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German Pages 298 Year 2014
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1259
Die Befugnisse des Bundes zur Verwaltung der Wasserstraßen in Deutschland Von Sven Kreuter
Duncker & Humblot · Berlin
SVEN KREUTER
Die Befugnisse des Bundes zur Verwaltung der Wasserstraßen in Deutschland
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1259
Die Befugnisse des Bundes zur Verwaltung der Wasserstraßen in Deutschland
Von Sven Kreuter
Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristenfakultät der Universität Leipzig hat diese Arbeit im Jahre 2013 als Dissertation angenommen.
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Vorwort Die nachstehende Schrift wurde von der Juristenfakultät der Universität Leipzig 2013 als Dissertation angenommen. Sie berücksichtigt Rechtsprechung und Literatur bis einschließlich Januar 2012. Die Idee für das Thema der vorliegenden Arbeit entstammt meiner anwältlichen Tätigkeit, in der ich mich verschiedentlich mit Problemen der Wasserstraßenverwaltung beschäftigt habe. In diesem Zusammenhang danke ich besonders meinem Kollegen Herrn Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht Klaus Füßer, der mir die Möglichkeit gegeben hat, neben meiner Berufstätigkeit die Dissertation zu verfassen. Meinem Betreuer, Herrn Prof. Dr. Markus Kotzur, danke ich für die Begleitung der Arbeit und die vielen wertvollen Hinweise. Ebenso danke ich dem Zweitgutachter, Herrn Prof. Dr. Jürgen Rozek, für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Schließlich danke ich noch meiner Familie für die Unterstützung in den vergangenen Jahren. Leipzig, im Oktober 2013
Sven Kreuter
Inhalt A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Bedeutung der Bundeswasserstraßen als Verkehrswege . . . . . . . . . . . II. Rechtlicher Rahmen der Wasserstraßenverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Wasserstraßen im europäischen Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Gegenstand der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Verfassungsrechtliche Grundprobleme der Wasserstraßenverwaltung . . I. Verfassungsrechtliche Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Auslegung von Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeine Auslegungsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Besonderheiten bei der Auslegung des Verfassungsrechts . . . . . . . . . . III. Verfassungsrechtliche Probleme der Wasserstraßenverwaltung im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die bisherigen Reichswasserstraßen nach Art. 89 I GG . . . . . . . . . . . . a) Die Wasserstraßen bis 1933 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Historische Entwicklung der Wasserstraßen von 1806–1933 . . bb) Rechtliche Einordnung des Übergangs der Wasserstraßen auf das Reich in Rechtsprechung und Schrifttum . . . . . . . . . . (1) Übergang durch den Wasserstraßenstaatsvertrag . . . . . . . (2) Übergang kraft verfassungsrechtlicher Anordnung . . . . . cc) Kritik an der bisherigen Einordnung des Übergangs der Wasserstraßen auf das Reich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Eigener Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Zwischenergebnis und Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Rechtslage der Wasserstraßen zwischen 1933 und 1945 . . . . aa) Die Schaffung des NS-Einheitsstaates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtliche Folgen der Neuordnung des Reiches bezüglich der Wasserstraßen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Keine Bestandsänderung durch das Neuaufbaugesetz . . . (2) Bestandsänderungen durch Exekutivakte der Reichsregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Aufhebung des Wasserstraßenstaatsvertrages aus dem Jahre 1921 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Reichswasserstraßen im Sinne von Art. 89 I GG . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden früheren Reichswasserstraßen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt (1) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 (2) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 bb) Die dem allgemeinen Verkehr dienenden, im Eigentum des Reiches befindlichen Wasserstraßen, welche von den Ländern verwaltet wurden, und ihr rechtliches Schicksal . . . . . . . 51 cc) Einordnung der nach 1933 zur Reichswasserstraße erklärten Gewässer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 d) Die besondere Rechtslage bezüglich der Seewasserstraßen . . . . . . 56 aa) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 (1) Enger Seewasserstraßenbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 (2) Weiter Seewasserstraßenbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 e) Die Wasserstraßen in der früheren DDR und West-Berlin . . . . . . . 62 aa) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 cc) Konsequenzen für die nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 f) Neu angelegte Wasserstraßen, die dem allgemeinen Verkehr dienen; Erweiterung der Hoheitsgewässer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 aa) Bisher vertretene Auffassungen zur Ausdehnung der Hoheitsgewässer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 bb) Eigener Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 g) Zusammenfassung zum Regelungsgegenstand von Art. 89 I GG . 73 2. Bundeswasserstraßen im Sinne von Art. 89 II 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . 75 a) Der enge Bundeswasserstraßenbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 b) Der weite Bundeswasserstraßenbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 aa) Kritik der bisherigen Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 bb) Eigener Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 3. Die Verwaltungsbefugnisse des Bundes nach Art. 89 II 1 GG . . . . . . . 87 a) Formen der Verwaltung nach Art. 89 II 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 aa) Begriffliche Abgrenzung der Verwaltungsformen . . . . . . . . . . . 87 bb) Gesetzesakzessorische Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 cc) Gesetzesfreie Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 dd) Vermögensverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 b) Inhaltliche Reichweite der Wasserstraßenverwaltung . . . . . . . . . . . . 95 c) Die Ausführung von Landesgesetzen durch die Wasserstraßenverwaltung des Bundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 aa) Kein Vollzug von Landesrecht durch den Bund . . . . . . . . . . . . 97 bb) Gegenauffassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 cc) Verbleibende Bedeutung der Streitfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 dd) Eigene Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 (1) Trennung von Landes- und Bundesstaatsgewalt . . . . . . . . 103
Inhalt
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(2) Eigenstaatlichkeit der Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Aufsichtsbefugnisse beim Fremdvollzug von Normen . . (4) Legitimation staatlicher Gewaltausübung . . . . . . . . . . . . . . (5) Mischverwaltungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auftragsverwaltung durch die Länder nach Art. 89 II 3, 4 GG . . . . . a) Die Anwendung von Art. 85 GG bei der Auftragsverwaltung der Bundeswasserstraßen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Form des Übertragungsaktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verwaltung der Elbe durch Hamburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Sonderstellung der Häfen in der Verwaltung der Wasserstraßen a) Wortlaut und Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Historische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Funktionaler Hafenbegriff, Abgrenzung von Länder- und Bundeskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Hafenbegriff und Eigentumslage in den Fällen von § 1 III WaStrG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Einvernehmenserfordernis gegenüber den Ländern nach Art. 89 III GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsnatur des Einvernehmenserfordernisses . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Begriffe „Landeskultur und Wasserwirtschaft“ . . . . . . . . . . . . . aa) Wasserwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Landeskultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Naturschutz und Landschaftspflege als Bedürfnis der Landeskultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Gegenauffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Eigener Standpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einvernehmenspflichtige Tatbestände und Entscheidungsspielräume der Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die verfahrensrechtliche Durchsetzung des Einvernehmens . . . . . Verfassungsrechtliche Pflichten des Bundes zur Erhaltung der Bundeswasserstraßen und der Bundeswasserstraßenverwaltung . . . . . . . . . a) Bestandserhaltung der Bundeswasserstraßen als Staatsaufgabe? . . aa) Meinungsstand zur Erhaltungspflicht von Bundeswasserstraßen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Eigener Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Staatsaufgabe Infrastruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Schlussfolgerungen für die Bundeswasserstraßen . . . . . . . (3) Grundrechtliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Dauerhaftigkeit des Eigentums an Bundeswasserstraßen kraft Verfassung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Eigener Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt c) Spielräume des Bundes bei der Organisation der Wasserstraßenverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Bestandsaufnahme zum Einsatz privater Gesellschaften . . . . . bb) Meinungsstand zu Möglichkeiten einer Organisationsprivatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Eigener Standpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Auslegung von Artt. 86 ff. GG unter Berücksichtigung von Wortlaut, Systematik und Teleologie . . . . . . . . . . . . . . (2) Einschränkungen aus dem Demokratieprinzip . . . . . . . . . . (3) Einschränkungen aus dem Haushaltsrecht . . . . . . . . . . . . . . (4) Bedeutung des Funktionsvorbehalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Bewertung bisheriger Erscheinungsformen der Organisationsprivatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
C. Weitere Folgen der Verfassungslage für das einfache Recht . . . . . . . . . . . . I. Schlussfolgerungen für das Wasserwegerecht und die Verwaltung der Wasserstraßen durch den Bund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Funktionsänderung von Bundeswasserstraßen, Führung des Verzeichnisses der Bundeswasserstraße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtslage bei den Bundesfernstraßen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gesetzeslage bei den Bundeswasserstraßen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Meinungen in Literatur und Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Inhalt und Reichweite des Bundeseigentums an den Wasserstraßen nach Art. 89 I GG sowie die Bindungen der Bundesverwaltung an fachfremdes (Landes-)Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsnatur des Eigentums des Bundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausgestaltung durch einfaches Recht und Reichweite der Eigentümerbefugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verhältnis der Eigentümerbefugnisse zu subjektiv-öffentlichen Rechten Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Polizeipflichtigkeit des Bundes im Bereich der Wasserstraßenverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Materielle Polizeipflichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Meinungsstand zur materiellen Polizeipflichtigkeit . . . . . (2) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Insbesondere: Zustandshaftung für Gewässerverunreinigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Formelle Polizeipflichtigkeit bzw. Bindung an fachfremdes Verfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Rechtsprechung zur Bindung an fachfremdes Verfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Meinungen im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Eigener Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt (4) Schlussfolgerungen für die Bundeswasserstraßenverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Anforderungen des Wasserhaushaltsrechts in Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Relevante Vorgaben aus der WRRL und ihre Umsetzung . . . bb) Bindung des Bundes an die Bewirtschaftungsziele des Wasserhaushaltsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Einvernehmen des Bundes nach § 7 IV WHG . . . . . . . . . . . . . f) Eigentum des Bundes an nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zulassung des Schiffsverkehrs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Folgen für Unterhaltungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Folgen für Verwaltungsakte der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Befugnisse des Bundes im Rahmen der Planfeststellung . . . . . . . a) Beispiele für Abgrenzungsprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schifffahrtsfunktionaler Zusammenhang als maßgebliches Abgrenzungskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ableitung des schifffahrtsfunktionalen Zusammenhanges . . . bb) Schlussfolgerungen für einzelne Arten von Vorhaben . . . . . . . II. Das Wasserverkehrsrecht und die Wasserverkehrsverwaltung . . . . . . . . . . 1. Begriff der Bundeswasserstraßen im Binnenschifffahrtsrecht . . . . . . . a) Problemdarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Eigener Lösungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Verkehrsverwaltung auf den Wasserstraßen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Europarechtliche und internationale Bindungen des Bundes bei der Verwaltung der Wasserstraßen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Völkerrechtliche Bindungen bei grenzüberschreitenden oder grenzbildenden Bundeswasserstraßen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Völkerrechtliche Verträge zu grenzüberschreitenden oder grenzbildenden Bundeswasserstraßen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verträge über einzelne Flüsse, Binnenschifffahrtsabkommen . . . . b) Fortgeltende Internationalisierung durch den Versailler Vertrag? . . 2. Andere Völkerrechtsquellen mit Bedeutung für grenzüberschreitende oder grenzbildende Bundeswasserstraßen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Völkergewohnheitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Allgemeine Rechtsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Konkrete rechtliche Auswirkungen auf die Wasserstraßenverwaltung des Bundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Auswirkungen auf die Wasserstraßenverwaltung bei konventionellen Flüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auswirkungen auf die Wasserstraßenverwaltung bei Elbe und Oder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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198 201 201 203 206 207 209 211 213 214 214 216 216 217 220 220 221 222 225 227 227 228 228 231 234 235 238 239 239 242
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Inhalt II. Europarechtliche Einflüsse der Transeuropäischen Netze . . . . . . . . . . . . . . 1. Transeuropäische Netze nach Art. 170 ff. AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bundeswasserstraßen und Häfen als Bestandteil der Transeuropäischen Netze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Umsetzungspflichten für die Verwaltung der Bundeswasserstraßen? . . 4. Sonstige rechtliche Wirkungen für die Verwaltung der Bundeswasserstraßen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Raumplanerischer Charakter der TEN-Entscheidung . . . . . . . . . . . . b) Berücksichtigung bei Planungs- und Abwägungsspielräumen . . . . aa) TEN-Vorgaben als gesetzliche Bedarfsfestlegung? . . . . . . . . . . bb) Berücksichtigung bei Abwägungsspielräumen . . . . . . . . . . . . . . III. Auswirkungen der Warenverkehrsfreiheit nach Art. 34–36 AEUV . . . . . . 1. Grundsätzliche Anwendbarkeit der Vorschriften über die Warenverkehrsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Präzisierung des Anwendungsbereichs der Vorschriften über die Warenverkehrsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtfertigung von verkehrsbeschränkenden Maßnahmen . . . . . . . . . . IV. Völkerrechtliche und europarechtliche Vorgaben für die Erhebung von Abgaben für die Befahrung der Bundeswasserstraßen . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorgaben des Europarechts für Schifffahrtsabgaben . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorgaben aus Art. 110 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Stillhaltepflicht nach Art. 92 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abgabenerhebung auf grenzüberschreitenden oder grenzbildenden Bundeswasserstraßen und Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeine völkerrechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtslage für den Rhein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
244 244 246 247 251 251 252 252 255 258 259 261 262 263 263 264 266 267 267 268
E. Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294
Verzeichnis der nicht allgemein gebräuchlichen Abkürzungen DDRVerf Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik PkVerf Paulskirchenverfassung ReichsVerf 1871 Verfassung des Deutschen Reichs von 1871 WaStrStV Wasserstraßenstaatsvertrag von 1921 WKA Wiener Kongressakte WRK Wiener Vertragsrechtskonvention WRV Weimarer Reichsverfassung
A. Einleitung I. Die Bedeutung der Bundeswasserstraßen als Verkehrswege Nach Art. 89 II 1 GG verwaltet der Bund die Bundeswasserstraßen in Deutschland selbst. Unter den Begriff der Bundeswasserstraßen fallen dabei in erster Linie die bedeutenden Schifffahrtswege der Binnen- und Küstengewässer. Von besonderer Bedeutung sind die großen Flüsse wie Rhein, Elbe und Donau sowie das umfangreiche Netz der Kanäle in Deutschland. Die Wasserstraßen nehmen im Zusammenspiel der Verkehrsträger in Deutschland eine wichtige Rolle ein. Insgesamt verwaltet der Bund nach Angaben der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung in Deutschland Gewässerstrecken mit einer Länge von 7354 km. Davon entfallen auf Binnenwasserstraßen nach dem Wasserstraßengesetz (WaStrG1) 6775 km, im Übrigen handelt es sich um 579 km so genannter sonstiger Binnenwasserstraßen des Bundes, die zwar im Bundeseigentum stehen, aber nicht vom Geltungsbereich des Wasserstraßengesetzes erfasst werden.2 35 % der Binnenwasserstraßen sind frei fließende oder geregelte Flüsse, 41 % sind staugeregelt. Die Kanäle haben einen Anteil von 24 % an den Binnenwasserstraßen. Hinzu kommen die Seewasserstraßen mit einer Fläche von ca. 17.800 km2. Die Binnenschifffahrt hatte in den letzten Jahren am inländischen Güterverkehr einen Anteil knapp über 10 % bei allmählich sinkender Tendenz.3 Gleichwohl bedeutet dies keinen Rückgang der Menge der durch die Binnenschifffahrt transportierten Güter, weil das Transportaufkommen insgesamt ansteigt, während die Transportmenge der Binnenschifffahrt bestenfalls stagniert. In absoluten Zahlen wurden 2009 auf deutschen Binnenwasserstraßen rund 204 Mio. t Güter transportiert (2008: 246 Mio. t), nur 51,8 Mio. t davon entfielen auf Transporte innerhalb Deutschlands. Der verbleibende weit überwiegende Teil betraf Einfuhren (83,7 Mio. t), Ausfuhren 1 Ursprungsfassung v. 02.04.1968, BGBl II 1968, 173; neugefasst durch Bekanntmachung vom 23.05.2007, BGBl II 2007, 962 und BGBl II 2008, 1980. 2 Die Zusammenstellung der Zahlen ist verfügbar bei der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung unter: http://www.wsv.de/wasserstraßen/gliederung_bundeswasser straßen/index.html. 3 Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland 2010, S. 420.
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A. Einleitung
(49 Mio. t) und zu einem kleineren Teil Durchfuhren (19,3 Mio. t). Dabei transportiert die Binnenschifffahrt in erster Linie Grundstoffe und Rohstoffe für die Industrie, was auch den hohen Anteil an Einfuhren erklärt.4 Bei Steinen, Erden, und landwirtschaftlichen Erzeugnissen war der Anteil der Binnenschifffahrt 2009 sogar höher als der der Eisenbahn.5 Das Gewicht der Wasserstraßenverwaltung ist innerhalb des Bundeshaushaltes gleichwohl eher gering. Im Entwurf des Bundeshaushaltes 2009 wurden für die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung Einnahmen in Höhe von 202,7 Mio. Euro erwartet. Rund 75 Mio. Euro resultierten aus Abgaben, die von der Schifffahrt für die Benutzung der Wasserstraßen erhoben werden (davon allein 28,4 Mio. Euro für die Benutzung des Nord-Ostseekanals; Rhein, Elbe, Oder und Donau sind abgabenfrei). Dem stehen Ausgaben in Höhe von 1406,3 Mio. Euro gegenüber, davon entfallen 441,7 Mio. Euro auf Investitionen.6 Die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes besteht im Wesentlichen aus der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt (GDWS) mit 7 Außenstellen, 39 Wasser- und Schifffahrtsämtern sowie 7 Wasserstraßenneubauämtern. Sie verfügt über rund 13.000 Beschäftigte.
II. Rechtlicher Rahmen der Wasserstraßenverwaltung Der Bund ist nach Art. 89 I GG Eigentümer der bisherigen Reichswasserstraßen. Damit knüpft das Grundgesetz an den Rechtszustand in der Zeit der Weimarer Republik an. Bis zum Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung standen Wasserstraßen im Deutschen Reich unter hoheitlicher Verwaltung und teilweise im Eigentum der deutschen Länder. Unter den Begriff der Wasserstraßen sind nach allgemeinem Sprachverständnis dabei alle schiffbaren Gewässer zu verstehen, seien sie natürlich oder künstlich, Binnen- oder Seegewässer.7 Die Weimarer Reichsverfassung von 1919 bestimmte in Art. 97 I WRV in Abweichung von der bisherigen Rechtslage, dass es Aufgabe des Reiches 4
Statistisches Jahrbuch 2010 für die Bundesrepublik Deutschland, S. 420, 432. Zum Vergleich: Der Straßengüterverkehr betrug 2009 2.769 Mio. t (2008 3.077 Mio. t) und der Güterverkehr mit der Eisenbahn 312 Mio. t (2008: 371 Mio. t). 5 Statistisches Jahrbuch 2010 für die Bundesrepublik Deutschland, S. 431. 6 Vgl. den Einzelplan 12/1203 des Bundeshaushaltes 2009 für die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung, dazu die Angaben in BT-Drs. 16/9900, 1203, S. 47 – Entwurf des Bundeshaushaltsplan; ebenso verfügbar unter http://www.bundesfinanz ministerium.de/bundeshaushalt2009/pdf/epl12/s1203.pdf. 7 Näher Hoog, in: v. Münch/Kunig, Art. 89 Rdnr. 7.
II. Rechtlicher Rahmen der Wasserstraßenverwaltung
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sein sollte, die dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen in sein Eigentum und seine Verwaltung zu übernehmen. Art. 171 I WRV sah den Übergang spätestens zum 1. April 1921 vor. Sollte über die Bedingungen bis zum 1. Oktober 1920 noch keine Einigkeit erzielt sein, war nach Art. 171 I WRV eine Entscheidung des Staatsgerichtshofs über die Bedingungen des Übergangs vorgesehen. Ungeachtet dessen schlossen die Reichsregierung und die Länder den Wasserstraßenstaatsvertrag, der vom Reichstag durch Gesetz vom 29.07.1921 genehmigt wurde und rückwirkend zum 01. April 1921 in Kraft treten sollte.8 Der Wasserstraßenstaatsvertrag enthielt neben den Regeln zur Übernahme der Wasserstraßen auch ein Verzeichnis der Gewässer, die in die Reichsverwaltung als „dem allgemeinen Verkehr dienend“ übergehen sollten. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten verkomplizierte sich der Rechtszustand an den Reichswasserstraßen, weil nach § 6 S. 3 der Verordnung über die Reichswasserstraßen9 vom 16. April 1943 das Gesetz über den Wasserstraßenstaatsvertrag außer Kraft trat. In Anbetracht der ungeklärten Verhältnisse an den Wasserstraßen wurde nach dem 2. Weltkrieg im Grundgesetz mit Art. 89 I GG eine besondere Regelung geschaffen, die unabhängig von der Eigentumslage vor Inkrafttreten des Grundgesetzes das Eigentum an den bisherigen Reichswasserstraßen dem Bund zuwies. Auf der Ebene des einfachen Rechts wurde die Bestimmung durch § 1 I 1 des Gesetzes über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Bundeswasserstraßen10 wiederholt. Dort war darüber hinaus bestimmt, dass die Reichswasserstraßen nunmehr als Bundeswasserstraßen Bundeseigentum sein sollten. Eine nähere Bestimmung der einzelnen Wasserstraßen unterblieb jedoch, insbesondere wurde nicht ausdrücklich auf die Anlage zum Wasserstraßenstaatsvertrag verwiesen. Neben der Eigentumszuordnung in Art. 89 I GG trifft Art. 89 GG in seinem zweiten Absatz auch eine Regelung zur Verwaltung der Wasserstraßen. Zwar ist die Ausübung staatlicher Befugnisse und die Erfüllung staatlicher Aufgaben nach Art. 30 GG grundsätzlich eine Angelegenheit der Länder. Dies gilt nach Art. 83 GG auch für die Ausführung der Bundesgesetze. Das Grundgesetz regelt jedoch an verschiedenen Stellen Ausnahmen von diesem Grundsatz. So werden nach Art. 87 I 1, 89 II 1 GG die Bundeswasserstraßen in bundeseigener Verwaltung geführt. Die über den Bereich eines Landes hinausgehenden staatlichen Aufgaben der Binnen- und Seeschifffahrt nimmt der Bund nach Art. 89 II 2 GG durch eigene Behörden wahr, wenn sie ihm durch Gesetz übertragen sind. Art. 89 II GG unterscheidet demnach 8
RGBl I 1921, 961 ff. RGBl II 1943, S. 131. 10 Gesetz vom 21.05.1951, BGBl I, S. 352. 9
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A. Einleitung
zwischen der Verwaltung der Verkehrswege und der Verwaltung des Verkehrs auf ihnen. Die Stellung von Artikel 89 im VIII. Abschnitt des Grundgesetzes weist schon darauf hin, dass es bei der bundeseigenen Verwaltung vor allem um die Ausführung der Bundesgesetze geht. Das Bundesverfassungsgericht hat schon sehr früh den Grundsatz aufgestellt, wonach die Verwaltungskompetenzen den Gesetzgebungskompetenzen folgen, die Gesetzgebungskompetenzen mithin die äußerste Grenze der Verwaltungskompetenzen darstellen.11 Mit anderen Worten: Eine Verwaltung des Bundes kommt grundsätzlich nur dort in Betracht, wo dem Bund auch Gesetzgebungskompetenzen zustehen. Damit wird gesichert, dass sich der Bund im Falle eigener Verwaltung auch auf eine von ihm selbst verantwortete Rechtsgrundlage in Form von Bundesgesetzen stützen kann. Für den Bereich der Wasserstraßen kommt eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung nach Art. 74 I Nr. 21 GG in Betracht. Danach erstreckt sich die konkurrierende Gesetzgebung – soweit hier von Interesse – auf die Hochsee- und Küstenschifffahrt, die Binnenschifffahrt, die Seewasserstraßen und die dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen. Bis zur Föderalismusreform 200612 konnte der Bund von dieser Kompetenz allerdings nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des Art. 72 II GG a. F. Gebrauch machen, wenn also eine bundeseinheitliche Regelung zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse oder zur Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit erforderlich war. Diese Hürde ist nunmehr gänzlich entfallen. Mit der Föderalismusreform ist gleichzeitig die früher in Art. 75 I Nr. 4 GG enthaltene Rahmengesetzgebungskompetenz über den Wasserhaushalt entfallen. Stattdessen besteht nun nach Art. 74 I Nr. 32 GG eine konkurrierende Vollkompetenz zur Regelung des Wasserhaushalts. Hierauf gestützt kann der Bund Wasserrecht setzen, das auch für die Bundeswasserstraßen gilt. Mit dem Wasserhaushaltsgesetz vom 31. Juli 200913 hat der Bund von dieser Kompetenz Gebrauch gemacht. Allerdings können die Länder nach Art. 72 III Nr. 5, Art. 125b GG von den Regelungen des Bundes zum Wasserhaushalt jederzeit abweichen. Schon aus der Verwendung des Begriffes „Wasserstraßen“ folgt sodann, dass Art. 74 I Nr. 21 GG nur verkehrswegebezogene Regelungen zulässt.14 11 BVerfG, Urt. v. 28.02.1961 – 2 BvG 1,2/60 –, BVerfGE 12, 205, 229 = NJW 1961, 567 (Rundfunkurteil); für Artikel 89 GG hat das BVerfG dies unter Verweis auf das Rundfunkurteil in seinem Urt. v. 30.10.1962 – 2 BvF 2/60 –, BVerfGE 15, 1, 16 = NJW 1962, 2243 ausdrücklich wiederholt. 12 52. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28.08.2006, BGBl I, S. 2034. 13 Gesetz zur Neuregelung des Wasserrechts vom 31.07.2009, BGBl I 2009, 2585. 14 BVerfGE 15, 1, 14 ff. (Fn. 11).
IV. Gegenstand der Untersuchung
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Art. 74 I Nr. 21 GG erlaubt es daher nicht, Regelungen für Wasserstraßen unter jedem denkbaren Aspekt zu erlassen, es bedarf vielmehr eines schifffahrtsfunktionalen Bezuges.15 Einleitend lässt sich somit festhalten, dass der Bund jedenfalls die dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen auf der Grundlage des Wasserwegerechts verwaltet. Für das Wasserwegerecht kann der Bund die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 I Nr. 21 GG in Anspruch nehmen, ohne dass nach Art. 72 II GG n. F. die Erforderlichkeitsklausel zu beachten wäre. Insgesamt knüpft die heutige Rechtslage damit an die Verhältnisse unter der Weimarer Reichsverfassung an.
III. Die Wasserstraßen im europäischen Kontext Die deutschen Wasserstraßen haben aufgrund der zentralen Lage Deutschlands in Europa eine wichtige Verkehrsfunktion über Deutschland hinaus. Das gilt nicht nur für die großen grenzüberschreitenden Flüsse wie Donau, Elbe, Oder und Rhein. Auch zahlreiche Kanäle schaffen Verbindungen mit Nachbarländern. Der Rhein-Main-Donau-Kanal beispielsweise ermöglicht Binnenschifffahrt von der Nordseeküsste bis zum Schwarzen Meer. Gleichwohl gibt es in wegerechtlicher Hinsicht kaum europäische Vorgaben oder Regelungen. Ungeachtet dessen ist ein Teil der deutschen Wasserstraßen auch Bestandteil der Transeuropäischen Netze nach Art. 170 I AEUV. Dies wirkt sich auch im deutschen Wasserwegerecht aus. Hinzu kommt, dass die großen grenzüberschreitenden Flüsse oftmals völkerrechtlichen Vereinbarungen der Anrainerstaaten unterliegen. Auf der Grundlage dieser Vereinbarungen, deren Ursprünge bis weit in das 19. Jahrhundert zurückreichen, wurden von den Anrainerstaaten Flussschifffahrtskommissionen zu Verwaltungszwecken eingerichtet. Diese Kommissionen stellten im 19. Jahrhundert erste Formen internationaler Organisationen dar. Die Vereinbarungen über die großen grenzüberschreitenden Flüsse beeinflussen die Verwaltung der Bundeswasserstraßen zum Teil auch heute noch erheblich.
IV. Gegenstand der Untersuchung Verfassungsrechtliche Probleme um die Verwaltung der Bundeswasserstraßen stehen zur Zeit nicht im Mittelpunkt juristischer Diskussionen im 15 Das ist seit BVerfGE 15, 1 auch in der Literatur weitgehend unbestritten, vgl. auch die Nachweise bei Oeter, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 74 Rdnr. 149; Degenhart, in: Sachs, Art. 74 Rdnr. 94 m. w. N.
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A. Einleitung
Öffentlichen Recht. Von den Anfangsjahren der Bundesrepublik an bis hinein in die sechziger Jahre war dies noch anders. Bund und Länder rangen um die Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenz an den Wasserstraßen und die Auslegung der diesen Regelungsbereich betreffenden Bestimmungen des Grundgesetzes. Eine entsprechende Auseinandersetzung wurde im Schrifttum geführt. Die Auseinandersetzung führte zu zwei grundsätzlichen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts aus den Jahren 1962 und 1967.16 In deren Nachgang wurde 1968 das Bundeswasserstraßengesetz beschlossen, welches am 10. April 1968 in Kraft getreten ist.17 Seitdem ist eine gewisse Beruhigung des Themas eingetreten. Weitere Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes zu diesem Themenkreis gab es nicht. Die danach geführten Streitigkeiten von Bund und Ländern im Bereich der Bundeswasserstraßen betrafen kaum noch verfassungsrechtliche Grundsatzfragen, die über Art. 89 GG hinaus Bedeutung gehabt hätten.18 Dennoch offenbaren sich bei näherem Blick auf die einschlägigen Verfassungsbestimmungen und das einfache Recht Unstimmigkeiten und Probleme hinsichtlich der Reichweite der Verwaltungsbefugnisse des Bundes, die bislang weder vom Bundesverfassungsgericht noch vom Schrifttum beseitigt werden konnten.19 Einige Probleme sind durch die genannten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes überhaupt erst aufgeworfen worden. Diese Arbeit will einen grundlegenden Beitrag zur Lösung dieser Probleme und anderer Grundfragen der Bundeswasserstraßenverwaltung liefern. Dabei soll der Fokus nicht allein auf den nationalen Rechtsraum gerichtet bleiben. Näherer Betrachtung bedürfen auch die internationalen und europarecht16 BVerfG, Urt. v. 30.10.1962 – 2 BvF 2/60 –, BVerfGE 15, 1 = NJW 1962, 2243 und Beschl. v. 11.04.1967 – 2 BvG 1/62 –, BVerfGE 21, 312 = NJW 1967, 1956. 17 WaStrG v. 02.04.1968, BGBl II, S. 173. 18 Z. Bsp. Streit des Landes Schleswig-Holstein mit dem Bund um das Eigentum am Brodersbyer Noor, BGH, Urt. v. 09.07.1987 – III ZR 274/85 –, BGHZ 102, 1 = MDR 1988, 296 und Streit um das Eigentum an Wasserflächen in der Hohwachter Bucht, BGH, Urt. v. 22.06.1989 – III ZR 266/87 –, BGHZ 108, 110 = NJW 1989, 2464; Streit des Landes Niedersachsen mit dem Bund über das Recht zum Sandund Kiesabbau im Jadebusen, BVerwG, Urt. v. 06.07.1990 – 4 A 1/87 –, BVerwGE 85, 223 = DVBl. 1990, 1172. 19 Vgl. nur die Kritik von Hoog, in: v. Münch/Kunig, Art. 89 Rdnr. 33; Ibler, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 89 Rdnr. 35, wonach die Entscheidungen des BVerfG zwar Sicherheit für die Praxis geschaffen hätten, aber „nur unter Inkaufnahme verbleibender dogmatischer Zweifel“; oder Friesecke, ZfW 1975, 29, 36 der von einem „Aufbaufehler unserer Verfassung“ spricht. Relativierend hingegen Dittmann, Bundesverwaltung, S. 185, der nur von einer „gewisse(n) Ungereimtheit“ spricht.
IV. Gegenstand der Untersuchung
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lichen Einflüsse, von denen letztere in der Vergangenheit stärkere Bedeutung erlangt haben. Aktuelle Bedeutung gewinnt das Thema durch den allgemein angenommenen Reformbedarf in der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes. Ausgangspunkt sind Überlegungen der Bundesregierung zur Reduzierung der Personalkosten, Neuordnung des Wasserstraßennetzes und eine Verbesserung des Verhältnisses zwischen Investitionen in den Erhalt bzw. Ausbau von Wasserstraßen und den Transportleistungen auf den Wasserstraßen.20
20 Zu diesem Thema legte das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung dem Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages Berichte vom 24. Januar 2011 und vom 28. April 2011 (Ausschussdrucksache 17(8)2983) vor. Zudem fand im Ausschuss für Verkehr, Bau, und Stadtentwicklung des Deutschen Bundestages am 29. Juni 2011 eine Expertenanhörung statt, außerdem wurden die Anträge „Zukunftsfähigkeit der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung sichern“ (BT-Drs. 17/4030, SPD-Fraktion), „Neue Netzstrukturen für Wasserstraßen präzisieren und die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung reformieren“ (17/5056, Bündnis 90/Die Grünen) und „Kein Personalabbau bei der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung – Aufgaben an ökologischer Flusspolitik ausrichten“ (BT-Drs. 17/5548, Die Linke) diskutiert.
B. Verfassungsrechtliche Grundprobleme der Wasserstraßenverwaltung I. Verfassungsrechtliche Ausgangslage Der Begriff der Bundeswasserstraßen ist im Grundgesetz nirgends definiert. Zwar enthält das WaStrG in § 1 I eine nähere Definition. Auf diese einfachgesetzliche Regelung kann aber zur Auslegung der Verfassung denklogisch nicht zurückgegriffen werden. Schon im Verhältnis zwischen Art. 89 I und II GG offenbaren sich daher erste Probleme. Unklar ist zunächst, ob die bisherigen Reichswasserstraßen, welche in Absatz 1 genannt sind, identisch sind mit dem Begriff der Bundeswasserstraßen in Absatz 2 S. 1, ob also lediglich eine begriffliche Änderung von „Reichs-“ zu „Bundeswasserstraßen“ eingetreten ist. Bereits unter A. II. wurde die weitgehend unbestrittene21 Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts angesprochen, wonach die Gesetzgebungskompetenz die äußerste Grenze der Verwaltungskompetenz darstellt. Die Gesetzgebungskompetenz erstreckt sich im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung nach Art. 74 I Nr. 21 GG auf die „Seewasserstraßen und die dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen“. Bundeswasserstraßen werden in den Vorschriften zur Gesetzgebungskompetenz nirgends erwähnt. Geht man mit dem Bundesverfassungsgericht davon aus, dass die Verwaltungskompetenz des Bundes ihre äußerste Grenze in der Gesetzgebungskompetenz findet, so ergeben sich beim Vergleich von Art. 89 II 1 und Art. 74 I Nr. 21 GG die eigentlichen Kernprobleme im Zusammenspiel dieser Verfassungsbestimmungen. Die Gesetzgebungskompetenz erscheint im Hinblick auf die Wasserstraßen als Gegenstand der Kompetenz allgemeiner formuliert als die Verwaltungskompetenz, ohne dass schon auf den ersten Blick klar würde, wie die verwandten Begriffe aufeinander abzustimmen wären. Folglich muss auch das Verhältnis dieser Bestimmungen – Art. 74 I Nr. 21 GG einerseits 21 Zustimmend unter anderem BVerwG, Urt. v. 30.11.1990 – 7 C 4.90 –, BVerwGE 87, 181, 184 = NJW 1991, 2435 = DVBl 1991, 392 und Urt. v. 28.10.1999 – 7 A 1.98 –, BVerwGE 110, 9, 14 = NVwZ 200, 433 = DVBl 2000, 196. Aus der Literatur: Trute, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 83 Rdnr. 13; Broß, in: v. Münch/Kunig, Art. 83 Rdnr. 10; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 83 Rdnr. 2; Stern, § 41 IV 5 lit. a (S. 782); Uhle, in: Maunz/Dürig, Art. 70 Rdnr. 5; vgl. auch Kirchhof, in: Maunz/Dürig, Art. 83 Rdnr. 58.
I. Verfassungsrechtliche Ausgangslage
23
und Art. 89 GG andererseits – zueinander geklärt werden, damit die dort verwendeten Begriffe „Seewasserstraße“, „bisherige Reichswasserstraße“ und „Bundeswasserstraße“ näher bestimmt werden können. Hinzu kommt, dass mit der Föderalismusreform 2006 in Art. 74 I Nr. 32 GG eine konkurrierende Vollkompetenz für das Wasserrecht geschaffen wurde, deren mögliche Auswirkungen auf die Verwaltungskompetenz untersucht werden müssen. Ein weiteres Problem stellt der Begriff der „Verwaltung“ in Art. 89 II 1 GG dar. Aus der Stellung von Art. 89 GG im VIII. Abschnitt des Grundgesetzes ergibt sich, dass hierunter jedenfalls der Gesetzesvollzug fallen muss. Fraglich ist unterdessen, ob Verwaltung nach Art. 89 II 1 GG auch eine sonstige gesetzesfreie Verwaltung22 oder die Vermögensverwaltung bundeseigener Wasserstraßen erfasst. Die Befugnis des Bundes zur Vermögensverwaltung könnte sich schon aus dem Eigentum an Wasserstraßen ergeben. In diesem Zusammenhang ist dann zu klären, ob das Eigentum an den Wasserstraßen eine Voraussetzung für deren hoheitliche Verwaltung durch den Bund ist. Schließlich muss der Blick auf die systematische Stellung von Art. 89 GG gerichtet werden. Art. 83 GG als Grundsatznorm spricht von der Ausführung der „Bundesgesetze“, ebenso Art. 84 und 85. Wenn man daraus den Schluss zieht, im Rahmen von Art. 89 könnten nur Bundesgesetze ausgeführt werden, wird das Problem im Zusammenhang mit der Gesetzgebungskompetenz deutlich: Da es sich um einen Bereich der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz handelt, sind grundsätzlich die Länder nach Art. 72 I GG regelungsbefugt. Die Befugnis der Länder ist nur ausgeschlossen, wenn und soweit der Bund den Gegenstand bereits geregelt hat. Können die Länder also Regelungen für die Wasserstraßen erlassen, fragt sich, wer diese auszuführen hätte. Der Bund darf es womöglich nicht, weil er nach Art. 83 GG allenfalls Bundesgesetze ausführen kann. Die Länder dürfen es womöglich auch nicht, weil die Verwaltungskompetenz nach Art. 89 II 1 GG dem Bund vorbehalten ist. Wenn das Eigentum keine Voraussetzung der Verwaltung von Bundeswasserstraßen ist, fragt sich schließlich, ob das Grundgesetz dem Bund eine Privatisierung von Bundeswasserstraßen verbietet. Falls ein solches Verbot nicht besteht, ist zu untersuchen, ob bei einer solchen Privatisierung bestimmte verfassungsrechtliche Vorgaben einzuhalten sind. Zu klären ist in 22 Zum Begriff der gesetzesfreien Verwaltung vgl. noch näher unter B. III. 3. a). Im Allgemeinen ist unter der gesetzesfreien Verwaltung (im Gegensatz zum Gesetzesvollzug) die hoheitliche Verwaltung eines Sachbereiches bzw. die Erfüllung einer Verwaltungsaufgabe zu sehen, für die es keine Vorgaben durch Gesetze gibt. Typisches Beispiel gesetzesfreier Verwaltung ist der Bereich der Fördermittelvergabe auf der Grundlage von Verwaltungsvorschriften (Förderrichtlinien).
24
B. Verfassungsrechtliche Grundprobleme
diesem Zusammenhang auch, in welchem Umfang der Bund Wasserstraßen überhaupt vorhalten muss und ob zumindest eine Privatisierung der Verwaltung durch Übertragung von Aufgaben auf einen gesonderten Rechtsträger möglich ist. Überlegungen zum Umfang des Wasserstraßennetzes des Bundes und zu Privatisierungspotenzialen sind schließlich regelmäßig Bestandteil von Reformdiskussionen.23
II. Auslegung von Verfassungsrecht Da die vorliegende Untersuchung zu einem großen Teil Probleme behandelt, die sich bei der Auslegung einer verfassungsrechtlichen Bestimmung ergeben, muss zunächst ermittelt werden, welche Grundsätze der Auslegungstechnik angewandt werden können. Hierbei ist zu unterscheiden zwischen allgemeinen Auslegungsgrundsätzen (unter 1.) und den Besonderheiten, die sich bei der Auslegung von Verfassungsrecht ergeben (unter 2.). 1. Allgemeine Auslegungsgrundsätze In der demokratisch verfassten Gesellschaft handelt der durch Wahlen vom Volk legitimierte Gesetzgeber als Organ der Staatsgewalt (Art. 20 II GG). Der Gesetzgeber ist damit ein Instrument der Herrschaft des Volkes im Staatswesen. Die Gesetze als Handlungsform des Gesetzgebers sind somit ein Endprodukt und Ausdruck des demokratisch-politischen Willensbildungsprozesses. Daraus folgt einerseits, dass der Wille des Gesetzgebers bei der Auslegung des Rechts ein wesentlicher Gesichtspunkt sein muss. Ein Gesetz darf somit nicht in einer Weise ausgelegt werden, dass es dem Willen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers vollständig zuwiderläuft. Allerdings darf dabei auf der anderen Seite die Funktion der Gesetze für den Staatbürger nicht außer Betracht bleiben: Der Einzelne und nicht zuletzt der Staat selbst sollen sich entsprechend den geltenden Gesetzen verhalten. Will der Einzelne diese für ein funktionierendes Gesellschaftsund Staatswesen unentbehrliche Vorbedingung erfüllen, so wird er sich in erster Linie am Gesetzestext orientieren, denn nur das Gesetz in seiner textlichen Fassung ist Handlungsinstrument des Gesetzgebers. Soll also für die 23 Siehe schon unter A. IV (dort insbesondere Fn. 20) zur Neuordnung des Netzes und den Abschlussbericht der 1999 vom damaligen Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen eingesetzten „Kommission Verkehrsinfrastrukturfinanzierung“ (sog. Pällmann-Kommission) vom 5. September 2000 (verfügbar unter http://www.vifg.de/_downloads/ service/infrastrukturfinanzierung-und-ppp/2000-09-05_Abschlussbericht-der-PaellmannKommission.pdf).
II. Auslegung von Verfassungsrecht
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Auslegung von Gesetzen der Wille des Gesetzgebers eine bedeutende Rolle einnehmen, so kann dies nur erfolgen, wenn und soweit der gesetzgeberische Wille im Gesetz selbst auch zum Ausdruck kommt. Entscheidend ist demnach – in den Worten des Bundesverfassungsgerichts – der „objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den diese hineingestellt ist.“24 Damit ist das Auslegungsziel formuliert. Als Mittel zur Erreichung dieses Ziels dienen die klassischen Methoden der juristischen Hermeneutik: die Auslegung nach dem Wortlaut der Norm (grammatische Auslegung), die Auslegung nach der Stellung einer Norm im Gefüge des Gesetzes (systematische Auslegung), die Auslegung nach dem Zweck einer Norm (teleologische Auslegung) und die Auslegung anhand der Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte der Norm.25 Schließlich ist zu beachten, dass Wissen und Wille des Gesetzgebers nicht allumfassend sind. Oftmals überblickt der Gesetzgeber nicht alle Sachverhalte oder alle Details eines Sachverhaltes, die unter eine von ihm zu schaffende Regelung fallen. Bei der Frage, ob und wie diese Sachverhalte dann von einer gesetzlichen Regelung umfasst sind oder nicht, kann das Gesetz klüger als der Gesetzgeber selbst sein.26 2. Besonderheiten bei der Auslegung des Verfassungsrechts Dass die Auslegung von Verfassungsrecht Besonderheiten aufweist, folgt schon aus der Stellung der Verfassung an der Spitze der Rechtsordnung.27 Die Auslegung der Verfassung kann oftmals weitreichende Folgen haben und sie betrifft Grundfragen der staatlichen Organisation und des politischen Lebens, des Verhältnisses vom Staat zum Bürger und der Verhältnisse der Bürger untereinander. Eine wesentliche Eigenart des Verfassungsrechts ist daher, dass es politisches Recht ist.28 Aus diesem Grund muss bei der Verfassungsauslegung auch die Staatspraxis besondere Berücksichtigung finden.29 Hinzu 24 BVerfG, Urt. v. 21.05.1952 – 2 BvH 2/52 –, BVerfGE 1, 299, 312 = NJW 1952, 737. 25 BVerfG, Beschl. v. 17.05.1960 – 2 BvL 11/59, 11/60 –, BVerfGE 11, 126, 129 f. = NJW 1960, 1563; kritisch Hesse, Rdnr. 55; ebenso Ehmke, VVDStRL 20 (1963), 53, 57, der darauf verweist, dass das Bundesverfassungsgericht der Entstehungsgeschichte zwar grundsätzlich nur sekundäre Bedeutung beimisst, in Einzelfällen diese aber gleichwohl zum maßgeblichen Kriterium aufwertet. 26 BVerfG, Beschl. v. 29.04.1974 – 2 BvN 1/69 –, BVerfGE 36, 342, 362 = NJW 1974, 1181. 27 Vgl. hierzu auch grundlegend Stern, Bd. I, § 4 III 1. 28 Ehmke, VVDStRL 20 (1963), 53, 65. 29 Stern, Bd. I, § 4 III 4.
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B. Verfassungsrechtliche Grundprobleme
kommt, dass die Interpretation der Verfassung durch Bürger, Gruppen, Staatsorgane und Öffentlichkeit im Allgemeinen auch auf die Auslegung durch die dafür verantwortliche Verfassungsgerichtsbarkeit zurückwirkt.30 Damit in engem Zusammenhang stehen gerade bei Kompetenznormen des Grundgesetzes die Entstehungsgeschichte und die Auslegung, welche die angesprochenen Staatsorgane im Laufe der Zeit den jeweiligen Normen gegeben haben.31 Schließlich kann zur Verfassungsauslegung in geeigneten Fällen noch die Rechtsvergleichung herangezogen werden, was sich mit Blick auf die Bundesstaatlichkeit und die gemeinsame Sprache insbesondere für Österreich und die Schweiz anbietet.32 Zurückhaltung ist geboten bei der Annahme von ausfüllungsbedürftigen Lücken, denn die Verfassung beansprucht, ein geschlossenes Ganzes für die Ordnung des Staats- und Gemeinschaftslebens zu sein.33 Hierbei fällt auch ins Gewicht, dass die Verfassung bei echten und vermeintlichen Lücken wegen der vom Grundgesetz aufgestellten qualifizierten Mehrheitserfordernisse nicht ohne weiteres im Wege der Auslegung geändert werden kann, Art. 79 II GG. Also muss versucht werden, Lücken zunächst durch die Auslegung des Grundgesetzes selbst zu schließen. Umgekehrt kann es Fälle geben, in denen ein Sachverhalt von mehreren Verfassungsnormen erfasst ist und diese Normen sich auf den ersten Blick widersprechen. Zwar kann auch die Verfassung nicht völlig widerspruchslos sein. Es gilt aber der Grundsatz der Einheit der Verfassung, welcher es gebietet, sich gegenseitig widersprechende Verfassungsbestimmungen weitgehend zu harmonisieren und im Gesamtzusammenhang der Verfassung auszulegen.34 Dem entspricht es, die Existenz von „verfassungswidrigem Verfassungsrecht“ bis auf wenige Ausnahmen abzulehnen35. Es kann demnach grundsätzlich nicht sein, dass eine 30
So etwa Häberle, S. 230, der dementsprechend Bürger, Gruppen, Staatsorgane und Öffentlichkeit als „interpretatorische Produktivkräfte“ bezeichnet. 31 Für die Abgrenzung der Gesetzgebungskompetenzen von Bund und Ländern BVerfG, Urt. v. 10.02.2004 – 2 BvR 834/02 – NJW 2004, 750, 751. 32 Grundlegend hierzu Häberle, S. 312/316; zustimmend Hesse, Rdnr. 71 aE; Sachs, Einf. Rdnr. 44. 33 BVerfG, Urt. v. 16.12.1965 – 1 BvR 413/60 –, BVerfGE 19, 206, 220 = NJW 1966, 147 = BStBl I 1966, 187; Stern, Bd. I, § 4 III 8; Ehmke, VVDStRL 20 (1963), 53, 73, 77. 34 BVerfGE 19, 206, 220 (Fn. 33); Urt. v. 19.12.1970 – 2 BvF 1/69 –, BVerfGE 30, 1, 19 = NJW 1971, 275; BVerfGE 36, 342, 362 (Fn. 26); ausführlich BVerwG, Urt. v. 21.06.2007 – 2 WD 12/04 – NJW 2007, 77, 103 = DVBl. 2005, 1455, 1458; Jarass, in: Jarass/Pieroth (Fn. 21), Einl. Rdnr. 10; Sachs, Einf. Rdnr. 46; Hesse, Rdnr. 71. 35 BVerfG, Urt. v. 18.12.1953 – 1 BvL 106/53 –, BVerfGE 3, 225, 230 = DÖV 1954, 117, eine Ausnahme hielt das BVerfG für denkbar, wenn materielles Unrecht normiert würde (S. 232 ebd.); BGH, Urt. v. 15.03.1951 – III ZR 153/50 – BGHZ 1, 274, 276 = NJW 1951, 405 m. w. N.; vgl. auch Stern Bd. I, § 4 II 2. b) und Jarass,
III. Verfassungsrechtliche Probleme im Einzelnen
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Verfassungsnorm wegen Verstoßes gegen eine höher gewichtige Verfassungsnorm nichtig wäre, sofern die zweifelhafte Verfassungsbestimmung nicht auf einem seinerseits verfassungswidrigen Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes beruht36. Vielmehr ist von einer Gleichrangigkeit der Normen auszugehen, die dann die bereits angesprochene Harmonisierung erforderlich macht. Schlussendlich bleibt zu erwähnen, dass die Vorgaben des Rechts der Europäischen Union eine europarechtskonforme Auslegung nationalen Rechts unter Einschluss der Verfassung erfordern können.37
III. Verfassungsrechtliche Probleme der Wasserstraßenverwaltung im Einzelnen 1. Die bisherigen Reichswasserstraßen nach Art. 89 I GG Nach Art. 89 I GG stehen die bisherigen Reichswasserstraßen im Eigentum des Bundes. Welche Gewässer zu den bisherigen Reichswasserstraßen zählen, sagt das Grundgesetz allerdings nicht. Aus Art. 89 I GG lässt sich aber vermuten, dass es sich um Wasserstraßen im Eigentum des Reiches handeln muss. Die Stellung in Art. 89 GG, der in Art. 89 II GG auch die Bundesverwaltung von Wasserstraßen regelt, lässt parallel dazu auf Wasserstraßen schließen, die vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes durch das Reich verwaltet wurden. Auf welches Kriterium – Eigentum oder Verwaltung des Reiches – es aber letztlich entscheidend ankommt, kann man dem Grundgesetz nicht direkt entnehmen. Offensichtlich wird aber auf die vor Inkrafttreten des Grundgesetzes geltende rechtliche Einordnung der Wasserstraßen verwiesen. Es kommt somit für die Bestimmung der bisherigen Reichswasserstraßen insbesondere auf die Rechtslage unter der Weimarer Reichsverfassung an. Art. 89 GG erfordert daher unbestritten eine vergangenheitsbezogene Interpretation.38 Da das Grundgesetz dem Wortlaut nach an die Rechtslage anknüpft, welche der Verfassungsgeber nach dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches 1945 vorfand, muss zunächst genau ermittelt werden, was bis zu diein: Jarass/Pieroth, Fn. 21, Einl. Rdnr. 10; allgemein auch Starck, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, Präambel Rdnr. 15. Kritisch Bachof, NJW 1952, 242. 36 Ausführlich zu den Grenzen des verfassungsändernden Gesetzgebers BVerfG, Urt. v. 03.03.2004 – 1 BvR 2378/98 und 1 BvR 1084/99 –, BVerfGE 109, 279, 310 ff. = NJW 2004, 999 (Großer Lauschangriff). 37 Sachs, Einf. Rdnr. 44; Hain, DVBl 2002, 198, 150. 38 Ibler, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 89 Rdnr. 1.
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B. Verfassungsrechtliche Grundprobleme
sem Zeitpunkt als Reichswasserstraße angesehen wurde. Wegen der erheblichen Eingriffe des Nationalsozialismus in das Verfassungsgefüge ist dabei die Zeit bis 1933 (unter a)) von der Zeit zwischen 1933 und 1945 zu unterscheiden (unter b)). In einem dritten Schritt ist zu untersuchen, welches Verständnis der Rechtslage vom Verfassungsgeber für das Grundgesetz zugrunde gelegt wurde (unter c)). Gesondert ist die Einordnung der Seewasserstraßen zu beurteilen, weil bei ihnen anders als bei den Binnenwasserstraßen auch die Frage nach der räumlichen Ausdehnung aufgeworfen wird (unter d)). Einer gesonderten Beurteilung unterliegen weiterhin die Wasserstraßen in der früheren DDR und neu geschaffene Wasserstraßen (unter e), f)). Schließlich werden die Auslegungsergebnisse zu Art. 89 I GG zusammengefasst (unter g)). a) Die Wasserstraßen bis 1933 Die Entwicklung des Rechts der Wasserstraßen bis 1933 war entsprechend der deutschen Geschichte nach Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation wechselvoll. Besondere Bedeutung kommt dabei dem Übergang der Wasserstraßen auf das Reich 1921 zu: aa) Historische Entwicklung der Wasserstraßen von 1806–1933 Mit dem Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation erlangten die deutschen Einzelstaaten nach 1806 auch die Befugnisse zurück, welche zuvor das Reich wahrgenommen hatte. Hierzu gehörten die Befugnisse zur Nutzung und Verwaltung der großen Ströme, welche bis dahin ein Privileg des Reiches gewesen waren.39 Befugnisse des späteren Deutschen Bundes an den Wasserstraßen gab es nicht. Demgegenüber sah die Paulskirchenverfassung von 1849 (PkVerf) eine Stärkung der Reichsbefugnisse vor. Zwar sollten Schifffahrtsanstalten am Meere und in den Mündungen der deutschen Flüsse (Häfen, Seetonnen, Leuchtschiffe, das Lotsenwesen, das Fahrwasser usw.) nach Abschnitt II Art. IV § 20 PkVerf der Fürsorge der Uferstaaten überlassen bleiben. Das Reich sollte aber gemäß Abschnitt II Art. IV § 21 PkVerf die Oberaufsicht über diese Einrichtungen erhalten. Für die Wasserstraßen enthielt Abschnitt II Art. V § 24 PkVerf vergleichsweise weitgehende Befugnisse des Reiches. So sollte das Reich das Gesetzgebungsrecht und die Oberaufsicht über die in ihrem schiffbaren Lauf mehrere Staaten durchströmenden oder begren39 Ausführlich Durner, in: Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 89 Rdnr. 2, 3; Hermes, in: Dreier, GG-Kommentar, Art. 89 Rdnr. 1.
III. Verfassungsrechtliche Probleme im Einzelnen
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zenden Flüsse und Seen und über die Mündungen der in dieselben fallenden Nebenflüsse, sowie über den Schifffahrtsbetrieb und die Flößerei auf denselben erhalten. Die übrigen Wasserstraßen sollten der Fürsorge der Einzelstaaten überlassen bleiben. Die Reichsverfassung von 1871 (ReichsVerf 1871) knüpfte inhaltlich an diese Zentralisierungsbestrebungen an, weil man der Auffassung war, dass vor allem die Nutzung der Wasserläufe als Verkehrswege und ihre Bedeutung für die Landesverteidigung eine Betreuung nach einheitlichen Gesichtspunkten erfordert.40 Nach Art. 4 Nr. 8, 9 ReichsVerf 1871 unterlagen deshalb die Herstellung von Land- und Wasserstraßen im Interesse der Landesverteidigung und des allgemeinen Verkehrs sowie die Flößerei und der Schifffahrtsbetrieb auf den mehreren Staaten gemeinsamen Wasserstraßen, der Zustand der letzteren und die Fluss- und sonstigen Wasserzölle der Beaufsichtigung und Gesetzgebung des Reiches. Im Übrigen verblieben die Wasserstraßen jedoch in der Hoheit der Länder. Art. 54 ReichsVerf 1871 enthielt schließlich noch Regelungen über die Erhebung von Abgaben auf den Wasserstraßen. Im 1. Weltkrieg erlangten die Wasserstraßen als Verkehrswege eine große Bedeutung für die Kriegswirtschaft. Die gewaltigen Rüstungsanstrengungen des Reiches waren mit einem hohen Transportaufkommen verbunden, für das nur eine begrenzte Kapazität auf allen Verkehrswegen zur Verfügung stand. Die Wasserstraßen wurden daher teilweise durch den Generalstab des Heeres verwaltet, um eine bestmögliche Ausnutzung von Transportkapazitäten durch reichsweite Koordination zu erreichen.41 Bei der Ausarbeitung der Weimarer Reichsverfassung (WRV) zog die Nationalversammlung die Konsequenz aus diesem Umstand und entschied sich dafür, die Wasserstraßen weitgehend dem Reich zu übertragen. Nach Art. 97 I WRV war es Aufgabe des Reiches, die dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen in sein Eigentum und seine Verwaltung zu übernehmen. Der Übergang sollte nach Art. 171 I WRV spätestens am 1. April 1921 erfolgen. Über die Bedingungen der Übernahme sollte nach Art. 171 II WRV der Staatsgerichtshof entscheiden, wenn hierüber bis zum 01. Oktober 1920 noch keine Einigung zwischen dem Reich und den Ländern erzielt worden sein sollte. Das Reich und die Länder waren nicht in der Lage, die Fristbestimmung zur Übernahme der Wasserstraßen nach Art. 171 WRV einzuhalten. Man einigte sich zwar auf einen Staatsvertrag (sog. Wasserstraßenstaatsvertrag – WaStrStV), dieser konnte jedoch erst durch Reichsgesetz vom 29. Juli 40 41
Wilke, RVwBl. 1932, 261. Vgl. hierzu Lassar, JöR 1926 (14), 208 f.
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B. Verfassungsrechtliche Grundprobleme
192142 in Kraft treten, wenngleich in § 1 des Gesetzes die Rückwirkung des Überganges auf den 01. April 1921 festgelegt war. Eine Anlage A zum Gesetz bestimmte, welche Binnenwasserstraßen im Einzelnen auf das Reich übergehen sollten. Durch Nachträge zum WaStrStV kam es in den Folgejahren noch zu einzelnen Korrekturen und Konkretisierungen.43 bb) Rechtliche Einordnung des Übergangs der Wasserstraßen auf das Reich in Rechtsprechung und Schrifttum Bis heute umstritten ist jedoch die Frage, ob der Übergang der Wasserstraßen auf das Reich allein durch die Anordnung in Art. 97 I WRV in Verbindung mit dem Fristablauf nach Art. 171 I WRV erfolgte oder erst durch den Wasserstraßenstaatsvertrag bzw. das hierzu ergangene Zustimmungsgesetz. Weder Rechtsprechung noch Schrifttum bieten ein einheitliches Bild: (1) Übergang durch den Wasserstraßenstaatsvertrag Die Ansicht, dass die Wasserstraßen erst durch den Wasserstraßenstaatsvertrag44 bzw. das hierzu ergangene Reichsgesetz45 übergegangen sind, wird teilweise im Schrifttum vertreten, ohne dass die Vertreter dieser Ansicht hierfür eine nähere Begründung anbieten. Vereinzelt wird auf den sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz (auch „Spezialitätsprinzip“) verwiesen, welcher eine genaue gegenständliche Bestimmung der übergehenden Wasserstraßen erfordere46, so wie es in der Anlage zum Wasserstraßenstaatsvertrag geschah. 42
RGBl 1921, 961. Z. Bsp. Nachträge v. 18.02.1922 (RGBl I 1922, S. 222) und vom 22.12.1928 (RGBl II 1929, S. 1). 44 Ausdrücklich Thierfelder, DÖV 1960, 824, 825, der von einem Übergang durch den Staatsvertrag als Rechtsgeschäft zwischen Staaten ausgeht; ähnlich Berlit, S. 52, der das von der Verfassung vorgesehene Modell mit einem gesetzlich angeordneten Zwangsverkauf vergleicht; Berendes, in: Berendes/Frenz/Müggenborg, WHG, § 4 Rdnr. 11; Czychowski/Reinhardt, WHG, § 4 Rdnr. 7. 45 Vgl. v. Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz (1953), Art. 89 Anm. 3; Hlawaty, BayVBl 1957, 144, 146, wonach der Staatsvertrag Art. 97 WRV „vollzogen“ habe; Friesecke, DVBl 1962, 203, 204; ders. in WaStrG, Einl. Rdnr. 19 m. w. N. Aus dem älteren Schrifttum: Lassar, JöR 1926 (14), 209; Stier-Somlo, Deutsches Reichs- und Landesstaatsrecht (1924), § 102 II 1 und auch Giese, Verfassung des Dt. Reiches, 7. Aufl. 1926, Anm. 3. 46 So nachdrücklich vor allem Ramelow, DVBl 1962, 88, 89. 43
III. Verfassungsrechtliche Probleme im Einzelnen
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Da die Verhandlungen zwischen dem Reich und den Ländern über die Bedingungen des Überganges der Wasserstraßen 1920 keine Fortschritte machten, beantragte das Reich am 10. Januar 1921 beim vorläufigen Staatsgerichtshof nach Art. 171 WRV die Feststellung, dass die in einer vom Reich vorgelegten Liste enthaltenen Wasserstraßen zum 1. April 1921 auf das Reich übergehen würden. Die Reichsregierung ging somit zunächst offenbar davon aus, dass ein Übergang kraft der Verfassungsregelung erfolgen werde. Zu einer Entscheidung des vorläufigen Staatsgerichtshofs kam es dennoch nicht, weil die Beteiligten nach Abschluss des Wasserstraßenstaatsvertrages annahmen, der betreffende Antrag des Reiches habe sich erledigt.47 Der Staatsgerichtshof (Art. 108 WRV) ging in einer späteren Entscheidung aus dem Jahre 1925 davon aus, dass sich die auf das Reich übergegangenen (Binnen-)Wasserstraßen aus der Anlage zum Wasserstraßenvertrag ergeben würden, ohne Art. 97 I WRV dabei eine eigenständige Bedeutung zuzumessen.48 Das Bundesverfassungsgericht hat sich zu der Frage bislang nicht eindeutig geäußert. In seiner grundlegenden Entscheidung zu den Wasserstraßen aus dem Jahr 1962 schien es aber der Ansicht zuzuneigen, dass der Übergang durch den Wasserstraßenvertrag bewirkt wurde, denn nach seiner Ansicht waren die bisherigen Reichswasserstraßen nach Art. 89 I GG „zunächst die vom Staatsvertrag und seinen Nachträgen erfassten Wasserstraßen.“49 Etwas eindeutiger hat der Bundesgerichtshof denselben Standpunkt vertreten. Nach seiner Ansicht „geschah [die Übernahme der Wasserstraßen, Anm. Verf.] rechtlich durch den Staatsvertrag vom 29. Juli 1921“.50 Eine Begründung hierfür liefert freilich auch der Bundesgerichtshof nicht.
47 StGH, Entsch. v. 12.12.1925 – StGH 3/24 –, RGZ 112, 33*, 34* = JW 1926, 1454 mit Anm. Lammers, S. 1454 (Reich vs. Preußen, Bayern, Sachsen, Baden und Hessen wg. Bildung reichseigener Behörden zur Verwaltung der Wasserstraßen). 48 StGH, Entsch. v. 21.11.1925 – StGH 1/25 –, RGZ 112, 13* = JW 1926, 1341 mit Anm. Lammers S. 1341 und Rosenthal S. 1342 (Thüringen vs. Reich wg. Talsperrenbau am Oberlauf der Saale). 49 BVerfG, Urt. v. 30.10.1962 – 2 BvF 2/60 –, BVerfGE 15, 1, 7 = NJW 1962, 2243. 50 St. Rspr.: BGH, Urt. v. 25.06.1958 – V ZR 275/56 –, BGHZ 28, 34, 37 = MDR 1958, 760 und Urt. v. 28.05.1976 – III ZR 186/72 –, BGHZ 67, 152, 155 = NJW 1977, 31 und zuletzt Urt. v. 22.06.1989 – III ZR 266/87 –, BGHZ 108, 110, 112 = NJW 1989, 2464 (Hohwachter Bucht); ebenso OVG Münster, Urt. v. 21.12.1959 – IV A 206/57 –, DÖV 1960, 314, 315 und HessVGH, Urt. v. 15.04.1994 – 7 UE 1005/90 – ZfW 1995, 235, 238.
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B. Verfassungsrechtliche Grundprobleme
(2) Übergang kraft verfassungsrechtlicher Anordnung Nach der wohl überwiegenden Auffassung des Schrifttums51 und auch Teilen der Rechtsprechung52 trat der Übergang des Eigentums der dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen entsprechend dem Wortlaut der Verfassung unmittelbar aufgrund von Art. 97 I, 171 I WRV ein, ohne dass es der Umsetzung durch ein Gesetz oder einen Staatsvertrag bedurft hätte. Eine ausführliche Begründung für dieses Ergebnis bietet allein das Kammergericht Berlin, welches bereits in einer Entscheidung aus dem Jahr 1929 diese Auffassung vertrat. Das Kammergericht führte zur Begründung folgendes aus53: „Aus dem klaren Wortlaut dieser Bestimmungen [Art. 97, 171; Anm. Verf.] ergibt sich zunächst, dass die von der Reichsverfassung behandelten Wasserstraßen spätestens am 01.04.1921 in das Eigentum des Reiches übergehen, das bisherige Eigentum also den 01.04.1921 auf keinen Fall überdauern sollte. Der künftige Übergang des Eigentums an den Wasserstraßen auf das Reich ist also endgültig und bestimmt angeordnet, nur der Zeitpunkt des Eigentumübergangs ist zunächst insofern unbestimmt geblieben, als nicht ein fester, unverrückbarer, sondern nur ein äußerster Termin bezeichnet ist. Hieraus folgt notwendig, dass die in Art. 171 II erwähnte „Verständigung“ nicht als Voraussetzung für den Eigentumsübergang auf das Reich gedacht sein kann. Der Eigentumsübergang sollte sich vielmehr, vorbehaltlich der Festsetzung eines früheren Zeitpunkts durch Gesetz oder Staatsvertrag am 01.04.1921 von selbst vollziehen. II stellt dies durch seine Fassung noch besonders klar, indem er nicht von Bedingungen (i. S. v. Voraussetzungen) für den Eigentumsübergang, sondern von den Bedingungen der „Übernahme“ spricht; unter „Übernahme“ kann aber an dieser Gesetzesstelle, da ja die Tatsache des Eigentumsübergangs selbst nach der Reichsverfassung feststand, nur die Regelung der näheren Ausgestaltung des Eigentums und seiner Ausübung sowie der Verwaltung der zum Reichsvermögen gewordenen Wasserstraßen verstanden werden.“
Das Urteil des Kammergerichts hat in der Rechtswissenschaft allerdings wenig Beachtung gefunden. Ursache hierfür war womöglich, dass es in 51 Meißner, Staatsrecht des Reiches, S. 208, 212; Anschütz, Verfassung des Deutschen Reiches, Art. 97 Anm. 1; Gröpl, in: Maunz/Dürig, Art. 89 Rdnr. 6, ebenso schon Maunz ebd. (Erstkommentierung) Rdnr. 1; Ibler, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, Art. 89 Rdnr. 2; Sachs, Art. 89 Rdnr. 2; Petersen, Dt. Küstenrecht Rdnr. 1016; wohl auch Hermes, in: Dreier, Art. 89 Rdnr. 3; ohne eigene Stellungnahme Hoog, in: v. Münch/Kunig, Art. 89 Rdnr. 8, der nur auf die h. M. verweist; ausführlicher Tober, DVBl 1961, 575 ff., der aber zur Begründung seines Ergebnisses wesentlich auf den Staatsvertrag selbst verweist; ausdrücklich auch Wiedemann, DVBl 1965, 17. 52 KG, Urt. v. 7.02.1929 – 1 X 957/28 –, HRR 1929, Nr. 1056; OLG Schleswig, Urt. v. 08.11.1963 – 6 U 50/62 –, DVBl 1965, 35 = SchlHAnz. 1964, 125 (Seewasserstraße Schlei). 53 KG, Urt. v. 7.02.1929, Fn. 52.
III. Verfassungsrechtliche Probleme im Einzelnen
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dem konkret zur Entscheidung stehenden Fall nicht um die Frage ging, welche Wasserstraßen auf das Reich übergingen, sondern wann dies geschehen ist. Auch aus den Folgejahren sind keine Rechtsstreitigkeiten dokumentiert, in denen die Frage nach der Rechtsnatur des Überganges der Wasserstraßen auf das Reich wegen des Umfangs der übergegangenen Wasserstraßen eine Rolle gespielt hätte. cc) Kritik an der bisherigen Einordnung des Übergangs der Wasserstraßen auf das Reich Den Begriff der Reichswasserstraßen gab es vor der Weimarer Reichsverfassung überhaupt nicht und auch die WRV selbst verwendet den Begriff der Reichswasserstraße nur einmal an einer untergeordneten Stelle in Art. 98 WRV. Dennoch ist klar, dass die Reichswasserstraßen letztlich das Ergebnis des Übergangs der dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen auf das Reich nach Art. 97 I WRV, 171 I WRV waren.54 Zu Unrecht wird dabei aber der Rechtsnatur des Übergangsaktes heute kaum noch Bedeutung beigemessen. Dabei könnte sich diese Frage für den Umfang der in Art. 89 I GG angesprochenen Reichswasserstraßen als entscheidend erweisen: Wenn die Wasserstraßen bereits durch die verfassungsrechtliche Anordnung übergegangen sind, kann dem Wasserstraßenstaatsvertrag insoweit keine konstitutive Kraft mehr beigemessen werden. Wesentlichste Folge wäre, dass die übergegangenen Wasserstraßen allein nach dem Merkmal „dem allgemeinen Verkehr dienend“ in Art. 97 I WRV zu bestimmen sind. Die Anlage A zum Wasserstraßenstaatsvertrag hätte dann allenfalls eine Indizwirkung. Diese Frage hat auch praktische Bedeutung, da die Anlage zum Wasserstraßenstaatsvertrag durchaus auch kleinere Gewässer erwähnt, die seinerzeit einer nennenswerten Schifffahrt nicht fähig waren (z Bsp. Fulda, Lahn und Werra). Andererseits fehlen bestimmte größere Gewässer, auf denen zweifelsohne entsprechender Schiffsverkehr stattfindet (Bodensee, Starnberger See, Rhein oberhalb Basel). Wurde der Eigentums- und Verwaltungsübergang also unmittelbar durch Art. 97 I, 171 I WRV bewirkt, wäre der Bestand der übergegangen Gewässer nicht mit dem im WaStrStV festgelegten Bestand identisch. Dies kann sich letztlich auf die Auslegung von Art. 89 I GG auswirken: Es müsste dann entschieden werden, ob nach dem Grundgesetz ausschließ54 Vgl. Hoog, in: v. Münch/Kunig, Art. 89 Rdnr. 15; Sachs, Art. 89 Rdnr. 2, 10; Hermes, in: Dreier, Art. 89 Rdnr. 11; BVerfG, Urt. v. 30.10.1962 – 2 BvF 2/60 u. a. BVerfGE 15, 1, 7 = NJW 1962, 2243; etwas ausführlicher Durner, in: Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 89 Rdnr. 8.
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B. Verfassungsrechtliche Grundprobleme
lich auf die durch die WRV geschaffene Rechtslage abzustellen ist oder ihre praktische Umsetzung durch die Reichsverwaltung nach dem WaStrStV. Dieser Zusammenhang zwischen der Rechtsnatur des Überganges der Wasserstraßen und der Auslegung des Begriffes „Reichswasserstraßen“ in Art. 89 I GG ist bislang kaum diskutiert worden.55 Eine vertiefte Auseinandersetzung mit diesem Problem ist daher notwendig. dd) Eigener Ansatz Um die Frage nach der Rechtsnatur des Überganges der Wasserstraßen zu beantworten, ist zunächst vom Wortlaut der Verfassungsbestimmungen auszugehen. Dieser ist entsprechend der Argumentation des Kammergerichts weitgehend eindeutig und spricht für einen automatischen Übergang der dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen auf das Reich. Ein Gesetz oder ein Staatsvertrag als Voraussetzung des Überganges ist zudem in der Verfassung nirgends vorgesehen. Vergleicht man die Rechtslage der Wasserstraßen mit der der Eisenbahnen, so ergibt sich ein ähnliches Bild. Auch die dem allgemeinen Verkehr dienenden Eisenbahnen sollte das Reich nach Art. 89 WRV in sein Eigentum und seine Verwaltung übernehmen. Auch hierfür galt die Fristbestimmung des Art. 171 I WRV und auch hier war ein Staatsvertrag nicht vorgesehen. Für einen automatischen Übergang der Wasserstraßen sprechen aber vor allem auch Sinn und Zweck der Verfassungsbestimmungen, so wie sie sich aus den Materialien zur WRV ergeben. Grundsätzlich war man sich in der Nationalversammlung einig, dass Eisenbahnen und Wasserstraßen auf das Reich übergehen sollten. Über Art und Bedingungen der Übergabe wurden aber von den Ländervertretern in der Nationalversammlung mit der Reichsregierung heftige Auseinandersetzungen geführt, welche in erster Linie die Eisenbahnen betrafen, da diese eine weit höhere Verkehrsbedeutung als die Wasserstraßen hatten. Zunächst sollten die Eisenbahnen durch einen vom Reich mit den Ländern zu schließenden Vertrag übergehen. Zöphel, der Berichterstatter im Verfassungsausschuss der Weimarer Nationalversammlung, stellte in der 29. Sitzung am 29. April 1919 dagegen einen Änderungsantrag mit dem Inhalt, dass die Eisenbahnen bis zum 31.12.1919 durch Reichsgesetz übernommen werden sollten. Zur Begründung führte er aus: „Der 55 Zu den Ausnahmen gehören Ibler, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 89, Rdnr. 5, 6, nach dessen Ansicht sich die Reichswasserstraßen aus dem 1921 zwischen Reich und Ländern geschlossenem Staatsvertrag ergeben. Andererseits wird auf die bloße (faktische) Verwaltung durch das Reich abgestellt, auf das Eigentum soll es nicht ankommen, so Maunz, in: Maunz/Dürig (Erstkommentierung), Art. 89 Rdnr. 31 unter Verweis auf BVerwG, Urt. v. 26.06.1959 – IV A 1.58 –, BVerwGE 9, 50, 57 = DÖV 1961, 590.
III. Verfassungsrechtliche Probleme im Einzelnen
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Vertrag hat die Eigentümlichkeit in sich, dass er auch nicht zustande kommen kann.“56 Gegen diese Bestrebungen wandte sich explizit der Vertreter der bayrischen Landesregierung in der Nationalversammlung, welcher auf einem Staatsvertrag bestand.57 Dagegen hielt jedoch der Reichsminister des Innern Dr. Preuß. Nach seiner Ansicht war eine bloße „Befugnis“ zur Übernahme der Eisenbahnen im Sinne eines rechtlichen „Dürfens“ sinnlos, weil man dann immer vom Übertragungswillen der Länder abhängig sei. Preuß spitzte das mit dem Gedanken zu, man könne dem Reich genauso gut die Befugnis zur Übernahme kanadischer oder französischer Staatsbahnen übertragen, vorausgesetzt, diese Länder wollten ihre Bahnen verkaufen.58 Angesichts dieser Tendenz sprach der Vertreter Bayerns gar davon, dass man sein Land im Wege des Zwanges „vergewaltigen“ wolle.59 In Anbetracht des bayrischen Widerstandes einigte man sich schließlich auf eine Fassung, nach welcher der Weg der Verständigung zwar nicht ausgeschlossen werden sollte, aber gleichzeitig sollte eine Frist hierfür gesetzt sein.60 In der 63. Sitzung vom 22. Juli 1919 wurde daher folgende Fassung beschlossen61: „Die Post- und Telegraphenverwaltungen Bayerns und Württembergs gehen spätestens am 01. April 1921 auf das Reich über. Soweit bis zum 01. Oktober 1920 noch keine Verständigung über die Bedingungen der Übernahme erzielt ist, entscheidet der Staatsgerichtshof. – Und gleichlautend bei den Eisenbahnen.“ [Hervorhebungen durch den Verf.]
Daraufhin meinte der Abgeordnete Hausmann, dass dieser Artikel die Übernahme „glatt“ aussprechen würde.62 Der Übergang der Wasserstraßen auf das Reich wurde in den Beratungen der Nationalversammlung nach der vergleichbaren Problematik bei den Eisenbahnen abgehandelt. Ursprünglich war auch hier eine freiwillige Übernahme vorgesehen. Der Abgeordnete Koch verlangte jedoch in der 30. Sitzung vom 30. April 1919 eine Anpassung an die zuvor für die Eisenbahnen veränderte Fassung. In Art. 102 des Entwurfs sollte es zunächst heißen63: „Die Übernahme der Wasserstraßen erfolgt im Wege der Verständigung bis zum 01. April 1921. Soweit bis zum 01. Oktober 1920 eine Verständigung noch nicht herbeigeführt ist, wird die Entscheidung über die Bedingungen der Übernahme durch Reichsgesetz vorgesehen und getroffen.“ 56 57 58 59 60 61 62 63
RT-Verh. Bd. 336, 314. RT-Verh. Bd. 336, 317. RT-Verh. Bd. 336, 318. RT-Verh. Bd. 336, 322. Vgl. die Äußerungen von Oeser und Delbrück, RT-Verh. Bd. 336, 322, 323. RT-Verh. Bd. 328, 1828. RT-Verh. Bd. 328, 1828. RT-Verh. Bd. 336, 346.
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B. Verfassungsrechtliche Grundprobleme
Auch der Präsident des Reichskanalamtes Scharmer wandte sich in der Sitzung gegen eine Übernahme nur im Vertragsweg, weil dies an unannehmbaren Bedingungen seitens der Länder scheitern könne.64 Schließlich trat der Unterstaatsekretär Peters aus dem preußischen Ministerium für öffentliche Arbeiten dafür ein, wie bei den Eisenbahnen einen Übergabezwang vorzusehen. Er wurde dabei unterstützt von seinem Minister Oeser, der auf die einhellig zustimmende Haltung aller Länder – wiederum mit Ausnahme Bayerns – verwies.65 Schließlich führten weitere Änderungen dazu, dass der Übergangstermin für Eisenbahnen und Wasserstraßen in der Bestimmung des Art. 171 WRV zusammengefasst wurde. Demnach war zweifellos ein automatischer Übergang der Wasserstraßen nach Ablauf der Verständigungsfrist gewollt, weil man um den Widerstand einzelner Länder – insbesondere Bayerns – wusste. Zweck der Fristregelung war es somit, den Übergang der Wasserstraßen auf das Reich auch gegen den Willen der Länder sicherzustellen. Das kommt im Verfassungstext auch hinreichend zum Ausdruck, indem dort das Wort „spätestens“ verwendet wird und die Länder nach Ablauf der Frist aus Art. 171 II WRV auf die Entscheidung des Staatsgerichtshofs verwiesen werden. Die Auffassung, wonach der Übergang erst durch den Staatsvertrag bewirkt worden wäre, ist mit Sinn und Zweck der Norm sowie dem Willen des Verfassungsgebers nicht vereinbar. Dagegen lässt sich auch aus dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz oder „Spezialitätsprinzip“ nichts herleiten. Dieses ist zwar im Zivilrecht zu Recht anerkannt und verlangt für die Wirksamkeit einer sachenrechtlichen Verfügung, dass deren Gegenstand bestimmbar sein muss. Die Einigung als Voraussetzung jeder Übereignung (§§ 873, 929 ff. BGB) kann sich ihrer Natur nach nur auf bestimmte, wenigstens aber bestimmbare Gegenstände beziehen.66 Damit ist aber zugleich der beschränkte Anwendungsbereich dieses Prinzips angesprochen: Es geht um die Sicherheit des Rechtsverkehrs bei rechtsgeschäftlichen Übertragungen. Die Übertragung der Wasserstraßen ist aber kaum als sachenrechtliche Verfügung anzusehen, sondern als (zulässige) Eigentumszuweisung kraft Gesetzes.67 Im Übrigen ist es schon methodisch verfehlt, aus einem lediglich von Rechtsprechung und Literatur zum einfachen Recht geformten Grundsatz eine Einschrän64
RT-Verh. Bd. 336, 347. RT-Verh. Bd. 336, 348 (Peters), 349 (Oeser). 66 BGH, Urt. v. 13.06.1956 – IV ZR 24/56 –, BGHZ 21, 52 = NJW 1956, 1316; Urt. v. 24.06.1958 – VIII ZR 205/57 –, BGHZ 28, 16 = NJW 1958, 1134 und Urt. v. 21.11.1983 – VIII ZR 191/82 –, NJW 1984, 803, 804 = JZ 199 (st. Rspr.). 67 Zutreffend schon Friesecke, DVBl 1962, 203, 204; Wiedemann DVBl 17. 65
1315, 1133, 1984, 1965,
III. Verfassungsrechtliche Probleme im Einzelnen
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kung der Rechtsetzungsmacht des Verfassungsgebers abzuleiten. Demzufolge war der Verfassungsgeber als höchste Rechtsetzungsmacht nicht gehindert, dem Reich das Eigentum der Wasserstraßen auch ohne nähere Festlegung zu übertragen. Für den Bereich der Eisenbahnen hat der Staatsgerichtshof dieses Ergebnis übrigens in seiner Entscheidung betreffend den Übergang der Eisenbahnstrecke Ludwigstadt-Lehesten unter Verweis auf die Entstehungsgeschichte von Art. 171 WRV ausdrücklich bestätigt.68 Anders als bei den Wasserstraßen hatte man sich bei den Eisenbahnen rechtzeitig vor dem 01. Oktober 1920 auf einen Übernahmestaatsvertrag69 einigen können. Allerdings waren nicht alle Länder an diesem Vertrag beteiligt. Besagte Eisenbahnstrecke lag im vormaligen Herzogtum Sachsen-Meiningen, welches am Eisenbahnstaatsvertrag gar nicht beteiligt war. Dennoch entschied der Staatsgerichtshof, dass es sich um eine Eisenbahnlinie des allgemeinen Verkehrs handele, die am 01. April 1921 auf das Reich übergegangen sei. Die Einordnung als dem allgemeinen Verkehr dienend wurde mit dem überregionalen Bahn- und Güterverkehr sowie dem Anschluss an das allgemeine deutsche Bahnnetz begründet.70 Unter Verweis auf die Entstehungsgeschichte von Art. 171 WRV kam der Staatsgerichtshof dann zu dem Schluss, dass es für den Übergang nicht auf Handlungen oder Unterlassungen der Beteiligten, insbesondere nicht auf den Staatsvertrag ankomme, weil die Verfassung den Übergang kraft Gesetzes anordne.71 Die Erkenntnisse des Staatsgerichtshofs im Fall der Eisenbahnstrecke Ludwigstadt – Lehesten wurden erstaunlicherweise in den Folgejahren weder von der Rechtsprechung noch vom Schrifttum auf die Wasserstraßen übertragen. Da jedoch der Übergang beider Verkehrsträger in einer Verfassungsbestimmung (Art. 171 WRV) gleichlautend geregelt wurde, ist auch ein einheitliches Verständnis der Norm geboten.
68
StGH, Entsch. v. 21.06.1924 – StGH 2/23 –, abgedruckt bei Lammers/Simons, Bd. 1 S. 65 und AöR 1924 (13), 441, dort mit zustimmender Besprechung von Brodmeier, S. 432. Brodmeier geht ebenfalls davon aus, dass nicht durch Staatsvertrag auf das Reich übernommene Eisenbahnen auf der Grundlage von Art. 171 WRV kraft Gesetzes auf das Reich übergingen (S. 439). 69 Der Vertrag wurde durch das Zustimmungsgesetz vom 30.04.1920, RGBl 1920, 773 einfaches Reichsrecht. 70 StGH, Lammers/Simons, Bd. 1 S. 69. 71 StGH, Lammers/Simons, Bd. 1 S. 70.
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B. Verfassungsrechtliche Grundprobleme
ee) Zwischenergebnis und Schlussfolgerungen Aus der dargestellten Entwicklung von Art. 97, 171 WRV ergibt sich damit, dass die dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen kraft Verfassung am 01. April 1921 auf das Reich übergegangen sind. Der erst später als Reichsgesetz verkündete Staatsvertrag hatte insofern rein deklaratorische Wirkung. Somit hat auch die Anlage A zum Staatsvertrag mit der Auflistung der dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen (die Seewasserstraßen hatte man nicht gesondert aufgelistet) nur indizielle Wirkung. Wann eine dem allgemeinen Verkehr dienende Wasserstraße vorlag, muss vielmehr vorrangig nach Art. 97 I WRV bestimmt werden. Dabei kann auf Kriterien wie die Art des stattfindenden Verkehrs (Güter- oder Personenverkehr), den Umfang des Verkehrs und die Einbindung in das überregionale Wasserstraßennetz zum Zeitpunkt des Überganges 1921 abgestellt werden. Die Einbindung in das überregionale Wasserstraßennetz ist aber kein Ausschlusskriterium, vielmehr ist auch möglich, dass eine Wasserstraße auf regionaler Ebene wegen einer besonders starken Verkehrsbedeutung als „dem allgemeinen Verkehr dienend“ anzusehen ist. Für den Wasserstraßenstaatsvertrag war man davon ausgegangen, dass eine Wasserstraße dem allgemeinen Verkehr diente, wenn sie vor dem 1. Weltkrieg einen durchschnittlichen Jahresverkehr von 50.000 Tonnen hatte.72 Auch das ist grundsätzlich ein taugliches Kriterium, wenngleich es nicht starr gehandhabt werden kann. Entgegen dem Wasserstraßenstaatsvertrag sind deshalb auch in der Anlage nicht erwähnte Gewässer auf das Reich übergegangen, die über einen überregionalen Schiffsverkehr verfügten (z. Bsp. Bodensee, Rhein oberhalb Basel, ggf. auch größere Gewässer der Masurischen Seenplatte). Es wäre schließlich nicht einzusehen, warum diese Fälle anders zu beurteilen sein sollen als der oben erwähnte Fall der Eisenbahnstrecke Ludwigstadt – Lehesten. Umgekehrt bedeutet dies, dass einige im Wasserstraßenstaatsvertrag genannte, kleinere und unbedeutende Wasserstraßen, die nicht dem allgemeinen Verkehr dienten, auch nicht kraft Verfassung in das Eigentum des Reiches übergehen konnten. Folgerichtig findet sich auch am Ende der Anlage A zum Wasserstraßenstaatsvertrag die Bemerkung, dass die Fulda oberhalb von Kassel, die Ruhr oberhalb von Mühlheim, die Saar und die Werra nicht im Verfolg von Art. 97 WRV, sondern aufgrund besonderer Vereinbarung vom Reich übernommen werden.73 Nach der Begründung zum Wasserstraßenstaatsvertrag wollte man mit dieser Übernahme das vorhandene Netz der Wasserstraßen nicht auseinanderreißen.74 Insofern war der Staatsvertrag 72 73
RT-Verh. Bd. 367, Drs. 2235, S. 22. RT-Verh. Bd. 367, Drs. 2235, S. 15.
III. Verfassungsrechtliche Probleme im Einzelnen
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für den Eigentumsübergang konstitutiv. Die Beschränkung von Art. 97 I WRV auf die dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen kann dem nicht entgegengehalten werden, denn es stand den Beteiligten frei, jedenfalls das Eigentum durch einen Staatsvertrag und die entsprechenden Zustimmungsgesetze zu übertragen. Auch die Überlegung, ob der Eigentumsübergang dann nicht vielleicht nach den bestehenden Vorschriften des bürgerlichen Rechts hätte stattfinden müssen, wäre nicht zielführend. Die Zustimmungsgesetze der Länder und das des Reiches waren insofern Sonderregelungen. Ob die Gesetzgebungskompetenz hierfür nach Art. 7 Nr. 1 WRV dem Reich oder den Ländern zustand, kann ebenfalls dahinstehen, denn entweder fand die Eigentumsübertragung durch das Reichszustimmungsgesetz oder das Länderzustimmungsgesetz zum Wasserstraßenstaatsvertrag statt. Die Übernahme der Verwaltung an den nun im Reichseigentum stehenden, nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen war mit der Verfassung eigentlich nicht zu vereinbaren, denn die Verwaltungszuständigkeit des Reiches beschränkte sich nach dem ausdrücklichen Wortlaut von Art. 97 I WRV nur auf die dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen. Dennoch ist es zu kurz gegriffen, diesen Umstand von vornherein mit dem Urteil der Verfassungswidrigkeit zu belegen. Die Staats- und Verfassungspraxis des Deutschen Reiches unterschied sich in einigen Punkten von der heutigen Verfassungspraxis. Nach Art. 79 I 1 GG kann das Grundgesetz nur durch ein Gesetz geändert werden, welches den Wortlaut der Verfassung ausdrücklich ändert. Eine vergleichbare Bestimmung kannte die WRV nicht. Art. 76 WRV legte nur fest, mit welchen Mehrheiten eine grundsätzlich mögliche Verfassungsänderung zu erfolgen hatte. Dementsprechend vertrat die h. M. unter Einschluss des Reichsgerichts die Ansicht, dass die Verfassung auch „stillschweigend“ geändert werden könne.75 Durch einfaches Gesetz, welches eine Verfassungsänderung nicht erwähnen musste, konnte damit von der Verfassung abgewichen werden, wenn nur die qualifizierten Mehrheiten aus Art. 76 WRV erreicht wurden. Für das Gesetz zum Wasserstraßenstaatsvertrag dürfte diese qualifizierte Mehrheit erreicht worden sein.76 Ungeachtet dessen wurden als Reichswasserstraßen in der Zeit nach 1921 in konsequenter Anwendung des Wasserstraßenstaatsvertrages die Gewässer 74
RT-Verh. Bd. 367, Drs. 2235, S. 22. RG, Urt. v. 25.03.1927 – 307/26 III –, JW 1927, 2198, 2199 mit Anmerkung Anschütz, JW 1927, 2198, 2199; ders.; WRV, Art. 76 Anm. 2; Schwarz, Reichstaatsrecht und Reichsverwaltungsrecht (1925), S. 78; Stier-Somlo, Fn. 45, § 95; Giese, Fn. 45, Art. 76 Anm. 1 m. w. N. (auch zu anderen Auffassungen). 76 In der Reichstagssitzung vom 04.07.1921 wurde das Gesetz ohne weitere Aussprache und ohne Gegenstimmen beschlossen, RT-Drs. Bd. 350, 4360. 75
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B. Verfassungsrechtliche Grundprobleme
verstanden, welche in der Anlage A zum Wasserstraßenstaatsvertrag und seinen Nachträgen genannt sind. Nicht als Reichswasserstraßen wurden hingegen die Gewässer angesehen, welche in der Anlage zum Staatsvertrag zwar nicht genannt waren, aber als „dem allgemeinen Verkehr dienende“ Wasserstraßen dennoch nach Art. 97 I WRV auf das Reich übergegangen waren. Die Verwaltungspraxis orientierte sich insofern ausschließlich am Staatsvertrag. Ein Grund hierfür dürfte auch die Haltung Bayerns gewesen sein, dass es nach seinem Widerstand in der Nationalversammlung kaum hingenommen hätte, wenn noch mehr Gewässer auf das Reich übergegangen wären, als im Staatsvertrag vereinbart waren. In der Praxis wurde auch noch in einem weiteren Punkt vom Verfassungswortlaut abgewichen. Da das Reich nicht in der Lage war, in kurzer Zeit eine eigene, umfassende Wasserstraßenverwaltung aufzubauen, verwalteten die Länder nach § 11 WaStrStV weiterhin die Wasserstraßen, allerdings auf Kosten des Reiches und unter Leitung des Reichsverkehrsministeriums.77 Diese frühe Form einer Auftragsverwaltung wurde vom Staatsgerichtshof ausdrücklich als zulässig angesehen.78 b) Die Rechtslage der Wasserstraßen zwischen 1933 und 1945 Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurden im Staatsaufbau unter anderem durch die so genannte Gleichschaltung der Länder einschneidende Veränderungen vorgenommen. Das ursprünglich bundesstaatliche, auf einer Gewaltenteilung basierende Verfassungssystem wurde durch einen Einheitsstaat ersetzt, ohne dass die WRV formell aufgehoben worden wäre. Die Auswirkungen dieser Veränderungen auf den Bereich der Wasserstraßen und insbesondere auf den Bestand der Reichswasserstraßen sind bislang kaum untersucht worden. Dabei sind zunächst die wichtigsten Änderungen des Staatsaufbaus darzustellen (unter aa)), bevor ihre Bedeutung für den Bereich der Wasserstraßen untersucht wird (danach unter bb)). aa) Die Schaffung des NS-Einheitsstaates Das „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“79, besser bekannt als „Ermächtigungsgesetz“ vom 23. März 1933, leitete das Ende des parlamentarischen Staatssystems ein, indem es der Reichsregierung er77 Näher Zschucke, JöR 1922 (11), 78, 82 und ausführlich Lassar, JöR 1926 (14), 1, 210 ff., 213 f. 78 StGH, Fn. 47, RGZ 112, 33*, 41* ff.; zustimmend Anschütz, WRV Art. 97 Anm. 9. 79 RGBl 1933, S. 141.
III. Verfassungsrechtliche Probleme im Einzelnen
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laubte, Gesetze selbst zu erlassen und damit das formal fortbestehende Parlament überflüssig machte. Schon vor der nationalsozialistischen Machtergreifung hatte die Politik über eine „Reichsreform“ diskutiert, mit welcher die Machtverhältnisse zwischen den Staatsorganen sowie den Ländern und dem Reich neu geordnet werden sollten. Durch das „Gesetz über den Neuaufbau des Reiches“ (NeuaufbauG)80, welches am 30. Januar 1934 in Kraft getreten ist, wurde dann eine Reichsreform im nationalsozialistischen Sinne umgesetzt: Die Landtage wurden aufgehoben (Art. 1 NeuaufbauG), die Hoheitsrechte der Länder auf das Reich übertragen (Art. 2 I NeuaufbauG). Außerdem wurden die Landesregierungen der Reichsregierung unterstellt (Art. 2 II Art. 1 NeuaufbauG). Art. 4 NeuaufbauG ermächtigte die Reichsregierung ausdrücklich, auch neues Verfassungsrecht zu setzen. Die Reichsverwaltung war personell und materiell natürlich nicht in der Lage, die bislang von den Ländern durchgeführte Verwaltung selbst zu übernehmen. Deshalb wurde mit § 1 der ersten Durchführungsverordnung zum NeuaufbauG vom 2. Februar 1934 (1. NeuaufbauGDV81) den Ländern die Wahrnehmung der auf das Reich übergegangenen Hoheitsrechte zurück übertragen. Allerdings verwalteten die Landesbehörden nunmehr nur noch im Auftrag und im Namen des Reiches, soweit das Reich nicht allgemein oder im Einzelfall selbst von seinem Recht zur Verwaltung Gebrauch machte. Im Übrigen waren die obersten Landesbehörden nach § 4 der 1. NeuaufbauGDV dem zuständigen Reichsminister gegenüber weisungsgebunden. Speziell für die Wasserstraßen wurde am 15. April 1943 vom Ministerrat für die Reichsverteidigung mit Gesetzeskraft die Verordnung über die Reichswasserstraßen (RWStrV) erlassen.82 Reichswasserstraßen waren nach § 1 I RWStrV die Gewässer, welche in Gesetzen, Rechtsverordnungen oder auf ihnen beruhenden Verwaltungsanordnungen zu Reichswasserstraßen erklärt worden sind. Das nach § 1 I 2 RWStrV vorgesehene Verzeichnis ist aber nie erschienen. Der Bestand der Reichswasserstraßen konnte im Übrigen durch Erklärung des Generalinspektors für Wasser und Energie geändert werden, § 1 II RWStrV. § 1 III RWStrV ordnete an, das Reichswasserstraßen in Eigentum und Verwaltung des Reiches standen. Der Wasserstraßenstaatsvertrag aus dem Jahre 1921 wurde durch § 6 S. 3 RWStrV aufgehoben, weil die Übernahme der Wasserstraßen durch den Staatsvertrag und seine Nachträge gemäß § 6 S. 4 RWStrV als abgeschlossen galt. 80 81 82
RGBl 1934, S. 74. RGBl 1934, S. 81. RGBl 1943, S. 131.
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B. Verfassungsrechtliche Grundprobleme
bb) Rechtliche Folgen der Neuordnung des Reiches bezüglich der Wasserstraßen Bei der Einordnung der Gesetzgebung des Nationalsozialismus stellt sich grundsätzlich die Frage, ob die Normen, welche die Reichsregierung nach dem Ermächtigungsgesetz in Kraft setzte, überhaupt Wirkung beanspruchen können. Nachfolgend geht es aber gerade nicht darum, ob solche Normen nach Inkrafttreten des Grundgesetzes noch fortgelten konnten (dazu unter B. III. 1. c) cc)). Kern der nachfolgenden Betrachtung ist allein, ob nach 1933 gesetztes Recht – seine Wirksamkeit unterstellt – eine Veränderung im Bestand und der rechtlichen Einordnung der Reichswasserstraßen herbeigeführt hat oder hätte. Nur wenn solche Veränderungen erfolgten oder erfolgen sollten, kann die NS-Zeit für die Auslegung von Art. 89 I GG überhaupt Bedeutung haben. Zutreffend hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass das nationalsozialistische Regime die formelle Verfassungskraft überhaupt beseitigt hatte und die Reichsverfassung daher gegen Änderungen oder Abweichungen schutzlos war.83 Überdies darf auch nicht übersehen werden, dass kein Staatsorgan und keine staatliche Institution mehr vorhanden war, welche die Vereinbarkeit von Gesetzen oder Exekutivhandlungen mit der Verfassung hätte überprüfen dürfen oder können. Mithin ist im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für die Dauer des NS-Regimes von der Wirksamkeit der oben genannten Gesetze und Verordnungen „kraft soziologischer Geltungskraft“ auszugehen.84 Selbst wenn das Ermächtigungsgesetz – wofür die besseren Argumente sprechen – gemessen an der WRV verfassungswidrig war, so hatte es sich doch im Sinne revolutionärer Rechtsbegründung nach innen und außen tatsächlich durchgesetzt.85 (1) Keine Bestandsänderung durch das Neuaufbaugesetz Da Art. 2 I NeuaufbauG die Hoheitsrechte der Länder auf das Reich übergehen ließ, stellt sich konkret die Frage, ob es nach diesem Zeitpunkt neben Reichswasserstraßen eigentlich noch andere Wasserstraßen geben 83 BVerfG, Beschl. v. 24.04.1953 – 1 BvR 102/51 –, BVerfGE 2, 237, 249 = NJW 1953, 1017 (Hypothekensicherungsgesetz). 84 BVerfG, Urt. v. 10.05.1957 – 1 BvR 550/52 –, BVerfGE 6, 389, 414 f. (Homosexuellenentscheidung); vgl. aber auch kritisch zu der Frage, ob NS-„Recht“ überhaupt Recht im eigentlichen Sinne war, den Beitrag von Füßer, ZRP 1993, 180, 181 ff. 85 BVerfG, Urt. v. 26.03.1957 – 2 BvG 1/55 –, BVerfG 6, 309, 336 = NJW 1957, 705 = DVBl 1957, 385 (Reichskonkordat).
III. Verfassungsrechtliche Probleme im Einzelnen
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konnte, die von den Ländern verwaltet wurden. Denkbar ist nämlich, dass durch die Beseitigung der Länder als eigenständiger Verwaltungsebene alle schiffbaren Gewässer zu Reichswasserstraßen geworden waren. Wegen der Anknüpfung von Art. 89 I GG an die bisherigen Reichswasserstraßen hätte dies auch heute noch weitreichende Folgen. Dabei kann dahinstehen, ob die WRV als solche nach 1934 ihre Geltung vollkommen verloren hatte, wie im Schrifttum der damaligen Zeit zum Teil angenommen wurde.86 Zum einen war die Existenz der Länder nicht durch die WRV bedingt, denn die deutschen Einzelstaaten gab es schon vor der Reichsgründung 1871. Aus Art. 2 NeuaufbauG ergibt sich klar, dass die Länder als Rechtssubjekte fortbestanden. Dementsprechend wurde auch nach dem Neuaufbaugesetz die Ansicht vertreten, dass die Länder weiterhin als Gebietskörperschaften Eigentümer ihrer Liegenschaften, Domänen und Forste bleiben sollten.87 Die Länderverwaltungen wurden nur vollkommen der Reichsgewalt im Sinne einer einheitlichen Verwaltung unterworfen. Deshalb ist jedenfalls das Eigentum an den Wasserstraßen, welche zwischen 1921 und 1933 bei den Ländern verblieben waren, auch nach 1933 nicht automatisch auf das Reich übergegangen. Aber auch der Übergang der Länderhoheitsrechte auf das Reich konnte eine Bestandsänderung der Reichswasserstraßen nicht bewirken. Dagegen spricht schon § 1 I 1 RWStrV, der eine ausdrückliche Erklärung zur Reichswasserstraße durch Rechtsakt verlangte. Der bloße Übergang der Hoheitsrechte der Länder auf das Reich genügte hierfür nicht. Zu beachten ist auch, dass es selbst nach 1934 zumindest formal noch zwei Typen von Verwaltung im Deutschen Reich gab. Zum einen war dies die reichsunmittelbare Verwaltung und zum anderen die Verwaltung durch die Länder im Namen und im Auftrag des Reiches, wenngleich bei letzterer das Reich weisungsbefugt war und auch die Gegenstände der unmittelbaren Verwaltung 86 So insbesondere Carl Schmitt schon 1933, vgl. die Nachweise bei Nicolai, DJZ 1934, 233 und auch E. R. Huber, in: Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Stuttgart 1984, Bd. VII S. 1266, wonach die Machtübergabe an den Verfassungsfeind zur „Verfassungsvernichtung“ führte. Huber brachte noch 1939 ein umfassendes Lehrbuch zum deutschen Staatsrecht heraus. Kritisch zu den Inhalten der Staatsrechtslehre damals, auch zur Frage der Fortgeltung der WRV Dannemann, in: Böckenförde (Hrsg.), Staatsrecht und Staatsrechtslehre im Dritten Reich, Heidelberg 1985, S. 13 ff. m. w. N. Zur Staatsrechtslehre in der NS-Zeit vor allem aus personeller Sicht vgl. Kohl/Stolleis, Im Bauch des Leviathan, NJW 1988, 2849 (zu Huber S. 2852). 87 So z. Bsp. Nicolai, DJZ 1934, 233, 235 f. Nicolai war Regierungspräsident und zur Zeit der Verfassung des Beitrages im Reichsinnenministerium tätig. Ausführlich zum Fortbestand der Länder als Vermögensträger Berlit, S. 76 ff. Vom Fortbestand der Länder geht auch Dittmann, S. 61 aus.
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B. Verfassungsrechtliche Grundprobleme
oder der Auftragsverwaltung durch die Reichsregierung selbst festgelegt werden konnten. Festzuhalten bleibt daher, dass die Eigentumszuordnung der Wasserstraßen zwischen dem Reich und den Ländern und die Aufteilung in Reichswasserstraßen und sonstige Wasserstraßen durch die rechtliche Neuordnung des Reiches zunächst nicht verändert wurden. (2) Bestandsänderungen durch Exekutivakte der Reichsregierung Der wesentliche Unterschied zur Rechtslage vor 1933 bestand allerdings darin, dass die Reichsregierung nach 1934 einseitig den Bestand der Reichswasserstraßen ändern konnte, indem sie Gewässer durch Gesetz, Rechtsverordnung oder Verwaltungsanordnung zur Reichswasserstraße erklärte, vgl. § 1 I 1 RWStrV. Die Befugnis der Reichsregierung ergab sich letztlich aus Art. 4 NeuaufbauG, wonach die Regierung selbst neues Verfassungsrecht setzen konnte. Somit war sie befugt, zusätzlich zu den Wasserstraßen, welche 1921 nach Art. 97 I, 171 I WRV auf das Reich übergegangen waren, weitere Wasserstraßen in reichsunmittelbare Verwaltung zu überführen. Ein Übergang des Eigentums war für den Übergang der Verwaltung nicht zwingend erforderlich, er ist aber 1943 durch § 1 III RWStrV eingetreten. Ab 1943 lag die Befugnis, Gewässer zur Reichswasserstraße zu erklären, nach § 1 II RWStrV beim Generalinspektor für Wasser und Energie. Für diese Möglichkeit der Bestandsänderung der Reichswasserstraßen durch einseitige Erklärung gab es durchaus Beispielsfälle. Durch Bekanntmachung des Generalinspektors für Wasser und Energie vom 07. März 1942 sollten einige Teilabschnitte von Regnitz und Main als Reichswasserstraße übernommen werden.88 Zu der ursprünglich vorgesehenen (förmlichen) Übertragung des Eigentums von Bayern auf das Reich kam es aber nicht mehr. Zutreffend ging das Bundesverwaltungsgericht später davon aus, dass die Erklärung zur Reichswasserstraße angesichts der durch das Neuaufbaugesetz erweiterten Befugnisse des Reiches auch ohne Eigentumsübergang wirksam war.89 Ohnehin dürfte der Eigentumsübergang mit Inkrafttreten der RWStrV 1943 nach deren § 1 III auf das Reich erfolgt 88
Bekanntmachung des Generalinspektors für Wasser und Energie vom 07.03.1942 (Az. Wa 2 W 5366/41) über die Übernahme von Strecken der Regnitz und des Mains als Reichswasserstraße, RVerkBl. A 1942, 45 (betraf im Einzelnen: den rechtsseitigen Regnitzarm vom Burger Wehr bis zur Einmündung in die schiffbare Regnitz oberhalb des Bamberger Hafens, den südlichen Regnitzarm von km 5,645–km 5,110 und den Main von km 392,810 bis km 398,500). 89 BVerwG, Urt. v. 26.06.1959 – BVerwG IV A 1.58 –, BVerwGE 9, 50, 57 = DÖV 1960, 591; zustimmend offenbar Hoog, in: v. Münch/Kunig, Art. 89 Rdnr. 11; Sachs, Art. 89 Rdnr. 10; zweifelnd Ibler, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 89 Rdnr. 6.
III. Verfassungsrechtliche Probleme im Einzelnen
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sein.90 Durch die Unterstellung der Länderverwaltungen unter die Reichsregierung war die Eigentumsfrage aber letztlich ohnehin obsolet geworden: Zwar blieben die Länder – wie oben gesehen – grundsätzlich Eigentümer der Wasserstraßen, die nicht bis 1933 auf das Reich übergangen waren. Die hoheitliche Verwaltung dieser Wasserstraßen war ihnen aber durch Art. 2 I NeuaufbauG bereits entzogen und nur durch § 1 NeuaufbauGDV als Auftragsverwaltung zurück übertragen worden. Weitere Beispiele für einseitige Erklärungen zur Reichswasserstraße waren eine Teilstrecke der Lahn oberhalb von Gießen91 und eine Teilstrecke der oberen Donau92. Eine andere und deshalb gesondert zu betrachtende Frage ist, ob diese Bestandsänderungen auch zwingend nach Art. 89 I GG zu einem Übergang dieser Reichswasserstraßen auf den Bund führten (dazu unter B. III. 1. c) cc)). (3) Aufhebung des Wasserstraßenstaatsvertrages aus dem Jahre 1921 § 6 S. 3 RWStrV ordnete die Aufhebung des Wasserstraßenstaatsvertrages 1921 samt seinen Nachträgen und den Zustimmungsgesetzen des Reiches und der Länder an. Damit war aber keinesfalls bezweckt, den Übergang der dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen auf das Reich rückgängig zu machen. Vielmehr galt nach § 6 S. 4 RWStrV die Übernahme der Wasserstraßen nach den durch die Zustimmungsgesetze genehmigten Staatsverträgen als abgeschlossen. Zweifellos war man zu der Ansicht gelangt, dass es nach dem Übergang von Eigentum und Verwaltung der Wasserstraßen auf das Reich einer fortdauernden Rechtsgrundlage hierfür nicht bedurfte. Im Ergebnis kommt es darauf aber nicht an. Da der Übergang der Wasserstraßen nicht durch den Wasserstraßenstaatsvertrag, sondern ausschließ90
Vgl. hierzu Friesecke, DVBl 1962, 203, 204 (dort insb. Fn. 8). Bekanntmachung des Generalinspektors für Wasser und Energie vom 13. März 1942 über die Übernahme der bisher von Preußen und Hessen verwalteten Strecke der Lahn von 10 m unterhalb der Wieseckemündung bis zum Unterwasser des Wehrs Badenburg; RVerkBl. A 1942, 52. 92 Bekanntmachung über die Übernahme der oberen Donau als Reichswasserstraße vom 26. Juli 1941 (Az. Wa 2 G 4924/41), RVkBl A 1941, 171 (betraf die Donau von Ulm bis Kelheim, Flusskilometer 0 bis 173,4). Eine vollständige Liste der in dieser Zeit hinzugekommenen Reichswasserstraßen findet sich bei Fincke/ Willführ, Chronik über den Rechtsstatus der Reichswasserstraßen/Binnenwasserstraßen des Bundes im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nach dem 3. Oktober 1990, S. 59. 91
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B. Verfassungsrechtliche Grundprobleme
lich durch Art. 97 I, 171 I WRV bewirkt wurde (vgl. unter B. III. 1. a) dd)), hätte eine Aufhebung des insofern rechtlich bedeutungslosen Staatsvertrages auch nicht zum Rückfall der Wasserstraßen auf die Länder führen können. cc) Zwischenergebnis Zwischen 1933 und 1945 kam es zu keiner grundlegenden Veränderung bei der rechtlichen Einordnung der Wasserstraßen. Insbesondere wurden nicht alle schiffbaren Gewässer durch die Eingriffe in den Staatsaufbau und das Reich-Länder-Verhältnis zu Reichswasserstraßen. In Einzelfällen sind jedoch Wasserstraßen durch einen Exekutivakt der Reichsverwaltung in die Verwaltung des Reiches übernommen worden. Ein möglicherweise fehlender Eigentumsübergang änderte nichts daran, dass diese Gewässer Reichswasserstraße wurden. Unverändert blieb auch der Status derjenigen Wasserstraßen, die zwar dem allgemeinen Verkehr dienten, aber nicht in der Anlage A zum WaStrStV 1921 erfasst waren. Diese Wasserstraßen standen nach Art. 97 I, 171 I WRV im Eigentum des Reiches, wurden aber nicht unmittelbar von Reichsbehörden als Reichswasserstraßen angesehen und verwaltet. Umgekehrt war der Begriff der Reichswasserstraßen nicht durch das Merkmal „dem allgemeinen Verkehr dienend“ begrenzt. Reichswasserstraßen waren damit zunächst solche Gewässer, die nach Art. 97 I, 171 I WRV in das Eigentum des Reiches übergingen und im Anschluss an den hierzu geschlossenen Staatsvertrag auch vom Reich verwaltet wurden, sei es auch nur im Wege der mittelbaren Reichsverwaltung durch die Länder. Außerdem gehörten zu den Reichswasserstraßen aber auch die Gewässer, welche nur durch den Wasserstraßenstaatsvertrag 1921 auf das Reich übergingen und von ihm verwaltet wurden sowie solche Gewässer, die bis 1945 zu Reichswasserstraßen erklärt wurden.
c) Reichswasserstraßen im Sinne von Art. 89 I GG Im vorstehenden Abschnitt wurde der Begriff der Reichswasserstraße seinem Wortlaut nach auf die Rechtslage bis 1945 bezogen und entsprechend ausgelegt. Damit ist aber noch nicht entschieden, ob der Verfassungsgeber auch nahtlos an diese Rechtslage anknüpfen wollte. Folgende Punkte sind dabei besonders problematisch: Es wurde gezeigt, dass auch nicht dem allgemeinen Verkehr dienende Wasserstraßen Reichswasserstraßen sein konnten. Im Hinblick auf die beschränkte Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74 I Nr. 21 GG ist aber zu prüfen, ob auch diese Wasserstraßen
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von Art. 89 I GG erfasst werden (unter aa)). Auf der anderen Seite stehen die Gewässer, welche zwar nach Art. 97 I, 171 I WRV als dem allgemeinen Verkehr dienend auf das Reich übergingen, von ihm aber weder mittelbar noch unmittelbar verwaltet wurden, weil sie nicht in der Anlage A zum WaStrStV aufgeführt sind. Auch hier ist zu prüfen, ob diese Gewässer von Art. 89 I GG erfasst werden (unter bb)). Schließlich stellt sich die Frage, auf welchen Zeitpunkt das Wort „bisherig“ zu beziehen ist und ob auch die in der NS-Zeit vorgenommenen Bestandsänderungen bei den Reichswasserstraßen für Art. 89 I GG zu beachten sind (unter cc)). Der Wortlaut von Art. 89 I GG ist für alle drei Fragen nicht sonderlich ergiebig. Umso mehr Beachtung ist daher der Entstehungsgeschichte und Sinn und Zweck der Bestimmung zu widmen. aa) Die nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden früheren Reichswasserstraßen (1) Meinungsstand Die nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden früheren Reichswasserstraßen werden nach allgemeiner Auffassung unter Art. 89 I GG subsumiert93. Regelmäßig wird hierzu auf den WaStrStV 1921 verwiesen, weil dieser festlege, was als Reichswasserstraße anzusehen sei.94 Lediglich Sachs verweist zur Begründung darauf, dass das Merkmal „dem allgemeinen Verkehr dienend“ bei den Beratungen zum Grundgesetz zwar ursprünglich vorgesehen war, später aber gestrichen wurde.95 Eine weitergehende Begründung für die Zuordnung der nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden früheren Reichswasserstraßen zu Art. 89 I GG fehlt jedoch regelmäßig. Abweichend hiervon hatte v. Mangoldt ursprünglich noch vertreten, dass das Wasserstraßenvermögensgesetz vom 21. Mai 1951 in § 1 I 4 WaStrVermG mit dem Verweis auf den WaStrStV 1921 näher festlege, welche Wasserstraßen unter Art. 89 I GG fielen.96 Zur Begründung führt v. Mangoldt die in den westlichen Besatzungszonen zunächst noch geltenden Militärgesetze an, welche den Ländern abweichend von Art. 89 I GG das Eigentum und die Verwaltung der Wasserstraßen als „Treuhänder für einen 93
Zu den betroffenen Gewässern vgl. unter B. III. 1. a) ee). Ibler, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 89 Rdnr. 5; Hoog, in: v. Münch/ Kunig, Art. 89 Rdnr. 11; BVerfG, Urt. v. 30.10.1962 – 2 BvF 2/60 –, BVerfGE 15, 1, 16 = NJW 1962, 2243. 95 Sachs, Art. 89 Rdnr. 10. 96 v. Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz (1953), Art. 89 Anm. 3 (S. 487); so wohl auch Sievers, DVBl 1960, 457, 462. 94
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B. Verfassungsrechtliche Grundprobleme
deutschen, den Ländern übergeordneten Staat“97 zuwiesen; dieser Zustand sei erst durch das WaStrVermG beseitigt worden.98 (2) Stellungnahme Abzulehnen ist die Auffassung v. Mangoldts, der für den Anwendungsbereich von Art. 89 I GG auf § 1 I 4 WaStrVermG und den WaStrStV 1921 verweist. Da ein einfaches Gesetz verfassungsrechtliche Begriffe nicht definieren kann, ist der Umweg über § 1 I 4 WaStrVermG zur Begründung unzulässig. Anderenfalls hätte der Verfassungsgeber in das Grundgesetz einen ausdrücklichen Vorbehalt aufnehmen müssen, wonach die nähere Bestimmung der in das Bundeseigentum übergehenden Wasserstraßen durch eine gesetzliche Regelung erfolgt. Einen solchen Vorbehalt gibt es jedoch nicht, vielmehr ordnet Art. 89 I GG das Eigentum des Bundes unmittelbar an („ist Eigentümer“).99 Auch der Verweis auf entgegenstehendes Besatzungsrecht verfängt nicht. Zwar ist es zutreffend, dass Besatzungsrecht sogar den Bestimmungen des Grundgesetzes vorging.100 Besatzungsrecht aus der Zeit vor Inkrafttreten des Grundgesetzes unterfiel auch nicht Art. 123 I GG, der im Zweifel dem Grundgesetz den Vorrang eingeräumt hätte.101 Nachdem aber die einschlägigen besatzungsrechtlichen Regelungen durch die Besatzungsmächte aufgegeben wurden, erlangte Art. 89 I GG unmittelbar und uneingeschränkt Geltungskraft. Auf das WaStrVermG kam es insofern nicht an, die Eigentumszuweisung an den Bund in § 1 I 1 WaStrVermG ist rein deklaratorischen Inhalts. Nach dem Wortlaut von Art. 89 I GG sind auch die nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden und in Reichseigentum und Reichsverwaltung stehenden Wasserstraßen erfasst, da sie im damaligen Rechtsverständnis 97 So Art. IV Ziff. 4 des Gesetzes der US-Militärregierung Nr. 19 v. 20.04.1949 in: Military Government Gazette, Issue Nr. v. 16.06.1949, S. 9 (= Amtsblatt der Militärregierung Deutschland – Amerikanische Zone); vgl. im Übrigen zu den anderen Besatzungszonen die Nachweise bei Zieger, in: v. Münch, Grundgesetz, 2. Aufl. 1983, Art. 134 Rdnr. 7. 98 v. Mangoldt, ebd. (Fn. 96); ähnlich auch Maunz, in: Maunz/Dürig (Erstkommentierung), Art. 89 Rdnr. 3, mit ausführlichen Nachweisen der besatzungsrechtlichen Regelungen; a. A. wohl Durner, in: Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 89 Rdnr. 5, der die Verwaltungsrechte der Länder mit Inkrafttreten des Grundgesetzes enden lässt. 99 Petersen, Dt. Küstenrecht, Rdnr. 1019. 100 Vgl. Ziff. VII des Besatzungstatuts vom 10.04.1949, ABlAHK, S. 10, geändert durch das revidierte Besatzungsstatut vom 06.03.1951, ABlAHK, S. 803. 101 BVerfG, Urt. v. 18.03.1953 – 1 BvL 11/51 –, BVerfGE 2, 181, 201 ff. = NJW 1953, 657 und Beschl. v. 28.04.1954 – 1 BvL 85/53 –, BVerfGE 3, 368, 374 f.; Wolff, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 123 Rdnr. 17.
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„Reichswasserstraßen“ waren. An die allein nach Art. 97 I, 171 I WRV übergegangenen Wasserstraßen knüpft das Grundgesetz hingegen nicht ausdrücklich an. Die Entstehungsgeschichte der Norm spricht ebenfalls gegen die Beschränkung auf die dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen. Allerdings kann dieses weite Verständnis von Art. 89 I GG nicht aus dem Umstand hergeleitet werden, dass der Parlamentarische Rat im Laufe seiner Beratungen das Tatbestandsmerkmal „dem allgemeinen Verkehr dienend“ aus dem Entwurf gestrichen hat, weil die Änderung des Textes andere Gründe hatte. Auf der 6. Sitzung des Zuständigkeitsausschusses am 30. September 1948 lautete der Entwurf zum damaligen Art. 118 I noch wie folgt:102 „Der Bund ist Eigentümer der dem allgemeinen Verkehr dienenden bisherigen Wasserstraßen.“
Mit Wasserstraßen waren aber offensichtlich nicht alle dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen gemeint, sondern nur die bisherigen Reichswasserstraßen, wie die Erläuterungen von Laforet und Hoch im Ausschuss erhellen.103 Dementsprechend formulierte man auf der 13. Ausschusssitzung am 15. Oktober 1948:104 „Der Bund ist Eigentümer der dem allgemeinen Verkehr dienenden bisherigen Reichswasserstraßen.“
Allerdings waren sich die Ausschussmitglieder bis zu diesem Zeitpunkt des Umstandes gar nicht bewusst, dass es infolge des WaStrStV 1921 auch Reichswasserstraßen gab, die nicht dem allgemeinen Verkehr dienten. Noch in derselben Sitzung schlug das Ausschussmitglied Strauß eine wiederum geänderte Fassung mit folgendem Wortlaut vor:105 „Der Bund ist Eigentümer der Seewasserstraßen und der dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen.“
Der Grund für diesen Änderungsvorschlag lag in Diskussionen, welche die Einbeziehung der Mündungsbereiche der großen deutschen Flüsse in die Nordsee zum Ziel hatten. Strauß konnte seinen Vorschlag jedoch nicht durchsetzen. Auch er erkannte im Übrigen nicht die Bedeutung des Begriffes „Reichswasserstraße“. Erst auf der 18. Sitzung am 24. November 1948 kam in diese Frage neuerliche Bewegung und zwar durch einen Anstoß von außen. An jenem Tag erreichte den Ausschuss nämlich die Stellungnahme 102 Wernicke/Booms, Bd. 3 S. 283. 103 Wernicke/Booms, 104 Wernicke/Booms, 105 Wernicke/Booms,
Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Akten und Protokolle, ebd. S. 283 (Laforet) und 285 (Hoch). Bd. 3 S. 554. Bd. 3 S. 557.
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des früheren Ministerialrates im Reichsverkehrsministerium, Ernst Brandenburg. In der Stellungnahme, welche im Ausschuss auszugsweise verlesen wurde, machte Brandenburg darauf aufmerksam, dass nach dem Verzeichnis in der Anlage A zum WaStrStV 1921 ein festgelegter Kreis von Wasserstraßen auf das Reich übergangen sei.106 Wenn das Grundgesetz nun auf die „dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen“ abstelle, gehe es über den Anwendungsbereich des WaStrStV hinaus und würde dem Bund zahlreiche regionale Wasserläufe übertragen, für deren Übertragung an den Bund kein Bedürfnis bestehe. Brandenburg schlug daher vor, den Entwurf entsprechend umzuformulieren:107 „Der Bund ist Eigentümer der bisherigen Reichswasserstraßen des Bundesgebietes.“
Im Anschluss an die Verlesung der Stellungnahme musste das Ausschussmitglied Strauß auf kritische Nachfrage von Laforet einräumen, dass er den WaStrStV 1921 bis dahin „eilfertig“ nicht berücksichtigt hatte. Das Problem der nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden Reichswasserstraßen hatte Brandenburger hingegen gar nicht angesprochen und es wurde auch nach Erwähnung des WaStrStV 1921 nicht erkannt. Vielmehr bezweckte man mit der Streichung des Merkmals „dem allgemeinen Verkehr dienend“ nur den Ausschluss solcher Gewässer, die zwar dem allgemeinen Verkehr dienten, bislang aber in Eigentum und Verwaltung der Länder verblieben waren. Die Streichung dieses Tatbestandsmerkmals kann daher jedenfalls nicht unmittelbar als Argument zur Einbeziehung der nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden Reichswasserstraßen in den Anwendungsbereich von Art. 89 I GG herangezogen werden, denn diese Folge hatte der Parlamentarische Rat gerade nicht im Blick. Deutlich wird aber, dass der Parlamentarische Rat nahtlos an den bisherigen Bestand der Reichswasserstraßen anknüpfen wollte. Es ist deshalb konsequent, auch die nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden Reichswasserstraßen Art. 89 I GG zu unterwerfen, schließlich kann das Gesetz „klüger“ als der Gesetzgeber sein (vgl. B. II. 2.). Letztlich wird diese Auslegung auch vom Sinn und Zweck der Regelung mitgetragen: Art. 89 I GG muss eine eindeutige Zuordnung des Eigentums der Wasserstraßen zwischen Bund und Land gewährleisten. Dies gelingt am besten, wenn an dem tatsächlich als Reichswasserstraßen verwalteten Bestand angeknüpft wird. Müsste das (einschränkende) Merkmal „dem allgemeinen Verkehr dienend“ herangezogen werden, gäbe es nur einen abstrakt bestimmbaren Kreis der im Eigentum des Bundes stehenden Wasserstraßen, was vom Verfassungsgeber ersichtlich nicht bezweckt war, wie letztlich auch die Reaktion des 106 107
Wernicke/Booms, Bd. 3 S. 684 ff. Wernicke/Booms, ebd. (Fn. 106).
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Parlamentarischen Rates auf die Einlassung Brandenburgs zeigt, wenngleich das Problem im Ausschuss nicht vollständig erkannt wurde. Gegen dieses Ergebnis lässt sich auch nicht der Einwand führen, dass sich die Verwaltungskompetenz des Bundes nach der Gesetzgebungskompetenz richtet und demnach gemäß Art. 74 I Nr. 21 GG auf die dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen beschränkt sei. Art. 89 I GG trifft über die Verwaltung der Wasserstraßen nämlich gerade keine Regelung. Diese bleibt Art. 89 II 1 GG vorbehalten. Ob danach auch die nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden bisherigen Reichswasserstraßen als Bundeswasserstraßen verwaltet werden dürfen, ist eine andere Frage (dazu unter B. III. 3.). Zutreffend ist deshalb schon von anderen Autoren darauf hingewiesen worden, dass Art. 89 I GG eine Sonderregelung zur allgemeinen Regelung über die Zuordnung von Reichsvermögen in Art. 134 I GG darstellt108 und seine Einstellung in den VIII. Abschnitt des Grundgesetzes deshalb fragwürdig ist.109 Die Regelung der Eigentumsfrage in Art. 89 I GG ist nur durch den gegenständlichen Zusammenhang mit der Verwaltung in Art. 89 II GG zu erklären. Im Ergebnis bleibt aber festzuhalten, dass die nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden früheren Reichswasserstraßen von Art. 89 I GG erfasst werden. bb) Die dem allgemeinen Verkehr dienenden, im Eigentum des Reiches befindlichen Wasserstraßen, welche von den Ländern verwaltet wurden, und ihr rechtliches Schicksal Sollen die dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen, die sich lediglich im Eigentum des Reiches befanden und nicht unter den Wasserstraßenstaatsvertrag fielen (vgl. unter B. III. 1. a) ee)), unter Art. 89 I GG gefasst werden, so steht der Wortlaut dem nicht zwingend entgegen. Er ist an dieser Stelle mehrdeutig. Soweit ersichtlich, wurde deshalb aber bislang noch nirgends vertreten, dass solche Wasserstraßen in Bundeseigentum übergegangen seien. Das mag daran liegen, dass bislang aus Art. 97 I, 171 I WRV noch nicht die Konsequenz gezogen wurde, auch diese Wasserstraßen dem automatischen Übergang auf das Reich zuzuordnen. Die h. M. hat sich diesem Problem daher bislang noch nicht stellen müssen. 108
Maunz, in: Maunz/Dürig (Erstkommentierung), Art. 89 Rdnr. 5, 6, ausführlich Rdnr. 20; differenzierend Gröpl, in: Maunz/Dürig, Art. 89 Rdnr. 27; Hoog, in: v. Münch/Kunig, Art. 89 Rdnr. 12. 109 Hermes, in: Dreier, Art. 89 Rdnr. 9.
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B. Verfassungsrechtliche Grundprobleme
Schon bei den nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden, in Reichsverwaltung übernommenen Wasserstraßen wurde jedoch die Entstehungsgeschichte von Art. 89 I GG dargestellt (vgl. unter B. III. 1. c) aa)). Der Parlamentarische Rat hat nach der Stellungnahme von Brandenburg ganz bewusst das Merkmal „dem allgemeinen Verkehr dienend“ aus Art. 89 I GG gestrichen, um diese „regionalen“ Wasserstraßen110 des allgemeinen Verkehrs nicht auf den Bund übergehen zu lassen. Sie fallen daher nicht unter Art. 89 I GG. In diesem Fall wird aber die Frage aufgeworfen, wer dann Eigentümer dieser Wasserstraßen (z. Bsp. deutscher Teil des Rheins oberhalb Basel und des Bodensees111) geworden ist. Das Reich ist jedenfalls Eigentümer bis zum 08. Mai 1945 geblieben. Dennoch erfordert dieses Problem keine Auseinandersetzung mit der lange Zeit diskutierten und unter anderem vom Bundesverfassungsgericht112 bejahten Frage, ob das Deutsche Reich auch nach Inkrafttreten des Grundgesetzes als Rechtssubjekt fortexistierte113, weil im Geltungsbereich des Grundgesetzes sämtliches vorhandene Reichsvermögen nach Art. 134 I GG auf den Bund übergegangen ist. Art. 134 I GG wirkte unmittelbar und bedurfte keines weiteren Umsetzungsaktes.114 Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass Art. 89 I GG eine Vorrangregelung115 sei und alle hiervon nicht erfassten Wasserstraßen deshalb im Eigentum der Länder stehen müssten. Zum einen würde dann noch eine Zuordnungsregelung an die Länder im Grundgesetz fehlen. Zum anderen war sich der Verfassungsgeber des Problems gar nicht bewusst, so dass ein bewusster Ausschluss dieser Wasserstraßen aus dem Bundeseigentum nicht angenommen werden kann. Es ist daher auf die allgemeine Regelung in Art. 134 I GG zurückzugreifen, so dass der Bund Eigentümer wurde. Dabei 110
In diesem Sinne Brandenburg, zitiert nach Wernicke/Booms, Bd. 3 S. 685. Vgl. hierzu BayOblG, Beschl. v. 29.06.1989 – BReg 2 Z 63/89 – BayOblGZ 1989, 270 = NJW 1989, 2475; nach dessen Auffassung ist der bayerische Teil des Bodensees, soweit er eigentumsfähig ist, stets Landeseigentum geblieben, auf Art. 97 I WRV geht das Gericht nicht ein. Zu den Hoheitsverhältnissen am Bodensee siehe Hoog, AVR 25 (1987), 202, 216 m. w. N. 112 BVerfG, Urt. v. 31.07.1973 – 2 BvF 1/73 –, BVerfGE 36, 1, 16 ff. = NJW 1973, 1539 (Grundlagenvertrag), wobei das BVerfG explizit ausspricht, dass das Deutsche Reich noch rechtsfähig sei; ebenso schon früher BFH, Urt. v. 21.02.1952 – IV 439/51 –, BFHE 56, 324 = BStBl. III 1952, 128; unter Hinweis auf die Lehre von der Teilidentität der Bundesrepublik mit dem Reich zuletzt NdsOVG, Urt. v. 21.04.2004 – 7 LC 97/02 –, NuR 2004, 687, 689. 113 Ausführlich zu dieser Frage und mit umfassenden Nachweisen Klein, in: v. Mangoldt, Grundgesetz, 2. Aufl. (1966), Überblick Nr. VI (Bd. I S. 29 ff.); Bernhardt, VVDStRL 38 (1979), 7, 15 ff. 114 Dietlein, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 134 Rdnr. 2. 115 Maunz, in: Maunz/Dürig (Erstkommentierung), Art. 89 Rdnr. 5, 6, ausführlich Rndr. 20; Hoog, in: v. Münch/Kunig, Art. 89 Rdnr. 12; Berlit, S. 106. 111
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ist es jedoch nicht geblieben. Soweit Landesrecht (vgl. § 4 V WHG; Art. 65 EGBGB a. F.) dem Grundbuch unterfallende Wassergrundstücke kennt, ist eine Ersitzung durch den eingetragenen Eigentümer, zumeist das Land, nach § 900 I 1 BGB eingetreten. Zwar hat der Bundesgerichtshof mehrfach – ohne tiefere Begründung – entschieden, dass an früheren Reichswasserstraßen wegen des Vorrangs von Art. 89 I GG eine Ersitzung oder ein gutgläubiger Erwerb nicht möglich ist.116 Diese Rechtsprechung bezieht sich aber nur auf Art. 89 I GG. Im Unterschied dazu bezweckt Art. 134 I GG im Interesse der Rechtsklarheit nur eine vorläufige Zuordnung des Reichsvermögens, die unter den Voraussetzungen von Art. 134 II–IV GG keine dauernde sein muss.117 Daher dürfte es wegen der Ersitzung durch die jeweils im Grundbuch eingetragenen juristischen oder auch natürlichen Personen im Ergebnis nirgendwo mehr „unerkanntes“ Bundeseigentum an Wasserstraßen geben, die zwar dem allgemeinen Verkehr dienen, aber Art. 89 I GG nicht unterfallen. cc) Einordnung der nach 1933 zur Reichswasserstraße erklärten Gewässer Dem Wortlaut nach können auch die Gewässer als Reichswasserstraßen im Sinne von Art. 89 I GG angesehen werden, die aufgrund von Art. 4 NeuaufbauG, § 1 I 1 RWStrV zu solchen erklärt worden sind. Vor allem der Begriff „bisherige Reichswasserstraße“ lässt darauf schließen, dass alle bis zum 08. Mai 1945 als Reichswasserstraßen verwalteten Gewässer gemeint sind. Zwar ist umstritten, ob das Wort „bisherig“ auf den militärischfaktischen Zusammenbruch des Reiches am 08./09. Mai 1945118 oder das Inkrafttreten des Grundgesetzes119 am 23. Mai 1949 zu beziehen ist. Die besseren Argumente sprechen freilich für den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Grundgesetzes, weil „bisher“ nach seinem Wortlaut nichts anderes als „bis zu diesem Zeitpunkt“ meint. Für diesen Zeitpunkt spricht weiterhin, dass mit dem Zusammenbruch des Reiches eine rechtliche Konsequenz für 116
BGH, Urt. v. 9.07.1987 – III ZR 274/85 –, BGHZ 102, 1, 5 = MDR 1988, 296 (Brodersbyer Noor); Urt. v. 14.12.1989 – III ZR 288/88 –, BGHZ 110, 148, 155 (Trave) = NJW 1990, 3263, 3265; noch weitergehend Friesecke, WaStrG, Einl. Rdnr. 21. 117 Dietlein, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 134 Rdnr. 4. 118 BVerwGE 9, 50, 53 (Fn. 89); ebenso Hoog, in: v. Münch/Kunig, Art. 89 Rdnr. 12; Durner, in: Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 89 Rdnr. 11; Hermes, in: Dreier, Art. 89 Rdnr. 11; Sachs, Art. 89 Rdnr. 11. 119 Gröpl, in: Maunz/Dürig, Art. 89 Rdnr. 17; ebenso Maunz ebd. (Erstkommentierung), Rdnr. 28; dahingehend wohl auch Ibler, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 89 Rdnr. 7.
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das Reichsvermögen zunächst nicht verbunden war. Ein bestimmter Sachgrund, der für den vom Wortlaut her eher fern liegenden Zeitpunkt des 08. Mai 1945 spricht, konnte dementsprechend auch noch nicht aufgezeigt werden. Die Frage könnte im Übrigen jedenfalls für die alten Bundesländer dahinstehen, weil nach dem 08. Mai 1945 in Ermangelung einer handlungsfähigen Reichsregierung kein Gewässer mehr zur Reichswasserstraße erklärt werden konnte. Eine solche Handlung wurde – soweit ersichtlich – auch nicht von den Ländern oder den Besatzungsmächten vorgenommen. Erst recht nicht wird man das Wort „bisherig“ so verstehen können, dass damit nur die bis 1933 entstandenen Reichswasserstraßen gemeint waren. Eine solche Bedeutung ergibt sich weder aus dem Wort selbst noch aus dem Zusammenhang der Verfassung. Auch die Beratungsprotokolle des Parlamentarischen Rates geben für eine solche Einschränkung nichts her. Dort war man sich des Problems offenbar gar nicht bewusst. Ob das Reich an diesen Wasserstraßen Eigentum erworben hatte, kann ebenfalls dahinstehen, da Art. 89 I GG nunmehr dem Bund das Eigentum zuweist, ohne ausdrücklich früheres Eigentum des Reiches zu verlangen.120 Ein derartiges Erfordernis ist im Parlamentarischen Rat ebenfalls nicht diskutiert worden. Die Einordnung von Gewässern zu Reichswasserstraßen nach 1933 durch Erklärung des Generalinspektors für Wasser und Energie beruhte jedoch auf dem NeuaufbauG von 1934 und dieses auf dem Ermächtigungsgesetz von 1933, welches im Hinblick auf seine Vereinbarkeit mit der Weimarer Reichsverfassung schwersten Bedenken unterlag.121 Vor diesem Hintergrund stellt sich daher allein die Frage, ob die Einordnung vor dem Hintergrund des nationalsozialistischen Charakters der zugrunde liegenden Ermächtigungen heute noch Bestand haben kann bzw. ob das Grundgesetz an dem dadurch angestrebten oder geschaffenen Rechtszustand festhält. Folgende Lösungen dieses Problems kommen in Betracht: War die Erklärung zur Reichswasserstraße auch in Anbetracht ihrer Ermächtigung schon für die damalige Zeit als rechtswirksam anzusehen (vgl. dazu unter B. III. 1. b) bb)), so fallen die betreffenden Gewässer unproblematisch unter Art. 89 I GG. War die Erklärung nach damaligem Recht schon unwirksam und lediglich eine Tatsache ohne Rechtsfolge, so können diese Gewässer dennoch unter Art. 89 I GG fallen, wenn die Norm nicht zwingend an rechtswirksam erklärte Reichswasserstraßen anknüpft, sondern auch solche erfassen soll, 120 Gröpl, in: Maunz/Dürig, Art. 89 Rdnr. 14; ebenso Maunz ebd. (Erstkommentierung), Rdnr. 31; im Ergebnis ebenso Ibler, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 89 Rdnr. 6; Petersen, Dt. Küstenrecht, Rdnr. 1018, 1053; Friesecke, Einl. Rdnr. 20. 121 BVerfG Beschl. v. 19.02.1957 – 1 BvR 357/52 – BVerfGE 6, 132, 198 = NJW 1957, 579 (Gestapo).
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die nur in „tatsächlicher“ Hinsicht Reichswasserstraßen waren, weil sie als solche bezeichnet und verwaltet wurden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts waren Normen des NS-Systems, auch wenn sie an sich keiner legitimen Rechtsordnung angehörten, „kraft soziologischer Geltungskraft“ zu beachten, sofern damit nicht offenbares Unrecht gesetzt wurde.122 Diese Rechtsprechung nimmt letztlich die von Gustav Radbruch entwickelte Radbruchsche Formel123 auf, nach der unerträglich ungerechte Gesetze der Gerechtigkeit ebenso weichen müssen wie Gesetze, die Gerechtigkeit nicht einmal anstreben. Damit wird der zutreffenden Erkenntnis Rechnung getragen, dass kein Gesetzgeber frei von jeglichen Schranken ist, es also Grenzen der Rechtssetzungsmacht gibt, die auch nicht im Wege einer Verfassungsänderung oder Abschaffung einer Verfassung überwunden werden können124. Nach der Definition des Bundesverfassungsgerichts liegt offenbares Unrecht vor, wenn die betreffenden Normen fundamentalen Prinzipien der Gerechtigkeit so evident widersprechen, dass der Richter, der sie anwenden oder ihre Rechtsfolgen anerkennen wollte, Unrecht statt Recht sprechen würde.125 Diese Rechtsprechung betraf regelmäßig Normen, die sich gegen bestimmte, vom NS-Regime verfolgte Gruppen der Bevölkerung richtete. Sie kann auf die hier zu beurteilende Frage jedoch nicht ohne weiteres angewendet werden, da es ausschließlich um Verschiebungen der Verwaltungszuständigkeiten zwischen Reich und Ländern in einem ganz bestimmten Teilbereich geht. Ob es im Verhältnis zwischen Reich und Ländern, also innerhalb des staatlichen Bereichs, „offenbares Unrecht“ in diesem Sinne überhaupt geben kann, ist mehr als zweifelhaft. Jedenfalls wird man der Übernahme einzelner weniger Verkehrsgewässer von den Ländern auf das Reich einen solchen Unrechtsgehalt nicht zusprechen können, zumal die Übernahme zum Teil auf Initiative der Länder hin erfolgte.126 Mithin ist davon auszugehen, dass die nach 1933 erfolgte Erklärung eines Gewässers zur Reichswasserstraße auch für Art. 89 I GG zu beachten ist. Der Einwand, wonach § 1 I 1, 4 WaStrVermG den Kreis der auf den Bund übergehenden Wasserstraßen auf die in der Anlage A zum Wasserstraßenstaatsvertrag genannten Gewässer beschränkt hat, geht demgegenüber ins Leere, weil das WaStrVermG als einfaches Recht nicht wirksam den Inhalt der Verfassungsbestimmung in Art. 89 I GG ändern 122
BVerfGE 6, 132, 198 a.a.O (Fn. 121). Radbruch, SJZ 1946, 105, 107. 124 BVerfG, Urt. v. 18.12.1953 – 1 BvL 106/53 – BVerfGE 3, 225, 230; ausführlich zum Problemkreis auch Füßer, ZRP 1993, 180, 181. 125 BVerfG, Beschl. v. 14.02.1968 – 2 BvR 557/62 –, BVerfGE 23, 98, 107 = DVBl 1968, 791 (zu einer Verordnung nach dem Reichsbürgergesetz, mit der jüdischen Bürgern die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt wurde). 126 BVerwGE 9, 50, 57 (Fn. 89). 123
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B. Verfassungsrechtliche Grundprobleme
kann.127 Gleiches gilt für den Einwand, dass die Reichswasserstraßenverordnung durch § 10 WaStrVermG aufgehoben wurde. Zum einen erfolgten die Übernahmen der betreffenden Gewässer noch vor Inkrafttreten der Verordnung 1943 auf der Grundlage von Art. 4 NeuaufbauG. Zum anderen hat die Aufhebung von Normen, die während des Nationalsozialismus erlassen wurden, regelmäßig keine Rückwirkung in dem Sinne, dass sie als niemals erlassen anzusehen wären.128 Selbst wenn man die nach 1933 erfolgte Erklärung zur Reichswasserstraße für unwirksam erachten sollte, hätte das den Verfassungsgeber nicht gehindert, auch diese nur „tatsächlichen“ Reichswasserstraßen nach Art. 89 I GG auf den Bund übergehen zu lassen. Mit dem Grundgesetz wurden die Verwaltungszuständigkeiten und die Zuordnung des öffentlichen Vermögens teilweise völlig neu geregelt. Der Verfassungsgeber konnte dabei kraft seiner übergeordneten Rechtsetzungsmacht ohne weiteres auch früheres Landeseigentum dem Bund zuordnen.129 Ein irgendwie geartetes, rechtlich anerkennenswertes Restitutionsinteresse der Länder gibt es nicht.130 d) Die besondere Rechtslage bezüglich der Seewasserstraßen Art. 89 I GG differenziert im Gegensatz zu Art. 74 I Nr. 21 GG nicht zwischen Binnen- und Seewasserstraßen. Wie schon in Art. 97 I WRV ist auch in Art. 89 I GG lediglich von „Wasserstraßen“ die Rede. Daher ist seit Inkrafttreten der WRV umstritten, ob und in welchem Umfang auch Seegewässer und Mündungsgebiete der großen deutschen Flüsse von den jeweiligen Regelungen erfasst sind. aa) Meinungsstand Nach weit überwiegender Meinung gehören zum Begriff der Wasserstraßen auch Seewasserstraßen. Diese Auffassung wurde schon zu Art. 97 I WRV131 vertreten und kann in jüngerer Zeit zu Art. 89 I GG als allgemeine Meinung angesehen werden132. Umstritten ist allerdings noch heute, ob 127
Ibler, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 89 Rdnr. 5. So zutreffend BVerwGE 9, 50, 57 (Fn. 89). 129 Ähnlich für den Bereich der Küstengewässer Petersen, Dt. Küstenrecht, Rdnr. 1053. 130 Ähnlich BVerfG, Beschl. v. 11.03.1997 – 2 BvG 3, 4/95 –, BVerfGE 95, 250, 265 = NJW 1998, 219 zur Frage analoger Anwendung von Art. 134 GG in den neuen Bundesländern. 131 Anschütz, WRV, Art. 97 Anm. 3. 128
III. Verfassungsrechtliche Probleme im Einzelnen
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nach Art. 97 I WRV und nachfolgend Art. 89 I GG als Seewasserstraßen nur die jeweiligen Fahrrinnen an Reich bzw. Bund übergegangen sind (enger Seewasserstraßenbegriff, dazu unter 1.) oder die Seegewässer in ihrer gesamten Ausdehnung (weiter Seewasserstraßenbegriff, dazu unter 2.). (1) Enger Seewasserstraßenbegriff Nach einer vor allem im Schrifttum vertretenen Ansicht sind als Seewasserstraßen nur die als Verkehrsstrecken eingerichteten Teile der ins Meer führenden Ströme – mithin die Fahrrinnen – anzusehen.133 Dafür, dass die gesamten Küstengewässer zu den Seewasserstraßen zählten, gäbe es keine Anhaltspunkte.134 Nach Hoog sei die Frage zwar „theoretisch“ noch nicht hinreichend geklärt, praktisch aber ohne Relevanz, weil § 1 II WaStrG die räumliche Ausdehnung der Seewasserstraßen festlege.135
132 Vgl. nur Ibler, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 89 Rdnr. 5; Hoog, in: v. Münch/Kunig, Art. 89 Rdnr. 15; Gröpl, in: Maunz/Dürig, Art. 89 Rdnr. 13; ebenso Maunz ebd. (Erstkommentierung), Rdnr. 30; Sachs, Art. 89 Rdnr. 10; Durner, in: Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 89 Rdnr. 8; Bernhardt, DVBl 1961, 569, 570; aus der Rechtsprechung: BGH, Urt. v. 24.02.1967 – V ZR 29/64 –, BGHZ 47, 117, 120 = DVBl. 1967, 534 (zur Schlei) und zuvor schon zur Schlei OLG Schleswig, Urt. v. 08.11.1963 – 6 U 50/62 –, DVBl 1965, 35 = SchlHAnz 1964, 125; a. A. soweit ersichtlich nur Ramelow, DVBl 1962, 88, 90, der auf den Wasserstraßenstaatsvertrag abstellt und meint, dass mangels konkreter Bezeichnung der Seewasserstraßen ein Übergang auf das Reich nicht habe stattfinden können. 133 Maunz, in: Maunz/Dürig (Erstkommentierung), Art. 89 Rdnr. 30; ebenso Wiedemann, DVBl 1965, 17; 20; vgl. im Ergebnis auch Petersen, Dt. Küstenrecht, Rdnr. 1012, 1067; im Ergebnis gleiche Auffassung schon bei Bernhardt, DVBl 1961, 569, 570 f., der sich aber ohne hinreichende Beachtung des übergeordneten Charakters der Verfassung auf die Frage beschränkt, ob die gesamten Küstengewässer Bundeswasserstraßen im Sinne des durch BVerfG 15, 1 (Fn. 16) für verfassungswidrig erklärten Gesetzes zur Reinhaltung der Bundeswasserstraßen vom 17.08.1960 (BGBl 1960 II, 2125) seien. Für den engen Seewasserstraßenbegriff zunächst wohl auch Harders, NJW 1989, 2452, 2454, der sich aber – ohne eigene Sachargumente – in Jura 1991, 63, 68 der Gegenauffassung des BGH anschließt. Zu Unrecht wird mitunter auch Sachs, Art. 89 Rdnr. 19 zu den Anhängern eines engen Seewasserstraßenbegriffes gezählt. Sachs verlangt aber für den Gegenstand der der Bundesverwaltung nach Art. 89 II GG unterliegenden Wasserstraßen, dass diese dem allgemeinen Verkehr dienen müssen, für den Gegenstand von Art. 89 I GG verzichtet Sachs ausdrücklich auf dieses Erfordernis (ebd. Rdnr. 10.). 134 Maunz, in: Maunz/Dürig (Erstkommentierung), Art. 89 Rdnr. 30. 135 Hoog, in: v. Münch/Kunig, Art. 89 Rdnr. 17.
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B. Verfassungsrechtliche Grundprobleme
(2) Weiter Seewasserstraßenbegriff Die h. M. stützt sich für den weiten Seewasserstraßenbegriff hingegen vor allem auf historische Erwägungen und Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte.136 So wird zur Begründung oft darauf abgestellt, dass die Begründung des Wasserstraßenstaatsvertrages aus dem Jahr 1921 den Übergang der Seewasserstraßen anspreche und darin der Wille von Reich und Ländern zum Ausdruck komme.137 Das OLG Schleswig hat diesem Argument hingegen wenig Gewicht beigemessen und zur Begründung des Ergebnisses den Schwerpunkt vielmehr auf Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte gelegt.138 Eine Abgrenzung sei im Hinblick auf die sich durch Natureinflüsse ständig verändernden Fahrrinnen durch eine Markierung kaum zu erreichen. Weiterhin erfordere der Zweck der jeweiligen Vorschrift, nämlich die Erleichterung der Unterhaltung der Schifffahrtswege durch Reich bzw. Bund, dass diesen die Seewasserstraßen in vollem Umfang übertragen seien.139 Jedenfalls spreche der Wortlaut des Begriffes „Straße“ nicht zwingend für eine lineare Begrenzung.140 Der Bundesgerichthof hat die Frage lange offen gelassen. Für die Schlei, ein fjordartiges Gewässer in Schleswig-Holstein, hat er zunächst auf die Besonderheiten dieses Gewässers abgestellt.141 Erst mit dem Urteil zur Hohwachter Bucht hat sich der BGH ausdrücklich der Auffassung angeschlossen, dass die Seewasserstraßen 1921 in ihrer gesamten Seitenausdehnung auf das Reich übergegangen seien und dies über Art. 89 I GG auch heute für den Bund gelten würde.142 Zur Begründung hat er im Wesentlichen die Zweckmäßigkeitserwägungen angestellt, die auch schon das OLG Schleswig herangezogen hatte.143 § 1 II WaStrG hingegen ist nach Ansicht des 136
Durner, in: Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 89 Rdnr. 10; Gröpl, in: Maunz/Dürig, Art. 89 Rdnr. 15; ohne nähere Begründung wohl auch Ibler, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 89 Rdnr. 11. 137 So zum Beispiel Kowallik, DVBl 1986, 1088, 1094 und Tober, DVBl 1961, 575, 583; vgl. hierzu die Begründung zum Wasserstraßenstaatsvertragsgesetz in RTVerh. Bd. 367, Drs. 2235, S. 22, wo es heißt, dass die Seewasserstraßen in ihrer Gesamtheit übergehen. 138 OLG Schleswig, Fn. 132, DVBl 1965, 35, 36. 139 OLG Schleswig, Fn. 132, DVBl 1965, 35, 36; Gröpl, in: Maunz/Dürig, Art. 89 Rdnr. 17. 140 OLG Schleswig, Fn. 132, DVBl 1965, 35, 37; a. A. Wiedemann, DVBl 1965, 17, 20. 141 BGH, Urt. v. 24.02.1967 – V ZR 29/64 –, BGHZ 47, 117, 123; ähnlich für das zur Schlei gehörende Brodersbyer Noor, BGHZ 102, 1, 3 (Fn. 116). 142 BGH, Urt. v. 22.06.1989 – III ZR 266/87 –, BGHZ 108, 110, 114 = NJW 1989, 2464. 143 BGHZ 108, 110, 117 (Fn. 142).
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BGH nur eine gesetzliche Auslegungsregel ohne eigentumsrechtliche Wirkung.144 Dieser Auffassung hat sich auch das Bundesverwaltungsgericht kritiklos und weitgehend kommentarlos angeschlossen.145 bb) Stellungnahme Zunächst ist festzustellen, dass zu den übergegangenen Wasserstraßen auch Seewasserstraßen zählten. Wenngleich dies aus dem Verfassungstext nicht unmittelbar hervorging, entsprach dies dem Willen des Verfassungsgebers für die WRV.146 Die ursprünglich geplante gesonderte Erwähnung der Seewasserstraßen unterblieb nur, weil man die Seewasserstraßen ohnehin vom Begriff der Wasserstraßen erfasst sah.147 Auch im Parlamentarischen Rat bestand nach einer Diskussion über Details Einigkeit darüber, dass die Seewasserstraßen auf den Bund übergehen sollten.148 Ein Rückgriff auf § 1 I 1 WaStrVermG, der die Seewasserstraßen ausdrücklich erwähnt, ist deshalb weder notwendig noch zulässig.149 Dass ein Übergang mangels konkreter Benennung der einzelnen Seewasserstraßen nicht möglich war, ist unzutreffend, weil das hierfür angeführte Spezialitätsprinzip im Bereich verfassungsrechtlicher Rechtsetzung nicht gilt (vgl. hierzu schon unter B. III. 1. a) dd)). Für die unter dem Grundgesetz maßgebliche Ausdehnung der Seewasserstraßen kann es weiterhin auf § 1 II WaStrG gar nicht ankommen, weil es sich um eine erst deutlich nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes entstandene Regelung handelt, die als einfaches Gesetz nicht den Inhalt einer verfassungsrechtlichen Regelung definieren kann. Ebenso geht der Verweis auf den Wasserstraßenstaatsvertrag und seine Begründung fehl, da die Wasserstraßen ohne diesen Vertrag kraft der Anordnung der Weimarer Reichsverfassung in Art. 97 I WRV übergegangen sind (siehe dazu schon unter B. III. 1. a) dd)). Zwar ist zuzugeben, dass weder den Abgeordneten der Nationalversammlung von 1919 noch dem Parlamentarischen Rat die Frage der Seitenausdehnung der Seewasserstraßen vor Augen 144 BGHZ 108, 110, 114 (Fn. 142); so zuvor schon BGHZ 102, 1, 3 (Fn. 116) und nachfolgend auch Urt. v. 20.06.1996 – III ZR 116/94 –, NVwZ 1997, 99, 101 = MDR 1996, 1232 (Hafen Strande). 145 BVerwG, Urt. v. 30.11.1990 – 7 A 1/90 –, BVerwGE 87, 169, 174 = DVBl 1991, 389. 146 Vgl. nur aus der Sitzung der Nationalversammlung vom 30.04.1919 in RTVerh. Bd. 336 die Äußerungen von Koch (S. 347, 350), Scharmer (S. 348), Nebelthau (S. 349) und aus der Sitzung vom 09.07.1919 die Ausführungen des Berichterstatters Dr. Quarck, RT-Verh. Bd. 327, 1364 (D). 147 Vgl. Koch und Scharmer, Fn. 146, ebd. 148 Wernicke/Booms; Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Akten und Protokolle, Bd. 3 S. 683. 149 A. A. offenbar Friesecke, DVBl 1962, 203.
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B. Verfassungsrechtliche Grundprobleme
stand.150 Methodisch gesehen erwächst daraus jedoch kein entscheidendes Problem, weil es gerade die Aufgabe von Rechtsprechung und Lehre ist, offene Gesetzes- oder Verfassungsbegriffe genauer auszuformen und abzugrenzen. In diesem Sinne hat sich schon Laforet im Parlamentarischen Rat geäußert. Man begnüge sich mit der Feststellung, dass der Bund Eigentümer der Reichswasserstraßen sei und überlasse das Übrige Wissenschaft und Praxis.151 Als Argument für den engen Seewasserstraßenbegriff lässt sich zunächst nicht im Wege systematischer Auslegung anführen, dass Art. 101 WRV den gesonderten Übergang der Seezeichen anordnete und diese Norm bei einem weiten Seewasserstraßenbegriff überflüssig sei, weil die Seezeichen dann Bestandteil der schon nach Art. 97 I, 171 II WRV übergehenden Seewasserstraßen seien. Die gesonderte Übertragung der Seezeichen war auch bei einem weiten Seewasserstraßenbegriff nötig, da viele Seezeichen außerhalb der damals noch geltenden Dreimeilenzone für die Hoheitsgewässer lagen.152 Demnach ist entscheidend auf Sinn und Zweck von Art. 97 I WRV/ Art. 89 I GG abzustellen, weil Art. 89 I GG nahtlos an die Regelung der WRV anknüpfen soll und es auch bei der Auslegung verfassungsrechtlicher Regelungen notwendig ist, Sinn und Zweck zu berücksichtigen. Dies gilt zumal dann, wenn die historische Auslegung zur Lösung des Problems nichts beitragen kann, weil das konkrete Problem dem Verfassungsgeber nicht vor Augen stand (siehe hierzu schon B. II. 1.). Wenn Sinn und Zweck der Zentralisierung der Seewasserstraßen die Erleichterung ihrer Erhaltung war, so kann das Eigentum des Bundes nicht auf eine bestimmte Fahrrinne beschränkt werden. Dagegen sprechen nicht nur Schwierigkeiten bei der Abgrenzung der Fahrrinne. Auch bei notwendigen Veränderungen (z. Bsp. Verlegung der Fahrrinne) würden Probleme auftreten.153 Es würde sich die Frage stellen, ob der Bund ohne Zustimmung der Länder eine solche Verlegung mit der Folge des Eigentumsübergangs durchführen könnte. Im Ergebnis entstehen bei einer Beschränkung des Ei150 So schon zutreffend OLG Schleswig, Fn. 132, DVBl 1965, 35, 36; lediglich die Äußerungen von Strauß in der 19. Sitzung des Zuständigkeitsausschusses am 1. Dezember 1948 scheinen von einem weiten Seewasserstraßenbegriff auszugehen: „Der Rechtsbegriff der Seewasserstraße umfasst sowohl die Mündung als auch das Küstengebiet“, in: Wernicke/Booms, Bd. 3 S. 707. 151 Wernicke/Booms; Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Akten und Protokolle, Bd. 3 S. 283. 152 Vgl. Wiedemann, DVBl 1965, 17, 21. 153 Dagegen mit beachtlichen Argumenten Wiedemann, DVBl 1965, 17, 19, der darauf verweist, das durch entsprechende Markierung, Betonnung und Verzeichnung in den Seekarten eine genaue Abgrenzung, ähnlich wie bei Landgrundstücken, möglich ist.
III. Verfassungsrechtliche Probleme im Einzelnen
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gentums an den Seewasserstraßen auf die Fahrrinne also wesentlich mehr Konflikte als bei einem weiten Seewasserstraßenbegriff. Da Art. 89 I GG nicht zuletzt im Interesse der Rechtssicherheit eine eindeutige Zuordnung bezweckt, ist ein enger Seewasserstraßenbegriff mit den Intentionen des Verfassungsgebers kaum zu vereinbaren. Vor diesem Hintergrund ist auch § 1 II WaStrG kritisch zu würdigen. Die Norm ist allenfalls rein deklaratorischen Inhalts154. Der vom BGH geprägte Begriff der „gesetzlichen Auslegungsregel“ führt schon deshalb in die Irre, weil sie richtigerweise im Zusammenhang mit § 1 I WaStrG gelesen werden muss. Wenn es dort aber heißt, „Bundeswasserstraßen nach diesem Gesetz sind die Binnenwasserstraßen des Bundes . . . [und] die Seewasserstraßen“, so kann § 1 II WaStrG außerhalb eben dieses Gesetzes gar keine Geltung beanspruchen.155 Die Norm regelt nur, was Gegenstand der Wasserwegeverwaltung des Bundes nach Art. 89 II 1 GG sein kann156, denn das WaStrG ist Wasserwegerecht. Ihre Entstehung verdankt die Norm allein dem Bemühen des Bundes, die zwischen ihm und den Ländern umstrittene Rechtslage klarzustellen. Zum Ausgleich erhielten die Länder die in § 1 III WaStrG normierte Nutzungsbefugnis.157 Schließlich kann auch nicht für Art. 89 I GG der enge Seewasserstraßenbegriff mit dem Argument vertreten werden, dass über § 1 II WaStrG letztlich eine Änderung erfolgt ist, die dem Bund mit Inkrafttreten des WaStrG das Eigentum an den Seewasserstraßen in voller Seitenausdehnung (doch noch) gewährt. Die Regelung hätte dann eine in Art. 89 I GG nicht vorgesehene konstitutive Wirkung.158 Es gibt jedoch keinen Anhaltspunkt dafür, dass Art. 89 I GG insofern noch Raum für eine ausfüllende Regelung belassen hat, einen Art. 134 IV GG entsprechenden Vorbehalt kennt die Norm nicht. Ein Rückgriff auf die allgemeine Regelung in Art. 134 IV GG ist ebenfalls ausgeschlossen, da die Seewasserstraßen gerade von Art. 89 I GG erfasst werden, der insoweit lex specialis ist. Im Ergebnis ist somit der weite Seewasserstraßenbegriff der h.M zutreffend. Dazu bedarf es keines Rückgriffes auf § 1 II WaStrG oder auf den Wasserstraßenstaatsvertrag aus dem Jahr 1921. Zutreffend ist vor allem die Auffassung des Bundesgerichthofs, wonach bereits mit dem Übergang der 154
A. A. Hoog, vgl. Fn. 135. Auf diesen Umstand weist zu Recht Petersen, Dt. Küstenrecht, Rdnr. 1076 hin (Fn. 129). 156 Petersen, Dt. Küstenrecht, Rdnr. 1078. 157 Ausführlich zur Entstehungsgeschichte BVerwG, Urt. v. 06.07.1990 – 4 A 1/87 –, BVerwGE 85, 223 = DVBl 1990, 1172, 1173 (in BVerwGE insoweit nicht abgedruckt). 158 Zu Problemen der Gesetzgebungskompetenz für diesen Fall vgl. Petersen, Dt. Küstenrecht, Rdnr. 1071 ff. 155
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B. Verfassungsrechtliche Grundprobleme
Wasserstraßen auf das Reich 1921 die Seegewässer in ihrer gesamten Ausdehnung als Seewasserstraßen in Reichseigentum und Reichsverwaltung übergegangen sind. e) Die Wasserstraßen in der früheren DDR und West-Berlin Frühere Reichswasserstraßen gab es selbstverständlich auch im Gebiet der ehemaligen DDR und in West-Berlin. Ob diese Gewässer unter Art. 89 I GG fallen, ist umstritten (unter aa)). Eine Beurteilung dieser Frage erfordert daher eine Analyse der Rechtsvorgänge seit Ende des 2. Weltkrieges (unter bb)). aa) Meinungsstand Nach einer Ansicht fallen die früheren Reichswasserstraßen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR unter Art. 89 I GG. Zur Begründung wird vor allem auf Art. 3 und auf Art. 8 des Einigungsvertrages (EV)159 verwiesen, die für die fünf neuen Bundesländer die Überleitung des Bundesrechts einschließlich des Grundgesetzes zum Beitrittstermin am 3. Oktober 1990 anordneten.160 Nach anderer Ansicht folgt ein Übergang der früheren Reichswasserstraßen in der DDR auf den Bund aus der Überleitung des WaStrVermG gemäß Art. 8 EV.161 Nach wieder anderer Ansicht ist auf die „Verordnung zur Überleitung des Bundeswasserstraßenrechts nach Berlin (West) und in das in Art. 3 des Einigungsvertrages vom 31. August 1990 genannte Gebiet“ vom 13. November 1990 abzustellen.162 Der Bundesverkehrsminister war durch Art. 8 EV iVm. Anlage I, Kap. XI, Sachgebiet E, Abschnitt III, 7. lit. b) ermächtigt worden, die dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen in den neuen Ländern zu Bundeswasserstraßen zu erklären und hierzu auch die Anlage zum WaStrG zu ändern. Nach einer Mindermeinung sind hingegen weder Art. 89 GG, noch das WaStrVermG oder die Überleitungsverordnung vom 13. November 1990 anwendbar. Entscheidend sei vielmehr Art. 21 I EV, der den Übergang des 159 Vertragsgesetz vom 23.09.1990 (BGBl II 1990, 885) und Einigungsvertrag vom 31.08.1990 (BGBl II 1990, 889). 160 Hoog, in: v. Münch/Kunig, Art. 89 Rdnr. 13a; Durner, in: Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 89 Rdnr. 23; Friesecke, LKV 1990, 129, 130; ders., in: WaStrG, Einl. Rdnr. 20; Reinheimer, S. 88 f.; ohne nähere Begründung ebenso BVerwG, Urt. v. 25.09.1996 – 11 A 25/96 –, BVerwGE 102, 74 = NVwZ 1997, 919 (zitiert nach juris Rdnr. 33). 161 Ibler, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 89 Rdnr. 12. 162 BGBl II 1990, 2524; hierauf verweist insbesondere Hermes, in: Dreier, Art. 89 Rdnr. 12 aber auch Hoog, in: v. Münch/Kunig, Art. 89 Rdnr. 13a.
III. Verfassungsrechtliche Probleme im Einzelnen
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Verwaltungsvermögens auf den Bund anordnete, soweit nicht nach dem Grundgesetz die Länder oder Gemeinden für die Wahrnehmung der Verwaltungsaufgabe zuständig sind.163 Weitgehende Einigkeit besteht für die Wasserstraßen im ehemaligen West-Berlin. Nach Friesecke war in West-Berlin aufgrund besatzungsrechtlicher Vorbehalte vor der Wiedervereinigung weder Art. 89 I GG noch Art. 134 GG164 anwendbar. Erst durch die Regelung in § 1 des Gesetzes zur Überleitung von Bundesrecht nach West-Berlin vom 25.09.1990165 sei der Eigentumsübergang auf den Bund durch § 1 I 1 WaStrVermG bewirkt worden166; bis dahin sei das Deutsche Reich Eigentümer der Wasserstraßen Berlins geblieben.167 bb) Stellungnahme Eine Anwendung von Art. 89 I GG auf Wasserstraßen in der ehemaligen DDR ist zwar grundsätzlich denkbar, würde aber voraussetzen, dass es dort am 03. Oktober 1990 noch Reichswasserstraßen gegeben hat. Dies folgt aus dem Wortlaut von Art. 89 I GG, der von den „bisherigen“ Reichswasserstraßen spricht. Damit ist zwar in erster Linie der Zeitpunkt des Inkrafttretens des Grundgesetzes am 23. Mai 1949 gemeint (vgl. hierzu schon B. III. 1. c) cc)). Da das Grundgesetz in den neuen Ländern jedoch erst am 03. Oktober 1990 in Kraft trat, ist für die neuen Bundesländer auf diesen späteren Zeitpunkt abzustellen. Ob es bis dahin in der DDR noch im Reichseigentum stehende Wasserstraßen gab, ist nach dem bis dahin geltenden Recht der DDR zu beurteilen.
163 Sachs, Art. 89 Rdnr. 17; Gröpl, in: Maunz/Dürig, Art. 89 Rdnr. 19; von Art. 21 EV ausgehend auch VG Berlin, Beschl. v. 10.04.2006 – 27 A 128.04 –, zitiert nach juris Rdnr. 16 für die Insel Kratzbruch im Rummelsburger See; ebenso VG Dresden, Urt. v. 23.04.1998 – 7 K 3234/95 –, zitiert nach juris Rdnr. 28 für ein Ufergrundstück an der Elbe. Generell kritisch zur Vereinbarkeit von Art. 21 EV mit dem Grundgesetz Berlit, S. 198 ff. 164 Die Anwendbarkeit von Art. 134 GG hat auch das KG, Beschl. v. 20.06.1975 – 1 W 1069/74 – bestritten. Die Entscheidung ist beim KG leider nicht mehr als Abdruck verfügbar und auch nicht veröffentlicht worden; die Erwägungen des Gerichts sind jedoch bei Zieger, in: v. Münch, Grundgesetz, 2. Aufl. 1983, Art. 134 Rdnr. 8a wiedergegeben. 165 6. Überleitungsgesetz, BGBl I 1990, 2106. 166 Friesecke, Fn. 160, S. 130; ders., in: WaStrG, Fn. 45, Einl. Rdnr. 20; ebenso Ibler, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 89 Rdnr. 12 und Hoog, in: v. Münch/Kunig, Art. 89 Rdnr. 13a. 167 Friesecke, Fn. 160, S. 130.
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B. Verfassungsrechtliche Grundprobleme
Die Verfassung der DDR (DDRVerf) kannte im Gegensatz zum Grundgesetz keine Regelungen zur Rechtsnachfolge in früheres Reichsvermögen. Art. 124 II der DDRVerf von 1949 bestimmte lediglich: „Die bisherigen Reichsautobahnen und Reichsstraßen sowie alle dem Fernverkehr dienenden Straßen stehen in der Verwaltung der Republik. Entsprechendes gilt für Wasserstraßen.“
Das entsprach dem Staatsverständnis der DDR, wonach die DDR weder teilidentisch mit dem Deutschen Reich noch dessen (partieller) Rechtsnachfolger war.168 Deshalb rückte die DDR auch nicht in vermögenswerte Rechtspositionen des Reiches ein.169 Allerdings hat die DDR das frühere Reichsvermögen durch eine ministerielle Anordnung 1950 in Volkseigentum überführt.170 Damit waren auch die früheren Reichswasserstraßen in Volkseigentum übergegangen und verloren somit ihre Eigenschaft als Reichswasserstraßen. Dem folgend verwendete das Wassergesetz der DDR von 1963 (WassG 1963)171 den Begriff der Reichswasserstraßen auch an keiner Stelle, es bestimmte lediglich, dass das Ministerium für Verkehrswesen für den Bau, Betrieb und die Instandhaltung von Wasserstraßen mit besonderer Bedeutung für die Schifffahrt verantwortlich ist. Diese Regelung wurde in § 6 I WassG 1982 beibehalten.172 Zu beachten ist weiterhin Art. 12 I der DDRVerf von 1968173. Die Norm hatte folgenden Inhalt: „Die Bodenschätze, die Bergwerke, Kraftwerke, Talsperren und großen Gewässer, die Naturreichtümer des Festlandsockels, größere Industriebetriebe, Banken und Versicherungseinrichtungen, die volkseigenen Güter, die Verkehrswege, die Transportmittel der Eisenbahn, der Seeschiffahrt sowie der Luftfahrt, die Post- und Fernmeldeanlagen sind Volkseigentum. Privateigentum daran ist unzulässig.“ [Hervorhebungen durch den Autor] 168
Bernhardt, VVDStRL 38 (1979), 7, 17. OG, Urt. v. 31.10.1951 – 1 Zz 78/51 – OGEZ 1, 236, 240 = NJ 1952, 222. 170 BVerwG, Urt. v. 28.09.1995 –, 7 C 57.94 – BVerwGE 99, 283, 290 = WM 1996, 226 = NJ 1996, 266. Nach § 6 I des Gesetzes über die Reform des öffentlichen Haushaltswesens v. 15.12.1950 (GBl. 1950, 1201) sollte das gesamte öffentliche Vermögen nach den Grundsätzen für die Verwaltung von Volksvermögen verwaltet werden. 171 Gesetz über den Schutz, die Nutzung und die Instandhaltung der Gewässer und den Schutz vor Hochwassergefahren – Wassergesetz vom 17.04.1963 (GBl. I 1963, 77). 172 GBl. I 1982, 467; zur Verwaltung der Wasserstraßen in der DDR vgl. Friesecke, WaStrG, Einl. Rdnr. 36. 173 Verfassung vom 6. April 1968, GBl. I 1968, 199. Über die neue Verfassung wurde die einzige Volksabstimmung in der Geschichte der DDR durchgeführt. Trotz intensiver Propaganda stimmten „nur“ 94,49 % der Wähler für die neue Verfassung. 169
III. Verfassungsrechtliche Probleme im Einzelnen
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Dadurch erfolgte auch verfassungsrechtlich eine Absicherung des Eigentumsüberganges an den früheren Reichswasserstraßen. Selbst wenn man also bis 1968 bei rechtlicher Fortexistenz des Deutschen Reiches (vgl. dazu schon unter B. III. 1. c) bb)) auch eine Existenz von Reichswasserstraßen bejahen würde, wäre jedenfalls durch Art. 12 I DDRVerf 1968 unmittelbar Volkseigentum174 entstanden. Zwar ist zuzugeben, dass die Formulierungen „große Gewässer“ und „Verkehrswege“ sehr unbestimmt waren. Dennoch dürften davon jedenfalls alle Binnengewässer erfasst sein, die Reichswasserstraßen waren. Somit existierten zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung am 03. Oktober 1990 Reichs(binnen-)wasserstraßen in der ehemaligen DDR nicht mehr. Trotz des offenen Wortlauts von Art. 12 I DDRVerf 1968 kann man dies im Ergebnis auch auf die Seewasserstraßen beziehen.175 Diese erhalten ihre seewärtige Begrenzung durch die Grenze für die Hoheitsgewässer. Bezüglich Art. 134 GG hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass wegen der Überführung früheren Reichsvermögens in Volkseigentum zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung in der DDR kein Reichsvermögen mehr vorhanden war, so dass Art. 134 GG auf das Gebiet der ehemaligen DDR nicht anwendbar ist.176 Da Art. 89 I GG nur eine Spezialregelung im Verhältnis zu Art. 134 GG ist, kann für den speziellen Bereich der Wasserstraßen nichts anderes gelten. Art. 89 I GG ist somit tatbestandlich in den neuen Bundesländern ebenso unanwendbar wie das Wasserstraßenvermögensgesetz. Die Kritik177 an der vorzitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts würdigt nicht hinreichend den Zweck der Vorschriften des Grundgesetzes zur Vermögensverteilung. Die Vorschriften waren in erster Linie auf die spezielle Situation 1949 zugeschnittene Übergangsvorschriften.178 Die Vorschriften basierten auf der Vorstellung, dass das Deutsche Reich als Zuordnungsobjekt noch fortbestand. In der ehemaligen DDR greift dieser Gedanke jedoch nicht. Erst recht scheidet ein Eigentumsübergang nach der „Verordnung zur Überleitung des Bundeswasserstraßenrechts“ vom 13.11.1990 aus. Die Verordnung sollte (und konnte) lediglich die Unterstellung der Wasserstraßen unter die bundeseigene Verwaltung nach Art. 89 II 1 GG bewirken. Dies 174 175
Vgl. hierzu § 18 II ZGB vom 19.06.1975, GBl I, 1975, 465. Vgl. auch Diekamp, ZBB 2004, 10, 13, der diese Frage im Ergebnis offen
lässt. 176 BVerwG, Fn. 170, BVerwGE 99, 283, 289; zustimmend Mager, in: v. Münch/ Kunig, Art. 134 Rdnr. 5 ff.; Geulen, LKV 2005, 158; a. A. Berlit, S. 271. 177 Dietlein, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 134 Rdnr. 16; ausführlich Koch, in: Sachs, Art. 134 Rdnr. 18. 178 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 11.03.1997 – 2 BvG 3, 4/95 –, BVerfGE 95, 250, 265 = NJW 1998, 219.
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B. Verfassungsrechtliche Grundprobleme
ergibt sich unmittelbar schon aus der Verordnung selbst, die lediglich die Änderung der Anlage zum WaStrG bewirkte und aus der Überleitung des „Wasserstraßenrechts“. Zu diesem Verkehrswegerecht gehört das Eigentum an den Wasserstraßen aber gerade nicht (vgl. zur Begrenzung auf das Verkehrswegerecht A. II.). Zutreffend ist vielmehr die von Sachs179 vertretene Auffassung, wonach der Eigentumsübergang der Wasserstraßen auf den Bund zum Beitrittstermin durch Art. 21 I 1 EV bewirkt wurde. Art. 21 I 1 EV verlangt als Grundsatz insoweit nur, dass es sich um Vermögen der DDR handeln musste, welches unmittelbar bestimmten Verwaltungsaufgaben diente (Verwaltungsvermögen). Negative Voraussetzung ist, dass es sich nicht um Vermögen für Verwaltungsaufgaben handeln darf, für deren Wahrnehmung nach dem Grundgesetz andere öffentlich-rechtliche Verwaltungsträger (insb. Länder und Gemeinden) zuständig waren. Die Norm bezweckte daher die Zuordnung von Verwaltungsvermögen an den nach dem Beitritt jeweils zuständigen Verwaltungsträger, um diesen zur Erfüllung seiner Aufgaben entsprechend materiell auszustatten. Die Voraussetzungen für einen Übergang auf den Bund liegen demnach vor. Die Wasserstraßen gehörten als Volkseigentum zum Vermögen der DDR. Sie dienten tatsächlich auch unmittelbar bestimmten Verwaltungsaufgaben. Dabei kommt es für diese Zuordnung zum Verwaltungsvermögen auf eine öffentlich-rechtlich gesicherte Zweckbestimmung an180. Diese ist regelmäßig bei (gewidmeten) öffentlichen Sachen gegeben181. Da das Verwaltungsrecht der DDR das Institut der Widmung jedoch nicht kannte, genügt an deren Stelle eine definitive Entscheidung des zuständigen Rechtsträgers, dass der Vermögensgegenstand für die fragliche Verwaltungsaufgabe bestimmt wurde.182 Die Wasserstraßen wurden entsprechend § 6 WassG-DDR vom Ministerium für Verkehrswesen verwaltet. Durch diese Bestimmung erfolgte die Zuordnung der Wasserstraßen als Vermögensgegenstände zur Verkehrswegeverwaltung. Da die Verwaltung der dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen nach Art. 89 II 1 GG dem Bund zusteht, kommt auch keine Zuordnung zu einem anderen Verwaltungsträger in Betracht.183
179
Sachs, Art. 89 Rdnr. 17. Vgl. BVerwG, Urt. v. 16.12.2003 – 3 C 50.02 –, BVerwGE 119, 349, 350 = DVBl 2004, 581, das Merkmal der gesicherten Zweckbestimmung dient der Abgrenzung zum Finanzvermögen nach Art. 22 EV. 181 BGH, Urt. v. 19.02.1995 – VII ZR 29/94 – BGHZ 128, 394, 396 = NJW 1995, 1492. 182 BVerwG, Urt. v. 14.12.2006 – 3 C 2.06 – BVerwGE 127, 243, 248 = DVBl 2007, 845; Berlit, S. 227. 183 So auch zur Zuordnung eines Ufergrundstückes an der Elbe nach Art. 21 I 1 EV an den Bund VG Dresden, Urt. v. 14.05.1998 – 6 K 3233/95 –, zitiert nach juris insb. Rdnr. 23, 28. 180
III. Verfassungsrechtliche Probleme im Einzelnen
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Komplizierter ist die Rechtslage für das frühere West-Berlin. Wenn man Art. 89 I GG für die Zeit vor der Wiedervereinigung wegen besatzungsrechtlicher Vorbehalte für nicht anwendbar hält, wird damit nicht hinreichend differenziert, denn nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts galt das Grundgesetz von Anfang an auch in WestBerlin.184 Die besatzungsrechtlichen Vorbehalte verstand das Bundesverfassungsgericht lediglich dahin, dass Bundesorgane in Berlin keine Staatsgewalt ausüben durften185, Berlin also nicht vom Bund regiert werden dürfe.186 Die Eigentumszuordnungsregelung des Art. 89 I GG stellt im Gegensatz zur Bundesverwaltung nach Art. 89 II 1 GG keine Ausübung von Staatsgewalt dar.187 Die Regelung war deshalb trotz der alliierten Vorbehalte gegenüber der Anwendung des Grundgesetzes in West-Berlin anwendbar.188 Selbst wenn man die Regelung nicht originär für anwendbar hält, wäre sie doch aufgrund der Überleitungsregel in Art. 87 III BerlVerf als Landesrecht anwendbar.189 Dieses Ergebnis wird jedoch durch das Handeln der Alliierten in Frage gestellt. Die Alliierten hatten 1960 die Erstreckung von Bundesrecht auf die ehemaligen Reichswasserstraßen durch Berliner Landesrecht aufgehoben. Darin liegt allerdings keine Ausübung der besatzungsrechtlichen Vorrechte in Bezug auf das Eigentum an den Wasserstraßen190. Für die Alliierten dürfte entscheidend gewesen sein, dass die Wasserstraßen durch den Bund nicht verwaltet werden. Freilich kommt es im Ergebnis auf diese rechtliche Streitfrage nicht mehr an: Da eine Übertragung des Eigentums der früheren Reichswasserstraßen in West-Berlin auf andere Rechtsträger (insb. das Land West-Berlin) nicht erfolgte, wäre ohne Anwendung von Art. 89 I GG das Deutsche Reich Eigentümer geblieben.191 In diesem Fall wäre aufgrund der Überleitung des gesamten Bundesrechts auf West-Berlin im Zuge der Wiedervereinigung Art. 89 I GG zu 184 BVerfG, Beschl. v. 21.05.1957 – 2 BvL 6/56 –, BVerfGE 7, 1, 7 = NJW 1957, 1273 (Ls. 2); Beschl. v. 27.03.1974 – 2 BvR 38/74 –, BVerfGE 37, 57, 62 = NJW 1974, 893; dem zustimmend Bernhardt, VVDStRL 38 (1979), 7, 36 f. Ablehnend hingegen Pestalozza, JuS 1983, 241, 248–254; gegen ihn Sendler, JuS 1983, 902. 185 BVerfGE 7, 1, 7 (Fn. 184); zustimmend auch Scholz, in: Isensee/Kirchhof, HdBStR, § 9 Rdnr. 51; ebenso Graf Vitzthum, ebd. § 16 Rdnr. 18. 186 Ansatzweise schon BVerfG, Beschl. v. 25.10.1951 – 1 BvR 24/51 –, BVerfGE 1, 70, 72 (zur Geltung der Grundrechte in Berlin). 187 So auch Zieger, in: v. Münch, Fn. 164, Art. 134 Rdnr. 7. 188 Ebenso zu Art. 134 I GG jetzt auch BVerfG, Beschl. v. 15.01.2008 – 2 BvF 4/05 –, BVerfGE 119, 394, 415 = DVBl 2008, 377 (Rdnr. 61 ff.). 189 Näher, insbesondere zum schwer verständlichen Wortlaut von Art. 87 BerlVerf, Pestalozza, Fn. 184, S. 253 f. 190 So aber Zieger, in: v. Münch, Fn. 164, Art. 134 Rdnr. 8e. 191 So zutreffend Friesecke, Fn. 160, S. 130.
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B. Verfassungsrechtliche Grundprobleme
diesem Zeitpunkt in Kraft getreten und auch tatbestandlich anwendbar gewesen.192 Dem steht nicht entgegen, dass Art. 89 I GG eine auf die 1949 vorgefundene Rechtslage zugeschnittene Übergansvorschrift darstellt, weil in West-Berlin – im Unterschied zur ehemaligen DDR – teilweise noch die Rechtslage des Jahres 1949 bestand. Somit ergibt sich letztlich, dass die Ausgangslage zur Wiedervereinigung in Berlin-West eine andere als in den neuen Bundesländern war, in denen die Reichswasserstraßen in Volkseigentum übergegangen waren. cc) Konsequenzen für die nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen Aus der dargestellten Rechtslage ergeben sich besondere Konsequenzen für die nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen. Diese sind im Zweifel nach Art. 12 I DDR-Verf 1968 ebenfalls Volkseigentum geworden, da im Gegensatz zu den „großen Gewässern“ und „Verkehrswegen“ nur kleine Gewässer und solche Gewässer vom Anwendungsbereich ausgeschlossen waren, auf denen (praktisch) kein Schiffsverkehr stattfinden kann. Soweit diese Gewässer Verwaltungsvermögen waren, sind sie nicht nach Art. 21 I EV auf den Bund übergegangen. Die Verwaltung der nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen fällt – wie noch unter B. III. 3. zu zeigen ist – nicht unter Art. 89 II 1 GG. Vielmehr steht deren Verwaltung nach Art. 30, 83 GG allein den Ländern zu. Ein praktisches Beispiel hierfür ist der Saale-Leipzig-Kanal. Er sollte die Stadt Leipzig mit der Saale verbinden und beginnt westlich des Stadtzentrums. Allerdings wurde er kriegsbedingt nie fertig gestellt und endet bereits nach 11 Kilometern. Eine Schifffahrt ist auf ihm zwar praktisch möglich. Dennoch findet sie u. a. mangels Anschlussmöglichkeiten nicht statt. Somit handelt es sich um eine nicht dem allgemeinen Verkehr dienende Wasserstraße. Der Bund geht davon aus, Eigentümer dieser Wasserstraße zu sein.193 Richtigerweise sind jedoch die Länder Sachsen und Sachsen-Anhalt nach Art. 21 II EV Eigentümer des Gewässers geworden. Deshalb müssten sie eigentlich anstelle des Bundes die Eigentümerpflichten und ins192 Für die Wasserstraßen kommt es schließlich nicht auf die bei Geulen in LKV 2005, 158, 159 diskutierte Frage an, ob, das Reichsvermögensgesetz (RVG) trotz Ablauf der in ihm genannten Fristen in West-Berlin nach der Wiedervereinigung anwendbar war, weil der Eigentumsübergang unmittelbar aufgrund von Art. 89 I GG erfolgte, ohne dass es hierfür eines Ausführungsgesetzes bedurft hätte. Dies entspricht im Übrigen auch der h. M. zu Art. 134 GG, vgl. Mager, in: v. Münch/Kunig, Art. 134 Rdnr. 2 m. w. N. 193 Das ergibt sich aus dem bei der WSV vorhandenen „Verzeichnis der sonstigen Binnenwasserstraßen des Bundes“, lfd. Nr. 6901.
III. Verfassungsrechtliche Probleme im Einzelnen
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besondere die allgemeine wasserrechtliche Unterhaltungslast erfüllen. Die rechtlichen Verhältnisse des Saale-Leipzig-Kanals könnten zukünftig zudem noch erhebliche Bedeutung erlangen, da auf kommunaler Ebene vor Ort seit längerem intensiv über Möglichkeiten zur Fertigstellung des Kanals und über eine Freigabe für die Freizeitschifffahrt diskutiert wird.194 f) Neu angelegte Wasserstraßen, die dem allgemeinen Verkehr dienen; Erweiterung der Hoheitsgewässer Art. 89 I GG gilt nach seinem Wortlaut unstreitig nicht für neue Wasserstraßen, die als dem allgemeinen Verkehr dienende Wasserstraßen regelmäßig vom Bund gebaut werden.195 In der Praxis ist freilich zu beachten, dass Bundes(binnen-)wasserstraßen regelmäßig aufgrund eines Planfeststellungsbeschlusses mit enteignungsrechtlicher Vorwirkung angelegt werden (§§ 14 I 1, 44 II WaStrG). Bei Neuanlage einer Bundeswasserstraße dürfte es deshalb regelmäßig zur Enteignung der betroffenen Grundstücke zugunsten des Bundes kommen. Art. 89 I GG gebietet dies allerdings nicht. Das WaStrG setzt jedoch das Bundeseigentum auch an neuen Wasserstraßen einfachrechtlich voraus. Dies ergibt sich aus § 1 I Nr. 1 lit. d WaStrG, der die Zugehörigkeit von Gewässerteilen zur Bundeswasserstraße unter anderem davon abhängig macht, dass ein Gewässerteil im Bundeseigentum steht. Diese Regelung würde keinen Sinn machen, wenn das Gesetz das Bundeseigentum an der eigentlichen Bundeswasserstraße nicht voraussetzen würde. Im anderen Zusammenhang zu behandeln ist die Frage, inwieweit Art. 89 der Privatisierung oder Veräußerung bestehender Bundeswasserstraßen entgegensteht (dazu unter B. III. 7.). Problematisch ist die eigentumsrechtliche Einordnung der Ausdehnung der Hoheitsgewässer auf die so genannte 12-Meilen Zone. Diese durch Völkergewohnheitsrecht motivierte Ausdehnung erfolgte durch einfache Beschlüsse der Bundesregierung, die im Bundesgesetzblatt verkündet wur194
So die Leipziger Volkszeitung vom 14. Mai 2011, Lokalausgabe Leipzig S. 17, „Quantensprung für Heines Vision – Machbarkeitsstudie unterstützt Idee von der Verlängerung des Saale-Elster-Kanals“, wo von einer durch die Städte Halle und Leipzig beauftragten (ingenieurtechnischen) Studie hierzu berichtet wird. Ein weiterer Artikel mit dem Titel „Signal für Kanal steht auf Grün“ erschien in der Leipziger Volkszeitung vom 2. Januar 2012, Lokalausgabe Leipzig, S. 18. Zu den Konsequenzen der derzeitigen Rechtslage für die Befahrbarkeit des Kanals siehe noch unter C. II. 1. 195 Ibler, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 89 Rdnr. 7; Gröpl, in: Maunz/Dürig, Art. 89 Rdnr. 29; ebenso Maunz ebd. (Erstkommentierung), Rdnr. 32; Sachs, Art. 89 Rdnr. 14; Durner, in: Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 89 Rdnr. 11; Bernhardt DVBl 1961, 569, 570.
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B. Verfassungsrechtliche Grundprobleme
den.196 Soweit hierzu überhaupt Ansichten vertreten werden, wird damit auch eine Ausweitung des Bundeseigentums an den Seewasserstraßen bejaht (nachfolgend unter aa)). Dieser Auffassung kann allerdings im Ergebnis nicht gefolgt werden (anschließend bb)). aa) Bisher vertretene Auffassungen zur Ausdehnung der Hoheitsgewässer Nach Friesecke folgt die Ausdehnung des Bundeseigentums auf die erweiterten Küstengewässer aus § 1 II 1 WaStrG. Es gäbe keine Anhaltspunkte dafür, dass sich diese Regelung auf den Bestand der Wasserstraßen bei Inkrafttreten des WaStrG 1968 beschränken sollte. Außerdem handele es sich nur um eine Erweiterung bereits bestehender Wasserstraßen, nicht aber um die Entstehung neuer Seewasserstraßen. Schließlich verlange die Verkehrsverwaltung der Wasserstraßen durch den Bund nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch das Eigentum des Bundes an den Wasserstraßen.197 Nach Ansicht von Diekamp ist jedenfalls Art. 89 I GG nicht anwendbar198, da die erweiterten Küstengewässer nicht unter den Begriff der früheren Reichswasserstraßen fielen. § 1 II 1 WaStrG könne ebenfalls nicht herangezogen werden, da hier nur der wegerechtliche Begriff der Seewasserstraße geregelt werden. Ein Eigentumserwerb des Bundes sei aber in analoger Anwendung von § 3 II WaStrG anzunehmen. Diese Analogie ist nach Diekamp auch gerechtfertigt, da nach seiner – insoweit mit Friesecke übereinstimmenden – Ansicht die Verkehrswegeverwaltung auch das Bundeseigentum verlange.199 Hintergrund der Überlegungen von Diekamp war insbesondere die Frage, wie Windkraftanlagen eigentumsrechtlich zu behandeln seien, wenn sie außerhalb der früheren Dreimeilenzone, aber noch innerhalb der heutigen Zwölfmeilenzone errichtet werden. Dies hat vor allem 196 Beschluss der Bundesregierung über die Erweiterung des Küstenmeeres der Bundesrepublik in der Nordsee zur Verhinderung von Tankerunfällen in der Deutschen Bucht v. 12.11.1984 (BGBl I 1984, S. 1366) und Proklamation der Bundesregierung über die Ausweitung des deutschen Küstenmeeres vom 11.11.1994 (BGBl I 1994, S. 3428). 197 Friesecke, WaStrG, Einl. Rdnr. 29, unter Verweis auf die Entscheidung des BGH, Urt. v. 14.12.1989 – III ZR 288/88 – BGHZ 110, 148, 152 = NJW 1990, 3263, 3264. 198 Diekamp, ZBB 2004, 10, 12; ebenso Ibler, in: v. Mangoldt/Klein/Starck Art. 89 Rdnr. 7, der im Übrigen aber offen lässt, ob ein Eigentum des Bundes aus anderen Gründen bestehen kann. 199 Diekamp, ZBB 2004, 10, 12.
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für einen möglichen Einsatz dieser Anlagen als dingliche Sicherheit für ihre Finanzierung Bedeutung.200 Der BGH hat sich zu diesen Fragen noch nicht geäußert. Er hat lediglich anlässlich eines Rechtsstreites über Nutzungen des an der Kieler Förde gelegenen Hafens Strande formuliert, dass § 1 WaStrG bestimme, welche Gewässer Bundeswasserstraßen seien und in welchem Umfang dem Bund das Eigentum daran zustehe. In diesem Zusammenhang wiederholte der BGH sein Verständnis des § 1 II 1 WaStrG, der eine gesetzliche Auslegungsregel des Begriffs der Seewasserstraßen enthalte.201 bb) Eigener Ansatz Zutreffend ist zunächst, dass eine Anwendung von Art. 89 I GG auf die erweiterten Hoheitsgewässer ausscheidet. Es handelt sich hierbei nicht um bisherige Reichswasserstraßen. Auch § 1 II 1 WaStrG kann nicht zur Begründung von Bundeseigentum herangezogen werden, da er – wie auch Diekamp202 herausstellt – nur den wegerechtlichen Begriff der Bundeswasserstraße regelt. Das Eigentum an den Seewasserstraßen erwähnt die Regelung mit keinem Wort. Schon bei der Frage, ob sich das Eigentum des Bundes an den Seewasserstraßen auf die betonnten Fahrrinnen oder die gesamten Küstengewässer (innerhalb der früheren Dreimeilenzone) erstreckt, wurde darauf verwiesen, dass die erst nachträglich geschaffene, einfachgesetzliche Regelung des § 1 II 1 WaStrG den Umfang des aus Art. 89 I GG folgenden Bundeseigentums nicht festlegen kann (vgl. B. III. 1. d) bb)). Wenn also § 1 II 1 WaStrG schon aus diesem Grund keine Regelung zur Reichweite des Eigentums an den bisherigen Reichswasserstraßen enthält, kann ihm ein solcher Regelungsgehalt für die erweiterten Hoheitsgewässer erst recht nicht beigelegt werden. Nichts anderes ergibt sich aus einem Vergleich mit den Binnenwasserstraßen. § 1 I Nr. 1 lit. d WaStrG setzt hier das Bundeseigentum voraus, ohne es selbst zu begründen. Deshalb enthält weder § 1 I, noch § 1 II WaStrG eine Regelung zur Reichweite des Bundeseigentums. Zur gegenteiligen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist schließlich zu beachten, dass in den bislang ergangenen Entscheidungen des BGH noch nie um Eigentum außerhalb der früheren Dreimeilenzone gestritten wurde. Damit ist offen, ob das Gericht seine bisherige Rechtsprechung auch auf einen solchen Fall übertragen würde. 200 201 202
Diekamp ebd., Fn. 199, S. 10. BGH NVwZ 1997, 99, 101 = MDR 1996, 1232 (Fn. 144). Diekamp ebd., Fn. 199, S. 12.
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Eine analoge Anwendung203 von § 3 II WaStrG ist ebenfalls nicht veranlasst, weil hierfür kein Bedürfnis besteht. Ein Bedürfnis zur Ausdehnung von Bundeseigentum auf die erweiterten Hoheitsgewässer folgt weder aus dem Gebot einer effektiven Verwaltung der Bundeswasserstraßen noch aus anderen Gründen. Aus Art. 89 II 1 GG lässt sich Gegenteiliges nicht zwingend ableiten204. Anderenfalls dürfte es auch kein Dritteigentum an Bundesfernstraßen geben. Dieses ist in § 2 II FStrG aber ausdrücklich vorgesehen. Warum bei den Wasserstraßen anderes gelten soll, ist nicht ersichtlich. Der Bundesgerichtshof hat seine gegenteilige Aussage205 bislang nicht begründet und stattdessen nur auf frühere Entscheidungen verwiesen. In einer der in Bezug genommenen Entscheidungen hatte das Gericht noch vorsichtiger formuliert und lediglich festgestellt, dass der Grund für den Übergang des Eigentums an den Wasserstraßen auf das Reich bzw. den Bund in der praktischen Erleichterung der dem Bund obliegenden Verwaltungs- und Unterhaltungsaufgaben liege.206 Von einem (zwingenden) Erfordernis des Bundeseigentums für Verwaltungszwecke war dabei noch keine Rede. Selbst wenn man für den Binnenbereich ein Erfordernis des Eigentums des Bundes an den Wasserstraßen zur erleichterten Verwaltung bejahen sollte, kann diese Überlegung auf die erweiterten Hoheitsgewässer nicht übertragen werden. Dort gibt es keine Grundstücke (unbewegliche Sachen) im Sinne des bürgerlichen Rechts207, so dass nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts niemand Eigentum an diesen Flächen erwerben kann. Zwar gestattet Bundesrecht den Ländern in § 4 V WHG (entspricht insoweit Art. 65 EGBGB a. F.208) ausdrücklich auch die Regelungen zum Eigentum an Gewässern, so dass es nach Landesrecht Gewässergrundstücke geben kann und auch gibt. Zuzugeben ist weiterhin, dass die Landeswassergesetze durch die Verweisung auf § 2 I Nr. 2, § 3 Nr. 2 WHG für die Küstengewässer und damit die gesamten Hoheitsgewässer gelten209. Allerdings enthält keines der Landeswassergesetze oder anderes Landesrecht Regelun203 Zu den Voraussetzungen einer Analogie vgl. aus der Rspr. des BGH beispielhaft das Urt. v. 14.12.06 – IX ZR 92/05 –, BGHZ 170, 187, 191 = NJW 2007, 992. 204 Zutreffend Hermes, in: Dreier, Art. 89 Rdnr. 15; Sachs, Fn. 21, Art. 89 Rdnr. 14. 205 BGH, Urt. v. 14.12.1989 – III ZR 288/88 – BGHZ 110, 148, 152 = NJW 1990, 3263, 3264. 206 BGH, Urt. v. 06.12.1984 – III ZR 147/83 –, BGHZ 93, 113 = NJW 1987, 496, 498. 207 A. A. Diekamp (Fn. 199) S. 16. 208 Aufgehoben durch Art. 13 des Gesetzes zur Neuregelung des Wasserrechts vom 31.07.2009, BGBl I 2009, 2585. 209 § 1 I NWG v. 19.02.2010 (NdsGVBl. 2010, S. 64); § 1 I LWG S-H v. 06.01.2004 (GVOB S-H 2004, S. 8) und § 1 I LWaG MV v. 30.11.1992 (GVOBl. 1992, 669) verweisen auf die frühere Regelung in § 1 I WHG.
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gen über Eigentum an Küstengewässern an sich, wenn man von Regelungen über Uferbereiche einmal absieht.210 Geregelt ist lediglich, dass an Gewässern erster Ordnung Landeseigentum besteht, wenn sie nicht Bundeswasserstraßen sind. Was gelten soll, wenn ein Gewässer Bundeswasserstraße ist, wird damit nicht gesagt. Somit ist eine Behinderung der Unterhaltung und Verwaltung der erweiterten Hoheitsgewässer durch Dritteigentum dauerhaft ausgeschlossen. Auch die vermehrte kommerzielle Nutzung der erweiterten Küstengewässer erfordert es nicht, an ihnen Eigentum anzuerkennen. Die Nutzung von Bodenschätzen (z. Bsp. Erdgas) wird durch das Bundesberggesetz (BBergG) dahin geregelt, dass nach § 3 III 2 BBergG alle Bodenschätze im Bereich des Festlandssockels und der Küstengewässer als bergfrei gelten. Auf das Eigentum der betroffenen Gewässerflächen kommt es daher für die Förderung der Bodenschätze ebenso wie bei auf dem Festland belegenen bergfreien Bodenschätzen nicht an, vgl. § 3 II BBergG. Auch die Nutzung der erweiterten Hoheitsgewässer für sonstige Nutzungen wie z. Bsp. Unterwasserkabel und Rohrleitungen ist vom BBergG erfasst, § 2 III BBergG. Letztlich bedarf es auch für den Einsatz von Offshore-Windkraftanlagen als Kreditsicherungsmittel keiner Anerkennung der erweiterten Hoheitsgewässer als eigentumsfähig mit der Folge des Bundeseigentums. Da nach hier vertretener Auffassung die erweiterten Hoheitsgewässer mangels abweichender ausdrücklicher gesetzlicher Regelung nach wie vor in niemandes Eigentum stehen, bleiben dort errichtete Anlagen im Eigentum des Anlageneigentümers, die Vorschriften des § 93 ff. BGB sind nicht anwendbar. Der Anlageneigentümer kann daher mittels Sicherungsübereignung nach § 930 eine Kreditsicherung erreichen. g) Zusammenfassung zum Regelungsgegenstand von Art. 89 I GG Ausgangspunkt für das Verständnis von Art. 89 I GG ist die durch die Weimarer Reichsverfassung geschaffene Rechtslage. Durch Art. 97 I, 171 I WRV sind Eigentum und Verwaltung an den dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen unmittelbar auf das Reich übergegangen. Diesen Übergang haben Reich und Länder 1921 durch den Wasserstraßenstaatsvertrag nur noch tatsächlich nachvollzogen. Der Bestand der Wasserstraßen, 210 § 88 LWG S-H; § 49 LWaG MV; vgl. Diekamp, Fn. 199, S. 12. Aufschlussreich hierzu auch OLG Schleswig, Urt. v. 14.12.2000 – 11 U 89/99 –, NJW 2001, 1073, 1074, wo um das Eigentum an einem Meeresstrand gestritten wurde. Das OLG stellte fest, dass dies im Landeswassergesetz nicht geregelt sei und somit nach dem Jütische Low von 1240 von der Privateigentumsfähigkeit des Strandes auszugehen sei. Vergleichbare Regelungen für das offene Meer sind hingegen nicht bekannt.
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welcher nach dem Staatsvertrag auf das Reich übergehen sollte, war deshalb nicht mit dem Regelungsgegenstand der WRV identisch. Zum einen waren einige dem allgemeinen Verkehr dienende Wasserstraßen nicht übernommen worden, zum anderen hatte man auch nicht dem allgemeinen Verkehr dienende Wasserstraßen auf das Reich übertragen. Allerdings wurden nur die im Wasserstraßenstaatsvertrag und seinen Nachträgen aufgeführten Wasserstraßen – ungeachtet der abweichenden Verfassungslage – als Reichswasserstraßen angesehen und in der Oberhoheit des Reiches verwaltet. Nach 1933 kamen durch einseitige Erklärung seitens der Reichsbehörden weitere, einzelne Gewässer zum Kreis der Reichswasserstraßen hinzu. Die Veränderungen im Reichsaufbau mit der weitgehenden Entmachtung der Länder führten hingegen nicht dazu, dass alle Wasserstraßen nunmehr als Reichswasserstraßen anzusehen waren. Art. 89 I GG erfasst die früheren Reichswasserstraßen unabhängig davon, ob sie dem allgemeinen Verkehr dienen oder nicht. Auch die nach 1933 zu Reichswasserstraßen erklärten Gewässer sind ausnahmslos erfasst. Nicht erfasst sind hingegen die Gewässer, welche als dem allgemeinen Verkehr dienend durch Art. 97 I, 171 I WRV auf das Reich übergingen, im Wasserstraßenstaatsvertrag aber nicht aufgeführt wurden. Zwar hat der Bund an diesen Gewässern nach Art. 134 I GG zunächst Eigentum erworben. Er hat dieses allerdings wieder durch Ersitzung an die jeweils im Grundbuch als Eigentümer eingetragenen Personen und Körperschaften verloren. Zu den auf Reich und Bund übergegangenen Wasserstraßen gehörten auch die Seewasserstraßen. Deren Umfang kann allein durch eine zweckorientierte Auslegung der Verfassungsbestimmungen ermittelt werden, da die anderen Auslegungsmethoden insoweit unergiebig sind. Danach sind die Seewasserstraßen nicht nur mit den betonnten Fahrrinnen auf Reich bzw. Bund übergegangen, sondern vielmehr in ihrem ganzen Umfang. Unergiebig für die Beurteilung dieser Frage ist hingegen das WaStrVermG und § 1 II WaStrG. Nicht im Eigentum des Bundes nach Art. 89 I GG stehen die erweiterten Hoheitsgewässer jenseits der früheren Dreimeilenzone. Diese Gewässer stehen bislang mangels abweichender Regelungen in niemandes Eigentum. Eine analoge Anwendung bestehender Regelungen auf die erweiterten Hoheitsgewässer ist nicht geboten. Art. 89 I GG war mit Inkrafttreten des Grundgesetzes auch in Westberlin anwendbar und bewirkte dort den Übergang der dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen auf den Bund. In den fünf neuen Bundesländern hingegen vollzog sich der Übergang nach Art. 21 I 1 EV. Andere Regelungen des Überleitungsrechts sind hingegen nicht anwendbar.
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Schließlich ist Art. 89 I GG auf neue Bundeswasserstraßen nicht anwendbar. 2. Bundeswasserstraßen im Sinne von Art. 89 II 1 GG Der Begriff der Bundeswasserstraßen im Sinne des Art. 89 II 1 GG ist im Grundgesetz selbst nicht erläutert. Es liegt jedoch nahe, als Bundeswasserstraßen alle Gewässer anzusehen, die nach Art. 89 I GG im Bundeseigentum stehen. Dies ist jedoch umstritten. Dabei geht es um die Frage, ob die nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen211 des Bundes auch nach Art. 89 II 1 GG vom Bund verwaltet werden dürfen. Eine Ansicht im Schrifttum lehnt dies ab und vertritt einen engen Bundeswasserstraßenbegriff (nachfolgend unter a)). Eine andere Ansicht im Schrifttum und auch die Rechtsprechung befürwortet hingegen die Einbeziehung dieser Gewässer in den Anwendungsbereich von Art. 89 II 1 GG (nachfolgend unter b)), zum eigenen Standpunkt abschließend unter c)). a) Der enge Bundeswasserstraßenbegriff Nach einer Mindermeinung sind nach Art. 89 I GG zwar auch nicht dem allgemeinen Verkehr dienende Binnenwasserstraßen in Bundeseigentum übergegangen. Da die Verwaltungskompetenz jedoch durch die Gesetzgebungskompetenz begrenzt werde und diese nach Art. 74 I Nr. 21 GG nur die dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen erfasse, könne der Bund die nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen in seinem Eigentum nicht nach Art. 89 II 1 GG verwalten.212 Der Anwendungsbereich von Art. 89 I GG und Art. 89 II 1 GG sei insoweit nicht deckungsgleich.213 Zur Begründung wird von Durner auch auf die 211 Der Umfang der nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen am Gesamtnetz der Wasserstraßen im Eigentum des Bundes beträgt derzeit ca. 579 km von 7354 km, demnach 7,9 % (siehe dazu schon unter A. I.). Im Einzelnen zählen zu den nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen des Bundes u. a.: Eider (23 km), Elisabethfehnkanal (15 km), Ems oberhalb Gleesen (38 km), Fulda (77 km), Leine (87 km), Werra (83 km), Wümme (19 km), Roßdorfer Altkanal (6 km), Oranienburger Kanal (8 km), Finowkanal (32 km), Löcknitz (11 km), Hohennauer Wasserstraße (10 km), Saale-Leipzig-Kanal (11 km). 212 Ibler, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 89 Rdnr. 36; Hoog, in: v. Münch/ Kunig, Art. 89 Rdnr. 19; wohl auch Gröpl, in: Maunz/Dürig, Art. 89 Rdnr. 50; Kupsch, Die verkehrsbezogene Verwaltung der Binnenwasserstraßen des Bundes, NuR 2005, 285, 288 f.; aus der Rechtsprechung soweit ersichtlich bislang und ohne nähere Auseinandersetzung nur VG Gießen, Urt. v. 06.02.2006 – 1 E 822/05 – UA S. 5 f. (unveröffentlicht). 213 Ibler, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 89 Rdnr. 37.
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B. Verfassungsrechtliche Grundprobleme
Anknüpfung an Art. 97 I WRV verwiesen, der seinerseits nur die dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen auf das Reich habe übergehen lassen.214 Sachs hingegen stellt bei gleichem Ergebnis auf § 1 I Nr. 1 WaStrG ab, der wie Art. 97 I WRV eine Begrenzung auf die dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen enthalte, woher auch der Verfassungsbegriff der Bundeswasserstraße seine Konturen erhalte.215 b) Der weite Bundeswasserstraßenbegriff Eine Einbeziehung der nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen des Bundes in die Verwaltungskompetenz des Bundes befürworten aus dem Schrifttum Maunz216, Friesecke217, Weidmann218, Reinheimer219 und insbesondere Reinhardt220. In der Rechtsprechung wurde diese Auffassung vom Bundesverfassungsgericht, vom Verwaltungsgericht Potsdam und vom Oberverwaltungsgericht Frankfurt/Oder geteilt.221 Andere Gerichte haben über diese Rechtsfrage – soweit ersichtlich – noch nicht befunden. Im Einzelnen werden für diese Ansicht folgende Argumente angeführt: Nach der nicht näher begründeten Ansicht von Maunz gehören die im Bundeseigentum nach Art. 89 I GG stehenden Gewässer „ohne weiteres“ zum Kreis der Bundeswasserstraßen nach Art. 89 II GG.222 Friesecke erkennt zwar die Gesetzgebungskompetenz als Grenze der Verwaltungskompetenz an, kommt aber gleichwohl zum selben Ergebnis und verweist zur Begründung auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts223 vom 30. Oktober 1962 zum Wasserstraßenrecht.224 Weidmann verweist auf den Zweck der grundgesetzlichen Zuständigkeitsregelung, eine einheitliche Ver214
Durner, in: Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 89 Rdnr. 21. Sachs, Art. 89 Rdnr. 19; auf diesen historischen Aspekt stellt letztlich auch Kupsch in NuR 2005, 285, 289 ab. 216 Maunz, in: Maunz/Dürig (Erstkommentierung), Art. 89 Rdnr. 32. 217 Friesecke, Bundeswasserstraßengesetz, Einl. Rdnr. 9; ebenso ohne nähere Begründung Wirth/Schulze, § 1 Anm. zu Abs. 1. 218 Weidmann, Der Finowkanal: Freizeitwasserstraße des Bundes, VR 2003, 309, 310 ff. 219 Reinheimer, S. 115 ff. 220 Reinhardt, Rechtsverhältnisse der Binnenwasserstraßen des Bundes, die nicht dem allgemeinen Verkehr dienen, ZfW 1989, 61. 221 BVerfGE 15, 1, 7 f. Fn. 16; VG Potsdam, Beschl. v. 22.07.2003 – 10 L 182/03 –, zitiert nach juris Rdnr. 13 und dem nachfolgend OVG Frankfurt/Oder, Beschl. v. 25.02.2004 – B 253/03 –, NuR 2004, 532. 222 Maunz, in: Maunz/Dürig (Erstkommentierung), Art. 89 Rdnr. 32, vgl. auch Rdnr. 35. 223 BVerfGE 15, 1, 8, vgl. Fn. 16. 224 Friesecke, Fn. 217, ebd. 215
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waltung für alle Bundeswasserstraßen zu schaffen.225 Das Bundesverfassungsgericht stützt seine Ansicht im Wesentlichen auf den Zusammenhang der Vorschriften in Art. 89 I und II GG.226 Dem folgend gehen das VG Potsdam und das OVG Frankfurt/Oder schlicht davon aus, dass alle im Eigentum des Bundes stehenden Wasserstraßen auch unter die Verwaltung durch den Bund fallen.227 Dabei bleibt offen, ob sie eine unterschiedliche Deutung der Anwendungsbereiche von Art. 89 I GG und Art. 89 II 1 GG überhaupt in Erwägung gezogen haben. Am ausführlichsten haben Reinhardt und Reinheimer ihre Standpunkte begründet. Reinhardt geht zunächst vom Wortlaut in Art. 87 I 1, 89 II 1 GG aus, der die bundeseigene Verwaltung der Bundeswasserstraßen anordnet. Dies sei eindeutig dahin zu verstehen, dass alle Bundeswasserstraßen einschließlich der nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden Bundeswasserstraßen erfasst seien228. Gleiches ergebe die systematische Auslegung, weil der VIII. Abschnitt des Grundgesetzes mit der „Ausführung der Bundesgesetze und die Bundesverwaltung“ überschrieben sei. Damit habe der Verfassungsgeber dem Bund die Bundeswasserstraßen in einer öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft unterstellt, welche über die bloße Eigentumsverwaltung hinausgehe.229 Weiter verweist Reinhardt auf die historische Entwicklung, die in einer Zentralisierung der Wasserstraßenverwaltung bestehe und darauf, dass die Verfassungen keine Beschränkungen der Reichsoder Bundeswasserstraßen nach Zahl und Art enthalten würden.230 Schließlich habe der Verfassungsgeber bei Ausarbeitung des Art. 89 GG auf das zunächst vorgesehene Merkmal „dem allgemeinen Verkehr dienend“ verzichtet, um eine einheitliche Verwaltungskompetenz für alle Bundeswasserstraßen zu schaffen.231 Darüber hinausgehend führt Reinheimer als systematisches Argument die Regelung zum Übergang des Reichsvermögens auf den Bund in Art. 134 GG an: Wäre eine besondere Verbindung von Eigentum und hoheitlicher Verwaltung durch den Bund nicht beabsichtigt gewesen, dann hätte Art. 134 GG für die Überleitung des Eigentums auf den Bund ausgereicht. In diesem Fall hätte Art. 89 I GG keine eigene Bedeutung.232 Reinheimer verweist 225
Weidmann, Fn. 218, VR 2003, 309, 310 f. BVerfGE 15, 1, 7 f., Fn. 16. 227 VG Potsdam, Fn. 221, ebd. und OVG Frankfurt/Oder, Fn. 221, NuR 2004, 532, 534. 228 Reinhardt, Fn. 220, ZfW 1989, 61, 62; ebenso Reinheimer, S. 123. 229 Reinhardt, Fn. 220, ZfW 1989, 61, 62; ähnlich Reinheimer, S. 123. 230 Reinhardt, Fn, 220, ZfW 1989, 61, 63. 231 Reinhardt, Fn. 220, ZfW 1989, 61, 64 f.; ebenso Reinheimer, S. 123. 232 Reinheimer, S. 125. 226
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B. Verfassungsrechtliche Grundprobleme
weiter auf die historische Parallele zum Übergang der nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen von den Ländern auf das Reich 1921. Auch damals sei eine hoheitliche Verwaltung dieser Wasserstraßen durch Vereinigung von Eigentum und Verwaltung beabsichtigt gewesen.233 Dieses Ziel habe auch der Verfassungsgeber des Grundgesetzes verfolgt, der damit zugleich ein Konzept habe festlegen wollen, nämlich die Verbindung der aus dem Eigentum folgenden fiskalischen und der hoheitlich-wegerechtlichen Verwaltung (so genanntes „Verbindungskonzept“).234 Demnach fielen auch die im Bundeseigentum stehenden, nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen des Bundes unter die Bundesverwaltung nach Art. 89 II 1 GG, die allerdings nur schlicht-hoheitlich verwaltet werden könnten.235 c) Stellungnahme Weder die Vertreter des engen Bundeswasserstraßenbegriffes noch die Anhänger des weiten Bundeswasserstraßenbegriffes haben bislang überzeugende Argumente für ihren Standpunkt vortragen können (dazu unter aa)). Unter Anwendung der gebotenen Auslegungsmethodik ergibt sich jedoch, dass dem engen Bundeswasserstraßenbegriff zu folgen ist (dazu unter bb)). aa) Kritik der bisherigen Ansätze Wenn die Vertreter eines engen Bundeswasserstraßenbegriffes auf die Begrenzung der Verwaltungskompetenz durch die Gesetzgebungskompetenz hinweisen, ist damit zunächst lediglich die Ursache des Auslegungsproblems benannt. Allein darauf lässt sich der Ausschluss der nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen jedenfalls nicht stützen. Auch der Hinweis von Sachs236 auf die Regelung in § 1 I Nr. 1 WaStrG führt nicht weiter, da diese Norm zur Auslegung der Verfassung schon aus normhierarchischen Gründen nichts beitragen kann. Zudem beschränkt die Begriffsbestimmung der Bundeswasserstraßen nach § 1 I WaStrG ihren Anwendungsbereich selbst auf das WaStrG („Bundeswasserstraßen nach diesem Gesetz sind . . .“). Schließlich kann auch nicht auf Art. 97 I WRV zurückgegriffen werden237. Zwar sind die Wasserstraßen nach dieser Vorschrift auf das Reich übergegangen. Allerdings sind durch den Wasserstra233 234 235 236 237
Reinheimer, S. 125. Reinheimer, S. 126 f., 21. Reinheimer, S. 127. Sachs, Art. 89 Rdnr. 19. So aber Durner, in: Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 89 Rdnr. 21.
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ßenstaatsvertrag von 1921 darüber hinaus gerade auch einige nicht dem allgemeinen Verkehr dienende Wasserstraßen auf das Reich übergegangen, welche später auch von Art. 89 I GG erfasst wurden. Auf der anderen Seite kann der weite Bundeswasserstraßenbegriff nicht unter Verweis auf den Wortlaut in Art. 89 I GG gerechtfertigt werden, da dieser den Begriff nicht näher erläutert. Es handelt sich demnach um einen Zirkelschluss, wenn Reinhardt238 für die Frage, ob nicht dem allgemeinen Verkehr dienende Wasserstraßen auch Bundeswasserstraßen nach Art. 89 II 1 GG sind, auf eben diese Norm abstellt und meint, die Norm erfasse alle Bundeswasserstraßen. Zwar ließe sich hierfür auf Art. 89 I GG verweisen, wonach auch nicht dem allgemeinen Verkehr dienende Wasserstraßen Bundeseigentum wurden, sofern sie nur Reichswasserstraßen waren. Dabei würde jedoch der unterschiedliche Regelungsgehalt von Art. 89 I GG und Art. 89 II GG nicht beachtet. Art. 89 I GG trifft lediglich eine Regelung zur Vermögenszuordnung, während Art. 89 II GG eine Verwaltungskompetenz regelt. Er beinhaltet gerade nicht zwingend die Aussage, dass alle bisherigen Reichswasserstraßen als Bundeswasserstraßen zu verwalten sind. Dies hat zwar das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 30.10.1962 behauptet.239 Eine nähere Begründung ist es aber schuldig geblieben. Es mag auf den ersten Blick nahe liegen, beide Absätze eines Artikels miteinander zu kombinieren. Allein die Stellung innerhalb des gleichen Artikels gebietet eine solche Vorgehensweise aber nicht. Zudem ist weitgehend anerkannt, dass Art. 89 I GG jedenfalls neue Bundeswasserstraßen tatbestandlich nicht erfasst (vgl. oben unter B. III. 1. f)). Schon aus diesem Grund sind die Anwendungsbereiche von Art. 89 I und II GG nicht deckungsgleich. Auch ein Verweis auf die dem Bund nach Art. 87 I 1, 89 II 1 GG zugewiesene öffentlich-rechtliche Sachherrschaft, welche über die bloße Eigentümerverwaltung hinausgehe, ist kein zwingendes Argument für einen weiten Bundeswasserstraßenbegriff.240 Zwar mag es sein, dass der Bund im Rahmen von Art. 87 ff. GG auch zu einer gesetzesfreien Verwaltung befugt ist.241 Bei dieser Argumentation wird aber die Frage, „was“ vom Bund zu 238
Reinhardt, Fn. 220, ZfW 1989, 61, 62. BVerfGE 15, 1, 7 f., Fn. 16. 240 Reinhardt ebd., Fn. 229. In diese Richtung auch Hoog, in: v. Münch/Kunig, Art. 89 Rdnr. 18, der für die Zugehörigkeit der nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen des Bundes darauf abstellt, ob Art. 89 II 1 GG auch die Vermögensverwaltung erfasst. 241 BVerfG, Urt. v. 28.02.1961 – 2 BvG 1, 2/60 –, BVerfGE 12, 205, 247 = NJW 1961, 567 (Rundfunkurteil); BVerfG, v. 11.04.1967 – 2 BvG 1/62 –, BVerfGE 21, 312, 321 = NJW 1967, 1956. 239
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B. Verfassungsrechtliche Grundprobleme
verwalten ist, mit der nachgelagerten Frage des „wie“ der Verwaltung vermengt. Beide Aspekte müssen jedoch getrennt betrachtet werden. Nichts anderes ergibt der von Reinheimer bemühte systematische Verweis auf Art. 134 GG. Die Existenz von Art. 134 GG könnte zwar in der Tat ein Beleg dafür sein, dass Art. 89 I GG einen über Art. 134 GG hinausgehenden Regelungsgehalt hat, indem er den Kreis der nach Art. 89 II 1 GG zu verwaltenden Wasserstraßen unter Einschluss der nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden früheren Reichswasserstraßen festlegt. Für diese These liefert die Entstehungsgeschichte beider Normen jedoch keinen Anhaltspunkt: Eine Regelung zum Eigentumsübergang der Reichswasserstraßen auf den Bund war bereits im Entwurf von Herrenchiemsee (Art. 118 I) enthalten. Die maßgeblichen Diskussionen um den Wortlaut der Norm fanden bis Anfang Dezember 1948 im Zuständigkeitsausschuss statt.242 Eine allgemeine Regelung zum Übergang des Reichsvermögens enthielt der Entwurf von Herrenchiemsee hingegen nicht. Ein erster Vorschlag dazu wurde offenbar erstmals in der Sitzung des Organisationsausschusses vom 6. Dezember 1948 auf Initiative des Allgemeinen Redaktionsausschusses diskutiert.243 Art. 134 GG stellt sich daher als allgemeine Auffangnorm dar, deren Notwendigkeit man erst erkannt hatte, nachdem die Regelung zum Eigentumsübergang der Wasserstraßen schon weitgehend ausdiskutiert war. Es kann deshalb nicht angenommen werden, dass die Regelung in Art. 89 I GG trotz Art. 134 GG mit der Absicht eines weitergehenden Aussagegehaltes in das Grundgesetz aufgenommen wurde. Ebenso wenig vermag die Entstehungsgeschichte sonst den weiten Bundeswasserstraßenbegriff zu stützen. Die Annahme Reinhardts, es habe eine historische Entwicklung hin zur Zentralisierung der Verwaltung aller (!) Wasserstraßen gegeben244, erweist sich bei näherer Betrachtung als unhaltbar. Die Kompetenzen der Zentralgewalt in Deutschland beschränkten sich stets auf die wichtigsten Wasserwege. So hieß es schon in Abschnitt II Art. V, § 24 der Paulskirchenverfassung: „Der Reichsgewalt hat das Recht der Gesetzgebung und die Oberaufsicht über die in ihrem schiffbaren Lauf mehrere Staaten durchströmenden oder begrenzenden Flüsse und Seen und über die Mündungen der in dieselben fallenden Nebenflüsse, so wie über den Schiffahrtsbetrieb und die Flößerei auf denselben. (. . .) Die übrigen Wasserstraßen bleiben der Fürsorge der Einzelstaaten überlassen.“ [Hervorhebungen durch den Autor]
Die Reichsverfassung von 1871 sah überhaupt keine Verwaltungskompetenz des Reiches für die Wasserstraßen vor und auch die Gesetzgebungs242 243 244
Doemming/Füßlein/Matz, JöR 1 (1951), 1, 654. Doemming/Füßlein/Matz, JöR 1 (1951), 1, 878. Reinhardt, Fn. 220, ZfW 1989, 61, 63.
III. Verfassungsrechtliche Probleme im Einzelnen
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kompetenz war in Art. 4 durch das Merkmal „dem allgemeinen Verkehr dienend“ begrenzt: „Der Beaufsichtigung Seitens des Reichs und der Gesetzgebung desselben unterliegen die nachstehenden Angelegenheiten: (. . .) 8. das Eisenbahnwesen, in Bayern vorbehaltlich der Bestimmung im Artikel 46., und die Herstellung von Land- und Wasserstraßen im Interesse der Landesvertheidigung und des allgemeinen Verkehrs; 9. der Flößerei- und Schiffahrtsbetrieb auf den mehreren Staaten gemeinsamen Wasserstraßen und der Zustand der letzteren (. . .).“ [Hervorhebungen durch den Autor]
Da auch Art. 97 I WRV die Verwaltung durch das Reich auf die dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen beschränkte, spricht die historische Entwicklung eher gegen die Auffassung Reinhardts als dafür. Schließlich kann auch das von Reinheimer postulierte Verbindungskonzept nicht zur Begründung eines weiten Bundeswasserstraßenbegriffes herangezogen werden. Es beruht letztlich auf der These, dass der Verfassungsgeber nicht nur alle im Eigentum des Bundes stehenden Wasserstraßen hoheitlich durch den Bund verwaltet wissen wollte, sondern setzt überdies voraus, dass die Verfassung ein Auseinanderfallen von Eigentum und hoheitlicher Verwaltung verbietet. Nur unter Annahme dieses Rechtssatzes könnte vom Eigentum auf die Verwaltungskompetenz geschlossen werden. Ein solcher Rechtssatz besteht jedoch nicht. Schon Art. 89 II 3, 4 und Art. 90 II GG zeigen, dass eine solche Einheit vom Grundgesetz nicht verlangt wird (näher dazu unter B. III. 7. b)). Schließlich besteht auch sonst im Straßen- und Wegerecht keine zwingende Einheit von Eigentümer und zuständiger Verwaltungskörperschaft (vgl. nur § 2 II FStrG), ohne das daran bislang aus verfassungsrechtlicher Sicht Anstoß genommen worden wäre. Zudem stellt sich die bislang von Vertretern des weiten Bundeswasserstraßenbegriffes nicht näher geklärte Frage, wodurch sich die „schlicht-hoheitliche Verwaltung“245 der nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen durch den Bund von den Befugnissen unterscheidet, die der Bund als Eigentümer ohnehin hätte. Wenn der Bund für die nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen keine Gesetzgebungskompetenz hat, mithin auch in wegerechtlicher Hinsicht Landesrecht gilt und dieses von den Ländern zu vollziehen ist, dann stellen sich die Befugnisse des Bundes auch bei schlicht hoheitlicher Verwaltung qualitativ nicht anders dar als bei einer Eigentümerverwaltung. So muss der Bund auch für verkehrswegebezogene Maßnahmen die erforderlichen Erlaubnisse nach dem Landeswasserrecht bei den Landesbehörden einholen. Ein anderes Ergebnis ließe sich nur 245 Reinheimer, S. 127; ebenso Reinhardt, Fn. 220, ZfW 1991, 61, 66 und Friesecke, WaStrG, Einl. Rdnr. 9.
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B. Verfassungsrechtliche Grundprobleme
vertreten, wenn man insofern zusätzlich davon ausgeht, dass der Bund aufgrund seines Eigentums von der Geltung des Landesverfahrensrechts ausgenommen ist. Das ist jedoch – wie noch zu zeigen sein wird – abzulehnen (vgl. unter C. I. 2. d)). Eine zwingende Notwendigkeit für eine Identität von Eigentümer und Träger der Verwaltungskompetenz besteht vor diesem Hintergrund nicht, auch wenn dem Verfassungsgeber dies als Regelfall vor Augen gestanden haben sollte. bb) Eigener Ansatz Auszugehen ist zunächst vom Wortlaut des Begriffes „Bundeswasserstraße“. Da er in der Verfassung nirgends näher bestimmt wird, erweist sich der Wortlaut für die Problemlösung letztlich als unergiebig. Die Entstehungsgeschichte des Art. 89 GG gibt entgegen anderer Auffassung ebenfalls keinen Hinweis zu der Frage, ob die Verfassungsgeber auch nicht dem allgemeinen Verkehr dienende frühere Reichswasserstraßen vom Bund verwaltet wissen wollten. Zutreffend ist zwar, dass das Merkmal „dem allgemeinen Verkehr dienend“ aus dem Entwurf zu Art. 118 I GG, dem späteren Art. 89 I GG, gestrichen wurde. Das hatte zur Folge, dass auch nicht dem allgemeinen Verkehr dienende bisherige Reichswasserstraßen auf den Bund übergingen. Weiter zutreffend ist auch, dass Art. 89 II GG nach dem Willen des Verfassungsgebers grundsätzlich in seinem Regelungsgegenstand mit Art. 89 I GG identisch sein sollte. Darauf weisen die ursprünglichen Textfassungen hin, in denen man zum Teil noch eine Auftragsverwaltung vorgesehen hatte. So lautete der Entwurf von Art. 118 GG, welcher in der Sitzung des Parlamentarischen Rates am 30. September 1948 diskutiert wurde, wie folgt246: (1) Der Bund ist Eigentümer der dem allgemeinen Verkehr dienenden bisherigen Wasserstraßen. (2) Der Bund soll auf Antrag die Verwaltung einer solchen Wasserstraße für die Strecke, in der sie lediglich das Gebiet eines einzigen Landes berührt, auf dieses Land übertragen. [Hervorhebungen durch den Autor]
Am 24. November 1948 diskutierte man dann über folgenden Vorschlag247: (1) Der Bund ist Eigentümer der Seewasserstraßen und der dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen. (2) Die Länder verwalten die im Eigentum des Bundes stehenden Wasserstraßen nach dessen Weisung. [Hervorhebungen durch den Autor] 246 247
Wernicke/Booms, Bd. 3 S. 283 ff. Wernicke/Booms, Bd. 3 S. 679 ff.
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Intention des Verfassungsgebers war es demnach, den Gegenstand der Verwaltungskompetenz (hier im Wege der Auftragsverwaltung) mit dem des Eigentums abzustimmen, wobei sich der Bund auf die dem allgemeinen Verkehr dienenden Bundeswasserstraßen beschränken sollte, so wie es auch die Gesetzgebungskompetenz vorsah. Dann kam es jedoch zu der bereits erwähnten Intervention von Ernst Brandenburg, die sich dagegen wandte, alle dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen in Bundeseigentum zu übernehmen. Der Bund hätte dann nach Ansicht Brandenburgs auch Wasserstraßen übernehmen müssen, die zuvor nicht vom Reich als Reichswasserstraße verwaltet wurden (vgl. schon ausführlich unter B. III. 1. c) 2.). Mit der daraufhin erfolgten Streichung des Merkmals „dem allgemeinen Verkehr dienend“ wurde daher der Zweck verfolgt, die Eigentumsregelung in Art. 118 I GG-Entwurf zu begrenzen und die bisher in Länderhoheit verbliebenen Wasserstraßen auch bei den Ländern zu belassen. Das Problem der Verwaltung der nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden früheren Reichswasserstraßen hatte man hingegen gar nicht erkannt. Später einigte man sich in der Sitzung vom 07. Dezember 1948 auf die Verwaltung der Wasserstraßen durch den Bund und fügte in Art. 118 II des Entwurfes daher folgerichtig den Begriff der Bundeswasserstraße ein.248 Man übersah, dass im Bereich der Gesetzgebungskompetenz aber nach wie vor das Merkmal „dem allgemeinen Verkehr dienend“ enthalten war. Im Ergebnis der historischen Betrachtung lässt sich damit festhalten, dass zwar ein einheitlicher Anwendungsbereich der Eigentumsregelung und der darauf aufbauenden Verwaltungskompetenz gewollt war. Bei diesen Überlegungen spielte das Problem der nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen aber gar keine Rolle. Die Entstehungsgeschichte von Art. 89 GG kann daher nicht in dem Sinne gedeutet werden, dass der Verfassungsgeber das Merkmal „dem allgemeinen Verkehr dienend“ bewusst aus der Norm gestrichen habe, um die nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen einzubeziehen. Aus systematischer Betrachtung heraus lassen sich trotzdessen Argumente sowohl für einen weiten wie auch für einen engen Bundeswasserstraßenbegriff gewinnen. Für den weiten Bundeswasserstraßenbegriff spricht, dass Art. 89 I und II GG dann einen weitgehend identischen Regelungsgegenstand hätten. Für den engen Bundeswasserstraßenbegriff spricht eben gerade der Umstand, dass die Verwaltungskompetenz durch die Gesetzgebungskompetenz begrenzt ist249. Auch wenn diese Erkenntnis „nur“ eine 248
Wernicke/Booms, Bd. 3 S. 768 f. BVerfGE 12, 205, 229 (Rundfunkurteil, Fn. 241); für Artikel 89 GG hat das BVerfG dies unter Verweis auf das Rundfunkurteil in BVerfGE 15, 1, 16 (Fn. 11) wiederholt; ebenso im Urt. v. 03.07.2000 – 2 BvG 1/96 –, BVerfGE 102, 167, 174 = NVwZ 2000, 1192 = DVBl 2000, 1282. Diese Grundaussage teilt auch das Bundes249
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B. Verfassungsrechtliche Grundprobleme
Schlussfolgerung des Bundesverfassungsgerichtes ist, gibt es dafür sehr gewichtige und überzeugende Argumente. Zu eindeutig sind die Bereiche von Bundesgesetzgebung und Bundesverwaltung aufeinander abgestimmt. Auch im Schrifttum wird dies weitgehend anerkannt.250 Dafür spricht auch die Regelung in Art. 87 III 1 GG. Danach kann der Bund für Angelegenheiten, für die ihm die Gesetzgebungskompetenz zusteht, Bundesbehörden und damit eine Bundesverwaltung durch Gesetz einrichten, auch wenn es sich bis dahin um einen Bereich der Länderverwaltung handelte. Er kann somit die Verwaltung an sich ziehen, wenn es sich um einen Bereich handelt, der für eine zentrale Erledigung der jeweiligen Sachaufgaben geeignet ist.251 Wenn für die Anwendung von Art. 87 III 1 GG eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes erforderlich ist, dann bedeutet dies, dass jenseits einer Gesetzgebungskompetenz des Bundes eine wie auch immer geartete hoheitliche Bundesverwaltung nicht zulässig sein kann. Somit ergibt die systematische Auslegung die Wahl zwischen einem Grundprinzip der Verfassung, nämlich Gesetzgebungskompetenz als äußerste Grenze der Verwaltungskompetenz, oder der an sich wünschenswerten einheitlichen Auslegung von Art. 89 GG. Angesichts des hohen Rangs der Begrenzung der möglichen Verwaltungskompetenz des Bundes auf die Gesetzgebungskompetenz muss diesem Prinzip jedoch der Vorrang vor einer einheitlichen Auslegung von Art. 89 GG gegeben werden. Dafür sprechen auch weitere Argumente: Es wurde bereits erwähnt, dass Art. 89 I GG nur die bisherigen Reichswasserstraßen und nicht die neu errichteten Wasserstraßen (z. Bsp. Kanäle) und auch nicht die Wasserstraßen der ehemaligen DDR erfasst252, weshalb der Anwendungsbereich schon aus diesem Grund nicht mehr mit Art. 89 II GG identisch ist, der auch die letzteren beiden Gewässergruppen erfasst (Vgl. oben B. III. 1. e) und B. III. 1. f)). Außerdem würde die Einbeziehung der nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen in die hoheitliche Bundesverwaltung eine Verwaltungskompetenz des Bundes begründen, die sich verwaltungsgericht, Urt. v. 30.11.1990 – 7 C 4.90 –, BVerwGE 87, 181, 184 = NJW 1991, 2435 und Urt. v. 28.10.1999 – 7 A 1.98 –, BVerwGE 110, 9, 14 = NVwZ 2000, 433. Zur Korrespondenz von Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenz vgl. auch Zeidler, DVBl 1960, 573, 579 m. w. N. (dort Fn. 78). 250 Trute, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 83 Rdnr. 13; Broß, in: v. Münch/ Kunig, Art. 83 Rdnr. 10; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 83 Rdnr. 2; Stern, § 41 IV 5 lit. a (S. 782); grundsätzlich zustimmend auch Lerche, in: Maunz/Dürig (Bearbeitung 1983, 21. Ergänzungslieferung), Art. 83 Rdnr. 31, der aber auf verschiedene Ausnahmen hinweist; Zippelius/Würtemberger, Staatsrecht, § 46 III 1; ausführlich auch Ipsen, Staatsrecht, Rdnr. 677; Maurer, Staatsrecht I, § 18 Rdnr. 9. 251 BVerfG, Beschl. v. 12.11.2008 – 1 BvR 2456/06 – DVBl 2009, 642, 644 f. m. w. N. 252 Zu diesem Zusammenhang – freilich mit anderem Ergebnis – Reinheimer, S. 89.
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aus dem Wortlaut des Grundgesetzes nicht ohne weiteres ergibt. Bei der Abgrenzung der Verwaltungskompetenzen von Bund und Ländern gilt jedoch nach Art. 30, 83 GG der Vorrang der Länderexekutive im Sinne einer (widerleglichen) Vermutung zugunsten der Länderzuständigkeit.253 Hingegen muss eine Zuständigkeit des Bundes positiv nachweisbar sein. Schließlich ist es nach dem Sinn und Zweck einer effektiven Wasserstraßenverwaltung auch nicht geboten, die nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen dem Bund zu unterstellen, selbst wenn dies nützlich sein sollte. Das belegt auch der bereits erwähnte Umstand, dass insbesondere im Straßenrecht der Eigentümer und die verwaltende Körperschaft auseinanderfallen können. Wenn die nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen des Bundes zudem nach Art. 70 GG der ausschließlichen wegerechtlichen Gesetzgebungskompetenz der Länder unterfallen, dann bestimmen ausschließlich die Länder, ob sie auf diesen Wasserstraßen überhaupt Schiffsverkehr zulassen. Eine bundesrechtliche Widmung für den Schiffsverkehr wie in § 5 S. 1 WaStrG besteht nicht (vgl. noch unten unter C. I. 2. f)). Unter diesen Umständen bedarf es keiner hoheitlichen Verkehrswegeverwaltung durch den Bund. Zu folgen ist damit letztlich dem engen Bundeswasserstraßenbegriff. Der Bund ist an seinen nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen in die Stellung des „Nur-“Eigentümers zurückgedrängt. Selbst wenn der Bund also diese Gewässer auf der Grundlage von Art. 89 II 1 GG verwalten könnte, müsste er dabei die Landesgesetze wie jeder andere Gewässereigentümer auch beachten. Dies gilt zum Beispiel auch für Unterhal253 BVerfG, Beschl. v. 15.03.1960 – 2 BvG 1/57 –, BVerfGE 11, 6, 15 = NJW 1960, 907 und ebenso für die Gesetzgebungskompetenzen Beschl. v. 10.03.1976 – 1 BvR 355/67 –, BVerfGE 42, 20, 28 = JuS 1977, 336 und BVerwG, Beschl. v. 03.09.1990 – 4 N 1/88 –, BVerwGE 85, 332, 342 = NVwZ 1991, 472; Urt. v. 03.03.1989 – 8 C 98/85 – NVwZ-RR 1990, 44, 45 = BayVBl 1990, 249. Aus der Literatur: Broß, in: v. Münch/Kunig, Art. 83 Rdnr. 2; Kirschmann, JuS 1977, 565, 567; Riedwelski, SächsVBl. 1995, 196, 198; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 30 Rdnr. 3; Ipsen, Staatsrecht, Rdnr. 614; Trute, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 83 Rdnr. 12; Laforet, DÖV 1949, 221, 223. Kritisch zur Terminologie Erbguth, in: Sachs, Art. 30 Rdnr. 8, der aber in Art. 30, 83 GG eine Regelung sieht, die „im Zweifel“ zugunsten der Länder eingreift; kritisch Korioth, in: Maunz/Dürig, Art. 30 Rdnr. 25; kritisch auch Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 30 Rdnr. 1, der jedoch ebenfalls eine strikte Auslegung von Art. 30 zugunsten der Länder verlangt; vgl. schließlich Dittmann, S. 84 wonach die Bundesverwaltung den Ausnahmefall vom Regelfall der Länderverwaltung darstellt; ähnlich Zippelius/Würtenberger, Fn. 250, ebd. Im Übrigen bestätigt auch die Entstehungsgeschichte, dass nach dem Grundgesetz eine Zuständigkeitsvermutung zugunsten der Länder besteht, vgl. nur die Diskussion in der 2. Sitzung des Zuständigkeitsausschusses des Parlamentarischen Rates vom 22. September 1948 und der 20. Sitzung am 2. Dezember 1948, in: Wernicke/ Booms, Bd. 3 S. 18, 721, 743 f.
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tungs- und Ausbaumaßnahmen, die sich nach Länderrecht richten. Somit würde Art. 89 II 1 GG dem Bund keine Befugnisse verleihen, die er nicht ohnehin auch als Eigentümer hätte.254 Da die nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen des Bundes nicht unter Art. 89 II 1 GG fallen, müssten sie als sonstiges, nicht (hoheitlichen) Verwaltungsaufgaben dienendes Vermögen ausschließlich von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben betreut werden, die dem Bundesfinanzministerium untersteht.255 Diese Eigentümerverwaltung wäre schließlich keine hoheitliche, auch keine „schlicht-hoheitliche“ Verwaltung. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedoch in einer Entscheidung die Auffassung vertreten, dass die Bundesfinanzverwaltung nach Art. 87 I 1 GG nach allgemeiner Auffassung auch die Verwaltung des Bundesvermögens umfasse.256 Eine solche allgemeine Auffassung besteht jedoch nicht. Die Bundesfinanzverwaltung ist zwar nicht nur mit der Verwaltung von Steuern und Abgaben nach Art. 108 I GG befasst. Das rechtfertigt aber nicht den Schluss, dass auch die übrigen von der Bundesfinanzverwaltung wahrgenommenen Aufgaben zur (hoheitlichen) Bundesverwaltung im Sinne von Art. 87 I 1 GG zählen.257 Wollte man die nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen des Bundes nach Art. 87 I 1 GG hoheitlich im Rahmen der Bundesfinanzverwaltung verwalten, wäre zudem nichts gewonnen: Auch eine solche Konstruktion scheitert daran, dass der Bund für diese Wasserstraßen keine Gesetzgebungskompetenz hat. Somit scheidet jede hoheitliche Verwaltung durch den Bund aus. In der Praxis wird die Verwaltung der nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen des Bundes von der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes wahrgenommen, weil letztere vom weiten Bundeswasserstraßenbegriff ausgeht.
254 A. A. Friesecke, Fn. 217, Einl. Rdnr. 9; ähnlich wie hier Gröpl, in: Maunz/ Dürig, Art. 89 Rdnr. 57. 255 Vgl. dazu § 2 I 2 des Gesetzes über die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImAG) vom 09.12.2004, BGBl I 2004, 3235; insoweit ebenso Gröpl, in: Maunz/Dürig, Art. 89 Rdnr. 65. 256 BVerwG, Urt. v. 03.03.1989 – 8 C 98/85 – NVwZ-RR 1990, 44, 45 = BayVBl 1990, 249; ähnlich und ohne jede Begründung und Vertiefung BVerfG, Beschl. v. 27.06.2002 – 2 BvF 4/98 – BVerfGE 106, 1, 18 = NVwZ 2003, 595. 257 Dittmann, S. 152; Sachs, Art. 87 Rdnr. 30, bezeichnet die Aussage des BVerwG in diesem Zusammenhang als irreführend; offen gelassen bei Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87 Rdnr. 71. Nach Brockmeyer, in: Schmidt/Bleibtreu-Klein, Art. 108 Rdnr. 8 ist die Vermögensverwaltung dem Bund im Grundgesetz nicht ausdrücklich zugewiesen, sie gehöre aber ressortzuständig kraft Natur der Sache zur Bundesverwaltung.
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3. Die Verwaltungsbefugnisse des Bundes nach Art. 89 II 1 GG Die bundeseigene Verwaltung von Wasserstraßen nach Art. 89 II 1 GG wirft zwei wesentliche Probleme auf: Zum einen gilt es zu klären, welche Formen der Verwaltung Art. 89 II 1 GG umfasst (unter a)) und welche inhaltliche Reichweite die Verwaltung hat (unter b)). Da nach Art. 72 I, 74 I Nr. 21 GG grundsätzlich auch Landesgesetze für die dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen möglich sind, stellt sich zum anderen die Frage, ob diese Gesetze im Wege der bundeseigenen Verwaltung vom Bund oder von den Ländern zu vollziehen wären (unter c)). a) Formen der Verwaltung nach Art. 89 II 1 GG Herkömmlicherweise werden für den Bereich der Verkehrswege in Rechtsprechung und Schrifttum die gesetzesakzessorische, die gesetzesfreie Verwaltung und die Vermögensverwaltung unterschieden. Während unzweifelhaft ist, dass die gesetzesakzessorische Verwaltung der Bundeswasserstraßen dem Bund zufällt (unter bb)), ist dies für die gesetzesfreie Verwaltung und die Vermögensverwaltung umstritten (unter cc), dd)). Eine Lösung dieses Problems setzt jedoch zunächst die genaue Abgrenzung der jeweiligen Begriffe voraus (sogleich unter aa)), wobei zu beachten ist, dass diese Einteilung mit der Unterscheidung zwischen hoheitlicher und fiskalischer Verwaltung nur begrenzt deckungsgleich ist.258 aa) Begriffliche Abgrenzung der Verwaltungsformen Unter der gesetzesakzessorischen Verwaltung ist die gesetzesausführende Verwaltung zu verstehen, die durch konkrete gesetzliche Vorgaben gesteuert ist. Es geht mithin um eine durch Rechtssätze festgelegte Aufgabenerfül258 Vgl. hierzu die schematische Darstellung bei Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rdnr. 29. Es handelt sich hierbei um eine Unterscheidung nach der Form der Verwaltung. Unter hoheitlicher Verwaltung wird danach die Erfüllung öffentlicher Aufgaben mit obrigkeitlichen Mitteln (= gesetzesausführende Verwaltung) und schlicht hoheitlichen Mitteln (= gesetzesfreie Verwaltung). Unter fiskalischer Verwaltung ist die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben mit Mitteln des Privatrechts zu verstehen (in diesem Sinne z. Bsp. Hlawaty, BayVBl. 1957, 144, 145; wohl auch Zeidler, DVBl 1960, 573). Dabei handelt es sich ebenfalls um gesetzesfreie Verwaltung. Die Vermögensverwaltung der Wasserstraßen wird mitunter zur fiskalischen Verwaltung gezählt (Hlawaty ebd. S. 146). Da sie aber nicht unmittelbar der Erfüllung von Verwaltungsaufgaben dient, ist dies abzulehnen; kritisch auch Haun, S. 43, 48.
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lung.259 Der Begriff erschöpft sich somit nicht nur in der Eingriffsverwaltung gegenüber Dritten, die aufgrund des Gesetzesvorbehaltes regelmäßig einer gesetzlichen Grundlage bedarf. Vielmehr kann auch die Leistungsverwaltung oder sonstiges behördliches Tätigwerden erfasst sein, sofern es gesetzlich näher gesteuert wird. Im Gegensatz dazu zeichnet sich die so genannte „gesetzesfreie“ Verwaltung durch ein Fehlen konkreter gesetzlicher Steuerung aus.260 Allerdings ist bislang ungeklärt, wann die gesetzliche Steuerung so unkonkret ist, dass man von einer gesetzesfreien Verwaltung sprechen kann. Im Übrigen gilt auch im Bereich der gesetzesfreien Verwaltung die allgemeine Bindung der Verwaltung an das Recht (Art. 1 III, 20 III GG), mithin auch an sonstige bestehende (fachfremde) Gesetze.261 Das Fehlen einer konkreten gesetzlichen Handlungsvorgabe für einen bestimmten Verwaltungsbereich führt somit nicht dazu, dass sich die Verwaltung bei einer solchen Tätigkeit nicht an andere Gesetze halten muss. Ein typisches Beispiel gesetzesfreier Verwaltung auf dem Gebiet der Wasserstraßen ist die Freihaltung der Fahrrinne262, weil hierfür, abgesehen von § 8 WaStrG, keine konkreten gesetzlichen Vorgaben bestehen. Ungeachtet dessen muss der Bund bei derartigen Maßnahmen selbstverständlich beispielsweise einschlägige naturschutzrechtliche Vorschriften beachten. Mittlerweile hat der Gesetzgeber durch die Verpflichtung auf Bewirtschaftungsziele nach § 8 I 4 WaStrG auch hier engere Vorgaben gemacht, so dass zweifelhaft ist, ob noch ein Fall gesetzesfreier Verwaltung vorliegt. Vom Begriff der gesetzesfreien Verwaltung erfasst ist allerdings die Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben in privatrechtlicher Form, beispielsweise durch eine Gesellschaft des Privatrechts.263 Ein weiteres Beispiel der gesetzesfreien Verwaltung ist die Öffentlichkeitsarbeit der Verwaltung und die Einrichtung von internetgestützten Informationsangeboten, begleitend zur eigentlichen Verwaltungstätigkeit.264 259
Kirschenmann, JuS 1977, 565, 566; Riedwelski, SächsVBl. 1995, 196, 197; Broß, in: v. Münch/Kunig, Art. 83 Rdnr. 5. 260 Burgi, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 86 Rdnr. 39; ähnlich Kirchhof, in: Maunz/Dürig Art. 83 Rdnr. 20; vgl. zum Bereich der Fernstraßen auch Ibler, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 90 Rdnr. 39; Kirschenmann ebd. (Fn. 259); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 1 Rdnr. 25. 261 Darauf weist zutreffend Ibler, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 90 Rdnr. 39 hin. 262 So BVerfGE 21, 312, 322 (Fn. 241). 263 BVerfGE 12, 205, 246 (Fn. 241). 264 So zum Beispiel das Informationsangebot der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes unter www.elwis.de. Zur Zulässigkeit von Öffentlichkeitsarbeit im Bereich der Bundesverwaltung vgl. BVerwG, Urt. v. 26.09.2006 – 2 WD 2/06 –, BVerwGE 127, 1, 23 = NVwZ-RR 2007, 257 (hier: Bundeswehr).
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Weitgehend ungeklärt ist der Begriff der Vermögensverwaltung in seiner Abgrenzung zur gesetzesfreien Verwaltung. Nach hier vertretener Auffassung wird damit die Ausübung der Eigentümerbefugnisse an den Bundeswasserstraßen umschrieben.265 Da der Bund, soweit er Eigentümer von Wasserstraßen ist, nach anderen Vorschriften außerhalb des Wasserwegerechts Rechte und Pflichten als Eigentümer hat266, ist die Wahrnehmung dieser Rechte und Pflichten Vermögensverwaltung. Sie unterscheidet sich von der gesetzesfreien Verwaltung dadurch, dass sie final nicht auf die Aufrechterhaltung oder Organisation des Verkehrs auf den Wasserstraßen gerichtet ist, mithin den Verkehrsweg nicht als solchen betrifft. Beispiel hierfür wäre die Vermietung von Werbeflächen an bundeseigenen Schifffahrtsanlagen (insb. Schleusen und dgl.) oder die Erhebung eines Nutzungsentgeltes für die nicht mehr durch den Gemeingebrauch des Wasserrechts gedeckte Wasserentnahme aus einer Bundeswasserstraße267 oder die Erhebung eines Entgeltes für die energetische Nutzung der Wasserkraft268. Nicht mehr zum Bereich der Vermögensverwaltung gehört die Wahrnehmung von Aufgaben in Erfüllung der gesetzlichen Verkehrswegebaulast. Die Verkehrswegebaulast ist gesetzlich angeordnet (vgl. § 12 I WaStrG, § 3 I FStrG), geht über die privatrechtliche Verkehrssicherungspflicht des Eigentümers hinaus und betrifft direkt die Erhaltung eines Verkehrsweges im Interesse der potentiellen Nutzer. Trotz der gesetzlichen Anordnung ist die Art und Weise ihrer Erfüllung aber nicht konkret gesetzlich vorgegeben. Sie ist daher der gesetzesfreien Verwaltung zuzuordnen. Die gegenteilige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts269 im Bereich der Bundesfernstraßen beachtet den Unterschied zwischen Vermögensverwaltung und gesetzesfreier Verwaltung nicht hinreichend. Aus dem gleichen Grund gehört auch der freihändige Erwerb von Grundstücken für den Verkehrswegebau nicht zur Vermögensverwaltung270, sondern zum Bereich der gesetzesfreien Verwaltung. 265
Anders Gröpl, in: Maunz/Dürig, Art. 89 Rdnr. 66, der anstelle von gesetzesfreier Verwaltung den Begriff „gesetzesnichtakzessorische Aufgaben“ verwendet und damit in erster Linie die fiskalische Wahrnehmung von Rechten und Pflichten des Bundes aus dessen Eigentümerstellung meint. 266 Zu den Eigentümerbefugnissen vgl. Friesecke, WaStrG, Einl. Rdnr. 23. 267 Hierzu BGH, Urt. v. 25.06.1958 – V ZR 275/56 – BGHZ 28, 34, 37 f. = MDR 1958, 760, der die Wasserentnahme den privatrechtlichen Eigentümerbefugnissen zuordnete. 268 Zu einem solchen Fall OLG Naumburg, Urt. v. 02.08.2006 – 6 U 176/05 – LKV 2007, 383 (Wasserkraftnutzung an der Saale). 269 BVerwG, Urt. v. 15.04.1977 – IV C 3.74 –, BVerwGE 52, 226, 229 = MDR 1977, 1044; Urt. v. 15.04.1977 – IV C 100.74 – BVerwGE 52, 238, 241 = NJW 1978, 119 und Urt. v. 26.07.1981 – IV C 5.78 – BVerwGE 62, 342, 344 = NJW 1981, 2592. 270 So aber OLG Brandenburg, Beschl. v. 19.02.2001 – 8 Wx 2/01 –, OLG-NL 2001, 193; kritisch zu diesem Beispiel auch Haun, S. 48.
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B. Verfassungsrechtliche Grundprobleme
bb) Gesetzesakzessorische Verwaltung Die gesetzesakzessorische Verwaltung macht heute durch die Ausführung des WaStrG den hauptsächlichen Regelungsgegenstand von Art. 89 II 1 GG aus, wenngleich in der Verfassungsbestimmung von der Ausführung von Gesetzen gar nicht gesprochen wird. Freilich wird die gesetzesakzessorische Verwaltung gleichwohl unbestritten von Art. 89 II 1 GG erfasst. Das ergibt sich nicht zuletzt aus Art. 87 GG, der vor Einführung der Art. 87a–87f die wesentlichen Bereiche bundeseigener Verwaltung einschließlich der Wasserstraßen zusammenfassend nannte und insofern eine „andere Bestimmung“ im Sinne von Art. 83 GG darstellt. Allerdings ist die gesetzesakzessorische Verwaltung des Bundes als reine Verkehrswegeverwaltung auf die Ausführung der nach Art 74 I Nr. 21 GG für die Wasserstraßen erlassenen Gesetze beschränkt. Eine Ausführung anderer Gesetze, welche die Wasserstraßen in nicht verkehrsbezogener Funktion betreffen, ist der Bundeswasserstraßenverwaltung verwehrt (dazu noch unter B. III. 3. b)).271 Hier bleibt es beim Grundsatz der Länderzuständigkeit, was insbesondere bei der Ausführung wasserrechtlicher Bestimmungen von Bedeutung ist. cc) Gesetzesfreie Verwaltung Da Art. 30 GG den Vorrang der Länder nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch für die gesetzesfreie Verwaltung anordnet272, ist zu klären, ob diese vom Begriff der Verwaltung im Sinne von Art. 89 II 1 GG erfasst ist. Art. 89 II 1 GG würde dann eine grundgesetzlich zugelassene Ausnahme vom Grundsatz des Ländervorrangs Art. 30, 83 GG begründen. Regelt Art. 89 II 1 GG hingegen nur die gesetzesakzessorische Verwaltung, müsste es für die gesetzesfreie Verwaltung bei der Länderzuständigkeit verbleiben. Die Art. 83–86 GG regeln nur die gesetzesakzessorische Verwaltung, nicht aber die gesetzesfreie Verwaltung, wie sich aus dem Wortlaut der Vor271 BVerfGE 21, 312, 321 (Fn. 241); BVerwGE 87, 181, 184 (Fn. 249); VG Oldenburg, Urt. v. 16.04.1986 – 7 (3) VG A 144/82 – UA S. 12 (die Entscheidung wurde nach Klagerücknahme vom NdsOVG durch Beschl. v. 14.01.1988 – 3 OVG A 173/86 – für gegenstandslos erklärt); Ibler, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 89 Rdnr. 53 ff.; Gröpl, in: Maunz/Dürig, Art. 89 Rdnr. 69; Hoog, in: v. Münch/Kunig, Art. 89 Rdnr. 3, 19; Durner, in: Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 89 Rdnr. 24, 26; Hermes, in: Dreier, Art. 89 Rdnr. 18; Sachs, Art. 89 Rdnr. 20; Friesecke, WaStrG, Einl. Rdnr. 8; Uerpmann-Wittzack, HdBStR, 4. Aufl. 2006, § 89 Rdnr. 54. 272 BVerfGE 12, 205, 246 (Fn. 241); BVerfG, Beschl. v. 18.07.1967 – 2 BvF 3/62 –, BVerfGE 22, 180, 215 f. = NJW 1967, 1795 (Jugendhilfeentscheidung).
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schriften klar ergibt.273 Eine Abweichung zu Art. 30 GG folgt aus diesen Vorschriften für die gesetzesfreie Verwaltung mithin nicht. Allerdings folgt nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts aus der Überschrift zum VIII. Abschnitt des Grundgesetzes, der die Bundesverwaltung neben der Ausführung der Bundesgesetze ausdrücklich erwähnt, dass in diesem Abschnitt des Grundgesetzes jedenfalls teilweise auch von Art. 30 GG abweichende Aussagen zur gesetzesfreien Verwaltung getroffen werden.274 Dies gilt aber eben nicht allgemein, sondern nur für einzelne Sachbereiche, insbesondere die in Art. 87 GG genannten Materien, zu denen auch die Bundeswasserstraßenverwaltung gehört.275 Es herrscht daher im Ergebnis Einigkeit darüber, dass Art. 89 II 1 GG auch die gesetzesfreie Verwaltung regelt und dem Bund zuweist.276 Bedenken hiergegen sind nicht veranlasst. Zutreffend weist schon Ibler darauf hin277, dass der Wortlaut von Art. 87 I, 89 II 1 GG es nahe legt, die gesetzesfreie Verwaltung einzubeziehen, da der Verfassungsgeber in anderen Sachbereichen auch die Formulierung „Ausführen von Bundesgesetzen“ verwendet. Hinzu kommt, dass die gesetzesfreie Verwaltung auf den in Art. 87 I GG genannten Gebieten der Verkehrs- und Kommunikationsverwaltung bei Inkrafttreten des Grundgesetzes ohnehin den Regelfall darstellte und vormals dem Reich zugeordnet war. Dies galt insbesondere für die Wasserstraßen, für die ein länderübergreifendes Wasserwegerecht erstmals mit dem WaStrG 1968 normiert wurde. Die Entstehungsgeschichte 273 Burgi, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 86 Rdnr. 39 m. w. N.; Kirchhof, in: Maunz/Dürig, Art. 83 Rdnr. 20; Riedwelski, SächsVBl 1995, 196, 201. 274 BVerfGE 12, 205, 247 f. (Fn. 241). So auch die ganz h. M.: Sachs, Art. 87 Rdnr. 11; Burgi, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 86 Rdnr. 40; Kirchhof, in: Maunz/Dürig, Art. 83 Rdnr. 20; Zeidler, DVBl 1960, 573, der den Begriff fiskalischer Verwaltung verwendet; Kirschenmann, JuS 1977, 565, 567, der darauf verweist, dass lediglich umstritten sei, ob die Art. 87–90 GG die Bereiche gesetzesfreier Verwaltung abweichend von Art. 30 GG abschließend regeln; Gröpl, BayVBl 1962, 193, 194. Ausführlich auch Haun, S. 37 ff. A. A. aber wohl Badura, in: Herzog/Kunst/Schlaich/Schneemelcher, 3. Aufl. 1987, Sp. 365, 367 nach dessen Ansicht Art. 83 ff. GG nur für die gesetzesakzessorische Verwaltung gilt, während die gesetzesfreie Verwaltung auf der Inanspruchnahme ungeschriebener Kompetenzen beruhen soll. 275 BVerfGE 12, 205, 247 (Fn. 241); BayVGH, Urt. v. 12.02.1980 – 15 VIII 76 –, BayVBl. 1980, 342, 343; Haun, S. 42 f. 276 BVerfGE 21, 312, 322 (Fn. 241); Ibler, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 89 Rdnr. 43 f.; Gröpl, in: Maunz/Dürig, Art. 89 Rdnr. 17, der hierfür jedoch den Begriff des schlichthoheitlichen Handels verwendet; Maunz, in: Maunz/Dürig (Erstkommentierung), Sachs, Art. 89 Rdnr. 20; Art. 89 Rdnr. 11, 38; Maurer, Staatsrecht I, § 18 Rdnr. 23; Kupsch, NuR 2005, 285, 289; Reinhardt, ZfW 1989, 61, 66; Hlawaty, BayVBl 1957, 144, 145. 277 Ibler, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 89 Rdnr. 44.
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des Grundgesetzes bietet keinen Anhalt dafür, dass der Verfassungsgeber diese Bereiche wieder den Ländern überlassen wollte. Auch Laforet, der seinerzeit an den Beratungen der maßgeblichen Vorschriften des Parlamentarischen Rates beteiligt war, hat sich im Sinne eines weiten Verwaltungsbegriffes geäußert. Ihm zufolge sollte die Überschrift zum VIII. Abschnitt des Grundgesetzes gerade klar stellen, dass sich die Verwaltung nicht in der Ausführung der Gesetze erschöpfe, sondern Bund und Länder je nach Zuständigkeit auch Aufgaben der „schöpferischen“ Verwaltung zu erfüllen hätten.278 Schließlich ist zu bedenken, dass die Grenze zwischen gesetzesfreier und gesetzesakzessorischer Verwaltung fließend ist, wenn allein der Grad der gesetzlich vorgegebenen Steuerung des Verwaltungshandelns das maßgebliche Unterscheidungsmerkmal sein soll. Würde die gesetzesfreie Verwaltung abweichend von der gesetzesakzessorischen Verwaltung den Ländern überlassen, ergäben sich deshalb schwierige Kompetenzabgrenzungsfragen. Es müsste nämlich beurteilt werden, ob die Regelungsdichte in einem Verwaltungsbereich so gering ist, dass dieser den Ländern zu überlassen wäre. Eine solche Konstruktion wäre praktisch kaum zu handhaben und trüge die Gefahr von erheblichen Kompetenzkonflikten in sich.
dd) Vermögensverwaltung Umstritten ist, ob zur Verwaltungstätigkeit nach Art. 89 II 1 GG auch die Vermögensverwaltung der Bundeswasserstraßen gehört. Zwar ließe sich argumentieren, dass diese Frage aufgrund der zivilrechtlichen Eigentümerbefugnis des Bundes dahinstehen könne279. Allerdings kann der Bund nach Art. 89 II 3, 4 GG die Verwaltung einer Bundeswasserstraße als Auftragsverwaltung auch an die Länder übertragen. Spätestens hier würde sich das Problem stellen, ob für die Vermögensverwaltung weiterhin der Bund zuständig ist, oder das Land, dem die Verwaltung übertragen wurde. Das gleiche Problem stellt sich bei der obligatorischen Auftragsverwaltung der Bundesfernstraßen nach Art. 90 II GG. Daher ist die Frage nach der Zugehörigkeit der Vermögensverwaltung zur Verwaltung i. S. v. Art. 89, 90 GG nicht nur theoretischer Natur. Eine Einbeziehung der Vermögensverwaltung unter den Verwaltungsbegriff in Art. 89 II 1 GG befürworten insbesondere Ibler, Schmuck und ihm folgend Hermes.280 Die gleiche Ansicht wird in der Rechtsprechung zu 278
Laforet, DÖV 1949, 221. In diesem Sinne wohl Hoog, in: v. Münch/Kunig, Art. 89 Rdnr. 19. 280 Ibler, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 89 Rdnr. 43; Schmuck, DÖV 1961, 662, 663; Hermes, in: Dreier, Art. 89 Rdnr. 19; differenzierend Gröpl, in: Maunz/ 279
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den Bundesfernstraßen vertreten281, freilich mit der Folge der Länderzuständigkeit nach Art. 90 II GG. Hingegen scheitert die Einbeziehung der Vermögensverwaltung nach Maunz an einer ausdrücklichen grundgesetzlichen Regelung, der Bund sei aber aufgrund von Art. 89 I GG zur Vermögensverwaltung befugt.282 Der gleichen Ansicht ist Durner, da die Vermögensverwaltung keinen Bezug zur Aufgabe der Verkehrswegeverwaltung aufweise und die Gegenüberstellung von Eigentum in Art. 89 I GG mit der Verwaltung in Art. 89 II GG gegen eine Zuordnung der Vermögensverwaltung zu Art. 89 II GG spreche. Außerdem spreche das Fehlen einer Gesetzgebungsbefugnis als Voraussetzung einer Verwaltungskompetenz des Bundes für seine Auffassung.283 Sachs nennt die Einbeziehung der Vermögensverwaltung „systemwidrig“.284 Zunächst ist es zwar zutreffend, dass die Verwaltungskompetenz des Bundes durch die Gesetzgebungskompetenzen begrenzt wird285. Allerdings geht dieser Einwand am Gegenstand der Vermögensverwaltung vorbei: Es geht hier nicht um die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben gegenüber der Allgemeinheit durch Ausführung von Gesetzen, sondern um die Nutzung der aus dem Eigentum fließenden, einfachgesetzlich ausgestalteten Befugnisse. Betroffen sind damit nur Befugnisse, welche jedem anderen Eigentümer auch zustehen würden. Hingegen soll die Begrenzung der Verwaltungskompetenz durch die Gesetzgebungskompetenz sicherstellen, dass der Bund nicht in Bereichen hoheitlich tätig werden muss, in denen er mangels Gesetzgebungskompetenz keine hinreichende Grundlage für seine Tätigkeit schaffen könnte. Eine gesonderte Gesetzgebungskompetenz für die Eigentümerverwaltung ist daher nicht erforderlich. Dürig, Art. 89 Rdnr. 65, für den die Vermögensverwaltung nur insoweit unter Art. 89 II 1 GG fällt, als es sich um Tätigkeiten in Vollzug der öffentlich-rechtlichen Infrastrukturaufgabe der Bereitstellung der Wasserstraßen für den allgemeinen Verkehr handelt. 281 BVerwGE 52, 226, 229 (Fn. 269); BVerwGE 52, 238, 241 (Fn. 269); BVerwGE 62, 342, 344 (Fn. 269) und Urt. v. 28.08.2003 – 4 C 9/02 – NVwZ-RR 2004, 84; OLG Brandenburg, Beschl. v. 19.02.2001 – 8 Wx 2/01 –, OLG-NL 2001, 193; wenngleich die Entscheidung auf der Tatsachenebene Bereiche betrifft, die der gesetzesfreien Verwaltung zuzuordnen sind, vgl. schon B. III. 3. a) aa). Dem Bundesverwaltungsgericht folgend ohne nähere Begründung auch BVerfGE 102, 167, 173 (Fn. 249); präziser Haun, S. 44 f.; a. A. in der Tendenz wohl BayVGH, BayVBl. 1980, 341, 342 (Fn. 275), der die Frage aber nicht entscheiden musste und daher letztlich offen ließ. 282 Maunz, in: Maunz/Dürig (Erstkommentierung), Art. 89 Rdnr. 38. 283 Durner, in: Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 89 Rdnr. 25; ähnlich, aber ohne nähere Begründung auch Dittmann, S. 188. 284 Sachs, Art. 89 Rdnr. 21. 285 Vgl. schon oben unter B. III. 2. c) bb), insb. Nachweise in Fn. 249, 250.
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Andererseits genügt auch der Verweis auf die bloße Eigentümerstellung (§ 903 BGB) oder Art. 89 I GG nicht zur Bewältigung des Problems. Damit wird nicht geklärt, ob bei einer Übertragung der Verwaltung auf die Länder nach Art. 89 II 3, 4 GG (wie im Fall obligatorischer Länderverwaltung nach Art. 90 II GG) auch die Vermögensverwaltung den Ländern zusteht. Für die Einbeziehung der Vermögensverwaltung sprechen jedoch Systematik, Sinn und Zweck der Regelungen im VIII. Abschnitt des Grundgesetzes. Bis 1993 waren in Art. 87 I 1 GG neben den Bundeswasserstraßen, dem Auswärtigen Dienst und der Bundesfinanzverwaltung auch die Bundeseisenbahnen und die Bundespost als Gegenstand bundeseigener Verwaltung genannt.286 Alle diese Bereiche erfordern in nicht unerheblichem Umfang zusätzlich zur eigentlichen Verwaltungsaufgabe eine Verwaltung von Vermögen, welches zur Erfüllung der betreffenden Verwaltungsaufgaben dient. Gerade bei Eisenbahn und Post ist aber augenfällig, dass die Verwaltung des zugehörigen Vermögens nicht abweichend von der sonstigen Verwaltung geführt werden kann, da es sich letztlich um Betriebsmittel handelt. Da es aber gerade bei der Verkehrsverwaltung zur Bestimmung der Reichweite der Verwaltungskompetenz auf den historisch gewachsenen Kernbestand ankommt287, kann für die Bundeswasserstraßen nichts anderes gelten. Auch hier handelt es sich um Betriebsmittel im weitesten Sinne, wenngleich die Bundeswasserstraßen und ihre Verwaltung keinen Betrieb im engeren Sinne darstellen, wie es etwa bei den Eisenbahnen als Transportunternehmen der Fall ist288. Deshalb ist die Vermögensverwaltung im Interesse einer möglichst einheitlichen Zuständigkeit von der Verwaltung nach Art. 89 II 1 GG erfasst.289 Auch die größere Sachnähe des Verwaltungsträgers spricht hierfür. Wird die Verwaltung einer Wasserstraße nach Art. 89 II 3, 4 GG als Auftragsverwaltung auf die Länder übertragen, so gilt dies auch für die Vermögensverwaltung. Der Bund kann in diesen Fällen seine Vermögensinteressen mit den Eingriffsbefugnissen für die Auftragsverwaltung nach Art. 85 GG wahren (näher dazu unter B. III. 4.).
286 Geändert durch das 40. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 20.12.1993, BGBl 1993 I, 2089. Durch die Änderung wurde die Privatisierung der bislang als unselbstständiges Sondervermögen geführten Bundespost und Bundesbahn vorbereitet. 287 BVerfG, Beschl. v. 28.01.1998 – 2 BvF 3/92 –, BVerfGE 97, 198, 218 f. = NVwZ 1999, 495, 497 (Bundesgrenzschutz). 288 Für die Errichtung eines solchen Unternehmens bietet Art. 89 GG keine Grundlage, vgl. Hermes, in: Dreier, Art. 89 Rdnr. 19, Maunz, in: Maunz/Dürig (Erstkommentierung), Art. 89 Rdnr. 54 (zu Art. 89 II 2 GG). 289 Ähnlich zum Bereich der Bundesfernstraßen Haun, S. 45.
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b) Inhaltliche Reichweite der Wasserstraßenverwaltung Seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 11. April 1967 zur Ausführung hessischen Wasserrechts durch die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes ist weitgehend unbestritten, dass die Verwaltung der Bundeswasserstraßen durch den Bundes nach Art. 89 II 1 GG eine reine Verkehrswegeverwaltung ist, dem Bund Verwaltungsbefugnisse also nur zustehen, soweit das Verwaltungshandeln die Wasserstraße in ihrer Eigenschaft als Verkehrsweg betrifft.290 Diese Vorstellung lag schon der Vorgängernorm in Art. 97 WRV zugrunde.291 Die Verwaltung durch den Bund beinhaltet demnach u. a. die Planung, den Neubau, Ausbau und die Unterhaltung der Bundeswasserstraßen als Verkehrsweg. Hinzu kommt die Strompolizei im Interesse der Freihaltung des Verkehrsweges für die Schifffahrt und die Erhebung von Abgaben für die Benutzung der Wasserstraßen durch die Schifffahrt.292 Eine Verwaltung der Wasserstraßen unter wasserwirtschaftlichen bzw. wasserhaushälterischen Gesichtspunkten ist dem Bund hingegen verwehrt. Dafür wurde vor der Föderalismusreform 2006 zutreffend auf die beschränkte Gesetzgebungskompetenz des Bundes verwiesen. Da die Gesetzgebungskompetenz nach allgemeiner Meinung die äußerste Grenze einer Verwaltungskompetenz des Bundes darstellt293 und der Bund eine volle Gesetzgebungskompetenz für die Wasserstraßen nur nach Art. 74 I Nr. 21, 72 II GG in verkehrlicher Hinsicht in Anspruch nehmen konnte, war eine Ausführung wasserwirtschaftlicher Vorschriften, für die der Bund lediglich nach Art. 75 Nr. 4 GG eine Rahmenkompetenz hatte, ausgeschlossen. Mit der Föderalismusreform hat der Bund jedoch in Art. 74 I Nr. 32 GG auch eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz im Bereich des Wasserhaushaltsrechts erhalten. Damit sollte dem Bund insbesondere die einheitliche Umsetzung von europäischem Recht ermöglicht werden.294 290 BVerfGE 21, 312, 320 f. (Fn. 241); BVerwGE 87, 181, 184 (Fn. 249); VG Oldenburg, Urt. v. 16.04.1986 – 7 (3) VG A 144/82 – UA S. 12 (die Entscheidung wurde nach Klagerücknahme vom NdsOVG durch Beschl. v. 14.01.1988 – 3 OVG A 173/86 – für gegenstandslos erklärt); Ibler, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 89 Rdnr. 53; Hoog, in: v. Münch/Kunig, Art. 89 Rdnr. 3, 19; Durner, in: Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 89 Rdnr. 24, 26; Hermes, in: Dreier, Art. 89 Rdnr. 18; Sachs, Art. 89 Rdnr. 20; Friesecke, WaStrG, Einl. Rdnr. 8; UerpmannWittzack, HdBStR, § 89 Rdnr. 54. 291 StGH, Entsch. v. 12.12.1925 – StGH 3/24 –, RGZ 112, 33*, 34* = JW 1926, 1454 mit Anm. Lammers, S. 1454. 292 Ibler, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 89 Rdnr. 45. 293 BVerfGE 12, 205, 229 (Rundfunkurteil, Fn. 241); vgl. im Übrigen aus der Rechtsprechung die Nachweise in Fn. 249 und aus der Literatur die Nachweise in Fn. 250. 294 BT-Drs. 16/813, S. 11.
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Daraus wurde vereinzelt offenbar der Schluss gezogen, der Bund könne die Wasserstraßen nun auch in ihrer Funktion für den Wasserhaushalt durch ein auf der Grundlage von Art. 74 I Nr. 32 GG erlassenes Gesetz verwalten.295 Eine solche Schlussfolgerung wäre jedoch nicht zutreffend. Sie würde voraussetzen, dass sich die Verwaltungskompetenz des Bundes automatisch in dem Maße erweitert, wie sich die Gesetzgebungskompetenzen erweitern. Eine solche stillschweigende Änderung von Art. 89 II 1 GG müsste jedoch an Art. 79 I 1 GG scheitern. Und obwohl die Gesetzgebungskompetenz die äußerste Grenze der Verwaltungskompetenz darstellt, bedeutet das nicht, dass die Verwaltungskompetenz des Bundes stets soweit reicht, wie die Gesetzgebungskompetenz. Dass dem nicht so ist, ergibt sich zweifellos aus Art. 83 GG, der die Ausführung der Bundesgesetze den Ländern überantwortet, soweit das Grundgesetz nichts Abweichendes regelt. Die Abweichung in Art. 89 II 1 GG ist deshalb nach wie vor allein auf die Verkehrswegeverwaltung anzuwenden, die der Bund auf der Grundlage des Wasserstraßengesetzes durchführt. Für ein anderes Ergebnis im Sinne einer Erweiterung der Verwaltungskompetenz geben auch die Materialien zur Föderalismusreform keine Anhaltspunkte. c) Die Ausführung von Landesgesetzen durch die Wasserstraßenverwaltung des Bundes Da Art. 74 I Nr. 21 GG das Wasserstraßenrecht der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz unterwirft, könnten auch die Länder wasserstraßenrechtliche Regelungen erlassen, soweit der Bund nicht bereits von seiner Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht hat, Art. 72 I GG. Angesichts der ausschließlichen Bundesverwaltung, die durch Art. 89 II 1 GG angeordnet wird, ist aber fraglich, ob der Bund dann die landesrechtlichen Regelungen vollziehen darf und muss. Die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum geht davon aus, dass dem Bund ein solcher Vollzug von Landesrecht verwehrt ist (hierzu unter aa)). Dagegen nimmt eine Mindermeinung an, dass der Vollzug von Landesrecht durch den Bund zwar nicht grundsätzlich, aber jedenfalls im Bereich des Wasserstraßenrechts möglich ist (unter bb)). Wie zu zeigen ist, hat sich diese Rechtsfrage durch den Erlass des Bundeswasserstraßengesetzes 1968 und die Föderalismusreform 2006 nicht erledigt (unter cc)). Eine kritische Auseinandersetzung mit der h. M. führt überdies zu dem Ergebnis, dass der Vollzug von Landesrecht durch den Bund im Bereich der Wasserstraßenverwaltung unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sein kann (unter dd)). 295 Möckel, DVBl 2010, 618, 624; Reinhardt, NVwZ 2008, 1048, 1050; a. A. Gröpl, in: Maunz/Dürig, Art. 89 Rdnr. 69.
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aa) Kein Vollzug von Landesrecht durch den Bund Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 11. April 1967 zur Inanspruchnahme hessischen Wasserrechts durch die Bundeswasserstraßenverwaltung296, welche durch das Gericht für unzulässig befunden wurde, hat sich das Schrifttum und, soweit es Gerichtsentscheidungen hierzu gibt, auch die Rechtsprechung konsequenterweise dem Bundesverfassungsgericht angeschlossen297. Nähere Begründungen für diese Ansicht liefern in der Kommentarliteratur jedoch nur Broß und Lerche. Broß führt als Argument die Eigenstaatlichkeit der Länder an, die selbst den Anwendungsbereich ihrer Gesetze bestimmten, der im Übrigen aber nicht weiter als der Kompetenzbereich der Länder sein könne.298 Lerche begründet seine Ansicht damit, dass man den Ländern zur Durchsetzung des Willens des Landesgesetzgebers Kontroll- und Aufsichtsbefugnisse einräumen müsste, was sich mit dem Grundgesetz, vom Ausnahmefall der Organleihe abgesehen, jedoch nicht vertrüge.299 Dabei hatte das Bundesverfassungsgericht seine Auffassung ebenfalls nicht näher begründet. In der Entscheidung vom 11. April 1967 hieß es lediglich: „Die Ausführung von Landesrecht durch Bundesbehörden ist aber nach dem Grundgesetz schlechthin ausgeschlossen (BVerfGE 12, 205 [221]; Zeidler, DVBl. 1960, 573 ff.). Zur Ausführung eines Landesgesetzes sind ausschließlich die Länder zuständig (Art. 30 GG).“300
Schon die in Bezug genommene Rundfunkentscheidung (BVerfGE 12, 205) hatte zu eben dieser Feststellung lediglich Zeidler301 zitiert. Ausdrück296
BVerfG, Beschl. v. 11.04.1967 – 2 BvG 1/62 –, BVerfGE 21, 312, 321 = NJW 1967, 1956. 297 BVerwG, Urt. v. 09.05.2001 – 6 C 4.00 –, BVerwGE 114, 232, 238 = NVwZ 2001, 1152; Urt. v. 03.03.1989 – 8 C 98/85 – NVwZ-RR 1990, 44, 45 = BayVBl 1990, 249; OVG Koblenz, Urt. v. 06.06.1974 – 1 A 64/73 –, ZfW 1975, 57, 63; Broß, in: Münch/Kunig, Art. 83 Rdnr. 6; Dittmann, in: Sachs, Art. 83 Rdnr. 3; Hermes, in: Dreier, Art. 83 Rdnr. 29; Ibler, in: Maunz/Dürig, Art. 86 Rdnr. 28; wohl auch Kirchhof, ebd., Art. 83 Rdnr. 136; Maunz, in: Maunz/Dürig (Erstkommentierung), Art. 89 Rdnr. 12; Trute, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 83 Rdnr. 26; Blümel, in: HdBStR § 101 Rdnr. 11; Petersen, Deutsches Küstenrecht, Rdnr. 450. 298 Broß, in: Münch/Kunig, Art. 83 Rdnr. 6. 299 Lerche, in: Maunz/Dürig (Bearbeitung 1983, 21. Ergänzungslieferung), Art. 83 Rdnr. 25. 300 BVerfGE 21, 312, 321 (Fn. 296). 301 Wolfgang Zeidler (1924–1987) war von 1955 bis 1958 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bundesverfassungsgericht, ab 1967 bis 1970 Richter im ersten Senat, von 1970 bis 1975 Präsident des Bundesverwaltungsgerichts. 1975 kehrte er an das Bundesverfassungsgericht zurück und wurde 1983 dessen Präsident.
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lich und tragend hat das Bundesverfassungsgericht später seine Aussage nicht wiederholt, in einer Entscheidung zum Telekommunikationsrecht aus dem Jahr 2003 war lediglich noch von der „nicht minder sensiblen Anwendung von Landesrecht durch eine Bundesbehörde“ die Rede302. Zeidler hat sich seinerzeit im Wesentlichen auf folgende Überlegungen gestützt: Da nach dem Grundgesetz sowohl die Länder wie auch der Bund Staatscharakter hätten, müssten nach dem Grundsatz der „Einheit der Staatsgewalt“ sowohl Bund wie auch Länder selbst ihre staatliche Gewalt durch Legislative, Exekutive und Judikative ausüben. Würde ein Staat für einen anderen Gewalt ausüben, sei daher der Einfluss des normsetzenden Staates auf den ausführenden Staat erforderlich, wie dies beispielsweise bei der Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder geregelt sei.303 Auch aus dem „Wesen der parlamentarischen Verantwortung der Exekutive“ folge, dass der normsetzende Staat Kontrollmöglichkeiten über die ausführende Exekutive haben müsse. Zeidler räumte zwar ein, dass eine bundesstaatliche Ordnung an sich dem expliziten Vollzug von Landesrecht durch den Bund nicht entgegensteht. Allerdings bedürfe es hierfür einer Regelung im Grundgesetz, insbesondere auch, weil die Länder dem Bund den Vollzug ihrer Gesetze nicht aufzwingen könnten.304 Eine solche Ausnahme enthalte Art. 89 II 1 GG jedoch nicht, da er hierfür eindeutiger gefasst sein müsse. Dem stünde Art. 86 GG nicht entgegen, da dort „Gesetze“ im Sinne von Bundesgesetzen gemeint seien.305 bb) Gegenauffassungen Die Gegenauffassungen, welche einen Vollzug von Landesrecht durch den Bund im Bereich der Wasserstraßenverwaltung für zulässig halten, finden sich vor allem im älteren Schrifttum.306 Nach der Entscheidung des BVerfG vom 11. April 1967 hat diese Auffassung offensiv nur noch Salzwedel vertreten.307 Bei anderen Autoren bleibt offen, in welchen Fällen sie die Anwendung von Landesrecht durch den Bund für zulässig halten.308 302
BVerfG, Urt. v. 15.07.2003 – 2 BvF 6/98 –, BVerfGE 108, 169, 185 = NVwZ 2003, 1497 = DÖV 2003, 902. 303 Zeidler, DVBl 1960, 573, 575. 304 Zeidler, DVBl 1960, 573, 578. 305 Zeidler, DVBl 1960, 573, 579. 306 Müller, MDR 1961, 20; Schmuck, DÖV 1961, 662; Wöhrle, Ausführung von Landesgesetzen durch den Bund (Diss.), 1967. 307 Salzwedel, DÖV 1968, 103. 308 Stern, Staatsrecht Bd. II § 41 Nr. 7; für Ausnahmefälle – soweit es sich aus den Normen des Grundgesetzes ergibt – Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 30 Rdnr. 10.
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Wöhrle, dessen Dissertation kurz vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes fertig gestellt wurde, verweist zunächst auf die Überschrift des VIII. Abschnitts im Grundgesetz, in welcher der Begriff der Bundesverwaltung neben der Ausführung der Bundesgesetze gebraucht werde, so dass die Überschrift jedenfalls nicht gegen einen Vollzug von Landesrecht durch den Bund spräche.309 Art. 89 II GG enthalte keine Beschränkung auf die Ausführung von Bundesrecht, vielmehr aber einen Verwaltungsauftrag.310 Dieser habe vor Inkrafttreten des WaStrG gar nicht anders als durch Landesrecht wahrgenommen werden können, soweit insbesondere für den Bereich der Eingriffsverwaltung eine gesetzliche Grundlage erforderlich ist.311 Die Gesetzgebungskompetenz der Länder würde zudem weitgehend leer laufen, wenn sie Gesetze zuließe, die niemand ausführen könne. Außerdem könne der Bund ohne die Ausführung von Landesrecht keine hoheitliche Verwaltung der zu Art. 89 I GG zählenden früheren Reichswasserstraßen vornehmen, die nicht dem allgemeinen Verkehr dienten, weil der Bund hierfür keine Gesetzgebungskompetenz hat.312 Wöhrle tritt schließlich der Auffassung von Zeidler zu Art. 86 GG entgegen. Es sei nicht begründbar, warum der Begriff „Gesetze“ dort nur die Bundesgesetze meine, Art. 89 II belege vielmehr das Gegenteil. Dem Erfordernis parlamentarischer Verantwortung der Exekutive ließe sich durch Kontrollbefugnisse der Länder gegenüber dem Bund Rechnung tragen, Art. 86 stehe dem bei richtiger Auslegung nicht entgegen.313 Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 11. April 1967 sprach Salzwedel von einem „Scherbenhaufen der Jurisprudenz“, den das Bundesverfassungsgericht zurück gelassen habe. Art. 74 I Nr. 21 GG iVm. Art. 89 II GG ergebe nämlich, dass der Bund im Normalfall an den Bundeswasserstraßen Landesrecht ausführen müsse. Zeidler habe zwar Recht, wenn er darauf hinweise, dass es im Grundgesetz einen besonderen Typus des Vollzuges von Landesrecht durch den Bund nicht gäbe, Art. 89 II GG sei insofern aber eine Ausnahme, weil dort der Vollzug von Landesrecht durch den Bund vorausgesetzt werde.314 Eine unmittelbare Kontrollbefugnis der Länder gegenüber dem Bund sei nicht erforderlich, weil für die Länder die Möglichkeit der Anrufung des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 93 I Nr. 3 GG ausreiche. Wie Wöhrle weist auch Salzwedel auf die Verwaltung der nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden, aber dennoch unter Art. 89 I 309 310 311 312 313 314
Wöhrle, S. 30. Wöhrle, S. 36, 38. Wöhrle, S. 39. Wöhrle, S. 37. Wöhrle, S. 28, 41 f. Salzwedel, DÖV 1968, 103, 104.
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GG fallenden früheren Reichswasserstraßen hin. Insgesamt wären die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Rechtssätze daher nur umsetzbar, wenn man Art. 74 I Nr. 21 GG berichtigend als ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes auslege315, was aber am Wortlaut scheitere. Die andere Variante bestehe darin, dass sich die Verwaltungskompetenz des Bundes nach Art. 89 II 1 GG auf die ausgeübte Gesetzgebungskompetenz des Bunds beschränke und soweit kein Bundesrecht bestehe, die Länder an den Bundeswasserstraßen Landesrecht anwenden. Dagegen spräche jedoch, dass das Grundgesetz zwar konkurrierende Gesetzgebungskompetenzen, nicht aber konkurrierende Verwaltungskompetenzen kenne.316 cc) Verbleibende Bedeutung der Streitfrage Aus heutiger Sicht betrachtet erscheint zunächst zweifelhaft, ob der dargelegte Meinungsstreit nach Inkrafttreten des Bundeswasserstraßengesetzes noch irgendeine Bedeutung haben könnte. Dies würde aber zunächst voraussetzen, dass das WaStrG alle denkbaren Sachverhalte abschließend regelt, die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz somit vom Bund vollständig ausgeübt wurde. Ein positiver Beweis hierfür dürfte kaum gelingen, da es in der Eigenart von Regelungslücken liegt, sich erst im Laufe der Zeit den Rechtsanwendern zu offenbaren. Hinzu kommt, dass aufgrund der sich stets ändernden äußeren Umstände auch in Zukunft Regelungen in bisher noch nicht geregelten Bereichen des Wasserwegewesens erforderlich werden können. Da den Bund keine Gesetzgebungspflicht trifft, können die Länder in diesen Fällen an seiner Stelle selbst die notwendigen Regelungen unter Inanspruchnahme der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz treffen. Diese Möglichkeit besteht nach Art. 72 I GG nach wie vor, auch wenn seit der Föderalismusreform 2006 die Erforderlichkeitsklausel des Art. 72 II GG nicht mehr für das Wasserstraßenrecht gilt. Im Übrigen besteht eine parallele Problematik bei den Bundesfernstraßen fort. Auch hier kann es nach Art. 90 III GG zu einer – wenn auch fakultativen – Bundesverwaltung kommen. Der Bund müsste dann, soweit für einen bestimmten Bereich nur Landesrecht besteht, dieses anwenden, zumal für das Bundesfernstraßenrecht die Erforderlichkeitsklausel in Art. 72 II GG nach wie vor gilt. Schließlich erlaubt Art. 71 GG dem Bund sogar im Bereich der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz, die Länder zu eigenen Regelungen zu ermächtigen. Der Vollzug der Gesetze im Bereich der ausschließlichen Gesetzgebung ist jedoch weit überwiegend Gegenstand der Bundesverwaltung. Deshalb besteht das Grundproblem des Bundesvollzugs von Landesrecht 315 316
So etwa in neuerer Zeit Uerpmann-Wittzack, HdBStR, § 89 Rdnr. 25. Salzwedel, DÖV 1968, 103, 106.
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fort, ohne dass die Föderalismusreform daran etwas geändert hätte. Ein Blick in die Materialien der Reform ergibt vielmehr, dass das Problem dort überhaupt keine Rolle spielte.317 dd) Eigene Lösung Zunächst ist vom Wortlaut der maßgeblichen Verfassungsbestimmungen in den Art. 72, 74 Abs. 1 Nr. 21, 86, 89 II 1 GG auszugehen. Danach haben die Bundesländer nach wie vor gemäß Art. 72 I, 74 I Nr. 21 GG ein Gesetzgebungsrecht für den Bereich des Wasserwegerechts, soweit der Bund von seinem Gesetzgebungsrecht keinen Gebrauch gemacht hat. Andererseits verlangt Art. 89 II 1 GG die Verwaltung der Wasserstraßen ausschließlich durch den Bund. Eine Einschränkung der Verwaltungskompetenz ist aus dem Wortlaut nicht zu entnehmen. Dementsprechend gibt es nur folgende Auslegungsmöglichkeiten: Man kann im Wege einer teleologischen Reduktion annehmen, dass der Bund die Wasserstraßen nach Art. 89 II 1 GG nur insoweit verwalten darf, wie er sich hierfür auf ein Bundesgesetz stützen kann. Die Verwaltung wäre dann auf die ausgeübte Gesetzgebungskompetenz beschränkt. Da das Grundgesetz die Verwaltungskompetenz restlos zwischen Bund und Ländern aufteilen muss318, um keine kompetenzfreien Räume entstehen zu lassen, müssen die Länder in diesem Falle die Wasserstraßen ergänzend nach Landesrecht verwalten, soweit Bundesrecht nicht besteht (vgl. Art. 30 GG)319. Gegen eine solche Auslegung sprechen jedoch schon auf den ersten Blick drei Argumente: Zum einen ist schon fraglich, ob eine solche den Wortlaut von Art. 89 II 1 GG beträchtlich einschränkende Auslegung einer Verfassungsnorm überhaupt zulässig ist. Zum anderen stellt sich die Frage, warum der Verfassungsgeber in Art. 89 II 2 GG für die Binnenschifffahrtsverwaltung ausdrücklich den Vorbehalt eines Bundesgesetzes aufgenommen hat, bei der Wasserwegeverwaltung nach Art. 89 II 1 GG hingegen nicht. Für 317 Vgl. den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 07. März 2006, BT-Drs. 16/813; von den vielen Stellungnahmen aus dem rechtswissenschaftlichen Bereich hatte lediglich Prof Dr. Meyer (Humboldt Universität Berlin) ausdrücklich kritisiert, dass Art. 72 II GG nach wie vor Materien enthalte, bei denen eine bundeseinheitliche Regelung besser wäre, insbesondere das Fernstraßenrecht, im Internet verfügbar unter: http://webarchiv.bundestag.de/archive/2006/0606/aus schuesse/a06/foederalismusreform/Anhoerung/01_Allgemeiner_Teil/Stellungnahmen/ Prof__Dr__Dr__h_c__Hans_Meyer.pdf. 318 BVerfG, Beschl. v. 12.01.1983 – 2 BvL 23/81 –, BVerfGE 63, 1, 39 = NVwZ 1983, 537 = DVBl 1983, 539. 319 So offenbar Breuer, ZfW 1974, 268, 272 und OVG Koblenz, ZfW 1975, 56, 60 (Fn. 297); a. A. die Vorinstanz: VG Koblenz, Urt. v. 17.08.1973 – 1 K 89/71 –, DVBl 1974, 301; ablehnend auch Friesecke, ZfW 1975, 29, 32.
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beide Sachgebiete gilt mit Art. 74 I Nr. 21 GG der gleiche Titel der Gesetzgebungskompetenz. Schließlich würde eine solche Auslegung zu einer gemeinsamen Verwaltung der Wasserstraßen durch Bund und Länder führen. Eine solche Mischverwaltung ist jedoch nur in von der Verfassung zugelassenen Ausnahmefällen zulässig320. Dafür, dass ein solcher Ausnahmefall hier vorliegen könnte, liefert Art. 89 II GG jedoch keinerlei Anhaltspunkte. Es geht auch methodisch nicht an, eine Einschränkung der Auslegung einer Verfassungsbestimmung gegen ihren Wortlaut anzunehmen, wenn dies gleichzeitig noch die Annahme eines Falles ausnahmsweise zulässiger Mischverwaltung erfordert. Im Ergebnis ist eine solche Auslegung daher mit dem Wortlaut und der Systematik von Art. 89 II GG nicht zu vereinbaren. Die zweite Auslegungsmöglichkeit entspricht der h. M. und besteht darin, dem Bund die Verwaltung der Bundeswasserstraßen vollständig zu überlassen, ihm jedoch die Anwendung von Landesrecht zu verbieten. Bei vollständiger Verwaltung der Wasserstraßen durch den Bund dürften die Länder freilich ihre eigenen Gesetze auch nicht vollziehen. Die auf der Grundlage von Art. 74 I Nr. 21 GG erlassenen Ländergesetze wären damit von vornherein niemals vollzugsfähig und deshalb stets verfassungswidrig. Eine solche Auslegung verbietet sich ebenfalls, weil damit die Gesetzgebungskompetenz der Länder leer laufen würde. Somit bleibt als dritte Möglichkeit nur, dem Bund auch die Anwendung von Landesrecht zu gestatten. Aus der Entstehungsgeschichte insbesondere des Art. 89 GG lässt sich zu diesem Problem nur wenig ableiten. Aus den Materialien zum Grundgesetz geht lediglich hervor, dass über den Verwaltungstyp für die Wasserstraßen ausgiebig diskutiert wurde. Zur Auswahl standen eine Auftragsverwaltung durch die Länder, die Bundesverwaltung und ein Optionsmodell, wonach der Bund bei einer Auftragsverwaltung auf Antrag der Länder einzelne Wasserstraßen in seine Verwaltung übernommen hätte321. Eine gemeinsame Verwaltung der Wasserstraßen durch Bund und Länder wurde zwischenzeitlich auch vorgeschlagen, aber im Laufe der Beratungen nicht weiter aufgegriffen322. Die Idee von der Bundesverwaltung kam dabei erst gegen Ende der Beratungen auf. Zu keiner Zeit wurde jedoch die Frage diskutiert, ob der Bund die Verwaltung auf landesrechtlicher Grundlage führen könne. Einer Äußerung Laforets kann man allerdings entnehmen, dass man sich bei der Beratung der Gesetzgebungskom320 Zuletzt BVerfG, Urt. v. 20.12.2007 – 2 BvR 2433/04 – Rdnr. 151 ff. – m. w. N.; BVerfGE 119, 331, 370 = NVwZ 2008, 183 (Hartz-IV-Verwaltung). Für Bundesverwaltung im Sinne ausschließlicher Bundeszuständigkeit auch Dittmann, Bundesverwaltung, S. 85. 321 Vgl. die entsprechenden Ausführungen von Strauß in der Ausschusssitzung vom 15. Oktober 1948, in: Wernicke/Booms, Bd. 3 S. 554 f. 322 Strauß, in: Wernicke/Booms, Bd. 3 S. 687.
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petenz der Möglichkeit von Landesrecht bezüglich der dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen bewusst war323. Das entspricht zudem der Praxis der Vorkriegszeit. Schon bei Erarbeitung des Entwurfs für die Weimarer Reichsverfassung gingen die Vertreter Preußens in der Nationalversammlung davon aus, dass das Reich nach Übernahme der Wasserstraßen dieselben Befugnisse haben sollte wie vormals die Strombaubehörden der Länder auf der Grundlage der Wassergesetzgebung der Länder.324 Dem folgend wurden die Wasserstraßen unter der Geltung der Weimarer Reichsverfassung nach § 15 des Wasserstraßenstaatsvertrages auf der Basis landesrechtlicher Regelungen für das Reich verwaltet. Bei den Beratungen über den Entwurf des späteren Art. 89 GG nahmen zudem die federführenden Mitglieder des Parlamentarischen Rates, nämlich Laforet und Hoch325, für sich aufgrund früherer Tätigkeit besondere Sachkompetenz in Anspruch. Die Verwaltung der Wasserstraßen auf landesrechtlicher Grundlage muss ihnen daher zwangsläufig bekannt gewesen sein. Somit sprechen die Materialien zum Grundgesetz nicht gegen einen Vollzug von Landesrecht durch den Bund bei der Verwaltung der Wasserstraßen. Bei kritischer Überprüfung ist schließlich festzustellen, dass auch die von der herrschenden Meinung vorgetragenen übrigen Argumente gegen eine Ausführung von Landesrecht durch den Bund nicht überzeugen. Im Einzelnen ist dabei auf die Trennung der Staatsgewalt von Bund und Ländern, auf die Eigenstaatlichkeit der Länder, die Notwendigkeit von Aufsichtsbefugnissen beim Fremdvollzug von Gesetzen, Fragen der Legitimation staatlicher Gewalt und das Mischverwaltungsverbot einzugehen: (1) Trennung von Landes- und Bundesstaatsgewalt Bundesstaaten können in einer Weise beschaffen sein, dass die Kompetenzbereiche von Gliedstaat und Gesamtstaat im Bereich der Legislative, 323 Laforet, in: Wernicke/Booms, Bd. 3 S. 676; er führte in der Beratung v. 24. November 1948 zur Gesetzgebungskompetenz in Art. 36 Nr. 22 des Entwurfes bezogen auf mögliche Regelungen für dem allgemeinen Verkehr dienende Wasserstraßen aus: „Im Vorrang vom Bund. Die Regelung kann von Bayern erfolgen, aber der Bund hat den Vorrang.“ 324 So die Denkschrift des preußischen Ministeriums für öffentliche Arbeiten vom 7. Mai 1919 für den Vorsitzenden des Verfassungsausschusses der Nationalversammlung, zitiert bei Schmidt-Dahlenburg, RVwBl 1932, 446, 447. 325 Laforet (1877–1959) war von 1927–1951 Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Würzburg, Hoch gab im Ausschuss selbst an, in seiner Verwaltungstätigkeit 12 Jahre lang mit Wasserrecht beschäftigt gewesen zu sein; Wernicke/Booms, Bd. 3 S. 284, 687 f. Tatsächlich war Dr. jur. Fritz Hoch (1896–1984) von 1926 bis 1932 Regierungsrat im preußischen Innenministerium und von 1932–1945 im Oberpräsidium von Kurhessen tätig.
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B. Verfassungsrechtliche Grundprobleme
Exekutive und Judikative vollkommen nebeneinander stehen und keine Berührungspunkte aufweisen. Der Gesamtstaat dürfte dann nur Bundesrecht vollziehen und seine Gerichte dürften nur Bundesrecht anwenden. Auch die Gliedstaaten dürften dann nur ihr eigenes Recht vollziehen und der Rechtsprechung ihrer Gerichte unterstellen. Wenn die Verfassungsordnung der Bundesrepublik so beschaffen wäre, dürfte der Bund Landesrecht auf keinen Fall anwenden. Hinsichtlich der Legislative besteht eine solche Trennung. Das Grundgesetz verteilt in Art. 70 ff. GG die Gesetzgebungskompetenzen, ohne dass der Bund in die Gesetzgebung der Länder eingreifen kann oder umgekehrt die Länder in die Gesetzgebung des Bundes eingreifen können. Eine Abänderung eines Bundesgesetzes durch die Länder oder die Abänderung eines Landesgesetzes durch den Bund ist ausgeschlossen. Vielmehr enthält das Grundgesetz für kompetenzgemäße Gesetze in Art. 31 GG eine Kollisionsregelung. Das gilt selbst für die 2006 in Art. 72 III GG neu eingeführte Abweichungsgesetzgebung. Ein Abweichungsgesetz eines Bundeslandes ändert das Bundesgesetz nicht, es geht ihm lediglich in der Anwendung vor und bleibt dabei ein Landesgesetz.326 Dennoch wird die föderale und damit vertikale Trennung327 der Staatsgewalten nach dem Grundgesetz an vielen Stellen durchbrochen, so dass eine vollständige Trennung der Staatsgewalten von Bund und Ländern nicht besteht328: So können die Länder nach Art. 99 GG den Bundesgerichten die Anwendung von Landesrecht zuweisen.329 Die Länder vollziehen Bundesrecht nach Art. 84, 85 GG und bei der Auftragsverwaltung nach Art. 85 III GG sind sie dem Bund gegenüber weisungsgebunden. Art. 108 IV 1 GG erlaubt Bund und Ländern nach seinem eindeutigen Wortlaut das Zusammenwirken bei der Verwaltung von Steuern, was landesgesetzlich geregelte Steuern einschließt. Diese Beispiele zeigen, dass die Trennung der Staatsgewalten von Bund und Ländern gegen einen Vollzug von Landesrecht durch den Bund nicht angeführt werden kann, auch wenn er nach dem Grundgesetz nicht den Regelfall der Verwaltung, sondern einen (eher seltenen) Ausnahmefall darstellt. Auch ein rechtsvergleichender Blick in das Nachbarland Österreich belegt, dass der Vollzug von Landesrecht durch Bundesbehörden trotz der Trennung von Landes- und Bundesstaatsgewalt verfassungsrechtlich legitim 326 Ipsen, NJW 2006, 2801, 2804; Mammen, DÖV 2007, 376, 377; Papier, NJW 2007, 2145, 2147. 327 Zu diesem Begriff Hesse, Rdnr. 231. 328 BVerfG, Beschl. v. 2.02.1960 – 2 BvF 5/58 –, BVerfGE 10, 285, 296 (Anwendung von Landesrecht durch Bundesgerichte). 329 BVerwG, Urt. v. 13.01.1961 – VII C 233.59 – BVerwGE 11, 336, 337 = ZBR 1961, 63; BGH, Beschl. v. 20.02.1962 – VII ZB 11/62 – BGHZ 38, 36, 37 = MDR 1963, 43.
III. Verfassungsrechtliche Probleme im Einzelnen
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sein kann. Nach Art. 97 II 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG)330 bedarf ein Landesgesetz, welches bei der Vollziehung die Mitwirkung des Bundes vorsieht, der Zustimmung der Bundesregierung. Die österreichische Bundesverfassung setzt damit voraus, dass ein Vollzug von Landesrecht durch den Bund grundsätzlich möglich ist. Dementsprechend hat der Österreichische Verfassungsgerichtshof auch die Vorstellung zurückgewiesen, der Vollzug von Landesrecht durch Bundesbehörden sei „grundsätzlich verfassungssystemwidrig“.331 Art. 97 II 1 B-VG erlaubt zwar nicht die Unterstellung oberster Bundesorgane unter das Land, im Übrigen ergibt sich aber daraus eine Durchbrechung des Prinzips der Trennung von Bundes- und Landesstaatsgewalt.332 Eingedenk der vorgenannten Beispiele zu den Durchbrechungen der vertikalen Gewaltenteilung nach dem Grundgesetz folgt daraus, dass ein Vollzug von Landesrecht durch den Bund nach dem Grundgesetz gerade nicht schlechthin ausgeschlossen ist, er vielmehr durch Art. 89 II 1 GG im Zusammenhang mit den Vorschriften über die Gesetzgebungskompetenzen im Bereich der Wasserstraßenverwaltung ermöglicht wird. (2) Eigenstaatlichkeit der Länder In seiner Entscheidung zur Anwendung von hessischem Landesrecht durch die Wasserstraßenverwaltung des Bundes hat das Bundesverfassungsgericht unter anderem ausgeführt, dass die Anwendung von Landesrecht durch den Bund in unzulässiger Weise in die Hoheit der Länder übergreife und diese daher in ihren Rechten verletze.333 Dieser Aussage lässt sich zustimmen, da sich daraus die Unzulässigkeit des Vollzuges von Landesrecht durch den Bund nicht ergibt. Zutreffend ist, dass die Länder selbst über Staatsqualität verfügen und daher von den ihnen eingeräumten Kompetenzen unabhängigen und selbstständigen Gebrauch machen können334. Den Anwendungsbereich ihrer Gesetze dürfen daher ausschließlich die Länder selbst festlegen.335 330
B-VG idF v. 07.12.1929, BGBl Nr. 1/1930. ÖVfGH, Entsch. v. 29.06.1981, Slg. 9168/1981. 332 ÖVfGH, Entsch. v. 09.10.1982, Slg. 9536/1982. 333 BVerfGE 21, 312, 328 (Fn. 296). 334 St. Rspr.: BVerfG, Beschl. v. 10.05.1960 – 2 BvL 76/58 –, BVerfGE 11, 77, 88 = DÖV 1960, 585; Beschl. v. 19.07.1967 – 2 BvR 639/66 –, BVerfGE 22, 267, 270 = NJW 1967, 1955; Beschl. v. 29.04.1974 – 2 BvN 1/69 –, BVerfGE 36, 342, 359 = NJW 1974, 1181; Beschl. v. 05.06.1998 – 2 BvL 2/97 – BVerfGE 98, 145, 157 = NJW 1995, 1095; zur Entstehung des Bundesstaates aus den Gliedstaaten vgl. Herzog, DÖV 1962, 81, 84. 335 BVerfGE 21, 312, 328 (Fn. 296). 331
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B. Verfassungsrechtliche Grundprobleme
Wenn dem aber so ist, können die Länder in ihren Gesetzen die Anwendbarkeit für Bundesbehörden regeln, sofern es sich nach dem Grundgesetz um einen Gegenstand handelt, in dem der Bund auch eine Verwaltungskompetenz hat. Die Behauptung, das Grundgesetz enthalte keine Ermächtigung des Bundes zum Vollzug von Landesrecht336 ist insofern ungenau: Das Grundgesetz verbietet dem Bund die Anwendung von Landesrecht nicht, sondern lässt sie in Art. 89 II 1 GG zu. Die Ermächtigung im eigentlichen Sinne muss sich aber aus dem Landesrecht ergeben. Dies wird auch durch die historische Parallele zur Rechtslage unter der Weimarer Reichsverfassung belegt. Da ein Reichswasserstraßengesetz nach Übernahme der Verwaltung durch das Reich entsprechend Art. 97 I, 171 I WRV nicht bestand, wurde in § 15 WaStrStV die Fortgeltung der landesrechtlichen Vorschriften angeordnet, die nunmehr durch das Reich anzuwenden waren. Mittels der Zustimmungsgesetze der Länder zum Staatsvertrag war auch eine gesetzliche Grundlage vorhanden, mit der die Länder dem Reich die Anwendung von Landesrecht gestatteten. Dagegen lässt sich auch nicht einwenden, dass dem Bund der Vollzug von Landesrecht nicht aufgezwungen werden könne.337 Zum einen ist er aufgrund seiner Verwaltungskompetenz und nur in diesem Rahmen zur Aufgabenwahrnehmung nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet. Zum anderen steht es ihm regelmäßig frei, bundesgesetzliche Grundlagen zu schaffen, die dann nach Art. 31 GG das Landesrecht brechen. In den ganz wenigen (theoretischen) Ausnahmefällen, in denen ein Bundesgesetz wegen der Erforderlichkeitsklausel in Art. 72 II GG einmal nicht möglich ist (z. Bsp. bei einer bundeseigenen Verwaltung einer Bundesfernstraße nach Art. 90 III GG, für das Fernstraßenwesen gilt die Erforderlichkeitsklausel der Gesetzgebung noch), muss dies vom Bund hingenommen werden. Im Ergebnis steht die Eigenstaatlichkeit der Länder dem Vollzug von Landesrecht durch den Bund nicht entgegen. Sie erfordert aber eine ausdrückliche Ermächtigung des Bundes durch Landesrecht. (3) Aufsichtsbefugnisse beim Fremdvollzug von Normen Nach Auffassung von Zeidler erfordert der Fremdvollzug von Gesetzen Einflussmöglichkeiten des normsetzenden Staates auf den normausführenden Staat.338 Aus Art. 86 GG lässt sich für die Ausführung von Landesrecht jedenfalls nichts zu dieser Frage gewinnen, weil dort Einflussmöglichkeiten 336 337 338
Zeidler (Fn. 303), DVBl 1960, 573, 579. So aber Zeidler ebd. (Fn. 336). Zeidler, DVBl 1960, 573, 576.
III. Verfassungsrechtliche Probleme im Einzelnen
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gerade nicht geregelt werden und sich die Norm zudem allein an die Bundesregierung richtet.339 Zutreffend hat hingegen Salzwedel darauf hingewiesen, dass die Länder ihren Einfluss auf die Ausführung von Landesrecht bei Meinungsverschiedenheiten mit dem Bund durch die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 93 I Nr. 3 GG wahren können.340 Da der Bund zur Verwaltung der Wasserstraßen nicht nur berechtigt, sonder auch verpflichtet ist, verletzt er die auch durch das Grundgesetz garantierten Hoheitsrechte der Länder, wenn er Landesrecht nicht oder nicht richtig anwendet, obwohl ihn die Länder dazu ermächtigt haben. Aufsichtsbefugnisse, die denen in Art. 84, 85 GG und der Möglichkeit des Bundeszwanges nach Art. 37 I GG entsprechen, sind hingegen nicht erforderlich. Zwar ist einzuräumen, dass diese eine effektive Kontrolle des Gesetzesvollzuges durch die Länder ermöglichen würde.341 Dass die Länder einen Gesetzesvollzug in ihrem Sinne nur mit derartigen Instrumenten gegenüber dem Bund durchsetzen könnten, lässt sich daraus hingegen nicht ableiten. Einen Beleg hierfür bietet das Verhältnis der gewissermaßen „präföderalen“ Europäischen Union zu den Mitgliedsstaaten. Auch die Union hat keine exekutiven Befugnisse gegenüber den Mitgliedsstaaten, um die Erfüllung der sich aus dem EUV und dem AEUV für die Mitgliedsstaaten beim Vollzug von Sekundärrecht ergebenden Pflichten sicherzustellen. Umgekehrt können auch die Mitgliedsstaaten, von ihrem Einfluss in den Organen der Union abgesehen, dieser gegenüber keine Zwangsbefugnisse einsetzen. Sowohl den Mitgliedsstaaten wie auch der Union selbst bleibt nur die Möglichkeit, Vertragsverletzungen im Wege des Vertragsverletzungsverfahrens nach Art. 258 AEUV geltend zu machen. Das vor allem von der Kommission häufig genutzte Instrument hat seine Wirksamkeit in der Praxis längst bewiesen. Es kann daher vermutet werden, dass die auf Art. 93 I Nr. 3 GG gestützte Kontrolle des Vollzuges von Landesrecht durch den Bund ausreicht, um die Länderrechte zu sichern. Im Übrigen werden die grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten über den Vollzug von Bundesrecht durch die Länder ohnehin regelmäßig vor dem Bundesverfassungsgericht ausgetragen, zu einer Anwendung des Bundeszwanges nach Art. 37 I GG ist es in der Geschichte der Bundesrepublik noch nie gekommen. Somit genügt das Bundesverfassungsgericht als Kontrollinstanz auch im umgekehrten Fall des Vollzuges von Landesrecht durch den Bund, zumal diese Konstellation nach dem Grundgesetz ohnehin nur in Ausnahmefällen vorgesehen ist. 339
A. A. offenbar Wöhrle, S. 41 ff. Salzwedel, DÖV 1968, 103, 104. 341 Zur Unzulässigkeit eines Einflusses der Länder auf die Bundesverwaltung Dittmann, S. 84 f. 340
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B. Verfassungsrechtliche Grundprobleme
(4) Legitimation staatlicher Gewaltausübung Zu dem in Bund und Ländern gleichermaßen nach Art. 20 I, II GG geltenden Demokratieprinzip gehört, dass sich die Wahrnehmung staatlicher Aufgaben und die Ausübung staatlicher Befugnisse auf das Staatsvolk zurückführen lassen und grundsätzlich ihm gegenüber verantwortet werden müssen. Danach bedürfen die Staatsorgane einer Legitimation, die sich auf die Gesamtheit der Bürger des jeweiligen Bundesstaatsvolkes oder Landesstaatsvolkes zurückführen lässt.342 Dieser Zurechnungszusammenhang lässt sich auf verschiedene Weise herstellen, entscheidend ist, dass ein gewisses Legitimationsniveau erreicht wird.343 Bei Amtsträgern der Verwaltung erfolgt diese Legitimation regelmäßig mittelbar durch die übergeordnete Regierung, welche ihrerseits mittelbar durch das direkt gewählte Parlament legitimiert ist. Die Regierung muss somit in die Lage versetzt sein, die Sachverantwortung für das Handeln der ihr unterstehenden Amtsträger gegenüber dem Parlament und dem Volk zu übernehmen.344 Wird Landesrecht durch die Bundesverwaltung vollzogen, ist nicht zu verkennen, dass die unmittelbar handelnde Behörde des Bundes der Landesregierung und dem betreffenden Parlament gegenüber nicht verantwortlich ist. Allerdings besteht dieses Problem umgekehrt auch beim Landesvollzug von Bundesrecht. Die Landesbehörden werden von der jeweiligen Landesregierung legitimiert, diese wiederum durch das direkt gewählte Landesparlament. Selbst wenn im Falle der Auftragsverwaltung nach Art. 84 III 1 GG Weisungen erteilt werden, ist dem Bundestag gegenüber nur die Bundesregierung und ihre Verwaltung hinsichtlich der Ausübung der Aufsichtsbefugnisse verantwortlich, nicht jedoch die Landesregierung und ihre Verwaltung selbst. Mithin genügt diese Form von Verantwortung gegenüber dem Parlament, weil die handelnde Landesverwaltung ihrerseits demokratisch legitimiert ist. Dies gilt auch im umgekehrten Fall des Vollzuges von Landesrecht durch den Bund, weil auch die Bundesverwaltung von den Landesstaatsvölkern mittelbar durch die Bundestagswahl demokratisch legitimiert ist. Damit wird ein Legitimationsniveau erreicht, welches – man denke vergleichsweise auch an die mittelbare Legitimation von europäischen Gemeinschaftsorganen – im Sinne des Demokratieprinzips ausreichend ist.
342 BVerfG, Beschl. v. 5.12.2002 – 2 BvL 5/98 –, BVerfG 107, 59, 87 = NVwZ 12003, 974 (Lippeverband). 343 BVerfG, Urt. v. 12.102.1993 – 2 BvR 2134/92 u. a. –, BVerfGE 89, 155, 182 = NJW 1993, 3047 = DVBl 1993, 1254 (Maastricht-Vertrag). 344 BVerfG, Beschl. v. 24.05.1995 – 2 BvF 1/92 –, BVerfGE 93, 37, 67 = NVwZ 1996, 574 = DVBl 1995, 1291.
III. Verfassungsrechtliche Probleme im Einzelnen
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(5) Mischverwaltungsverbot Schließlich gerät der Vollzug von Landesrecht durch den Bund zur Verwaltung der Bundeswasserstraßen auch nicht mit dem so genannten Mischverwaltungsverbot in Konflikt, wonach ein Zusammenwirken von Bund und Ländern im Rahmen der Verwaltung nur in gewissen Grenzen zulässig ist.345 Entscheidend hierfür ist, dass ein Zusammenwirken von Bundes- und Landesverwaltung hier gerade nicht stattfindet. Die Verwaltung der Bundeswasserstraßen bleibt allein Sache des Bundes, der sich nur an die legislativen Vorgaben der Länder halten muss. 4. Auftragsverwaltung durch die Länder nach Art. 89 II 3, 4 GG Nach Art. 89 II 3, 4 GG kann die Verwaltung einer Bundeswasserstraße auf Antrag eines Landes, im Falle des Art. 89 II 4 GG auf Antrag mehrerer Länder, auf ein Land übertragen werden. Problematisch ist hier vor allem, ob Art. 85 GG vollumfänglich anzuwenden ist, da die Verwaltung der Wasserstraßen sich nicht in der Ausführung des Bundeswasserstraßengesetzes erschöpft (hierzu a)). Zum anderen ist zu klären, ob die Übertragung einen bestimmten Rechtsakt erfordert (unter b)) und ob in diesem Zusammenhang die Regelung des § 45 V WaStrG zur Verwaltung der Elbe durch Hamburg einen Fall des Art. 89 II 3 darstellt (hierzu unter c)). a) Die Anwendung von Art. 85 GG bei der Auftragsverwaltung der Bundeswasserstraßen Art. 85 I GG spricht bei der Auftragsverwaltung von der Ausführung der Bundesgesetze. Die Verwaltung der Bundeswasserstraßen umfasst jedoch neben der Ausführung der aufgrund von Art. 74 I Nr. 21 GG erlassenen Regelungen auch noch die gesetzesfreie Verwaltung und die Vermögensverwaltung (vgl. unter B. III. 3. a)). Da diese Bereiche zur Verwaltung der Wasserstraßen gehören, können sie mit der Ausführung des Bundeswasserstraßengesetzes auf die Länder übertragen werden. Art. 85 III GG, der den obersten Bundesbehörden ein Weisungsrecht einräumt, erstreckt sich auch auf diese Bereiche. Dem steht Art. 85 I GG, der den Vollzug der Bundesgesetze durch die Länder betrifft, nicht im Wege, weil sich die Bundesauftragsverwaltung – entgegen dem irreführenden Wortlaut von Art. 85 I GG – 345 Grundsätzlich und auch kritisch zum Begriff des Mischverwaltungsverbotes BVerfG, Beschl. v. 12.01.1983 – 2 BvL 23/81 –, BVerfGE 63, 1, 37 ff. = NVwZ 1983, 537.
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B. Verfassungsrechtliche Grundprobleme
nicht auf den Gesetzesvollzug beschränkt346. Der von Hermes vertretenen Gegenauffassung347 ist hingegen nicht zu folgen. Aus dem Wortlaut, der Systematik und der Entstehungsgeschichte der Norm lässt sich eine Beschränkung der Aufsichtsbefugnisse auf den Gesetzesvollzug im Falle der Wasserstraßenverwaltung nicht entnehmen, zumal diese sinnwidrig wäre. Art. 85 I 1 GG enthält keine Legaldefinition der Auftragsverwaltung. Selbst wenn man es anders sehen wollte, müsste man Art. 89 II 3, 4 und Art. 90 II GG als Rechtsfolgenverweisung interpretieren, so dass sich das Weisungsrecht auf den gesamten Verwaltungsgegenstand erstreckt. Die Entstehungsgeschichte bestätigt diesen Befund, weil das Weisungsrecht in den Beratungen des Parlamentarischen Rates ausdrücklich diskutiert wurde, ohne dass dabei zwischen der gesetzesakzessorischen und der sonstigen Verwaltung unterschieden worden wäre.348 Schließlich war zur damaligen Zeit die gesetzesfreie Verwaltung der Verkehrswege noch wesentlich stärker ausgeprägt, als das heute der Fall ist. b) Form des Übertragungsaktes Nach allgemeiner Auffassung steht es im Ermessen eines Landes, ob es die Übertragung der Verwaltung einer Wasserstraße in seinem Landesgebiet beantragt. Genauso steht es dem Bund weitgehend frei, ob er dem Antrag entspricht, einen Anspruch der Länder gibt es nicht.349 Die Entscheidungsbefugnis des Bundes wird allerdings durch das auch hier zur Anwendung kommende Willkürverbot begrenzt.350 Umstritten ist jedoch, ob die Übertragung durch Bundesgesetz erfolgen muss. Nach Auffassung von Maunz ist ein Gesetz erforderlich. Dies ergebe sich aus Art. 89 II 2 GG und sei lediglich aus redaktionellen Gründen in Art. 89 II 3, 4 GG nicht noch einmal wiederholt worden.351 Hermes begründet die Notwendigkeit eines Gesetzes mit den weit reichenden Auswir346 Dittmann, in: Sachs, Art. 85 Rdnr. 30; Maunz, in: Maunz/Dürig (Erstkommentierung), Art. 89 Rdnr. 44 und insbesondere Art. 90 Rdnr. 8; Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 85 Rdnr. 74. 347 Hermes, in: Dreier, Art. 85 Rdnr. 16; wohl auch Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 85 Rdnr. 1. 348 Vgl. die Diskussion in der 6. Sitzung des Zuständigkeitsausschuss vom 30.09.1948, Wernicke/Booms, Bd. 3 S. 284. 349 Ibler, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 89 Rdnr. 68; Hoog, in: Münch/Kunig, Art. 89 Rdnr. 24; Maunz, in: Maunz/Dürig (Erstkommentierung), Art. 89 Rdnr. 42; Hermes, in: Dreier, Art. 89 Rdnr. 22; Durner, in: Berliner Kommentar zum Grundgesetz Art. 89 Rdnr. 37. 350 Näher Gröpl, in: Maunz/Dürig, Art. 89 Rdnr. 17. 351 Maunz, in Maunz/Dürig (Erstkommentierung), Art. 89 Rdnr. 45.
III. Verfassungsrechtliche Probleme im Einzelnen
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kungen einer Kompetenzverlagerung zwischen Bund und Ländern, Durner zieht die Wesentlichkeitstheorie zur Begründung heran.352 Von anderen Autoren wird die Notwendigkeit eines Gesetzes bestritten, wenngleich dies kaum begründet wird.353 Die Streitfrage lässt sich letztlich nur in der Gesamtschau der Kompetenzregelungen im Grundgesetz entscheiden. Die Möglichkeit, durch Gesetz die Verwaltungskompetenz zwischen Bund und Ländern zu verlagern, findet sich in Art. 87b II GG (Wehrverwaltung), Art. 87d II (Luftverkehrsverwaltung) und Art. 87e I 2 GG (Eisenbahnverwaltung). Eine Verlagerung ohne ausdrückliches Erfordernis eines Gesetzes ist in den Fällen des Art. 89 II 3, 4 GG und Art. 90 III GG vorgesehen und darf nur auf Antrag der Länder erfolgen. In den zuerst genannten Fällen kann die Verlagerung somit auch gegen den Willen eines Landes zwischen dem Bund und allen Ländern stattfinden. Im zweiten Fall ist eine von Land zu Land unterschiedliche Regelung nur mit Willen des Landes möglich. Angesichts dieses grundsätzlichen Unterschiedes kann man davon ausgehen, dass die unterschiedlich formulierten Verfassungsbestimmungen auch einen insofern unterschiedlichen Regelungsinhalt haben354. Die Übertragungsmöglichkeiten in Art. 87b II, 87d II, 87e I 2 GG wurden zudem erst nachträglich in das Grundgesetz eingefügt. Obwohl schon zur Zeit der nachträglichen Änderungen vertreten wurde, dass eine Übertragung der Verwaltungszuständigkeit nur durch Gesetz erfolgen kann, hat der Gesetzgeber Art. 89 II 3, 4 GG und Art. 90 III GG unverändert belassen. Daraus folgt, dass die Antragsmöglichkeit der Länder letztlich der Grund ist, warum auf ein Gesetz verzichtet werden kann. Eine andere umstrittene und hier nicht zu entscheidende Frage ist, ob die Regelung der Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden im Verhältnis zum Bürger wegen der Wesentlichkeit einer solchen Entscheidung einer gesetzlichen Regelung bedarf.355 Jenseits des Grundgesetzes steht jedoch § 45 I WaStrG einer Übertragung der Verwaltung einer Wasserstraße ohne gesetzliche Grundlage entgegen, weil dort bereits eine Zuständigkeit von Bundesbehörden geregelt ist, die einer Zuständigkeit von Landesbehörden entgegensteht. Die Übertragung 352 Durner, in: Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 89 Rdnr. 38; Hermes, in: Dreier, Art. 89 Rdnr. 22; unter Verweis auf die Systematik des Grundgesetzes auch Gröpl, in: Maunz/Dürig, Art. 89 Rdnr. 80. 353 Ibler, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 89 Rdnr. 68; Sachs, Art. 89 Rdnr. 26. 354 In diese Richtung auch BVerfG, Beschl. v. 28.01.1998 – 2 BvF 3/92 –, BVerfGE 97, 198, 227 = NVwZ 1998, 495. 355 Zum Streitstand m. w. N. Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 3 Rdnr. 7; tendenziell verneinend BVerfG, Beschl. v. 28.10.1975 – 2 BvR 883/73 u. a. –, BVerfGE 40, 237, 248.
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B. Verfassungsrechtliche Grundprobleme
der Zuständigkeit kann daher nur mit bzw. durch die gleichzeitige Änderung des § 45 WaStrG erfolgen. Hat der Bund dem Land die Verwaltung übertragen, ohne § 45 WaStrG zu ändern, kann das Land insoweit – wenn auch praktisch kaum vorstellbar – die Verfassungswidrigkeit von § 45 I WaStrG geltend machen. c) Verwaltung der Elbe durch Hamburg Ein praktisch besonders bedeutsamer Anwendungsfall der Auftragsverwaltung einer Bundeswasserstraße ist die Elbe im Bereich des Hamburger Hafens. Nach einer Anordnung des Hamburger Senats und nach § 3 I 2 Nr. 1 lit. c des Gesetzes über die Hamburg Port Authority – die Hamburger Hafenbehörde – verwaltet diese die Elbe im Gebiet des Landes Hamburg weitgehend und führt auch das Bundeswasserstraßengesetz aus.356 Umstritten ist, ob diese auf § 45 V WaStrG beruhende Regelung mit dem Grundgesetz, insbesondere mit Art. 89 GG vereinbar ist. Nach einer insbesondere von Friesecke vertretenen Auffassung357 handelt es sich um eine an Art. 89 GG nicht gebundene, durch § 45 V WaStrG nur bestätigte, vorkonstitutionelle Regelung aufgrund des Zusatzvertrages358 des Reiches mit Hamburg zum Wasserstraßenstaatsvertrag aus dem Jahre 1922. Nach anderer, bislang kaum begründeter Auffassung ist die Verwaltung der Elbe durch Hamburg nur zulässig, wenn sie als Auftragsverwaltung nach Art. 89 II 3 GG eingeordnet wird.359 Mit dem Zusatzvertrag vom 18. Februar 1922 hatte das Reich abweichend von Art. 97 I WRV und dem Wasserstraßenstaatsvertrag Hamburg die Verwaltung und Unterhaltung weiter Teile der Elbe im Gebiet von Hamburg übertragen. Ob dieser Vertrag mit der Weimarer Reichsverfassung überhaupt in Einklang stand, kann dahinstehen, weil das Reichsgesetz und das Landesgesetz hierzu durch § 6 S. 3 der Reichswasserstraßenverordnung 356
Anordnung des Senates zur Durchführung des Bundeswasserstraßengesetzes vom 30.07.1971, Amtl. Anz. 1971, 1041; Gesetz über die Hamburg Port Authority (HPAG) vom 29.06.2005, HbgGVBl. 2005, 256. 357 Friesecke, WaStrG, § 45 Rdnr. 8; zustimmend Hoog, in: v. Münch/Kunig, Art. 89 Rdnr. 24; Wirth/Schulze, WaStrG, § 45 Abs. 5; ebenso Lagoni, in: Hoffmann-Riem/Koch, 1. Aufl. (1988), S. 616 ff.; Badura/Schmidt-Aßmann, Hafenentwicklung in Hamburg, S. 188 f.; Hamann, DVBl 1961, 394, 396. 358 Zusatzvertrag vom 18.02.1922 mit Hamburg zum Wasserstraßenstaatsvertrag, RGBl 1922, 223. 359 Ibler, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 89 Rdnr. 64; Durner, in: Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 89 Rdnr. 38; Dittmann, Die Bundesverwaltung, S. 186, dort. Fn. 11; näher auch Gröpl, in: Maunz/Dürig, Art. 89 Rdnr. 88, der das Ergebnis jedoch offen lässt.
III. Verfassungsrechtliche Probleme im Einzelnen
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vom 15. April 1943 außer Kraft gesetzt wurden.360 Allerdings hat die 1. Durchführungsverordnung361 vom 06. Mai 1943 zur Reichswasserstraßenverordnung die Verwaltung und Unterhaltung der Elbe von Ortkathen bis Tinsdahl wiederum der Verwaltung von Hamburg auferlegt.362 Letztlich kann sich also nur die Frage stellen, ob diese in zeitlicher Hinsicht letzte Bestimmung zur Verwaltung der Elbe durch Hamburg vor Inkrafttreten des Grundgesetzes auch heute noch gilt. Die Fortgeltung von Recht aus der Zeit vor Inkrafttreten des Grundgesetzes richtet sich nach Art. 123 ff. GG. Nach dem Grundtatbestand des Art. 123 I GG kann früheres Recht jedoch nur fort gelten, wenn es dem Grundgesetz nicht widerspricht. Da Art. 89 II 1 GG abgesehen von Art. 89 II 3, 4 GG die ausnahmslose Verwaltung der Bundeswasserstraßen durch den Bund vorsieht, können anders lautende vorkonstitutionelle Regelungen unter dem Grundgesetz keinen Bestand mehr haben. Daran ändert weder der erst 1968 in Kraft getretene § 45 V WaStrG noch die Bezugnahme auf den Staatsvertrag in § 1 I 4 WaStrVermG etwas. Beide Normen konnten dem Grundgesetz widersprechende und von ihm deshalb außer Kraft gesetzte Regelungen nicht wieder beleben. Zu § 1 I 4 WaStrG ist ohnehin anerkannt, dass danach nur die vermögensrechtlichen Regelungen des Wasserstraßenstaatsvertrages weiter gelten363, eine von Art. 89 GG abweichende Regelung hätte durch dieses Gesetz auch nicht getroffen werden können. Selbst wenn die Aufhebung des Zusatzvertrages von Hamburg mit dem Reich 1943 der Wirksamkeit entbehrt und deshalb der vorkonstitutionelle Staatsvertrag fortgelten würde364, müsste auch der Zusatzvertrag bzw. das Zustimmungsgesetz des Reiches nach Art. 123 I GG beurteilt werden365, so dass sich am Ergebnis nichts ändert. Die Verwaltung der Elbe durch Hamburg muss sich deshalb an Art. 89 II GG messen lassen. Folglich geht die Regelung des § 45 V WaStrG insoweit ins Leere, als sie Befugnisse unberührt lässt, die es gar nicht mehr gibt. Die Regelung lässt sich lediglich dahin sinnvoll auslegen, dass in Hamburg, ab360
Friesecke, WaStrG, Einl. Rdnr. 30. RGBl II 1943, 149. 362 Einzelheiten zu den in § 45 Abs. 5 WaStrG angesprochenen Regelungen zur Verwaltung der Elbe durch Hamburg bei Lagoni, Fn. 357, S. 618. 363 Friesecke, WaStrG, Einl. Rdnr. 30 m. w. N. 364 Die Fortgeltung von Staatsverträgen zwischen den Ländern ist anerkannt, vgl. BVerfG, Urt. v. 18.07.1967 – 2 BvH 1/63 – BVerfGE 22, 221, 232 (Staatsvertrag zur Eingliederung Coburgs nach Bayern); Urt. v. 22.09.1976 – 2 BvH 1/74 –, BVerfGE 42, 345, 356 = DÖV 1977, 60 (Bad Pyrmont). 365 Zum Problemkreis insgesamt vgl. Kirn, in: v. Münch/Kunig, Art. 89 Rdnr. 14; zur Anwendung von Art. 123 GG auf Staatsverträge BVerfG, Urt. v. 26.03.1957 – 2 BvG 1/55 –, BVerfGE 6, 309, 345 (Reichskonkordat). Art. 123 II GG ist auf innerstaatliche Staatsverträge zwischen Reich und Ländern nicht anwendbar, Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 123 Rdnr. 10 (dort Fn. 3). 361
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B. Verfassungsrechtliche Grundprobleme
weichend von § 45 I WaStrG, eine Zuständigkeit der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes nicht besteht, weil das Land Hamburg die Elbe im Auftrag des Bundes nach Art. 89 II 3 GG verwaltet. Zwar dürfte ein Antrag des Landes an den Bund förmlich nicht gestellt worden sein. Die jahrzehntelang praktizierte und vom Bund akzeptierte Verwaltung der Elbe durch Hamburg führt jedoch dazu, dass dieser Fehler des Verfahrens als geheilt anzusehen ist. Alternativ ließe sich die von Hamburg geübte Verwaltungspraxis auch als konkludenter Antrag einordnen. Im Ergebnis ist daher der Bund dem Land gegenüber bei der Verwaltung der Elbe nach Art. 85 III 1 GG weisungsberechtigt. Andererseits ist er – entgegen der ständigen Praxis – wohl verpflichtet, die Ausgaben des Landes zur Verwaltung der Elbe gemäß Art. 104a II GG zu tragen. 5. Die Sonderstellung der Häfen in der Verwaltung der Wasserstraßen Häfen an oder in Bundeswasserstraßen sind nach allgemeiner Auffassung weder von der Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 I Nr. 21 GG366, noch von der Verwaltungskompetenz des Bundes nach Art. 89 II 1 GG erfasst367, obwohl der Wortlaut der maßgeblichen Grundgesetzbestimmungen eine andere Auslegung durchaus zuließe (unter a)). Dass die allgemeine Auffassung gleichwohl zutrifft, ergibt sich in erster Linie aus der historischen Auslegung der maßgeblichen Bestimmungen des Grundgesetzes (unter b)). Demnach sind die Länder sowohl für die Gesetzgebung im Bereich des Hafenwesens wie auch für Verwaltung der Häfen an und in Bundeswasserstraßen zuständig, von einigen wenigen verbleibenden Restkompetenzen des Bundes abgesehen. Dies gilt nicht nur für die schon vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes bestehenden Seehäfen, sondern auch für andere Umschlagseinrichtungen an Bundeswasserstraßen. Entscheidend für die richtige Abgrenzung zwischen Bundes- und Landeskompetenzen ist dabei ein funktionaler Hafenbegriff (weiter unter c)). Davon zu trennen ist die Frage, wem das Eigentum an Hafenflächen an und in Bundeswasserstraßen zustehen kann (abschließend d)).
366 BGH, Urt. v. 16.03.1966 – I b ZR 158/63 –, LM 1966 Art. 82 GG Nr. 2; OVG Hamburg, Beschl. v. 23.09.1996 – Bs III 68/96 – DVBl 1997, 845, 846 (zum Hamburger Hafenentwicklungsgesetz); Oeter, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 74 Rdnr. 150; Lagoni (Fn. 357), S. 612; Badura/Schmidt-Aßmann (Fn. 357), S. 71; Petersen, Dt. Küstenrecht, Rdnr. 521; Hoog, AVR 26 (1988), 453, 460. 367 Maunz, in: Maunz/Dürig (Erstkommentierung), Art. 89 Rdnr. 25; Petersen, Dt. Küstenrecht, Rdnr. 525.
III. Verfassungsrechtliche Probleme im Einzelnen
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a) Wortlaut und Systematik Will man an den Wortlaut anknüpfen, so muss man von den in Art. 74 I Nr. 21 GG und Art. 89 II 1 GG verwendeten Begriffen „Binnen- und Seewasserstraßen“ und „Bundeswasserstraßen“ ausgehen. Da Häfen regelmäßig an, in oder am Ende einer Bundeswasserstraße liegen und mit dem darauf stattfindenden Verkehr in unmittelbarer Beziehung stehen, ist es mit dem Wortlaut dieser Begriffe durchaus vereinbar, auch die Häfen darunter zu fassen. Hafenwasserflächen sind mit Schiffen befahrbar und können, soweit sie für alle Nutzer der Bundeswasserstraße offen stehen, dem allgemeinen Verkehr im weitesten Sinne dienen. Allerdings erwähnt das Grundgesetz die Häfen sonst nirgends, so dass man letztlich doch von einem unergiebigen Wortlaut ausgehen muss. Jedenfalls bildet auch hier die Gesetzgebungskompetenz die äußere Grenze der Verwaltungskompetenz (vgl. dazu schon B. III. 2. c) cc)). Wenn also keine Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Häfen besteht, kann es auch keine diesbezügliche Verwaltungskompetenz geben. In systematischer Hinsicht gibt es dennoch Argumente, die für eine Einbeziehung der Häfen in die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 I Nr. 21 GG und die Verwaltungskompetenz nach Art. 89 II 1 GG sprechen: Bei den Eisenbahnen war vor dem Beginn der Privatisierungsbestrebungen 1993 die Verwaltungskompetenz des Bundes in Art. 87 I 1 GG a. F. für die Bundeseisenbahnen angeordnet (vgl. nunmehr Art. 87e GG; zur Gesetzgebungskompetenz Art. 73 Nr. 6 GG a. F., Art. 74 I Nr. 23 a. F. sowie Art. 73 Nr. 6a n. F. und Art. 74 I Nr. 23 n. F. GG). Dabei unterlag es keinem Zweifel, dass zu den vom Bund hoheitlich verwalteten und betriebenen Eisenbahnen auch die den Häfen an den Wasserstraßen vergleichbaren Bahnhöfe gehörten368. b) Historische Auslegung Aus der gerade bei der Auslegung der Kompetenzvorschriften notwendigen Beachtung der historischen Gegebenheiten369 ergibt sich letztlich je368
VG Freiburg, Urt. v. 22.12.1988 – 3 K 1/88 – NVwZ 1990, 594; Ronellenfitsch, DÖV 1996, 1028, 1033 (der auf das Fehlen einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung hinweist); zum Übergang der Bahnhöfe von den Ländern auf das Reich nach Art. 89 WRV vgl. schon Brodmeier, AöR 13 (1923), S. 432, 438. Vgl. auch mit ähnlicher Argumentation BVerfG, Beschl. v. 28.01.1998 – 2 BvF 3/92 – BVerfGE 97, 198, 214, 219 = NVwZ 1998, 495 (unter anderem zur Zulässigkeit von bundespolizeilicher Überwachung der Bahnhöfe). 369 Dies betont insbesondere BVerfGE 97, 198, 218 = NVwZ 1998, 495 (Fn. 368).
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B. Verfassungsrechtliche Grundprobleme
doch, dass die Häfen, allen voran die internationalen Seehäfen, nicht in den Kompetenzbereich der Wasserstraßenverwaltung des Bundes fallen. Erster Ansatzpunkt hierfür ist schon Abschn. II Art. IV § 20 I der PKVerf 1849, der in Wiedergabe des seinerzeit herrschenden Rechtszustandes vorsah, dass unter anderem die Häfen am Meere und in den Flussmündungen der Fürsorge der Uferstaaten überlassen bleiben sollten. Daran hat sich auch durch Art. 97 I WRV nichts geändert. Die Materialien zu Art. 97 WRV ergeben keinerlei Anhalt für einen Übergang der Häfen auf das Reich. Ein erster preußischer Entwurf für den späteren Art. 97 WRV nahm die Häfen sogar ausdrücklich vom Übergang auf das Reich aus.370 Im weiteren Verlauf der Entstehungsgeschichte findet sich kein Hinweis darauf, dass diese Ausnahme bewusst nicht in den späteren Art. 97 WRV, der im Vergleich zum Ausgangsentwurf ohnehin vollkommen überarbeitet wurde, aufgenommen wurde. Auch der 1921 abgeschlossene Wasserstraßenstaatsvertrag geht davon aus, dass die Häfen nicht auf das Reich übergehen sollten. Nach § 1 Nr. 1 S. 3 WaStrStV sollten lediglich Schutz- und Sicherheitshäfen auf das Reich übergehen, also solche Häfen, die Wasserfahrzeugen bei widrigen Verhältnissen (Sturm, Wellen, Hochwasser, Eis) als Zuflucht dienen371. Die Verkehrs- und (Güter-)Umschlaghäfen waren nicht erfasst.372 Dieser Befund wird weiter bestätigt durch die Staatspraxis der Folgejahre. Das Reich hat mit einigen Ländern Nachträge zum Wasserstraßenstaatsvertrag geschlossen, die belegen, dass die Beteiligten seinerzeit nicht von einem Übergang der Häfen ausgegangen waren. So war im Zusatzvertrag mit Hamburg vom 18. Februar 1922 vereinbart, dass bestimmte zu den Hamburger Häfen gehörende Anlagen in der übergehenden Wasserstraße nicht vom Übergang auf das Reich erfasst waren.373 In Zusatzverträgen mit Preußen und Bremen verpflichtete sich das Reich zur Freihaltung von Fahrrinnen zu den dortigen Häfen bzw. Seehäfen.374 Diese Verträge hätten sich erübrigt, wenn die Häfen zuvor in die Zuständigkeit des Reiches übergegangen wären. 370 Der Entwurf ist auszugsweise wiedergegeben bei Schmidt-Dahlenburg, RVwBl 1932, 446, 447. 371 Zu dieser Begrifflichkeit Friesecke, WaStrG, § 1 Rdnr. 25. 372 So auch ausdrücklich die Begründung zum Staatsvertrag, RT-Verh. Bd. 367, Drs. 2235, S. 22. Wilke, RVwBl 1932, 261, 263. Vgl. auch Zschucke, JöR 1922, 78, 81 der darauf verweist, dass die Verkehrs- und Umschlagshäfen oftmals in kommunaler Hand waren, was bei Einbeziehung in den Staatsvertrag die ohnehin nicht einfachen Verhandlungen mit den Ländern weiter verkompliziert hätte. 373 Zusatzvertrag des Reiches mit dem Senat der Freien und Hansestadt Hamburg vom 18.02.1922, RGBl 1922, 223. 374 Zusatzvertrag des Reiches mit dem Preußen und Bremen vom 18.02.1922, RGBl 1922, 223, 224.
III. Verfassungsrechtliche Probleme im Einzelnen
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Bei den Beratungen für das Grundgesetz knüpfte man an diese Rechtslage an. In Art. 36 Nr. 16 des Grundgesetzentwurfes war zwar ursprünglich eine Gesetzgebungskompetenz für die Seehäfen vorgesehen. Auf der 14. Sitzung des Zuständigkeitsausschusses am 10. November 1948 wurde diese Kompetenz jedoch wieder gestrichen, um klarzustellen, dass die Gesetzgebungsbefugnis für das Recht der Seehäfen weiterhin bei den Ländern liegt.375 Gegen eine Verwaltungskompetenz des Bundes im Bereich der Seehäfen hatte zuvor schon Hamburg eine Stellungnahme eingereicht, auf die es aber letztlich nicht mehr ankam.376 Auf die Länderkompetenz für die Seehäfen haben Ausschussmitglieder auch im weiteren Verlauf der Beratungen noch mehrfach verwiesen.377 Zusammenfassend kann somit davon ausgegangen werden, dass der Bund auf dem Gebiet der Seehäfen weder eine Gesetzgebungskompetenz, noch eine Verwaltungskompetenz erhalten sollte. Dieses Ergebnis ist auch auf die Binnenhäfen zu übertragen, weil diese ebenfalls vom Übergang auf das Reich 1921 ausgeschlossen waren378 und sich aus den Materialien des Grundgesetzes keinerlei Anhaltspunkte für einen von dieser historisch vorgefundenen Lage und der Lage bei den Seehäfen abweichenden Willen des Verfassungsgebers ergeben. In die Zuständigkeit des Bundes fallen heute demnach allein die schon mit dem Wasserstraßenstaatsvertrag auf das Reich übergegangenen Schutz- und Sicherheitshäfen379 und die so genannten Liege- und Bauhäfen (vgl. § 1 IV Nr. 1 WaStrG). Bei letzteren rechtfertigt sich die Bundeszuständigkeit aus der funktionalen Zuordnung zur Wasserstraßenverwaltung, die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung nutzt beispielsweise Bauhäfen in erster Linie für ihre eigenen Fahrzeuge.380 Auf andere Hafentypen kann die Zuständigkeit des Bundes nicht erweitert werden, weil es sich schon um eine (ungeschriebene) Ausnahme von der Regelzuständigkeit der Länder für die Häfen handelt, die einer weiteren Ausdehnung nicht zugänglich ist. Diese Verfassungslage spiegelt schließlich auch die Auseinandersetzung um § 17 II 1 ROG381 im Gesetzgebungsverfahren wider. Danach kann das 375
Doemming/Füßlein/Matz, JöR 1 (1951), 1, 548. Wernicke/Booms, Bd. 3 S. 557 (dort Fn. 18). 377 Wernicke/Booms, Bd. 3 S. 657 (dort die Äußerungen von Laforet und Hoch). 378 BVerfG, Urt. v. 30.06.1953 – 2 BvE 1/52 – BVerfGE 2, 347, 376 = NJW 1953, 1177 (zu den Binnenhäfen am Rhein, hier: Hafen Kehl). 379 BGH, Urt. v. 20.06.1996 – III ZR 116/94 – NVwZ 1997, 99, 100 = MDR 1996, 1232 (Hafen Strande); Urt. v. 29.09.1977 – III ZR 64/75 – BGHZ 69, 284, 288 = MDR 1978, 124 (Hafen Brake). 380 Friesecke, WaStrG, § 1 Rdnr. 25. 381 Raumordnungsgesetz vom 22.12.2008, BGBl I S. 2986. 376
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B. Verfassungsrechtliche Grundprobleme
Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Raumordnungspläne für das Bundesgebiet mit Festlegungen zu länderübergreifenden Standortkonzepten für See- und Binnenhäfen durch Rechtsverordnung erlassen. Obwohl ein solches Standortkonzept für raumbedeutsame Planungen der Länder – zu denen der Bau größerer Häfen regelmäßig zählen dürfte – nach § 17 II 2 ROG keine Bindungswirkung entfaltet, sahen die Länder hier einen Eingriff in die von ihnen ausschließlich in Anspruch genommene Kompetenz zur Hafen(standort-)planung und verlangten erfolglos die Streichung der Vorschrift aus dem Gesetzentwurf.382 c) Funktionaler Hafenbegriff, Abgrenzung von Länder- und Bundeskompetenz Nach den vorstehenden Ausführungen bleibt noch zu klären, wann im Einzelfall ein Hafen vorliegt, der in die Zuständigkeit der Länder fällt und wie der Begriff der Häfen von anderen Einrichtungen an einer Bundeswasserstraße, die ebenfalls der Aufnahme bzw. Entladung oder Ein- bzw. Ausschiffung von Personen dienen, abzugrenzen ist. Soweit es hierzu Stellungnahmen gibt, wird regelmäßig auf die räumliche Abgrenzung und die Schutzfunktion eines Gewässerbereichs abgestellt.383 Diese Auffassung geht auf die Rechtsprechung zur Zugehörigkeit von Häfen zu einer Bundeswasserstraße nach § 1 III 2 WaStrG bzw. auf die Rechtsprechung zum Wasserstraßenstaatsvertrag von 1921 zurück.384 Ein Hafen ist daher nach Ansicht des Bundesgerichtshofes ein Gewässerteil, der sich von den angrenzenden Gewässerteilen dadurch abhebt, dass er durch seine natürliche oder künstliche Ausgestaltung den sich dort aufhaltenden Wasserfahrzeugen gesteigerten Schutz gewährt.385 Die im Bereich eines Hafens gelegenen Wasserflächen gehören wiederum zu dem Gewässer, an dem der Hafen liegt, wenn sie mit dem anliegenden Gewässer eine natürliche Einheit bilden. Stellt sich der Hafen hingegen als ein in sich geschlossenes 382 BT-Drs. 16/10292, S. 27, 36; kritisch zur Regelung in § 17 II ROG auch Durner, in: Magiera/Sommermann, Daseinsvorsorge und Infrastrukturgewährleistung, S. 73, 88. 383 Friesecke, WaStrG, § 45 Rdnr. 5, ders. in ZfW 1963, 150, 151; Petersen, Dt. Küstenrecht, Rdnr. 12, 521. 384 Vgl. nur BGH, Urt. v. 29.09.1977 – III ZR 64/75 –, BGHZ 69, 284, 289 = MDR 1978, 124 (Hafen Brake an der Weser); Urt. v. 6.12.1984 – III ZR 147/83 – BGHZ 93, 113, 121 = NJW 1987, 496 (Grimshörner Bucht); Urt. v. 20.06.1996 – III ZR 116/94 NVwZ 1997, 99, 101 = ZfW 1998, 305; HansOLG Hbg, Urt. v. 28.11.1975 – 1 U 78/01 –, zitiert nach juris Rdnr. 74. 385 BGHZ 93, 113, 121 (Fn. 384), ähnlich auch schon in anderem rechtlichen Zusammenhang PrOVG, Beschl. v. 01.02.1934 – V.W. 91/31 – PROVGE 94, 159, 161.
III. Verfassungsrechtliche Probleme im Einzelnen
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Ganzes dar und ist er insbesondere nur über eine Zufahrt oder einen Stichkanal mit dem Hauptgewässer verbunden, so kann er diesem nicht mehr zugerechnet werden.386 Zur Abgrenzung der Kompetenzbereiche Hafen – Wasserstraße reichen diese Kriterien jedoch nicht aus. Dies hat zwei Gründe: Wenn nur das äußere Erscheinungsbild einer Anlage in oder an einem Gewässer zur Definition eines kompetenzbezogenen Hafenbegriffs berücksichtigt wird, kann dem eigentlichen, historisch begründeten Zweck der Ausgrenzung der Häfen aus der Kompetenz des Bundes nicht hinreichend Rechnung getragen werden. Zweck war es, die Verkehrs- und Umschlaghäfen in der Kompetenz der Länder zu belassen, während der Bund die Kompetenz für die (nur) der Verwaltung der Wasserstraßen dienenden Häfen erhielt. Maßgeblich ist demnach nicht allein eine Betrachtung räumlicher Kriterien, sondern eine funktionale Betrachtung. Die Kriterien der Rechtsprechung zu den Eigentumsverhältnissen von Häfen an und in Bundeswasserstraßen genügen somit nicht. Außerdem bleibt zu bedenken, dass die Kompetenz des Bundes nach Art. 89 II 1 GG nur eine Wasserwegeverwaltung ermöglicht, während die Verkehrsverwaltung, welche ebenfalls Berührungspunkte zum Hafenwesen aufweist, nach Art. 89 II 2 GG nur aufgrund gesetzlicher Ermächtigung in die Kompetenz des Bundes fällt. Hinzu kommt, dass in jüngerer Zeit der Begriff des Hafens auch in der Praxis eine Wandlung erfährt. Die Entwicklung des Schiffsverkehrs hat in den letzten Jahrzehnten zu einem enormen Aufschwung der Containerschiffe bei gleichzeitigem Größenzuwachs und damit verbunden erhöhtem Tiefgang der Schiffe geführt.387 Gleichzeitig verringern sich durch moderne Logistik die Abfertigungszeiten. Deshalb werden moderne Häfen heute häufiger als Containerterminals in Form von Längshäfen, Stromkajen oder in anderer Form errichtet, ohne dass diese Anlagen den Schiffen einen gesteigerten Schutz vor der Witterung bieten können. Vereinfacht gesagt handelt es sich zumeist nur um Festmacheinrichtungen mit dazugehörigen Entladeeinrichtungen (der so genannten Suprastruktur).388 Nach herkömmlicher Auffassung müssten diese „Häfen“ aufgrund ihrer fehlenden Abgrenzung zur Bundeswasserstraße konsequenterweise der Kompetenz des Bundes unterstehen, und zwar auch mit ihren 386
BGHZ 69, 284, 289 (Fn. 384). Herrmanns, in: Ziekow (Hrsg.): Aktuelle Fragen des Fachplanungs-, Raumordnungs- und Naturschutzrechts 2006, S. 323, 326. 388 Beispiele hierzu, die – aus anderen Gründen – auch die Rechtsprechung beschäftigt haben: Die Containerterminals „Wilhelm Kaisen“ (CT) I – IVa in Bremen, hierzu OVG Bremen, Urt. v. 11.06.1996 – 1 G 3/94 – VkBl 1996, 689; Urt. v. 13.12.2001 – 1 D 299/01 – NordÖR 2002, 116 und Urt. v. 13.01.2005 – 1 D 224/04 –; der JadeWeserPort bei Wilhelmshaven, dazu NdsOVG, Beschl. v. 05.03.2008 – 7 MS 114/07 –, NuR 2008, 265. 387
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B. Verfassungsrechtliche Grundprobleme
landseitigen Anlagen. Eine solche Auslegung würde jedoch dem Zweck, Verkehrs- und Umschlaghäfen in Länderkompetenz zu belassen, ersichtlich zuwider laufen. Hinzu kommt, dass die Verwaltungskompetenz des Bundes in Bezug auf Häfen nicht weiter als die dazugehörige Gesetzgebungskompetenz reicht. Die Reichweite einer Gesetzgebungskompetenz für Häfen kann aber nur nach abstrakten Merkmalen bestimmt werden. Es ist nicht vorstellbar, dass der Bund auf der Grundlage von Art. 74 I Nr. 21 GG die Gesetzgebungskompetenz für solche Verkehrs- und Umschlaghäfen haben soll, die sich räumlich nicht besonders von der Bundeswasserstraße abgrenzen, während die Länder die Gesetzgebungskompetenz für räumlich abgegrenzte Häfen haben. Damit würde eine einheitliche Materie sinnwidrig zerrissen. Die Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenz der Länder im Bereich der Häfen erstreckt sich deshalb auf alle Anlagen und Gewässerbereiche, die Schiffen eine Anlauf-, Be- und Entlademöglichkeit mittels entsprechender Einrichtungen bieten und somit die Funktion eines Verkehrs- und Umschlaghafens erfüllen. In sachlicher Hinsicht ist die Kompetenz der Länder umfassend, sie betrifft insbesondere Regelungen über Errichtung, Gestaltung und Nutzung von Häfen und die Hafenpolizei einschließlich des Vollzugs dieser Regelungen.389 Dem Bund verbleiben allerdings seine Zuständigkeiten, soweit eine Bundeswasserstraße durch einen Hafen hindurch führt; die Zuständigkeiten beschränken sich dann aber auf den dem Durchgangsverkehr dienenden Gewässerteil, wie das auch § 45 IV WaStrG zum Ausdruck bringt.390 Zuständigkeiten des Bundes bleiben weiterhin bestehen, wenn ein Vorhaben in einer Bundeswasserstraße, auch wenn es Hafenzwecken dient (beispielsweise Errichtung einer Stromkaje etc. oder anderer Anlegestellen) gleichzeitig die Verkehrsfunktion der Bundeswasserstraße betrifft oder erheblich verändert, weil die Aufrechterhaltung dieser Verkehrsfunktion Sache des Bundes ist und auf der aus Art. 74 I Nr. 21, Art. 89 II 1 GG für die Wasserstraßen folgenden Kompetenz beruht. Das kann dazu führen, dass in derartigen Fällen neben landesrechtlichen Erlaubnissen eine Genehmigung nach § 31 I WaStrG391 („wenn durch die beabsichtigte Maß389 Nach der zutreffenden Ansicht von Hoog, AVR 26 (1988), 453, 461 kann auf dieser Grundlage Hamburg zum Beispiel auch darüber entscheiden, welche ausländischen Kriegsschiffe den Hamburger Hafen anlaufen dürfen, unbeschadet der zusätzlich erforderlichen Gestattung durch den Bund. 390 In diesem Sinne auch Petersen, Dt. Küstenrecht, Rdnr. 342, der aber in Rdnr. 354 ebenso ausführt, dass es für den auf Art. 74 I Nr. 21 GG beruhenden Geltungsbereich des WaStrG nicht auf die Funktion als Verkehrs- und Umschlagshafen ankommt. 391 BVerwG, Beschl. v. 04.03.1993 – 7 B 110/92 –, NVwZ-RR 1993, 290 = NuR 1993, 320 (zitiert nach juris Rdnr. 3); VGH Bad.-Württ. Urt. v. 20.01.1971 – II 670/68 –, ESVGH 21, 134, 142 (Schiffsanlegestelle im Rhein).
III. Verfassungsrechtliche Probleme im Einzelnen
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nahme eine Beeinträchtigung des für die Schifffahrt erforderlichen Zustandes der Bundeswasserstraße oder der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs zu erwarten ist“) oder eine Planfeststellung nach § 14 I 1 WaStrG erforderlich wird392. Die Planfeststellung muss sich dann jedoch auf die Teile des Vorhabens beschränken, welche die Wasserstraße betreffen, darf also nicht die so genannte Suprastruktur zum Gegenstand haben (dazu noch C. I. 3.).393 Werden für derartige Vorhaben Teile einer im Eigentum des Bundes (Art. 89 I GG) stehenden Wasserstraße benötigt, kann der Bund seine Interessen im Übrigen auch durch Geltendmachung seiner zivilrechtlichen Eigentümerbefugnisse wahren394. d) Hafenbegriff und Eigentumslage in den Fällen von § 1 III WaStrG Verkehrs- und Umschlaghäfen, die vor der Geltung von Art. 97 I, 171 I WRV errichtet wurden, sind weder in die Verwaltung, noch in das Eigentum des Reiches übergegangen, woran sich mit Art. 89 I GG nichts geändert hat. Damit ist freilich noch nichts darüber gesagt, wer Eigentümer von Häfen und Wasserflächen in Häfen an bzw. in Bundeswasserstraßen geworden ist, wenn der jeweilige Hafen nach dem Übergang der Wasserstraßen auf das Reich und nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes in einer dem Bund gehörenden Wasserstraße errichtet wurden. Im Grundsatz ist davon auszugehen, dass sich bei Errichtung eines Hafens in einer Bundeswasserstraße die Eigentumslage weder hinsichtlich der betroffenen Wasserflächen, noch hinsichtlich gewonnenen Landes verändert hat, Eigentümer blieb das Reich bzw. nach ihm der Bund. Etwas anderes gilt aufgrund besonderer gesetzlicher Regelungen. Eine solche Regelung beinhaltet § 2 lit. a WaStrStV, der den Ländern an den Haffen, Seen und seeartigen Erweiterungen das Recht der Landgewinnung beließ. Außerhalb der genannten Örtlichkeiten bestand ein solches Recht nicht.395 Auch nach Aufhebung des Wasserstraßenstaatsvertrages durch die Verordnung über die Reichswasserstraßen vom 15. April 1943 (RWStrV) verblieb den Ländern 392 NdsOVG, Beschl. v. 05.03.2008 – 7 MS 114/07 –, NuR 2008, 265, 268 (JadeWeserPort). 393 Anderes kann gelten, wenn die Voraussetzungen der kompetenzerweiternden Vorschriften § 75 I 1 VwVfG (notwendige Folgemaßnahmen) und § 78 VwVfG vorliegen, vgl. OVG Bremen, Urt. v. 11.06.1996 – 1 G 3/94 – VkBl 1996, 689 (zitiert nach juris Rdnr. 47). 394 HansOLG Bremen, Urt. v. 23.06.1971 – 3 U 24/71 –, zitiert nach juris Rdnr. 49. 395 BGHZ, Urt. v. 28.05.1976 – III ZR 186/72 – BGHZ 67, 152, 157 = NJW 1977, 31.
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B. Verfassungsrechtliche Grundprobleme
diese Befugnis, weil sie durch die 1. Durchführungsverordnung zur RWStrV ausdrücklich aufrechterhalten wurde.396 Seit dem Inkrafttreten des Wasserstraßengesetzes 1968 erlaubt zudem § 1 III Nr. 1 WaStrG den Ländern397, die Seewasserstraßen und die anschließenden Mündungstrichter der Binnenwasserstraßen unentgeltlich unter anderem zur Landgewinnung und zur Errichtung von Hafenanlagen zu nutzen. Nach § 1 III 2 WaStrG wird das Land Eigentümer der gewonnen Landflächen und der errichteten Hafenanlagen, wobei sich der Eigentumsübergang auch auf Hafenwasserflächen bezieht, wenn ein entsprechend abgegrenzter Gewässerteil entstanden ist.398 Hier kommt es mithin zutreffend auf den „morphologischen“ Hafenbegriff an (s. o. B. III. 5. c)). Die von Ibler vertretene Auffassung399, wonach § 1 III 2 WaStrG bei den früheren Reichswasserstraßen wegen der Bedeutung des Art. 89 I GG nicht anwendbar ist, überdehnt die Bedeutung von Art. 89 I GG. Wenn und soweit Häfen ohnehin nicht der Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenz des Bundes unterliegen, fehlt es an einer Rechtfertigung für die Aufrechterhaltung des Bundeseigentums. Dies gilt insbesondere, weil die betroffenen Wasserflächen und denklogisch erst recht die Landflächen dann nicht mehr dem für die Bundeswasserstraße typischen Durchgangsverkehr im Sinne eines allgemeinen Verkehrs dienen.400 Zur Ausübung der Bundeswasserstraßenverwaltung werden die gewonnenen Land- und Hafenflächen somit nicht mehr benötigt. Die Interessen des Bundes werden bereits auf tatbestandlicher Ebene geschützt, indem die Befugnis der Länder nicht besteht, wenn Verwaltungsaufgaben des Bundes beeinträchtigt werden. 396 Reichswasserstraßenverordnung vom 15. April 1943, RGBl II 1943, 131 und Durchführungsverordnung vom 06. Mai 1943, RGBl II 1943, 149. Die Vorschrift gilt auch heute über § 1 I 4 WaStrVermG fort, BVerwG, Urt. v. 30.11.1990 – 7 A 1/90 –, BVerwGE 87, 169, 176 = DVBl 1991, 389 m. w. N. Nach Auffassung von NdsOVG, Urt. v. 15.01.2003 – 7 KS 73/01 – VkBl 2003, 219 = ZfW 2006, 30 (zitiert nach juris Rdnr. 39) kann das Land nur die Nutzungsbefugnis nach § 1 III 3 WaStrG, nicht aber das Recht zum Eigentumserwerb auf Dritte übertragen, weil die Seewasserstraßen grundsätzlich vom Privateigentum freigehalten werden sollen. Allerdings kann den Vorschriften nicht entnommen werden, dass es den Ländern untersagt ist, nach § 1 III 2 WaStrG erworbene Land- und Hafenwasserflächen an Dritte zu veräußern, zutreffend OLG Celle, Urt. 16.03.2011 – 4 U 146/10 –, zitiert nach juris Rdnr. 17, verfügbar auch unter www.oberlandesgericht-celle.de. 397 Die Entstehungsgeschichte der Norm dokumentiert ausführlich BVerwG, Urt. v. 06.07.1990 – 4 A 1/87 –, DVBl 1990, 1172, 1173 = BVerwGE 85, 223 (dort aber nicht wiedergegeben). 398 BGHZ 93, 113, 121 (Fn. 384, Grimshörner Bucht). 399 Ibler, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 89 Rdnr. 32. 400 Ähnlich Sachs, Art. 89 Rdnr. 13 f.; mit ähnlichen Überlegungen zur Zugehörigkeit eines Emsaltarmes zu einer Bundeswasserstraße, VG Oldenburg, Urt. v. 10.03.1989 – 2 OS A 39/87 – NJW 1989, 2489.
III. Verfassungsrechtliche Probleme im Einzelnen
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Nichts anderes gilt, wenn der Bund, was in seinem freien Ermessen steht, Dritten oder den Ländern außerhalb der Befugnis des § 1 III Nr. 1 WaStrG, zum Beispiel in Binnenwasserstraßen, die Errichtung eines Hafens gestattet. Der Bund bleibt zwar zunächst Eigentümer von Hafen- und Landflächen, die vormals der Bundeswasserstraße angehörten. Da diese Flächen aber nicht mehr unter seine Kompetenzrechte fallen, kann er sie ohne Verstoß gegen Art. 89 I GG an die Länder oder andere Dritte (entgeltlich) veräußern. 6. Das Einvernehmenserfordernis gegenüber den Ländern nach Art. 89 III GG Nach Art. 89 III GG sind bei Verwaltung, Ausbau und dem Neubau von Wasserstraßen die Bedürfnisse der Landeskultur und der Wasserwirtschaft im Einvernehmen mit den Ländern zu wahren. Die Regelung wurde fast identisch aus Art. 97 III WRV übernommen. Das Einvernehmenserfordernis begründet zwischen Bund und Ländern formelle und materielle Bindungen (dazu unter a)). Dabei ist besonders umstritten, ob die Länder unter Berufung auf die Begriffe der „Landeskultur und der Wasserwirtschaft“ auch Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege geltend machen können (unter b)). Zu untersuchen ist weiterhin, welche tatsächlichen Vorgänge das Einvernehmenserfordernis auslösen, welchen Entscheidungsspielraum die Länder dabei haben (unter c)) und welchen Rechtsschutz die Länder oder der Bund zur Wahrung des Einvernehmens in Anspruch nehmen können (abschließend d)). a) Rechtsnatur des Einvernehmenserfordernisses Nach zutreffender Auffassung stellt Art. 89 III GG einen im Grundgesetz sonst kaum anzutreffenden „materiellen Verwaltungsgrundsatz“401 bzw. eine materiellrechtliche Schranke für die Bundesverwaltung bei Ausübung ihrer Kompetenzen402 dar. Dies folgt aus dem Umstand, dass nach dieser Regelung bestimmte Bedürfnisse „zu wahren sind“, vom Bund also besonders bei der Verwaltung der Wasserstraßen beachtet werden müssen. Belange der Landeskultur und der Wasserwirtschaft sind sonst nach der grundgesetzlichen Verteilung der Verwaltungskompetenz (Art. 30 GG) in Ermangelung einer besonderen Bundeskompetenz von den Ländern wahrzunehmen. Diese 401
Henneke, NuR 1987, 340. Ibler, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 89 Rdnr. 84; Hoog, in: v. Münch/ Kunig, Art. 89 Rdnr. 26; Maunz, in: Maunz/Dürig (Erstkommentierung), Art. 89 Rdnr. 62. 402
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B. Verfassungsrechtliche Grundprobleme
Länderkompetenzen werden vom Aus- oder Neubau von Wasserstraßen regelmäßig besonders berührt, weil die Wasserstraßen eine Doppelfunktion auch als Reservoir für die Wasserversorgung haben und weil ihr Neu- oder Ausbau oft mit erheblichem Flächenverbrauch oder einer Veränderung der Überflutungsverhältnisse verbunden sein wird. Deshalb muss der Bund auf die jeweiligen Belange der Länder in materieller Hinsicht von sich aus besondere Rücksicht nehmen. Der Bund allein kann die Bedürfnisse der Wasserwirtschaft und der Landeskultur allerdings kaum allein wahren, weil ihre nähere Ausgestaltung der Planung und Raumordnung durch die Länder obliegt. Wegen dieser Notwendigkeiten sowie der besonderen Bedeutung der Wasserwirtschaft und der Landeskultur für die Daseinsvorsorge der Bevölkerung räumt Art. 89 III GG den Ländern neben der Beachtenspflicht durch den Bund mit dem Einvernehmenserfordernis ein relativ starkes Mitspracherecht ein, so dass zum Teil von einer ausnahmsweise zulässigen Mischverwaltung der Rede ist403. Diese Begrifflichkeit ist freilich nur dann zutreffend, wenn man unter den Begriff der „Mischverwaltung“ sämtliche im Grundgesetz vorgesehenen Fälle des Zusammenwirkens von Bund und Ländern fasst. Richtigerweise führt der Begriff in die Irre, weil Art. 89 III GG den Ländern bezogen auf den Gegenstand der Verwaltungskompetenz, nämlich die Wasserstraßen in ihrer Eigenschaft als Verkehrswege, gerade keine Vollzugsbefugnisse gewährt404. Die Länder haben lediglich das Recht, ihre Belange im Bereich der Wasserwirtschaft und der Landeskultur wegen des sachlichen Zusammentreffens mit der Wasserstraßenverwaltung in besonderer Weise zur Geltung zu bringen. Es ist daher passender, lediglich von einem begrenzten Mitwirkungsrecht der Länder gegenüber dem Bund zu sprechen. Zur Einordnung des Einvernehmenserfordernisses in rechtlicher Hinsicht genügt es schließlich nicht, darin nur eine Ausprägung des Grundsatzes bundesfreundlichen Verhaltens zu sehen405. Der Grundsatz bundesfreundlichen Verhaltens bestimmt das Verhältnis von Bund und Ländern im Allgemei403 Gröpl, in: Maunz/Dürig, Art. 89 Rdnr. 129; ebenso Maunz ebd. (Erstkommentierung), Rdnr. 62; Henneke, NuR 1987, 340, 341; Friesecke, WaStrG, § 4 Rdnr. 1; ders. in NuR 2000, 81, 85; Dittmann, S. 186; Fastenrath/Simma, DVBl 1983, 8, 12. Zur Mischverwaltung zuletzt BVerfG, Urt. v. 20.12.2007 – 2 BvR 2433/04 – Rdnr. 151 ff. – m. w. N.; BVerfGE 119, 331, 365 = NVwZ 2008, 183 (Hartz-IV-Verwaltung) m. w. N. aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. 404 BVerfG, Beschl. v. 11.04.1967 – 2 BvG 1/62 –, BVerfGE 21, 312, 320 = NJW 1967, 1956. 405 So aber Friesecke, WaStrG, § 4 Rdnr. 1; ders. in NuR 2000, 81, 82 ähnlich Durner, in: Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 89 Rdnr. 40 und auch BVerwG, Urt. v. 17.04.2002 – 9 A 24/01 – BVerwGE 116, 175, 182 = NVwZ 2002, 1239 = DVBl 2002, 1473.
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nen406 und gilt daher auch für den Bereich der Bundeswasserstraßenverwaltung durch den Bund. Art. 89 III GG geht darüber weit hinaus, indem er den Ländern zusätzlich ein materielles Abwehrrecht gegenüber bestimmten Maßnahmen gibt und dieses mit dem Einvernehmenserfordernis auch verfahrensrechtlich flankiert. b) Die Begriffe „Landeskultur und Wasserwirtschaft“ Während der Begriff der Wasserwirtschaft verfassungsrechtlich weitgehend geklärt ist (unter aa)), ist umstritten, ob der Begriff der Landeskultur auch Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege umfasst (unter bb)). aa) Wasserwirtschaft Der Begriff der Wasserwirtschaft ist im Zusammenhang mit dem im Grundgesetz verwendeten Begriff des Wasserhaushalts (Art. 74 I Nr. 32 GG, früher auch Art. 75 Nr. 4 a. F. GG) zu sehen. Beide Begriffe decken sich zwar nicht vollständig, aber weitgehend. Danach fällt unter den Begriff des Wasserhaushalts die haushälterische Bewirtschaftung des in der Natur vorhandenen Wassers nach Menge und Güte.407 Der Wasserhaushalt hat somit nichts mit der Verkehrsfunktion der Wasserwege zu tun, sondern mit der Bedeutung von Wasser als Ressource für die Nutzung durch den Menschen. Die Wasserwirtschaft umfasst zudem auch die Beseitigung und Fernhaltung von Wasser, mithin insbesondere den Hochwasserschutz.408 Da der Mensch für seine Versorgung, aber auch für seine Gesundheit evident auf die Erhaltung und Reinhaltung der begrenzten Ressource Wasser angewiesen ist, wird der Begriff der Wasserwirtschaft auch von ökologischen Zielen bestimmt. Ein Bedeutungswandel des verfassungsrechtlichen Begriffs der „Wasserwirtschaft“ ist damit nicht verbunden409, weil Erhaltung und Reinhaltung stets die Bedingung für die Nutzung des Wassers waren. Lediglich die Bedeutung der ökologischen Belange bei der Wassernutzung hat sich in neuerer Zeit wegen der immer stärkeren Nutzung der Ressource Wasser erhöht. 406
BVerfG, Urt. v. 22.05.1990 – 2 BvG 1/88 –; BVerfGE 81, 310, 337 = NVwZ 1990, 955 = DVBl 1990, 763 (Kalkar II). 407 BVerfG, Urt. v. 30.10.1962 – 2 BvF 2/60 –, BVerfGE 15, 1, 14 = NJW 1962, 2243; Friesecke, WaStrG § 4 Rdnr. 3: zielbewusste Ordnung aller menschlicher Einwirkungen auf das ober- und unterirdische Wasser. 408 So schon zu Art. 97 WRV Anschütz, Art. 97, Anm. 7; Ibler, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, Art. 89 Rdnr. 77; Gröpl, in: Maunz/Dürig, Art. 89 Rdnr. 138; ebenso Maunz ebd. (Erstkommentierung), Rdnr. 58. 409 So aber BVerwGE 116, 175, 178 (Fn. 405) = NVwZ 2002, 1239.
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B. Verfassungsrechtliche Grundprobleme
Letztlich können die Länder daher im Rahmen des Art. 89 III GG geltend machen, dass durch eine Verwaltungsmaßnahme an den Bundeswasserstraßen der Wasserhaushalt in seiner ökologischen Funktion beeinträchtigt wird, weil damit zwangsläufig auch eine Beeinträchtigung der Nutzungsmöglichkeiten des Wassers für den Menschen einhergeht. bb) Landeskultur Unter dem Begriff der Landeskultur wurde ursprünglich die geordnete Nutzung der Landschaft für Zwecke der Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei sowie die Steigerung der Erträge aus diesen Nutzungen gefasst.410 Die Landeskulturgesetzgebung des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts regelte die Bodenkultur, insbesondere die landwirtschaftliche Melioration (Be- und Entwässerung).411 Mittlerweile hat nach einer verbreiteten Auffassung im Schrifttum ein Bedeutungswandel dieses Begriffes eingesetzt, so dass nunmehr zu den Bedürfnissen der Landeskultur in Art. 89 III GG auch der Naturschutz, die Landschaftspflege oder der Denkmalschutz zählen (unter (1)). Diese Auffassung wird in dieser Stringenz unter anderem vom Bundesverwaltungsgericht (unter (2)) zu Recht abgelehnt (unter (3)). (1) Naturschutz und Landschaftspflege als Bedürfnis der Landeskultur Naturschutz und Landschaftspflege werden vor allem von Henneke412 und Gassner413, vereinzelt und ohne Begründung auch in der Rechtsprechung414 als Bedürfnisse der Landeskultur im Sinne von Art. 89 III GG angesehen. Mast/Göhner befürworten als Bedürfnis der Landeskultur sogar den Denkmalschutz, weil der Begriff der Kulturlandschaft auch auf die Denkmäler bezogen sei und die Kulturlandschaft Zeugnis der Landeskultur sei.415 410 Ibler, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 89 Rdnr. 76; Gröpl, in: Maunz/Dürig, Art. 89 Rdnr. 134; ausführlich zur historischen Entwicklung des Begriffes Kowallik, NuR 1987, 116, 117; Friesecke, § 4 WaStrG Rdnr. 2. 411 Brockhaus Konversations-Lexikon, 15. Aufl. 1932, Bd. 11, S. 73 Stichwort: Landeskulturgesetzgebung. 412 Henneke, NuR 1987, 340; aber auch Durner, in: Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 89 Rdnr. 42, Zeitler, in: Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG, Loseblattkommentar, Stand: 35. EL August Juni 2008, § 31 a. F. Rdnr. 448 und Czychowski/Reinhardt, WHG, § 70 Rdnr. 77. 413 Gassner, NuR 1996, 130; ders. in NuR 1981, 6, 9; kritisch dazu Friesecke, NuR 2000, 81, 83. 414 NdsOVG, Beschl. v. 16.11.1979 – III OVG B 84/79 –, NuR 1979, 158, 159. 415 Mast/Göhner, LKV 2009, 65, 67.
III. Verfassungsrechtliche Probleme im Einzelnen
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Vor allem Henneke hat seine Auffassung mit einem Bedeutungswandel des Begriffes der Landeskultur im Flurbereinigungsrecht begründet. Zwar sei der Begriff auch dort ursprünglich ausschließlich agrarökonomisch ausgerichtet gewesen und habe sich auf die Erhaltung oder Herbeiführung eines guten Bodenzustandes zur Erzielung hoher Erträge unter Beibehaltung der Bodenfruchtbarkeit bezogen.416 Durch die Neufassung in § 34 I Nr. 3 des Flurbereinigungsgesetzes (FlurbG) 1976 sei jedoch ein Begriffswandel hin zur Einbeziehung von Naturschutz und Landschaftspflege vollzogen worden. Da sich somit das Verständnis des Begriffes der „Landeskultur“ innerhalb des Wortlautes gewandelt habe, sei trotz Art. 79 I GG auch ein verfassungsrechtlicher Bedeutungswandel zu bejahen.417 (2) Die Gegenauffassung Nach der Gegenauffassung hat ein derartiger Bedeutungswandel des Begriffes „Landeskultur“ in Art. 89 III GG nicht stattgefunden. Insbesondere Kowallik verweist hierzu auf Historie und Wortlaut, zudem könne der Naturschutz den Bedürfnissen der Landeskultur sogar zuwiderlaufen.418 Nach einer auch vom Bundesverwaltungsgericht geteilten vermittelnden Ansicht wird zwar ein Bedeutungswandel des Begriffes der Landeskultur in der Weise bejaht, dass auch die Landeskultur dem Naturschutz und der Landschaftspflege zu dienen geeignet ist, der Begriff aber nicht die volle Vollzugshoheit des Natur- und Landschaftsschutzes umfasst. Die Länder könnten Ausbauvorhaben des Bundes somit nicht von Vorgaben zum Naturschutz abhängig machen.419 (3) Eigener Standpunkt Zunächst ist davon auszugehen, dass der Wortlaut des Begriffes „Landeskultur“ weder eindeutig für, noch gegen eine Einbeziehung von Naturschutz und Landschaftspflege spricht. Es handelt sich um einen historischen Begriff, bei dem die „Kultur“ noch in ihrer ursprünglichen Bedeutung, die vom lateinischen Wort „cultura“ für Ackerbau stammt, zu verstehen ist. 416
Henneke (Fn. 412), 343. Henneke (Fn. 412), 346; ebenso Gassner, NuR 1981, 6, 9. 418 Kowallik, NuR 1987, 116, 117; ablehnend auch Friesecke, WaStrG, § 4 Rdnr. 2 und ohne nähere Begründung Reinhardt, DtZ 1992, 258, 261. 419 BVerwGE 116, 175, 182 (Fn. 405) = NVwZ 2002, 1239; Ibler, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 89 Rdnr. 76; Gröpl, in: Maunz/Dürig, Art. 89 Rdnr. 135; Friesecke, WaStrG § 4 Rdnr. 2; ders. in NuR 2000, 81, 83 f. 417
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B. Verfassungsrechtliche Grundprobleme
Dementsprechend verstand man unter der Kultur im 18. und 19. Jahrhundert neben der sittlichen Verbesserung und Ausbildung des Menschen die Urbarmachung des Bodens und den Anbau und die Pflege von Nahrungspflanzen.420 Dieses Begriffsverständnis lag deshalb auch Art. 97 III WRV und dem fast wortgleichen Art. 89 III GG zugrunde. Aus der Entstehungsgeschichte zu Art. 89 III GG oder Art. 97 III WRV ergeben sich für eine andere Auslegung keine Anhaltspunkte, weil die betreffenden Materialien keine erhellenden Hinweise enthalten. Bei den Erwägungen zur Einführung der Norm dürften Landschaftspflege und Naturschutz jedenfalls keine Rolle gespielt haben, weil diese Belange in der Entstehungszeit von Art. 97 III WRV im allgemeinen Bewusstsein erst rudimentär verankert waren und mit dem Begriff der Landeskultur(gesetzgebung) auch nicht assoziiert wurden. Gleiches gilt für den Denkmalschutz, den man nicht unter Hinweis auf den Begriff der Kulturlandschaft zugleich unter die Landeskultur fassen kann, weil Kulturlandschaft lediglich bedeutet, dass es sich um eine vom Menschen veränderte, nicht mehr ursprüngliche Landschaft handelt. Der Zweck des Art. 89 III GG, den Ländern wegen der mit dem Bau und der Verwaltung von Wasserstraßen im Einzelfall zwangsläufig verbundenen agrarökonomischen Auswirkungen (Wasserversorgung, Flutung, Kanalneubau etc.) ein Mitwirkungsrecht zu geben, spricht ebenfalls eher gegen die Einbeziehung von Naturschutz und Landschaftspflege, zumal die Länder diese Belange durch die ihnen auf diesen Gebieten zustehende Gesetzgebungskompetenz hinreichend beeinflussen können. Einzuräumen ist freilich, dass seit 1976 nach § 34 I Nr. 3 FlurbG im Flurbereinigungsrecht zu den landeskulturellen Belangen kraft gesetzlicher Anordnung auch Naturschutz und Landschaftspflege gehören421. Eine erweitertes Verständnis des Begriffes der Landeskultur in Art. 89 III GG ließe sich damit allerdings nur rechtfertigen, wenn zugleich die Voraussetzungen für einen zulässigen Wandel im Verständnis eines Verfassungsbegriffes vorliegen. Auf die Details der Diskussion zu den Grenzen eines zulässigen Wandels im Verständnis von Verfassungsbestimmungen oder Verfassungsbegriffen, schlagwortartig als Verfassungswandel bezeichnet, kann hier nicht eingegangen werden.422 Im Allgemeinen wird unter dem Begriff des Verfas420 Brockhaus Konversations-Lexikon, 15. Aufl. 1932, Bd. 10, S. 692 Stichwort: Kultur. 421 Schon vor Änderung des FlurbG hatte das BVerwG die Berücksichtigung ökologischer Belange durch die Flurbereinigungsverwaltung anerkannt, Beschl. v. 26.09.1975 – V B 35.73 –, Buchholz 424.01 § 1 FlurbG Nr. 5. 422 Zur Problematik grundlegend Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 263 ff.; ferner Böckenförde, in: FS für Peter Lerche, S. 3 und Hesse, in: FS für Ulrich Scheuner, S. 123 ff.
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sungswandels die Änderung des Inhalts von Verfassungsnormen ohne Änderung des Verfassungstextes verstanden.423 Veränderungen, die sich lediglich in Anwendung unbestimmter Verfassungsbegriffe ergeben, stellen hingegen keinen Verfassungswandel dar, weil unbestimmte Verfassungsbegriffe nur einen vom Begriffskern getragenen Rahmen abstecken.424 Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erkennt die Möglichkeit eines zulässigen Verfassungswandels als Ausnahmefall jedenfalls grundsätzlich an. Danach kann sich der Inhalt eines verfassungsrechtlichen Begriffes wandeln, wenn im Bereich einer Verfassungsbestimmung neue, nicht vorausgesehene Tatbestände auftauchen oder bekannte Tatbestände durch ihre Einordnung in den Gesamtablauf einer Entwicklung in neuer Beziehung oder Bedeutung erscheinen.425 Da der einfache Gesetzgeber den Inhalt verfassungsrechtlicher Begriffe nicht entgegen Art. 79 I 1 GG ohne ausdrückliche Verfassungsänderung abändern kann, bedarf ein zulässiger Verfassungswandel stets der Begründung; wobei die Verwendung relativ offener Begriffe wie „Menschenwürde“ in Art. 1 I GG und „Sittengesetz“ in Art. 2 I GG belegt, dass der Verfassung von vornherein offensichtlich wandelbare Begriffe beigegeben wurden.426 Zwar stellt der Wortlaut selbstverständlich auch und gerade bei der Auslegung der Verfassung die äußerste Grenze dar427, bei offenen oder mehrdeutigen Verfassungsbegriffen hilft diese Erkenntnis allerdings kaum weiter.428 Während also einerseits das allgemeine Interesse an der Stabilität und Verlässlichkeit der Verfassung für einen Verfassungswandel enge Grenzen erfordern, muss die Verfassungsauslegung andererseits auch Veränderungen in Staat und Gesellschaft bewältigen. In Anbetracht dieser gegenläufigen Belange verwundert es auch nicht, dass das Bundesverfassungsgericht bislang keine abstrakten Maßstäbe für einen zulässigen Verfassungswandel formuliert hat. Bedeutungswandel von Verfassungsbestimmungen ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes429 deshalb vor allem im Bereich der Grundrechte feststellbar, ohne dass das 423
Böckenförde (Fn. 422), S. 6; Hesse (Fn. 422), S. 126. Böckenförde (Fn. 422), S. 8. 425 BVerfG, Urt. v. 01.07.1953 – 1 BvL 23/51 –, JZ 1953, 66 (dort im Ergebnis verneint); Rechtsgutachten v. 16.05.1954 – 1 PBvV 2/52 – BVerfGE 3, 407, 422 (zur Kompetenzabgrenzung im Baurecht); Bryde (Fn. 422), S. 254. 426 Bryde (Fn. 422), S. 265. 427 Hesse (Fn. 422), S. 139. 428 Bryde (Fn. 422), S. 268. 429 BVerfG, Urt. v. 21.06.1977 – 1 BvL 14/76 –, BVerfGE 45, 187, 227 (Auslegung des Begriffs der Menschenwürde im Hinblick auf lebenslange Freiheitsstrafe); Urt. v. 27.02.2008 – 1 BvR 370/07 – BVerfGE 120, 274, 311 = NJW 2008, 822, 824, 826 f. (Fortentwicklung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zum Grundrecht auf Gewährleistung und Vertraulichkeit der Integrität informationstechnischer Systeme; Online-Durchsuchung). 424
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B. Verfassungsrechtliche Grundprobleme
Gericht dabei ausdrücklich auf die Grundsätze zum Bedeutungswandel von Verfassungsbegriffen zurückgegriffen hätte.430 Entscheidend ist letztlich darauf abzustellen, ob eine Norm der Verfassung bzw. ein in der Verfassung verwandter Begriff hinsichtlich der Auslegung eher auf Öffnung oder auf Schließung angelegt ist; zudem kann aus Grundentscheidungen des Verfassungsgebers ein Wandlungsverbot resultieren.431 Selbst wenn sich ergibt, dass ein Begriff in seiner Auslegung einer Öffnung grundsätzlich zugänglich ist, muss noch geprüft werden, ob sich der Normbereich, also die tatsächlichen Gegebenheiten, verändert haben und ob diese Veränderung von der Anordnung der jeweiligen Norm, dem Normprogramm, noch erfasst ist.432 Ein Wandel im Verständnis des Art. 89 III GG lässt sich in Anbetracht dieser hohen Hürden nicht begründen. Dagegen spricht schon, dass die Grundsätze über den Verfassungswandel hinsichtlich der Kompetenzabgrenzung zwischen Bund und Ländern nicht anwendbar sind.433 Die diesbezüglichen Vorschriften des Grundgesetzes sind selbst dann stringent auszulegen, wenn die verwandten Begriffe eine sprachliche Offenheit suggerieren434, weil die Aufteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern von vornherein abschließend geregelt ist und eine Verschiebung der Kompetenzen ohne ausdrückliche Änderung des Grundgesetzes auch nicht einvernehmlich von Bund und Ländern vorgenommen werden kann435. Zudem können die Überlegungen, mit denen im grundrechtlichen Bereich – zu Recht – ein Verfassungswandel im Einzelfall bejaht wird, auf die Ermittlung der Reichweite von Mitwirkungsrechten im Bund-Länder-Verhältnis nicht übertragen werden. Im Bereich der Grundrechte steht der Bürger regelmäßig dem Staat in einer Eingriffskonstellation gegenüber, der einzelne Bürger hat keine Möglichkeit, neuen Gefährdungen oder Einwirkungen im Grundrechtsbereich von sich aus entgegenzuwirken oder gar einen Wandel beim Verständnis von Rechtsbegriffen durchzusetzen. Der Bedeutungswandel von Verfassungsbegriffen ist deshalb mitunter erforderlich um neuen grundrechtlichen Gefährdungslagen zu begegnen. Diese Notwendigkeit be430 Vgl. auch Bryde (Fn. 422), S. 275, der darauf verweist, dass das Recht, eine Grundrechtsnorm fortzuentwickeln, geradezu Teil des Grundrechts sein muss. 431 Bryde (Fn. 422), S. 270, 279. 432 Böckenförde (Fn. 422), S. 12; Hesse (Fn. 422), S. 137 f. 433 Ausdrücklich offen gelassen in BVerfGE 3, 407, 422 (Fn. 425). 434 Allgemein für den Bereich des Staatsorganisationsrechts Bryde (Fn. 422), S. 276, der aber zugleich einen generellen Ausschluss der Wandlungsfähigkeit von Verfassungsbegriffen im Staatsorganisationsrecht ablehnt, S. 277. 435 BVerfG, Beschl. v. 21.10.1971 – 2 BvL 6/69 u. a. – BVerfGE 32, 145, 156 = BStBl. II 1972, 48 (Beförderungsteuer); BVerfGE 119, 331, 365 (Fn. 403) = NVwZ 2008, 183; Friesecke, NuR 2000, 81, 85.
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steht für Bund und Länder nicht, weil sie durch eine Grundgesetzänderung neu auftretende Kompetenzprobleme selbst lösen können. Da diese Möglichkeit besteht, ist eine einseitige Veränderung des Inhalts oder der Reichweite von Mitwirkungsrechten gegen den Willen des Bundes auf der einen oder den Willen der Länder auf der anderen Seite erst recht ausgeschlossen. Für die Auslegung des Begriffes der Landeskultur in Art. 89 III GG ist dies von besonderer Bedeutung, weil die Länder bereits zweimal im Wege von Bundesratsinitiativen versucht haben, den einfachgesetzlichen Landeskulturbegriff in § 4 WaStrG um ökologische Belange zu erweitern.436 Dieses Ansinnen scheiterte jedoch am Widerstand des Bundes. Die Bundesregierung hat sich für ihre Ablehnung stets darauf berufen, dass der Landeskulturbegriff in Art. 89 III GG eine derartige Ausweitung gerade nicht zulasse.437 Damit fehlt es zugleich an einer Veränderung des Normbereichs im Sinne der tatsächlichen Gegebenheiten. Der Umstand allein, dass die Länder bzw. ein Teil der Länder zur Auslegung eines Verfassungsbegriffes eine gewandelte Auffassung vertritt, zwingt noch nicht zu einem anderen Begriffsverständnis im Sinne einer auf tatsächlichen Veränderungen beruhenden Notwendigkeit. Somit scheidet ein Bedeutungswandel aus, der den Ländern erlaubt, Naturschutz und Landschaftspflege als Bedürfnisse der Landeskultur anzuführen. Nicht ausgeschlossen ist aber eine Berücksichtigung von Naturschutz und Landschaftspflege im Rahmen des herkömmlichen Landeskulturbegriffes der geordneten Nutzung der Landschaft für Zwecke der Land- und Forstwirtschaft, weil zur geordneten agrarischen Nutzung der Landschaft heute in stärkerem Maße Naturschutz und Landschaftspflege gehören.438 Beispiele dafür sind zum Beispiel bestimmte Kulturlandschaften, die nur durch eine geordnete, extensive Bodennutzung (insb. Weidewirtschaft) erhalten werden können oder der ökologische Landbau, der den Naturschutz zum erklärten (Neben-)Ziel der Bodennutzung erhebt. Somit können die Länder im Rahmen des Einvernehmens auch Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege geltend machen, wenn diese einen unmittelbaren Bezug zur ausgeübten oder angestrebten agrarischen Nutzung des Bodens haben. Ökologische Belange können somit in bestimmten Fällen die herkömmlichen Belange der Landeskultur verstärken. Unzulässig bleibt eine Einvernehmensverweigerung allein aus naturschutzfachlichen oder landschaftspflegerischen Gründen. Einen solchen Ansatz hatte offenbar auch das Bundesverwaltungsgericht bei seiner Formulierung vor Augen, dass die Landeskultur 436 Entwurf eines 3. Rechtsbereinigungsgesetzes, BT-Drucks. 11/4311; Entwurf eines erstens Gesetzes zur Änderung des WaStrG v. 12.06.1997, BT-Drucks. 13/7955. 437 BT-Drucks. 11/4311 S. 26; BT-Drucks. 13/7955 S. 17, 19. 438 Ebenso Friesecke, WaStrG, § 4 Rdnr. 2.
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B. Verfassungsrechtliche Grundprobleme
auch dem Naturschutz und der Landschaftspflege zu dienen geeignet sei, aber nicht die volle Vollzugshoheit für Natur- und Landschaftsschutz umfasse439. Als Auslegungsregel bietet diese Formulierung jedoch keinen Vorteil gegenüber der hier vertretenen Lösung, weil die Formulierung des Gerichts suggeriert, dass den Ländern zwar nicht die volle, aber zumindest doch eine teilweise Vollzugshoheit zusteht. Das trifft schon deshalb nicht zu, weil Art. 89 III GG keine Vollzugshoheit im Bereich der Wasserstraßenverwaltung regelt, diese Regelung ist allein Art. 89 II 1 GG vorbehalten und dort zugunsten des Bundes getroffen worden. Geregelt werden allein eine materielle Bindung des Bundes bei Ausübung seiner Vollzugshoheit und ein damit korrespondierendes Mitwirkungsrecht der Länder. c) Einvernehmenspflichtige Tatbestände und Entscheidungsspielräume der Länder Weitgehende Einigkeit herrscht zunächst darüber, dass der in Art. 89 III GG erwähnte Aus- und Neubau von Wasserstraßen nur ein Unterfall der Verwaltung der Bundeswasserstraßen ist.440 Gegenständlich sind nur Bundeswasserstraßen im Sinne von Art. 89 II 1 GG erfasst, auch wenn in Art. 89 III GG allgemein von Wasserstraßen die Rede ist. Da der Bund nur für die Verwaltung der Bundeswasserstraßen nach Art. 89 II 1 GG eine Zuständigkeit besitzt (vgl. B. III. 2.), kann er auch nur für diese mit den Ländern bei der Verwaltung ein Einvernehmen wahren, für alle anderen Wasserstraßen sind die Länder nach Art. 30 GG zuständig. Das Einvernehmenserfordernis gilt nach dem Wortlaut „bei der Verwaltung“, also umfassend und ist nicht etwa auf bestimmte Verwaltungsmaßnahmen wie Erteilung von Genehmigungen, Planfeststellungen und dergleichen beschränkt.441 Zwar gibt es hierfür gesonderte fachgesetzliche Regelungen (z. Bsp. § 14 III WaStrG). Das bedeutet jedoch keine Einschränkung des Einvernehmenserfordernisses für andere Verwaltungsmaßnahmen, was in § 4 WaStrG auch klar zum Ausdruck kommt. Für ein notwendiges Einvernehmen ist aber andererseits stets Voraussetzung, dass durch die in Betracht kommende Verwaltungshandlung zumindest mit gewisser Wahrscheinlichkeit Bedürfnisse der Wasserwirtschaft und Landeskultur betroffen sein können.442 Ob tatsächlich Bedürfnisse von Wasserwirtschaft und Landeskultur betroffen sind, ist dann allein für die Befugnis der 439
BVerwGE 116, 175, 182 (Fn. 405) = NVwZ 2002, 1239. Friesecke, WaStrG § 4 Rdnr. 6; Gröpl, in: Maunz/Dürig, Art. 89 Rdnr. 131; ebenso Maunz ebd. (Erstkommentierung), Rdnr. 59. 441 Ibler, in: v. Mangoldt/Klein/Stark, Art. 89 Rdnr. 75. 442 Durner, in: Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 89 Rdnr. 41; Gröpl, in: Maunz/Dürig, Art. 89 Rdnr. 131. 440
III. Verfassungsrechtliche Probleme im Einzelnen
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Länder, das Einvernehmen zu versagen, von Bedeutung. Gleiches gilt für unterlassene Verwaltungsmaßnahmen, sofern für ihre Vornahme eine Rechtspflicht bestehen kann. So kann ein Einvernehmenserfordernis auch bestehen, wenn Verwaltungsmaßnahmen lange Zeit durchgeführt wurden und eingestellt werden sollen. Insgesamt darf das Merkmal „bei der Verwaltung“ nicht zu Lasten der Länder auf bloßes aktives Handeln oder Handeln in einer bestimmten Rechtsform (z. Bsp. Verwaltungsakt) verengt werden. Maßnahmen der Vermögensverwaltung können grundsätzlich auch einvernehmenspflichtig sein443, wenngleich nur schwer vorstellbar ist, inwieweit durch derartige Maßnahmen Bedürfnisse von Wasserwirtschaft und Landeskultur betroffen sein können. Grund dafür ist, dass auch die Vermögensverwaltung unter den Begriff der Verwaltung der Bundeswasserstraßen nach Art. 89 II 1 GG fällt (vgl. B. III. 3. a) dd)) und der Verwaltungsbegriff innerhalb des Art. 89 GG einheitlich auszulegen ist. Schließlich gilt das Einvernehmenserfordernis nur zugunsten der Länder, die durch eine Verwaltungsmaßnahme entsprechend betroffen sein können und nicht etwa für alle an einer Bundeswasserstraße anliegenden Länder.444 Werden die Bedürfnisse von Wasserwirtschaft und Landeskultur im Fall einer bestimmten Verwaltungsmaßnahme nicht mehr gewahrt, dann darf das betroffene Land sein Einvernehmen verweigern. Ein faktisches Vetorecht, das unabhängig von der tatsächlichen „Verletzung“ dieser Belange besteht, haben die Länder hingegen nicht.445 Den Ländern ist jedoch für die Beurteilung ihrer Bedürfnisse ein Beurteilungsspielraum zuzugestehen, bei dessen Ausnutzung die Länder an den Grundsatz bundesfreundlichen Verhaltens gebunden sind. Dieser Grundsatz verlangt, dass sowohl der Bund als auch die Länder bei der Wahrnehmung ihrer Kompetenzen die gebotene und ihnen zumutbare Rücksicht auf das Gesamtinteresse des Bundesstaates und auf die Belange der Länder nehmen; vorhandene Kompetenzen dürfen demnach nicht missbräuchlich ausgeübt werden.446 Mithin dürfen die Länder auch nicht willkürlich über die Erteilung des Einvernehmens entscheiden.447 443
A. A. Friesecke, WaStrG § 4 Rdnr. 6 a. E. Gröpl, in: Maunz/Dürig, Art. 89 Rdnr. 144; ebenso Maunz ebd. (Erstkommentierung), Rdnr. 65; Ibler, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 89 Rdnr. 83; Friesecke, WaStrG, § 4 Rdnr. 13; Dittmann, S. 187. 445 So aber Hermes, in: Dreier, Art. 89 Rdnr. 25; ihm folgend Durner, in: Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 89 Rdnr. 44. 446 BVerfG, Urt. v. 19.02.2002 – 2 BvG 2/00 –, BVerfGE 104, 249, 268 f. = NVwZ 2002, 585; Urt. v. 15.11.1971 – 2 BvF 1/70 – BVerfGE 32, 199, 218 = NJW 1972, 25. 447 Im Ergebnis ähnlich Friesecke, WaStrG § 4 Rdnr. 12; ablehnend zum Beurteilungsspielraum Ibler, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 89 Rdnr. 78, 80, der statt444
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B. Verfassungsrechtliche Grundprobleme
d) Die verfahrensrechtliche Durchsetzung des Einvernehmens Das Einvernehmen verlangt nach unbestrittener Auffassung die volle Willensübereinstimmung des Bundes mit den betroffenen Ländern.448 Da das Grundgesetz eine besondere Form nicht vorsieht, kann das Einvernehmen formlos bzw. konkludent erteilt werden, bei bestimmten dauerhaft durchgeführten Verwaltungsmaßnahmen wird sich der Bund auch auf eine unbeanstandete Übung berufen können. Umstritten ist allerdings, welche Möglichkeit des Rechtsschutzes besteht, wenn entweder auf Länderseite die unterbliebene Beachtung des Einvernehmenserfordernisses geltend gemacht wird oder der Bund gegen ein seiner Ansicht nach zu Unrecht verweigertes Einvernehmen vorgehen will. Eine Ansicht bejaht eine öffentlich-rechtliche, nichtverfassungsrechtliche Streitigkeit, für die nach § 40 I 1, § 50 I Nr. 1 VwGO das Bundesverwaltungsgericht zuständig ist.449 Nach anderer Auffassung handelt es sich um eine verfassungsrechtliche Streitigkeit, über die nach Art. 93 I Nr. 3 GG, § 13 I Nr. 7 BVerfGG das Bundesverfassungsgericht entscheidet.450 Letztere Auffassung ist zutreffend. Eine verfassungsrechtliche Streitigkeit liegt vor, wenn die Verletzung oder Gefährdung eines Rechtes aus einem Bund und Land umschließenden materiellen Verfassungsrechtsverhältnis geltend gemacht wird, wobei das Bundesverfassungsgericht hierfür bislang keine generellen Kriterien entwickelt hat.451 In der Regel liegt eine verfassungsrechtliche daher Streitigkeit vor, wenn um Zuständigkeiten gestritten wird, die auf Normen des Grundgesetzes gestützt werden und diese gerade das verfassungsrechtlichen geordnete Verhältnis von Bund und Ländern betreffen.452 Das Einvernehmenserfordernis wird unmittelbar durch Art. 89 III GG begründet und ist zusammen mit der Wahrungspflicht des Bundes verfassungsrechtlicher Natur, was auch durch die Einordnung als so genannter „materieller Verfassungsgrundsatz“ (vgl. B. III. 6. a)) bestätigt wird. Darüber kann auch die Regelung in § 4 WaStrG nicht hinwegtäuschen, da sie dessen eine Pflicht zu gerechter Abwägung befürwortet; für einen Ermessensspielraum BVerwGE 116, 175, 187 (Fn. 405) = NVwZ 2002, 1239. 448 Friesecke, WaStrG, § 4 Rdnr. 7; Ibler, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 89 Rdnr. 79. 449 Friesecke, WaStrG, § 4 Rdnr. 15, Dittmann, S. 187 (dort Fn. 19); ebenso unter Verweis auf § 4 WaStrG Gröpl, in: Maunz/Dürig, Art. 89 Rdnr. 148. 450 Ibler, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 89 Rdnr. 82; Zeitler (Fn. 412), § 31 a. F. Rdnr. 448; Czychowski/Reinhardt (Fn. 412), § 70 Rdnr. 76. 451 BVerfG, Beschl. v. 07.10.2003 – 2 BvG 1/02 –, BVerfGE 109, 1, 6 = NVwZ 2004, 468; BVerwG, Urt. v. 18.05.1994 – 11 A 1/92 – BVerwGE 96, 45, 48 = NVwZ 1995, 56; Urt. v. 24.07.2008 – 7 A 2.07 –, NVwZ 2009, 599. 452 BVerwG, Beschl. v. 08.05.2002 – 3 A 1/01 – BVerwGE 116, 234, 237 = NVwZ 2002, 1127.
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den Inhalt von Art. 89 III GG lediglich einfachgesetzlich und damit deklaratorisch wiederholt. Soweit es aber, wie in § 14 III WaStrG für bestimmte Verwaltungsmaßnahmen einfachgesetzliche Sonderregelungen gibt, steht es den Ländern und dem Bund frei, nur deren Verletzung als nichtverfassungsrechtliche Streitigkeit vor dem Bundesverwaltungsgericht geltend zu machen.453 Insofern besteht letztlich ein Wahlrecht. 7. Verfassungsrechtliche Pflichten des Bundes zur Erhaltung der Bundeswasserstraßen und der Bundeswasserstraßenverwaltung In den vergangenen 20 Jahren hat der Bund teilweise durch Änderungen in den Art. 87 ff. GG einzelne Bereiche früherer Bundesverwaltung (teil-)privatisiert. Genannt seien hier nur Bahn, Post und Telekommunikation. Die damit verbundenen Dienstleistungen werden nun im Wettbewerb von den Markanbietern erbracht, wenn auch unter staatlicher Regulierung. Diese Dienstleistungen sind jedoch auf eine Infrastruktur in Form von Netzen angewiesen. Während bei der Telekommunikation die Netze vollständig privatisiert wurden, ist dies bei der Bahn nicht der Fall. Bau, Unterhaltung und Betrieb des Netzes erfolgen zwar durch ein privatrechtliches Unternehmen, dieses muss aber nach Art. 87e III 2, 3 GG mehrheitlich in der Hand des Bundes verbleiben. Die Bundesfernstraßen und die Bundeswasserstraßen sind von derartigen Privatisierungsbestrebungen bislang verschont geblieben, wohl weil sie in ihrer Gesamtheit nicht rentabel sind. Dennoch erhebt sich gerade wegen der hohen Kosten insbesondere der Wasserstraßenverwaltung454 die Frage, ob der Bund die Verwaltung der Bundeswasserstraßen in ihrer bisherigen Gestalt überhaupt aufrecht erhalten muss. Dabei gliedert sich das Problem in mehrere Teilaspekte: Zunächst ist zu klären, inwiefern der Bund verfassungsrechtlich verpflichtet ist, den derzeitigen Bestand der Bundeswasserstraßen aufrecht zu erhalten (unter a)). Fraglich ist auch, ob der Bund die in seinem Eigentum stehenden Bundeswasserstraßen an Dritte veräußern kann (unter b)). Schließlich ist der Mög453
Ähnlich Ibler, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 89 Rdnr. 82, der differenzieren will, ob es um einen Planfeststellungsbeschluss geht (dann wegen § 14 III WaStrG Zuständigkeit des BVerwG) oder eine andere Handlung der Wasserstraßenverwaltung. 454 Nach dem Einzelplan 12/1203 des Bundeshaushaltes 2009 wurden für die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung Einnahmen in Höhe von 202,7 Mio. Euro erwartet. Dem stehen Ausgaben in Höhe von 1406,3 Mio. Euro gegenüber, davon entfallen 441,7 Mio. Euro auf Investitionen (vgl. die Angaben in BT-Drs. 16/9900, 1203, S. 47 – Entwurf des Bundeshaushaltsplan; ebenso verfügbar unter http:// www.bundesfinanzministerium.de/bundeshaushalt2009/pdf/epl12/s1203.pdf).
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B. Verfassungsrechtliche Grundprobleme
lichkeit nachzugehen, die Verwaltung der Bundeswasserstraßen anderweitig zu organisieren (unter c)). a) Bestandserhaltung der Bundeswasserstraßen als Staatsaufgabe? Nach überwiegender Auffassung ist der Bund verpflichtet, ein Netz von Bundeswasserstraßen zu erhalten, wobei allerdings unklar ist, woraus sich diese Pflicht ergibt und wie weit sie reicht (zum Meinungsstand unter aa)). Davon zu trennen und erst an anderer Stelle zu behandeln ist das Problem, ob der Bund eine Wasserstraße entwidmen muss, wenn diese ihre Bedeutung für den allgemeinen Verkehr verloren hat (vgl. dazu unter C. I. 1.). Dieses Problem kann sich überhaupt erst ergeben, wenn der Bund zur Erhaltung von Bundeswasserstraßen in ihrer Verkehrsfunktion nicht oder jedenfalls nur eingeschränkt verpflichtet ist. Erforderlich ist daher eine Analyse, inwieweit dem Grundgesetz eine Staatsaufgabe zum Erhalt der Bundeswasserstraßen entnommen werden kann (anschließend bb)). aa) Meinungsstand zur Erhaltungspflicht von Bundeswasserstraßen Nach Auffassung von Ibler trifft den Bund für die Bundeswasserstraßen keine Erhaltungspflicht, allenfalls folge aus Art. 89 II GG eine Einrichtungsgarantie für Bundeswasserstraßen.455 Die überwiegende Meinung nimmt hingegen an, der Bund müsse ein Netz von Bundeswasserstraßen erhalten.456 Teilweise wird angenommen, der Bund habe eine Erfüllungsverantwortung, soweit ihm das Grundgesetz das Eigentum an den jeweiligen Verkehrsträgern zuweist.457 Freilich fehlt es oft an einer näheren Begründung, vom Verweis auf Art. 89 GG selbst einmal abgesehen. Dabei bedarf es einer solchen Begründung, denn inwieweit dem Grundgesetz, den Vorschriften über die Bundesverwaltung insbesondere, Staatsaufgaben zum Erhalt von Infrastrukturen entnommen werden können, ist bislang nur wenig geklärt.458 Anders als Art. 87e III, IV GG, der für den Bereich der Eisenbahnen ausdrücklich Gewährleistungen des Bundes zugunsten des über455
Ibler, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 89 Rdnr. 40a. Durner, in Berliner Kommentar zum Grundgesetz Art. 89 Rdnr. 32: „Bereitstellung eines angemessenen Infrastrukturniveaus“; Reinheimer, S. 106; UerpmannWittzack, in: HdBStR, § 89 Rdnr. 53; Weidmann, VR 2003, 309, 311: „Netz in einem [gewissen] Mindestumfang“; Grupp, in: Magiera/Sommermann, Daseinsvorsorge und Infrastrukturgewährleistung, S. 65, 67. 457 Uerpmann-Wittzack (Fn. 456), § 89 Rdnr. 5. 458 Allgemein dazu Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87 Rdnr. 17. 456
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regionalen Eisenbahnnetzes enthält, schweigt Art. 89 GG hierzu. Ungeachtet dessen bleibt im Regelfall auch offen, wie weit die Pflicht des Bundes zur Erhaltung eines Bundeswasserstraßennetzes – vorausgesetzt eine solche Pflicht existiert – reicht. Hier sind angesichts der Vielzahl der natürlichen und künstlichen Wasserstraßen durchaus Abstufungen denkbar, zumal auf einzelnen Strecken schlicht das Verkehrsbedürfnis, beispielsweise durch den Ausbau konkurrierender Verkehrsträger, entfallen kann. bb) Eigener Ansatz Für die Konkretisierung und Eingrenzung einer möglichen Erhaltungspflicht für die Bundeswasserstraßen kommt es zunächst darauf an, ob das Grundgesetz für den Bereich der Infrastrukturnetze ganz allgemein eine Staatsaufgabe enthält, den Staat also dazu verpflichtet, in einem bestimmten Umfang Infrastruktur zu schaffen oder zu erhalten (unter (1)). Soweit eine solche Staatsaufgabe besteht, können dann einzelne Schlussfolgerungen für die Bundeswasserstraßen gezogen werden (unter (2)). Davon unabhängig bleiben grundrechtliche Aspekte (unter (3)). (1) Staatsaufgabe Infrastruktur Staatsaufgaben sind solche, die der Staat nach der geltenden Verfassungsordnung zulässiger Weise für sich in Anspruch nimmt bzw. in Anspruch nehmen muss.459 Sie lassen sich als Stufe der Konkretisierung von konstitutionalisierten, abstrakten Verfassungszielen begreifen und sind deshalb auch stets auf Grundsatzaussagen der Verfassung, beispielsweise das Sozialstaatsprinzip rückführbar.460 Staatsaufgabennormen sind dementsprechend Rechtssätze, die den Staat und seine Untergliederungen zu einem zielgerichteten Tätigwerden auf einem bestimmten Sachgebiet ermächtigen oder verpflichten. Zu den Staatsaufgaben können deshalb auch Staatszielbestimmungen, wie beispielsweise Art. 20a GG, gezählt werden.461 Darüber hinaus kann als gesichert gelten, dass die Grundrechte nicht nur Abwehrrechte gegen den Staat sind, sondern den Staat auch mit Schutzpflichten oder der Aufgabe belasten, für die Verwirklichung der Grundrechte hinreichende Voraussetzungen zu schaffen.462 Zudem gibt es Aufgaben, welche 459
Sommermann, S. 365. Schulze-Fielitz, in: Grimm (Hrsg.), Staatsaufgaben, S. 16. 461 Sommermann, S. 365; Schulze-Fielitz (Fn. 460), S. 16. 462 Aus der Rechtsprechung: BVerfG, Urt. v. 18.07.1972 – 1 BvL 32/70 –, BVerfGE 33, 303, 333 = NJW 1972, 1561 (Studienplatzversorgung); Beschl. v. 25.03.1980 – 2 BvR 208/76 – BVerfGE 53, 366, 399 = NJW 1980, 1895 (Kranken460
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B. Verfassungsrechtliche Grundprobleme
der Staat schlichtweg erfüllen muss, um überhaupt als Staat handlungsfähig zu sein und Staatgewalt ausüben zu können. Ungeachtet dessen enthalten die Rechtssätze des Grundgesetzes, aus denen sich Staatsaufgaben ableiten lassen, regelmäßig kaum konkrete Vorgaben, so dass die Erfüllung der Staatsaufgaben ein Tätigwerden des Gesetzgebers erfordert, der für die Ausgestaltung selbst einen entsprechend großen Spielraum hat.463 Auch deshalb ist jenseits der offensichtlichen Kernbereiche staatlicher Verwaltung der Umfang der Staatsaufgaben oftmals ungeklärt bzw. fraglich.464 Schließlich lassen sich aus Kompetenznormen Staatsaufgaben nur sehr eingeschränkt ableiten, weil Kompetenzen dem Staat bzw. einzelnen Untergliederungen lediglich Handlungsbefugnisse einräumen.465 Allerdings können die Zuständigkeitsregelungen des Grundgesetzes Auskunft über das Vorverständnis des Verfassungsgebers zum Umfang von Staatsaufgaben geben.466 Diese allgemeinen Grundsätze sind auch anzuwenden, soweit es um die Ermittlung einer Staatsaufgabe zur Aufrechterhaltung oder Schaffung einer Infrastruktur geht. Grundsätzlich belastet das Grundgesetz den Bund nicht mit einer justitiablen Baulastverpflichtung für Verkehrswege, es gewährt also keine subjektiven Ansprüche auf Herstellung öffentlicher Verkehrswege oder deren unentgeltliche Benutzung.467 Erst wenn der Staat der Allgemeinheit Verkehrswege zur Verfügung gestellt hat, sichern die Grundrechte in gewissem Umfang deren Benutzung und schützen vor Einschränkungen oder der Aufhebung von Nutzungen.468 Daraus kann allerdings nicht geschlossen werden, dass eine Staatsaufgabe im Infrastrukturbereich nicht besteht. Staatsaufgaben können nicht als Kehrseite eines subjektiven öffentlichen hausversorgung); Urt. v. 10.06.2009 – 1 BvR 706/08 – NJW 2009, 2033, 2039 (Schutz der Bevölkerung vor Risiko einer Erkrankung); NdsOVG, Urt. v. 26.03.1998 – 1 L 1796/97 –, NuR 1999, 113, 114 = NdsVBl 1999, 42 (Dienstleistungsangebot Telekommunikation als Staatsaufgabe); Schulze-Fielitz, (Fn. 460), S. 20; Badura, ThürVBl 1992, 73, 77. 463 Badura, ThürVBl 1992, 73, 76; Schulze-Fielitz (Fn. 460), S. 29; zur Konkretisierung von staatlichen Schutzpflichten vgl. aus der Rechtsprechung etwa BVerfG, Beschl. v. 28.02.2002 – 1 BvR 1676/01 – NJW 2002, 1638 (Schutz vor Immissionen einer Mobilfunkanlage); BVerwG, Beschl. v. 21.09.2010 – 7 A 7.10 –, zitiert nach juris Rdnr. 17 (Schutz vor Immissionen von Freileitungen). 464 Schulze-Fielitz (Fn. 460), S. 11. Ausführlich kritisch zum bisherigen Stand der Staatsaufgabendiskussion Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 136 ff. 465 Sommermann, S. 366; speziell für den Bereich der Fernstraßenverwaltung Bartlsperger, S. 102, 107. 466 Sommermann, S. 90, 365 f.; ähnlich Badura, ThürVBl 1992, 73, 77; SchulzeFielitz (Fn. 460), S. 29. 467 Steiner, in: HdBStR, 2. Aufl. 1996. Bd. III, § 81 Rdnr. 20; Lerche, in: FS Friauf, S. 260. 468 Steiner, Fn. 467, § 81 Rdnr. 20 (m. w. N.); Uerpmann-Wittzack (Fn. 456), § 89 Rdnr. 14.
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Rechts der Allgemeinheit oder Einzelner angesehen werden. Vielmehr sind Staatsaufgaben zuvörderst objektive Verpflichtungen, mit denen im Einzelfall subjektive Rechte der Allgemeinheit oder Einzelner korrespondieren können, aber nicht müssen. Demnach kann wegen eines fehlenden subjektiven öffentlichen Rechts auf ein bestimmtes Staatshandeln noch nicht eine mögliche Staatsaufgabe für ein solches Handeln verneint werden. Da die Kompetenzvorschriften des Grundgesetzes im Infrastrukturbereich (Art. 87e, 87f, 89 II, 90 GG), wie bereits angeführt, nur für die jeweilige Infrastruktur eine gewisse Aufgabenrelevanz haben, die sich bestenfalls auf die Aussage beschränkt, dass es die betreffende Infrastruktur überhaupt geben muss469, können diese Vorschriften nicht Quelle einer allgemeinen, staatlichen Infrastrukturverantwortung sein. Richtigerweise ist das Sozialstaatsprinzip der entscheidende Ansatzpunkt im Grundgesetz, aus dem eine allgemeine staatliche Infrastrukturverantwortung für den Verkehrsbereich positiv abgeleitet werden kann.470 Ergänzend lässt sich anführen, dass jeder Staat zur Ausübung der Staatsgewalt über das Staatsgebiet auf eine Infrastruktur angewiesen ist und die Verfassung mithin auch eine Verantwortung des Staates für die Infrastruktur voraussetzt.471 Weil es einen konkreteren Ansatzpunkt im Grundgesetz aber kaum gibt, beschränkt sich die Infrastrukturverantwortung des Staates jedenfalls im Grundsatz auf eine Gewährleistungsverantwortung, weil seine Leistungsfähigkeit begrenzt ist.472 Wie er dieser Verpflichtung nachkommt, legt das Grundgesetz – abgesehen von Sonderregelungen wie in Art. 87e III, IV GG – nicht näher fest. Der Staat muss deshalb im Interesse des gedeihlichen und wirtschaftlich auskömmlichen Zusammenlebens aller Bürger lediglich die Existenz eines hinreichend leistungsfähigen Verkehrsnetzes gewährleisten. Welche Rolle einzelne Verkehrsträger dabei spielen, ist ebenfalls nicht vorgegeben und muss vom Gesetzgeber selbst unter Berücksichtigung fiskalischer, ökonomischer und ökologischer Gesichtspunkte entschieden werden. Wegen der engen Verknüpfung der verschiedenen Verkehrsträger insbesondere im Güterbereich können die einzelnen Verkehrsträger und ihre Netze auch nicht mehr isoliert voneinander betrachtet werden. Deshalb genügt der Staat seiner Infrastrukturverantwortung, wenn er insgesamt ein leistungsfähiges Verkehrsnetz gewährleistet und dabei zwischen den einzelnen Verkehrsträgern die so genannte Interoperabilität und damit die Möglichkeit zum Wechsel der Verkehrsträger während der Transportvorgänge sicherstellt. 469
Bartlsperger, S. 100; Lerche, in: FS Friauf, S. 252. Hermes (Fn. 464), S. 136; Schulze-Fielitz (Fn. 460), S. 16; ansatzweise auch Badura, ThürVBl 1992, 73, 76. 471 Grupp, in: Magiera/Sommermann (Fn.456), S. 65, 68. 472 Hermes (Fn. 464), S. 338; Voßkuhle, VVDStRL 62 (2003), 266, 292. 470
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B. Verfassungsrechtliche Grundprobleme
Wie die Entwicklung einiger Bereiche der Infrastruktur jenseits des Verkehrs, nämlich bei Post und Telekommunikation gezeigt hat, muss der Staat, solange nicht ein konkreter grundgesetzlicher Auftrag hierzu besteht, die Netze für einzelne Verkehrsträger noch nicht einmal zwingend selbst bereitstellen und vorhalten.473 An die Stelle staatlicher Erfüllungsverantwortung tritt vielmehr eine Regulierungs-, Überwachungs-, Beobachtungsund Auffangverantwortung.474 Mehr lässt sich aus der aus dem Sozialstaatsprinzip folgenden staatlichen Infrastrukturverantwortung nicht ableiten. Jenseits politisch-ideologischer Erwägungen kann eine staatliche Erfüllungsverantwortung bei den Verkehrsnetzen freilich aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten heraus entstehen. Dies belegt die Diskussion um die Privatisierung des Bahnnetzes um die Jahrtausendwende. Wegen der hohen Kosten der Netzinfrastruktur, der begrenzten Ertragsmöglichkeiten und den demzufolge fehlenden Gewinnaussichten kann sich eine Privatisierung in diesem Bereich aus wirtschaftlichen Gründen als undurchführbar erweisen.475 Daraus darf aber gleichwohl nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass der Staat seine Infrastrukturverantwortung nur erfüllen kann, wenn er das gesamte Verkehrsnetz selbst vorhält. Entscheidend ist vielmehr, ob hinsichtlich der Netze bestimmter Verkehrsträger oder aber auch hinsichtlich einzelner Verkehrswege eine dauerhafte und zuverlässige Bereitstellung wirtschaftlich nur durch den Staat selbst möglich ist. Allerdings besteht für die Verkehrswege als wesentlicher Teil der gesamten Infrastruktur eine Besonderheit: Die Schaffung von Verkehrswegen und ihre Aufrechterhaltung sind mit einer erheblichen Inanspruchnahme von Grund und Boden verbunden. Zudem ist die Lage und Führung eines Verkehrsweges nicht vollkommen frei wählbar, weil ein einzelner Verkehrsweg Bestandteil des Verkehrsnetzes ist und zur Erfüllung seiner Funktion innerhalb des Netzes regelmäßig zwischen zwei Punkten geführt werden muss. Um Kosten und Nutzen des Verkehrsweges im Rahmen zu halten, kann er zudem nicht beliebig ausgedehnt und um alle kritischen Punkte (Wohnbebauung, schwieriges Gelände, wertvolle Naturbereiche) herumgeführt werden. Wegen der daraus resultierenden Konflikte muss es möglich sein, 473 Hermes (Fn. 464), S. 336; zumindest verbal weitergehend Grupp, in: Magiera/Sommermann (Fn. 456), S. 69, 71 der den Staat in einer Erfüllungsverantwortung sieht, daran aber auch keine weitergehenden praktischen Konsequenzen knüpft. 474 Voßkuhle, VVDStRL 62 (2003), 266, 285. 475 Davon geht für den Bereich des Bahnnetzes der Abschlussbericht der 1999 vom damaligen Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen eingesetzten „Kommission Verkehrsinfrastrukturfinanzierung“ (sog. Pällmann-Kommission) vom 5. September 2000 aus, dort. S. 50 (verfügbar unter http://www.vifg.de/_downloads/service/2000-0905_Abschlussbericht-der-Paellmann-Kommission.pdf).
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das für einen Verkehrsweg benötigte Eigentum Dritter auch zwangsweise entziehen zu können. Würde man hier den freien Markt agieren lassen, könnte der Dritte bei einem hinreichend gewichtigen Vorhaben den Preis für den Erwerb seines Grundes unbegrenzt in die Höhe treiben, was letztlich die Schaffung eines Verkehrsweges wirtschaftlich vereiteln kann.476 Mit der staatlichen Infrastrukturverantwortung wäre dies nicht vereinbar. Andererseits ist die Enteignung ein schwerer Grundrechtseingriff, der nach Art. 14 III 1 GG nur unter besonderen Voraussetzungen zulässig ist, insbesondere muss die Enteignung in jedem Einzelfall zum Wohl der Allgemeinheit erforderlich sein. Um dieses zu gewährleisten, bedarf es einer auf Planung und Abwägung beruhenden Entscheidung des Staates477, weil nur der Staat dem Einzelnen gegenüber zu voller Objektivität verpflichtet ist und weil seine Entscheidungen voller gerichtlicher Kontrolle auf Initiative der Betroffenen unterliegen. Nur so kann gesichert werden, dass der Auswahl der einzelnen betroffenen Grundstücke ein die Belange der Eigentümer berücksichtigendes Konzept zugrunde liegt. Die grundgesetzliche Aufgabe des Staates für das Netz der Verkehrsinfrastruktur besteht deshalb zusammengefasst darin, die Existenz eines leistungsfähigen Infrastrukturnetzes zu gewährleisten. Zu diesem Zweck muss der Staat die Möglichkeit der Enteignung vorsehen und die daraus resultierenden Konflikte mit den Betroffenen und den übrigen öffentlichen und privaten Belangen durch planerische und abwägende Entscheidungsvorgänge selbst lösen. (2) Schlussfolgerungen für die Bundeswasserstraßen Die sich aus dem Sozialstaatsgebot ergebende allgemeine staatliche Infrastrukturverantwortung als Staatsaufgabe wird durch die Artt. 87 ff. GG in einzelne Teilaufgaben zwischen Bund und Ländern verteilt.478 Der Vergleich von Art. 87d, 87e, 89 II 1 und Art. 90 GG zeigt, dass dem Bund die Wahrnehmung derjenigen Teilaufgaben entweder ganz (Art. 87d, 87e, 89 GG) oder teilweise (Art. 90 GG) zugewiesen ist, die sich auf überregionale, länderübergreifende Verkehrsträger beziehen. Das ist auch konsequent, weil diese Bereiche gerade wegen der Überregionalität bzw. ihrer nationalen Bedeutung einer Wahrnehmung durch den Bund bedürfen. Die Länder allein 476
Hermes (Fn. 464), S. 344. Hermes (Fn. 464), S. 346; zustimmend Grupp, in: Magiera/Sommermann (Fn. 456), S. 65, 69. 478 Zur Rolle der Europäischen Union im Rahmen der Infrastrukturverantwortung vgl. noch die Ausführungen im Kapitel „Europarechtliche Einflüsse der Transeuropäischen Netze“ (D. II.). 477
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B. Verfassungsrechtliche Grundprobleme
könnten in diesen Bereichen der staatlichen Infrastrukturverantwortung nicht gerecht werden. Landgebundene Verkehrswege durch die ganze Bundesrepublik können schon wegen der räumlichen Begrenzung der Befugnisse jedes einzelnen Bundeslandes nicht von den einzelnen Bundesländern sinnvoll geplant und realisiert werden. Gleiches gilt für den Luftverkehr. Einzelne Bundesländer sind mit Blick auf die Überflugdauer durch den Luftverkehr so klein, dass eine Verwaltung des Luftverkehrs durch die Länder und die sich dann notwendigerweise zwischen den Ländern ergebenden Koordinierungsaufgaben praktisch von den Ländern kaum erfüllt werden könnten. Folglich enthält der achte Abschnitt des Grundgesetzes zunächst eine Zuweisung der aus dem Sozialstaatsprinzip folgenden Staatsaufgabe zur Gewährleistung einer leistungsfähigen Verkehrsinfrastruktur zugunsten des Bundes, soweit es sich um länderübergreifende Bestandteile der Verkehrsinfrastruktur handelt. Der Bund muss diese Bereiche folglich verwalten. Insofern entfaltet die Aufgabenverteilung auch wegen der Kosten der Aufgabenwahrnehmung Schutzwirkung zugunsten der Länder.479 Inwiefern gerade der Bund durch die Regelungen im Achten Abschnitt des Grundgesetzes zu einer Erfüllung dieser Staatsaufgabe in einem bestimmten Umfang oder einer bestimmten Qualität verpflichtet wird, kann allerdings nicht aus Art. 87 I GG abgeleitet werden („in bundeseigener Verwaltung werden . . . geführt“). Diese Frage lässt sich nur unter Rückgriff auf die einzelnen Kompetenzvorschriften beantworten.480 Hier ergibt sich aus dem Vergleich der einzelnen Kompetenztitel, dass das Grundgesetz für den Verkehrsbereich nur in Art. 87e IV GG eine spezielle Gewährleistung des vorhandenen Verkehrsnetzes enthält. Ähnliches gilt für die Versorgung mit Post- und Telekommunikationsdienstleistungen gemäß Art. 87f I GG. Fehlt es an einer solchen ausdrücklichen Gewährleistung, muss der Bund folglich nicht den Erhalt des vorhandenen Netzes in seiner konkreten Gestalt dauerhaft gewährleisten. Hinzu kommt, dass auch für die Eisenbahnen eine solche Garantie des bisherigen Netzes in Art. 87e IV GG nicht gegeben wird. Der Bund gewährleistet vielmehr nur ein bestimmte Kriterien und Bedürfnisse berücksichtigendes Schienennetz, aber nicht das bestehende Schienennetz, so wie es bei Einführung von Art. 87e GG 1993 vorhanden war. Bei Bundesfernstraßen und Bundeswasserstraßen, für die eine vergleichbare Regelung fehlt, muss der Bund folglich lediglich sichern, dass es diese als Teil einer leistungsfähigen Verkehrsinfrastruktur überhaupt gibt. Bei den Bundesfernstraßen geht die Aufgabe des Bundes freilich schon deshalb stärker in die Richtung der Aufrechterhaltung eines Netzes, weil die Bundesfernstraßen einen überwiegenden Teil des Verkehrs-, ins479 480
Soweit zutreffend Lecheler, NVwZ 1989, 834, 835. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87 Rdnr. 18.
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besondere des Güterverkehrsaufkommens tragen müssen und eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur ohne die Bundesfernstraßen jedenfalls auf absehbare Zeit de facto nicht gewährleistet werden kann. Eine vergleichbare Lage besteht bei den Wasserstraßen in Anbetracht ihres Anteils am Frachtaufkommen nicht. Wenn also der Bund (nur) insgesamt eine leistungsfähige länderübergreifende Verkehrsinfrastruktur gewährleisten muss und die Wasserstraßen tatsächlich im Vergleich zu Schiene und Straße einen verhältnismäßig geringen Beitrag leisten, dann folgt daraus, dass der Bund auch hinsichtlich der Erhaltung der vorhandenen Wasserstraßen wesentlich flexibler als bei Straße und Schiene sein muss und sein darf. Versteht man die Staatsaufgabe der Gewährleistung einer leistungsfähigen Verkehrsinfrastruktur auf das Infrastrukturnetz insgesamt bezogen, so erfüllt der Bund die ihm obliegende Aufgabe für die Wasserstraßen folglich erst dann nicht mehr hinreichend, wenn er die Erhaltung der vorhandenen Wasserstraßen in ihrem Umfang und ihrer Qualität auf ein Maß reduziert, welches die Leistungsfähigkeit der Verkehrsinfrastruktur insgesamt gefährdet. Bis zu dieser Grenze hat der Bund hinsichtlich der Erfüllung seiner Gewährleistungsverantwortung jedenfalls dem Grunde nach eine weitgehende Beurteilungsfreiheit, freilich unter dem Vorbehalt weitergehender europarechtlicher oder internationaler Verpflichtungen (siehe dazu D. I. 3.). Eine Pflicht zur Erhaltung eines dichten Netzes von miteinander verbundenen Wasserstraßen besteht also nicht. Demnach ist der Bund auch nicht verpflichtet, auf den vorhandenen Wasserstraßen eine bestimmte Schiffbarkeit dauerhaft aufrecht zu erhalten. Natürliche Prozesse führen vor allem bei den großen Flüssen tendenziell zu Einschränkungen der Schifffahrt, sei es durch jahreszeitbedingte veränderliche Wasserstände oder Auflandungsprozesse im Gewässerbett. Auch hier wird die Pflicht zur Erhaltung der leistungsfähigen Verkehrsinfrastruktur aber erst verletzt, wenn dadurch insgesamt die Leistungsfähigkeit der Verkehrsinfrastruktur gefährdet wird, was wohl nur dann der Fall wäre, wenn der Bund auf allen wichtigeren Wasserstraßen die Instandhaltungsmaßnahmen dauerhaft einstellen würde und diese dadurch unbenutzbar würden. Eine gesteigerte Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang auch nicht den von Art. 89 I GG erfassten früheren Reichswasserstraßen zu. Deren Einordnung unter dem Gesichtspunkt der Verkehrsbedeutung liegt so lange zurück, dass angesichts des veränderten Verkehrsnetzes und der geänderten Anforderungen an dieses vom Bund nicht verlangt werden kann, diese Wasserstraßen vollständig als dem allgemeinen Verkehr dienende Wasserstraßen jenseits bestehender Verkehrsbedürfnisse und erforderlicher Kosten aufrecht zu erhalten. Nichts anderes folgt schließlich auch aus dem Eigentum des Bundes an Wasserstraßen. Dieses ist Mittel zum Zweck der Aufgabenerfüllung und kann deshalb keine von konkreten Erforderlichkeiten losgelöste
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Aufgabenerfüllungspflicht des Bundes begründen. Deshalb kann er selbstverständlich auch frühere Reichswasserstraßen stilllegen (zum Verfahren der Bestandsänderung C. I. 1.). Das soeben Gesagte gilt aber letztlich doch nicht ohne Einschränkungen: Die Besonderheit gerade der Wasserstraßen besteht darin, dass diese zum Teil natürliche Verkehrswege sind und sich zum Teil auch ohne besondere Maßnahmen der Erhaltung und des Ausbaus für den allgemeinen Schiffsverkehr eignen. Soweit eine solche naturgegebene Eignung und ein hinreichender Verkehr tatsächlich vorhanden sind, muss die betreffende Wasserstraße nach Art. 89 II 1 GG vom Bund verwaltet und dem allgemeinen Verkehr zur Verfügung gestellt werden. Eine Entwidmung durch Streichung aus der Anlage 1 zum WaStrG kommt dann nicht in Betracht. Für alle anderen Fälle, insbesondere dort, wo dauerhaft hoher Unterhaltungsaufwand anfällt, ist der Bund in den vorgenannten Grenzen in seiner Entscheidung frei, ob er die jeweilige Wasserstraße erhält oder nicht. Dabei kann sich der Bund an der Wirtschaftlichkeit unter Einbeziehung auch des volkswirtschaftlichen und verkehrlichen Nutzens insgesamt orientieren.481 Ein „gesellschaftliches Interesse“482 wäre hingegen ein ungeeignetes Kriterium, zumal an der Erhaltung unwirtschaftlicher bzw. nutzloser Verkehrswege regelmäßig ohnehin kein gesellschaftliches oder öffentliches Interesse bestehen wird. (3) Grundrechtliche Aspekte Eine weitere äußerste Grenze für den Erhalt von Bundeswasserstraßen ergibt sich ungeachtet des Aufgabengehaltes der Kompetenzvorschriften des Grundgesetzes schließlich aus Art. 12 I und 14 GG. Würde der Bund die Erhaltung der Bundeswasserstraßen derart einschränken, dass die Ausübung des Berufes der Binnenschiffer – für die Seeschifffahrt ist vergleichbares praktisch nicht vorstellbar – ernsthaft erschwert oder gar unmöglich gemacht würde, so handelte es sich um Eingriffe, die an den vorgenannten Vorschriften zu messen sind.483 Da die Benutzung der Wasserstraßen durch die Schifffahrt regelmäßig gewerblich erfolgt, gehen diese spezielleren Grundrechte auch dem ohnehin nur geringen Schutz des Gemeingebrauchs durch Art. 2 I GG484 vor. 481
Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87 Rdnr. 87. So aber Lecheler für Bahn und Post, NVwZ 1989, 834, 835. 483 BVerfG, Beschl. v. 29.11.2000 – 1 BvR 422/94 –, NJW-RR 2001, 750. 484 Vgl. dazu aus dem Bereich des Straßenrechts: BVerwG, Urt. v. 25.06.1969 – 4 IV C 77/67 – BVerwGE 32, 222, 224 = DVBl 1969, 696; zu den Bundeswasserstraßen Friesecke, WaStrG § 5 Rdnr. 2. 482
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Allerdings ist der aus den Grundrechten resultierende Schutz der Binnenschiffer sehr begrenzt. Eine zulässige Ausdünnung des Netzes der Bundeswasserstraßen verringert noch nicht zwangsläufig den Markt für Transportleistungen durch die Binnenschifffahrt, sie führt nur dazu, dass die Erbringung dieser Leistungen erschwert wird. Deshalb könnte eine solche Maßnahme nur in die Berufsausübung der Binnenschiffer eingreifen, was durch vernünftige Gemeinwohlerwägungen gerechtfertigt werden kann. So kann der Gesetzgeber mit Gemeinwohlerwägungen auch eine Umverteilung von Verkehrs- und Transportleistungen zwischen verschiedenen Verkehrsträgern rechtfertigen.485 Erst wenn die Begrenzung des Netzes der Bundeswasserstraßen so weit ginge, dass dadurch faktisch die Ausübung des Berufes des Binnenschiffers unmöglich oder nur einem kleinen Kreis von Unternehmern möglich bliebe, ist die Grenze zur Zulassungsbeschränkung überschritten, für die es zur Vereinbarkeit mit Art. 12 I GG überragender Gemeinwohlbelange bedarf. Bei bestehenden Betrieben, deren Rentabilität durch eine solche Begrenzung von Bundeswasserstraßen beeinträchtigt oder aufgehoben wird, ist schon sehr fraglich, ob der Erhalt des Verkehrsweges vom Schutz des Gewerbebetriebes durch Art. 14 I GG mit erfasst ist.486 Wird dies bejaht, muss bei hinreichender Schwere eine Entschädigungsregelung vorgesehen werden, um die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme zu wahren.487 Somit gewährt Art. 12 I GG im Ergebnis noch den stärksten Schutz. Die Eingriffsintensität, die benötigt wird, um hier eine Grundrechtsverletzung anzunehmen, führt aber zu einer geringen praktischen Relevanz dieser Grenze der Erhaltungspflicht der Bundeswasserstraßen. Weitgehend ungeklärt ist bislang auch, ob Anlieger einer Bundeswasserstraße, welche für die Nutzung ihres Grundstückes auf den wasserseitigen Zugang mit Schiffen angewiesen sind, ein Abwehrrecht gegen die Einschränkung dieses Zuganges oder die Aufhebung des Zuganges (z. Bsp. durch Entwidmung, vgl. noch unter C. I. 1.) geltend machen können. Denkbar ist das vor allem bei Grundstücken, deren gewerbliche Nutzung die Befahrbarkeit der Bundeswasserstraße mit Schiffen voraussetzt (Werften, Hafen- und Umschlagbetriebe). Insoweit ist gelegentlich zu lesen, dass ein Anliegergebrauch als gesteigerte Form des Gemeingebrauchs an Bundes485 BVerfG, Urt. v. 22.05.1963 – 1 BvR 78/56 – BVerfGE 16, 147, 166 = NJW 1963, 1243. 486 BVerfG, Beschl. v. 04.10.1991 – 1 BvR 314/90 –, NJW 1992, 1878: Befahrbarkeit einer Straße zum Schloss Neuschwanstein gehört nicht zum geschützten Gewerbebetrieb der dort tätigen Kutschenunternehmer; ähnlich für den Fall der Teileinziehung einer Straße, welche durch ein Busunternehmen genutzt wird BVerfG, Beschl. v. 10.06.2009 – 1 BvR 198/08 – NVwZ 2009, 1426, 1428 = BayVBl 2009, 690. 487 BVerfG, Beschl. v. 14.07.1981 – 1 BvL 24/78 –, BVerfGE 58, 137, 149 = NJW 1982, 633.
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B. Verfassungsrechtliche Grundprobleme
wasserstraßen nicht stattfinde, wozu auf § 26 III WHG verwiesen wird.488 Allerdings lässt sich aus § 26 III WHG dazu nichts entnehmen. Daraus ergibt sich nur, dass anders als bei sonstigen Gewässern an Bundeswasserstraßen eine erlaubnis- oder bewilligungsfreie Benutzung durch Anlieger nicht möglich ist. Die Schifffahrt zählt jedoch nach § 9 I, II WHG nicht zu den Benutzungen eines Gewässers im Sinne des Wasserrechts. Aus § 5, 6 WaStrG lässt sich zu dieser Frage ebenfalls nichts entnehmen, eine § 8a FStrG vergleichbare Regelung fehlt. Allerdings schützt Art. 14 I GG direkt die Nutzung des Eigentums. Dazu gehört beim Grundeigentum auch der Kontakt nach außen über öffentliche Wege.489 Da Art. 14 I GG ein normgeprägtes Grundrecht ist, wird zwar die Reichweite des Anliegergebrauchs durch gesetzliche Vorschriften ausgestaltet.490 Gleichwohl kann daraus nicht geschlossen werden, dass der durch gesetzliche Vorschriften einmal gewährte Zugang eines Grundstückes über einen öffentlichen Weg ohne weiteres entzogen werden könnte. Der Entzug stellt sich dann nämlich im Vergleich zum bisher bestehenden Zustand als Grundrechtseingriff dar. Ein solcher ist zwar grundsätzlich möglich, muss aber verhältnismäßig sein. Deshalb ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Anliegergebrauch auch Schutz gegen eine Entziehung des Grundstückszuganges über einen öffentlichen Weg bietet.491 Der Umfang des eigentumsrechtlich geschützten Anliegergebrauchs reicht jedoch nur so weit, wie die angemessene Nutzung des Grundeigentums eine Benutzung des öffentlichen Weges erfordert. Angemessen in diesem Sinne ist nicht schon jede Nutzung des Weges, zu der das Grundeigentum Gelegenheit bietet, sondern ausschließlich das, was aus dem Grundstück von seiner sowohl der Rechtslage als auch den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechenden Nutzung als Bedürfnis hervorgeht.492 Diese primär für das Straßenrecht entwickelten Grundsätze lassen sich auf die Wasserstraßen übertragen, denn auf die Art des Verkehrsweges – Straße oder Wasserweg – kann es letztlich nicht ankommen. Wird die Befahrbarkeit einer Bundeswasserstraße teilweise beschränkt oder ganz aufgehoben, so liegt demnach darin für die betroffenen Anlieger 488 Friesecke, WaStrG § 6 Rdnr. 2; NdsOVG, Urt. v. 20.03.2003 – 7 KS 2646/01 – ZfW 2004, 101, 104 (jeweils unter Verweis auf den bis zum 28.02.2010 geltenden § 24 III WHG). 489 BVerwG, Beschl. v. 01.04.1993 – 11 B 92.92 –, Buchholz 406.16 Nr. 62; Urt. v. 13.06.1980 – 4 C 98.76 u. a. – NJW 1981, 412; ausführlich aus entschädigungsrechtlicher Sicht BGH, Urt. v. 28.10.1982 – III ZR71/81 –, NJW 1983, 1663; aus der Literatur statt vieler Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rdnr. 96, 114. 490 BVerwG, Beschl. v. 11.05.1999 – 4 VR 7.99 – NVwZ 1999, 1341, 1342 = DVBl 1999, 1513. 491 BVerwGE 32, 222, 225 (Fn. 484). 492 BVerwG, Urt. v. 29.04.1977 – IV C 15.75 –, BVerwGE 54, 1, 3 = NJW 1977, 1789; Urt. v. 17.11.1974 – IV C 12.72 –, NJW 1975, 1528.
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ein erheblicher Grundrechtseingriff, wenn die angemessene Nutzung des Grundstücks die Nutzung der Bundeswasserstraße als Verkehrsweg erfordert. Soweit die Rechtsprechung auf die Rechtslage und die tatsächlichen Gegebenheiten des Grundstückes abstellt, wird man verlangen müssen, dass das Grundstück an der Wasserstraße nicht nur anliegt, sondern dass die Wasserstraße vom Grundstück aus auch tatsächlich genutzt werden kann und dass die Nutzung des Grundstückes als solche nach den einschlägigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften, insbesondere nach dem Baurecht, legal ist. Lässt sich demnach ein Schutz des Zuganges eines Grundstückes über eine Bundeswasserstraße bejahen, dann muss ein vollständiger Entzug des Zuganges, auf den der Grundstückseigentümer angewiesen ist, entweder unterbleiben oder durch Entschädigung ausgeglichen werden.493 Ein teilweiser Entzug bzw. eine Beschränkung der Zugänglichkeit kann je nach Schwere und Auswirkungen auch ohne Entschädigung verhältnismäßig sein.494 Demnach werden praktische Fälle, in denen es zu einer unzulässigen Eigentumsbeeinträchtigung kommt, zwar selten sein, da die meisten Grundstücke auch über einen straßenseitigen Zugang verfügen und über diesen auch sinnvoll genutzt werden können. Dennoch wird es Einzelfälle geben, in denen Grundstückseigentümer wegen der besonderen Art der Nutzung ihres Grundstückes oder wegen ihrer Lage auf den Zugang über eine Bundeswasserstraße existenziell angewiesen sind. Lediglich der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass sich unter besonderen Umständen auch Gemeinden aufgrund ihres durch Art. 28 II 1 GG geschützten Entwicklungsrechtes gegen eine Beeinträchtigung oder die Aufhebung von Nutzungsmöglichkeiten von Bundeswasserstraßen zur Wehr setzen können, wenn die Beeinträchtigung nachhaltige Auswirkungen auf das Gemeindegebiet hat und die Entwicklung der Gemeinde nachhaltig beeinflusst. Gleiches gilt unter dem Gesichtspunkt der ebenfalls aufgrund von Art. 28 II 1 GG geschützten Planungshoheit, wenn eine hinreichend konkrete und verfestigte Planung einer Gemeinde nachhaltig gestört wird.495
493
BVerfGE 58, 137, 149 (Fn. 487), so genannte „Pflichtexemplarentscheidung“. Ähnlich zur Beeinträchtigung eines Fischereirechtes unter Berufung auf Parallelen im Straßenrecht BVerwG, Urt. v. 03.05.2011 – 7 A 9/08 –, NVwZ 2012, 47. 495 Vgl. hierzu die aus anderen – europarechtlichen Gründen – viel beachtete Entscheidung des VG Oldenburg, Beschl. v. 31.03.2008 – 1 B 512/08 –, NVwZ 2008, 586 = NuR 2008, 518 (m. w. N.) zur Beeinträchtigung der Stadt Papenburg durch die Ausweisung eines FFH-Gebietes am Unterlauf der Ems. 494
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B. Verfassungsrechtliche Grundprobleme
b) Dauerhaftigkeit des Eigentums an Bundeswasserstraßen kraft Verfassung? Inwiefern durch Art. 89 I GG einmal begründetes Eigentum des Bundes an den früheren Reichswasserstraßen wieder aufgegeben werden kann, ist ebenso umstritten wie die Frage, ob neue Bundeswasserstraßen im Eigentum des Bundes stehen müssen. Die überwiegende Auffassung nimmt mit kleineren Unterschieden im Detail an, dass Art. 89 I GG kein dauerhaftes Bundeseigentum an Wasserstraßen verlangt, die nicht mehr dem allgemeinen Verkehr dienen (unter aa)). Wenn man jedoch die zur Bestandserhaltung von Bundeswasserstraßen angestellten Erwägungen konsequent fortführt, ergibt sich auch darüber hinaus für die dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen keine aus Art. 89 GG abzuleitende Pflicht, diese im Bundeseigentum zu halten (unter bb)). aa) Meinungsstand Es entspricht zunächst der überwiegenden Auffassung, dass jedenfalls neu geschaffene Bundeswasserstraßen nicht im Eigentum des Bundes stehen müssen.496 Darüber hinaus wird überwiegend – wenn auch oft ohne vertiefte Begründung – angenommen, der Bund könne frühere Reichswasserstraßen an Dritte übertragen, wenn sie nicht mehr dem allgemeinen Verkehr dienen.497 Zur Begründung wird auf den unergiebigen Wortlaut und die unergiebige Entstehungsgeschichte verwiesen; entscheidend sei demnach der Zweck von Art. 89 I GG, nämlich die Erleichterung der Wasserstraßenver496 Gröpl, in: Maunz/Dürig, Art. 89 Rdnr. 29; Ibler, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, Art. 89 Rdnr. 29; Sachs, Art. 89 Rdnr. 14; Ruge, in: Schmidt-Bleibtreu/ Klein, Art. 89 Rdnr. 3. 497 Gröpl, in: Maunz/Dürig, Art. 89 Rdnr. 37; Hoog, in: Münch/Kunig, Art. 89 Rdnr. 11; Sachs, Art. 89 Rdnr. 13; Ruge, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 89 Rdnr. 3; Durner, in: Berliner Kommentar zum Grundgesetz Art. 89 Rdnr. 19; Friesecke, WaStrG, Einl. Rdnr. 20; Reinheimer, S. 207 – 209, wobei Reinheimer auf der Basis des von ihr postulierten Verbindungskonzeptes annimmt, die Eigentumsübertragung sei in diesen Fällen zugleich Voraussetzung für die Beendigung der Bundesverwaltung an nicht mehr dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen gemäß Art. 89 II 1 GG (vgl. dazu näher unter B. III. 2. b) und c)). Von der grundsätzlichen Möglichkeit zur Übertragung von „ausgedienten“ Wasserstraßen ist auch die 1999 vom damaligen Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen eingesetzte „Kommission Verkehrsinfrastrukturfinanzierung“ (sog. Pällmann-Kommission) in ihrem Schlussbericht vom 5. September 2000 ausgegangen, dort. S. 54 ff. (Fn. 475). A. A. im Sinne eines allgemeinen Privatisierungsverbots für frühere Reichswasserstraßen wohl nur Ibler, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 89 Rdnr. 28 und Gröpl, in: Maunz/Dürig, Art. 89 Rdnr. 37; ebenso Maunz ebd. (Erstkommentierung), Rdnr. 26.
III. Verfassungsrechtliche Probleme im Einzelnen
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waltung durch den Bund. Wird eine Wasserstraße nicht mehr hoheitlich vom Bund verwaltet, weil sie dem allgemeinen Verkehr nicht mehr dient, besteht kein Bedürfnis für ein zwingendes Bundeseigentum.498 Das Bundesverwaltungsgericht hat ebenfalls in einer älteren Entscheidung angenommen, dass unter der Geltung von Art. 89 GG Eigentum und Verwaltung an Bundeswasserstraßen auseinanderfallen können.499 Dass dies auch bei Wasserstraßen möglich ist, die dem allgemeinen Verkehr noch dienen, wird jedoch explizit nur von einer Mindermeinung vertreten.500 bb) Eigener Ansatz Bei genauer Betrachtung zerfällt das Problem des Bundeseigentums an Wasserstraßen in drei Teilfragen: Müssen öffentliche Verkehrswege zwingend im Eigentum der zuständigen Verwaltungskörperschaft stehen? Können Verkehrswege als Sachen verkehrsfähig und damit Gegenstand von Rechtsgeschäften sein? Wenn ein Eigentum der Verwaltungskörperschaft nicht zwingend und eine Verkehrsfähigkeit möglich ist, gilt dies dann auch für die dem Art. 89 GG unterfallenden Wasserstraßen? Einen allgemeinen Grundsatz, wonach öffentliche Sachen stets im Eigentum der öffentlichen Hand stehen müssen und unveräußerlich sind, gibt es nicht.501 Sind öffentliche Sachen demnach grundsätzlich als veräußerlich anzusehen, dann könnte allerdings der Erwerber mit den aus dem Eigentum resultierenden Abwehransprüchen die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben erschweren oder sogar ausschließen. Durch eine Widmung, die auch gegenüber einem Rechtsnachfolger gilt, lässt sich dieses Ergebnis jedoch verhindern und die Zweckbindung der öffentlichen Sache sichern. Eine solche Widmung bedarf freilich einer gesetzlichen Grundlage (z. Bsp.: § 2 III 498
Durner, in: Berliner Kommentar zum Grundgesetz Art. 89 Rdnr. 19; Gröpl, in: Maunz/Dürig, Art. 89 Rdnr. 37. 499 BVerwG, Urt. v. 26.06.1959 – IV A 1.58 –, BVerwGE 9, 50, 58 = DÖV 1961, 590. 500 Gröpl, in: Maunz/Dürig, Art. 89 Rdnr. 38; Hermes, in: Dreier, Art. 89 Rdnr. 15; für den ähnlich gelagerten Fall der Bundesfernstraßen Bartlsperger, S. 100; zu den Wasserstraßen womöglich auch Ruge, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 89 Rdnr. 3, der die Abgabe von nicht mehr dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen als einen unproblematischen Fall bezeichnet und insofern offen lässt, ob es auch noch andere Fälle geben kann. 501 Germann, AöR 128 (2003), 458, 478; NRW OVG, Urt. v. 25.02.1993 – 20 A 1289/91 – NJW 1993, 2635; ähnlich Gröpl, in: Maunz/Dürig, Art. 89 Rdnr. 38: „Bei rein dogmatischer Betrachtungsweise ließe es die dualistische Konstruktion des öffentlichen Sachenrechts zu, das zivilrechtliche Eigentum trotz fortwährender öffentlich-rechtlicher Zweckbestimmung zu veräußern.“
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B. Verfassungsrechtliche Grundprobleme
FStrG).502 Der Erwerber erlangt dann von vornherein nur ein durch die öffentliche Zweckbindung belastetes Eigentum.503 Diese Grundsätze gelten allgemein und somit auch für Wasserstraßen, welche Art. 89 GG unterfallen. Fraglich ist nur, ob aus Art. 89 GG für dessen Regelungsgegenstände etwas anderes abzuleiten ist: Für Wasserstraßen, welche dem allgemeinen Verkehr nicht (mehr) dienen, lässt sich eine Übertragungsbefugnis des Bundes ohne weiteres bejahen, auch wenn es sich um Wasserstraßen handelt, welche als frühere Reichswasserstraßen dem Anwendungsbereich des Art. 89 I GG unterfallen. Fraglich ist schon, ob Art. 89 I GG in der Weise zu verstehen ist, dass die dort angeordnete Rechtsfolge („ist Eigentümer“) über den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Grundgesetzes hinaus in alle Ewigkeit gelten soll. Sprachlich zwingend ist das nicht. Art. 89 I GG hatte vielmehr eine auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Grundgesetzes bezogene Funktion zur Ordnung der Verhältnisse, im Übrigen ist er wie Art. 134 GG als Übergangsvorschrift zu sehen.504 Art. 89 GG sollte dem Bund die Verwaltung der Wasserstraßen ermöglichen. Das Eigentum war dazu erforderlich, weil die schon unter der Weimarer Reichsverfassung begonnene Arbeit an einem Reichswasserstraßengesetz nicht zum Abschluss gekommen waren und auch ein Bundeswasserstraßengesetz 1949 nicht in Kürze zu erwarten war. Es ist aber nicht anzunehmen, dass der Verfassungsgeber den Bund auch für die Zukunft und unabhängig von der Schaffung geeigneter Rechtsgrundlagen zur Hoheitsverwaltung der Wasserstraßen auf die Beibehaltung des Eigentums festlegen wollte. Dies kann jedenfalls nicht für die Wasserstraßen angenommen werden, welche dem allgemeinen Verkehr nicht mehr dienen. Bei ihnen ist der Rechtfertigungsgrund für das Bundeseigentum entfallen, der Bund benötigt sie zur Erfüllung seiner durch die Verfassung auf die dem allgemeinen Verkehr noch dienenden Wasserstraßen beschränkten Aufgaben nicht mehr. Wenn der Bund zudem noch nicht einmal verpflichtet ist, bestimmte Wasserstraßen für den allgemeinen Verkehr zu erhalten (vgl. B. III. 7. a) bb)), dann kann ihm schwerlich angesonnen werden, alle früheren Reichswasserstraßen im Eigentum zu behalten. Eine Veräußerung dieser Wasserstraßen, die nach einer Streichung aus der Anlage 1 zum WaStrG diesem nicht mehr unterfallen, kann daher ohne Verstoß gegen Art. 89 GG auch rechtsgeschäftlich an öffentlich-rechtliche Körperschaften oder Privatpersonen erfolgen. Grenzen setzt hier nur das Haushaltsrecht, welches eine solche Veräußerung aber grundsätzlich zulässt (§ 63 II, III BHO).505 Aus 502 503 504 505
BVerwG, Urt. v. 01.02.1980 – 4 C 40/77 – NJW 1980, 2538 = DVBl 1980, 686. Germann, AöR 128 (2003), 458, 478. Friesecke, WaStrG Einl. Rdnr. 20. Bonk, JZ 2000, 435, 436.
III. Verfassungsrechtliche Probleme im Einzelnen
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den vorgenannten Gründen bestehen auch keine Bedenken dagegen, einen Eigentumserwerb der Länder nach § 1 III 2 WaStrG an früheren Reichswasserstraßen zuzulassen.506 Für eine Privatisierung von früheren Reichswasserstraßen und heutigen Bundeswasserstraßen, welche dem allgemeinen Verkehr noch dienen, können die hier entwickelten Grundsätze ebenfalls herangezogen werden: Ist Art. 89 I GG eine vergangenheitsbezogene Übergangsvorschrift, so kann es für die Folge, dass der Bund das Eigentum nicht dauernd behalten muss, zunächst keinen Unterschied machen, ob die Wasserstraße dem allgemeinen Verkehr noch dient oder nicht. Ein solcher Unterschied ließe sich – wie bei neuen Wasserstraßen – nur begründen, wenn das Bundeseigentum zur Erfüllung der Verwaltungsaufgaben unabdingbar benötigt wird und eine Veräußerung die Erfüllung dieser Aufgaben ausschließt. Zur Aufgabenerfüllung des Bundes hinsichtlich der Bundeswasserstraßen ist die generelle Unveräußerlichkeit der Bundeswasserstraßen aber keine zwingende verfassungsrechtliche Voraussetzung, weil die Zweckbindung der Wasserstraßen für den allgemeinen Verkehr durch eine gesetzlich geregelte Widmung, die auch gegen Rechtsnachfolger gilt, sicher gestellt werden kann. Die Verkehrsfähigkeit von (Gewässer-)Grundstücken mit Bundeswasserstraßen würde folglich nicht an Art. 89 GG scheitern, setzt aber eine Änderung des Wasserstraßengesetzes durch Streichung von § 1 I Nr. 1 lit. d WaStrG und die Einführung einer Rechtsnorm voraus, welche die Widmung auch gegen Rechtsnachfolger wirken lässt (ähnlich § 2 III FStrG). Zum Eigentum an neu gebauten Bundeswasserstraßen lässt sich Art. 89 I GG nach seinem klaren Wortlaut schließlich keine Aussage entnehmen, er ist vergangenheitsbezogen auf frühere Reichswasserstraßen beschränkt. Wegen dieser Eindeutigkeit verbietet sich zudem jede – wie auch immer geartete – erweiternde Auslegung. Es ist daher anzunehmen, dass neue Bundeswasserstraßen nicht im Eigentum des Bundes stehen müssen. Anderes ließe sich nur vertreten, wenn man aus Art. 89 I und Art. 89 II 1 GG in einer Gesamtschau tatsächlich ein Verbindungskonzept ableitet507, nach welchem Bundeswasserstraßen in Fortführung der durch Art. 97 I WRV begründeten Rechtslage stets im Bundeseigentum stehen müssen. Freilich genügt der Verweis auf die Historie für eine solche Annahme angesichts des unergiebigen Wortlauts des Art. 89 GG nicht, zumal im Wegerecht auch sonst Eigentum und Verkehrswegeverwaltung auseinanderfallen können (vgl. § 2 II FStrG). Bundeseigentum für neue Bundeswasserstraßen wäre daher als zwingendes Erfordernis nur dann begründbar, wenn die Aufgabe der Verkehrswegeverwaltung in Art. 89 II 1 GG und der Auftrag des Bundes Ge506 507
A. A. Ibler, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 89 Rdnr. 32. Reinheimer, S. 101 ff.
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B. Verfassungsrechtliche Grundprobleme
währleistung einer angemessenen Verkehrsinfrastruktur anderenfalls nicht erfüllbar wären. Dafür ist jedoch nichts ersichtlich. Vielmehr kann die öffentliche Hand die zur Erfüllung von Verwaltungszwecken erforderlichen Liegenschaften auch hier durch langfristige obligatorische Nutzungsverhältnisse oder dingliche Belastungen unterhalb der Schwelle der Enteignung beschaffen, sofern durch eine Widmung die öffentliche Zweckbindung hinreichend sichergestellt ist.508 Entscheidend bleibt also letztlich die Ausgestaltung durch das einfache Recht. Dieses muss, wenn es Dritteigentum an Bundeswasserstraßen ermöglicht (was derzeit nicht der Fall ist), die Erfüllung der aus Art. 89 II 1 GG resultierenden Aufgaben des Bundes sicherstellen. Geschieht das nicht, wäre ein Dritteigentum mit Art. 89 GG unvereinbar. Art. 89 GG steht aber der Einführung eines solchen Dritteigentums nicht per se entgegen. Davon zu trennen ist schließlich die Problematik einer möglichen Privatisierung der Verwaltung der Bundeswasserstraßen; sie ist nach anderen Kriterien zu beurteilen und steht mit einer Veräußerung der Bundeswasserstraßen selbst in keinem zwingenden Zusammenhang (im Einzelnen näher unter B. III. 7. c)). Eine Einführung von Dritteigentum an Bundeswasserstraßen stößt allerdings, jedenfalls soweit auch Privatpersonen Eigentümer sein könnten, auf grundrechtliche Probleme. Das Gewässereigentum belässt dem Eigentümer wegen der im Wasserhaushaltsrecht begründeten öffentlich-rechtlichen Pflichtenstellung ohnehin nur geringe Eigentümerbefugnisse. Diese wären bei Eigentum an Bundeswasserstraßen noch weiter beschränkt. Der Eigentümer müsste zusätzlich die verkehrsmäßige Nutzung und die damit verbundenen Maßnahmen der Erhaltung und möglicher Umbaumaßnahmen durch die Bundesverwaltung dulden. Ob dann noch die von Art. 14 I GG geschützte Privatnützigkeit des Eigentums509 gewährleistet ist, erscheint fraglich. Art. 89 GG stünde einer Privatisierung aber nicht grundsätzlich im Wege. c) Spielräume des Bundes bei der Organisation der Wasserstraßenverwaltung Die Verwaltung der Bundeswasserstraßen erfolgt durch die dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung nachgeordnete Wasserund Schifffahrtsverwaltung (WSV). Diese besteht aus der Generaldirektion 508 Bonk, JZ 2000, 435, 436; Germann, AöR 128 (2003), 458, 462; ähnlich Hermes, in: Dreier, Art. 89 Rdnr. 15, der auf die dualistische Grundkonstruktion des öffentlichen Sachenrechts verweist. 509 BVerfG, Beschl. v. 09.01.1991 – 1 BvR 929/89 – BVerfGE 83, 201, 208 = NJW 1991, 1807: „Die Eigentumsgarantie soll dem Grundrechtsträger einen Freiraum im vermögensrechtlichen Bereich erhalten und dem Einzelnen damit die Entfaltung und eigenverantwortliche Gestaltung seines Lebens ermöglichen.“
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Wasserstraßen und Schifffahrt (GDWS) und den nachgeordneten Wasserund Schifffahrtsämtern (WSA). Diese Einrichtungen sind zwar organisatorisch verselbstständigt und treten nach außen unter ihrer Bezeichnung auf. Gleichwohl sind sie rechtlich nicht verselbstständigt und unterfallen daher der bundesunmittelbaren Verwaltung. Der allgemeinen Tendenz zum Einsatz von selbständigen Organisationsformen des Privatrechts zur Erfüllung der Aufgaben der Bundesverwaltung (Post, Telekommunikation, Eisenbahn) folgend wird auch im Bereich der Verkehrswegeverwaltung schon seit längerem der Einsatz juristischer Personen des Privatrechts diskutiert.510 Befürworter solcher Organisationsprivatisierungen erhoffen sich davon in der Regel eine höhere Effizienz der Verkehrswegeverwaltung bzw. eine Kostenentlastung für den Bundeshaushalt. Zudem eröffnen separierte juristische Personen des privaten Rechts weitere Möglichkeiten bei der Finanzierung von Neubau- und Ausbauvorhaben (z. Bsp. durch Kreditaufnahme). Sie sind außerdem hinsichtlich ihres Personals nicht dem Beamtenrecht unterworfen und es wird angenommen, dass sie auf veränderte äußere Umstände in ihrem Tätigkeitsbereich weniger „schwerfällig“ als typische Behörden reagieren.511 Aus diesen Gründen wurde schon im Jahr 2000 durch die „Kommission Verkehrsinfrastrukturfinanzierung“ die Gründung einer Bundeswasserstraßengesellschaft vorgeschlagen, welche langfristig den Betrieb der Bundeswasserstraßen übernehmen sollte (Organisationsprivatisierung).512 Dabei wurde die Übertragung von Aufgaben der Wasserstraßenverwaltung auf eine Gesellschaft des Privatrechts als verfassungsrechtlich kritisch eingestuft und deshalb eine Verfassungsänderung empfohlen513, zu der es bislang freilich nicht gekommen ist. Bei der Verwaltung der Bundesfernstraßen durch die Länder hat es mit der Gründung der Deutsche Einheit Fernstraßen Planungs- und Bau GmbH (DEGES) 1991 bereits eine teilweise Übertragung von Aufgaben zur Vorbereitung von Bauvorhaben für Bundesfernstraßen auf eine privatrechtlich verfasste Gesellschaft gegeben.514 Es lohnt sich daher eine nähere Untersuchung zu dem nach geltender Verfassungslage bereits vorhandenen Spielraum für derartige Veränderungen 510 Kommission Verkehrsinfrastrukturfinanzierung, Schlussbericht vom 5. September 2000 (Fn. 497), S. 32, 54; Hermes, N & R Beilage 2008, 1; Gersdorf, JZ 2008, 831; allgemein und auch zu anderen Privatisierungsmöglichkeiten (insb. Betreiberund Konzessionsmodelle) Gröpl, in: Maunz/Dürig, Art. 89 Rdnr. 89; für den Bereich der Flugsicherung Papst/Schwartmann, DÖV 1998, 315 jeweils m. w. N. 511 Zusammenfassend Stober, NJW 2008, 2301; Wahl, DVBl 1993, 517, 519. 512 Kommission Verkehrsinfrastrukturfinanzierung, ebd. (Fn. 510). 513 Kommission Verkehrsinfrastrukturfinanzierung, Schlussbericht vom 5. September 2000 (Fn. 497), S. 57. 514 Zu den Hintergründen im Einzelnen Wahl, DVBl 1993, 517.
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B. Verfassungsrechtliche Grundprobleme
in der Wasserstraßenverwaltung. Diese beschränkt sich allerdings auf die Organisationsprivatisierung durch Übertragung von Verwaltungsaufgaben auf eine vom Bund beherrschte Gesellschaft, weil weitergehende Modelle bislang nicht ernsthaft diskutiert wurden und ohne Verfassungsänderung auch nicht umsetzbar sind. Zum Zweck dieser Untersuchung ist zunächst eine Bestandsaufnahme über den Einsatz privater Organisationsformen bei der Wasserstraßenverwaltung geboten (unter aa)). Sodann zeigt sich jedoch, dass die Ansichten zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit privater Organisationsformen im Rahmen der Bundes(wasserstraßen-)verwaltung weit auseinandergehen (nachfolgend bb)). Dennoch können nach richtiger Ansicht bereits jetzt einzelne Aufgaben der Wasserstraßenverwaltung durchaus auf private Rechtsträger übertragen werden, solange der Bund über diese Rechtsträger eine hinreichend sichere Kontrolle hat (unter cc)). aa) Bestandsaufnahme zum Einsatz privater Gesellschaften Der Einsatz privater Gesellschaften zur Erfüllung von Aufgaben der Wasserstraßenverwaltung hat eine lange Tradition, insbesondere beim Ausbau einzelner Wasserwege. So gründeten das Reich und Bayern Ende 1921 die Rhein-Main-Donau AG, deren Aufgabe der Bau des Rhein-Main-Donaukanals war. Ebenso gab es eine Neckar AG. 1952 kam die Donau Kraftwerk Jochstein AG hinzu, welche eine Staustufe an der Donau realisieren sollte und diese gleichzeitig zur Stromerzeugung nutzen durfte. Beteiligt waren die Bundesrepublik und Österreich.515 Noch 1978 wies der Beteiligungsbericht des Bundes darüber hinaus Mehrheitsbeteiligungen des Bundes an der Nordwest-Kanal GmbH, der Rheinisch-Westfälischen Kanal GmbH, der Untere Fulda GmbH und der Elbe-Mittellandkanal GmbH aus. Neben der Möglichkeit zum Einsatz privaten Kapitals sollten durch die Gesellschaften öffentlich-rechtliche Körperschaften verschiedener Verwaltungsstufen wegen der kompetenziellen Komplexität von Wasserbauvorhaben zu einer einheitlichen Tätigkeit zusammengefasst werden.516 Gegenwärtig ist der Bund nur noch an der Internationalen Mosel-Gesellschaft mbH Trier, welche allein der Finanzierung des Moselausbaus zwischen Deutschland, Frankreich und Luxemburg dient517, und der Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft mbH (VIFG) beteiligt. Bei der VIFG ist der Bund Alleingesellschafter.518 Ihr können nach § 1 I VIFGG519 u. a. 515
Näher Friesecke, WaStrG, § 12 Rdnr. 19. Dittmann, S. 192/193 (vgl. dort Fn. 48 zu den einzelnen Gesellschaften). 517 Friesecke, WaStrG, § 12 Rdnr. 20. 518 Zu Einzelheiten zum Unternehmen vgl. den Beteiligungsbericht 2010 des Bundes, S. 88. Die aktuellen Beteiligungsberichte sind unter http://www.bundes 516
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Aufgaben des Bundes bei der Finanzierung des Neubaus, Ausbaus, der Erhaltung und des Betriebes von Bundeswasserstraßen übertragen werden, ohne dass dabei hoheitliche Befugnisse übergehen (§ 1 I 2 VIFGG). bb) Meinungsstand zu Möglichkeiten einer Organisationsprivatisierung Der Einsatz von Gesellschaften auf der Grundlage des Privatrechts ist im Bereich der Wasserstraßenverwaltung nicht unumstritten.520 Nach Auffassung von Friesecke folgt die Zulässigkeit des Einsatzes von Gesellschaften des Privatrecht aus Art. 97 II WRV, der es Dritten mit Zustimmung des Reiches erlaubte, dem allgemeinen Verkehr dienende Wasserstraßen anzulegen oder auszubauen; diese Bestimmung sei als fortgeltend anzusehen.521 Im Übrigen wird für eine zulässige Organisationsprivatisierung verlangt, dass sich der Bund eine hinreichende Kontrolle der ausführenden Gesellschaft sichert.522 Rechtsprechung zu diesem Fragenkreis gibt es bislang kaum. Allerdings hat es das Bundesverwaltungsgericht für zulässig erachtet, dass auch im Bereich bundeseigener Verwaltung mit eigenem Verwaltungsaufbau – namentlich im Rahmen der Schifffahrtsverwaltung – beliehene Privatpersonen auf gesetzlicher Grundlage tätig werden, wenn der Beliehene durch eine Fachaufsicht in den Unterbau der Verwaltung integriert ist.523 Die Vorschriften der Artt. 87 ff. stünden dem nicht entgegen, weil sie primär der Abgrenzung der Kompetenzen von Bund und Ländern dienten und ihr institutioneller Gehalt darüber hinaus nicht überschätzt werden dürfe.524 Geht es hingegen um Organisationsprivatisierungen im Bereich der bundeseigenen Verwaltung im Allgemeinen, so mehren sich auch Gegenstimmen. Eine „bundeseigene“ Verwaltung verlange eine unmittelbare Zuordnung der Verwaltung zum Rechtsträger Bund, was eine eigene Rechtsperfinanzministerium.de auf der Internetseite des Bundesministeriums für Finanzen verfügbar. 519 Gesetz zur Errichtung einer Verkehrsinfrastrukturgesellschaft zur Finanzierung von Bundesverkehrswegen (VIFGG) v. 28.06.2003, BGBl I 2003, 2407. 520 Dafür Friesecke, WaStrG § 12 Rdnr. 17; kritisch Hermes, in: Dreier, Art. 89 Rdnr. 21; mit Einschränkungen auch Fastenrath/Simma, DVBl 1983, 8, 13 (speziell zur Rhein-Main-Donau AG); ablehnend Ibler, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 89 Rdnr. 46. 521 Friesecke, WaStrG § 12 Rdnr. 16. 522 Dittmann, S. 192. Ähnlich für die Vorbereitung von Straßenbauvorhaben durch die DEGES Wahl, DVBl 1993, 517, 523, dessen Überlegungen aber vielfach im rechtspolitischen Bereich verbleiben. 523 BVerwG, Urt. v. 19.03.1976 – VII C 67.72 –, Buchholz 442.20 § 32 BSchVG Nr. 1, S. 15 f. = VkBl 1977, 35. 524 BVerwG (Fn. 523), Buchholz 442.20 § 32 BSchVG Nr. 1, S. 17.
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sönlichkeit der Verwaltung und mithin auch den Einsatz privater Gesellschaften ausschließe.525 Auch ein allgemeiner Grundsatz, wonach die Verwaltung ihre Aufgaben nur mit eigenen personellen und sachlichen Mitteln wahrnehmen dürfe, wird zur Begründung herangezogen.526 Die wohl überwiegende Ansicht hält es hingegen für zulässig, auch in der Bundesverwaltung Aufgaben auf private Rechtsträger zu übertragen, an denen der Bund mehrheitlich beteiligt ist.527 Zur Begründung wird u. a. auf den Einsatz privater Rechtsformen unter der Geltung der Weimarer Reichsverfassung verwiesen; hätte der Verfassungsgeber des Grundgesetzes dies ausschließen wollen, wäre eine ausdrückliche Distanzierung erforderlich gewesen.528 Aus Art. 86 GG, wonach die Bundesregierung im Falle bundeseigener Verwaltung die Einrichtung der Behörden regelt, folge nichts anderes, weil der Tatbestand der Norm private Organisationsformen gar nicht erfasse und Art. 86, 87 f. GG auch keinen numerus clausus der Organisationsformen enthielten.529 Teilweise wird sogar angenommen, dass eine privatrechtliche Gesellschaft, an der ausschließlich der Bund beteiligt ist, noch unter den Begriff „bundeseigen“ fällt.530 Allerdings verlangen auch die Befürworter der Zulässigkeit von Organisationsprivatisierungen stets einen maßgeblichen Einfluss des Bundes auf die Verwaltungstätigkeit, eine hinreichende demokratische Legitimation des Aufgabenträgers, eine gesetzliche Grundlage und oftmals auch eine Begrenzung auf einzelne Bereiche.531 Eine vollständige Organisationsprivatisierung von Verwaltungsmaterien wird daher kaum für zulässig gehalten. Im Übrigen müssten unbeschadet der allgemeinen Grundsätze die jeweiligen Materien für sich betrachtet werden.532 525 Sachs, Art. 87 Rdnr. 19; Gersdorf, JZ 2008, 831, 839; Gröpl, in: Maunz/Dürig, Art. 89 Rdnr. 91; ähnlich noch zur früheren Rechtslage für den Bereich der Flugsicherung Baumann, DVBl 2006, 332, 335. 526 Lecheler, NVwZ 1984, 834, 836; ihm folgend Gersdorf (Fn. 525) ebd. 527 Boergen, DVBl 1971, 869, 876; Dittmann, S. 87 f.; Hermes, N& R Beilage 3/2008, 7; ders. in: Dreier, Art. 87 Rdnr. 24 (dort aber beschränkt auf „Randbereiche“ der Verwaltungstätigkeit) und Art. 86 Rdnr. 47 f. m. w. N.; ausführlich Ibler, in: Maunz/Dürig, Art. 86 Rdnr. 81 ff.; ähnlich schon Lerche, ebd. (Bearbeitungsstand 28. Ergänzungslieferung), Art. 86 Rdnr. 60 ff.; Ossenbühl, VVDStRL 29 (1971), 137, 159 f.; Stober NJW 1984, 449, 452; ders., NJW 2008, 2301, 2307. 528 Hermes, N&R Beilage 3/2008, 7; Stober, NJW 1984, 449, 452; Ossenbühl VVDStRL 29 (1971), 137, 162. 529 Ibler, in: Maunz/Dürig, Art. 86 Rdnr. 97; ebenso schon Lerche, ebd. (Bearbeitungsstand 28. Ergänzungslieferung), Art. 86 Rdnr. 60 ff. 530 Papst/Schwartmann, DVBl 1998, 315, 317 (allerdings nur für Art. 87d GG – Luftverkehrsverwaltung – und unter Verweis auf die Besonderheiten in der Änderungsgeschichte der Norm). 531 Hermes, N&R Beilage 3/2008, 1, 7 f.; Ossenbühl VVDStRL 29 (1971), 137, 161; ausführlich Ibler, in: Maunz/Dürig, Art. 86 Rdnr. 106 ff.
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cc) Eigener Standpunkt Ansatzpunkt ist zunächst die Auslegung der Artt. 86 ff. GG selbst (nachfolgend (1)). Ungeachtet der dort gefundenen Ergebnisse ist weiteren möglichen Einschränkungen für eine zulässige Organisationsprivatisierung aus dem Demokratieprinzip (anschließend (2)), dem Haushaltsrecht (unter (3)) und dem Funktionsvorbehalt in Art. 33 IV GG nachzugehen (danach (4)). Vor dem Hintergrund der gefundenen Ergebnisse sind die bisher vom Bunde geschaffenen und im Bereich der Wasserstraßenverwaltung tätigen Gesellschaften zu bewerten (abschließend (5)). (1) Auslegung von Artt. 86 ff. GG unter Berücksichtigung von Wortlaut, Systematik und Teleologie Der Verfassungswortlaut „bundeseigene Verwaltung“ (Art. 87 I 1 GG) und Verwaltung durch „eigene Behörden“ ist bei unvoreingenommener Betrachtung eher weit. Es erscheint daher nicht ausgeschlossen, unter diese Begriffe auch eine privatrechtliche verfasste Gesellschaft zu fassen. Schließlich ist auch eine Gesellschaft, an welcher allein der Bund alle Anteile hält, „bundeseigen“. Ein anderes Ergebnis lässt sich nicht aus dem Begriff der Behörde ableiten. Das wäre nur dann der Fall, wenn das Grundgesetz den Begriff der Behörde durchgängig und einheitlich im Sinne einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft als Rechtsträger versteht. Eine solche Begriffsbestimmung enthält das Grundgesetz nicht, obwohl es den Begriff der Behörde häufig verwendet (Art. 35 I, 36 I, 37, 44 III, 60 III, 84 I 1, 85 I 1 GG). Dementsprechend weit hat das Bundesverfassungsgericht den Behördenbegriff definiert. Im allgemeinen sei darunter eine in den Organismus der Staatsverwaltung eingeordnete, organisatorische Einheit von Personen und sächlichen Mitteln zu verstehen, die mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestattet dazu berufen ist, unter öffentlicher Autorität für die Erreichung der Zwecke des Staates oder von ihm geförderter Zwecke tätig zu sein.533 Es entspricht daher auch verbreiteter Auffassung, dass unter die in § 1 IV VwVfG enthaltene Definition des Behördenbegriffs juristische Personen des Privatrechts oder natürliche Personen fallen können, sofern sie für die Ausübung von Hoheitsbefugnissen beliehen wurden.534 Hinzu kommt, dass der 532
Ibler, in: Maunz/Dürig, Art. 86 Rdnr. 100. BVerfG, Urt. v. 14.07.1959 – 2 BvF 1/58 –, BVerfGE 10, 20, 48 = DÖV 1959, 690; BVerwG, Urt. v. 24.01.1991 – 2 C 16/88 –, BVerwGE 87, 310, 312 = NJW 1991, 2980; für einen weiten Behördenbegriff auch Ossenbühl VVDStRL 29 (1971), 137, 168. 534 Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 1 Rdnr. 58 m. w. N. und zahlreichen Beispielen (Rdnr. 61). 533
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Bund im Bereich der bundeseigenen Verwaltung anerkanntermaßen über einen weiten Gestaltungsspielraum verfügt, der es ermöglichen soll, die Organisation der Bundesverwaltung an die sich ständig ändernden Verhältnisse anzupassen.535 Aus dem Wortlaut des Grundgesetzes kann daher nicht geschlossen werden, dass eine Übertragung von hoheitlichen Aufgaben auf bundeseigene juristische Personen des Privatrechts ausgeschlossen ist. Wollte man den Behördenbegriff im Grundgesetz einheitlich enger fassen, dann würde diese Vorgabe über Art. 84 I 1 GG auch für die Länder beim Vollzug von Bundesrecht gelten. Eine derartige Vorgabe wäre aber mit der durch Art. 28 I GG garantierten Verfassungsautonomie der Länder nicht zu vereinbaren. Die in Art. 87 I 1 GG enthaltene Vorgabe des eigenen Verwaltungsunterbaus rechtfertigt ebenfalls keine andere Beurteilung, weil sie nichts über die Organisationsform der Verwaltung, sondern nur etwas über deren Stufigkeit aussagt.536 Allenfalls lässt sich daraus ableiten, dass privatrechtlich strukturierte Organisationseinheiten nur auf der unteren Stufe der Verwaltung angesiedelt sein können. Ebenso wenig spricht ein in Art. 87 I 1 GG konkretisierter Grundsatz eigener Aufgabenwahrnehmung gegen eine Organisationsprivatisierung.537 In der Tat hat das Bundesverfassungsgericht diesen Grundsatz aufgestellt. Danach muss ein Verwaltungsträger, dem durch das Grundgesetz Aufgaben zugewiesen sind, diese mit eigenen Verwaltungseinrichtungen, Personal und Sachmitteln wahrnehmen. Eine Abweichung von diesem Grundsatz ist nur bei besonderen sachlichen Gründen zulässig; eine Heranziehung von an sich nicht zuständigen Verwaltungsträgern ist deshalb regelmäßig unzulässig.538 Der maßgebliche Zweck des Grundsatzes eigener Aufgabenwahrnehmung ist folglich nicht organisatorischer Natur, es geht vielmehr um eine klare Zuordnung von Verwaltungskompetenzen539, Vermischungen und die Mitwirkung nicht zuständiger Stellen sollen unterbunden werden. Tatsächlich ging es in den von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bislang entschiedenen Fällen auch stets um die Abgrenzung der Kompetenzen von Bund und Ländern. Die Vorschriften des Achten Teils des Grund535 BVerfG, Beschl. v. 12.01.1983 – 2 BvL 23/81 –, BVerfGE 63, 1, 34, 40 = NVwZ 1983, 537; Beschl. v. 28.01.1998 – 2 BvF 3/92 –, BVerfGE 97, 198, 217, 224 = NVwZ 1999, 495, 497. 536 Dittmann, S. 87 f. 537 So aber Lecheler (Fn. 526). 538 BVerfGE 63, 1, 41 (Fn. 535); Urt. v. 20.12.07 – 2 BvR 2433/04 u. a. –, BVerfGE 119, 331, 367 = NVwZ 2008, 183 = DVBl 2008, 173. 539 Darauf verweist zutreffend u. a. auch das BVerwG (Fn. 523), Buchholz 442.20 § 32 BSchVG Nr. 1, S. 16/17.
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gesetzes dienen dieser Abgrenzung von Aufgaben und Kompetenzen zwischen Bund und Ländern. Die Organisation der Verwaltung ist dort nur rudimentär geregelt.540 Sinn und Zweck dieser Vorschriften können deshalb gegen eine Organisationsprivatisierung nicht herangezogen werden, es sei denn, man misst den Vorschriften einen weitergehenden organisatorischen Gehalt zu. Dieser spiegelt sich dann jedoch im Wortlaut nicht wider. Selbst wenn man im Übrigen den Grundsatz eigener Aufgabenwahrnehmung heranzieht, ergibt sich nichts anderes. Wenn der Bund zur Erfüllung von Verwaltungsaufgaben eine Gesellschaft privaten Rechts gründet, muss er diese denknotwendig mit Kapital bzw. laufenden Zuschüssen oder einer Einnahmequelle ausstatten, damit die Gesellschaft ausreichend Personal und Sachmittel zur Erfüllung ihrer Aufgaben hat. Die Gesellschaft bleibt ihm dabei rechtlich zugeordnet. Es handelt sich deshalb um eigene Verwaltungseinrichtungen des Bundes und eigene Mittel des Bundes im weiteren Sinne. Der wesentliche Unterschied zu einer herkömmlichen Verwaltung besteht in der rechtlichen Trennlinie zwischen dem Bund und seiner Gesellschaft, welche durch die rechtliche Eigenständigkeit der Gesellschaft eingezogen wird. Diese Trennlinie wird freilich durch die Gesellschafterstellung des Bundes mit den daraus resultierenden Durchgriffsmöglichkeiten stark aufgeweicht. Ob ein dann möglicherweise noch verbleibendes Defizit an Durchgriffsmöglichkeiten im Vergleich zu einer herkömmlichen Verwaltung einer Organisationsprivatisierung entgegensteht, ist in Anbetracht des großen Spielraums, der dem Bund bei der Organisation seiner Verwaltung ohnehin zugestanden wird, eher eine Frage des Demokratieprinzips (dazu später noch unter B. III. 7. c) (2)). Aus dem Gebot eigener Aufgabenwahrnehmung und dem zugrundeliegenden Zweck lässt sich freilich eines ableiten: Eine Beteiligung der Länder an einer Gesellschaft des Bundes, sei es auch nur als Minderheitengesellschafter, ist ausgeschlossen. Selbst wenn der Bund die Mehrheit hätte, verbleiben auch einem Minderheitengesellschafter Einwirkungsrechte, die zu einer Relativierung der Position des Bundes führen würden. Eine Länderbeteiligung kann auch nicht aus Art. 89 III GG heraus legitimiert werden, weil diese Vorschrift den Ländern nur für einen gegenständlich begrenzten Bereich ein Mitspracherecht, aber keine eigene Kompetenz zum Verwaltungsvollzug einräumt (näher zu zulässigen Ausnahmen B. III. 7. c) (3)). Auch aus der Systematik des Grundgesetzes lässt sich gegen eine Organisationsprivatisierung nichts ableiten. Art. 87 III GG erlaubt es dem Bund – abweichend von der eigentlichen Verteilung der Verwaltungskompetenzen – unter den dort genannten Voraussetzungen eigenständige Körperschaften des öffentlichen Rechts zu errichten. Daraus kann aber für die bundeseigene 540
BVerfGE 63, 1, 34 (Fn. 535).
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Verwaltung nichts abgeleitet werden, weil Art. 87 III GG gerade Fälle betrifft, in denen nicht von vornherein eine bundeseigene Verwaltung angeordnet ist. Weiterhin ist der Einsatz privatrechtlicher Organisationsformen gerade im Bereich der Wasserstraßenverwaltung in vorkonstitutioneller Zeit zu berücksichtigen. Dafür, dass sich der Verfassungsgeber von dieser Möglichkeit verabschieden wollte, ist nichts ersichtlich. Auf Art. 97 II WRV kann in diesem Zusammenhang allerdings kaum abgestellt werden541, weil diese Bestimmung im Umkehrschluss zu Art. 140 GG nicht mehr fort gilt.542 Schließlich steht auch die Bedeutung der Wasserstraßenverwaltung einem Einsatz privater Rechtsträger nicht entgegen. Eine derartige Einschränkung543 der Organisationsbefugnis des Bundes mag man aus der Natur der Sache heraus für bestimmte Bereiche (Auswärtiger Dienst, Wehrverwaltung etc.) womöglich annehmen können. Die Verkehrswegeverwaltung ist aber nicht von einer derart herausragenden gesamtstaatlichen Bedeutung, dass nicht auch Teilaufgaben im Rahmen einer Organisationsprivatisierung auf eine private Gesellschaft verlagert werden könnten. Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass ein Organisationsprivatisierung von Aufgaben der Wasserstraßenverwaltung nicht durch Artt. 86 ff. GG ausgeschlossen wird. (2) Einschränkungen aus dem Demokratieprinzip Art. 20 I, II GG und das dort formulierte Demokratieprinzip verlangen, dass alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht. Für die in Art. 20 II 2 GG neben den anderen Staatsgewalten erwähnte vollziehende Gewalt bedarf es deshalb einer hinreichenden demokratischen Legitimation durch das Volk. Erforderlich ist eine ununterbrochene Legitimationskette vom Volk zu den mit staatlichen Aufgaben betrauten Organen und Amtswaltern.544 Maßgeblich ist, ob im Zusammenwirken sachlich-inhaltlicher und der personeller Legiti541
So aber Friesecke (Fn. 521). So zu Art. 129 WRV BVerfG, Beschl. v. 11.12.1962 – 2 BvL 2/60 u. a. –, BVerfGE 15, 167, 194 = NJW 1963, 1196; allgemein Wolff, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, Art. 123 Rdnr. 15; ähnlich Kirn, in: Münch/Kunig, Art. 123 Rdnr. 1, der davon ausgeht, dass die WRV mit Inkrafttreten des GG „formell derogiert“ wurde; Kreuter, NordÖR 2007, 271, 273. 543 Allgemein Lecheler, NVwZ 1984, 834, 836; für den Bereich der Flugsicherung Papst/Schwartmann, DÖV 1998, 315. 544 BVerfG, Beschl. v. 01.10.1987 – 2 BvR 1178/86 u. a. – BVerfGE 77, 1, 40 = NJW 1988, 890; Beschl. v. 15.02.1978 – 2 BvR 134/76 – BVerfGE 47, 253, 274 = NJW 1978, 1967. 542
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mation ein bestimmtes Legitimationsniveau erreicht wird. Die Ausübung vollziehender Gewalt ist danach demokratisch legitimiert, wenn sich die Bestellung der Amtsträger – personelle Legitimation vermittelnd – auf das Staatsvolk zurückführen lässt und das Handeln der Amtsträger selbst eine ausreichende sachlich-inhaltliche Legitimation erfährt, d.h. die Amtsträger im Auftrag und nach Weisung der Regierung handeln und die Regierung damit in die Lage versetzen, die Sachverantwortung gegenüber Volk und Parlament zu übernehmen.545 Ausnahmen von diesem Grundsatz werden vom Bundesverfassungsgericht nur für abgegrenzte Bereiche außerhalb der unmittelbaren Staatsverwaltung anerkannt.546 Da die Wasserstraßenverwaltung zum Bereich unmittelbarer Bundesverwaltung gehört, beansprucht das Demokratieprinzip hinsichtlich des Erfordernisses einer ununterbrochenen Legitimationskette zum jeweiligen Amtsträger hier uneingeschränkte Geltung. Dadurch werden die Möglichkeiten des Bundes, Aufgaben der Wasserstraßenverwaltung auf eine privatrechtlich organisierte Gesellschaft mit eigener Leitung und eigenem Personal zu übertragen, eingeschränkt. Gleichwohl wird eine Organisationsprivatisierung nicht vollständig ausgeschlossen. Das Erfordernis hinreichender Legitimation gilt für die Ausübung der „Staatsgewalt“. Ausgehend von der historischen Erfahrung des Verfassungsgebers soll demnach vor allem das Eingriffs- und Zwangshandeln des Staates gegenüber seinen Bürgern einer uneingeschränkten demokratischen Kontrolle durch die Bürger – vermittelt über das frei gewählte Parlament – unterworfen werden. Daraus folgt, dass sich das notwendig zu erreichende Legitimationsniveau auch nach der wahrgenommenen Aufgabe und den damit verbundenen (Eingriffs-)Befugnissen richtet.547 Je größer der Entscheidungsspielraum des Amtsträgers ist oder je größer die Auswirkungen seiner Entscheidungen sein können, um so mehr Legitimation ist nötig, um so enger muss der Amtsträger an die ministerielle und parlamentarische Kontrolle – sei es auch über Zwischenglieder – angebunden sein. Bei der Wahrnehmung von begrenzten Aufgaben, bei denen die zu treffenden Entscheidungen weitgehend vorstrukturiert sind, ist hingegen eine geminderte Legitimation ausreichend.548 545 Zum Ganzen: BVerfG, Beschl. v. 5.12.2002 – 2 BvL 5/98 – BVerfGE 107, 59, 87 m. w. N. = NVwZ 2003, 974; ausführlich noch zu den Anforderungen an Privatrechtssubjekte bei der Einbindung in die Erfüllung staatlicher Aufgaben Voßkuhle, VVDStRL 62 (2003), 266, 310. 546 BVerfGE 107, 59, 91 (Fn. 545), Hermes, N&R Beilage 3/2008, 1, 8. 547 BVerfG, Urt. v. 18.01.2012 – 2 BvR 133/10 –, BVerfGE 130, 76, 124 = NJW 2012, 1563. 548 BVerfG, Urt. v. 26.06.1990 – 2 BvF 3/89 – BVerfGE 83, 60, 73 = NJW 1991, 159; NdsStGH, Urt. v. 05.12.2008 – StGH 2/07 – NdsVBl 2009, 77, 85; Ossenbühl, VVDStRL 29 (1971), 137, 159.
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Anhand dieser Vorgaben ist für den Bereich der Wasserstraßenverwaltung im Wesentlichen wie folgt zu differenzieren: Bei Verwaltungstätigkeiten, die zum Massenvollzug gehören und durch Rechtsvorschriften weitgehend gesteuert sind, ist eine Übertragung auf eine bundeseigene Gesellschaft problemlos möglich. In Betracht kommen beispielsweise die Erhebung und der Einzug von Schifffahrtsabgaben und ähnlichen Entgelten. Die Höhe der Abgaben ist bis ins Detail geregelt549, die Erhebung im Einzelfall also nur noch eine mathematische Umsetzung. Ebenso denkbar ist eine Übertragung von Aufgaben auf eine bundeseigene Gesellschaft bei gewissen eingriffsarmen Hilfstätigkeiten zur Unterhaltung der Wasserstraße, beispielsweise bei der Ausführung von laufenden Unterhaltungsbaggerungen und dem Freihalten der Fahrrinne in den Bundeswasserstraßen. Für eine hinreichende demokratische Legitimation würde es dann genügen, dass der Bund als Alleingesellschafter bei einer GmbH über Einzelanweisungen an den Geschäftsführer seinen Willen durchsetzen kann. Bei Verwaltungstätigkeiten mit höherem Entscheidungsspielraum oder stärkerem Eingriffscharakter bedarf es dementsprechend einer verstärkten Legitimation. Das gilt etwa für den gesamten Bereich der Strom- und Schifffahrtspolizei. Der Erlass von Verfügungen und die Erteilung von Genehmigungen in diesem Bereich (§ 28, 31 WaStrG) setzt regelmäßig eine Ermessensbetätigung voraus, ist also rechtlich weniger determiniert. Eine Organisationsprivatisierung ist hier nur denkbar, wenn der privatisierte Aufgabenbereich gegenständlich genau abgrenzbar ist und der Bund Einwirkungsbefugnisse hat, die den Durchgriffsmöglichkeiten innerhalb „normaler“ Behörden nicht wesentlich nachstehen. In personeller Hinsicht ist erforderlich, dass alle Personen, welche innerhalb der Gesellschaft über die Vornahme außenwirksamen Handels in der Sache entscheiden, selbst demokratisch legitimiert sind. Dies kann erfolgen, indem im Organisationsrecht der Gesellschaft (Gesellschaftsvertrag) Zustimmungserfordernisse zugunsten des Bundes für die Bestellung und Abberufung der Entscheidungsträger vorgesehen werden. Im Übrigen lässt sich der Entscheidungsspielraum der Geschäftsführung bei einer GmbH im Innenverhältnis vertraglich begrenzen, so dass eine effektive Kontrolle und Führung möglich ist.550 Überall dort hingegen, wo die Wasserstraßenverwaltung Aufgaben der Planung und Durchführung von Neubau- und Ausbauvorhaben beinhaltet, ist eine Organisationsprivatisierung nicht möglich. Das gilt insbesondere für 549
Maßgeblich sind die Tarifordnungen der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung. Dass diese keine hinreichende Rechtsgrundlage sind (dazu Kreuter, NordÖR 2007, 271), ändert nichts an der Gleichartigkeit der Erhebung und der Zugehörigkeit zum Massenvollzug. 550 Papst/Schwartmann, DÖV 1998, 315, 321; Ibler, in: Maunz/Dürig Art. 86 Rdnr. 107.
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die Befugnis zur Planfeststellung nach § 14 I 3 WaStrG. Die Ausübung dieser Befugnis verlangt eine umfangreiche planerische Abwägung (§ 14 I 2 WaStrG) und ist oft mit bedeutenden Grundrechtseingriffen bis hin zur Enteignung (vgl. § 44 II WaStrG) verbunden. Derartige Aufgaben sind so bedeutend, dass sie einer unmittelbaren Kontrolle und Einwirkungsmöglichkeit des zuständigen Ministers der Bundesregierung bedürfen, auch um die Kontrollrechte des Parlaments sicherzustellen. Die Entscheidung über die Durchführung eines größeren Ausbauvorhabens, den Zeitpunkt, seine Finanzierung, den örtlichen Verlauf – beispielsweise eines Kanals – ist zudem von vielen Faktoren abhängig und wird oft auch von Überlegungen zur Strukturförderung geprägt, die über den konkreten verkehrlichen Nutzen hinausgehen. In der Praxis werden Grundsatzfragen in diesem Bereich deshalb auch politisch im Rahmen der Bundesverkehrswegeplanung entschieden. Auf der Detailebene müssen bei der Planung von Neu- und Ausbauvorhaben regelmäßig in hohem Umfang verschiedene gegenläufige Interessen zum Ausgleich gebracht werden (verkehrlicher Nutzen des Projekts, negative Auswirkungen auf Natur und Landschaft, Entzug von Grundeigentum, Gefährdung der Existenz landwirtschaftlicher Betriebe etc.) und umfangreiche Rechtsbindungen, zum Beispiel auf dem Gebiet des Umweltund Naturschutzrechts beachtet werden. Diese komplexen Entscheidungs(findungs-)prozesse sind einer Verlagerung auf eine private Gesellschaft nicht zugänglich, weil sie eine hinreichende Objektivität und eine Verpflichtung auf das Gemeinwohl erfordern. Die Verlagerung des vollständigen Planungs- und Entscheidungsprozesses auf eine private Gesellschaft, welche für ihre Tätigkeit auf die Erzielung von Gewinnen, mindestens aber kostendeckender Einnahmen angewiesen ist, birgt die Gefahr einer überwiegend an monetären Gesichtspunkten orientierten Entscheidung in sich. Dadurch würden vor allem die Belange gefährdet, die nach dem derzeitigen, drittschutzorientierten Modell des Verwaltungsrechtsschutzes in Deutschland mangels Betroffener nur sehr eingeschränkt im Wege von altruistischen Klageverfahren zur Geltung gebracht werden können. Hierzu gehören insbesondere Natur- und Landschaftsschutz, aber auch der Denkmalschutz. Das schließt nicht aus, dass auch bei Neu- und Ausbauvorhaben im Rahmen von Hilfs- und Vorbereitungstätigkeiten auf eine private Gesellschaft zurückgegriffen wird.551 So fertigt beispielsweise die zur Wasser- und Schifffahrtsverwaltung gehörende Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) für Wasserstraßenvorhaben die erforderlichen Gutachten zu hydrologischen Auswirkungen an. Diese Aufgabe beinhaltet keinen eigenen Entscheidungsspielraum und ist deshalb einer Organisationsprivatisierung zugänglich. Insgesamt maßgeblich ist also die jeweilige Einzelaufgabe, die privatisiert 551
So zutreffend am Beispiel der DEGES Wahl, DVBl 1993, 517, 525.
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werden soll. Nach dem zur Verfügung stehenden Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum der Verwaltung und den Auswirkungen der Aufgabenwahrnehmung richtet sich die Zulässigkeit der Privatisierung und das Ausmaß an Vorkehrungen, welches getroffen werden muss, um das verfassungsrechtlich gebotene Legitimationsniveau zu erreichen. Zutreffend wird weiterhin angenommen, dass das Demokratieprinzip für eine Organisationsprivatisierung eine gesetzliche Grundlage verlangt.552 Auch wenn es einen allgemeinen organisationsrechtlichen Gesetzesvorbehalt im Grundgesetz nicht gibt, genügt die vorhandene Organisationsmacht der Exekutive nicht. Eine Organisationsprivatisierung von Verwaltungsaufgaben ist eine grundsätzliche Frage, die dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben muss. Nur dadurch lässt sich sicherstellen, dass das Parlament selbst für das erforderliche Legitimationsniveau einer privaten Gesellschaft und die dazu erforderlichen Einwirkungs- und Kontrollbefugnisse sorgen kann.553 Auch ein Erst-Recht-Schluss aus Art. 87 III 1 GG rechtfertigt dieses Ergebnis. Wenn der Bund öffentlich-rechtliche Körperschaften nach dieser Norm nur durch Gesetz gründen darf, dann muss dies in anderen Bereichen auch für privatrechtliche Gesellschaften gelten.554 Zudem erhöht die mit einer gesetzlichen Grundlage zugleich verbundene Zuweisung einer konkreten Zuständigkeit die Transparenz für die rechtsunterworfenen Bürger, weil Gesetze nach Art. 82 I GG für jedermann frei zugänglich veröffentlicht werden und der Bürger dadurch in die Lage versetzt wird, den Umfang der Privatisierung und die damit einhergehenden Zuständigkeitsverlagerungen nachzuvollziehen. Schließlich steht das Demokratieprinzip einer Organisationsprivatisierung entgegen, wenn diese zur Folge hat, dass aufgrund der Regelungen zur betrieblichen Mitbestimmung Personen Einfluss auf die Aufgabenerledigung durch die privatisierte Gesellschaft erlangen, die ihrerseits nicht demokratisch durch das Volk legitimiert sind.555 Eine solche Folge kann eintreten, wenn eine Gesellschaft mehr als 2000 Mitarbeiter hat, weil sie dann nach § 1 I MitBestG in den Anwendungsbereich des Mitbestimmungsgesetzes fällt. Danach muss im Unternehmen nach § 6 I MitBestG ein Aufsichtsrat 552 Boergen, DVBl 1971, 869, 877; Hermes, N&R Beilage 3/2008, 1, 8; Ossenbühl, VVDStRL 29 (1971), 137, 172; Stober, NJW 1984, 449, 453. 553 Hermes (Fn. 552), 8; Stober (Fn. 552), 453; Ossenbühl (Fn. 552), 172. 554 Lerche (Fn. 552), Art. 86 Rdnr. 67; Stober (Fn. 552), 453. 555 So schon für den Bereich der Flugsicherung ausführlich Papst/Schwartmann, DÖV 1998, 315, 321. Kritisch bezüglich der Rhein-Main-Donau-AG in diesem Zusammenhang auch Fastenrath/Simma, DVBl 1983, 8, 14. Zum Verstoß gegen das Demokratieprinzip bei weitgehender Mitbestimmung in der Verwaltung selbst vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.05.1995 – 2 BvF 1/92 –, BVerfGE 93, 37, 66 ff. = NVwZ 1996, 574 = DVBl 1995, 1291.
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gebildet werden, der nach § 7 I MitBestG paritätisch mit Mitgliedern des Anteilseigners (in dem Falle Bund) und der Arbeitnehmerseite besetzt ist. Der Vorsitzende des Aufsichtsrates muss von dessen Mitgliedern mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit nach § 27 I MitBestG gewählt werden; nur der Aufsichtsratsvorsitzende ist in der Lage bei Abstimmungen im Aufsichtsrat eine Stimmengleichheit gemäß § 29 II MitBestG zu überwinden. Schon daraus ergibt sich, dass der Bund als Alleingesellschafter in diesem Falle zur Durchsetzung seines Willens im Aufsichtsrat auf die Mitwirkung der Arbeitnehmerseite angewiesen ist. Auch wenn letztlich der Aufsichtsratsvorsitzende mit seiner Stimme entscheiden kann, hat die Arbeitnehmerseite schon bei der Auswahl des Vorsitzenden eine Verhinderungsmöglichkeit. Zwar können dem Aufsichtsrat nach § 111 IV AktG (ggf. iVm. § 52 I GmbHG) keine Befugnisse der Geschäftsführung übertragen werden, der Aufsichtsrat kontrolliert aber die Geschäftsführung nach § 111 I AktG und entscheidet nach § 31 II MitBestG auch über die Besetzung der Geschäftsführung bzw. des Vorstandes. Insgesamt führt die Mitbestimmung somit dazu, dass die Arbeitnehmerseite einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Tätigkeit der Gesellschaft erlangen kann. Was in der Privatwirtschaft wünschenswert sein mag, ist bei der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben kontraproduktiv. In dem Umfang, indem die Arbeitnehmervertreter Einfluss gewinnen, geht der kontrollierende Einfluss des Bundes als Gesellschafter zurück. Da aber die Arbeitnehmervertreter nicht demokratisch durch das ganze Staatsvolk legitimiert werden, wäre eine solche Folge mit dem Demokratieprinzip nicht zu vereinbaren. (3) Einschränkungen aus dem Haushaltsrecht Weitere Einschränkungen einer Organisationsprivatisierung folgen aus dem Haushaltsrecht des Grundgesetzes. Zum einen geht es darum, dass durch die Gründung einer Gesellschaft des Privatrechts die Vorschriften und Begrenzungen des Haushaltsrechts nicht umgangen werden dürfen. Zum anderen setzt das Haushaltsrecht auch einer Beteiligung der Länder oder Kommunen an einer solchen Gesellschaft oder der Mitfinanzierung durch Ländern und Kommunen enge Grenzen. Art. 110 I 1 GG verlangt, dass alle Einnahmen und Ausgaben des Bundes in den Bundeshaushalt eingestellt werden. Für die Einnahmen und Ausgaben einer juristisch eigenständigen Gesellschaft des Bundes gilt das nicht, weil selbst für rechtlich unselbstständige Bundesbetriebe oder Sondervermögen nur Zuführungen oder Ablieferungen in den Haushalt einzustellen sind.556 Für rechtlich selbstständige Gesellschaften muss dies demnach erst 556
BVerfG, Beschl. v. 22.11.2011 – 2 BvE 3/08 –, zitiert nach juris Rdnr. 26.
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B. Verfassungsrechtliche Grundprobleme
recht gelten. In den Bundeshaushalt müssen demnach nur Zuschüsse und Gewinnabführungen eingestellt werden. Allerdings eröffnet dies in gewissem Umfang die Möglichkeit einer „Budgetflucht“, weil die Mittelbewirtschaftung innerhalb der Gesellschaft nicht mehr der parlamentarischen Kontrolle unterliegt. Der Bundestag kann nur indirekt über die Gewährung von Zuschüssen Einfluss nehmen. Deshalb wird zur Sicherung des parlamentarischen Budgetrechts für derartige „Nebenhaushalte“ zu Recht eine gesetzliche Grundlage gefordert.557 Dafür spricht auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum so genannten Kohlepfennig. Dort hat das Bundesverfassungsgericht formuliert, dass der Grundsatz der Vollständigkeit des Haushalts „berührt“ ist, wenn der Gesetzgeber Einnahme- und Ausgabekreisläufe außerhalb des Budgets organisiert.558 Die Grenze einer nach Art. 110 I 1 GG auch in haushaltsverfassungsrechtlicher Hinsicht zulässigen Aufgabenübertragung muss als überschritten angesehen werden, wenn der Gesetzgeber Aufgaben auslagert, die bisher im Bundeshaushalt einen erheblichen Posten ausmachen, so dass der Bundestag dann bei Aufstellung der jeweiligen Haushaltspläne stattdessen nur noch in einer Summe über den Zuschuss an eine bundeseigene Gesellschaft entscheiden kann, die sich weitgehend mit diesem Zuschuss finanziert. Eine solche Konstellation wäre beispielsweise bei einer bundeseigenen Betreibergesellschaft für die Wasserstraßen gegeben, so wie es in ähnlicher Form seinerzeit durch die Kommission Verkehrsinfrastrukturfinanzierung vorgeschlagen wurde. Eine solche Betreibergesellschaft, welche die Wasserstraßen aus eigenen Mitteln unterhalten und betreiben soll, wäre demnach nur zulässig, wenn sie sich im Wesentlichen aus einer eigenen Einnahmequelle finanzieren kann.559 Als eigene Einnahmequelle kommen die Schifffahrtsabgaben in Betracht, welche der Bund für die Nutzung der Bundeswasserstraßen erhebt. Der Betreibergesellschaft müsste dann durch Gesetz die Möglichkeit eingeräumt werden, diese Entgelte selbst als Gläubigerin zu erheben, denn solange der Bund die Abgaben erhebt, unterliegen sie dem aus Art. 110 I 1 GG folgenden Vollständigkeitsgebot und müssen im Bundeshaushalt als Einnahme des Bundes veranschlagt werden. Eine (Minderheits-)Beteiligung von Ländern oder Kommunen an Gesellschaften des Bundes, welche Aufgaben der Wasserstraßenverwaltung wahrnehmen, ist regelmäßig verfassungsrechtlich unzulässig. Gleiches gilt für die Zuwendung von Mitteln an eine solche Gesellschaft durch Länder oder Kommunen. Das folgt aus Art. 104a I GG. Danach tragen Bund und Länder 557
Hermes, N & R Beilage 3/2008, 11. BVerfG, Beschl. v. 11.10.1994 – 2 BvR 633/86 – BVerfGE 91, 186, 202 = NJW 1995, 381. 559 Hermes, N & R Beilage 3/2008, 11. 558
III. Verfassungsrechtliche Probleme im Einzelnen
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getrennt die Kosten, die ihnen aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben erwachsen. Durch diese Regelung wird vermieden, dass die Aufteilung der Verwaltungskompetenzen (Art. 89 II 1 GG) nach dem Grundgesetz mittelbar durch abweichende Finanzierungen umgangen wird. Aus der Norm ergibt sich deshalb ein Verbot der Mischfinanzierung. Folglich ist es den Ländern untersagt, sich finanziell an Verwaltungsaufgaben des Bundes zu beteiligen, mögen diese im betreffenden Einzelfall auch im besonderen Interesse des jeweiligen Landes liegen.560 Das gilt insbesondere – aber nicht nur – für konkrete Vorhaben zum Bau oder Ausbau einer Wasserstraße. An den daraus resultierenden Kosten dürfen sich neben den Ländern auch die Kommunen nicht beteiligen, weil sie hinsichtlich der Verteilung der Kompetenzen nach dem Grundgesetz den Ländern zuzuordnen sind.561 Nichts anderes gilt, wenn die Kostenbeteiligung eines Landes in Form der Beteiligung an einer Gesellschaft erfolgt, welcher der Ausbau bestimmter Wasserstraßen übertragen wird.562 Eine Beteiligung der Länder ist hingegen bei Kompetenzüberschneidungen möglich.563 Eine solche Kompetenzüberschneidung folgt bei allein verkehrsbezogenen Ausbaumaßnahmen allerdings noch nicht aus Art. 89 III GG, weil diese Vorschrift den Ländern keine Verwaltungskompetenz einräumt (vgl. näher B. III. 6. a)). Vielmehr geht es hier um Fälle, in denen ein Vorhaben neben dem verkehrsbezogenen Ausbau einer Wasserstraße zugleich anderen Zwecken dient, deren Erfüllung in den Aufgabenbereich der Länder fällt (bspw. Hochwasserschutz, Wasserwirtschaft). In solchen Fällen kann die Gründung einer gemeinsamen Projektgesellschaft zur gemeinsamen und koordinierten Wahrnehmung der jeweiligen Interessen von Bund und Land sinnvoll sein. (4) Bedeutung des Funktionsvorbehalts Schließlich verlangt Art. 33 IV GG, dass die Ausübung hoheitlicher Befugnisse in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes, die in einem 560
BVerwG, Urt. v. 15.03.1989 – 7 C 42/87 – BVerwGE 81, 312, 314 = NVwZ 1989, 876; Urt. v. 11.06.1991 – 7 C 1/91 –, NVwZ 1992, 264, 265 = DVBl 1991, 1156. 561 So exemplarisch VG Oldenburg, Urt. v. 16.04.1986 – 7 (3) VG A 144/82 – UA S. 12 (bisher unveröffentlicht). Im entschiedenen Fall hatte sich u. a. die Stadt Wilhelmshaven an den Kosten einer Fahrrinnenvertiefung durch Vertrag beteiligt. Das Verwaltungsgericht wies die Zahlungsklage des Bundes ab, weil es den Vertrag wegen Verstoß gegen Art. 104a I GG für nichtig hielt. Die Entscheidung wurde vom NdsOVG durch Beschl. v. 14.01.1988 – 3 OVG A 173/86 – für gegenstandslos erklärt, nachdem der Bund seine Klage in der Berufungsinstanz zurückgenommen hatte. 562 Ähnlich Fastenrath/Simma, DVBl 1983, 8, 18. 563 BVerwGE 81, 312, 314 (Fn. 560).
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B. Verfassungsrechtliche Grundprobleme
öffentlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen, übertragen wird (Funktionsvorbehalt). Bei Gesellschaften des Privatrechts ist dies nicht ohne weiteres möglich, weil sie nicht über die für eine Beschäftigung von Beamten erforderliche Dienstherrnfähigkeit verfügen (§ 2 BBG). Die Vorschrift hat dennoch gegen Organisationsprivatisierungen oder die sonstige Heranziehung Privater bei Erfüllung öffentlicher Aufgaben nur eine sehr eingeschränkte Wirkung. Art. 33 IV GG lässt Ausnahmen ausdrücklich zu („in der Regel“). Verletzt wäre das Grundgesetz erst, wenn die Ausübung hoheitlicher Befugnisse in größerem Umfang auf Nichtbeamte übertragen wird.564 Art. 33 IV GG wirkt deshalb nur als eine Art Wesensgehaltsgarantie, welche Ausnahmen nicht nur für einzelne Fälle, sondern auch bereichsspezifische Ausnahmen durch Privatisierungen gestattet.565 Teilweise wird allerdings ein rechtfertigender Gemeinwohlbelang für derartige Ausnahmen und eine Prüfung der im Einzelfall zur Ausübung übertragenen Befugnisse verlangt.566 Legt man dies zugrunde, so ist auch unter Berücksichtigung des Funktionsvorbehaltes die Ausgliederung von Teilbereichen der Wasserstraßenverwaltung auf eine bundeseigene Gesellschaft zulässig. Das gilt vor allem für den Betrieb und die Unterhaltung der Wasserstraßen. Sofern der Bund hier im Rahmen eines ihm zuzugestehenden Einschätzungsspielraums zu dem Ergebnis gelangt, die damit zusammenhängenden Aufgaben auf diese Weise besser und effizienter erfüllen zu können, läge auch ein rechtfertigender Gemeinwohlbelang vor. Weitreichende Eingriffs- und Gestaltungsbefugnisse, wie sie etwa im Bereich der Strom- und Schifffahrtspolizei oder der Zulassung von Neu- und Ausbauvorhaben bestehen, müssen hingegen auch zukünftig von Staatsbediensteten wahrgenommen werden.567
564 BVerfG, Urt. v. 27.04.1959 – 2 BvF 2/58 –, BVerfGE 9, 268, 284 = NJW 1959, 1171; BVerfG, Urt. v. 18.01.2012 – 2 BvR 133/10 –, zitiert nach juris Rdnr. 143 (zur Privatisierung des Maßregelvollzugs); BVerwG, Urt. v. 27.10.1978 – I C 15.75 – BVerwGE 57, 55, 59 = NJW 1979, 731; zustimmend Bonk, JZ 2000, 435, 439; Jachmann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 33 Rdnr. 37. 565 StGH Bremen, Urt. v. 15.01.2002 – St 1/01 –, LVerfGE 13, 209 = NVwZ 2003, 81, 86; zustimmend Stober, NJW 2008, 2301, 2306; der Sache nach ebenso schon Ossenbühl, VVDStRL 29 (1971), 137, 161 f.; Bonk, JZ 2000, 435, 439; Masing, in: Dreier, Art. 33 Rdnr. 70; Haug, NVwZ 1999, 816, 819: kein absolutes, sondern wegen Ausnahmemöglichkeit nur relatives Privatisierungsverbot. Ähnlich zur nds. Verfassung und der Beleihung Privater im Bereich der Unterbringung NdsStGH, NdsVBl 2009, 77, 84 (Fn. 548). 566 NdsStGH, NdsVBl 2009, 77, 84 (Fn. 548); zuletzt auch BVerfG, Urt. v. 18.01.2012 – 2 BvR 133/10 –, zitiert nach juris Rdnr. 167; Jachmann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 33 Rdnr. 37; Haug, ebd. (Fn. 565); zur begrenzten Wirkung dieser Einschränkung Masing, in: Dreier, Art. 33 Rdnr. 70.
III. Verfassungsrechtliche Probleme im Einzelnen
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(5) Bewertung bisheriger Erscheinungsformen der Organisationsprivatisierung Die in der Vergangenheit praktizierte Gründung von Projektgesellschaften für die Realisierung einzelner Vorhaben zum Ausbau von Wasserstraßen ist nach den dargestellten Grundsätzen an sich zulässig. Dabei ist es unerheblich, dass nach § 12 V WaStrG bei der Übertragung des Ausbaus einer Bundeswasserstraße auf Dritte keine hoheitlichen Befugnisse übergehen. Aus verfassungsrechtlicher Sicht gehört die Durchführung eines Vorhabens zur Wahrnehmung der Aufgaben der Wasserstraßenverwaltung, auch wenn Eingriffsbefugnisse nicht übergehen. Gerade weil hoheitliche Eingriffsbefugnisse nicht übergehen, sind diese Gestaltungen auch mit dem Demokratieprinzip zu vereinbaren. Für den Funktionsvorbehalt aus Art. 33 IV GG gilt das ebenfalls, zumal die Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben in diesem Fall – unterstellt Art. 33 IV GG ist auch auf schlicht hoheitliches Handeln anwendbar – nur punktuell aus der eigentlichen Bundesverwaltung ausgelagert wird. Nicht zulässig ist aber die in der Vergangenheit – beispielsweise bei der Rhein-Main-Donau AG – praktizierte Beteiligung der Länder. Diese verstieß gegen das Verbot der Mischfinanzierung aus Art. 104a I GG.568 Da der Bau des Rhein-Main-Donaukanals funktional betrachtet auch ausschließlich wasserverkehrliche Zwecke hatte, liegt kein Fall einer zulässigen Überschneidung von Verwaltungsaufgaben vor. Soweit rechtliche Grundlagen aus der Zeit vor Geltung des Grundgesetzes bestanden haben mögen569, sind diese jedenfalls durch das Inkrafttreten von Art. 104a I GG im Jahr 1955 nach Art. 123 I GG außer Kraft getreten. Keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen gegen die derzeitige Tätigkeit der Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft (VIFG) des Bundes.570 Sie nimmt nach § 1 I 1 VIFGG Aufgaben des Bundes bei der Finanzierung von Aus- und Neubau der Bundeswasserstraßen wahr, ohne über hoheitliche Befugnisse zu verfügen. Zu diesem Zweck verteilt die Gesellschaft auch Einnahmen aus den Schifffahrtsabgaben, dies aber gemäß § 2 I 1 VIFGG nur nach Maßgabe des Haushaltsgesetzes und nach Weisung des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Es handelt sich somit nur um einen sehr begrenzten Teil der Aufgaben der Wasserstra567 Zweifelhaft Haug, NVwZ 1999, 816, 818, wonach einerseits die Planungsverwaltung wegen ihrer Grundrechtsrelevanz von Art. 33 IV GG erfasst sein soll, die Infrastrukturverwaltung andererseits aber nicht. 568 Zutreffend Fastenrath/Simma, DVBl 1983, 8, 18. 569 Fastenrath/Simma, DVBl 1983, 8, 11 f. 570 Hermes, N & R Beilage 3/2008, 8.
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B. Verfassungsrechtliche Grundprobleme
ßenverwaltung, der von der VIFG auf dem Gebiet der Finanzierung wahrgenommen wird. Die nach dem Demokratieprinzip erforderliche Legitimation ist in Ermangelung hoheitlicher Befugnisse im Niveau gering anzusetzen; die gesetzlich geregelten Vorrechte des Haushaltsgesetzgebers und das Weisungsrecht des Ministeriums nach § 2 I 1 VIFGG sind daher ausreichend. Hinzu kommen die gesellschaftsrechtlichen Einwirkungsbefugnisse, welche dem Bund als Alleingesellschafter zustehen.
C. Weitere Folgen der Verfassungslage für das einfache Recht Die unter B. erarbeiteten verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Wasserstraßenverwaltung müssen bei der Auslegung des einfachen Rechts berücksichtigt werden. Vor allem bei der Abgrenzung der Kompetenzen von Bund und Ländern spiegeln sich die aus dem Verfassungsrecht bereits bekannten Probleme. Dazu zählen Probleme aus dem Wasserwegerecht (unter I.) ebenso wie Probleme aus dem Wasserverkehrsrecht (unter II.).
I. Schlussfolgerungen für das Wasserwegerecht und die Verwaltung der Wasserstraßen durch den Bund Die Abgrenzung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern im Bereich des Wasserwegerechts ist vor allem von Bedeutung für Fälle der Bestandsänderung bei den Bundeswasserstraßen und die Führung des Verzeichnisses der Bundeswasserstraßen als Anlage zum WaStrG (unter 1.). Hingegen führt die grundgesetzlich angeordnete Bundesverwaltung von Wasserstraßen nicht dazu, dass diese dem fachfremden Bundes- oder Landesrecht nicht unterliegen. Die Einzelheiten der Bindung an fachfremdes Recht jenseits der Regelungen des WaStrG sind jedoch umstritten (nachfolgend 2.). Weiterhin ergeben sich Folgen für die Frage, nach welchem Recht Baumaßnahmen an einer Bundeswasserstraße zuzulassen sind (anschließend 3.). 1. Funktionsänderung von Bundeswasserstraßen, Führung des Verzeichnisses der Bundeswasserstraße Nachdem schon unter B. III. 2. herausgearbeitet wurde, dass das Merkmal „dem allgemeinen Verkehr dienend“ für ein Gewässer von Verfassungswegen über die Einordnung unter das Wasserstraßenrecht des Bundes und die Verwaltung durch den Bund entscheidet, muss dies auch bei der Auslegung des Bundeswasserstraßengesetzes berücksichtigt werden. Der Bund bestimmt den Anwendungsbereich des WaStrG durch Aufnahme eines Gewässers in die Anlage 1 zum WaStrG. Wenn aber die Verkehrsfunktion ent-
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C. Weitere Folgen für das einfache Recht
scheidend für das Rechts- und Verwaltungsregime eines Gewässers ist, muss geklärt werden, wie sich rein tatsächliche Änderungen dieser Verkehrsfunktion auswirken. Hilfreich ist dazu zunächst eine Analyse der Rechtslage bei den Bundesfernstraßen (nachfolgend a)). Die Regelungen im Bereich der Bundeswasserstraßen sind demgegenüber rudimentär (anschließend b)). In Rechtsprechung und Schrifttum existieren dazu bislang nur vereinzelt Stellungnahmen (unter c)). Die hinreichende Beachtung der Vorgaben aus dem Verfassungsrecht verlangt jedoch, ähnlich wie bei den Bundesfernstraßen, im Ergebnis eine restriktive Interpretation des Bundeswasserstraßengesetzes (abschließend d)). a) Rechtslage bei den Bundesfernstraßen Ob eine Straße in Deutschland verkehrswegerechtlich dem Landesrecht unterliegt, oder ob Bundesrecht in Form des Bundesfernstraßengesetzes (FStrG) und nach Art. 90 II GG die Vorschriften über die Auftragsverwaltung anwendbar sind, richtet sich, vergleichbar der Lage bei den Wasserstraßen, nach der Verkehrsfunktion und Verkehrsbedeutung einer Straße. Dem Bundesrecht und der Auftragsverwaltung mit der Option der Bundesverwaltung im Einzelfall (Art. 90 III GG) unterliegen nur die Bundesfernstraßen. Das sind nach § 1 I 1 FStrG öffentliche Straßen, die ein zusammenhängendes Verkehrsnetz bilden und die einem weiträumigen Verkehr dienen oder zu dienen bestimmt sind. Entscheidend sind also zwei Merkmale: Zum einen die Eigenschaft als Netzbestandteil und zum anderen die gegebene oder angestrebte Funktion für den „weiträumigen“, sprich überregionalen Verkehr.571 Während die Netzzugehörigkeit und die gegebene Verkehrsfunktion rein objektive Tatbestandsmerkmale sind, bezieht sich die angestrebte Verkehrsfunktion auf Fälle, in denen eine Straße zwar zum Netz gehört und für den Fernverkehr geeignet und gedacht ist, auf der ein weiträumiger Verkehr aber noch nicht stattfindet. In diesem Fall ersetzt also der Wille des Verwaltungsträgers hinsichtlich der Verkehrsbedeutung den tatsächlich fehlenden überregionalen Verkehr, was insbesondere in Fällen des Neubaus einer Straße der Fall sein kann. Freilich wird man verlangen müssen, dass sich die Bestimmung für den weiträumigen Verkehr wiederum durch objektive Kriterien äußert. Zugespitzt formuliert, kann ein Feldweg zwischen zwei Bundesautobahnen nicht allein durch den Willen des Verwaltungsträgers zur Bundesfernstraße werden. Vielmehr muss eine Straße, um dem weiträumigen Verkehr dienen zu können, einen entsprechenden Ausbauzustand und eine Befahrbarkeit mit hinreichender Geschwindigkeit, insbesondere für den Frachtverkehr aufweisen. Außerdem muss sie durch 571
Eingehend zu den Kriterien Sauthoff, DÖV 2009, 974, 975.
I. Schlussfolgerungen für das Wasserwegerecht
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geeignete Verkehrsleitung (Beschilderung) auch dem weiträumigen Verkehr zur Nutzung „angeboten“ werden. Dient eine Straße wegen ihrer vorhandenen Verkehrsbedeutung dem weiträumigen Verkehr, so regelt § 2 IV FStrG den Fall, dass diese Verkehrsbedeutung nachträglich wegfällt. Die Straße ist dann einzuziehen, also zu entwidmen oder dem nach Landesrecht zuständigen Straßenbaulastträger zu überlassen. Umgekehrt ist eine Straße zur Bundesfernstraße nach § 2 IIIa FStrG aufzustufen, wenn sie die Eigenschaften einer Bundesfernstraße (ggf. nachträglich) erfüllt. Mit dem Wechsel der Verkehrsbedeutung muss somit zwangsläufig des Rechtsregime einer Straße wechseln, die jeweiligen Regelungen in § 2 IIIa, IV FStrG sehen ein Ermessen der Verwaltung nicht vor. Allerdings wechselt das Rechtsregime nicht von selbst, § 2 VI FStrG sieht dazu vielmehr ein konstitutives Verfahren vor. Dementsprechend geht auch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon aus, dass der zuständigen Behörde hinsichtlich der Tatbestandsmerkmale für die Bundesfernstraßen kein Auswahlspielraum zusteht. Kommt einer Straße die für die Eigenschaft als Bundesfernstraße notwendige Verkehrsbedeutung abhanden, so richtet sich ihr weiteres Schicksal nach Landesrecht.572 Dieser Mechanismus ist verfassungsrechtlich zwingend vorgegeben, weil die Gesetzgebungskompetenz und die Auftragsverwaltung der Länder über die Straßen nach Art. 74 I Nr. 22 GG, 90 II GG zwingend auf den „Bau und die Unterhaltung von Landstraßen für den Fernverkehr“ beschränkt ist. Deshalb darf der Bund ein Land auch nicht nach Art. 85 III 1 GG anweisen, eine Straße, welche die für eine Bundesfernstraße notwendige Verkehrsbedeutung verloren hat, in eine bestimmte Straßenklasse nach Landesrecht einzuordnen. Der Bund kann die Straße lediglich in Ausübung seines Weisungsrechts entwidmen lassen oder dem Land nach Vereinbarung zur Übernahme überlassen. Das Land muss und kann dann selbst entscheiden, ob es die Straße als öffentliche Straße überhaupt aufrechterhalten will und wenn ja, wer dann nach Landesrecht für die Straße zuständig ist.573 Vereinfacht lässt sich daher sagen, dass der Bund bei Straßen, die nicht mehr dem weiträumigen Verkehr dienen oder nicht mehr zu dienen bestimmt sind, nichts mehr „zu sagen“ hat. Umgekehrt müssen sich die Länder die Unterstellung einer Straße in Auftragsverwaltung nach Art. 90 II GG gefallen lassen, sobald eine frühere Landesstraße die entsprechende Netzzugehörigkeit und Verkehrsbedeutung für eine Bundesfernstraße aufweist. 572 BVerwG, Urt. v. 22.08.1979 – IV C 34.76 –, VkBl. 1980, 33 = DÖV 1979, 907, 908; vgl. dazu auch Beschl. v. 26.06.1992 – 4 B 105/92 –, zitiert nach juris Rdnr. 3; Sauthoff, DÖV 2009, 974, 978. 573 BVerfG, Urt. v. 28.03.2000 – 2 BvG 1/96 –, BVerfGE 102, 167, 173 = NVwZ 2000, 1192 = DVBl 2000, 1282.
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C. Weitere Folgen für das einfache Recht
b) Gesetzeslage bei den Bundeswasserstraßen Einfachgesetzlich legt § 1 I WaStrG als Bundeswasserstraßen die Binnenwasserstraßen, die dem allgemeinen Verkehr dienen, und die Seewasserstraßen fest. Als Binnenwasserstraßen „gelten“ die in der Anlage 1 zum Gesetz aufgeführten Gewässer. Hinzu kommen nach § 1 I Nr. 1 2. HS WaStrG bestimmte Gewässerteile. Eine Bestandsänderung kann nach § 2 I WaStrG durch Vereinbarung zwischen dem Bund und dem Land oder dem künftigen Eigentümer für den Fall erfolgen, dass ein Gewässer nicht mehr Bundeswasserstraße sein soll. Wenn ein Gewässer Bundeswasserstraße werden soll, ist die Vereinbarung ebenfalls zwischen dem bisherigen Eigentümer und dem Bund zu treffen. Den Übergang bewirkt ein Gesetz, bei Gewässern oder Gewässerstrecken mit örtlicher Bedeutung genügt eine Rechtsverordnung. In allen Fällen ist die Anlage zum WaStrG zu ändern. Sonstige Vorschriften zur Bestandsänderung enthält das WaStrG nicht. Zwar regeln auch § 1 III 1, 2 und § 3 WaStrG Fälle, in denen sich der vorhandene Bestand der Bundeswasserstraßen verändert. Diese Fälle knüpfen indes an Veränderungen bestehender Wasserstraßen an und regeln nicht den Fall einer Veränderung des Bestandes der Wasserstraßen aufgrund veränderter Verkehrsbedeutung. Vergleicht man nun § 2 I WaStrG und § 2 IIIa, IV FStrG, so fällt das Fehlen jeglicher Tatbestandsvoraussetzung in § 2 WaStrG auf. Geregelt ist nach dem Wortlaut des Gesetzes allein ein Verfahren. Wann ein solches Verfahren durchzuführen ist und ob unter Umständen eine Pflicht zu dessen Durchführung bestehen kann, wird in der Vorschrift gerade nicht geregelt. c) Meinungen in Literatur und Rechtsprechung Die Voraussetzungen einer Bestandsänderung sind in Literatur und Rechtsprechung bislang nur vereinzelt näher behandelt worden, was auf eine im Vergleich zu den Fernstraßen geringere Praxisrelevanz schließen lässt. Ursache hierfür ist auch, dass § 2 I WaStrG für die Übertragung von Gewässern vom Bund auf Länder oder Dritte gleichzeitig den Übergang des Eigentums und damit regelmäßig nach dem Wasserrecht den Übergang der Unterhaltungslast vorsieht.574 574 Auf die in diesem Zusammenhang bislang erfolglosen Bemühungen des Bundes weist Weidmann, VR 2003, 309, 312 hin; vgl. auch Schulze, NVwZ 1999, 1289, 1290.
I. Schlussfolgerungen für das Wasserwegerecht
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Nach Auffassung von Friesecke ist das in § 2 WaStrG geregelte Verfahren ein ergänzendes Widmungsverfahren, mit dessen Durchführung das Rechtsregime und die Verwaltungszuständigkeit wechselt. Der danach zu schließenden Vereinbarung sei zwar das Merkmal „dem allgemeinen Verkehr dienend“ zugrunde zu legen. Allerdings sei eine starre Anwendung nicht veranlasst, eine Verpflichtung zwischen Bund und Land zur Vornahme von Bestandsänderungen werde durch § 2 WaStrG nicht begründet. Auch eine abgeschlossene Vereinbarung begründe für den Bund keine Pflicht zum Erlass der in § 2 II WaStrG vorgesehenen Rechtsvorschrift zur Änderung der Anlage zum WaStrG, weil eine derartige Pflicht im Grundgesetz keine Stütze fände.575 Ibler verweist lediglich darauf, dass der Bund durch Abstufung einer Wasserstraße als nicht mehr dem allgemeinen Verkehr dienend diese dem Anwendungsbereich des WaStrG und des Art. 89 II GG entziehen kann.576 Aus der Rechtsprechung existieren nur zwei veröffentlichte Entscheidungen, in denen zu Bestandsänderungen mit grundsätzlicheren Ausführungen Stellung genommen wird. Ein Fall betraf die „Hohennauer Wasserstraße“, ein Gewässer in Brandenburg, welches nach der Wiedervereinigung zunächst in die Anlage zum Wasserstraßengesetz aufgenommen wurde, 1998 jedoch wieder aus der Anlage gestrichen wurde. Das Oberverwaltungsgericht Frankfurt/Oder interpretierte diesen Vorgang als „eine Art Entwidmung“ und verwies darauf, dass sich die Zulässigkeit der Schifffahrt auf dem Gewässer nunmehr ausschließlich nach dem Landesrecht richte und die Verwaltungskompetenz des Landes gegeben sei.577 Eine inhaltliche Überprüfung der Entwidmung der Hohennauer Wasserstraße hat das Oberverwaltungsgericht allerdings nicht vorgenommen. Im zweiten Fall musste das Verwaltungsgericht Oldenburg über die Zugehörigkeit eines Emsaltarms zur Bundeswasserstraße Ems entscheiden. Im Zeitpunkt der Entscheidung galt noch die Ursprungsfassung von § 1 I WaStrG 1968, in welcher der heute in § 1 I Nr. 1 2. HS WaStrG enthaltene Zusatz zu Gewässerteilen fehlte und nach der ausschließlich auf die Anlage zum Wasserstraßengesetz abzustellen war. Zur Einordnung des Emsaltarms verwies das Gericht sodann auf die Gesetzgebungskompetenz des Bundes, die auf die dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen beschränkt sei. Das verlange einen Schiffsverkehr in größerem Umfang, wobei ein nicht unerheblicher 575 Friesecke, WaStrG, § 2 Rdnr. 1–3; a. A. Gröpl, in: Maunz/Dürig, Art. 89 Rdnr. 57. 576 Ibler, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 89 Rdnr. 40a. 577 OVG Frankfurt/Oder, Beschl. v. 25.02.2004 – B 253/03 –, NuR 2004, 532, 533, vgl. dort die Leitsätze 1 und 2 (beachte, dass dort im Leitsatz 1 zur Entscheidung irrtümlich § 1 I WHG anstelle von § 1 I WaStrG zitiert ist).
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C. Weitere Folgen für das einfache Recht
Verkehr mit Personen- und Frachtschiffen genüge, nicht aber ein Verkehr mit Kleinfahrzeugen oder die bloße Eignung zur Schifffahrt. Weil der Emsaltarm einen solchen Verkehr seit langem nicht mehr aufwies, hat das Gericht eine Zugehörigkeit zur Bundeswasserstraße Ems abgelehnt.578 d) Schlussfolgerungen Wenn die Vorschriften zur Bestandsänderung in § 2 IIIa, IV FStrG zwangsläufige Folge der grundgesetzlichen Vorgabe in Art. 74 I Nr. 22, 90 II GG sind, dann überrascht es, dass es eine vergleichbare Regelung im Wasserstraßenrecht nicht gibt und eine Verpflichtung zur Durchführung von Bestandsänderungen von Friesecke579 grundsätzlich abgelehnt wird. Angesichts der nach Maßgabe von Art. 74 I Nr. 21 GG beschränkten Gesetzgebungskompetenz und der ihr nachfolgenden Verwaltungskompetenz nach Art. 89 II 1 GG kann diese Auffassung auch nicht überzeugen. Sie liefe – konsequent zu Ende gedacht – darauf hinaus, dass der Bund selbst dann noch Gewässer nach Art. 89 II 1 GG verwalten könnte, wenn auf ihnen gar kein Verkehr mehr stattfindet, obwohl solche Gewässer zwingend der Verwaltungskompetenz der Länder als nicht dem allgemeinen Verkehr dienend zufallen müssten. Die Verhältnisse bei Inkrafttreten des Grundgesetzes können ohnehin nicht für alle Zeit maßgeblich sein580, so dass auch nicht auf den Bestand der Reichswasserstraßen bzw. Bundeswasserstraßen abgestellt werden kann, wenn sich die Verkehrsfunktion einzelner Wasserstraßen seitdem verändert hat. Würde man weiterhin für Vereinbarungen nach § 2 I WaStrG allein auf den Willen der Beteiligten abstellen und das Merkmal „dem allgemeinen Verkehr dienend“ zur bloßen Orientierungshilfe herabsetzen, ermöglichte dies Bund und Land eine Disposition über Verwaltungszuständigkeiten durch einfache Vereinbarung. Eine solche Disposition ist nach dem Grundgesetz jedoch ausgeschlossen.581 Entscheidend kann vielmehr wie bei den Bundesfernstraßen nur sein, ob ein Gewässer tatsächlich dem allgemeinen Verkehr dient oder zu dienen be578 VG Oldenburg, Urt. v. 10.03.1989 – 2 OS A 39/89 – NJW 1989, 2489, 2490; ablehnend aus „grundsätzlichen Erwägungen heraus“ Sudmeyer, NJW 1991, 25, der zwar auf die Regelungen des Wasserstraßenstaatsvertrages verweist, sich aber nicht mit der begrenzten Gesetzgebungskompetenz des Bundes unter dem Aspekt des allgemeinen Verkehrs auseinandersetzt. 579 Friesecke, WaStrG, § 2 Rdnr. 2, 3. 580 Für die Rechtslage bei den Bundesfernstraßen Sauthoff, DÖV 2009, 974, 975. 581 Ständige Rechtsprechung des BVerfG: Urt. v. 20.12.2007 – 2 BvR 2433/04 – Rdnr. 151 ff.; BVerfGE 119, 331, 365 = NVwZ 2008, 183 (Hartz-IV-Verwaltung); Urt. v. 15.07.2003 – 2 BvF 6/98 –, BVerfGE 108, 169, 182 = NVwZ 2003, 1497; Beschl. v. 12.01.1983 – 2 BvL 23/81 –, BVerfGE 63, 1, 39 = NVwZ 1983, 537; Urt. v. 01.12.1954 – 2 BvG 1/54 – BVerfGE 4, 115, 139.
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stimmt ist, ob es also – um an die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Oldenburg anzuknüpfen – über einen gewissen Fracht- und/oder Personenverkehr verfügt. Das Merkmal „allgemeiner Verkehr“ muss dabei dahin ausgelegt werden, dass das Gewässer nicht nur einzelnen Nutzern vorbehalten ist, sondern prinzipiell von jedermann befahren werden kann. Weiterhin wird zu fordern sein, dass der Verkehr vor allem Transportfunktion hat, da nicht schon jede gelegentliche Ausflugsschifffahrt einen allgemeinen Verkehr begründet. Erfüllt ein Gewässer diese Anforderungen nicht, kann es nicht (mehr) Bundeswasserstraße sein. Den Bund trifft demnach die Pflicht, solche Gewässer aus der Anlage 1 des Wasserstraßengesetzes zu streichen und sie der hoheitlichen Verwaltung durch die Länder zu überlassen. Die Länder haben umgekehrt einen verfassungsunmittelbaren Anspruch auf eine entsprechende Berichtigung der Anlage 1 zum Wasserstraßengesetz, was bei § 2 I WaStrG im Wege verfassungskonformer Auslegung zu berücksichtigen ist. Genauer gesagt: Der Bund verletzt die Verwaltungskompetenz des betroffenen Landes, wenn er eine dauerhaft nicht mehr dem allgemeinen Verkehr dienende Wasserstraße in der Anlage 1 zum Wasserstraßengesetz behält und entsprechend hoheitlich verwaltet. Deshalb ist auch das Argument, wonach den Bund nach dem Grundgesetz keine Pflicht zu gesetzgeberischer Tätigkeit hat, unzutreffend, denn die Gesetzgebung ist nach Art. 20 III GG an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden und muss daher verfassungswidrige, insbesondere kompetenzwidrige Zustände korrigieren bzw. von vornherein deren Entstehung verhindern. Umgekehrt hat aber der Bund keinen Anspruch gegenüber den Ländern auf Abschluss einer Vereinbarung nach § 2 I WaStrG mit der Folge des Eigentumsüberganges auf die Länder. Zur Wahrung der Verwaltungszuständigkeiten ist dieser Eigentumsübergang nicht erforderlich und wegen der damit verbundenen Unterhaltungslast von den Ländern regelmäßig auch nicht gewollt. Weigert sich somit ein Bundesland, eine nicht mehr dem allgemeinen Verkehr dienende Wasserstraße in sein Eigentum durch Vereinbarung nach § 2 I WaStrG zu übernehmen582, so bleibt dem Bund nur, die Anlage 1 zum Wasserstraßengesetz zu ändern, wozu er auch verpflichtet ist und die Wasserstraße sodann nur noch als Eigentümer zu nutzen. Die Länder entscheiden dann selbst, ob sie das Gewässer überhaupt und in welchem Umfang sie es für den Schiffsverkehr eröffnen.583 Ihnen ist es freilich verwehrt, durch welche Maßnahmen auch immer (Ausbau, Verkehrsleitung 582
Dies war in der Vergangenheit offenbar der Hauptgrund für die unterbliebene Abgabe von Wasserstraßen an die Länder, vgl. dazu die Antwort der Bundesregierung auf eine entsprechende Anfrage im Bundestag, BT-Drs. 16/7651, S. 3. 583 Zutreffend (s. o.) OVG Frankfurt/Oder, Beschl. v. 25.02.2004 – B 253/03 –, NuR 2004, 532, 533; vgl. dazu aus den Landeswassergesetzen zum Beispiel Art. 27 BayWG, § 36 SächsWG und § 73 V NWG.
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sonstige Fördermaßnahmen), einen allgemeinen und insbesondere überregionalen Verkehr auf dem Gewässer zu etablieren, weil das nur unter Bundesverwaltung nach Art. 89 II 1 GG möglich ist. Das Land könnte sich höchstens zu diesem Zweck die Verwaltung der Wasserstraße nach Art. 89 II 3 GG übertragen lassen, was der Bund aber womöglich wegen der damit nach Art. 104a II GG verbundenen Kostenlast ablehnen würde. Im Übrigen kann der Bund auch eine dem allgemeinen Verkehr noch tatsächlich dienende Wasserstraße durch Streichung aus der Anlage zum Wasserstraßengesetz entwidmen, weil er grundsätzlich nicht zur Erhaltung der Schiffbarkeit einzelner Wasserstraßen verpflichtet ist (ausführlich dazu unter B. III. 7. a))584. Gründe für eine solche Entscheidung können zum Beispiel hohe Unterhaltungskosten sein oder Belange des Naturschutzes, wenn ein Gewässer ein besonderes Schutzgebiet durchzieht und dieses gerade durch die Schifffahrt unzulässig beeinträchtigt wird. Gegen die hier entwickelte Auffassung kann auch nicht angeführt werden, dass durch die Aufnahme eines Gewässers in die Anlage zum Wasserstraßengesetz das Merkmal „dem allgemeinen Verkehr dienend“ (konstitutiv) fingiert wird.585 Eine verfassungsrechtlich vorgegebene Voraussetzung für die Anwendung von Bundesrecht und Bundesverwaltung kann nicht einfachgesetzlich fingiert werden, weil dies zu einer unzulässigen KompetenzKompetenz führt. Allenfalls kann dem Bund hinsichtlich der Beurteilung der Verkehrsfunktion ein gewisser Einschätzungsspielraum zugestanden werden. Dieser rechtfertigt sich daraus, dass der Verkehr auf einem Gewässer naturgemäß auch längerfristig Schwankungen unterliegen kann. Hat sich aber ein Verkehr auf einer Bundeswasserstraße deutlich verringert, so ist ein Verbleib des Gewässers beim Bund nur dann gerechtfertigt, wenn aufgrund einer fundierten Prognose, gegebenenfalls auch nach Durchführung entsprechender Maßnahmen zur Erhaltung des für den allgemeinen Verkehr erforderlichen Ausbauzustandes, in Zukunft wieder mit einem erheblichen Verkehr zu rechnen ist.586 Für eine solche Prognose gelten die von der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Grundsätze.587 Sie muss danach 584
Dies erkennt nur ansatzweise Weidmann, VR 2003, 309, 310. So etwa Schulze, NVwZ 2000, 1289, 1290. 586 Zu einer ähnlichen Konstellation im Bereich der Bundesfernstraßen vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 13.07.2010 – 9 B 104/09 –, NVwZ 2010, 1299; wonach für die Beantwortung der Frage, ob auf eine Änderung einer Bundesfernstraße das FStrG anwendbar ist, vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Kompetenzordnung auf die zukünftige Verkehrsbedeutung abzustellen ist. 587 Vgl. nur BVerfG, Beschl. v. 02.06.2008 – 1 BvR 349/04 – NVwZ 2008, 1229, 1231 m.w.N (zum Enteignungsbedarf bei Maßnahmen nach dem BauGB); BVerwG, Urt. v. 07.07.1978 – 4 C 79.76 – BVerwGE 56, 110, 121 = NJW 1979, 64; SächsVerfGH, Urt. v. 25.11.2005 – Vf. III 119/04 – SächsVBl 2007, 34, 38 (zur Auflösung einer Gemeinde für die Schaffung eines Braunkohletagebaus). 585
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von zutreffenden Anknüpfungstatsachen ausgehen, die zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausschöpfen und auf einer anerkannten Methode beruhen. Dass sie sich hingegen im Ergebnis als richtig erweist, ist nicht erforderlich, sondern nach Ablauf des Prognosezeitraums Anlass dafür, die Einordnung als Bundeswasserstraße noch einmal zu überprüfen. Zusammenfassend lässt sich deshalb festhalten: Der Bund kann durch Streichung von Wasserstraßen aus dem Anlagenverzeichnis des WaStrG einzelne Gewässer dem (vorhandenen) allgemeinen Schiffsverkehr entziehen, ohne dass es dafür der Mitwirkung der Länder nach § 2 WaStrG bedürfte, weil er verfassungsrechtlich nicht zur Erhaltung einzelner Wasserstraßen für den Schiffsverkehr verpflichtet ist. Er muss eine solche Änderung vornehmen, wenn eine Wasserstraße die Bedeutung für den allgemeinen Verkehr verloren hat. Die Länder entscheiden dann über das weitere (verkehrsrechtliche) Schicksal des Gewässers. Den Abschluss einer Vereinbarung nach § 2 I WaStrG mit Eigentumsübergang kann der Bund nicht von den Ländern verlangen, diese aber von ihm. 2. Inhalt und Reichweite des Bundeseigentums an den Wasserstraßen nach Art. 89 I GG sowie die Bindungen der Bundesverwaltung an fachfremdes (Landes-)Recht Das Eigentum des Bundes an den Wasserstraßen ist nach Art. 89 I GG seiner Rechtsnatur nach privatrechtlich (dazu unter a)). Die konkrete Ausgestaltung des Eigentums ergibt sich demnach aus dem einfachen Recht (weiter unter b)). Dabei stellt sich die Frage, ob die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung berechtigt ist, die Eigentümerbefugnisse auch gegenüber subjektiv-öffentlichen Rechten Dritter geltend zu machen (unter c)). Des Weiteren ist der Bund in weitem Umfang auch an das Ordnungsrecht, insbesondere das Ordnungsrecht der Länder gebunden. Die Einzelheiten der so genannten „Polizeipflichtigkeit“ sind jedoch umstritten (unter d)). Das gilt auch für die Bindung des Bundes an die nach dem Wasserhaushaltsrecht in Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie bestehenden Bewirtschaftungsziele für Bundeswasserstraßen (unter e)). Besonderer Betrachtung bedürfen schließlich die nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen des Bundes (schließlich unter f)). a) Rechtsnatur des Eigentums des Bundes Nach ganz überwiegender Auffassung ist das durch Art. 89 I GG angeordnete Bundeseigentum privatrechtliches Eigentum im Sinne von § 903
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BGB588, so dass sich allein aus dem Eigentum keine hoheitlichen Befugnisse ergeben. Die früher vereinzelt vertretene These589, aufgrund des Eigentums seien die Wasserstraßen des Bundes ein bundesunmittelbares Territorium, das der Staatsgewalt der Länder nicht unterliege, hat nachfolgend keine weiteren Anhänger gefunden. Art. 89 I GG begründet demnach auch kein so genanntes öffentliches Eigentum, welches für sich genommen die Verwaltung eines bestimmten Gegenstandes legitimieren würde.590 Mithin schafft Art. 89 I GG keinen eigenständigen Eigentumsbegriff, was angesichts des dürftigen Wortlauts der Bestimmung auch kaum vorstellbar ist, sondern er setzt vielmehr die Existenz des bürgerlich-rechtlichen Eigentumsbegriffes voraus. b) Ausgestaltung durch einfaches Recht und Reichweite der Eigentümerbefugnisse Folge der bürgerlich-rechtlichen Natur des Eigentums ist, dass sich dessen Ausgestaltung nach dem einfachen Recht richtet. Hinzu kommt die Nutzung der Bundeswasserstraßen durch die Schifffahrt nach den dafür geltenden Regelungen und die Unterstellung der Bundeswasserstraßen unter das Bundeswasserstraßengesetz. Wegen dieser Überlagerung der bürgerlichrechtlichen Herrschaft des Eigentümers durch das öffentlich-rechtliche Nutzungsregime spricht man auch vom „modifizierten Privateigentum“.591 Der Eigentümer muss seine Befugnisse dem öffentlichen Zweck unterordnen. Betrachtet man sodann die für die Bundeswasserstraßen, wie auch für andere Gewässer geltenden Regelungen, so erlegt insbesondere das öffentliche Recht dem Eigentümer in erster Linie Pflichten zur Duldung der Nutzung der Bundeswasserstraßen durch Dritte und die Allgemeinheit auf: Nach § 5 S. 1 WaStrG ist auf den Bundeswasserstraßen die Schifffahrt erlaubt, § 25 WHG gestattet den wasserwirtschaftlichen Gemeingebrauch für jedermann. Nach § 8 I, 10 I WHG und den entsprechenden Regelungen der Landeswas588
Ibler, in: v. Mangoldt/Klein/Starck Art. 89 Rdnr. 15; Hoog, in: Münch/Kunig, Art. 89 Rdnr. 12; Gröpl, in: Maunz/Dürig, Art. 89 Rdnr. 28; ebenso Maunz ebd. (Erstkommentierung), Rdnr. 20, 23; Hermes, in Dreier, Art. 89 Rdnr. 14; Durner, in: Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 89 Rdnr. 12; Friesecke, WaStrG Einl. Rdnr. 21; Krüger, Gegenwartsfragen der Wasserwirtschaft, S. 132; Czychowski/Reinhardt, WHG § 4 Rdnr. 9; Berendes, in: Berendes/Frenz/Müggenborg, WHG, § 4 Rdnr. 11. BGH, Urt. v. 28.05.1976 – III ZR 186/72 –, BGHZ 67, 152, 155 = NJW 1977, 31; OLG Bremen, Urt. v. 23.06.1971 – 3 U 24/71c –, zitiert nach juris Rdnr. 52. 589 Hamann, DVBl 1961, 394, 395. 590 Näher BGH, Urt. v. 30.04.1953 – III ZR 377/51 – BGHZ 9, 373, 381. 591 Näher auch zur Historie der Theorie vom modifizierten Privateigentum BGHZ 9, 373, 380 (Fn. 590), Reinheimer, S. 129 m. w. N.
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sergesetze können sich Dritte Nutzungen im Sinne des § 9 WHG durch öffentlich-rechtliche Zulassung gewähren lassen, mit der Folge, dass der Eigentümer des Gewässers diese Nutzung gemäß § 4 IV 1 WHG dulden muss. Erstrebt der Gewässereigentümer selbst eine Nutzung nach § 9 WHG, bedarf er dafür ebenfalls der behördlichen Zulassung, weil das Eigentum nach § 4 III Nr. 1 WHG nicht zur erlaubnisfreien Benutzung des Gewässers ermächtigt; eine Ausnahme bildet lediglich der Eigenbedarf nach § 26 I WHG. Hinzu kommt für den Gewässereigentümer regelmäßig die Unterhaltungslast. Diese starke Pflichtenstellung des Gewässereigentümers rechtfertigt sich aus der Bedeutung der Gewässer in ihrer Versorgungsfunktion für die Allgemeinheit.592 Eine weitere Folge des Privateigentums an den Bundeswasserstraßen ist die privatrechtliche Verkehrssicherungspflicht, bei deren Verletzung der Bund den Geschädigten nach § 823 BGB Ersatz schuldet, nicht hingegen nach § 839 I 1 BGB iVm. Art. 34 S. 1 GG. Eine im Straßenrecht häufig anzutreffende Regelung593, wonach der Bund der Sicherung der Wasserstraßen durch eine öffentliche-rechtliche Pflicht genügen müsste, besteht nicht, § 8 I 1 WaStrG ist allein objektiv-rechtlicher Natur.594 Für den Geschädigten hat dies den Vorteil, dass die Einschränkungen der Amtshaftung (z. Bsp. § 839 III BGB) nicht gelten. Jenseits des Gemeingebrauchs und der sich aus dem Wasserrecht für Benutzungen ergebenden Duldungspflicht verbleibt dem Bund die Befugnis, als Eigentümer mit den Bundeswasserstraßen nach Belieben zu verfahren und auch andere von Einwirkungen auf sein Eigentum auszuschließen.595 Welche Befugnisse das im Einzelnen sind, ist je nach Reichweite der wasserrechtlichen Beschränkungen in den Bundesländern unterschiedlich. In der Rechtsprechung anerkannte Fälle für die Eigentümerbefugnisse des Bundes sind die Nutzung des Gewässerbettes596, das Jagdrecht597, die Inanspruch592 A. A. Papier, S. 132, der das Maß zulässiger Sozialbindung des Eigentums für überschritten hält. 593 So zum Beispiel § 10 I SächsStrG, § 10 I 1 BbgStrG. 594 Zum Ganzen BGH, Urt. v. 15.11.1982 – II ZR 206/81 –, BGHZ 86, 152, 153/159 = NJW 1983, 2313; für die Zeit vor Inkrafttreten des WaStrG: Urt. v. 09.02.1956 – III ZR 255/54 –, BGHZ 20, 57, 59; BGHZ 9, 373, 387 (Fn. 590) und Gröpl, in: Maunz/Dürig, Art. 89 Rdnr. 68. Zu den Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht im Einzelnen ausführlich Schifffahrtsobergericht Karlsruhe, Urt. v. 10.09.2001 – U 3/00 BSch –, NZV 2002, 326. 595 BGH, Urt. v. 24.11.1967 – V ZR 172/64 –, BGHZ 49, 68, 71 = NJW 1968, 598. 596 BGH, Urt. v. 25.06.1958 – V ZR 275/56 –, BGHZ 28, 34, 38. 597 BGH, Urt. v. 26.02.1958 – V ZR 123/56 –, BGHZ 26, 384, 386; Friesecke, WaStrG Einl. Rdnr. 23 m. w. N.; näher auch Ibler, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 89 Rdnr. 24.
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nahme der Wasserstraße für bauliche Anlagen, insbesondere für Schiffsliegeplätze oder Anlagen zum Fischfang598, und die Erzeugung von Energie durch Wasserkraft599. Ausgangspunkt dieser Fälle war oft die zu bejahende Frage, ob der Bund als Eigentümer über die Nutzung der Bundeswasserstraße in den genannten Fällen entgeltliche Verträge schließen konnte. Die Erhebung von Entgelten für die Nutzung der Bundeswasserstraßen durch die Schifffahrt ist hingegen kein Ausfluss der Eigentümerbefugnisse, sondern das Abfordern einer Gegenleistung für die vom Bund hoheitlich wahrgenommene Aufgabe der Erhaltung der Wasserstraßen für die Schiffbarkeit. Das Benutzungsverhältnis durch die Schifffahrt ist zudem öffentlich-rechtlich ausgestaltet, so dass auch die Erhebung der so genannten Schifffahrtsabgaben öffentlich-rechtlich erfolgt, wenngleich der Bund dafür jedenfalls im Moment nicht über eine hinreichende Rechtsgrundlage verfügt.600 Die übrigen Beispiele zeigen aber insgesamt, dass das Bundeseigentum an den Wasserstraßen nicht zu einer reinen Pflichtenstellung ohne vermögenswerte Rechte degeneriert ist601. Durch die Föderalismusreform ist den Ländern überdies nach Art. 72 III 1 Nr. 5, Art. 125b I 3 GG die Möglichkeit eröffnet worden, ab dem 1. Januar 2010 vom Wasserhaushaltsrecht des Bundes abzuweichen. In der Folge dessen steht es den Ländern dann frei, die Ausgestaltung der öffentlich-rechtlichen Belastungen der Gewässereigentümer zu deren Gunsten oder zu deren Lasten zu verändern. Während eine weitere Einschränkung der Gewässereigentümerbefugnisse für Privatpersonen an Art. 14 GG gemessen werden müsste, ergeben sich für den Bund keine derartigen Einschränkungen, dieser kann sich auf Art. 14 GG nicht berufen.602 Unzulässig 598 OLG Bremen, Urt. v. 08.11.1972 – 3 U 28/72 –, VersR 1977, 327, 328 (Schiffsliegeplatz); LG Aurich, Urt. v. 19.04.1978 – 3 S 172/77 – VkBl. 1979, 18, 19. 599 OLG Naumburg, Urt. v. 02.08.2006 – 6 U 176/05 –, LKV 2007, 383; anders für das Landesrecht in Niedersachsen BGH, Urt. v. 07.05.2009 – III ZR 48/08 – BGHZ 180, 372, 377 = NVwZ 2009, 1244. 600 Ausführlich dazu Kreuter, NordÖR 2007, 271. Die Erhebung der Schifffahrtsabgaben soll sich nach anderer Auffassung (vgl. auch Friesecke, WaStrG § 5 Rdnr. 8) auf das „Gesetz betreffend den Ausbau der Wasserstraßen und die Erhebung von Schiffahrtsabgaben“ vom 24.12.1911 (RGBl 1911, 1137) stützen können. Die Fortgeltung dieses Gesetzes scheitert aber an Art. 123 I GG (Kreuter, ebd., S. 272). Die Auffassung, wonach der Bund für die Erhebung von Schifffahrtsabgaben derzeit keine Rechtsgrundlage hat, vertritt auch der Bundesrechungshof, vgl. dazu BT-Drs. 12/5650, S. 79 und den Jahresbericht 2000 in BT-Drs. 14/4226, S. 160. 601 Schimikowski, ZfW 1986, 209, 219; a. A. Papier, S. 132. 602 Ähnlich dazu auch Schimikowski, ZfW 1986, 209, 215 f.; vgl. zur Problematik auch BGHZ 180, 372, 380 (Fn. 599).
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wären jedoch wasserrechtliche Regelungen, welche die Pflichtenstellung des Bundes so sehr verschärfen, dass die Erfüllung der Verwaltungsaufgaben wesentlich erschwert wird. Eine solche Regelung würde gegen Art. 89 II 1 GG verstoßen. Die Wahrnehmung der Eigentümerbefugnisse erfolgt bei Wasserstraßen des Bundes, die dem allgemeinen Verkehr dienen, durch die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung, da die Verwaltung nach Art. 89 II 1 GG auch die Vermögensverwaltung umfasst (siehe unter B. III. 3. a) dd)). Bei den nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen des Bundes müsste die Ausübung der Eigentümerbefugnisse entgegen der bisherigen Praxis von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben wahrgenommen werden (siehe unter B. III. 2. c) bb)). c) Verhältnis der Eigentümerbefugnisse zu subjektiv-öffentlichen Rechten Dritter Bei Benutzungen eines Gewässers nach dem Wasserhaushaltsrecht der Länder ist der Gewässereigentümer zur Duldung der Benutzung verpflichtet, seine Eigentümerbefugnisse sind insofern zurückgedrängt. Geht es aber um die Errichtung von Anlagen in der Bundeswasserstraße, die keine Benutzungen darstellen bzw. über den Begriff der Benutzung hinausgehen, kann der Bund eine derartige Inanspruchnahme der Bundeswasserstraße als Eigentümer verweigern bzw. dafür ein Entgelt verlangen.603 Für solche Maßnahmen wird aber regelmäßig zugleich eine strom- und schifffahrtspolizeiliche Genehmigung nach § 31 I Nr. 2 WaStrG benötigt.604 Diese darf nach § 31 V 1 WaStrG nur versagt werden, wenn Beeinträchtigungen des für die Schifffahrt erforderlichen Zustandes der Bundeswasserstraße oder Beeinträchtigungen der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs zu erwarten sind, die durch Nebenbestimmungen nicht beseitigt oder ausgeglichen werden können. Liegen die Versagungsgründe nicht vor, besteht also ein subjektiv-öffentliches Recht zur Errichtung von Anlagen in einer Bundeswasserstraße. Nun fragt sich, ob der Inhaber der strom- und schifffahrtspolizeilichen Genehmigung noch zusätzlich einer privatrechtlichen Gestattung der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung bedarf und falls dem so ist, unter welchen Voraussetzungen die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung die Gestattung verweigern dürfte. Einerseits besteht auf die Inanspruchnahme der Bundeswasserstraße kein durch spezielle Grundrechte verbürgter Anspruch, wie dies etwa bei der 603
Wirth/Schulze, § 31, Anm. zu Abs. 6. Vgl. den vom LG Aurich, Urt. v. 19.04.1978 – 3 S 172/77 – VkBl. 1979, 18, 19 behandelten Fall zur Errichtung einer Einrichtung zum Fischfang. 604
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Baugenehmigung der Fall ist, die in ihrer öffentlich-rechtlichen Wirkung der strom- und schifffahrtspolizeilichen Genehmigung vergleichbar ist. Im Gegenteil: Es geht darum, fremdes Eigentum nutzen zu dürfen. Die stromund schiffahrtspolizeiliche Genehmigung stellt dem Wortlaut des § 31 V 1 WaStrG nach lediglich die Vereinbarkeit mit dem Wasserstraßenrecht fest (feststellender Genehmigungsteil) und hebt das Anlagenerrichtungsverbot (verfügender Teil) auf. Das ließe darauf schließen, dass daneben noch eine eigentumsrechtliche Gestattung erforderlich ist.605 Andererseits hätte dies zur Folge, dass die Wasserstraßenverwaltung auf diesem Wege bereits erteilte Genehmigungen de facto entwerten könnte. Sie könnte außerdem Anträge auf Genehmigungserteilung bereits wegen fehlendem Sachbescheidungsinteresse ablehnen und die Gestattung verweigern.606 Bei Ablehnung wegen fehlendem Sachbescheidungsinteresse könnte mit der gerichtlichen Überprüfung aber womöglich nicht mehr zu der Frage vorgedrungen werden, ob das Vorhaben nach § 31 WaStrG genehmigungsfähig ist. Gewöhnungsbedürftig erscheint auch der Gedanke, dass die ansonsten hoheitliche handelnde Wasser- und Schifffahrtsverwaltung nach Belieben das Errichten von Anlagen in der Bundeswasserstraße verhindern kann, obgleich ein subjektiv-öffentliches Recht besteht. Rechtsprechung zu diesem Fragenkreis existiert bislang kaum. Der Bundesgerichtshof hat lediglich in einer vor Inkrafttreten des Bundeswasserstraßengesetzes ergangenen Entscheidung ausgesprochen, dass der Bund als Eigentümer eine besondere Stellung habe. Weil an der Teilnahme an der Ausnutzung der Wasserläufe ein dringender Bedarf bestehe, müsse der Bund potenziellen Nutzern der Wasserstraße unter Wahrung der übrigen Verwaltungsaufgaben entgegenkommen.607 Eine derartige Vorgabe ist rechtlich jedoch kaum greifbar und praktisch schwer umsetzbar. Der richtige Ansatzpunkt muss daher ein anderer sein: Die öffentliche Hand unterliegt auch bei Handlungen jenseits der Hoheitsverwaltung jedenfalls dem allgemeinen Gleichheitssatz und dem daraus abgeleiteten Willkürverbot.608 Ist eine Ge605
So Friesecke, WaStrG § 31 Rdnr. 3; für den Bereich der Bundesfernstraßen unter Berufung auf § 8 X FStrG auch BVerwG, Urt. v. 11.04.1986 – 4 C 42/83 –, NVwZ 1986, 836. 606 BVerwG, Beschl. v. 12.08.1993 – 7 B 123/93 –, NVwZ-RR 1994, 381 m. w. N. 607 BGH, Urt. v. 24.11.1967 – V ZR 172/64 –, BGHZ 49, 68, 75 = NJW 1968, 598; für das öffentliche Straßenrecht geht OVG Greifswald, Beschl. v. 12.02.2004 – 3 M 77/03 –, zitiert nach juris Rdnr. 28, offenbar davon aus, dass der Straßeneigentümer, der mit der Genehmigungsbehörde für eine Sondernutzungserlaubnis identisch ist, die Erlaubnis nicht unter Verweis auf das Eigentum mangels Sachbescheidungsinteresse verweigern darf. 608 BGH, Urt. v. 26.10.1960 – V ZR 122/59 –, BGHZ 33, 230, 233 = NJW 1961, 308.
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nehmigung nach § 31 I Nr. 2 WaStrG zu erteilen, darf die grundsätzlich erforderliche privatrechtliche Gestattung nur aus sachlichen Gründen verweigert werden bzw. der Genehmigungsantrag mangels Sachbescheidungsinteresse bei Verweigerung der Gestattung abgelehnt werden. Ein tragfähiger Verweigerungsgrund liegt beispielsweise vor, wenn die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung die Erteilung der Gestattung in vergleichbaren Fällen an die Zahlung eines einheitlich festgelegten Entgeltes knüpft und der Antragsteller dieses Entgelt nicht entrichten will. Ein anderer Grund kann darin liegen, dass die vorgesehene Stelle in der Bundeswasserstraße schon einem Dritten zur Nutzung überlassen ist.609 Im Ergebnis bleibt daher deshalb festzuhalten, dass der Bund bei der Ausübung der ihm verbleibenden Eigentümerbefugnisse an den Bundeswasserstraßen nicht willkürlich unter Missachtung des Gleichheitssatzes handeln darf. d) Polizeipflichtigkeit des Bundes im Bereich der Wasserstraßenverwaltung Da die Eigentumsrechte des Bundes durch das Wasserrecht (WHG, Landeswassergesetze) stark öffentlich-rechtlich überlagert sind, muss sich der Bund nach allgemeiner Auffassung an dieses (Landes-)recht halten.610 Es erscheint daher konsequent, wenn man eine Bindung des Bundes auch an andere Vorschriften des Ordnungsrechtes von Bund und Ländern bejaht, die den Bund nicht nur, aber überwiegend auf Grund seiner Eigentümerposition betreffen.611 Dennoch wird diese so genannte materielle Polizeipflichtigkeit des Bundes nicht durchgehend bejaht (dazu aa)). Dies gilt insbesondere für die Frage der Zustandshaftung bei Gewässerverunreinigungen (nachfolgend 609 VG Ansbach, Urt. v. 02.07.2008 – AN 15 K 08.00280 –, zitiert nach juris Rdnr. 30 ff.; vgl. auch NdsOVG, Urt. v. 24.08.1983 – 14 OVG A 65/82 – VkBl 1984, 98. 610 Ibler, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 89 Rdnr. 21; Gröpl, in: Maunz/Dürig, Art. 89 Rdnr. 121; Sachs, Art. 89 Rdnr. 9; Hoog, in v. Münch/Kunig, Art. 89 Rdnr. 12; 20; Durner, in: Berliner Kommentar zum Grundgesetz Art. 89 Rdnr. 12; Friesecke, WaStrG Einl. Rdnr. 11; Abt, DÖV 1960, 819, 820; Sievers, DVBl 10960, 457, 464; Reinheimer, S. 172; Petersen, Dt. Küstenrecht, Rdnr. 1193; Berendes, in: Berendes/Frenz/Müggenborg, WHG, § 4 Rdnr. 12. 611 Aus der Rechtsprechung vgl. zunächst für bundeseigene Waldflächen BVerwG, Urt. v. 16.01.1968 – I A 1.67 – BVerwGE 29, 52, 58 = DVBl 1968, 749 und Urt. v. 09.05.2001 – 6 C 4.00 – BVerwGE 114, 233, 238 f. = NVwZ 2001, 1152; eine Bindung des Bundes an sonstiges Ordnungsrecht bezüglich der Wasserstraßen wird in BVerwG, Urt. v. 28.06.2007 – 7 C 3/07 NVwZ-RR 2007, 750 (zur Gewässerbenutzung) und Urt. v. 25.09.2008 – 7 A 4.07 – NuR 2009, 42 (Denkmalschutz) vorausgesetzt.
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bb)). Gleiches gilt für die Frage der formellen Polizeipflichtigkeit, inwieweit also der Bund an Genehmigungs- und Anzeigeerfordernisse nach Landesrecht oder Anordnungen von Landesbehörden gebunden ist und diese befolgen muss (anschließend cc)). aa) Materielle Polizeipflichtigkeit Ein Teil der Literatur nimmt an, dass der Bund nicht in jedem Fall und bedingungslos an das materielle Ordnungsrecht der Länder gebunden ist. Betroffen sind beispielsweise Vorschriften aus dem Bereich des Natur- und Landschaftsschutzes, des Baurechts und des Denkmalrechts (zum Meinungsstand unter (1)). Diese Auffassung ist jedoch im Ergebnis abzulehnen (unter (2)): (1) Meinungsstand zur materiellen Polizeipflichtigkeit In seiner Entscheidung zu bundeseigenem Wald vom 16. Januar 1968 formulierte das Bundesverwaltungsgericht einst, dass Bund und Länder mit ihren Kompetenzen gleichrangig nebeneinander stünden, so dass der Bund bei hoheitlicher und auch bei nichthoheitlicher Tätigkeit an die allgemeinen Gesetze gebunden sei. Bei hoheitlicher Tätigkeit gelte dies, unabhängig davon, auf welcher Normsetzungsebene das jeweilige Recht entstanden sei, unter dem Vorbehalt, dass im Einzelfall kollidierende öffentliche Interessen nach Gesichtspunkten des Wohls der Allgemeinheit gegeneinander abzuwägen seien.612 Dem folgend nimmt ein Teil der Literatur eine nur eingeschränkte materielle Polizeipflichtigkeit des Bundes an.613 In jüngerer Zeit hat das Bundesverwaltungsgericht den Vorbehalt kollidierender öffentlicher Interessen freilich nicht mehr erwähnt, auch wenn es auf die Entscheidung vom 16. Januar 1968 Bezug genommen hat. Vielmehr wurde die Bindung an das Landesrecht in den Vordergrund gestellt614 und 612 BVerwGE 29, 52, 58 (Fn. 611); Urt. v. 18.04.1975 – VII C 2.74 – KStZ 1975, 175, 176 (Anschluss- und Benutzungszwang für Kaserne des Bundesgrenzschutzes). 613 Friesecke, WaStrG Einl. Rdnr. 11 und § 48 Rdnr. 1,3 unter Berufung auf die Regelung in § 48 S. 1 WaStrG, die auch einen materiellen Gehalt habe; Gebhard, DÖV 1986, 545, 549 bezeichnet dies als „elastische Gesetzesbindung“ unter Berufung auf einen „allgemeinen Grundsatz des Verwaltungsrechts“; Czychowski/Reinhard, WHG, § 4 Rdnr. 12; Salzwedel, NuR 1984, 165, 168 will die Abwägung entsprechend dem allgemeinen Abwägungsgebot im Planungsrecht vornehmen; ohne eigene Stellungnahme Reinheimer, S. 172. Ablehnend und für eine umfängliche Bindung des Bundes an Landesrecht Schoch, JuS 1994, 849, 852; Dittmann, S. 104 f. und wohl auch Scholz, DVBl 1968, 732, 733, 739 m. w. N.
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für eine Ausnahme von der Bindung an Landesrecht eine spezielle bundesrechtliche und kompetenzgemäße Rechtsgrundlage gefordert.615 (2) Stellungnahme Angesichts der umfassenden Gesetzesbindung der Verwaltung in den Artt. 1 III, 20 III GG ist ein allgemeiner Vorbehalt, welcher einem Hoheitsträger die Abweichung vom eigenen oder fremden materiellen Recht gestattet, nicht begründbar. Eine Lockerung der Gesetzesbindung sieht das Grundgesetz selbst nicht vor. Zudem bleibt unklar, unter welchen Voraussetzungen und wie weit im Einzelnen eine Lockerung der Gesetzesbindung stattfinden kann. Dies würde darüber hinaus auch die gerichtliche Kontrolle erschweren und letztlich rechtsfreie oder rechtsarme Räume schaffen, in denen der Bund unter Berufung auf überwiegende öffentliche Interessen allenfalls noch an das Willkürverbot gebunden wäre. Umgekehrt müsste ein solcher Abweichungsvorbehalt auch den Ländern bezüglich des Bundesrechts eingeräumt werden. Bedenkt man weiterhin, dass Ordnungsrecht der Länder oft auch dem Schutz Dritter zu dienen bestimmt ist, insbesondere im Gefahrenabwehrrecht, ergeben sich weitere Probleme. Der Einzelne müsste dann nämlich gegebenenfalls hinnehmen, dass zu seinem Schutz dienende Vorschriften des Bundes- oder Landesrechts nur deshalb nicht eingehalten werden müssen, weil der Bund im Rahmen seiner Verwaltungstätigkeit handelt. Eine Abweichungsbefugnis lässt sich auch nicht aus dem „vermeintlichen Grundsatz“616 ableiten, wonach ein Hoheitsträger nicht in die hoheitliche Tätigkeit eines anderen Hoheitsträgers eingreifen darf. Maßgeblich ist allein die bundesstaatliche Kompetenzordnung, welche es den Ländern gestattet, die Anwendungsbereiche ihrer Gesetze selbst festzulegen (vgl. dazu schon unter B. III. 3. lit. b) dd) (2)). Im Übrigen ist ein möglicher Konflikt zwischen den Interessen der Bundesverwaltung und zuwider laufendem Landesrecht auf der Normsetzungsebene zu lösen: Zum einen ist denkbar, dass der Bund eine vom materiellen Landesrecht punktuell für die Wasserwegeverwaltung abweichende Regelung trifft. Diese Regelung müsste sich allerdings auf die Gesetzgebungskompetenz in Art. 74 I Nr. 21 GG stützen können, und sei es nur im Wege einer Annexkompetenz.617 Zum anderen 614 BVerwG, Urt. v. 30.07.1976 – IV A 1/75 –, NJW 1977, 163 (bauordnungsrechtliche Anforderungen an eine militärische Schießanlage). 615 BVerwG, Urt. v. 14.04.1989 – 4 C 31.88 –, BVerwGE 82, 17, 21 = NVwZ 1990, 561 und BVerwGE 114, 232, 239 (Fn. 611). 616 So explizit BVerwG, NuR 2009, 42, 43 (Fn. 611). 617 Salzwedel, NuR 1984, 165, 170.
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C. Weitere Folgen für das einfache Recht
ist es denkbar, dass Regelungen der Länder, wenn sie gezielt oder stark erschwerend in die Wasserstraßenverwaltung eingreifen618, wegen Verstoß gegen Art. 89 II 1 GG oder vorrangiges einfaches Bundesrecht nach Art. 31 GG verfassungswidrig sind. Vorstellbar wäre eine Regelung im Naturschutzrecht, welche es im Interesse des Naturschutzes verbietet, natürliche Wasserläufe für Zwecke der Schifffahrt zu vertiefen. Eine solche Regelung wäre in ihrem Kern eine wasserstraßenrechtliche Regelung. Wenn diese Frage durch Bundesrecht bereits abschließend geregelt wäre – was für die Zwecke dieser hier nur theoretisch angestellten Überlegung nicht weiter vertieft werden muss – dann würde diese Regelung am Vorrang des entgegenstehenden Bundesrechts scheitern. Nicht ausreichend ist hingegen, das Landesrecht allgemein und nicht nur in Bezug auf die Wasserstraßen für den Eigentümer einer Sache bestimmte Erschwerungen und Einschränkungen anordnet, wie das bei den naturschutzrechtlichen Vorschriften beispielsweise aufgrund der Eingriffsausgleichspflicht üblicherweise der Fall ist. Derartige Belastungen muss der Bund wie jeder andere Eigentümer auch hinnehmen. Derzeit enthält das WaStrG keine Regelung, die von materiellem Landesrecht ausdrücklich abweicht oder es der Wasserstraßenverwaltung im Einzelfall erlauben würde, von materiellem Landesrecht abzuweichen. Zwar wird die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung durch § 7 III, § 12 VI WaStrG für Unterhaltungsmaßnahmen sowie Maßnahmen des Ausbaus und Neubaus von Wasserstraßen von wasserrechtlichen Erlaubnissen, Bewilligungen oder Genehmigungen freigestellt. Gleiches gilt für die bundeseigenen Schifffahrtsanlagen, Schifffahrtszeichen und wasserbaulichen Anlagen, die hinsichtlich der Anforderungen der Sicherheit und Ordnung nach § 48 S. 2 WaStrG keine behördlichen Genehmigungen, Erlaubnisse und Abnahmen benötigen. Für die Einhaltung der Anforderungen der Sicherheit und Ordnung bei diesen Anlagen ist nach § 48 S. 1 WaStrG vielmehr die Wasserund Schifffahrtsverwaltung selbst verantwortlich. Entgegen anderer Auffassung619 betreffen diese Regelungen aber nur eine Freistellung von formellen Erfordernissen des Landesrechts. Gegen einen materiellen Regelungsgehalt sprechen im Falle von § 7 III, 12 VI WaStrG schon der Wortlaut. § 48 S. 1 WaStrG spricht mit „allen Anforderungen der Sicherheit und Ordnung“ das Ordnungsrecht im weitesten Sinne, mithin gerade auch das Landesrecht an.620 Auch hier gibt der Wortlaut nichts dafür her, dass § 48 S. 1 WaStrG 618
Ähnlich Salzwedel, NuR 1984, 165, 168, der darauf verweist, dass Landesgesetze nicht jegliche Bundestätigkeit, die im „gewissen Gegensatz“ zu ihnen steht, unterbinden dürfen; Scholz DVBl 1968, 732, 738. 619 Friesecke, WaStrG § 48 Rdnr. 1, 3; OVG Lüneburg, Beschl. v. 30.05.1983 – 3 OVG A 38/83 – NuR 1984, 110, vorgehend VG Schleswig, Urt. v. 14.03.1983 – 3 A 236/82 –.
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als eine Art Generalklausel verstanden werden muss, welche es dem Bund ermöglicht, selbst im Verwaltungsweg und ohne nähere gesetzliche Festlegung alle Anforderungen der Sicherheit und Ordnung zu bestimmen. Für den Bereich der Wasserstraßen und der dazugehörigen Anlagen können sich Anforderungen der Sicherheit und Ordnung überdies schon deshalb aus dem Landesrecht ergeben, weil die Länder hierfür auch eine (konkurrierende) Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 I Nr. 21 GG haben. Dass der Bund hinsichtlich der Anforderungen von Sicherheit und Ordnung von seiner Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 I Nr. 21 GG gerade durch die Regelung in § 48 S. 1 WaStrG abschließenden Gebrauch gemacht hat, kann dem Wortlaut kaum entnommen werden. Dagegen spricht auch die Stellung der Regelung im 10. Abschnitt des WaStrG, der in erster Linie Regelungen zu Zuständigkeiten und dem Verfahrensrecht enthält. Gegen eine materiellrechtliche Regelung spricht auch die Abschnittsüberschrift „Durchführung des Gesetzes“. Anderenfalls hätte es überdies nahe gelegen, in die Ermächtigungsregelung zum Erlass von Rechtsverordnungen in § 46 WaStrG die nähere Ausgestaltung der Anforderungen der Sicherheit und Ordnung aufzunehmen, was indes nicht der Fall ist. Im Ergebnis ist es daher zulässig, dass die Länder in Bauordnungen, Wassergesetzen und auch sonst im Ordnungsrecht materielle Regelungen treffen, welche auch für Anlagen in Bundeswasserstraßen volle Geltung beanspruchen. bb) Insbesondere: Zustandshaftung für Gewässerverunreinigungen Einen Teilbereich materieller Polizeipflicht bildet die Zustandshaftung des Bundes als Eigentümer für Verunreinigungen der Bundeswasserstraßen. Die damit zusammenhängenden Fragen beschäftigten die Rechtsprechung intensiv, nachdem Länderpolizeibehörden bei der Beseitigung von Gewässerverunreinigungen auf Bundeswasserstraßen aktiv geworden waren und hierfür anschließend vom Bund als Eigentümer unter Berufung auf dessen Zustandshaftung Kostenersatz verlangten. In seiner Entscheidung vom 30. November 1990 gelangte das Bundesverwaltungsgericht zu der Auffassung, dass die Beseitigung von Gewässerverunreinigungen nicht mehr von der Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenz des Bundes für die Schifffahrt und die Wasserstraßen erfasst sei (vgl. A. II. sowie B. III. 3. a)) und die Länder deshalb nicht gehindert wären, landesgesetzlich eine Zustandshaf620 BVerwG NVwZ-RR 2007, 750, 752 (Fn. 611) zu § 12 VI WaStrG, ebenso schon bezogen auf § 7 III die Vorgängerinstanz OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 17.05.2006 – 2 B 2.06 –, zitiert nach juris Rdnr. 21 und zu § 48 WaStrG BVerwG NuR 2009, 42, 45 (Fn. 611); ebenso OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 28.10.2008 – 2 M 195/08 –, Ls. in DVBl 2009, 133 (zitiert nach juris Rdnr. 10).
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tung des Bundes als Eigentümer zu begründen.621 Schon in früheren Entscheidungen zur Beseitigung von Tierkadavern hatte das Gericht festgestellt, dass die Zustandshaftung dem Bund nicht im Rahmen seiner hoheitlichen Aufgaben obliege, sondern als Eigentümer und er somit – ohne Verstoß gegen Bundesrecht – an materielles Landesrecht gebunden sei.622 Seitdem ist die Zustandshaftung des Bundes für seine Wasserstraßen in Rechtsprechung und Literatur weitgehend anerkannt.623 Dieses Ergebnis verwundert angesichts der grundsätzlich anerkannten Geltung der Vorschriften der Landeswassergesetze für den Bund nicht. Gleichwohl werden gegen die herrschende Meinung Bedenken vorgebracht: Die Zustandshaftung des Bundes stelle eine Umschichtung von Verwaltungskosten zu Lasten des Bundes dar, der wegen der eingeschränkten Nutzungsbefugnisse des Gewässereigentümers keine Privatnützigkeit gegenüberstehe.624 Die wirtschaftliche Nutzbarkeit des Eigentums wird dabei als Rechtfertigungsgrund der Zustandshaftung angesehen.625 Zudem ist der Bund nach Auffassung von Faber aufgrund der vorrangigen Vollzugskompetenz der Länder daran gehindert, Maßnahmen gegen den Verursacher oder Maßnahmen der Gefahrenvorsorge zu treffen, ihm fehle daher die als Rechtfertigungsgrund der Zustandshaftung ebenfalls denkbare Herrschaft über die Gefahrenquelle.626 621 BVerwG, Urt. v. 30.11.1990 – 7 C 4.90 –, BVerwGE 87, 181, 184 ff. = NJW 1991, 2435 = DVBl 1991, 392. 622 BVerwG, Urt. v. 29.10.1982 – 4 C 4/80 – NVwZ 1983, 474, 475 und Urt. v. 02.09.1983 – 4 C 5/80 NJW 1984, 817, 818 = DVBl 1984, 225. Auf diesen Aspekt geht das Gericht daher in BVerwGE 87, 181, 186 (Fn. 621) nur noch knapp ein. 623 Ibler, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 89 Rdnr. 25; Hoog, in: v. Münch/ Kunig, Art. 89 Rdnr. 12; Hermes, in: Dreier, Art. 89 Rdnr. 14; aus der Instanzgerichtsbarkeit: OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 30.04.1992 – 2 L 258/91 – ZfW 1993, 57, 59 = SchlHAnz 1993, 100; Urt. v. 31.01.2002 – 4 L 107/01 –, zitiert nach juris Rdnr. 36; HessVGH, Urt. v. 15.11.1991 – 7 UE 3372/88 – DÖV 1992, 752 = ZfW 1993, 38; Urt. v. 25.03.1992 – 5 UE 3288/88 – ZfW 1993, 41, 43 = NVwZ-RR 1992, 624; NdsOVG, Urt. v. 21.02.2002 – 7 LB 152/01 – VkBl 2003, 42 (zitiert nach juris Rdnr. 52); VG Schleswig, Urt. v. 02.04.2001 – 14 A 267/99 – NordÖR 2002, 269; VG Regensburg, Urt. v. 23.03.2000 – Ro 7 K 98.2180 –, zitiert nach juris Rdnr. 45 ff. 624 Durner, in: Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 89 Rdnr. 14; Friesecke, WaStrG, Einl. Rdnr. 26; ders. vertiefend in VerwArch 82 (1991), 565, 573; ablehnend wohl auch Petersen, Dt. Küstenrecht, Rdnr. 1244; Faber, JZ 1993, 948, 949 (Urteilsanmerkung zu BVerwGE 87, 181). 625 Friesecke, WaStrG, Einl. Rdnr. 26; BVerfG, Beschl. v. 16.02.2000 – 1 BvR 242/91 –, BVerfGE 102, 1, 17 = NJW 2000, 2573 benennt die Nutzungsbefugnis des Eigentümers als Rechtfertigungsgrund der Zustandshaftung, freilich im Rahmen von Art. 14 GG. 626 Faber, JZ 1993, 948, 949 (Fn. 624); Friesecke, VerwArch 82 (1991), 565, 573.
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Diese Gegenargumente überzeugen jedoch nicht: Es wurde bereits dargelegt, dass das Eigentum des Bundes an den Wasserstraßen durch das Wasserrecht zwar in erster Linie mit Pflichten des öffentlichen Rechts belastet ist (vgl. C. I. 2. b)). Dennoch verbleiben dem Bund Eigentümerbefugnisse, die eine Nutzung und Verwertung gestatten. Zudem kann sich der Bund auf Art. 14 GG nicht berufen, so dass eine fehlende Privatnützigkeit des Eigentums nicht gegen die Zustandshaftung geltend gemacht werden kann. Verfassungsrechtlich problematisch wäre die Zustandshaftung allenfalls, wenn die daraus resultierenden Belastungen die Erfüllung der Aufgaben der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung ernsthaft gefährden würden. Dafür ist indes nichts ersichtlich, da es sich lediglich um Kostenbelastungen handelt, welche im Vergleich zu den Gesamtkosten der Wasserstraßenverwaltung eher gering ausfallen dürften. Auch der Einwand fehlender Handlungsmöglichkeiten gegenüber den Verursachern verfängt nicht. Ein privatrechtliches Vorgehen als Eigentümer gegen den Verursacher bleibt theoretisch möglich.627 Allein praktisch hat der Bund das Problem, dass sich die Verursacher oft nicht ermitteln lassen (deswegen wird er überhaupt in Anspruch genommen) und ein vorbeugendes Unterlassungsbegehren unsinnig ist, denn gewöhnlich pflegen Gewässerverschmutzer ihr Handeln nicht im Vorfeld beim Bund anzumelden. Vor diesen praktischen Problemen steht aber auch die Länderverwaltung, so dass der Bund, wenn er hier über hoheitliche Befugnisse verfügte, im Ergebnis nicht besser stünde. Er wäre dann (allein) für die hoheitliche Beseitigung der Gewässerverunreinigungen verantwortlich und müsste bei unbekanntem Verursacher die Kosten der Beseitigung ebenfalls tragen. Ein Verstoß gegen Art. 104a I GG scheidet zudem aus, wenn man mit der herrschenden Meinung zutreffend davon ausgeht, dass die Gewässerreinhaltung nicht zu den dem Bund aufgrund von Art. 89 II GG hoheitlich obliegenden Verwaltungsaufgaben gehört. Betrachtet man schließlich die Rechtfertigungsgründe der Zustandshaftung des Eigentümers, so ist zu beachten, dass das Eigentum an den Wasserstraßen dem Bund auch gerade wegen seiner (finanziellen) Leistungsfähigkeit zugeordnet wurde.628 Diese gewährleistet, dass die mit dem Eigentum verbundenen Pflichten auch tatsächlich erfüllt werden können und 627
A. A. Friesecke, VerwArch 82 (1991), 565, 573 der in diesem Zusammenhang jedoch zu Unrecht auf das Fernsehurteil des BVerfG vom 28.02.1961 – 2 BvG 1, 2/60 BVerfGE 12, 205, 246 verweist. Art. 30 GG verbietet dem Bund danach die gesetzesakzessorische wie auch die gesetzesfreie Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben, welche den Ländern zugewiesen sind. Die Wahrnehmung von Eigentümerbefugnissen verbietet Art. 30 GG nicht, zumal diese richtigerweise zur Verwaltung i. S. v. Art. 89 II 1 GG als Teil der Vermögensverwaltung gehören (vgl. dazu unter B. III. 3. a)). 628 Vgl. nur HessVGH, Urt. v. 15.11.1991 – 7 UE 3372/88 – DÖV 1992, 752 = ZfW 1993, 38.
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die Beseitigung von Gewässerverunreinigungen nicht am Ende an fehlenden Mitteln oder Kompetenzgrenzen scheitert. Letzteres wäre zu befürchten, wenn die Länder auch auf der Kostenebene für Gewässerverunreinigungen verantwortlich wären. Da sich Gewässerverunreinigungen über Landesgrenzen hinweg erstrecken können, entstünde dann sofort die Frage, welches Land in derartigen Fällen die Kosten tragen muss bzw. in welchem Verhältnis mehrere Länder die Kosten teilen müssen. Hinzu kommt schließlich, dass die Gewässerreinhaltung bzw. der Wasserhaushalt ein Gemeinwohlbelang mit hoher gesamtstaatlicher Bedeutung ist.629 Deshalb muss die Reinhaltung der Bundeswasserstraßen auch auf der Kostenebene hinreichend abgesichert sein. Für den Bund als Eigentümer rechtfertigt auch dies die Zustandshaftung. Ob demgegenüber die Zustandshaftung eines Gewässereigentümers, der nicht der öffentlichen Hand zugehörig ist, mit Art. 14 I GG vereinbar ist, muss hier nicht weiter untersucht werden. Private Gewässereigentümer haben jedenfalls eine geringere Belastung mit öffentlichrechtlichen Pflichten, da Privateigentum an Bundeswasserstraßen derzeit nicht besteht und Privateigentümer deshalb auch nicht mit Unterhaltungspflichten nach dem Wasserstraßengesetz belastet sein können. Für die Zukunft kann die Streitfrage im Übrigen aufgrund der Regelung in § 4 I 2 WHG als geklärt gelten. Die ursprünglich im Entwurf für das neue WHG nicht vorgesehene Regelung wurde auf Initiative der Länder eingefügt. Damit sollte gerade die Zustandshaftung des Bundes klargestellt werden.630 cc) Formelle Polizeipflichtigkeit bzw. Bindung an fachfremdes Verfahrensrecht Die formelle Polizeipflichtigkeit von Hoheitsträgern wird regelmäßig unter zwei Aspekten diskutiert. Zum einen geht es um die Frage, ob ein Hoheitsträger im Rahmen seiner hoheitlichen Tätigkeit fachfremde Genehmigungs- oder Anzeigenerfordernisse beachten muss. Fachfremd sind Genehmigungs- oder Anzeigenerfordernisse, die einem Rechtsbereich oder Gesetz zugehören, für dessen Ausführung eine andere Behörde bzw. ein anderer Hoheitsträger zuständig ist. Zum anderen ist zu klären, ob gegen einen Hoheitsträger mit belastenden Verwaltungsakten eingeschritten werden kann, wenn er fachfremdes Recht nicht einhält. Beide Fragen werden teilweise 629
So schon im Ansatz BVerfG, Urt. v. 29.07.1959 – 1 BvR 394/58 – BVerfGE 10, 89, 113 = NJW 1959, 1675, ausdrücklich betont sodann im Beschl. v. 15.07.1981 – 1 BvL 77/78 – BVerfGE 58, 300, 339, 341 = NJW 1982, 745 = DVBl 1982, 340 (Nassauskiesung). 630 BR-Drs. 280/01/09, S. 3; Berendes, in: Berendes/Frenz/Müggenborg, WHG, § 4 Rdnr. 12: selbstverständliche Klarstellung.
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getrennt betrachtet bzw. es wird zwischen ihnen differenziert.631 Unterdessen geht es stets um die Grundsatzfrage der Bindung an Verfahrensrecht, denn auch die Frage, ob gegen einen Hoheitsträger mittels Verwaltungsakt eingeschritten werden kann, betrifft Verfahrensrecht und die Frage, inwieweit ein Hoheitsträger sich dem fachfremden Verfahrensrecht unterwerfen muss. Deshalb sollen beide Fragen für die grundsätzlichen Erwägungen hier zunächst gemeinsam betrachtet werden, was spätere Differenzierungen nach Betrachtung der Grundsatzfrage nicht ausschließt. Rechtsprechung und Literatur bejahen jedenfalls im Grunde eine Bindung von Hoheitsträgern an fachfremdes Verfahrensrecht, wobei die Rechtsprechung – insbesondere des Bundesverwaltungsgerichts – hierzu in letzter Zeit restriktiver geworden ist (unter (1)). Dem folgt das Schrifttum zum Teil nur vorsichtig (zum Meinungsstand nachfolgend unter (2)). Richtigerweise muss der Ansatz der Rechtsprechung konsequent fortentwickelt werden (unter (3)), mit den Schlussfolgerungen für die Verwaltung der Bundewasserstraßen unter (4)). Im Einzelnen: (1) Die Rechtsprechung zur Bindung an fachfremdes Verfahrensrecht Grundsätzlich ist in der Rechtsprechung schon lange geklärt, dass Hoheitsträger, allen voran der Bund, außerhalb der hoheitlichen Verwaltung auch an fachfremdes Verfahrensrecht gebunden sind. Dafür genügt es, wenn die fachfremden Gesetze, sei es Bundes- oder Landesrecht, in Wahrnehmung der jeweiligen Gesetzgebungskompetenzen zustande gekommen sind.632 Das betrifft auch die Möglichkeit des Einschreitens durch Verwaltungsakt.633 Für den Bereich hoheitlicher Tätigkeit ist das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 16. Januar 1968 zwar zunächst der Auffassung gefolgt, dass eine Hoheitsverwaltung nicht mit Anordnungen oder Zwang in die hoheitliche Tätigkeit einer anderen Verwaltung eingreifen dürfe. Es hat aber zugleich betont, dass dieser Grundsatz nur „Übergriffe und Eingriffe, nicht aber Einwirkungen, welche ihre Tätigkeit unberührt 631
So etwa bei Reinheimer, S. 173. BVerwG, Urt. v. 29.08.1961 – I C 167/59 – NJW 1962, 552, 554 (landesrechtliches Genehmigungserfordernis nach Bauordnungsrecht für Werbeanlage an Eisenbahnbrücken); darauf Bezug nehmend Urt. v. 16.01.1968 – I A 1.67 – BVerwGE 29, 52, 58 = DVBl 1968, 749. 633 NdsOVG, Urt. v. 21.02.2002 – 7 LB 153/01 – VkBl 2003, 42 (zitiert nach juris Rdnr. 52); explizit für die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen an einer Bundeswasserstraße Urt. v. 25.06.1987 – 3 OVG A 87/84 – ZfW 1988, 434, 435; ähnlich Urt. v. 21.04.2004 – 7 LC 97/02 – NuR 2004, 687, 690 und OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 31.01.2002 – 4 L 107/01 –, zitiert nach juris Rdnr. 36 (jeweils zur Zustandsverantwortlichkeit). 632
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C. Weitere Folgen für das einfache Recht
lassen“ ausschließt.634 Dementsprechend besteht grundsätzlich auch im Bereich der Hoheitsverwaltung eine Bindung an fachfremdes Verfahrensrecht und die Unterworfenheit unter entsprechende Genehmigungserfordernisse und Verwaltungsakte.635 Grundsätzlich anderer Auffassung war auch nicht der Hessische Verwaltungsgerichtshof, dessen Entscheidung vom 7. März 1996 zum Einschreiten gegen Immissionen eines kommunalen Hallenbades oft als Beleg für eine weitgehende Einschränkung der formellen Polizeipflicht von Hoheitsträgern herangezogen wird. Soweit nicht in den Hoheitsund Tätigkeitsbereich des anderen Hoheitsträgers eingegriffen werde, sind nach dessen Auffassung auch Zustimmungs-, Genehmigungs-, Auskunftsund Überwachungsrechte zulässig. Nur ein unmittelbares Einschreiten gegen die hoheitliche Tätigkeit (hier Betrieb des Hallenbades im Rahmen der gemeindlichen Selbstverwaltung) lehnte das Gericht ab.636 In jüngerer Zeit stellen Instanzgerichte darauf ab, ob die Wirkungen einer Verfügung den Grad einer „Kompetenznegation“ des anderen Hoheitsträgers erreichen bzw. ob durch die Verfügung die Erfüllung hoheitlicher Aufgaben beeinträchtigt ist.637 Das Bundesverwaltungsgericht hat seine Auffassung später weiter entwickelt und eine Bindung des Bundes an Landes(verfahrens-)recht angenommen, soweit Bundesrecht nicht im Rahmen der grundgesetzlichen Kompetenzordnung eine andere Regelung trifft.638 Zudem hält das Gericht auch Eingriffe durch belastende Verwaltungsakte für zulässig, wenn das materielle Recht auf die jeweilige hoheitliche Tätigkeit eines Hoheitsträgers anwendbar ist und die Eingriffsermächtigung hoheitliche Tätigkeiten nicht von der Vollzugskompetenz der zuständigen Überwachungsbehörde ausnehme.639 Daran anknüpfend hat das Gericht speziell für den Bereich der 634
BVerwGE 29, 52, 59 (Fn. 632). BVerwG, Urt. v. 30.07.1976 – IV A 1/75 –, NJW 1977, 163 (bauordnungsrechtliche Verfügung mit Anforderungen an eine militärische Schießanlage). 636 HessVGH, Beschl. v. 07.03.1996 – 14 TG 3967/95 – NVwZ 1997, 304, 305. 637 So schon NdsOVG, ZfW 1988, 434, 435 (Fn. 633); VG Schleswig, Urt. v. 02.04.2001 – 14 A 267/99 – NordÖR 2002, 269 (zitiert nach juris Rdnr. 23), allerdings für den Bereich der Zustandsverantwortlichkeit, der eigentlich – vom Gericht nicht näher beachtet – nicht zum Bereich der Hoheitsverwaltung gehört; ähnlich VG Mainz, Urt. v. 15.01.2008 – 3 K 313/07 –, zitiert nach juris Rdnr. 17. 638 BVerwG, Urt. v. 14.04.1989 – 4 C 31.88 –, BVerwGE 82, 17, 21 = NVwZ 1990, 561; Urt. v. 09.05.2001 – 6 C 4.00 – BVerwGE 114, 233, 238 f. = NVwZ 2001, 1152 (Befreiung des Bundes von einer Naturschutzgebietsverordnung), vgl. aber auch die zurückhaltende Entscheidung zum Brandschutz bei Bundeswehreinrichtungen in Urt. v. 10.12.1996 – 1 C 33/94 – NVwZ-RR 1997, 350, 352 in der es auf die Frage der Bindung an Verfahrensrecht allerdings nicht entscheidungserheblich ankam. 639 BVerwG, Urt. v. 25.07.2002 – 7 C 24/01 – BVerwGE 117, 1, 3 = NVwZ 2003, 346 = DVBl 2003, 60. 635
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Wasserstraßenverwaltung und die Kompetenz der Landesdenkmalbehörden bei Schifffahrtsanlagen, die dem Denkmalrecht unterfallen, auf das jeweilige Fachrecht verwiesen.640 Eine fehlende Vollzugskompetenz der Landesbehörden, lasse sich nicht schon mit einem vermeintlich dem Gesetz voraus liegenden Grundsatz begründen, nämlich einem (allgemeinen) Verbot behördlicher Eingriffe in den Aufgabenbereich anderer selbstständiger Hoheitsträger.641 Demnach scheint das Bundesverwaltungsgericht ein Abweichen von Landesverfahrensrecht nunmehr auch im Bereich hoheitlicher Tätigkeit nur noch aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Grundlage für zulässig zu halten. Belastende Verwaltungsakte sind grundsätzlich möglich, soweit das Fachrecht dem nicht entgegensteht. Offen ist in der Rechtsprechung allein noch die Frage, ob belastende Verwaltungsakte, welche die Tätigkeit einer Behörde unmittelbar einschränken oder ihr ein positives Tun abverlangen, zulässig sind. (2) Meinungen im Schrifttum In der Literatur sind die Meinungen zur formellen Polizeipflichtigkeit von Hoheitsträgern geteilt: Ein Teil vertritt, ungeachtet weiterer Differenzierungen im Detail, die Auffassung, dass die formelle Polizeipflicht von Hoheitsträgern nach wie vor nur eingeschränkt besteht.642 Nach Ansicht von Gebhard genügt bei Genehmigungserfordernissen eine bloße Anzeige des handelnden Hoheitsträgers, wenn die von ihm vorgenommene Handlung im Rahmen der hoheitlichen Verwaltung zwar genehmigungspflichtig ist, die Voraussetzungen des Genehmigungstatbestandes aber nur unter Verletzung der Vollzugspflicht des handelnden Hoheitsträgers erfüllt werden könnten.643 Ein Eingriff in die hoheitliche Tätigkeit eines anderen Hoheitsträgers durch Anordnungen soll möglich sein, sofern eine ausdrückliche Rechtsgrundlage bestehe, welche zum Handeln gegenüber anderen Hoheits640
BVerwG, Urt. v. 25.09.2008 – 7 A 4.07 – NuR 2009, 42, 43. BVerwG NuR 2009, 42, 43 (Fn. 640); ebenso schon BVerwGE 117, 1, 3 (Fn. 639; vollständig bei juris Rdnr. 7). 642 Gebhard, DÖV 1986, 545; Glöckner, NVwZ 2003, 1207; im Ergebnis auch Britz, DÖV 2002, 891, 897; Knemeyer, Rndr. 352; Pieroth/Schlink/Kniesel, § 5 Rdnr. 38, § 9 Rdnr. 8a; mit Differenzierungen Schenke, Rdnr. 234 und Kugelmann, S. 260 f. Speziell zum Wasserrecht: Czychowski/Reinhardt, WHG, § 4 Rdnr. 12; Friesecke, WaStrG, Einl. Rdnr. 11; Reinheimer, S. 178; womöglich auch Schwind, in: Berendes/Frenz/Müggenborg, WHG, § 100 Rdnr. 12, der von einem allgemeinen Vorrang der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung vor der Gewässeraufsicht der Länder ausgeht. 643 Gebhard, DÖV 1986, 545; 551. 641
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trägern ermächtige.644 Dies würde durch die Vorschriften in den Verwaltungsvollstreckungsgesetzen645 belegt, welche eine Vollstreckung gegen Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts ausschließen und dafür eine besondere Regelung verlangten.646 Im Übrigen bestehe ein grundsätzliches Eingriffsverbot für Behörden gegenüber anderen Hoheitsträgern (im Bund-Länder-Verhältnis), weil nach der Vorstellung des Grundgesetzes Bund und Länder selbstverantwortliche Verwaltungsträger seien.647 Britz ist schließlich der Auffassung, dass zwar grundsätzlich eine formelle Polizeipflichtigkeit besteht, diese aber kongruent mit der materiellen Polizeipflichtigkeit sei. Unter dem Gesichtspunkt der Sicherung öffentlicher Aufgaben kommt nach ihrer Auffassung im Ausnahmefall eine Einschränkung der Polizeipflicht in Betracht, wenn eine gesetzliche Regelung für die Lösung einer Kollision zwischen Aufgabenerfüllung und Gefahrenabwehr fehlt. Erforderlich sei dann eine Abwägung zwischen dem Interesse an der Gefahrenabwehr und dem Interesse an der Erfüllung der Aufgabe des handelnden Hoheitsträgers.648 Nach anderer Auffassung besteht eine strikte Bindung von Hoheitsträgern an fachfremdes Verfahrensrecht und auch eine Befugnis zum Erlass von Anordnungen gegenüber Hoheitsträgern.649 Nach Auffassung von Salzwedel kann aber beispielsweise die Bundesverwaltung gegenüber landesrechtlichen Genehmigungs- und Befreiungsvorbehalten die von ihr wahrzunehmenden Belange ins Feld führen, so dass es insbesondere bei Ermessensvorschriften zu einer Ermessensreduktion zugunsten des Bundes kommen kann.650 Für die Möglichkeit des Einschreitens durch Anordnungen gegenüber einem anderen Hoheitsträger spricht sich insbesondere Schoch aus: Bei Anerkennung einer Anordnungsbefugnis entstehe kein Kompetenzkonflikt, weil die anordnende Polizeibehörde lediglich ohne Ansehen der Person das Fachrecht vollziehe, für welches allein sie zuständig sei. Nichts anderes folge aus den Vorschriften der Verwaltungsvollstreckungsgesetze, wel644 Glöckner, NVwZ 2003, 1207, 1208; ähnlich Friesecke, WaStrG, Einl. Rdnr. 11. 645 § 17 VwVG; § 73 HessVwVG; § 22 BadWürttVwVG; § 21 I 1 NdsVwVG; § 36 BbgVwVG. 646 Glöckner, NVwZ 2003, 1207; Britz, DÖV 2002, 891, 892 m. w. N. 647 Glöckner, NVwZ 2003, 1207, 1208. 648 Britz, DÖV 2002, 891, 897. 649 Insbesondere Schoch, JuS 1994, 849, 852; ders., JURA 2005, 324, 326 f.; Gusy, Rdnr. 137, 142; Salzwedel, NuR 1984, 165, 168; Scholz, DVBl 1968, 732, 737 f.; allgemein für die Bundesverwaltung Dittmann, S. 104. Zweifelhaft ist damit, ob – wie Reinheimer, S. 176 Fn. 695 lediglich unter Verweis auf Schenke und das BVerwG behauptet – die „überwiegende“ Auffassung von einem Eingriffsverbot gegenüber anderen Hoheitsträgern ausgeht. 650 Salzwedel, NuR 1984, 165, 173.
I. Schlussfolgerungen für das Wasserwegerecht
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che eben allein die Vollstreckung, nicht aber schon die Anordnungsbefugnis ausschließen.651 (3) Eigener Ansatz Betrachtet man zunächst die Entwicklung der Rechtsprechung, so erscheint es bemerkenswert, dass in der Literatur nach wie vor Einschränkungen der Bindung an fachfremdes Verfahrensrecht aufrechterhalten werden, welche die Rechtsprechung längst aufgegeben hat. Entscheidend ist im Ausgangspunkt auch hier die allgemeine, auf Art. 20 III GG basierende Gesetzesbindung der Verwaltung. Da diese Gesetzesbindung anerkanntermaßen auf materieller Ebene besteht, wäre eine gleichzeitige Befreiung auf formeller Ebene jedenfalls begründungsbedürftig. Eine Befugnis des Staates, sich im Einzelfall nicht an bestimmte Gesetze, auch die einer anderen Körperschaft, halten zu müssen, ist aber an und für sich nicht begründbar, weil sie mit der Gesetzesbindung der Verwaltung unvereinbar ist. Dagegen hilft auch nicht der Verweis auf die jeweilige Verwaltungskompetenz oder die Gleichrangigkeit von Bund und Ländern. Deshalb verlangt die Rechtsprechung zu Recht für eine Freistellung insbesondere des Bundes vom Verfahrensrecht der Länder eine gesetzliche Grundlage. Für diese Auffassung spricht auch die größere Praktikabilität: Genehmigungs- und Befreiungsvorbehalte dienen der jeweiligen (Landes-)Behörde dazu, die Vereinbarkeit eines Vorhabens oder Handelns eines anderen mit dem jeweiligen Fachrecht vorab zu prüfen. Diese Prüfungsfunktion würde unterlaufen, wenn man Hoheitsträger mit ihrem hoheitlichen Handeln und Vorhaben von der Beachtung fachfremder Verfahrenserfordernisse freistellte. Dagegen ließe sich nicht anführen, dass der handelnde Hoheitsträger das fremde Fachrecht in eigener Zuständigkeit zu beachten hat. Die Pflicht, das Recht zu beachten, trifft jedermann. Zweifelhaft ist zudem, ob der handelnde Hoheitsträger bei der Beurteilung fachfremden materiellen Rechts kompetenter ist, als die zuständige Fachbehörde. Das Gegenteil dürfte in der Praxis der Fall sein652, so dass es dem Ziel eines effektiven Gesetzesvollzuges entspricht, auch Hoheitsträger fachfremden Verfahrenserfordernissen zu unterwerfen. Erst recht ließe sich nicht anführen, dass ein Hoheitsträger in besonderer Weise rechtstreu sei und dass deshalb eine Freistellung vom fachfremden Verfahrensrecht zu rechtfertigen sei. Grundsätzlich werden die Beamten und Angestellten einer Behörde zwar nicht vorsätzlich einen Rechtsstandpunkt einnehmen, der offensichtlich und eindeutig der durch Literatur und Rechtsprechung gefestigten herrschenden Meinung wi651 652
Schoch, JURA 2005, 324, 327. Insoweit zutreffend Britz, DÖV 2002, 891, 894.
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C. Weitere Folgen für das einfache Recht
derspricht. Andererseits belegen die Korrekturen des Verhaltungshandelns durch die Verwaltungsgerichte schon empirisch, dass auch die Verwaltung hin und wieder – aus welchen Gründen und Überlegungen auch immer – rechtswidrig handelt. Unterhalb der Schwelle einer offensichtlichen und eindeutigen Rechtslage kann es zudem sehr wohl unterschiedliche, aber jeweils vertretbare Auffassungen zur Rechtslage geben. Derartige Konflikte lassen sich dann am ehesten dadurch lösen, dass die beteiligten Hoheitsträger vor den zuständigen Gerichten über den Anspruch auf eine Genehmigung oder die Rechtmäßigkeit einer belastenden Anordnung streiten. Die Vorschriften der Verwaltungsvollstreckungsgesetze, welche eine Vollstreckung gegen juristische Personen des öffentlichen Rechts ausschließen, stehen dem nicht entgegen. Auch wenn eine Behörde nicht stets im Einklang mit der Rechtslage, bzw. dem was die fachfremde Behörde für rechtens hält, handelt, so kann man jedenfalls annehmen, dass die Anordnung einer fremden Behörde befolgt wird, ohne dass es hierzu der Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung bedarf. Die handelnden Beamten und Angestellten würden sich andererseits vielfältigen Konsequenzen aussetzen, ist doch die Missachtung vollziehbarer Verwaltungsakte auf dem Gebiet des Polizei- und Ordnungsrechts oftmals bußgeld- oder strafbewehrt. Schließlich würde eine Behörde, welche sich nicht an Anordnungen anderer Behörden oder gar Gerichtsurteile hält, eine Grundvoraussetzung für die Funktion des Rechtsstaates in Frage stellen, wenn ihr Beispiel Schule macht. Sofern nicht besondere gesetzliche Ausnahmeregelungen bestehen, unterliegen Hoheitsträger deshalb auch bei hoheitlichem Handeln den Verfahrenserfordernissen und Anordnungsbefugnissen fachfremder Behörden. (4) Schlussfolgerungen für die Bundeswasserstraßenverwaltung Entsprechend den vorstehenden Ausführungen unterliegt die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes bei der Verwaltung der Bundeswasserstraßen vollumfänglich fachfremden Vorschriften, insbesondere den Vorschriften des Landesrechts einschließlich des Verfahrensrechts, soweit nicht ausdrückliche Freistellungen bestehen. Solche Vorschriften bestehen nach dem Bundeswasserstraßengesetz für einige Teilbereiche: So bedürfen Maßnahmen zur Unterhaltung der Bundeswasserstraßen oder die Errichtung oder der Betrieb bundeseigener Schifffahrtsanlagen nach § 7 III WaStrG keiner wasserrechtlichen Erlaubnis, Bewilligung oder Genehmigung. Gleiches gilt nach § 12 VI WaStrG für Maßnahmen zum Ausbau und Neubau einer Bundeswasserstraße und kraft Verweisung in § 34 V WaStrG für Maßnahmen zum Setzen, zur Unterhaltung und zum Betrieb von Schifffahrtszeichen. Die Freistellung dieser Maßnahmen und Anlagen ist somit auf wasserrechtliche Zulassungen beschränkt, andere Genehmigungsvor-
I. Schlussfolgerungen für das Wasserwegerecht
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behalte bleiben bestehen. Auch wasserbehördliche oder andere Anordnungen gegen den Bund werden entsprechend dem Wortlaut nicht ausgeschlossen. Eine weitergehende Freistellung von Genehmigungserfordernissen aller Art besteht jedoch nach § 48 S. 2 WaStrG für die bundeseigenen Schifffahrtsanlagen, Schifffahrtszeichen sowie die bundeseigenen wasserbaulichen Anlagen. Diese Vorschriften führen somit zu einer Beschränkung der Vollzugshoheit der Länder für einschlägiges fachfremdes Recht. Um diese Vorschriften auf die Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74 I Nr. 21 GG stützen zu können, bedarf es deshalb besonderer Rechtfertigung: Die Gesetzgebungskompetenz soll nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts die einheitliche Regelung von Angelegenheiten der Schifffahrt sowie der Schifffahrtswege im Interesse eines ordnungsgemäßen Schiffsverkehrs ermöglichen. Zu diesem Zweck erfasst die Gesetzgebungskompetenz auch das Recht, die dieses Gebiet betreffenden spezialpolizeilichen Vorschriften zu erlassen. Da fachfremde Anforderungen mit den Erfordernissen der Verkehrssicherheit und Verkehrsfunktion kollidieren können, muss die Wasserund Schifffahrtsverwaltung selbst die notwendige Abwägung vornehmen und deshalb über die entsprechende Kompetenz verfügen.653 Mit der Kompetenzbeschränkung der Länder in solchen Fällen geht unweigerlich auch eine Kompetenzerweiterung zugunsten des Bundes einher. In eng umgrenzten Bereichen sind diese Kompetenzverschiebungen auch in Anbetracht der grundgesetzlich festgelegten Verteilung der Verwaltungskompetenz zulässig, um die effektive Verwaltung des jeweiligen Sachgebietes zu ermöglichen. Aus diesem Grund müssen diese Vorschriften wie andere kompetenzerweiternde Regelungen654 eng ausgelegt werden. Die Freistellung von fachfremden Verfahrensvorschriften ist deshalb nur gerechtfertigt, wenn die zu beurteilende Maßnahme auch tatsächlich und unmittelbar zur Erfüllung der Aufgaben der Wasserstraßenverwaltung erforderlich ist. Maßnahmen, die zwar an bundeseigenen Schifffahrtsanlagen stattfinden, mit der Verkehrsverwaltung aber in keinem Zusammenhang stehen, sind deshalb nicht freigestellt. Wenn beispielsweise an den denkmalgeschützten Anlagen einer Schleuse eine Werbetafel angebracht werden soll, wird dies denkmalrechtlich regelmäßig genehmigungspflichtig sein. Zwar ist die Schleuse mit den zu ihr gehörenden Gebäuden und Anlagen nach § 48 S. 2 WaStrG grundsätzlich von denkmalrechtlichen Genehmigungserfordernissen freigestellt. Dies gilt aber 653
BVerwG, Urt. v. 25.09.2008 – 7 A 4.07 – NuR 2009, 42, 43 (für das Denkmalrecht). 654 BVerwG, Urt. v. 12.02.1988 – 4 C 54/84 –, NVwZ 1989, 153, 154 = DVBl 1988, 843; Urt. v. 26.05.1994 – 7 A 21/93 –, NVwZ 1994, 1002, 1003; Beschl. v. 03.08.1995 – 11 VR 22/95 –, NVwZ 1996, 266, 267 und Urt. v. 09.02.2005 – 9 A 62/03 –, NVwZ 2005, 813, 814 = DVBl 2005, 903 (alle zu § 75 I 1 VwVfG).
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C. Weitere Folgen für das einfache Recht
nur mit Blick auf ihre Verkehrsfunktion. Eine Veränderung der Schleuse im Interesse der Verkehrsfunktion ist daher denkmalrechtlich genehmigungsfrei. Eine Werbetafel hat mit der Verkehrsfunktion hingegen nichts zu tun.655 Für sie besteht daher das Genehmigungserfordernis. Erforderlich ist deshalb eine funktionsbezogene Betrachtung der zu beurteilenden Maßnahme. Maßgebend ist, ob ein schifffahrtsfunktionaler Zusammenhang656 bzw. ein direkter Bezug zur Verkehrsfunktion der Bundeswasserstraße oder der betreffenden Schifffahrtsanlage gegeben ist. Eine ähnliche Betrachtung findet auch im Eisenbahnrecht statt, wenn zu beurteilen ist, ob eine Anlage der Bauaufsicht der Eisenbahnverwaltung unterliegt. Dort wird vor dem Hintergrund der durch Art. 87e I 1 GG beschränkten Verwaltungskompetenz des Bundes auf die „Eisenbahnbetriebsbezogenheit“ abgestellt.657 Im Ergebnis ist dies auch sachgerecht, denn für Maßnahmen, welche den erforderlichen schifffahrtsfunktionalen Zusammenhang bzw. Bezug zur Verkehrsfunktion aufweisen, hat hinsichtlich der Notwendigkeit der Maßnahme und ihrer Ausgestaltung die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung die größere Kompetenz. Für Maßnahmen, denen dieser Bezug fehlt, gilt das nicht, so dass dort den anderen Fachbehörden die Beurteilung der Zulässigkeit überlassen bleibt. Schließlich bleibt zu betonen, dass überall dort, wo der Bund landesrechtliche Genehmigungs- und Befreiungsvorbehalte mit Ermessenscharakter beachten muss, die Belange der Wasserstraßenverwaltung als öffentliche Belange für sich in der Ermessensausübung beachtet werden müssen. Wenn beispielsweise eine Landesdenkmalschutzbehörde für eine denkmalgeschützte Schifffahrtsanlage eine Erhaltungs- oder Sicherungsanordnung erlässt, so muss sie bei der von der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung einzufordernden Maßnahme im Wege der Ermessensausübung auch die Belange der Verkehrssicherheit zugunsten der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung beachten, wenn diese Belange der Erhaltungs- oder Sicherungsanordnung oder ihrer jeweiligen Ausgestaltung zuwiderlaufen.658 655
Im Ergebnis ebenso, wenn auch mit anderer Begründung BVerwG, Urt. v. 29.08.1961 – I C 167/59 – NJW 1962, 552, 554 (landesrechtliches Genehmigungserfordernis nach Bauordnungsrecht für Werbeanlage an Eisenbahnbrücken). 656 Dieses Kriterium wird auch angewandt, wenn es darum geht, Maßnahmen an der Wasserstraße selbst als Unterhaltungsmaßnahmen im Sinne des § 8 I 1, § 7 WaStrG einzuordnen, BVerwG, Urt. v. 05.12.2001 – 9 A 13/01 – BVerwGE 115, 294, 298 = NVwZ 2002, 470. 657 BayVGH, Urt. v. 11.03.2009 – 15 BV 08.1306 –, zitiert nach juris Rdnr. 17; zur Beschränkung der Zuständigkeit des Eisenbahnbundesamtes hinsichtlich landesrechtlicher Regelungen vgl. auch NRW OVG, Urt. v. 08.06.2005 – 8 A 262/05 – NuR 2005, 660. 658 Allgemein zur Beachtung sonstiger, nicht denkmalbezogener öffentlicher Belange bei der Ermessensausübung im Denkmalrecht VGH Bad.-Württ., Urt. v.
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e) Anforderungen des Wasserhaushaltsrechts in Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie Die Wasserrahmenrichtlinie (WRRL)659 aus dem Jahr 2000 wurde auf der Grundlage der Kompetenzen der Europäischen Union im Bereich der Umwelt nach Art. 174 I, 175 EGV (= Art. 191, 192 AEUV) erlassen. In der ersten Begründungserwägung der Richtlinie wird betont, dass Wasser keine gewöhnliche Handelsware, sondern ein ererbtes Gut ist, welches geschützt, verteidigt und entsprechend behandelt werden muss. Ausweislich der zweiten Begründungserwägung dient die Richtlinie demnach der nachhaltigen Bewirtschaftung und dem Schutz der Wasserressourcen. Deshalb soll nach der 19. Begründungserwägung der Zustand der aquatischen Umwelt verbessert werden, wobei der Schwerpunkt auf der Güte der Gewässer liegt. Die Richtlinie hat den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union auferlegt, konkrete Vorgaben zur Bewirtschaftung von Gewässern in ihr nationales Wasserrecht umzusetzen. Davon sind auch die Bundeswasserstraßen betroffen (unter aa)). Umstritten ist jedoch, inwieweit die danach festzulegenden Bewirtschaftungsziele im Rahmen von Unterhaltung, Ausbau und Neubau von Bundeswasserstraßen Verbindlichkeit beanspruchen (unter bb)). Interessen des Bundes werden zudem im Vorfeld durch eine Einvernehmenspflicht berücksichtigt (unter cc)). aa) Relevante Vorgaben aus der WRRL und ihre Umsetzung Die Wasserrahmenrichtlinie wurde erstmals in dem noch als Rahmengesetz erlassenen Wasserhaushaltsgesetz 2002 und nachfolgend in den Wassergesetzen der Länder umgesetzt. Nach der Neuordnung der Gesetzgebungskompetenzen mit dem Wegfall der Rahmengesetzgebungskompetenz nach Art. 75 Nr. 4 GG im Zuge der Föderalismusreform 2006 hat der Bund mit dem am 1. Mai 2010 in Kraft getretenen Wasserhaushaltsgesetz (WHG)660 von der in Art. 74 I Nr. 32 GG neu eingeräumten Möglichkeit zur Schaffung einer Vollregelung auf dem Gebiet des Wasserrechts Gebrauch gemacht. Darin enthalten sind auch die Vorschriften zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie. 10.10.1989 – 1 S 736/88 – NVwZ 1990, 586; OVG Koblenz, Urt. v. 02.02.1994 – 8 A 11609/92.OVG – BauR 1994, 501, 502 (umgekehrter Fall: Berücksichtigung denkmalrechtlicher Belange bei einer bauaufsichtlichen Anordnung). 659 Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik, ABl 2000, L 327/1. 660 Gesetz zur Neureglung des Wasserrechts vom 31. Juli 2009, BGBl I 2009, 2585.
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Nach § 7 I WHG werden die Gewässer, zu denen auch die Bundeswasserstraßen gehören, nach Flussgebietseinheiten bewirtschaftet. Die Planung und Umsetzung der wasserwirtschaftlichen Maßnahmen ist nach § 7 II WHG Aufgabe der Länder, denen nach § 7 II, III WHG untereinander hinsichtlich der Ländergrenzen überschreitenden Flussgebiete umfassende Koordinationspflichten obliegen. Grund hierfür ist die allein auf die Verkehrsverwaltung beschränkte Kompetenz des Bundes, im Übrigen obliegt die wasserwirtschaftliche Verwaltung der Wasserstraßen gemäß Art. 30, 83 GG den Ländern. Berührt die Bewirtschaftung der Gewässer die Verwaltung der Bundeswasserstraßen durch den Bund, ist bei der Koordinierung der Maßnahmen und Planungen der Länder das Einvernehmen der zuständigen Wasser- und Schifffahrtsdirektion nach § 7 IV 1 WHG einzuholen. Maßstab für die Bewirtschaftung der Gewässer sind die aus Art. 4 WRRL übernommenen Vorschriften über die Bewirtschaftungsziele in § 27–§ 31 WHG. Dabei ist zwischen naturnahen Gewässern und künstlichen bzw. erheblich veränderten Gewässern zu unterscheiden. Künstlich geschaffen ist nach § 3 Nr. 4 WHG ein Gewässer, das von Menschen geschaffen wurde. Ein erheblich verändertes Gewässer ist nach § 3 Nr. 5 WHG ein vom Menschen in seinem Wesen physikalisch erheblich verändertes Gewässer. Unter den in § 28 WHG noch näher genannten Voraussetzungen können Oberflächengewässer als erheblich verändert eingestuft werden. Die Bundeswasserstraßen wurden demnach 2004 hinsichtlich der Kanäle als künstlich und hinsichtlich der überwiegend ausgebauten Flüsse mit Ausnahme der Elbe als erheblich verändert eingestuft.661 Maßgeblich für die Bewirtschaftungsziele ist deshalb nach § 27 II WHG, dass eine Verschlechterung des ökonomischen Potenzials und des chemischen Zustandes des Gewässers vermieden wird (Verschlechterungsverbot) und ein gutes ökologisches Potenzial oder ein guter chemischer Zustand erreicht oder erhalten wird (Verbesserungsgebot). Gemäß § 29 I WHG müssen diese Ziele bis zum 22. Dezember 2015 erreicht sein. § 30 WHG gestattet sodann unter bestimmten Voraussetzungen die Festlegung weniger strenger Bewirtschaftungsziele, insbesondere wenn die Erreichung der sonst geltenden Bewirtschaftungsziele unmöglich ist oder einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordert. § 31 WHG bestimmt schließlich, unter welchen Voraussetzungen im Einzelfall von bereits festgelegten Bewirtschaftungszielen abgewichen werden kann, was beispielsweise bei einem übergeordneten öffentlichem Interesse nach § 31 II Nr. 2 WHG möglich ist. Unabhängig von den behördlichen Maßnahmen zur Gewässerbewirtschaftung muss der Eigentümer, dem nach § 40 I 1 WHG die Unterhaltung des Gewässers obliegt, die Unterhaltung nach § 39 II 1 WHG an den Bewirtschaftungszielen ausrichten und darf deren Erreichung nicht gefährden. 661
Möckel, DVBl 2010, 618, 620.
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Im Wasserstraßenrecht verlangt § 8 I 4 WaStrG, dass die Bewirtschaftungsziele bei der Unterhaltung der Bundeswasserstraßen zu „berücksichtigen“ sind, gleiches gilt nach § 12 VII 3 WaStrG für Ausbaumaßnahmen. bb) Bindung des Bundes an die Bewirtschaftungsziele des Wasserhaushaltsrechts Die Vorschriften in § 27–31 WHG beanspruchen für alle oberirdischen Gewässer Geltung, und gelten somit auch für Bundeswasserstraßen. Da aber gleichwohl § 8 I 4, § 12 VII 3 WaStrG bei Unterhaltungs- und Ausbaumaßnahmen lediglich eine Berücksichtigung der Bewirtschaftungsziele verlangen, könnten diese Regelungen als speziellere und damit vorrangig anzuwendende Regelung für den Bereich verkehrsbezogener Unterhaltungsund Ausbaumaßnahmen an den Bundeswasserstraßen anzusehen sein. Demzufolge besteht nach einer Auffassung für den Bund keine strenge Bindung an die Bewirtschaftungsziele.662 Da dem Bund die Unterhaltung der Wasserstraßen als Hoheitsaufgabe obliegt, müssen nach dieser Auffassung die kollidierenden Interessen unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit abgewogen werden.663 Einen Vorrang der Bewirtschaftungsziele vor anderen Belangen gibt es nach dieser Auffassung nicht; gerade auch in der planerischen Abwägung bei Planfeststellungsverfahren für Ausbaumaßnahmen könnten die Bewirtschaftungsziele weggewogen wurden. Dazu wird auf die verkehrsrechtliche Widmung der Bundeswasserstraßen aufgrund von Art. 89 I GG verwiesen.664 Zudem hätten die Landesbehörden in diesem Bereich gegenüber dem Bund keine Kompetenz, die Einhaltung der Bewirtschaftungsziele durch Anordnungen und ähnliche Maßnahmen durchzusetzen.665 Nach der Gegenauffassung besteht hingegen eine strikte Bindung des Bundes auch im Rahmen der Verkehrswegeverwaltung an die Bewirtschaftungsziele des WHG, Ausnahmen davon seien allein nach den Ausnahmevorschriften aus der WRRL (§ 30, 31 WHG) zulässig. § 8 I 4 WaStrG und § 12 VII WaStrG müssten deshalb gemeinschaftsrechtskonform im Sinne einer strengen Bindung ausgelegt werden.666 Schließlich wird darauf ver662
Friesecke, WaStrG, § 8 Rdnr. 13, § 12 Rdnr. 31; Heinz/Esser, ZUR 2009,
254. 663
Friesecke, WaStrG, § 8 Rdnr. 13; Heinz/Esser, ZUR 2009, 254. Friesecke, WaStrG, § 12 Rdnr. 31. 665 Friesecke, WaStrG, Einl. Rdnr. 43; Heinz/Esser, ZUR 2009, 254, 255. 666 So insbesondere Gellermann, DVBl 2007, 1517, 1518; Ginzky, NuR 2005, 691, 695 und Möckel, DVBl 2010, 618, 623; Berendes, in: Berendes/Frenz/Müggenborg, WHG, § 7 Rdnr. 16; unklar hingegen Reinhardt, NVwZ 2008, 1048, 1052: einerseits sollen die Bewirtschaftungsziele die Abwägung nach § 8 WaStrG ergän664
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wiesen, dass die Befugnisse der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung mit der Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 I Nr. 32 GG und der darauf beruhenden Vollregelung im neuen Wasserhaushaltsgesetz auch um Befugnisse der Wasserwirtschaft erweitert werden können. Durch eine geeignete Neuregelung im Wasserstraßengesetz ließen sich demnach Ziel- und Aufgabenkonflikte zwischen Bund und Ländern bei der Umsetzung der Bewirtschaftungsziele abbauen.667 Nach zutreffender Auffassung müssen die Vorschriften in § 8 I 4, 12 VII 3 WaStrG europarechtskonform im Sinne einer strengen Bindung an die Bewirtschaftungsziele des Wasserhaushaltsgesetzes ausgelegt werden. Gäbe es § 8 I 4, 12 VII 3 WaStrG nicht, würde dies ohnehin schon aufgrund der hier herausgearbeiteten Grundsätze zur Geltung fachfremden Rechts für die Verwaltung der Bundeswasserstraßen gelten (vgl. C. I. 2. d)). Danach ist fachfremdes Recht durch die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung selbst in Anbetracht des hoheitlichen Charakters der Wasserstraßenverwaltung stets zu beachten, es sei denn, Ausnahmen von dieser Bindung sind positivrechtlich normiert. Letztlich beruht die Auffassung, wonach dem Bund bei den Bewirtschaftungszielen ein Abwägungsspielraum zustehen soll, auf der Überlegung, dass ein Hoheitsträger nicht in den Aufgabenbereich eines anderen Hoheitsträgers, insbesondere nicht in die Tätigkeit der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes, eingreifen darf. Diese Überlegung kann aber – wie schon an anderer Stelle (vgl. C. I. 2. d)) dargelegt – für eine Lockerung der Bindung an fachfremdes Verfahrensrecht nicht herangezogen werden. Demnach könnte in § 8 I 4, 12 VII 3 WaStrG freilich die vorstehend postulierte positiv rechtlich normierte Ausnahme von der strengen Bindung an die Bewirtschaftungsziele gesehen werden. Dafür spricht auch, dass das WaStrG im Verhältnis zum WHG für die verkehrsbezogene Verwaltung der Bundeswasserstraßen tatsächlich als speziellere Regelung anzusehen ist. Eine solche Ausnahme ist jedoch nach der WRRL nicht zulässig. Die Richtlinie normiert abschließend, unter welchen Voraussetzungen von den Bewirtschaftungszielen abgewichen werden darf, eine besondere Abweichungsbefugnis für den Bereich der Bundeswasserstraßen gibt es nicht. Folglich muss § 8 I 4, 12 VII 3 WaStrG gemeinschaftsrechtskonform668 nach der WRRL im Sinne einer strengen Bindung ausgelegt werden. Hält man eine zen, andererseits sollen die Bewirtschaftungsziele verbindliche Maßstäbe für die wasserstraßenrechtliche Unterhaltung sein. 667 Möckel, DVBl 2010, 618, 624; ähnlich wohl auch Reinhardt, NVwZ 2008, 1048, 1050. 668 Zum Erfordernis gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung bei Richtlinien EuGH, Urt. v. 13.11.1990 – C-106/89 –, Slg. 1990 I, 4156, 4159 (Marleasing).
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solche Auslegung („berücksichtigen“) für nicht mehr vereinbar mit dem Wortlaut, dann müsste man diese Vorschriften wegen des Vorranges des Unionsrechts669 unangewendet lassen und allein die der WRRL entsprechenden Umsetzungsvorschriften im WHG anwenden. Dagegen kann nicht eingewandt werden, dass eine Abweichungsbefugnis der Wasserstraßenverwaltung des Bundes letztlich aus der dem Bund verfassungsrechtlich zugewiesenen Aufgabe der hoheitlichen Verwaltung der Wasserstraßen folgt. Abgesehen davon, dass es eine derart verfassungsrechtlich fundierte Abweichungsbefugnis nicht gibt, würde damit gegen die Pflicht zur vollständigen Umsetzung der WRRL ein Hindernis aus dem Bereich des innerstaatlichen (Verfassungs-)Rechts eingewandt. Umstände des innerstaatlichen Rechts können der Pflicht zur Umsetzung von europäischen Richtlinien jedoch regelmäßig nicht entgegengehalten werden.670 Das muss auch gelten, soweit es sich um Umstände aus dem Bereich des Verfassungsrechts handelt, denn auch hier besteht für sekundäres Unionsrecht ein Geltungsvorrang.671 Zweifelhaft ist hingegen, ob die strenge Geltung der Bewirtschaftungsziele für die Wasserstraßenverwaltung auch aus der Unterhaltungslast hergeleitet werden kann. Zwar muss sich die regelmäßig dem Eigentümer obliegende Unterhaltungslast nach § 39 II WHG an den Bewirtschaftungszielen „ausrichten“. Nach § 4 I 2 WHG gilt dies ausdrücklich auch für den Bund als Eigentümer. § 39 II WHG regelt jedoch für den Eigentümer eines Oberflächengewässers in erster Linie nur eine Mitwirkungspflicht672 zur Erreichung der Bewirtschaftungsziele einerseits und ein Obstruktionsverbot andererseits. Zudem ist die gesetzgeberische Intention von § 4 I 2 WHG jedenfalls für die Bindung an die Bewirtschaftungsziele zweifelhaft. Wäre es dem Gesetzgeber nämlich darum gegangen, eine strikte Bindung der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung an die Bewirtschaftungsziele zu regeln, so hätte es nahe gelegen, dies durch eine Änderung von § 8 I 4, 12 VII 3 WaStrG zu erreichen. Schließlich verbleibt dem Bund trotz der strengen Bindung an die Bewirtschaftungsziele in der Praxis noch hinreichender Spielraum für die verkehrsbezogene Verwaltung der Bundeswasserstraßen. Zum einen kann er sich bereits frühzeitig über die Einvernehmenspflicht in § 7 IV WHG bei 669
EuGH, Urt. v. 21.05.1987, Rs. 249/85, Slg. 1987, 2345, NJW 1987, 2153, 2154; einführend Terhechte, JuS 2008, 403. 670 Ständige Rechtsprechung EuGH: Urt. v. 26.02.1976 – Rs. 52/75 – Slg. 1976, 277, 285; Urt. v. 03.10.1983 – Rs. 279/83 – Slg. 1984, 3403, 3407; Urt. v. 05.06.1997 – C-107/96- Slg. 1997, I-3139, 3199. 671 EuGH, Urt. v. 15.07.1964 – Rs. 6/64 –, Slg. 1964, 1251, 1269 ff. = NJW 1964, 2371 (Costa/E.N.E.L.); Urt. v. 17.12.1970 – Rs. 11/70 – Slg. 1970, 1125, 1135 = NJW 1971, 343; Terhechte, JuS 2008, 403. 672 Ähnlich Möckel, DVBl 2010, 618, 623.
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der Koordinierung der Maßnahmen und Planungen der Wasserwirtschaft einbringen. Zum anderen sind Beeinträchtigungen von Gewässern bei einem übergeordneten öffentlichen Interesse oder bei Alternativlosigkeit der betreffenden Maßnahme nach § 31 II Nr. 2 WHG unter den in § 31 II WHG weiter genannten Voraussetzungen zulässig. Damit können durchaus auch Unterhaltungs- und Ausbaumaßnahmen gerechtfertigt werden. Ein übergeordnetes öffentliches Interesse dürfte zudem dann gegeben sein, wenn es sich um ein Vorhaben im Bereich der Transeuropäischen Netze handelt (dazu noch D. II. 4. b)). Da Unterhaltungs- und Ausbaumaßnahmen nach § 7 III, 12 VI WaStrG keiner wasserrechtlichen Zulassung bedürfen, kann die Einhaltung der Bewirtschaftungsziele von den Länderbehörden nicht präventiv überprüft werden. Denkbar sind aber – entgegen anderer Auffassung673 – im Zweifelsfall wasserrechtliche Anordnungen nach § 100 I WHG. Da weder das WHG, noch das WaStrG Regelungen zur Freistellung des Bundes von derartigen Anordnungen enthalten, können die Länder auch gegenüber dem Bund Regelungen treffen (vgl. insofern zur formellen Polizeipflichtigkeit schon C. I. 2. d)). Alternativ besteht die Möglichkeit, dass die Länder ihr Einvernehmen nach Art. 89 III GG, § 4, § 14 III WaStrG zu bestimmten Maßnahmen und Vorhaben unter Berufung auf die Belange der Wasserwirtschaft verweigern, sofern es sich um einvernehmenspflichtige Verwaltungsmaßnahmen des Bundes handelt (vgl. dazu B. III. 6)). Zur vollständigen Umsetzung der Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie bedarf es daher keiner Zuweisung wasserwirtschaftlicher Aufgaben an die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung.674 Nach der jetzigen Rechtslage wäre dies im Übrigen auch nicht möglich, weil sich die Verwaltungskompetenz des Bundes nach Art. 89 II 1 GG nach wie vor allein auf die Verkehrswegeverwaltung beschränkt (dazu B. III. 3. b)). cc) Einvernehmen des Bundes nach § 7 IV WHG Das Einvernehmenserfordernis in § 7 IV WHG erstreckt sich nur auf die in § 7 II, III WHG genannten Fälle, also die Koordinierung der wasserwirtschaftlichen Planungen und Maßnahmen, soweit die Belange der flussgebietsbezogenen Gewässerbewirtschaftung dies erfordern und die Koordinierung von Bewirtschaftungsprogrammen und Maßnahmenplanungen bei grenzüberschreitenden Flussgebietseinheiten. Zudem muss die Verwaltung der Bundeswasserstraßen berührt sein, um die Einvernehmenspflicht auszulösen. Das ist vor dem Hintergrund der auf die Verkehrswegeverwaltung beschränkten Kompetenz des Bundes nach Art. 89 II 1 GG zu sehen. Nur 673 674
Friesecke, WaStrG, Einl. Rdnr. 43; Heinz/Esser, ZUR 2009, 254, 255. In diesem Sinne aber wohl Möckel, DVBl 2010, 618, 624.
I. Schlussfolgerungen für das Wasserwegerecht
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wenn die wasserwirtschaftlichen Planungen und Maßnahmen der Länder sich auf die Verkehrswegeverwaltung des Bundes auswirken können, kann dem Bund auch ein Recht zur Einflussnahme auf die Länderverwaltung zugestanden werden.675 Weitergehende Einwirkungsbefugnisse würden gegen die nicht zur Disposition des einfachen Gesetzgebers stehende grundgesetzliche Verteilung676 der Verwaltungskompetenzen verstoßen. § 7 IV WHG ähnelt daher dem zugunsten der Länder bestehenden Einvernehmenserfordernis nach Art. 89 III GG, § 4, 14 III WaStrG (ausführlich dazu B. III. 6.). Die dazu entwickelten Grundsätze lassen sich auf § 7 IV WHG spiegelbildlich anwenden. Eine Verweigerung des Einvernehmens durch den Bund kommt daher allein in Betracht, wenn die Belange der Wasserstraßenverwaltung nicht mehr hinreichend gewahrt sind. Demnach sind zwei Fälle zu unterscheiden: Zum einen kann eine einvernehmenspflichtige Planung oder Maßnahme die Belange der Wasserstraßenverwaltung stark beeinträchtigen, zur Erreichung der Bewirtschaftungsziele aber erforderlich und geboten sein. In diesem Fall ist eine Verweigerung des Einvernehmens durch den Bund nicht zulässig, weil der Bund die Länder nicht zu einer Missachtung des Wasserhaushaltsrechts zwingen kann. Zum anderen ist denkbar, dass sich die Bewirtschaftungsziele mit unterschiedlichen Planungen oder Maßnahme erreichen lassen, welche die Verkehrsverwaltung des Bundes in unterschiedlichem Maß tangieren bzw. beeinträchtigen. Hier wird die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung ihr Einvernehmen so ausüben dürfen, dass die Planung oder Maßnahme realisiert wird, welche die Verkehrsverwaltung der Wasserstraße und damit auch den Verkehr an sich am wenigsten beeinträchtigt. f) Eigentum des Bundes an nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen Bei der hoheitlichen Verwaltung der dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen ist der Bund – wie unter C. I. 2. d) dargestellt – umfassend an materielles und formelles Landesrecht in seiner Rolle als Eigentümer gebunden, soweit keine (bundes-)gesetzlichen Ausnahmen im Verfahrensrecht bestehen. Für die nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen im Eigentum des Bundes gelten die gesetzlichen Ausnahmen von der Bin675 Ähnlich Czychowski/Reinhardt, WHG, § 7 Rdnr. 13; Berendes, in: Berendes/ Frenz/Müggenborg, WHG, § 7 Rdnr. 16. 676 BVerfG, Urt. v. 20.12.2007 – 2 BvR 2433/04 – Rdnr. 151 ff.; BVerfGE 119, 331, 365 = NVwZ 2008, 183 (Hartz-IV-Verwaltung); Urt. v. 15.07.2003 – 2 BvF 6/98 –, BVerfGE 108, 169, 182 = NVwZ 2003, 1497; Beschl. v. 12.01.1983 – 2 BvL 23/81 –, BVerfGE 63, 1, 39 = NVwZ 1983, 537; Urt. v. 01.12.1954 – 2 BvG 1/54 – BVerfGE 4, 115, 139.
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C. Weitere Folgen für das einfache Recht
dung an Landesverfahrensrecht, welche das WaStrG (§ 7 III, 12 VI, 34 V, § 48 S. 2 WaStrG) enthält, selbstverständlich nicht. Daher besteht hier eine umfassende Bindung an alle für die Wasserstraßen in Betracht kommenden Regelungen des Landes- und Bundesrechtes. Bei diesen Wasserstraßen ist zudem keine hoheitliche Verwaltung durch den Bund zulässig, auch nicht in Form der so genannten „gesetzesfreien Verwaltung“. Da diese Wasserstraßen nicht unter Art. 89 II 1 GG fallen, ist der Bund vielmehr allein auf die Ausübung der Eigentümerverwaltung beschränkt (vgl. schon B. III. 2. c) bb)). Auch aus diesem Grund besteht für die nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen eine umfassende Bindung an das übrige Recht.677 Die Länderbehörden sind auch befugt, durch Maßnahmen der Eingriffsverwaltung die Einhaltung des Rechts gegenüber dem Bund durchzusetzen. Unzulässig ist lediglich die Verwaltungsvollstreckung nach Maßgabe des jeweiligen Verwaltungsvollstreckungsrechts der Länder.678 Gegenauffassungen, welche auch hier nur eine eingeschränkte Bindung des Bundes an Landesrecht annehmen679, beruhen gerade auf der unzutreffenden Auffassung, dass auch die nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen des Bundes von dessen Verwaltungskompetenz nach Art. 89 II 1 GG erfasst sind680. Für die hoheitliche Verwaltung der nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen des Bundes sind in wegerechtlicher Hinsicht jedoch die Länder verantwortlich, die hierzu ihre wasserwegerechtlichen Vorschriften vollziehen. Diese Vorschriften in den Wassergesetzen der Länder beruhen auf einer ausschließlichen Länderkompetenz nach Art. 70 I GG, da die für den Bund maßgebliche konkurrierende Gesetzgebungskompetenz in Art. 74 I Nr. 21 GG nur das Wasserwegerecht für die dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen betrifft. Die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für den Wasserhaushalt nach Art. 74 I Nr. 32 GG beinhaltet Wasserwegerecht ebenso wenig wie die frühere Kompetenz des Bundes zur Rahmengesetzgebung über den Wasserhaushalt nach Art. 75 Nr. 4 GG a. F. Die Geltung des Wasserwegerechts der Länder und die hoheitliche Verwaltung durch die Länder hat in der Praxis erhebliche Folgen für die Zulassung des Schiffsverkehrs auf diesen Wasserstraßen (nachfolgend aa)), für die Durchführung von Unterhaltungsmaßnahmen (anschließend bb)) und für 677 Zutreffend VG Gießen, Urt. v. 06.02.2006 – 1 E 822/05 – (bisher unveröffentlicht), zur Genehmigungspflichtigkeit von Gehölzschnittmaßnahmen an der Lahn oberhalb von Wetzlar durch die WSV; ebenso Kupsch, NuR 2005, 285, 289 f. 678 § 73 HessVwVG; § 22 BadWürttVwVG; § 21 I 1 NdsVwVG; § 36 BbgVwVG. 679 Reinheimer, S. 181 f.; zurückhaltender, aber tendenziell ebenso Reinhardt, ZfW 1989, 61, 66. 680 Ebenso Friesecke, WaStrG, Einl. Rdnr. 9.
I. Schlussfolgerungen für das Wasserwegerecht
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Verwaltungsakte, welche von der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung erlassen werden (abschließend cc)): aa) Zulassung des Schiffsverkehrs Ob die nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen des Bundes für den örtlichen Schiffsverkehr genutzt werden dürfen, entscheiden demnach die Länder selbst, da die bundesgesetzliche Widmung in § 5 S. 1 WaStrG für diese Wasserstraßen nicht gilt und der Bund mangels Gesetzgebungskompetenz hierzu auch keine Regelung erlassen kann.681 Unter dem örtlichen Schiffsverkehr in diesem Sinne ist derjenige Verkehr zu verstehen, der lediglich im Transport von Personen und Gütern über kurze Distanzen und ohne Anschluss bzw. Umstieg auf das größere Netz der dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen besteht. In der Regel fällt darunter vor allem die Ausflugsschifffahrt bzw. die Fahrgastschifffahrt im Linienverkehr. Letztere findet wegen der starken Konkurrenz anderer Verkehrsträger auf größeren Distanzen (insb. Straße, Schiene) in der Regel ohnehin nur noch auf lokaler Ebene statt. Die Entscheidungskompetenz der Länder hat insbesondere für diejenigen Wasserstraßen Bedeutung, welche nach dem Verlust ihrer Verkehrsbedeutung aus der Anlage 1 zum Wasserstraßengesetz herausgenommen werden. Dieser Vorgang wirkt als Entwidmung, so dass Schiffsverkehr nicht mehr zulässig ist, solange nicht die Länder die Wasserstraße auf der Grundlage ihres Wasserwegerechts dem Schiffsverkehr öffnen (vgl. auch C. I. 1. d)). Die von Reinheimer vertretene Gegenauffassung682, wonach die nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen gewohnheitsrechtlich nach wie vor für den regionalen Verkehr gewidmet seien, lässt sich bei näherer Betrachtung der Rechtslage in den betroffenen Ländern nicht halten. Nicht (mehr) dem allgemeinen Verkehr dienende Wasserstraßen des Bundes gibt es in den Ländern Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Thüringen, Bremen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, MecklenburgVorpommern, Berlin und Sachsen. Nur in Schleswig-Holstein dürfen die nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen des Bundes nach § 136, § 3 I Nr. 1 b LWG generell für die Schifffahrt genutzt werden. In den anderen Ländern gilt überwiegend der Grundsatz, dass schiffbare Gewässer zwar von jedermann für die Schifffahrt genutzt werden dürfen. Der Kreis der schiffbaren Gewässer wird aber gesondert, zumeist durch Rechts681
OVG Frankfurt/Oder, Beschl. v. 25.02.2004 – B 253/03 –, NuR 2004, 532, 533 aus wasserrechtlicher Sicht dazu Schmid, in: Berendes/Frenz/Müggenborg, WHG, § 25 Rdnr. 40. 682 Reinheimer, S. 162 ff.
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C. Weitere Folgen für das einfache Recht
verordnung, festgelegt.683 Im Übrigen ist die Schifffahrt auf den dem Wasserwegerecht der Länder unterliegenden Gewässern auch dann unzulässig, wenn sich diese Gewässer in tatsächlicher Hinsicht für eine Beschiffung – egal welcher Art – eignen würden.684 Lediglich Bremen und Berlin kennen Regelungen, wonach Gewässer für die Schifffahrt genutzt werden dürfen, wenn sie bei Inkrafttreten der Landeswassergesetze für die Schifffahrt zugelassen waren.685 Eine solche Zulassung mag sich auch aus dem Gewohnheitsrecht ergeben können. Für die anderen Bundesländer gilt jedoch grundsätzlich ein (präventives) Verbot der Schifffahrt auf den nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen, dass nur durch Rechtsverordnung oder andere Verwaltungsentscheidungen im Einzelfall aufgehoben werden kann.686 Da diese Regelungen ausnahmslos gelten, ist nicht ersichtlich, warum dann die dem Bund gehörenden Wasserstraßen eine Ausnahme bilden sollten. Wenn es also vor Inkrafttreten der wasserwegerechtlichen Regelungen in diesen Ländern eine gewohnheitsrechtliche Zulassung des Schiffsverkehrs auf nicht den allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen des Bundes gegeben haben sollte, dann wäre dieses Gewohnheitsrecht durch die Regelungen der Landeswassergesetze außer Kraft gesetzt worden.687 Eine neue gewohnheitsrechtliche Widmung entgegen dem gesetzten Recht ist, wenn überhaupt, nur im Ausnahmefall denkbar.688 Gegen die Bildung eines neuen Gewohnheitsrechts spricht schon der Umstand, dass viele Landeswassergesetze erst in den vergangenen Jahrzehnten novelliert und zum Teil auch vollständig neu bekannt gemacht wurden.689 Für die Bildung von 683 Vgl. § 73 V 2 NWG; § 37 II NWLWG; § 31 I 2 HeLWG; § 37 IV Nr. 2 ThürWG; § 46 II BbgWG; § 77 I 2 SachsAnhWG; § 21 V MVWG; § 36 II 1 SächsWG. 684 OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 14.03.2007 – 2 S 42.06 – LKV 2007, 567; OVG NRW, Urt. v. 11.09.2008 – 2 OA 1231/07 –, zitiert nach juris Rdnr. 28; VG Gera, Urt. v. 14.02.2006 – 1 K 284/05 –, zitiert nach juris Rdnr. 12; zur Rechtslage in Bayern, das in Art. 141 seiner Verfassung ein Recht auf Schifffahrt kennt und zum Begriff der Schifffahrt nach bayerischem Landesrecht OLG Nürnberg, Beschl. v. 18.11.2008 – 1 Ws 313/08 –, zitiert nach juris Rdnr. 14. 685 § 71 V BrWG, in Bremen betrifft dies lediglich die dem Bund gehörende Wümme als Gewässer erster Ordnung nach § 66 I 1 BrWG; § 28 II BEWG, wobei diese Regelung aber nach § 28 IV BEWG wiederum nicht für Bundeswasserstraßen gilt. 686 Zur besonderen Rechtslage in Rheinland-Pfalz, die ein Befahren nichtschiffbarer Gewässer ohne Erlaubnis im Rahmen des Eigentümergebrauchs zulässt vgl. OVG Koblenz, Urt. v. 23.11.1995 – 1 A 12853/94 –, zitiert nach juris Rdnr. 16 ff. 687 Zur Beseitigung von Gewohnheitsrecht durch Gesetz vgl. Neuhaus, JuS 1992, L 41, L 42; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 4 Rdnr. 32; BVerwG, Beschl. v. 31.08.1978 – 7 B 127.77 –, DVBl 1979, 116, 118. 688 Gröpper, DVBl 1969, 945; OLG Braunschweig, Urt. v. 05.11.1954 – Ss 220/54 –, NJW 1955, 355; näher zu dieser Möglichkeit der Derogation Neuhaus, JuS 1992, L 41, L 42 (m. w. N.).
I. Schlussfolgerungen für das Wasserwegerecht
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Gewohnheitsrecht entgegen der dort enthaltenen Regelungen dürfte es dann jedenfalls an der längeren tatsächlichen Übung fehlen, zumal ein bestimmtes Brauchtum, eine Gewohnheit oder Verkehrssitte nicht ausreicht.690 Eine gewohnheitsrechtliche Widmung für den regionalen Schiffsverkehr nach Entwidmung für den allgemeinen Verkehr wäre auch unter dem Gesichtspunkt der ausschließlichen legislativen und exekutiven Kompetenz der Länder bedenklich. Schließlich sprechen die in den Wassergesetzen der Länder regelmäßig enthaltenen Übergangsbestimmungen ebenfalls gegen eine gewohnheitsrechtliche Widmung für den regionalen Schiffsverkehr. Sie verlangen für Benutzungen eines Gewässers, die nicht unter die in § 9 WHG geregelten Benutzungen fallen, zumeist „besondere Titel“.691 Auch wenn diese Regelungen nicht primär auf die Schifffahrt zielen mögen, so zeigen sie doch, dass mit den Wassergesetzen eine umfassende Regelung der Befugnisse an Wasserstraßen bezweckt ist. Wenn danach eine bestimmte Inanspruchnahme einer Wasserstraße durch die Allgemeinheit unter einen Zulassungsvorbehalt gestellt ist, dann kann dieser nicht durch Gewohnheitsrecht unterlaufen werden. bb) Folgen für Unterhaltungsmaßnahmen Die nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen des Bundes sind nach Landesrecht zumeist Gewässer erster Ordnung, so dass regelmäßig den Bund als Eigentümer die Unterhaltungslast trifft. Diese umfasst auch die Schiffbarkeit.692 Freilich muss eine konkrete Wassertiefe nicht vorgehalten werden. Die Umsetzung der Unterhaltungslast kann es erfordern, Eingriffe in Natur und Landschaft im Sinne von § 14 I BNatSchG vorzunehmen. Das hat zur Folge, dass zulässige Eingriffe nach § 15 II BNatSchG ausgleichspflichtig sind. Über die Zulässigkeit des Eingriffs und die Ausgleichspflicht wird gemäß § 20 II BNatSchG regelmäßig in dem fachgesetzlichen Zulassungs689
NWG i. d. F. v. 25.06.2007, NdsGVBl. 2007, 345; NWLWG v. 25.06.1995 GV NRW 1995, 926; HeLWG v. 06.05.2005, GVBl. I 2005, 305; ThürWG i. d. F. v. 23.02.2004, GVBl. 2004, 244; BbgWG i. d. F. v. 08.12.2004, GVBl. 2004, 50; SachsAnhWG v. 12.04.2006, GVBl. LSA 2006, 248; SächsWG v. 18.10.2004, GVBl. 2004, 357. 690 Zu den Voraussetzungen für Gewohnheitsrecht im Bereich des Verwaltungsrechts BVerwG, Urt. v. 26.05.1959 – VIII C 135/57 – BVerwGE 8, 317, 321 = DÖV 1959, 867. 691 § 166 NWLWG; § 193 III NWG. 692 Vgl. § 39 I Nr. 3, 40 I 1 WHG; § 98 I 1, 99 I NWG; § 90, 91 I Nr. 1 NWLG; § 8 I Nr. 5, 9 I Nr. 1 HeWG.
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C. Weitere Folgen für das einfache Recht
verfahren für den jeweiligen Eingriff entschieden. Nach Auffassung von Reinheimer kann die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung als die den Eingriff durchführende Behörde nach § 17 I BNatSchG (früher § 20 II BNatSchG) selbst die Entscheidung über die Zulässigkeit des Eingriff und die Ausgleichspflicht treffen, sie soll lediglich auf das Benehmen der zuständigen Naturschutzbehörde angewiesen sein, soweit nicht die Länder ein Einvernehmenserfordernis eingeführt haben.693 Gegenüber anderen Verursachern eines Eingriffs erhielte der Bund dadurch eine privilegierte Stellung. Zu beachten ist aber, dass der Bund bei der Unterhaltung der nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen nur als Eigentümer im Wege der Verwaltung seines Vermögens tätig wird, auch wenn Unterhaltungsmaßnahmen auf einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung beruhen. Die Verwaltung des Vermögens der öffentlichen Hand zählt jedoch nicht zur öffentlichrechtlichen Verwaltungstätigkeit im Sinne des Verwaltungsverfahrensrechts694 und kann daher auch keine Behördeneigenschaft im Sinne von § 17 I, II BNatSchG begründen. Dem steht nicht entgegen, dass Art. 89 II 1 GG auch die Vermögensverwaltung erfasst. Zum einen gilt Art. 89 II 1 GG nicht für die nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen des Bundes (vgl. B. III. 2.). Zum anderen macht die Zuweisung der Vermögensverwaltung in Art. 89 II 1 GG an den Bund diese noch nicht zu einer hoheitlichen Behördentätigkeit. Schließlich greift die Vorschrift des § 17 II BNatSchG nur dann ein, wenn der behördliche Eingriff nach Landesrecht keiner sonstigen Genehmigungs- oder Anzeigepflicht unterliegt und wenn diese Verfahrensfreiheit abschließend aufgrund bundesrechtlicher Regelung besteht.695 Für die nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen des Bundes gelten jedoch keinerlei bundesrechtliche Freistellungen vom Verfahrensrecht der Länder. Im Ergebnis führt das dazu, dass über die Zulässigkeit des Eingriffs und die Ausgleichspflicht von der den Eingriff nach Maßgabe des Fachrechts zulassenden Landes- oder Kommunalbehörde entschieden werden muss. Ist der Eingriff nach keinem Fachrecht der Länder genehmigungs- oder anzeigepflichtig, so ist er der zuständigen Naturschutzbehörde – je nach landesrechtlicher Ausgestaltung – anzuzeigen oder von ihr zu genehmigen.696
693
Reinheimer, S. 182 f. Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 1 Rdnr. 16. 695 Fischer-Hüftle, in: Schumacher/Fischer-Hüftle, BNatSchG, § 20 Rdnr. 12 (zu dem bis zum 28.02.2010 geltenden im Wesentlichen inhaltsgleichen § 20 a. F.). 696 So zum Beispiel § 10 VI 1–3 SächsNatSchG; § 6 IV NWLG; § 7 III HeNatSchG; § 17 III BbgNatSchG. 694
I. Schlussfolgerungen für das Wasserwegerecht
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cc) Folgen für Verwaltungsakte der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung Soweit die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung in Ausübung der ihr vermeintlich zustehenden hoheitlichen Wegeverwaltung Verwaltungsakte erlässt, sollen diese nach Auffassung von Kupsch697 lediglich rechtswidrig, nicht aber nichtig sein, weil die besonders schwerwiegende Fehlerhaftigkeit eines solchen Verwaltungsaktes nicht offensichtlich im Sinne von § 44 I VwVfG sein soll. Allerdings ist zu bedenken, dass ein solcher Verwaltungsakt gleich an mehreren schwer wiegenden Fehlern leiden würde. Zum einen würde einem solchen Verwaltungsakt jede rechtliche Grundlage fehlen, da der Bund für die nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen keine Gesetzgebungskompetenz hat. Das allein macht den Verwaltungsakt freilich noch nicht nichtig, sondern nur rechtswidrig.698 Hinzu kommt aber die fehlende sachliche Zuständigkeit. Für die hoheitliche Wegeverwaltung der nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen sind nur die Länder zuständig, der Bund darf hier als Eigentümer nicht hoheitlich handeln. Das Bundesverwaltungsgericht nimmt die Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes bei Verstößen gegen Zuständigkeiten nur im Falle so genannter absoluter Unzuständigkeit an. Das ist der Fall, wenn die Behörde unter keinen wie auch immer gearteten Umständen mit der Sache befasst sein kann, beispielsweise weil es sich um den Zuständigkeitsbereich der Behörde eines anderen hoheitlichen Verbandes handelt.699 Beim Handeln durch eine Bundesbehörde anstelle einer Landesbehörde liegt ein solcher, die Nichtigkeit herbeiführender Eingriff in eine fremde Verbandskompetenz vor.700 Wenn dies allein schon nicht für die Nichtigkeit im vorliegenden Fall genügen sollte, dann kommt die fehlende Rechtsgrundlage hinzu. Beides zusammen wiegt so schwer, dass ein schützenswertes Interesse an der Aufrechterhaltung eines solchen Verwaltungsaktes nicht anzuerkennen ist. Bei dem Erfordernis der Offensichtlichkeit des schwerwiegenden Fehlers nach § 44 I VwVfG dürfen die Anforderungen zudem nicht überspannt werden, weil selbst eine „objektive Durchschnittsperson“ rechtliche Fragen oftmals nur schwer überschauen kann.701 Fraglich ist auch, auf welche „in Betracht 697
Kupsch, NuR 2005, 285, 290. BVerwG, Urt. v. 26.05.1967 – VII C 69.95 –, BVerwGE 27, 141, 143; Urt. v. 07.10.1964 – VI C 59.63 – BVerwGE 19, 284, 287. 699 BVerwG, Urt. v. 16.04.1971 – IV C 36/68 –, DÖV 1972, 173 (so genannte Evidenztheorie). 700 HessVGH, Urt. v. 09.08.1990 – 3 UE 2398/87 –, zitiert nach juris Rdnr. 29. 701 Kritisch zur Evidenztheorie und zur Offensichtlichkeit des Fehlers Leisner, DÖV 2007, 669, 671 der schließlich sogar eine Verfassungswidrigkeit von § 44 VwVfG in den Raum stellt. 698
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C. Weitere Folgen für das einfache Recht
kommenden Umstände“ nach § 44 I VwVfG abgestellt werden darf. Richtigerweise muss dazu auch der Umstand gehören, dass die nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen vom Bund nicht hoheitlich verwaltet werden können. Ist dieser Umstand bekannt, dann ist auch die Fehlerhaftigkeit eines Verwaltungsaktes in diesem Bereich offensichtlich. Deshalb sprechen im Ergebnis die besseren Gründe für die Nichtigkeit eines solchen Verwaltungsaktes. 3. Die Befugnisse des Bundes im Rahmen der Planfeststellung Die verfassungsmäßig vorgegebene Beschränkung des Bundes auf die Verkehrswegeverwaltung der Bundeswasserstraßen (B. III. 3. b)) mit dem weitgehenden Ausschluss einer Kompetenz im Bereich der Häfen (B. III. 5.) hat auch Folgen für die Zuständigkeit bei der Zulassung von Vorhaben an und in Bundeswasserstraßen. Angesichts der Vielgestaltigkeit möglicher Vorhaben kann es hier zu erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen dem Wasserstraßenrecht, für dessen Anwendung die Wasserund Schifffahrtsverwaltung des Bundes zuständig ist und dem Landeswasserrecht bzw. Wasserhaushaltsrecht oder anderem Fachrecht kommen (nachfolgend a)). Maßgeblich zur Abgrenzung ist generell der so genannte „schifffahrtsfunktionale Zusammenhang“ (anschließend b)). a) Beispiele für Abgrenzungsprobleme Nach §§ 14 I 1, § 12 II WaStrG ist der Ausbau, Neubau oder die Beseitigung einer Bundeswasserstraße planfeststellungspflichtig. Unter den Begriff des Ausbaus fallen nach § 12 II 1 WaStrG Maßnahmen zur wesentlichen Umgestaltung einer Bundeswasserstraße, einer Kreuzung mit einer Bundeswasserstraße, eines oder beider Ufer, wenn sie über die Unterhaltung hinausgehen und die Bundeswasserstraße als Verkehrsweg betreffen. Entsprechendes gilt nach § 12 II 2 WaStrG auch für die Beseitigung einer Bundeswasserstraße. Für das Verfahren ist die Wasser- und Schifffahrtsdirektion des Bundes nach § 14 I 3 WaStrG zuständig. Ein Planfeststellungsverfahren ordnet jedoch auch das Wasserhaushaltsgesetz in § 69 I WHG für den „Gewässerausbau“ an. Da das WHG auch für Bundeswasserstraßen gilt (vgl. § 2 I Nr. 1, 2 § 4 I 2 WHG) ist hier eine Abgrenzung erforderlich, zumal für die Ausführung des Wasserhaushaltsgesetzes die Länder zuständig sind.702 Gleiches gilt für die in den Landeswassergesetzen vorgesehene Planfeststellung. 702 Eingehend zu den verfahrens- und materiellrechtlichen Unterschieden der jeweiligen Planfeststellungsverfahren Breuer, in: FS-Hoppe, S. 667, 676, dessen Aus-
I. Schlussfolgerungen für das Wasserwegerecht
215
Relativ einfach liegt der Fall, wenn eine Gewässerstrecke für den Schiffsverkehr nachhaltig vertieft, verbreitert, begradigt oder verlängert werden soll. Hier ist die Wasserstraße als Verkehrsweg betroffen und daher ein Planfeststellungsverfahren nach dem Wasserstraßengesetz zu führen. Schwieriger sind Fälle zu beurteilen, in denen das Vorhaben gleichzeitig anderen Zwecken dient oder in denen auch andere Verkehrsträger betroffen sind. Muss beispielsweise eine bestehende Straßen- oder Eisenbahnbrücke über einer Bundeswasserstraße abgebrochen und neuerrichtet werden703, weil die bisher vorhandenen Pfeiler in der Wasserstraße infolge veränderter Schiffsgrößen der Schifffahrt im Wege stehen, so handelt es sich um eine Kreuzung mit einer Bundeswasserstraße, so dass grundsätzlich das Planfeststellungsverfahren nach § 14 I 1 WaStrG in Betracht kommt. Gleichzeitig liegt aber regelmäßig auch eine planfeststellungspflichtige Änderung der Straße oder Eisenbahnstrecke vor, die über das Brückenbauwerk führt (vgl. § 17 I 1 FStrG; § 18 I 1 AEG). Für die Planfeststellung bei Straßen sind zudem regelmäßig Länderbehörden zuständig. Ein weiteres Beispiel für Abgrenzungsprobleme ist der Bau von Sperrwerken, Staustufen und ähnlichen Einrichtungen, die in erster Linie dem Küstenschutz oder Hochwasserschutz dienen, gleichzeitig aber auch für die Verbesserung der Schiffbarkeit nutzbar gemacht werden können. Schließlich treten Probleme auch auf, wenn es um die Planfeststellung von Vorhaben zu Häfen geht. Dort kommt noch die Frage hinzu, auf welche technischen Einrichtungen eines solchen Vorhabens sich die Planfeststellung erstreckt. Zur Lösung derartiger Problemfälle kann man sich regelmäßig nicht auf § 78 I VwVfG stützen. Danach kann ein bundesrechtlich geregeltes Planfeststellungsverfahren durchgeführt werden, wenn mehrere selbstständige, planfeststellungspflichtige Vorhaben aufeinandertreffen, für die Vorhaben nur eine einheitliche Entscheidung möglich ist und mindestens eines der Vorhaben nach Bundesrecht planfeststellungspflichtig ist. Mehrere selbstständige Vorhaben liegen (nur) vor, wenn die Vorhaben nicht aufeinander bezogen sind und insbesondere nicht das eine Vorhaben das andere auslöst. § 78 I VwVfG regelt nur den Fall, das mehrere Vorhaben räumlich aufeinander treffen und gerade wegen dieses Aufeinandertreffens eine einheitliche Entscheidung erforderlich ist.704 Die vorstehend angeführten Beispiele betreffen jedoch einheitliche Vorhaben, die lediglich aus verschiedenen Teiführungen jedoch wegen der mittlerweile erfolgten Änderungen in WHG und BNatSchG nicht unbesehen übernommen werden dürfen. 703 Einen solchen Fall betrifft die Entscheidung BVerwG, Urt. v. 29.11.2010 – 7 B 68/10 – NVwZ 2011, 242. 704 Vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.09.1995 – 11 VR 38/95 – NVwZ 1996, 389, 390 = NuR 1996, 293.
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C. Weitere Folgen für das einfache Recht
len bestehen, die – bei isolierter Betrachtung – jeweils unterschiedlichem Fachrecht unterfallen würden. b) Schifffahrtsfunktionaler Zusammenhang als maßgebliches Abgrenzungskriterium Zur Bestimmung der Reichweite der Planfeststellung nach § 14 I 1 WaStrG lässt sich aus den Kompetenzbestimmungen des Grundgesetzes das Erfordernis des schifffahrtsfunktionalen Zusammenhangs ableiten (unter aa)). Je nach Art des Vorhabens ist dann für die Abgrenzung der Vorhabenzulassung nach Wasserstraßenrecht zur Zulassung nach anderem Fachrecht zu differenzieren (unter bb)). aa) Ableitung des schifffahrtsfunktionalen Zusammenhanges § 14 I 1 WaStrG findet seine kompetenzrechtliche Grundlage in Art. 74 I Nr. 21 GG, die Zuweisung der Zuständigkeit für das Verfahren an die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes beruht auf Art. 89 II 1 GG (B. III. 3. b)). Da Art. 74 I Nr. 21 GG nur Regelungen für Wasserstraßen in ihrer Funktion für den Schiffsverkehr erlaubt705, müssen nach Wasserstraßenrecht planfeststellungspflichtige Vorhaben im Zusammenhang mit der Verkehrsfunktion der Wasserstraße stehen. Nur für solche Vorhaben durfte der Bund die Zuständigkeit der Bundesbehörden anordnen. Genau dies kommt auch in der Definition des planfeststellungspflichtigen Ausbaus einer Wasserstraße in § 12 II 1 WaStrG zum Ausdruck, wenn dort verlangt wird, dass die Bundeswasserstraße als Verkehrsweg betroffen sein muss. Unter Berücksichtigung der Vorgaben aus der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung betrifft eine Baumaßnahme an einer Bundeswasserstraße diese als Verkehrsweg, wenn es sich um eine Maßnahme zur Veränderung der Verkehrsfunktion der Wasserstraße handelt. Das ist eine Maßnahme, welche die Bundeswasserstraße im Verkehrsinteresse, d.h. zur Ermöglichung, Aufrechterhaltung, oder Förderung des Schiffsverkehrs ändern soll.706 Dieses Erfordernis wird oft als „schifffahrtsfunktionaler Zusammenhang“ bezeichnet707 und knüpft an den Zweck einer Maßnahme bzw. die Funktion einer zu errichtenden Anlage an.708 705 BVerfG, Urt. v. 30.10.1962 – 2 BvF 2/60 –, BVerfGE 15, 1, 14 = NJW 1962, 2243; Breuer, in: FS-Hoppe, S. 667, 672. 706 Friesecke, WaStrG, § 12 Rdnr. 3; Herrmanns, in: Ziekow (Hrsg.), Aktuelle Fragen des Fachplanungs-, Raumordnungs- und Naturschutzrechts 2006, S. 323, 326. 707 BVerwG, Urt. v. 5.12.2001 – 9 A 13/01 –, BVerwGE 115, 294, 298 = NVwZ 2002, 470, 471; Beschl. v. 09.03.2010 – 7 B 3/10 –, zitiert nach juris Rdnr. 8 ff.;
I. Schlussfolgerungen für das Wasserwegerecht
217
Das Erfordernis des schifffahrtsfunktionalen Zusammenhangs ist schließlich auch nicht durch die nun aufgrund von Art. 74 I Nr. 32 GG bundesrechtlich geregelte Planfeststellung nach Wasserhaushaltsrecht entfallen. Da für dessen Ausführung die Landesbehörden zuständig sind und zudem die Länder nach Maßgabe von Art. 72 III Nr. 5 GG auch abweichende landesrechtliche Regelungen treffen können, ist eine Abgrenzung zwischen einem Ausbauvorhaben nach Wasserstraßenrecht und nach Wasserhaushaltsrecht nach wie vor erforderlich. bb) Schlussfolgerungen für einzelne Arten von Vorhaben Geht es in erster Linie um eine Veränderung der Schiffbarkeit des Gewässers durch dauerhafte bauliche Veränderungen, so ist ein schifffahrtsfunktionaler Zusammenhang gegeben und das Planfeststellungsverfahren nach § 14 I WaStrG zu führen, selbst wenn das Vorhaben gleichzeitig Auswirkungen auf den Wasserhaushalt hat, indem zum Beispiel Wasserabfluss oder Wasserstand verändert werden. Ein praktischer Anwendungsfall ist die Errichtung einer Stauanlage, die üblicherweise auch allein wasserwirtschaftliche Gründe haben könnte. Umgekehrt ist ein Vorhaben nach dem Wasserhaushaltsrecht planfeststellungspflichtig, wenn zwar eine Bundeswasserstraße betroffen ist, aber primär Zwecke der Wasserwirtschaft verfolgt werden709 und Auswirkungen auf die Schifffahrt – wenn überhaupt – lediglich zwangsläufig eintreten.710 Betrifft ein Vorhaben zur Verbesserung der Schifffahrt die Veränderung von Anlagen einer anderen Infrastruktur, deren Veränderung selbst nach anderen Fachgesetzen planfeststellungspflichtig wäre (z. Bsp. Erhöhung von Brücken, Erweiterung von Brückendurchfahrten) so handelt es sich gleichwohl um den Ausbau einer Bundeswasserstraße, denn die wesentliche Umgestaltung einer Kreuzung mit einer Bundeswasserstraße wird in § 12 II 1 WaStrG ausdrücklich erwähnt und beinhaltet zugleich auch den erforderlichen schifffahrtsfunktionalen Zusammenhang. Zwangsläufig erforderliche ebenso schon Vorinstanz OVG Bremen, Urt. v. 04.06.2009 – 1 A 9/09 –, ZUR 2010, 151 (dort nicht vollständig abgedruckt, zitiert nach juris Rdnr. 74); in der Sache ebenso NdsOVG, Urt. v. 07.01.1999 – 3 K 4464/94 –, VkBl 1999, 684; VG Stade, Beschl. v. 05.10.2004 – 1 B 1111/04 –, zitiert nach juris Rdnr. 12; Maus, in: Berendes/Frenz/Müggenborg, WHG, § 67 Rdnr. 57. 708 Breuer, in: FS-Hoppe, S. 667, 673; Herrmanns (Fn. 706), S. 326. 709 OVG Bremen, ZUR 2010, 151 (Fn. 707; zitiert nach juris Rdnr. 74 f.); VG Bremen, Urt. v. 29.11.2007 – 5 K 565/07 – ZUR 2008, 368, 369. 710 VG Oldenburg, Urt. v. 29.06.2008 – 5 A 4956/06 – NuR 2008, 887 (planfeststellungspflichtiger Sandabbau nach Bergrecht in einer Bundeswasserstraße für Vorhaben nach dem WaStrG – JadeWeserPort).
218
C. Weitere Folgen für das einfache Recht
Anpassungen an der kreuzenden Infrastruktur sind dann als Folgemaßnahmen nach § 75 I 1 VwVfG in die Planfeststellung nach § 14 I WaStrG aufzunehmen.711 Für Vorhaben, die neben der Verbesserung der Schifffahrt gleichzeitig noch andere Zwecke verfolgen, ist auf den Schwerpunkt des Vorhabens und den Schwerpunkt der Funktion ggf. zu errichtender Bauwerke abzustellen.712 Lässt sich ein solcher Schwerpunkt nicht ausmachen, wird man dem Vorhabenträger ein gewisses Bestimmungsrecht für das zu wählende Verfahren zugestehen müssen, welches er lediglich nicht willkürlich ausüben darf.713 Bei Hafenbauvorhaben ist eine Abgrenzung der Zuständigkeit für die Planfeststellung in zwei Richtungen erforderlich: Zum einen geht es um die Abgrenzung zu anderen Zulassungsverfahren, insbesondere der Planfeststellung nach Wasserhaushaltsrecht und zum anderen darum, inwieweit sich die Planfeststellung bei Häfen auch auf Hafenanlagen erstreckt. Ausgangspunkt ist die Erkenntnis, dass der Bund für das Hafenwesen an sich weder eine Gesetzgebungs- noch eine Verwaltungskompetenz besitzt, selbst wenn es sich um Häfen an Bundeswasserstraßen bzw. mit Anschluss an Bundeswasserstraßen handelt. Die Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenz der Länder im Bereich der Häfen erstreckt sich auf alle Anlagen und Gewässerbereiche, die Schiffen eine Anlauf-, Be- und Entlademöglichkeit mittels entsprechender Einrichtungen bieten und somit die Funktion eines Verkehrsund Umschlaghafens erfüllen (vgl. B. III. 5.). Zuständig für die Zulassung von Hafenbauvorhaben sind danach grundsätzlich die Länder. Diese stützen sich regelmäßig auf die Planfeststellung nach dem WHG bzw. den einschlägigen Landeswassergesetzen, wenn neue Wasserflächen für Hafenbecken gewonnen werden sollen. Dies betrifft also solche Häfen, die an eine Bundeswasserstraße ggf. über Stichkanäle angeschlossen werden oder von der 711 BVerwG, Beschl. v. 19.12.1989 – 4 B 224/89 –, NVwZ 1990, 463 („Stadtbrücke Riedenburg“); zum gleichen Vorhaben auch BayVGH, Urt. v. 19.07.1987 – 8 A 87.40015 –, DVBl 1990, 166, 167. 712 Ähnlich Breuer, in: FS-Hoppe, S. 667, 674, der auf primäre Veranlassung und überwiegende Prägung des Vorhabens abstellt; Maus, in: Berendes/Frenz/Müggenborg, WHG, § 67 Rdnr. 57; Czychowski/Reinhardt, WHG, § 70 Rdnr. 75. 713 Vgl. dazu die Errichtung des Emssperrwerkes in Niedersachsen: Das Sperrwerk dient sowohl dem Schutz vor Sturmfluten wie auch dem Aufstau der Ems zur Verbesserung der Schiffbarkeit bis Papenburg. In erster Instanz hatte das VG Oldenburg, Urt. v. 16.05.2001 – 1 A 3558/98 – UA S. 19–22 (bisher unveröffentlicht) eine analoge Anwendung von § 78 VwVfG mit nachfolgender gerichtlicher Vertretbarkeitskontrolle befürwortet. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht konnte die Frage nach dem richtigen Planfeststellungsverfahren – nach Deichrecht oder Wasserstraßenrecht – in zweiter Instanz letztlich offen lassen, NdsOVG, Urt. v. 01.12.2004 – 7 LB 44/02 – NuR 2006, 115 = NdsVBl 2006, 10.
I. Schlussfolgerungen für das Wasserwegerecht
219
bestehenden Bundeswasserstraße seitlich abgegrenzt sind, ohne dass dabei die vorhandene Wasserstraße verändert wird.714 Anderes gilt aber, wenn ein Hafenbauvorhaben unmittelbar in einer vorhandenen Bundeswasserstraße (beispielsweise Errichtung einer Stromkaje etc. oder anderer Anlegestellen) verwirklicht werden soll. Dazu muss regelmäßig die Bundeswasserstraße oder ihr Ufer umgestaltet werden, so dass die äußeren Merkmale des wasserstraßenrechtlichen Ausbaubegriffs nach § 12 II 1 WaStrG erfüllt ist. Gleichzeitig ist die Verkehrsfunktion der Bundeswasserstraße betroffen, weil die bisherige Führung des Schiffsverkehrs verändert werden muss, um weiterhin gefahrlosen Durchgangsverkehr auf der Wasserstraße, aber auch das Ein- und Auslaufen aus dem Hafen zu gewährleisten. Hier ist deshalb eine Planfeststellung nach § 14 I WaStrG durchzuführen.715 Ungeachtet der Frage, ob ein Hafenbauvorhaben der Planfeststellung nach Wasserrecht oder Wasserstraßenrecht unterfällt, ist die Planfeststellung auf solche Teile des Vorhabens zu beschränken, welche die Umgestaltung der Wasserstraße bzw. des Gewässers betreffen. Die so genannte Hafensuprastruktur, also die jeweiligen Umschlagsanlagen und Verkehrsanlagen in einem Hafen (Entladekräne, Containerbrücken, Straßen, Ver- und Entladegleise etc.) gehört im Rechtssinn nicht zum Gewässer und kann daher auch nicht Gegenstand der Planfeststellung sein.716 Für die Planfeststellung nach Wasserstraßenrecht ergibt sich dies aus der zuvor dargestellten Kompetenzverteilung: Die Suprastruktur betrifft den eigentlichen Kern des Hafenwesens und unterliegt daher der Zuständigkeit der Länder. Eine Erstreckung der Reichweite der Planfeststellung auf Anlagen der Suprastruktur kann deshalb nur ausnahmsweise erfolgen, wenn es sich um eine notwendige Folgemaßnahme nach § 75 I VwVfG handelt oder ein Fall des § 78 I VwVfG vorliegt.717 Das schließt freilich nicht aus, dass die weiteren nicht 714
Beispiele aus der Rechtsprechung: VG Hamburg, Beschl. v. 30.10.2006 – 19 E 3517/06 – NordÖR 2007, 125 (Buchardkai); VG Köln, Urt. v. 11.08.09 – 14 K 4720/06 –, zitiert nach juris Rdnr. 48 (Godorfer Hafen). 715 Beispiele aus der Rechtsprechung: ausführlich NdsOVG, Beschl. v. 05.03. 2008 – 7 MS 114/07 – NuR 2008, 265, 268 (JadeWeserPort); OVG Bremen, Urt. v. 11.06.1996 – 1 G 3/94 – VkBl 1996, 689; Urt. v. 13.12.2001 – 1 D 299/01 – NordÖR 2002, 116 (zitiert nach juris Rdnr. 41, 43) und Urt. v. 13.01.2005 – 1 D 224/04 –, zitiert nach juris Rdnr. 66, jeweils zu den Containerterminals „Wilhelm Kaisen“ (CT) I – IVa in Bremen, freilich ohne nähere Begründung hinsichtlich der Wahl des wasserstraßenrechtlichen Planfeststellungverfahrens. 716 OVG NRW, Urt. v. 15.03.2011 – 20 A 2148/09 – DVBl 2011, 767 (Godorfer Hafen); ebenso schon die Entscheidungen zum selben Vorhaben im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes: OVG NRW, Beschl. v. 29.07.2010 – 20 B 1320/09 –, zitiert nach juris Rdnr. 37 f. und in der Vorinstanz VG Köln, Urt. v. 11.08.09 (Fn. 714) ebd. 717 OVG Bremen, VkBl 1996, 689 (Fn. 715; zitiert nach juris Rdnr. 47); NdsOVG, NuR 2008, 265, 268 (Fn. 715).
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C. Weitere Folgen für das einfache Recht
planfeststellungsfähigen Anlagen des Hafens bei der Vorhabenprüfung indirekt berücksichtigt werden müssen. Zeigt sich nämlich schon im Planfeststellungsverfahren, dass die spätere Zulassung der Suprastruktur aus rechtlichen Gründen nicht möglich ist – beispielsweise wegen der Lärmimmissionen, die von der Suprastruktur ausgehen – oder nur möglich ist, wenn bereits im Planfeststellungsbeschluss bestimmte Auflagen nach § 74 II 2 VwVfG gemacht werden, so muss die Planfeststellungsbehörde dementsprechend den Planfeststellungsbeschluss versagen bzw. die notwendigen Schutzauflagen erlassen, soweit das rechtlich möglich ist. Anderenfalls wäre das zugelassene Vorhaben zumindest abwägungsfehlerhaft.718
II. Das Wasserverkehrsrecht und die Wasserverkehrsverwaltung Art. 74 I Nr. 21 GG gestattet dem Bund nicht nur die Regelung des Rechts der dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen, sondern generell auch die Regelung der Binnenschifffahrt. Parallel dazu können dem Bund auf dem Gebiet der Binnenschifffahrt Aufgaben zur Verwaltung durch Gesetz nach Art. 89 II 2 GG übertragen werden. Das betrifft unter anderem die Verkehrsverwaltung auf den Wasserstraßen, welche von der Verkehrswegeverwaltung zu unterscheiden ist. Die Verkehrsverwaltung steht aber, da sie ebenfalls der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes übertragen ist, in einem gewissen Zusammenhang mit der Verkehrswegeverwaltung. Deshalb soll nachfolgend zum einen die Grundsatzfrage beleuchtet werden, auf welchen Binnenwasserstraßen das Verkehrsrecht des Bundes gilt (dazu 1.) und welche Aufgaben die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung im Bereich der Binnenschifffahrt wahrnimmt (dazu unter 2.). 1. Begriff der Bundeswasserstraßen im Binnenschifffahrtsrecht Das Verkehrsrecht des Bundes für die Binnenschifffahrt gilt auf Bundeswasserstraßen. Im Binnenschifffahrtsrecht ist dieser Begriff jedoch unscharf und von Rechtsprechung und Literatur bislang kaum näher behandelt worden (a)). Erforderlich ist deshalb ein Vergleich mit dem Begriff im Wasserstraßenrecht und eine Analyse der jeweiligen, auch verfassungsrechtlichen Grundlagen (b)).
718
OVG Bremen, NordÖR 2002, 116 (Fn. 715, zitiert nach juris Rdnr. 45 f.).
II. Das Wasserverkehrsrecht und die Wasserverkehrsverwaltung
221
a) Problemdarstellung Bundesrechtlich ist das Verkehrsrecht auf Binnenwasserstraßen durch die Binnenschifffahrtsstraßenordnung719 (BinSchStrO) geregelt. Sie ist mit der Straßenverkehrsordnung (StVO) vergleichbar und enthält in einem allgemeinen Teil die Regelungen über das Verhalten im Binnenschiffsverkehr und in einem besonderen Teil Regelungen für einzelne Wasserstraßen. Während jedoch die StVO grundsätzlich auf allen öffentlichen Straßen in Deutschland Geltung beansprucht, beschränkt sich die Binnenschifffahrtsstraßenordnung auf „Bundeswasserstraßen“, wie sich aus § 1 I der Verordnung zur Einführung der Binnenschifffahrtsstraßenordnung (BinSchStrEV) ergibt. Diese Rechtsverordnung wiederum beruht auf der Ermächtigungsgrundlage in § 3 I Nr. 1 des Gesetzes über die Aufgaben der Binnenschifffahrt (BinSchAufG).720 Danach kann das für den Verkehr zuständige Bundesministerium Rechtsverordnungen unter anderem über das Verhalten im Verkehr „im Rahmen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 5“ erlassen. § 1 I Nr. 2, aber auch Nr. 3, 4 und 5 BinSchAufgG verwenden sodann den Begriff der Bundeswasserstraße, ohne ihn zu erläutern oder gleichzeitig dem Verordnungsgeber eine Kompetenz zur näheren Definition des Begriffes einzuräumen. Will man nun zur Auslegung des Begriffes der Bundeswasserstraße auf das WaStrG zurückzugreifen, so ergeben sich zwei Probleme: Der in § 1 I Nr. 1 WaStrG mit der Anlage 1 definierte Begriff der Bundeswasserstraße gilt nach dem ausdrücklichen Wortlaut von § 1 I WaStrG nur für dieses Gesetz. Umgekehrt enthält der besondere Teil der Binnenschifffahrtsstraßenordnung auch Regelungen für nicht dem allgemeinen Verkehr dienende Binnenwasserstraßen, die dem Anwendungsbereich des WaStrG nicht unterfallen. Hierzu gehören zum Beispiel der Elisabethfehnkanal (§ 15.01 BinSchStrO), die Westoder und die Lausitzer Neiße (§ 26.01 BinSchStrO) sowie der Saale-Leipzig-Kanal (§ 25.01 BinSchStrO). Die Begriffe der Bundeswasserstraße im Wasserstraßengesetz einerseits und in der Binnenschifffahrtsstraßenordnung andererseits decken sich somit nicht. Rechtsprechung und Literatur haben sich bislang nur sehr vereinzelt mit diesem Problem beschäftigt: In einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Frankfurt/Oder ging es um die Frage, ob auf der in Brandenburg belegenen Hohennauer Wasserstraße auf der Grundlage der Verordnung über das Wasserskilaufen auf den Binnenschifffahrtsstraßen (WasSkiV)721 719 Verordnung zur Einführung der Binnenschifffahrtsstraßenordnung vom 08. Oktober 1998, BGBl I 1998, 3148, 3317 (mit Anlage BinSchStrO). 720 Gesetz über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Binnenschifffahrt vom 15. Februar 1956, BGBl II 1956, 317. 721 Wasserskiverordnung vom 17. Januar 1990, BGBl I, 107.
222
C. Weitere Folgen für das einfache Recht
auf diesem Gewässer das Wasserskilaufen gestattet war.722 Wie § 1 I BinSchStrEV verweist § 2 Nr. 1 WasSkiV auf die in § 1 I Nr. 2 BinSchAufgG genannten Wasserstraßen und damit letztlich auf die Bundeswasserstraßen. Die Hohennauer Wasserstraße ist nicht (mehr) in der Anlage 1 zum WaStrG geführt und deshalb keine Bundeswasserstraße im Sinne des Wasserstraßengesetzes. Das Oberverwaltungsgericht stellte zunächst fest, dass der Begriff der Bundeswasserstraße für den Bereich des Binnenschifffahrtsrechts nicht definiert ist. Eine Bestimmung anhand des WaStrG und dessen Anlage 1 ist nach Ansicht des Gerichts denkbar, soweit es sich um die dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen handelt. Die nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen (und darum handelte es sich in diesem Falle) unterfallen jedoch nicht der Gesetzgebungskompetenz des Bundes und können daher auch nicht im WaStrG berücksichtigt werden. Das Gericht kam schließlich zu dem Ergebnis, dass es für die Hohennauer Wasserstraße keine bundesrechtliche Widmung gibt und eine landesrechtliche Widmung für die Binnenschifffahrt ebenfalls nicht vorliegt und die Wasserstraße somit nicht Bundeswasserstraße im Sinne des Binnenschifffahrtsrechts sein kann.723 Dieser Auffassung hat sich später auch das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht angeschlossen.724 In der Literatur hat Kupsch hierzu vertreten, dass Bundeswasserstraßen im Binnenschifffahrtsrecht nur solche Wasserstraßen sein können, die in der Anlage 1 zum Wasserstraßengesetz genannt sind.725 Das Verkehrsrecht folge dem Verkehrswegerecht, deshalb sei auch die Gesetzgebungskompetenz des Bundes auf dem Gebiet der Binnenschifffahrt auf die dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen beschränkt. Soweit sich der zweite Teil der Binnenschifffahrtsstraßenordnung auf nicht dem allgemeinen Verkehr dienende Gewässer beziehe, sei er rechtswidrig.726 b) Eigener Lösungsansatz Ausgangspunkt für die Definition des Begriffes der Bundeswasserstraße im Binnenschifffahrtsrecht muss zunächst die Gesetzgebungskompetenz sein. Nach Art. 74 I Nr. 21 GG besteht eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für die Binnenschifffahrt. Dieser Kompetenztitel beschränkt sich entgegen der Auffassung von Kupsch727 nicht auf den Binnenschiffsverkehr, 722 723 724 725 726 727
OVG Frankfurt/Oder, Beschl. v. 25.02.2004 – B 253/03 –, NuR 2004, 532. OVG Frankfurt/Oder (Fn. 722), NuR 2004, 532, 533. NdsOVG, Urt. v. 14.02.2007 – 12 LB 433/06 – NVwZ-RR 2007, 524. Kupsch, NuR 2005, 285, 288. Kupsch, ebd. (Fn. 725), S. 288, Fn. 61. Kupsch, ebd. (Fn. 725), S. 287.
II. Das Wasserverkehrsrecht und die Wasserverkehrsverwaltung
223
der auf den dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen stattfindet. Er umfasst die Binnenschifffahrt auf allen Wasserstraßen.728 Der einschränkende Zusatz „dem allgemeinen Verkehr dienend“ bezieht sich schon dem Wortlaut nach ersichtlich nur auf das Wasserwegerecht, nicht aber auf das Verkehrsrecht. Für dieses Ergebnis spricht auch die Systematik der Kompetenzverteilung im Grundgesetz: Nach Art. 74 I Nr. 22 GG erstreckt sich die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz im Straßenbereich allgemein auf den Straßenverkehr einerseits und den Bau und die Unterhaltung von Landstraßen für den Fernverkehr andererseits. Während also die Gesetzgebungskompetenz für das Wegerecht – wie bei den Wasserstraßen – durch ein Tatbestandsmerkmal der Überregionalität (Fernverkehr) beschränkt wird, gilt diese Beschränkung für das Verkehrsrecht nicht. Das ist auch sinnvoll, weil anderenfalls das Verkehrsrecht auf den nicht dem Fernverkehr dienenden Landstraßen in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder fiele. Für die Ordnung des Straßenverkehrs wäre dann ein je nach Bundesland und Straßenkategorie unterschiedliches Verkehrsrecht zumindest theoretisch möglich. Ein solches Regelungskonzept wäre angesichts der Vernetzung des gesamten Straßenverkehrsnetzes, dessen Straßenenden sich auch im Übrigen nicht nach Ländergrenzen richtet, praktisch kaum durchführbar. Gleiches muss aber auch für den Binnenschiffsverkehr gelten. Auch hier besteht ein Interesse daran, die Regeln für den Schiffsverkehr auf allen Wasserstraßen einheitlich zu regeln, ungeachtet der Frage, ob sie dem allgemeinen Verkehr dienen oder nicht. Somit ergibt sich aus Systematik, Sinn und Zweck, dass die Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 I Nr. 21 GG das Verkehrsrecht auf allen Binnenwasserstraßen umfasst. Nichts anderes ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte. Nach Art. 4 Nr. 9 der Reichsverfassung von 1871 beschränkte sich die Gesetzgebungskompetenz des Reiches zwar auf die Schifffahrt auf den mehrere Staaten durchziehende Wasserstraßen. In Art. 7 Nr. 19 der WRV war dieser Zusatz jedoch entfallen und allgemein nur noch von der Binnenschifffahrt und dem Verkehr mit Kraftfahrzeugen zu Lande die Rede. In den Beratungen des Parlamentarischen Rates für das Grundgesetz war sodann zunächst vorgeschlagen worden, die Verkehrsverwaltung als „Wasserschutzpolizei . . . auf den dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen“ in den Kompetenztitel aufzunehmen. Umstritten war jedoch, was genau unter den Begriff der Wasserschutzpolizei fällt und ob davon alle Wasserstraßen erfasst werden sollten.729 Den Protokollen der Beratungen des Zuständigkeitsausschusses lässt sich insofern kein eindeutiges Meinungsbild entnehmen. Klar 728
Ebenso – wenn auch ohne nähere Begründung – Ibler, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, Art. 89 Rdnr. 58; Durner, in: Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 89 Rdnr. 47. 729 Hoch, in der Sitzung vom 23. November 1948, Wernicke/Booms, Bd. 3 S. 658.
224
C. Weitere Folgen für das einfache Recht
ist nur, dass man den Zusatz über die Wasserschutzpolizei gestrichen hat, weil man die Regelung des Verkehrsrechts vom allgemeinen Begriff der Binnenschifffahrt im Kompetenztitel hinreichend erfasst sah.730 Somit gestattet Art. 74 I Nr. 21 GG dem Bund die Regelung des Schiffsverkehrs auf allen Wasserstraßen. Angesichts der auf „Bundeswasserstraßen“ begrenzten Rechtsgrundlage in § 3 I, § 1 I Nr. 2 BinSchAufgG ist jedoch klar, dass der Bund diese Kompetenz bislang nicht voll ausgeschöpft hat. Dies belegen im Übrigen die verschiedenen landesrechtlichen Regelungen für die Binnenschifffahrt.731 Andererseits ist klar, dass der räumliche Geltungsbereich der Binnenschifffahrtsstraßenordnung nicht aus ihr selbst abgeleitet werden kann, da es entscheidend auf die Auslegung der Ermächtigungsgrundlage in § 3 I, § 1 I Nr. 2 BinSchAufgG ankommen muss. Ebenso scheidet der Rückgriff auf das WaStrG und seine Anlage 1 schon deshalb aus, weil das WaStrG erst 1968 und damit deutlich nach dem BinSchAufgG erlassen wurde. Hinzu kommt der nach dem Wortlaut von § 1 I WaStrG ausdrücklich beschränkte Geltungsbereich der Begriffsdefinition. Somit bleibt letztlich nur die historische Auslegung. Bei Schaffung des BinSchAufgG 1956 wurden als Bundeswasserstraßen jedenfalls die nach Art. 89 I GG übergegangenen früheren Reichswasserstraßen einschließlich der nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden früheren Reichswasserstraßen angesehen (vgl. dazu B. III. 1. c)). Geht man einen Schritt weiter, so kann man auch auf Art. 89 II 1 GG abstellen und davon ausgehen, dass Bundeswasserstraßen die jeweils Art. 89 II 1 GG unterfallenden Wasserstraßen sind. Damit sind auch die Wasserstraßen in den neuen Ländern, auf die Art. 89 I GG generell nicht anwendbar ist, einbezogen. Nicht einbezogen in den Anwendungsbereich von § 1 I BinSchAufgG sind hingegen die nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR. Diese unterfielen zu keinem Zeitpunkt Art. 89 I GG (siehe B. III. 1. e)) und sie unterfallen auch nicht Art. 89 II 1 GG. Die BinSchStrO überschreitet deshalb, soweit sie diese Wasserstraßen betrifft, ihre Ermächtigungsgrundlage und ist rechtswidrig. Angesichts der konkurrierenden Zuständigkeit des Bundes und der im Bereich der Binnenschifffahrt nicht anwendbaren Erforderlichkeitsklausel (vgl. Art. 72 I, II GG) wäre es Sache des Bundes, diesen rechtspolitisch unbefriedigenden Zustand durch die Einführung einer allgemein geltenden 730 Vgl. die Debatten in der Sitzung vom 24. November 1948, Wernicke/Booms, Bd. 3 S. 671. 731 Z. Bsp. Landesschifffahrtsordnung Brandenburg – LSchiffV v. 25.04.2005, GVBl II 2005, 166; Sächsische Schifffahrtsordnung – SächsSchiffVO v. 12.03.2004, SächsGVBl 2004, 123; Verordnung über die Schifffahrt auf den bayerischen Gewässern – SchO v. 09.08.1977, GVBl 1977, 469. Die Verordnungen nehmen Bundeswasserstraßen von ihrem Geltungsbereich regelmäßig aus.
II. Das Wasserverkehrsrecht und die Wasserverkehrsverwaltung
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Verkehrsordnung für Binnenwasserstraßen zu überwinden. Schließlich haftet dem Begriff der Bundeswasserstraße im Binnenschifffahrtsrecht – egal welcher Auffassung man folgt – eine erhebliche Unklarheit an. 2. Die Verkehrsverwaltung auf den Wasserstraßen Nach Art. 89 II 2 GG nimmt der Bund die über den Bereich eines Landes hinausgehenden staatlichen Aufgaben der Binnenschifffahrt und die Aufgaben der Seeschifffahrt wahr, die ihm durch Gesetz übertragen werden. Unter der Binnenschifffahrt wird in Abgrenzung zur Seeschifffahrt die Schifffahrt auf Wasserstraßen im Binnenland verstanden.732 Für die Verkehrsverwaltung ist somit eine Bundesverwaltung nur möglich, wenn dies durch Gesetz besonders angeordnet wird. Für den Bereich der Binnenschifffahrt – nicht bei der Seeschifffahrt733 – muss es sich zudem um Aufgaben handeln, die über den Bereich eines Landes hinausgehen. Nach herrschender Meinung ist die Begrenzungswirkung dieses Tatbestandsmerkmals für die Begründung der Verwaltungszuständigkeit des Bundes jedoch gering und der Begriff länderübergreifender Aufgaben weit auszulegen.734 Diese Auffassung findet im Wortlaut der Verfassung eine entscheidende Stütze. Soweit es um die Regelung und die Gewährleistung von Sicherheit und Leichtigkeit des Binnenschiffsverkehrs geht, sind dies Aufgaben, die von der staatlichen Verwaltung im ganzen Bundesgebiet wahrgenommen werden müssen, sie gehen also über den Bereich eines Landes hinaus. Aufgaben, die nicht über den Bereich eines Landes hinausgehen, können demnach nur solche sein, die ausschließlich im Bereich eines Bundeslandes zu erfüllen wären. Als Anwendungsfall hierfür wird erwogen, dass eine Wasserstraße nicht über die Grenze eines Bundeslandes hinausgeht.735 Diese Sichtweise ist jedoch zweifelhaft, weil es weniger um die Verwaltung der Wasserstraße als um die Verwaltung des Verkehrs auf ihr geht. Hat jedoch eine Wasserstraße – mag sie auch die Grenzen eines Bundeslandes nicht überschreiten – Anschluss an das Netz der Bundeswasserstraßen, so kann der Verkehr auf diesem Weg Ländergrenzen überschreiten, so dass seine Verwaltung über den Bereich eines Landes hinausgeht. Somit bleibt als Anwendungsfall allenfalls der Verkehr auf solchen Gewässern, die vollständig in einem Bundesland belegen sind und keinen An732
Sachs, Art. 89 Rdnr. 36. Ibler, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 89 Rdnr. 62. 734 Maunz, in: Maunz/Dürig (Erstkommentierung), Art. 89 Rdnr. 54; Hermes, in: Dreier, Art. 89 Rdnr. 27; Durner, in: Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 89 Rdnr. 47. 735 Ibler, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 89 Rdnr. 58. 733
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C. Weitere Folgen für das einfache Recht
schluss an das weiterführende Netz der Wasserstraßen haben. Für eine weite Auslegung zugunsten des Bundes spricht schließlich auch, dass das Grundgesetz in Art. 89 II 2 GG keine Erforderlichkeitsklausel enthält. Eine Zuständigkeit des Bundes ist demnach nicht erst dann möglich, wenn eine Verwaltung durch die Länder wegen des auftretenden Koordinierungsbedarfs effektiv nicht möglich ist und deshalb eine Bundesverwaltung erforderlich ist. Zu den dem Bund nach § 1 I BinSchAufgG übertragenen Aufgaben im Bereich der Binnenschifffahrt gehören unter anderem die Förderung der Binnenflotte und des Binnenschiffsverkehrs, die Abwehr von Gefahren für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs sowie die Verhütung der von der Schifffahrt ausgehender Gefahren (Schifffahrtspolizei) auf Bundeswasserstraßen und die Erteilung der Erlaubnis zur Fahrt auf den Bundeswasserstraßen. Zuständig hierfür ist nach § 1 II 1 BinSchAufgG die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes. Probleme bestehen hier nur insoweit, als die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes in den neuen Bundesländern auch auf nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen Aufgaben der Schifffahrtspolizei wahrnimmt. Hierfür fehlt es an einer Rechtsgrundlage, weil der Begriff der Bundeswasserstraße in § 1 I Nr. 2 BinSchAufgG diese Gewässer nicht umfasst (vgl. C. II. 1. b)) und es deshalb an der in Art. 89 II 2 GG vorgesehenen gesetzlichen Aufgabenübertragung an den Bund fehlt. Im Bereich der Seeschifffahrt sind dem Bund nach § 1 I SeeAufgG unter anderem die Förderung der deutschen Handelsflotte, die Schifffahrtspolizei auf den Seewasserstraßen, die Überwachung der Betriebssicherheit von Wasserfahrzeugen und die Vorsorge gegen Seeunfälle übertragen. Zur Wahrnehmung der Aufgaben im Bereich der Schifffahrtspolizei bedient sich der Bund im Wege der Organleihe auf der Grundlage einer Vereinbarung mit den betroffenen Bundesländern der Wasserschutzpolizei der Länder.736
736 Hierzu insbesondere Hoog, in: Münch/Kunig, Art. 89 Rdnr. 31; kritisch Durner, in: Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 89 Rdnr. 49.
D. Europarechtliche und internationale Bindungen des Bundes bei der Verwaltung der Wasserstraßen Einige der Bundeswasserstraßen bilden zugleich die Staatsgrenze der Bundesrepublik Deutschland. Ein Teil der Flüsse, die in ihrem Verlauf auf deutschem Staatsgebiet Bundeswasserstraßen sind, entspringt in Nachbarstaaten (Elbe, Rhein, Oder) oder durchquert in seinem weiteren Verlauf bis zur Mündung noch weitere Staaten (Donau). Aus diesem Grund unterliegt ein Teil der Bundeswasserstraßen auch auf deutschem Gebiet besonderen Bestimmungen aus völkerrechtlichen Verträgen der Anrainerstraßen dieser Gewässer (nachfolgend I.). Darüber hinaus bestehen europarechtliche Einflüsse für die Wasserstraßen, welche zu den so genannten „Transeuropäischen Netzen“ zählen (unter II.). Ebenso kann die europarechtlich geschützte Warenverkehrsfreiheit Einfluss auf die Wasserstraßenverwaltung haben (unter III.). Schließlich bedarf die Erhebung von Abgaben für die Befahrung der Bundeswasserstraßen einer besonderen völkerrechtlichen und europarechtlichen Betrachtung (IV.).
I. Völkerrechtliche Bindungen bei grenzüberschreitenden oder grenzbildenden Bundeswasserstraßen Zu den Grenzgewässern im weitesten Sinne zählen neben den Binnenwasserstraßen des Bundes auch die Seewasserstraßen, da sie an die Küstengewässer deutscher Nachbarstaaten (Niederlande, Dänemark, Polen) angrenzen. Die völkerrechtlichen Bindungen des Bundes ergeben sich hier mit detaillierten Regelungen aus dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982737, weshalb eine nähere Betrachtung dieser Materie hier unterbleiben soll. Wesentlich komplizierter ist die Rechtslage hingegen bei grenzüberschreitenden Binnengewässern und Grenzgewässern, weil es dafür keine einheitliche völkerrechtliche Regelung gibt. Zum Teil bestehen für grenzüberschreitende Flüsse völkerrechtliche Verträge, welche den Umfang der Freiheit der Schifffahrt, die Unterhaltung und die Abgabenerhebung regeln. Es gibt jedoch auch grenzüberschreitende 737
BGBl II 1994, 1798.
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D. Europarechtliche und internationale Bindungen
Bundeswasserstraßen, für die derartige Abkommen fehlen (dazu unter 1.). Auf diese Gewässer kann aber womöglich sonstiges Völkerrecht angewendet werden (allgemein unter 2.). Bestehende völkerrechtliche Bindungen muss der Bund bei der Verwaltung der Bundeswasserstraßen nach Art. 89 II 1 GG beachten (unter 3.). 1. Völkerrechtliche Verträge zu grenzüberschreitenden oder grenzbildenden Bundeswasserstraßen Bei den nachfolgend untersuchten grenzüberschreitenden oder grenzbildenden Bundeswasserstraßen handelt es sich um Flüsse. Diese werden in der völkerrechtlichen Terminologie in internationale Flüsse und internationalisierte bzw. konventionelle Flüsse eingeteilt. Internationale Flüsse sind schiffbare und vom Meer aus zugängliche Flüsse, welche durch das Gebiet mehrerer Staaten fließen oder mehrere Staaten voneinander trennen. Internationalisierte oder konventionelle Flüsse sind Gewässer, für die ein durch Vertrag geschaffenes völkerrechtliches Regime Regelungen über die internationale Handelsschifffahrt enthält.738 Entsprechend dieser Einteilung sind Rhein, Mosel und Donau internationalisierte Flüsse, für die Elbe gilt dies hingegen nicht und für die Oder nur eingeschränkt (unter a)). Eine weitgehende und wegen ihrer heutigen Geltung näher zu untersuchende Regelung zur Internationalisierung deutscher Wasserstraßen enthielt zudem der Versailler Vertrag von 1919 (unter b)). a) Verträge über einzelne Flüsse, Binnenschifffahrtsabkommen Für den Rhein gilt die revidierte Rheinschifffahrtsakte vom 17. Oktober 1868, auch Mannheimer Akte (MA) genannt.739 Nach Art. 1 I der Rheinschifffahrtsakte ist der Verkehr auf dem Rhein für die Güter- und Personenschifffahrt von Basel bis zum offenen Meer frei. Das gilt nach Art. 2 III der Rheinschifffahrtsakte für die Schiffe, welche berechtigt sind, die Flagge der Vertragsstaaten (d.h. im Wesentlichen der Uferstaaten) zu führen. Eine uneingeschränkte Schifffahrtsfreiheit für jedermann besteht auf dem Rhein demnach nicht.740 Nach Art. 3 I der Rheinschifffahrtsakte dürfen Abgaben, welche sich allein auf die Tatsache der Beschiffung gründen, nicht erhoben 738
Epping/Gloria, in: Ipsen, Völkerrecht, § 23 Rdnr. 13. Ursprungsfassung siehe PrGS 1869, S. 798; Neufassung des dt. Wortlauts BGBl II 1969, 597. 740 Überzeugend Scherner, in: Wiese (Hrsg.), Probleme des Binnenschifffahrtsrechts VII, S. 49. A. A. ohne nähere Begründung Geiger, S. 237 und auch Proelß, in: Graf Vitzthum, Völkerrecht, V 1 Rdnr. 20 (S. 409). 739
I. Völkerrechtliche Bindungen
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werden. Weiterhin sind die Uferstaaten nach Art. 28 I der Rheinschifffahrtsakte zur Unterhaltung des Fahrwassers und der Leinpfade entlang des Rheins verpflichtet. Soweit der Rhein Grenzfluss ist, regelt Art. 29 der Rheinschifffahrtsakte eine Informations- und Verständigungspflicht für Baumaßnahmen, die auf den Strom oder die Ufer des Nachbarstaates nachteilige Auswirkungen haben können. Weitreichende Regelungen enthält auch der Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland, der Französischen Republik und dem Großherzogtum Luxemburg über die Schiffbarmachung der Mosel (Moselvertrag) vom 27. Oktober 1956.741 Er regelt den Ausbau der Mosel zwischen Diedenhofen und Koblenz für Schiffe bis 1500 Tonnen u. a. durch Errichtung von Staustufen und Schleusen. Die Vertragspartner definierten diese Maßnahme in Art. 3 III des Moselvertrages als im dringenden öffentlichen Interesse liegend. Dieser Ausbau ist mittlerweile erfolgt, zu seiner Finanzierung und Realisierung wurde eigens die Internationale Mosel-Gesellschaft mbH gemäß Art. 8 des Moselvertrages gegründet. Die nach Art. 22 f. des Moselvertrages zu erhebenden Schifffahrtsabgaben742 werden nach Art. 26 des Vertrages der Internationalen Mosel-Gesellschaft mbH zugewiesen, die davon unter anderem die Kosten des Schleusenpersonals trägt und einen Teil der Abgaben wiederum an die Vertragsstaaten zur Finanzierung von Unterhaltungs- und Erneuerungsarbeiten verteilt. Die Vertragsstaaten sind nach Art. 6 I, 36 I des Moselvertrages zur Erhaltung des vorhandenen Ausbauniveaus verpflichtet. Die Schifffahrt ist nach Maßgabe des Art. 29 I des Moselvertrages frei. Wesentliche Entscheidungen über die Verwaltung der Mosel werden nach Art. 39 f. des Vertrages von der Moselkommission getroffen, welche mit Vertretern der Vertragsstaaten besetzt ist. Schließlich regelt Art. 57 f. für Streitigkeiten zwischen den Vertragsstaaten ein Schiedsverfahren mit einem Schiedsgericht. Für die Donau ist die Belgrader Donaukonvention vom 18. August 1948 maßgeblich, der die Bundesrepublik am 26. März 1998 beigetreten ist.743 Auf der Donau ist die Schifffahrt nach Art. 1 S. 1, 30 der Donaukonvention für Schiffe aller Nationen mit Ausnahme der Kriegsschiffe von Nichtuferstaaten grundsätzlich von Ulm bis zum Schwarzen Meer frei. Die Schifffahrtsfreiheit reicht damit auf der Donau weiter als auf dem Rhein. Nach Art. 3 I der Donaukonvention sind die Uferstaaten zur Unterhaltung, Sicherung des Fahrwassers und zur Verbesserung der Schifffahrtsbedingungen verpflichtet. Abgaben dürfen nach Art. 35, 37 der Konvention nur für Un741
BGBl II 1956, 1837. Der Gesamtertrag der Schifffahrtsabgaben auf der Mosel lag 2007 bei knapp 10 Mio. Euro; vgl. Beteiligungsbericht 2008 des Bundes, S. 96 (Fn. 518). 743 BGBl II 1999, 578. 742
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D. Europarechtliche und internationale Bindungen
terhaltung und Verbesserung und auch nur kostendeckend erhoben werden. Abgaben für den Transit an sich dürfen auf der Donau nach Art. 42 der Konvention nicht erhoben werden. Die Einhaltung der Konvention wird von der internationalen Donaukommission mit Sitz in Budapest überwacht. Wichtige Ausbaumaßnahmen und die Abgabenerhebung durch die Uferstaaten müssen mit der Kommission abgestimmt werden. Für wichtige Sicherungsmaßnahmen im Interesse der Schifffahrt sieht Art. 4 I der Konvention sogar die Möglichkeit einer Durchführung durch die Kommission selbst vor. Streitigkeiten zwischen den Vertragsparteien werden durch eine Vergleichskommission nach Art. 45 der Konvention behandelt. Für Elbe und Oder bestehen vergleichbare Abkommen nicht. Allerdings hat die Bundesrepublik mit der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik (CˇSSR), der heute die Tschechische Republik als Elbeanrainer nachfolgt, am 26. Januar 1988 ein Binnenschifffahrtsabkommen abgeschlossen.744 Ebenso besteht ein Binnenschifffahrtsabkommen vom 8. November 1991 mit dem Oderanrainer Polen.745 Diese Abkommen regeln nur, dass und unter welchen Bedingungen Schiffe des einen Vertragsstaates die Binnenwasserstraßen des jeweils anderen Vertragsstaates nutzen dürfen. Regelungen zur Unterhaltung bestimmter Wasserstraßen oder zur Erhebung von Schifffahrtsabgaben enthalten diese Abkommen nicht. Die Abkommen betreffen somit auf deutscher Seite das Netz der Bundeswasserstraßen als Ganzes, so wie es vom Bund vorgehalten wird. Eine Internationalisierung von Elbe und Oder oder sonstige Pflichten für diese Bundeswasserstraßen lassen sich daraus grundsätzlich noch nicht ableiten. Das gilt insbesondere für eine vertragsrechtliche Pflicht zur Erhaltung dieser Wasserstraßen für die Schifffahrt. Für die Elbe gilt dies in besonderem Maße, weil nach Art. 2 II des Deutsch-tschechischen Binnenschifffahrtsabkommens die bisherige Praxis auf der Elbe unberührt bleibt. Zwar sollte die Elbe damit nicht gänzlich vom Anwendungsbereich des Abkommens, sondern lediglich von gewissen Beschränkungen des Schiffsverkehrs durch das Abkommen ausgenommen werden.746 Eine völkervertragliche Begründung allgemeiner Schifffahrtsfreiheit kann darin jedoch nicht gesehen werden. Für die Oder als Grenzgewässer enthält das deutsch-polnische Binnenschifffahrtsabkommen hingegen eine spezifische Regelung: Nach Art. 18 II des Abkommens erfolgt die Befahrung dort nach dem Grundsatz der Gleichberechtigung auf der gesamten Breite der Wasserstraße. Somit können deutsche Schiffe auch auf der polnischen Seite der Oder fahren und umgekehrt. Insofern enthält dieses Abkommen eine Regelung zur Schiff744 745 746
BGBl II 1989, 1037. BGBl II 1993, 779. Rasched, S. 35 f.
I. Völkerrechtliche Bindungen
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fahrtsfreiheit zwischen den Anrainerstaaten speziell auf der Oder. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Schifffahrtsabkommen mit der CˇSSR, jetzt mit der Tschechischen Republik und mit Polen trotz des EU-Beitritts dieser Länder fortgelten. Sie sind nur insoweit nicht mehr anzuwenden, als sie dem europäischen Recht widersprechen.747 Die Gewährung von Schifffahrtsfreiheit auf der Oder im deutsch-polnischen Abkommen steht dem EU-Recht nicht entgegen, allenfalls vermag europäisches Recht unter dem Blickwinkel der Warenverkehrsfreiheit darüber hinaus auch für Nichtuferstaaten noch Rechte begründen (vgl. D. III.).748 Im Übrigen enthält das europäische Recht keine wasserwegerechtlichen Regelungen, so dass kein Widerspruch auftreten kann, soweit aus dem Abkommen wasserwegerechtliche Schlussfolgerungen abzuleiten sind (dazu noch unter D. I. 3.). b) Fortgeltende Internationalisierung durch den Versailler Vertrag? Der Versailler Vertrag (VV) vom 28. Juni 1919749 enthielt als Friedensvertrag nach dem Ende des Ersten Weltkrieges auch weitreichende Regelungen zur Schifffahrt und zur Internationalisierung deutscher Wasserstraßen. So musste Deutschland den Schiffen der Siegermächte auf (allen) deutschen Binnenwasserstraßen nach Art. 327 I VV Schifffahrtsfreiheit gewähren. Elbe, Oder, Donau und die heute nicht mehr über deutsches Staatsgebiet verlaufende Memel wurden nach Art. 331 VV für international erklärt. Auf diesen Flüssen sollten nach Art. 332 VV ausländische Schiffe genauso behandelt werden wie Schiffe des Uferstaates, was de facto eine weitgehende Schifffahrtsfreiheit bedeutete. Gleiches galt nach Art. 380 VV für den Nord-Ostseekanal. Art. 336 I VV normierte eine Unterhaltungspflicht des Uferstaates für die Schifffahrt. Die Rheinschifffahrtsakte wurde durch Art. 356 VV ebenfalls dahingehend geändert, dass auf dem Rhein allgemeine Schifffahrtsfreiheit bestand. Für Elbe und Oder war zudem nach Art. 343 die Einsetzung internationaler Kommissionen vorgesehen, welche eventuell vorhandene Vereinbarungen zu den betreffenden Flussläufen entsprechend den Grundsätzen des Versailler Vertrages überarbeiten sollten. 747
Otte, in: Schulze/Zuleeg, § 34 Rdnr. 148. Daran ändert auch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 14.07.2005 zum dt.-polnischen Binnenschifffahrtsabkommen nichts. Darin hatte der Gerichtshof entschieden, dass Deutschland mit der Aushandlung des Abkommens ohne vorherige ausreichende Konsultation der Kommission gegen Art. 10 EGV verstoßen hat. Ein Verstoß gegen materielles Unionsrecht wurde hingegen nicht festgestellt, EuGH, Urt. v. 14.07.2005 – C-433/03 – Slg. 2005, I-6985. Kritisch hingegen zur Vereinbarkeit der deutschen Binnenschifffahrtsabkommen mit europäischem Recht Otte/v. Bodungen, TranspR 2004, 425. 749 RGBl 1919, 1213. 748
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D. Europarechtliche und internationale Bindungen
Für die Elbe wurde auf dieser Basis in der Elbeschifffahrtsakte vom 22. Februar 1922 eine allgemeine Schifffahrtsfreiheit für jedermann geregelt. Zu einer entsprechenden Vereinbarung für die Oder ist es wegen Differenzen zwischen Polen und den übrigen an der Oderkommission beteiligten Staaten über die Auslegung des Versailler Vertrages nicht gekommen.750 Die nationalsozialistische Reichsregierung sagte sich von den Bestimmungen des Versailler Vertrages jedoch in einer Note vom 14. November 1936 an Belgien, Bulgarien, Dänemark, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Italien, Jugoslawien, die Niederlande, Österreich, Polen, Rumänien, Schweden, die Schweiz, die Tschechoslowakei und Ungarn los. Darin formulierte die Reichsregierung, „. . . daß sie die im Versailler Vertrag enthaltenen Bestimmungen über die auf deutschem Gebiet befindlichen Wasserstraßen und die auf diesen Bestimmungen beruhenden Stromakte nicht mehr als für sich verbindlich anerkennt. Die Schifffahrt auf den auf deutschem Gebiet befindlichen Wasserstraßen steht den Schiffen aller mit dem Deutschen Reich in Frieden lebenden Staaten offen. Es findet kein Unterschied in der Behandlung deutscher und fremder Schiffe statt, das gilt auch für die Frage der Schifffahrtsabgaben. Dabei setzt die Deutsche Regierung voraus, daß auf den Wasserstraßen der anderen beteiligten Staaten Gegenseitigkeit gewährt wird.“751
Mit förmlichen Protestnoten erwiderten nur die Tschechoslowakei (CˇSR) und Frankreich, Großbritannien und Belgien drückten ihr Bedauern aus und erklärten Rechtsverwahrung. Jugoslawien, Polen und Rumänien drückten nur ihr Bedauern aus. Andere Staaten reagierten nicht.752 Da es in der Folgezeit weder für die Elbe, noch für die Oder neue Schifffahrtsakten gegeben hat, stellt sich die Frage, ob insoweit die Regelungen des Versailler Vertrages bis heute fortgelten. Diese Frage ist nicht zuletzt auch für den Nord-Ostseekanal erörtert worden.753 Im Schrifttum herrscht zu dieser Frage keine Einigkeit. Überwiegend wird die Fortgeltung der Bestimmungen des Versailler Vertrages zwar abgelehnt754, eine Mindermeinung755 hingegen befürwortet sie bzw. hält sie für möglich. Die Rechtsprechung musste sich bislang kaum mit dem Problem 750 Vgl. dazu aus dem Schrifttum der damaligen Zeit Nautikus, Zentralblatt der Bauverwaltung 1925, 33. 751 RGBl II 1936, 97. 752 Rasched, S. 21; Böhmer, GYIL 38 (1995), 325, 333. 753 Böhmer, GYIL 38 (1995), 325, 328. 754 Epping/Gloria, in: Ipsen, Völkerrecht, § 23 Rdnr. 21/23; Rasched, S. 29 f.; Krzizanowski, AVR 14 (1969/70), S. 343, 357; Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, S. 237, 239. 755 Böhmer, GYIL 38 (1995), 325, 328; zum Nord-Ostseekanal Hobe/Kimminich, S. 100; zweifelnd hingegen Hoog, AVR 25 (1987), 202, 225.
I. Völkerrechtliche Bindungen
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auseinandersetzen. Lediglich in einer Entscheidung des Oberlandesgerichtes Schleswig vom 24. November 1954 zu einem Strafverfahren war diese Frage entscheidungserheblich und ist näher beleuchtet worden.756 Der angeklagte Schiffseigner sollte während der Befahrung des Nord-Ostseekanals gegen das Gesetz über die Verfrachtung alkoholischer Waren verstoßen haben. Er machte jedoch geltend, dass dieses Gesetz wegen der Internationalisierung des Kanals durch den Versailler Vertrag nicht mehr anwendbar sei. Das Oberlandesgericht folgte dem nicht. Mit der Note der Reichsregierung vom 14. November 1936 sei die deutsche Souveränität über den Kanal und auch über die Elbe wiederhergestellt worden, da die Empfangsstaaten der Note entweder nicht protestiert hätten oder aus ihrem Protest keine praktischen Konsequenzen gezogen hätten. Daran habe auch das Ende des 2. Weltkrieges nichts geändert, weil die Besatzungsmächte keine Änderung des 1936 geschaffenen Zustandes angestrebt hätten.757 Nach der insbesondere von Böhmer vertretenen Gegenauffassung konnte das Deutsche Reich die durch den Versailler Vertrag geschaffene Lage nicht einseitig abändern. Eine Abänderung durch die stillschweigende Akzeptanz der Adressaten der Note von 1936 sei nicht anzunehmen, da jedenfalls Frankreich, Großbritannien, Belgien und die CˇSR hinreichend protestiert hätten; mehr hätte man unter den damaligen politischen Verhältnissen nicht erwarten dürfen.758 Mit der herrschenden Meinung ist jedoch entscheidend auf das Ende des Zweiten Weltkrieges abzustellen: Unter den völlig veränderten Umständen nach 1945 wäre es für die Besatzungsmächte wie auch für die übrigen Unterzeichnerstaaten des Versailler Vertrages möglich gewesen, dessen Bestimmungen, soweit deren Fortgeltung zuvor zweifelhaft geworden war, wieder in Geltung zu setzen. Derartige Bemühungen wurden jedoch weder von den Besatzungsmächten, noch von den anderen Unterzeichnerstaaten entfaltet.759 Überdies hätte die Fortgeltung der Internationalisierung deutscher Flüsse durch den Versailler Vertrag auch Elbe und Oder im Machtbereich der DDR bzw. der UdSSR und Polen betroffen. Auch diese Staaten unternahmen jedoch zu keiner Zeit den Versuch, die Internationalisierung wie756 OLG Schleswig, Beschl. v. 24.11.1954 – Ss 193/54 –, GYIL 7 (1957), 405; im Übrigen wird die Fortgeltung des Versailler Vertrages ebenso bezweifelt, aber letztlich offen gelassen in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs der Britischen Zone, Urt. v. 01.06.1950 – I ZS 87/49 – OGHZ 4 (1950), 194, 198. 757 OLG Schleswig (Fn. 756), GYIL 7 (1957), 405, 406. 758 Böhmer, GYIL 38 (1995), 325, 335. Von einer ähnlichen Überlegung zur Wirkung der Note von 1936 ist das Bezirksgericht Rotterdam, Urt. v. 14.01.1954, ILR 21 (1954), 276 ausgegangen. 759 Darauf stellen auch Rasched, S. 30; Krzizanowski, AVR 14 (1969/70), S. 343, 357 ab.
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D. Europarechtliche und internationale Bindungen
derzubeleben. Im Gegenteil: Der amerikanische Präsident Truman hatte auf der Potsdamer Konferenz im Juli 1945 einen Entwurf für eine allgemeine Schifffahrtsfreiheit auf Binnenwasserstraßen in Mitteleuropa vorgelegt. Dieser Vorschlag konnte sich nicht durchsetzen, die UdSSR lehnte ihn als Eingriff in die Souveränität der Uferstaaten ab.760 Dass man sich in diesem Zusammenhang offenbar noch nicht einmal über die Internationalisierung einzelner Flüsse verständigte, spricht ebenfalls gegen eine Fortgeltung der Bestimmungen des Versailler Vertrages. Es ist somit davon auszugehen, dass die Empfangsstaaten der Note vom 14. November 1936 deren Inhalt durch ihr Schweigen nach dem 2. Weltkrieg akzeptiert haben. Dafür spricht auch die spätere Staatenpraxis: Auf dem Rhein wurde durch die Unterzeichnerstaaten der Rheinschifffahrtsakte durch das 2. Zusatzprotokoll vom 17. Oktober 1979 die durch den Versailler Vertrag in der Rheinschifffahrtsakte eingeführte allgemeine Schifffahrtsfreiheit für Nichtuferstaaten wieder eingeschränkt.761 Wären die Unterzeichnerstaaten seinerzeit von der Fortgeltung der Bestimmungen des Versailler Vertrages ausgegangen, dann hätte diese Änderung in Übereinstimmung mit allen Unterzeichnern des Versailler Vertrages erfolgen müssen. Im Ergebnis bleibt es dabei, dass eine Internationalisierung von Elbe und Oder auf der Grundlage des Versailler Vertrages nicht (mehr) anzuerkennen ist. Auch eine Fortgeltung der Internationalisierungsbestimmungen als innerstaatliches Recht über Art. 123 I GG ist ausgeschlossen.762 Zwar wurde der Versailler Vertrag durch Reichsgesetz in innerstaatliches Recht überführt. Mit der Note von 1936 hat die Reichsregierung jedoch diesbezüglich die Rechtswirkungen des Vertrages nach innen beseitigt (vgl. zur Geltung des Rechts aus der NS-Zeit B. III. 1. b) bb)). 2. Andere Völkerrechtsquellen mit Bedeutung für grenzüberschreitende oder grenzbildende Bundeswasserstraßen Da für die Elbe kein völkerrechtlicher Vertrag besteht und das Binnenschifffahrtsabkommen mit Polen für die Oder auch nur sehr begrenzte Regelungen enthält, kommen für diese beiden Wasserstraßen noch andere Quellen des Völkerrechts wie das Völkergewohnheitsrecht und die all760
Rasched, S. 75. Vgl. dazu Schifffahrtsobergericht Nürnberg, Beschl. v. 08.02.2001 – Ws 115/00 Bsch – TranspR 2002, 170 (zitiert nach juris Rdnr. 21); ausführlich zum Hintergrund dieser Beschränkung auch Scherner, in: Wiese (Hrsg.), Probleme des Binnenschifffahrtsrechts VII, S. 49. 762 Zu dieser Möglichkeit BVerwG, Beschl. v. 07.08.1995 – 9 B 311.95 –, NJW 1995, 3401. 761
I. Völkerrechtliche Bindungen
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gemeinen Grundsätze des Völkerrechts zur Begründung von Rechten und Verpflichtungen der Uferstaaten in Betracht. Es muss daher zunächst abstrakt untersucht werden, ob es im Völkergewohnheitsrecht (dazu unter a)) oder in den allgemeinen Grundsätzen des Völkerrechts (unter b)) Regeln zur Schifffahrtsfreiheit, Unterhaltung oder Abgabenbelastung bei grenzüberschreitenden oder grenzbildenden Wasserstraßen gibt. a) Völkergewohnheitsrecht Art. 38 I lit. b) des Statutes des Internationalen Gerichtshofs definiert das Völkergewohnheitsrecht als Ausdruck einer allgemeinen, als Recht anerkannten Übung. Völkergewohnheitsrecht besteht demnach aus dem objektiven Element der allgemeinen, ständigen Übung der Staaten zur Behandlung eines Sachverhaltes und dem subjektiven Element, dass diese ständige Übung einer allgemeinen Rechtsüberzeugung der Staaten entspricht.763 Entscheidend ist die Überzeugung zahlreicher, wenn auch nicht aller Staaten von einer völkerrechtlichen Verpflichtung.764 Insofern bietet die Formulierung in Art. 38 I lit. b) des Statuts des Internationalen Gerichtshofs Anlass zu Missverständnissen765, weil das Völkergewohnheitsrecht nicht Ausdruck einer als Recht anerkannten Übung ist, sondern die Erkenntnis, dass eine allgemeine Übung Recht ist, eine konstitutive Voraussetzung für das Völkergewohnheitsrecht ist.766 Zur Ermittlung der Rechtsüberzeugung ist auf das völkerrechtlich erhebliche Verhalten derjenigen Staatsorgane abzustellen, die kraft Völkerrechts oder kraft innerstaatlichen Rechts dazu berufen sind, den Staat im völkerrechtlichen Verkehr zu repräsentieren. Daneben kann sich eine solche Praxis aber auch in den Akten anderer Staatsorgane wie des Gesetzgebers oder der nationalen Gerichte bekunden, soweit ihr Verhalten unmittelbar völkerrechtlich erheblich ist.767 Vor dem Inkrafttreten des Internationalen Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982768 war auf diese Weise dem 763 So trotz unterschiedlicher Akzentuierungen und Detailunterschiede die h. M.; vgl. nur Geiger, S. 75; Graf Vitzthum, I 3 Rdnr. 131; Heintschel von Heinegg, in: Ipsen, Völkerrecht § 16 Rdnr. 2; IGH, Urt. v. 20.11.1950 – No. 7 – I.C.J. Reports 1950, p. 266, 276 f.; Urt. v. 27.06.1986 – No. 70 – I.C.J. Reports 1986, p. 14, 96 f. 764 Heintschel von Heinegg, in: Ipsen, Völkerrecht § 16 Rdnr. 14. 765 Geiger, S. 75: „auslegungsbedürftig“. 766 Heintschel von Heinegg, in: Ipsen, Völkerrecht § 16 Rdnr. 2. 767 BVerfG, Beschl. v. 06.12.2006 – 2 BvM 9/03 –, BVerfGE 117, 141, 149 = NJW 2007, 2605; Geiger, S. 77; Heintschel von Heinegg, in: Ipsen, Völkerrecht § 16 Rdnr. 6. 768 BGBl II 1994, 1798.
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D. Europarechtliche und internationale Bindungen
Völkergewohnheitsrecht beispielsweise der Grundsatz der freien Schifffahrt auf den Weltmeeren entnommen worden.769 Ob eine vergleichbare Regel des Völkergewohnheitsrechts für internationale Flüsse besteht (Freiheit der Flussschifffahrt), ist umstritten. Die Zugehörigkeit der Flüsse zum Hoheitsgebiet eines Staates unterscheidet sie grundsätzlich von den Meeren. Aus diesem Grund und wegen der unterschiedlichen Vertragspraxis der Anliegerstaaten, die bei Verträgen zu einzelnen Flüssen die Schifffahrtsfreiheit in unterschiedlichem Maß regelt, geht die wohl überwiegende Auffassung davon aus, dass eine völkergewohnheitsrechtliche Schifffahrtsfreiheit nicht existiert.770 Im Übrigen wird angenommen, dass sich eine völkergewohnheitsrechtliche Freiheit der Flussschifffahrt auf internationalen Flüssen auf die Schiffe der Uferstaaten beschränkt.771 Für dieses Uferstaatenprinzip wird oft auf Art. 108 f. der Wiener Kongressakte (WKA) vom 8. Juni 1815 verwiesen.772 In Art. 108 war bestimmt: „Die Mächte, deren Staaten durch einen und denselben schiffbaren Fluß getrennt oder durchschnitten werden, verpflichten sich, alles, was auf die Schifffahrt dieses Flusses Bezug hat, gemeinschaftlich zu reguliren. Zu einem Ende ernennen sie Commissarien, die sich spätestens sechs Monate nach Beendigung des Congresses vereinigen, und denen die in den folgenden Artikeln festgesetzten Principien zur Grundlage ihrer Arbeiten dienen sollen.“
Art. 109 bestimmte: „Die Schifffahrt im ganzen Laufe der im vorigen Artikel bezeichneten Flüsse, von dem Puncte an, wo ein jeder von ihnen schiffbar wird, bis zu deren Mündung, soll gänzlich frei seyn, und kann Niemand in Absicht des Handels untersagt werden; doch so, daß man sich nach den für die Schifffahrtspolizei festgesetzten Reglements richte, die für Alle gleichförmig und für den Handel aller Nationen so günstig als möglich sollen abgefaßt werden.“
Weiterhin bestimmte Art. 113 für die Unterhaltung: „Jeder Uferstaat verpflichtet sich, die Leinpfade, welche durch sein Gebiet gehen, zu unterhalten, so wie für die nöthigen Arbeiten im Flußbette, damit der Schifffahrt nichts hinderlich sey, Sorge zu tragen. Das zukünftige Reglement wird be769 Zur Entstehung vgl. Proelß, in: Graf Vitzthum, Völkerrecht, V 1 Rdnr. 62, insb. Fußnote 207 (S. 435), der die Freiheit der Meere auch zum ius cogens zählt und Graf Vitzthum, ebd. I 3 Rdnr. 136 (S. 62). 770 Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, S. 2636 Hobe/Kimminich, S. 100; Hoog, AVR 25 (1987), 202, 208; Epping/Gloria, in: Ipsen, Völkerrecht, § 23 Rdnr. 14; Kraus, Rechtsfragen der Rheinschifffahrt, S. 19; Wegener, Die internationale Donau, S. 44. 771 Krzizanowski, AVR 14 (1969/70), 343, 355; Perrez/Reutlinger, TranspR 1995, 228, 229 (die allerdings davon ausgehen, dass dieser Standpunkt herrschende Meinung sei); Rasched (nur für die Elbe), S. 74, 100 f., 110; Scheuner, Rechtsfragen der Rheinschifffahrt, S. 121. 772 Perrez/Reutlinger, TranspR 1995, 228, 229.
I. Völkerrechtliche Bindungen
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stimmen, wie die Uferstaaten zu diesen letzten Arbeiten contribuiren sollen, in dem Fall, wo die beiden Ufer verschiedenen Gouvernements angehören.“
Es war jedoch von Anfang an umstritten, ob diese Vorschriften nur einen allgemeinen Programmsatz für weitere Verhandlungen enthalten, so wie es Art. 108 nahelegt, oder ob Art. 109 den Grundsatz der Freiheit der Flussschifffahrt bereits verbindlich festlegt und deshalb für die spätere Zeit als Beleg einer gemeinsamen Rechtsüberzeugung der Staaten angesehen werden kann.773 Betrachtet man jedoch die Vertragspraxis der Staaten in Europa in der Zeit nach 1815, insbesondere im 20. Jahrhundert, so zeigt sich, dass die Schifffahrtsfreiheit regelmäßig erst durch entsprechende Vereinbarungen gewährt wurde. Zum Teil wurde sie dann auf die Uferstaaten beschränkt (Rhein), zum Teil aber auch nicht (Donau). Diese unterschiedliche Vertragspraxis zeigt, dass eine gemeinschaftliche Rechtsüberzeugung der Staaten von der Freiheit der Schifffahrt auf internationalen Flüssen nicht bestand. Wäre dies der Fall gewesen, hätte es im Übrigen auch nicht der weitreichenden Regelungen des Versailler Vertrages bedurft. Auch in anderen Erdteilen gibt es eine Freiheit der Flussschiffahrt auf internationalen Flüssen nur kraft Vereinbarung der Anliegerstaaten.774 Ein weiteres Beispiel hierfür ist auch die Oder. Im Deutsch-polnischen Binnenschifffahrtsabkommen explizit geregelt ist eine begrenzte Schifffahrtsfreiheit auf dem Teil der Oder, der Grenzgewässer ist. Eine solche Regelung hätte sich erübrigt, wenn die Oder für die Anrainerstaaten Deutschland und Polen im ganzen Verlauf kraft Völkergewohnheitsrecht befahrbar wäre. Als Zwischenergebnis ist daher zunächst festzuhalten, dass eine generelle Regel des Völkergewohnheitsrechts im Sinne der freien Schifffahrt auf internationalen Flüssen noch nicht einmal unter den Uferstaaten besteht. Erst recht gibt es demnach keine generelle Regel des Völkergewohnheitsrechts zur Unterhaltungspflicht internationaler Flüsse, weil eine solche Regel nur dort Sinn macht, wo der Einzelstaat durch Völkerrecht verpflichtet ist, Schiffe anderer Staaten auf internationalen Flüssen innerhalb seines Staatsgebietes zuzulassen.775 Gleiches gilt für die Abgabenerhebung. Schon die 773 Vgl. aus dem älteren Schrifttum nur Vomhoff, Revision der Mannheimer Akte, S. 44 m.w.N; eine Schifffahrtsfreiheit jedenfalls der Uferstaaten nimmt wohl auch die Entscheidung des Ständigen Internationalen Gerichtshofs zur Oderkommission an, StIGH, Urt. v. 10.09.1929 – No. 16 – PCIJ Series A 23, S. 27. 774 Scheuner (Fn. 771), S. 107; ähnlich auch Kraus (ebd.), S. 19 ff. Ein aktuelles Beispiel sind Bestrebungen zum Abschluss eines Flussvertrages für den Mekong zwischen den Uferstaaten, näher dazu van Hooydonk, in: Zentralkommission für die Rheinschifffahrt (Hrsg.), Feier anlässlich des 140-jährigen Jubiläums der Mannheimer Akte (Ansprachensammlung) S. 43. 775 A. A. Rasched, S. 130.
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D. Europarechtliche und internationale Bindungen
eingangs dargestellte unterschiedliche (Vertrags-)Praxis auf konventionellen Flüssen belegt, dass es auch eine gemeinsame Rechtsüberzeugung von der Abgabenfreiheit der Flussschifffahrt nicht gibt, da einige Verträge (Mosel, Donau) Abgabenerhebungen ausdrücklich zulassen. Damit sind die sich aus dem Völkergewohnheitsrecht ergebenden Möglichkeiten aber noch nicht erschöpft. Zur Bildung einer Regel als partikuläres Völkergewohnheitsrecht kann auch die Praxis und gemeinsame Rechtsüberzeugung von nur zwei (oder mehr) Staaten ausreichen, wenn es sich um einen Sachverhalt handelt, der (nur) eben diese Staaten betrifft.776 Davon ist der Internationale Gerichtshof in einer Entscheidung ausgegangen, in der es um die Frage ging, ob auf der Grundlage des Völkergewohnheitsrechts für Portugal von seinem damaligen Überseegebiet Damao ein Durchgangsrecht über indisches Gebiet zu portugiesischen Enklaven besteht.777 Auf internationale Flüsse ist diese Überlegung durchaus übertragbar, weil es hier um die Befahrung fremden Staatsgebietes mit Wasserfahrzeugen geht. Die Wirkung ist dabei nicht wesentlich anders als bei der Benutzung des Landweges. Deshalb kann sich zwischen den Anrainerstaaten eines Flusses bei entsprechender Rechtsüberzeugung völkergewohnheitsrechtlich eine Regel der freien Flussschifffahrt entwickeln.778 Diese kann sogar Nichtuferstaaten erfassen, wenn die Anrainerstaaten auch den Schiffen dieser Staaten aus einer Rechtsüberzeugung heraus freie Fahrt einräumen. Soweit eine Freiheit der Flussschiffahrt auch nur zwischen den Uferstaaten kraft Völkergewohnheitsrecht besteht, ist zumindest innerhalb Europas auch eine völkergewohnheitsrechtliche Unterhaltungslast entsprechend Art. 113 WKA anzunehmen, weil die Schifffahrtsfreiheit auf einem internationalen Fluss die Unterhaltung in einem für die Schifffahrt brauchbaren Zustand zwangsläufig voraussetzt. Eine Verbesserung der Schiffbarkeit oder einen Ausbau beinhaltet diese Verpflichtung freilich nicht. b) Allgemeine Rechtsgrundsätze Nach Art. 38 I lit. c) des Statutes des Internationalen Gerichtshofs zählen zu den Quellen des Völkerrechts weiterhin die von den Kulturvölkern anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsätze. Es handelt es sich jedoch nur um subsidiär zur Anwendung kommende, allgemeine Grundsätze, nicht um de776 Dies wird insbesondere bei der Nutzung grenzüberschreitender Gewässer angenommen, vgl. dazu Kunig, in: Graf Vitzthum, Völkerrecht, IV Rdnr. 137 (S. 129); Heintschel v. Heinegg, in: Ipsen, Völkerrecht, § 16 Rdnr. 44; Geiger, S. 78. 777 IGH, Urt. v. 12.04.1960, I.C.J. Reports 1960, p. 6, 37 ff. 778 Krzizanowski, AVR 14 (1969/70), 343, 350; a. A. Hoog, AVR 25 (1987), 202, 208, der ein solches partikuläres Gewohnheitsrecht für Europa ablehnt.
I. Völkerrechtliche Bindungen
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taillierte Regelungen.779 Diese dürfen zudem nicht mit den zum Völkergewohnheitsrecht zählenden allgemeinen Grundsätzen des Völkerrechts verwechselt werden.780 Bei den von den Kulturvölkern anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsätzen muss es sich um in den nationalen Rechtsordnungen enthaltene Grundsätze von grundlegender Bedeutung oder um Leitprinzipien dieser Rechtsordnungen handeln.781 Die Beschränkung auf die Anerkennung durch die Kulturvölker stammt aus der Zeit vor 1920 und sollte primitive Rechtsordnungen aus der Betrachtung ausscheiden. Heute hat diese Beschränkung keine Bedeutung mehr, es ist vielmehr auf die Staatengemeinschaft abzustellen.782 Ob ein allgemeiner Rechtsgrundsatz vorliegt, ist durch wertende Rechtsvergleichung zu ermitteln.783 Nach dem Recht der einzelnen Staaten besteht aber zumeist keine allgemeine Freiheit der Flussschifffahrt auf internationalen Flüssen. Auch das wird durch die unterschiedliche Vertragspraxis zu internationalen Flüssen belegt. Bestünde überdies ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, bedürfte es nicht des Abschlusses entsprechender Verträge hierzu. Ein allgemeiner Rechtsgrundsatz zur Freiheit der Flussschifffahrt besteht daher nicht.784 3. Konkrete rechtliche Auswirkungen auf die Wasserstraßenverwaltung des Bundes Hinsichtlich der Auswirkungen völkerrechtlicher Verpflichtungen auf die Wasserstraßenverwaltung ist zwischen den konventionellen Flüssen (a)) und den nicht konventionellen Flüssen zu unterscheiden (b)): a) Auswirkungen auf die Wasserstraßenverwaltung bei konventionellen Flüssen Soweit für Rhein, Donau und Mosel die Verhältnisse durch völkerrechtliche Verträge geregelt sind, ist die Bundesverwaltung verpflichtet, die Vorgaben dieser Verträge zu beachten und sich daraus ergebende Pflichten zu 779
Graf Vitzthum, I 3 Rdnr. 142. Heintschel v. Heinegg, in: Ipsen, Völkerrecht, § 17 Rdnr. 1. 781 Heintschel v. Heinegg, in: Ipsen, Völkerrecht, § 17 Rdnr. 2. 782 Heintschel v. Heinegg, in: Ipsen, Völkerrecht, § 17 Rdnr. 2; Graf Vitzthum, I 3 Rdnr. 143; Geiger, S. 82. 783 Graf Vitzthum, I 3 Rdnr. 143. 784 So auch Kraus (Fn. 771), S. 15 f.; teilweise anders Scheuner, (ebd.), S. 113, der zwar von einer Anerkennung als „Grundsatz“ in Europa ausgeht, aber doch nur als allgemeines Prinzip, bei dem die Lösung von Einzelfragen dem Vertragsrecht überlassen bleibt. 780
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D. Europarechtliche und internationale Bindungen
erfüllen. Die Bundeswasserstraßenverwaltung ist in ihrem Aufgabenbereich naturgemäß betroffen, das gilt vor allem für die Pflicht, die Schifffahrtsfreiheit auf der Wasserstraße zu gewähren und für die Unterhaltung der Wasserstraße zu sorgen. Ist der Bund und mit ihm die Bundesverwaltung zur Gewährung der Schifffahrtsfreiheit auf der jeweiligen Wasserstraße verpflichtet, so schließt diese Verpflichtung die sonst unter Umständen gegebene Möglichkeit zur Entwidmung dieser Wasserstraße (vgl. B. III. 7. a)) aus. Verkehrsbeschränkungen dürfen – vgl. Art. 1 I der Rheinschifffahrtsakte – nur insoweit erfolgen, als sie generell zur Erhaltung der Verkehrssicherheit für die Schifffahrt erforderlich sind. Da sich die Schifffahrtsfreiheit auf den jeweiligen Flusslauf bezieht, darf der jeweilige Uferstaat den Verkehr noch nicht einmal auf Teilstrecken untersagen, selbst wenn eine Umleitung über alternative Wasserwege besteht, es sei denn, die Untersagung ist aus Gründen der Verkehrssicherheit erforderlich.785 Ebenso ist die vertraglich durchgängig vereinbarte Unterhaltungspflicht von der Bundeswasserstraßenverwaltung zu erfüllen. Die Durchführung der Unterhaltungsmaßnahmen ist zwar regelmäßig nach § 7 III, 12 II, 14 I 1 WaStrG nicht genehmigungs- oder planfeststellungsbedürftig. Gleichwohl kann für Unterhaltungsmaßnahmen nach § 34 I 1 BNatSchG eine FFH-Verträglichkeitsprüfung wegen möglicher Auswirkungen auf Gebiete des Netzes „Natura 2000“ erforderlich sein. Das gilt unter Umständen selbst dann, wenn die Unterhaltungsmaßnahmen nur dazu dienen, einen bereits durch Planfeststellung bestandskräftig zugelassenen Ausbauzustand einer Wasserstraße dauerhaft aufrechtzuerhalten.786 Freilich wird in einem solchen Fall die völkerrechtliche Verpflichtung zur Durchführung der Maßnahme auch zur Begründung der zwingenden Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses nach § 34 III Nr. 1 BNatSchG herangezogen werden können.787 Zur Verbesserung der Schiffbarkeit der Wasserstraße im Vergleich zu den Verhältnissen bei Abschluss bzw. Beitritt zu dem jeweiligen Vertrag ist der Bund hingegen nur verpflichtet, wenn dies im Vertrag selbst ausdrücklich geregelt ist, wie es zum Beispiel im Moselvertrag der Fall ist.788 Unterhalb der Stufe von Unterhaltungsmaßnahmen ist der Bund zur Aufrechterhaltung der durchgängigen Schiffbarkeit und zur Sicherung der Schifffahrtsfreiheit auch verpflichtet, kurzfristig auftretende Schifffahrtshindernisse zu beseitigen (vgl. § 30 WaStrG). 785 Vgl. dazu den von der Rechtbank Rotterdam entschiedenen Fall, Urt. v. 18.09.1979, ILR 74 (1987), 130. 786 Vgl. näher EuGH, Urt. v. 14.01.2010 – C-226/08 – NVwZ 2010, 310 = DVBl 2010, 242 (Papenburg vs. Bundesrepublik Deutschland) zu Maßnahmen an der Ems. 787 Erbguth, NWVBl 2004, 137, 140. 788 Ebenso Rasched, S. 131.
I. Völkerrechtliche Bindungen
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Muss die Bundeswasserstraßenverwaltung eine Baumaßnahme mit grenzüberschreitender Wirkung vornehmen, so muss die Informations- und Verständigungspflicht aus Art. 29 der Rheinschifffahrtsakte beachtet werden. Da die Verständigungspflicht mehr verlangt als eine bloße Anhörung bzw. Einholung von Stellungnahmen, genügt es zur Erfüllung einer Verständigungspflicht nicht, den betroffenen Nachbarstaat lediglich als ausländische Behörde in einem ggf. durchzuführenden Planfeststellungsverfahren nach § 73 II VwVfG zu beteiligen. Im Stadium der Behördenbeteiligung sind die Pläne regelmäßig bereits so konkretisiert, dass für eine ergebnisoffene Verständigung über die „bei deren Ausführung in Betracht kommenden Verhältnisse“ nur noch wenig Raum bleibt. Eine solche Verständigung wird deshalb regelmäßig vor Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens zweckmäßig sein. Anderenfalls verletzt die Planungsbehörde die dem Nachbarstaat durch das Umsetzungsgesetz zum völkerrechtlichen Vertrag auch nach deutschen Recht gewährte Rechtsposition.789 Unabhängig von vertraglichen Vereinbarungen ergeben sich Rücksichtnahmepflichten auch aus dem völkergewohnheitsrechtlichen Nachbarrecht. Danach muss ein Staat darauf achten, bei Vornahme, Förderung oder Duldung von Umweltnutzungsaktivitäten die Integrität des Nachbarstaates nicht zu verletzen. Hinzu kommt ein Gebot ausgewogener Mitnutzung grenzüberschreitender Ressourcen.790 Wenngleich diese völkergewohnheitsrechtlichen Regeln heute in erster Linie unter dem Gesichtspunkt schädlicher Immissionen auf das Gebiet eines Nachbarstaates im Umweltvölkerrecht791 betrachtet werden, sind sie praktisch oftmals bei Nutzungskonflikten an grenzüberschreitenden Gewässern zum Tragen gekommen und ursprünglich auch anhand solcher Fälle entwickelt worden.792 So entschied schon der Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich, dass jeder Staat in der Ausnutzung eines grenzüberschreitenden Flusslaufes durch den aus dem Völkerrecht entspringenden Grundsatz beschränkt sei, dass er den anderen Staat nicht verletzen dürfe, beteiligte Staaten die gebotene Rücksicht nehmen müssten und ein Staat den anderen in der Verwertung nicht erheblich beeinträchtigen dürfe.793 789 NdsOVG, Beschl. v. 28.07.2003 – 7 ME 262/02 –, zitiert nach juris Rdnr. 4; ähnlich für die Stellung einer französischen Gemeinde OVG Saarland, Urt. v. 23.09.1997 – 8 M 10/93 –, zitiert nach juris Rdnr. 109 ff. 790 Beyerlein, in: FS Doehring, S. 43 ff.; Geiger, S. 290; Graf Vitzthum, Völkerrecht, V Rdnr. 93, S. 454; Heintschel v. Heinegg, in: Ipsen, Völkerrecht, § 58 Rdnr. 9 ff., 17. 791 Beyerlein, in: FS Doehring (Fn. 790), ebd. 792 Siehe den umfänglichen Überblick über die Judikatur bei Heintschel v. Heinegg, in: Ipsen, Völkerrecht, § 58 Rdnr. 9 ff. 793 StGH, Entsch. v. 18.06.1927, RGZ 116, 18*, 31* = ZaöRV 1929, 634 (Donauversinkung). Der Fall betraf Nutzungskonflikte an der Donau zwischen Württem-
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D. Europarechtliche und internationale Bindungen
Das Verwaltungsgericht Straßburg leitete in einer Entscheidung über die Klage der Provinz Nord-Holland gegen Abwassereinleitungen in den Rhein aus dem Völkerrecht einen nicht näher spezifizierten Grundsatz ab, dass ein Staat auf seinem Gebiet keine Aktivitäten zulassen dürfe, die im Ausland zu erheblichen und anomalen Umweltschäden führen können.794 Der Internationale Gerichtshof (IGH) bemühte ähnliche Grundsätze bei der Entscheidung in einem Streit zwischen Ungarn und der Slowakei über die Nutzung der Donau795. Schließlich ist in diesem Zusammenhang noch das Prinzip oder der Grundsatz guter Nachbarschaft zu erwähnen, dessen rechtliche Qualität – Völkergewohnheitsrecht oder allgemeiner Rechtsgrundsatz – und Rechtsfolgen allerdings nicht unumstritten sind.796 Dabei handelt es sich um ein Konzept, welches die gesamten Nachbarbeziehungen eines Staates umfasst und die Quelle für gegenseitige, konfliktvermeidende Handlungspflichten bildet.797 Im Ergebnis erwächst damit (auch) aus dem Völkergewohnheitsrecht für die Bundeswasserstraßenverwaltung zumindest die Pflicht, vor Ausbaumaßnahmen oder Unterhaltungsmaßnahmen, die sich in einem Nachbaroder Unterliegerstaat erheblich auswirken, diesen Staat zu informieren und die Auswirkungen der Maßnahmen zu minimieren. b) Auswirkungen auf die Wasserstraßenverwaltung bei Elbe und Oder Da die Verhältnisse an Elbe und Oder nicht bzw. nicht vollständig vertraglich geregelt sind, können sich maßgebliche Pflichten der Wasserstraßenverwaltung nur aus partikulärem Völkergewohnheitsrecht ergeben. Das betrifft zunächst die Schifffahrtsfreiheit für tschechische Schiffe auf der Elbe. In ihrer grundlegenden Untersuchung dieser Frage hat bereits Rasched798 dargelegt, dass die Bundesrepublik tschechischen Schiffen in der Vergangenheit seit langem die Durchfahrt gewährt, so dass eine entsprechende Übung vorhanden ist. Die weiter erforderliche Rechtsüberzeugung als opinio juris ist spätestens seit der Antwort der Bundesregierung auf eine berg und Preußen einerseits und Baden andererseits. Da die Reichsverfassung für derartige Fälle keinerlei Regelungen enthielt, stellte der Staatsgerichtshof unter Verweis auf die Staatsqualität der Länder auf Völkerrecht ab. 794 VG Straßburg, Urt. v. 27.07.1983 – TA 227/81 u. a. – ZaöRV 44 (1983), 342, 344 (frz. Fassung, deutsche Besprechung und Kurzwiedergabe durch Beyerlein ebd.). 795 IGH, Urt. v. 25.09.1997 – No. 92 – I.C.J. Reports 1997, p. 7, 56. 796 Für Völkergewohnheitsrecht Beyerlein, in: FS Doehring, S. 54; ausdrücklich offen gelassen bei Heintschel v. Heinegg, in: Ipsen § 58, Rdnr. 29. 797 Beyerlein, in: FS Doehring (Fn.796), ebd. 798 Rasched, S. 96 f.
I. Völkerrechtliche Bindungen
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kleine Anfrage im Deutschen Bundestag vom 17. März 1998 gegeben. Damals antwortete die Bundesregierung auf die Frage, welche internationalen Verpflichtungen zur Sicherung der Binnenschifffahrt auf der Elbe bestehen: „Das Völkergewohnheitsrecht verpflichtet die Bundesregierung, tschechischen Binnenschiffen das Befahren der Elbe bis zum Seehafen Hamburg zu gestatten.“799
Im Ergebnis ist dies für die Entstehung einer gewohnheitsrechtlichen Schifffahrtsfreiheit auf dem deutschen Elbeabschnitt ausreichend, wenngleich sich diese Freiheit auf die beiden Uferstaaten beschränkt.800 Die Elbe ist daher dauerhaft als der Schifffahrt gewidmetes Gewässer im WaStrG zu erhalten. Der gewohnheitsrechtlichen Schifffahrtsfreiheit folgt eine ebenfalls völkergewohnheitsrechtlich begründete Unterhaltungspflicht des Bundes nach (vgl. D. I. 2. a)). Diese beschränkt sich aber entsprechend Art. 113 WKA auf die Aufrechterhaltung der Schiffbarkeit auf der Elbe. Nach innerstaatlichem Recht (§ 14 WaStrG) hat das Bundesverwaltungsgericht dem Begriff der Unterhaltung zwar auch die Wiederherstellung von Ausbauzuständen zugeordnet, die auf behördlichen Zulassungen aus der Zeit vor der deutschen Teilung beruhen. Diese Maßnahmen sind deshalb kein planfeststellungsbedürftiger Ausbau der Wasserstraße.801 Gleichwohl können solche Maßnahmen nicht von tschechischer Seite eingefordert werden, weil die Abgrenzung von Ausbau- und Unterhaltungsmaßnahmen nach dem Wasserstraßengesetz nicht unbesehen auf die Frage übertragen werden darf, in welchem Umfang von tschechischer Seite nach dem Völkergewohnheitsrecht die Unterhaltung der Elbe gefordert werden kann. Anderenfalls würde der Tschechischen Republik dauerhaft ein Anspruch auf Aufrechterhaltung einmal planfestgestellter und umgesetzter Ausbauzustände gewährt. Hinsichtlich der finanziellen Folgewirkungen für den Bund wäre dies problematisch. Die Unterhaltung beschränkt sich deshalb darauf, einen für die Schifffahrt im Allgemeinen angemessenen Ausbauzustand aufrechtzuerhalten, so wie er sich unter durchschnittlichen Bedingungen ergibt.802 Zwar darf nicht verkannt werden, dass die Anforderungen der Schifffahrt hinsichtlich des Ausbauzustandes eines Gewässers über die vergangenen Jahrzehnte durch größere Schiffe deutlich gewachsen sind. Auch hier genügt der Bund seiner Pflicht jedoch, wenn er die Unterhaltung der Elbe so gestaltet, dass ein Frachtschiffverkehr zu wirtschaftlich tragbaren Bedingungen möglich ist. 799
BT-Drs. 13/10137, S. 7. Näher Rasched, S. 110. 801 BVerwG, Urt. v. 05.12.2001 – 9 A 13/01 – BVerwGE 115, 294, 300 f. = NVwZ 2002, 470. 802 A. A. Rasched, S. 130 f. 800
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D. Europarechtliche und internationale Bindungen
Für die Oder ist völkervertraglich eine Schifffahrtsfreiheit bereits durch das deutsch-polnische Binnenschifffahrtsabkommen gewährt. Auch die Oder muss daher im WaStrG dauerhaft als schiffbares Gewässer gewidmet bleiben. Eine Verpflichtung zur Unterhaltung fehlt zwar im deutsch-polnischen Binnenschifffahrtsabkommen, sie ergibt sich aber auch hier aus dem Völkergewohnheitsrecht mit den gleichen Folgen wie im Falle der Elbe. Im Übrigen gelten auch hier die aus dem völkergewohnheitsrechtlichen Nachbarrecht abgeleiteten Grundsätze für Ausbau- und Unterhaltungsmaßnahmen mit erheblichen Auswirkungen auf Nachbar- oder Unterliegerstaaten entsprechend (vgl. unter D. I. 3. a)).
II. Europarechtliche Einflüsse der Transeuropäischen Netze Europäische Festlegungen zur Verkehrswegepolitik enthalten die Vorschriften des AEUV zu den Transeuropäischen Netzen (1.). Eine Reihe von Bundeswasserstraßen und einige Häfen an den Bundeswasserstraßen sind Bestandteil der Transeuropäischen Netze (2.). Fraglich ist jedoch, ob daraus eine unmittelbare, in zeitlicher Hinsicht definierte Pflicht des Bundes zum Ausbau und Erhalt der betroffenen Bundeswasserstraßen folgt (3.) und inwiefern der Bund sonst ermächtigt und auch gehalten ist, die Einordnung einer Bundeswasserstraße als Bestandteil der Transeuropäischen Netze bei seiner Verwaltung zu beachten (abschließend 4.). 1. Transeuropäische Netze nach Art. 170 ff. AEUV Die Art. 170–172 AEUV803 ermächtigen die Europäische Union, Leitlinien zu den transeuropäischen Netzen im Bereich der Verkehrs-, Telekommunikations- und Energieinfrastruktur aufzustellen. Diese Regelungen wurden durch den Maastrichtvertrag804 von 1992 als Art. 129b ff. EGV (zuletzt als Art. 154–156 EGV) in die europäischen Verträge aufgenommen und sind seitdem inhaltlich im Wesentlichen unverändert geblieben. Die Transeuropäischen Netze dienen ausweislich der Verweisung auf Art. 26 und 174 AEUV der Verwirklichung des gemeinsamen Binnenmarktes und der Stär803 Seit Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon wird der EGV durch den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV; ABl. 2008 Nr. C 115/47) ersetzt. 804 Vertrag über die Europäische Union vom 7. Februar 1992 („Maastrichtvertrag“), dazu gehörend das Gesetz zum Vertrag vom 7. Februar 1992 am 28.12.1992 über die Europäische Union (BGBl II, S. 1251); zur Vorgeschichte vgl. Wahl, in: FS-Hoppe, S. 913, 922.
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kung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts innerhalb der Gemeinschaft.805 Art. 170 I AEUV sieht daher vor, dass die Gemeinschaft Leitlinien aufstellt, in denen Ziele, Prioritäten und Grundzüge der im Bereich der transeuropäischen Netze in Betracht kommenden Aktionen erfasst werden. Zudem sollen in den Leitlinien Vorhaben von gemeinsamem Interesse ausgewiesen werden. Vorgesehen ist auch die finanzielle Förderung der Vorhaben von gemeinsamem Interesse. Noch auf der Basis der Vorgängervorschriften im Vertrag über die Europäische Gemeinschaft hat der Rat der Europäischen Union und das Europäische Parlament gemäß Art. 156 I EGV a. F. (jetzt Art. 172 I AEUV) im Verfahren der Mitentscheidung nach Art. 251 EGV a. F. (jetzt Art. 294 AEUV) die Entscheidung Nr. 1692/96/EG über gemeinschaftliche Leitlinien für den Aufbau eines transeuropäischen Verkehrsnetzes806 (im folgenden: „TEN-Entscheidung“) getroffen. Nach Art. 3 der TEN-Entscheidung besteht das transeuropäische Netz aus Verkehrsinfrastrukturen, zu denen nach Art. 3 II insbesondere ein Binnenwasserstraßennetz, Meeresautobahnen, See- und Binnenhäfen sowie andere verkehrsträgerübergreifende Knotenpunkte zählen. Das transeuropäische Binnenwasserstraßennetz wird durch Art. 11 der TEN-Entscheidung allgemein definiert. Es besteht aus Flüssen und Kanälen sowie deren Verzweigungen und Verbindungen. Hierzu gibt es in Anhang I, Schema 4.0 eine kartographische Darstellung. Nach Art. 11 III, 3 a der Entscheidung gehören zudem bestimmte sich aus dem Anhang I zur TEN-Entscheidung ergebende Binnenhäfen zum Binnenwasserstraßennetz. Von der Einordnung eines Verkehrsweges als Netzbestandteil ist die Einordnung einzelner Vorhaben zu unterscheiden. Art. 7 II der TEN-Entscheidung erklärt jedes Vorhaben, welches den in Art. 2 der TEN-Entscheidung genannten Zielen dient, wenn es das transeuropäische Netz betrifft, den in Art. 5 der TEN-Entscheidung genannten Prioritäten entspricht und im Licht von Analysen des sozioökonomischen Kosten-/Nutzenverhältnisses potentiell wirtschaftlich lebensfähig ist, zu einem Vorhaben von „gemeinsamem Interesse“. Unter bestimmten, in Art. 23 der Entscheidung genannten Vo805
Nach Ibler, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 89 Rdnr. 86 wird der Zweck der transeuropäischen Netze dadurch nur vage im Vertrag bestimmt. 806 Entscheidung Nr. 1692/96/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 23.07.1996 über gemeinschaftliche Leitlinien für den Aufbau eines transeuropäischen Verkehrsnetzes, ABl. L 228 v. 09.09.1996, S. 1. Zuletzt neugefasst durch Beschluss Nr. 661/2010/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 07.07.2010, ABl. L 204 v. 05.08.2010, S. 1. Zum Umsetzungsstand der Entscheidung vgl. das Grünbuch der Kommission „Ein besser integriertes transeuropäisches Verkehrsnetz im Dienst der gemeinsamen Verkehrspolitik“ v. 04.02.2009, KOM (2009) 44.
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D. Europarechtliche und internationale Bindungen
raussetzungen, sind Vorhaben von gemeinsamem Interesse auch vorrangige Vorhaben. Dies betrifft jedoch nur die Priorität eines Vorhabens in zeitlicher Hinsicht aus Sicht der Union. Damit ist nicht ausgesagt, dass Vorhaben von gemeinsamem Interesse, die nicht zugleich vorrangige Vorhaben sind, weniger bedeutend sind. Die Einordnung in die Gruppe der vorrangigen Vorhaben ist im Übrigen vor allem vor dem Hintergrund möglicher finanzieller Förderungen durch die Gemeinschaft zu sehen. Art. 24 der TEN-Entscheidung regelt die Erklärung eines europäischen Interesses an bestimmten Vorhaben. Diese Erklärung setzt jedoch nach Art. 24 S. 2 der TEN-Entscheidung voraus, dass eine Entscheidung im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren nach Art. 294 des AEUV herbeigeführt wird, was zurzeit noch nicht geschehen ist. Betrachtet man die Vorarbeiten zur TEN-Entscheidung, so ergibt sich, dass die Schifffahrt insgesamt als umweltschonende Alternative zum Landverkehr verstärkt gefördert werden soll.807 So hat die Kommission bereits im Jahre 2001 den fehlenden Fortgang beim Ausbau der Binnenschifffahrt kritisiert und die Anbindung der Häfen an die Eisenbahn als eine Maßnahme von entscheidender Bedeutung benannt, weil der Straßengüterverkehr und der Luftverkehr von einer Überlastung gekennzeichnet seien.808 Auch der Wirtschafts- und Sozialausschuss der Gemeinschaft hat 2002 darauf hingewiesen, dass der Rat auf seiner Versammlung in Göteborg von der Notwendigkeit einer Verkehrsverlagerung auf die Wasserwege ausgegangen ist, welcher die Kommission durch ihre Änderungsvorschläge zur TEN-Entscheidung nachkommen werde.809 Aus diesem Grund hat die Kommission die Förderung der Binnenschifffahrt als Erwägungsgrund in einen Änderungsvorschlag zur TEN-Entscheidung aufgenommen.810 2. Bundeswasserstraßen und Häfen als Bestandteil der Transeuropäischen Netze Ein Teil der Bundeswasserstraßen ist nach Anhang I, Schema 4.0 der TEN-Entscheidung Bestandteil der transeuropäischen Netze. Das betrifft vor allem die großen grenzüberschreitenden Flüsse Rhein, Elbe und Donau. 807 Vgl. hierzu schon die Stellungnahme der Kommission vom 15.12.2000 zum Vorschlag für eine Änderung der Entscheidung Nr. 1692/96/EG, KOM (2000) 768, S. 2. 808 Begründung zum Vorschlag für eine Änderung der Entscheidung Nr. 1692/96/ EG vom 02.10.2001, KOM (2001) 544, S. 6, 7 und 11. 809 Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses vom 21.03.2002, ABl. C 125/75. 810 Geänderter Vorschlag der Kommission vom 26.09.2002, KOM (2002) 542.
II. Europarechtliche Einflüsse
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Hinzu kommt aber auch eine Reihe bedeutender Kanäle.811 Als Netzbestandteil ist weiterhin in Schema 4.0 eine Reihe von Binnenhäfen ausgewiesen. Hinzu kommen Häfen, die sowohl für den Binnenschiffsverkehr, wie auch für den Seeschiffsverkehr genutzt werden können, wie Hamburg, Bremen, Emden oder Brake an der Unterweser. Ein Teil der Häfen ist schließlich nach Art. 12, Anhang I Schema 5.2 der TEN-Entscheidung als Seehafen Teil des transeuropäischen Verkehrsnetzes (z. Bsp. neben den vorgenannten noch Lübeck, Cuxhaven, Rostock). In der Liste der vorrangigen Vorhaben in Anhang III der TEN-Entscheidung findet sich für Deutschland unter Ziff. 18 lediglich der Ausbau der Donau von Vilshofen bis Straubing sowie der Nord-Ostsee-Kanal (Ziff. 21). Der Vollständigkeit halber ist zu erwähnen, dass alle deutschen Binnenwasserstraßen, welche in der TENEntscheidung als Bestandteil des transeuropäischen Verkehrsnetzes ausgewiesen sind, zugleich Bundeswasserstraßen im Sinne des Bundeswasserstraßengesetzes sind. Nicht dem allgemeinen Verkehr dienende Wasserstraßen sind nicht Bestandteil des transeuropäischen Verkehrsnetzes. Somit ergibt sich, dass Maßnahmen zum Ausbau oder auch zur Erhaltung der Bundeswasserstraßen Vorhaben von gemeinsamem Interesse sein können, wenn die Kriterien des Art. 7 der TEN-Entscheidung erfüllt sind. Für die Ausgestaltung des Vorhabens gibt es dann nur allgemeine Kriterien: So ist für Binnenwasserstraßen in Art. 11 II der TEN-Entscheidung eine konkrete Vorgabe hinsichtlich der Tragfähigkeit enthalten. In der höchsten Wasserstraßenklasse V b muss die Tragfähigkeit für einen Schubverband von 172 bis 185 m Länge und 11,4 m Breite gewährleistet sein. Mindeststandard ist die Klasse IV, welche die Durchfahrt eines Schiffes oder Schubverbandes von 80 bis 85 m Länge und 9,50 m Breite gestattet. 3. Umsetzungspflichten für die Verwaltung der Bundeswasserstraßen? Somit stellt sich die Frage, ob der Bund, der Eigentümer der auf deutschem Gebiet liegenden Binnenwasserstraßen des transeuropäischen Netzes ist und auch für deren hoheitliche Verwaltung zuständig ist, verpflichtet ist, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen, etwa Ausbau- und Erhaltungsmaßnahmen durchzuführen, um den Vorgaben der TEN-Entscheidung zu genügen. Das würde zu einer auf Unionsebene definierten Infrastrukturverantwortung 811 Neben den genannten Flüssen sind nach Anhang I, Schema 4.0 folgende weitere Flüsse bzw. Kanäle entweder ganz oder teilweise Bestandteil des transeuropäischen Verkehrsnetzes: Dortmund-Ems-Kanal, Elbe-Havel-Kanal, Elbe-LübeckKanal, Elbe-Seitenkanal, Ems, Küstenkanal, (Rhein-)Main-Donaukanal, Mittellandkanal, Mosel, Neckar, Nord-Ostsee-Kanal, Oder, Oder-Havel-Kanal, Oder-Spree-Kanal, Rhein-Herne-Kanal, Saar, Wesel-Datteln-Kanal und Weser.
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D. Europarechtliche und internationale Bindungen
des Bundes führen. Es fragt sich auch, ob er verpflichtet ist, alle Binnenwasserstraßen des transeuropäischen Verkehrsnetzes in Deutschland für den allgemeinen Schiffsverkehr zur Verfügung zu halten. Wenn dem so wäre, würde das zu einer unmittelbaren Beschränkung der aus Art. 89 II 1 GG folgenden Befugnisse der hoheitlichen Verwaltung der Bundeswasserstraßen führen, da diese Befugnisse auch die Freiheit des Bundes enthalten, selbst über den Ausbau und die Erhaltung einzelner Bundeswasserstraßen zu entscheiden. Nach Ansicht von Jürgensen besteht eine Pflicht des Bundes zur vorrangigen Verwirklichung der Vorhaben von gemeinsamem bzw. vorrangigem Interesse innerhalb des in der TEN-Entscheidung gesetzten Zeitrahmens, weil die in der TEN-Entscheidung enthaltenen Vorhaben regelmäßig schon Bestandteil nationaler Ausbauplanung seien und die Entscheidung darüber hinausgehen müsse.812 Andere Stimmen in der Literatur verneinen eine solche Verpflichtung.813 Das „Ob“ der Verbindlichkeit der Leitlinien in der TEN-Entscheidung entscheide noch nicht über den Grad der Verbindlichkeit, ein konkreter verbindlicher Aktionsrahmen der Mitgliedsstaaten widerspreche der primären Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten.814 Für eine rechtliche Verbindlichkeit der Entscheidung spricht zunächst, dass die TEN-Entscheidung als Entscheidung im Sinne von Art. 249 S. 3 EGV a. F. (jetzt Art. 288 IV AEUV) ergangen ist. Sie ist demnach für diejenigen verbindlich, die als Adressaten in der Entscheidung genannt sind. Das sind nach Art. 24 der TEN-Entscheidung die Mitgliedsstaaten. Es ist allgemein anerkannt, dass die an die Mitgliedsstaaten gerichteten Entscheidungen nach Art. 249 S. 3 EGV a. F./Art. 288 IV AEUV alle Organe des einzelnen Mitgliedsstaates einschließlich seiner Behörden und Gerichte binden. Die Organe des Mitgliedsstaates müssen deshalb wegen des Vorrangs des Unionsrechts die Entscheidungen auch bei Anwendung nationaler Rechtsvorschriften beachten, was dazu führen kann, dass eine nationale Rechtsvorschrift unangewendet bleiben muss.815 Für eine rechtliche Verbindlichkeit spricht zudem der in Art. 172 I AEUV enthaltene Verweis auf 812 Jürgensen, UPR 1998, 12, 14; allgemein offen gelassen in BVerwG, Urt. v. 05.11.1997 – 11 A 54/96 –, NuR 1998, 604 (zitiert nach juris Rdnr. 62, in NuR insoweit nicht abgedruckt). 813 Rasched, S. 134 ff. berichtet über den Sonderfall der Elbe. Hier hatte die Tschechische Republik gegenüber der Bundesrepublik geltend gemacht, dass diese an der Elbe nicht der ihr aus der TEN-Entscheidung obliegenden Ausbaupflicht genüge. Gegen konkrete Umsetzungspflicht für einzelne Vorhaben auch Ibler, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 89 Rdnr. 86; Gröpl, in: Maunz/Dürig, Art. 89 Rdnr. 125; Callies, in: Calliess/Ruffert, Art. 172 AEUV Rdnr. 8. 814 Voet van Vormizeele, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 155 EGV Rdnr. 7. 815 EuGH, Urt. v. 21.05.1987, Rs. 249/85, Slg. 1987, 2345, NJW 1987, 2153, 2154.
II. Europarechtliche Einflüsse
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das ordentliche Gesetzgebungsverfahren nach Art. 294 AEUV. Auch der Zustimmungsvorbehalt in Art. 172 II AEUV zugunsten der Mitgliedsstaaten wäre entbehrlich gewesen, wenn die Leitlinien jedweder Verbindlichkeit entbehren würden, weil er de facto für die Festlegung der Leitlinien im Verfahren nach Art. Art. 294 AEUV zu einem von Art. 238 I AEUV abweichenden Einstimmigkeitserfordernis führt.816 Aus der Verbindlichkeit der Entscheidung folgt allerdings in der Tat noch nichts für den Umfang der sich im Einzelfall aus der Entscheidung ergebenden Pflichten. Diese richten sich allein nach dem Inhalt der Entscheidung. Die TEN-Entscheidung selbst formuliert aber keine Pflicht der Mitgliedsstaaten oder der Gemeinschaft zur Durchführung bestimmter Infrastrukturmaßnahmen, im Gegenteil: Nach Art. 7 III der TEN-Entscheidung treffen die Mitgliedsstaaten alle ihnen erforderlich erscheinenden Maßnahmen im Rahmen der Grundsätze des Art. 1 II der TEN-Entscheidung. Es kommt also darauf an, was die Mitgliedsstaaten für erforderlich halten, ihnen kommt somit eine Einschätzungsprärogative zu. Zudem macht Art. 1 II 2 der TEN-Entscheidung die Verwirklichung der Vorhaben von Planungsstand und Finanzierungsmöglichkeiten abhängig, eine finanzielle Beteiligung der Mitgliedsstaaten oder der Gemeinschaft wird durch die Entscheidung ausdrücklich nicht präjudiziert. Daraus folgt, dass die TEN-Entscheidung lediglich einen Beitrag zur Infrastrukturpolitik der Mitgliedsstaaten leisten soll817, sie also an Vorgaben der Mitgliedsstaaten anknüpft. So hat es das Bundesverfassungsgericht auch in seiner Entscheidung zum Maastrichtvertrag gesehen. Ohne dies näher zu vertiefen, ging es davon aus, dass die Regelungen des Vertrages zu den transeuropäischen Netzen Einzelermächtigungen seien, welche die Union auf eine Ergänzung der prinzipiell vorgehenden Politik des Mitgliedsstaates beschränken.818 Somit wird der Bund durch die Entscheidung nicht zu konkreten Ausbau- oder Erhaltungsmaßnahmen verpflichtet. Wenngleich somit aus der Entscheidung keine Pflicht zur Durchführung konkreter Ausbau- oder Erhaltungsmaßnahmen abgeleitet werden kann, 816 Zutreffend Voet van Vormizeele, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 155 EGV Rdnr. 6; Callies, in: Calliess/Ruffert, Art. 172 AEUV Rdnr. 9: Vetorecht des Mitgliedsstaates. 817 Wahl, in: FS-Hoppe, S. 913, 923; ähnlich Gärditz, S. 26/27 und Callies, in: Calliess/Ruffert, Art. 170 AEUV Rdnr. 3, wonach die Vorschriften keine Kompetenz der Union für eine eigenständige Infrastrukturpolitik begründen. Von der prioritären Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten geht auch die Kommission im Grünbuch „Ein besser integriertes transeuropäisches Verkehrsnetz im Dienst der gemeinsamen Verkehrspolitik“ v. 04.02.2009, KOM (2009) 44, S. 5, 6 aus. 818 BVerfG, Urt. v. 12.10.1993 – 2 BvR 2134, 2159/92 –, BVerfGE 88, 155, 210 = NJW 1993, 3047.
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D. Europarechtliche und internationale Bindungen
muss doch eine Einschränkung vorgenommen werden: Würde der Bund eine zum transeuropäischen Verkehrsnetz gehörende Bundeswasserstraße „stilllegen“ wollen, insbesondere indem er sie durch Streichung aus der Anlage 1 zum Bundeswasserstraßengesetz (Änderungsgesetz) entwidmet, so würden dadurch die Ziele der TEN-Entscheidung erheblich gefährdet. Dies resultiert auch aus dem Umstand, dass die Wasserstrecken, welche zum transeuropäischen Verkehrsnetz gehören, nicht nur von nationaler Bedeutung sind, sondern auch einen europäischen Binnenschiffsverkehr ermöglichen sollen. Gerade die deutschen Binnenwasserstraßen sind aufgrund der zentralen Lage Deutschlands von besonderer Bedeutung für das transeuropäische Verkehrsnetz, weil sie den Verkehr von Ost- nach Westeuropa, vom Nordsee- in den Ostseeraum und den Anschluss nach Südosteuropa ermöglichen. Würde man die nach Art. 74 I Nr. 21 GG, 89 II 1 GG dem Bund zustehenden Kompetenzen dahingehend auslegen, dass sie dem Bund durch Änderung des Wasserstraßengesetzes die Stilllegung von Wasserstraßen erlauben, ohne Rücksicht darauf, ob diese zum transeuropäischen Verkehrsnetz gehören oder nicht, dann würde dies die Verwirklichung der in Art. 170 ff. AEUV formulierten und durch die TEN-Entscheidung konkretisierten Ziele vereiteln können. Darin läge zum einen ein Verstoß gegen den Vorrang des Unionsrechts, der unter Umständen sogar dem sekundären Unionsrecht Vorrang vor nationalem Verfassungsrecht gewähren kann.819 Dieser Vorrang des Unionsrechts gilt auch gegenüber zeitlich nachfolgendem nationalem Recht.820 Zum anderen würde der Bund damit auch seine aus Art. 4 III EUV abgeleitete Loyalitätspflicht gegenüber der Union verletzen. Danach ist es dem Mitgliedsstaat verwehrt, durch nationale Rechtsvorschriften die uneingeschränkte und einheitliche Geltung des Unionsrechts und die Wirksamkeit der zu dessen Vollzug ergangenen Maßnahmen zu beeinträchtigen.821 Andererseits kann aus dem Gesagten aber auch keine, über die Erhaltung der Schiffbarkeit hinaus gehende Erhaltungspflicht abgeleitet werden, weil anderenfalls der Finanzierungsvorbehalt in Art. 1 II 2 der TEN-Entscheidung leerliefe. Ausreichend ist, wenn der Bund auf den Wasserstraßen, die zum transeuropäischen Verkehrsnetz gehören, überhaupt eine dem europäi819 EuGH, Urt. v. 15.07.1964 – Rs. 6/64 –, Slg. 1964, 1251, 1269 ff. = NJW 1964, 2371 (Costa/E.N.E.L.); Urt. v. 17.12.1970 – Rs. 11/70 – Slg. 1970, 1125, 1135 = NJW 1971, 343; Terhechte, JuS 2008, 403. 820 EuGH, Urt. v. 09.03.1978 – Rs. 106/77 –, Slg. 1978, 629, Rdnr. 18 (Staatliche Finanzverwaltung/Simmenthal). 821 EuGH, Urt. v. 10.01.1985 – Rs. 229/83 –, Slg. 1985, 17, 31 = NJW 1985, 1615, 1616; im Ergebnis ähnlich Voet van Vormizeele, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 155 EGV Rdnr. 7 und Callies, in: Calliess/Ruffert, Art. 171 AEUV Rdnr. 3 ff.
II. Europarechtliche Einflüsse
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schen Schiffsverkehr entsprechende Mindestbefahrbarkeit vorhält.822 Gegen eine solche Erhaltungspflicht spricht auch nicht die Subsidiarität der Unionskompetenz. Die Mitgliedsstaaten können die Aufnahme eines Verkehrsweges oder eines Vorhabens in die TEN-Entscheidung nach Art. 172 II AEUV verhindern. Geschieht dies nicht, handelt der Mitgliedsstaat treuwidrig, wenn er im Nachhinein die Umsetzung der TEN-Entscheidung auf seinem Staatsgebiet vereitelt. 4. Sonstige rechtliche Wirkungen für die Verwaltung der Bundeswasserstraßen Auch wenn sich aus der TEN-Entscheidung jenseits der Erhaltung der Schiffbarkeit keine konkreten Pflichten für die Wasserstraßenverwaltung ableiten lassen, bedeutet das nicht, dass die TEN-Entscheidung nicht auch anderweitige rechtliche Wirkungen haben kann. Insofern ist zu beachten, dass es sich um eine Entscheidung mit raumplanerischem Charakter handelt (unter a)), welche im nationalen Recht überall dort berücksichtigt werden muss, wo der Verwaltung Planungs- und Abwägungsspielräume eröffnet sind (unter b)). a) Raumplanerischer Charakter der TEN-Entscheidung Nach Ansicht der Kommission handelt es sich bei der Aufstellung von Leitlinien für transeuropäische Netze um ein Instrument der Raumordnung.823 Zwar verfügt die Union nicht über eine umfassende Befugnis auf dem Gebiet der Raumordnung. Aus Art. 192 II lit. b AEUV ergibt sich jedoch, dass die Union schon im Bereich der Umweltpolitik über eine sektorale Befugnis zur Mitwirkung an der Raumordnung in den einzelnen Staaten verfügt. Es ist daher konsequent, auch die transeuropäischen Netze als ein sektorales Instrument europäischer Raumordnung zu interpretieren.824 Dieses Instrument steht allerdings nicht zuletzt wegen des sich aus Art. 5 III EUV ergebenden Grundsatzes der Subsidiarität825 nur in einem ergänzendem bzw. verstärkendem Verhältnis zur nationalen Raumordnung. Dies folgt schon aus dem Umstand, dass die transeuropäischen Netze die 822
So wohl auch Rasched, S. 135. Begründung zum Vorschlag der Kommission für die Änderung der Entscheidung Nr. 1692/96/EG vom 02.10.2001, KOM (2001) 544, S. 6.; Callies, in: Calliess/Ruffert, Art. 192 AEUV Rdnr. 30, Gatawis, Grundfragen eines europäischen Raumordnungsrechts, Münster 2000, S. 115; differenzierend Durner, in: Magiera/ Sommermann, Daseinsvorsorge und Infrastrukturgewährleistung, S. 73, 83. 824 In diesem Sinne wohl auch Wahl, in: FS-Hoppe, S. 913 ff. 825 Kotzur, in: Geiger/Khan/Kotzur, AEUV Art. 170 Rdnr. 2. 823
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D. Europarechtliche und internationale Bindungen
vorhandenen Gegebenheiten an Verkehrsinfrastruktur in den Mitgliedsstaaten aufgreifen müssen. Da vor allem in der Bundesrepublik der Verkehrswegeplanung ein ausdifferenziertes System der Raumordnung zugrunde liegt, führt dies im Ergebnis zu einer weitgehenden Kongruenz von nationaler Planung und Planung der Union.826 Zu beachten ist jedoch auch hier, dass die Leitlinien und Vorhaben von gemeinsamen Interessen, die das Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates betreffen, nach Art. 172 II AEUV der Billigung des Mitgliedsstaates bedürfen. Bei Vorhaben, die raumordnerisch in Deutschland noch nicht gesichert sind, führt die TEN-Entscheidung somit zu einer von der nationalen Raumordnung abweichenden, aber unter Zustimmung des Mitgliedsstaates zustande gekommenen Festlegung. Die Zustimmung des Mitgliedsstaates rechtfertigt es, in einem solchen Fall für die Bundesrepublik bzw. die Länder eine Anpassungspflicht an die Vorgaben aus der TEN-Entscheidung anzunehmen.827 Soweit die Länder für die Raumordnung zuständig sind, werden ihre Interessen durch Art. 23 IV, V 2 GG im Vorfeld hinreichend gewahrt. b) Berücksichtigung bei Planungs- und Abwägungsspielräumen Neben der Berücksichtigung der TEN-Entscheidung im Rahmen der Raumordnung bieten sich noch andere Wirkungsmöglichkeiten der Entscheidung im deutschen Recht. Zum Teil wird vertreten, dass die TEN-Entscheidung bei Verkehrsvorhaben schon die Planrechtfertigung begründen kann (unter aa)). Soweit sonst Stimmen aus Literatur und Rechtsprechung vorliegen, wird überwiegend die Berücksichtigung der TEN-Vorgaben im Rahmen der planerischen Abwägungsentscheidungen angenommen (unter bb)). aa) TEN-Vorgaben als gesetzliche Bedarfsfestlegung? Jedes planfeststellungspflichtige Vorhaben bedarf wegen der umfassenden rechtsgestaltenden Wirkung des Planfeststellungsbeschlusses (§ 14c WaStrG, § 75 I VwVfG) auch gegenüber Drittbetroffenen der Rechtfertigung. Diese so genannte Planrechtfertigung ist die planungsrechtliche Ausprägung des Prinzips der Erforderlichkeit. Planfeststellungsbeschlüsse haben zudem enteignungsrechtliche Vorwirkung, sind also im späteren Enteignungsverfahren als bindend zugrunde zu legen, § 44 II WaStrG. Da Enteignungen nach Art. 14 III GG nur zum Wohl der Allgemeinheit zulässig sind, dient die 826 827
Gatawis, S. 124. Im Ergebnis ebenso Gärditz, S. 27.
II. Europarechtliche Einflüsse
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Planrechtfertigung gleichzeitig dazu sicherzustellen, dass das Vorhaben diese Anforderung erfüllt.828 Eine Planrechtfertigung kann allgemein angenommen werden, wenn ein Vorhaben vernünftiger Weise geboten ist, wenn es dafür also einen Bedarf gibt. Im Wasserstraßenrecht ist ein Vorhaben gerechtfertigt, wenn es für das Vorhaben nach Maßgabe der mit dem Bundeswasserstraßengesetz verfolgten Ziele einschließlich sonstiger gesetzlicher Entscheidungen ein Bedürfnis gibt829, insbesondere ein Verkehrsbedürfnis. Umgekehrt fehlt es an einer Planrechtfertigung, wenn für das Vorhaben kein Bedarf streitet oder wenn seine Finanzierung nicht gesichert ist.830 Teilweise wird der Bedarf für planfeststellungspflichtige Vorhaben schlicht durch Gesetz festgelegt, wie zum Beispiel im Fernstraßenausbaugesetz (vgl. dort § 1 II FStrAbG). Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle ist dann darauf beschränkt, ob es im Hinblick auf die bestehende oder künftig zu erwartende Verkehrsbelastung für das Vorhaben an jeglicher Notwendigkeit fehlt, weil in einem solchen Fall das grundsätzlich gegebene gesetzgeberische Ermessen zur Bedarfsfestlegung überschritten ist. Das Gericht muss dann das Gesetz, welches den Bedarf für das Vorhaben festlegt, nach Art. 100 I GG dem Bundesverfassungsgericht zu Prüfung vorlegen.831 Für Vorhaben im Bereich der Bundeswasserstraßen besteht eine bundesgesetzliche Bedarfsfestlegung bislang nicht. Fraglich ist aber, inwieweit die TEN-Vorgaben eine Planrechtfertigung begründen können, insbesondere, ob für ein Vorhaben von gemeinsamem Interesse im Sinne der TEN-Entscheidung stets eine Planrechtfertigung besteht. Die TEN-Entscheidung hätte dann die gleiche Wirkung wie eine gesetzliche Bedarfsfestlegung. Nach Auffassung von Jürgensen besteht für Vorhaben von gemeinsamem Interesse stets eine Planrechtfertigung.832 Begründet wird dies mit dem Grundsatz des effet utile, wonach alle staatlichen Organe die TEN-Entscheidung beachten müssen. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat diese Frage bislang nur am Rande aufgegriffen. In einer Reihe von Entscheidungen hat es 828 Grundlegend m. w. N. BVerwG, Urt. v. 07.07.1978 – 4 C 79.76 –, BVerwGE 56, 110, 118 = NJW 1979, 64 = DVBl 1978, 845. 829 BVerwG, Beschl. v. 02.04.2009 – 7 VR 1.09 –, zitiert nach juris Rdnr. 8 (Ausbau des Elbe-Havel-Kanals). 830 Zu letzterem Aspekt BVerwG, Urt. v. 20.05.1999 – 4 A 12/98 –, NVwZ 2000, 555, 558. 831 BVerwG, Urt. v. 08.06.1995 – 4 A 4/94 –, BVerwGE 98, 339, 347 = NVwZ 1996, 381. 832 Jürgensen, UPR 1998, 12, 14; ebenso, wenn auch ohne nähere Begründung Fisahn, UPR 2002, 258, 261 und Gärditz, S. 27, der allgemein annimmt, dass die Aufnahme eines Vorhabens in die transeuropäischen Netze die Planrechtfertigung begründet.
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D. Europarechtliche und internationale Bindungen
gegen Zweifel an der Planrechtfertigung eines Vorhabens auch angeführt, dass das Vorhaben im Leitschema der TEN-Entscheidung enthalten ist.833 Betroffen waren allerdings Vorhaben, für die der Bedarf außerdem bundesgesetzlich festgelegt worden war. Weitergehende rechtliche Aussagen sind den Entscheidungen nicht zu entnehmen.834 Damit ist klar, dass Vorgaben der TEN-Entscheidung zwar bei der Prüfung der Planrechtfertigung herangezogen werden können. Das Gewicht der Vorgaben ist aber nach wie vor unklar. Einerseits erscheint es naheliegend, dass für Vorhaben, die zum transeuropäischen Verkehrsnetz gehören, auch ein Bedarf gegeben sein muss. Andererseits ist die TEN-Entscheidung eine politische Entscheidung, welcher keine für einzelne Vorhaben durchgeführte Bedarfsanalyse zugrunde liegt. Die TEN-Entscheidung kann daher eine Prüfung des Bedarfs für ein Vorhaben und damit die Prüfung der Planrechtfertigung nicht ersetzen. Dies wird belegt durch Art. 7 I der Entscheidung, der für ein Vorhaben von gemeinsamem Interesse entsprechend Art. 171 I 2 AEUV verlangt, dass das Vorhaben „im Lichte von Analysen des sozioökonomischen Kosten-/Nutzenverhältnisses potentiell wirtschaftlich lebensfähig ist“. Das erfordert im Verkehrsbereich eine Kosten-/Nutzenanalyse mit Berücksichtigung des sozioökonomischen Nutzens durch Raumerschließung und gesteigerte Mobilität.835 Diese Analyse dürfte der Bedarfsermittlung für die Verkehrsplanung in Deutschland vergleichbar sein, welche ebenfalls durch Kosten-/Nutzenrechnungen erfolgt.836 Festhalten lässt sich also, dass eine Planrechtfertigung von Vorhaben, welche das transeuropäische Verkehrsnetz im Bereich der Wasserstraßen betreffen, nur dann allein auf die Zugehörigkeit zum transeuropäischen Verkehrsnetz gestützt werden kann, wenn das Vorliegen des gemeinsamen Interesses 833
BVerwG, Urt. v. 09.07.2008 – 9 A 14/07 – BVerwGE 131, 274, 288 (Rdnr. 46) = NVwZ 2009, 302; Urt. v. 11.01.2001 – 4 A 12/99 –, NVwZ 2001, 1160, 1161; Urt. v. 11.01.2001 – 4 A 13/99 – NVwZ 2001, 1154 (zitiert nach juris Rdnr. 26, in NVwZ insoweit nicht abgedruckt); Urt. v. 08.01.1997 – 11 VR 30/95 –, UPR 1998, 211 (zitiert nach juris Rdnr. 26); ähnlich VGH Bad.-Württ., Urt. v. 28.01.2001 – 5 S 2426/99 –, zitiert nach juris Rdnr. 43. 834 Exemplarisch dafür BVerwG, Urt. v. 05.11.1997 – 11 A 54/96 – NuR 1998, 604 (zitiert nach juris Rdnr. 62, in NuR insoweit nicht abgedruckt), wo das Gericht die Frage nach der Umsetzungspflicht der TEN-Entscheidung offen lassen konnte und auch ausdrücklich offen gelassen hat. Das übersieht auch Gärditz, S. 27, der sich für seine Ansicht (vgl. Fn. 832) auf das Bundesverwaltungsgericht beruft. 835 Voet van Vormizeele, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 155 EGV Rdnr. 11. 836 So wurde zur Aufstellung des Bundesverkehrswegeplans 2003 eine gesamtwirtschaftliche Bewertungsmethodik angewandt. Die Einzelheiten und Details wurden 2005 in einem vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen herausgegebenen Anwenderhandbuch „Die gesamtwirtschaftliche Bewertungsmethodik – Bundesverkehrsplan 2003“ veröffentlicht.
II. Europarechtliche Einflüsse
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durch eine Art. 7 I der TEN-Entscheidung entsprechende Kosten-/Nutzenanalyse festgestellt ist. Auch dann kann die Planrechtfertigung noch scheitern, wenn es an einer gesicherten Finanzierung fehlt, denn diese wird in Art. 1 II 2 der TEN-Entscheidung ausdrücklich offen gelassen. Somit wird ein Vorhaben im Wasserstraßenbereich, dem wegen fehlenden Nutzens oder wegen einer nicht gesicherten Finanzierung die Planrechtfertigung fehlt, regelmäßig nicht unter Verweis auf die Aufnahme des Verkehrsweges in die TEN-Entscheidung zulässig gemacht werden können. Denkbar ist lediglich, dass in Grenzfällen des Kosten-/Nutzenverhältnisses die Zugehörigkeit zum transeuropäischen Netz den Ausschlag zugunsten des Vorhabens gibt. bb) Berücksichtigung bei Abwägungsspielräumen Nach § 14 I 2 WaStrG sind bei der Planfeststellung eines Ausbau- oder Neubauvorhabens einer Bundeswasserstraße die vom Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Zu den zu berücksichtigenden öffentlichen Belangen gehören dann auch Vorgaben aus der TEN-Entscheidung. Sie werden regelmäßig dazu führen, dass die öffentlichen Belange gegenüber den betroffenen privaten Belangen, insbesondere gegenüber den Interessen planbetroffener Eigentümer ein deutlich höheres Gewicht erhalten.837 Diese Schlussfolgerung ist zwingend, wenn man der TEN-Entscheidung gegenüber dem Mitgliedsstaat richtigerweise Bindungswirkung zugesteht. Die Planfeststellungsbehörde ist im Übrigen auch verpflichtet, die Vorgaben in der Abwägung zu berücksichtigen, ein Wahlrecht besteht daher nicht. Das gilt vor allem für die Vorgaben zur Ausgestaltung von Ausbauvorhaben nach Art. 11 II der TEN-Entscheidung. Von dieser Vorgabe darf im Ergebnis der Abwägung nur bei gewichtigen Gegengründen abgewichen werden. Eine ähnliche Pflicht zur Berücksichtigung der Vorgaben aus der TENEntscheidung gilt im (europäischen) Naturschutzrecht, auch wenn dieses gleichfalls dem Bereich der öffentlichen Belange zuzuordnen ist. Entsprechend den Vorgaben der Flora-Fauna-Habitat Richtlinie838 (FFH-RL) und der Vogelschutzrichtlinie839 sind nach § 34 II BNatSchG bzw. den jeweiligen Landesnaturschutzgesetzen Projekte unzulässig, die zu einer erheb837
Jürgensen, UPR 1998, 12, 14. Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen, ABl. 1992 L 206, S. 7. 839 Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten, ABl. 1979 L 103, S. 1; abgelöst durch die Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten, ABl. 2010 L 020, S. 7. 838
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D. Europarechtliche und internationale Bindungen
lichen Beeinträchtigung der Erhaltungsziele oder des Schutzzweckes eines FFH-Gebietes oder Vogelschutzgebietes führen. Eine ausnahmsweise Zulässigkeit des Vorhabens ist nach § 34 III BNatSchG (entspricht Art. 6 IV FFH-RL) nur gegeben, wenn das Projekt aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses notwendig ist und wenn zumutbare Alternativen zur Erreichung des Zweckes des Projektes an anderer Stelle mit geringerer Beeinträchtigung nicht gegeben sind (Abweichungsprüfung). Die Abweichungsprüfung vollzieht sich in drei Schritten: Zunächst sind abwägend die Abweichungsgründe für das zwingende überwiegende öffentliche Interesse zu prüfen. Sodann folgt die Prüfung von Alternativen und schließlich die Prüfung der erforderlichen Kohärenzmaßnahmen. Dabei ist die Alternativenprüfung anders als die allgemeine fachplanerische Abwägung eine eigenständige Prüfung, bei der die Zulassungsbehörde keinen Ermessenspielraum hat.840 Fraglich ist insofern, ob ein Vorhaben von gemeinsamem oder vorrangigem Interesse zugleich auch die Annahme eines zwingenden überwiegenden öffentlichen Interesses bei der Abweichungsprüfung nach § 34 III BNatSchG rechtfertigt. Dies erfordert eine Bestimmung des Verhältnisses der TEN-Entscheidung zum europäischen Umweltrecht. Im Unterschied zu den geläufigen Kategorien des deutschen Rechts gab es zwischen den verschiedenen Rechtsakten des Art. 249 EGV (jetzt Art. 288 AEUV) keine Normenhierarchie und auch kein Stufenverhältnis je nach dem Urheber der Rechtshandlung.841 Nur wenn ein Rechtsakt auf einem anderen Rechtsakt als Ermächtigungsgrundlage beruht, muss sich der Folgerechtsakt im Rahmen des Ermächtigungsaktes halten. Im vorliegenden Falle beruhen jedoch sowohl die Entscheidung Nr. 1692/96/EG wie auch die Richtlinien zum europäischen Umweltrecht unmittelbar auf dem früheren EG-Vertrag. Daher ist ein Über-Unterordnungsverhältnis ausgeschlossen, vielmehr ist für die FFH-Richtlinie und die Vogelschutzrichtlinie, welche den nationalen Umsetzungsvorschriften zugrunde liegen, von einer Gleichordnung auszugehen. Daraus lässt sich jedoch nicht schließen, dass die TEN-Entscheidung und die Richtlinien zum Naturschutz berührungslos nebeneinander stehen. Davon geht auch die Kommission nicht aus, nach deren Auffassung die Entscheidung Nr. 1692/96/EG eine Bezugsgröße für andere Rechtsvorschriften der Gemeinschaft darstellt842. Vielmehr ist ein harmonisierendes Verständnis vom Zusammenspiel der verschiedenen Rechtsakte erforderlich: Zum einen wird die Anwendung der umweltrechtlichen Vor840 BVerwG, Urt. v. 12.03.2008 – 9 A 3/08 – BVerwGE 130, 299, 345, 352 (Rdnr. 145, 169) = NuR 2008, 633. 841 Streinz, Europarecht, Rdnr. 425; zu den Neuerungen durch den Vertrag von Lissabon vgl. Ruffert, in: Calliess/Ruffert, Art. 288 AEUV, Rdnr. 10. 842 Begründung zum Vorschlag für eine Änderung der Entscheidung Nr. 1692/96/ EG vom 02.10.2001, KOM (2001) 544, S. 6.
II. Europarechtliche Einflüsse
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schriften nach der ausdrücklichen Regelung in Art. 8 I der TEN-Entscheidung und der 8. Begründungserwägung zur Entscheidung nicht suspendiert, die Umweltauswirkungen müssen auch für die transeuropäischen Netze nach den Vorgaben der Umweltrichtlinien geprüft werden. Zum anderen gilt es, das deutsche Naturschutzrecht nicht nur richtlinienkonform843 nach den Vorgaben der Umweltschutzrichtlinien auszulegen. Die Grundsätze unionsrechtskonformer Auslegung gelten schließlich auch für Entscheidungen844 wie die TEN-Entscheidung. Deshalb kommt der TEN-Entscheidung bei der Auslegung der Richtlinien zum Schutz der Umwelt die Rolle einer Wertung zu. Diese Wertung erfolgt dahingehend, dass die Vorhaben von gemeinsamen Interesse grundsätzlich über eine erhöhte Durchsetzungsfähigkeit im Vergleich zu anderen Infrastrukturvorhaben verfügen und dass diese Durchsetzungsfähigkeit sich um so stärker bei den Vorhaben zeigt, die die Gemeinschaft als im Sinne des Umweltschutzes im Bereich des Verkehrs für vorrangig erachtet, wie zum Beispiel der (Binnen-)Schifffahrt (vgl. zu den Vorarbeiten der TEN-Entscheidung schon unter D. II. 1.). Im Ergebnis kann die Einordnung als Vorhaben von gemeinsamem oder vorrangigem Interesse deshalb auch zugleich ein zwingendes überwiegendes öffentliches Interesse bei der Abweichungsprüfung nach § 34 III BNatSchG begründen. Das Bundesverwaltungsgericht hat dies zur A 44 in Hessen bezogen auf eine Vorgängerentscheidung der TEN-Entscheidung erstmals angenommen und ausgeführt, dass ein Vorhaben, welches von deutscher Seite im Gemeinschaftsinteresse zu realisieren sei, nicht gleichzeitig am FFHRecht scheitern könne.845 Auch die Alternativenprüfung kann durch die Vorgaben der TEN-Entscheidung eingeschränkt sein: Sie gibt bei bereits vorhandenen Wasserstraßen den Standort vor, so dass eine zumutbare Alternative an anderer Stelle ausscheidet. Anders ist dies bei Neubauvorhaben. Hier ist die Festlegung in den Schemata der TEN-Entscheidung zu grob, um eine verbindliche Konkretisierung herbeizuführen. Entsprechend den vorstehenden Ausführungen besteht für Vorhaben von gemeinsamem oder vorrangigem Interesse nach der TEN-Entscheidung 843 Zum allgemeinen Erfordernis richtlinienkonformer Auslegung EuGH, Urt. v. 13.11.1990 – C-106/89 –, Slg. 1990 I, 4156, 4159 (Marleasing). 844 Hatje, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 155 EGV Rdnr. 7. 845 BVerwG, Urt. v. 17.5.2002 – 4 A 28/01 –, BVerwGE 116, 254 = NVwZ 2002, 1243 (1248) insoweit nicht in BVerwGE 116, 254 ff. abgedruckt; ausdrücklich bestätigt in Urt. v. 12.03.2008 – 9 A 3/08 – BVerwGE 130, 299, 348 (Rdnr. 158 f.) = NuR 2008, 63; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 16.3.2006 – 4 A 1075.04 –, BVerwGE 125, 120, 322 (Rdnr. 572), wo der Senat Art. 154 EGV zugunsten eines Vorhabens bei der Prüfung der artenschutzrechtlichen Vorschriften nach der FFH-Richtlinie heranzieht, ebenso für § 62 I 1 Nr. 2 BNatSchG (überwiegende Gründe des Allgemeinwohls) Urt. v. 09.07.2008 – 9 A 14/07 – BVerwGE 131, 274, 317 (Rdnr. 127) = NVwZ 2009, 302.
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D. Europarechtliche und internationale Bindungen
auch ein übergeordnetes öffentliches Interesse nach § 31 II Nr. 2 WHG, so dass das aus der Wasserrahmenrichtlinie umgesetzte Verschlechterungsverbot nicht gilt, sofern die weiteren in § 31 II WHG genannten Voraussetzungen erfüllt sind.
III. Auswirkungen der Warenverkehrsfreiheit nach Art. 34–36 AEUV Nach Art. 34, 35 AEUV sind Maßnahmen, welche die gleiche Wirkung wie mengenmäßige Ein- und Ausfuhrbeschränkungen haben, grundsätzlich unzulässig. Dadurch schützt das Unionsrecht den freien Warenverkehr. Auch für die Wasserstraßen kann dem Bedeutung zukommen, da der Verkehr auf ihnen in erster Linie Warenverkehr ist und das Netz der Wasserstraßen durch verschiedene Flüsse und Kanäle mit den Wasserstraßen anderer Staaten der Union verbunden ist. Deshalb ist näher zu untersuchen, ob die Freiheit des Warenverkehrs dem Bund bei der Verwaltung der Wasserstraßen verkehrsbeschränkende Maßnahmen bis hin zur Entwidmung einzelner Wasserstraßen verbietet. Gründe für solche Maßnahmen können im Bereich des Umweltschutzes, der Verkehrssicherheit oder aber im Erhaltungsaufwand für eine Wasserstraße liegen. Aus einem Verbot solcher Maßnahmen könnte dann de facto auch eine Bestandserhaltungspflicht des Bundes abgeleitet werden. Einen weiteren Anlass, dieser Frage nachzugehen, liefern Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs zu Behinderungen des Verkehrs auf österreichischen Autobahnen. So hat der EuGH entschieden, dass eine Verkehrsbeschränkung auf der Inntalautobahn für bestimmte Lastkraftwagen „offensichtlich“ dem Anwendungsbereich der Warenverkehrsfreiheit unterfällt.846 Somit kommt es im Einzelnen darauf an, ob die Rechtsprechung des EuGH zu Verkehrsbeschränkungen auf Autobahnen grundsätzlich auch auf die Wasserstraßen übertragen werden kann (unter 1.) und unter welchen Voraussetzungen im Einzelnen das geschehen kann (unter 2.). Dann ist zu untersuchen, ob für solche Verkehrsbeschränkungen eine Rechtfertigung in Betracht kommt (unter 3.).
846 EuGH, Urt. v. 15.11.2005 – C-320/03 –, Slg. 2005, I-9871, 9930 = DVBl 2006, 103 (Rdnr. 66); ähnlich schon zu einer Blockade der Brennerautobahn durch eine Demonstration Urt. v. 12.06.2003 – C-112/00 –, Slg. 2003 I-5659, 5712 f. = NJW 2003, 3185 = EuZW 2003, 592 (Schmidberger). Zuletzt EuGH, Urt. v. 21.12.2011 – C-28/09 – Rdnr. 113 (verfügbar unter www.curia.europa.eu), ebenfalls zur Inntalautobahn.
III. Auswirkungen der Warenverkehrsfreiheit
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1. Grundsätzliche Anwendbarkeit der Vorschriften über die Warenverkehrsfreiheit Nach Art. 34, 35 AEUV sind mengenmäßige Ein- und Ausfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung grundsätzlich verboten. Verkehrsbeschränkende Maßnahmen richten sich nicht primär gegen den Warenverkehr und beschränken auch nicht die Ein- und Ausfuhr. Sie können daher nur unter die Maßnahmen gleicher Wirkung fallen. Da Art. 34, 35 AEUV nur Maßnahmen zwischen den Mitgliedsstaaten erfassen, muss es sich aber zunächst um einen grenzüberschreitenden Sachverhalt handeln.847 Dafür genügen regelmäßig schon potentielle Auswirkungen auf den Warenverkehr innerhalb der Union.848 Bei einer verkehrsbeschränkenden Maßnahme auf einer überregional bedeutsamen Wasserstraße wird man von solchen Auswirkungen ausgehen können. Dies gilt erst recht, wenn eine Wasserstraße betroffen ist, an der mehrere Mitgliedsstaaten Anlieger sind (z. Bsp. Rhein, Mosel, Donau, Elbe und Oder). Da zu den Bundeswasserstraßen im Sinne von Art. 89 II 1 GG nur solche Wasserstraßen zählen, die dem allgemeinen Verkehr dienen und dieses Merkmal eine gewisse Überregionalität des Verkehrs verlangt, ist in der Eigenschaft als Bundeswasserstraße regelmäßig schon ein gewisses Indiz dafür zu sehen, dass verkehrsbeschränkende Maßnahmen an ihnen Auswirkungen auf den Warenverkehr innerhalb der Union haben können. Die Auslegung des Tatbestandsmerkmales der „Maßnahme gleicher Wirkung“ wird maßgeblich durch die vom Europäischen Gerichtshof entwickelte „Dassonville“-Formel geprägt. Danach ist jede Handelsregelung, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern, als Maßnahme gleicher Wirkung anzusehen.849 Wegen der Weite dieser Definition sah sich der EuGH alsbald genötigt, Einschränkungen vorzunehmen. Hierzu ist insbesondere auf die „Keck“-Entscheidung zu verweisen. Danach sind nationale Bestimmungen, die bestimmte Verkaufsmodalitäten verbieten oder beschränken, nicht geeignet, den Warenverkehr unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern, wenn sie für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben, und sofern sie den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedsstaaten rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise berühren.850 847
Becker, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 28 Rdnr. 19. EuGH, Urt. v. 10.11.1992 – C-3/91 –, Slg. 1992, I-5529, 5560, Rdnr. 19; Kotzur, in: Geiger/Khan/Kotzur, AEUV Art. 34 Rdnr. 9. 849 EuGH, Urt. 11.07.1974 – C-8/74 –, Slg. 1974, 837, 852 (Rdnr. 5) = NJW 1975, 515. 850 EuGH, Urt. v. 24.11.1993 – C-267/91 –, Slg. 1993, I-6097, 6131 = NJW 1994, 121 (Rdnr. 16). 848
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D. Europarechtliche und internationale Bindungen
Werden diese Grundsätze auf verkehrsbeschränkende Maßnahmen für Wasserstraßen angewendet, dann ergibt sich ohne weiteres, dass diese im Sinne der Dassonville-Formel geeignet sind, den innergemeinschaftlichen Handel zu behindern. Das vom EuGH weiter formulierte Erfordernis einer Handelsregelung vermag daran nichts zu ändern. Es legt nahe, dass der EuGH damit eine Maßnahme meint, die sich gezielt gegen den Handel als solchen richtet. Diese Forderung erhebt die Rechtsprechung jedoch gerade nicht.851 Auch die Präzisierung der Dassonville-Formel durch die Keck-Entscheidung führt zu keinem anderen Ergebnis. Da die Keck-Entscheidung Verkaufsmodalitäten betrifft, ist sie auf verkehrsbeschränkende Maßnahmen an einem bestimmten Verkehrsweg nicht anwendbar, diese sind schließlich keine Verkaufsmodalitäten.852 Im Übrigen ließe sich mit den Grundsätzen der Keck-Entscheidung von vornherein kein anderes Ergebnis erzielen, weil verkehrsbeschränkende Maßnahmen regelmäßig für alle Wirtschaftsteilnehmer gelten und in- sowie ausländische Waren gleich treffen. Womöglich ist dies auch der Grund, warum sich der EuGH in seiner Entscheidung zur Inntalautobahn zwar auf die Dassonville-Entscheidung, nicht aber auf die Keck-Entscheidung berufen hat.853 Festzuhalten bleibt somit, dass den Schiffsverkehr beschränkende Maßnahmen auf einer Wasserstraße in der Folge der Rechtsprechung des EuGH grundsätzlich eine Maßnahme gleicher Wirkung darstellen können. Im Vergleich zu verkehrsbeschränkenden Maßnahmen an Autobahnen wird der Bezug zur Warenverkehrsfreiheit sogar noch deutlicher, weil der Verkehr auf Wasserstraßen in viel größerem Umfang Warenverkehr ist (anstelle von Personenverkehr), der Anteil des grenzüberschreitenden Warenverkehrs mit 74,6 % auf den Binnenwasserstraßen854 besonders hoch ist und weil im Schiffsverkehr die Ausweichmöglichkeiten innerhalb des Wasserstraßennetzes bei Verkehrsbeschränkungen im Vergleich zum Straßenverkehr sehr begrenzt sind.
851
Becker, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 28 Rdnr. 38; Kotzur, in: Geiger/ Khan/Kotzur, AEUV Art. 34 Rdnr. 9. 852 Nach Kotzur, in: Geiger/Khan/Kotzur, AEUV Art. 34 Rdnr. 10 handelt es sich um die Verletzung staatlicher Schutzpflichten, welche sich aus den Grundfreiheiten ergeben. 853 EuGH (Fn. 846), Slg. 2005, I-9871, 9930 (Rdnr. 67); kritisch zur Auslegung der Warenverkehrsfreiheit in dieser Entscheidung Wasserer, JRP 2009, 115, 122. 854 Statistisches Jahrbuch 2010 für die Bundesrepublik Deutschland, S. 430; beim Güterverkehr mit Lastkraftwagen liegt dieser Anteil nur bei 5 % (S. 428), wobei damit der gesamte LKW-Güterverkehr erfasst wird, einschließlich des Verkehrs auf den nicht zu den Bundesfernstraßen gehörenden Straßen.
III. Auswirkungen der Warenverkehrsfreiheit
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2. Präzisierung des Anwendungsbereichs der Vorschriften über die Warenverkehrsfreiheit Die vorstehenden Ausführungen bedeuten freilich nicht, dass jede verkehrsbeschränkende Maßnahme an einer Bundeswasserstraße zugleich den Tatbestand einer unzulässigen Maßnahme gleicher Wirkung erfüllt. Auch wenn die Warenverkehrsfreiheit einer der tragenden Grundsätze des Unionsrechts ist855, darf ihr Anwendungsbereich nicht uferlos ausgeweitet werden. Maßnahmen, deren Auswirkungen zu ungewiss und zu indirekt sind, berühren nicht die Warenverkehrsfreiheit.856 Andererseits kommt es nicht auf die Art der Maßnahme an, so dass sowohl Maßnahmen der Legislative wie auch solche der Exekutive Maßnahmen gleicher Wirkung darstellen können; Handlungen der Exekutive müssen aber von einer hinreichenden Dauer sein.857 Auch wenn somit offensichtlich eine Erheblichkeitsschwelle besteht, sind weitere Differenzierungen erforderlich. Hier bietet es sich an, auf die Vorgaben der Entscheidung zu den Transeuropäischen Netzen (TEN-Entscheidung, siehe dazu näher unter D. II. 1.) zurückzugreifen. Den in dieser Entscheidung genannten Wasserwegen hat die Gemeinschaft unter Mitwirkung der Mitgliedsstaaten eine besondere Bedeutung für den grenzüberschreitenden Verkehr beigemessen. Grundlage hierfür war eine Einschätzung anhand der tatsächlichen Gegebenheiten. Deshalb kann man für diese Wasserwege bei verkehrsbeschränkenden Maßnahmen von einer Vermutung dafür sprechen, dass auch der innergemeinschaftliche Warenverkehr behindert wird. Gleichwohl wird auch hier bei Verwaltungsmaßnahmen eine hinreichende Dauer erforderlich sein.858 Zudem muss nach der Schwere der Verkehrsbeschränkung differenziert werden. Sie kann von Einschränkungen für einzelne Schiffsarten bis hin zur Vollsperrung reichen. Bei Maßnahmen, die sich hingegen auf Wasserwege beziehen, die nicht zu den Transeuropäischen Netzen gehören, muss für eine Behinderung des freien Warenverkehrs in tatsächlicher Hinsicht positiv festgestellt werden, ob auf dem Wasserweg Waren aus oder in andere(n) Mitgliedsstaaten transportiert werden. Die Entwidmung von Wasserstraßen mit Bedeutung für den grenzüberschreitenden Warenverkehr würde deshalb regelmäßig die Warenverkehrs855 Darauf hat der EuGH (Fn. 846) auch in der Entscheidung zur Inntalautobahn ausdrücklich hingewiesen, Slg. 2005, I-9871, 9929 (Rdnr. 63). 856 EuGH, Urt. v. 21.09.1999 – C-44/98 –, Slg. 1999, I-6269, 6294 (Rdnr. 16) = EuZW 1999, 730; Urt. v. 14.07.1994 – C-379/92 – Slg. 1994, I-3453, 3497 (Rdnr. 24) = TranspR 1995, 376; ebenso Becker, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 28 Rdnr. 41. 857 EuGH, Urt. v. 09.05.1985 – C-21/84 – Slg. 1985, 1355, 1364 (Rdnr. 13). 858 Ähnlich auch Wasserer, JRP 2009, 115, 123.
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D. Europarechtliche und internationale Bindungen
freiheit berühren. Umgekehrt kann daraus aber nicht abgeleitet werden, dass der Mitgliedsstaat zur dauerhaften (wasserbaulichen) Instandhaltung des Wasserweges für die Schifffahrt unter dem Gesichtspunkt der Warenverkehrsfreiheit verpflichtet ist. Zwar kann die Warenverkehrsfreiheit auch durch Unterlassungen betroffen sein, wenn der Mitgliedsstaat Handelshemmnisse nicht beseitigt. Hier ist aber zugunsten der Mitgliedsstaaten von einer Einschätzungsprärogative auszugehen, die dem Mitgliedsstaat einen weiten Spielraum einräumt.859 Anderenfalls würde dem Mitgliedsstaat die Kompetenz genommen, über den Erhalt und den Ausbau seiner Verkehrsinfrastruktur selbst zu entscheiden. Gewisse Einschränkungen dieser Befugnis lassen sich allein aus der Entscheidung zu den Transeuropäischen Netzen selbst ableiten (dazu unter D. II. 3.). 3. Rechtfertigung von verkehrsbeschränkenden Maßnahmen Schließlich können verkehrsbeschränkende Maßnahmen an einer Wasserstraße, welche sich als Maßnahme gleicher Wirkung i. S. v. Art. 34, 35 AEUV darstellen, gerechtfertigt sein. So nennt Art. 36 AEUV als Rechtfertigungsgründe die öffentliche Sicherheit oder den Schutz von Menschen, Pflanzen und Tieren. Somit können verkehrsbeschränkende Maßnahmen gerechtfertigt sein, wenn sie der Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit dienen860, beispielsweise weil durch natürliche Veränderungen im Gewässerbett Schifffahrtshindernisse entstanden sind. Ebenso ist der Umweltschutz als Rechtfertigungsgrund anerkannt.861 Es ist in solchen Fällen Sache des Mitgliedsstaates, die Eignung und die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme nachzuweisen.862 Bloße wirtschaftliche Gründe vermögen eine Maßnahme gleicher Wirkung hingegen nicht zu rechtfertigen.863 Somit kann der Mitgliedsstaat den Verkehr aus Gründen der Verkehrssicherheit auf einer Wasserstraße auch beschränken, wenn durch die natürliche Veränderung des Gewässers (Auflandung etc.) eine gefahrlose Schifffahrt nicht mehr möglich ist. Zwar könnte der Mitgliedsstaat alternativ auch die Instandhaltung der Wasserstraße betreiben, doch auch diese Maßnahme 859
Becker, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 28 Rdnr. 12 f. EuGH, Urt. v. 10.04.2008 – C-265/06 – Slg. 2008, I-2245, 2279 (Rdnr. 38); Urt. v. 15.03.2007 – C-54/05 –, Slg. 2007, I-2473, 2509 (Rdnr. 40 m. w. N.). 861 EuGH (Fn. 846), Slg. 2005, I-9871, 9931 = DVBl 2006, 103 (Rdnr. 70). 862 EuGH (Fn. 860), Slg. 2008, I-2245, 2280 (Rdnr. 39); näher zur Verhältnismäßigkeit Kotzur, in: Geiger/Khan/Kotzur, AEUV Art. 170 Rdnr. 2; zu den strengen Anforderungen an diese Nachweispflicht vgl. exemplarisch EuGH, Urt. v. 21.12.2011 – C-28/09 –, Rdnr. 118 ff. (verfügbar unter www.curia.europa.eu). 863 EuGH, Urt. v. 13.01.2000 – C-254/98 –, Slg. 2000 I, 151, 172 (Rdnr. 33) = NVwZ 2000, 425 – hier: Gründe der Wirtschaftsförderung. 860
IV. Vorgaben für die Erhebung von Abgaben
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muss als milderes Mittel unter den Verhältnismäßigkeitsvorbehalt gestellt werden. Ist die Instandhaltung gemessen an der Verkehrsbedeutung der Wasserstraße nur mit erheblichem Mitteleinsatz möglich, dann wird man eher die Verkehrsbeschränkung als verhältnismäßig ansehen müssen, zumal die öffentliche Hand zu einer sparsamen Haushaltsführung nicht zuletzt auch unter europäischen Gesichtspunkten – vgl. Art. 126 I AEUV864 – angehalten ist.
IV. Völkerrechtliche und europarechtliche Vorgaben für die Erhebung von Abgaben für die Befahrung der Bundeswasserstraßen Die Erhebung von Abgaben für die Benutzung der deutschen Wasserstraßen durch die Schifffahrt gehört zum althergebrachten und von Art. 89 II 1 GG umfassten Aufgabenbereich der Bundeswasserstraßenverwaltung. Diese Abgabenerhebung betrifft in erster Linie den die Wasserstraßen dominierenden Warenverkehr, aber auch die Fahrgastschifffahrt. Maßstab für die Bemessung der Schifffahrtsabgaben sind bei den Befahrungsabgaben Art und Gewicht der Ladung sowie die zurückgelegte Fahrstrecke. Rhein, Elbe, Donau und Oder sind abgabenfrei.865 Weil der Warenverkehr in den Binnenmarkt der Europäischen Union eingebunden ist, muss die Abgabenerhebung mit dem europäischen Recht vereinbar sein (dazu unter 1.). Auf grenzüberschreitenden oder grenzbildenden Wasserstraßen stellt die Abgabenerhebung ein besonderes völkerrechtliches Problem dar. Bislang ist die Benutzung dieser Wasserstraßen weitgehend abgabenfrei. Zu untersuchen ist daher, ob der Abgabenerhebung hier – unabhängig vom europäischen Recht – Völkerrecht entgegensteht (unter 2.). 1. Vorgaben des Europarechts für Schifffahrtsabgaben Von europäischer Seite wird seit langem die Anlastung der Kosten der Verkehrswege bei den Nutzern angestrebt. Dies gilt in erster Linie für den Straßenverkehr, aber auch für die Binnenschifffahrt, wenngleich sie sich im 864
Damit verlangt das Unionsrecht von den Mitgliedsstaaten Haushaltsdisziplin, vgl. zu Art. 104 EGV = Art. 126 AEUV EuGH, Urt. v. 13.07.2004 – C-27/04 –, Slg. 2004, I-6649, 6708 (Rdnr. 69 f., 74) = DVBl 2004, 1017 = JZ 2004, 1069 mit Anm. Kotzur S. 1072. 865 Tarife für die Schifffahrtsabgaben im auf den norddeutschen und süddeutschen Bundeswasserstraßen im Binnenbereich, Bekanntmachung des Bundesministers für Verkehr, Bau und Wohnungswesen, VkBl 2001, 613 mit Sonderdrucken B 8370 und B 8375.
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D. Europarechtliche und internationale Bindungen
Vergleich mit den anderen Verkehrswegen durch ein niedriges Kostenniveau auszeichnet.866 Explizite Vorschriften zu Entgelten für die Nutzung von Verkehrswegen enthält das Vertragsrecht der Union freilich nicht. Die Union hat aber nach Art. 90 AEUV eine Kompetenz für eine gemeinschaftliche Verkehrspolitik, die sie nach Art. 91 I AEUV zum Erlass entsprechender Vorschriften ermächtigt. Für den Bereich des Straßenverkehrs hat die Union noch unter Geltung der im Wesentlichen inhaltsgleichen Vorschriften des EGV von dieser Kompetenz Gebrauch gemacht und in der Richtlinie 99/62/EG867 Grundsätze für die Erhebung von Nutzungsentgelten geregelt. Für die Binnenschifffahrt gibt es vergleichbare Regelungen auf europäischer Ebene bislang nicht. Die Zulässigkeit von Schifffahrtsabgaben ist daher ausschließlich am Vertragsrecht zu messen. Knüpfen die Abgaben – so wie es wegen der Dominanz des Güterverkehrs auf den Wasserstraßen auch praktisch der Fall ist – an die Beförderung von Waren an, so ist nicht die Warenverkehrsfreiheit nach Art. 34 AEUV einschlägig, sondern die spezielleren Vorschriften zum Verkehr, insbesondere Art. 110 AEUV. Das gilt ebenso für die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 I AEUV. Auch hier verweist Art. 58 I AEUV auf die Vorschriften über den Verkehr (dazu nachfolgend a)).868 Zudem ergibt sich aus Art. 92 AEUV in gewissen Grenzen eine „Stillhaltepflicht“ (unter b)). a) Vorgaben aus Art. 110 AEUV Nach Art. 110 I AEUV dürfen die Mitgliedsstaaten weder unmittelbar noch mittelbar auf Waren aus anderen Mitgliedsstaaten höhere Abgaben erheben als auf inländische Waren. Damit diese Vorschrift auf Schifffahrtsabgaben in der Form von Wegenutzungsentgelten anwendbar ist, müsste es sich also zunächst um „Abgaben auf Waren“ handeln. Dieser Begriff ist jedoch den Zielen des Vertrages entsprechend weit auszulegen. Entscheidend ist, dass die Ware die Abgabe zu tragen hat bzw. die Abgabe geeignet ist, die Einfuhr von Waren zugunsten inländischer Erzeugnisse zu erschweren.869 Der hinreichende Produktbezug kann sich auch aus der Berücksichti866 Grünbuch der Kommission „Faire und effiziente Preise im Verkehr“, KOM (1995) 691, S. 2, 3, 20 und Weißbuch der Kommission „Faire Preise der Infrastrukturbenutzung – Ein abgestuftes Konzept für einen Gemeinschaftsrahmen für Verkehrs- und Infrastrukturgebühren in der EU“, KOM (1998) 466, S. 3, 26 (in deutscher Fassung verfügbar als Bestandteil der BT-Drs. 14/1545, S. 8. 867 Richtlinie 1999/62 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 17. Juni 1999 über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge, ABl. 1999 L 187, S. 42. 868 Zum Ganzen: Epiney, in: Krämer (Hrsg.), Recht und Um-Welt: Essays in Honour of Prof. Dr. Gerd Winter, S. 87, 92.
IV. Vorgaben für die Erhebung von Abgaben
265
gung des Gewichts transportierter Ware als Bemessungsgrundlage ergeben.870 Schifffahrtsabgaben werden üblicherweise, soweit sie nicht für die Benutzung besonderer technischer Einrichtungen wie Schleusen entrichtet werden müssen, nach dem Gewicht der Ladung und den zurückgelegten Kilometern erhoben. Art. 110 AEUV ist deshalb ohne weiteres auf Schifffahrtsabgaben anwendbar. Als Rechtsfolge ordnet Art. 110 I AEUV ein Diskriminierungsverbot an. Ausländische Waren dürfen gegenüber inländischen Waren weder unmittelbar noch mittelbar benachteiligt werden. Die Diskriminierung ist durch rechnerischen Vergleich der Abgabenbelastung zu ermitteln, unabhängig davon, ob sich diese im Waren(end-)preis niederschlägt.871 Dabei ist nicht allein auf die Höhe des Abgabensatzes abzustellen, zu berücksichtigen sind auch die Bestimmung der Bemessungsgrundlage und die Erhebungsmodalitäten. Entscheidend ist somit der Einfluss auf inländische Erzeugnisse einerseits und ausländische Erzeugnisse andererseits.872 Zu den Erhebungsmodalitäten zählt auch die Festlegung der abgabepflichtigen Strecken. Eine Diskriminierung liegt deshalb vor, wenn lediglich einzelne Strecken belastet werden, auf denen der Transport ausländischer Waren dominiert oder wenn auf solchen Wasserstraßen ein generell höherer Abgabensatz gilt.873 Gemessen an diesen Vorgaben ist die Erhebung von Schifffahrtsabgaben in Deutschland bei Bemessung nach Art und Gewicht der transportierten Güter sowie der Fahrstrecke nicht zu beanstanden, eine Berücksichtigung der Herkunft der Ware findet nicht statt. Die Berücksichtigung der bei ausländischen Waren oftmals längeren Fahrstrecke allein begründet keine Diskriminierung, weil Transportwege sowohl im Ausland wie auch im Inland länger sein können. Auch die Abgabenfreiheit von Rhein, Donau, Elbe und Oder ist nicht zu beanstanden. Hier findet ein großer Teil des innergemeinschaftlichen Warenverkehrs statt, der durch diese Befreiung nicht benachteiligt, sondern im Gegenteil sogar bevorteilt wird. Daraus folgt freilich zu869 EuGH, Urt. v. 16.02.1977 – C-20/76 –, Slg. 1977, 247, 258 f.; Urt. v. 08.11.2007 – C-221/06 –, Slg. 2007, I-9643, 9679 = NVwZ 2008, 292; Stumpf, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 90 EGV, Rdnr. 12; Waldhoff, in: Callies/Ruffert, Art. 110 AEUV, Rdnr. 9. 870 EuGH (Fn. 869), Slg. 1977, 247, 259 (Rdnr. 16); Epiney (Fn. 868), S. 93; Khan, in: Geiger/Khan/Kotzur, AEUV Art. 110 Rdnr. 12. 871 Stumpf, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 90 EGV, Rdnr. 15; zum Vergleich der Abgabenbelastung vgl. auch EuGH, Beschl. v. 10.12.2007 – C-134/07 –, Slg. 2007, I-10703, 10716. 872 Ständige Rechtsprechung: EuGH (Fn. 869) Slg. 2007, I-9643, 9681; Urt. v. 17.06.1998 – C-68/96 –, Slg. 1998, I-3797, 3802; Urt. v. 27.02.1980 – C-55/79 –, Slg. 1980, 481, 491. 873 Epiney (Fn. 868), S. 95.
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D. Europarechtliche und internationale Bindungen
gleich, dass bei einer Ausdehnung der Abgabenpflicht auf diese Wasserstraßen kein Verstoß gegen Art. 110 AEUV vorliegt, solange der Verkehr dort im Ergebnis mit Abgaben genau so belastet wird wie auch im übrigen Wasserstraßennetz. b) Die Stillhaltepflicht nach Art. 92 AEUV Nach Art. 92 AEUV darf ein Mitgliedsstaat bis zum Erlass unionsrechtlicher Vorschriften auf dem Gebiet des Verkehrs nach Art. 91 I AEUV seine Vorschriften zum Verkehr in ihren unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen für Verkehrsunternehmer aus anderen Mitgliedsstaaten nicht ungünstiger gestalten als für inländische Verkehrsunternehmer. Die Vorschrift soll die spätere Rechtssetzung durch die Union schützen und normiert in diesem Sinne eine Stillhaltepflicht.874 Es soll verhindert werden, dass die Einführung der gemeinsamen Verkehrspolitik durch zwischenzeitliche Ungleichbehandlungen von inländischen und ausländischen Verkehrsunternehmern durch die Mitgliedsstaaten erschwert wird.875 Dabei genügt es für die Stillhaltepflicht der Mitgliedsstaaten, dass eine europäische Regelung möglich und objektiv erforderlich ist; auf konkrete Pläne der Unionsorgane kommt es hingegen nicht an.876 Zulässig bleiben schließlich Maßnahmen, die sich für inländische und ausländische Verkehrsunternehmer gleich ungünstig auswirken.877 Die Regelungen zur Erhebung von Schifffahrtsabgaben betreffen den Verkehr und gestalten die Bedingungen für Verkehrsunternehmer aus. Damit unterfallen sie dem Anwendungsbereich des Art. 92 AEUV. Eine Veränderung des Tarifsystems darf deshalb ausländische Schifffahrtsunternehmer nicht benachteiligen, was auch die Einführung neuer Vorteile für inländische Verkehrsunternehmer verbietet. Auch der Abbau von bestehenden Vorteilen für ausländische Verkehrsunternehmen fällt in den Anwendungsbereich der Vorschrift.878 Die Einführung von Schifffahrtsabgaben auf Rhein, Donau, Elbe und Oder fiele gleichwohl nicht unter die Vorschrift. Soweit auf diesen Wasserstraßen ausländische Verkehrsunternehmen tätig sind, würde zwar ein Vorteil abgeschafft. Davon wären aber auch inländische Verkehrsunternehmen in gleichem Maße betroffen, so dass keine einseitige Schlechterstellung 874 Epiney (Fn. 868), S. 97; Stadler, in: Schwarze: EU-Kommentar, Art. 72 EGV, Rdnr. 1; Khan, in: Geiger/Khan/Kotzur, AEUV Art. 92 Rdnr. 1; Jung, in: Calliess/ Ruffert, Art. 92 AEUV, Rdnr. 1. 875 EuGH, Urt. v. 19.05.1992 – C-195/90 – Slg. 1992, I-3141, 3182 = NJW 1992, 1949 (zur deutschen Güterverkehrsabgabe). 876 Stadler, in: Schwarze: EU-Kommentar, Art. 72 EGV, Rdnr. 1. 877 EuGH (Fn. 875), Slg. 1992, I-3141, 3182. 878 Epiney (Fn. 868), S. 97.
IV. Vorgaben für die Erhebung von Abgaben
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vorliegen würde. Anders wäre dies allenfalls, wenn der Verkehr auf gerade diesen Wasserstraßen ausschließlich von ausländischen Verkehrsunternehmen abgewickelt wird und andere Wasserstraßen für ausländische Verkehrsunternehmer keine Rolle spielen. Zwar wurden beispielsweise 2008 auf dem Rhein 73 % aller Güter auf ausländischen Schiffen befördert. Auf der Donau lag der Anteil bei 53 %, auf der Elbe bei 22 %.879 Andererseits haben ausländische Verkehrsunternehmen auch außerhalb von Rhein, Donau, Elbe und Oder noch nennenswerte Marktanteile, dort findet eine Verschlechterung der Bedingungen nicht statt. Auf der Elbe wären sogar überwiegend deutsche Binnenschiffer betroffen. Vor diesem Hintergrund ist eine Einführung von Abgaben auf diesen Wasserstraßen keine rechtlich erhebliche einseitige Schlechterstellung ausländischer Verkehrsunternehmer. Deutsche Verkehrsunternehmer könnten aus der Einführung von Schifffahrtsabgaben beispielsweise auf dem Rhein keinen Vorteil ziehen, da sich auch ihre Transporte in gleichem Umfang verteuern würden. 2. Abgabenerhebung auf grenzüberschreitenden oder grenzbildenden Bundeswasserstraßen und Völkerrecht Allgemeine völkerrechtliche Vorgaben für die Erhebung von Schifffahrtsabgaben auf grenzüberschreitenden oder grenzbildenden Flüssen gibt es kaum (a)). Ein spezielles Verbot der Abgabenerhebung enthält zwar die Rheinschifffahrtsakte, dessen Reichweite ist jedoch umstritten (b)). a) Allgemeine völkerrechtliche Vorgaben Wie bereits an anderer Stelle dargelegt wurde, ist die Möglichkeit der Abgabenerhebung auf den internationalisierten Flüssen durch die jeweiligen Flussschifffahrtsverträge sehr unterschiedlich geregelt. Während die Abgabenerhebung nach den Artt. 35, 37 der Donaukonvention und im Moselvertrag ausdrücklich vorgesehen ist, verbietet Art. 3 der Rheinschifffahrtsakte jede Abgabenerhebung, die sich allein auf die Tatsache der Beschiffung stützt. Für Elbe und Oder fehlt es an einer Regelung. Art. 9 lit. a) des deutsch-polnischen und Art. 8 lit. a des deutsch-tschechischen Binnenschifffahrtsabkommens sehen hinsichtlich der Schifffahrtsabgaben lediglich ein Gebot der Gleichbehandlung für die Schiffe der Vertragsstaaten vor. Daraus 879 2009 wurden 33,1 % aller beförderten Güter (nach Tonnen) auf deutschen Binnenwasserstraßen von Schiffen unter deutscher Flagge befördert. Auf Schiffe unter niederländischer Flagge entfallen 54,4 %, danach folgen belgische Schiffe mit 6,7 %; vgl. Statistisches Jahrbuch 2010 für die Bundesrepublik Deutschland, S. 432.
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D. Europarechtliche und internationale Bindungen
erschließt sich, dass die Abgabenerhebung völkerrechtlich grundsätzlich möglich sein muss. Ein völkergewohnheitsrechtliches Verbot der Abgabenerhebung auf internationalen Flüssen gibt es daher nicht. Der Bund darf vielmehr völkerrechtlich Abgaben erheben, soweit dies nicht völkervertraglich ausdrücklich ausgeschlossen ist. Ein Verbot der Abgabenerhebung ergibt sich aus Art. 26 des Seerechtsübereinkommens880 der Vereinten Nationen für den Bereich des Küstenmeeres. Auf inneren Gewässern bleibt die Abgabenerhebung möglich. Bei Flussmündungen verläuft die Grenze nach Art. 8 I, Art. 9 des Übereinkommens zwischen den inneren Gewässern und dem Küstenmeer auf einer Gerade, die quer über die Mündung des Flusses zwischen den Punkten gezogen wird, die auf der Niedrigwasserlinie seiner Ufer liegen. b) Rechtslage für den Rhein Umstritten ist, inwieweit Art. 3 der Rheinschifffahrtsakte eine Abgabenerhebung auf dem Rhein und seinen Nebenflüssen verbietet. Danach darf auf dem Rhein und all seinen Nebenflüssen, eine Abgabe, welche sich lediglich auf die Tatsache der Beschiffung gründet, nicht erhoben werden. Nach vorherrschender Meinung soll es hingegen zulässig sein, eine Vergütung von Leistungen für die Verkehrsnutzer in Form der Bereitstellung von Ausrüstungseinrichtungen oder Diensten zu verlangen.881 Ebenfalls wird vertreten, dass Art. 3 der Rheinschifffahrtsakte nur Abgaben zur allgemeinen Einnahmeerzielung verbietet, nicht hingegen die Erhebung von Entgelten zur Deckung der Unterhaltungskosten der Wasserstraße.882 Andererseits hatte die EG-Kommission schon 1971 einen Vorschlag zur Anlastung der Wegekosten im Bereich der Binnenschifffahrt bei den Nutzern gemacht. Dieser Vorschlag scheiterte jedoch unter anderem an der Auffassung einiger Rheinanliegerstaaten, wonach die Erhebung von Schifffahrtsabgaben generell unzulässig sei.883 Da Schifffahrtsabgaben für die Unterhaltung des 880 Internationales Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nation vom 10. Dezember 1982, BGBl II 1994, 1798. 881 So der Generalsekretär der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt (ZKR) Woehrling in seiner Ansprache zum 140. Jahrestages der Rheinschifffahrtsakte, in: Zentralkommission für die Rheinschifffahrt (Hrsg.), Feier anlässlich des 140-jährigen Jubiläums der Mannheimer Akte (Ansprachensammlung) S. 11. Unergiebig hingegen Reinhardt, NuR 1986, 188, 187, der nach Analyse der Rheinschifffahrtsakte lediglich zu dem Ergebnis kommt, dass Art. 3 Abgaben verbietet, die sich lediglich auf die Tatsache der Beschiffung gründen. 882 Worch, in: Lexikon des Rechts, Stand: 128. Lfg. 2006, 10/410 (Schifffahrtsabgaben, S. 2). 883 Scherner, in: Wiese (Hrsg.), Probleme des Binnenschifffahrtsrechts VII, S. 92.
IV. Vorgaben für die Erhebung von Abgaben
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Rheins schon seit langem nicht mehr erhoben werden, gibt es hierzu auch kaum Rechtsprechung. Lediglich hinsichtlich der Umsatzsteuer auf Beförderungsleistungen auf dem Rhein hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass Art. 3 der Rheinschifffahrtsakte dieser Besteuerung nicht entgegensteht, weil die Steuer nicht nur an die Beschiffung, sondern darüber hinaus an die Erbringung einer Beförderungsleistung anknüpft.884 Grundsätzliche Aussagen, die sich auf die Erhebung von Entgelten für die Unterhaltungskosten übertragen lassen, sucht man hingegen vergeblich. Aufgrund der eingeschränkten finanziellen Möglichkeiten des Staates zur Unterhaltung der Verkehrswege wurde gleichwohl in der jüngeren Vergangenheit ein Bedürfnis für die Erhebung von Schifffahrtsabgaben auf dem Rhein und seinen Nebenfüssen gesehen, zumal dort mehr als zwei Drittel der gesamten Verkehrsleistung der Binnenschifffahrt in Deutschland erbracht werden.885 Tatsächlich entstehen dem Bund für den Betrieb, die Unterhaltung und die allgemeine Verwaltung des Rheins als Wasserstraße auch durchaus relevante Kosten.886 Somit besteht die Kernfrage darin, ob die Erhebung von Abgaben zur Refinanzierung des Unterhaltungs- und Ausbauaufwandes auf dem Rhein nach Art. 3 der Rheinschifffahrtsakte zulässig ist. Für die Auslegung von Art. 3 der Rheinschifffahrtsakte sind die allgemeinen völkerrechtlichen Auslegungsgrundsätze heranzuziehen, so wie sie im Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge (Wiener Vertragsrechtkonvention – WRK887) kodifiziert wurden. Die WRK gilt nach Art. 4 zwar nicht rückwirkend, gleichwohl enthalten die Grundsätze zur Auslegung völkerrechtlicher Verträge nur kodifiziertes Völkergewohnheitsrecht, so dass eine Anwendung auf Verträge, die vor Abschluss der WRK in Kraft traten, möglich ist.888 Danach ist gemäß Art. 31 I WRK primär auf den Wortlaut, 884 BFH, Urt. v. 01.08.1996 – V R 58/94 – BFHE 181, 208, 214 f. = BStBl II 1997, 160; ähnlich OVG Koblenz, Urt. v. 28.03.1995 – 6 A 10833/94 – (zitiert nach juris Rdnr. 23), für die Erhebung einer Fremdenverkehrsabgabe. 885 So die Kommission Verkehrsinfrastrukturfinanzierung (so genannte „Pällmann-Kommission“), Schlussbericht vom 5. September 2000 (Fn. 475), die zwar einerseits Art. 3 der Rheinschifffahrtsakte als Hindernis für die Abgabenerhebung sieht (S. 54), diese aber andererseits nicht dauerhaft für ausgeschlossen hält (S. 56). 886 Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der SPD-Fraktion und verschiedener Abgeordneter im Deutschen Bundestag; dort wurden die Kosten für das Jahr 1991 nur für den Rhein auf 62,1 Mio. DM für Betrieb und Unterhaltung und 19,8 Mio. DM für die allgemeine Verwaltung beziffert, BT-Drs. 12/5301, S. 7. Da Art. 3 der Rheinschifffahrtsakte auch Nebenflüsse des Rheins erfasst, bleiben auch die Unterhaltungskosten für diese Wasserstraßen ungedeckt und müssten zum vorstehenden Betrag addiert werden. 887 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge vom 23.05.1969, BGBl 1985 II, S. 927. 888 Graf Vitzthum, I 5 Rdnr. 23 (S. 56); Geiger, S. 99; Villiger, Art. 31 Rdnr. 4.
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D. Europarechtliche und internationale Bindungen
die Systematik sowie Ziele und Zweck des Vertrages abzustellen. Für die Wortlautbedeutung ist grundsätzlich auf das Begriffsverständnis im Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen.889 Hingegen kommt eine dynamische Auslegung in Betracht, wenn Vertragsbestimmungen und Vertragsbegriffe sowohl nach Auffassung der Parteien als auch nach allgemeiner Auffassung wandlungsfähig sind. Vertragsbestimmungen sind dann in Übereinstimmung mit dem zur Zeit der Auslegung geltenden Völkerrecht und den ihnen entsprechenden Begriffsinhalten zu interpretieren.890 Hinzu kommen weitere, in Art. 31 II, III WRK näher beschriebene weitere Erkenntnisquellen. Demgegenüber ist die Entstehungsgeschichte des Vertrages nach Art. 32 nur ein subsidiäres Hilfsmittel.891 Legt man die vorgenannten Grundsätze an, so erweist sich zunächst der Wortlaut als wenig ergiebig. Zu Abgaben, die sich lediglich auf die Tatsache der Beschiffung gründen, gehören jedenfalls bloße Schifffahrtszölle, also die Abgaben, welche von den Anrainern vor dem Inkrafttreten der Rheinschifffahrtsakte ähnlich den Wegezöllen für Straßen lediglich zur Finanzierung des Staates im Allgemeinen erhoben wurden. Historisch waren diese Zölle wichtige Einnahmequellen der Uferstaaten, wenngleich schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein schrittweiser Abbau dieser Zölle begonnen hatte.892 Diese Abgaben gründeten sich tatsächlich allein auf die Beschiffung des Rheins. Das gleiche gilt freilich auch für Schifffahrtsabgaben in Form von Benutzungsgebühren zur Abgeltung des Unterhaltungsaufwandes. Auch diese müssten allein an die Tatsache der Beschiffung anknüpfen. Daran würde auch eine (zwingend gebotene) Bemessung der Abgabe an der Menge der transportierten Güter nichts ändern, weil es sich dabei nur um den Abgabenmaßstab, nicht aber um den eigentlichen Abgabentatbestand handelt. Somit scheint der Vertragstext für eine weite Auslegung des Abgabenverbotes zu sprechen. Das entspräche auch dem in Art. 1 II der Rheinschifffahrtsakte niedergelegten Vertragszweck, eine hindernisfreie Durchfahrt auf dem Rhein von Basel bis zum offenen Meer zu ermöglichen. Auch die nach Art. 31 III lit. b WRK zu berücksichtigende bisherige Praxis der Anliegerstaaten, wonach Abgaben auf dem Rhein schon seit langem nicht mehr erhoben werden, spricht für dieses Ergebnis. Zu berücksichtigen ist aber auch das Schlussprotokoll zur Rheinschifffahrtsakte. Darin erkannten die Vertragsstaaten allseitig an, dass unter Art. 3 I 889
Heintschel v. Heinegg, in: Ipsen, Völkerrecht § 11 Rdnr. 6. Zum Ganzen: Heintschel v. Heinegg, ebd. (Fn. 889) § 11 Rdnr. 22; IGH, Gutachten v. 21.06.1971 – No. 53 – I.C.J. Reports, 1971, 16, 31. 891 Dazu Villiger, Art. 32 Rdnr. 3. 892 Vomhoff, S. 14 ff.; Scherner, in: Wiese (Hrsg.), Probleme des Binnenschifffahrtsrechts V, S. 83 f. 890
IV. Vorgaben für die Erhebung von Abgaben
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der Akte „die für die Benutzung künstlicher Wasserstraßen oder Anlagen, wie Schleusen und dergleichen, zu entrichtenden Gebühren nicht zu subsumieren sind“. Daraus lässt sich schließen, dass jedenfalls für besondere technische Maßnahmen und Einrichtungen zur Verbesserung der Schiffbarkeit („oder Anlagen . . . und dergleichen“) Entgelte erhoben werden durften. Einer Erhebung von Entgelten für den laufenden Unterhaltungsaufwand darf deshalb aber im Umkehrschluss nicht von vornherein als unzulässig angesehen werden, weil das Protokoll insoweit gerade keine Aussage trifft. Vielmehr ergibt die spätere Staatspraxis bei genauerem Hinsehen auch, dass die Erhebung von Abgaben für die laufende Unterhaltung im Sinne von Benutzungsgebühren unter Beachtung des Kostendeckungsprinzips für zulässig erachtet wurde. So war im Schifffahrtsabgabengesetz vom 24. Dezember 1911 in § 2 die Erhebung von Befahrungsabgaben auch für den Rhein von Konstanz bis zur niederländischen Grenze durch die von den Ländern zu bildenden Strombauverbände893 vorgesehen, diese sollten gemäß § 3 lit. a des Gesetzes in erster Linie für verschiedene Ausbaumaßnahmen verwendet werden. Wenn aber nach der Rheinschifffahrtsakte Schifffahrtsabgaben für derartige Zwecke nicht hätten erhoben werden dürfen, was verschiedentlich schon vor Verabschiedung des Gesetzes geltend gemacht wurde894, dann hätten diese Regelungen gegen die Rheinschifffahrtsakte verstoßen. Gleichwohl enthielt das Schifffahrtsabgabengesetz von 1911 einen Art. 6, nach dessen Wortlaut die Bestimmungen der Rheinschifffahrtsakte unberührt blieben. Dieses Regelungsgefüge macht nur Sinn, wenn die Erhebung von Abgaben für Unterhaltung und Ausbau am Rhein von der deutschen Reichsregierung seinerzeit als in Übereinstimmung mit der Rheinschifffahrtsakte angesehen wurde. Ein zweites Beispiel dieser Art bietet die Mosel, die als Nebenfluss des Rheins ebenfalls unter Art. 3 I der Rheinschifffahrtsakte fällt. Auf ihr werden nach Art. 6, 19 I des Moselvertrages Schifffahrtsabgaben auch für die Unterhaltung und Erneuerung erhoben. Gleichzeitig bestätigt Art. 38 des Moselvertrages noch einmal ausdrücklich die Geltung von Art. 3 der Rheinschifffahrtsakte auch auf der Mosel. Wenn man bedenkt, dass mit Deutschland und Frankreich am Moselvertrag zwei der wichtigsten Anrainerstaaten des Rheins beteiligt sind, dann muss dieser Vertragspraxis für die Mosel auch eine gewisse Bedeutung für den Rhein zuerkannt werden. Sie widerspiegeln jedenfalls eine Rechtsauffassung, die es gestattet, für Unterhaltungs- und Ausbaumaßnahmen Abgaben unter Berücksichtigung des Kostendeckungsgrundsatzes zu erheben. Wenn man zudem den Hauptzweck des Art. 3 I der Rheinschifffahrtsakte unter Berücksichtigung der 893
Zur Umsetzung dieser Vorschriften kam es wegen des 1. Weltkrieges und der nachfolgenden Änderungen der Rechtslage in der WRV offenbar nicht mehr, vgl. dazu Kreuter, NordÖR 2007, 271, 272. 894 Loening, DJZ 10 (1905), 278, 282; Vomhoff, S. 21 f. m. w. N.
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D. Europarechtliche und internationale Bindungen
historischen Entwicklung bis 1868 darin sieht, die Erhebung von Schifffahrtszöllen allein aus fiskalischen Gründen – völlig losgelöst von den tatsächlichen Kosten der Wasserstraße – zu unterbinden, dann ist es mit dem Zweck der Rheinschifffahrtsakte auch in Anbetracht der korrespondierenden Unterhaltungspflicht der Anrainerstaaten vereinbar, Abgaben für die Unterhaltungs- und Ausbaumaßnahmen zu erheben. Da Art. 3 I der Rheinschifffahrtsakte in dieser Auslegung die Erhebung von Abgaben für allgemeine Finanzierungszwecke, also über die tatsächlichen Kosten für Unterhaltung und Ausbau am Rhein und seinen Nebenflüssen hinaus verbietet, dürfen die Abgaben auch nur auf der Basis der Kosten für den Rhein und seine Nebenflüsse kalkuliert werden. Eine zusammenfassende Kalkulation auf der Grundlage der Kosten für alle Bundeswasserstraßen in Deutschland scheidet damit aus, nur so lässt sich auch eine Quersubventionierung anderer Wasserstraßen durch die verkehrsstarke Schifffahrt auf dem Rhein verhindern.
E. Zusammenfassung der Ergebnisse 1. Zur Ermittlung des Umfanges der durch Art. 89 I GG auf den Bund übergegangenen Wasserstraßen ist auf die vormaligen Reichswasserstraßen abzustellen. Bis zum Ende des Kaiserreichs standen die Wasserstraßen des Reiches in der Verwaltung und zumeist auch im Eigentum der Länder. Die Weimarer Reichsverfassung von 1919 ordnete dann in Art. 97 I, 171 WRV den Übergang der dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen auf das Reich an. Dieser Übergang vollzog sich automatisch kraft der verfassungsrechtlichen Anordnung zum 1. April 1921. Der kurz darauf zwischen dem Reich und den Ländern geschlossene Wasserstraßenstaatsvertrag zur Übernahme der Wasserstraßen auf das Reich konnte daher für die dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen keinen Übergang mehr herbeiführen. Für die Bestimmung des Kreises der übergegangenen Wasserstraßen ist demnach auf abstrakte Kriterien wie den (seinerzeit) vorhandenen Verkehr und die Einbindung in das überregionale Netz der Wasserstraßen abzustellen. Die Anlage zum Wasserstraßenstaatsvertrag, welche einzelne Wasserstraßen nennt, kann dabei als Indiz herangezogen werden, darf aber nicht starr gehandhabt werden. Stellt man allein auf Art. 97 I WRV und seine abstrakte Begriffsdefinition ab, dann sind in das Eigentum des Reiches auch solche dem allgemeinen Verkehr dienenden Gewässer übergegangen, die nicht in der Anlage zum Wasserstraßenstaatsvertrag erwähnt waren, wie zum Beispiel der deutsche Anteil des Bodensees. Eine Übernahme der Verwaltung dieser Wasserstraßen durch das Reich fand jedoch nicht statt. Umgekehrt beinhaltete der Wasserstraßenstaatsvertrag auch den Übergang von nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen, die nach Art. 97 I WRV nicht auf das Reich übergehen konnten. Für den Eigentumsübergang dieser Gewässer ist der Wasserstraßenstaatsvertrag konstitutiv. Diese durch die Zustimmungsgesetze von Reich und Ländern unmittelbar erfolgte Eigentumsübertragung war Reich und Ländern durch Art. 97 I WRV nicht untersagt worden. Eine Übernahme in die Reichsverwaltung war allerdings nach Art. 97 I WRV nicht möglich. Sie lässt sich allerdings für zulässig erachten, wenn das Zustimmungsgesetz des Reichstages zum Wasserstraßenstaatsvertrag die Voraussetzung für ein verfassungsänderndes Gesetz erfüllt, weil ein die Verfassung ausdrücklich änderndes Gesetz seinerzeit nicht erforderlich war.
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E. Zusammenfassung der Ergebnisse
Zwischen 1933 und 1945 kam es nur zu einzelnen Veränderungen im Bestand der Reichswasserstraßen. Das von den Nationalsozialisten erlassene Gesetz zum Neuaufbau des Reiches führte nicht dazu, dass alle bei den Ländern verbliebenen Wasserstraßen auf das Reich übergingen. Ebenso wenig führte die Aufhebung des Wasserstraßenstaatsvertrages durch die Reichswasserstraßenverordnung zum Rückfall der Wasserstraßen an die Länder. Die Aufhebung des Staatsvertrages sollte lediglich symbolisieren, dass der Übergang auf das Reich abgeschlossen war. In einzelnen Fällen gingen weitere Wasserstraßen durch Exekutivakte der Reichsregierung auf das Reich über. Die Länder blieben Eigentümer der bei ihnen verbliebenen Wasserstraßen, da sie trotz der Gleichschaltung durch das Neuaufbaugesetz als Rechtssubjekte erhalten blieben. Reichswasserstraßen im Verständnis der damaligen Zeit waren somit die im Anhang zum Wasserstraßenstaatsvertrag aufgeführten einzelnen Wasserstraßen sowie die später durch Exekutivakte auf das Reich übertragenen Wasserstraßen. 2. Art. 89 I GG knüpft an diesen Bestand an. Er umfasst mit den „bisherigen Reichswasserstraßen“ daher auch solche, die nicht dem allgemeinen Verkehr dienten, vom Reich aber dennoch übernommen wurden. Wasserstraßen, die wie zum Beispiel der Bodensee dem allgemeinen Verkehr zwar dienten und damit kraft Art. 97 I WRV in das Eigentum des Reiches übergingen, vom Wasserstraßenstaatsvertrag aber gleichwohl nicht erfasst wurden, unterfallen auch nicht der Regelung in Art. 89 I GG. An diesen Wasserstraßen haben die jeweils im Grundbuch eingetragenen Eigentümer – zumeist die Länder – durch Ersitzung Eigentum erworben. 3. Unstreitig gehören zu den früheren Reichswasserstraßen im Sinne von Art. 89 I GG auch die Seewasserstraßen. Sie sind bereits durch Art. 97 I WRV in ihrer gesamten Seitenausdehnung auf das Reich übergegangen, so dass die Seewasserstraßen auch heute die gesamte Seitenausdehnung des Gewässers und nicht nur die Fahrrinne erfassen. Für dieses Ergebnis kommt es deshalb nicht auf die diesbezügliche Regelung in § 1 II WaStrG an, die allenfalls deklaratorischen Inhalt hat. 4. Frühere Reichswasserstraßen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR fallen nicht unter Art. 89 I GG, weil die Reichswasserstraßen in der ehemaligen DDR in Volkseigentum überführt wurden und deshalb im Zeitpunkt Wiedervereinigung keine „Reichswasserstraßen“ mehr sein konnten. Ein Übergang dieser Wasserstraßen auf den Bund erfolgte jedoch nach Art. 21 I 1 des Einigungsvertrages, weil die Wasserstraßen Verwaltungsaufgaben dienten, deren Wahrnehmung nach dem Grundgesetz dem Bund obliegt. Die früheren Reichswasserstraßen in West-Berlin unterfielen hingegen mit Inkrafttreten des Grundgesetzes Art. 89 I GG, weil diese Regelung des Grundgesetzes zur Eigentumszuordnung keine nach Besatzungsrecht unzu-
E. Zusammenfassung der Ergebnisse
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lässige Ausübung von Staatsgewalt des Bundes in Berlin beinhaltete. Nicht dem allgemeinen Verkehr dienende Reichswasserstraßen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR sind hingegen nach Art. 21 II Einigungsvertrag auf die jeweiligen Länder übergegangen, weil diese für die Verwaltung solcher Wasserstraßen nach Art. 30, 83 GG zuständig sind. 5. An neuen Bundeswasserstraßen setzt § 1 I Nr. 1 lit. d WaStrG das Eigentum des Bundes lediglich einfachrechtlich voraus, Art. 89 I GG ist nicht anwendbar. Da die Reichswasserstraßen im Bereich der Seewasserstraßen bei Inkrafttreten des Grundgesetzes auf die damals völkerrechtlich anerkannte 3-Meilen-Zone beschränkt waren, kann mit Art. 89 I GG zudem nicht die Ausdehnung des Eigentums des Bundes auf die 12-Meilen-Zone der Hoheitsgewässer legitimiert werden. Die hierzu von der Bundesregierung als einfache Beschlüsse getroffenen Entscheidungen ändern daran nichts. Die Gewässer jenseits der Drei-Meilen-Zone sind deshalb eigentumsfrei, auch wenn sie als Seewasserstraßen zugleich Bundeswasserstraßen im Sinne von Art. 89 II 1 GG sind und vom Bund verwaltet werden. Eine Eigentumszuordnung ist zudem nicht erforderlich, weil die Nutzung dieser Gewässer für verschiedene Zwecke, beispielsweise die Nutzung von Bodenschätzen oder die Errichtung von Anlagen einfachrechtlich hinreichend geregelt ist. 6. Die Wasserwegeverwaltung der Wasserstraßen durch den Bund nach Art. 89 II 1 GG erfasst abweichend von Art. 89 I GG nicht die nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden früheren Reichswasserstraßen (enger Bundeswasserstraßenbegriff). Hier gilt der Grundsatz, dass die Verwaltungskompetenz des Bundes durch die Gesetzgebungskompetenz begrenzt wird. Für das Wegerecht der nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen sind jedoch ausschließlich die Länder nach Art. 70 I GG regelungsbefugt. Die Einbeziehung der nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden früheren Reichswasserstraßen in die Verwaltung nach Art. 89 II 1 GG lässt sich entgegen anderer Ansicht nicht aus der Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes ableiten. Die Analyse der Materialien hierzu ergibt vielmehr, dass das Problem der fehlenden Kongruenz zwischen der Eigentumsregelung einerseits und der für die Verwaltung durch den Bund zur Verfügung stehenden Regelungskompetenz andererseits schlicht übersehen wurde. Die systematische Auslegung gebietet deshalb die Begrenzung der vom Bund zu verwaltenden Wasserstraßen auf solche, die dem allgemeinen Verkehr dienen. Damit scheidet jede hoheitliche Verwaltung der nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen des Bundes durch den Bund aus. Der Bund kann hier allein noch die ihm zustehenden Befugnisse des Gewässereigentümers ausüben. Die hoheitliche Verwaltung dieser Wasserstraßen obliegt ausschließlich den Ländern.
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E. Zusammenfassung der Ergebnisse
7. Die Verwaltung der Bundeswasserstraßen nach Art. 89 II 1 GG erfasst als Erscheinungsformen die gesetzesakzessorische Verwaltung, die gesetzesfreie Verwaltung und die Vermögensverwaltung. Gesetzesakzessorische Verwaltung ist die Verwaltungstätigkeit, die durch konkrete gesetzliche Vorgaben – hier das WaStrG – gesteuert ist. Für die gesetzesfreie Verwaltung – also die nicht durch gesetzliche Vorgaben näher gesteuerte Verwaltungstätigkeit – ergibt sich dies aus dem Wortlaut der Verfassungsbestimmungen in Art, 87, 89 GG und der Entstehungsgeschichte. Davon zu unterscheiden ist die Vermögensverwaltung der Bundeswasserstraßen, welche die Ausübung der Eigentümerbefugnisse umfasst. Die Ausübung dieser Befugnisse unterfällt ebenfalls Art. 89 II 1 GG. Praktische Bedeutung erlangt dies, wenn die Verwaltung einer Bundeswasserstraße nach Art. 89 II 3, 4 GG den Ländern überlassen wird. Das jeweilige Bundesland nimmt dann auch die Vermögensverwaltung für den Bund war, letzterer kann über die Eingriffsbefugnisse nach Art. 85 GG seine Interessen wahren. 8. Die Verwaltung der Bundeswasserstraßen beschränkt sich inhaltlich auf die Verkehrswegeverwaltung, weil die Verwaltungsbefugnisse des Bundes durch die Gesetzgebungskompetenzen begrenzt sind und der Bund bei Inkrafttreten des Grundgesetzes für die Bundeswasserstraßen lediglich über eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Nr. 21 GG (a. F.) verfügte. Eine Verwaltung der Bundeswasserstraßen unter dem Aspekt der Wasserwirtschaft ist dem Bund verwehrt, hierfür sind die Länder auf der Grundlage des Wasserhaushaltsrechts zuständig. Daran hat auch die Föderalismusreform mit der Einführung einer konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz für den Wasserhaushalt nichts geändert, weil diese Erweiterung der Gesetzgebungskompetenz zugunsten des Bundes keine automatische Erweiterung der Verwaltungskompetenz bewirkt. 9. Soweit Wasserwegerecht für Bundeswasserstraßen aufgrund von Art. 74 I Nr. 21 GG zulässig von den Ländern gesetzt wird und die Länder dem Bund gestatten, dieses Recht nicht nur zu beachten, sondern in eigener Zuständigkeit auszuführen, ist dies nach Art. 89 II 1 GG ausnahmsweise zulässig. Der von der h. M. aufgestellte Grundsatz, wonach dem Bund die Ausführung von Landesrecht grundsätzlich und ausnahmslos verwehrt sei, führt im Bereich der Bundeswasserstraßenverwaltung zu unhaltbaren Auslegungsergebnissen. Für eine Ausführung von Landesrecht durch den Bund spricht im Übrigen gerade die überkommene Praxis der Wasserstraßenverwaltung unter der Weimarer Reichsverfassung und bis zum Inkrafttreten des WaStrG. 10. Bei der Auftragsverwaltung von Bundeswasserstraßen durch die Länder ist Art. 85 GG auch im Bereich der gesetzesfreien Verwaltung und der Vermögensverwaltung anwendbar; der Bund hat also auch hier die entspre-
E. Zusammenfassung der Ergebnisse
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chenden Aufsichts- und Eingriffsbefugnisse. Eine Übertragung der Verwaltung auf ein Land bedarf aus Sicht der Kompetenzordnung des Grundgesetzes keiner gesetzlichen Grundlage. Die gegenwärtige Verwaltung einer Teilstrecke der Elbe durch Hamburg ist eine Auftragsverwaltung nach Art. 89 II 3 GG mit der Folge entsprechender Weisungsbefugnisse des Bundes. 11. Häfen an oder in Bundeswasserstraßen werden regelmäßig nicht von der Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenz des Bundes erfasst. Dies ergibt die historische Auslegung der Kompetenzvorschriften. Hinsichtlich des Hafenbegriffes ist eine funktionale Betrachtungsweise erforderlich: Danach haben die Länder die Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenz für alle Anlagen und Gewässerbereiche, die Schiffen eine Anlauf-, Be- und Entlademöglichkeit mittels entsprechender Einrichtungen bieten und somit die Funktion eines Verkehrs- und Umschlagshafens erfüllen. Auf eine besondere räumliche Abgrenzung des Hafens für eine gesteigerte Schutzfunktion zugunsten der Schiffe kommt es nicht an. Die Länder können dementsprechend Regelungen über Errichtung, Gestaltung und Nutzung von Häfen und die Hafenpolizei erlassen. Es verbleiben für den Bund freilich Restzuständigkeiten, soweit eine Bundeswasserstraße durch einen Hafen hindurchführt oder ein Vorhaben, welches Hafenzwecken dient, gleichzeitig die Verkehrsfunktion der Bundeswasserstraße verändert. 12. Die Regelung in § 1 III 2 WaStrG zum Übergang des Eigentums an neu gewonnenen Land- und Wasserflächen auf die Länder ist mit Art. 89 I GG vereinbar. Ebenso kann der Bund Dritten gestatten, in einer Bundeswasserstraße einen räumlich abgegrenzten Hafen zu errichten. Die abgeteilten Wasserflächen bzw. neu entstandenen Landflächen gehören zwar zunächst dem Bund, können aber an den Dritten veräußert werden, weil mit dem Ausscheiden aus dem Kompetenzbereich des Bundes durch die Zuordnung zu einem Hafen jeder Sachgrund für die Aufrechterhaltung des Bundeseigentums entfällt. 13. Das Einvernehmenserfordernis nach Art. 89 III GG beinhaltet zugunsten der Länder eine formelle und eine materielle Komponente. Einerseits bedarf es formell des Einvernehmens, andererseits ist es den Ländern möglich, dieses Einvernehmen rechtlich zulässig wegen der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu verweigern, wenn dies durch die in Art. 89 III GG genannten Bedürfnisse der Landeskultur gerechtfertigt wird. Anders als der Begriff der Wasserwirtschaft ist der Begriff der Landeskultur weitgehend unscharf. Er beinhaltet Naturschutz und Landschaftspflege nicht von vornherein, weil dies einen hier nicht zulässigen Bedeutungswandel eines Verfassungsbegriffes beinhalten würde. Naturschutz und Landschaftspflege können aber als untergeordnete Belange im Rahmen des herkömmlichen Landeskulturbegriffes der geordneten agrarischen Nutzung
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E. Zusammenfassung der Ergebnisse
der Landschaft für Zwecke der Land- und Forstwirtschaft geltend gemacht werden. Das Einvernehmenserfordernis gilt für Verwaltungsmaßnahmen, wenn diese zumindest mit gewisser Wahrscheinlichkeit Bedürfnisse der Wasserwirtschaft und Landeskultur betreffen können. Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit der Verweigerung des Einvernehmens oder das Bestehen des Einvernehmenserfordernisses im Einzelfall sind verfassungsrechtliche Streitigkeiten, über die das Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung berufen ist. Da aber 14 III WaStrG eine einfachgesetzliche Spezialregelung enthält, kann die Streitigkeit in diesem Fall auch als öffentlich-rechtliche Streitigkeit vor dem Bundesverwaltungsgericht nach § 40 I 1, § 50 I Nr. 1 VwGO ausgetragen werden. 14. Die Erhaltung einer hinreichenden Verkehrsinfrastruktur ist eine aus dem Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes ableitbare Staatsaufgabe. Vorbehaltlich bestimmter Sonderregelungen – beispielsweise für den Bereich der Eisenbahnen – beschränkt sich diese Aufgabe darauf, eine insgesamt und unter Berücksichtigung der verschiedenen Verkehrsträger leistungsfähige Infrastruktur zu erhalten bzw. deren Erhalt zu gewährleisten. Für den Bereich der Wasserstraßen ist der Bund nicht verpflichtet, den Erhalt des Wasserstraßennetzes in seiner jetzigen Gestalt dauerhaft zu gewährleisten, weil jedenfalls die Binnenwasserstraßen nicht in gleichem Maß wie Straße und Schiene essentiell für die Verkehrsinfrastruktur sind. Der Bund erfüllt seine Aufgabe zur Vorhaltung von Wasserstraßen für die Schifffahrt deshalb erst dann nicht mehr hinreichend, wenn er die Erhaltung von Wasserstraßen in ihrem Umfang und ihrer Qualität auf ein Maß reduziert, welches die Leistungsfähigkeit der Verkehrsinfrastruktur insgesamt gefährdet. Nur in Ausnahmefällen kann eine Beschränkung der Erhaltung von Bundeswasserstraßen gegenüber Nutzern und Anliegern der Bundeswasserstraßen eine Grundrechtsverletzung sein. 15. Art. 89 I GG ist eine vergangenheitsbezogene Übergangsvorschrift, die vom Bund nicht verlangt, die früheren Reichswasserstraßen dauerhaft in seinem Eigentum zu behalten. Für nicht dem allgemeinen Verkehr dienende frühere Reichswasserstraßen folgt dies schon aus dem Umstand, dass die wegerechtliche Verwaltung dieser Wasserstraßen Aufgabe der Länder ist und der Bund für diese Wasserstraßen keine hoheitlichen Aufgaben mehr zu erfüllen hat. Wenn dem so ist, fehlt es an einem rechtfertigenden Grund für eine Pflicht des Bundes, diese Gewässer dauerhaft in seinem Eigentum zu behalten. Für die dem allgemeinen Verkehr noch dienenden früheren Reichswasserstraßen ließe sich ein Erfordernis dauerhaften Bundeseigentums nur begründen, wenn das Eigentum an den Wasserstraßen zur Erfüllung der Verwaltungsaufgaben des Bundes zwingend erforderlich wäre. Das ist aber nicht der Fall, weil die Zweckbindung einer Sache für die öffent-
E. Zusammenfassung der Ergebnisse
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liche Verwaltung auch durch eine auf gesetzlicher Grundlage erfolgende Widmung sichergestellt werden kann. Auf der Ebene des einfachen Rechts steht derzeit jedoch § 1 I Nr. 1 lit. d WaStrG einer Privatisierung entgegen. Für neue Bundeswasserstraßen lässt sich Art. 89 GG keine Aussage hinsichtlich des Eigentums entnehmen. Hier ist ein Eigentum Dritter zulässig, sofern das einfache Recht für die Verkehrswegverwaltung so ausgestaltet wird, dass eine ordnungsgemäße Wahrnehmung der Aufgaben der Wasserstraßenverwaltung möglich ist. 16. Für den Einsatz von Gesellschaften in privater Rechtsform zur Durchführung von Teilaufgaben der Wasserstraßenverwaltung beim Neubau oder Ausbau von Wasserstraßen gibt es aus der Vergangenheit mehrere Beispiele. Darüber hinaus wurde in den letzten Jahren vermehrt die Möglichkeit von Organisationsprivatisierungen (Einsatz von Gesellschaften privaten Rechts) auch für andere Bereiche der Verkehrswegeverwaltung diskutiert. Die von Art. 87 I 1 GG verlangte „bundeseigene“ Verwaltung steht einer solchen Organisationsprivatisierung nicht entgegen. Der gelegentlich herangezogene Grundsatz „eigener Aufgabenwahrnehmung“ begründet ebenfalls kein Verbot der Organisationsprivatisierung, weil er in erster Linie zur Abgrenzung von Zuständigkeiten im Verhältnis von Bund und Ländern dient. Das Demokratieprinzip setzt einer Privatisierung jedoch Grenzen. Es verlangt hinreichende Eingriffs- und Kontrollbefugnisse des Bundes. Darüber hinaus müssen alle Personen mit der Befugnis zum wirksamen Handeln nach außen durch den Bund demokratisch legitimiert sein, etwa durch Zustimmungserfordernisse des Bundes bei der Bestellung. Aufgaben der Planfeststellung von Neu- und Ausbauvorhaben dürfen – abgesehen von Zuarbeiten – wegen der mit der Planfeststellung verbundenen enteignungsrechtlichen Vorwirkung nicht privatisiert werden. Weitere Einschränkungen für die Zulässigkeit von Organisationsprivatisierungen ergeben sich aus dem Haushaltsrecht. So ist unter anderem eine Beteiligung der Länder an derartigen Gesellschaften – von Ausnahmen abgesehen – wegen Verstoßes gegen Art. 104a I GG unzulässig. 17. Änderungen im Bestand der vom Bund hoheitlich verwalteten Bundeswasserstraßen setzen – wie bei den Bundesfernstraßen – eine Änderung der Verkehrsfunktion voraus. Entgegen dem Wortlaut von § 2 I WaStrG kommt es daher nicht allein auf den Willen von Bund und Ländern an. Entscheidend ist vielmehr, ob eine Wasserstraße noch dem allgemeinen Verkehr dient oder nicht. Ist dies nicht mehr der Fall, muss die Wasserstraße gem. § 2 I WaStrG durch Vereinbarung dem betreffenden Land überlassen werden oder bei Verweigerung der Übernahme durch das Land schlicht aus der Anlage 1 zum WaStrG gestrichen werden. Die Anlage 1 zum WaStrG kann die Verkehrsbedeutung hingegen nicht fingieren, weil dadurch unzu-
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lässig in die grundgesetzliche Kompetenzverteilung eingegriffen würde. Im Übrigen kann der Bund auch ohne Änderung der Verkehrsbedeutung – da er zur Erhaltung einzelner Wasserstraßen nicht verpflichtet ist – diese durch Streichung aus der Anlage 1 zum WaStrG selbst entwidmen und ihr damit die Verkehrsbedeutung nehmen. 18. Das Eigentum des Bundes an den Bundeswasserstraßen ist Eigentum im Sinne von § 903 BGB. Die daraus fließenden Eigentümerbefugnisse des Bundes sind jedoch wegen der aus dem Wasserrecht folgenden Pflichten und die Einordnung in die hoheitliche Gewässerbewirtschaftung stark eingeschränkt. Im Einzelfall – soweit keine Duldungspflicht nach dem Wasserrecht besteht – kann die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung aber eine Inanspruchnahme der Bundeswasserstraße durch Dritte aufgrund ihrer privatrechtlichen Befugnisse verweigern bzw. diese an die Entrichtung eines Entgeltes knüpfen. Dies gilt auch, wenn der Dritte ggf. einen öffentlichrechtlichen Anspruch auf Zulassung seiner Inanspruchnahme der Bundeswasserstraße gegenüber dem Bund hat. 19. Aufgrund des Eigentums an den Bundeswasserstraßen ist der Bund in vollem Umfang auch an öffentliches Recht jenseits des Wasserstraßenrechts gebunden, soweit nicht ausdrücklich gesetzlich geregelte Ausnahmen bestehen. Einen darüber hinaus anzuerkennenden Grundsatz, nachdem in die hoheitliche Verwaltungstätigkeit der Wasserstraßenverwaltung nicht durch andere Behörden eingegriffen werden dürfe, gibt es nicht. Der Bund ist deshalb hinsichtlich der aus dem Eigentum folgenden Pflichten auch materiell „polizeipflichtig“. Das Wasserstraßengesetz enthält an einigen Stellen lediglich verfahrensrechtliche Freistellungen hinsichtlich fachfremden öffentlichen Rechts (§ 7 III, 12 VI WaStrG). Darüber hinaus besteht keine Freistellung von sonstigem Verfahrensrecht, sei es Bundes- oder Landesrecht. Dementsprechend müssen Genehmigungen von anderen (Landes-)Behörden eingeholt werden und ggf. auch Anordnungen anderer Behörden hingenommen werden. Die Bindung des Bundes hinsichtlich fremden Rechts besteht auch hinsichtlich der im nationalen Wasserrecht umgesetzten Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie für die Bewirtschaftungsziele oberirdischer Gewässer. Die im WaStrG enthaltenen Regelungen, welche lediglich eine Berücksichtigung der Bewirtschaftungsziele vorsehen, sind europarechtskonform im Sinnen einer Beachtenspflicht auszulegen. 20. Die Grundsätze zur Bindung des Bundes an fachfremdes Recht gelten in gleichem Maß für die nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen im Eigentum des Bundes, da dem Bund hier nur eine Verwaltung auf der Grundlage der Eigentümerbefugnisse zusteht. Für die hoheitliche Verkehrswegeverwaltung sind hier ausschließlich die Länder zuständig. Die Länder entscheiden auf der Grundlage ihrer wasserrechtlichen Vorschriften
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auch, ob diese Wasserstraßen überhaupt dem Schiffsverkehr gewidmet werden. Eine solche allgemeine gesetzliche Widmung gibt es bislang lediglich in Schleswig-Holstein. Eine darüber hinausgehende gewohnheitsrechtliche Widmung kann nur in Bremen und Berlin angenommen werden, weil die Wassergesetze dieser Länder für die Schiffbarkeit insofern einen Vorrang früherer Zulassungen für die Schifffahrt vorsehen. Schließlich trifft den Bund als Eigentümer nach den landesrechtlichen Vorschriften die Unterhaltungslast für diese Wasserstraßen, welche die Schiffbarkeit umfasst, sofern die Schifffahrt auf der Wasserstraße zugelassen ist. Über die Zulässigkeit von Eingriffen in Natur und Landschaft im Rahmen der Unterhaltungsmaßnahmen entscheiden die zuständigen Landesbzw. Kommunalbehörden; eine Entscheidung durch die Wasserstraßenverwaltung des Bundes nach § 17 I BNatSchG ist nicht möglich. Soweit die Wasserstraßenverwaltung des Bundes für nicht dem allgemeinen Verkehr dienende Wasserstraßen Verwaltungsakte erlässt, sind diese nichtig, weil damit in die Kompetenz der Länder eingegriffen wird (schwerwiegender Zuständigkeitsmangel) und zudem eine Rechtsgrundlage fehlt. 21. Die Befugnisse der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes im Rahmen der Planfeststellung nach dem Wasserstraßenrecht beziehen sich auf Vorhaben, welche die Wasserstraße als Verkehrsweg betreffen (schifffahrtsfunktionaler Zusammenhang). Dieser Zusammenhang ist gegeben, wenn durch das Vorhaben die Verkehrsfunktion der Wasserstraße verändert werden soll. Demnach unterliegen Vorhaben mit dem Zweck der Veränderung der Schiffbarkeit der Wasserstraße auch dann der Planfeststellung nach dem WaStrG, wenn das Vorhaben (erhebliche) Auswirkungen auf den Wasserhaushalt hat und deshalb bei isolierter Betrachtung dieser Auswirkungen auch eine Planfeststellung nach Wasserhaushaltsrecht in Betracht käme. Gleiches gilt für Vorhaben, welche die Kreuzung einer Bundeswasserstraße mit einer anderen Infrastruktur betreffen hinsichtlich des Verhältnisses zum Planfeststellungsrecht für die andere Infrastruktur. Bei Vorhaben, die neben der Veränderung der Schiffbarkeit einer Wasserstraße auch noch andere Zwecke verfolgen, ist auf den Schwerpunkt des Vorhabens bzw. den Schwerpunkt der Funktion einer zu errichtenden Anlage abzustellen. Bei Hafenbauvorhaben ist zu differenzieren: Grundsätzlich sind die Länder für die Zulassung dieser Vorhaben zuständig, wenn es sich um einen von der Bundeswasserstraße räumlich abgegrenzten Hafen handelt und die Verkehrsfunktion der vorhandenen Bundeswasserstraße im Übrigen nicht verändert wird. Bei Vorhaben unmittelbar in der Bundeswasserstraße kommt hingegen eine Zuständigkeit des Bundes für die Planfeststellung in Betracht. Die Planfeststellung für Hafenbauvorhaben ist jedoch gegenständ-
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lich – gleich ob nach dem Wasserrecht der Länder oder dem WaStrG – auf die Teile des Vorhabens beschränkt, welche die Umgestaltung der Wasserstraße betreffen. Anlagen der so genannten Suprastruktur eines Hafens sind regelmäßig in dieser Planfeststellung nicht zulassungsfähig. Für sie müssen die sonstigen ggf. nach Bundes- bzw. Landesrecht vorgesehenen Zulassungsverfahren durchgeführt werden. 22. Auch im Binnenschifffahrtsrecht wird der Begriff der Bundeswasserstraße verwendet: Die Binnenschifffahrtsstraßenordnung gilt nach der dazu gehörigen Einführungsverordnung auf den Bundeswasserstraßen. Gleichwohl ist im Binnenschifffahrtsrecht weder eine Bestimmung des Begriffs der Bundeswasserstraßen noch ein Verweis auf die Bestimmung durch das WaStrG enthalten. Ein Rückgriff auf die Begriffsbestimmung im WaStrG ist aus methodischen Gründen nicht möglich. Erforderlich ist damit eine eigenständige Auslegung für den Geltungsbereich der Binnenschifffahrtsstraßenordnung. Diese Auslegung ergibt, dass die Binnenschifffahrtsstraßenordnung nur auf den früheren Reichswasserstraßen im Sinne von Art. 89 I GG und den nach Art. 89 II 1 GG verwalteten Bundeswasserstraßen gilt. 23. Für die Bundeswasserstraßen, welche gleichzeitig die Grenze zu Nachbarstaaten bilden oder die Staatsgrenze überschreiten, bestehen für den Bund auch völkerrechtliche Bindungen. Das betrifft u. a. die schiffbaren und vom Meer aus zugänglichen Flüsse, welche durch das Gebiet mehrerer Staaten fließen oder mehrere Staaten trennen (internationale Flüsse) sowie die Flüsse, für welche ein durch Vertrag geschaffenes völkerrechtliches Regime Regelungen zur Schifffahrt enthält (internationalisierte bzw. konventionelle Flüsse). Zu den internationalisierten Flüssen zählen demnach die Bundeswasserstraßen Rhein, Mosel und Donau. Die für diese Flüsse bestehenden völkerrechtlichen Verträge beinhalten regelmäßig Regelungen über die Schifffahrtsfreiheit für die Schiffe der Vertragsstaaten, Regelungen über die Schiffbarkeit der Wasserstraße, ihre Unterhaltung und zum Teil auch ihren Ausbau. Durch diese Regelungen wird die Befugnis des Bundes, im Rahmen seiner allgemeinen Infrastrukturverantwortung weitgehend frei über die Erhaltung dieser Wasserstraßen zu entscheiden, eingeschränkt. Auch Verkehrsbeschränkungen dürfen nur angeordnet werden, soweit dies aus Gründen der Verkehrssicherheit zwingend erforderlich ist. Ohne völkerrechtliche Regelungen durch Verträge gibt es keine der Freiheit der Schifffahrt auf den Weltmeeren vergleichbare Schifffahrtsfreiheit auf internationalen Flüssen aufgrund von Völkergewohnheitsrecht oder aufgrund eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes des Völkerrechts. Elbe und Oder sind internationale Flüsse. Die Elbe ist gleichwohl kein vollständig internationalisierter Fluss, weil es hierzu an einer (fortgeltenden)
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völkerrechtlichen Vereinbarung fehlt und dieser Mangel auch nicht durch Völkergewohnheitsrecht ausgeglichen wird. Zwischen der Bundesrepublik und der Tschechischen Republik besteht jedoch ein partikuläres Völkergewohnheitsrecht zur Schifffahrtsfreiheit auf der Elbe und dem nachfolgend auch eine auf die Schiffbarkeit im allgemeinen begrenzte völkergewohnheitsrechtliche Unterhaltungspflicht des Bundes. Auf der Oder besteht Schifffahrtsfreiheit auf der Grundlage des deutsch-polnischen Binnenschifffahrtsabkommens. Dem folgt völkergewohnheitsrechtlich wie bei der Elbe eine Unterhaltungsplicht des Bundes. Somit müssen beide Wasserstraßen aufgrund der völkerrechtlichen Verpflichtungen dauerhaft für die Schifffahrt vorgehalten werden. 24. Die Art. 170–172 AEUV enthalten eine Ermächtigung der Europäischen Union zur Aufstellung von Leitlinien für transeuropäische Netze im Verkehrswegebereich. Die Union hat mit der Entscheidung Nr. 1692/96/EG diese Leitlinien aufgestellt. Zu den transeuropäischen Netzen (TEN) gehören danach auch Bundeswasserstraßen wie Rhein, Elbe und Donau sowie eine Reihe von Kanälen. Sind bestimmte, in der Entscheidung Nr. 1692/96/EG genannte Kriterien erfüllt, so sind Maßnahmen zur Erhaltung oder zum Ausbau dieser Bundeswasserstraßen als „Vorhaben von gemeinsamen Interesse“ anzusehen. Daraus ergeben sich für den Bund aber weder in zeitlicher Hinsicht noch sonst Umsetzungspflichten für derartige Vorhaben. Aus Sicht des Europarechts sind die Vorgaben des Mitgliedsstaates entscheidend, dem hinsichtlich des „Ob“ und der zeitlichen Reihenfolge von Ausbaumaßnahmen ein Einschätzungsspielraum zuzugestehen ist. Allerdings darf der Bund die Verwirklichung der Ziele eines transeuropäischen Verkehrsnetzes auch nicht vereiteln. Für den Bereich der betroffenen Bundeswasserstraßen wird er deshalb durch die TEN-Entscheidung verpflichtet, eine dem europäischen (Binnen-)Schiffsverkehr entsprechende Mindestbefahrbarkeit zu erhalten, soweit sie bereits bislang gegeben ist. 25. Im Übrigen wirkt die TEN-Entscheidung zunächst auf die Raumordnung in Bund und Ländern ein. Da die Leitlinien und die Aufnahme von Vorhaben von gemeinsamen Interesse in die Entscheidung der Billigung des Mitgliedsstaates bedurfte, folgt hieraus für Vorhaben, die raumordnerisch noch nicht gesichert sind, eine Anpassungspflicht der Raumordnung in Bund und Ländern. Eine Einordnung der TEN-Vorgaben als gesetzliche Bedarfsfestlegung im Rahmen der Planfeststellung einzelner Vorhaben ist hingegen nicht möglich. Die Zugehörigkeit eines Vorhabens zu den Transeuropäischen Netzen kann allerdings für die Planrechtfertigung eines Vorhabens ergänzend herangezogen werden. Zudem sind die Vorgaben der TEN-Entscheidung bei einer Planfeststellung in der Abwägungsentscheidung zugunsten des Vorhabens zu berücksichtigen. Außerdem kann die Einordnung als
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Vorhaben von gemeinsamem oder vorrangigem Interesse im Sinne der TEN-Entscheidung zugleich ein zwingendes überwiegendes öffentliches Interesse im Sinne von § 34 III BNatSchG begründen. 26. Verkehrsbeschränkende Maßnahmen der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung können als „Maßnahme gleicher Wirkung“ in den Anwendungsbereich der Warenverkehrsfreiheit nach Art. 34, 35 AEUV fallen, wenn sie eine gewisse Erheblichkeitsschwelle überschreiten. Betrifft die Verkehrsbeschränkung eine in der TEN-Entscheidung genannte Bundeswasserstraße, so spricht eine tatsächliche Vermutung für die Überschreitung der Erheblichkeitsschwelle. Allerdings kann die Verkehrsbeschränkung unter anderem aus Gründen des Umweltschutzes gerechtfertigt sein oder wenn sie der Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit dient. 27. Die Erhebung von Schifffahrtsabgaben zur Deckung des Aufwandes für die Erhaltung der Wasserstraßen ist mit dem europäischen Recht grundsätzlich vereinbar. Das gilt auch für die zukünftige Einführung einer Abgabenpflicht auf den großen Wasserstraßen, auf denen bislang keine Schifffahrtsabgaben erhoben werden, solange dadurch ausländische Verkehrsunternehmer nicht benachteiligt werden. 28. Das Völkerrecht enthält kaum allgemeine Einschränkungen für die Erhebung von Schifffahrtsabgaben auf Bundeswasserstraßen. Lediglich auf dem Rhein bestehen Einschränkungen nach Art. 3 I der Rheinschifffahrtsakte. Danach dürfen nur solche Abgaben erhoben werden, die allein der Deckung des Aufwandes für den Unterhalt und Ausbau des Rheins dienen. Eine über die Kostendeckung hinausgehende Abgabeerhebung ist unzulässig.
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Sachverzeichnis Auftragsverwaltung – Elbe im Hamburger Hafen 112 – Übertragung 110 Auslegung – Grundsätze 24 – Verfassungsrecht, Besonderheiten 25 Bestimmtheitsgrundsatz, sachenrechtlicher 36 Binnenhäfen, Gesetzgebungs- u. Verwaltungskompetenz 117 Binnenschifffahrt 145 Binnenschifffahrtsaufgabengesetz 221 Binnenschifffahrtsstraßenordnung 221 Binnenschifffahrtsverwaltung 101 Bundesanstalt für Immobilienaufgaben 86, 183 Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) 163 Bundesfernstraßen 142, 172 – Entwidmung 173 – Gesetzgebungskompetenz 173 Bundeswasserstraßen – Anlieger(rechte) 145 – Auftragsverwaltung Siehe Auftragsverwaltung – Bauvorhaben 217 – Begriff im Binnenschifffahrtsrecht 220 – Beschränkungen der Befahrbarkeit 146 – Bestandsänderung 174 – Bewirtschaftungsziele nach WHG 202 – Bodenschätze 73 – Eigentum (Rechtsnatur) 179 – Eigentum an neu geschaffenen 151
– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
Eigentümerbefugnisse 181 Eigentumsaufgabe 148 Erhaltungspflicht 135 Gemeingebrauch 146, 180 Gewässerverunreinigungen 189 Häfen 114 historische Entwicklung 28 im Sinne von Art. 89 II 1 GG 75 Jagdrecht 181 Kosten 16 modifiziertes Privateigentum 180 Netzlänge 15 Nutzungsentgelt 89 Nutzungsentgelte (Schifffahrt) 182 Planfeststellung 214 privatrechtliche Ausbaugesellschaften 154 Schiffbarkeit, Erhaltung der Schiffbarkeit 143 schifffahrtsfunktionaler Zusammenhang 216 Schiffsverkehr 179 Selbstverwaltungsrecht von Anliegergemeinden 147 strom- und schifffahrtspolizeiliche Genehmigung 183 subjektive öffentliche Rechte Dritter 183 Transportvolumen 15 Übernahme durch Länder 174 Verbindungskonzept 78, 81 Verkehrsbeschränkungen und Warenverkehrsfreiheit 258 Verkehrssicherungspflicht 181 Verkehrswegebaulast 89 Verwaltungskompetenz 78
Sachverzeichnis – völkerrechtliche Bindungen Siehe Völkerrechtliche Bindungen – Wasserkraftnutzung 89, 182 – Zustandshaftung 189 Bundeswasserstraßen, einzelne – Donau 229 – Elbe 202, 230 – Ems 175 – Mosel 229 – Nord-Ostseekanal 233 – Oder 230 – Rhein 228 DDR – Verfassung und Wasserstraßen 64 – Wassergesetz 64 – Wasserstraßen 62 Donau Kraftwerk Jochstein AG 154 Donaukommission 230 Donaukonvention Siehe Völkerrechtliche Bindungen Einigungsvertrag 66 Einvernehmen nach Art. 89 III GG 123 – Durchsetzung 134 Einvernehmen nach § 7 IV WHG 206 Elbe-Mittellandkanal GmbH 154 Elbeschifffahrtsakte Siehe Völkerrechtliche Bindungen Ermächtigungsgesetz (Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich) 40 Flussgebietseinheiten 202 Föderalismusreform 95, 100, 182, 201 Generalinspektor für Wasser und Energie 41, 44, 54 Gesetzgebungskompetenz – äußerste Grenze der Verwaltungskompetenz 18, 95, 115 – Binnenhäfen 117
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– Häfen 120 – Seehäfen 117 – Wasserstraßen 22 Gleichschaltung (Rechtsfolgen) 40 Häfen – Bauvorhaben (Rechtsgrundlage) 218 – Begriff 118 – Eigentum 121 – Standortplanung 118 – Suprastruktur 119, 121, 219 Hafenpolizei 120 Heiliges Römisches Reiches Deutscher Nation 28 Hochwasserschutz 125, 215 Hoheitsgewässer, Ausdehnung 69 Infrastrukturverantwortung 139 Internationale Flüsse 228 Internationale Mosel-Gesellschaft mbH 154, 229 Internationales Seerechtsübereinkommen 235 Internationalisierte Flüsse 228 konventionelle Flüsse 228 Landeskultur (Begriff) 126 Landesrecht, Ausführung durch Bundeswasserstraßenverwaltung 96 Landeswassergesetze 181, 185, 190, 210 Lausitzer Neiße 221 Liege- und Bauhäfen 117 Ludwigstadt-Lehesten (Eisenbahnstrecke) 37 Mannheimer Akte Siehe Rheinschifffahrtsakte 228 Mischverwaltung 102, 109, 124 Naturschutz und Landschaftspflege 126 Neckar AG 154
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Sachverzeichnis
Neuaufbaugesetz (Gesetz über den Neuaufbau des Reiches) 41, 42 Nordwest-Kanal GmbH 154
Strom- und schifffahrtspolizeiliche Genehmigung 183 Strompolizei 95, 162
Organisationsprivatisierung Siehe Wasser- und Schifffahrtsverwaltung
Transeuropäische Netze (TEN) 244 – Bundeswasserstraßen 246 – Naturschutz 255 – TEN-Entscheidung 245 – Umsetzungspflichten 247 Transeuropäische Verkehrsnetze (TEN), Planfeststellung 252
Paulskirchenverfassung 28, 80 Radbruchsche Formel 55 Raumordnungspläne 118 Reichsverfassung von 1871 29, 80, 223 Reichsvermögen 52 Reichswasserstraßen – Begriff 33 – Begriff (WRV) 46 – im Sinne von Art. 89 I GG 46 Reichswasserstraßengesetz 106, 150 Reichswasserstraßenverordnung 17, 41, 112 Rhein-Main-Donau AG 154, 169 Rheinisch-Westfälische Kanal GmbH 154 Rheinschifffahrtsakte Siehe Völkerrechtliche Bindungen Schienennetz 142 Schifffahrtsabgaben 95, 162, 166, 182, 230, 263 – europarechtliche Vorgaben 263 – Rhein 268 – völkerrechtliche Vorgaben 267 Schifffahrtsfreiheit 228–229 Schutz- und Sicherheitshäfen 116, 117 Seeschifffahrt 226 Seewasserstraßen – als Reichswasserstraßen 56 – Begriff 57 – räumliche Ausdehnung 57 Sozialstaatsprinzip 140, 142 Spezialitätsprinzip 30, 36 Staatsaufgabe 137
Umschlaghäfen 116 Untere Fulda GmbH 154 Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft mbH (VIFG) 154, 169 Verkehrswegeverwaltung 95 Verordnung zur Überleitung des Bundeswasserstraßenrechts 65 Verwaltung – gesetzesakzessorische 87, 90 – gesetzesfreie 88, 90 – gesetzesfreie (in der Auftragsverwaltung) 109 – Vermögensverwaltung 89, 92 – Vermögensverwaltung (in der Auftragsverwaltung) 109 Verwaltungskompetenz – Begrenzung durch Gesetzgebungskompentenz 83 – Binnenhäfen 117 – Häfen 114, 120 Völkerrechtliche Bindungen der Bundeswasserstraßenverwaltung 227 – allgemeine Rechtsgrundsätze 238 – Auswirkungen auf einzelne Wasserstraßen 239 – Belgrader Donaukonvention 229 – Binnenschifffahrtsabkommen (BRD – Polen) 230 – Binnenschifffahrtsabkommen (BRD – CˇSSR) 230
Sachverzeichnis – – – – – – – – –
Elbe 242 Elbeschifffahrtsakte 232 Grundsatz guter Nachbarschaft 242 Moselvertrag 229 Oder 244 Rheinschifffahrtsakte 228 Versailler Vertrag 231 Völkergewohnheitsrecht 235 Wiener Kongressakte 236
Warenverkehrsfreiheit 258 Wasser- und Schifffahrtsverwaltung – Aufbau 16 – Bindung an Landesrecht 185 – Einsatz Beliehener 155 – fachfremdes Recht 192 – Funktionsvorbehalt 167 – Polizeipflichtigkeit (formelle) 192 – Polizeipflichtigkeit (materielle) 186 – Privatisierung 152 Wasserhaushalt 96 Wasserhaushalt (Begriff) 125 Wasserrahmenrichtlinie 201 Wasserstraßen – Besatzungsrecht 48 – dem allgemeinen Verkehr dienende 177 – in der DDR 62 – nicht dem allgemeinen Verkehr dienende 85, 150, 207 – NS-Zeit (1933–1945) 41 – Unterhaltungslast 181 – Weimarer Reichsverfassung 29 – West-Berlin 63, 67
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Wasserstraßen, einzelne – Bodensee 33, 52 – Donau 45 – Fulda 33, 38 – Hafen Strande 71 – Hohennauer Wasserstraße 175, 221 – Hohwachter Bucht 58 – Lahn 33, 45 – Main 44 – Regnitz 44 – Rhein oberhalb Basel 33, 52 – Ruhr 38 – Saale-Leipzig-Kanal 68 – Saar 38 – Schlei 58 – Starnberger See 33 – Werra 33, 38 Wasserstraßengesetz, Anlage 179 Wasserstraßenstaatsvertrag 103 – Allgemeines 16 – Anlage A 38, 40 – Aufhebung 45 – rechtliche Einordnung 30 – Zusatzvertrag mit Hamburg v. 18. Februar 1922 112 – Zusatzverträge mit Preußen und Bremen 116 Wasserverkehrsverwaltung 220, 225 Wasserwirtschaft (Begriff) 125 Westoder 221 Widmung, von Wasserstraßen in der DDR 66 Wiener Kongressakte Siehe Völkerrechtliche Bindungen