Die Außenpolitik des Deutschen Ordens unter Hochmeister Konrad von Jungingen (1393–1407) [1 ed.] 9783737005371, 9783847105374


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German Pages [368] Year 2016

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Die Außenpolitik des Deutschen Ordens unter Hochmeister Konrad von Jungingen (1393–1407) [1 ed.]
 9783737005371, 9783847105374

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Nova Mediaevalia Quellen und Studien zum europäischen Mittelalter

Band 15

Herausgegeben von Nikolaus Henkel und Jürgen Sarnowsky

Sebastian Kubon

Die Außenpolitik des Deutschen Ordens unter Hochmeister Konrad von Jungingen (1393–1407)

V& R unipress

Gedruckt mit Unterstþtzung des Fçrderungsfonds Wissenschaft der VG WORT.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet þber http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISSN 2198-6231 ISBN 978-3-7370-0537-1 Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhÐltlich unter: www.v-r.de  2016, V& R unipress GmbH, Robert-Bosch-Breite 6, D-37079 Gçttingen / www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich gesch þtzt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen FÐllen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Titelbild: Schilling (o. J.) des Deutschen Ordens von Hochmeister Konrad von Jungingen (1393–1407); Avers.

Inhalt

Abkürzungs- und Siglenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Das Ordensland Preußen um 1400 und die Außenpolitik Konrads . 1.2 Vorüberlegung und Eingrenzung des Themas . . . . . . . . . . . . 1.2.1 Vorüberlegung: Die Stellung des Hochmeisters in der Ordenskorporation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.2 Der zeitliche Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.3 Methodisch-theoretische Anknüpfungspunkte und Begriffsdefinitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.3.1 Hochmeisterbiographie vs. Moderne Politikgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.3.2 Diplomatiegeschichte vs. Geschichte der Außenpolitik 1.2.3.3 Begriffsdefinition: »Außenpolitik« im Mittelalter . . . 1.2.3.4 Theoretische Konzepte zur Analyse mittelalterlicher Außenpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.4 Inhaltlich-geographische Beschränkungen . . . . . . . . . . 1.3 Fragestellung und Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4 Quellenlage und quellenkritische Bemerkungen . . . . . . . . . . . 1.5 Herkunft und Karriere Konrads von Jungingen . . . . . . . . . . .

13 13 22

2 Samaiten: Zielgerichteter Erwerb mit diplomatischen Mitteln? . . . . 2.1 Grundlinien der Beziehungen des Deutschen Ordens zu Polen und Litauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 »Erisapfel« Samaiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Problematik, Vorgehen und der Umgang mit den Quellen . . 2.2.2 Die Vorgeschichte der Samaitenfrage bis 1393 . . . . . . . . . 2.2.3 Die Samaitenfrage unter Hochmeister Konrad von Jungingen

22 24 24 24 29 30 34 35 37 40 48 53 53 58 58 61 66

6

Inhalt

2.2.3.1 Die Samaitenfrage vom Beginn des Amtsantritts Konrads bis zur Vorgeschichte des Friedens von Sallinwerder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3.2 Die Vorgeschichte des Friedens von Sallinwerder . . . 2.2.3.2.1 Der Friedensprozess (Juni 1395 bis zum Vorabend des 12. Oktober 1398) . . . . . . . 2.2.3.2.2 Die Strukturen des Friedensprozesses . . . . 2.2.3.3 Der Frieden von Sallinwerder . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3.4 Die Zwischenvertragszeit: Der Orden und Samaiten zwischen Sallinwerder und Racianz . . . . . . . . . . 2.2.3.4.1 Die Unterwerfung Samaitens (12. Oktober 1398 – Anfang 1401) . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3.4.2 Der Abfall Samaitens (Anfang 1401–12. Juli 1403) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3.5 Der Frieden von Racianz/Racia˛z˙ek . . . . . . . . . . . 2.2.3.5.1 Der Friedensprozess (12. Juli 1403–25. April 1404) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3.5.2 Die Strukturen des Friedensprozesses . . . . 2.2.3.5.3 Die verbrieften Ergebnisse des Friedens von Racianz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3.5.4 Prioritäten und Gewichtung der Artikel des Vertragswerks . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3.5.5 Der Frieden von Racianz – ein Beleg für die Expansionspolitik des Deutschen Ordens? . . 2.2.3.6 Vom Frieden von Racianz bis zum Tod Konrads von Jungingen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3.6.1 Die Zeit bis zu den Ergänzungsverträgen von Thorn im Jahr 1405 . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3.6.2 Die Zeit vor dem Tod Konrads von Jungingen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Die Neumark und kleinere Erwerbungen . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Der Erwerb der Neumark: Die Schaffung einer Landbrücke nach Westen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1 Vorgeschichte: Die Neumark und der Deutsche Orden vor 1393 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2 Der Erwerb der Neumark im Jahr 1402 . . . . . . . . . . . 3.1.3 Der Erwerb von Dramburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.4 Der Erwerbungsprozess der Neumark . . . . . . . . . . . .

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7

Inhalt

3.1.5 Epilog I: Die Neumark im Besitz des Deutschen Ordens bis zum Tod von Hochmeister Konrad von Jungingen . . . . . 3.1.6 Epilog II: Die Konflikte um kleinere Gebiete in und am Rande der Neumark – ein Versuch der zielgerichteten Arrondierung der Neumark? . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.6.1 Küstrin und Tankow . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.6.1.1 Küstrin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.6.1.2 Tankow . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.6.2 Hochzeit, Zantoch und Driesen . . . . . . . . . . . . 3.1.6.2.1 Hochzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.6.2.2 Zantoch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.6.2.3 Driesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.7 Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Exkurs: Die kleineren Erwerbungen an den Grenzen des Ordenslandes Preußen: Arrondierung durch systematische Erpfändung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Das Dobriner Land und Slotterie . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Masowische Territorien: Wizna, Zawkrze und Płon´sk . . .

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5 Fazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ungedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

335 335

4 Die Eroberung von Gotland – ein Brückenkopf in der Ostsee? . . . . 4.1 Vorgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Forschungsstand und Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Vorbemerkung zur Quellengrundlage . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Konrad von Jungingen und die Gotlandfrage . . . . . . . . . . . 4.4.1 Die Expedition nach Gotland 1398 . . . . . . . . . . . . . . 4.4.2 Die Pfandnahme Gotlands von Herzog Albrecht . . . . . . 4.4.3 Die Verhandlungen über dänische Ansprüche auf Gotland zwischen 1399 und 1403 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.4 Verlust und Rückeroberung der Insel in den Jahren 1403/1404 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.5 Die erneute Besetzung der Insel durch den Orden 1404 und die zwei Waffenstillstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.6 Der Gotlandkonflikt bis zum Tag von Flensburg . . . . . . 4.4.7 Der Flensburger Tag und seine Ergebnisse: Die Wende im Konflikt um Gotland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5 Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . .

8

Inhalt

Gedruckte Quellen und Regesten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sekundärliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

337 341

Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Abkürzungs- und Siglenverzeichnis

AI APG APT ASP BGP CA CDBr CDL CDP CDPol CEV DiplDan DOZA GGO GStA PK HA HR IMT JH KDKM KDL KDWP Lites LivUB MTB OBA OF PrUB RBDO RGN

Acta Imperii Archivum Pan´stwowe w Gdan´sku (Staatsarchiv Danzig) Archivum Pan´stwowe w Toruniu (Staatsarchiv Thorn) Acten der Ständetage Preussens Berichte der Generalprokuratoren des Deutschen Ordens an der Kurie Corpus actorum et decretorum magni Constantiensis concilii Codex diplomaticus Brandenburgensis Codex diplomaticus Lithuaniae Codex Diplomaticus Prussicus Codex diplomaticus regni Poloniae Codex epistolaris Vitoldi Diplomatarium Danicum Urkunden des Deutschordens-Zentralarchivs in Wien Geschichte des Geschlechts v. d. Osten Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin Hauptabteilung Hanserecesse Iura Masoviae terrestria Regesta historico-diplomatica Ordinis S. Mariae Theutonicorum (Joachim/Hubatsch) Kodeks dyplomatyczny Ksie˛stwa Mazowieckiego Katalog dokumentjw i listjw krzyz˙ackich Archiwum Pan´stwowego w Toruniu Kodeks dyplomatyczny Wielkopolski Lites ac res gestae inter Polonos Ordinemque Cruciferorum Liv-, Esth- und Curländisches Urkundenbuch Marienburger Tresslerbuch Ordensbriefarchiv Ordensfoliant Preußisches Urkundenbuch Regesten zu den Briefregistern des Deutschen Ordens Repertorium der im Kgln. Staatsarchive zu Königsberg i. Pr. befindlichen Urkunden zur Geschichte der Neumark

10 RHN RLU SD SDOP SSRP ST Thorner Annalen UBWedel VirtPrUB

Abkürzungs- und Siglenverzeichnis

Regesta Historiae Neomarchicae Russisch-Livländische Urkunden Svenskt Diplomatarium Staatsverträge des Deutschen Ordens in Preußen im 15. Jahrhundert Scriptores rerum Prussicarum Sverges Traktater Franciscani Thorunensis Annales Prussici Urkundenbuch zur Geschichte des Schloßgesessenen Geschlechtes der Grafen und Herren von Wedel Virtuelle Preußische Urkundenbuch (www)

Vorwort

Die hier vorgelegte Studie ist die kaum veränderte Dissertation, die im Jahr 2015 vom Fachbereich Geschichte der Universität Hamburg angenommen wurde. Es ist nicht nur üblich, sondern auch höchst angemessen, zu Beginn eines solchen Buches den Menschen zu danken, die den Autor und sein Werk bei der Abfassung begleitet haben. Eine geisteswissenschaftliche Arbeit entsteht in weiten Teilen zwar ganz konkret alleine am Schreibtisch; eine Art splendid isolation hat es – glücklicherweise! – nicht gegeben und gibt es meiner Erfahrung nach dabei auch nicht. Dafür ist der Beistand von außen in jeglicher Form doch eine zu fundamentale Bedingung für das Gelingen einer Qualifikationsschrift. Sollte ich im Folgenden also jemanden nicht genannt haben, dem namentliche Erwähnung gebührt, so bedauere ich das ausdrücklich und bitte um Entschuldigung. Ein ganz besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Jürgen Sarnowsky. Er gewährte mir bei der Arbeit an dieser Studie alle Freiheiten. Dabei hatte er bei Fragen und Herausforderungen immer ein offenes Ohr und half mit seinem Rat. Zudem wurde die Arbeit durch die Anstellung als Wissenschaftlicher Mitarbeiter in seinem DFG-Projekt »Erschließung und virtuelle Rekonstruktion der älteren Register der Kanzlei des Deutschen Ordens« erst ermöglicht. Die Erkenntnisse und Fähigkeiten, die ich bei der Bearbeitung und Mitherausgabe der beiden Bände Regesten zu den Briefregistern des Deutschen Ordens (I) und II (RBDO und RBDO II, Göttingen 2012 und 2014) gewonnen bzw. erlangt habe, kamen dem eigenen Projekt wiederum zugute. Herrn Sarnowsky sowie Herrn Prof. Dr. Nikolaus Henkel verdanke ich zudem die Aufnahme des Bandes in die Reihe Nova Mediaevalia. Meinem Zweitgutachter im Promotionsverfahren, Herrn Prof. Dr. Jochen Burgtorf, California State University, Fullerton, danke ich ganz herzlich für die Anfertigung des Gutachtens sowie seine beständige Unterstützung, die stets über rein fachliche Fragen hinausging. Ich weiß die dabei aufgrund der Entfernung zwischen Hamburg und Kalifornien entstandenen, nicht ganz unerheblichen Kosten und Mühen, die er ohne zu zögern auf sich genommen hat, sehr zu schätzen!

12

Vorwort

Den Hamburger Kollegen, ehemaligen und jetzigen, die teils über Jahre hinweg fachlichen und menschlichen Beistand geleistet haben und leisten, sei mein herzlichster Dank ausgesprochen. Namentlich zu nennen sind: Nico Nolden, Joachim Laczny, Christina Link, Thorsten Logge, Annika Souhr-Könighaus, Cordelia Heß und Cordula Franzke. Frauke Schmitz danke ich für ihre Lektüre und die inhaltlichen Rückmeldungen ganz besonders! Auch den Mitarbeitern des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz, Berlin, insbesondere Herrn Dr. Dieter Heckmann, sei für die Hilfe vor allem bei der Beschaffung von Archivalien gedankt. Nicht zuletzt muss hervorgehoben werden, dass der Förderungsfonds Wissenschaft der VG Wort die Drucklegung dieser Arbeit durch eine Bewilligung meines Antrages auf Übernahme der Druckkosten erst ermöglichte. Ich danke auch der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften, die für diese Arbeit einen Druckkostenzuschuss bewilligt hat, den ich aufgrund der Vollförderung durch die VG Wort aber nicht in Anspruch nehmen konnte. Dem Verlag sei für die Registererstellung gedankt. Abschließend gebührt mein innigster Dank neben meinen Freunden vor allem meiner Familie, d. h. meiner Ehefrau und meiner vor ganz Kurzem geborenen Tochter, meinen Eltern, meinem Großvater und meiner Schwiegerfamilie, von denen mich jeder in seiner Art während der doch teils für alle Beteiligten entbehrungsreichen Zeit immer unterstützt hat. Ohne sie hätte die Arbeit weder fertiggestellt noch überhaupt erst begonnen werden können. Dabei haben zudem meine Frau, Caroline Kubon geb. Ebner, M.A., und meine Mutter, Barbara Kubon, mich maßgeblich bei der mühevollen Arbeit des Korrekturlesens unterstützt. Die restlichen Fehler gehen aber selbstverständlich ausschließlich auf mein Konto. Meiner Familie und insbesondere Caroline sei diese Arbeit gewidmet. Hamburg, im April 2016

Sebastian Kubon

1

Einleitung

1.1

Das Ordensland Preußen um 1400 und die Außenpolitik Konrads

»Blüthenzeit« – mit diesem Prädikat wurde die beinahe 14 Jahre währende Regierungszeit Hochmeister Konrads von Jungingen (30. November 1393 bis 30. März 1407) schon von Johannes Voigt in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts belegt.1 Nicht selten waren es die Geschehnisse in den auswärtigen Beziehungen des Ordenslandes Preußen, die dieser Auffassung als Ausgangspunkt oder Beleg dienten.2 So wurde dem beinahe in der Mitte von Konrads Regierungszeit liegenden Jahr 1398 von Erich Weise eine programmatische Bedeutung beigemessen: »Damals wurde die Eroberung Szamaitens vertraglich festgelegt, die Erwerbung Gotlands bahnte sich an und bald darauf folgte die Angliederung der Neumark. Wenn man also mit dem Jahre 1398 beginnt, so geht man von dem Zeitpunkt der größten Machtentfaltung des Ordens aus, der räumlich weitesten Ausdehnung seines Herrschaftsgebietes.«3

Beispielhaft zeigt sich in diesem Zitat die mal mehr, mal weniger direkt geäußerte opinio communis, wenn es um die Beschreibung und Bewertung der 1 Voigt, Geschichte, 6, S. VI. Auch in neuerer Zeit findet sich diese Auffassung regelmäßig: vgl. Biskup/Labuda, Geschichte, S. 368, und die biographischen Skizzen von Konrad (s. u.). Einwände dagegen wurden allenfalls indirekt vorgetragen: vgl. Forstreuter, Deutschland, S. 12–13. – Aus platzökonomischen Gründen werden in den Anmerkungen ausschließlich Kurztitel angegeben. Die vollständigen Literaturangaben finden sich im Quellen- und Literaturverzeichnis. – Eventuelle Abweichungen in den Quellenzitaten vom angegebenen Druck erklären sich in der Regel daraus, dass diese bei starken Entstellungen nach einer Kollationierung mit der Ausfertigung entsprechend verbessert wurden. 2 Gelegentlich wurden Konrads Verdienste im Bereich der Innenpolitik höher eingeschätzt. Dieser Aspekt muss jedoch an anderer Stelle untersucht werden. 3 Weise, Diplomatik, S. 219. Konsequenterweise steht dann auch der in diesem Jahr geschlossene Vertrag von Sallinwerder am Beginn seiner Edition mit dem Titel »Die Staatsverträge des Deutschen Ordens in Preußen im 15. Jahrhundert« (SDOP).

14

Einleitung

Außenpolitik des Deutschen Ordens unter Konrad von Jungingen geht: Es gilt hier dann – idealtypisch zusammengefasst – die Gleichung, dass die größte territoriale Expansion Preußens um 1400, die unschwer zu erkennen ist, auch den Höhepunkt der Machtstellung der Ordensherrschaft bedeute, worin sich eben unter anderem oder vielleicht doch eher vor allem die »Blütezeit« des Deutschen Ordens im Ostseeraum spiegele.4 Im Rahmen dieser Auffassung bzw. in deren Anschluss wird Konrad von Jungingen dabei als Hochmeister dargestellt, der sich aktiv um die Ausdehnung gekümmert habe; seine Handlungsweise in diese Richtung wurde meistens wie selbstverständlich als konsequent zielgerichtet gesehen5 – wobei Reinhard Wenskus die Auffassung von einem systematischen Erwerb auch auf kleinere Gebiete an der Grenze zu Polen und Masowien mittels Kauf und Pfandnahme ausgeweitet hat6 – oder doch zumindest als »sehr überlegt«7. William Urban spitzte die Ansicht zu, indem er Konrad »a decisive leader of far-reaching plans and far-reaching vision«8 nannte. Sylvain Gouguenheim hat, allerdings ohne Konrad von Jungingen speziell zu nennen, noch vor Kurzem die territoriale Expansion als eine Achse der Ordenspolitik bezeichnet und als Beispiele dafür neben Pommerellen (1309), auch Gotland (1398) und die Neumark (1402) an4 So z. B. Nowak, Verhältnisse, S. 35; Benninghoven, Gotlandfeldzüge, S. 477; Lückerath, Konrad, S. 96, der hier von der »größten (…) Ausbreitung der Einflußsphäre« spricht, was beide Aspekte der Gleichung umfasst. Diese wird zwar nicht immer so pointiert ausformuliert wie hier, doch deutet sich häufiger an, dass bei der Beschreibung der dem Ausmaß nach größten territorialen Expansion auch meistens an die höchste Machtstellung gedacht wird. vgl. Caro, Polens, S. 266; SDOP, S. 1; Wulfmeier, Konrad, S. 46; Nowak, Waffenstillstände, S. 394; vgl. auch Sarnowsky, Orden, S. 92. Toomaspoeg, Histoire, S. 114, hebt die Eroberung von Gotland als eines der Symbole der Macht des Deutschen Ordens hervor; in die gleiche Richtung zielend Hubatsch, Ritterorden, S. 35; indirekt so auch Forstreuter, Deutschland, S. 12–13. Sehr gut wird diese größte territoriale Expansion durch die Karte in Biskup/Czaja, Pan´stwo, S. 107, visualisiert. Die Vergrößerung des Ordenslandes um 1400 wurde auf 32.100 km2 berechnet; ebd., S. 109. Solch eindrucksvolle Zahlen und Bilder legen dann die Annahme einer größten Machtstellung natürlicherweise nahe. 5 Vgl. Lückerath, Konrad, S. 100–101; Eisele, Herren, S. 44 und S. 46. Gjrski sieht Konrads Handeln vielfach von geostrategischen Erwägungen bestimmt; Górski, Ordine, S. 144–148, bes. S. 147. 6 Wenskus, Ordensland, S. 375, wobei aber nicht alle Erwerbungen in der Zeit Konrads eingeleitet wurden, jedoch noch bis in seine Zeit hinein Bestand hatten. Explizit genannt werden u. a. Dobrin, Zawkrze und Wizna, allerdings mit wenig korrekten Zeitangaben. 7 Jähnig, Konrad (1998; unverändert in 2. Aufl. 2014), S. 104. Wulfmeier, Konrad, S. 46, bezeichnet Konrad im Zusammenhang der Erlangung der größten Machtstellung durch die Eroberung von Gotland als einen geschickten Diplomaten, was darauf schließen lässt, dass auch hier an eine Zielgerichtetheit gedacht wird. 8 Urban, Knights, S. 190. Caro, Polens, S. 153, hält Konrad für einen von den »weitgreifenden nordisch-maritimen Aufgaben des Ordens« überzeugten Mann; ohne weitere Belege wird Konrad also auch hier eine politische Konzeption unterstellt, wie es auch Housley, Later Crusades, S. 356, getan hat, der Konrad in diesem Zusammenhang »ambitious policies« bescheinigt.

Das Ordensland Preußen um 1400 und die Außenpolitik Konrads

15

geführt, worin er Machtwillen und den Beweis für eine reale Strategie erkennen will.9 Überhaupt sieht er den Krieg als zentrales Element für die Beziehungen zu den Nachbarn an10 und ebenso die territoriale Expansion.11 Man kann daher die oben aufgestellte Gleichung dahingehend erweitern, dass die größte territoriale Expansion, die zur höchsten Machtstellung geführt habe, in der Regel als planmäßig vom Orden unter Konrad von Jungingen erdacht und als konzeptionell zielgerichtet herbeigeführt angenommen wurde.12 Diese Annahme wurde dabei nicht hinterfragt.13 Es ist nämlich mindestens bemerkenswert, dass es gerade Konrad von Jungingen gewesen sein soll, der die ausgreifendste Expansion der Ordensherrschaft betrieben haben sollte. Er wurde in der Forschung insgesamt ausgesprochen positiv bewertet, wobei ihm neben Frömmigkeit, Gerechtigkeit und Mildtätigkeit insbesondere Friedensliebe14 als hervorstechende Charaktereigenschaft unterstellt wurde.15 9 Gouguenheim, Chevaliers, S. 456; so auch Christiansen, Northern Crusades, S. 166, und besonders prägnant Nöbel, Problem, S. 692. 10 Gouguenheim, Chevaliers, S. 487 und S. 626–627. 11 Ebd., S. 431. 12 S. vor allem Biskup/Labuda, Geschichte, S. 297–299: Hier wird die territoriale Expansion durchgängig mit Begriffen beschrieben, die diese als Ergebnis einer umfassenden Strategie darstellt, welche ›generalstabsmäßig‹ geplant und umgesetzt worden sei; so auch ebd., S. 383–384, S. 393 und S. 537–538 (Konrad von Jungingen taucht dabei jedoch nur dreimal im Register auf). Ähnlich verhält es sich bei Biskup, Wojny, S. 38–42, und jüngst in den entsprechenden Abschnitten in Biskup/Czaja, Pan´stwo (von Janusz Tandecki), S. 105 und S. 122. 13 Einzig Petrauskas, Frieden, S. 28, hat summarisch und leider ohne Belege die These geäußert, dass man mit weitreichenden politischen Entwürfen bei den politischen Akteuren der Zeit um 1400 nicht rechnen konnte, sondern vielmehr mit konkreten politischen Entscheidungen für das Tagesgeschäft. Jüngst hat Mentzel-Reuters, vride, S. 91–93, angezweifelt, dass geostrategische Konzepte für Konrad überhaupt vorstellbar waren. 14 Voigt, Geschichte, 6, S. 4–7 und S. 381. Bei einem solchen Urteil ist es im Wesentlichen geblieben: vgl. Caro, Polens, S. 144 und S. 153; Eisele, Herren, S. 48. Man war sich höchstens nicht darüber im Klaren, ob diese Eigenschaften als günstig für einen Hochmeister anzusehen sind; vgl. Baczko, Geschichte, S. 294–296; Caro, Polens, S. 246. Ein solches Bild – auch mit der möglichen negativen Bewertung dieser Eigenschaften – entstand vor allem, wenn man sich vorwiegend auf die nicht zeitgenössische Historiographie stützte, wofür noch Tumler, Orden, S. 357, ein eindrückliches Beispiel bietet, obwohl auch er diesen Aussagen offenbar nicht ohne Vorbehalt folgen wollte und die Chroniken mehr referiert und ihre Aussagen nicht gänzlich übernimmt. Dabei ist eine gewisse Hilflosigkeit zu spüren. Die neueren biographischen Skizzen beschränken sich meistens darauf, zu konstatieren, dass Konrad in einem solchen Ruf stand; vgl. Jähnig, Konrad (1998/2014), S. 104, und Jähnig, Konrad (1980), S. 518. Die zeitgenössischen erzählenden Quellen bieten kaum Bewertungen von Konrads Persönlichkeit. Bei Wigand von Marburg und den Thorner Annalen findet sich keine explizite Würdigung, bei Johann von Posilge, SSRP 3, S. 285, heißt es jedoch über Konrad als abschließende Würdigung bei seinem Tod kurz: der gar eyn guter herre und setig und gotfurchtig was an alle sime leben. Die pointierteren Schilderungen und Bewertungen stammen aus nicht zeitgenössischen Quellen; vgl. die Aufstellung bei Lückerath, Konrad,

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Einleitung

Doch hat eine Überprüfung oder Diskussion aller dieser teils direkt zusammenhängenden, teils eher nebeneinanderstehenden Vorstellungen, die auf jeden Fall nicht als kohärent bezeichnet werden können, bislang nicht stattgefunden. Eine Biographie liegt für Konrad von Jungingen im Gegensatz zu anderen Hochmeistern nicht vor.16 Überhaupt wurde seine Person in der Forschung vernachlässigt.17 Das spiegelt sich schon in dem Umstand, dass seine Regierungszeit in Überblicksdarstellungen intensivere Erwähnung finden konnte, ohne dass dabei Konrad von Jungingen selbst namentlich genannt wurde.18

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S. 93, von deren Nutzung man aber Abstand nehmen sollte, da die späteren Ereignisse keinen geringen Einfluss auf die Darstellung genommen haben, was sich nicht zuletzt in der regelmäßigen Gegenüberstellung von Konrad und seinem Nachfolger und Bruder Ulrich von Jungingen spiegelt. Eine Untersuchung der Entwicklung des Bildes von Konrad von Jungingen bleibt weiterhin ein Desiderat, hilft bei der Frage nach der Außenpolitik Konrads jedoch nicht weiter, sodass auf eine weitere Ausarbeitung hier verzichtet werden kann. Das kolportierte Bild der vormodernen Chronistik vorschnell als Abbild von Konrads Persönlichkeit zu nehmen und als Interpretationsrahmen für seine Politik zu nutzen, ist methodisch unzulässig, da es zu einem Zirkelschluss führen kann. Dieses Spannungsverhältnis ist nicht zuletzt bei Eisele, Herren, passim, greifbar. Besonders auffällig ist bei Górski, Ordine, eine Dichotomie zwischen dem positiven Bild Konrads (»uomo di carattere pacifico«, ebd., S. 145) und der negativen Darstellung der als zielgerichtet aufgefassten Expansionspolitik während dessen Hochmeisterschaft zu erkennen, wobei Konrads Name in diesem Zusammenhang dann nur selten noch genannt wird; vgl. ebd., S. 145–148. Offenbar hat hier eine Abkopplung von positiv bewerteter Person und negativ aufgefasster Politik stattgefunden. Diese hier gut sichtbare, zumeist aber unterschwellige Dichotomie erklärt vielleicht, warum die Zeit Konrads zwar in allen Darstellungen einen prominenten Raum einnimmt, Konrads Name dabei aber nur selten genannt wird, da man angesichts eines friedliebenden Hochmeisters, der eine expansive Politik durchsetzt, in Erklärungsnöte gekommen wäre; vgl. vor allem Boockmann, Orden, und Biskup/Labuda, Geschichte, sowie ferner die anderen unten genannten Überblicksdarstellungen. Bei Tumler, Orden, S. 357, wurden beide Aspekte nebeneinander gestellt, ohne jedoch die Dichotomie aufzulösen. Krollmann, Geschichte, S. 85, verweist hingegen als Einziger explizit auf dieses Spannungsverhältnis. Der Anspruch, eine Biographie zu schreiben, wurde in sehr unterschiedlichem Ausmaße erhoben und eingelöst: Lückerath, Rusdorf; Nöbel, Küchmeister ; Nieß, Trier ; Murawski, Tannenberg; Helms, Braunschweig. Obwohl seine Regierungszeit als Blütezeit oder Höhepunkt der Ordensgeschichte eingeschätzt wurde, wurde Konrad von Jungingen selbst auch häufiger erstaunlicherweise nicht unter die großen Hochmeister gerechnet. So fehlt er bei Maschke, Ordensstaat, und bei Gouguenheim, Chevaliers, S. 325–330. Zwar reiht Schumacher, Geschichte, S. 49, Konrad unter die großen Hochmeister ein, widmet ihm aber keine zusammenhängende Darstellung. Lückerath, Konrad, S. 92, erwägt als Gründe für die Vernachlässigung Konrads den »langen Schatten« der herausragenden Hochmeisterpersönlichkeiten des 14. Jahrhunderts und eine unterschwellige Kontaminierung des Namens Jungingen durch seinen Bruder. So zum Beispiel in dem klassischen Überblickswerk von Boockmann, Orden. In jüngster Zeit sind zahlreiche Gesamtdarstellungen und Handbücher erschienen: Sarnowsky, Orden; Militzer, Geschichte; Gouguenheim, Chevaliers; Biskup/Czaja, Pan´stwo; Toomaspoeg, Histoire. An älteren, weiterhin nützlichen Überblicksdarstellungen seien genannt: Krollmann, Geschichte; Tumler, Orden; Biskup/Labuda, Geschichte; Boockmann, Ostpreußen; Lohmeyer, Westpreussen; Górski, Ordine.

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Mehrerer Aufrufe zur intensiven Beschäftigung mit diesem Hochmeister zum Trotz19 wurden in der jüngsten Zeit höchstens kürzere biographische Abrisse vorgelegt.20 Man bleibt daher auf den sechsten Band der monumentalen Geschichte Preußens von Johannes Voigt aus dem Jahre 1834 angewiesen,21 in dem die Zeit und die Person Hochmeister Konrads von Jungingen letztmalig monographisch gewürdigt wurde. Dieses Werk, das den Anfang der modernen Geschichtsforschung des Ordenslandes Preußen bezeichnet, ist aufgrund seines Detailreichtums und der Masse an genutzten Quellen weiterhin eine Fundgrube ersten Ranges, doch kann es heutigen Ansprüchen nicht mehr genügen.22 Für die Außenpolitik des Deutschen Ordens im Allgemeinen und die Konrads im Speziellen gilt Ähnliches: Zwar haben schon Klaus Neitmann und jüngst Adam Szweda die Diplomatie des Ordens zum Gegenstand ihrer Arbeiten gemacht, doch konzentrierten sie sich vorrangig auf die formalen Aspekte der auswärtigen Beziehungen, d. h. auf ihre Organisation und Techniken.23 Ansonsten lässt sich feststellen, dass die inhaltliche Dimension der Außenpolitik des Ordens unter Konrad von Jungingen bislang entweder nur sehr global in Überblicksdarstellungen resümiert oder detaillierter allein für einzelne Bereiche, dann aber jeweils isoliert, in den Fokus gerückt wurde.24 Der Zusammenhang der verschiedenen Felder der Außenpolitik, d. h. also ihr Gesamtgefüge und die ggf. dahinter liegenden Konzeptionen spielten darin dann naturgemäß keine Rolle. Es muss daher konstatiert werden, dass eine übergreifende systematisch-analytische Untersuchung zur Außenpolitik Konrads von Jungingen bisher fehlt. Da die auswärtigen Beziehungen des Deutschen Ordens um 1400 trotz oder vielleicht gerade wegen des Mangels einer übergreifenden Studie vielfach zum Kulminationspunkt für eine äußerst positive Bewertung dieser Zeit genommen wurden, ist es schon allein aus diesem Grund notwendig, die Außenpolitik Konrads von Jungingen in den Blick zu nehmen. Neben dieser Bedeutung per se 19 Lückerath, Konrad; Jähnig, Deutschordensstaat, S. 54, Anm. 19. 20 An kürzeren biographischen Skizzen herrscht kein Mangel: Jähnig, Konrad (1998/2014); Jähnig, Konrad (2009); Jähnig, Konrad (1980); Lückerath, Konrad; Krollmann, Von Jungingen; Lohmeyer, Jungingen; Bumiller, Konrad; Wulfmeier, Konrad; Eisele, Herren; Schreiber, Amtsdaten; populärwissenschaftlich und einzig für das Bild von Konrad von Jungingen von Interesse: Bärtle, Konrad; Bink, Krieg. 21 Voigt, Geschichte, 6. 22 Zu Johannes Voigt als Historiker s. Maschke, Voigt. 23 Szweda, Organizacja; Neitmann, Staatsverträge ›beschränkte‹ sich dazu auf die Staatsverträge des Deutschen Ordens. Ein aktualisiertes Konzentrat dieser Überlegungen mit der Ankündigung einer neueren Monographie zu den Friedensverträgen zwischen dem Deutschen Orden und Litauen findet sich in Neitmann, Vom »ewigen Frieden«, insbesondere S. 201, Anm. 1. Ausgewählte Probleme der Diplomatie im oben angesprochenen Sinne zwischen 1409 und 1411 bei Szweda, Polen. 24 Die Literatur wird zu Beginn der entsprechenden Kapitel gegeben.

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gibt es aber auch noch zwei chronologisch über die Amtszeit Konrads hinausreichende Aspekte, die eine Beschäftigung mit seiner Zeit und insbesondere seiner Außenpolitik provozieren und lohnend erscheinen lassen. a) Muss man, wie eben hinreichend gezeigt, eine äußerst günstige Bewertung der Hochmeisterschaft und Persönlichkeit Konrads erkennen, kommt man nicht umhin, einen bemerkenswerten Kontrast im gängigen Bild der Gesamteinschätzung und Periodisierung der Geschichte Preußens zu konstatieren: Auf der hellen Seite findet sich dann zunächst die »Blütezeit« unter Konrad von Jungingen, die sich stark von der dunklen Seite des Bildes abhebt, die die Vorstellung des durch die 1410 erlittene Niederlage des Deutschordensheeres bei Tannenberg eingeleiteten unaufhaltsamen Niedergangs des Deutschen Ordens zum Motiv hat.25 Auffällig ist die extreme Stärke des Kontrasts, die bei der Gegenüberstellung dieser Bewertungen von zwei direkt benachbarten Zeitabschnitten der Geschichte Preußens entsteht:26 Demnach liegen also der Höhepunkt der Machtstellung – wenn man wie Erich Weise das Jahr 1398 als Climax annimmt – und der Ausgangspunkt des Niedergangs in Gestalt der Niederlage bei Tannenberg 1410 nur ca. zwölf Jahre auseinander. Nicht selten wurde dazu eine Auffassung vertreten, die die Niederlage vor allem an der Person und in der Persönlichkeit Ulrichs von Jungingen festmacht, der in diesem Erklärungsmuster durch seine »Hitzköpfigkeit« die Machtposition des Ordens leichtfertig aufs Spiel gesetzt und verloren habe. Überhaupt wurde Ulrich von Jungingen mitsamt seiner Politik überwiegend negativ bewertet.27 Man muss also auch in der Gegenüberstellung der beiden Hochmeister Konrad und Ulrich von Jungingen einen überaus starken Kontrast feststellen, der in einer derart ausgeprägten Form kaum der historischen Wirklichkeit entsprechen dürfte.28 Zwei Gesichtspunkte dieses sich aus den verschiedenen Vorstellungen zusammensetzenden Gesamtbilds sind für das weitere Vorgehen von Bedeutung. Zum einen scheint die Einschätzung der Zeit und insbesondere der Persönlichkeit Konrads von Jungingen vielfach weniger aus sich selbst heraus, sondern nicht zuletzt in Abgrenzung zur nachfolgenden Zeit und zur Politik und Persönlichkeit seines Nachfolgers betrieben worden zu sein.29 Offenbar hat der 25 Diese Auffassung ist nicht mehr undiskutiert, muss aber im Wesentlichen als herrschende Meinung bezeichnet werden; vgl. Ekdahl, Schlacht, S. 1, sowie vor kurzem ders., Tannenberg, S. 895. 26 Vgl. als ein Beispiel unter vielen SDOP, S. 2. 27 Zur Bewertung Ulrichs von Jungingen s. als ersten Zugriff: Gouguenheim, Ulrich, S. 944, und Ekdahl, Ulrich, S. 114 (dort auch die weiterführende Literatur). 28 Daneben hat Jähnig, Konrad (1998/2014), S. 104, darauf hingewiesen, dass das positive Bild Konrads von Jungingen auch in Abgrenzung zur negativen Kontrastfolie Konrads von Wallenrode im Anschluss an die Visionen Dorotheas von Montau entstanden ist, um deren Heiligsprechung sich Konrad von Jungingen bemüht hat. 29 Vgl. Baczko, Geschichte, S. 295–296, S. 299, und Caro, Polens, S. 266–267, der daneben

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direkte Vergleich zwischen beiden Hochmeistern – ein solcher lag nahe, waren beide darüber hinaus auch noch Brüder – überraschenderweise nicht dazu geführt, dass man beiden Protagonisten in ihren Zeitumständen jeweils gerecht wurde. Vielmehr stand am Ende ein jeweils in die Extreme tendierendes Bild von Konrad und von Ulrich von Jungingen. Eine Analyse, bei der Konrad und seine Außenpolitik allein für sich und eben nicht in Abgrenzung zu Ulrich von Jungingen betrachtet wird, bietet daher die Chance, der Schwarz-Weiß-Malerei zu entgehen und ein angemesseneres Bild zu zeichnen. Zum anderen wird der Blick durch solch scharfe Kontraste auf die zugrunde liegenden Strukturen gelenkt. Es kann an dieser Stelle, an der Konrad von Jungingen im Mittelpunkt stehen soll, zwar nicht erörtert werden, inwiefern nun nur knapp drei Jahre nach dem Tode Konrads ein völliger Umschwung von einer »Blütezeit« zu einem unaufhaltsamen Niedergang stattgefunden hat bzw. haben kann. Die Reduzierung der historischen Erklärung auf ein einzelnes Ereignis oder rein die Persönlichkeit einer Herrscherfigur dürfte man jedoch als nicht mehr der modernen Forschung angemessen betrachten können.30 Das wurde auch schon in Einzelfällen knapp angemerkt, wenn darauf hingewiesen wurde, dass die tieferen Ursachen für 1410 und dessen Folgen bereits in der Zeit Konrads von Jungingen zu finden seien. Kurt Forstreuter skizzierte diese Auffassung in aller Kürze: »Die tieferen Ursachen für das Unheil von 1410 liegen also nicht in den Fehlern der kurzen Regierung Ulrichs von Jungingen (1407–1410), sondern bereits in der Amtszeit seines Bruders Konrad (1393–1407), der zwar mit Geschick und Glück dem Deutschen Orden große Erfolge und dem Ordensstaat die größte Ausdehnung errang, aber damit ungeheure Angriffsflächen und Belastungen schuf, die auf die Dauer nicht zu tragen waren.«31

Die punktuelle Bewertung der größten territorialen Expansion um 1400 als ein Beweis für die größte Machstellung und damit der Blütezeit wird damit infrage gestellt und der Blick auf die strukturellen Konsequenzen, die sich aus der Ausdehnung für die Ordensherrschaft ergaben, gerichtet. Diese These muss jedoch als Mindermeinung angesehen werden,32 die zudem nur knapp entworfen, aber nie weiter als eben dargelegt ausgeführt wurde.33 Eine detaillierte Re-

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auch Konrad von Wallenrode als kriegerisches und tatkräftiges Gegenbild zu Konrad von Jungingen aufstellt; ebd., S. 246–247. Das hat hinsichtlich der Schlacht bei Tannenberg unlängst Jähnig, Deutschordensstaat, S. 47, angedeutet. Forstreuter, Deutschland, S. 12–13. Nur Housley, Later Crusades, S. 355–356, hat in eine ähnliche Richtung abgezielt, indem er die Belastungen konkretisiert und insbesondere auf die immensen Kosten der territorialen militärischen Erfolge und ihre Folgen hingewiesen hat, die so den Boden für die Probleme der Nachfolger bereitet hätten. Zwar hat auch schon Baczko, Geschichte, S. 281 und S. 285, im Jahre 1793 Konrad von

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konstruktion der Außenpolitik Konrads ist daher hinsichtlich der sich in ihr offenbarenden oder durch sie geschaffenen Strukturen sowohl für die angemessene Bewertung der Zeit Konrads selbst als auch als Vorarbeit für die Untersuchung der Ursachen der Niederlage im Jahr 1410, das weiterhin ein erklärungsbedürftiges Zentraldatum der Geschichte des Ordenslandes Preußen bleibt,34 von großer Bedeutung. b) Schließlich fällt auch bei einer chronologisch rückwärtig gerichteten übergreifenden Betrachtung der Geschichte des Ordenslandes Preußen ein irritierendes Spannungsverhältnis auf. Die Ära des Hochmeisters Winrich von Kniprode (1352–1382) wird mindestens ebenso regelmäßig als »Blütezeit« oder »goldenes Zeitalter« bezeichnet und steht darin in Konkurrenz zur Epoche Konrads.35 Stehen diese Einschätzungen zwar in der Regel – wenn denn überhaupt – unverbunden nebeneinander, drängt sich bei der weiteren Perspektive doch unweigerlich die Frage auf, wie diese Auffassungen in Beziehung gesetzt werden können. Bei einer – jedoch schon biologisch fragwürdigen – Nutzung der Blütenmetapher müsste dann z. B. in »Hochblüte« und »Spätblüte« o. ä. unterschieden werden. Ganz abgesehen von den theoretischen Einwänden bliebe der konkrete Erkenntniswert jedoch gering.36 Jungingen die Verantwortung für den Krieg mit Polen und die Niederlage bei Tannenberg zugeschrieben, doch sah er, im Gegensatz zu Kurt Forstreuter, keine von diesem verantworteten Strukturprobleme. Auch hier findet sich eine Reduktion der Erklärung auf die Persönlichkeit eines Protagonisten, wenn Baczko Konrad vorwirft, aufgrund seiner Friedfertigkeit einmalige Gelegenheiten, Polen und Litauen niederzuwerfen, ungenutzt gelassen zu haben, wodurch es letztlich erst zu Tannenberg gekommen sei. Auf S. 294 heißt es ebd. zusammenfassend: »Hätte ein einsichtsvoller kriegerischer Hochmeister an der Spitze des damals so mächtigen Ordens, dem es weder an Geld, noch an irgend einem Bedürfnisse zum Kriege fehlte, diese nachtheiligen Verhältnisse Vitolds und Jagellos genutzt: dann hätte sicher eine Schlacht bey Tannenberg, mit allen ihren traurigen Folgen, niemals Statt gehabt.« In einem nachgiebigen Verhalten Konrads gegenüber Polen erkannte er einen wesentlichen Grund für die spätere Niederlage, da durch diese der Frieden nicht befestigt, sondern der Krieg herbeigezogen worden sei; ebd., S. 295. Auch diese Erklärung kann aus den oben genannten Gründen nicht befriedigen. Es kommt hinzu, dass sie Konrads Handlungsweise eher am Maßstab und am Vorgehen der Politik ihrer eigenen Zeit messen dürfte und damit nicht der Zeit um 1400 gerecht wird. 34 Boockmann, Ostpreußen, S. 184; vgl. Czacharowski, Tannenberg, bes. S. 59, der einige Anregungen zur Klärung dieser Frage gegeben hat, die aber letztlich nicht überzeugen können. 35 Seit dem 15. Jahrhundert gilt seine Regierungszeit als Blütezeit; Conrad, Winrich, S. 84; s. Jähnig, Deutschordensstaat, S. 46 und S. 60; Gouguenheim, Chevaliers, S. 325; Sarnowsky, Winrich, S. 1283; ders., Winrich, S. 974; ders., Orden, S. 50–51, lässt das goldene Zeitalter 1386 mit der polnisch-litauischen Union enden. Winrich von Kniprode wurde im Gegensatz zu Konrad von Maschke, Ordensstaat, unter die großen Hochmeister gerechnet. Eine ausführliche Studie fehlt jedoch auch hier. 36 Hinsichtlich des Begriffs »Blütezeit« hat Militzer, Geschichte, S. 95, jüngst zu Recht noch einmal in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die Übertragung biologischer Perspektiven auf historische Vorgänge fälschlicherweise voraussetzt, dass eine Korporation

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Ähnliches gilt auch für den weiterhin an das Konzept der »Blütezeit« anknüpfenden, in seinem Ergebnis aber etwas anders gelagerten Vorschlag der Einordnung, in welchem die gesamte Zeit der sechs Hochmeiser von Werner von Orseln, über Luther von Braunschweig, Dietrich von Altenburg, Ludolf König, Heinrich Dusemer zu Winrich von Kniprode (1342–1382) als Blütezeit betrachtet wird.37 Die dort zu findende Feststellung Bernhart Jähnigs, dass sich für die innere Entwicklung Preußens von Winrich von Kniprode bis zu Ulrich von Jungingen (1407–1410) kein Einschnitt erkennen lasse, der als Ende einer »Blütezeit« bezeichnet werden könne,38 zeigt, dass diese Überlegungen insgesamt eher vorläufigen Charakter haben.39 Aufgrund der nur beiläufigen Erwähnung Konrads als eines »sicher auch großen Hochmeisters«40 in einer Anmerkung können auch aus diesem Ansatz keine weiterführenden Erkenntnisse für die Einordnung dieser Epochen gezogen werden. Insgesamt ist bemerkenswert, dass die Feststellung der verschiedenen sich strictu sensu ausschließenden »Blütezeiten« bislang nicht zu einer Diskussion geführt hat. Es wäre denkbar, dass der schon theoretisch schwierige Begriff »Blütezeit« dabei in seiner praktischen Anwendung in diesem Falle offenbar eine angemessene Einordnung bzw. ihre Diskussion zumindest nicht begünstigt, sondern vielleicht sogar vielmehr behindert hat. Offenbar war die Blütenmetapher mehr als abschließende Erklärung denn als erste Einordnung schnell zur Hand, sodass daraufhin die Notwendigkeit einer inhaltlichen Prüfung mit einem systematischen Vergleich übersehen werden konnte. Allerdings muss vor allem ein Mangel an Spezialuntersuchungen zu den meisten der in Betracht zu ziehenden Hochmeister und ihrer Zeit konstatiert werden, die als Vorbedingung für einen übergreifenden Vergleich unverzichtbar sind. Insgesamt kann der Stand der Überlegungen nicht befriedigen. Weder wurden die Außenpolitik Preußens um 1400 oder Konrad von Jungingen als

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wie der Deutsche Orden einem biologischen Prozess unterliege. Sind die Erkenntnismöglichkeiten aus der Anwendung des Begriffs »Blütezeit« also schon aus theoretischen Gründen zu bezweifeln, da das Bild schief ist, zeigen sich in diesem Fall auch die konkreten Probleme beispielhaft, die das Operieren mit dieser Metapher bei der Einordnung der unterschiedlichen Zeiträume zur Folge hat. Vgl. Jähnig, Deutschordensstaat, S. 46: »Zeitraum der Blüte«, S. 60: »Blütezeit«. Ebd., S. 47. Abschließend wird dann doch wieder Winrichs Zeit als der eigentliche Höhepunkt herausgestellt (ebd., S. 61) mit der kurz darauf folgenden Einschränkung, dass es schwer zu entscheiden sei, ob er mehr Verdienste als seine Vorgänger habe; ebd. S. 62. Nicht zuletzt diese mäandernde Einschätzung sowie die Diskussion des Beginns und des Endes dieser Blütezeit, die einige ausgewählte mögliche Argumente für die Abgrenzung abwägt und letztlich aus pragmatischen Gründen die Jahre 1324 und 1382 nicht als »echte Grenzjahre«, sondern als »Orientierungspunkte für die historische Untersuchung« wählt (vgl. ebd., S. 46– 48; Zitate auf S. 48), zeigt, dass hier eher der Ausgangspunkt weiterer Überlegungen zu finden ist. Ebd., S. 54, Anm. 19.

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Einleitung

Hochmeister bislang monographisch behandelt noch haben die vielen und zum Teil widersprüchlichen Vorstellungen und Bewertungen zu seiner Person und Außenpolitik anderweitig eine verstärkte Diskussion erfahren. Ist ihre Untersuchung aufgrund des Forschungsstandes also schon allein daher als Desiderat aufzufassen, erwächst ihr eine übergeordnete Bedeutung als Vorarbeit für eine konsistente Einordnung dieser Zeit in die Gesamtgeschichte des Ordenslandes Preußen.

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Vorüberlegung und Eingrenzung des Themas

Daher soll im Folgenden die Außenpolitik des Deutschen Ordens unter Hochmeister Konrad von Jungingen im Mittelpunkt der Betrachtungen stehen. Im gewählten Thema deuten sich einige Eingrenzungen hinsichtlich des Untersuchungszeitraums, der Methodik und des Inhalts schon an, die notwendig sind, bevor die konkreten Fragestellungen formuliert werden können. So muss zunächst nach der Stellung des Hochmeisters in der Ordenskorporation gefragt werden.

1.2.1 Vorüberlegung: Die Stellung des Hochmeisters in der Ordenskorporation Wenn hier die Außenpolitik Konrads von Jungingen in den Mittelpunkt gestellt werden soll, fällt im Gegensatz dazu auf, dass in den meisten Studien zur Politik des Deutschen Ordens von den Menschen, die die Entscheidungen getroffen haben, abstrahiert wird. Die Hochmeister werden selten explizit als Träger der Politik dargestellt. Dies ist besonders offensichtlich bei Konrad von Jungingen, der zuweilen bei der Untersuchung seiner Amtszeit nicht einmal namentlich genannt wird,41 wohingegen der Orden an sich meist als handelndes Subjekt verstanden wird. Das mag damit zusammenhängen, dass die Hochmeister zwar häufig weniger als handelnde Persönlichkeiten in Erscheinung getreten sind, wohl aber die Handlungen und Entwicklungen in einer im Einzelnen schwer bestimmbaren Weise gestaltet haben, wie Bernhart Jähnig für die Zeit Werners von Orseln bis Winrichs von Kniprode betont hat.42 Peter Gerrit Thielen hat jedoch darauf hingewiesen, dass sich mit der Wende des 14. Jahrhunderts die Meister aus der Anonymität zu lösen begannen.43 Die breite Quellenlage für 41 Vgl. Boockmann, Orden. 42 Vgl. Jähnig, Deutschordensstaat, S. 60; vgl. auch Thielen, Verwaltung, S. 31–32. 43 Ebd., S. 32–33.

Vorüberlegung und Eingrenzung des Themas

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Konrad von Jungingen belegt dies eindrücklich. Es stellt sich angesichts dieser Befunde die Frage, inwieweit man überhaupt von einer Außenpolitik Konrads von Jungingen sprechen kann? Oder muss nicht doch angesichts des Korporationscharakters richtigerweise von der Außenpolitik des Deutschen Ordens gesprochen werden? De iure war der Deutsche Orden der Souverän von Preußen.44 Der Hochmeister hatte nach den Statuten45 bei alltäglichen Angelegenheiten zwar freie Entscheidungsmöglichkeiten, war jedoch bei wichtigen Entscheidungen an den Rat der Mitgebietiger und bei besonders gravierenden Problemen an die Zustimmung des Ordenskapitels gebunden, wovon er sich auch nie freimachen konnte.46 Der Hochmeister sollte das Ordensoberhaupt sein und Kraft seiner Amtsautorität mit dem Rat der Ordensbrüder handeln. Er stand an der Spitze der Ämterhierarchie, war aber kein unumschränkter und absoluter Herrscher, sondern angehalten, Rat einzuholen – in der Regel bei den Großgebietigern – und zu befolgen. »Der Hochmeister führte die Geschäfte des Ordens und repräsentierte ihn, blieb aber trotz aller Kompetenzen in die Korporation eingebunden und ein Teil von ihr.«47 Auch de facto lassen sich schon auf den ersten Blick in der diplomatischen Praxis Belege für eine solche Stellung des Hochmeisters finden. Insbesondere in der hochmeisterlichen Korrespondenz erscheint Konrad von Jungingen als Entscheider, wobei auch nicht selten von der Teilhabe der Gebietiger an der Entscheidungsfindung die Rede ist. Gouguenheim hat die wohl zu pointierte These aufgestellt, dass sich die Entwicklung im Laufe der Zeiten (mit einem Höhepunkt unter Winrich von Kniprode) in Richtung »pouvoir personel« verschoben habe und der Hochmeister letztlich mit einem Monarchen verglichen werden könne.48 Es scheint daher weder aufgrund der normativen Stellung des Hochmeisters noch de facto ein Problem zu sein, zunächst die Formulierungen »Außenpolitik des Deutschen Ordens« und »Außenpolitik Konrads von Jungingen« synonym zu gebrauchen – zumindest solange nicht, wie sich keine Anhaltspunkte aufdrängen für einen Dissens zwischen Hochmeister und Gebietiger bzw. der Ordensbrüder. Es wird jedoch im Folgenden darauf zu achten sein, ob sich die in den Normen vorgesehene Stellung des Hochmeisters auch so in der Praxis widerspiegelt bzw. wo ggf. Abweichungen zu sehen sind. Es ist jedoch nicht unwahrscheinlich, dass hier die Quellenlage die Grenze der Erkenntnis bestimmt, dürften doch viele solcher Beratungen der Sphäre der Mündlichkeit zuzuordnen sein, ohne dass sich allzu häufig eine schriftliche Reflektion davon erhalten hat. 44 45 46 47 48

Gouguenheim, Ordensstaat, S. 662. Das folgende nach Militzer, Akkon, S. 136–137 und S. 143. Gouguenheim, Ordensstaat, S. 662. Militzer, Akkon, S. 144. Gouguenheim, Ordensstaat, S. 662.

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So ist zu vermuten, dass man mit der im Titel gebrauchten Formulierung von der Außenpolitik des Deutschen Ordens unter Hochmeister Konrad von Jungingen zumindest der erkennbaren Praxis am nächsten kommen dürfte.

1.2.2 Der zeitliche Rahmen Zeitlich beschränken sich die folgenden außenpolitischen Analysen auf die Regierungsjahre Konrads als Hochmeister (30. November 1393 bis zum 30. März 1407), einer immerhin knapp 14 Jahre lang währenden und an Quellen reichen Zeit. Leben und Karriere vor seiner Wahl können in einem Exkurs knapp zusammengefasst werden (s. u.); den entsprechenden sachthematischen Kapiteln wird jeweils ein kurzer historischer Rückblick vorangestellt. Mit dem Tod Konrads, um dessen Außenpolitik es sich hier ausschließlich drehen soll, enden naturgegeben jeweils die eingehenden Betrachtungen; es erfolgt einzig ein knapper historischer Ausblick.49

1.2.3 Methodisch-theoretische Anknüpfungspunkte und Begriffsdefinitionen 1.2.3.1 Hochmeisterbiographie vs. Moderne Politikgeschichte Methodisch ist von vorneherein kein Anschluss an die klassischen »Hochmeisterbiographien« bzw. deren Anspruch beabsichtigt. Das liegt an verschiedenen, hier nur knapp skizzierten Gründen, die nicht zuletzt mit den Problemen dieser Gattung zusammenhängen, wie sie sich zu einem Teil auch in den bisher vorgelegten Studien offenbart haben. Je nach Fall ist der biographische Zugriff in sehr unterschiedlichem Maße angekündigt bzw. dann auch wirklich umgesetzt worden. So handelte es sich beispielsweise bei den Arbeiten von Wilhelm Nöbel und Carl August Lückerath50 doch – dem eigenen Anspruch entgegen – letztlich vor allem um eine Darstellung der Geschichte des Deutschen Ordens unter den entsprechenden Hochmeistern.51 49 In der Zeit direkt nach dem Tode eines Hochmeisters vermieden es die Hochmeisterstatthalter und die anderen Gebietiger zudem auch, durch irgendwelche Entscheidungen dem neuen Hochmeister vorzugreifen. Auch die Lösung drängenderer (außenpolitischer) Fragen wurde dann bis zur Wahl vertagt. Eindrücklich belegt das die Korrespondenz während der Vakanzen nach dem Tod Konrads Zöllner von Rotenstein und Konrads von Wallenrode; vgl. RBDO. 50 Nöbel, Küchmeister ; Lückerath, Rusdorf. 51 Darauf wurde schon zu Recht von Helms, Braunschweig, S. 1, hingewiesen. Eine vertiefte theoretische Diskussion über Anspruch und Wirklichkeit sowie Möglichkeiten und vor allem Grenzen von sog. Hochmeisterbiographien steht jedoch noch aus.

Vorüberlegung und Eingrenzung des Themas

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Bei einer regelrechten Biographie müsste jedoch vor allem die Erfassung der Persönlichkeit und der menschlichen Individualität im Mittelpunkt der Bemühungen stehen,52 mit der nicht zuletzt dann auch die Handlungen der Protagonisten erklärt werden sollten. Gerade in diesem konkreten Fall wird die Persönlichkeit Konrads jedoch wenig von zeitgenössischen Quellen thematisiert53 – ein Schicksal, das er mit den meisten mittelalterlichen Menschen teilt –,54 sondern bestenfalls reflektiert. Die später ex eventu geschriebenen Quellen kann man hingegen kaum guten Gewissens als Schlüssel zur Erklärung der politischen Handlungen nutzen, will man die Gefahr eines Zirkelschlusses vermeiden – sieht man einmal generell von der vielfach fragwürdigen Zuverlässigkeit der späteren Quellen ab. Die Persönlichkeit Konrads müsste daher aufgrund der Quellenlage genau umgekehrt erst aus seinen konkreten Handlungen abgeleitet werden,55 sodass in jedem Fall eine Rekonstruktion seiner politischen Handlungen und der sich darin spiegelnden Absichten vor dem Versuch einer Biographie stehen müssen. Darüber hinaus müsste bei einer Biographie auch die Innenpolitik eine wesentliche Rolle spielen, was aufgrund seiner langen Regierungszeit und dem vor allem auch für diesen Bereich vorliegenden Quellenreichtum in angemessener Tiefe nicht zusätzlich zu bewältigen wäre. U. a. auch aus diesen Gründen soll an dieser Stelle die Analyse der Außenpolitik des Deutschen Ordens unter Konrad von Jungingen ins Auge gefasst und nicht der beim jetzigen Stand der Forschung ohnehin nicht einlösbare Anspruch einer biographisch angelegten Darstellung erhoben werden. Es ist jedoch zu erwarten, dass sich nach der Analyse der Außenpolitik am Ende erste Thesen in Hinblick auf die Persönlichkeit Konrads formulieren ließen, die dann als Ausgangspunkt für eine biographische Abhandlung dienen könnten. Davon muss aber hier Abstand genommen werden. Die Analyse schließt sich vielmehr allgemein-methodisch an eine Politikgeschichte56 »in moderner Sicht«57 an und orientiert sich im Speziellen an den in 52 Zu den Problemen und Möglichkeiten der Erfassung menschlicher Individualität (früh-)mittelalterlicher Menschen s. die Fallstudie von Tellenbach, Charakter, zu Heinrich IV. und insbesondere die allgemeinen, theoretischen Überlegungen, die ebd., S. 345–346, angestellt werden. 53 Das gilt nicht nur für Konrad von Jungingen, was Gouguenheim, Chevaliers, S. 330, betont hat: »f la diff8rence des souverains europ8ens, l’individualit8 de ces grands ma%tres, leur vie int8rieure, ne sont pas livr8es par les sources.« 54 Vgl. Tellenbach, Charakter, S. 346, in Hinblick auf das Frühmittelalter. 55 Vgl. insbesondere Tellenbach in anderem Zusammenhang, aber unter gleichen Voraussetzungen, ebd., S. 345 und S. 363–364. 56 Zur knappen Einführung in die Politikgeschichte als Konzeption der Geschichtswissenschaft dienlich sind Borowsky/Nicolaysen, Politische Geschichte, sowie ferner Schlögl, Politik- und Verfassungsgeschichte; Wirsching, Internationale Beziehungen, und Frevert, Neue Politikgeschichte (2002) (hier auch eine Vorstellung der neuesten Modernisierungsansätze der Politikgeschichte), über die die ältere Literatur erschlossen werden kann. Die

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jüngerer Zeit entstandenen Studien zu verschiedensten Beispielen mittelalterlicher Außenpolitik (s. u.). Das bedeutet zunächst, dass hier selbstverständlich nicht die bis zum 2. Weltkrieg in Deutschland dominierende Vorstellung zugrunde gelegt wird, dass politische Geschichte die »eigentliche Geschichte«58 sei. Vielmehr wird sie als eine seit 1945 – zumindest explizit – eher weniger im Zentrum der Aufmerksamkeit stehende Perspektive oder Konzeption betrachtet,59 die hier jedoch als die zur Analyse der im Forschungsstand exponierten Spannungsverhältnisse und Dichotomien erfolgversprechendste gewählt wurde. tiefreichende theoretische Diskussion um die Aufgaben, Möglichkeiten und Grenzen von traditioneller und moderner Politikgeschichte kann hier weder nachgezeichnet noch gar fortgeführt werden; als konziser Zwischenstand zur Diskussion über moderne Politikgeschichte vs. Gesellschaftsgeschichte bzw. Hillgruber (und Hildebrand) vs. Wehler s. Conze, »Moderne Politikgeschichte«; neuere Reflexionen zum Thema in den Sammelbänden von Kraus/Nicklas, Geschichte (hier insbesondere dies., Einleitung, wo eine vermittelnde Position vorgetragen wird); Frevert, Neue Politikgeschichte (2005); Loth/Osterhammel, Internationale Geschichte; zum Stand der französischen Diskussion s. Berg, Einleitung, S. 13; Soutou, Schule. Es kann daher im Folgenden nur um eine knappe Verortung des eigenen Ausgangspunktes gehen. Das gilt umso mehr, da die theoretischen Überlegungen dieser Diskussion in der Regel auf Grundlage und hinsichtlich von Fragestellungen aus der neuzeitlichen Geschichte angestellt wurden. Der Bereich der mittelalterlichen Geschichte mit seiner doch sehr unterschiedlichen Ausgangslage hat in den Erwägungen in der Regel kaum eine Rolle gespielt. Im Rahmen der Geschichte von den internationalen Beziehungen wurde er häufiger aufgrund des Fehlens von Nationen im Mittelalter sogar explizit ausgeschlossen; vgl. Wirsching, Internationale Beziehungen, S. 112. Dieses Vorgehen befriedigt allerdings nicht, da es zwar keine modernen Nationen gegeben hat und somit im Wortsinne auch keine internationalen Beziehungen, man jedoch nicht umhin kann, ›interherrschaftliche‹ Beziehungen o. ä. zu erkennen. (von Thiessen/Windler, Einleitung, S. 5, sprechen sich für den neutralen Begriff »Außenbeziehungen« in Bezug auf vornationalstaatliche Zeiten aus.) Im Überblickswerk von Knutsen, History, S. 11–12, zu den internationalen Beziehungen ist hingegen auch das Mittelalter abgedeckt und bietet bedenkenswerte Anknüpfungspunkte für weitere Überlegungen. Insbesondere die konsequente Unterscheidung zwischen »historic tradition« und »analytical tradition« der internationalen Beziehungen, worunter die praktische Durchführung bzw. die theoretischen Konzeptionierungen verstanden werden, dürfte zur Vermeidung von Missverständnissen nützlich sein – insbesondere bei der Analyse von Zeiten ohne moderne Staatlichkeit und Souveränität. Auch Ganshof hat die eben exponierte, wohl eher wortdefinitorische denn die historischen Ausprägungen betreffende Problematik dann auch nicht davon abgehalten, das bislang einzige Überblickswerk zu diesem Thema unter dem Titel Le Moyen ffge als ersten Band einer Reihe zur »Histoire des relations internationales« vorzulegen, die von Renouvin herausgegeben wurde. Für Frankreich s. Autrand/Contamine, Naissance. Die wegweisenden theoretischen Darlegungen zu den »relations internationales« von Renouvin/Duroselle, Introduction, bzw. Duroselle, Empire, beziehen sich jedoch auch wieder (fast) ausschließlich auf die Moderne und müssten einmal auf die Bedingungen und Ausprägungen des Mittelalters übertragen werden, um mehr als nur allgemeine Orientierung bieten zu können. Das gilt auch für Di Nolfo, Lezione. 57 So die Formulierung des umstrittenen und viel diskutierten, jedoch den Ansatz gut darlegenden Aufsatzes von Hillgruber, Politische Geschichte. Zu Hillgrubers Ansatz vgl. auch die historische Einordnung von Schörn-Schütte, Politikforschung, S. 36 und S. 39–42. 58 So Borowsky/Nicolaysen, Politische Geschichte, S. 527–528. 59 Diesen Befund stützt auch Frevert, Neue Politikgeschichte: Konzepte, S. 7, (wohl vor allem

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Sie muss dabei an die klassische Herangehensweise anknüpfen, die politischen Prozesse auf der Ebene »staatlicher Organe (…) und (…) die Zielvorstellungen und Entscheidungen leitender Staatsmänner«60 zu konzentrieren, da dies aufgrund der Verfasstheit der Deutschordensherrschaft, der überkommenen Hauptquellengrundlage in Form der hochmeisterlichen Korrespondenz und eben nicht zuletzt der gewählten Fragestellungen auch kaum anders möglich und sinnvoll ist. Es ist dabei jedoch selbstverständlich von besonderem Interesse, inwiefern bestimmte Gesellschaftsgruppen61 direkten oder indirekten Einfluss auf die Außenpolitik des Deutschen Ordens nehmen konnten und genommen haben. Insbesondere an die Expedition nach Gotland und den Einfluss der preußischen Stände aufgrund ihrer ökonomischen Interessen sei hier gedacht. Dass Konrad von Jungingen und die Gebietiger zu autonomem Handeln im Wortsinn befähigt waren, wie eine traditionelle Politikgeschichte annehmen würde,62 muss nicht zuletzt aus diesem Grunde in seiner Absolutheit eingeschränkt werden. Es wird vielmehr immer notwendig sein, zu prüfen, welche Einschränkungen des Handelns als entscheidungsbeeinflussend zu betrachten sind,63 um die erfolgten Handlungen angemessen erklären zu können. Schließlich führt das Fragen nach den »strukturellen Voraussetzungen für das Handeln von Protagonisten […] über die engeren Anliegen politischer Ereignisgeschichte hinaus«, wie Martin Kintzinger richtig betont hat.64 Ein weiterer Aspekt ist die Untersuchung der Wahrnehmung der handelnden Akteure und ihr Einfluss auf die Außenpolitik. Insbesondere die Wahrnehmung von (fremden) Religionen und Religionspraxen spielt in diesem Fall eine Rolle. Maß und Grad dieses Einflusses der Wahrnehmung auf die politische Entscheidungsfindung müssen daher bestimmt werden. Zusammengefasst geht es also um die Rekonstruktion des außenpolitischen Entscheidungshandelns65 des Ordens unter Konrad von Jungingen unter Ein-

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im Hinblick auf Studien, die sich auf die Neuzeit konzentrierten) mit der Bemerkung aus dem Jahr 2005: »Politikgeschichte ist wieder im Kommen.« Borowsky/Nicolaysen, Politische Geschichte, S. 527; die Problematik des Staatsbegriffs für die mittelalterliche Geschichte, der hier daher auch vermieden wird, ist hinlänglich bekannt und braucht an dieser Stelle nicht weiter diskutiert werden. Es zeigt sich jedoch sehr deutlich an dem Zitat, wie sehr die theoretischen Überlegungen sich auf neuzeitliche Beispiele und Begrifflichkeiten beziehen. So auch Hillgruber, Politische Geschichte, S. 534. Borowsky/Nicolaysen, Politische Geschichte, S. 534. In anderer Formulierung hat auch Hillgruber, Politische Geschichte, S. 533–534, darauf hingewiesen. Kintzinger, Westbindungen, S. 23. Hillgruber, Politische Geschichte, S. 533, betont »das Moment der Entscheidungen« gegenüber dem Prozesscharakter der Geschichte; auch Kraus/Nicklas, Einleitung, S. 1, haben in der Einleitung zu ihrem Sammelband über alte und neue Wege in der Geschichte der Politik jüngst zu Recht wieder ein Verständnis von Politik, das auf Entscheidungen

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beziehung des Konzepts der »forces profondes«66 und die Möglichkeiten und Grenzen politischer Macht67. Obgleich dabei mit Andreas Hillgruber der Außenpolitik eine »relative Autonomie«68 zugewiesen wird, soll – und das muss betont werden – damit kein »Primat der Außenpolitik«69 postuliert werden. Die Analyse der Außenpolitik ist nur das heuristische Mittel, um die Fragestellungen dieser Studie zu beantworten. Im Speziellen sind es dann eben die schon oben erwähnten jüngeren Fallstudien zu Fragen der Außenpolitik im Mittelalter, die für das Folgende als Orientierungspunkte gedient haben,70 so vor allem die Arbeiten von Dieter Berg, die einerseits die praktischen Möglichkeiten demonstrieren71 und andererseits vor allem auch belastbare theoretische Grundlagen72 bereitstellen für diesen seit einigen Jahrzehnten für die mittelalterliche Geschichte in den Hintergrund ge-

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rekurriert, in den Mittelpunkt ihres Interesses gestellt (ebd., Anm. 2, findet sich auch die Literatur zu den Untersuchungen, bei denen das Grundverständnis von Politik auf Symbolbezüge abstellt). Dazu zählen nach Renouvin und Duroselle u. a. geographische Grundgegebenheiten und kollektive Mentalitäten; vgl. Renouvin/Duroselle, Introduction, und Duroselle, Empire; s. auch die konzise Zusammenfassung von Wirsching, Internationale Beziehungen, hier besonders S. 122 und S. 123. Vgl. Thamer, Politische Geschichte, S. 52–53. Kraus/Nicklas, Einleitung, S. 1, haben zu Recht gefordert, die Thematik Macht und Herrschaft wieder als zentrale Herausforderung von Geschichtswissenschaft zu betrachten. Hillgruber, Politische Geschichte, S. 537. Vgl. Borowsky/Nicolaysen, Politische Geschichte, S. 528, zu den Implikationen dieser Formulierung sowie v. a. Czempiel, Primat. Insgesamt ist diese Formel vielschichtig in ihrer Bedeutung, sodass vor ihrer Verwendung über das bloße Schlagwort hinaus geklärt werden müsste, was eigentlich darunter verstanden wird. S. v. a. die Monographien von Reitemeier, Außenpolitik; Kintzinger, Westbindungen; Ehm, Burgund; Georgi, Friedrich Barbarossa; Lang, Cosimo; Van Eickels, Konsens; Merz, Fürst; Paulus, Machtfelder, und die Fallstudien in Aufsatzform in den Sammelbänden von Moraw, »Bündnissysteme«; Berg/Kintzinger/Monnet, Auswärtige Politik, und Dünnebeil/Ottner/Kunde, Handeln, sowie Wefers, Versuch, und Auge, Handlungsspielräumen (hier findet sich eine konzentrierte Anwendung der für die Analyse von Außenpolitik so wichtigen Kategorie ›Handlungsspielräume‹). Einen systematischen und theoriegestützten Zugriff auf die Außenpolitik des Reichs im 15. Jahrhundert bietet neuerdings Wefers, Primat. Obwohl man in den letzten Jahren eine steigende Produktion erkennen kann, ist die Gesamtzahl von Untersuchungen, die Fragestellungen bzgl. mittelalterlicher Außenpolitik in den Mittelpunkt stellen, noch recht überschaubar. Auch Berg, Nachbarn, S. XI und S. 48–49, verweist trotz allem zu Recht auf die vielen Lücken und Desiderate in allen Bereichen der Forschung zur Außenpolitik im Mittelalter, seien es Überlegungen und Konzeptionen theoretischer Art oder seien es praktische Fallstudien. S. Berg, England; Berg, Imperium. Für Gegenstand und Forschungsgeschichte maßgeblich sind Berg, Nachbarn, sowie der Sammelband von Berg/Kintzinger/Monnet, Auswärtige Politik, und hier besonders die Einführungen von Berg, Einleitung, und Kintzinger, Politik, sowie Wefers, Theorie; s. auch Ottner, Einleitung, und Kintzinger, Diplomatie; vgl. ferner Moraw, »Bündnissysteme«.

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tretenen Ansatz.73 Zu den theoretischen Grundlagen gehören vor allem einige Definitionen von Begriffen, die im Folgenden eine Rolle spielen. Die meisten dieser Begriffe wurden bislang nicht einheitlich genutzt, sodass hier dann jeweils eine Arbeitsdefinition vorgeschlagen wird, um Missverständnisse zu vermeiden.74 1.2.3.2 Diplomatiegeschichte vs. Geschichte der Außenpolitik Es muss zunächst genau zwischen Diplomatiegeschichte75 und Geschichte der Außenpolitik unterschieden werden.76 Idealtypisch angenommen behandelt diese die konkreten inhaltlichen Aspekte von Außenpolitik, die Ziele und Motive der Akteure sowie die Entscheidungsprozesse, während jene die formale oder technische Seite der Außenpolitik bzw. die Form oder das Mittel77 der Umsetzung des Inhalts beschreibt,78 z. B. mittels einer Untersuchung des Gesandtschaftswesens.79 Bei einer solchen Unterscheidung ist dann auch die Kriegsge73 Vgl. Berg, Nachbarn, S. 47; Berg, Einleitung, S. 11; Reitemeier, Außenpolitik, S. 16; Wefers, Versuch, S. 291; Moraw, Rahmenbedingungen, S. 31. Walther, Einleitung, S. 9, spricht von einem Paradigmenwechsel nach 1945, der sich in einem Primat der Innenpolitik bei der Auswahl der Forschungsgegenstände bemerkbar gemacht habe. 74 Als Ausgangspunkt für theoretische und definitorische Überlegungen zu den Grund- und Kernbegriffen dieses Untersuchungsfeldes ist auch Stourzh, Außenpolitik, unverzichtbar, dessen Unterscheidungen aber nicht immer ganz konsistent oder zuweilen auch tautologisch sind (s. u.). 75 Diplomatiegeschichtliche Untersuchungen finden sich aufgelistet und/oder kommentiert bei Reitemeier, Außenpolitik, S. 15 und S. 17–20 (hier auch eine hervorragende Einführung in den Forschungsstand); Berg, Nachbarn, S. 48–49 und S. 55–57; ders., Einleitung, S. 12; Ehm, Burgund, S. 17; Guenée, Occident, s. hier den Literaturteil mit den Supplementen unter den verschiedenen Schlagworten; vgl. neuerdings auch Péquignot, diplomaties. 76 Ein solcher Unterschied wurde im Forschungsstand zur Geschichte des Deutschordenslandes Preußen schon angesprochen, indem die Studien von Neitmann, Staatsverträge, und Szweda, Organizacja, als sich eher auf Techniken der Außenpolitik konzentrierend eingeordnet wurden. Vielfach wurden die Konzepte jedoch nicht trennscharf verwendet; vgl. Autrand, affaires, S. 23. Das dürfte aufgrund ihrer gegebenen Schnittmenge zwar der historischen Realität entgegenkommen, für die Untersuchung dieser Fragestellung ist jedoch eine analytische Trennung hilfreich. Eine inhaltlich übereinstimmende (oder doch zumindest in die gleiche Richtung zielende), jedoch terminologisch anders gelagerte Unterscheidung bei Reitemeier, Außenpolitik, S. 15. 77 Nach ebd., S. 24, kann Diplomatie auch als »Methode« der Gestaltung der politischen Beziehungen der Fürsten bzw. nach Berg, England, S. 4, als Instrumentarium politischer Kommunikation verstanden werden. Externbrink, Politik, S. 19, beschränkt die »Diplomatiegeschichte« auf die »Träger der Interaktion zwischen den Akteuren«. 78 Zur Geschichte der Außenpolitik kann dann auch die Analyse der Entscheidung über die Wahl der Mittel zur Durchsetzung der Ziele gehören, d. h. konkret, ob außenpolitische Ziele in diplomatischer oder militärischer Form umgesetzt werden sollen. 79 Beide Untersuchungsperspektiven können an ein und dieselbe historische Begebenheit angelegt werden. So ist es möglich, bei Verhandlungen zwischen dem Hochmeister und dem

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schichte als eine Untersuchung der Form von der Durchsetzung politischer Ziele zu sehen.80 In der Tat sollen die zahlreichen bewaffneten Auseinandersetzungen und Konflikte in der Zeit Konrads von Jungingen auch weniger auf ihre genaue Form und ihren konkreten Ablauf hin untersucht werden, sondern vielmehr auf die dahinterliegenden Motive und Absichten. Inhalt und Form bedingen sich jedoch natürlich und dürfen wechselseitig nicht gänzlich aus dem Blick geraten, doch ist eine Schwerpunktsetzung im Sinne der Erkenntnisinteressen zumeist unumgänglich. 1.2.3.3 Begriffsdefinition: »Außenpolitik« im Mittelalter Der Begriff »Außenpolitik« und die stilistische Variation »auswärtige Politik« werden dabei im Folgenden von dem umfassender verstandenen Terminus »auswärtige Beziehungen« unterschieden.81 Letzterer umfasst in diesem Verständnis auch Kontakte nach außen, die vorwiegend wirtschaftlicher oder kultureller Natur sind. »Außenpolitik« hat dagegen zudem eine Konnotation von Zielgerichtetheit82 und in der Hauptsache auch einen Ausgangspunkt von herrschaftlicher Seite (sei es der Hochmeister bzw. König oder auch ein Großer des Reiches, der Herrschaft ausübt), während »auswärtige Beziehungen« zwischen zwei Landesherrschaften auch ungeplant von verschiedensten Einzelakteuren oder sozialen Gruppen hergestellt werden können und eher »bestehen« oder »sich entwickeln« denn »betrieben werden« können. Beispielsweise würde man die Betrachtung der Kontakte zwischen preußischen Englandfahrern und englischen Kaufleuten bzw. dem König von England eher unter den Terminus »auswärtige Beziehungen« Preußens subsumieren als unter »Außenpolitik«. Eine idealtypische Definition ist damit jedoch nicht aufgestellt, sondern viel-

König von Polen auf der einen Seite die sich darin spiegelnden Ziele, Absichten und Entscheidungen zu rekonstruieren oder auf der anderen Seite die Art und Weise der Verhandlungen, indem man z. B. nach dem Ort, den Gesandten und dem Ablauf fragt. Mit diesem Vorgehen hätte man eher die Diplomatie und mithin die Form des Betreibens der Außenpolitik in den Blick genommen, während man mit jenem Vorgehen die inhaltlichen Problemstellungen der Außenpolitik fokussiert. 80 Keine weitere Beachtung können an dieser Stelle die Arbeiten zur Geopolitik von Seiten der »IR theory« finden. Zwar wird hier in letzter Zeit auch vermehrt auf mittelalterliche Gegebenheiten rekurriert – sei es in übergreifender Form, sei es in Form von case studies – mit gedankenanregenden Ergebnissen, doch ist zumeist eine sehr starke Quellenferne zu konstatieren. Eine genauere Diskussion dieser Perspektive müsste dringend an anderer Stelle vorgenommen werden. Genannt seien hier daher nur zwei einführende Studien: Latham, Geopolitics, und Teschke, Relations. 81 So auch Stourzh, Außenpolitik, S. 10, jedoch ohne Begründung, warum der zweite Terminus umfassender zu verstehen ist. 82 Vgl. van Eickels, Konsens, S. 35.

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mehr eine Arbeitsdefinition für die folgende Studie und ein Angebot für weitere Bemühungen um die Begriffsarbeit.83 Damit kommen wir zum Zentralbegriff »Außenpolitik«, an dem aus pragmatischen Gründen festgehalten wird, trotz der Gefahr, anachronistische Vorstellungen nicht gänzlich ausschließen zu können. Die Existenz von »Außenpolitik« im Europa des hohen und späten Mittelalters jedoch gänzlich zu bestreiten, wie es bisweilen geschehen ist, v. a. unter dem zwar an sich nicht falschen Hinweis, dass es kein System selbstständiger, souveräner Staaten gegeben habe und auch keine »internationale Ordnung«, kann kein gangbarer Weg sein.84 Nur weil eine moderne Begrifflichkeit nicht ohne Weiteres auf die Umstände früherer Jahrhunderte übertragen werden kann, dürfen historische Wirklichkeiten und reale Vorgänge nicht ignoriert oder gar negiert werden.85 Hier gälte es dann vielmehr, an einer für frühere Zeiten angemessenen Begrifflichkeit zu arbeiten, oder sich – solange das nicht in der angemessenen Breite und Tiefe geschehen kann – mit einer vorläufigen Arbeitsdefinition zu behelfen, die die Gefahr anachronistischer Vorstellungen in engen Schranken hält und den Begriff »Außenpolitik« für die mittelalterliche Geschichte nutzbar macht. Dieter Berg hat zu Recht darauf hingewiesen, dass unter einem Verzicht auf die Vorstellung, Außenpolitik sei erst mit dem Entstehen souveräner, gleichberechtigter Staaten möglich geworden, und unter der Annahme der Existenz von »Herrschaftsräumen mit eigener politischer Ordnung«86 man »jede politische Aktion eines Herrschers, die über die Grenzen des eigenen Machtbereichs hinausweist und höchst unterschiedliche Ziele – wie Sicherung der Expansion des eigenen Herrschaftsraumes, die Förderung sozio-ökonomischer Ziele, die Realisierung herrschaftsideologischer Konzeptionen oder ähnliches – unter Verwendung

83 Kintzinger, Westbindungen, S. 19–20, sieht hingegen andere Unterschiede zwischen den verschiedenen Begriffen als wesentlich an; hier auch umfängliche Literaturangaben. 84 Vgl. die Nachzeichnung dieser Argumentationsfigur bzw. Problematik bei Berg, Nachbarn, S. XI, S. 1 (hier auch weitere angeführte Begründungen, warum es keine Außenpolitik gegeben hätte) und S. 47–48; Berg, Einleitung, S. 1; Berg, England, S. 1–17 (hier wird auch die Argumentation dargestellt, warum es aufgrund der Universalität des Kaisertums keine auswärtige Politik hätte gegeben haben sollen; vgl. dazu Kienast, Anfänge); Stourzh, Außenpolitik, S. 10; Walther, Einleitung, S. 9. Als pointiertester Exponent dieser These sei nur Strayer, Grundlagen, S. 24–25, genannt, der spezifische Institutionen zur Regelung äußerer Angelegenheiten vermisste und generell von der »Bedeutungslosigkeit« von Außenpolitik in einem Europa »ohne Staaten und ohne feste Grenzen« meinte sprechen zu wollen. 85 So auch Kintzinger, Politik, S. 16. 86 Berg, Nachbarn, S. 1. Es ist ratsam und, wie man sieht, auch möglich, auf den Begriff »Staat« mit seinen anachronistischen Konnotationen zu verzichten. Das gilt speziell für die Ordensgeschichtsschreibung und dem zumeist mit viel Ideologie aufgeladenen Begriff »Ordensstaat«; vgl. dazu umfassend Wippermann, Ordensstaat.

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eines geeigneten Instrumentariums politischer Kommunikation verfolgte, als Akt außenpolitischen Handelns«87

bezeichnen könne.88 Dabei hatten die jeweiligen Herrscher jedoch nicht das alleinige Handlungsmonopol bei außenpolitischen Aktionen.89 Arnd Reitemeier hat schon auf einige definitorische Schwierigkeiten der im Allgemeinen doch zu Recht anerkannten Formulierung von Berg hingewiesen.90 Dabei wurde auch an einer Stelle das zentrale Problem von Bergs Definition tangiert und die Formulierung »der tatsächliche Herrschaftsbereich« als Ersatz für den von Berg nicht näher bestimmten Terminus »Machtbereich« ins Spiel gebracht.91 Doch leider war auch diese eigentlich in die richtige Richtung zielende Ersetzung nicht theoretisch unter Zuhilfenahme der Standarddefinitionen Max Webers hergeleitet worden, sondern wurde anhand praktischer Beispielsituationen der Geschichte des Reiches bzw. Englands und Frankreichs eher alltagssprachlich gewonnen. Im Zusammenhang mit diesen Beispielen ist dann zuweilen äußerst fraglich, ob hier die aus der Praxis geschaffene Begrifflichkeit immer konsequent und stringent angewandt wurde.92 Solche Probleme und Interpretationsschwierigkeiten könnten vermieden 87 Berg, England, S. 4; vgl. auch Kintzinger, Westbindungen, S. 21–22. Berg hat darauf hingewiesen, dass sich schon ab dem 12. Jahrhundert in verschiedenen Reichen Europas zumindest bei den Herrschenden ein politisches Bewusstsein für »innen« und »außen« entwickelt habe; Berg, Nachbarn, S. 2 und S. 48. 88 Stourzh, Außenpolitik, S. 10, zu den Bedingungen von Außenpolitik: »Wir können also – unter gebührender Berücksichtigung der historischen Bedingtheiten des modernen Staatsbegriffs – sagen, daß man von auswärtigen Beziehungen politischer Natur oder Außenpolitik dann sprechen kann, wenn es eine Mehrzahl politischer Einheiten, Herrschaftsverbände oder Staaten gibt, die voneinander mehr oder weniger unabhängig sind, die aber auch nicht völlig isoliert voneinander existieren.« [Kursivsetzung im Original gesperrt gedruckt.] Auch Martin Kintzinger hat betont, dass zumindest für das westeuropäische Mittelalter – auch Berg konzentrierte sich vorwiegend auf den westeuropäischen Raum; Berg, Nachbarn, S. XI – mit gutem Grund von »Außenpolitik«, »auswärtiger Politik« und »internationalen Beziehungen« gesprochen werden kann; Kintzinger, Politik, S. 17. Das Folgende dürfte als Beweis dienen können, dass das auch für das östliche Mitteleuropa gilt. 89 So richtig Berg, England, S. 4. 90 Vgl. Reitemeier, Außenpolitik, S. 22–24. 91 Ebd., S. 22. 92 Vgl. insbesondere ebd., S. 23. Das dürfte an der theoretischen Unschärfe der Formulierung »tatsächliche Herrschaftsbereich« liegen. Problematisch ist dabei schon die verwirrende Hinzufügung des Wortes »tatsächliche«. Es bleibt unklar, was darunter zu verstehen ist. Wenn Reitemeier damit meint, was Weber darunter verstehen würde, nämlich das Gebiet, in denen ein sozialer Akteur »tatsächlich« Befehlsgehorsam findet, dann wäre das Epitheton tautologisch. Sollte er damit meinen, dass der Willen »tatsächlich« durchgesetzt wird, wäre eigentlich Macht gemeint. Auch der Satzanfang »Zum Machtbereich der Herrscher gehörte auch die Schirmherrschaft…« muss als Indiz dafür gewertet werden, dass eine eindeutige gedankliche Trennschärfe zwischen beiden Begriffen nicht vorgenommen worden ist; ebd., S. 24.

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werden, wenn man dagegen »Machtbereich« bei Berg durch den alleinstehenden Begriff »Herrschaftsbereich« im Sinne der Definitionen von Weber ersetzt. »Macht« bedeutet danach bekanntermaßen »jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht«, wohingegen Herrschaft als »die Chance, für einen Befehl bestimmten Inhalts bei angebbaren Personen Gehorsam zu finden« definiert wird.93 Dabei wird als wesentliches Merkmal für Herrschaft der Befehlsgehorsam betont, während der Machtbegriff als »amorph« bezeichnet wird, der auf alle denkbaren Situationen der Willensdurchsetzung bezogen werden könne; »Herrschaft« wird von Weber aus diesen Gründen daher als ein »präziserer« Begriff als Macht bezeichnet.94 Angesichts dieser Begriffsfestlegungen dürfte es daher sinnvoller sein, den Anfang von Bergs Definition wie folgt umzuformulieren und »jede politische Aktion eines Herrschers, die über die Grenzen des eigenen Herrschaftsbereichs hinausweist« als Außenpolitik zu bezeichnen. Der Herrschaftsbereich des Ordens, d. h. also die Länder, in denen er Gehorsam auf seinen Befehl findet, ist zumindest de iure relativ gut zu erfassen. In Bezug auf die Zeit um 1400 sind das die Kernländer des Ordenslandes Preußen, aber auch z. B. Gotland, ab 1402 die Neumark und zumindest zeitweilig auch Samaiten. Wenn nun der Orden mit Polen und Litauen über Samaiten in Verhandlungen tritt, dann ist das als Akt außenpolitischen Handelns zu beschreiben, da Polen und Litauen eindeutig nicht zum Herrschaftsbereich des Ordens gehörten, da es weder denkbar noch faktisch geschehen ist, dass der Orden Gehorsam auf einen Befehl erhält bzw. erhalten hat. Dahingegen hat z. B. Litauen, insbesondere während der Litauenreisen, zeitweilig zum Machtbereich des Ordens gehört. Hier sind dann aber eben keine festen Herrschaftsstrukturen mit Befehlsgehorsam zu erkennen, sondern einzelne Situationen, in denen der Orden seinen Willen gegen – meist nicht unerhebliches – Widerstreben durchgesetzt hat. Der Machtbereich des Ordenslandes Preußen muss daher viel weiter gefasst und situationsabhängig beschrieben werden. Im Allgemeinen könnte man für die angegebene Zeit den Ostseeraum als solchen bezeichnen. Offensichtlich ist es daher nicht sinnvoll, politische Aktionen über den »Machtbereich« eines Herrschers hinaus als Außenpolitik zu definieren – zumal sich dieser Bereich eben auch nur in gegebenen Situationen konkret formiert. Modifiziert man daher, wie eben ausgeführt, Bergs Ausgangsdefinition von »Außenpolitik« mittels der Ersetzung von »Machtbereich« durch »Herrschaftsbereich« erhält seine ansonsten stimmige und für die Praxis gut geeignete Festlegung ein tragfähiges theoretisches Fundament, auf dessen Basis man auch den umstrittenen Begriff »Außenpolitik« auf die mit93 Weber, Wirtschaft, I, § 16. 94 Ebd.

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telalterliche Geschichte anwenden kann, ohne allzu sehr anachronistische Vorstellungen zu provozieren, sondern vielmehr vielleicht sogar durch die gedanklich trennscharfe Fassung von Macht- und Herrschaftsbereich mittelalterlichen Rahmenbedingungen von Außenpolitik eher noch entgegenzukommen. Neben dieser theoretischen Annahme der Existenz von Außenpolitik im Mittelalter durch Berg, betont dieser auch explizit hinsichtlich des Ordenslandes Preußen zu Recht das Vorhandensein einer »eigenständigen Außenpolitik«.95 Das ist deswegen bemerkenswert, da sich die meisten Abhandlungen – insbesondere die theoretisch-methodischen – auf das Reich konzentrierten.96 Es ist jedoch recht offensichtlich, dass im Fall der Außenpolitik des Deutschen Ordens doch deutliche Differenzen zu der des Reiches konstatiert werden müssen. Zuletzt hat auch Gouguenheim auf die strukturelle Wichtigkeit der Außenpolitik für den Deutschen Orden hingewiesen: »L’importance de la politique 8trangHre ne cessa de s’accro%tre : parce que l’Ordre cr8ait une principaut8 l/ oF il n’y avait que des tribus prutHnes, parce qu’il 8tait international par son essence et par ses activit8s, parce qu’il lui 8tait impossible de rester / l’8cart des luttes politiques qui secouaient la r8gion et enfin parce que sa mission propre lui ouvrait des espaces / conqu8rir.«97

1.2.3.4 Theoretische Konzepte zur Analyse mittelalterlicher Außenpolitik Zum Ende dieses Abschnitts, in dem die methodischen Anknüpfungspunkte dargelegt sowie die Grundbegriffe kurz definiert wurden, muss abschließend auf ein dringendes Desiderat der Forschung zur mittelalterlichen Außenpolitik hingewiesen werden, ohne dass an dieser Stelle jedoch konkrete Lösungsvorschläge unterbreitet werden könnten. Dieter Berg hat zu Recht das Fehlen theoretischer Konzepte für die Analyse außenpolitischer Handlungsentwürfe mittelalterlicher Herrscher beklagt.98 Nur Sabine Wefers wandte in einer jüngeren Fallstudie den »systemtheoretischen Ansatz« auf die mittelalterlichen Gegebenheiten an, während Wolfgang Georgi sehr knapp auf einen »MachtRealpolitik-Ansatz«, »Aktion-Reaktion-Ansatz« und »Ziel-Mittel-Ansatz« verweist.99 Generell wird man in der Annahme nicht völlig fehlgehen, dass bei den meisten anderen Studien in der Regel weniger ein Rekurs auf politikwissenschaftliche Ansätze zu erkennen ist, sondern vielmehr die Nutzung eines le95 Berg, Nachbarn, S. 96; in die gleiche Richtung zielt auch Moraw, Rahmenbedingungen, S. 42. 96 Vgl. beispielsweise Wefers, Handlungsträger, und Heinig, Konjunkturen. 97 Gouguenheim, Chevaliers, S. 431. 98 Berg, Nachbarn, S. 49. 99 Zusammenfassung nach ebd.; s. Wefers, Versuch; Georgi, Friedrich Barbarossa, S. 1–2.

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bensweltlich fundierten Rational-Choice-Ansatzes100 nach Maßgabe des gesunden Menschenverstands unter Beachtung der speziellen Rahmenbedingungen der jeweiligen historischen Umstände – dies allerdings nur implizit und unausgewiesen.101 Hier kann jedoch nicht der Ort sein, grundlegende Versäumnisse der theoretischen Diskussion nachzuholen.102 In Anknüpfung an die dargelegten theoretischen und definitorischen Ausgangspunkte und ihrer Defizite stellt auch die hier vorgelegte Arbeit eben weniger einen theoretisch-systematischen Beitrag zum Themenbereich »Außenpolitik im Mittelalter« dar, sondern ist vielmehr als ein Fallbeispiel zu Grenzen und Möglichkeiten einer modernen Politikgeschichte in Hinblick auf die Außenpolitik des Deutschen Ordens zu verstehen.

1.2.4 Inhaltlich-geographische Beschränkungen Es soll jedoch keine enzyklopädische Abhandlung der Außenpolitik des Deutschen Ordens vorgelegt werden. Es kommt hier vielmehr darauf an, im Sinne der problemorientierten Fragestellung die Aspekte der Außenpolitik Konrads von Jungingen systematisch und fragegeleitet zu analysieren, die im Rahmen der opinio communis bislang als Beleg für die territoriale Expansion und die angenommene größte Machtstellung des Ordens unter Konrad von Jungingen angeführt wurden. Damit soll zum ersten Mal die Außenpolitik des Deutschen Ordens systematisch-analytisch übergreifend untersucht werden, während bislang eine überwiegend chronologische (und damit zuweilen sogar eher deskriptive) oder eine sich auf einzelne geographische Aspekte beschränkende Vorgehensweise dominiert hat. Aus diesem Ansatz ergibt sich eine inhaltlich100 Als erster Zugang s. Diekmann/Voss, Rational-Choice-Theorie. 101 Vgl. auch die Beobachtung von Allison/Zelikow, Essence, S. 27. Ob das daran liegt, dass die Grundannahmen der klassischen Entscheidungstheorie bereits von Thukydides ausgehen (ebd.), denen dann durch direkte und indirekte historiographische Vermittlung gefolgt wurde, kann nicht ausgeschlossen werden. Vielleicht bietet der Ansatz jedoch auch einfach aus dem alltäglichem Erleben generierte Anknüpfungspunkte, die einen eher intuitiven Zugang zu erlauben scheinen. 102 Es wäre notwendig, einmal Grenzen und Möglichkeiten von Rational-Choice-Ansätzen für die Erklärung von historischen Begebenheiten – in der sozialwissenschaftlichen Diskussion stehen in der Regel als Beispiele moderne Situationen im Mittelpunkt – nicht nur theoretisch intensiv zu diskutieren, sondern diese auch an praktischen Beispielen auszuloten und dabei die Annahmen und Folgerungen vor allem explizit auszuweisen. Insbesondere anhand von ›case studies‹ der mittelalterlichen Geschichte dürften aufgrund ihrer doch sehr unterschiedlichen Rahmenbedingungen Chancen und Gefahren gut aufzuzeigen sein. Gleichzeitig würde ein häufig unausgewiesenes Vorgehen eine theoretisch-reflektierte Fundierung erfahren. Jüngst hat Pohl, Fliehen, einen solchen Versuch mit interessanten Ergebnissen unternommen.

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geographische Eingrenzung, innerhalb derer erst wieder ein zunächst chronologisches Vorgehen zum Tragen kommt. Die neuen Herrschaftsgebiete, die als Beleg für die territoriale Expansion angeführt wurden, bilden daher die Gravitationszentren der folgenden Analyse. Konkret bedeutet das, dass nicht die außenpolitischen Beziehungen zu Dänemark in ihrer Gesamtheit untersucht werden, sondern die Gotland betreffende politische Kommunikation in den Mittelpunkt rückt. Die Neumark und die sich um den Erwerb dieses Gebietes zentrierenden außenpolitischen Beziehungen sind ein weiteres Gravitationszentrum. Daran anhängend werden in einem Exkurs die kleineren Erwerbungen des Ordens um 1400, namentlich das Dobriner Land, Slotterie, Wizna, Zawkrze, Płon´sk, kurz angesprochen. Diese Gebiete wurden in den meisten Darstellungen vielfach übergangen und in ihrer Bedeutung für die Expansionsthese fast nie in den Blick genommen, sodass die schon angeführte dezidierte, jedoch nicht en d8tail herausgearbeitete Auffassung von Wenskus, dass es sich auch hierbei um eine systematische territoriale Expansion durch Erpfändung handelt, bislang ungeprüft stehen blieb, wobei Gouguenheim erst jüngst eine eben solche Auffassung vertreten hat.103 Wichtig für diese Untersuchung ist nicht zuletzt die Außenpolitik gegenüber Polen und Litauen bzw. König Władysław-Jagiełło und Großfürst Vytautas hinsichtlich Samaitens. Wenn man nun von der Außenpolitik gegenüber Polen und Litauen statt Polen-Litauen schreibt, dann schließt man sich in einem gewissen Maße der Perspektive des Ordens an, der stets versucht hat, zwischen der Politik gegenüber Polen und Litauen zu trennen. Dabei wurde in der Politik gegenüber König Władysław-Jagiełło und Großfürst Vytautas differenziert, wobei es naturgemäß einen Unterschied machte, ob Vytautas gerade auf der Ordensseite stand oder – durchaus v. a. auch im religiösen Sinne – abgefallen war.104 Ohne damit in irgendeiner Weise die Perspektive des Ordens als »richtig« oder »angemessen« werten zu wollen, bietet es sich dennoch an, dieser ordenseigenen Einteilung zu folgen, da hier eben die Außenpolitik des Ordens im Mittelpunkt steht und diese anhand der eben nun einmal gemachten Unterscheidungen geführt und damit wirkmächtig worden ist. Damit hat man auf der einen Seite dann die »alltäglichen« diplomatischen Beziehungen zwischen dem Orden und König Władysław-Jagiełło sowie vor allem Vytautas, wofern er zu dieser Zeit Christ war bzw. eine (Wieder-)Annäherung stattfand, die sich in den vielfachen schriftlichen und mündlichen Verhandlungen, den flankierenden Briefen und den großen Vertragswerken von Sallinwerder (1398) und Racianz (1404) niedergeschlagen hat. Die beiden er103 Wenskus, Ordensland, S. 375; Gouguenheim, Chevaliers, passim, v. a. S. 305. 104 Die Trennungslinie wurde von dem Orden dort gezogen, wo er Christen und wo er Heiden bzw. schlimmer noch relapsii wahrnahm oder wahrnehmen wollte.

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wähnten Verträge wurden nicht zuletzt deshalb als große Erfolge gewertet, weil in ihnen die Angliederung Samaitens an das Ordensland auf dem Verhandlungswege festgeschrieben wurde. Hier bildet daher der Erwerb Samaitens auf diplomatischem Wege das Gravitationszentrum der Untersuchung, insbesondere hinsichtlich der Frage, inwieweit die Aktivitäten zum Erwerb von Konrad ausgegangen sind, man also tatsächlich eine zielgerichtete Expansionspolitik mit diplomatischen Mitteln feststellen kann. Auf der anderen Seite der Politik gegenüber Polen und Litauen finden sich noch die »alljährlichen« Kriegsreisen nach Litauen gegen die auch nach der polnisch-litauischen Union von 1386 vom Orden weiterhin als Heiden behandelten Litauer, an deren Seite bzw. Spitze dann zuweilen auch Vytautas stand. Auch unter Konrad von Jungingen wurden noch regelmäßig Litauenreisen unternommen. Es würde sich also die Frage stellen, ob es sich tatsächlich noch um genuinen Heidenkampf handelte oder doch eher um camouflagierte Expansionsbemühungen. Zwar sind die Litauenreisen schon recht gut untersucht, doch wurde diese Fragestellung nicht speziell geprüft. Auch an dieser Stelle kann diese Fragestellung leider nicht einbezogen werden, würde dies doch den Rahmen sprengen, da man zur Analyse breitflächig vergleichend vorgehen und die Wahrnehmung der verschiedenen Hochmeister untersuchen müsste. Hier muss also ein Desiderat bestehen bleiben. Nur einzelne, unsystematische Hinweise für die Beantwortung einer solchen Fragstellung können im Kapitel über Samaiten verstreut gegeben werden.

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Fragestellung und Vorgehen

Nach den Eingrenzungen des Themas und dem oben dargestellten Forschungsstand mit der opinio communis liegt die konkrete Fragestellung dieser Untersuchung zur Außenpolitik Konrads von Jungingen auf der Hand: Zeigt sich unter diesem Hochmeister tatsächlich eine zielgerichtete territoriale Expansion bzw. ein geplanter Ausbau der Machtstellung des Deutschen Ordens? Oder ist nur jeweils eine ad-hoc-Reaktion auf aktuelle außenpolitische Herausforderungen zu erkennen? Zur Beantwortung dieser weiten Fragestellung muss kleinschrittiger vorgegangen werden: a) Welche Ziele und Motive standen hinter den einzelnen Erwerbungen bzw. Eroberungen? b) Lässt sich eine übergreifende Handlungskonzeption erkennen? Erst danach lässt sich sagen, ob – die Ausgangsfragestellung noch zugespitzer formuliert –, die größte Ausdehnung des Ordensgebietes nicht vielleicht als eine

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Einleitung

eher zufällige und weniger absichtsvoll herbeigeführte Folge des Handelns Konrads betrachtet werden muss. Sollte das Ergebnis der Untersuchung in diese Richtung zielen, ergeben sich zwangsläufig einige übergreifende Fragen, auf die abschließend Antworten formuliert werden müssen, zumal diese auch den Kern der oben formulierten Spanungsverhältnisse treffen: Ist die faktisch größte territoriale Ausdehnung tatsächlich – wie bislang fast unwidersprochen angenommen – gleichbedeutend mit einem Höhepunkt der Machtstellung des Ordens? Oder ist die Expansion nicht vielleicht eher als ein Abbild von Schwäche zu werten? Handelt es sich bei der Hochmeisterschaft tatsächlich um die bzw. eine »Blüthenzeit« oder stand die außenpolitische Macht des Ordens nicht schon auf tönernen Füßen? Oder noch weiter gedacht: Leistete Konrad durch seine Handlungen, die die territoriale Expansion wenn nicht zum Ziel, so doch aber zumindest teilweise auch gegen seinen Willen zur Folge hatte, nicht einer Überdehnung der Kräfte Vorschub und schuf große Angriffsflächen? Sind also in der Zeit Konrads von Jungingen die Strukturen angelegt oder zumindest abgebildet, die nachfolgend zum Niedergang nach 1410 führten oder diesen zumindest begünstigten? Folgendes Vorgehen bietet sich zur Beantwortung dieser Fragestellungen an: Zunächst muss der Ablauf der politischen Entscheidungen detailliert für alle Erwerbungen separat nachgezeichnet werden. Nach dieser Rekonstruktion der Entscheidungsprozesse in ihrer Chronologie können die Motive und Intentionen Konrads von Jungingen und die Strukturen der Entscheidungsfindung herausgearbeitet werden, um die Frage nach der Zielgerichtetheit der jeweiligen Expansion zu prüfen. Hierzu muss das mikropolitische Vorgehen aller Akteure im Verlauf der diplomatischen Entwicklung in den Blick genommen werden: Wer ergreift die Initiative? Wo findet sich geplantes Agieren und wo vorwiegend Reaktion? Im Folgenden werden die drei bislang für eine territoriale Expansion angeführten Paradebeispiele kapitelweise geographisch im Uhrzeigersinn auf die eben formulierte Fragestellung geprüft: – Kapitel 2: »Samaiten: Zielgerichteter Erwerb mit diplomatischen Mitteln?« – Kapitel 3: »Die Neumark und kleinere Erwerbungen« ist ein zweigeteiltes Kapitel. Der größte Teil umfasst: »Der Erwerb der Neumark: Die Schaffung einer Landbrücke nach Westen?« (3.1). Dabei kommen auch die diplomatischen Verwicklungen um Driesen, Zantoch, Küstrin, Tankow und Hochzeit zur Sprache. Im angehängten »Exkurs: Die kleineren Erwerbungen an den Grenzen des Ordenslandes Preußen: Arrondierung durch systematische Erpfändung?« (3.2) werden das Dobriner Land, Slotterie, Wizna, Zawkrze, Płon´sk kurz behandelt. – Kapitel 4: »Die Eroberung von Gotland – Ein Brückenkopf in der Ostsee?«

Fragestellung und Vorgehen

39

Bislang sind in Studien zur Außenpolitik des Ordens vorwiegend die Ergebnisse der Außenpolitik, für welche die im Druck vorliegenden Vertragswerke auf Pergament das Fundament bilden, analysiert worden (s. u.). Hier müssen jedoch zunächst die Prozesse, die zu diesen Ergebnissen geführt haben und die sich vorwiegend in der hochmeisterlichen Korrespondenz spiegeln, in den Blick genommen werden, da hier auch Motive und Intentionen zwar selten offen zu finden sind, sich aber doch bis zu einem gewissen Grad herausarbeiten lassen. Diese Erkenntnisse müssen dann mit den verbrieften Ergebnissen der politischen Prozesse in Verbindung gesetzt werden. Nur so können die Vertragswerke neu und angemessen bewertet werden, ohne dass ihre Ergebnisse diskussionslos mit der zugrunde liegenden Intention gleichgesetzt werden. Um mit den Begriffen der modernen Politikwissenschaft zu sprechen, wird hier vorwiegend die Ebene der »politics«, d. h. der Prozessdimension von Politik mit ihren Erscheinungsformen von Interessen, Konflikt und Kampf und ihren Merkmalen Macht, Konsens und Durchsetzung in den Fokus gerückt.105 Nachdem alle Erwerbungen einzeln auf diese Weise untersucht worden sind, kann danach vergleichend geprüft werden, ob sich eine übergreifende Handlungskonzeption finden lässt. Hiermit wird dann eher die inhaltliche Ebene von Politik, im Englischen »policy«, mit ihren Erscheinungsformen der politischen Programme und ihren Aufgaben und Zielen sowie v. a. den Merkmalen Ziel- und Wertorientierung in den Mittelpunkt gestellt.106 Zwar merkt man dem Konzept an, dass es vorwiegend an modernen Verhältnissen entwickelt wurde und ihre Begrifflichkeit nur mit der nötigen Vorsicht auf mittelalterliche Umstände angelegt werden kann, doch bieten sich erste Anhaltspunkte, welche Aspekte hier für relevant erachtet werden. Bei der Suche nach einer Handlungskonzeption ist jedoch Vorsicht angebracht. Zuletzt hat Oliver Auge noch einmal darauf hingewiesen, dass nicht hinter jeder fürstlichen Maßnahme eine Konzeption zu erkennen sei107 und eindringlich vor einer interpretatorischen Überfrachtung bei der Quellenanalyse gewarnt; vor allem solle das Verhalten nicht ex eventu durch umfassende Konzeptionen gesteuert und geleitet gesehen werden.108 Auch Hanna Vollrath hat zu Recht darauf hingewiesen, dass mittelalterlichen Herrschern in der 105 Sutor/Detjen, Politik, S. 32. 106 Ebd. 107 Auge, Handlungsspielräume, S. 6; hier die Hinweise, dass schon Nitschke, Naturerkenntnis, S. 249–250, Anm. 55, und Patze, Friedrich Barbarossa, S. 56, eine solche Sichtweise zurückgewiesen haben, die sich jedoch auch in neueren Studien immer wieder finde. Schubert, Herrschaft, S. 5, formulierte hinsichtlich des fürstlichen Territorialstaats sehr dezidiert, dass es eine zielbewusste und über längere Zeit verfolgte Arrondierungspolitik nicht gegeben habe. 108 Auge, Handlungsspielräume, S. 7.

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Einleitung

wissenschaftlichen Analyse häufig eine auf die erst nachträglich »siegreichen strukturellen Entwicklungen« zielende Zweckrationalität unterstellt werde; aus mittelalterlichen Herrschern würden so schnell kühl kalkulierende Kabinettspolitiker.109 Erst im Schlussteil können dann je nach den zuvor herausgearbeiteten Antworten auf die Hauptfragestellung auch erste Antworten auf die oben skizzierten übergreifenden Fragestellungen angesprochen werden. Bevor die einzelnen Erwerbungen jedoch in den Mittelpunkt rücken sollen, muss zunächst die Quellenlage – mitsamt einiger quellenkritischer Bemerkungen – und ihre Auswahl beschrieben und begründet werden. Nur sehr knapp können dann Herkunft und Karriere Konrads vor seiner Wahl zum Hochmeister skizziert werden.

1.4

Quellenlage und quellenkritische Bemerkungen

Carl August Lückerath hat in seinen Vorüberlegungen zu einer biographischen Studie über Konrad von Jungingen mit Recht auf die beachtliche Steigerung der Verschriftlichung des Verwaltungshandelns an der Wende vom 14. zum 15. Jahrhundert hingewiesen.110 Konrad dürfte daher – zumindest teilweise – selbst für den Quellenreichtum seiner eigenen Zeit verantwortlich gewesen sein.111 Möglicherweise ist aber gerade in der (Über-)Fülle an Quellen der Grund zu sehen, warum sich die Forschung meist nur auf einzelne thematische Aspekte dieser Zeit beschränkt hat und bisher keine Biographie oder eine andere übergreifende monographische Studie zu Konrads Politik bzw. Amtszeit vorgelegt wurde. In der Tat ist die Aufstellung an Quellen, die an eben genannter Stelle als relevant für eine Beschäftigung mit Konrad von Jungingen angegeben werden,112 äußerst umfangreich und kaum in allen ihren Facetten in gleichmäßiger Tiefe zu bewältigen – zumal auch nur Teile der Überlieferung ediert vorliegen bzw. über angemessene archivarische Findmittel einen schnellen und zuverlässigen Zugriff bieten.113 Durch die Konzentration des Themas auf die Analyse der Au109 Vollrath, Ordnungsvorstellungen, S. 46. Auge, Handlungspielräume, S. 7, erklärt dieses Vorgehen richtig mit der eigenen Einbettung des modernen Forschers in die postulierte Rationalität heutiger Politik und Herrschaft. Gerade aktuelle Entwicklungen sollten mindestens Zweifel an dieser nicht nur postulierten, sondern wahrscheinlich vielmehr nur beschworenen Rationalität wecken. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass sich in mittelalterlichen Entscheidungsprozessen viel mehr Parallelen zum heutigen Politikbetrieb finden lassen als sich viele vielleicht eingestehen mögen. 110 Lückerath, Konrad, S. 92. 111 Vgl. ebd. 112 Vgl. ebd., S. 92–93, insbesondere Anm. 7. 113 Hier sei insbesondere an die Gruppe der Ordensfolianten (fortan OF) der XX. Hauptabteilung (fortan HA) im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin (fortan

Quellenlage und quellenkritische Bemerkungen

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ßenpolitik Konrads von Jungingen ergibt sich jedoch schon eine erste Auswahl der zu nutzenden Quellen. Da der Deutsche Orden ein wichtiger Akteur der internationalen Beziehungen des Spätmittelalters war, finden sich entsprechende Quellen in zahlreichen Archiven und Bibliotheken Europas.114 Von zentraler Bedeutung sind jedoch die Bestände der XX. Hauptabteilung des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz in Berlin, das Historische Staatsarchiv Königsberg, die bis auf die hochmeisterliche Kanzlei bzw. das Ordensarchiv zurückgehen.115 Hier findet sich daher die hauptsächliche Quellengrundlage dieser Studie. Es sind dabei drei Quellengruppen zu unterscheiden: 1) Die Pergamenturkunden, die u. a. die wichtigsten Verträge des Ordenslandes mit seinen Nachbarn bieten und vornehmlich die Ergebnisse der Außenpolitik zeigen.116 2) Die Ordensfolianten:117 a) Hier sind insbesondere die Ordensfolianten 2c und 3 zu nennen, die vorwiegend die ausgehende Korrespondenz des Hochmeisters enthalten. Über diese Briefe lassen sich die sonst schwierig zu ermittelnden Absichten und Intentionen, mithin die Prozesse der Außenpolitik Konrads von Jungingen, analysieren.118

114 115 116

117 118

GStA PK) gedacht, deren Titel (und ggf. die entsprechenden Findmittel) über das Findbuch 25 zu erschließen sind. Hier finden sich etwa 20 Ordensfolianten, die ihrem Titel nach relevante Quellen für die Zeit Konrads von Jungingen enthalten könnten, aber nicht über detaillierte Findmittel erschlossen sind. Eine Durchsicht dieser tw. äußerst umfangreichen Folianten wurde ausgeschlossen, da der Aufwand in keinem Verhältnis zum erwartbaren Ertrag steht. Eine zukünftige Erschließung dieser Folianten am besten durch gedruckte Regestenwerke wäre wünschenswert. Vgl. RBDO, S. 59–77; hier jedoch zumeist spätere Abschriften betreffend. Zur bewegten Geschichte des Archivs vgl. vor allem Forstreuter, Staatsarchiv, und als ein knapper Abriss mit Nennung auch der älteren Literatur RBDO, S. 27–33. Die wichtigsten Pergamenturkunden liegen vor in der Edition von Erich Weise; SDOP. Der Gesamtbestand ist über das gedruckte Regestenwerk JH II zu erschließen. Zur Editionsgeschichte der Friedensverträge zwischen Polen und dem Ordensland bzw. dem Herzogtum Preußen s. Dymmel, Dzieje. Zum Bestand der Ordensfolianten vgl. RBDO, S. 33–35. Hier findet sich die ältere Literatur aufgeführt sowie Hinweise auch zu den Pergamenturkunden und dem Ordensbriefarchiv (OBA). Da das Preußische Urkundenbuch (PrUB) bislang mit dem Jahr 1371 schließt, ist die ausund eingehende Korrespondenz nicht in einer modernen Ansprüchen genügenden Edition gedruckt. Für die Erschließung der hier relevanten Ordensfolianten liegt bislang nur das ungedruckte Findbuch 65 der XX. HA, GStA PK, Berlin vor. Man ist also weiterhin auf die vereinzelten und verstreut vorliegenden Drucke in den vorwiegend landeshistorischen Editionen des 19. Jahrhunderts angewiesen, wobei jedoch vielfach aufgrund der unterschiedlichen Qualität ein Rückgriff auf die Registerabschrift notwendig bleibt.

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Einleitung

b) Der Ordensfoliant 140, das Marienburger Tresslerbuch, kann nur hilfsweise herangezogen werden.119 Zwar enthält es in einigen Fällen Hinweise zur Chronologie der Ereignisse, doch ist häufig keine sichere Zuordnung der Eintragungen zu den Geschehnissen möglich. 3) Das Ordensbriefarchiv : Ergänzend zu den Ordensfolianten bietet das Ordensbriefarchiv vorwiegend eingehende Korrespondenz. Für die Zeit Konrads liegen im Ganzen etwa 450 Stücke vor, von denen jedoch bei weitem nicht alle außenpolitischen Charakter haben.120 Viele dieser Briefe sind nicht bzw. nur unvollständig datiert. Viele bleiben auch nach inhaltlicher Prüfung nur vage datierbar. Für die Rekonstruktion der Prozesse können diese Quellen dann nur selten weiterführende Einsichten ermöglichen. Es zeigte sich, dass dieser Bestand für die hier zu untersuchende Fragestellung generell nicht so aufschlussreich ist wie die hochmeisterlichen Schreiben der Ordensfolianten. Ergänzend dazu müssen einige Quellen des Deutschordenszentralarchivs in Wien herangezogen werden.121 Ein paar wenige weitere Briefe haben sich im Staatsarchiv Thorn / Archivum Pan´stwowe w Toruniu (APT) gefunden.122 Keine relevanten Quellen konnten im Staatsarchiv Danzig / Archivum Pan´stwowe w Gdan´sku (APG) ermittelt werden.123 Hier ist zwar insbesondere der Bestand APG 300,D,37–39 »Hochmeister und andere Deutschordensgebietiger« zu erwähnen, in dem sich Briefe des Deutschen Ordens an Danzig finden, von denen aber nur eine geringe Zahl sicher auf die Zeit Konrads von Jungingen datierbar ist. Diese behandeln dann fast ausnahmslos innere Angelegenheiten. In den nach Provenienz sortierten Abteilungen könnten zwar noch ein paar interessante Quellen und v. a. Briefe zu finden sein,124 doch muss auch hier ein Hinweis auf die un-

119 MTB. Radoch, Ksie˛ga, hat in einem kurzen Aufsatz angedeutet, welches Potential für die politische Geschichte auch in einer bisher vorwiegend für die Wirtschaftsgeschichte genutzten Quelle liegt. 120 Hinsichtlich gedruckter Stücke aus dem OBA herrscht dieselbe Problematik wie für die Ordensfolianten. Der Gesamtbestand ist jedoch wenigstens über das gedruckte Regestenwerk JH I erschlossen. 121 Die relevanten Bestände des Archivs sind gut erschlossen über die gedruckten Regestenwerke DOZA und Wieser, Nordosteuropa. Die Urkunden finden sich als Scan unter www.monasterium.net. 122 Zum Thorner Bestand s. das Regestenwerk KDL. 123 S. allgemein den Archivführer von Biernat, Wegweiser. Insgesamt ist der Erschließungszustand jedoch unzureichend. Die Durchsicht der älteren deutschen Findmittel gibt einen guten ersten Einblick in die vorhandenen Briefe. 124 Vgl. dazu auch Ekdahl, Schlacht, S. 87, der v. a. auf Briefeingänge vor 1525 hinweist und in diesen Abteilungen eine Entsprechung zum OBA sieht, die jedoch zunächst geographisch nach Adressaten und danach chronologisch sortiert worden sind.

Quellenlage und quellenkritische Bemerkungen

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zureichenden bzw. fehlenden Findmittel genügen, um ihre Einbeziehung aus arbeitsökonomischen Gründen zu verwerfen.125 Nach Durchsicht der vorhandenen Archivführer126 lassen auch die Bestände des ehemaligen Archivs von Elbing, das sich mittlerweile im Staatsarchiv Danzig befindet, kaum für die Außenpolitik Konrads relevante Quellen erwarten, sodass hier von einer weiteren Recherche abgesehen wurde. Quellen aus weiteren Archiven, wie z. B. dem Archiv Alter Akten in Warschau127 oder den Archiven Skandinaviens, werden ausschließlich über den reichhaltigen Bestand des gedruckten Materials in Urkundenbüchern abgedeckt. Zwar bieten historiographische Quellen insbesondere den Vorteil, dass hier mehr Bewertung und Würdigung von Persönlichkeit und Politik zu finden ist und dass diese Quellen teilweise sogar die Motive der handelnden Personen explizit darstellen (oder vielleicht besser : unterstellen), doch muss konstatiert werden, dass die meisten Quellen nicht zeitgenössisch sind und somit zumeist mehr interpretatorische Probleme als Ertrag bieten. Zwar sind sie für das Bild, das sich die nachfolgenden Generationen von Konrad von Jungingen machten, von unschätzbarem Wert, doch ist dies ein Aspekt, der in dieser Arbeit allenfalls am Rande behandelt werden kann. Nur die unmittelbar zeitgenössische Geschichtsschreibung des Ordenslandes wird aus den eben genannten Gründen ergänzend für die Analyse der Außenpolitik Konrads von Jungingen herangezogen.128 Jarosław Wenta bietet einen Katalog aller historiographischen Texte, die bis 1454 im Ordensland Preußen entstanden sind.129 Aufgrund des Kriteriums der Zeitgenossenschaft bleiben nur drei historiographische Quellen übrig, die für Konrads Zeit einschlägig sind:

125 Zwar finden sich auch in den Stadtbüchern neben für diese Fragestellung nicht relevanten Beglaubigungen, Beschwerden und Klagen zuweilen auch einzelne Urkundenabschriften und kopierte Briefe, doch wäre hier der Aufwand des Durcharbeitens nicht vertretbar in Hinblick auf die erwartbaren Ergebnisse. Die Danziger Missivbücher setzen erst nach der Zeit Konrads von Jungingen ein und können somit außer Betracht bleiben. 126 Vgl. Biernat, Wegweiser ; Volckmann, Katalog; Czaplicka/Klesin´ski, Archiwum; Morcinek, Inwentarz. Zwar werden einige Sammelbände und Sammelbestände ausgewiesen, bei denen es denkbar wäre, dass relevante Quellen für die Außenpolitik Konrads von Jungingen darunter zu finden sein könnten, doch wäre eine Suche extrem zeitaufwendig und nicht zu leisten. 127 Vgl. dazu Grabowski, Z´rjdła, der einen informativen Überblick über die hier liegenden Deutschordensurkunden gibt, die insbesondere die Angelegenheit um das Dobriner Land und zum Frieden von Racianz betreffen, jedoch offenbar alle schon im Druck vorliegen. 128 Allgemein zur Historiographie des Ordenslandes vgl. u. a. Arnold, Studien; Engels, Historiographie; Maschke, Quellen; Wenta, Studien. Zum Stand und den Problemen der vorliegenden Editionen vgl. Wenta, Weg. 129 Wenta, Studien, S. 183–252.

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Einleitung

1) An Umfang und Informationsgehalt steht die Chronik des Johann von Posilge an erster Stelle der historiographischen Überlieferung.130 Unbeeinflusst von der von Wenta aufgebrachten Diskussion um die Verfasserschaft kann weiterhin festgestellt werden, dass die eine annalistische Baustruktur aufweisende Chronik die wesentlichen Informationen zur Geschichte des Ordenslandes zwischen 1360 und 1419 sowie zahlreiche Nachrichten zur allgemeinen Geschichte enthält. Johann von Posilge bzw. sein Fortsetzer/Bearbeiter bezieht dabei auch Urkunden und Berichte aus Ordenskreisen mit ein, ist also aus erster Hand informiert. Udo Arnold konstatiert ein weitreichendes Interesse Johanns von Posilge an der päpstlichen und kirchlichen Politik sowie der äußeren Politik Preußens mit allen anderen europäischen Ländern. Insbesondere aufgrund dieses weiten Horizonts ist die Chronik von grundsätzlicher Bedeutung. Es hat sich jedoch schon in einer Fallstudie gezeigt, dass dieser Bericht hinsichtlich der Außenpolitik Konrads von Jungingen selten über die Informationen der hochmeisterlichen Briefe hinausgeht.131 Johann von Posilge stellt die Abläufe zuweilen verkürzt dar und berichtet gelegentlich auch Widersprüchliches. Die Motive der Akteure spielen meist keine Rolle. Bemerkenswerterweise gibt er jedoch manchmal exaktere Datierungen als die Ordenskorrespondenz. Daher bietet die Chronik also zumindest zeitweilig Ergänzungen zum restlichen Archivmaterial, führt für unsere Fragestellung aber kaum über dieses hinaus. 2) Die Eintragungen der sog. Thorner Annalen (Franciscani Thorunensis Annales Prussici) sind insgesamt sehr knapp, obwohl sie seit 1380 umfangreicher und genauer werden.132 Ernst Strehlke hat in seiner Einleitung darauf hingewiesen, dass auch amtliche Papiere und Urkunden als Vorlage genutzt wurden und den Kenntnisstand des Autors zu den Hochmeisterwahlen von 1382, 1391 und 1393 als gut bezeichnet. Trotz dieser günstigen Voraussetzungen bietet dieser Text allenfalls ergänzende Informationen aufgrund des für die annalistische Historiographie typischen Charakters, meist nur knappe Notizen zu Geschehnissen aneinander zu reihen. Motive und Erklärungen von Handlungen werden nicht dargelegt, sodass der Quellenwert für die

130 Johann von Posilge, in: SSRP 3. Das Folgende nach Wenta, Studien, S. 237–239, und insbesondere Arnold, Johann von Posilge. Zur umstrittenen Verfasserschaft s. auch Wenta, Verfasserschaft, sowie Päsler, Sachliteratur, S. 284–290, und Mentzel-Reuters, vride, S. 93–97, der die Arbeit als eine »kollektive Leistung der Riesenburger Residenz« bezeichnet; ebd., S. 96. Vgl. auch ferner Arnold, Studien, S. 20–22. 131 Vgl. Kubon, Friede, insbesondere S. 43, Anm. 16. 132 Thorner Annalen, in: SSRP 3. Vgl. zum Folgenden die Einleitung von Ernst Strehlke und die Ausführungen von Wenta, Studien, S. 236–237, hier ist auch die weiterführende Literatur verzeichnet; vgl. auch Arnold, Studien, S. 22.

Quellenlage und quellenkritische Bemerkungen

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Analyse der Außenpolitik des Ordens unter Konrad von Jungingen als gering einzuschätzen ist und nur zuweilen Erwähnenswertes bietet. 3) Die deutschsprachige Originalfassung der Reimchronik des Wigand von Marburg ist nur noch in Fragmenten erhalten.133 Die lateinische Übersetzung wurde nach Jarosław Wenta in Eile und nachlässig angefertigt, wobei dies den Quellenwert für die Geschichte der Außenpolitik des Ordens kaum negativ berührt. Wigand von Marburg war ein Herold des Ordens. Er stand mindestens seit 1393 im Dienste des Ordens. So hat seine Chronik einen weltlichen, den Taten der Ritter gewidmeten Charakter. Sein Schwerpunkt liegt auf der Beschreibung der Kriege des Ordens, v. a. mit Litauen. Die Chronik behandelt die Zeit von 1293 bis 1394. 1394 wird als Abfassungsdatum angenommen. Zwar ist Wigands von Marburg Chronik damit zeitgenössisch, nur wenige Seiten aber betreffen die Zeit der Hochmeisterschaft Konrads von Jungingen, weswegen er für die hier zu untersuchende Fragestellung keine weiterführenden Hinweise bietet. Alles in allem sind die wenigen historiographischen Quellen, die zeitgenössisch sind, nur als Ergänzung zu den oben aufgeführten Archivalien heranzuziehen, da der Informationsgehalt aus den genannten Gründen eher gering einzuschätzen ist. Wigand von Marburg kann sogar gänzlich beiseite gelassen werden. Es bleiben damit nur Johann von Posilge und die Thorner Annalen übrig. Überblickt man nun die für die Außenpolitik Konrads von Jungingen relevanten Quellen und deren Editionslage, dann scheint sich schon ein erster Hinweis darauf zu ergeben, warum die oben geschilderte opinio communis von der größten Machtstellung und der Expansion bislang kaum Widerspruch erregt hat: Schließlich liegen die Urkunden auf Pergament, in denen sich die Ergebnisse der Außenpolitik niedergeschlagen haben, an zentraler Stelle gesammelt in der Edition der Staatsverträge des Deutschen Ordens von Erich Weise vor. Die Prozesse der Politik hingegen, die zu diesen Ergebnissen führten, können vorwiegend über die vorbereitende und flankierende Korrespondenz des Hochmeisters erschlossen werden. Diese ist in der eben angesprochenen Edition den Verträgen höchstens bei- oder nebengestellt und das auch nur in einer kleinen Auswahl. Ansonsten sind die Hochmeisterbriefe vielfach unediert oder an verstreuter Stelle gedruckt.134 Die Ergebnisse der Außenpolitik – der Erwerb der 133 Wigand von Marburg, in: SSRP 2. Das Folgende nach Wenta, Studien, S. 228–229, und Vollmann-Profe, Wigand von Marburg; vgl. auch Arnold, Studien, S. 19–20. 134 Diesem Desiderat widmet sich das an der Universität Hamburg angesiedelte DFG-Projekt »Erschließung und virtuelle Rekonstruktion der älteren Register der Kanzlei des Deutschen Ordens«. Der erste Band, der die Regesten zu den Ordensfolianten 2a und 2aa mit einer umfangreichen Einleitung zu den Besonderheiten der Überlieferung der HochmeisterRegistranden enthält, ist 2012 erschienen; RBDO. Ein zweiter Band zu den Ordensfolianten

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Einleitung

Neumark, die Eroberung Gotlands und die Inbesitznahme Samaitens etc. – sind also viel einfacher greifbar und dadurch präsenter. Sie sind zudem ihrer Entstehung und ihres Kontextes enthoben, sodass ein oberflächlicher Blick in die Edition die opinio communis begünstigt; zumindest die pointierten Schlüsse Weises ließen sich so ohne Weiteres erklären, der mit der Anordnung seiner Quellen diese Sichtweise präfigurierte. Nach dieser Eingrenzung des Quellenkorpus müssen ein paar damit zusammenhängende Aspekte quellenkritischer Natur übergreifender Art kurz angesprochen werden, die für das hier gewählte Vorgehen und die Fragestellung von grundlegender Bedeutung und in der Forschung bislang kaum reflektiert worden sind. – Der größte Teil des vorhandenen Quellenbestands stammt aus der Feder des Ordens selbst oder zumindest aus dessen Umkreis. Insbesondere der Anteil von ausgegangenen Briefen des Hochmeisters ist im Vergleich zu den eingegangenen Briefen bzw. den Briefen, die nicht der Ordensprovenienz zugeordnet werden können, deutlich höher, da diese in der Regel verloren sind. Lückerath hat aufgrund des spezifisch ordenszentrierten Quellenreichtums zu Recht zur Vorsicht gemahnt, nicht der Gefahr zu erliegen, zu sehr aus Ordensperspektive zu schreiben.135 Dieser Problematik ist aufgrund der Quellenlage kaum zu entgehen. Jedoch bietet dieser Umstand auch die Chance, vor allem die Motive und Entscheidungsprozesse Konrads von Jungingen und der Gebietiger in den Blick zu bekommen. Für die spezifische Fragestellung sind hier also nicht zuletzt auch Chancen zu sehen. Die wesentlichen Inhalte der eingegangenen Korrespondenz sind über die ausgehenden Briefe zu erschließen, da zu Beginn eines hochmeisterlichen Sendschreibens in der Regel der eingegangene Brief, auf den geantwortet wurde, kurz paraphrasiert wird. Diese kurzen Zusammenfassungen sind zuverlässig, provozierten sie bei falscher Wiedergabe eine Richtigstellung des Korrespondenzpartners, die sich dann in den nachfolgenden Briefen niederschlug. – Allgemein ist der Brief des Spätmittelalters ein wenig bearbeitetes Forschungsthema.136 Speziell hat auch die hochmeisterliche Korrespondenz in Form der ehem. Hochmeister-Registranten bislang keine tiefergehende diplomatische Kritik erfahren.137 Das liegt wahrscheinlich daran, dass bei Registerabschriften eine fälschende Absicht in der Regel ausgeschlossen werden 8 und 9 liegt seit 2014 gedruckt vor; RBDO II. Weitere Bände sollen in loser Folge erscheinen, hängen jedoch von weiterer Finanzierung ab. 135 Lückerath, Konrad, S. 92. 136 Vgl. zu Briefen im Allgemeinen Schmale, »Brief, Briefliteratur, Briefsammlungen, IV.«, der auf das Desiderat einer wissenschaftlichen Brieflehre aufmerksam gemacht hat; ebd., S. 656. 137 Zur Einführung in den Bestand der Hochmeister-Registranten s. RBDO. Ein paar quellenkundliche Überlegungen bei Kubon, Briefregister.

Quellenlage und quellenkritische Bemerkungen

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kann und höchstens Fehler durch Flüchtigkeiten und Unachtsamkeiten zu erwarten sind.138 Schließlich war der Zugang für eine wie auch immer geartete Öffentlichkeit nicht ins Auge gefasst, sondern man hielt die Briefkopien für die spätere eigene Benutzung vor. Eine Verfälschung hätte die ursprüngliche Intention der Textsicherung konterkariert. Hinsichtlich der Registerabschriften des Deutschen Ordens sind zudem die meisten der Fragen, die ihre Entstehungsumstände betreffen, nicht in solchem Maße unklar, wie dies bei anderen Briefsammlungen der Fall ist.139 Allerdings sind diese Fragen auch noch weit entfernt von einer befriedigenden oder abschließenden Antwort, sodass eine tiefergehende Beschäftigung an anderer Stelle als lohnend erscheint, jedoch kann man an dieser Stelle an der Einschätzung von Registerabschriften als zuverlässige Texte festhalten, ohne Verfälschungen befürchten zu müssen.140 – Ist daher hinsichtlich der Echtheit ein sicherer Textbestand festzustellen, muss der Inhalt der Briefe in Bezug auf den Wahrheitsgehalt jedoch deutlich kritischer gesehen werden. Dieser Umstand muss betont werden, sind die hochmeisterlichen Schreiben in dieser Hinsicht doch bislang selten genauer unter die Lupe genommen worden. Offenbar ging man zumeist davon aus, dass die den Briefen Konrads zu entnehmenden Schilderungen deckungsgleich mit den historischen Gegebenheiten waren.141 Demgegenüber sah man – zumindest von deutscher Seite – in den Schreiben von Vytautas und dem König von Polen Lug und Trug vorherrschen.142 Nun ist natürlich hervorzuheben, dass Briefe, die verfasst wurden, um einen bestimmten politischen Zweck zu erfüllen, nicht immer frei von Auslassungen, Verzerrungen, Fehlinformationen oder gar Täuschungen sind. Und so gibt es denn auch (vereinzelte) Hinweise darauf, dass ebensolche Phänomene auch in manchen Briefen Konrads zu finden sind.143 Sowohl für den jeweils konkreten Fall als 138 So schon Bresslau, Urkundenlehre, S. 146–147. 139 S. bei Köhn, Quellenkritik, einerseits die Fragen, um die Echtheit von Briefen zu prüfen, auf die im Fall der Registerabschriften des Ordens zumindest solche Antworten gefunden werden können, die den Textbestand nicht infrage stellen, und andererseits die angeführten Briefsammlungen als Gegenbeispiele mit gänzlich anderen Voraussetzungen. 140 Vgl. ebd., S. 298. 141 Die Gründe für diese eher gutgläubige Herangehensweise bleiben unklar. Es wäre denkbar, dass hier vielleicht das Bild Konrads von Jungingen als redlicher Staatsmann bzw. naiver Mönch, das sich aus der späteren historiographischen Überlieferung ergab, interpretationsleitend gewirkt hat. 142 Die ältere deutsche Literatur hat durch die Bank insbesondere Vytautas in ein ungünstigstes Licht gestellt. Ihm traute man jede List zu, ohne dass jedoch politisch-taktisch-sachliche Gründe dafür in den Mittelpunkt gestellt wurden; vielmehr nahm man offenbar eher eine gewisse moralische Verkommenheit an. 143 Kattinger, Verhandlungen, passim, insbesondere S. 52, stellt Konrad als gewieften Taktiker dar, der Margarete über das Gotlandunternehmen im Unklaren ließ, was er durch

48

Einleitung

auch für die generelle Einschätzung von Konrads Außenpolitik ist im Folgenden zu prüfen, ob sich diese Beispiele vermehren lassen.

1.5

Herkunft und Karriere Konrads von Jungingen

Zwar setzt, wie oben erwähnt, die eigentliche Untersuchung erst mit der Wahl Konrads zum Hochmeister ein, doch muss seine Herkunft und seine Karriere bis zu diesem Zeitpunkt kurz skizziert werden. Es stellt sich die Frage, ob in diesen – zeitgenössisch spärlich bis gar nicht kommentierten – Sachverhalten Hinweise auf seine Persönlichkeit oder auf Stimmungen und Tendenzen im Orden gefunden werden können, die im Weiteren als Voraussetzungen für sein späteres Handeln und damit als Interpretationsrahmen genutzt werden könnten. Ludwig von Baczko, um ein besonders problematisches Beispiel anzuführen, glaubte in dem Umstand, dass Konrad vor seiner Wahl zum Hochmeister die Ämter des Kumpans – hier verwechselt er ihn überdies mit Ulrich von Jungingen144 – und des Tresslers bekleidet habe, zu erkennen, dass man ihm Klugheit und Treue zugetraut habe, aber nicht kriegerisches Talent.145 Baczko nutzt dann diese mehr gewollte denn belegbare Charakterisierung, um Konrads außenpolitisches Handeln zu erklären.146 Ein solches Vorgehen kann natürlich nicht befriedigen. Bevor irgendwelche Schlüsse gezogen werden können, soll dargestellt werden, was über Herkunft und Karriere quellenkundig ist. Konrad entstammte einer Edelherrenfamilie, die ursprünglich aus dem Killertal bei Hechingen kam, schon seit 1316 nördlich von Sigmaringen, in Jungnau, ansässig war und durch Heirat die Herrschaft Hohenfels erwarb.147 Seine Geburt wird um 1350 anzusetzen sein, da er 1404 im Rahmen seiner Bemühungen um die Heiligsprechung Dorotheas von Montau sein Alter mit über 50 Jahren

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Halbwahrheiten in der Korrespondenz erreichte. Auch schreckte Konrad vor Manipulation in seinen Briefen nicht zurück, wenn er unerwünschte Kriegsgäste aus England die großen Schwierigkeiten einer geplanten Litauenreise eindringlich vor Augen stellte und ihnen damit erfolgreich ein Fernbleiben aus Preußen nahelegte; vgl. Koeppen, Ende, S. 49–52. Als letztes Beispiel für das diplomatische Geschick Konrads sei darauf hingewiesen, dass er in seiner Korrespondenz bei den Empfängern zuweilen eine Rangerhöhung vornahm: Die Grafen von Kleve und Holland sprach er als Herzöge an, wie Heckmann, Jagdfalken, S. 41, in einem anderen Zusammenhang gezeigt hat. Konrads Bruder Ulrich von Jungingen war von 1391–1392 Unterkumpan des Hochmeisters; Voigt, Namen-Codex, S. 112; bei Heckmann, Amtsträger, jedoch nicht aufgeführt. Baczko, Geschichte, S. 295. Einerseits dürfte sich eine solche Interpretationsweise mit der Betrachtung ex eventu erklären; andererseits hat nicht zuletzt auch das bei späteren historiographischen Quellen vorherrschende Bild Konrads solche und ähnliche Mutmaßungen nahe gelegt; vgl. ebd. Zu Herkunft und Familie ausführlich Bumiller, Konrad, hier S. 7–8; dort auch Vermutungen, wo Konrad seine Karriere als Ordensritter begonnen haben könnte; vgl. dazu v. a. Eisele, Herren.

Herkunft und Karriere Konrads von Jungingen

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angab.148 Hinsichtlich seiner Karriere im Deutschen Orden ist er in den Quellen erst recht spät, im Jahre 1387, als Hauskomtur von Osterode fassbar.149 Ob man daraus schließen kann, dass er nach seinem (höchstwahrscheinlich) jüngeren Bruder Ulrich von Jungingen, der schon 1383 in den Quellen auftaucht, in den Orden eingetreten ist oder ob es sich hierbei um einen Zufall der Überlieferung handelt, kann nicht entschieden werden.150 Vom neuen Hochmeister Konrad von Wallenrode wurde er im März 1391 zum Tressler befördert. Er hat, wie Klaus Neitmann festgestellt hat, nie in einer Gesandtschaft mitgewirkt.151 Ohne weitere Ämter innegehabt zu haben, wurde er nach Konrads Tod im Juli 1393 als ursprünglicher Wahlkomtur152 am 30. November 1393 zum neuen Hochmeister gewählt. Am 30. März 1407 verschied Konrad.153 Viel ist also nicht bekannt, doch ist seine kurze und steile Karriere schon den Chronisten des 15. Jahrhunderts aufgefallen.154 In neuerer Zeit bewertete Eisele diese als beispiellos und schließt sicher nicht zu Unrecht daraus, dass die Obersten Gebietiger eine hohe Meinung von Konrad hatten.155 Auch Wulfmeiers Auffassung, dass Konrad seine Sache vor seiner Wahl gut gemacht habe, da er sonst nicht zum Hochmeister gewählt worden wäre,156 wird man nicht widersprechen können. Doch bieten solche Aussagen keinen wirklichen Erkenntnisgewinn, da dies für die allermeisten Hochmeister galt. Warum sollte man auch jemanden wählen, der sich bislang nicht bewährt hat und auf den man keine großen Hoffnungen setzte? Ob man nun aus der Blitzkarriere schließen kann, dass die wählenden Ordensbrüder besonders große Hoffnungen auf Konrad setzten, ist möglich, aber nicht belegbar und hätte auch sonst wenig Erklärungswert für sein außenpolitisches Handeln. Jähnig hat hingegen vermutet, dass die als Tressler erworbene Sachkenntnis und eine »günstige Alterssituation« zu seiner Wahl beigetragen haben mögen.157 Beides ist natürlich gut möglich. Dass der Orden absichtlich einen Finanzfachmann gewählt habe, wie daraus gefolgert werden könnte, weil sonst eher der

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Jähnig, Konrad (1998/2014), S. 97. Krollmann, Von Jungingen, S. 313. Vgl. Jähnig, Konrad (1998/2014), S. 97. Neitmann, Staatsverträge, S. 75. So die Thorner Annalen, SSRP 3, S. 190, in denen sogar der ersatzweise bestellte Wahlkomtur, der Vogt von Brattian, Wolf von Zolnhart, namentlich genannt wird. Johann von Posilge und Wigand von Marburg berichten diese Details nicht. Jähnig, Konrad (1998/2014), S. 104. Jähnig, Konrad (1980); S. 517; vgl. auch schon Voigt, Geschichte, 6, S. 4, der zu einem ähnlichen Urteil kommt. Eisele, Herren, S. 43. Wulfmeier, Konrad, S. 43. Jähnig, Konrad (1998/2014), S. 97; hinsichtlich des Tressleramtes so auch Wulfmeier, Konrad, S. 43.

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Einleitung

Großkomtur für die Wahl zum Hochmeister infrage gekommen sei,158 ist natürlich nicht gänzlich undenkbar. Doch ist dies einerseits nicht belegbar und andererseits wohl auch zu modern gedacht, wenn ein bestimmtes Ressort ausschließlich in den Mittelpunkt der Wahlentscheidung gestellt wird. Schließlich ist die ältere Vorstellung von den Großgebietigern als eine Art Ressortminister schon seit Längerem revidiert.159 Hinsichtlich der Frage nach dem Alter muss bemerkt werden, dass es bislang keine Studien gibt, die etwas über eine Korrelation zwischen Alter und Amt aussagen. Bislang kann man Konrads Blitzkarriere nur konstatieren, aber keine weiterreichenden Schlüsse daraus ziehen. Neben der Blitzkarriere fällt die Wahl selbst ins Auge:160 Wenn es stimmt – und begründete Zweifel lassen sich gegen die hinsichtlich dieser Fragen gut informierten Thorner Annalen nicht anführen –, dass Konrad als Wahlkomtur (commendator electionis161) in das Wahlverfahren getreten ist, später aber selbst gewählt wurde, was kann man dann aus dieser Konstellation für Schlüsse über Konrad oder die ordensinterne Stimmung ziehen?162 Den Gewohnheiten gemäß musste Großkomtur Wilhelm von Helfenstein als damaliger Hochmeisterstatthalter Konrad im Vorwege zum Wahlkomtur bestimmt haben,163 der dann im Laufe des Wahlvorganges, als sich die Möglichkeit abzeichnete, dass er selbst als potentieller Meisterkandidat gesehen wurde, zunächst aus dem Wahlkapitel herausgebeten und schließlich ausgewechselt werden musste, um gewählt zu werden. Kann man nun daraus schließen, dass Konrad zumindest vom verdienten Großkomtur Wilhelm von Helfenstein, der selber für das Amt infrage gekommen sein dürfte, gar nicht als aussichtsreicher Kandidat, sondern eher als vertrauenswürdiger Sachwalter gesehen wurde? Oder sah er Konrad als Konkurrenz 158 Vgl. Milthaler, Großgebietiger, S. 8. 159 S. Schumacher, Geschichte, S. 61–62. 160 Eine erschöpfende Abhandlung zur Hochmeisterwahl gibt es nicht, worauf schon Lückerath hingewiesen hat; Lückerath, electione, S. 33. Hier findet sich das formelle Verfahren bei der Wahl nach den Statuten bzw. Gewohnheiten skizziert; ebd., S. 36–37; danach hier. Vgl. auch Militzer, Akkon, S. 138–142, dessen Darstellung – auch nach den Statuten bzw. Gewohnheiten gearbeitet – nicht wesentlich abweicht; vgl. auch Vogel, Meisterwahlen. 161 Thorner Annalen, SSRP 3, S. 190; nach Lückerath war die Bezeichnung für den Wahlleiter preceptor; Lückerath, electione, S. 36. 162 Militzer, Akkon, S. 142, hat schon darauf hingewiesen, dass der sterbende Hochmeister mit Hilfe des Hochmeisterstatthalters Einfluss auf seine Nachfolge ausüben konnte, wenn es ihm gelang, einen Statthalter zu ernennen, der mit seinen Vorstellungen einverstanden war. Diese Überlegung ist theoretisch sicher richtig, ob und ggf. wie sich das praktisch in diesem Fall ausgewirkt hat, lässt sich allerdings nicht entscheiden. 163 Vgl. Lückerath, electione, S. 36. Nach Schreiber, Amtsdaten, S. 639, wählte der Konvent den Wahlkomtur. Militzer, Akkon, S. 138–139, dürfte der historischen Realität am nächsten kommen, wenn er schreibt, dass der Statthalter den Wahlkomtur mit Zustimmung des Wahlkonvents ernannte.

Herkunft und Karriere Konrads von Jungingen

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und wollte ihn als Wahlkomtur aus dem Spiel nehmen? Und hat er Konrad damit unterschätzt und diesem die Möglichkeit gegeben, sich zielgerichtet die Ordensbrüder auszusuchen, die ihm günstig gesonnen waren? Oder war dies im Gegenteil vielleicht sogar seine Absicht und er wollte Konrad fördern? Oder muss man eher aus diesem Wahlvorgang erkennen, dass es sich bei Konrad um einen Kompromisskandidaten gehandelt hat? Angesichts der dürftigen Quellenlage sind alle genannten Möglichkeiten denkbar. Eine Klärung ist vielleicht gar nicht möglich. Es ist nicht auszuschließen, dass auch hier eher an moderne Verhältnisse gedacht worden ist, die den mittelalterlichen Umständen nicht unbedingt entsprechen. Auf jeden Fall kann man einzig aus dem Wahlverfahren selbst heraus keinen Aufschluss für die hier relevante Fragestellung gewinnen. Es wäre jedoch denkbar, dass ein Vergleich mit anderen Karrieren und Wahlverläufen eine gewisse Einordnung des jeweiligen Einzelfalls erlauben würde.164 Aufgrund dieser Umstände lässt sich daher bislang aus dem isoliert betrachteten Karriereverlauf Konrads kaum Sicheres über sein Wesen und seine Art bzw. über Stimmung und Tendenzen im Orden und die Absichten der wählenden Ordensbrüder schließen. Ein Interpretationsrahmen lässt sich so nicht herstellen, ohne Gefahr zu laufen, einem Zirkelschluss zu erliegen. Es bleibt daher nichts anderes übrig, als Konrads außenpolitisches Vorgehen aus sich selbst heraus zu analysieren, ohne sich an a priori aufgestellten Thesen orientieren zu können.

164 Letztlich sind die Ämterbesetzungen im Deutschen Orden und die Karriereverläufe über ihre theoretischen Aspekte hinaus bislang kaum untersucht. Das mag daran liegen, dass die Quellenlage dieser zeitgenössisch kaum kommentierten Sachverhalte dünn ist, wohingegen die Aussagen nachträglicher Chronistik in der Regel thesenhaften und spekulativen Charakter haben und kaum näher an die historischen Sachverhalte herankommen als moderne Bearbeitungen. Ein breiter Vergleich der Wahlvorgänge und Karrieren aller Hochmeister – und idealerweise auch aller anderen Ordensbrüder – könnte vielleicht typische Karrieremuster und Verfahrensweisen aufdecken, wodurch die jeweilige Wahl eines Hochmeisters sowie vielleicht auch gerade auf den ersten Blick weniger gewöhnliche Karrieren in ihrer Bedeutung eingeordnet werden könnten.

2

Samaiten: Zielgerichteter Erwerb mit diplomatischen Mitteln?

2.1

Grundlinien der Beziehungen des Deutschen Ordens zu Polen und Litauen

Die Beziehungen zu Polen und Litauen waren für das Deutschordensland Preußen von Anfang an von besonderer Bedeutung.165 Allein durch die geo165 Zwar ist das Verhältnis zwischen dem Deutschordensland Preußen und Polen sowie Litauen zentraler Bestandteil jeder Darstellung der Ordensgeschichte bzw. Landesgeschichte Preußens sowie der Geschichte Polens und Litauens und der entsprechenden Herrscherbiographien. Es steht zudem im Zentrum zahlloser Detailstudien zu Einzelereignissen oder -aspekten. Erstaunlicherweise liegt dennoch keine spezielle zeitenübergreifende, quellengestützte, monographische Abhandlung dazu vor. Einzig die knappere Studie von Forstreuter, Deutschland, ist zu nennen, jedoch ist auch diese nur als ein Überblick und vor allem ›Thesensteinbruch‹ einzustufen; vgl. ferner den älteren Aufsatz von Lohmeyer, Polen-Littauen, sowie für den Zeitraum 1399 (ab der Schlacht an der Worskla) bis 1404 die Studie von Goyski, Stosunki, die mittlerweile auch schon über 100 Jahre alt ist und nur auf gedruckten Quellen basiert, jedoch insbesondere zum Frieden von Racianz immer noch ein paar weiterführende Gedanken enthält. Man ist daher im Folgenden weiterhin vor allem auf die entsprechenden Abschnitte der Überblicksdarstellungen zur Ordensgeschichte angewiesen sowie ferner auf die kürzeren biographischen Skizzen zu Konrad von Jungingen. Am pointiertesten ist der allgemeine Forschungsstand bzw. die vorherrschende Vorstellung vom Verhältnis zwischen dem Orden und Polen-Litauen immer noch in den entsprechenden Abschnitten bei Boockmann, Orden, S. 138–150 (zum 14. Jahrhundert) und S. 171–180 (zur Zeit der polnisch-litauischen Union), zusammengefasst. Hinsichtlich der hier zu bearbeitenden spezielleren Fragestellung nach der Außenpolitik und den Motiven Konrads von Jungingen bietet davon – trotz ihres Alters – fast nur die Arbeit von Voigt, Geschichte, 6, punktuelle Hinweise, vornehmlich aufgrund ihrer Ausführlichkeit und ihres Detailreichtums. Die Gesamtdarstellungen zur polnischen und litauischen Geschichte bieten – das gilt auch für die Herrscherbiographien – in der Regel nur den breiten historischen Hintergrund der Beziehungen; für die konkrete Fragestellung nach einer zielgerichteten Expansionspolitik des Deutschen Ordens unter Konrad von Jungingen können hier in der Regel allenfalls einzelne Hinweise über die kaum hinterfragte opinio communis hinaus gefunden werden. Aus der Vielzahl der Darstellungen seien als erste Zugriffsmöglichkeiten genannt: die knappe deutschsprachige Einführung von Rhode, Kleine Geschichte Polens, und auf Polnisch v. a. Jurek/Kizik, Historia; Szczur, Historia, sowie die ältere Darstellung von Łowian´ski, Historia Polski, aufgrund ihrer umfassenden Litera-

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Samaiten: Zielgerichteter Erwerb mit diplomatischen Mitteln?

graphische Nähe waren zahlreiche Kontakte naturgemäß gegeben. War das Verhältnis zu Polen zuerst freundlich oder doch zumindest neutral, trübten sich die Beziehungen dann seit dem frühen 14. Jahrhundert ein – nicht zuletzt aufgrund der Eroberung von Pommerellen mit Danzig (1308/1309) durch den Deutschen Orden.166 Obwohl mit dem Frieden von Kalisch 1343 zwar zeitweilige militärische Auseinandersetzungen beendet und ein immerhin 66 Jahre haltender Friede geschlossen werden konnte,167 blieb das Verhältnis von nun an latent angespannt. Litauen hingegen war nach der Eroberung Preußens als letztes (überwiegend) heidnisches Land Europas zum Ziel von Kriegsreisen, den sog. Preußenreisen bzw. Litauenreisen,168 und damit »zum Ausweis der Daseinsberechtigung des Ordens schlechthin«169 geworden. Mit Unterstützung von Kriegsgästen aus ganz Europa fanden diese Reisen, durch die der Orden seiner Stiftungsaufgabe, eben dem Heidenkampf, nachkam, bis in das erste Viertel des 15. Jahrhunderts hinein

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turangaben; vgl. ferner Kolankowski, Polska Jagiellonjw. Die ältere (und vielfach veraltete) Darstellung von Caro, Polens, kann – ähnlich wie Voigts Geschichte Preußens – nur aufgrund ihrer Ausführlichkeit punktuell weiterhelfen; vgl. zudem aus dynastiehistorischer Perspektive Bues, Jagiellonen. Eine erste Orientierung mit Schwerpunkt auf der Geschichte ´ ski, Historia, Litauens bieten: die Einführung von Hellmann, Grundzüge, sowie Ochman und v. a. Kiaupa, History, sowie der Handbuchartikel von Hellmann, Grossfürstentum (die beiden letztgenannten Artikel bieten die Forschungsgeschichte und jeweils eine umfängliche Bibliographie auch mit der litauischen und russischen etc. Literatur zu PolenLitauen). In litauischer Sprache seien genannt: Ivinskis, Istorija, und die neueste Darstellung von Kiaupiene˙ /Petrauskas, Lietuvos Istorija IV (hierüber auch die neuere Literatur in litauischer Sprache zu erschließen). Von Bedeutung für die Beziehungen zwischen Preußen und Polen sowie Litauen ist indirekt auch immer die Politik zwischen Polen und Litauen untereinander sowie ihren jeweiligen Interessen Richtung Süden und Osten; vgl. dazu Rhode, Ostgrenze, und Błaszczyk, Dzieje, 1 und 2; ein kurzer Abriss für die Zeit vor Tannenberg: Rowell, Duchy. Ein erster Zugriff auf weiterführende Literatur gelingt in der Regel über die entsprechenden Einträge der einschlägigen Lexika, da auch hier jeweils die Frage nach dem Verhältnis zwischen dem Orden und Polen und Litauen eine herausragende Stellung einnimmt; die Zeit Konrads ist dabei naturgemäß en d8tail nicht berücksichtigt: in Bériou/Josserand, Prier : vgl. Sarnowsky, Prusse; Toomaspoeg, SainteMarie des Teutoniques; Kiaupa, Lituanie; Starnawska, Pologne. In Murray, Crusades: vgl. Mazˇ eika, Lithuania; Witkowski, Poland; Sarnowsky, Prussia; Sarnowsky, Teutonic Order. Im Lexikon des Mittelalters: vgl. Boockmann, Deutsche Orden; Hellmann, Litauen, Litauer ; Gieysztor, Polen; Boockmann, Preußen. Boockmann, Orden, S. 138. Boockmann, Orden, S. 150 und S. 153–154. Die Litauenreisen bzw. Preußenreisen wurden umfänglich von Paravicini untersucht; s. sein auf mehrere Bände angelegtes Werk, von dem bislang aber nur zwei Bände erschienen sind; Paravicini, Preussenreisen. Ihm geht es schwerpunktmäßig jedoch um den Ablauf und die westeuropäischen Kriegsgäste und – dieser Band liegt allerdings noch nicht vor – um deren Motive, nicht jedoch um die Motive des Ordens, dessen Eroberungsabsichten für Paravicini auf der Hand liegen (s. u.). Aus der Fülle der Literatur sei sonst noch genannt: Ehlers, Crusade. Paravicini, Preussenreisen, 1, S. 24.

Grundlinien der Beziehungen des Deutschen Ordens zu Polen und Litauen

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statt, ohne dass der Orden das Land, anders als Preußen, auf Dauer besetzt hätte. Nur Samaiten (Niederlitauen) wurde zumindest zeitweilig in Besitz genommen – bemerkenswerterweise jedoch auf diplomatischem Wege. Die Situation hatte jedoch schon vorher, im Jahre 1385, eine bedeutende Veränderung der Grundvoraussetzungen mit der hauptsächlich von Magnaten Kleinpolens initiierten polnisch-litauischen Union erfahren:170 Großfürst Jagiełło171 von Litauen kam zu Krewo mit den Gesandten des Königreichs Polens überein, mit seinen noch heidnischen Untertanen das Christentum anzunehmen, Königin Hedwig zu heiraten und damit König von Polen zu werden, dabei Litauen der Krone Polens anzugliedern172 und alle Gebiete, die Polen verlorengegangen waren, wieder zurückzugewinnen. Im Rahmen seiner Taufe am 15. Februar 1386 nahm Jagiełło den christlichen Namen Władysław (II.) an und heiratete schließlich kurz darauf Hedwig; die Krönung erfolgte am 4. März 1386. Mit Polen-Litauen entstand ein Doppelland von immenser Größe – es reichte von unweit der Ostsee bis fast ans Schwarze Meer – und dem Willen zur weiteren Vergrößerung. Jedoch war dieses Land bei Weitem nicht stabil, sondern vielmehr fragil und durch innere Spannungen belastet. Schon vor der Taufe war Władysławs Cousin Vytautas173 dessen größter Rivale. Diese Rivalität hielt (mit sporadischen An-

170 Zur polnisch-litauischen Union und ihrem Beginn s. einführend Hellmann, Grossfürstentum, S. 750–752, und ausführlicher Rhode, Ostgrenze, S. 294–305, sowie v. a. Błaszczyk, Dzieje, 1, S. 195–267 (hierüber ist auch die weitere äußerst umfangreiche Literatur und der Quellenbestand zu erschließen); als aktueller Beitrag ist zu nennen: Nikodem, Akt. ´ski, Władysław II 171 Lit. Jogaila; an Biographien seien genannt Krzyz˙ aniakowa/Ochman Jagiełło, und älter Prochaska, Krjl; als erster Zugriff knapp: Te˛ gowski, Jagiełło Władysław. In mittelwesteuropäischen Sprachen liegen nur kürzere biographische Abrisse ´ ski, Jagiełło; Józ´wiak, Ladislas II Jagellon; Barameist lexikalischer Art vor: Ochman nauskas, Jogaila; Ivinskis, Jogaila. 172 Im Wortlaut versprach Jagiełło terras suas Litvaniae et Rusiae corona regni Poloniae perpetuo applicare. Die Bedeutung des Ausdruckes applicare hat dabei tiefgehende Kontroversen unter den späteren Historikern ausgelöst; zu dieser Frage vgl. immer noch einführend Rhode, Ostgrenze, S. 318–321. 173 Dtsch. Witowt; poln. Witold; obwohl Rhode ›Vytautas‹ – erklärungslos – als eine »unhistorische Neubildung« bezeichnet, Rhode, Ostgrenze, S. 343, Anm. 217, wird hier die litauische Namensform verwendet, da sie sich in der litauischen und vermehrt auch in der deutschen Forschungsliteratur durchgesetzt hat. An deutschsprachiger Literatur liegen die Monographien von Pfitzner, Witold, und Heinl, Fürst (nur für den Zeitraum von 1382– 1401), vor. Auf Polnisch ist vor Kurzem die Biographie von Nikodem, Witold, erschienen. ´ ski, Witold. An kürzeren Genannt sei aber auch noch die ältere Abhandlung von Łowmian biographischen Skizzen in mittelwesteuropäischen Sprachen kann als erster Zugriff auf Kiaupa, Witowt; Józ´wiak, Vytautas; Baranauskas, Vytautas; Suzˇ iede˙ lis, Vytautas, verwiesen werden; auf polnisch s. Te˛ gowski, Witold Alexander. Vgl. ferner die ältere Biographie von Prochaska, Dzieje, und (bei aller Vorsicht) in englischer Sprache Kon-

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Samaiten: Zielgerichteter Erwerb mit diplomatischen Mitteln?

näherungen) weiterhin an. Auch nachdem Vytautas 1392 zum dux von Litauen174 erhoben worden war und damit sozusagen gegen die Anerkennung der Souveränität Władysław-Jagiełłos eine größere Unabhängigkeit in seiner Regierung erhielt,175 verfolgte dieser weiterhin seine eigene Politik. Der Orden war in deren Auseinandersetzungen involviert, wechselte Vytautas doch zwischen diesem und Władysław je nach Situation und Notwendigkeit hin und her : Zwischen 1382–1384, 1389–1391, 1398–1401 und 1404–1409 war er Verbündeter des Ordens, dazwischen und danach sein Gegner.176 Überhaupt bewies Vytautas bei der Durchsetzung seiner politischen Ziele »Wendigkeit«, »Geschick« und »Skrupellosigkeit«, um nur ein paar Einschätzungen zu nennen.177 Dazu gehört auch, dass er sich fünfmal taufen ließ (auf den Namen Alexander bzw. Wigand). Dabei wechselte er zwischen lateinischem bzw. orthodoxem Ritus sowie Phasen des Heidentums.178 Schon auf den ersten Blick ergibt sich damit dennoch ein irritierendes Bild, betrachtet man die eben geschilderte Situation als historischen Hintergrund für die Außenpolitik Konrads von Jungingen: Wenn Litauen schon seit 1386 ein christliches Land war – damit ist natürlich nicht gemeint, dass schon alle Litauer getauft waren, dennoch galt, nach mittelalterlichen Maßstäben zumindest, ein Land als dem Christentum zugehörig, wenn der Herrscher übergetreten war179 –, warum wurden dann bis in das erste Viertel des 15. Jahrhunderts vom Orden weiterhin Litauenreisen durchgeführt? Es geschah zudem auch in der Zeit Konrads als Hochmeister, dass sich der römisch-deutsche König Wenzel (1395) und Papst Bonifaz IX. (1403) zu den immer wieder angeführten Verboten der Litauenreisen herabließen – die jedoch unter Berufung auf die Stiftungsaufgabe nicht befolgt wurden.180 Auf der anderen Seite – und das macht das Bild nicht weniger kompliziert – muss bemerkt werden, dass der Orden mit König Władysław von Polen-Litauen im ständigen diplomatischen Kontakt und zwischen 1343 (Friede von Kalisch) und 1409 (Ausbruch des Großen Krieges) in friedlichen Verhältnissen stand, jedoch mit Litauen zumeist Krieg führte und diesen merkwürdigen Zustand in der Kommunikation als unproblematisch darstellen musste.181 Doch auch mit

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cius, Vytautas; bei Rhode, Ostgrenze, S. 343, Anm. 217, findet sich eine Übersicht über die älteren Biographien. Zu den von Jagiełło und Vytautas geführten Titeln und ihren politischen Implikationen s. zunächst Hellmann, Grossfürstentum, S. 789. Mazˇ eika, Lithuania, S. 736. Paravicini, Preussenreisen, 2, S. 50. Hellmann, Grossfürstentum, S. 755. Boockmann, Orden, S. 154. Mazˇ eika, Lithuania, S. 736. Boockmann, Orden, S. 173. Rhode, Ostgrenze, S. 322; für 1395 s. CDP 6, XXI.

Grundlinien der Beziehungen des Deutschen Ordens zu Polen und Litauen

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Großfürst Vytautas von Litauen ist vielfach eine friedliche Kommunikation182 zu erkennen. Diese vollzog sich insbesondere in den Phasen, wenn es um Waffenstillstände und anzubahnende Friedensschlüsse ging. Dieser Zustand verdeutlicht vor allem die in der Union fortlebenden Partikularinteressen und die jeweilige Selbstständigkeit von Polen und Litauen, da die Kriegszüge gegen Litauen nicht zu einem Krieg auch mit Polen führten.183 Werner Paravicini hat die Litauenreisen explizit als »Eroberungskrieg«184 bezeichnet, die – dieser Zusammenhang wurde bislang nicht explizit so formuliert – damit auf Konrads Zeit übertragen als ein weiteres Indiz für dessen konsequente, hier jedoch erfolglose Ausweitungsversuche aufzufassen wären. Bislang wurden beide Aspekte, d. h. die Litauenreisen und der diplomatische Erwerb von Samaiten 1398 und 1404, in der Regel vermischt dargestellt. Eine analytische Trennung ist jedoch angebracht, um ggf. auch verschiedene Motivlagen in beiden Feldern zu erkennen, ohne vorschnell das eine Ergebnis mit dem anderen zu begründen. Namentlich ist der Zirkelschluss zu vermeiden, dass man aus den Litauenreisen die Eroberungsabsicht des Ordens erkennen kann, woraus dann implizit geschlossen wird, dass sich auch die diplomatischen Anstrengungen ganz dem Erwerb von Samaiten verschrieben haben müssen.185 Ist hingegen die Diplomatie Ausgangspunkt, wird hier über die Stützhypothese, dass die Ergebnisse deckungsgleich mit den Absichten sind, geschlossen, dass dann auch den Litauenreisen die Expansion Preußens als Motiv zugrunde liegen müsse. Wie schon in der Einleitung dargelegt, müssen die Litauenreisen der Zeit Konrads von Jungingen bzgl. der Fragestellung, ob sich hier der letzte Ausläufer eines genuinen Heidenkampfes finden lässt oder doch nur getarnte Expansionspolitik, einer separaten Untersuchung vorbehalten bleiben.186 Eine Konzentration auf die Außenpolitik des Ordens, die zum zeitweiligen Erwerb Samaitens führte, ist jedoch angezeigt – nicht zuletzt aufgrund des Symbolwertes, der mit dem Erwerb verknüpft wurde. 182 Petrauskas, Frieden. 183 Rhode, Ostgrenze, S. 323. 184 Paravicini, Preussenreisen, 1, S. 23 und S. 24. Allerdings spielen die Motive des Deutschen Ordens zumindest in den bislang erschienenen Bänden keine Rolle. Er geht offenbar im Analogieschluss davon aus, dass, ebenso wie in Preußen, am Ende der Kriegszüge die Inbesitznahme des Landes stehen sollte; vgl. Preussenreisen, 1, S. 23–24. Boockmann hingegen formuliert deutlicher ; er bescheinigt dem Orden in diesem Zusammenhang eine lange Erfahrung im Erwerb von Herrschaft unter dem Titel des Heidenkampfes mit Hilfe des Kreuzzuges; der Orden habe den Kampf als Mittel der Machterweiterung gebrauchen wollen; Boockmann, Orden, S. 154 und S. 155. 185 Vgl. Urban, Samogitian Crusade, bei dem ein solches Vorgehen zu beobachten ist. 186 Hier müssten dann die Motive hinter den Litauenreisen in den Blick geraten, für deren Herausarbeitung die Wahrnehmung der Litauer durch Konrad von Jungingen von fundamentaler Bedeutung ist, was an dieser Stelle aber nicht geleistet werden kann, ohne den Rahmen der Fragestellung zu sprengen.

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2.2

Samaiten: Zielgerichteter Erwerb mit diplomatischen Mitteln?

»Erisapfel« Samaiten

2.2.1 Problematik, Vorgehen und der Umgang mit den Quellen »Erisapfel«187 – so bezeichnete Kurt Forstreuter nämlich Samaiten, und auch Rimvydas Petrauskas hat die Region erst kürzlich als das wichtigste Streitobjekt zwischen dem Deutschen Orden und Litauen benannt.188 Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund wurde den Friedensverträgen von Sallinwerder (1398) und Racianz (1404) besondere Bedeutung beigemessen, da hier dem Orden das Gebiet auf Verhandlungswege zufiel, nachdem – so offenbar vielfach die implizite Vorstellung (s. o.) – militärische Eroberungsversuche keine Wirkung gezeigt hatten.189 Obwohl die Samaitenfrage nur einer unter vielen anderen

187 Forstreuter, Deutschland, S. 12. 188 Petrauskas, Litauen, S. 245; ebenso Boockmann, Falkenberg, S. 59. 189 Einen ersten Zugriff mit weiterführender Literatur ermöglichen auch hier die neueren Lexikonartikel: Kiaupa, Samogitie; Urban, Samogitia; Boockmann, Schemaiten. Für die hier zu untersuchende Fragestellung und Zeit bleibt aufgrund ihrer Detailliertheit weiterhin am relevantesten die ältere Darstellung von Krumbholtz, Samaiten, sowie ergänzend Urban, Samogitian Crusade, da auch auf die mikropolitischen Prozesse eingegangen wird. Bei diesem stehen jedoch die Reisen nach Samaiten im Mittelpunkt. Alle Verhandlungen werden aus dem Blickwinkel betrachtet, inwieweit diese die Eroberung von Samaiten befördert haben. Man muss den Eindruck gewinnen, dass Quellen nicht ausreichend beachtet wurden, die der Grundannahme widersprechen, dass der Orden seine ganze Energie auf den Erwerb gerichtet habe. Krumbholtz ist zwar am detailreichsten von allen Abhandlungen, nutzt aber nur das gedruckte Quellenmaterial und übergeht daher zuweilen relevante Quellen. Das neueste Werk zu diesem Aspekt von Marek Radoch ist von Anlage und Ausführung her insgesamt problematisch und hinsichtlich des mikropolitischen Prozesses auch nicht (immer) erschöpfend; vgl. zu Radoch, Walki, unbedingt die Rezension von Kwiatkowski/Szweda, Uwag. Nur äußerst knapp wird der hier untersuchte Zeitraum auch von Chollet, Friedenverträgen [!], angesprochen. Von den übergreifenden Darstellungen zur Ordensgeschichte bzw. Polen-Litauens und den herrscherzentrierten Studien finden sich für die speziellere Fragestellung nach der Außenpolitik Konrads gegenüber Samaiten noch weiterführende, jedoch punktuelle Betrachtungen und Hinweise v. a. bei Voigt, Geschichte, 6 (zwar sehr detailreich, aber doch in seinen Ansichten und Erklärungen von der frühneuzeitlichen Historiographie geprägt); Kiaupa, History ; Hellmann, Grossfürstentum; Goyski, Stosunki (für die Zeit von 1399 bis 1404) sowie Pfitzner, Witold. Heinl, Fürst (für die Zeit von 1382–1401), ergeht sich häufig in Spekulationen, die durch keine Quellen gestützt sind, formuliert dafür aber umso stärkere Thesen, die nicht in jedem Einzelfall kommentiert werden können. Ebenso berichtet er von den Ereignissen häufig arg entstellt, sodass auch nicht immer eine Korrektur geleistet werden kann. Die litauische Literatur ist aufgeführt bei Petrauskas, Zˇemaicˇiu˛, S. 151, Anm. 1, und Kiaupa, History. Davon sei an dieser Stelle nur die einschlägige monographische Abhandlung von Almonaitis, Zˇemaitijos, genannt; hier wäre einmal eine Übersetzung zu begrüßen; eine knappe tabellarische Zusammenfassung seiner wichtigsten Ergebnisse ist jedoch zu finden bei Błaszczyk, Dzieje, 2, S. 216.

»Erisapfel« Samaiten

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Punkten in den Vertragswerken war, wurde dieser Aspekt190 als der große Erfolg dieser Vertragsschlüsse gesehen und – wie schon erwähnt – als Beleg für eine zielgerichtete Expansionspolitik gewertet. Das spiegelt sich nicht zuletzt in der (auch in der jüngeren Forschung) immer wieder zu findenden Interpretation, dass der Orden somit die so lange erstrebte Landbrücke zwischen den Besitzungen in Preußen und Livland erhalten habe.191 Dieser Auffassung liegt dabei die meist nicht ausdrücklich gemachte, sondern implizite Annahme zugrunde, dass dem Orden bzw. Konrad von Jungingen eine solche geostrategische Vorstellung bewusst gewesen sei, die dazu noch handlungsleitend wirkte.192 Ein Quellenbeleg wird jedoch nicht angegeben. Es herrscht offenbar die Annahme, dass sich dieser Wunsch aus der im wahrsten Sinne des Wortes Natur der Sache ergebe. Dieser allgemein positiven Bewertung der Vorgänge steht einzig Kurt Forstreuters Verdikt von einem »politischen Fehler« gegenüber, d. h. dass es eben diese Verträge von 1398 und 1404 mit dem Erwerb von Samaiten gewesen seien, die zum Bündnis zwischen Władysław-Jagiełło und Vytautas im Jahre 1409 und damit zu Tannenberg geführt hätten.193 Hätte der Orden auf Samaiten verzichtet, wäre das Verhältnis bereinigt worden, wie es dann erst nach bitteren Erfahrungen 1422 geschehen sei. Er führt als ›Beleg‹ für diese These an, dass diese Grenze dann von 1422 an fast 500 Jahre lang gehalten habe.194 Dass dies auch der Fall gewesen wäre, wenn der Orden schon 1398 auf Samaiten verzichtet hätte, wie Kurt Forstreuter insinuiert, und es nicht zu Tannenberg gekommen wäre, ist aufgrund der Kontrafaktualität natürlich nicht überprüfbar. Ohne sich in dieser Frage hier in Spekulationen verlieren zu können, die an anderem Orte durchaus angebracht und erkenntnisfördernd wären, zeigen doch sowohl die positive als auch die negative Bewertung der Ergebnisse der Friedensverträge die immense Bedeutung, die diesen beigemessen wird. Beiden Bewertungen ist dabei gemein, dass sie von einer zielgerichteten und geplanten Expansionspolitik von Ordensseite bzw. Konrads von Jungingen ausgehen, ohne dass diese Annahme hinterfragt worden wäre. Überhaupt ist bemerkenswert, 190 So reduziert Weise den Frieden von Sallinwerder in seinem Regest auf die Übergabe Samaitens an den Orden; SDOP, 2 (Regest). 191 Jähnig, Konrad (1998/2014), S. 103; Ekdahl, Christianisierung, S. 191; Urban, Knights, S. 195; Paravicini, Preussenreisen, 2, S. 46–47; Kiaupa, History, S. 102; Neitmann, Staatsverträge, S. 564; Karp, Grenzen, S. 45; Nöbel, Problem, S. 692. Schon Krumbholtz sieht dieses Motiv zum Tragen kommen, wobei auch er sich jedoch in Spekulationen ergeht, ohne dass er einen Quellenbeleg für diese Auffassung liefert; Krumbholtz, Samaiten, S. 194–195 und S. 212–213; vgl. auch Pfitzner, Witold, S. 123. 192 Zweifel an einer solchen Vorstellung äußerte jüngst zu Recht Mentzel-Reuters, vride, S. 91–93. 193 Forstreuter, Deutschland, S. 12–13. 194 Ebd., S. 14.

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dass diese Friedensverträge trotz ihrer angenommenen Bedeutung und Symbolkraft über ihre mal mehr und mal weniger umfängliche Erwähnung in übergreifenden Darstellungen hinaus bislang fast keine detaillierten Untersuchungen erfahren haben.195 Dies ist umso erstaunlicher, liegen beide Friedensverträge doch in der maßgeblichen Edition von Erich Weise bequem zugänglich vor. Es ist jedoch denkbar, dass gerade darin der Grund dafür gesehen werden muss, dass bislang nur auf die in den Pergamenturkunden gut greifbaren Endergebnisse der Verträge rekurriert wurde. Diese legen dann auch in der Tat die Auffassung nahe, dass der Orden hier jeweils große Erfolge zu verzeichnen hatte, die er auch zielgerichtet verfolgt habe, um seine Machtstellung auszubauen. Das ist jedoch nur eine aus diesen Ergebnissen geschlossene Annahme, die bislang nicht hinlänglich belegt worden ist. Bei Erich Weise nicht ediert und auch noch nicht einmal vollständig verzeichnet ist die umfangreiche flankierende Korrespondenz aus dem Ordensbriefarchiv und vor allem aus den hochmeisterlichen Auslaufregistern (OF 2c und 3). Diese bietet Aufschluss über den Prozess, der zu den Friedensverträgen führte. Obwohl doch gerade daraus die Motivation der Akteure und die Führung ihrer Außenpolitik erschlossen werden kann, wurde diese bislang wenig beachtet. Um die Ergebnisse des Friedens richtig einordnen zu können, ist es unbedingt notwendig, diese mit dem Prozess abzugleichen. Eigentlich ist das eine Binsenweisheit, doch wurde regelhaft so bislang eben nicht verfahren. Daher wird im Folgenden der mikropolitische Prozess zunächst detailliert nachgezeichnet, um dann erst im Lichte der Genese die Ergebnisse der Friedensverträge neu zu bewerten. Der zweimalige diplomatische Erwerb von Samaiten unter Konrad von Jungingen ist verbrieft, doch inwieweit er wirklich auch geplant und zielgerichtet durchgeführt wurde, ist bislang nicht in den Mittelpunkt der Untersuchungen gestellt worden.196 Die Rekonstruktion der Entscheidungsprozesse wird hier Aufschluss geben. Wichtig ist insbesondere die Frage, bei wem die Initiative lag und wer nur reagiert statt agiert hat. Damit ist jeweils der direkte Vorlauf zu den Verträgen gemeint. Bei der Untersuchung der Verträge und der Ergebnisse selbst muss zur richtigen Einordnung geprüft werden, welche Rolle die Samaitenfrage in den Vertragswerken überhaupt spielte. Stand Samaiten wirklich im Vordergrund vor allen anderen Abmachungen, wie nicht zuletzt in den Studien angenommen wird, die den Erwerb zum Ausweis der Blütezeit des Ordens erheben? Oder war es jeweils nur ein Aspekt unter vielen anderen? Aus diesem Grund müssen die 195 Die spärliche Literatur zu beiden Friedensverträgen findet sich jeweils unten, an der Stelle ihrer Behandlung, aufgeführt. 196 Paravicini, Preussenreisen, 2, S. 50, sieht hier das einzig bestimmende Motiv : dem Orden sei es schließlich um den Erwerb Samaitens gegangen.

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Verträge jeweils im Ganzen aufgearbeitet werden, um interpretatorische Kurzschlüsse zu vermeiden. Aufgrund der ihnen in der Forschung beigemessenen Bedeutung bilden daher auch hier die Friedensverträge von Sallinwerder und Racianz und vor allem ihre unmittelbaren Vorgeschichten die Gravitationszentren der folgenden Ausführungen. Allerdings ist es für die Beantwortung der Fragestellung natürlich notwendig, alle Phasen der Hochmeisterschaft Konrads daraufhin zu prüfen, ob er eine zielgerichtete Expansionspolitik gegenüber Samaiten auf diplomatischem Wege verfolgt hat. Welche Rolle spielte Samaiten vor dem Beginn der Verhandlungen, die letztlich zum Frieden von Sallinwerder geführt haben? Welche Bedeutung hatte Samaiten für den Orden in der Zeit zwischen Sallinwerder und Racianz – gewissermaßen in der ›Zwischenvertragszeit‹ – insbesondere nach dem Abfall der samaitischen Bevölkerung? Wie gestaltete sich Konrads Politik nach Racianz bis zu seinem Tode? Als Grundfragestellung steht hinter diesen in ihrer Chronologie zu beantwortenden Teilfragen Folgendes: Inwieweit waren die von der Forschung postulierten Erwerbsabsichten des Ordens wirklich ein Leitmotiv von Konrad von Jungingen, das sein außenpolitisches Handeln in der Diplomatie bestimmte? Sind vielleicht auch Veränderungen in seiner Regierungszeit zu erkennen? Bevor diese Fragen bearbeitet werden können, sollen kurz die landeskundlichen Gegebenheiten und die Vorgeschichte des Verhältnisses zwischen dem Deutschen Orden und Litauen bzw. insbesondere Samaiten bis zum Amtsantritt Konrads von Jungingen einführend zusammengefasst werden.

2.2.2 Die Vorgeschichte der Samaitenfrage bis 1393 Es kann und braucht an dieser Stelle nicht die gesamte innere Geschichte Litauens nachgezeichnet werden. Ein knapper Abriss des Verhältnisses zwischen dem Deutschen Orden und Litauen ist jedoch hinsichtlich der früheren Erwerbungen Samaitens mit diplomatischen Mitteln angezeigt.197 Dabei ist von Interesse, welche Strukturen des Verhältnisses »Deutscher Orden – Samaiten« der Forschungsstand bis zu Konrads Amtsantritt abbildet. Es wäre schließlich denkbar, dass (auch) diese Ergebnisse – nicht zuletzt mangels Spezialstudien – unbesehen auf die Regierungszeit Konrads übertragen wurden, ohne dass die individuelle Motivlage oder evtl. Veränderungen berücksichtigt worden wären. 197 S. die oben angegebene einführende Literatur, über die die entsprechende Spezialliteratur zu den einzelnen Zeitabschnitten zu entnehmen ist. Für die Zeit von 1295 bis 1354 sei jedoch an dieser Stelle auf die umfassende Monographie von Rowell, Lithuania, verwiesen.

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Mit anderen Worten: Es wäre möglich, dass alle Aktionen Konrads bzw. die Ereignisse in seiner Zeit als Hochmeister vorschnell mit Hilfe einer solchen Interpretationsschablone, die aus der Analyse der früheren Geschichte der Beziehungen erstellt wurde, erfasst und Lücken in diesem Sinne interpoliert wurden, ohne denkbare Alternativinterpretationen zu berücksichtigen. Aus diesen Gründen ist es über die orientierende Funktion hinaus notwendig, die Vorgeschichte der Verhandlungen um Samaiten auf diplomatischem Wege knapp herauszustellen, um eine unbewusste Übertragung dieser »strukturellen Verhältnisse« auf Konrads Zeit zu vermeiden, sondern sie bewusst mit den individuellen Motivlagen und Ereignissen kontrastieren zu können, die im Nachfolgenden im Fokus stehen werden. Das mittelalterliche Litauen wird von der Senke, die von der Dubissa durchflossen wird, in die beiden großen Landschaften Samaiten (Schemaiten, Zˇemaiten, Samogitien; lat. Samogitia und lit. Zˇemaitija) und Auksˇtaiten unterteilt.198 Samaiten (oder Niederlitauen) war der Streifen Land zwischen den Ordensbesitzungen in Preußen und Livland und schloss im Nordwesten an Auksˇtaiten199, dem litauischen Kerngebiet, an.200 Die Samaiten siedelten an den rechten Zuflüssen der unteren Memel Minge, Jura, Scheschuwa und Dubissa. Die Auksˇtaiten siedelten im Wilijabecken und an den rechten Zuflüssen der mittleren Memel Strebe und Mereczanka.201 Samaiten – von dichten Wäldern und Sümpfen geschützt – gehörte durch seine Bevölkerung zwar zu Litauen, genoss aber lange Zeit (bis ins 15. Jahrhundert) eine große Autonomie.202 Trotz vieler Bemühungen der litauischen Herrscher wurde es nicht zu einem völlig integralen Bestandteil des Großfürstentums.203 Es war jedoch so auch gegen die Angriffe des Deutschen Ordens in besonderem Maße auf sich selbst angewiesen.204 Das zeigt sich u. a. darin, dass 198 Hellmann, Litauen, Litauer, Sp. 2011. 199 Hellmann, Auksˇtaiten, Sp. 1233–1234. 200 Boockmann, Schemaiten, Sp. 1449. Eine umfassende Diskussion der Grenzen bei Krumbholtz, Samaiten, S. 195–198. Über die litauischen Wegeberichte, in: SSRP 2, einer zeitgenössischen Zusammenstellung von Routen zwischen Preußen und Litauen zu – modern gesprochen – ›Aufklärungszwecken‹, erhält man Aufschluss über die Unwegsamkeit des Gebiets zwischen dem Ordensland und dem Ziel der Litauenreisen; vgl. Christiansen, Northern Crusades, S. 168–169, für eine an diese angelehnte Beschreibung der inneren geographischen Verhältnisse. 201 Paravicini, Preussenreisen, 2, S. 47. Noch detaillierter die Beschreibung bei Hellmann, Grossfürstentum, S. 735–736; hier in Anm. 1 auch weiterführende Literatur. 202 Vgl. Krumbholtz, Samaiten, S. 470 und S. 7; Rhode, Ostgrenze, S. 339; Urban, Samogitian Crusade, S. 196; Mazˇ eika, Lithuania, S. 733; Kiaupa, Samogitie, S. 838; Hellmann, Grossfürstentum, S. 788; Kiaupa, History, S. 62, S. 85 und S. 92; Suzˇ iede˙ lis, Samogitia, S. 48–49. 203 Petrauskas, Litauen, S. 245. 204 Kiaupa, History, S. 85.

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bei Waffenstillständen 1397 und 1398 zwischen dem Orden und Vytautas Samaiten ausgeschlossen blieb (s. u.). Samaiten musste seine Verteidigung selbst organisieren und war technologisch rückständig im Vergleich zum »monarchisch durchdrungenen« Auksˇtaiten.205 Dennoch erhielt es zuweilen Unterstützung von Vytautas – die Häuptlingsherrschaft war zunehmend durch den Großfürsten mediatisiert –, und die Annahme von Paravicini scheint auf den ersten Blick nicht einer gewissen Berechtigung zu entbehren, dass Samaiten ohne oberlitauische Intervention vom Deutschen Orden unterworfen worden wäre wie das ehemals uneinige Preußen.206 Diese These müsste jedoch letztlich ausführlich diskutiert werden. Petrauskas hat in letzter Zeit zu Recht auf die Widersprüchlichkeiten der Quellenangaben hingewiesen, denen zufolge die Samaiten unbedingt Untertanen von Vytautas sein wollten und dem Orden negativ gegenüber standen, und eben darauf, dass die Beziehungen zwischen den Samaiten, Vytautas und dem Orden wesentlich komplexer waren.207 Diese – so muss man hinzufügen – variierten je nach politischer Lage erheblich und müssen daher für jeden historischen Moment für sich analysiert werden, will man nicht vorschnell eine eher globale Erklärung wie ein »Staatsinteresse« o. ä. – von welcher Seite auch immer – ins Feld führen. Bekanntlich müssen die Litauer – ein baltisches Volk wie die Prussen – als zeitweilig beherrschende Macht Osteuropas angesehen werden,208 die über eine ausgeprägte politische Organisation und militärische Stärke verfügten, womit sie nicht nur dem Deutschen Orden Widerstand leisteten, sondern sich auch in die russischen Fürstentümer bis zum Schwarzen Meer ausdehnen konnten.209 Auch die Litauer des 14. Jahrhunderts sind nicht als ein friedliches Völkchen von Sammlern, Jägern und Bauern zu betrachten.210 Schon seit dem Ende des 12. Jahrhunderts unternahmen sie Beutezüge in die Länder ihrer Nachbarn.211 Der spätere König Mindowe konnte um 1250 als Herrscher über Auksˇtaiten und das westliche Samaiten gelten.212 Erstmalig wurde Samaiten von Mindowe 1253 nach seiner Krönung und Taufe an den Deutschen Orden abgetreten;213 205 206 207 208 209 210

Paravicini, Preussenreisen, 2, S. 49. Ebd. Petrauskas, Litauen, S. 245. Hellmann, Grossfürstentum, S. 738. Paravicini, Preussenreisen, 2, S. 47. Ebd., S. 46–47. Hier findet sich auch eine knappe Einführung in die Sozialstruktur und Gesellschaft mit weiterführenden Literaturhinweisen; ebd., S. 47–48. Zur Frühgeschichte vgl. Hellmann, Grossfürstentum, S. 736–738. 211 Ebd., S. 738; eine tabellarische Übersicht der litauischen Einfälle in die Nachbarländer zwischen 1201 bis 1263 findet sich bei Kiaupa, History, S. 45. 212 Hellmann, Grossfürstentum, S. 739; Kiaupa, History, S. 54. 213 Die Echtheit der Urkunden ist umstritten; Hellmann, Grossfürstentum, S. 740, Anm. 11 (hier die weiterführende Literatur).

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zumindest eine Hälfte ging an den livländischen Zweig des Deutschen Ordens, während die andere Hälfte Bischof Christian, einem Deutschordenspriester, zufiel,214 ohne dass der Orden das Land jedoch gegen den Widerstand der samaitischen Bevölkerung behaupten konnte.215 Bis 1259 kam es zu wiederholten Abtretungen von kleineren Gebieten in Samaiten.216 Zigmantas Kiaupa wertet die späteren Abtretungen als Ausweis dafür, dass der Orden Druck auf Mindowe ausgeübt habe, ohne jedoch Belege für diese Annahme anzugeben; er weist jedoch zu Recht darauf hin, dass dieser damit keineswegs litauische Kerngebiete preisgab, sondern nur solche, in denen seine Herrschaft ohnehin nicht gesichert, sondern eher nominell war.217 1261 kam Samaiten nach harten Kämpfen an Litauen zurück mit klaren Zeichen von Autonomie.218 1337 ließ sich der Orden von Kaiser Ludwig dem Bayern feierlich Samaiten und Litauen übertragen, ohne dass dies eine praktische Bedeutung erlangt hätte.219 Nach dem Tod Olgerds im Jahre 1377 entstanden Spannungen zwischen dessen Bruder Kynstute und dessen Sohn Jagiełło, die der Orden ausnutzen wollte, um »sein Ziel, die Gewinnung« Samaitens doch noch zu erreichen, so Manfred Hellmann.220 Im Jahre 1380 kam es nach geheimen Absprachen zu einem Friedensvertrag zwischen dem Deutschen Orden und Jagiełło, in denen Kynstute und Samaiten ausdrücklich ausgeschlossen wurden.221 Ob Kynstute von Jagiełło ermordet oder in den Selbstmord getrieben worden war, kann nicht entschieden werden;222 nicht zuletzt auf diesen Verwerfungen dürfte aber der Gegensatz von Jagiełło und seinem Cousin Vytautas beruhen.223 Jagiełło schloss dann 1382224 ein Schutzbündnis mit dem Orden und trat den westlichen Teil Samaitens ab.225 Der Orden gewährte derweil Vytautas Zuflucht im Ordensland, 214 Ebd., S. 740; Kiaupa, History, S. 59 und S. 60 (hier mit detaillierter Angabe der Landschaften, S. 85; s. dazu auch Krumbholtz, Samaiten, S. 198–199, passim). 215 Hellmann, Grossfürstentum, S. 741 und S. 742; Kiaupa, History, S. 63–64; Krumbholtz, Samaiten, S. 219–221. Die Widerspenstigkeit gegen Mindowe dürfte es gewesen sein, die diesem die Abtretung leicht gemacht hat; Hellmann, Grundzüge, S. 18. 216 Kiaupa, History, S. 60. 217 Ebd. und vgl. S. 57. 218 Krumbholtz, Samaiten, S. 232; Kiaupa, History, S. 62. 219 Krumbholtz, Samaiten, S. 256–257; Hellmann, Grossfürstentum, S. 746; Kiaupa, History, S. 116. 220 Hellmann, Grossfürstentum, S. 749. 221 Krumbholtz, Samaiten, S. 477–478; Rhode, Ostgrenze, S. 336; Hellmann, Grossfürstentum, S. 749. 222 Ebd., Anm. 1. 223 Vgl. Kiaupa, Histoy, S. 126. 224 Hellmann, Grossfürstentum, S. 754. 225 Krumbholtz, Samaiten, S. 202, S. 204 und S. 1–2; Hellmann, Grossfürstentum, S. 750; Kiaupa, Samogitie, S. 839; Mazˇ eika, Lithuania, S. 736; Baranauskas, Jogaila, S. 686; Paravicini, Preussenreisen, 2, S. 50–52; Kiaupa, History, S. 127; Boockmann, Falken-

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wo dieser sich auf den Namen Wigand taufen ließ.226 Jagiełło übergab Samaiten jedoch nicht und schon 1384 kam es zu einer Versöhnung zwischen den Cousins,227 sodass der vertragliche Erwerb Samaitens hinfällig war, obwohl auch Vytautas im Vertrag von Königsberg kurz vorher dem Orden Samaiten versprochen hatte.228 1389 kam es erneut zu inneren Konflikten in Litauen, die dazu führten, dass Vytautas wieder einmal zum Orden überlief und die noch heidnischen Samaiten dazu brachte, sich ihm zu unterwerfen, sodass die Aussicht bestand, dass dieses Land unter seine Herrschaft kam, »um das der Deutsche Orden seit 100 Jahren rang«.229 Diese Situation währte von 1390 (Vertrag von Lyck) bis 1392,230 doch kam es in diesem Jahr zu einem Abkommen zwischen Władysław-Jagiełło und Vytautas, der fortan als dux lithuaniae Regent von Litauen war und dessen weitere Entwicklung bestimmte, dafür aber Władysławs eher formale Oberherrschaft anerkannte.231 Bei dieser knappen Zusammenfassung wird der Tenor des Forschungsstandes deutlich: Seit der ersten Übertragung Samaitens an den Deutschen Orden habe sich dieser immer und konstant um eine Erwerbung bemüht232 – nicht zuletzt unter Ausnutzung der inneren Spannungen in Litauen. Auch für die Zeit Konrads schreibt Rasa Mazˇeika, dass sich der Orden an das während einer seiner Rebellionen gegebene Versprechen Vytautas’ erinnerte, ihm Samaiten zu übergeben.233 Nach Kiaupa ist Samaiten aber nur als eine Etappe auf dem Weg zur Eroberung ganz Litauens anzusehen.234 Der Wille des Deutschen Ordens zur Erwerbung Samaitens (nicht zuletzt auf diplomatischen Wege) ist damit ein prominenter locus communis, wie hier für die Zeit bis zum Amtsantritt Konrads und in der Einleitung für dessen Regierungszeit dargelegt werden konnte. Vor dem Hintergrund dieses Forschungsstandes müssen bei der folgenden

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berg, S. 58–59; Urban, Samogitian Crusade, S. 175, weist darauf hin, dass die Samaiten weiterhin dem Gedächtnis von Kynstute und Vytautas loyal blieben, sodass Jagiełło nichts weggab, worüber er Verfügungsgewalt gehabt hätte. Hellmann, Grossfürstentum, S. 750; Krumbholtz, Samaiten, S. 5; Rhode, Ostgrenze, S. 343; Urban, Samogitian Crusade, S. 175–177 (mit einer detaillierten Schilderung der Ereignisse und Abmachungen). Hellmann, Grossfürstentum, S. 750; Krumbholtz, Samaiten, S. 4–5 (für eine detaillierte Schilderung der Ereignisse dieser Jahre); Urban, Samogitian Crusade, S. 178–179. Kiaupa, History, S. 128; Krumbholtz, Samaiten, S. 5–7; Rhode, Ostgrenze, S. 343–344; Boockmann, Falkenberg, S. 59. Hellmann, Grossfürstentum, S. 754; s. auch Kiaupa, History, S. 131; Krumbholtz, Samaiten, S. 9–11; Urban, Samogitian Crusade, S. 200–202. Krumbholtz, Samaiten, S. 14; Rhode, Ostgrenze, S. 344–345; Mazˇ eika, Lithuania, S. 736. Urban, Crusade, S. 209–211; Hellmann, Grossfürstentum, S. 755; Kiaupa, History, S. 132. Boockmann, Orden, S. 152. Mazˇ eika, Lithuania, S. 737. Kiaupa, History, S. 102.

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Quellenanalyse die relevanten Interpretationen mit entsprechender Vorsicht hinzugezogen werden, da der Verdacht bestehen muss, dass allzu schnell alle hochmeisterlichen Aktionen mit Hilfe dieses Interpretationsrahmens eingeordnet wurden. Weniger hervorgehoben, sondern, wenn überhaupt, nur beiläufig erwähnt, wird hingegen der Umstand, dass Samaiten von den litauischen Herrschern offenbar immer dann zumindest eine Zeitlang preisgegeben wurde, wenn es ihnen vorteilhaft erschien,235 was meist gleichbedeutend war mit Zeiten von großen Gegensätzen im Inneren. Für die litauischen Herrscher ergab sich damit eine reine Gewinnsituation: Sie gaben etwas weg, woher sie ohnehin keine Unterstützung zu erwarten hatten und eröffneten sich zugleich die Möglichkeit, sich später als Befreier zu gerieren. Samaiten wurde somit offenbar auch schon vor der Zeit Konrads von den litauischen Herrschern und namentlich von Vytautas als Verhandlungsmasse genutzt. Auch auf diesen Umstand wird bei der Analyse von Konrads Außenpolitik gegenüber Samaiten zu achten sein.

2.2.3 Die Samaitenfrage unter Hochmeister Konrad von Jungingen Lässt sich nun also – wie in der Sekundärliteratur insinuiert wird, ohne dass es jedoch bislang spezielle Abhandlungen dazu gäbe – tatsächlich auch unter Hochmeister Konrad von Jungingen ein konstantes Bestreben des Ordens nach territorialer Expansion erkennen, das v. a. auf den diplomatischen Erwerb Samaitens ausgerichtet war? Zwar ist der teils kurzfristige Erwerb Samaitens in dieser Zeit manifest, doch ist die Frage, ob auch eine zielgerichtete Motivation dahinter steckte? Oder gibt es daneben andere Felder, die eine expansive Ausrichtung der Ordensdiplomatie zu belegen scheinen? Zunächst soll die Politik interessieren, die Hochmeister Konrad von Jungingen zu Beginn seiner Hochmeisterschaft bzw. genauer bis zum Einsetzen der Vorgeschichte zum Frieden von Sallinwerder gegenüber Polen und Litauen im Hinblick auf Samaiten betrieb. Als Ausgangsbedingung muss zu Beginn von Konrads Amtszeit Samaiten als ein Teil Litauens mit recht großer Unabhängigkeit betrachtet werden.236 2.2.3.1 Die Samaitenfrage vom Beginn des Amtsantritts Konrads bis zur Vorgeschichte des Friedens von Sallinwerder Nicht ganz einfach zu beantworten ist zuerst einmal die Frage, wann die Vorgeschichte des Friedens von Sallinwerder überhaupt einsetzt. Weise hat auf die Waffenstillstände hingewiesen, die dem Vorfrieden von Garten vorausgegangen 235 Krumbholtz, Samaiten, S. 464. 236 Almonaitis, Zˇemaitijos, S. 125; zitiert nach Błaszczyk, Dzieje, 2, S. 216.

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waren. Der erste sei demnach am 26. Januar 1397 abgeschlossen worden.237 Dieses Datum ist daher, so muss man seine Ansicht auffassen, an den Beginn des unmittelbaren Friedensprozesses zu setzen. Anders dagegen argumentiert Josef Pfitzner, der den Beginn der Verhandlungen, die zum Frieden von Sallinwerder führen sollten, vage auf 1396 datiert.238 Auch Hans Koeppen setzt den Beginn der Vorgeschichte spätestens für 1396 an: »Die Verhandlungen vom Juli 1396 sind ein Glied in der Kette von Verhandlungen, die am 12. Oktober 1398 zum Frieden von Sallinwerder, der Abtretung des litauischen Stammlandes Samaiten an den Orden führte (…)«.239 Man findet tatsächlich in einem Bericht des Hochmeisters über die Zusammenkunft mit Vytautas an der Dubissa zwischen dem 22. und dem 28. Juli 1396 Hinweise darauf, dass dort Aspekte – v. a. ein Bekenntnis Vytautas’ zum Christentum240 – behandelt wurden, die im Friedensvertrag letztlich keine unwesentliche Rolle spielten.241 Das gilt aber auch schon für eine Zusammenkunft zwischen Vytautas und einigen Ordensgesandten im Juni 1395.242 Es ist also vielmehr im Jahr 1395 anzusetzen, wenn man die Genese des Friedens von Sallinwerder analysieren will. Damit wählt man zugleich den frühesten Beginn der Vorgeschichte als Ausgangspunkt. Was geschah aber bis zu diesem Zeitpunkt seit dem Amtsantritt von Konrad von Jungingen? Gab es seit dem 30. November 1393 irgendwelche diplomatischen Bemühungen seinerseits hinsichtlich des Erwerbs von Samaiten? Die Thorner Annalen und Johann von Posilge schweigen sich für den kompletten Zeitraum in dieser Frage aus. Auch die hochmeisterliche Korrespondenz liefert keine Hinweise auf irgendwelche Initiativen oder Reaktionen Konrads, die ein solches Vorhaben zum Ziel hatten.243 Bis in das Jahr 1395 spielte Samaiten und 237 SDOP, S. 8. Die Aussage Weises, der nur drei Waffenstillstände bis Garten nennt, ist nicht präzise, da er zwei weitere Verlängerungen des Waffenstillstands vom 12. Juli 1397 unerwähnt lässt, es mithin fünf Waffenstillstandsvereinbarungen gab (s. u.); vgl. Kanzleinotiz zum Waffenstillstand in OF 2c, S. 115; gedr. LivUB I 4, MCDLIII (Waffenstillstand) bzw. LivUB I 4, Regest 1753 (Kanzleinotiz). Im Zusammenhang mit dem Vorvertrag von Garten (SDOP, 1) wurde dann ein Waffenstillstand bis zum 29. September vereinbart. Der Hochmeister berichtete davon dem Deutschmeister ; OF 2c, S. 165; gedr. CDP 6, LXV. Das ist der Termin, an dem Konrad von Jungingen und Vytautas zusammenkommen sollten, um endgültig verbriefte Ergebnisse zu erzielen. 238 Pfitzner, Witold, S. 126: »Was dem Orden bei den Kämpfen der Neunzigerjahre, bei den Verhandlungen seit 1396 am Herzen gelegen hatte, trat nackt in dem Vertrage zutage, der in wichtigen Punkten Witold unterlegen zeigte.« 239 BGP 1, 246, S. 360. 240 Im Frieden von Sallinwerder wurde dieser Aspekt gleich als erster Artikel geregelt; SDOP, 2. 241 OF 2c, S. 69–72; gedr. BGP 1, 246. 242 Urban, Samogitian Crusade, S. 218, erwähnt diese Gespräche, ohne sie jedoch explizit zum Ausgangspunkt des Weges zum Frieden von Sallinwerder zu erheben; ebenso Krumbholtz, Samaiten, S. 17–18. Heinl, Fürst, S. 128, sieht hingegen zu Recht einen inhaltlichen Zusammenhang der Verhandlungen. 243 Vgl. OF 2c; auch im OBA und unter den Pergamenturkunden sind keine Hinweise auf

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dessen diplomatischer Erwerb also offenbar überhaupt keine Rolle für Konrad von Jungingen.244

2.2.3.2 Die Vorgeschichte des Friedens von Sallinwerder 2.2.3.2.1 Der Friedensprozess (Juni 1395 bis zum Vorabend des 12. Oktober 1398) Erst im Jahr 1395 setzten also Gespräche ein, die als Vorgeschichte zum Frieden von Sallinwerder betrachtet werden können, da schon hier Aspekte angesprochen wurden, die später unter den letztlich verbrieften Artikeln zu finden sind.245 In einem an Vytautas adressierten Brief – undatiert, aber offenbar aus dem Frühjahr – erklärte Konrad sich bereit, ihm den Ordensmarschall zu senden, um über einen Gefangenenaustausch zu verhandeln.246 Es geht deutlich aus diesem Brief hervor, dass von Vytautas die Kontaktaufnahme ausgegangen war.247 Dieser hatte darüber hinaus offenbar in seiner Anfrage eine persönliche Zusammenkunft mit dem Hochmeister angeregt. Darauf wollte sich dieser jedoch nicht einlassen, wie aus seiner Antwort hervorgeht, solange er nicht wusste, welche Angelegenheiten verhandelt werden sollten. Vytautas wollte bei einer persönlichen Zusammenkunft mit dem Hochmeister wahrscheinlich nicht nur über einen Gefangenenaustausch reden, sondern auch andere politische Fragen behandeln. Man muss jedoch festhalten, dass der Hochmeister sehr zurückhaltend auf diese eher unvermutete Initiative von Vytautas reagierte.248 Dass Konrad jede Möglichkeit nutzte, um die Samaitenfrage auf den Verhandlungstisch zu bringen, ist schon damit eine irrige Annahme, wie dieser Brief belegt. Die Folge war

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diplomatische Initiativen oder Reaktionen zu finden. Vytautas seinerseits hat in dieser Zeit den Orden fast gänzlich ignoriert; Heinl, Fürst, S. 96. Das mag nicht zuletzt damit zusammenhängen, dass seit 1392 Kriegszüge gegen die Samaiten und deren Gegeneinfälle die Beziehungen bestimmten; vgl. Krumbholtz, Samaiten, S. 15–17; Voigt, Geschichte, 6 , S. 10–11 und S. 21–32; Urban, Samogitian Crusade, S. 213–218; Heinl, Fürst, S. 96–108; auf S. 108 versteigt er sich auf die These, dass der Orden sich erst jetzt, nachdem die Kriegszüge mehrheitlich keine Ergebnisse gebracht hatten, auf friedliche Verhandlungen verlegte, ohne hierfür aber einen Quellenbeleg angeben zu können. Sehr knapp dazu Krumbholtz, Samaiten, S. 17–18 (s. u.); Urban, Samogitian Crusade, S. 218–219; Voigt, Geschichte, 6, S. 43–45; Heinl, Fürst, S. 111–112. OF 2c, S. 23. Urban, Samogitian Crusade, S. 218–219, verbindet die Friedensgespräche mit dem Verbot der Preußenreisen durch König Wenzel und impliziert, dass die Gespräche daher vom Orden ausgegangen sein dürften. Die angegebene Quelle zeigt, dass dies jedoch nicht zutrifft. Voigt hingegen sieht beim Hochmeister eifriges Bemühen um Frieden. Er glaubt auch, dass dieser den Vorschlag bzgl. des Verhandlungstages gerne angenommen habe; Voigt, Geschichte, 6, S. 43 und S. 44. Das stellt sich aus den Quellen jedoch anders dar. Diese zeigen sehr deutlich die Zögerlichkeit Konrads.

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jedoch zunächst einmal ein Waffenstillstand zwischen dem Orden und Vytautas mit dem Ziel, am 17. Juni 1395 über die Gefangenen zu verhandeln.249 Ein solcher Verhandlungstag fand dann auch statt; das genaue Datum ist jedoch unklar. Ein Brief des Hochmeisters an den Meister von Livland vom 18. Juni 1395 legt nahe, dass der Termin auch wie vereinbart eingehalten wurde.250 In einer undatierten Instruktion für einen Ordensgesandten an die Kurfürsten – wahrscheinlich aus dem Spätsommer – wird jedoch der 24. Juni 1395 als Termin genannt, an dem die Zusammenkunft stattgefunden haben soll.251 Zwei Zusammenkünfte so kurz nacheinander sind sehr unwahrscheinlich, sodass hier wohl ein Datierungsfehler durch den Orden in der später geschriebenen Instruktion zu bemerken ist. Vytautas hatte allerdings nachträglich die Andeutungen über weitere Verhandlungspunkte expliziert. Er hatte dem Hochmeister auch Verhandlungen über die Verbreitung des christlichen Glaubens in Aussicht gestellt252 und erklärte sich dafür als bevollmächtigt vom polnischen König – so zumindest sollte es der Komtur von Rehden den Kurfürsten gegenüber darstellen –, sodass sich hieraus auch eine kurze Verschiebung oder Verlängerung des Verhandlungstages ergeben haben könnte. Letztlich weigerte sich Vytautas jedoch bei der Zusammenkunft plötzlich, Gespräche über diesen Punkt zu führen, mit der Begründung, dass ihm dies vom polnischen König verboten worden sei. Der Orden – auch das lässt sich der Instruktion entnehmen – war dadurch brüskiert und die Verhandlungen verliefen hinsichtlich dieses für den Orden wesentlichen 249 Es existieren die Registerabschriften der Beurkundungen dieses Verhandlungstages. Die Beurkundung des Obersten Marschalls: OF 2c, S. 36; gedr. CDP 6, XX; das Gegenstück von Vytautas; OF 2c, S. 35; gedr. CEV, CXVII. Die Registerabschriften sind undatiert; zuweilen wurde der darin verabredete Verhandlungstag in das Jahr 1396 gesetzt; vgl. VirtPrUB, JS 386, http://www1.uni-hamburg.de/Landesforschung/pub/js/js386.htm (letzter Zugriff 14. 12. 2015). Das geschah wahrscheinlich aus dem Grund, dass die Registereinträge physisch nach dem Eintrag gebucht sind, der auf den 18. Juni 1395 datiert, und sie daher für zeitlich später ausgestellt gehalten wurden. Hier dürfte es sich jedoch um einen Buchungsfehler handeln, der belegt, dass die nachträgliche Registrierung von undatierten Briefen auch die Ordenskanzlei vor Probleme stellte. Da jedoch um den 18. Juni eine Zusammenkunft zwischen dem Obersten Marschall und Vytautas stattfand zur Auslösung der Gefangenen, spricht alles dafür, die Beurkundungen früher zu datieren und auf das Jahr 1395 und den genannten Verhandlungstag zu beziehen. Einen weiteren Verhandlungstag für das Jahr 1396 hier finden zu wollen, dafür bietet auch die weitere Korrespondenz keinen Anlass. Zudem wäre eine Terminierung auf ein Jahr später angesichts des geplanten Gefangenenaustauschs kaum wahrscheinlich und praktikabel. 250 Das belegt der Brief des Hochmeisters an den Meister von Livland vom 18. Juni 1395, in dem er diesem (in einem anderen Zusammenhang) mitteilt, dass der Oberste Marschall gerade eine Zusammenkunft mit Vytautas abhalte; OF 2c, S. 35; LivUB I 4, MCCCLXXVII. 251 OF 2c, S. 39–41; gedr. CDP 6, XXI. 252 Das geht aus der Instruktion hervor: eyne vorsunliche handelunge von des cristenlichen geloubes wegen.

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Aspekts im Nichts. Johann von Posilge kannte offenbar auch diese Quellen und fasst es lakonisch im gleichen Sinn zusammen: Item in desim jare hilt man vil tage mit Wytowt, und wart yo nicht von, wend is der koning von Crakow und dy Polan hindertin alle wege.253 Dies ist auch die einzige Stelle, an der er für diesen Zeitraum diplomatische Verhandlungen erwähnt. Zusammenfassend kann man festhalten, dass es während der Hochmeisterschaft Konrads erstmals 1395 zu diplomatischen Verhandlungen mit Vytautas kam. Dieser nahm einen Gefangenenaustausch zum Anlass, Gespräche mit dem Orden zu initiieren. Konrad war die ganze Zeit über sehr zurückhaltend. Was sich Vytautas dabei dachte, zunächst Gespräche über die Ausbreitung des Christentums in Aussicht zu stellen, sich bei den konkreten Verhandlungen allerdings für doch nicht bevollmächtigt zu erklären, erschließt sich aus den glaubwürdig wirkenden Quellen nicht unmittelbar. Dass hier der polnische König eingriff, ist aus anderen Quellen als der eigenen Aussage von Vytautas nicht zu lesen, kann also auch nur ein vorgeschobener Grund gewesen sein, um die Verantwortung abzuschieben. Offenkundig hatte es Vytautas erst einmal nur auf einen begrenzten Waffenstillstand abgesehen und kein Interesse daran, Verhandlungen bis zu festen Ergebnissen zu führen.254 Nicht undenkbar ist es jedoch, dass der plötzliche Abbruch der Verhandlungen damit zu tun hatte, dass Vytautas schon Kenntnis vom Bündnis zwischen dem König von Polen und König Wenzel sowie dem Verbot der Litauenreisen durch Letzteren erlangt hatte.255 Auch für Konrad hatten daher ab August 1395 die Maßnahmen gegen das Verbot der Litauenreisen durch Wenzel Priorität, sodass weitere Verhandlungen mit Vytautas, die ohnehin von diesem ausgegangen waren, gerade nicht ganz oben auf der Tagesordnung standen.256 Für die Annahme, dass Wenzels Verbot der Litauenreisen zu Erwerbsbemühungen hinsichtlich Samaitens auf diplomatischem Wege durch Konrad geführt hätte, gibt es keine Hinweise in den Quellen. Betont werden muss dabei eben noch einmal, dass Samaiten bis dato überhaupt noch nicht einmal Verhandlungsthema war. Die Spekulationen von Robert Krumbholtz, die andeuten, dass 1395 auch über die Übergabe Samaitens hätte verhandelt werden sollen, entbehren jeglicher Quellengrundlage.257 Sie beruhen wohl nur auf den späteren Ereignissen und seiner impliziten Grundannahme, dass es generell bei Verhandlun-

253 Johann von Posilge, SSRP 3, S. 199. 254 Heinl, Fürst, S. 112–113, ergeht sich in Spekulationen über Vytautas’ Motivation, die nicht quellengestützt sind. 255 Ebd., S. 113–116. 256 OF 2c, S. 42, S. 42–43 und S. 44; gedr. CDP 6, XI–XIII. 257 Krumbholtz, Samaiten, S. 17–18; mehr schreibt Krumbholtz nicht zu den Verhandlungen des Jahres 1395.

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gen zwischen dem Orden und Vytautas um Samaiten gegangen sei. Die 1395 angestoßenen Verhandlungen verliefen auf jeden Fall erst einmal im Sande. Über die diplomatischen Beziehungen des Jahres 1396 informiert zunächst ein Bericht des Hochmeisters an den Generalprokurator des Ordens in Rom. Dieser Bericht gibt dabei Aufschluss über die Tagfahrt mit Vytautas vom 22. Juli 1396 auf der Dubissa:258 Hier konnte der Faden der Verhandlungen des vorherigen Jahres wieder aufgenommen werden.259 Bei dieser Tagfahrt ging es doch vor allem um Vytautas’ angebliches Christentum und die Verleumdungen – so zumindest die preußische Sicht –, die der Orden durch die Vorwürfe erfahre, dass er Krieg gegen Christen und nicht gegen Heiden und auch nicht für das Christentum, sondern zur Eroberung von Ländern führe.260 Dieser Vorwurf verlangte daher eine umfassende Reaktion von Seiten des Ordens. Gegenüber Vytautas hatte der Orden dann – ausweislich seines eigenen Berichts – bei den Verhandlungen drei Forderungen aufgestellt, die später auch (in unterschiedlicher Ausprägung) als Artikel im Frieden von Sallinwerder Eingang finden sollten. 1) Um ihr Christentum zu beweisen, sollten Vytautas und die Litauer der Römischen Kirche und dem Reich gehorsam sein und das were der anvang sienes cristenthums. Es wird aus dem Zitat deutlich, in welcher Weise der Orden einen Beweis für ein nicht nur vorgebliches Christentum von Vytautas und den Litauern einforderte: Gehorsam gegenüber Kirche und Reich war für den Orden offenbar essentiell und der erste Schritt zum Christentum, ohne den andere Bekenntnisse noch kein volles Gewicht erlangten. Demnach sollte Vytautas mit den synen alzo vil thun (..) als andere cristenfursten teten. 2) An258 OF 2c, S. 69–72; gedr. BGP 1, 246, vom 8. August 1396; der Brief ging in Kopie auch an den Deutschmeister und den Landkomtur von Böhmen. Vgl. dazu Krumbholtz, Samaiten, S. 18, der diesen Bericht an den Generalprokurator jedoch nicht kennt und daher zu Unrecht den Versuch des Erwerbs von Samaiten durch den Hochmeister in seinen Spekulationen in den Mittelpunkt stellt; Voigt, Geschichte, 6, S. 67–70, vermutet als Ziel, durch feste Zusagen und Versicherungen von Seiten Vytautas’ allen Heidenkämpfen und den bisherigen Kriegsreisen ein Ende zu machen. Zwar wäre dies wohl die Konsequenz gewesen, wenn Vytautas auf die gleich aufzuführenden Bedingungen des Ordens für den Beleg des Christentums eingegangen wäre, doch werden solche weitreichenden Versprechen nicht erwähnt. Sehr knapp zu den Verhandlungen von 1396 Urban, Samogitian Crusade, S. 219– 220. 259 Voigt, Geschichte, 6, S. 67, vermutet, dass zwar der Hochmeister die Verhandlungen anknüpfte, sich Vytautas aber vorher zu einer Verständigung mit dem Orden geneigt erklärt habe. Eindeutige Informationen sind der angeführten Quelle dazu nicht zu entnehmen, doch würde sich ein solches Vorgehen mit Vytautas’ Verfahren im Verlaufe der Verhandlungen decken. 260 Der zweite große Tagesordnungspunkt, der an dieser Stelle jedoch nicht weiter interessieren kann, waren die Konflikte mit dem Bischof von Dorpat und dessen Verhältnis zu Vytautas. – Vgl. Heinl, Fürst, S. 125–133, für die Verhandlungen bis September 1396, der starke Einflüsse der polnischen Partei auf diese Verhandlungen betont (bes. S. 127–128), ohne jedoch hinreichende Quellenbelege anzugeben.

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gesichts seines Verrats und auch dem seiner Vorfahren seit Mindowe solle Vytautas sein Christentum vorsichern mit dem Bau von mindestens zwei oder drei Festen, die er dem Orden vor einiger Zeit niedergebrannt habe, als ihm diese zur Besatzung anvertraut worden seien. Zudem wird Geiselstellung und Eidesleistung gefordert.261 3) Abschließend wird die Forderung nach Einhaltung der Privilegien und insbesondere der Urkunden, die Vytautas selbst dem Orden ausgestellt habe, angeführt. Dieser Aspekt ist an dieser Stelle interessant. Dass es sich hierbei auch um die Abtretung von Landschaften an den Orden gehandelt haben dürfte, geht aus einer Instruktion für den Komtur von Elbing bei einer Gesandtschaft an die Kurfürsten des folgenden Jahres hervor. Hier wird der Aspekt aber nur als einer unter vielen genannt. Als Zweck wird die Sicherung des Christentums angeführt.262 Es könnte hier aber eben letztendlich auch die Forderung nach Samaiten gemeint gewesen sein.263 Namentlich erwähnt wurde der Landstreifen jedoch nicht. Deutlich wird nur, dass der Orden glaubte, Rechtsansprüche zu haben, die durchgesetzt werden sollten. Danach werden die Antworten von Vytautas in dem Bericht knapp referiert. Allesamt fielen abschlägig aus.264 Zwar wurde für die erste Forderung ein Kompromiss ins Auge gefasst, doch fand die zweite ausschließlich Ablehnung. Am interessantesten ist jedoch die Antwort auf die Forderung nach Einhaltung der Privilegien, denn diese wurde offenbar als Frage nach Ländereien verstanden. Vytautas antwortete schließlich, dass er die Privilegien nicht in Gänze halten, jedoch gerne eczlicher gegenet abetreten wolle. Hier wurde also eine Gebietsabtretung – wieder ohne Nennung von Namen – von Vytautas in Aussicht gestellt. Frappierend für unsere Fragestellung ist jedoch die Antwort des Hochmeisters darauf: In dem artikel wir nicht wolden steen, dorumb wen uns die ersten artikel me benotigeten und drungen (…). Hier legte der Orden also seine Prioritäten offen. Er zeigte sich bereit, auf Privilegieneinhaltung und in dessen Folge auf Gebietsgewinn zu verzichten, da ihm nach eigenem Bekenntnis die Forderungen nach Beweisen von Vytautas’ Christentum wichtiger waren. Sollte das stimmen, dann wäre hier ein Beleg gefunden, dass für den Orden der territoriale Erwerb nicht so sehr im Mittelpunkt stand wie ein aus Ordenssicht wirklicher Übertritt von Vytautas zum Christentum! Findet sich hier aber nun überhaupt die eigentliche Auffassung des Hoch261 In dem Briefregister OF 2c befinden sich – jedoch undatiert – auch die für Vytautas und seine Bojaren 1396 vorgesehenen Eide; OF 2c, S. 11; gedr. CDP 5, XC. 262 OF 2c, S. 111–115; gedr. CDP 5, XCIX, vom 26. April 1397. 263 So auch Boockmann, Falkenberg, S. 68, Anm. 73. 264 Bemerkenswert: Erst in der schon genannten Instruktion für den Komtur von Elbing an die Kurfürsten stellt der Hochmeister das Scheitern so dar, dass der polnische König eine Einigung hintertrieben habe. Im zeitgleichen ordensinternen Bericht war es Vytautas, der verantwortlich gemacht wurde.

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meisters oder handelt es sich um eine taktische Aussage? Schließlich fand die Tagfahrt vor allem aufgrund der Vorwürfe statt, dem Orden gehe es nicht um das Christentum, sondern um die territoriale Ausweitung. Gegenüber Vytautas und der »christlichen Öffentlichkeit« wäre angesichts der Rahmensituation ein solches Vorgehen erklärlich und könnte u. U. als Propaganda bezeichnet werden. Jedoch muss darauf hingewiesen werden, dass der Bericht an den Ordensprokurator gerichtet ist. Ein Verschweigen eventueller Prätentionen auf Samaiten wäre hier weder notwendig noch sinnvoll gewesen. Insgesamt sind Verzerrungen gegenüber dem Prokurator nicht sehr wahrscheinlich. Hätte Samaiten trotz aller anderslautenden Aussagen im Mittelpunkt der Forderungen gestanden, dann wäre ein erläuternder Kommentar dem Prokurator gegenüber zu erwarten gewesen, wie dies zuweilen in anderen Berichten der Fall war. Man darf daher annehmen, dass die Frage nach Samaiten auf dem Verhandlungstag tatsächlich nicht den größten Stellenwert für den Hochmeister besaß.265 Dies ist umso bedeutsamer, da die Initiative vom Orden ausgegangen zu sein scheint. Es kann also nicht davon gesprochen werden, dass Samaiten das immer präsente, vorrangige Ziel der Ordensdiplomatie war. Zumindest spiegelt sich das nicht in der Quelle wider. Da alle drei Forderungen jedoch letztlich auch im Frieden von Sallinwerder wiederkehrten, dürfte angesichts der Prioritätensetzung, wie sie sich hier zeigt, eine Verkürzung oder Reduzierung des Friedens auf den Erwerb Samaitens, wie u. a. von Weise und Koeppen nahegelegt,266 nicht angemessen sein. Weder ging es in der Ordensaußenpolitik bis zu diesem Zeitpunkt allgemein in erster Linie um Samaiten noch speziell im Frieden von Sallinwerder, dessen andere Aspekte mehr Aufmerksamkeit verdienen, wenn man die Prioritätensetzung zugrunde legt, wie sie sich schon in der Vorgeschichte andeutet. Zu einer Einigung kam es zu diesem Zeitpunkt dann noch nicht,267 sodass eine erneute Zusammenkunft der beiderseitigen Räte auf der Dubissa ins Auge gefasst wurde, für die bis zum 29. September 1396 ein Waffenstillstand galt.268 265 Im Übrigen hatten die Gebietsabtretungen auch für Vytautas nicht die größte Rolle gespielt. Schließlich war dies die einzige Forderung, in der er dem Orden substantiell entgegenkam. 266 Vgl. das Regest zum Frieden von Sallinwerder SDOP, 2, in dem einzig der Erwerb Samaitens hervorgehoben wird, ohne andere Artikel gesondert zu erwähnen. Auch das schon angeführte Zitat von Koeppen (BGP 1, 246, S. 360), in dem er die hier betrachteten Verhandlungen zum Ausgangspunkt des Friedens erhebt, impliziert somit fälschlicherweise, dass beim Frieden fast ausschließlich der Erwerb Samaitens im Mittelpunkt stand. 267 Johann von Posilge, SSRP 3, S. 205–206, berichtet nur knapp, dass diese Tagfahrt ohne Ergebnisse blieb. Gründe führt er jedoch nicht an. 268 Überliefert sind über die Erwähnung dieser Abmachung im Bericht an den Generalprokurator hinaus auch die Abschriften der Beurkundungen beider Seiten vom 28. Juli 1396. Die Urkunde von Vytautas ist gedruckt im LivUB I 4, MCDXXII (= OF 2c, S. 73), die des Hochmeisters im LivUB I 4, MCDXXIII (= OF 2c, S. 73). Welche inhaltlichen Aspekte verhandelt werden sollten, wird in den Beurkundungen nicht erwähnt.

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Eine Instruktion für den Komtur von Danzig als Gesandten an den römischdeutschen König vom 29. Oktober 1396 bietet dann für einige Aspekte weitere Details:269 Der Gesandte sollte darlegen, dass sich der Orden letztlich nicht in der Lage sah, einen Frieden abzuschließen. Es sollte dann ein Bericht über die drei (bereits skizzierten) Forderungen erfolgen. Der Gesandte sollte es gemäß dieser Instruktion gegenüber dem römisch-deutschen König so darstellen, dass Vytautas nicht bereit gewesen sei, sein Christentum zu beweisen und unter seinen Untertanen zu befördern, weil er nicht auf die Forderungen habe eingehen wollen, die dann in aller Breite ausgeführt werden. Der Beschreibung der ersten beiden Forderungen ist nichts Neues zu entnehmen. Es lohnt sich jedoch, die Darstellung der dritten Forderung genauer in den Blick zu nehmen, die etwas detaillierter ausfällt als im obigen Bericht an den Ordensprokurator : Auch hier forderte der Orden wieder die Einhaltung der Privilegien, die er vom Reich, dem Papst, den Vorfahren von Vytautas und diesem selbst erhalten habe. Der Gesandte sollte dabei hervorheben, dass der Orden bislang nicht auf die Einhaltung der Privilegien zurückgekommen sei, um Vytautas die Anbindung an das Christentum zu erleichtern. Erstmalig wird hier auch Samaiten namentlich genannt, das der Orden nach eigener Darstellung vorerst Vytautas beließ, obwohl es weder diesem noch dessen Vorfahren gehört habe und es vielmehr der Orden gewesen sei, der aufgrund von Privilegien Ansprüche geltend machen könne.270 Es wird deutlich, dass der Orden glaubte, ein besseres Recht als Vytautas auf Samaiten zu haben und auf diesem auch öffentlich bestehen zu können. Dieser Umstand wird mehrfach betont in der Instruktion. Wie ist aber nun diese Instruktion zu bewerten? Zunächst muss gefragt werden, inwiefern sie wirklich die Abläufe und die Auffassung des Ordens wi269 Der die Streitigkeiten mit Vytautas betreffende Teil der Instruktion ist gedruckt in CDP 6, XXVI; der Teil, der die Angelegenheiten des Erzbistums und des Erzbischofs von Riga im Zentrum hat, findet sich in LivUB I 4, MCDXXIV. Beide Drucke zusammen ergeben sich aus OF 2c, S. 83–86. Zunächst war fraglich, ob diese Instruktion, die keine Datumsangabe für die Tagfahrt enthält, von der berichtet werden soll, die Verhandlungen am 22. Juli betrifft oder die im September. Die Chronologie ließe zwar eher auf den Septembertermin schließen, doch wird im Text explizit auf eine persönliche Zusammenkunft vom Hochmeister und Vytautas verwiesen. Damit können dann wohl nur die Verhandlungen im Juli gemeint sein. Verwunderlich ist dann allerdings, dass in der Instruktion nicht der gescheiterten zweiten Tagfahrt gedacht wird (s. u.). Alles in allem spricht viel dafür, dass dem römisch-deutschen König hier von der Tagfahrt des 22. Juli 1396 ein Bericht geliefert wird; vgl. Boockmann, Falkenberg, S. 69. 270 Es heißt wörtlich in CDP 6, XXVI: (…) und der orden hette Im lasen genugen an den Landen, die doch Wytawtes noch siener eldern ny gewest sien, als her selber gesprochen hat und bekant in sienen briefen, als der Wiltnisse czwisschen sienen und unsern landen die der orden vorwustet hat, und ouch das land Samayten, das dem orden vor vil Jaren gegeben und bestetiget ist von der heiligen Romischen kirchen und dem heiligen Rom. riche, das ouch noch sien noch siener eldern ny gewest ist und noch huten tages syn nicht enist (…).

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derspiegelt, handelt es sich hierbei doch um eine Instruktion an den römischdeutschen König, der im Jahr zuvor noch die Litauenreisen verboten hatte. Der Orden stand also unter Rechtfertigungsdruck, sodass Verzerrungen in der dem Gesandten aufgegebenen Darstellung nicht ausgeschlossen wären. Ein Vergleich mit dem vorher angeführten ordensinternen Bericht zeigt allerdings, dass sich kein Unterschied offenbart zwischen diesem und der externen Darstellung der Ereignisse. Es ist daher anzunehmen, dass der Ablauf der Tagfahrt realitätsgetreu an den König weitergegeben wurde. Ansonsten wäre auch ein massiver Protest von der litauischen Seite provoziert worden. Vielmehr ist die externe Darstellung detaillierter und benennt auch die Gebiete – wie Samaiten – namentlich, für die der Orden qua seiner Privilegien Ansprüche geltend machte. Dies geschah mit einer Argumentation, von der man offensichtlich glaubte, dass der römisch-deutsche König sie für nachvollziehbar halten musste. Doch zunächst gilt auch für diese Instruktion, dass die Notwendigkeit des Beweises des echten Christentums durch Vytautas in den Vordergrund gestellt wurde und für den Orden dort wohl offenbar auch stand, wie der Vergleich mit dem ordensinternen Dokument ergibt.271 Der Erwerb von Samaiten spielte eben nicht die erste Rolle in der Außenpolitik des Ordens. Zudem wäre dieser auch eher nur die Folge gewesen, wenn Vytautas der Forderung nachgekommen wäre, die Privilegien einzuhalten, auf die der Orden unermüdlich verwies. Offenbar glaubte der Orden, dass auch der König dieser Argumentation, also dem Pochen auf Einhaltung von Privilegien, folgen würde, da ansonsten dieser Aspekt unterschlagen worden wäre. Die territoriale Expansion wäre daher tatsächlich, wie im Zitat des Hochmeisters angegeben, nur Folge der Umsetzung der Privilegien denn eigentliches Ziel mit großem Eigenwert gewesen. Zudem verzichtete der Orden zunächst auf die Durchsetzung dieses Aspekts, obwohl Vytautas gerade hier Kompromissbereitschaft gezeigt hatte. Dabei betonte der Orden, keine Gebiete über Samaiten und Teile der Wildnis hinaus gefordert zu haben! Offenbar befand sich der Orden also eher auf territorialem »Konsolidierungskurs« und nicht auf zielgerichtetem Expansionskurs strictu sensu.272 Dass zunächst Samaiten und danach das ganze restliche Litauen erobert werden sollte, wie regelmäßig in der Forschung angedeutet wurde,273 spiegelt sich in dieser Quelle nicht wider. Vielmehr lässt sich hier ein 271 Indem bei Krumbholtz die Forderung nach Samaiten als einziger Aspekt hervorgehoben wird, wird dieser aus dem Kontext gerissen und erhält eine Prominenz, die ihm bei der Lektüre der ganzen Quelle nicht zukommt; vgl. Krumbholtz, Samaiten, S. 18. Ansonsten übergeht Krumbholtz diesen Verhandlungstag. Es ist überdies nicht ganz klar, ob er nicht beide Verhandlungstage gedanklich vermischt. 272 Auch Heinl, Fürst, S. 129, erkennt hier den ausdrücklichen Verzicht auf Landerwerb – ausgenommen eben Samaiten und die Wildnis zwischen Preußen und Litauen. 273 Vgl. Pfitzner, Witold, S. 120; ebenso Paravicini, Preussenreisen, passim.

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Abrücken von jedem weiteren Landerwerb erkennen.274 Insgesamt zeigt auch diese Instruktion, dass Samaiten zwar eine Rolle in den Verhandlungen von 1396 mit Vytautas spielte, aber definitiv nicht an erster Stelle für Konrad von Jungingen stand. Auch wird als erstes Motiv die Einhaltung von Privilegien zu finden sein und nicht zielgerichtete Expansion, wie vielfach vermutet wurde, zumal von jeder weiteren territorialen Ausbreitung ausdrücklich abgesehen wurde. Der im Juli verabredeten Tagfahrt für den September wurde nur einmal knapp in einem Brief des Hochmeisters an Vytautas vom 3. Dezember 1396 gedacht:275 Der Hochmeister wies dort deutlich darauf hin, dass seiner Meinung nach die Tagfahrt aufgrund der unzureichenden Bevollmächtigung der litauischen Gesandten nicht zu Ergebnissen kommen konnte. Es ist denkbar, dass er nicht zuletzt aus diesem Grund eher verhalten auf die schriftliche Bitte von Vytautas, den Obersten Marschall nach Luczk oder Brest zu Verhandlungen zu senden, reagierte, wenn er hier antwortete, dass eine Entsendung so fern der eigenen Grenzen als unüblich gelten müsse. Als Zeichen seines guten Willens stellte er Vytautas dennoch daraufhin einen Waffenstillstand bis zum 23. April 1397 in Aussicht, um in dieser Zeit einen Verhandlungstag für einen ewigen Frieden anzuberaumen, sollte dieser bis zum 6. Januar 1397 auf das Angebot eingehen und ihm eine entsprechende Urkunde übersenden. Uninteressiert war der Hochmeister seinerseits an Verhandlungen also offensichtlich nicht. Der Hochmeister schloss aus dem Waffenstillstandsangebot jedoch explizit (neben dem Bischof von Dorpat) die Samaiten aus, da diese vormals den Frieden gebrochen hätten, den Vytautas auch für diese abgeschlossen habe. Wenn es sich so verhielt wie in diesem Brief dargestellt – und es spricht nichts dagegen, zumal Proteste von Vytautas an dieser Darstellung nicht bekannt sind –, dann kann man mit einigem Recht zum Schluss kommen, dass Vytautas am Scheitern der zweiten Tagfahrt des Jahres 1396 tatkräftig mitgeholfen hat, indem er unzureichend bevollmächtigte Gesandte geschickt hatte.276 Offenbar wollte 274 Dass dies gegenüber dem römisch-deutschen König aufgrund der Umstände auch nicht anders hätte dargelegt werden können, ist zwar naheliegend, doch werden auch die letztlich abgeschlossenen Bestimmungen des Friedens von Sallinwerder mehr als nur darauf hindeuten, dass der Orden es hiermit ernst meinte (s. u.). 275 OF 2c, S. 80; gedr. CDP 6, XXIX; vgl. Heinl, Fürst, S. 133; Voigt, Geschichte, 6, S. 70–72. Johann von Posilge, SSRP 3, S. 206, berichtet knapp, dass der Tag zu keinen Ergebnissen geführt habe, da die Polen dies verhindert hätten. 276 Urban, Samogitian Crusade, S. 219–220, hält Władysław-Jagiełło für verantwortlich dafür, dass es in diesem Moment noch nicht zu einem Frieden gekommen ist. Er stützt sich für diese These offenbar einzig auf eine knappe Aussage Johanns von Posilge, SSRP 3, S. 206. Aus anderen Quellen sind keine Belege für oder gegen diese Auffassung zu finden, sodass das zwar denkbar wäre, aber dennoch Spekulation bliebe. Zudem stimmt schon Urbans Einschätzung nicht, dass beide Seiten dicht an einer Einigung gewesen seien. Die detail-

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oder konnte er sich auch zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu festen Vereinbarungen durchringen. Jedoch lief damit auch der Waffenstillstand aus, was beiden Seiten offenbar nicht entgegenkam, wie die in diesem Brief sich manifestierenden Bemühungen des Ordens um weitere Verhandlungen zeigen. Von Vytautas’ Seite dürfte dies nicht zuletzt auch an den Kriegszügen des Ordens gelegen haben, die zwischenzeitlich wieder aufgenommen worden waren und die seinen Bewegungsspielraum einschränkten.277 Der Ausschluss der Samaiten aus dem Waffenstillstand kann wohl damit begründet werden, dass der Hochmeister diese weder theoretisch noch praktisch als Untertanen von Vytautas sah. Das machte er auf einer theoretischen Ebene schon sehr deutlich in der Erläuterung seiner dritten (oben angeführten) Forderung. Der Ausschluss aus dem Waffenstillstand dürfte daher eben nicht mit taktischen Gründen zu erklären sein, wie es Krumbholtz versucht, wenn er vermutet, dass der Orden Vytautas damit die Untreue habe erleichtern wollen.278 Zudem kann hier noch ein Hinweis darauf gefunden werden, warum der Hochmeister diese Auffassung auch aufgrund praktischer Erfahrungen tatsächlich vertrat: Schließlich hätten die Samaiten den Frieden gebrochen, den Vytautas auch in ihrem Namen abgeschlossen habe. Zu einem Waffenstillstand kam es jedoch noch nicht sofort. Offenbar sah sich Vytautas ohne vorherige persönliche Gespräche noch nicht imstande, dem Hochmeister bis zum 6. Januar 1397 eine Urkunde zu übersenden und in einen Waffenstillstand einzutreten, wie dieser ihm im oben aufgeführten Brief vorgeschlagen hatte.279 Das kann man zumindest aus dem Brief des Hochmeisters vom 5. Januar 1397 herauslesen, in dem Konrad der schriftlichen Bitte Vytautas’ nachkam, diesem einen Gebietiger für Verhandlungen nach Garten zu senden.280 Offenbar konnten in diesen Gesprächen alle Hindernisse ausgeräumt werden; schließlich wurde am 26. Januar 1397 ein Waffenstillstand bis zum 23. April 1397

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lierte Schilderung der Verhandlungen des Jahres 1396 dürfte gezeigt haben, dass die Forderungen des Ordens deutlich von Vytautas abgelehnt worden waren. Voigt, Geschichte, 6, S. 71. Der eben angeführte Brief liefert dafür den Beweis, da sich Vytautas über den Kriegszug des Komturs von Rhein beschwerte, der allerdings nicht Samaiten verheerte (dort war der Komtur von Ragnit tätig), sondern das südliche Litauen, wobei der Hochmeister jedoch auf die Rechtmäßigkeit von dessen Verhalten hinwies; vgl. auch Johann von Posilge, SSRP 3, S. 206. Wie schon Krumbholtz, Samaiten, S. 19, angemerkt hat, ist es jedoch tatsächlich nicht ganz klar, auf welche Situation sich der Orden mit der gleich folgenden Argumentation genau bezieht. Heinl, Fürst, S. 134, schreibt, dass Vytautas den Vorschlag bereitwillig angenommen habe. Davon kann aber doch wohl keine Rede sein, wenn vorher zunächst um Gebietiger zur Beratung gebeten wird. Überhaupt ist diese Angelegenheit bei Heinl völlig entstellt beschrieben. OF 2c, S. 91; gedr. CDP 6, XXXIV; knapp erwähnt bei Voigt, Geschichte, 6, S. 74; Heinl, Fürst, S. 134.

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geschlossen, der sich auf alle Länder von Vytautas mit der Ausnahme von Samaiten erstreckte.281 Aufschlussreich für die Motivlage des Hochmeisters ist der Brief vom gleichen Tage an Vytautas, in dem er die Umstände des Waffenstillstands aufgrund des Berichts des Komturs von Ragnit und von Thomas Surville, die diesen ausgehandelt hatten, darlegte.282 Hier betonte der Hochmeister zweimal als Grund und Ziel des Waffenstillstands den Abschluss eines Friedens und die Beförderung des Christentums. Diese Aspekte wurden weiter auch gleich als Grundbedingung für die Aufnahme weiterer Friedensverhandlungen formuliert, deren technische Abläufe aber schon relativ konkret gefasst wurden, sodass offenbar auf beiden Seiten ein stärkerer Wille zur Verständigung als bisher gezeigt wurde. Das wird auch dadurch unterstrichen, dass nicht wie sonst in schwieriger Lage eine persönliche Zusammenkunft ins Auge gefasst, sondern die Zusendung von instruierten Boten für ausreichend gehalten wurde. Bemerkenswert ist, dass die Forderung nach Samaiten in diesem Brief nicht vorkommt. Gegen Ende des Briefes spricht der Hochmeister zwar noch recht unspezifisch sein Recht an, womit theoretisch rechtliche Ansprüche auf Samaiten gemeint sein könnten. Jedoch hatte der Hochmeister in den vorangegangenen Briefen mehrheitlich von der Einhaltung seiner Privilegien gesprochen und diese auch konkret benannt, wenn er darauf hinauswollte. Zudem wäre es auch sehr unwahrscheinlich, dass der Hochmeister diesen Punkt gegenüber Vytautas verschweigt oder gar verschleiert, wenn dieser für ihn eine zentrale Forderung gewesen wäre. Es konnte schließlich schon oben gezeigt werden, dass der Hochmeister seine rechtlichen Ansprüche auf Samaiten für so eindeutig hielt, dass er glaubte, diese öffentlich vertreten zu können. Territoriale Ansprüche geheim zu halten und zu verschleiern, dürfte auch überhaupt eher neuzeitlichen Verfahrensweisen entsprechen. Schließlich wäre eine solche Forderung spätestens bei Friedensverhandlungen angesprochen worden und hätte den Verhandlungspartner brüskiert, wenn diese ohne Ankündigung eingebracht worden wäre. Dieser Brief dürfte daher so zu interpretieren sein, dass für Konrad dieser Aspekt tatsächlich nicht an erster Stelle stand, wie er in einem oben angeführten Schreiben schon selbst betont hatte. Der diplomatische Erwerb von Samaiten konnte bislang also nicht als das zentrale Ziel von Konrads Außenpolitik ausgemacht werden, sondern nur als eines unter anderen. Zudem ging die Initiative für Friedensverhandlungen in der 281 Die Urkunde des Hochmeisters ist gedruckt im LivUB I 4, MCDXXXVI (= OF 2c, S. 93); eine Abschrift der Gegenurkunde von Vytautas findet sich im OF 2c, S. 97; vgl. die knappe Erwähnung bei Krumbholtz, Samaiten, S. 19, und Heinl, Fürst, S. 134–135. 282 OF 2c, S. 93–94; gedr. CDP 6, XXXVI.

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Regel von Vytautas aus. Konrad reagierte zumeist nur darauf. Insgesamt macht der Brief den Eindruck, dass man schon relativ nah an einer Einigung war.283 Offenbar hatte Vytautas gegenüber den Boten glaubwürdig machen können, dass es eine Lösung für die Artikel bzgl. der Annahme des Christentums geben könne, auf die einzugehen er sich bislang immer geweigert hatte. Gerade dass Vytautas den vom Hochmeister vorgeschlagenen Waffenstillstand nicht ohne persönliche Gespräche über die angesprochenen, bislang umstrittenen Aspekte annahm – was ein Einfaches gewesen wäre –, zeigt doch, dass er zu diesem Zeitpunkt offenbar geneigt war, verbindlichere Zusagen zu treffen, die über temporäre Waffenpausen hinausgehen sollten. Doch lief die Waffenruhe aus, ohne dass es zu einem Frieden kommen sollte. Ein weiterer Waffenstillstand war letztlich nötig und wurde am 12. Juli 1397 bis zum 15. August 1397 geschlossen.284 Was war in der Zwischenzeit passiert? Es war der römisch-deutsche König, der nun, nachdem das Verbot der Litauenreisen konsequenzenlos geblieben war, glaubte, sich der Angelegenheiten zwischen dem Orden und Polen und Litauen wieder annehmen zu wollen und damit – das kann man hier vorwegnehmen – zu einem retardierenden Element im Friedensprozess wurde. Er ließ dem Orden Anfang Februar 1397 durch Nickel Temeritz übermitteln, dass er einen Verhandlungstag zwischen dem Orden und Polen-Litauen angesetzt habe und forderte ihn daher zum Abschluss eines Waffenstillstands bis zum 24. Juni auf, da er andernfalls mit den Kurfürsten und anderen eine Entscheidung treffen werde.285 Vor allem diese Initiative sollte die Diplomatie des Ordens ein Weilchen beschäftigen. Für die Frage nach der Ordenspolitik gegenüber Litauen hinsichtlich Samaitens bringt sie jedoch nur indirekt weiteren Aufschluss und kaum sichere Ergebnisse. Es ist die sicherunge des Cristenthums,286 die hier wieder in den Vordergrund der Diskussion gestellt wurde. Obwohl natürlich – wie bisher schon gesehen – beide Aspekte, Samaiten und die Frage nach der Christianisierung Litauens, miteinander verknüpft waren, ist auf jeden Fall deutlich, dass die Frage nach dem Besitz Samaitens hier in den Hintergrund rückte. Es braucht daher nur darauf hingewiesen werden, dass die unmittelbare Antwort des Hochmeisters vom 11. Februar 1397 zurückhaltend ausfiel.287 Zwar bot er seine Unterstützung an, jedoch wollte er die Besendung des angesetzten Vermittlungstages nicht endgültig zusagen mit der Begründung, dass er Gesandtschaften zur Beratung an den Papst und die Kurfürsten und an andere anwalden 283 So auch die Einschätzung von Voigt, Geschichte, 6, S. 75. 284 OF 2c, S. 115; gedr. LivUB I 4, MCDLIII. 285 OF 2c, S. 103; gedr. CDP 6, XXXVII; vgl. Voigt, Geschichte, 6, S. 75–76; Heinl, Fürst, S. 136–138. 286 OF 2c, S. 109–110; gedr. CDP 6, XXXIX (4. April 1397). 287 OF 2c, S. 103–104; gedr. CDP 6, XXXVII.

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des heiligen cristengeloubis sowie an den Orden im Reich und nach Livland entsandt habe, deren Rückmeldung er abwarten müsse. Ausdrücklich als Zeichen seines guten Willens schlug er jedoch einen Waffenstillstand mit Vytautas bis zum 23. April 1397 vor. Bemerkenswert daran ist, dass ein solcher Waffenstillstand zu diesem Zeitpunkt mit Vytautas schon längst vereinbart war.288 Dem Hochmeister kam die Initiative des römisch-deutschen Königs also nicht wirklich entgegen, sondern er versuchte diese auszubremsen und weiterhin lieber direkt mit Vytautas zu verhandeln. Er nutzte dabei die Möglichkeit, eine eigentlich schon getroffene Vereinbarung als Entgegenkommen darzustellen. Das dürfte nicht zuletzt daran liegen, dass er dieser Initiative überhaupt wenig Vertrauen entgegenbrachte. Dem Deutschmeister schrieb er nämlich, dass Nickel Temeritz, der hier als Botschafter Wenzels fungierte, ehemals schon auf einem Verhandlungstag gewesen sei, sich damals aber als Diener von Vytautas bezeichnet habe.289 Konrad hielt hier offenbar ein Einwirken von Vytautas auf König Wenzel für erkennbar oder wenigstens für möglich. Von Samaiten ist in den zu dieser Angelegenheit gehörenden Quellen so gut wie keine Rede, sondern es sollte auch in den weiteren Unterredungen mit dem römisch-deutschen König im April die Sicherung des Christentums in den Mittelpunkt gestellt und als erste Sorge des Ordens hervorgehoben werden.290 Zwar hätte der Hochmeister gegenüber Wenzel angesichts dessen bisheriger Politik gegenüber dem Orden auch kaum anders reagieren können. Jedoch haben schon die vorherigen diplomatischen Verhandlungen eine ebensolche Prioritätensetzung des Ordens gezeigt. Hier die Prioritätensetzung des Ordens als reine Propaganda und Verschleierung seines Expansionswillens unter Vortäuschung von Christianisierungsbemühungen verstehen zu wollen, dürfte daher nicht den Kern der Sache treffen – zumal der Hochmeister auch von der Einhaltung seiner Rechte als Forderung spricht. Damit könnte nun auch Samaiten gemeint sein. In diesem Fall glaubte der Hochmeister also offensichtlich, hier sein Recht wahren zu müssen, auch auf die Gefahr hin, dass diese Angelegenheit ihm vom König negativ ausgelegt werden würde. Soweit bringt diese Episode für die Untersuchung der Außenpolitik des Deutschen Ordens gegenüber Litauen und insbesondere Samaiten keine gesi288 Es muss jedoch eingeräumt werden, dass der Hochmeister am 26. Januar 1397, dem Tag, an dem der Waffenstillstand beurkundet wurde, Vytautas gleichzeitig eine abschlägige Antwort auf dessen Versuch gesandt hatte, den Bischof von Dorpat mit in den Frieden aufzunehmen. Diese Antwort erhielt den Hinweis, dass, sollte er darauf bestehen, der Waffenstillstand als hinfällig zu betrachten sei; OF 2c, S. 96–97; gedr. LivUB I 4, MCDXXXVIII; vgl. Voigt, Geschichte, 6, S. 74. Der Hochmeister konnte zu diesem Zeitpunkt daher nicht ganz sicher sein, dass der Waffenstillstand auch wirklich Geltung erlangen sollte. 289 OF 2c, S. 104–105; gedr. CDP 6, XXXVIII. 290 OF 2c, S. 109–110; gedr. CDP 6, XXXIX.

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cherten und neuen Ergebnisse. Es wird jedoch deutlich, dass Konrad wieder einmal auf von außen an ihn herangetragene Initiativen reagieren musste und er selber von der Dynamik dann eher getrieben war, diese hier jedoch taktisch klug abzufedern wusste. Hier ging die Initiative von König Wenzel aus, wobei die Stellung und das Einwirken von Vytautas besonders im Hinblick auf die Person des Nickel Temeritz – dessen ehemaliger Diener nach Aussage des Hochmeisters – an dieser Stelle nicht eindeutig ist. Angesichts von Vytautas’ augenscheinlich ernsthaftem Interesse an Friedensverhandlungen, wie es bei Abschluss des Waffenstillstandes vom Januar 1397 zu existieren scheint, ist es einerseits nicht unwahrscheinlich, dass dieser nichts mit der Initiative Wenzels zu tun hatte. Als Urheber könnte vielleicht eher der polnische König infrage kommen. Andererseits wäre auch denkbar, dass Vytautas hier bei einem sehr langfristig geplanten politischen Vorgehen ertappt wird. Das würde voraussetzen, dass er Anfang des Jahres einen recht großen Aufwand betrieben hatte, um dem Orden Friedensbereitschaft vorzutäuschen, indem er eine Verständigung in Aussicht gestellt hatte bzgl. der Aspekte, die vorher nicht diskutabel gewesen waren, um danach dann mit Nickel Temeritz den römisch-deutschen König in irgendeiner Weise zur skizzierten Initiative zu verleiten. Somit wäre dem Orden zunächst eine Einigung in Aussicht gestellt worden, bei deren späterem Hintertreiben aber nur wenig auf Vytautas selbst zurückfiel. Das kann aber kaum geklärt werden und muss Spekulation bleiben. Jedoch zeigt das Folgende, dass Vytautas tatsächlich eher friedliche oder zumindest auf Frieden abzielende Absichten hatte. Aus der Instruktion vom 4. April291 für den Landkomtur von Böhmen, der in dieser Angelegenheit zum römisch-deutschen König abgesandt wurde, ergeben sich zudem noch Hinweise für den Stand der Chronologie hinsichtlich der diplomatischen Verhandlungen des Ordens mit Vytautas, die auch Samaiten betrafen.292 Der Hochmeister ließ sich hier noch einmal persönlich für die Ablehnung des Verhandlungstages in Breslau (24. Mai) entschuldigen. Zum einen sollte der Ordensgesandte dabei darauf hinweisen, dass der Hochmeister die Antworten der Kurfürsten etc. (s. o.) habe abwarten müssen. Zum anderen sollte der Gesandte der Instruktion gemäß Folgendes als weitere Entschuldigung darlegen: Vytautas sei mit vorworten und yn botschaften beim Orden gewesen, um einen Waffenstillstand zu erbitten und 291 OF 2c, S. 109–110; gedr. CDP 6, XXXIX. Auf den 4. April dieses Jahres ist das Schreiben an den römisch-deutschen König datiert, in dem diesem die Zusendung des Landkomturs von Böhmen Albrecht von Duba angekündigt wurde, um die von Nickel Temeritz übermittelte Forderung zu verhandeln. Inhaltlich lässt sich diesem Brief nichts weiter entnehmen; OF 2c, S. 107; gedr. CDP 6, XL. 292 OF 2c, S. 109–110; gedr. CDP 6, XXXIX. Diese Instruktion ist notwendigerweise zeitgleich auf Anfang April mit dem schon erwähnten Brief an den römisch-deutschen König zu datieren; vgl. Heinl, Fürst, S. 138–140.

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die Verhandlungen wieder aufzugreifen, die beim Verhandlungstag im letzten Sommer gescheitert waren. Daraufhin habe der Hochmeister Gebietiger zu Vytautas gesandt, die einen Verhandlungstag für den 13. Mai 1397 vereinbart hätten. Der Ordensgesandte sollte dabei betonen, dass dieses Vorgehen sicher im Sinne des römisch-deutschen Königs gewesen sei. Die Instruktion (vom 26. April 1397) für den Komtur von Elbing als Teilnehmer der Gesandtschaft an die Kurfürsten verrät dann Näheres:293 Vytautas kam in der vasten, bat um Zusendung der Gebietiger und stellte Verhandlungen über Grenzen, Geiseln und Gelübde in Bezug auf sein Christentum in Aussicht. Eine Einigung war – so zumindest die Darstellung des Ordens – nahe, weswegen man den eben schon genannten Termin für eine endgültige Vereinbarung in Aussicht genommen habe.294 Der König von Polen verhinderte diese aber und stellte zusätzlich die Forderung nach der Übergabe von Dobrin in den Raum.295 Zweifel an der Darstellung des Verhandlungsverlaufs gegenüber den Kurfürsten sind nicht angebracht. Schließlich forderte der Hochmeister Vytautas zu einem späteren Zeitpunkt auf, den Kurfürstentag zu besenden, wo es andernfalls mit Sicherheit herausgekommen wäre, wenn der Hochmeister fehlerhafte Angaben gemacht hätte.296 Dass es Vytautas jedoch offensichtlich ernst damit meinte, zu längerfristigen Ergebnissen zu kommen – schon in der eben angesprochenen Quelle zeigt sich, dass jetzt eine Übereinkunft zwischen Vytautas und dem Hochmeister in einigen wesentlichen Aspekten in Aussicht stand –, belegt ein weiterer von ihm unternommener Vorstoß, der aus einem Schreiben des Hochmeister vom 16. Juni 1397 hervorgeht.297 Danach hatte Vytautas seinen Schreiber Petrus wegen der schon in der vasten verhandelten Artikel ausgesandt. Obwohl damals schon eine Einigung zum Greifen nahe war, die nur vom polnischen König gestoppt werden konnte, versuchte Vytautas noch zwei weitere, inhaltlich aber nicht weiter beschriebene Artikel in die Verhandlung einzubringen. Das wurde vom Hochmeister nicht goutiert, wie ein späterer Brief zeigt.298 Es kam nun auch 293 OF 2c, S. 111–115; gedr. CDP 5, XCIX, S. 125–130. 294 Voigt, Geschichte, 6, S. 78, dürfte daher Vytautas’ Neigung zur Einigung unterschätzen; ebenso Heinl, Fürst, S. 142–143. 295 Vgl. ebd., S. 141–142; Heinl will hier eine Verschwörung zwischen dem polnischen König und Wenzel mit dem Zweck erkennen, eine Einigung zwischen Vytautas und dem Orden zu hintertreiben. Zwar ist Letzteres faktisch geschehen. Die Ausgangsthese entbehrt daher auch nicht einer gewissen Plausibilität, doch kann Heinl keinen hieb- und stichfesten Quellenbeleg dafür anführen. Es ist auch denkbar, dass vielmehr alle Parteien ihre eigenen Interessen verfolgten, die sich dann an dieser Stelle mit denen jeweils einer anderen Partei deckten. 296 OF 2c, S. 121; gedr. CDP 6, XLI. 297 Ebd. 298 Heinl vermutet, dass es sich hierbei um die Dobriner Frage handelte; Heinl, Fürst, S. 143,

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nicht zu einer Einigung, weil dieses Mal der Hochmeister die Ergebnisse des auf den 25. Juli 1397 verschobenen Kurfürstentags in Frankfurt abwarten wollte. Er bot Vytautas nun jedoch einen Waffenstillstand bis zum 15. August an.299 Die Waffenstillstandsurkunde des Ordens, wieder unter Ausschluss der Samaiten, datiert auf den 12. Juli 1397.300 An diesem Tag lief die Urkunde von Vytautas, die auf den 5. Juli 1397 datiert, beim Hochmeister mit einem weiteren Sendbrief ein.301 Der Hochmeister lehnte den Vorschlag eines Verhandlungstages ab, da man weiterhin die Ergebnisse des Kurfürstentags abwarten müsse. Er bat aber dennoch um die schriftliche Mitteilung seines Willens, auf die er auch antworten wolle, um zu zeigen, dass das Ziel Frieden mit Litauen und die Förderung des Christentums sei. Das muss, nach allen Quellen, die bisher betrachtet wurden, als die tatsächliche Prioritätenliste Konrads angenommen und eben nicht als Propaganda angesehen werden. Ein Verschweigen etwaiger Absichten des Ordens auf Länder im Allgemeinen und Samaiten im Speziellen würde im Briefverkehr mit Vytautas keinen Sinn ergeben. Betrachtet man die Umlaufzeit des Briefwechsels, dann zeigt sich, dass Vytautas jeweils prompt auf die hochmeisterlichen Schreiben reagierte. Offenbar hatte Vytautas sogar zu hastig reagiert, was zumindest den vom Hochmeister angemahnten Datierungsfehler in der Waffenstillstandsurkunde – sie war auf das Jahr 1396 und nicht 1397 datiert – erklären würde. Konrad zeigte jedoch guten Willen und mithin auch Interesse an einer Einigung, indem er bis auf Weiteres auch die Urkunde mit einem falschen Datum akzeptierte und seinerseits eine Ausfertigung übersandte.302 Dies – ebenso wie die wiederholte For-

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Anm. 101. Er muss jedoch einräumen, dass der Inhalt beider Artikel nirgends genannt wird. Sein Beleg für diese Ansicht, basierend auf einem Brief des Hochmeisters an Vytautas vom 22. Januar 1398, ist nicht überzeugend. Zwar nahm Vytautas beim Hochmeister eine Verstimmung wahr, weswegen er sich für die Einbringung der beiden Artikel entschuldigte, wie der Hochmeister in dem Brief zum nächsten Waffenstillstand jedoch bloß erwähnte (OF 2c, S. 121; gedr. CDP 6, XLIII; 13. Juli 1397). Konrad allerdings glaubte sich, wie sämtliche Korrespondenz zeigt, in der Dobriner Frage im besseren Recht und hätte dies gegenüber dem Litauer sicher auch deutlich vertreten. Es ist daher wahrscheinlich, dass hier zwei unbedeutendere Artikel diskutiert wurden, auf die man auch später nicht mehr zurückkommen wollte. Auch im Brief vom 22. Januar 1398 ist der Hochmeister zwar erzürnt, dass Vytautas versucht, zwei Artikel nachzuverhandeln. Dabei dürfte es sich aber nicht um die gleichen Artikel wie zuvor gehandelt haben. Ein Kommentar seitens des Hochmeisters wäre in einem solchen Fall zu erwarten gewesen. Krumbholtz hebt hervor, dass der Waffenstillstand auf Bemühungen des Hochmeisters hin zustande gekommen sei; Krumbholtz, Samaiten, S. 20; vgl. auch Heinl, Fürst, S. 145– 146. Man wird angesichts des Verlaufes aber wohl sagen müssen, dass es eigentlich Vytautas war, der sich in letzter Zeit verstärkt um eine Einigung bemühte, wohingegen der Hochmeister nur einen Waffenstillstand als vorläufig kleinsten gemeinsamen Nenner vorschlug, um die Entscheidung der Kurfürsten ruhig abwarten zu können. OF 2c, S. 115; gedr. LivUB I 4, MCDLIII. Das geht aus der Antwort des Hochmeisters hervor: OF 2c, S. 121; gedr. CDP 6, XLIII. Anders als Voigt, Geschichte, 6, S. 84 (ebenso Heinl, Fürst, S. 147), andeutet, erkannte der

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derung nach einer Einigung – dürfte zeigen, dass Vytautas geradezu auf eine Einigung drängte, während der Hochmeister zwar auch nicht gänzlich uninteressiert war, sich zugleich aber nicht auf ein hektisches Verfahren einlassen wollte, sondern lieber erst einmal nur reagierte. An diesem Punkt der Verhandlungen, die letztlich zum Frieden von Sallinwerder führen sollten, kann als Zwischenzusammenfassung stehen, dass Vytautas ganz offensichtlich zum Frieden geneigt war : Er kam dem Hochmeister in Verhandlungspunkten entgegen, die er vorher noch ohne Diskussion abgelehnt hatte, die für Konrad aber offensichtlich fundamental im Wortsinne waren. Samaiten – kaum namentlich genannt – gehörte nicht dazu, sondern war nur ein Punkt unter vielen, der in den Verhandlungen eine Rolle spielte. Es waren der König von Polen und der römisch-deutsche König, die durch ihr Eingreifen in den Verhandlungsprozess eine Einigung – in wesentlichen Aspekten waren Vytautas und Konrad sich bereits einig – verzögerten oder hintertrieben. Offensichtlich ist, dass die Initiativen von Vytautas ausgingen, wohingegen der Hochmeister eigentlich nur auf Vorstöße von außen reagierte. Eine zielgerichtete Expansionspolitik hinsichtlich Samaitens kann man nicht erkennen. Es war daher vielmehr die zielgerichtete Expansionspolitik von Vytautas nach Osten, die ihn nun im Westen einen Frieden oder zumindest einen Waffenstillstand suchen ließen, was seine Initiativen erklärt.303 Wie die Kanzleinotizen im Auslaufregister OF 2c deutlich machen, wurde der genannte Waffenstillstand dann noch dreimal verlängert, bevor es zu ersten Ergebnissen kommen sollte:304 am 2. August 1397 bis zum 8. September 1397, am 17. Februar 1398 bis Ostern (7. April) 1398 und am 2. April bis zum 28. April.305 Erst am 23. April 1398 wurde schließlich der Vorfriede von Garten geschlossen, der schon wesentliche Artikel des späteren Friedens von Sallinwerder vom 12. Oktober 1398 festlegte, um diesen vorzubereiten. Wie sind diese Verzögerungen zu begründen, wo doch eine Einigung jetzt schon zum Greifen nahe erschien? Was geschah also in der Zwischenzeit? Es war nun der König von Ungarn, Sigismund, der in die Verhältnisse Ordnung bringen und einen Frieden vermitteln wollte. Am 14. Juli 1397 schrieb er an Hochmeister keine Täuschungsabsicht in der falschen Datierung, sondern vertraute Vytautas soweit, dass er sich zunächst auch mit der falsch ausgestellten Urkunde zufrieden gab. Der enge Zeitrahmen lässt, wie gezeigt, auch eher an ein Versehen seitens des Litauers denken als an eine Täuschungsabsicht. 303 Vgl. Heinl, Fürst, S. 145–147; Urban, Samogitian Crusade, S. 220; Rhode, Ostgrenze, S. 351–354, insbesondere Vytautas’ Kriegszüge gegen die Tataren spielten eine Rolle; durch Vytautas war Litauen wieder eine »aktive expansive Kraft«; ebd., S. 351. 304 Unpräzise dagegen Weise, der insgesamt nur drei Waffenstillstände bis zum Vertrag von Garten nennt; SDOP, S. 8 (s. o.). 305 Die letzte Verlängerung des Waffenstillstands findet sich auch als Registerabschrift im Ordensfolianten 2c, S. 160; gedr. LivUB I 6, MMCMXLIII.

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den Orden, dass er vom König von Polen vernommen habe, dass cleyne sachen zwischen dem Orden, Vytautas und Władysław-Jagiełło geklärt werden müssten.306 Dazu solle ein Waffenstillstand bis zur kommenden Fastnacht (19. Februar 1398) geschlossen werden, damit in der Zwischenzeit die problematischen Artikel geklärt werden könnten. Der Hochmeister verfuhr dann wie schon früher : Er antwortete am 2. August und erklärte einerseits seine Bereitschaft zu Friedensverhandlungen und andererseits, dass er zunächst die Antwort der Kurfürsten abwarten müsse, weswegen ein Waffenstillstand bis zum 15. August abgeschlossen worden sei.307 Konrad teilte dann weiter mit, dass er wegen Sigismund den Waffenstillstand – die Samaiten308 wieder ausgenommen – bis zum 8. September verlängert habe, um ihm in der Zwischenzeit Boten mit der Sichtweise des Ordens zu schicken. Diese würden ihn auch über die Beschädigungen des Landes und der Christenheit insgesamt unterrichten, die der Hochmeister damit als Grund dafür angibt, weshalb er auf einen zwar nützlichen, aber längerfristigen Waffenstillstand bis nächste Fastnacht nicht eingehen könne. Zum Ende des Schreibens betonte er noch einmal die Bedeutung der kurfürstlichen Meinung für das weitere Verfahren. Gegen Reich und Kurfürsten wolle er nicht handeln. Die versprochene Gesandtschaft bestand dann aus dem Landkomtur von Österreich und Samuel, Landrichter von Thorn, die kurze Zeit später auch zu Sigismund abgesandt wurden.309 Gemäß dem Brief mit Instruktionen an den Landkomtur von Österreich310 sollten sie als Gesandte hinsichtlich der Frage, wie es um die Verhandlungen mit Vytautas stehe, auf die beiden Artikel hinweisen, die Vytautas später versucht habe, in den Verhandlungsprozess einzubringen, weswegen es bislang zu keiner Einigung gekommen sei. Auch hier wird nicht deutlich gemacht, worum es sich dabei genau handelte. Es geht aus dem Brief jedoch hervor, dass sich der Hochmeister nun im Gegenzug berechtigt fühlte, Angelegenheiten gegenüber Vytautas anzusprechen, die in den Verhandlungen bislang übergangen worden waren. Inhaltlich ist der eingebrachte Aspekt überaus interessant. Er kommt nicht nur letztlich im Frieden von Sallinwerder vor, sondern ist insbesondere hinsichtlich der Frage aufschlussreich, ob Konrad generell eine zielgerichtete Ex306 OF 2c, S. 130; gedr. LivUB I 4, MCDLVIII; vgl. Voigt, Geschichte, 6, S. 84–86; Heinl, Fürst, S. 147–152; Boockmann, Falkenberg, S. 70. 307 OF 2c, S. 119; gedr. CDP 5, XCV. 308 Vgl. Krumbholtz, Samaiten, S. 112, der ohne Anhaltspunkte in den Quellen die Befürchtungen der Samaiten ausmalt. 309 Der Kredenzbrief in OF 2c, S. 120, vom 9. August 1397 bietet naturgemäß inhaltlich keine weiterführenden Informationen. Durch diesen lässt sich aber die undatierte Instruktion für die Gesandten, deren chronologische Nähe zwingend ist, zeitlich einordnen; OF 2c, S. 123– 124; gedr. CDP 6, L. 310 OF 2c, S. 122–123; gedr. LivUB I 4, MCDLXII.

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pansionspolitik betrieb. Die Livländer hatten diesen der Instruktion zufolge darüber unterrichtet, dass das zwischen Groß-Nowgorod und Livland liegende Watland dem Orden gehöre. Der Hochmeister instruierte seine Gesandten nun, darauf hinzuweisen, dass man bei neuen Verhandlungen darauf dringen werde, dass das Pleskauer Land und das Watland dem Orden rechtmäßig zugesprochen würden.311 Abschließend hervorzuheben ist, dass der Hochmeister Vytautas ganz allgemein Aufsässigkeit (ofsetze) und Unstetigkeit bescheinigte. Spiegelt sich hier also doch eine hochmeisterliche Expansionspolitik? Die detaillierten Instruktionen, die dem Brief an den Landkomtur von Österreich in Kopie mitgegeben waren, geben in manchen bisher nur angerissenen Punkten weitere Einsicht in die Absichten und Motive Konrads:312 Als Grund, warum der Hochmeister keinen längeren Waffenstillstand mit Vytautas einzugehen gedachte, wird die Befürchtung genannt, dass dieser in der Zwischenzeit eczlich hinderlande der Heiden oder Russen unterwerfen oder zumindest mit diesen ein Bündnis gegen den Orden schließen würde. Der Hochmeister hatte also schlicht Sorge davor, dass sich Vytautas gegen den Orden verstärkte. Mit dieser allgemeinen Befürchtung hängt speziell auch noch ein in der Instruktion angesprochener Aspekt zusammen: Es war die geographische Lage Nowgorods, die dem Hochmeister Sorgen machte. Er befürchtete, dass der Orden nach einer Unterwerfung Nowgorods durch Vytautas später nur noch schwer an Pleskau und Watland, dy dem orden czu Liflandt mit rechte geboren mogen, werde kommen können.313 Dieser Artikel ist in mindestens zwei Aspekten höchst aufschlussreich: Schließlich stellt sich doch die Frage, ob sich hier nicht doch so ganz nebenher eine zielgerichtete Expansionspolitik314 zur Machtvergrößerung durch Konrad von Jungingen verbirgt, zumal sich dieser Artikel später auch im Vertrag von Sallinwerder wiederfand und Boockmann in diesem Zusammenhang von einer »Abgrenzung der Interessenzonen«315 spricht. Dieser Ansicht muss jedoch entgegengehalten werden, dass es vielmehr um die 311 Es heißt hier: (…) sollen nuwe tedinge gescheen, alse das Pleskower land, und dasselbe land jo unsern orden werden zugeteilet noch der bewisunge dar obir; OF 2c, S. 122–123; gedr. LivUB I 4, MCDLXII; vgl. Osten-Sacken, Beziehungen, S. 25 und S. 31. 312 OF 2c, S. 123–124; gedr. CDP 6, L. 313 Heinl, Fürst, S. 150, bezeichnet Pleskau und Watland als »Interessensphäre« des Ordens. Das ist zwar nicht ganz falsch, provoziert jedoch moderne Vorstellungen von kühl kalkulierten Generalstabsplänen, obgleich es dem Orden mehr um die Wahrung seiner Rechte ging. Dass für Vytautas Groß-Nowgorod eine gute »Aktionsbasis« gegen die beiden Länder sei, wie ebd. behauptet wird, steht so nicht in der Quelle. 314 Boockmann, Falkenberg, S. 71, sieht gerade hier »Expansionsabsichten«. Auch Heinl erkennt reines »Machtstreben« des Ordens zur weiteren »territorialen Ausdehnung«; Heinl, Fürst, S. 152. Er vermutet darüber hinaus auch Prätentionen auf Groß-Nowgorod, wofür es in den Quellen aber überhaupt keine Hinweise gibt. 315 Boockmann, Falkenberg, S. 73.

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Wahrung von Rechten ging, wie das Zitat ausweist. Zumindest glaubte der Orden offensichtlich daran, sich beim König von Ungarn auf seine alten Rechte berufen zu können. Will man hier eine eiskalte und durch alte Rechte bemäntelte Machtpolitik erkennen, dann bietet die Quelle selbst dafür wenig Anlass. Überhaupt kann angesichts des Umstandes, wie dieser Artikel in den Verhandlungsprozess eingebracht wurde, nicht die Rede davon sein, dass es Konrad war, der hier langfristig und strategisch handelte. Dieser Aspekt wurde schließlich nachträglich vom livländischen Zweig an den Hochmeister herangetragen, der von den Umständen ursprünglich keinerlei Ahnung hatte.316 Zudem ist der Punkt auch eher als Reaktion auf Vytautas’ Aktionen gegen Nowgorod zu sehen. Als ein langfristig planender Stratege zeigt sich Konrad hier also nicht. Jedoch wird in dieser Angelegenheit deutlich, dass es zumindest im livländischen Zweig des Ordens geographische Vorstellungen vom Umland und seiner strategischen Bedeutung gab. Daraus ist zu schließen, dass Konrad auch hinsichtlich Samaitens die, modern gesprochen, »geostrategische« Idee einer Landbrücke vor Augen hätte haben können. Jedoch wird eine solche Auffassung nicht aktenkundig. Sie muss daher als eine Idee gewertet werden, die dem Hochmeister nicht zu eigen war. Von Samaiten ist namentlich nicht die Rede in der Instruktion. Der Hochmeister ging nur global auf unverzichtbare Privilegien ein, die ihm die Rechte an Ländern in Litauen und Russland sicherten. Es wäre gut denkbar, dass hiermit auch Samaiten gemeint war. Laut Instruktion sollte als Grund für das Pochen auf die Privilegien angeführt werden, dass der Orden sich so gegen die Ungläubigen zu verstärken gedachte. Der Hochmeister stellte also neben die Wahrung von alten Rechten die Missionsidee für seine Gebietsansprüche in den Vordergrund. Diese Darstellung gegenüber dem König von Ungarn könnte nun zwar als nicht weiter überraschend und als Propaganda abgetan werden. Dass aber darin keine solche zu sehen ist, dürfte – neben den schon skizzierten Erfahrungen aus der Verhandlungspraxis – auch der letzte Absatz belegen, in dem der Orden erneut betonte, dass es bislang nicht zu einem Frieden gekommen sei, weil Vytautas keine Geiseln stellen oder Eide leisten wollte. Tatsächlich findet sich darin die conditio sine qua non für den Orden und nicht in der Übergabe Samaitens. Der 316 Vgl. OF 2c, S. 122–123; gedr. LivUB I 4, MCDLXII. Es heißt hier : Ouch dorumb, wen etwas vorsumenis geschen is von unsers ordins wegen zu Lifland und dornach, so haben sie uns undirwiset, das ein land lege zwischen Grosen-Newgarten und Lifland, Watland genant, das gehore zu dem orden, des wart nicht gedacht in den tedingen, und das wellen wir jo in die tedinge haben (…). Diesen Umstand nicht kennend, glaubt Heinl daher fälschlicherweise, hier ein besonderes Anliegen von Hochmeister Konrad von Jungingen selbst sehen zu können, weswegen man auf dessen Gebietshunger schließen müsse; Heinl, Fürst, S. 152; vgl. hingegen Osten-Sacken, Beziehungen, S. 31, der zu Recht den Meister von Livland als spiritus rector in dieser Angelegenheit erkennt.

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Orden glaubte, wie man gesehen hat, auf Länder mit gutem Grund einen Anspruch zu haben, den er auch offen gegenüber dem König vertreten wissen wollte. Wäre hier das zentrale Problem zu sehen, dann wäre es angesichts dieser Umstände wahrscheinlich, dass Samaiten an dieser Stelle deutlicher zur Sprache gekommen wäre. Samaiten spielte also offenbar keine entscheidende Rolle in den Verhandlungen zum Friedensprozess, sondern war nur ein Aspekt unter anderen. Auch ansonsten gibt es bislang keine Hinweise darauf, dass hier eine Machtpolitik aufgrund einer »Staatsidee« die entscheidende Rolle spielte. Vielmehr – und das ist besonders hervorzuheben – dürfte es nicht zuletzt die Missionsidee gewesen sein, die hinter der Wahrung alter Privilegien und insbesondere der Aufrechterhaltung von Gebietsansprüchen steckte. Der König von Ungarn versuchte Ende Oktober 1397 seinem Vermittlungsversuch noch einmal neues Leben einzuhauchen und sandte Walther Rumely von Hoenfels zum Hochmeister mit der Aufforderung, persönlich auf einen Verhandlungstag nach Gnesen zu kommen. Das lehnte der Hochmeister durch seinen Gesandten, den Komtur von Rehden Graf Rudolf von Kyburg, höflich aber bestimmt ab, erklärte sich aber generell zu einer persönlichen Zusammenkunft bereit. Über Samaiten bzw. Pleskau oder das Watland sollte laut der Instruktion nicht weiter gesprochen werden;317 andere Aspekte wurden für zentraler gehalten, was wiederum für die eben ermittelte Prioritätensetzung spricht.318 Insgesamt mäanderte die Initiative damit endgültig ins Leere. Es macht den Eindruck, dass der Orden es schaffte, auf die Vorschläge ausbremsend zu reagieren.319 Das Interesse Sigismunds erlahmte dann auch recht bald. Zwar muss diese Episode als ein Nebengleis der Ordenspolitik gesehen werden, als eine reine Reaktion auf von außen herangetragene Einmischungsversuche, doch gibt sie, wie gezeigt, hervorragenden Aufschluss über die ordensinterne Vorbereitung der Friedensverhandlungen mit Vytautas und damit auch über die Motivlage Konrads. Eine zielgerichtete Expansion zur Machtvergrößerung lässt sich auch hier nicht erkennen! Die Initiative des Königs führte jedoch auch mittelbar dazu, dass der Verhandlungsprozess zwischen dem Orden und Vytautas ein wenig in der Schwebe gehalten wurde und der bis zum 8. September abgeschlossene Waffenstillstand 317 Heinl, Fürst, S. 153, hält den Quellenbegriff Worczlant für Watland. Gemeint ist damit jedoch das Burzenland. Nur so kann er zu dem falschen Schluss kommen, dass Sigismund zur Erfüllung des »Watland-Artikel(s)« sehr geneigt sei; vgl. Boockmann, Falkenberg, S. 70. 318 Die undatierte Instruktion, OF 2c, S. 139–140, ist gedruckt CDP 6, XLIX. Der dazugehörige Kredenzbrief datiert auf den 21. Oktober 1397; OF 2c, S. 131; gedr. LivUB I 4, MCDLXIV. Er bietet inhaltlich aber keine weiterführenden Informationen. 319 Der Orden traute Sigismund generell keine Sachkompetenz in dieser Angelegenheit zu, wie sich zwischen den Zeilen der Instruktion für Samuel und den Landkomtur von Österreich herauslesen lässt; vgl. CDP 6, L.

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ohne Verlängerung auslief. Aus einer Instruktion320 vom 7. September für Thomas, den Gesandten des Hochmeisters an Vytautas, geht hervor, dass in der Zwischenzeit Vytautas’ Schreiber Peter beim Hochmeister wegen des Waffenstillstands gewesen war, der zwischen Litauen und dem König von Ungarn aufgenommen wurde. Hierbei dürfte es sich um den ursprünglichen Vorschlag Sigismunds gehandelt haben, diesen bis Fastnacht des folgenden Jahres festzusetzen. Doch wie dargestellt, war dies vom Hochmeister schon gegenüber dem König von Ungarn abgelehnt worden, um das Urteil des Reichstags und insbesondere der Kurfürsten abwarten zu können. Auch gegenüber Peter bzw. Vytautas zeigte sich der Hochmeister ablehnend und verwies erneut darauf, den Kurfürstentag abwarten zu wollen. Deutlich wird, dass Vytautas größeres Interesse an einem längeren Waffenstillstand hatte, der Hochmeister aus den oben angeführten Gründen darauf jedoch nicht eingehen, aber wiederum ohne Waffenstillstand auch nicht recht verbleiben wollte. Ursache für die Sendung von Thomas war nun der Umstand, dass der Reichstag auf den 11. November verschoben wurde aufgrund der Abwesenheit von Wenzel und Sigismund. Jedoch bot der Hochmeister gleichzeitig als Zeichen guten Willens einen längeren Waffenstillstand bis zum 30. November an, um in der Zwischenzeit weiterhin auf die Ergebnisse des Reichstags zu warten. Bemerkenswert ist, dass der Orden zeitgleich einen Zug gegen die Samaiten unternahm, wie Johann von Posilge für den 7. September berichtet. Dieser endete als schwerer Misserfolg.321 Zwar waren die Samaiten ohnehin aus dem Waffenstillstand zwischen dem Orden und Litauen ausgenommen. Die zeitliche Koinzidenz ist jedoch vielleicht nicht zufällig. Sollte Vytautas angesichts des endenden Waffenstillstands ein Zeichen gegeben werden, nun endlich zu reagieren und die Voraussetzungen für einen Frieden zu schaffen? Ausgesprochene Motive des Hochmeisters finden sich in der Korrespondenz allerdings nicht. Vytautas zeigte zunächst keine Reaktion, wie die Nachfrage des Hochmeisters vom 3. November 1397 belegt.322 Konrad wiederholte hier sein Waffenstillstandsangebot für den 30. November und kam Vytautas dann sogar noch soweit entgegen, dass er auch einen Waffenstillstand bis Weihnachten akzeptieren wollte.323 Doch auch daraus wurde nichts. Offenbar banden die Händel im Osten

320 OF 2c, S. 128; gedr. CEV, CLXIII. 321 Johann von Posilge, SSRP 3, S. 214–215; Thorner Annalen, SSRP 3, S. 216; es wird hier von einer Niederlage kurz vor Weihnachten berichtet, bei der es sich um die gleiche Reise gehandelt haben dürfte. Vgl. Voigt, Geschichte, 6, S. 86–87; Urban, Samogitian Crusade, S. 221; Krumbholtz, Samaiten, S. 20. 322 Fälschlicherweise nimmt Krumbholtz, Samaiten, S. 20, an, dass der Waffenstillstand wohl ausgedehnt worden sei. 323 OF 2c, S. 136; gedr. CDP 6, LII.

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und insbesondere mit den Tataren alle Aufmerksamkeit von Vytautas.324 Ein interner Bericht des livländischen Ordenszweiges vom Komtur von Dünaburg an den Ordensmeister in Livland beschreibt recht detailliert die Entwicklungen, von denen der Orden Kenntnis erlangt hatte.325 Hieraus geht auch hervor, dass der König von Polen von Dienstag nach Weihnachten bis zum vastelavent bei Vytautas weilen sollte. Es muss offenbleiben, ob ein Zufall darin zu sehen ist, dass in den bisherigen Verhandlungen der gleiche Tag als Enddatum für einen längeren Waffenstillstand diskutiert wurde. Es ist zumindest nicht unwahrscheinlich, dass Vytautas auf den König von Ungarn eingewirkt hatte, diesen Termin vorzuschlagen, der dann ja von Konrad von Jungingen abgelehnt wurde. Nach Weihnachten, dann wohl schon im Jahr 1398, wurden Planungen für eine Reise aufgenommen, die aber wegen des Wetters nicht zustande kam.326 Erst im Januar 1398 erfolgte eine Reaktion durch Vytautas, wie das hochmeisterliche Antwortschreiben darauf vom 22. Januar belegt.327 Zwar bedankte sich Konrad zunächst für den Brief, beschwerte sich dann aber sehr deutlich darüber, dass Vytautas entgegen den bereits zu Garten getroffenen Abmachungen zwischen ihm und den Gebietigern die Dobriner Frage in die Verhandlungen nachträglich habe einbringen wollen.328 Diese Sache gehe ihn nichts an, war die unverblümte Antwort darauf. Hinsichtlich des zweiten Artikels, von des heilgen Romischen riches wegen, den Vytautas nachzuverhandeln wünschte, signalisierte Konrad jedoch (ggf. persönliche) Verhandlungsbereitschaft. Der Hochmeister forderte nun, schon leicht enerviert, eine Antwort darauf, wie Vytautas zum Ordensland und den Ergebnissen der bisherigen Verhandlungen stehe. Jedoch müsse man auch die Antwort des Königs von Ungarn abwarten. Der Hochmeister betonte, dass es ihm nicht lieb sei, mit Vytautas Krieg zu führen, sondern nur eine Mehrung des Christenglaubens erreicht werden solle. Diese Äußerung gegenüber Vytautas kann nun nicht als reine Propaganda ab324 Krumbholtz, Samaiten, S. 20; die Konflikte zwischen Vytautas und Hedwig hemmten einerseits die Verhandlungen in den Ordensangelegenheiten. Andererseits beförderten sie jedoch die Zuwendung Vytautas’ zum Orden, da Hedwig einen jährlichen Zins für ihre Morgengabe forderte, die zu entrichten er nicht bereit war ; vgl. Heinl, Fürst, S. 159–161. Diese Verknüpfung und Interpretation ist schon zu finden bei Johann von Posilge, SSRP 3, S. 220. 325 OBA 540, ohne Jahresangabe (wohl 1398 Januar 1.); gedr. LivUB I 4, MCDLXVII; vgl. Voigt, Geschichte, 6, S. 88–89. 326 Vgl. Johann von Posilge und Thorner Annalen, SSRP 3, S. 216–217; vgl. Krumbholtz, Samaiten, S. 20. 327 OF 2a, S. 148–149; gedr. CDP 6, LIV. 328 Es dürfte einen neuen Versuch Vytautas’ gegeben haben, schon verabredete Artikel nachverhandeln zu wollen, wie es auch schon vorher geschehen war (s. o.). Es war jedoch das erste Mal, dass Dobrin zum Gegenstand gemacht wurde. Man müsste vermuten, dass der Hochmeister in irgendeiner Weise darauf hingewiesen hätte, wenn es hier nun der zweite Versuch gewesen wäre, Dobrin einzuwerben.

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getan werden, in der Gebietsansprüche verschwiegen wurden. Wäre Samaiten tatsächlich die conditio sine qua non, dann hätte es der Orden, wie er es mit anderen strittigen Artikeln machte, sicherlich schon hier erwähnt, um gelingende Friedensverhandlungen zu gewährleisten. Auch das dürfte zeigen, dass Samaiten sowie auch Pleskau und das Watland keine oberste Priorität bei Konrad hatten. Abschließend ist es der Hochmeister, der einen Waffenstillstand bis zum 7. April (Ostern) oder gar bis Pfingsten (26. Mai) anbot, damit Vytautas in der Zwischenzeit seine Boten senden möge. Für die Zeit nach Ostern stellte Konrad einen persönlichen Verhandlungstag in Aussicht, um einen ewigen Frieden auszuhandeln. Die Friedensbereitschaft des Hochmeisters war mittlerweile offensichtlich groß.329 Schließlich hakte er auch bei einem Ausbleiben einer Antwort von Vytautas weiter nach. Hier offenbart sich, dass der Hochmeister das erste Mal in den Verhandlungen größeres Interesse zeigte, nachdem Vytautas bislang Richtung und Geschwindigkeit vorgegeben hatte.330 Das dürfte Vytautas auch bemerkt haben, der sich jedoch mit dem Einbringen von Dobrin – sicherlich auf Einwirken des polnischen Königs – in die Verhandlungen zu diesem Zeitpunkt verhoben hatte, wie die hochmeisterliche Reaktion belegt. Oder er wollte die Beschlussfassung bewusst in diesem Moment verzögern.331 Relativ unproblematisch ging Vytautas dann auf das Angebot des Waffenstillstandes ein. Am 17. Februar wurde der Frieden bis Ostern verlängert. Warum Vytautas hier jedoch nicht den späteren Termin wählte, ist nicht wirklich zu erklären, wo er doch sonst immer längere Fristen bevorzugt hatte. Deutlich ist, dass Vytautas das Tempo des Prozesses bestimmte. Inhaltlich zeigte sich Konrad trotz alldem bei strittigen Fragen verhandlungsbereit und bot nun sogar wieder die persönliche Anwesenheit bei einem Verhandlungstag an. Bemerkenswert ist, dass der Hochmeister nun auch mit seiner Gewohnheit brach, nur auf sehr kurzfristige Waffenstillstände einzugehen.332 329 So auch Voigt, Geschichte, 6, S. 91–92, der vermutet, dass diese Politik ordensintern und bei Kriegsgästen auf Widerstand gestoßen sei, ohne dafür jedoch einen zeitgenössischen Quellenbeleg anzubieten bzw. anbieten zu können. 330 Heinl, Fürst, S. 155, konstatiert bei Vytautas ein »gewisses Bestreben« zur Verständigung mit dem Orden. Das ist, bei allem Taktieren von Vytautas, jedoch wohl etwas zu vorsichtig ausgedrückt. 331 Vgl. Voigt, Geschichte, 6, S. 90, der Vytautas vorwirft, aus Rücksichtnahme auf den polnischen König in seiner Haltung zu schwanken. Es erscheint an dieser Stelle nicht unplausibel, dass Maximalforderungen und Konzessionen an den polnischen König Mittel waren, um die Verhandlungen zu verzögern. So argumentiert auch Heinl, Fürst, S. 155, der generell bei Vytautas eine Hinhaltetaktik erkennen will. 332 Für die späteren Friedensergebnisse wichtig wird eine Angelegenheit, die sich zur gleichen Zeit in den Quellen niederschlägt. Sˇvitrigaila und Fedirsko suchten, nachdem sie aus ihrem Erbe vertrieben worden waren, Anlehnung beim Orden. Der Hochmeister antwortete jedoch zurückhaltend. Die Möglichkeit einer schnellen Allianzbildung nahm der Orden also

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Ende Februar sandte der Hochmeister Johannes Rymann als Botschafter an die nun versammelten Kurfürsten und den römisch-deutschen König. Hinsichtlich der hier relevanten Samaitenfrage kann nur wiederholt werden, was oben schon beschrieben wurde: Auch in dieser Instruktion ist davon keine Rede.333 Der Gesandte des Hochmeisters sollte auf die zwei gescheiterten Tage rekurrieren und als Grund des Scheiterns jeweils Vytautas’ Weigerung, Geiseln zu stellen und Eide zu leisten, anführen. Hätte der Erwerb von Samaiten erste Priorität gehabt, dann wäre es mit Sicherheit hier erwähnt worden. Schließlich bestand der Hochmeister auf seinen Rechten, von denen er vormals auch glaubte, sie öffentlich vertreten zu können. Schlussendlich kam erst Anfang April, kurz vor Auslaufen des Waffenstillstands, wieder Bewegung in die Verhandlungen mit Vytautas – dieses Mal mit zählbaren Ergebnissen. Genauer gesagt am 2. April 1398 wurde der Waffenstillstand – wieder die Samaiten ausgenommen – bis zum 28. April verlängert.334 In dem Begleitbrief vom gleichen Datum bestätigte der Hochmeister den Empfang eines Briefes von Vytautas und seiner mündlichen Nachricht, die die Ordensgesandten, der Komtur von Ragnit und Thomas Surville, überbracht hätten.335 Der Hochmeister versprach, seinem Wunsche gerne zu entsprechen und ihm nach Ostern Gebietiger zu senden, um die Verhandlungen zu einem guten Ende zu führen. An dieser Stelle kann aufgrund der Quellenlage nicht rekonstruiert werden, was genau in der Zwischenzeit geschah. Schickte der Hochmeister die Gesandten noch einmal von sich aus nach Litauen oder hatte Vytautas darum gebeten? Erst aus einem Brief an den Deutschmeister im folgenden Juni geht hervor, dass Vytautas in der vasten um Boten wegen einer Waffenstillstandsverhandlung geschickt hatte.336 Ohne eine hundertprozentige Gewissheit hinsichtlich der Chronologie der Ereignisse zu haben, scheint es, dass die Initiative für den Fortgang der Verhandlungen einmal mehr von Vytautas ausging und nicht vom Orden. Als Gesandtschaft wurden dann der Großkomtur sowie der Komtur von Elbing, der Komtur von Ragnit und der Komtur von Osterode zu Vytautas nach Garten geschickt. Der Hochmeister war jedoch skeptisch, ob es nun auch bald zu verbrieften Ergebnissen kommen würde. Er drückte zwar seine Hoffnung in dieser Hinsicht aus, wie aus einem Antwortbrief auf drei Schreiben des livlän-

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nicht wahr, was nicht unwahrscheinlich gewesen wäre, wenn es der Orden rein auf Expansion und Machterweiterung gegen Vytautas abgesehen hätte; OF 2c, S. 149; gedr. CDP 6, LVII; vgl. Voigt, Geschichte, 6, S. 89–90; Heinl, Fürst, S. 156. OF 2c, S. 151–153; gedr. LivUB I 4, MCDLXVIII; vgl. Voigt, Geschichte, 6, S. 90–91; Heinl, Fürst, S. 157–158. OF 2c, S. 160; gedr. LivUB I 6, MMCMXLIII. OF 2c, S. 161; gedr. CEV, CLXXVI; vgl. Voigt, Geschichte, 6, S. 93–94; Heinl, Fürst, S. 161. OF 2c, S. 165; gedr. CDP 6, LXV. Die Spekulationen Heinls, Fürst, S. 157, über Denken und Wollen Konrads sind durch Quellen kaum gedeckt.

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dischen Ordensmeisters hervorgeht, hielt aber eine Verlängerung des Waffenstillstands ohne weitere Ergebnisse wenigstens für gut denkbar, wovon er ggf. nach Livland berichten wollte.337 Es wird darin überdies deutlich, dass der Hochmeister eine gewisse Vorstellung davon hatte, dass Vytautas vor allem wegen seiner Interessen im Osten Verhandlungen mit dem Orden führte. Der Komtur von Ragnit, Markward von Salzbach, hatte ihm berichtet, bei seinem letzten Besuch beim Litauer mitbekommen zu haben, dass ein vornehmer Mann aus Moskau Vytautas habe überzeugen wollen, im Krieg zwischen Moskau und Nowgorod einzugreifen. Der hochmeisterliche Kommentar ist vielsagend: wir vorseen uns, das Witold sienes swogers an einem zemelichen nicht vil schonen solle, als verre ab er sich mit dem orden nu moge entrichten.338 Doch auch hinsichtlich der Verhandlungsziele Konrads und seiner Verhandlungsstrategie bestätigt dieses Schreiben schon einen oben erwähnten Aspekt: Es war der Ordensmeister in Livland, der in einem Schreiben noch einmal die Forderung auf das Watland unterstrich. Konrad antwortete darauf, dass darüber auch in Garten verhandelt werden sollte, dieser Artikel aber ggf. erst bei einer persönlichen Zusammenkunft ausverhandelt werde. Er stellte es ihm anheim, dann auch seine Gebietiger dorthin zu senden. Deutlich wird eines: Dieser Aspekt war eine Angelegenheit des livländischen Ordenszweiges, auf den dieser auch immer wieder glaubte, beim Hochmeister zurückkommen zu müssen. Der Hochmeister nahm diesen auch in die Verhandlungen mit herein, aber mehr pflichtschuldig als aus eigenem Interesse. An vorderster Stelle der Prioritätenliste stand dieser Artikel für Konrad immer noch nicht. Somit können ihm auch keine zielgerichteten Expansionswünsche zur Machterweiterung in diese Richtung attestiert werden. Der livländische Ordensmeister bat in seinem Brief zudem darum, dass die Gebietiger über die Freilassung der Gefangenen verhandeln sollten, was der Hochmeister zwar zusagte, doch ist auch hier eher geringes Engagement zu erkennen. Konrad stimmte ebenfalls zu – das ist der dritte und bedeutsamste Aspekt, den der livländische Meister in seinem Schreiben angesprochen hatte –, dass die Gebietiger mit Vytautas über die Grenzen verhandeln sollten gemäß Inhalt der mitgeschickten Zettel. Leider wiederholte der Hochmeister nicht namentlich die zur Disposition stehenden Grenzen. Das dürfte daran liegen, dass Konrad auch diesen Artikel nicht als übermäßig bedeutsam und umstritten

337 OBA 561; gedr. LivUB I 4, MCDLXIX. Der Brief ist aufgrund der darin genannten Daten auf den 19. April 1398 zu datieren (SDOP, S. 8, datiert falsch, aber konsequenzenlos auf den 26. April); warum er nur als Konzept überliefert ist und nicht als Abschrift im Auslaufregister, bleibt eine offene Frage, die auch die Archivalie nicht beantworten konnte. Ob der Brief wirklich ausgefertigt wurde, kann daher nicht mit Sicherheit beantwortet werden. 338 Zu den genaueren Hintergründen vgl. Osten-Sacken, Beziehungen, S. 28.

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einschätzte.339 Ohne dass hier aufgrund der fehlenden Informationen, um welche Grenzen es sich gerade genau handelte, schon Stellung bezogen werden kann, muss dieser Umstand insgesamt aufhorchen lassen, waren es doch die Grenzziehungsaspekte des Friedens von Sallinwerder, die u. a. die Abtretung Samaitens beinhalteten, und daher indirekt auch die des Vorfriedens von Garten, die in der Forschung immer besondere Aufmerksamkeit erhalten haben bzw. auf die der Frieden teilweise verkürzt wurde (s. o.). War es im Extremfall vielleicht gar nicht Konrad, der darauf hier ein besonderes Augenmerk legte, sondern der livländische Meister? Leider kann diese Frage nicht abschließend entschieden werden; es deutet aber einiges darauf hin, dass Konrad wenig Interesse an dieser Angelegenheit zeigte. Weitere schriftliche Niederschläge bzgl. der Verhandlungen zwischen dem Orden und Vytautas vor dem Vorfrieden von Garten sind dann auch nicht aufzufinden. Die Verhandlungen wurden auf den 21. April festgesetzt.340 Man einigte sich offensichtlich schnell.341 Die Urkunde datiert schon auf den 23. April 1398.342 Die folgende Aufstellung sämtlicher Artikel soll später ermöglichen, die Artikel des Vorfriedens mit den letztlich in Sallinwerder verbrieften Ergebnissen zu vergleichen, um den Stellenwert territorialer Expansionspläne insbesondere 339 Zur Absendung der Gebietiger in dieser Angelegenheit heißt es (OBA 561; gedr. LivUB I 4, MCDLXIX): (…) und si sint also von uns gescheiden, das sie ein zemelichs und des gleich mit Witolde solden reden und mit im eins werden, was noch sachen weren, di in unsem artikeln nicht usgedrukt weren, und di nicht oberig gros weren, das man hernachmals diselben ouch solde henlegen und berichten, als man fuglichst und bequemelichst mochte. Heinl, Fürst, S. 161, erwähnt den Brief nur kurz. Er wertet Konrads Vorgehen gegenüber den Forderungen des Meisters von Livland als taktisches Vorgehen, Vytautas keine Härten zumuten zu wollen. Selbst wenn diese Absicht hinter dem offensichtlich mangelnden Interesse des Hochmeisters stecken würde – aus der Quelle selbst kann das nicht erschlossen werden – , dann zeigt das hochmeisterliche Vorgehen damit dennoch (oder vielleicht besser gerade deswegen), dass diese Artikel keine fundamentale Bedeutung für ihn hatten. Dass es sich bei den Grenzen um Samaiten handelt, geht aus der Quelle entgegen Heinls Darstellung nicht hervor, sondern wurde von diesem wohl aus dem verbrieften Vorfrieden geschlossen. Zudem wurde dieser Artikel vom livländischen Meister mit hoher Priorität versehen, die der Hochmeister diesem Aspekt eben nicht zusprach, wie einerseits das Zitat zeigt und andererseits schon alleine der Umstand, dass der livländische Meister darauf drängen musste. Näher braucht man auf die irrigen Annahmen Heinls bzgl. Entstehung und Intention von Konrads Antwort nicht eingehen. 340 Das geht auch aus dem Brief des Hochmeisters an den Meister in Livland hervor; OBA 561; gedr. LivUB I 4, MCDLXIX; vgl. SDOP, S. 8. 341 Heinl, Fürst, S. 162, vermutet, dass der Komtur von Ragnit die wesentlichen Elemente schon vorher ausgehandelt hatte, ohne dafür jedoch einen hieb- und stichfesten Beweis liefern zu können. 342 SDOP, 1 (Regest); gedr. LivUB I 4, MCDLXX (Urkunde des Ordens; danach die folgenden Zitate) bzw. Baczko, Geschichte, S. 388–394, Beilage XV (Urkunde von Vytautas). Johann von Posilge, SSRP 3, S. 219, erwähnt den Vorfrieden nur sehr knapp, nennt aber fälschlicherweise entgegen der diplomatischen Quellen auch den Obersten Marschall als Gesandtschaftsteilnehmer des Ordens.

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in Richtung Samaiten in der Außenpolitik des Ordens abschätzen zu können. Da es starke Überschneidungen mit dem Frieden von Sallinwerder gibt, soll eine inhaltliche Auswertung des Vorfriedens erst vergleichend mit den abschließenden Ergebnissen erfolgen.343 Nur die für den weiteren Friedensprozess relevanten Aspekte sollen schon nach der Aufstellung kurz Erwähnung finden. Auf jeden Fall einigten sich in diesem Vorfrieden die schon genannten Unterhändler des Ordens schließlich mit Vytautas auf einige Bedingungen für einen dauerhaften Frieden zwischen Preußen und Livland sowie Litauen und Russland, für dessen endgültigen Abschluss der 29. September bei einer persönlichen Zusammenkunft avisiert wurde. Die Bedingungen betrafen im Einzelnen folgende Aspekte: 1) Grenzfestlegungen: Es werden mit Hilfe einer sehr detaillierten geographischen Beschreibung die Grenzen festgelegt – was eine Abtretung Samaitens ohne dessen namentliche Nennung bedeutete – zwischen Litauen und a) Livland sowie b) Preußen. c) Die Grenzen des Landes Wizna soll Vytautas mit Herzog Siemowit nach dem Zeugnis alter Leute festsetzen bei dessen Einlösung vom Orden. 2) Vytautas und Konrad von Jungingen gestehen sich gegenseitig eine lebenslange Erlaubnis zur Jagd in den Gebieten des anderen zu. 3) Die Anerkennung der Grenzen soll an alle widerrede durch Vytautas in der persönlichen Zusammenkunft mit dem Hochmeister erfolgen; auch die Siegel der Bojaren sollen dann angehängt werden.

343 Vielfach ist der Vorfrieden in der Literatur nur erwähnt oder deckungsgleich mit den endgültigen Friedensschlüssen behandelt worden, da man offenbar keine wesentlichen Veränderungen sah; so bemerkenswerterweise selbst von Krumbholtz, Samaiten, S. 21; Caro sieht als wesentlich nur den Unterschied an, dass in Sallinwerder vom Orden auf die Bestätigung Władysław-Jagiełłos verzichtet wurde; Caro, Polens, S. 173, Anm. 1; s. auch S. 175, Anm. 1, wo er zu Recht darauf hinweist, dass die Präliminarien und die Friedensschlussakte als ein zusammenhängendes diplomatisches Resultat angesehen werden müssen; vgl. auch Urban, Samogitian Crusade, S. 221–222; Nikodem, Witold, S. 179–181; Neitmann, Staatsverträge, S. 150–153 (»In der Substanz der Bestimmungen ist jedoch keinerlei Änderung eingetreten.« ebd., S. 152) und Voigt, Geschichte, 6, S. 93–95, mit einer summarischen Aufzählung der Aspekte, jedoch ohne tiefere Auswertung ihrer Bedeutung insbesondere für den Friedensprozess; eine Aufzählung der Hauptartikel findet sich auch bei Błaszczyk, Dzieje, 2, S. 170–172. Einzig Heinl, Fürst, S. 161–165 und S. 167, ließ sich neben einer Aufzählung der Artikel zu gewohnt deutlichen Bewertungen hinreißen, die aber im Lichte des Friedensprozesses, auf den er zwar durchaus eingeht, deutlich gerade gerückt werden müssen (s. u.). Alle diese Ansichten verkürzen somit die Bedeutung des Vorfriedens, die dieser aber insbesondere für die Auswertung der Motive und Interessen der einzelnen Vertragspartner im Friedensprozess hat! Im Kontrast mit den verbrieften Bestimmungen in Sallinwerder lassen sich diesem weitere Hinweise für die angemessene Beurteilung der letztlich in Kraft getretenen Regelungen entnehmen.

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4) Bei Verlangen des Hochmeisters soll Vytautas, ap her wil, und ap is im gefellet, eine besiegelte Bestätigung durch den König von Polen beschaffen. 5) Vytautas soll dem Hochmeister helfen, zwei oder drei Grenzburgen zu bauen. 6) Sigismund, der Bruder des Großfürsten von Litauen, soll freigelassen werden. 7) Alle Gefangenen beider Seiten sollen freigelassen werden. 8) Vytautas soll verbriefen, keine Ansprüche auf Pleskau zu haben, sondern den Orden bei der Unterwerfung zu unterstützen. 9) Im Gegenzug soll der Hochmeister Vytautas bei der Unterwerfung Nowgorods unterstützen und auf das Land verzichten vor sich und sine nachkomelinge. 10) Freier Handelsverkehr und keine neuen Zölle und Satzungen werden vereinbart. 11) Keine Aufnahme von Zinshaftigen der anderen Partei im eigenen Lande ohne Zustimmung des anderen. 12) Vytautas soll geloben, das her siene lande und luthe halde tzu dem Cristenthum sowie seinen Pflichten der Römischen Kirche und dem Reich gegenüber nachzukommen, wie andere christliche Könige und Fürsten, sowie kein christliches Land zu verheeren oder zu gestatten, dass es verheert wird, ausgenommen in Notwehr, und was im mogelich tzu thun ist von des Cristenen glowbens wegen, das sal her vorlieben und globen, und ouch mit im sine besten bajoren. 13) Eventuelle Sonderverabredungen zwischen dem Hochmeister und Vytautas sollen von diesem zusätzlich auch mit den Siegeln der Bojaren verbrieft werden. 14) Getrennte Regelungen bei gemeinsamen Feldzügen hinsichtlich der a) »Kriegsbeute und b) Feldgerichtsbarkeit«.344 15) Alle bisherigen obwaltenden Streitigkeiten und Schadensersatzforderungen sollen aufgegeben werden. 16) Beide Parteien sollen keinen Gegner der anderen Partei durch ihr Gebiet ziehen lassen. 17) Geächtete einer Partei sollen keine Aufnahme bei der anderen finden. 18) Keine Durchführung eines Heeres durch das Gebiet der anderen Partei ohne deren Wissen und Zustimmung. 19) Die Verträge sollen auf Latein und Deutsch ausgefertigt werden. 344 Weise fasst beide Artikel in der im Zitat aufscheinenden anachronistischen Wortwahl unter einer Nummer zusammen; SDOP, S. 7. Es handelt sich aber eigentlich sowohl inhaltlich als auch sprachlich (Anknüpfung mit Vortmer) um zwei separate Artikel.

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20) Die Unterhändler bürgen für die Einhaltung dieses Vertrags. 21) Abschließende Verabredungen zur Durchführung des Verhandlungstages:345 a) Hochmeister und Großfürst sollen persönlich erscheinen auf Sallinwerder am 29. September. b) Die mitzubringenden Siegler werden namentlich benannt – je nach Urkunde die der jeweiligen Partei. c) Die oben aufgeführten Artikel sowie sonstige jetzt mündlich abgemachte Vereinbarungen sollen verbrieft und besiegelt werden. d) Für den Fall, dass einer der genannten Siegler ausfällt, soll ein Ersatz ernannt werden. e) Zu den aufgeführten Artikeln sollen keine weiteren eingebracht werden (in die vorgenanten artikel keine fremde sache in tragen). 22) Zusatz346 : Vytautas verpflichtet sich, beim Bau von einer oder zwei Grenzburgen schon bis zum 29. September zu helfen. Für Heinl spiegelten sich im Vorvertrag die Motive Konrads in eindeutiger Weise:347 Er hält das Friedensinstrument für ein »klares Zeugnis von dem eigentlichen Streben des Ordensstaates nach Macht- und Gebietszuwachs«. Das wird seiner Ansicht nach durch die Artikel über die Gebietsabtretungen belegt, die ganz und gar der bisherigen Territorialpolitik des Ordens Rechnung getragen hätten, wobei Samaiten »natürlich« an den Orden gehen sollte. Nicht überraschend sprechen für ihn vor allem auch die Artikel Pleskau und Nowgorod und ihre Eroberung unter gegenseitiger Hilfe betreffend eine deutliche Sprache. Der im Vertragswerk auftauchende Artikel, der sich auf die Sicherung des Glaubens und des Christentums bezieht, hebt sich seiner Ansicht nach so weit von den ursprünglichen, damals unabänderlichen Forderungen des Ordens der Jahre 1396 und 1397 ab, dass nun nur noch leere und formelhafte Redensarten übriggeblieben seien. Dem Orden wird damit vorgeworfen, viel von seinem Programm aufgegeben und nur territoriale Ausdehnung im Sinn zu haben. Heinls Interpretation des Vertrags zeigt sehr plastisch am konkreten Beispiel die schon weiter oben theoretisch dargelegte gängige Vorstellung von der Außenpolitik des Ordens. Zwar lässt die isolierte Betrachtung des Vorfriedens Heinls Schlussfolgerungen naheliegend erscheinen, doch schon die bisherige Rekon345 Weise, SDOP, S. 8, führt unter Punkt 21) nur den hier unter a) aufgeführten Aspekt auf und schließt alle anderen Verabredungen nummerierungslos an. Alle diese Aspekte sollen doch aber die formalen Rahmenbedingungen der zu besendenden Zusammenkunft regeln und können daher unter Punkt 21 besser mit eigener Unternummer subsumiert werden; eine Aufführung unter eigenen Nummern wäre jedoch auch möglich. 346 Schon von Weise, SDOP, S. 8, zu Recht als »Zusatz« bezeichnet, da dieser Artikel nach Datum und Siegelankündigung herangehängt ist. 347 Vgl. Heinl, Fürst, S. 162–165; Zitat ebd., S. 163.

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struktion des Friedensprozesses dürfte deutliche Hinweise darauf geben, dass seine Auswertung höchst diskutabel ist. Doch diese Auffassung soll, wie erwähnt, erst später gerade gerückt werden, um einerseits Überschneidungen zu vermeiden und um andererseits den gesamten Friedensprozess bis zum Abschluss des Friedens von Sallinwerder einbeziehen zu können. Bei der Betrachtung der Bestimmungen des Vorfriedens muss an dieser Stelle nur darauf hingewiesen werden, dass mehrere Klauseln offensichtlich von der Ordensseite erdacht worden sind, die Vytautas vom Einbringen zusätzlicher Verhandlungspunkte abbringen, mithin also den weiteren Friedensprozess sicherstellen sollten. Solche Versuche hatten vorher, wie der Prozess gezeigt hat, schon mehrfach für Verstimmung und ein Stocken der Verhandlungen gesorgt. Einem Vorgehen, das in der Retrospektive wohl als dilatorisch zu bezeichnen ist, sollte damit ein Riegel vorgeschoben werden. Offenbar war es nicht zuletzt damit auch Vytautas klar, dass er, um einen Frieden über einen längeren Waffenstillstand hinaus herzustellen, in Vorleistung treten musste, um Bedenken des Hochmeisters, die sich deutlich in den Artikeln des Vorfriedens zeigen, zu zerstreuen. Das dürfte ihm durch zwei Maßnahmen gelungen sein. Erstens versprach er im Zusatz zum Vertrag, mit dem Bau von zwei Festen sofort zu beginnen. (Es wäre jedoch denkbar, dass er hier auch auf eine baldige Entlassung seines Bruders Sigismund aus der Geiselhaft des Ordens spekulierte, die ihm vielleicht sogar mündlich in Aussicht gestellt wurde.) Und zweitens entsprechen auch die Artikel, die die Ausbreitung des Christentums betreffen, doch – anders als Heinl meint – sehr genau den Vorstellungen, die der Orden im bisherigen Prozess als conditio sine qua non benannt hatte. Vytautas war nun also offensichtlich etwas an einem Frieden gelegen, wie diese Konzessionen und nicht zuletzt auch die Schnelligkeit des Abschlusses des Abkommens zeigen. Bemerkenswert ist auch an dieser Stelle, dass hinsichtlich aller dreier Interessen des livländischen Ordensmeisters (Auslösung der Gefangenen, die Einlösung der alten Rechte auf Watland/Pleskau und die nicht näher definierten Grenzfragen), die der Hochmeister eigentlich nicht prioritär behandeln wollte und auf deren Diskussion er sonst auch verzichtet hätte, eine Einigung zu finden ist. Vytautas war offensichtlich deutlich mehr zum Frieden geneigt als der Hochmeister dies im Vorfeld geglaubt hat. Bis es zum Frieden von Sallinwerder im Oktober 1398 kommen sollte, geschah auch nicht mehr viel, doch erlauben manche Schriftstücke einen vertieften Blick auf die Motive des Hochmeisters. Von Johann von Posilge erfährt man, dass Vytautas seiner Zusage nachkam und nach Pfingsten zwei Häuser gebaut wurden; im Sommer dann zog er mit preußischer Unterstützung gegen die Tataren.348 Offenkundig waren sich beide Seiten mittlerweile recht sicher, dass es 348 Beide Informationen bei Johann von Posilge, SSRP 3, S. 220.

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aufgrund der Verhandlungen zu Garten nun auch im Herbst zu einem endgültigen Frieden kommen sollte. Der Hochmeister berichtete zumindest dem Deutschmeister, dass in Garten schon viele Aspekte für einen endgültigen Friedensschluss fest abgesprochen worden seien.349 Der Hochmeister forderte dafür einen Gebietiger – eyn redlich und vornunftig man – an, damit dieser die Verhandlungen später nach außen bezeugen könne. Für die hier behandelte Frage nach den eigentlichen Interessen des Ordens in den Verhandlungen mit Vytautas ist bezeichnend, dass der Hochmeister als Grund für die persönliche Zusammenkunft angab, es seien etliche sache czu handeln von der heyligen cristenheit und des cristengelobens wegen. Von Gebietsabtretungen im Allgemeinen oder von Samaiten und auch sonstigen Prätentionen im Speziellen ist hier nichts zu finden. Da es sich um ein »ordensinternes« Dokument handelt und der Deutschmeister sogar gebeten wird, einen Gebietiger beizubringen, der später die Verhandlungen (und nicht unbedingt die Ergebnisse) bezeugen kann, muss man davon ausgehen, dass Konrad hier seine wirklichen Prioritäten offenlegte. Ein doppeltes Spiel auch mit dem Deutschmeister und ein Verschweigen von etwaigen Gebietsansprüchen wäre sicher nicht zielführend gewesen; man müsste zudem sonst erwarten, dass Konrad den Deutschmeister in irgendeiner Weise in seine Pläne eingeweiht und diesem eine Instruktion für den abzusendenden Gebietiger mitgegeben hätte. Dem Dokument dürfte also zu entnehmen sein, dass es Konrad tatsächlich nicht in erster Linie um territoriale Expansion, sondern um die Ausbreitung des Christentums ging. Die gleichen Motive – merunge und vorderunge des Cristen geloubens, frede, nucz und eyntracht der cristenheit – wurden kurze Zeit später auch gegenüber Sˇvitrigaila betont, der nicht ganz zu Unrecht Befürchtungen geäußert hatte, dass der in Aussicht stehende Frieden zwischen dem Orden und Vytautas gegen ihn gerichtet sei, was der Hochmeister jedoch – aus seiner Perspektive verständlich – abstritt.350 Dieses Schreiben ist für die Motivlage des Hochmeisters nun nicht so unangreifbar wie das ordensinterne Schreiben an den Deutschmeister. Der Brief zeigt jedoch eindrücklich, dass auch für Außenstehende die Verhandlungen zwischen Konrad und Vytautas nun so weit gediehen schienen, dass mit einem Abschluss gerechnet werden konnte. Darüber hinaus wird Sˇvitrigaila in den Beziehungen zwischen dem Orden und Vytautas später noch eine gewichtige Rolle spielen. An dieser Stelle bestand jedoch der Hochmeister darauf, dass er von einer nicht näher beschriebenen Übereinkunft des Komturs von Rehden mit ihm nichts wisse, dieser dazu auch nicht befugt gewesen wäre. Was hier nun tatsächlich geschah, ist nicht zu ermitteln. Ob der Komtur seine Befugnisse überschritten hatte, ist unklar ; deutlich ist einzig der Annäherungswille von 349 OF 2c, S. 165; gedr. CDP 6, LXV, vom 2. Juni 1398. 350 OF 2c, S. 171; gedr. CDP 6, XLVI.

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Seiten des Litauers. Der Hochmeister zeigte sich indes spröde, wenn er erklärt, dass er ihm in seinen Angelegenheiten keinen Rat geben könne. Er versprach jedoch, ihn vom Ausgang der Ergebnisse zu unterrichten. Dass also der Hochmeister jede Chance genutzt hätte, sich gegen Vytautas zu verbünden, zeigt sich hier nicht. Zu einer letzten, allerdings nur kurzfristigen Verschiebung kam es auf Vytautas’ Betreiben dann doch noch. Der Komtur von Osterode brachte dessen Bitte um Verschiebung auf den 6. Oktober (eine Woche nach Michaelis) an Konrad von Jungingen. Aus dem Konzept eines Antwortschreibens an Vytautas geht zudem hervor, dass Konrad sich dazu bereit sah, jedoch auch anbot, ein oder zwei Tage früher vor Ort sein zu können.351 Offenbar hatte der Hochmeister immer noch Befürchtungen, dass Vytautas den Abschluss mit neuen Forderungen verzögern könnte, glaubte er doch, betonen zu wollen, dass er den Vorvertrag von Garten einhalten werde und er davon ausgehe, dass der Litauer das ebenso halten werde. Der Wille des Hochmeisters, nun endlich zu verbrieften Ergebnissen zu kommen, wird daher überaus deutlich. Und so geschah es dann letztlich auch. 2.2.3.2.2 Die Strukturen des Friedensprozesses Nach der detaillierten Analyse der Quellen, durch die der Verhandlungsprozess in seiner Chronologie rekonstruiert werden konnte, stellt sich die Frage, welche Strukturen hinter den dargestellten Einzelereignissen zu erkennen sind. Systematisch lassen sich zwei Bereiche unterscheiden, deren Untersuchung notwendig ist, um die Ausgangsfrage nach einer möglichen zielgerichteten Expansionspolitik in Konrads diplomatischen Anstrengungen vor allem hinsichtlich Samaitens beantworten zu können: 1) Welche mikropolitischen Handlungsstrukturen spiegeln sich im Prozess? Wer agierte und wer reagierte nur? Wer war mithin der Herr des Verfahrens? 2) Welche Absichten und Motive Konrads gehen aus dem Friedensprozess bis 1398 hervor? Welche Aspekte davon müssen als für den Hochmeister prioritär betrachtet werden? Zu 1) Es muss noch einmal hervorgehoben werden, dass der Prozess, der letztlich zum Frieden von Sallinwerder führen sollte, sich über mehr als drei Jahre hinzog mit zahlreichen Pausen sowie von einzelnen Akteuren intendierten und nicht intendierten Verzögerungen. Dabei waren zeitweilig auch mehr Ak351 OBA 567 vom 31. August 1398. Dieses Schreiben ist nur als Konzept erhalten. Es ist unklar, ob der Brief auch wirklich ausgelaufen ist. Da jedoch der Frieden von Sallinwerder am 12. Oktober verbrieft wurde, spricht zumindest nichts dagegen, dass die inhaltlichen Elemente sich nicht auch so zugetragen haben könnten.

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teure involviert als nur die unmittelbar betroffenen Parteien. Der komplette Prozess, oder zumindest seine wesentlichen Ereignisse, konnte über die ausgehende hochmeisterliche Korrespondenz in Form von Registerabschriften rekonstruiert werden, wobei an manchen Stellen kleinere Verluste zu vermuten sind. Die damals eingelaufenen Schreiben sind größtenteils verloren, ihr Inhalt ist jedoch über die kürzeren Zusammenfassungen zu Beginn der einzelnen hochmeisterlichen Antwortschreiben zu erschließen. Diesen knappen Zusammenfassungen, die damit Auskunft geben, welcher der Verhandlungspartner agierte und wer reagierte, ist eine große Zuverlässigkeit zu unterstellen, da diese bei unzutreffender Wiedergabe Widerspruch provoziert hätten. Dennoch ist diese Überlieferungslage dafür verantwortlich, dass der mikropolitische Prozess im Detail nicht immer lückenlos rekonstruierbar ist. Trotz dieser Problematik scheinen bei einer zusammenfassenden Betrachtung der Ereignisketten gleichwohl die strukturellen Konstanten der Handlungsführung der einzelnen Akteure durch. Diese geben letztlich mehr als nur vage Hinweise darauf, wie der Orden unter Konrad von Jungingen Außenpolitik betrieben hat. Der Beginn der diplomatischen Verhandlungen ist, wie gezeigt, für die Mitte des Jahres 1395 anzusetzen. Ohne dass klar ist, welche Aspekte genau besprochen werden sollten, ist deutlich, dass der Anstoß für Verhandlungen von Vytautas ausging. Konrad hingegen reagierte darauf zunächst nur sehr zögerlich. Dass er, wie zuweilen von der Forschung insinuiert wurde, jede sich abzeichnende Möglichkeit nutzte, um ein Expansionsprogramm mit diplomatischen Mitteln umzusetzen und Samaiten in die Diskussion einzubringen, ist weder zu Beginn des Prozesses noch überhaupt bis zum Vertrag von Sallinwerder zu erkennen. Schon 1395 erprobte Vytautas ein Verfahren, dass auch in der Folgezeit wiederholt zur Anwendung kommen sollte: Kam es schließlich zu Verhandlungen, dann erklärte der Litauer (zumeist rekurrierend auf den polnischen König) sich plötzlich für nicht mehr in diesen Fragen bevollmächtigt. Er war dann auch nicht mehr gewillt, ernsthaft darüber zu verhandeln, sondern er ließ die Verhandlungen platzen. Die Rolle des Königs von Polen ist in dieser Angelegenheit hier wie auch im Weiteren nicht wirklich zu fassen. Es wäre durchaus denkbar, dass Vytautas diesem die Verantwortung für das Scheitern nur unterschob, um selber zunächst keine verbindlichen Zusagen treffen zu müssen, aber dennoch von einem Waffenstillstand zu profitieren. Dafür spricht, dass in den Momenten, in denen Vytautas ein Vorhaben umsetzen wollte, von Władysław-Jagiełło keine Rede mehr war. Alles deutet daher in die Richtung, dass dieser von Vytautas in seine politischen Absichten dann eingebunden wurde, wenn der Litauer es nicht vermeiden konnte oder sich jener als bequeme Entschuldigung bot, um den Prozess zu verschleppen. Ein ähnliches Vorgehen – ohne dass der König von Polen hier eine Rolle spielte – ist kurze Zeit später zu beobachten, als bei einer Tagfahrt kein Ergebnis

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erlangt werden konnte aufgrund der unzureichenden Bevollmächtigung der litauischen Gesandten. Dies war natürlich kein ausschließlich von Vytautas angewandtes Verfahren, muss doch die unzureichende Bevollmächtigung von Unterhändlern als ein gut mittelalterliches Mittel bezeichnet werden, um Beschlussfindungen zu unterlaufen. Obwohl sich der Hochmeister befremdet zeigte, reagierte dieser wie während des gesamten Prozesses mit Gleichmut und bot Vytautas, der offensichtlich gerade nicht auf die Ordensforderungen einzugehen gedachte, wiederum einen Waffenstillstand an. Es war dann auch regelhaft Vytautas, der, nachdem er, wie in diesem konkreten Fall, die Ordensgesandten bei der Tagfahrt hatte auflaufen lassen, auf den Hochmeister zurückkam und diesem erneut Verhandlungen anbot. Vytautas’ Versuche, wieder Verhandlungen anzuknüpfen, äußerten sich auch in der dann regelmäßig vorgetragenen Bitte, Ordensgesandte zu ihm zu schicken. Andersherum finden sich solche Initiativen durch den Orden nur ausnahmsweise. Trotz aller schlechten Erfahrungen ging der Hochmeister in der Regel willig auf solche Vorschläge ein. Andere Handlungsoptionen wurden nicht bedacht – zumindest schlagen sich keine alternativen Erwägungen in den Quellen nieder. Auch auf von anderer Seite herangetragene Initiativen sah sich der Orden gezwungen zu reagieren. Diese wirkten retardierend, wenn man den Friedensprozess im Ganzen betrachtet. Insbesondere anhand der hochmeisterlichen Reaktionen auf die Initiativen von Wenzel und Sigismund ist aber zu erkennen, dass es die Kurfürsten waren, die der Hochmeister für die maßgebliche christliche Öffentlichkeit hielt. Auf ihre Wünsche glaubte er, besondere Rücksicht nehmen zu müssen und weniger auf die der beiden Könige, deren Eigeninteressen bzw. deren unklare Verbindung zu Vytautas seinen Argwohn weckten. Dass die kurfürstliche Auffassung einiges Gewicht hatte, zeigt sich besonders darin, dass der Hochmeister von nun an trotz einer längere Zeit ausbleibenden Rückmeldung aufgrund der Verzögerungen beim Kurfürstentag damit nicht nur die königlichen Initiativen abwehrte, die ihm ohnehin wenig angenehm waren, sondern so auch bei anderen Gelegenheiten seine spröde Reaktion begründete. Wäre es ihm auf die kompromisslose Durchsetzung eigener Ziele (z. B. in Form von territorialer Expansion) angekommen, hätten sich eigentlich gute Gelegenheiten geboten, diese zu verwirklichen. Der Hochmeister, der durch diese eher unwillkommenen Initiativen mal wieder zur Reaktion gezwungen war, wusste diese einerseits taktisch klug abzuwehren, zeigte dabei andererseits auch eine über die reine Taktik hinausgehende Bindung an die Auffassung der Kurfürsten, die damit eine wesentliche Restriktion seiner außenpolitischen Diplomatie ausmachte. Hinsichtlich der Beziehungen zu Vytautas muss ein weiteres wiederkehrendes Element betont werden: Als im Prozess der Punkt gekommen war, an dem zumindest in den für beide Seiten wesentlichen Bedingungen eine Einigung

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sichtbar wurde, begann Vytautas mit einer anderen Taktik die Verhandlungen zu obstruieren: Er versuchte nachträglich weitere Forderungen in die Verhandlungen einzubringen. Der Hochmeister zeigte sich hier nun doch einmal regelrecht verärgert; der Vorfrieden von Garten und insbesondere die zahlreichen Klauseln, die zusätzliche Artikel verhindern sollten, belegen deutlich, dass er eine Verzögerung durch die Einbringung immer weiterer Artikel durch den Litauer verhindern wollte. Insgesamt muss Vytautas daher als der Akteur bezeichnet werden, der die Verhandlungen unter Ausnutzung aller diplomatischen Mittel anstieß bzw. stocken ließ, wie es ihm gerade nützlich erschien. Dabei stand seine Politik gegenüber dem Deutschen Orden in engem Zusammenhang mit seinen politischen Absichten im Osten. Auch der Zeitpunkt, an dem es dann doch zu verbrieften Ergebnissen kam, dürfte nicht zuletzt in sein außenpolitisches Konzept gepasst haben. Ein zeitlich begrenzter Waffenstillstand war für ihn offenbar die meiste Zeit die attraktivste Option und zugleich der kleinste gemeinsame Nenner mit dem Orden, der diesen willig anbot. Man dürfte nicht fehlgehen in der Annahme, dass es auch der Litauer war, der dazu den polnischen König und dessen Forderungen zu den ihm genehmen Zeitpunkten einband, um seine Ziele durchzusetzen. Evtl. stieß er auch die Initiative König Wenzels an oder wirkte zumindest darauf ein. Konrad hingegen reagierte fast ausschließlich nur auf die von außen an ihn herangetragenen Initiativen. Alles in allem kann man aufgrund der Art und Weise, wie Konrad Außenpolitik betrieb bzw. eher Objekt der Initiativen anderer war, von einer Zielgerichtetheit und einer Systematik der Politik nur schwerlich sprechen. Für diese Ansicht spricht auch, dass ein eigenes Wollen und eigene Ziele nicht im Übermaße erkennbar sind. Über seine handlungsleitenden Motive hinaus, die gleich zusammengefasst werden, wird deutlich, dass einige Verhandlungsaspekte vor allem auf die Wünsche des Meisters von Livland zurückgehen. Daneben war die Auffassung der Kurfürsten für ihn von großer Bedeutung. Alles in allem muss man Konrad ein gewisses taktisches Geschick in seiner Reaktion auf die an ihn von außen herangetragenen Initiativen bescheinigen; weitergehende strategische Überlegungen bzgl. außenpolitischer Ziele scheint es aber nicht gegeben zu haben. Man kann sogar so weit gehen, in ihm einen Getriebenen von auswärtigen Forderungen zu erkennen. Von Zielgerichtetheit in Konrads Politik zu sprechen, verbietet sich daher. Er kann zu diesem Zeitpunkt auf gar keinen Fall als ein Machtpolitiker mit weitreichenden Plänen bezeichnet werden! Zu 2) Damit sind auch schon die Motive und politischen Ziele Konrads angesprochen: Es muss bei einer übergreifenden Betrachtung des Prozesses letztendlich festgestellt werden, dass Samaiten für den Orden (aber auch für Vytautas) nur eine untergeordnete Rolle spielte. Vielmehr war es die Ausbreitung des Christentums – unter Ordensbedingungen, wie man verdeutlichend

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hinzufügen muss –, die von Konrad von Jungingen in dieser Phase immer wieder als vorrangiges Motiv eingefordert wurde. In den Verhandlungen mit Vytautas wurde dieser Aspekt dann auch konsequent als conditio sine qua non für einen Friedensschluss behandelt, was seine Wichtigkeit für Konrad eindrücklich hervorhebt. Auch Vytautas war dieser Umstand offensichtlich bewusst: Er setzte ihn wiederholt als taktisches Mittel ein, um den Hochmeister zunächst zur Aufnahme von Verhandlungen zu bewegen, diese aber eben dadurch scheitern zu lassen, dass er sich dann weigerte, über die Verbreitung des Christentums zu verhandeln. Es war also allen Beteiligten klar, dass in diesem Aspekt zunächst eine Einigung gefunden werden musste, wollte man zu verbrieften Ergebnissen kommen. Wollte man solche jedoch verhindern, war es für Vytautas andersherum deutlich, dass er sich hier unnachgiebig zeigen oder, um die Verantwortung abzuschieben, den polnischen König ins Spiel bringen musste, der natürlich keinen Handlungsbedarf sehen oder ein Entgegenkommen erlauben konnte. Die Bedingungen, deren Erfüllung der Orden für eine wirkliche Ausbreitung des Christentums für unverzichtbar hielt, wurden gegenüber Vytautas offen gestellt und auch mehrfach »ordensintern« dargelegt. An Verzerrungen ist daher nicht zu denken. Vielmehr spiegelt sich in diesen Forderungen weiterhin das Selbstverständnis als geistlicher Ritterorden. Konkret waren es folgende Aspekte, die Konrad schon 1396 herausgestellt hatte und die dann bis Sallinwerder immer wieder diskutiert wurden: Der Orden forderte zunächst Gehorsam gegenüber Reich und Kirche von Vytautas, da dies am Anfang seines Christentums stehen müsste. Darin ist die Grundbedingung des Ordens zu erkennen, um den Litauer als Christen zu akzeptieren. Damit eng verbunden war die Forderung, dass sich Vytautas verhalten solle, wie andere christliche Fürsten es auch täten. An zweiter Stelle stand wegen seines vielfachen Verrats der Bau von zwei oder drei Burgen sowie die Stellung von Geiseln und die Ableistung von Eiden als Versicherung für das angenommene Christentum. Erst als dritter Artikel wurde die Einhaltung der Privilegien und insbesondere derer, die Vytautas selbst dem Orden ausgestellt habe, gefordert. Samaiten wurde namentlich zunächst nicht genannt. Es wurde darunter jedoch offensichtlich subsumiert; zumindest wurde es von Vytautas so verstanden. Bemerkenswert ist, dass Vytautas die zweite Forderung für gänzlich indiskutabel betrachtete, während er die erste Forderung zwar als nicht annehmbar bezeichnete, aber immerhin einen Kompromiss erwog. Bezeichnenderweise war es die dritte Forderung, die ihm keine größeren Probleme bereitete, schließlich hatte Vytautas die Abtretung einiger Gegenden in Aussicht gestellt. Hier zeigte er sich also verhandlungsbereit. Das Verhalten des Ordens zeigt dann, dass die drei Artikel in ihrer Abfolge letztlich auch seine Prioritäten widerspiegelten. Als Vytautas nur konkrete Verhandlungsbereitschaft in Bezug auf Gebietsabtretungen zeigte, lehnte der

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Orden eine Einigung ab, da die ersten beiden Artikel von fundamentaler Bedeutung seien. Obwohl sich für den Orden hiermit die Möglichkeit auf leichte Expansion des Ordenslandes eröffnete, ging er auf dieses Angebot nicht ein. Man wird daher daraus schließen müssen, dass für Konrad von Jungingen territoriale Ausweitung tatsächlich nicht die größte Rolle spielte. Zudem handelte es sich für den Orden augenscheinlich bei Samaiten auch nicht um ein Ziel an sich. Der Orden betonte vielmehr allgemein, dass er seine Rechte aus den ihm verschriebenen Privilegien durchsetzen wollte. Er glaubte, ein besseres Recht zu besitzen und dieses auch öffentlich – v. a. gegenüber König Wenzel – vertreten zu können. Samaiten war dabei nur ein Gebiet unter vielen, das für den Orden nicht eine solch gewichtige Rolle spielte, wie es die spätere Sekundärliteratur unter Rückgriff auf geostrategische Erwägungen, die mehr neuzeitlichen militärischen Überlegungen entstammen dürften, insinuiert. Darüber hinaus deutet sich in dieser Angelegenheit noch ein weiterer Aspekt an, der in der Analyse des Vertrags von Sallinwerder noch eine besondere Rolle spielen wird und auch im dortigen Zusammenhang bislang keine verstärkte Beachtung gefunden hat. Schon hier, im Verhandlungsprozess, betonte Konrad, keine Gebiete über Samaiten und die Wildnis hinaus gefordert zu haben. Das spricht dafür, dass die Außenpolitik Konrads nicht auf eine Expansion über alle Grenzen hinaus abzielte, wie gemeinhin angenommen wird, sondern, modern gesprochen, auf eine »Konsolidierungspolitik« – aber dazu später mehr. Auf jeden Fall ist ein Abrücken von weiteren Eroberungen schon im Prozess zu erkennen. Insgesamt dürften die Ordensforderungen, die Vytautas’ Bemühungen zur Annahme und Ausbreitung des Christentums belegen sollten, daher oberste Priorität in dieser Phase vor Sallinwerder genossen haben. Gegenüber Vytautas machte es keinen Sinn, Artikel in die Verhandlungen einbringen zu wollen, die der eigenen Motivstruktur nicht entsprachen und gegenüber anderen Ordensamtsträgern müsste man erwarten, dass der Hochmeister mit offenen Karten spielte. Darin Propaganda bzw. noch pointierter die Verschleierung von Gebietsansprüchen erkennen zu wollen, dürfte doch eine Perspektive sein, die den mittelalterlichen Verhältnissen nicht gerecht wird, sondern eher neuzeitliche diplomatische und kriegerische Vorgehensweisen in das Mittelalter rückverlegt. Spricht aber nun nicht der mehrfache Ausschluss der Samaiten aus den Waffenstillständen des Ordens mit Vytautas gegen eine solche Lesart? Dass der Orden sich dadurch ein letztes Betätigungsfeld für die Litauenreisen offenhalten wollte, kann in den Quellen so nicht bestätigt werden. Bei einer solchen Annahme dürften vielmehr Ursache und Wirkung verwechselt werden. Der Ausschluss der Samaiten wurde vom Orden schließlich damit begründet, dass sich diese in früherer Zeit nicht an den Waffenstillstand gehalten hätten, den Vytautas auch in ihrem Namen abgeschlossen habe. Abgesehen von der Frage,

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inwieweit dies nun der Realität entsprach, ist diese Aussage, betrachtet man das politische Vorgehen des Ordens während dieser Zeit, nicht gänzlich unplausibel. Schließlich erkennt man im gesamten Prozess, dass der Orden sehr genau zwischen den verschiedenen Akteuren und ihren jeweils eigenen Interessen unterschied. Das scheint er auch hier getan zu haben, sodass dadurch als Wirkung oder Folge ein Betätigungsfeld blieb; dass dies auch die ursprüngliche Absicht hinter dem Ausschluss war, lässt sich nicht belegen und ist angesichts des Verhaltens des Ordens auch sonst nicht wahrscheinlich. Eine weitere Episode, die mit Samaiten in der Sache allerdings nicht direkt verknüpft war, hat jedoch ein weiteres Schlaglicht darauf gegeben, wie Konrad von Jungingen zur Frage von territorialer Expansion stand und inwieweit geostrategische Überlegungen generell eine Rolle spielten: Es ging dabei um Watland und Pleskau. Zwar wurde im Friedensprozess ordensintern auch die Frage bzgl. des Pleskauer Gebiets und Watlands diskutiert, die zumindest hinsichtlich Pleskaus im Vertrag von Sallinwerder auch expressis verbis geregelt wurde, doch zeigt auch hier der Prozess, dass eine zielgerichtete Expansionspolitik Konrads nicht darin zu erkennen ist. Es war ganz eindeutig eine Angelegenheit des livländischen Ordenszweiges, die der Hochmeister nur auf dessen Anstoß hin überhaupt zur Kenntnis nahm. Er betrachtete sie auch eher als Verhandlungsmasse. Diese sollte nicht unter allen Umständen angesprochen werden, um Vytautas nicht zu große Hindernisse bei den Verhandlungen in den Weg zu legen. Dieser Aspekt zeigt zudem, dass beim Hochmeister bzw. mehr noch beim Meister von Livland durchaus geostrategische Überlegungen eine Rolle spielten, wenn die Lage Watlands vor allem hinsichtlich der Eroberungsabsichten von Vytautas auf Nowgorod diskutiert wurde. Da solche Erwägungen bzgl. der Lage Samaitens nicht quellenkundig sind, lässt sich daraus durchaus folgern, dass die Vorstellung von Samaiten als Landbrücke offenbar für Konrad nicht präsent war. Der mögliche Einwand, diese Vorstellung sei zu selbstverständlich, um in den Quellen aufzutauchen, muss doch als etwas schwach angesehen werden angesichts der verschiedensten Situationen, in denen im Friedensprozess der Orden auch intern Erwägungen anstellte, bei denen eine solche Idee sonst sicherlich – wie im Falle Pleskau, Watland und Nowgorod – erwähnt worden wäre. Beim Watland ging es aber zudem nicht in erster Linie darum, die Machtposition zu verstärken. Handlungsleitend war nach dem ordensinternen Argument die Befürchtung, dass bei einer Eroberung von Nowgorod die Privilegien des Ordens, die bislang nicht durchgesetzt wurden, dann erst recht nicht mehr eingelöst werden könnten. Es ging also auch hier – wie schon in der Samaitenfrage – mehr um die Wahrung der Privilegien als um ein konkretes machtpolitisches Ziel. Zudem kam heraus, dass Gebietserweiterungen ohnehin kein Ziel an sich waren, sondern mehr ein Mittel, um sich gegen die »Ungläubigen« zu

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verstärken. Es ist die Missionsidee und nicht so etwas wie eine »Staatsidee«, die zu diesem Zeitpunkt noch überwiegt. In diesem Kontext müsste daher in einer territorialen Expansion sicherlich eher ein Mittel zum Zweck erkannt werden. Wenn es ein Streben danach gab, eine Art von Landesherrschaft über weitere Gebiete auszudehnen, dann vor allem um der Stiftungsaufgabe weiter und besser nachgehen zu können, die fundamental infrage zu stellen, Konrad bis jetzt offensichtlich keine Veranlassung sah. Insgesamt zeigt der Prozess bis zu diesem Zeitpunkt, dass unter Konrad von Jungingen territoriale Expansion weder im Allgemeinen noch bzgl. Samaitens im Speziellen an erster Stelle der Prioritätenliste rangierte. Es stand vielmehr die Ausbreitung des Christentums unter Ordensbedingungen im Vordergrund, die der Orden durch Eide, Geiselstellungen und Hilfe beim Burgenbau gewährleistet sehen wollte. Erst nachgelagert war der Wunsch nach Wahrung alter Privilegien. Expansion war in diesem Zusammenhang allerhöchstens Voraussetzung denn Selbstzweck bzw. eher Folge als Ziel. Geostrategische Absichten hinter einer Expansion sind bei Konrad (im Gegensatz zum Livländischen Meister) nicht zu erkennen.

2.2.3.3 Der Frieden von Sallinwerder Am 12. Oktober 1398 wurde schließlich der Vertrag von Sallinwerder zwischen dem Deutschen Orden unter Hochmeister Konrad von Jungingen und Großfürst Vytautas von Litauen geschlossen.352 In der Regel wurde diesem Vertrag eine sehr hohe Bedeutung beigemessen: Sylvain Gouguenheim subsumierte ihn unter die großen Verträge des 14. und 15. Jahrhunderts als einzigen der Verträge, die zwischen dem Frieden von Kalisch (1343) und dem Ersten Thorner Frieden (1411) abgeschlossen worden waren.353 Für Weise war dieser Frieden sogar der Ausgangspunkt seiner Edition der Staatsverträge des – damit langen – 15. Jahrhunderts, da er diesen als »Grundlage aller folgenden« Verträge und 352 SDOP, 2–3. Unter 2 ist der Hauptvertrag in der deutschen Fassung der großfürstlichen Urkunde gedruckt. Die deutsche Urkunde des Hochmeisters ist gedruckt in LivUB I 4, MCDLXXVIII (mit ausführlichem Regest unter Nummer 1783). Beide Fassungen müssen parallel genutzt werden, da nicht alle, teils fundamentalen Abweichungen von Weise ausgewiesen worden sind. Die lateinische Fassung des Großfürsten ist gedruckt in LivUB I 4, MCDLXXIX; die lateinische Fassung der hochmeisterlichen Urkunde, GStA PK, XX. HA, Pgt.Ukd. Schiebl. 53, Nr. 1b, ist ungedruckt und war im Archiv leider nicht zugänglich. SDOP, 3 (Regest) ist eine Urkunde mit Sonderbestimmungen, die den Vertrag von Sallinwerder komplettiert; gedr. Baczko, Beiträge, S. 418–419, Nr. 2. 353 Gouguenheim, Chevaliers, S. 479. Auch Krumbholtz, Samaiten, S. 21, hält ihn für einen Vertrag von großer Wichtigkeit; s. ebenso das abschließende Urteil von Błaszczyk, Dzieje, 2, S. 176.

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damit als den »gegebene(n) Ausgangspunkt« seiner Edition auffasste.354 Erstaunlicherweise fehlen jedoch Spezialstudien fast völlig, die angesichts der diesem Frieden zugeschriebenen Bedeutung und seiner – in der Regel unterschätzten – Komplexität zahlreich zu erwarten gewesen wären.355 So ist man weiterhin auf die zumeist älteren Überblicksdarstellungen angewiesen, in denen der Frieden zwar ausnahmslos genannt wird, allerdings nur die für am wichtigsten erachteten Aspekte angesprochen werden.356 Hinzu kommen Studien, die andere Fragestellungen in den Mittelpunkt gestellt und daher vorwiegend die in der jeweiligen Hinsicht relevanten Aspekte erwähnt haben.357 Der Forschungsstand ist insgesamt wenig befriedigend. Inhaltlich muss an den vorhandenen Erwähnungen vor allem Folgendes moniert werden: Zwar besteht der Frieden aus zwölf Artikeln, in denen verschiedenste Aspekte zwischen dem Orden und Vytautas geregelt wurden, doch wurde der Vertrag bezeichnenderweise schon von Weise selbst im Kopfregest auf den Erwerb Samaitens reduziert.358 Einzig die übergreifende Interpretation, dass es dem Orden mit diesem Vertrag noch einmal gelungen sei, die polnisch-li354 SDOP, S. 1. 355 Als einzige Ausnahme ist zu nennen: Neitmann, Friede. Hier werden allerdings hauptsächlich die großen Linien der Vorgeschichte hervorgehoben, der unmittelbare Entstehungsprozess jedoch fehlt im Detail, da der knappe Aufsatz auch eher an ein breiteres Publikum gerichtet ist. 356 Zum Frieden von Sallinwerder gehen über die bloße Erwähnung in unterschiedlichem Ausmaß hinaus: Boockmann, Falkenberg, S. 72–74; Krumbholtz, Samaiten, S. 22–25; Rhode, Ostgrenze, S. 354–355; Osten-Sacken, Beziehungen, S. 25 und S. 29–31; Heinl, Fürst, S. 158–170; Voigt, Geschichte, 6, S. 93–100 (mit Problemen in der Chronologie des Prozesses, v. a. auf S. 97; dazu richtigstellend Heinl, Fürst, S. 166, Anm. 1); Caro, Polens, S. 172–175; Boockmann, Orden, S. 174–176; Boockmann, Sallinwerder; Gouguenheim, Chevaliers, S. 479; Pfitzner, Witold, S. 126–127; Neitmann, Staatsverträge, S. 150–151 und S. 563–564; Hellmann, Großfürstentum, S. 756–757; Urban, Samogitian Crusade, S. 221–223; Lückerath, Konrad, S. 98–99; Kolankowski, Polska Jagiellonjw, S. 22–23; ´ ski, Władysław II Jagiełło, S. 174; Prochaska, Krjl, passim, Krzyz˙ aniakowa/Ochman v. a. S. 109–114; Bujack, Orden, S. 20; Lohmeyer, Westpreussen, S. 334–335; Krollmann, Geschichte, S. 78–79 (sehr knapp und fehlerhaft); vgl. auch ferner Błaszczyk, Dzieje, 2, passim, v. a. S. 82–89 und S. 172–176. 357 Die Grenzziehung als Schwerpunkt hat Karp, Grenzen, S. 45–46, während Krumbholtz, Samaiten, S. 21–25, diesen naturgemäß auf die Regelungen bzgl. Samaitens legt; ebd., bes. S. 22. Błaszczyk, Dzieje, 2, stellt gemäß seiner Fragestellung fast ausschließlich das Binnenverhältnis der polnisch-litauischen Union in den Mittelpunkt und betrachtet den Vertrag von Sallinwerder vorwiegend aus dieser Forschungsperspektive; passim, jedoch vor allem S. 82–89 mit der Frage, ob Sallinwerder und seine Nachgeschichte, d. h. die von Johann von Posilge berichtete Ausrufung von Vytautas zum König, als Zerschneidung der Union zu gelten hat. Ebd., S. 84, findet sich eine systematische Auflistung der Arbeiten, die in den Ereignissen um Sallinwerder einen Beleg für oder gegen den Bruch der polnischlitauischen Union gesehen haben. 358 Vgl. das Regest zu SDOP, 2, in dem aus der Vielzahl der Artikel einzig die Abtretung Samaitens hervorgehoben wird.

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tauische Union zu sprengen, da die Einwilligung des polnischen Königs nicht beim Vertrag eingeholt worden sei, hat eine ähnliche Prominenz in den bisherigen Auswertungen erlangt.359 Diese beiden Aspekte waren es dann auch, weswegen der Frieden in der Regel als Erfolg des Ordens gewertet wurde.360 Das kann angesichts der Komplexität der Regelungen nicht genügen. Es ist denkbar, dass eine solch selektive Betrachtung dann auch zu übermäßig dezidierten Urteilen geführt hat. Der Vertrag wurde so als erstrangiger und eindeutiger Beleg des Ordensstrebens nach »Macht- und Gebietszuwachs« betrachtet.361 Forstreuter kommt angesichts des Vertrags sogar zu der Auffassung, der Orden habe die Notlage von Vytautas übermäßig ausgenutzt.362 Man muss jedoch insgesamt noch einmal betonen, dass die häufig pointierten Schlüsse einerseits eben nicht aus umfassenden Detailuntersuchungen hervorgegangen und andererseits die Vertragsregelungen isoliert betrachtet worden sind ohne Einbeziehung des Friedensprozesses, der allerhöchstens in Nebensätzen Erwähnung fand, obwohl er für die Auswertung von besonderer Bedeutung ist. Um die Grundfragestellung zu prüfen, ob sich im Vertrag von Sallinwerder tatsächlich eine zielgerichtete Expansionspolitik (insbesondere nach Samaiten) und mithin reine Machtpolitik des Ordens widerspiegelt, ist es notwendig, zunächst eine Bestandsaufnahme der Regelungen des Friedens von Sallinwerder in toto vorzunehmen und die relevanten Artikel in ihrer Bedeutung auszuwerten. Danach müssen die Ergebnisse des Vertragswerks mit dem Friedensprozess kontrastiert werden. Erst im Rahmen ihrer Entstehung können die verbrieften Ergebnisse angemessen bewertet werden. Wie stellen sich die Bestimmungen also im Lichte der mikropolitischen Verhandlungen dar? Stand die territoriale Expansion, stand besonders der Erwerb Samaitens wirklich im Mittelpunkt des Friedens, wie die bisherige Forschung angesichts der Friedensergebnisse annimmt? Wurde das alles von Konrad tatsächlich systematisch vorbereitet und dann durchgeführt? Die Bestimmungen des Friedens von Sallinwerder vom 12. Oktober 1398 waren Folgende:

359 S. z. B. SDOP, S. 9; Boockmann, Falkenberg, S. 73; Krumbholtz, Samaiten, S. 21–25. 360 Pars pro toto: Gouguenheim, Chevaliers, S. 479; Boockmann, Falkenberg, S. 72–73; Kolankowski, Polska Jagiellonjw, S. 22. 361 So Heinl, Fürst, S. 163 (das Zitat ist zwar auf den Vorvertrag von Garten bezogen, aber im Sinne Heinls auch auf die Ergebnisse von Sallinwerder zu übertragen; vgl. ebd., S. 165) sowie Pfitzner, Witold, S. 127: »Wie sehr sich gerade damit der Orden in blanker Gebietsund Machtpolitik verstrickt zeigt, liegt offen zutage.« S. auch Caro, Polens, S. 174. 362 Forstreuter, Deutschland, S. 12.

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I. Hauptvertrag (12. Oktober 1398):363 a) Vytautas verpflichtet sich zur Ausbreitung des Christentums in seinen Ländern und gegenüber dem römisch-deutschen Reich und der Römischen Kirche, was andere cristene frie konige und frie fursten pflichtig sin czu thun. Er verspricht zudem, nicht gegen christliche Länder Krieg zu führen außer in Notwehr. (Dieser Artikel findet in der Gegenurkunde des Ordens – wenig überraschend – keine Entsprechung.) b) Beide Seiten verpflichten sich zur Einhaltung des Friedens. c) Beide Seiten verpflichten sich, keine Bündnisse gegeneinander abzuschließen. d) Die Grenzziehung wird mittels detaillierter Ortsangaben geregelt jeweils I.) gegen Livland, II.) gegen Preußen und III.) gegen Masowien nach Auslösung des Landes Wizna vom Deutschen Orden durch Herzog Siemowit.364 IV.) Abgeschlossen wird dieser Artikel mit folgender Bestimmung: Nach der Urkunde von Vytautas sollen alle Länder jenseits der beschriebenen Grenzen zu Livland und Preußen dem Orden verbleiben unter Verzicht auf die Rechte, die der Litauer dort hatte. Verklausuliert wird hiermit die Abtretung Samaitens an den Orden festgelegt.365 Hochinteressant ist der entsprechende Gegenartikel des Ordens. Es heißt hier wörtlich: Ouch so vorzeie wir uns vor uns, unsern orden und unsir nochkomelinge, aller ansproche, vorderunge und rechtes in des vorgenanten herren Alexandirs lande, als Littouwen und Ruessen, innehalben den vorgeschrebenen grenitzen gelegen, ab wir kein recht dorinne gehatt haben.366 e) Vytautas verzichtet auf Ansprüche auf Pleskau, der Orden hingegen auf Ansprüche auf Nowgorod.

363 Nach SDOP, 2 (deutsche Ausfertigung von Vytautas) bzw. LivUB I 4, MCDLXXVIII (deutsche Ausfertigung des Hochmeisters); vgl. ferner Johann von Posilge und Thorner Annalen, SSRP 3, S. 222–224, die zwar recht ausführlich von dem Frieden berichten, aber nur wenige konkrete Einzelaspekte zu nennen wissen. 364 Dieser Punkt fehlt unerklärlicherweise in der Urkunde des Hochmeisters; LivUB I 4, MCDLXXVIII; Pgt.Ukd. Schiebl. 53, Nr. 3, war im Archiv leider nicht zugänglich. Schon in einem Schreiben an Herzog Siemowit vom 24. September 1398, in dem es um einen Terminvorschlag für die Verhandlungen über die Auslösung der dem Orden verpfändeten Landschaften Siemowits ging, erklärte sich Konrad bereit, mit Vytautas über die Grenzen zu verhandeln; OF 2c, S. 179–180. 365 SDOP, S. 9. Es heißt in der Urkunde wörtlich: Alle die vorgeschreben jegenoten und land gelegen jenehalben den greniczen kegen Liffland und Prussen oben usgedruckt mit allen iren nutzcen bliben sullen dem orden ewiclich, der wir uns gancz vorczihen in desen kegenwertigen und alles rechtes, das wir dorinne gehat haben; SDOP, S. 11. 366 LivUB I 4, MCDLXXVIII, Sp. 219–220. Bei SDOP, 2, findet sich erstaunlicherweise kein Hinweis auf diese bedeutsame Klausel in der Ausfertigung des Hochmeisters!

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f) Beide Parteien verpflichten sich zu freiem Handelsverkehr und zu Schutz für die Kaufleute des Vertragspartners im eigenen Land. g) Beide Parteien verpflichten sich, keine Zinshaftigen der Gegenseite aufzunehmen. h) Beide Seiten vereinbaren, dass bei gemeinsamen Heerfahrten eine jede Seite die von ihnen gemachten Gefangenen behalten soll. i) Beide Seiten regeln knapp die von Weise mit dem modernen terminus technicus bezeichnete »Feldgerichtsbarkeit« bei gemeinsamen Feldzügen. j) Beide Seiten verpflichten sich, keinem Menschen und keinem Heer den Durchzug durch das eigene Land zur Schädigung des Vertragspartners zu erlauben. k) Beide Seiten verpflichten sich, keine Geächteten der Gegenseite im eigenen Land aufzunehmen. l) Beide Seiten verpflichten sich, kein Heer durch das Gebiet des Vertragspartners zu führen ohne dessen Wissen. II. Sonderbestimmung vom 14. Oktober 1398:367 a) Vytautas verpflichtet sich zur Hilfe für den Orden beim Bau von zwei Burgen innerhalb von zwei Jahren an den Grenzen des Ordenslandes. b) Er erlaubt dem Orden, sich in den nächsten acht Jahren in seinem Land innerhalb bestimmter Grenzen Stein, Kalk und Holz zu nehmen. c) Abschließend erteilt er dem Hochmeister freie Jagderlaubnis auf der litauischen Seite der Szeszuppe und des Bober auf Lebenszeit. Betrachtet man nun die Ergebnisse des Vertrags nur für sich genommen, dann kann durchaus der in der Forschung mehrfach formulierte Eindruck aufkommen, dass das Streben nach territorialer Expansion und Machtpolitik mit einem vertraglichen Erfolg des Ordens gekrönt worden war. Da ist eben die umfangreiche Grenzverschreibung, die die Grenzen Litauens gegenüber Preußen und Livland zum Inhalt hat und schon in Weises Regest mit der Abtretung Samaitens gleichgesetzt wurde. Dass Pleskau dem Orden bzw. Nowgorod Vytautas zugewiesen wurde, stützt die Ansicht, es sei dem Orden um zielgerichtete Macht- und Gebietsausweitung gegangen trotz Vytautas’ gegenleistungsloser Verpflichtung, die Ausbreitung des Christentums zu befördern. 367 SDOP, 3 (Regest); gedr. Baczko, Beiträge, S. 418–419, Nr. 2. S. Heinl, Fürst, S. 169; Bujack, Orden, S. 20; Voigt, Geschichte, 6, S. 100; Caro, Polens, S. 174–175. Warum diese Bestimmungen, von denen schon im Vorvertrag die Artikel a. und c. enthalten sind, in einer Extraurkunde verbrieft wurden, ist nicht klar. Weise vermutet, dass dies an der zeitlichen Befristung des Burgenbaus liege und daran, dass die auch sonst immer gesondert ausgestellte Jagderlaubnis zu wenig wichtig gewesen sei; SDOP, S. 13. Denkbar wäre aber auch, dass diese Artikel schlicht vergessen wurden. So etwas kam vor, wie man beim Frieden von Racianz sieht (s. u.).

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Ein solches Verständnis kann aber nur auf den ersten Blick Bestand haben, beruht es doch sowohl in seiner praktischen Genese als auch in methodischtheoretischer Hinsicht auf einem problematischen Vorgehen: Erstens wurden manche Vertragsartikel inhaltlich nur stark verkürzt rezipiert. Zweitens wurden die einzelnen Vertragsaspekte nicht in ihrer jeweiligen prozessualen Entstehung betrachtet und konnten daher nicht korrekt in den Prioritätenhorizont der Akteure eingeordnet werden. Drittens wurden der Vertrag von Sallinwerder und seine Ergebnisse in ihrer Gesamtheit nicht dem Friedensprozess im Ganzen kontrastierend gegenübergestellt. Da dieser bislang keine verstärkte Aufmerksamkeit erfahren hat, ist die Idee, dass der Prozess an sich einen Wert für die eine und/oder andere Seite haben könnte, auch bislang kaum diskutiert worden. Diese drei Verfahrensfehler sind schon einzeln problematisch, treffen diese gar zusammen, dann ist eine andere Auffassung als die oben skizzierte kaum möglich. Die ersten beiden Probleme können bei der detaillierten Analyse der für die Fragestellung relevanten Aspekte des Vertrags gemeinsam behandelt werden. An dieser Stelle muss bei den jeweils einzelnen Aspekten auch geprüft werden, welche Veränderungen zwischen dem Vorfrieden und dem Hauptvertrag zu verzeichnen sind und welche Schlüsse man daraus ziehen kann. Zwar wurde auch gegen Ende des Vorvertrags festgelegt, dass Vytautas – und dieser Artikel galt, offenbar aufgrund der schlechten Erfahrungen während des Friedensprozesses, für diesen exklusiv – keine Zusätze zum Frieden machen solle. Dennoch wurden noch einige Veränderungen vorgenommen, die von Bedeutung für die Auswertung sind, obgleich die bisherige Forschung, wie oben gezeigt, die Unterschiede entweder negiert oder als nicht relevant hingestellt hat – dies jedoch zu Unrecht. Nach der Einzelauswertung der Artikel sollen die dann besser in ihrer Bedeutung erkannten Friedensergebnisse in ihrer Gesamtheit den Strukturen des Verhandlungsprozesses gegenübergestellt werden, um die Grundfrage beantworten zu können, ob tatsächlich eine zielgerichtete und systematische Expansionspolitik von Hochmeister Konrad von Jungingen durch den Frieden von Sallinwerder mit Erfolg gekrönt war. Auf den ersten Blick scheint schon Artikel e) eindeutig zu sein, wenn der Orden zugunsten von Vytautas auf Ansprüche auf Nowgorod verzichtet und der Litauer dem Orden dafür Pleskau zuschanzen wollte.368 Pfitzner interpretiert diesen Artikel so, dass der Orden auf Pleskau viel Wert gelegt habe, weil so die 368 Hervorgehoben werden muss, dass die Vertragsparteien in der jeweiligen Ausfertigung ihrer Urkunde ausschließlich zugunsten der anderen Partei auf das entsprechende Gebiet verzichten. Dass dem auch jeweils ein Verzicht der anderen Seite gegenübersteht, geht aus den Urkunden nicht hervor, d. h. dass dem Orden Pleskau zugesprochen wird, findet sich in der Ordensurkunde selber nicht ausgedrückt. Das ist nun bemerkenswert und nicht recht zu erklären, war man doch eigentlich stets um größtmögliche Klarheit bemüht.

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Grenze gegen das schismatische Gebiet vorgeschoben würde. Der Orden habe sonst keine weiteren Ausbreitungsmöglichkeiten besessen und so » (…) wandte sich des Ordens noch mächtig treibender Ausdehnungswille weiter nach Osten (…)«.369 Handfeste oder überhaupt Belege für ein solches – aus moderner Perspektive nachvollziehbares – Gedankenspiel kann Pfitzner jedoch nicht nennen. Sie finden sich in den Quellen auch nicht. Immerhin weist er jedoch zu Recht darauf hin, dass insbesondere der livländische Ordenszweig an Pleskau interessiert gewesen sei.370 Dieser Umstand, der sich im oben dargelegten Friedensprozess schon gezeigt hatte, muss jedoch noch deutlicher betont werden: Konrad musste vom livländischen Meister aufgefordert werden, auch diesen vergessenen Aspekt noch nachträglich in die Verhandlungen einzubringen! Er ging dabei nur halbherzig auf diese Aufforderung ein, hatte dieser Artikel für ihn keine Priorität, da er Vytautas die Heranführung an das Christentum nicht erschweren wollte. Dass es dieser Artikel dann doch (offenbar entgegen Konrads Erwartung) in den Vertrag schaffte, lag wohl daran, dass Vytautas weitreichendere Pläne in dieser Region insbesondere mit Nowgorod hatte und dem Orden dafür Pleskau als »Lockmittel« (Osten-Sacken) in Aussicht stellte371 – schließlich musste er merken, dass der Orden (wenn auch nicht im Ganzen) ein gewisses Interesse hatte. Konrad von Jungingen kann man ein solches jedoch nicht zusprechen, sodass sich in diesem Artikel eben keine systematische Expansionspolitik von seiner Seite finden lässt, sondern hier mehr die Interessen des livländischen Ordenszweiges und vor allem die von Vytautas widergespiegelt werden. Das zeigt sich auch darin, dass er im Folgenden keinerlei Anstalten machte, sich um Pleskau zu bemühen.372 Die prominente Abtretung von Samaiten wird in Artikel d) geregelt. Zwar ist dieser Artikel vergleichsweise umfangreich, doch die Reduktion des Friedens von Sallinwerder auf einzig diesen Aspekt durch Weise ist – das sollte schon die Einzelaufstellung gezeigt haben – eindeutig unterkomplex und den verschiedenen Regelungen des Friedens nicht angemessen. Sie speist sich offensichtlich aus Weises editionsbestimmender Grundthese der systematischen Expansion des Ordens unter Hochmeister Konrad von Jungingen nach Samaiten. Aus diesem Grund werden zudem alle widersprechenden Aspekte dieses Artikels und des Friedensvertrags insgesamt ausgeblendet. Bemerkenswert ist schon, dass, anders als das Regest suggeriert, Samaiten namentlich nicht genannt wird. Dass die Grenzbeschreibungen de facto jedoch

369 Pfitzner, Witold, S. 127. 370 Ebd., S. 126. 371 S. Osten-Sacken, Beziehungen, S. 29–31; Zitat auf S. 31, zu einer ausführlichen Diskussion des Artikels und der Einordnung in die Pläne von Vytautas. 372 Ebd., S. 31.

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die Abtretung von Samaiten bedeuten, konnte Salys überzeugend nachweisen.373 Dass die Identifikation der kleinteiligen geographischen Angaben kein Problem nur der modernen Forschung ist, zeigen die historiographischen Quellen. Bei Johann von Posilge wird der Vertrag eher knapp behandelt, wobei nur summarisch Gebietsabtretungen und ein paar andere Aspekte herausgehoben werden.374 Die Thorner Annalen erwähnen den Friedensschluss verhältnismäßig ausführlich, doch auch hier wird darin offensichtlich nur sehr allgemein die Übergabe von Gebieten an Preußen und Livland erkannt.375 Offenbar erkennen beide Quellen im Vertrag nicht (oder zumindest nicht zuvorderst) die Abtretung von Samaiten! Augenscheinlich hatten also schon die Zeitgenossen Probleme bei der Interpretation der Klausel, die in dieser Form doch auch eher ungewöhnlich erscheint. Krumbholtz hat auf diesen sonderbaren und schwer erklärbaren Umstand der nicht expliziten Nennung Samaitens hingewiesen, da seiner Meinung nach doch gerade der Orden lebhaftes Interesse an einer eindeutigen Nennung des Gebiets hätte gehabt haben müssen.376 Er vermutet, dass Vytautas vielleicht die Sonderstellung der Samaiten als nicht mehr existierend darstellen wollte, indem er es zu seinen Ländern rechnete, über die er somit das Verfügungsrecht beansprucht habe.377 Diese Erklärung mutet aber doch etwas zu modern an. Sein anderer Erklärungsversuch, dass die Grenzen so genau fixiert worden seien,378 ist von Neitmann noch pointierter ausgedrückt worden, der in dieser Neuerung bei der Übertragung eine vorausschauende und planmäßige Politik erkennen will.379 Zumindest die Feststellung, dass somit die Grenzen genauer fixiert wurden, ist nachvollziehbar, doch müsste dann dagegen gehalten werden, dass sich dieses Verfahren nicht bei allen noch kommenden Verträgen durchgesetzt findet, was zwar nicht per se dagegen spricht, ein punktuell-modernes Verfahren aber auch nicht unbedingt wahrscheinlicher macht. Eine na-

373 Salys, Mundarten, S. 65 und S. 83–84; vgl. die Visualisierung auf der dort beigelegten Karte. Die vorangegangene Sekundärliteratur tat sich noch schwer mit der Identifizierung der geographischen Angaben; vgl. z. B. die Anmerkungen zu Johann von Posilge und den Thorner Annalen, SSRP 3, S. 222–224. 374 Johann von Posilge, SSRP 3, S. 223–224. Bei der Schilderung des Vertragsbruchs von Vytautas im Jahr 1401 rekurriert er auf Sallinwerder und erwähnt erst hier explizit, dass im Vertrag u. a. Samaiten dem Orden verschrieben worden sei; vgl. ebd., S. 241. 375 Thorner Annalen, SSRP 3, S. 222–224. 376 Krumbholtz, Samaiten, S. 22. Ein möglicher Einwand, bei dem darin eine Verschleierungstaktik seitens des Ordens gesehen wird, dem ja ohnehin häufiger Gebietshunger statt Missionseifer vorgeworfen wurde, wäre doch wohl wieder zu modern gedacht. Immerhin wähnte sich der Orden aufgrund seiner Privilegien im besseren Recht, für das er auch glaubte, öffentlich einstehen zu können, wie der Prozess gezeigt hat. 377 Krumbholtz, Samaiten, S. 22–23. 378 Ebd. 379 Neitmann, Staatsverträge, S. 563–564.

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mentliche Identifikation dieser Grenzziehungen mit Samaiten hätte dem darüber hinaus auch nicht eigentlich entgegen gesprochen. Eine abschließende Erklärung für dieses Vorgehen, dessen inhaltliche Ergebnisse offenbar auch für gut informierte Zeitgenossen nicht unbedingt auf den ersten Blick nachvollziehbar waren, bietet sich weiterhin nicht an. Jedoch wird man daraus schließen dürfen, dass der Vertrag – anders als von Weise suggeriert wird – daher nicht zuvorderst mit dem Erwerb von Samaiten assoziiert werden musste und muss, sondern dass dieser Artikel nur einer unter anderen war. Daher ist auch der Gedanke nicht fern, dass der Samaiten-Aspekt nicht nur in diesem Vertrag, sondern auch generell nicht die immense symbolische Bedeutung gehabt haben dürfte, die ihm in der späteren Forschung zugeschrieben wurde, wäre in diesem Fall eine namentliche Nennung doch die naheliegendere Lösung gewesen. Zumindest die Zeitgenossen dürften mit diesem Vertrag so nicht zwingend die Schaffung einer Landbrücke für sich visualisiert haben, was generell darauf hindeutet, dass das Konzept eher einer modernen Denkweise entspricht. Dass der Orden zumindest teilweise geopolitische Vorstellungen hatte, konnte anhand der livländischen Ansprüche auf Watland gezeigt werden. Sollte ein solches Konzept auch im Vorwege des Vertrags von Sallinwerder im Hinblick auf Samaiten wirkmächtig gewesen sein, wäre wohl doch irgendein Hinweis im Vorwege oder doch auch eine andere Formulierung im Vertrag erwartbar gewesen – zumindest sollte man davon ausgehen, wenn dieser Aspekt tatsächlich die Bedeutung gehabt hätte, die ihm von der Nachwelt zugesprochen wurde.380 Überhaupt konnte schließlich schon bei der Prozessanalyse gezeigt werden, dass Samaiten an sich in der Prioritätenliste des Ordens nicht an erster Stelle stand. Vytautas hatte dem Orden dieses Gebiet vielmehr aktiv angedient. Der Hochmeister ging allerdings nicht darauf ein, sondern bestand darauf, dass der Litauer zunächst versprechen sollte, das Christentum zu befördern. Das tat Vytautas nun aber erst in diesem Vertrag. Es wäre nun zwar überpointiert, davon zu sprechen, dass dem Orden Samaiten aufgedrängt worden wäre, immerhin hatte er Privilegien, deren Durchsetzung zuweilen angesprochen wurden. Die conditio sine qua non war die Übergabe Samaitens jedoch nicht. Eine schnelle Einigung in diesem Punkt war möglich, da weder der Orden noch Vytautas größtes Interesse an dem Gebiet hatten. Vytautas sanierte sich vielmehr auf Kosten der Samaiten. Schon aus diesen Gründen kann man schwerlich davon sprechen, dass der 380 Der denkbare Einwand, der Landbrückengedanke sei zu selbstverständlich gewesen, um Niederschlag in den Quellen zu finden, ist aus erkenntnistheoretischen Gründen schwierig zu entkräften. Es scheint jedoch im Sinne von Ockhams Rasiermesser die einfachere und naheliegendere Erklärung zu sein, dass eine unterlassene Erwähnung bedeutet, dass dieser Aspekt auch tatsächlich keine (wesentliche) Rolle gespielt hat.

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Orden mit Sallinwerder eine zielgerichtete und systematische Expansionspolitik v. a. Richtung Samaiten betrieb. Samaiten wurde zwar erworben, aber weniger durch besondere Anstrengungen des Ordens, sondern weil Vytautas es als Verhandlungsmasse ansah. Zudem war dieser Aspekt auch nur einer unter mehreren anderen im Friedensvertrag. Doch auch dieser Artikel selbst enthält noch Punkte, die gegen die Expansionsthese sprechen. In der modernen Literatur – und nicht zuletzt in Weises Edition – wird häufig unterschlagen, dass durch die neuen Grenzziehungen auch Gebiete des Ordens an Vytautas abgetreten wurden: Der Orden verzichtete auf Teile Seloniens und Sudauens.381 Karp, ebenso wie vorher schon Mortensen, will hier eine Gegenleistung für Samaiten erkannt haben.382 »Damit kommt zum ersten Mal in der Ordensgeschichte die Abtretung von allgemein anerkanntem Ordensbesitz an Litauen und die Verlegung der Grenze des Ordensstaates nach Westen in Frage.«383 Boockmann hält diese Gebiete jedoch für unbedeutend und folgert daraus umstandslos, dass der Vertrag ein Erfolg für den Orden war.384 Wie dem auch sei, alleine die Abtretungen dürften doch zeigen, dass es eine reine und ausschließliche Expansionspolitik des Ordens, wie vielfach unterstellt, nicht gab. Politische Verhandlungen konnten also auch dazu führen, dass sich Konrad von Jungingen zu einer Gebietsreduktion bereit sah. Das war aber noch nicht alles: Zum Abschluss der Artikel über die neuen Grenzen verzichtete Konrad auf alle weiteren Forderungen nach Gebieten Litauens und Russlands! Der oben wörtlich angeführte Artikel der hochmeisterlichen Urkunde wurde von Weise, der nur Vytautas’ Ausfertigung und dessen Verzichtserklärung druckt, jedoch vollkommen unterschlagen, weswegen die neuere Literatur diesen Artikel offensichtlich nicht mehr wahrgenommen hat. Nur Bujack (1869) hat diesen Artikel bislang explizit behandelt und als Verzicht des Ordens auf weitere Expansion gegen Litauen angeführt.385 Der Orden hatte also eben nicht vor, zunächst Samaiten und dann das restliche Litauen zu erobern. Der Vertrag von Sallinwerder im Allgemeinen und der Verzichtsartikel im Besonderen zeigen damit eindeutig, dass der Orden nicht auf Expansions-, sondern eher auf einer Art Konsolidierungskurs war. Dieser Verzichtsartikel wurde erst in Sallinwerder aufgenommen. Im Vorfrieden von Garten war davon noch nicht die Rede. Offenkundig konnte Vytautas den Orden bei den abschließenden Verhandlungen von seiner Aufnahme überzeugen. Da Vytautas im gleichen Vertrag die Christianisierung zugesagt hatte, entspricht ein solcher Verzicht auf weitere Gebiete wohl auch ohnehin den üblichen Spielregeln unter 381 382 383 384 385

Karp, Grenzen, S. 45–46. Ebd.; ebenso Mortensen, Beiträge, S. 23–24. Ebd., S. 23. Boockmann, Orden, S. 175. Bujack, Orden, S. 20.

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christlichen Herrschern, die nun der Orden, da dies alles unter Ordensbedingungen geschah, auch anwenden wollte. Insgesamt war dieser Artikel dennoch kein Misserfolg für den Orden. Zwar rangierte Samaiten nun nicht an oberster Stelle der Prioritätenliste, doch konnten somit ältere Rechte eingelöst werden. Die Abtretung der kleineren Gebiete schmerzte offenbar ebenso wenig wie der Verzicht auf weitere Gebiete Litauens und Russlands. Für Vytautas ist daher hier – entgegen der gängigen Auffassung – ein deutlicher Erfolg zu erkennen: Er erhielt (kleinere) Gebiete und die wichtige Bestätigung, dass der Orden über Samaiten hinaus, das der Litauer ohnehin eher als Verhandlungsmasse betrachtete,386 keine weiteren Ansprüche stellte. Der Gewinn war groß für einen geringen territorialen Einsatz – zumal die Herrschaft aufgrund der recht großen Unabhängigkeit der Samaiten doch sowieso erst einmal durchzusetzen gewesen wäre. Als Fazit für die Grundfragestellung kann festgehalten werden: Obwohl Samaiten nun mit diesem Artikel dem Orden zugesprochen wurde, muss nach der den Friedensprozess und vor allem den vollständigen Artikel einbeziehenden Analyse gesagt werden, dass dieser nichts weniger als den Beweis einer zielgerichteten Expansionspolitik von Seiten Konrads liefert, sondern allerhöchstens eine Art Konsolidierungspolitik nahelegt, die auch Gebietsreduktion und Verzicht auf weitergehende Pläne beinhaltete. Als wesentlicher Einsatz – oder besser gesagt als Voraussetzung – für diese territorialen Regelungen ist der erste Artikel in Vytautas’ Ausfertigung zu erkennen, in dem dieser sich mit seinen Herzögen und Bojaren zur Ausbreitung des Christentums in seinen Ländern und zu einem Verhalten gegenüber dem römisch-deutschen Reich und der Römischen Kirche verpflichtet, was andere cristene frie konige und frie fursten pflichtig sin czu thun. Er verspricht zudem, nicht gegen christliche Länder Krieg zu führen außer in Notwehr. Schon die Stellung des Artikels an erster Position des Friedensvertrages von Sallinwerder zeigt seine symbolische Bedeutung: Dieser Artikel ist die Voraussetzung für alle anderen Regelungen. Offenkundig ist hier ein gegenleistungsloses Entgegenkommen von Vytautas zu erkennen, um den Friedensschluss überhaupt erst zu ermöglichen. Pfitzner und Krollmann haben zwar gänzlich negiert, dass der Vertrag Aspekte enthält, die der Ausbreitung des Christentums dienen sollten.387 Sie überspitzen damit offensichtlich die Auffassung, die schon Caro angeführt hat, der im Frieden den Beweis dafür sieht, dass die im Sinne des Christentums gestellten Forderungen nur Mittel zur Erlangung besserer materieller und ter386 Auch Heinl vertritt den Standpunkt, dass Samaiten und die Wildnis für Vytautas wenig Bedeutung gehabt hätten; Heinl, Fürst, S. 165. 387 Pfitzner, Witold, S. 126; Krollmann, Geschichte, S. 79.

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ritorialer Zugeständnisse gewesen seien.388 Das sind angesichts des Prozesses, bei dem schon gezeigt werden konnte, dass ein solcher Artikel in seiner Wichtigkeit deutlich vor Samaiten rangierte und den Frieden überhaupt erst ermöglichte, unhaltbare Auffassungen. An einer solchen fehlenden Zusage war eine frühere Einigung schließlich stets gescheitert. Der Orden bestand auf diesem Artikel und war auch nicht bereit, allein für territoriale Gewinne darauf zu verzichten, während es Vytautas bislang immer abgelehnt hatte, sich darauf einzulassen, wie die Prozessanalyse gezeigt hat. Boockmann hingegen sieht in diesem Artikel zwar kein Zugeständnis in der Sache seitens Vytautas’, aber immerhin der Form nach und wertet dies daher dennoch als einen Erfolg für den Orden, da Vytautas zur Christianisierung seines Landes scheinbar gezwungen worden sei – und zwar durch den Orden; zudem ließ sich der Litauer somit auf beide Universalgewalten, Reich und Kirche, urkundlich verpflichten.389 Dem kann man im Wesentlichen zustimmen. Der Orden hatte sein wichtigstes Ziel erreicht: die Verpflichtung Vytautas’ zur Verbreitung des Christentums unter Ordensbedingungen. Offensichtlich hatte dieser Artikel aber auch einen Nutzen für Vytautas. Der dafür einschlägige und schon mehrfach zitierte Satz hat bislang zu wenig Aufmerksamkeit erfahren: was andere cristene frie konige und frie fursten pflichtig sin czu thun. In Anbetracht seiner vielfachen Taufen mit zwischenzeitlichen Rückfällen ins Heidentum muss diese Klausel dann doch eine eindeutige Anerkennung von Vytautas als christlicher Herrscher durch den Orden in diesem Moment bedeuten, ohne die eben ein Vertrag nicht möglich gewesen wäre. Zwar musste der Litauer bei diesem Artikel über seinen Schatten springen, um den Friedensschluss zu ermöglichen. Nicht zuletzt dürfte dies aber die Voraussetzung für einen Verzichtsartikel auf litauische Gebiete über Samaiten hinaus gewesen sein. Zudem konnte Vytautas sich dadurch verbriefen lassen, gegen christliche Herrschaften in Notwehr Gewalt ausüben zu können, ohne dass es ihm – zumindest theoretisch – gleich als Rückfall ins Heidentum ausgelegt würde.390 Es wurde schon darauf hingewiesen, dass das Wort frie noch nicht im Vorfrieden von Garten enthalten war, sondern erst im Vertrag von Sallinwerder auftaucht391 und durch doppelte Nennung besonders betont wird. Eine Erklärung wurde dafür noch nicht gefunden, dennoch scheint dieser Aspekt für Vytautas offensichtlich wichtig gewesen zu sein. Hiermit sollte wohl betont werden, dass er auch nach seinem Versprechen, das Christentum zu verbreiten, nicht unter die Botmäßigkeit des Ordens fallen, sondern als gleichberechtigter 388 389 390 391

Caro, Polens, S. 174. Boockmann, Falkenberg, S. 72. So schon Ebd., S. 73. Ebd., S. 72, Anm. 87.

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Herrscher Litauen frei regieren wollte. Dass der Orden sich darauf einließ, dürfte zeigen, dass er tatsächlich keine Ansprüche mehr auf Litauen zu stellen gedachte, wie dann auch der Verzichtsartikel bestätigt. Das war aber noch nicht alles, was durch die Christianisierungklausel für Vytautas erreicht werden konnte. Nicht nur die Beilegung bestehender Konfliktpunkte war ein Ergebnis. Es dürfte vor allem die damit geschaffene Möglichkeit der zukünftigen Kooperation mit dem Orden gewesen sein, die Vytautas dazu bewogen hatte, sich auf diese lange vermiedene Zusage einzulassen. Schließlich verfolgte er nicht nur eine Westpolitik gegenüber dem Orden, sondern auch eine Politik nach Osten hin.392 Johann von Posilge berichtete für den vorangegangenen Sommer – zur Erinnerung: der Artikel zur Verbreitung des Christentums war grundsätzlich schon im Vorfrieden von Garten vereinbart – von einem Feldzug des Litauers gegen die Tataren mit (kleinerer) Unterstützung aus Preußen:393 Item in desim zomir czog Wytowt mit eyme groszin here von Littowin, Russin und cristin, und worin etliche mete von Pruszin, adir ir was nicht vil; und czogin hin ken Tatern (…). Leider finden sich dafür keine anderen zeitgenössischen Belege.394 Zwar weiß Johann von Posilge teilweise Genaueres zu berichten als die überlieferten Quellen, teilweise finden sich bei ihm jedoch auch Fehler, sodass der Wert dieser Information nicht abschließend bewertet werden kann. Allein undenkbar ist es nicht, dass schon jetzt, modern gesprochen, ein kleines Expeditionscorps aus Preußen einen Zug gegen die Tataren begleitete,395 sollte doch im folgenden Jahr ein größeres Ordenskontingent unter Führung von Vytautas die Niederlage an der Worskla erleiden. Eine ausdrückliche Verpflichtung zur Hilfeleistung gegen die Tataren findet sich in diesem Vertrag erstaunlicherweise jedoch nicht. Diese wurde, so die Vermutung von Rhode, wohl mündlich vereinbart396 und/oder ergab sich schon aus der vorangegangenen Teilnahme am Feldzug. Doch das muss eine Vermu392 Osten-Sacken, Beziehungen, S. 26–27. 393 Johann von Posilge, SSRP 3, S. 222. 394 Sarnowsky, Mongols, S. 258, weist ergänzend darauf hin, dass Paul Pole in einem Fragment seiner Preußischen Chronik von 60 Mann berichtet, die unter Eberhard von Wallenfels gegen die Tataren gekämpft hätten; Paul Pole, SSRP 5, S. 226. Als ein sicherer Beleg kann das aber nicht angesehen werden. Zum einen ist die Chronik, die im 16. Jahrhundert entstanden ist, von den Ereignissen doch sehr weit entfernt. Zum anderen deutet auch die Stelle selbst in ihrem Kontext darauf hin, dass der Autor in der Chronologie recht unsicher gewesen ist. 395 Heinl, Fürst, S. 167; Rhode, Ostgrenze, S. 355; Boockmann, Falkenberg, S. 74, sprechen sich für die Glaubwürdigkeit von den Informationen Johanns von Posilge aus. Zu den Kämpfen des Ordens gegen Mongolen und Türken im Überblick s. Sarnowsky, Mongols, der abschließend zu Recht darauf hinweist, dass der Orden hier nicht die wichtigste Rolle gespielt hat, diese Gelegenheiten jedoch zeigen, dass die Stiftungsaufgabe niemals ganz aus den Augen verloren wurde; ebd., S. 262. 396 Rhode, Ostgrenze, S. 355.

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tung bleiben. Dass jedoch gemeinsame Aktionen angedacht worden waren, zeigen die Artikel des Vertrags von Sallinwerder, in denen die Kriegsbeute und die »Feldgerichtsbarkeit« (Weise) bei gemeinsamen Feldzügen geregelt wurden. Man wird Neitmann darin Recht geben müssen, dass die Kriegshilfe gegen die Tataren so gedanklich vorbereitet wurde.397 Damit ist hier der in die Zukunft weisende Aspekt des Vertrags zu erkennen.398 Ein gemeinsames Vorgehen gegen die Tataren war für den Orden möglich, wenn sich Vytautas zur Verbreitung des Christentums in Litauen verpflichtete. Das dürfte auch Vytautas gemerkt haben, der sich vor allem aus diesem Grund nun genau jetzt darauf einließ und den Vertrag von Sallinwerder mit den entsprechenden Klauseln abschloss.399 Nicht recht erklärlich bleibt jedoch, warum die Tataren im Vertrag dann nicht explizit als Gegner genannt werden. Schließlich wäre hiermit ein neuer zu christianisierender Gegner gefunden worden, mit dessen Bekämpfung der Orden seine Stiftungsaufgabe vor der christlichen Öffentlichkeit bestens hätte belegen können. Es lässt sich nur vermuten, dass sich die Verhältnisse nach der Niederlage im folgenden Jahr zu schnell änderten, um diese Situation zu propagieren. Dass in den hier analysierten neutral gehaltenen Artikeln ein neues Betätigungsfeld für den Orden angedacht wurde, dürfte die historische Gesamtsituation nahelegen. Dass es als solches nicht genannt wurde, lässt darauf schließen, dass auch diese Pläne eher von Vytautas ausgegangen sind, der in diesen Bereichen schon länger Erfahrung hatte. Der Orden wollte vielleicht erst einmal abwarten, wie sich diese Situation entwickelte, bevor hier Festlegungen getroffen wurden, auf deren Einhaltung später hätte bestanden werden können. Aber letztlich muss das angesichts der Quellenlage reine Vermutung bleiben. Damit wären die Artikel analysiert, die für die Frage als relevant betrachtet werden müssen, ob sich im Vertrag von Sallinwerder eine systematische territoriale Expansionspolitik von Seiten Konrads von Jungingen widerspiegelt. Die Analyse der Einzelartikel unter Berücksichtigung von erstens ihrer Vollständigkeit und ihrer jeweiligen Komplexität, zweitens ihrer aus dem Prozess ermittelten Priorisierung und drittens ihrer Veränderung im Vergleich zum Vorfrieden zeigen dann schon ein gänzlich anderes Bild als die bisherige Forschung skizziert hat: Den Vertrag als Ausweis von Gebiets- und Machtpolitik zu verstehen, geht danach nicht mehr an. Zwar wurde dem Orden Samaiten zuge397 Neitmann, Friede, S. 334. 398 Dem möglichen Einwand, dass hier eher an Feldzüge gegen Nowgorod und Pleskau gedacht worden sei, da diese schließlich im Vertrag stünden, ließe sich entgegenhalten, dass diese Expansionspläne im Folgenden nicht die Rolle gespielt haben wie die Kriegszüge gegen die Tataren. 399 Hellmann erkennt darin den einzigen Grund für den Vertragsabschluss; vgl. Hellmann, Grossfürstentum, S. 757. Angesichts der Vielzahl der Artikel ist dieser Schluss selbstverständlich zu pointiert.

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sprochen, doch war das ein Aspekt, der vom Orden vorher nicht prioritär behandelt worden war und gleichzeitig auch die Abtretung von Teilen Sudauens und Seloniens sowie v. a. den Verzicht auf das restliche Litauen bedeutete. Hier hatte nicht zuletzt Vytautas seine Interessen durchgesetzt, v. a. wenn man sich vor Augen hält, dass der Einsatz des notorisch unzuverlässigen Samaitens durchaus überschaubar war. Auch hinsichtlich der Regelung von Pleskau und Nowgorod konnte gezeigt werden, dass das Interesse Konrads gering war und auch hier mehr der Litauer sich seine Ziele reservieren konnte. Das Gleiche gilt für die in Aussicht genommene Kooperation gegen die Tataren, wo der Nutzen für Vytautas unmittelbar, der für den Orden jedoch ungewiss war, was erklären dürfte, warum hier keine namentliche Nennung erfolgte. Das schon im Prozess beobachtete Pochen Konrads auf Verbreitung des Christentums durch Vytautas ist als erste Priorität des Ordens auch im Friedensvertrag zu erkennen und eben nicht als Bemäntelung von Expansionsplänen. Samaiten hätte der Orden schließlich schon früher haben können bei Verzicht auf diesen Artikel. Paradoxerweise spiegelt sich also in den Artikeln, die auf den ersten Blick auf einen Expansionswillen des Ordens hindeuten, zum einen mehr der Macht- und Gebietshunger von Vytautas, um in der älteren Diktion zu bleiben. Zum anderen zeigt sich damit, dass dieser der eigentliche Herr des Verfahrens war. Das manifestiert sich auch darin, dass die Veränderungen zwischen dem Vorfrieden von Garten und dem endgültigen Frieden zugunsten von Vytautas ausfielen. Genannt sei nur, dass der hochmeisterliche Verzichtsartikel auf Gebiete über Samaiten hinaus neu ist. Vor allem aber wird einer Bestätigung des Friedens durch den polnischen König nun überhaupt nicht mehr gedacht. Stellt man nun noch abschließend den Friedensprozess in seinen Strukturen den Ergebnissen des Vertrags gegenüber, dann muss gesagt werden, dass auch jener nicht etwa eine planmäßige und systematische Politik Konrads bezeugt. Die Strukturen des Prozesses zeigen vielmehr, dass auch hier Vytautas der Herr des Verfahrens war, der den Zeitpunkt für den Vertragsabschluss bestimmte, der für seine Pläne günstig war. Insbesondere das Zustandekommen des Vertrags selbst hing von Vytautas ab. Warum ging Vytautas gerade im April 1398 auf Bedingungen ein, die er vorher doch immer abgelehnt hatte? Die Antwort dürfte lauten, weil für den Sommer schon ein kleiner Zug gegen die Tataren geplant war. Im Oktober kam dann der endgültige Frieden zustande, um im nächsten Jahr mit Ordenshilfe groß gegen die Tataren ziehen zu können. Bis zu diesem Zeitpunkt waren Vytautas’ Pläne andere; es reichten ihm offensichtlich die hier mit dem Orden immer wieder abgeschlossenen Waffenstillstände, die ihm eine Atempause ermöglichten, aber nicht zwangen, verbriefte Ergebnisse eingehen zu müssen. Der Prozess bzw. dessen Verzögerungen hatten für Vytautas daher schon einen Wert an sich. Konrad unter diesen Umständen eine zielgerichtete Expansionspolitik zu bescheinigen, ist daher verfehlt. Vielmehr reagierte er nur

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auf die Initiativen von Vytautas (und teils auch des livländischen Ordenszweiges). Eigene Absichten und Ziele, die über den Christianisierungsartikel hinausgehen, sind hingegen kaum zu erkennen oder etwa gar wirkmächtig gewesen. Der Frieden von Sallinwerder muss insgesamt angesichts seiner Regelungen als ein Vertragswerk von einiger Bedeutung betrachtet werden. Der Grund dafür sollte aber weder darin liegen, dass dem Orden Samaiten zugesprochen wurde, noch in der Annahme, dass sich hier eine erfolgreiche Expansionspolitik Konrads spiegelt mit der höchsten Höhe der Machtstellung, wie Weise es in seiner Edition darstellt. Zwar wurde Samaiten erworben; dass dahinter aber keine systematische Politik Konrads steckte, ist hinlänglich gezeigt worden. Dass die Vorgänge dann damit auf alles andere als den oder einen Höhepunkt der Machtpolitik des Ordens hindeuten, ergibt sich daraus, dass Vytautas von Anfang bis Ende Herr des Verfahrens war und Konrad nur immer reagierte. Es war die Annahme des Christianisierungsartikels durch Vytautas, die eigentlich eine neue Zeit zwischen dem Orden und dem Litauer beginnen lassen sollte. Alte Konfliktpunkte konnten so abschließend geregelt werden. Damit ist an die Abtretung von Samaiten seitens Vytautas’ und an den Verzicht auf das übrige Litauen durch den Orden gedacht. Darüber hinaus wurde eine Kooperation für die Zukunft gegen Pleskau bzw. Nowgorod und vor allem gegen die Tataren vorbereitet. Das Friedenswerk war daher nichts anderes als ein groß angelegter Kooperationsvertrag unter Ausschluss des polnischen Königs. Auf seine Zustimmung, die einzuholen noch in Garten vereinbart worden war, kam man nicht mehr zurück. Die Bedeutung des Vertrags ist daher nicht zu unterschätzen, stellte er doch eine grundsätzliche Einigung zwischen Vytautas und dem Orden dar. Es dürfte allein die bald darauf folgende Niederlage von Vytautas gewesen sein, die ihn von einer Ostpolitik unter Einschluss des Ordens abkommen und sich wieder auf den Westen konzentrieren ließ. So schnell Vytautas die Einigung mit dem Orden als Option für die Durchsetzung von Möglichkeiten im Osten zog, so schnell änderte er seine Pläne, als sich die Gesamtlage nach der Katastrophe an der Worskla wandelte. Betrachtet man nur die Lebensdauer des Vertrags (bis 1401), dann hatte er eher eine kurzfristige Bedeutung. Für den Moment bedeutete er jedoch durchaus einen Erfolg für den Orden400, aber auch insbesondere für Vytautas, der im Gegensatz zu Rhodes Auffassung401 eben keinen hohen Preis zahlte, um sich für den Kampf im Osten freizumachen und zu zeigen, dass er eine eigenständige Politik beitreiben wollte. Dass der Orden die Notlage von Vytautas übermäßig ausnutzte, wie Forstreuter behauptet hat, davon kann erst recht keine Rede mehr sein. Es konnte gezeigt werden, dass 400 Gouguenheim, Chevaliers, S. 479, bezeichnet ihn als »ind8niable succHs« für den Orden, überschätzt dabei aber die Konzessionen von Vytautas. 401 Rhode, Ostgrenze, S. 355.

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Vytautas für einen relativ geringen Einsatz402 ein Maximum an Gegenleistung herausschlagen konnte. Einzig der König von Polen blieb außen vor und wurde gänzlich übergangen, sodass hier der eigentliche Verlierer dieses Vertrags zu erkennen ist. Auch in diesem Punkt hatte sich Vytautas nämlich durchsetzen können. Im Vorfrieden von Garten war es schließlich noch vorgesehen, dass er eine Bestätigung von Władysław-Jagiełło auf Verlangen des Hochmeisters beibringen sollte. Heinl hatte in dem Vorbehalt zu Recht eine Vorsichtsmaßregel des Ordens gesehen, um sich gegenüber Polen zu decken.403 Davon konnte Vytautas den Hochmeister aber offensichtlich abbringen.404 Allein dieser Umstand sollte doch zeigen, dass es dem Hochmeister nicht darum ging, die polnisch-litauische Union mit dem Vertrag von Sallinwerder »zu sprengen«. Eher aus realpolitischen Erfahrungen behandelte er sowohl Vytautas als auch den polnischen König als zwei Parteien. Das war vielmehr von Vytautas in solcher Weise beabsichtigt, sodass der Vertrag von Sallinwerder in dieser Hinsicht ein Zeichen an den polnischen König und ein zusätzlicher, die autonome Stellung des Litauers bestätigender Erfolg war. Alles in allem war Vytautas der Hauptgewinner beim Vertrag von Sallinwerder, wohingehend der Orden mit den Ergebnissen sehr gut leben konnte, während der polnische König eine Einigung zweier politischer Konkurrenten gegen sich erkennen musste.

2.2.3.4 Die Zwischenvertragszeit: Der Orden und Samaiten zwischen Sallinwerder und Racianz Mit dem Vertrag von Sallinwerder wurde – wie gesehen – Samaiten dem Orden zugesprochen, der jeweilige Anspruch auf Nowgorod und Pleskau vertraglich verbrieft und ein Zug gegen die Tataren vorbereitet. Dass diese nur auf den ersten Blick eindeutigen Ergebnisse dennoch keine territorialen Expansionsabsichten Konrads von Jungingen belegen, konnte gezeigt werden. Jedoch waren diese Vertragspunkte nun einmal festgelegt, weswegen geprüft werden muss, ob sich nicht vielleicht davon ausgehend eine Ausdehnungspolitik des Ordens entwickelte. Wurde jetzt vielleicht doch der Erwerb Samaitens zielgerichtet vom Hochmeister in den Blick genommen und umgesetzt? Sind darüber hinaus Ausbreitungsabsichten in die anderen Richtungen zu erkennen? Wie gestaltete sich also die Politik des Ordens in der Zeit zwischen dem Vertrag von Sallin402 Zudem ist noch nichts darüber gesagt, wie sich Vytautas gegenüber Samaiten, das der Orden schließlich noch in Besitz nehmen musste, verhalten hätte, wäre seine Politik bei den Tataren erfolgreich gewesen. Immerhin fürchtete der Orden schließlich zuweilen, dass Eroberungen im Osten den Litauer noch weiter hätten erstarken lassen. 403 Vgl. Heinl, Fürst, S. 162–163. 404 Caro, Polens, S. 172–173.

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werder und dem von Racianz? Welche Motive lagen hier den Handlungen zugrunde? Eingeteilt werden kann die Zwischenvertragszeit in zwei Phasen: a) Die Zeit nach dem 12. Oktober 1398 bis Anfang 1401:405 Zu Beginn dieses Zeitraums waren die Samaiten noch unabhängig und selbstständig, während sie am Ende unter der Herrschaft des Ordens standen.406 b) Anfang 1401 bis zum 12. Juli 1403: Zu Beginn des Jahres 1401 ist dann der Bruch des Vertrags von Sallinwerder durch Vytautas und der Abfall der Samaiten vom Orden und ihre Unterstellung unter die Herrschaft Litauens zu verzeichnen.407 Mit dem 12. Juli 1403 beginnt jedoch schon die Vorgeschichte zum Frieden von Racianz, die daher erst im Folgekapitel behandelt wird. 2.2.3.4.1 Die Unterwerfung Samaitens (12. Oktober 1398 – Anfang 1401) Schon am 8. November 1398, d. h. kurz nach dem Friedensschluss von Sallinwerder, wandte sich der Hochmeister wieder schriftlich an Vytautas.408 Der Anlass für diese Kontaktaufnahme war, dass sich Konrad für das Verhalten des livländischen Ordensmeisters entschuldigen musste, der den Unmut von Vytautas provoziert hatte. Der Stein des Anstoßes ist nicht hundertprozentig klar. Es heißt im Brief, dass der livländische Ordensmeister meint, wer under uns und im in den landen den ersten vorth (voet?) setzet, das dem das landt do bleiben solde (…). Bei dem Wort vorth handelt es sich um eine Verschreibung. Bunge vermutet, dass eigentlich voet, d. h. Fuß, gemeint wäre, ist sich dabei aber unsicher, wie das Fragezeichen anzeigt. Höchstwahrscheinlich dürfte es jedoch voith, d. h. Vogt, heißen. Wie dem auch sei: Es wird auf jeden Fal deutlich, dass es um die Inbesitznahme von Ländern ging. Offensichtlich war der livländische Meister in dieser Angelegenheit vorgeprescht. Es wird daraus deutlich, dass nicht Konrad es war, der eine zielgerichtete Expansionspolitik betrieb, sondern der Meister in Livland eine solche im Sinne hatte – im Zweifel auch gegen das Ordensoberhaupt. Die Ursache war offenbar das Konkurrenzverhältnis zwischen den Ordenszweigen, womit Konrad das Verhalten des Meisters gegenüber Vytautas nun entschuldigte. Dass Konrad nicht auf Expansion bedacht war, zeigt auch der zweite in diesem Schreiben angesprochene Aspekt: Bei den nach dem Vertragsabschluss umzusetzenden Fragen der Grenzzuschreibung sagte er zu, 405 Urban, Samogitian Crusade, S. 226, setzt das Ende seines Buches für das Jahr 1399 fest. Diese Einteilung verwundert und muss doch als etwas abrupt und wenig einsichtig erscheinen, war der Kampf um Samaiten doch hier noch nicht beendet. Einen inhaltlich sinnvollen Einschnitt bildet diese Zäsur nicht. 406 Almonaitis, Zˇemaitijos, zit. nach Błaszczyk, Dzieje, 2, S. 216. 407 Ebd.; vgl. zu diesem Zeitraum Błaszczyk, Dzieje, 2, S. 283–287. Goyski, Stosunki, S. 28, hat für diese Phase das entsprechende Kapitel zu Recht mit »Intrygi dyplomatyczne« überschrieben. 408 OF 2c, S. 181; gedr. LivUB I 4, MCDLXXX; vgl. Krumbholtz, Samaiten, S. 25.

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sich ganz nach dem Litauer zu richten und versprach ihm, Bevollmächtigte zur Bestimmung zu übersenden. Auch hier wird deutlich, dass solche Fragen dem Hochmeister nicht allzu wichtig waren und von zielgerichteten Expansionsabsichten seinerseits daher nicht gesprochen werden kann. Auch dass die Pleskauer Frage für Konrad keine Herzensangelegenheit war, zeigte sich im Jahre 1398. Vytautas hatte sich nun nach der »Aufteilung der Interessensphäre« beim Hochmeister über Schädigungen durch die Pleskauer beschwert.409 Konrad antwortete auf diese Beschwerden nun, dass er dem Meister in Livland befohlen habe, die Pleskauer zum Frieden mit ihm, Vytautas, zu ermahnen. Konrads Blick war offenbar entgegen Vytautas’ Vorstellung auf Friedenswahrung und nicht auf einen militärischen Konflikt gerichtet. Wie Osten-Sacken schon richtig festgestellt hat, enthält der Brief letztlich die Aufforderung, Vytautas möge sich mit Pleskau selbst auseinandersetzen.410 Alles in allem belegt dieser Brief, dass der Hochmeister an einem Kampf mit und einer Unterwerfung von Pleskau kein Interesse hatte. Dass eine expansive Energie Richtung Russland von Vytautas und nicht von Konrad ausging, belegt noch ein Brief vom Ende des Jahres 1399. Hier bat der Hochmeister Vytautas, die Botschaft wegen der Russen von Weihnachten bis kurz nach Ostern zu verschieben.411 Zwar bleibt der konkrete Sinn enigmatisch, doch schreibt Konrad überdies, dass er von den dortigen Angelegenheiten wenig Kenntnisse habe. Das dürfte ein Beweis mehr dafür sein, dass es Vytautas war, der sein Augenmerk nach Osten richtete.412 Er war es, der offenbar die Hilfe des Ordens in diesen Regionen erlangen wollte.413 Zu Beginn des Jahres 1399 wurde eine erfolgreiche Winterreise gegen Samaiten durchgeführt; im Sommer nahm sogar Hochmeister Konrad von Jungingen selbst an der Reise teil, wovon Johann von Posilge und die Thorner Annalen kurz berichten.414 Beide Reisen trugen dabei den üblichen Charakter eines Verheerungsfeldzuges. Es wurden Tiere und Menschen getötet oder verschleppt. Besitztümer und Nahrungsquellen wurden vernichtet. Dass der Hochmeister hier nun plötzlich die militärische Taktik auf Landgewinnung umgestellt hätte, wie ja der Abschluss des Vertrags von Sallinwerder nahelegen würde, dafür gibt es keinerlei Anzeichen. 409 Das Folgende nach dem Antwortschreiben von Konrad vom 13. Dezember 1398: OF 2c, S. 191–192; gedr. CEV, CXCII. 410 Osten-Sacken, Beziehungen, S. 31–32. 411 OF 2c, S. 212; gedr. CEV, CCVI, vom 7. November 1399. 412 Vgl. auch OF 2c, S. 221; gedr. CEV, CCVIII. 413 Von kriegerischen Ereignissen ist jedoch nichts bekannt; vgl. Osten-Sacken, Beziehungen, S. 34–35. 414 Johann von Posilge und Thorner Annalen, SSRP 3, S. 226 und S. 228; vgl. dazu Urban, Samogitian Crusade, S. 223; Voigt, Geschichte, 6, S. 166–167; Krumbholtz, Samaiten, S. 26.

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Muss man nun aber nicht doch vielleicht stutzig werden, wenn man den Brief des Marschalls an den Hochmeister einbezieht,415 in dem die Ernennung von Michael Küchmeister zum Vogt von Samaiten in Aussicht genommen und die Frage nach einem Amtssiegel thematisiert wird? Zeigt sich nicht hier also doch der Wunsch nach herrschaftlicher Durchdringung, Unterwerfung und Landgewinnung? Der Brief hat kein vollständiges Datum, da die Jahresangabe fehlt. Die Kontroverse galt bislang mit Nöbels Plädoyer für den 6. September 1399 als entschieden.416 Das würde bedeuten, dass schon 1399 – anders als die Reisebeschreibungen nahelegen – konkrete Pläne des Hochmeisters existierten, Samaiten zu erobern und herrschaftlich zu durchdringen, d. h. also territoriale Expansion zu betreiben. Voigt hingegen hat das Schreiben auf den 4. September 1400 datiert.417 Er wusste aber auch nicht, dass Michael Küchmeister nicht der erste Vogt Samaitens war, sondern erst nach dem Frieden von Racianz (1404) eingesetzt wurde. Ottomar Schreiber jedoch hat darauf verwiesen, dass Michael Küchmeister selbst 1414 Heinrich Schwelborn als seinen Amtsvorgänger nennt, der vertrieben worden sei. Er datiert den Brief auf den 6. September 1404 mit dem Hinweis, dass für das Jahr 1405 Kosten für ein Siegel im Tresslerbuch auftauchen.418 Nöbel spricht sich gegen diese Datierung aus – mit schwachen Argumenten: Richtig ist zwar, dass im Brief die Versetzung von Michael Küchmeister nur in Aussicht genommen wurde und noch nicht fix war. Nun wird die Argumentation aber dürftig. Nöbel behauptet, dass der Ordensmarschall 1404 nie nach einem Amtssiegel für den Vogt von Samaiten gefragt hätte, da es 1400 eines gegeben habe, das wahrscheinlich beim Aufstand der Samaiten 1401 verloren gegangen sei.419 Aber genau aus diesem Grunde ist es vielmehr als naheliegender einzuschätzen, dass diese Frage in die Diskussion gebracht worden ist! Zudem ist Nöbels Annahme, dass sich der Marschall in diesem Brief (der überhaupt nur knapp und vorläufig war) für den Fall, dass er in der Mitte des Jahrzehnts ausgestellt wurde, zwingend auf ein früheres Siegel hätte berufen müssen, reine Spekulation und noch nicht einmal wahrscheinlich.420 Zudem bleibt die Argumentation fragmentarisch und nicht überzeugend, der zufolge Michael Küchmeister als erfolgreicher Großschäffer im Jahre 1404 nicht die im Brief stehende bescheidene Bitte (gemeint ist wohl das im Brief erbetene Geld) hätte äußern

415 416 417 418 419 420

OBA 617; gedr. Nöbel, Problem, S. 693. Nöbel, Problem. Voigt, Geschichte, 6, S. 186, Anm. 1. Schreiber, Amtsdaten, S. 722–723, Anm. 8. Nöbel, Problem, S. 694. Ebd.

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müssen.421 Nichts an Nöbels Argumentation ist zwingend oder auch nur wahrscheinlich. Es spricht vielmehr alles für die Datierung auf das Jahr 1404, die schon Ottomar Schreiber vorgenommen hat. Zum einen hatte es 1399 ohnehin keinerlei Anzeichen für den Willen nach herrschaftlicher Durchdringung Samaitens gegeben. Die Kriegsreisen waren weiterhin Feldzüge der verbrannten Erde. Zum anderen passt das Jahr 1404 vorzüglich, da Michael Küchmeister zu der Zeit Großschäffer in Königsberg war und damit zum Umfeld des Obersten Marschalls gehörte. Drittens wäre die Datierung auf Anfang September 1404 passgenau, war doch Ende August das Bündnis von Ritterswerder/Kauen zwischen Vytautas und dem Hochmeister abgeschlossen worden (s. u.).422 Hierbei handelte es sich um ein Zusatzabkommen zum Frieden von Racianz aus dem Mai 1404, für das Vytautas und Konrad persönlich zusammenkamen. Die erneute Einrichtung einer samaitischen Vogtei nach dem Friedensschluss und ihre Unterstellung dieses Mal unter Michael Küchmeister, was de facto auch so geschah, wären die einfachste Erklärung für die Ausstellung des Briefes im Jahre 1404. Man würde sich so – im Sinne von Ockhams Rasiermesser – Nöbels Stützkonstruktion ersparen, der behauptet, dass Michael Küchmeister 1399 nur als Vogt von Samaiten vorgesehen, aber nicht eingesetzt wurde aufgrund irgendwelcher – überdies mit Quellen nicht belegbarer – Wirren.423 Es spricht alles dafür, den Brief in das Jahr 1404 zu setzen. Es bleibt unter diesen Voraussetzungen dabei, dass für das Jahr 1399 keine Herrschaftsabsichten in Richtung Samaiten bei Konrad zu erkennen sind. Der Sommer brachte wichtige Veränderungen in der politischen Großwetterlage. Zum einen starb im Sommer 1399 Königin Hedwig von Polen, mit der der Orden zumeist in gutem Kontakt gestanden hatte. Zum anderen wurde am 12. August 1399 die Schlacht an der Worskla geschlagen. Vytautas wurde in diesem Kampf gegen die Tataren auch von einem größeren Ordenskontingent unterstützt. Preußen sandte 100 Gleven unter der Führung von Markward von Salzbach,424 wie Johann von Posilge berichtet.425 Die Niederlage, die sich kaum in der Ordenskorrespondenz niederschlägt und überhaupt nur dünn in den Ordensquellen dokumentiert ist,426 war vollständig. Auch die meisten Preußen wurden erschlagen. Nur wenige entkamen. Rhode hat in dieser Niederlage dann 421 422 423 424 425

Ebd., Anm. 14. SDOP, 32–36. Nöbel, Problem, S. 696–697. Zur Person vgl. Prochaska, Markward. Johann von Posilge, SSRP 3, S. 229–231. Das MTB, S. 34, verzeichnet 425 Mark Kosten für den Feldzug; vgl. Urban, Samogitian Crusade, S. 224; Boockmann, Falkenberg, S. 74–75; Voigt, Geschichte, 6, S. 168–169. 426 So auch Osten-Sacken, Beziehungen, S. 32.

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– neben der ihr ohnehin üblicherweise zugeschriebenen weltgeschichtlichen Bedeutung427 – zu Recht auch einen Wendepunkt in der Ostpolitik von Vytautas erkannt.428 Nicht zuletzt um diese Schlacht zu ermöglichen, d. h. um den Rücken im Westen freizuhaben für Expansionsversuche im Osten, hatte Vytautas den Vertrag von Sallinwerder abgeschlossen. Das war nun hinfällig geworden, doch war die unmittelbar folgende Zeit noch nicht sofort von einer Abwendung des Litauers bestimmt. Es war schließlich das Jahr 1400, in dem in die Samaitenangelegenheit entscheidende Bewegung in eine neue Richtung kam. Es wurden konzertierte Litauenreisen von Preußen, Livland und Vytautas durchgeführt, die sich auch in den historiographischen Quellen mit detaillierter Schilderung niedergeschlagen haben.429 Vor allen anderen Dingen ist aber hervorzuheben, wie Johann von Posilge den Abschluss der Reisen zusammenfasst:430 Item in desen cziten begabin sich alle dy lant czu Samaythin dem orden (…) und stellten viele Geiseln. Der Hochmeister habe ein Haus bauen lassen und satczte eynen herren des ordens czu eyme foythe, und gab den landin kemerer, dy sie sulden richtin und vorwesin (…). Bemerkenswerterweise war jetzt, nach vielen Jahrzehnten der Litauenreisen, der Moment gekommen, an dem sich die Samaiten dem Orden unterwarfen, der das Land danach auch mit Einsetzung eines Vogtes in Niederlitauen und von Kämmerern herrschaftlich durchdrang. Offensichtlich war Vytautas das Zünglein an der Waage, dessen Eingreifen auf Ordensseite dazu geführt hatte, dass es sich nicht mehr nur um kurzfristige Zerstörungszüge ins feindliche Gebiet ohne längerfristige Konsequenzen handelte, sondern dass die Samaiten nun dem Zwang zur Unterwerfung nachgeben mussten. Bemerkenswert ist also, dass der Orden von seiner üblichen Kriegstaktik abwich und plötzlich eine Landesherrschaft einführte – vor allem da dies offenbar dem Eingreifen von Vytautas und dem Einbringen seiner militärischen Stärke zu verdanken war. Hatte der Orden also somit sein langersehntes Ziel der territorialen Herrschaftsausbreitung erreicht? Oder war eigentlich Vytautas hier über die militärische Stärke hinaus wieder die treibende Kraft der Entwicklungen? Der Briefwechsel gibt weitere Hinweise auf die Rolle, die er in dieser Angelegenheit spielte. Hier erkennt man, dass es schon Anfang des Jahres 1400, frühestens Ende 1399, Vytautas war, der in der Samaitenangelegenheit, die von Konrad offensichtlich nicht besonders intensiv vorangetrieben wurde, die Geschwindigkeit der Entwicklungen anzuschieben versuchte. Er hatte dem Hochmeister von sich 427 428 429 430

Vgl. pars pro toto Osten-Sacken, Beziehungen, S. 32. Rhode, Ostgrenze, S. 357–358. Johann von Posilge, SSRP 3, S. 235–236; Thorner Annalen, SSRP 3, S. 235–236. Johann von Posilge, SSRP 3, S. 236–237.

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aus Hilfe gegen die Samaiten angeboten, wofür sich Konrad nun zwar bedankte, dem dies aber offensichtlich eher wenig angenehm war.431 Krumbholtz vermutet dahinter Argwohn des Ordensoberhaupts gegenüber Vytautas, doch ist fraglich, ob dies der Grund für die ausweichende Antwort des Hochmeisters ist.432 Quasi als Kompromissvorschlag bat er Vytautas nur darum, seinen Hauptleuten zu befehlen, dass sie sich bereithalten, aber nur auf Aufforderung dem Ordensheer zu Hilfe kommen sollten. Ausweislich des Briefes hoffte der Hochmeister auf günstiges Wetter für eine Reise. Das dürfte damit zusammenhängen, dass zahlreiche Kriegsgäste wie u. a. der Herzog von Lothringen angereist waren, denen eine Enttäuschung zu bereiten dem Orden wenig angelegen sein musste. Doch insgesamt scheint durch das Schreiben nicht mehr als das unbedingt nötige Engagement gegen Samaiten seitens des Ordens durch. Dass hier zielgerichtete Eroberungspolitik betrieben werden sollte, zeigt sich nicht. Es war schließlich Vytautas, der Ungeduld in Form eines Unterstützungsangebots demonstrierte. Zwei hochmeisterliche Schreiben, die offensichtlich auch die Grundlage für die Schilderung von Johann von Posilge bildeten, geben einen Einblick in die Details der Litauenreisen des Jahres 1400.433 In einem knappen Schreiben an Vytautas dankte der Hochmeister für seine Unterstützung.434 Die Einzelheiten gehen dann aber aus einem hochmeisterlichen Bericht an den römisch-deutschen König hervor.435 Demnach hatten Anfang Februar 1400 der Ordensmarschall mit weiteren Komturen und Kriegsgästen mehr als zehn Tage lang das Feindesland verheert und etliche gegenote in den landen bezwungen, sodass sich diese bei Stellung von Geiseln ins Christentum ergaben, während von der anderen Seite Vytautas mit dem Komtur von Ragnit, Markward von Salzbach, das Land mit gleichem Erfolg verheert und ouch ettwifil gegenoten der selben lande betwungen czum cristiglouben under mynes Ordens undirtenekeit (…) habe. Die genommenen Geiseln habe er dem Orden überstellt. Es wird aus dieser Schilderung doch recht deutlich, dass zwar auch die reinen Ordenskontingente Erfolge erzielten, es dann aber vor allem Vytautas’ Hilfe war, die zur Unterwerfung zahlreicher samaitischer Gegenden unter die Ordensherrschaft führte.436 Der Litauer überwies diese dann ausweislich des hoch431 Das geht aus dem undatierten Antwortschreiben des Hochmeisters hervor OF 2c, S. 228; gedr. CEV, CCXIV; vgl. Voigt, Geschichte, 6, S. 182–184. 432 Krumbholtz, Samaiten, S. 26. 433 Vgl. zu den Expeditionen im Detail auch ebd., S. 27. 434 OF 2c, S. 228–229; gedr. CEV, CCXX, vom 18. Februar 1400. Der Hochmeister dankte Vytautas auch mit Sachgaben; s. Voigt, Geschichte, 6, S. 185. 435 OF 2c, S. 229–230; gedr. CDP 6, XCVI, vom 22. Februar 1400. 436 Auch Boockmann, Falkenberg, S. 76, hat in Vytautas’ Hilfe die Ursache für den Erfolg erkannt.

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meisterlichen Berichts an die Herrschaft des Ordens. Von den genauen Maßnahmen herrschaftlicher Durchdringung findet sich nichts in diesen Schreiben. Solche mussten nun aber notwendig geworden sein, nachdem der größte Anteil Samaitens unterworfen war.437 Zumindest wurde Heinrich Schwelborn als Vogt von Samaiten eingesetzt. In allen Maßnahmen seit Jahresbeginn fällt auf, dass dem Orden in der Samaitenangelegenheit eine gewisse Behäbigkeit zu attestieren ist, während Vytautas wieder einmal den aktiven Part spielte, indem er seine Unterstützung aktiv anbot und auch maßgeblich zur Unterwerfung der Samaiten beitrug. Ob sich der Orden wieder lieber zurückgezogen und auf eine Herrschaftsbildung verzichtet hätte, kann aufgrund der Quellenlage nicht entschieden werden. Es zeigt sich jedoch, dass Vytautas die in Richtung Herrschaftsaufbau abzielenden Maßnahmen aktiv unterstützte, wenn nicht gar anstieß. Offenkundig passte dem Litauer ein solches Vorgehen des Ordens gegen die vorher unabhängigen und selbstständigen Samaiten438 gut in den Plan. Ob es hier eine Vereinbarung zwischen den Samaiten und Vytautas gegeben hatte, wie Heinl spekuliert,439 kann nicht entschieden werden. Das ist vielleicht nicht einmal wahrscheinlich. Vielmehr konnte Vytautas so die Ordenskräfte nutzen, um die auch ihm gegenüber unbotmäßigen Samaiten zu schwächen und um sich später als Befreier gerieren zu können. Alles in allem findet sich eine Situation, die auf mittlere Sicht Vytautas in die Karten spielen sollte. Der Hochmeister hingegen zeigte sich in dieser Angelegenheit wenig aktiv, sondern ließ den Litauer trotz eigenem Widerwillen gewähren. So musste Samaiten dem Orden von Vytautas geradezu auf dem Silbertablett serviert werden, damit er zuschlug. Alles in allem findet sich also eine Situation, die dem Verhalten von Konrad von Jungingen im vorgeschalteten Prozess gleicht. Zwischen dem Orden und Vytautas bestand bestes Einvernehmen, wie auch der Empfang von dessen Gemahlin Anna in Preußen bei ihrer Pilgerreise im Sommer des Jahres zeigt.440 Erst jetzt, nachdem der Orden die Landesherrschaft in Samaiten errungen hatte, wurde er auch aktiv, sich dieser nachhaltig zu versichern. Vorher war er mehr als nur zurückhaltend gewesen. Krumbholtz hat die dazugehörigen Maßnahmen richtig zusammengefasst in: Geiselstellung, Bau zweier Burgen, der schon genannten Vogteinsetzung und der materiellen Unterstützung.441 Hier wurde der Hochmeister nun auch etwas aktiver, wenn er Vytautas bat, den Bau 437 438 439 440

Vgl. Voigt, Geschichte, 6, S. 185. Błaszczyk, Dzieje, 2, S. 216. Heinl, Fürst, S. 187. Johann von Posilge, SSRP 3, S. 238; vgl. Krumbholtz, Samaiten, S. 27; Voigt, Geschichte, 6, S. 187–188. 441 Krumbholtz, Samaiten, S. 28–29; hier auch die Quellenverweise zu den zur Geiselunterbringung und materiellen Unterstützung zugehörigen Ausgaben im MTB.

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einer Burg an der Nawese zu fördern, nicht ohne sich vorher noch einmal für die Unterstützung in Samaiten zu bedanken.442 Doch auch trotz der guten Verhältnisse mit Vytautas im Jahre 1400 war ein gewisses Misstrauen beim Hochmeister immer noch nicht verschwunden.443 Zumindest lehnte er zu Beginn des Jahres 1401 das Angebot von Vytautas ab, der zu ihm nach Insterburg kommen wollte, und schlug einen Treffpunkt jenseits preußischer Städte vor.444 Ein konkreter Anlass dafür lässt sich aus den Quellen nicht herauslesen. Vielmehr konnte der Hochmeister zu Beginn des Jahres 1401 nur schwerlich ahnen – wie es Voigt ausdrückt445 –, dass der Frieden nicht von Dauer sein würde, haben sich doch kurz danach die besten Bojaren der Samaiten taufen lassen und Mönche und Priester zur Unterweisung im Christentum mit in die Heimat genommen, wie Johann von Posilge berichtet.446 Oder hatte der Hochmeister vielleicht schon im Vorwege von der nicht zuletzt durch die Niederlage an der Worskla ermöglichten Union von Wilna und Radom erfahren, in der sich im Wesentlichen Vytautas und Władysław-Jagiełło wieder ins Benehmen gesetzt und sich wieder aneinander angenähert hatten,447 mit allen denkbaren Folgen, die eine solche Annäherung von Polen und Litauen für den Orden haben konnte? Das alles muss Spekulation bleiben. Die Quellen sagen darüber nichts aus. Noch galt zudem der Friede, unter dem die herrschaftliche Durchdringung Samaitens durch den Orden ihren Anfang erlebt hatte. Deutlich betont werden muss, dass Samaiten nun zwar unter Ordensherrschaft stand, deren Einführung von Konrad von Jungingen aber nur mit mäßigem Engagement angegangen worden war. Vielmehr war es hier wieder einmal – oder besser : immer noch – Vytautas, der dem Orden die Herrschaft geradezu aufdrängte. Er schob schließlich den Eroberungsprozess maßgeblich an und ermöglichte ihn mit 442 OBA 609 vom 27. Mai [1400]. 443 Dazu könnte durchaus auch ein Schreiben des Obersten Marschalls an den Hochmeister einen Beitrag geleistet haben, mit dem dieser über eine mögliche Bedrohung durch Heere der Litauer in Kenntnis gesetzt wurde; OBA 623. Das setzt jedoch voraus, dass man diesen Brief, der keine Jahreszahl enthält, auf den 25. November 1400 datiert. OBA 633; gedr. CEV, DCLXVIII (hier fälschlicherweise dem Jahr 1416 zugeordnet, obgleich es näher um 1400 zu datieren sein dürfte), hilft inhaltlich nicht viel weiter. Der Meister in Livland hat in vagen Worten dem Hochmeister wegen der Verhältnisse zu Vytautas (und Margarete von Dänemark) geschrieben. Die Vytautas bzw. die Litauenreisen betreffenden Briefe OBA 642, 643 sowie 648–650 sind ebenfalls nicht mit Jahreszahl datiert und helfen nicht weiter. 444 OF 2c, S. 257; gedr. CDP 6, CIII, vom 8. Januar 1401. 445 Voigt, Geschichte, 6, S. 191–192. 446 Johann von Posilge, SSRP 3, S. 240. 447 Zur Union von Wilna und Radom vgl. Błaszczyk, Dzieje, 2, S. 249–283 (hier auch weiterführende Literatur); vgl. zu ihrer Bedeutung Rhode, Ostgrenze, S. 359–361, und OstenSacken, Beziehungen, S. 33ff., zu Vytautas’ Plänen nach Osten. Vgl. auch Boockmann, Falkenberg, S. 75; Sarnowsky, Mongols, S. 258.

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seiner Unterstützung auch erst. Vielleicht war er es auch, der überhaupt erst auf diesen Gedanken gekommen war. Die bedeutende Änderung der Taktik im Vergleich zu den vorherigen Litauenreisen ist zumindest bemerkenswert. Alles in allem passte Vytautas die Unterwerfung Samaitens durch den Orden offenbar sehr gut in den Plan. Er hatte einer Übergabe Samaitens an den Orden ja auch schon vor dem Frieden von Sallinwerder prinzipiell sehr offen gegenübergestanden. 2.2.3.4.2 Der Abfall Samaitens (Anfang 1401–12. Juli 1403) Doch währte dieser Zustand, d. h. die sich abzeichnende Herrschaft des Ordens über Samaiten, nicht sehr lange. Schon zu Beginn des Jahres 1401 begann eine Diskussion zwischen dem Orden und Vytautas über die korrekte Auslegung des Vertrags von Sallinwerder. Stein des Anstoßes war Artikel g), in dem sich beide Parteien verpflichtet hatten, keine Zinshaftigen der Gegenseite aufzunehmen. Aus dem Bruchstück eines »Ordensprotokolls«448 über die Verhandlungen ergibt sich, dass Vytautas eine etwas andere Definition zugrunde legte, wer konkret als zinshaftig zu gelten habe, als der Orden – mit der Folge, dass die größere Anzahl der Samaiten, die zum Litauer zog, nicht wieder unter die Ordensherrschaft zurückgeschickt wurde. Der Orden wollte den Abfluss an Menschen nach Litauen nicht akzeptieren und forderte diese zurück. Bei den Menschenbewegungen kam es zwischen Ordensanhängern und Ordensgegnern unter den Samaiten offenbar schon zu Gewalt. Dass dies der Anlass für den erneuten Konflikt war, stellte auch Vytautas in einer nachträglichen öffentlichen Klageschrift über den Orden in dieser Weise dar.449 Zumindest die Ordensquellen legen nahe, dass Vytautas die eigentlich nicht unklar formulierte Klausel über Gebühr belastet hatte. Das zeigt das »Protokoll« des Ordens, das wahrscheinlich für den internen Gebrauch gedacht war und somit als glaubwürdig einzuschätzen ist.450 Sein Ziel war offenbar, es zum Bruch des Vertrages kommen zu lassen.451 Offensichtlich ist, dass Vytautas 448 OBA 672; gedr. CEV, CCXLI. Das Schriftstück ist nicht datiert, stammt inhaltlich aber aus der Zeit kurz vor dem Abfall der Samaiten. In diesen zeitlichen Umkreis könnte aus inhaltlichen Gesichtspunkten OBA 671 eingeordnet werden. In dieses thematische Umfeld dürfte u. U. auch die undatierte und stark defekte Instruktion für Ordensgesandte zu Vytautas eingeordnet werden können; OBA 785. 449 OBA 665; gedr. CEV, CCXXXVIII, vom 20. März 1401. 450 Diesem folgt auch Krumbholtz, Samaiten, S. 32. 451 Vgl. Pfitzner, Witold, S. 129, der sich wahrscheinlich zu Recht für die Formulierung entscheidet, dass Vytautas den Streit herauf »beschwor«, der dann zu Kampf und zur Eroberung von Samaiten führte. Johann von Posilge schreibt Vytautas in dieser Angelegenheit eine aktive Rolle zu, wenn es (mehrfach) heißt: und lut czu sich die Samaythen, das sie undir yn suldin czin czu wonen, alleyne her sie doch vor hatte obirgeben dem orden und vorscrebin [unterstrichen von S.K.]; Johann von Posilge, SSRP 3, S. 241. Die an gleicher

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diese Entwicklung mehr als nur entgegen kam. Er zeigte dem Orden gegenüber kein ernsthaftes Einlenken und nahm die wechselwilligen Samaiten gerne auf. Die oben geschilderten Veränderungen in der politischen Großwetterlage legen nahe, dass das Bündnis mit dem Orden für Vytautas an Wert verloren hatte, weswegen er die Samaiten oder zumindest die zum Aufstand geneigten Teile gesammelt und den Aufruhr wenn nicht sogar angestoßen, dann aber zumindest sofort unterstützt haben dürfte.452 Eine festgefügte Herrschaft des Ordens in Samaiten war nach dem Scheitern seiner Ziele im Osten für Vytautas sicherlich nicht wünschenswert.453 Am Ende dieser Querelen stand jedenfalls als Resultat ein Aufstand der Samaiten nach dem 13. März 1401, bei dem die zwei samaitischen Ordensburgen vernichtet sowie die Ordensbrüder und ihre Anhänger gefangen wurden; damit war der Abfall von der Ordensherrschaft vollbracht.454 Der Orden wirkte insgesamt etwas überrascht von dieser Entwicklung, obgleich es Anzeichen gegeben haben musste, da Vytautas in der Zwischenzeit wieder Festen gebaut hatte.455 Dass sich hier mit der Diskussion um die Vertragsklauseln sogleich ein Aufstand entwickeln würde, damit hatte der Hochmeister aber offenbar nicht gerechnet. Für die Leitfragestellung nach einer territorialen Expansionspolitik in Richtung Samaiten geben die spärlichen und teils beschädigten Quellen vor dem Aufstand nichts her. Es müssen jedoch die nun folgenden Geschehnisse unter die Lupe genommen werden. Wie reagierte der Orden auf den Aufstand bzw. noch konkreter gefragt, inwieweit versuchte der Orden Samaiten zurückzugewinnen, nachdem er das Land zumindest kurzfristig schon einmal in Besitz genommen hatte? Zeigt sich also, wie anzu-

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Stelle kolportierte Geschichte, dass, were der meister uf den tag – dieser Verhandlungstag ist nach seiner Schilderung nur wegen des schlechten Wetters nicht zustande gekommen – dar komen mit synen gebitegern, her [Vytautas, S.K.] hette eyn gros vorretnisse an yn gethan (…), entbehrt jeglicher Grundlage. Zumindest finden sich keine Hinweise in anderen Quellen, was bei einer solchen, sonst unerhörten Begebenheit zu erwarten gewesen wäre. Johann von Posilge hat offensichtlich seinem Zorn über das Verhalten Vytautas’ die Zügel schießen lassen und schreckte dann auch vor haltlosen Beschuldigungen nicht zurück. Voigt, Geschichte, 6, S. 194, berichtet nur davon, ohne sich zu positionieren. Boockmann hat in Abgrenzung zur Auffassung von Krumbholtz und Nöbel darauf hingewiesen, dass es schwer denkbar sei, dass die Samaiten erst durch Vytautas veranlasst werden mussten, sich der Ordensherrschaft zu widersetzen; Boockmann, Falkenberg, S. 76, Anm. 101. Das dürfte richtig sein. Die entsprechende Richtung und Schlagkraft wird der Aufstand aber erst durch die Organisation von Vytautas bekommen haben. So Krumbholtz, Samaiten, S. 30. Johann von Posilge, SSRP 3, S. 241: (…) und czogin noch mitfastin vor die czwe huser czu Samaythin (…) und vorbrantin beyde huser. Thorner Annalen, SSRP 3, S. 242, mit knapper Erwähnung: Eodem anno Wytaut cum fratre suo Sigismundo et Samaitis opposuerunt se dominis (…). So zumindest berichtet es Johann von Posilge, SSRP 3, S. 241; vgl. Voigt, Geschichte, 6, S. 193. Zudem hatte auch der Orden seine Burgen verstärkt; Krumbholtz, Samaiten, S. 33; Voigt, Geschichte, 6, S. 193 (nach Hinweisen aus dem MTB).

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nehmen wäre, im zweiten Teil der Zwischenvertragszeit456 eine Tendenz des Ordens zur Rückeroberung Samaitens und somit spätestens jetzt eine Tendenz zur zielgerichteten territorialen (Re-)Expansion? Bemerkenswert ist, dass die unmittelbare Reaktion des Hochmeisters offenbar nur darin bestand, die samaitischen Geiseln, die auf den Ordenshäusern untergebracht waren, gefangen zu setzen und in Eisen zu legen. Das geschah nach den historiographischen Quellen am 3. April 1401.457 Erst im Mai reagierte der Hochmeister dann mit einer Reihe von Schreiben auf diese neue Situation. Er setzte nicht zuletzt den Deutschmeister, den Landkomtur von Elsass und den Landkomtur von Österreich sowie den Komtur von Koblenz über die Entwicklungen in Kenntnis.458 Er schilderte ihnen dabei die oben schon beschriebene Situation, dass Vytautas den Frieden gebrochen, in der vaste einen neuen Verrat begangen und zwei Ordensburgen niedergebrannt habe. Dazu habe er sich Samaiten, dem orden ewiclich tzu geeignet mit allem nutcze und herschaft, unterwunden und verschiedene Ordensbrüder und Ordensleute gefangen genommen. Dieser Schilderung legte er zwei Zettel bei, die die Klagen über Vytautas und die (detaillierteste) Erzählung der Vorgeschichte des Abfalls enthalten, anhand derer die Ordensamtsträger die Fürsten und den Adel im Reich von dieser Angelegenheit unterrichten sollten.459 Auch hier wurde der Bruch des Vertrags durch Vytautas betont, der nach der Abtretung von Samaiten an den Hochmeister und den Orden keynerley recht ader herschafft im dorynne vorbas czu haldende mehr gehabt habe. Vytautas habe die zunehmende Christianisierung nicht ertragen können. Den Samaiten habe er Hauptleute mitgegeben, die dann zusammen gegen die dortige Ordensherrschaft gezogen seien. Bemerkenswerterweise steht am Ende nur eine sehr allgemeine Bitte um Rat und Hilfe, die den Fürsten und dem Adel überbracht werden sollte. Zwei Aspekte, die für die hier zu untersuchende Fragestellung relevant sind, fallen dabei besonders auf: Der Verlust von Samaiten wird jeweils an vorderer und prominenter Stelle genannt und auch ein ewiges Recht des Ordens darauf 456 Dieser zweite Teil der ›Zwischenvertragszeit‹ wird auch behandelt in Kubon, Vertrag. Jedoch wird dort danach gefragt, wie sich der Hochmeister den Bruch des Vertrags von Sallinwerder durch Vytautas erklärte, inwiefern er im Vorwege schon eine reduzierte Verbindlichkeitserwartung hatte und mit welchen Mitteln diese kompensiert werden sollte. 457 Johann von Posilge und Thorner Annalen, SSRP 3, S. 242. 458 OF 3, S. 28–29; gedr. CDP 6, CIX, vom 17. Mai 1401; vgl. Voigt, Geschichte, 6, S. 196. 459 Unter OF 3, S. 31–34; gedr. CDP 6, CXII, finden sich eindeutig die beigelegten Zettel. Dagegen sprechen auch nicht die Kanzleinotizen am Ende des Berichts, die sich auf den späteren Brief an den König von Frankreich bzw. an das Kardinalskollegium beziehen. Dieser ist erst auf der folgenden Seite des Folianten gebucht. Ein weiterer Bericht über den Abfall ist aus dem Jahre 1402 überliefert; OF 3, S. 23–25; gedr. CDP 6, CXXIII. Die Seiten sind stark beschädigt, weswegen ein Textverlust zu beklagen ist. Der Bericht datiert auf (bzw. möglicherweise um) den 2. April 1402. Die erste Hälfte der Datumszeile fehlt.

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betont, das sich aus dem Friedensvertrag ergebe. Ansonsten werden aber nur Informationen hinsichtlich Vytautas’ Verrat gegeben und vor allem der Auftrag, diese Situationsauffassung im Reich zu verbreiten. Eine Rückgewinnung von Samaiten wird jedoch nicht ins Auge gefasst, sondern nur auf Vytautas als wiederum abgefallener Verräter rekurriert. So verhält es sich auch bei dem ausgesprochen ausführlichen Zettel, in dem überraschenderweise nur eine knappe allgemeine Bitte um Rat und Hilfe steht. Dass damit die Bereitschaft zu militärischer Hilfe im Allgemeinen impliziert sein könnte, ist hinsichtlich der Vorgeschichte naheliegend. Ein direkter Aufruf, Hilfe bei einer Rückeroberung Samaitens zu leisten, geht aus den Zetteln aber nicht hervor. Daraus muss man schließen, dass Samaiten bzw. genauer eine territoriale Expansion eben doch nicht so sehr im Fokus der Ordensüberlegungen stand, wie das in der Sekundärliteratur angenommen wurde und es nach einem Verlust nun erwartbar gewesen wäre. Zwar versuchte Konrad von Jungingen, die christliche Öffentlichkeit im Reich gegen den Apostaten Vytautas auf seine Seite zu bringen. Dass die Rückeroberung Samaitens nun aber erste oder überhaupt eine Priorität hatte, geht aus den Quellen nicht hervor. Angesichts ihres Umfangs und ihres Zweckes, wäre es aber wahrscheinlich gewesen, dass ein solches Ziel erwähnt worden wäre, hätte es das denn gegeben. Das Gleiche gilt auch für das Schreiben an die Erzbischöfe von Trier, Köln und Mainz sowie den Herzog von Österreich und den Brief an die Herzöge von Geldern und Sachsen460 sowie das Schreiben an den Herzog von Burgund.461 Auch hier handelt es sich jeweils um einen mitteldetaillierten Bericht über die Untaten von Vytautas und seinen Rückfall. Gegenüber den Herzögen von Geldern und Sachsen werden wieder etwas vage Rat und Hilfe erbeten. Konkrete Rückeroberungspläne in Bezug auf Samaiten werden jedoch nirgends angesprochen, obgleich insbesondere beim Herzog von Geldern Waffenhilfe gute Tradition hätte. Offenkundig war ein solcher Gedanke beim Hochmeister – zumindest zu diesem Zeitpunkt – nicht präsent. Das wäre aber zu erwarten gewesen, hätte Samaiten in den Expansionsplänen wirklich die Rolle gespielt, die der Gegend insbesondere als Landbrücke zugeschrieben worden ist. In dieser Hinsicht macht auch das erst auf den 3. September 1401 datierte Schreiben an den Papst, das Kardinalskollegium, den Patriarchen von Grado, den Kardinälen von Neapel und Bologna und den Advokaten des Ordens, Bartholomäus de Novaria, sowie den König von Frankreich keine Ausnahme.462 Neu ist hier nur,

460 OF 3, S. 27 und OF 3, S. 27–28 (beide vom 16. Mai 1401). Das Blatt ist stark beschädigt, weswegen beide Schreiben einen beträchtlichen Textverlust aufweisen; als Quellenanhang gedr. Kubon, Vertrag; vgl. Voigt, Geschichte, 6, S. 196. 461 OF 3, S. 30; gedr. CDP 5, CXVI (vom 24. Mai 1401); vgl. Voigt, Geschichte, 6, S. 197. 462 OF 3, S. 35; gedr. CDP 5, CXXII.

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dass der König von Polen als Unterstützer von Vytautas’ Friedensbruch mitangeklagt wird. Insgesamt handelte es sich um eine veritable diplomatische Offensive des Ordens nach Vytautas’ Abfall, dem alle Verfehlungen im Detail vorgehalten wurden. Zwar spielte Samaiten dabei eine prominente Rolle. Da Rückeroberungspläne in keiner Weise erwähnt wurden, spricht alles dafür, dass die Gegend keinen prominenten Stellenwert in irgendwelchen territorialen Expansionsplänen des Ordens hatte – anders als die spätere Forschung glauben wollte! Es war die vom Hochmeister wahrgenommene Apostasie von Vytautas, die im Mittelpunkt der Anklagen stand.463 Alles Weitere war nur eine Folge davon. Es spielt also auch hier die Frage nach dem Christentum von Vytautas die entscheidende Rolle, wie ja auch die Vorgeschichte vom Frieden von Sallinwerder gezeigt hat. Die historiographischen Quellen berichten dann für den Herbst des Jahres 1401 von erneuten Kriegsreisen. So ist laut Johann von Posilge der Marschall nach Kauen und ein Ordensheer nach Russland ausgesandt worden.464 Der Winter 1401/1402 sei allerdings zu weich zum Reisen gewesen; doch wird für den Februar 1402 ein Zug nach Garten vermerkt.465 Vytautas war es dann aber, von dem in der zweiten Hälfte des Januars 1402 schon eine Wiederannäherung ausging. Er schlug dem Hochmeister durch den

463 Boockmann, Falkenberg, S. 76–77, erkennt in den genannten Briefen eine Art Propagandaoffensive des Ordens, der auf den Abfall der Samaiten abermals mittels des Rückgriffs auf die Argumentation vom angeblichen Heidentum von Vytautas reagiert habe. Boockmann wirft dem Orden zudem vor, den Vertrag von Sallinwerder »gewissermaßen« aufgekündigt zu haben, da er dem Litauer nicht das dort zugestandene Recht zum Konflikt auch mit einem christlichen Gegner eingeräumt habe. Vytautas sei damit wieder in den Status eines Christen auf Bewährung zurückgedrängt worden, was dem Orden die Möglichkeit gegeben habe, jeden Konflikt nach Belieben als Abfall vom Glauben zu identifizieren und sich so die Fortdauer der eigenen Stiftungsaufgabe zu sichern – zumal der Kampf gegen Apostaten noch verdienstvoller als gegen Heiden gewesen sei. Boockmann wirft dem Orden damit ein taktisches Verhalten gegenüber Vytautas und dessen Verhältnis zum Christentum quasi wider besseres Wissen zum Erhalt der Daseinsberechtigung vor. Das ist aber nicht ausgemacht, sondern es deutet sich an, dass Boockmann hier der polnisch-litauischen Sichtweise ohne weitere Bedenken folgt. Es spricht jedoch angesichts von Konrads Verhalten einiges dafür, dass er Vytautas tatsächlich und nicht nur aus vorgegebenen machtpolitischen Gründen als Apostaten wahrnahm. Dem früheren Antagonismus dieser beiden Sichtweisen soll damit aber nicht das Wort geredet werden, sondern es müsste vielmehr bedacht werden, dass beide Wahrnehmungen, die der polnischen und die der Ordensseite, durchaus auch nebeneinander haben bestehen können. Die Umbruchssituation war schließlich hinreichend uneindeutig und zu einem gewissen Maße auch offen. Sie hat nur im Nachhinein den Anschein von Zwangsläufigkeit. Dieser Frage muss aber an anderer Stelle ausführlich nachgegangen werden. 464 Johann von Posilge, SSRP 3, S. 247; vgl. Voigt, Geschichte, 6, S. 205. 465 Johann von Posilge, SSRP 3, S. 254 bzw. 255; vgl. Voigt, Geschichte, 6, S. 217–218.

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Ordensbruder Heinrich Clocz,466 der sein Gefangener war, einen Gefangenenaustausch vor, wie aus der hochmeisterlichen Antwort hervorgeht.467 Konrad regte für die Zeit des Austauschs dabei einen Waffenstillstand an. Der Hochmeister war offensichtlich sehr interessiert: In einem offenen Brief vom gleichen Tage bekundete er seine Bereitschaft zu einem Austausch der Gefangenen.468 Am 14. März geschah Ähnliches. Wieder wurde Heinrich Clocz zum Hochmeister geschickt, um für einen (erneuten) Gefangenenaustausch zu werben.469 Die konkreten Folgen dieser Initiativen sind jedoch nicht ganz klar. Unterdessen war jedoch Sˇvitrigaila,470 ein Bruder von Władysław-Jagiełło, nach Preußen gekommen.471 Am 2. März 1402 schloss der Orden mit diesem ein Bündnis, das sich in zwei Pergamenturkunden niederschlug.472 Beide Urkunden sind nur in den Ausfertigungen des Litauers erhalten. Weise schreibt, dass die Ausstellung der Gegenurkunden des Ordens erst nach der Rückgewinnung Litauens durch Sˇvitrigaila erfolgen sollte, was aufgrund des Misslingens dieses Planes unterblieben sei.473 In der Haupturkunde schließen Hochmeister Konrad von Jungingen und Sˇvitrigaila ein Bündnis in, wie Weise es zu Recht ausgedrückt hat, »engster Anlehnung« an den Wortlaut des Vertrags von Sallinwerder.474 Weise stellt die Änderungen an den beiden Urkunden korrekt dar. Bemerkenswert ist, dass hier schon auf den unmittelbaren Anlass, der zum Bruch des Friedens mit Vytautas geführt hatte, reagiert wurde. Der jetzige Vertrag enthält eine Vereinbarung, dass überhaupt keine Untertanen des anderen Teils angesiedelt werden dürften und alle bislang aus Samaiten zu Vytautas übergelaufenen Leute auszuliefern seien, sobald Sˇvitrigaila die Herrschaft in Litauen erlangt hätte.475 Die zweite Urkunde bezeichnet Weise als Sonderbestimmung. Diese betrifft die Eroberung Pleskaus. Sˇvitrigaila ergänzt hier den Hauptvertrag und 466 Dass es sich in den Verhandlungen immer um den Ordensbruder Heinrich Clocz handelte, legen die Schreiben vom 9. Juli 1402 (s. u.) nahe. 467 OF 3, S. 36; gedr. CDP 6, CXXI (vom 19. Januar 1402). 468 OF 3, S. 36; auch unter CDP 6, CXXI (zweiter Teil) gedruckt. Die Buchung im Registranten zeigt aber deutlich an, dass es sich um zwei Stücke handelt. Warum Voigt beide unter einer Nummer gedruckt hat, bleibt unklar. 469 OF 3, S. 37; gedr. CDP 6, CXXII. 470 Zur Person Sˇvitrigailas vgl. Te˛ gowski, S´widrygiełło Bolesław ; vgl. ferner Radoch, Wydatki. 471 Johann von Posilge, SSRP 3, S. 255. 472 Unter SDOP, 10 (Vollregest) ist der Hauptvertrag (gedr. CDP 5, CXXV (deutsche Fassung); CEV, CCXLIX (lateinische Fassung)) und unter SDOP, 11 (Regest) die Sonderbestimmung (gedr. LivUB I 4, MDCIV (deutsche Urkunde) und CDP 5, CXXIV (lateinische Urkunde)) verzeichnet. Die Thorner Annalen, SSRP 3, S. 255, berichten von diesem Vertrag, kennen aber die Sonderurkunde nicht. Johann von Posilge, SSRP 3, S. 255–256, erwähnt den Vertrag nur äußerst knapp. 473 SDOP, S. 19. 474 Ebd., S. 18. 475 Ebd., 10, Artikel 6 und 4.

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verpflichtet sich, auch den dort übergangenen Vertragspunkt (articulo ex certa sciencia nostra pretermisso) bzgl. des Verzichts auf Pleskau zugunsten des Ordens einzuhalten. Dieser hier im Wortlaut zitierte Artikel solle in die endgültige Vertragsurkunde nach der Rückgewinnung Litauens durch Sˇvitrigaila aufgenommen werden. Aus welchem Grund der Pleskau-Artikel in einer ausführlichen Sonderurkunde extra verbrieft wurde, ist unklar. Angesichts der Vorgeschichte, die gezeigt hat, dass dieser Artikel mehr für den livländischen Ordenszweig und weniger für Konrad von Jungingen von Bedeutung war, erscheint Osten-Sackens Erklärung, dass die Bestätigung in erster Linie für Livland gedacht gewesen sei und dorthin versandt werden sollte, nicht unplausibel.476 Aus der Existenz dieser Sonderurkunde also ein plötzlich gesteigertes Interesse an territorialer Expansion bei Konrad von Jungingen erkennen zu wollen, ist aufgrund der Vorgeschichte daher mit großer Wahrscheinlichkeit verfehlt. Welchen Zweck hatte der Vertrag überhaupt? Die Behauptung von Pfitzner, der Orden habe durch die Aufnahme von Sˇvitrigaila Litauen spalten wollten,477 ist sicherlich zu forsch, war dem Orden Sˇvitrigailas sehr geringe Machtbasis sicherlich bewusst. Zwar war es dem Orden offensichtlich nicht unwillkommen, ein Bündnis mit oppositionellen litauischen Kräften zu bilden,478 doch dürfte der Bündniswunsch zu allererst von Sˇvitrigaila ausgegangen sein, der schließlich ins Preußenland zum Orden gekommen war.479 Die Übernahme des Vertrags von Sallinwerder dürfte zudem dafür sprechen, dass sich der Orden nicht allzu viel Mühe mit der Ausstellung einer neuen Bündnisurkunde machte und deswegen nur die Schwachpunkte veränderte. Diese Gesamtsituation legt nahe, dass der Orden auf Sˇvitrigailas Bündnisangebot einging, obgleich die Erfolgsaussichten gering waren. Viel zu verlieren hatte der Orden schließlich nicht. Dass es aber der Orden gewesen wäre, der aktiv dieses Bündnis gesucht hat, dafür gibt es keine Indizien. Konrad reagierte wahrscheinlich – wieder einmal – nur auf Entwicklungen von außen. Das ist aber daher eigentlich schon alles, was der Vertrag mit Sˇvitrigaila für die hier zu behandelnde Fragestellung hergibt. Überhaupt muss man größte Zurückhaltung bei Schlussfolgerungen aus diesem Vertrag walten lassen. 476 Osten-Sacken, Beziehungen, S. 37. Voigt, Geschichte, 6, S. 219, Anm. 2, vermutet, dass die Verbriefung in einer Sonderurkunde wahrscheinlich vom Orden ausgegangen sei – ohne jedoch Gründe dafür nennen zu können. 477 Pfitzner, Witold, S. 129. 478 Voigt hat unter Rückgriff auf das MTB darauf hingewiesen, dass der Orden Sˇvitrigaila mit Geldmitteln versehen und ihm den Landesritter Dietrich von Logendorf beigeordnet habe; Voigt, Geschichte, 6, S. 219. 479 Auch Boockmann insinuiert, dass der Bündniswunsch vom Orden ausgegangen sei; vgl. Boockmann, Falkenberg, S. 78. Dafür gibt es aber keine Belege.

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Schließlich stehen die Pergamenturkunden für sich allein. Flankierende Korrespondenz, die die Entstehungsumstände näher beleuchtet, gibt es nicht. Die reine Existenz der Urkunden belegt zwar, dass der Orden nicht gänzlich desinteressiert war. Großes Engagement ist daraus aber nicht zwingend abzuleiten. Da dieser Vertrag zudem auch überhaupt keine Wirkung in der Realität entfaltet hat – Sˇvitrigaila konnte keine Macht in Litauen erlangen –, mag es damit hier sein Bewenden haben.480 Hervorgehoben werden muss nur noch, dass, wäre Samaiten tatsächlich von so großer Wichtigkeit für Konrad von Jungingen gewesen wie die Sekundärliteratur insinuiert, dann nach dem Verlust hier auch eine Reaktion von Seiten des Ordens zu erwarten gewesen wäre, die über die reine Wiederholung der ohnehin wenig deutlichen Klausel im Frieden von Sallinwerder hätte hinausgehen müssen. Krumbholtz’ Auffassung, dass der an sich wertlose Vertrag nur wieder von Neuem beweise, wie hohen Wert der Orden auf Samaiten legte, da sich nur so erklären ließe, warum er sich von dem als litauischen Thronprätendenten auftretenden Sˇvitrigaila auf alle Fälle seine Forderung auf Samaiten klar und bestimmt habe anerkennen lassen, findet keine Entsprechung in den Vertragsurkunden und ist weder schlüssig noch nachvollziehbar.481 Der Orden vergab sich schlicht nichts, wenn er auf diese Initiative einging, deren Umsetzung in die Realität von Anfang an fraglich gewesen sein musste. Gänzlich ohne Wirkung war die Verbindung zwischen dem Orden und Sˇvitrigaila jedoch nicht. Gemeinsam wurde Ende Juli 1402 eine Reise nach Litauen unternommen, wovon Johann von Posilge ausführlich berichtet.482 Die Reise war demnach recht erfolgreich. Welche Absicht steckte aber nun primär hinter dieser erneuten militärischen Gewalt? Krumbholtz behauptet, dass dieser Kriegszug zur Einsetzung von Sˇvitrigaila in Litauen unternommen worden sei.483 Zwar berichtet Johann von Posilge von dem Versuch Wilnaer Bürger, Sˇvitrigaila die Herrschaft anzutragen, doch war das eher ein einzelner und erfolgloser Versuch der offenbar nicht sehr zahlreichen innerlitauischen Opposition in Wilna.484 Am Ende wurde Sˇvitrigaila in Grenznähe untergebracht, uff das her neger lege den 480 Vytautas versuchte offensichtlich diesem Bündnis entgegen zu arbeiten. Zumindest ist vom 13. Juli 1402 ein hochmeisterliches Schreiben an den polnischen König überliefert, in dem sich das Ordensoberhaupt gegen die Behauptung von Vytautas verwahrte, dass Markward von Salzbach diesen zu einem Bündnis gegen Władysław-Jagiełło und Sˇvitrigaila aufgefordert habe; CEV, CCLVIII. In den Quellen findet sonst ein solcher Versuch von Ordensseite keinen weiteren Niederschlag; es könnte sich vielleicht noch um eine Privatinitiative Markwards gehandelt haben. Wahrscheinlicher ist, dass Vytautas Zwietracht säen wollte und dieser Vorfall als erdichtet betrachtet werden muss; so auch Voigt, Geschichte, 6, S. 227. 481 Krumbholtz, Samaiten, S. 36. 482 Johann von Posilge, SSRP 3, S. 258–260, sowie Thorner Annalen, SSRP 3, S. 258; vgl. dazu Voigt, Geschichte, 6, S. 223–225. 483 Krumbholtz, Samaiten, S. 37. 484 Johann von Posilge, SSRP 3, S. 258.

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landin von Russin durch synir botschaft wille und geschefte.485 Der Orden nutzte zwar die Unterstützung Sˇvitrigailas und unterstützte ihn im Gegenzug auch – dass sich durch dessen Anwesenheit nun aber eine Strategie der zielgerichteten Expansion bzw. der Rückeroberung von Samaiten im Orden (mittels dieses Stellvertreters) durchgesetzt hätte, davon kann keine Rede sein. Vielmehr zeigte sich bei den Kriegszügen nach Litauen die altbekannte Taktik der verbrannten Erde. Nicht zuletzt dürfte dieser Kriegszug auch als eine Vergeltungsaktion zu werten sein auf die samaitischen Angriffe Ende Mai, bei denen zum einen Memel niedergebrannt wurde.486 Zum anderen wurde Gotteswerder von Vytautas erobert, wobei aber unklar ist, ob auch hier Samaiten beteiligt waren.487 Trotz all dieser gegenseitigen militärischen Gewalt blieb man durch die Verhandlungen über die Auslösung von Gefangenen weiterhin im diplomatischen Kontakt. Doch auch hier wurde der Ton frostiger. Am 9. April antwortete Konrad auf einen konkreten Terminvorschlag von Vytautas ablehnend.488 Zwar war nach der hochmeisterlichen Aussage die litauische Nachricht auch erst am Tage zuvor eingetroffen, doch war noch ein zweiter Aspekt umstritten. Konrad antwortete deutlich und bestimmt auf Vytautas’ Ansage, nicht für die Samaiten geloben zu wollen, dass er den Tag in diesem Fall nicht abhalten werde. Ohnehin schloss der Hochmeister sein persönliches Erscheinen aus. Abschließend machte er den Vorschlag, einen Boten zum Litauer für weitere Unterredungen zu senden. Das zeigt, dass der Orden Samaiten für Vytautas untergeben hielt bzw. diesen zumindest in die Pflicht für deren Taten nehmen wollte. Dass Konrad jede Möglichkeit suchte, um mit Vytautas über Samaiten ins Gespräch zu kommen und eine diplomatische Rückgewinnung durchzusetzen, kann nicht behauptet werden, wie dieses Schreiben belegt. Im Sommer wurde der Ton schon wieder etwas freundlicher. Wieder war Heinrich Clocz beim Hochmeister gewesen. Dieses Mal ging Konrad dann auch auf den Vorschlag ein und kündigte an, seine sämtlichen Geiseln und die Gefangenen am Sankt Michaels Tag für einen Austausch an die Dubissa zu schicken.489 Allerdings erhielt der Hochmeister auf diese Anfrage keine Antwort, wie aus seiner Nachfrage vom 10. September 1402 hervorgeht,490 in der er endlich um Mitteilung bat, ob der Tag zustande kommen würde. Hier bestand er noch 485 Ebd., S. 259. 486 Ebd., S. 257, sowie Thorner Annalen, SSRP 3, S. 257–258 (mit zusätzlichen Informationen); vgl. Voigt, Geschichte, 6, S. 222; Krumbholtz, Samaiten, S. 36 und S. 37. 487 Darauf weist zu Recht Krumbholtz, Samaiten, S. 37, hin. Johann von Posilge, SSRP 3, S. 257–258, berichtet von der Eroberung von Gotteswerder. Vgl. Voigt, Geschichte, 6, S. 223. 488 OF 3, S. 83–84; gedr. CEV, CCLIII. 489 OF 3, S. 93; gedr. CEV, CCLVII (9. Juli 1402). 490 OF 3, S. 97–98; gedr. CEV, CCLIX.

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einmal auf verbriefte Sicherheit in Vytautas Namen auch vor den Samaiten. Offenkundig hatte der Hochmeister mittlerweile größeres Interesses an einem Treffen, da er – so jedenfalls nach eigener Aussage – mehrere Ausfertigungen dieses Briefes ausschickte aufgrund seiner Unkenntnis des momentanen Aufenthaltsortes des Litauers. Johann von Posilge berichtet für den 1. Oktober dann auch von einem Austausch.491 Daraufhin folgten aber zunächst wieder gegenseitige gewaltsame Auseinandersetzungen mit wechselndem Kriegsglück:492 Nach Johann von Posilge verbrannten kurz vor Weihnachten 1402 die Litauer und Samaiten Teile von Ragnit.493 Für den Januar hingegen verzeichnet er eine erfolgreiche Litauenreise mit vielen Kriegsgästen, die nun wieder kamen.494 Bemerkenswert sind jedoch auch die Rückschläge der Ordensbemühungen, die eindrücklich illustrieren, welche Kräfte die Samaiten mobilisieren konnten. Ein anderer Kriegszug von Ragnit aus wurde letztlich unterlassen, da die gewarnten Samaiten eine solche Menge an Leuten zusammenziehen konnten, dass die Reise gar nicht erst zur Ausführung kam. Etwas später zog der Marschall nicht aus, sondern blieb im Lande liegen aus Furcht vor den Litauern. Darüber hinaus hatte Vytautas im Frühsommer noch ein paar Erfolge vor Georgswerder und Dünaburg und musste nur ein Scheitern vor Ragnit verkraften.495 Dem Orden – und allen anderen Beteiligten – dürfte spätestens jetzt bewusst gewesen sein, dass weder eine militärische Eroberung Samaitens noch ganz Litauens aus eigenen Kräften möglich gewesen wäre. Er strebte daher weder jetzt noch früher eine solche an, sondern entschied sich aus diesem Grund eben immer nur für die Taktik einzelner Zerstörungsfeldzüge. Als Versuche militärischer territorialer Expansion sind daher auch diese Reisen nicht zu werten. Das Verhältnis zum polnischen König war seit einiger Zeit mehr als angespannt. Władysław hatte, ähnlich wie der Deutsche Orden umgekehrt, eine publizistische Kampagne gegen das Ordensland gestartet. Gegenüber Herzog Ruprecht von Liegnitz sah sich der Orden in einem Schreiben,496 das auf Anfang 1403 datiert, aber wohl besser in das Jahr 1402 zu setzen ist,497 veranlasst, die 491 492 493 494 495 496 497

Johann von Posilge, SSRP 3, S. 262. Vgl. dazu Krumbholtz, Samaiten, S. 37. Das Folgende nach Johann von Posilge, SSRP 3, S. 264–266. Ebd., S. 263; vgl. Voigt, Geschichte, 6, S. 238–239. Vgl. dazu ebd., S. 239–241; Krumbholtz, Samaiten, S. 38. S. auch Thorner Annalen, SSRP 3, S. 266; vgl. Voigt, Geschichte, 6, S. 246. OF 3, S. 105–107; gedr. CDP 5, CXXXIV; vgl. Voigt, Geschichte, 6, S. 242. Die Datierung ist insgesamt sehr problematisch. Die Datumszeile ist zwar eindeutig: Gegeben etc. tzu Mar[ienburg] am donirstage noch Epipha[ni]e im xiiijc und dritte[n] jore, und auch auf dem ersten Blatt des Stücks wird oben links in der Ecke das Jahresdatum sogar eingerahmt mit Im xiiijc und dritten jare angegeben. (Ob sich dies auf das folgende Stück oder die folgende Lage beziehen soll, ist jedoch nicht eindeutig.) Jedoch wird im Stück auf den Frieden von Sallinwerder rekurriert, wenn es heißt nu Michaelis dry jar synt dirgangen

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Unrechtmäßigkeit der polnischen Klagen darzulegen. Der Herzog hatte dem Orden den umlaufenden Brief Władysław-Jagiełłos zugesandt, wie aus dem hochmeisterlichen Schreiben hervorgeht. In dem längeren Brief legte der Hochmeister ausführlich das seiner Ansicht nach hinterhältige Verhalten des polnischen Königs seit dessen Krönung dar mit dem Ziel, diesen als schlechten bzw. nur vorgeblichen Christen zu diskreditieren. Neu ist der Vorwurf, dass Władysław-Jagiełło es gewesen sein soll, der Vytautas zum gegenwärtigen Aufstand angestachelt haben sollte. Danach habe er die neugetauften Samaiten gemeinsam mit Vytautas gegen die Kirche und den Orden aufgehetzt. Insgesamt handelte es sich bei diesem Schreiben um einen weiteren Versuch, die christliche Öffentlichkeit auf die Seite des Ordens zu ziehen und dessen Situationsinterpretation in den Vordergrund zu rücken. Im Mittelpunkt stand dabei, dass Władysław-Jagiełło und Vytautas als vorgebliche Christen präsentiert werden. Jedoch ist auch von Samaiten die Rede. Der Hochmeister nennt Samaiten unsere lande und bezeichnet die Einwohner als seine Untertanen. Das dürfte zumindest seine eigene Perspektive seit Sallinwerder gewesen sein. Überlegungen hinsichtlich einer Rückeroberung wurden jedoch weiter nicht angestellt. Für die Frage, ob der Orden eine zielgerichtete territoriale Expansionspolitik gegen Samaiten betrieben hat, bietet die Quelle daher wenig Informationen. Es wird allerdings deutlich, dass Konrad erstmals seine Rolle als rechtmäßiger Landesherr wirklich in den Mittelpunkt stellte. Der Frieden von Sallinwerder hatte die Situation geändert, da dadurch der Orden auf diplomatischem Wege in den Besitz des Landes gekommen war. Das gilt auch für das Schreiben des Hochmeisters an den Domherrn Hieronimus von Breslau, der ihm im Vorwege den Klagebrief des polnischen Königs übersandt hatte.498 Das Sendschreiben besteht aus einem sehr detaillierten Bericht über den Abfall der Samaiten, in dem auch Władysław-Jagiełło vorgeworfen wird, Vytautas angestachelt zu haben. Der beigelegte Zettel ist sehr dewart eyn frede mit im gemacht czu ewigen gecziten. Legt man diese briefinterne Angabe als bindend zugrunde, dann muss der Brief korrekterweise aus dem Jahr 1402 stammen. Für diese Angabe spricht, dass die Datumszeile von einer anderen Hand geschrieben wurde. Von der Hand, die auch den restlichen Brief abgeschrieben hat, steht nur Gegeben etc. vermerkt. Die zweite Hand ergänzte dann die Datumszeile. Man muss daher davon ausgehen, dass im Registrierungsprozess ein Fehler unterlaufen ist und der inneren Datierung des Briefes den Vorzug geben, sodass 1402 als korrektes Jahresdatum anzunehmen ist. Es findet sich hier ein interessantes Phänomen, das für Untersuchungen der Registerführung des Deutschen Ordens von Interesse ist. 498 OF 3, S. 112–114; gedr. CDP 6, CXIII. Das Schreiben ist undatiert, dürfte aber aus inhaltlichen Gründen in den zeitlichen Umkreis des Schreibens an Ruprecht von Liegnitz einzuordnen sein; vgl. Voigt, Geschichte, 6, S. 242. Voigt identifiziert (mit einiger Zurückhaltung) den bei CA, 3, I, S. 8, gedruckten Klagebrief als denjenigen, den der Domherr übersandt hatte. Boockmann, Falkenberg, S. 77, Anm. 104, behauptet hingegen, ohne jedoch auf diese These anzugehen, dass der Brief nicht mehr erhalten sei.

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tailliert hinsichtlich der Ordensvorwürfe, dass die Litauer nur vorgebliche Christen seien. Kaum ein Bericht ist so detailliert, doch sind die Argumentationslinien mittlerweile bekannt. Im Wesentlichen ist für die Fragestellung diesem Schreiben nichts Neues zu entnehmen. Sehr pointiert ist hier jedoch das Recht auf Samaiten aufgrund des Friedens von Sallinwerder formuliert, dass in der selben vorschreibunge Wytout die lant der Saymaiten gancz obirgap und vorschreip sie dem orden ewiclich mit aller herschaft und czu allem nutcze (…). Man sieht, dass der Orden sein gutes Recht betonte, ohne indes damit schon weitere Forderungen nach Rückgabe o. ä. zu verbinden. Ans Ende der Zwischenvertragszeit fällt dann auch das ausführlichste Ausschreiben des Hochmeisters an die westliche Öffentlichkeit gegen die Anklagen des polnischen Königs.499 Dieses ist für die Untersuchung der Frage nach der hochmeisterlichen Wahrnehmung der polnisch-litauischen Union sowie von Władysław-Jagiełło und Vytautas von wesentlicher Bedeutung. Konzentriert man sich jedoch auf die Suche nach unmittelbaren Hinweisen, inwieweit Konrad von Jungingen eine zielgerichtete territoriale Expansionspolitik gegen Samaiten verfolgte, dann finden sich keine neuen Informationen in diesem ansonsten äußerst wichtigen Schreiben.500 Insgesamt muss man feststellen, dass die meisten Quellen aus der Zwischenvertragszeit nach dem Abfall der Samaiten hauptsächlich Hinweise enthalten für die Beantwortung der Frage, inwieweit die Argumentation, Vytautas und Władysław-Jagiełło seien nur vorgebliche Christen, als Propaganda oder als wirkliche Wahrnehmung des Hochmeisters einzuschätzen wäre. Samaiten wird in dieser Frage naturgemäß berührt. Allerdings bieten die Briefe nach dem Abfall wenig Erkenntnisse, ob der Orden nun eine zielgerichtete Expansionspolitik zum Machtausbau betrieb. Es kann zusammenfassend festgehalten werden, dass der Orden militärisch zwar die Kriegsreisen wieder aufnahm, diese aber nur die möglichst starke Schädigung des Gegners und nicht die Rückeroberung Samaitens zum Ziel hatten. Für eine Rückeroberung waren die Samaiten offensichtlich zu stark. Auch das Bündnis mit Sˇvitrigaila ist wohl eher von diesem selbst initiiert worden, sodass man dem Orden hier keine zielgerichtete

499 OF 3, S. 41–43; gedr. CDP 5, CXXXV (lateinisch) vom 23. April 1403 sowie OF 3, S. 44, 49– 51; gedr. CDP 6, CXLVI (deutsche Übertragung) vom 3. Mai 1403; modernisierter Druck bei Bühler, Ordensritter, 27, S. 160–162; vgl. zur Interpretation dieses Schreibens nun auch Rüther, Geheimdiplomatie, sowie weiterhin Voigt, Geschichte, 6, S. 242–245. 500 Einschlägig ist vor allem die Auswertung von Boockmann, Falkenberg, S. 79, der mit diesem Brief den Orden der zielgerichtet ausgeführten Propaganda gegen die Christianisierung Litauens überführt wissen will. Bei nächster Gelegenheit muss die Frage nach der Wahrnehmung der Litauer durch die verschiedenen Hochmeister des Deutschen Ordens und mithin der ›Scheinargumentation‹ von der vorgeblichen Christianisierung der litauischen Herrscher und der Bevölkerung einer separaten Untersuchung unterzogen werden.

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Schaffung von Opposition zur Landgewinnung nachweisen konnte. Der Orden ließ sich hier wieder einmal von Initiativen von außen verführen. Auch auf diplomatischem Wege machte der Orden überhaupt keine Anstalten, Samaiten zurückzuverhandeln. Zwar spielte der Verlust in den Klageschreiben eine größere Rolle. Im Vordergrund stand aber die Klage über die vergeblichen Christianisierungsversuche der Litauer und ihre Apostasie, wovon der Abfall Samaitens nur eine Folge war. Auffällig ist jedoch, dass der Hochmeister nach dem ersten Schock das Anrecht des Ordens auf Samaiten aufgrund des Vertrags von Sallinwerder betonte. Weiterreichende Schlüsse wurden daraus nicht gezogen. Es ging vornehmlich darum, die westlich-christliche Öffentlichkeit auf die Situationsinterpretation des Ordens gegen die Kommunikationsoffensive Polens einzustimmen. Irgendwelche Erwägungen über die vielbetonte Landbrückenfunktion Samaitens gibt es auch in ordensinternen Schreiben nicht, die gerade in einer solchen Situation zu erwarten gewesen wären. Zwar muss konstatiert werden, dass der Hochmeister nun nach der ersten – vorläufigen – Inbesitznahme ein anderes Interesse an Samaiten entwickelte, doch deuten die Briefe darauf hin, dass dieses Pochen auf Samaiten eher mit seiner Selbstwahrnehmung als rechtmäßiger – und nach mittelalterlichen Vorstellungen: guter – Landesherr zu erklären ist als mit irgendwelchen geostrategischen Begründungen. Dass der Orden also hinsichtlich Samaitens eine zielgerichtete territoriale Expansionspolitik zum Machtausbau betrieben habe, dafür finden sich auch im zweiten Teil der Zwischenvertragszeit keinerlei Anzeichen, die über den ersten Blick hinaus Bestand haben könnten.

2.2.3.5 Der Frieden von Racianz/Racia˛ z˙ ek Der Frieden von Racianz501, abgeschlossen im Mai 1404 zwischen dem Deutschen Orden, König Władysław-Jagiełło und Vytautas, der den seit 1401 währenden Kriegszustand aufgrund der samaitischen Erhebung beendete, wurde zu Recht als »hoch komplex« bezeichnet.502 Treffend ist vor allem Weises Charakterisierung als »Irrgarten«.503 Schließlich besteht das Vertragswerk nach dessen Zählung aus insgesamt sieben Haupturkunden und einer Urkunde mit Sonderartikeln sowie einem Unterhändlervertrag.504 Unübersichtlich ist die Überlieferungslage vor allem aufgrund der verschiedenen Ausfertigungen der Ver501 Racia˛z˙ek in Kujawien wird häufig mit Racia˛z˙ in Masowien verwechselt; vgl. Błaszczyk, Dzieje, 2, S. 291. Beide Orte werden auf Deutsch in der Regel mit Racianz (zuweilen auch Razianz) wiedergegeben. 502 Lückerath, Konrad, S. 99–100. 503 Weise, Diplomatik, S. 222. 504 SDOP, 22–31; für die weitere Überlieferung s. Nowak, Dokumenty. Zum formalen Aufbau s. Weise, Diplomatik, S. 222.

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tragsparteien jeweils sowohl in deutscher als auch in lateinischer Sprache. Zudem vervollständigen erst die vier Urkunden des Bündnisses von Ritterswerder/Kauen aus dem August 1404 und die Thorner Ergänzungsverträge in Form von drei Urkunden aus dem Juni 1405 den Racianzer Friedensvertrag.505 Viel Beachtung haben weder der Friedensprozess noch die Ergebnisse des Friedens gefunden.506 Eine umfassende Aufarbeitung und Systematisierung aller Aspekte sowie eine Diskussion der Gewichtung ihrer Stellung im Gesamtvertragswerk existiert bislang nicht.507 Das mag einerseits der schon konstatierten 505 So richtig Weise in SDOP, S. 34; das Bündnis von Ritterswerder/Kauen (August 1404): ebd., 32–36; die Ergänzungsverträge von Thorn (Juni 1405): ebd., 37–39. Im Übrigen stellt schon Johann von Posilge, SSRP 3, S. 272, die Treffen von Racianz und Ritterswerder/Kauen in einen direkten Zusammenhang. Neitmann hat überzeugend dargelegt, dass erst in Thorn das Vertragsschließungsverfahren beendet wurde und der Frieden von Racianz endgültig in Kraft trat, da hier die endgültigen Urkunden mit dem großen Majestätssiegel des polnischen Königs ausgetauscht worden sind; Neitmann, Staatsverträge, S. 157. Die Ergänzungsverträge von Thorn enthalten jedoch keine neuen Aspekte, sondern bestehen aus Nachträgen und Vollzugsbestätigungen; so auch der Tenor von Johann von Posilge, SSRP 3, S. 277. Auch das Bündnis von Ritterswerder besteht aus Nachträgen zu den schon in Racianz ausgestellten Urkunden und muss nicht zuletzt als Ausweis guten Willens von beiden Seiten gewertet werden (bes. Punkte 6 a-c); vgl. auch die Einschätzung von Krumbholtz, Samaiten, S. 49–50. Kein Ergebnis des Friedens, sondern offenbar mehr Voraussetzung bzw. Vorleistung für gelungene Verhandlungen war die Verleihung lebenslänglich freier Jagd in der Wildnis des Ordens an den König von Polen durch den Hochmeister (Pgt.Ukd. Schiebl. 53, Nr. 20), wie auch schon 1398 und 1403; vgl. SDOP, S. 40. 506 Genauer untersucht sind bislang nur die formalen Aspekte des Vertragsschließungsverfahrens; Neitmann, Staatsverträge, bes. S. 153–157. Nowak, Dokumenty hat zudem umfassende Recherchen zur Quellengrundlage angestellt und weitere Ausfertigungen und Abschriften der Urkunden ermittelt; vgl. ferner Ga˛ siorowski, Friedensvertragsurkunden. Trotz einer nicht ganz geringen Anzahl an Erwähnungen des Friedens und seines Prozesses in der Literatur muss festgestellt werden, dass es sich dabei meistens um Überblickswerke oder Studien mit anderen Fragestellungen als Schwerpunkt handelt: Am Umfänglichsten ist weiterhin Goyski, Stosunki, S. 56–66. Eine aktuelle Kurzübersicht der Ergebnisse bei Błaszczyk, Dzieje, 2, S. 290–295, bei dem jedoch eigentlich das Binnenverhältnis von Polen und Litauen der Schwerpunkt ist; vgl. zudem Nikodem, Witold, S. 267–270; Voigt, Geschichte, 6, S. 266–274 und S. 327–329; Caro, Polens, S. 239–245 und S. 272; Krollmann, Geschichte, S. 83–84; Lohmeyer, Westpreussen, S. 338–339; Hellmann, Grossfürstentum, S. 758–759; Kolankowski, Polska Jagiellonjw, S. 29; Krzyz˙ aniakowa/ ´ ski, Władysław II Jagiełło, S. 192–193; Prochaska, Krjl, S. 171–174; KrumbOchman holtz, Samaiten, S. 41–52. Weitere Sekundärliteratur mit kürzester Erwähnung des Friedens findet sich bei Szweda, Organizacja, S. 368–371, zusammengestellt; dort sind auch alle nicht zeitgenössischen Quellen sowie weitere Studien in litauischer Sprache aufgeführt; s. dazu auch Błaszczyk, Dzieje, 2, S. 292, Anm. 199. Die ältere deutsche Forschung ist unter den entsprechenden Dokumenten in SDOP verzeichnet. 507 Basierend auf der hier folgenden umfänglichen Aufarbeitung aller Friedensergebnisse ist kürzlich eine Fallstudie des Autors erschienen, in der die methodische Notwendigkeit der Inbeziehungsetzung der Friedensergebnisse mit ihrem Entstehungsprozess für eine angemessene Bewertung demonstriert wird; Kubon, Friedensvertrag. Dort geht es dann, anders als hier, schwerpunktmäßig um eine systematische Abwägung von Nutzen und Nachteilen

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Unübersichtlichkeit geschuldet sein. Andererseits wurde der Vertrag vielfach auch nur für wenig bedeutsam, d. h. konkret nur für eine reine Erneuerung des Friedens von Sallinwerder gehalten.508 In der Regel sind dann aus einer mehr oder weniger ausführlichen Aufzählung verschiedener Aspekte des Vertrags509 ausschließlich diejenigen hervorgehoben worden, die für die entsprechende Fragestellung am relevantesten erschienen,510 wenn nicht der Frieden gar nur auf die naheliegende, jedoch den Sachverhalt verkürzende Formel gebracht wurde, dass Dobrin gegen Samaiten getauscht worden sei.511 Das kann aufgrund der Komplexität des Vertragswerks natürlich nicht befriedigen und muss auch überhaupt erstaunen, handelt es sich bei diesem Frieden doch um die letzte pax perpetua512 des Ordens mit Polen und Litauen vor der Schlacht bei Tannenberg, die weiterhin als ein Zentralereignis für die Beziehungen zwischen dem Ordensland sowie seinen Nachbarn gilt.513 Einzig Kurt Forstreuter hat – wie oben

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der Regelungen des Friedens für die einzelnen Vertragsparteien im Lichte seiner Genese, da die bisherigen Vorstellungen mehr Fragen aufgeworfen haben als sie klären konnten. Insgesamt wurde dieser Aspekt vernachlässigt; vgl. Caro, Polens, S. 239–245; Voigt, Geschichte, 6, S. 267–270; Krollmann, Geschichte, S. 83–85, die trotz ihrer recht detaillierten Darstellung kaum eine Bewertung wagen. Als Ausnahmen zu nennen sind Błaszczyk, Dzieje, 2, S. 294, und Goyski, Stosunki, S. 62–66; Krumbholtz, Samaiten, S. 44–45. Zwar sollte man es für eine Selbstverständlichkeit halten, dass die Ergebnisse eines Friedens nicht isoliert von der Genese betrachtet werden können, doch muss in diesem Fall festgestellt werden, dass auch der Friedensprozess erst kürzlich einer genaueren Untersuchung unterzogen worden ist; Kubon, Friede. Vorher lag eine exakte Nachzeichnung der Chronologie nicht vor. Krumbholtz, Samaiten, der noch am meisten Mühe darauf verwandt hat, bleibt nicht immer ohne Versehen. Kiaupa, History, S. 138 (hier heißt es »replica«); Boockmann, Falkenberg, S. 81; Hellmann, Grossfürstentum, S. 758–759. Das zeigt sich auch darin, dass das Lexikon des Mittelalters keinen eigenen Artikel zum Frieden von Racianz enthält, sondern nur zum Frieden von Sallinwerder ; Boockmann, Sallinwerder. In der klassischen Überblicksdarstellung von Boockmann wird der Frieden überhaupt nicht erwähnt; vgl. Boockmann, Orden. Sylvain Gouguenheim zählt ihn nicht unter »Les grands trait8s des XIVe et XVe siHcles«; s. Gouguenheim, Chevaliers, S. 478. Doch auch die historiographischen Quellen rekurrieren nur kurz auf den Frieden von Racianz und seinen Prozess; Thorner Annalen, SSRP 3, S. 274 (Racianz), S. 267 (zum Prozess) und S. 277 (Thorn) ohne Erwähnung von Ritterswerder/Kauen. Johann von Posilge ist nur wenig ausführlicher, SSRP 3, S. 266–272 (zum Prozess und Racianz), S. 272 (Ritterswerder/Kauen), S. 277 (Thorn). Das MTB konnte hinsichtlich der Chronologie des Friedensprozess noch einige Fragezeichen beseitigen, für die Ergebnisse liefert es keine weiteren Erkenntnisse. Zwar etwas unsystematisch und auch unvollständig, jedoch am detailliertesten ist die Aufarbeitung von Błaszczyk, Dzieje, 2, S. 292–293; vgl. auch Goyski, Stosunki, S. 60–61. Vgl. Krollmann, Geschichte, S. 83–84; Lohmeyer, Westpreussen, S. 338–339; zuletzt hat sich Błaszczyk, Dzieje, 2, S. 293, gegen diese Auffassung ausgesprochen. Eine pax perpetua bezeichnet einen Frieden von unbeschränkter Dauer im Gegensatz zu einem bloßen Waffenstillstand (nur pax bzw. die deutschen Schreibweisen von Friede); Weise, Diplomatik, S. 225–226. Das zeigt schon die spätestens seit dem letzten Jubiläumsjahr kaum mehr zu überblickende

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schon erwähnt – dem Frieden von Racianz (neben dem Frieden von Sallinwerder) eine herausragende Bedeutung für die kommenden Ereignisse zugewiesen, wenn er die Ursachen für Tannenberg entgegen der opinio communis nicht bei Ulrich von Jungingen, sondern schon bei Konrad von Jungingen verortet, da dieser bei den beiden Friedensschlüssen die Notlage seines Partners übermäßig ausgenutzt habe.514 Ob aber der Große Krieg – wie hier insinuiert – schon im letzten ewigen Frieden vor 1410 angelegt war, Racianz mithin als ein Wendepunkt in der Geschichte der Beziehungen betrachtet werden muss, kann hier nicht Gegenstand der Betrachtungen sein, sondern soll in extenso an anderer Stelle geprüft werden. Hier muss im Folgenden der Frieden von Racianz gemäß der Leitfragestellung untersucht werden, ob sich eine immer wieder postulierte zielgerichtete territoriale Expansionspolitik gegenüber Polen und Litauen erkennen lässt. Als Frage formuliert: Ist der letztlich verbriefte Erwerb von Samaiten als ein Beleg für eine geglückte Expansionspolitik zu werten, und wurde diese im Prozess zielgerichtet von Konrad von Jungingen betrieben? Um zu einer angemessen Einschätzung zu kommen, welche Art von Außenpolitik sich im Frieden von Racianz spiegelt, müssen Ergebnisse und Prozess zwingend zusammengenommen betrachtet werden. Eine isolierte Betrachtungsweise ergäbe auch hier nur wieder ein irritierendes Bild und ein erklärungsbedürftiges Spannungsverhältnis zwischen der gängigen Bewertung der Friedensergebnisse, die allgemein als Erfolg des Ordens und teilweise sogar als Demütigung von Vytautas betrachtet wurden, und der diplomatischen Genese, in der hingegen Vytautas als Herr des Verfahrens zu erkennen ist.515 Was für eine Außenpolitik lässt sich also erkennen, wenn man den Prozess und die Friedensergebnisse zusammengenommen betrachtet? Um die Frage nach einer möglichen zielgerichteten Expansion zu beantworten, müssen die Regelungen des Friedensvertrags in toto aufgearbeitet werden. Nur so kann der Stellenwert von Expansionsbestrebungen im Allgemeinen und gegenüber Samaiten im Speziellen im Vertragswerk geprüft werden. Zumal schon an dieser Stelle herLiteratur. Genannt seien an dieser Stelle die neue umfassende Darstellung von Józ´wiak et al., Wojna, die Monographie von Gouguenheim, Tannenberg, sowie weiterhin Ekdahl, Schlacht. 514 Forstreuter, Deutschland, S. 12–13. Czacharowski, Tannenberg, S. 55 und S. 59, bildet die Antithese zu dieser Auffassung, der vielmehr im Frieden von Racianz zumindest implizit einen Beleg sieht, dass man mit ein wenig gutem Willen weiterhin ein friedliches Verhältnis hätte bewahren können. 515 Goyski deutet solche Überlegungen an, ohne diese jedoch auszuführen; vgl. Goyski, Stosunki, S. 66. Unbewusst hat auch Hellmann, Grossfürstentum, S. 758–759, hier schon ein Problem erkannt, der die weitreichenden Zugeständnisse der polnisch-litauischen Seite eingestandenermaßen nicht recht erklären konnte. Das gleiche gilt für Krzyz˙ aniakowa/ ´ ski, Władysław II Jagiełło, S. 192, die sich fragen, warum trotz der vorteilhaften Ochman politischen Situation für Polen-Litauen schwierige Konditionen am Ende herauskamen.

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vorgehoben werden muss, dass im Rahmen des Vertrags auch Dobrin und Slotterie an Polen abgetreten wurden. Wie passt also dieser Umstand zur Expansionsthese? Doch zunächst müssen die Charakteristika des Friedensprozesses zusammengefasst werden, um danach die Ergebnisse des Friedensvertrages in extenso darzulegen. Erst abschließend kann geprüft werden, inwieweit der Friedensprozess und die letztlich verbrieften Ergebnisse zusammengenommen eine zielgerichtete Expansionspolitik Hochmeister Konrads von Jungingen widerspiegeln. 2.2.3.5.1 Der Friedensprozess (12. Juli 1403–25. April 1404) Der Friedensprozess spielte sich in einem Zeitraum von ca. einem dreiviertel Jahr ab.516 Mit der auf den 12. Juli 1403 datierten Bestätigung eines kurz vorher mündlich zwischen dem Obersten Marschall, Werner von Tettingen, und Vytautas verabredeten Verhandlungstags setzt die Überlieferung ein, über die die Genese des Racianzer Friedens erschlossen werden kann.517 Da auch die Vertragsparteien hier den Ausgangspunkt zum Frieden sahen, hat schon Erich Weise dieses Dokument zu Recht als »Vorurkunde« eingestuft.518 Nach zahlreichen Briefen, Botschaften und einer persönlichen Zusammenkunft zwischen dem Hochmeister und Vytautas fand der Prozess letztlich seinen Abschluss, als der Hochmeister am 25. April 1404 die vom polnischen König für Pfingsten vorgeschlagene Tagfahrt annahm.519 Doch das Ganze der Reihe nach: Die am 12. Juli 1403 bestätigte Tagfahrt sollte am 8. September 1403 an der Dubissa stattfinden mit dem Ziel der Beilegung aller Streitigkeiten zwischen beiden Ländern.520 Wörtlich heißt es: von unser beider lande wegen, als Littouwen und Russen von syme teile, und ouch Saymaithen, und Prussen und Lyfflandt von unser syten (…). Ohne dass es viel konkreter würde, ist dabei auffällig, dass schon in dieser Aufzählung Samaiten eine Mittelstellung erhält. Es spiegelt sich – ob für Konrad bewusst oder unbewusst muss dahingestellt bleiben – in dieser Formulierung die hochmeisterliche Auffassung der politischen Stellung von Samaiten wider. Man wird diese so interpretieren müssen, dass er das Land zwar als von Vytautas kontrolliert sah, es aber nicht mehr als zu dessen Ländern gehörig betrachtete. Für Vytautas war 516 In Hinblick auf eine etwas andere Leitfragestellung ist der Prozess en d8tail zu finden bei Kubon, Friede, S. 43–49. 517 SDOP, 22 (Regest): OF 3, S. 133; gedr. CDP 6, CL. 518 Vgl. die Erneuerungsurkunde des Friedens von Sallinwerder ; SDOP, 24 (Regest); s. z. B. die lateinische Urkunde Vytautas’ in LivUB I 4, MDCXLII; vgl. Kubon, Friede, S. 43. 519 OF 3, S. 163; Kubon, Friede, S. 49. 520 SDOP, 22 (Regest): OF 3, S. 133; gedr. CDP 6, CL. Keine weiteren Hinweise bietet der hochmeisterliche Begleitbrief vom gleichen Tage mit der Bitte um Geleit für den Landmeister von Livland; vgl. OF 3, S. 133; gedr. CDP 6, CLI.

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es der Waffenstillstand bis zum 8. September bzw. bis acht Tage nach Abschluss der in Aussicht genommenen Tagfahrt, der für ihn offenbar von wesentlicher Bedeutung war. Schließlich war er es, der bei dem schon erwähnten Treffen, das die Freilassung von Gefangenen zum Anlass hatte, gegenüber dem Ordensmarschall die Initiative ergriff und den Orden explizit um eine Waffenruhe und die Tagfahrt ersuchte.521 Zumindest berichtete es der Hochmeister so in einem Brief an die Markgrafen von Meißen, in dem die näheren Umstände geschildert werden.522 Johann von Posilge, der in dieser Angelegenheit gut informiert erscheint, schildert Vytautas zudem als ausgesprochen nachgiebig gegenüber den Gebietigern beim Gefangenenaustausch, was dafür spricht, dass er sich diese geneigt zu machen suchte, bevor er mit seinem eigentlichen Anliegen, einem Waffenstillstand, an sie herantrat.523 Aus dem Brief über die letztlich gescheiterte Tagfahrt an den römisch-deutschen König Ruprecht sowie weitere Fürsten und Komture im Reich vom 16. Oktober 1403 geht darüber hinaus hervor, dass Vytautas dem Obersten Marschall von sich aus sogar in Aussicht stellte, er wolle dem Orden genczlich wedirkeren, was her von lande im genomen hette.524 Darunter dürfte der Orden wohl vor allem Samaiten verstanden haben sollen, wobei dann angesichts der diesem Land in der Regel zugeschriebenen Bedeutung erstaunlich ist, dass es nicht auch namentlich genannt wird. Zwar ist unklar, inwieweit diese Formulierung auf den Orden bzw. Vytautas selbst zurückgeht, doch wäre zu vermuten, dass der Orden gerade angesichts der Adressaten in jedem Fall hier eine namentliche Nennung vorgenommen hätte, hätte Samaiten eine so symbolische und überragende Bedeutung gehabt, wie der Gegend in der Sekundärliteratur zugeschrieben worden ist. Hier ging es Konrad daher offensichtlich weniger um das Land an sich oder gar um eine etwaige Funktion als Landbrücke o. ä., sondern mehr darum, dass die dem Orden einmal zugestandenen Rechte gewahrt würden. Konrad von Jungingen war überhaupt, wie der eben erwähnte Bericht an die Markgrafen von Meißen nahelegt, von diesem Vorstoß mit den weitreichenden Aussichten im Ganzen etwas überrascht – wohl nicht zuletzt auch deswegen, weil eigentlich Vytautas sich im vorgeschalteten Konflikt nach wechselhaftem Kriegsglück im Vorteil befand.525 Daraus lässt sich schließen, dass der Litauer Samaiten wieder einmal als Verhandlungsmasse nutzen wollte, um andere, für ihn höher priorisierte Ziele umsetzen zu können. Konrad zeigte sich interessiert 521 522 523 524

Zur Datierung s. Kubon, Friede, S. 44, Anm. 19. OF 3, S. 134; gedr. CDP 6, CLII. Der Brief datiert auf den 15. Juli 1403. Johann von Posilge, SSRP 3, S. 266. OF 3, S. 52–54; gedr. CDP 6, CLVIII (auf S. 54 findet sich noch ein ungedruckter Zusatz an den Landkomtur von Österreich). 525 Krumbholtz, Samaiten, S. 38.

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und ging auf das Angebot und die plötzlich sich ergebenden Verhandlungen ein. Ein eigenständiger Versuch des Hochmeisters, Samaiten auf diplomatischen Wege zurückzugewinnen, kann in dieser Phase daher letztlich nicht erkannt werden. Es reagierte wieder einmal nur auf die ihn überraschende Initiative des Litauers. Die Tagfahrt endete allerdings ohne Ergebnisse. Sie scheiterte aber offenbar nicht zufällig.526 Im angeführten hochmeisterlichen Bericht an den römischdeutschen König Ruprecht wird die Tagfahrt als von Vytautas zielgerichtet sabotiert dargestellt:527 So war diese demnach unter der Voraussetzung angenommen worden, dass der König von Polen persönlich anwesend sein oder wenigstens ausreichend Bevollmächtigte senden würde. Von polnischer Seite waren aber nur zwei Boten mit schlechten Kredenzbriefen anwesend, die zudem (offenbar auf Geheiß von Vytautas) die Prüfung ihrer Vollmachten verweigerten. Diese verwiesen den Hochmeister wegen seiner Forderung, dass Vytautas mich und mynen Orden widdirseczte in die besitzunge und rechte der lande, die her mir czu unrechte hette genomen und obir die her gegeben hette seyne eygene briffe, auf den Litauer, der sich ohne den polnischen König dazu wiederum auch nicht ermächtigt gezeigt habe. In der Bestätigung vom 12. Juli hatte diese vom Hochmeister angesprochene Abmachung, dass der König von Polen anwesend sein werde, allerdings keinen Niederschlag gefunden.528 Vytautas seinerseits schob dem Hochmeister die Verantwortung für das Scheitern zu, da dieser Sˇvitrigaila, seinen houptfynt, mitgebracht und seinen unwillen gezeigt habe. Der Hochmeister wies in seinem Antwortschreiben diese Vorwürfe auf das Schärfste zurück und betonte, dass jenem dessen Anwesenheit angekündigt worden sei.529 Hinsichtlich der sich gegenseitig ausschließenden Aussagen zum Scheitern der Tagfahrt ist es nicht einfach, eine Entscheidung bzgl. ihrer Glaubwürdigkeit zu treffen. Es spricht jedoch viel für den Bericht530 des Hochmeisters. Schließlich konnte dieser überhaupt kein Interesse daran haben, einen Anlass dafür zu geben, dass diese Tagfahrt, die ihm unvermutet einige Chancen eröffnet hatte, scheitert. Bei Vytautas sieht es hingegen ganz anders aus. Zu diesem Zeitpunkt ist bei ihm kein gegenüber dem Orden formuliertes Verhandlungsziel fassbar. Vytautas hatte offenbar an verbrieften und längerfristig bindenden Ergebnissen mit dem Orden zu dieser Zeit kein übermäßiges Interesse, sodass er es von Anfang an auf ein Scheitern der Tagfahrt angelegt haben dürfte, wie auch sein 526 Die Zusammenfassung in den Thorner Annalen, SSRP 3, S. 267, ist auch für die hier sonst herrschenden Verhältnisse lakonisch: sed nihil est conclusum. 527 OF 3, S. 52–54; gedr. CDP 6, CLVIII. 528 Auch Johann von Posilge, SSRP 3, S. 267, berichtet von Vytautas’ Versprechen, der König von Polen solle anwesend sein. 529 OF 3, S. 54–55; gedr. CDP 6, CLIX. 530 OF 3, S. 52–54; gedr. CDP 6, CLVIII.

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dem Hochmeister gegenüber feindseliger Empfang zeigt.531 Sein kurzfristiges Ziel war vielmehr ein weiterer unverbindlicherer, jedoch möglichst langer Waffenstillstand. Darauf weist zumindest sein weiteres Verhalten hin. Als der Hochmeister die Tagfahrt abbrechen wollte, gingen Vytautas und die polnischen Gesandten diesem um einen Verhandlungstag an, der bis spätestens Pfingsten angesetzt werden sollte. Auf eine solche zeitlich weitreichende Perspektive wollte sich das Ordensoberhaupt zwar nicht einlassen – er äußerte die Befürchtung, dass sich Vytautas verstärken wollte –, der Aufnahme eines Verhandlungstages bis Weihnachten stimmte er jedoch zu. Der Hochmeister stellte einen späteren Verhandlungstag und einen damit stets verbundenen Waffenstillstand nur dann in Aussicht, sollten dem Orden die genomen lande zurückgegeben werden. Der Hochmeister betonte dabei, dass er es sonst nicht für möglich erachtete, mit demjenigen einen längeren Waffenstillstand aufzunehmen, der mich berobet hat myner lande und die mir mit frebel vorhelt. Zwar zeigte der Orden nun also deutliches Interesse an der Rückgabe der genommenen Länder, wie auch die oben zitierte Forderung Konrads belegt. Dies geschah allerdings erst, nachdem es von Vytautas im Vorwege geweckt worden war. Jedoch wird Samaiten bemerkenswerterweise im Bericht nicht einmal namentlich genannt. Daher erscheint es insgesamt verfehlt, in dieser Forderung primär eine zielgerichtete territoriale Expansionspolitik hinsichtlich Samaitens mit dem Motiv eines Machtausbaus zu erkennen. Dem Hochmeister ging es vielmehr darum, dass seine verbrieften Rechte gewahrt blieben. Das Possessivpronomen myner spricht Bände. Er fühlte sich offensichtlich als rechtmäßiger Landesherr und damit in der Pflicht, sich um eine Rückgabe zu bemühen. Nachdem er einmal das Land in Besitz genommen hatte und ihm die Rückgabe nach dem Abfall auf dem Wege der Diplomatie in Aussicht gestellt worden war, wollte er dann auch nicht so schnell wieder von dem Zugesprochenen abrücken. Eine gar geostrategisch grundierte Machtpolitik lässt sich aber auch hier nicht in den Quellen erkennen. Zumindest einen Teilerfolg konnte Vytautas mit seinem taktischen Manöver, einen möglichst langen Waffenstillstand auszuhandeln, also verbuchen. Es ist dabei auffällig, das Vytautas einen Waffenstillstand ausgerechnet bis Pfingsten erbeten hat. Schließlich ist das der Termin, an dem letztlich auch der Friede von Racianz abgeschlossen werden sollte. Hier einen Zufall erkennen zu wollen, erscheint dann angesichts von Vytautas’ bisherigem Taktieren nicht angemessen zu sein. Vielmehr dürfte sich zeigen, dass Vytautas seiner Politik gegenüber dem Orden eine längerfristige Zeitplanung zugrunde gelegt hat, wohingegen der Hochmeister von der überraschenden Initiative zur Tagfahrt und ihrer dann umso weniger erwarteten Sabotage hin- und hergerissen wurde. 531 So beschreibt es zumindest wieder der Hochmeister ; ebd.

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Häufig wurde das Scheitern der Tagfahrt (am 8. September) mit dem ebenso berühmten wie folgenlosen Verbot532 der Litauenreisen durch Papst Bonifaz IX. vom 9. September 1403 in einen Zusammenhang gestellt. So sah Weise hier eine Verbindung und folgerte, dass Vytautas erst das Ergebnis des polnisch-litauischen Vorgehens an der Kurie habe abwarten wollen und daher kein Interesse an einem Ergebnis mehr gehabt habe.533 Offenbar verleitet die chronologische Nähe dazu, Tagfahrt und Bulle aufeinander beziehen zu wollen.534 Die Chronologie ist es aber, die eigentlich gegen einen Zusammenhang spricht, konnte Vytautas doch zum Zeitpunkt der Verhandlungen noch nicht wissen, ob Unterstützung aus Rom zu erwarten war. Die Gründe, warum Vytautas eine Einigung zu diesem Zeitpunkt hintertrieb, waren andere, wie nicht zuletzt die Betrachtung des Gesamtprozesses nahelegt. Die Ergebnisse aus Rom abwarten zu können, war daher höchstens ein angenehmer Nebeneffekt. Vielmehr war es neben der taktischen Absicht von Vytautas, mit dem Orden in nicht mehr, aber eben auch nicht weniger als einen Waffenstillstand einzutreten, vor allem auch eine demonstrative Rücksichtnahme auf den polnischen König, in der sein Verhalten begründet liegt. Am 19. Juni 1403 hatte Vytautas schließlich beurkundet, nullas uniones, ligas seu concordias mit dem Orden abzuschließen ohne Wissen und Zustimmung des polnischen Königs.535 Er konnte sich mit dem Scheitern der Tagfahrt aufs Bequemste gegenüber Władysław-Jagiełło profilieren. Im Folgenden war der Orden weiterhin den wechselnden Initiativen von Vytautas unterworfen. Trotz (oder vielleicht eher gerade wegen) der Missstimmung auf Ordensseite aufgrund der gescheiteren Tagfahrt und anderer Spannungen nahm Vytautas durch seinen Schreiber im Herbst 1403 neuerlich Kontakt auf anlässlich der Klärung des weiteren Verfahrens mit Flüchtlingen und

532 CDP 5, CXXXVII. 533 SDOP, S. 31. Vgl. auch Voigt, Geschichte, 6, S. 247, unter Berufung auf Johann von Posilge (vgl. SSRP 3, S. 267–268); zu seiner widersprüchlichen Darstellung s. Kubon, Friede, S. 45– 46, Anm. 25. Gegen einen Zusammenhang spricht sich Boockmann, Falkenberg, S. 81, Anm. 122, aus – jedoch ohne Begründung. 534 Es könnte sein, dass der Zusammenhang auch deswegen hergestellt wurde, da im Schreiben des Hochmeisters an den Ordensprokurator (s. u.) nicht nur von den Verhandlungen mit Vytautas und Władysław-Jagiełło berichtet wurde, sondern sich auch eine Aufforderung an den Prokurator findet, sich bei den Unterstützern des Deutschen Ordens für die Aufhebung des päpstlichen Verbotes einzusetzen. Diese Aufforderung ist aber deutlich eingeschoben und ohne inhaltliche Verbindung zum Bericht über die Verhandlungen. Zwar ist ein gewisser inhaltlicher Zusammenhang der Sache nicht abzusprechen. Ein direkter Zusammenhang wurde zumindest vom Hochmeister aber offensichtlich nicht gesehen; vgl. OBA 737; gedr. BGP 2, 5 als Vollregest. 535 CEV, CCLXVIII. Auch Błaszczyk, Dzieje, 2, S. 287–289, hat darauf hingewiesen, dass Meinungsverschiedenheiten zwischen Polen und Litauen durch dieses Dokument ausgeräumt werden konnten.

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Überläufern.536 Einige Gebietiger waren aus ungenannten Gründen zu diesem Zeitpunkt schon auf dem Weg zu Vytautas.537 Da in diesem Brief der Hochmeister nun auch dessen Bitte entsprach, den Komtur von Balga, Ulrich von Jungingen, ab dem 14. November zu ihm nach Garten zu senden, dürfte davon auszugehen sein, dass Vytautas schon vorher (evtl. auch durch seinen Schreiber) um eine Zusendung der Gebietiger gebeten hatte. Letztlich war der Hochmeister mit dieser Unterredung zufrieden; er dankte Vytautas am 25. November für den freundlichem Empfang des Komturs von Balga und die dem Orden gezeigte Gunst.538 Diese bestand offensichtlich darin, dass dem Orden in Aussicht gestellt worden war, die genommene lant zurückzugeben – dieses Mal jedoch unter Anwesenheit des polnischen Königs, der auch in Garten zugegen war.539 Auf polnisch-litauischer Seite hatte man offenbar auf die hochmeisterlichen Vorstellungen reagiert. Man machte das Rückgabeangebot nun glaubwürdiger, indem auch der polnische König einbezogen wurde, dessen Abwesenheit die Tagfahrt noch kurz vorher hatte scheitern lassen. Es ist nicht wenig wahrscheinlich, dass schon der Schreiber mündlich Verhandlungen über eine Rückgabe angekündigt hatte. Ansonsten ließe sich ein so bereitwilliges Absenden von verschiedenen Gebietigern durch den Hochmeister kaum erklären. Konrad von Jungingen machte sich also offenbar spätestens zu diesem Zeitpunkt wieder die durch Vytautas’ Verhalten initiierte Hoffnung, zügig die verlorenen Gebiete – Samaiten wird namentlich jedoch wieder nicht genannt – zurückzuerhalten. Konrad versprach eilfertig, der Bitte des Litauers zu entsprechen und ihm den Komtur von Balga nach erfolgter Aufforderung erneut zu senden.540 Es herrschte nun wieder eine freundliche Atmosphäre.541 Ohne dass es für die Rekonstruktion der nun folgenden Ereignisse hun-

536 Das geht aus dem Brief des Hochmeisters an Vytautas vom 23. Oktober 1403 hervor; OF 3, S. 54–55; gedr. CDP 6, CLIX. 537 Ebd. 538 OF 3, S. 56; gedr. CDP 6, CLXII. 539 Das geht aus einem Bericht des Hochmeisters an den Ordensprokurator hervor, der Anfang des Jahres 1404 verfasst wurde. Dieser ist nur als mehrfach verändertes Konzept mit vielen Streichungen und größerem Textverlust überliefert, sodass einige Zweifelsfälle in der Chronologie nicht mehr geklärt werden können. Aufgrund seines internen und unfertigen Charakters dürften Verzerrungen in der Darstellung hier jedoch nicht zu vermuten sein; OBA 737; gedr. BGP 2, 5 (Vollregest). 540 OF 3, S. 56; gedr. CDP 6, CLXII. 541 Das zeigt sich auch in der undatierten, aber wohl gleichzeitig ausgestellten Jagderlaubnis für Vytautas und König Władysław-Jagiełło im Ordensgebiet während der Zeit des Waffenstillstands; OF 3, S. 56; gedr. CDP 6, CLXI. Auf den 19. November 1403 datiert schon eine Jagderlaubnis des Komturs von Balga für Vytautas im Ordensland unter Einschluss des Königs von Polen; KDWP 5, 41.

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dertprozentige Sicherheit gibt,542 kam es zu einer solchen Aufforderung wohl nicht.543 Vytautas hatte also den Hochmeister wieder einmal mit einer Gebietsrückgabe gelockt, ohne dabei vorzuhaben, schleunigst Verhandlungen mit konkreten Ergebnissen aufzunehmen. Zumindest sah sich der Hochmeister gezwungen, nun einmal von sich aus aktiv zu werden. Um den Jahreswechsel von 1403 zu 1404544 schickte der Hochmeister den Komtur von Balga und den Komtur von Mewe mit den Konzepten etlicher Verträge nach Wilna, auf deren Basis sich die beiden Fürsten dem Orden yo czu eyner sichcherheit vorschreiben sollten. Der Hochmeister demonstrierte damit deutliches Interesse seinerseits an einer Regelung. Hervorgehoben werden muss, dass nicht klar benannt wird, worin genau die Vertragsinhalte bestehen sollten. Vermutlich handelte es sich (auch oder vorwiegend) um die Rückgabe der abgefallenen Länder. Samaiten wird jedoch wieder einmal nirgends genannt. Man sollte dies als ein weiteres Indiz dafür nehmen, dass das Land an sich nicht die Bedeutung hatte, die den samaitischen Gebieten vielfach zugeschrieben wurde. Ansonsten wäre eine deutliche Erwähnung gegenüber dem Ordensprokurator – hier sind Verzerrungen unwahrscheinlich – naheliegend gewesen. Zu einer Ausstellung von Verträgen kam es jedoch ohnehin nicht. Die Umstände – auch das geht aus dem Bericht an den Ordensprokurator hervor – hatten sich nämlich mittlerweile geändert. Sˇvitrigaila, vormals noch der Hauptfeind von Vytautas, hatte sich mit diesem und dem polnischen König zwischenzeitlich ausgesöhnt. Władysław nutzte daher nun die verbesserte Situation und das deutliche Interesse des Hochmeisters an einer Einigung, um in die Debatte die Rückgabe von Dobrin als Vorleistung einzubringen und somit den Preis in die Höhe zu treiben. Dabei sparte er auch nicht an Vergeltungsdrohungen, sollten die Litauenreisen wieder aufgenommen werden. Der Hochmeister ließ sich davon nicht beeindrucken. Er erwog deren Aufnahme seinerseits später aber nur kurz. Die Forderung nach Dobrin wurde auch von Hauptmann Manewide noch einmal vor den Hochmeister gebracht. Dieser hingegen versuchte durch seinen Schreiber ein weiteres Mal die Forderung nach einer Verschreibung durchzusetzen.545 Obwohl eine Einigung, die Konrad offenbar tatsächlich noch erhoffte,546 nicht 542 Die Hauptquelle, der Bericht an den Ordensprokurator, für das Folgende weist starken Textverlust auf (s. o.); OBA 737; gedr. BGP 2, 5 (Vollregest). 543 Zwar berichtet Johann von Posilge, SSRP 3, S. 269, von einer Bitte des polnischen Königs, ihm Gesandte nach Wilna zu schicken, doch wird kein genauer Zeitpunkt angegeben, sodass nicht klar ist, ob hier eine Zuordnung vorgenommen werden kann. 544 Das genaue Datum ist unsicher ; vgl. dazu Kubon, Friede, S. 47, Anm. 35. 545 Anlässlich dieser Zusammenkunft berichtet Johann von Posilge, SSRP 3, S. 269, davon, dass ein Waffenstillstand vereinbart worden sei. Das deckt sich jedoch nicht mit den Informationen der hochmeisterlichen Korrespondenz bzw. ist zumindest sehr verkürzt dargestellt. 546 Das legt ein Brief an Janusz, Herzog von Masowien, nahe (21. Januar 1404), in dem zwar

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in die Realität umgesetzt wurde, kam es nicht zu Gewaltmaßnahmen. Vytautas entschuldigte sich nämlich kurz danach für die ablehnende Antwort und stellte durch den Ordensschreiber und seinen eigenen Schreiber wieder einmal die (aus Ordensperspektive) widdirkerunge unser greniczen in Aussicht.547 Der Hochmeister nahm Anfang Februar die Entschuldigung willig an, versprach, bis zur nächsten Tagfahrt auch mit mündlichen Versicherungen zufrieden zu sein, und hoffte ausdrücklich auf einen ewigen Frieden.548 Von anderen Verhandlungen finden sich in den Quellen zunächst keine weiteren Spuren. Erst für Ende April kann man über das Tresslerbuch erschließen, dass Hauptmann Manewide als Gesandter beim Hochmeister gewesen ist.549 Verhandlungen über eine neue Zusammenkunft dürften in diesem Zeitraum stattgefunden haben, für die sich sonst aber keine weiteren Belege finden. Das zeigt auch der Brief des Hochmeisters vom 25. April 1404 an den König von Polen, in dem die vorgeschlagene Zusammenkunft zu Pfingsten angenommen wurde.550 Konrad berichtete hier, dass mit Vytautas auch schon Briefe bzgl. eines Waffenstillstands ausgetauscht worden seien, was dafür spricht, dass es mit diesem schon zu einer Übereinkunft gekommen war. Diese Tagfahrt wurde schließlich auch eingehalten und hatte den Frieden von Racianz zur Folge. 2.2.3.5.2 Die Strukturen des Friedensprozesses Nachdem der Ablauf des Prozesses rekonstruiert wurde, lassen sich folgende Charakteristika des außenpolitischen Vorgehens von Konrad erkennen, die sehr deutlich einen Hinweis darauf geben, ob man angesichts der Verhandlungsabläufe guten Gewissens davon sprechen kann, dass der Hochmeister in der Zwischenvertragszeit eine zielgerichtete Expansions- bzw. Rückeroberungspolitik gegenüber Samaiten betrieb:551 Dafür könnte sprechen, dass (worauf schon oben hingewiesen wurde) der Hochmeister immer wieder auf die Rückgabe der genommenen Länder bzw. auf die Rückkehr zu den alten Grenzen zurückkam. Es muss dann jedoch hervorgehoben werden, dass es zunächst Vytautas war, der das Interesse des Hochmeisters geweckt hatte, indem er eine Rückgabe schon bei der ersten Kontaktaufnahme in Aussicht stellte – und das obwohl er sich militärisch gerade im Vorteil befand. Auch im Folgenden lockte Vytautas immer wieder mit einer Übergabe, die der Orden nun aber auch regelmäßig einforderte.

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noch unklar ist, wie Vytautas reagieren würde, der Hochmeister für den Fall der Zustimmung jedoch jetzt schon verschiedene Abmachungen mit dem Herzog von Masowien traf; CEV, CCLXXX. Das geht aus dem Brief des Hochmeisters an Vytautas vom 6. Februar 1404 hervor; OF 3, S. 154; gedr. CDP 6, CLXIX. Ebd. MTB, S. 305. OF 3, S. 163. Vgl. für Details dazu Kubon, Friede, S. 49–52, sowie Kubon, Friedensvertrag, S. 61–65.

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Diese Umstände sprechen daher vor allem dafür, dass Vytautas Samaiten wieder einmal als Verhandlungsmasse und Lockmittel gebrauchte. Das dürfte daran gelegen haben, dass er zu dieser Zeit Interessen im Osten um Smolensk verfolgte.552 Er brauchte Ruhe an der westlichen Grenze und hatte es daher auf einen Waffenstillstand mit dem Orden abgesehen. Für den Orden hingegen zeigen die Rückforderungen, dass er auf seinem in Sallinwerder vertraglich zugesichertem Recht bestand. Was der Orden einmal erlangt hatte, das wollte er auch behalten – so sollte dieses Vorgehen in einer anderen Angelegenheit beschrieben werden.553 Es war dabei mehr die Durchsetzung der landesherrlichen Rechte – diese waren nun einmal erworben und sie durchzusetzen war auch Pflicht eines Landesherrn –, die hier offenbar im Mittelpunkt der Motivlage stand, und weniger eine geostrategisch-fundierte territoriale Expansionspolitik. Es ist dabei nämlich nicht zuletzt auffällig, dass der Name »Samaiten« keine Erwähnung findet, sondern immer nur allgemein von den genommenen Ländern oder den Grenzen gesprochen wird. Dieser Umstand dürfte insgesamt dafür sprechen, dass das Land nicht die symbolische und geostrategische Bedeutung als Landbrücke hatte, die der Gegend häufig von der späteren Forschung zugeschrieben wird. Die territoriale Ausweitung war damit nur ein Nebeneffekt bei der Durchsetzung der Ordensrechte. War nun zwar das primäre Motiv mit ziemlicher Sicherheit die Durchsetzung der Ordensrechte, muss dennoch gefragt werden, ob doch damit vielleicht nicht zumindest in zweiter Linie auch ein territorialer Ausweitungswunsch des Hochmeisters verbunden war. Allerdings hat die Rekonstruktion des mikropolitischen Verhandlungsprozesses gezeigt, dass man Konrad von Jungingen, obgleich er nun auf die Gebietsansprüche regelmäßig zurückkam, auf keinen Fall längerfristig geplante und zielgerichtete Expansions- oder Rückeroberungsversuche attestieren kann. Schließlich muss in einer Gesamtschau Vytautas als der Herr des Verfahrens bezeichnet werden. Er bestimmte Geschwindigkeit, Teilnehmer und die jeweiligen Zeitpunkte der Initiativen und Blockaden des Prozesses. Vytautas war es, der die Initiative zum Friedensprozess ergriffen hatte. Auch der Endpunkt des Prozesses wurde vom Litauer bestimmt. Dass es letztlich der Pfingsttermin wurde, der sich schon in einem frühen Stadium des Prozesses als Wunschzeitpunkt des Litauers herauskristallisiert hatte, dürfte angesichts seines beständigen Taktierens kein Zufall sein. Von Konrad von Jungingen ging im gesamten Prozess hingegen nur einmal wirklich forciert – jedoch taktisch unglücklich – die Initiative aus, um den über mehrere Waffenstillstände in der Schwebe gehaltenen Prozess wieder anzuschieben, was zur Folge hatte, dass der polnische König die Dobriner Angele552 Błaszczyk, Dzieje, 2, S. 287. 553 S. dazu das Kapitel zur Neumark und den kleineren Erwerbungen.

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genheit als Vorleistung in den Prozess einbringen konnte. Insgesamt ist bei Konrad im Gegensatz zu Vytautas kein Taktieren zu erkennen. Er machte es dem polnischen König und vor allem Vytautas leicht, ihn immer wieder mit der Rückgabe der abgenommenen Länder zu locken. Auch erscheint Konrad recht uninformiert hinsichtlich des Verhaltens von Vytautas. Dessen Ziele und Zwecke waren dem Hochmeister offenbar nicht ersichtlich. Diesen nachzuspüren, kam er augenscheinlich auch nicht auf die Idee. Seine Vermutungen über dessen Verhalten, insbesondere dessen Wortbrüchigkeit, blieben insgesamt recht oberflächlich und wenig klar. Man muss konstatieren, dass der Hochmeister angesichts Vytautas’ Volten nicht selten überrascht erscheint. Eine planvoll initiierte und zielgerichtet geführte Außenpolitik in Richtung territoriale Expansion zum Machtausbau seitens des Hochmeisters ist daher nicht zu erkennen, sondern ein reines Pochen auf die in Sallinwerder verbrieften Ordensansprüche. Er wurde selber kaum aktiv, sondern es zeigte sich vielmehr nur eine Reaktion auf die Vorstöße von polnischer und litauischer Seite. Um es deutlich auf den Punkt zu bringen: Vytautas trieb den Orden vor sich her, womit sich vor allem zeigt, dass die Initiative und die eigentlich höhere Machtstellung bei ihm lag. Damit gelang ihm sogar, den polnischen König in eine Situation zu bringen, durch die Dobrin letztlich wieder an Polen zurückfiel. Angesichts dieser Situation kann man Konrad von Jungingen weder längeroder mittelfristig geplante noch zielgerichtete Versuche zur Rückerwerbung Samaitens auf diplomatischem Wege bescheinigen. Ebenso wenig gab es andere Versuche der Expansion bzw. Rückeroberung. Zwar hatte Konrad einmal gegenüber dem Prokurator kurz erwogen, die Reisen wieder aufzunehmen. Doch dazu kam es dann nicht. Ob dem Hochmeister wirklich klar war, dass mit militärischen Aktionen Samaiten gegen den Widerstand von Vytautas nicht zu erobern war,554 oder ob schon solche weitreichenden Überlegungen den Planungshorizont Konrads überstiegen und er ohnehin nur die altbekannten Vernichtungsfeldzüge im Sinn hatte, muss Spekulation bleiben. Vytautas hatte das Heft in der Hand. Er ließ es in dem Moment zu einem Friedenschluss kommen, in dem ihm dies in seine Pläne passte: nachdem er sich vorher den Rücken mittels Waffenstillständen freigehalten hatte, die den Friedensprozess in der Schwebe hielten. Zwar gibt es also hochmeisterliche Ansprüche auf die verlorenen Gebiete, worunter auch mit großer Wahrscheinlichkeit Samaiten zu verstehen ist (obwohl es nicht namentlich genannt wurde) – als zielgerichtete und geplante territoriale Rückeroberungs- oder Re-Expansionspolitik sollte das 554 So noch vom Autoren in einem früheren Aufsatz vermutet; Kubon, Friede, S. 52. Angesichts der Litauenreisen in der Zwischenvertragszeit, die ausschließlich den üblichen Charakter aufwiesen (s. o.), muss man hier wohl noch mehr Vorsicht in seinen Vermutungen walten lassen. Der Hochmeister ist wohl gar nicht auf die Idee gekommen, dass die Reisen andere Ziele als die Taktik der verbrannten Erde haben könnten.

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Verhalten Konrads von Jungingen trotz seines Rekurses auf die verlorenen Gebiete im Vorwege des Friedens von Racianz aber nicht verstanden werden. Seine primäre Motivation hinter den Forderungen war eine andere, die mit reiner Machtpolitik zu modern verstanden wäre. 2.2.3.5.3 Die verbrieften Ergebnisse des Friedens von Racianz Im Mai 1404 kam es dann aber zu einer Einigung. Welche Vereinbarungen wurden also in den Friedensurkunden verbrieft? Im Folgenden sollen zunächst alle Aspekte des umfangreichen Vertragswerks von Racianz geordnet und systematisch zusammengefasst werden, um danach abschätzen zu können, inwieweit sich eine zielgerichtete territoriale Expansionspolitik des Ordens insbesondere hinsichtlich Samaitens in den Ergebnissen widerspiegelt. Die vertragliche Regelung umfasste die folgenden Aspekte: 1) Die Erneuerung bzw. Bestätigung der Bestimmungen des Friedens von Sallinwerder (22./23. Mai 1404):555 Hochmeister Konrad von Jungingen und König Władysław-Jagiełło von Polen als oberster Großfürst von Litauen bestätigen die Bestimmungen des inserierten Friedens von Sallinwerder zwischen dem Orden und Vytautas. Am 22. Mai 1404 erneuern auch Konrad von Jungingen und Vytautas den Frieden von Sallinwerder.556 Die Bestimmungen waren nach den von Vytautas 1398 ausgestellten und von Władysław-Jagiełło 1404 bestätigten Urkunden bzw. den entsprechenden Gegenurkunden des Ordens Folgende:557 555 SDOP, 26: Die lateinische Urkunde des Hochmeisters zum 21. Mai 1404 (nach Nowak, Dokumenty, 4, hier falsches Datum nach OF 7 und richtigerweise auf den 22. Mai 1404 zu datieren) ist gedr. Lites 22, XLIV (mit wörtlich übernommenem Rechtsinhalt). Die deutsche Ausfertigung auf Pergament des Hochmeisters (ohne die einleitenden und abschließenden Formeln) ist auf den 22. Mai 1404 datiert (gedr. Lites 22, XLIII; mit wörtlich übernommenem Rechtsinhalt) (vgl. Nowak, Dokumenty, 4 und 4 A) ebenso wie die deutsche Fassung der Urkunde des polnischen Königs (OBA 747 – mit vollem inserierten Wortlaut des Vertrages von Sallinwerder), wohingegen dessen lateinische Ausfertigung am 23. Mai 1404 ausgestellt wurde; gedr. CDL, 8, S. 251 (im Wortlaut inseriert); vgl. Nowak, Dokumenty, 6 A und 6; vgl. Voigt, Geschichte, 6, S. 268; Caro, Polens, S. 241 und S. 245; Krollmann, Geschichte, S. 84. 556 SDOP, 24: deutsche Ausfertigung des Hochmeisters gedr. RLU, 147, und die lateinische Urkunde von Vytautas gedr. LivUB I 4, MDCXLII; vgl. Nowak, Dokumenty, 1 und 2; vgl. Voigt, Geschichte, 6, S. 268; Caro, Polens, S. 241. 557 Da die Bestimmungen schon oben ausführlich dargelegt wurden, reicht hier zur Erinnerung eine kürzere Zusammenfassung der Ergebnisse mit den entsprechenden Hinweisen auf nun eingetretene Besonderheiten. Der Frieden von Sallinwerder ist gedruckt bei SDOP, 2 (Hauptvertrag, deutsche Ausfertigung von Vytautas; deutsche Ausfertigung des Hochmeisters: LivUB I 4, MCDLXXVIII), 1 (Vorfriede zu Garten; Vollregest; gedr. Baczko, Geschichte, Beilage XV, S. 388) und 3 (Sonderbestimmung; gedr. Baczko, Beiträge, S. 418– 419, Nr. 2). Die am 14. Oktober 1398 ausgestellte Sonderbestimmung des Friedens von Sallinwerder, in der sich Vytautas verpflichtet, dem Hochmeister beim Bau von zwei

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a) Vytautas verpflichtet sich zur Ausbreitung des Christentums (dieser Aspekt entfällt in der Gegenurkunde des Ordens gegenleistungslos).558 b) Verpflichtung zur gegenseitigen Einhaltung des Friedens. c) Verpflichtung beider Seiten, keine Bündnisse gegeneinander abzuschließen.559 d) Grenzziehung I.) gegen Livland (mit detaillierten Ortsangaben), II.) gegen Preußen (mit detaillierten Ortsangaben), III.) gegen Masowien nach Auslösung des Landes Wizna vom Deutschen Orden durch Herzog Siemowit560, IV.) alle Länder jenseits der beschriebenen Grenzen zu Livland und Preußen sollen dem Orden verbleiben unter Vytautas’ Verzicht auf seine Rechte; verklausuliert ist hiermit die Abtretung Samaitens an den Orden gemeint561; der Orden verzichtet dafür auf darüber hinausgehende Ansprüche. e) Vytautas verzichtet auf Ansprüche auf Pleskau, der Orden hingegen auf Ansprüche auf Nowgorod. f) Vereinbarung über freien Handelsverkehr und Schutz für die jeweiligen Kaufleute in den Ländern des Vertragspartners. g) Verbot der Aufnahme von Zinshaftigen der Gegenseite. Dieser Aspekt wurde in den mit Władysław-Jagiełło erneuerten Verträgen von Racianz ausgelassen,562 offenbar, da hier direkt eine Regelung mit Vytautas getroffen werden sollte. Im Bündnis von Ritterswerder/Kauen vom 17. August 1404 fand dieser Aspekt, der wörtlich zitiert wurde, mit Vytautas eine verschärfte Regelung, da – so die hier dargelegte Begründung – aus dem

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Grenzburgen zu helfen und ihm erlaubt, sich auf seinem Gebiet Stein, Kalk und Holz zu nehmen sowie in der litauischen Wildnis zu jagen, fand keine Erneuerung im Frieden von Racianz. LivUB I 4, MCDLXXVIII; Lites 22, XLIII. In der Urkunde Władysław-Jagiełłos von 1404 ist der Artikel noch zu finden. Dieser bemerkenswerte Umstand erklärt sich damit, dass in dieser die Urkunde von Vytautas im Wortlaut inseriert ist; CDL, 8, S. 251. Der Orden verpflichtete sich in der Urkunde von 1398, gegen Vytautas keine Bündnisse einzugehen, während 1404 König Władysław-Jagiełło namentlich genannt ist, was sich schließlich aus der Anlage des Verträge ergibt; LivUB I 4, MCDLXXVIII; Lites 22, XLIII. Das gilt für alle weiteren Artikel, in denen 1398 Vytautas genannt ist und somit dann 1404 Władysław-Jagiełło. Dieser Aspekt fehlt unerklärlicherweise in der Urkunde des Hochmeisters von 1398; LivUB I 4, MCDLXXVIII; Pgt.Ukd. Schiebl. 53, Nr. 3, war im Archiv leider nicht zugänglich. Auch in der hochmeisterlichen Urkunde von 1404 ist er nicht aufgeführt (Lites 22, XLIII), da sich diese Angelegenheit mit der Einlösung von Wizna 1402 schon erledigt hatte (SDOP, 5 = Einlösungsbrief). In der Urkunde von König Władysław-Jagiełło ist der Artikel noch vorhanden, da die Urkunde Vytautas’ von 1398 im Wortlaut inseriert worden war ; CDL, 8, S. 251. SDOP, S. 9. Lites 22, XLIII und XLIV. Die spätere Verschärfung dieser Regelung wurde dann sogar jedoch an der Urkunde von Sallinwerder handschriftlich nachgetragen; SDOP, S. 11.

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Artikel neue schelunge entstanden waren.563 Die Abänderung dieses Artikels wurde dann mit der Zustimmung des polnischen Königs dahingehend verschärft, dass nicht nur keine Zinshaftigen, sondern überhaupt keine Untertanen gleich welchen Standes innerhalb von zehn Jahren ohne Zustimmung der anderen Seite angesiedelt werden dürften. Erst nach dieser Frist solle den Freien volle Freizügigkeit zugestanden werden.564 h) Bei gemeinsamen Heerfahrten soll eine jede Seite die von ihnen gemachten Gefangenen behalten. i) Bei gemeinsamen Heerfahrten wird knapp die – modern gesprochen – »Feldgerichtsbarkeit« geregelt. j) Gegenseitige Verpflichtung, niemandem den Durchzug durch das eigene Land zur Schädigung des Vertragspartners zu erlauben. k) Gegenseitige Verpflichtung, keine Geächteten der Gegenseite im eigenen Land aufzunehmen. l) Gegenseitige Verpflichtung, kein Heer durch das Gebiet des Vertragspartners zu führen ohne dessen Wissen. m) Verpflichtung des Hochmeisters, keine Brüder, Verwandte oder sonstige Missvergnügte des polnischen Königs im Ordensland aufzunehmen.565 Dieser Artikel fehlt naturgemäß im Frieden von Sallinwerder zwischen dem Hochmeister und Vytautas und taucht nur in den hochmeisterlichen Urkunden des Friedens von Racianz auf. Der polnische König hat sich

563 SDOP, 32; vgl. Krumbholtz, Samaiten, S. 49; Voigt, Geschichte, 6, S. 273; Caro, Polens, S. 272. Letztlich war die umstrittene Auslegung dieses Artikels der Grund für den Bruch des Vertrags von Sallinwerder im Jahre 1401 (s. o.). 564 Auf die kleinere Urkunde des Friedens von Racianz vom 23. Mai 1404 (s. 2b), in der Vytautas gelobte, keine Samaiten aufzunehmen, wurde hingegen kein expliziter Bezug genommen; SDOP, 30 (Regest), gedr. CEV, CCLXXXVI. Ein solcher wurde jedoch von Krumbholtz sicher nicht völlig zu Unrecht angenommen; Krumbholtz, Samaiten, S. 46– 47. 565 Preterea promittimus quod nullos fratres et consanguineos ipsius domini regis fugitivos seu alios quoscunque erroneos per quos dominus rex et regnum Poloniae ac terre Litvanie et Russie possent molestari durante pace debemus ad terras nostras recipere et fovere; Lites 22, XLIV; vgl. auf deutsch XLIII. Dieser neue Artikel wurde von Weise in SDOP, 2 bzw. 26, offenbar übersehen, da er ansonsten in Fällen dieser Art einen Hinweis für angebracht hielt. Krollmann nennt diesen Artikel nur als einen unter vielen, erkennt dabei jedoch nicht, dass er neu hinzugekommen ist; Krollmann, Geschichte, S. 84. Caro, Polens, S. 241, und Goyski, Stosunki, S. 61, haben auf diesen Artikel hingewiesen, diesen aber nur auf die Erfahrungen mit Sˇvitrigaila bezogen. Voigt, Geschichte, 6, S. 270, kennt diesen Artikel, stellt ihm jedoch die Urkunde von Vytautas vom 23. Mai 1404 gegenüber (s. 2b); SDOP, 30. Dass hier der Deutsche Orden eine (eher geringere) Gegenleistung von Vytautas für ein massives Zugeständnis an den polnischen König, das auch Vytautas selbst betrifft, annahm, darf bezweifelt werden. Aus dem Unterhändlervertrag (SDOP, 23) dürfte jedoch hervorgehen, dass dieser Artikel die Gegenleistung für die Erneuerung des Friedens von Kalisch war bzw. umgekehrt (s. u.).

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offenbar diese Ergänzung ausbedungen, ohne dass er selber zu diesem Artikel eine direkte vertragliche Gegenleistung erbrachte. Am gleichen Tag (22. Mai 1404) bestätigte Vytautas auch den Frieden von Racianz zwischen dem König von Polen und dem Deutschen Orden.566 2) Samaiten: a) Die Abtretung von Samaiten: In der gleichen Urkunde, in der Vytautas den Frieden von Racianz bestätigt (22. Mai 1404)567, setzt dieser auch den Zeitpunkt für die Übergabe Samaitens, das sogar namentlich genannt wird, an den Deutschen Orden binnen eines Jahres von spätestens dem Johannistag (24. Juni 1404) an fest und eben dieselbe Frist für die Stellung von Geiseln und die Huldigung durch die Samaiten. Folgende Maßnahmen werden angekündigt für den Fall, dass er die Samaiten nicht zur Geiselstellung und Huldigung binnen kurzer Zeit bewegen kann:568 I. Verbot des Handelsverkehrs (explizit genannt werden die Waren Korn, Salz und Eisen) ab dem Johannistag für die litauischen und russischen Untertanen mit den Samaiten bis zu deren Geiselstellung und Huldigung. II. Durch herunge soll kein Zwang ausgeübt werden, außer der Hochmeister wünscht es ausdrücklich.569 III. Sollten die Samaiten darüber hinaus binnen der Jahresfrist nicht zum Gehorsam gegen den Orden gebracht werden können, ist Vytautas verpflichtet, dem Orden bei der Unterwerfung beizustehen, in welcher Form der Hochmeister das auch immer wünscht. IV. Wenn er dem Orden nicht dabei helfen sollte, sondern diesen daran hinderte, habe er sich mannunge, getwank unde obirlast vom Orden zu unterwerfen, ohne dass ein daraus entstehender Krieg den ewigen Frieden von Racianz mit dem König von Polen verletzte. Das »Seitenstück«570 ist die Urkunde des Königs von Polen vom 23. Mai 1404, mit der dieser die Abtretung Samaitens durch Vytautas bestätigt 566 SDOP, 25 (Vollregest): gedr. CEV, CCLXXXV (unvollständig: es fehlt eine Zeile das Verbot des Handelsverkehrs betreffend); vgl. Nowak, Dokumenty, 3; vgl. Voigt, Geschichte, 6, S. 268–269. 567 Ebd.; vgl. auch Caro, Polens, S. 241; Krumbholtz, Samaiten, S. 43–45. 568 Die etwaigen Zwangsmaßnahmen gegen die Samaiten und ggf. gegen Vytautas selbst sind in der Unterhändlerurkunde ausführlicher als hier festgelegt worden; SDOP, 23. Offenbar konnte sich der Orden mit seinen Vorstellungen letztlich nicht ganz durchsetzen. 569 Krumbholtz, Samaiten, S. 44, sieht hier eine Vorsichtsmaßnahme gegen einen eventuellen Versuch von Vytautas, mit bewaffneter Macht in Samaiten einzudringen und nicht die Herrschaft des Ordens, sondern seine eigene zu befestigen. 570 So zu Recht die Bezeichnung von Weise (SDOP, S. 35) betr. SDOP, 29 (Druck mit Kenntlichmachung der Übernahmen aus der Unterhändlerurkunde); vgl. Nowak, Dokumenty, 9; vgl. Krumbholtz, Samaiten, S. 45; Caro, Polens, S. 241; Voigt, Geschichte, 6, S. 269–270.

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unter den gleichen Bedingungen, wie sie dessen Urkunde enthält. Einzig der letzte Artikel ist hier etwas ausführlicher und den Umständen entsprechend anders formuliert:571 Wenn nämlich Vytautas sich weigern sollte, die vorgeschriebenen Artikel auszuführen oder den Orden bei ihrer Umsetzung behinderte, dann solle sich der Orden zuerst an den polnischen König wenden, der Vytautas zur Erfüllung seiner Verpflichtung auffordern werde. Für den Fall, dass dies keine Ergebnisse bringen sollte, so stehen dem Orden danach solange Zwangsmaßnahmen gegen Vytautas zu, bis die Stellung von Geiseln und die Huldigung durch die Samaiten erreicht sei, jedoch darf das Land Władysławs in einem eventuell entstehenden Krieg nicht berührt werden. Darüber hinaus ist die Urkunde nicht nur auf Vytautas beschränkt, sondern auch auf dessen Nachfolger ausgeweitet. b) Die Aufnahme von Samaiten in Litauen:572 In einer kürzeren Urkunde vom 23. Mai 1404 gelobt Vytautas, keine Samaiten in seinem Land aufzunehmen, bevor nicht seine Amtsleute mit denen des Ordens über die vom Litauer gewünschten Samaiten und ihren Familien einig geworden sind. In diesem Fall dürfte Vytautas 250 Samaiten aufnehmen; ansonsten sollte eine persönliche Zusammenkunft mit dem Hochmeister stattfinden. Sollte auch eine solche keine Einigung herstellen, würde das Gericht des römisch-deutschen Königs angerufen werden, das die Zahl der Familien festsetzen soll unbeschadet der Vereinbarung des Racianzer Friedens. 3) Dobrin und Slotterie:573 Am 23. Mai 1404 beurkundet der König von Polen den Vergleich, der die Abtretung des Landes Dobrin durch Hochmeister Konrad von Jungingen zum Inhalt hat. Es wurde festgelegt, dass der Hochmeister dem König von Polen das Land Dobrin mit allem Zubehör sowie die Burg und das Gebiet Slotterie zu Pfingsten des folgenden Jahres (7. Juni 1405) übergebe gegen eine Zahlung von 50.000 Gulden für Dobrin und 2400 Schock Groschen für Slotterie in der Zwischenzeit. Nach Zahlung und Übergabe werde der König den Hochmeister von allen Rechtsverbindlichkeiten in Bezug auf Dobrin und Slotterie entlasten. Das geschah dann auch, wie zwei Ergänzungsverträge von Thorn belegen. Am 11. Juni 1405 bestätigte der König den Erhalt von Dobrin und Slotterie nach Zahlung der entsprechenden Summen und erklärte den Orden für frei von

571 Krumbholtz, Samaiten, S. 45; Voigt, Geschichte, 6, S. 269–270. 572 SDOP, 30; gedr. CEV, CCLXXXVI; vgl. Nowak, Dokumenty, 10. Irrig dazu Voigt, Geschichte, 6, S. 270; Krumbholtz, Samaiten, S. 46–47. Vgl. dazu das Kapitel zu den kleineren Erwerbungen. 573 SDOP, 28; gedr. Lites 22, XLV; vgl. Nowak, Dokumenty, 8; vgl. Voigt, Geschichte, 6, S. 267; Caro, Polens, S. 241.

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allen Ansprüchen aus dieser Pfandschaft.574 Schon einen Tag früher befreite der König den Orden und den Hochmeister von allen Ansprüchen, die an diese von irgendeiner Seite wegen des an ihn abgetretenen Landes Dobrin herangetragen werden könnten.575 4) Erneuerung des Friedens von Kalisch:576 Władysław bestätigt am 23. Mai 1404 den Frieden zwischen dem Deutschen Orden und König Kasimir (vom 8. Juli 1343 zu Kalisch), ohne dass dieser im Wortlaut in dieser Urkunde wiederholt wird. Er versprach darin jedoch, dass dieser Frieden für die Beziehungen zwischen Preußen und Polen als maßgeblich angesehen und eingehalten werde. Zumindest der Orden wird darunter nicht zuletzt den in der Haupturkunde stehenden ausdrücklichen Verzicht auf Pommerellen, das Kulmerland und Michelau sowie die Gebiete von Nessau, Orlau und Morin seitens des polnischen Königs und seiner Nachfolger und die Anerkennung des Ordens als rechtmäßiger Besitzer verstanden haben.577 5) »Sonderartikel«578 : In einer Sonderurkunde vom 25. Mai 1404 verpflichtet sich Hochmeister Konrad von Jungingen noch zu: a) der Rückgabe des von einem d[omi]num Sandziwog dem Hochmeister und dem Orden verpfändeten Waldes an den König von Polen nach der Zahlung der Pfandsumme durch diesen;579 b) der Einhaltung der seit alters her geltenden Grenzen der Neumark (ohne nähere Beschreibung);580 c) der gütlichen Beilegung von künftigen Grenzstreitigkeiten.581 Die Gegenurkunde des polnischen Königs findet sich erst unter den Ergänzungsverträgen von Thorn. Sie ist auf den 10. Juli 1405 datiert und enthält

574 SDOP, 39. Ein vollständiger Druck liegt nicht vor. Solange ist der Rückgriff auf OF 67, Bl. 178r, notwendig. Die Empfangsbescheinigung des Hochmeisters Konrad von Jungingen über 50.000 ungarische Gulden und 2400 Schock böhmischer Groschen ist gedr. CDPol 4, 75, S. 81. 575 SDOP, 38; gedr. Lites 22, XLVIII; vgl. Voigt, Geschichte, 6, S. 327–328; Lohmeyer, Westpreussen, S. 339. 576 SDOP, 27; gedr. u. a. Lites 22, XLVI (nach Ausfertigung); vgl. Nowak, Dokumenty, 7; vgl. Voigt, Geschichte, 6, S. 267–268; Caro, Polens, S. 241–242. 577 Erich Weise hat darauf hingewiesen, dass auch dieser Frieden aus verschiedenen Einzelurkunden zusammengesetzt ist, jedoch wohl in erster Linie die Haupturkunde (CDPol 4, S. 68, 62) mit dem ausdrücklichen Verzicht gemeint sei; SDOP, S. 36. Dennoch fällt diese doch eher zusammenfassende Bestätigung auf, wenn man sie dem Aufwand gegenüberstellt, der bei der Erneuerung von Sallinwerder betrieben wurde. 578 So die Bezeichnung von Weise; SDOP, 31 (Regest); gedr. Lites 22, XLVII. 579 Lites 22, XLVII. Dieser Aspekt ist schon im Unterhändlervertrag festgehalten; SDOP, 23, 3. 580 Lites 22, XLVII. Dieser Aspekt ist schon im Unterhändlervertrag festgehalten; SDOP, 23, 4. 581 Lites 22, XLVII. Dieser Aspekt ist schon im Unterhändlervertrag festgehalten; SDOP, 23, 5.

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nur noch die Aspekte 5b und 5c.582 Offenbar hatte sich die Rückgabe des Waldes in der Zwischenzeit erledigt. 6) Nachträge des Bündnisses von Ritterswerder/Kauen (August 1404): a) Am 17. bzw. 18. August 1404 schlossen der Hochmeister und Vytautas zu Kauen bzw. Ritterswerder ein Bündnis zu gegenseitiger Hilfeleistung falls einer von ihnen wegen des Friedens von Racianz oder sonst zu Unrecht angegriffen werden würde;583 ausgenommen sind dabei von Seiten des Hochmeisters die Römische Kirche und das Reich. Vytautas schließt zusätzlich den polnischen König aus. Ausdrücklich wird diese Tagfahrt als Beweis für den Wunsch nach persönlicher Bekräftigung des zu Racianz geschlossenen Friedens benannt.584 b) Am 17. August 1404 gestattete Vytautas dem Hochmeister und dem Orden den Gebrauch des ihm gehörigen Ufers der Nawese für den Bau von Mühlen etc.585 c) Abschließend versprach Konrad von Jungingen am 18. August 1404, Großfürstin Anna, die Gemahlin von Vytautas, im Falle von dessen Tod bei ihrem von diesem verbrieften Leibgedinge zu erhalten.586 2.2.3.5.4 Prioritäten und Gewichtung der Artikel des Vertragswerks Bei einem Blick auf die verschiedenen Regelungen und Vereinbarungen des Vertragswerks von Racianz, der von Weise aufgrund der Vielzahl der Urkunden zu Recht als ein »Irrgarten« bezeichnet wurde,587 stellt sich auch nach dieser Systematisierung noch die Frage, welches Gewicht den einzelnen Aspekten zukommt. Diese Klärung ist notwendig, um herausarbeiten zu können, inwieweit sich eine territoriale Expansionspolitik zur Machtvergrößerung in den verbrieften Ergebnissen des Friedensvertrages von Racianz widerspiegelt bzw. welchen Stellenwert die Aspekte, die mit territorialer Expansion in Verbindung gebracht werden können, überhaupt im Gesamtgefüge des Vertragswerks haben. 582 SDOP, 37; s. Caro, Polens, S. 244–245; Voigt, Geschichte, 6, S. 328; Voigt, Neumark, S. 54– 55. 583 SDOP, 34, Regest der Urkunde Vytautas’; gedr. CEV, CCXCVII. SDOP, 35, ist die Urkunde des Hochmeisters; vgl. Voigt, Geschichte, 6, S. 272–273; Krumbholtz, Samaiten, S. 50. 584 Es heißt hier wörtlich: […] czu beweisen di liebe und di begerunge, di wir […] czu desselben obgeschreben, ewigen gemachten fredes [scil. Friede von Racianz] creftigern bevestigunge tragen […]; so nach der (wortgleichen) Urkunde von Vytautas; CEV, CCXCVII. Diese Urkunde legt auch nahe, dass erst jetzt eine persönliche Zusammenkunft zwischen Vytautas und dem Hochmeister stattgefunden hat, d. h. der Friede von Racianz tatsächlich in Abwesenheit Vytautas’ vollzogen wurde. 585 SDOP, 33 (Regest); gedr. CEV, CCXCVI; vgl. Voigt, Geschichte, 6, S. 274; Krumbholtz, Samaiten, S. 49–50. 586 SDOP, 36 (Regest); gedr. CEV, CCC; vgl. Caro, Polens, S. 272; Voigt, Geschichte, 6, S. 273– 274. 587 Weise, Diplomatik, S. 222.

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Ist darüber Klarheit gewonnen, müssen die entsprechenden Klauseln noch mit ihrem Entstehungsprozess kontrastiert werden, um Aufschluss über die Motivlage des Hochmeisters zu erlangen. Die Friedensergebnisse wurden – wie bereits dargelegt – in der Sekundärliteratur häufig angesprochen, aber bislang nicht umfassend analysiert oder gar systematisiert. Die Frage nach der Gewichtung der einzelnen Artikel wurde erst recht nicht erörtert. Man beschränkte sich eben zumeist auf die Aspekte, die am wichtigsten oder zumindest auffälligsten erschienen.588 Eine Grundlage für die Gewichtung der einzelnen Aspekte wurde eigentlich auch erst mit der Edition von Weise geschaffen. Dieser hat hier zwar schon eine Ordnung vorgenommen in Vorurkunde, Unterhändlervertrag, Hauptverträge etc. Innerhalb dieser Ordnung hält er sich dann an die Chronologie, aber das nicht konsequent. Eine inhaltliche Anordnung und Gewichtung fehlt daher hier ebenfalls, doch ist letzteres schließlich auch mehr die Aufgabe von Auswertungsarbeit und nicht von Grundlagenforschung. Erst eine Systematisierung der Ergebnisse, die eben in einer Vielzahl von Urkunden festgehalten wurden, und ihre Gewichtung in Haupt- und Nebenaspekte macht es möglich, eine Bewertung der Friedensergebnisse vorzunehmen. Diese wurden daher in eine bestimmte Reihenfolge gebracht und systematisiert. Es muss nun kurz erläutert werden, welche Annahmen dieser Priorisierung zugrunde liegen. Auf eine bestimmte Gewichtung, die die verschiedenen Akteure den unterschiedlichen Regelungen beigemessen haben, kann anhand von (mindestens) drei Ansatzpunkten geschlossen werden: 1) Aus den Urkunden selbst, sei es a) aufgrund von inneren Aussagen, die ihr Gewicht thematisieren, oder sei es b) aufgrund der Prominenz von Urkunden und Artikeln hinsichtlich ihrer Stellung im Vertragswerk. 2) Die Chronologie der Urkundenreihung kann einen ersten Hinweis auf die beigemessene Wichtigkeit geben. 3) Andere Quellen: In diesem Fall existiert ein Unterhändlervertrag, dem man Indizien für eine bestimmte Prioritätensetzung entnehmen kann. Alle genannten Möglichkeiten geben jedoch nur Hinweise und Indizien und keine abschließenden Erklärungen. Diese müssen anhand der Entstehungsumstände des Vertragswerks erschlossen werden. Doch der Reihe nach:

588 Das gilt im Übrigen schon für die zeitgenössischen erzählenden Quellen. Die Auffassung und Schwerpunktsetzung der Thorner Annalen und des Johann von Posilge sind eindeutig: Hier gilt die Gleichung, dass der Frieden von Racianz gleichbedeutend ist mit dem Tausch Dobrin gegen Samaiten; Thorner Annalen, SSRP 3, S. 274 und S. 277; Johann von Posilge, SSRP 3, S. 271–271 und S. 277. Johann von Posilge erwähnt Slotterie, unterlässt jedoch eine namentliche Nennung von Samaiten.

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1) a) Sehr leicht als Nebenaspekte klassifizieren lassen sich die »Sonderartikel« (5). Die Notwendigkeit der Ausstellung einer Sonderurkunde wird in der Gegenurkunde des polnischen Königs vom 10. Juli 1405 explizit damit begründet, dass die Artikel ex negligencia übergangen worden seien. Die Nachträge des Bündnisses von Ritterswerder wurden daher folgerichtig schon als nicht unwichtig, aber doch weniger zentral eingeordnet. Eine solche Einordnung in der Urkunde selbst hinsichtlich ihres Stellenwertes ist jedoch die Ausnahme. b) Betrachtet man die Urkunden also nur für sich, so ist leicht nachvollziehbar, dass in der Forschung mehrheitlich der Frieden von Racianz mit dem Austausch Dobrins gegen Samaiten gleichgesetzt wurde, denn diese Aspekte werden an verschiedenen Stellen des Vertragswerks behandelt und die Urkunden stehen an prominenter Stelle. Auch der Umfang der Regelungen bzgl. der Übergabe von Samaiten und die zahlreichen Urkunden, die auch die Übergabe von Dobrin betreffen, lassen darauf schließen, dass diese Aspekte tatsächlich zumindest nicht an letzter Stelle der Prioritätenliste der einzelnen Akteure standen. Der Erkenntnisgewinn ist jedoch nicht besonders hoch und methodisch abgesichert, verlässt man sich rein auf solche Beobachtungen. 2) Schaut man sich die Chronologie der geschlossenen Verträge an, dann fällt auf, dass hier zunächst an erster Stelle die Erneuerung des Friedens von Sallinwerder steht (22. Mai). Erst einen Tag später werden der Frieden von Kalisch erneuert, die Abtretung Dobrins beurkundet und vom polnischen König die Abtretung Samaitens bestätigt. (Dies geschah von Vytautas’ Seite schon einen Tag früher.) Die vergessenen (s. o.) Sonderartikel werden sogar erst am 25. Mai 1404 beurkundet. Die Chronologie scheint daher eine andere Gewichtung der verschiedenen Urkunden seitens der Beteiligten nahezulegen. 3) Erich Weise hat ein im Ordensbriefarchiv befindliches Stück mit guten Gründen für einen Unterhändlervertrag, genauer für den Entwurf des Ordens für die Urkunde der Gegenseite, d. h. des Königs von Polen, gehalten.589 Zwar versieht er diesen Hinweis hier noch mit einem Fragezeichen, doch erkennt er in den vielfachen Übernahmen in der Urkunde des Königs von Polen die Abtretung Samaitens betreffend den Beleg für seinen »amtlichen Charakter«590. Unbeschadet davon, dass es wohl nicht zu einer besiegelten Ausfer589 OBA 786; gedr. SDOP, 23. 590 SDOP, 29 bzw. S. 38. Neitmann, Staatsverträge, S. 153, lässt unentschieden, ob es sich hierbei um die Ergebnisse der Unterhändlergespräche oder nur um einen Forderungskatalog der Ordensseite handelte. Er tendiert jedoch offenbar zum Letzteren. Gegen einen Forderungskatalog scheint allerdings die Form zu sprechen: Warum sollte der Orden zu einem früheren Zeitpunkt, an dem die Aufstellung eines Forderungskataloges Sinn ergeben hätte, diesen in Form einer Urkunde für die andere Seite erstellen – noch dazu mit einigen

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tigung gekommen ist,591 lassen sich aus diesem Entwurf doch die Ergebnisse der Unterhändler zu einem recht späten Zeitpunkt der Verhandlungen entnehmen, woraus dann einige Indizien für die Gewichtung der Artikel des späteren Vertragswerks zu gewinnen sind. Zunächst seien die Artikel des Unterhändlervertrags kurz zusammengefasst, bevor analysiert wird, welche Schlüsse daraus für die Gewichtung der Artikel des endgültig abgeschlossenen Friedens von Racianz gezogen werden könönnen: a) Der König von Polen und Vytautas sollen dem Orden Samaiten ante omnia zurückgeben unter Zuhilfenahme von Zwangsmaßnahmen gegen die Samaiten. Diese Forderung ist inhaltlich deckungsgleich mit der Hauptvertragsurkunde des polnischen Königs.592 b) Die Auslösung von Dobrin und Slotterie durch den polnischen König wird festgelegt. Dieser Artikel ist in der Urkunde des Hauptvertrags in großen Teilen wörtlich übernommen.593 c) Betrifft die Auslösung des Waldes von Sandziwog.594 d) Betrifft die Beachtung der Grenzen zwischen Großpolen und der Neumark.595 e) Betrifft die Beilegung sonstiger Grenzstreitigkeiten durch Schiedsrichter.596 f) Betrifft die Verpflichtung, keine Überläufer der anderen Seite aufzunehmen und zu unterstützen. Hier ist schon der neue Artikel (1 m) in der Bestätigung des Friedens von Sallinwerder (Urkunde des polnischen Königs) ins Auge gefasst. Zwar wird er im Unterhändlervertrag noch als für beide Seiten geltend formuliert, doch wird schon deutlich, dass diese Regelung eher für die polnische Seite von Bedeutung gewesen sein muss. Explizit wird auch im Unterhändlervertrag schon die Aufnahme aller fratres, consanguineos aut quosvis perfugos durch den Orden ausgeschlossen. Schließlich findet dieser Aspekt auch keinen Niederschlag in Form einer reziproken Regelung, sondern nur in der Form, dass der Orden

591 592 593 594 595 596

Zugeständnissen und ohne eigene weiterreichendere Forderungen, wie es bei solchen Verhandlungen zu Beginn nicht unüblich gewesen ist? Es erscheint plausibler, dass dieser Entwurf zu einem Zeitpunkt entstanden ist, an dem sich die Unterhändler schon im Großen und Ganzen in ihren Vorstellungen angenähert hatten und nur noch Details zu klären waren. Dafür spricht nicht zuletzt der Umstand, dass sich die meisten Artikel in dem endgültigen Vertragswerk wiederfinden lassen. SDOP, S. 31. Vgl. SDOP, 25; darauf hat auch schon Weise verwiesen; SDOP, S. 32, Anm. 1. Vgl. SDOP, 28; so auch Weise; SDOP, S. 33, Anm. 3. Vgl. SDOP, 31; s. SDOP, S. 33, Anm. 4. Vgl. SDOP, 31 und 37; s. SDOP, S. 33, Anm. 4. Vgl. ebd.

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keine Missvergnügten aufnehmen darf. Diese Problematik war für den polnischen König von größerer Bedeutung. Für den Orden war dies hingegen offenbar noch nicht vertragsrelevant. g) Straflosigkeit und Beibehaltung der Privilegien der Landesritter in Dobrin durch den polnischen König werden vereinbart. h) Vereinbarung der Bestätigung des Friedens von Kalisch durch den König von Polen.597 i) Eine friedliche Beilegung von Handelsschwierigkeiten zwischen Kaufleuten aus Polen und aus Preußen mittels eines Schiedsgerichts wird festgelegt. Bemerkenswert ist, dass die Erneuerung des Friedens von Sallinwerder nicht genannt wird: Daraus sollte man aber nun nicht schließen, dass dieser Aspekt keine Rolle spielte und daher nur zufällig im Frieden von Racianz auftaucht. Vielmehr scheint dieser Aspekt ein so selbstverständliches Ziel aller Beteiligten gewesen zu sein, dass kein Festschreibungsbedarf in einem Unterhändlervertrag gesehen wurde, sondern offenbar eine mündliche Verabredung ausreichte. Die Bestätigung von Sallinwerder bildete den wichtigsten Teil des Friedens von Racianz – oder anders formuliert: die Grundlage. Zu dieser Folgerung ex silentio passt auch, dass diese Urkunden chronologisch zuerst ausgestellt worden sind und danach erst alle anderen, wie oben schon dargelegt worden ist. Zudem sind die Erneuerungen des Friedens von Sallinwerder und von Kalisch im gleichzeitigem Schrifttum als »›Hauptbriefe‹« bezeichnet worden, worauf Erich Weise hingewiesen hat, ohne jedoch einen Quellenbeleg anzuführen.598 Deren offenkundige Wichtigkeit im Vertragswerk wird dadurch unterstrichen, dass König Władysław diese Urkunden zunächst nur mit dem mittleren Siegel bestätigte und erst nach der Rückgabe von Dobrin vom großen Majestätssiegel Gebrauch machte, d. h. hier ein Druckmittel in der Hand behielt, da man dem mittleren Siegel eine geringere Rechtsqualität beimaß.599 Abschließend muss jedoch einschränkend festgestellt werden, dass die Aufnahme von Artikeln im Unterhändlervertrag noch nicht unbedingt zu bedeuten hat, dass diese zwingend von ungeheurer Relevanz sein müssen, wie die Artikel c-e zeigen, die später als Sonderartikel beurkundet werden mussten, da sie vorher vergessen worden waren. Auch die anderen in den Hauptverträgen gänzlich entfallenen Artikel, g und i, sind offenbar im Weiteren nicht als von großer Bedeutung betrachtet worden. Alles in allem bietet der Unterhändlervertrag also auch nur Hinweise zur Interpretation 597 SDOP, 27. 598 SDOP, S. 36. 599 Ebd.; dazu wichtig Neitmann, Staatsverträge, S. 156, Anm. 2 und S. 157.

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des Hauptvertrags, kann jedoch nicht als eine Art Generalschlüssel dafür gebraucht werden. Zieht man nun alle genannten Hinweise zusammen, ergeben sich erste Antworten für die Frage, welches die wesentlichen Ergebnisse des Vertrags waren bzw. welche Stellung diese im Gesamtkonstrukt des Vertragswerks hatten. Danach erst kann die wesentliche Frage für diese Untersuchung beantwortet werden, welche Rolle die Artikel spielten, die auf einen territorialen Expansionswillen insbesondere hinsichtlich Samaitens hindeuten. Die wesentlichen Ergebnisse und ihre Stellung im Gesamtvertrag nach den Pergamenturkunden sind folgende:600 Grundlage für den neuen Friedensvertrag war zuallererst die Erneuerung bzw. Bestätigung des Friedens von Sallinwerder mit seinen Einzelvereinbarungen zwischen dem Deutschen Orden und Vytautas sowie Władysław-Jagiełło. Dies war offenbar so selbstverständlich das Ziel der Verhandlungen, dass keine Fixierung im Unterhändlervertrag vorgenommen werden musste. Neu ist 1404 die Verpflichtung des Hochmeisters, keine Brüder, Verwandte oder Missvergnügte des polnischen Königs im Preußenland aufzunehmen. In der Bestätigungsurkunde selber findet sich keine direkte Gegenleistung. Diese Klausel muss daher als für den polnischen König von besonderer Bedeutung erachtet werden. Auch im Unterhändlervertrag ist diese Klausel schon enthalten. Als zweiter neuer und gewichtiger Artikel (unter manchen kleineren Abmachungen) taucht hier, wie dann auch später im Vertragswerk von Racianz, die Erneuerung des Friedens von Kalisch – allerdings nicht im vollen Wortlaut – auf, sodass anzunehmen ist, dass beide Artikel in einem Zusammenhang stehen und als jeweilige Gegenleistung füreinander verstanden werden müssen. Obgleich diese ineinander verschränkte Abmachung für beide Parteien von besonderer Bedeutung war, war die nun folgende Ebene des Gesamtvertrags doch noch deutlich wichtiger für die Protagonisten: Schon mit der Erneuerung des Friedens von Sallinwerder sollte dem Orden Samaiten zurückgegeben werden, doch wurde dies auch in auffällig vielen weiteren Urkunden von Vytautas und Władysław-Jagiełło versprochen und geregelt. Auch die detaillierten Zwangsmaßnahmen, die Vytautas ausführen bzw. erleiden sollte, damit die Samaiten innerhalb eines Jahres dem Orden huldigten und Geiseln stellten, sprechen dafür, dass der Orden aus dem vorherigen Vertrag gelernt hatte und nun auf Nummer sicher gehen wollte. Vytautas war danach verpflichtet, dem Orden bei der Unterwerfung beizustehen. Das ist als deutlicher Hinweis darauf zu ver600 Basierend auf der hier vorgelegten Aufarbeitung aller Artikel des Friedensvertrags und der Analyse ihrer Priorisierung wurden die wesentlichen Artikel des Vertrags schon bei Kubon, Friedensvertrag, S. 58–60, zusammenfassend vorgestellt.

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stehen, dass für den Orden der Samaitenaspekt nun doch von wesentlicher Bedeutung war, wie es auch schon im Prozess angeklungen ist. (Über die dahinter liegenden Motive muss gleich noch einmal resümierend zu sprechen sein.) Bei der Nachzeichnung des Prozesses ist zudem deutlich geworden, dass der polnische König dies zum Anlass nahm, das lange umstrittene Dobrin (sowie Slotterie) als Gegenleistung in die Verhandlungen einzubringen. Das ist dann nicht nur verbrieft worden, sondern auch faktisch geglückt, wie die Ergänzungsverträge von Thorn (Juni 1405) belegen. Alle Aspekte zusammenfassend betrachtet ergibt sich folgende Prioritätensetzung der Akteure hinsichtlich der wichtigsten Klauseln des Vertrags von Racianz: Grundlage war die Erneuerung und Bestätigung des Friedens von Sallinwerder. Auf der zweiten Ebene ist der Tausch von Samaiten gegen Dobrin anzusiedeln. Auf der dritten Ebene muss die Erneuerung des Friedens von Kalisch der neuen Verpflichtung des Hochmeisters, keine Verwandten des polnischen Königs zu unterstützen, gegenübergestellt werden. 2.2.3.5.5 Der Frieden von Racianz – ein Beleg für die Expansionspolitik des Deutschen Ordens? Nach der aufwendigen Systematisierung aller Vertragsartikel und der Analyse ihrer Prioritätensetzung für die einzelnen Akteure kann konstatiert werden, dass der Frieden tatsächlich mehrere Aspekte enthält, die auf einen Willen des Hochmeisters zur territorialen Vergrößerung des Ordenslandes hindeuten. Zum einen spielt die Rückgabe von Samaiten in der Tat eine große Rolle im Gesamtvertrag, zum anderen wird dem Orden durch die Erneuerung von Sallinwerder auch wieder Pleskau zugesprochen. Werden diese Ergebnisse isoliert vom Prozess betrachtet, dann scheint klar, dass der Orden durch den Vertrag primär zielgerichtet eine territoriale Ausweitung zur Machterweiterung auf diplomatischem Wege durchsetzen wollte. Bezieht man den oben rekonstruierten Entstehungsprozess allerdings in die Betrachtungen mit ein, dann muss eine solche Motivation hinter den Handlungen relativiert werden. Dass die Pleskauer Frage nun wieder im Vertrag von Racianz auftaucht, liegt nicht an einem plötzlichem Interesse Konrads an diesem Gebiet, sondern an der wörtlichen Wiederholung des Friedens von Sallinwerder bei seiner Erneuerung. Konnte oben gezeigt werden, dass der Hochmeister schon im Vorwege von Sallinwerder wenig Interesse an diesem vom livländischen Ordenszweig gewünschten Artikel hatte, muss nun sogar festgestellt werden, dass diese Frage im Vorwege überhaupt keine Rolle spielte. Konrad hatte weiterhin kein Interesse an Pleskau. Ein Abstecken von Einflusssphären im Osten ist daher im Friedensvertrag von Racianz nicht zu erkennen. Etwas anders sieht die Angelegenheit hinsichtlich Samaitens aus. Aus dem Vertrag von Racianz geht deutlich hervor, dass die Klärung dieser Frage

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durchaus im Mittelpunkt der diplomatischen Bemühungen stand und eine hohe Priorität genoss. Auf den ersten Blick ist daher die Sache nun klar : Hochmeister Konrad von Jungingen wollte die Rückgabe Samaitens und mithin eine territoriale Expansion erlangen. Eingeräumt werden muss an dieser Stelle, dass sich auch im Prozess – spätestens nach der Wiederanknüpfung des diplomatischen Kontaktes 1403, frühestens seit dem Abfall Samaitens 1401 – eine etwas andere Struktur der Ordensforderungen zeigt als noch im Vorwege des Friedens von Sallinwerder. Damals spielte Samaiten, spielte die Übergabe von Gebieten, auf die der Orden Ansprüche zu haben glaubte, zwar durchaus auch eine Rolle, war aber ganz klar in der Prioritätenliste nachgeordnet (s. o.). Samaiten wurde dem Orden damals auch eher von Vytautas aufgedrängt, wie gezeigt werden konnte. Jetzt war die Situation tatsächlich etwas anders, da der Orden selbst in zahlreichen Briefen diese Forderung erhob, ohne allerdings Samaiten namentlich zu nennen. Einschränkend muss jedoch betont werden, dass es auch hier wieder Vytautas war, der eine Übergabe regelmäßig in Aussicht stellte, um den Orden damit an den – modern gedacht – Verhandlungstisch zu locken. Vytautas war es auch, der dieses Angebot bei der Wiederanknüpfung der Verhandlungen im Juli 1403 zuerst vorgelegt hat. Damit sieht man eben einerseits, dass Vytautas Samaiten als Verhandlungsmasse nutzte, wie es ihm gerade in die Pläne passte. Andererseits kann nicht wegdiskutiert werden, dass für den Hochmeister die Rückgabe Samaitens zu einer wesentlichen Forderung geworden war – mit tatkräftiger Unterstützung von Vytautas. Trotz all dieser Fakten fällt es dennoch schwer – vor allem angesichts von Konrads Verhalten –, hier die Vorstellung einer zielgerichteten territorialen Vergrößerungspolitik zur Machterweiterung aufrecht zu erhalten. Zwar wurde als Ziel mehrfach die Wiedererlangung der verlorenen Gebiete ausgerufen, doch hat Konrad wieder einmal kaum mehr als auf die von Vytautas herangetragen Initiativen reagiert. Seine sonstigen Schreiben an die westlich-christliche Öffentlichkeit hatten eher das Ziel, diese für die Situationsbeschreibung des Ordens zu gewinnen als konkrete Sofortmaßnahmen für eine Rückgewinnung zu initiieren. Das Gleiche gilt für die in der Zwischenvertragszeit nach dem Abfall 1401 abgehaltenen Kriegsreisen. Diese waren wieder Verheerungsfeldzüge, aber keine Kriegsfahrten zur Eroberung von Land. Bei den eher spontanen und zuweilen etwas hilflos anmutenden Reaktionen des Hochmeisters fällt es daher schwer, »zielgerichtete« Versuche zur Rückeroberung zu erkennen. Außer vielleicht der postulierten Forderung auf die Rückgabe sind weder seine diplomatischen noch seine militärischen Aktionen dazu geeignet, irgendwelche konkreten Handlungen oder längerfristigen Strategien erkennen zu lassen, die auf eine Rückeroberung abzielten. Konrads Taten waren ad-hoc-Reaktionen, mit denen er auf Vytautas’ Aktionen reagierte. Von zielgerichteter Außenpolitik

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durch Konrad von Jungingen kann also im Vorwege des Friedens von Racianz keine Rede sein. Zwar stand die Forderung nach der Rückgabe der verlorenen Länder im Vorwege des Friedens von Racianz sehr präsent im Raum, doch müssen einem bei genauer Betrachtung Zweifel beschleichen, ob Konrad von Jungingen dabei tatsächlich als primäres Motiv der Wunsch nach territorialer Expansion zu unterstellen ist. Es scheint vielmehr, dass der Hochmeister auf die Durchsetzung seiner verbrieften Rechte bei den sich bietenden Gelegenheiten pochte. Dass damit eine territoriale Expansion zusammenhing, wäre eher eine sekundäre Folge nach ihrer Durchsetzung gewesen, primäres Motiv jedoch nicht. Auch in den ordensinternen Dokumenten findet sich kein Hinweis darauf, dass die Rückforderung vornehmlich zur Gebietsvergrößerung vorgenommen werden sollte. Der Orden hatte eben rechtliche Ansprüche, die er zwischenzeitlich auch schon realisiert hatte, wodurch er Landesherr in Samaiten geworden war. Auf diese Rechte, die ihm letztlich schon mit Sallinwerder von Vytautas aufgedrängt worden waren, wollte und konnte Konrad als guter mittelalterlicher Herrscher und Landesherr nicht verzichten. Als programmatisch für ihn ist aufzufassen, was der Vogt der Neumark, Balduin Stal, im Jahr 1404 in einem anderen Zusammenhang schriftlich festgehalten hat:601 »der Orden begehrt keines Herrn Land, noch gedenkt er, jemand das Seinige zu nehmen oder zu verwaltigen; aber was er irgend hat, das meint er auch zu behalten«. Dieser noch mehrfach anzuführende Leitsatz dürfte auch für Konrad maßgeblich gewesen sein, obgleich dieser wesentlich weniger politische Angelegenheiten zu reflektieren schien als sein Vogt Balduin. Er weist darauf hin, dass der Orden weniger an territorialer Expansion aus Gründen der Machterweiterung interessiert war, sondern an Durchsetzung seiner Rechte. Zuletzt: Für die Vorstellung, dass der Orden Samaiten als Landbrücke erwerben wollte, finden sich weder in den Quellen noch in den konkreten Taten des Hochmeisters oder des Meisters von Livland irgendwelche Hinweise. Samaiten hatte wohl ohnehin nicht die symbolische Bedeutung, die dem Land in der späteren Forschung zugeschrieben worden ist. Der Orden nannte das Land schließlich kaum einmal namentlich, sondern sprach meist allgemein von den verlorenen Ländern. Er hatte dabei offensichtlich die verschiedenen Landschaften vor Augen, aus denen Samaiten bestand. Eine solche Praxis dürfte gegen die Annahme sprechen, dass der Orden mit Samaiten die Vorstellung einer Landbrücke verband. Hierbei handelt es sich um ein modernes Konzept, das vor allem bei einem Blick auf eine Karte Plausibilität erlangt. Den mittelalterlichen 601 OBA 773; zitiert nach der Modernisierung von Voigt, Neumark, S. 54. Quellensprachlich heißt es: der orden begert keyns heren landt, adir nymande das syne czu nemen, adir czu vorwaldigen; sunder hat der orden icht, das meynt her ouch czu behalden.

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Umständen entspricht es hingegen nicht. Daher muss gefolgert werden, dass auch für die Zeit vor dem Frieden von Racianz Konrad viel zu viele konzeptionelle und geostrategische Überlegungen unterstellt wurden, für die es bei ihm trotz der guten Quellenlage keinerlei Hinweise gibt. Gegen die Annahme einer sich im Vertrag spiegelnden rein auf Machterweiterung ausgelegten territorialen Expansionspolitik spricht auch der Umstand, dass der Abschluss des Friedens schließlich auch zu einer nicht unbedeutenden Verkleinerung der Ordensherrschaft führte.602 Für Samaiten musste der Orden schließlich Dobrin und Slotterie hergeben. Schon alleine aus diesem Grunde kann der Erwerb von Samaiten im Frieden von Racianz nicht mit dem puren Ziel der Machterweiterung verknüpft werden. Die Abgabe von diesen Gebieten war vor allem für den König von Polen ein wichtiger Vertragsaspekt. Darin kann man erkennen, dass der Hochmeister Gebiete, die dem Orden aufgrund einer etwas undurchsichtigen Rechtslage gehörten, nicht um jeden Preis zum Machterhalt in seinem Besitz belassen wollte! Offensichtlich ist die Vorstellung einer territorialen Expansionspolitik zur Machtausweitung zu modern gedacht und zur Beschreibung der damaligen Vorstellungen und Verhaltensweisen Konrads auch für die Zeit des Friedens von Racianz nicht angemessen. Das gilt ebenfalls für die von Lückerath formulierte Auffassung, dass es Konrad um eine abschließende politische Befriedung im Sinne einer Konsolidierung des preußischen Ordensstaatsgebiets gegangen sei.603 Zwar hat er mit seiner einleitenden Bemerkung recht, dass das Friedenswerk nur im Gesamtkontext der Regierungstätigkeit des Hochmeisters zu bewerten ist. Das ist hier schließlich auch geschehen. Doch gerade die Einbeziehung der Genese des Friedensprozesses hat gezeigt, dass Konrad von Jungingen so weitreichende politische Konzeptionen nicht unterstellt werden sollten. Er reagierte ad hoc auf von außen an ihn herangetragene Initiativen und Forderungen. Im Gegensatz zu Lückeraths Auffassung ist die Abtretung von Dobrin dafür eben kein Indiz. Zwar trat der Hochmeister nach längeren Verhandlungen das Dobriner Land an Polen ab. Die nicht eindeutig gesicherte Rechtslage spielte dabei sicher eine Rolle. Jedoch war der Hochmeister im Friedensprozess hinsichtlich dieser Forderung auch ein wenig von Vytautas und dem polnischen König überrumpelt worden. Er ließ sich letztlich zwar auf eine Abtretung als Gegenleistung für Samaiten ein. Größere Probleme scheint es ihm in dieser Situation auch nicht bereitet zu haben. Ihm angesichts dieser Ausgangssituation aber zu unterstellen, eine Konsolidierung angestrebt zu haben, dürfte verfehlt sein. Auch hier würde man dem Hochmeister wieder ein Zuviel 602 Etwas ausführlicher zu dieser Frage das Kapitel Die Neumark und kleinere Erwerbungen (s. u.). 603 Lückerath, Konrad, S. 100.

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an Planung in einer Situation unterstellen, deren Rahmung ganz offensichtlich von den Herrschern über Polen und Litauen hergestellt worden war. Weder territoriale Expansion noch befriedende Konsolidierung sind daher strategische Kategorien, in denen Konrad von Jungingen dachte. Vielmehr sind spontan taktische Reaktionen aus dem Moment heraus zu erkennen, durch die Leistungen für Gegenleistungen verhandelt wurden, ohne dass ein übergeordnetes Ziel, eine übergeordnete Strategie zu erkennen gewesen wäre. Konrad wollte einzig die ihm verbrieften Rechte durchsetzen. Auf tieferliegende Motive geben zumindest die Quellen keine Hinweise. 2.2.3.6 Vom Frieden von Racianz bis zum Tod Konrads von Jungingen Die Zeit nach dem Frieden von Racianz bis zu Konrads Tod, der das Ende dieser Arbeit markiert, kann in zwei Phasen eingeteilt werden. Die erste Phase umfasst den direkten Nachklang des Friedensvertrags. Erst mit dem Bündnis von Ritterswerder/Kauen im August 1404 und den Ergänzungsverträgen von Thorn im Juni 1405 war der Racianzer Frieden, wie dargelegt, komplett. Danach beginnt dann die letzte Phase, an deren Ende der Tod des Hochmeisters am 30. März 1407 steht.604 2.2.3.6.1 Die Zeit bis zu den Ergänzungsverträgen von Thorn im Jahr 1405 Wie ging es nun also direkt nach dem Abschluss des Friedens von Racianz weiter? Versuchte der Hochmeister nun, den Erwerb des ihm im Friedensvertrag wieder einmal zugesprochenen Samaitens zu realisieren? Zeigt sich hier nun endlich eine eindeutige territoriale Expansionspolitik zur Machterweiterung, die Konrad zielgerichtet durchführte? Deutlich wird, dass dem Hochmeister eine herrschaftliche Durchdringung des Landes angelegen war. Er setzte wieder einen Vogt in Samaiten – Michael Küchmeister – ein, der sich um die Absicherung des Landes bemühte.605 Nöbel hat zu Recht bemerkt, dass trotz dieser Einsetzung Samaiten ein »außenpolitisches Problem« blieb,606 schließlich musste die Herrschaft noch umgesetzt 604 Almonaitis, Zˇemaitijos, zit. nach Błaszczyk, Dzieje, 2, S. 216, nahm eine etwas andere Phaseneinteilung vor, die die rechtliche Stellung Samaitens als maßgebliches Kriterium anlegt: Die Jahre 1404–1406 beschreibt er als Phase der Unabhängigkeit Samaitens, während es von 1406 bis 1409 Teil der Ordensherrschaft war. Nicht greifbar war der Aufsatz von Almonaitis, Ordino, in dem speziell die Jahre 1404–1406 behandelt werden. 605 Boockmann, Falkenberg, S. 81. 606 Nöbel, Küchmeister, S. 18. Nöbels Darstellung, in der auch Michaels Zeit als Vogt von Samaiten behandelt wird (S. 15–33), ist ansonsten wenig brauchbar. Sie enthält viele Versehen in der Chronologie und bietet kaum zuverlässige Quellenbelege für teilweise sehr zugespitze Aussagen. Zwar finden sich hier einige richtige Beobachtungen, doch eignet sich die Arbeit eher als ›Thesensteinbruch‹. Eine neue Untersuchung ist daher dringend ge-

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werden. Dabei spielte auch Vytautas – nun wieder als Verbündeter des Ordens – eine wichtige Rolle. Damit zeigt sich also im Grunde zum ersten Mal ohne große Einschränkungen bzgl. der primären Motivation des Ordens, dass das Herrschaftsgebiet vergrößert werden sollte. Durch die Vogteinsetzung sollte Samaiten offensichtlich unter die Ordensherrschaft gebracht werden. Ob der Hochmeister hier jedoch wirklich auch an Machterweiterung dachte, muss fraglich bleiben, da die Quellen hierzu keine Hinweise liefern. Angesichts seiner vielfach eher reaktiven Politik müssen Zweifel an einer solchen Deutung bleiben. Wahrscheinlich versuchte der Hochmeister nur die rechtlichen Ansprüche des Ordens durchzusetzen, womit dann erst mittel- bis längerfristig eine Erweiterung der Macht geschehen wäre. Bislang war der Kampf in Samaiten schließlich noch unentschieden und band Kräfte, sodass von einer sofortigen Machterweiterung nicht die Rede sein kann. Ein Aspekt fällt für diesen Zeitraum auf, der in der Sekundärliteratur bislang kaum Beachtung gefunden hat: Zwar setzte Konrad recht bald nach Racianz einen Vogt in Niederlitauen ein. Dass der Hochmeister jedoch an eine zielgerichtete Eroberung Samaitens schritt, dagegen sprechen einige Quellenzeugnisse. Diese deuten nämlich darauf hin, dass der Hochmeister bzgl. der Inkorporation Samaitens von Vytautas immer wieder angestoßen werden musste. Schon das erste Schreiben des Hochmeisters an Vytautas nach dem Frieden belegt,607 dass Vytautas dem Hochmeister Hauptmann Manewide schickte. Mit diesem habe der Hochmeister dann beraten, was insbesondere wegen der Unterwerfung Samaitens zu tun sei. Diese Umstände deuten daher darauf hin, dass Konrad nach Racianz die Samaitenfrage langsam angehen ließ. Eine sofortige Inbesitznahme des Landes war bei ihm nicht prioritär. Erst als Vytautas aktiv wurde, reagierte der Hochmeister darauf, um zu näheren Verabredungen und konkreten Schritten zu kommen. Dieser Umstand spricht dafür, dass für den Hochmeister die Samaitenfrage zwar geklärt werden musste, aber offenbar nicht die Bedeutung besaß, die ihr nachträglich zugeschrieben wurde. Dem Hochmeister muss zumindest eine gewisse Behäbigkeit attestiert werden. Auch für die schon in Racianz in Aussicht genommene persönliche Zusammenkunft zwischen dem Hochmeister und Vytautas ging die Initiative von dem Litauer aus.608 Auf diese ging Konrad dann bereitwillig ein. Der Hochmeister schlug den 15. August vor und sagte zu, Vytautas nach Kauen entgegenzuboten, die sich aber weitschweifiger Spekulationen enthalten sollte; darauf weist die Vorstudie hin von Kubon, Hochmeister. Auch Krumbholtz, Samaiten, ist für diesen Zeitraum weniger zuverlässig als sonst, übergeht er doch zuweilen wichtige Quellen; vgl. z. B. S. 47 für Juni 1404. 607 OF 3, S. 57; gedr. CEV, CCXCI, vom 8. Juni 1404. 608 Das zeigt das folgende Schreiben: OF 3, S. 57–58; gedr. LivUB I 4, MDCXLV, vom 12. Juni 1404; vgl. auch SDOP, S. 40.

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kommen. Vytautas war es – und eben nicht Konrad von Jungingen –, der Schwung in die samaitische Angelegenheit brachte und die Entwicklung vorantrieb. Er verfolgte offensichtlich eigene Ziele. Der Hochmeister reagierte nur auf die Entwicklung, betrieb aber keine eigene Außenpolitik strictu sensu. Das zeigt sich auch darin, dass die litauischen Hauptleute Manewide und Sungail eigenständig Fakten schufen. Sie hatten mit den Samaiten einen Waffenstillstand abgeschlossen. Aus dem späteren Schreiben des Hochmeisters an Manewide geht zudem hervor, dass das Ordensoberhaupt damit eigentlich nicht einverstanden war, sich aber bereit erklärte, dem gemachten Zugeständnis Rechnung zu tragen:609 In Rücksicht auf den Frieden von Racianz mit dem König von Polen, so der Hochmeister, könne er den Waffenstillstand aber nur bis zum 15. August und unter der Bedingung bestätigen, dass den Samaiten keine Lebensmittel zugeführt würden. Man erkennt auch hier, dass der Hochmeister selbst keine Politik in Samaiten betrieb, sondern auf die Entwicklungen, die von den Litauern angestoßen wurden, reagieren musste. Konrad zeigte sich zudem ausgesprochen kompromissbereit, was belegt, dass er keine kurz- oder mittelfristige Planung verfolgte, von der er nicht abrücken wollte. Eine sofortige Eroberung Samaitens auf militärischem Weg kam ihm offenbar nicht in den Sinn. Auf jeden Fall kam es jetzt zum Bündnis von Ritterswerder/Kauen (17./ 18. August 1404),610 dessen Detailregelungen schon oben bei den Friedensergebnissen von Racianz behandelt wurden. Die übergreifende Bedeutung liegt offenbar vor allem darin, dass hier Vytautas, der, wie gezeigt, um das Treffen gebeten hatte, die Abmachungen persönlich bestätigte,611 nachdem er sich in Racianz von Bevollmächtigten hat vertreten lassen.612 Wichtig waren auch die mündlichen Unterhandlungen mit den Samaiten über die Umsetzung des Vertrages. (Diese werden allerdings nur in der späteren Korrespondenz sichtbar.613) 609 OF 3, S. 164–165; gedr. CEV, CCXCII, vom 30. Juni 1404; vgl. Krumbholtz, Samaiten, S. 48. 610 Vgl. dazu Voigt, Geschichte, 6, S. 272–274. 611 So wird man auch die Worte von Johann von Posilge, SSRP 3, S. 272, zu diesem Treffen verstehen dürfen, in denen er zudem andeutet, dass Vytautas in Racianz nicht persönlich erschienen war. 612 Die viel diskutierte Frage nach der Anwesenheit von Vytautas in Racianz kann hier nicht neu erörtert werden; sie ist im engeren Sinne auch nicht relevant für die an dieser Stelle untersuchte Fragestellung. Die Quellenbelege sprechen aber eine deutliche Sprache für die Abwesenheit des litauischen Großfürsten; zusammengestellt bei SDOP, S. 34; vgl. auch SDOP, S. 36 und S. 40; darüber hinaus s. die Urkunde in SDOP, 35, die auch die Abwesenheit Vytautas’ nahelegt. Auch in den Thorner Annalen, SSRP 3, S. 274, heißt es zum Abschluss des Racianzer Friedens absente Witoldo. (Goyski, Stosunki, S. 59–60, führt für die Anwesenheit von Vytautas nur das schwache Argument an, dass die Angelegenheiten so wichtig gewesen seien, dass die Präsenz des Marschalls nicht ausgereicht habe.) Wesentlich ist, dass die Vertragsurkunden von Vytautas als verbindlich behandelt wurden; SDOP, S. 34; s. zur Frage auch Prochaska, Z Witoldowych dziejjw. 613 OF 3, S. 180–181; gedr. CDP 6, CLXIV; vgl. Voigt, Geschichte, 6, S. 274.

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Hier ist undeutlich, inwieweit diese auf die Initiative von Vytautas zurückgingen. Angesichts seines bisherigen Verhaltens wäre das aber naheliegend. Generell nutzte der Litauer Samaiten ja als Verhandlungsmasse. Auch jetzt wäre es denkbar, dass es ihm – aus welchen Gründen auch immer – angelegen war, dem Hochmeister die Erlangung der Herrschaft in Niederlitauen zu ermöglichen. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass dem Hochmeister, der sich bislang nicht mit voller Kraft darum bemühte, Samaiten auf dem Silbertablett serviert werden sollte. Zumindest sollte dieser zu mehr Engagement gedrängt werden. Dass es damit nicht weit her war, belegt auch der nächste Brief vom Ende des Jahres 1404.614 Aus diesem geht hervor, dass Vytautas dem Hochmeister mehrfach wegen Samaiten geschrieben hatte. Der Hochmeister bedankte sich darin dafür, dass der Litauer den Nutzen des Ordens gerne durch das Bezwingen der Samaiten gesucht habe. Er bestätigte weiter, dass auch Vytautas’ Schreiber Petrasch mündlich dafür geworben hatte, dem Großfürsten wegen Samaiten zu schreiben, der zu tun versprach, was der Orden in dieser Angelegenheit wolle. Es war eindeutig Vytautas, der in der Samaitenangelegenheit immer aktiver wurde. Er versuchte immer drängender, dem Orden das Land zu verschaffen. Offenkundig hielt er das Engagement des Hochmeisters in dieser Angelegenheit nicht für ausreichend, worauf die vielfachen Kontaktaufnahmen hindeuten sowie seine Ankündigung, sich in den Dienst des Ordens hinsichtlich der nächsten Schritte gegen Niederlitauen zu stellen. Am Schluss bedrängte er den Orden regelrecht, aktiv zu werden, indem er auch noch seinen Schreiber sandte. Der Hochmeister reagierte darauf mit dem Versprechen, sich mit den Gebietigern zu beraten und dann unverzüglich eine Antwort zu senden. Es wird deutlich, dass der Hochmeister es, im Gegensatz zu Vytautas, offenkundig nicht eilig hatte, Samaiten in die Ordensherrschaft auch faktisch zu integrieren. Es muss ihm in dieser Angelegenheit der Vorwurf der Interesselosigkeit oder zumindest der Behäbigkeit gemacht werden.615 Das erkannte offenbar auch Vytautas, der keine Gelegenheit ausließ, Bewegung in die Sache zu bringen. Nach Weihnachten 1404, wahrscheinlich zu Beginn des Jahres 1405, kam es zu einer Reise gegen die Samaiten unter der Führung des Obersten Marschalls.616 Nach dem Bericht Johanns von Posilge kam Vytautas mit seinem Heer zu Hilfe, dy Samaythin helfen czu betwingen.617 Einige Gegenden Samaitens unterwarfen 614 OF 3, S. 180–181; gedr. CDP 6, CLXIV, vom 29. Dezember 1404. 615 Krumbholtz stellt die Angelegenheit falsch dar, wenn er glaubt, der Hochmeister würde diese forcieren; Krumbholtz, Samaiten, S. 50. Voigt kann sich in seiner Darstellung nicht recht entscheiden, wie es um das Engagement des Hochmeisters bestellt war; vgl. Voigt, Geschichte, 6, S. 274. 616 Die Thorner Annalen, SSRP 3, S. 276, berichten davon nur sehr knapp. 617 Johann von Posilge, SSRP 3, S. 276–277.

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sich dem Orden. Sie gelobten Geiselstellung, fielen jedoch sofort wieder vom Orden ab, als dessen Ritter das Land verlassen hatten. Daraus lässt sich erkennen, dass der Orden bislang nur geringe Mittel aufwandte, um eine lang anhaltende Unterwerfung und Inkorporation in die Ordensherrschaft sicherzustellen. Überhaupt ist kaum zu erklären, weshalb sich der Orden mit der Unterwerfung von nur wenigen Gegenden im Südosten Samaitens begnügte. Ob er tatsächlich auf eine gütliche Einigung hoffte, wie Krumbholtz etwas ratlos vermutet, bleibt unklar.618 Es zeigt aber auf jeden Fall, dass eine totale Unterwerfung und territoriale Ausweitung nicht das (primäre) Ziel des Hochmeisters war. Der sofortige Rückfall belegt, dass der Orden auch nicht die Macht dazu hatte. Ein Schreiben des Obersten Marschalls an Vytautas vom 5. April 1405 demonstriert eindrücklich,619 dass der Litauer die Geschicke in der samaitischen Angelegenheit federführend lenkte – und nicht die Ordensleitung. Es war dies die Antwort auf einen Brief von Vytautas. Dieser hatte – das geht daraus hervor – um die Zusendung eines Komturs gebeten. Der Komtur von Balga war deshalb, wie der Brief ankündigte, auf dem Weg zu ihm. Der Marschall betonte, dass er sich an Vytautas’ Anordnungen halten werde, wie mans mit den Samayten angrife. Abschließend hob er noch einmal hervor, dass er nichts gegen Samaiten beginnen wolle ohne Rat und Willen von Vytautas. Weder der Marschall noch Konrad von Jungingen trieben die samaitische Eroberung also voran. Es war wieder Vytautas, der hier drängen musste. Der Grund dürfte sein, dass die Samaiten ihm – wie auch aus dem Brief hervorgeht – einigen Schaden antaten. Der Litauer hatte es daher also eilig, dass die Samaiten vom Deutschen Orden unterworfen oder zumindest beschäftigt würden. Dieser hingegen hatte offensichtlich keinen Zeitdruck und auch kein übermäßiges Interesse an einer schnellen Lösung der samaitischen Frage. Ungeachtet der Tatsache, dass ein Vogt in Niederlitauen eingesetzt wurde und der Hochmeister zwar letzten Endes eine Unterwerfung der Samaiten anstrebte,620 fällt es angesichts des konkreten Verhaltens von Konrad von Jungingen schwer, hier eine zielgerichtete territoriale Expansionspolitik zur Machterweiterung nach Samaiten zu erkennen. So etwas

618 Krumbholtz, Samaiten, S. 50–51; vgl. Voigt, Geschichte, 6, S. 323–324. 619 CEV, CCCVI; vgl. Krumbholtz, Samaiten, S. 51; Voigt, Geschichte, 6, S. 325–326. 620 S. auch OF 3, S. 202–203; gedr. LivUB I 4, MDCLX. Hier musste Konrad gegenüber Vytautas richtigstellen, dass er bislang den Samaiten keine konkreten Versprechungen durch einen Boten im Falle einer Unterwerfung gemacht habe, sondern dieser nur erst einmal herausfinden sollte, ob die Samaiten sich dem Orden unterwerfen wollten. S. zu dieser etwas verwickelteren Angelegenheit Krumbholtz, Samaiten, S. 51–52. OBA 894 vom 1405 Juni 6., wie im korrigierten Archivexemplar von JH I ergänzt wurde, ist ein Schreiben des Obersten Marschalls an den Hochmeister den Briefwechsel mit Vytautas und dessen Stellung zu den Samaiten betreffend. Wesentlich weiterführende Informationen sind hier jedoch nicht enthalten.

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hätte vorausschauendes und planendes Verhalten verlangt, wofür es allerdings keinen Beleg gibt, der eine solche Bezeichnung verdiente. Galt für Samaiten, dass Konrad nun zwar das Ziel hatte, seine verbrieften Rechte darauf zu realisieren, dazu aber nicht wirklich zielgerichtete Anstalten machte, so bietet ein vom livländischen Ordensmeister provozierter diplomatischer Eklat gegenüber Vytautas wesentliche Hinweise auf die unterschiedlichen politischen Interessen der Ordenszweige gen Russland. Vytautas hatte im Frühjahr 1405 einen Boten zum Meister von Livland geschickt, der diesen bitten sollte, das Bündnis zwischen dem Litauer und dem Orden an Pleskau und Nowgorod mitzuteilen und dabei zu betonen, dass man gegenseitig füreinander einstehen werde. Der Meister antwortete brüsk und undiplomatisch, dass man hier seit 100 bis 150 Jahren einen verbrieften Frieden halte. Weder wolle er ihn aufkündigen noch wolle er, dass Vytautas den Frieden breche.621 Deutlich wird in dieser Episode, dass es Vytautas war, der Interessen an den russischen Städten (wohl vor allem an Nowgorod) verfolgte. Mittlerweile – im Gegensatz zur Zeit vor dem Frieden von Sallinwerder (s. o.) – war auf der Ordensseite nicht einmal mehr der livländische Ordensmeister an einem Konflikt in diesem Bereich interessiert. Zwar entschuldigte sich Konrad im Folgenden bei Vytautas für den Meister von Livland und betonte, dass der Orden ihm gerne beistehen wolle.622 Klar ist aber, dass Vytautas Interessen im Osten hatte, nicht jedoch Konrad von Jungingen. Dieser wollte Vytautas nur entgegenkommen und ging daher auf dessen Pläne ein.623 Osten-Sacken hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Feindschaft mit Pleskau und Nowgorod nur den livländischen Zweig betroffen hätte, wohingegen Preußen nicht davon berührt worden wäre.624 Vytautas wollte auf Basis des Friedens von Racianz Feindschaft zwischen Pleskau und Livland schüren. Erfolgreich hatte er Konrad von Jungingen über die Jahre hinweg gegen Samaiten aufgehetzt und ihn dazu getrieben, die vor Sallinwerder ruhenden Rechte, die Konrad auf Samaiten zu haben glaubte, zu aktualisieren und zu einem wichtigen Punkt in Konrads außenpolitischen Be-

621 Das geht aus einem Brief von Vytautas an den Komtur von Balga hervor; Beilage von OBA 802; gedr. LivUB I 4, MDCLVII, vom 21. April 1405. 622 OF 3, S. 202; gedr. LivUB I 4, MDCLIX, vom 5. Mai 1405. Überhaupt tat Konrad nichts, was das Einverständnis mit dem Litauer hätte gefährden können. Auch die Annäherungsversuche von Herzog Georg von Smolensk, der mit Vytautas verfeindet war, wies der Hochmeister schon Anfang des Jahres ab; OF 3, S. 189–190; gedr. LivUB I 4, MDCLIV (Schreiben des Hochmeisters an Vytautas vom 24. Februar 1405). Konrad wollte das Bündnis mit Vytautas erhalten und versuchte nicht, Allianzen gegen diesen zu schmieden; für die Hintergründe s. Osten-Sacken, Beziehungen, S. 39–40; vgl. auch Voigt, Geschichte, 6, S. 324–325. 623 So auch Osten-Sacken, Beziehungen, S. 40. 624 Ebd.; knapp dazu auch Krumbholtz, Samaiten, S. 52.

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strebungen zu machen. Bemerkenswert ist, dass gegenüber dem livländischen Meister eine solche Taktik offensichtlich nicht gelang. Interessant an der Angelegenheit ist daneben jedoch vor allem, dass der Bote von Vytautas dem Meister in Livland auf dessen unverblümt ablehnende Haltung folgendes Gedankenspiel vor Augen stellte:625 Er fragte nämlich, was passieren würde, wenn es zu keiner Einigung käme und der Orden später Samaiten gewinne, also das ir denne nicht werdt haben, wohin czu reisen. Dann, so das Szenario des Boten, wolle der Orden sicherlich den Frieden mit den russischen Städten aufkündigen. Sollte der Orden jedoch Hilfe brauchen, werde man sich auch darauf berufen, den Frieden zu halten. Der Meister antwortete darauf nur mit dem lakonischen Hinweis, dass man abwarten wolle. Bemerkenswert ist, dass Vytautas das Problem sah, dass mit einer Eroberung von Samaiten dem Orden ein Ziel für die Heidenfahrten wegfiele. Bemerkenswert ist mehr noch, dass solche Überlegungen beim Deutschen Orden zumindest für Konrad von Jungingen nicht dokumentiert sind! Nicht einmal in dem Brief des Hochmeisters an den livländischen Meister, in dem er diesem mitteilt, dass Vytautas dessen Antwort etwas swer hat ofgenommen, wurde dieser Aspekt in irgendeiner Form angesprochen oder kommentiert.626 Der Hochmeister versuchte ausschließlich die Folgen der undiplomatischen Antwort auszugleichen. Man muss vielleicht zu dem Schluss kommen, dass der Hochmeister den möglichen Wegfall der Kriegszüge gegen die Samaiten nicht als Problem sah. Ob das damit zusammenhängt, dass Konrad ohnehin selten längerfristige Überlegungen anstellte, kann an dieser Stelle nicht geklärt werden. Dieser Aspekt wäre in einer Untersuchung über die Litauenreisen, deren detaillierte Analyse hier ausgeschlossen wurde, zu prüfen. Es muss jedoch festgehalten werden, dass Konrad von Jungingen kaum Interesse an Pleskau hatte – anders als die verbrieften Ergebnisse von Sallinwerder und Racianz suggerieren. Das alles war gut einen Monat vor den Ergänzungsverträgen von Thorn (10./11. Juni 1405) geschehen, die den Frieden von Racianz komplettieren sollten.627 Die Thorner Ergänzungsverträge, die mit dem König von Polen abgeschlossen wurden, bieten jedoch für die Samaitenfrage keine weiteren Hinweise.

625 Das geht auch aus der Beilage von OBA 802 hervor; gedr. LivUB I 4, MDCLVII, vom 21. April 1405. 626 OBA 802; gedr. LivUB I 4, MDCLVIII, vom 5. Mai 1405. Allerdings muss man solch grundsätzliche Erwägungen in einem Brief, der die Frage nach dem konkreten weiteren Verfahren zum Inhalt hat, um die Wogen zu glätten, vielleicht auch nicht erwarten. 627 Behandelt wurden die Urkunden bei der Systematisierung der Aspekte des Friedens von Racianz (s. o.); vgl. Voigt, Geschichte, 6, S. 327–329.

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2.2.3.6.2 Die Zeit vor dem Tod Konrads von Jungingen Nach dem Abschluss der Ergänzungsverträge von Thorn und damit dem Ausgleich mit dem König von Polen konnte der Hochmeister nun seine ganze Tätigkeit auf die Unterwerfung der Samaiten richten – so die Auffassung von Voigt.628 Überhaupt behauptet Voigt mehrfach, dass der Deutsche Orden dieses »längst ersehnte Ziel« jetzt erreicht zu haben schien.629 Doch so einfach war die Lage auch in der letzten Zeit von Konrads Hochmeisterschaft nicht. Die Ergebnisse vorweg angedeutet, kann gesagt werden, dass sich im Wesentlichen keine neuen Erkenntnisse im Vergleich zum vorangegangenen Zeitraum erkennen lassen. Die dort schon im Detail herausgearbeiteten Ergebnisse zeigen sich hier nur noch zugespitzt, weswegen die letzten knapp zwei Jahre Konrads gerafft behandelt werden können.630 Bevor untersucht wird, inwieweit sich jetzt eine zielgerichtete Eroberungspolitik in Richtung Samaiten erkennen lässt, sollen die Verhältnisse gen Russland kurz betrachtet werden. Es konnte bislang gezeigt werden, dass trotz der vertraglichen Aufteilung der russischen Städte Nowgorod und Pleskau in Sallinwerder und Racianz zwischen Vytautas und dem Deutschen Orden Konrad von Jungingen kein Verlangen expansiver Art in dieser Gegend umtrieb. Hier waren höchstens die Interessen des livländischen Ordenszweiges berührt, auf die der Hochmeister aber nicht immer eingehen wollte, wie sein Verhalten zeigte. Vielmehr berücksichtigte der Hochmeister bislang, wie auch im nun Folgenden, mehr die Interessen seines Bündnispartners Vytautas als die des livländischen Meisters, wobei Osten-Sacken als aktuellen Anlass dafür an das Bündnis von Ritterswerder/Kauen erinnert.631 Die Angelegenheit, die im vorherigen Zeitraum zum diplomatischen Eklat geführt hatte, war allerdings weiterhin aktuell. Vytautas wünschte immer noch, dass Pleskau und Nowgorod vom Bündnis mit dem Orden in Kenntnis gesetzt würden. Der Hochmeister antwortete Vytautas am 7. September 1405 auf eine vom Obersten Marschall weitergeleitete Nachfrage, dass er schon vor langer Zeit 628 Ebd., S. 327. 629 Ebd., S. 355 und S. 357. 630 Dieser Zeitraum hat in der Sekundärliteratur kaum noch Beachtung gefunden; Boockmann, Falkenberg, und Pfitzner, Witold, übergehen ihn fast gänzlich. Krumbholtz, Samaiten, ist am Detailliertesten, enthält aber für die Frage nach den Motiven und der Zielgerichtetheit von Konrads Außenpolitik nur wenige, dafür allerdings treffende Beobachtungen. Ein Problem ist, dass insbesondere die undatierten Stücke aus dem OBA, die zumeist Konzeptcharakter aufweisen, schwer in die Chronologie einzuordnen sind; CEV weist häufiger eine falsche Reihung auf. Diese Umstände waren einer vertieften Beschäftigung offenbar abträglich. Eine Durchsicht ergab, dass die OBA-Stücke nur in Ausnahmefällen in der hier zu untersuchenden Frage weitergeholfen haben. 631 Darauf hat deutlich Osten-Sacken, Beziehungen, S. 48, hingewiesen; vgl. ebd., S. 42–52, für die detaillierten Hintergründe.

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Boten abgesandt, aber noch keine Nachricht erhalten habe.632 Er habe nun einen zweiten Boten ausgeschickt und werde ihn sofort nach Einlauf der Nachrichten davon in Kenntnis setzen. Osten-Sacken hält es sogar für möglich, dass die Boten vom Meister in Livland aufgehalten worden seien.633 Handfeste Belege gibt es dafür jedoch nicht. Doch auch über ein Jahr später war diese Angelegenheit noch nicht ausgestanden.634 Nun nahm aber der Hochmeister auf Nachfrage die Schuld für alle Verzögerungen auf sich und entschuldigte sich mit seiner Krankheit.635 Wirkliches Interesse, diese Angelegenheit zu verfolgen, hatte der Hochmeister aber offenbar nicht. Weitere Schreiben belegen ansonsten nur noch, dass der Komtur von Ragnit und der Oberste Marschall den Hochmeister über Vytautas’ Kriegszüge im Osten informierten.636 Johann von Posilge berichtet, dass der Komtur von Ragnit und Michael Küchmeister als Hilfe von preußischer Seite Vytautas im Zug gegen Moskau begleiteten.637 Interessant ist sonst nur noch ein Schreiben vom 21. Januar 1407 von Vytautas an den Obersten Marschall, der ihm wegen des Zeitpunktes schrieb, um nach Russland aufzubrechen.638 Er forderte den Marschall auf, ihm die Kriegsgäste, von denen er gesprochen habe und die mit gegen Russland ziehen wollten, nachzusenden. Daraus geht hervor, dass es offensichtlich auch für Russlandreisen tatkräftige Interessenten gab. Bemerkenswert daran ist, dass in den Quellen keinerlei Erwägungen von Konrad von Jungingen zu finden sind, die belegen könnten, dass er alternative Ziele zu Samaiten ernsthaft ins Auge gefasst hätte. Andere taten das sehr wohl. Ob es sich in dieser Frage schlicht um ein Quellenproblem handelt, ob der Hochmeister keine solchen langfristig-strategischen Planungen betrieb, was sein bisheriges Verhalten durchaus nahelegen würde, oder ob ihn seine Krankheit, die nun auch immer wieder in den Briefen thematisiert wird, davon abhielt, darüber lassen sich keine klaren Aussagen

632 OF 3, S. 215–216; gedr. CEV, CCCXXVI. 633 Vgl. für diese ganze Angelegenheit Osten-Sacken, der die im CEV irrige Chronologie von CCCIL und CCCL ordnet; Osten-Sacken, Beziehungen, S. 42–43; vgl. für die Händel von Vytautas mit Pleskau und Nowgorod, ebd., S. 44–46, und für die Interessen des livländischen Ordenszweiges, ebd., S. 47. 634 Selbst der Oberste Marschall glaubte im September 1406 – zumindest nach eigener Aussage in einem Schreiben an Vytautas –, dass diese Angelegenheit erledigt sei; vgl. OBA 883; gedr. CEV, CCCXLIX.; vgl. Krumbholtz, Samaiten, S. 61–63. 635 OF 3, S. 283–284; gedr. CEV, CCCLVI. 636 Vgl. CEV, CCCXLVIII, und CEV, CCCLII. 637 Johann von Posilge, SSRP 3, S. 283. In diesen Zusammenhang ist auch das Schreiben von Vytautas vom 3. September 1406 einzuordnen, das die Ankunft beider Amtsträger bei ihm betrifft; OBA 884; gedr. CEV, CCCXLVIII, sowie der etwas frühere Bericht von Michael Küchmeister über die schlechte Stimmung der Samaiten wegen des mit Vytautas zu unternehmenden Kriegszuges; OBA 870; gedr. CEV, CCCXLIV. 638 CEV, CCCLVIII.

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treffen. Vielleicht war dem Hochmeister aber auch nur zu bewusst, dass die samaitische Angelegenheit eben noch nicht erledigt war. Richtig deutlich werden für die nun folgende Zeit in Bezug auf die Samaitenfrage nun zwei Umstände, die sich im vorangegangenen Zeitraum nur angedeutet haben: 1) Ordensamtsträger, wie insbesondere der Vogt der Neumark, aber auch der Oberste Marschall, der Komtur von Ragnit und der Hauskomtur von Ragnit sowie der Komtur von Brandenburg, bemühten sich um die Unterwerfung von Samaiten und die Durchdringung des Landes mit Ordensherrschaft. Diese Unternehmungen sprechen dann für den Willen nach territorialer Vergrößerung durch Inkorporierung des Landes. 2) Jedoch: Für die Unterwerfung und die herrschaftliche Durchdringung stellte der Hochmeister weder ausreichend Mittel bereit noch waren er oder der Orden überhaupt federführend beteiligt. Es war Vytautas, der das Land für den Orden eroberte und ihm quasi auf dem Silbertablett servierte. Konrad selber fügte sich auch komplett und gänzlich in dessen Ratschlüsse. Beim Hochmeister ist kaum zielgerichtetes Engagement zu erkennen, von kurz-, mittel- oder langfristiger Planung, die man Außenpolitik nennen könnte, ganz zu schweigen. Beide Aspekte, deren Zusammenfassung das Ergebnis hier schon vorwegnehmen, spiegeln sich in nahezu allen greifbaren Quellen. So ist das Schreiben des Hochmeisters an Vytautas vom 17. Juli 1405 ein Paradebeispiel für den zweiten Umstand:639 Hier dankte das Ordensoberhaupt dem Litauer dafür, die Interessen des Ordens verfolgt zu haben. Der Bitte um Entsendung von Komturen kam er nach, indem er versprach, ihm den Komtur von Brandenburg zu schicken. Konrad gab auch sein Wort – und das ist bezeichnend –, mit allem einverstanden sein zu wollen, was er, Vytautas, mit dem Komtur zu entscheiden gedenke. Auch die Reise gegen die Samaiten Ende Juli 1405640 belegt beide Schlüsse. Hier verstärkte, so nach den historiographischen Quellen,641 Vytautas das große Ordensheer mit einem doppelt so großem Gefolge. Die Regionen Samaitens, die sich schon im Jahr zuvor ergeben hatten, ergaben sich nun wieder. Obgleich sie darauf nicht vorbereitet waren und keine entsprechende Ausrüstung und kein Material dabei hatten, kamen die Sieger nun auf die Idee, ein castrum zu bauen. 639 OF 3, S. 209; gedr. CEV, CCCXIX. Auch das Schreiben vom 21. Juni 1405 deutet schon darauf hin, dass der Hochmeister um die Zustimmung des Großfürsten warb; OF 3, S. 209; gedr. CEV, CCCXVI. 640 OBA 833; gedr. Ekdahl, Armbrust, Quellenanhang I, S. 44, bietet eine Aufstellung des Ordensaufgebots; vgl. zur Reise Krumbholtz, Samaiten, S. 52–53; Voigt, Geschichte, 6, S. 329–331. 641 Johann von Posilge, SSRP 3, S. 277–278; Thorner Annalen, SSRP 3, S. 267–277.

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Für weitreichende Planung auf Ordensseite spricht dieser Bericht nicht, zeigt hingegen aber, dass Vytautas durch seine große Hilfe die Unterwerfung sicherte. Das belegt auch das Schreiben des Obersten Marschalls an den Hochmeister vom 16. August 1405,642 aus dem hervorgeht, dass Vytautas letztlich die Burg, Königsburg/Königsberg genannt, baute und dem Orden einräumte. Der Hochmeister dankte schließlich Vytautas Ende August 1405 sehr eindringlich für die Hilfe beim Kriegszug und bei der Erbauung der Burg.643 Auch für die Versorgung der Burg war er auf Vytautas’ Hilfe angewiesen. Er bat in dem gleichen Schreiben darum, das notwendige Getreide in Kauen speichern zu dürfen. Die offenbar für den Orden schwer lösbare Frage der Verproviantierung war noch mehrfach Tagesordnungspunkt beim Hochmeister. Der Mangel muss schwer zu spüren gewesen sein. Schließlich bat der Vogt von Samaiten um die Mittel, sich selber verproviantieren zu können, wenn nicht anders Abhilfe geschaffen werden könnte, wie aus einem Schreiben an den Obersten Marschall hervorgeht.644 Krumbholtz hat sicherlich Recht, wenn er betont, dass sich die Samaiten durch eine schlecht versorgte Schar im Lande, die um ihre eigene Existenz bangte, wohl kaum einschüchtern ließen.645 Inwieweit die Samaiten sich tatsächlich als Unterworfene fühlen mussten, kann nicht bestimmt werden. Allerdings zeigt dieses Verhalten mehr als deutlich, dass von der Seite des Hochmeisters nicht von einer straffen oder zielgerichteten Inkorporationspolitik gesprochen werden kann! Doch auch vor dieser Klage des eigenen Vogtes von Samaiten hatte der Hochmeister Vytautas wieder einmal um Rat in dieser Frage gebeten.646 Viel aufschlussreicher ist dieses Schreiben aber dafür, dass es tatsächlich de facto Vytautas war, der in Samaiten das Kommando für den Orden führte, dem Konrad willigst zu folgen versprach. Mehrfach betonte er in diesem Brief, dass er in Samaiten nichts ohne Vytautas’ Rat tun würde. Dieser Umstand wird so deutlich und häufig betont, dass es fast bizarr anmutet.647 Von eigenständiger Politik des Hochmeisters kann keine Rede sein. Er war nicht nur dem Willen von Vytautas ausgeliefert. Er lieferte sich diesem selbst bereitwilligst aus! Ein weiteres Schreiben an Vytautas deutet an, dass es insbesondere dessen Hauptleute Manewide, Czapurna und Sungail waren, die für den Litauer für die Unterwer642 OBA 816; gedr. CEV, CCCXXIII. Zur Burg vgl. Krumbholtz, Samaiten, S. 53–55. Unter OBA 834 findet sich ein Verzeichnis über die Ausrüstung der Burg aus dem Jahr 1405. 643 OF 3, S. 212–213; gedr. CEV, CCCXXIV; vgl. Krumbholtz, Samaiten, S. 55. 644 OBA 823; Teildruck bei Krumbholtz, Samaiten, S. 56, Anm. 1. Zur schlechten Lage vgl. auch Voigt, Geschichte, 6, S. 333. 645 Krumbholtz, Samaiten, S. 56. 646 OF 3, S. 215–216; gedr. CEV, CCCXXVI, vom 7. September 1405. 647 Ähnlich ausführlich wird auch der Gattin von Vytautas in einem eigenen Schreiben vom gleichen Tage gedankt; OF 3, S. 223–224; vgl. Voigt, Geschichte, 6, S. 334.

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fung der Samaiten sorgten.648 Der Hochmeister bedankte sich für deren gute Dienste, die sie dem Komtur von Brandenburg und dem Vogt der Neumark haben zuteil werden lassen. Ohne Vytautas und seine Amtsträger gab also offenbar keine Fortschritte für den Orden in der Samaitenfrage. Das zeigen auch weitere Schreiben. Am 29. Dezember 1405 betonte der Hochmeister gegenüber Vytautas seinen Verdruss darüber, dass dessen Hilfe gegen die Samaiten bislang vergebens gewesen sei und er weiter darauf zurückkommen müsse.649 Er bat im gleichen Schreiben auch für die Folgezeit um Rat und Hilfe.650 Der Hochmeister erwog nämlich nun, die Samaiten mit Hilfe des Litauers und des Meisters in Livland zur Geiselstellung zu zwingen.651 Schon Krumbholtz ist in diesem Zusammenhang aufgefallen, dass Konrad von Jungingen bei der Eroberung nicht wirklich engagiert war.652 Darüber kann auch nicht die um den Jahreswechsel geplante Winterreise hinwegtäuschen, von denen die historiographischen Quellen berichten. Der Winter war nach Johann von Posilge dann allerdings zu weich zum Reisen; dennoch stellten die Samaiten Geiseln, um den Frieden zu erhalten.653 War zwar der Hochmeister in der Samaitenfrage nicht engagiert, so bemühte sich doch der samaitische Vogt, Michael Küchmeister, redlich um eine herrschaftliche Durchdringung Niederlitauens.654 Ein Bericht von ihm an den Obersten Marschall aus dem Juni 1406 belegt, dass er offenkundig die Möglichkeit hatte, richtend durch das Land zu ziehen, was einen Friedenszustand voraussetzt,655 worauf Krumbholtz zu Recht hingewiesen hat.656 Ob das jedoch 648 OF 3, S. 222–223; gedr. CEV, CCCXXIX, vom 21. November 1405; vgl. Krumbholtz, Samaiten, S. 55–56; Voigt, Geschichte, 6, S. 334. 649 OF 3, S. 234. 650 Der Hochmeister verfolgte eine großzügige Informationspolitik gegenüber Vytautas und kündigte an, diesen über die Beschlüsse eines Ordenskapitels durch den Komtur von Brandenburg auf dem Laufenden zu halten; OF 3, S. 235, vom 9. Januar 1406; vgl. Voigt, Geschichte, 6, S. 335; Krumbholtz, Samaiten, S. 57. 651 Ein bislang ungedrucktes Verzeichnis von samaitischen Geiseln vom 7. September 1405 befindet sich im OF 3, S. 381. Die Samaiten stellten also Geiseln, wenn auch nicht derart, wie der Meister sich das wünschte. 652 Krumbholtz, Samaiten, S. 56; vgl. Voigt, Geschichte, 6, S. 334–335. 653 Johann von Posilge, SSRP 3, S. 282. Vgl. auch die Thorner Annalen; ebd. CEV, CCCXXXV, ist ein Schreiben vom 23. Januar 1406, aus dem hervorgeht, dass der Vogt von Samaiten dem Obersten Marschall sieben namentlich genannte Geiseln schickte. Unter OBA 844 findet sich eine Aufzeichnung über die Rüstungen zu diesem Kriegszug. 654 Auch sehr bemüht war der Hauskomtur von Ragnit, der Ende September 1406 einen detaillierten Bericht an den Hochmeister über die Bauten an der Dubissa und in Tilsit schickte, in dem in allen Einzelheiten die technischen Details seiner Erwägungen darlegt wurden; OBA 887; gedr. CEV, CCCLI; vgl. Krumbholtz, Samaiten, S. 63. 655 CEV, CCCXLI, vom 13. Juni 1406; vgl. Voigt, Geschichte, 6, S. 353; vgl. auch den Bericht an den Hochmeister; OBA 862. 656 Vgl. hierzu Krumbholtz, Samaiten, S. 58–60.

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auch die Anerkennung der Ordensherrschaft im Allgemeinen beinhaltete, wie er meint, ist dagegen diskutabel. Jedoch ist richtig, dass der Vogt von Niederlitauen die Samaiten an eine Herrschaft des Ordens zu gewöhnen suchte, was auch durch Gaben, die im Tresslerbuch dokumentiert sind,657 geschehen sollte. Dass nicht alle Samaiten Friedenszustand und Ordensherrschaft anerkannten, zeigt ein zeitgleicher Brief des Hauskomturs von Ragnit, der den Hochmeister von einem Überfall der Niederlitauer auf Ragnit in Kenntnis setzte.658 Jedoch – so berichtet zumindest Johann von Posilge659 – kamen in den letzten Monaten der Lebenszeit Konrads einige Samaiten mit dem Vogt von Niederlitauen zum Hochmeister und baten um die Verleihung des Kulmer Rechts. Was genau hinter dieser nur hier belegten Geschichte steht, kann nicht geprüft werden. Offensichtlich gab es Fraktionen, die sich mit den Umständen arrangieren wollten. Das gilt auch für das Land Preußen selbst. An gleichem Ort wird davon berichtet, dass die Ritter und Knechte des Landes die Abgaben des Schalwenkorns und des Wartgelds, die zur Bezahlung der Wachleute an der schalauischen Grenze erhoben wurden, nicht mehr entrichten wollten mit der Begründung, Litauen und Samaiten seien bezwungen. Nur aufgrund der Bitte des Hochmeisters wurden die Abgaben dennoch bewilligt. Diese Geschichte zeigt einerseits, dass der nun eingetretene Zustand zwar auch von den Zeitgenossen für einen Abschluss der Unterwerfung Samaitens gehalten werden konnte. Andererseits zeigt die Episode, dass Konrad von Jungingen sich bewusst war, dass die Gefahr aus Samaiten noch nicht als gebannt betrachtet werden konnte. Nichtsdestotrotz blieb das Engagement des Hochmeisters gering. Er zeigte sich weiterhin auf Vytautas angewiesen und kündigte diesem an, den Komtur von Brandenburg und den Vogt von Samaiten zu senden, um den Platz für eine zu bauende Burg auszuwählen. Er bat dafür außerdem noch um Zimmerleute.660 Obgleich der Hochmeister in seinem letzten Brief an Vytautas,661 der überhaupt einer seiner letzten war, noch die Hoffnung hatte, trotz schwerer Krankheit wieder auf die Beine zu kommen, verstarb er am Tag darauf (30. März 1407). Sinnbildlich für das gesamte Verhalten Konrads in der Samaitenfrage nach Racianz ist, dass er sich auch hier für die in Aussicht gestellte Unterstützung beim Burgenbau bedankte. Vytautas war also bis zuletzt für Hochmeister Konrad von Jungingen, der von sich aus wenig zustande brachte, in der Eroberung und Sicherung von Samaiten für den Deutschen Orden federführend tätig. Man kann angesichts dieses Umstandes sagen, dass er die Eroberung 657 Ebd., S. 61, verzeichnet. 658 OBA 863; ohne Jahreszahl, aber wohl auf auf den 4. Juni 1406 zu datieren. 659 Dies und das Folgende bei Johann von Posilge, SSRP 3, S. 284–285; vgl. Krumbholtz, Samaiten, S. 65. 660 OF 3, S. 294; gedr. CEV, CCCLX, vom 3. Februar 1407; vgl. Krumbholtz, Samaiten, S. 65. 661 OF 3, S. 301–302; gedr. CEV, CCCLXII, vom 29. März 1407.

Zusammenfassung der Ergebnisse

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Samaitens für den Orden durchgeführt und das Land danach gehalten hatte. Ohne seine Unterstützung wäre die samaitische Vogtei sofort wieder untergegangen. Lässt man die Ereignisse in dieser letzten Phase also Revue passieren, dann bestätigen sich die oben vorweggenommenen Ergebnisse ausnahmslos. Zwar bemühten sich die Ordensamtsträger um eine herrschaftliche Durchdringung Samaitens, wurden dabei aber vom Hochmeister nur mit dem Allernotwendigsten unterstützt. Dieser verließ sich vielmehr auf Vytautas, der hier mit Rat und Tat aktiv war. Es ist also Nöbel – im Gegensatz zu Krumbholtz – zuzustimmen, dass sich die Ordenszentrale äußerst passiv verhielt und vom militärischen Standpunkt her eben nicht »auf das redlichste sich bemühte«.662 Erst 1409 – unter Ulrich von Jungingen – lagen die Dinge anders.663 Jedoch glaubt Nöbel, Hochmeister Konrad von Jungingen seine Krankheit für die Passivität als Erklärung und Entschuldigung zugutehalten zu können.664 Zwar kam der Hochmeister in verschiedenen Briefen auf sein Leiden zu sprechen, was seine Passivität in der Samaitenfrage durchaus zu einem Teil erklären könnte. Sein früheres Verhalten – Samaiten spielte bis Sallinwerder eine geringer priorisierte Rolle und wurde erst mit dem gleichnamigen Friedensvertrag dem Hochmeister für die Folgezeit durch Vytautas als Ziel interessant gemacht – dürfte doch zeigen, dass für Konrads vergleichsweise geringes Interesse an Samaiten die Krankheit weder Ursache noch Anlass war. Diese taugt daher als abschließende Erklärung nicht. Man wird vielmehr sagen müssen, dass Samaiten für ihn keine Herzensangelegenheit war und er sich in der Außenpolitik ohnehin von den Entwicklungen bzw. in diesem Fall von Vytautas treiben ließ und nur reagierte.

2.3

Zusammenfassung der Ergebnisse

Muss man nun also abschließend feststellen, dass Konrad von Jungingen während seiner Amtszeit tatsächlich versucht hat, Samaiten auf diplomatischem Wege zielgerichtet zu erwerben? Spiegeln sich in den verbrieften Ergebnissen von Sallinwerder und Racianz also erfolgreiche Versuche des Erwerbs, die zumindest kurzzeitig (1398–1401 und 1404 bis zu Konrads Tod) auch praktisch umgesetzt werden konnten? Stand dahinter also das Motiv der zielgerichteten Vergrößerung des Ordensterritoriums um Samaiten, wie in der Forschung noch immer regelmäßig angenommen wird? Hatte es Konrad damit auf die Schaffung einer Landbrücke abgesehen? 662 So richtig Nöbel, Küchmeister, S. 19, im Gegensatz zu Krumbholtz, Samaiten, S. 61. 663 Nöbel, Küchmeister, S. 19, Anm. 71. 664 Vgl. ebd., S. 21.

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Samaiten: Zielgerichteter Erwerb mit diplomatischen Mitteln?

Angesichts der detaillierten Darlegungen müssen die eingangs dieser Arbeit formulierten und hier wiederholten Fragen mit einem deutlichen Nein beantwortet werden. Die Ergebnisse auf diese Ausgangsfragen können abschließend unter drei Stichpunkten zusammengefasst werden. Dabei muss jedoch zuerst deutlich die letztgenannte These verworfen werden. Samaiten hatte für Konrad von Jungingen wohl kaum die Funktion einer aus geostrategischen Gründen begehrten Landbrücke, die diesem Land von der späteren Forschung zugeschrieben worden ist. Hinweise auf solche Erwägungen finden sich in den Quellen schlicht nicht. Sie ist wahrscheinlich auch nur dann naheliegend, wenn man – wie der neuzeitliche Forscher – mit einer modernen Landkarte ausgestattet ist. Es muss jedoch betont werden, dass im Orden durchaus, modern formuliert, »geostrategische« Überlegungen angestellt wurden. Dies konnte zum Beispiel für die Prätentionen des livländischen Meisters auf das Watland (1397) gezeigt werden. Das mögliche, aber methodisch ohnehin schwierige Argument, dass die Idee, Livland und Preußen durch die Landbrücke Samaiten zu vereinigen, zu selbstverständlich gewesen wäre, als dass solche Überlegungen in den Quellen auftauchten, überzeugt angesichts der doch im Orden angestellten Erwägungen hinsichtlich anderer Gebiete erst recht nicht. Konrad selbst hatte offensichtlich generell Probleme, sich solche Auffassungen zu eigen zu machen. Es spricht daher alles dafür, dass der Hochmeister auch in Bezug auf Samaiten nicht auf die Idee kam, dieses für eine Landbrücke zu halten, die erobert werden musste. 1) Erkennt man also in der samaitischen Angelegenheit eine Expansion? Diese Frage ist dahingehend zu bejahen, dass Samaiten mit den Verträgen von Sallinwerder und Racianz tatsächlich de iure an das Ordensland abgetreten wurde. Direkt nach den Verträgen stand das Gebiet dann auch zumindest zeitweilig de facto unter der Herrschaft des Ordens, sodass eine Vergrößerung des vom Orden beherrschten Territoriums zu konstatieren ist. 2) War die territoriale Vergrößerung nun aber auch das beabsichtigte Ziel? Nimmt man zu den Ergebnissen der Friedensverträge von Sallinwerder und Racianz die vorgeschalteten Prozesse in die Betrachtungen hinzu, dann kann von einer zielgerichteten Expansionspolitik nach Samaiten nicht mehr gesprochen werden. Die Zeit der Hochmeisterschaft Konrads muss dabei jedoch in zwei Phasen unterteilt werden. Der Vertrag von Sallinwerder (1398) trennt beide Phasen. Phase 1) Die Zeit bis Sallinwerder : Als beinahe ausschließliches Ziel Konrads muss in dieser ersten Phase die Christianisierung von Vytautas und von Litauen – allerdings zu Ordensbedingungen – erkannt werden, die der Orden durch Eide, Geiselstellungen und Hilfe beim Burgenbau gewährleistet sehen wollte. Samaiten, auf das er alte Rechte geltend machte, war hingegen bei Konrad nur auf den hinteren Plätzen der Forderungsliste zu finden. Es war Vytautas, der immer wieder versuchte, das Interesse des Ordens auf Samaiten

Zusammenfassung der Ergebnisse

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zu wecken und zu verstärken. Samaiten war für den Litauer bequeme Verhandlungsmasse. Ein eigenes Gesamtprogramm von Zielen über die Christianisierung Litauens hinaus ist bei Konrad nicht zu erkennen.665 Einen Anlass, eventuelle Eroberungsabsichten zu verschleiern, was generell wohl eher als ein neuzeitliches Phänomen anzusehen ist, hätte Konrad im damaligen Zeitraum auch nur sehr bedingt gehabt: Eroberungen zur Vermehrung des Christentums dürften weite Kreise der christlichen Öffentlichkeit – ebenso wie der Orden selbst – weiterhin als Verfolgung seiner Stiftungsaufgabe verstanden haben und somit als etwas, worauf durchaus hingewiesen werden konnte. Die nicht geringe Anzahl der weiterhin anreisenden Kriegsgäste dürfte das bestätigen. Zudem glaubte der Hochmeister auch, belastbare und verbriefte (aber nicht genauer definierte) Rechtsansprüche an Samaiten zu haben. Er wollte diese – nach eigener Aussage – aber zunächst nicht durchsetzen. Daraus ergibt sich, dass der Hochmeister den Erwerb Samaitens tatsächlich nicht als vorrangiges Ziel betrachtete. Phase 2) Die Zeit nach Sallinwerder: Nach Sallinwerder veränderten sich die Forderungen von Konrad von Jungingen an Vytautas. Nach dem samaitischen Abfall 1401 wurde von Ordensseite als Grundforderung für eine Einigung die Rückgabe der abgefallenen Gebiete verlangt. Nach dem Vertrag von Racianz erkennt man dann tatsächlich deutliche Bemühungen von Seiten der Ordensamtsträger, wie dem Vogt von Samaiten, um eine herrschaftliche Durchdringung. Bedeutet das nun, dass Samaiten endlich zum begehrten Objekt und zum Ausweis territorialer Expansionspolitik geworden war? Auf den ersten Blick muss dies durchaus so wirken. Der zweite Blick hat aber gezeigt, dass die Unterwerfung Samaitens nach Racianz vom Hochmeister nur aufs Nötigste gefördert wurde. Er ließ die Amtsträger im wahrsten Sinne des Wortes fast am ausgestreckten Arm verhungern. Die Erfolge in Samaiten waren einzig und allein der Unterstützung von Vytautas zu verdanken, der hier die Führung übernommen hatte und Samaiten für den Orden geradezu eroberte. Dass der Orden vor Racianz Samaiten zur conditio sine qua non erhoben hatte, dürfte aber ebenfalls nicht mit einem plötzlichen Willen zur territorialen Expansion zusammenhängen. Es scheint vielmehr, dass der Orden sich nach Sallinwerder als rechtmäßiger Landesherr sah und seine Rechte auf Samaiten aus diesem Grunde durchsetzen wollte. Eine Expansion ist daher nur als sekundäre Folge, aber nicht als primäres Motiv einzuschätzen. Diese Erklärung für das Pochen des Hochmeisters auf Samaiten bietet sich an, da auch sonst keinerlei expansionistisches Verhalten unter Konrad von Jun665 Zu diesem Befund passt auch, dass er eben nicht wie ein gewiefter Machpolitiker alle Möglichkeiten suchte, Bündnispartner in der litauischen Opposition zu gewinnen.

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Samaiten: Zielgerichteter Erwerb mit diplomatischen Mitteln?

gingen zu erkennen ist: Es konnte gezeigt werden, dass die in den Friedensverträgen geregelte Aufteilung der »Interessenszonen« bzgl. Pleskaus und Nowgorods nicht aufgrund von irgendwelchen Prätentionen des Hochmeisters vorgenommen wurde. Hier konnte vor allem Vytautas seine Vorstellungen durchsetzen. Auch der livländische Meister hatte hier zunächst Interessen, die der Hochmeister aber nachrangig behandelte. Zudem fand auch eine Verkleinerung des vom Deutschen Orden beherrschten Gebietes im Jahre 1405 statt, als der Orden Dobrin sowie Slotterie an den König von Polen abtrat, sodass von einer rein auf territoriale Vergrößerung abzielenden Politik von Seiten Konrads ohnehin keine Rede sein kann. Für beide Phasen muss abschließend darüber hinaus noch darauf hingewiesen werden, dass die häufiger geäußerte Auffassung, der Orden habe zunächst Samaiten und danach das ganze restliche Litauen erobern wollen, für die Zeit Konrads von Jungingen erst recht nicht gelten kann. Das wäre angesichts seiner eher überschaubaren Bemühungen um Samaiten schon unplausibel. Zudem verzichtete der Hochmeister in den Verträgen von Sallinwerder und Racianz auch offiziell auf alle weiteren Gebiete Litauens über Samaiten hinaus! Dieser bislang in der Forschung kaum beachtete Artikel zeigt damit, dass Konrad von Jungingen keine Absichten auf Kernlitauen hegte. Dafür spricht auch sein Verhalten in der Praxis. Musste er zur Eroberung und Inkorporierung Samaitens schon von Vytautas angestoßen, gedrängt und mit vielerlei Hilfe unterstützt werden, finden sich hinsichtlich Oberlitauens überhaupt keine Hinweise auf Eroberungsabsichten seitens des Hochmeisters. Angesichts der Stärke von Kernlitauen, ohne dessen Hilfe nicht einmal das kleine, aber wehrhafte Niederlitauen der Ordensherrschaft hätte zeitweilig zugeführt werden können, sind solche Gedanken dem Hochmeister sicherlich überhaupt nicht erst gekommen. Zwar wurden Reisen auch unter Konrad von Jungingen weiterhin durchgeführt. Dass diese allerdings zur Unterwerfung betrieben wurden, darauf finden sich kaum Hinweise. Es waren Feldzüge der verbrannten Erde, die zunächst nur den Zweck hatten, den Gegner zu schädigen. Insgesamt kann Konrad von Jungingen daher keine expansionistische Außenpolitik unterstellt werden, da hinter den Verträgen, durch die die Vergrößerung verbrieft wurde, beim Hochmeister primär andere Gründe standen, die zu diesen Ergebnissen führten. Letztere sind zwar verbrieft, spiegeln aber nicht unbedingt Konrads Motivationsstruktur wider, sondern waren zu einem Gutteil von Vytautas in den Prozess eingebracht worden. 3) Verbietet es schon die Motivation Konrads hinsichtlich Samaitens von einer territorialen Expansionspolitik in den Beziehungen zu Polen und Litauen zu sprechen, muss dies erst recht angesichts des konkreten hochmeisterlichen Verhaltens in der Zeit vor und zwischen den Verträgen gelten. Anhand der

Zusammenfassung der Ergebnisse

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detaillierten Rekonstruktion der diplomatischen Prozesse durch die Korrespondenz konnte nachgewiesen werden, dass Konrad von Jungingen selten in dieser Angelegenheit von sich aus aktiv wurde. Er reagierte zumeist nur auf die Vorstöße und Initiativen von Vytautas, der in den Verhandlungsprozessen Herr des Verfahrens war. Schon Lohmeyer hat zu Recht darauf hingewiesen, dass Konrad von Jungingen – und, so müsste man ergänzen, ebenso der polnische König666 – ein Getriebener der Politik von Vytautas war.667 Dieser Aussage ist angesichts des Verhaltens des Litauers und der Reaktionen des Hochmeisters in der Samaitenfrage zwischen 1393 und 1407 bedenkenlos zuzustimmen. Dabei war Vytautas die die außenpolitischen Geschehnisse um Niederlitauen prägende und gestaltende Persönlichkeit. Pfitzner hat ihm schon fast die Züge eines machiavellistischen Herrschers gegeben, wenn er schreibt, dass dieser nur dem Frommen seines Staates lebte und Verträge ganz nach den Vorteilen, wie sie für den Staat günstig waren, geschlossen oder gebrochen habe.668 In Bezug auf sein Verhältnis zu Samaiten, das er als Verhandlungsmasse nutzte und dem Orden in Friedensvereinbarungen überschrieb, durch den Bruch der Verträge wieder entriss und für diesen letztlich eroberte, lassen sich – alle Bedenken gegen den Begriff des Staates einmal beiseitegelassen – solche Züge durchaus deutlich erkennen. Fazit: Unter Konrad von Jungingen ist zwar eine territoriale Expansion zu verzeichnen, jedoch konnte gezeigt werden, dass das Ordensoberhaupt keine zielgerichtete und planvolle territoriale Expansionspolitik betrieben hat – weder nach Samaiten noch nach Litauen oder gegenüber Polen oder gen Russland. Zwar kann der vertragliche Erwerb und die teilweise realisierte Umsetzung dieser Ansprüche in Samaiten nicht als bloßer Zufall bezeichnet werden. Jedoch kann dieses Ergebnis Konrads Handlungen nur in geringerem Maße zugeschrieben werden. Weder war Samaiten bzw. eine territoriale Expansion überhaupt ein primäres Ziel noch ist bei ihm ein planvolles und zielgerichtetes Verhalten in diesem Bereich oder gar so etwas wie eine außenpolitische Strategie zu erkennen, sondern maximal eine im Rahmen der Möglichkeiten sinnvolle Taktik. Es war vielmehr Vytautas, der Samaiten, das er ohnehin als Verschiebemasse nutzte, dem Hochmeister als Ziel andiente und dieses schließlich auch 666 Die Stellung von Władysław-Jagiełło dürfte damit insgesamt treffend charakterisiert sein. Sie bleibt in diesen Prozessen allerdings nur schemenhaft erkennbar. Es scheint, dass Vytautas diesen immer nur dann aktiv eingebunden hat, wenn es ihm nutzte. Vielleicht bemühte er ihn auch gelegentlich als bequeme Ausrede. Die Rolle des polnischen Königs müsste aber noch einmal genauer in den Blick genommen werden. Er taucht in den Ordensquellen dieser Zeit jedoch – verglichen mit Vytautas – relativ selten auf. 667 Vgl. Lohmeyer, Westpreussen, S. 336–337. 668 Pfitzner, Witold, S. 128.

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Samaiten: Zielgerichteter Erwerb mit diplomatischen Mitteln?

für ihn herrschaftlich durchdrang. Er machte sich Niederlitauen für seine eigenen Ziele im Osten nutzbar, für die er an der Westflanke Ruhe benötigte. Konrad reagierte hingegen fast ausschließlich nur auf die Initiativen von Vytautas. Ziele, die er selbst entwickelt hätte, sind kaum zu erkennen. Insgesamt muss Konrad daher als ein Getriebener von Vytautas’ Politik bezeichnet werden. Samaiten war dabei nur ein Köder, aber nicht eigentliches Ziel des Hochmeisters. Vytautas war es daher eigentlich, der die Samaitenpolitik des Ordens zur Zeit Konrads von Jungingen bestimmte. Das alles geht vornehmlich aus dem Entstehungskontext der Verträge hervor, der aus der begleitenden Korrespondenz erschlossen werden kann. Es sind paradoxerweise gerade die hochmeisterlichen Schreiben selbst, aus denen hervorgeht, dass es sich bei Konrad eben nicht um einen gewieften Außenpolitiker und eine entscheidungsfreudige Führungspersönlichkeit handelte, sondern vielmehr um einen eher behäbigen Zauderer. Da sich diese Ergebnisse zu einem Großteil aus den hochmeisterlichen Briefen, die aufgrund Ihres Charakters als Registerüberlieferung eine besondere Glaubwürdigkeit beanspruchen können, ergeben, ist Konrad von Jungingen quasi selbst für dieses wenig schmeichelhafte Bild verantwortlich, das sich bei einer genauen Durchsicht von ihm ergibt.

3

Die Neumark und kleinere Erwerbungen

3.1

Der Erwerb der Neumark: Die Schaffung einer Landbrücke nach Westen?

Auch der Erwerb der Neumark im Jahre 1402 wurde, wie schon in der Einleitung gezeigt, als ein Paradebeispiel für die zielgerichtete Expansionspolitik des Deutschen Ordens unter Konrad von Jungingen angeführt und als ein Beleg für die höchste Machtstellung des Ordens gewertet. Diese Auffassung hat zuletzt Bernhart Jähnig noch einmal pointiert auf den Punkt gebracht: »(…) conscient du risque d’encerclement qui pesait sur la Prusse depuis l’union de la Pologne et de la Lituanie, le gran-ma%tre n’avait pas h8sit8 en 1402 / prendre co0teusement en gage la Neumark (…)«.669 Obwohl kurz darauf hervorgehoben wird, dass Sigismund als Eigentümer durchaus auf eine Pfandnahme gedrängt habe, um seine Finanzen zu sanieren, wird Konrad von Jungingen auch hier ein bewusstes und zielgerichtetes Handeln ohne Zögern vor dem Hintergrund geostrategischer Überlegungen, d. h. der Angst vor der Einkreisung durch Polen-Litauen, zugeschrieben. Biskup erkennt dagegen im Erwerb sogar den Versuch des Ordens, Polen seinerseits von Westen her zu umfassen.670 Auch Heidenreich, der sich in seiner Studie jedoch eigentlich auf einige Bereiche des »innerstaatlichen Lebens, unter bewußter Ausschaltung des Außenpolitischen« der Neumark konzentrieren will,671 sieht Sigismund und den Hochmeister mit der Transaktion nach jahrelangen Verhandlungen an das Ziel ihrer Wünsche gelangt.672 Der Neumark 669 Jähnig, Konrad (2009), S. 529. Von der Gefahr einer möglichen Umklammerung durch Polen spricht auch Heidenreich, Neumark, S. 3. 670 Biskup/Labuda, Geschichte, S. 298, S. 393 und S. 537. 671 Heidenreich, Neumark, Vorbemerkung. 672 Ebd., S. 3. Heidenreich schöpft diese Ansicht aber nicht aus den Quellen, sondern konstruiert vielmehr eine Kontinuitätslinie von den Eroberungen nach Westen seit Pommerellen mit der Behauptung, dass diese Tendenz nie eingeschlafen sei; ebd., S. 3. Faktisch zeigt sich diese »Tendenz« zwar in den territorialen Ausbreitungen. Über die Absichten der Akteure und die Zielgerichtetheit ihrer Politik ist damit aber noch nichts gesagt.

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Die Neumark und kleinere Erwerbungen

wurde dabei die Funktion einer immer notwendigeren Landbrücke zum Reich zugeschrieben,673 die Hochmeister und Gebietiger »bewußt« bei der Ausdehnung des Ordenslandes nach Westen haben erlangen wollen, um den militärischen Zuzug zu sichern.674 Heidenreich wendet sich damit gegen die ältere Annahme von Voigt, dass der Orden zufällig und widerwillig in den Besitz der Neumark gekommen sei.675 Damit wären auch die beiden gegensätzlichen Positionen in dieser Frage skizziert, wobei in neueren Darstellungen mehrheitlich der Heidenreich’schen Position gefolgt wurde; eine aktuelle Spezialstudie zu diesem Aspekt, der ansonsten mehr in übergreifenden Darstellungen berührt denn diskutiert wurde, liegt bislang jedoch nicht vor.676 Offenbar hat man dieser Frage kaum eine Be673 Ebd., S. 3; Czacharowski, Neumark, S. 151, spricht sogar von »Korridor«; vgl. ders., Adel, S. 151 und S. 157. 674 Heidenreich, Neumark, S. 16–17. Diese conclusio Heidenreichs ist umso überraschender, zeigt seine Beschreibung des Prozesses doch eher einen zögerlichen Hochmeister, der eben keine Angliederung der Neumark um jeden Preis will; vgl. ebd., S. 6–9. Heidenreichs Prozessrekonstruktion weist aber insgesamt viele Missverständnisse und tw. haltlose Spekulationen auf. 675 So fasst Heidenreich, Neumark, S. 16, die Auffassung von Voigt, Neumark, richtig zusammen. In der Vorbemerkung weist Voigt darauf hin, dass die relevanten Quellen fast ausschließlich im (nunmehr Historischen) Staatsarchiv Königsberg zu finden seien; ebd., S. V–VI. Diese Abhandlung ist neuer als Voigt Geschichte, 6, in der er, wie er schreibt, die Schicksale der Neumark bloß angedeutet habe; Voigt, Neumark, S. VII. Aus diesen Gründen wird hier ausschließlich auf die aktuellere Darstellung Voigts rekurriert, die zwar auch immerhin aus dem Jahre 1863 stammt, jedoch für die hier zu behandelnde Fragestellung weiterhin am detailreichsten ist. Jedoch sind nicht alle vorhandenen Quellen genutzt worden und insbesondere in der Vorgeschichte findet sich manches Versehen in der Chronologie. 676 Der Forschungsstand ist in dieser Frage wenig befriedigend: Eine ähnliche Position – wenigstens in wesentlichen Aspekten – wie Heidenreich, Neumark, wird sowohl in den frühesten Bearbeitungen als auch in neuesten Handbüchern vertreten: vgl. Baczko, Geschichte, S. 278; Biskup/Labuda, Geschichte, S. 298 und S. 393; Biskup/Czaja, Pan´stwo (Tandecki), S. 106. Die Position von Voigt findet sich bei Krollmann, Geschichte, S. 82; Wrede, Grenzen, S. 76–77, und schon früher sehr dezidiert bei Kotzebue, Geschichte, S. 38–39. Czacharowski, Adel, S. 157, wählt einen mittleren Weg und spricht nur vom Zögern des Ordens. Zumeist wird der Erwerb der Neumark jedoch nur konstatiert ohne tiefere Reflexion über das Zustandekommen und die Motive der einzelnen Personen. Das gilt im Übrigen schon für die zeitgenössische Historiographie, wo sich nur eine knappe Notiz zum vollzogenen Verkauf findet. Diese ist für die hier bearbeitete Fragestellung daher nicht von weiterer Relevanz; vgl. Johann von Posilge und Thorner Annalen, SSRP 3, S. 261– 262. Auch Heidemann, Luxemburger, S. 236–249, behandelt neuerdings den Kauf der Neumark durch den Deutschen Orden. Hier steht jedoch die Beurteilung der Landesherrschaft Sigismunds im Fokus; vgl. ebd., S. 239. Die Ordensperspektive spielt daher nicht die Hauptrolle. Positiv anzumerken ist, dass Heidemann das Zögern des Ordens hervorhebt und zumeist richtig deutet. (Leider verweist sie nicht auf die schon lange vorliegenden Erkenntnisse von Voigt in diesem Zusammenhang.) Vollkommen zu Recht schreibt sie, dass nicht nur die Verkaufsakte, sondern auch die »politischen ›Schachzüge‹« – so die etwas saloppe Formulierung, mit der die politischen Verhandlungsprozesse gemeint

Der Erwerb der Neumark: Die Schaffung einer Landbrücke nach Westen?

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deutung beigemessen,677 wurde der Expansionswille des Ordens doch auch in anderen Bereichen als manifest aufgefasst und wohl unbesehen und unbewusst auf die Neumark übertragen. Aus diesen Gründen muss der mikropolitische Prozess, d. h. die Vorgeschichte des Erwerbs der Neumark unter Konrad von Jungingen einmal genau unter die Lupe genommen werden. Wie kam die »Angliederung«678 – so die sind – analysiert werden müssten. Diese sind in den groben Linien zumeist korrekt dargestellt. Jedoch geschehen einige (chronologische) Versehen. Sie erhebt z. B. Konrad von Jungingen zu früh zum Hochmeister ; vgl. ebd., S. 239. Auf weitere kleinere Probleme wird am entsprechenden Ort hingewiesen. Bedauerlich ist überdies, dass die Belegstruktur ausgesprochen unübersichtlich und teilweise nicht weiterführend ist. Zudem ist grundsätzlich der Stand der Ordensforschung in dieser Frage leider nur wenig befriedigend ausgearbeitet; vgl. ebd., S. 236–237. Die polnische Literatur bleibt gänzlich unerwähnt. Der Landbrückengedanke zum Reich wird dabei weiterhin unhinterfragt übernommen; vgl. ebd., S. 238. Ansonsten wird meist nur im Rahmen einer knappen Skizze als Vorgeschichte für andere Fragen darauf rekurriert, oft ohne ungedruckte Quellen zu nutzen oder indem die polnische Perspektive und nicht die des Ordens in den Vordergrund gestellt wird. Vor allem die Frage nach dem Zustandekommen einer Verpfändung an Polen stand dabei im Mittelpunkt; vgl. z. B. Fenrych, Prjba; Nowak, Polityka, S. 73–76; Fenrych, Zwia˛zki, S. 84–89; zur Frage der Verpfändung an Polen s. u. Vor Kurzem hat Kwiatkowski, Nowa Marchia, S. 34, Anm. 10, in seinem Aufsatz, in dem es schwerpunktmäßig um die Rolle der Neumark in den kriegerischen Auseinandersetzungen 1410–1411 geht, wo aber gleichzeitig der status artis für angrenzende Themen und Fragestellungen umfassend dargestellt wird, auf den unzureichenden Forschungsstand und die Reduktion der Motive für den Erwerb der Neumark auf anachronistische Vorstellungen geostrategischer Art hingewiesen; hier ist auch die entsprechende Literatur, gegen die er sich positioniert, in extenso aufgeführt. Diese liefert aber kaum neue Aspekte zu den oben schon erwähnten Vorstellungen. Ohne dass eine detaillierte Prüfung dieser Frage anhand der Quellen vorgenommen werden konnte, finden sich an dieser Stelle die scharfsinnigsten Thesen bzw. Erklärungen zu der hier zu behandelnden Frage angedeutet. Die wirtschaftlichen Aspekte hat Sarnowsky, Wirtschaftsführung, S. 419–422, herausgearbeitet. Überhaupt mangelt es für die Neumark an zeitlich übergreifenden Darstellungen, da sie bislang in der Geschichtswissenschaft vernachlässigt und ihr in der landesgeschichtlichen Forschung Brandenburgs nur wenig Platz eingeräumt wurde, wie Gahlbeck, Zisterzienser, S. 3, richtig bemerkt hat; hier findet sich der deutsche und polnische Forschungsstand zur allgemeinen Geschichte der Neumark und zu speziellen Fragen umfassend aufgearbeitet; ebd., S. 43–50. Den hier zu bearbeitenden Zeitraum behandelt nur Fenrych, Nowa Marchia, insbes. S. 79–91, der die polnische Perspektive bis 1402 darlegt, den Prozess des Erwerbs jedoch nicht in den Mittelpunkt stellt und auch nicht auf alle verfügbaren Quellen zurückgreift. Allenfalls wäre noch Hoppe, Neumark, als ältere Kurzdarstellung zu erwähnen, die aber nicht besonders in die Tiefe geht und insgesamt eher problematisch ist. 677 Lohmeyer, Westpreussen, S. 339, hat jedoch hier sogar die Wurzel allen Übels ausgemacht, wenn er behauptet, dass es der Kauf der Neumark gewesen sei, der letztlich zur Katastrophe des Ordenslandes geführt habe. Einen Widerhall hat diese sonst nicht weiter elaborierte Auffassung in der weiteren Forschung allerdings nicht gefunden. Wahrscheinlich wurde dabei an die immensen Kosten gedacht, die nicht zuletzt die fortwährenden Nachforderungen Sigismunds verursachten; vgl. die Rechnung bei Sarnowsky, Wirtschaftsführung, S. 420–423. 678 Weise, Diplomatik, S. 219.

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Die Neumark und kleinere Erwerbungen

Formulierung von Weise, die Absicht und Zielgerichtetheit beinhaltet – im Jahre 1402 überhaupt zustande? Hat Konrad von Jungingen vorher wirklich nicht gezögert? War er nicht vielleicht doch eher Getriebener der Entwicklung, die von Sigismund initiiert und gesteuert wurde? Hatte also nicht vielleicht schon Voigt Recht mit seiner Behauptung, dass der Orden nur widerwillig die Neumark erworben hat? Hätte Konrad überhaupt auf einen Erwerb verzichten können? Oder spiegelt sich im Erwerb nicht vielleicht eher das Fehlen einer Handlungsalternative und damit nicht der Höhepunkt der Machtstellung, sondern vielmehr ihr Niedergang? Diese Fragen sollen im Folgenden vorwiegend anhand der politischen Korrespondenz, die den diplomatischen Prozess beschreibt, der zum Erwerb der Neumark führte, untersucht werden.679 Nach einem kurzen Rückblick soll Konrads Handeln als Hochmeister seit dem Jahre 1393 bis zum Erwerb der Neumark 1402 im Mittelpunkt stehen. Dieser Zeitraum ist schließlich nur sehr wenig beachtet worden. Zwar muss die Entwicklung nach dem Erwerb auch Erwähnung finden für die Klärung der Frage, inwieweit eine zielgerichtete Expansionspolitik zum Erwerb der Neumark geführt hat. Hier ist aber nicht mehr viel methodisch gesicherter Aufschluss zu erwarten. Schließlich haben sich durch die vollzogene Übergabe die Rahmenbedingungen grundsätzlich geändert. Sichere Rückschlüsse aus der nun nachfolgenden Politik des Hochmeisters auf seine ursprünglichen Absichten vor dem Kauf bzw. der Pfandnahme der Neumark sind so kaum möglich. Seine Bemühungen um Sicherung des Erwerbs sind verständlich, sagen aber nichts darüber aus, wie er im Vorwege dazu stand.680

679 Die Editionslage muss als insgesamt wenig befriedigend eingeschätzt werden. Für die Neumark existiert kein eigenständiges Urkundenbuch. Es muss daher weiterhin auf die die Neumark betreffenden Bände des Codex diplomaticus Brandenburgensis zurückgegriffen werden (CDBr A 18, 19, 24 sowie vereinzelte Stücke in B 3). Daneben existieren die Regestenwerke RHN und RGN, die parallel genutzt werden müssen. Die Urkunden zum Verkauf der Neumark finden sich bei SDOP, 12–17 zusammengestellt. Wichtig ist der Bestand des Deutschordenszentralarchivs in Wien, der über DOZA bequem zu nutzen ist. Die Urkunden finden sich gescannt bei www.monasterium.net im Internet. Von wesentlicher Bedeutung für die hier behandelte Fragestellung ist jedoch vor allem die flankierende Korrespondenz im OBA und den Ordensfolianten 2c und 3, die auch in unterschiedlichem Ausmaß in RHN und RGN verzeichnet wurde. Es ist hier jedoch unabdingbar, ergänzend die gedruckten Findmittel zum OBA (JH I) und das ungedruckte Findbuch für den Archivgebrauch 65 zu prüfen. Angesichts dieser Editions- und Verzeichnungslage mit dem zusätzlichen Problem, dass die vorliegenden Drucke heutigen Ansprüchen nicht mehr genügen können, muss die Erstellung eines neumärkischen Urkundenbuchs durchaus als eine wichtige Zukunftsaufgabe bezeichnet werden. Die Überlieferungslage mit ihren Problemen ist allumfassend bei Gahlbeck, Zisterzienser, S. 66–93, dargestellt. 680 Es wäre sogar denkbar, dass eine Rückprojizierung der Politik Konrads nach 1402 auf die vorangegangene Zeit die häufig vertretene Auffassung begünstigt hat, dass eine territoriale Expansion gewünscht gewesen sei.

Der Erwerb der Neumark: Die Schaffung einer Landbrücke nach Westen?

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3.1.1 Vorgeschichte: Die Neumark und der Deutsche Orden vor 1393 Das Gebiet der Neumark erstreckte sich von Brandenburg aus gesehen östlich der Oder bis zur Drage und im Nordosten bis einschließlich des Gebietes Schivelbein.681 Kaiser Karl IV. teilte 1378 die Mark Brandenburg und überließ die Neumark Johann von Görlitz. Sigismund bekam die Altmark und die Mittelmark nebst Kurwürde; als Johann von Görlitz 1396 starb, erlangte Sigismund wieder die Herrschaft über beide Teile.682 Auch vor dem Amtsantritt Konrads von Jungingen als Hochmeister gab es Versuche, dem Orden die Neumark zu verkaufen oder zu verpfänden:683 Schon Johann von Görlitz war an die Hochmeister Konrad Zöllner von Rotenstein und Konrad von Wallenrode mehrfach erfolglos herangetreten (1388 bzw. 1392). Auch Sigismund hatte dem Orden 1392 ein Kaufangebot inklusive dem Versprechen gemacht, die Ansprüche Wenzels, Johanns von Görlitz und Josts von Mähren abzufinden, doch lehnte der Hochmeister die Ertragsnachweise als veraltet ab. Die Angelegenheit verlief vorerst im Sande und wurde erst wieder in der Zeit Konrads von Jungingen aufgenommen.

3.1.2 Der Erwerb der Neumark im Jahr 1402 Auf den 29. September 1402 datiert der von König Sigismund ausgestellte Hauptbrief, in dem er Konrad von Jungingen und dem Deutschen Orden die Neumark mit allir manschaft, steten, vesten, dorffern, friheiten, nuczen, dinsten, czinsen, renten, czollen und gerichten etc. für 63.200 ungarische Gulden verkaufte.684 Dabei entließ er seine nun ehemaligen Untertanen aus der Treuepflicht. 681 Vgl. Escher, Neumark, Sp. 1101; detailliert zur Geographie s. Höhnemann, Landeskunde, sowie Wrede, Grenzen. 682 Sarnowsky, Brandenbourg, S. 173; Voigt, Neumark, S. 2–3 und S. 6–7. Das Interesse der Brüder – außer ihnen hatte noch Wenzel Ansprüche – an den brandenburgischen Ländern war so gering, dass schon frühzeitig Verpfändungen ins Auge gefasst und teilweise auch durchgeführt wurden. Aus diesem Grunde spielten zudem Jost und Prokop von Mähren eine Rolle in den auch für die Zeitgenossen offenbar nicht immer einfach zu durchschauenden Verhältnissen; vgl. zur Vorgeschichte und der Herrschaft der Luxemburger die ältere Darstellung von Voigt, Neumark, bes. S. 3–21; vgl. auch Rymar, Nowa Marchia, sowie seit neuestem Heidemann, Luxemburger. 683 Knapp zusammengefasst bei Schultze, Mark, S. 194, sowie etwas ausführlicher bei Heidemann, Luxemburger, S. 239–240; jedoch wird Konrad von Jungingen hier zu früh zum Hochmeister erhoben; zudem sind die Belege nicht immer nachvollziehbar. 684 SDOP, 17. Dramburg wurde aus dem Verkauf ausgenommen, da es schon vorher an den Orden verkauft worden war (s. u.). Die Empfangsbestätigungen und Quittungen der Teilzahlungen finden sich in SDOP, S. 25, zusammengestellt; zu den Zahlungen s. en d8tail Neitmann, Pfandverträge, S. 9–14; vgl. zum Hauptbrief Voigt, Neumark, S. 30–31; vgl. Heidemann, Luxemburger, S. 246–247. OBA 692 ist ein (beschädigtes) zeitgenössisches

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Wichtig für den Orden – wenn auch die Ausführung letztlich selten für allgemeine Zufriedenheit sorgte – war vor allem der (nach Weises Nummerierung) zweite Artikel, in dem König Sigismund bekundete, gegen Rechtsansprüche, die im Nachhinein an den Orden herangetragen werden sollten, einzutreten. Obwohl in der Urkunde explizit vom Verkauf der Neumark gesprochen wird, zeigt Artikel vier, dass es sich eigentlich um eine Verpfändung bzw. einen »Kauf auf Wiederkauf« handelte.685 Hier wurde Sigismund sowie seinen Nachkommen und seinen Brüdern Wenzel von Böhmen und Jost von Mähren während ihrer Lebenszeit die Möglichkeit des Rückkaufes eingeräumt. Artikel sechs regelt die Formalia für diesen Fall. Die Artikel drei und fünf beinhalten Regelungen zur Auslösung von Herrschaftsrechten in der Neumark und zur Vergütung im Falle des Wiederkaufes hinsichtlich der Kosten, die bei der Auslösung entstanden sind, aber auch solcher, die beim Bau bzw. bei erlittenen Schäden auftreten würden. Verbindlich vereinbart wurde das Geschäft allerdings schon früher : Am 25. Juli 1402 verständigte sich Stibor von Stiboricz, der ehemalige Woiwode von Siebenbürgen und bevollmächtige Vertreter des Königs, mit dem Hochmeister auf der Marienburg über den Verkauf.686 Somit steht eigentlich diese Urkunde bzw. dieses Datum am Ende des Prozesses, der letztlich zum Erwerb der Neumark durch den Deutschen Orden führte.687 Wie bereits gezeigt, wurde im Hauptbrief die neumärkische Stadt Dramburg explizit ausgeschlossen. Das liegt daran, dass diese schon am 24. August 1400 Verzeichnis des Ordens über die von Stibor in der neumärkischen Angelegenheit übergebenen Urkunden. 685 SDOP, S. 24; Neitmann, Pfandverträge, S. 9. Im Folgenden werden für diesen Rechtsakt die Verben »verkaufen« und »verpfänden« aus Gründen stilistischer Varianz synonym verwendet, obgleich der Begriff »verpfänden« den Sachverhalt besser trifft. Die trotz der hohen Pfandsumme weiterhin bestehende Möglichkeit der Einlösung des Pfands hat die außenpolitischen Handlungsmöglichkeiten des Hochmeisters stark limitiert, wie gleich gezeigt werden kann. 686 SDOP, 15 (Regest); DOZA, 2751; bislang ungedruckt; im Internet als Scan: http://www. mom-ca.uni-koeln.de/mom/AT-DOZA/Urkunden/2751/charter?q=2751 (letzter Zugriff 17. 12. 2015); vgl. Voigt, Neumark, S. 22–23; Heidemann, Luxemburger, S. 245. Am gleichen Tage entband Stibor im Namen Sigismunds die Bewohner der Neumark von ihrem Treueeid. Er ermahnte sie, diesen dann Konrad von Jungingen und dem Orden zu leisten; erwähnt bei SDOP, S. 23; DOZA, 2752; bislang ungedruckt; als Scan im Internet: http:// www.mom-ca.uni-koeln.de/augias/viewer.xql?lang=eng& imagedata=/mom/service/au giasviewer& archive-id=AT-DOZA& fond-id=Urkunden& charter-id=2752 (letzter Zugriff 17. 12. 2015). Auch die Bestätigung der Privilegien und Freiheiten durch Konrad von Jungingen für die Stände der Neumark nach vollzogenem Kauf datiert auf den gleichen Tag; SDOP, 16 (Regest); gedr. Klinkenborg, Archiv, 5; vgl. Voigt, Neumark, S. 25. Die Huldigung von Vertretern der Städte und Ritter erfolgte am 9. August 1402; SDOP, S. 24; vgl. Voigt, Neumark, S. 25–26. 687 Die Urkunde enthält auch eine Klausel, die Küstrin und Zantoch betrifft. Auf diese muss später noch eingegangen werden.

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von Sigismund an den Orden mit allem Zubehör für 7000 Schock böhmische Groschen verkauft worden war. Dramburg wurde dann dem schon 1384 vom Orden erworbenen Schivelbein angeschlossen. Die Zugehörigkeit Dramburgs zur Neumark war unbestritten. Dass Weise diesen Kauf unter die Vorurkunden zum Erwerb der Neumark eingeordnet hat,688 lässt die Ordensexpansion in Richtung Neumark zwar nicht gerade wie einen Automatismus, aber doch – ganz im allgemeinen Sinne der Auffassung Weises von der Ausdehnung des Ordensgebietes – wie einen fortschreitenden planmäßigen Erwerb aussehen. Hat also Tandecki Recht, wenn er Schivelbein, das später der Neumark angegliedert wurde, hinzunimmt und alle drei Erwerbungen in einen Zusammenhang stellt, den Erwerb der Neumark als »Krönung« dieser Politik bezeichnet und mithin eine planmäßig fortschreitende Expansionspolitik des Ordens annimmt?689 Angesichts der Erwerbsurkunden ist ein solches Interpolieren naheliegend, doch müssen auch hier die Erwerbsprozesse analysiert und in den Vordergrund gestellt werden, um valide Ergebnisse in dieser Frage zu erzielen. Der Erwerb von Schivelbein im Jahre 1384 kann im Folgenden allerdings keine Rolle spielen. Zwar verzichtete Sigismund in der Urkunde über den Verkauf Dramburgs noch einmal explizit auf alle Ansprüche auf Schivelbein;690 da der eigentliche Erwerb jedoch nicht in die Regierungszeit von Hochmeister Konrad von Jungingen fällt, erlaubt dieser keine belastbaren Aussagen zu seiner Außenpolitik.691

3.1.3 Der Erwerb von Dramburg Die eben skizzierte Auffassung eines Zusammenhangs zwischen dem bereitwilligen Erwerb von Schivelbein und danach Dramburgs hat allerdings auch schon Voigt in eben solcher Weise dargelegt.692 Er deutet an, dass der Orden auf 688 SDOP, 12 (Vollregest); DOZA, 2714, bislang ungedruckt; als Scan im Internet: http://www. mom-ca.uni-koeln.de/mom/AT-DOZA/Urkunden/2714/charter?q=2714 (letzter Zugriff 17. 12. 2015). Johann von Posilge, SSRP 3, S. 239, erwähnt dieses Ereignis nur knapp. Vgl. Voigt, Neumark, S. 14. Zur Geschichte Dramburgs am umfänglichsten weiterhin: van Nießen, Dramburg, S. 63–78 (das Kapitel ist die kaum veränderte Einzelschrift von 1895); vgl. auch Łukomski, S´redniowiecze, S. 44–45 und ferner Malinowska, Stadt. Die eher populären Abhandlungen enthalten nichts Relevantes und können ungenannt bleiben. Zur Zahlung der Kaufsumme s. SDOP, S. 21. 689 Biskup/Czaja, Pan´stwo (Tandecki), S. 106. 690 SDOP, 12, 5 (Vollregest); DOZA, 2714, bislang ungedruckt; als Scan im Internet: http:// www.mom-ca.uni-koeln.de/mom/AT-DOZA/Urkunden/2714/charter?q=2714 (letzter Zugriff 17. 12. 2015). 691 Zu Schivelbein s. z. B. Ledebur, Allgemeines Archiv, 14, S. 97ff.; Wrede, Grenzen, S. 51; Czacharowski, Adel, S. 156–157; Kwiatkowski, Nowa Marchia, passim; Sarnowsky, Wirtschaftsführung, S. 417–418. 692 Voigt, Neumark, S. 13–14; vgl. Heidemann, Luxemburger, S. 243.

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eine weitere Gelegenheit gewartet habe, um sich in diese Richtung zu vergrößern. Dieser sei daher »leicht« auf das Angebot zum Kauf von Dramburg eingegangen.693 Allerdings sind auch hier keine Quellen angeführt, die über den Erwerbsprozess Auskunft geben könnten. Paul van Nießen konzediert zwar, dass Sigismund sehr interessiert an einem Verkauf gewesen sei. Er habe dafür sogar umfangreichere Grenzen wider besseres Wissen in der Urkunde angegeben. Danach ergeht er sich hinsichtlich des Prozesses und der Auffassung des Ordens jedoch in allerlei Spekulationen.694 Zwar ist seine Vermutung nicht fernliegend, das der Orden Dramburg als willkommende Etappe für Preußenfahrer aus dem Westen (ebenso wie seit Längerem Schivelbein) gesehen habe, doch sind diese Erwägungen nicht durch Quellenbelege gedeckt. Das mag daran liegen, dass aussagekräftige Quellen schlicht nicht überliefert sind, die den diplomatischen Prozess, der zum Erwerb führte, fassbar werden lassen. Einzig ein kurz nach dem Kauf vom Hochmeister ausgestellter Verwendungsbrief vom 16. September 1400 für nicht näher bestimmte Mitglieder der Familie von Wedel an Herzog Bogislaw von Pommern-Stolp rekurriert auf Dramburg in diesem Zusammenhang, doch wird auch hier nur der vorherige Kauf der Stadt knapp erwähnt, ohne dass weiterer Aufschluss in dieser Frage zu erlangen ist.695 Der für Prozessfragen einschlägige Ordensfoliant 2c mit der ausgehenden Korrespondenz des Hochmeisters macht jedoch nicht den Eindruck, dass für diesen Zeitraum größere Quellenverluste (durch Ausfall einer Lage o. ä.) eingetreten sind. Selbstverständlich ist es möglich, dass ausgehende Briefe nicht gebucht worden sind, doch wäre dieser Umstand angesichts der zwar nicht modernen, aber dennoch meistenteils recht ordentlichen Kanzleiführung des Ordens verwunderlich, bei der wenigstens die wichtigsten Schreiben registriert wurden.696 Man wird daher davon ausgehen müssen, dass Quellen in dieser Frage nicht nur nicht überliefert sind, sondern auch (zumindest in größerem Umfang) gar nicht existiert haben. Offenbar war der Kauf von Dramburg keine Angelegenheit, die größere diplomatische Verwicklungen nach sich zog, sondern vielmehr geräuschlos verlief – im Unterschied zum Kauf der Neumark: Dieser produzierte, wie gleich zu zeigen sein wird, aufgrund von Widerstand seitens des Ordens deutlich mehr Schriftgut. Man muss aufgrund der hier vorliegenden – oder besser : nicht vorliegenden – Quellenlage davon ausgehen, dass der Orden den Kauf nicht auf jeden Fall vermeiden wollte, sondern wohl

693 Kratz, Städte, S. 127, vermerkt nur knapp den Kauf durch den Orden ohne weitere Erläuterung. 694 Vgl. van Nießen, Dramburg, S. 67–69. 695 OF 2c, S. 233; gedr. UBWedel 4, 92 (Teildruck). 696 Zur Quellengruppe der Ordensfolianten und ihrer Überlieferung vgl. die Einleitung von RBDO.

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tatsächlich eher bereitwillig darauf einging, da sich Konflikte mit großer Wahrscheinlichkeit deutlich in den Quellen niedergeschlagen hätten. Es verbietet sich jedoch, von einem offenbar nicht unbereitwilligen Erwerb Dramburgs ex silentio auf eine planmäßige Expansion durch Konrad von Jungingen zu schließen – ggf. noch unter Hinweis auf die guten Erfahrungen mit Schivelbein. Vielmehr dürfte es (auch hier) Sigismund gewesen sein, der initiativ tätig wurde. Zumindest hatte er schon länger den Plan, Dramburg zu Geld zu machen: Schließlich erteilte er seinem Hauptmann Johann von Wartenberg frühzeitig, am 20. April 1398, die Vollmacht zum Verkauf.697 Interessanterweise datieren die Genehmigungen des Verkaufs durch Wenzel von Böhmen und Jost von Mähren, die das Geschäft übrigens schon als vollzogen bezeichnen, auf den 12. bzw. 27. März 1400,698 obwohl die Verkaufsurkunde immerhin erst fünf Monate später ausgestellt wurde. Zwar ist eine frühere, mündliche Einigung zwischen dem Orden und Sigismund nicht ganz undenkbar, doch ist der Zeitabstand recht groß. Es spricht viel dafür, dass Sigismund den Verkauf gegenüber Wenzel und Jost schon frühzeitig als vollzogen darstellte, um die Einwilligungen zu bekommen, die er, vielleicht um das Verfahren abzukürzen und etwaige Bedenken zu zerstreuen, dem Orden vorlegen konnte. Alles in allem dürften diese frühzeitigen Vollmachten belegen, dass es Sigismund war, der den Verkauf beschlossen hatte und diesen auch unbedingt durchsetzen wollte. Zwar ist beim Orden kein Widerstand zu entdecken, jedoch auch keine Initiative.

3.1.4 Der Erwerbungsprozess der Neumark Wie sieht es nun aber hinsichtlich des Erwerbs der Neumark aus? Hier zumindest sprudeln die Quellen etwas reichlicher. Unmittelbar nach dem Erwerb am 25. Juli 1402699 – dieses Datum steht am Ende des Prozesses, der zum Erwerb führen sollte, wie oben gezeigt wurde – begannen die diplomatischen Verwicklungen für den Orden. In einem Schreiben vom 28. Juli 1402 an den Herzog von Pommern-Stolp700 und in zwei Schreiben an Jost von Mähren vom 30. September 1402701 (d. h. kurz nach der Ausstellung des Hauptbriefes) und

697 CDBr B 3, MCCLI, S. 137–138; vgl. Heidemann, Luxemburger, S. 225. S. ebd., S. 224–226, auch zur Person Johanns von Wartenberg. 698 Die Urkunde Wenzels vom 12. März 1404 ist gedr. AI 2, 1004; die Urkunde Josts ist bislang ungedruckt; DOZA, 2702; als Scan im Internet einsehbar: http://images.monasterium.net/ pics/AT-DOZA/Urkunden/DOZA-Urkunden_14000327_r.jpg (letzter Zugriff 17. 12. 2015). 699 SDOP, 15 (s. o.). 700 OF 3, S. 95–96; gedr. CDP 6, CXXXIII; vgl. Voigt, Neumark, S. 26–27. 701 OF 3, S. 100; gedr. CDP 6, CXXXVII; vgl. Voigt, Neumark, S. 28.

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vom 27. November 1402702 sah sich der Hochmeister gezwungen, die Umstände zu erklären, die ihn schließlich zum Erwerb bewogen hatten. Konrad musste zunächst auf die Bitte des Herzogs von Pommern-Stolp reagieren, ihn nicht am Kauf der Neumark zu hindern. Ein wenig verwundert wies der Hochmeister zunächst darauf hin, dass er, der Herzog, ja wohl wisse, dass ihm und dem Orden die Neumark vor vielen Jahren schon angeboten worden sei, die wir in koufes noch in vorsatczunge weisse ny wolden annemen, und der Herzog sie damals hätte kaufen können. Nun aber sei vor Kurzem Stibor im Auftrag Sigismunds zu ihm gekommen und habe ihm die Neumark angeboten, wen her ir uns und unserm orden als wol gunde als ymandes anders (…). Nur aufgrund der wohlwollenden Gesinnung Sigismunds habe man sich nun durchgerungen, die Neumark zu kaufen.703 Abschließend bat er darum, dies dem Orden nicht übel zu nehmen. Gegenüber Jost von Mähren, der den Orden aufforderte, kein Geld mehr auf die Neumark auszuleihen, da ihm das Land gehöre, betonte er in diesem Zusammenhang einerseits, dass Sigismund versprochen habe, die Neumark von Ansprüchen anderer Seiten zu befreien. Andererseits hob er eben vor allem hervor, dass er das Land nur auf dessen inständiges Bitten überhaupt als Pfand angenommen habe. Dieses Schreiben konnte Jost jedoch nicht beruhigen. Auf dessen schriftliche Aufforderung an den Orden, sich nicht in sein Erbe zu setzen, betonte der Hochmeister – schon leicht entnervt – noch einmal, dass er den Erwerb des Landes nie angestrebt habe, obwohl man deswegen vielfach an ihn herangetreten sei.704 Der Orden hätte auch jetzt gerne darauf verzichtet, jedoch habe man Sigismunds Begehren, dass der Orden das Land bekomme, nicht abwehren können. Der Hochmeister betonte, dass, wenn er gewusst hätte, dass es gegen den Willen Josts geschehe, er sich allerdings dagegen verwahrt hätte. In allen drei Briefen befand sich der Hochmeister so kurz nach dem Erwerb der Neumark in einem Rechtfertigungszwang. Er betonte jeweils deutlich, dass der Orden die Neumark weder vormals noch in dieser Situation eigentlich habe erwerben wollen, sondern nur den inständigen Bitten und Aufforderungen Sigismunds nachgegeben habe, der den Orden als Pfandnehmer ins Auge gefasst habe, und das auch nur, weil er nicht gewusst habe, dass Jost dagegen gewesen sei. Wie sind diese Aussagen aber nun zu bewerten? Zeigte Konrad von Jungingen 702 OF 3, S. 103; gedr. CDP 5, CXXXIII; vgl. Voigt, Neumark, S. 28–29. 703 Auch gegenüber Swantibor von Pommern-Stettin wurde betont, dass die Neumark nur König Sigismund zuliebe als Pfand genommen worden sei; OF 3, S. 98; gedr. CDP 6, CXXXV. 704 Es heißt hier : (…) das wir noch dem vorgenanten lande ny gestanden haben yn keyner wise wie wol gefach und vil von des selben landes wegen rede an uns quomen (…); OF 3, S. 103; gedr. CDP 5, CXXXIII.

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hier seine Auffassung von der Situation? Oder handelte es sich um reine Rechtfertigungen taktischer Art, die der politischen Situation geschuldet waren und vielleicht sogar nur eine expansive Territorialpolitik des Ordens verschleiern sollten? Die Rekonstruktion der Vorgeschichte, an deren Ende schließlich der Erwerb der Neumark stand, dürfte Aufschluss darüber geben, wie diese hochmeisterlichen Aussagen einzuschätzen sind und wie die Motivation des Erwerbs der Neumark zu bewerten ist. Im Jahr 1394 war zum ersten Mal während seiner Zeit als Hochmeister die Neumark an Konrad von Jungingen herangetragen worden.705 Im Auftrag von Herzog Johann von Görlitz boten der Bischof von Meißen und ein Herr von Bebirstein dem Hochmeister eine Verpfändung an. Insbesondere hinsichtlich der zuletzt angeführten Briefe aus dem Jahre 1402 an Jost ist bemerkenswert, dass der Hochmeister damals, im Jahre 1394, auf eine Verpfändung nicht einging – gerade aufgrund der ihm mitgeteilten ablehnenden Haltung Josts. Zumindest stellte Konrad es Jost gegenüber so dar. Der Brief macht den Eindruck, dass für Konrad dieser Umstand tatsächlich eine willkommene – und auch für alle Seiten akzeptable – Begründung für eine Ablehnung geliefert hat. Ob der Hochmeister 1402 tatsächlich nichts von einer ablehnenden Haltung Josts ahnte, ist nicht zu klären. Auch ist unklar, ob er in diesem Fall dennoch das insistierende Angebot Sigismunds hätte ablehnen können. Für den Anfang seiner Regierungszeit wird aber schon einmal sehr deutlich, dass Konrad keinerlei Ambitionen auf die Neumark hegte, egal ob man den Rekurs auf Josts Ablehnung nun als tatsächlichen Grund oder als vorgeschobene Begründung (oder eine Mischung aus beidem) wertet. Im Herbst des folgenden Jahres (1395) kam es zu einem erneuten Angebot an den Hochmeister durch Wilhelm von Meißen. Der Hochmeister lehnte wiederum ab.706 Dieses Mal mit einer ausführlicheren Begründung: Nachdem er sich für dieses Angebot bedankt hatte, wies Konrad darauf hin, dass er das Land nicht übernehmen könne, wen wir mit den unsern also vil haben czu thun, wy wir die befreden wider dy ungloybigen, (…) das wir nicht getruweten czu beschutczen und zu befreden nemlich die selbe Nuwemarke (…). In modernen Worten formuliert: Der Hochmeister hatte Angst vor einer Überspannung seiner Kräfte! Da man aus verschiedenen Gründen annehmen kann, dass nun im Gegensatz zum Jahr zuvor Josts Zustimmung grundsätzlich vorlag, muss davon ausgegangen 705 Die Informationen beruhen auf einem Schreiben vom 3. Dezember 1394; OF 2c, S. 17; gedr. CDP 5, LX; vgl. dazu Voigt, Neumark, S. 4; Heidemann, Luxemburger, S. 240; im Haupttext ist das Antwortschreiben falsch datiert; in der Anmerkung hingegen richtig. 706 OF 2c, S. 47; CDP 6, XVI; vgl. Voigt, Neumark, S. 5–6; Heidemann, Luxemburger, S. 241– 242, die zu Recht hier die »eigentlichen Prioritäten« des Ordens erkennt. Leider ist dieser Absatz außerordentlich kryptisch forumliert und auch die Chronologie ist undeutlich; im Einzelfall stimmen zudem die Quellennummern nicht.

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werden, dass die eben zitierte Aussage auch die wirklichen bzw. zumindest wesentliche Beweggründe für die generelle Ablehnung des Erwerbs der Neumark durch den Hochmeister widerspiegeln dürfte. Der Rekurs auf Josts Ablehnung im Jahr zuvor ist damit nur als eine willkommene Begründung entlarvt, das offenbar ohnehin wenig attraktive Angebot auszuschlagen.707 Nach dem plötzlichen, aber wohl nicht für alle unerwarteten Tod Johanns von Görlitz im März 1396 war wieder Sigismund im Besitz der Neumark, der diese Johann von Wartenberg als Hauptmann unterstellte. Eine erste Kontaktaufnahme in Bezug auf die Neumark ging dann von Sigismund im Spätsommer/ Frühherbst des gleichen Jahres aus, wie aus einem darauf reagierenden hochmeisterlichen Schreiben an Johann von Wartenberg bzw. einem Schreiben an den Adel und die Städte der Neumark hervorgeht.708 Konrad versprach darin zwar auf Bitten des ungarischen Königs, dem Hauptmann und der Neumark ggf. beizustehen, schränkte jedoch im Schreiben an Johann von Wartenberg besorgt ein, dass der Orden selber so vielen Anfechtungen ausgesetzt sei, dass er im Beistandsfall vielleicht nicht in dem Maße helfen könne, wie er, der Hauptmann der Neumark, es sich vorstelle. Entnehmen kann man diesem Briefwechsel hinsichtlich unserer Fragestellung nur das Folgende: Auf Anfrage Sigismunds zeigte sich der Hochmeister sehr bereit, auf seine Bitten einzugehen, auch wenn er darüber nicht besonders glücklich schien und darauf hinwies, die Anforderungen ggf. nicht erfüllen zu können. Eine deutlichere Absage an die Wünsche des ungarischen Königs hielt Konrad offenbar nicht für opportun. Denkbar ist, dass dies auch der Eindruck war, den Sigismund bekommen musste und der handlungsleitend für das Folgende wirkte. Zudem wird aus dem Schreiben an Johann von Wartenberg deutlich, dass es dem Orden mit seiner Sorge vor einer Überspannung der Kräfte wirklich ernst war, wenn er diese schon in einem solchen Moment, der vorerst keinerlei konkrete Reaktion verlangte, so vorsorglich wie eindringlich äußerte. Hier ist also ein tatsächlicher Grund für die konstante Ablehnung der Neumark durch Konrad zu erkennen. Das zeigt sich nun auch daran, dass der Hochmeister das erste an ihn durch Sigismund herangetragene Verpfändungsangebot mit 707 Es ist wahrscheinlich, dass Josts grundsätzliches Einverständnis für eine Verpfändung nun vorgelegen hat, da zeitgleich – jedoch letztlich vergeblich – Wilhelm von Meißen versuchte, den Hochmeister für ein gemeinsames Bündnis zusätzlich mit Sigismund und Albrecht von Österreich gegen den König von Polen zu gewinnen; vgl. OF 2c, S. 47; gedr. CDP 6, XVI. Ob hier nun die Neumark geradezu als Gegenleistung für einen Beitritt zum Bündnis gedacht war, wie Voigt, Neumark, S. 5–6, vermutet, ist jedoch fraglich. Es ist schließlich nicht nachvollziehbar, warum die möglichen Bündnispartner geglaubt haben sollten, dass angesichts der bisherigen Ablehnung des Erwerbs der Neumark diese nun als Angebot für Konrad von Jungingen attraktiv gewesen sein sollte. 708 OF 2c, S. 76; gedr. CDP 5, LXXXIX (S. 113–114), und OF 2c, S. 76; gedr. CDP 5, LXXXIX (S. 114).

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eben diesem Argument ein Jahr später, 1397, durch seinen Gesandten freundlich, aber bestimmt ablehnen ließ.709 Noch sah sich der Hochmeister also dazu in der Lage. Nun wurde der Orden für längere Zeit mit der Neumark nicht weiter behelligt. Das lag jedoch nicht daran, dass Sigismund in dieser Sache keine weiteren Anstrengungen unternehmen wollte (s. u.), doch gelangte nichts zur Ausführung, was den Orden zumindest zu dieser Zeit tangierte. Einzig der offenbar relativ unproblematische Verkauf von Dramburg fiel in diesen Zeitraum. Erst im Jahr 1402 überschlugen sich die Ereignisse so plötzlich, dass die Chronologie teilweise nicht hundertprozentig gesichert ist. Das liegt vor allem daran, dass ein Schreiben des Hochmeisters an Sigismund nicht zweifelsfrei datiert werden kann.710 Gesichert ist einzig, dass es aus dem Jahr 1402 stammt. Darüber hinaus ist aus der Stellung der Registerbuchung im Hochmeister-Registranten nur ein Datum zwischen dem 10. Januar und Anfang April als wahrscheinlich anzunehmen. Inhaltlich ist das Schreiben höchst interessant, zeigt es doch, dass Konrad hier zum immerhin vierten Mal während seiner Zeit als Hochmeister ein Kauf- bzw. Pfandangebot der Neumark ablehnte. Er führte dabei wiederum das Argument an, dass er die Neumark aufgrund der Kriege, vor allem mit Litauen, nicht beschützen könne. Zudem – und das ist ein bislang nicht geäußerter Einwand – habe er das Geld dafür auch gar nicht. Geglaubt hat Sigismund dies indes nicht. Er war nun offenbar fest entschlossen, dem Orden die Neumark zu verpfänden, weswegen es letztlich auch für die hier zu untersuchende Fragestellung unerheblich ist, wann der Brief genau ausgestellt wurde. Schon am 20. Januar 1402 erteilte Sigismund Stibor eine Verkaufsvollmacht an Konrad von Jungingen.711 Es ist daher anzunehmen, dass der eben genannte Brief wahrscheinlich vorher ausgestellt wurde. Dass eine Verpfändung nun endgültig bevorstand, zeigt die Urkunde Sigismunds vom 21. März 1402, in der er den Ständen der Neumark gelobte, sie bei ihren althergebrachten Rechten zu 709 OF 2c, S. 139–140; gedr. CDP 6, XLIX; vgl. Voigt, Neumark, S. 10–11; vgl. Heidemann, Luxemburger, S. 242; entgegen ihrer Aussage ist die Instruktion jedoch ediert; die Archivalie ist zudem leicht im GStA PK, Berlin zugänglich. 710 OF 3, S. 79–80; gedr. CDP 6, CXXXVIII; vgl. Voigt, Neumark, S. 18; vgl. Heidemann, Luxemburger, S. 243–244, die bei den Datierungsversuchen jedoch nicht die physische Stellung der Quelle im Register beachtet. 711 Bislang ungedruckt: DOZA, 2743; als Scan zugänglich im Internet: http://images.mona sterium.net/pics/AT-DOZA/Urkunden/DOZA-Urkunden_14020120_r.jpg (letzter Zugriff 17. 12. 2015). Inwieweit der Kontakt zwischen dem Hochmeister und Stibor im Jahr zuvor während der Gefangenschaft Sigismunds eine Rolle dafür gespielt hatte, dass der König nun die Hoffnung haben musste, der Orden würde sein Angebot bereitwilliger erwägen, wie Voigt, Neumark, S. 16, vermutet, ist nicht direkt zu entscheiden, doch war Stibor letztlich die treibende Kraft in den folgenden Ereignissen, sodass diese Vermutung nicht abwegig erscheint; vgl. dazu OF 3, S. 66; gedr. CDP 6, CX.

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erhalten, egal an welchen Herrn die Verpfändung erfolgen sollte.712 Es konnte naturgemäß noch kein bestimmter Empfänger in der Urkunde erwähnt werden. Sigismund wollte mit dieser Urkunde wohl vor allem aus taktischen Gründen Druck auf den Orden ausüben, dem damit eine baldige Verpfändung signalisiert werden sollte – notfalls auch an andere Interessenten. Den Orden favorisierte Sigismund jedoch als Empfänger, wie eine Urkunde Prokops von Mähren zeigt, die schon eine Woche zuvor ausgestellt worden war.713 Prokop erteilte schon jetzt Sigismund die Zustimmung zum Verkauf der Neumark an Hochmeister Konrad von Jungingen. Um diese Zustimmung kann Sigismund nur selbst ersucht haben, der damit für den Wortlaut der Urkunde verantwortlich war. Er war sich also offenbar schon im März relativ sicher, dass sich der Orden nun doch bald auf einen Erwerb der Neumark einlassen würde. Sigismund glaubte wohl, die Neumark zu einem Angebot zu machen, das der Orden nun wirklich nicht mehr ablehnen konnte. Das ergibt sich aus dem Druckmittel, das er vorher schon angedeutet hatte, nun aber offensichtlich auch einsetzte, wobei auch hier der genaue Ablauf der Dinge nicht mehr zu rekonstruieren ist. Als anderer Interessent wurde nämlich der König von Polen ins Spiel gebracht. Auf den 14. Februar 1402 datiert die bekannte Urkunde, in der Sandziwog von Szubin, Mosczicz von Stanschow sowie Hugo und Mathias von Labischin sich für die Einhaltung eines Vertrags verbürgen, den Stibor mit der Vollmacht Sigismunds mit dem König von Polen abgeschlossen habe über die Verpfändung der Neumark zum 9. April.714 Die Echtheit dieses Vertrages wurde viel diskutiert. Voigt hat die Urkunde als Fälschung bezeichnet, während später vorwiegend für die Echtheit votiert wurde. Diese Frage kann an dieser Stelle nicht entschieden werden. Sie ist hier auch nicht weiter relevant. Wichtig ist nur, dass der Orden offenbar glaubte, dass diese – nicht unwahrscheinliche – Gefahr tatsächlich bestand.715 Anders ist es nicht zu erklären, warum Konrad seine bisherige Haltung, die er über Jahre beibehalten 712 SDOP, 14 (Regest); gedr. CDBr A 24, CLXVII, S. 107; vgl. Voigt, Neumark, S. 19. 713 SDOP, S. 25; DOZA, 2746; im Internet als Scan: http://images.monasterium.net/pics/ATDOZA/Urkunden/DOZA-Urkunden_14020314_r.jpg (letzter Zugriff 17. 12. 2014); vgl. Voigt, Neumark, S. 18–19. 714 SDOP, 13 (Regest); gedr. CDBr B 3, MCCLXVI, S. 150–151; die entsprechende Literatur dazu bei Kwiatkowski, Nowa Marchia, S. 32, Anm. 2, sowie Fenrych, Zabiegi, (für die Zeit nach 1402 relevant) aufgeführt. Wichtig für eine angemessene Beurteilung ist auch Nowak, Dokument. Vgl. ferner Voigt, Neumark, S. 19–21, dessen Rekonstruktion der Chronologie hinsichtlich der Abfolge von OBA 678, dem Vertrag von Stibor vom Februar und dem Kauf der Neumark durch den Orden jedoch nicht plausibel erscheint; vgl. dazu auch Heidemann, Luxemburger, S. 245. 715 Es muss jedoch auffallen, dass in der nachfolgenden Kommunikation zwischen dem polnischen König und dem Hochmeister diese Episode überhaupt nicht thematisiert wurde, wo doch teilweise schon kleinere Missverständnisse eine umfangreiche Kommunikation nach sich zogen. Eine Erklärung dafür bietet sich nicht an.

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hatte, aufgab und die Neumark dennoch durch die Vermittlung von Stibor am 25. Juli 1402 kaufte. In diesen Zusammenhang gehört auch, dass der Komtur von Thorn, Friedrich von Wenden, dem Hochmeister einen Tag später ein Schreiben zukommen ließ, in dem er ihm Folgendes mitteilte:716 Sigismunds Rat Nicolaus von Rechenberg habe zweimal geschrieben, dass ihm vom König befohlen worden sei, mit ihm, dem Hochmeister, wegen des Verkaufs der Neumark zu verhandeln. Jener habe dann eine Rückmeldung erbeten, ob dies recht sei. Der Komtur von Thorn berichtete abschließend vom Gerücht, dass andernfalls der polnische König versuchen werde, das Land an sich zu bringen. Der Thorner Komtur brachte die Nachricht offensichtlich unverzüglich an den Hochmeister. Beim Absenden war der Brief aber schon überholt, da sich Konrad bekanntlich bereits zu einem Kauf entschlossen hatte. Aufgrund der unklaren Chronologie dieses Jahres wird nicht deutlich, was dieser Brief für den Erwerbsprozess bedeutet. Belegt er ein weiteres Zögern Konrads, das dazu führte, dass, obwohl ihm schon mit dem Vertrag der polnische König als weiterer Interessent vorgestellt wurde, Sigismund nun noch seinen Rat aussenden musste? Oder zeigt sich hier vielmehr, dass sich der Orden angesichts der Umstände schneller als erwartet zu einem Kauf entschlossen hat, sodass weitere Korrespondenz obsolet wurde? Ohne sichere Datierung des oben angeführten Briefes mit der vierten Ablehnung der Neumark lässt sich nichts Genaues sagen; nur wenig gehaltvolle Spekulationen wären möglich. Dass es aber letztlich die Vorstellung war, die Neumark könne an den König von Polen fallen, die Konrad von Jungingen dazu bewogen hatte, seine konstante Ablehnung eines Erwerbs zu überdenken, dürfte angesichts der Gesamtumstände sicher anzunehmen sein. Eine andere Erklärung bietet sich zumindest nicht an. Nach längeren vergeblichen Versuchen hatte Sigismund damit also endlich sein Ziel erreicht, Konrad von Jungingen auch gegen dessen konstanten Widerstand die Neumark förmlich aufzupressen. Mehrere Quellen belegen, dass schon seit 1398 Sigismunds Entschluss fest gestanden haben dürfte, nicht nur die Neumark zu versetzen, sondern auch den Orden als wünschenswertesten Pfandnehmer ins Auge zu fassen: Auf den 20. April 1398 datiert schon Sigismunds Vollmacht für Johann von Wartenberg zum Verkauf der Neumark (sowie Dramburgs).717 Es ist aber vor allem Josts Vollmacht für Sigismund zum Verkauf an den Deutschen Orden vom 12. Mai 1398, die bemerkenswert ist.718 Denn diese war nur für einen Verkauf an den Orden gültig. Sigismund hat Jost die Angelegenheit offensichtlich so vorgetragen, wie er ihren baldigen Verlauf erhoffte. Dabei wird deutlich, dass der Orden zumindest zu diesem Zeitpunkt der einzige 716 OBA 678; vgl. Voigt, Neumark, S. 19. 717 CDBr B 3, MCCLI, S. 137–138. 718 CDBr B 3, MCCLII, S. 138; vgl. Voigt, Neumark, S. 12, und SDOP, S. 24.

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Ansprechpartner Sigismunds war. Ansonsten hätte Sigismund sicherlich eine allgemeiner gehaltene Vollmacht gewünscht. Geworden ist aus einem Verkauf damals bekanntlich noch nichts. Dafür hat das relativ problemlose Geschäft um Dramburg wahrscheinlich dem Orden die Hoffnung gemacht, nach diesem Entgegenkommen erst einmal von weiteren Angeboten der Neumark verschont zu werden. Es ist jedoch nicht abwegig zu glauben, dass dieser Verkauf Sigismund nun letztlich den endgültigen Anstoß gegeben hat, auch den Rest der Neumark an Konrad zu verpfänden. Doch bevor es dazu kommen sollte, wiederholte sich dieses Spiel im Jahre 1401 noch einmal in ähnlicher, jedoch hinsichtlich der Absichten Sigismunds noch eindeutigerer Art und Weise: Am 9. August 1401 gab König Wenzel eine allgemein gehaltene Zustimmung zum Verkauf der Neumark.719 Zudem stellte er am gleichen Tag darüber hinaus eine Bestätigung des Verkaufs der Neumark (unter Aufzählung der neumärkischen Städte) an Hochmeister Konrad von Jungingen aus.720 Es ist jedoch letztlich unerheblich, ob diese, wie Weise vermutet,721 im Voraus gegeben war, oder ob Wenzel annahm, dass der Verkauf durch Sigismund an Konrad schon getätigt worden war, wie Voigt behauptet.722 Da diese Bestätigungen von Sigismund initiiert worden waren, zeigen sie in jedem Fall, dass der ungarische König ernst machte. Er wollte ausschließlich den Orden als Pfandnehmer und glaubte, Wenzel den Sachverhalt auch in der Weise präsentieren zu können, dass der Kauf unmittelbar bevorstehe bzw. sogar schon vollzogen worden sei. Da über Jahre hinweg immer wieder einzig der Orden als Verkaufspartner ins Auge gefasst wurde, dürfte auch für das Jahr 1402 gelten, dass Sigismund den Orden noch immer als Pfandnehmer favorisierte und der polnische König mehr als Druckmittel denn als wirklich gewünschte Option betrachtet wurde. Es spricht viel dafür, dass der ungarische König zudem davon überzeugt war, dass nur der Orden über die Geldmittel verfügte, die auch später noch eine Erhöhung der Pfandsumme erlaubten. Es ist offensichtlich, dass Sigismund auch dem Argument Konrads bei dessen letzter Ablehnung, der Orden verfüge nicht über das Geld zum Kauf, keinen Glauben schenkte, sondern darin nur eine Ausflucht sah und den Verkauf gegen den eigentlich widerwilligen Orden durchdrückte. Dass der Orden urplötzlich den Kauf doch stemmen konnte, dürfte Sigismund nur in seinen Annahmen bestätigt haben. Auf jeden Fall hatte Sigismunds Taktik

719 OF 67, Bl. 109; vgl. SDOP, S. 24–25; hier auch der Hinweis auf eine offenbar im Voraus gegebene Bestätigung des Verkaufs unter Aufzählung der Städte der Neumark in einer Abschrift aus der Mitte des 15. Jahrhunderts; u. a. OBA 669. 720 AI 2, 1005. 721 SDOP, S. 25. 722 Voigt, Neumark, S. 17.

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Erfolg, sodass die Einigung mit Stibor im Juli ohne lange Verhandlungen durchgeführt werden konnte.723 Kehrt man nun zum Ausgangspunkt dieser Betrachtungen zurück, d. h. zu den Schreiben Konrads von Jungingen an den Herzog von Pommern-Stolp und Jost von Mähren kurz nach dem Erwerb, in denen er diesen als reines Entgegenkommen an den ungarischen König und als eher widerwillig geschehen darstellte, dann wird man nun nach der Rekonstruktion des Erwerbsprozesses sagen müssen, dass der Hochmeister in der zweiten Hälfte des Jahres 1402 seine eigenen Motive unverstellt dargelegt hat. Nach dessen viermaliger Ablehnung und am Schluss deutlich erkennbarem Druck durch Sigismund wird man nicht mehr behaupten können, dass es sich bei den Schreiben um propagandistische Ausflüchte handelt, die eine expansive Territorialpolitik bemänteln sollten. Die Neumark wurde dem Orden aufgedrängt. Konrad sah sich am Ende nicht mehr in der Lage, den Erwerb ausschlagen zu können. Ein status quo – konkreter das Machtvakuum unter luxemburgischer Formalherrschaft – wäre ihm offenbar weiterhin am liebsten gewesen. Erst als sich die einzig schlechtere Konstellation als der eigene Besitz der Neumark am Horizont abzeichnete, nämlich der Erwerb der Neumark durch Polen, reagierte der Hochmeister. Man muss Kwiatkowski darin zustimmen, dass das einzige Motiv des Ordens für den Erwerb der »Nichtbesitz« durch Polen war.724 Geostrategische Erwägungen, bei denen in der Neumark eine Landbrücke gesehen wird, müssen als moderne Situationsauffassungen betrachtet werden, die gewissermaßen wie aus der Sicht des Generalstabs am Kartentisch entwickelt wurden. Eine solche Sichtweise lässt sich bei Konrad von Jungingen jedoch nicht nachweisen. Er sah in der Neumark eben kein Ziel zur Arrondierung des Ordensbesitzes. Ein solches Konzept scheint ihm fremd gewesen zu sein. Von einer zielgerichteten Expansionspolitik kann daher nicht die Rede sein. Die Expansion hat zwar stattgefunden. Der Herr des Verfahrens war jedoch der ungarische König, der den Kauf gegen den Willen des Hochmeisters, der nur reagieren konnte, durchsetzte.725 Dieser befürchtete vielmehr in der drohenden territorialen Ausweitung des Ordensbesitzes eine Überspannung der Kräfte angesichts der ungelösten Probleme mit Litauen und Polen. Er sah den Orden nicht in der Lage, die neuen Gebiete entsprechend zu verteidigen. Konrad konnte sich allerdings nicht gegen die oktroyierte Ex723 Vgl. ebd., S. 24–25. 724 Kwiatkowski, Nowa Marchia, S. 35. 725 Das Geschäft war für Sigismund schließlich von größerem Vorteil: Er bekam eine erkleckliche Summe Geldes für ein Land, in dem seine landesherrliche Macht ohnehin nur noch in Resten bestand; so schon Heidenreich, Neumark, S. 4. Möglicherweise war auch die Möglichkeit schon angedacht, sich später weitere Summen vom Orden auf das Gebiet auszuleihen.

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pansion wehren, glaubte er die Neumark doch auch nicht dem König von Polen überlassen zu können. Insofern spiegelt diese territoriale Ausweitung tatsächlich keinen Höhepunkt der Machtstellung wider, sondern vielmehr Machtlosigkeit, da nur die Entscheidungsmöglichkeit zwischen zwei unwillkommenen Alternativen bestand.

3.1.5 Epilog I: Die Neumark im Besitz des Deutschen Ordens bis zum Tod von Hochmeister Konrad von Jungingen Nachdem nun die Neumark im Jahre 1402 erworben worden war und die relevante Korrespondenz bis zum Ende des genannten Jahres betrachtet wurde, die die Motive Konrads überaus deutlich zu erkennen gibt, ist nun zu fragen, inwieweit aus der nachfolgenden Zeit bis zum Tode Konrads von Jungingen im März 1407 Hinweise auf eine zielgerichtete Expansion zu finden sind.726 Dabei fällt zunächst auf, dass die Anzahl der Quellen, die die Neumark zum Thema haben, immens in die Höhe steigt. Insbesondere ist viel hochmeisterliche Korrespondenz mit Balduin Stal, dem Vogt der Neumark, zu finden. Vielleicht hat schon die schiere Masse der Quellen zur Neumark dazu geführt, dass dadurch auch die vorangegangene Expansion als zielgerichtet angesehen wurde aufgrund der eher lebensweltlich generierten Vorstellung, dass, wer sich so engagiert zeigt, auch den vorherigen Erwerb bewusst betrieben haben wird. Die Inhalte der Korrespondenz, die sich grob in vier Themenbereiche (s. u.) zusammenfassen lassen, tun ihr Übriges, um bei einem kursorischen Überblick über die Quellen dem Eindruck Nahrung zu geben, dass der Kauf der Neumark vielleicht doch als eine zielgerichtete Expansion zu betrachten ist. Zudem scheinen sie nahezulegen, dass durch den Erwerb des Landes weitere Expansionsbestrebungen hinsichtlich kleinerer Gebiete ausgelöst wurden, von denen man dann wieder zurückschließen könnte, dass auch die Neumark in einem ersten Schritt zielgerichtet erworben worden wäre. Es muss jedoch gefragt werden, ob solche zwar naheliegenden Vermutungen über den ersten Blick hinaus tragfähig sind bzw. ob diese Aspekte überhaupt Aussagen für die hier interessierende Fragestellung erlauben. Die ersten drei knapp zu behandelnden Aspekte (Epilog I) betreffen die Frage, ob sich im Nachhinein nicht doch Belege finden lassen können, die den Hochmeister der zielgerichteten Expansion überführen. Das vierte Themenfeld (Epilog II) konzentriert sich auf fünf kleinere Gebiete, wobei geprüft wird, ob der Orden hier 726 Zur Neumark nach 1402 s. insbesondere Heidenreich, Neumark, dessen Arbeit für diesen Zeitraum am stärksten ist. Für die Zeit nach Konrads Tod vgl. neben den üblichen Abhandlungen auch Neitmann, Pfandverträge, S. 12–15.

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eine zielgerichtete Expansion betrieb. Es kann jedoch vorweggenommen werden, dass die Aspekte zumeist schon auf den zweiten Blick ihre Relevanz für die hier anzustellenden Überlegungen einbüßen und im Folgenden nur knapp – eben als eine Art Epilog – abgehandelt werden brauchen. 1) Die Rückerlangung herrschaftlicher Rechte in der Neumark und ihr Ausbau: Ein großer Teil der Korrespondenz betraf den inneren Landesausbau der gerade erworbenen Neumark. Der Deutsche Orden bemühte sich in der folgenden Zeit, Grundbesitz und weitere Finanzquellen – es sei an dieser Stelle nur der Kauf der Mühlen von den verschiedenen Städten genannt – zu erwerben. Christian Gahlbeck hat daher vor Kurzem zu Recht betont, dass der Orden im Gegensatz zu den Luxemburgern ein Interesse an der Landesherrschaft hatte.727 Es ist dieses Bestreben, das sich intensiv und extensiv in der hochmeisterlichen Korrespondenz niederschlug. Mit guter Wahrscheinlichkeit ist es dieses konsequente Vorgehen des Ordens nach dem Erwerb der Neumark, das die Vorstellung befeuert hat, auch der vorangegangene Erwerb sei so konsequent auf Landesherrschaft und Machtausweitung hinzielend unternommen worden. Zumindest würde dies z. B. das etwas überraschende Mäandern Heidenreichs (s. o.) – der sich schließlich auf die innere Entwicklung der Neumark konzentrierte – in seiner Auffassung von der Motivation des Ordens beim Erwerb plausibel erklären. Jedoch gehört der Ausbau der Landesherrschaft eindeutig zur Sphäre der Innenpolitik und kann nicht in Bezug auf die ursprünglichen Absichten Konrads ausgedeutet werden. Mit dem Erwerb hatte sich schließlich die Situation geändert. Zwar war der Hochmeister jahrelang bestrebt gewesen, einen Kauf zu vermeiden, doch war er nun Landesherr und richtete sich als solcher in der Situation und der Neumark ein. Einen stichhaltigen Anlass, die oben dargelegten Aussagen des Hochmeisters infrage zu stellen, gibt das Vorgehen Konrads als neuer Landesherr in keinem Fall. 2) Diplomatische Verwicklungen mit den Nachbarn, gegenseitige Belästigungen der Untertanen und Abwehr von Expansionsbestrebungen: Ein größerer Teil der Korrespondenz nach 1402 betrifft die Beziehungen des Ordens als Landesherr der Neumark mit den Herzögen von Pommern-Stolp und PommernStettin sowie dem polnischen König. Im ersten Fall waren es gegenseitige Vorwürfe über Raubeinfälle von Untertanen oder Amtsträgern in das jeweilige Land des Nachbarn und die damit zusammenhängenden Beschädigungen der Untertanen, die den Anlass für umfangreiche Schriftwechsel gaben.728 727 Gahlbeck, terra, S. 152–153. En d8tail ist dieser Prozess bei Heidenreich, Neumark, bes. S. 17–29, nachzulesen. Sarnowsky, Wirtschaftsführung, S. 426–427, ordnet diesen Prozess in die Gesamtpolitik des Ordens ein. 728 Vgl. Voigt, Neumark, S. 32, S. 33 und S. 42. Vgl. generell zur Politik Bogislaws VIII. ge-

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Im zweiten Fall betraf die (auch ordensinterne) Korrespondenz die vom Deutschen Orden befürchtete Absicht des polnischen Königs, die Neumark mit Waffengewalt übernehmen zu wollen zusammen mit den Herzögen von Pommern, Jost von Mähren und sogar einigen Missvergnügten des Landes selbst.729 Wie sehr diese Angst gerechtfertigt war, muss an dieser Stelle dahingestellt bleiben. Ohne Zweifel gehören beide Aspekte in den Themenbereich der Außenpolitik. Zudem waren es höchstwahrscheinlich genau diese Verwicklungen, die der Hochmeister vorausgeahnt hatte, weswegen er die ihm angediente Neumark mehrfach eben nicht kaufen oder als Pfand annehmen wollte. Beide Aspekte müssten auch einmal detailliert aufgearbeitet werden. An dieser Stelle reicht jedoch ihre Benennung, da sie nicht für die Fragestellung relevant sind. Es ist hier eindeutig keine Expansionspolitik von Ordensseite zu erkennen, sondern eher die Abwehr (befürchteter) Expansionsversuche von Seiten Polens. Trotz der Vielzahl an Quellen finden sich keine sachdienlichen Hinweise; zudem sagt ein solches (eher natürliches) Verhalten per se schon nichts über die Motive beim Erwerb aus, die im Vorwege handlungsleitend gewesen sind. 3) Die Einwilligungen in den Erwerb von Jost und Wenzel: Zwar hatte Jost von Mähren schon 1398 seine erforderliche Zustimmung zum Verkauf oder zur Verpfändung der Neumark gegeben, doch forderte der Orden im Nachhinein bei Sigismund wiederholt eine neue an, da er die recht allgemein formulierte nicht für ausreichend hielt.730 Bei der Ausstellung einer Quittung am 8. März 1403 durch Mosczicz von Stanschow und Fritz von Groß-Rudna verbürgten sich diese, für die Ausstellung eines Einwilligungsbriefes über den Verkauf der Neumark von Jost von Mähren bis zum 29. September des Jahres zu sorgen, ansonsten jedoch ins Einlager zu reiten.731 Es wurde jedoch keine erneute Einwilligung ausgestellt, wie ein Schreiben des Hochmeisters vom 16. März 1405 an Sigismund belegt, in der er die weiterhin fehlende Urkunde Josts als Vorbedingung einforderte, bevor die Restzahlung geleistet werden könne.732 Auch hinsichtlich der – oben ebenso schon angeführten – Einwilligungen von Prokop und Wenzel (14. März 1402 bzw. aus dem Jahre 1401) hegte der Orden Bedenken. Weise hat aus der Urkunde vom 10. Februar 1403, in der sich Sigismund verpflichtete, eine Einwilligung Wenzels zu erlangen,

729 730 731 732

genüber dem Orden zwischen 1403 und 1411 Simin´ski, Układu sowie Auge, Handlungsspielräumen. Vgl. Voigt, Neumark, S. 37–38, 41–44. SDOP, S. 24. Bislang ungedruckt, DOZA, 2775; als Scan im Internet: http://images.monasterium.net/ pics/AT-DOZA/Urkunden/DOZA-Urkunden_14030308_r.jpg (letzter Zugriff 17. 12. 2015); vgl. Voigt, Neumark, S. 39–40. OF 3, S. 188–189.

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wohl mit Recht geschlossen, dass der Orden für die gewünschte Urkunde auch gleich einen Entwurf beigelegt hat.733 Letztlich wurden die Wünsche des Ordens auch hier nicht erfüllt. Es zeigt aber doch, wie sehr der Orden versuchte, eine ausreichende formale Absicherung des Erwerbs durch die Zustimmungen der Miterben Sigismunds zu erlangen. Daraus auf die vorangegangene Motivation des Ordens rückzuschließen und eine zielgerichtete Expansion zu interpolieren, die der Orden im Vorwege nur verschleiert habe, ist jedoch nicht glaubhaft (und würde vielleicht auch eher neuzeitlichen Verhältnissen entsprechen). Diese Urkunden können daher die hochmeisterlichen Aussagen, die den widerwilligen Erwerb belegen, nicht infrage stellen. Sie belegen zwar die Versuche des Ordens, den Erwerb einer Landschaft zu sichern, für die nicht zuletzt keine geringe Pfandsumme entrichtet worden ist, erlauben aber eben keine Schlüsse darüber hinaus! Eine Durchsicht der Quellen nach 1403 ergibt daher, dass diese nur auf den ersten Blick den Eindruck erwecken können, dass der Orden die Neumark doch zielgerichtet erworben habe. Jedoch zeigt eine genauere Durchsicht dieser Themenfelder, dass hier keine methodisch validen Aussagen über die Motive des Hochmeisters vor dem Erwerb getroffen werden können. Die Schlüsse zu den Motiven des Ordens beim Erwerb, die über den Prozess herausgearbeitet wurden, können so nicht erschüttert werden. Nachdem der Erwerb vollzogen war, galt eben eine andere Ausgangssituation, mit der der Taktiker Konrad von Jungingen ad hoc umzugehen hatte und auf die er reagieren musste. Jetzt musste das Beste aus der Situation, die der Orden wahrscheinlich gerade aufgrund der damit verbundenen Verwicklungen und Verpflichtungen eigentlich hatte vermeiden wollen, gemacht werden: Dazu gehörten eben einerseits der Landesausbau mit der Schaffung von Einkünften sowie andererseits die rechtliche, diplomatische und militärische Absicherung des Besitzes, der ja vorerst auch nur ein Pfand war, das erhalten werden musste. Zwar ist ein Wille Konrads und des Ordens zur Landesherrschaft deutlich zu erkennen, der Wunsch, diese vorher konsequent zu erwerben, ist daraus aber nicht zu erschließen und erst recht nicht in den anderen vorhandenen Quellen zu erkennen.

733 Vgl. SDOP, S. 25. Weise hat jedoch irrigerweise behauptet, dass sich die Gesandten zur Erbringung einer Einwilligung verpflichtet hätten. Aus der Urkunde Pgt.Ukd. Schiebl. 43, Nr. 6 geht jedoch deutlich hervor, dass es Sigismund selbst gewesen ist; vgl. Voigt, Neumark, S. 39.

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3.1.6 Epilog II: Die Konflikte um kleinere Gebiete in und am Rande der Neumark – ein Versuch der zielgerichteten Arrondierung der Neumark? Der Erwerb der Neumark sorgte noch aus einem anderen Grund dafür, dass die Anstrengungen der Ordensdiplomatie erhöht wurden bzw. – je nach Auffassung – werden mussten. Es entstanden durch die Pfandnahme Konflikte, die den Besitz kleinerer Gebiete in und am Rande der Neumark betrafen. Neben kleineren Grenzstreitigkeiten, die hier nicht weiter behandelt werden sollen,734 handelte es sich dabei um folgende fünf Gebiete: Driesen, Zantoch, Hochzeit, Küstrin und Tankow, die einen großen Anteil an der politischen Korrespondenz – vorwiegend mit Polen – ausmachten. Für die folgende Untersuchung bietet es sich aus analytischen Gründen an, die Gebiete in zwei Gruppen einzuteilen: a) Küstrin und Tankow sowie b) Hochzeit, Driesen, Zantoch. Als Unterscheidungskriterien werden zugrunde gelegt, dass es sich bei den unter a) genannten Gebieten um Orte im Inneren der Neumark handelt, bei denen Polen, wenn überhaupt, allerhöchstens indirekt eine Rolle spielte, während die Territorien der Gruppe b) an den Grenzen zu Polen liegen und aus diesem Grunde eine strukturell ähnliche Grundproblematik herrschte, die den Kontakt zum polnischen König bedingte. Im ersten Fall war die Zugehörigkeit der Gebiete zur Neumark zudem unbestritten. Es war hier nur unklar, wer der Rechteinhaber war, während in der zweiten Gruppe der polnische König die Zugehörigkeit der Orte zu Polen beanspruchte. Im Mittelpunkt der diese Gebiete betreffenden Schriftwechsel steht die Frage nach ihrem Besitz. Der Orden bemühte sich deutlich erkennbar, diesen für die gerade erworbene Neumark zu reklamieren. Die im Rahmen dieser Untersuchung – und auch beim kursorischen Blick auf diese Quellen – sich aufdrängende Frage lautet, ob sich in diesen Konflikten nun der Versuch einer zielgerichteten Expansion erkennen lässt, d. h. also gewissermaßen der Versuch, das neuerworbene Gebiet nachträglich zu arrondieren? War Konrads handlungsleitende Motivation in diesen Konflikten also die zielgerichtete territoriale Ausdehnung oder ist ein anderer impetus zu erkennen?

734 Einen konzisen Überblick auch über kleinere, virulente Fragen bietet der Brief des Hochmeisters an den König von Ungarn vom 17. September 1406; OF 3, S. 272–273; gedr. CDBr A 18, LXVIII, S. 323–324; vgl. Voigt, Neumark, S. 68.

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3.1.6.1 Küstrin und Tankow 3.1.6.1.1 Küstrin Der Konflikt um Küstrin unterscheidet sich von den Konflikten um die anderen Gebiete, da hier der polnische König überhaupt keine Rolle spielte.735 Zudem ist von Küstrin (ebenso wie von Zantoch) auch schon in der Versetzungsurkunde vom 25. Juli 1402 die Rede. Es heißt hier :736 Vortme so sullen wir freyen dem orden Kastryn und ouch Zandekke als verre als Zandekke bynnen den grenitczen der Nuwenmark leyt und unsers herre des konynges von Ungarn ist mit alle eren czugehorunge und ouch die brife dem orden schicken und freihen, die der herre konyng von Ungarn hern Johan von Wartenberg off Kastryn und ouch die off Zandekke gegeben seynt. Schon in der ursprünglichen Versetzungsurkunde wurde also für alle Beteiligten festgehalten, dass die Rechte auf Küstrin zu diesem Zeitpunkt noch bei Johann von Wartenberg lagen. Aus diesem Grund musste sich Stibor eben auch verpflichten, dieses dem Orden zu freien. Dass diese Verpflichtung im Anschluss auch unmittelbar umgesetzt werden sollte, belegt schon die Quittung Stibors vom gleichen Tage über den Empfang einer ersten Teilsumme für die Neumark; zudem waren 2000 Schock für die Einlösung Küstrins vorgesehen.737 Weitere Zahlungen des Ordens für Küstrin sollten noch folgen.738 Wie ist diese Quelle nun im Sinne der Fragestellung zu verstehen? Das angeführte Zitat aus der Erwerbsurkunde der Neumark zeigt deutlich, dass sich der Orden schon während der Verhandlungen mit Stibor auch hinsichtlich der Rechtsfrage umstrittener Gebiete auseinandergesetzt und Küstrin und Zantoch als Problemfelder erkannt hatte. Eine vorwiegend für den Orden nützliche und daher wahrscheinlich auch von diesem eingeforderte Lösung, ohne die der Kauf wahrscheinlich nicht so problemlos umgesetzt worden wäre, wird dann detailliert in der Urkunde festgehalten und auch sofort in Gang gesetzt, wie die tagesgleiche Auszahlung von einer speziell für Küstrin ausgewiesenen Summe 735 Die erläuternde Literatur erwähnt diese Angelegenheit in der Regel nur knapp und ohne Ausnutzung aller Quellen. Am ausführlichsten auch hier wieder Voigt, Neumark, S. 23, S. 29, S. 31 und S. 56; vgl. ferner Berg, Cüstrin, S. 26–27, da ausschließlich nach den Ausarbeitungen von Voigt. Die Zahlungen des Ordens für Küstrin sind aufgeführt bei SDOP, S. 25, und im Detail bei Neitmann, Pfandverträge, S. 9–14. 736 SDOP, 15 (Regest); DOZA, 2751; bislang ungedruckt; im Internet als Scan: http://www. mom-ca.uni-koeln.de/mom/AT-DOZA/Urkunden/2751/charter?q=2751 (letzter Zugriff 17. 12. 2015); vgl. Voigt, Neumark, S. 22–23. 737 SDOP, S. 25; Neitmann, Pfandverträge, S. 9–10. Im Druck CDP 5, CXXVII (nach Pgt.Ukd. Schiebl. 43, Nr. 4); hier fehlt jedoch die Zeile, die für Küstrin von Belang ist; diese ergänzt bei Neitmann, Pfandverträge, S. 10, Anm. 44. 738 Insgesamt kamen – wie eine Aufstellung der 1420er Jahre zeigt – noch ca. 10.000 Schock Groschen hinzu; vgl. Neitmann, Pfandverträge, S. 9, Anm. 43, und S. 13–14. Die genauen Teilzahlungen brauchen an dieser Stelle nicht zu interessieren.

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Geldes zeigt. Lässt sich darin also eine zielgerichtete Ausweitung des Territoriums durch den Orden erkennen, die an den Erwerb der Neumark anschließen sollte? Es steht zu vermuten, dass der Orden in diesem Fall in den Verhandlungen seine Wünsche durchsetzte und Stibor diesen entgegenkam, um den Kauf der Neumark umzusetzen. Wenn der Orden die Neumark schon eher widerwillig in Pfand nehmen musste, dann wenigstens zu den Bedingungen, die die Klärung von Rechtefragen auf den Pfandgeber abwälzten. Jedoch war Küstrin dem Hochmeister offenbar nicht unwichtig, wie die nicht ganz geringen Summen belegen, die dafür freigegeben wurden.739 Hinweise auf konkrete Motive Konrads finden sich allerdings nicht, sondern müssen aus der Gesamtsituation erschlossen werden. Ob hier wirklich die Auffassung, Küstrin liege günstig für Verwaltungs- und Kriegszwecke, ausschlaggebend für den Orden war,740 kann nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dürfte aber unwahrscheinlich sein. Diese sieht eben doch zu sehr nach einem geopolitischen Denkmuster des 19. Jahrhunderts aus, um guten Gewissens annehmen zu können, dass sie deckungsgleich mit Konrads Sicht der Dinge gewesen wäre. Es dürfte wohl wahrscheinlicher sein, dass der Orden eine flächendeckende Landesherrschaft übernehmen wollte, ohne dass einzelne Enklaven noch andere Herren gehabt hätten, auf die Rücksicht zu nehmen für den Orden angezeigt gewesen wäre.741 Für eine solche 739 Es bleibt nachzutragen, dass die Angelegenheit auch im Jahre 1405 noch nicht zur Zufriedenheit von Johann von Wartenberg geregelt war, wie zwei Schreiben vom 24. Juli desselben Jahres an den Hochmeister und Heinrich von Gunthersberg belegen; OBA 813 und 812. Hier betonte er noch einmal, dass Küstrin sein Erbgut (vgl. folgende Quellen dazu: CDBr A 19, LVIII, S. 36 (15. Juni 1397) und CDBr A 19, LIX, S. 38 (15. August 1399)) und gegen alles Recht und seinen Willen von Stibor verpfändet worden sei. Der konkrete Stein des Anstoßes in dieser Situation war aber, dass Johann von Wartenberg dem Orden Küstrin für 3000 Schock angeboten habe, dieser die Summe aber um 700 Schock reduzieren wollte. Johann von Wartenberg bat den Orden daher nachdrücklich um die Auszahlung der vollen Summe und ersuchte Heinrich von Gunthersberg um Verwendung in dieser Angelegenheit beim Hochmeister ; vgl. auch Voigt, Neumark, S. 56; Heidemann, Luxemburger, S. 224 und S. 228. 740 So Berg, Cüstrin, S. 27. 741 Schon im Jahre 1402 entstanden die ersten diplomatischen Verwicklungen. Nicht jedoch von Johann von Wartenberg wurden Einwände an den Orden herangetragen, sondern Wilhelm von Meißen und Jost von Mähren versuchten jeweils Ansprüche auf Küstrin geltend zu machen. Der Hochmeister entgegnete daraufhin, dass Stibor als Bevollmächtigter Sigismunds ihm die Neumark mit Küstrin zusammen verkauft und sich der ungarische König verpflichtet habe, diese gegen Ansprüche von dritter Seite zu freien; s. Schreiben an Wilhelm von Meißen vom 6. November 1402 (OF 3, S. 100–101; gedr. CDP 5, CXXXII) und vom 6. Januar 1403 (OF 3, S. 109–110; gedr. CDP 6, CXXXIX) sowie an Jost vom 27. November 1402 (OF 3, S. 103; gedr. CDP 5, CXXXIII); vgl. Voigt, Neumark, S. 29 und S. 31. Zur Klärung der Frage nach einer zielgerichteten Expansion tragen diese Schreiben jedoch nichts bei, da die nachträgliche Sicherung eines Erwerbs kaum die ursprünglichen Motive sicher erhellen kann. Auch das Schreiben vom 16. März 1405 an den

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Vermutung spricht auch der Rechteausbau in der Neumark durch den Orden im Nachhinein. Wollte man hier trotz allem eine zielgerichtete territoriale Ausweitung sehen, ist jedoch zu betonen, dass diese eher sekundäre Folge denn primär intendiertes Ziel war. Schließlich scheint es dem Orden weniger um Küstrin als Territorium selbst gegangen zu sein, sondern eben um die Stellung als alleiniger Rechteinhaber in der Neumark – wohl um Verwicklungen mit anderen Herren zu vermeiden. Zwar lassen sich beide Aspekte, Rechte- und Territorialerwerb, nicht wirklich trennen, ohne sich dem Vorwurf der Rabulistik auszusetzen.742 Es sollte dennoch – aus einem etwas anders gelagerten Grund – die Scheu überwiegen, Küstrin als Beispiel für eine langfristig geplante territoriale Expansion im Sinne Weises durch Konrad von Jungingen anzuführen: Denn Küstrin war einerseits ohnehin unumstrittener Bestandteil der Neumark; nur der tatsächliche Rechteinhaber war dem Orden unklar. Andererseits war die Frage auch nur mittelbar und im Zusammenhang mit dem widerwilligen Erwerb der Neumark auf die Agenda gesetzt worden. Hier wäre dann eher von einer ad-hoc-Reaktion zu sprechen, zu der sich der Hochmeister angesichts der sich geänderten Lage gezwungen sah. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass hier eine Ausweitung der Rechte und damit von Herrschaft stattgefunden hat, eine solche aber nicht langfristig geplant wurde vom Hochmeister, sondern eher durch andere Entwicklungen, die Konrad eigentlich zu vermeiden gehofft hatte, zwangsläufig angestoßen wurde. Alles in allem dürfte in der Angelegenheit für den Hochmeister eher die Sicherung von Rechten als eine territoriale Ausweitung im Mittelpunkt gestanden haben. 3.1.6.1.2 Tankow Um das Gut und Städtchen Tankow (Dankjw) – gelegen zwischen Friedeberg (Strzelce Krajen´skie) und Berlinchen (Barlinek) und heute nur noch ein Dorf743 – entspann sich direkt nach dem Erwerb der Neumark durch den Orden ein Konflikt, der jedoch bis weit über den Tod von Konrad von Jungingen hinaus (nämlich bis 1452) die Ordensdiplomatie beschäftigen sollte und ein Unmaß an Korrespondenz produziert hat.744 Der Sachverhalt ist, zumindest für die Zeit König von Ungarn, in dem Küstrin knapp erwähnt wird, kann nichts zur Fragestellung beitragen; vgl. OF 3, S. 188–189. 742 Diese Problematik ergibt sich vielleicht nicht zuletzt aus den Schwierigkeiten, die entstehen, wenn man versucht, mittelalterliche Begebenheiten mit dem Instrumentarium moderner politischer Begriffe zu analysieren. 743 Zur geographischen Lage und Umgebung en d8tail s. Rymar, Tankow, S. 9–16. 744 Die wesentliche Literatur ist schnell aufgezählt: Rymar, Tankow (hier findet sich auch die ältere und populärwissenschaftliche Literatur aufgeführt, S. 7–8; der Konflikt um Tankow scheint vorwiegend auf Grundlage der gedruckten Quellenrepertorien zur Neumark aufgearbeitet worden zu sein); Johannsen, Tankow ; Voigt, Neumark, S. 15, S. 34–35, S. 45

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Konrads, gut nachzuverfolgen. Recht bald nach dem Erwerb der Neumark durch den Orden wandte sich der Ritter Otto von Kittlitz schriftlich an den Hochmeister und wollte seine verbriefen Ansprüche auf Tankow geltend machen, wie aus der ablehnenden Antwort Konrads vom 22. März 1403 hervorgeht.745 Die Ablehnung begründete der Hochmeister damit, dass ihm die Neumark von Stibor mit allem Zubehör ohne Ausnahmen versetzt worden sei. Konrads Vorschlag, die Angelegenheit auf Sigismund zu verweisen – schließlich hatte sich dieser ja in den Verpfändungsurkunden verpflichtet, gegen eventuelle Ansprüche an neumärkischem Gebiete vorzugehen – hatte für den Orden jedoch eine (sicherlich überraschend) nachteilige Antwort: Sigismund bestätigte nämlich zunächst den Besitz Ottos.746 Der Hochmeister wollte sich damit jedoch nicht abfinden und schlug vor, die Entscheidung einem Schiedsgericht der Mannen und Städte der Neumark zu überlassen.747 Zu einem solchen ist es später auch gekommen, doch wollte Otto die für ihn nun gegenteilig ausgefallene Entscheidung nicht akzeptieren; der Hochmeister wandte sich daher an Sigismund mit der Bitte, Otto anzuweisen, sich dem Urteil zu unterwerfen.748 Sigismund, in dieser Angelegenheit wankelmütig, da wohl eher uninteressiert, missbilligte daraufhin Ottos Weigerung am 9. Juni 1404, während er in einem Schreiben vom gleichen Tage das Vorgehen des Ordens guthieß.749 Die Lage, die auf den ersten Blick so aufgefasst werden könnte, dass der

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und S. 63 (der auf die umfangreiche Korrespondenz teils nur summarisch verweist) und Heidemann, Luxemburger, S. 225 und S. 228–229. – Nur hingewiesen sei auf ein »Kopialbuch« des Jahres 1451/1452, in dem auch die frühe Korrespondenz in dieser Angelegenheit in Abschrift zusammengestellt worden ist. Der Orden glaubte offenbar, sich einen Überblick verschaffen zu müssen; OBA 11053. OF 3, S. 122; gedr. CDP 6, CXLIII; vgl. Johannsen, Tankow. OBA 707 vom 11. Juni 1403. Otto schrieb daraufhin dem Hochmeister ; JH I, 709 vom 29. Juni 1403; das Stück befindet sich auf dem gleichen Zettel wie OBA 707 und ist unter dieser Nummer zu bestellen; vgl. Voigt, Neumark, S. 34–35. OF 3, S. 135–136 (= OBA 711; liegt nicht im Bestand vor). In gleichem Sinne schrieb Konrad auch dem Bruder Ottos, Bischof Johann von Kittlitz; OF 3, S. 145, und wieder an Otto; OF 3, S. 145–146; OF 3, S. 161 (hier ging es auch um den Ort der Verhandlungen). OBA 724 (vom 26. November 1403) ist ein Bericht von Balduin Stal an den Hochmeister über einen mit Otto abgehaltenen Tag, auf dem dessen Ansprüche auch noch einmal mündlich vorgetragen worden sind. OF 3, S. 163. Zu den Ansprüchen von Wirsebrand, i. e. Wierzbie˛ta von Smogulec, die an dieser Stelle übergangen werden können, vgl. Rymar, Tankow, S. 49, und vor allem Szweda, Przypadki. OF 3, S. 270 (an Otto); OF 3, S. 270 (= JH I, 751; an den Orden). Im November 1404 erhielt Sigismund einen Bericht von einigen Bürgermeistern aus der Neumark (datiert auf den 18. Oktober 1404) über die Verhandlungen vor Mannen und Städten der Neumark in Küstrin (OF 3, S. 175 (= OBA 767; liegt nicht im Bestand vor)), die ihm vom Hochmeister kommentiert übersandt wurden; OF 3, S. 174. Ein Schreiben des Vogtes der Neumark an den Hochmeister, das die Verhandlungen um Tankow betraf, kann nicht genau datiert werden; OBA 787.

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mächtige Orden einen kleinen Ritter aus seinen Besitz zu verdrängen suchte, um sein Territorium zu arrondieren, stellt sich bei näherer Betrachtung jedoch etwas komplizierter dar. Zwar verfügte Otto über die Verschreibungsurkunden über das Städtchen und Schloss Tankow, die ihm zuerst 1391 von Johann von Görlitz ausgestellt750 und 1396 von Sigismund bestätigt751 worden waren. Tankow stand daher zwar de iure ihm zu, befand sich de facto aber nicht in seinem Besitz. Das geht aus einem Brief vom 25. August 1404 von Konrad an Otto hervor, worin betont wurde, dass Amtsträger König Sigismunds Tankow im Moment der Übernahme der Neumark durch den Orden inne hatten und eben nicht Otto.752 Dieser Umstand, durch den sich der Rechtsanspruch Ottos für den Hochmeister ohnehin zweifelhaft darstellte bzw. den er nutzte, um diesen infrage zu stellen,753 ist auch durch eine unabhängige Quelle belegt. Im Jahr 1400 musste Sigismund seinen Hauptmann der Neumark, Johann von Wartenberg, ernsthaft ermahnen, Otto von Kittlitz das Gut Tankow einzuräumen, was aber offensichtlich dennoch nicht geschehen ist.754 In der Praxis hatte Otto das Gut also tatsächlich nie inne. Dies und das Faktum, dass in der Versetzungsurkunde anders als im Falle Küstrins und Zantochs in Bezug auf Tankow keine Vorbehalte gemacht worden waren, legen nahe, dass der Hochmeister sich im besseren Recht wähnte. Darüber hinaus betonte der Hochmeister in einem Schreiben aus dem Jahr 1404 – also im direkten zeitlichen Zusammenhang – gegenüber Otto, dass der Orden Tankow im Falle einer Auslösung der Neumark wieder übergeben müsse.755 Kurzum: Der Orden sah sich aus verständlichen Gründen im besseren Recht und wollte nicht die Gefahr auf sich nehmen, ggf. von Sigismund Rückforderungen nicht erfüllen zu können, sollte dieser die Neumark wieder auslösen wollen. Geklärt hat sich 1404 letztlich jedoch nichts, da alle Parteien auf ihren Positionen beharrten, wie die Korrespondenz aus dem Jahre 1406 zeigt, die inhaltlich keine neuen Aspekte enthält. Allein dass der Hochmeister gegenüber dem römisch-deutschen König, der auf einmal ins Spiel gebracht wurde, das Argument brachte, der Orden habe Tankow vom voyte des Königs von Ungarn bekommen,

750 Pgt.Ukd. Schiebl. 46, Nr. 50 (durch Zerschneiden ungültig gemacht; starker Textverlust; intakte Abschrift: OBA 486); vgl. Johannsen, Tankow. 751 OBA 534 (enthält drei Abschriften). 752 OF 3, S. 169–170 (= OBA 760; liegt nicht im Bestand vor). 753 So in einem Brief vom 10. Februar 1406 an den römisch-deutschen König; OF 3, S. 237 (s. u.). 754 OBA 610; vgl. Voigt, Neumark, S. 15; Rymar, Tankow, S. 47–48; Heidemann, Luxemburger, S. 225–226. Johannsen, Tankow, vermutet, dass Johann von Wartenberg sich selber eine Herrschaft zusammen mit Küstrin habe aufbauen wollen. 755 OF 3, S. 181–182.

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zeigt, dass Konrad tatsächlich glaubte, damit den Rechtsanspruch Ottos ins schlechtere Licht setzen und dafür auch Zustimmung erhalten zu können.756 Dass der Hochmeister langsam die Geduld verlor, zeigt die dezidierte Ablehnung eines Vermittlungsangebots vom 8. Dezember 1406, das ihm in dieser Sache von Johann von Kittlitz, dem Bischof von Meißen, unterbreitet worden war : Sein Kommen nach Preußen sei unnötig; er möge seinen Bruder nur dazu bewegen, es sich am Rechte genügen zu lassen – so lautete die Antwort.757 Kurz vorher, am 17. September 1406, hatte Konrad in einem Brief an Sigismund diesen um Verwendung gebeten, d. h. bei Streitigkeiten um Hochzeit, Driesen, Zantoch, kleineren Grenzkonflikten und eben Tankow für den Orden Partei zu ergreifen.758 Der Konflikt um Tankow nimmt in diesem Schreiben den meisten Platz ein. Gegenüber Sigismund betonte der Hochmeister, dass er die Neumark nicht anders erhalten wolle als er sie von seinen Verwaltern übernommen habe. Ein Argument, das einerseits Wirkung auf den König machen musste, für den Hochmeister aber tatsächlich jenseits aller taktischen Überlegungen auch seiner Wahrnehmung entsprochen haben dürfte. Im Falle einer Auslösung der Neumark sollte hier nicht der Kern eines neuen Konflikts angelegt sein. Für die Lebenszeit Konrads endete damit die sich auf Tankow beziehende Korrespondenz. Wie muss man diesen Konflikt also bewerten? Hervorzuheben ist erstens, dass diese Angelegenheit an den Hochmeister bald nach dem Erwerb der Neumark herangetragen wurde. Im Gegensatz zu Küstrin (und Zantoch) waren beim Verkauf der Neumark hinsichtlich Tankows keine Vorbehalte gemacht worden. Diese Angelegenheit ist, zumal der Hochmeister das Gut auch von Verwaltern König Sigismunds erhalten hatte, für den Orden überraschend auf die Tagesordnung durch Otto von Kittlitz gesetzt worden. Jener musste darauf nun ad hoc reagieren. Aus diesem Grunde kann die Politik von Konrad von Jungingen schon einmal nicht längerfristig zielgerichtet gewesen sein, da ihm gar nicht klar war, dass hier überhaupt ein Problem bestehen könnte. Aber auch danach, nachdem Tankow zu einem Konfliktgegenstand geworden war, kann nicht von einer zweiten Welle territorialer Expansionsbewegungen seitens des Ordens gesprochen werden, schließlich wurde ihm dieses Gebiet bei der Pfandnahme der Neumark vom Pfandgeber de facto überwiesen. Es ging dem Hochmeister nun zwar sicherlich darum, Tankow für die Neumark zu behalten, und möglicher756 Der Brief an den römisch-deutschen König ist vom 10. Februar 1406: OF 3, S. 237; vgl. Voigt, Neumark, S. 63. Im Übrigen ist Tankow auch in der Verkaufserlaubnis der Neumark von Wenzel im Jahre 1401 namentlich aufgeführt, ohne dass dies aber hier zur Sprache gebracht wird; OF 67, Bl. 109. Weitere Schreiben zum Jahre 1406: OF 3, S. 238; OF 3, S. 264– 265; OF 3, S. 265. 757 OF 3, S. 281. 758 OF 3, S. 272–273; gedr. CDBr A 18, LXVIII, S. 323–324; vgl. Johannsen, Tankow.

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weise wollte er auch keine Enklaven in der Neumark entstehen lassen, wie das Beispiel Küstrin nahelegt, doch dürfte Konrad den Fall um Tankow als Abwehr theoretischer, eher zweifelhafter Besitzansprüche Ottos verstanden haben – zumal das Pfand ohnehin auch ungeschmälert erhalten werden musste, wollte er nicht den Keim für einen späteren Konflikt mit Sigismund legen. Insgesamt ist nach dem widerwilligen Erwerb der Neumark zwar der Wille zur Landesherrschaft erkennbar, aber Tankow war eben kein Teil einer längerfristig geplanten bzw. einer spontanen, zielgerichteten territorialen Expansion. Es ging hier mehr um eine Rechtefrage, die den Erhalt des Besitzes bzw. die Abwehr von dessen Verlust zum Ergebnis hatte. Reine Machtpolitik wider besseres Wissen ist angesichts der undurchsichtigen Rechtslage, die der Hochmeister zwar sicherlich zu seinen Gunsten nutzen wollte, dennoch nicht als grundlegendes Handlungsmotiv zu erkennen.

3.1.6.2 Hochzeit, Zantoch und Driesen 3.1.6.2.1 Hochzeit Während die Konflikte um Zantoch und Driesen mit Polen in der Literatur schon häufiger angesprochen wurden, wurde der Streit um das kleine Hochzeit (Stare Osieczno) bislang höchstens am Rande erwähnt.759 Ein genauerer Blick auf Hochzeit – wie die beiden prominenteren Orte nach dem Erwerb der Neumark an der Grenze zwischen der Ordensherrschaft und Polen gelegen – lohnt sich, da die relevanten Aspekte für die Beantwortung der Frage nach einer langfristig geplanten zielgerichteten Expansion bzgl. der drei genannten Gebiete schon hier in nuce sichtbar werden. Der Konflikt um Hochzeit zwischen dem Orden und Polen entspann sich im Jahre 1405 auf eine etwas merkwürdige, aber umso bezeichnendere Art und Weise, wie ein Antwortschreiben des Hochmeisters vom 10. April 1405 zeigt. Der polnische König hatte sich beim Hochmeister darüber beschwert, dass ein Untertan des Ordens aus der Neumark, genannt Hochczit de Bursis, innerhalb der Grenzen Polens eine neue Burg anlegen wolle. Der Hochmeister antwortete darauf etwas ratlos, keinen Hochzeit zu kennen, überhaupt von der Angelegenheit nichts zu wissen, jedoch den Vogt der Neumark angewiesen zu haben, den Bau nicht zu gestatten.760 Doch wurden von polnischer Seite aus unterdessen Fakten geschaffen, wie ein 759 Am ausführlichsten auch dazu Voigt, Neumark, S. 57–58; s. jedoch ebenfalls Czacharowski, Adel, S. 160; Kittel, Zantoch, S. 6 und S. 11; Boese, Grenzpaß, S. 78. 760 OF 3, S. 196; vgl. Voigt, Neumark, S. 58. Am gleichen Tag bat der Hochmeister den Hauptmann von Großpolen, sich in dieser Angelegenheit an den Vogt der Neumark zu wenden, der mit der Untersuchung dieser Sache befasst sei; OF 3, S. 196.

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Brief des Vogtes der Neumark an den Hochmeister vom 16. April 1405 belegt, der Licht ins Dunkel dieser Angelegenheit bringt:761 Ihm waren demnach vorher die hochmeisterliche Antwort und das ursprüngliche Schreiben des polnischen Königs zugeleitet worden. Er klärte den Hochmeister daraufhin darüber auf, dass es sich bei Houchtzit nicht um eine Person handelte, wie der polnische König vermutet hatte, sondern um einen Burgwall mit Bergfried762 und ein offen stetechin. Es wird deutlich, dass der Vogt der Neumark nicht davon ausging, der Hochmeister würde Hochzeit kennen, fügte er doch noch eine Lagebeschreibung an, wonach Hochzeit an der Drage, dem Grenzfluss zwischen Polen und der Neumark liege, jedoch diesseits in der Neumark. Es sei seit alters her im Besitz der Familie von Wedel. Der Vogt der Neumark berichtete weiter darüber, dass Herr Swydwer den Burgfried und alles was do wos niedergebrannt habe. Obwohl diese Anlage nie zum Königreich gehört habe, werde nun versucht, diese zu Polen zu ziehen. Als die von Wedel schon Baumaterial für einen Wiederaufbau gesammelt hätten, sei dieses wieder von den Polen zerstört worden. Der Brief endet mit dem Rat Balduins, dass der Hochmeister darauf bedacht sein möge, die Grenze zu erhalten, wie er sie bekommen habe, und die Rechte der von Wedel, seinen Untertanen, zu schützen. Zunächst hat diese Angelegenheit keinen weiteren Niederschlag in den Quellen gefunden. Ende 1406 war der Konflikt aber immer noch derart am Schwelen, dass Balduin Stal sich gezwungen sah, den Hochmeister von neuen Ansprüchen des polnischen Königs auf Hochzeit in Kenntnis zu setzen.763 Doch auch schon kurz zuvor hatte sich Konrad von Jungingen an König Sigismund mit der Bitte gewandt, den Orden in verschiedenen Grenzstreitigkeiten zu verteidigen. Dabei wurde neben Driesen, Zantoch, Tankow etc. auch Hochzeit ausdrücklich erwähnt.764 Schaut man sich die Korrespondenz an, dann ist im Konflikt um Hochzeit eindeutig kein hochmeisterlicher Versuch der langfristig geplanten Expansion des Ordensterritoriums bzw. der Arrondierung des Gebiets nach dem Erwerb der Neumark zu erkennen. Schließlich wurde das Problem an den doch ziemlich überraschten Hochmeister herangetragen, dem der Ort offensichtlich bislang gänzlich unbekannt gewesen war. Doch auch der polnische König zeigte sich nicht besonders gut informiert. Es wäre denkbar, dass polnische Amtsträger an der Grenze hier auf eigene Rechnung handelten. Der Hochmeister reagierte also nur ; eigene politische oder gar territoriale Ziele hatte er nicht. Es war Balduin 761 OBA 799; gedr. Ledebur, Allgemeines Archiv 11 (1833), S. 371–372; vgl. Voigt, Neumark, S. 57. 762 Ebd., S. 58, Anm. 2, vermutet Voigt, dass de bursis aus dem missverstandenen Wort Burgfried entstanden sein könnte. 763 Vgl. Kittel, Zantoch, S. 11, und OBA 893. 764 OF 3, S. 272–273; gedr. CDBr A 18, LXVIII, S. 323–324.

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Stal, der sich genötigt sah, den Hochmeister zu instruieren, die althergebrachten Grenzen zu erhalten und seinen neuen Untertanen beizustehen, mithin also eher eine Abwehr von polnischen Expansionsversuchen vorzunehmen. Ohne an dieser Stelle beurteilen zu müssen, inwieweit der polnische König die Situation nun genau andersherum bewertete, sah auch Antoni Czacharowski im polnischen Vorgehen den dezidierten Versuch, die Grenze zu verschieben, um eine Befestigung der Grenzen mit neuen Burgen zu blockieren.765 Aufgrund des polnischen Vorgehens musste die Frage geklärt werden, wer ein besseres Recht auf diesen Besitz hatte. Ein in irgendeiner Weise bemäntelter Expansionsversuch ist zumindest von Ordensseite in keiner Weise zu erkennen. Der Brief zeigt auch, dass Konrad von Jungingen diese Angelegenheit in eine Reihe mit Driesen und Zantoch stellte, die er zumindest gegenüber Sigismund alle als Grenzstreitigkeiten einschätzte.766 Fazit: Der Konflikt um Hochzeit ist nicht als Teil einer zweiten Expansionswelle bzw. einer Arrondierung des neumärkischen Gebiets zu werten, wiewohl die polnische Seite – man müsste ggf. zwischen dem König und den Amtsträgern vor Ort unterscheiden – das möglicherweise anders gesehen haben könnte. Mit welcher Berechtigung die jeweilige Sicht verfolgt wurde, braucht nicht zu interessieren, solange eben klar ist, dass der Hochmeister nicht wider besseres Wissen zweifelhafte Rechte zur Arrondierung durchsetzen wollte, sondern auf einen ihm vorher unbekannten Sachverhalt wie ein mittelalterlicher Landesherr reagierte: nämlich mit dem Versuch, die Rechte auch seiner neuen Untertanen gegen Anfechtungen von außen zu wahren. 3.1.6.2.2 Zantoch Zantoch und Driesen (ebenso wie Hochzeit) wurden, wie gezeigt, von Konrad König Sigismund als Grenzstreitigkeiten vorgestellt, bei deren Lösung dieser dem Orden – wie im Kaufvertrag der Neumark vereinbart – beistehen sollte. Der Konflikt um beide Orte mit Polen ist in der Literatur schon vielfach angesprochen worden.767 Nicht selten trat Zantoch in den Auswertungen dann hinter 765 Czacharowski, Adel, S. 160. 766 So auch ebenfalls Czacharowski, der ebd. Hochzeit ebenso wie Driesen als Grenzstreitigkeit einstuft. 767 Vertiefte Erwägungen bzgl. der hier zu untersuchenden Fragestellung sind häufig jedoch nicht zu finden. Die in der Zwischenkriegszeit teilweise mit deutsch-nationalem Furor vorgebrachten Überlegungen führten dann aber doch dazu, dass die Vorstellung einer territorialen Expansion zumindest als wünschenswert im Raume stand; vgl. v. a. Lüpke, Zantoch. Insgesamt scheint die Zeit bis zum Tode Konrads von Jungingen in der Regel jedoch eher als Vorgeschichte angesehen worden zu sein für die sich verschärfenden Streitigkeiten seit dem Amtsantritt von Hochmeister Ulrich von Jungingen, die (wesentlich) zum Ausbruch des Großen Krieges beigetragen haben sollen; vgl. in dieser Frage zuletzt differenzierend Czaja, Santok.

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Driesen zurück und war mithin nur eine Art Anhängsel in den Überlegungen, was vermutlich an der schlechteren Quellenlage liegt.768 Jedoch ist auch Zantoch, gelegen am Zusammenfluss von Netze und Warthe, von großem Interesse, war doch schon in der Verkaufsurkunde von Stibor (ähnlich wie im Falle Küstrin) ein Vorbehalt hinsichtlich der Zugehörigkeit zur Neumark gemacht worden. Nicht zuletzt aufgrund dieser Voraussetzungen ist das weitere Verhalten Konrads sehr aufschlussreich. Wie reagierte Konrad also auf diesen Vorbehalt? Zeigt sich vielleicht dann doch gerade in diesem Beispiel der schon länger gehegte Wunsch nach territorialer Arrondierung? Die genaue Formulierung der Verkaufsurkunde vom 25. Juli 1402 lautet also – wie oben für Küstrin schon einmal angeführt – folgendermaßen: Vortme so sullen wir freyen dem orden Kastryn und ouch Zandekke als verre als Zandekke bynnen den grenitczen der Nuwenmark leyt und unsers herre des konynges von Ungarn ist mit alle eren czugehorunge und ouch die brife dem orden schicken und freihen, die der herre konyng von Ungarn hern Johan von Wartenberg off Kastryn und ouch die off Zandekke gegeben seynt.769 Schon in der Verkaufsurkunde wird die Zugehörigkeit Zantochs zur Neumark als fraglich dargestellt. Wie genau aber die Formulierung als verre zu interpretieren ist, darüber geben schon die entsprechenden Regesten unterschiedliche Möglichkeiten vor: Während Weise es mit »soweit dies [Zantoch; S.K.] in den Grenzen der Neumark liegt und dem Kg. von Ungarn gehört« zusammenfasst, gibt Arnold die Quelle folgendermaßen wieder : »als gehörte Zandekke zur Neumark«.770 Steht doch dieser Satz im Zusammenhang mit der vertraglichen Verpflichtung Stibors, dass Zantoch dem Orden gefreit werden solle, würde Arnolds Interpretation letztlich bedeuten, dass es für den Orden erworben werden solle – und zwar in dem klaren Wissen, dass es sich bei diesem Ort nicht um neumärkischen Besitz handelte, sich Stibor mithin offen verpflichtete, für den Orden eine territoriale Expansion wider besserer Kenntnis gegen alles Recht zu betreiben. Eine solche öffentliche Verpflichtung ist einerseits per se kaum anzunehmen, will man nicht neuzeitliche Verfahrensweisen ins Mittelalter 768 Zum Konflikt um Zantoch s. weiterhin v. a. Voigt, Neumark, sowie Czacharowski, Adel. Rymar, Santok, S. 45–48 (für die Zeit Konrads), fußt offenbar nur auf den gedruckten Repertorien und Quellen- bzw. Regestensammlungen. Lüpke, Zantoch, fasst den Stand der Forschung 1936 unter zeitbedingten Voraussetzungen zusammen. Bei Czacharowski, Spjr, wird Zantoch meist nur nebenbei erwähnt. Zur Vorgeschichte s. auch Czacharowski, Santok; Heidemann, Luxemburger, S. 229–230. Vgl. ferner Kittel, Zantoch, sowie van Nießen, Burg. 769 SDOP, 15 (Regest); DOZA, 2751; bislang ungedruckt; im Internet als Scan: http://www. mom-ca.uni-koeln.de/mom/AT-DOZA/Urkunden/2751/charter?q=2751 (letzter Zugriff 17. 12. 2015); vgl. Voigt, Neumark, S. 22–23. 770 SDOP, 15 (Regest); DOZA, 2751. Das Regest in JH II, 1476, fasst diese Klausel sehr frei zusammen und gibt keinen weiteren Aufschluss über die Interpretationsmöglichkeiten.

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projizieren. Andererseits war die Sachlage hinsichtlich der Zugehörigkeit Zantochs so undurchsichtig, dass eine dezidierte Festlegung, Zantoch gehörte nicht zur Neumark, wie es eben Arnolds Interpretation vorschlägt, auch kaum denkbar gewesen sein dürfte. Schließlich war dies eben der Punkt, aus dem sich die nachfolgenden Probleme entwickeln sollten. Doch dazu gleich mehr. Stibors Urkunde drückt daher – wie Weise richtig paraphrasiert – die Unsicherheit aus, ob bzw. inwieweit Zantoch zur Neumark gehört, verspricht aber für den gegebenen Fall, die Rechte für den Orden als Käufer der gesamten Neumark zu freien. Nachdem in der endgültigen Verkaufsurkunde Sigismunds keine weiteren Vorbehalte gemacht wurden, dürfte Konrad von Jungingen ohnehin geglaubt bzw. doch zumindest gehofft haben, dass diese Angelegenheit sich in Wohlgefallen aufgelöst hatte. Zumindest agierte er so, indem er nun Zantoch als zur Neumark gehörig behandelte und es dafür beanspruchte. Die Unsicherheiten hinsichtlich der Zugehörigkeit Zantochs zur Neumark bzw. die von verschiedenen Seiten herangetragenen Ansprüche haben dabei ihren Ursprung teilweise schon in früherer Vergangenheit. Für die Unsicherheit spielten die Rechte der Johanniter, denen Zantoch seit 1397 verpfändet worden war, eine Rolle. Sie nahmen es mit Jost von Mähren für das Land Sternberg und damit für die Kurmark, die diesem gehörte, in Anspruch.771 Wie für Driesen (s. ausführlicher unten) so war auch für Zantoch von Dobirgost von der Ost im Jahre 1365 dem polnischen König gehuldigt worden.772 Auf diesen Akt der Familie von der Ost, die in der Folgezeit zwischen den Seiten, d. h. Polen und Brandenburg, lavierte, kam man dann von polnischer Seite auch wieder zurück.773 Sowohl Lüpke als auch Czacharowski ordnen die Prätentionen des Königs von Polen auf Zantoch in dessen langfristiges und etappenweises Vorhaben ein, die Neumark bzw. einige Burgen und Städte, darunter eben Zantoch, im Grenzgebiet zu erobern.774 Der Orden vertrat in der Folgezeit gegenüber allen Seiten seine Ansprüche auf Zantoch. Für die erste Zeit nach der Erwerbung ist die Quellenlage jedoch dünn. Akuter wurde die Frage nach dem Recht auf Zantoch aber offenbar ohnehin erst ab dem Jahre 1405. Zumindest trat Jost von Mähren in dieser Frage an den Hochmeister heran. Dieser antwortete daraufhin am 16. März, dass laut dem König von Ungarn und den Mannen und Städten der Neumark Zantoch eben dieser zugehöre, er jedoch gerne davon zurücktrete, sollte der König von Ungarn 771 Lüpke, Zantoch, S. 47; Czacharowski, Adel, S. 160. Vgl. auch Heidemann, Luxemburger, S. 229. 772 Czacharowski, Adel, S. 152; Lüpke, Zantoch, S. 44–45. 773 Die Vorgeschichte ist zwar unter den Vorzeichen einer bestenfalls nationalen Historiographie, aber dennoch konzise bei Lüpke, Zantoch, zusammengefasst. 774 Czacharowski, Adel, S. 161 (hier konkret auf 1407 bezogen), bzw. Lüpke, Zantoch, der auch die Vorgeschichte einbezieht.

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Zantoch lieber Jost übergeben wollen.775 Dies war aber wahrscheinlich nicht die wirkliche Auffassung des Hochmeisters, der diesen Satz nur zur Beschwichtigung Josts geschrieben zu haben scheint und vielmehr weiterhin auf den Besitz von Zantoch setzte, das er für einen Teil der Neumark hielt und auch halten wollte. Dies geht aus einem Brief an König Sigismund vom gleichen Tag hervor,776 in dem er diesen daran erinnerte, dem Orden geschrieben zu haben, dass Zantoch eben Teil der Neumark sei, wie zudem auch die Mannen und Städte der Neumark bestätigt hätten. Vom Angebot, zugunsten Josts vom Besitz mit der Zustimmung Sigismunds zurückzutreten, ist hier bezeichnenderweise keine Rede mehr. Der Hochmeister bat vielmehr darum, sich mit diesem in dieser Angelegenheit auseinanderzusetzen. Zudem geht aus dem Brief hervor, dass Zantoch immer noch in der Hand der Johanniter sei,777 die sich auch auf Jost beriefen. Letzte Teilzahlungen an Sigismund für die Neumark wurden auch daher noch einbehalten, so u. a. 400 Mark, die nur bei einer Freiung Zantochs gezahlt werden sollten.778 Kouffe wirs nicht, so dorffe wirs ouch nicht beczalen – so schließt der Hochmeister in dieser Angelegenheit.779 Es wird hiermit deutlich, dass sich der Hochmeister nach der theoretischen Anerkennung der Zugehörigkeit Zantochs zur Neumark, die zwar 1402 noch fraglich, mittlerweile von Sigismund aber bestätigt worden war, auch um ihre praktische Zugehörigkeit bemühte. Noch standen die Johanniter dem aber entgegen. In dieser Frage wurden vom Orden Fakten geschaffen, als 1406 auch Polen Ansprüche anmeldete und militärisch durchsetzen wollte.780 So kam es, dass wohl im März 1407 der Vogt der Neumark die Johanniter ignorierte und die Burg stärker bemannen und ausrüsten ließ, nachdem vorher schon erwogen werden musste, die Burg besser niederzubrennen, was aber wegen der Johanniter verhindert wurde.781 Die Polen wandten sich daraufhin vorerst anderen Zielen zu.

775 OF 3, S. 189. 776 OF 3, S. 188–189. 777 Schon 1401 hatte Johann von Wartenberg eigentlich den Befehl von Sigismund erhalten, Zantoch von den Johannitern wieder auszulösen; vgl. Voigt, Neumark, S. 15. 778 S. dazu auch Neitmann, Pfandverträge, S. 11–12. Dieses Verfahren ist schon in einer hochmeisterlichen Urkunde vom 24. Februar 1403 festgehalten worden; gedr. Neitmann, Pfandverträge, 4.a. 779 Vgl. Voigt, Neumark, S. 56 (mit einer Quellenangabe, die nicht nachvollzogen werden kann). 780 Dass hinsichtlich der Grenzen von Zantoch auch von Polen Vorbehalte angemeldet worden waren, geht aus dem schon mehrfach angeführten Brief des Hochmeisters an den König von Ungarn vom 17. September 1406 hervor; OF 3, S. 272–273; gedr. CDBr A 18, LXVIII, S. 323– 324; vgl. Voigt, Neumark, S. 68. Auch Balduin Stal schrieb an den Hochmeister wegen der Ansprüche des Königs von Polen u. a. auf Zantoch; OBA 893. 781 OBA 965; vgl. Voigt, Neumark, S. 71; Lüpke, Zantoch, S. 48.

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So wurden mit diesem fait accompli gegenüber den Johannitern gleichzeitig auch die polnischen Ansprüche abgelenkt. Unklar bleibt aber, inwieweit Konrad von Jungingen, der für solche schnellen Entscheidungen eigentlich nicht bekannt ist, dafür verantwortlich zu machen ist. Zudem bleibt offen, inwieweit der Vogt der Neumark hier nicht sua sponte gehandelt hat. Zwar hatte Konrad schon vorher durchaus so deutliches Interesse an Zantoch gezeigt, dass hier ein energisches Wirken nicht ausgeschlossen werden kann, jedoch wird die Position von Balduin Stal aus einem Brief deutlich, den er am 11. Mai 1407 an den Hochmeisterstatthalter zu dessen Information hinsichtlich dieser Lage schrieb:782 Er machte deutlich, dass Zantoch nur an die Johanniter verpfändet worden sei, nach der Auslösung aber an die Neumark zurückfalle. Aus diesem Grund durfte der Vogt der Neumark Zantoch nicht in fremde Hände gelangen lassen;783 schließlich bestand die Möglichkeit, dass Sigismund die Neumark wieder auslösen konnte. Eine Schmälerung des Umfangs wäre auf den Orden zurückgefallen. Am Ende von Konrads Leben gehörte Zantoch dann damit de facto zur neumärkischen Ordensherrschaft. Paradoxerweise haben hier die Absichten Polens dazu geführt, die Johanniter aus dem Pfand zu drängen und damit auch die Ansprüche Josts zu erledigen. Der Orden schlug somit zwei Fliegen mit einer Klappe. Die 1402 noch fragliche Zugehörigkeit Zantochs zur Neumark wurde von Sigismund recht schnell reklamiert, was Konrad dann auch offenbar willkommen war. Damit verband sich aber eben auch die Verpflichtung, Zantoch auch in der Praxis bei der Neumark zu erhalten, wofür sich insbesondere der Vogt der Neumark verantwortlich fühlte. Es war wohl eher seiner und nicht Konrads Entschlussfähigkeit zu verdanken, dass Zantoch dann nicht nur theoretisch für die Neumark beansprucht werden musste. Zwar zeigte Konrad von Jungingen deutlich sein Interesse, auch bei unklaren Rechten eine Entscheidung zum Vorteil des Ordens durchzuführen, dennoch ist es schwierig, hier ein langfristig erdachtes Expansionsvorhaben verwirklicht sehen zu wollen. Zum einen kam dieses Problem erst mit dem ohnehin nicht angestrebten Erwerb der Neumark auf. Es findet sich damit also eher eine Reaktion auf sich verändernde Rahmenbedingungen. Zum anderen dürfte der Ablauf zeigen, dass Konrad nur zögerlich reagierte – es waren seine letzten Lebenstage – und es der Vogt der Neumark war, der hier Fakten schuf. Für Konrad finden sich keine Motive für dessen Interesse an Zantoch dokumentiert. Der Vogt der Neumark hingegen berief sich in dem genannten ordensinternen Brief, in dem Verzerrungen unwahrscheinlich sind, auf die Verpflichtung, die von Sigismund in Pfand genommene Neumark ungeschmä782 OBA 922; vgl. Voigt, Neumark, S. 71–72. 783 So beschreibt es der Vogt der Neumark ebd. selbst.

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lert zu erhalten. Dieses Konglomerat aus Motiven und Handlungen dann als Expansions- oder Arrondierungspolitik zu betrachten, fällt jedoch schwer. Zwar kam es dem Hochmeister entgegen, dass Sigismund die zunächst unklare Rechtslage mit einem Machtwort seinerseits löste. Der Orden war dadurch allerdings in seinem Handeln eingeschränkt, da er nun das Pfand wahren musste, hatte darin aber auch eine Begründung, die schwach aufgestellten Johanniter herauszudrängen. Alles in allem müssen die Handlungen des Ordens damit eher als ein Versuch gewertet werden, die Ansprüche Polens abzuwehren. Aus der Sicht Konrads, der diese Angelegenheit als Grenzstreitigkeit gegenüber Sigismund ausgab und diese sicherlich auch als solche betrachtete, scheint es sich damit eher um eine Angelegenheit gehandelt zu haben, in der eine defensive Abwehr von Ansprüchen im Mittelpunkt stand und weniger eine aktive Durchsetzung eigener Expansionsziele. 3.1.6.2.3 Driesen Der auch in der Sekundärliteratur prominentere Konflikt um Driesen – nach Voigt der wichtigste Pass an der Netze784 – hat hingegen deutlich mehr Quellenmaterial produziert.785 Der Kauf von Haus und Stadt Driesen seitens des Deutschen Ordens von Ritter Ulrich von der Ost und dessen Familie hat dann auch Eingang in Weises Edition der Staatsverträge des Deutschen Ordens gefunden. Zwar fällt der endgültige Kauf Driesens – gelegen in der Neumark, wie nicht zufällig besonders betont wird – erst in die Regierungszeit Ulrichs von Jungingen (7. September 1408), doch stellt Weise die Verkaufsurkunde an den Schluss der Abfolge und ordnet sie bemerkenswerterweise unter die Nachurkunden ein.786 Ebendort subsumiert findet sich auch eine Erklärung Ulrichs von der Ost schon vom 5. Februar desselben Jahres, in der die Zugehörigkeit Driesens als altes Lehen Brandenburgs zur Neumark und nicht zu Polen betont wird.787 Daher sei er zu den Verschreibungen an Polen – gemeint sind die vom 25. Mai 1402 und 24. Juni 1405, auf die noch zurückzukommen ist – nicht berechtigt gewesen. Er schob diese Verfehlung seiner Unerfahrenheit zu und betonte, dass die Seinen davon nichts gewusst hätten. 784 Voigt, Neumark, S. 36. 785 S. auch hier wieder aufgrund des Detailreichtums v. a. Voigt, Neumark, aber auch Czacharowski, Adel, und ders., Spjr, sowie Rymar, Panowie, insbes. S. 51–61 für die Zeit Konrads, wobei fraglich ist, inwieweit dieser Aufsatz nur auf gedruckten Quellen und Regesten basiert, sowie Czaja, Santok, und ferner Rymar, Losy. Für die Vorgeschichte ist wieder Czacharowski, Santok, zu erwähnen. – Unter OBA 27847 findet sich eine schriftliche Gedankenstütze des Ordens, welche Aspekte in diesem Rechtsstreit eine Rolle spielten. Da weder Datum, Urheber noch Adressat erkennbar sind, hilft dieser Stichwortzettel nicht weiter. 786 SDOP, 45 (Regest) (Nachurkunde b); gedr. CDBr A 18, LXXVI, S. 330–332. 787 SDOP, 44 (Regest) (Nachurkunde a); gedr. CDBr A 18, LXXIII, S. 328–329.

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Am gleichen Tage stellte Ulrich von der Ost diese Situation auch König Sigismund vor mit der Bitte, sich für ihn beim Hochmeister einzusetzen, dass er vor Gewalt geschützt werde und Driesen bei der Neumark gehalten werden solle.788 Interessanterweise ist dieser Brief über die Registerüberlieferung des Ordens erhalten. Aufgrund des Inhalts ist es unzweifelhaft, dass Brief und Urkunde den endgültigen Verkauf Driesens an den Orden vorbereiten sollten und dieser auch sehr eng am Prozess beteiligt war. Da sich diese Geschehnisse nach dem Tode Konrads abspielten, kann der sich 1407/1408 vollziehende Prozess jedoch keine Aussagekraft für die hier zu untersuchende Fragestellung nach der Außenpolitik des Ende März 1407 verstorbenen Hochmeisters Konrad haben. Für die Vorgeschichte ist an dieser Stelle aber wichtig, dass in diesen abschließenden Urkunden die wesentlichen Punkte durchscheinen, auf denen der Konflikt zwischen dem Hochmeister und dem polnischen König beruhte. Es ging hier im Wesentlichen (wieder) um die umstrittene Frage, ob Driesen eigentlich zur Neumark gehörte oder doch zu Polen. Erschwert wurde die Situation dadurch, dass Ulrich von der Ost, der Inhaber Driesens, noch in jüngster Zeit dem polnischen König gehuldigt hatte, wovon jener sich nun distanzieren musste, um dem Orden den Kauf zu ermöglichen. Der Hochmeister hingegen berief sich dabei auf den Standpunkt, dass Driesen ein altes brandenburgisches Lehen sei. Das hatte schließlich auch Sigismund mehrfach bestätigt. Ein weiteres Schwanken Ulrichs von der Ost zwischen den Seiten wollte der Orden durch die Inbesitznahme offensichtlich endgültig verhindern. Damit wären die inhaltlichen Punkte erfasst, die auch schon unter Konrad von Jungingen umstritten waren, und auf denen der Konflikt beruhte. Bemerkenswert für die Rezeption und Bewertung ist dabei vor allem, dass Weise den endgültigen Kaufvertrag nur nachgeordnet hat. Als wesentlich für die Lösung des Konflikts betrachtet er jedoch schon den Räumungs- und Tauschvertrag zwischen Ulrich von der Ost und Hochmeister Konrad von Jungingen vom 23. September 1405, den er als Haupturkunde in den Mittelpunkt stellt.789 Es wurde darin festgelegt, dass Ulrich von der Ost Driesen dem Hochmeister auf ein Jahr übergeben solle, um währenddessen dafür Lippehne zu erhalten. Während 788 OF 3, S. 322–323; gedr. CDBr A 18, LXXIV, S. 329–330. 789 SDOP, 42 (Regest) (Hauptvertrag a); gedr. CDBr A 18, LXIV, S. 319–321 (Urkunde Ulrichs von der Ost) bzw. LXIII, S. 318–319 (Urkunde des Hochmeisters); vgl. Voigt, Neumark, S. 60. Es muss betont werden, dass auch Johann von Posilge, SSRP 3, S. 281, diesem Vertrag durch seine Erwähnung eine besondere Bedeutung zuerkannt hat: Item in desim jare uf den herbest nam der ordin yn das hus czu Drysin von hern Ulrich von Drost in vorsatczunge und den sinen; und was doch weder den koning. Als Hauptvertrag b, SDOP, 43 (Regest), wird eine Verlängerung des Ordensbesitzes von Driesen vom 17. Juli 1407 um ein weiteres Jahr angeführt; gedr. CDBr A 18, LXXII, S. 327–328.

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dieses Jahres sollten dann Unterhändler beider Seiten über einen endgültigen Verkauf Driesens verhandeln, der schließlich auch zustande kam, allerdings – wie dargelegt – erst 1408. Nichtsdestotrotz wird mit dieser Urkundenanordnung die Inbesitznahme bzw. der de-facto-Erwerb Driesens von Erich Weise als zukunftsweisend betrachtet und als Verdienst Konrad von Jungingen zugerechnet. Da diese Sicht nur ex eventu möglich ist – andere Möglichkeiten des weiteren Verlaufs bestanden zu diesem Augenblick schließlich noch und waren nicht einmal unwahrscheinlich –, dürfte sich diese Anordnung offensichtlich aus Weises für die Anlage seiner Edition fundamentalen Grundthese ergeben, dass Konrad für die größte territoriale und zielgerichtete Expansion des Ordenslandes maßgeblich verantwortlich war. Die Ergebnisse auf den Pergamenturkunden in der Anordnung nach Weise lassen eine solche Sicht durchaus als möglich erscheinen, auch wenn dies besonders in diesem Fall schon auf den ersten Blick etwas gewollt aussieht. Aber auch hier muss der Prozess, der zum Tauschvertrag führte, in die Betrachtungen hineingenommen werden, um zu prüfen, inwieweit die Expansionsthese Weises für Konrad von Jungingen stimmt. Hat also Konrad tatsächlich eine langfristig zielgerichtete territoriale Eroberungspolitik betrieben und dabei auch Driesen für den Orden in Besitz genommen? Die Anordnung und Kommentierung der Vorurkunden durch Weise zerstreut den eben geschilderten ersten Eindruck, der bei der catenatischen Lektüre der Staatsverträge auftritt, zumindest nicht, um es vorsichtig auszudrücken. Als erste Vorurkunde wird die Vereinbarung zwischen dem Vogt der Neumark und dem Hauptmann von Krakau, Thomiko Podczessze, vom 10. September 1404 angeführt, in der eine Zusammenkunft von Unterhändlern in Aussicht genommen wurde, auf der beide Seiten ihre Beweise für das Recht an Driesen vorlegen sollten. Weise fügt an, dass das Rechtserbieten vom Hochmeister ausgegangen sei.790 Dieser bat Thomiko Podczessze dabei auch, von einer Belagerung Abstand zu nehmen, da Driesen nach einem Brief von Sigismund zur Neumark gehöre. Bemerkenswert ist jedoch, dass die Anregung zu dem Versuch der Einigung vom Vogt der Neumark ausgegangen war.791 Das dürfte zeigen, dass Balduin in den neumärkischen Angelegenheiten deutlich besser informiert war als der Hochmeister und hier auch mit einem gewissen Eigenengagement handelte, der Hochmeister also nur mittelbar am Beginn mancher Handlung beteiligt war. Zu einer Lösung zwischen dem Orden und Polen führte dieser Einigungs790 SDOP, 40 (Regest); gedr. CDBr A 18, LIX, S. 314–315 (Urkunde des Ordens). Das Rechtserbieten ist zu entnehmen OF 3, S. 173; gedr. CDBr A 18, LXI, S. 316–317. 791 Das geht aus dem Brief der polnischen Unterhändler an Balduin Stal hervor; OBA 764; so schon SDOP, S. 45.

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versuch jedoch vorerst nicht. Jedenfalls versuchte der König von Polen nicht viel später, am 24. Juni 1405, Driesen in den Besitz zu bekommen, indem er einen Tauschvertrag mit Ulrich von der Ost vereinbarte.792 Ohne dass man sagen könnte, was sich in der Zwischenzeit genau zugetragen hatte, kann vorweggenommen werden, dass dieser Vertrag nicht in Kraft getreten ist.793 Es kam kurze Zeit später schließlich der von Weise so prominent platzierte Tauschvertrag mit dem Orden zustande, obwohl Ulrich von der Ost für Driesen vom polnischen König der Besitz mehrerer Dörfer in Aussicht gestellt wurde. Das hat Weise zu der Bewertung verleitet, dass die Höhe des Gebotenen zwar einerseits zeige, wieviel dem polnischen König daran gelegen habe, aber auch andererseits die Schwäche dessen rechtlicher Position belege.794 Wie man diese an dieser Stelle nun auch immer genau einschätzen will, es muss dennoch in Erinnerung gerufen werden, dass der Grund für den Streit um Driesen (und auch Zantoch) nicht zuletzt darauf zurückging, dass schon 1365 Dobirgost von der Ost für Driesen und Zantoch dem König von Polen gehuldigt hatte.795 Darauf weist auch Weise hin, der zu Recht für das Paktieren mit beiden Mächten den wechselnden Druck der Verhältnisse verantwortlich macht.796 Das Grundproblem hatte seine Wurzeln also schon in früherer Vergangenheit. Noch kurz vor dem Erwerb der Neumark durch den Deutschen Orden wurde diese Angelegenheit aktualisiert, als Ulrich von der Ost nach dem Tod seines Vaters am 25. Mai 1402 Driesen als Lehen von Władysław-Jagiełło genommen hatte,797 »obgleich es als nördlich der Netze gelegen unzweifelhaft zur Neumark gehörte«798, wie Weise abschließend und apodiktisch urteilt. Aus diesem Grund hebt er angesichts des angestrebten Tauschvertrags zwischen dem König und Ulrich von der Ost von 1405 hervor, dass sich kurz zuvor der König in den Thorner Ergänzungsverträgen zum Frieden von Racianz (10. Juni 1405) noch verpflichtet hatte,799 1) als Grenzen der Neumark diejenigen anzuerkennen, die der Orden zur Zeit der Übergabe vorgefunden habe, und 2) alle eventuellen Grenzstreitigkeiten per amicabilem composicionem mit dem Hochmeister zu regeln. Dieser Versuch, »unter der Hand« mit Ulrich von der Ost zu einer Einigung kommen zu wollen, entsprach dem Geist dieser Regelung daher eigentlich nicht. Weise wirft damit dem polnischen König vor, auch von ihm 792 793 794 795 796

SDOP, 41 (Regest), gedr. CDBr A 18, LXII, S. 317–318. Voigt, Neumark, S. 59. SDOP, S. 46. Lüpke, Zantoch, S. 44. SDOP, S. 45; anders als van Nießen, der dies auf eine ›Weinlaune‹ zurückführt, was die politische Dimension dieser Angelegenheit doch etwas wenig zur Geltung kommen lässt; vgl. van Nießen, Burg, S. 36. 797 Lites 22, XLI. 798 SDOP, S. 45. 799 SDOP, 37.

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anerkannte Grenzen nicht zu wahren und die Thorner Ergänzungsverträge nicht ernst zu nehmen, sondern wissentlich gegen diese zu verstoßen, um ins Ordensland zu expandieren. Jedoch muss auch an dieser Stelle hervorgehoben werden, dass die polnische Seite eine andere Sicht der Dinge vertrat. Zum einen muss es als fahrlässig erachtet werden, dass in den Ergänzungsverträgen keine Grenzen exakt benannt wurden, sondern die Grenzen nur allgemein als geltend festgesetzt wurden, die der Orden vorgefunden habe. Dass doch gerade der umstrittene Aspekt war, welche Grenzen vorgefunden worden waren, dürfte hinreichend deutlich geworden sein. Es kommt hinzu, dass überhaupt die Netze als Grenzscheide nicht so unzweifelhaft war, wie Weise es kommentiert, um die polnische Seite ins Unrecht zu setzen. Der Konflikt um Driesen begann schließlich 1403 genau aus diesem Grund und wurde an den Hochmeister von Hauptmann Sandziwog von Meseritz herangetragen,800 der sich darüber beschwerte, dass Balduin Stal widerrechtlich Güter, wie Driesen, beanspruche, die jedoch zu Polen gehörten.801 Der Hochmeister war offensichtlich überrascht. Zumindest war er nicht informiert, sondern überwies die Angelegenheit an Balduin zur Beantwortung, der in seiner Antwort auch ankündigte, dem Hochmeister einen Bericht über die Sachlage zu schicken. Zum einen bestand der Vogt der Neumark gegenüber Sandziwog von Meseritz darauf, dass Driesen Ulrich von der Ost mit guten rechtlichen Beweisen über dessen Besitzrecht von den alten Fürsten und Markgrafen der Mark überwiesen worden sei. Zum anderen ist, so geht es aus der Antwort des Vogtes hervor, vom Hauptmann auch das Argument vorgebracht worden, dass die Netze als Grenzfluss zwischen Polen und der Neumark anzusehen sei. Jedenfalls antwortete Balduin Stal darauf, dass in diesem Falle die vielen Lande und Güter des Königs von Polen diesseits der Netze dann mit Recht zur Mark gehören würden. Aufgrund des Berichts des Vogtes der Neumark an den Hochmeister, der mit guter Wahrscheinlichkeit auf den 26. Februar 1403 zu datieren ist, lässt sich das Schreiben des Vogtes an den Hauptmann Sandziwog von Meseritz zeitlich als vorhergehend einordnen.802 Es ist eindeutig, dass der Vogt der Neumark in dieser Angelegenheit die Fäden in der Hand hatte. Das dürfte vor allem daran gelegen haben, dass er es war, der über die notwendige Sachkenntnis und auch 800 Voigt, Neumark, S. 35, vermutet, dass dies auf Antrieb des polnischen Königs geschehen sei. 801 Das geht aus einem Brief von Balduin Stal an Hauptmann Sandziwog von Meseritz hervor: OBA 728; gedr. GGO 2, 1, 970 (Teildruck); vgl. Voigt, Neumark, S. 35–36. 802 OBA 698. Dieses Schreiben hat keine Jahresangabe, wird von JH I aber in das Jahr 1403 gesetzt. Grotefend hingegen nimmt als Jahr 1405 an; GGO 2, 1, 990 (Teildruck). Aufgrund der anderen in diesem Brief behandelten Aspekte dürfte jedoch das Jahr 1403 stimmig sein.

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die nötige Nähe verfügte. Der Hochmeister hingegen war in dieser Angelegenheit doch recht weit weg und musste vom Vogt instruiert werden. Das betraf dann einerseits die persönliche Einschätzung von Ulrich von der Ost seitens des Vogtes, der diesen als unzuverlässigen Charakter mit haltloser Gesinnung beschrieb.803 Andererseits betraf es die rechtliche Grundlage in dieser Streitfrage, d. h. konkret die Urkunden, die das Besitzrecht Ulrichs von der Ost und die Zugehörigkeit Driesens zur Neumark dokumentieren sollten. Wie aus dem Bericht hervorgeht, übersandte Balduin Konrad die Abschriften dieser Urkunden zur eigenen Prüfung. Eine schon längerfristig vorhandene Expansionsabsicht gegen die tatsächliche Rechtslage durch den Hochmeister lässt sich aufgrund dieser Situation schon grundsätzlich nicht annehmen. Wieder einmal war er gezwungen, auf von außen an ihn herangetragene Forderungen und andere rechtliche Auffassungen zu reagieren; dazu musste sich der Hochmeister in diesem Fall noch vorher über die Sachlage informieren lassen. Auf die fragliche Grenzziehung, d. h. die Netze als natürliche, strenge Grenze, ist man dann von polnischer Seite im Falle Driesens noch einmal zurückgekommen. Die Angelegenheit war hier – die Burg lag auf einer Insel umgeben von zwei Wasserläufen – dann auch noch etwas diffiziler, herrschten doch bei den Konfliktparteien unterschiedliche Vorstellungen davon, welcher dieser beiden Flussläufe als Netze zu betrachten war.804 Aus der unterschiedlichen Sichtweise wurden die polnischen Ansprüche abgeleitet, was der Vogt der Neumark offenbar nur schwer nachvollziehbar fand, wie der Tenor seines Briefs nahelegt. Weitere Diskussionen gab es in dieser Angelegenheit nicht. Beide Seiten beharrten auf ihrer Rechtsposition. Das spiegelt sich in der Fortführung des Konflikts im Herbst des Jahres 1404. Der König von Polen hatte sich im August mit der Bitte um Hilfe an den Hochmeister gewandt, da Ulrich von der Ost Polen heimgesucht habe. Aus diesem Grund, so der König, habe er seinem Hauptmann Thomiko befohlen, Ulrich von der Ost mit einem Heerhaufen aufzusuchen. An den Hochmeister erging daher die Bitte, seinem Vogt zu befehlen, Thomiko ggf. zu helfen. Das geht alles aus der Antwort des Hochmeisters hervor,805 der das Ansinnen des polnischen Königs ablehnte unter deutlicher Betonung darauf, dass Driesen zur 803 Voigt, Neumark, S. 59. Jahre später, am 6. Juli 1406, wandte sich der Vogt der Neumark an den Hochmeister in einer verwandten Angelegenheit. Balduin schrieb, das sich her Ulrich allewege me hot gehalden zu den Polan und zu den landen denne zur Nuwen Mark; OBA 875; gedr. GGO 2, 1, 1003 (Teildruck). Diese Charakterisierung zeigt, dass Ulrich von der Ost auch bis in die letzten Jahre von Konrads Amtszeit bei Balduin in einem üblen Ruf stand. 804 Das geht aus einem Bericht des Vogtes der Neumark an den Hochmeister vom 5. Januar 1404 hervor; OBA 790a; gedr. GGO 2, 1, 979 (Teildruck). Einer der Ströme hieß bei der polnischen Seite Berbenyk. 805 OF 3, S. 171 vom 7. September 1404; gedr. GGO 2, 1, 982 und 983; vgl. Voigt, Neumark, S. 50–51.

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Neumark gehöre. Der Hochmeister berief sich dabei auf den König von Ungarn, der dies bestätigt habe (auf Veranlassung des Ordens) und darauf bestehe, dass Driesen bei der Neumark verbleibe. Konrad bat abschließend um Schonung für Driesen, da dieses mitsamt der Neumark ihm zu getreuer Hand überwiesen worden sei. Der Hochmeister hatte sich also zwischendurch über die Auffassung Sigismunds informiert, der Driesen für die Neumark als dessen Pfandgeber reklamiert hatte. Konrad konnte nun natürlich erst recht keine Schmälerung des Pfands zulassen, da dies im Fall einer Auslösung auf den Orden zurückfallen würde. Am Ende dieser Episode standen zwar weiterhin zwei unterschiedliche Auffassungen, wobei die des Ordens nun auch von Sigismund bestätigt worden war. Anfang 1405 herrschte nun erst einmal Ruhe in dieser Angelegenheit. Bis zu dem gescheiterten Tauschvertrag mit Polen im Juni und dem letztlich vollzogenen mit dem Orden aus dem September, der so prominent platziert wurde, da er die Inbesitznahme Driesens durch Konrad belegt, existiert nur ein sicher zu datierendes Schreiben von Balduin Stal an den Hochmeister. Darin berichtete er, Ulrich von der Ost zweimal in Kenntnis darüber gesetzt zu haben, dass der Verhandlungstag über Driesen auf Pfingsten angesetzt sei.806 Viel kann man dieser Information nicht entnehmen. Es deutet nur darauf hin, dass der Orden nun den Kontakt suchte, Ulrich von der Ost aber offensichtlich etwas zögerlich war. Mit Blick auf die beiden Verträge lässt sich wohl sagen, dass dieser schon hier ein doppeltes Spiel trieb. Offenbar hatte aber der Orden, nachdem etwas unvermutet an ihn die Frage um die Zugehörigkeit Driesens zur Neumark herangetragen worden war, dessen (früheres) Verhalten als für die Lösung dieser Frage problematisch erkannt. Es wäre denkbar, dass spätestens hier nun der Orden die Initiative ergriff, um dieses Problem zu beseitigen und Driesen aus dem Besitz von Ulrich von der Ost zu bringen. Sollte dies so gewesen sein, dann wäre die Inbesitznahme Driesens vom Orden nun zwar als aktiv betrieben, aber dennoch weiterhin nur als mittelbare Reaktion auf die Querelen mit dem König von Polen einzuschätzen, dem gegenüber man sich darüber hinaus im besseren Recht wähnte. Eine längerfristig geplante territoriale Expansion, um die höchste Machstellung zu erklimmen, kann hier jedoch nicht erkannt werden. Mit dem Tauschvertrag vom 23. September 1405 kam der Orden dann, wie gezeigt, in den Besitz von Driesen. Die Zugehörigkeit zur Neumark war für die Ordensvertreter von vorneherein klar, doch wollte man mit diesem Schritt vermeiden, dass Ulrich von der Ost, der vom Vogt der Neumark ohnehin als wankelmütig eingeschätzt wurde, in dieser Angelegenheit zu einem anderen Urteil und mit dem polnischen König zu einer anderen Abmachung kam. So war 806 OBA 805 vom 27. Mai 1405. Dieser Brief ist um den Aspekt bzgl. Ulrichs von der Ost gekürzt gedruckt in CDBr A 18, XCVI, S. 160.

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es schließlich schon häufiger geschehen. Direkt nach diesem Vertrag traf der Hochmeister auch Anstalten, Driesen zügig in den Besitz zu nehmen.807 Damit war die Angelegenheit auf längere Sicht zwar mit Ulrich von der Ost geklärt; der König von Polen hingegen bemühte sich weiterhin um Driesen, da er die rechtliche Grundlage für die Ordensherrschaft noch immer infrage stellte. Er trat an den Hochmeister heran, der darauf dann reagieren musste. Jedenfalls lehnte der Hochmeister Ende Januar 1406 den vom König eingebrachten Vorschlag ab, die Entscheidung über Driesen den Herzögen Konrad von Oels und Ruprecht von Liegnitz ohne Einwilligung des ungarischen Königs zu überlassen.808 Der Hochmeister zeigte sich aber zu Verhandlungen bereit und willigte grundsätzlich ein, Driesen abzutreten, sollte sich ein besseres Recht des polnischen Königs erweisen. Der Hochmeister scheint sich seiner rechtlichen Position also ziemlich sicher gewesen zu sein. Das belegt auch ein tagesgleiches Schreiben (29. Januar 1406) an Vytautas,809 den der Hochmeister nun seinerseits um eine Vermittlung anging, in dem er diesem sein Recht darlegen wollte und versprach, sich dem als besser erkannten Anspruch fügen zu wollen. Zu einer Vermittlung kam es jedoch nicht; vielmehr musste sich der Orden nun nicht nur rechtlicher Anfechtungen erwehren, sondern auch solcher militärischer Natur. So berichtete der Hochmeister König Sigismund am 31. März 1406 von einem Angriff der Starosten und Hauptleute des Königs von Polen auf das umstrittene Gebiet, der nur aufgrund der schnellen Besetzung Driesens durch den Vogt der Neumark vergeblich geblieben sei.810 Obwohl auch Städte und Mannen der Neumark mit einem besiegelten Brief bestätigt hätten, dass Driesen von alters her zur Neumark gehöre und bynnen synen grenitzen liege, stehe er, der Hochmeister, im Verdacht des Königs von Polen, er wolle Driesen der Krone Polens entfremden. Der Hochmeister berichtete weiter davon, sich erboten zu haben, in Thorn öffentlich sein Recht zu vertreten, und dass der große Rat des Königs die besiegelten Briefe gelesen habe, die den Besitz Driesens von Ulrichs von der Ost Vorfahren seit Markgraf Waldemars Zeiten dokumentierten. Der Hochmeister übersandte die Urkunden in Abschrift an Sigismund und bat ihn in dieser Angelegenheit darum, den Orden von den polnischen Ansprüchen zu befreien. Dass der Hochmeister glaubte, König Sigismund nicht weiter von dieser Rechtslage überzeugen zu müssen, dürfte klar sein. Dieser hatte schließlich schon früher die Zugehörigkeit Driesens zur Neumark bestätigt. Er erinnerte ihn 807 Voigt, Neumark, S. 61. In diesem Zusammenhang ist wohl auch das undatierte Schreiben des Vogtes der Neumark entstanden, der u. a. wegen der Besetzung und Armierung des Hauses Driesen an den Hochmeister schrieb; OBA 841. 808 OF 3, S. 228; gedr. CDBr A 18, LXV, S. 321–322; vgl. Voigt, Neumark, S. 64. 809 OF 3, S. 228; gedr. CEV, CCCXXXVI; vgl. Voigt, Neumark, S. 64. 810 OF 3, S. 243–244; gedr. GGO 2, 1, 1001 (Teildruck); vgl. Voigt, Neumark, S. 65.

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jedoch eindringlich daran, um die im Kaufvertrag der Neumark verbriefte Unterstützung in solchen Fällen nun endlich zu erhalten. Wichtiger ist, dass aus diesem Brief wieder hervorgeht, dass der Hochmeister sich aufgrund der urkundlichen Rechtslage gegenüber Polen im besseren Recht wähnte, wobei er glaubte, dass es der polnische König schlicht nicht anerkannte. Hier dem Hochmeister eine territoriale Expansionsabsicht wider besseres Wissen gegen alles Recht zu unterstellen, wäre daher abwegig. Vielmehr reagierte er nur auf die militärischen und rechtlichen Anfechtungen. Sigismund hatte aber offensichtlich kein großes Interesse daran, seine vertraglichen Verpflichtungen gegenüber dem Orden einzuhalten. Er schickte nur einen Brief, in dem zwar noch einmal seine Auffassung, dass Driesen von alters her zur Neumark gehöre, betont wurde, gleichzeitig aber der Hochmeister auch eindringlich ermahnt wurde, dass er Driesen nicht abtreten dürfe. Für den Hochmeister war dieser Brief dahingehend erfreulich, dass noch einmal seine eigene Rechtsauffassung vom Pfandgeber bestätigt wurde. Jedoch blieb der Orden weiterhin ohne konkrete Unterstützung. Dies alles ergibt sich aus einer Notiz in einem hochmeisterlichen Schreiben an Vytautas, der weiterhin eine Art Vermittlerposition inne hatte.811 Zudem legte diese Ermahnung den Orden in seiner politischen Handlungsfähigkeit auch fest. Eine politische Konzessionsentscheidung der Abtretung war zwar ohnehin kaum wahrscheinlich, nun aber erst recht nicht mehr denkbar, wollte man sich nicht den doch scharfen Ermahnungen Sigismunds entgegensetzen. Angesichts einer solchen – modern gesprochen – Vergatterung konnte der Hochmeister nun jedoch hinterherschieben, dass er im Falle, dass die Entscheidung nur bei ihm liegen würde, ohne Bedenken Driesen dem König von Polen übergeben wolle. Diese Aussage hat in diesem Kontext daher etwas Wohlfeiles, zumal der Orden vorher angekündigt hatte, Vytautas noch einmal Beweise für sein besseres Recht darzulegen.812 Der Hochmeister versuchte also auf diese Weise zu demonstrieren, dass ihm die Hände gebunden waren. Er griff somit zu einem diplomatischen Trick, um Ruhe zu erlangen, aber auch hier muss man ihm zugestehen, dass er sich offensichtlich weiterhin im besseren Recht wähnte. Das dürfte auch der zweite Teil des Briefes nahelegen, in dem der Hochmeister sein Verhalten gegenüber dem polnischen König darlegte. Ausweislich dieses Schreibens hatte der König von Polen noch zu Pfingsten (30. Mai 1406) Gnewisch, Kastellan von Sandomir, und Iwan, Hauptmann von Brest, nach Königsberg gesandt, u. a. um wegen Driesen zu verhandeln. Der Hochmeister gab 811 Das Schreiben datiert auf den 2. Juni 1406; OF 3, S. 259–260; gedr. CEV, CCCXXXIX; vgl. Voigt, Neumark, S. 65–66. 812 Vgl. ebd. (jedoch ohne Einordnung des Zitats).

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damals aber keine Antwort, sondern bat darum, die nahende Zusammenkunft mit seinen Gebietigern abzuwarten, von deren Ergebnissen hinsichtlich Driesens er den König von Polen dann informieren wollte. Er informierte Vytautas auch darüber, dass er dem polnischen König angeboten habe, ihm Gebietiger zur Verhandlung über Driesen schicken zu wollen, wenn jener sich in der Nähe des Ordenslandes befinde und dass er das Land ggf. an den polnischen König übergeben würde, sollte dieser die Unterhändler von seinen Rechten überzeugen. Dies wurde jedoch – so insinuiert das hochmeisterliche Schreiben – vom König versäumt. Auch weitere Angebote, zu einer Klärung zusammenzukommen, seien nicht angenommen worden. Der Tenor des Briefes ist deutlich. Der Hochmeister referierte alle seine Versuche, sich gütlich zu einigen, und machte dabei gegenüber Vytautas den polnischen König für das Scheitern verantwortlich. Der Hochmeister versuchte aber auch weiterhin, mit dem polnischen König ein gutes Verhältnis zu bewahren, wie dessen freundlicher Dank vom 11. Juni 1406 für die Übersendung einiger Jagdfalken ausweist.813 Kurze Zeit später wurde dem König von Polen gegen die von ihm erhobenen Ansprüche auf Driesen die Ordensposition zusammenfassend entgegengehalten, wobei sogar die Dokumente zitiert wurden, von denen der Orden die Rechtmäßigkeit seiner Besitzansprüche herleitete.814 Der Hochmeister erklärte dabei vorweg, dass er die Grenzen der Neumark erhalten werde, wie er sie bekommen habe und wie sie seit jeher bestanden hätten. Zum Beweis, dass Driesen als ein altes Lehen an die Familie von der Ost zu betrachten ist, wurde auf die entsprechenden Urkunden der Markgrafen Waldemar und Ludwig rekurriert, deren Anfangs- und Datumszeile sogar wörtlich zitiert wurden. Besonders wurde betont, dass auch Sigismund Driesen noch kürzlich als ein solches Lehen bezeichnet hatte. Nicht zuletzt die Aktualisierung dieser Rechtsauffassung hat für den Orden handlungsleitend sein müssen – zumal auch die Einwohner der Neumark diese Sicht bestätigt hatten. Die Huldigungen von Ulrich von der Ost an die polnische Krone wurden demgegenüber für nicht wirksam erklärt, da dieser weder zwei Herren lehnspflichtig sein und Driesen dem eigentlichen Lehnsherrn auch nicht gegen seinen Willen entfremden könne. Die Argumentation des Ordens ist hier so komprimiert wie deutlich dargestellt. Kurz zusammengefasst besagt sie: Driesen habe seit jeher zur Neumark gehört und sei der Familie von der Ost von den Markgrafen von Brandenburg als Lehen überwiesen worden. Ulrich von der Ost habe daher kein Recht gehabt, dafür dem König von Polen zu huldigen. Die Inbesitznahme Driesens seitens des Ordens durch Gütertausch mit Ulrich von der Ost war daher in dieser Sicht 813 OBA 865. 814 OF 3, S. 256–257 (4. Juli 1406); vgl. Voigt, Neumark, S. 66, der diesen Brief in einen Zusammenhang mit dem ergebnislosen Verhandlungstag von Strasburg stellt.

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rechtmäßig und erfolgte, um den als wankelmütigen und zu Polen neigenden Ulrich von der Ost aus einer so bedeutenden Stellung herauszubitten. Es wird deutlich, dass sich der Hochmeister nicht zuletzt auch aufgrund der vorliegenden Dokumente im besseren Recht wähnte und die Anfechtungen des polnischen Königs als einen Versuch gesehen haben dürfte, von dessen Seite eine territoriale Expansion auf Kosten der Neumark zu betreiben. Für den Hochmeister war die Inbesitznahme Driesens damit ein Versuch der Expansionsabwehr – obgleich der polnische König vielleicht eine andere Perspektive hatte –, ein Versuch der ungeschmälerten Erhaltung des Pfands, was ihm schließlich auch als Aufgabe von Sigismund aufgegeben worden war. Man erkennt zwar eine Inbesitznahme Driesens durch den Orden; hier aber eine langfristig geplante territoriale Expansion wider alles Recht erkennen zu wollen, ist nicht angezeigt. Offensichtlich war es die Selbstwahrnehmung von Konrad, dass er hier das gute Recht des Ordens wahrte bzw. aufgrund der Pfandnahme auch zu wahren hatte, ohne dass der polnische König jedoch zwingend einer solchen Auffassung zustimmen musste. Die Ordenssicht der Dinge wurde nicht lange danach auch von der Ritterschaft und den Städten der Neumark bestätigt, die sich in einem Schreiben an Sigismund wandten.815 Auch sie rekurrierten auf die Urkunden der Markgrafen Waldemar und Ludwig als Beleg, dass Driesen ein brandenburgisches und kein polnisches Lehen, der polnische König aber taub für diese Argumente sei. Sie baten Sigismund daher, er möge sich beim König dafür einsetzen, das her sich losse gnugen an seiner eigen grenicze (…). Sie betonten eindringlich, dass Driesen zur Neumark gehöre. Ebenso baten sie, dass er die Rechte Ulrichs von der Ost vor dem König von Polen in Schutz nehme. Sigismund wurde abschließend daran erinnert, dem Hochmeister geschrieben zu haben, alles daran zu setzen, dass Driesen nicht von der Neumark getrennt werde. Auch Ulrich von der Ost wandte sich am 8. September 1406 in dieser Angelegenheit an den König von Ungarn mit der Bitte, sich beim König von Polen gegen dessen Forderungen (gar vorworren sachen) auf Driesen einzusetzen, da dieses sein veterlich erbe sei und er es schließlich auch von ihm, Sigismund, wie seine Vorfahren von den Markgrafen von Brandenburg als Lehen empfangen habe.816 Dass sich beide Schreiben in der hochmeisterlichen Registerüberlieferung erhalten haben, ist an sich schon auffällig. Dies dürfte auch kein Zufall sein. An Voigts Auffassung, der auf diesen Umstand nicht direkt eingeht, jedoch unhinterfragt davon auszugehen scheint, dass diese Briefe aus eigenem Antrieb von

815 OF 3, S. 271–272; gedr. CDBr A 18, LXVI, S. 322–323, vom 30. August 1406. 816 OF 3, S. 270; gedr. GGO 2, 1, 1005; vgl. Voigt, Neumark, S. 67.

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den Ausstellern verfasst und an Sigismund gerichtet wurden,817 wird man Zweifel anmelden müssen. Es dürfte mehr als nur wahrscheinlich sein, dass der Orden für diese Schreiben nicht nur der Initiator war, sondern dass diese sogar durch seine Kanzlei gegangen sind: Die Ähnlichkeiten zwischen beiden Briefen sind auffallend. Frappierend ist jedoch auch vor allem die Ähnlichkeit in den Formulierungen des Briefes der Mannen und Städte der Neumark und des hochmeisterlichen Schreibens an den König von Polen vom 4. Juli 1406, in denen auf die Urkunden der alten Markgrafen rekurriert wird. Zwar gibt es Unterschiede im Detail zu bemerken. Doch die Art und Weise, ältere Urkunden in dieser Art als Beleg anzugeben mit Anfangszeile und Datierung, findet sich in den älteren Briefregistern sonst nicht. Daher müsste es doch verwundern, sollte dies ein Zufall sein. Diese Umstände bedeuten nun nicht, dass diese Briefe gefälscht wären, sondern vielleicht eher verfälscht. Das Einverständnis seiner neumärkischen Untertanen für ein solches Verfahren war ohne Frage vom Orden leicht zu erreichen. Insgesamt zeigen die Briefe daher nun nicht nur das Einverständnis der Untertanen und Ulrichs von der Ost mit der Rechtsposition, sondern vielmehr auch, wie dringend der Wunsch des Hochmeisters war, dass Sigismund sich endlich vertragsgemäß direkt beim König von Polen in dieser Angelegenheit einsetzte, um die Ordensauffassung der Rechtslage durchzusetzen. Er scheute sich nicht, diesen Wunsch auch durch seine neumärkischen Untertanen an diesen herantragen zu lassen. Eine über das übliche Maß hinausgehende Verbindung zwischen dem Hochmeister und den Ausstellern in der Abfassung dieser Briefe wird nicht zuletzt auch durch die von Ulrich von der Ost vorgenommene Beglaubigung für Jacob Pfaffenstein nahegelegt, der im September als Ordensgesandter aus der Neumark zu Sigismund geschickt wurde. Jacob sollte – wie auch schon oben mehrfach angeführt – u. a. wegen der an den Hochmeister herangetragenen e Ansprüche auf Tankow, Zantoch, Hochzeit und eben von Drıszen mit synen greniczen und tzugehorungen, die von alders dotzu haben gehort, bei König Sigismund vorstellig werden und diesen um seinen Einsatz bitten, da der Orden die Neumark bei den Grenzen behalten wolle, wie er sie bekommen habe.818 Diesem Anliegen, das der Hochmeister schon häufiger vergeblich formuliert hatte, ist in diesem Fall schon durch die Schreiben der neumärkischen Untertanen vorgearbeitet worden. Offensichtlich wollte der Hochmeister nun endlich die von Sigismund versicherte Hilfestellung einfordern und scheute sich dazu nicht, seine Untertanen einzuspannen, denen er offenbar eine Formulierungshilfe angedeihen ließ, um die rechtlichen Ansprüche zu untermauern. Dass es sich in der Wahrnehmung des Hochmeisters in dieser Angelegenheit um 817 Vgl. ebd. 818 OF 3, S. 272–273; gedr. CDBr A 18, LXVIII, S. 323–324; vgl. Voigt, Neumark, S. 68.

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Grenzstreitigkeiten handelte, geht aus dem Schreiben deutlich hervor. Eine solche Auffassung hatte schließlich auch Sigismund so formuliert, doch eine praktische Hilfe gegenüber dem polnischen König versagte er dem Orden offenbar auch weiterhin.819 Die Angelegenheit um Driesen wurde auch zum Ende des Jahres noch einmal zum Verhandlungsgegenstand zwischen dem König und dem Hochmeister erhoben. Die Art und Weise, wie Konrad von Jungingen zu seinem Kenntnisstand kam, ist dabei aufschlussreich. Es findet sich ein Schreiben, in dem der Vogt der Neumark dem Hochmeister »befehlsgemäß« über die polnischen Gebietsansprüche (u. a. eben auch auf Driesen) berichtete bzw. diesen vielmehr instruierte und über die Rechtslage informierte.820 Dazu verwies er auf Briefe Ulrichs von der Ost, in denen die Rechtslage zu finden sei. Interessant ist die Formulierung. Es heißt hier wörtlich: das wert ewer gnoden wol fynden in her Ulrichs briffen, die ich undir syner offenbaren hand habe lassen usbylden und instrumentieren. Hiermit dürfte sich der Vogt (auch) auf den oben genannten Brief vom 8. September 1406 beziehen, in dem Ulrich von der Ost als Aussteller genannt wird, der aber überraschenderweise in den Registranten des Ordens überliefert wurde. Es war also der Vogt der Neumark, der diesen Brief im Namen Ulrichs von der Ost verfasst hatte. Man erkennt daher hier einen Beleg für die oben schon vermutete große Einflussnahme des Ordens. Diese ging aber nicht von dem in dieser Angelegenheit uninformierten Konrad von Jungingen aus, sondern es war der Vogt der Neumark, der die Zügel in der Hand hielt. Der Vogt instruierte den Hochmeister dann bzgl. möglicher Forderungen des polnischen Königs weiter, das her Ulrich hatte geholdet van allen seynen gutern, die er hot in der Nuwen Mark, und wysete seyne briffe dar off, das Dryßen zur Mark gehort; das sei zu der Zeit geschehen, zu der der Hochmeister im Frieden mit dem König und Vytautas gestanden habe. Der Brief zeigt noch einmal deutlich, dass der Hochmeister auf die Instruktionen des Vogtes der Neumark angewiesen war, der Konrad hinsichtlich der Rechtslage mit den Informationen versorgte, auf die er dann in seiner politischen Argumentation zurückgreifen konnte. Der Hochmeister reagierte in den für ihn fernliegenden neumärkischen Angelegenheiten also auf Anfechtungen von außen mit Kenntnissen, die er von seinen Amtsträgern bekam. Ein eigenes politisches Taktieren ist daher kaum zu erkennen. Offenbar ließen sich alle Entwicklungen hinsichtlich Driesens in der zweiten Jahreshälfte jedoch etwas langsamer an. Der Tauschvertrag zwischen dem Orden und Ulrich von der Ost vom 23. September 1405 hatte offensichtlich soweit 819 Auch Voigt, Neumark, S. 68, kennt keinen Beleg für ein Eingreifen Sigismunds, doch hält er es für nicht unmöglich, dass dieser sich beim polnischen König verwendet haben könnte. 820 OBA 893; gedr. GGO 2, 1, 1007 (Teildruck).

Der Erwerb der Neumark: Die Schaffung einer Landbrücke nach Westen?

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Fakten geschaffen, dass der polnische König von seinen Forderungen an Konrad nach den letzten schon beschriebenen vergeblichen Versuchen nun erst einmal abließ. Viel bemerkenswerter bzgl. der hier untersuchten Fragestellung ist jedoch, dass auch die im Vertrag in Aussicht genommenen Verhandlungen über einen Verkauf Driesens an den Orden weder von diesem noch von Ulrich von der Ost mit größter Eile betrieben wurden. Erst Anfang Februar 1407 kam es zu Verhandlungen. Der Komtur von Schlochau, der dorthin als Unterhändler (mit dem Vogt der Neumark) unterwegs war, übersandte dem Hochmeister nach seiner Rückkehr die protokollierten Antworten Ulrichs von der Ost.821 Diese Antworten und auch die folgenden Briefe zeigen, dass es dieser war, der nun einen raschen Abschluss in dieser Angelegenheit wünschte. Schon unter den beigelegten Antworten findet sich der Wunsch Ulrichs von der Ost nach einem schnellen Ende der Verhandlungen über den Verkauf ausdrücklich festgehalten. Das lag wohl nicht zuletzt daran, dass dieser sich mit dem Abschluss des Tauschvertrags mit dem Orden unter Missachtung des schon vorbereiteten Vertrags mit dem König von Polen vollständig bei Władysław-Jagiełło unmöglich gemacht hatte. Ulrich von der Ost lehnte daher auch weitere Kontaktaufnahmen ab, wenne der konyng von Polan in liebir tod sege den lebende, so die Formulierung in der Notiz des Komturs. Unter diesen Umständen musste es für Ulrich von der Ost tatsächlich sicherer sein, Lippehne, im Inneren der Neumark gelegen, zu halten und endgültig auf Driesen zu verzichten. Sollten die Notizen des Komturs stimmen, und es spricht rein gar nichts dagegen, handelte es sich doch um ein ordensinternes Dokument, auf dessen Basis die nächsten Schritte erfolgen sollten, dann betonte Ulrich von der Ost am Ende der Unterhandlung noch einmal, dass die (im Tauschvertrag vereinbarten) Verhandlungen so schnell wie möglich aufgenommen werden sollten. Offenbar hatte es der Hochmeister nun aber nicht mehr besonders eilig, den Kauf rechtlich endgültig zu klären, nachdem der Orden durch Tausch vorerst schon in den praktischen Besitz von Driesen gekommen war. Diese Lesart legt auch der Brief Ulrichs von der Ost an den Hochmeister vom 18. März 1407 nahe.822 Knapp eineinhalb Monate später sah Ulrich von der Ost sich gezwungen, den Orden nun förmlich anzubetteln, endlich weitere Verhandlungen zum Kauf von Driesen aufzunehmen, wie es schließlich auch verabredet sei. Seine Drohung, andernfalls Driesen aufgrund der längst abgelaufenen Jahresfrist zurückzunehmen, wirkt angesichts der Tatsache, dass er wieder zugeben musste, keine Verhandlungen mehr mit dem polnischen König führen 821 Das Antwortprotokoll, gedr. GGO 2, 1, 1011, ist eine Beilage zu OBA 910 vom 6. Februar 1407. 822 OBA 912; gedr. GGO 2, 1, 1012.

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zu können, da er in Ungnade gefallen sei, reichlich unbeholfen und verzweifelt; zumal er danach noch einmal um die Absendung der besagten Unterhändler bat. Geschehen ist jedoch vorerst nichts, doch dürfte daran nicht nur der Tod Konrads von Jungingen am 30. März 1407 Schuld gewesen sein, sondern auch der Umstand, dass beim Orden eine schnelle und endgültige Lösung keine Priorität hatte. Offenbar reichte es, dass die Zugehörigkeit Driesens zur Neumark hinreichend theoretisch anerkannt war und durch die Inbesitznahme und dem Herausdrängen Ulrichs von der Ost hier keine gegenteiligen Fakten mehr geschaffen werden konnten. Dadurch war dieser nun im Zugzwang und an den Orden gekettet, da er sich beim polnischen König durch sein Mäandern zwischen den Seiten nun gänzlich desavouiert hatte. Bemerkenswert ist, dass sich der Hochmeister nicht drängen, sondern sich vielmehr von den Geschehnissen treiben ließ. Auch hier setzte er offenbar mehr auf Reaktion denn auf tatkräftiges Agieren, mit dem er die Sache um Driesen endgültig hätte abschließen können. Das blieb dann Ulrich von Jungingen überlassen, der offenbar auch nicht recht in Eile war ; schließlich kam es erst im Jahre 1408 zu einem Kauf. Welches Fazit muss man hinsichtlich der übergreifenden Fragestellung nun ziehen, wenn man den eben dargelegten Prozess zusammenfassend betrachtet? Klar ist, dass am Ende von Konrads Leben der Orden Driesen zwar noch nicht gekauft, allerdings schon in den Besitz genommen und das faktische Verfügungsrecht darüber erhalten hatte. Lässt sich aus diesem Ergebnis nun jedoch tatsächlich schließen, dass Konrad im Konflikt um Driesen eine langfristig geplante territoriale Expansion gelungen ist? Die Anordnung der Quellen in den Staatsverträgen von Weise lässt eine solche Interpretation als naheliegend erscheinen. Stellt man jedoch auch hier den Ergebnissen der Pergamenturkunden – und nur diese sind in den Staatsverträgen gedruckt – den rekonstruierten diplomatischen Prozess gegenüber, der sich aufgrund des Konflikts entsponnen hatte, dann ergibt sich doch ein deutlich facettenreicheres Bild der Auseinandersetzung. All das lässt eine andere Motivation hinter Konrads Handeln wahrscheinlich werden. Es ist dabei jedoch wichtig, deutlich zwischen den Akteuren im Konflikt zu differenzieren: Dem Hochmeister Konrad von Jungingen mit seinem Orden stand der polnische König mit dessen Hauptleuten gegenüber, die alle Driesen für sich reklamierten: Konrad als Vertreter der Ordensherrschaft in der Neumark und der polnische König als Exponent Polens. Dazwischen stand Ulrich von der Ost, der als Inhaber des Lehens zwischen beiden Seiten hin und her lavierte und maßgeblich dazu beitrug, dass beide Seiten einen Rechtsanspruch auf Driesen erheben konnten. Die Rekonstruktion des Prozesses, der letztlich zur Übernahme Driesens durch den Orden von Ulrich von der Ost führte, unter Konrad jedoch vorläufig im Rahmen eines Tauschvertrags, hat gezeigt, dass hier Interesse und Initiative vom Deutschen Orden ausgingen. Spätestens 1405 wurde Ulrich von der Ost zu

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Pfingsten mehrfach zu Verhandlungen geladen, die sicherlich zum Ziel hatten, diesem die Verfügungsgewalt über Driesen (in welcher Form auch immer) zu entziehen. Es ist leider unklar, in welcher Weise auf Ulrich von der Ost eingewirkt wurde, den materiell eigentlich schlechteren Vertrag mit dem Orden abzuschließen und nicht mit dem König von Polen zu paktieren. Lässt sich aus all dem nun doch eine Art Expansionswunsch erschließen? Die direkten Hinweise aus dem Prozess sind ausgesprochen spärlich, nur der letztlich abgeschlossene Vertrag zeigt, dass hier Interesse seitens des Ordens vorhanden gewesen sein muss. Bemerkenswert ist, dass nach dem Tausch das Interesse Konrads an einem endgültigen Kauf merklich erlahmte, sodass Ulrich von der Ost regelrecht darum betteln musste, dass hier eine abschließende Regelung getroffen wurde. Dass der Orden ein Interesse daran hatte, den wankelmütigen Ulrich von der Ost aus der Stellung in Driesen zu entfernen, liegt nahe und scheint in den Quellen durch. Übermäßig aktenkundig wurde dies jedoch nicht. Trotz der Inbesitznahme unter Konrad, die zudem zunächst nur vorläufig war, von einer langfristigen Expansionspolitik des Ordens zu sprechen, fällt daher schwer. Das gilt umso mehr, da die eigentliche Konfliktlinie in dieser Angelegenheit zwischen dem Orden und Polen verlief und erst aus diesem Grunde das Verhältnis zwischen dem Orden und Ulrich von der Ost zu einem Problem wurde. Die Prozessrekonstruktion hat jedoch deutlich gezeigt, dass der Hochmeister – anders als im Fall von Zantoch, in dem schon beim Verkauf der Neumark mögliche Unklarheiten hinsichtlich des Besitzes urkundlich festgehalten wurden – hier nicht von vorneherein damit rechnen konnte, dass die Zugehörigkeit zur Neumark bestritten würde. Dieses Problem wurde an den Hochmeister durch die polnischen Hauptleute herangetragen. Erst nach einem Briefing durch den Vogt der Neumark, an den der Hochmeister das Problem zunächst delegiert hatte, war das Ordensoberhaupt über die Sach- und Rechtslage überhaupt informiert. Erst danach wurde Konrad aktiv. Auch hier sieht man also Hochmeister Konrad nur reagieren, was schon per se einer langfristig durchdachten Politik widerspricht. Nun musste der Hochmeister also plötzlich unterschiedliche Rechtsvorstellungen mit dem König von Polen aushandeln. Das Selbstverständnis des Hochmeisters dürfte dabei gewesen sein, dass er versuchte, ungerechtfertigte Expansionsansprüche durch Polen abzuwehren. Er wähnte sich mit ziemlicher Sicherheit im besseren Recht und versuchte daher nur, Rechte durchzusetzen, die er auch selber für nicht zweifelhaft hielt. Der polnische König dürfte dies wohl anders gesehen haben, aber dessen Motivation in dieser Angelegenheit kann nicht Gegenstand der Diskussion sein. Nachdem auch Sigismund als Pfandgeber der Neumark Driesen als dieser zugehörig bestätigt hatte, waren dem Hochmeister auch für eine (zwar schwer denkbare) politische Konzessi-

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onsentscheidung die Hände gebunden, da er das Pfand ungeschmälert erhalten musste, wie er sehr deutlich am 4. Juli 1406 noch einmal zum Ausdruck brachte. Der Konfliktprozess lässt sich also in keiner Weise als ein Versuch des Ordens fassen, eine territoriale Expansion zu betreiben, sondern als eine Abwehr von aus Ordenssicht unklarer rechtlicher Ansprüche, die vielleicht noch als Grenzstreitigkeiten zu beschreiben wären. Aus diesem Grund dürfte Konrad den Teilkonflikt mit Ulrich von der Ost weniger als außenpolitisches Problem betrachtet haben, sondern als innenpolitische Auseinandersetzung mit einem unbotmäßigen Untertanen, der seine Lehnspflichten verletzte. Alles in allem kann der Driesenkonflikt, der einerseits aus der Inbesitznahme Driesens bestand und andererseits damit aus der Abwehr der Ansprüche Polens, nicht als Expansionspolitik im eigentlichen Wortsinne gewertet werden. Dem (Selbst-)Verständnis des Ordens dürfte eine solche Auffassung in dieser Sache eben ohnehin nicht entsprochen haben. Alles in allem steht die Vorstellung von einer territorialen Expansion Richtung Driesen vorwiegend aufgrund der Aufnahme und Anordnung der genannten Urkunden in Weises Edition der Staatsverträge im Raume. Diese insinuiert durch den modernisierenden, unglücklichen Terminus im Titel, dass diese Verträge zwischen dem »Deutschordensstaat« und einer anderen externen Macht abgeschlossen worden seien, obgleich doch Weise selbst in seinen Kommentaren der Rechtsauffassung zustimmt, dass Driesen als zur Neumark zugehörig und Ulrich von der Ost als pflichtvergessener Untertan des Ordens zu betrachten sei. Aufgrund der Aufnahme der Verträge in die Edition und ihrer teilweise apodiktischen Kommentierung entsteht ein von Weise wohl auch selbst nicht bemerktes Spannungsverhältnis. Driesen wird somit dennoch implizit, trotz anderslautender Kommentierung, als ein weiteres Beispiel von zielgerichteter territorialer Expansion dargestellt. Dass eine solche Vorstellung den historischen Sachverhalt und Konrads Motive nicht bzw. nur sehr bedingt trifft, dürfte die genaue Analyse des Erwerbsprozesses gezeigt haben.

3.1.7 Zusammenfassung der Ergebnisse Am Ende der Rekonstruktion des Erwerbungsprozesses der Neumark und der (mal kürzeren und mal umfangreicheren) Analyse der Konflikte um kleinere Gebiete in und an ihren Grenzen müssen die Einzelergebnisse hinsichtlich der zu Beginn aufgeworfenen Fragestellung kurz zusammengefasst werden. Die Grundfrage lautete dabei, ob sich auch in den neumärkischen Angelegenheiten, wie insbesondere von Weise angemerkt wurde, eine langfristig geplante und zielgerichtete territoriale Expansion durch Konrad von Jungingen zeigt? War also der Erwerb der Neumark im Jahre 1402 die gezielte Schaffung einer

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Landbrücke ohne Zögern oder gar der Versuch, Polen von Westen her zu umfassen? Muss dann in den anschließenden Konflikten um die kleineren Gebiete der Versuch des Ordens gesehen werden, das Gebiet der gerade erworbenen Neumark zu arrondieren? Geht man nur von den bequem greifbaren Pergamenturkunden in Weises Edition aus, dann kann man dieser Interpretation auf den ersten Blick eine gewisse Plausibilität nicht absprechen. Doch nimmt man die flankierende Korrespondenz hinzu, über die der mikropolitische diplomatische Prozess rekonstruiert werden kann, dann ergibt sich eben ein deutlich anderes Bild. Hinsichtlich des Erwerbs der Neumark in toto zeigt der vorgeschaltete Prozess, dass der Hochmeister selbst keinerlei Anstalten machte, die Neumark für den Orden zu erwerben. Zwar wurde Dramburg kurz vorher geräuschlos erworben, doch darf dieser Umstand nicht dazu verführen, hier einen ersten Schritt zu sehen, der automatisch den Erwerb der Neumark als Krönung zur Folge haben sollte. Die Sachlage und der Gesamtkontext legen nahe, dass schon hier die Initiative von Sigismund ausgegangen war. Unzweifelhaft war es der ungarische König, der fest entschlossen war, die restliche Neumark im Ganzen danach an Preußen zu verpfänden. Der Hochmeister war vielmehr ein Getriebener von Sigismunds Initiativen. Zwar konnte Konrad ein solches Ansinnen mehrfach ablehnen und im Sande verlaufen lassen, doch als der polnische König als möglicher Pfandnehmer ins Spiel gebracht wurde, glaubte er reagieren und sich doch auf dieses unattraktive Geschäft einlassen zu müssen. Die viel angeführte Funktion einer Landbrücke zur Nachschubsicherung aus dem Reich scheint der Orden hier nicht gesehen zu haben; zumindest finden sich keine Hinweise darauf in den Quellen. Dies ist eine neuzeitliche Vorstellung. Der status quo wäre dem Orden offensichtlich am liebsten gewesen. Schon Czacharowski hat darauf hingewiesen, dass die Neumark wirtschaftlich wenig bedeutend und die politische Stellung gesichert gewesen sei, solange sie bei der Mark Brandenburg verblieb.823 Selbst die Neumark regieren zu müssen, war daher wenig erstrebenswert; einzig der Erwerb der Neumark durch Polen war offenbar ein größerer Alptraum.824 Im Erwerb einen Versuch des Ordens zu sehen, Polen seinerseits zu umfassen, ist daher gänzlich abwegig. Es muss daher Voigts Auffassung zugestimmt werden, dass der Erwerb widerwillig geschehen ist.825 Zufällig war er hingegen nicht. Dafür wurde von Seiten Sigismunds gesorgt. Im widerwilligen Erwerb der Neumark spiegeln sich dann darüber hinaus auch die fehlenden Handlungsal823 Czacharowski, Adel, S. 157. 824 Vgl. Kwiatkowski, Nowa Marchia, S. 35, der auch zu Recht darauf hinweist, dass die vormalige Gefangennahme Wilhelms von Geldern auf seiner Reise nach Preußen für die Überlegungen des Ordens keine Rolle gespielt hat. 825 Vgl. Voigt, Neumark.

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ternativen des Ordens wider. Der Erwerb und damit die deutliche Vergrößerung der Ordensherrschaft zeigen damit paradoxerweise eben nicht den Höhepunkt der Machtstellung, sondern vielmehr eine Machtlosigkeit gegenüber Sigismund. Der Orden war zu schwach, um den Erwerb, den Konrad eigentlich für eine Überspannung der Kräfte hielt, angesichts des Interesses Polens abzulehnen. Eine Verbesserung der Lage des Ordens durch den Kauf der Neumark gelang – wie schon Krollmann konstatierte – nicht.826 Alleine schon die sich aus dem Erwerb ergebenden Verwicklungen und Konflikte um kleinere Gebiete brachten keinen Gewinn, aber eine immer angespanntere Situation – vor allem mit dem polnischen König. Doch auch in dieser Hinsicht muss es als absurd betrachtet werden, Konrad eine längerfristige expansive Taktik zu unterstellen, wurden diese Fragen doch erst 1402 mit dem Erwerb plötzlich aktuell. Zudem wurden alle diese Fragen an den Hochmeister herangetragen, der davon teilweise ehrlich überrascht war. Wie gezeigt werden konnte, waren diese Konflikte in ihrer Ausprägung doch nicht unbedingt abzusehen. Hiervon ausgenommen sind die Querelen um Küstrin und Zantoch. Nur in diesen Fällen war dem Hochmeister vorher klar, dass diese ggf. andere Besitzer hatten, wobei aber die Rechtsansprüche, die an den Hochmeister herangetragen wurden, durchaus als zweifelhaft aufgefasst werden konnten. Die Anfechtungen hinsichtlich Driesens, Tankows und Hochzeits überraschten den Hochmeister hingegen. Der Hochmeister musste also ad hoc reagieren; für eine längerfristige Strategie gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Die konnte es auch kaum geben, spiegelt sich doch in der ordensinternen Kommunikation, dass hinsichtlich der meisten dieser Gebiete Konrad auch zu uninformiert und auf das Sachwissen des Vogtes der Neumark angewiesen war, um weiterreichende Ideen überhaupt haben zu können. Vielmehr war es der Vogt, Balduin Stal, der in den meisten Fällen aus Eigenengagement handelte.827 Überhaupt war auch hier die Handlungsfähigkeit Konrads als Pfandnehmer sehr begrenzt, da Sigismund selbstverständlich auf Erhalt des Pfands pochte und im Übrigen jedes Gebiet dafür reklamierte, was infrage gestellt wurde, sich jedoch entgegen seiner Zusage nicht um die Durchsetzung der Rechte kümmerte. Politische Konzessionsentscheidungen durch den Orden waren daher 826 Krollmann, Geschichte, S. 82. 827 Bemerkenswerterweise deutet sich an, dass es sich auf polnischer Seite ähnlich verhielt. Hier war der polnische König in seinen Beschwerden zuweilen recht uninformiert. Es waren dessen Hauptleute und Starosten, die Engagement zeigten. Für die Ordensforschung wäre es sicherlich reizvoll, die de iure bestehenden Handlungsspielräume von Amtsträgern mit den de facto ausgenutzten Möglichkeiten zu vergleichen. Insbesondere die Amtsführung von Balduin Stal (sowie die der anderen Vögte der Neumark) könnte hier ein Licht darauf werfen, in welchem Maße die konkrete Amtsführung auch auf die einzelnen Persönlichkeiten zurückzuführen ist.

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nicht möglich. Auch das alles zeigt, dass es sich nicht um Expansionsversuche des Ordens gegen alles Recht und wider besseres Wissen um die tatsächlichen rechtlichen Sachverhalte handelte. Vielmehr konnte gezeigt werden, dass man hier eine Abwehr von aus Ordenssicht eher unklarer Rechtsansprüche erkennen muss.828 Der Orden hatte zumeist gute Gründe, sich rechtlich auf der sicheren Seite zu wähnen, mochte v. a. der polnische König das auch sicherlich zuweilen anders gesehen haben. Versuche einer Arrondierung durch den Orden sind jedoch nicht zu erkennen.829 Es handelte sich also um Grenzstreitigkeiten und die Frage nach den besseren Rechten und ihrer historischen Interpretation. Zwar galt auch die praktische Durchsetzungsmächtigkeit seiner Ansprüche in manchen Situationen viel; eine Besetzung aufgrund von Konrads reinem Machtwillen findet sich hier jedoch nicht. Der Orden war als Pfandnehmer, wie schon oben geschrieben, auch in seiner Handlungsfähigkeit eingeschränkt, da Sigismund aus verständlichen Gründen darauf bestand, dass das Pfand ungeschmälert blieb. Das dürfte jedoch selbstverständlich nicht der einzige Grund für das Vorgehen des Ordens gewesen sein. In einem anderen Kontext erklärt der Vogt der Neumark am 6. 12. 1404 das außenpolitische Verhalten des Ordens dem Herzog von Pommern-Stolp gegenüber :830 »der Orden begehrt keines Herrn Land, noch gedenkt er, jemand das Seinige zu nehmen oder zu verwaltigen; aber was er irgend hat, das meint er auch zu behalten«. Es ist anzunehmen, dass diese Aussage auch die Sicht Konrads auf sein eigenes Handeln gegenüber den kleineren umstrittenen Gebieten in und an der Neumark treffen dürfte. Fazit: Weder die Expansionsthese noch die sich daran anschließende Idee der höchsten Machstellung sind in irgendeiner Weise haltbar – weder in Bezug auf die Neumark noch hinsichtlich der kleineren Gebiete. Abgesehen davon, dass die kleineren Gebiete unter einer solchen Fragestellung noch nicht übergreifend untersucht worden sind, ist es nicht zuletzt wieder das Quellenarrangement der Pergamenturkunden in der Edition von Weise, das eine solche Sichtweise provoziert. Die flankierende diplomatische Korrespondenz jedoch zeigt ein ganz anderes Bild der diplomatischen Prozesse, die einen unmittelbaren Einblick in

828 Czacharowski, Adel, S. 161, hat etappenweise Expansionsbemühungen von Seiten des polnischen Königs hinsichtlich der Neumark bzw. einiger strategisch wichtiger Städte und Burgen ausgemacht. 829 Gegen die Vorstellung einer territorialen Expansion spricht auch, dass es z. B. bei Küstrin ohnehin unumstritten war, dass es zur Neumark gehörte. Unklar war nur der Rechteinhaber. Aus Ordenssicht dürfte es sich hierbei auch nicht um Außenpolitik gehandelt haben, sondern eher um ein Bestreben, die landesherrlichen Rechte wieder in seine Hand zu bringen. Man erkennt an diesen Fällen die Probleme der modernen Begrifflichkeiten bei ihrer Anwendung auf mittelalterliche Sachverhalte. 830 OBA 773; zitiert nach der Modernisierung von Voigt, Neumark, S. 54.

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Die Neumark und kleinere Erwerbungen

die Motivlage der Akteure bieten und auf deren Basis die Auffassung einer zielgerichteten Expansion verworfen werden muss.

3.2

Exkurs: Die kleineren Erwerbungen an den Grenzen des Ordenslandes Preußen: Arrondierung durch systematische Erpfändung?

Neben der Neumark mit den besprochenen kleineren Gebieten gab es noch andere Territorien, gelegen an den Rändern des Ordenslandes Preußen, die unter Hochmeister Konrad von Jungingen im Besitz des Deutschen Ordens waren. Da sind einmal das Dobriner Land (unter der Ordensherrschaft von 1392–1405; die Vögte residierten auf der Burg Beberen/Bobrowniki) nebst Slotterie (1391–1405) zu nennen und zum anderen die von Masowien in Pfand genommenen Territorien Wizna (Wese) (1382–1402; mit einer Erneuerung des Pfandvertrages 1399), Zawkrze (1384–1399; Dezember 1407–1411) und Płon´sk (Plunczk), das 1397 zu den beiden bestehenden Pfandschaften hinzukam.831 Obgleich schon Reinhard Wenskus im Kauf und in der Pfandnahme kleinerer Gebiete an der Grenze eine systematische Ausweitung des Herrschaftsgebiets sehen wollte,832 sind diese zumeist nicht genauer in den Blick der Forschung geraten und in ihrer Bedeutung für die Vorstellung von einer zielgerichteten Expansion des Ordens nur selten gemeinsam angesprochen worden – ganz zu schweigen von einer tiefergehenden Untersuchung.833 Gouguenheim vertritt, ohne jedoch eine spezielle Prüfung vorgenommen zu haben, eine sehr ähnliche und nicht weniger dezidierte Auffassung in dieser Frage: »Comme les autres puissances du temps, l’Ordre, lorsqu’il dispose de moyens financiers suffisants, s’efforce d’8tendre son territoire ou de r8gulariser ses frontiHres en se portant acqu8reur de terres que leurs d8tenteurs mettent en gage«, wobei er insbesondere auf die Gebiete an den Grenzen zu Kujawien und Pommerellen im 14. und zu Beginn des 15. Jahrhunderts abhebt.834 Auch bei den kleineren Erwerbungen 831 Kleinste Pfänder müssen an dieser Stelle aus der Betrachtung ausgeschlossen werden: s. dazu Neitmann, Pfandverträge, S. 15–17, und Wrede, Grenzen, passim. 832 Wenskus, Ordensland, S. 375. 833 Über ganz vereinzelte Erwähnungen hinausgehend nur Biskup/Labuda, Geschichte, passim, v. a. S. 297–299. Die wirtschaftlichen Aspekte sind jedoch von Sarnowsky, Wirtschaftsführung, S. 414–425, untersucht worden. 834 Gouguenheim, Chevaliers, S. 305. In diese Richtung geht auch Nowak, Verhältnisse, S. 35, wenn er schreibt, dass der Orden dank seines Reichtums kleinere und mittlere Nachbarn habe aufkaufen können. Vgl. ebenso Neitmann, Pfandverträge, S. 1, der hier eine solche Auffassung andeutet, danach jedoch nicht die jeweils besonderen politischen Zwecke und konkreten Hintergründe der einzelnen Pfandschaften analysiert, sondern die rechtlichen Bestimmungen der Pfandverträge systematisch ordnet. Eine knappe inhaltliche Zusam-

Exkurs: Die kleineren Erwerbungen an den Grenzen des Ordenslandes Preußen

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wird – mit anderen Worten – eine zielgerichtete und geplante Expansion oder genauer noch eine Art Arrondierung gesehen. Es ist daher angezeigt, hier eine genauere Prüfung dieser Vorgänge vorzunehmen. Jedoch ist schon auf den ersten Blick anhand der Jahreszahlen ein für die hier zu untersuchende Fragestellung nach dem Charakter der Jungingenschen Außenpolitik gravierendes Problem zu erkennen: Obschon alle Gebiete in der politischen Korrespondenz von Hochmeister Konrad von Jungingen auftauchen – manche davon häufiger, wie z. B. Dobrin, das die Ordensdiplomatie hinreichend beschäftigt hat, die masowischen Pfänder dafür umso seltener –, hat der jeweilige Erwerb (bis auf von Płon´sk) schon vor dem Amtsantritt Konrads stattgefunden. Dieser hat also die sich daraus ergebenden Konflikte bzw. die damit notwendige diplomatische Kommunikation von seinen Vorgängern nur geerbt, den Erwerb aber nicht selbst ins Werk gesetzt. Für die Frage, ob sich im Erwerb eine zielgerichtete und systematische expansive Außenpolitik Konrads widerspiegelt, lässt sich aus der Mehrzahl der Fälle daher kaum methodisch Valides herleiten. Einzig Płon´sk und die Erneuerung der Verpfändung von Wizna fallen strictu sensu unter die Gebiete, die von Konrad erworben wurden und damit aussagekräftig sind. Ein kurzes und eher exkursartiges Kapitel kann daher reichen, um zu prüfen, welche weiterführenden Hinweise für die hier zu behandelnde Fragestellung (dennoch) zu finden sind.

3.2.1 Das Dobriner Land und Slotterie Die genannte Problematik gilt insbesondere für die Pfandnahme Dobrins835 (1392) und Slotteries836 (1391) von Herzog Władysław von Oppeln, wodurch ein länger andauernder Konflikt und damit eine Unmenge an politischer Korrespondenz zwischen Polen und Preußen entstand.837 Wie schon das Beispiel der Neumark gezeigt hat, lässt die nachfolgende Korrespondenz keine sicheren menfassung der Pfandschaften bietet das Handbuch Biskup/Czaja, Pan´stwo (Tandecki), S. 105–109. 835 Ebd., S. 107–108; hier ist auch die weiterführende Literatur verzeichnet; vgl. Neitmann, Pfandverträge, S. 4 und S. 6–8; Biskup/Labuda, Geschichte, S. 297 und S. 390; Aschkewitz, Geschichte, v. a. S. 275–280; Sarnowsky, Wirtschaftsführung, S. 416–417. 836 Biskup/Czaja, Pan´stwo (Tandecki), S. 107–108; hier findet sich auch weiterführende Literatur ; vgl. Neitmann, Pfandverträge, S. 6–8; Aschkewitz, Geschichte, S. 275, der die Initiative von Władysław von Oppeln hat ausgehen sehen, auf die der Orden bereitwillig reagiert habe. 837 Vgl. vorwiegend die entsprechenden Einträge in den Ordensfolianten 2a und 3, jedoch auch das OBA, wo sich zahlreiche Briefe in dieser Angelegenheit finden, die bei Gelegenheit einmal in toto aufgearbeitet werden müssten. Da die Grundfragestellung höchstens tangiert wird, kann dies an dieser Stelle aus forschungsökonomischen Gründen nicht geschehen; vgl. jedoch die Quellenangaben bei Sarnowsky, Wirtschaftsführung, S. 417, Anm. 13.

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Die Neumark und kleinere Erwerbungen

Schlüsse bzgl. der beim vorangegangenen Erwerb vorherrschenden Motive zu – zumal in diesem Fall Konrad von Jungingen zum Verpfändungszeitpunkt noch nicht einmal Hochmeister war. Auch er, der als Hochmeister die Pfandnahme der Neumark eigentlich dringend zu vermeiden gesucht hatte, hat sich danach für die Bestandserhaltung eingesetzt. Kurz gefasst: Konrad ist für den Erwerb Dobrins nicht verantwortlich zu machen, und die unter seiner Herrschaft entstandene diplomatische Korrespondenz wurde unter einer anderen Ausgangsbedingung abgefasst, sodass hier keine Erkenntnisse erlangt werden können, die mit denen hinsichtlich der anderen Gebiete, die als Beispiele für Konrads Expansionspolitik betrachtet wurden, vergleichbar wären. Es muss daher an dieser Stelle reichen, auf die oben im Kapitel zur Politik gegenüber Polen und Litauen erwähnten Schlaglichter in der Dobrinfrage hinzuweisen: Zwar beharrte Konrad auf dem Pfandbesitz von Dobrin und Slotterie bis zum Frieden von Racianz 1404 und der Auslösung durch den polnischen König im darauffolgenden Jahr, doch muss ein Unterschied gemacht werden, ob ein Gebiet, das der Hochmeister von seinen Vorgängern übernommen hatte, von den Nachfolgern bewahrt werden sollte oder ob selber aktiv ein Erwerb angestrebt wurde. Das Beharren auf dem Besitz dürfte zwar auf den ersten Blick den Vertretern der Expansionsthese entgegenkommen;838 die Übergabe der Gebiete an den König von Polen 1405 nach dessen Zahlung der Pfandsumme sollte jedoch gezeigt haben, dass Konrad Pfandschaften, deren Erwerb vor dem Hintergrund einer etwas undurchsichtigen rechtlichen Lage839 unter Teilnahme verschiedener Parteien stattgefunden hatte, nicht um jeden Preis halten wollte. Die Übergabe Dobrins an Polen und die vorangegangene langjährige und ostentative Weigerung des Ordens, die Verpfändung in einen Kauf umzuwandeln,840 dürften – trotz der in diesem Fall unterschiedlichen Ausgangsbedingungen – darauf hindeuten, dass Konrad eben kein Verfechter einer unbedingten territorialen Macht- und Expansionspolitik war, sondern sich vor allem an die rechtlichen Bindungen von Pfandverträgen halten wollte.841

838 Vgl. Aschkewitz, Geschichte, S. 277 und S. 278, der diesen Umstand für ein taktisches Manöver hält und als Ziel des Ordens die Anerkennung des Besitzes des Dobriner Landes erkennen will, wobei seine Argumentation nicht nur angesichts der Umstände doch etwas gedrechselt wirkt. 839 Vgl. dazu konzise ebd., S. 277. 840 Ebd. Vgl. auch den Quellenanhang von Neitmann, Pfandverträge. 841 Ein ähnlicher Umgang mit Pfandverträgen von Seiten Konrads zeigt sich auch in den Beispielen Gotland und Neumark.

Exkurs: Die kleineren Erwerbungen an den Grenzen des Ordenslandes Preußen

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3.2.2 Masowische Territorien: Wizna, Zawkrze und Płon´sk Was lässt sich nun aus den Pfandnahmen schließen, bei denen der Orden Territorien von Herzog Siemowit von Masowien in Besitz nahm? Zunächst muss konstatiert werden, dass der Forschungsstand hinsichtlich der Gebiete Wizna, Zawkrze und Płon´sk insgesamt wenig befriedigend ist, da die Gebiete zumeist kaum mehr als eine kurze Erwähnung finden.842 Die Frage, inwieweit eine systematische Expansion durch Pfandschaftspolitik betrieben wurde, ist dabei nicht explizit gestellt und erst recht nicht speziell auf die Regierungszeit Konrads von Jungingen gemünzt worden. Zudem wurden auch hier vor allem die Urkunden, in denen die Pfänder verbrieft bzw. ausgelöst wurden, in den Blick genommen, während der Verhandlungsprozess unter Konrad von Jungingen selbst kaum beachtet wurde. Letzteres dürfte vor allem daran liegen, dass zum Verpfändungs- und Auslösungsprozess – normalerweise über die flankierende Korrespondenz zu erschließen – unter Hochmeister Konrad von Jungingen schlicht so gut wie keine aussagekräftigen Quellen vorliegen.843 842 Die masowischen Pfänder werden, wenn überhaupt, allerhöchstens in Handbüchern bzw. Überblicksdarstellungen oder Studien mit einem anderen Themenschwerpunkt knapp erwähnt; vgl. Biskup/Labuda, Geschichte, S. 299 und S. 390; Biskup/Czaja, Pan´stwo (Tandecki), S. 108; Sieradzan, Spory, S. 358; Kowalczyk, Dzieje, S. 201–202; Rhode, Ostgrenze, S. 374–376 (jedoch mit Problemen in der Chronologie); Sarnowsky, Wirtschaftsführung, S. 415–416; Voigt, Geschichte, 6, S. 88, S. 165 und S. 216. Zu den Pfandverträgen an sich ist am konzisesten Neitmann, Pfandverträge, S. 4–6. Vgl. ferner die Publikationen von Radoch, die die politisch-diplomatischen Beziehungen zwischen dem Orden und Masowien in toto betreffen, von denen die Pfandgeschäfte naturgemäß ein Teil sind, wobei jedoch eher die masowische Perspektive in den Mittelpunkt gestellt und daher keine ausführlichere Einordnung in die Pfandschaftspolitik des Ordens vorgenommen wird; vgl. Radoch, Zarys, v. a. S. 78ff., ders., Dziejjw 1997b, besonders S. 43–50 (das Tresslerbuch und die konkreten Zahlungen spielen eine große Rolle), und ders., Dziejjw, 1997a, v. a. S. 93, sowie etwas detaillierter angelegt Radoch, Dlugi. 843 Die erzählenden Quellen erwähnen Wizna zwar in seltenen Ausnahmefällen, jedoch ohne dass sich daraus Hinweise für die Pfandschaftspolitik des Ordens ergeben; vgl. Thorner Annalen, SSRP 3, S. 205 und S. 211, bzw. Johann von Posilge, SSRP 3, S. 205. Auch in den sonst für die Rekonstruktion der Prozesse so ergiebigen hochmeisterlichen Briefregistern wird man in diesem Fall bemerkenswerterweise kaum fündig. Zwar finden sich in den Ordensfolianten 2c und 3 einige Briefe zwischen dem Orden und den Herzögen von Masowien, Siemowit und Janusz, doch betreffen diese meist nachbarschaftliche Streitigkeiten (insbesondere mit Letzterem) oder Grenzprobleme, sodass letztlich nur zwei Schreiben übrig bleiben, die ein kurzes Schlaglicht auf den Prozess werfen; OF 2c, S. 179–180, und OF 3, S. 79; gedr. CDP 6, CXX. Das OBA hingegen enthält ein paar Schriftstücke, die aber mehr die Verpfändungsakte selbst betreffen und nicht den Prozess, der dazu führte. Leichter greifbar sind hingegen auch in diesem Fall die Pergamenturkunden, d. h. die Erneuerungsurkunde der Pfandschaft von Wizna von 1399 (SDOP, 4, oder IMT, 51 (nach anderer Vorlage)) sowie die Auslösungsurkunde; SDOP, 5 (Regest). Diese liegt bislang jedoch nicht in einer Edition vor, weswegen der Rückgriff auf die Ausfertigung notwendig ist; Pgt.Ukd. Schiebl. 57, Nr. 30. Die Urkunde vom 5. Dezember 1397, die die Pfandschaft von Płon´sk

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Die Neumark und kleinere Erwerbungen

Dass Konrad nun nicht prominent mit den Pfandschaften in Verbindung gebracht worden ist, resultiert wohl einerseits aus eben dieser misslichen Quellensituation und andererseits vor allem daraus, dass sowohl Wizna als auch Zawkrze schon deutlich vor seiner Zeit (1382 bzw. 1384) als Pfand angenommen wurden. Zwar gab es 1399 eine Erneuerung der Pfandschaft von Wizna, doch wurde von Konrad von Jungingen selbst nur das kleine Płon´sk 1397 neu erpfändet.844 Es ist daher zwar denkbar, dass die Pfandschaften unter Konrads Vorgängern als Teil einer systematischen Politik erworben wurden. Es gilt aber auch hier, dass daraus naturgemäß keine sicheren Erkenntnisse hinsichtlich des Charakters von Konrads Außenpolitik zu erlangen sind. Diese ist daher nun trotz der dünnen Quellenlage separat zu betrachten. Auch die entsprechenden Pfandschaftspolitiken der Vorgänger verdienten einmal eine eigene Untersuchung. Spiegelt sich also in der Pfandschaft von Płon´sk 1397 und den nachfolgenden Ereignissen bis zur Auslösung der Gebiete 1399 bzw. 1402 eine systematische Pfandschaftspolitik zur territorialen Expansion/Arrondierung von Seiten Konrads wider? Zunächst also zur Pfandname von Płon´sk vom 5. Dezember 1397, deren Urkunde in zeitgenössischer Abschrift erhalten ist.845 Bemerkenswerterweise ist keine vorgeschaltete Korrespondenz zwischen dem Orden und Herzog Siemowit von Masowien überliefert, die diese Verpfändung vorbereitete. Diese Schriftwechsel waren in allen anderen Fällen essentiell, um die Interessen der jeweiligen Parteien und ihre Motivation herauszuarbeiten. Hier ist somit der Fall gegeben, dass die Verpfändungsurkunde sozusagen als Solitär steht und aus sich heraus interpretiert werden muss. An einem solchen Verfahren, das schon vielfach zu falschen Schlüssen verleitet hat, führt hier kein Weg vorbei. Es muss jedoch größte Zurückhaltung geboten sein. Allzu weitreichende Schlüsse können daher nicht gezogen werden. Aus der Urkunde selbst geht inhaltlich schließlich Folgendes hervor : Der Herzog erhielt 2000 Schock böhmischer Groschen, die zunächst der Pfandsumme für Zawkrze und Wizna aufgeschlagen wurden. Wenn Siemowit nicht betrifft, ist erst bei Neitmann, Pfandverträge, 1.b., vollständig gedruckt. Der undatierte Entwurf OBA 552 ist unvollständig im CDP 4, CXXV, und IMT, 52, gedruckt und fälschlicherweise unter 1399 eingeordnet. Bei Weise ist die Urkunde überhaupt nicht aufgenommen, sondern nur knapp erwähnt worden, da die Edition erst mit dem Jahr 1398 einsetzt; SDOP, S. 15. 844 Zur genauen Lage der Gebiete s. Rhode, Ostgrenze, S. 374–376, sowie die Karte in Czaja/ Biskup, Pan´stwo, S. 107. 845 Gedr. bei Neitmann, Pfandverträge, 1.b (nach OF 71; daneben existiert noch der Entwurf OBA 552); vgl. ebd., S. 5; SDOP, S. 15; Voigt, Geschichte, 6, S. 88. Ansonsten finden sich an zugehörigen Quellen nur noch die Quittung der von Herzog Siemowit Bevollmächtigten für Konrad von Jungingen über die 2000 Schock böhmischer Groschen (OBA 549) sowie die Versicherung des Herzogs über die Besiegelung des Schuldbriefes mit seinem neuen großen Siegel; OBA 550 und 551 (Abschrift und Entwurf).

Exkurs: Die kleineren Erwerbungen an den Grenzen des Ordenslandes Preußen

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innerhalb von drei Jahren, ab Weihnachten 1397 gerechnet, dem Hochmeister diese 2000 Schock zurückzahlte, würde dem Orden zusätzlich noch das Land Płon´sk zufallen und erst dann auch übergeben werden müssen. Alle drei Pfandschaften dürften in diesem Fall dann nur noch gleichzeitig ausgelöst werden. Ausstellungsort ist Marienburg. Welche Schlüsse lassen sich nun aus den Bestimmungen dieser Verpfändung und dem Fehlen jeglicher vorbereitender Korrespondenz ziehen? Die Initiative zu dieser Verpfändung dürfte vom Herzog ausgegangen zu sein, war dieser doch offenkundig (mal wieder) in drückender finanzieller Verlegenheit. Zudem weisen der Ausstellungsort und die Besiegelung – so schon Voigt846 – darauf hin, dass Siemowit sich persönlich auf die Marienburg bemühte. Da es für diese Zeit im Ordensfolianten 2c bzw. 3 keine signifikanten Überlieferungslücken gibt, ist es wahrscheinlich, dass die fehlende vorbereitende Korrespondenz nicht nur nicht überliefert ist, sondern eben gar nicht existiert hat. Offenkundig gab es im Vorwege hinsichtlich dieses Handels keinen größeren Vorbereitungsbedarf. Mündliche Absprachen, die keinen schriftlichen Niederschlag gefunden haben, scheinen ausgereicht zu haben, um diesen Vertrag vorzubereiten. Vielleicht ist sogar an ein spontanes Herantreten des masowischen Herzogs an den Orden zu denken. Offenbar ging der Orden ohne Zögern auf die Initiative des Herzogs ein. Der Inhalt des Vertrags scheint ohne größere Probleme die beidseitige Zustimmung gefunden zu haben, wobei bemerkenswert ist – auf diesen Umstand ist bislang noch nicht genug hingewiesen worden –, dass der Orden zwar sofort das Geld zahlte, Płon´sk aber erst nach drei Jahren übergeben werden sollte, sollte Siemowit in der Zwischenzeit das Geld nicht wieder zurückgezahlt haben. Dass sich der Orden ohne Widerstand auf ein solches Verfahren einließ, dürfte doch als ein Entgegenkommen einzuschätzen sein. Dass der Vorschlag (wie überhaupt die ganze Initiative) dafür vom Herzog kam, dürfte sicher sein, da der Orden kurzfristig dadurch wenig gewann, sondern erst drei Jahre später – und das auch nur unter Umständen – seinen Pfandbesitz erweitern würde. Die vereinbarte Dreijahresfrist spricht dafür, dass sich der Herzog recht sicher war, die Summe in der Zeit zurückzahlen zu können. Er rechnete sich hier offenbar eine Art Kurzzeitkredit aus. Der Orden ging nun darauf ein, obgleich mit diesem Abkommen nur auf längere Sicht ein Vorteil möglich war. Vielleicht glaubte Konrad auch nicht an eine fristgerechte Rückzahlung, da Wizna und Zawkzre schließlich schon seit den 1380er Jahren verpfändet waren. In diesem Falle hätte er sich verrechnet, was dann allerdings nicht für seine Weitsicht sprechen würde. Angesichts der Umstände, d. h. der Orden reagierte nur auf Initiativen von außen und ging ohne 846 Voigt, Geschichte, 6, S. 88.

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Die Neumark und kleinere Erwerbungen

Weiteres auf insgesamt nicht allzu vorteilhafte Vorschläge ein, wird man jedoch kaum von einer systematischen Pfandschaftspolitik zur territorialen Expansion durch Konrad von Jungingen sprechen können, sondern eher von Beziehungspflege durch eine Art »Scheckbuchpolitik«. Schließlich konnte er den Herzog durch diesen Gefallen, nämlich diese verschleierte Kreditvergabe, weiter an sich binden, was dann als Posten auf der Habenseite des Ordens zu verbuchen wäre. Von Seiten des Ordens war das aber auf jeden Fall ungeplant und kein Teil einer systematisch angelegten Politik, sondern nur mehr Reaktion. Es folgten dann recht schnell, nämlich ein Dreivierteljahr später, Auslösungsbemühungen, die vom Herzog ausgegangen waren. Der Hochmeister ging darauf ein und bat Siemowit, einen Termin anzugeben, an dem beidseitige Bevollmächtigte über die Auslösung verhandeln sollten.847 Dass die Verhandlungen nicht ohne Schwierigkeiten geführt worden seien, wie Voigt unter vager Berufung auf dieses Schreiben vermutet,848 hinderte die Parteien nicht daran, zu einer schnellen Einigung zu kommen. Offensichtlich ließen sich im Weiteren alle Fragen mündlich klären. Schließlich findet sich schon für den 15. Januar 1399 eine verbriefte Einigung, bei der nicht nur Płon´sk, sondern auch Zawkrze ausgelöst wurde. Die Einlösungsurkunde ist nicht erhalten, doch verspricht der Herzog am angegebenen Tage ihre Besiegelung in einem zusätzlichen Schriftstück.849 Dass nur die beiden Länder Zawkrze und Płon´sk ausgelöst wurden, ist keine Abkehr von der Bestimmung in der eben angeführten Verpfändungsurkunde gegen die ausgehandelten Rechte des Ordens, obgleich Weise und daran anschließend Neitmann dies darin erkennen wollten.850 Zwar wurde zunächst tatsächlich festgehalten, dass alle drei Länder nur miteinander ausgelöst werden sollten, doch sollte diese Klausel erst in Geltung treten, wenn der Herzog nicht innerhalb von drei Jahren die geliehenen 2000 Schock zurückgeben würde, womit ja auch die Übergabe von Płon´sk fällig geworden wäre. Ein Entgegenkommen des Hochmeisters ist vielmehr darin zu sehen, dass seit 1386 die Verpflichtung851 bestand, Wizna und Zawkrze nur gemeinsam auszulösen. Konrad zeigte sich also flexibel in der praktischen Behandlung der Verträge. Ein Festhalten an den Pfändern um den Preis einer Verschlechterung der Beziehungen mit Herzog Siemowit von Masowien kam offensichtlich nicht infrage, sodass deutlich wird, dass Gebietsgewinn bzw. -erhalt nicht an erster Stelle seiner Prioritätenliste standen. 847 848 849 850

OF 3, S. 179–180, vom 24. September 1398. Voigt, Geschichte, 6, S. 165. OBA 577; vgl. SDOP, S. 14. SDOP, S. 15; Neitmann, Pfandverträge, S. 5; ebenso Voigt, Geschichte, 6, S. 165, der die freundliche Gesinnung des Meisters hervorhebt. 851 Neitmann, Pfandverträge, S. 5.

Exkurs: Die kleineren Erwerbungen an den Grenzen des Ordenslandes Preußen

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Zwar war es tatsächlich eigentlich Siemowits Absicht, alle drei Länder zusammen auslösen, doch gelang es ihm nicht einmal, die Summe für Płon´sk und Zawkrze vollständig aufzubringen, sodass die Restsumme auf Wizna mit explizit hervorgehobener Zustimmung Konrads aufgeschlagen werden musste, wie die entsprechende Erneuerungsurkunde der Verpfändung von Wizna ausweist.852 Daraus ergibt sich, dass zwar die Erneuerung der Verpfändung Wiznas unter Konrad von Jungingen ins Werk gesetzt wurde, dieser eine solche aber wahrscheinlich nicht unbedingt von sich aus angestrebt hatte. Sie ist vielmehr aus einem Entgegenkommen dem Herzog gegenüber entstanden, um diesem die Auslösung der anderen beiden Länder zu ermöglichen. Der Hochmeister hätte darauf nicht eingehen müssen. Offensichtlich lag ihm aber mehr an gutnachbarschaftlichen Beziehungen als am Besitz der Länder. Die Klausel, dass der Orden das Land weiter versetzen dürfe, wenn innerhalb von drei Jahren keine Auslösung erfolge,853 könnte dazu geführt haben, dass sich Siemowit auch im Fall Wiznas nun um eine rechtzeitige Auslösung bemühte. Ende 1401, am 30. Dezember, versetzte er das Land seinem Bruder Janusz,854 mit dessen Geld er Wizna dann vom Orden am 29. Januar 1402 auslöste.855 Vom Auslösungsprozess ist wenig bekannt. Am 10. Januar 1402 schrieb der Hochmeister schon dem Herzog, dass die Auszahlung der Pfandsumme in Thorn stattfinden solle; der Komtur von Thorn und der Münzmeister würden diese in Empfang nehmen und daraufhin die Pfandbriefe ausliefern, woraufhin der Pfleger von Wizna Schloss und Land übergeben werde.856 Der Orden respektierte also die Pfandverträge. Daher ging die Auslösung geräuschlos vonstatten. Es ist anzunehmen, dass diese um den Jahreswechsel mündlich vorbereitet worden war. Betrachtet man nun Konrads Politik gegenüber dem masowischen Herzog zusammenfassend, dann lässt sich für diesen Hochmeister keine systematische Arrondierungspolitik durch Erpfändung erkennen. Alleine schon aus dem Grund, dass während seiner Amtszeit alle Pfänder – die meisten hatte er von seinen Vorgängern übernommen – ausgelöst wurden und daher beim Tode Konrads überhaupt keine masowischen Gebiete mehr unter der Herrschaft des Orden standen, wäre eine solche Annahme verfehlt. Zwar fiel in Konrads Amtszeit der Erwerb von Płon´sk – bzw. richtiger : dessen vage Möglichkeit – und die Erneuerung der Pfandschaft von Wizna, doch legen die Verträge nahe, dass hier der Herzog die Federführung übernommen hatte und Konrad – wie so 852 SDOP, 4. 853 SDOP, 4, 8. 854 KDKM, CXL, S. 138–141, und IMT, 56; vgl. Rhode, Ostgrenze, S. 375–376; vgl. Neitmann, Pfandverträge, S. 5–6. 855 SDOP, 5 (Regest); bislang ungedruckt; Ausfertigung: Pgt.Ukd. Schiebl. 57, Nr. 30. 856 OF 3, S. 79; gedr. CDP 6, CXX.

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Die Neumark und kleinere Erwerbungen

häufig – auf an ihn herangetragene Initiativen mit freundlichem Entgegenkommen nur reagierte. Der Herzog erhoffte sich dabei einen Kurzzeitkredit. Der Orden hatte dabei eher die Funktion eines Pfandleihers mit dem Bewusstsein, dass die Pfänder wieder ausgelöst werden konnten. Die geräuschlose Auslösung zeigt, dass der Hochmeister die Pfandverträge selbstverständlich einhielt und dabei dem Herzog mit flexiblen Lösungen sogar entgegenkam. Daraus dürfte zu erkennen sein, dass es dem Hochmeister weniger um die Gebiete an sich ging, sondern darum, seinen Nachbarn an sich zu binden und sich gewogen zu halten. Nachbarschaftliche Streitigkeiten wie mit Herzog Janusz von Masowien tauchten hier wenig überraschend auch kaum auf. Der Hochmeister hat hier vielmehr eine Art »Scheckbuchpolitik« betrieben, ohne dass territoriale Erweiterungsabsichten eine größere Rolle gespielt hätten. Alles in allem betrachtet, d. h. die Fälle Dobrin und Slotterie hinzugedacht: Eine vom Hochmeister initiierte oder gar planvolle Pfandschaftspolitik fand nicht statt. Weder gelang territoriale Expansion – es fand vielmehr eine Verkleinerung der Ordensherrschaft statt – oder Arrondierung noch lassen sich irgendwelche Hinweise darauf erlangen, dass diese überhaupt je von Konrad angestrebt worden war.

4

Die Eroberung von Gotland – ein Brückenkopf in der Ostsee?

Im Frühling 1398 wurde die Insel Gotland vom Deutschen Orden und seinen preußischen Städten und Untertanen unter Einsatz einer großen Seestreitmacht erobert.857 Kurz darauf wurde der Besitz mit diplomatischen Mitteln verbrieft: Am 25. Mai 1399, im sog. Schwaaner Vertrag, verpfändeten die Herzöge Albrecht 857 Der Forschungsstand zu den Gotlandzügen des Deutschen Ordens ist überschaubar : Für am umfassendsten muss weiterhin die Darstellung von Kehlert, Insel, gelten, jedoch setzt er die Motive Konrads vielfach voraus und prüft sie nicht unvoreingenommen, sondern ergeht sich in einigen Fällen in Spekulationen. Benninghoven, Gotlandfeldzüge, stellt hingegen die technischen Vorgänge der Eroberung in den Mittelpunkt und will die politische Seite der Unternehmung nur dort berücksichtigen, wo sie für die Erklärung der militärischen Vorgänge notwendig ist; ebd., S. 421. Auch schließt er die jahrelangen Verhandlungen zwischen dem Orden und Dänemark nach den Eroberungen Gotlands explizit aus seiner Betrachtung aus; ebd., S. 449 und S. 472. Die neueste Studie von Meichsner, Parteischrift, stellt die Analyse der sog. »Partheischrift« des Hochmeisters in den Mittelpunkt, während Kattinger, Verhandlungen, v. a. die Beziehungen zwischen den Mächten nach der Eroberung durch den Orden behandelt. Hier findet sich zudem eine umfassende Aufarbeitung der (tw. kürzesten) Erwähnungen der Gotlandfrage auch in der – zumindest für die hier zu untersuchende Fragestellung – wenig ergiebigen hansischen und skandinavischen (Überblicks-)Literatur sowie den erzählenden Quellen aus Skandinavien. Leider sind nicht immer alle Quellenbelege zuverlässig, sondern führen teilweise ins Leere. Vgl. ferner die Bücher von Yrwing, Gotlands, und ders., Visby, sowie den einführenden Aufsatz von Lönroth, Gotland. Nicht brauchbar ist das Buch von Eimer, Gotland, aufgrund ihrer exzentrischen Thesen, auf die im Folgenden nicht eingegangen werden kann; vgl. dazu die Rezension von Benninghoven, Gotland. Der Darstellung von Voigt, Geschichte, 6, der dänisch-gotländischen Ereignisse mangelt es an Zusammenhang und vor allem an chronologischer Genauigkeit und hilft für die hier untersuchte Fragestellung nicht weiter ; vgl. v. a. S. 32–37, 52–60, 102–128, 176–180, 207–210, 227–231, 254–256, 260–265, 298–308, 341–343, 357–360; vgl. dazu Kehlert, Insel, Beilage II, der ein paar Aspekte gerade rückt. Zu den Beziehungen zwischen dem Orden und der Stadt Thorn im Umfeld der gotländischen Angelegenheit s. Souhr, Relacje, basierend vorwiegend auf den Briefbeständen des APT. Vgl. zum Verhältnis der Hanse und dem Deutschen Orden weiterhin Rundstedt, Hanse, S. 53–65 zu den groben Linien in der Gotlandfrage, sowie Teichmann, Stellung, dem es um die Zusammensetzung des »hansischen Bündnisses« geht; ebd., S. 5. Das preußische Binnenverhältnis zwischen dem Orden und seinen Hansestädten wird am Beispiel der auswärtigen Beziehungen zu England behandelt bei Kubon, Konflikt (hier ist auch die neuere Literatur verzeichnet).

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Die Eroberung von Gotland – ein Brückenkopf in der Ostsee?

und Johann der Jüngere von Mecklenburg dem Hochmeister und dem Orden die Insel mit der Stadt Wisby für 30.000 Nobel.858 Insgesamt zehn Jahre lang war die Insel im Besitz des Ordens, bis sie im Jahre 1408 durch den neuen Hochmeister Ulrich von Jungingen an Dänemark abgetreten wurde.859

4.1

Vorgeschichte

Die komplexe Vorgeschichte kann hier nur knapp in den für das Weitere wesentlichen Elementen zusammengefasst werden:860 Gotland, seit 1361 dänisch, ist in den frühen 1390er Jahren zu einem Stützpunkt der Vitalienbrüder geworden.861 Diese traten im Rahmen der Machtkämpfe zwischen Dänemark, Schweden und Mecklenburg auf. 1388 wurde Herzog Albrecht III. von Mecklenburg862 als König von Schweden abgesetzt und ein Jahr später nach der verlorenen Schlacht von Falköping von der dänischen Königin Margarete gefangen genommen, ohne indessen seine Ansprüche auf Schweden aufzugeben. Die Königin nahm fast ganz Schweden ein. Nur Stockholm war weiterhin auf der Seite Albrechts, der auch von den Städten Rostock und Wismar sowie der mecklenburgischen Verwandtschaft unterstützt wurde. Durch Lebensmittellieferungen und »Entsatzkontingente« sollte der eingeschlossenen Stadt zu Hilfe gekommen werden. In einem Kaperkrieg gegen den Seehandel der nordischen Reiche entstanden nun letztlich die Vitalienbrüder. Deren Basis wurde die 1394 von mecklenburgischen Adeligen eroberte Insel Gotland. Die Störung des Handels betraf insbesondere die Hansestädte. Margarete entsandte kurz danach eine Flotte unter Sven Sture863 nach Gotland, der zwar das Land, aber nicht die Stadt Wisby erobern konnte. Im Frieden von Lindholm (1395) wurde die Insel aufgeteilt: Wisby und Umgebung verblieben bei den Mecklenburgern, der Rest der Insel bei Margarete. Das war der Ausgangspunkt in etwa zu Beginn der Hochmeisterschaft Konrads von Jungingen. Doch auch danach, bis zum Eingreifen des Ordens, kam es zu weiteren Kämpfen zwischen Mecklenburgern und 858 SDOP, 7. 859 Zum Abtretungsprozess s. SDOP, 48–55. 860 Das Folgende nach Benninghoven, Gotlandfeldzüge, S. 423–429 (hier finden sich auch die Geschehnisse in Livland, die an dieser Stelle übergangen werden müssen, im Detail dargestellt) und Meichsner, Parteischrift, S. 333–334. Für weitere Details s. auch Kattinger, Verhandlungen, S. 47–51. 861 Zu den Vitalienbrüdern seien nur die neuesten Darstellungen angeführt: Rohmann, Kaperfahrer, und Clarus, Bartholomäus; weitere Literatur bequem zu erschließen über Meichsner, Parteischrift, S. 334, Anm. 6. Auf die neuere Literatur sei ebenso verwiesen hinsichtlich des Verständnisses von Seeräuberei als ›Gewaltdienstleistung‹. 862 Zur Person Albrechts s. immer noch Nordman, Albrecht. 863 Zur Rolle Sven Stures s. Kindahl, Sven Sture.

Forschungsstand und Fragestellung

259

Sven Sture sowie zu wechselnden Koalitionen aller Parteien auf Gotland mit dem Ergebnis eines blühenden Freibeuterwesens.864 Es dürfte deutlich sein, dass die hohe Zahl der Akteure mit ihren jeweils eigenen Interessen in der Gotlandfrage ein außerordentlich komplexes Gefüge zur Folge hatte, in dem sich der Hochmeister bewegen musste.

4.2

Forschungsstand und Fragestellung

Der Erwerb Gotlands durch den Deutschen Orden wurde, wie schon in der Einleitung genauer skizziert, neben den Ereignissen um Samaiten und der Neumark als Paradebeispiel für eine territoriale Expansion gewertet, die von Hochmeister Konrad von Jungingen planmäßig und zielgerichtet-strategisch durchgeführt worden sei und die letztlich die größte Machtstellung des Ordens um 1400 zur Folge gehabt haben soll, wobei diese Auffassung insbesondere von Weise in der Einleitung seiner Edition der Staatsverträge dargelegt, aber auch jüngst z. B. von Gouguenheim vertreten wurde. Angesichts der komplexen und aufwendigen Planung und Organisation des Gotlandfeldzuges, die von Benninghoven im Detail dargelegt wurde, lässt sich ein taktisch-zielgerichteter Angriff der Insel schon aus technischen Gründen nicht bestreiten und die temporäre Ausbreitung der Ordensherrschaft ebenso wenig. Doch bei der wesentlichen Frage, welches tiefere Motiv der Eroberung eigentlich zugrunde lag, herrscht keine Einigkeit. Die Auffassungen in dieser Frage, die naturgemäß immer berührt, aber doch überraschenderweise nicht speziell untersucht und erörtert wurde, polarisieren zwischen der Mindermeinung, dass es sich bei der Expedition nur um eine konzertierte Aktion als Behelf gegen die Seeräuberei gehandelt habe865 und der weiter verbreiteten Vorstellung, dass der Orden von Anfang an aus geostrategischen Gründen auch eine dauerhafte territoriale Ausbreitung der Ordensherrschaft in die Ostsee geplant habe.866 Für die zweite Auffassung scheinen die auf den ersten Blick wahr864 Zu den machtpolitischen Verhältnissen 1396–1398 s. Meichsner, Parteischrift, S. 335–338, der sich dafür ausspricht, dass die Mecklenburger vor dem Eintreffen des Ordens einen größeren Einfluss auf der Insel hatten als bislang angenommen wurde; ebd., S. 338. 865 Nordman, Albrecht, S. 268. Bei Voigt, Geschichte, 6, S. 298–299, ist die Vertreibung der Seeräuber von Gotland als »nächster Zweck« beschrieben. Benninghoven, Gotlandfeldzüge, S. 447, vgl. aber auch S. 427ff., schreibt sehr dezidiert: »Ein Beweis dafür, daß der Orden die Insel um jeden Preis dauernd für sich behalten wollte, liegt nicht vor.« 866 So sehr deutlich Kehlert, Insel, S. 10; s. auch Kattinger, Verhandlungen, S. 59, der als tieferes Motiv für den Wunsch nach dem längerfristigen Besitz der Insel die Absicht erkennen will, ein Druckmittel gegenüber dem Unionskönigtum und den Hansestädten in der Hand zu halten, wobei er jedoch ergänzt, dass auch das Seeräuberunwesen »ebenso« das Interesse an der Insel begründet habe. Vgl. auch Teichmann, Stellung, S. 82–83, und

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Die Eroberung von Gotland – ein Brückenkopf in der Ostsee?

nehmbaren Umstände zu sprechen, dass erstens, wie eben angesprochen, die Eroberung ausgesprochen aufwendig organisiert werden musste und zweitens der Orden in den nachfolgenden Verhandlungen lange auf dem Besitz der Insel beharrte – inkl. einer Rückeroberung 1404 von Dänemark nach kurzzeitigem Verlust – und diese in der Besatzungszeit befestigt hat.867 Hinzukommt die Lage der Insel, die regelmäßig als strategisch ungemein bedeutsam eingeschätzt wurde: einerseits für den Handel und andererseits als Möglichkeit, die Verbindungen zwischen Schweden, Russland und Livland zu kontrollieren.868 Hartmut Boockmann fasst die Gotlandpolitik folgendermaßen pointiert zusammen: »Die Meinung, er [der Orden; S.K.] habe da nur den hansischen Handel schützen wollen, geht gewiß in die Irre. Die Vorbereitung einer auf Dauer angelegten Herrschaft ist nicht zu verkennen.«869 Angesichts der Gotland in einem solchen Maße zugeschriebenen Bedeutung stellt sich dann aber die Frage – und auch Boockmann hat diese anschließend etwas ratlos aufgeworfen –, warum der Orden die Sache dann dennoch so bald und zudem unter Verlusten aufgegeben habe.870 Als allgemein befriedigende Erklärung kann die mehrheitliche Auffassung, der Orden habe in Gotland sein Territorium und seinen Machtbereich zielgerichtet ausbreiten wollen, daher nicht gelten, sondern bedarf einer neuen Prüfung. Auch die damit zusammenhängende Stellung, die Konrad von Jungingen in diesen Prozessen inne hatte, wurde nicht speziell zur Frage erhoben. Diese betrifft zwei Aspekte, da in der Regel davon ausgegangen wurde, dass er als treibende Kraft bei der Entschlussfassung zur Invasion fungiert und dabei auch die Haltung der preußischen Städte bestimmt hat.871 Diese Auffassung liegt aufgrund seiner hochmeisterlichen Position nahe. Doch angesichts seiner Haltung in der Samaiten- und Neumarkfrage, die nach einer minutiösen Rekonstruktion als reaktiv-passiv auf von außen an ihn herangetragene Probleme verstanden werden muss, denn als aktiv-zielgerichtet und geplant, sollte auch in dieser Angelegenheit zunächst Skepsis angebracht sein. Dieser Aspekt betrifft daher die Frage nach dem Einfluss der außenpolitischen Partner/Gegner auf den Eroberungs- und Verhandlungsprozess Gotland betreffend. Kehlert lässt sich in

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Rundstedt, Hanse, S. 54, der das Argument der Seeräuberabwehr als reines Mittel des Hochmeisters auffasst, um die Beihilfe der preußischen Städte zu gewinnen. So Gouguenheim, Chevaliers, S. 453. Ebd., der die Invasion als Reaktion auf die Kalmarer Union wertet; so auch Kattinger, Verhandlungen, S. 59. Boockmann, Zusammenfassung, S. 211. Ebd. Ohne weitere Begründung bietet er als Erklärung an, dass sich der Orden auf die wichtigere Angelegenheit um Samaiten habe konzentrieren wollen; ebd., 212. Vgl. Kehlert, Insel, S. 11; Kattinger, Verhandlungen, S. 52; Teichmann, Stellung, S. 58 und S. 82–83; Rundstedt, Hanse, S. 37–38.

Forschungsstand und Fragestellung

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Hinblick auf Konrads Verhalten gegenüber seinen außenpolitischen Gegnern sogar zu einer äußerst dezidierten Invektive hinreißen:872 »Es fehlte ihm durchaus nicht an Mut, war einer blutigen Entscheidung nicht mehr auszuweichen, so sehen wir ihn stets umsichtig und entschlossen die nötigen Vorkehrungen zu energischer Abwehr derselben treffen. Aber es läßt sich in seiner Handlungsweise sehr oft die nötige Sicherheit im Auftreten, sowie die Schnelligkeit im Entschluß vermissen; er zauderte oft lange aus Besorgnis, irgend welche Verwickelung heraufzubeschwören, wo rasche Entscheidung viel mehr am Platz gewesen wäre. (…) Diese Eigenschaften, Mangel an Initiative und an Selbstvertrauen sind es, welche die Gegner Konrads von Jungingen des öfteren genutzt haben, um ihn zu übervorteilen.«

Dieses Scherbengericht ist mit dem Rest von Kehlerts Text jedoch nicht verbunden und auch nicht mit Quellen belegt. Offenbar formuliert Kehlert hier einen eher allgemeinen Eindruck, den er bei der Quellenlektüre gewonnen hat. Bemerkenswerterweise sah Rundstedt ganz im Gegensatz dazu mit der Wahl Konrads zum Hochmeister eine neue, aktivere Phase in der nordischen Politik des Ordens beginnen.873 Einen Konsens zu Verhalten und Stellung Konrads in der Gotlandfrage gibt es also nicht. Diese Aspekte verdienen schon aus diesem Grund ein spezielles Augenmerk – zumal Mangel an Initiative ein Verdikt ist, was auch ausgehend von den anderen Feldern der Außenpolitik Konrads durchaus konstatiert werden muss und die Zuschreibung von strategischem und zielgerichteten Handeln verbietet. Der zweite Aspekt betrifft dann die innenpolitische Dimension, wenn Friedrich Benninghoven die Beratung des Hochmeisters mit den Städten bei der Beschlussfassung zur Invasion betont und hervorhebt, dass beim weiteren Vorgehen die Gotlandpolitik des Ordens besonders stark bis maßgeblich von den Städten bestimmt worden sei.874 Die Frage ist daher, inwieweit Konrad von Jungingen in der gotländischen Angelegenheit auf Initiativen von außen reagieren musste bzw. inwieweit seine Städte Einfluss auf die Politik des Ordenslandes nehmen konnten. Angesichts des nicht befriedigenden Forschungsstandes ist daher auch hinsichtlich der Gotlandfeldzüge zu fragen, ob der Hochmeister wirklich eine territoriale Expansion in den Ostseeraum im Sinn hatte und diese dann zielgerichtet durchgeführt hat? Verfolgte er dabei tatsächlich eine längerfristige Strategie gemäß der Mehrheitsmeinung, oder ist nicht doch auch hier, analog zu den anderen außenpolitischen Betätigungsfeldern, eher eine ad-hoc-Reaktion zunächst auf die Seeräubergefahr zu erkennen, d. h. auf von 872 Kehlert, Insel, S. 12–13. 873 Rundstedt, Hanse, S. 35. 874 Benninghoven, Gotlandfeldzüge, S. 433 und S. 453. Zusammenfassend relativiert er diese Auffassung etwas, wenn er nur ein reibungslos harmonisches Zusammenwirken des Ordens mit den Städten konstatiert; ebd., S. 477. Ebenso – wenn auch nicht ganz so pointiert – Kehlert, Insel, S. 6; vgl. zudem Rundstedt, Hanse, S. 55.

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Die Eroberung von Gotland – ein Brückenkopf in der Ostsee?

außen an ihn herangetragene aktuelle Probleme? Welchen Einfluss hatten die preußischen Städte oder andere Akteure bei der Beschlussfindung? Es ist also die Frage, wie autonom Konrad von Jungingen gehandelt hat. Trieb er die Angelegenheit voran oder war er ein Getriebener?

4.3

Vorbemerkung zur Quellengrundlage

Nicht berücksichtigt wird im Folgenden die sog. »Partheischrift« des Hochmeisters.875 Diese wurde zwar bislang regelhaft als Zentralquelle für die Analyse der gotländischen Angelegenheiten angeführt, jedoch hat Michael Meichsner erst kürzlich auf zahlreiche Probleme in der Darstellung des historischen Sachverhalts dieser Schrift hingewiesen. Er bezeichnet die Darstellung sogar als »tendenziös« und geht davon aus, dass die Parteischrift zum Vorteil des Ordens in den Auseinandersetzungen mit Albrecht und Margarete um Gotland abgefasst worden sei.876 So verdienstvoll Meichsners Hinweise auf die inhaltlichen Probleme der Darstellung sind, die die bislang völlig kritiklos genutzte Quelle in ihrer Aussagekraft zumindest partiell infrage stellen, so sehr muss diese Schlussfolgerung letztlich doch als zu pointiert betrachtet werden. Unklar bleibt nämlich weiterhin, in welcher Absicht und mit welchem Adressaten im Sinn die Parteischrift entstanden ist. Die zeitgenössische Überschrift Von dem lande Gotland und der stad Wisbw, wy is dem orden czu getruwer hand gesaczt ist jedenfalls hilft nicht weiter. Dass diese Schrift an einen außenstehenden Adressaten gerichtet und deswegen auch absichtlich verzerrt war, ist denkbar, aber nicht durch handfeste Belege gestützt. Schließlich könnte es sich auch um ein Dokument handeln, das nur für den ordensinternen Gebrauch gedacht war. Meichsner hält die Parteischrift jedoch für eine Art propagandistischer Verlautbarung, wie sein Rekurs auf Boockmann belegt. Dieser bezieht sich jedoch weder explizit noch implizit auf dieses Stück!877 Solange die Frage nach dem Adressaten der Quelle also nicht hinreichend geklärt ist, ist es verfehlt, sie als »tendenziös« zu bezeichnen, können die Probleme der Ereignisdarstellung doch auch schlicht Sachirrtümer sein und die beschränkte Einsicht des Ordens in die Ereignisse belegen. Das würde nicht einmal fernliegen angesichts der verschiedenen Akteure und ihrer unterschiedlichen Interessen und der damals unsicheren Nachrichtenlage – ganz abgesehen davon, dass die Schrift ohnehin erst drei Jahre nach den Ereignissen geschrieben wurde, wie aus der Quelle selbst 875 Der Titel in den Hanserezessen lautet »Partheischrift des Hochmeisters, enthaltend die Vertheidigung seines Rechtes auf Gothland«; HR 4, 438. 876 Meichsner, Parteischrift, S. 333, S. 334 und S. 344. 877 Meichsner, Parteischrift, S. 344, bezieht sich auf Boockmann, Orden, S. 182.

Vorbemerkung zur Quellengrundlage

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hervorgeht. Zwar entstammte das Dokument zweifellos der Ordenskanzlei, doch ist der gedankliche Urheber unbekannt und damit sind es eben auch die Kenntnisse, über die dieser verfügen konnte. Als Konsequenz aus der unübersichtlichen Überlieferungslage878 und der daher auch weiterhin nicht beantwortbaren Frage nach den Entstehungsumständen der Quelle, d. h. ihrer Bestimmung und Absicht, könnte sie, wenn denn überhaupt, nur mit größter Vorsicht genutzt werden. Das Weitere wird aus quellenkritischen Gründen daher ganz ohne sie auskommen müssen, da hierfür halbwegs sichere Schlüsse aus der Quelle angesichts der offenen Fragen nicht abgeleitet werden können. Sie ist für die hier zu behandelnde Fragestellung ohnehin keine Primärquelle. Auch hier sollen daher die Entscheidungsprozesse über die außenpolitische Korrespondenz des Hochmeisters nachgezeichnet und analysiert werden.879 Hinzu werden die Hanserezesse genommen, die in einigen Punkten die Entscheidungsstrukturen durchscheinen lassen.880 Die historiographischen Quellen bieten hingegen nur wenig vertiefte Informationen. Die Thorner Annalen er878 Das heute als OBA 970 vorliegende Stück war vormals Teil des Folianten F (Bll. 60–62), der jedoch erst zu Beginn des 16. Jahrhunderts entstanden und zum Ende des 19. Jahrhunderts vom Königsberger Archivar Rudolf Philippi wieder auseinander gebunden worden ist; vgl. dazu Jähnig, Findbuch, bes. S. 38, und die diplomatischen Annotationen bei HR 4, 438. Vor der Parteischrift befand sich im Folianten F der heutige Ordensfoliant 1b »Korrespondenz und Verhandlungen mit den russischen, litauischen und polnischen Fürsten; Urkundenabschriften«; die nachfolgenden Blätter enthielten u. a. masowische Betreffe und Angelegenheiten aus der Zeit Heinrichs von Plauen. Auch der vormalige Überlieferungszusammenhang erlaubt daher keine Schlüsse, welcher Adressatenkreis von der Parteischrift angesprochen wurde – zumal es sich ja auch nicht um den ursprünglichen Entstehungszusammenhang handelte, der zum Zeitpunkt der Bindung schon über 100 Jahre zurücklag. Zum zeitgenössischen Überlieferungszusammenhang fehlt jeglicher Hinweis. 879 Die Editionslage der Schreiben, die Gotland betreffen, ist außerordentlich gut. Die meisten liegen nicht nur in einem, sondern in mehreren Drucken vor. Die aktuelleste Edition, das Diplomatarium Danicum, bereitet jedoch ein paar Probleme: Dieses gibt zwar zuverlässig den Textbestand wieder (und enthält überdies eine dänische Übersetzung), bereitet diesen aber nicht nach den in Deutschland gültigen Richtlinien lesefreundlich auf. Zudem verweist die Herkunftsangabe auf die alte, nicht mehr genutzte Folioangabe der Ordensfolianten. Eine korrekte Zuordnung wird dadurch außerordentlich erschwert. Darüber hinaus ist während der Arbeit an dieser Studie das Problem aufgetreten, dass die vormalige Sortierung der Netzfassung, die noch an die Druckfassung in række-, bind-und nr-Zählung angelehnt war, komplett aufgegeben und gänzlich entfernt wurde zugunsten einer neuen Sortierung. Die alte Signatur konnte somit nicht mehr zugeordnet werden. Gerade das Internet hätte doch die Möglichkeit geboten, die alte Zählung an irgendeiner Stelle beizubehalten! Es bestand somit die Notwendigkeit, alle Angaben hier umzustellen. Da die Netzfassung allerdings derart unstet erscheinen muss, wurden angesichts auch der weiteren Probleme der Edition – so denn ohne Informationsverluste möglich – wieder konventionelle, ältere Drucke angegeben. 880 Erst in jüngster Zeit ist die Edition der Hanserezesse in ihrer problematischen Anlage kritisch in den Blick genommen worden; vgl. Huang/Kypta, Haus, sowie ferner Behrmann, Weg, zur Frühzeit der Rezesse. Für die hier behandelte Fragestellung stellen sich die Probleme jedoch nicht.

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Die Eroberung von Gotland – ein Brückenkopf in der Ostsee?

wähnen die beiden Gotlanderoberungen 1398 und 1404 nur knapp.881 Johann von Posilge hingegen, der immerhin Zugriff auf Ordensquellen hatte, betont, dass die Eroberung Gotlands 1398 durch der seerouber wille stattgefunden habe und das Land dem Orden zum Nutzen des gemeinen Kaufmanns habe unterstehen sollen.882 Dass die Eroberung zur Befriedung der See und zum Nutzen des gemeinen Kaufmanns unternommen worden sei, wird auch an späterer Stelle, die die Rückeroberung der Insel 1404 von Margarete betrifft, noch einmal wiederholt.883 Seine Auffassung von der Motivlage des Ordens ist daher eindeutig: Seiner Meinung nach ging es dem Orden in erster Linie um die Beseitigung der Handelshemmnisse, die durch die Seeräuber verursacht wurden, und weniger um eine territoriale Expansion. Das ist vielleicht kein Zufall, stützte er sich doch mit ziemlicher Sicherheit auf dieselben Ordensquellen, die gleich auch hier analysiert werden. Johann von Posilge hielt also die Aussagen des Hochmeisters für überzeugend. Damit erschöpft sich aber auch der Erkenntnisgewinn aus den Bemerkungen dieses Quellenschreibers, der vielleicht als erster Exeget der Ordensquellen angesehen werden könnte. Aber das ist eine an anderer Stelle genauer zu untersuchende Frage. Auf jeden Fall muss an dieser Stelle ein erneuter Blick auf die Quellen geworfen werden.

4.4

Konrad von Jungingen und die Gotlandfrage

4.4.1 Die Expedition nach Gotland 1398 Der Beschluss, eine Expedition nach Gotland auszuführen, ist vom Hochmeister zu Beginn des Jahres 1398 getroffen worden, wie der Rezess zu Marienburg vom 23. Januar belegt.884 Es heißt hier bei der Protokollierung der Entscheidung wörtlich: so wyl unsir herre, der homeister, mit syme ganczen lande usmachen czu der zee frideschiffe czu senden.885 Weiter wird in diesem Paragraphen festgehalten, welche Stadt, wie viele Schiffe und wie viel Mann stellen solle.886 Als

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Thorner Annalen, SSRP 3, S. 217 bzw. S. 273–274. Johann von Posilge, SSRP 3, S. 217–218. Ebd., S. 273. Vgl. dazu Kehlert, Insel, S. 6, der jedoch glaubt, Conrad von Gorczen sei bei dieser Tagfahrt erschienen. HR 4, 424, 1, legt aber nahe, dass dieser im Vorwege zum Hochmeister gekommen ist, der die schriftliche Anfrage und Antwort dann der Versammlung vorgelegt hat. 885 HR 4, 424, 2. Vgl. ASP 1, S. 88, zur fraglichen Teilnahme der Landesritterschaft. 886 Im Übrigen kümmerte sich der Hochmeister nicht nur um die technische Durchführung der Gotlandexpedition, sondern er ersuchte auch die Bischöfe des Ordenslandes um die Anordnung einer Fürbitte für die ausgesandte Mannschaft; OF 2c, S. 159; ediert VirtPrUB,

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Zusammenkunftszeitpunkt wird der 22. Februar in Danzig festgelegt. Es geht aus dem Rezess also deutlich hervor, dass der Hochmeister diese Entscheidung getroffen hat, die Städte diese jedoch ohne Widerspruch mittrugen, sodass man hier ein einvernehmliches Vorgehen erkennen kann. Angesichts der schon länger schwelenden Seeräuberplage muss man sich doch fragen, wie es kam, dass eine solche Entscheidung gerade zu diesem Zeitpunkt getroffen wurde. Die im Rezess angegebenen Begleitumstände dieser Entscheidung legen nahe, dass Konrad von Jungingen hier nun nicht einfach den richtigen Zeitpunkt für eine zielgerichtete und strategisch geplante Eroberung gekommen sah, sondern dass es ein Anstoß von außen war, der für ein eher spontanes Eingreifen wenigstens als Katalysator gewirkt hat. Im voranstehenden ersten Paragraphen des Rezesses wird die Anfrage des Conrad von Gorczen, dem Sendboten Johanns von Mecklenburg887, und die hochmeisterliche Antwort darauf wörtlich festgehalten. Conrad von Gorczen schilderte demnach im Auftrag Herzog Johanns die Geschehnisse auf Gotland. Der Herzog sei nach Gotland gegen die Seeräuberei ausgezogen, jedoch machtlos dagegen und so bitt her uwir gnade [den Hochmeister ; SK], im czu helffen und byczust[en].888 Es ist nicht ganz klar, welche Hilfe sich der Herzog genau vorgestellt hat.889 Denkbar wäre, dass Herzog Johann eigentlich nur um eine Ausfuhrgenehmigung von vytalia und spize für Wisby und andere Schlösser bat, uff das sien kriich des czu ee ende moghe nemen.890 Doch anstatt nur mit Unterstützung bei der Lebensmittelversorgung zu helfen, hat der Hochmeister militärisch eingegriffen. Dass Herzog Johann auch militärische Unterstützung zu erhalten gehofft hatte, wie Meichsner annimmt,891 geht aus der Quelle nicht hervor. Es ist mehr als nur gut denkbar, dass er plötzlich mehr Hilfe vom Orden erhielt als er sich eigentlich erwünscht hatte. Dieses »Hilfeersuchen«892 nun hat dem Hochmeister, das legt die Chronologie nahe, den Anstoß für die Gotlandexpedition gegeben.893 Wenn diese Werbung der Versammlung vorgelegen hat und in den Rezess direkt vor dem Beschluss der Aussendung einer Expedition aufgenommen wurde, dann sollte man hier

887 888 889 890 891 892 893

1398.02.17, http://www1.uni-hamburg.de/Landesforschung/pub/PrUB1390/PrUB1398.02. 17.htm (letzter Zugriff 14. 12. 2015) (17. Februar 1398). Zur Identifizierung Johanns von Mecklenburg s. Meichsner, Parteischrift, S. 341–342. HR 4, 425, 1; vgl. Kattinger, Verhandlungen, S. 51. Aus welchem Grunde Kattinger, Verhandlungen, S. 61, Anm. 8, das Hilfeersuchen als »halbherzig« charakterisiert, wird nicht weiter erläutert. HR 4, 425, 6. Meichsner, Parteischrift, S. 339. So zu Recht der Ausdruck ebd., S. 338. Ausgehend von der Parteischrift und überhaupt ohne Nennung von Gründen beurteilt Voigt das Ersuchen Conrads von Gorczen nur maximal als zusätzlichen Anstoß für ein Eingreifen des Hochmeisters; vgl. Voigt, Geschichte, 6, S. 107–108.

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Die Eroberung von Gotland – ein Brückenkopf in der Ostsee?

einen kausalen und bestimmenden Zusammenhang annehmen – zumindest die Versammlung hat einen solchen offenbar gesehen. Ohne dass zwar genau gesagt werden kann, welche Absichten der Hochmeister hatte, ist doch daher darin eher eine ad-hoc-Reaktion des Hochmeisters auf die Anfrage Conrads von Gorczen zu vermuten, die es nicht wahrscheinlich erscheinen lässt, dass Konrad von Jungingen unbedingt langfristige, über die Beseitigung der Seeräuber hinausgehende Pläne hatte. Gegen eine solche Interpretation spricht auch nicht die ebenso protokollierte Antwort des Hochmeisters an Conrad von Gorczen, die ablehnend auf seine Anfragen ausfällt.894 Der Hochmeister dürfte vor der Erteilung der Antwort schon seine Entscheidung auf die Anfrage getroffen haben, verschleierte sie aber aus militärisch-taktischen Gründen – ein Vorgehen, das auch im Weiteren zu beobachten ist. Die Expedition verlief, wie bekannt, für die preußische Flotte erfolgreich.895 Herzog Johann von Mecklenburg stellte am 5. April 1398 eine Urkunde aus, mit der er dem Orden die Insel Gotland mit Stadt und Hafen von Wisby öffnet, allerdings unter Vorbehalt einer späteren Übereinkunft zwischen dem Hochmeister und König Albrecht.896 Die Entstehungsumstände dieser Urkunde, die daneben noch viele weitere Detailregelungen enthält, bleiben im Dunklen.897 Ob sich der Orden aktiv darum bemühte, bleibt unklar. Angesichts der Vorgeschichte und des »Hilferufs« Herzog Johanns scheint es doch auch hier wahrscheinlicher, dass Johann von Mecklenburg dem Orden unter dem Eindruck der für ihn äußerst ungünstigen Verhältnisse in eilfertiger Weise entgegengekommen ist, um zu retten, was zu retten ist. Es konnte in der Urkunde somit immerhin festgeschrieben werden, dass abschließende Verhandlungen König Albrecht vorbehalten bleiben sollten; auch ein Abzug der Ordensbeschädiger – anstelle ihrer Hinrichtung – konnte ausgehandelt werden, waren die Preußen doch sonst hinsichtlich der Behandlung von Seefahrern, die sie für Freibeuter hielten, nicht zimperlich. Dass der Vertrag von den in der Urkunde genannten Ordensgebietigern diktiert worden sei, wie Kehlert meint, ist daher kaum wahrscheinlich, wäre es für den Orden aufgrund seiner starken militärischen

894 HR 4, 426. Vgl. Benninghoven, Gotlandfeldzüge, S. 430, nach Kehlert, Insel, S. 8, die jedoch keinen Zusammenhang zwischen der Werbung des Sendbotens und der Entscheidung des Hochmeisters erkennen wollen. Das mag daran liegen, dass die Struktur des Rezesses aufgrund der den Zusammenhang auseinanderreißenden Edition der Stücke in den Hanserezessen nicht genügend beachtet wurde. 895 Zum Verlauf und den Verzögerungen s. Benninghoven, Gotlandfeldzüge, S. 443–447. 896 SDOP, 6 (Regest); gedr. HR 4, 437; vgl. Kattinger, Verhandlungen, S. 52. 897 Nach Kehlerts undeutlichen Formulierungen könnte man annehmen, dass die ursprünglichen Verhandlungen von der Ordensseite initiiert wurden, doch ist das alles andere als gesichert; vgl. Kehlert, Insel, S. 7–8.

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Stellung doch nicht notwendig gewesen, einen Vertrag mit solchen Zugeständnissen, die von Kehlert gänzlich übersehen werden, überhaupt aufzusetzen.898 Diese Urkunde dürfte daher eben auch keinen ersten Beleg für einen systematischen Versuch von Ordensseite bieten, einen langfristigen Erwerb der Insel zu initiieren und urkundlich vorzubereiten, obgleich die Anordnung dieses Dokuments als Vorurkunde direkt vor dem Schwaaner Vertrag durch Weise in seiner Edition eine solche Sicht nahelegt. Vielmehr ging der Anstoß wieder einmal von außen aus, wobei der Orden eine solche Urkunde natürlich gerne angenommen hat, zumal er weitere Kampfhandlungen damit vermeiden konnte und für ihn Gegenteiliges oder Einschränkendes nicht enthalten war. Der Vertrag allerdings beinhaltete auch den Keim der Reibungen mit Margarete, da entgegen dem Lindholmer Vertrag von 1395 der Orden die gesamte Insel von Johann von Mecklenburg empfing, obwohl Dänemark zumindest einen theoretischen Anspruch auf einen Teil davon hatte.899 Dass Margaretes Ansprüche nicht erwähnt wurden, dürfte auch ein Indiz dafür sein, dass der Vertrag rein von Herzog Johanns Seite ausging. Ansonsten wäre es wahrscheinlich gewesen, dass der Orden auf salvatorische Vertragsklauseln jedwelcher Art bestanden hätte. Kattingers Auffassung, dass der Orden die dänischen Rechte »stillschweigend« und damit – das wird hier impliziert, auch wenn es kurz danach wieder etwas relativiert wird – absichtlich und zielgerichtet übergangen hätte, ist aus den genannten Gründen wenig wahrscheinlich. Die andere von Kattinger genannte Möglichkeit, »daß man [wer genau gemeint ist, bleibt offen; S.K.] nur mit demjenigen verhandeln zu können glaubte, der de facto das Verfügungsrecht über die Insel hatte«900, ist dahingehend problematisch, dass auch in einer solchen Formulierung noch zu sehr insinuiert wird, dass der Orden zielgerichtet dänische Ansprüche übergangen haben soll. Es wäre wahrscheinlich richtiger, angesichts der oben dargestellten Umstände zu schreiben, dass der Orden de facto nur mit demjenigen verhandelte, der kurz vorher noch mehr oder (treffender :) weniger die Verfügungsgewalt über die Insel gehabt zu haben schien und der sich vor allem ihm selbst als Verhandlungspartner angeboten hat. Die Mecklenburger Seite war es, die Interesse daran hatte, die dänischen Rechte zu übergehen, weswegen es umso wahrscheinlicher wird, dass die Initiative für diese Urkunde und ihren Laut von dieser Seite ausgegangen ist und der Hochmeister – wieder einmal – nur auf von außen an ihn herangetragene Initiativen reagiert hat. Zusammenfassend kann daher an dieser Stelle festgehalten werden, dass die Entscheidungsfindung und die erste Urkunde nach der Eroberung 898 Ebd., S. 13. Denkbar wäre noch, dass Wisby, dessen Freiheit hier verbrieft wurde, eine bedeutende Rolle gespielt hat. Auch Benninghoven, Gotlandfeldzüge, S. 445, hält diese Möglichkeit für wahrscheinlich. 899 Dazu s. Kattinger, Verhandlungen, S. 52. 900 Ebd.

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nahelegen, dass es sich bei der Gotlandexpedition eben nicht um den langfristigzielgerichteten Versuch eines strategischen Erwerbs von Ordensseite gehandelt hat, um eine Machtposition in der Ostsee aufzubauen, sondern um eine ad-hocReaktion. Ad-hoc-Entscheidungen und fehlende strategische Langfristziele schließen hingegen ein in der Sache militärisch-taktisch kluges Verhalten des Hochmeisters nicht aus. Taktisches Verhalten jedoch impliziert noch lange keine Langfrist-Strategie, wovon allerdings offensichtlich vielfach ausgegangen wird! Hervorzuheben ist indes – insbesondere angesichts des teilweise taktisch etwas ungeschickten Verhaltens des Hochmeisters gegenüber Vytautas und dem polnischen König –, dass Konrad seine Entscheidung, gegen die Seeräuber auf Gotland vorzugehen, geheim zu halten wusste. Der dänischen Königin antwortete er auf einen Brief, in dem u. a. die Beseitigung der Seeräuber ein Thema gewesen ist, dass er sich mit seinen Städten beraten habe, aber nun noch keine Antwort mitteilen könne, da das Thema auch die anderen Hansestädte angehe.901 Er versprach dann abschließend, sie über die Ergebnisse der Beratungen mit den anderen Städten zu informieren. Konrad behauptete also, dass eine Entscheidung noch nicht gefallen sei. Doch datiert dieser Brief auf den 28. Januar 1398 und ist damit fünf Tage nach der oben genannten Versammlung, in der der Hochmeister die technischen Modalitäten der Expedition mit den Städten abgestimmt hat, ausgestellt worden. Der Hochmeister verheimlichte der Königin, so ist anzunehmen, aus militärisch-taktischen Gründen seine Beschlüsse zur Expedition nach Gotland.902 Doch auch gegenüber den anderen Hansestädten hatte er Stillschweigen bewahrt. Aus diesem Grund befahl er auf einer Versammlung zu Marienburg vom 22. Februar, dass die Sendboten seinen Alleingang gegenüber einem zu Lübeck stattfindenden Hansetag erklären sollten.903 Als Begründung sollten sie anführen, dass dadurch eine Sammlung der verschiedenen Seeräuberhaufen verhindert worden sei, die eine Abwehr deutlich erschwert hätte. Man muss daher konstatieren – aber das stand auch außer Frage –, dass der Hochmeister militärisch-taktisch sinnvolle Entscheidungen getroffen hat. Im Übrigen wurde den genannten Sendboten aufgetragen, als Grund für das Eingreifen anzuführen, dass er das dem gemen kofman, dy sien land vorsuchen, zum Nutzen getan habe.904 Obgleich diese Begründung in einem Schreiben erwähnt wird, das zeigt, dass der Orden aus taktischen Gründen andere Parteien im Dunklen ließ, kann

901 902 903 904

OF 2c, S. 146–147; gedr. DiplDan 4, 6, 504, und HR 4, 431. So zu Recht Kattinger, Verhandlungen, S. 52. HR 4, 434, 1–2. HR 4, 434, 1.

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man diese nicht als per se unglaubwürdig abtun – zumal sie im Folgenden noch häufiger auftauchen wird. Auch mit der abgeschlossenen Eroberung von Gotland wurde die militärische Sicherung der See als weiterhin notwendig betrachtet. Am 1. Mai 1398 kam Konrad mit den Städten auf der Marienburg überein, dass Friedeschiffe noch bis zum 16. Mai in der See liegen bleiben sollten.905 Die Kosten dafür wurden zwischen den Städten und dem Hochmeister geteilt, indem beide Seiten jeweils für 100 Mann aufkamen; für die städtischen Schiffe sollte der Hauptmann aus der Reihe der Danziger kommen, während für die vom Orden ausgerüsteten Schiffe Königsberg den Hauptmann stellen sollte.906 Deutlich zeigt sich auch in dieser Quelle ein einvernehmlich abgesprochenes Vorgehen zwischen dem Hochmeister und seinen Städten. Diese (allerdings recht kurzfristigen) Maßnahmen dürften nicht zuletzt ihren Grund darin finden, dass die – wie in den Thorner Annalen pointiert ausgedrückt wurde – Seeräuber nicht interfectis, sondern nur expulsis worden waren.907 Einer Rückkehr ihrerseits sollte so wohl ein Riegel vorgeschoben werden. Die Quelle zeigt aber auch, dass der Orden nicht vorhatte, die Kosten – ein Thema, das auch gegenüber Dänemark im Weiteren häufig als Hindernis für eine Einigung angeführt werden sollte – für Eroberung und Sicherung von Gotland alleine zu bestreiten. In diesem Sinne forderte der Hochmeister auch den Bürgermeister und den Rat von Wisby auf, die Besatzung gegen die Seeräuber unterhalten zu helfen, da es für den Orden und das Land Preußen alleine zu viel sei.908 Als Begründung für diese Aufforderung vom 29. Mai 1398 formuliert der Hochmeister die Befürchtung, dass die Seeräuber im Winter wieder nach Gotland kämen, was ohne Besatzung und große Kosten nicht verhindert werden könne. Zu Beginn des Briefes hatte der Hochmeister zudem betont, dass man sich wegen der Not des gemeinen Kaufmanns in die See gelegt habe mit dem Ziel, eben diese Seeräuber zu vertreiben, was hohe Kosten zur Folge gehabt habe. Als Motiv für die Gotlandexpedition wird also auch in diesem Brief an die nun der Herrschaft des Ordens unterstehende Stadt Wisby genannt, dass der Hochmeister den Handel habe schützen wollen, indem er gegen die Seeräuber vorging. Die Konstruktion der Quelle legt es nahe, dass der Hochmeister es aufgrund seines Einsatzes für den gemeinen Kaufmann, dessen hohe Kosten betont werden, nun auch nur recht und billig fand, wenn sich Wisby jetzt an den Folgekosten, da die Seeräubergefahr noch nicht ausgestanden war, beteiligte. Eine territoriale Expansion zur reinen Ausweitung der Ordensmacht scheint in 905 906 907 908

HR 4, 467, 1. HR 4, 467, 2–3. Thorner Annalen, SSRP 3, S. 217. OF 2c, S. 166; gedr. HR 4, 471.

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diesem Brief als Motiv nicht durch. Hätte der Orden weiterreichende Pläne als den Schutz vor den Seeräubern gehabt, dann wäre wohl auch eine andere Ansprache zu erwarten gewesen mit konkreteren Forderungen an Bürgermeister und Rat. Der Orden war zum weiteren Halten der Insel auf die Beiträge der preußischen Städte und Wisbys angewiesen, was eben darauf hindeutet, dass längerfristige Inkorporationspläne nicht existierten, sondern zunächst nur eine temporäre Besetzung gegen die Seeräuber. Sonst hätte der Hochmeister sicherlich andere Maßnahmen zur Besatzung und Organisation der Verteidigung der Insel ergriffen, was sich dann auch in den Quellen niedergeschlagen hätte. Angesichts der detaillierten Aufmarschpläne bei der Expedition hätte eine längerfristige Inkorporation Gotlands in das Ordensland sicher deutlich anders ausgesehen. Doch gab die überraschende Aktion gegen Gotland recht bald Anlass, sich gegenüber der dänischen Königin rechtfertigen zu müssen, auch wenn dem Hochmeister dieser Gedanke zunächst fremd gewesen zu sein scheint. Aus einem Schreiben an Paul Quentin aus Frankfurt an der Oder, einem Anhänger bzw. Vertrauten des Ordens, geht hervor,909 dass dieser den Hochmeister gewarnt habe, dass Margarete schon auf der Suche nach Rat und Hilfe gegen den Orden gewesen sei. Der Hochmeister antwortete daraufhin, dass derjenige ihm Unrecht tue, der glaube, dass man mit der Einnahme Gotlands wider Margarete gehandelt habe. Das Ziel sei die Vertreibung der Seeräuber gewesen und zum Nutzen nicht nur für den Orden und seine Untertanen und Städte, sondern auch für den gemeinen Kaufmann und die Königin selbst. Konrad betonte abschließend, dass er Gotland nicht genommen habe, um es jemandem vorzuenthalten, der ein Recht darauf habe. Die Argumentation ist mittlerweile bekannt, gewinnt hier aber eine besondere Glaubwürdigkeit dadurch, dass der Hochmeister es gegenüber einem Vertrauten des Ordens seinerseits äußert, dem gegenüber eine komplette Verzerrung der Situation eher kontraproduktiv gewesen wäre.910 Neu hinzukommt die hochmeisterliche Betonung seiner grundsätzlichen Bereitschaft, das Land an den rechtmäßigen Besitzer abzutreten. Der Hochmeister kam dann der Bitte der Königin, ihr den Komtur von Danzig, Graf Albrecht von Schwarzburg, und den Großschäffer von Marienburg, Johann Tiergart, zu senden, auch dahingehend entgegen, dass er ihr wenigstens den Letztgenannten als Gesandten schickte. Im Brief selber werden keine Gründe für die dänische Bitte genannt;911 dass die gotländische Angelegenheit ein wesentlicher Grund für die 909 OF 2c, S. 169–170; gedr. DiplDan 4, 6, 601, vom 21. Juni 1398. 910 Mit Paul Quentin wurde auch in anderen Angelegenheiten, so u. a. bzgl. des Herzogs von Pommern-Stettin, korrespondiert. Die Informationen in diesen Briefen machen dabei einen soliden und nicht verzerrten Eindruck, wollte man doch seine Vermittlung nutzen; vgl. OF 2c, passim. 911 OF 2c, S. 174; gedr. DiplDan 4, 6, 608, vom 19. Juli 1398.

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Bitte nach der Absendung von den der Königin schon von früher vertrauten Ordensmitgliedern gewesen ist,912 ist jedoch nicht nur daher mehr als naheliegend.

4.4.2 Die Pfandnahme Gotlands von Herzog Albrecht Albrecht von Schweden war dann auch geschwind dabei, die Bestimmung der Urkunde vom 5. April 1398, in der abschließende Regelungen um Gotland Verhandlungen zwischen ihm und dem Hochmeister vorbehalten geblieben waren, umzusetzen.913 Er erschien vor dem 6. Oktober 1398 in Danzig, woraufhin die Städte bei ihrer Versammlung jegliche Beschlussfassung bis zur Rückkehr des Hochmeisters – dieser war gerade mit den Verträgen von Sallinwerder beschäftigt –, den sie davon in Kenntnis gesetzt hatten, aussetzten.914 Doch nun sollte es ein wenig dauern, bis es zu einer Kontaktaufnahme zwischen Albrecht und dem Hochmeister kommen sollte. Albrecht wurde offensichtlich ungeduldig und nötigte den Hochmeister zu einer schnellen Antwort, die dann jedoch nur vorläufig war. Zumindest geht aus seinem Antwortschreiben vom 4. November 1398 hervor,915 dass er die von Hermann van der Halle, dem Danziger Bürger und vormaligen Hauptmann der preußischen Städte in Stockholm (1395–1396)916, überbrachte mündliche Botschaft postwendend um Mitternacht beantwortete, was in seiner außenpolitischen Korrespondenz sonst so gut wie nicht vorkam.917 Aus dem Brief kann man ersehen, dass es eben Albrecht war, dem jetzt die Wartezeit in Danzig zu lang zu werden drohte. Er hatte mit Hermann van der Halle – wohl aufgrund seiner vorherigen Erfahrungen als Hauptmann von Stockholm ein natürlicher Ansprechpartner für den nominellen König von Schweden – schon vorher Unterredungen geführt. Diese scheinen nach dem Brief aber von dem wartenden Albrecht ausgegangen und über Hermann an den Hochmeister herangetragen worden zu sein.918 Nicht Konrad hatte diese Verhandlungen also initiiert. Er reagierte wieder einmal nur, war aber nicht von sich aus aktiv geworden. 912 Vgl. SDOP, S. 18. 913 Albrecht kam nach Danzig laut Voigt, Geschichte, 6, S. 115, »um aus seinen Ansprüchen auf Gothland wenigstens noch einigen Gewinn zu ziehen.« So auch Kehlert, Insel, S. 19. 914 Der Rezess ist gedruckt in HR 4, 501, 1; das Schreiben der preußischen Städte an den Hochmeister in HR 4, 502. 915 OF 2c, S. 181–182; gedr. HR 4, 509. 916 Kehlert, Insel, S. 19. 917 Kehlert, Insel, S. 20, missversteht diesen Umstand, wenn er glaubt, dass die Eile von Konrad ausgegangen sei. 918 Kattinger, Verhandlungen, S. 53, formuliert vorsichtig, dass die Verhandlungen von Albrecht begonnen worden zu sein scheinen.

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Die Eroberung von Gotland – ein Brückenkopf in der Ostsee?

Welchen Inhalt die mündlich überbrachte Botschaft genau hatte, geht nicht ganz deutlich aus dem Schreiben hervor. Es ist die Rede von 9000 Nobeln – vielleicht nicht zufällig eine Summe, die der später im Schwaaner Vertrag bar übergebenen Summe nahekommt. Die Umstände des Briefes sprechen daher dafür, dass Albrecht über Hermann van der Halle schon einmal preisliche Vorstellungen für eine Verpfändung und damit die Möglichkeit einer Verpfändung generell an den Hochmeister herangetragen hat. Der Hochmeister bat aber um Verständnis dafür, keine abschließende Antwort erteilen zu können, da er aufgrund der Abwesenheit seiner Gebietiger sich gerade nicht abstimmen könne. Zudem bat er um Übersendung seiner Vorschläge in schriftlicher Form. Offenkundig wollte der Hochmeister, der etwas zögerlich angesichts eines solchen Angebotes war, etwas Schriftliches in der Hand haben, über das er beraten konnte. Der Auffassung, dass es der Hochmeister gewesen sein soll, der ursprünglich auf eine Erpfändung von Gotland bedacht war und diese Idee zielgerichtet verfolgte, widerspricht also dieses Quellenzeugnis zur Gänze! Vielmehr war es Albrecht, der diese Idee lanciert und den Hochmeister auch ein wenig zur Entscheidung gedrängt hat. Der Vertrag wurde also eben nicht, wie Benninghoven meint, auf Initiative des Hochmeisters ausgehandelt!919 Dass Hermann van der Halle eben nicht im offiziellen Ordensauftrag mit Albrecht die Unterredungen begonnen hat, wie Kehlert und Kattinger andeuten,920 sondern dass dieser von eygener bewegunge (ein Grund dafür wird jedoch nicht angegeben) die Unterredung mit Albrecht gesucht und er dessen Vorschläge dann dem Hochmeister mündlich übermittelt hat, auf die nun alles Weitere zurückgeht, kann man eindeutig dem folgenden Brief des Hochmeisters an Albrecht vom 20. November 1398 entnehmen.921 Damit ist belegt, dass die Initiative, die letztlich zur Verpfändung Gotlands geführt hat, ursprünglich nicht vom Hochmeister ausgegangen ist. Dieser antwortete nun mit diesem Schreiben auf die vorher in schriftlicher Form eingeforderten und mittlerweile erhaltenen Vorschläge Albrechts. Es wird in diesem Brief nun auch eindeutig klar, dass sich diese auf Gotland bezogen hatten. Albrecht verlangte nun aber 10.000 Nobel für einen besiegelten Vertrag. Konrad von Jungingen antwortete darauf, indem er dem Briefüberbringer Vertragsentwürfe mitgab mit der Bitte an Albrecht, jenem direkt mitzuteilen, ob diese annehmbar seien, damit die Verträge danach unmittelbar verbrieft werden könnten. Offenbar herrschte Regelungsdruck in dieser Angelegenheit. Ob der Hochmeister hier nun eine Chance sah, die er 919 Benninhoven, Gotlandfeldzüge, S. 448. 920 Kehlert, Insel, S. 19; Kattinger, Verhandlungen, S. 53, schreibt, die Verhandlungen auf Seiten des Ordens seien zunächst von Hermann geführt worden, was eine offizielle Funktion impliziert. 921 OF 2c, S. 182–183; gedr. HR 4, 510. Kattinger, Verhandlungen, S. 53 bzw. S. 64, nennt diesen für die Abläufe wichtigen Brief bloß, geht aber nicht näher darauf ein.

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schnell ergreifen wollte, oder ob Albrecht diesen Druck aufgebaut hat, ist unklar. Für Letzteres würde Albrechts vorheriges Verhalten sprechen. Am Schluss des Schreibens schlägt der Hochmeister dann das weitere Vorgehen für die Übergabe Gotlands vor. Das Schreiben zeigt also insgesamt, dass der Hochmeister auf den Vorschlag zwar dann nicht uninteressiert einging, dass die Idee selber aber nicht von ihm kam, die Erpfändung Gotlands also nicht Teil einer langfristig geplanten Sicherungsstrategie, sondern eher das Eingehen auf einen Plan Albrechts unter Zeitdruck war. Dass er den Plan einer Verschreibung verfolgte, um sich ungestört seiner neuen Eroberung zu erfreuen, wie Kehlert behauptet, ist reine Spekulation; für ein solches Motiv finden sich in den Quellen keinerlei Anhaltspunkte.922 Erst im Laufe der Verhandlungen mit Albrecht entwickelte der Hochmeister ein gesteigertes Interesse an einer solchen Regelung, wie ein Brief vom gleichen Tag an Wisby belegt, in dem er die Stadt darüber informierte, dass es mit Albrecht noch zu keiner abschließenden Einigung gekommen sei, er eine solche jedoch erhoffe.923 Offenkundig informierte der Hochmeister die Stadt aus eigenem Antrieb, ohne dass diese direkt nachgefragt hätte. Der Hochmeister wusste demnach, dass von Wisby ein solcher Vertrag gewünscht war, was für die oben geäußerte Vermutung sprechen könnte, dass die gotländische Stadt auch schon beim ersten Vertrag mit Johann von Mecklenburg vom 5. April ihre Hände im Spiel hatte. Der Abschluss eines Vertrages verzögerte sich trotz aller an den Tag gelegten Eile nun jedoch erheblich, da die übersandten Vertragsentwürfe Albrecht nicht zusagten. Er erbat vielmehr für weitere persönliche Verhandlungen die Absendung von bevollmächtigten Ordensgebietigern, was der Hochmeister am 7. Januar 1399 jedoch mit dem Hinweis ablehnte, dass es im Orden üblich sei, solche wichtigen Angelegenheiten mittels Briefen und Botschaften zu einem Ende zu führen.924 Der Hochmeister übersandte dabei einen neuen Vorschlag, von dem er, wie er schrieb, glaube, dass er nichts Unmögliches fordere. Konrad bat Albrecht andernfalls um die Übersendung eines veränderten Entwurfes, den er mit seinen Gebietigern prüfen wolle. Albrecht hatte nun in der Tat Änderungswünsche, die der Orden wiederum nicht ohne Änderungen seinerseits durchgehen lassen wollte, sodass er dessen Verpfändungsurkunde verändert zurücksandte (am 16. März 1398).925 Im Wesentlichen verlangte der Orden die Mitbesiegelung der fünf Städte und des Adels Albrechts. Zudem erklärte der Hochmeister in diesem Schreiben, keine Quittung 922 923 924 925

Kehlert, Insel, S. 20. OF 2c, S. 185; gedr. HR 4, 511. OF 2c, S. 193; gedr. CDP 6, LXXVIII. OF 2c, S. 199–200; gedr. HR 4, 521.

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wegen des durch seine Leute verübten Schadens an dem gemeinen Kaufmann – eine Frage, die schon länger virulent war – über 20.000 Nobeln ausstellen zu können, da diese im Vertragsentwurf genannte Summe als Entschädigung für die Kosten der Befreiung Gotlands von den Seeräubern anzusehen sei. Daran, dass Albrecht nicht recht wusste (oder wissen wollte), wofür die Summe von 20.000 Nobeln im Vertrag aufgenommen worden war, kann man erkennen, dass dieser Aspekt vom Orden in die Dokumente eingebracht wurde. Daraus folgt, dass der Orden – obgleich er betonte, dass diese Summe eher gering angesetzt worden sei – ein großes Interesse daran hatte, die Kosten für diesen Einsatz in der Verpfändungsurkunde zu dokumentieren. Solch eine Klausel ergibt aber nur dann einen Sinn, wenn es dem Hochmeister darauf ankam, nicht auf den Kosten sitzen zu bleiben. Damit ist schon bei der Erpfändung die Auslösung der Insel zu einer den Kosten halbwegs angemessenen Summe einkalkuliert. Auf eine auf längere Frist angelegte Pfandnahme – in diesem Fall würde die aufgewandte Pfandsumme keine Rolle spielen bzw. exorbitant hoch ausfallen müssen, um eine Auslösung auszuschließen – deutet eine solche vom Ordensoberhaupt eingebrachte Klausel eben gerade nicht hin, sonst hätte der Hochmeister zumindest die volle aufgebrachte Summe im Vertrag festschreiben lassen. Abschließend geht der Hochmeister noch auf den sich in die Länge ziehenden Verhandlungsprozess ein, über den sich Albrecht offensichtlich schon beschwert und sogar schon mit öffentlichen Klagen gedroht hatte. Er wies die Vorwürfe deutlich zurück und betonte, dass der Orden in dieser Angelegenheit große Kosten und großen Schaden seinetwegen erlitten habe. Der Hochmeister bat Albrecht dann um Rückmeldung, ob dieser nun den Entwurf akzeptiere. Es wird aus dieser Antwort sehr deutlich, dass bei dem Verhandlungsprozess doch zahlreiche unterschiedliche Aspekte vorher geklärt werden mussten, es aber letztlich Albrecht war, der die Verpfändung schnell abschließen und den Prozess daher beschleunigen wollte. Der Orden – und das scheint sich in den letzten Sätzen anzudeuten – konnte aufgrund der de-facto-Verfügungsgewalt über die Insel auf Zeit spielen und auf seinen Vorstellungen für den Vertrag bestehen. Um jeden Preis sah sich der Hochmeister jedenfalls nicht zu einem Vertrag bereit. Doch auch nun brauchte es noch etwas Zeit bis es zu einer Übereinkunft kommen sollte. Bei der Versammlung zu Marienburg am 2. Mai 1399 wies der Hochmeister seine preußischen Städte an, dass itzliche stat in syme rate sprechin solle wegen des Verpfändungsbriefes von Gotland mit König Albrecht.926 Offenkundig wollte sich der Hochmeister bei seinen Städten rückversichern, dass keine gravierenden Einwände mehr gegen den Vertrag erhoben würden. Von solchen Einwänden wurde jedenfalls später nichts bekannt. Weiterhin scheint es

926 HR 4, 528, 2.

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ein einvernehmliches Vorgehen zwischen Landesherrscher und Städten gegeben zu haben. Die Suche nach dem Rückhalt der Städte ist umso deutlicher. Die Verpfändungsurkunde, der sog. Schwaaner Vertrag, datiert auf den 25. Mai 1399.927 Hier verpfändeten nun König Albrecht und Herzog Johann der Jüngere von Mecklenburg dem Deutschen Orden die Insel Gotland mit der Stadt Wisby für 30.000 Nobel, von denen jedoch nur 10.000 Nobel bar in Wismar ausgezahlt wurden, während die restlichen 20.000 als Unkosten für die Befreiung von den Seeräubern als verrechnet betrachtet werden sollten. Von den umfangreichen Detailregelungen müssen folgende hervorgehoben werden: Es wird naturgemäß die Auslösungsmöglichkeit für die Pfandgeber und ihre Nachkommen über die 30.000 Nobel vorbehalten, jedoch darf der Hochmeister, sollte der König die Insel nicht innerhalb eines Jahres auslösen, diese für dieselbe Summe auch an jemand anderen verpfänden können. Diese Klauseln zeigen, wie sehr es dem Hochmeister angelegen war, seine Eroberungskosten in der Pfandsumme für eine mehr als nur rein theoretische Auslösungsmöglichkeit – von welcher Seite auch immer – festzuschreiben. Für die weiteren Verhandlungen um Gotland sollte die für die Pfandverträge des Ordens nicht unübliche Klausel928 wichtig werden, in der sich Albrecht und Johann von Mecklenburg verpflichteten, Gotland und Wisby von allen Rechtsverbindlichkeiten zu entlasten und für den Orden auf dem Rechtswege einzutreten, sollte dieser wegen der Insel verklagt werden und ihm auch ggf. mit Waffengewalt auf eigene Kosten beizustehen, wobei dem Hochmeister die Wahl der Mittel freistehen sollte. Hinzukommt, dass sich die Mecklenburger verpflichteten, sich während der Zeit der Hilfeleistung für den Orden mit niemand anderem wegen Gotlands zu verbinden. Eine von dem eben detailliert nachgezeichneten Prozess zumeist unabhängig angestellte Betrachtung hat – wie ein Blick in die Sekundärliteratur verrät – vielfach zu der Annahme geführt, dass es der Orden und Konrad gewesen wären, die auf einen Vertrag gedrängt hätten, um sich der militärisch hergestellten Herrschaft nun auch staatsrechtlich und für längere Zeit zu versichern.929 Angesichts der Rekonstruktion des Prozesses muss jedoch betont werden, dass es definitiv Albrecht und Johann waren, die diesen Verhandlungsprozess ange927 SDOP, 7 (Vollregest); gedr. ST 2, 427; von Johann von Posilge, SSRP 3, S. 229, ganz knapp erwähnt; vgl. Benninghoven, Gotlandfeldzüge, S. 448–449; Kattinger, Verhandlungen, S. 52–53; Kehlert, Insel, S. 21–22. 928 Eine ähnliche Klausel findet sich z. B. auch in den die Neumark betreffenden Pfandverträgen. Solche Bestimmungen sind insgesamt, anders als Kattinger, Verhandlungen, S. 53, glaubt, jedoch mehr als übliche – aber zumeist eher unwirksame – Vorsichtsmaßnahmen zu werten denn als ein vorteilhaftes »Verteidigungsbündnis«. 929 So auch Kattinger, ebd., und Kehlert, Insel, S. 19, der die genauen Abläufe des Verpfändungsprozesses aufgrund von einiger Quellenferne aber gänzlich missachtet.

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stoßen haben, um – so deutet es schon der erste Brief Albrechts an – noch etwas Geld für eine Insel zu bekommen, über die ohnehin keine Verfügungsgewalt mehr bestand und die wieder zu erlangen wohl auch keine Hoffnung mehr berechtigt war.930 Auch aus diesem Grund dürfte Albrecht das nicht ganz übliche Vertragskonstrukt um die Höhe der Pfandsumme von insgesamt 30.000 Nobeln akzeptiert haben, von denen nur 10.000 ausgezahlt wurden, da der Hochmeister den Rest als Kosten für die Eroberung angerechnet hatte.931 Wieder einmal ist es also der Hochmeister gewesen, der nicht selber zielgerichtet aktiv wurde, sondern auf von außen vorgebrachte Vorschläge einging. Auch die von Albrecht immer wieder initiierten Versuche, den Abschluss der Verhandlung zu beschleunigen, deuten darauf hin, dass er es war, der sich größeren Gewinn von den Vertragsergebnissen versprach.932 Davon, dass hier ein zielgerichtetes Vorgehen des Hochmeisters für eine langfristige, auch rechtliche Sicherung der Eroberung zu erkennen wäre, kann daher keine Rede sein. Der Hochmeister sah im Vertrag offensichtlich vor allem die Möglichkeit, sich die Kosten für den Feldzug verbriefen zu lassen, auf denen er nicht sitzen bleiben wollte,933 wie der Verhandlungsprozess belegt, in den dieser Aspekt von der Ordensseite eingebracht wurde. Auch dieser Umstand spricht dafür, dass der Hochmeister nicht mit einem längerfristigen Besitz der Insel, sondern eher mit einer baldigen Auslösung rechnete. Im Gegensatz zu einem oberflächlichen Blick auf die Ergebnisse des Vertrags ohne Rekurs auf sein Zustandekommen spiegelt sich im Verhandlungsprozess daher keine zielgerichtete und auf Langfristigkeit ausgelegte territoriale Expansion zur Ausweitung der Machtstellung des Ordens wider.934 Tatsächlich muss in den Ereignissen vielmehr eine – auch 930 In diese Richtung zielt auch die Einschätzung von Kehlert ab; ebd., S. 22–23. 931 Ein »Verzicht«, wie Kattinger, Verhandlungen, S. 53, meint, bedeutete diese Verrechnung grundsätzlich nicht, sondern nur dann, wenn man das letztendliche Ergebnis zum Maßstab nimmt! Schließlich war die rechtliche Konstruktion ein Pfandvertrag. Es ist vielmehr umgekehrt daraus zu folgern, dass der Orden seine finanziellen Ansprüche verbrieft haben wollte. Wäre der längerfristige Besitz das Ziel gewesen, wären sicherlich andere Vertragsformen an dieser Stelle naheliegender gewesen als ausgerechnet ein Pfandvertrag. Auch aus der »Stetigkeit« der Verhandlungen ein Interesse an dem längerfristigen Besitz der Insel beim Orden zu vermuten, wie es ebd. gemacht wird, ist alles andere als zwingend, kam doch Albrecht immer wieder auf Konrad zurück, um den Prozess zu beschleunigen. 932 Anders als Kattinger, Verhandlungen, S. 53, meint, hat der Prozess gezeigt, dass es nicht der Orden gewesen ist, der die diplomatischen Beziehungen zu Albrecht intensivierte, sondern es sich genau anders herum verhielt. Der Orden kann hier nicht als (an-)treibende Kraft gesehen werden. 933 So auch Benninghoven, Gotlandfeldzüge, S. 447–448. 934 Anfang September erst schrieb der Hochmeister an Gotland und Wisby die Ankündigung, einen Gebietiger zur Annahme der Huldigung zu ihnen zu senden; OF 2c, S. 206; gedr. CDP 6, LXXXV, und OF 2c, S. 205–206; gedr. CDP 5, CXII. Dieses langsame Verfahren dürfte auch dafür sprechen, dass der Hochmeister sich hier nicht in einem Handstreich eine strategische Herrschaft zu sichern suchte.

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vom Hochmeister mehrfach als Grund angeführte – ad-hoc-Reaktion zur Beseitigung der »Seeräuberplage« erkannt werden.

4.4.3 Die Verhandlungen über dänische Ansprüche auf Gotland zwischen 1399 und 1403 Im Oktober935 erhob dann jedoch Königin Margarete Ansprüche auf Gotland und Wisby. Konrad reagierte ihr gegenüber darauf mit einem verbindlichen Schreiben vom 25. Oktober 1399, in dem er um die Wahrung freundlicher Beziehungen bat und eine Antwort in Aussicht stellte, nachdem er die Angelegenheit dem sachwalden, von dem er das Land in Pfand genommen habe (d. h. also Albrecht), vorgestellt habe.936 Am gleichen Tag informierte Konrad dann auch Albrecht über die Forderungen Margaretes und verlangte die vertragsgemäße Vertretung des Ordens gegen diese Ansprüche.937 Als ob das hochmeisterliche Vertrauen in Albrechts Sachwalterschaft schon jetzt recht gering war, glaubte dieser, hier darauf hinweisen zu müssen, dass bei unterlassener fryunge binnen Jahresfrist der Vertragslaut andere Handlungsmöglichkeiten erlaube, womit eine Weitergabe der Insel gemeint sein dürfte. Am 22. November 1399 leitete der Hochmeister die (verschollene) Antwort Albrechts an Margarete weiter, ohne indes mit der Antwort zufrieden zu sein, wie er gegenüber Margarete betonte. Trotz gezeigter Skepsis glaubte er, der Dänenkönigin eine bessere Erklärung Albrechts in Aussicht stellen zu können.938 Die Folgezeit sollte zeigen, dass Skepsis gegenüber Albrechts Engagement angebracht war. Margaretes Interesse an Gotland erhöhte sich,939 wovon ein stetiger Briefwechsel zwischen dem Hochmeister und den anderen zwei Parteien Zeugnis ablegt, der formal und inhaltlich bis 1403 große Ähnlichkeiten aufweist. Die eigene Position wurde jeweils mit geringer Variation wiederholt. Die nächste schriftliche Nachfrage Margaretes hinsichtlich Gotlands und Wisbys musste der Hochmeister am 11. Februar 1400 beantworten.940 Hier zeigen sich sehr deutlich die Kernelemente seiner Antwort, die auch im Folgenden immer wieder ange935 OBA 633, ein Schreiben des Meisters in Livland an den Hochmeister wegen der Verhältnisse zu Vytautas und der Königin von Dänemark, hilft nicht weiter – nicht zuletzt, weil das Stück nur vage auf um 1400 datierbar ist. Der Druck in CEV, DCLXVIII, ordnet das Stück sogar gänzlich abwegig dem Jahr 1416 zu. 936 OF 2c, S. 237; gedr. DiplDan 4, 7, 112; vgl. Kehlert, Insel, S. 24. 937 OF 2c, S. 237–238; gedr. DiplDan 4, 7, 113; vgl. Kehlert, Insel, S. 25. 938 OF 2c, S. 238; gedr. DiplDan 4, 7, 128; vgl. Kehlert, Insel, S. 25. 939 Dass der Hochmeister geglaubt habe, Margarete würde es bei einer Anfrage bewenden lassen, ist – wie so vieles – reine Spekulation von Kehlert, Insel, S. 26, und durch keine Quellen gedeckt. 940 OF 2c, S. 241–242; gedr. DiplDan 4, 7, 246.

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Die Eroberung von Gotland – ein Brückenkopf in der Ostsee?

führt werden sollten: Zum einen betonte Konrad auch hier wieder, dass die gotländische Unternehmung vorwiegend zur Sicherheit des gemeinen Kaufmanns unternommen worden sei. Dass er eine abschließende Antwort auf die diesbezügliche Frage, die er der dänischen Königin per Boten hätte übermitteln sollen, noch nicht geben könne, wird hier zum einen mit der Abwesenheit der Gebietiger, die gegen die Heiden ausgezogen seien, entschuldigt, und zum anderen damit, dass man die Antwort des Sachwalters des Ordens abwarten müsse, da es sonst nicht möglich sei, mit eren eine Antwort zu geben, da der Orden von diesem Land und Stadt zu getreuer Hand empfangen habe und wegen der großen Kosten bei der Einnahme die Insel als Pfand habe nehmen müssen. Wieder einmal betonte der Hochmeister die Kosten des Feldzuges, auf denen er nicht sitzen bleiben wollte, und die Bindung an den Pfandgeber, ohne dessen Einverständnis er nichts unternehmen könne. Neu ist das Motiv der Ehre, was hier in die Diskussion eingeführt und mit den Verhandlungen verknüpft wurde. Offensichtlich hatte dieses für den Orden keine geringe Bedeutung. Am gleichen Tage wie der Hochmeister schrieb auch der Großkomtur an Margarete und betonte bei der Versicherung, alles in dieser Angelegenheit zu unternehmen, als Bedingung die behaldunge unser ere.941 Bemerkenswert ist das aus zwei Gründen: Zum einen ist dieser Aspekt als einziger in dem Brief angeführt. Ihm dürfte damit eine besondere Bedeutung zukommen. Zum anderen ist der Brief an sich bemerkenswert, sind Briefe vom Großkomtur in Einzelfällen zwar belegt, jedoch eigentlich nur dann, wenn der Hochmeister verhindert war. Alles in allem muss aufgrund dieser Umstände dem Ehrbegriff als Faktor für das Handeln des Hochmeisters größere Bedeutung eingeräumt werden als bislang geschehen. Wie gegenüber Margarete angekündigt, wandte sich der Hochmeister nun am 11. Februar 1400 erneut an König Albrecht mit der nächsten Aufforderung, den Orden gegen Margaretes Ansprüche zu vertreten.942 Zudem bat er ihn um seinen wysen rat, wie er sich in dieser Angelegenheit verhalten solle, um einerseits ihm Genüge zu tun, aber sich anderseits auch nicht den Vorwurf einzuhandeln, jemand anderem Unrecht zu tun. Man erkennt hier deutlich die Hilflosigkeit des Hochmeisters, der sich plötzlich zwischen konkurrierenden Rechtsansprüchen auf Gotland und Wisby in der Zwickmühle sah, da jene nicht einfach durch die Intervention des Pfandgebers Albrecht aus der Welt geschafft werden konnten, selbst wenn dieser dazu willens gewesen wäre. Offenbar war dies eine Entwicklung, die den Hochmeister etwas überraschte, auch wenn er weiterhin die Auffassung Albrechts, mit dem er hinsichtlich Gotlands vertraglich gebunden war, für maßgeblich hielt bzw. halten musste, da es eben nicht zuletzt der Vertrag war, der verpflichtete. Der eindringliche Ton des Ordensoberhaupts um un941 OF 2c, S. 241; gedr. DiplDan 4, 7, 247; vgl. Kehlert, Insel, S. 26. 942 OF 2c, S. 242; gedr. DiplDan 4, 7, 248; vgl. Kehlert, Insel, S. 26.

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verzügliche Antwort, damit er die von der Königin gesetzte Frist zur Antwort einhalten könne, zeigt, dass dem Hochmeister in keiner Weise daran gelegen war, die Angelegenheit gegenüber der dänischen Königin zu verschleppen oder noch besser versanden zu lassen. Solche taktischen Gründe, vielleicht sogar mit dem Ziel, die Angelegenheit auszusitzen, kamen ihm nicht in den Sinn – zumindest gibt es keinen Hinweis darauf in den Quellen. Vielmehr hielt er sich an den Vertrag und ging entsprechend vor. Hintergedanken scheint er dabei nicht gehabt zu haben. Er hoffte anscheinend immer noch auf eine zügige Vertretung durch Albrecht zur Klärung der Angelegenheit, die er – wie er auch in diesem Brief noch einmal betonte – zum Nutzen des Kaufmanns unternommen habe. Überaus rechtzeitig – die Frist war auf Ostern (18. April 1400) festgesetzt – übersandte der Hochmeister am 28. März 1400 den angeforderten Brief Albrechts an die dänische Königin, in dem jener sich zu Recht erbot. In dem Begleitschreiben943 bat der Hochmeister Margarete daran anknüpfend eindringlich, einen Verhandlungstag mit Albrecht zu vereinbaren, um die gotländische Angelegenheit zu klären, dabei aber seine Ehre zu wahren. Er betonte nochmals, die Kosten und Mühen des Kampfes gegen die Seeräuber zum Nutzen des gemeinen Kaufmanns aufgewandt zu haben. Der Hochmeister bat abschließend um eine Antwort, die er dann an Albrecht weiterleiten könne. Es ergeben sich aus diesem Brief keine neuen Motive. Lediglich die alten Aussagen wurden hier wiederholt. Bemerkenswert ist vielleicht einzig, dass Albrecht den Aufforderungen des Hochmeisters pünktlich nachkam. Zu einem Tag zwischen Albrecht und Margarete kam es jedoch nicht. Die Angelegenheit war somit nicht aus der Welt. Margarete schrieb daher in dieser Sache wieder an den Hochmeister, der dieses Schreiben, wie er ihr antwortete, auch gleich ebenso am 18. Juni 1400 an Albrecht weitergeleitet habe.944 Das Ordensoberhaupt betonte, dass er eine Einigung zwischen beiden in der Sache Gotlands wünsche und er die Insel nur aufgrund der Seeräuberplage, durch unsers ordens und unser armen luthe und des gemeynen kowffes grose not wille, befreit habe und sie nicht aus eigener Gewalt, sondern als Pfand besitze. Der Hochmeister betonte hiermit noch einmal in expliziten Worten, dass er nicht aus eigener Machtvollkommenheit die Insel besitze und somit darüber nicht ohne weiteres verfügen könne.945 Der Rest ist soweit bekannt. Doch fühlte sich der Hochmeister nun auch zur Erklärung verpflichtet, das Land abzutreten weme wir mit rechte sollen. Eine Abtretung an Margarete wird damit unter den ent943 OF 2c, S. 243; gedr. DiplDan 4, 7, 278; vgl. Kehlert, Insel, S. 26–27. 944 OF 2c, S. 244–245; gedr. DiplDan 4, 7, 319; vgl. Kehlert, Insel, S. 27. 945 Es ging dem Hochmeister explizit um die Rechtsbindung an Albrecht durch die Pfandnahme. Dass er sich in dem »Wahn« befunden habe, die Forderungen Margaretes seien nur eine »Folge ungenügender Bekanntschaft mit seinem Besitzrecht«, wie Kehlert, Insel, S. 27, anführt, trifft das eigentliche Problem daher nicht.

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sprechenden Umständen ins Gespräch gebracht. Daraus ist wenigstens ein Zeichen guten Willens und vielleicht auch schon ein wenig Zweifel an Albrechts Rechtsauffassung seitens des Hochmeisters zu erkennen. Bei der Weiterleitung des Briefes an Albrecht betonte der Hochmeister, dass Margarete alzo offte und vyl und yo lenger y me und ernstlichir uns schribet umb das landt czu Gotlandt (…).946 Die Dringlichkeit wurde dem Hochmeister allerspätestens jetzt bewusst, weswegen er Albrecht ernstlich ersuchte, den Orden gegen diese Ansprüche zu vertreten. Konrad bat abschließend wieder um eine Antwort, die er dann der Königin weiterleiten könne. Eine für alle befriedigende Lösung war angesichts der diametralen rechtlichen Ansprüche von Margarete und Albrecht sowie der realen Verfügungsgewalt des Hochmeisters, der zudem als Pfandnehmer rechtlich an Albrecht gebunden war und nicht aus eigener Herrschaftsgewalt handeln konnte, kaum möglich, ohne dass er sich den Zorn des einen oder des anderen zuziehen würde. Der Brief enthält jedoch auch eine Passage, auf die eingegangen werden muss. Es heißt hier : und uns und unsern orden der truwe und arbeyt gnediclich genysen lasset, dy wir in des selbin landes behaldunge gethan haben (…). Spricht der Hochmeister also hier doch zum ersten Mal den Willen aus, die Insel längerfristig behalten zu wollen? Dann stünde diese Aussage im Gegensatz zum Anerbieten gegenüber der Königin, die Insel an denjenigen auszuliefern, der ein Recht darauf habe. Allerdings bat der Hochmeister direkt danach Albrecht um die Befreiung von den Ansprüchen. Der Hochmeister wollte damit wohl weniger einen längerfristigen Herrschaftsanspruch auf die Insel untermauern als seinen Anspruch darauf, dass Albrecht nun ihn als Pfandnehmer und sich selbst vor schlechteren Ansprüchen auf die Insel schützen möge. Der Hochmeister war eben davon überzeugt, die besseren Ansprüche zu haben, die jedoch von Albrecht gestützt werden müssten. Das Spiel ging also weiter wie gehabt. Albrecht übersandte dem Orden daraufhin wieder einen Brief für Margarete, der sogleich weitergeleitet wurde, worin er sich zu Recht erbot. Doch zudem ist dieses Mal, Anfang August 1400, auch ein Ordensgesandter, der Großschäffer Johann Tiergart, mit dem Begleitschreiben bei Margarete beglaubigt worden.947 Das geschah auf Wunsch Margaretes, die sich davon offenbar mehr versprach als nur von schriftlichen Verhandlungen. Der Hochmeister setzte im Begleitschreiben jedoch auf die mehr bekannten denn bewährten Argumente: Es wurden die Mühen der Befreiung von den Seeräubern betont. Zudem wurde wieder hervorgehoben, dass die Abwehr von weiterem Schaden seiner Kaufleute und des gemeinen Kaufmanns überhaupt der Anlass gewesen sei, und dass es nicht das eigene Land, sondern nur ein Pfand desjenigen Fürsten sei, by dem wir 946 OF 2c, S. 243–244; gedr. DiplDan 4, 7, 318. 947 OF 2c, S. 245–246; gedr. DiplDan 4, 7, 362.

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das land in besatczunge gefunden haben (…). Der de-facto-Inhaber der Insel, den der Hochmeister bei der Eroberung vorfand, wurde von diesem offenkundig auch als rechtmäßiger Besitzer angesehen, mit dem alles Weitere verhandelt werden musste. Das ist ein Vorgehen, das sich auch bei dem Streit um Tankow als Konfliktursache gefunden hat. Aus diesem Grund, aus dieser Wahrnehmung heraus dürfte der Hochmeister damals (1398/1399) tatsächlich in gutem Glauben das Pfand von den Mecklenburgern genommen haben und eben nicht um Margarete bewusst zu übervorteilen, von deren Ansprüchen er nichts wusste bzw. die er zumindest nicht ernst nahm. Doch bot der Hochmeister nun hier wieder auch die Abtretung der Insel demjenigen an, der ein gutes Recht darauf habe. Doch obwohl auch jetzt keine Lösung gefunden werden konnte, war das politische Klima mit der dänischen Königin keineswegs vergiftet. Zumindest dankte der Hochmeister ihr etwas später für die Unterstützung der preußischen Städte und der Hansestädte sowie für die Übersendung eines Pferdes und eines Schachspiels.948 Doch trotz dieser diplomatischen Geschenke an Konrad antwortete er ihr in einem zweiten Schreiben vom gleichen Tag auf ihre von ihrem Kanzler überbrachte mündliche Botschaft mit der Bitte, ihm die diesem gegebene Antwort nicht übel zu nehmen.949 Dass sich diese für die Königin nicht befriedigende Antwort, wie dem Hochmeister bewusst war, auf Gotland bezog, geht nicht aus dem Brief selbst hervor.950 Es deutet jedoch die bald folgende Reaktion des Hochmeisters darauf hin, in der dieser auf die dänische Botschaft rekurrierte. Am 24. Oktober 1400 gingen drei Schreiben an Albrecht,951 Herzog Johann952 sowie an die Städte Rostock und Wismar und die zehn Ritter, die als Bürgen den Schwaaner Vertrag mitbesiegelt hatten.953 Der Hochmeister verwies darauf, dass die Königin in ihrer Botschaft ernstlich betont habe, dass Gotland und Wisby erblich zur Krone Dänemarks gehörten. Gegenüber Albrecht wiederholte Konrad nun seine Aufforderung, den Orden von den Ansprüchen der Königin vertragsgemäß zu befreien, was trotz seiner Bitten noch nicht geschehen sei. Neu ist, dass sich Konrad auch an die Bürgen des Pfandvertrages wandte, die Albrecht dazu anhalten sollten, den Orden nun endlich von Margaretes An948 OF 2c, S. 246; gedr. DiplDan 4, 7, 402. 949 OF 2c, S. 246; gedr. DiplDan 4, 7, 403 (15. Oktober 1400); vgl. Kehlert, Insel, S. 27. 950 In einem Schreiben vom 22. März 1401 erwähnte der Hochmeister, dass der Kanzler umb Martini wegen Gotland vorstellig geworden sei; OF 2c, S. 252–253; gedr. CDP 6, CXIV. Ob es sich dabei um eine zweite Gesandtschaft des Kanzlers oder eine nachträgliche irrtümliche Datumsangabe des Hochmeisters handelt, kann nicht zweifelsfrei ermittelt werden. 951 OF 2c, S. 247; gedr. DiplDan 4, 7, 407. 952 OF 2c, S. 247; gedr. DiplDan 4, 7, 408. 953 OF 2c, S. 248; gedr. DiplDan 4, 7, 409; vgl. Kehlert, Insel, S. 28.

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sprüchen auf Gotland zu befreien. Der Orden ging damit eine Stufe weiter, indem er, nachdem jetzt zum ersten Mal rechtliche Gründe für Margaretes Ansprüche expliziert wurden, auch Herzog Johann, der den Schwaaner Vertrag mitbeurkundet hatte, und die städtischen und ritterlichen Bürgen des Vertrags aufforderte, auf Albrecht einzuwirken, dass dieser seine vertraglichen Verpflichtungen einhalten möge, was bisher – so der Vorwurf – nicht geschehen sei. Sehr deutlich ist, dass der Orden seine Bemühungen verschärfte, um Albrecht zu seinen vertraglichen Verpflichtungen anzuhalten. Es handelte sich um die Abwehr von vom Hochmeister zwar nun explizit wahrgenommenen, aber dennoch in ihrer Berechtigung unklaren rechtlichen Ansprüchen, hatte er die Insel doch von Albrecht übernommen. Grundsätzlich ist seine mehrfach formulierte Bereitschaft, die Insel an denjenigen abzutreten, der ein gutes Recht darauf habe, daher nicht in Zweifel zu ziehen. Zum jetzigen Zeitpunkt glaubte er aber offenbar daran, seine eigenen rechtlichen Möglichkeiten ausnutzen zu wollen. Dass die Erpfändung von Gotland in gutem Glauben an Albrechts Berechtigung der Pfandgabe geschehen ist, darf daher nicht infrage gestellt werden. Zumindest gibt es dafür keinen konkreten Anlass, wenn man nicht der Grundannahme folgt, dass der Hochmeister ohnehin nur auf Landerwerb aus gewesen sei. Danach tat sich in dieser Angelegenheit vorerst nichts mehr. Erst am 25. Januar 1401 brachte der Hochmeister diese Frage wieder vor die Städte Thorn, Elbing und Danzig, die sich in Marienburg versammelt hatten. Im Rezess findet e sich folgende Notiz: Item so gab unser here uns czugedengken, ab ez nutze were, dy von Lubic czu bitten, deme konynghe und der koningynnen czu schriben, bittende, das sy umme Godland eyntrechtich worden.954 In Anknüpfung an die vorhergehenden Schreiben zeigt der Rezess doch sehr deutlich, dass der Hochmeister in dieser Angelegenheit hilflos erscheint und den Rat der Städte einholen möchte, welche Schritte nun von Nutzen sein könnten. Eine strategisch durchdachte zielgerichtete Expansionspolitik spiegelt sich hier daher nicht. Auch hoffte er offenbar immer noch darauf, dass sich Albrecht und Margarete angesichts ihrer unterschiedlichen Rechtsauffassungen einig würden, wenn er Lübeck als vermittelnde Instanz in Erwägung zieht. Diese Hoffnung zeigt, dass auch seine vorherigen Bemühungen auf eine abschließende Lösung abzielten und nicht auf ein Aussitzen der Angelegenheit mit dem Ziel, die Insel, komme was wolle, für sich zu behalten, vielleicht sogar noch in dem Wissen, dass die Ordensansprüche die schwächeren seien. Wenn Konrad eine solche Vermittlung Lübecks in Erwägung zog, dann sicherlich in der Auffassung, in einer besseren Rechtsposition zu sein als die Königin. Ende Februar kamen die gleichen Städte am gleichen Ort wieder zusammen.

954 HR 5, 1, 7; vgl. Kehlert, Insel, S. 28–29.

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Nun wurde in den Rezess955 aufgenommen, dass die Sendboten mit den Lübeckern darüber sprechen sollten, dass sie von unsirs heren homeistirs wegen Albrecht und Margarete schreiben möchten, wie sie wegen Gotland einig werden könnten, uff das unsirm heren syn gelt wider worde, wen (her) [ez] umme des kouffmanns willen getan hat. Dieser Rezess dürfte belegen, dass die Geldfrage für den Hochmeister tatsächlich von einiger Bedeutung war und nicht nur ein vorgeschobener Grund, um die Insel in Besitz zu halten. Dies zeigt sich darin, dass die Lübecker um Vermittlung in dieser Angelegenheit angegangen werden sollten und sie gleichzeitig einen Fingerzeig für die Lösung der Angelegenheit erhielten, indem von der Ordensseite als Bedingung für die Abtretung der Insel die Geldfrage hervorgehoben wurde. Zudem wurden die Lübecker wohl auch deswegen in die Pflicht genommen, da der Hochmeister noch einmal betonte, dass er die Eroberung für den Kaufmann unternommen habe. Der Zusammenhang legt nahe, dass dies durchaus das dem Handeln des Hochmeisters zugrunde liegende Motiv gewesen ist. Dass Margarete unterdessen sehr ungeduldig gewesen wäre, kann nicht behauptet werden. Denn erst am 22. März 1401 übersandte ihr der Hochmeister die Ende Oktober seinerseits eingeforderten Verwendungen Albrechts und Johanns von Mecklenburg und der Städte von Rostock und Wismar gegen ihre Ansprüche auf Gotland und Wisby.956 Der Hochmeister betonte, dass er am 6. März 1401 zudem Boten an Rostock, Wismar und die Hansestädte gesandt habe, um sie mündlich zu bitten, Albrecht zur Einhaltung des Vertrags anzuhalten und Gotland von ihren, Margaretes, Ansprüchen zu befreien, wobei er die Antwort nach Erhalt sofort weiterleiten werde. Konrad bat abschließend höflichst darum – nachdem er noch einmal hervorgehoben hat, das Land niemanden vorenthalten zu wollen, der ein Recht darauf habe –, dass Albrecht und Margarete einen Verhandlungstag beschicken sollten, um die Angelegenheit zu klären. Insgesamt ist hier also keine neue Entwicklung zu erkennen, sondern nur ein Austausch altbekannter Positionen. Zur gleichen Zeit schrieb der Hochmeister auch an die Stadt Wisby, den Propst, die Domherren und die Gemeinde zu Gotland, dass die von ihnen aufgebrachten 500 Mark Silber kaum für den Unterhalt von 20 Bewaffneten ausreichten, weswegen die Differenz zu den momentan 85 stationierten Bewaffneten abgezogen werden müsste.957 Er wies sie dabei darauf hin, dass eine solch geringe Zahl sunderlich in diesen zciethen für das Land gefährlich sei und bat darum, eine Summe Geldes aufzubringen, von der man 85 Bewaffnete halten könne, bies das man sehe, wie sich die sachen entlich derlaufen wellen (…). Dem 955 HR 5, 7, 3. 956 OF 2c, S. 252–253; gedr. CDP 6, CXIV; vgl. Kehlert, Insel, S. 29–30. 957 OF 2c, S. 253; gedr. CDP 6, XCVIII (22. März 1401).

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Schreiben kann man entnehmen, dass dem Hochmeister die ungewisse Situation der Insel klar war, er allerdings glaubte, diese den Gotländern verdeutlichen zu müssen. Konrad wollte die Gotländer an den Kosten der Verteidigung beteiligen. Bemerkenswert ist nun, dass, als nur eine ausgesprochen geringe Summe zusammenkam, der Hochmeister keine Anstalten machte, die Differenz zu übernehmen, sondern vielmehr den Inselbewohnern vor Augen hielt, dass ihnen alle Schuld zufiele, sollte ihnen Unbill widerfahren. Der Hochmeister war also nicht bereit, die Aufwendungen für die Verteidigung zu übernehmen, koste es, was es wolle. In diesem praktischen Verfahren hinsichtlich der Übernahme der Sicherung der Insel zeigt sich, dass der Hochmeister eben nicht alles übernahm, was es brauchte, um sie zu sichern. Hätte Konrad eine Eroberung im Sinne gehabt, die als strategisches Ziel eine territoriale Expansion zur Ausweitung der Macht und einer längerfristige Inkorporation gehabt hätte, wäre hier doch wohl ein anderes Verhalten zu erwarten gewesen. Hinsichtlich der Stellung des Hochmeisters zwischen Margarete und Albrecht ging das Spiel weiter wie bisher. Kurz vor dem 28. Juli 1401 erhielt der Hochmeister von Margarete eine Antwort, in der sie ihre Ansprüche weiterhin aufrecht erhielt. Dieser Brief Margaretes war dem Schreiben in Kopie beigelegt, das der Hochmeister daraufhin wiederum an Albrecht schickte mit der Aufforderung, den Orden gegen die dänischen Ansprüche zu vertreten.958 Der Ton wurde nun aber langsam – zwischen allen Seiten – schärfer. Konrad von Jungingen jedenfalls erinnerte Albrecht daran, ihn seit zwei Jahren um die Einhaltung seiner vertraglichen Pflichten anzugehen, d. h. die vortretunge und fryhunge des landes und der stat czu Gotland (…), das uns doch bis her ny gescheen mochte (…). Zwar hatte Albrecht mehrfach Briefe an die Königin geschrieben, die vom Orden weitergeleitet worden waren, doch hatten diese – wie gesehen – keinen durchschlagenden Erfolg. An der Zuspitzung des Hochmeisters, dass Albrecht den Orden nicht vertreten habe, dürfte man erkennen können, dass das Ordensoberhaupt diese Art des Einsatzes für halbherzig hielt. Er forderte ihn daher auf, den von Margarete vorgeschlagenen Verhandlungstag zum 15. August in Schonen zu besenden, um dort den Orden wegen Gotland zu vertreten. Konrad kündigte an, dass er auch Sendboten dorthin bestellen wolle, um die Angelegenheit zu einem Konsens zu verhandeln und einen – mittlerweile offensichtlich – drohenden Krieg zu vermeiden. Die Verschärfung des Tones deutet darauf hin, dass dem Hochmeister nur überdeutlich bewusst war, auf Albrechts bislang bestenfalls mittelprächtigen Einsatz angewiesen zu sein und dadurch einen Krieg mit Margarete zu riskieren. Von einem taktisch begründetem Verschleppen durch ewige Verhandlungen seitens des Hochmeisters kann nicht die Rede sein. Es zeigt sich hier vielmehr seine Hilflosigkeit in dieser Angelegenheit. 958 OF 3, S. 70; gedr. CDP 6, XCI [!; gemeint ist CXI]; vgl. Kehlert, Insel, S. 30.

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Albrecht jedoch hatte keine Sendboten nach Schonen gesandt.959 Es kam ein neuerlicher Brief Margaretes im Oktober, auf den der Hochmeister am 20. Oktober 1401 antwortete.960 Gleichzeitig antwortete er damit auch auf die Auffassung der Königin, die ihm, wie er darin angibt, durch den Gesandten des Ordens Johann Tiergart mündlich überbracht worden ist. Sie hatte demnach eine abschließende Antwort in Sachen Gotland bis Allerheiligen gefordert. Diese Frist kam dem Hochmeister aber viel zu kurz vor. Als weitere Gründe dafür, keine abschließende Antwort geben zu können, führte er außerdem noch an, dass ein oder zwei Gebietiger nicht vor Ort gewesen seien; auch aufgrund des Wetters könne man niemanden nach Kalmar senden. Konrad erbat daher eine Fristverlängerung bis zum 1. Mai 1402 und kündigte an, derweil Albrecht noch einmal um vertragsgemäße Freiung anzugehen. Er versprach dazu noch folgendes: ouch so welle wir dy wile uns off das hogeste dyrfrogen, was wir mit eren gethun mogen (…). Zweierlei wird deutlich aus diesem Brief: Konrad versuchte auf Biegen und Brechen eine abschließende Antwort zu verschieben, wobei die angeführten Gründe in ihrer Häufung etwas zusammengesucht erscheinen. Dass das wohl dennoch keine Verschleppung aus machtpolitisch-taktischen Gründen war, sondern eher aus Hilflosigkeit geschah, verrät einerseits die Vorgeschichte und andererseits der angeführte Satz, in dem es dem Hochmeister darauf ankam, dass seine Ehre gewahrt bliebe. Die Ehre spielte also offenbar eine große Rolle für Konrad von Jungingen und ist ein Element, das auch vorher schon angeführt wurde. Margarete hatte unterdessen auch die Herzöge von Schleswig und PommernStolp mobilisiert, sich beim Hochmeister für sie, d. h. konkret für die Abtretung Gotlands, einzusetzen. Der Hochmeister unterstellte in seiner Antwort auf ihr für Dänemark ausgestelltes Interventionsschreiben etwas pikiert, dass sie nicht wüssten, wie der Orden an die Insel gekommen sei und betonte daraufhin, dass es die not gewesen sei, die ihn gezwungen habe, sich in den Besitz des Landes zu setzen.961 Dem Vorwurf einer machtpolitisch motivierten Eroberung versuchte der Hochmeiser also mit einem Hinweis auf die Vorgeschichte zu begegnen. Er bat sie dann übergangslos, sich bei Margarete und König Erich dafür einzusetzen, dass sie von König Albrecht von Schweden Recht nehmen würden, von dem der Orden Gotland als Pfand halte. Einen so gefundenen Beschluss zu akzeptieren, erklärte sich der Hochmeister dann nämlich bereit. Doch auch hier spielte das Ehrmotiv wieder eine Rolle: Konrad bat zudem um einen Ratschlag, wie er mit Ehre Königin Margarete und König Erich Gotland abtreten könne. Er 959 OF 3, S. 75; gedr. CDP 6, CXVIII (an Albrecht vom 2. November 1401). 960 OF 3, S. 73–74; gedr. CDP 6, CXVI. 961 OF 3, S. 74; CDP 6, CXVII; vgl. Kehlert, Insel, S. 31, und Kattinger, Verhandlungen, S. 55 bzw. 66, der nicht zu Unrecht einen recht scharfen Ton erkennt.

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betonte dabei, dass er sich auch an andere Fürsten und Herren wegen Lösungsmöglichkeiten in dieser Angelegenheit gewandt habe und bei einem rechtskonformen Vorschlag, der nicht gegen seine Ehre sei, das Land dem rechtmäßigen Besitzer abtreten werde. Der Hochmeister erklärte abschließend, das Land nicht widerrechtlich in Besitz zu haben. Offenkundig herrschten diametrale Rechtsvorstellungen, die den Konflikt um Gotland nicht zu einer Lösung kommen ließen, wobei auch noch der Aspekt der Ehre eine Rolle spielte. Allerdings wird bei diesem Aspekt vom Hochmeister nicht weiter expliziert, was ehrkonform ist und was nicht. Am 2. November wandte sich der Hochmeister – nicht zuletzt als Reaktion auf die eben angeführten Briefe – ein weiteres Mal an die Mecklenburgische Seite.962 Gegenüber Albrecht beschwerte er sich, dass er keine Boten zu dem Verhandlungstag auf Schonen entsandt habe und seiner Verpflichtung, den Orden in der gotländischen Angelegenheit zu vertreten, nicht nachgekommen sei. Dass der Hochmeister auf diesen Umstand nicht gut zu sprechen sein würde, war Albrecht sehr bewusst. Das Schreiben des Hochmeisters ist nämlich eine Reaktion auf dessen schriftliche Bitte, ihn nicht zu enterbeten. Der Hochmeister schrieb darauf, dass er dies nur ungerne machen wolle. Albrechts Nichterscheinen auf dem Verhandlungstag trotz anderslautender Ankündigung bringt diesem dann allerdings wieder einmal den Vorwurf ein, den Orden in der Gotlandsache nicht zu vertreten. Der Hochmeister beschrieb den Tag sehr genau: Neben dem Ordensgesandten, Johann Tiergart, und Margarete und König Erich seien auch Rostock, Wismar und die Herzöge von Pommern und Schleswig vor Ort gewesen, wobei die Letzteren ihn wegen Gotland gemahnt und dabei offenkundig auch Gewalt angedroht haben. Man sieht hier nun eine deutliche Verschärfung seitens der Dänen und ihrer Verbündeten. Der Hochmeister entlarvt sich hingegen weiterhin als hilflos, hing seine Position doch maßgeblich von Albrecht ab,963 der die vertraglich festgelegte Vertretung jedoch nur halbherzig und schriftlich verfolgte, konkrete Schritte wie die Besendung eines Verhandlungstags aber sabotierte. Der Hochmeister versuchte nun Albrecht zum Handeln zu bewegen, indem er betonte, das is uns gar swere were czu halden, und uns ouch nicht fuget eyngerley krig anczuslahen umb des selben landis wille (…). Der Hochmeister sagte damit 962 OF 3, S. 75; gedr. CDP 6, CXVIII. 963 Kattinger, Verhandlungen, S. 55, hingegen glaubt, dass Konrad erst jetzt angesichts eines drohenden Krieges Interesse an einer diplomatischen Lösung des Problems hatte. Er verkennt mit dieser Auffassung, die Konrad vorher zudem eine »wortreiche Hinhaltepolitik«, ebd., S. 54, unterstellt, dass der Hochmeister vertraglich an Albrecht gebunden und auf dessen Mitwirken angewiesen war. Der beständige Rekurs auf den Schwaaner Vertrag war kein Verstecken, wie Kattinger, ebd., meint, sondern Hilflosigkeit in einer Zwickmühle zwischen dem Pfandgeber und den anderen Anspruchsstellern.

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sehr deutlich, wegen Gotland keinen Krieg führen zu wollen und dieses bei einem bewaffneten Angriff auch kaum halten zu können. Er wollte Albrecht als Pfandgeber also dringenden Handlungsbedarf signalisieren, indem er ihm im Kriegsfalle einen sehr wahrscheinlich drohenden Verlust der Insel in Aussicht stellte. Der Hochmeister forderte Albrecht ultimativ auf, sich für Gotland einzusetzen, da es dem Orden nicht anstehe, gegen die drei Reiche und ihre Verbündeten Krieg anzufangen. Die Kriegsgefahr – das dürfte das Eingreifen der Herzöge von Schleswig und Pommern-Stolp zeigen – war mittlerweile greifbar und nicht nur eine Drohkulisse des Hochmeisters. Selbstverständlich wollte Konrad mit diesem Brief zwar endlich die vertraglich vereinbarte Unterstützung Albrechts erlangen, weswegen die Aussage, dass man Gotland im Kriegsfalle wohl kaum würde halten können (und wollen), vor diesem Hintergrund zu sehen ist. Dennoch deutet hier auch nichts darauf hin, dass der Orden Gotland als langfristige Erweiterung des Territoriums betrachtete, das unter allen Umständen gehalten werden musste. Diese Situation stellte der Orden auch den Bürgen des Schwaaner Vertrags dar, Herzog Johann, einigen Rittern und den Städten Rostock und Wismar mit der eindringlichen Aufforderung, Albrecht zur Erfüllung der Vertragsbestimmung anzuhalten und Gotland von den Ansprüchen Margaretes zu befreien.964 Neue Aspekte sind diesen Schreiben nicht zu entnehmen. Konrad erinnerte sie nur zusätzlich an das Albrecht gewogene Verhalten seitens des Ordens während dessen Gefangenschaft. Dass in dieser Angelegenheit weiterhin Einvernehmlichkeit und ein abgesprochenes Vorgehen des Hochmeisters mit seinen preußischen Hansestädten zu erkennen ist, dürfte ein Brief vom 4. Februar 1402 zeigen, in dem sich die preußischen Städte an Lübeck bzw. Hamburg, Rostock, Wismar, Stralsund und Greifswald wandten.965 Sie übernahmen dabei die Argumentation des Hochmeisters, dass die Insel zum Wohle des gemeinen Kaufmanns gegen die Seeräuber eingenommen worden sei und dass der Hochmeister Gotland auch an Margarete übergeben würde, wenn dies ohne Schaden an der Ehre gehe und – das ist neu und ergibt sich aus den Interessen der Städte – der Kaufmann weiterhin unbeschädigt bleibe. Sicher nicht ohne Wissen des Hochmeisters wurden die Städte gebeten, diese Angelegenheit im Rat zu besprechen und mitzuteilen, was man für das Beste für den gemeinen Kaufmann halte. Dass der Hochmeister nichts von einer solchen Anfrage gewusst haben sollte, ist kaum glaubhaft; offenbar suchte Preußen, d. h. der Orden und die Städte, nun Rat bei den anderen 964 OF 3, S. 76–77; gedr. Diplomatarium Danicum nr. 14011102002, http://diplomatarium.dk/ dokument/14011102002 (letzter Zugriff 14. 12. 2015). OF 3, S. 77; gedr. CDP 6, CXIX. Beide Briefe vom 2. November 1401. 965 HR 5, 60; vgl. Kehlert, Insel, S. 31.

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Hansestädten. Dies dürfte zeigen, dass die Ratlosigkeit auf preußischer Seite angesichts der verfahrenen Situation immer größer wurde. Letztlich sollte Wulf Wulflam, Bürgermeister von Stralsund, auf Bitte von Hochmeister und Städten als Vermittler nach Dänemark geschickt werden.966 Am 10. April 1402 formulierte der Hochmeister gegenüber der Königin von Dänemark die Hoffnung, dass jener in der Zwischenzeit bei ihr gewesen sei oder in Kürze kommen werde.967 Er berichtete ihr auch davon, dass er zwei Bürgermeister seiner Städte zum Hansetag nach Lübeck (Pfingsten, d.i. der 14. Mai 1402) senden werde, wo die gotländische Angelegenheit verhandelt werden solle mit dem Ziel, ob diese eine Weise erkennen, wie wir mit fuge und mit eren die Insel abtreten mögen. Auch hier kommt Konrad wieder auf die Frage der Ehre zurück. Diese Aussage soll wohl dahingehend verstanden werden, dass die Frage der Abtretung eher eine technische Frage sei und weniger eine solche des politischen Willens. Das spräche tatsächlich dafür, dass hier weniger vom Hochmeister eine langfristig ausgelegte Eroberungsabsicht zu erkennen wäre, sondern wirklich nur eine Aktion gegen die Seeräuber, aus der man nun nicht mehr ohne Verlust von Geld und Ansehen herauskam. Die Königin scheint aber auch keine konkreten Vorschläge in dieser Angelegenheit vorgelegt zu haben, die über das Pochen auf ihren Rechten und die Auslieferungsforderung hinausgegangen wären. Vom Hansetag sollte dann einer der oben genannten Boten an Albrecht ausgesandt werden, um ihn zur Vertretung des Ordens in der Sache Gotlands aufzufordern. Der Hochmeister wollte die Antwort der beiden ausgesandten Boten abwarten und bat daher bis zum 25. Juli um Geduld.968 Danach sollten Boten ihrer beider Länder persönlich wegen Gotland verhandeln. Bislang hatte der Hochmeister versucht, Albrecht und Margarete zu einem gemeinsamen Verhandlungstag zu bewegen. Da er damit immer gescheitert war, versuchte er nun indirekt über eigene Boten bei Albrecht dessen Auffassung in die Diskussion einzubringen. Die Dringlichkeit der Angelegenheit wurde größer – immerhin gab es schon vorher offene Drohungen –, sodass der Hochmeister nun auch eigene Boten zu eigenen Unterhandlungen mit Margaretes Boten in Aussicht stellte und sich zum weiteren Vorgehen breite Auskünfte auch von den anderen Hansestädten einholen wollte. Angesichts der Gewaltandrohungen, von denen oben schon berichtet wurde, warf der Hochmeister Albrecht kurz danach schriftlich und in einem mittler966 HR 5, 71, 4 (8. März 1402); vgl. Kehlert, Insel, S. 31–32. 967 OF 3, S. 82; gedr. Diplomatarium Danicum nr. 14020410001, http://diplomatarium.dk/do kument/14020410001 (letzter Zugriff 14. 12. 2015). Offenkundig hatte es im Vorwege Verzögerungen im Briefverkehr gegeben, auf die der Hochmeister auch zu Beginn des Briefes hinwies. Die am 30. November 1401 dänischerseits aufgegebenen Briefe seien erst Anfang April angekommen. 968 Das geht auch aus HR 5, 89, 6, hervor.

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weile ziemlich scharfen Ton vor, dass seine angekündigte Bereitwilligkeit, einen Verhandlungstag zu besenden, ein leeres Versprechen und sein Engagement in der Gotlandangelegenheit ohnehin überschaubar gewesen sei.969 Der Hochmeister betonte zudem, dass nun Margarete eine ultimative Antwort verlange, ob der Orden Gotland abtreten werde. Er forderte ihn eindringlich dazu auf, Gotland von den Ansprüchen Dänemarks zu befreien angesichts der bislang großen Kosten und Mühen. Zudem betonte der Hochmeister, wegen der Insel keinen Krieg mit den drei Reichen und ihren Verbündeten anfangen zu wollen. Konrad setzte Albrecht auch davon in Kenntnis, dass er Sendboten zu den Hansestädten geschickt habe, um ihren Rat einzuholen. Abschließend forderte der Hochmeister Albrecht auf, unverzüglich zu entscheiden, ob er Gotland von den Ansprüchen befreien werde und die Antwort an den Überbringer des Briefes zu geben, der diese den Sendboten bei den Hansestädten bringen werde, um der dänischen Königin eine abschließende Antwort zu geben, da diese keinen weiteren Verzug dulde und wir ouch ernstlichen meynen der sache eyn ende czu geben. Dieser Brief zeigt eindeutig, dass der Hochmeister nun nicht zuletzt wegen der Kriegsdrohungen Margaretes glaubte, reagieren zu müssen. Der Ton des Schreibens ist deutlich schärfer als bislang gehalten. Der Hochmeister wollte nun selber auch diese Angelegenheit geklärt wissen. Das Schreiben spiegelt erneut auch eine deutliche Hilflosigkeit des Hochmeisters wider, der auf eine Reaktion des Pfandgebers angewiesen war. Da diese ausblieb, war sein Reaktionsspielraum doch sehr eingeschränkt, obgleich er diesen durch die Hinzuziehung Lübecks und der Hansestädte zu erweitern suchte. Dass der Hochmeister hier nicht aus eigener Machtvollkommenheit handeln konnte und wollte, ist deutlich. Er war auf das Handeln Albrechts, in welcher Art und Weise auch immer, angewiesen und durch dessen Stillhalten paralysiert. Offenbar aufgrund der vertraglichen Gebundenheit wagte der Hochmeister eigene Schritte von sich aus nur in sehr begrenztem Rahmen. Zwar dringt durch den Briefverkehr durch, dass dem Hochmeister ein weiterer Besitz der Insel durch die Befreiung der Ansprüche Dänemarks durch Albrecht wohl die beste Möglichkeit auf weitere Sicht gewesen wäre. Dass der Hochmeister aber keinen Krieg wegen Gotland führen wollte, ist, wie oben gezeigt, durchaus glaubhaft. Langfristiger territorialer Expansionswillen aus purem Machtwillen als Motiv für die Eroberung von Gotland ist daher eher unwahrscheinlich. Auf eine erneute schriftliche und mündliche Anfrage der dänischen Königin antwortete der Hochmeister am 1. Juni 1402 in gleichem Laut wie schon im letzten Brief, dass sie bis zum 25. Juli auf eine abschließende Antwort warten

969 OF 3, S. 84–85; gedr. CDP 6, CXXV.

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möge.970 Zu diesem Termin werde er dann Gesandte zu ihr nach Kalmar senden. Zu den Auseinandersetzungen um Gotland kam nun eine zweite dringendere Angelegenheit hinzu. In Preußen trieb sich ein Hochstapler herum, der sich für den schon längst gestorbenen dänischen König Olav ausgab.971 Um diesem Treiben ein Ende zu machen, wurde dessen Auslieferung von dänischer Seite erbeten.972 Dieser mündlich und schriftlich an ihn gerichteten Bitte wollte der Hochmeister nun gerne entgegen kommen, wohl nicht zuletzt deshalb, weil sich hier die Gelegenheit bot, der Königin ohne Weiteres gefällig zu sein und die Situation zu entspannen, beharrten doch in der gotländischen Angelegenheit bislang alle auf ihrer Position. Der Hochmeister versprach daher die Auslieferung des sog. Falschen Olav nach Kalmar am 25. Juli 1402 mit einem Ordensbruder und seinen städtischen Sendboten.973 Die Sendboten sollten vorher, am 20. Juli, in Bezug auf Gotland instruiert werden, wie aus dem Rezess vom 7. Juli 1402 hervorgeht.974 Stattgefunden hat die Versammlung letztlich erst am 21. Juli. Der Rezess zeigt dann auch, welchen Ratschluss die Städte auf Ersuchen des Hochmeisters in der Sache Gotlands zu Protokoll gaben. Sie meinten, dass man diese Angelegenheit vorczhen mochte bis czor cziid, daz ys der koning Albrecht unde die koninginne eyns worden, daz hers denne sunder synen schaden abetrete.975 Die von den Städten formulierte Auffassung ist offenkundig die gleiche, nach der der Hochmeister handelte. Ohne eine vorherige Einigung zwischen den Dänen und Mecklenburgern wurde eine Abtretung der Insel ohne Schaden für nicht möglich gehalten. Dieser Schaden wird nicht genauer expliziert. Es dürfte damit aber v. a. das Problem eventueller Regressansprüche an den Orden gemeint sein, die an ihn von der nicht berücksichtigten Partei gestellt würden, sollte er sich zu einer Abgabe der Insel ohne vorherige grundsätzliche Einigung der Kontrahenten hinreißen lassen. Die Städte dürften aber aufgrund der vorher gemachten Erfahrungen nicht zuletzt auch daran gedacht haben, dass andernfalls sofort wieder Feindseligkeiten um die Insel und damit zusammenhängend Seeräubereien ausbrechen würden. Eine Abtretung der Insel ohne Einigung der Kontrahenten – so wahrscheinlich ihre Auffassung – hätte den Erfolg wieder zunichte gemacht. Vier Paragraphen später wurde die gewünschte Art der Einigungsfindung noch weiter ausgeführt: Die Sendboten für Kalmar sollten von der Königin fordern, dass sie sich eines Schiedsgerichtes unterstelle, wie auch die Hanse970 971 972 973

OF 3, S. 88; gedr. CDP 6, CXXVIII. Vgl. Kattinger, Verhandlungen, S. 55. Vgl. CDP 5, CXXVIII. OF 3, S. 94; gedr. CDP 6, CXXXII; datierend auf den 21. Juli 1402; vgl. Kattinger, Verhandlungen, S. 55. 974 HR 5, 100, 3. 975 HR 5, 101, 1.

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städte im Mai zu Lübeck übereingekommen seien.976 Darin spiegelt sich dann die Auffassung der Hansestädte, um deren Rat der Hochmeister vormals gebeten hatte. Auch hier schien man erst eine grundsätzliche Einigung der Gegner anzustreben, bevor eine Auslieferung der Insel angedacht werden konnte. Das Ziel der Städte war mit großer Sicherheit, die Handelsrouten freizuhalten, was nur bei einer Eintracht der Gegner in der Ostsee gewährleistet war. Der Orden dürfte zumindest eine ähnliche Auffassung gehabt haben. Jedenfalls finden sich für eine territoriale Expansionspolitik aus Machttrieb auch hier keine Hinweise, außer man interpretiert die langsamen Verhandlungsprozesse als Hinhaltetaktik, was aber nur vor dem Hintergrund einer Grundannahme Sinn ergibt, die dem Orden Expansionswillen unterstellt.977 Dafür liegen jedoch keine Anhaltspunkte vor. Auf jeden Fall hielt sich der Hochmeister nun an die von den Städten gegebenen Ratschläge. Zumindest ließ er der Königin keine abschließende Antwort bzgl. der Abtretung von Gotland und Wisby auf dem Verhandlungstage zum 25. Juli überbringen, bei dem Albrecht ohnehin nicht erschienen ist.978 Vielmehr baten – nach dem Schreiben an Albrecht – seine Sendboten und auch die von Hamburg und Lübeck die Königin, dass sie wegen der Ansprüche mit Albrecht und dem Orden möge geen czu rechte.979 Der Ton Margaretes scheint, schenkt man dem Bericht Glauben, recht schroff geworden zu sein. Weder mit Albrecht noch mit dem Orden wolle sie mitnichte (..) geen czu rechte. Den Streit um Wisby wolle sie an Lübeck und Hamburg verweisen, wenn diese sich dazu bereit erklären würden; hinsichtlich der Insel Gotland sei die Königin aber nicht zu Verhandlungen bereit, da sie ihr mit unrecht abgedrungen worden sei. Hier ist also ein Rückzug auf den Stand des Vertrags von Lindholm zu erkennen. Zudem antwortete die Königin, sie wolle im Falle eines ausbleibenden Verzichts des Ordens auf die Insel slechts des eren warten und gedenken, das sie ir lant moge wedir haben. Der Hochmeister kündigte Albrecht an, seine Sendboten nach Schonen zu senden zu einem Tag, den die Königin dorthin festgesetzt habe. Er bat daher dringend darum, seine Auffassung in dieser Angelegenheit schnellstmöglich mitzuteilen. Man erkennt, dass das Ordensoberhaupt die verschärften Drohungen der Königin ernst nahm. Der genannte Verhandlungstag in Schonen war auf den 29. September festgesetzt worden, wie aus einem Schreiben Lübecks vom 1. September 1402 an die preußischen Städte hervorgeht. Der Brief zeigt darüber hinaus die Besorgnis der Lübecker, dass aus dieser in der Schwebe hängenden Angelegenheit große Un976 HR 5, 101, 5. 977 So eben Kattinger, Verhandlungen, S. 54–55 und S. 65, der an dieser Stelle darin Konrad »Verhandlungsgeschick« bescheinigt. 978 Kehlert, Insel, S. 33. 979 OF 3, S. 96–97; gedr. CDP 6, CXXXIV; vgl. Kehlert, Insel, S. 34.

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annehmlichkeiten für die betroffenen Länder, Städte und vor allem den Kaufmann entstehen würden. Lübeck bat daher die preußischen Städte, sich beim Hochmeister dafür einzusetzen, dass die Angelegenheit zu einem gütlichen Ende geführt würde.980 Wohl nur kurze Zeit später antworteten die preußischen Städte, dass sie der Bitte Lübecks nachgekommen seien und versucht hätten, auf den Hochmeister einzuwirken.981 Passiert ist jedoch so schnell nichts. Es kam vielmehr zu weiteren Verschiebungen. Der nächste Verhandlungstag mit Margarete, auf dem eine Klärung herbeigeführt werden sollte, war auf den 24. Juni 1403 angesetzt worden.982 Anscheinend hatte sich in der Zwischenzeit die Lage beruhigt. Zumindest hatte Wisby mit Gotland – wieder danach strebend, die Unkosten bei den Verteidigungsmaßnahmen zu reduzieren – beim Hochmeister angefragt, ob sie die Söldnerzahl reduzieren dürften. Konrad antwortete darauf, dass eine Verminderung möglich sei unter der Bedingung, dass weiterhin genügend zum Schutz von Stadt und Land parat stünden und um euwer und unser ere do mit czu vorwaren.983 Sollten sie aber den Orden dennoch ggf. um Hilfe anschreiben und dieser vielleicht nicht schnell genug welche schicken können, so solle man ihm das dann nicht als seine Schuld anrechnen. Zweierlei ist an diesem Schreiben besonders bemerkenswert: Auch gegenüber Wisby betonte der Hochmeister, dass die Ehre gewahrt bleiben müsse, allerdings ohne diesen Aspekt tiefer auszuführen. Er steht jedoch in engem Zusammenhang mit dem ausreichenden Schutz der Insel. Wenig überraschend hielt der Orden also ein Entreißen der Insel, d. h. eine militärische Niederlage, für nicht mit der Ehre vereinbar. Wichtiger für diese Fragestellung sind jedoch die Schlüsse, die man aus der ordensseitigen Behandlung der Söldnerfrage entnehmen kann: Natürlich passte dem Hochmeister die Anfrage, ob die Verteidigungskosten der Insel reduziert werden könnten, nicht wirklich ins Konzept. Er versuchte mit sanfter, aber deutlicher Warnung, Wisby und Gotland auch davon abzubringen, indem er ihnen klar machte, dass sie die Konsequenzen ggf. zu tragen hätten, wenn der Orden nicht rechtzeitig Hilfe schicken könnte. Dennoch erlaubte er eine Reduktion der ohnehin eher wenigen Verteidigungskräfte auf der Insel. Diese Erlaubnis und überhaupt der Umstand, dass ein größerer Teil der Verteidigung durch Söldner, die von der Insel selbst 980 Diplomatarium Danicum nr. 14020901003, http://diplomatarium.dk/dokument/1402090 1003 (letzter Zugriff 17. 12. 2015). 981 Diplomatarium Danicum nr. 14020901005, http://diplomatarium.dk/dokument/1402090 1005 (letzter Zugriff 17. 12. 2015). 982 Kehlert, Insel, S. 33–34, führt dies auf eine hansische Intervention zurück. 983 OF 3, S. 127; gedr. Diplomatarium Danicum nr. 14030408001, http://diplomatarium.dk/ dokument/14030408001 (letzter Zugriff 14. 12. 2015) (8. April 1403); vgl. Kehlert, Insel, S. 34.

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gestellt werden mussten, getragen wurde, zeigt doch, dass es dem Orden bei Gotland nicht um eine langfristig gedachte territoriale Expansion ging, die er unter allen Umständen halten wollte. Wäre es so gewesen, hätte man eine deutlich straffere Organisation der Verteidigung und Besetzung der Insel erwarten dürfen. Auch wäre in diesem Fall ein möglicher Verlust der Insel nicht so offen einkalkuliert worden, wie es dieser Brief belegt. Es zeigt sich daher, dass der Hochmeister seine Rolle darin sah, die Seeräuber zu vertreiben, die Insel bis zu einer langfristig tragenden Lösung zu halten, aber nicht alle Aufwendungen zu übernehmen, wobei er einen eventuellen Verlust in Kauf nahm. Am 20. Mai 1403 fand eine Versammlung der Städte Thorn, Elbing und Danzig zu Marienburg statt, bei der im Mittelpunkt die gotländische Angelegenheit und der schon genannte Verhandlungstag am 24. Juni zu Kalmar stand.984 Der Rezess hält zum einen fest, dass die Städte Lübeck, Hamburg und Stralsund weiterhin um ihren Einsatz in dieser Angelegenheit gebeten werden sollten.985 Wichtiger aber ist, dass zuerst auf eine Ansprache Albrechts an die Gotländer reagiert werden musste. Demnach hatte es von Mecklenburger Seite e gehießen: God gebe, das ez nicht not sy czu sagen, wy der here homeister by das land Gotland sy gekomen etc. Albrecht hat damit wohl eine Art Komplizenschaft insinuieren und andeuten wollen, dass Gotland unrechtmäßig an den Orden gekommen sei. Albrecht waren seine eigenen und eher etwas unklaren Verfügungsrechte über Gotland offensichtlich bewusst. Dass das aber auch für den Orden in den Jahren 1398/1399 gegolten hat, ist zweifelhaft, wie oben schon gezeigt wurde. Die preußische Seite fasste dies nun als Unverschämtheit auf, da die Insel dem Orden schließlich von Albrecht selbst verpfändet worden war. Aus diesem Grund wollte der Hochmeister Boten zu Albrecht senden, um die Angelegenheit zu klären. Zudem hat der König – so zumindest nach dem Rezess – gesagt:986 Wyl unsir here homeister das land Gotland czu lozen geben umme zotan gelt, als her von em entfangen hat, so wyl her dorczu gedengken, das hers wider loze. Albrecht hatte die Einlösung des Pfands in Aussicht gestellt, eine Möglichkeit, auf die der Hochmeister schnellstmöglich reagieren wollte und musste. Im Rezess findet sich die übereinstimmende Reaktion des Hochmeisters und seiner Städte festgehalten:987 Doruff ez unsirs heren homeistirs vnd syner stete zyn, das her das ton wyl (…) uff das nymand gedengken moge, das hers gerne behalden wolde. Offenkundig hatte sich schon andernorts die Auffassung entwickelt, dass der Orden Gotland inkorporieren wollte. In diesen Ruf wollte der Hochmeister nicht 984 HR 5, 129; vgl. Kehlert, Insel, S. 35. 985 HR 5, 129, 3–5. Der Hochmeister wandte sich am 16. Juni 1403 auch direkt an Lübeck, Hamburg und Stralsund; OF 3, S. 132; gedr. HR 5, 135; vgl. Kehlert, Insel, S. 35. 986 HR 5, 129, 1. 987 HR 5, 129, 2.

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kommen, sodass die Ankündigung Albrechts, die Insel wieder einzulösen, als willkommener Anlass genommen wurde, darüber in Verhandlungen zu treten. Der längerfristige Besitz der Insel stand für das Ordensoberhaupt also explizit nicht im Mittelpunkt der gotländischen Angelegenheit.988 Der Hochmeister setzte in Übereinstimmung mit seinen Städten daher vielmehr fest, dass eine Auslösung die anzustrebende Option sei. Das ist als besonders glaubhaft und eben nicht als verzerrte Aussage außenpolitischer Propaganda zu werten, die eine territoriale Expansionspolitik bemänteln sollte, da sich dieser Beschluss in einem sonst nicht für die Öffentlichkeit gedachten Rezess festgehalten findet. Zudem spiegelt sich darin, wie schnell der Hochmeister auf die Möglichkeit einer Auslösung ansprang und wie wenig er in den Ruf eines Expansionisten komme wollte. Eine territoriale Machtpolitik von Seiten Konrads von Jungingen ist also nicht zu erkennen.989 Der Hochmeister erhielt bzgl. dieser neuen Entwicklung nun aber bis zum angesetzten Tag von Kalmar keine Antwort von Albrecht. Er schrieb daher Anfang Juli eine entschuldigende Antwort an die Königin von Dänemark und erbat erneut einen kleinen Aufschub für eine abschließende Antwort.990 Im Rezess der Städte (2. Juli 1403) wurde zudem festgehalten, dass jede Stadt in ihrem Rat überlegen möge, was man dem Hochmeister in der gotländischen Angelegenheit raten solle.991 Daraus sollte doch endgültig deutlich werden, dass der Hochmeister in dieser verfahrenen Angelegenheit ratbedürftig war bzw. erschien und keine Strategie verfolgte, die den Rat der Städte ausschloss. Vielmehr verfolgte er überhaupt keine wirkliche Strategie und war nun auch in den taktischen Maßnahmen auf städtische Ratschläge angewiesen. Wirkte der Hochmeister im Spiegel seiner Korrespondenz mit Albrecht und Margarete häufig etwas hilflos, so zeigt sich dieser Umstand nun auch in den städtischen Rezessen. Dass er eine zielgerichtete Expansionspolitik betrieben hätte, wäre

988 Bemerkenswerterweise sieht auch Kattinger, Verhandlungen, S. 55, an dieser Stelle plötzlich die Bereitschaft des Hochmeisters zur Aufgabe Gotlands, nachdem er vorher beim Ordensoberhaupt nur die schon angesprochene »wortreiche Hinhaltepolitik« zur längerfristigen Besetzung der Insel erkennen will. Zwar widerspricht sich eine solche Interpretation nicht grundsätzlich – abgesehen davon, dass die geschilderten Prozesse eine solche Auffassung unwahrscheinlich erscheinen lassen –, doch würde auch eine solche Politik Konrad nicht unbedingt als zielgerichtet agierenden Expansionspolitiker zeigen, sondern als ein Fähnlein im Wind. 989 Benninghoven, Gotlandfeldzüge, S. 453, hat zu Recht den starken Einfluss der Städte hervorgehoben. 990 OF 3, S. 135; gedr. CDP 6, CXLIX (zu datieren auf den 4. Juli 1403); vgl. auch HR 5, 136, 1 (2. Juli 1403). 991 HR 5, 136, 3.

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den preußischen Zeitgenossen jedenfalls nicht offensichtlich gewesen. Er wollte sich ohnehin, wie eben gezeigt, lieber von Gotland zurückziehen.992 Ob aus Anfrage oder Eigeninitiative: Die Städte berieten den Hochmeister jedenfalls. Sie wollten sich dafür aber vorher auch mit Lübeck, Hamburg und Stralsund abstimmen in der Hoffnung, dass diese bessern rot wüssten.993 Offensichtlich haben auch die preußischen Städte diese Situation als wenig eindeutig erlebt. Bei Ausbleiben eines befolgbaren Rates sollten die Städte betonen, die Insel nur demjenigen abtreten zu können, von dem der Hochmeister Gotland empfangen habe; sollte die Königin damit einverstanden sein, wollten die Sendboten die Angelegenheit vor den König bringen, diesem Land und Stadt anbieten und die Pfandsumme zurückfordern – so die Beschlüsse im Rezess.994 Bemerkenswert ist, dass für den gegenteiligen – und im Nachhinein wahrscheinlicheren Fall – keine wirklichen Maßregeln bedacht wurden. Es heißt nur: Sollte Albrecht nun nicht Land und Stadt wieder übernehmen wollen, dann werde man ihm ankündigen, das unsir herre homeistir keyne hute noch unkost me doruff tun wil.995 Es wurde nun also stark am Plan gearbeitet, die Insel von Albrecht auslösen zu lassen. Dessen Worte an die Gotländer haben die preußische Seite offenbar in diese Richtung arbeiten lassen, waren die Unterhaltskosten – wie das angeführte Zitat zeigt – doch offenbar nicht gering zu veranschlagen und der Hochmeister nicht erpicht darauf, diese länger als nötig zu tragen. Auch hier ist die Form der Aussage, eben als Rezess, ein wichtiger Hinweis darauf, dass die unverzerrte Auffassung des Hochmeisters enthalten ist. In Kalmar kam diese Angelegenheit jedoch offenkundig nicht zur Sprache.996 Ende August wurden daher wieder Briefe an Albrecht, Rostock und Wismar sowie die dänische Königin von hochmeisterlicher Seite versandt, wie sogar in einem Rezess festgehalten wurde.997 Die Städte waren also über die Schritte des Hochmeisters informiert. Diese Briefe wurden notwendig, da die Königin – wie kaum anders zu erwarten – wenig begeistert auf die beschlossene Antwort der preußischen Sendboten reagierte, dass man Gotland nur demjenigen abtreten 992 So richtig Benninghoven, Gotlandfeldzüge, S. 453, der jedoch betont, dass nur Margarete möglichst nicht nachfolgen dürfte. 993 HR 5, 138, 2–4 (16. Juli 1403). 994 HR 5, 138, 4–6. 995 HR 5, 138, 6. 996 Vgl. HR 5, 139. Nach Benninghoven scheiterten die Verhandlungen in Kalmar an der Königin, die von einer Einlösung durch Albrecht nichts habe wissen wollen; vgl. Benninghoven, Gotlandfeldzüge, S. 453–454 (jedoch ohne Quellenbeleg). Kehlert, Insel, S. 36, führt das Scheitern auf die Abwesenheit Albrechts zurück. Nach Kattinger, Verhandlungen, S. 56 mit Anm. 89, waren die Verhandlungen erfolglos, da Albrecht die geforderten 30.000 Nobel nicht habe zahlen können, wobei auch unter Heranziehung der Anmerkungen nicht recht klar wird, woher er diese Informationen haben will. 997 HR 5, 140, 5.

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wolle, von dem man es als Pfand bekommen habe. Sie hatte nun den 11. November 1403 als endgültige Frist für eine Antwort gesetzt. Offenbar war die Reaktion so heftig gewesen, dass der Hochmeister es für nötig erachtete, an die Stadt Wisby und den Vogt von Gotland zu schreiben, sich verteidigungsbereit zu machen.998 Auf den 27. September datieren die Briefe an Albrecht sowie Rostock und Wismar.999 Albrecht wurde aufgefordert, in der Frage um Gotland aktiv zu werden, uff das euwerm lande und stat kein schade entstee. Der Hochmeister nahm die in beiden Schreiben betonte Frist Margaretes bis zum Martinstag sehr ernst. Indem Konrad nun hier sehr deutlich betonte, dass Stadt und Land eigentlich Albrecht gehörten, zeigte er indirekt sein Bild von sich als bloßer Pfandnehmer, der sich jedoch natürlich ernsthaft um das Pfand kümmern muss. Es scheint hier durch, dass Konrad angesichts eines drohenden Verlustes nun sehr frustriert war von der Regungslosigkeit Albrechts in dieser Angelegenheit. Gleichzeitig dürfte sich hier aber das Bild spiegeln, das Konrad tatsächlich von sich hatte. Er bzw. der Orden waren eben nicht Besitzer mit voller Verfügungsgewalt, sondern nur temporäre Verwalter, die daher nicht ohne Weiteres über die Insel verfügen konnten. Eine Absprache mit dem Pfandgeber war zuvor notwendig. Ein solches Selbstbild, das hier durchscheint, ist nicht mit der Forschungsauffassung vereinbar, die in der Expansion nach Gotland eine zielgerichtete territoriale Expansionspolitik erkennen will. Vielmehr weist es darauf hin, dass Konrad tatsächlich die Expedition zur Eindämmung der Seeräubergefahr unternommen und die Insel als weiteren Schutz gegen deren Rückkehr besetzt hatte. Auf den 29. September 1403 ist dann der Brief an Margarete datiert, in dem sich der Hochmeister entschuldigte, dass er aufgrund von ungünstigem Wind noch keine Boten an Albrecht habe senden können, um diesen zu einer definitiven Antwort wegen Gotland zu drängen.1000 Kehlert wirft Konrad angesichts dieser – wirklich einmaligen – Entschuldigung vor, »mindestens äußerst undiplomatisch« gehandelt zu haben.1001 Auf jeden Fall zeigt diese doch sehr unkonventionelle Antwort, die von Margarete sicherlich nur als schwache Ausrede 998 OF 3, S. 148–149; in einem Stück gedr. CDP 6, CLXVII. Diese Schreiben sind nicht datiert. Obwohl sie nicht im Rezess erwähnt wurden, legt doch neben dem Inhalt auch die physische Stellung der Einträge im OF 3 nahe, dass sie in diesem zeitlichen Zusammenhang entstanden sein dürften. Warum sie jedoch im Rezess nicht erwähnt werden, muss offen bleiben. 999 OF 3, S. 140 und 147 bzw. S. 140 und 148; gedr. CDP 6, CLV bzw. CDP 6, CLIV. Bemerkenswerterweise sind die beiden Schreiben im Briefregister doppelt gebucht worden. So etwas kommt nur sehr vereinzelt vor. Welche Bedeutung das hat bzw. ob dieser Umstand überhaupt von Bedeutung ist oder ob es sich um einen schlichten Fehler handelt, kann kaum entschieden werden. 1000 OF 3, S. 139–140; gedr. CDP 6, CLVI. 1001 Kehlert, Insel, S. 37.

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aufgenommen wurde, ein bedeutendes Maß an Hilflosigkeit bei Konrad. Ob dieser wirklich glaubte, Margarete damit besänftigen zu können, muss dahingestellt bleiben. Konrad wirkt jedoch längst nicht mehr wie ein »decisive leader« (William Urban). Auch dieser Brief legt nahe, dass die Verbindlichkeit der Frist von Margarete den Sendboten sehr eindringlich vermittelt worden war. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass dabei auch Drohungen bzw. Warnungen – je nach Perspektive – eine Rolle spielten, wie die oben angeführten Briefe an Wisby und Gotland wahrscheinlich machen. Denn diese Briefe kamen nicht von ungefähr. Der Hochmeister ahnte offenbar, dass es Margarete nun nicht mehr nur bei diplomatischen Ermahnungen hinsichtlich der Rückgabe von Gotland belassen wollte und die Frist bis Martini tatsächlich auch als eine letzte Frist gemeint war.

4.4.4 Verlust und Rückeroberung der Insel in den Jahren 1403/1404 Im November 1403 entsandte die Königin schließlich eine Flotte nach Gotland, die dort am 12. November landete.1002 Schon Benninghoven hat etwas ratlos die Frage aufgeworfen, warum der Orden es auf den Konfliktfall hat ankommen lassen, da die zu erwartenden Kriegskosten Gotland zu einem Verlustgeschäft machten, was auch die »kühl rechnende Ordensleitung« habe wissen müssen.1003 Angesichts der schon herausgearbeiteten Ratlosigkeit, die der Hochmeister an den Tag legte, muss hervorgehoben werden, dass von einer kühl kalkulierten Politik keine Rede sein kann. Der Hochmeister konnte von seinen Forderungen nicht abrücken, sondern ließ sich vielmehr von den Ereignissen mitreißen mit allen Konsequenzen, die das haben musste. Kattinger hat das Verhalten des Ordens in dieser Zeit vielmehr so gewertet, dass dieser nun kein Interesse mehr an einer friedlichen Regelung gezeigt habe, sondern die Situation habe eskalieren lassen. Auch hier unterschätzt Kattinger wieder, wie sehr der Hochmeister, dessen Hilflosigkeit ja offenbar wurde, sich von den Pfandverträgen verpflichtet fühlte, weswegen ihm vielfach die Hände durch Albrechts Verhalten gebunden waren. Hätte der Orden die Situation wirklich zielgerichtet eskalieren und es auf einen Krieg ankommen lassen wollen, dann hätte der Orden sicherlich noch weitreichendere Rüstungen betrieben und wäre vorbereitet gewesen.1004 1002 Vgl. Benninghoven, Gotlandfeldzüge, S. 454–456; Kehlert, Insel, S. 37–38; Kattinger, Verhandlungen, S. 56. 1003 Benninghoven, Gotlandfeldzüge, S. 453. 1004 Kattinger, Verhandlungen, S. 56, behauptet, dass Konrad die Situation richtig eingeschätzt habe, zeige sich auch in einem Brief an den römisch-deutschen König Ruprecht, »der einen bevorstehenden Krieg des Ordens mit Margarethe verhindern sollte«. Die Belegangabe in Anmerkung 95 verweist auf MTB, S. 267. Hier findet sich zwar die Ausgabe für einen loufer an den König und den Landkomtur von Elsass verzeichnet – ein Hinweis

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Alles in allem kann hier keine Erklärung für ein rationales Verhalten Konrads gegeben werden, außer dass er sich eben streng an den Pfandvertrag gebunden fühlte. Diese Situation zeigt vielmehr in aller Deutlichkeit, dass Konrad nur zu ad-hoc-Reaktionen neigte und weniger zu einer langfristigen und zielgerichteten Politik. Am 20. November und am 13. Dezember 1403 war Gotland dann auch Thema auf den preußischen Städtetagen. Ob zunächst allerdings schon die ganze Reichweite von Margaretes Einsatz gegen Gotland klar war, muss fraglich bleiben. Zumindest am 20. November war vom dänischen Angriff in Preußen offenbar noch nichts bekannt.1005 Es stand zunächst nur das Vorgehen hinsichtlich Gotlands ohne weitere Spezifizierung der Dringlichkeit auf der Tagesordnung.1006 Später wurde dann im Rezess festgehalten, dass der Hochmeister lediglich ein Schiff mit Lebensmitteln und 50 Bewaffneten aussenden wolle und eine jede Stadt im Rate besprechen solle, wy unser here homeister das land e Godlande und dy stat Wysbu mit geliche und mit eren moge entsetzen sunder 1007 kryk. Dem Hochmeister war die Rücksprache wichtig. Offenbar hatte er noch keine feste Vorstellung vom weiteren Vorgehen. Wäre die territoriale Sicherung von Gotland ein langfristig-strategisches Ziel gewesen, dann hätte man auch für diesen Fall beim Hochmeister einen Plan unterstellen müssen oder eine unverzügliche Reaktion erwarten können. Das alles war jedoch nicht der Fall. Der Hochmeister zögerte aufgrund von Ahnungs- und Ratlosigkeit. Kurz danach war der Ernst der Lage in Preußen dann jedoch klar. Der Hochmeister antwortete schon am 29. Dezember auf einen Brief Albrechts, in dem dieser erklärt habe, nichts zur rettunge von Gotland beitragen zu können, da keine Schiffe zur Verfügung stünden und es seinen luten unbeqweme sey.1008 Der Ton des Hochmeisters war daraufhin scharf und deutlich wahrnehmbar genervt, wenn er Albrecht erneut aufforderte, den Orden wegen Gotland vertragsgemäß zu vertreten und ihm vor allem den Vertrag zur Verdeutlichung seiner Ansprüche abschriftlich beilegte. Konrad betonte vorsorglich, dass im Fall von Gotlands Verlust Albrecht dann erkennen möge, wessen Schuld das sei. Für den Hochmeister war die Vorstellung offensichtlich nicht mehr abwegig,

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auf den Inhalt des vom Boten transportierten Briefes ist jedoch nicht zu finden. Woher Kattinger die Informationen hat, bleibt schleierhaft. So auch Benninghoven, Gotlandfeldzüge, S. 456. HR 5, 150, 8. HR 5, 166, 5–6. Kehlert, Insel, S. 38, Anm. 6, weist auf Probleme in der Überlieferung dieses Quellenzitats hin. Ob seine Textverbesserung mehr Sinn ergibt, müsste an anderer Stelle einmal gründlich diskutiert werden. Letztlich schließt er daraus, dass der Hochmeister noch keine Nachricht von der dänischen Invasion erhalten hatte. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass der Hochmeister zwar schon Nachrichten hatte, das ganze Ausmaß, d. h., dass es sich um eine regelrechte Invasion handelte, nur noch nicht klar war. OF 3, S. 149; gedr. CDP 6, CLXV.

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dass Margarete ihm die Insel bzw. Wisby endgültig entreißen könnte. Für diesen Fall wollte er hiermit die Verantwortung auf den Herzog umleiten, da dieser entgegen des Inhalts des Verpfändungsvertrages keine Hilfe leisten wollte. Der Hochmeister wollte so sicherlich für den Fall vorbauen, dass Albrecht Regressansprüche stellte, sollte das Pfand verloren gehen. Einerseits unterstrich der Hochmeister damit die Dramatik der Situation, andererseits aber auch eine gewisse Gebundenheit an Albrecht und nicht zuletzt seine eigene Hilflosigkeit in diesem Moment. Von überlegener Krisenbewältigung und vorausschauender Planung von Seiten Konrads kann in dieser Angelegenheit somit keine Rede mehr sein. Am gleichen Tag schrieb der Hochmeister auch an Rostock, Wismar sowie zwei ritterliche Bürgen des Vertrags.1009 Er beschwerte sich darüber, dass Albrecht eine Hilfeleistung bei der angeforderten Rettung des von Dänemark besetzten Landes Gotland abgelehnt habe.1010 Konrad übersandte auch ihnen noch einmal die Abschrift vom Vertrag mit der Bitte, ihren Herrn um Einhaltung zu ersuchen, und wies auch hier darauf hin, dass bei einem Verlust der Insel die Schuld nicht beim Orden zu suchen sei. Der endgültige Verlust der Insel war nach der dänischen Besetzung für den Hochmeister offensichtlich zu diesem Zeitpunkt eine naheliegende Möglichkeit, seine Reaktion darauf aber offenbar noch nicht entschieden. Der Entschluss zu einem Entsatz der Insel bzw. des gehaltenen Wisbys wurde nämlich erst am 31. Januar 1404 quellenkundig. Im Rezess des Städtetages heißt es: Czum ersten ez unser here homeister mit synen gebitgeren czu rate worden, e das her dy stad Wysbu wyl entseczen und das land Gotland (…).1011 Danach wurden die Modalitäten der zu stellenden Bewaffneten und der Ausrüstung niedergelegt; die weiteren Instruktionen sollten die Hauptleute am 2. März 1404 erhalten. Natürlich musste Konrad eine Reaktion von Albrecht und den angeschriebenen Städten abwarten. Nach der Vorgeschichte war ein plötzlicher positiver Bescheid mecklenburgischerseits aber nicht zu erwarten. So wundert 1009 OF 3, S. 150; gedr. CDP 6, CLXVI. Statt Wismar wird in der Überschrift zum Registereintrag Hamburg als Adressat genannt. Aus dem Inhalt des Briefes geht aber hervor, dass Wismar gemeint sein muss, da der Hochmeister auf frühere Briefe rekurriert, die er in dieser Angelegenheit an euwerm herren, hern Albrecht geschrieben habe. Diese gingen aber naturgemäß nie an Hamburg, dessen Herr Albrecht nicht war, sondern immer an Rostock und Wismar, da diese als Bürgen des Schwaaner Vertrags angesprochen wurden. Zuordnungsfehler in den Überschriften der Registereinträge sind in der Ordenskanzlei nicht ganz selten vorgekommen; vgl. RBDO, S. 44, Anm. 105. 1010 Aus diesem Brief geht hervor, dass der Hochmeister Albrecht wegen der Hilfe bei der Rettung Gotlands direkt nach der Einnahme durch Dänemark schriftlich angegangen hat, worauf dieser jedoch abschlägig antwortete, wie die eben angeführte doch deutlich schärfere Antwort darauf belegt. Erstaunlicherweise ist die erste Hilfsanforderung des Hochmeisters nicht in den Briefregistern überliefert. 1011 HR 5, 175, 1.

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diese Verzögerung, d. h. die Entscheidungsfindung erst im Januar, doch etwas. Zwar war Winter und eine unmittelbare Reaktion nicht mehr möglich; der Entschluss zu einem Entsatz hätte aber schon früher fallen können. Dieses Zögern dürfte daraus resultieren, dass ein Entsatz kein Automatismus war, sondern bedacht werden musste und wurde, wie die angeführte Formulierung im Rezess nahelegt. Dafür spricht auch ein Brief des Hochmeisters an Thorn vom 8. Januar 1404, in dem er die Stadt bat, im Rat die gotländische Angelegenheit zu besprechen und zwei oder drei Gesandte zum 24. Januar nach Marienburg zu senden.1012 Offenbar hat sich auch hier noch eine Verzögerung ergeben, fand die Versammlung, auf der der Entschluss protokolliert wurde, doch erst am 31. Januar statt. Der Hochmeister hatte die Auffassung der Städte – auch nach Kulm, Elbing und Danzig wurde in dieser Angelegenheit geschickt – abwarten wollen. Ein einvernehmliches Vorgehen ist zu vermuten, da keine städtischen Einwände belegt sind. Für eine rasche, autonome Entscheidungsstärke von Seiten des Hochmeisters dürfte dieses Vorgehen aber eben nicht stehen, sondern vielmehr für ein zögerliches Herantasten an den Plan einer Rückeroberung. Das alles dürfte daher auch dafür sprechen, dass der Hochmeister Gotland eben nicht schon seit Langem als Ziel für eine territoriale Expansion zur Vergrößerung des Machtbereichs gesehen hatte, sondern tatsächlich die erste Expedition eher eine ad-hoc-Entscheidung war, um die Seeräuberplage zum Nutzen des gemeinen Kaufmanns einzudämmen, wie er häufiger betont hat, so auch noch einmal in zwei Briefen an den Ältermann zu Brügge und verschiedene Hansestädte vom gleichen Tag wie der angeführte Rezess.1013 Im Übrigen haben auch die preußischen Städte diese Lesart der Ereignisse dem Kontor in Brügge mitgeteilt.1014 Zumindest dort scheint es keinen grundsätzlichen Widerspruch zu dieser Darstellung des Hochmeisters gegeben zu haben. Andernfalls wären Spuren in der städtischen Überlieferung wahrscheinlich gewesen. Im preußischen Lager war man sich also über die (Haupt-)Motivation des Hochmeisters bei der ersten Expedition einig. Jetzt mussten neue Entscheidungen getroffen werden. Nun war es aber nicht mehr die Beseitigung der Seeräuberplage, die als Movens für die zweite Expedition vom Hochmeister angeführt wurde, sondern nun spielte die schon mehrfach angeführte Ehre – diese hatte schon die Auslieferung der Insel an 1012 HR 8, 1006 (Regest; Ausfertigung verschollen). 1013 OF 3, S. 156; gedr. Diplomatarium Danicum nr. 14040131002, http://diplomatarium.dk/ dokument/14040131002 (letzter Zugriff 14. 12. 2015) bzw. OF 3, S. 155; gedr. Diplomatarium Danicum nr. 14040131001, http://diplomatarium.dk/dokument/14040131001 (letzter Zugriff 14. 12. 2015). 1014 Diplomatarium Danicum nr. 14040202001, http://diplomatarium.dk/dokument/1404020 2001 (letzter Zugriff 17. 12. 2015).

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Margarete verhindert – die bestimmende Rolle, wie Konrad selbst zumindest betonte. Er unterstrich in den schon angeführten zwei Briefen an die Älterleute zu Brügge sowie Lübeck, Hamburg, Wismar, Rostock, Stralsund, Greifswald, Kolberg und Stettin, dass er Margaretes Bitten auf Abtretung von Gotland gerne nachgekommen wäre, wenn er es mit eren hätte tun können. Nachdem nun die Königin Gotland überfallen und den Leuten in Stadt und Land, die dem Orden geschworen und gehuldigt hätten, solche Gewalt angetan habe, so schrieb der Hochmeister weiter, das wir euch mit leide schreiben und das mit eren nicht gelassen mogen, wir mussen sie entsetczen und retten. Der Hochmeister führte hier also neben der Gewalt, die den Gotländern als Untertanen der Ordensherrschaft angetan wurde, als ausschlaggebendes Motiv für den Entsatz die Ehre an,1015 ohne dass er allerdings hier noch genauer die Ehrverletzung expliziert. Letztlich wurde der Entsatz beschlossen. Dass der Hochmeister hier aber bei der Beschlussfindung eine entschiedene und autonome Außenpolitik betrieben hätte, kann angesichts der Verzögerungen und Rücksprachen kaum angenommen werden. König Albrecht war weiterhin keine große Hilfe, sondern wurde – so die Sicht des Hochmeisters – nun auch noch recht unverschämt. Sein Brief ist jedoch nicht erhalten. Der Inhalt spiegelt sich aber in der hochmeisterlichen Antwort vom 6. Februar 1404.1016 Auf Albrechts Argumentation, wegen eines Kriegs in der Mark Brandenburg die Hilfe gegen Gotland nicht leisten zu können,1017 antwortete Konrad nun, inhaltlich wie gewohnt, dass Albrecht dazu verpflichtet sei und Hilfe leisten müsse. Vor allem aber verwies der Hochmeister Albrecht im Ton ziemlich kühl – im Gegensatz zu seiner sonstigen Gewohnheit1018 –, aber dennoch gelassen auf die von ihm ausgestellte Verschreibung, nämlich den Schwaaner Vertrag, hinsichtlich der Art und Weise, wie er zu dem Lande Gotland gekommen sei. Albrecht hatte wohl mit seiner erneuten Aufforderung, der Hochmeister möge bedenken, wie er an die Insel gekommen sei, wieder einmal insinuieren wollen, dass der Hochmeister nur durch Gewalt Gotland besetzt habe (s. o.). Wahrscheinlich wollte Albrecht in seinem Brief darüber hinaus sogar dem Hochmeister noch unterstellen, dass es sich bei der Verpfändung nur um eine rechtlich zweifelhafte, nachträgliche Legitimation der unrechtmäßigen 1015 Dieses Motiv hat auch schon Voigt, Geschichte, 6, S. 261–262, als ausschlaggebend erkannt, wenn er schreibt, dass die Angelegenheit nun eine »Ehrensache« für den Hochmeister geworden sei; so auch Rundstedt, Hanse, S. 61. 1016 OF 3, S. 156–157; gedr. Diplomatarium Danicum nr. 14040206002, http://diplomatarium. dk/dokument/14040206002 (letzter Zugriff 14. 12. 2015). 1017 Auf diesen Versuch Albrechts, sich aus der Affäre zu ziehen, bezieht sich auch Kattinger, Verhandlungen, S. 56, verweist jedoch nicht auf den richtigen Brief und impliziert – ohne jedoch ein Datum zu nennen – eine falsche Chronologie. 1018 Benninghoven, Gotlandfeldzüge, S. 457, erkannte einen gereizten Ton und diagnostizierte darüber hinaus ein verletztes Ehrgefühl des Hochmeisters.

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Inbesitznahme Gotlands gehandelt hatte und somit eine Art Komplizenschaft herstellen, die keine weitere Verpflichtung in sich berge. Die Antwort und der Hinweis auf die Urkunde seitens des Hochmeisters lassen keinen Zweifel daran, dass das Ordensoberhaupt solche Unterstellungen, mit denen Albrecht versuchte, sich seiner vertragsgemäßen Verpflichtungen unter der Hand zu entledigen, nicht gelten lassen wollte. In der zweiten Hälfte des Monats Februar antwortete der Hochmeister dann sehr freundlich auf die Vermittlungsvorschläge von Wulf Wulflam.1019 Auf eine der beiden vorgeschlagenen Vorgehensweisen, die im Detail nicht interessieren brauchen, eingehen, wollte Konrad von Jungingen jedoch nicht. Vielmehr erinnerte er in diesem langen Brief en d8tail an die Vorgeschichte des Konflikts. Er unterstrich ein weiteres Mal, dass Gotland zum Nutzen des gemeinen Kaufmanns unter großen Kosten an den Orden gekommen und danach von Albrecht erpfändet worden sei. Eine gütliche Regelung mit der Königin habe trotz zahlreicher Versuche keinen Erfolg gehabt. Hätte sie sich czum rechten gegeben und wäre ihr das Land mit Recht zugesprochen worden, dann hätte man ihr das Land abgetreten, so der Hochmeister. Er betonte auch hier wieder, dass er ihr das Land ohne Zustimmung des Pfandgebers nicht mit eren habe abtreten können und dass er sich um Rat auch bei den Städten bemüht habe, wie er das Land sonst mit eren hätte abtreten können. Dennoch habe Margarete Gotland obirfallen lassen, des wir nicht von ir hatten gehofft (…). Weiter schrieb das Ordensoberhaupt, dass die Königin nicht nur das Land, sondern auch die Stadt verwüstet habe, woraus er folgerte, daz sie nicht alleyne noch dem lande und stat steet, sunder uns ouch noch unsern eren steet und gestanden hat (…). Wieder ist in der Rechtfertigung des Hochmeisters der Ehrbegriff an zentrale Stelle gesetzt. Konrad hatte, wie mittlerweile hinreichend bekannt, im Vorwege die mögliche Abtretung der Insel gegen die Zustimmung des Pfandgebers als eine Ehrverletzung für den Pfandnehmer dargestellt und eine solche Lösung abgelehnt. Nun aber verschärfte sich die Situation durch die dänische Invasion Gotlands. Zwar war im Schwaaner Vertrag geregelt, dass bei einem gewaltsamen Verlust des Landes während der Pfandzeit keine Regressansprüche seitens des Pfandgebers zulässig wären,1020 sodass der Hochmeister nun die Angelegenheit auch auf sich theoretisch hätte beruhen lassen können. Doch das war offenbar keine denkbare Option, hatte der Hochmeister den Angriff vor allem auch als Angriff auf seine Ehre aufgefasst, wenn man der eben angeführten Aussage Glauben schenken will. Oder zeigt dieser Umstand eben vielmehr im Gegenteil, 1019 OF 3, S. 159–160; gedr. Diplomatarium Danicum nr. 14040221001, http://diplomatarium. dk/dokument/14040221001 (letzter Zugriff 14. 12. 2015) (21. Februar 1404); vgl. Kehlert, Insel, S. 40. 1020 SDOP, 7, 9.

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dass die territoriale Ausweitung im Vordergrund stand und die Berufung auf die Ehre nur die Funktion eines Deckmantels hatte? Das Eingreifen des Ordens, d. h. die Rückeroberung wurde dann – wie auch schon gegenüber den Hansestädten und den Älterleuten zu Brügge – zusätzlich mit der von Stadt und Land zu Gotland getätigten Huldigung legitimiert. Der Hochmeister begründete sein Eingreifen also nicht nur mit der eigenen Ehre, sondern auch mit der Pflicht eines guten Landesherrn gegenüber seinen (neuen) Untertanen. In dieser Auffassung Propaganda erkennen zu wollen, geht sicherlich an Konrads Gedankenwelt vorbei, der in vielen Bereichen seinen landesherrlichen Pflichten gegenüber seinen Untertanen nachkam. Insgesamt glaubte er mit dieser Legitimation, in der er Ehrverletzung und Einsatz für die Untertanen kombinierte, offenbar auch auf Verständnis bei den Empfängern zu treffen. Dass hier jemand diese Begründung als Propaganda aufgefasst hätte, ist nicht bekannt. Auch die dänische Königin störte sich in ihren vielfachen Vorstößen bemerkenswerterweise nie an dieser Begründung. Abschließend erteilte der Hochmeister dem Vermittlungsangebot des Stralsunder Bürgermeisters noch einmal eine Absage. Insgesamt wiederholte der Hochmeister in diesem Brief sehr detailliert seine Auffassung vom Ablauf der Ereignisse, von der er offensichtlich glaubte, dass sie bei Wulf Wulflam Verständnis erzielen konnte. Anzeichen, dass hier nur oder auch nur überwiegend Propaganda zu erkennen wäre, gibt es nicht. Dass die Rückeroberung Gotlands für den Deutschen Orden jedoch alles andere als reibungslos verlief, wurde an anderer Stelle ausgeführt.1021 Schon bei einer Versammlung zu Elbing am 8. April 1404 beschlossen die Städte Thorn, Elbing, Danzig und Königsberg weitere 100 Bewaffnete nach Gotland zu senden, was offenbar auch der einzige Tagesordnungspunkt war.1022 Über diesen bekannten Umstand hinaus ist die genutzte einleitende Formulierung über die Beschlussfindung aufschlussreich: Recessus anno predicto feria tercia post quasimodo geniti per civitates Thorun, Elbing et Dantzk in Elbingo coram domino magistro arbitratus, prout sequitur. Die Anwesenheit des Hochmeisters beim Beschluss und dessen Zustimmung ist damit dokumentiert. Es zeigt sich hier sehr deutlich eine Interessenübereinstimmung zwischen dem Ordensoberhaupt und seinen Städten gerade auch deswegen, weil diese in Fällen, in denen ihnen Aufwand und Kosten nicht zu lohnen schienen, ein Engagement zu vermeiden suchten. Das war hier offensichtlich nicht der Fall. Die preußischen Städte müssen daher auch nicht nur als bloß unterstützende, sondern vielmehr als treibende Kraft bei der Rückeroberung Gotlands gesehen werden. Sie selber dürften die Eroberung Gotlands ohnehin schon lange als für sie nützlich erkannt 1021 Benninghoven, Gotlandfeldzüge, S. 460–461; Kehlert, Insel, S. 40–41. 1022 HR 5, 182.

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haben. Dieser Umstand dürfte, ohne direkte Linien ziehen zu können, auch in dem Argument seine Entsprechung finden, welches der Hochmeister immer als erste Begründung für seine Expedition anführte, wenn er – etwas allgemeiner – den Nutzen für den gemeinen Kaufmann herausstellte. Er erfuhr in dieser Hinsicht auf jeden Fall keinen Widerspruch von seinen Städten, sondern es hatte sich eine Konsensgemeinschaft gebildet.1023 Die Nachrichten von den Bedrängnissen des Deutschordensentsatzheers sprachen sich überdies weit herum. Sogar der Vogt der Neumark, Balduin Stal, sah sich aufgrund der ihm zu Ohren gekommenen dramatischen Nachrichten veranlasst, am 13. April 1404 beim Hochmeister um nuwe czithunge von Gotlande nachzukommen und Hilfe anzubieten.1024 Auch Paul Quentin, der in vielen Angelegenheiten gut informiert war und ordensnah agierte, hatte davon gehört und bat um Bestätigung dieser Nachrichten.1025

4.4.5 Die erneute Besetzung der Insel durch den Orden 1404 und die zwei Waffenstillstände Nach der im April beschlossenen Verstärkung erlangte der Orden aber wieder ein Übergewicht in den Kämpfen.1026 Am 16. Mai musste die dänische Besatzung dann kapitulieren. Die Seeschlacht bei Kalmar war zudem für Dänemark verloren gegangen und hatte den Feldzug entschieden.1027 Das erste Ergebnis war ein dreiwöchiger Waffenstillstand, gültig vom 18. Mai bis zum 7. Juni.1028 Die dänischen Ritter und Knappen, die für die dänische Seite Aussteller waren, wollten in dieser Zeit in Dänemark die Haltung der Königin für das weitere Vorgehen erfragen. Gleichzeitig waren es auch die hansischen Städte, die eine Vermittlung zwischen der Königin und dem Orden anstrebten. Ein Bericht ihrer Ratssendeboten über eine Vermittlungsreise zur Königin in Wadstena informiert über die Ereignisse:1029 Die Ratssendeboten waren demnach mit dänischen Gesandten nach Wisby gezogen. Erste Unterredungen blieben jedoch erfolglos. Nach abermaligen Verhandlungen kam es zu einem zweiten Waffenstillstand mit dem Orden. Über diesen reinen Ablauf geht aus dem Bericht hervor, dass es die 1023 Lübeck und die wendischen Städte beschlossen hingegen, am 8. April 1404 eine Gesandtschaft zu Margarete zu schicken, um zwischen ihr und dem Hochmeister zu vermitteln; HR 5, 185, 1. 1024 OBA 743; gedr. SD 1, 441. 1025 OBA 744 (25. April 1404); knappes Zitat gedr. bei Kehlert, Insel, S. 40, Anm. 4. 1026 Vgl. Benninghoven, Gotlandfeldzüge, S. 469–470; Kehlert, Insel, S. 41. 1027 So Benninghoven, Gotlandfeldzüge, S. 471, mit besseren Gründen als Kehlert, Insel, S. 43–44, der die Seeschlacht später ansetzt. 1028 SDOP, 20 (Regest); gedr. ST 2, 432. 1029 HR 5, 190; vgl. Kehlert, Insel, S. 43–44.

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Königin war, die angesichts des letztlich für sie doch wenig erfreulichen Verlaufs der gotländischen Angelegenheit nun an diplomatischen Verhandlungen über die Insel interessiert war. Als Argument gegen die Abgabe der Insel an die Königin spielte für die Ordenspartei die Pfandbindung die wichtigste Rolle, wodurch auch im Folgenden eine schnelle Lösung weiterhin verhindert wurde. Dieser zweite Waffenstillstand datiert auf den 1. Juli 1404 und wurde für den Zeitraum eines knappen Jahres abgeschlossen, d. h. vom 9. Juli 1404 bis zum 24. Juni 1405.1030 Vertragspartner waren der Hochmeister sowie König Erich und Königin Margarete. Für die hier interessierende Fragestellung wesentlich ist der Aspekt des Vertrags, in dem festgehalten wurde, dass während des Waffenstillstandes eine Tagfahrt zu Skanör oder Kalmar angesetzt werden sollte, um sich über Gotland und Wisby zu einigen. Über die Motive des Hochmeisters sagt dieses Dokument wenig aus. Dass er die Insel zurückgewinnen wollte, war bereits durch die Entsendung des Entsatzheeres deutlich. Die Verträge bezeugen eine diplomatische Rückkehr zum status quo ante. Hier ließe sich – nur von den vertraglichen Ergebnissen gedacht – natürlich ein territorialer Eroberungswille erkennen. Der Bericht der wendischen Ratssendeboten jedoch belegt das Fortbestehen der preußischen Argumentation, dass Gotland als Pfand nicht einfach habe aufgegeben werden können. Offenbar wurde diese Rechtslage, die dem Hochmeister Zugeständnisse wie die Abtretung der Insel ohne Albrechts Zustimmung verbot, auch von den anderen Hansestädten durchaus als bindend anerkannt. Kehlerts Tirade gegen das Verhalten Konrads, mit der er sich über dessen Weigerung echauffiert, »seine Ansprüche gegen einen nur irgend annehmbaren Kompromiß aufzugeben«, und seine Politik »als durchaus verwerflich« bezeichnet,1031 berücksichtigt diesen Umstand, der jedoch offensichtlich in den Vorstellungshorizont der Zeitgenossen passte, nicht. Eine Aufgabe der Insel hätte das Durchschlagen des Gordischen Knotens bedeutet, war aber offenbar für Konrad nicht als reale Möglichkeit denkbar. Ein Wunsch nach territorialer Expansion jedenfalls spiegelt sich daher auch nicht im zweiten Waffenstillstand. Der Waffenstillstand wurde von der Königin jedoch nicht streng eingehalten. Zumindest beschwerte sich der Hochmeister bei einer Städteversammlung am 16. Oktober 1404 darüber bei den wendischen Städten.1032 Diese reagierten mit einem Mahnschreiben an die Königin und dem Beschluss, einen weiteren Verhandlungstag in der gotländischen Angelegenheit zwischen Königin und Orden zu vermitteln.1033 Ein entsprechender Tag stand dann auch recht bald in Aus1030 SDOP, 21. 1031 Kehlert, Insel, S. 45. Er versteigt sich danach in nicht nachprüfbare Spekulationen in Form von zum Teil dunkel bleibenden Konditionalsätzen. 1032 HR 5, 209, 13. 1033 HR 5, 213 bzw. HR 5, 209, 14.

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sicht.1034 Über die Motive des Hochmeisters sagen diese Entwicklungen, mit denen das ereignisreiche Jahr 1404 endete, jedoch wenig Belastbares aus.1035

4.4.6 Der Gotlandkonflikt bis zum Tag von Flensburg Anfang des Jahres 1405 war es dann der Hochmeister, der dringend einen Verhandlungstag mit der Königin bis spätestens zum Johannistag von seinen Städten mit den Gesandten Dänemarks beim Tag zu Lübeck Anfang Februar vereinbart wissen wollte.1036 Es heißt im Rezess des Städtetages zu Marienburg: Item hat unse here homeister mechticlich en befolen (…). Hier wird deutlich, dass der Hochmeister seine Position als Landesherr nutzte, um seine Vorstellungen umzusetzen, was wiederum die Ratssendeboten der preußischen Städte auch so festhalten ließen. Der Hochmeister wirkte zu diesem Zeitpunkt – verglichen mit seinem bisherigen Auftreten auf Städtetagen – vergleichsweise entschlossen, was angesichts seiner sonstigen Hilfsbedürftigkeit bzw. offensichtlichen Hilflosigkeit hervorgehoben werden muss. Am 12. März 1405 kam schließlich der Verhandlungstag in Lübeck zustande.1037 Der Verhandlungstag mit der Königin wegen der Streitigkeiten um Wisby und Gotland wurde dabei auf den 7. Juni 1405 angesetzt.1038 Die Städte schrieben ihr und dem Reichsrat in dieser Angelegenheit, setzten sie von dem Termin in Kenntnis und baten um Rückmeldung, um den Hochmeister benachrichtigen zu können.1039 Trotz einiger Einwände wegen der Unbequemlichkeit des Verhandlungsortes antwortete die Königin schnell, am 30. März 1405, und zustimmend auf diese Anfrage.1040 Konrad von Jungingen ersuchte die Städte Lübeck, Hamburg und Stralsund am 7. Mai 1405, zu dem Verhandlungstag auch Boten zu senden.1041 Als Bevollmächtige wurden von Seiten des Hochmeisters der Komtur 1034 Offenbar kam es aber auch hier zu Kommunikationsproblemen zwischen der Dänenkönigin und den preußischen Städten; OBA 28109; ediert VirtPrUB, DH401, http://www1. uni-hamburg.de/Landesforschung/pub/dh/dh401.htm (letzter Zugriff 14. 12. 2015). 1035 Keine weiteren brauchbaren Informationen bietet der Brief des Tresslers an den Hochmeister die Angelegenheiten des Vogtes von Gotland betreffend; vgl. OBA 843 (defekt); der Hauptzettel ist wohl auf das Jahr 1405 zu datieren. Auf den irreführenden Teildruck bei Eimer, Gotland, S. 204 und S. 262, hat schon Benninghoven, Gotland, S. 359, in seiner Rezension hingewiesen. 1036 HR 5, 221, 8. 1037 HR 5, 225. 1038 HR 5, 225, 1. 1039 HR 5, 230 und 231 (14. März 1405). 1040 HR 5, 233. Lübeck leitete dieses Schreiben zügig an die preußischen Städte weiter ; HR 5, 234 (Regest), vom 7. April 1405. 1041 OF 3, S. 201; gedr. Diplomatarium Danicum nr. 14050507001, http://diplomatarium.dk/ dokument/14050507001 (letzter Zugriff 14. 12. 2015).

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von Mewe, der Vogt von Roggenhausen sowie die Bürgermeister Heinrich Damerow zu Elbing, Tidemann Huxer von Danzig und Nicolaus von Dirschau ernannt, was wiederum auf ein einvernehmliches Vorgehen im preußischen Lager verweist.1042 Es hatte nun auch offenbar wieder die Königin das größere Interesse an den Verhandlungen. Zumindest schrieb sie dem Hochmeister noch einmal, dass vor oder zu Pfingsten Bevollmächtigte kommen sollten, worauf sich das Ordensoberhaupt zu antworten veranlasst sah, dass seine Gesandten zum Absegeln nur auf günstigen Wind warteten.1043 Der Tag brachte aber keine handfesten Ergebnisse, sondern vielmehr eine Verlegung auf den 15. August 1406,1044 wozu sich der Hochmeister auch gegenüber der Königin von Dänemark bereit erklärte. Kehlert vermutet, dass Margarete für die angesichts des Vorlaufs überraschende Verschiebung des Treffens – waren doch vorher alle Parteien sehr verhandlungsbereit – aufgrund des nahenden und für die weitere Entwicklung äußerst bedeutungsvollen Flensburger Verhandlungstages verantwortlich zu machen ist.1045 Er spricht von einem geheimen »Anerbieten« Albrechts, auf das Margarete reagiert habe, während Kattinger sogar »Separatverhandlungen« vermutet.1046 Beweise gibt es dafür nicht, doch sind diese Vermutungen naheliegend. Die sonstigen Briefe hatten mittlerweile wieder einen milderen Ton. Die Königin bot sogar die Vermittlung in den Ordensstreitigkeiten mit den Königen von Frankreich und England und dem Herzog von Holland an, wohingegen der Hochmeister von den Entwicklungen gegenüber Polen, Litauen und Samaiten berichtete.1047 Die Entscheidung, den verschobenen Tag zu beschicken, sollte aber indirekt weitreichende Folgen für die Gotlandfrage zeitigen: Auf ein Schreiben der Königin von Dänemark bestätigte der Hochmeister am 19. Oktober 1405 zunächst, dass er den Tag zu Kalmar besenden werde.1048 Jedoch sagte er dann die Besendung des von der Gräfin von Holstein, der Schwester Albrechts, vermittelten Tages zu Flensburg zwischen diesem und ihr, der dänischen Königin, ab, da er den Vogt von Roggenhausen und einen Ratsherrn der Stadt Thorn gerade zu Verhandlungen zu Albrecht ausgesandt habe. Er habe aber Lübeck, Wismar und 1042 OF 3, S. 21. 1043 OF 3, S. 201; gedr. Diplomatarium Danicum nr. 14050524002, http://diplomatarium.dk/ dokument/14050524002 (letzter Zugriff 14. 12. 2015). 1044 HR 5, 255, 1. Das meldete der Hochmeister auch der Stadt Thorn; HR 5, 259; vgl. Kehlert, Insel, S. 46–47, zur Organisation des Tages. 1045 Ebd., S. 47–48. 1046 Kattinger, Verhandlungen, S. 57. 1047 OF 3, S. 210–211; gedr. Diplomatarium Danicum nr. 14050723001, http://diplomatarium. dk/dokument/14050723001 (letzter Zugriff 14. 12. 2015) (23. Juli 1405). 1048 OF 3, S. 218–219; gedr. Diplomatarium Danicum nr. 14051019001, http://diplomatarium. dk/dokument/14051019001 (letzter Zugriff 14. 12. 2015).

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Rostock gebeten, hinzuzukommen und sich bei Albrecht einzusetzen, dass dieser den Orden vortrete und fryhe von ihrer, der Königin, Mahnungen gemäß Vertragslaut. Solange diese Botschafter ausgesandt seien und er die Antwort Albrechts nicht kenne, solange wisse er nicht, wie er den Tag besenden könne; zudem sei die Frist zu kurz.

4.4.7 Der Flensburger Tag und seine Ergebnisse: Die Wende im Konflikt um Gotland Die Ereignisse des Flensburger Tages waren es dann aber, die die entscheidende Wende in der Gotlandfrage bedeuteten:1049 Albrecht trat in Flensburg nämlich völlig überraschend seine Ansprüche auf Gotland und Wisby zugunsten König Erichs ab und entlastete zugleich den Orden von allen Forderungen seinerseits auf die Insel bzw. erteilte dem Hochmeister auch im Voraus sein Einverständnis zur Auslieferung der Insel an König Erich.1050 Obwohl eine Abtretung Gotlands seitens des Ordens erst unter Hochmeister Ulrich von Jungingen vorgenommen werden sollte, hat Erich Weise die Ergebnisse der Verhandlungen zu Flensburg, die sich in zwei Pergamenturkunden (25. November 1405) niederschlugen, zu Recht als »Vorurkunden« der Abtretung Gotlands eingeordnet. Es waren diese von Konrad offenbar gänzlich unerwarteten Verzichtsurkunden Albrechts zugunsten Dänemarks, die den Handlungsspielraum des Hochmeisters im Folgenden weiter einschränkten und der ganzen Angelegenheit eine Wendung gaben, die das Ordensoberhaupt sichtlich überraschte. Darüber hinaus zeigen vor allem die Umstände ihres Zustandekommens, dass es eben nicht Konrad von Jungingen war, der taktisch klug die Verhandlungen um Gotland im Griff hatte, sondern er hatte sich, wie Kehlert zu Recht schreibt, »gründlich (..) überrumpeln« lassen.1051 Die Abwesenheit von Ordensgesandten bei diesem Tag sollte endgültig die Vorstellung von Konrad als langfristig planenden Politiker und Staatsmann infrage stellen. Durch die Nichtbesendung hatte er sich selbst jegliche Möglichkeit der Einflussnahme genommen. Zwar ist nicht ganz klar, auf wessen Initiative der Tag von Flensburg zustande gekommen ist; da die Gräfin von Holstein Albrechts Schwester war, wäre es mehr 1049 Vgl. auch Kattinger, Verhandlungen, S. 57–58. 1050 SDOP, 48 (Regest); gedr. ST 2, 436c, und SDOP, 49 (Regest); gedr. ST 2, 436c. Als »Ergänzung« bezeichnet Weise den Vertrag zwischen Albrecht und Margarete vom gleichen Tag, ohne jedoch eine genaue Signatur anzugeben; SDOP, S. 54. Am 25. November 1405 schrieb auch eine Anzahl von Rittern und Knappen sowie Bürgermeistern und Ratsherrn der wendischen Städte an den Hochmeister, dass es zu einer Einigung zwischen Margarete und Albrecht wegen Gotland und Wisby gekommen sei; SD 1, 670. 1051 Kehlert, Insel, S. 49.

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als nur gut denkbar, dass der Mecklenburger seine Familiennetzwerke in der Gotlandfrage aktiviert hatte. Es dürfte wohl Albrecht gewesen sein, der in dieser Angelegenheit das Tempo bestimmte, nachdem er sich vorher überhaupt nicht gerührt hatte. Offenkundig brauchte Albrecht Geld. Er kassierte für die Abtretung noch einmal eine schöne Summe1052 – dieses Mal jedoch von Dänemark. Er hatte bei dieser Gelegenheit Gotland zwar endgültig verloren, aber dennoch das Beste daraus gemacht. Hoffnung, die Verfügungsgewalt über die Insel wieder zu erlangen, gab es keine mehr. So hatte er den Verlust zumindest zweifach monetarisiert.1053 Kattinger hat den Orden als »bisweilen diplomatisch leichtsinnig« bezeichnet.1054 Man muss vielleicht noch deutlicher konstatieren, dass sich der Hochmeister an der Nase hat herumführen lassen. Zielgerichtet-taktisches Verhalten jedenfalls lässt sich hier nicht erkennen. Konrad von Jungingen wurde ausgespielt, während Dänemark nun auf der Siegerstraße war, wobei Albrecht mit einem schlechten Blatt den höchstmöglichen Gewinn erzielte. Um die Jahreswende 1405/1406 hatte die dänische Königin nun in der Gotlandfrage wieder Kontakt zum Hochmeister aufgenommen, wie die Antwort des Hochmeisters darauf vom 8. Januar 1406 ausweist.1055 Zu einem abschließenden Bescheid konnte sich dieser jedoch auch jetzt nicht durchringen. Vielmehr rekapitulierte er zunächst die Ereignisse des letzten Jahres aus seiner Sicht und beschwerte sich dabei über Albrecht von Mecklenburg, bei dem auch die durch den Vogt von Roggenhausen und Albrecht Rat, Ratsherr von Thorn, im letzten Jahr überbrachte Drohung, ihn bei weiterhin ausbleibender Vertretung in Sachen Gotland und Wisby vor das Reich zu laden, keine Wirkung erzielt habe. Vielmehr habe Albrecht angekündigt, einen Tag – nämlich den von Flensburg – mit ihr, der Königin, abzuhalten. Im Gegensatz zum Hochmeister, der, wie oben geschildert, die Besendung des Flensburger Tages abgelehnt hatte, hatte – zumindest nach hochmeisterlicher Darstellung – der Vogt von Roggenhausen sich erboten, Albrecht zu den Verhandlungen als Ordensabgesandter zu begleiten, was dieser jedoch ablehnte. Wenn diese Schilderung stimmt – und gegenteilige Aussagen sind nicht überliefert –, dann muss man davon ausgehen, dass der mit den Verhandlungen befasste Vogt ein deutlich besseres politisches Gespür hatte als Hochmeister Konrad, der die Nichtbesendung des Tages noch gegenüber der Dänenkönigin verteidigte. Konrad jedenfalls sieht nach dieser von ihm selbst besorgten Darstellung der Ereignisse ausgesprochen schlecht aus. Vielleicht versuchte der Hochmeister aber auch nur, sich im Nachhinein zu 1052 Ebd. 1053 Kattingers zusammenfassende Einschätzung der »diplomatischen Beweglichkeit« der Mecklenburger ist zuzustimmen; Kattinger, Verhandlungen, S. 59. 1054 Ebd. 1055 OF 3, S. 229–230; gedr. Diplomatarium Danicum nr. 14060108001, http://diplomatarium. dk/dokument/14060108001 (letzter Zugriff 14. 12. 2015).

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rechtfertigen und zu erklären, warum ihm die Hände gebunden waren bzw. warum kein Ordensgesandter trotz der Versuche des Vogtes von Roggenhausen in Flensburg anwesend war. Wie auch immer es gewesen sein mag, diese Erklärungen des Hochmeisters zeigen in jedem Fall, dass er und der Orden von Albrecht ausgebootet worden waren. Nicht Konrad war es, der das Heft in der Hand hatte, sondern eben Albrecht, der zunächst die Angelegenheit lange blockierte, dann aber eine schnelle Lösung anstrebte und auch durchsetzte. Zudem warte er, so der Hochmeister in seinem Brief an die Königin, immer noch auf den von Albrecht versprochenen Bericht vom Verhandlungstag und habe erst jetzt durch sie von den Ergebnissen in Flensburg erfahren. Der wesentliche vom Hochmeister artikulierte Beschwerdepunkt ist die Frage, wer ihm nun die Pfandsumme und den Schaden ersetzen werde, die bei der Eroberung von Gotland und Wisby entstanden seien. Er kündigte die Entsendung von Boten zur Diskussion dieser Angelegenheiten an. Offenkundig musste der Hochmeister nun merken, dass die Angelegenheit zwischen Albrecht und Margarete geklärt worden war. Das hatte er bislang zwar auch immer gefordert. Dass dies jedoch unter völliger Nichtzurkenntnissnahme der Ordensposition geschah, überraschte ihn augenscheinlich dann aber doch. Dennoch sah er sich zu einer Übergabe nun grundsätzlich bereit. Die Frage der Ehre spielte jetzt, nach der Einigung zwischen Albrecht und Dänemark, keine Rolle mehr. Der Hochmeister kam auf diesen Aspekt schließlich nicht mehr zurück, was zeigt, dass hier tatsächlich ein wesentlicher Hinderungsgrund für eine Lösung bis zu diesem Zeitpunkt bestand. Jedoch wollte Konrad von Jungingen das aufgewandte Geld für Eroberung und Pfandnahme auch nicht einfach – modern gesprochen – abschreiben, sondern verlangte Aufklärung darüber, wer es ihm ersetzen solle. Kurze Zeit später musste sich der Hochmeister gegen die Mahnungen des Herzogs Johann von Mecklenburg wegen Gotlands verwahren.1056 Bemerkenswert ist an diesem Brief über die bekannten Schuldzuweisungen wegen Nichteinhaltung des Vertrags hinaus aber vielmehr, dass dem Herzog angeblich mitgeteilt worden sei, der Hochmeister habe zwei Boten nach Flensburg geschickt und sei über die dortigen Ergebnisse informiert. Dies wies der Hochmeister ebenda von sich und unterstrich, dass er bislang nur flyende rede gehört habe und deshalb in dieser Sache keine abschließende Antwort geben könne. Der Hochmeister weigerte sich also die neue Situation zu verhandeln, solange er nicht offizielle Nachrichten darüber erhielt. Diesen Brief des Herzogs leitete der Hochmeister unverzüglich auch an die Königin von Dänemark weiter mit dem

1056 OF 3, S. 230–231; gedr. Diplomatarium Danicum nr. 14060118001, http://diplomatarium. dk/dokument/14060118001 (letzter Zugriff 14. 12. 2015) (18. Januar 1406); vgl. Kehlert, Insel, S. 49.

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Hinweis, dass er von Albrecht immer noch keine Antwort bekommen habe, weswegen er in dieser Sache zur Zeit Weiteres nicht schreiben wolle.1057 Ende März wandte sich die Königin dann an die preußischen Städte mit der Bitte, sich beim Hochmeister für eine Übergabe Gotlands und Wisbys einzusetzen.1058 Zur gleichen Zeit schrieb die Königin auch dem Hochmeister, dessen Antwort darauf vom 29. März 1406 überliefert und aufschlussreich für die Position ist, die sich der Hochmeister nun in der veränderten Situation nach Flensburg zu eigen machte.1059 Zwar kam Konrad der Bitte der Königin entgegen, ihr Boten zu Anfang oder Mitte Mai zusenden zu wollen. Mit einer Vollmacht ausstatten wollte er sie jedoch nicht. Er begründete dies damit, dass er bislang keine befriedigende Antwort bekommen habe, wer seine Ansprüche in der Gotlandfrage bedienen wolle. Es war das für die Eroberung und die Erpfändung aufgebrachte Geld, auf das der Hochmeister hier noch einmal ostentativ bestand. Zudem antwortete er, dass er auch deswegen nicht definitiv antworten könne, da er von Albrecht noch keine schriftliche Aufforderung erhalten habe, ihr Gotland abzutreten, und auch keine Information, wer dem Orden dann die vertragsgemäße Verpfändungssumme erstatten werde. Konrad unterstrich weiter, überhaupt noch keine Briefe oder Verschreibungen gesehen zu haben, die die Königin in ihren Schreiben erwähnt habe. Er setzte sie dann in Kenntnis darüber, dass Albrecht Rat als Antwort Herzog Albrechts überbracht habe, dass der Orden von ihr, der Königin, über die Abmachungen unterrichtet worden sei. Der Hochmeister hatte hier offensichtlich ganz deutlich das Gefühl, dass man versuchte, ihn zu übertölpeln, wobei ihm offenbar nicht ganz klar war, wer hier als Drahtzieher zu sehen war – zumal die Königin ihn darauf hingewiesen habe, dass sie für Gotland kein Geld empfangen habe und er es von denen fordern solle, die es bekommen hätten. Er betonte daher anschließend, dass sie von Albrechts Geldleihe auf Gotland gewusst habe und er, der Hochmeister, gehofft hätte, dass sie das bei den Verhandlungen zum Nutzen des Ordens bedacht hätte. Beim Hochmeister verdichtete sich der Verdacht – ganz klar war es ihm aber wohl nicht –, dass sich beide Parteien auf Ordenskosten schadlos halten wollten. Selbst wenn man konzediert, dass in dieser Antwort situationstaktisches Lavieren von Konrads Seite zu erkennen sein könnte, so muss man doch bemerken, dass er nicht gut in dieser Angelegenheit aussieht und sein Verhalten eher ungeschickt wirkt. Er wurde in der Gotlandangelegenheit übergangen und das ist in dieser Antwort auch gut zu erkennen! Er musste überdies merken, dass er zu dieser Situation auch die Vorlage 1057 OF 3, S. 231–232; gedr. Diplomatarium Danicum nr. 14060120001, http://diplomatarium. dk/dokument/14060120001 (letzer Zugriff 14. 12. 2015) (20. Januar 1406). 1058 HR 5, 309, ist das Antwortschreiben der preußischen Städte vom 22. März 1406. 1059 OF 3, S. 241–242; gedr. Diplomatarium Danicum nr. 14060329001, http://diplomatarium. dk/dokument/14060329001 (letzer Zugriff 14. 12. 2015).

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geliefert hatte: Die Königin berief sich nun nämlich auf frühere Äußerungen des Hochmeisters, dass es in Bezug auf Gotland dem Orden umb das geldt nicht were (…). Der Hochmeister antwortete darauf mit einer bemerkenswerten Erklärung, dass er das zu einer Zeit habe verlauten lassen, als er noch geglaubt habe, das Geld von Albrecht in irgendeiner Weise einmahnen zu können, um im Anschluss daran Margarete vorzuwerfen, dass sie direkt danach Gotland überfallen habe. Nun gibt es zwei Möglichkeiten, diese Aussage bzw. diese Situation zu interpretieren: a) Für den Hochmeister war das Geldargument nur ein taktisches. Er schob es vor, um Gotland zu behalten, weswegen diese Rechtfertigung nur den Wunsch nach territorialem Machterhalt, nach Erhalt der Expansion bemäntelte. So sah Margarete diese Situation möglicherweise.1060 b) Dem Hochmeister war tatsächlich an der Auszahlung des Geldes gelegen, weswegen er sich auch nicht scheute, diese Position in einer auch für sich eher unangenehmen Art und Weise wieder in die Verhandlungen als conditio sine qua non einzubringen, nachdem er diese früher schon einmal (vorschnell) gegenüber Margarete aufgegeben hatte. Auf den ersten Blick, der nur dieses Textzeugnis isoliert betrachtet, wäre die erste Interpretationsmöglichkeit naheliegender. Schaut man sich aber den gesamten Prozess an, in dem Konrad sich schon vielfach etwas ungeschickt, ratlos und spontan gezeigt hat, dann ist die zweite Erklärung wahrscheinlicher. Vielleicht ist diese auch weniger inkonsistent und damit verdächtig als man auf den ersten Blick denken mag. Wenn Konrad weiterhin auch unter diesen Umständen, die ihn doch deutlich in Erklärungsnot brachten, auf der Rückzahlung des Geldes bestand, dann dürfte man annehmen können, dass die Auszahlung selbst ihm auch ein besonderes Anliegen war. Diese war Bedingung für eine Übergabe. Von der Ehre, die bewahrt werden müsse, ist an dieser Stelle nun nicht mehr die Rede. Offensichtlich reichte ihm eine mit aussagekräftigen Dokumenten belegte Übergabe der Rechte an Gotland von Albrecht an Margarete, um sich nicht der Gefahr auszusetzen, ein ehrloser Pfandvertragsbrecher zu sein. Da dieser Umstand ja mittlerweile zum Greifen nahe war, kam Konrad wohl nicht mehr darauf zurück. Es ist also anzunehmen, dass er nun auch bei einer vertragsgemäßen Auszahlung des Geldes die Insel übergeben würde. Alles in allem scheint das Verhalten Konrads darauf hinzudeuten, dass er sehr darauf bedacht war – und das nicht nur in der Gotlandfrage –, dass Verträge eins zu eins eingehalten wurden; dazu gehörte auch die Auszahlung des Geldes und eine formgerechte Abwicklung der Angelegenheit, bei der sich Albrecht wieder einmal sehr in der Deckung hielt und die Situation damit für den Hochmeister schwer einschätzbar 1060 Das oben angeführte wichtige Quellenzitat wurde immerhin erwähnt, dann allerdings nicht tiefer ausgewertet von Kattinger, Verhandlungen, S. 258; eine bloße Erwähnung des Briefes bei Kehlert, Insel, S. 49–50.

Konrad von Jungingen und die Gotlandfrage

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machte. Eine solche Vertragstreue zeigte sich auch in anderen außenpolitischen Verhandlungsfeldern (vgl. das Kapitel zur Neumark). Wie auch immer man diese Frage beantworten will, dieser Brief zeigt auf jeden Fall noch einmal in aller Deutlichkeit, dass der Orden in der Gotlandangelegenheit eben keine treibende Kraft in den Entwicklungen war, sondern vielmehr ein Spielball zwischen der dänischen Königin und Albrecht von Mecklenburg. Albrecht, der mit Abstand die schlechteste Position und die schlechtesten Karten hatte, spielte diese allerdings zwischen den beiden potenteren Mächten am Besten aus und machte doppelten Gewinn mit einem Gebiet, das zurückzugewinnen er längst keine Hoffnung mehr haben konnte. Konrad, der eigentlich die beste Ausgangslage hatte, fühlte sich durch den Vertrag gebunden und sah seine Handlungsspielräume eingeschränkt. Dass der Hochmeister wirklich nur wenig Vertrauen in Albrechts Erklärungen hatte, die er zudem aus zweiter oder dritter Hand erhielt, zeigt seine Antwort auf die Nachricht Wisbys, das ihm mitgeteilt hatte, dass Albrecht das Land Gotland und die Stadt an Margarete übergeben habe. Man bat aus diesem Grund dringend, nicht ausgeliefert zu werden.1061 Die Antwort des Hochmeisters war auch hier, dass diese Informationen noch nicht sicher verbürgt seien, was zeigt, dass dies nicht nur eine taktische Antwort gegenüber Margarete war, sondern tatsächlich die am Wahrheitsgehalt zweifelnde Auffassung des Hochmeisters. Man muss überhaupt ganz allgemein konstatieren, dass der Hochmeister aufgrund der zumeist verweigerten Kommunikation Albrechts oft nicht so recht wusste, wie dessen Position einzuschätzen war. Auch aus diesem Grund dürfte Konrads Verhalten nicht als Bemäntelung und Fortführung einer Expansionspolitik zu werten sein, sondern eben nicht zuletzt angesichts der unsicheren Informationslage als eine Orientierung an den geschlossenen Verträgen. Konrads Festhalten an den Vertragsartikeln ist dabei weniger als geschicktes taktisches Manövrieren oder Beharren einzuschätzen denn als Kompensation einer zutiefst unsicheren Situation, in der ihm die Verträge zwar einerseits Handlungsbeschränkungen auferlegten, aber auch andererseits Handlungsorientierung gaben, während Albrecht ihn durch eine sparsame Informationspolitik am langen Arm verhungern ließ. Der Brief an Wisby spiegelt noch in zwei weiteren Aspekten Konrads Motivlage in der Gotlandfrage: Gegen Ende des Briefes machte der Hochmeister sehr konkrete Vorschläge, wie sich die Insel und die Stadtgemeinde auf einen eventuell bevorstehenden erneuten Krieg vorbereiten sollten. Der Hochmeister hielt einen solchen offenbar für nicht undenkbar bzw. sogar für nicht wenig wahrscheinlich. Deutlich wird, dass er die Insel verteidigt wissen will. Auf 1061 OF 3, S. 249; gedr. Diplomatarium Danicum nr. 14060525003, http://diplomatarium.dk/ dokument/14060525003 (letzter Zugriff 14. 12. 2015) (25. Mai 1406).

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Die Eroberung von Gotland – ein Brückenkopf in der Ostsee?

kriegerischem Wege will er sich das Land – wie zuvor einmal geschehen – nicht abnehmen lassen. Das ist jedoch kein Beleg dafür, dass er die Insel um jeden Preis und gegen alle Widerstände langfristig halten wollte. Der dringlichen Bitte Wisbys und Gotlands vom Anfang des Briefes, sie nicht auszuliefern, wurde nämlich folgendes geantwortet: Man habe bislang von Albrecht keyne rechten briffe (…) gesehn; uns ist ouch ny tzu synnen gewest, euch tzu obirgeben, wir wurden denne noch von grossin gewissheyten underwiset, das wir von eren wegen nicht vorder kunden (…). Diese Aussage gegenüber den eigenen Untertanen, die eigentlich beruhigt werden sollten, spricht Bände. Zwar versicherte der Hochmeister Wisby, sie eigentlich nicht ausliefern zu wollen, schränkte das jedoch mit dem Vorbehalt ein, es sei denn, die notwendigen Dokumente dafür würden vorliegen. Diese Aussage gegenüber Wisby, wo eine solche sicher eher wenig erfreut zur Kenntnis genommen wurde, zeigt, dass Konrad nicht grundsätzlich die Stadt und das Land Gotland halten wollte. Bei Erfüllung der rechtlichen Gegebenheiten wurde eine Übergabe in Aussicht gestellt, was gegenüber den eigenen Untertanen aufgrund der Situation sehr glaubwürdig wirkt. Der Hochmeister hätte bei einer anderen Motivlage sicherlich anders, vielmehr beschwichtigend auf die Adressaten eingewirkt. Hier taucht dann wieder der Ehrbegriff auf, an dem sich der Hochmeister zu orientieren ankündigte, was belegen dürfte, dass auch früher schon dieses Konzept handlungsleitend und nicht interessenbemäntelnd gewesen ist. Das alles dürfte noch einmal deutlich zeigen, dass Konrad von Jungingen eben kein weitsichtiger Expansionspolitiker war, sondern nur ein Verwalter, der sich genau an den Wortlaut der abgeschlossenen Verträge hielt. Nicht weniger, aber eben auch nicht mehr. Jedoch hatte Konrad die Kriegsgefahr nun überschätzt, was ebenfalls nicht für seinen politischen Weitblick spricht. Es war die dänische Königin, die nun auf Verhandlungen wegen Gotlands und Wisbys setzte, weswegen ein umfangreicherer Briefwechsel entstand, in den auch die preußischen und wendischen Hansestädte eingebunden waren.1062 Man kann diese Angelegenheit allerdings

1062 OBA 867; gedr. Diplomatarium Danicum nr. 14060612002, http://diplomatarium.dk/do kument/14060612002 (letzter Zugriff 17. 12. 2015) (Margarete an den Hochmeister ; 12. Juni 1406); OBA 866; gedr. HR 5, 332 (Margarete an Johann v. d. Dolle und Johann v. d. Mersse; 12. Juni 1406); Diplomatarium Danicum nr. 14060612005, http://diplomatarium. dk/dokument/14060612005 (letzter Zugriff 17. 12. 2015) (Margarete an die wendischen Städte; [12. Juni 1406]); Diplomatarium Danicum nr. 14060612006, http://diplomata rium.dk/dokument/14060612006 (letzter Zugriff 17. 12. 2015) (Margarete an Thorn, Elbing, Danzig und Dirschau; 12. Juni 1406); OF 3, S. 252–253; gedr. Diplomatarium Danicum nr. 14060628001, http://diplomatarium.dk/dokument/14060628001 (letzter Zugriff 17. 12. 2015) (Hochmeister an die Königin von Dänemark; 21. Juni 1406); OF 3, S. 266; gedr. Diplomatarium Danicum nr. 14060803002, http://diplomatarium.dk/dokument/140

Konrad von Jungingen und die Gotlandfrage

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kurz abhandeln, da zwar nach einigem Hin und Her ein Verhandlungstag für den 15. August 1406 festgelegt wurde, dieser inhaltlich jedoch keine Ergebnisse brachte.1063 Es ist daran sonst nur bemerkenswert, dass der Hochmeister seine Städte in den Entscheidungsprozess wieder eng einband. Insbesondere der Rat Thorns war dann ausschlaggebend dafür, dass der Bitte Margaretes um Verlegung des Tagungsortes nicht entsprochen wurde.1064 Überhaupt war das Einbinden der großen Städte in die Erwägungen und Entscheidungen in der Gotlandfrage an der Tagesordnung, wie auch schon Briefe aus dem Jahre 1397 belegen.1065 Der Hochmeister wartete, wie schon vorher gezeigt, die Rückmeldung Thorns ab, bevor er eine Antwort an Margarete schickte. Welchen Einfluss genau die Städte in der einzelnen Entscheidung erlangten, ob sie die Auffassung des Hochmeisters nur bestätigten bzw. ob sie ihn vielleicht in eine bestimmte Richtung drängten, muss im Einzelfall entschieden werden. Klar ist jedoch, dass es grundsätzlich eine Übereinstimmung gegeben haben muss, da andernfalls mit großer Sicherheit Quellen überliefert wären, die einen innerpreußischen Konflikt dokumentierten. Das ist aber nicht der Fall. Die Quellen zeigen vielmehr, dass Konrad kein autokratischer Herrscher war, der die Außenpolitik ohne Absprachen durchgesetzt hätte. Vielmehr legte er – in gut mittelalterlicher Manier – Wert auf Rat und Absprache mit den Untertanen. Angesichts seiner häufiger zu konstatierenden Hilflosigkeit nicht nur ein ohnehin normales, sondern auch ein naheliegendes Vorgehen. Er ging dabei auf den Rat der Städte gerne ein. Man wird Konrad daher allerdings nicht als langfristig planenden Machtpolitiker auffassen können. Seine Unsicherheit in dieser Frage ist zu frappant, um in Konrad einen Strategen erkennen zu können. Positiv formuliert: Seine Stärke lag in einer vorsichtigen und auf Absprachen ausgerichteten Politik. Das Scheitern des Verhandlungstages führte jedoch nicht dazu, dass Margarete nun wieder zu den Waffen gegriffen hätte. Vielmehr war sie es, die auch weiterhin – nun am 6. November 1406 – Verhandlungen mit dem Hochmeister zu initiieren versuchte, um Gotland und Wisby auf diesem Wege zurückzuge60803002 (letzter Zugriff 17. 12. 2015) (Vollmacht des Hochmeisters für seine Gesandten nach Kalmar; 3. August 1406). 1063 Diplomatarium Danicum nr. 14061106001, http://diplomatarium.dk/dokument/1406110 6001 (letzter Zugriff 17. 12. 2015) (Margarete an den Hochmeister ; 6. November 1406); zum Scheitern vgl. Kehlert, Insel, S. 51–52. 1064 HR 8, 1050 (Hochmeister an Thorn; 25. Juni 1406); Diplomatarium Danicum nr. 1406 0627001, http://diplomatarium.dk/dokument/14060627001 (letzer Zugriff 17. 12. 2015) (Thorn an Hochmeister ; 27. Juni 1406); OF 3, S. 253; gedr. Diplomatarium Danicum nr. 14060704001,http://diplomatarium.dk/dokument/14060704001 (letzter Zugriff 15. 12. 2015) (Hochmeister an Königin von Dänemark; 4. Juli 1406); OBA 877; gedr. SD 1, 752 (Hochmeister an Thorn; 15. Juli 1406). 1065 DiplDan 4, 7, 524 (25. August 1397) und APT, Kat I, 73 (9. Januar 1397).

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winnen.1066 Ihr war es offenbar ernst damit. Und sie hatte verstanden, über welchen Einfluss die preußischen Städte verfügten. Sie schrieb direkt an Thorn, Elbing und Danzig mit der Bitte, beim Hochmeister bei der Erlangung einer gütlichen Antwort in dieser Angelegenheit behilflich zu sein.1067 Konrad nutzte in dieser Angelegenheit den Rat der Städte eben intensiv, wie auch die Weiterleitung von Margaretes Schreiben von Anfang November an Thorn belegt, was mit der Bitte um schnelle Mitteilung der städtischen Auffassung in dieser Sache verbunden wurde.1068 Der Hochmeister jedenfalls antwortete am 4. Dezember 1406 der Dänenkönigin generell zustimmend und erklärte sich zu weiteren Verhandlungen bereit.1069 Er betonte dabei jedoch, dass die Verhandlungen über Gotland und Wisby auf dem Tag von Kalmar vor allem deswegen gescheitert seien, weil König Erich ohne Absprache mit ihr keine Entschlüsse habe fassen wollen. Dies war also der Stand der Dinge zum Ende des Jahres 1406. Zu diesem Zeitpunkt sollte Konrad von Jungingen nur noch ca. drei Monate zu leben haben. Bis Ende März finden sich dann auch nur noch zwei einschlägige Briefe des Hochmeisters an die Königin, die wieder in dieser Frage aktiv wurde. Am 24. Januar 1407 antwortete der Hochmeister entschuldigend, dass er ihr durch den zurückkehrenden Boten keine Antwort auf ihren Vorschlag, in Helsingborg am Öresund zwischen Ostern und Pfingsten einen Verhandlungstag abzuhalten, senden könne, da seine Städte und die mit der Angelegenheit vertrauten Gebietiger gerade nicht bei ihm seien.1070 Das vorherige Verhalten des Ordensoberhauptes zeigt, dass dieser Rückzug auf Städte und Gebietiger, d. h. konkret das Abwarten ihres Rates, keine dilatorische Ausrede war. Das erkennt man auch daran, dass der Hochmeister, nachdem er den Rat der Städte und Gebietiger erhalten hatte, umgehend an Margarete schrieb, dass er bereit sei, den Tag zu besenden.1071 Er stellte aufgrund der Erfahrung beim Scheitern des Tages von Kalmar aber die Bedingung, dass entweder sie selbst bzw. König Erich anwesend sein oder sie zumindest Vertreter mit Vollmacht senden sollte. Erleben sollte Konrad diesen Verhandlungstag aber nicht mehr. Er starb am 30. März 1407. Die Abtretung Gotlands an Dänemark wurde kurze Zeit später in einem 1066 Diplomatarium Danicum nr. 14061106001, http://diplomatarium.dk/dokument/1406110 6001 (letzter Zugriff 17. 12. 2015) (6. November 1406); vgl. Kehlert, Insel, S. 52. 1067 HR 5, 359. 1068 Diplomatarium Danicum nr. 14061126001, http://diplomatarium.dk/dokument/1406112 6001 (letzter Zugriff 17. 12. 2015) (26. November [1406]). 1069 OF 3, S. 279–280; gedr. Diplomatarium Danicum nr. 14061204001, http://diplomatarium. dk/dokument/14061204001 (letzter Zugriff 14. 12. 2015). 1070 OF 3, S. 291; gedr. Diplomatarium Danicum nr. 14070124002, http://diplomatarium.dk/ dokument/14070124002 (letzter Zugriff 14. 12. 2015). 1071 OF 3, S. 296; gedr. Diplomatarium Danicum nr. 14070219002, http://diplomatarium.dk/ dokument/14070219002 (letzter Zugriff 14. 12. 2015) (19. Februar 1407).

Konrad von Jungingen und die Gotlandfrage

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Unterhändlervertrag vom 15. Juni 1407 festgelegt und ca. ein Jahr später durch endgültige Vertragsbestätigungen abgeschlossen.1072 Jähnig hat die Auffassung geäußert, dass die Abtretung schon von Konrad von Jungingen eingeleitet worden sei.1073 Richtig ist zwar, dass der Verhandlungstag, auf dem die Abtretung letztlich verbrieft wurde, noch von Konrad und Margarete ausgehandelt worden war. Der alte Hochmeister hatte, wie eben gezeigt, eine Besendung unter Bedingungen in seinem letzten Brief an Dänemark versprochen. Es war dann jedoch nach Konrads Tod der Hochmeisterstatthalter Werner von Tettingen, der der dänischen Königin am 11. April 1407 auf ihren Brief, in dem sie in die gestellten Bedingungen eingewilligt hatte, antwortete, dass er nach Beratung mit Gebietigern und Städten beschlossen habe, Sendboten acht Tage nach Pfingsten (22. Mai) zu Verhandlungen zu schicken.1074 Dieser Umstand ist bemerkenswert, haben die Hochmeisterstatthalter es in der hochmeisterlosen Zeit doch in aller Regel vermieden, weitreichende Entscheidungen zu treffen, um dem neuen Meister nicht vorzugreifen. Zumeist baten sie die Verhandlungspartner um Geduld hinsichtlich abschließender Antworten, bis ein neuer Hochmeister gewählt sei.1075 Das ist hier erstaunlicherweise nicht passiert. Vielmehr hat Werner von Tettingen bei der Klärung der Gotlandfrage offenbar keine weiteren Verzögerungen produzieren wollen. Über die Gründe dafür kann letztlich nur spekuliert werden. Ob er dies tatsächlich ganz »im Sinne seines verstorbenen Herrn« tat, wie Kehlert meint, muss Spekulation bleiben.1076 Es kann daher nicht mit handfesten Gründen behauptet werden, dass Konrad die Abtretung Gotlands eingeleitet hätte. Zwar sind entscheidende Schritte zur Verabredung des Verhandlungstages noch zu seiner Zeit geschehen; die Abtretung selber fand aber sogar noch vor der Wahl seines Nachfolgers statt. Ob es auch zu einer Abtretung unter Konrad von Jungingen gekommen wäre, kann schlechterdings nicht beantwortet werden. Es deutet aber nichts darauf hin. Dass Konrad diese Angelegenheit noch unter seiner »Waltung« erledigt sehen wollte, wie Voigt 1072 SDOP, 50; Annahmeerklärung, 51; 52–55 vorläufige und endgültige Vertragsbestätigungen (aus dem September 1408); vgl. Kehlert, Insel, S. 53–54. 1073 Jähnig, Konrad (1980), S. 517. 1074 OF 3, S. 306–307; gedr. Diplomatarium Danicum nr. 14070411001, http://diplomatarium. dk/dokument/14070411001 (letzter Zugriff 14. 12. 2015). Am gleichen Tage bat Werner von Tettingen auch die Städte Lübeck, Hamburg und Stralsund um die Entsendung von Vertretern; OF 3, S. 317; gedr. Diplomatarium Danicum nr. 14070411002, http://diplomata rium.dk/dokument/14070411002 (letzter Zugriff 14. 12. 2015). Auf den 23. April 1407 datiert die Bevollmächtigung des Hochmeisterstatthalters für die preußischen Gesandten; OF 3, S. 307; gedr. Diplomatarium Danicum nr. 14070423001,http://diplomatarium.dk/ dokument/14070423001 (letzter Zugriff 14. 12. 2015); vgl. Kehlert, Insel, S. 53. 1075 Vgl. die Schreiben von Konrad von Wallenrode als Hochmeisterstatthalter nach dem Tode Konrads Zöllner von Rotenstein sowie den Brief Wilhelms von Helfenstein nach dem Tode Konrads von Wallenrode in RBDO. 1076 Kehlert, Insel, S. 53.

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Die Eroberung von Gotland – ein Brückenkopf in der Ostsee?

formuliert, muss daher ebenfalls als Spekulation angesehen werden.1077 Für die Frage nach dem politischen Handeln und den Motiven Konrads bietet die Zeit nach seinem Tod eben keine belastbaren Anhaltspunkte. Auch das nachfolgende Schreiben von Ulrich von Jungingen, in dem zwar die Situation gegenüber Wisby referiert wurde, kann keinen Aufschluss darüber geben, wie Konrad die Situation gesehen hatte und hält daher keine brauchbaren Informationen für die hier zu untersuchende Fragestellung bereit.1078

4.5

Zusammenfassung der Ergebnisse

Nachdem die militärischen Eroberungen von Gotland sowie die diplomatischen Verhandlungsprozesse um den Besitz der Insel detailliert rekonstruiert worden sind, sollen abschließend kurz die gewonnenen Beobachtungen systematisch zusammengefasst werden, um die Grundfrage zu beantworten, inwieweit Gotland tatsächlich als ein Paradebeispiel für ein langfristig geplantes und zielgerichtetes Streben Konrads nach territorialer Expansion zu sehen und als Teil der größten Ausweitung der Machtstellung zu werten ist. Kurz gefragt: Was war das Motiv des Hochmeisters für die Inbesitznahme und die Besetzung von Gotland? War hier eine längerfristige Besitznahme bzw. der Wunsch nach »einer auf Dauer angelegten Herrschaft« (Boockmann) aus geostrategischen Gründen und damit – modern und überspitzt formuliert – die Schaffung eines Brückenkopfes in der Ostsee das Motiv? Das zumindest war bislang, jedoch in unterschiedlichen Schattierungen, die Mehrheitsmeinung. Diese Auffassung liegt zugegebenermaßen auch nahe angesichts der militärisch-taktisch wohlgeplanten Eroberung der Insel und ihrer Rückeroberung von Dänemark nach kurzzeitigem Verlust. Und auch die Pfandurkunden lassen zumindest auf den ersten Blick eine planmäßige rechtliche Absicherung des Besitzes vermuten. Zumindest lenkt die Anordnung der Urkunden bei Weise – wieder einmal – auf eine solche Sichtweise hin. Gestützt wurde diese These von der geostrategischen Bedeutung, die der Insel in der modernen Forschung zugesprochen wurde. Auch der Orden hatte gewisse Vorstellungen von den Gefahren, die von der Insel aufgrund ihre Lage ausgehen konnten. In der Parteischrift heißt es von der Insel in einer regelmäßig zitierten Aussage: und das landt lyt mitten in der sehe, so das man veyl argis dovon thun mochte, wen ys in bosir luthe handt qweme.1079 Die interpretatorischen Probleme, die die Parteischrift 1077 Voigt, Geschichte, 6, S. 357. 1078 Vgl. z. B. OF 3, S. 318–319 bzw. S. 325–326; gedr. Diplomatarium Danicum nr. 1407 0718002, http://diplomatarium.dk/dokument/14070718002 (letzter Zugriff 14. 12. 2015) (18. Juli 1407). 1079 HR 4, 438, 15.

Zusammenfassung der Ergebnisse

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für die hier zu verhandelnde Fragestellung kaum seriös benutzbar machen, sind oben geschildert worden. Daher kann hier nur darauf hingewiesen werden, dass das angeführte Zitat aufgrund seines Zusammenhanges weniger auf langfristig geostrategische Überlegungen des Ordens hinzudeuten scheint, sondern mehr als eine Rechtfertigung des kurzfristig taktischen Eingreifens gegen die Seeräuber zu lesen ist. Eine eindeutige Haltung des Hochmeisters ist aus dieser Aussage aber kaum herauszudestillieren. Zumindest wird jedoch die Mehrheitsmeinung in ihrer apodiktischen Ausprägung – bei aller gebotenen Vorsicht angesichts der Quelle – als infrage gestellt verstanden werden müssen. Dezidierter Widerspruch zur oben skizzierten Mehrheitsauffassung kam eigentlich nur von Benninghoven, der als ersten Grundsatz der Ordenspolitik nach der Eroberung die Verhinderung der Rückkehr der Vitalienbrüder erkannt hat. Der zweite Grundsatz sei dann gewesen, einen Ersatz für die Aufwendungen zu erlangen, wobei Gotland als Faustpfand dafür zu sehen sei.1080 Vor allem Benninghoven war es auch, der den Einfluss der preußischen Städte auf die Entscheidungsfindung in dieser Angelegenheit deutlich benannt, aber nicht wirklich herausgearbeitet hat. Annika Souhr-Könighaus hingegen hat jüngst den Einfluss von Thorn vor allem unter Ausnutzung des Briefbestandes des APT gezeigt. Die Frage nach dem Einfluss der Städte auf die Politik des Hochmeisters ist vor allem wichtig, um angemessen abschätzen zu können, inwieweit Konrad, der als entscheidungsfreudiger Anführer beschrieben wurde, wirklich zu überlegten und autonomen Entscheidungen geneigt bzw. überhaupt fähig war. Sein konkretes Verhalten in den politischen Entscheidungsprozessen gibt dann eben den entscheidenden Hinweis darauf, ob der Erwerb und das Halten von Gotland wirklich zum langfristigen Machtausbau unternommen wurde oder ob hier nicht doch eher eine spontane Reaktion zu sehen ist, bei der auch die Städte bedeutenderen Einfluss als bislang zugeschrieben hatten. Lässt man die Ereignisse um die Inbesitznahme Gotlands noch einmal Revue passieren, dann fällt auf, dass schon der Anstoß zum ersten militärischen Eingreifen von außen kam. Es fand sich hier eine ad-hoc-Reaktion auf den Hilferuf Johanns von Mecklenburg durch Conrad von Gorczen. Das schließt zwar nicht aus, dass die Idee einer Invasion nicht schon vorher im Raume gestanden haben könnte, unbedingt wahrscheinlich macht eine solche Spontanreaktion eine langfristige Planung im Rahmen einer übergreifenden Handlungskonzeption aber nicht, zumal eben keine Hinweise in den Quellen darauf zu finden sind. Auch die Analyse der Entstehungsumstände der beiden Urkunden, die Weise unter der Überschrift »Erwerbung von Gotland« als »Vorurkunde« und »Verpfändungsurkunde« subsumiert und nicht zuletzt damit schon einen zielgerichteten Erwerb durch den Orden insinuiert hat, hat andere Ergebnisse zu Tage 1080 Vgl. Benninghoven, Gotlandfeldzüge, S. 447–448.

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gebracht als bislang in der Sekundärliteratur zu finden waren. Ging Kattinger noch davon aus, dass der Hochmeister für ihren Inhalt verantwortlich war und der Orden mit den Urkunden sein handlungsleitendes Motiv, nämlich die Erpfändung Gotlands, durchsetzte, konnte durch die detaillierte Rekonstruktion des Prozesses, der die Urkunden zum Ergebnis hatte, vielmehr gezeigt werden, dass für diese beiden Urkunden Konrad eben nicht als der gedankliche Urheber zu erkennen ist. 1398 war es Herzog Johann, der wohl so im Sinne der mecklenburgischen Interessen die weitere Verfügung über die Insel zumindest vorerst Albrecht vorbehalten wollte. Für 1399 konnte gezeigt werden, dass die Verhandlungen von Albrecht initiiert und geplant wurden, wohingegen der Hochmeister wieder einmal zögerlich war. Der Einfluss Hermanns van der Halle ist dabei bemerkenswert, wenn auch nicht bis ins letzte Detail zu klären. Kattinger dürfte also der Anordnung der Urkunden durch Weise auf den Leim gegangen sein. Albrecht schaffte es so zumindest, eine mehr theoretische als faktische Verfügungsgewalt über die Insel zu monetarisieren. Zudem setzte er sich damit in die Rolle des Pfandgebers, an den der Hochmeister gebunden war. Dieser hatte die Insel offensichtlich in gutem Glauben erworben. Dass Dänemark Ansprüche auf die Insel haben könnte, hatte Konrad, dem die Urkunden ohnehin eher aufgedrängt worden waren, wohl nicht vermutet. Zumal er auch in anderen Fällen seiner realen Politik nicht zwischen theoretischen Besitzrechten und den Verfügungsmöglichkeiten, die de facto bestanden, differenzierte. Das hielt er auch später bei Tankow so, nur hatte Konrad in der gotländischen Angelegenheit mit der dänischen Königin einen stärkeren Gegner. Die bei Ordensverträgen eher seltene Abmachung, eine bestimmte Summe Geldes, in diesem Fall 20.000 Nobel, als Kosten für die Eroberung auf die Pfandsumme aufzuschlagen, dürfte zeigen, dass es dem Orden tatsächlich um einen Ersatz der Aufwendungen für die Expedition bei einer möglichen Auslösung ging. Überhaupt ließ sich zeigen, dass der Orden eine solche sehr wohl ins Auge gefasst hatte. Quellenkundig sind z. B. Aussagen darüber in den Hanserezessen und in Schreiben an Paul Quentin, die jeweils als besonders glaubwürdig eingeschätzt werden müssen. Es war daher doch primär die Beseitigung der Seeräubergefahr denn ein langfristiger Besitz intendiert. Der Orden war zur Aufgabe Gotlands bereit, auch wenn die Vorstellung, diese Insel an Dänemark abzugeben, Konrad nicht unbedingt behaglich war. Hier dürfte es aber weniger darum gegangen sein, dass der Orden sich gegen die Kalmarer Union positionieren wollte. Vielmehr fühlte er sich offensichtlich von den Pfandverträgen gebunden. Die stetigen Verhandlungen, die sich zwar argumentativ im Kreis drehten, sollten dennoch als Versuche der Verständigung gelesen werden, die von Albrecht obstruiert wurden, und nicht als willentliche Verschleppung von Seiten des Ordens zum längeren Besitz der Insel. Für eine solche absichtliche

Zusammenfassung der Ergebnisse

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Verzögerungspolitik und Vorenthaltung der Insel gibt es schlicht keine Hinweise. Konrad wagte keine eigenen Entscheidungen, sondern hielt sich an den Pfandvertrag. Dieses Vorgehen ist wohl als eine Reduktion der komplexen Situation mit vielen Mitspielern zu werten. Insgesamt gilt also auch hier, dass Konrad kein Stratege war, sondern, wenn überhaupt, allenfalls ein passabler Taktiker. Das Ordensverhalten wäre nur dann als absichtliches Vorenthalten Gotlands von Dänemark zu interpretieren, wenn als Grundannahme die gängige Auffassung wirkt, der Orden strebe vor allem nach territorialer Expansion und Machterwerb. Das Verhalten Konrads war jedoch weniger von taktischen Finessen bestimmt, sondern mehr durch die unerwartet an den rat- und hilflosen Hochmeister herangetragenen Rechtsansprüche. Das zeigte sich auch deutlich in seinem Verhalten gegenüber den eigenen Städten. Konrad kam mehrfach auf seine Städte mit der Bitte um Rat und Hilfe zurück, wie zumeist aus den nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Hanserezessen hervorgeht. Hier zeigt sich seine Ratlosigkeit zuweilen frappierend. Der Einfluss der Städte (v. a. Thorns) auf die außenpolitischen Entscheidungen wird mehr als überdeutlich. Als abschließendes Fazit muss man daher Benninghoven zustimmen, der schon 1964 zu Recht geschrieben hat, dass kein Beweis dafür vorliege, dass der Orden die Insel auf Dauer habe behalten wollen. Benninghoven hatte diesen Befund jedoch damals nur postuliert. Die detaillierte Rekonstruktion der diplomatischen Prozesse unter Hochmeister Konrad von Jungingen sollte gezeigt haben, dass diese Auffassung als angemessen anzusehen ist. Ebenso kann man sich der Sichtweise Benninghovens auf die Motive des Ordens im Großen und Ganzen anschließen, obgleich eine kleine Ergänzung vorgenommen werden muss: Der erste »Grundsatz« der Ordenspolitik war tatsächlich die Vertreibung der Seeräuber. Benninghovens zweiter »Grundsatz«, dass der Orden im Nachhinein einen Ersatz für die Aufwendungen zu erlangen suchte, ist zwar auch richtig erkannt, müsste aber angesichts der Chronologie des Verhandlungsprozesses als dritter Grundsatz betrachtet werden. Er kam erst dann wirkmächtig ins Spiel, als wirklich alles auf eine Abtretung der Insel hinauslief. Der zweite Grundsatz der Ordenspolitik war nach der ersten Eroberung das Beharren, die viel beschworene Ehre des Ordens zu wahren. Unter Berufung auf dieses Argument wurde schließlich regelmäßig die Auslieferung der Insel an Dänemark verweigert. Wahrscheinlich war die Wahrung der Ehre auch der Grund für das zweite militärische Eingreifen, für die Rückeroberung der Insel von Dänemark. Der immer wieder angeführte Ehrbegriff, dessen Wirkmächtigkeit schon Voigt angedeutet hatte,1081 wurde zur Abwehr von Ansprüchen ins Felde geführt. In der bisherigen Forschung wurde dieses Argument 1081 Vgl. Voigt, Geschichte, 6, S. 261–262.

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Die Eroberung von Gotland – ein Brückenkopf in der Ostsee?

bislang kaum beachtet – offenbar sah man darin nur eine wenig überzeugende Ausrede des Hochmeisters. Doch war dies offenbar ernst gemeint und darüber hinaus auch anschlussfähig bei den anderen politischen Akteuren. In der Sache wurde diese Begründung von den Gegnern nämlich nicht infrage gestellt. Dennoch muss unterstrichen werden, dass dieser Begriff insgesamt schwach konturiert ist. Hier wären genauere Untersuchungen aufschlussreich, wie die Ehre im Deutschen Orden politisch handlungsleitend wirkte, doch kann das an dieser Stelle nicht geleistet werden. Erst nachdem eine grundsätzliche Einigung zwischen Albrecht und Margarete über die Insel getroffen worden war, verfolgte der Orden vordringlich die Frage der monetären Kompensation. Letztlich, aber das war schon nach Konrads Tod, begnügte sich der Orden 1408 mit 9000 englischen Nobeln, was noch nicht einmal der gesamten Pfandsumme entspricht, die Konrad in bar an Albrecht ausgezahlt hatte.1082 Auf die im Schwaaner Vertrag für die Aufwendungen verrechneten 20.000 Nobeln musste der Orden schließlich ganz verzichten. Benninghoven hat darauf hingewiesen, dass die Gotlandexpedition gemessen an der reinen Kostenfrage eine gewaltige Verlustbilanz und die Vernichtung der Vitalienbrüderstellung daher teuer erkauft sei.1083 Das dürfte auch Konrad von Jungingen, der vor der Hochmeisterschaft immerhin das Amt des Tresslers bekleidet hatte, bewusst gewesen sein, weswegen er sich nicht dazu versehen konnte, noch zu seinen Lebzeiten die Insel unter so großen Verlusten abzuschreiben. Grundsätzliche Bereitschaft zur Pfandauslösung hatte er jedoch immer gezeigt. Er hatte jedoch versucht, das Beste aus der Situation herauszuholen. Die etwas ratlose Frage von Boockmann, warum der Orden Gotland so schnell und unter Verlusten aufgegeben habe, führt hier etwas zu weit, da dies erst unter Ulrich von Jungingen geschehen ist und nichts zu Konrads Motiven aussagt. Dennoch deutet dieser Umstand zumindest ein wenig darauf hin, dass nicht nur Konrad von Jungingen, wie herausgearbeitet, sondern auch sein Nachfolger und mithin die gesamte Ordensleitung, v. a. Hochmeisterstatthalter Werner von Tettingen, der die Abtretung bemerkenswerterweise in der hochmeisterlosen Zeit vorantrieb, kein vorrangiges Interesse an einem dauerhaften Besitz der Insel hatten, nachdem die Seeräuberplage keine größere Gefahr mehr darstellte. Zwar dürfte Dänemark nicht der Wunschempfänger der Insel für den Orden gewesen sein,1084 doch angesichts der politischen und vor allem der Vertragslage führte 1082 SDOP, 54 (Regest). 1083 Benninghoven, Gotlandfeldzüge, S. 475–476. 1084 Für die zuweilen geäußerte Annahme, dass die Eroberung der Insel 1398 eine Reaktion auf die Kalmarer Union (1397) gewesen sei, finden sich überhaupt keine Belege in den Quellen. Hier dürfte die chronologische Nähe beider Ereignisse ausschlaggebend für die Annahme einer direkten Verbindung gewesen sein.

Zusammenfassung der Ergebnisse

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1408 kein Weg mehr an einer Übergabe vorbei. Der Wille nach einer dauerhaften Expansion in die Ostsee war also spätestens jetzt nicht (mehr) vorhanden, doch dürften die vorangegangenen Ausführungen gezeigt haben, dass dieser ohnehin nie existiert hatte. Angesichts der vielfach sich zeigenden Ratlosigkeit des Hochmeisters bzgl. der an ihn herangetragenen Ansprüche verschiedener Akteure von außen, konnte man von ihm sicherlich ohnehin keine kohärente und widerspruchsfreie Handlungsweise erwarten.

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Fazit und Ausblick

»Das Ziel der Erwerbung Samaitens zur Schaffung einer festen Landverbindung zwischen Preußen und Livland galt als wichtigste Richtschnur der territorialen Erweiterungspolitik Konrads von Jungingen. Der Erwerb der Neumark sollte den freien Weg zum Reich garantieren, die Gotlandunternehmen waren auf die Sicherung des Seeweges zur Ermöglichung einer intensiveren Seepolitik ausgerichtet.«1085

Dieses Zitat aus einem Aufsatz von Wilhelm Nöbel aus dem Jahre 1968 fasst den bislang geltenden Forschungsstand prägnant zusammen. In den vorangegangenen Kapiteln konnte jedoch gezeigt werden, dass keine dieser Annahmen weiterhin Geltung beanspruchen darf. Zwar ist im Jahre 1402 tatsächlich die größte Ausdehnung des Deutschordenslandes Preußens zu konstatieren. Diese war jedoch nicht das Ergebnis einer zielgerichteten territorialen Erweiterungspolitik aus geostrategischen Gründen durch Konrad von Jungingen. Ohne die ausführlichen Kapitelzusammenfassungen hier im Detail zu wiederholen, seien die wesentlichen Aspekte kurz angesprochen, die obigen Forschungsstand geraderücken. In der Samaitenfrage konnte gezeigt werden, dass weder der de-iure-Erwerb von Samaiten durch die Verträge von Sallinwerder und Racianz noch die faktische kurzzeitige Inbesitznahme jeweils danach als Beleg für eine territoriale Expansionspolitik zur Schaffung einer Landbrücke verstanden werden kann. Es gibt in den Quellen schlicht keine Hinweise darauf, dass Samaiten eine solche Funktion zugewiesen wurde. Nimmt man zu den verbrieften Ergebnissen, die in der Tat eine Expansion nach Samaiten belegen, die vorgeschalteten Prozesse hinzu, dann zeigt sich, dass dieser Umstand nicht auf einer zielgerichteten Vergrößerungspolitik durch Konrad beruhte. Bis Sallinwerder (1398) wurde Samaiten als ein nachrangiges Ziel von Konrad von Jungingen behandelt. Erst nachdem er es einmal in Besitz genommen hatte, wurde Niederlitauen bzw. seine Rückgabe in den Verhandlungen nach dem Abfall 1401 von Konrad zur conditio 1085 Nöbel, Problem, S. 692.

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Fazit und Ausblick

sine qua non erhoben. Das lag aber nicht daran, dass der Hochmeister den Landstrich plötzlich aus expansionistischen oder geostrategischen Gründen gewinnen wollte, sondern er pochte schlicht auf seinen verbrieften Rechten. Großes Interesse hatte Konrad von Jungingen an Samaiten jedoch generell nicht. Es zeigte sich, dass Vytautas ihm die Eroberung quasi schmackhaft machen musste. Der Hochmeister ließ seine Ordensamtsträger später auch ziemlich alleine mit dem Gebiet, das ohne Vytautas’ tatkräftige Hilfe keinerlei herrschaftliche Durchdringung erfahren hätte. Überhaupt war Vytautas Herr des Verfahrens sowohl in den Verhandlungen als auch bei der Unterwerfung Samaitens. Konrad von Jungingen war ein Getriebener von dessen Unternehmungen, aber kein aktiver Gestalter eigener Politik! Samaiten war bei all dem für Vytautas nur Verhandlungs- und Verschiebemasse. Anders als beide Vertragswerke nahezulegen scheinen, hatte Konrad auch an anderen Gebieten keinerlei Expansionsinteresse. Die im Vertrag auftauchende Aufteilung der Ansprüche auf Pleskau und Nowgorod war von Vytautas initiiert worden und stieß höchstens beim Meister von Livland auf Interesse. Der Hochmeister war auch in dieser Frage leidenschaftslos. Darüber hinaus gab der Hochmeister im Frieden von Racianz auch seine Ansprüche auf Dobrin und Slotterie auf. Die Verringerung der Ordensherrschaft durch diesen Akt zeigt, dass eine Vergrößerungspolitik keineswegs das Ziel des Deutschen Ordens war. Deutlich betont werden muss, dass Konrad von Jungingen schon in Sallinwerder auf Selonien und Teile Sudauens sowie auf Ansprüche auf jegliche Gebiete Litauens über Samaiten hinaus explizit verzichtet hat. Eine territoriale Ausweitungspolitik von Konrad von Jungingen ist in diesem Bereich also nicht zu erkennen! Hinsichtlich der Entwicklungen in der Neumark und in den kleineren dazugehörigen Gebieten ist zu sagen, dass sich auch hier in keiner Weise die zielgerichtete Schaffung einer Landbrücke zeigt. Für diese moderne geostrategische Auffassung finden sich in den Quellen keinerlei Hinweise. Erst recht kann darin nicht der Versuch gesehen werden, Polen von Westen her zu umfassen. Auch bei den sich anschließenden Konflikten um Zantoch, Küstrin, Driesen, Hochzeit und Tankow handelte es sich nicht um Versuche der Arrondierung des Ordensgebiets. Zwar legen die Pergamenturkunden und ihre Anordnung in SDOP eine solche Sicht wieder einmal nahe. Die Untersuchung des sich in der Korrespondenz spiegelnden mikropolitischen Prozesses ergibt aber ein anderes Bild. Es war schließlich Sigismund, der fest entschlossen war, die Neumark an den Orden zu verpfänden. Der Hochmeister konnte ein solches Ansinnen mehrfach abwehren. Erst als Polen als möglicher Pfandnehmer ins Spiel gebracht wurde, geriet der Hochmeister in Zugzwang. Der status quo wäre Konrad wohl am liebsten gewesen, d. h. ein Verbleib der Neumark bei der Mark Brandenburg, denn die

Fazit und Ausblick

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Neumark war wenig attraktiv. Sie war wirtschaftlich wenig potent; zudem waren zerstrittene Adelsfamilien dort aktiv und verbreiteten Unruhe. Schon Voigt hatte daher recht, dass der Erwerb der Neumark nur widerwillig geschah und dass diese dem Orden von Sigismund aufgedrängt worden war. Auch die kleineren Gebiete in und an der Neumark, deren Besitzrechte nach dem Erwerb auf die Tagesordnung gesetzt werden mussten, kamen eben nicht in den Fokus des Ordens, weil dieser es nun auf eine territoriale Arrondierung abgesehen hätte. Bei Küstrin und Zantoch war dem Hochmeister klar, dass hier ggf. andere Besitzansprüche geltend gemacht würden, doch erschienen ihm diese insgesamt recht zweifelhaft. Dass es jedoch wegen Driesen, Tankow und Hochzeit zu einem Konflikt kommen würde, überraschte den Hochmeister. Konrad war in diesen Fällen zum Teil komplett ahnungslos und musste sich vom Vogt der Neumark instruieren lassen, der vielfach aus Eigenengagement handelte. Es war hier also Balduin Stal, der die Politik des Ordens lenkte. Arrondierungspolitik als Motiv und Strategie ist beim uninformierten Konrad daher nicht zu erkennen. Es handelte sich bei all diesen Gebieten um die Diskussion unklarer Ansprüche von anderen Seiten bzw. um Grenzstreitigkeiten und die Frage nach den besseren Rechten und ihrer historischen Interpretation. Auch hinsichtlich der kleineren Erwerbungen an den Grenzen zum Ordensland Preußen ist keine Arrondierungspolitik durch systematische Erpfändung zu erkennen. Von den dafür infrage kommenden Gebieten, Dobrin, Slotterie, Wizna, Zawkrze, Płon´sk, wurde ohnehin nur Letzteres von Konrad von Jungingen selbst erworben; alle anderen Gebiete waren unter seinen Vorgängern in Pfand genommen worden. Damit herrschten hier schon andere Bedingungen, die methodisch valide Aussagen zur Frage, ob Konrad eine systematische territoriale Erpfändungspolitik betrieb, kaum erlauben. Der Umstand, dass während seiner Amtszeit alle Pfänder ausgelöst wurden – die masowischen Gebiete völlig geräuschlos – und beim Tode Konrads überhaupt keines dieser Gebiete mehr unter der Herrschaft des Orden stand, verweist darauf, dass die Vorstellung einer Arrondierungspolitik verfehlt ist. Es finden sich in den Quellen auch keinerlei Hinweise darauf. Insbesondere die masowischen Herzöge hatten die Gebiete als Pfand für Kurzzeitkredite genutzt. In dem klaren Bewusstsein, dass die Pfänder wieder ausgelöst werden konnten, übernahm der Orden hier die Funktion eines Pfandleihers. Der Hochmeister betrieb damit eine Art »Scheckbuchpolitik«, um sich die masowischen Herzöge geneigt zu halten. Territoriale Erweiterungsabsichten spielten dabei keine größere Rolle. Dazu kam der Hochmeister den Pfandgebern bei der Auslösung auch zu sehr entgegen. Zu Gotland muss betont werden, dass sich die Mehrheitsmeinung, hinter der Eroberung stecke der Wunsch nach einer auf Dauer angelegten Herrschaft, als nicht angemessen herausgestellt hat. Vielmehr konnte schon die von Benning-

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hoven formulierte Auffassung belegt werden, dass der Einsatz gegen die Seeräuberplage unternommen und zur Verhinderung ihrer Rückkehr fortgesetzt wurde. Danach stand dann der Ersatz der Kosten für die Eroberung im Mittelpunkt von Konrads Interesse. Überhaupt muss festgestellt werden, dass sich in den Quellen keinerlei Hinweise auf den Wunsch nach einer »intensiveren Seepolitik« (Nöbel) gefunden haben. Auch die Auffassung, Gotland sei für einen Brückenkopf gehalten worden, muss als zu moderne Interpretation der damaligen Verhältnisse gelten. Konrad zeigte letztlich auch in der Gotlandfrage sein typisches Verhalten: Auch hier reagierte er zunächst auf einen Anstoß von außen. Zudem waren die preußischen Städte treibende Kraft in dieser Frage. Bei den Verpfändungsurkunden dürfte Konrad ebenfalls nicht der gedankliche Urheber gewesen sein, wie die vorgeschalteten diplomatischen Prozesse belegen, sondern vor allem Albrecht von Mecklenburg. Albrecht schaffte es, hier mehr theoretische als faktische Ansprüche zu monetarisieren. Im Folgenden schränkte er als Pfandgeber die politischen Handlungsmöglichkeiten des Hochmeisters ein, indem er Konrads Wünsche nach Einsatz gegen die dänischen Ansprüche ins Leere laufen ließ. Die damit einhergehenden, sich ständig inhaltlich wiederholenden Verhandlungen müssen als ein Versuch der Verständigung interpretiert werden, der von Albrecht behindert wurde, und nicht als willentliche Verschleppung von Seiten des Ordens aus Gründen der Besitzstandswahrung. Konrad hielt sich an den Pfandvertrag, ohne offenbar alternative Handlungsmöglichkeiten überhaupt zu bedenken. Wie schon Benninghoven betont hat, gibt es keinen stichhaltigen Beweis dafür, dass der Orden die Insel auf Dauer hätte behalten wollen. Auch die Rückeroberung der Insel von Dänemark nach kurzzeitigem Verlust spricht nicht gegen diesen Befund, wie gezeigt werden konnte. Die Erstattung der Kosten und der Erhalt der Ehre des Ordens waren für Konrad von Jungingen maßgebliche Leitlinien seiner Politik bei der Reaktion auf Rückgabeforderungen nach der Eroberung. Auf diese zwei Aspekte ist er immer wieder zurückgekommen, ohne dass diese als Bemäntelung von expansiver Ordenspolitik erkannt werden konnten. Angesichts dieser Ergebnisse war Konrad von Jungingen sicherlich alles andere als »a decisive leader of far-reaching plans and far-reaching vision«.1086 Dies aber nur als persönliches Defizit abzutun, wäre wohl zu einfach. Man wird hier wohl vielmehr einen Beleg für die von Petrauskas geäußerte These erkennen können, dass man bei den politischen Akteuren der Zeit um 1400 nur mit konkreten politischen Entscheidungen für das Tagesgeschäft, aber nicht mit weitreichenden politischen Entwürfen rechnen konnte.1087 Weder eine territoriale Expansions- noch eine befriedende Konsolidierungspolitik sind daher 1086 Urban, Knights, S. 190. 1087 Petrauskas, Frieden, S. 28.

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strategische Kategorien, in denen Konrad von Jungingen dachte. Vielmehr sind spontan-taktische Reaktionen aus dem Moment heraus zu erkennen, mit denen Leistung für Gegenleistung verhandelt wurde, ohne dass ein übergeordnetes Ziel, eine übergeordnete Strategie zu erkennen gewesen wäre. Waren schon in den einzelnen geographischen Feldern auswärtiger Politik fast ausschließlich ad-hoc-Reaktionen zu erkennen, so lässt sich bei zusammenfassender Betrachtung daher erst recht keine diese Felder verbindende übergreifende Handlungskonzeption bei der Ordensführung erkennen. Will man die Ergebnisse in einem Satz konzentrieren, dann kann man Folgendes festhalten: Hochmeister Konrad von Jungingen betrieb keine Außenpolitik, sondern sie widerfuhr ihm! Dieser Satz gilt auch bzgl. der größten territorialen Erweiterung des Ordenslandes Preußens. Diese war eben nicht Ergebnis zielgerichteter Politik Konrads, sondern gegen seine Anstrengungen vollzogen worden. Am deutlichsten offenbart sich dieser Umstand darin, dass Konrad sich nicht in der Lage sah, die Neumark abzulehnen. Die Ausweitung des Territoriums ist daher im Gegenteil sogar vielmehr als Ausweis der Schwäche zu interpretieren. Konrad konnte sich gegen seinen potenten Verhandlungspartner Sigismund nicht zur Wehr setzen, obgleich es, wie oben gezeigt werden konnte, Hinweise in Quellen darauf gibt, dass der Hochmeister 1395 Angst vor einer – modern gesprochen – Überspannung der Kräfte hatte, wenn er sich neben Samaiten auch um die Neumark zu kümmern hätte. Letztlich machte Sigismund aber einige Jahre später dem Hochmeister ein Angebot, das dieser glaubte, nicht ablehnen zu können. Man muss aufgrund der geschilderten Umstände zu dem paradox anmutenden Schluss kommen, dass die größte territoriale Expansion der Deutschordensherrschaft im Ostseeraum weniger die höchste Machtstellung des Preußenlandes bedeutete, sondern vielmehr Ergebnis und Ausweis seiner Ohnmacht war. Der Hochmeister konnte sich der an ihn herangetragenen Angebote nicht erwehren, sondern musste, obgleich es ihm nicht genehm war, auf diese eingehen. Die größte Ausdehnung des Territoriums resultiert damit also letztlich aus der Machtlosigkeit des Ordens! Bezieht man sich nur auf die auswärtige Politik von Hochmeister Konrad von Jungingen, dann kann von einer »Blütezeit« angesichts dieser Ergebnisse keine Rede mehr sein.1088 Es ist Forstreuter zuzustimmen,1089 dass die tieferen Ursachen der Niederlage von Tannenberg schon in der Zeit Konrads von Jungingen angelegt waren durch die Schaffung neuer Angriffsflächen. Bezieht man also die 1088 Damit ist aber noch nichts über die innenpolitischen Verhältnisse im Ordensland unter Konrad von Jungingen gesagt. Auf den ersten Blick ist hier Wohlstand zu erkennen, sodass dahingehend vielleicht tatsächlich von einer »Blütezeit« gesprochen werden kann. Aber auch dieser Aspekt bedarf einer detaillierten Untersuchung. 1089 Forstreuter, Deutschland, S. 12–13.

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strukturellen Defizite der Ordensherrschaft in den auswärtigen Beziehungen, die sich schon unter Konrad von Jungingen zeigten, mit in die Gesamtbetrachtung der Zeit um 1400 ein, dann ist die verheerende militärische Niederlage bei Tannenberg 1410 nicht mehr so überraschend. Sie erscheint dann auch nicht als ein Schwarzer Schwan, dessen Auftauchen völlig unerwartet war, wie zuweilen in der Sekundärliteratur suggeriert wurde, sondern ergab sich aus den schon vorher angelegten Strukturen und reduziert die Verantwortlichkeit Ulrichs von Jungingen erheblich. Somit ergibt sich nicht nur von Konrad, sondern auch von seinem Bruder Ulrich von Jungingen ein deutlich differenzierteres Bild, das sich nicht in der Schwarzmalerei erschöpft, die der Lichtgestalt Konrad von Jungingen den hitzköpfigen und starrsinnigen Ulrich von Jungingen gegenüberstellt. Ausgehend von solchen Erwägungen verdiente nun Ulrich von Jungingen und seine Politik eine neue Untersuchung. In Anknüpfung an die dargelegten theoretischen und definitorischen Ausgangspunkte stellt die hier vorgelegte Arbeit weniger einen theoretisch-systematischen Beitrag zum Themenbereich »Außenpolitik im Mittelalter« dar, sondern ist vielmehr als eine Fallstudie zu Grenzen und Möglichkeiten einer modernen Politikgeschichte am Beispiel der Außenpolitik des Deutschen Ordens zu verstehen. Das bessere Verständnis der auswärtigen Politik von Hochmeister Konrad von Jungingen erlaubt abschließend jedoch auch die Formulierung mehrerer übergreifender Erkenntnisse: Für ein methodisch valides Vorgehen bei der Interpretation von Verträgen ist es unabdingbar, dass die Ergebnisse von Außenpolitik, die sich vorwiegend in den verbrieften Verträgen auf Pergament niedergeschlagen haben, mit den in der flankierenden Korrespondenz sich spiegelnden Prozessen zusammengenommen betrachtet werden. Ein Vorgehen, das die Genese der Verträge außer Acht lässt, verführt sonst dazu, die Endergebnisse mit den ursprünglichen Absichten der Vertragspartner gleichzusetzen. Dabei bliebe dann unbeachtet, dass Verträge eben zumeist Kompromisse darstellen, bei denen die Interessen beider Seiten berücksichtigt werden. Es können daher Vertragsklauseln entstehen, die nur für einen Vertragspartner von Wichtigkeit sind. Man sollte meinen, dass es sich bei diesen Ausführungen eigentlich um eine proseminaristische Binsenweisheit handelt, doch musste festgestellt werden, dass dies zumindest in der Deutschordenshistoriographie keineswegs gängig Praxis gewesen ist. Ob es sich hierbei um ein spezifisches Problem der Geschichtsschreibung zum Preußenland handelt, kann an dieser Stelle nicht beurteilt werden. Das wäre jedoch gut denkbar, ist die hier herrschende Editionslage doch ein Paradebeispiel dafür, wie diese die Sicht auf die historischen Ereignisse lenken kann. Im Falle des Deutschordenslandes Preußen begünstigt sie geradezu das kritisierte methodisch schwierige Vorgehen. Hier liegen die »Staatsverträge«, d. h. also die auf Pergamenturkunden verbrieften Ergebnisse der Verhandlun-

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gen, bequem greifbar in einer Edition vor, die auch im Detail nicht immer fehlerfrei ist.1090 Die flankierende Korrespondenz – d. h. vornehmlich die hochmeisterlichen Briefe in den Auslaufregistern –, über die der Prozess rekonstruiert werden kann, ist jedoch ebenda nur in knapper Auswahl beigeordnet erwähnt. Die Briefe sind nur an verstreuter Stelle gedruckt, zumeist in den älteren landesgeschichtlichen Editionen des 19. Jahrhunderts. Eine vollständige Erschließung durch Regesten wie beim Ordensbriefarchiv (JH I) existiert nicht. Bislang gibt es lediglich knappe und unvollständige Findbücher für den Archivgebrauch.1091 Angesichts dieser Lage wäre zum einen eine revidierte Auflage von Weises Editon der »Staatsverträge« zu begrüßen. Zum anderen wäre aber vor allem eine weitere Erschließung der flankierenden Korrespondenz dringend notwendig, nicht zuletzt um den Gefahren, die die jetzige Editionslage birgt, zu begegnen. Insgesamt kann diese Studie aber auch als Fallbeispiel dafür dienen, wie das Politikverständnis des Forschers die Sicht auf die historischen Ereignisse bestimmt.1092 Schon Auge und Vollrath haben davor gewarnt, das Verhalten mittelalterlicher Herrscher ex eventu durch umfassende Konzeptionen gesteuert zu sehen bzw. eine auf die letztlich siegreichen Strukturen abzielende Zweckrationalität zu unterstellen.1093 Ein solches Verfahren dürfte von einem Politikverständnis begünstigt werden, das nicht zuletzt auch in der Geschichtsschreibung zum Preußenland dominierend war. Es scheint hier die neuzeitlich-mo1090 Es muss bei Weises handwerklich insgesamt gediegener Edition (SDOP) jedoch auffallen, dass ausgerechnet an den Stellen Fehler passieren und Klauseln fehlen, die der Auffassung von einer territorialen Vergrößerungspolitik des Ordens widersprechen. Ihm Absicht zu unterstellen, dafür reichen die Indizien nicht. Man muss daher beim jetzigen Kenntnisstand vermuten, dass seine im Vorwort dargelegte erkenntnisleitende These von der vielfach angeführten Ausbreitungspolitik des Ordens nicht nur den Aufbau der Edition bestimmt, sondern ihn auch betriebsblind gemacht hat für Umstände, die gegen diesen nicht zuletzt ›zeitbedingten Trend‹ – der I. Band ist 1939 erschienen – sprechen. Insgesamt muss Erich Weise als eine Persönlichkeit der Deutschordenshistoriographie hervorgehoben werden, die aufgrund ihrer Rolle auch während der nationalsozialistischen Herrschaft in Deutschland und den eroberten Gebieten in Europa, die eben auch die deutschen Archivare mitgetragen haben, einmal eine genauere Untersuchung verdiente. Insbesondere sein bislang nicht erschlossener Nachlass im Staatsarchiv Stade ist dafür von großer Bedeutung; s. dazu RBDO, S. 70. 1091 Für OF 2c und 3 mit den Briefen vorwiegend Konrads von Jungingen ist Findbuch 65, XX. HA, GStA PK, zu nutzen. Ein erster Schritt zur Abhilfe dieser misslichen Lage wurde durch das 2008ff. an der Universität Hamburg angesiedelte DFG-Projekt »Erschließung und virtuelle Rekonstruktion der älteren Register der Kanzlei des Deutschen Ordens« (Leitung: Prof. Dr. Jürgen Sarnowsky ; Wissenschaftlicher Mitarbeiter : Sebastian Kubon) gemacht. In RBDO wurden die Ordensfolianten 2a und 2aa (vorwiegend Konrad Zöllner von Rotenstein, Konrad von Wallenrode) erschlossen, in RBDO II OF 8 und 9 (Michael Küchmeister). Ein paar Ergänzungen zum Projekt demnächst bei Kubon, Quellen. 1092 Natürlich ist jede Studie – auch diese – davon betroffen. 1093 Auge, Handlungsspielräume, S. 7; Vollrath, Ordnungsvorstellungen, S. 46.

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derne Vorstellung von Politik als rationalem Entscheidungsprozess mit strategischer Planung vorherrschend gewesen zu sein. Auch Vorstellungen von einer Art Kabinettspolitik nach Maßgabe absolutistischer und nachabsolutistischer Herrschaft dürften zuweilen interpretationsleitend gewesen sein. Es scheint jedoch, dass die mittelalterlichen Verhältnisse besser mit postmodernen Vorstellungen von Politik zu fassen sind, bei denen ad-hoc-Entscheidungen und ein kurzfristiges Auf-Sicht-Fahren durch spontan-taktische Beschlüsse in komplexen und kaum überschaubaren Situationen im Mittelpunkt stehen. Doch führt diese Frage hier zu weit und müsste zunächst einmal politikwissenschaftlich umfassend aufgearbeitet werden. Es zeigt sich hier aber auch ein Ansatzpunkt für eine theoretische Studie zur mittelalterlichen Politikauffassung in toto. Trotz aller dieser Erkenntnisse sind natürlich auch eine Reihe weiterer Fragestellungen aufgetaucht, die im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter verfolgt werden konnten. So wären weitere aktuelle Studien zur Außenpolitik der anderen Hochmeister des Deutschen Ordens wünschenswert, um zu prüfen, ob die Art des außenpolitischen Vorgehens Konrads die Regel im Orden war oder ob man hier eine Ausnahme erkennen muss. Darüber hinaus wären weitere theoretische Studien zur Außenpolitik im Mittelalter wünschenswert. Auf einige Desiderate wurde schon in der Einleitung hingewiesen, doch müssten davor wahrscheinlich zunächst weitere Fallstudien stehen, um eine breitere Basis zu haben. Daneben wäre angesichts des taktisch klugen Verhaltens von Vytautas eine aktuelle und quellengesättigte Studie zu seiner Außenpolitik wünschenswert. Es scheint nämlich, dass hier ein Beispiel für einen Akteur gefunden werden kann, der über eine übergreifende Handlungskonzeption in seiner auswärtigen Politik verfügte. Ein wesentlicher Aspekt, der jedoch gesondert untersucht werden müsste, betrifft die Frage nach den Litauenreisen unter Konrad von Jungingen. Zwar hatte die polnisch-litauische Union schon de iure für eine Christianisierung Litauens gesorgt; de facto scheint der Hochmeister aber immer noch Heiden wahrgenommen zu haben, die zu bekämpfen er zur Erfüllung der Stiftungsaufgabe des Ordens weiterhin angezeigt sah. Die Auffassung, die nicht zuletzt von Boockmann vertreten worden ist, der Orden habe die Christianisierung Litauens wider besseres Wissen ignoriert, um die Stiftungsaufgabe nicht zu verlieren und eine Rechtfertigung für Eroberungsfeldzüge zu haben (s. o.), muss angesichts der hier erzielten Ergebnisse infrage gestellt werden.1094 Trotz der umfangreichen Studien von Paravicini müssen die hinter den Litauenreisen stehenden Motive für jeden Hochmeister, für jede Zeit eigens geprüft werden. Der Schlüssel für eine adäquate Beantwortung der Frage dürfte in der detail-

1094 Vgl. in dieser Frage auch die ersten Hinweise bei Kubon, Vertrag.

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lierten Untersuchung der Wahrnehmung liegen, die der jeweilige Hochmeister von den Litauern und Samaiten hatte. Auch die Pfandverträge des Deutschen Ordens verdienten wieder eine verstärkte Beachtung. Insbesondere der praktische Umgang der Hochmeister mit ihnen müsste einmal vergleichend untersucht werden. Es ist der Aspekt der Ehre, der dann von besonderem Interesse im Zusammenhang mit den Pfandverträgen sein sollte. Konrad von Jungingen berief sich schließlich in der Gotlandfrage auf diese, als er eine Abtretung an die Königin von Dänemark gegen die Ansprüche des Pfandgebers Albrecht von Mecklenburg ablehnte, obgleich das aufgrund der vertraglichen Regelungen durchaus möglich gewesen wäre. Da von allen Parteien der Rekurs des Hochmeisters auf seine Ehre, die ihm nach eigener Aussage eine Herausgabe der Insel ohne Albrechts Zustimmung verbot, widerspruchslos akzeptiert wurde, kann diese Argumentation nicht als bloße Ausrede zum Zwecke des Machterhalts gesehen werden. Welche genauen Zusammenhänge zwischen den Pfandverträgen und der Ehre bestanden, müsste daher vergleichend diskutiert werden. Trotz dieser Fragestellungen, die an anderer Stelle eine vertiefte Behandlung verdienten, sollte die Hoffnung berechtigt sein, dass man nun nicht mit dem berühmten Brecht-Zitat Den Vorhang zu und alle Fragen offen schließen muss. Einige Fragen dürften durchaus eine Antwort erhalten haben. Das wesentliche Ergebnis dieser Arbeit spiegelt sich so denn auch vielmehr in einem Ausspruch, den Schiller Wallenstein gegen Ende seines Schauspiels in den Mund legt. Sind die folgenden Verse im Rahmen des Theaterstücks bzw. der realen historischen Situation des Dreißigjährigen Krieges natürlich bzgl. ihrer Angemessenheit ausgesprochen diskutabel, so lassen sie sich auf Konrad von Jungingen und seine Außenpolitik als Hochmeister des Deutschen Ordens und ihrer Interpretation durch die Nachwelt doch passgenau übertragen. Denn bei Konrad ist genau das geschehen, was Wallenstein fürchtet, wenn er ausruft: Jetzt werden sie, was planlos ist geschehn, Weitsehend, planvoll mir zusammenknüpfen; Schiller, Wallensteins Tod, I/4, 171–172.

Quellen- und Literaturverzeichnis

Ungedruckte Quellen Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin Ordensfolianten GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, OF 2c. GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, OF 3. GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, OF 67.

Ordensbriefarchiv GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, OBA 486. GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, OBA 534. GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, OBA 549. GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, OBA 550. GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, OBA 551. GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, OBA 561. GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, OBA 567. GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, OBA 577. GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, OBA 609. GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, OBA 610. GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, OBA 623. GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, OBA 633. GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, OBA 642. GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, OBA 643. GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, OBA 648. GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, OBA 649. GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, OBA 650. GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, OBA 669. GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, OBA 671. GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, OBA 678. GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, OBA 692.

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Quellen- und Literaturverzeichnis

GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, OBA 698. GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, OBA 707. GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, OBA 709 (bei OBA 707). GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, OBA 711 (nicht im Bestand vorhanden). GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, OBA 724. GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, OBA 728. GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, OBA 737. GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, OBA 744. GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, OBA 747. GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, OBA 751. GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, OBA 760 (nicht im Bestand vorhanden). GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, OBA 764. GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, OBA 767 (nicht im Bestand vorhanden). GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, OBA 773. GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, OBA 785. GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, OBA 787. GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, OBA 790a. GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, OBA 805. GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, OBA 812. GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, OBA 813. GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, OBA 823. GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, OBA 834. GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, OBA 841. GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, OBA 843. GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, OBA 844. GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, OBA 862. GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, OBA 863. GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, OBA 865. GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, OBA 875. GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, OBA 893. GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, OBA 894. GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, OBA 910. GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, OBA 922. GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, OBA 965. GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, OBA 970. GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, OBA 11053. GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, OBA 27847.

Pergamenturkunden GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, Pgt.Ukd. Schiebl. 43, Nr. 6. GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, Pgt.Ukd. Schiebl. 46, Nr. 50.

Gedruckte Quellen und Regesten

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GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, Pgt.Ukd. Schiebl. 53, Nr. 1b. GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, Pgt.Ukd. Schiebl. 53, Nr. 3. GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, Pgt.Ukd. Schiebl. 53, Nr. 20. GStA PK, XX. HA Historisches Staatsarchiv Königsberg, Pgt.Ukd. Schiebl. 57, Nr. 30.

Deutschordens-Zentralarchiv, Wien: Pergamenturkunden DOZA, 2702. DOZA, 2714. DOZA, 2746. DOZA, 2743. DOZA, 2751. DOZA, 2752. DOZA, 2775. Im Internet als Scan zugänglich unter : www.monasterium.net (letzter Zugriff 17. 12. 2015).

Archivum Pan´stwowe w Gdan´sku (Staatsarchiv Danzig) APG 300,D,37–39; Bestand »Hochmeister und andere Deutschordensgebietiger«.

Archivum Pan´stwowe w Toruniu (Staatsarchiv Thorn) APT, Kat I, 73.

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Register Vorbemerkung: Aufgenommen wurden ins Register Personen, Orte und ausgewählte wichtige Sacheinträge. Adjektive wurden unter die entsprechenden Substantive subsumiert ebenso wie zusammengesetzte Substantive dem entsprechenden Hauptbegriff untergeordnet wurden. Nicht aufgenommen werden konnten die Stichworte »Konrad von Jungingen«, »Preußen«, »Hochmeister« und »Deutscher Orden« mit ihren jeweiligen Synonymen, da diese Begriffe auf nahezu jeder Seite vorkommen.

Adel 134, 204, 258, 273, 327 Advokat des Ordens 135 Älterleute zu Brügge 301, 303 Ältermann zu Brügge 300 Albrecht Rat 309, 311 Albrecht von Duba 81 Albrecht von Mecklenburg 257f., 262, 266, 271–291, 293–299, 301f., 305, 307– 314, 320, 322, 328, 333 Albrecht von Österreich 204 Albrecht von Schwarzburg 270 Alexander (s. auch Vytautas) 56, 110 Altmark 197 Amtsträger 105, 134, 182f., 185, 187, 189, 211, 219, 222f., 240, 246, 326 Anhänger 132f., 270 Anna 130, 164 Apostaten 135f. Auksˇtaiten s. Litauen bajoren s. Bojaren Balduin Stal (s. auch Vogt der Neumark) 172, 210, 218, 222f., 226f., 230, 232–234, 246, 304, 327 Balga 153f., 178f. Barlinek 217 Bartholomäus de Novaria 135 Beberen 248 Bebirstein, Herr von 203 Berbenyk 233 Berlin 40f., 205 Berlinchen 217

Bevollmächtigte 76, 125, 150, 176, 216, 252, 254, 273, 307 Bewaffnete 283, 298f., 303 Bischöfe des Ordenslandes 264 Bischof von Dorpat 71, 76, 80 Bischof von Meißen 203, 220 Bober 111 Bobrowniki 248 Böhmen 71, 81, 198, 201 Bogislaw von Pommern-Stolp 200, 211 Bojaren 72, 95f., 117, 131 Bonifaz IX. 56, 152 Bote, Botschaft, Botschafter 78–81, 85, 91f., 125, 140, 148, 150, 178–180, 182, 271–273, 278, 281, 283, 286, 288, 293, 296, 298, 306, 308, 310f., 316 Brandenburg 183, 185f., 228 Brandenburg, Mark 195, 197, 225, 228f., 232, 237f., 245, 301, 326 Brattian 49 Breslau 81, 142 Brest 76, 236 Brügge 300f., 303 Bürgen 281f., 287, 299 Bürger 271 Bürgermeister 218, 269f., 288, 303, 307f. Burgund 135 Burzenland 88 Christian, Bischof, Deutschordenspriester 64 commendator electionis 50 Conrad von Gorczen 264–266, 319

360 Crakow s. Krakau Czapurna 184 Dänemark 36, 131, 257f., 260, 263, 267– 270, 277–279, 281, 284f., 288–290, 294f., 298f., 302–304, 306–310, 313– 318, 320–322, 328, 333 Dänen 286, 290 Dankjw 217 Danzig 42f., 54, 74, 265, 269–271, 282, 293, 300, 303, 307, 314, 316 Deutschmeister 67, 71, 80, 92, 99, 134 Diener 80f. Dietrich von Altenburg 21 Dietrich von Logendorf 138 Dirschau 307, 314 Dobirgost von der Ost 225, 231 Dobrin 14, 36, 38, 43, 82f., 90f., 146, 148, 154, 156f., 162f., 165–168, 170, 173, 190, 248–250, 256, 326f. Domherren von Gotland 283 Dorothea von Montau 18, 48 Dorpat 71, 76, 80 Drage 197, 222 Dramburg 197–201, 205, 207f., 245 Driesen 38, 214, 220–225, 228–244, 246, 326f. Dubissa 62, 67, 71, 73, 140, 148, 185 Dünaburg 90, 141 Eberhard von Wallenfels 119 Elbing 43, 72, 82, 92, 282, 293, 300, 303, 307, 314, 316 eldern 74 England 30, 32, 48, 257, 307, 322 Englandfahrer 30 Erich, König 285f., 305, 308, 316 Erzbischof von Köln 135 Erzbischof von Mainz 135 Erzbischof von Riga 74 Erzbischof von Trier 135 Europa 31f., 41, 44, 54, 331 Falköping 258 Fedirsko 91 Flensburg 306–311

Register

Flüchtlinge 152 Frankfurt 83 Frankfurt an der Oder 270 Frankreich 26, 32, 134f., 307 Freibeuter s. Vitalienbrüder Friedeberg 217 Friedrich von Wenden 207 Fritz von Groß-Rudna 212 Fürsten im Reich 134, 149 Gäste s. Kriegsgäste Garten 66f., 77, 84, 90, 92–94, 99f., 103, 109, 116, 118f., 121–123, 136, 153, 158 Gebietiger 23f., 27, 42, 46, 49f., 77, 82, 90, 92–94, 99, 133, 149, 153, 177, 194, 237, 266, 272f., 276, 278, 285, 299, 316f. Geiseln 72, 82, 87, 92, 98, 104, 107, 128– 130, 134, 140, 161f., 169, 178, 185, 188 Geldern 135, 245 Gemeinde 283, 313 Generalprokurator, Ordensprokurator, Prokurator 71, 73f., 152–154, 157 Georg von Smolensk 179 Georgswerder 141 Gesandter, Gesandtschaft 29f., 49, 55, 67, 69, 72, 74–76, 79, 81f., 85f., 88f., 92, 94, 102, 132, 151, 154f., 205, 213, 239, 270, 280f., 285f., 290, 300, 304, 306–310, 315, 317 Gnesen 88 Gotland 13f., 27, 33, 36, 38, 46f., 250, 257–322, 325, 327f., 333 Gotländer 284, 293, 295, 301 Gotteswerder 140 Grado 135 Gräfin von Holstein 307f. Graf von Holland 48 Graf von Kleve 48 Greifswald 287, 301 Großfürst, Großfürstentum 36, 55, 57, 62f., 96f., 107, 158, 176f., 183 Großfürstin s. Anna Großgebietiger s. Gebietiger Großkomtur 50, 92, 278 Groß-Nowgorod (s. auch Nowgorod) 86 Großpolen 167, 221

361

Register

Großschäffer 126f., 270, 280 Gunthersberg s. Heinrich von Gunthersberg Hamburg 45, 287, 291, 293, 295, 299, 301, 306, 317, 331 Hansestädte 257–259, 268, 281, 283, 287– 289, 291, 300, 303–305, 314 Hauptleute 129, 134, 176, 184, 235, 242f., 246, 299 Hauptmann der Neumark 204, 219 Hauptmann der preußischen Städte in Stockholm 271 Hauptmann von Brest 236 Hauptmann von Großpolen 221 Hauptmann von Krakau 230 Hauskomtur von Osterode 49 Hauskomtur von Ragnit 183, 185f. Hechingen 48 Hedwig 55, 90, 127 Heiden, Heidenkampf, Heidentum 36f., 54, 56f., 71, 86, 118, 136, 278, 332 Heidenfahrten s. Reise Heinrich Clocz 137, 140 Heinrich Damerow 307 Heinrich Dusemer 21 Heinrich Schwelborn 126, 130 Heinrich von Gunthersberg 216 Heinrich von Plauen 263 Helsingborg 316 Hermann van der Halle 271f., 320 Herr von Bebirstein s. Bebirstein, Herr von Herzöge von Masowien 327 Herzöge von Pommern 212, 286 Herzog von Burgund 135 Herzog von Geldern 135, 245 Herzog von Holland 48, 307 Herzog von Lothringen 129 Herzog von Österreich 135 Herzog von Pommern-Stettin 202, 211, 270 Herzog von Pommern-Stolp 200–202, 209, 211, 247, 285, 287 Herzog von Sachsen 135 Herzog von Schleswig 285–287 Hieronimus von Breslau 142

Hochczit de Bursis 221 Hochmeisterstatthalter 24, 50, 227, 317, 322 Hochzeit 38, 214, 220–223, 239, 246, 326f. Hohenfels 48 Holland 48, 307 Holstein 307f. Hugo von Labischin 206 Insterburg 131 Iwan, Hauptmann von Brest

236

Jacob Pfaffenstein 239 Janusz von Masowien 154, 251, 255f., 327 Johann Tiergart 270, 280, 285f. Johann v. d. Dolle 314 Johann v. d. Mersse 314 Johann von Görlitz 197, 203f., 219 Johann von Kittlitz 218, 220 Johann von Mecklenburg 258, 265–267, 273, 275, 281–283, 287, 310, 319f. Johann von Posilge 15, 44f., 49, 67, 70, 73, 76f., 89f., 94, 98, 108, 110, 114, 119, 125, 127–134, 136f., 139–141, 145f., 149f., 152, 154, 165, 176f., 182f., 185f., 194, 199, 229, 251, 264, 275 Johann von Wartenberg 201, 204, 207, 215f., 219, 224, 226 Johannes Rymann 92 Johanniter 225–228 Jost von Mähren 197f., 201–204, 207, 209, 212, 216, 225–227 Jungnau 48 Jura 62 Kämmerer 128 Kaiser, Kaisertum 31, 64, 197 Kalisch 54, 56, 107, 160, 163, 166, 168–170 Kalmar 285, 290, 293–295, 304f., 307, 315f. Kalmarer Union 260, 320, 322 Kanzler 281 Kapitel s. Ordenskapitel Kardinal von Bologna 135 Kardinal von Neapel 135 Kardinalskollegium 134f.

362 Karl IV., Kaiser 197 Kasimir, König von Polen 163 Kastellan von Sandomir 236 Kauen 127, 136, 145f., 159, 164, 174–176, 181, 184 Kaufleute 30, 111, 159, 168, 280 Kaufmann 264, 269f., 274, 278–280, 283, 287, 292, 300, 302, 304 Killertal 48 Kirche s. Römische Kirche Kleinpolen 55 Kleve 48 Knappen 304, 308 Knechte 186 Koblenz 134 Köln 135 König, römisch-deutsche s. römischdeutsche König König von England 30, 307 König von Frankreich 134f., 307 König von Polen (s. auch Władysław-Jagiełło) 30, 47, 55, 69f., 72, 81f., 84f., 90f., 96, 101, 103f., 109, 121–123, 136, 139, 141–143, 145, 148, 150, 152–158, 160–164, 166–170, 173, 176, 180f., 190f., 204, 206–208, 210–212, 214f., 221–223, 225f., 229, 231–243, 245–247, 250, 268 König von Ungarn (s. auch Sigismund) 84, 87–90, 204, 208f., 214–217, 219, 224–226, 234f., 238, 245 Königin von Dänemark (s. auch Margarete) 258, 268, 270f., 277–282, 284f., 288–291, 294f., 301–317, 320, 333 Königsberg 41, 65, 127, 194, 236, 263, 269, 303 Königsburg/Königsberg 184 Kolberg 301 Komture 129, 183 Komture im Reich 149 Komtur von Balga 153f., 178f. Komtur von Brandenburg 183, 185f. Komtur von Danzig 74, 270 Komtur von Dünaburg 90 Komtur von Elbing 72, 82, 92 Komtur von Koblenz 134

Register

Komtur von Mewe 154, 306f. Komtur von Osterode 92, 100 Komtur von Ragnit 77f., 92–94, 129, 182f. Komtur von Rehden 69, 88, 99 Komtur von Rhein 77 Komtur von Schlochau 241 Komtur von Thorn 207, 255 Konrad von Oels 235 Konrad von Wallenrode 18f., 24, 49, 197, 317, 331 Konrad Zöllner von Rotenstein 24, 197, 317, 331 Kontor in Brügge 300 Konvent 50 Krakau 230 Krewo 55 Kriegsgäste 48, 54, 91, 129, 141, 182, 189 Küstrin 38, 198, 214–221, 224, 246f., 326f. Kujawien 144, 248 Kulm 186, 300 Kulmerland 163 Kumpan 48 Kurfürsten 69, 72, 79, 81–83, 85, 89, 92, 102f. Kurmark 225 Kynstute 64f. Landesritter s. Ritter Landkomtur von Böhmen 71, 81 Landkomtur von Elsass 134, 297 Landkomtur von Österreich 85f., 88, 134, 149 Landrichter von Thorn 85 Liegnitz 141f., 235 Lindholm 258, 267, 291 Lippehne 229, 241 Litauen, Oberlitauen, Kernlitauen, Auksˇtaiten 17, 20, 33, 36f., 45, 53–58, 61–67, 75–77, 79f., 83f., 87, 89, 92, 95f., 102, 107f., 110f., 116–124, 131f., 136– 141, 143, 145–148, 152f., 157–162, 174, 176, 186, 188–191, 193, 205, 209, 250, 263, 307, 326, 332 Litauenreise s. Reise

Register

Litauer, der, i. e. Vytautas 71, 83f., 93, 100f., 103f., 110, 112, 115, 117–119, 121–123, 125, 128–130, 132, 136f., 140f., 149f., 153, 156, 162, 175, 177–179, 183–185, 189, 191 Litauer, die 37, 56f., 63, 71, 131, 141, 143f., 176, 333 Livland 59, 62, 80, 86, 93, 95, 110f., 114f., 128, 138, 159, 179, 188, 258, 260, 325 Livländer 86 livländische Ordenszweig 64, 87, 90, 93, 106, 113, 122, 138, 170, 179, 181f. Lothringen 129 loufer 297 Luczk 76 Ludolf König 21 Ludwig der Bayer 64 Ludwig, Markgraf von Brandenburg 237f. Lübeck 268, 282, 287–289, 291–293, 295, 301, 304, 306f., 317 Lübecker 283, 291 Luther von Braunschweig 21 Luxemburger 197, 209, 211 Lyck 65 Mähren 197f., 201f., 206, 209, 212, 216, 225 Mainz 135 Manewide 154f., 175f., 184 Mannen 218, 225f., 235, 239 Margarete (s. auch Königin von Dänemark) 47, 131, 258, 262, 264, 267, 270, 277–289, 291f., 294–299, 301f., 304f., 307f., 310, 312–317, 322 Marienburg 141, 198, 253, 264, 268–270, 274, 282, 293, 300, 306 Mark Brandenburg s. Brandenburg, Mark Markgrafen von Brandenburg (s. auch Waldemar, Markgraf von Brandenburg; Ludwig, Markgraf von Brandenburg) 232, 235, 237–239 Markgrafen von Meißen 149 Markward von Salzbach 93, 127, 129, 139 Masowien 14, 110, 144, 154f., 159, 248f., 251–256, 263, 327

363 Mathias von Labischin 206 Mecklenburg, Mecklenburger 258f., 265–267, 273, 275, 281, 283, 286, 290, 293, 299, 309f., 313, 319f., 328, 333 mecklenburgische Adelige 258 mecklenburgische Verwandtschaft 258 Meißen 149, 203f., 216, 220 Meister von Livland 69, 87, 90, 93f., 98, 103, 106f., 113, 124f., 131, 148, 172, 179–182, 185, 188, 190, 277, 326 Memel 62, 140 Mereczanka 62 Mewe 154, 307 Michael Küchmeister 126f., 174, 182, 185, 331 Michelau 163 Mindowe 63f., 72 Minge 62 Mitteleuropa 32 Mittelmark 197 Mittelwesteuropa 55 Mönche 131 Mongolen 119 Montau 18, 48 Morin 163 Mosczicz von Stanschow 206, 212 Moskau 93, 182 Münzmeister 255 Nawese 131, 164 Nessau 163 Netze 224, 228, 231–233 Neumark 13f., 33, 36, 38, 46, 156, 163, 167, 172f., 183, 185, 193–250, 259f., 275, 304, 313, 325–327, 329 Nickel Temeritz 79–81 Nicolaus von Dirschau 307 Nicolaus von Rechenberg 207 Niederlitauen s. Samaiten nordischen Reiche 258 Nowgorod 86f., 93, 96f., 106, 110–113, 120–123, 159, 179, 181f., 190, 326 Oberste Marschall 68f., 76, 94, 126f., 129, 131, 136, 141, 148f., 176–178, 181–185 Oder 197, 270

364 Öffentlichkeit 47, 73, 102, 120, 135, 142– 144, 171, 189, 294, 321 Oels 235 Öresund 316 Österreich 85f., 88, 134f., 149, 204 Olav 290 Olgerd 64 Oppeln 249 Opposition, litauische 138f., 144, 189 Ordensamtsträger s. Amtsträger Ordensbruder, Ordensbrüder 23, 49, 51, 133f., 137, 290 Ordenskapitel 23, 185 Ordensleute 134 Orlau 163 Ost, Familie von der (s. auch Dobirgost von der Ost und Ulrich von der Ost) 225, 237 Osten 54, 84, 89, 93, 103, 113, 119, 122f., 125, 128, 131, 133, 156, 170, 179, 182, 192 Osterode 49, 92, 100 Osteuropa 63 Ostsee 38, 55, 257, 259, 268, 291, 318, 323 Ostseeraum 14, 33, 261, 329 Otto von Kittlitz 218–221 Papst 44, 56, 74, 79, 135, 152 Patriarch von Grado 135 Paul Pole 119 Paul Quentin 270, 304, 320 Peter 89 Petrasch 177 Petrus 82 Pleskau 86, 88, 91, 96–98, 106, 110–113, 120–123, 125, 137f., 159, 170, 179–182, 190, 326 Płon´sk 36, 38, 248f., 251–255, 327 Plunczk s. Płon´sk Polen 14, 20, 33, 36f., 41, 47, 53–58, 66, 69–72, 76, 79, 81f., 84f., 90f., 96, 101, 103f., 108f., 121–123, 127, 131, 136, 139, 141–148, 150–158, 160–164, 166–170, 173f., 176, 180f., 190f., 193, 195, 204, 206–212, 214f., 221–223, 225–247, 249f., 263, 268, 307, 326, 332

Register

Polen-Litauen, polnisch-litauische Union 20, 36f., 53–58, 79, 108f., 123, 136, 143, 152f., 147, 193, 332 Pommerellen 14, 54, 163, 193, 248 Pommern 212, 286 Pommern-Stettin 202, 211, 270 Pommern-Stolp 200–202, 209, 211, 247, 285, 287 preceptor 50 Preußenfahrer 200 Preußenreise s. Reise Priester 64, 131 Prokop von Mähren 197, 206, 212 Propst 283 Prussen 63, 110, 148 Racianz/Racia˛z˙ek 36, 43, 53, 58, 61, 111, 123f., 126f., 144–148, 151, 155, 158– 162, 164–170, 172–176, 179–181, 186– 190, 231, 250, 325f. Racia˛z˙ 144 Racia˛z˙ek s. Racianz Radom 131 Ragnit 77f., 92–94, 129, 141, 182f., 185f. Ratsherr 307–309 Razianz s. Racianz Rehden 69, 88, 99 Reich s. römisch-deutsche Reich Reichsrat 306 Reichstag 89 Reise 33, 37, 48, 54, 56–58, 62, 68, 70f., 75, 79, 89f., 105, 125–129, 131f., 136, 139, 141, 143, 152, 154, 157, 171, 177, 180, 182f., 185, 190, 245, 332 relapsii 36 Rhein 77 Riesenburg 44 Riga 74 Ritter 45, 48, 104, 138, 168, 178, 186, 198, 218f., 228, 238, 264, 281f., 287, 299, 304, 308 Ritterswerder 127, 145f., 159, 164, 166, 174, 176, 181 römisch-deutsche König (s. auch Ruprecht und Wenzel) 30, 56, 68, 70, 74–76, 79–

Register

82, 84, 92, 102f., 105, 129, 149f., 162, 208, 219f., 297 römisch-deutsche Reich 28, 30, 32, 34, 71, 74, 80, 85, 90, 96, 104, 110, 117f., 134f., 149, 164, 194f., 245, 249, 309, 325 Römische Kirche 71, 74, 96, 104, 110, 117f., 142, 164 Rom 71, 152 Rostock 258, 281, 283, 286f., 295f., 299, 301, 308 Rudolf von Kyburg 88 Ruprecht, römisch-deutscher König 149f., 297 Ruprecht von Liegnitz 141f., 235 Russland 54f., 63, 86f., 95, 110, 116f., 119, 125, 136, 140, 148, 160f., 179–182, 191, 260, 263 Russlandreise s. Reise Sachsen 135 Sachwalter 50, 277f. Sallinwerder 13, 36, 58f., 61, 66–68, 71, 73, 76, 84–86, 94f., 97f., 100f., 104–109, 112–118, 120, 122–125, 128, 132, 134, 136–139, 141–144, 146–148, 156–160, 163, 166–172, 179–181, 187–190, 271, 325f. Samaiten, Niederlitauen 13, 33, 36–38, 46, 53, 55, 57–68, 70–81, 83–85, 87–89, 91f., 94f., 97, 99–101, 103–111, 113– 118, 120–137, 139–144, 146–151, 153– 162, 165–167, 169–192, 259f., 307, 325f., 329, 333 Samuel, Landrichter von Thorn 85, 88 Sandomir 236 Sandziwog 163, 167 Sandziwog von Meseritz 232 Sandziwog von Szubin 206 schalauische Grenze 186 Scheschuwa 62 Schivelbein 197, 199–201 Schleswig 285–287 Schlochau 241 Schonen 284–286, 291 Schreiber 82, 89, 152–155, 177

365 Schwaaner Vertrag 257, 267, 272, 275, 281f., 286f., 299, 301f., 322 Schwarze Meer 55, 63 Schweden 258, 260, 271, 285 Seeräuber s. Vitalienbrüder Selonien 116, 121, 326 Sendbote 265f., 268, 283–285, 289–291, 295, 297, 304–306, 317 Siebenbürgen 198 Siemowit von Masowien 95, 110, 159, 251–255, 327 Sigismund, der Bruder des Großfürsten von Litauen 96, 98, 133 Sigismund (s. auch König von Ungarn) 84f., 88f., 102, 193–209, 212f., 216, 218– 223, 225–230, 234–240, 243, 245–247, 326f., 329 Sigmaringen 48 Skandinavien 43, 257 Skanör 305 Slotterie 36, 38, 148, 162, 165, 167, 170, 173, 190, 248–250, 256, 326f. Smolensk 156, 179 Stände 27, 198, 205 Stare Osieczno 221 Starosten 235, 246 Sternberg 225 Stettin 202, 211, 270, 301 Stibor von Stiboricz 198, 202, 205–207, 209, 215f., 218, 224f. Stockholm 258, 271 Stolp 200–202, 209, 211, 247, 285, 287 Stralsund 287f., 293, 295, 301, 303, 306, 317 Strasburg 237 Strebe 62 Strzelce Krajen´skie 217 Sudauen 116, 121, 326 Süden 54 Sungail 176, 184 Sven Sture 258f. Sˇvitrigaila 91, 99, 137–140, 143, 150, 154, 160 Swantibor von Pommern-Stettin 202 Swydwer 222 Szeszuppe 111

366 Tankow 38, 214f., 217–222, 239, 246, 281, 320, 326f. Tannenberg 18–20, 54, 59, 146f., 329f. Tataren 84, 90, 98, 119–123, 127 Thomas Surville 78, 89, 92 Thomiko Podczessze 230, 233 Thorn 42, 85, 107, 145f., 162f., 170, 174, 180f., 207, 231f., 235, 255, 257, 282, 293, 300, 303, 307, 309, 314–316, 319, 321 Thorner Annalen 15, 44f., 49f., 67, 89f., 110, 114, 125, 128, 133f., 137, 139–141, 146, 150, 165, 176f., 183, 185, 194, 251, 263f., 269 Thukydides 35 Tidemann Huxer 307 Tilsit 185 Tressler 48f., 306, 322 Tresslerbuch 42, 126, 155, 186, 251 Trier 135 Türken 119

Überläufer 153, 167 Ulrich von der Ost 228f., 231–235, 237– 244 Ulrich von Jungingen 16, 18f., 21, 48f., 147, 153, 187, 223, 228, 242, 258, 308, 318, 322, 330 Ungarn 84, 87–90, 163, 197, 204, 208f., 214–217, 219, 224–226, 234f., 238, 245 Union, polnisch-litauische s. polnisch-litauische Union Union von Wilna und Radom 131 Unionskönigtum 259 Unterhändler, Unterhändlervertrag, Unterhändlerurkunde, Unterhändlergespräche 95, 97, 102, 144, 160f., 163, 165–169, 230, 237, 241f., 317 Unterkumpan 48 Untertanen 55, 63, 74, 77, 137, 142, 160f., 197, 211, 221–223, 239, 244, 257, 270, 301, 303, 314f. Vitalienbrüder, Freibeuter, Seeräuber 258–261, 264–266, 268–270, 274f., 277, 279f., 287f., 290, 293, 296, 300, 319–322, 328

Register

Vögte auf Beberen/Bobrowniki 248 Vögte der Neumark 246 Vogt der Neumark (s. auch Balduin Stal) 172, 183, 185, 210, 218, 221f., 226f., 230, 232–235, 240f., 243, 246f., 304, 327 Vogt von Brattian 49 Vogt von Gotland 296, 306 Vogt von Roggenhausen 307, 309f. Vogt von Samaiten 126–128, 130, 174f., 178, 184–187, 189 voith 124 Vorfahren 72, 74, 235, 238 voyte des Königs von Ungarn 219 Vytautas, Witold, Witowt (s. auch Litauer, der, i. e. Vytautas sowie Wigand und Alexander) 36f., 47, 55–59, 63–125, 127–137, 139–145, 147–162, 164, 166f., 169, 171–173, 175–192, 235–237, 240, 268, 277, 326, 332 Wachleute 186 Wadstena 304 Wahlkomtur 49–51 Wahlkonvent 50 Wahlleiter 50 Waldemar, Markgraf von Brandenburg 235, 237f. Walther Rumely von Hoenfels 88 Warschau 43 Warthe 224 Watland 86–88, 91, 93, 98, 106, 115, 188 Wedel, Familie von 200, 222 wendisch 304f., 308, 314 Wenzel (s. auch römisch-deutsche König) 56, 68, 70, 80–82, 89, 102f., 105, 197f., 201, 208, 212, 220 Werner von Orseln 21f. Werner von Tettingen 148, 317, 322 Wese s. Wizna Westen 38, 84, 116, 119, 122, 128, 143f., 156, 171, 192–194, 200, 245, 326 Westeuropa 32, 54 Wien 42, 196 Wierzbie˛ta von Smogulec 218 Wigand 56, 65 Wigand von Marburg 15, 45, 49

Register

Wildnis 74f., 105, 117, 145, 159 Wilhelm von Geldern 245 Wilhelm von Helfenstein 50, 317 Wilhelm von Meißen 203f., 216 Wilijabecken 62 Wilna 131, 139, 154 Wilnaer Bürger 139 Winrich von Kniprode 20–23 Wirsebrand s. Wierzbie˛ta von Smogulec Wisby 258, 262, 265–267, 269f., 273, 275– 278, 281, 283, 291f., 296–299, 304–306, 308–311, 313–316, 318 Wismar 258, 275, 281, 283, 286f., 295f., 299, 301, 307 Witold, Witowt etc. s. Vytautas Wizna 14, 36, 38, 95, 110, 159, 248f., 251– 255, 327

367 Władysław-Jagiełło (s. auch König von Polen) 36, 55f., 59, 64f., 76, 85, 95, 101, 123, 131, 137, 139, 141–144, 152– 154, 158f., 162f., 168f., 191, 231, 241 Władysław von Oppeln 249 Woiwode von Siebenbürgen 198 Wolf von Zolnhart 49 Worczlant s. Burzenland Worskla 53, 119, 122, 127, 131 Wulf Wulflam 288, 302f. Zandekke s. Zantoch Zantoch 38, 198, 214f., 219–227, 231, 239, 243, 246, 326f. Zawkrze 14, 36, 38, 248, 251f., 254f., 327 Zimmerleute 186 Zinshaftige 96, 111, 132, 159f.