkürzend beschreiben. Da die vorgetragenen Begriffe folglich für Tatsachen stünden, lägen keine Rechtsfragen vor, über welche die Revisionsgerichte zu entscheiden hätten.642 Dass Tat- und Rechtsfragen hier aber zusammenfallen (weil die sozialen bzw. „natürlichen“643 Begriffe eben gleichlauten wie die Rechtsbegriffe) spiele in diesen „glatten Fällen“644 keine Rolle.645 Eine Trennung von Rechts- und Tatfrage sei hingegen notwendig, wenn die Parteien „das schlagwortartig zusammengefaßte Ergebnis der Rechtsfindung“ durch Rechtsmittel angreifen. So etwa, wenn sie die Subsumtion als fehlerhaft rügen oder auf Tatsachen hinweisen, welche diese in Frage stellen.646 Hier müsse das Revisionsgericht die vorgetragenen Rechtsbegriffe in deren tatsächliche und rechtliche Elemente zerlegen. Ist dies nicht möglich, weil sich die den Rechtsbegriffen zugrundeliegenden Tatsachen nicht aus dem Berufungsurteil ergeben, habe das Revisionsgericht den Rechtsstreit zur entsprechenden Klärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.647
640
Die Tatfrage; ZZP 81, 196. Henke, ZZP 81, 196, 219. 642 A. a. O. 643 Henke, Die Tatfrage, S. 176. 644 A. a. O. 645 A. a. O., S. 177. 646 A. a. O. 647 A. a. O. 641
E. Bindungswirkungen gegenüber den Rechtsmittelinstanzen
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III. Stellungnahme 1. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Feststellungen des erstinstanzlichen Gerichts zu juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen binden das Berufungsgericht grundsätzlich nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 1 ZPO, wenn von einer korrekten Verwendung der Rechtsbegriffe durch die Parteien ausgegangen werden kann (dazu unter lit. a)). Im Rahmen der Prüfung, ob konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen bestehen, sind die Besonderheiten juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen zu beachten (dazu unter lit. b)). a) Grundsätzliche Bindung des Berufungsgerichts Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung die Feststellungen des erstinstanzlichen Gerichts bzgl. juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen grundsätzlich nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 1 ZPO zugrunde zu legen, soweit von einer korrekten Verwendung der Rechtsbegriffe durch die Parteien ausgegangen werden kann. Das folgt schon daraus, dass sich die Rechtsbegriffsbehauptungen in diesen Fällen als abgekürzte Tatsachenbehauptungen darstellen. Die auf sie bezogenen Feststellungen werden daher unmittelbar vom Anwendungsbereich des § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 1 ZPO erfasst. Es wäre überdies inkonsequent, wenn das erstinstanzliche Gericht die entsprechenden Behauptungen seiner Entscheidung ungeprüft zugrunde legen (§§ 138 Abs. 3, 331 Abs. 1 S. 1, 288 ZPO) oder auch Beweis über sie erheben könnte, das Berufungsgericht dann aber nicht an die entsprechenden Feststellungen des Erstgerichts gebunden wäre, auch wenn keinerlei Zweifel an deren Richtigkeit und Vollständigkeit bestehen. b) Ausnahmen von der Bindungswirkung Das Berufungsgericht ist nicht an die Feststellungen des Erstgerichts bzgl. juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen gebunden, wenn konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Feststellungen bestehen, § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO. Entsprechende Anhaltspunkte können sich zunächst aus neuem Vorbringen ergeben, das in der Berufungsinstanz nach §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO zu berücksichtigen ist (dazu unter lit. aa)). Eine Neufeststellung durch das Berufungsgericht ist überdies notwendig, wenn dem Erstgericht bei der Feststellung Verfahrensfehler unterlaufen sind (dazu unter lit. bb)). Dabei ist jeweils eine Vielzahl von Konstellationen denkbar. Nachfolgend sollen die häufigsten bzw. praktisch relevantesten Fallgruppen erörtert werden.
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
aa) Aufgrund neuen Vorbringens Steht neues, nach §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO in der Berufungsinstanz zu berücksichtigendes Vorbringen im Widerspruch zu an sich fehlerfreien Feststellungen des Erstgerichts zu juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen, muss das Berufungsgericht diesen Widerspruch durch Neufeststellung ausräumen. (1) Neues Vorbringen der Gegenseite Der häufigste Fall, in dem neues Vorbringen im Widerspruch zu Feststellungen zu einer juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptung steht, dürfte der sein, dass eine entsprechende Behauptung vom Erstgericht für wahr befunden wurde648 und die Gegenseite diese Feststellung in der Berufungsinstanz mit neuem Vorbringen angreifen möchte. A verklagt den nicht anwaltlich vertretenen B auf Kaufpreiszahlung i. H. v. EUR 500,–. Bzgl. des Zustandekommens eines Kaufvertrages nach § 433 BGB trägt A vor, er habe B sein Fahrrad am 1.3. „verkauft“. B äußert sich nicht zu dieser Behauptung des A. Er begründet seinen Klageabweisungsantrag ausschließlich damit, dass A ihm ohnehin noch EUR 800,– schulde und dass die Forderungen notfalls zu verrechnen seien. Nachdem das Gericht das Bestehen einer aufrechenbaren Gegenforderung des B verneint, verurteilt es B antragsgemäß zur Zahlung des Kaufpreises. Dabei war es vom Zustandekommen eines Kaufvertrages ausgegangen, weil die Behauptung des A, er habe B sein Fahrrad am 1.3. „verkauft“, unstreitig geblieben war. In der Berufung trägt der inzwischen anwaltlich vertretene B vor, die Klage sei abzuweisen, weil schon kein Kaufvertrag zwischen den Parteien zustande gekommen sei. Er habe ein entsprechendes Angebot des A nämlich nicht angenommen. A habe damals zu ihm gesagt, dass das Angebot als angenommen gelte, wenn er (B) nicht innerhalb von einer Woche widerspreche. Nachdem er (B) nicht rechtzeitig widersprochen habe, sei er davon ausgegangen, dass der Vertrag zustande gekommen sei. Sein Anwalt habe ihm nun erklärt, dass das nicht der Fall sei.
In diesen Fällen sind die Besonderheiten juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit des neuen Vorbringens nach § 531 Abs. 2 ZPO zu beachten. Das gilt insbesondere im Hinblick auf die Beurteilung, ob die Nicht-Geltendmachung der Angriffs- und Verteidigungsmittel im ersten Rechtszug auf Nachlässigkeit beruhte (§ 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO). Denn die Nicht-Geltendmachung kann im Falle juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen darauf beruhen, dass die Partei dem vorgetragenen Rechts648 Bzw. der Entscheidung ungeprüft zugrunde gelegt wurde, weil die Behauptung bspw. unstreitig geblieben ist oder zugestanden wurde.
E. Bindungswirkungen gegenüber den Rechtsmittelinstanzen
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begriff eine andere Bedeutung beigemessen oder falsche rechtliche Schlussfolgerungen aus den Tatsachen gezogen hat. Das kommt insbesondere dann in Betracht, wenn die Partei, welche die Feststellungen rügt, in erster Instanz nicht anwaltlich vertreten war. So hat B im Beispielsfall die Behauptung des A, A habe B das Fahrrad „verkauft“, nur deshalb nicht bestritten, weil B eine falsche rechtliche Schlussfolgerung aus den Tatsachen gezogen hatte. Nachdem die Parteien keine Rechtskenntnisse zu besitzen brauchen (iura novit curia), beruht die Nicht-Geltendmachung der Angriffs- und Verteidigungsmittel in diesen Fällen nicht auf „Nachlässigkeit“ i. S. d. § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO. Denn die mangelnden Rechtskenntnisse der Parteien und das Fehlen einer Pflicht, sich Rechtskenntnisse zu verschaffen, müssen i. R. d. Bestimmung der „Nachlässigkeit“ berücksichtigt werden. Die Anforderungen an die Zulässigkeit neuen Vorbringens nach § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO dürfen überdies gerade bei anwaltlich nicht vertretenen Parteien schon generell nicht überspannt werden.649 Dies muss umso mehr gelten, wenn es um die Geltendmachung von Angriffs- und Verteidigungsmitteln bzgl. juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen der Gegenseite geht. Schließlich zwingt § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO die Parteien nach der Rspr. des Bundesgerichtshofs auch „nur“, all das in erster Instanz vorzutragen, was aus ihrer Sicht für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich ist.650 Kann eine Partei aufgrund fehlender Rechtskenntnisse nicht erkennen, dass die einem Rechtsbegriff zugrundeliegenden Tatsachen entscheidungserheblich sind, stellt sich deren Nicht-Geltendmachung nicht als Verletzung dieser Obliegenheit dar. Folglich ist das neue Vorbringen in der Berufungsinstanz zu berücksichtigen. Andernfalls würde die Partei aufgrund ihrer mangelnden Rechtskenntnisse Nachteile erleiden. Dies erscheint auch deshalb nicht gerechtfertigt, weil die Zulassung des Vortrags juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen der darlegungsbelasteten Partei dient. Denn diese muss nicht sämtliche Einzeltatsachen umständlich darlegen. Fasst die darlegungsbelastete Partei die Tatsachen dabei juristisch inkorrekt zusammen, darf dies nicht der Gegenseite zum Nachteil gereichen. Hätte A im Beispielsfall die Einzeltatsachen vorgetragen, aufgrund derer er von einem „Verkauf“ des Fahrrads ausgeht, wäre die Klage als unbegründet abgewiesen worden. Denn das Gericht hätte den Tatsachenbehauptungen entnommen, dass die Parteien keinen Kaufvertrag geschlossen haben.
649
BT-Drs. 14/4722, S. 101 f. BGH, Urt. v. 8. 6. 2004 – VI ZR 199/03 (= BGHZ 159, 245 – 254) – Rn. 25, zitiert nach juris. 650
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
Das Gericht wird allerdings verlangen dürfen, dass die Partei, welche die erstinstanzlichen Feststellungen rügt, konkrete Tatsachen angibt, aufgrund derer sie die juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung für unwahr hält. Denn nur unter dieser Voraussetzung kann das Gericht beurteilen, ob die Nicht-Geltendmachung des Verteidigungsmittels in erster Instanz durch mangelnde Rechtskenntnisse der Partei begründet war. Die Partei darf sich folglich nicht auf das bloße Bestreiten der juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptung beschränken. War die Partei, welche die erstinstanzliche Feststellung rügen möchte, schon in erster Instanz anwaltlich vertreten, gelten i. R. d. Prüfung der Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO hingegen grundsätzlich keine Besonderheiten. Denn es ist Aufgabe des Rechtanwalts, sich den Sachverhalt so genau schildern zu lassen, dass er zweifelsfrei beurteilen kann, welche Behauptungen der Gegenseite bestritten werden können und welche nicht. Der Anwalt verfügt dabei auch über die notwendigen Rechtskenntnisse bzw. er kann und muss sich diese verschaffen, um die Bedeutung der vorgetragenen Rechtsbegriffe zu verstehen. (2) Neues Vorbringen der darlegungsbelasteten Partei Es kann auch vorkommen, dass die darlegungsbelastete Partei selbst in der Berufungsinstanz Tatsachen vorträgt, die in Widerspruch zu ihren eigenen, erstinstanzlich vorgetragenen juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen stehen. So kann die darlegungsbelastete Partei (erst) durch das Urteil bemerken, dass sich ihre für wahr befundene bzw. dem Urteil ungeprüft zugrunde gelegte juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung zu ihrem Nachteil ausgewirkt hat. In diesem Fall wird sie u.U. Tatsachen vortragen, aus denen sich die Unwahrheit dieser juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptung ergeben soll. Ein solcher Fall lag der Entscheidung BGH, Urt. v. 19. 3. 2004 – V ZR 104/03651 zugrunde.652 Der Ansicht des Bundesgerichtshofs entsprechend gelten in diesem Fall zumindest dann keine Besonderheiten i. R. d. Prüfung des § 531 Abs. 2 ZPO, wenn die Partei schon in erster Instanz anwaltlich vertreten war. Das neue Vorbringen wird daher regelmäßig nicht nach § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO zuzulassen sein, weil dessen Nicht-Geltendmachung in erster Instanz auf Nachlässigkeit beruhte. Von einem Rechtsanwalt kann nämlich erwartet werden, dass er keine juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen vorträgt, welche die Tatsachen nicht zutreffend umschreiben. Trägt er dennoch solche juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen vor, muss er schon in erster Instanz klarstellen, welche Tatsachen er durch den Rechtsbegriff in den Prozess einführen will. Unterlässt er das, beruht dies grundsätzlich auf Nachlässigkeit. Das gilt grundsätzlich auch 651 652
– juris (= BGHZ 158, 295 – 310). Näher dazu siehe oben II. 1. a).
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dann, wenn das Gericht nicht ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass sich die juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung zum Nachteil des Mandanten auswirken wird. Es kann zwar regelmäßig keine „Nachlässigkeit“ angenommen werden, wenn das Verhalten des erstinstanzlichen Gerichts darauf hingedeutet hatte, dass die juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung keine negativen Folgen für den Mandanten nach sich ziehen werde.653 Ist dem Verhalten des Gerichts aber – aus Sicht eines Juristen – klar zu entnehmen, dass sich die juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung zum Nachteil des Mandanten auswirken kann, muss das Gericht darauf nicht auch noch ausdrücklich hinweisen.654 Denn von einem Rechtsanwalt kann erwartet werden, dass er seinen Vortrag in diesem Fall zum Schutz des Mandanten auch ohne richterlichen Hinweis klarstellt. War die darlegungsbelastete Partei in erster Instanz hingegen nicht anwaltlich vertreten, kommt u.U. eine abweichende Beurteilung in Betracht. Denn die Nicht-Geltendmachung von Tatsachen beruht nur dann auf Nachlässigkeit, wenn der Partei deren Bedeutung für den Ausgang des Rechtsstreits bekannt war oder hätte bekannt sein müssen.655 In den in Rede stehenden Fällen war der Partei die Bedeutung der neu vorgetragenen Tatsachen für den Ausgang des Rechtsstreits zwar evtl. bekannt. Denn sie wollte diese Tatsachen ja durch den Rechtsbegriff in den Prozess einführen. Ihr war aber nicht bewusst, dass sie dies mit den juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen nicht erreicht hat. Daher war ihr zumindest die Bedeutung des Vortrags der konkreten Tatsachen für den Ausgang des Prozesses nicht bekannt. Diese Bedeutung hätte ihr regelmäßig auch nicht bekannt sein müssen. Letztere Voraussetzung sei zwar gegeben, wenn „eine Partei infolge eines auf der Hand liegenden Rechtsirrtums eine Tatsache für unerheblich gehalten und deshalb nicht vorgetragen hat“.656 Wenige Rechtsirrtümer werden allerdings – aus der maßgeblichen Sicht eines rechtlichen Laien – „auf der Hand liegen“. Daher kommt in diesen Fällen eine Zulassung des neuen Vorbringens 653 So auch der Bundesgerichtshof im Urt. v. 19. 3. 2004 – V ZR 104/03 (= BGHZ 158, 295 – 310) – Rn. 19, zitiert nach juris: „Zwar konnte der Kläger aus dem Umstand, daß das Landgericht trotz der bereits vorgetragenen Abtretung Beweis zu den Voraussetzungen des geltend gemachten Verwendungsersatzanspruchs erhoben hat, schließen, daß es auf diesen Gesichtspunkt für die gerichtliche Entscheidung nicht ankommen werde. Er hatte daher zunächst keinen konkreten Anlaß, zu der Frage der Abtretung weiter vorzutragen oder sein Vorbringen in dem Sinn richtig zu stellen, daß tatsächlich keine Abtretung vereinbart worden sei.“. 654 So auch der Bundesgerichtshof a. a. O. Danach habe das erstinstanzliche Gericht seine Hinweispflicht nicht verletzt, weil sich schon aus der Verlesung einer Kommentarfundstelle durch das Gericht ergeben hatte, dass die vom Rechtsanwalt vorgetragene Abtretung des Klageanspruchs nach h. M. den Verlust der Aktivlegitimation seines Mandanten bewirke. 655 BT-Drs. 14/4722, S. 101; BGH, Urt. v. 19. 3. 2004 – V ZR 104/03 (= BGHZ 158, 295 – 310) – Rn. 20, zitiert nach juris; MüKoZPO/Rimmelspacher, ZPO § 531 Rn. 27. 656 MüKoZPO/Rimmelspacher, ZPO, § 531 Rn. 27.
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
nach § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO in Betracht. Das gilt jedenfalls dann, wenn das Gericht die Partei nicht auf die negativen Folgen ihrer juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptung hingewiesen und zur Klarstellung der Behauptung aufgefordert hat. Denn die Parteien als rechtliche Laien dürfen darauf vertrauen, dass das Gericht sie darauf hinweist, wenn von ihnen behauptete, Tatsachenvortrag ersetzende Rechtsbegriffe für sie selbst nachteilig sind. In entsprechenden Fällen erscheint es ja auch gerade zu offensichtlich, dass der Vortrag des Rechtsbegriffs auf einem Rechtsirrtum beruht. Unterbleibt ein gerichtlicher Hinweis, beruht die Nicht-Geltendmachung der Tatsachen hier folglich nicht auf Nachlässigkeit. Da in diesem Fall regelmäßig ein Verstoß gegen § 139 ZPO vorliegt, ist das neue Vorbringen im Übrigen auch nach § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO zuzulassen. Denn die Tatsachen, welche die Partei mit dem Rechtsbegriff in den Prozess einführen wollte, wurden im ersten Rechtszug infolge eines Verfahrensmangels nicht geltend gemacht. Hat das Gericht die Partei auf die Bedeutung ihrer Behauptung hingewiesen und Klarstellung verlangt, wird das neue Vorbringen hingegen regelmäßig nicht zuzulassen sein, wenn die Partei ihren Vortrag nicht näher erläutert. Denn die Nicht-Geltendmachung der Tatsachen trotz entsprechenden richterlichen Hinweises stellt sich als nachlässig dar. bb) Aufgrund von Verfahrensfehlern bei der Feststellung Verfahrensfehlern des Erstgerichts bei der Feststellung des Sachverhalts kommt auch bezüglich juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen besondere Bedeutung zu. So können sich Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Feststellungen des erstinstanzlichen Gerichts bspw. daraus ergeben, dass nach § 139 ZPO erforderliche richterliche Hinweise unterblieben sind. Entsprechende Zweifel bestehen dabei u. a. dann, wenn das Erstgericht Tatsachenvortrag nicht berücksichtigt hat, der in einen Rechtsbegriff eingekleidet war, ohne dass das Gericht die behauptende Partei zur Ergänzung ihres Vortrags aufgefordert hätte. Der Kläger einer Kaufpreisklage trägt die Umstände des Kaufvertragsabschlusses nicht im Einzelnen vor, sondern behauptet schlicht, der Beklagte habe die streitgegenständliche Sache von ihm „gekauft“. Das Gericht weist die Klage mit der Begründung ab, der Kläger habe schon keine Tatsachen vorgetragen, aus welchen sich das Bestehen eines Kaufvertrages nach § 433 BGB ergebe. Das Gericht hatte den Kläger zuvor nicht nach § 139 ZPO zur Ergänzung seines Vortrags aufgefordert.
Dem erstinstanzlichen Gericht sind hier Verfahrensfehler bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen. Es hätte den Kläger nämlich gem. § 139 Abs. 1, 2 ZPO darauf hinweisen müssen, dass es seine juristisch eingekleidete Tatsa-
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chenbehauptung nicht als Tatsachenvortrag wertet und ihn zur Darlegung der Tatsachen, aus denen er auf den Abschluss eines Kaufvertrages nach § 433 BGB schließt, auffordern müssen. Nachdem das Gericht dies versäumt hat, begründen konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen gem. § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO. Das Berufungsgericht müsste die Tatsachen folglich neu feststellen oder die Sache an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückverweisen, wenn die Voraussetzungen des § 538 Abs. 2 ZPO vorliegen. Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen können auch im „umgekehrten“ Fall bestehen. Nämlich dann, wenn das Erstgericht den Vortrag eines Rechtsbegriffs, dessen korrekte Verwendung durch die Parteien zweifelhaft erscheint, als substantiierten Sachvortrag gewertet hat. In diesem Fall wurden nämlich Tatsachen verwertet, welche die Parteien nicht vorgetragen haben.657 Dabei muss das Berufungsgericht dem Erstgericht allerdings einen gewissen Beurteilungsspielraum bzgl. des Begriffsverständnisses der Parteien zugestehen. Denn das Erstgericht wird regelmäßig aufgrund seines Gesamteindrucks von den Parteien von der korrekten Begriffsverwendung ausgegangen sein. Diese Beurteilung ist vom Berufungsgericht – ähnlich der Beweiswürdigung des Erstgerichts – nur beschränkt überprüfbar. Werden allerdings Rechtsbegriffe vorgetragen, die keinen Eingang in den alltäglichen Sprachgebrauch gefunden haben bzw. deren rechtlicher Bedeutungsgehalt maßgeblich von deren alltäglichem Bedeutungsgehalt abweicht oder solche, die rechtliche Beurteilungen bezeichnen, die stets eine genaue Prüfung der Umstände des Einzelfalls erfordern (z. B. unbestimmte Rechtsbegriffe), darf das (Erst)Gericht den Parteien nicht ohne weiteres das Verständnis und die korrekte Verwendung der Begriffe unterstellen, sofern dies negative Konsequenzen für zumindest eine der Parteien nach sich ziehen kann. Käufer A verklagt Verkäufer B auf Nacherfüllung, weil B ihm eine mangelhafte Sache übereignet habe. Beide Parteien sind nicht anwaltlich vertreten. B wehrt sich gegen die Klage mit der schlichten Behauptung, der Mangel sei A infolge „grober Fahrlässigkeit“ unbekannt geblieben (§ 442 Abs. 1 S. 2 BGB). A reagiert nicht auf diese Behauptung des B. Das Gericht weist die Klage daraufhin mit der Begründung ab, die Gewährleistungsrechte des A seien gem. § 442 Abs. 1 S. 2 BGB ausgeschlossen, weil der Mangel A unstreitig (§ 138 Abs. 3 ZPO) infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben sei.
657 Kann eine juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung reinen Tatsachenbehauptungen nicht gleichgestellt werden, sind die dem vorgetragenen Rechtsbegriff zugrunde liegenden Tatsachen nicht wirksam in den Prozess eingeführt worden.
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
Das Nichtbestreiten der juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptung des B durch A muss seinen Grund hier nicht darin haben, dass A selbst der Ansicht ist, ihm sei der Mangel infolge „grober Fahrlässigkeit“ unbekannt geblieben. Es ist auch denkbar, dass A die genaue Bedeutung des vorgetragenen Rechtsbegriffs nicht kennt und sich deshalb vor einem Bestreiten scheut. Oder A erachtete ein Bestreiten für schlicht nicht notwendig, weil er den Rechtsbegriffsvortrag nicht als Tatsachenvortrag gewertet hatte, sondern als bloße Rechtsansicht, deren tatsächliche Grundlage von B nicht vorgetragen worden war. Das Erstgericht hätte A daher zumindest darauf hinweisen müssen, dass es die juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung des B als ausreichend substantiierten Tatsachenvortrag werte und dass es eine Stellungnahme von A erwarte (§ 139 Abs. 1, 2 ZPO). Da der erforderliche Hinweis unterblieben ist, beruht die Feststellung des Sachverhalts durch das erstinstanzliche Gericht auf einem Verfahrensfehler. Ein Verfahrensfehler, der eine Neufeststellung der Tatsachen durch das Berufungsgericht erforderlich macht, kann schließlich auch in der Ablehnung eines Beweisantrags mit der Begründung liegen, dass das Beweisthema in diesem juristisch eingekleidet bezeichnet ist.658 Voraussetzung ist, dass von einer korrekten Verwendung des Rechtsbegriffs durch die Parteien ausgegangen werden kann, die Gegenseite die zu beweisende juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung ohne nähere Sachangaben bestritten hat und dass eine Beweiserhebung über die juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung auch in Anbetracht des angebotenen Beweismittels als zielführend erscheint.659 A verklagt B auf Kaufpreiszahlung. Zur Begründung trägt A u. a. vor, B habe das Fahrrad des A am 5.5. gegen 17 Uhr vor dem Haus des B in (…) „gekauft“. Zum Beweis dieser Behauptung bietet A die Vernehmung des Zeugen Z an. B bestreitet die Behauptung des A, ohne eigene Angaben zur Sache zu machen. Das Gericht lehnt die Vernehmung des Zeugen Z mit der Begründung ab, der Beweisantrag des A sei nicht hinreichend substantiiert und bestimmt. Der Begriff des „Kaufens“ sei ein Rechtsbegriff und damit dem Tatsachenbeweis von vornherein unzugänglich. Nachdem A keine weiteren Beweismittel anbietet, wird die Klage abgewiesen.
Die Behauptung, dass ein Fahrrad „gekauft“ wurde, ist regelmäßig nicht (nur) als Rechtsbegriffsbehauptung zu verstehen, sondern als beweisfähige Tatsachenbehauptung660. Daher durfte das Gericht die Beweiserhebung nicht mit der Be658 So im Ergebnis auch OLG München, Urt. v. 19. 11. 1999 – 23 U 4502/99 – Rn. 8, zitiert nach juris. 659 Zur grundsätzlichen Zulässigkeit der Beweiserhebung über juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen, deren Voraussetzungen sowie zu den Ausnahmen siehe oben D. II. 3. b). 660 Mit dieser Formulierung BFH, Beschluss v. 1. 2. 2007 – VI B 118/04 – Rn. 8, zitiert nach juris bzgl. des Begriffs „(örtlicher) Mittelpunkt der Lebensinteressen“.
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gründung ablehnen, das Beweisthema sei nicht hinreichend substantiiert bezeichnet. Liegen keine entgegenstehenden Anhaltspunkte vor, kann nämlich davon ausgegangen werden, dass auch rechtliche Laien den Begriff „gekauft“ richtig verwenden. Üblicherweise verstehen rechtliche Laien in ausreichendem Maße, welche Tatsachen mit dem Rechtsbegriff „Kauf“ bezeichnet werden. Nachdem B die juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung des A ohne eigene Sachangaben bestritten hat, oblag A auch keine nähere Substantiierung seiner Behauptung aufgrund der Einlassung der Gegenseite. Die Vernehmung des Zeugen Z über die Behauptung des A erscheint schließlich auch als zielführend, weil das Gericht im Rahmen der Vernehmung nicht auf die Frage nach der Wahrheit der zu beweisenden juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptung beschränkt gewesen wäre. Vielmehr hätte es den Zeugen zum genauen Hergang des Geschehens, z. B. nach den Äußerungen der Parteien am 5.5. befragen können. Die Angabe des A war mithin konkret genug, „um dem Gericht eine Grundlage für seine Beweis erhebung zu geben bzw. den ‚Gegenstand der Vernehmung‘ (§ 377 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) zureichend zu bestimmen“661, die Ablehnung der Beweiserhebung durch das Erstgericht mithin verfahrensfehlerhaft. 2. § 559 ZPO Juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen können zu dem Parteivorbringen gehören, das der Beurteilung des Revisionsgerichts nach § 559 Abs. 1 S. 1 ZPO unterliegt; das Revisionsgericht ist dabei grundsätzlich an die Feststellungen des Berufungsgerichts gebunden (dazu unter lit. a)). Keine Bindung besteht, wenn sich die Rechtsbegriffsbehauptungen nicht als abgekürzte Tatsachenbehauptungen darstellen (dazu unter lit. b)). Im Übrigen entfällt die Bindung nur dann, wenn die Feststellungen des Berufungsgerichts erfolgreich mit Verfahrensrügen angegriffen werden (dazu unter lit c)). a) § 559 Abs. 1 S. 1, 2 Halbs. 1 ZPO Die durch juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen abgekürzt vorgetragenen Tatsachen bzw. deren Behauptungen können zu demjenigen Parteivorbringen gehören, das nach § 559 Abs. 1 S. 1 ZPO der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt. Voraussetzung ist zunächst – wie allgemein –, dass die juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich sind. Darüber hinaus müssen die Parteien ihre Tatsachenbehauptungen in Rechtsbegriffe eingekleidet haben, die sie in ausreichendem Maß verstehen. Denn nur unter dieser Voraussetzung kann von einer korrekten Verwendung der Rechtsbegriffe durch die Parteien ausgegangen wer661
Darauf abstellend auch der BFH, a. a. O.
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
den, sodass sich die Rechtsbegriffsbehauptungen als Abkürzungen bzw. Zusammenfassungen der den Rechtsbegriffen zugrundeliegenden Tatsachen darstellen. Und nur dann wurden diese Tatsachen allein durch die Rechtsbegriffsbehauptungen in den Prozess eingeführt. Sind diese Voraussetzungen gegeben, unterliegt der Beurteilung des Revisionsgerichts mithin – trotz der schlichten Behauptung eines Rechtsbegriffs – die Behauptung der hinter dem Rechtsbegriff stehenden Tatsachen. Das Revisionsgericht ist dabei nach § 559 Abs. 2 Halbs. 1 ZPO grundsätzlich an die Feststellungen des Berufungsgerichts bzgl. der (Un-)Wahrheit der juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen gebunden. Rügen die Parteien die entsprechenden Feststellungen des Berufungsgerichts nicht, kann und muss nämlich davon ausgegangen werden, dass diese Feststellungen korrekt und vollständig sind. b) Keine Bindung bei Zweifeln an der Korrektheit des Begriffsgebrauchs Das Revisionsgericht ist allerdings nicht an die Feststellungen des Berufungsgerichts gebunden, wenn Zweifel bestehen, ob die Parteien den vorgetragenen Rechtsbegriff juristisch korrekt verwenden. Denn in diesem Fall sind die tatsächlichen Grundlagen der vorgetragenen Rechtsbegriffe nicht wirksam in den Prozess eingeführt worden662 und können der Beurteilung des Revisionsgerichts mithin nicht zugrunde gelegt werden. Im Rahmen des Revisionsverfahrens wird dies allerdings die Ausnahme darstellen. Denn die Vorinstanzen werden juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen in der Regel nur dann in den Tatbestand bzw. das Berufungsurteil aufnehmen, wenn sie von der korrekten Verwendung der Rechtsbegriffe durch die Parteien ausgegangen sind. Andernfalls hätten sie die Parteien zur näheren Substantiierung aufgefordert und ihren Entscheidungen den substantiierten Vortrag zugrunde gelegt. Problematisch ist daher allein der Fall, dass das Revisionsgericht die Möglichkeit der Gleichstellung einer juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptung mit reinen Tatsachenbehauptungen anders beurteilt als die Vorinstanzen. Alle Parteien eines Prozesses gehen von der Sittenwidrigkeit des streitgegenständlichen Vertrages nach § 138 Abs. 1 BGB aus. Die darlegungsbelastete Partei trägt dabei keine Tatsachen vor, aus denen sich die Sittenwidrigkeit ergeben solle. Sie behauptet schlicht, der Vertrag sei „sittenwidrig“. Nachdem sich die Gegenseite nicht gegen diese Behauptung wehrt, behandeln sowohl das Erstgericht als auch das Berufungsgericht den Vertrag als sittenwidrig und damit nichtig gemäß § 138 Abs. 1 BGB. 662 Liegen juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen im hier verstandenen Sinn vor, sollen die den Rechtsbegriffen zugrundeliegenden Tatsachen ja gerade ausschließlich durch die Rechtsbegriffsbehauptungen in den Prozess eingeführt werden.
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In diesem Fall könnte bzw. dürfte das Revisionsgericht die Meinung der Vorinstanzen bzgl. der Möglichkeit der Gleichstellung der Rechtsbegriffsbehauptung mit der Behauptung der dem Rechtsbegriff zugrundeliegenden Tatsachen nicht teilen. Denn der Rechtsbegriff der „Sittenwidrigkeit“ bzw. des „Verstoßes gegen die guten Sitten“ i. S. d. § 138 Abs. 1 BGB gehört nicht zu denjenigen Rechtsbegriffen, deren juristische Bedeutung auch rechtlichen Laien üblicherweise in ausreichendem Maß bekannt ist. Häufig sind selbst Juristen darüber uneinig, ob ein bestimmter Vertrag sittenwidrig i. S. d. § 138 Abs. 1 BGB ist. Denn die Frage, ob ein Vertrag gegen das „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt“663, bietet in vielen Konstellationen Raum für unterschiedliche Meinungen. Daher kann die schlichte Behauptung der „Sittenwidrigkeit“ auch dann nicht ohne weiteres als zusammengefasste Behauptung von Tatsachen gewertet werden, aus denen sich die Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Abs. 1 ZPO ergibt, wenn sie durch einen Rechtsanwalt erfolgt. Um dem Gericht eine eigene rechtliche Beurteilung zu ermöglichen, müssen die Parteien folglich die tatsächlichen Umstände vortragen, aus denen sich die Sittenwidrigkeit ergeben soll. Dies ist im vorliegenden Fall nicht geschehen. Das Berufungsgericht hat den Vertrag dennoch als nichtig nach § 138 Abs. 1 BGB behandelt. Die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts sind damit lückenhaft und ermöglichen dem Revisionsgericht mithin keine Entscheidung. Das Revisionsgericht hat das Berufungsurteil daher aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO), ohne dass es hierzu einer Rüge der Parteien bedarf. Die Verneinung einer Bindung aufgrund von Zweifeln an der Korrektheit des Begriffsgebrauchs muss aber die Ausnahme und auf Fälle wie den soeben dargestellten beschränkt bleiben. Denn das Revisionsgericht muss den Tatsacheninstanzen grundsätzlich zugestehen, besser beurteilen zu können, ob die Parteien die vorgetragenen Rechtsbegriffe ausreichend verstehen und korrekt verwenden. c) Keine Bindung im Falle erfolgreicher Verfahrensrügen Die Bindungswirkung des § 559 Abs. 2 Halbs. 1 ZPO entfällt überdies, wenn die Parteien die Feststellungen des Berufungsgerichts zurecht als fehlerhaft rügen, § 559 Abs. 2 Halbs. 2 ZPO. Als mögliche Grundlagen für entsprechende Rügen kommen ähnliche Ursachen wie im Falle des § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO in Betracht.
663 BGH, Urt. v. 6. 2. 2009 – V ZR 130/08 – Rn. 10, zitiert nach juris; siehe zu diesem Tatbestandsmerkmal auch MüKoBGB/Armbrüster, BGB, § 138 Rn. 14.
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
aa) Kein Angriff der Feststellungen allein durch neue Tatsachenbehauptungen Nachdem neuer Tatsachenvortrag in der Revisionsinstanz weitestgehend ausgeschlossen ist, kann sich die Fehlerhaftigkeit der Feststellungen des Berufungsgerichts nicht allein aus neuem Sachvortrag ergeben. Dem Bundesgerichtshof ist daher zuzustimmen, soweit er im Urt. v. 6. 3. 1952 – IV ZR 45/50664 die Feststellung der Vorinstanzen, der Kläger sei pflichtteilsberechtigt, als bindend für das Revisionsverfahren behandelte665: Zunächst konnte die zugrundeliegende juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung des Klägers reinen Tatsachenbehauptungen gleichgestellt werden. Trägt eine Partei vor, sie sei „pflichtteilsberechtigt“, kann nämlich grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass sie diesen Rechtsbegriff zur Umschreibung von Tatsachen verwendet, deren rechtliche Würdigung ergibt, dass ihr ein Pflichtteilsanspruch zusteht. Zwar wird der genaue Unterschied zwischen „Erben“ und „Pflichtteilsberechtigten“ vielen juristischen Laien nicht hinreichend bekannt sein. So werden (auch) Pflichtteilsberechtigte häufig als „Erben“ bezeichnet, weil der Begriff „Erben“ allgemein für Personen verwendet wird, die aufgrund des Todes einer anderen Person etwas aus deren Vermögen erhalten. Trägt ein juristischer Laie vor, er sei „Erbe“ einer anderen Person, kann dies folglich nicht ohne weiteres als abgekürzte Behauptung von Tatsachen gewertet werden, aus denen sich ein Erbrecht des Behauptenden ergibt. Anders liegt der Fall aber, wenn jemand – wie in dem der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zugrundeliegenden Sachverhalt – vorträgt, er sei „Pflichtteilsberechtigter“. Denn das Verwenden dieses Begriffs offenbart, dass der Behauptende zwischen Erben und Pflichtteilsberechtigten unterscheidet. Die Verwendung des gewissermaßen „technischeren“ (weil in der Alltagssprache weniger gebräuchlichen) der beiden Begriffe spricht dabei dafür, dass der Behauptende auf die juristische Korrektheit seiner Begriffswahl Wert legt. Schließlich ist der Begriff der „Pflichtteilsberechtigung“ auch kein unbestimmter Rechtsbegriff und erfordert üblicherweise auch keine übermäßig komplizierten rechtlichen und tatsächlichen Erwägungen. Daher kann seine Behauptung grundsätzlich als abgekürzte Tatsachenbehauptung gewertet werden, wenn nicht die Umstände des Einzelfalls die Korrektheit der Begriffsverwendung zweifelhaft erscheinen lassen. Da die Behauptung des Klägers, er sei „pflichtteilsberechtigt“, unstreitig geblieben war, konnten die Tatsacheninstanzen ihren Entscheidungen die Pflichtteilsberechtigung des Klägers als unstreitig und damit ungeprüft als wahr zugrunde legen (§ 138 Abs. 3 ZPO). An die entsprechende Feststellung war der Bundesgerichtshof gem. § 559 Abs. 2 Halbs. 1 ZPO gebunden. Diese Bindung 664
= https://www.jurion.de/Urteile/BGH/1952 – 03 – 06/IV-ZR-45_50. BGH, Urt. v. 6. 3. 1952 – IV ZR 45/50 = https://www.jurion.de/Urteile/BGH/1952– 03–06/IV-ZR-45_50–Rn. 50 f. 665
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wurde durch den Vortrag des Klägers im Revisionsverfahren, er sei nicht „pflichtteilsberechtigt“, sondern „erbberechtigt“, nicht aufgehoben. Diese juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung enthielt nämlich neuen Tatsachenvortrag und war damit im Revisionsverfahren nicht berücksichtigungsfähig, § 559 Abs. 1 S. 1 ZPO. Denn es betrifft den Willen des Erblassers und damit eine innere Tatsache, ob der Erblasser eine Person als Erben einsetzen bzw. ein gesetzliches Erbrecht bestehen lassen wollte oder nicht. Die Behauptung der „Erbberechtigung“ allein hat die Bindung des Bundesgerichtshofs an die Feststellungen des Berufungsgerichts folglich nicht beseitigt. Nachdem der Kläger nicht gerügt hatte, dass dem Berufungsgericht bei der Feststellung seiner Pflichtteilsberechtigung Verfahrensfehler unterlaufen sind, musste der Bundesgerichtshof seiner Beurteilung folglich die Pflichtteilsberechtigung des Klägers zugrunde legen. bb) Mögliche Grundlagen der Verfahrensrügen Nach § 559 Abs. 2 Halbs. 2 ZPO können nur solche Rügen Erfolg haben, die das Verfahren des Berufungsgerichts bei der Tatsachenfeststellung betreffen. Auch hier ist wieder eine Vielzahl an Konstellationen denkbar, von denen nachfolgend nur die praktisch relevantesten erörtert werden sollen. Das Revisionsgericht ist bspw. dann nicht an die Feststellungen des Berufungsgerichts gebunden, wenn das Berufungsgericht eine vorgetragene und nach §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO zuzulassende juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung übergeht, ohne die behauptende Partei darauf hinzuweisen, dass es die Behauptung nicht als Tatsachenvortrag wertet und ohne zur Darlegung der Einzeltatsachen aufzufordern. Denn in diesem Fall liegt ein Verstoß gegen § 139 Abs. 1, 2 ZPO vor. Die entsprechende Rüge kann dabei grundsätzlich auch konkludent durch den Vortrag der Tatsachen erfolgen, welche der Betroffene auf den gerichtlichen Hinweis hin vorgetragen hätte.666 Die Feststellungen können darüber hinaus verfahrensfehlerhaft sein, wenn das Berufungsgericht eine Beweiserhebung mit der Begründung ablehnt, das Beweisthema sei im Beweisantrag juristisch eingekleidet bezeichnet. Diesbezüglich gilt das zu § 529 Abs. 1 ZPO Gesagte667 entsprechend. Die Feststellungen des Berufungsgerichts können schließlich auch deshalb fehlerhaft sein, weil das Berufungsgericht juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen zu Unrecht als Tatsachenvortrag gewertet hat. Dabei sind verschiedene Konstellationen zu unterscheiden: Behandelt das Berufungsgericht die Behauptung eines Rechtsbegriffs als Tatsachenvortrag, dessen Behauptung keinesfalls als Behauptung der ihm zu666 BGH, Urt. v. 12. 10. 1987 – II ZR 251/86 – Rn. 9, zitiert nach juris; MüKoZPO/ Krüger, ZPO, § 551 Rn. 22. 667 Siehe oben 1. b) bb).
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2. Kap.: Die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
grundliegenden Tatsachen gewertet werden kann, entfällt die Bindungswirkung der berufungsgerichtlichen Feststellungen, ohne dass es einer Rüge der Parteien bedarf.668 Eine Rüge ist hingegen erforderlich, wenn es sich – wie häufig – um einen Rechtsbegriff handelt, dessen Behauptung reinem Tatsachenvortrag unter Umständen vergleichbar ist. Denn hier kann nicht abstrakt, sondern nur anhand der Umstände des Einzelfalls entschieden werden, ob bzw. inwieweit das Verhalten des Berufungsgerichts verfahrensfehlerhaft war. Eine entsprechende Rüge kann dabei grundsätzlich nur dann Erfolg haben, wenn die Gegenseite nicht damit rechnen musste, dass die juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung reinen Tatsachenbehauptungen gleichgestellt wird, das Berufungsgericht sie nicht auf seine Auffassung hingewiesen hat und ihr aus der Gleichstellung Nachteile erwachsen sind. Diese Voraussetzungen werden allerdings schon deshalb selten gegeben sein, weil die Parteien spätestens im Berufungsverfahren anwaltlich vertreten sind und es grundsätzlich Sache des Rechtsanwalts ist, entsprechende Nachteile für seinen Mandanten zu vermeiden. Rechtsanwälte müssen daher grundsätzlich auch dann zu juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen der Gegenseite Stellung nehmen, wenn sie selbst die Rechtsbegriffsbehauptung nicht als reinen Tatsachenbehauptungen vergleichbar erachten. Dementsprechend muss das Gericht grundsätzlich nicht nach § 139 ZPO zur Stellungnahme auffordern. Regelmäßig wird sich der Rechtsanwalt zudem ohnehin zu den für seinen Mandanten nachteiligen juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen äußern, auch wenn er diese für bloße Kundgaben von Rechtsansichten hält. Hängt die Entscheidung des Gerichts von der Beurteilung der vermeintlichen Rechtsfrage ab, wird der Anwalt dem Gericht nämlich mitteilen, dass er diese Rechtsansicht für unzutreffend hält. In diesem Fall müsste das Gericht die Äußerung des Rechtsanwalts als Bestreiten der juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptung werten. Schließlich kommen ohnehin nur juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen in Betracht, die erstmals im Berufungsverfahren vorgetragen wurden. Die Behandlung bereits erstinstanzlich vorgetragener juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen als Tatsachenvortrag kann nämlich nicht erst mit der Revision gerügt werden. Will eine Partei das diesbezügliche Verfahren des Erstgerichts angreifen, muss sie dies vielmehr schon in der Berufung tun. Denn die Parteien müssen dem Berufungsgericht „den Rechtsstreit in einer Weise unterbreiten, daß dieses erkennen kann, aus welchen Gründen das Urteil des ersten Rechtszuges angegriffen wird“.669 Versäumen die Parteien das, ist das Verfahren des Erstgerichts revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.670 Folglich handelt hier auch das Berufungsgericht nicht verfah668 669
Näher dazu siehe oben unter lit. b). BGH, Urt. v. 21. 5. 1996 – XI ZR 199/95 (= BGHZ 133, 36 – 43) – Rn. 15, zitiert nach
670
A. a. O. – Rn. 15 ff. (insbesondere Rn. 18), zitiert nach juris.
juris.
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rensfehlerhaft, wenn es seiner Entscheidung den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt zugrunde legt. Aus diesem Grund ist den Entscheidungen BGH, Urt. v. 2. 6. 1995 – V ZR 304/93671 und BGH, Urt. v. 14. 3. 1997 – V ZR 9/96672 zumindest im Ergebnis zuzustimmen. Denn die Beklagten hatten jeweils erst im Revisionsverfahren das Eigentum bzw. die Rechtsnachfolge der jeweiligen Klägerin – und damit die Gleichstellung der entsprechenden Rechtsbegriffsbehauptungen mit den Behauptungen der den Begriffen zugrundeliegenden Tatsachen – bezweifelt.673 Die juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen müssen aber jeweils schon erstinstanzlich vorgetragen worden sein. Denn das Eigentum bzw. die Rechtsnachfolge waren Voraussetzung der jeweils schon erstinstanzlich geltend gemachten Ansprüche der Klägerinnen. Die Beklagten hätten die Behandlung der jeweiligen Rechtsbegriffsbehauptung als ausreichend substantiierter Sachvortrag mithin schon mit der Berufung rügen müssen. Die Rügen der Beklagten im Revisionsverfahren konnten mithin keinen Erfolg haben. Nach dem oben Gesagten handelten die Berufungsgerichte nämlich aus revisionsrechtlicher Sicht nicht verfahrensfehlerhaft, als sie ihren Entscheidungen die von den Erstgerichten entsprechend festgestellten Sachverhalte zugrunde legten. Die jeweiligen Senate des Bundesgerichtshofs waren daher nach § 559 ZPO an die entsprechenden Feststellungen der Berufungsgerichte gebunden. Denn es hätte einer erfolgreichen Rüge bedurft, um diese Bindung zu beseitigen, § 559 Abs. 2 Halbs. 2 ZPO. Die Vorträge der Begriffe „Eigentum“ und „Rechtsnachfolge“ können den Behauptungen der diesen Begriffen zugrundeliegenden Tatsachen nämlich unter Umständen – wenn auch nicht mit der Begründung des Bundesgerichtshofs – gleichgestellt werden. 3. Ergebnis Grundsätzlich binden die Feststellungen der jeweiligen Vorinstanz bzgl. der (Un-)Wahrheit juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen die nachfolgende Instanz. Eine Bindung besteht jedoch nicht, wenn die Parteien ihren Sachvortrag in Rechtsbegriffe eingekleidet haben, deren korrekte Verwendung stets zweifelhaft erscheinen muss. Im Übrigen kann die Bindungswirkung durch Verfahrensrügen, im Berufungsverfahren auch durch neuen Tatsachenvortrag der Parteien entfallen. Im Rahmen der Prüfung der Begründetheit dieser Rügen bzw. der Zulassung des neuen Vorbringens ist stets zu beachten, dass die Parteien keine Rechtskenntnisse zu besitzen brauchen. Insbesondere wenn die Parteien nicht anwaltlich vertreten waren, ergeben sich daher mehr Möglichkeiten, die Feststellungen der Vorinstanzen anzugreifen, als im Falle reiner Tatsachenbehauptungen. 671
– juris. – juris (= BGHZ 135, 92 – 107). 673 BGH, Urt. v. 2. 6. 1995 – V ZR 304/93 – Rn. 7, zitiert nach juris; Urt. v. 14. 3. 1997 – V ZR 9/96 (= BGHZ 135, 92 – 107) – Rn. 13, zitiert nach juris. 672
Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse A. Juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen und die Darlegungslast der Parteien Die Untersuchungen haben gezeigt, dass die Parteien grundsätzlich auch juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen verwenden dürfen, um den entscheidungserheblichen Sachverhalt darzulegen. Der Gebrauch juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen dient vielfach der Prozessökonomie und ist in gewissem Umfang auch schlicht unvermeidbar. Nachdem es sich bei juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen um Sachvortrag handelt, besteht zudem weder ein Grund noch ein Recht, deren Verwendung generell zu verbieten. Der Gebrauch von Rechtsbegriffen zur Tatsachendarlegung muss allerdings beschränkt werden, um negative Konsequenzen für die Parteien aufgrund von Rechtsirrtümern zu vermeiden. Juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen können deshalb nur dann als substantiierter Sachvortrag gewertet werden, wenn das Gericht davon ausgehen kann, dass beide Parteien die vorgetragenen Rechtsbegriffe im zu entscheidenden Fall juristisch korrekt zur Tatsachenumschreibung verwenden. Ob diese Voraussetzung vorliegt, hat das Gericht anhand der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. Im Rahmen dieser Entscheidung sind insbesondere der Bildungsstand der Parteien, deren rechtliche Erfahrung, deren etwaige anwaltliche Vertretung, deren weiterer Sachvortrag sowie der Umstand, ob die verwendeten Rechtsbegriffe auch in der Alltagssprache – und dabei mit zumindest im wesentlichen gleicher Bedeutung wie in der Rechtssprache – gebraucht werden, zu berücksichtigen. Die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur verfolgt diesbezüglich den gleichen Ansatz, auch wenn sie dies nicht entsprechend formuliert. Im Ergebnis ist ihr daher zuzustimmen. Insbesondere, um die Rechtsanwendung zu erleichtern und um Missverständnissen vorzubeugen, sollten Rechtsprechung und Literatur allerdings die Verwendung ihrer Standardfloskeln aufgeben und stattdessen ausdrücklich darlegen, dass die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen als substantiierter Sachvortrag von der Annahme der juristisch korrekten Verwendung der Rechtsbegriffe im konkreten Fall abhängt. Nachdem die Ausführungen des Bundesgerichtshofs in den Entscheidungen BGH, Urt. v. 2. 6. 1995 – V ZR 304/931, Urt. v. 14. 3. 1997 – V ZR 9/962, Urt. v. 1
– Rn. 7, zitiert nach juris.
B. Folgen des Nichtbestreitens juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen 261
13. 3. 1998 – V ZR 190/973 und Urt. v. 29. 7. 2014 – II ZR 353/124 nicht in diesem Sinne verstanden bzw. interpretiert werden können, ist diesen in jedem Fall zu widersprechen. 2
Hat das Gericht Zweifel an der juristischen Korrektheit der Begriffsverwendung durch die Parteien, muss es die darlegungsbelastete Partei nach § 139 ZPO auf seine Zweifel hinweisen und diese zur näheren Substantiierung bzw. Konkretisierung ihres Vortrags auffordern. Dabei hat es ausdrücklich darzulegen, dass es die jeweilige Rechtsbegriffsbehauptung nicht als abgekürzte Behauptung der dem vorgetragenen Rechtsbegriff zugrundeliegenden Tatsachen wertet und dass diese Tatsachen mithin noch nicht wirksam in den Prozess eingeführt wurden. Geht das Gericht hingegen davon aus, dass die Parteien die vorgetragenen Rechtsbegriffe juristisch korrekt verwenden, stellt die jeweilige juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung (zunächst) ausreichend substantiierten Sachvortrag dar. In diesem Fall wurden durch die Behauptung Tatsachen, deren rechtliche Würdigung mit dem vorgetragenen Rechtsbegriff bezeichnet wird, wirksam in den Prozess eingeführt.
B. Folgen des Nichtbestreitens juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen Juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen, die als ausreichend substantiierter Sachvortrag zu werten sind, können auch Gegenstand eines fingierten Geständnisses nach § 138 Abs. 3 bzw. § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO sein. Werden die Behauptungen nicht bestritten, gelten folglich Tatsachenbehauptungen als zugestanden, aus denen sich die mit dem vorgetragenen Rechtsbegriff bezeichnete Rechtsfolge ergibt. Das ist die logische Konsequenz aus der Wertung der Behauptungen als abgekürzte Vorträge der den Rechtsbegriffen zugrundeliegenden Tatsachen. Die herrschende Meinung vertritt diesbezüglich die gleiche Ansicht, auch wenn sie dies wiederum nicht klar formuliert. Zumindest im Ergebnis ist ihr daher zuzustimmen.
2
(= BGHZ 135, 92 – 107) – Rn. 13, zitiert nach juris. – Rn. 18, zitiert nach juris. 4 (= BGHZ 202, 180) – Rn. 43, zitiert nach juris. 3
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Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
C. Anwendung der §§ 288 ff. ZPO Ein Geständnis entsprechender juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen nach § 288 ZPO kommt trotz der weitgehenden Gleichstellung der Behauptungen mit reinen Tatsachenbehauptungen nur in Ausnahmefällen in Betracht. Denn die Anwendung des § 288 ZPO hat die Bindungswirkung des § 290 ZPO zur Folge. Diese Bindungswirkung erscheint im Falle des Zugestehens juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen grundsätzlich unangemessen. Denn auch wenn von einer juristisch korrekten Verwendung der vorgetragenen Rechtsbegriffe durch die Parteien ausgegangen werden kann, können Rechtsirrtümer der Parteien doch selten gänzlich ausgeschlossen werden. Während der zugestehenden Partei der Beweis eines solchen Rechtsirrtums noch relativ leicht fallen dürfte, könnte sie spätestens die aus § 290 ZPO folgende Beweislastumkehr hinsichtlich der tatsächlichen Umstände in arge Bedrängnis bringen, wenn ihr die entsprechenden Beweismittel fehlen. Es erscheint nicht angebracht, der zugestehenden Partei dieses Risiko eines Prozessverlustes aufgrund von Beweisfälligkeit zuzuweisen, insbesondere wenn man bedenkt, dass juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen in erster Linie der darlegungsbelasteten Partei dienen. Voraussetzung der Anwendung des § 288 ZPO ist daher, dass das Gericht von der juristisch korrekten Verwendung der vorgetragenen Rechtsbegriffe durch die Parteien positiv überzeugt ist. Die bloße Annahme der juristisch korrekten Verwendung reicht also nicht aus. Eine entsprechende positive Überzeugung des Gerichts wird aber selten gegeben sein. Denn die Parteien verwenden juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen gerade, um die den Rechtsbegriffen zugrundeliegenden Tatsachen nicht im Einzelnen darlegen zu müssen. Dem weiteren Sachvortrag der Parteien lässt sich daher in der Regel nicht entnehmen, welche Tatsachen die Parteien ihrer Rechtsbegriffsbehauptung zugrunde gelegt haben. Sofern das Gericht nicht ausnahmsweise aufgrund des Bildungsstands der Parteien, deren rechtlicher Erfahrung sowie der weiteren Umstände des Einzelfalls positiv davon überzeugt ist, dass beide Parteien den vorgetragenen Rechtsbegriff im konkreten Fall juristisch korrekt verwenden, scheidet die Anwendung des § 288 ZPO daher aus. Der diesbezüglich herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur ist zu widersprechen. Denn nach der herrschenden Meinung hängt die Anwendbarkeit des § 288 ZPO – zumindest ihren theoretischen Ausführungen entsprechend – von den gleichen Voraussetzungen ab wie die Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen als substantiierter Sachvortrag und die Anwendung der §§ 138 Abs. 3, 331 Abs. 1 S. 1 ZPO. Das ungleich höhere Risiko für die zugestehende Partei, aufgrund eines Rechtsirrtums den Prozess zu verlieren, bleibt also unberücksichtigt. Dem kann aus den besagten Gründen nicht gefolgt werden.
D. Folgen des Bestreitens juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen
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D. Folgen des Bestreitens juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen Die Konsequenzen des Bestreitens juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen, die zunächst ausreichend substantiierten Sachvortrag darstellen, hängen grundsätzlich davon, ob die Behauptungen einfach oder mit näheren Sachangaben bestritten werden. Bestreitet die Gegenseite die Behauptungen mit eigenen Angaben zur Sache, obliegt es der darlegungsbelasteten Partei, ihre juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen näher zu substantiieren. Sie muss ihre Rechtsbegriffsbehauptung folglich aufschlüsseln und das tatsächliche Geschehen, dass sie dieser zugrunde gelegt hat, im Einzelnen schildern. Eine Beweisaufnahme über die Wahrheit der juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptung scheidet in jedem Fall aus, weil diese aufgrund des substantiierten Bestreitens der Gegenseite nicht mehr als ausreichend substantiierter Sachvortrag gewertet werden kann. Bestreitet die Gegenseite die juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptung hingegen ohne eigene Angaben zur Sache, kommt nach allgemeinen Grundsätzen eine Beweisaufnahme über die Wahrheit der juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptung in Betracht. Denn die Behauptung wird im Falle einfachen Bestreitens grundsätzlich nicht unklar und lässt auch weiterhin den Schluss auf die Entstehung des geltend gemachten Rechts zu. Im Rahmen der Beweisaufnahme kann das Gericht überdies regelmäßig das tatsächliche Geschehen, das mit dem vorgetragenen Rechtsbegriff bezeichnet wurde, in Erfahrung bringen. Es ist, insbesondere im Rahmen einer Zeugenvernehmung, gerade nicht auf die schlichte Frage nach der Wahrheit der juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptung beschränkt. Eine nähere Substantiierung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen kann allerdings auch im Falle einfachen Bestreitens erforderlich sein, insbesondere wenn ein Beweis durch Sachverständigengutachten in Betracht kommt. Enthält das Beweisthema Rechtsbegriffe, besteht nämlich die Gefahr, dass der Sachverständige rechtliche Beurteilungen abgibt. Dazu sind Sachverständige weder befugt noch berufen. Rechtsprechung und Literatur setzen sich mit diesen Fragen vergleichsweise selten ausdrücklich auseinander. Die entsprechenden Ausführungen unterscheiden sich überdies teilweise stark und scheinen schließlich teilweise auch in sich widersprüchlich. Eine „herrschende Meinung“ scheint sich folglich bisher nicht herausgebildet zu haben. Es ist allerdings davon auszugehen, dass zumindest die Rechtsprechung in der Regel entsprechend der hier vertretenen Ansicht verfährt. Denn die praktischen Gegebenheiten lassen ein anderes Vorgehen kaum zu.
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Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
E. Bindungswirkungen gegenüber den Rechtsmittelinstanzen Die Rechtsmittelinstanzen sind grundsätzlich an die Feststellungen der Vorinstanzen bezüglich der (Un-)Wahrheit juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen gebunden. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die betreffenden juristisch eingekleideten Tatsachenbehauptungen reinem Sachvortrag ganz offensichtlich nicht gleichgestellt werden können. Im Übrigen entfällt die Bindungswirkung der Feststellungen der Vorinstanzen im Wesentlichen unter den gleichen Voraussetzungen wie im Falle reiner Tatsachenbehauptungen. Die Bindungswirkung entfällt mithin insbesondere dann, wenn sich aus neuem, in der Berufungsinstanz zuzulassendem, Tatsachenvortrag Zweifel an den Feststellungen der Vorinstanzen ergeben oder wenn die Feststellungen erfolgreich mit Verfahrensrügen angegriffen werden. Im Rahmen der Prüfung dieser Voraussetzungen sind jedoch die Besonderheiten juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen zu beachten. Rechtsprechung und Literatur setzen sich kaum ausdrücklich mit diesen Fragen auseinander. Soweit eine Auseinandersetzung erfolgt, stimmen die vertretenen Ansichten im Wesentlichen mit der hier vertretenen Ansicht überein.
F. Ersuchen an Rechtsprechung und Literatur Insgesamt haben die Untersuchungen gezeigt, dass die Rechtsprechung juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen im Ergebnis weitgehend angemessen behandelt. Während das Reichsgericht seinen Umgang mit den Behauptungen anfangs auch noch relativ ausführlich begründet hatte, wurden die Voraussetzungen der Gleichstellung juristisch eingekleideter und reiner Tatsachenbehauptungen nach und nach in immer kürzeren Schlagworten zusammengefasst. Dementsprechend legt der Bundesgerichtshof die Gründe für seine Behandlung juristisch eingekleideter Tatsachenbehauptungen überhaupt nicht mehr ausdrücklich dar, sondern beschränkt sich auf die schlichte Wiederholung unzutreffender oder doch zumindest sehr ungenauer Standardformulierungen. Ein ähnliches Bild zeigt sich in der Literatur. Während die ältere Literatur das Vorgehen der Rechtsprechung noch kritisch hinterfragt und nach eigenen Lösungsansätzen gesucht hatte, beschränkt sich heute insbesondere die gängige Kommentar- und Lehrbuchliteratur auf die unkritische Wiedergabe der unglücklich gewählten Standardformulierungen der Rechtsprechung. Dies birgt für den Rechtsanwender die Gefahr, falsche Schlussfolgerungen aus den Ausführungen der herrschenden Meinung zu ziehen und insbesondere die Frage nach der Möglichkeit der Gleichstellung einer für ihn relevanten juristisch
F. Ersuchen an Rechtsprechung und Literatur
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eingekleideten Tatsachenbehauptung mit reinen Tatsachenbehauptungen im konkreten Einzelfall nicht zutreffend beantworten zu können. Rechtsprechung und Literatur sollten daher ihre bisherigen Standardformulierungen aufgeben und stattdessen ausdrücklich benennen, unter welchen Voraussetzungen sie juristisch eingekleidete Tatsachenbehauptungen reinen Tatsachenbehauptungen gleichstellen. Tiefgehende Ausführungen wären dabei nicht einmal unbedingt nötig. Dem Rechtsanwender wäre schon geholfen, wenn nicht mehr darauf abgestellt würde, ob die vorgetragenen Rechtsbegriffe einfach und allgemein bekannt sind, sondern ausdrücklich darauf, ob von der juristisch korrekten Verwendung der Rechtsbegriffe durch die Parteien ausgegangen werden kann.
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Stichwortverzeichnis Stichwortverzeichnis
Abkürzung 44, 75, 98, 100, 198, 223, 254 Abtretung 47, 72, 90, 93, 106, 119, 158, 239, 242 Adel 155 Aktiengesellschaft 169 Aktivlegitimation 140, 170, 241 Allgemeinheit 66 –– Begriff 91 All-Risk-Versicherung 118 Amtsermittlungsgrundsatz 25 Anerkenntnis 71, 165, 188, 190, 208 Anerkenntnisurteil 165 Anerkennungswille 188 Angebot 21, 59, 84, 193, 202, 211, 223, 224, 246 Angriffsmittel 234, 246, 247 Anwalt 116–119, 199, 200, 202, 239, 242, 246, 248, 249, 255, 258 Anwaltsprozess 116, 196, 199, Aufgabenverteilung 23, 29, 47, 102, 129, 132, 136, 144, 145, 196, 203, 204, 225 Aufklärungspflicht 58, 236 Augenschein 27, 37 Bedeutungsgehalt 20, 43–46, 51, 52, 54, 56, 101, 109–111, 113, 114, 192, 251 Begabung 182 Begriffsgebrauch 119, 120, 185, 189, 254, 255 Begriffsverständnis 40, 63, 65, 106, 109, 110, 131, 133, 141, 155, 157, 158, 165, 168, 178, 179, 210, 222, 227, 228, 231, 251 Behauptungslast 83, 95
Bekanntheit, allgemeine 66, 67, 91, 93,106, 107, 150, 157, 159, 180, 191, 204 Berufung 31, 86, 87, 90, 123, 126, 166, 167, 173, 174, 233, 235, 237 ff., 241, 243 ff., 251, 253 ff., 264 Berufungsgericht 31, 86, 87, 123, 126, 167, 173, 174, 233, 235, 237 ff., 243 ff., 251, 253 ff. Besitz 19, 60, 98, 112 f., 192, 206 f. Beurteilungsspielraum 251 Beweisantrag 214 f., 226, 252, 257 Beweisaufnahme 25, 29, 37, 87, 151, 212, 214, 217 f., 221, 223 ff., 228, 230 ff., 263 Beweisbeschluss 31, 221, 225 f., 232 Beweiserhebung 27, 29, 132, 212, 215, 217 f., 220, 222, 224, 226, 229 ff., 252 f., 257 Beweisfrage 232 Beweisgegenstand 31, 218, 221, 223 f., 229 Beweislast 147, 198 Beweismittel 25, 31, 34, 150 f., 198, 231, 252, 262 Beweisthema 21, 185, 212, 214, 217 f., 221, 224 ff., 252 f., 263 Beweisumkehr 147, 198, 262 Beweiswürdigung 31, 34, 233, 235, 251 Bildungsgrad 153, 182 Bindungswirkung 90, 102, 145 f., 150, 196 f., 203, 232, 236, 239, 241, 245, 255, 258 f., 262, 264 Bundesfinanzhof 214 f. Bundessozialgericht 214 Bundesverfassungsgericht 44
Stichwortverzeichnis
Darlehen 83, 169, 176, 183, 244 Dienstbarkeit 65, 69, 107 Dispositionsbefugnis 77, 79, 191, 200, 201, 208 Eideszuschiebung 150 ff., 154, 178, 180 Eigentum 19, 45, 47, 57, 59, 69, 72 f., 75, 85, 86, 90, 92, 96, 98, 102, 112 f., 123, 125 f., 135, 154 f., 161 ff., 191 f., 206 f., 237, 259 Einfachheit 66 f., 92 f., 96, 107, 150, 152, 154, 156 ff., 161 f., 176, 188 f., 204, 238, 242 Elemente, logische 180 Entstehungstatsachen 90, 94, 96, 112, 115 Erbe 19, 35, 47, 75, 156, 169, 191, 206 f., 237, 256 f. Ermessen 152 Erwerbsminderung 214 Fahrlässigkeit 97, 110, 115, 251 f. Feststellungsklage 70 f., 163 ff., 188 Forderung 89 f., 119, 123, 152, 169, 179, 246 Fürsorgepflicht 205 Geburt 101 Geläufigkeit 61 f., 91, 106, 153 f., 156 f., 159, 182, 191, 204, 238, 242 Gemeinverständlichkeit 177 ff. Genehmigung 47 Gesellschafterbeschluss 126 Geständniswille 146 Grundversorgerin 140 f. Grundversorgung 140 f. Herausgabe 48, 58, 60, 70, 72 f., 76, 96, 98, 140, 164 Hinweispflicht 29 f., 59, 80, 83, 120, 226, 242 Kapitalkonten 169, 173 Kaufmann 170, 193
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Kaufvertrag 21, 44 f., 58, 70, 72, 80, 99, 107, 113, 136, 138, 176, 202, 206, 217 ff., 221, 224 f., 227, 240 f., 246 f., 250 f. Kinder 66, 91 Klageschrift 25, 29, 56 ff., 60, 84, 102, 114, 165 Kommanditist 59, 91, 106, 158, 174, 181 Laienhafte Parallelwertung 101, 114 Laiensphäre 52 Lastschrift 88 f., 168 Leasing 120 f. Lebensgemeinschaft 93, 111, 159, 169 Lebensmittelpunkt 215 Lebenssachverhalt 25, 68 f., 81 Lebensstellung 138, 183 Leihe 19, 52, 112 ff. Leihvertrag 70 Miete 19, 35, 53, 59, 70, 98 f., 101, 106, 112 f., 129, 165, 170, 172, 183, 198, 204, 244 Mietvertrag 79, 98, 166, 206 Nachlässigkeit 28, 30, 57, 225, 239, 246 ff. Nebenberuflichkeit 61, 92 Obersatz 53, 180, 191 Parteieid 149 ff., 178, 180 Parteivorbringen 156, 233, 235, 237, 243, 253 Passivlegitimation 72 Pfandrecht 191 f., 206 Pflichtteilsberechtigter 47, 75, 191, 206 f. 237, 256 f. Präklusion 122, 199 Prozessleitung 29, 118 Prozessökonomie 59, 97 f., 260
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Stichwortverzeichnis
Reallast 115 Rechtsanwalt siehe Anwalt Rechtsauffassung 28, 122, 133, 136, 144, 186, 188, 191, 203, 241 Rechtsfrage 19, 187, 189, 191, 195, 244, 258 –– einfache 191 Rechtsinhaberschaft 162, 238 Rechtsirrtum 21, 147 f., 174, 184, 196 ff., 203, 249 f., 260, 262 Rechtskenntnisse 19, 21, 65, 101, 119, 179, 184, 198 f., 203, 205, 209, 211, 247 f., 259 Rechtsnachfolge 47, 162 f., 238, 259 Rechtsnorm 40, 42, 187 Rechtssicherheit 205 Rechtssprache 38, 44, 51, 176, 206 f., 260 Rechtstatsachen 55, 87, 90, 95, 191 f., 206 f., 239, 241, 243 Rechtswidrigkeit 70 Reichsgericht 36, 91, 151 ff., 161 ff., 179 f., 188, 264 Reparatur 51, 84, 102 f., 114 Revisionsgericht 31, 86, 235, 237, 240, 243 f., 253 ff., 257 Sachverständiger 27, 34, 225, 231 f., 263 Sanierungsabsicht 59, 93, 168, 181 Säumnis 137, 139 f., 142 f. Schadensersatz 100, 114, 117 f., 200 Schenkung 93, 111, 159, 168 ff., 183, 215 Schuldnerverzug 70 Sitten 47, 110, 170, 255 –– gute 47, 110, 170, 255 Sittenwidrigkeit 83, 254 f. Sprachgebrauch 40, 42 f., 46, 48, 56, 81, 99, 110, 113, 207, 251 Streitgegenstand 163 Substantiierungsobliegenheit 216 ff., 222 f., 226 ff. Substantiierungspflicht 82 ff., 87, 95, 122, 135, 213, 226, 230
Subsumtion 28 f., 34 f., 92, 94, 112, 157, 162, 177, 182 f., 188, 190, 198, 206, 218, 222, 244 Subsumtionsirrtum 218 Syllogismus 53 Tatbestand 75, 85 f., 115, 156, 188, 235, 237 f., 254 Tatbestandsmerkmal 34 f., 58, 60, 115, 141, 218 Tatbestandsmoment 75 Tatsachenbehauptung, juristisch gefärbte 55, 123, 190 Tatsachenfeststellung 235, 257 Tatsachenkomplex 25, 65, 75 f., 98, 157, 190, 206, 244 Tatsachenstoff 24, 27 Tatsachenurteil 33 ff. Teilnehmer am Rechtsverkehr 38, 49, 61 ff., 66, 86 f., 91 f., 94, 106, 108, 123, 149, 154, 158 ff., 180 f., 239 f., 242 Unterpfandrecht 152 Untersatz 53 f. Untersuchungsgrundsatz 27 Unwahrheit 147 f., 209, 248 Unwirksamkeit des Vertrages 241 Urteil –– alltägliches 52 ff. –– juristisches 35, 53 f., 158, 182, Urteilsfähigkeit 150, 152, 157, 180, 230 Vereinfachungseffekt 210 Verfahrensfehler 215, 233, 235, 242, 245, 250, 252, Verfahrensrüge 235, 244, 255, 257, 264 Verfügungsbefugnis 140 f. Verhandlungsmaxime 25, 137 Verjährung 35, 169 Versäumnisurteil 137, 146 Vertragspartei 47, 63, 74, 163, 167 f. Vertrauensschutz, anwaltlicher 116 Verzicht 160, 188 Vorgreiflichkeit 71
Stichwortverzeichnis
Wegeöffentlichkeit 87 Werkvertrag 51, 70 Willenserklärung 59, 70 Wohnung 79, 84, 98 f., 111 Zahlung 19, 53, 79, 83, 89, 98, 101 f., 114 f., 120, 164, 203, 246
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Zahlungseinstellung 151 Zergliederung 84, 102, 226 Zeuge 27, 34 f., 37, 44, 51, 56, 150, 214 f., 217 ff., 221, 223 ff., 228 ff., 232, 252 f. Zwischenfeststellungsklage 69 f., 190, 208 f.