Die bayerischen Herrscher von Ludwig I. bis Ludwig III. im Urteil der Presse nach ihrem Tode [1 ed.] 9783428431601, 9783428031603


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German Pages 198 Year 1974

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Die bayerischen Herrscher von Ludwig I. bis Ludwig III. im Urteil der Presse nach ihrem Tode [1 ed.]
 9783428431601, 9783428031603

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Beiträge zu einer historischen Strukturanalyse Bayerns im Industriezeitalter

Band 11

Die bayerischen Herrscher von Ludwig I. bis Ludwig III. im Urteil der Presse nach ihrem Tode Von

Ernst Ursel

Duncker & Humblot · Berlin

ERNST URSEL

Die bayerischen Herrscher von Ludwig I . bis Ludwig I I I . i m Urteil der Presse nach ihrem Tode

Beiträge zu einer historischen Strukturanalyse Bayerns im Industriezeitalter herausgegeben von Prof. Dr. K a r l Bosl Institut für Bayerische Geschichte an der Universität München

Band 11

Die bayerischen Herrscher von Ludwig I. bis Ludwig I I I . i m Urteil der Presse nach ihrem Tode

Von

Dr. Ernst Ursel

DUNCKER

&

HUMBLOT

/

BERLIN

Alle Rechte vorbehalten © 1974 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1974 bei Buchdruckerei Richard Schröter, Berlin 61 Printed in Germany I S B N 3 428 03160 1

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde durch ein i m Wintersemester 1967/68 an der Universität München von Herrn Professor Dr. K a r l Bosl veranstaltetes Seminar über König L u d w i g II. von Bayern angeregt. Während auf L u d w i g bayerischen spezifischen den sollen.

ich i m Rahmen einer Zulassungsarbeit nur die Nekrologe II. untersuchten konnte, befaßt sich diese Arbeit m i t den Herrschern von L u d w i g I. bis L u d w i g III., wobei neben Problemen auch durchlaufende Tendenzen aufgezeigt wer-

A u f eine Behandlung König Max I. Joseph muß i n dieser Dissertation verzichtet werden, da wegen der strengen Zensurbestimmungen 1825 keine Nekrologe i n den Zeitungen erscheinen konnten. Auch König Otto bleibt hier unberücksichtigt, denn er hat selber nie regiert. Die 1916 anläßlich seines Todes erschienenen A r t i k e l bringen daher keine Nekrologe i m eigentlichen Sinn, sondern Reminiszenzen an die übrigen bayerischen Herrscher und bekräftigen die Treue zum regierenden Monarchen. Mein besonderer Dank g i l t meinem hochverehrten Lehrer Herrn Professor Dr. K a r l Bosl, der diese Arbeit betreut und durch wertvolle Hinweise gefördert hat. Ferner möchte ich mich bedanken bei allen Mitarbeitern des Instituts für Bayerische Geschichte an der Universität München für ihre Unterstützung sowie bei den Herren des Hauptstaatsarchivs München, Abt. I Allgemeines Staatsarchiv und des Staatsarchivs München für ihren sachkundigen Rat.

Inhaltsverzeichnis I. Der Nekrolog, sein historischer Quellenwert und seine Bedeutung für die neuere Geschichte der Herrscher aus dem Hause Wittelsbach

I I . Pressezensur, Bayern

Preßmanipulation

und

Majestätsbeleidigung

1. Die Situation der bayerischen Presse

11

in 15 15

2. Die Überwachung der Presse nach 1850

20

3. Die Einwirkung auf die Presse

25

4. Majestätsbeleidigungen

30

I I I . Ludwig 1

38

1. Würdigung von Ludwigs Persönlichkeit

38

2. Ludwig I. als Kunstmäzen

41

3. Innenpolitik

47

a) Vom Liberalismus zur Reaktion b) Kirchenpolitik c) Wirtschafts- und Verkehrspolitik

47 51 53

4. Außenpolitik a) Pfalzfrage b) Griechenlandpolitik

55 55 57

5. Militärpolitik

60

6. Lola-Montez-Affaire und Abdankung

61

7. Bayerns Goldenes Zeitalter?

64

I V . Maximilian I I

67

1. Zur Charakteristik des Herrschers

67

2. Innenpolitik a) Reformen und Verfassungsentwicklung b) Die Jahre der Reaktion in Bayern c) Das Verhältnis zu den Kirchen d) Pflege von Kunst und Wissenschaft

69 69 71 75 78

Inhaltsverzeichnis

8 3. Trias-Politik a) b) c) d)

81

Die Revolutionsjähre Politik des Lavierens Die Schleswig-Holstein-Frage Das Echo im Ausland

81 82 85 87

4. Gesamtwürdigung seiner Politik

88

V. Ludwig I I

91

1. Die Persönlichkeit des Herrschers a) Äußere Erscheinung und Charakter b) Ludwigs Bildung

91 91 95

c) Wagners Einfluß auf den König d) Ludwigs religiöse Haltung e) Die Krankheit des Königs

96 99 101

2. Außenpolitik a) Der König im Jahre 1866 b) Ludwigs Haltung 1870/71

103 103 107

3. Innenpolitik

113

4. Ludwig I I . als Bauherr

117

5. Allgemeine Beurteilung seiner Herrschereigenschaften und seiner Regierungszeit 121 V I . Prinzregent Luitpold 1. Der „bürgerliche" Regent

126 126

2. Die Anfänge der Regentschaft

129

3. Der Werdegang Luitpolds bis 1886 a) Ausbildung

133 133

b) Verpflichtungen als königlicher Prinz 4. Bayerns Haltung zum Reich

134 136

5. Bayerns Innenpolitik unter der Regentschaft 140 a) Die Fortsetzung des liberalen Kurses 140 b) Das Erstarken des Zentrumseinflusses 143 c) Luitpolds Verhältnis zur Kirche und zum politischen Katholizismus 145 6. Die Regierungsweise des Prinzregenten

147

7. Königsfrage — Legitimität — Monarchisches Prinzip

151

V I I . Ludwig I I I 1. Die Beurteilung seiner Persönlichkeit und seiner Interessen 2. Das politische Verhalten bis zur Regentschaftsübernahme

155 155 157

Inhaltsverzeichnis 3. Die Beendigung der Hegentschaft

160

4. Ludwigs Haltung im Weltkrieg . a) Großbayerische Träume b) Das Verhältnis zum Reich

161 161 164

5. Die Revolution und ihre Gründe

166

6. Restauration der Monarchie?

169

V I I I . Zusammenfassung der Ergebnisse 1. Der Nekrolog als Geschichtsquelle

175 175

2. Politische Tendenzen in den Nekrologen der bayerischen Herrscher 176 3. Die Aushöhlung der monarchischen Staatsform in Bayern

Quellen- und Literaturverzeichnis

178

185

Abkürzungsverzeichnis AStAM



BHKB

=

BKP

=

BStZ BVP

= =

Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Abt I Allgemeines Staatsarchiv Bayerischer Heimat- und Königsbund Bayerische Königspartei Bayerische Staatszeitung Bayerische Volkspartei

DBJ

=

DNVP

=

Deutsches Biographisches Jahrbuch Deutschnationale Volkspartei

=

Florin (Gulden)

=

Bayerisches Gesetzblatt

fl. GBl GWU HZ MBM ME M Inn M Ju MNN RGBl RStGB SPD Sta M ü StBdKdAbg. StGB

=

Geschichte in Wissenschaft und Unterricht

=

Historische Zeitschrift

= =

= = = =

Miscellanea Bavarica Monacensia Ministerialentschließung Kgl. Bayerisches Staatsministerium des Innern Kgl. Bayerisches Staatsministerium der Justiz Münchner Neueste Nachrichten Reichsgesetzblatt Reichsstrafgesetzbuch

=

Sozialdemokratische Partei Deutschlands

=

Staatsarchiv München

= =

USPD

=

ZBLG

=

Stenographische Berichte der Kammer der Abgeordneten Strafgesetzbuch Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte

I. Der Nekrolog, sein Historischer Quellenwert und seine Bedeutung für die neuere Geschichte der Herrscher aus dem Hause Wittelsbach Meyers Lexikon erklärt Nekrolog als „Totenliste, auch Lebensbeschreibung eines kürzlich Verstorbenen und Sammlung solcher Darstellungen" 1 . Verzeichnisse von Todestagen (Nekrologien) wurden schon i n mittelalterlichen Pfarreien und Klöstern angelegt, u m die Abhaltung von Seelenmessen zu erleichtern. Heute verstehen w i r darunter einen „ m i t kurzem Lebensabriß verbundenen Nachruf auf einen Verstorbenen", wie das Große Duden-Lexikon präziser formuliert 2 . Als erste Sammlung von Nekrologen erschien 1791 i n Gotha Friedrich Schlichtegrolls „Nekrolog auf das Jahr 1790. Enthaltend Nachrichten von dem Leben merkwürdiger i n diesem Jahr verstorbener Personen". Bis 1801 erschienen 22 Bände, denen er 1802 bis 1806 noch fünf Bände seines „Nekrologs der Deutschen für das 19. Jahrhundert" folgen ließ. Zwei weitere Nekrologsammlungen knüpften an diese Tradition an: „Der Neue Nekrolog der Deutschen" 1823 bis 18528 und nach langer Unterbrechung Anton Bettelheims „Biographisches Jahrbuch und deutscher Nekrolog" 1897 bis 19144. I m Vorwort zum ersten Band dämpft Schlichtegroll zu hoch gespannte Erwartungen, indem er darauf hinweist, daß er „keine Biographien i m eigentlichen und strengeren Sinne des Wortes" zu schreiben gedenkt 5 . „Was man hingegen hier i m Durchschnitt zu erwarten hat, sind biographische Nachrichten mehr oder weniger fragmentarisch, je nachdem es möglich war, sie zusammen zu bringen 6 ." Auch zum zu erwartenden Inhalt macht er grundsätzliche Vorbemerkungen. So möchte er schlechte Eigenschaften nur bei allgemein anerkannten Bösewichtern erwähnen, i m übrigen aber Negatives verschweigen. „Was wollen w i r uns noch betrüben m i t den Gemählden mensch1

7. Aufl., Bd. 8, Leipzig 1928, S. 1118. Bd. 5, Mannheim 1966, S. 714. 3 Hrsg. von Friedrich August Schmidt, 1. Jg. 1823, Ilmenau 1824. 4 Fortgesetzt als Deutsches Biographisches Jahrbuch, hrsg. vom Verband der deutschen Akademien, Überleitungsband I (1914 - 1916) 1925. δ Nekrolog auf das Jahr 1790, S. 52. 6 Ebenda, S. 53. 2

12

I. Der Nekrolog

licher Schwäche und Verkehrtheit, von der w i r ja genug Erfahrungen i m wirklichen Leben zu machen genöthigt sind 7 !" Schlichtegroll verschanzt sich hier hinter den immer wieder apostrophierten Grundsatz „De mortuis n i l nisi bene". „Ohne daß ich den V o r w u r f fürchte, i n die Classe der bezahlten Leichenredner herabgesunken zu seyn, die alles loben und nichts tadeln, glaube ich, daß jeder billige und feinfühlige Mann den Mittelweg kennt, der hier statt findet und den man niemals ungestraft verläßt 8 ." Die gleiche Auffassung vom Wesen des Nekrologs findet sich i m Großen Brockhaus: „Der Nekrolog i n der seit dem Anfang des 18. Jahrhunderts eingebürgerten Bedeutung würdigt Leben und Wesen eines kürzlich Dahingeschiedenen mehr i n allgemeinen Umrissen und i n einer Weise, die Teilnahme für i h n voraussetzt, seine Schwächen schont und seine Vorzüge besonders betont 9 ." Diese von vornherein als positiv und beschönigend angenommene Haltung eines Nachrufverfassers hat dazu geführt, daß Nekrologe als Geschichtsquellen bislang keine Beachtung gefunden haben. Ich betrachte es daher m i t als Aufgabe dieser Arbeit darzulegen, daß diese Auffassung vom Wesen des Nekrologs nur teilweise richtig ist; denn trotz der bereits zitierten antiken Sentenz, zeigt es sich, daß zumindest seit der Mitte des 19. Jahrhunderts i n der Presse Nachrufe erschienen sind, die diesem Grundsatz nicht mehr entsprechen und keineswegs sine ira et studio über die toten Persönlichkeiten berichten. Ja, es werden sogar sehr negative Stimmen laut, wie zu zeigen sein wird. Es ist nun zu fragen, was Nekrologe eigentlich zu leisten vermögen, welchen Quellenwert sie für den Historiker besitzen. Dabei muß man zunächst beachten, daß Nekrologe zwei Elemente enthalten, einmal eine kurzen Abriß m i t den wichtigsten Daten aus dem Leben des Verstorbenen, zum anderen einen Kommentar zu diesem Leben. Bereits die Auswahl der angeführten Lebensdaten kann natürlich eine Wertung bedeuten. Soweit sich der Nachruf aber auf ein mehr oder weniger vollständiges Datengerüst beschränkt, kann er außer acht gelassen werden. Entscheidend ist also vor allem der Kommentar. 7 8 9

Ebenda, S. 45. Ebenda, S. 46. 15. Aufl., Leipzig 1929, Schlagwort „Biographie".

I. Der Nekrolog

Zeitungen, die etwas auf sich halten, bringen einen oft sehr ausführlichen Kommentar, der manchmal i n Fortsetzungen erscheint, wobei natürlich möglichst fähige Journalisten zu Wort kommen. So ließ sich ζ. B. die „Münchener Zeitung" ihre Nekrologe beim Tode des Prinzregenten und König Ludwigs I I I . von Historikern wie Prof. Dr. Richard Graf du Moulin Eckart bzw. K a r l Alexander von Müller verfassen 10 . Oft werden mangels geeigneter Leute oder auch zusätzlich Nachrufe anderer Zeitungen ganz oder auszugsweise abgedruckt. Der Bewußtseinsstand der einzelnen Verfasser ist natürlich sehr unterschiedlich und spiegelt meistens die politische Richtung seines Blattes wieder. Es eröffnet sich i n diesen Nachrufen das ganze Spektrum der politischen Meinungen der jeweiligen Zeitepoche. Das gilt auch von der Einstellung zu einem verstorbenen Herrscher und zur Monarchie. „Könige, Fürsten, und ihre großen Räthe macht schon der Platz, von wo aus sie auf ihre Zeitgenossen wirken können vorzüglich merkwürdig", wie Schlichtegroll i n seinem Vorwort hervorhebt 1 1 . Gerade Königsnekrologe sind daher besonders ergiebig. Sie bieten den Vorteil, daß hier auf engem Raum das Leben und die Regierungszeit eines Herrschers Revue passieren. Es w i r d hier sozusagen das Resümee seines Wirkens gezogen. Von verschiedenen Seiten leuchten die Verfasser schlaglichtartig die jeweilige Herrscherpersönlichkeit aus. Die schlechte Quellenlage macht es notwendig, sich auf Umwegen die Herrscher aus dem Hause Wittelsbach zu erschließen. Pressequellen können einen wertvollen Beitrag leisten, u m das bis heute noch stark idealisierte, und damit verfälschte B i l d der bayerischen Herrscher zu korrigieren und ins rechte) Licht zu rücken. Dabei läßt sich auch eine Entwicklung feststellen, die man als zunehmende Verbürgerlichung des Herrscherbildes bezeichnen kann, ausgehend von einem ursprünglich vorhandenen Byzantinismus. Dieser ist noch eindeutig bei Max I. Joseph, dem ersten König Bayerns nachweisbar, dessen Tod i n folgender Weise gemeldet w i r d : „König Maximilian Joseph ist nicht mehr! Se. Majestät haben die sechsundzwanzigjährige Laufbahn Ihrer, m i t hoher Weisheit und zahlreichen Wohltaten bezeichneten Regierung i n der verflossenen Nacht 10 11

Vgl. Müller, K a r l Alexander von: I m Wandel einer Welt, S. 109. Nekrolog auf das Jahr 1790, S. 38.

14

I. Der Nekrolog

zu Nymphenburg beschlossen, wo Sie, von einem Schlagflusse plötzlich getroffen allem Anscheine nach höchst ruhig verschieden 12 ." Diese Verlautbarung findet sich nicht nur i n der gesamten bayerischen Presse, sondern auch i n ausländischen Blättern, wie z.B. dem „österreichischen Beobachter" 13 . Ein Kommentar zur Persönlichkeit und zur Regierungszeit erscheint nirgends, was natürlich i m Zusammenhang m i t der Situation der Presse i n Europa i n jener Zeit zu sehen ist. Daher ist es auch nicht möglich, König Max I. i m Rahmen dieser Arbeit zu behandeln; es ergibt sich aber die Notwendigkeit, zunächst auf die Frage einzugehen, wie frei die Presse i n Bayern eigentlich war.

12 13

Münchner Politische Zeitung vom 14.10.1825. Nr. 291 vom 18.10.1825.

I I . Pressezensur, Preßmanipulation und Majestätsbeleidigung in Bayern 1. Die Situation der bayerischen Presse M i t dem Regierungswechsel 1799 trat eine Milderung i m bayerischen Zensurwesen ein. Das Edikt vom 13. Juni 1803 hob die Präventivzensur m i t Ausnahme der „periodischen Schriften politischen oder statistischen Inhalts" 1 auf. Diese Bestimmungen gingen dann auch i n die Verfassungsurkunde von 1818 ein. Denn obwohl die Verfassung i n Titel I V § 11 die Freiheit von Presse und Buchhandel gewährt, schränkt sie diese i m § 2 der I I I . Beilage i m oben erwähnten Bereich wieder ein. Eine detaillierte Instruktion für die Zensur fehlte allerdings. Als diese während des ersten Landtages 1819 anläßlich einer Debatte über die Preßfreiheit gefordert wurde, bekam der Landtag eine Abfuhr, da eine Zensurordnung nicht i n den Wirkungsbereich der Stände fiele 2 . Unter „politisch" wurden zunächst nur Nachrichten zur Außenpolitik verstanden, aber die Karlsbader Beschlüsse vom 20. September 1819 w i r k t e n dahingehend, daß auch die Innenpolitik schärfer überwacht wurde und seit dem 15. J u n i 1823 ebenfalls der Zensur unterlag. Nachrichten über die Ständeversammlung z.B. durften nur i n einer Form veröffentlicht werden, die von der Regierung zugelassen war 3 . I m bayerischen Pressewesen herrschte gewissermaßen eine „Friedhofsruhe" bis zum Tode des ersten Königs. Die Blätter konnten sich nicht entfalten. „Sie enthielten teils nur Nachrichten ohne raisonierende Artikel, teils füllten sie ihre Spalten m i t leichtfertigem Klatsch 4 ." Daher sind auch die Berichte i m Zusammenhang m i t dem Hinscheiden Maximilians I. so unergiebig. Während König Max I. die Pressegesetze streng ausgelegt hatte, wobei er auch einen Widerspruch zur Verfassung nicht scheute, ge1 Doeberl, Michael: Entwicklungsgeschichte Bayerns, Bd. I I , S. 502; vgl. Bayrle, Josef: Die rechtliche Situation der bayerischen Presse von 1818 -1848, S. 14 f. 2 Vgl. Bitterauf, Theodor: Die Zensur der politischen Zeitungen in Bayern 1799 - 1825, S. 331; Bayrle, Josef: Rechtliche Situation, S. 33 ff. 3 Vgl. Salomon , Ludwig: Geschichte des Deutschen Zeitungswesen, Bd. I I I , S. 283; Bayrle, Josef: Rechtliche Situation, S. 37 f. 4 Lempfrid, Wilhelm: Die Anfänge des parteipolitischen Lebens und der politischen Presse in Bayern unter Ludwig I. 1825 - 1831, S. 27.

16

I I . Pressezensur, Preßmanipulation und Majestätsbeleidigung

währte sein Sohn Bayern eine bis dahin nicht denkbare Pressefreiheit, die auch außerhalb des Landes Aufsehen erregte. L u d w i g I., der sich bei seinem Regierungsantritt für liberale Forderungen aufgeschlossen zeigte, lockerte bisher gültige Bestimmungen. A m 22. November 1825 wurde die Zensur für Unterhaltungsblätter aufgehoben, dadurch war der verfassungsmäßige Zustand wiederhergestellt. Eine förmliche Aufhebung für Schriften, die sich m i t innerer Politik beschäftigten, brachte diese Entschließung noch nicht 5 . Doch bereits seit 1829 zeichnet sich wieder ein Wandel ab. Klagen über die „Zügellosigkeit mehrerer censurfrei erscheinender Tagblätt e r " 6 veranlaßten den Monarchen, der immer konservativer wurde, einen Gesetzentwurf i n Auftrag zu geben, „der dem Unwesen der schlechten Tagesblätter steuere, w e i l sie die Stimmung des Volkes gegen i h n und die Regierung verderben" 7 . Die Pariser Julivorgänge 1830 bestärkten sein Mißtrauen. A m 28. Januar 1831 nahm er der Presse die gewährte Freiheit wieder, doch der Widerstand der Liberalen führte zu einer Beschwerde der Abgeordnetenkammer, die den König dazu bewegte, die Zensurverordnung am 12. J u n i erneut aufzuheben und den dafür verantwortlichen Minister von Schenk zu entlassen. Dieses erzwungene Zurückweichen erbitterte den König. Bereits i m März 1832 befahl L u d w i g I. eine Verschärfung der Zensur und ergriff nach dem Hambacher Fest die Initiative, u m den Bund gegen die Presse zu einem gemeinsamen Vorgehen zu bewegen. Die sechs A r t i k e l vom 28. J u n i 1832 entzogen der Presse die Erlaubnis, politische Fragen i n irgendeiner Form zu behandeln, und w i r k t e n somit auch auf die Flugblätterpresse tödlich 8 . M i t dem Ministerium Abel brach ein besonders finsteres Kapitel der bayerischen Pressegeschichte an, denn Abel unterdrückte jede freie Meinungsäußerung m i t Hilfe geheimer Instruktionen, nicht nach allgemein gültigen Normen, wie sie § 4 der Verordnung von 1831 wenigstens enthalten hatte. Diese ermöglichte nämlich noch eine gewisse K r i t i k an der Verwaltung 9 . 6 Auf diesen Umstand verweist Bay rie, Josef: Rechtliche Situation, S. 49; er widerlegt damit die in der Literatur immer wiederkehrende Behauptung, daß durch eine Verordnung vom 24.11.1825 die Zensur für innere Politik aufgehoben worden sei, vgl. z.B. Franz, Eugen: Bayerische Verfassungskämpfe, S. 108. Richtig ist vielmehr, daß sie i m Einverständnis mit dem König stillschweigend geduldet wurde. Amtlich erfolgte dieser Schritt erst durch einen Erlaß vom 22.7.1830. 6 Innenminister von Schenk bei einem Vortrag i m kgl. Staatsrat am 27.1. 1829, A S t A M M Ju 17293. 7 Doeberl, Michael: Entwicklungsgeschichte Bayerns, Bd. I I I , S. 99. 8 Vgl. Franz, Eugen: Bayerische Verfassungskämpfe, S. 235; Bay rie, Josef: Rechtliche Situation, S. 75 ff. 9 Vgl. Bay rie, Josef: Rechtliche Situation, S. 61.

1. Die Situation der bayerischen Presse

17

Auswärtige Blätter mußten sich einer Nachzensur unterwerfen, eine weitere Schikane war das Verbot der Beförderung durch die Post. Besondere Aufmerksamkeit wurde natürlich allen Meldungen über das königliche Haus geschenkt. Nur Nachrichten, die i n der „Allgemeinen Zeitung" und der „Münchner politischen Zeitung" erschienen waren, durften veröffentlicht werden. So konnte es passieren, daß ζ. B. der Abdruck eines Gedichtes zur Eröffnung der Walhalla, „dessen Verfassung ausdrücklich Seiner Majestät dem König zugeschrieben worden ist, während Seine Königliche Majestät der Verfasser dieses Gedichtes nicht sind", die Regierung von Oberbayern i n Aufregung versetzte und zu einer herben Rüge des Zensors führte 1 0 . Erst der Sturz Abels verbesserte wieder die Situation der Presse. A m 16. Dezember 1847 wurde die Zensur für innere Angelegenheiten aufgehoben und schon bald darauf, am 6. März 1848, mußte unter dem Druck der Verhältnisse L u d w i g I. vollständige Pressefreiheit versprechen. Die neue Regierung legte dem Landtag ein Preßedikt vor, das dann am 4. J u n i Gesetz wurde. Dieses „Edikt über die Freiheit der Presse und des Buchhandels" 11 löste die I I I . Verfassungsbeilage ab und ermöglichte erstmals die ungehinderte Veröffentlichung i n allen Bereichen. Nach § 8 konnte eine polizeiliche Beschlagnahme nur „wegen Übertretung eines i n der Verfügung anzuführenden Strafgesetzes geschehen", und mußte „die Einleitung des i n den Gesetzen bestimmten strafgerichtlichen Verfahrens längstens binnen 8 Tagen nach sich ziehen" 1 2 . Die Epoche völliger Pressefreiheit war aber zu sehr m i t der gescheiterten Revolution verbunden und daher nur von kurzer Dauer. Beschlagnahmen wurden immer häufiger, dabei bewährte sich allerdings die „Märzerrungenschaft" der Schwurgerichte, deren Urteile meist nicht den Erwartungen der Obrigkeit entsprachen. So wurde ζ. B. der Freispruch Vecchionis 1849 heftig kritisiert 1 3 . I m gleichen Jahr setzte zunehmend eine Kampagne konservativer Kreise ein, die gegen den bestehenden Zustand Stimmung machte. „ N u n aber da die Presse eine Bahn eingeschlagen, die auf den U m sturz nicht bloß der gesetzlichen Ordnung des Staats, sondern auch aller Grundlagen der Gesellschaft und Familie hinausgeht, wäre Schweigen von unserer Seite Pflichtvergessenheit." M i t diesen Worten 10

Sta M ü A R Fase. 2825 Nr. 1492. GBl, Nr. 12 vom 13. 6.1848, S. 89 ff. 12 GBl, Nr. 12 vom 13. 6.1848, S. 93. 13 Vgl. Hoff mann, Kurt: Sturm und Drang in der politischen Presse Bayerns 1848 - 1850, in: Z B L G 3, 1930, S. 226. 11

2 Ursel

18

I I . Pressezensur, Preßmanipulation und Majestätsbeleidigung

wendet sich der „Verein für constitutionelle Monarchie und religiöse Freiheit" am 18. März 1849 an König Max II. „Darum erheben w i r unsere Stimme vor Eurer Majestät neugebildetem Ministerium und verkünden laut vor dem ganzen Volke, solchen verderblichen Frevel, wie er i n keiner geordneten Republik straflos geduldet wird, können und dürfen w i r Bürger einer constitutionellen Monarchie uns nicht länger gefallen lassen. W i r haben das Recht, w i r haben die Pflicht, die ernsteste Pflicht, Schutz und schleunige Abhilfe zu1 verlangen 1 4 ." Solche Stimmen kamen der Regierung sehr gelegen. Zunächst erhielten die Polizeibehörden die Anweisung, möglichst häufig Konzessionen zu entziehen 15 . Als dann i m Landtag ab September 1849 eine konservative Mehrheit gesichert war, wurde sehr bald eine Vorlage für ein „Gesetz zum Schutz gegen den Mißbrauch der Presse" eingebracht. Dieses Gesetz vom 17. März 185016, das ein Preßstrafrecht und pressepolizeiliche Bestimmungen enthielt, führte dann auch zum gewünschten Erfolg, denn ein oppositionelles Blatt nach dem anderen mußte auf Grund der ständigen Beschlagnahmen sein Erscheinen einstellen. Die Stimmung vieler Journalisten brachte i n jenen Tagen folgende „Todes-Anzeige" zum Ausdruck, die der „Münchener Punsch" noch drucken konnte: „Dem unerforschlichen Ratschluß der Majorität hat es gefallen, unsere innigstgeliebte Preßfreiheit Königl. Märzproklamations-Tocher von hier, gestern Abends halb 6 Uhr, versehen mit vielen scheinheiligen Sterbmodifikationen, nach einem 12 tägigen Leiden aus diesem Reichskammerthal in ein besseres Jenseits abzurufen. Sie war eine gesunde und kräftige Jungfrau, doch das Preßgesetz kam ihr zu früh, und die schweren Strafen, die jedem Drucker in Aussicht standen, beugten sie nieder. Der § 44 (wer zwei M a l verurtheilt ist, kann nimmer redigieren) blieb ihr im Magen liegen, und der Artikel von der gewerbspolizeilichen Einziehung der Concessionen schlug sich ihr auf die Brust. Selbst die Fontanelle, welche ihr mit dem letzten Artikel gesetzt wurde, daß nämlich die Geschworenen allzeit gefragt werden müssen, ob keine mildernden Umstände vorhanden sind, war nicht mehr im Stande, die aufgenommenen schädlichen Materien zu vernichten. Auch war die ganze Behandlung so falsch, daß sie gezwungen wurde, den Geist ganz aufzugeben, nachdem sie vorher noch vom Schleimschlag gerührt worden war. 14 15 16

A S t A M M Ju 17306. Vgl. Hoffmann, Kurt: Sturm und Drang, S. 227. GBl, Nr. 11 vom 20. 3.1850, S. 85 ff.

1. Die Situation der bayerischen Presse

19

Wer den lebenslustigen, ungenierten Charakter der Verblichenen kannte, wird unseren herben Verlust zu schätzen wissen. W i r hatten längst die schmerzliche Ahnung, daß sie ihrer kürzlich verschiedenen Freundin, der Emanzipation, alsbald in die Gruft nachfolgen würde. Indem wir den würdigen Priestern, die ihr am Sterbebett so liebevollen Trost zusprachen, was namentlich von Herrn Pfarrer Westermeyer geschah, hiemit unseren öffentlichen Dank abstatten, empfehlen wir die Preßfreiheit dem frommen Andenken, uns selbst aber der viertel-, halb- und ganzjährigen Theilnahme München, den 23. Februar 1850 Münchener Punsch, mit einem unmündigen Redakteur, als Sohn Nürnberger Kurier, als Onkel Nürnberger Correspondent, als Firmpathe Augsburger Allgemeine, als entfernte Großtante und sämtliche Bekanntschaft. Die Beerdigung findet in ungefähr 8 Tagen von dem Reichsraths-Leichenhause aus statt. — Das Requiem findet statt im Gesetzblatt und in einigen Traueramtlichen Blättern. Das Libera nos Domine nebst Dies irae wird in unbestimmter Zeit vom Volk gesungen werden, wozu alle Freunde der Verstorbenen höflichst eingeladen sind 17 ."

Erst 1870 unternahm eine Gruppe liberaler Abgeordneter u m Dr. Frankenburger den Versuch, ein neues Preßgesetz anstelle der beiden von 1848 und 1850 zu erreichen. Dafür sprach auch der Umstand, daß durch die neue Strafgesetzgebung von 1861 nur noch 21 von 55 A r t i k e l n des „Gesetzes zum Schutz gegen den Mißbrauch der Presse" i n Geltung waren und auch m i t dem neuen Gewerbegesetz keine volle Übereinstimmung bestand. Das Innenministerium bat daraufhin die Regierungspräsidenten u m Gutachten zum Antrag Frankenburgers, welche zum Teil ebenfalls für eine Neuregelung des Beschlagnahmeverfahrens eintraten 1 8 . Bezeichnend für die inzwischen veränderte politische Landschaft ist die Tatsache, daß den konservativen Kräften dieser Antrag nicht weit genug ging. „ W i r wollen eine gründlichere Reform des Preßgesetzes, eine w i r k liche Preßfreiheit", schrieb damals die „Neue Augsburger Zeitung" 1 9 . Obwohl Frankenburgers Antrag i n der Abgeordnetenkammer eine Mehrheit gefunden hatte, scheiterte das Reformvorhaben, da i h m die Kammer der Reichsräte am 18. M a i 1870 die Zustimmung versagte. 17

Münchener Punsch, 3. Bd., Nr. 8 vom 24. 2.1850. Die Regierungspräsidenten von Schwaben-Neuburg und der Oberpfalz beklagen, daß polizeiliche Beschlagnahmen häufig wiederaufgehoben worden seien, wodurch die polizeiliche Autorität Schaden gelitten habe. A S t A M M Inn 65592. 19 Nr. 25 vom 25.1.1870. 18

2*

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I I . Pressezensur, Preßmanipulation und Majestätsbeleidigung

Durch Bayerns E i n t r i t t i n das Deutsche Reich wurde aber schon einige Jahre später m i t dem Reichs-Preßgesetz vom 7. M a i 1874 eine neue rechtliche Grundlage geschaffen 20 . „Es war trotz mancher Unvollkommenheiten eines der Hauptstücke der liberalen Gesetzgebung aus der Zeit der sich vollendenden Reichsgründung 21 ." Die Einschränkung des politischen Beschlagnahmerechts ist hier vor allem hervorzuheben. Soweit das Gesetz vom 17. März 1850 noch galt, wurde es durch das Ausführungsgesetz zur Reichs-Strafprozeßordnung vom 18. August 1879 endgültig aufgehoben 22 . Erst der Weltkrieg 1914/18 brachte wieder einschneidende Beschränkungen i m Pressewesen „zur Erhaltung der öffentlichen Sicherheit" 23 . 2. Die Überwachung der Presse nach 1850 „Der Schranken für die Presse gibt es zwei Gattungen, präventive und repressive. Die Prävention, eigentlich i n dem Institut der Censur kulminirend, ergreift die Preßerzeugnisse, ehe sie zur Veröffentlichung gelangen, sie beurtheilt dieselben i n der Wiege und bestimmt, was von dem zur Veröffentlichung bestimmten vors Publikum treten soll, oder nicht. Die Repression gibt die Veröffentlichung frei, sie straft nur nachträglich den Mißbrauch, und hemmt nachträglich die Verbreitung, vernichtet das Veröffentlichte, soweit es noch thunlich ist 2 4 ." Beide Systeme, die hier Fürst von Oettingen-Wallerstein i n einer der großen Preßdebatten des Landtages voneinander abhebt, hatte Bayern zu spüren bekommen: vor 1848 das präventive, seit 1850 das repressive. M i t Beschlagnahmen ging man nicht gerade zimperlich u m und bezog sich auch auf das, was vielleicht zwischen den Zeilen stehen konnte. „ I n diesem Sinne aber ist die Censur selbst vor dem Jahre 1848 niemals ausgeübt worden. Man hat damals die Censur immer beschränkt auf dasjenige, was i n dem A r t i k e l ausgesprochen war, nicht aber angewendet auf dasjenige, was zwischen den Zeilen steht 2 5 ." I n der Pressdebatte des Jahres 1859, i n der dieser V o r w u r f erhoben wurde, brachte vor allem der liberale Abgeordnete Brater eine Reihe von Mißständen zur Sprache. Anlaß war eine Beschwerde des Redakteurs des „Volksboten für den Bürger und Landmann" Ernst Zander 20

RGBl, Nr. 16, S. 64 ff. Fischer-Frauendienst, Irene: Bismarcks Pressepolitik, S. 21. Vgl. Seydel, M a x von: Bayerisches Staatsrecht, Bd. 5, 1. Abt., 1890, S. 115. 23 Vgl. Pfleger, Franz Jos.: Das Recht der Zensur in Bayern, in: Bayerischer Kurier, Nr. 246 vom 2. 9.1916. 24 StBdKdAbg. 1855, Bd. I I , S. 126. 25 StBdKdAbg. 1859, Bd. I, S. 179, Abg. Lasaulx. 21

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2. Die Überwachung der Presse nach 1850

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gewesen, dessen Blatt innerhalb von 7 Jahren 88mal beschlagnahmt worden war. Doch nur 14mal wurde die Nummer gerichtlich unterdrückt und nur 2mal der Herausgeber vor Gericht gestellt. Dies zeigt, wie häufig die Polizei eingeschritten ist. I m Bericht der Regierung von Oberbayern an das Innenministerium für das Jahr 1857 werden 21 Beschlagnahmen aufgeführt, wobei allein 13 auf den „Volksboten" m i t „seiner bekannten Tendenz der Intoleranz und des Hohns gegen polizeiliche Einrichtungen" entfallen 2 6 . Auch i m darauffolgenden Jahr betreffen zehn von fünfzehn Einschreitungen gegen oberbayerische Blätter dieses Presseorgan. Der eigentliche Mißstand aber, den man nur als Polizeiwillkür bezeichnen kann, lag darin, daß die Blätter, nachdem keine gerichtliche Untersuchung stattfand, oft wochenlang nicht freigegeben wurden 2 7 . Eine weitere Schikane war die erneute Beschlagnahme freigegebener Artikel. Es kam auch vor, daß A r t i k e l i n einer Zeitung unbeanstandet blieben, während Redakteure einer anderen Zeitung, die den gleichen A r t i k e l abgedruckt hatten, deswegen zur Rechenschaft gezogen wurden 2 8 . Für eine beschlagnahmte Nummer durften Ersatznummern erscheinen, aber auch hier gab es eine Methode, die den Zeitungen zum Verhängnis werden konnte. Brater beschreibt sie folgendermaßen: „ M a n kann ein Blatt auf zweifache A r t zu ruinieren suchen: indem man i h m die Herausgabe von Ersatznummern gestattet und es soviel wie möglich durch gehäufte Beschlagnahmen zur Herausgabe solcher Ersatznummern nöthigt; man kann aber auch ein Blatt zu ruinieren suchen, daß man i h m die Herausgabe von Ersatznummern nicht gestattet 29 ." I m ersten Falle war die finanzielle Belastung auf die Dauer zu hoch, i m zweiten mußte i m Laufe der Zeit infolge des unregelmäßigen Erscheinens zumindest ein Teil der Leserschaft die Lust am Abonnement dieser Zeitimg verlieren. Auch die Ausweisung von Redakteuren gehörte m i t zu diesem System, das Brater nicht zu Unrecht als „Preßterrorismus" bezeichnet 30 . Erst das Reichs-Preßgesetz von 1874 erschwerte dem Staat das Vorgehen gegen oppositionelle K r i t i k i n der Presse. Aber auch danach 26 Betreff den Vollzug des Gesetzes vom 7. März 1850 den Schutz gegen den Mißbrauch der Presse, A S t A M M I n n 46670. 27 Nach § 8 des Ediktes über die Freiheit der Presse hätte die Freigabe erfolgen müssen, wenn nicht binnen 8 Tagen eine Untersuchung erfolgte, GBl Nr. 12 vom 13. 6.1848, S. 93. 28 Vgl. StBdKdAbg. 1870, Bd. I I , S. 46. 29 StBdKdAbg. 1859, Bd. I, S. 185. 30 Ebenda.

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I I . Pressezensur, Preßmanipulation und Majestätsbeleidigung

wurden alle Angriffe von den Behörden sorgfältig registriert, wenn auch, wie m i t Bedauern häufig festgestellt wird, „bei den engen Grenzen, welche den Polizeibehörden durch das deutsche Preß-Gesetz i n Preßangelegenheiten gezogen sind", dagegen wenig unternommen werden konnte 3 1 . I n diesem F a l l hatte das Kriegsministerium an Zeitungsartikeln Anstoß genommen, die Mißstände i m Bayerischen Heer anprangerten 32 . Das Innenministerium sah sich daraufhin veranlaßt, die Regierungen und diese wiederum die untergeordneten Dienststellen aufzufordern, „diesem Gegenstande Ihre besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden und zur erfolgreichen Bekämpfung der fraglichen Ausschreitungen i n Bezug auf die Aufsicht der Presse pflichtgemäß und energisch mitzuwirken"33. Auch das Justizministerium sah „die öffentliche Ordnung durch die Fortdauer solch zersetzender Einflüsse i n Frage gestellt" 3 4 . A m 21. Oktober 1878 war das Ausnahmegesetz gegen die Sozialdemokraten erlassen worden, wobei Bismarck von dem i n § 30 des Preßgesetzes vorgesehenen Notstandsbestimmungen Gebrauch machte. Kurz darauf, am 5. November 1878, erließ das bayerische Innenministerium eine Ministerialentschließung, die von den Regierungen und der Polizei-Direktion München Erhebungen über Vorleben, Leumund und Bestrafungen aller Verleger, Unternehmer und Redakteure der bayerischen Zeitungen und Zeitschriften verlangte. Die Akten bringen diese Untersuchung nicht i n kausalen Zusammenhang zum „Sozialistengesetz", dennoch dürfte die zeitliche Nähe nicht ganz zufällig sein. Auch eine erhoffte Revision des i n Bayern als ungenügend empfundenen Reichs-Preßgesetzes von 1874 mag dabei eine Rolle gespielt haben. Offiziell beruft sich das Innenministerium auf die „Wahrnehmung, daß ein großer Theil der periodischen Presse täglich i n zahllosen Exemplaren die bedenklichsten Kundgebungen der Oeffentlichkeit überliefert und hierdurch auf die Volkssitten und das ganze öffentliche Leben den verderblichsten Einfluß äußert" 3 5 . 31 Schreiben der kgl. Bayerischen Regierung der Pfalz an das Innenministerium, Betreff: Aufsicht auf die Presse zum Erlaß vom 7.2.1880, A S t A M M Inn 65613. 32 Bayerische Zeitung vom 30.11.1879; Würzburger Glöckli vom 20.12.1879. 33 A S t A M M Inn 65613. 34 Schreiben des Justizministers an den Oberstaatsanwalt am kgl. Oberlandesgericht vom 19. 2.1880, A S t A M M I n n 65613. 35 Antrag des Innenministeriums an den König vom 3. 2.1879, A S t A M M I n n 65594.

2. Die Überwachung der Presse nach 1850

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Nachdem die Berichte i m Laufe der Monate Dezember und Januar eingetroffen waren, wurden sie am 3. Februar 1879 L u d w i g I I . zugeleitet, der sie zwei Tage später i n Hohenschwangau vorgelegt bekam. Das Begleitschreiben an den König stellt bereits als Ergebnis fest, daß von den untersuchten 315 Blättern 42 „ i n bedenklichen Händen" liegen 36 . Ein Auszug dieser Aufstellung wurde dem Justizministerium zugestellt. Hier sind die „schwarzen Schafe" nochmals besonders zusammengefaßt 37 . Obwohl die Begleitschreiben vorgeben, daß sich die Untersuchung vor allem gegen die „sogenannte Revolverpresse" richte, enthält sie auch die Daten der ultramontanen Journalisten und Verleger 3 8 . Bereits ultramontane Gesinnung ist verdächtig, denn ultramontan w i r d m i t regierungsfeindlich gleichgesetzt, wie z.B. bei Josef Knab, dem Herausgeber des „Arbeiterfreundes". Suspekt ist daher auch die Haltung Dr. Max Huttiers, eines ehemaligen Benediktiner-Ordenspriesters. Dieser nahm i m katholischen Zeitungswesen Bayerns eine führende Rolle ein, denn er gründete einen kleinen Konzern, der aus der „Augsburger Postzeitung", der „Neuen Augsburger Zeitung" und dem „Bayerischen K u r i e r " bestand. Letztgenanntes Blatt war das Hauptorgan der Patriotenpartei. Während Huttier der gemäßigt klerikalen Richtung angehörte, w u r den Dr. Sigi und Dr. Schäffler dem radikalen Flügel zugerechnet, der sich 1871 von den Patrioten getrennt und eine katholische Volkspartei gebildet hatte 3 9 . Sigls Persönlichkeit war so markant und hatte so oft schon die Behörden beschäftigt, daß i h m i n dieser Erhebung breiter Raum gewidmet werden muß. „ I m Jahre 1869 übernahm Sigi die Redaktion und den Verlag des „Bayerischen Vaterland", welches Blatt durch seine extrem ultramontane Tendenz, sowie durch seinen Haß gegen Preußen und das Deutsche Reich berüchtigt geworden ist 4 0 ." A l l e i n 1870 wurde sein Blatt während des deutsch-französischen Krieges gegen einhundertmal beschlagnahmt. 36

A S t A M M I n n 65594. A S t A M M Ju 17321. 38 Vgl. Ursel, Ernst: Die bayerischen Journalisten im Spiegel der Polizeiakten 1878/79 — Ein Beitrag zur Arbeit der Behörden in der Ära Lutz, in: Z B L G 36, 1973, Heft 1, S. 388 ff. 39 Vgl. Harrer, Charlotte: Die Geschichte der Münchener Tagespresse 1870/1890, S. 107. 40 A S t A M M Inn 65594 und M Ju 17321. 37

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I I . Pressezensur, Preßmanipulation und Majestätsbeleidigung

Wesentlich schlechter als Sigi schneidet sein Gesinnungsgenosse Schäffler aus Regensburg ab, denn er w i r d als Denunziant hingestellt, der „Gewandtheit i n der Intrigue" besitzt und „jesuitische Grundsätze" befolgt 4 1 . N u r wenige Vertreter der katholischen Presse kommen glimpflich davon. Dazu gehören Joseph Bucher, der Herausgeber der „Donauzeitung", und Johann Edmund Jörg m i t seinen „Historisch-politischen Blättern für das katholische Deutschland". Aber auch diese angesehenen Vertreter, denen ein guter Leumund zugebilligt werden muß, stehen auf der „schwarzen Liste", die dem Justizministerium zugeleitet wurde. Vergebens sucht man dagegen darauf Namen von liberalen Journalisten, obwohl nicht alle eine weiße Weste besaßen. Denn liberal bedeutete soviel wie regierungsfreundlich und zeugte zugleich von „anständiger Gesinnung". Hier zeichnet sich ganz deutlich eine Manipulation der Meinungsbildung ab. Die Feststellung von Horst Hesse, daß „bei behördeninternen Berichten Eigeninteressen der Selbstdarstellung m i t der Sachinformation oft sehr eng verbunden" waren, findet auch i n diesen Akten eine Bestätigung 42 . Sowohl dem König wie auch den Beamten des Justizressorts w i r d eine „Ausschließung zweifelhafter Subjekte von der Betheiligung an der Herausgabe periodischer Schriften" nahegelegt 43 . Dazu zählen aber offensichtlich ebenso sämtliche katholisch-konservativen Verleger und Redakteure. Die Vertreter der sozialdemokratischen Presse wie Jakob Endres von der „Augsburger Volkszeitung" und Carl Grillenberger von der „Fränkischen Tagespost" kommen vergleichsweise noch relativ gut i n den Erhebungen weg. Seit dem Jahr 1850, i n dem das Gesetz zum Schutz gegen den Mißbrauch der Presse erlassen worden war, verlangte das Innenminister i u m von den Bezirksregierungen Aufstellungen über die i n Bayern erscheinenden Zeitungen und periodischen Schriften politischen I n halts. Darin mußte über Auflagenstärke, Eigentümer und verantwortliche Redakteure Auskunft erteilt werden. 41

A S t A M M Inn 65594 und M Ju 17321. Hesse, Horst: Behördeninterne Information über die Volksstimmung zur Zeit des liberal-ultramontanen Parteikampfes 1868/69, in Z B L G 34, 1971, Heft 2, S. 636. 43 A S t A M M I n n 65594 und M Ju 17321. 42

3. Die Einwirkung auf die Presse

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Während für das Jahr 1864 noch ein vollständiges Verzeichnis aller Blätter erstellt wurde, genügte i n den folgenden Jahren die Registrierung der Veränderungen und Zugänge 44 . I m Jahre 1871 tauchen dabei erstmals i n einem Bericht aus der Oberpfalz Bemerkungen auf, die eine politische Einordnung der Zeitungen nach „liberal" und „klerikal" vornehmen 45 . Auch i n den übrigen Aufstellungen finden sich seit Anfang der 70er Jahre derartige, allerdings m i t Bleistift nachträglich ergänzte, Bemerkungen. Hier zeigen sich die ersten Auswirkungen der zunehmenden Politisierung, die auch die Presse als Agitationsmittel erfaßt. Durch eine Ministerialerschließung vom 7. Januar 1875 w i r d wieder ein alljährlich erstelltes vollständiges Verzeichnis der politischen Zeitungen verlangt. Z u den zusätzlich geforderten Angaben gehört jetzt auch die „politische Parteirichtung (ausgedrückt kurz durch: »liberar, ,ultramontan 4 ,,klerikal·, »demokratisch',,farblos* u. dgl.)" 4 e . Bis zum Jahr 1900 erscheinen zu Beginn eines jeden Jahres diese amtlichen Pressestatistiken 47 . Bezeichnend ist dabei die Tatsache, daß die Klassifikation vom Wohlverhalten gegenüber der Regierung abhängig gewesen ist. War die Tendenz des „Bayerischen Vaterlandes" i n der Übersicht für 1885 noch als „extrem ultramontan, m i t Vorliebe für sozialistische Blätter Partei ergreifend" eingestuft worden, so honorierte man seine proministerielle Haltung während der Regentschaftsübernahme i m folgenden Jahr m i t der Beurteilung „gemäßigt klerikal" 4 8 . 3· Die Einwirkung auf die Presse Max I I . war sich der Tatsache wohl bewußt, daß die Preßgesetzgebung i n Bayern nicht übermäßig streng war. I n einem Signât vom 5. Oktober 1863, i n dem er eine sorgfältige Überwachung der Nürnberger Presse verlangt, fordert er daher, „daß man die Gesetze strenge gegen dieselbe handhaben möge, damit der Nachteil, den die große 44

A S t A M M I n n 46670/71. AStAMl M I n n 46670. A S t A M M I n n 46671. 47 Durch M E Nr. 2449 vom 3. 2.1900 wurde von Innenminister Feilitzsch die Einstellung verfügt, A S t A M M Inn 46676. 48 A S t A M M I n n 46673; vgl. auch Möckl, Karl: Die Prinzregentenzeit, S. 127. Da die Statistiken im Grunde wenig Aussagekraft besitzen, wird auf eine weitergehende Auswertung verzichtet. 45

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I I . Pressezensur, Preßmanipulation und Majestätsbeleidigung

Milde des Gesetzes zur Folge hat, nicht auch noch durch Schwäche des Gesetzesvollzuges vergrößert werde" 4 9 . Immer wieder tauchen auch i n den A k t e n Klagen der Behörden über die bestehende Preßgesetzgebung auf. Das gilt sowohl für das Gesetz von 1850 als auch für das Reichs-Preßgesetz von 1874. So klagt ζ. B. Justizminister von Pfretzschner 1866, „daß die gegenwärtige Handhabung des Artikels 47 des Preßgesetzes vom 17. März 1850 nicht denjenigen Schutz gegen Verbreitung falscher Nachrichten und ungerechtfertigter, böswilliger Angriffe gewährt, welche die K . Staatsregierung gegenüber der Haltung eines bekannten Theiles der Presse notwendig bedarf" 5 0 . Auch vom Reichs-Preßgesetz war die Staatsregierung überzeugt, „daß das Gesetz die richtige Mitte i n Wahrung der verschiedenen, hier einander gegenüberstehenden Interessen nicht getroffen habe" 5 1 . Die bayerische Regierung war daher auch für eine Verschärfung der §§ 130,130 a und 131 des RStGB eingetreten. Da die gesetzliche Regelung den behördlichen Einfluß auf die Presse erschwerte, mußten andere M i t t e l versucht werden. Als wirksames Druckmittel erwiesen sich die amtlichen Ausschreibungen und Bekanntmachungen, an deren Abdruck alle Blätter aus finanziellen Gründen i n höchstem Grade interessiert waren. I m Jahre 1853 erschien sogar ein Verzeichnis der Blätter, die sich nach Ansicht der Regierung für amtliche Inserate eigneten. Diesen war ein weiteres Verzeichnis von Zeitungen beigefügt, „welchen wegen ihrer regierungsfeindlichen Haltung zur Zeit amtliche Inserate zu entziehen sind" 5 2 . Während i n den 50er Jahren die ausgesprochen liberalen Blätter auf dem „Index" standen, waren unter der Regierung L u d w i g I I . vorwiegend diese Blätter begünstigt. „Es ist eine alte Klage, daß unsere bayerischen Amtsblätter i n ihrer heutigen Einrichtung recht eigentlich dazu dienen, damit unter der deckenden Flagge der Regierung die Bevölkerung für die „liberale Partei" bearbeitet werden kann", schreibt 1881 der Erlanger Korrespondent der „Deutschen Reichs-Post" 53 . 49 Zitiert bei Leni c, Leonhard: Revolutionär-kommunistische Umtriebe im Königreich Bayern. Ein Beitrag zur Entwicklung von Staat und Gesellschaft 1848 - 1864, in Z B L G 28, 1965, S. 606. 50 A S t A M M Inn! 65589. 51 Äußerungen der bayerischen Staatsregierung zu den Entwürfen eines Reichs-Preßgesetzes vom 22. 3.1880, A S t A M M Ju 17324. 52 Sta M ü A R Fase. 2825 Nr. 1493. 53 Nr. 225 vom 27. 9.1881. Das Blatt war das Zentralorgan der Konservativen Süddeutschlands.

3. Die Einwirkung auf die Presse

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Über diesen Zustand beschwert sich auch ein Brief des Grafen Ludwig von Pückler-Limpurg an Innenminister von Feilitzsch. Er wendet sich dagegen, daß der „Fränkische K u r i e r " als Anzeigenblatt verwendet wird, da er durch „Kritisierung alles Edleren und einigermaßen conservativ Erscheinenden" einen negativen Einfluß ausübe. Dagegen empfehle sich der „Korrespondent von und für Deutschland", den er als „anständiges B l a t t " bezeichnet, für diese Funktion 5 4 . Wie wichtig die amtlichen Inserate waren, zeigen die vielen B i t t schriften u m die Abdruckerlaubnis 55 , aber auch die Tatsache, daß die Androhung des Entzuges dieser Vergünstigung die „Allgemeine Zeitung" 1890/91 zu einer politischen Kurskorrektur gezwungen hat 5 6 . Neben den amtlichen Bekanntmachungen gab es eine Reihe weiterer Einwirkungsmöglichkeiten auf die Presse. Sie wurden i n einer vertraulichen Stellungnahme der Polizeidirektion München an das Innenministerium vom 30. A p r i l 1880 aufgeführt 5 7 . Dazu gehörte die Verwarnung, die für eine gewisse Zeit einschüchternde Wirkung besaß, da sie bei einer strafrechtlichen Verfolgung „als wesentliches Belastungsmoment für die bewußte Rechtswidrigkeit i n die Waagschale fallen würde". Ähnlich verhielt es sich auch m i t der Herbeizitierung von Redakteuren, die zu einer „besseren Überzeugung" gebracht werden sollten. Bei diesem Verfahren w i r d aber zu sparsamer Verwendung geraten, „ w e i l das an sich schätzenswerthe M i t t e l nicht durch allzu häufige A n wendung abgenützt werden darf". Außerdem gab es keine gesetzliche Verpflichtung dazu. Daneben konnten die Behörden auch wesentlich subtiler vorgehen, indem sie den Presseleuten von sich aus Material anboten und so die Meinungsbildung beeinflußten. Die Vorstellung, daß man der Presse auch m i t Geld unter die Arme greifen könnte, weist der Verfasser i n der Stellungnahme weit von sich. Dennoch muß darauf verwiesen werden, daß die Käuflichkeit der Presse ebenfalls i n diesen Rahmen gehört. Es ist bekannt, daß Bismarck m i t dem Weifenfonds die meisten deutschen Blätter i n seine Hand bekommen hatte 5 8 , wozu so bedeutende bayerische Blätter wie die „Münchner Neuesten Nachrichten" und die „Augsburger Allgemeine Zeitung" zählten. 64 55 56 57 58

Brief vom 14. 2.1887, A S t A M M Inn 65591. ζ. B. A S t A M M Inn 65591 und Sta M ü RA Fase. 3783 Nr. 57785. Vgl. Harrer, Charlotte: Münchener Tagespresse, S. 65. A S t A M M Inn 65591. Fischer-Frauendienst, Irene: Bismarcks Pressepolitik, S. 60 und S. 69.

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I I . Pressezensur, Preßmanipulation und Majestätsbeleidigung

Aber auch die bayerische Regierung besaß einen Preßfond zur Subvention regierungsfreundlicher Zeitungen und Einzelpersonen 59 . Eine ausgesprochene Regierungspresse hatte es vor der Gründung des Staatsanzeigers i m Jahre 1912 nur zeitweise gegeben. Allerdings w u r den schon seit den 30er Jahren bestimmte, meist recht farblose Blätter zum amtlichen Abonnement empfohlen 60 . M i t der Einführung der Preßfreiheit wuchs aber das Interesse der Regierung an einem Organ, das der Selbstdarstellung und Rechtfertigung dienen sollte. Max I I . schätzte die Bedeutung der Presse sehr hoch ein, das verrät unter anderem ein Schreiben an den Innenminister Graf von Reigersberg aus dem Jahre 1855: „Die Macht der öffentlichen Meinung ist heutzutage zu groß, als daß die Regierungen sich deren sorgfältiger Berücksichtigung entziehen könnten . . . Desto gebieterischer t r i t t für die Regierungen die Notwendigkeit zu Tage, durch alle ihr zu Gebote stehenden Mittel, namentlich durch die Presse auf die öffentliche Stimmung einzuwirken 6 1 ." Schon i m Juni 1848 hatte die Staatsregierung auf Anregung des Königs einen Vertrag m i t der Besitzerin der „Münchener Politischen Zeitung" geschlossen. A b J u l i desselben Jahres erschien das Blatt m i t dem Namen „Neue Münchener Zeitung" unter der Redaktion eines Mannes, der vertragsgemäß von der Regierung anzustellen war. I n einem Rundschreiben an alle Behörden wurde das Blatt empfohlen 62 , ab 1854 erfolgte dann sogar ein Zwangsabonnement. Trotzdem betrieb die Regierung eine Verschleierungstaktik und bekannte sich nicht zu ihrem Blatt, das selbstverständlich die politische Kursänderung der Ä r a Reigersberg mitmachen mußte 6 3 . Das Bemühen, einen offiziellen Anstrich zu meiden, rührte einmal aus der Abneigung, die i n der Bevölkerung gegen offizielle Organe vorhanden war, und zum anderen aus dem Vorteil, den die Anonymität bot. Dennoch ließ man sich i n Bayern und anderswo nicht für dumm verkaufen, was die geringe Auflagenzahl beweist 64 , die auch durch die 59

Die Ausgaben auf Pressfonds pro 1869, bei: Harrer, Charlotte: Münchener Tagespresse, S. 64. 60 Bayerische Annalen, Gelehrte Anzeigen, Münchener Politische Zeitung u. a. 61 A S t A M M Inn 44373 (im A k t nicht mehr vorhanden); auch bei Lenk, Leonhard: Revolutionär-kommunistische Umtriebe, S. 618 f. 62 Vgl. Rau, Heinz: Die Münchner Regierungspresse in der Zeit von 1848 bis 1868, S. 15. 03 Ebenda, S. 23. 64 Vgl. Rau, Heinz: Die Münchner Regierungspresse, S. 45.

3. Die Einwirkung auf die Presse

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Tätigkeit W. H. Riehls und die unter i h m erfolgte Reorganisation nicht gesteigert wurde. 1862 vollzog sich auf Anregung des Monarchen die Übernahme des Blattes durch den Staat. Es erschien ab 15. A p r i l als „Bayerische Zeitung" unter der Aufsicht des Außenministeriums, seit 1866 des Innenministeriums. A u f Betreiben Hohenlohes wurde es 1867 unter Doppelaufsicht beider Ministerien genommen. Doch m i t dem Krieg von 1866 hatte das Blatt sein Ansehen verloren. Die Mitteilungen des Kriegsministeriums über Gefechte und Verluste erschienen nämlich erst nach acht Tagen. Die Enttäuschung führte zu einem beträchtlichen Absinken der Abonnentenzahl 65 . Hohenlohe betrieb daher m i t Einwilligung von König L u d w i g I I . die Gründung eines offiziösen Presseorgans, dessen Wirkung er höher einschätzte. Als Herausgeber und Redakteur der Zeitung, die ab 1. Oktober 1866 als „Süddeutsche Presse" erschien, wurde Julius Fröbel bestimmt, ein Mann m i t bewegtem Lebenslauf 66 . U m den Anschein der Identität m i t der „Bayerischen Zeitung" zu vermeiden, ließ Fröbel eine Probenummer erscheinen, aber auch i h m gelang kein Einbruch i n den m i t liberalen und klerikalen Blättern besetzten Zeitungsmarkt. Dies führte zu einer Auflösung des Vertragsverhältnisses zum 31. Dezember 1868. 1869 richtete die Regierung vorübergehend ein Preßbüro i m Innenministerium ein, das den Journalisten Informationen zukommen lassen sollte. Ein anderes Instrument bayerischer Pressepolitik war die vom ehemaligen Zweibrücker Studienlehrer Hoffmann gegründete Korrespondenz gleichen Namens, die schon 1868, ein Jahr nach ihrer Gründung, an die 40 Zeitungen belieferte 67 . Nachdem auch ein letzter Versuch, ein eigenes Preßorgan zu unterhalten, m i t dem Eingehen der „Bayerischen Landeszeitung" am 31. März 1870 gescheitert war, unterließ man eine Neugründung. Die beschränkte Resonanz, die i n keinem Verhältnis zum finanziellen A u f wand stand, hatte zum Desaster der Regierungspresse beigetragen. 65

Ebenda, S. 98. Ebenda, S. 108 ff. Dieses Organ, von dem Bismarck wußte, daß es täglich von König Ludwig I I . gelesen wurde, erhielt Subventionen aus dem Weifenfonds, konnte aber auch auf einen Berliner Berichterstatter zurückgreifen; vgl. Naujoks, Eberhard: Bismarcks auswärtige Pressepolitik und die Reichsgründung, S. 189 u. S. 383. 67 Vgl. Rau, Heinz: Die Münchner Regierungspresse, S. 136. 66

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I I . Pressezensur, Preßmanipulation und Majestätsbeleidigung

Eine wichtige Rolle spielte i n der Folgezeit ebenfalls das Mehrheitsverhältnis i n der Kammer der Abgeordneten, da die Ministerialbürokratie damit rechnen mußte, daß ein zwangsläufig liberal orientiertes Regierungsblatt keine Geldsummen bewilligt bekommen würde 6 8 . Es wurde den Behörden daher freigestellt, Blätter zu halten, die keiner extremen Parteirichtung huldigten, womit vor allem die klerikale Presse gemeint war. Erst nach dem Ende der liberalen Ära i n Bayern erfolgte dann die Gründung des Staatsanzeigers. Eine i m Jahr 1912 i n Auftrag gegebene „Denkschrift über die Schaffung einer Regierungspresse" 69 beklagt pflichtgemäß die „Mängel des gegenwärtigen Zustandes i n Bayern" und den „Nachteil, daß der Staatsregierung jeglicher Einfluß darauf fehlt, daß die Preßmitteilungen von den Tageszeitungen überhaupt aufgenommen werden". Es kann deshalb nicht verwundern, daß die Gründung des Staatsanzeigers bei der liberalen und sozialistischen Presse durchweg ein negatives Echo findet; so spricht zum Beispiel die „Augsburger Abendzeitung" von einer „Zentrumsstaatszeitung" 70 und die „Münchner Post" von einer „faulen Gründung des Ministeriums Hertling und seiner muckerisch-kapitalistischen Reichsrathsclique" 71 . 4. Majestätsbeleidigungen Das „Strafgesetzbuch für das Königreich Baiern" von 1813 regelt den Tatbestand der Majestätsbeleidigung i n den A r t i k e l n 309-311. Es unterscheidet zwischen einer Majestätsbeleidigung ersten Grades und zweiten Grades. Eine Beleidigung ersten Grades (Artikel 310) begeht, wer „wissentlich und vorsätzlich an die geheiligte Person des Königs beleidigend Hand anlegt; wer seinen Souverain m i t einer persönlichen Mißhandlung bedroht", ferner wer gegen ihn einen Aufruhr erregt. Darauf steht die Todesstrafe. Einer Majestätsbeleidigung zweiten Grades (Artikel 311) macht sich schuldig, „wer I. an öffentlichen Orten vor einer versammelten Volksmenge, oder II. i n öffentlich verbreiteten Schriften oder bildlichen Darstellungen die Person des Souverains oder dessen Regierungshandlungen durch Verläumdung, verachtenden Spott oder schimpfliche Schmähungen herabzuwürdigen trachtet; I I I . wer solche Pasquille wissentlich 68 69 70 71

Vgl. Harrer, Charlotte: Münchener Tagespresse, S. 65. A S t A M M Ju 17428. Nr. 330 vom 27.11.1912. Nr. 276 vom 28.11.1912.

4. Majestätsbeleidigungen

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aus Auftrag eines anderen verfertiget, oder vorsätzlich weiter verbreitet; endlich IV. wer den Namen des Monarchen zur Ausübung einer gesetzwidrigen Handlung mißbraucht". Als Strafe hierfür ist nicht nur eine Verurteilung zu „ein- bis vierjährigem geschärften Arbeitshause", sondern auch eine „öffentliche Abbitte vor dem Bildnisse des Souverains" vorgesehen. Sie ist Ausdruck eines byzantinistischen Denkens, das die geheiligte Person des Herrschers i n eine höhere Sphäre hebt. Erst das Strafgesetzbuch von 1861 verzichtet auf diese anachronistisch anmutende Demütigung. Ergänzend zum StGB enthält auch das „Gesetz zum Schutz gegen den Mißbrauch der Presse" 72 i n den A r t i k e l n 12, 13 und 16 Bestimmungen, die die Majestätsbeleidigung durch die Presse betreffen und Gefängnis» und Geldstrafen vorsehen. M i t der Einführung des „Strafgesetzbuches für das Deutsche Reich" von 1871 gelten dessen §§ 94 - 97 für den Fall der Beleidigung des Landesherrn und des Bundesoberhauptes. Als wichtigste Neuerung ist zu erwähnen, daß als Höchststrafe bei Tätlichkeiten gegen den Kaiser oder Landesherrn an die Stelle der Todesstrafe lebenslängliches Zuchthaus tritt. Wie aus den A k t e n hervorgeht, fielen die meisten zur Anzeige gebrachten Fälle i n Bayern i n den Bereich der Majestätsbeleidigung zweiten Grades, d. h. es handelte sich um mündliche oder schriftliche Schmähungen des Monarchen, wobei letztere i n Form von Flugblättern, Maueranschlägen oder Presseartikeln erscheinen konnten. Während der Regierungszeit Ludwigs I., der der öffentlichen K r i t i k besonders breite Angriffsflächen bot, häuften sich derartige Delikte i n auffallendem Maße. Bei seinen Nachfolgern dagegen traten sie nur noch sporadisch auf. Daher möchte ich zunächst die L u d w i g I. betreffenden Fälle heranziehen und zu klären versuchen, welche Motive dahinterstanden. Oft trieb rein persönlicher Groll bayerische Untertanen zu Majestätsbeleidigungen, wobei die Anlässe naturgemäß verschieden sein konnten. So wurde ζ. B. 1829 der ehemalige Fournier Mathias Just aus Rosenheim verurteilt, weil er nach seiner Entlassung aus dem Militärdienst seinem Unmut L u f t gemacht hatte, m i t allerhand Schimpfworten wie „Betrüger" und „Taugenichts" 73 . Die Bedrohung seiner Existenz als Lohnkutscher brachte so auch einen gewissen Lorenz Bauer i m Wirts72 73

GBL Nr. 11 vom 20. 3.1850. A S t A M M Inn 44215.

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I I . Pressezensur, Preßmanipulation und Majestätsbeleidigung

haus Post zu Schwandorf (Oberpfalz) dazu, bei Gelegenheit eines Gesprächs über den Eisenbahnbau unter L u d w i g I. auszurufen: „Den w i r d auch der Teufel noch bei lebendigem Leib holen 7 4 ." Bedeutsamer ist aber die politische K r i t i k an der Richtung, die L u d w i g I. Anfang der 30er Jahre einschlug. „Es gibt zwar keine freie Presse mehr, aber noch freie Menschen, D u hast auf Deiner falschen Räthe Zureden, die edelsten Menschen eingekerkert, bedenke gleisnerischer L u d w i g wie es Deinen übrigen Despoten ging, D i r w i r d es nicht besser ergehen 75 ." Ludwig, der i n den ersten Jahren seiner Regierung i n einem liberalen Rufe stand, w i r d nun i n zahlreichen anonymen Maueranschlägen als Tyrann bezeichnet 76 . Wegen seiner kirchenfreundlichen Politik w i r d i h m sogar Volksverdummung vorgeworfen. I n den 40er Jahren kommt dann noch die soziale Unzufriedenheit hinzu, die sich i n Drohbriefen manifestiert. „Unser niederträchtiger König hat nur Geld zu unnützen Kanälen, Denkmälern und Eisenbahnen, seine armen Unterthanen aber läßt er verhungern 7 7 ." Vor allem die Preise der Grundnahrungsmittel erregen die Gemüter und lassen bereits den Ruf nach Revolution laut werden. „Wohlfeil Fleisch, Brot, Mehl und Bier Sonst zur Isar h i n m i t d i r 7 8 . " Die K r i t i k an der Regierungsweise und am Lebenswandel des Monarchen blieb nicht auf die Residenzstadt München beschränkt, sondern zog i m Lande weite Kreise. Dies w i r d auch aus dem Bericht des Regierungspräsidenten der Oberpfalz Freiherrn zu Rhein aus Regensburg vom 22. Oktober 1844 deutlich: „Indessen kann ich Euer Majestät nicht bergen, daß die fortwährenden Nachrichten des ungünstigsten Inhaltes, welche sich täglich von München aus verbreiten und deren Hemmung nicht i n der Macht der Kreisregierung steht, nicht verfehlen können, einem schleichenden Gifte gleich die Stimmung der Provinzen zu zersetzen, da es wahrlich nicht zur Erweckung der so nothwendigen Scheu und Erfurcht vor der geheiligten Majestät, wie vor den Trägern ihrer Machtvollkommenheit führen kann, wenn die große Masse des Volkes 74

A S t A M M Inn 44066. Fünf Zettel mit dieser Aufschrift wurden in München am 11.9.1834 gefunden; A S t A M M I n n 45378. 76 Vgl. A S t A M M I n n 45378. 77 Anschlag an der Lorenzkirche in Nürnberg am 22.1.1846; A S t A M M Inn 45381. 78 A S t A M M I n n 45380. 75

4. Majestätsbeleidigungen

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systematisch daran gewöhnt wird, den strahlenden Nimbus seiner erhabensten Idole i n den giftigen Dunstkreisen frivolen Hohnes und Spottes erbleichen zu sehen 79 ." Besonders abträglich war dem königlichen Ansehen die Zuneigung zum weiblichen Geschlecht, die i h m bereits vor Lola Montez verübelt wurde. I n seinen Italienreisen sah man ein „ausschweifendes Leben i n fremden Landen" 8 0 und nannte ihn einen „alten Huren-Bock" 8 1 . A b Dezember 1846 beherrschte aber nur noch das Verhältnis des Königs zur Tänzerin Lola Montez alle Schriften und Pamphlete, die gegen L u d w i g gerichtet waren. „Montez, du große Hur' Bald schlagen wird dein Uhr Wo wir di außi hau'n Weil d'Münchna sich nöt trau'n Pfuy Teufel Königshaus M i t unsrer Treu is aus Bringst uns in Schand und Spott Helf' uns da liebe Gott Ein Gebirgler 82

I m Zusammenhang m i t dieser Affaire w i r d L u d w i g I. sogar als geisteskrank bezeichnet 83 . Kreideaufschriften an Münchner Häusern lauten z. B.: „König L u d w i g ist wahnsinnig, Spanierin regiert 8 4 ." Die Schmähschriften i n den A k t e n des Bayerischen Hauptstaatsarchives, die zum Teil recht primitiv, zum Teil aber auch m i t Sorgfalt verfaßt sind, wie z.B. eine Vaterunsertravestie 8 5 oder Pamphlete i n der Form eines Theaterzettels 86 , zeigen die tiefe Krise, i n die das Königtum bereits vor der Revolution von 1848 i n Bayern geraten war. Unter den Nachfolgern Ludwigs I. zeichnet sich den A k t e n zufolge ein deutliches Absinken von Majestätsbeleidigungsdelikten ab. Die meisten der erfaßten Fälle betreffen König Max I I . Es handelt sich dabei aber fast nur u m Äußerungen, die i m Wirtshause gemacht w u r den und deswegen trotz ihrer gehässigen oder antimonarchischen Tendenz nicht überbewertet werden dürfen 8 7 . Das gleiche gilt von einer 79

Ebenda. A S t A M M Inn 45378. 81 A S t A M M I n n 45380. 82 Anschlag am Knorrkeller in München im Januar 1847, A S t A M M I n n 45390. 83 À S t A M M I n n 45390. 84 Ebenda. 85 A S t A M M I n n 45380. 8e A S t A M M I n n 45390. 87 A S t A M M Inn 46066. 80

3 Ursel

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I I . Pressezensur, Preßmanipulation und Majestätsbeleidigung

Anzeige, die von der Kellnerin einer Wirtschaft i n der Münchner Vorstadt A u am 12. Oktober 1871 gemacht wurde. Demnach ist einer alten Frau, die i n der Wirtschaft eine Photographie König Ludwigs I I . herumzeigte, das B i l d von acht bis zwölf Männern aus Haidhausen entrissen, m i t Bier besudelt und bespuckt worden. Die polizeiliche Untersuchung dieses Vorfalles, der m i t einer Rauferei endete, mußte ohne Ergebnis eingestellt werden 8 8 . Schwere Fälle von Majestätsbeleidigung, wie der des Würzburger Bürgermeisters Wilhelm Joseph Behr, der wegen „Verletzung der dem Monarchen schuldigen Ehrfurcht" von 1833 bis 1847 eingesperrt war, wobei bereits der V o r w u r f der VerfassungsVerletzung als Majestätsbeleidigung interpretiert wurde 8 9 , kamen nach 1848 nicht mehr vor. Es handelte sich seither oft u m Preßvergehen, da die Vorzensur nicht mehr bestand. Dabei wurden die Bagatellen hochgespielt. Dies beklagt auch der Abgeordnete Brater i m Landtag. Er bezieht sich auf den „Nürnberger Kourier": „Dieser hat — ich habe vergessen den Jahrgang zu notieren — vor mehreren Jahren aus einem anderen bayerischen Blatte folgende Notiz gebracht. Sie lautet wörtlich: ,Herr von Dönniges w i r d dem Vernehmen nach eine Vergnügungsreise nach Paris antreten/ Wegen dieses Artikels ist der Nürnberger Kourier von der Nürnberger Preßpolizeibehörde m i t Beschlag belegt worden, und zwar auf Grund des Artikels 12 des Preßstrafgesetzes. Dieser handelt von der Beleidigung der Majestät 9 0 !" Daß dieser A r t i k e l auch auf den einflußreichsten Ratgeber des Königs Max I I . ausgedehnt wurde 9 1 , zeigt wie dehnbar der Begriff geworden war. K r i t i k an der Regierung brachte ζ. B. dem Herausgeber der katholischen Zeitung „Der Volksfreund" Josef Knab 1877 eine Verurteilung zu einer Gefängnisstrafe von vier Monaten wegen Beleidigung des Landesherrn 92 . Besonders harmlose Fälle kamen i n der Zeit der Regentschaft des Prinzregenten Luitpold zur Anzeige. So wurde eine Untersuchung gegen den Redakteur des „Pfälzischen Volksblattes" G. Häuft eingeleitet, w e i l er 1886 einige Ordensverleihungen kritisiert hatte 9 8 Anspielungen wie i n dem A r t i k e l „Politische Märchen" der „SonntagsPost" 9 4 genügten bereits. Selten kam es seit der Einführung der Schwur88 89 90 91 92 93 94

Ebenda. Vgl. A S t A M M I n n 45631. StBdKdAbg. 1859, Bd. I, S. 184. Vgl. Doeberl, Michael: Entwicklungsgeschichte Bayerns, Bd. I I I , S. 199. A S t A M M I n n 65594. Vgl. Pfälzisches Volksblatt, Nr. 310 vom 10.11.1886. Nr. 17 vom 28. 4.1894, Beilage der Münchner Post.

4. Majestätsbeleidigungen

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gerichte zu Verurteilungen i n solchen Fällen. So überrascht eine Entscheidung gegen den Redakteur des „freien Landesboten" Friedrich Benz vom 22. November 1900, der wegen folgender Notiz sechs Monate Gefängnis erhielt: „Prinz Rupprecht verehrte seiner zukünftigen Gemahlin einen Brillantring von abnormer und auffallender Größe — Spezifische Eigenschaft der Hochgeborenen, daß je schwerer ihre Edelsteine sind, um so leichter das ist, was man gewöhnlich i m Kopf hat, also i n diesem Falle nicht hat 9 5 ." Bei einem wesentlich bedeutenderen Angriff auf die Politik des Regenten und des Kaisers i n der Flottenfrage i m gleichen Jahr 9 6 wurde das Verfahren unverständlicherweise eingestellt. Die Aufmerksamkeit einer breiteren Öffentlichkeit erregte wieder das Vorgehen der Behörden gegen den „Simplizissimus".

erst

Die Spezialnummer „Manöver" vom 20. September 1909 enthielt ein B i l d m i t der Überschrift „Kaisermanöver", das den Prinzen L u d w i g an der Seite des Kaisers i n einer Weise darstellte, die von der Obrigkeit und einem Teil der Presse als „Verhöhnung" des Prinzen aufgefaßt wurde 9 7 . Dennoch riet die Staatsanwaltschaft von einem Einschreiten ab, da eine Verurteilung durch das Schwurgericht unwahrscheinlich erschien und „eine m i t einer Freisprechung endende öffentliche Verhandlung zweifellos noch peinlicher empfunden werden müßte, als die Veröffentlichung des taktlosen und anstößigen Bildes selbst" 98 . Auch juristische Bedenken wurden geltend gemacht, da nach dem Reichsgesetz über die Bestrafung der Majestätsbeleidigung vom 17. Februar 1908 eine Beleidigung nur strafbar war, wenn sie i n der Absicht der Ehrverletzung, böswillig und m i t Überlegung begangen worden ist. Anstelle einer strafrechtlichen Verfolgung erging daher ein Verbot des „Simplizissimus" an den bayerischen Staatsbahnhöfen. Nach seiner Thronbesteigung verschonte diese Zeitschrift den letzten bayerischen Monarchen ebenfalls nicht. Ein Bericht des Staatsministeriums der Justiz vom 27. Mai 1914 verweist auf beleidigende Bilder und Texte i n den am 11. und 18. M a i 1914 erschienenen Nummern 9 9 . 95

Nr. 91 vom 21./22.4.1900; vgl. Sta Mü, Staatsanwaltschaften 7192. Der freie Landesbote, Nr. 117 vom 22. 5.1900. Vgl. Das Bayerische Vaterland, Nr. 221 vom 29. 9.1909. 98 Schreiben des Staatsanwalts beim kgl. Landgericht München I an den Oberstaatsanwalt beim kgl. Oberlandesgericht München vom 25.9.1909, A S t A M M Ju 17354. 99 A S t A M M Ju 17354. 96

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2*

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I I . Pressezensur, Preßmanipulation und Majestätsbeleidigung

Während die Bedeutung des i n Nummer 6 vorgebrachten Angriffs als K r i t i k einer politischen Handlung milder bewertet und heruntergespielt wird, kommt der Nummer 7 die eigentliche Aufmerksamkeit zu: „Diese neuerlichen Beleidigungen beschränken sich nicht mehr auf das Gebiet der Politik. Sie greifen über auf die erhabene Person Euerer Königlichen Majestät selbst. Sie unterstellen Euerer Königlichen Majestät unlautere Absichten." Anstoß erregte ein auf der vorletzten Seite abgedrucktes Gedicht „Poesie und Prosa", das die persönlichen w i r t schaftlichen Interessen des Königs ansprach, und vor allem die Titelseite. „Die Darstellung auf Seite 1 des Blattes m i t der Überschrift ,Das Erbe L u d w i g I.' bringt die Abtretung der Neuen Pinakothek an den Staat, zu der Euere Königliche Majestät nur auf Wunsch der Volksvertretung und zur Förderung wichtiger Kunstinteressen i n hochherzigster Weise die Einwilligung zu erteilen geruht haben, m i t den Privatinteressen Euerer Königlichen Majestät i n Verbindung und erhebt zugleich den vollständig aus der L u f t gegriffenen Vorwurf einer Preisgabe des hohen Erbes Weiland Seiner Majestät des Königs L u d w i g I . 1 0 0 . " Wegen dieser Nummer wurde gegen den Redakteur Ernst Wolfgang Freissler, den Zeichner Olaf Gulbransson und den Schriftsteller Edgar Steiger ein Majestätsbeleidigungsprozeß am 23. Juni 1914 eröffnet, der jedoch durch den Kriegsausbruch unterbrochen wurde. Ein Bericht des Justizministeriums vom 11. Januar 1915 weist darauf hin, daß wegen des Einrückens von Freissler, der sich als Kriegsfreiwilliger gemeldet hat, die Hauptverhandlung erst nach Kriegsende stattfinden kann. Gleichzeitig w i r d aber auch empfohlen, die Verjährung eintreten zu lassen. „Bedenken hiergegen dürften vielleicht umso weniger bestehen, als die Wochenschrift „Simplizissimus" seit Kriegsausbruch eine patriotische Haltung einnimmt 1 0 1 ." Zusammenfassend läßt sich also sagen, daß die Majestätsbeleidigungen unter L u d w i g I. ein nie wieder erreichtes Ausmaß erlangten. Seither nahmen sie sowohl quantitativ als auch qualitativ ab und beschränkten sich unter L u d w i g I I . und dem Prinzregenten Luitpold auf harmlose Fälle. Erst L u d w i g I I I . bot wieder etwas mehr Angriffsflächen. Je stärker sich die Herrscher aus der Tagespolitik zurückgezogen hatten, desto seltener wurden sie auch m i t dem Staat identifiziert und gerieten so aus dem Schußfeld der öffentlichen K r i t i k . Diese wandte sich seit der Reichsgründung häufiger gegen den Kaiser als Reichsoberhaupt. 100 101

A S t A M M Ju 17354. Ebenda.

4. Majestätsbeleidigungen

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Hatte L u d w i g I. als alleiniger Repräsentant des Staates das die Verfassung von 1818 bestimmende monarchische Prinzip noch zur Geltung gebracht, so wurde unter seinen Nachfolgern die Diskrepanz zwischen Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit immer stärker deutlich. „Die Überbetonung des monarchischen Prinzips m i t dem Gottesgnadent u m als ideologische Untermauerung machte, nachdem m i t der Einsetzung der Regentschaft nicht nur die starke Herrscherfigur, sondern auch der sichtbare König fehlte, deren ,Substanzlosigkeit' erst v o l l sichtbar 1 0 2 ."

102 Möckl, Karl: Gesellschaft und Politik während der Ära des Prinzregenten Luitpold, in: Bayern i m Umbruch, S. 9.

I I I . Ludwig I. 1. Würdigung von Ludwigs Persönlichkeit L u d w i g I. war zweifellos die markanteste Herrscherpersönlichkeit auf dem bayerischen Königsthron 1 . „Eine der originellsten Gestalten ist aus unserer an Verflachung leidenden Zeit geschwunden", bedauert die „Kölnische Zeitung" am Ende ihres Nachrufes 2 . Geradezu skurrile Züge lassen sich bei i h m feststellen; er stand „auf der feinen Grenzlinie von Liebe und Spott" 3 . Beigetragen hat dazu seine „patriarchalische Fürsorge für seine Untertanen" 4 . U m jede Kleinigkeit kümmerte er sich, ob es sich nun u m eine Versetzung oder u m Anweisungen zur Obstbaumzucht handelte. So begab er sich ζ. B. persönlich an Ort und Stelle, als ein Anwohner der Dachauerstraße i n München u m die Entfernung eines Alleebaumes nachsuchte5. „Der König ermunterte das Volk zu Fleiß und Arbeit, er selbst war unermüdlich und ging m i t eigenem Beispiel voran. Als geborenen Regenten beseelte i h n der M u t h und die Lust zur Thätigkeit derart, daß er den gesamten Einlauf persönlich durchging, den Vorlagen seine eingehenden Bemerkungen beischrieb, Bittschriften beschied, und den gesamten Actenstoß des täglichen Portefeuille^ von der frühesten Morgenstunde i n Angriff nahm 6 ." S k u r r i l w i r k t e auch seine allgemein bekannte Sparsamkeit, ein Grundsatz, den er i n öffentlichen wie privaten Ausgaben gleichermaßen beachtete. „ F ü r sich selbst und seinen Haushalt war er sparsam, ja knickerig. Er erließ i n dieser Beziehung mitunter Anordnungen, die an Friedrich Wilhelm I. von Preußen erinnerten und das Hofgesinde i n sprachloses Entsetzen stürzten, und i m Lande laufen zahlreiche Anekdoten um, welche von seiner vespasianischen Werthschätzung des Gel1 Eine gute Charakterisierung des Herrschers findet sich bei Hofmann, Hans Hubert: Adelige Herrschaft und souveräner Staat, S. 435 f. 2 Nr. 61 vom 1. 3.1868. 8 Ebenda. 4 Doeberl, Michael: Entwicklungsgeschichte Bayerns, Bd. I I I , S. 111. 5 Ebenda. β Allgemeine Zeitung (Beilage), Nr. 211 vom 29.7.1868.

1. Würdigung von Ludwigs Persönlichkeit

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des erzählen 7 ." Nach Klenze habe die Küche am Hofe Ludwigs I. „durch ihre Schlechtigkeit europäischen Ruf genossen" 8 . I m krassen Gegensatz zu dieser Knauserei standen auf der einen Seite die Unsummen, die L u d w i g für seine Bauvorhaben ausgab, auf der anderen seine vielgepriesene Wohltätigkeit. „Viele, viele Millionen spendete dieser edle Fürst für wohltätige Zwecke, und kaum eine Stadt oder ein Städtchen i n Bayern w i r d es geben, die nicht auf irgend eine Weise von ihm bedacht worden 9 ." Vor allem kirchlichen Einrichtungen galt seine Fürsorge, aber auch zahlreiche Spitäler konnten m i t seiner Hilfe gegründet werden 1 0 . Nach dem Thronverzicht verstärkte er seine Aktivitäten auf diesem Gebiet so sehr, daß die „Neue Preußische Zeitung" feststellt: „ L u d w i g I. war niemals populärer, als seitdem er vom Throne herabgestiegen und die Zuflucht aller Armen und Bedrängten geworden ist. Seine Wohltätigkeit war eine großartige seitdem gewesen 11 ." Der ausführliche Nekrolog der regierungsnahen „Süddeutschen Presse" hebt Ludwigs Idealismus als einen „Grundzug seines Charakters" heraus 12 . Unter diesem Aspekt werden seine vielverspotteten Dichtungen gesehen, „ i n welchen sich als Grundzug das Bestreben ausprägt die Welt und die Verhältnisse m i t einem schöneren Lichte als dem der W i r k lichkeit zu beleuchten, und sie i n eine höhere Sphäre zu erheben" 13 . Der bekannteste K r i t i k e r des Monarchen, Heinrich Heine, hatte i n seinen „Lobgesängen auf König L u d w i g " m i t beißendem Sarkasmus den königlichen Dichter verspottet: „Herr Ludwig ist ein großer Poet Und singt er, so stürzt Apollo Vor ihm auf die Kniee und bittet und fleht: Halt ein! ich werde sonst toll, o 1 4 !"

Gegen Angriffe dieser A r t n i m m t die „Kölnische Zeitung" L u d w i g i n Schutz: „Seine Gedichte sind übrigens nicht so schlecht, wie sie zuweilen gemacht werden. Die Form ist freilich mangelhaft; aber auch größere Dichter als er haben siebenfüßige Hexameter gemacht, und ein 7

Neue Würzburger Zeitung, Nr. 64 vom 4. 3.1868. Spindler, Max: König Ludwig als Bauherr, in: Erbe und Verpflichtung, S. 329. 9 Augsburger Neueste Nachrichten, Nr. 65 vom 5. 3.1868. 10 vgl. Fränkischer Kurier, Nr. 61 vom 1. 3.1868. 11 Nr. 50 vom 28. 2.1868. 12 Nr. 76 vom 17. 3.1868. 13 Ebenda. 14 Heinrich Heines Sämtliche Werke, Bd. 3,1913, S. 362. 8

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I I I . Ludwig I.

K e r n von Geist und Gemüth ist oft nicht zu verkennen 1 5 ." Zahlreiche Gedichte widmete L u d w i g den Frauen, die sein Leben abwechslungsreicher gestalteten, und die er oft i m B i l d festhalten ließ. „Der König hatte, wie seine Kunstliebe beweist, viel Sinn für Schönheit, namentlich wenn sie i n weiblicher Gestalt auftrat. Bekannt ist die Schönheiten-Galerie i n seinem Schlosse zu München, und die leichte Entzündbarkeit seiner Sinne machte sich nicht immer i n so harmloser Weise L u f t 1 6 . " Auch diese Vorliebe des Herrschers verhöhnt Heine i n seinen „Lobgesängen": „Er liebt die Kunst, und die schönsten Frau'n Die läßt er porträtieren; Er geht in diesem gemalten Serail Als Kunst-Eunuch spazieren 17 ."

I n der Bevölkerung fand L u d w i g m i t seinen „Weibergeschichten" ebenfalls wenig Verständnis, was aus den zahlreichen Schmähschriften deutlich hervorgeht, i n denen er z.B. als „italienischer Hurenbock" gescholten w i r d 1 8 . Daß Ludwigs Beziehungen zum anderen Geschlecht außerhalb seiner Ehe rein platonischer Natur blieben, wurde i h m nicht geglaubt, obwohl er und Lola Montez dies versicherten 19 . A l l e i n der Name dieser Frau erscheint i n den Nachrufen 20 , aber noch mindestens drei, nämlich die italienische Marquise Marianne d i Fiorenza, die Opernsängerin Sigl-Vespermann und die Schauspielerin Lotte Hagen, wären zu erwähnen. Conte Corti und Thies haben i n ihren Büchern Ludwigs Frauenfreundschaften breiten Raum gewidmet 2 1 . Politisch relevant und entscheidend für die Stellung des Königs war aber nur das Verhältnis zu Lola Montez. Hier wirkte sich „der zweite entscheidende Grundzug seines Charakters", seine „starke Willensfestigkeit" 2 2 negativ aus. Indem er Lola deckte, versteifte sich seine 16 Nr. 61 vom 1.3.1868; auch die Augsburger Neuesten Nachrichten verteidigen seine Dichtungen, Nr. 65 vom 5.3.1868. 16 Kölnische Zeitung, Nr. 61 vom 1.3.1868. 17 Heinrich Heines Sämtliche Werke, Bd. 3, 1913, S. 362. 18 Vgl. Kap. I I , 4. 19 Vgl. Conte Corti , Egon Caesar: Ludwig I. von Bayern, S. 235 f. »>z.B. Allgemeine Zeitimg, Nr. 232 vom 19.8.1868; Kölnische Zeitimg, Nr. 61 vom 1. 3.1868. 21 Conte Corti , Egon Caesar: Ludwig I. von Bayern, München, 6. Aufl., 1960; Thies, Hans Arthur: König Ludwig I. und die Schönheiten seiner Galerie, München 1954. 22 Süddeutsche Presse, Nr. 76 vom 17. 3.1868.

2. Ludwig I. als Kunstmäzen

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Haltung immer mehr und wurde zum Eigensinn. Die Lola-Affaire hatte nicht nur einen politischen Kurswechsel zur Folge, sie schadete dem Ansehen des Königtums i n Bayern 2 3 . 2. Ludwig I. als Kunstmäzen Anerkennung für Ludwigs Leistung als Bauherr und Förderer der Künste spricht aus sämtlichen Nachrufen, gleich welcher politischen Couleur. Hier hat er sich unstreitbare Verdienste erworben. „Das verkennt doch Niemand, daß München seine jetzige Bedeutung nur den Bestrebungen Ludwig's verdankt und daß Bayern vor A l l e m durch das, was jener für die Kunst gethan, es erlangt hat, neben viel größeren Staaten noch genannt zu werden 2 4 ." Zwar sind auch außerhalb Münchens Bauvorhaben verwirklicht worden, man denke nur an die Walhalla und die Befreiungshalle, doch zweifellos am meisten hat die Residenzstadt von seiner Kunst- und Bauleidenschaft profitiert. Er machte aus ihr sein „German Athens" 2 5 und kann daher wie „Der Bayerische Landbote" meint „nach Herzog Heinrich dem Löwen und Kaiser L u d w i g dem Bayern als ihr dritter Begründer bezeichnet werden" 2 6 . Erst L u d w i g I. hat München auf das Niveau einer Kunst- und K u l t u r stadt von europäischem Rang gehoben. Fränkische Zeitungen nutzten diese Tatsache zu einem kleinen Seitenhieb gegen die neue Metropole. So schrieb der i n Nürnberg erscheinende „Korrespondent von und für Deutschland": „Es hat zwar lange gedauert, bis das hesperische Pfropfreis auf dem Münchener Kiesboden Wurzel schlagen konnte, und Manche behaupten, die Kunst sei noch immer nur ein exotisches Gewächs daselbst; aber doch w i r d man sagen müssen, sie ist wenigstens dem Treibhaus entwachsen 27 ." Besonders boshaft gegenüber München und Altbayern fiel der Nekrolog der „Neuen Würzburger Zeitung" aus: „Als der kunstsinnige Fürst i m Jahre 1825 den Thron bestieg, gab es i n München kein merkwürdiges Gebäude als die Brauereien. Der Altbayer ward geboren, trank Bier und starb. Fremde führte höchstens der Zufall oder sehr entwickelter Durst nach München, dessen Kunstschätze sich damals auf die steinernen Maßkrüge beschränkten. Da winkte König Ludwig, und wie m i t einem Zauberschlage kam neues Leben i n das träge Baywarenthum. Antike Tempel für die Heiligthümer der Kunst stiegen aus dem 23 24 25 26 27

Vgl. Kap. I I I , 6. Korrespondent von und für Deutschland, Nr. 118 vom 4. 3.1868. The Times vom 2. 3.1868. Nr. 63 vom 3. 3.1868. Nr. 118 vom 4. 3.1868.

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I I I . Ludwig I.

Boden, prachtvolle Kirchen neben ihnen, Straße u m Straße erhob sich, Statuen wurden auf den Plätzen aufgestellt, Maler, Gelehrte und Dichter berufen. Bald war München eine berühmte Residenz, die Fremden strömten von allen Seiten herbei, u m die unglaubliche rasche Veränderung und Entwicklung zu bewundern 2 8 ." !

Diese hatte allerdings nicht erst Kronprinz kümmerte sich L u d w i g i m rischem Gebiet wenig interessierten Gestaltung Münchens. Er übernahm Bebauungsplan, den K a r l von Fischer ausarbeiteten.

1825 eingesetzt, denn schon als Gegensatz zu seinem auf künstleVater u m den Ausbau und die selber die Oberleitung über den und Friedrich L u d w i g von Sckell

Seit 1804 hatte er seinen Einfluß i n steigendem Maße geltend gemacht, u m aus München, das unter K a r l Theodor i n einen „städtebaulich verwilderten Zustand" 2 9 geraten war, einen würdigen Mittelpunkt des drittgrößten deutschen Staates werden zu lassen. I n diesem Jahr 1804, i n dem er volljährig geworden war, begab er sich erstmals auf eine Reise nach Italien, „die man w o h l eine Schicksal entscheidende nennen kann, denn m i t ihr, m i t dem Anblicke Italiens, m i t dem Besuche Roms und seiner Kunstschätze war seiner durch dahin gehende Studien m i t Vorliebe ausgebildeten Richtung der letzte unauslöschliche Stempel aufgedrückt; i m heitern und sinnigen Umgange m i t der damals i n Rom lebenden Künstlerschaft mochte er i n sich selbst zur vollständigen Klarheit gelangt sein; schon jetzt faßte er Entschlüsse und knüpfte Verbindungen an, welche sein ganzes Leben lang festgehalten, mitunter erst nach vielen Dezennien zur Ausführung gelangten 30 ." Daß er sich über Jahrzehnte hinweg m i t bestimmten Bauvorhaben beschäftigt hat, ist typisch für die Arbeitsweise des Kronprinzen und späteren Monarchen. „Der Walhalla-Gedanke nahm bereits 1806/07 greifbare Gestalt an, der Grundstein wurde erst 1830 gelegt; die Befreiungshalle wurde seit 1814 geplant, der Bau 1842 begonnen, die Errichtung der Propyläen schon 1816 erörtert, die Grundsteinlegung erfolgte 1846. Von der Ruhmeshalle liegt bereits 1823 eine Skizze vor, die Ausführung begann 1843 31 ." Die Italienreise von 1804 sollte nur eine von vielen werden. I n Rom, wo L u d w i g die V i l l a Malta bewohnte, traf er i n der Spanischen Wein28 29 30 31

Nr. 64 vom 4. 3.1868. Doeberl, Michael: Entwicklungsgeschichte Bayerns, Bd. I I I , S. 34. Süddeutsche Presse, Nr. 74 vom 15. 3.1868. Spindler, Max: König Ludwig als Bauherr, S. 328.

2. Ludwig I. .als Kunstmäzen

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schenke und i m Café Greco i n geselliger Runde die dort lebende Künstlerschaft, die bald i n i h m einen Mäzen sehen konnte. Vor allem Canova und Thorwaldsen galt seine Verehrung, er fand dort jedoch auch Leute, die bereit waren, seinem Ruf nach München zu folgen. Die Eindrücke, die er i n Rom, Florenz, Sizilien und Paestum gewonnen hatte, prägten sein Kunstverständnis und weckten i n i h m den Wunsch, Vergleichbares i n der Heimat zu schaffen. „He brought Italy home to his own German country", schreibt die Londoner Times 3 2 ; dies t r i f f t allerdings nicht nur für Italien, sondern i n gleichem Ausmaß für Griechenland zu, das er aber erst viel später bereist hat. Ludwigs erster großer 1816 begonnener Bau, die Glyptothek, orientierte sich an griechischen Vorbildern. „Die monumentale antike Kunst, nicht i n sklavischer Nachahmung, sondern i n Anwendung ihrer Grundformen und Prinzipien für moderne Zwecke, feierte durch L u d w i g ihre Auferstehung 33 . " „Reinheit und Strenge der Form, Ebenmaß und Harmonie der Theile" 3 4 waren Ideale, bei denen Winckelmann und Lessing Pate gestanden hatten. Trotz aller Vorliebe für den antiken Stil, den er für den vollkommensten hielt, war er i h m doch nur einer unter vielen. Lediglich zum Barock hatte er keinen Zugang, achtete i h n aber als einen gewachsenen Stil. „So kommt es, daß vom griechischen bis zum Renaissancestyl keine Bauweise unvertreten ist. Die Glyptothek, das Kunstausstellungs-Gebäude, die Walhalla zeigen griechische Formen verschiedenen Styls; römische Reminiszenzen bringt das Siegesthor; i n die altchristliche Zeit führt die Basilika, romanische Typen werden i n der Allerheiligen-Kirche und Ludwigskirche nachgebildet, Orcagna's Florentiner Loggia gab das Vorbild für die Feldherrnhalle ab; in's Reich der Gothik führen Auer-Kirche und Wittelsbacher-Palast, dem Renaissance-Styl endlich gehören der Königs- und Saalbau an, sowie die Pinakothek 3 5 ." Neben Klenze, der allein den Klassizismus gelten ließ, erhielten deswegen auch Gärtner, Ziebland und Ohlmüller Aufträge. Bereits die Zeitgenossen Ludwigs haben diesen Eklektizismus k r i t i siert. „ M a n hat vor A l l e m die Mannichfaltigkeit der Stylarten an denselben zu bemängeln gewußt." Z u seiner Verteidigung bringt das Blatt den Einwand, daß er, „als er seine architektonischen Schöpfungen ins Werk zu setzen begann, einen bestimmten Styl nicht vorfand" 3 ®. 32 83 34 35 38

The Times vom 2.3.1868. Augsburger Neueste Nachrichten, Nr. 65 vom 5. 3.1868. Ebenda. Süddeutsche Presse, Nr. 75 vom 16. 3.1868. Augsburger Neueste Nachrichten, Nr. 65 vom 5. 3.1868.

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I I I . Ludwig I.

Sein Sohn hat später versucht, einen eigenen Kunststil zu begründen, doch erzielte er damit keinen durchschlagenden Erfolg. L u d w i g I. griff lieber auf Vorbilder zurück. „His talents were appreciative, not creative. He did not attempt to excel or even to rival the works of Italian art; he merely reproduced them 3 7 ." Es ist aber nicht richtig, wenn die Times Ludwigs Bauten als reine Kopien betrachtet, denn nur selten wie ζ. B. beim Siegestor übernahmen seine Baumeister unter Zeitdruck Einzelheiten ihrer Vorbilder. Bei einem Herrscher, der an die vierzig Bauvorhaben fertigstellte, ist dies durchaus entschuldbar. Er schuf schließlich durdiweg großzügige Neubauten, „während anderwärts i m Gefolge der zunehmenden Demokratisierung bestehende Gebäudekomplexe für die neuen Funktionen adaptiert wurden" 8 8 . Damit hat er Werke geschaffen, die von der Times als gigantisch bezeichnet werden, wie die Bavaria und die Walhalla. L u d w i g I. ist nicht nur Auftraggeber gewesen, er war letztlich selber Schöpfer und Initiator seiner Bauten, die „doch eigentlich und i n der Idee seine eigenen Schöpfungen sind" 3 9 . Er w i r d daher zu Recht „Künstler-König" 4 0 genannt, und zwar i m doppelten Sinn. Denn er war ebenfalls ein Protektor seiner Künstler. Diese hatten allerdings bei i h m keinen leichten Stand, da er sich wie bei den Regierungsgeschäften u m jedes Detail kümmerte, so daß über seine Einmischung bitter geklagt wurde. Vor allem Klenze, der seit 1816 i n Ludwigs Diensten w i r k t e und nicht nur als Künstler, sondern auch als Organisator und Manager für ihn tätig war, stöhnte über die ständige Gängelei. Doch besaß er so viel Autorität, daß er den König von gefaßten Plänen wieder abbringen konnte, wie z.B. bei der Walhalla, die sich L u d w i g zeitweise als Pantheon gebaut wünschte. N u r die Energie und die ständige Kontrolle des Monarchen hielt die große Schar von Künstlern beisammen und ermöglichte die gleichzeitige Ausführung verschiedener Objekte. Er war seinen Künstlern gegenüber nicht gerade freigebig, aber sparte nicht m i t Lob, u m ihren Arbeitseifer anzustacheln. „ M i t seinen monumentalen architektonischen Schöpfungen waren zugleich für die 37

The Times vom 2. 3.1868. Habel, Heinrich: Architektur des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, in: Bayern — Kunst und Kultur, S. 143. 39 Süddeutsche Presse, Nr. 75 vom 16. 3.1868. 40 Ebenda. 38

2. Ludwig I. als Kunstmäzen

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Bildhauerei und Malerei neue Bahnen eröffnet und auch den Schwesterkünsten, hinreichender Raum zu ihrer vollen Entfaltung gegeben 41 ." I n der Malerei neigte der König zur romantischen Schule des Peter Cornelius, den er erstmals für die Ausgestaltung der Glyptothek verpflichtet hatte, „und sammelte später i h n und seine Schüler sowie andere Künstler u m sich, so daß sich i n München der Mittelpunkt der deutschen Kunstbestrebungen bildete und von da aus die Strahlen derselben über allen deutschen Gauen leuchteten" 42 . 1825 übernahm Cornelius die Leitung der Münchner Kunstakademie und hatte diese Position bis zum Bruch m i t dem König i m Jahre 1839 inne. Münchens Ruf lockte damals auch einen Gottfried Keller, und es würde zu weit führen, alle Künstler aufzuzählen, die i n jener Zeit i n der bayerischen Hauptstadt wirkten. A m liebsten hätte L u d w i g I. Thorwaldsen nach München berufen, da dies nicht zu verwirklichen war, fand er i n L u d w i g Schwanthaler einen würdigen Ersatz auf dem Gebiet der Bildhauerei. Die Erzgießerei, die u m 1800 schon fast imbekannt war, wurde durch Johann Baptist Stiglmayer und Ferdinand Miller zu neuem Leben erweckt. L u d w i g erwarb sich aber nicht nur als Bauherr und Förderer der Kunst einen Namen, sondern auch als Sammler von Kunstwerken. Während die Londoner Times seine Bauten als Kopien einstuft, rühmt sie seine Leistung auf jenem Gebiet nachdrücklich: „The buildings outside were mere copies; but the treasures w i t h i n were genuine. The king was a good connoisseur and collector 4 3 ." Der König verdankte vor allem seinem i n Rom lebenden Kunstagenten Johann M a r t i n Wagner die Erwerbung wertvoller Antiken wie z. B. der Ägineten und des Barberinischen Fauns. I m Grunde genommen ging er bei seinen Aufkäufen ziemlich wahllos vor. Nicht weniger verdienstvoll war die Leistung von Johann Georg Dillis, der als Central-Galeriedirektor aller bayerischen Kunstsammlungen die Pinakothek um die Sammlung Boisserée bereicherte. „ U m den Gesamtüberblick der kunstfördernden Thätigkeit Ludwigs zu vervollständigen, dürfen w i r neben den bedeutenden Bereicherungen der alten und neuen Pinakothek und der Glyptothek weder seiner liebevollen Fürsorge für die Erhaltung und Wiederherstellung historischer Kunstdenkmale, wie die Dome von Regensburg, Speyer, Bamberg, und seines lebhaften Antheils an der Wiederherstellung und dem 41 42 43

Augsburger Neueste Nachrichten, Nr. 65 vom 5. 3.1868. Ebenda. The Times vom 2. 3.1868.

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Ausbau des Domes von K ö l n vergessen, noch die zahlreichen Statuen außer acht lassen, die er dem Andenken berühmter Männer aus eigenen M i t t e l n setzte 44 ." Seinen romantischen Neigungen folgend war L u d w i g I. darauf bedacht, Vorhandenes zu erhalten und wenn nötig zu restaurieren oder zu ergänzen. Bereits 1827 erließ er eine Anordnung zur Denkmalspflege 45 . „König L u d w i g I. hat München zur ersten Kunststadt Deutschlands gemacht und i h m eine monumentale deutsche und europäische Note gegeben, so daß es allmählich zum zweiten ,Paris* wurde 4 6 ." Für wen schuf er dies alles, was er seinen Untertanen hinterlassen hat? Nicht für seine Person allein, nicht zur Befriedigung seiner persönlichen Leidenschaft, wie es später sein Enkel L u d w i g I I . getan hat. Die Kunst sollte das Volk erziehen und sein Leben bereichern, daher baute er Museen, die der Öffentlichkeit zugänglich waren. Gleichzeitig sollte sie i m Volke Geschichtsbewußtsein und Nationalgefühl wecken. Z u diesem Zweck erstellte er Nationaldenkmäler, wie ζ. B. die Befreiungshalle, das Siegestor oder die Feldherrnhalle 4 7 . „Er fragte nicht, ob i n der Zeit überhaupt und insbesondere i n seinem Volke, der Boden und die nöthige Empfänglichkeit vorhanden w a r 4 8 . " Daher ist es nicht verwunderlich, daß er i n der Bevölkerung m i t seinen Schöpfungen auf viel Unverständnis und K r i t i k gestoßen ist. N u r m i t großer Mühe, unter Heranziehung von Staatseinrichtungen, Stiftungen und der Kirche als Bauträger, gelang i h m die Ausführung seiner via triumphalis, der Ludwigstraße, nachdem sich Stadtgemeinde und Bürgertum dem Projekt verschlossen hatten. „Er forderte auch große Mittel, und mehr als einmal murrte man ziemlich laut i m Lande, die ganze Münchener Herrlichkeit sei die Vermehrung der Abgaben nicht werth, die sie bedingte. Aber man muß dem verstorbenen König nachrühmen, daß er unendlich viel aus seinen eigenen M i t t e l n gethan. Den größten Theil seines bedeutenden PrivatEinkommens verwendete er für Kunstzwecke 40 ." Die „Augsburger Neuesten Nachrichten" heben hervor, daß er allein während seiner 44

Augsburger Neueste Nachrichten, Nr. 65 vom 5. 3.1868. Vgl. Basler, Otto: Zur Denkmalspflege Bayerns i m frühen 19. Jahrhundert, in: Festschrift für Max Spindler zum 75. Geburtstag, S. 677 ff. 46 Bosl, Karl: München, S. 83. 47 Vgl. Spindler, Max: Ludwig als Bauherr, S. 323. 48 Süddeutsche Presse, Nr. 75 vom 16.3.1868. 49 Neue Würzburger Zeitung, Nr. 64 vom 4. 3.1868. 45

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3. Innenpolitik

Regierungszeit (1825-1848) 11 598 560 fi. für aus seinen Privatmitteln bestritten habe 50 .

Kunstunternehmungen

Daher traf die K r i t i k der Kammer der Abgeordneten an seiner Kunstpolitik i m Verlauf des Landtages von 1831 den König besonders schmerzlich. Er versuchte seither die Finanzkontrolle der Kammer zu umgehen und erwirkte 1834 eine Fixierung seiner Zivilliste, die von nun an ihrem Einfluß entzogen war. 3. Innenpolitik a) Vom Liberalismus

zur Reaktion

L u d w i g I. galt bei seinem Regierungsantritt als liberal gesinnter Mann und entsprach auch zunächst den Erwartungen, die an i h n gestellt wurden. Dies w i r d von liberalen Blättern, wie dem „Fränkischen Kurier" und der „Kölnischen Zeitung", lobend hervorgehoben. „ M a n erwartete von i h m einen Umschwung der Verhältnisse und täuschte sich darin nicht. Vor allen Dingen trat an die Stelle der bisherigen Verschwendung die strengste Ordnung und Sparsamkeit. Die unwürdigen Höflinge und Beamten, denen sein Vater i n übertriebener Gutmüthigkeit eine für das Land verderbliche Nachsicht geschenkt hatte, beseitigte er 5 1 ." Das Finanzwesen Bayerns bedurfte dringend durchgreifender Maßnahmen, denn die Situation war auf Grund hoher Ausgaben für Gehälter, Pensionen und für das M i l i t ä r nicht gerade rosig. Hier wurde der Rotstift kräftig eingesetzt 52 . Konsequent nahm der König sogleich eine Verwaltungsvereinfachung i n Angriff, u m Einsparungen vornehmen zu können und den Staat aus der Gefahrenzone eines Bankrotts zu bringen. Gewürdigt werden ebenso seine Verdienste u m das Bildungswesen. „ A l l e seine Regierungsmaßregeln waren freisinnig und menschenfreundlich, auf die Pflege der Wissenschaften u n d Künste und auf die Hebung der Volksbildung berechnet 53 ." Schon 1825 war eine Kommission m i t der Ausarbeitung eines neuen Schulplanes beauftragt worden, die aus Verwaltungsbeamten, Pädagogen und Wissenschaftlern bestand 54 . I n i h r setzte sich der Neuhumanismus durch und prägte die bayerische Gymnasialerziehung des 19. Jahrhunderts. 50 51 52 53 54

Nr. 65 vom 5. 3.1868. Kölnische Zeitung, Nr. 61 vom 1. 3.1868. Vgl. Kap. I I I , 5. Kölnische Zeitung, Nr. 61 vom 1. 3.1868. Vgl. Doeberl, Michael: Entwicklungsgeschichte Bayerns, Bd. I I I , S. 23 ff.

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Als Hauptleistung des Monarchen i m Bereich der Bildung erscheint i n den Nachrufen die Universitätsverlegung nach München. I h m w i r d die Absicht zugeschrieben, „ i n das finstere München Licht durch die Hinverlegung der Landshuter Universität zu bringen" 5 5 . Diese Universität hatte bei Ludwigs Regierungsantritt schon viel von ihrer früheren Bedeutung eingebüßt, da die besten Köpfe ihres Lehrkörpers i n die immer attraktiver werdende Residenzstadt und ins Ausland abgewandert waren. Sehr bald faßte der junge König deshalb den Entschluß, München nicht nur zum künstlerischen, sondern auch zum geistigen Zentrum Bayerns zu erheben und zugleich der Universität IngolstadtLandshut zu neuer Blüte zu verhelfen. So „finster" war München zu Beginn des 19. Jahrhunderts allerdings nicht, denn es war immerhin Sitz zweier Akademien. Etwas mißverständlich ist ebenfalls die Wendung, daß dadurch „Licht" nach München gekommen sei. Man darf sie nicht i m Sinne einer aufgeklärten Geistigkeit interpretieren, denn die sollte sich ja i n München gerade nicht entfalten. Die letzten Vertreter der Aufklärung i n Landshut bekamen deswegen keine Lehrerlaubnis. München wurde statt dessen ein M i t t e l punkt katholisch-romantischer Bildung, wobei vor allem auf den Einfluß des Ordinarius f ü r allgemeine Geschichte Joseph Görres verwiesen werden muß 5 6 . Ludwigs Universitätspolitik erstrebte eine Neufassung und Fixierung der Universitätsordnungen aller Hochschulen i n Bayern. Leider kam es nicht mehr zur Genehmigung, denn seine Haltung änderte sich hier ab 1830 ebenso wie gegenüber der Presse. „Der Presse war beim Regierungs-Antritte des Königs die freieste Bewegung gestattet worden. Bücher waren ganz zensurfrei geworden und die politischen Zeitungen unterlagen kaum noch einer Beschränkung. Das änderte sich indessen bald. König L u d w i g schlug eine Richtung ein, die sich m i t der aufgeklärten öffentlichen Meinung nicht vertrug und i n Folge dessen schränkte er die ,Presse4 enge ein. Die Censur wurde i n Baiern schlimmer, als anderswo, und er, der Monarch, der beim Beginne seiner Regierung, vom freisinnigen Grafen Platen i n einer stolzen Hymne freudig begrüßt, ausgerufen hatte: ,Ich möchte nicht ein unumschränkter Herrscher sein!', spielte dermaßen den orientalischen Despoten, daß vor seinem Bilde Abbitte gethan werden mußte 5 7 ." 65

Fränkischer Kurier, Nr. 61 vom 1. 3.1868. Vgl. Bosl, Karl: Bayerische Geschichte, S. 244; Doeberl, Michael: Entwicklungsgeschichte Bayerns, Bd. I I I , S. 25 ff. 57 Kölnische Zeitung, Nr. 61 vom 1. 3.1868; vgl. Kap. I I , 1. 68

3. Innenpolitik

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Der ursprünglich Neuerungen nicht abgeneigte K ö n i g 5 8 versteifte seine Haltung zusehends seit den Münchner Studentenunruhen von 1830. Mißtrauisch verfolgte er, der durch die wenig Entgegenkommen zeigende Einstellung der Kammern enttäuscht war, die politische Entwicklung und schwenkte nach den Ereignissen i n Hambach und Gaibach 1832 endgültig i n das reaktionäre Fahrwasser Metternichs m i t ein. Die Verfassung, für die er sich als Kronprinz nachdrücklich verwendet hatte, empfand er jetzt lediglich als lästige Fessel. „Diese Verfassung ward i h m gar bald unbequem, da sie i h m nicht erlaubte, über die M i t t e l des Staates ohne Weiteres zu verfügen, u m seinen Liebhabereien zu fröhnen 5 9 ." Ein Versäumnis der Verfassung von 1818, die die Zivilliste des Königs der parlamentarischen Behandlung nicht entzogen hatte, wurde 1834 vom Landtag nachgeholt, indem er die Jahresrente des Monarchen fixierte. Schon 1837 gerieten die königlichen Ausgaben i n das Schußfeld der K r i t i k der Abgeordneten. „Es wurden jetzt Finanz-Grundsätze aufgestellt, die m i t den klarsten Bestimmungen der Verfassimg i n Widerspruch standen. Es wurde nämlich dem Könige das Recht zugesprochen, die gemachten Erübrigungen nach seiner W i l l k ü r zu verwenden, ohne daß seine Minister den Kammern darüber Rechenschaft abzulegen brauchten 60 ." Erst 1843 gelang es dem Ministerium Abel i n der „Erübrigungsfrage" eine befriedigende Lösung zu finden. K a r l von Abel l u d während des Jahrzehnts von 1837 bis 1847, i n dem er die Leitung des Ministeriums inne hatte, bei allen Liberalen das Odium eines Erzreaktionärs auf sich. Nach Bosl war er der „bestgehaßte, aber markanteste bayerische Staatsmann i m 19. Jahrhundert", wenn man von Montgelas absieht 61 . Aber bereits unter Armansperg und Oettingen-Wallerstein lenkte Bernhard Grandaur den König i n die ultrakonservative Richtung, ein Mann, der als Kabinettsekretär von 1828 bis 1838 an den Schalthebeln der Staatsmaschinerie saß. „Er ist es gewesen, der den König i n der 58

Eine Übernahme der fortschrittlichen Einrichtungen der Pfalz scheiterte am Widerstand der Kammer; vgl. Spindler, M a x : Die Pfalz in ihrem Verhältnis zum bayerischen Staat in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in: Erbe und Verpflichtung, S. 291. 59 Kölnische Zeitung, Nr. 61 vom 1.3.1868. 60 Ebenda. 61 Bosl, Karl: Der moderne bayerische Staat von 1806-1956, in: Bayern — ein Land verändert sein Gesicht, S. 17. 4 Ursel

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eingeschlagenen Richtung bestärkte, das System ausbaute und die j u ristischen Begründungen lieferte 6 2 ." Daher ist es nicht verwunderlich, wenn die Verfassung „nicht nur nicht sach- und zeitgemäß ausgebaut, sondern manchfach in reaktionärem Sinne interpretiert wurde" 6 3 . Verständnis für Ludwigs Innenpolitik zeigt lediglich der Nekrolog i n der „Augsburger Allgemeinen Zeitung". Die Säuberungen innerhalb der Professorenschaft i m Jahr 1832 kommentiert er m i t den Worten: „Es galt ein Exempel zu statuieren, wobei immer einer für viele zu büßen hat." Er erhebt deshalb etwas später die Forderung: „Verurtheilen w i r den Herrscher nicht, wenn er zur Sicherung der Ruhe und Ordnung i n seinen Landen i n der Demagogenjagd vielleicht zu weit ging 6 4 ." Hierzu muß allerdings bemerkt werden, daß dieser ausführliche, i n zahlreichen Fortsetzungen erschienene Nekrolog aus einer besonders konservativen Feder stammt. Deswegen war die Redaktion nicht i n allen Punkten m i t den Ausführungen über Ludwigs Persönlichkeit und Regierung einverstanden und distanzierte sich gelegentlich i n Fußnoten. Dennoch zeigt der Abdruck dieses Nachrufes, daß die gemäßigt liberale Zeitung eine sehr vorsichtige Haltung einnimmt, die ihr i n der Folgezeit die Stellung eines offiziösen Blattes verleiht. Unter diesem Aspekt ist wohl auch die Notiz zu verstehen, die den Nachruf der „Kölnischen Zeitung" zwar als „wohlgeschriebenen A r t i k e l " einstuft, „welcher jedoch die unverkennbaren Schattenseiten seiner Regierung i n den 1830er und 1840er Jahren schärfer hervorhebt, als es einem i n Bayern erscheinenden Blatte jetzt an dem noch offenen Grabe ziemen würde" 6 5 . Kein deutschsprachiges Blatt fand für den Wandel i n der politischen Haltung Ludwigs I. jedoch derart anklagende Worte wie die Londoner Times, die, ohne seine Verdienste zu bestreiten, feststellt: „He suddenly changed his whole policy, threw himself into the arms of the Ultramontane and Reactionary parties, and established a petty reign of darkness and terror 6 6 ." 62

Spindler, Max: Bernhard Grandaur, Kabinettssekretär und Staatsrat unter Ludwig I., in: Erbe und Verpflichtung, S. 278. 63 Fränkischer Kurier, Nr. 61 vom 1. 3.1868. 64 Allgemeine Zeitung (Beilage), Nr. 95 vom 4.4.1868. 65 Allgemeine Zeitung, Nr. 64 vom 4. 3.1868. 66 The Times vom 2. 3.1868.

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b) Kirchenpolitik Der Einfluß seines Erziehers Joseph Anton Sambuga und des späteren Bischofs Sailer haben die religiöse Einstellung Ludwigs nachhaltig geprägt und i n i h m den Wunsch geweckt, dem kirchlichen Leben i n Bayern, das unter den Folgen der Aufklärung stark gelitten hatte, neuen Aufschwung zu geben. „König Ludwig hat unbarmherzig aufgeräumt mit dem liberalen Wust, den religionsfeindlichen, Kirchen- und Klösterstürmenden Elementen", rühmt die konservative „Donau-Zeitung" 6 7 . Daß er dabei weit über das Ziel hinausgeschossen ist und eine „gereizte konfessionelle Atmosphäre" 6 8 geschaffen hat, gehört m i t zu den dunkelsten Seiten seiner Regierungszeit. Hof mann verweist darauf, daß noch 1849 Soldaten aus Altbayern Weißenburger Bürger als „lutherische Hunde" und „verdammte Ketzer" beschimpften 69 . Hier zeigt sich, daß Ludwig I. die Parität, die Montgelas an die Stelle der ausschließlichen Katholizität gesetzt hatte, nicht mehr i m vollen Umfang respektierte. „Nach der Juli-Revolution 1830 warf er sich der Reaction immer mehr i n die Arme, und zwar i n Kirche wie i n Staat. Bayern sollte, wie zur Zeit der Liga und des dreißigjährigen Krieges, eine specifisch katholische Macht werden. Die Geistlichkeit gewann einen überwiegenden Einfluß, das Land bedeckte sich mit Klöstern, und der König legte sein ganzes Vertrauen i n das Ministerium Abel 7 0 ." Gleich zu Beginn seiner Regierung nahm L u d w i g ein Herzensanliegen, nämlich die Klosterrestauration, i n Angriff. Während die Kurie seinen Vater an die Erfüllung des entsprechenden Konkordatsartikels mahnen mußte, enthob der Sohn sie aller diesbezüglichen Sorgen. „ K u r i e und Nuntius mußten sich freilich damit abfinden, daß L u d w i g — ganz i n der Linie selbstbewußten bayerischen Staatskirchentums — ihnen hiebei jegliches Mitspracherecht versagte und sie weder konsultierte noch ausreichend informierte 7 1 ." Vor allem dem Benediktinerorden galt die Zuneigung des Landesherrn. Klöster wie Metten, Scheyern und Schäftlarn erwachten zu 67

Nr. 66 vom 6. 3.1868. Bosl, Karl: Bayerische Geschichte, S. 226. Hof mann, Hans Hubert: Adelige Herrschaft und souveräner Staat, S. 433. 70 Kölnische Zeitung, Nr. 61 vom 1. 3.1868. 71 Hammermayer, Ludwig: Katholikenemanzipation in Großbritanien und die Erneuerung von Abtei und Seminar der Schotten in Regensburg (1826/29), in: Z B L G 28, 1965, S. 413. 68 89

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neuem Leben, auch andere Orden durften wieder nach Bayern zurückkehren. Allein den Jesuiten mißtraute der König und erteilte ihnen keine Lehrerlaubnis. „Seit Tassilo II., dem Agilolfinger hat kein Fürst mehr für Kirchen und Klöster gethan als König L u d w i g I. 7 2 ." Die Restauration der Klöster entsprach seinen romantischen Vorstellungen, war allerdings nicht so weltfremd, wie es den Anschein haben mag. „Der Romantiker L u d w i g hatte dabei einen sehr realistischen und präzisen Begriff von dem größtmöglichen Nutzen dieser neuen Klöster für den bayerischen Staat und seine Bürger, i n Seelsorge, Erziehung, Wirtschaft und Pflege der Tradition 7 3 ." Die Diözesangeistlichkeit bekam durch das Armenfürsorgeprogramm von 1833 eine wichtige Rolle zugewiesen. Der kirchliche Apparat wurde somit vom Staat für seine Zwecke eingesetzt. „Es handelte sich also u m eine m i t der Kirche i n Beziehung stehende Form karitativer Tätigkeit, die vom Staat verwaltet wurde 7 4 ." Selbstverständlich erntet Ludwigs Kirchenpolitik i m Nekrolog der „Allgemeinen Zeitung" höchstes Lob, denn der Verfasser ist, wie die Redaktion bemerkt, strenger Katholik. „Daß L u d w i g als religiöser Restaurator auftrat, ist durch die vorangängige Periode der Devastation gerechtfertigt 75 ." Nicht gerechtfertigt waren allerdings Anordnungen, die eine übertriebene Konfessionalisierung i m Bildungswesen bewirkten. So mußten ζ. B. die bereits bestehenden Simultanschulen i n Augsburg und i n der Pfalz wieder getrennt werden, der Geschichtsunterricht an den Mittelschulen wurde i n die Hand des jeweiligen Religionslehrers gelegt. Dabei ist es nicht geblieben. Die Politik des Ministeriums mußte von den Protestanten als Beeinträchtigung ihrer religiösen Freiheit aufgefaßt werden. Der „Fränkische K u r i e r " hat diese Zeit nicht vergessen: „So kam es, daß unter dem Ministerium Abel, verhaßten Angedenkens, die Protestanten mehrfach i n ihren Rechten geschädigt wurden 7 6 ." Neben Schikanen bei der Bildung von Diasporagemeinden sind hier vor allem die sogenannte Kniebeugungsaffäre, die durch den königlichen Befehl ausgelöst wurde, daß auch protestantische Soldaten bei 72

Allgemeine Zeitung (Beilage), Nr. 177 vom 25. 6.1868. Hammermayer, Ludwig: Katholikenemanzipation, S. 414. 74 Phayer, Fintan Michael: Religion und das Gewöhnliche Volk in Bayern in der Zeit von 1750 - 1850, S. 178. 75 Allgemeine Zeitung (Beilage), Nr. 177 vom 25. 6.1868. 76 Nr. 61 vom 1. 3.1868. 78

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Militärgottesdiensten vor dem Allerheiligsten niederknien müßten 7 7 , und das Verbot des Gustav-Adolf-Vereins zu erwähnen 7 8 . Letzteres ist ebenfalls i m Zusammenhang m i t der Rivalität zu Preußen zu sehen. Während der Preußenkönig als Protektor des Vereins zugleich als Schutzherr des deutschen Protestantismus auftrat, versuchte L u d w i g I. diese Rolle für den deutschen Katholizismus zu spielen. Der konservativ-katholische Nekrologverfasser der „Allgemeinen Zeitung" steht daher zu allen Maßnahmen der Regierung, die angeblich erfolgten, „ u m der religiösen Gleichgültigkeit zu steuern" oder, „ u m religiöse Zwietracht zu vermeiden" 7 0 . Allmählich geriet der König zwischen die Fronten. „Einerseits verstimmte ihn der Oppositionsgeist der Kammern. Andererseits äußerte sich der König seit 1845 wieder u n w i l l i g gegen »Übertreibungen 4 von kirchlicher Seite, die seiner Ansicht nach der katholischen Sache nur Schaden zufügten 8 0 ." Besonders schmerzlich hatte ihn das Verhalten katholischer Geistlicher bei der Beisetzung seiner protestantischen Stiefmutter Karoline getroffen. Der Argwohn gegen das Treiben der „Ultrakatholiken" führte zur Ausgliederung des Kirchenwesens aus dem Zuständigkeitsbereich des Innenministeriums ab 1. Januar 1847. Das neuentstandene Ministerium des Innern für kirchliche Angelegenheiten war dem Einfluß Abels entzogen und bildete schon eine Vorform des späteren Kultusministeriums. Zu einem Bruch zwischen dem König und der katholisch-konservativen Rechten kam es bald darauf i n der Auseinandersetzung u m Lola Montez. c) Wirtschafts-

und Verkehrspolitik

Eine verstärkte Industrialisierung wurde von L u d w i g I. nicht begünstigt. Er mißtraute der Fabrikarbeit und der neuen gesellschaftlichen Schicht, die dadurch zwangsläufig entstehen mußte. Sie paßte nicht i n sein patriarchalisch-konservatives Weltbild 8 1 . 77 Nach Gruner wurde hier die Auffassung deutlich, daß ein Soldat nicht das volle staatsbürgerliche Recht besaß, wie es von der Verfassungsurkunde vorgesehen war. Der heftige Widerstand in der Öffentlichkeit führte zu einem schrittweisen Nachgeben bis zur völligen Aufhebung am 13.12.1845; vgl. Gruner, Wolf D.: Das Bayerische Heer 1825 bis 1864, S. 101. 78 Vgl. Doeberl, Michael: Entwicklungsgeschichte Bayerns, Bd. I I I , S. 130 ff. 79 Nr. 177 vom 25. 6.1868 (Beilage). 80 Hacker, Rupert: Die Beziehungen zwischen Bayern und dem Hl. Stuhl in der Regierungszeit Ludwigs I. (1825 - 1848), S. 131. 81 Vgl. Bosl, Karl: Bayerische Geschichte, S. 245. Bezeichnend ist ein Signât des Königs aus dem Jahr 1845 zur Konzessionserweiterung der Baumwoll-

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Dennoch hat er sich Verdienste u m die bayerische Volkswirtschaft erworben, die i h m von keiner Seite strittig gemacht werden. „Die Anregung der Zolleinigungen, die i n erster Linie von i h m ausging" 8 2 , fand i n Preußen, wohin die bayerische Regierung den Verlagsbuchhändler Friedrich von Cotta als Kontaktmann gesandt hatte, offene Ohren. Zuvor war ja bereits durch Bayern und Württemberg der erste Schritt zur wirtschaftlichen Einigung Deutschlands getan worden. Bahnbrechend i m Bereich des Bankwesens w i r k t e „das Gesetz zur Errichtung einer Hypotheken und Wechselbank" 83 , an dessen Entstehung der Hofbankier Simon Freiherr von Eichthal maßgeblich beteiligt w a r 8 4 . 1835 konnte die Bayerische Hypotheken- und Wechselbank als erste private Hypothekenbank Deutschlands ihre Pforten öffnen. Bis heute führt sie das bayerische Rautenwappen mit der Königskrone als Firmenzeichen. L u d w i g I. bewährte sich nicht nur als Bank-, sondern auch als Stadtgründer. „Die Rheinschanze Mannheim gegenüber erkannte er zur Anlage einer Stadt geeignet, die nach i h m den Namen Ludwigshafen führt 8 5 ." Dieser bayerische Rheinhafen kam vor allem der Wirtschaft der Pfalz zugute. Ganz Bayern nützen sollte aber eines seiner Lieblingsvorhaben, „die Herstelung des Donau-Main-Kanals, wenn auch bei letzterem Gedanken die ideal romantische Erinnerung mitgewirkt haben mochte, ein Werk, das K a r l der Große unfertig gelassen, zu vollenden und die Nordsee durch eine direkte Wasserstraße m i t dem schwarzen Meere zu verbinden" 8 6 . 1845 konnte der Kanal i n ganzer Länge i n Betrieb genommen werden. Er war ohne Zweifel eine großartige technische Leistung. Doch bald stellten sich die etwa einhundert Schleusen und die zu engen Abmessungen als Hindernisse für eine Ausweitung des Schiffsverkehrs heraus. Da die Erträge nur bis zum Jahr 1850 stiegen, mußte der Staat m i t Subventionen eingreifen 87 . Spinnerei Augsburg, abgedruckt bei Gruner, Wolf D.: Das Bayerische Heer, S. 98 f. 82 Süddeutsche Presse, Nr. 76 vom 17. 3.1868. 83 Ebenda. 84 Vgl. Bayerland, Jg. 1968, Heft 2, S. 28 f. 85 Allgemeine Zeitung (Beilage), Nr. 212 vom 30. 7.1868. 86 Süddeutsche Presse, Nr. 76 vom 17. 3.1868. 87 Vgl. Bayerland, Jg. 1968, Heft 2, S. 41; Zorn, Wolfgang: Kleine Wirtschafte» und Sozialgeschichte Bayerns 1806 - 1933, S. 26 f.

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enpolitik

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Die neue Wasserstraße hatte einen Konkurrenten bekommen, mit dem sie nicht mehr mithalten konnte: die Eisenbahn. „Diese Schienenbahnen haben auch die Bedeutung des kostspieligen Ludwigscanais schließlich vereitelt, w i r sehen i h n bereits unter unseren Augen verfallen, und dieses Riesenunternehmen allein würde den Namen des hochsinnigen Königs nicht auf die Nachwelt bringen. Bereits 1826 hatte der K . Oberbergrath Joseph v. Baader i m Schloßgarten zu Nymphenburg eine Schienenstrecke nach englischem Muster angelegt, und zur Ausführung i m großen eingeladen. Wirklich wurde unter L u d w i g I. 1835 die erste deutsche Eisenbahn zwischen Nürnberg und Fürth gebaut, später auch die Südnordbahn angelegt 88 ." Da der Kanalgedanke i m Mittelpunkt von Ludwigs Verkehrspolitik stand, wurde der Eisenbahnbau zunächst privater Initiative überlassen. Daran erinnert die „Kölnische Zeitung": „Eine kleine Eisenbahn (Nürnberg—Fürth) hatte Baiern früh gebaut, m i t der Herstellung großer Linien wurde länger als i n anderen Staaten gezaudert 89 ." L u d w i g I. scheute sich davor, Anleihen aufzunehmen, daher sah er i m Bau von Eisenbahnen zunächst nur eine Belastung der Staatsfinanzen 90 . Erst als Württemberg daran ging, m i t Eisenbahnplänen dem Kanal Konkurrenz zu machen, engagierte sich Bayern stärker, u m nicht die besten Verbindungen dem Nachbarland zu überlassen 91 . Bayern legte dann als einer der ersten Staaten den Staatsbahngedanken seiner Eisenbahnpolitik zugrunde, wenngleich es noch bis 1908, als die Pfälzischen Eisenbahnen verstaatlicht wurden, bedeutende P r i vatbahnunternehmen gab 92 . 4. Außenpolitik a) Pfalzfrage Während Ludwigs Innenpolitik und Bautätigkeit i n den Nekrologen aller Blätter behandelt werden, widmen n u r wenige Zeitungen seiner Außenpolitik Aufmerksamkeit. Zwei Problemkreise werden dabei angesprochen, die Pfalzfrage und die bayerische Griechenlandpolitik. 88

Allgemeine Zeitung (Beilage), Nr. 212 vom 30. 7.1868. Nr. 61 vom 1. 3.1868. 90 Vgl. Gruner, Wolf D.: Das Bayerische Heer, S. 95. 91 Vgl. Löwenstein, Theodor: Die bayerische Eisenbahnbaupolitik bis zum Eintritt Deutschlands in die Weltwirtschaft 1825 -1890, in: Archiv für Eisenbahnwesen, Jg. 1927, Heft 4, S. 889. 92 Vgl. Zorn, Wolf gang: Kleine Wirtschafts- und Sozialgeschichte Bayerns, S. 27. 89

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Für Ludwig, der i n der rechtsrheinischen Pfalz seine Jugendjähre verbracht hatte, mußte der Verlust von Mannheim und Heidelberg besonders schmerzlich sein. Dem aus verschiedenen Territorien gebildeten Rheinkreis fehlte ein kulturelles und geistiges Zentrum. Vor allem war die nicht vorhandene Landverbindung für den neuen bayerischen Staat ein schweres Handikap, das durch die österreichischen Ausgleichszahlungen nicht aufgewogen wurde. Daher betonte L u d w i g I. schon zu Beginn seiner Regierung die Idee der „Kontiguität der rechts- und linksrheinischen Reichshälfte" 03 . Seine Außenpolitik schlug einen Zick-Zack-Kurs zwischen den an dieser Frage interessierten Mächten Preußen, Rußland, Österreich und Frankreich ein. Die einzelnen Phasen dieser diplomatischen Bemühungen werden von Otto Westphal deutlich herausgearbeitet. Ich möchte deswegen nur auf die Grundpositionen hinweisen. Preußen und Rußland hatten sich bereits beim Wiener Kongreß gegen die bayerischen Wünsche gestellt. Beide Mächte standen auf der Seite Badens, wenn auch aus verschiedenen Motiven. War Preußen i n erster Linie aus Furcht vor einer Hegemonie Bayerns i n Süddeutschland gegen eine Landbrücke, so spielten bei Rußland familiäre Rücksichten gegenüber dem badischen Herrscherhaus die Hauptrolle. Dennoch versuchte L u d w i g I., zunächst bei Rußland durch die Mission Wredes 1826 eine Änderung zu erreichen. Rußland riet jedoch zum Ausgleich über Wien. Obwohl Österreich wegen Nichterfüllung seiner Versprechungen aus dem Vertrag von Ried ein schlechtes Gewissen hatte, konnte von dort keine Initiative erwartet werden. Denn gerade Metternich war über Ludwigs erste Regierungshandlungen wenig erfreut. Der neue Minister Armansperg galt als Feind Österreichs. M i t der Einführung der Pressefreiheit aber „hatte Bayern als erster deutscher Staat an das Kernstück der Karlsbader Beschlüsse gerührt" 0 4 . Frankreich stand als einziger Staat auf Grund der eigenen Interessenlage einer Landverbindung zwischen Bayern und der Pfalz nicht ablehnend gegenüber, da sich i h m hier ein Einfallstor nach Deutschland geboten hätte. Doch die betont „teutsche" Politik Ludwigs erschwerte eine Annäherung. „Voraussetzung und Ausführung von Ludwigs Pfalz-Politik waren gleichermaßen mangelhaft. Er erkannte nicht, daß Bayern zum gegen93 Westphal, Otto: System und Wandlungen der auswärtigen Politik Bayerns in den ersten Jahren Ludwigs I., in: Staat und Volkstum, S. 357. 94 Westphal, Otto: System und Wandlungen der auswärtigen Politik Bayerns, S. 359.

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wärtigen Zeitpunkt keinen Partner unter den Großmächten finden konnte 9 5 ." Eine Abtretung des geforderten Gebietes hätte für das Großherzogtum Baden zudem eine ernste Gefährdung seiner Existenz bedeutet. Es ist daher auch unwahrscheinlich, daß eine militärische A k t i o n zum gewünschten Erfolg geführt hätte, wie sie dem Nekrologverfasser der „Allgemeinen Zeitung" vorschwebte: „Als nämlich 1830 der großherzogliche Mannesstamm i n Baden erlosch, und die nachträglich für legitim erklärten Grafen von Hochberg sich der Nachfolge bemächtigten, da gieng es wie eine Parole durch das Land: jetzt müsse die Krone Wittelsbach wieder zum Besitz von Mannheim und Heidelberg gelangen, und durch schnelle Besitznahme der Zusammenhang der altbayerischen Lande mit der Pfalz am Rhein hergestellt werden. Ein halb tausendjähriges Besitzrecht der Pfalzgrafen sollte i m Nothfall m i t Waffengewalt behauptet werden, u m so mehr, als Oesterreich für die Einhaltung der alten Erbfolgeverträge sich verbürgt hatte und für die Nichterfüllung noch jährlich 100 000 fl. an Bayern bezahlt. . . . Wahrscheinlich hätten aber auch damals die Mächte ein rasches fait accompli anerkannt, wie derlei vollendete Thatsachen gegenwärtig eine so wichtige Rolle spielen 96 ." L u d w i g I. war allerdings kein Herrscher, der für militärische Abenteuer Sinn hatte. Lieber hätte er Gebiete als Tauschobjekte benutzt. So war er bereit, „die ehemalige Markgrafschaft Ansbach, die i h m ohnehin nicht treu anhänglich sei, gegen die Pfalz einzutauschen" 97 . Auch Passau war als Kompensation für österreichische Vermittlung i m Gespräch 98 . Der König gedachte diese Stadt gegen Salzburg auszutauschen. Gerüchte, die darüber i n die Öffentlichkeit gelangten, mußten weite Teile der Bevölkerung verunsichern und konnten daher den Tauschplänen zu keiner Popularität verhelfen. b) Griechenlandpolitik Anders lag die Situation zunächst i n der Griechenlandpolitik. Denn hier ließ sich das dynastische Interesse m i t dem Willen der öffentlichen Meinung i n Einklang bringen. Für Bayern schien sich eine „neue Aera" auch nach außen anzukündigen 99 . 95 Böck, Hanns Helmut: Karl Philipp Fürst von Wrede als politischer Berater König Ludwig I. von Bayern (1825 - 1838), S. 62. 96 Allgemeine Zeitung (Beilage), Nr. 94 vom 3. 4.1868. 97 Westphal, Otto: System und Wandlungen der auswärtigen Politik Bayerns, S. 366. 98 Vgl. Böck, Hanns Helmut: Karl Philipp Fürst von Wrede, S. 63 Anm. 193. 99 Fränkischer Kurier, Nr. 61 vom 1. 3.1868.

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L u d w i g I. schwamm auf der Welle des Philhellenismus ganz oben und war bereit, für diesen Opfer zu bringen. Auf den „idealen Hintergrund" seiner Anteilnahme am griechischen Freiheitskampf weist die „Süddeutsche Presse" hin: „Er sah darin nur das alte Hellas, und i n seiner und der alten Klassizität möglichen Wiedererweckung die Erfüllung eines schönen Jugendtraumes 100 ." Die rauhe Wirklichkeit der griechischen Verhältnisse, die schon Leopold von Sachsen-Coburg-Gotha, den späteren belgischen König, abgeschreckt hatte, bekam der Sohn Ludwigs I. sogleich zu spüren. König Otto, der erste und einzige Herrscher aus dem Hause Wittelsbach auf dem griechischen Thron, stand vor keiner leichten Aufgabe. Das Land war innerlich zerrissen, ohne wirtschaftliche und finanzielle Grundlagen, ein Spielball der Großmächte. Nur dank der großen Summen aus der bayerischen Staatskasse ist der junge Staat lebensfähig gewesen 101 . Da diese Darlehen erst 1878 auf Bismarcks Betreiben hin zurückgezahlt wurden, kam L u d w i g I. i n eine prekäre Situation. Nach seiner Abdankung mußte er die griechischen Schulden zu Lasten des jüngsten Sohnes Prinz Adalbert aus seinem Privatvermögen zahlen 1 0 2 . „ M i t allem baierischen Gelde ist i n Griechenland nichts erreicht, als daß Bavarese bei den undankbaren Hellenen ein Schimpfwort geworden ist 1 0 3 ." Bayern hatt allerdings nicht nur Geld vorgeschossen, sondern i m Auftrag der Großmächte England, Frankreich und Rußland die unangenehme Aufgabe übernommen, Griechenland politisch und militärisch aus dem Chaos i n geordnete Bahnen überzuführen. Da der junge Monarch m i t siebzehn Jahren noch unmündig war, mußte eine Regentschaft gebildet werden, der Graf Armansperg, Professor Ludwig von Maurer und Generalmajor von Heideck angehörten. Auch der spätere bayerische Minister Abel war als Legationsrat beigegeben. Sehr bald blockierten die Differenzen und Intrigen der Regentschaftsmitglieder die ganze Regierungsarbeit und führten bereits 1834 zur Abberufung von Maurer und Abel 1 0 4 . Armansperg, der wegen seiner Erfolge als bayerischer Finanzminister bei den Großmächten, vor allem bei England, Ansehen genoß, brachte es aber i n der Folgezeit nicht fertig, Griechenland zu sanieren. 100 101 102 103 104

Süddeutsche Presse. Nr. 76 vom 17. 3.1868. Vgl. Seidl, Wolf: Bayern in Griechenland, S. 131. Vgl. Seidl, Wolf: Bayern in Griechenland, S. 192. Kölnische Zeitung, Nr. 61 vom 1. 3.1868. Vgl. Seidl, Wolf: Bayern in Griechenland, S. 92 f.

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Der viel zu hohe Militäretat und die nur zögernd eingeleiteten Reformen haben dazu beigetragen. Durch das umständliche Katasterverfahren lagen die verwüsteten Ländereien viel zu lange brach, bevor an eine Landverteilung gedacht werden konnte. Den bayerischen Beamten fehlte die Fähigkeit zur Improvisation. „Die deutsche Gründlichkeit hat den Bayern schnell ein böses Wort eingetragen: das von der Xenokratie, der verhaßten Fremdherrschaft, die man möglichst schnell wieder los sein wollte 1 0 5 ." Griechenland war ein unterentwickeltes Land mit einem hochentwickelten Nationalgefühl. Die bayerische Herrschaft über Griechenland kann i m Grunde genommen als ein früher Fall von Entwicklungshilfe angesehen werden 1 0 6 . Es fehlte jedoch noch an Erfahrungen und Methoden, so daß ein K o n f l i k t unvermeidlich wurde. 1843 entluden sich dann die Spannungen i n einer unblutigen Revolution, die den König an eine Verfassung band. I n dieser war i n A r t i k e l 3 festgelegt, daß nur Hellenen zu Staatsämtern zugelassen werden dürfen. Fast zwei Jahrzehnte regierte Otto als konstitutioneller Monarch, doch das Ausbleiben außenpolitischer Erfolge und vor allem seine Kinderlosigkeit führten zum Verlust des griechischen Thrones für die Wittelsbacher. Ludwig I. mußte diese Entwicklung schwer treffen. Er hat an die Zukunft seines Sohnes geglaubt, sonst wäre er nicht zu so großen Opfern für Griechenland bereit gewesen. Diesen Sachverhalt übersieht die „Süddeutsche Presse", wenn sie feststellt: „Staatsmännisch konnte er wohl so wenig an die Dauer des neuen Thrones und seinen Besitz durch Wittelsbach glauben als andere Politiker 1 0 7 ." Es ist wohl als tragische Ironie zu bezeichnen, daß ausgerechnet einen Tag vor dem Eintreffen des gestürzten Griechenkönigs i n München die Propyläen eingeweiht wurden, auf deren Relief die Regierungszeit Ottos abgebildet war. Trotz seines Eintretens für Griechenland kann man L u d w i g I. nicht den Vorwurf machen, er habe sich i n außenpolitische Abenteuer eingelassen. Er war realistisch genug u m zu erkennen, „daß ein Staat wie Bayern überhaupt einer großen Politik nicht fähig sei, und w i r dürfen froh seyn, daß König L u d w i g nicht seinen Ehrgeiz darin gesetzt hat, am Ende doch unfruchtbare Großmachtpolitik zu treiben" 1 0 8 . 105

Seidl, Wolf: Bayern in Griechenland, S. 85. Ebenda, S. 94. 107 Süddeutsche Presse, Nr. 76 vom 17. 3.1868. los Korrespondent von und für Deutschland, Nr. 118 vom 4. 3.1868. loe

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5. Militärpolitik Flächenmäßig war Bayern der drittgrößte Staat i m Deutschen Bund. Doch stand seine Größe i n einem Mißverhältnis zu seiner Finanzkraft, was an der relativ geringen Industrialisierung lag 1 0 9 . Nicht nur der politische, auch der militärische Bereich hatte darunter zu leiden. Die Pressestimmen zu Ludwigs Militärpolitik verkennen diese Tatsache: „Heute verwenden, kraft einer vorübergehenden rückläufigen K u l t u r bewegung, die Fürsten die Hauptsummen der Staatseinkünfte für ihre Armeen. Dafür mangelte König L u d w i g der Sinn. Obwohl m i t dem Feldlager und dem Pulverdampfe vertraut, hegte er eine entschiedene Abneigung gegen unnütze Soldatenspielerei. Er vernachlässigte das Heer derart, daß i n den letzten Jahren seiner Regierung bei einigen Bataillonen das Scheibenschießen eingestellt werden mußte, w e i l die alten Läufe keine scharfe Ladung mehr vertrugen 1 1 0 !" Die „Augsburger Allgemeine Zeitung" verweist ebenfalls auf die negative Entwicklung: „Der neue Monarch baute nicht mehr Casernen, i m Gegentheil ließ er beim A n t r i t t seines Thrones augenblicklich das neue, westliche Stockwerk der sogen. Türkencaserne abtragen, und zwanzig Jahre später erhoben sich dort i m Vordergrunde die beiden Pinakotheken. Der 7. Dec. brachte die neue Heeresformation, resp. Armeereduction 1 1 1 ." Die letztgenannte Maßnahme sollte dazu beitragen, den Staatshaushalt wieder i n Ordnung zu bringen, und hätte durchaus zu einer sinnvollen Entwicklung führen können 1 1 2 . Die Einsparung von 1 000 000 Gulden zu diesem Zeitpunkt bot jedoch der Opposition 1831 ein w i l l k o m menes Argument gegen Regierungsforderungen 113 . Daß Ludwigs Bauleidenschaft eine Vernachlässigung des M i l i t ä r wesens nach sich gezogen habe, w i r d von Gruner als grobe Vereinfachung bezeichnet, die nur bedingt zutreffe 1 1 4 . Oft wurden sogar aus den Erübrigungen M i t t e l für die Streitkräfte bereitgestellt. Dennoch ist ein gewisser Niedergang unter L u d w i g I. nicht zu leugnen, für den mehrere Gründe verantwortlich sind. Der Festungsbau 109 vgi # Zorn, Wolfgang: Kleine Wirtschafts- und Sozialgeschichte Bayerns, S. 77. 110 Neue Würzburger Zeitung, Nr. 64 vom 4. 3.1868. 111 Allgemeine Zeitung (Beilage), Nr. 94 vom 3.4.1868. 112 Vgl. Gruner, Wolf D.: Da^ Bayerische Heer, S. 333. 113 Ebenda, S. 159. 114 Ebenda, S. 103 und 333.

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stand i m Vordergrund seines Interesses und genoß daher Vorrang i m Militäretat. Von 1826 bis i n die 60er Jahre zog sich der Ausbau von Ingolstadt hin. I n anderen Bereichen mußten Einsparungen erfolgen 115 . Er war grundsätzlich nicht gewillt, i m Frieden Schulden für die A r mee zu machen 116 . Die Finanzkraft des Landes sollte für einen eventuell eintretenden Ernstfall möglichst geschont werden. Unverständlich ist allerdings die Haltung des Kriegsministeriums, das dem Monarchen regelmäßig Berichte vorlegte, die den Eindruck erwecken mußten, daß alles i n bester Ordnung sei 1 1 7 . L u d w i g I. war kein unmilitärischer Herrscher, wie i h m i m Zusammenhang m i t seiner Pfalzpolitik vorgeworfen wurde. „König Ludwig, w i r dürfen es nicht verschweigen, war dem keineswegs unkriegerisch gesinnten Volk als regierender Fürst fast zu wenig Soldat 1 1 8 ." Als Kronprinz hatte er an den Feldzügen Napoleons und an den Befreiungskriegen teilgenommen. Letztere hatten i h n gewissermaßen geprägt und i n i h m den Glauben geweckt, daß i n der Stunde der Gefahr auf den Ruf seines Königs das bayerische Volk wiederum zu den Waffen eilen würde 1 1 9 . 6. Lola-Montez-Affaire und Abdankung Die zahlreichen amourösen Abenteuer des Monarchen waren schon vor dem Eintreffen von Lola Montez i n München herber K r i t i k unterzogen worden 1 2 0 . Diese Dame jedoch löste einen bisher nie geahnten Sturm der Entrüstung aus, da sich i n diesem F a l l die private Sphäre m i t der politischen unheilvoll verbunden hatte. „Noch i n seinen alten Tagen verliebte er sich sterblich i n eine schöne, tolle Abenteurerin, Lola Montez, die er trotz des Widerspruches seiner Minister zur Gräfin Landsfeld erhob. Sie vollendete den Sturz der ultramontanen Partei, deren Stern freilich bereits i m Sinken war. Es gelang der Partei aber, die öffentliche Meinung als Vertreterin der Sittlichkeit auf ihre Seite zu bringen, und der arme, liebeskranke König hatte 1847 ein schlimmes Jahr 1 2 1 ." Ebenda, S. 117. Ebenda, S. 179. 117 Vgl. Gruner, Wolf D.: Das Bayerische Heer, S. 333. 118 Allgemeine Zeitung (Beilage), Nr. 94 vom 3.4.1868. 119 Vgl. Gruner, Wolf D.: Das Bayerische Heer, S. 332. 120 Vgl. Kap. I I , 4. 121 Kölnische Zeitung, Nr. 61 vom 1. 3.1868. 118

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Die Haltung der kirchlich-konservativen Kreise empörte den König zutiefst 1 2 2 . Universität und Beamtenschaft wurden von den Vertretern des Görres-Kreises gereinigt. I n der Führung der Regierungsgeschäfte vollzog sich der Wandel von dem Regime Abels zu dem „Ministerium der Morgenröthe" Maurer, zu Rhein, Zenetti. „Derselbe König, der mit großartigem Schwung das christlich-konservative Staatsprogramm der Spätromantik unter gleichzeitiger Durchführung zeitgemäßer Reformen zu verwirklichen gesucht hatte, Schloß nun selbst noch vor dem Jahre 1848 diese Periode ab. Das Zeitalter der Restauration i n Bayern war zu Ende 1 2 3 ." Die erneute Hinwendung zum Liberalismus, die i n Bayern nicht erst 1848 erfolgte, wurde zwar i n weiten Kreisen begrüßt, nicht jedoch der zunehmende Einfluß der inzwischen zur Gräfin Landsfeld geadelten Tänzerin. Trotz der Bedenken des Staatsrats hatte ihr der König das bayerische Indigenat verliehen 1 2 4 . Da sich auch die neuen Minister ablehnend verhielten, trug sie noch i m gleichen Jahr zu deren Sturz bei 1 2 5 . I m Ministerium öttingen-Wallerstein übernahm dann auch ihr ehemaliger Reisekavalier Bercks das Innenministerium. „Die Tänzerin wollte die Pompadour Bayerns spielen, und das neunzehnte Jahrhundert erträgt keine Pompadour mehr. Dazu kam der herausfordernde Hohn, m i t dem sie, so oft sie öffentlich erschien, das Volk verletzte und reizte; dazu kam ferner die geheime Wühlerei des Hochadels, der über die Erhebung der Abenteurerin zur Gräfin von Landsfeld höchst erbittert war. Und zuletzt — sie war eine Fremde 1 2 6 !" Die „Neue Würzburger Zeitung" sieht hier eine Parallele zu der deutlichen Abneigung der Münchner gegenüber fremden Gelehrten und Künstlern, die unter Max II. als „Nordlichter" verschrien waren. Zweifellos hatte die Feindseligkeit gegen Lola Montez und ihren Anhang i n der Studentenschaft verschiedene Ursachen. Entscheidend aber war, daß der König die Zeichen der Zeit nicht erkannte und so durch eine Koalition der heterogensten Kräfte zum Nachgeben gezwungen wurde. 122 £ ) e r v o n Conte Corti erwähnte Papstbrief, (Ludwig I. von Bayern, S. 238) ist allerdings eine Fälschung; vgl. Hacker, Rupert: Die Beziehungen zwischen Bayern und dem Hl. Stuhl, S. 137. 123 Spindler, Max: Die politische Wendung von 1847/48 in Bayern, in: Erbe und Verpflichtung, S. 312. 124 Vgl. Schiaich, Heinz W.: Der bayerische Staatsrat, in: Z B L G 28, 1965, S. 499. 125 Vgl. Doeberl, Michael: Entwicklungsgeschichte Bayerns, Bd. I I I , S. 139 f. 126 Neue Würzburger Zeitung, Nr. 46 vom 4. 3.1868.

6. Lola-Montez-Affäre und Abdankung

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M i t Recht verweist der konservative Nekrolog der „Allgemeinen Zeitung" auf die Bedeutung jener Ereignisse: „Das monarchische Princip erlitt unmittelbar vor den Revolutionsstürmen des Jahres 1848 i n ganz Europa einen furchtbaren Stoß, indem einer der gefeiertsten Fürsten der gebildeten Welt auf solche Weise seinen Nimbus einbüßte 1 2 7 ." Beigetragen haben dazu auch die zahlreichen Schmähschriften, die damals das trotz gegenteiliger Beteuerungen ins Zwielicht geratene Verhältnis zwischen Ludwig I. und Lola begierig ausschlachteten 128 . Nach den Märzunruhen, die von i h m Zugeständnisse erpreßt hatten, gegen die er sich jahrelang gesträubt hatte, wie Pressefreiheit, M i n i sterverantwortlichkeit, Schwurgerichte, Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Rechtsprechung, sah er sich i n seiner Königswürde so verletzt, daß er es vorzog, die Krone an seinen Sohn zu übergeben. Z u Wagner i n Rom äußerte er sich am 31. März 1848: „Regieren konnte Ich nicht mehr, und einen Unterschreiber abgeben wollte Ich nicht. Nicht Sklave zu werden, wurde Ich Freiherr 1 2 9 ." r Diese Haltung honorieren die „Augsburger Neuesten Nachrichten" i n ihrem Nachruf: „ U n d gerade darin liegt ein hervorragendes politisches Verdienst des Königs L u d w i g I., daß, als eine neue Zeit angebrochen war, er nicht unwahr sein wollte und es vorzog, die Regierung i n die Hände seines Thronfolgers niederzulegen, als nach Grundsätzen zu regieren, die er i n ihren Konsequenzen mit seinem ganzen Wesen nicht i n Einklang bringen konnte 1 3 0 ." Noch beinahe zwanzig Jahre konnte der abgedankte König verfolgen, ohne selber mehr Herrscher zu sein. Während Doeberl meint, daß L u d w i g I. seine Abdankung niemals ernstlich bereut habe 1 3 1 , behauptet dies der Nekrologverfasser der „ A l l gemeinen Zeitung" 1 3 2 . Vorsichtiger urteilt der „Fränkische K u r i e r " : „Ob er später dies nicht bereut, wissen w i r nicht, aber fast möchten w i r es glauben 1 3 3 ." Es ist auch meiner Meinung nach unwahrscheinlich, daß ein „ V o l l blutmonarch" wie L u d w i g I., der später seinem Enkel Ratschläge für dessen Regierung gegeben hat, nicht von derlei Gefühlen bewegt worden sein soll. 127

Nr. 232 vom 19. 8.1868 (Beilage). 128 Vgl. Kap. I I , 4. 129 vgl. Doeberl, Michael: Entwicklungsgeschichte Bayerns, Bd. I I I , S. 146. 130 Nr. 65 vom 5. 3.1868. 131 Entwicklungsgeschichte Bayerns, Bd. I I I , S. 146. 132 Allgemeine Zeitung (Beilage), Nr. 241 vom 28. 8.1868. 133 Nr. 61 vom 1. 3.1868.

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7. Bayerns Goldenes Zeitalter „Das bayerische Volk trauert u m den entschlafenen alten König und es hat Grund zur Trauer und Klage. M i t König L u d w i g hat es den letzten Zeugen einer schöneren Zeit, der Zeit bayerischen Ruhmes und Glanzes verloren, die sein Werk war. Seine Regierungsperiode war die glänzendste vielleicht i n der ganzen bayerischen Geschichte. Unter i h m war Bayern noch das Land, das geachtet war nicht nur i n deutschen Landen, sondern i n ganz Europa, m i t dem man rechnen mußte und rechnete, war Bayern die katholische deutsche Macht und es war eine Macht, w e i l es katholisch war, weil es die Führerin der deutschen Katholiken w a r 1 3 4 . " Diese Lobeshymne der katholisch-konservativen „Donau-Zeitung" hält einer kritischen Nachprüfung nicht stand. Bayern war keine Macht, alle Ambitionen i n dieser Richtung waren Seifenblasen, denn dem Agrarstaat Bayern fehlten die finanziellen und militärischen M i t t e l für eine Großmachtpolitik 1 3 5 . Gerade wegen seiner Ohnmacht wurde ein Bayernprinz Griechenlands erster König. Bayern war auch keine katholische Macht mehr, seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts umfaßte es weite Gebiete, die von Protestanten bewohnt wurden. Unter Montgelas war die Parität an die Stelle der Katholizität getreten. Hier ließ sich das Rad der Geschichte nicht ohne weiteres zurückdrehen. Der Versuch mußte zu inneren Spannungen führen 1 3 6 und wurde vom König selber wieder revidiert. Einer weiteren Behauptung der „Donau-Zeitung" kann ebenfalls nicht i n vollem U m fang zugestimmt werden: „Welcher Fürst war von seinem Volke so geliebt, wie König L u d w i g und wer verdiente es mehr 1 3 7 ?" A u f Ludwig I. wurde eine weder zuvor noch danach wieder erreichte Anzahl von Schmähschriften verfaßt, die aus dem Volke kamen, von der intellektuellen K r i t i k der Nichtbayern Heine und Büchner einmal abgesehen 138 . I m Vergleich zu seinem Vater schnitt er dabei schlecht ab. Es staute sich bereits eine soziale Unzufriedenheit an, die erst i n der zweiten Jahrhunderthälfte i n der Arbeiterbewegung ein Ventil gefunden hat. Auch i n Bayern kam es Mitte der 30er Jahre zu beträchtlichen sozialen Spannungen 139 . Mitte der 40er Jahre führte eine Wirtschaftskrise 184 136 138 137 188 139

S. 178.

Donau-Zeitung, Nr. 66 vom 6. 3.1868. Vgl. Kap. I I I , 5. Vgl. Kap. I I I , 3 b. Nr. 66 vom 6. 3.1868. Vgl. Kap. I I , 4. Vgl. Phayer, Fintan Michael: Religion und das Gewöhnliche Volk,

7. Bayerns Goldenes Zeitalter

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zu einem Absinken des Lebensstandards der arbeitenden Bevölkerung. 1847 erreichte der Bruttoreallohn der Arbeiter sogar einen absoluten Tiefstand 1 4 0 . Das sind Fakten, die nicht übersehen werden dürfen, wenn der Versuch gemacht wird, diese Zeit nachträglich zu verklären. Für die „Donau-Zeitung" geht es erst seit 1848 m i t Bayern stetig abwärts: „Als König L u d w i g vom Throne herabstieg, weil er den neuen Göttern nicht opfern wollte, da fieng der gute Stern Bayerns zu erbleichen an und jetzt ist er daran, gar zu verlöschen 141 ." Die weitere Entwicklung schließlich w i r d i n den schwärzesten Farben gemalt: „Gebeugt u n d zagend sieht das ehedem so stolze und tapfere Volk der Bayern noch schlimmerer Zukunft entgegen 142 ." Glorifizierende Tendenzen finden sich i n allen konservativen Nachrufen 1 4 3 . Für den „Bayerischen K u r i e r " erübrigt sich ein Nachruf sogar, denn sämtliche Taten des verstorbenen Herrschers sind „ohnedem i n jedes Bayern Herzen m i t dem unauslöschlichen Buchstaben des Dankes und der Liebe geschrieben" 144 . Besonders eigenwillig ist eine Behauptung des konservativen Nekrologverfassers der „Allgemeinen Zeitung", der i n Ludwig I. „die großartige Natur zu einem deutschen Kaiser" gesehen zu haben meinte 1 4 5 . Von dieser Auffassung distanziert sich sogleich die Redaktion des Blattes i n einer Fußnote: „Bei aller Verehrung für den hochseligen König — aufrichtig gesagt: als politisches Oberhaupt eines Gesammtdeutschlands können w i r ihn uns nicht denken." I m Vergleich zu den konservativen Stimmen urteilen die liberalen Blätter ausgewogener und nüchterner über Verdienste und Schwächen. Die meisten Angriffsflächen bot dabei die Innenpolitik des Monarchen. Außerbayerische Zeitungen, wie die preußische „Kölnische Zeitung" und die Londoner „Times", konnten sich dabei freimütiger über die wunden Punkte äußern als die bayerischen 146 . Diese bremste wohl nicht nur die Pietät vor dem Verstorbenen 147 . 140

Vgl. Müller, Günther: König Max I I . und die soziale Frage, S. 12. Donau-Zeitung, Nr. 66 vom 6. 3.1868. Ebenda. 143 Bereits nach seinem Rücktritt 1848 wird hiermit begonnen, ζ. B. „Augsburger Postzeitung", Nr. 82 vom 22. 3.1848, während sich die liberalen Blätter ausschweigen. 144 Nr. 61 vom 2. 3.1868. 145 Nr. 212 vom 30. 7.1868 (Beilage). 146 Vgl. Kap. I I I , 3 a. 147 Vgl. Kap. I I , 2. 141

142

5 Ursel

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Einig waren sich aber alle bei der Würdigung der Bautätigkeit und der damit verbundenen Förderung der Künste. Seine Leistungen haben nach der Ansicht des Nürnberger „Korrespondenten" m i t beigetragen zur Integration des bayerischen Staatsverbandes. Es war Ludwig I. gelungen, „die verschiedenen Stämme, die eben erst zu einem neuen Staat zusammengefügt waren, daran zu gewöhnen, daß sie sich als Angehörige desselben fühlten" 1 4 8 . Die Verfassung von 1818 bewährte sich als Klammer und führte die Vertreter A l t - und Neubayerns i m Landtag zusammen 149 . Gemeinsam kämpften sie gegen die neoabsolutistische Regierungsweise des Herrschers, die anachronistische Züge trägt. Wie ein absolutistischer Herrscher benutzte er seine Minister nur als Werkzeuge. Durch die Entmachtung der Bürokratie schuf er sich 1825 die Voraussetzungen 150 und sträubte sich gegen die Einführung der Ministerverantwortlichkeit. Obwohl er sich stets zur Verfassung bekannte, bot diese für seine Auffassung vom Herrscheramt keinen Raum 1 5 1 . Seinem patriarchalischen Denken widerstrebte es, Organ eines unpersönlichen Staates zu sein. Er berief sich auf das monarchische Prinzip und reagierte mit höchster Empfindlichkeit auf Formulierungen wie „König und Staatsregierung" oder „Staatsbürger" 1 5 2 . 1848 trat er dann von der politischen Bühne ab, w e i l er i n seinem erlauchten Starrsinn notwendige Reformen nicht m i t seinem Herrscherideal i n Einklang zu bringen vermochte. Daher kann man i h m den V o r w u r f nicht ersparen, i n dieser Schicksalsstunde Bayerns und Deutschlands versagt zu haben 1 5 3 .

148

Korrespondent von und für Deutschland, Nr. 118 vom 4.3.1868. Vgl. Bosl, Karl: Der moderne bayerische Staat von 1806 - 1956, S. 16. 150 vgl. Hof mann, Hans Hubert: Adelige Herrschaft und souveräner Staat, S. 428 f. 161 Vgl. Hof mann, Hans Hubert: Adelige Herrschaft und souveräner Staat, S. 427. 152 Ebenda, S. 431 ff. 153 Vgl. Bosl, Karl: Der moderne bayerische Staat von 1806-1956, S. 23; Gruner, Wolf D.: Das Bayerische Heer, S. 85. 149

I V . Maximilian I I . 1. Zur Charakteristik des Herrschers „Des Königs Bildung überschritt an Gründlichkeit das bei vornehmen Herrschaften übliche Maß 1 ." Diese Feststellung der „Rheinischen Zeitung" t r i f f t besonders für die spätere Entwicklung des Kronprinzen zu. Denn bis zum Universitätsstudium blieb sein Wissen lückenhaft, da weder die Persönlichkeiten seiner Lehrer noch die strengen Erziehungsmaßstäbe seines Vaters dem Wesen des Kronprinzen entsprachen 2. Erst m i t dem Besuch der Hochschule von Göttingen, wo Max von den Vorträgen Dahlmanns für die Geschichte begeistert wurde, erwachte sein wissenschaftliches Interesse. I n Berlin setzte er die Studien fort, dort gehörten vor allem Leopold von Ranke und Friedrich von Raumer zu seinen Lehrern. Staatswissenschaften hörte er bei Wilhelm Doenniges, den er 1842 auf Empfehlung Rankes nach München berief, wo er einen sehr starken Einfluß ausüben konnte. Unter den Münchner Wissenschaftlern banden ihn enge Beziehungen zum Orientalisten Fallmerayer und zum Philosophen Schelling, dem er i n der Maximilianstraße ein Denkmal setzen ließ 8 . Zahlreiche Auslandsreisen trugen ebenfalls zur Erweiterung seiner Bildung bei. A m ausführlichsten geht „Die Presse" aus Wien auf die Persönlichkeitsstruktur des Monarchen ein: „ E r war ein Fürst von hoher geistiger Bildung, v o l l Humanität und Milde, einfach i n seiner Lebensweise, unempfänglich für militärisches Gepränge, und von wesentlich bürgerlicher Charakterrichtung 4 ." Genauso wie sein Vater ließ er äußerste Sparsamkeit walten, verbunden m i t „der entschiedensten Beschränkung i m Aufwande für seine persönliche Lebenszwecke" 5 . Er überschritt nie den Etat seiner Z i v i l 1

Rheinische Zeitung, Nr. 72 vom 12. 3.1864. Vgl. Doeberl, Michael: Entwicklungsgeschichte Bayerns, Bd. I I I , S. 171 f. Daran erinnert die in Wien erscheinende Zeitung „Die Presse" in ihrem Feuilleton der Nr. 73 vom 13. 3.1864. 4 Die Presse, Nr. 71 vom 11. 3.1864. 5 Bayerische Zeitung, Nr. 82 vom 22. 3.1864. 2 8

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IV. Maximilian I I .

liste, obwohl er jährlich eine halbe M i l l i o n Gulden seinem Vater überlassen mußte 6 . I m Gegensatz zu diesem war er mehr ein professoraler Typ, nüchtern und sachlich, aber allzu pedantisch i n seiner Arbeitsweise 7 . „So stellt er zum Beispiel eine Liste von Materien zusammen, welche, nach Bedürfnis alle Monate, später sogar jeden Donnerstag, durchzugehen sind, andere Betreffe sind nach seinem Befehl an sich selbst jeden Montag, wieder andere zu Beginn jeden Monats, weitere Anfang Februar und August, andere Anfang Januar, April, J u l i und Oktober von i h m zu betreiben 8 ." Auf diese Weise belastet er außer seiner Person die Verwaltung. Er verlangt ζ. B. monatliche Berichte über die Volksstimmung, während sein Vorgänger und dann wieder sein Nachfolger solche nur aus besonderem Anlasse wünschten 9 . „Die öfters störend hervortretende Langsamkeit i n seinen Entschließungen wurde hie und da übel empfunden 10 ." Sie hatte ihre Ursache nicht nur i n der eben erwähnten Gewissenhaftigkeit, sondern auch i n der Gewohnheit, vor Entscheidungen mehrere Gutachten einzuholen. Da er grundverschiedene Männer m i t oft antagonistischen Meinungen als Berater heranzog, fielen die Ratschläge entsprechend aus. Er, der ohnehin zaghaft und unentschlossen war, hatte sich aus ihnen eine endgültige Meinung zu bilden. „Wie schwer das für einen Mann sein mußte, der nicht über der Materie stand, der heute sich entschlossen zu haben glaubte und morgen telegraphierte, neue Zweifel seien i h m gekommen, alles solle noch zurückgehalten werden, dürfte ohne weiteres verständlich sein 11 ." Bei der Wahl reaktion gegen die bei Ludwig Wendland, von

seiner Ratgeber machte sich außerdem eine A r t Trotzseinen Vater bemerkbar, denn er bevorzugte Männer, I. i n Ungnade standen oder gefallen waren, wie ζ. B. der Pfordten und Abel. Das gilt i n gleicher Weise für

6 Vgl. Hemmerle, Josef: Neues über die Kulturpflege Maximilians II., in: Unser Bayern 2, 1953, S. 69. 7 M i t beigetragen zu dieser Pedanterie hat wohl der Einfluß seines Erziehers Baron von Hohenhausen, der den Kronprinzen Tabellen über Unarten und Unterrichtsfächer führen ließ; vgl. Hornung, Alois: König Maximilian I I . von Bayern, S. 3. 8 Franz, Eugen: König M a x I I . von Bayern, in: „Die Heimat" vom 9.11. 1929. 9 Vgl. Lenk, Leonhard: Revolutionär-kommunistische Umtriebe im Königreich Bayern, in: Z B L G 28, 1965, S. 582 f. 10 Schwäbischer Merkur, Nr. 61 vom 12. 3.1864. 11 Franz, Eugen: König Max I I . und seine geheimen politischen Berater, in: Z B L G 5, 1932, S. 221.

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Doenniges, der nach der Thronbesteigung die rechte Hand des Königs wurde. Er war 1844 von L u d w i g I. des Landes verwiesen, 1847 jedoch vom Kronprinzen zurückberufen worden. Die Unbeugsamkeit des Vaters i n der Erziehung hatte zweifellos zum mangelnden Selbstbewußtsein von Max II. beigetragen. Neben dieser psychischen Belastung bewirkte noch ein physisches Leiden die gedämpfte, ernste Haltung des Monarchen. „König Max war kein glücklicher Mensch. Eine etwas stürmische Jugend hatte den K e i m frühen Siechthums i n den Körper des Prinzen gelegt. Er kränkelte von seinen Jünglings jähren bis zu seinem vorzeitigen Tod. Dieses Gefühl eignen Siechthums ließ wahre Frohmüthigkeit bei dem Dahingeschiedenen nie recht aufkommen 1 2 ." So deutlich wagte kein bayerisches Blatt auf die Geschlechtskrankheit des Königs einzugehen. Seit 1835 klagte er über Kopfschmerzen, die i h m fast täglich zusetzten. Es ist daher nicht erstaunlich, daß er die Öffentlichkeit mied und wenig Kontakt suchte. I n der Abgeschiedenheit mußte er deshalb zum Grübler werden; man kann seinen Zustand als manischdepressiv bezeichnen. „Weit entfernt Menschenverächter zu sein, suchte er doch die Einsamkeit, und fühlte sich abseits von aller Welt am wohlsten 1 3 ." Wie aus den geschilderten Eigenschaften hervorgeht, war Max II. i m Vergleich zu seinem dynamischen Vater und seinem emphatischen Nachfolger eine ziemlich farblose Persönlichkeit. Er konnte es deswegen zu keiner besonderen Beliebtheit i n der Bevölkerung bringen. Einen Tiefpunkt erreichte die Stimmung während der langen Abwesenheit des Königs i m Jahre 1853. Damals sprach man häufig davon, daß eine Abdankung die beste Lösung wäre. Deutlich gegen den Monarchen richtete sich der demonstrative Beifall beim Ertönen der Kaiserhymne und beim Erscheinen Ludwigs I. i m Odeon 14 . Dennoch versuchen einige Pressestimmen Max II. postum als einen „ganz ungewöhnlich populären und beliebten Fürsten" darzustellen 15 . 2. Innenpolitik a) Reformen

und

Verfassungsentwicklung

„König Max ist der einzige Monarch, dessen Herrschaft zugleich mit den Tagen der Freiheit beginnt. Die königliche Proklamation seines 12

Die Presse, Nr. 73 vom 13. 3.1864. Ebenda. Vgl. Franz, Eugen: Ludwig Freiherr von der Pfordten, S. 180 f. 15 Schwäbischer Merkur, Nr. 61 vom 12.3.1864; ähnlich urteilen die Aschaffenburger Zeitung, Nr. 62 vom 12. 3.1864 und der Correspondent von und für Deutschland vom 11. 3.1864. 18

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Vaters, die auch seine Unterschrift trägt, zeigt die Bahn der Reformen, die Bayern nun zu betreten hat 1 6 ." Dieser Ausschnitt beweist schon, welch große Erwartungen liberale Kreise zu Beginn der Regierung Max II. i n die Politik des neuen Herrschers setzten. I n seiner Thronrede vom 22. März 1848 hatte er ja Freiheit und Gesetzmäßigkeit zu seinem Wahlspruch erhoben. Zügig wurden schon i n den ersten Monaten seiner Regierungszeit lang ersehnte Reformen herbeigeführt: „ M i t dem unverzüglich versammelten bayerischen Landtage war die gründliche, zeitgemäße Umgestaltung der bayerischen Verfassung selbst sofort i n die Hand genommen: und wahrlich nicht ohne Erfolg. Zeuge dessen sind die mit gerechter Befriedigung aufgenommenen Verfassungsgesetze: ,Die ständische I n i tiative, die Verantwortlichkeit der Minister, die Freiheit der Presse, die Wahl der Landtagsabgeordneten, die Aufhebung der gutsherrlichen Gerichtsbarkeit und des Lehenverbandes, sowie die Ablösung der Grundlasten' betreffend; — Zeuge dessen ist die sofortige Einführung der Oeffentlichkeit und der Schwurgerichte i n das Strafverfahren —: lauter Errungenschaften des regen Volkslebens vom März bis Juni 1848, denen König Max II. gerne sein Ohr und seine vollziehende Hand geliehen 17 ." Diesen Erfolgen muß sogar ein demokratisches Blatt wie der „ N ü r n berger Anzeiger", der seinen Nekrolog m i t der deutlichen Überschrift: „Freimüthige Gedanken am Sarge Königs Max II. von Bayern" versieht, Anerkennung zollen. Waren doch damit die Reste des Feudalismus beseitigt, und eine echte Volksvertretung anstelle einer Ständeversammlung gebildet worden. Eine Reform der Kammer der Reichsräte scheiterte allerdings bis 1918 an deren Widerstand. Die offizielle „Bayerische Zeitung" zählt i n einem A r t i k e l „König Maximilian als Gesetzgeber" 18 noch eine Reihe weiterer Neuerungen auf. Erwähnt seien hier das Landratsgesetz von 1851, das den Vertretern der Distriktgemeinden i n den einzelnen Regierungsbezirken größeren Einfluß verschaffte, ferner das neue Strafgesetzbuch von 1861 und die i m gleichen Jahr erfolgte Trennung von Justiz und Verwaltung. „Was unter König Max I I . von Bayern i n der Gesetzgebung geschah, dessen 16 17 18

Neue Würzburger Zeitung, 2. Beilage Nr. 31 zur Nr. 84 vom 24. 3.1848. Nürnberger Anzeiger, Nr. 75 vom 15. 3.1864. Nr. 77 vom 17. 3.1864.

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w i r d sich kein anderer Monarch Bayerns rühmen können", prophezeit das „Regensburger Tagblatt" 1 9 . Auch i n österreichischen Blättern w i r d Bayern als „Musterland legislativer Entwicklung" bezeichnet 20 . Ebenso positiv erscheint diesen Zeitungen das Verhältnis des Herrschers zu der Verfassung des Königreiches. „Er gehörte zu den wenigen deutschen Fürsten, denen man allgemein nachsagt, daß sie es m i t der Constitution ernst genommen und an der Unverletztheit der Verfassung festgehalten haben 2 1 ." Es ist daher nicht erstaunlich, wenn die „Ost-Deutsche Post" Bayern m i t dem vorbildlichen Belgien vergleicht: „König Max hat es verstanden, sich m i t dem constitutionellen Principe und m i t der parlamentarischen Regierung seines Königreiches i n solchen Einklang zu setzen, wie dies nur noch i n Belgien zwischen Leopold und seinem Lande der Fall ist 2 2 ." Die „Bayerische Zeitung" rühmt ebenfalls, daß die Verfassung Bayerns „jungfräulich unverletzt erhalten blieb" 2 3 . Formal gesehen war das zweifellos richtig, ein vom Liberalismus dem Königtum 1848 abgetrotztes Zugeständnis, die Ministerverantwortlichkeit, wurde allerdings von Anfang an ausgehöhlt. Die Minister trugen gegenüber dem Landtag zwar die Verantwortung für die Regierungsmaßnahmen, konnten jedoch nicht verhindern, daß hinter ihrem Rücken eine Anzahl unverantwortlicher Berater auf den König einwirkte24. I m Widerspruch zur Verfassung stand die verstärkte A k t i v i t ä t des Kabinettssekretariats. Obwohl der König i n einer Verordnung vom 15. November 1848 i h m nur Angelegenheiten, die seiner privaten Verfügungsgewalt unterstanden, zugeordnet hatte, entwickelte sich aus dem Kabinettssekretariat unter der Leitung Pfistermeisters eine A r t Kabinettsministerium m i t zahlreichen Referenten 25 . b) Die Jahre der Reaktion in Bayern „Die Jahre der »Reaktion', welche seit 1850 erfolgte, sind i n Bayern von keiner Seite hart empfunden worden", behauptet das konservative 19

Nr. 72 vom 12. 3.1864. Vgl. „Stimmen der Presse über König Max I I . von Bayern", in: Bayerische Zeitung, Nr. 76 v o m l 6 . 3.1864. 21 Die Presse, Nr. 73 vom 13. 3.1864. 22 Ost-Deutsche Post, Nr. 71 vom 11. 3.1864. 23 Bayerische Zeitung, Nr. 77 vom 17. 3.1864. 24 Vgl. Lenk, Leonhard: Revolutionär-kommunistische Umtriebe, S. 610. 25 Vgl. Doeberl, Michael: Entwicklungsgeschichte Bayerns, Bd. I I I , S. 179 f. 20

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IV. Maximilian I I .

„Regensburger Morgenblatt" 2 6 . Dem widerspricht „Nürnberger Anzeiger" geäußerte Klage:

gänzlich die

im

„Der junge König, welcher die Erfüllung der schönsten Hoffnungen erwarten ließ und der während der ersten Monate seiner Regierung so segensreiche Gesetzesgaben unterzeichnete, ward, w i r wissen nicht genau durch welche Einflüsse veranlaßt, alsbald seine Räthe zu wechseln und Männer zu berufen, welche wähnen mochten, i n einer vollständigen Umkehr, i n dem Zusteuern auf die alten, glücklich verlassenen Bahnen das Heil des Vaterlandes suchen zu müssen. Eine Zeit grenzenlosen Unglückes, welches zum Theil heute noch auf dem weiteren und engeren Vaterlande lastet, ward herbeigeführt 2 7 ." Dieses demokratische Blatt hatte wirklich Grund zur Klage, denn Max II. sah die Demokratie auf einer Linie m i t dem Sozialismus, Radikalismus und Kommunismus 2 8 . Entsprechend scharf wurden natürlich die demokratischen Zeitungen überwacht. Erst kurz zuvor waren sechs Nummern dieses Blattes beschlagnahmt worden 2 9 . Der „Nürnberger Anzeiger" gibt an der Entwicklung weniger dem König als vielmehr den Ratgebern und den Liberalen die Schuld, die ihre frühere Gesinnung geändert hätten. „Dieses Verlassen der eigenen Fahne war es vor Allem, wodurch die bereits erzielten Gesetzesbestimmungen verstümmelt und lebensunfähig gemacht wurden u n d womit der Grund gelegt ward zu dem Unglück, welches i m Jahre 1849 über das weitere und engere Vaterland hereinzubrechen begann, bis zum Jahre 1859 üppig fortwucherte und jetzt noch i n seinen unseligen Folgen auf Bayern und Deutschland nachwirkt. Daß mehr das bayerische Volk selbst, die früheren Rathgeber der Krone und am Allersträflichsten die Fahnenflüchtigkeit der Liberalen aus dem Sturm jähr 1848 an der unheilvollen Wendung die Schuld tragen, als der jetzt erloschene königliche Wille, findet man vollständig bestätigt 3 0 ." Auch der linksliberale Schutz. Daß die liberalen gen und man i n München Zeitverhältnissen und i n Naturell" 3 1 . 26 27 28 29 30 31

„Fränkische K u r i e r " nimmt den König i n Grundsätze nicht durchweg i n Erfüllung ginder Reaktion die Hand lieh, „lag mehr i n den der Umgebung als i n des Königs eigenem

Nr. 59 vom 12. 3.1864. Nürnberger Anzeiger, Nr. 75 vom 15. 3.1864. Vgl. Lenk, Leonhard: Revolutionär-kommunistische Umtriebe, S. 575. Ebenda, S. 606. Nürnberger Anzeiger, Nr. 75 vom 15.3.1864. Nr. 71 vom 11. 3.1864.

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Es ist richtig, daß sich damals Bayern der i n Europa herrschenden reaktionären Strömung nicht entziehen konnte. Nach dem Scheitern des Märzministeriums hatte L u d w i g von der Pfordten die Leitung der bayerischen Politik übernommen. Er hatte als gemäßigt Liberaler selbst dem sächsischen Märzministerium angehört 32 und konnte die Entwicklung bis 1852 noch bremsen. Erst als Graf von Reigersberg das Innenministerium übernahm, verschärfte sich die Situation, und von der Pfordten wurde ebenfalls zunehmend reaktionärer 3 3 . Dennoch wäre es falsch, den König reinwaschen zu wollen. Max II. war i m Grunde konservativ eingestellt und stand den Reformgesetzen innerlich ablehnend gegenüber. Nach der Auffassung von Riehl hätte der König am liebsten als „aufgeklärter, volksfreundlicher Absolutist" geherrscht. Er regierte zwar verfassungstreu, war jedoch „kein großer Bewunderer der constitutionellen Staatsform und hatte wenig Freude an der prüfenden K r i t i k der Landtage" 3 4 . Zu den obersten Grundsätzen seiner Politik, die er Innenminister von Reigersberg am 24. November 1855 mitteilte, zählte: „Eine konservative Politik m i t Erstarkung der persönlichen Regierung des Monarchen zu begründen 35 ." So war zum Beispiel bei dem Wahlgesetzentwurf von 1854, der zu einer ständischen Gliederung der Kammer der Abgeordneten zurückkehren wollte, der König die treibende Kraft gewesen 36 . Schließlich ist zu bedenken, daß konservative Ratgeber wie Abel auf den Herrscher starken Einfluß ausübten. Eine Berufung Abels ins Ministerium scheiterte 1852 nur an der Bedingung, daß sich i n allen wichtigen Fragen keine dritte Person zwischen den Monarchen und ihn einschalten dürfe 3 7 . Dennoch muß man anerkennen, daß die Reaktion i n Bayern weniger scharf war als anderswo. Dies stellt die Augsburger „Allgemeine Zeitung" bereits 1861 i n einem „Rückblick auf die Regierung Maximilians I I . " fest: „Es fällt uns nicht ein zu behaupten, daß i n unserer constitutionellen Entwicklung alles reines Gold gewesen: i m Gegenteil, erinnern w i r uns der schmerzlichen Befürchtungen noch recht wohl, mit denen einige Beschlüsse während des Ministeriums Pfordten-Reigersberg gerade die treuesten Herzen erfüllten. A l l e i n w i r sind i n Deutsch32 33 34

S. 36. 35

36 37

Vgl. Franz, Eugen: Ludwig Freiherr von der Pfordten, S. 71 ff. Vgl. Doeberl, Michael: Entwicklungsgeschichte Bayerns, Bd. I I I , S. 283. König Maximilian I I . von Baiern, in: Historisches Taschenbuch, Bd. 5, Lenk, Leonhard: Revolutionär-kommunistische Umtriebe, S. 619. Ebenda, S. 609. Vgl. Franz, Eugen: Ludwig Freiherr von der Pfordten, S. 178.

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land gewohnt vergleichend zu verfahren, und da ist doch nicht zu läugnen, daß das constitutionelle Dunkel von Namen wie Manteuffel, Westphalen, Hassenpflug, Borries und Gesinnungsgenossen sich i n Bayern nur wie beginnende Dämmerung spüren ließ 3 8 !" Die „Kölnische Zeitung" wünscht sich i n ihrem Nachruf sogar bayerische Zustände für Preußen 39 . Empört weist der Londoner Korrespondent der „Allgemeinen Zeitung" die K r i t i k englischer Blätter zurück, die die Politik Max I I . als „illiberal" bezeichnen: „Keiner dieser englischen Journalisten, die ein so zuversichtliches Urtheil abgeben, scheint eine Ahnung davon zu haben, daß König Maximilian der erste deutsche Fürst war, der nach den i n einer triumphierenden Reaction fortwirkenden Stürmen von 1848 Frieden m i t seinem Volk machte, und daß Bayern leider das einzige Land Deutschlands ist, i n welchem die verfassungsmäßige Entwicklung keinen Augenblick unterbrochen wurde 4 0 ." Daß i n Bayern i m Zusammenhang m i t der geplanten Wahlgesetzänderung von 1854/55 eine Oktroyierung drohte, war der Allgemeinheit nicht bewußt 4 1 . A n einen anderen abgewendeten Verfassungskonflikt erinnert „Die Presse": „Als die Kammern i m J u l i 1857 i n Folge Verweigerung einer Mehrausgabe für den Militär-Etat geschlossen wurden, drohte zum erstenmal die Gefahr eines Conflictes zwischen Krone und Volksvertretung. Doch der König entschied nach längerem Schwanken gegen den Rath seiner Minister, berief das Ministerium, welches noch heute i n Baiern das Ruder führt, und sprach die denkwürdigen Worte: ,Ich w i l l Frieden haben m i t meinem Volke 4 2 . 1 " I n den Jahren 1857 bis 1859 hatte sich die Situation so zugespitzt, daß man m i t einem K o n f l i k t rechnen mußte. Als jedoch der i n Ungnade gefallene oppositionelle Abgeordnete Dr. Weis immer wieder ins Präsidium der Abgeordnetenkammer gewählt und i m Frühjahr 1859 auch als Bürgermeisterkandidat von der Stadt Würzburg aufgestellt wurde, entschloß sich der König zum Einlenken und wechselte auf den Rat von der Pfordtens das Ministerium. Das neue unter Schrenck - Neumayr war wieder stärker gegenüber den Forderungen der Liberalen aufgeschlossen und zur Fortsetzung der Reformen bereit. 38

Allgemeine Zeitung (Beilage), Nr. 95 vom 5.4.1861. Vgl. „Stimmen der Presse über König Max I I . von Bayern", in: Bayerische Zeitung, Nr. 76 vom 16. 3.1864. 40 Allgemeine Zeitung, Nr. 75 vom 15.3.1864. 41 Vgl. Franz, Eugen: Ludwig Frh. v. d. Pfordten, S. 184. 42 Nr. 71 vom 11. 3.1864. 39

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c) Das Verhältnis

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zu den Kirchen

„Dankbar hat man es auch erkannt und empfunden, daß er den besonderen Kirchen, deren Glieder unter seinem Scepter vereinigt waren, die freieste Bewegung gestattete, sorgfältig aber darüber wachte, daß keine durch die andere eine Beeinträchtigung erfahre und so der vollste confessionelle Friede unter seiner Regierung waltete 4 3 ." Max II. hatte aus den Erfahrungen gelernt, die sein Vater m i t der Bevorzugung der katholischen Kirche gemacht hatte 4 4 . Z u seinen obersten Regierungsgrundsätzen gehörte die Erhaltung eines guten Verhältnisses zwischen Katholiken und Protestanten 45 . Während seiner Studienzeit i n Göttingen war bei i h m unter dem Einfluß Dahlmanns sogar eine starke Hinneigung zum Protestantismus feststellbar 46 . Als König war er noch dem Vorwurf ausgesetzt, ein heimlicher Protestant zu sein 47 . Unter der Einwirkung der Lehre Schellings glaubte er an die Möglichkeit einer künftigen religiösen Wiedervereinigung 48 . Riehl weist darauf hin, daß er für die Fresken des Nationalmuseums aus der Kirchengeschichte gerade die Einweihung der Eintrachtskirche i n Mannheim durch Geistliche der drei i n der Pfalz vertretenen Konfessionen auswählte 49 . Überhaupt sei der König mehr an der Religionsphilosophie als an der Theologie interessiert gewesen, was besonders daran deutlich werde, daß nie ein Theologe zu seiner Tafelrunde gehört habe, während doch alle anderen Wissenschaftszweige vertreten gewesen seien 50 . I n kirchlichen Kreisen genoß Max II. daher nicht das gleiche Ansehen wie sein Vater. Das geht auch aus einer Bemerkung der preußischen „Kreuz-Zeitung" hervor: „Weil der hingeschiedene König bei Verufungen von Männern der Wissenschaft nie einen confessionellen Unterschied machte, so hatte sich die Ansicht begründet, derselbe genösse das Vertrauen der höheren Geistlichkeit nicht i n sehr hohem Grade 5 1 ." 43

Bayerische Zeitung, Nr. 82 vom 22. 3.1864. Vgl. Kap. I I I , 3 b. 45 Vgl. Lenk, Leonhard: Revolutionär-kommunistische Umtriebe, S. 619. 46 Vgl. Doeberl, Michael: Entwicklungsgeschichte Bayerns, Bd. I I I , S. 356. 47 Nach Riehl wurde dies von ultramontanen Kreisen verbreitet, vgl. König Maximilian I I . von Baiern, S. 28. 48 Vgl. Hornung, Alois: König Maximilian I I . von Bayern, S. 127. 49 Riehl, W. H.: König Maximilian I I . von Baiern, S. 29. 50 Ebenda, S. 27. 51 Neue Preußische Zeitung, Nr. 63 vom 15. 3.1864. 44

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Max II. hatte eine Reihe von protestantischen und nichtbayerischen Gelehrten nach München berufen, versuchte jedoch bereits 1854 korrigierend einzugreifen, indem er für Kultusminister von Zwehl folgende Berufungskriterien festlegte: „Wirkliche Auszeichnung i n dem betreffenden Fach, bayerische Abstammung und für München und Würzburg katholisches Glaubensbekenntnis. Erst wenn eine entsprechende Lehrkraft m i t diesen beiden Eigenschaften nicht aufgefunden werden könne, darf auf Ausländer und Protestanten das Augenmerk gerichtet werden 5 2 ." Sehr klar unterschied sich die Haltung des Königs i n der Klosterfrage von der seines Vaters. Er teilte die Orden je nach ihrer Tätigkeit ein und beurteilte sie danach. Besonders ablehnend war seine Einstellung gegenüber den Bettelorden. „Diese sind i n Bayern nicht zu vermehren und ihre Ausbreitung ist nicht weiter zu unterstützen, weil sie an und für sich geringen Nutzen gewähren und schon i n hinreichender Anzahl vorhanden sind und dieser Nutzen durch die Pfarrgeistlichkeit auf bessere Weise erreicht w i r d 5 3 . " Ebenso lehnte er eine Vermehrung der Orden ab, die sich dem Unterrichtswesen widmeten. Seine Begründung lautete: „Der Unterricht ist Staatssache, er kann daher nicht durchaus i n die Hände der geistlichen Institutionen gelegt werden, sondern muß immer der freien E i n w i r kung und Bestimmung des Staates vorbehalten bleiben, abgesehen von dem Religionsunterrichte ,der nur einen Teil der ganzen UnterrichtsSphäre bildet 5 4 ." Lediglich die Orden für die Krankenpflege hielt er der Unterstützung und Förderung für würdig. Während der Amtszeit von der Pfordtens gab es zwischen diesem und dem katholischen Klerus einige Differenzen, z.B. wegen der neuen Eidesformel für Geistliche und der Zulässigkeit nichtbayerischer Missionsprediger. Trotzdem war die Kirche am Verbleiben des protestantischen Politikers i m Amte interessiert, u m Bayern nicht dem preußischen Einfluß auszusetzen 55 . Auch die Kirche hatte sich 1849 i n einem Promemoria von Erzbischof Graf Reisach an den König zu Wort gemeldet. Kernforderung war die Aufhebung des Religionsediktes und aller Beschränkungen der kirch52 Sexau, Richard: „Symposien" / D i e Kulturpolitik König M a x I I . von Baiern, S< 4. 58 Aus den Richtlinien zur Klosterfrage vom 28.6.1853, abgedruckt bei: Franz, Eugen: König Max I I . von Bayern, in: Die Heimat, Nr. 36 vom 9.11. 1929. 54 Ebenda. 55 Vgl. Franz, Eugen: Ludwig Frh. v. d. Pfordten, S. 176.

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liehen Freiheit. „Der König war wohl zu einzelnen Modifikationen bereit, nicht aber zu einer ganzen oder teilweisen Beseitigung des Religionsediktes der beschworenen Verfassung 56 ." Die Ernennung Reisachs zum Kurienkardinal i n Rom, die auf Ersuchen des bayerischen Königs erfolgte, trug zu einer Klimaverbesserung bei. I n strittigen Fragen der Konkordatsauslegung kam es dann zur Einigung. Daran erinnert die „Bayerische Zeitung": „Die königlichen Entschließungen von 1852 und 1854 haben langen Dissidien über den Vollzug des Concordats i n Bayern ein Ende gemacht 57 ." Dennoch sieht sich dieses offizielle Organ genötigt, die Religiosität des Herrschers noch besonders hervorzuheben, um dessen Image auch auf diesem Gebiet zu verbessern: „Man weiß es allgemein, wie gottesfürchtig unser guter König war, und wie treu ergeben seiner Kirche, deren Vorschriften er auf's Gewissenhafteste und m i t dem demüthigsten Sinne nachkam; man weiß es, daß er sein Tagewerk am frühesten Morgen mit Gebet anhob, täglich aus Gottes Wort sich erbauete, zu keiner wichtigen Regierungshandlung sich entschloß, ohne erst eigens u m Erleuchtung von Oben gefleht zu haben, daß vom Geiste der Religion sein ganzes Wesen erfüllt, sein ganzes Leben getragen w a r 5 8 . " Daß Maximilian persönlich ein gläubiger Katholik gewesen ist, geht aus seinen Tagebüchern hervor 5 9 . Der König nahm regelmäßig an Gottesdiensten seiner Kirche teil und ließ sich sogar auf seinen Jagdausflügen die Messe lesen. Religiöser Pomp aber, wie er bei großen Kirchenfeierlichkeiten getrieben wird, entsprach nicht seiner A r t 6 0 . Aus den erwähnten Einzelheiten ergibt sich, daß es verfehlt wäre, die Haltung des Monarchen als klerikal einzustufen. Die „Neue Würzburger Zeitung" bringt sie auf folgende Kurzformel: „Der König hatte religiöse Bedürfnisse, — doch die ,Schwarzen' kamen unter seinem Scepter nicht zu Einfluß und Gnaden 61 ." 56 Rail, Hans: König Max I I . von Bayern und die katholische Kirche, in: Hist. Jahrbuch 74, 1955, S. 743. 57 Nr. 74 vom 14. 3.1864. 58 Bayerische Zeitung, Nr. 82 vom 22.3.1864; bereits in Nr. 74 vom 14.3. 1864 hatte das Blatt festgestellt: „König Max I I . war persönlich tief religiös; der Auf blick zu Gott gehörte in seine pünctlich eingehaltene Tages-Ordnung." 59 Vgl. Rail, Hans: Menschliche Selbstprüfung eines Königs, in: Monachium, S. 186. 60 Vgl. Riehl, Wilhelm Heinrich: König Maximilian I I . von Baiern, S. 29. 61 Nr. 75 vom 15. 3.1864.

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d) Pflege von Kunst und Wissenschaft L u d w i g I. hatte sich als Kunstmäzen einen Namen gemacht. Max II. wollte nicht zurückstehen, verschob aber, u m sich stärker profilieren zu können, den Akzent auf die Förderung der Wissenschaft. Dennoch hat er die Kunst nicht vernachlässigt. Bereits als Kronprinz ließ er sich aus einer Ruine das Schloß Hohenschwangau erbauen und dieses neugotische Gebäude nach Entwürfen der Romantiker Schwind und Lindenschmitt m i t Fresken ausgestalten. Ein späterer Versuch, das Hambacher Schloß i n der Pfalz wiederaufzubauen, blieb i n den Anfängen stecken. Ebenfalls i m Stil der Gotik errichtete Friedrich Gärtner für Max das Wittelsbacher Palais, ein Gebäude, das er als Kronprinz bewohnen sollte, wozu es jedoch durch die Ereignisse von 1848 nicht mehr gekommen ist. Als Herrscher beabsichtigte Maximilian, etwas Neues zu kreieren und neben der Einführung von Glas-Eisen-Konstruktionen auch einen zeitgemäßen Stil zu begründen. Anregungen dazu hatte er sich auf einer Englandreise geholt. Er wollte das Stadtbild wie sein Vater durch die Anlage eines großen Straßenzuges bereichern, bei der unter Leitung Friedrich Bürkleins seine Stilvorstellungen realisiert werden konnten. „Vergleichbar m i t der damals die Politik Bayerns bestimmenden Trias-Idee sollte zwischen die Polarität von Romantik und Klassizismus als dritte K r a f t ein neuer Stil treten — als zukunftsvolle Bewegung. Doch dieser Optimismus erfüllte sich nicht. Der ,Maximiliansstil· zerfiel wieder i n die Bestandteile, aus denen er formiert werden sollte 6 2 ." Ein i m Jahre 1858 i n der Augsburger „Allgemeinen Zeitung" erschienener A r t i k e l über „Die Bauten des Königs M a x " würdigt dessen Vorhaben: „Es sollte nach des Königs Wunsch . . . immerhin etwas Neues, Naturwüchsiges geschaffen werden, während die vorhergehende Zeit sich vorzugsweise i n der mehr oder weniger direkten Nachahmung verschiedener klassischer Muster gefiel und daher bei aller Großartigkeit einzelner Schöpfungen doch notorisch zu einem Resultat i n keiner Weise gekommen ist 6 3 ." Der Verfasser weist darauf hin, daß m i t dieser Straße, die sich beim Austritt aus der alten Stadt forumsartig erweitert, „einem lange gefühlten Bedürfnis abgeholfen" wird. 62 M

Lieb, Norbert: München — Die Geschichte seiner Kunst, S. 299. Allgemeine Zeitung, Nr. 264 vom 21. 9.1858.

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A n der Erschließung des Isargeländes war die Stadtgemeinde ebenfalls interessiert, hier konnte M a x mehr Unterstützung erwarten als sein Vater zuvor bei der Errichtung der Ludwigstraße. Die Vollendung des als krönender Abschluß gedachten Maximilianeums erlebte er nicht mehr, da es von Gottfried Semper erst 1874 fertiggestellt wurde. Die Nekrologe schweigen fast durchweg über die Verdienste des Königs i n diesem Bereich, w o h l deswegen, w e i l sie nicht nur beim königlichen Vater auf K r i t i k gestoßen waren. Es gab Stimmen, die die Stilvorstellungen Max I I . als „barbarischen Mischmasch sich innerlich widerstrebender Motive" deklassierten 64 . Dafür schenken die Nachrufe seinen Leistungen für die Wissenschaften Beachtung, wo er sich noch stärker engagiert hatte. „Selbst i m hohen Grade wissenschaftlich gebildet, stellte er sich die Aufgabe, Wissenschaft und Poesie nach Kräften zu unterstützen. Er wollte, daß sich i n Kunst und Wissenschaft von A n t r i t t seiner Regierung eine neue Aera datiere 6 5 ." Die bedeutenden Impulse, die er während seiner Studienzeit i n Göttingen und Berlin empfangen hatte, w i r k t e n weiter. M i t Ranke, den er gerne nach München berufen hätte, hielt er i n seiner gesamten Regierungszeit brieflich und persönlich engen Kontakt. „Namentlich w a r es die Geschichte, welche i n i h m einen eben so großen Schätzer als Kenner fand 6 6 ." Max I I . äußerte sowohl gegen Ranke als auch gegen den Staatsrechtslehrer Bluntschli seine besondere Vorliebe für Geschichte, der er sich ganz gewidmet hätte, wenn er nicht zur Übernahme der Königswürde durch Geburt vorgesehen gewesen wäre 6 7 . Von Ranke ließ er sich bei der Besetzung der historischen Lehrstühle beraten. Nach München, wo er 1857 ein Historisches Seminar einrichtete, holte er Heinrich Sybel, der die „Historische Zeitschrift" gründete und herausgab, und nach dessen Weggang Wilhelm Giesebrecht. „Der Wissenschaft schenkte er i n der historischen Kommission ein Institut, welches einzig i n seiner A r t ist 6 8 ." 64

Vgl. Hornung, Alois: König Maximilian I I . von Bayern, S. 109. Lediglich das „Würzburger Journal" erwähnt lobend, daß er „auch Bauten unternahm, die würdig mit den von seinem Vater unternommenen rivalisieren können." (Nr. 61 vom 11.3.1864) es Die Presse, Nr. 73 vom 13.3.1864. ββ Ebenda. fl 7 Hornung, Alois: König Maximilian I I . von Bayern, S. 13. 68 Neue Würzburger Zeitung, Nr. 75 vom 15. 3.1864.

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Die Wahl der Persönlichkeiten bedingte allerdings, daß die Geschichte Bayerns etwas zu kurz kam. Eine bei Sybel i n Auftrag gegebene Arbeit gelangte über Vorstudien nicht hinaus. Dafür konnte Wilhelm Heinrich Riehl m i t seiner „Bavaria" ein grundlegendes Werk bayerischer Volkskunde vorlegen. Das i m Jahre 1855 auf Anregung K a r l Maria von Aretins gegründete Bayerische Nationalmuseum sollte ebenfalls der Pflege bayerischer Traditionen dienen, es erhielt seinen Platz damals zunächst i n der Maximilianstraße i m heutigen Völkerkundemuseum. Das Interesse des Königs blieb aber keineswegs auf historische Probleme beschränkt. „Bekannt sind die Symposien, die er begründete und deren Vorsitzender er i n eigener Person war 6 9 ." Die geselligen Zusammenkünfte i n der Residenz, die von den Teilnehmern i m Laufe der Zeit m i t diesem hochtrabenden Namen versehen wurden, sollten dem Monarchen Einblick i n das Schaffen der Münchner Poeten und Wissenschaftler geben. Bereits in der zeitgenössischen Literatur wurden Parallelen zu dem Weimarer Musenhof K a r l Augusts gezogen 70 . Während zunächst die Hauptvertreter des traditionalistischen „Münchner Dichterkreises" Emanuel Geibel, Paul Heyse und Friedrich Bodenstedt i m Vordergrund standen 71 , verlagerte sich der Schwerpunkt bei den Geladenen immer mehr zugunsten der Vertreter der verschiedensten Wissenschaftsbereiche, darunter auch der Naturwissenschaften, als deren prominentester Vertreter der Chemiker Justus von Liebig i n München wirkte. „Literature and science have flourished at Munich, as they flourished at Weimar, without any sacrifice of their dignity, under the friendly patronage of a king who was more at home among philosophers and men of letters than he was among statesmen 72 ." Staatsmann aber ist Max II. dennoch geblieben, und aus staatsmännischer Räson kühlte sich das Verhältnis zu den Teilnehmern der Symposien allmählich ab, da die i n München wegen ihrer fremden Mentalität und Überheblichkeit unbeliebten „Nordlichter" politisch anders orientiert waren als der Monarch. Sie sahen ihr Heil i n der kleindeutschen Lösung, während König Max II. Bayern auch kulturell als Gegengewicht zu Preußen und Österreich verstanden wissen wollte. 69

Die Presse, Nr. 73 vom 13. 3.1864. Vgl. Hornung, Alois: König Maximilian I I . von Bayern, S. 49. 71 Eine zur Zeit bei Prof. Sengle in München entstehende Dissertation von Jürgen Schweckendick über den Münchner Dichterkreis um Geibel wird dazu nähere Aufschlüsse bieten. 72 The Times, Nr. 24817 vom 11. 3.1864. 70

3. Trias-Politik

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3. Trias-Politik a) Die RevOlutionsjahre „Die Stürme der Jahre 1848 und 1849 gingen unter der milden und umsichtig wohlwollenden Regierung des Königs Maximilian I I . gefahrlos und ziemlich gelinde an und i n Bayern vorüber 7 3 ." Dieser rückblickenden Wertung des „Regensburger Morgenblattes" muß trotz der Unruhen i n der Pfalz, die nur m i t Hilfe preußischer Truppen unterdrückt werden konnten, zugestimmt werden, denn Bayern hat keine Straßenkämpfe erlebt, vergleichbar mit denen von Berlin oder Wien. Max I I . hatte die Vorgänge i m Frankfurter Parlament m i t einem gewissen Mißtrauen beobachtet, denn er mußte u m seine Souveränität fürchten. „Als diese Versammlung i n sichtlicher Ueberstürzung Beschlüsse faßte, deren Tragweite nicht zu bemessen, aber höchst bedenklich war, da wußte König Max m i t Ruhe und Klugheit die Würde seiner königlichen Macht zu wahren, und Bayern verkündete kein Parlamentsgesetz, das i n der Folge hätte widerrufen werden müssen 74 ." Der bayerische König sah i n dem Vorgehen der Paulskirche eine Mißachtung des von i h m geforderten Vereinbarungsprinzips. Die Regierungen wurden aber infolge des Souveränitätsanspruchs der Frankfurter Versammlung beiseite geschoben, und es zeichnete sich die Gefahr eines zentralistischen Einheitsstaates unter preußischer Leitung ab. „ E i n Feind der preußischen Hegemonie, war König Max der naturgemäße Gegner der Frankfurter Reichsverfassung, und die Bestrebungen i m damaligen baierischen Landtag, die Reichsverfassung i n Baiern zur Geltung zu bringen, stießen sowol am Hofe als auch i m Lande selbst auf den entschiedensten Widerstand 7 5 ." A m 23. A p r i l 1849 lehnte die Regierung die Verfassung ab; an dieser Einstellung änderte auch die Tatsache nichts, daß eine Abordnung der Nationalversammlung Max I I . die Reichsstatthalterschaft anbot 7 6 . Die Mehrheit der Kammer der Abgeordneten hatte allerdings i m Gegensatz zur Regierung eine positive Haltung eingenommen. Nur die Auflösung der Kammer verhinderte damals einen Konflikt. 78 74 76 76

Regensburger Morgenblatt, Nr. 59 vom 12.3.1864. Ebenda. Die Presse, Nr. 71 vom 11.3.1864. Vgl. Doeberl, Michael: Entwicklungsgeschichte Bayerns, Bd. I I I , S. 220.

6 Ursel

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IV. Maximilian I I .

Die Notwendigkeit, die deutschen Verhältnisse neu zu ordnen, wurde von der bayerischen Regierung eingesehen. Bayern übernahm dabei eine Vermittlerrolle, woran mehrere Zeitungen erinnern 7 7 . Während seiner gesamten Regierungszeit war Max II. ein überzeugter Verfechter einer Trias-Politik 7 8 , u m „unter Bayerns Führerschaft die dritte Gruppe Deutschlands neben Oesterreich und Preußen zur ebenbürtigen Macht zu erheben" 70 . Diese politische Grundhaltung zeichnete sich gleichfalls i n den bayerischen Verfassungsentwürfen ab, die als Alternativvorschläge eingebracht wurden. Sowohl der Gegenvorschlag zum Dahlmannschen Entwurf von 1848 als auch die Verfassungsskizze von der Pfordtens 1849, die dem preußischen Unionsprojekt entgegenwirken sollte, betonten die Trias-Idee, da sie anstelle eines Kaisers ein kollegiales Oberhaupt vorsahen, wobei neben den beiden deutschen Großmächten das „Dritte Deutschland" vertreten sein sollte. b) Politik

des Lavier ens

Weder eine preußische noch eine österreichische Hegemonie war erwünscht. Da das preußische Unionsprojekt Österreich aus dem engeren Bund hinausdrängen wollte, machte Bayern sich durch dessen Ablehnung Österreich zum Freund. Die von Minister von der Pfordten betriebene Annäherung an Wien durfte aber nicht zur Abhängigkeit führen. Darauf verweist ein preußisches Blatt: „So lange es einen bayerischen Staat gibt, bleibt die Münchener Politik dieselbe, nämlich, sich gegen zu große Zärtlichkeiten von Oestreich zu decken 80 ." Bayern mußte daher eine „Politik des Lavierens" verfolgen. Die negative Beurteilung der österreichischen Haltung während des Krimkrieges, die Rußland unverdient brüskierte, führte zeitweise zu einer Annäherung an Preußen, das an einer Politik der Neutralität festhalten wollte 8 1 . Eine österreichische Forderung nach Mobilmachung lehnte Preußen i m Bunde m i t Bayern und den übrigen deutschen Staaten ab. 77

ζ. B. Die Presse, Nr. 71 vom 11.3.1864; Würzburger Journal, Nr. 61 vom 11. 3.1864. 78 Vgl. Doeberl, Michael: Bayern und die Deutsche Frage in der Epoche des Frankfurter Parlaments, S. 43 ff. 78 Die Presse, Nr. 71 vom 11. 3.1864. 89 Rheinische Zeitung, Nr. 72 vom 12. 3.1864. 81 Vgl. Franz, Eugen: Ludwig Freiherr von der Pfordten, S. 215.

3. Trias-Politik

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Seit 1858 erfolgte allerdings eine erneute Anlehnung an Wien unter dem Eindruck der französisch-italienischen Bedrohung. Bayern war nicht nur auf die Hilfe Österreichs bei der Verteidigung seiner verwundbarsten Stelle, der Pfalz, angewiesen, sondern konnte auch aus dynastischen Rücksichten an einer Veränderung des Status quo i n Italien nicht interessiert sein. Eine Schwester des Königs war schließlich Herzogin von Modena geworden, und sein Bruder Luitpold hatte eine toskanische Prinzessin zur Frau 8 2 . Diesmal wurde i n Bayern und i n den übrigen deutschen Staaten mobilisiert, aber ehe die strittige Frage des Oberbefehls geklärt war, Schloß der Kaiserstaat den Frieden von Villafranca. Österreich opferte lieber die Lombardei, als das „Dritte Deutschland" dem preußischen Einfluß auszuliefern. Die Mobilisierung von 1859 hatte die Unzulänglichkeiten i m bayerischen Heer deutlich gemacht, darauf verweist die „Kölnische Zeitung" 8 3 . Das Militärbudget blieb unter Max II. weiterhin zu gering. Pfordten fehlte die Einsicht, daß eine Armee auch i m Frieden gut ausgebildet und ausgerüstet sein müsse, u m i m Kriegsfall über Schlagkraft verfügen zu können 8 4 . 1863 unternahm Österreich dann einen letzten Versuch einer Bundesreform unter seiner Ägide. Bayerns Haltung zu dieser Frage w i r d von der Wiener Zeitung „Die Presse" besonders gewürdigt: „König Max war Oesterreich ein treuer Freund und Bundesgenosse. Als der Kaiser von Oesterreich, die Deutschland und Europa drohenden Gefahren vorahnend, die deutschen Fürsten nach Frankfurt berief, war König Max der erste unter Allen, der seine freudige Zustimmung kundgab 8 5 ." Zunächst war allerdings Max II. wegen der preußischen Ablehnung i m höchsten Grade irritiert gewesen. Nur dem eindringlichen Rat von der Pfordtens, der damals als Gesandter i n Frankfurt wirkte, ist das Erscheinen des bayerischen Herrschers i n der alten Reichsstadt zuzuschreiben 86 . Hier hatte er die ehrenvolle Aufgabe, die Ansprache des Kaisers i m Namen der anwesenden Hoheiten zu erwidern. 82 Vgl. Leber, Marianne: Die italienische Frage in Bayerns Sicht u n d Politik von 1859 - 1865, S. 32 f. 88 Nr. 72 vom 12. 3.1864. 84 Vgl. Gruner, Wolf D.: Das Bayerische Heer, S. 247. 85 Die Presse, Nr. 71 vom 11. 3.1864. 8 ® Vgl. Franz, Eugen: Ludwig Freiherr von der Pfordten, S. 291. 6*

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I V . Maximilian I I .

Zwar scheiterte dieser Reformversuch ebenfalls, aber Bayern hatte weder Österreich vergrämt noch einen Triumph Preußens zugelassen. Bayern nahm i m Deutschen Bund ein äußerst heikle Position ein, die die Londoner „Times" klar umreißt: „Bavaria occupies permanently among her associates i n the Diet a place which is of all others the most difficult to f i l l a place intermediate between the two leading States and the petty Principalities 8 7 ." Obwohl Bayern den übrigen M i t t e l - und Kleinstaaten an Fläche, Bevölkerung und militärischem Potential überlegen war, konnte es dennoch keinen wirklichen Machtfaktor abgeben. Das bayerische Königreich ist, wie die „Times" feststellt, „too small to form a quasi triumvirate w i t h Austria and Prussia, and yet has more to lose than any of the rest i n submitting to their supremacy" 8 8 . Als einziger Ausweg blieb die Trias-Politik übrig, also eine Zusammenfassung des Machtpotentials i m „Dritten Deutschland". Anläufe dazu, diese Macht i n die Waagschale zu legen, wurden bei den sogenannten mittelstaatlichen Konferenzen gemacht, 1854 i n Bamberg, wo ein Mitspracherecht i n der großen Politik gefordert wurde 8 9 , später dann i n Würzburg und München. E i n Durchbruch zu einer echten Blockbildung konnte aber nicht erzielt werden, da Rivalitäten und Souveränitätsdünkel dem i m Wege standen. Jede diplomatische A k t i o n Bayerns wurde neidvoll registriert, so ζ. B. die Vermittlungsversuche von der Pfordtens zwischen Berlin und Wien während des Krimkrieges. „Jeder verlangte mehr oder weniger die Führung der Trias für sich 90 ." Schon die 1850 von Bayern ausgeführte Bundesexekution gegen K u r hessen hatte bei den kleineren Partnern i m Bund Ressentiments gegen Bayern geweckt, das als „Ordnungsmacht" aufgetreten w a r 9 1 . Trotzdem hielt König Max I I . an der Trias-Idee fest und verschloß sich den Argumenten ihrer Gegner, zu denen auch Sybel gehörte 92 . Er verfolgte diese Politik konsequent i n der Krise u m SchleswigHolstein, die i h n noch i n den letzten Lebenstagen beschäftigte. 87

The Times, Nr. 24817 vom 11.3.1864. Ebenda. Franz, Eugen: Ludwig Freiherr von der Pfordten, S. 212. 90 Meiboom, Siegmund: Studien zur deutschen Politik Bayerns in den Jahren 1851-1859, S. 127; vor allem der sächsische Minister Beust ist hier zu nennen, vgl. Fuchs, Walther Peter: Die deutschen Mittelstaaten und die Bundesreform 1853 - 1860, S. 21. 91 Vgl. Gruner, Wolf D.: Das Bayerische Heer, S. 234. 92 Für Sybel bedeutete die Trias eine Herausforderung Preußens und eine Unterwerfung unter Frankreich; vgl. Müller, K a r l Alexander von: HistorischPolitische Denkschriften Sybels, in: H Z 162, 1940, S. 300 f. 88 89

3. Trias-Politik

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c) Die Schleswig-Holstein-Frage I m Spätherbst 1863, als der König i n Italien weilte, hatte sich die Schleswig-Holstein-Frage zugespitzt. Ein Grundgesetz für Dänemark und Schleswig, am 13. November vom dänischen Reichstag angenommen, bedeutete die Einverleibung Schleswigs i n den dänischen Staatsverband. Zwei Tage später starb König Friedrich VII., dadurch trat die i m Londoner Protokoll vorgesehene weibliche Erbfolge i n Kraft. Der neue Monarch Dänemarks aus dem Hause Sonderburg-Glücksburg verletzte aber m i t der Unterschrift unter das Grundgesetz dieses Protokoll, i n dem die Selbständigkeit der Elbherzogtümer festgelegt war93. Eine Welle der Empörung ging durch Deutschland und veranlaßte die Bundesstaaten zur Intervention. Preußen und Österreich wollten den dänischen König i n seiner Eigenschaft als Herzog von Holstein durch eine Bundesexekution zur Einhaltung des Londoner Protokolls bewegen. Die bayerische Regierung versuchte zunächst ebenfalls, eine gemäßigte Haltung einzuschlagen. Doch das halbherzige Vorgehen, bedingt durch die Furcht vor internationalen Verwicklungen, wurde von der öffentlichen Meinung abgelehnt. „Wenn i n der letzten Zeit das Auftreten unserer Regierung den Beifall des eigenen Landes nicht mehr hatte, so sieht man jetzt deutlich, daß dies nicht die Schuld des schon kranken Monarchen war", schreibt die „Fränkische Zeitung" 9 4 . König Max II. hatte durchaus andere Vorstellungen von der Zukunft der Herzogtümer, er war nicht durch das Londoner Protokoll an die Regelungen von 1850/52 gebunden. „ A u f dem politischen Felde aber verdient seine beharrliche Zurückweisung des berüchtigten Londoner Protokolls alle Anerkennung; er hat damit der Sache SchleswigHolsteins i n trübster Zeit einen Stab geliehen, welchen die feindliche Diplomatie der deutschen und der fremden Großmächte nie ganz entwinden konnte und der nach dem Tod des Dänenkönigs zu einem momentanen Schlagbaum gegen die ersten Angriffe der Gegner Deutschlands und der Herzogtümer ward 9 5 ." 93 Vgl. Schieder, Theodor, in: Gebhardt, Bruno: Handbuch der deutschen Geschichte, Bd. I I I , S. 183. 94 Fränkische Zeitung, Nr. 63 vom 12. 3.1864. 95 Fränkischer Kurier, Nr. 71 vom 11. 3.1864.

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Max II. unterstützte entschieden die Erbansprüche der Augustenburger. Erbprinz Friedrich war i m Gegensatz zu seinem Vater zu keinem Verzicht bereit und genoß die Sympathien der deutschen Bevölkerung Schleswigs und Holsteins. I n Wien und Berlin lehnte man seine A n sprüche indessen ab, wenn auch aus unterschiedlichen Motiven. Österreich erhob wegen des Londoner Protokolls juristische Bedenken, Preußen war unter der Leitung Bismarcks aus machtpolitischen Gründen gegen einen neuen Mittelstaat i m Norden. A u f Weisung des Königs gab die bayerische Regierung ihren Vermittlungsstandpunkt auf und bezog klarere Positionen 96 . Schrenck hatte die Rückkehr des Königs dringend erbeten, und Max I I . kam dem Ersuchen trotz schlechter Gesundheit nach. Dieses persönliche Engagement würdigt auch ein österreichisches Blatt wie „Die Presse": „ A u f den ersten Ruf seines Volkes, welches mit Begeisterung für die Sache der Elbe-Herzogthümer Partei ergriffen hatte, war König Max von Rom nach München geeilt, u m i m Rathe der deutschen Cabinette m i t bester K r a f t den Sympathien des baierischen Volkes für die Herz o g t ü m e r Ausdruck zu geben und Geltung zu verschaffen 97 ." I n einem Handschreiben vom 17. Dezember 1863 nahm er gegen das Londoner Protokoll und für den Augustenburger Stellung und betonte, daß er sein Ziel über den Deutschen Bund erreichen wolle 9 8 . Es gelang Bayern i m Februar 1864, die meisten Mittel- und Kleinstaaten, die bereit waren, sich den Pressionen der deutschen Großmächte zu widersetzen, i n Würzburg auf einer Konferenz zu versammeln und i n der Erbfolgefrage auf die bayerische Linie zu bringen 9 9 . Österreich versuchte Max II. doch noch i n dieser Frage umzustimmen und entsandte zu diesem Zweck dessen Schwager Erzherzog Albrecht i n persönlicher Mission am 4. März. Bis zuletzt beschäftigte sich der König m i t den Elbherzogtümern, ohne eine Lösung i m Sinne seiner Trias-Politik gefunden zu haben. „Noch wenige Stunden vor seinem Tode war König Max auf das Energischste für die Ehre Deutschlands, für die Ehre SchleswigHolsteins eingetreten 1 0 0 ." 96

S. 18. 97

Vgl. Loskam,

Theodor: Bayern und die schleswig-holsteinische Frage,

Die Presse, Nr. 71 vom 11. 3.1864. Vgl. Bayerische Zeitung, Nr. 1 vom 1.1.1864. Vgl. Loskam, Theodor: Bayern und die schleswig-holsteinische Frage, S. 30 f. 100 Bayerischer Kurier, Nr. 71 vom 12. 3.1864. 98

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3. Trias-Politik

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Überspitzt formuliert das „Würzburger Journal" diese Tatsache so: „Auch König Max I I . starb für Schleswig-Holstein, wenn auch nicht auf dem Schlachtfelde 101 ." d) Das Echo im Ausland Die Deutschlandpolitik des Monarchen, vornehmlich seine Haltung i n der Schleswig-Holstein-Frage, spiegelt sich i n der Tendenz der Auslandspresse. „Die sämtlichen Pariser Blätter gedenken des geschiedenen Königs von Bayern i n einer so anerkennenden Weise, wie sie selten einem deutschen Monarchen zu Theil geworden ist", schreibt die „Allgemeine Zeitung" 1 0 2 . I n langen Leitartikeln w i r d sein Tod als schwerer Verlust für Deutschland hingestellt. Hinter seiner Politik i n der Frage der Herzogtümer stehe nicht nur Bayern, sondern das ganze deutsche Volk. Diese Äußerungen der französischen Presse entsprachen den Intentionen der Pariser Regierung. Frankreich warb durch die Unterstützung der Rechtsansprüche des Augustenburgers u m die Gunst der Mittel- und Kleinstaaten. Ebenfalls freundlich gehalten sind die Nachrufe i n den österreichischen Blättern von der offiziösen „Österreichischen General-Korrespondenz" bis zur Wiener „Vorstadt-Zeitung" 1 0 3 . Die langjährige österreichfreundliche Politik Bayerns wurde trotz der Meinungsverschiedenheiten i n der Erbfolgefrage damit honoriert. „Auffallend k ü h l " ist dagegen die Haltung der preußischen Blätter, bemerkt die offizielle „Bayerische Zeitung" 1 0 4 . Zu dem gleichen Ergebnis kommt die Augsburger „Allgemeine Zeitung": „Von allen uns vorliegenden größeren Blättern hat bis dahin nur die ,Vossische Zeitung 4 über den Tod des Königs einen — beiläufig sehr kleinlichen und armseligen — A r t i k e l gebracht, zu dessen Charakterisierung es genügen w i r d die Äußerung anzuführen, daß die auswärtige Politik des Königs die Entwicklung Deutschlands nicht wesentlich aufgehalten habe 1 0 5 !" Die offiziöse „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" enthält sich jedes Hinweises auf die Politik und beschränkt sich auf die Krankheit und Todesursache 106 . Aus dieser Reaktion w i r d deutlich, wie reserviert man 101 Würzburger Journal, Nr. 61 vom 11. 3.1864. 102 Allgemeine Zeitung, Nr. 74 vom 14. 3.1864. 103 Vgl. „Stimmen der Presse über König Max I I . von Bayern", in: Bayerische Zeitung, Nr. 76 vom 16.3.1864; ferner: Allgemeine Zeitung, Nr. 73 vom 13. 3.1864; Neue Würzburger Zeitung, Nr. 75 vom 15. 3.1864. 104 Nr. 76 vom 16. 3.1864. los Allgemeine Zeitung, Nr. 75 vom 15. 3.1864. 106 Norddeutsche Allgemeine Zeitung vom 15. 3.1864.

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i n Preußen der bayerischen Politik, die den Interessen Berlins zuwiderlief, gegenüberstand. Lediglich die „Kölnische Zeitung" machte hier eine Ausnahme und beneidete Bayern sogar u m seinen verstorbenen Herrscher 107 . Nobler ist die Haltung der englischen Presse, obwohl sie i n der Angelegenheit Schleswig-Holsteins die dänische Seite begünstigt. „Der ,Herald 4 bemerkt, König Max habe zu den besten verfassungsmäßigen Königen gehört, welche Deutschland bisher hervorgebracht, und da er den Londoner Vertrag nie anerkannt, könne man i h m wegen seiner schleswig-holsteinischen Politik keinen Mangel an Treu und Glauben vorwerfen 1 0 8 ." 4. Gesamtwürdigung seiner Politik „ N u r kurz ist diese Regentenzeit gewesen, aber i n ihrem kurzen Verlauf wurde eine solche Fülle von Thätigkeiten entwickelt, wurde so tief eingegriffen i n alle Einrichtungen und Verhältnisse des bayerischen Staates, so viel Altes umgebaut, so viel Neues geschaffen, daß die sechzehnjährige Regierungszeit Königs Max I I . manche zwei- und dreifach längere Periode an segensreichen Früchten weit übertrifft, und wohl nicht m i t Unrecht für alle Zeit die Reformperiode Bayerns genannt werden w i r d 1 0 9 . " Dieses U r t e i l der offiziellen „Bayerischen Zeitung" widerspricht nicht dem Tenor der übrigen Presse des Königreichs, i n der neben der deutschen auch die innere Politik überwiegend positiv abschneidet. Fehler, die i h m unterlaufen sind, werden registriert, aber m i t Nachsicht behandelt. „ E i n König ist nicht nur wie jeder Mensch, sondern mehr als Andere dem I r r t h u m ausgesetzt. Er sollte fast Alles wissen und sehen, und i h m w i r d doch so Manches m i t Fleiß verborgen und vorgespiegelt! Daß nun i m Einzelnen auch Fehlgriffe gemacht werden, ist natürlich. Aber bei der Wirksamkeit eines Regenten kommt es nicht auf dieses und jenes, sondern auf die Grundrichtung an, i n der sich das wahre Streben des Mannes offenbart; und diese Grundrichtung, die Bayern zu einem freien und glücklichen Lande gemacht hat, zeugt für König M a x 1 1 0 . " Unter Grundrichtung versteht das Blatt die konstitutionelle Entwicklung und die rechtsstaatliche Ordnung. 107 Vgl. „Stimmen der Presse über König M a x I I . von Bayern", in: Bayerische Zeitung, Nr. 76 vom 16. 3.1864. 108 So der Londoner Korrespondent der Bayerischen Zeitung, Nr. 76 vom 16. 3.1864. 109 Bayerische Zeitung, Nr. 74 vom 14. 3.1864. 110 Fränkische Zeitung, Nr. 71 vom 22. 3.1864.

4. Gesamtwürdigung seiner Politik

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A l l e Reformen bewegten sich i n diesem Rahmen 1 1 1 . Die liberale Presse, der zum damaligen Zeitpunkt die meisten bayerischen Blätter zuzurechnen sind, stand Max II., wie aus den erwähnten Zitaten deutlich wird, trotz der Reaktionsjähre wohlwollend gegenüber. Zwar hatte bereits Ludwig I. 1847 mit dem Sturz Abels eine liberale Ära einleiten helfen, das Jahr 1848 brachte aber dann die endgültige Entscheidung für diese Richtung. „ M i t seinem Sohn Max I I . übernahm der Liberalismus für lange Zeit die geistige und auch politische Führung 1 1 2 ." Nicht nur gemäßigt liberale Zeitungen wie die Augsburger „Allgemeine Zeitung", sondern auch linksliberale Organe wie die „Fränkische K u r i e r " sind sich daher i n der generellen Bewertung einig. Dieses Blatt schließt seinen Nekrolog m i t dem Satz: „Selbst auch die entschieden freisinnige Partei Bayerns bedauert aus mehr als einem Grunde seinen H i n t r i t t als ein Unglück 1 1 3 ." Nur von der äußersten demokratischen Linken, w i r d die Reaktionsperiode hart verurteilt 1 1 4 . Doch sogar der „Nürnberger Anzeiger" versucht dem König Gerechtigkeit widerfahren zu lassen und hebt neben den erzielten Reformen die „uneigennützige Verwaltung des Staatsvermögens" hervor, die er betrieben habe „ w i e der Präsident einer Republik" 1 1 5 . Bei den Nachrufen der konservativen Blätter drückt sich die politische Distanz zur Reformpolitik Maximilians nicht expressis verbis aus. Sie bleiben meist i m biographischen Bereich und umgehen politische Wertungen. Die Unzufriedenheit dieser Kreise m i t dem liberalen Kurs artikuliert sich erst später 1 1 6 . Die katholisch-konservative Presse repräsentiert i m Jahr 1864 noch keine parteipolitische Opposition. Zur Gründung der Patriotenpartei kam es nach 1866 117 . Ferner muß man die unter Max I I . noch recht 111

Vgl. Kap. I V , 2 a. Bosl, Karl: Bayerische Geschichte, S. 227 f. 113 Fränkischer Kurier, Nr. 71 vom 11.3.1864. 114 Vgl. Kap. I V , 2 b. 115 Nr. 75 vom 15.3.1864. I m Herbst 1865 erfolgte nach dem Bruch der Demokraten mit der Fortschrittspartei in Nürnberg und Fürth ein U m schwenken des „Nürnberger Anzeigers", aber auch des „Fränkischen K u riers" in die volksparteiliche Richtung. Als unter dem Eindruck der französischen Bedrohung und der Niederlage von Königgrätz 1866 der größte Teil der Demokraten zur Fortschrittspartei zurückkehrte, blieb der „Nürnberger Anzeiger" Organ der Volkspartei; vgl. Eckert, Hugo: Liberal- oder Sozialdemokratie, S. 102 ff. 118 Vgl. Donau-Zeitung, Nr. 66 vom 6.3.1868. 117 Vgl. Gollwitzer, Heinz: Zur Geschichte des bayerischen Parteiwesens, in: Unser Geschichtsbild, S. 182. 112

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strenge Überwachung der Presse berücksichtigen 118 , die zu häufigen Beschlagnahmen führte. Es ist kein Zufall, daß sich die außerbayerischen Zeitungen zu manchen Fragen offener äußern können, wie ζ. B. zur Krankheit des Monarchen 119 und zu den Spannungen zwischen Maximilian II. und seinem Vater Ludwig I . 1 2 0 . I n sämtlichen Blättern bleiben die sozialen Maßnahmen des verstorbenen Herrschers unerwähnt, was mit dem damaligen Bewußtseinsstand zusammenhängen mag. Nicht einmal seine Wohltätigkeit w i r d genannt, die bei L u d w i g I. vier Jahre später stark i n den Vordergrund rückt, obwohl er nicht als „sozialer König" gilt. Die These Günther Müllers, daß Max II. ein sozialer König gewesen sei 1 2 1 , wurde durch die Ausführungen Leonhard Lenks inzwischen glaubhaft widerlegt 1 2 2 . Max II. hatte zwar die Bedeutung der sozialen Frage erkannt, wurde ihr aber nur m i t unzulänglichen Mitteln gerecht, was auf seine konservative Natur zurückzuführen ist. Er wandte genau die M i t t e l an, die bereits Franz von Baader als unzureichend abgelehnt hatte, nämlich karitative Einrichtungen, wie den St. Johannisverein, und Polizeimaßnahmen, wie das Verbot der Arbeitervereine. Die spätere Zustimmung zu Arbeiterassoziationen erfolgte nur aus politischen Motiven und richtete sich gegen Fortschrittspartei und Schulze-Delitzsch 123 . Ein „großer König" wäre dieser Herrscher gerne geworden 1 2 4 , doch stand i h m seine eigene unentschlossene, ja skrupulöse Natur dazu i m Wege. Dennoch müssen einige Verdienste gebührend herausgestellt werden: „Fest steht, daß ohne Max II. die Geschichtswissenschaft i n Deutschland nicht das geworden wäre, was sie wurde, nämlich beispielhaft für Europa i m 19. Jahrhundert. Fest steht auch, daß er Bayern regierte getreu seinem Wahlspruch ,Freiheit und Gesetzmäßigkeit'. Und unbestritten ist sein mäßigendes, ausgleichendes Einwirken auf die beiden deutschen Großmächte Österreich und Preußen 1 2 5 ." 118

Vgl. Kap. I I , 2. Vgl. Kap. I V , 1. Darauf verweist die Kölnische Zeitung, Nr. 72 vom 12. 3.1864. 121 Müller, Günther: Max I I . und die soziale Frage, S. 88. 122 Dies ist Lenk insbesondere durch seinen Aufsatz: Revolutionär-kommunistische Umtriebe im Königreich Bayern, in: Z B L G 28, 1965, S. 555-622 gelungen. 123 Ebenda, S. 572. 124 Vgl. Sexau, Richard: „Symposien", S. 1. 125 Lenk, Leonhard: Ein königlicher Mäzen, in: Münchner Merkur vom 14./15. 3.1964. 119

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V. Ludwig II. 1. Die Persönlichkeit des Herrschers a) Äußere Erscheinung und Charakter König L u d w i g I I . „ w a r i n seinem Äußeren eine wahrhaft königliche Erscheinung, von wundervollem Wuchs, von seltener Schönheit" 1 . Dieses Urteil w i r d durch die Photographien bestätigt, die vom jungen Ludwig erhalten sind. Viele Nachrufe bezeichnen ihn daher als „Jüngling von idealer Schönheit" 2 und „imposante Erscheinung" 3 , so auch die Pariser Zeitung „Le Temps": „C'était alors un jeune homme mince, au visage large, hardi, aux grands yeux bleus, au front haut encadré de longs cheveux blonds 4 ." Vor allem seine Gesichtszüge und seine schwärmerischen Augen, die L u d w i g I. i n einem Sonett m i t einem Adonis verglichen hatte, fesselten seine Zeitgenossen und besonders die Damenwelt. Zahlreiche Mädchen versuchten die Aufmerksamkeit des jungen Herrschers zu erregen, doch vergebens, denn der „Adonis auf dem Throne" mißachtete, wie die „Kölnische Zeitung" bemerkt, „ i m Leben aber nichts so sehr wie das Weib" 5 . I n diesen Worten steckt bereits eine unmißverständliche K r i t i k am verstorbenen Bayernherrscher, die die Persönlichkeit Ludwigs I I . in einem zwiefachen Lichte erscheinen läßt. Sehr klar w i r d das i m „Berliner Tageblatt", einer führenden liberalen Zeitung der Reichshauptstadt, ausgesprochen: „Man w i r d i n die Vergangenheit zurücksteigen und aus derselben ein politisches Charakterbild des Verstorbenen entwickeln, welches je nach dem politischen Parteistandpunkt verschieden gefärbt sein wird. Helles, sonnengleiches Licht w i r d von der einen Seite auf dieses B i l d strahlen, tiefe Schatten i n der Form von Enthüllungen werden von der anderen Seite auf dasselbe geworfen werden 6 ." 1

Doeberl, Michael: Entwicklungsgeschichte Bayerns, Bd. I I I , S. 361. Fränkische Zeitung, Nr. 139 vom 16. 6.1886. 8 Historisch-politische Blätter für das katholische Deutschland, Bd. 98, S. 85. 4 Le Temps, Nr. 9176 vom 16. 6.1886. 5 Kölnische Zeitung, Nr. 173 vom 24. 6.1886. β Berliner Tageblatt, Nr. 301 vom 17. 6.1886. 2

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I m großen und ganzen kann man die Pressestimmen, die Ludwigs Tod kommentieren, tatsächlich i n zwei Lager scheiden. Das „sonnengleiche Licht" „strahlt" nur aus der liberalen Presse, während die „tiefen Schatten" meist aus konservativ-katholischen Blättern auf Ludw i g fallen. Viele liberale Zeitungen schießen i n ihrer Begeisterung für L u d w i g sogar über das Ziel hinaus, wenn sie i h n allzu enthusiastisch preisen und zum Beispiel als „Hohepriester des Idealismus" 7 feiern. Schon etwas angemessener ist das Charakterbild, das i m liberalen „Augsburger Tagblatt" entworfen w i r d : „Die seltene Schönheit, die gewinnende Freundlichkeit und Leutseligkeit seines Wesens, das helle leuchtende Auge m i t dem feurigen Blick, die ganze A n m u t seines Gebahrens sicherten i h m gleich bei seinem Regierungsantritt die allgemeinste Verehrung und das liebevollste Vertrauen. . . . König L u d w i g war von Natur aus ein edler, reiner, hochbegabter Mensch, eine ideale Natur, ehrlich, treu, offen, keusch und sittenstreng 8 ." Sehr ähnlich lautet auch die Charakterisierung von Bomhard, den Ludwig kurz nach seiner Regierungsübernahme i n sein Kabinett berufen hatte: „Er legte großen Wert auf die Wahrnehmung, daß sein Herz rein und unverdorben war, daß er i n i h m eine Keuschheit und Reinheit der Seele fand, wie sie der kostbarste Edelstein auf dem Throne sei, m i t schwärmerischer Begeisterung für alles Schöne, Große und Edle, für die erhabensten Ideale 9 ." Auch seine spätere Haltung entschuldigt das „Augsburger Tagblatt", indem es Schmeichlern und Intriganten am Hofe alle Schuld zuschiebt: „Daß er später einen solch hochgradigen Stolz, eine solch hohe Meinung von seiner Königswürde und eine solche Eifersucht auf seine Souveränität an den Tag legte, daran waren nur die Schmeichler und Intriganten schuldig, welche den König an sich selbst irre machten. Das bestärkte ihn i n seiner Menschenscheu, das raubte i h m den Glauben an die Menschheit, das Vertrauen i n dieselbe, das trieb i h n i n die Einsamkeit, i n die Zurückgezogenheit auf sich selbst 10 ." Dieses Urteil w i r d i n anderen Quellen bestätigt. Sogar seine Abneigung gegen die Hohenzollern schreibt jenes Blatt seinem „festen Charakter" zu. 7

Zweibrücker Zeitung, Nr. 137 vom 15. 6.1886. Augsburger Tagblatt, Nr. 139 vom 17. 6.1886. Böhm, Gottfried von: Ludwig I I . König von Bayern, S. 19. 10 Augsburger Tagblatt, Nr. 139 vom 17. 6.1886.

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Überwiegend positiv äußert sich gleichfalls die offiziöse „Allgemeine Zeitung" zur Persönlichkeit Ludwigs: „König L u d w i g war, als er auf den Gipfel des Lebens gestellt wurde, ein dem höchsten Ideale des Schönen i n Kunst und Natur m i t schwärmerischer Begeisterung zugewandter Jüngling, i n Poesie und Musik deutschen Meistern pietätvoll ergeben, an den erhabenen Wundern der Gebirgswelt die Seele gern erhebend und erfrischend, aber anfänglich noch keineswegs die Menschen fliehend und der bürgerlichen Welt entfremdet. Wenn er, wie i n seinen ersten Regierungsjähren wiederholt geschah, i n großen Kreisen der Gesellschaft sich bewegte, wußte er Alles für sich einzunehmen, für Jeden ein liebenswürdiges, treffendes Wort zu finden, und bis vor wenigen Jahren, als Empfänge bei i h m schon zur Seltenheit geworden waren, kam es noch vor, daß er durch seine Gespräche auf die Gäste einen bezaubernden Eindruck machte 11 ." Freilich deutet die „Allgemeine Zeitung" auch an, daß „dem Lichtbilde . . . einige dunkle Streifen nicht gänzlich fehlen" 1 2 und stellt vor allem die Menschenscheu des Königs heraus, die sich allmählich zum Menschenhaß gesteigert hatte. Besonders auffallend ist aber die Beurteilung der „Kölnischen Zeitung", die ich bereits oben zitiert habe. Dieses liberale Blatt würdigt L u d w i g II. zunächst recht positiv: „Selten hat ein so reicher, reiner und edler Geist i n einem so schönen, herrlichen Körper gewohnt, wie bei L u d w i g I I . Man versprach sich das Höchste von diesem Jüngling auf dem Throne, und er hat es gehalten 13 ." Zwei Tage später findet sich ein Korrespondentenbericht über „die letzte Zeit des Aufenthaltes König L u d w i g I I . i m oberbayerischen Gebirge", i n dem L u d w i g ein „Hang zu allem möglichen Phantastischen" und „eine unbändige Verschwendungslust" zugeschrieben wird, sowie ein „fast bis zur Raserei gesteigerter Jähzorn" 1 4 . Acht Tage darauf macht die Zeitung dann eine deutliche Kehrtwendung und stellt fest, daß „das Lichtbild . . . leider völlig falsch i s t " 1 5 . Ludwig w i r d nun eine „seltene Vollendung schauspielerischer Talente" 1 6 zugeschrieben, da er seinen Gesprächspartnern Güte und Liebenswürdigkeit vorspielte, dies aber i n Wirklichkeit nur aus Berechnung tat; „er verachtete die Menschen insgesamt und die meisten, m i t 11 12 18 14 15 18

Allgemeine Zeitimg, Nr. 165 vom 16. 6.1886. Ebenda. Kölnische Zeitung, Nr. 164 vom 15.6.1886. Kölnische Zeitung, Nr. 166 vom 17. 6.1886. Kölnische Zeitung, Nr. 173 vom 24.6.1886. Ebenda.

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denen er verkehrte, noch einmal ganz besonders; sich selbst hielt er für einen Gott" 1 7 . Dieser Wandel i m Ludwigbild läßt sich meiner Meinung nach nur erklären, wenn man bedenkt, wie viele Gerüchte über den verstorbenen König kursierten, die sich dann i n den Berichten der Journalisten bemerkbar machen. Die zuletzt zitierten Auszüge sind erst nach der öffentlichen Sitzung der Kammer der Reichsräte vom 21. 6.1886 verfaßt worden. I n dieser Sitzung mußte, wie später auch i n der Sitzung der Abgeordnetenkammer vom 26. 6.1886, die Einsetzung der Regentschaft begründet werden, wofür eindringliche Beweise der Geisteskrankheit nötig waren. Während i n den meisten Blättern die Referate, die i n diesen beiden Sitzungen gehalten wurden, mehr oder weniger ausführlich wiedergegeben werden, benützt die „Kölnische Zeitung" diese Gelegenheit zu einem Kurswechsel. Z u den wenigen, die den schizophrenen Charakter Ludwigs erkannten, gehörte der Archivar Edmund Jörg, „der Seher von der Trausnitz", wie er genannt wurde: „ M a n muß fast sagen: es wohnten zwei grundverschiedene Persönlichkeiten i n König L u d w i g II. Einerseits eine hohe Begabung m i t bezaubernder Liebenswürdigkeit und Gutherzigkeit, andererseits der grimmige Sinn eines Herrschers aus der römischen Cäsarenzeit 18 ." Diese Feststellung scheint m i r durchaus einen richtigen K e r n zu enthalten, denn Ludwigs Persönlichkeit ist ohne Zweifel nur schwer faßbar und wohl nur i m Zusammenhang m i t seiner Gemütskrankheit richtig zu interpretieren. I m übrigen enthält der überaus polemisch gehaltene A r t i k e l heftige und zumeist unsachliche Angriffe auf L u d w i g II., ebenso wie „Das Bayerische Vaterland" des Dr. Sigi. Letzterer läßt an L u d w i g kein gutes Haar mehr. Er bescheinigt i h m einen „selbstherrlichen, u m nicht zu sagen herrischen" einen „eigengearteten, u m nicht zu sagen eigensinnigen Charakter" 1 9 . Sigls Rolle i m Jahre 1886 ist schon damals umstritten gewesen. Sein Eintreten für das Ministerium Lutz wurde i n allen bayerischen konservativ-katholischen Blättern m i t Erstaunen registriert; man sprach sogar von Bestechung. Wie Möckl nachweist, spielte hier die liberale Hofgeistlichkeit eine entscheidende Rolle. Stiftsdekan von Türk überredete Sigi, m i t dem er befreundet war, zu einer Änderung seiner Haltung 17 18 19

Ebenda. Historisch-politische Blätter, Bd. 98, S. 87. Das Bayerische Vaterland, Nr. 135 vom 16. 6.1886.

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gegenüber der Regierung 20 . Sigls heftige Angriffe auf L u d w i g II. könnte man aber auch psychologisch erklären, denn sein Blatt war unter dessen Regierung unzählige Male beschlagnahmt worden, allein während des Krieges von 1870/71 über hundertmal. I n seinem Nachruf auf L u d w i g macht er eine deutliche Anspielung auf diese Ereignisse: „Wenn dann von Zeit zu Zeit i n diesen Nebel hyperloyaler Schwärmerei und absurder Menschenvergötterung eine nüchterne Stimme fuhr, welche die Wahrheit über die Dichtung, die rauhe Wirklichkeit über den ,idealen' Schein, die praktischen Staatsinteressen über die bornierte Liebedienerei des Servilismus setzte, dann sorgte man für Ma j estätsbeleidigungsprocesse 21 . " b) Ludwigs

Bildung

I n diesem Punkte sind sich ausnahmsweise liberale und konservative Blätter einig. A l l e bescheinigen i h m einen hohen Bildungsgrad, obwohl er, wie allgemein bemerkt wird, keine besonders gute Ausbildung genossen hatte. Doeberl führt letzteren Umstand auf das fehlende Interesse der Eltern zurück und gibt hierfür Paul Heyse als Zeugen an 2 2 . Es steht jedenfalls fest, daß L u d w i g erst einige Vorlesungen i m Wintersemester 1863/64 gehört hatte, als er durch den plötzlichen Tod Max II. diese Studien abbrechen und den Thron besteigen mußte. Er konnte somit nicht wie sein Vater und Großvater die Universität Göttingen beziehen. „Das Universitätsleben m i t seinen Licht- und Schattenseiten ist dem Dahingeschiedenen also fremd geblieben; er bestieg den Thron m i t den Idealen ungetrübter Jugendkraft. Dem ungeachtet war L u d w i g II. einer der gebildetsten Monarchen Europa's, denn er hat den Mangel einer Universitätsbildung durch eifriges Selbststudium und den Verkehr m i t wissenschaftlich bedeutenden Männern vollständig ergänzt" 2 3 , schreibt die gemäßigt-klerikale „Augsburger Postzeitung". Ganz ähnlich berichten die liberalen Blätter: „Den unterbrochenen Studiengang hatte er i m Laufe der Zeit durch vielseitige und gediegene Leetüre i n einer Ausdehnung ergänzt, daß er auf manchen Gebieten, namentlich i n Kunst- und Literaturgeschichte, als ganz ungewöhnlich unterrichtet galt, und unter den Personen, die seines persönlichen Verkehrs gewürdigt wurden, spielten Künstler seinerzeit eine sehr 20

Vgl. Möckl, Karl: Die Prinzregentenzeit, S. 123, dazu auch Anm. 332. Das Bayerische Vaterland, Nr. 134 vom 13. 6.1886, in Nr. 137 vom 19. 6. 1886 nochmals abgedruckt! 22 Vgl. Doeberl, Michael: Entwicklungsgeschichte Bayerns, Bd. I I I , S. 361. 28 Augsburger Postzeitung, Nr. 139 vom 16. 6.1886. 21

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bevorzugte Rolle 2 4 ." „Große Kenntnisse, besonders i n der Geschichte und Volkswirtschaft" und „treffender Witz" werden an i h m gerühmt 2 5 . I n der Tat beschäftige L u d w i g II. sich viel m i t Geschichte, vor allem m i t der französischen des 17. und 18. Jahrhunderts. U m seine Kenntnisse auf diesem Gebiet zu erweitern, zog er sogar die bayerische Gesandtschaft i n Paris heran. Auch seine „Liebe zu den Klassikern" 2 6 i n erster Linie zu Schiller, w i r d hervorgehoben, dessen Dramen er teilweise auswendig deklamieren konnte. „Zunächst liebte er es, die klassischen Werke unverkürzt zu sehen, ferner legte er einen besonderen Werth auf die Echtheit des Bühnenbildes. Daher ließ er für ,Tell· die geschichtlichen Landschaften getreu nachahmen und wurde später für die ,Jungfrau von Orleans 4 der Dom von Rheims genau nachgebildet 27 ." Diesen beiden Stücken zuliebe unternahm L u d w i g II. seine Bildungsreisen an den Vierwaldstättersee und nach Reims. Die „Theaterlust des Königs" verstärkt seine Bewunderung für Richard Wagner; „nicht so sehr die Musik, sondern das dramatische Wesen der Wagner'schen Schöpfungen zog i h n an" 2 8 . Wagner selber äußerte sich einmal ähnlich und nannte L u d w i g „ganz unmusikalisch und nur m i t einem poetischen Gemüt begabt" 2 9 . c) Wagners Einfluß auf den König Waren sich liberale und konservativ-klerikale Blätter bei der Beurteilung von Ludwigs Bildung noch weitgehend einig, so scheiden sich die Geister bei der Frage, welchen Einfluß Richard Wagner auf den Monarchen ausgeübt hatte. N u r wenige liberale Zeitungen greifen dieses Thema so ausführlich auf wie das „Augsburger Tagblatt": „Was nun das für die Kunstgeschichte so bedeutungsvolle Freundschaftsverhältniß zu Richard Wagner angeht, so ist es zwar nicht zu leugnen, daß das Beisammensein m i t einer ebenfalls sehr phantastischen Natur, wie Wagner, für den König gewisse Gefahren hatte. A l l e i n w i r sind der Ansicht, daß die Entfernung des Meisters ein größeres Übel war als sein Einfluß. Von einem politischen Einfluß kann über24 25 28 27 28 29

Allgemeine Zeitung, Nr. 165 vom 16. 6.1886. Kölnische Zeitung, Nr. 166 vom 17. 6.1886. Augsburger Tagblatt, Nr. 143 vom 22. 6.1886. Ebenda. Ebenda. Vgl. Hacker, Rupert: Ludwig I I . in Augenzeugenberichten, S. 77.

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haupt nicht die Rede sein, obwohl die Münchner an einen solchen glaubten. Solange Wagner beim König war, handelte es sich vorzugsweise um bedeutsame öffentliche Unternehmungen. Der jetzt i n Bayreuth lebendig gewordene, damals i n München als T o l l h e i t 4 verlachte Plan eines Wagnertheaters, d . h . einer deutschen Nationaloper, beschäftigte die beiden Freunde vor allem. . . . W i r wissen wohl, daß dessen A u f treten i n München nicht geeignet war. i h n beliebt zu machen. M i t seiner Entfernung ging der König des Umganges einer Persönlichkeit verlustig, die er bewunderte und es fand sich kein Ersatz für i h n 8 0 . " Diese Passage hat zweifellos apologetischen Charakter und t r i f f t nicht ganz die historische Wahrheit; vor allem die Behauptung, Wagner habe keinen politischen Einfluß auf L u d w i g ausgeübt, ist nicht zu halten. Man muß nur die Umstände i n Erwägung ziehen, die zu seiner Entfernung führten, u m eines Besseren belehrt zu werden. Sehr treffend schreibt der m i t Wagner befreundete Maler Friedrich Pecht, daß jener „ i n Gedanken gleich das ganze Königreich Bayern mitregierte" 3 1 . Schon f r ü h war Ludwig, der zwischen den die mittelalterliche Sagenwelt darstellenden Fresken von Hohenschwangau aufgewachsen war, m i t Wagners Schriften und musikalischen Werken i n Berührung gekommen. Wagner hinterließ i m Gemüt des jungen Königs einen unauslöschlichen Eindruck, der durch den persönlichen Verkehr nur verstärkt wurde. Richtig ist daher die Beobachtung, daß der Weggang Wagners eine tiefe Leere beim König hinterlassen hat, die durch nichts mehr zu ersetzen war. Das Scheitern seines Theaterprojektes hat L u d w i g sehr verärgert und, wie die „Allgemeine Zeitung" bemerkt, „nicht zum wenigsten dazu beigetragen, den fürstlichen Mäcen dem Münchener Publicum und dem öffentlichen Verkehr überhaupt zu entfremden und eine Scheidewand aufzurichten, deren Festigkeit sich leider von ungeahnter Dauer erwies" 8 2 . Sehr heftig bezieht die „Kölnische Zeitung" gegen Wagner Stellung, dem sie einen schädlichen Einfluß zuschreibt. Vor allem Ludwigs „Pazifismus", ein Begriff, den man natürlich nicht i m Sinne des 20. Jahrhunderts verstehen darf, geht ihrer Meinung nach auf Wagner zurück: „Diese Abneigung gegen alles, was Soldaten heißt, soll dem Könige wesentlich zuerst aus dem seinerzeit innigen, vertrauten Umgange m i t dem Componisten Richard Wagner erwachsen sein, wie ich überhaupt schon früher häufig dabei ganz unparteiischen und urteilsberechtigten 80 81 82

Augsburger Tagblatt, Nr. 143 vom 22. 6.1886. Zitiert bei: Hacker, Rupert: Ludwig II., S. 80. Allgemeine Zeitung, Nr. 165 vom 16. 6.1886.

7 Ursel

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Personen vernahm, daß das excentrische Wesen Wagners auf den damals noch ganz jungen und weichen, ohnehin schon selbst zur Excentrität und Verkennung aller wirklichen und praktischen Verhältnisse des Lebens geneigten König einen unheilvollen Einfluß geübt habe 3 3 ." Diese letzte Behauptung ist nicht ganz von der Hand zu weisen, auch der bereits zitierte Friedrich Pecht bestätigt, daß Ludwigs „Neigung, sich i n eine phantastische Traumwelt einzuspinnen" 34 durch Wagner gesteigert wurde. Die Welt war danach für L u d w i g I I . nur vorhanden, um „Wagner'sche Musik zu hören und alles andere daneben geringzuschätzen" 35 . Völlig unsachgemäß aber ist die Darstellung, die Wagners Einfluß i n den konservativ-katholischen Pressestimmen erfährt. Hier werden die alten Beschuldigungen und gehässigen Kommentare von 1865 nochmals aufgewärmt. Wagner w i r d hier noch immer wegen seiner Beteiligung an der Revolution von 1848 als „Mann von den Barrikaden" 3 6 verketzert. I n allen Blättern dieser Couleur ist Wagner nur der „böse Dämon des Königs" 3 7 . Auch die Parallele zur Lola-Montez-Affäre erscheint wieder, wobei die Freimaurer als Sündenbock dienen: „Dem großen L u d w i g Augustus sandte die europäische Logenleitung eine Lola, L u d w i g II. Richard Wagner, und beide Male erreichte die Loge ihre Zwecke, ohne daß die betrogenen Könige eine Ahnung hatten, aus welchen Lagern ihnen ihre Verderber gesandt waren 3 8 ." Den gleichen Ton stimmt das i n Würzburg erscheinende „Fränkische Volksblatt" an: „Lola Montez und Richard Wagner sind verhängnißvolle Namen in Bayerns Geschichte und nur m i t Verwünschungen gedenkt man derselben. Beide waren Werkzeuge der Loge, u m die beiden Monarchen zu verderben. Wagner führte den jungen ideal angelegten König ein i n das Reich der Träume und übersättigte i h n m i t den kostspieligen schlüpfrigen Phantastereien, machte i h n bekannt m i t Schopenhauers trostloser Philosophie 39 ." Aus zeitgenössischen Quellen wissen wir, daß Wagner i m Volksmund tatsächlich als „Lolus" verschrien war 4 0 . Vor allem aber erregte er bei 83

Kölnische Zeitung, Nr. 166 vom 17. 6.1886. Zitiert bei: Hacker, Rupert: Ludwig II., S. 81. Ebenda. 88 Pfälzer Zeitung, Nr. 141 vom 19. 6.1886. 87 Siehe z. B. Das Bayerische Vaterland, Nr. 134 vom 13. 6.1886; Fränkisches Volksblatt, Nr. 142 vom 25. 6.1886. 88 Das Bayerische Vaterland, Nr. 134 vom 13. 6.1886, Nr. 137 vom 19.6.1886. 39 Fränkisches Volksblatt, Nr. 142 vom 25. 6.1886. 40 Vgl. Hacker, Rupert: Ludwig II., S. 84 f. 34

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Adel und Geistlichkeit Anstoß, die i n der Patriotenpartei damals die führenden Kräfte stellten. Wie Röckl bemerkt, kam der Vorwurf, Wagner sei ein „Barrikadenkämpfer" vornehmlich von adeliger Seite, wo i h m die Vorzugsstellung beim König nicht gegönnt wurde. Der Klerus hingegen sah i n Wagner den Heiden, der den König der Religion entfremdete 41 . Selbst L u d w i g I. verglich i n einem Gespräch m i t Bomhard seine Lola-Affäre mit den Ereignissen u m Wagner 4 2 . Gerade bei diesem Punkt treibt die „ultramontane Schauermär von dem schädlichen Einfluß der Wagner'schen Tonkraft auf den K ö n i g " 4 3 die höchsten Blüten 4 4 . d) Ludwigs religiöse

Haltung

I n gemäßigtem Ton, aber hyperbolischem Stil, beklagt der Korrespondent der „Augsburger Postzeitimg" den Einfluß Wagners auf L u d wigs religiöse Haltung: „Hätte, nachdem der Zauberer Klingsor-Wagner aus den dunklen Tiefen der Nachtseiten des menschlichen Lebens aufgetaucht und an die Stufen des Thrones sich gestellt, die Lichtgestalt eines Genies und Virtuosen des christlich-religiösen Lebens, wie ein seliger Bischof Haneberg, diesen dämonischen Zauber gebrochen, hätte König L u d w i g aus dem Borne der deutschen Sage selbst, nicht aus dem präparierten Traumkelch Klingsor's getrunken, wäre er zu den wald- und bergfrischen Quellen der unverfälschten deutschen Sage selbst durchgedrungen und hätte er sich neben der Heldensage auch i n den Heliand hineingelebt, wozu der ächte Parcival die Brücke hätte schlagen können, Leben und Tod dieses überreich begabten u n d veranlagten K ö nigskindes wäre ein völlig anderes geworden 4 5 ." V i e l nüchterner, aber kälter, urteilt Jörg i n den „Zeitläufen" der „Historisch-politischen Blätter": „Leider hatte der unglückliche Fürst auch keinen Halt an einer festen religiösen Ueberzeugung. Was davon aus der Jugendzeit etwa noch vorhanden war, ist durch die Schwärmerei für R. Wagner und dessen sinnlich-lüsterne Kunst w o h l völlig verschwunden. Der König hatte seit vielen Jahren kein öffentliches Gottes41

Vgl. Röckl, Sebastian: Ludwig I I . und Richard Wagner, Bd. 1, S. 73 f. Vgl. Böhm, Gottfried von: Ludwig II., S. 163. 43 Deutsche Zeitung, Nr. 5191 vom 15. 6.1886. 44 Die gleichen Beschuldigungen wurden auch vom katholischen Abgeordneten Dr. Stamminger in der Sitzung der Abgeordnetenkammer erhoben; vgl. Schrott, Ludwig: Der Prinzregent, S. 111. 45 Augsburger Postzeitung, Nr. 155 vom 3. 7.1886, 2. Blatt. 42

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haus von innen gesehen; selbst den jährlichen Exequien für den königlichen Vater wohnte er niemals mehr bei 4 6 ." Die gehässige Beurteilung von Wagners Werk und dessen negativem Einfluß auf Ludwigs Religion sind für einen so gebildeten Katholiken wie Jörg überraschend und w o h l nur zu verstehen, wenn man bedenkt, daß die katholische Kirche sich damals gleichzeitig m i t der kirchenfeindlichen Haltung des Staates und dem Zeitgeist auseinandersetzen mußte. Sicher hat Jörg m i t der Feststellung recht, daß L u d w i g seit vielen Jahren sich von öffentlichen Gottesdienstbesuchen und religiösen Feiern ferngehalten hatte, doch sagt das nichts über dessen religiöse Überzeugung aus. Es ist bekannt, daß L u d w i g I I . oft heimlich an Gottesdiensten i n Dorfkirchen des Oberlandes teilgenommen hat. Ähnliche Vorwürfe erhebt „Das Bayerische Vaterland", das i n seinem Leitartikel über die Münchener Fronleichnamsprozession des Jahres 1886 an L u d w i g indirekt K r i t i k übt: „Was seit 12 Jahren nicht mehr der F a l l gewesen war, daß dem katholischen Volke wenigstens bei dieser Gelegenheit gezeigt und klar werde, daß es von einem katholischen Fürsten regiert wird, welcher i m Angesicht seines Volkes Gott gibt, was Gottes ist, das wurde uns gestern wieder gezeigt und klar gemacht 47 ." Das Lob auf den Prinzregenten geht hier zu Lasten von Ludwig, der zweifellos immer menschenscheuer geworden war und alle öffentlichen Veranstaltungen, nicht nur die religiösen, gemieden hatte. Sicher sind hier Ressentiments m i t i m Spiel, die aus Ludwigs Haltung zu Döllinger und den Altkatholiken herstammen. Daß das „christliche Element" i n der Umgebung des Königs nicht ganz fehlte, kann auch ein katholisches Blatt wie die „Augsburger Postzeitung" bei der Erwähnung der liebevoll ausgestatteten Hauskapellen nicht verleugnen 48 . Zweifellos war L u d w i g I I . ein gläubiger Mensch, was i m Einklang m i t seinem romantisch gefärbten Weltbild steht; allerdings war er deswegen noch lange nicht bereit, seine königliche Autorität der kirchlichen zu unterwerfen. Sehr treffend scheint m i r daher das „Berliner Tageblatt" Ludwigs Haltung zur Religion zu skizzieren: „Es wäre thöricht, behaupten zu wollen, daß König L u d w i g ein strenggläubiger, die dogmatischen Satzungen der römisch-katholischen Kirche über Alles 46 47 48

Historisch-politische Blätter, Bd. 98, S. 93 f. Das Bayerische Vaterland, Nr. 142 vom 26. 6.1886. Augsburger Postzeitung, Nr. 155 vom 3. 7.1886, 2. Blatt.

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stellender Christ gewesen wäre. I n seinem Drange nach absoluter Unbeschränktheit mag er sich w o h l über das rein kirchliche Wesen gestellt haben; i n den Äußerungen dieses Dranges hat er aber nie die Würde und das Ansehen der Kirche verletzt. Er lebte als freier gläubiger Geist außerhalb der dogmatischen Schranken, aber dem Könige daraus den Vorwurf des Atheismus zu machen, erscheint uns durchaus ungerechtfertigt 4 9 ." e) Die Krankheit

des Königs

L u d w i g I I . litt, wie w i r heute wissen, an erbgenetischer Schizophrenie und nicht an Paranoia 50 . Diese Diagnose ließ schon damals viele Kenner der Lage unbefriedigt; i n Journalistenkreisen tauchen damals ebenfalls die verschiedensten Ansichten über Ludwigs Krankheit auf. Manche gehen bis zur Lösung der Verlobung m i t Herzogin Sophie Charlotte i n Bayern zurück. So spricht „ L e Temps" von einer „profonde douleur" 5 1 , i n die der König i n jener Zeit versunken sein soll. Die „Ingolstädter Zeitung" rätselt: „Ob es richtig ist, daß die i m Jahre 1867 vollzogene, bald aber unter geheimnißvollen Umständen aufgelöste Verlobung m i t der Prinzessin Sophie, Tochter des Herzogs Max von Bayern, einen so tiefen Eindruck auf das Gemüth des Königs gemacht hat, daß er immer mehr zum Einsiedler und Menschenfeind wurde, läßt sich schwer bestimmen 6 2 ." Nach den Vermutungen des „Augsburger Tagblattes" hat dieses Ereignis sogar „einen bleibenden düsteren Schatten auf das Gemüth des Königs geworfen" 5 3 . Die Verlobung hatte, wie w i r aus Briefen und Notizen wissen, auf dem König wie ein Alpdruck gelastet 54 . Daher empfand er ihre Auflösung keineswegs als schmerzlich, sondern als Befreiung. Die Mußmaßungen der Presse sind i n diesem Punkt durch die anderen Quellen korrigiert worden. Frauen hatten dem Fürsten ohnehin niemals viel bedeutet. Immer mehr entwickelte sich der König, dessen Schicksal m i t Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, m i t Georg I I I . von England und m i t Sultan Murad V. verglichen wird, zum Sonderling und Einsiedler. 49

Berliner Tageblatt, Nr. 301 vom 17. 6.1886. Vgl.: Die Geisteskrankheit der bayerischen Könige Ludwig I I . und Otto in der Sicht neuer genealogisch-erbbiologischer Methoden, in: Genealogisches Jahrbuch I I , 1962, S. 101 - 111. (Verf.: Emil Eugen Roesle) 51 Le Temps, Nr. 9176 vom 16. 6.1886. 62 Ingolstädter Zeitung, Nr. 138 vom 19.6.1886. 58 Augsburger Tagblatt, Nr. 139 vom 17. 6.1886. 54 Vgl. Hacker, Rupert: Ludwig II., S. 146 f. 60

102

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„Mehr und mehr vereinsamend und sich i n sich selbst zurückziehend begann er sich i n eine selbstgeschaffene phantastische Welt hineinzuleben 5 5 ." Seit der M i t t e der 70er Jahre ging seine Menschenscheu schließlich so weit, daß er gar nicht mehr i n der Öffentlichkeit erschien. Auch „Das Bayerische Vaterland" setzt den Anfang von Ludwigs Erkrankung weit zurück: „Es gehörte seit w o h l 20 Jahren keine sonderliche Prophetengabe dazu, u m den schließlichen Ausgang dieser vermeintlich genialen 4 Sonderbarkeiten vorauszusehen. Aber wer damals, wo noch die allgemeine Begeisterung den König umgab, wo das starke und namentlich das schwache Geschlecht für die etherische' Gestalt des schönen jugendlichen Fürsten schwärmte, so etwas gesagt, wer dergleichen gedruckt hätte, dem wäre das sicherlich sehr übel bekommen. U n d doch w a r es eine wissenschaftliche Autorität, der berühmte französische Irrenarzt Dr. Morel, welcher . . . den jungen König i n der Nähe gesehen u n d sein U r t h e i l dahin zusammenfaßte: »Dieses Auge! dieses Auge! Es ist ein Auge, aus dem künftiger Wahnsinn spricht! 4 Der Franzose drückte sich noch etwas drastischer aus und wurde natürlich ausgelacht, aber der scharfsichtige Franzose sah schon 1867, was 1886 als unleugbare Thatsache anerkannt werden mußte 5 6 !" Nicht alle Zeugenaussagen sprechen so eindeutig u n d bestimmt für die Geisteskrankheit des Königs; selbst Leute, die noch i n den letzten Jahren m i t L u d w i g I I . zusammentrafen, merkten nichts, denn der Monarch hatte bis zuletzt lichte Momente und bewahrte sich seine I n telligenz. Daher werden auch i n der Presse Zweifel laut: „Die Bevölkerung Bayerns hatte demnach keinen Grund, ihrem Könige zu grollen, und es ist natürlich, daß sie jenen Personen aus seiner Umgebung beipflichtet, nach deren Urtheil König L u d w i g zwar höchst e i g e n t ü m l i c h geartet, überspannt, launenhaft und schwärme65

Augsburger Tagblatt, Nr. 139 vom 17. 6.1886. Das Bayerische Vaterland, Nr. 134 vom 13.6.1886 und Nr. 137 vom 19. 6.1886. Diplomaten und Hofkreise wußten schon seit den ausgehenden 60er Jahren von krankhaften Anzeichen, vgl. Möckl, Karl: Die Prinzregentenzeit, S. 87 und Anm. 193; Andeutungen über eine Zerrüttung des Nervensystems finden sich in den Berichten des englischen Gesandten aus den Jahren 1867 und 1871, vgl. Klein, Erika: Die Außenpolitik Bayerns und König Ludwig I I . im Urteil des englischen Gesandten in München, Sir Henry F. Howard von 1866-1871, S. 74f.; auch der österreichische Gesandte Bruck berichtet bereits 1871 von einer möglichen Geisteskrankheit, vgl. Reiser, Konrad: Bayerische Gesandte bei deutschen und ausländischen Regierungen 1871 -1918, S. 78 ff. M

2. Außenpolitik

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risch bis zum Excesse, aber nicht wahnsinnig, nicht seiner selbst vergessen und nicht seiner Stellung, seiner Pflichten und seiner Lage unbewußt gewesen sei 5 7 ." Die meisten Blätter jedoch zweifeln nicht an Ludwigs Krankheit; besonders kraß urteilt „ L e Temps": „Comme les Césars, le roi s'était mis au-dessus de toutes les lois d'humanité; i l était atteint du délire des grandeurs; i l crut avoir droit de vie et de mort sur tous ses sujets 58 ." Der Cäsarenwahnsinn L u d w i g I I . drückte sich vor allem i n den Mißhandlungen seiner Dienerschaft aus, worüber i n der Abgeordnetenkammer ausführlich berichtet wurde. Diese und andere Verirrungen zwingen den „Fränkischen K u r i e r " zu folgendem Schluß: „ A n der Geisteskrankheit des Königs zweifeln, heißt seinen Namen beleidigen und ist unverantwortliche Pietätlosigkeit. Welches Urtheil würde und müßte M i t - und Nachwelt über L u d w i g II. fällen, wenn er, geistig gesund, gethan hätte, was er gethan hat? Der ganze ideale Nimbus, der seinen Thron und seine Person strahlend umgab, er wäre dahin 5 9 ." 2. Außenpolitik a) Der König im Jahre 1866 Ludwigs Regierungsantritt fiel i n eine Zeit, die wegen der ungelösten Schleswig-Holstein-Frage von einer heftigen politischen Diskussion über die Zukunft der Herzogtümer bewegt wurde. Der König, der schon bald nach der Übernahme der Regierungsgeschäfte dem überzeugtesten Verfechter einer Triaspolitik, Freiherr L u d w i g von der Pfordten, wieder die Leitung der Politik anvertraut hatte, trat hierin das Erbe seines Vaters an, indem er einen Antrag beim Bundestag einbrachte. Doch bereits dieser erste Vorstoß, der die Rechte des Augustenburgers verteidigte, endete m i t einem Mißerfolg 6 0 . Wie sein Vater fürchtete L u d w i g I I . u m die Souveränität Bayerns und wollte sich deshalb nicht an eine der beiden Großmächte anlehnen. „Die ganze Summe der mittelstaatlichen Souveränitätspolitik lag i n diesem Schaukelsystem beschlossen 61 ." 57

Deutsche Zeitung, Nr. 5191 vom 15. 6.1886 (Abendausg.) Le Temps, Nr. 9176 vom 16. 6.1886. Fränkischer Kurier, Nr. 315 vom 23. 6.1886 (Morgenblatt). 60 Vgl. Böhm, Gottfried von: Ludwig II., S. 104. 81 Müller, K a r l Alexander von: Bayern i m Jahre 1866 und die Berufung des Fürsten Hohenlohe, S. 16. 58

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Hier i r r t der Leitartikler der „Allgemeinen Zeitung", wenn er L u d wigs Politik so stark von der seines Vaters abhebt: „ I n den Jahren der Entscheidung für die deutsche nationalstaatliche Einigung, 1866 und 1870, war es für Bayern allem Anschein nach nur vortheilhaft, daß statt Maximilians bereits L u d w i g I I . auf dem bayerischen Throne saß. M i t der unglückseligen Triasidee v. d. Pfordtens nicht wie sein Vater verwachsen, konnte der nicht minder deutschgesinnte König nach dem für Bayern erklärlicherweise ungünstigen Waffengange des erstgenannten Jahres, bei der trotzdem für das Königreich gewahrten ungeschwächten staatlichen Stellung, den machtvoll sich zur Geltung bringenden neuen Verhältnissen und Bedürfnissen gegenüber unter dem Beistande kluger und patriotischer Rathgeber den Anschluß an das künftige Reich durch das Schutz- und Trutzbündniß m i t Preußen vorbereiten 8 2 ." Schon damals blieb diese Ansicht nicht unwidersprochen; diesmal ist es Jörg i n den „Historisch-politischen Blättern"; der die Politik jener Tage ins rechte Licht rückt: „ I n dem Nekrolog der »Allgemeinen Zeitung* ist von der ,unseligen Triasidee von der Pfordtens' die Rede. Diese Idee führte allerdings zu der Schaukelpolitik, welche bei Sadowa i h r unrühmliches Ende nahm. Aber sie war die ureigene Idee des Vaters wie des Sohnes auf dem bayerischen Throne. Der Minister sprach aus ihrem Herzen, als er i n der Kammer unmittelbar vor dem Ausbruch des Kriegs schluchzend erklärte: ,Aus einem allgemeinen Schiffbruch würden w i r jedenfalls die Selbständigkeit Bayerns retten.' Und es war ihre Idee, als er am Tage vor der Kriegserklärung dem österreichischen Legationsrath von Zwierzina erklärte: »Täuschen Sie sich nicht: wenn w i r siegen, so darf Preußen kein Dorf verlieren; w i r haben von Österreich nicht weniger zu fürchten als von Preußen.' Preußen gewann durch seinen Sieg unter Anderm die geheimen BündnißVerträge; auf dem Throne aber gab es kein verhaßteres Wort als Preußen 63 ." L u d w i g I I . hatte sich bis zuletzt verzweifelt gegen den Krieg gewehrt, was i n der Thronrede vom 27. M a i 1866 deutlich wird. M i t beiden deutschen Großmächten verbanden i h n enge dynastische Beziehungen. Besonders aber dürfte i h n der unzureichende Zustand der bayerischen Armee beunruhigt haben, die seit Jahrzehnten keinen Krieg mehr geführt hatte. Ludwigs Vorgänger hatten das Militärbudget ständig zugunsten anderer Aufgaben gekürzt und waren nicht bereit, dafür Schulden zu machen. Somit war sowohl die Ausrüstung 88 88

Allgemeine Zeitimg, Nr. 165 vom 16.6.1886. Historisch-politische Blätter, Bd. 98, S. 90.

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als auch die Ausbildung der Offiziere und Mannschaften zu kurz gekommen 6 4 . „Anfangs w o l l t er lieber abdanken, als am 10. M a i den vom M i nisterrat bereits einen Tag zuvor vorgeschlagenen Mobilmachungsbefehl unterzeichnen 65 ." Dennoch trat Bayern an der Seite Österreichs i n den Krieg ein, bedingt durch die starken familiären, aber vor allem finanziellen Bindungen der konservativ-adeligen Kreise Altbayerns, die damals i n der Regierung noch sehr einflußreich waren 6 6 . L u d w i g resigniert i n jener Zeit erstmals; i n einem Brief an Richard Wagner schreibt er: „Ach, daß es soweit kommen mußte! — Wehe dem Unseligen, der die Verantwortung dieses fürchterlichen Krieges zu tragen hat 6 7 ." Aus dieser Sicht scheint m i r folgendes U r t e i l der „Heidelberger Zeitung" zutreffend zu sein: „ F ü r die Politik, welche Bayern 1866 i m Conflikt zwischen Oesterreich und Preußen befolgte und m i t den Waffen vertrat, und die i n dem für das Land ungünstigen bayrisch-preußischen Friedensvertrage vom 22. August 1866 ihren Abschluß fand, ist L u d w i g persönlich kaum verantwortlich zu machen 68 ." L u d w i g II. verbrachte jene unruhigen Tage zurückgezogen auf Schloß Berg und der Roseninsel und versuchte, sich auf seine Weise von dem Alpdruck des Krieges zu befreien. Schon die Zeitgenossen hatten sich darüber erregt, daß der König „auf der Roseninsel ,Fangermannderl' m i t dem Fürsten Taxis spielt und Feuerwerke losbrennt" 6 9 . Aber auch noch 1886 w i r d von zwei so unterschiedlich gefärbten Blättern, wie der „Augsburger Postzeitung" und dem „Bayerischen Vaterland", die sich i m katholisch-konservativen Pressewesen Bayerns konträr gegenüberstehen, eifrig eine Episode aus jener Zeit abgedruckt, die erstmals i m „Neuen Wiener Tageblatt" erschienen war, und, wie „Das Bayerische Vaterland" betont, „auf den König L u d w i g ein sehr trauriges Licht w i r f t " 7 0 . „Der Sieg Preußens über Österreich und die m i t i h m verbündeten Staaten war bereits entschieden. Österreich und m i t i h m Sachsen nebst «4 Vgl. Gruner, Wolf D.: Das Bayerische Heer 1825 - 1864. 65 Rail, Hans: König Ludwig I I . von Bayern, S. 4. ββ Z u den Exponenten dieser Richtung gehört vor allem Justizminister von Bomhard, Mitglied des Korps Bavaria. 67 Zitiert bei: Hacker, Rupert: Ludwig II., S. 121. «8 Heidelberger Zeitung, Nr. 137 vom 15.6.1886. ββ Brief des Prinzen K a r l an Ludwig I., zitiert bei: Doeberl, Michael: Entwicklungsgeschichte Bayerns, Bd. I I I , S. 428 Anm. 1. 70 Das Bayerische Vaterland, Nr. 145 vom 1.7.1886.

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den übrigen kleinen Staaten hatten bereits die Hand zum Friedensschlüsse geboten und nur i n Bayern wurde noch gekämpft. Vergebens suchte der damalige Minister des Aeußeren Frhr. v. d. Pfordten, die Feindseligkeiten einzustellen. Er war nicht i m Stande, bei dem Könige L u d w i g II. die Vollmacht hiezu zu erlangen, da derselbe sich auf Hohenschwangau befand und den Befehl erteilte, daß sich i h m Niemand nähern dürfe. . . . Nun kommt die Hauptsache. Minister v. d. Pfordten und Baron Lobkowitz reisten inzwischen nach München und suchten von dort aus den Aufenthalt des Königs von Bayern zu erforschen. Der König wollte sich nicht finden lassen und ließ, als man ihn doch fand, bei Annäherung der benannten Herren den Befehl ertheilen, die Zugbrücke zum Schlosse aufzuziehen. Es war die höchste Gefahr i m Verzuge. Wenn der Friedensvertrag m i t Preußen nicht sofort ratificirt wurde, war Bayern verloren, denn die Preußen standen bereits i m Herzen des Landes. Baron Lobkowitz machte den Vorschlag, einen an dem gegenüberliegenden Ufer des Schlosses liegenden Kahn zu miethen und das Schloß einfach zu erstürmen. Dies gelang. Die Friedensbringer kamen in's Schloß, kamen zum König und erlangten eine Unterschrift trotz anfänglicher heftiger Auftritte und Weigerungen. Der Friede war geschlossen71." Diese recht unwahrscheinlich anmutende Geschichte, deren letzte Zeilen sogar die Redaktion der „Augsburger Postzeitung" ins Reich der Phantasie verweist, scheint m i r symptomatisch zu sein für das Interesse der konservativen Presse, Ludwigs B i l d möglichst negativ i m Bewußtsein der Leser zu verankern. Eine entgegengesetzte Tendenz verspürt man i m nachfolgenden Text: „Durch die Wolken des schmerzlichen Unmuts über erfahrenes Schlachtenunglück drang i m Jahre 1866 bei dem 21jährigen König L u d w i g die helle Sonne deutschen Vaterlandsgefühls und über die Leichen weiter Schlachtfelder hinweg reichte er dem Sieger die Hand zum entscheidenden deutschen Fürstenbunde. Als König L u d w i g von Baiern am 22. August 1866 den Freundschaftsbund m i t Preußen Schloß, da war der erste Schritt zum neuen Reich gethan, und seither hat König L u d w i g als echter Baier sich keinen Schritt von der Bundestreue abdrängen lassen, so groß mitunter die Versuchung w a r 7 2 . " Tatsächlich war Ludwigs Handlungsfreiheit von nun an sehr beschränkt, da er auf Bismarck Rücksicht nehmen mußte. Obwohl Bayern zwischen 1866 und 1870 i m vollen Besitz seiner Souveränität war, stand diese infolge des geheimen Schutz- und 71 72

Augsburger Postzeitung, Nr. 149 vom 28. 6.1886. Kölnische Zeitung, Nr. 164 vom 15. 6.1886.

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Trutzbündnisses „auf tönernen Füßen" 7 8 . Das zeigte sich i n der Berufimg des liberalen und als preußenfreundlich bekannten Fürsten Hohenlohe an die Spitze des bayerischen Kabinetts, die einen Kurswechsel der bayerischen Politik einleitete. Dem Projekt eines Südbundes als Gegengewicht zum neuentstandenen Norddeutschen Bund, der nach den Prager Friedensbestimmungen eine „internationale und unabhängige Existenz" 7 4 zugesichert erhielt, war durch die Machtverhältnisse der Boden bereits entzogen, da Oberhessen i n den Nordbund integriert worden war, und Badens Politik den Anschluß erstrebte 75 . Es konnte also nur noch eine Frage der Zeit sein, wann auch die süddeutschen Staaten i n Preußen-Deutschland aufzugehen hatten. b) Ludwigs Haltung 1870/71 Bismarcks Politik erwog zwei Wege, u m zu einer kleindeutschen Lösung zu gelangen. Der eine, der des Zollvereins m i t einem Zollparlament, versprach lang und dornenreich zu werden. Der andere war der eines „deutschen Nationalkriegs gegen Frankreich" 7 6 . Dieser lag wegen des seit 1866 gespannten preußisch-französischen Verhältnisses durchaus i m Bereich des Möglichen, enthielt aber einen weitaus größeren Unsicherheitsfaktor. Das französische Verhalten bei der spanischen Thronkandidatur gab Bismarck dann eine reelle Chance, ohne auswärtige Einmischung den zweiten Weg zu beschreiten. Bereits einen Tag nach Preußen erkannte König L u d w i g II. den Bündnisfall an und erteilte am 16. J u l i 1870 den Befehl zur Mobilmachung. Dieses rasche Handeln und seine spätere Bereitwilligkeit i n der Kaiserfrage würdigen die liberalen Blätter, indem sie i h m den Namen „ L u d w i g der Deutsche" 77 zubilligen. Das Motto „ L u d w i g II., der Bayern deutsch gemacht" 78 , kehrt i n den sterotypen Wendungen der Nekrologe immer wieder. „Den schönsten Ruhm und die nie erlöschende Dankbarkeit des bayerischen und des gesammten deutschen Vaterlandes aber erwarb sich König L u d w i g durch seine edelsinnige, echt deutsche Haltung bei 78 Bosl, Karl: Das „Dritte Deutschland" und die Lösung der Deutschen Frage im 19. Jahrhundert, in: Bohemia-Jahrbuch 11, 1970, S. 23. 74 Doeberl, Michael: Entwicklungsgeschichte Bayerns, Bd. I I I , S. 447. 75 Vgl. Becker, Otto: Bismarcks Ringen um Deutschlands Gestaltung, S. 629; Bosl, Karl: Bayerische Geschichte, S. 234 f. 76 Becker, Otto: Bismarcks Ringen, S. 554. 77 ζ. B. Bamberger Neueste Nachrichten, Nr. 162 vom 15. 6.1886 und Fränkische Nachrichten, Nr. 138 vom 16. 6.1886. 78 Fränkische Nachrichten, Nr. 138 vom 16. 6.1886.

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Ausbruch des Krieges i m Jahre 1870 u n d durch seine Initiative zur Wiederaufrichtung des deutschen Kaiserreiches; ein Beweis dafür, wie ernst es i h m gewesen m i t der Versicherung: ,daß Deutschlands Größe der Zielpunkt seines Strebens sei' 7 0 ." Weiter unten schließt derselbe A r t i k e l dann m i t den Worten: „ V o n den Alpen bis zum Belt, so weit die deutsche Zunge klingt, w i r d aber fortleben i n dankbarer Erinnerung das Gedächtniß an den BayernKönig L u d w i g II., den Deutschen, der i n schwerer Stunde für unsere nationale Einigung eintrat, dessen Heer r u h m v o l l an der Seite der übrigen deutschen Stämme gegen den Erbfeind kämpfte und der als einer der mächtigsten Bundesfürsten stets treu zu Kaiser u n d Reich gestanden ist 8 0 ." L u d w i g selber hat sich i n einem Brief vom März 1871 schon i n jener Zeit gegen derartige Phrasen gewandt: „Dazu kommt, daß ich als der ,deutschgesinnte König Ludwig, der Deutsche' — und w i e jene Phrasen alle heißen, verschrien werde; die verblendete Volksmasse meint m i r die größte Freude m i t solchen sogenannten Huldigungen zu machen 81 ." V i e l realistischer schreibt der Münchner Berichterstatter des „Schwäbischen M e r k u r " : „Es darf ohne Verlezung der Pietät jezt gesagt werden, daß es i h m einen schweren Kampf kostete, i n die durch die Ereignisse von 1866 und 1870 neugeschaffene Lage sich zu finden. Sein einseitig auf das Ideale gerichteter Sinn wollte auch sein Ideal des Königtums i n den Grenzen seiner Machtsphäre verwirklicht sehen. Nichtsdestoweniger hatte er die volle Einsicht i n die historische Notwendigkeit, der er sich beugen mußte, und m i t hochherzigster Selbstverleugnung, die i h m die deutsche Nation stets danken wird, hat er eine deutschnationale Politik Bayerns eröffnet und ist i h r i n allen äußeren und inneren politischen Lagen und Fragen treu geblieben 82 ." Es ist sehr wahrscheinlich, daß sich L u d w i g I I . „damals i n der Person König Wilhelms mitbeleidigt f ü h l t e " 8 3 und deswegen durch einen raschen Entschluß den Kammern zuvorkam. I n diese Richtung zielte der Text, den Bismarck i m Schreiben an L u d w i g der Emser Depesche beigefügt hatte 8 4 . L u d w i g hatte damit allen Anhängern einer Neutralitätspolitik eine klare Abfuhr erteilt und die Hoffnungen Napoleons I I I . durchkreuzt. 79 80 81 82 88 84

Bamberger Neueste Nachrichten, Nr. 162 vom 15. 6.1886. Ebenda. Zitiert bei: Hacker, Rupert: Ludwig II., S. 197. Schwäbischer Merkur, Nr. 138 vom 15.6.1886. Böhm, Gottfried von: Ludwig II., S. 244. Vgl. Hacker, Rupert: Ludwig II., S. 173.

2. Außenpolitik

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„ M a n kann es i h m nicht hoch genug anrechnen, daß er trotz seiner Mißstimmung gegen Preußen infolge der Ereignisse von 1866 dennoch i m J u l i 1870, trotz aller Verlockungen zur Neutralität von Seiten Napoleons I I I . und trotz aller Versprechungen desselben dem Rathe seines einzigen Vertrauten und dem Zuge seines Herzens folgte und erklärte, daß er und sein V o l k sich nicht von der Sache des übrigen Deutschland trennen werden 8 5 !" Auch „ L e Temps" gedenkt dieses für Frankreich verhängnisvollen Irrtums: „ A u début de la guerre franco-allemande, Louis I I . se décida sans aucune hésitation àjoindre son armée à celle de la Prusse, déjouant ainsi u n des calculs favoris de Napoleon I I I . 8 6 . " Der „heilige Krieg", den der Präsident des Norddeutschen Simson am 19. J u l i 1870 proklamierte 8 7 , führte, ohne daß gewollt hatte, zur „großartigen welthistorischen Thatsache gung Deutschlands" 88 . Doch der Druck Preußens u n d vor öffentlichen Meinung war überstark geworden:

Reichstags L u d w i g es der Einiallem der

„Die Stimmung i n der Stadt ist über die Zögerung u n d die Ungewißheit natürlich bitterböse und bleibt Bayern aus dem Bunde, so gibt es i n Franken u n d der Pfalz K r a w a l l " 8 9 , schreibt der preußische Gesandte von Werthern-Beichlingen aus München. Es ist daher, wie K a r l Bosl feststellt, unwahrscheinlich, daß ein gesunder und aktiver König gegen den E i n t r i t t Bayerns ins Reich mehr Widerstand hätte leisten können. „ E i n Vergleich m i t 1848 zeigt genau, daß ein so neoabsolutistischer Monarch w i e L u d w i g I., der die höchste Auffassung von der Würde des souveränen Herrschers hatte, nicht gegen den Strom schwimmen konnte 9 0 ." Laufend bekam L u d w i g I I . n u n Adressen und Zuschriften aller A r t , die i h n dazu bewegen wollten, nicht nur m i t dem Norddeutschen B u n d i n Verhandlungen zu treten, wozu er bereits die Initiative ergriffen hatte, sondern auch W i l h e l m als Kaiser anzuerkennen. Sehr bezeichnend scheint m i r folgender Brief zu sein, dessen Formulierungen zei85

Augsburger Tagblatt, Nr. 139 vom 17. 6.1886. Le Temps, Nr. 9176 vom 16. 6.1886. 87 Vgl. Zechlin, Egmont: Die Reichsgründung, S. 155. 88 Neue Freie Presse, Nr. 7827 vom 11. 6.1886. 89 Barton gen. von Stedman, Irmgard von: Die preußische Gesandtschaft in München als Instrument der Reichspolitik in Bayern von den Anfängen der Reichsgründung bis zu Bismarcks Entlassung, S. 33. 90 Bosl, Karl: Die Verhandlungen über den Eintritt der süddeutschen Staaten in den Norddeutschen Bund und die Entstehung der Reichsverfassung, in: Reichsgründimg 1870/71, S. 155. 88

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gen, wie stark die Terminologie des „Dritten Reiches" schon i m Denken des 19. Jahrhunderts verwurzelt ist: „Der König von Preußen, w e i l i h n einmal die Vorsehung zu unserem Führer bestimmt hat, darf nicht nur die Macht eines Kaisers haben, wie es bereits der F a l l ist, er muß auch den Namen bekommen, es muß die äußere Form geschaffen werden, welche zugleich das Gemüt der Nation befriedigt 9 1 ." Ursprünglich dachte L u d w i g I I . an ein Wahlkaisertum oder ein A l t e r nieren der Kaiserwürde zwischen den Dynastien der Wittelsbacher und Hohenzollern, daran erinnert nochmals der demokratische „Nürnberger Anzeiger": Wie „schon einmal angedeutet, war der König von Bayern nicht so leichten Herzens daran gegangen, dem greisen König Wilhelm die deutsche Kaiserkrone anzubieten, u n d dann hatte sich König L u d w i g unstreitig nicht ein Erb-, sondern ein Wahlkaiserthum gedacht. E r f ü l l t von einem unermeßlichen Herrschertrieb, mochte König L u d w i g gehofft haben, daß auf ihn, als den zweitmächtigsten Fürsten i n Deutschland, die Kaiserkrone übergehe" 92 . Doch Bismarck verhielt sich total ablehnend 93 wie auch später König Wilhelm, als L u d w i g H. noch am 10. Januar 1871 einen letzten dahingehenden Versuch unternahm 9 4 . Hinter den Kulissen hatte sich jedoch ein Vorgang abgespielt, der 1892 beinahe einen Skandal auslösen sollte 9 5 und erst i n den 20er Jahren unseres Jahrhunderts einer breiteren Öffentlichkeit zur Kenntnis kam 9 6 . Ministerpräsident von Lutz nannte i h n seinem Nachfolger von Crailsheim gegenüber eine „großartige Schmiererei" 97 . L u d w i g II. hatte hinter dem Rücken der Minister Bismarck die Initiative angeboten. Für die Zustimmung zur Kaiserproklamation ließ sich der König auf Vorschlag des Oberstallmeisters Graf Holnstein ab 1871 jährlich 300 000 Mark bezahlen, wovon Holnstein 10 °/o als Provision für sich behielt 9 8 . 91 Zitiert bei: Doeberl, Michael: Bayern und die Bismarckische Reichsgründung, S. 78. 92 Nürnberger Anzeiger, Nr. 179 vom 30. 6.1886. 98 Vgl. Böhm, Gottfried von: Ludwig II., S. 274. 94 Vgl. Böhm, Gottfried von: Ludwig II., S. 305. 95 Vgl. Möckl, Karl: Die Prinzregentenzeit, S. 367 ff. 98 Vgl. Noll von der Nahmer, Robert: Bismarcks Reptilienfonds, S. 142 ff.; Philippi, Hans: König Ludwig I I . und der Weifenfonds, in: Z B L G 23, 1960, S. 66 ff. 97 Vgl. Noll von der Nahmer, Robert: Bismarcks Reptilienfonds, S. 150. 98 Ebenda, S. 152; vgl. ferner: Bayern und die Deutsche Einigung 1870/71. Ausstellungskatalog des Bayerischen Hauptstaatsarchivs München zum 100. Jahrestag der Reichsgründung am 18. Januar 1871, S. 179 f. Einen zusätzlichen Beweis erbringt Philippi in seiner Rezension Nolls v. d. Nahmer im Niedersächsischen Jahrbuch für Landesgeschichte 40, 1968,

2. Außenpolitik

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Der bayerische Monarch, der seit 1869 seiner Bauleidenschaft frönte, hatte sich damit eine regelmäßige Einnahmequelle verschafft, nachdem er m i t territorialen Forderungen nicht durchgedrungen war. Bismarck hingegen bekam den damals bereits kranken Herrscher dadurch fest i n seine Hand. König Wilhelm, der sich lange gesträubt hatte, da er dem „soliden Glanz der preußischen Königskrone" vor dem „neuaufgeputzten der deutschen Kaiserkrone" 9 9 den Vorrang gab, wurde nun i n den Augen vieler romantisch denkender Deutscher und Österreicher durch Ludwigs Anerbieten der Erbe des alten Kaisertums. So sieht es ebenfalls die i n Wien erscheinende „Deutsche Zeitung": „ A n nationalem Empfinden wie an freisinniger Weltanschauung war der König von Baiern i n den großen Entscheidungstagen, da sich die Geburt des Reiches vollzog, allen deutschen Fürsten ein leuchtendes Beispiel; aus seinem Entschluß ging es hervor, den nationalen Traum von der Wiederherstellung der alten Kaiserkrone zu verwirklichen 1 0 0 ." Wenn es nach dem preußischen Kronprinzen gegangen wäre, dessen romantische Schwärmerei der des Bayernkönigs mindestens ebenbürtig war, wären die „renitenten Könige von Napoleons Gnaden" 1 0 1 , also auch L u d w i g II., sogar wieder zu Kurfürsten degradiert worden. Polemisch bemerkt daher Jörg i n den „Historisch-politischen Blättern": „Sicher dachte aber der König nicht daran, sich u m Preußen den Beinamen ,Ludwig der Deutsche' zu verdienen 1 0 2 ." Gerade bei diesem Punkt schweigen sich die meisten konservativkatholischen Blätter aus; das ist kein Zufall, denn die Patrioten hatten 1870 und 1871 gegen den Kriegseintritt Bayerns und die Versailler Verträge heftige Opposition geleistet. So hatte Dr. Sigi am 16. J u l i 1870 folgende Zeilen i m „Vaterland" veröffentlicht: „ K a n n ein bayerischer Minister, ein Vertreter des Volkes m i t seinem Gewissen vereinbaren, daß Bayern das Leben und B l u t Tausender seiner besten Söhne einsetze für den preußischen Raubstaat? Kann ein Bayer i n den Kampf gehen, für dieses Preußen sich zu schlagen, das, wenn es, was Gott verhüten wolle, siegt, uns ebenso auffressen wird, wie 1866 Hannover und Kurhessen 1 0 3 !" S. 194 -197, wo er einen Brief Wertherns an Bismarck veröffentlicht, der an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig läßt. 99 Zechlin, Egmont: Die Reichsgründung, S. 170. 100 Deutsche Zeitung, Nr. 5191 vom 15. 6.1886. 101 Rein, Gustav Adolf: Die Reichsgründung in Versailles, S. 36. 102 Historisch-politische Blätter, Bd. 98, S. 91. 103 Zitiert bei: Frisch, Erich: Die Einigung Deutschlands im Lichte der Bayerischen Publizistik, S. 8.

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Es ist also kein Zufall, daß nach Ludwigs Tod i m „Bayerischen Vaterland" nur kritische Töne Einlaß finden, die aus den „Dresdener Nachrichten" und der „Leipziger Zeitung" stammen und dahin zielen, Ludwigs Verdienst zugunsten König Johanns von Sachsen zu schmälern: „Die ,Leipziger Zeitung', das amtliche Blatt der sächsischen Regierung, bemerkt dazu, daß auch ihr, und zwar von bayerischer Seite, der Sachverhalt i n der Weise geschildert worden sei, daß König L u d w i g sich anfangs gänzlich abgeneigt gezeigt habe, König Wilhelm die deutsche Kaiserwürde anzutragen, daß erst später, nachdem der König von Sachsen sich dazu bereit erklärt, König L u d w i g sich entschlossen habe, den bekannten Brief zu schreiben 104 ." I n diesen Pressestimmen spiegelt sich noch die Verärgerung darüber, daß L u d w i g I I . den Kaiserbrief ohne vorherige Konsultation der anderen Monarchen abgeschickt und damit einen eigenen sächsischen Plan durchkreuzt hatte 1 0 5 . Eine eigenwillige Interpretation von Ludwigs Verhalten i m Jahre 1870 bietet das katholische „Münchner Fremdenblatt": „Wenn die Liberalen und Preußenfreunde die Regierung weiland Sr. Majestät recht loben wollen, so wissen sie nur aufzuführen, daß er 1870 den Bündnißfall für gegeben erachtete und seine Truppen an die Seite der preußischen stellte und daß er 1871 dem Könige von Preußen die Kaiserkrone antrug. Diese beiden Regierungshandlungen sind die Folgen des Jahres 1866 gewesen. W i r wissen ein besseres Lob: es wäre die Treue des Königs gegen das geltende Recht, die rücksichtslose Treue, deren Bethätigung auch die größten Opfer nicht scheute 106 ." Diese Reduktion von Ludwigs Handeln auf die Treue allein erscheint ziemlich naiv, wesentlich realistischer w i r k t dagegen die skeptische Bemerkung der ebenfalls katholisch-konservativen „Ingolstädter Zeitung": „ I n wie weit hier König L u d w i g aus persönlicher Initiative gehandelt, i n wie weit er einem äußeren Drange folgte, w i r d wohl erst i n späterer Zeit völlig klar gestellt werden. So viel ist sicher, daß beim König selbst bald nach 1870 die partikularistische Strömung stark hervortrat, wie denn auch die Versailler Verträge der Selbständigkeit Bayerns viele werthvolle Zugeständnisse machen mußten 1 0 7 ." Damit spielt die Zeitung offenbar auf den starken Druck der preußischen Politik auf L u d w i g I I . an, deren wichtigste Vertreter i n Bayern 104 105

S. 171. 106

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Das Bayerische Vaterland, Nr. 143 vom 28. 6.1886. Vgl. Doeberl, Michael: Bayern und die Bismarckische Reichsgründung, Münchner Fremdenblatt, Nr. 167 vom 15. 6.1886. Ingolstädter Zeitung, Nr. 138 vom 19.6.1886.

3. Innenpolitik

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i m Grafen Holnstein und i m preußischen Gesandten Georg von Werthern-Beichlingen zu suchen sind. „Wertherns A n t e i l an der Kaiserfrage ist zweifellos groß gewesen, was seine Berichte und vor allem Briefe beweisen. Seine Bedeutung während der Entstehung des Deutschen Reiches, besonders beim letzten A k t , den Münchener und Versailler Verhandlungen, ist nicht zu verkennen 1 0 8 ." L u d w i g selber hat den Souveränitätsverlust, der i h n zeitweise sogar an eine Abdankung denken ließ 1 0 9 , nie überwunden. „Ich habe seit dem Abschluß jener unseligen Verträge selten frohe Stunden, bin traurig und verstimmt, was bei allem, was ich durch die politischen Vorkommnisse zu dulden und zu leiden habe, nicht anders sein kann 1 1 0 ." Diese deminutio capitis läßt L u d w i g I I . immer mehr i n tiefe Resignation verfallen, die durch seine von nun an ständig deutlicher zutage tretende Krankheit noch verstärkt wird. 3. Innenpolitik Nach dem unglücklich verlaufenen Feldzug des Jahres 1866 besaß die Politik des konservativen Freiherrn L u d w i g von der Pfordten nicht mehr das Vertrauen des Königs, er „umgab sich bald darauf — man weiß unter welchen Einflüssen — m i t einem neuen Ministerium, dem Ministerium Hohenlohe. Von diesem Augenblicke an betrat Bayern's Politik liberalisirende Bahnen" 1 1 1 . Dieser Wandel, an dem auch Richard Wagner nicht ganz unbeteiligt w a r 1 1 2 , verärgerte die konservativen Kreise i m Lande, wie bereits diese gemäßigte Pressestimme zeigt. Die neue Regierung, i n der neben Hohenlohe besonders Johann Lutz als Justiz- und Kultusminister i m Sinne der Liberalen tätig war, führte schon bald durchgreifende Reformen durch, die das bayerische Schulwesen und die bayerische Wirtschaft an die moderne Entwicklung anpassen sollten. „Industrie, Handel und Gewerbe nahmen unter König L u d w i g I I . Regierung einen hohen Aufschwung, eine Reihe hochwichtiger, das Wohl des Landes fördernde Gesetze ging unter seiner fürsorglichen Regierung hervor und alle inneren Fragen fanden eine gerechte und weise Lösung 1 1 3 ." 108 Barton gen. von Stedman, Irmgard von: Die preußische Gesandtschaft in München, S. 37. 109 Vgl. Böhm, Gottfried von: Ludwig II., S. 287 f. 110 Zitiert bei: Hacker, Rupert: Ludwig II., S. 197. 111 Augsburger Postzeitung, Nr. 139 vom 16. 6.1886. 112 Vgl. Doeberl, Michael: Entwicklungsgeschichte Bayerns, Bd. I I I , S. 454. 118 Bamberger Neueste Nachrichten, Nr. 162 vom 15. 6.1886.

8 Ursel

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Damit ist i n erster Linie die fortschrittliche „Sozialgesetzgebung" gemeint 1 1 4 , die Bayerns Wirtschaft i m Jahre 1868 die Gewerbefreiheit brachte. Aus diesem Gesetzespaket ist besonders das Gesetz über Heimat, Verehelichung und Aufenthalt hervorzuheben, das vor allem der Freizügigkeit i n Bayern diente. Der König selber brachte allerdings dieser Materie nur relativ wenig Interesse entgegen. So finden sich i n den Signatenbüchern lediglich zwei Bemerkungen aus den Jahren 1867 und 1869 115 . Jene Gesetze würdigt die „Bayerische Handelszeitung" i n ihrem Nachruf: „Unter der Regierung König Ludwigs II. wurden die Sozial-Gesetze erlassen, welche eine von staatlicher Bevormundung unabhängige, freiere Bethätigung der wirtschaftlichen Kräfte ermöglichten. Seine Regierung löste i n glänzender Weise die Aufgabe, ohne Schädigung bayerischer Interessen der politischen Einigung Deutschlands auch die wirtschaftliche folgen zu lassen und damit den Grund zu dem A u f schwung Deutschlands und Bayerns i n Handel und Industrie zu legen 1 1 6 ." Hierzu ist anzumerken, daß die wirtschaftliche Einigung Deutschlands der politischen durch den Zollverein bereits vorausgegangen war. Daher hatten sich gerade die süddeutschen Industriellen und Kaufleute allen partikularistischen Plänen versperrt und durch ihren Einfluß Bismarcks Plänen zur Reichsgründung Schützenhilfe gegeben. Diese Haltung w i r d i n den Berichten des preußischen Gesandten i n München deutlich hervorgehoben 117 . Nach 1871 machte die völlige wirtschaftliche Integration Bayerns trotz der Reservatrechte rasch Fortschritte. „Als Teil des deutschen Wirtschaftsraumes und Reiches machte Bayern zwangsläufig die Entwicklungen mit, denen der große Reichskörper unterworfen w a r 1 1 8 . " Besonderen Wert legte Lutz, der „stets des vollen Vertrauens König Ludwigs II. sicher w a r " 1 1 9 , auf eine Neuordnung des Schulwesens, als nach dem Rücktritt Brays keine Widerstände mehr zu erwarten waren. 114

Vgl. Doeberl, Michael: Entwicklungsgeschichte Bayerns, Bd. I I I , S. 466 ff. Vgl. Hesse, Horst: Die sogenannte Sozialgesetzgebung Bayerns Ende der 60er Jahre des 19. Jahrhunderts, S. 312 ff. 116 Bayerische Handelszeitung, Nr. 25 vom 19. 6.1886. 117 Vgl. Barton gen. von Stedman, Irmgard von: Die preußische Gesandtschaft in München, S. 83. 118 Bosl, Karl: Gesellschaft und Politik in Bayern vor dem Ende der Monarchie, in: Z B L G 28, 1965, S. 6. 119 Grasser, Walter: Johann Freiherr von Lutz (eine politische Biographie) 1826 - 1890, S. 106. 115

3. Innenpolitik

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„ M i t der Beseitigung der geistlichen Schulaufsicht erfüllte Lutz eine der Hauptforderungen des 1861 gegründeten bayerischen Volksschullehrervereins 1 2 0 . " Durch die Schulsprengelverordnung vom 29. August 1873 versuchte Lutz, die Simultanschule auch i n Bayern einzuführen, die i m liberalen Baden schon längst selbstverständlich war. Diese Maßnahme trug i h m heftigste K r i t i k bei konservativen Katholiken wie Protestanten ein und zwang ihn, die Schulsprengelverordnung zehn Jahre später zu modifizieren 1 2 1 . Jedenfalls sicherte die fortschrittliche Schulpolitik seines Kultusministers, der ja selber Lehrersohn war, dem bayerischen Monarchen die Sympathien der Lehrerschaft. „Ganz Bayern trauert um ihn, besonders aber die Schule und ihre Lehrer. Sie haben m i t i h m einen wohlwollenden Gönner, einen mächtigen Beschützer verloren. Er hat die Lehrer geliebt, und m i t vollstem Vertrauen konnten dieselben auf ihn blicken 1 2 2 ." Seit der Verkündigung des Unfehlbarkeitsdogmas durch das Konzil war die innenpolitische Situation „durch heftige Auseinandersetzungen zwischen dem politischen Katholizismus und einem staatskirchlich gesonnenen Ministerium gekennzeichnet" 123 . Zwar entbrannte der Kulturkampf i n Bayern nicht m i t der gleichen Heftigkeit wie i m übrigen Reich, doch hatten auch hier der sogenannte Kanzelparagraph (§ 130 a RStGB) und die Einführung der obligatorischen Zivilehe i m Jahre 1875, die ebenfalls nur über die Reichsgesetzgebung i n Bayern durchgesetzt werden konnte 1 2 4 , entschiedenste Opposition hervorgerufen. Ludwigs Stellung war daher nicht leicht, zumal da die Patrioten seit 1869 die Mehrheit i n der Abgeordnetenkammer besaßen. Sehr lobend äußern sich die liberalen Blätter zu seiner Haltung, wie zum Beispiel der i n Stuttgart erscheinende „Schwäbische M e r k u r " : „Den klerikalen Uebermut i n seinem Lande hat er fest i m Zügel gehalten, seinem gemäßigt liberalen, reichsfreundlichen Ministerium ist er bis zulezt eine feste Stütze gewesen 125 ." 120

Ebenda, S. 101. Vgl. Doeberl, Michael: Entwicklungsgeschichte Bayerns, Bd. I I I , S. 551. Lutz war 1883 zu einer Annäherung an die katholisch-aristokratischen Kreise, vor allem an Prinz Luitpold, gezwungen, um seine Position zu behaupten; vgl. Möckl, Karl: Die Prinzregentenzeit, S. 65. 122 Bayerische Lehrerzeitung, Nr. 25 vom 18. 6.1886. 123 Gollwitzer, Heinz: Zur Geschichte des bayerischen Parteiwesens, S. 183. 124 vgl. Grasser, Walter: Johann Freiherr von Lutz, S. 98. 125 Schwäbischer Merkur, Nr. 136 vom 12. 6.1886. 121

8•

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Etwas differenzierter urteilt die „Allgemeine Zeitung": Der König „zeigte sich . . . als seiner hohen Mission vollbewußter und die Rechte des Königthums kraftvoll wahrender Herrscher — i n seiner Stellung gegenüber klerikalen und ultramontanen Bestrebungen. Daß er auch auf diesem Gebiete unbeirrt und m i t aller Entschiedenheit das Panier der geistigen Freiheit und der staatlichen Selbständigkeit hochhielt, so daß sich i n Bayern die Leitung der kirchlichen Lebenskreise selbst i n der letzten Periode des deutschen ,Culturkampfes' i n gemäßigten und dem Staate das Seine gewährenden Schranken hielt, ist nicht zum wenigsten auch dem König als persönliches Verdienst anzurechnen, der sein religiöses Bekenntniß und die dynastische Tradition m i t nachdrücklicher Abwehr ultramontaner Uebergriffe zu vereinigen und die confessionelle Parität — ein Hauptstück des politischen Gedeihens des bayerischen Staates — auch seinerseits zu schützen bemüht w a r " 1 2 6 . L u d w i g verstand es, sich zwischen den Fronten zu bewegen, vor allem i n der altkatholischen Frage. Er trat zwar für Stiftprobst von Döllinger beim Münchner Erzbischof ein, konnte aber dessen Exkommunikation nicht verhindern 1 2 7 . Durch seine geschickte Taktik wahrte er sein Image, ohne m i t einer Seite brechen zu müssen. Als einziges Blatt weist noch „Le Temps" auf jene Vorgänge hin: „ I I n'intervint plus dans la politique que pour appuyer le mouvement vieux-catholique du chanoine Doellinger 1 2 8 ." I n erster Linie ging es L u d w i g I I . i n der Kirchenfrage u m die A u f rechterhaltung seiner Hoheitsrechte, als er diese gesichert sah, nahm er die Kirche sogar öfters i n Schutz. Eine Begebenheit, die das belegen kann, sei hier erwähnt: „Das Generalkommando hatte 1873 befohlen, daß die Truppen i n München zur Fronleichnamsprozession nur ausrücken sollten, wenn der König selbst daran teilnähme. Der König bestimmte jedoch, daß die Garnison, obwohl er wegen Hoftrauer selbst nicht zugegen sein werde, auszurücken habe. Die Folge davon war eine m i t 1400 Unterschriften bedeckte Dankadresse an den König, ein ungemessenes Lob i m »Bayerischen Vaterland 4 und i n den ,Münchener Neuesten Nachrichten* ein ungemein heftiger A r t i k e l i n entgegengesetzter Richtung 1 2 9 ." Doch 15 Jahre später weiß „Das Bayerische Vaterland" nichts mehr von den „Verdiensten des Verstorbenen u m die katholische Kirche" zu «β Allgemeine Zeitung, Nr. 165 vom 16.6.1886. Vgl. Böhm, Gottfried von: Ludwig II., S. 265. Le Temps, Nr. 9176 vom 16. 6.1886. 129 Rummel, Fritz: Das Ministerium Lutz und seine Gegner 1871 -1882, S. 60. 127

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4. Ludwig I I . als Bauherr

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berichten, „wovon auch aus seiner 22jährigen Regierung nichts bekannt geworden i s t " 1 8 0 . 4. Ludwig II. als Bauherr König L u d w i g I I . war einer der letzten großen Bauherrn. Er stand darin i n der Tradition seines Hauses, das i n der Pfalz und i n Bayern der Nachwelt eindrucksvolle Schloßbauten hinterlassen hat. Wie sein Vater und Großvater wollte L u d w i g zunächst München durch eine großzügige Straßenanlage bereichern, die von der Briennerstraße, an der Residenz vorbei, zur Isar führen und durch ein Wagner-Theater ihren glanzvollen Abschluß finden sollte. Doch der vereinigte Widerstand von Finanzministerium, Hofkasse und Stadtverwaltung veranlaßte den jungen Herrscher, dieses Projekt fallen zu lassen 131 . A b 1868, dem Jahr also, das i h n durch den Tod Ludwigs I. einer schweren finanziellen Belastung enthob, widmete er sich nur noch seinen Schloßplänen. Sie waren n u n seine „Hauptlebensfreude". Er selbst schrieb i n seinem letzten Lebensjahr: „Seit der beklagenswerte Zustand der Kabinettskasse herbeigeführt wurde und die Stockung bei meinen Bauten, an welchen m i r so unendlich viel gelegen ist, eingetreten ist, ist m i r die Hauptlebensfreude genommen, alles andere ist gegen diese verschwindend 1 3 2 ." Nur wenige Zeitungen vermögen schon damals Ludwigs Verdienst als Bauherr recht zu würdigen; das verwundert nicht, wenn man bedenkt, daß noch vor wenigen Jahrzehnten ein Kunsthistoriker, der sich m i t L u d w i g I I . beschäftigte, nicht ernst genommen worden wäre 1 3 3 . Zu diesen wenigen Zeitungen gehört das liberale „Augsburger Tagblatt": „Der König hatte von seinem Großvater und Vater den regen Kunstund Schönheitssinn geerbt, und dieser, i n Verbindung m i t einer höchst erregbaren Phantasie, verwies seine Thatkraft auf ein anderes Gebiet der Thätigkeit, auf architektonische Schöpfungen. Erst von romantischen Ideen erfüllt, faßte er den Entschluß zur Erbauung von Neuschwanstein, . . . dann vertiefte er sich i n die Zeit und die Kunstperiode des vierzehnten L u d w i g und beschloß i n diesem Stile das riesige Prachtschloß auf der Insel Herrenchiemsee zu bauen, dessen Kosten gar nicht i m voraus zu bemessen waren. Ferner richtete er sich auf dem Linder180

Das Bayerische Vaterland, Nr. 138 vom 21. 6.1886. Vgl. Kreisel, Heinrich: Die Schlösser Ludwigs I I . von Bayern, S. 13. Brief vom 26.1.1886 an Minister von Feilitzsch, zitiert bei: Petzet, Michael: Linderhof und Herrenchiemsee, in: Bayerland 68, 1966, Heft 1, S. 21. 188 Vgl. Kreisel, Heinrich: Ludwig I I . als Bauherr, in: Oberbayerisches A r chiv 87, 1965, S. 69. 181

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hofe i n der Nähe von Oberammergau einen wahrhaft phantastischen Feensitz ein. Diese Schöpfungen waren seit dem deutsch-französischen Kriege der Angelpunkt seines Daseins, der M i t t e l p u n k t seiner ganzen Thätigkeit. Jeder dieser Bauten lag eine geniale Idee zu Grunde, allein die Ausführung w a r eine übergeniale, die sich nicht berechnen ließ, die fortwährend Neues hinzubrachte, die sich über die Kosten keine Ausk u n f t gab und keine Vorstellung machte, und die nothgedrungen selbst bei den gewaltigsten M i t t e l n schließlich zu finanziellem Ruin führen mußte 1 3 4 ." Hier w i r d ganz deutlich ausgesprochen, daß die politischen Enttäuschungen u n d Souveränitätseinbußen für Ludwigs Bauleidenschaft von entscheidender Bedeutung waren. Die Schlösser wurden für i h n zur „einzigen Realität seines Lebens und seines K ö n i g t u m s " 1 3 5 . Schon sein Vater König M a x I I . war i n seinen Bauten der Romantik verpflichtet gewesen, davon zeugen vor allem Schloß Hohenschwangau, i n dessen Atmosphäre L u d w i g aufgewachsen war, u n d der Versuch, das alte Hambacher Schloß i n der Pfalz wiederaufzubauen. I n dieser Tradition stehen auch Neuschwanstein u n d Falkenstein, die die spätromantisch-mystische Komponente i n Ludwigs Wesen offenbaren. Ludwig, der zunächst i n der Wartburg, die er 1867 besucht hatte, ein V o r b i l d sah, faßte Neuschwanstein immer mehr als Gralsburg auf, so daß der Sängersaal m i t Parzivalszenen ausgestaltet wurde. Die zweite Komponente war, neben seiner Vorliebe für den Orient, seine Neigung zum absolutistischen K ö n i g t u m der Bourbonen. Während seiner beiden Parisreisen 1867 und 1874 hatte er Versailles besichtigt u n d dort starke Anregungen empfangen, die i n Linderhof u n d Herrenchiemsee ihren Niederschlag gefunden haben. Herrenchiemsee, i n dem überall die Bourbonenlilie und das Symbol des Sonnenkönigs zu finden sind, wurde so z u einem „Denkmal des Absolutismus" 1 8 6 , das L u d w i g besonders die K r i t i k einer „zu unbegreiflicher Verschwendungslust entartender Bauleidenschaft" 1 3 7 eingetragen hat. Sogar die Londoner „Times" gesteht lakonisch: „Chiemseeschloß . . . w o u l d have ruined much richer sovereigns 138 ." Ähnliche Vorwürfe hatte man bereits während der Regierungszeit Ludwigs I. erhoben, dessen Bautätigkeit die seines Enkels noch weit 134 185 188 187 138

Augsburger Tagblatt, Nr. 139 vom 17. 6.1886. Kreisel, Heinrich: Die Schlösser Ludwig I I . von Bayern, S. 18. Ebenda, S. 49. Neue Freie Presse, Nr. 7827 vom 11. 6.1886. The Times, Nr. 31788 vom 17.6.1886.

4. Ludwig I I . als Bauherr

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übertroffen hat. „Aber die Nachwelt hat i h n deshalb nicht für verrückt gehalten 1 3 9 ." Nicht nur der Aufwand für dieses Bauvorhaben stand i m Kreuzfeuer der K r i t i k , sondern auch die „undeutsche Haltung", die sich angeblich darin ausdrückte: „ I n den letzten Tagen besuchten mehrere Abgeordnete den königlichen Schloßbau von Herrenwörth i m Chiemsee. Während Alle von der Pracht der Ausstattung und Einrichtung dieses neuen Versailles auf deutschem Boden geblendet waren, rang sich der Ausdruck tiefster Entrüstung, namentlich den Pfälzern aus der Brust, als sie gewahr w u r den, wie i n Bildern an Decken und Wänden die Erniedrigung Deutschlands und die Verwüstung ihrer Heimath, des Stammlandes der bayerischen Dynastie, durch L u d w i g X I V . und seine Mordbrenner gefeiert wird, — und alles dies nach den glorreichen Siegen von 1870 und 1871 140 ." Diese Vorwürfe entspringen dem nationalen Denken der Bismarckzeit und gehen am Wesen von Ludwigs Schöpfung vorbei. Denn L u d w i g II. war nicht dem „Französischen, sondern dem absoluten Königtum verhaftet" 1 4 1 , als dessen Denkmal vor allem die Paradezimmer des Schlosses anzusehen sind. Bis i n jede Einzelheit hinein sind Ludwigs Bauten von seiner Persönlichkeit geprägt, denn Architekten wie Eduard Riedel und Georg Dollmann waren für ihn nur Ausführende seiner Direktiven. Er beschäftigte eine Unzahl von Personen, was dem bayerischen Kunsthandwerk, i n dem die handwerklichen Traditionen des 18. Jahrhunderts noch weiterlebten, zugute kam. „Unvergessen w i r d bleiben, wie unter L u d w i g II. Herrschaft und persönlichem Einwirken die Verbindung von Kunst und Handwerk, das Wiedererwachen und die rasche Blüte einer deutschen Kunstindustrie, deren Hauptsitze einer unsere Stadt wurde, sich vollzog 1 4 2 ." I n ähnlicher Weise wie die „Handelszeitung" urteilt die „Deutsche Zeitung" über Ludwigs Verdienste auf diesem Gebiet und betont außerdem, daß dessen Bauvorhaben nicht aus Staatsgeldern finanziert worden waren: „Schließlich hatten die baierischen Steuerträger für die Liebhabereien ihres Königs niemals aufzukommen, und dieser König hatte die 139 Kreisel, Heinrich: Die Schlösser Ludwig I I . von Bayern, S. 16. wo Nürnberger Anzeiger, Nr. 179 vom 30. 6.1886. 141 Kreisel, Heinrich: Die Schlösser Ludwig I I . von Bayern, S. 20. 142 Bayerische Handelszeitung, Nr. 25 vom 19. 6.1886.

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verschleuderten Millionen nicht i n der Erde vergraben, sondern sie unter den Künstlern, Kunsthandwerkern und Bauleuten, die er vollauf beschäftigte, i n Umlauf gebracht 143 ." A m ausführlichsten befaßt sich die „Kölnische Zeitung" m i t den neuen Königsschlössern, die sogar einen Sonderberichterstatter nach Hohenschwangau entsandt hatte. Besonders typisch für den Geschmack der Zeit ist sein vergleichendes U r t e i l über die drei Schlösser: „Der Linderhof, an der Stelle eines früheren Jagdschlößchens angelegt, ist vermöge seiner leichten Bauart i n der öden Gebirgsgegend, wo der Winter acht Monate dauert, nur m i t großen Kosten zu erhalten, die sich aus dem Grunde kaum lohnen dürften, w e i l nur die innere kostbare Einrichtung von Wert ist, i m übrigen nicht leicht jemand sich zu dauerndem Aufenthalt i n dieser völligen Abgeschlossenheit entschließen dürfte 1 4 4 ." Fast ebenso negativ w i r d das Chiemseeschloß bewertet, nämlich nur unter dem Gesichtspunkt der Kosten für seine Erhaltung. „Das weitläufige Herrenchiemsee ist schlecht gegen das verderbliche Grundwasser gewahrt worden, zudem setzen die künstlichen Wasserwerke, die nach dem Vorbilde der Versailler angelegt wurden, dem Bau nicht unwesentlich zu; schließlich hat der Bau selber auf des Königs unaufhörliches Drängen trotz aller Witterungsunbill so überhastet werden müssen, daß das Mauerwerk i n vielen Teilen namentlich i n den beiden Seitenflügeln jetzt schon als nahezu baufällig g i l t 1 4 5 . " Tatsächlich hat man nach Ludwigs Tod die Brunnen m i t Erde aufgefüllt, was den Gesamteindruck der Anlage stark beeinträchtigte. Erst i n neuester Zeit wurde dieser Eingriff rückgängig gemacht. Nach der Ansicht jenes Journalisten hätte man jene Schlösser sogar ganz dem Verfall preisgeben sollen: „Die deutsche Baukunst verliert wenig oder nichts, wenn diese beiden Schlösser Ruinen werden, und der baierische Staatssäckel w i r d dabei nur gewinnen. Anders steht es dagegen u m Neuschwanstein, das nahezu vollendet, ein Meisterwerk der Baukunst und so solid und dauerhaft i n abgepaßten Hausteinen, die zu kolossalem Mauerwerk gefügt sind, aufgeführt ist, daß es . . . für die Ewigkeit gebaut zu sein scheint 1 4 6 ." Der Verfasser, dessen Geographiekenntnisse ziemlich mangelhaft gewesen zu sein scheinen, da er die Etsch nach Füssen und Schloß 148 144 145 148

Deutsche Zeitung, Nr. 5191 vom 15.6.1886 (Abendausg.). Kölnische Zeitung, Nr. 178 vom 29. 6.1886. Ebenda. Kölnische Zeitimg, Nr. 178 vom 29. 6.1886.

5. Beurteilung seiner Herrschereigenschaften

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Linderhof an die Ufer des Plansees verlegt, setzt sich bei Neuschwanstein sogar für einen weiteren Ausbau ein, w e i l er m i t einem „großen Strom von Vergnügungsreisenden" 147 rechnet. „Die vollendete Burg Neuschwanstein aber wäre auch eine würdige Königsburg, i n der sich, wenn es m i t der Hauptstadt durch Eisenbahn näher verbunden würde, den Sommer hindurch i n wahrhaft königlicher Weise Hof halten ließe 1 4 8 ." Dieser Wunsch ist zwar nicht i n Erfüllung gegangen, trotzdem wurde noch bis 1892 an der Fertigstellung des Schlosses gearbeitet, wobei man allerdings auf den Bergfried und die darin geplante Kapelle verzichtet hat. Inzwischen strömt jährlich ein Heer von Touristen nach Neuschwanstein, aber auch zu den beiden anderen Schlössern. Somit ist das Problem der Finanzierung ihrer Erhaltung gelöst. Ludwigs Ruhm als Bauherr ist inzwischen weit über Bayerns Grenzen gedrungen i m Gegensatz zu der düsteren Prophezeiung des „Bayerischen Vaterlandes": „ N u r einige unvollendete, schon heute dem Verfall bestimmte Bergschlösser werden, Ruinen geworden, der Nachwelt von einem Könige erzählen, der sie gebaut, der ein Leben gelebt und einen Tod gefunden hat, wie keiner seiner Ahnen, und durch beides den Eingang i n die Walhalla seines Hauses sich selbst verschlossen h a t 1 4 9 . " 5. Allgemeine Beurteilung seiner Herrschereigenschaften und seiner Regierungszeit „Man ließ den unerfahrenen jungen Monarchen seine eigenen Wege gehen, ja man bestärkte i h n noch darin durch servile Schmeicheleien und unnatürliche Lobeshymnen. Statt daß man i h m den Begriff von der Pflicht und Arbeit eines Regenten beibrachte — und das hätte man dem achtzehnjährigen König recht wohl lehren können — ließ man i h n ruhig sich i n ein Traumleben, i n ein Meer des Wahns hineinphantasiren", schreibt der demokratische „Nürnberger Anzeiger" i n seinem Nachruf 1 5 0 . Lediglich zu Beginn seiner Regierung zeigte L u d w i g I I . für seine Aufgaben lebhaftes Interesse und arbeitete täglich mit seinen Ministern. 147

Ebenda. Ebenda. 149 Das Bayerische Vaterland, Nr. 136 vom 18. 6.1886. 150 Nürnberger Anzeiger, Nr. 168 vom 19. 6.1886.

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Allmählich zog er sich immer mehr zurück, was mit seinem fortschreitenden Krankheitsprozeß zusammenhängen dürfte. Nur i m Jahre 1869 entfaltete er nochmals eine gewisse A k t i v i t ä t 1 5 1 . Damit fiel der Monarch als Initiativfaktor aus. Seine Funktionen wurden zunehmend vom Kabinettssekretär und der Ministerialbürokratie wahrgenommen. Die nationalliberale Oberschicht, der diese Männer entstammten und deren Interessen sie vertraten, konnte unter L u d w i g II. ihre Position festigen. M i t einem kranken König ließ es sich gut regieren, daher verschleierte man diese Tatsache so lange wie möglich. „ U m den König einerseits von unerwünschten Einflüssen und unvorhergesehenen Eingriffen i n die Regierung fernzuhalten und andererseits die öffentliche Meinung nicht zu beunruhigen, ließ man Ludwigs Abwesenheit zu, förderte sie sogar und beließ ihn in seinem Traumkönigtum 1 5 2 ." Schon früh nahm er sich seinen Namensvetter L u d w i g X I V . von Frankreich zum Vorbild, der für ihn das absolute Königtum i n Reink u l t u r verkörperte. Dadurch bildete sich bei i h m ein übersteigertes Ma j estätsbewußtsein. Für diese Eigenart des Königs zeigt Sigls „Vaterland" kein Verständnis: „Könige sind keine Götter, die ohne Pflichten sind, wie ihre Schmeichler ihnen sagen, erhaben über die rauhe Wirklichkeit, i n unnahbaren Wolken schwebend, verantwortlich weder einem Höheren noch dem eigenen Gewissen, nur sich gehorchend und dem eigenen Wunsch. Die sehr realistische Gegenwart hat keinen Platz und kein Verständniß für ein solches Traumkönigthum, sie legt auch ihren Königen Pflichten auf 1 5 3 ." Überraschend hingegen w i r k t der Leitartikel der „Neuen Freien Presse" aus Wien, da L u d w i g i n liberalen Blättern fast nie eine so negative, geradezu unfreundliche Würdigung erhält: „Der bayerische Monarch erlag dem Zauber jener phantastischen und die Sinne zerrüttenden Vorstellungen, welche die Majestät als etwas Sagenhaftes, Unnahbares erscheinen lassen; er entfernte sich von der Welt der Wirklichkeit so lange, bis er den Rückweg zu ihr nicht mehr zu entdecken vermochte und den unheimlichen Mächten des Wahnsinns zur Beute wurde. . . . Sein ganzes Leben war eine seltsame Mischung von Erhabenheit und Irrthum." Abschließend kommt der Verfasser 151

Vgl. Klein, Erika: Die Außenpolitik Bayerns und Ludwig I I . i m Urteil des englischen Gesandten, S. 70. 152 Möckl, Karl: Die Prinzregentenzeit, S. 95. 155 Das Bayerische Vaterland, Nr. 136 vom 18. 6.1886.

5. Beurteilung seiner Herrschereigenschaften

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dann zu folgendem Urteil: „Er hat sich selbst den Platz geraubt, den er in der Walhalla der Nation verdient hätte 1 5 4 ." Von diesem Tenor unterscheiden sich alle übrigen liberalen Zeitungen i m deutschen Sprachraum. Davon möchte ich hier nur zwei zitieren, die bereits zum anderen Extrem neigen: „ L u d w i g II. w i r d bei seinem treuen Bayernvolke nicht als der wahnbeherrschte Menschenfeind, als der er i n dem über i h n gekommenen Verhängniß so tragisch geendet, sondern als der jugendschöne, idealbegeisterte, gläubig verehrte königliche Einsiedler unserer erhabenen Alpenwelt fortleben, und weiter draußen i m Deutschen Reiche und fernhin i n der Zeitgeschichte w i r d man seinen Namen feiern als den eines deutschgesinnten, den edelsten Zielen zustrebenden und u m ihre fortschreitende Verwirklichung hochverdienten Fürsten, dessen Gedächtniß das dankbare Vaterland und die gerechte Nachwelt i n Ehren zu halten nie vergessen w i r d 1 5 5 . " Einen ähnlich warmen, fast schon überschwenglichen Ton stimmt der Münchner Korrespondent des „Schwäbischen Merkur" an: t „ E i n Monarch auf einsamer Höhe ist unser König oft genannt worden. Er war es, und doch hat er es i n einzigartiger Weise verstanden, i n lebendiger Fühlung mit seinem Volke zu bleiben 1 5 6 ." Nach dem bisher Dargelegten ist man nicht mehr überrascht, wenn auch Ludwigs Regierungszeit insgesamt höchst unterschiedlich beurteilt wird. Während i n liberalen Augen seine 22jährige Regierung „zu den überwiegend günstigen Perioden der neueren Landesgeschichte geh ö r t " 1 5 7 , und sein Name i n der deutschen Geschichte „ m i t goldenen Lettern eingeschrieben" 158 ist, schneidet er bei den konservativ-katholischen Blättern schlecht ab: „Die ruhmlose Regierungszeit Ludwigs II., ein Vierteljahrhundert fast, ist ein schwarzes Blatt i n der Geschichte Bayerns" 1 5 9 , schreibt Sigls „Vaterland". Ebenfalls negativ urteilt Jörg i n den „Zeitläufen" seiner „Historischpolitischen Blätter": „Der König hatte faktisch bereits aufgehört zu regieren; über Bayern herrschte eine ,Ministerrepublik 4 oder besser auf Deutsch gesagt: eine 164

Neue Freie Presse, Nr. 7830 vom 15. 6.1886. iss Allgemeine Zeitung, Nr. 165 vom 16. 6.1886. 158 Schwäbischer Merkur, Nr. 138 vom 15. 6.1886. 157 Allgemeine Zeitung, Nr. 165 vom 16. 6.1886. 158 Allgemeine Zeitung für Franken und Thüringen, Nr. 138 vom 16. 6.1886. 159 Das Bayerische Vaterland, Nr. 144 vom 29. 6.1886.

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Dienstboten-Herrschaft 160 ." Damit deutet Jörg eine schon oben erwähnte Entwicklung an, die gerade für Bayern typisch geworden ist, nämlich das Erstarken der Bürokratie. Unter dem kranken König L u d w i g II. und unter dem greisen Prinzregenten hatte sie das Ruder fest i n die Hand genommen. „Ohne das erprobte bayerische Beamtentum hätte der Staat schweren Schaden erlitten 1 6 1 ." Die zunehmende Bedeutung dieser staatstragenden Schicht führte jedoch dazu, daß sie ihre Interessen m i t denen des Staates identifizierte 1 6 2 . Nationalliberale Einstellung wurde als beinahe selbstverständlich angesehen und m i t anständiger Gesinnung gleichgesetzt. Wer jedoch ultramontan dachte, war sofort suspekt und wurde m i t unzuverlässigen Elementen auf die gleiche Stufe gestellt 1 6 3 . Das Mißtrauen des Königs gegen die Ultramontanen, das sich bis zur Abneigung steigerte, wurde von der nationalliberalen Führungsschicht bewußt gefördert. L u d w i g II. fühlte sich nicht nur von den Sozialdemokraten, sondern auch von den Ultramontanen bedroht. Es wurde dem Monarchen suggeriert, daß die Patrioten Luitpold zum König machen wollten. Er sah daher i n ihnen eine Gefahr für seinen T h r o n 1 6 4 und überließ die bayerische Politik den Liberalen, die i h n deswegen i n den Nachrufen m i t Lob überschütten. Gerade i n liberalen Blättern erscheinen zahlreiche Gedichte auf den verstorbenen Herrscher 165 . Jörg hingegen schließt seine Ausführungen über den „Königstod i n Bayern" mit dem bezeichnenden Satz: „Die Zustände i n Bayern sind wieder menschlich, nachdem sie so lange Jahre allerdings ,gespensterhaft' waren 1 6 6 ." Aus diesen Zeilen spricht die Enttäuschung über die politische Entwicklung, die nicht die Interessen seiner Partei berücksichtigt hatte. 180

Historisch-politische Blätter, Bd. 98, S. 89. Bosl, Karl: Rezension von Hacker, Rupert, Ludwig I I . in Augenzeugenberichten, in: Z B L G 30, 1967, S. 1147. 182 Vgl. Möckl, Karl: Die Prinzregentenzeit, S. 133. κ» vgi # Ursel, Ernst: Die bayerischen Journalisten im Spiegel der Polizeiakten 1878/79, in: Z B L G 36,1973, S. 388 ff. 184 Vgl. Bericht des englischen Gesandten Howard vom 12.11.1869, zitiert bei: Klein, Erika: Die Außenpolitik Bayerns und Ludwig I I . i m Urteü des englischen Gesandten, S. 88 f. 165 z. B. im Augsburger Tagblatt, Nr. 142 vom 20. 6.1886. 186 Historisch-politische Blätter, Bd. 98, S. 96. 181

5. Beurteilung seiner Herrschereigenschaften

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Die Regierung Ludwigs II. hat das Vertrauen i n die Monarchie gerade i n den konservativ-katholischen Kreisen, die sich immer als besonders königstreu rühmten, stark ausgehöhlt. Das w i r d bei der Lektüre von Presseorganen wie „Das Bayerische Vaterland" und den „Historisch-politischen Blättern" deutlich, die den Rahmen der damaligen Pressefreiheit v o l l ausnutzten. Diese negative Darstellung des Herrschers mußte aber zwangsläufig Rückwirkungen auf die Leserschaft dieser Blätter haben und konnte der Förderung des monarchischen Gedankens i m bayerischen Volk keineswegs dienlich sein.

V I . Prinzregent Luitpold 1. Der „bürgerliche" Regent Wie bereits die Würdigungen anläßlich des 90. Geburtstages am 12. März 1911 spenden auch die Nachrufe i m darauffolgenden Jahr dem Regenten einhelliges Lob. Die greise Patriarchenfigur genoß die Sympathien der in- und ausländischen Presse. Lediglich die Pariser Blätter zeigen Zurückhaltung, bedingt durch die gespannten politischen Beziehungen jener Zeit. Anders urteilt die englische Presse. Der „Londoner Times" gelingt es, die Persönlichkeit des Verstorbenen m i t wenigen Sätzen knapp, aber treffend zu skizzieren: „The Prince Regent was a plain man of few words and simple tastes. He took an interest i n pictures and a lesser interest i n music, but he had none of the artistic pecularities of his predecessors. I n Munich there was l i t t l e to distinguish h i m from the mass of his subjects. His one great passion was shooting. While many of the castles and palaces of his predecessors were handed over to caretakers, and maintained for the inspection of tourists, the Royal preserves were brought to an extreme pitch of perfection 1 ." Eine der wichtigsten Aufgaben des Regenten war es, die unter seinem Vorgänger zerrütteten Finanzen des königlichen Hauses i n Ordnung zu bringen. „ L u i t p o l d hat als Regent keine Sprünge gemacht", stellt das „Berliner Tageblatt" fest 2 . Er mußte aus der Not eine Tugend machen, was i h m bei seiner Veranlagung nicht schwer gefallen ist. „Es wurde Vorsorge für eine i n absehbarer Zeit erfolgende Tilgung der großen Schuldenlast des verstorbenen Königs getroffen, es wurden viele überflüssige und nicht überflüssige Dinge aus den nunmehr dem Publikum zugänglich gemachten Königsschlössern verkauft 3 ." Von der Zivilliste mußte jährlich mehr als eine M i l l i o n Mark für die Tilgung der Schulden verwendet werden, die L u d w i g I I . zurückgelassen hatte. Als Regent konnte Luitpold aber auch über den Rest 1 8 8

The Times, Nr. 40081 vom 13.12.1912. Berliner Tageblatt, Nr. 633 vom 12.12.1912 (Abendausg.). Kölnische Zeitung, Nr. 1387 vom 12.12.1912.

1. Der „bürgerliche" Regent

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nicht frei verfügen, „da die Zivilliste dem irrsinnigen König Otto füglich nicht genommen werden konnte" 4 ; lediglich 600 000 bis 700 000 Mark verblieben zur persönlichen Disposition 5 . Bei der großen Familie des Regenten war es nötig, zu den Haushalten der Prinzen noch einen Zuschuß zu leisten. Es ist daher nicht verwunderlich, daß Luitpold nicht i m gleichen Maße als Bauherr auftreten konnte wie die bayerischen Herrscher von L u d w i g I. bis L u d w i g II. „ A u f dem Gebiet der Kunst kann freilich die Luitpoldsche Aera nicht mit derjenigen seines Vorgängers verglichen werden 6 ." Zwar entstand unter der Regentschaft die Prinzregentenstraße m i t dem Friedensengel als point de vue, doch wurde nur die Isarbrücke von Luitpold finanziert. „Der eigenen Tatkraft und Baulust des Regenten verdankt wohl kaum ein Gebäude seine Entstehung 7 ." Die Akzente hatten sich verschoben. Nicht mehr der Herrscher, sondern die Stadt bzw. der Staat i m Fall des Nationalmuseums traten als Bauherrn hervor. „Prinzregent Luitpold ist selbst kein fürstlich-aktiver Bauherr gewesen, aber er hat die von Künstlern an i h n herangetragenen Vorstellungen stadtbaukünstlerischer Schönheit akzeptiert und unter M i t beteiligung der Stadtgemeinde verwirklichen lassen 8 ." Dafür trug er sehr viel zur Förderung einzelner Künstler bei, indem er häufig die Ateliers auch weniger bekannter Maler und Bildhauer besuchte und damit die Aufmerksamkeit auf junge Talente richtete. „Dabei hatte sich denn, während das Interesse für Musik und schöne Literatur sehr viel geringer war, ein nicht unbedeutendes Verständnis für Malerei und Skulptur und eine Vorliebe für den Besuch von Maler-Ateliers herausgebildet 9 . " 4

Ebenda. Vgl. Schrott, Ludwig: Der Prinzregent, S. 121. Genaue Angaben über die Vermögensverhältnisse des bayerischen Königshauses bei Möckl, Karl: Die Prinzregentenzeit, S. 112 Anm. 299; vgl. ferner die wichtige Position der Kuratoren König Ottos als Verwalter der Zivilliste und bedeutender Fideikommisse, ebenda, S. 183. 6 Berliner Tageblatt, Nr. 633 vom 12.12.1912 (Abendausg.). Z u dem gleichen Ergebnis kommt auch der Berner „Bund", Nr. 585 vom 12.12.1912. 7 Kölnische Zeitung, Nr. 1387 vom 12.12.1912. 8 Lieb, Norbert: München — Die Geschichte seiner Kunst, S. 325. 9 Kölnische Zeitung, Nr. 1387 vom 12.12.1912. Die Neue Freie Presse weist darauf hin, daß Luitpold auch in Wien jede Gelegenheit zu Atelierbesuchen genutzt habe, Nr. 17356 vom 13.12.1912; vgl. auch die Erinnerungen des Bildhauers Fritz Behn bei Schrott, Ludwig: Der Prinzregent, S. 190. 5

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V I . Prinzregent Luitpold

Zahlreiche Kunstwerke ließ er ankaufen und verfügte selbst über eine beachtliche Sammlung 1 0 . Die besondere Naturverbundenheit und Jagdleidenschaft des Regenten, die er bei seiner ausgezeichneten Konstitution bis ins hohe Greisenalter beibehielt, fehlt i n keinem Nachruf. Diese Passion Luitpolds hatte gleichzeitig eine gewisse politische Relevanz, denn hier ließen sich Kontakte herstellen, die wie z.B. i m F a l l Lutz weitreichende Konsequenzen haben konnten 1 1 . ι

A m wohlsten fühlte sich der Regent i n seiner Jägerkluft, aber auch sonst fiel er durch seinen einfachen Habitus auf. „Sein schlichtes, mehr bürgerliches als eigentlich königlich sich gebendes Auftreten i m Privatverkehr, ungemacht wie es aus seiner echt bayrischen und dann auch echt deutschen Seele flöß, hat den allzeit gleich ernst-fröhlich gestimmten Gamsjäger i n der Lodenjoppe und dem Aelpler-Hute den oberbayerischen Bauern i n einem Grade nahegebracht, wie es seinen schrullenhaften Vorgängern vom ersten bis zum letzten L u d w i g doch nicht möglich w a r 1 2 . " Diese etwas klischeehafte Vorstellung mag dem heutigen Leser ein Lächeln entlocken. Daß das Vorbild des Prinzregenten auf die Landbevölkerung gewirkt hat, läßt sich nicht leugnen. Gerade jene Gegenden, i n denen der Regent auf die Jagd gegangen ist, haben die Volkstracht bis heute gepflegt. Andererseits hat diese Jagdleidenschaft wegen der durch sie verursachten Schäden Unwillen i n der betroffenen Bevölkerung erregt 1 3 . Der höfische Glanz kam i n der Regentenzeit nur bei besonderen A n lässen zur Entfaltung. „ A n Gepränge und Schaustellungen ist das Hofleben unter dem Regenten dürftig geblieben 14 ." Das spanisch-burgundische Zeremoniell wurde zwar beibehalten, stand jedoch i n einem diametralen Gegensatz zu dem fast spartanisch einfachen Regenten 15 . Die schlichte persönliche Lebensführung verschaffte i h m aber sogar Sympathien i m sozialdemokratischen Lager. „Dem Menschlichen tragen w i r Rechnung, indem w i r feststellen, daß die Persönlichkeit des Gefeierten alle ansprechenden Züge eines Mannes aufweist, dessen Einfachheit und Güte auch dann aller Achtung gewiß sein würde, wenn er ein 10 11 12 13 14 16

Vgl. Schrott, Ludwig: Der Prinzregent, S. 188 f. Vgl. Möckl, Karl: Die Prinzregentenzeit, S. 147. Straßburger Post, Nr. 1449 vom 12.12.1912. Vgl. Möckl, Karl: Die Prinzregentenzeit, S. 132. Bayerischer Kurier, Nr. 348 vom 13.12.1912. Vgl. Müller, K a r l Alexander von: Aus Gärten der Vergangenheit, S. 123.

2. Die Anfänge der Regentschaft

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schlichter Bürger wäre wie die anderen 16 ." Nicht nur seine Lebensführung war bürgerlich, die Männer seiner Umgebung stammten weitgehend aus bürgerlichen Kreisen. Man traf sich auf der Jagd oder i m Münchner Zirkel „Der Sumpf" 1 7 . Darin, daß sich Luitpold vom Durchschnitt so wenig abhob, i n dieser Normalität, sah die „Kreuzzeitung" eine Parallele zu Kaiser Wilhelm I.: „Beide waren nicht eigentlich geniale oder irgendwie extrem geartete Naturen. Normalmenschen, aber echte Gottesmenschen. Sozusagen aus der Mitte der menschlichen Natur hatte Gott den Stoff gegriffen, den dann ihr Wille, ihre Selbsterziehung formte." Dieser gemeinsame Zug w i r d schließlich noch ideologisch untermauert: „Solange deutsche Fürsten i n Kaiser Wilhelm dem Großen und Prinzregent Luitpold ihre Vorbilder sehen, werden i n Deutschland die Fürstenthrone unerschüttert stehen und w i r werden schadlos durch die rote F l u t schreiten 18 ." M i t weniger hochklingendem Pathos vergleichen österreichische Blätter 1 0 und die Londoner „Times" den Verstorbenen m i t Kaiser Franz Joseph, dessen Popularität er jedoch erst i n den letzten Jahren seiner Regierungszeit erreichen konnte. „ I t was only as years went by, and the straight forward, conscientious, patient ruler won a place of his own comparable to none i n Europe except that of Francis Joseph, that he earned his meed of veneration and affection 20 ." 2. Die Anfänge der Regentschaft Z u Beginn seiner Regentschaft hatte Luitpolds Popularitätskurve einen Tiefpunkt erreicht. „Als Prinzregent Luitpold nach der Königskatastrophe 1886 die Regentschaft antrat, stand i h m die große Mehrheit seines Volkes kalt und unfreundlich gegenüber. Das Volk vergötterte den unglücklichen L u d w i g II., es glaubte weder an den Irrsinn noch an den Tod des Königs. Ohne die Sympathien des Volkes, unter äußerst ungünstigen Umständen übernahm Prinz Luitpold sein schweres A m t 2 1 . " Er belastete sich dadurch mit dem Odium, den König aus eigennützigen Motiven ausgeschaltet zu haben und wurde „wie ein Usurpator gehaßt" 2 2 . 16

Münchner Post, Nr. 60 vom 12./13. 3.1911, erneut abgedruckt in Nr. 289 vom 13.12.1912. 17 Vgl. Möckl, Karl: Gesellschaft und Politik während der Ära des Prinzregenten Luitpold, in: Bayern i m Umbruch, S. 23. 18 Neue Preußische Zeitung, Nr. 583 vom 12.12.1912. 19 Reichspost und Neue Freie Presse vom 12.12.1912. 20 The Times, Nr. 40081 vom 13.12.1912. 21 Donau-Zeitung, Nr. 616 vom 14.12.1912; ähnlich urteilt das Zentrumsblatt Germania, Nr. 286 vom 13.12.1912. 22 Zweibrücker Zeitung vom 16.12.1912. 9 Ursel

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V I . Prinzregent Luitpold

Noch i n den Nachrufen sehen sich manche Zeitungen genötigt, den Regenten von der Anschuldigung reinzuwaschen als ein „Ohm Gloster" gehandelt zu haben: „Blank ist der Schild des Regenten aus jenen kritischen Tagen; auch die Nachwelt, wenn einmal die Geschichte unbehindert ihr U r t e i l spricht, w i r d keinen Makel an dem Verhalten des Oheims finden können 2 3 ." Wenn man dem Regenten einen Vorwurf machen muß, dann ist es nicht die Tatsache, daß Luitpold die Initiative zur Entmündigung ergriffen hat, sondern vielmehr daß er erst so spät und nur auf den entschiedenen Druck des Ministeriums h i n zu einem aktiven Vorgehen bereit war. Schon i m Jahr 1883 wäre die Situation für eine Regentschaft reif gewesen, da einige Umstände zusammenfielen, die Luitpold sowohl die Unterstützung der Opposition wie des Adels gebracht und auch Bismarck mindestens zu einer Tolerierung der Vorgänge bewegt haben würde 2 4 . Der nach Möckl „fast unpolitische, nicht gern von seinen Gewohnheiten ablassende, fast lethargische Prinz L u i t p o l d " 2 5 mußte erst durch eine Eskalation der Krise von dem agilen Minister Lutz gewonnen werden. Dabei arbeitete dieser m i t verschiedenen Methoden, wie ζ. B. Beeinflussung der öffentlichen Meinung durch Informationen an die Zeitungen und direkten finanziellen Pressionen auf den Monarchen 26 . „ N u r der äußerste Zwang der Tatsachen, der kategorische Imperativ des Staatswohles vermochten den Agnaten, dem die Regierung zufallen mußte, zu dem schwersten Schritt seines Lebens bewegen. Wie schwer es dem Prinzen Luitpold geworden, hat die Allgemeinheit nie i m vollen Umfang erfahren. Immer wieder suchte er nach einem Auswege 27 ." Da eine Abdankung L u d w i g II. schwierig zu bewerkstelligen gewesen wäre und einem König Luitpold eine von der herrschenden nationalliberalen Ministeroligarchie nicht gewünschte starke Stellung vermittelt hätte, beschritt man den Weg der Regentschaft 28 . 23

Bayerischer Kurier, Nr. 348 vom 13.12.1912. Vgl. Möckl, Karl: Die Prinzregentenzeit, S. 105. Ebenda, S. 147. 26 Ebenda, S. 141. 27 Münchner Neueste Nachrichten, Nr. 635 vom 13.12.1912 (Vorabendblatt). 28 Abgesehen davon, daß dem Regenten die Zivilliste nicht zustand, waren seine Rechte auch durch die Verfassung beschränkt. Nach Tit. I I § 18 konnten während der Reichsverwesung alle erledigten Ämter, ausgenommen die Justizstellen, nur provisorisch besetzt werden. 24

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2. Die Anfänge der Regentschaft

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Die bayerische Verfassung ließ offen, wem i m Falle einer außerordentlichen Regentschaft die Initiative zustehe, daher traf diese Entscheidung der Staatsrechtslehrer Max von Seydel i n seinem ab 1884 erschienenen „Bayerischen Staatsrecht" 29 . Er lehnte eine Lösung durch den königlichen Familienrat ab und gestand sie nur dem nächsten Agnaten und dem Gesamtministerium zu. Damit schuf er nach Möckl „den staatsideologischen Hintergrund für das Vorgehen der Minister zur Entmündigung Ludwig I I . " 3 0 . Dieses Ergebnis kam sowohl dem Regenten wie den Intentionen der Minister entgegen. Luitpold brauchte nicht übermäßig viel A k t i v i t ä t entfalten, das meiste nahm i h m das Ministerium ab. Die Minister wiederum waren an einer Lösung ohne den Landtag interessiert und ignorierten die darauf abzielenden Vorschläge des Reichskanzlers. Ihnen ging ihr persönliches Wohl über die Interessen der Monarchie. M i t einem kranken König an der Spitze des Staates hatte man ganz gut regieren können, von einem schwachen Prinzregenten erhoffte man ebenfalls keine Schwierigkeiten. Der Landtag wurde umgangen und nachträglich sogar bewußt falsch informiert, als behauptet wurde, Lutz habe erst seit Januar 1886 am Gesundheitszustand des Monarchen gezweifelt 31 . Eine rechtzeitige Erörterung der unhaltbaren Zustände am königlichen Hof i m bayerischen Landtag hätte für Prinz Luitpold nur positiv ausfallen können, da sie das Entstehen einer F l u t von Gerüchten verhindert und dem Agnaten eine Legitimation zum Handeln gegeben hätte 8 2 . So aber ist es dem Prinzregenten „sehr schwer geworden, das bayerische Volk von der Redlichkeit seiner Absichten zu überzeugen. Zumal die Bevölkerung Oberbayerns hing m i t abgöttischer Verehrung an dem Märchenkönig L u d w i g II., wollte an seine geistige Erkrankung und an seinen freiwilligen Tod i m Starnberger See nicht glauben und demonstrierte i n sehr drastischen Formen gegen den neuen Landesverweser" 33 . Beigetragen hat dazu zweifellos ebenfalls das ungeschickte, man muß fast sagen dilettantische Vorgehen der Kommission gegen L u d w i g I I . 3 4 . Außerdem durften keine neuen Ämter eingeführt, keine Krongüter veräußert und keine heimgefallenen Lehen verliehen werden. 29 Seydel, Max von: Bayerisches Staatsrecht, Bd. 1, 1884, S. 461 f. 30 Möckl, Karl: Die Prinzregentenzeit, S. 140. 81 Vgl. Möckl, Karl: Die Prinzregentenzeit, S. 141. 32 Vgl. Bosl, Karl: Bayerische Geschichte, S. 241. 33 Berliner Tageblatt, Nr. 633 vom 12.12.1912 (Abendausg.). 34 Einzelheiten bei Hacker, Rupert: Ludwig I I . von Bayern in Augenzeugenberichten, S. 346 ff. 9*

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V I . Prinzregent Luitpold

Besonders i m Raum Füssen war die Stimmung feindselig und gespannt. „Das Landvolk stand dicht vor dem Aufstand", schreibt der Berner „Bund", „denn der abgöttisch verehrte König erschien i h m i m Lichte einer Märtyrerschaft, die nicht ungeahndet bleiben dürfte" 3 5 . I n einem Bericht des königlichen Bezirksamtes Füssen vom 9. September 1886 w i r d bestätigt, daß sich die Unruhe i n der Bevölkerung nach Pfingsten keineswegs gelegt habe. Durch die Öffnung des Schlosses Neuschwanstein sei wegen der bohrenden Fragen der zahlreichen Touristen i m Gegenteil die Stimmung sogar noch erregter geworden 36 . Sicherlich war die Zuneigung auch auf ökonomische Ursachen zurückzuführen, denn die Bautätigkeit L u d w i g II. hatte eine große Anzahl von Menschen beschäftigt und ernährt 3 7 . Bereits i m Herbst 1886 suchte der Regent durch Rundreisen i m Königreich die Bevölkerung für sich zu gewinnen. Seit den Reisen Ludwigs I I . 1866 i n die vom Krieg heimgesuchten Gebiete, hatte es so etwas nicht mehr gegeben. A u f den Zweck dieser Unternehmung verweist die „Kölnische Zeitung": „ U m der Volksgunst w i l l e n wurden Reisen i n alle Regierungsbezirke unternommen 3 8 ." Die „augenscheinlich königstreu-loyale Gesinnung der Bevölkerung" dürfte aber fraglos manipuliert worden sein, denn die Reiseroute war so festgelegt, daß der Regent vor allem durch Orte kam, i n denen das liberale Bürgertum dominierte. I n Wirklichkeit herrschte i n den unteren und mittleren Volksschichten während der ganzen Ära des Prinzregenten Luitpold Mißtrauen 3 9 . Abneigung gegen Persönlichkeiten, die dem Regenten nahestanden, übertrug sich gleichfalls auf Luitpold. Diese Tatsache beleuchtet ein A r t i k e l des i n Preßburg erscheinenden „Westungarischen Grenzboten", dessen Reproduktion i n Bayern von der Münchner Staatsanwaltschaft verboten wurde 4 0 . „Der Regent mag es noch so gut meinen, er mag sich alle Mühe geben, u m Sympathien zu erwerben — das Volk m u r r t und schimpft. Es bringt die Entmündigung des Schwagers des Hofrathes K l u g m i t der Entmündigung L u d w i g I I . i n Zusammenhang, zumal auch bei diesem die K l u g und Grashey die hervorragensten Rollen gespielt haben 4 1 ." K l u g war 85 88 87 88 89 40 41

Der Bund, Nr. 585 vom 12.12.1912. A S t A M M I n n 46135. Vgl. Möckl, Karl: Die Prinzregentenzeit, S. 132 Anm. 360. Kölnische Zeitimg, Nr. 1387 vom 12.12.1912. Vgl. Möckl, Karl: Die Prinzregentenzeit, S. 204 und S. 133. A S t A M M Ju 17324. Westungarischer Grenzbote, Nr. 5329 vom 15. 6.1888.

3. Der Werdegang Luitpolds bis 1886

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ein Emporkömmling, der unter L u d w i g I I . geadelt und zum Hofsekretär und Vorstand der königlichen Hof- und Kabinettskasse ernannt worden war. Diese Stellung hatte i h m einen solchen Einblick i n die finanziellen Verhältnisse des Hofes verschafft, daß es für den Regenten opportun war, i h n weiterhin auszuzeichnen und m i t Vorrang zu behandeln 42 . Der „Westungarische Grenzbote" nennt Klug, der i n den 90er Jahren i n Skandale verwickelt und i n bayerischen Blättern angegriffen wurde, einen „Vertrauensmann des Prinzregenten" und weist auf die negativen Folgen hin: „Das bayerische Volk haßt diesen Menschen aus innerlicher W u t h und Überzeugung und selbstverständlich fällt von dieser Stimmung ein gut Theil auf den Regenten und sein Haus ab 4 8 ." Einige Vorfälle des Jahres 1894 werfen ebenfalls Schlaglichter auf die Einstellung der Bevölkerung. I n Garmisch-Partenkirchen wurde eine Büste Luitpolds i n die Loisach gestürzt, wenige Wochen später eine Bronzebüste i n Neuhausen von ihrem Sockel gestoßen 44 . I m gleichen Jahr kam es zum Widerstand der Bauern i n Fuchsmühl, wozu ein Rechtsstreit m i t dem Bruder des Chefs der Geheimkanzlei Freiherrn von Zoller den Anlaß gegeben hatte 4 5 . Dem Regenten jedoch wurde eine heile Welt vorgegaukelt. „Regierung und Geheimkanzlei waren ständig darauf bedacht, den Prinzregenten volkstümlich zu machen, zumindest jedoch ,ihm glauben zu machen, daß er populär sei' 4 6 ." 3. Der Werdegang Luitpolds bis 1886 a) Ausbildung I n einem m i t „Lernjähre" überschriebenen Abschnitt beschäftigen sich die „Münchner Neuesten Nachrichten" besonders ausführlich m i t der Erziehung und Bildung, die dem Prinzen Luitpold als drittem Sohn des bayerischen Königs zuteil wurden 4 7 . Namhafte Persönlichkeiten wie der spätere Bischof von Eichstätt Oettel und der Künstler Domeniko Quaglio waren daran beteiligt, ebenso Maßmann, ein Schüler des Turnvaters Jahn. 42

Vgl. Möckl, Karl: Die Prinzregentenzeit, S. 371. Westungarischer Grenzbote, Nr. 5329 vom 15. 6.1888. Vgl. Möckl, Karl: Die Prinzregentenzeit, S. 456. 45 Vgl. Albrecht, Willy: Die Fuchsmühler Ereignisse vom Oktober 1894 u n d ihre Folgen für die innere Entwicklung Bayerns i m letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts, in: Z B L G 33,1970, S. 307 - 354. 46 Möckl, Karl: Die Prinzregentenzeit, S. 455. 47 M N N , Nr. 635 vom 13.12.1912 (Vorabendblatt). 48 44

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V I . Prinzregent Luitpold

Nach dem Willen des Vaters besuchte Luitpold keine Universität, wurde aber von Professoren unterrichtet, vor allem i n Staatsrecht und staatswirtschaftlichen Disziplinen. „ U n d da menschlicher Voraussicht nach der Thron i h m vorenthalten blieb, wählte er sich als Lebensberuf den des Soldaten und als Waffe die Artillerie 4 8 ." Dabei kam i h m zugute, daß sein Körper von klein auf durch Turnen, Schwimmen, Reiten und Fechten gut durchtrainiert war. „ M i t dem Tage der Volljährigkeit trat er i n das 1. Artillerie-Regiment, das ihn als Hauptmann schon i n den Listen führte, ein, u m von der Pike auf zu dienen 4 9 ." Daß seine militärische Laufbahn allerdings nicht i m üblichen Rahmen verlief, hebt die „Frankfurter Zeitung" hervor: „ E r absolvierte den Dienst von unten auf, aber, wie es bei einem Prinzen der Brauch ist, sehr schnell. 1841 war er bereits Oberst, 1844 Generalmajor und Brigadekommandeur, 1856 Kommandeur der ersten Armeedivision, 1861 Feldzeugmeister, 1869 Generalinspekteur der bayerischen Armee, 1876 Generalfeldzeugmeister und Generalfeldmarschall 50 ." Diese Funktionen hat er nach dem Urteil preußischer Blätter m i t Fleiß und Pflichttreue wahrgenommen, ohne „ein Soldat i m strengen Sinne des Wortes" 5 1 gewesen zu sein. „Denn auch i m Militärberuf ist Prinz Luitpold, obwohl seine Laufbahn als Offizier des ersten Feldartillerieregiments von sehr viel Eifer und Hingabe zeugte, w o h l nie aus unwiderstehlicher Neigung gewesen und nie i n solchem Grade aufgegangen wie beispielsweise der alte Kaiser Wilhelm 5 2 ." Die „Kölnische Zeitung" meint sogar, daß bei i h m überhaupt keine „besonders auffällige Vorliebe oder Begabung" feststellbar gewesen sei 53 . Wäre er ein Bürgersohn gewesen, hätte er wohl die Noten „gesittet" und „fleißig", i m übrigen aber nur „befriedigend" erhalten 5 4 . b) Verpflichtungen

als königlicher

Prinz

„ Z u r Repräsentation wurde Prinz Luitpold früh und häufig herangezogen, schon unter seinem Vater L u d w i g I., dann namentlich unter der 48 49 50 51 62 88 64

Pfälzische Presse, Nr. 344 vom 12.12.1912. Ebenda. Frankfurter Zeitung, Nr. 344 vom 12.12.1912. Ebenda. Kölnische Zeitung, Nr. 1387 vom 12.12.1912. Ebenda. Ebenda.

3. Der Werdegang Luitpolds bis 1886

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Regierung seines kränkelnden Bruders Max II., und ganz besonders unter der Regierung des weltscheuen Königs L u d w i g I I . 5 5 . " Reisen, bei denen er seine Gattin Augusta, Tochter des Großherzogs von Toskana, kennenlernte, dienten nicht nur der Bildung, sondern auch der Erfüllung staatlicher Aufträge. Seit 1840 gehörte er dem Reichsrat an. A b 1848 vermehrten sich seine Verpflichtungen noch. „Anstelle des kränklichen Königs Max nahm er Ende der vierziger Jahre die meisten öffentlichen Staatshandlungen vor, öffnete und Schloß den Landtag, inspizierte die Armee i n allen Garnisonen 56 ." Nach dessen Tod i m Jahre 1864, i n dem Luitpold zusätzlich Schwester und Gattin verlor, nahm seine Tätigkeit an Bedeutung eher noch zu. Sein Verhältnis zum Herrscher w i r d von der „Pfälzischen Presse" dabei allerdings nicht richtig gesehen: „König Ludwig, der Liebling des Bayernvolkes, bedurfte, da er i n Abgeschiedenheit erzogen worden war, der Stütze des Rates und des Freundes. Dies wurde i h m Luitpold, der aus dem Schatze seiner m i l i tärischen und staatsmännischen Erfahrungen schöpfte, i n vollem Maße 57 ." L u d w i g I I . hat i n seinem Onkel nie einen Freund gesehen; i m Gegenteil, das Verhältnis war wie gegenüber der übrigen Familie stark unterkühlt 5 8 . Die Entscheidungsjähre 1866 und 1870/71 verbrachte Luitpold an der Front. Beim Frankreichfeldzug hatte ihn der König als seinen Vertreter ins Hauptquartier abgeordnet. Nach Meinung der „Norddeutschen A l l gemeinen Zeitung" war Luitpold m i t der damals eingeleiteten Entwicklung sehr zufrieden: „Bittere Tage sind i h m beschieden gewesen i n jener Zeit von 1866, da er m i t Preußen die Waffen kreuzen mußte. Wie glücklich war er dann vier Jahre später, da er am 20. J u l i i m Namen des Königs i n der Kammer der Reichsräte das entscheidende Wort für den Bund m i t Preußen und den Krieg gegen Frankreich gesprochen hatte und die große Zeit von 1870 i m Hauptquartier miterlebte. Er ward zum Zeugen der welthistorischen Momente bis Versailles 59 ." Aus diesen Zeilen spricht eine ausgeprägte preußisch-deutsche Reichsideologie. Luitpold war keineswegs so preußenfreundlich, wie es dieser 55 56 57 58 59

Frankfurter Zeitung, Nr. 344 vom 12.12.1912. Pfälzische Presse, Nr. 344 vom 12.12.1912. Ebenda. Vgl. Möckl, Karl: Die Prinzregentenzeit, S. 104 mit Anm. 282. Norddeutsche Allgemeine Zeitung, Nr. 293 vom 14.12.1912.

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V I . Prinzregent Luitpold

Nekrolog glauben machen möchte. Seine katholische und österreichfreundliche Einstellung standen dem entgegen. Er galt als Vertreter der Hofpartei, die den Patrioten näherstand als den reichsfreundlichen Liberalen. Seine engen verwandtschaftlichen Bindungen an das Haus Habsburg veranlaßten Bismarck sogar, ihn für einen Annäherungsversuch an den österreichischen Kaiser zu verwenden, der allerdings scheiterte 60 . Noch i m Januar 1870 hatte Luitpold i m Reichsrat m i t fast allen übrigen Prinzen gegen Hohenlohe und eine Politik der Anlehnung an den Norddeutschen Bund gestimmt. Die Londoner „Times" weist darauf h i n und kommt der historischen Wahrheit viel näher, wenn sie feststellt: „ I t is not likely that his views changed much i n the next six months 6 1 ." Dennoch war es gerade i h m zugedacht, den sogenannten „Kaiserbrief" m i t dem Angebot Ludwigs I I . dem preußischen König zu übergeben 62 . 4. Bayerns Haltung zum Reich „Ebenso wie Kaiser Wilhelm der Große, nach Bismarcks Zeugnis, sich nur eben fügte i n die Notwendigkeit, nicht mehr bloß Preußenkönig ,sondern Kaiser zu sein, so haben die Bayernfürsten den großbayerischen Gedanken nicht leicht aufgeben können. A l l e i n die w i r k liche, innerlich gewollte Einfügung Bayerns ins Reich hat erst Prinzregent Luitpold vollzogen 63 ." Diese Feststellung der „Kreuzzeitung" ist nicht selbstverständlich, wenn man bedenkt, daß Luitpold als klerikal und österreichfreundlich galt. Er wurde wie sein Sohn L u d w i g der Hofpartei zugerechnet, die die liberale Politik des bayerischen Ministeriums ablehnte. Das war m i t ein Grund gewesen, warum Lutz die Entmündigung Ludwigs II. so lange hinausgezögert hatte. Die „Kreuzzeitung" lobt sogar die deutsche Einstellung des Regenten: „Der seit 100 Jahren vorschwebende Gedanke eines bayerischen Reichs ist unter i h m völlig i m Deutschen Reiche aufgegangen. Und es war der persönlichen Abneigung des greisen Bayernfürsten allein zuzuschreiben, daß die Jahrhundertfeiern des Rheinbundes (1906), zu denen man i n Hessen u n d anderwärts, i n politischer Unschuld, schon 80

Vgl. Möckl, Karl: Die Prinzregentenzeit, S. 103. The Times, Nr. 40081 vom 13.12.1912. 62 Vgl. Bosl, Karl: Bayerische Geschichte, S. 239. es Neue Preußische Zeitung, Nr. 583 vom 12.12.1912. Für die Berliner Morgenpost war Luitpold „der erste wirklich deutsche Regent im Königreich Bayern"; Nr. 342 vom 13.12.1912. 81

4. Bayerns Haltung zum Reich

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die schönsten Zurüstungen getroffen hatte, so ganz sang- und klanglos, so ganz deutsch verliefen 6 4 . u Zu dieser Haltung hat maßgeblich die Umgebung des Regenten beigetragen. Reichstreu eingestellte Männer, wie Peter von Wiedenmann, K a r l Freiherr von Wolffskeel und der enge Freund Luitpolds Ignatz Freiherr von Freyschlag, w i r k t e n als Flügeladjudanten bzw. Chef der Geheimkanzlei und schirmten den Prinzregenten gegen den Einfluß der konservativ-katholischen Kreise ab. Lediglich seine Schwester Adelgunde von Modena und seine Tochter Therese stellten einen gewissen Unsicherheitsfaktor dar. Die preußische Gesandtschaft i n München konnte sich des Regenten schon 1886 sicher sein 65 . Daß Luitpold damals keine andere Wahl blieb, bemerkt auch ein Zentrumsblatt wie der „Bayerische K u r i e r " : „Er fügte sich der politischen Notwendigkeit, er schickte sich i n die unabänderlichen Verhältnisse, damals und späterhin. Das einzige, was für Bayerns Selbständigkeit eine tragende Stütze bedeutet haben würde, nämlich eine ständige diplomatische Zusammenarbeit von Württemberg, Sachsen und Bayern unter Bayerns Vortritt, ward schon durch L u d w i g II. preisgegeben und i n der Folge nicht mehr gewonnen. Er war hier der vormundschaftliche Verwalter, der den vorgefundenen Besitzstand zu wahren suchte 66 ." I n fast allen Nachrufen w i r d die Reichstreue des Regenten und gutes Verhältnis zum Kaiser gerühmt, besonders ausführlich i n „München-Augsburger-Abendzeitung" 67 . Dies gilt jedoch nur für helm I., der sich gegenüber den Bundesfürsten zurückhaltender taktvoller benahm als sein Enkel.

sein der Wilund

Trotz der bei zahlreichen Gelegenheiten erfolgten Zusammenkünfte, wie z.B. bei der Einweihung des Deutschen Museums, die i n diesem Blatt aufgezählt werden, war das Verhältnis zwischen Luitpold und Wilhelm II. nicht ganz ungetrübt. Während der genüberstand 68 , treffen. Obwohl Fernbleiben von e4

Regent dem jungen Kaiser anfangs wohl wollend gevermied er später nach Möglichkeit ein Zusammener i n den Bergen jagte, entschuldigte Luitpold sein Berliner Fürstentreffen m i t seinem A l t e r 6 9 .

Neue Preußische Zeitung, Nr. 583 vom 12.12.1912. Vgl. Möckl, Karl: Die Prinzregentenzeit, S. 188. Bayerischer Kurier, Nr. 348 vom 13.12.1912. 87 München-Augsburger-Abendzeitung, Nr. 345 vom 12.12.1912. 88 Vgl. Koch, Ingeborg: Die Bundesfürsten und die Reichspolitik in der Zeit Wilhelms II., S. 32. 89 Ebenda, S. 33. 65

ββ

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V I . Prinzregent Luitpold

Ansätze zu gegenseitigem Mißtrauen waren i n den 90er Jahren vorhanden, aber auch bei den anderen Bundesfürsten genoß der Kaiser wenig Sympathien 7 0 . Bezeichnend für die cäsaristische Auffassung vom Kaisertum war Wilhelms Eintragung ins Gedenkbuch der Stadt München i m Jahre 1891 „Suprema lex regis voluntas" 7 1 . Die Londoner „Times" versucht interessanterweise eine differenzierte Haltung gegenüber den deutschen Fürsten einzunehmen, indem sie Luitpold vom Vorwurf, ein Imperialist gewesen zu sein, reinzuwaschen beabsichtigt: „German, or rather Prussian, writers have tended of late to describe the Prince Regent as a lifelong Imperialist. I n the album presented to the Prince Regent on his 90th birthday by the heads of German states the Emperor W i l l i a m wrote the words: — ,Alle Zeit treu bereit, für des Reiches Herrlichkeit. 4 The t r u t h is that the Prince Regent was always above all a good Bavarian 7 2 ." Luitpold verhielt sich loyal gegen die Reichsverfassung, dennoch mußte es unter dem „Neuen Kurs" zu Spannungen m i t dem Reich kommen, die von der „Kölnischen Zeitung" verharmlost werden. Sie erinnert daran, daß „dem Regenten aus mancherlei Neuerungen, die m i t Recht oder, und zwar meistens, m i t Unrecht preußischem Einfluß zugeschrieben wurden, durch jenen Partikularismus, der i n Bayern mehr Sportsache ist als der wahren Überzeugung entspringt, mancherlei Anfeindungen erwachsen sind. Es sei, u m aus vielen einiges herauszugreifen, nur an die Ersetzung des bayerischen Raupenhelms durch die preußische Pickelhaube und an die Regelung der obersten M i l i t ä r gerichtsbarkeit erinnert" 7 3 . Bei der Frage der Militärstrafgerichtsordnung ging es nicht nur u m als Partikularismus geschmähte bayerische Sonderinteressen, sondern um die Wahrung fortschrittlicher Errungenschaften. Die bayerische Regelung aus dem Jahre 1869 war vom Ministerium Hohenlohe durchgesetzt worden und trug daher eine dem damaligen Rechtsdenken entsprechende liberale Handschrift. Die preußischen Bestimmungen entsprangen dagegen „einem absolutistischen M i l i t ä r staatsdenken" 74 . 70 71 72 73 74

Ebenda, S. 23 f. Vgl. Schrott, Ludwig: Der Prinzregent, S. 161. The Times, Nr. 40081 vom 13.12.1912. Kölnische Zeitung, Nr. 1387 vom 12.12.1912. Möckl, Karl: Die Prinzregentenzeit, S. 383.

4. Bayerns Haltung zum Reich

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Neben dem bayerischen Zentrum wandten sich auch die Liberalen gegen eine Vereinheitlichung nach preußischem Muster, wie sie vom Kaiser gewünscht wurde. Sogar außerbayerische Blätter, wie die „Frankfurter Zeitung", erkannten die Berechtigung der bayerischen Vorbehalte an. Die ungeschickte Verhandlungsführung der bayerischen Regierung verstand es jedoch nicht, die Gunst der öffentlichen Meinung für sich zu nutzen. Sie erklärte sich zu Zugeständnissen bereit, wenn ein Oberster Landesmilitärgerichtshof als Reservatrecht gewahrt würde. „Damit verlor die bayerische Regierung den Nimbus, Vorkämpferin einer modernen Militärstrafgerichtsordnung zu sein 75 ." Bayerns scheinbar egoistische Haltung führte dazu, daß es von allen Seiten i m Stich gelassen wurde und als einziges Ergebnis die Einrichtung eines eigenen bayerischen Senats am Obersten Militärgerichtshof in Berlin erreichen konnte. Das bayerische Heer war bereits fest i m Reichsheer integriert. Nicht nur der Frankreichfeldzug, sondern auch die Ostasien- und Kolonialpolitik hatten ein Zusammengehörigkeitsgefühl entwickelt. Darauf verweisen die „Münchner Neuesten Nachrichten" i n ihrem Beitrag zum 90. Geburtstag des Regenten: „Bayerns Soldaten haben unter deutscher Flagge i n China und i n Südwestafrika ihr B l u t für das gemeinsame Vaterland vergossen, und es würde ein Unheil für Deutschlands Feinde sein, wollten sie je an der engen Waffenbrüderschaft zwischen Nord und Süd zweifeln 7 6 ." Das Festhalten Bayerns an seinen Reservatrechten erschien daher vielen als Anachronismus. Besonders i m Königreich Württemberg, das unter seinem Herrscher Wilhelm I I . durch Aufgabe von Reservatrechten eine Annäherung an Berlin vollzog 7 7 , wurde am bayerischen Regenten K r i t i k geübt. „Seine Regierung hat das benachbarte Württemberg zum Bedauern weiter Kreise Deutschlands allein gelassen, als es dem nationalen Empfinden und den Anforderungen des Verkehrs die eigene Briefmarke zum Opfer gebracht hat und die württembergischerseits vorgeschlagene Betriebsmittelgemeinschaft, selbst nur ein Schritt zu der notwendigen weitergehenden Vereinheitlichung des deutschen Eisenbahnwesens, ist wesentlich am bayerischen Widerstand gescheitert 78 ." 75 76 77 78

Möckl, Karl: Die Prinzregentenzeit, S. 415. Sonderausgabe der M N N am 11. 3.1911. Vgl. Koch, Ingeborg: Die Bundesfürsten und die Reichspolitik, S. 44. Schwäbischer Merkur, Nr. 582 vom 12.12.1912.

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V I . Prinzregent Luitpold

Bismarck hatte Bayern eine Sonderstellung i m neugegründeten Reich eingeräumt und i h m „ein hohes Maß staatlicher Selbständigkeit und politischen Einflusses" 79 belassen, u m sein Selbstbewußtsein zu schonen und es für eine aktive Mitarbeit innerhalb des Reichsganzen zu gewinnen. Dies war i h m so gut gelungen, daß i n der Weimarer Zeit die Regierung Held sogar die Restauration der Verfassung von 1871 anstrebte, um dem zentralistischen Kurs entgegenzuwirken 80 . Daß sich das Bayern der Prinzregentenzeit i m Deutschen Reich wohlfühlte, beweist auch der Nekrolog der „Fränkischen Zeitung": „Durch den Anschluß ans Reich hat Bayern A n t e i l an der Machtstellung des Ganzen nach außen, an den Chancen einer großzügigen inneren Entwicklung der deutschen Nation, an den Vorteilen eines großen Wirtschaftsgebiets; dies Verhältnis bleibt aber am besten gewahrt i n dem Zustande eines paritätischen Föderalismus, und da Bayern ein selbständiger Staat sein und bleiben w i l l , kann es extrem-zentralistischen Tendenzen nicht folgen und darf es Reservatrechte nicht preisgeben, es sei denn, daß es durch das Interesse des Ganzen unweigerlich geboten oder seinem eigenen Interesse angemessen erscheint. So ungefähr wären die Grundsätze einer rationellen bayerischen Politik zu formulieren. Zu den Zeiten des Prinz-Regenten Luitpold ist i m großen und ganzen nach derartigen Grundsätzen regiert worden 8 1 ." 5. Bayerns Innenpolitik unter der Regentschaft a) Die Fortsetzung

des liberalen

Kurses

„ A l s Prinz Luitpold 1886 die Regentschaft antrat, übernahm er unverändert das von König L u d w i g II. ernannte liberale Ministerium Lutz. Sein Kern hat sich an der Macht gehalten bis 1903, da am 19. Februar jenes Jahres das Ministerium Crailsheim fiel 8 2 ." Die Enttäuschung der konservativ-katholischen Kreise, die sich i n dieser knappen Feststellung eines Zentrumsorgans spiegelt, w i r d durch die Bemerkung der liberalen „Kölnischen Zeitung" verständlicher, daß „der Regent keinen Ministerwechsel und keine Änderung der Politik vornahm, wie es von manchen wegen seiner unbezweifelten Anhänglichkeit an die katholische Kirche erwartet wurde" 8 3 . 79 80 81 82 88

Bosl, Karl: Bayerische Geschichte, S. 238. Ebenda, S. 259. Fränkische Zeitimg, Nr. 347 vom 17.12.1912. Bayerischer Kurier, Nr. 348 vom 13.12.1912. Kölnische Zeitimg, Nr. 1387 vom 12.12.1912.

5. Bayerns Innenpolitik unter der Regentschaft

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Das Blatt verweist auf die außergewöhnlich konstante Personalpolitik bis zur Jahrhundertwende. Abgesehen vom Kriegsministerium, wo ein häufiger Wechsel an der Spitze eintrat, „ist während der ersten 17 Jahre der Regentschaft kein sonstiger Minister anders als durch den Tod oder schwere Krankheit aus dem Amte geschieden" 84 . Das Jahr 1886 bedeutete also, wie Möckl nachweist 85 , keine Zäsur i n der Entwicklung des Königreiches. Die nationalliberale Ministeroligarchie, unterstützt von Kabinettssekretären und Hofgeistlichen, überdauerte die Krise. Als Ursachen hierfür sind einmal eine gewisse I n teressenverknüpfung auch finanzieller A r t zwischen dem Regenten und der Führungsschicht anzuführen 86 . Andererseits hatte sich bei Luitpold ein Gefühl der Dankbarkeit bemerkbar gemacht, daß i h m die politische Durchführung der Regentschaftsübernahme von den Ministern abgenommen worden w a r 8 7 . Das Rücktrittsgesuch des Gesamtstaatsministeriums vom 5. J u l i 1886 ist daher nicht als ernst gemeint zu betrachten, sondern diente vielmehr der Festigung seiner Position. Eine Solidaritätserklärung des Regenten 8 8 verstärkte noch den Effekt. Die preußische Gesandtschaft war ebenfalls an einer Fortsetzung der liberalen Politik interessiert. Bismarck, der sich auf Reichsebene seit 1878 von den Liberalen getrennt hatte, wollte i n Bayern keinen Kurswechsel zulassen, da er sonst Bayerns Reichstreue bedroht sah. Der preußische Gesandtschaftssekretär Philipp von Eulenburg betonte dies i n einem Schreiben, das er schon vor der Entmündigung am 6. Juni 1886 an Herbert von Bismarck richtete: „Lutz sagte mir, daß i h m Prinz Luitpold sechsmal die bündigste Versicherung habe aussprechen lassen, daß er bei einem Wechsel das jetzige Ministerium beibehalten wolle. Ein liberales Ministerium — vor allem das Ministerium Lutz — aber bedeutet hier: unzweideutige Gemeinschaft m i t dem Reiche 89 ." Die Hoffnung, daß das Ministerium Lutz durch ein Ministerium des Freiherrn von Franckenstein ersetzt werde, erfüllte sich nicht. „Daß das den ,Patrioten* nicht gefiel, konnte niemand wundernehmen, aber sie mußten sich i n das Unvermeidliche schicken 90 ." 84

Ebenda. Möckl, Karl: Die Prinzregentenzeit, S. 168. Vgl. Möckl, Karl: Die Prinzregentenzeit, S. 183 f. 87 Ebenda, S. 148. 88 Vgl. Grasser, Walter: Johann Frh. v. Lutz, S. 122 f. 89 Zit. bei Möckl, Karl: Gesellschaft und Politik während der Ära des Prinzregenten Luitpold, S. 12. 90 München-Augsburger-Abendzeitung, Nr. 345 vom 12.12.1912. 85

88

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V I . Prinzregent Luitpold

Bis 1890 konnte sich Lutz am Ruder halten, erst als er seinen Einfluß schwinden sah, trat er zurück und verstarb einige Monate später 91 . „Sein Nachfolger wurde Freiherr v. Crailsheim. M i t dem Ministerium Crailsheim, das i n den Spuren des Ministerium Lutz wandelte, soweit nicht die kirchen- und schulpolitischen Verhältnisse i n Frage kamen, die i n einem den Ultramontanen nachgiebigen Sinne behandelt w u r den, regierte Prinz Luitpold nahezu 13 Jahre, und er fuhr, wie man heute ruhig wiederholen darf, gut dabei" 9 2 , betont die nationalliberale „München-Augsburger-Abendzeitung". Während die Altkatholikenfrage noch von Lutz 1890 geregelt worden war, nahm sein Nachfolger i m Kultusressort der Kirche gegenüber überhaupt eine konziliantere Haltung ein. Die Zeit des Kulturkampfes ging allmählich ohne viel Aufhebens zu Ende. Nach der „Kölnischen Zeitung" wäre eine Klimaverbesserung unter Lutz „völlig aussichtslos" gewesen. „ M i t der Durchführung dieses Umschwunges ist pietätvoll gewartet worden, bis sich das liberale Lutzsche Kabinett m i t dem Rücktritt und Tod seines Leiters sozusagen von selbst i n ein farbloses Geschäftsministerium umgestaltete, dessen protestantischer Vorsitzender v. Crailsheim i n Verbindung mit einem unter der Regentschaft sehr mächtig gewordenen Manne, dem frühern Münchner Polizeidirektor und spätem Kultusminister v. Müller das Versöhnungswerk erfolgreich i n die Hand nehmen konnte. Den Klerikalen hat die Regierung des Regenten damals, indem sie, ohne ihre allgemeine Richtung und sogar ohne ihr Personal zu ändern, den schroffen Gegensatz und die Reste der Kulturkampffeindschaft überwand, so etwas wie Enttäuschung bereitet 9 3 ." Obwohl dieser Konfliktstoff beseitigt war, machte das Zentrum immer wieder Vorstöße gegen das Ministerium, die von der „MünchenAugsburger-Abendzeitung" als „unberechtigt" und „ f r i v o l " bezeichnet werden. Dazu w i r d ein Gesuch der „Ultramontanen, deren Machtgefühl sich von Tag zu Tag steigerte" 94 , anläßlich des 80. Geburtstages des Regenten gerechnet, i n dem er u m Entlassung des Ministeriums gebeten wird. Das gilt gleichfalls für die Ablehnung von 100 000 Mark i m Jahre 1902 für die Erwerbung von Kunstwerken 9 5 . Angesichts dieser Haltung der Kammermehrheit nahmen sich die Wünsche der zusammengeschrumpften Liberalen recht bescheiden aus. 91 95 93 94 95

Vgl. Möckl, Karl: Die Prinzregentenzeit, S. 336. Vgl. Kap. V I , 5 c. Kölnische Zeitung, Nr. 1387 vom 12.12.1912. München-Augsburger-Abendzeitung, Nr. 345 vom 12.12.1912. Vgl. Kap. V I , 5 c.

5. Bayerns Innenpolitik unter der Regentschaft

143

„Man konnte auf Seiten der Liberalen, denen das Zentrum nachredete, sie verlangten vom Ministerium, daß es i m liberalen Sinne regiere, zufrieden sein, wenn die Regierung möglichst unparteiisch i n Gesetzgebung und Verwaltung die Interessen des Landes vertrat, was auch stets das ehrliche Bestreben des Ministeriums Crailsheim w a r 9 6 . " b) Das Erstarken

des Zentrumseinflusses

I m Jahre 1903 hatte sich das Verhältnis zwischen dem Zentrum, i n dem damals der linke Flügel unter Heim dominierte, und der Regierung Crailsheim so zugespitzt, daß eine Verstärkung der Konfrontation dem Chef der Geheimkanzlei von Wiedenmann und dem neuen, i n der besonderen Gunst des Regenten stehenden, Kultusminister von Podewils-Dürniz inopportun erschien. Crailsheim wurde eine Falle gestellt, i n die er prompt hineintappte. Nachdem i h m von Podewils i m Ministerrat Eigenmächtigkeit vorgeworfen worden war, suchte er beim Regenten u m seine Entlassung nach, die ihm wider sein Erwarten auch gewährt wurde 9 7 . Für die nationalliberale „München-Augsburger-Abendzeitung" war dieser Wechsel ohne verständlichen Anlaß erfolgt, dafür aber ein Schritt, „der Bayern rascher als es sonst möglich gewesen wäre einer Partei i n die Hände lieferte, die bei ungestörter Machtentfaltung Land und Volk i n kultureller und geistiger Beziehung zurück anstatt vorwärts bringen muß" 9 8 . Sein Nachfolger Clemens Freiherr von Podewils-Dürniz, der 1911 i n den Grafenstand erhoben wurde, war vor seinem E i n t r i t t ins M i nisterium i m diplomatischen Dienst Bayerns tätig gewesen. Er gab die einseitige Bindung an die Liberalen auf und versuchte m i t den gemäßigten Kräften i n allen Parteien zusammenzuarbeiten 99 . Diese Politik des Taktierens mußte notwendigerweise die Liberalen verärgern. „Graf Podewils bekundete zwar i n der Kammer i n feierlicher Erklärung seinen Willen, unberechtigten Aspirationen des Ultramontanismus ein ernstgemeintes: Bis hierher und nicht weiter! zuzuschleudern; allein i n Wirklichkeit tat er jahrelang nichts, u m das ins Rollen gekommene Rad der ultramontanen Machtentwicklung aufzuhalten. I m Gegenteil, es geschah unter i h m manches, was dessen Lauf noch beschleunigte 100 ." 96

München-Augsburger-Abendzeitung, Nr. 345 vom 12.12.1912. Näheres über diese Vorgänge bei Möckl, Karl: Die Prinzregentenzeit, S. 527 f. 98 München-Augsburger-Abendzeitung, Nr. 345 vom 12.12.1912. 99 Vgl. eine Äußerung Podewils' zum preußischen Gesandten Pourtalès, zit. bei Möckl, Karl: Die Prinzregentenzeit, S. 529 Anm. 179. 100 München-Augsburger-Abendzeitung, Nr. 345 vom 12.12.1912. 97

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Auch beim Zentrum honorierte man den Balanceakt nur bedingt. „Es kamen die Tage des Ministerium Podewils m i t viel gutem Wollen, aber ebenso großer Unentschlossenheit und gleichem Mangel klarer Grundsätze, so daß das Ansehen der Regierungsgewalt zu zerrinnen drohte 1 0 1 ." Freundlicher urteilt die „Donau-Zeitung", ebenfalls ein Zentrumsorgan: „ W i r anerkennen dankbar, daß namentlich das M i nisterium Podewils zum größten Teil auf die Intentionen der Zentrumspartei eingegangen ist 1 0 2 ." Besonders Kultusminister von Wehner kam den Katholiken sehr entgegen. Es erfolgten Maßnahmen, die einige Jahre vorher noch den energischsten Widerstand hervorgerufen hätten. „Das ließ sich vor allem auch auf dem Gebiete der Schulpolitik beobachten, w o ζ. B. der Stadt München die Errichtung neuer Simultanschulen glattweg verweigert wurde. Ebenso blieben die veränderten parteipolitischen Verhältnisse natürlich auch i n kirchenpolitischer Hinsicht nicht ohne Wirkung. Das zeigte die Auswahl der Personen bei Neubesetzung von Bischofsstühlen 103 ." Ein weiterer Stein des Anstoßes für die Liberalen war das Landtagswahlgesetz von 1906, u m das jahrelang gerungen wurde und das nur durch ein Zusammengehen von Sozialdemokraten und Zentrum möglich wurde, wozu der linke Flügel des Zentrums u m Heim und Schädler den Ausschlag gegeben hatte. Damit war i n Bayern die allgemeine, gleiche, direkte und geheime Wahl eingeführt. Die Wahlkreise, die nach dem Prinzip der relativen Mehrheitswahl vergeben wurden, waren schon zuvor neu eingeteilt worden, was dem Zentrum zugute kam. Innenminister von Feilitzsch, die letzte „liberale Bastion" i m Kabinett, hatte das vergeblich zu verhindern gesucht. Gerade m i t Hilfe der „Wahlkreisgeometrie" waren jahrzehntelang unsichere Wahlkreise zugunsten der Liberalen manipuliert worden. Resigniert stellt die „München-Augsburger-Abendzeitung" fest: „Gestärkt wurde die parlamentarische Macht des Zentrums i n hohem Grade durch das neue Landtagswahlgesetz, das möglichst i n seinem Interesse zu gestalten ja i n der Hand dieser Partei lag 1 0 4 ." Nachdem das Landtagswahlgesetz m i t einer 2 /s Mehrheit durchgesetzt war, trennten die Wege von Zentrum und SPD sich wiederum. 101

Bayerischer Kurier, Nr. 348 vom 13.12.1912. Donau-Zeitung, Nr. 616 vom 14.12.1912. München-Augsburger-Abendzeitung, Nr. 345 vom 12.12.1912. 104 Ebenda; zur Frage der Wahlrechtsreform vgl. Möckl, Karl: Die Prinzregentenzeit, S. 491 - 534. 102

103

5. Bayerns Innenpolitik unter der Regentschaft

145

Der linke Zentrumsflügel geriet i n die Minderheit. Allmählich gewann der rechte Flügel wieder an politischer Bedeutung, dessen Vertreter, soweit sie nicht dem Adel entstammten, durch sozialen Aufstieg den Anschluß an die herrschende Oberschicht gefunden hatten. Statt Heim gaben nun Männer wie Pichler, Lerno und Malsen den Ton an und führten die Partei vom Bündnis mit den Sozialdemokraten weg. Kooperation m i t der Regierung sollte die Regierungsfähigkeit beweisen 105 . „Die Klerikalen vermehrten ihre Ansprüche, die Verhältnisse w u r den ihnen günstig, und das Ruhebedürfnis des Regenten schlug die Brücken über die bisher eingehaltenen Grenzen; er kapitulierte vor dem rücksichtslosen L ä r m und Ansturm der Klerikalen 1 0 6 ." M i t der Kapitualiton meint die „Frankfurter Zeitung" die Berufung Hertlings i m Frühjahr 1912. Vorausgegangen war eine Landtagsauflösung, bedingt durch die unnachgiebige Haltung des Zentrums gegenüber Verkehrsminister von Frauendorfer, der m i t seiner Politik den Sozialdemokraten entgegenkam. Podewils scheiterte aber vor allem wie bereits Crailsheim an Wiedenmann, außerdem hatte sich Prinz L u d w i g für Hertling stark gemacht 1 0 7 . Georg Freiherr von Hertling war ein Exponent des hochklerikalaristokratischen Flügels des Zentrums, dennoch kann man nach Möckl i n seiner Berufung noch nicht die Einführung des parlamentarischen Systems i n Bayern sehen 108 . c) Luitpolds Verhältnis zur Kirche und zum politischen Katholizismus

„Prinz Luitpold ist ein gläubiger Katholik, aber kein klerikaler Eiferer gewesen" 109 , schreibt die liberale „Vossische Zeitung". Die nationalliberale „München-Augsburger-Abendzeitung" verweist auf die erneute Beteiligung des Hofes am kirchlichen Leben 1 1 0 . Nach zwölfjähriger Unterbrechung war der Regent wieder bei den Fronleichnamsprozessionen, den Zeremonien der Karwoche und anderen Feierlichkeiten anwesend. 105 Vgl. Möckl, Karl: Die Prinzregentenzeit, S. 543. 106 Frankfurter Zeitung, Nr. 344 vom 12.12.1912. 107 Vgl. Möckl, Karl: Die Prinzregentenzeit, S. 544 ff. 108 Ebenda, S. 547. 100 Vossische Zeitung, Nr. 633 vom 12.12.1912. 110 München-Augsburger-Abendzeitung, Nr. 345 vom 12.12.1912.

10 Ursel

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V I . Prinzregent Luitpold

Die katholische Presse weiß dies folgendermaßen zu würdigen: „Prinzregent Luitpold war ein Muster treuer Pflichterfüllung auch i n religiöser Hinsicht. Nie versäumte er den gebotenen Gottesdienst und w i r wissen, daß er auch die österliche Pflicht erfüllt h a t 1 1 1 . " Seine religiöse Toleranz w i r d hervorgehoben und m i t einem Exempel belegt. „Wie den Katholiken, so war er auch den Protestanten ein gnädiger Landesvater. I n der nächsten Umgebung des Regenten befanden sich Jahre hindurch Mitglieder des protestantischen Adels, das Zivilkabinett war einst ganz protestantisch 112 ." Beigetragen zu dieser toleranten Einstellung haben sicherlich die liberalen Hofgeistlichen, die, wie Möckl zeigt, einen nicht zu unterschätzenden Einfluß, ζ. B. als Vermittler zwischen Hof und Ministerien, hatten, obwohl dieser nicht i n den Akten erscheint 113 . I n erster Linie ist hier Jakob Ritter von Türk zu nennen, der bis zu seinem Tode i m Jahre 1912 Prinzregent Luitpold als Beichtvater betreute. Die liberale Geistlichkeit vertrat eine Haltung, die eine Annäherung an die herrschende Gesellschaftsschicht zu erreichen suchte und sich ebenso wie die höhere Geistlichkeit gegen radikal-bäuerliche Bestrebungen i m politischen Katholizismus wandte. Daher war das Verhältnis des Regenten zur Patriotenpartei bzw. zum Zentrum i m Gegensatz zu seinem Sohn L u d w i g sehr distanziert. Zeitweise war es sogar gespannt. Das Erstarken des linken Zentrumsflügels hatte i n katholischen Hofkreisen Mißtrauen hinterlassen. Einen spektakulären Ausdruck fand dies i n der Verhinderung des Deutschen Katholikentages i n München 1890. Der Wunsch des Regenten mußte i n katholischen Volkskreisen Befremden auslösen 114 . I n den folgenden Jahren erfolgten häufig Angriffe des Zentrums auf den Regenten, wenn auch meist i n versteckter Form, indem man i h m nahestehende Künstlerkreise kritisierte oder Prinz Ludwig, der auf diesem Gebiet nicht sehr hervortrat, als Kunstmäzen feierte 1 1 5 . Besonders hart mußte Luitpold aber eine Budgetstreichung von 100 000 Mark treffen, die der Landtag i m Etat für die Anschaffung von Kunstwerken 1902 vornahm. Die ungeschickte Einmischung des Kaisers i n der 111 112 113 114 115

Donau-Zeitung, Nr. 616 vom 14.12.1912. Ebenda. Vgl. Möckl, Karl: Die Prinzregentenzeit, S. 115 ff. Näheres bei Möckl, Karl: Die Prinzregentenzeit, S. 331 ff. Ebenda, S. 329.

6. Die Regierungsweise des Prinzregenten

147

sogenannten Swinemünder Depesche, i n der der Landtag heftig attakkiert worden war, und die späteren Äußerungen des Reichskanzlers und des bayerischen Ministers Crailsheim zu dieser Frage reizten das Zentrum derart, daß auf dem Parteitag i m Januar 1903 Kaiser und Regent von Heim als „gekrönte Agitatoren" gescholten wurden 1 1 6 . Als sich dann das Verhältnis unter dem Einfluß des rechten staatskonservativen Flügels gebessert hatte, wurde Luitpold von den Liberalen noch immer als parteipolitisch neutral dargestellt. Es gelang, i h m den Nimbus zu erhalten, „für das ganze Volk da zu sein" 1 1 7 . „So wenig er ultramontane Angriffe verdiente, als er liberale M i n i ster hatte, so wenig hatten die Ultramontanen ein Recht, i h n für sich i n Beschlag zu nehmen, nachdem er Herrn v. Hertling mit der Leitung der Geschäfte betraut hatte. Der Regent stand i n Wahrheit über den Parteien, und deshalb stehen alle Parteien trauernd an seiner Bahre 1 1 8 ." 6. Die Regierungsweise des Prinzregenten I n seltener Eintracht drücken sämtliche Presseorgane, egal ob links, rechts oder i n der politischen M i t t e angesiedelt, dem verstorbenen Regenten i n ihren Nachrufen ihr Wohlwollen aus. Liberale Blätter neigen häufig zu einem Ton der Verherrlichung und Verklärung seiner Regierung: „Jahr reihte sich an Jahr, Jahrzehnt an Jahrzehnt, und immer noch stand Prinzregent Luitpold m i t klarem Blick und fester Hand am Steuerruder des bayerischen Staatsschiffes 119 ." Für die nationalliberale „München-Augsburger-Abendzeitung" stellt der Prinzregent sogar das „Ideal eines modernen Regenten" 1 2 0 dar. Die Liberalen konnten m i t Luitpold zufrieden sein, denn wider Erwarten behielt er 1886 den liberalen Kurs bei. Daß die Entwicklung seit der Jahrhundertwende allmählich gegenläufig verlief, w i r d dem Regenten genausowenig angelastet wie die Berufung Hertlings. Gerade aus diesen Gründen hatte aber auch das Zentrum Anlaß zur Zufriedenheit. Nichts erinnert mehr an die Zeit der Konfrontation, die noch keine zehn Jahre zurückliegt. Der „Bayerische Kurier", das Hauptorgan des Zentrums, rühmt Luitpold als „korrekt durch und durch" 1 2 1 und die „Donau-Zeitung" 116 117 118 119 120 121

io•

Vgl. Möckl, Karl: Die Prinzregentenzeit, S. 525 ff. Ebenda, S. 559. Vossische Zeitung, Nr. 633 vom 12.12.1912. Pfälzische Volkszeitung, Nr. 344 vom 12.12.1912 (Mittags-Ausgabe). München-Augsburger-Abendzeitung, Nr. 345 vom 12.12.1912. Bayerischer Kurier, Nr. 348 vom 13.12.1912.

148

V I . Prinzregent Luitpold

hebt hervor, daß zu den Richtlinien der Regentschaft der Satz „Salus publica summa lex est" gehört habe 1 2 2 . Die Mehrheitspartei, wie das Zentrum bis i n amtliche Verlautbarungen hinein genannt wurde, war durch ihre Politik der Anpassung an die führenden gesellschaftlichen Gruppen zur bestimmenden politischen K r a f t geworden. Da die Haltung der Zentrumspresse schon anläßlich des 90. Geburtstages i m März 1911 die gleiche gewesen war, wurde sie bereits damals von der sozialdemokratischen „Münchner Post" als scheinheilig bezeichnet, j a es wurde versucht, „den glatten Beweis zu liefern, daß die mit ihrer Königstreue prunkenden Staatserhalter des Ortererregiments der Monarchie gefährlicher sind, als die, die sich das Recht vorbehalten, die Einzelherrschaft nicht als das Endgebilde der politischen Entwicklung zu erachten" 123 . Als Beispiele werden Aussprüche von Zentrumspolitikern angeführt: „,Unser greiser Regent ist so gebrechlich geworden, daß jeden Augenblick eine Katastrophe eintreten würde, wenn man jetzt mit einer Ministerstürzerei kommen würde/ Vor sechs Jahren hat eine Größe der Zentrumspartei, Herr Domprobst Franz Seraph Pichler, diesen taktvollen Satz i n überquellender Liebe zum Hause Wittelsbach ausgesprochen. I n der überquellenden Liebe jener ,kernmonarchischen' Partei, auf deren Holz die Schmückworte von der chinesischen Mauer, den preußischen Lakaien und dem gekrönten Agitator gewachsen sind 1 2 4 ." Nach dieser Polemik gegen die schwarzen „Profitmonarchisten" umreißt das Blatt die eigene Position: „Der Gerechtigkeit zollen w i r unseren Tribut durch einen Vergleich der monarchischen Vertretung Bayerns, mit der anderer Länder. Bei diesem Vergleiche gewinnt das Haus Wittelsbach i n vieler Hinsicht 1 2 5 ." Hier zeigt sich, daß die bayerische Sozialdemokratie, die schon 1894 durch ihre Zustimmung zum Budget eine konstruktive Haltung eingenommen hatte, nicht zu Unrecht als „königlich-bayerisch" bezeichnet wurde. Dieser Artikel, der nach dem Tode des Prinzregenten anstelle eines Nachrufs nochmals abgedruckt wurde, versucht von Luitpold ein B i l d zu entwerfen, das sich positiv von den Eigenheiten anderer Poten122

Donau-Zeitung, Nr. 616 vom 14.12.1912. Münchner Post, Nr. 60 vom 12./13. 3.1911. 124 Münchner Post, Nr. 60 vom 12./13. 3.1911; Pichler hatte sich im Jahre 1905 bei der Generalversammlung des Augustinusvereins am 19. August in Straßburg abfällig über das hohe Alter des Regenten geäußert. Die Öffentlichkeit erfuhr davon durch die M N N , Nr. 396 vom 26. 8.1905. Es war diesem Blatt gelungen, einen Korrespondenten in die Veranstaltung einzuschmuggeln, der die vertraulich gemachten Äußerungen mitschreiben konnte. 125 Münchner Post, Nr. 60 vom 12./13. 3.1911. 123

6. Die Regierungsweise des Prinzregenten

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taten abhebt: „Auch die Gegner des monarchischen Prinzips müssen zugestehen, daß der derzeitige Vertreter der Krone Bayerns seine A u f gabe m i t Geschick und Zurückhaltung erfüllt. Ohne aufgeregte Reden, ohne Verletzung und Brüskierung des Volkes, ohne zwingende Einmischung i n die politischen Angelegenheiten, ohne verschwenderisches Gepränge und ohne kostspielige selbstherrliche Anfälle 1 2 6 ." Die gleiche Haltung findet sich i n den übrigen sozialdemokratischen Organen des Königreichs und wurde i m bayerischen Innenministerium, aber auch i n der außerbayerischen Presse aufmerksam registriert 1 2 7 . Das „Journal de Genève" vom 12.12.1912 bemerkt, daß die Sozialdemokraten m i t den Liberalen und Katholiken einig seien i n der Hervorhebung der Verdienste des verstorbenen Regenten. Sogar die reaktionäre „Kreuzzeitung", die i m gleichen A r t i k e l vor der „roten F l u t " warnt, muß zugestehen: „ I n dem Gefühl dankbarer Verehrung für diesen edlen Fürsten ist das ganze Volk, sind selbst viele Sozialdemokraten, eins geworden 1 2 8 ." Sicher hat ein gewisser Respekt vor der greisen Vaterfigur des Regenten zu dieser einmütigen Haltung beigetragen. Daneben mag w o h l ein psychologisches Moment mitgespielt haben, nämlich die geschickte Behandlung des Bürgertums während der Regentschaft. Bekanntlich wurden ständig bürgerliche Gäste zur Tafel des Prinzregenten geladen. Nicht nur Künstler und Gelehrte gehörten dazu. Wie aus Pressestimmen, zitiert i n den „Münchner Neuesten Nachrichten" 1 2 9 , hervorgeht, umwarb der Regent auch die Journalisten, deren Tätigkeit er würdigte und deren Vertreter er zu dem großen Festdiner anläßlich seines 90. Geburtstages nicht als Berichterstatter, sondern als Gäste einlud. K r i t i k am Regenten wird, wenn überhaupt, nur i n indirekter Form geübt. So vermißt z.B. der „Bayerische K u r i e r " i m Gegensatz zur „Münchner Post" das Gepränge i m „dürftigen Hofleben" 1 3 0 . Vor allem seine Herrscherqualitäten werden zumindest angezweifelt. „Der General und Armeeinspektor Luitpold von Bayern war keine Herrschernatur", schreibt der Berner „ B u n d " 1 3 1 . „He was never a great 126

Münchner Post, Nr. 289 vom 13.12.1912. Das Titelblatt der Nr. 343 vom 13.12.1912 des „Nürnberger Anzeigers" ist in den Akten mit der Bleistiftbemerkung „Sozialdemokratisches Blatt mit Trauerrand!" versehen worden, A S t A M M I n n 46807. 128 Neue Preußische Zeitung, Nr. 583 vom 12.12.1912. 128 M N N , Nr. 130 vom 18. 3.1911. 130 Bayerischer Kurier, Nr. 348 vom 13.12.1912. 181 Der Bund, Nr. 585 vom 12.12.1912. 127

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politician", meint die Londoner „Times" und bekräftigt diese Feststellung noch m i t der Aussage: „ I t would be difficult to name an important event i n his long life i n which he took the real initiative 1 3 2 ." Bereits 1889 hatte der preußische Gesandtschaftssekretär Graf Philipp zu Eulenburg Luitpold als „Puppe" bezeichnet, „die geschoben wird"133. „Das Bayerische Vaterland" versucht allerdings aus der Not eine Tugend zu machen, wenn es glaubt, es sei aus „dieser A r t von zurückhaltender und vorsichtiger nach keiner Seite hin Anstoß erregenden Regierungsmethode für Bayern ein größerer Nutzen und Vorteil erwachsen, als wenn ein Mann von starker Initiative und überquellender geistiger und politischer Betätigimg an der Spitze des bayerischen Staates gestanden hätte 1 3 4 ." Die Regentschaft bot Prinz Luitpold die Gelegenheit, mit einem M i n i m u m an Eigeninitiative zu regieren, da ihn das Ministerium i n dieser Hinsicht entlastete 135 . Daher änderte sich nicht viel, als der Regent zunehmend senil wurde. „Seit Monaten auch war die Regentschaft nur mehr eine F i k t i o n " 1 3 8 , schreibt der „Vorwärts". Dies w i r d durch den Untersuchungsbefund vom 26. Oktober 1912 bestätigt, den Geheimrat von Angerer erstellte. Danach leide der Regent „an fortschreitender Arteriosklerose. Infolgedessen sei der Stand seiner geistigen Fähigkeiten ein schwankender" 137 . Schon bei der Berufung des Ministeriums Hertling war nicht mehr Luitpold, sondern sein Sohn Prinz L u d w i g die ausschlaggebende K r a f t gewesen. Auch die Repräsentanz war, wie der Berner „Bund" feststellt 1 3 8 , bereits seit Jahren Prinz L u d w i g zugefallen. Jedoch nicht nur der „Kronprinz", sondern zugleich die übrigen Vertrauten gewannen an Einfluß. „Es ist bei der Entwicklung eines Charakters, wie dem des Regenten, zu natürlich, daß die ihn umgebenden Personen eine Umwelt werden, deren Einfluß eine m i t den Jahren zunehmende Macht gewinnt 1 3 9 ." Die eigentliche Entscheidungszentrale war die Geheimkanzlei, die der Prinzregent 1886 anstelle des vielbekämpften Kabinettssekreta132

The Times, Nr. 40081 vom 13.12.1912. Vgl. Möckl, Karl: Die Prinzregentenzeit, S. 107. 134 Das Bayerische Vaterland, Nr. 288 vom 15.12.1912. 135 Vgl. Möckl, Karl: Die Prinzregentenzeit, S. 147. «β vorwärts, Nr. 291 vom 13.12.1912. 137 Deuerlein, Ernst: Prinzregent Luitpold und Ministerium Hertling, in: Unser Bayern, 1952, Nr. 4. 138 Der Bund, Nr. 585 vom 12.12.1912. 139 Bayerischer Kurier, Nr. 348 vom 13.12.1912. 133

7. Königsfrage — Legitimität — Monarchisches Prinzip

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riats eingerichtet hatte. „ E i n anderer Name für die gleiche Sache" 140 , bemerkt die „Frankfurter Zeitung" m i t Recht. A l l e Vorträge der Minister liefen über diese Zwischenstation, i n sämtlichen Angelegenheiten ließ sich der Regent hier beraten. Der Chef der Geheimkanzlei war damit der mächtigste Mann i n Bayern. Bis zu seinem Tod 1891 stand der langjährige persönliche Freund des Regenten General von Freyschlag an diesem Platz. I h m folgte Friedrich von Zoller. A b 1900 nahm Peter von Wiedenmann, ebenfalls ein Duzfreund Luitpolds, dessen Position ein und hat von dort entscheidend zum Sturz der leitenden Minister Crailsheim und Podewils beigetragen. 7. Königsfrage — Legitimität — Monarchisches Prinzip Die Ereignisse des Jahres 1886 hatten, wie die „Kölnische Volkszeitung" richtig bemerkt, „eine kritische Periode für das monarchische Empfinden des Volkes" 1 4 1 eingeleitet. Lediglich einige katholische Provinzblätter Bayerns verkennen diese Tatsache. So behauptet der „Regensburger Anzeiger": „Das Ansehen und die autoritative Stellung des Königtums ist gekräftigt und i m Volke machtvoll befestigt worden 1 4 2 ." M i t Pathos pocht die „Neue Augsburger Zeitung" auf die Stärke des monarchischen Prinzips, das angeblich vom „nagenden inneren Feind" bedroht w i r d : „Aber das monarchische Prinzip, das sich zu der Majestät des Gewordenen i n Einklang bringt, ohne seine i n Gott ruhenden ewigen Fundamente zu erschüttern, trotzt stärker denn j e als Fels i m Meere der zersetzenden Gewalten 1 4 3 ." Wie bereits dargelegt 1 4 4 , hatte die Entmündigung Ludwigs II. viel böses B l u t erzeugt und keineswegs das Vertrauen i n die monarchische Staatsform festigen helfen. Besonders problematisch war der Umstand, daß der Thron nach dem Tode Ludwigs I I . dessen Bruder Otto zufiel. Dieser war jedoch seit Jahren geisteskrank und dämmerte i n Schloß Fürstenried vor sich hin. Sein Vermögen stand schon seit 1878 unter Kuratel. wo Frankfurter Zeitung, Nr. 344 vom 12.12.1912. 141 Kölnische Volkszeitung, Nr. 1088 vom 12.12.1912 (Mittags-Ausgabe). 142 Regensburger Anzeiger, Nr. 631 vom 13.12.1912. 143 Neue Augsburger Zeitung, Nr. 288 vom 12.12.1912; Nachruf mit gleichem Wortlaut auch in der Augsburger Postzeitung vom 12.12.1912. 144 Vgl. Kap. V I , 2.

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Da Otto 1886 erst 38 Jahre alt und abgesehen von seinem Geisteszustand bei bester Gesundheit war, konnte ein Ende der Regentschaft für den nominellen König nicht i n absehbarer Zukunft erwartet werden. Diese Lösung war zweifellos korrekt, wurde aber von vielen als unbefriedigend empfunden, was auch i n manchen Nachrufen deutlich wird. „Der Namens-König aber, dessen Land Prinz Luitpold verwesen mußte, war ein unheilbar Geisteskranker, nicht erst erkrankt, als er auf dem Throne saß und somit durch Rücksichten der Pietät i n seiner Würde geheiligt, sondern als Kranker durch einen leeren Buchstaben des Gesetzes zur Nachfolge berufen 1 4 5 ." Das Bedrückende an dieser Situation w i r d von der „Zweibrücker Zeitung" hervorgehoben: „Es hat etwas Peinigendes, auf Münzen das B i l d eines hoffnungslos Umnachteten zu sehen; und sich zu erinnern, daß dieser Begrabene — König ist 1 4 6 ." So etwas kann nicht i m Sinne des monarchischen Prinzips sein. „Und darum ist hier die Legitimität eine Gefahr" 1 4 7 , stellt das Blatt fest. Die „Fränkische Zeitung" verteidigt hingegen den legitimistischen Standpunkt: „Man war vielfach der Ansicht, zweckmäßiger wäre es gewesen, wenn der Prinz nicht als Regent, sondern direkt als König die Zügel i n die Hand genommen hätte, allein wer sich der Verhältnisse von damals noch i m einzelnen erinnert, der w i r d zugeben müssen, daß des Prinzen ausgeprägtes Verantwortungsgefühl i h n richtig leitete, als er den von streng staatsrechtlicher Auslegung vorgezeichneten Weg betrat und auch später stets bei dieser seiner Auffassung beharrte 1 4 8 ." Die Legitimisten beriefen sich i n erster Linie darauf, daß während der Regentschaft die Verfassung nicht geändert werden dürfe 1 4 9 . Dieser Grundsatz diente der politischen Führungsschicht vor allem als Alibi, u m unerwünschte Forderungen anderer politischer und gesellschaftlicher Gruppen abzuwehren. So wurde z.B. die Reform des Landtagswahlgesetzes zehn Jahre lang hinausgezögert. Prinz Luitpold scheute aber auch aus persönlichen Gründen die Bürde des Königsamtes. Er hätte mehr Verpflichtungen auf sich nehmen müssen, was i h m von seiner Umgebung nicht zugetraut wurde. 145 146 147 148 149

Straßburger Post, Nr. 1449 vom 12.12.1912 (Mittags-Ausgabe). Zweibrücker Zeitung, Nr. 298 vom 16.12.1912. Ebenda. Fränkische Zeitung, Nr. 346 vom 16.12.1912. Vgl. Möckl, Karl: Die Prinzregentenzeit, S. 367 Anm. 54.

7. Königsfrage — Legitimität — Monarchisches Prinzip

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Außerdem hätte seine Popularität noch stärkeren Schaden gelitten, als es schon ohnehin der Fall w a r 1 5 0 . „Der Umwandlung der Regentschaft i n ein Königtum hat der Prinzregent stets widerstrebt, er wollte Reichs ver weser sein und bleiben 1 5 1 ." Dennoch waren Versuche dazu unternommen worden. Seit dem 70. Geburtstag Luitpolds 1891 machte sich eine Gruppe u m Prinz L u d w i g dafür stark. Die Aussichten für eine Beendigung der Regentschaft waren zunächst nicht schlecht. Ein drohender Skandal u m den Weifenfonds ließ es jedoch 1893 geraten erscheinen, dieses Thema wieder fallen zu lassen. Obwohl ein relativ großer Personenkreis von den Zahlungen an Ludwig II. und Graf Holnstein aus den M i t t e l n des Weifenfonds erfahren hatte, blieb sogar von seiten der „Münchner Neuesten Nachrichten" die Diskretion gewahrt. Da diese Frage aber wie ein Damoklesschwert über dem Hause Wittelsbach hing, verstärkte sich dadurch nur die Abhängigkeit des Regenten von den führenden gesellschaftlichen Gruppen 1 5 2 . Weitere Initiativen erfolgten aus den Reihen der Kammer der Abgeordneten und von dem Münchner Staatsrechtslehrer Anton Dyroff, der einen Lösungsvorschlag vorbrachte. Danach sollte durch einen Verfassungszusatz eine zeitliche Begrenzung ermöglicht werden. Doch blieben diese Vorstöße ohne Resonanz beim Regenten 153 . Die Königsfrage konnte bis 1912 nicht gelöst werden und belastete noch Luitpolds Nachfolger 154 . Dieses Problem veranlaßt die „Zweibrücker Zeitung" zu einer Reflexion über die Zukunft der monarchischen Staatsform: „Das Königtum, wenn es sein Recht auf Dauer erweisen w i l l , w i r d unromantisch und frei von Mystik sein. Die Fiktion aber, die i m Namen eines Geisteskranken herrscht, kann doppelt verhängnisvoll werden: entweder das Königtum scheint zwecklos, weil j a ein Ungekrönter regiert; oder es w i r d des Rückfalls i n gefährliche Mystik verdächtigt: weil es beansprucht, von menschlichen Beschaffenheiten unabhängig zu sein. Ein Machtsystem, das u m einen gewichtslosen Zentralkörper kreist, kann seiner auch ganz entraten 1 5 5 ." 158

Ebenda, S. 366. Schwäbischer Merkur, Nr. 582 vom 12.12.1912. Näheres bei Noll von der Nahmer, Robert: Bismarcks Reptilienfonds, S. 150 ff.; Möckl, Karl: Die Prinzregentenzeit, S. 367 ff. iss vgl. Arnswaldt, Verena von: Die Beendigung der Regentschaft in Bayern 1912/13, in: Z B L G 30, 1967, S. 860 f. 154 Vgl. Kap. V I I , 3. 155 Zweibrücker Zeitung, Nr. 298 vom 16.12.1912. 151

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Diese Forderung nach einer zeitgemäßen Ausübung der Funktion des Monarchen i m Staate zeigt, daß i m beginnenden 20. Jahrhundert das Gottesgnadentum m i t all seinen Konsequenzen nicht mehr akzeptiert wurde. Das Königtum war seiner charismatischen Weihe entkleidet, es wurde bereits ganz nüchtern als Institution der Verfassung angesehen. Darin drückt sich die Entwicklung vom persönlichen Königtum zu einer weitgehend abstrakten Vorstellung vom Staate aus. Der Aufgabe, die die bayerische Verfassung dem Monarchen als Träger der Souveränität zudachte, war Luitpold i n keiner Weise gewachsen. Er trug noch weiter zur Aushöhlung des monarchischen Prinzips bei, indem er, wie Möckl feststellt, „zum Integrationsfaktor der verschiedenen Elemente der Oberschicht w u r d e " 1 5 6 . Dabei war aber die entscheidende Gelegenheit versäumt worden, „das monarchische Prinzip unter den veränderten Bedingungen zukunftsweisend zum Maßstab der politisch-staatlichen Ordnung aller vorhandenen Kräfte zu machen" 1 5 7 .

1M 167

Möckl, Karl: Die Prinzregentenzeit, S. 475. Ebenda.

VIL Ludwig I I I . 1. Die Beurteilung seiner Persönlichkeit und seiner Interessen „Prunklos und schlicht war die Lebenshaltung des verstorbenen Königs" 1 , schreiben die liberalen „Münchner Neuesten Nachrichten" i n ihrem Nachruf. „Ungekünstelte Einfachheit" und „gewissenhafte Sparsamkeit" hebt der „Bayerische K u r i e r " 2 , ein Organ der Bayerischen Volkspartei, als besondere Eigenschaften hervor. „Persönliche Eitelkeit war dem fast spießbürgerlich einfachen Manne fremd. Sein königliches Erdenwallen war bis zum Ausbruch des Weltkrieges fast biedermeierlich angehaucht 3 ." Diese Feststellung der sozialdemokratischen „Münchner Post" weist, wenn auch etwas pointierter, i n die gleiche Richtung. I n diesem Punkt sind sich alle Blätter einig. Darin gleicht L u d w i g I I I . ganz seinem Vater Prinzregent Luitpold. Wie dieser mußte er sich finanziell einschränken, da er trotz der faktischen Stellung eines Kronprinzen nicht über dessen M i t t e l verfügen konnte 4 . Seine bürgerliche Kleidung entsprach nicht der Mode. Weil er sich nicht u m die inzwischen eingeführte Bügelfalte kümmerte, zog er sich den Spottnamen „Ludwig, der Vielfältige" 5 zu. Bürgerlich w i r k t e auch seine Angewohnheit, allwöchentlich i n den Pschorrbräubierhallen i n der Neuhauser Straße einen Kegelabend zu verbringen. Diese Haltung blieb aber, wie die „Münchener Zeitung" i n ihrer Charakteristik schreibt, nicht auf das Äußere beschränkt. Er ließ sich von einem „gesunden, vielleicht da und dort hausbackenen Menschenverstand" 6 leiten. Das schlug sich i n seiner Redeweise nieder, so daß seine Sätze „nicht immer den Anforderungen eines Oberlehrers" 7 standhielten. 1

M N N , Nr. 442 vom 19.10.1921. Bayerischer Kurier, Nr. 444 vom 19.10.1921. 8 Münchner Post, Nr. 243 vom 19.10.1921. « Vgl. Kap. V I , 1. 8 Bayerischer Königsbote, Nr. 47 vom 19.11.1921. 8 Münchener Zeitung, Nr. 287 vom 19.10.1921. 7 Ebenda. 2

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Daß diese Einfachheit negative Auswirkungen auf sein Ansehen hatte, registriert der „Bayerische K u r i e r " m i t Erstaunen, „denn es waren bürgerliche, demokratische Tugenden i m besten Sinne" 8 . Aber selbst der „Bayerische Königsbote", ein monarchistisches Blatt, sieht hier ein Manko: L u d w i g I I I . fehlte „der elektrische Funke, das Hinreißende i n der äußeren Erscheinung, das schon so viele Fürsten den Herzen näher gebracht hat" 9 . L u d w i g I I I . war keine Soldatennatur, daher zeigte sich bei i h m eine deutliche Abneigung gegen das Tragen von Uniform 1 0 . „Die militärische Laufbahn, welcher der Prinz ohnehin nicht m i t Leib und Seele angehörte, nahm durch seine Verwundung i m Kriege 1866 ihr unvorhergesehenes Ende 1 1 ." I m Unterschied zu seinen Vorgängern war er kein Kunstmäzen. Dazu fehlte i h m nicht nur die Gelegenheit, da seine kurze Regierungszeit größtenteils i n den Weltkrieg fiel, sondern auch das Verständnis. „Die m i t dem ersten L u d w i g sprichwörtlich gewordene Wittelsbacher Beschützung der schönen Künste überließ er w i l l i g dem trefflichen und von den drei Söhnen einzig dazu geeigneten Aeltesten 1 2 ." Kronprinz Rupprecht war also eine ähnliche Rolle zugewachsen wie einst Ludwig I. vor seinem Regierungsantritt. Ludwig I I I . hatte andere Interessen. „Er hat lieber eine landwirtschaftliche Ausstellung als eine Kunstausstellung besucht, und die Ateliers der Künstlers, i n denen sich sein Vater so heimisch fühlte, waren i h m fast fremd 1 3 ." Daher bedauerte man, wie die „Frankfurter Zeitung" feststellt, „ i n weiten Münchner Kreisen das Ende der kunstfreundlichen Aera Luitpolds" 1 4 . Statt dessen hat er sich zwei anderen Aufgabenbereichen zugewandt, der Landwirtschaft und der Kanalschiffahrt. „Wie er m i t 67 Jahren zur Regierung kam, hieß es ironisch und doch anerkennend und so treffend: Ein Bauer ist König geworden 15 ." Er besaß Mustergüter i n Leutstetten und Sarvar i n Ungarn. Wie die übrigen Großgrundbesitzer stand er dem Landwirtschaftlichen Verein nahe, dessen Ehrenpräsident er wurde. 8

Bayerischer Kurier, Nr. 444 vom 19.10.1921. Bayerischer Königsbote, Nr. 43 vom 22.10.1921. 10 Diese unpreußische Eigenschaft stellt die Londoner Times bei ihm fest, Nr. 42855 vom 19.10.1921. 11 Bayerischer Kurier, Nr. 444 vom 19.10.1921. 12 Bayerische Nationalzeitung, Nr. 286 vom 19.10.1921. 13 Münchener Zeitung, Nr. 287 vom 19.10.1921. 14 Frankfurter Zeitung, Nr. 778 vom 19.10.1921. 15 Bayerische Nationalzeitung, Nr. 286 vom 19.10.1921. 9

2. Das politische Verhalten bis zur Regentschaftsübernahme

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„Dem Ausbau der lang verkannten Wasserwege wendete er i n zäher Ausdauer erfolgreiche Förderung zu. Wie oft hat er i m ,Verein für Hebung der Fluß- und Kanalschiffahrt', später kurzweg Bayerischer Kanalverein genannt, das Wort ergriffen, u m einzutreten für einen leistungsfähigen Großschiffahrtsweg zwischen der Nordsee und dem Schwarzen Meer 1 6 ." Bereits i n seiner Studienzeit hatte er sich vor allem mit Volkswirtschaft und Technik beschäftigt. Die Universität München verlieh i h m deswegen schon 1872 den Ehrendoktor der Staatswirtschaft. 1901 folgte dann die Ernennung zum Dr. h. c. der Technischen Hochschule. L u d w i g I I I . kann daher m i t Recht als „ein neuer Typ bayerischen Herrschertums" 17 bezeichnet werden. 2. Das politische Verhalten bis zur Regentschaftsübernahme Prinz Ludwig nahm wie die übrigen Prinzen des königlichen Hauses seit seiner Volljährigkeit als Mitglied der Kammer der Reichsräte am politischen Leben Bayerns teil. Der „Bayerische K u r i e r " 1 8 erinnert daran, daß er i m Januar 1870 m i t den meisten Prinzen für das Mißtrauensvotum gegen das Ministerium Hohenlohe gestimmt hatte. Diese Demonstration wurde von König L u d w i g II. mit Mißfallen aufgenommen. Das Verhältnis des Monarchen zu seinem Vetter L u d w i g war ohnedies nicht das beste. Auch vor dem E i n t r i t t Bayerns ins Reich erhob dieser Bedenken. „ A m 30. Dezember 1870 führte er i m Reichsrat bei Beratung der Versailler Verträge aus, daß er eine preußische Hegemonie und mangelnden Schutz gegen etwaige Übergriffe des Präsidialstaates befürchte 19 ." Große Sympathien erwarb der Prinz sich durch sein entschiedenes Eintreten für die Wahlrechtsreform, die durch das Bündnis von Zent r u m und Sozialdemokratie ermöglicht wurde. „ I m Jahre 1906 hielt der damalige Prinz L u d w i g i n der bayerischen Reichsratskammer eine Rede für das von der Abgeordnetenkammer bereits angenommene, den feudalen Reichsräten aber nicht sonderlich recht annehmbar erscheinende allgemeine, gleiche und geheime Wahlrecht. Zweifellos war die schließliche Annahme des bezüglichen Gesetzesentwurfes auch i m Reichsrat nur diesem prinzlichen Zureden zu verdanken 2 0 ." 16 17 18 19 20

M N N , Nr. 442 vom 19.10.1921. Bosl, Karl: Der moderne bayerische Staat von 1806 - 1956, S. 29. Bayerischer Kurier, Nr. 344 vom 19.10.1921. Bayerisches Volksblatt, Nr. 241 vom 19.10.1921. Bayerisches Volksblatt, Nr. 244 vom 22.10.1921.

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Sogar August Bebel, schreibt das „Bayerische Volksblatt" 2 1 , lobte damals Ludwigs Verhalten und hielt es für unmöglich, daß ein preußischer Prinz i m Herrenhaus ähnlich für eine Reform des DreiklassenWahlrechts eintreten könnte. Doch nicht nur i m bayerischen Reichsrat, sondern auch i m Reichstag wollte L u d w i g politisch aktiv werden. So „erhoffte er einmal, und zwar i m März 1871, i n den deutschen Reichstag gewählt zu werden und ließ sich zu diesem Behuf e i m Wahlkreis München I I von der i h m von jeher sympathischen Zentrumspartei nominieren. Die geistlichen Herren, an ihrer Spitze der Münchener Erzbischof von Scherr, legten sich auch für seine Kandidatur gewaltig ins Zeug. Aber er mußte den Schmerz erleben, daß er dem liberalen Gegenkandidaten, dem Stadtrichter Kastner unterlag" 2 2 . I n dieser Kandidatur dokumentiert sich am deutlichsten das Bestreben der katholisch-konservativen und noch nach der Reichsgründung stark nach Österreich orientierten „Hofpartei", m i t der Patriotenpartei zusammenzuarbeiten, die weltanschaulich und politisch gleiche Ziele verfolgte, obwohl kaum gesellschaftliche Verbindungen vorhanden waren 2 3 . Prinz L u d w i g war, wie die „Augsburger Postzeitung" feststellt, ein „überzeugter Anhänger einer christlichkonservativen Staatspolitik" 2 4 und trat für kirchliche Belange ein, wie die Konfessionsschule und die Lösung der Altkatholikenfrage. Da nur staatsloyale Vertreter der Kirche i n den Reichsrat gelangten, verfochten dort nicht Kleriker, sondern Laien am nachdrücklichsten die kirchlichen Interessen 26 . Daß L u d w i g seine einseitig katholische Haltung nach 1912 etwas revidiert hat, wertet die liberale „Pfälzische Presse" als positiv: „Wenn auch der ehemalige Prinz L u d w i g manchen unklugen Spruch i n religiöser Hinsicht getan und damit Befremden i n den Herzen A n dersgläubiger hervorgerufen hat, als König hat er sich redlich bemüht, die Rechte aller Bewohner seines Landes zu achten und zu schützen 26 ." Noch i m Jahre 1910 hatte er sich, wie die „Frankfurter Zeitung" bemerkt, i n Altötting zum „Katholizismus als der einzig wahren und echten Religion" 2 7 bekannt. 21 22 23 24 25 26 27

Bayerisches Volksblatt, Nr. 244 vom 22.10.1921. Ebenda. Vgl. Möckl, Karl: Die Prinzregentenzeit, S. 113. Augsburger Postzeitung, Nr. 476 vom 19.10.1921. Vgl. Möckl, Karl: Die Prinzregentenzeit, S. 196. Pfälzische Presse, Nr. 290 vom 20.10.1921. Frankfurter Zeitung, Nr. 778 vom 19.10.1921.

2. Das politische Verhalten bis zur Regentschaftsübernahme

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Größeres Aufsehen über Bayern hinaus erregte der Prinz durch zwei Reden i n den Jahren 1896 und 1906, was durch einen Hinweis der Londoner „Times" 2 8 bekräftigt wird. A m 15. J u l i 1906 ging er i n einer Ansprache zum deutschen Schützenfest auf das enge Freundschaftsverhältnis zwischen dem Reich und der Donaumonarchie ein. Dabei empfahl er den Österreichern, sich die Schweiz zum Vorbild zu nehmen, wo Deutsche m i t anderen Völkern seit Jahrhunderten friedlich zusammenlebten, ohne ihr deutsches Volkstum aufzugeben. Noch mehr Staub aber hatte seine Moskauer Rede vom 6. Juni 1896 aufgewirbelt. Als nämlich auf einem Gartenfest des Deutschen Reichsvereins, an dem die zu den Moskauer Krönungsfeierlichkeiten des letzten Zaren erschienenen Vertreter der deutschen Höfe anwesend waren, die deutschen Fürsten als „Gefolgschaft" des Prinzen Heinrich von Preußen begrüßt wurden, verwahrte sich L u d w i g gegen die Bezeichnung „Gefolge" und betonte, daß sie nicht „Vasallen", sondern „Verbündete" des Kaisers seien 29 . „Diese Worte haben damals nicht nur ungeheures Aufsehen gemacht, sondern auch eine tiefe Verstimmung i n Berlin ausgelöst, die zu beheben Prinz L u d w i g veranlaßt wurde. Bald darauf hörte man von einer Reise des Prinzen L u d w i g zu Kaiser Wilhelm, die i m Volke allgemein als Canossagang ausgelegt wurde 3 0 ." Die kopflose Haltung der bayerischen Regierung, die Konsequenzen von preußischer Seite befürchtete, führte nämlich dazu, daß nachdem Ludwig bereits ein Telegramm an den Kaiser gerichtet hatte, das geradezu untertänig w i r k e n mußte, er dazu gedrängt wurde, dem Kaiser auf der Rückreise i n K i e l sein Vorgehen nochmals persönlich zu erläutern. Diese Unterredung hatte jedoch nicht den gewünschten Erfolg 3 1 . Nach dem Tod General von Freyschlags verstärkte sich das politische Gewicht Ludwigs, da er nun dessen Nachfolger i n seinem Sinne zu beeinflussen suchte 32 . Einen entscheidenden A n t e i l am Fortgang der bayerischen Politik gewann er allerdings erst gegen Ende der Regentschaft seines Vaters. „ N u r den Sturz des Ministeriums Podewils i m November 1911 hat er 28

The Times, Nr. 42855 vom 19.10.1921. Vgl. Hohenlohe-Schillingsfürst, Chlodwig Fürst zu: Denkwürdigkeiten der Reichskanzlerzeit, S. 236 ff. 80 Augsburger Postzeitung, Nr. 476 vom 19.10.1921. 81 Vgl. Möckl, Karl: Die Prinzregentenzeit, S. 393 ff. 82 Vgl. Möckl, Karl: Die Prinzregentenzeit, S. 389. 29

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herbeigeführt und damit Bayerns Abkehr von einer Wahlbundespolitik m i t dem Sozialismus 33 ." 3. Die Beendigung der Regentschaft Da eine Beendigung der Regentschaft von Prinzregent Luitpold abgelehnt worden w a r 3 4 , blieb die Frage bis zum Jahre 1912 ungelöst. Als sich i m Herbst dieses Jahres der Gesundheitszustand des Regenten rapid verschlechterte und m i t seinem baldigen Ableben gerechnet werden mußte, erfolgte ein Vorstoß i n dieser Richtung, der von Innenminister von Soden ausging 35 . Für die Regierimg standen zwei Lösungsmöglichkeiten zur Debatte, einmal eine Proklamation Ludwigs zum König aus eigenem Recht, zum andern eine Verfassungsergänzung. Die erste Möglichkeit wurde fallengelassen, da ein Gutachten des Justizministeriums klarstellte, daß eine Proklamation einem Verfassungsbruch gleichkommen würde. Damit war aber eine Sofortlösung beim Tode des Regenten vereitelt. N u n versuchte man durch Einschaltung der Parteien eine Verfassungsergänzung durchzusetzen. „Die Zustimmung des Landtags, natürlich m i t Ausnahme der sozialdemokratischen Fraktion i n der Abgeordnetenkammer, glaubte Hertling sicher zu sein und war nicht wenig überrascht, als die Zentrumsfraktion grundsätzliche und staatsrechtliche Bedenken gegen diese Revolution von Oben4 erhob 3 6 ." Der Fraktionsvorsitzende des Zentrums Lerno hatte dieses Argument gegen eine Verfassungsänderung vorgebracht und erklärt, seine Partei hätte einer sofortigen Königsproklamation zugestimmt 3 7 . Dies zeigt, daß dem Zentrum das Gutachten des Justizministeriums unbekannt geblieben war. Da Freiherr von Malsen seine Partei aus persönlichen Gründen zur Ablehnung verleitet hatte, konnte die Frage noch bis zum Herbst 1913 nicht gelöst werden. Nach Bekanntwerden des Gutachtens i m Oktober 1913 erfolgte ein zweiter Anlauf. Diesmal ging aber die Initiative von den Parteien aus. „Der Landtag konnte sich der Erkenntnis nicht verschließen, daß Bayerns Stellung 33

Bayerische Nationalzeitung, Nr. 286 vom 19.10.1921. Vgl. Kap. V I , 7. 35 Eine knappe Darstellung der Problematik und Vorgänge bietet Albrecht, Willy: Landtag und Regierung in Bayern am Vorabend der Revolution von 1918, S. 4 8 - 6 1 ; ferner ist auf die ausführlichere Untersuchung von Verena von Arnswaldt hinzuweisen: Die Beendigung der Regentschaft in Bayern 1912/13, in: Z B L G 30, 1967, S. 859 - 893. 36 Bayerisches Volksblatt, Nr. 244 vom 22.10.1921. 37 Vgl. Albrecht, Willy: Landtag und Regierung, S. 53. 34

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und sein Ansehen als zweitgrößter Bundesstaat es erheische, den mit dem Staatswohl und dem monarchischen Gedanken unvereinbaren Zustand zu beenden. So hat L u d w i g durch Proklamation vom 5. Nov. 1913 die Regentschaft für beendet erklärt und die Königswürde angenommen 3 8 ." Da m i t Rücksicht auf das Gottesgnadentum die M i t w i r k u n g des Landtags auf ein M i n i m u m reduziert wurde, blieb bei den Liberalen eine Verstimmung zurück, denn die nachträgliche Hinzuziehung des Landtages war eine Farce. Die sozialdemokratische Fraktion hatte deswegen ihre Zustimmung verweigert. Die Beendigung der Regentschaft wurde i m Lande grundsätzlich positiv aufgenommen; sie bewirkte, daß nach 27 Jahren wieder ein v o l l handlungsfähiger Monarch i n Bayern regierte. Sympathieverluste mußte L u d w i g I I I . lediglich i n Kreisen der Landbevölkerung hinnehmen, wo die Zuneigung zu L u d w i g II. auf dessen Bruder Otto übergegangen war; auch „starre Legitimisten haben i h m die rücksichtslose Beseitigung des irrsinnigen Otto nicht vergessen" 39 . Erst i m Weltkrieg erinnerte man sich wieder daran, als seine Beliebtheit aus anderen Gründen bereits gelitten hatte, und nahm i h m seine vorzeitige Thronbesteigung übel. 4. Ludwigs Haltung im Weltkrieg a) Großbayerische

Träume

„Exkönig Ludwig war jener König, der das schöne Wort prägte: ,Viel Feind — viel Ehr' 4 0 ." Lediglich diesen einen Satz widmet die sozialistische „Neue Zeitung" der Regierungszeit und der Persönlichkeit des verstorbenen Herrschers. Auch die sozialdemokratische „Münchner Post" verurteilt den Ausspruch des Königs, der deutlich werden läßt, daß L u d w i g I I I . eine ähnlich verhängnisvolle Haltung wie Kaiser Wilhelm II. eingenommen hat. „Dieses Wort aus seinem Munde und die i n einer burschikosen Rede ausgesprochene Forderung nach der Rheinmündung, zeigen i h n uns i n all den schweren Irrungen befangen, die zuletzt unseren Zusammenbruch besiegelten 41 ." Bereits zwei Wochen nach Kriegsbeginn hatte L u d w i g I I I . gegenüber dem preußischen Vertreter i n München, Botschafter von Schoen, seine 38 39 40 41

Augsburger Postzeitung, Nr. 476 vom 19.10.1921. Münchner Post, Nr. 243 vom 19.10.1921. Neue Zeitung, Nr. 46 vom 19.10.1921. Münchner Post, Nr. 243 vom 19.10.1921.

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Kriegsziele formuliert. Dazu gehörte die Forderung nach der Beseitigung eines unabhängigen belgischen Staates und der Sicherung der Rheinmündung für Deutschland 42 . „ I t soon appeared that i t was from this point of view that he welcomed the w a r against England, and especially the invasion of Belgium 4 3 ." Die Londoner „Times" erinnert i n diesem Zusammenhang an eine Rede, die der König am 6. J u n i 1915 i n F ü r t h auf dem Kanaltag gehalten hatte: „ I n a speech i n June, 1915, he said openly that when England declared war he was ,glad', because he saw the prospect of settling accounts w i t h Germanys enemies, and of getting at last more favourable communications w i t h the sea for Central and South Germany 4 4 ." Diese Einstellung Ludwigs folgt konsequent aus seinem Eintreten für leistungsfähige Kanal Verbindungen. Er favorisierte das Projekt eines Rhein-Schelde-Kanals, der m i t dem Hafen von Antwerpen für die süddeutsche Wirtschaft einen günstigen Zugang zum Meer geschaffen hätte 4 5 . Da derartige Pläne auch niederländisches Territorium m i t einbeziehen mußten, befürchtete das Auswärtige A m t Verwicklungen m i t dem neutralen Holland. Eine Intervention bei der bayerischen Regierung hatte zur Folge, daß eine bereinigte Fassung der Rede i n der „Bayerischen Staatszeitung" erschien, die von den Zensurbehörden für verbindlich erklärt wurde 4 6 . Da das nichts half, wurde eine Behandlung dieses Themas generell untersagt 4 7 . Nicht nur auf Belgien hatte der König ein Auge geworfen, das er gern für sein Haus gewonnen hätte, möglicherweise m i t einer direkten Landverbindung zur Pfalz 4 8 . I n erster Linie war sein Bestreben darauf gerichtet, „die bayerische Hausmacht durch Erwerbung des Elsaß zu vergrößern" 4 9 . 42

Vgl. Jaußen, Karl-Heinz: Macht und Verblendung, S. 21. The Times, Nr. 42855 vom 19.10.1921. 44 The Times, Nr. 42855 vom 19.10.1921. 45 Vgl. Janßen, Karl-Heinz: Macht und Verblendung, S. 27. 46 Bayerische Staatszeitung, Nr. 285 vom 7.6.1915; auch der zitierte Ausschnitt aus dem Nekrolog der Times stützt sich auf diese offizielle Version, vgl. auch: Zils, Wilhelm: König Ludwig I I I . i m Weltkrieg, S. 56 ff. 47 Vgl. Albrecht, Willy: Landtag und Regierung, S. 155; die ursprüngliche Version, in der von „einem direkten Ausgang vom Rhein zum Meer" die Rede war, war von den M N N verbreitet worden, Nr. 285 vom 7. 6.1915. 48 Vgl. Janßen, Karl-Heinz: Macht und Verblendung, S. 29. 49 Fränkisches Volksblatt, Nr. 241 vom 19.10.1921. 43

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Bereits L u d w i g II. hatte 1870 an die Überlassung elsässischer Gebiete als Kompensation für die 1866 an Preußen abgetretenen Gebiete gedacht. Ludwig I I I . forderte indes das ganze Elsaß, zumindest aber das Unterelsaß, da bei einer Aufteilung des Reichslandes badische Ansprüche erwartet wurden, was aber zunächst nicht der Fall w a r 5 0 . I n Ludwigs Anspruch, der großbayerische Ambitionen deutlich werden läßt, sieht Ingeborg Koch den „Ausdruck eines hochgespannten dynastischen Bewußtseins" 51 . Sehr kritisch fällt die Stellungnahme der linksliberalen „Frankfurter Zeitung" aus: „ I m Krieg spielte der enge wittelsbachsche Haussinn des Königs Deutschland einen schlimmen Streich; der i n völlig antiquierten Vorstellungen lebende alte Herrscher betrieb m i t Eifer die Uebertragung des Elsasses an das Haus Wittelsbach zur Entschädigung für anderweitege ,Bereicherung 4 des Hauses Hohenzollern. So wurde eine kriegspolitisch kluge Regelung der elsaßlothringischen Frage verhindert 5 2 . 4 4 Wie sehr der König bereits mit einer Erfüllung seiner territorialen Wünsche i m Elsaß rechnete, zeigen die nachfolgenden Ausführungen des „Bayerischen Volksblattes": „Bekanntlich hatte man i m Laufe des Kriegs die Absicht, die Reichslande so zu teilen, daß Lothringen an Preußen und Elsaß an Bayern käme. Er sowohl, wie das bayerische Zentrum waren Feuer und Flamme für diese Idee. Er reiste mehrmals hinüber nach Straßburg, und die Zentrumspartei sorgte bei den Elsässer Klerikalen dafür, daß dort und i n den bereisten anderen Landesteilen i h m große Huldigungen gebracht wurden. Er lebte sich i n die Rolle des künftigen Großherzogs des Elsaß so hinein, daß er sich von einem Münchener Hochschulprofessor i m Wittelsbacher Palais Vorträge über Geographie, Geologie, Land und Leute halten ließ, u m seinen künftigen Landeskindern wohlvorbereitet gegenüber zu treten 5 3 ." Fast drei Jahre nach Beendigung des Krieges bringt der größte Teil der bürgerlichen Presse den Annexionsgelüsten Ludwigs I I I . immer noch viel Verständnis entgegen. So verteidigen die „Münchner Neuesten Nachrichten 44 vor allem seinen dadurch zutage tretenden Durchhalte willen: „Abgesehen von der begreiflichen Schwäche, daß L u d w i g I I I . wie jeder andere Fürst eine Erweiterung der Landesgrenzen für begeh50 Eine detaillierte Darstellung aller bayerischen Vorstellungen und sämtlicher Lösungsvorschläge bei Jaußen, Karl-Heinz: Macht und Verblendung. Kriegszielpolitik der deutschen Bundesstaaten 1914/18. 51 Koch, Ingeborg: Die Bundesfürsten und die Reichspolitik in der Zeit Wilhelms II., S. 37. 58 Frankfurter Zeitung, Nr. 778 vom 19.10.1921. 53 Bayerisches Volksblatt, Nr. 244 vom 22.10.1921.

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renswert hielt, tat er doch schließlich nichts anderes wie die vielen Tausenden von Deutschen, die den Willen zum Sieg und zu Deutschlands Größe festhielten, als andere ihn schon längst aufgegeben hatten; wer von beiden besser bestehen w i r d vor dem künftigen Urteil der Geschichte, ist heute kaum noch zweifelhaft 5 4 ." Hier werden bereits die Folgen der „Dolchstoßlegende" spürbar. Doch sogar alte Rechtstitel aus der Zeit vor der Französischen Revolution müssen zur Rechtfertigung herhalten. „Elsaß-Lothringen war stets des Reiches Sorgenkind und um dieses sich zu kümmern hatte auch Ludwig von Bayern ein gutes Recht, zumal ursprünglich wittelsbachisches Gebiet genug auf reichsländischem Boden lag 5 5 ." Innenpolitisch schadete diese annexionistische Politik dem Ansehen des Königs, denn sie mußte auf die Anhänger eines Verständigungsfriedens, vor allem in der Arbeiterschaft, eine ungünstige Wirkung ausüben 5 6 . Gerade die Kanalrede w i r k t e lange nach. I n der Kammer der Abgeordneten mußte sich der König noch i m Oktober 1917 deswegen heftige Angriffe gefallen lassen, die der USPD-Abgeordnete Josef Simon vorbrachte 57 . b) Das Verhältnis

zum Reich

Die i n den Nekrologen gerühmte Reichstreue des Bayernkönigs war, wie das „Bayerische Volksblatt" 5 8 feststellt, nicht ganz uneigennützig, denn das Elsaß winkte als Belohnung. Allerdings ließ sich der König von den Wogen der patriotischen Begeisterung des Sommers 1914 mitreißen und verkündete unverzüglich die Mobilmachung. „Niemand soll je sagen dürfen, Bayerns König habe auch nur einen Augenblick gezaudert, die Treue zum Reich durch die Tat zu beweisen 59 ." Aus anderen Reden und Aufrufen läßt sich diese Haltung ebenfalls ablesen 60 . Die absolute Reichstreue hinderte i h n jedoch an der Wahrnehmung seiner Rechte als Bundesfürst. A m deutlichsten w i r d dieser Vorwurf i n der „Münchner Post" geäußert: 54 55 58 57 58 59 80

M N N , Nr. 442 vom 19.10.1921. Pfälzische Presse, Nr. 290 vom 20.10.1921. Vgl. Albrecht, Willy: Landtag und Regierung, S. 114. StBdKdAbg. Bd. 16, S. 244. Bayerisches Volksblatt, Nr. 244 vom 22.10.1921. Zitiert bei: Zils, Wilhelm: König Ludwig I I I . im Weltkrieg, S. 9. Ebenda.

4. Ludwigs Haltung im Weltkrieg

„Der Krieg hätte i h m namentlich als unser Niedergang nicht mehr zu verhüten war, hohe Aufgaben gestellt. Er war kein Staatsmann, sein Gesichtskreis nicht weit genug, u m ihn seiner höheren Pflichten bewußt werden zu lassen 61 ." Aber auch bürgerliche Blätter nehmen zu diesem Punkt eine k r i tische Haltung ein. So erinnert die „Bayerische Nationalzeitung" an seine Moskauer Rede, wo er die bundesstaatlichen Rechte so stark betont habe. „Allein, i n entscheidenden Augenblicken, vor und während des Krieges, hat es i n der Durchsetzung solcher Rechte auch i n Bayern gefehlt 6 2 ." Ludwig I I I . hat die Möglichkeiten, die i h m als Herrscher des zweitgrößten Bundesstaates zur Verfügung standen, wie z.B. den Vorsitz i m Bundesratsausschuß für auswärtige Angelegenheiten, nicht genutzt. Er war zu wenig energisch, u m auf die Politik des Kaisers Einfluß nehmen zu können 6 3 . Dabei ist allerdings die Frage zu berücksichtigen, inwieweit der Kaiser überhaupt noch den Lauf der Dinge bestimmen konnte, seit sich der politische Entscheidungsspielraum immer mehr zugunsten der militärischen Führung verengt hatte. Die „Neue freie Volks-Zeitung" räumt einer eventuellen Initiative Ludwigs I I I . ebenfalls keine großen Erfolgsaussichten ein. „Wenn man König L u d w i g einen V o r w u r f machen w i l l , so ist es der einzige, daß er nicht rechtzeitig i m Rate der deutschen Fürsten sein Wort für eine rechtzeitige Beendigung des Krieges in die Waagschale warf. Aber man weiß, wie wenig die deutschen Bundesfürsten während des Weltkrieges zu sagen hatten 6 4 ." Eine Beendigung des Krieges ohne Annexionen war für den bayerischen König zunächst undenkbar. I m Juni 1915 verhinderte er deswegen einen Vorstoß seines Ministerpräsidenten von Hertling beim Reichskanzler, der einen Friedensschluß m i t dem Zarenreich auf der Grundlage des Status quo zum Ziel hatte 6 5 . Erst kurz vor Kriegsende streckte die bayerische Regierung Friedensfühler aus. I n der Schweiz kam es zu Kontakten m i t George D. Herron, einem halbamtlichen Vertreter der USA. Dabei ging es auch um die M i t w i r kung des bayerischen Königs bei der Abdankung des Kaisers 66 . 61

Münchner Post, Nr. 243 vom 19.10.1921. Bayerische Nationalzeitung, Nr. 286 vom 19.10.1921. Vgl. Koch, Ingeborg: Die Bundesfürsten und die Reichspolitik, S. 36. 64 Neue freie Volks-Zeitung, Nr. 241 vom 20.10.1921. 65 Vgl. Albrecht, Willy: Landtag und Regierung, S. 156. 86 Ebenda, S. 403; Snell, John L.: Die Republik aus Versäumnissen, in: Welt als Geschichte 15, 1955, S. 209. 62

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I n seiner letzten Rede vor dem bayerischen Staatsrat am 4. November 1918 schob der König die Schuld an der Niederlage auf die Reichsregierung und die Oberste Heeresleitung 67 . Allerdings übersah er, daß er selber m i t seiner Haltung zu der für Deutschland und Bayern verhängnisvollen Entwicklung einen nicht unbedeutenden Beitrag geleistet hatte. 5. Die Revolution und ihre Gründe „Wem bluten da nicht die alten Wunden, wer fühlt nicht die Brust von neuem zusammengepreßt i n dem bitteren Gedanken, daß einmal i n der schlimmsten Stunde Bayerns eine Rotte meist landfremder Gesellen sich an Bayerns geheiligtem Throne vergreifen, einen bayerischen König vom Throne stoßen konnte 6 8 ?" I n diesem Ton lamentiert die bürgerliche Presse über die Ereignisse des Novembers 1918. „Tief tragisch" 6 9 ist für sie das Geschick des gestürzten Königs, auf die Hintergründe geht sie allerdings nicht ein. Daß ein Autoritätsverlust und Machtverfall der alten Gewalten vorausgegangen war, w i r d i n den meisten Blättern völlig ignoriert. „Verbrecherische Narrenhände" rissen dem König „den Hermelin von der Schulter" 7 0 , schreibt das Organ der Deutschnationalen i n Bayern. Die Revolution erscheint als Produkt einer kleinen Minderheit, die aus entwurzelten, landfremden und zum Teil fremdrassigen Elementen besteht. Die gleiche Meinung vertrat damals auch Michael Doeberl i n seinem 1920 erschienenen Buch „Sozialismus, Soziale Revolution, Sozialer Volksstaat" 7 1 . Lediglich die „Neue freie Volks-Zeitung" verweist auf die „gärende Volksstimmung" 7 2 und bedauert, daß sich i n der Umgebung Ludwigs I I I . keine Männer fanden, die i h n darauf aufmerksam machten. Die über Erwarten lange Kriegsdauer und die schlechte Ernährungslage hatten eine allgemeine Friedenssehnsucht aufkommen lassen. Die Schuld an der ganzen Situation wurde auf Preußen und den Kaiser geschoben. 67 Vgl. Schlaich, Heinz W.: Der bayerische Staatsrat, in: Z B L G 28, 1965, S. 521. 68 Bayerischer Kurier, Nr. 444 vom 19.10.1921. 88 M N N , Nr. 442 vom 19.10.1921. 70 Blätter der Bayerischen Mittelpartei, Nr. 85 vom 22.10.1921. 71 Eine gute Zusammenstellung der dahingehenden Äußerungen in der Literatur findet sich bei Kühnl, Reinhard: Die Revolution in Bayern 1918, in: G W U 14,1963, S. 690. 72 Neue freie Volks-Zeitung, Nr. 241 vom 20.10.1921.

5. Die Revolution und ihre Gründe

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Zentrale Kriegswirtschaftsmaßnahmen, das Auftauchen preußischer Aufkäufer und Touristen, die zu Höchstpreisen Lebensmittel erwarben und über die bayerische Grenze brachten, erzeugten einen Preußenhaß, der sich gleichfalls auf die bayerische Regierung und den König übertragen hat 7 3 . I n zahlreichen anonymen Zuschriften an die Behörden w i r d L u d w i g I I I . als Erfüllungsgehilfe Preußens und „treuer Palladin des Kriegskaisers" 7 4 hingestellt. Diese Volksstimmung kam am deutlichsten i n den Forderungen der USPD nach Beendigung des Krieges, Beseitigung der Monarchie und Zerschlagung des preußischen Militarismus, wofür sich der Preußenhasser K u r t Eisner besonders einsetzte, zum Ausdruck 7 5 . Daher kann es nur als Geschichtsfälschung bezeichnet werden, wenn i n Nachrufen behauptet wird, daß dieser König „ w i e selten einer i m Volke beliebt" 7 6 gewesen sei. Dies stimmt allenfalls für die Vorkriegszeit, als sogar August Bebel i h n wegen seiner fortschrittlichen Haltung i n der Wahlrechtsfrage lobte: „Würde der deutsche Kaiser durch Volkswahl aus den deutschen Fürsten gewählt, so hätte, glaube ich, Prinz Ludwig von Bayern alle Aussicht, deutscher Kaiser zu werden 7 7 ." Seit seinem Regierungsantritt jedoch häuften sich die Faktoren, die zu seiner Unbeliebtheit beitrugen. Einige wesentliche führt die „Pfälzische Volkszeitung" i n ihrem Nekrolog auf: „Die Einfachheit der Prinzen Luitpold und Ludwig, der m i t seiner kinderreichen Familie ein bürgerlich einfaches Leben führte und sich gar oft das Abendessen aus dem Wirtshaus i n sein Palais holen ließ, war der bayerischen und vor Allem der Münchener Bevölkerung zu unfürstlich 7 8 ." I n die gleiche Richtung zielte ein Spottname, den der „Bayerische Königsbote" i n Erinnerung ruft: „Den Millibauern haben Revolutionäre unseren König genannt 7 9 ." Darin drückte sich das Unverständnis, j a man kann sagen die Verachtung für die als unköniglich angesehene Neigung des Monarchen zur Landwirtschaft aus. Obwohl der König die Milch seines Gutes Leutstetten Krankenhäusern und Heimen zur Verfügung stellte, waren anderslautende Gerüchte i m Umlauf. „Aus der aufs Höchste gestiegenen Lebensmittelnot i n den großen Städten i n Verbindung m i t der unaufhörlichen Preissteigerung und dem Schiebertum ist der Haß gegen den König geboren worden. Man beschuldigte i h n der heimlichen Unterstützung rück78 74 75 7β 77 78 79

Vgl. Ay, Karl-Ludwig: Die Entstehung einer Revolution, S. 134 - 148. Bosl, Karl: Bayerische Geschichte, S. 255. Vgl. Ay / Amery: Appelle einer Revolution, S. 14. ζ. B. Bayerisches Volksblatt, Nr. 241 vom 19.10.1921. Bayerisches Volksblatt, Nr. 244 vom 22.10.1921; vgl. DBJ I V , 1929, S. 330. Pfälzische Volkszeitung, Nr. 291 vom 21.10.1921. Bayerischer Königsbote, Nr. 47 vom 19.11.1921.

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sichtsloser agrarischer Interessenpolitik und einer raunte es dem andern zu, daß der König die Milch von seinen Gütern aus Wucherabsichten nicht nach dem notleidenden München, sondern nach Norddeutschland schicken lasse 80 ." Das Schimpfwort „Millibauer" hatte somit eine doppelte Bedeutung angenommen. Ein weiterer Faktor war die vorzeitige Beendigung der Regentschaft 81 , die man erst jetzt i n breiten Kreisen negativ wertete. „Daß L u d w i g 3., als er zur Herrschaft gekommen war, seinen Vetter Otto des Thrones verlustig erklären ließ und sich selbst darauf setzte, hat man i h m vielfach verübelt 8 2 ." I m „Landauer Volksblatt", dem Organ des Bayerischen Bauernbundes, erscheint der Thronverlust i n gewissem Sinn als Strafe für den vorzeitigen Griff nach der Krone. „ I n diesen Stunden mochte i h m vielleicht selbst der Gedanke an die Zeit der »Königsmacherei* des Jahres 1913 kommen, wo er, geschoben von Parteien und falsch beraten von seiner nächsten Umgebung, sich zu einem Schritt herbeiließ, der besser unterblieben wäre 8 3 ." Vor allem seine Haltung i m Weltkrieg machte ihn zunehmend unpopulär, was die linksliberale „Pfälzische Volkszeitung" ebenfalls bemerkt: „Auch daß er während des Krieges bayerische Hausmachtpolitik trieb und das Elsaß für Bayern verlangte, wenn Lothringen an Preußen fallen sollte, hat das historische B i l d des letzten Bayernkönigs nicht günstig beeinflußt 8 4 ." Der König mußte bei seiner bekannt annexionistischen Einstellung, die den Alldeutschen i n nichts nachstand, als Hindernis für einen Frieden angesehen werden. Wenn man den Erinnerungen des späteren bayerischen Ministerpräsidenten Heinrich Held glauben darf, hat Ludwig I I I . selber bereits i m September 1916 die Lage ohne Illusionen beurteilt und die kommende Entwicklung vorausgesehen 85 . Nach dem Zusammenbruch der Donaumonarchie verband sich die Friedenssehnsucht noch m i t der Furcht vor einer Invasion aus dem Süden 86 . 80

Augsburger Postzeitung, Nr. 476 vom 19.10.1921. Vgl. Kap. V I I , 3. 82 Pfälzische Volkszeitung, Nr. 291 vom 21.10.1921. 88 Landauer Volksblatt, Nr. 244 vom 22.10.1921; in den Jahren 1912/13 waren allerdings in den Reihen des Bauernbundes im Gegensatz zum Zentrum keine Bedenken laut geworden. 84 Pfälzische Volkszeitung, Nr. 291 vom 21.10.1921. 85 Held, Heinrich: Erinnerungen an König Ludwig I I I . von Bayern, in: Das Bayerland 1931, S. 580. 88 Vgl. Albrecht, Willy: Landtag und Regierung, S. 393 ff. 81

6. Restauration der Monarchie

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Besonders deutlich drückt es die sozialdemokratische „Münchner Post" aus, daß der bayerische König zu seinem Sturz selbst beigetragen hatte: „Die Revolution hat i h n ahnungslos mitten i n einem idyllischen Spaziergange durch die Isarauen überrascht. Er durfte sich aber doch nicht ganz schuldlos fühlen, denn i h m stand der Sinn i n den letzten Kriegsjahren darnach, dem bayerischen Vollglanze neue strahlende Perlen einzufügen — und auch er hat so, nicht bewußt, aber doch beflissen das Verhängnis mitgeschürzt, dem schließlich auch sein Haus erlag 8 7 ." 6. Restauration der Monarchie? Beim Vergleich der Nachrufe auf L u d w i g I I I . macht sich ganz klar eine Trennungslinie zwischen linken und rechten Presseorganen bemerkbar. Während i n linksorientierten Blättern, wozu ich auch linksliberale Zeitungen wie die „Frankfurter Zeitung" und die „Pfälzische Volkszeitung" rechne, eine Haltung, die von kritischer Distanz bis zur Ablehnung reicht, festzustellen ist, haben die Nekrologe der rechtsorientierten Presse apologetischen Charakter. Liberale, katholisch-konservative und deutschnationale Blätter sind sich vor allem bei der Rechtfertigung seiner Kriegspolitik einig. Der König hatte schließlich dasselbe gedacht und gefühlt wie sie. Ein Prozeß der Besinnung, des Umdenkens hatte nicht stattgefunden. Die sozialistische „Neue Zeitung" sieht sich daher zu einer hämischen Bemerkung veranlaßt: „Die bürgerliche Presse erscheint i n schwarzer Umrandung und gibt so auch äußerlich den Gefühlen Ausdruck, die sie für die schöne entschwundene Zeit empfindet 8 8 ." Diejenigen Kräfte, die i m November 1918 stumm geblieben waren, demonstrieren nun anläßlich von Tod und Beisetzung ihre Trauer und Zuneigung. Daran stößt sich ebenfalls der württembergische Gesandte Moser von Filseck, der seit 1906 sein Land i n München zu vertreten hatte, und daher als guter Kenner der bayerischen Verhältnisse gelten kann. „Wenn man weiß, wie wenig der verstorbene König die Liebe und A n hänglichkeit des Volkes genossen hat, und zwar bis i n die Kreise seiner nächsten Umgebung, so w i r k t es direkt unsympathisch, welcher Kultus jetzt m i t seiner Leiche getrieben w i r d 8 9 . " 87

Münchner Post, Nr. 243 vom 19.10.1921. Neue Zeitung, Nr. 46 vom 19.10.1921. 89 Bericht vom 1.11.1921 (Nr. 297), in: Politik in Bayern 1919- 1933, Berichte des württembergischen Gesandten Moser v. Filseck, S. 90. (Hrsg.: W. Benz). 88

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Der Gesandte sieht den Aufwand nach dem Tod Ludwigs I I I . als Versuch an, das schlechte Gewissen derjenigen zu beruhigen, die keinen Finger zu seinem Schutz gerührt hatten. Bezeichnend ist daher der Versuch der bürgerlichen Presse, L u d w i g nachträglich als beliebten Herrscher herauszustellen 90 . „Wenn die Monarchie i n Bayern noch so viele treue und begeisterte Anhänger findet, so ist dies nicht nur auf die Abneigung gegen die Räteherrschaft und die Mißwirtschaft der radikalen Linken, sondern i n erster Linie auf die persönliche Hochachtung, Verehrung und Liebe zurückzuführen, die sich König Ludwig I I I . persönlich zu erwerben wußte, und die er sich auch über den Tod hinaus i n den Herzen seiner ehemaligen Untertanen bewahren w i r d 9 1 . " Schon bald nach der Revolution wurden wieder Stimmen laut, die eine Restauration der Monarchie forderten. Diese Möglichkeit zieht der „Bayerische Kurier", ein Organ der BVP, i n Erwägung, ohne sich aber darauf festlegen zu wollen. „Noch haben sich die ins Wanken gekommenen Grundlagen des Staats- und Wirtschaftslebens nicht i n allweg so konsolidiert, daß man heute an eine selbstredend nur friedliche, gesetzmäßige Umbildung unseres Verfassungslebens i m Sinne eines konstitutionellen Königtums denken könnte 9 2 ." Tatsächlich waren noch weite Kreise der Bevölkerung monarchisch gesinnt, vor allem auf dem Land. Dies berichtet Moser von Filseck nach Stuttgart: „Der monarchische Gedanke ist jedenfalls i n Südbayern sehr rege, und es hat sich dies auch auf dem Transport der Leiche von Salzburg nach Wildenwarth gezeigt, wo die Teilnahme der Landbevölkerung eine ungeheure gewesen sein soll, u m so eindrucksvoller und rührender, als sie durchaus spontan w a r 9 3 . " I n Nordbayern und der Pfalz sei dagegen die Stimmung wesentlich anders, obgleich von dort ebenfalls viele Abordnungen zum Begräbnis kämen, die dafür m i t Vorzug behandelt würden. Kronprinz Rupprecht, der den Weltkrieg als Heerführer an der Westfront miterlebt hatte, genoß ein größeres Ansehen i n der Bevölkerung als sein Vater. 90

Vgl. Kap. V I I , 5. Fränkisches Volksblatt, Nr. 241 vom 19.10.1921. Bayerischer Kurier, Nr. 444 vom 19.10.1921. 93 Bericht vom 1.11.1921 (Nr. 297), in: Politik in Bayern 1919 - 1933, S. 90 f.; vgl. auch: Historisch-politische Blätter, Bd. 168, 1921, S. 571. 91 92

6. Restauration der Monarchie

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Da Ludwig I I I . auf seine Königswürde nicht verzichtet, sondern lediglich die bayerischen Beamten und Offiziere von ihrem Treueid entbunden hatte, bestand theoretisch die Möglichkeit einer Königsproklamation. Der „Bayerische Königsbote", das Organ der Bayerischen Königspartei, betrachtete Rupprecht daher auch als König von Bayern. „Die französischen Royalisten rechnen L u d w i g X V I I . , den Sohn des hingerichteten L u d w i g X V I . als König, obwohl er nie zur Regierung kam. Auch unser Rupprecht regiert nicht, wenigstens noch nicht, aber er ist König 9 4 ." Nach dem Trauergottesdienst, dessen Ansprache Kardinal Faulhaber das Wort Gregors V I I . „Ich habe die Gerechtigkeit geliebt und das Unrecht gehaßt, darum sterbe ich i n der Verbannung" zugrunde gelegt hatte, und der Beisetzung des Königspaares waren dem Kronprinzen Ovationen zuteil geworden 95 . Die Erwartung vieler Monarchisten, daß Rupprecht sich zum König proklamieren würde, wurde jedoch enttäuscht. Ein Königsputsch wäre wohl eine Episode geblieben, wie kurz zuvor i n Ungarn. Der Kronprinz verließ München sogleich, richtete aber eine Dankeskundgebung an die Bevölkerung, i n der er ausdrücklich betonte, daß er i n die Rechte seines Vaters eingetreten sei 96 . Rupprecht war einer Entscheidung dadurch ausgewichen, hatte sich aber alle Möglichkeiten für die Zukunft offengehalten. Es bleibt allerdings noch die Frage zu beantworten, welche Chancen einer Restauration der Monarchie i n Bayern tatsächlich vorhanden waren, wobei die Haltung der monarchisch orientierten politischen Gruppen und Parteien untersucht werden soll. I m November 1919 konstituierte sich die Bayerische Königspartei, die sich als „Partei i n allen Parteien, als Vertreterin des monarchischen 94

Bayerischer Königsbote, Nr. 47 vom 19.11.1921. Vgl. Moser von Filseck, Bericht vom 7.11.1921 (Nr. 306), in: Politik in Bayern 1919-1933, S. 70; Müller, Karl Alexander von: I m Wandel einer Welt, S. 110. 96 Vgl. Sendtner, Kurt: Rupprecht von Wittelsbach Kronprinz von Bayern, S. 461 f.; Moser von Filseck hält diese Betonung für überflüssig und meint, daß man sie als Herausforderung betrachten könne, Bericht vom 7.11.1921 (Nr. 306), in: Politik in Bayern 1919- 1933, S. 91 (Hrsg. W. Benz). Die Erklärung führte zu heftigen Angriffen in der außerbayerischen Presse, z. B. in der „Vossischen Zeitung", Nr. 525 vom 7.11.1921. Hier wird die Proklamation als Aufmunterung für die Monarchisten und als Gefährdung des Reichsganzen aufgefaßt; vgl. Gengier, Franz Ludwig: Die deutschen Monarchisten 1919 - 1925, S. 120. 95

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V I I . Ludwig I I I .

Gedankens überhaupt" 9 7 verstand. I n Wirklichkeit war sie auf Grund ihrer ständisch-konservativen Ausrichtung einseitig rechts orientiert. Ihre führenden Persönlichkeiten Josef Mayer-Koy und Graf Bothmer hatten sich zunächst der B V P angeschlossen, die ihnen unmittelbar nach der Revolution jedoch noch zu republikanisch war. Sehr bald kam es i n der Partei zu Spannungen, da ein propreußischer Flügel unter General Krafft von Dellmensingen an der Reichseinheit unbedingt festhalten wollte. Durch einen Bruch mit den Einwohnerwehren und Beziehungen zu rheinischen Separatisten sowie zur französischen Besatzungsmacht, hatte sich die BKP-Führung schließlich stark kompromittiert. M i t der Parteiopposition wanderte der größte Teil der bayerischen Monarchisten zu dem i m März 1921 gegründeten „Bayerischen Heimatund Königsbund" ab. Dieser überparteiliche Bund wurde vom Königshaus sanktioniert, indem Prinz Adalbert den Ehrenvorsitz übernahm. Die Königspartei, die weiterhin den „Bayerischen Königsboten" herausbrachte, verlor bald jede Bedeutung 98 . Keine eindeutige Haltung zur Frage einer möglichen Restauration der Monarchie nahm die Bayerische Volkspartei ein. Schlittenbauer, der mit Heim zu den Gründern hatte, erklärte i m September 1919 gegenüber Graf größte Teil seiner Fraktionskollegen nicht mehr für Politik zu haben sei 99 . Trotzdem gab es zahlreiche zwischen BVP und B K P bzw. B H K B .

der Partei gehört Bothmer, daß der eine monarchische Querverbindungen

So wurde z. B. Dr. Heim Mitglied i m „Bayerischen Heimat- und Königsbund". Auch Kahr galt als erklärter Monarchist. Zahlreiche andere BVP-Politiker traten m i t Lippenbekenntnissen zur Monarchie hervor 1 0 0 . Doch eine offene Stellungnahme der Partei wurde als inopportun angesehen, man wollte sich diese Möglichkeit aber offenlassen und übte sich i n einer gewissen Hinhaltetaktik 1 0 1 . 97 Fenske, Hans: Konservativismus und Rechtsradikalismus in Bayern nach 1918, S. 123. 98 Fenske, Hans: Konservativismus und Rechtsradikalismus in Bayern nach 1918, S. 123 - 129; vgl. ferner Sendtner, Kurt: Rupprecht von Wittelsbach, S. 502-505, sowie Gengier, Franz Ludwig: Die deutschen Monarchisten 1919 -1925. 99 Vgl. Keßler, Richard: Heinrich Held als Parlamentarier, S. 455. 100 Vgl. Sendtner, Kurt: Rupprecht von Wittelsbach, S. 506. 101 Vgl. Die Stellungnahme des Bayerischen Kurier beim Tode des Königs, Nr. 444 vom 19.10.1921.

6. Restauration der Monarchie

173

Gerade Heinrich Held ist hier zu nennen, den Keßler i n seiner Biographie als „Vernunftmonarchist", aber keineswegs als „Tatmonarchist" bezeichnet 102 . Held lehnte die B K P ab und betonte öffentlich, daß es nicht auf die Staatsform, sondern auf den Geist ankomme, i n dem regiert werde 1 0 3 . I n einem A r t i k e l zum zehnten Todestag Ludwigs I I I . berichtet er von einem Besuch beim Monarchen wenige Wochen vor dessen Ableben. Bei dieser Gelegenheit kamen die Chancen für eine Restauration des Königtums zur Sprache. „Ich mußte i h m damals nach bestem Wissen und Gewissen Illusionen zerstören, die er bezüglich einer nahen Zukunft selbst hatte, und die von gedanken- oder gewissenlosen Leuten i n i h m geweckt und geflissentlich genährt worden waren. Es war eine harte Pflichterfüllung für mich, die mich selbst bis ins Innerste ergriff, aber es war ein Dienst der Aufrichtigkeit und Wahrhaftigkeit, die ich einem Könige seiner A r t schuldig w a r 1 0 4 . " Nicht nur i n der BVP, sondern auch i n den übrigen bürgerlichen Rechtsparteien, bei der Deutschen Volkspartei, den Nationalliberalen und den Deutschnationalen gab es monarchische Strömungen. Die Deutschnationalen, die sich i n Bayern als Bayerische Mittelpartei konstituiert hatten, bekannten sich nach dem Tod Ludwigs I I I . i n ihrem Parteiorgan „ i n Treue zu i h m und seinem königlichen Haus" 1 0 5 . Das bayerische Volk bereue inzwischen, wie das Blatt meint, die Revolutionsereignisse und denke m i t „brennender Scham" an die „dunklen Novembertage 1918" 106 zurück. Bemerkenswert ist hier die Tatsache, daß die als hohenzollernfreundlich geltenden Deutschnationalen es sich offenbar i n Bayern nicht leisten konnten, diese Haltung zu stark herauszukehren. Die Loyalität gegenüber dem Hause Wittelsbach widersprach demnach nicht der gegenüber den Hohenzollern. Doch kam für die Deutschnationalen nur eine Restauration in Frage, die sich nicht allein auf Bayern beschränkte 107 . Eine ähnliche Position vertraten auch die vaterländischen Verbände. Hier ging es aber i n erster Linie um Führerdenken und völkische Ideale. 102

Keßler, Richard: Heinrich Held, S. 453. Vgl. Keßler, Richard: Heinrich Held, S. 453. Held, Heinrich: Erinnerungen an König Ludwig I I I . von Bayern, i n : Das Bayerland 42, 1931, S. 580. 105 Blätter der Bayerischen Mittelpartei, Nr. 85 vom 22.10.1921. 106 Ebenda. 107 Vgl. Sendtner, Kurt: Rupprecht von Wittelsbach, S. 506. 103

104

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V I I . Ludwig I I I .

Besonders deutlich w i r d die Einstellung zur Monarchie i n der Satzung des „Bundes Bayern und Reich", der i m A p r i l 1922 als Nachfolgeorganisation der Einwohnerwehren gegründet wurde. I n Punkt 15 n i m m t sie zur Staatsform Stellung: „Der Bund vertritt den monarchischen Gedanken. Nicht als ob w i r jetzt einen König ausrufen wollten. W i r wollen keinen Thron auf einem Scherbenhaufen errichten! W i r vertreten die Monarchie als die für die deutsche Rasse geeignete Staatsform. W i r rufen nach einem Mann, der m i t starker Hand und unter voller Verantwortung, unabhängig von der Parteien Gunst oder Mißgunst, das Steuer i n die Hand nimmt. Die Königsfrage soll dann das Volk entscheiden, wenn die Zeit dafür reif ist, wenn w i r die Trümmerhaufen abgetragen und auf solidem Fundament die festen Mauern unseres neuen Reiches errichtet haben 1 0 8 ." Diese Ausführungen sollten zeigen, daß nach der Revolution monarchisches Gedankengut noch verbreitet war, daß aber, wie K a r l Bosl feststellt, eine Restauration keine reelle Chance hatte, „da diese die Weimarer Republik zum Existenzkampf herausgefordert hätte" 1 0 9 . Erst als die Republik i n den letzten Zuckungen lag, nahm sie m i t dem Plan eines Generalstaatskommissariats unter Kronprinz Rupprecht konkrete Formen an. A n der eigensüchtigen Haltung des „Vernunftmonarchisten" Heinrich Held, der eine von Rupprecht geforderte Allparteienregierung ablehnte, scheiterte dieser erste und zugleich letzte Versuch.

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1922. 109

Hofberger, K.: Bayern und Reich — Deutscher Freiheitsbund, München Bosl, Karl: Bayerische Geschichte, S. 261.

V I I I . Zusammenfassung der Ergebnisse 1. Der Nekrolog als Geschichtsquelle A m Ende dieser Arbeit stellt sich erneut die Frage, was der Nekrolog, i n diesem Fall der Zeitungsnekrolog, als Geschichtsquelle leisten kann. Obwohl der untersuchte Zeitraum groß ist und die Entwicklung i m Pressewesen i n dieser Zeit einen raschen Fortgang genommen hat, können doch einige grundsätzliche Ergebnisse herausgestellt werden. Es ist deutlich geworden, daß die Nekrologe der Zeitungen ein Herrscherbild entwerfen, das von der jeweiligen Interessenlage abhängig ist. I n fast allen Fällen spiegelt sich darin die politische Haltung der Besitzer bzw. der verantwortlichen Hedakteure des Blattes. I n ihnen artikuliert sich ein Teil der öffentlichen Meinung. Gleichzeitig kommt den Presseorganen die Aufgabe zu, diese öffentliche Meinung zu beeinflussen. Damit können bestimmte gesellschaftliche Gruppen i n Blättern, die sie i n ihrem Besitz haben oder die ihnen nahestehen, i n der gewünschten Weise auf ihren Leserkreis Einfluß nehmen. Denn unter dem Deckmantel reiner Information werden ihm subjektive Wertungen angeboten. Nicht nur der Zeitungsleser, sondern auch der Historiker muß daher, um ein möglichst objektives B i l d zu gewinnen, die Nekrologe verschiedener politischer Richtungen vergleichend betrachten. Aus den Einzelelementen, die kritisch ausgewählt und dann mosaiksteinartig wieder zusammengesetzt werden, ergibt sich ein biographisches Gesamtbild, das ein ziemlich wahrheitsgetreues A b b i l d der verstorbenen Persönlichkeit bietet. Es ist dabei oft nötig, Widersprüche i n der Darstellung aufzuklären und Überzeichnungen auf das rechte Maß zu reduzieren. Selbstverständlich müssen die bisher bekannten Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung ständig zur Überprüfung m i t herangezogen werden. Zeitungsnekrologe können dem Historiker wertvolle Aufschlüsse bieten, da sie eine bestimmte Persönlichkeit aus unterschiedlichen Perspektiven sehen. Eine Reihe von Sachverhalten w i r d entweder direkt angesprochen oder zumindest angedeutet. Hier ist zu beachten, daß die Presse nicht

176

V I I I . Zusammenfassung der Ergebnisse

immer offen Stellung beziehen kann, weil sie auch nach Abschaffung der Präventivzensur m i t der Möglichkeit einer Beschlagnahme rechnen oder aus ökonomischen Interessen gewisse Rücksichten nehmen muß 1 . Deshalb ist die Heranziehung ausländischer bzw. für den Rahmen dieser Arbeit bereits außerbayerischer Presseorgane oft sehr aufschlußreich, da diese sich imbefangener zu bestimmten Themen äußern können 2 . 2. Politische Tendenzen i n den Nekrologen der bayerischen Herrscher Die zunehmende Politisierung i m 19. Jahrhundert, die i n der Gründung von Parteien zum Ausdruck kommt, manifestiert sich ebenfalls i m Pressewesen. Die meisten Zeitungen bekennen sich zu einer bestimmten politischen Richtung. Daher sind auch die Nekrologe, die i n ihnen erscheinen und die i n der Regel von ihren profiliertesten Journalisten verfaßt sind, politisch gefärbt. Als Partei organisieren sich i n Bayern zunächst die Liberalen. Seit 1863 besteht die „Deutsche Fortschrittspartei i n Bayern". I m Todesjahr Maximilians II. 1864 ist deswegen eine eindeutige Dominanz der Liberalen i m Pressewesen feststellbar. Die Nachrufe nehmen gegenüber dem verstorbenen König eine insgesamt wohlwollende Haltung ein. Sie honorieren damit sein Eintreten für Schleswig-Holstein und seine Innenpolitik, die trotz der Reaktionsperiode unter Reigersberg eine liberale Handschrift aufweist. Lediglich bei der äußersten Linken, die damals von den Demokraten repräsentiert wird, ist die Erinnerung an jene Jahre noch lebendig. Nur hier w i r d offen K r i t i k geübt. Dafür ist i n den konservativ-katholischen Blättern noch kein Engagement für oder gegen den Herrscher vorhanden. Die Nachrufe bleiben unverbindlich. Politisch haben sich diese Kreise erst nach 1866 zusammengefunden, i n Bayern i n der Patriotenpartei, die sich 1887 i n Bayerisches Zentrum umbenannte. I m Jahre 1868 beim Tode Ludwigs I. hingegen macht sich die zunehmende Polarisierung i m politischen Leben bereits deutlich bemerkbar. Während die liberalen Blätter nüchtern Bilanz ziehen, seine Verdienste, besonders i m Bereich der Kunst, voll würdigen und auch die Schwächen seiner Regierungszeit erwähnen, sehen konservativ-katho1

Vgl. Kap. I I , 2 und 3. Vgl. z.B. die Berichterstattung Ludwigs I. 2

der Kölnischen Zeitung beim

Tode

2. Politische Tendenzen in den Nekrologen der bayerischen Herrscher 177

lische Nekrologverfasser die Jahre unter L u d w i g I. geradezu als Goldenes Zeitalter Bayerns an. Die i n den liberalen Nachrufen beanstandete Politik der Reaktion und katholischen Restauration w i r d als Voraussetzung für Bayerns Größe und Wohlfahrt betrachtet. Die Konfrontation des Jahres 1847, die von den Konservativen ausgegangen war und den politischen Kurswechsel herbeiführte, w i r d totgeschwiegen. Der Glorifizierung der Ä r a Ludwigs I. folgt dann konsequent eine Ablehnung der Entwicklung unter seinen Nachfolgern. Einen gewissen Höhepunkt erreicht diese Auseinandersetzung beim Tode Ludwigs II. 1886, als i n den Nekrologen ein liberales bzw. katholisch-konservatives Herrscherbild konstruiert wird, das dem andern diametral entgegengesetzt ist. Die Liberalen sehen i h n vor allem unter dem Aspekt der Reichsgründung und feiern i h n daher voller Pathos als „Ludwig, den Deutschen" 3 . Alles übrige verblaßt hinter dieser Großtat. Die Verherrlichung des Königs, die m i t Redewendungen wie „Hohepriester des Idealismus" 4 erfolgt, ist von einer Hagiographie nicht mehr sehr weit entfernt. Die katholisch-konservativen Blätter hingegen betrachten ihn durch die Brille des Kulturkampfes und beurteilen deshalb Person wie Regierungszeit ganz und gar negativ. Diese ablehnende Haltung führt zur Schwarzmalerei und sogar zu Gehässigkeiten. Ähnliches wäre vermutlich auch Prinzregent Luitpold widerfahren, wenn er zehn Jahre früher gestorben wäre. Denn zu Beginn dieses Jahrhunderts mußte er verschiedentlich Angriffe des Zentrums über sich ergehen lassen. I m Jahre 1912 jedoch ist alles vergessen, da inzwischen diese Partei nicht nur einen starken Einfluß auf die Regierungsarbeit gewonnen hat, sondern auch m i t der Berufung des Freiherrn von Hertling einen der ihren an der Spitze der Regierung sieht. Von allen Seiten w i r d dem Regenten Wohlwollen entgegengebracht. Aus den liberalen Nekrologen, die die Berufung Hertlings als „Betriebsunfall" einstufen, der dem Regenten nicht anzulasten ist, spricht noch die Dankbarkeit dafür, daß er 1886 die liberale Richtung beibehalten und sich nicht dem Druck der Kammermehrheit gebeugt hat. Selbst die Sozialdemokraten, die immerhin i m Bund m i t dem Zent r u m eine Wahlrechtsreform durchgesetzt haben, erweisen Prinzregent Luitpold Respekt, ungeachtet der Tatsache, daß sie Gegner der monarchischen Staatsform sind. 3 4

z. B. Bamberger Neueste Nachrichten, Nr. 162 vom 15. 6.1886. Zweibrücker Zeitung, Nr. 137 vom 15. 6.1886.

12 Ursel

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V I I I . Zusammenfassung der Ergebnisse

Bei der Beurteilung Ludwigs I I I . scheiden sich 1921 hingegen wieder die Geister. Die kurze Regierungszeit des letzten Bayernkönigs w i r d von Krieg und Revolution überschattet. Während i h m die Linkspresse einschließlich linksliberaler Blätter eine Mitschuld an der Entwicklung gibt, versucht die Rechtspresse von der D N V P bis zur B V P seine Haltung zu rechtfertigen. Diese Presseorgane vertreten die Ansicht, daß eine Restauration der Monarchie i n Bayern noch möglich sei. 3. Die Aushöhlung der monarchischen Staatsform i n Bayern Als konkretes Ergebnis läßt sich also für den untersuchten Zeitraum feststellen, daß die liberale Presse seit Max I I . systemstabilisierend gewirkt hat. Die Tätigkeit der konservativ-katholischen Presse muß dagegen als geradezu systemgefährdend bezeichnet werden, so paradox dies zunächst klingen mag. Sie hat damit zu der Aushöhlung der monarchischen Staatsform i n Bayern beigetragen. Selbstverständlich waren noch andere Momente m i t i m Spiel. Nicht zuletzt die bayerischen Herrscher selber waren an dieser Entwicklung mitschuldig. „Die Monarchie hat sich selbst ad absurdum geführt, w e i l sie den Forderungen der Zeit und den gewandelten Auffassungen von Gesellschaft, Staat, Bürger- und Menschsein nicht Rechnung zu tragen vermochte 5 ." Die Politik Ludwigs I. i n den 30er Jahren mußte negative Folgen zeigen. Seine autokratische antiliberale Haltung, verbunden m i t dem Versuch einer katholischen Restauration, stieß nicht nur alle freiheitlich gesinnten Kräfte, sondern auch den protestantischen Bevölkerungsteil vor den Kopf. Da er sich selbst stark exponierte, wurde er zur Zielscheibe der K r i tik. Dies geht aus den zahlreichen Majestätsbeleidigungen und Schmähschriften jener Zeit deutlich hervor 6 . Sein Lebenswandel wurde von seinen Untertanen ebenfalls als nicht gerade vorbildlich empfunden. Daß diese K r i t i k nicht auf Bayern beschränkt blieb, zeigt ein Ausschnitt aus Georg Büchners Schrift „Der 5 Bosl, Karl: Rezension von Hacker, Rupert: Ludwig I I . von Bayern in Augenzeugenberichten, in: Z B L G 30, 1967, S. 1146. β Vgl. Kap. I I , 4.

3. Die Aushöhlung der monarchischen Staatsform in Bayern

179

Hessische Landbote": „Sehet an das von Gott gezeichnete Scheusal, den König L u d w i g von Baiern, den Gotteslästerer, der redliche Männer vor seinem Bilde niederzuknien zwingt und die, welche die Wahrheit bezeugen, durch meineidige Richter zum Kerker verurtheilen läßt; das Schwein, das sich i n allen Lasterpfützen von Italien wälzte, den Wolf, der sich für seinen Baals-Hofstaat für immer jährlich fünf M i l l i o nen durch meineidige Landstände verwilligen läßt, und fragt dann: ,Ist das eine Obrigkeit von Gott, zum Segen verordnet 7 ?'" Die Lola-Montez-Affaire hat dann das Königtum noch stärker diskreditiert, gleichzeitig aber auch eine politische Wende herbeigeführt. I n der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde der Liberalismus i n Bayern zur bestimmenden politischen Kraft. Trotz verfehlter Politik und trotz seines übersteigerten Herrschaftsgefühls und -anspruchs muß anerkannt werden, daß L u d w i g I. sein Herrscheramt i m Sinne des monarchischen Prinzips ausfüllte, indem er als Träger der Souveränität die i h m zukommende aktive Rolle i m Staate wahrgenommen hat. Dazu war jedoch keiner seiner Nachfolger mehr fähig. Ein Nachlassen der monarchischen Initiative kann man bereits bei Max II. feststellen. Seine zögernde, skrupelhafte Natur stand dem i m Wege. Z u jedem Probem holte er eine Fülle von Gutachten ein, die i h m die Entscheidung oft noch erschwerten. Hinzu kam sein ständig schlechter werdender Gesundheitszustand und die damit verbundene zunehmende A b wesenheit von München. Bei L u d w i g II. fehlt die Initiative ganz. Anfangs zeigte er zwar Eifer, aber schon bald wurde die Politik für ihn eine Last. Er mied die Münchner Residenz und zog sich immer mehr i n die Traumwelt Wagnerscher Musik und i n die Einsamkeit zurück, wo er sich m i t seinen Bauplänen beschäftigte und sich mehr der Zeit Ludwigs X I V . und dem Mittelalter als der Gegenwart zuwandte, die ihn seit 1866 und endgültig seit 1871 m i t der verhaßten Realität konfrontierte, daß Bayern seine Eigenständigkeit eingebüßt hatte. Nach 1875 verzichtete der kranke Monarch auf jedes Erscheinen i n der Öffentlichkeit und überließ die Repräsentationspflichten seinem Onkel Prinz Luitpold. 7

Büchner, Georg: Sämtliche Werke und Briefe, Bd. 2, S. 54 f.

12*

180

V I I I . Zusammenfassung der Ergebnisse

Die Beziehungen zur Außenwelt wurden vom Kabinettssekretär wahrgenommen, dem dadurch eine politische Schlüsselrolle zukam. Wie Möckl nachweist 8 , gab diese Institution seine unabhängige Stellung i n der Folgezeit auf. Sie erzielte einen Interessenausgleich mit dem Besitzbürgertum und der Ministerialbürokratie. Damit geriet die Krone i n die Abhängigkeit von der nationalliberalen Führungsschicht. Das Vakuum, das durch das Fehlen der monarchischen Initiative entstanden war, wurde also durch Kabinettssekretariat und Ministeroligarchie ausgefüllt. Auch das Jahr 1886 bedeutete keine Zäsur, denn das nationalliberale Ministerium blieb zum Verdruß der katholisch-konservativen Landtagsmehrheit i m A m t und das Kabinettssekretariat wurde lediglich umgetauft, es bestand jetzt als „Geheimkanzlei" weiter. Da der greise Prinzregent gleichfalls nicht i n der Lage war, das Ruder des Staatsschiffes fest i n die Hand zu nehmen, konnte der Chef der Geheimkanzlei hinter den Kulissen die Politik entscheidend bestimmen. Es erfolgte eine Machtverschiebung zuungunsten der Minister, deren Verbleiben i m A m t vom Wohlwollen der Geheimkanzlei abhängig wurde. Diese Entwicklung zeigt die gewaltige Diskrepanz, die i n Bayern zwischen der Verfassungstheorie, die dem Monarchen als Träger der Souveränität die bestimmende Rolle zuwies, und der Verfassungswirklichkeit herrschte. Die Berufung auf das Gottesgnadentum verlor ebenfalls zunehmend seine Berechtigung. Dessen „Substanzlosigkeit" wurde immer sichtbarer 9 . Der Monarch wurde zur reinen Repräsentationsfigur. Der Prinzregent konnte geradezu als „Puppe" i n den Händen seiner Umgebung betrachtet werden 1 0 . Der monarchische Gedanke ist i n Bayern aber auch durch einige entscheidende Mißgriffe beeinträchtigt worden, nämlich die Entmündigung Ludwigs I I . (1886) und die Beendigung der Regentschaft (1912/13). Hinzu kommt noch das Verhalten Ludwigs I I I . während des Weltkrieges. 8

Möckl, Karl: Die Prinzregentenzeit, S. 34 f. Vgl. Brunner, Otto: Vom Gottesgnadentum zum monarchischen Prinzip. Der Weg der europäischen Monarchie seit dem Hohen Mittelalter, in: Die Entstehung des modernen souveränen Staates, S. 134. 10 Vgl. Kap. V I , 6. 9

3. Die Aushöhlung der monarchischen Staatsform in Bayern

181

Die Bevölkerung Bayerns war, abgesehen von der kleinen Führungsschicht, bis 1886 von der Krankheit Ludwigs II. nicht unterrichtet. Seine ungewöhnlichen Liebhabereien wurden als Schrullen eines Königs hingenommen. Völlig unvorbereitet wurde sie von der Tatsache überrascht, daß der Herrscher, i n dessen Namen bisher regiert worden war, nicht mehr i m Besitz seiner geistigen Fähigkeiten sein sollte. Das ungeschickte Verhalten der Regierungskommission bei der Durchführung der Entmündigung und der Tod des Monarchen i m Starnberger See hatten die Bewohner Oberbayerns und des Allgäus i n die höchste Erregung versetzt 11 . Das Mitleid der Leute verklärte seine Gestalt und machte aus i h m den „Märchenkönig", dessen Verehrung noch bis i n die Gegenwart nachklingt. Einen schlechten Eindruck hinterließ der Umstand, daß das Gutachten von den verantwortlichen Ärzten ohne Untersuchung des Monarchen erstellt worden war. Vor allem aber w i r k t e es sich schädlich aus, daß Prinz Luitpold durch die gewählte Form der Entmündigung ins Zwielicht geriet. I h m wurden persönlicher Ehrgeiz und Machtstreben vorgeworfen, Eigenschaften, die er nie besessen hat. Verantwortlich dafür war das Eigeninteresse der nationalliberalen Bürokratie, die eine Lösung der Krise durch den Landtag verhinderte. Prinzregent Luitpold war deshalb nur i m liberalen Bürgertum beliebt, indessen standen i h m weite Kreise der Bevölkerung mißtrauisch, wenn nicht sogar abweisend, gegenüber. Während Luitpold eine Beendigung der Regentschaft abgelehnt hatte 1 2 , war Prinz L u d w i g für eine derartige Lösung aufgeschlossen. Schon i m Hinblick auf seine große Familie mußte i h m eine Aufbesserung der Finanzen durch die Verfügung über die Zivilliste erstrebenswert erschienen. U m so herber war seine Enttäuschung über die Haltung der Zentrumsfraktion, nachdem er Hertling seine Zustimmung erteilt hatte. Orterer und Pichler hatten sich wider Erwarten nicht durchsetzen können. Die Mehrheit des Zentrums „gebärdete sich also i n dieser Frage noch monarchischer als Regierung, Reichsratskammef und das 11 12

Vgl. Kap. V I , 2. Vgl. Kap. V I , 7.

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V I I I . Zusammenfassung der Ergebnisse

Königshaus selbst 13 ." Deshalb empfand man den Sinneswandel innerhalb eines Jahres u m so peinlicher 14 . Durch die Beendigung der Regentschaft l i t t das Ansehen des letzten bayerischen Monarchen. Zunächst w i r k t e sie sich w o h l nur i n streng legitimistischen und bäuerlichen Kreisen aus, langfristig gesehen fügte sie dem monarchischen Gedanken überhaupt Schaden zu 1 5 . I m Weltkrieg erinnerte man sich wieder an jene Vorgänge und machte es L u d w i g I I I . zum Vorwurf, daß er zu Lebzeiten des rechtmäßigen Königs die Krone angenommen hatte. Sein Konto war jedoch auf der Negativseite inzwischen noch durch das Verhalten während des Krieges belastet worden 1 6 . I n seiner extrem annexionistischen Einstellung sah man m i t einen Grund für die Verlängerung der Feindseligkeiten. Vor allem aber vermißte man i n der Bevölkerung ein entschiedenes Auftreten gegenüber Berlin. Die ablehnende Haltung gegen Preußen und den Kaiser schwächte immer mehr auch die Autorität des bayerischen Königs. Nicht nur die Handlungen und Persönlichkeiten der bayerischen Herrscher standen der monarchischen Idee i m Wege, auch die katholisch-konservativen Kreise haben, wie gezeigt werden konnte, zu ihrer Schwächung beigetragen, obwohl sie sich selber als „kernmonarchisch" verstanden. Schon 1868 deutete sich die Unzufriedenheit m i t der politischen Entwicklung vor allem i m Nachruf der „Donau-Zeitung" 1 7 auf L u d w i g I. an. Seine Nachfolger kamen bereits schlecht weg. 1864 beim Tode M a x i milian I I . waren die katholischen Presseorgane noch unverbindlich geblieben, ihre Ressentiments gegen die liberalen Tendenzen waren noch nicht artikuliert worden. M i t der zunehmenden Polarisierung und der Politisierung der katholischen Konservativen, die sich nach 1866 i n der Patriotenpartei organisierten, änderte sich das rasch. Die Presse wurde i n die politische Agitation miteinbezogen. 18

Albrecht, Willy: Landtag und Regierung in Bayern am Vorabend der Revolution von 1918, S. 52; vgl. Kap. V I I , 3. 14 Vgl. den Bericht über die Abstimmung in den M N N , Nr. 557 vom 31.10.1913. 16 Diese Ansicht vertritt auch Keßler, Richard: Heinrich Held als Parlamentarier, S. 181. 18 Vgl. Kap. V I I , 4. 17 Donau-Zeitung, Nr. 66 vom 6. 3.1868.

3. Die Aushöhlung der monarchischen Staatsform in Bayern

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Bestärkt wurden diese Männer durch militante kirchliche Würdenträger. Während sich sogar i m Kulturkampf die Mehrzahl der Bischöfe staatsloyal verhielt, machten Franz Leopold Freiherr von Leonrod und Ignaz von Senestrey eine Ausnahme. Beide waren vor 1870 auf die Bischofsstühle von Eichstätt bzw. Regensburg berufen worden und traten nachdrücklich für das Vatikanum ein 1 8 . Eine besonders militante Haltung nahm Senestrey ein. I n den A k t e n des Justizministeriums findet sich eine Rede, die er 1869 anläßlich einer Firmungsreise gehalten haben soll und die durch mehrere Zeugen bestätigt wird. Darin heißt es unter anderem: „ W i r Ultramontanen, w i r Reaktionäre, wie man uns nennt, können nicht nachgeben. Die Gegensätze können nur durch Krieg und Revolution ausgeglichen werden. Friedliche Ausgleichung ist nicht mehr möglich; wenn man sich die Köpfe blutig gestoßen hat, w i r d man wieder zu Gott zurückkehren. Wer macht die weltlichen Gesetze? W i r beobachten sie nur, w e i l die Gewalt hinter uns steht, die uns zwingt. Die wahren Gesetze kommen nur von Gott, selbst die Fürsten sind von Gottes Gnaden, und wenn sie dieses nicht mehr seyn wollen, so bin ich der Erste, der die Throne umstürzt 1 9 ." Derart radikale Töne erklangen nicht einmal i n der bayerischen Sozialdemokratie. Aber auch i n der katholischen Presse wurden schärfere Töne laut. Die aufgestauten Gefühle entluden sich schließlich 1886 beim Tode Ludwigs II., dessen Person und Regierungszeit i n den dunkelsten Farben ausgemalt wurden. Obwohl Prinzregent Luitpold eine versöhnlichere Haltung gegenüber der Kirche eingenommen hatte, geriet er ebenfalls zeitweise ins Schußfeld der sogenannten Mehrheitspartei. Er mußte nicht nur versteckte Angriffe des Zentrums ertragen, sondern es sich sogar gefallen lassen, als „gekrönter Agitator" bezeichnet zu werden; ein Vorgang, den die sozialdemokratische Presse m i t Genuß aufgriff 2 0 . I m Jahre 1913 erwies das bayerische Zentrum dem monarchischen Gedanken erneut einen schlechten Dienst, indem es zunächst i m Gegensatz zu den übrigen bürgerlichen Parteien die Beendigung der Regentschaft ablehnte, u m schon i m selben Jahr eine vollständige Kehrtwendung zu machen, und sämtliche Bedenken über den Haufen zu werfen. 18 19 20

Vgl. Möckl, Karl: Die Prinzregentenzeit, S. 195. A S t A M M J u 17399. Vgl. Münchner Post, Nr. 60 vom 12./13. 3.1911.

184

V I I I . Zusammenfassung der Ergebnisse

Diese Tatsachen, die i n der bisherigen Forschung noch nicht i m Zusammenhang gesehen wurden, zeigen, daß bereits vor dem Weltkrieg die Monarchie i n Bayern an Boden verloren hatte. Es ist daher nicht erstaunlich, daß sie unter verschlechterten Bedingungen, wie sie sich während des Krieges einstellten, ihre Anziehungskraft vollends einbüßte. Zur allgemeinen Überraschung wurde dann ausgerechnet das als konservativ geltende Bayern als erster Gliedstaat des Reiches i m November 1918 eine Republik.

Quellen- u n d Literaturverzeichnis

I. Ungedruckte Quellen 1. Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Abt. I. Allgemeines Staatsarchiv a) Akten des ehemaligen Kgl. Bayerischen Staatsministeriums des Innern: M I n n 44215: M Inn 44216: M Inn 44218:

M Inn 44220:

M Inn 44228 :

M Inn 44230: M I n n 44232: M Inn 44233: M Inn 44373:

M Inn 45378: M Inn 45380: M Inn 45381 : M I n n 45386: M Inn 45390: M Inn 45395 : M Inn 45631: M Inn 46066:

Mathias Just, ehemaliger Fourier, wegen sträflicher ÄußerunS. M. den König, 1829. Majestätsbeleidigungen (aufgefundene Schmähschriften), 1831/ 32. Verhaftung des Frhr. v. Closen zu Gern und Prozessierung auf freiem Fuße wegen Majestätsbeleidigung und hochverräterischer Verbindungen, 1833 - 1840. Die gegenseitigen Beschwerden des Gendarmerie-Hauptmanns Frhr. v. Frays und des Polizeidirektors v. Menz aus Anlaß der Verhaftung des Dr. med. Mayer wegen Majestätsbeleidigung (Maueranschläge), 1834/35. Untersuchung gegen den z. Zt. in München befindlichen Josef Max Offner wegen Verletzung der dem Monarchen schuldigen Ehrfurcht, 1840 - 1842. Untersuchung gegen den Guts- und Brauereibesitzer Rabel wegen angeblicher Majestätsbeleidigung, 1845. Majestätsbeleidigung des Sebastian Bockmaier, 1848. Majestätsbeleidigende Äußerungen des Dr. Haller aus Straubing, 1848. Landtagswahlen in der Pfalz; öffentliche Meinung; Flugschriften; Das Verfahren gegen den Rentner K a r l Fröhlich von Zweibrücken wegen Verleumdung. (Signât König Max II.), 1855. Schmähschriften gegen König Ludwig I., 1834/35. Pasquille, Droh- und Schmähbriefe, Gedichte etc., 1840/45. Pasquille, Droh- und Schmähbriefe besonders gegen die Person des Königs, Bd. I I I , 1846/50. Ein anonymer Droh- und Schmähbrief an König Maximilian II., 1852/53. Droh- und Schmähschriften in Bezug auf Lola Montez (Gräfin von Landsfeld), 1846/47. Gefundene Briefe, Schmähschriften, 1835/41. Der Stand der wegen politischer Vergehen anhängigen Untersuchungen; die Verhaftung des Hofrates Dr. W. J. Behr, 1832/36. Verletzung der dem Monarchen schuldigen Ehrfurcht. Gesetzentwurf von 1833. Vorlagen von Ergebnissen geführter Untersuchungen, 1833 - 1876.

186 M Inn 46135: M Inn 46670:

M M M M M M M

Inn 46671: Inn 46672: Inn 46673: Inn 46674: Inn 46675: I n n 46676: Inn 46803:

M I n n 46804: M Inn 46805 : M Inn 46807: M Inn 46808: M Inn 46809: M Inn 46827:

M Inn 65589 : M Inn 65590: M Inn 65591:

M Inn 65592: M Inn 65593: M I n n 65594:

M Inn 65613:

Quellen- und Literaturverzeichnis Volksstimmung i m Amtsbezirke Füssen infolge Ablebens S. M. des Königs Ludwig II., 1886 - 1887. Verzeichnisse der erscheinenden Zeitungen und periodischen Schriften, dann der hierüber bestellten verantwortlichen Redakteure. 1858 - 1871, V I I . Bd. 1871 - 1879, V I I I . Bd. 1880 - 1884, I X . Bd. 1885 - 1888, X . Bd. 1889 - 1892, X I . Bd. 1893 - 1895, X I I . Bd. 1896 - 1900, X I I I . Bd. A k t Nr. 589 a Ableben S. M. des Königs Maximilian I I . am 10. März 1864, 1864 - 1885. A k t Nr. 590 h Ableben S. M. des Königs Ludwig I., gest. 29. Februar 1868 in Nizza, 1868 - 1918. Akt Nr. 590 i Ableben S. M. des Königs Ludwig I I . am 13. Juni

1886, 1886.

A k t Nr. 5901 Ableben S. Hoheit des Prinzregenten Luitpold am 12. Dezember 1912, 1912 - 1913. A k t Nr. 590 m Ableben S. M. des Königs Otto am 11. Oktober 1916, 1916 - 1917. A k t Nr. 590 η Ableben S. M. des Königs Ludwig I I I . am 18. Oktober 1921 in Sarvar, 1921. Die festliche Begehung des 90. Geburtsfestes S. Königlichen Hoheit des Prinzregenten Luitpold von Bayern. Pressestimmen, 1910-1911. Aufsicht auf die Presse, hier das Berichtigungswesen, Bd. I, 1866 -1905. Aufsicht auf die Presse, Bd. I, Bureau-Akt, 1881 - 1899. Aufsicht auf die Presse, hier Veröffentlichung von Dienstesnachrichten und amtlichen Nachrichten, Mitteilungen an die Presse, Bd. I, 1880 - 1910. Revision der preßgesetzlichen Bestimmungen, Bureau-Akt, Bd. I, 1870. Preßstimmen, Bd. I, 1882 - 1888. Verzeichnisse der in Bayern erscheinenden Zeitungen: Bd. I, 1832- 1913. Zeitschriften, Wochenblätter und der Zeitungsredakteure. Vollzug des Gesetzes vom 17. März 1850, den Schutz gegen den Mißbrauch der Presse, des Reichs-Pressegesetzes vom 7. M a i 1874. Generalia. Aufsicht auf die Presse; Vollzug des Pressegesetzes vom 7. M a i 1874, Bd. 1,1874 - 1880.

b) Akten des ehemaligen Kgl. Bayerischen Staatsministeriums der Justiz M Ju 17293: M Ju 17294: M Ju 17295: M Ju 17297:

Entwürfe einer Pressegesetzgebung, 1829 - 1831. Unvollendete Umarbeitung der Entwürfe einer Pressegesetzgebung von 1831, Beiakten: Entwürfe, 1831 - 1848. Edikt über die Freiheit der Presse und des Buchhandels, 1848. Entwurf eines Gesetzes, die Abstellung einiger Pressemißbräuche betreffend, 1849.

Quellen- und Literaturverzeichnis M Ju 17299: M Ju 17301: M Ju 17305: M Ju 17306:

M M M M M M M M M M M M

Ju Ju Ju Ju Ju Ju Ju Ju Ju Ju Ju Ju

17307 17308 17314 17321 17322 17323 17324 17325 17326 17327 17354 17399

M Ju 17428:

Gesetzentwurf, den Schutz gegen den Mißbrauch der Presse betreffend, 1848 -1869. Weitere Gesetzentwürfe zum Pressewesen. Die Freiheit der Presse und des Buchhandels. Edikt I I I zur Verfassungsurkunde, 1811 -1849. Schutz gegen den Mißbrauch der Presse, insbesondere der § 25 des Gesetzes vom 17. März 1850, die Gegenseitigkeit zu auswärtigen Staaten betreffend, I 1850-51. I I 1851 - 1856. Das Verfahren bei bedingter Gegenseitigkeit, 1853 - 1861. Pressegesetz vom 7. M a i 1874 samt Änderungen, 1872 - 1874. Vollzug des Pressegesetzes, Allgemeines, 1874 - 1934. Berichtigungen I,,· 1866 - 1879. Berichtigungen I I , 1880 - 1929. Überwachung der Presse I, 1880 - 1893. Überwachung der Presse I I , 1894 - 1896. Überwachung der Presse I I I , 1897 - 1899. Überwachung der Presse IV, 1900 - 1902. „Simplicissimus", Bd. III,, 1906 - 1931. Die von Bischof Senestrey zu Regensburg bei Gelegenheit einer Firmungsreise an die Beamten in Schwandorf gehaltene Ansprache, 1869. Verkehr mit der Presse, 1870 - 1934.

2. Staatsarchiv München a) Bestand AR (Allgemeines Reichsarchiv) Fase. 800 Nr. 12: Fase. 2825 Nr. 1492: Fase. 2825 Nr. 1493:

Der Presseverein, 1833. Preßpolizei, Gesetzgebung, Preßordnung, 1823 -1900. Presse, Buchhandel, Zensur, 1823 - 1867.

Zeitungen,

b) Bestand RA (Regierungsakten) Fase. 3783 Nr. 57785:

Die Einrückung amtlicher Bekanntmachungen in Zeitungen, 1820 -1922.

c) Bestand Staatsanwaltschaften 7033 : Ernst Freiherr von Linden. 7106: Schmid, Eduard. 7192: Benz, Friedrich.

3. Stadtarchiv München Benützt wurden die Zeitungsausschnittssammlungen zu den einzelnen Herrschern.

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I I I . Zeitungen Allgemeine Zeitung (Augsburg, ab 1882 München) Allgemeine Zeitung für Franken und Thüringen (Bamberg) Amberger Tagblatt Amberger Volkszeitung Aschaffenburger Zeitung Augsburger Neueste Nachrichten Augsburger Postzeitung Augsburger Tagblatt Bamberger Neueste Nachrichten Bamberger Tagblatt Bayerische Handelszeitung (München) Bayerische Lehrer-Zeitung (Augsburg und Landshut) Bayerische Nationalzeitung (Nürnberg) Bayerische Staatszeitung (München) Bayerische Zeitung (München) Bayerischer Königsbote (München) Bayerischer Kurier (München) Bayerisches Volksblatt (Passau) Beobachter am Main und Aschaffenburger Anzeiger Berliner Morgenpost Berliner Tageblatt Blätter der Bayerischen Mittelpartei (Nürnberg) Das Bayerische Vaterland (München) Der Bayerische Landbote (München) Der Bund (Bern) Der freie Landesbote (München) Der Rheinpfälzer (Landau) Der Volksbote (München) Deutsche-Reichs-Post (Stuttgart) Deutsche Zeitung (Wien) Die Presse (Wien) Donau-Zeitung (Passau) Erlanger Neueste Nachrichten

Quellen- und Literaturverzeichnis Erlanger Tagblatt Frankfurter Zeitung Fränkische Nachrichten (Erlangen) Fränkische Tagespost (Nürnberg) Fränkische Zeitung (Ansbach) Fränkischer Kurier (Nürnberg) Fränkisches Volksblatt (Würzburg) Germania (Berlin) Heidelberger Zeitung Historisch-politische Blätter für das katholische Deutschland (München) Ingolstädter Zeitung Journal de Genève (Genf) Kölnische Volkszeitung Kölnische Zeitung Korrespondent von und für Deutschland (Nürnberg) Landauer Volksblatt Le Temps (Paris) München-Augsburger- Abendzeitung Münchener Fremdenblatt Münchener Zeitung Münchner Beobachter Münchner Neueste Nachrichten Münchner Politische Zeitung Münchner Post Münchner Punsch Neue Augsburger Zeitung Neue Freie Presse (Wien) Neue freie Volks-Zeitung (München) Neue Preußische Zeitung (Berlin) Neue Würzburger Zeitimg Neue Zeitung (München) Neue Zürcher Zeitung Neuer Heidelberger Anzeiger Neues Münchener Tagblatt Norddeutsche Allgemeine Zeitung (Berlin) Nürnberger Anzeiger Nürnberger Volkszeitung Oberfränkische Zeitung (Bayreuth) österreichischer Beobachter (Wien) Ost-Deutsche Post (Wien) Pfälzer Tagblatt (Kaiserslautern) Pfälzer Zeitung (Speyer) Pfälzische Presse (Kaiserslautern) Pfälzische Volkszeitung (Kaiserslautern) Pfälzisches Volksblatt (Kaiserslautern) Regensburger Anzeiger Regensburger Morgenblatt Regensburger Tagblatt Reichspost (Wien) Rheinische Zeitung (Düsseldorf) Schwäbischer Merkur (Stuttgart) Straßburger Post

190

Quellen- und Literaturverzeichnis

Straubinger Tagblatt Süddeutsche Presse (München) The Times (London) Völkischer Beobachter (München) Vorwärts (Berlin) Vossische Zeitung (Berlin) Westungarischer Grenzbote (Preßburg) Wiener Zeitung Wochenschrift der Fortschrittspartei in Bayern (Erlangen) Würzburger Glöckli Würzburger Journal Zweibrücker Zeitimg

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